r; ' ttÄ :ir7!-; ,r...^t ^,0(5 ^ i t FOR THE PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY Sitzungsberich te der 5 . C) ^ mathematisch-physikalischen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München Jahrgang 1923 München 1923 Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Kommission des G. Franz’schen Verlags (J. Roth) 7^ Akademische Bucbdruckerei F. Straub in München \ III Inhaltsübersicht. I. Sitzungsberichte. Seite 13. Jan.: Fin sterwalder , Frank, Lindemann . . . 1* 3. Febr.; Burmester, Liebmann, Lindemann, Tietze . 2* 3. März: Föppl . . . . . 3* 5. Mai: v. Groth, Döderlein, Liebmann und Kommerell 5* 2. Juni: Martin, Willstätter 8* 7. Juli: Hertwig, Faber, Lindemann, Voss ... 9* 3. Nov.: Zenneck, Wien 10* 1. Dez.: Stromer, v. Gruber ... . . . 12* II. Abhandlungen. L. Döderlein, Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier . 117 G. Faber, Beweis, daß unter allen homogenen Membranen von gleicher Fläche und gleicher Spannung die kreisförmige den tiefsten Grundton gibt ...... 169 A. Föppl, Der Schubmesser. Ein neues Feinmeßgerät für Festig- keitsversuche 109 0. Frank, Die Leitung des Schalles im Ohr .... 11 R. Hertwig, Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen auf das Geschlecht von Lymantria dispar 215 H. Liebmann, Beiträge zur Inversionsgeometrie der Kurven 79 H. Liebmann und K. Kommerell, Über Biegungsflächen . 165 F. Lindemann, Die nichteuklidischen Minimalflächen . 1 F. Lin de mann. Über konforme Abbildung von Kegelschnitt- polygonen F. Lindemann, Die Flächen mit gegebener Form des Linien- elementes E. Stromer, Ergebnisse der Bearbeitung mitteltertiärer Wirbel- tier-Reste aus Deutsch-Südwest- Afrika ..... 253 A. Voss, Über die isotherme Teilung ...... 173 A. Voss, Zur Theorie der Raumkurven ...... 183 • t HI r' <■• . ’ * *► tv 1 1 j , ^ . *1 ' ■■ Hl,, ■ *1' 1» , 1 'Ttjl' 4|i:‘ *** ii^- ' 3 K^:> *|J m /fil ,»•»<'■> tu 1 •• *^Äi' * ^‘4 ^^rf, fvia . 'V ji; .L? •■■■•.. • -.- *'J 1^ M‘i ,*•»<'»•" i-J f'*'*» i< .'I tt.i' Jii ^tMM»«Lj •’ ' M .‘•■^ , . 'i- i ^r- *■'* *' ' ' . ;_i,' '•‘* . . '. T *>■1 ,4^ ':?v ^ tjii^ iiitiiMitjmJW ti' 't.>;l.« V*“ f " itk risfj' (f-a> (>• . '^'■— ^■1 • ' ^ ' *' '• SW- i -* \iüi «KU I * I * ii1 ilTi(tt^li^«Hrt T «'‘nVi^ W vfl» v’W (y ‘ ^ '^/» ‘ I^e' lÖfe i ''f •' •5t>rfilL^ " ■ = ‘ ', . ^ £jt i' - - ■ ■ ,1**1”''* **?® '*'] .* '-, j f' MH/ . 4-*,'^'“'*''' "nn'””»! 'f 'ij ‘^■•' '** ” * '*■ ^ I, -I* • «t T, ’■'.- (' . ._ i* j ■'' ' f'ip« i tj. '. '(r'*»! • • Iv ■Vif ,- •.'*:" ■^*,5' ^ ‘ i» '. ti- " ^'" >-|.{iiinff i*'f »iiv T|^- ••i.. >^f’ jX * , . it. ■! ’U .1 ! r * ■' I ■'■ -.il ' •i%i*» •*, t ■ K'lt/t*»''!;' tiT^IV. ' «fl n« 'i l* Sitzungsberichte der mathematisch-physikalischen Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1923. Sitzung am 13. Januar. 1. Herr S. Finsterwalder spricht Über automorphe Anordnungen gleich grober, sich berührender Kreise. Für die Ebene, die Kugel und die nichteuklidische Ebene werden solche Kreisanordnungen aufgestellt und ihre Abhängig- keit von einem Parameter untersucht. Die sphärischen und nichteuklidischen Anordnungen werden durch stereographische bzw. Riemannsche Abbildung in die Ebene dargestellt. Die dabei entstehenden Figuren umfassen neben allbekannten orna- mentalen Mustern eine unerschöpfliche Fülle von neuen, sehr reizvollen, von welchen ausgezeichnete Beispiele gegeben werden. 2. Herr 0. Frank trägt vor über; Die Leitung des Schalles im Ohr. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 3. Herr F. Lindemann legt für die Sitzungsberichte vor eine Abhandlung; Die nichteuklidischen Minimalflächen.. Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg. 1 923, a o* Sitzung am 3. Februar. 1. Herr L. Buemester spricht über eine photogrammetrische Lösung der Aufgabe: Die Abstände der Rennpferde von dem nahen Ziel aus einer Momentphotographie zu ermitteln. 2. Herr S. Finstervvaldeb legt vor eine Abhandlung von Herrn H. Liebmann in Heidelberg: Beiträge zur Inversionsgeometrie der Kurven. Die Gruppe der Kreisverwandtschaften in der Ebene und die konformen Gruppen der Räume dritter und höherer Dimen- sion geben Aniah zu einer Invariantentheorie, die ein Gegen- stück zur Affingeometrie ist. Es werden die Invarianten für Kurven behandelt, wobei auch wichtige Beziehungen für Schmiegungskugeln auftreten. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 3. Herr F. Lindemann spricht Über konforme Abbildung von Kegelschnittpolygonen. Es wird gezeigt, dah die von anderer Seite gegen die vom Verfasser aufgesteUte allgemeine Theorie dieser Abbildungs- aufgaben erhobenen Einwände nicht stichhaltig sind, ferner wie man aus den allgemeinen Formeln die ScHWABz’schen Resul- tate für Kreisbogenpolygone wieder findet. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 4. Herr von Dyck legt vor eine Abhandlung: Über die Gauß-Green-Stokes’schen Integralsätze von Herrn H. Tietze in Erlangen. Es handelt sich um Kurvenintegrale, wo die in ihnen auftretenden Funktionen (Vektorkomponenten) nicht Ortsfunk- tionen, sondern von der Kurve selbst abhängig sind. Ist L die Randlinie Xi = Xi{t) {i = 1, 2) eines ebenen Bereiches S Sitzung am 3. März. 3* (vom Inhalt ^/S), so mögen die X, (<) längs L mittelst 8 Funktionen durch die Differentialgleichungen (1) dXj dt c\a {pc^ (0, (D) Xfc d^^ dt und die Anfangswerte X, (^o) = im Punkt [t = t^ be- stimmt werden. Entsprechend (1) werde symbolisch — '^CicaXk gesetzt. Für hinlänglich wenig ausgedehntes S * (£) unterscheidet sich J (Xj (t) {t) — Xg (D x\ (0) d t (versehen mit dem Umlaufssinn entsprechenden Vorzeichen) nur um eine Größe höherer (dritter) Ordnung von A S- j Wegen genauer Fassung und Voraussetzungen, wegen allge- meiner bestimmter X, (#), wegen zweidimensionaler Bereiche im R„ sei auf die an anderer Stelle erscheinende Arbeit ver- wiesen, wegen Anwendung auf die Herleitung des Riemann- Christoffel’schen Tensors auf einen Aufsatz „über die Parallel- verschiebung in Riemann’schen Räumen“ (Math. Zeitschr.). Sitzung am 3. März. Herr Föppl legt eine Abhandlung vor: Der Schubmesser, ein neues Feinmeßgerät für Festig- keitsversuche. Das Instrument wurde in der Werkstätte des mechanisch- technischen Laboratoriums der Technischen Hochschule gebaut. Es ist dazu bestimmt, die kleine Änderung zu messen, die ein ursprünglich rechter Winkel bei der durch eine Belastung her- vorgerufenen elastischen Formänderung eines Körpers erfährt. Die Hauptbestandteile sind zwei Stängelchen von unge- fähr 10 cm Länge, von denen das eine einen kurzen Querarm Sitzunor am 3. März. 4=^ hat, an dem sich die zur Lagerung an dem Probekörper be- stimmten Spitzen befinden. Das andere Stängelchen trägt eben- falls zwei Spitzen, deren Verbindungslinie in die Längsrichtung des Stängelchens fällt. Die vier Spitzen bilden ein Quadrat miteinander, dessen Diagonalen 1 cm lang sind. Beide Stängel- chen sind um den Mittelpunkt dieses Quadrats drehbar gegen- einander gelagert. Das Instrument wird mit einem Bügel, der je nach Bedarf ausgewecbselt werden kann, an dem Probe- körper festgeklemmt. Zu Anfang eines Versuches gehen beide Stängelchen un- gefähr in der gleichen Richtung; während des Versuches drehen sie sich aber gegeneinander um den kleinen Winkel, der ge- messen werden soll. Zur Winkelmessung dienen kleine Spiegel, die an den Enden beider Stängelchen ähnlich wie beim Dre- hungsmesser von Martens stelzenförmig gegen die Stangen- enden gelagert sind. Die Einrichtung ist so getroffen, dafi sich beide Spiegel im entgegengesetzten Sinne drehen, womit der Fehler ausgeschaltet wird, der sonst wegen Drehungen des ganzen Instruments oder des Probekörpers, an dem es be- festigt ist, zu erwarten wäre. Die Hauptanwendung des Instruments besteht vorläufig darin, die Winkeländerungen und hiermit die Schubspannungen zu messen, die in einem auf Verdrehen beanspruchten Stabe von größerem Querschnitt an verschiedenen Stellen des Quer- schnitts hervorgerufen werden. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) Sitzung am 5. Mai. 1. Herr P. v. Groth berichtet über seine Studien zur Geschichte der Kristallkunde. Der erste Versuch der Erklärung der Mannigfaltigkeit der an einer Kristallart beob- achteten Formen und deren Zurückführung auf eine einfache Grundform ist in einer Abhandlung des schwedischen Chemikers Bergman vom Jahre 1773 enthalten. Die gleichen Ansichten adoptierte 1782 der französische Forscher Abbe Haury und arbeitete sie zu einer „Theorie der Kristallstruktur“ aus, welche als besonderes Werk 1783 erschien und seitdem allgemein als die wissenschaftliche Kristallographie begründend angesehen wird. Dieselbe enthält aber, wie durch Modelle in dem Vor- trage erläutert wurde, so zahlreiche Irrtümer und zum Teil Haury selbst nicht entgangene Widersprüche, daß er in der Folge in zahlreichen Veröffentlichungen gezwungen war, sie durch weitere Annahmen zu stützen, welche jedoch völlig will- kürliche sind und jeder Beweiskraft entbehren. Ebenso will- kürlich und später als unrichtig nachgewiesen ist auch seine Hypothese, daß nicht nur die Zahlen, durch welche die mannig- fachen Formen einer Kristallart auf die Grundform zurück- geführt werden können, in einfachem rationalen Verhältnis stehen, sondern auch diejenigen, welche die Grundform selbst bestimmen. Die letzteren sind vielmehr, wie die 1823 erfolgte Entdeckung der Veränderlichkeit der Kristall winkel mit der Temperatur durch Mitscherlich gezeigt hat, Größen, deren Verhältnisse sich im allgemeinen bei der Änderung des Wärme- inhalts des Kristalls stetig um unendlich kleine Beträge ändern. Die bisher allgemeine Annahme, daß Haury der Entdecker des sogenannten Rationalitätsgesetzes, d. i. des Grundgesetzes der geometrischen Kristallographie, sei, beruht daher auf einem Irrtum; dieses Gesetz ist vielmehr erst im Anfänge des 19. Jahr- Sitzungsb. d. math.-pbys. Kl. Jiilirg. 1923. b 6* Sitzung am 5. Mai. hunderts durch deutsche Forschung, besonders durch diejenige des Berliner Mineralogen AVeiß und seiner Schüler, in rich- tiger Form festgestellt worden. 2. Herr L. Dödeelein berichtet Uber eine neue Form von Flugsauriern aus dem oberen Jura von Eichstädt in Mittelfranken, der er den Namen Anurognathus Ammoni gibt. Die auf einer Platte von lithographischem Schiefer liegenden Reste geben die Möglichkeit, das Skelett des merkwürdigen Tieres fast voll- ständig zu rekonstruieren. Es hat etwa die Größe einer Amsel. Obwohl der Schwanz dieses Flugsauriers fast ganz verkümmert ist und nur noch aus einem kurzen Stummel besteht, gehört er merkwürdigerweise gerade zur Gruppe der Rhamphorhyn- choidea, deren sämtliche bisher bekannten A^ertreter im Besitz eines sehr langen Schwanzes sind. Und gerade die Merkmale sind bei der neuen Form besonders auffallend ausgebildet, durch die sich die Rhamphorhynchoidea gegenüber den Pterodacty- loidea auszeichnen, zu welcher Gruppe die sämtlichen bisher bekannten schwanzlosen Flugsaurier gehören. So besitzt Anu- rognathus den kürzesten Metakarpus und die längste fünfte Hinterzehe unter allen Flugsauriern. Sehr eigentümlich ist auch bei ihm die kurze Schnauze, die dem riesigen Kopf etwas Katzenartiges gibt. Obwohl die äußeren Teile der Flugfinger nicht erhalten sind, ließ sich doch mit einiger AVahrscheinlich- keit die Länge der Flügel berechnen, und es ergab sich, daß die neue Form an relativer Flügellänge nicht nur von keinem anderen Flugsaurier übertroffen wird, sondern den mit den längsten Flügeln ausgestatteten Vögeln, wie den Seeschwalben und Nachtschwalben, darin etwa gleichkommt. Dazu kommt noch, daß seine Hinterfüße, deren Zehen durch eine Art von Schwimmhaut verbunden waren, wahrscheinlich als Steuer dienten, das sowohl als Vertikal- wie als Horizontalsteuer äußerst wirksam gewesen sein muß; ein langer Schwanz wäre dabei nur hinderlich gewesen. Anurognathus muß ein Flug- Sitzung am 5. Mai. 7* künstler ersten Ranges gewesen sein, und was die Leistungs- fähigkeit seiner Flug- und Steuerorgane betrifft, dürfte er seinesgleichen kaum finden unter den bisher bekannten Wirbel- tieren. Interessant ist, daß das Fossil auch noch die deutlichen Spuren von Weichteilen erkennen läßt, besonders von der Flug- haut und von einem hahnenkammartigen Aufsatze auf dem Kojife. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 3. Das korresp. Mitglied Herr v. Brill in Tübingen über- sendet eine Abhandlung der Herren Liermann und Kommerell „Zur Abhandlung des Herrn F. Lindemann über Biegungs- flächen“ für die Sitzungsberichte. 8* Sitzung am 2. Juni. 1. Herr R. Maktin macht Mitteilung über einige Ergeb- nisse einer somato metrischen Untersuchung an Münchner Volksschulkindern, die in den Jahren 1921 und 1922 durchgeführt wurde. Er behandelt Körpergröße und Körpergewicht und zeigt durch Vergleiche mit den Menschen der Vorkriegszeit und mit solchen amerikanischer Kinder, wie sehr der allgemeine Körperzustand unserer Münchner Kinder zurückgegangen ist. (Erscheint anderwärts.) 2. Herr R. Willstätter trägt eine in Gemeinschaft mit F. Seitz ausgeführte Untersuchung Uber die Hydrierung des Naphthalins vor, die namentlich den Einfluß des Sauer- stoffs auf die Übertragung von Wasserstoff“ behandelt. Bei der katalytischen Reduktion mit Platin vermag der Sauerstoff außer auf die Reaktionsgeschwindigkeit auch auf den Reaktionsweg einen bestimmenden Einfluß auszuüben. Beim Fehlen von Sauerstoff läßt sich mit Hilfe der Platinmetalle kein Wasser- stoff übertragen. Bei niedrigen Sauerstoffgeh alten greift die Hydrierung beide Kerne des Naphthalins zugleich an und führt ohne faßbare Zwischenglieder zum Dekahydronaphthalin ; bei höheren Sauerstoffgehalten, sei es im Platinmohr oder im Wasserstoffgase, wird das Naphthalin in einem einzigen Kerne, also unter Bildung der Tetrahydroverbindung, reduziert. Aus diesen Beobachtungen ergeben sich Folgerungen für die Kon- stitution des Kohlenwasserstoffs und seiner Additionsprodukte sowie hinsichtlich der Wirkungsweise des Katalysators. 9* Sitzung am 7. Juli, 1. Herr K. Hertwig spricht über den Einfluß, welchen die Überreife der Geschlechtszellen auf das Geschlecht bei Schmetterlingen ausübt. Während bei Fröschen hoch- gradige Überreife der Eier Ursache ist, daß sich ausschließ- lich männliche Tiere entwickeln, konnte ein solcher Einfluß bei Schmetterlingen nicht nachgewiesen werden. Bei den ver- schiedensten Graden von Überreife der Eier ergab sich im großen und ganzen das normale Geschlechtsverhältnis 50 : 50. Das gleiche Resultat lieferte Überreife der männlichen Ge- schlechtszellen. Das verschiedene Verhalten der beiden Tier- arten sucht der Vortragende daraus zu erkläi'en, daß das Wirk- same bei Fröschen nicht die ovariale, sondern die uterine Über- reife ist, während bei Schmetterlingen die Bedingungen für letztere nicht gegeben sind. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 2. Herr Faüer beweist, daß eine homogene kreisförmige Membran einen tieferen Grundton gibt als eine andere von gleicher Fläche und Spannung. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 3. Herr F. Lindemann spricht: Über die Biegung der Flächen, Bestimmung aller Flächen mit gegebenem Linienelement. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 4. Herr A. Voss trägt vor: 1. Über die isotherme Teilung. 2. Zur Theorie der Raumkurven. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 10* Sitzung am 3. November. 1. Herr Zenneck spricht; 1. Über das Dämmerungsselien mit Ferngläsern und diskutiert die verschiedenen physiologischen und physi- kalischen Gründe, weshalb man mit einem Fernglas bei Dunkelheit auch flächenhafte Objekte deutlicher sieht, als mit bloßem Auge, obwohl die Helligkeit solcher Objekte mit einem Glas unter keinen Umständen gesteigert werden kann, sondern notwendigerweise durch Absorption und Reflexion verringert werden muß. 2. Über die Resonanzkurven von einfachen Schwin- gungskreisen mit Eisenkernspulen und von zwei Schwingungskreisen, die durch eine Eisenkernspule miteinander gekoppelt sind. Im letzteren Falle ergibt sich die auffallende Erscheinung, daß der Verlauf der Resonanzkurven an der Stelle des einen Maximums den Charakter der Resonanzkurve eines Schwingungskreises mit Eisenkernspule, im anderen Maximum den Charakter der Resonanzkurve eines Schwingungskreises ohne Eisen- kernspule besitzt. 2. Herr W. Wien trägt vor: Über weitere Messungen der Leuchtdauer der Atome. Bekanntlich ist es bisher nicht gelungen, die Wellen theorie des Lichts, die seit einem Jahrhundert die Grundlage der Op- tik bildet, mit der der neuen Quantentheorie in Einklang zu bringen. Die letztere hat eine sehr umfassende Systematik der Spektrallinien ermöglicht, vermag aber an den Vorgängen, die bei der Entstehung des Lichts selbst auftreten, keine Rechen- schaft zu geben. Andererseits ist es sicher, daß die alte klas- Sitzung am 3. November. 11* sische Wellentheorie ebenfalls hierzu nicht ausreicht. Es er- scheint daher von besonderer Wichtigkeit, über diese unge- klärten Fragen Versuche anzustellen. Ein solcher ist die Mes- sung der Dauer des Leuchtens der einzelnen zur Lichtaus- sendung angeregten Atome. Atome, die als positiv geladene Strahlen (Kanalstrahlen) in einen Raum von hoher Luftver- dünnung gehen, hören allmählich mit der Aussendung von Licht auf und durch photographische Aufnahme des Strahls kann man messen, wie schnell die Aussendung des Lichts ab- nimmt. Es hat sich nun gezeigt, daß bei dem Licht sehr vieler Gruppen von Spektrallinien diese Leuchtdauer gleich groß ist, so bei den Linien der Balmerserie des Wasserstoffs, bei den Funkenlinien des Sauerstoffs, für die erste Nebenserie des Heliums, für die Hauptserie und zweite Nebenserie des Queck- silbers. Es hat sich aber auch eine andere Leuchtdauer er- geben, nämlich bei der der im Ultravioletten liegenden Reso- nanzlinie des Quecksilbers. Hier ist die Leuchtdauer etwa fünfmal so groß. 12* Sitzung am 1. Dezember. 1. Herr E. Stromer trägt vor: Ergebnisse der Bearbeitung mittel tertiärer Wirbeltier- reste aus Deutsch -Südvvest-Afrika. Die Fossilien, welche von den Herren Prof. Kaiser und Diplomingenieur Dr. Beetz in den Diamantfeldern südlich von Lüderitzbucbt an 3 Stellen gesammelt und der hiesigen paläonto- logischen Staatssammlung geschenkt wurden, erwiesen sich in der nun abgeschlossenen Bearbeitung als ungefähr gleichalterig und untermiocän. Außer vorwiegenden Resten großer Land- schildkröten und eines Frosches sind es solche von Urraubtieren, Nashorn, Schweinen, Antilopen, Klippschliefern, klippschliefer- ähnlichen Formen und vor allem von Nagetieren. Es lebten also mannigfaltige Säugetiere einer einstigen Steppenfauna in der jetzt fast wasserlosen Wüste. Fast alle bestimmbaren Arten und Gattungen sind neu und größtenteils charakteristisch für das äthiopische Reich der Tiergeographen. Dieses bestand dem- nach schon zur Mitteltertiärzeit, sicher getrennt von dem mada- gassischen und südamerikanischen Reiche, aber im Norden mit Beziehungen zu dem Europa und Asien umfassenden paläark- tischen Reiche. (Erscheint in den Sitzungsberichten.) 2. Herr Max von Grober berichtet über Versuche, welche der Assistent an der Kinderklinik, Dr. Ullrich, im hiesigen Hygienischen Institute über den Grundumsatz der Säug- linge mit Hilfe des Pettenkofer-Voitschen Respirationsappa- rates angestellt hat. Es ergab sich in Übereinstimmung mit früheren amerikanischen Angaben, daß der Grundumsatz, be- zogen auf 1 cm Körperlänge, bei Neugeborenen weniger als ein Drittel desjenigen der Erwachsenen beträgt. Er steigt im Laufe des ersten Lebensjahres rasch an und erreicht schon am Ende desselben die volle Höhe. 1 Die nichteuklidischen Minimalflächen. Von F. Lindemann. Vorgelegt in der Sitzung am 13. Januar 1923. Die nichteuklidischen Minimalflächen kann man nach Dar- boux dadurch definieren, daß ihre Minimalkurven ein konju- giertes System sind, d. h. daß die Haupttangenten-Kurven ein Orthogonalsystem im nichteuklidischen Sinn bilden.^) Die Flächen haben dann auch die den euklidischen Minimalflächen analoge Minimumeigenschaft. Darboux hat eine Transformation angegeben,^) welche den nichteuklidischen Raum auf das Innere einer Kugel abbildet, und nach Poincare ist diese Transformation besonders anschaulich, wenn man das Innere der Kugel weiter auf den Halbraum ab- bildet (etwa den Halbraum oberhalb der Ebene 4? = 0); dabei gehen die nichteuklidischen Minimalkurven in die euklidischen Minimalkurven über. Man kann nach den von mir abgeleiteten älteren Bourschen Formeln®) jede Fläche durch ihre Minimal- kurven (mit den Parametern a, ß) darstellen; vermöge der Poin- careschen Transformation erhält man also auch die Darstellung einer Fläche im nichteuklidischen Raume durch die nichteukli- dischen Minimalkurven; diese Darstellung bildet die Grundlage der folgenden Betrachtung. Le9on8 sur la theorie generale des surfaces, Bd. 3, 1894, S. 471 ff. Annales de l’ecole normale 1864; Sur une classe remarquable de courbes et de surfaces 1873, S. 123; Le90ns sur la theorie generale des sur- faces, Bd. 3, 1894, S. 493. Abhandlungen der Bayer. Akademie der Wissenschaften, Bd. 29, 1921. Auf einige Punkte dieser Arbeit komme ich demnächst zurück. Sitzungsb. d. math.-phys. KJ. Jabrg. 1923. 1 2 F. Lindeinann 1. Die erwähnten ßour’schen Formeln geben für die Koor- dinaten X, y, z einer Fläche: X = i ^ [cosin X • Wa da — cosin ,« • Wß (1) y = ^ S ’ Wa da — sin fi • Wß dß , S [Wa.da-\- Wßdß] = W, wo X zu jii, a zu ß konjugiert ist und W eine reelle Funktion von a, ß bezeichnet. Zwischen X, ti und TF bestehen die fol- genden Gleichungen : (2) wo tü = A dX ^ O) 9 lg Wa 3/! =“‘*2'^ ' du . o) 9 lg Wß = — cotff — 9 a da jbi; also aucli: 9 9 (o dß dß 2 Ü) 9 lg Wa dX dco tü 9 lg Wß dß = cotg — • da da ® 2 da und als Folge von (2) und (3): d f , CO 9lglF„\ , d f , CO 9lgTFA 9^0; 9ä 2-~W r 2 • a a j = daTß ' Die Fundamentalgrößen E, F, G der Fläche (1) sind: (5) CO £■ = 0, F = 2 cosin^ ^ • Wa Wß, (r = 0 di und das Krümmungsmaß: (6) jr = _ 1 f kZ F 9 (z 9 ^ 2 F • cosin^ CO 2. Die vorhin erwähnte Darboux-Poincard’sche Trans- formation habe ich in meinen Anmerkungen zu der Deutschen Übersetzung von Poincare’s „Wissenschaft und Hypothese“ voll- ständig entwickelt. Sind x, y, z Koordinaten im euklidischen und y, C Koordinaten im nichteuklidischen Raume, und ist in letzterem (7) = 0 die Gleichung der unendlich fernen Fundamentalfläche, so hat man zu setzen: 21cx 2hy (8) ’' = ,■> 2h r.2 ’ WO r-' = X- -p -p Z'. Die nichteuklidischen Minimalflächen. 8 Führt man homogene Koordinaten 'Q, t ein, deren absolute Werte durch die Gleichung (9) + festgelegt werden, so findet man für das Bogenelement d a : (10) = d d^f dx^ - (kdl: drf = dx^ + dy^ + dz- woraus sich ergibt, daß Minimalkurven (tio = 0) in Minimal- kurven {ds = 0) übergehen. Setzt man in die Gleichung (8) für X, y, z die Werte (1) ein, so hat man die Darstellung einer beliebigen Fläche im nichteuklidischen Raum durch ihre Minimalkurven. 3. Sollen die Minimalkurven ein konjugiertes System bilden, a j; S C d-x so muß bekanntlich die Determinante X] i ^ schwinden, wenn man hierin setzt: da dß dadß ver- gi = 2kx, gy = 2ky, gC = 2k, gx = r- — wo g einen Proportionalitätsfaktor bezeichnet. Berechnet man aus (1) die Elemente der Determinante, so ergibt sich das ein- fache Resultat: Wa Wß [J’- sin (A — jd) WWa lß{\ cosin (A — /i))] = 0 ; die scheinbare Unsymmetrie der linken Seite entsteht daraus, daß nach (1) die Werte Xaß = — i sin A • Wa • Iß -[-i cosin A • Waß = i sin • Wß fXa — i cosin jn • Waß, yaß = i cosin A • Wa -Iß — i sin A • Waß = — i cosin ,u • Wß /t« + i sin fx • Waß in doppelter Form darstellbar sind, von der nur eine Form be- nutzt wurde; es ist ferner zu beachten, daß an Stelle von Xaß nach elementarer Umformung der Determinante der Wert F -p zZaß tritt. Die Unsymmetrie verschwindet, wenn man den Wert Iß aus (2) einsetzt; es wird: F = ~W- W.f (cotg l)", 1 4 F. Lindemann und infolge von (5) (11) W- W^ß + 2 (sin TF« Wß = 0. Dies ist die Bedingung dafür, daß die Formeln (8) zu- sammen mit (7) eine nichteuklidische Minimalfläche dar- stellen, wobei a, ß die Parameter der Minimalkurven sind. 4. Die Größen W, co müssen den beiden Gleichungen (4) und (11) genügen. Mit Hilfe der Gleichungen (2) können wir W eliminieren. Es wird zunächst: Wa W (12) sin m -h = 0, ^ sin co — = 0, also: oder: (14) (?.aß + flaß) sin CO COsin co (Xß COa + (Oß) = 0 . Dies ist die Bedingung für das Zusammenbestehen der Glei- chungen (12); und da diese auseinander entstehen, indem man: mit — i vertauscht, W aber ungeändert läßt, auch die Bedingung dafür, daß die gemeinsame Lösung W der Gleichungen (12) eine reelle Funktion von a, ß ist. Es ist aber der Ableitung nach die Gleichung (14) auch die Bedingung für das Zusammenbestehen der Gleichungen (2) mit der Gleichung (11) und folglich auch für das Zusammen- bestehen der Gleichung (4), die aus (2) folgte, mit der Glei- chung (11); in der Tat ist die zweite Gleichung eine Folge der ersten, wenn W reell ist, und somit auch die aus beiden folgende Gleichung (4) erfüllt. Sobald die Gleichung (14) erfüllt ist, er- gibt sich in der Tat aus (12) derselbe Wert von W, wie aus (2). Aus (12) folgt nämlich durch Differentiation: Waß sin co -p Wß (Da COSin co -(- TFa 7.^ + W laß = 0 Waß sin co Wa (Dß COsin co Wß fu + W/laß — 0 und durch Addition wegen (14): sin co ( Wß (Da — Wa COß) -f- W (Iß (Da + /<« 03^ = 0 oder wegen (2) Die nichteuklidischen Minimalflächen. 5 ( Wß CÜa — Wa Oiß) sin iü-W„Wß-^ WW^ß • cotg I = 0 oder, da die erste Klammer im allgemeinen nicht Null ist: W- W^ß -i-2WaWß das aber ist die für eine nichteuklidische Minimalfläche charak- teristische Gleichung (11), welche eben aussagt, daß kß aus (2) und aus (12) berechnet, je den gleichen Wert ergibt: , , CO W„ß Wß . Iß = cotg ^ = -W "• (15) 5. Zur Lösung der Gleichung (14) setzen wir ^ = p iq, = p — iq; dann ergibt sich (da cu = A — p = 2iq): dp 9 g'' d-p dadß tang (2 i g) — i dp dji dß da da dß :)=o. eine lineare partielle Differentialgleichung erster Ordnung für g, wenn p als reelle Funktion von a, ß beliebig angenommen wird; die Integration verlangt die Lösung des Systems gewöhnlicher Differentialgleichungen (16) da dß idq Pß ~ Pa ~;>a/s-tang(2ig)‘ Sind X und p gefunden, so ergibt sich W aus (12) durch Quadratur. Die Aufstellung aller Minimalflächen im nicht- euklidischen Raum ist hiermit auf die Lösung der linearen partiellen Differentialgleichung (15), bzw. des Systems totaler Gleichungen (16) zurückgeführt. 6. Nach Darhoux verlangt dies Problem die Lösung der beiden partiellen Gleichungen zweiter Ordnung Q (17) d^-e dadß = c-e und dnogc^ 1 dadß C Loc. cit. S. 476. Einen besonderen Fall hat Schübel behandelt: Aufstellung von nichteuklidischen Minimalflächen. Inauguraldissertation, München 1906. 6 F. Lindemann Macht man log (7 =217, so geht letztere Gleichung in die bekannte Form über, von der die Darstellung der Flächen konstanten Krüm- mungsmaßes abhängt. Man hat zunächst aus ihr G zu be- stimmen und dann solche Lösungen X, Y, Z, T der ersten Gleichung (17) zu suchen, die der Bedingung (18) -j- -f = 1 genügen; dann sind X, Y, Z, T die Koordinaten der Punkte einer nichteuklidischen Minimalfläche. Um diese Veränderlichen mit den unsrigen in Beziehung zu bringen, haben wir zu setzen: (19) X = ii, Y = ir], Z — iT, T = kC -j- T, wodurch die Bedingung (18) in (9) übergeführt wird. Die Größe C ist bei Darboux ursprünglich durch die Gleichung - C = X^X^ -i- Y„ Y^ + Z„Z^ -i- (20) = iai/} Va tlß — (^ Ca “F ^a) (^ Cß 4" ^^) deflniert. Die Lösung der zweiten Gleichung (17) geschieht also, indem man in den Ausdrücken (1) für x, y, z zuerst X und II durch die partielle Gleichung (15) bestimmt, sodann W aus den Gleichungen (12) berechnet und die so aus (1) gewon- nenen Werte von x, y, z in (8) einsetzt; hieraus berechnet sich endlich G mittels der Gleichung (20), und die Ausdrücke (19) sind Lösungen der ersten Gleichung (17). 7. Bei der Transformation (8) entsprechen den geraden Linien des nichteuklidischen Raumes Kreise im euklidischen Halbraume {z > 0), deren Mittelpunkt in der Ebene z = 0 liegen, und deren Ebenen der Z-A.xe parallel sind. Den Haupttangenten einer Fläche im Raume (C, V> C) entsprechen also im Raume {x, y, z) Kreise der bezeichneten Art, welche die entsprechende Fläche von der zweiten Ordnung berühren; und es gibt für jede Fläche zwei solche Systeme von Kreisen; die Tangenten derselben im Berüh- Über deren Integration nach anderer Methode vgl. meinen Auf- satz im Jahrgang 1922 dieser Sitzungsberichte über die partielle Gleichung s = sin z. Die nichteuklidischen Minimalflächen. 7 rungspunkte bilden auf der Fläche zwei Systeme von Kurven, die den Haupttangentenkurven der Fläche im Raum (^, rj, C) ent- sprechen. Da letztere Kurven auf den nichteuklidischen Minimal- flächen ein Orthogonalsystem bilden, so entspricht einer solchen Minimalfläche im Halbraum eine Fläche, auf welcher die soeben bezeichneten (von zur Ebene s = 0 orthogonalen Kreisen um- hüllten) Kurven ebenfalls ein üithogonalsystem bilden; denn bei der Abbildung (8) gehen nichteuklidische Winkel in gleiche eukli- dische Winkel über. Diese Bildflächen kann man in folgender Weise durch eine partielle Differentialgleichung direkt charakterisieren. 8. Es werde als Funktion von z und y gedacht, so daß in üblicher Weise (21) dz j) dz q dy ^ d- z = r{dzy -\- 2s dz dy t{dyy gesetzt wird. Wir legen durch den Punkt z, y, z einen ebenen Schnitt, dessen Ebene senkrecht zur Ebene z = 0 steht, und berechnen zunächst den Krümmungsradius R dieses Schnittes; es ist bekanntlich _ „ . (dx-- + + d,^)-VT+-VT¥ r{dzf + 2sdzdy-{-t{dyy ' wobei ■& den Winkel bedeutet, den die Normale des ebenen Schnittes mit der Flächennormale bildet, also cos •& = cos a cos X -J- cos ß • cos /< -p cos y • cos v , wenn X, /z, v die Richtungswinkel der Flächennormale und a, ß, y diejenigen der Normale des ebenen Schnittes bezeichnen; es ist hier cos X = ■P Vx+p cos V = cos ^ = ■j/l 1/ 1 -P • Die Normale mit den Richtungswinkeln a, ß, y werde durch die Gleichungen X — a: ^ r — ^ ^ X— ^ cos a cos ß cos y dargestellt; die Richtungs-Cosinus genügen den beiden Bedingungen 8 F. Lindemann COS a • dx -{■ cos ß • dy cos y • dz = 0 , cos^ a + cos^ ß + cos- y = 1 ; jene Linie soll in einer zur Ebene z =■ 0 senkrechten Ebene (X — x)dy — {Y — y)dx = 0 liegen; folglich kann man cosin a = q • dx, cos ß = g ■ dy setzen ; dann folgt Q {dx^ + dy^) 4" cos y -dz = 0, Q^{dx- -)- dy-) -f- cos- j' = 1 , und hieraus o = cos y = cos a = cos ß = also schließlich dz y dx- + dy- y dx^ -j- dy- + dz-' y dx^ dy“^ y dx- + dy- -}- dz^' dx dz y dx- dy- y dx^ + dy- + dz- ' dy dz yiix^ 4" dy^ ydx--\- dy^ 4" dz-' p dx dz q dy dz dx^ 4" dy- y dx- dy- ydx^ -\- dy- dz^ ]/ 1 P' -\- ydx- 4- dy^ 4- dz^ ydx^ 4- ]/i ^2 _j_ g2 und der Krümmungsradius wird (22) R = — {dx^ 4- dy^ 4- dz^f (r dx^ dx dy 1 dy^) ydx- 4- dy^ Der Krümmungsmittelpunkt Xq, r/g, z^ hat die Koordinaten Xq = X R co&a, y^ -\- R cos ß , z^ = z -\- R cosy . Soll derselbe (damit der Kreis die Ebene z = Q orthogonal schneidet) in der Ebene z = Q liegen, so folgt dx^ 4- dy- 4- dz- z 4- r dx^ -\- 2 s dx dy -\- t dy- = 0, oder: Die nicbteuklidischen Minimalflächen. 9 (.rr -}- \ 'p'-) dx- + 2.{2S-\-pq)dxdy -{■ {zt 1 (23) = Diese Differentialgleichung bestimmt auf der ge- gebenen Fläche z — f {x, y) ein System von Kurven, die von den zur Ebene z = 0 senkrechten oskulierenden Kreisen umhüllt werden, deren es in jedem Punkte der Fläche (zueinander orthogonal) zwei gibt. Für die Bildflächen der nichteuklidischen Minimalflächen ver- langen wir, daß die durch einen Punkt x, y gehenden Kurven sich dort orthogonal schneiden, daß also die Bedingung dx d' X dy d'y -)- dz d'z = 0 oder wegen der ersten Gleichung (21) die Bedingung (24) (1 -p j)^) dx d'x pq_ {dxd'y -f- dyd'x) -p (1 -j- q-) dy d'y = 0 erfüllt sei, wobei mit dy:dx und d'y \ d'x die beiden durch die quadratische Gleichung (23) bestimmten Richtungen bezeichnet sind. Nun ist dy y d'y ^ 2 + dy d'y ^zr dx d'x ^f^-pi-Pg-’ dx d'x .^^-pi-l-g-' Folglich erhalten wir aus (24) {zr -P 1 -h /) (1 -P q^) — ^{zs-\-pq)pq-\r{zt i-\-\- q^) (1 + _p2) = 0 oder : (28) z[r{l -p q^) - 2pqs + ^(1 +r’)] 2 {I p^ ^ q^) = 0. Durch diese partielle Differentialgleichung sind unsere euklidischen Bildflächen der nichteuklidischen Minimalflächen charakterisiert. Die Integration derselben ist durch die vorstehenden Ent- wicklungen auf die Integration der linearen partiellen Diöerential- gleichung erster Ordnung (15), die eine willkürliche Funktion enthält, zurückgeführt. 11 Die Leitung des Schalles im Ohr. Von Otto Frank. Vorgetragen in der Sitzung am 13. Januar 1923.’) Vor einigen Jahren habe ich in den Berichten der Akademie-) den Inhalt einer Untersuchung veröffentlicht, nach der eine Reihe von physiologischen Problemen mit dem Prinzip der gekoppelten Schwingungen aussichtsreich angegriffen werden kann. Ich habe damals darauf aufmerksam gemacht, dah hierzu auch die Mechanik der Schalleitung ira Ohr gehört. Mir war es klar, daß hier ebenso vorgegangen werden sollte, wie bei der Behandlung der Regi- strierinstrumente, deren Theorie, wie ich glaube, jetzt abge- schlossen ist. Man wird sich die Frage vorlegen: Wie kann ein Apparat beschaffen sein, wenn er die Schalleitung im Ohr über- nehmen soll und wie entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse des Ohrs der Aufgabe, die ein solcher Apparat zu erfüllen hat. Man hat zunächst die Grundidee des schalleitenden Apparates festzulegen. Dann ist die mathematisch-mechanische Analyse von einfachen Modellen zu versuchen. Es ist ferner der Geltungs- bereich der vereinfachten Lösung, die man auf diese Weise erhält, festzustellen. Ferner ist die auf diesen mathematischen Modellen aufgebaute Theorie an wirklichen Modellen zu prüfen. Schließlich müssen selbstverständlich die Experimente an dem wirklichen Ohr den Entscheid über die Bedeutung der Schematisierung ergeben. Die durch die Analyse der Modelle gewonnenen Grundsätze er- geben einen vorzüglichen Leitfaden für die Experimentalunter- suchung. ^ Durch den schalleitenden Apparat werden die Druckschwan- kungen in den Schallwellen, die auf das Ohr treffen, in Be- ’) Erste Mitteilung Januar 1922. 2) 1915 und 1918. 12 0. Frank wegungen der Lymphe des Labyrinths umgesetzt. Diese Über- tragung könnte durch eine Kolbeneinrichtung erfolgen, wie sie in der Fig. 1, I angegeben ist. Der mit einer Feder versehene Kolben, auf den die Schallwellen auftreffen, hat wie das Trommel- fell, eine verhältnismäßig große Fläche, während der Eingang der Schnecke, das ovale Fenster, klein ist. Das Verhältnis der beiden Flächen beträgt 60 mm®/3 mm®. Die Kraft, die auf den kleinen Kolben wirkt, wird dadurch um das 20 fache gesteigert, und ebenso stark die Empfindlichkeit, d. h. die Verrückung der Steigbügelplatte dividiert durch den einwirkenden Druck. Die erste Hauptgröße, welche die Leistung des schalleitenden Appa- rates bestimmt, ist die Empfindlichkeit, die zweite ist die Schwin- gungszahl oder die Frequenz. Je höher die Schwingungszahl ist, um so getreuer werden verwickelte Schwingungsbilder wieder gegeben. Ich habe früher die Grundsätze eines derartigen Appa- rates verglichen mit der Leistung eines abbildenden optischen Apparates, und habe das Quadrat der Schwingungszahl als das Auflösungsvermögen bezeichnet, während die Empfindlichkeit mit der Vergrößerung zu vergleichen ist. Das Produkt aus beiden habe ich die Güte eines Registrierapparates genannt. Bei einem System von einem Freiheitsgrad, wie bei dem Kolbenmodell, ist es der reziproke Wert der Masse. Auch für den schalleitenden Apparat wii-d sich der Begriff der Güte als dienlich erweisen. Zwischen dem Kolben und der Steigbügelplatte habe ich in dem Modell eine starre Verbindung angenommen. Die Koppe- lung ist eine absolut zwangläufige. Der Organismus kann nicht derartige Kolben bilden, das Material ist nicht zu beschaffen. Die Dichtung ist unmöglich. Bei dem Ohr ist an der Stelle des ersten Kolbens eine Membran vorhanden. In diese Membran ist bei einigen Tieren, wie bei dem Frosch, ein scheibenartiges, bei anderen, wie bei dem Menschen, ein stabartiges Gebilde, der Hammer, eingefügt, das durch einen Stift oder eine Kette von ela- stisch miteinander verknüpften Knöchelchen, den Gehörknöchelchen, mit der Steigbügelplatte verbunden ist. Die Steigbügelplatte ist sehr enge durch eine Membran in die Labyrinthöffnung eingefügt. Die Koppelung des Schall aufnehmenden Teils mit der Steig- bügelplatte ist nicht mehr so eng wie bei dem Kolbenmechanismus. Dadurch wird zunächst die Empfindlichkeit herabgesetzt. Es wird Die Leitung des Schalles im Ohr. 13 zu erörtern sein, welche Veränderungen der mechanischen Ver- hältnisse gegenüber den des Kolbenmechanismus eintreten. Im Mittelpunkt der ganzen Abhandlung steht somit die Analyse der Modelle II und III, die in der Figur angegeben sind. Bei dem Modell II findet eine fortschreitende Bewegung, bei dem Modell III eine drehende Bewegung des in die Membran einge- fügten Körpers statt. Die Mechanik des Kolbenmechanismus be- handle ich nicht im einzelnen, sie ist, wie ich schon oben ange- deutet habe, so durchsichtig, daß eine besondere Untersuchung nicht notwendig ist. Aber es ist kein Zweifel, daß die richtige Beurteilung des schalleitenden Mechanismus nur durch einen Ver- gleich der verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten der Einrich- tung erreicht wird. Ebenso wie bei meiner Analyse der Regi- strierinstrumente wird auch hier die Untersuchung des Kolben- mechanismus als des einfachsten eine wichtige Rolle spielen. Durchschnitte Auj’sicht auj^ die Membranen. I. I. Fig. I. 14 ü. Frank 1. Statik des schalleitenden Apparates. Bei der Statik handelt es sich um die Ermittelungen der Verrückungen der einzelnen Teile des Apparates, die unter der Einwirkung von Kräften erfolgen. In Betracht kommt bei der Einwirkung des Schalls schließlich nur ein allgemeiner Druck, der auf die Membran bzw. den Kolben einwirkt. Den Quotient aus der Verrückung (lineare Verrückung oder Winkeldrehung) dividiert durch den Druck bezeichne ich mit y. Die wesentliche Verrückung ist diejenige der Steigbügelplatte. Ihre Größe, divi- diert durch den einwirkenden Druck, ist die eigentliche Empfind- lichkeit. Dies ist der Wert, der für die Leistung des Ganzen maßgebend ist, während bei den anderen Gehörknöchelchen diese Größen nur für die Analyse wichtig sind. Ähnlich verhält es sich mit einem anderen Quotienten. Er ist das Verhältnis einer auf die Scheibe oder den Stab (Hammer) einwirkenden Einzel- kraft P (eines Drehmomentes) zu einer Verrückung. Ich habe diesen Koeffizienten bei den Registrierinstrumenten mit t] be- zeichnet. Weiter ist für die theoretische Analyse und die experi- mentelle Untersuchung die Feststellung des Koeffizienten JF' wichtig. E' ist das Verhältnis des auf die Membran einwirkenden Drucks zu dem Volumen der Ausbauchung der Membran. Und schließ- lich wird sich als wertvoll erweisen die Kenntnis der Koppelungs- zahl Kt, für die Membran. Sie ist = E' i] y^. Die Koppelungs- zahl ist unabhängig von der Spannung der Membran und von dem Radius der kreisförmigen Begrenzung. Sie ist nur bedingt durch die Art der Einfügung des starren Körpers — Scheibe oder Stab usw. — in die Membran Ktt wechselt zwischen 0 bei unend- lich loser Koppelung und 1 bei zwangsläufiger Verbindung. Füllt das in die Membran eingefügte Gebilde die ganze Fläche der Membran aus, so wird die Koppelung = 1. Die Analyse der Statik der Membransysteme beruht auf den beiden Differentialgleichungen 1) V«(; = 0, 2) V u> = — pjS. (Hierin ist w die Verrückung des Membranpunktes senkrecht gegen die Kreisfläche, S die konstante Spannung.) Die erstere kommt dann in Betracht, wenn nur an bestimmten Punkten oder Linien Kräfte angreifen. Die letztere, wenn ein gleichmäßiger Druck p auf die Membran wirkt. Die Leitung des Schalles im Ohr. 15 Statik der Modelle des schalleitenden Apparates. « Membran mit Scheibe in der Mitte. Das System ist zentrosymetrisch. Die beiden Differential gleichungen lauten in der Polarkoordinate r ausgedrUckt: 1) d-w iLr- 1 dw r dr = 0 und 2) d-w l dw dr- ~ r dr P S’ Die erstere gilt für eine zentrische Kraft P, die letztere für einen gleichmäßigen Druck p auf Membran und Scheibe. Die Lösungen, die ich in verschiedenen Abhandlungen (Zeitschrift für Biologie) behandelt habe, führt zu: Aus den beiden Lösungen ergibt sich, wenn f die Verrückung der Scheibe, d das Verhältnis des Radius der Scheibe zu dem äußeren Radius a ist: 7 ^ f P (1 — (52) iS p _ 8(S V a*(l — (5*)7i’ Yj K = P 2nS 1 — d2 Für den Anschluß der Gehörknöchelchenkette an die Membran mit der Scheibe verweise ich auf die Ausführungen in dem nächsten Kapitel: Membran mit Stab. Membran mit radiär gestelltem Stab. Die Grundkoeffizienten y und rj nehmen hier eine etwas andere Form an, weil die Verrückung nicht linear ist, sondern in dem Drehungswinkel o besteht. Die Empfindlichkeit des Systems y ist das Verhältnis dieses Winkels a zu dem Druck, der die Deformation bewirkt. Also y — ajp. Ähnlich ist rj das Verhältnis des Drehmomentes, das an dem Stab wirkt, zu a. Also rj — . Die frühere Definition für E' und für K a bleibt bestehen. 16 0. Frank Zur Auswertung dieser Größen muß man die Deformation der Membran bestimmen, die 1. durch ein Drehmoment, das auf den Stab wirkt, und 2. durch einen Druck p hervorgerufen wird. Die Differentialgleichungen für diese Deformationen lauten : . d'^w \ dw 1 d^w worin r bzw. rja = o und d die Polarkoordinaten sind, vgl. Fig. 2. (In der Figur steht 9? statt ß.) Die Lösung der Dif- ferentialgleichungen kann nach der Dissertation von Schaetz in Fourierschen Reihen erfolgen. (Titel der Dissertation: Über die Druckempfindlichkeit einer kreisförmigen Membran, II. Sektion der philos. Fakultät, München 1921). Für die Lösung der Dif- ferentialgleichung wird w in zwei Teile, und zerlegt, w, ist die Lösung für die Differentialgleichung 1, die bei dem Problem 2 als , verkürzte" Differentialgleichung anzusehen ist, unter den Randbedingungen 1) w = 0 für p = 1, 2) w = aa(l — q) für ±-T. a ist hierin der Erhebungswinkel des Stabes. ist die Lösung der Differentialgleichung 2 unter den verein- fachten Randbedingungen w = 0 für = ± und für p = 1, d. h. für den festliegenden Stab. Die Randbedingungen für stören die Bedingungen für w^ nicht. Also ist iv — die allgemeine Lösung der Differentialgleichung 2 für den frei sich bewegenden Stab. Die beiden Verrückungen superponieren sich. Hierzu kommt noch eine Bedingung, die durch die ünstetigkeit der Differentialquotienten an der Stelle des Stabs notwendig wird. Die Lösungen für und u\ in Fouriersche Reihen lauten: 16 1+PC0S(?+ ijTTT (-1)" 71 ü (2w-l)(2w+l)(2w+3) _ 16 ” (— 1)" (g" — p» + 1) cos {n -f 0 "^2- (2n--3)(2n-f l)(2n-l-5) — p" + 1 cos(w + ^)^? (3) (4) IV = -f- . Man sieht, daß noch eine Beziehung zwischen tv^ und hergestellt werden muß, damit der Drehungswinkel a herausfällt. Die Leitung des Schalles im Ohr. 17 Sie wird durch die Berücksichtigung des Drehmoments ermittelt, das durch die Spannung S an dem Stab erzeugt wird. Wird der Stab ohne Einwirkung eines Drucks um den Winkel a aus der Kreisebene herausgedreht, so erzeugt die Spannung S das Moment J/j , Es läßt sich aus der Lösung nach der Formel berechnen: (5) 0 Es wird zu: 1.9514 aä^ S. Das Moment durch den Winkel a dividiert, gibt >; = 1.9514 a^S. (6) Wirkt ein Druck auf die Membran bei feststehendem Stab, so übt die Spannung ein Moment an dem Stab 1 0 dem durch die Reaktionskraft das Gleichgewicht gehalten wird. Bei der Superposition der beiden Einwirkungen ergibt sich das Gesamtmoment = -f" -dfg. Es muß, da keine äußeren Kräfte bei der alleinigen Druckwirkung p in Betracht kommen = 0 sein. Also Afj -|- Jfg = 0. Diese Gleichung ergibt die gesuchte Be- ziehung zwischen a und p, d. h. die Größe y. Sie wird zu y = - = 0.2899 (7) p S Sitzungsb. d. matb.-phys. Kl. Jabrg. 1923. 2 18 0. Frank In der Dissertation von Schaetz sind ferner noch die Fälle behandelt, bei denen der Stab kürzer oder länger als der Radius * des Kreises ist. Eine prinzipielle Lösung läßt sich mit Green’schen i Funktionen ausführen. Aber die numerische Auswertung ist sehr schwierig. Das Hauptergebnis ist die Bestimmung des Diflferential- quotienten der Funktion ‘y = f{d), worin d die Länge des Stabs i dividiert durch a ist, für den Mittelpunkt des Kreises. Er ist 128 . . ‘ gleich — — aa^S (Schaetz, Gl. 63). Für die Stablänge 0 ist nach j einfachen Überlegungen die Empfindlichkeit y zu ermitteln. 2S Für die Stablänge 2 a ist 7 = 0, vgl. S. 19. Der analytische Beweis für das Letztere ist in einem Zusatz zu der Dissertation gegeben. Berücksichtigt man diese vier Größen, so kann man eine Parabel dritten Grades konstruieren, welche die Abhängig- keit der Empfindlichkeit y von der Länge des Stabs angibt. y = (— 0.04123 (5* + 0.08376 — 0.2526 ö -|- 0.5000) . (8) Die Ermittlung von E‘ ist nicht in der Abhandlung von Schaetz enthalten. Hierzu muß das Volumen der durch den Druck p ausgebauchten Membran ausgewertet werden. Es ist + .t: 1 +.-t 1 V = a® J ^ w^gdgdd. — JT U — .1 0 Das erste Integral Fj zerfällt in drei Terrae, vgl. S. 16. Sie werden V— 3 v _n TT _128aa3 * 1 Fi—aa.T, F„ 0, Fni ^ {2n-l){2ni-l)\2n+S){2n+b) ■■= — 2.576aa®; F, wird dann gleich 0.566aa®. (9) F, ist das Volumen der Ausbauchung einer Membran, bei welcher der Stab um den Winkel a aus der Kreisebene heraus- gedreht wird. Y ist = 1-^“* X) ^ 7iS ^ {2n-\-iy{2n-^bf = 0.2195 a^p ~S' (10) Die Leitung des Schalles im Ohr. 19 F, ist das Volumen der durch den Druck p ausgebauchten a^’p Membran bei festliegendem Stab. F= F, -f F, wird = 0.566 aa^ ^ 0.2195 Durch die Beziehung y =— 0-2^99 a . P S V= (0.1641 + 0.2195) a*p 0.3S36 a*p (11) Es ist das Volumen der durch den Druck p ausgebauchten Membran, wenn der Stab frei beweglich ist. E' = pjV ergibt sich hiernach für den frei beweglichen Stab zu : 1 S 2.ß07S Ti' (1*^) E‘ = 0.3836 a* und für den festliegenden Stab zu; (13) Damit sind die drei Grundkoeffizienten rj, y und E' ermittelt. Wie schon S. 14 auseinandergesetzt wurde, ist die Berechnung der Koppelungszabl K für die Beurteilung der Mechanik des Modells sehr wichtig. K ist = E'i]y^. Es setzt sich zusammen aus zwei Faktoren, welche die Spannung nicht enthalten und deshalb für die experimentelle Bestimmung der Konstanten bequem sind. Sie sind E‘y = a/F 0.7556 für unendlich kleinen Stab gleich 1.273 und der zweite Faktor — rjy — 0.5658 das dimeiisionslose K wird hiernach = 0.7556 • 0.5658 = 0.4275. (14) Über die Abhängigkeit der Koppelungszahl K von der Länge des Stabs läßt sich eine wichtige allgemeine Bemerkung machen. Wenn die Länge des Stabs 0 ist, wird K = 0, weil hierbei die Empfindlichkeit y, und ebenso E' endlich ist, während t] ~ 0 wird. Ist andererseits die Länge des Stabs gleich dem Durch- messer des Kreises, so wird y — 0 rj = cc , E‘ bleibt endlich. Da die Koppelungszahl y^ enthält und t] zweifellos nicht von der Größenordnung oo^ wird, ist K für die Stablänge 2a wiederum 0. Die Koppelung muß also für eine mittlere Länge des Stabs ein 20 0. Frank Maximum haben. Experimentelle Untersuchungen zeigen, daß diese Annahme berechtigt ist. Bei dem wirklichen Trommelfell hat der Stab eine derartige mittlere Länge. Membran mit angeschlossenen Gehörknöchelchen. In der Fig. 3 ist die Membran und die Scheibe durch kreis- förmige (in Projektion elliptische) Umrahmung angegeben. Die Scheibe stellt zugleich den Hammer dar, wie und den Ambos und den Steigbügel. Die Koeffizienten der elastischen Verbindungen sind mit jBj, E^, E^^ -®äs bezeichnet. Die Koeffizienten E^, E^ und E^ gelten für die elastischen Verbin- dungen mit den starren Wänden des Raums der Paukenhöhle. Die Wände sind durch Strichelung angegeben. Für den Hammer ist E^ das Achsenband. Ebenso hat der Amboß eine elastische Aufhängung E^. E^ gibt die elastische Wirkung der Membran des ovalen Fensters. Die elastischen Verbindungen sind im allge- meinen durch Spiralfedern, für E^ zur Vereinfachung der Figur durch einen biegsamen Stab angedeutet. E^^ und E^^ bestimmen die Verbindungen der Scheibe (Hammer), der Körper (Amboß) und (Steigbügel) untereinander. Die Verrückungen des Ham- mers und des Amboß bestehen in Drehungen um eine Achse, diejenige des Steigbügels ist wesentlich fortschreitend. (Die et- waigen Drehungen des Steigbügels sind im folgenden noch nicht berücksichtigt, vgl. unten S. 26.) Sie müssen ebenso wie die Elastizitätskoeffizienten einheitlich ausgedrückt werden. Man kann entweder alle Verrückungen in Winkeldrehungen und die Elastizi- tätskoeffizienten in Torsionsmomente oder umgekehrt alle Winkel- Fig. 3. Die Leitung des Schalles im Ohr. 21 ' drehungen in lineare Verrückungen usw. umwandeln. Hierzu dient die folgende Überlegung. Greift eine Feder mit dem Elastizitätskoeffizienten E an einem Hebel von der Länge l an, so ist das Moment des Feder- 1 Zugs = Exl, wenn x die Verrückung des Hebelendes ist. Exl — aEP = aT. EP ist das Torsionsmoment T. So ist in den vorhergehenden Gleichungen an Stelle der Größen E^, E^^, E.^, J5^23) -^3 setzen: Tj, Tjj, T^, T^. Wenn l die Ent- fernung der Amboßspitze von seiner Drehachse ist, so ist Tjj = P I • -^23 und T^ = P ■ E^. I Man kann andererseits auch alle Momente auf die Spitze des langen Amboßfortsatzes reduzieren. Mit rjM bezeichne ich unterschiedslos entweder das Verhältnis des Drehmoments, das auf den Hammer wirkt, zu dem Drehungs- winkel oder das Verhältnis der einwirkenden Kraft zu der fort- schreitenden Verrückung des Reduktionspunktes. Ebenso halte ich es mit y. In dem folgenden sind im allgemeinen die Ver- rückungen als fortschreitend angesehen und die Elastizitäts- koeffizienten sind = Pjx. y sei allgemein der Ausschlag eines Gehörknöchelchens für die Druckwirkung p = 1, rj sei das Verhältnis einer am Hammer angreifenden Kraft (bzw. eines Drehmoments) zu dem Ausschlag eines Knöchelchens. Man kann die Verbindung zwischen Steig- bügel und Amboß durchschneiden. Man kann ferner die Ver- bindung zwischen Amboß und Hammer durchtrennen. Ich be- zeichne im letzteren Fall mit yji den Ausschlag des Hammers auf Einwirkung eines Drucks, wenn außerdem E^, die Elastizität des Achsenbandes, nicht wirkt. Man kann das Achsenband ohne Verletzung der Membran nicht von dem Hammer ablösen, aber ! es gelingt, wie ich jetzt zeigen werde, dieses yn aus anderen ' Größen zu bestimmen. Mit ys bezeichne ich dieselbe Größe, wenn das Achsenband mit der Membran zusammenwirkt. Mit y{s+A)B bezeichne ich die entsprechende Größe für ein System, bei dem noch der Amboß angeschlossen ist, also außerdem die Koeffizienten E^^ und E^ wirken. Im Index bezeichnet der Klammer- ausdruck das System. Hinter ihm ist der Körper angegeben, um dessen Verrückung es sich handelt. Mit y(H+A+s)H bezeichne ich dieselbe Größe für das volle System. Ähnliches gilt für die ent- 22 0. Frank sprechenden »^-Größen. Die Elastizitätskoeffizienten sind die vorher angegebenen. Die durch Zusammenwirken dieser Koeffizienten entstehende elastische Wirkung bezeichne ich durch Angabe der Grenzen für die Wirkung dieser Koeffizienten. So umschließt z. B. der Elastizitätskoeffizient, der mit £^ani6.-/enest.oraJ bezeichnet wird, die elastische Kraft, die durch und E^ auf den Amboß ausgeübt wird. Ihre Größe folgt aus den weiteren Entwicke- lungen, vgl. S. 25. Für die Membran beruhen die nachfolgenden Berechnungen auf der Annahme einer Superposition der Ausschläge, die durch den Druck und eine Einzelkraft hervorgerufen werden. Der Aus- schlag der Hammerspitze sei mit ^ bezeichnet. Dann ist, wenn bei dem System: Membran mit Hammer ohne Achsenband eine P Kraft P auf den Hammer wirkt, C ~ — • Für einen Druck p Vit auf die Membran wird C = P ' Ym- Wenn P und p zu gleicher P Zeit wirken, so wird der Ausschlag C=pyM^ — . Wenn die t]ii Kraft P durch Federdruck PjC (Achsenband) erzeugt wird, so resultiert C=PY^~~^ oder — = (15) VH P + Wenn die Kraft P und der Federdruck von E^ wirkt, dann erhalten wir C = ^ Daraus rjH = Vh-\- E.. (16) VH V3I Bei Anschluß des Amboßes ergeben sich, in ähnlicher Weise abgeleitet, folgende Beziehungen: Y(H+A)H = 5 V(b+A)H = Vh-\- E^-\-E(e~X)- (17) VM-r E^-f- Wird noch der Steigbügel angeschlossen, so ergibt sich wieder Y(B-irA-\-S)H~ , ^ ^ ; V(B-^A-\-S)H — VH+E^-\-E(H-ov.F^- (18) j? +-C/ J + - OB. f.) Auf diese Weise kann man die verschiedenen y auseinander berechnen. Vor allen Dingen kann man für das System Membran mit Hammer und Achsenband die Empfindlichkeit für die Mem- bran allein bestimmen nach der Formel Yh — — ~- Vh Die Leitung des Schalles im Ohr. 23 , Dazu ist notwendig die Kenntnis der Empfindlichkeit für die Mem- bran mit dem Achsenband ya und ebenso des entsprechenden rju- Dann muß noch der Elastizitätskoeffizient des Achsenbandes bestimmt werden. E^ wird nach dem Abschneiden der Membran ! von dem Hammer wie gewöhnlich durch Belastung der Hammer- spitze mit Gewichten und Bestimmung der Winkeldrehung erhalten rjM ist dann = rj^ — E^. Die Empfindlichkeiten y können entweder Winkelempfind- ct f i lichkeiten ~ ^ Empfindlichkeiten y/ ~ lineareVer- ' rückungen f eines bestimmten Gehörknöchelchens .sein. Die lineare , Empfindlichkeit yf geht aus der Winkelempfindlichkeit hervor, ] wenn ya mit l d. i. die Entfernung des betreffenden Punktes eines I Gehörknöchelchens von der Drehachse multipliziert wird, also * Yf = ^Ya- So ist z. B. yf(H+A)H = j’üi- (jje ri gilt Ähn- liebes. Die rj der Formeln für y müssen im Zähler und Nenner homogen sein, d. h. entweder gewöhnliche Elastizitätskoeffizienten , oder Torsionsmomente sein. Die Empfindlichkeiten für andere Gehörknöchelchen werden . aus der Hammer-Empfindlichkeit, für das System {H Ä) durch i Multiplikation mit und für das System mit I D^jD^ und erhalten. Also z. B. D, y(H-lrA + S)H. Die Größen D sind unten angegeben. Zur Bestimmung von E' bei der Wirkung eines Federzuges an dem Hammer ist zunächst die Kenntnis des Volumens der Aus- bauchung notwendig, die durch die Ausübung eines Drehmomentes an dem Hammer erzeugt wird. Nach der Formel (9) ist dieses 0.566 Mom Volumen F, = Wenn Ttot das gesamte Torsions- moment ist, das durch die Spannungen des Achsenbandes, der Verbindung Hammer-Amboß etc. bis zur Membran des ovalen Fensters hervorgerufen wird, dann ist das Drehmoment dieser Spannungen = aTtot- Da ferner a = ytotp ist, wird 1 24 Da ferner ym K 7mV.v 0. Frank 0^566 a^pTiot ytu r]M ist, wird F, = 0.56Ga®i?-yj/-Tto< Im besonderen Fall Ttot = oo d. h, bei festliegendem Hammer wird Fj = 0.566 aa®, vgl. Formel (9). Das Volumen der Ausbauchung, die erzeugt wird, wenn außer dem elastischen Zug ein Druck auf die Membran wirkt, setzt sich additiv zusammen aus dem Volumen, das sich durch die Einwirkung eines Drucks allein — ohne Federzug — auf die Mem- bran ergibt, und dem Volumen Fj , das der elastische Zug her- 0.3836 vorruft. Das erstere ist S vgl. (10). Also 0.3836 pyu- Ti tot Da 0.566 ym ■ S i]M Tiot 0.566 X 0.2899 aj S = 0.1641 aj S ist, so wird F= 0.3836 — 0.1641 0.3836 0.2195 a'^p oder E‘ = Vm + Ttot ) S VM + Ttot rjM + Ti tot s (19) (20) K = Erjy^ (0.3836 rjM -\-0.2\9b Ttot) yh nli S {r}M-{-Ttoi) \^M -r ^ totj (0.3836 rjM -f- U.2195 Ttot)a‘^' d. h. K nimmt mit wachsendem Ttot von yhrju^ M + TtotJ (21) = 0.4275, 0.3836 0.2195 Tto, a* Im besonderen Fall Ttot — oo wird E‘ = 4.556 5^/a*, vgl. oben (13). Bemerkenswert ist die Größe der allgemeinen Kop- pelungszahl K für den ganzen Schalleitungsapparat. Die Ent- wicklung ergibt folgendes : -f- Ttot) S 0.3836 a* wobei keinerlei elastischer Zug auf die Membran wirkt, bis 0 für Ttot — 00 ab. Wenn nun die bei dem wirklichen Ohr gefundene Koppelungszahl K größer ist als 0.4275, wie dies tatsächlich der Fall ist, so ist das K für das Trommelfell ohne Federzug sicher größer bzw. das Trommelfell ist enger gekoppelt mit der Gehör- Die Leitung des Schalles im Ohr. 25 knöchelchenkette als bei der ebenen Membran. Dies ist zweifel- los durch die trichterförmige Form und das längere Hineinragen des Hammergriffs in die Mitte des Trommelfells als bis zur Mitte bedingt. Experimentelle Bestimmung und Berechnung der einzelnen Elastizitätskoeffizienten der Gehörknöchelchenkette. Die einzelnen Elastizitätskoeffizienten r]H, E^, E^^ und E^ der Gehörknöchelchenkette lassen sich berechnen, wenn man die Verrückungen der einzelnen Gehörknöchelchen feststellt, die durch eine auf den Hammer wirkende Kraft (Drehmoment) hervorgerufen werden. Sie können aber nur dann insgesamt ermittelt werden, wenn man eine Zerlegung der Kette vornimmt. Und zwar sind zur Berechnung notwendig: Die Verrückungen von Amboß und Steigbügel für das ganze System, nach Abtrennung des Steig- bügels die Verrückungen von Hammer und Amboß und nach weiterem Abtrennen des Amboß die Verrückung des Hammers. 1. Ich behandle zunächst das einfachste System: Membran mit Hammer allein. Durch das Experiment kann ohne weiteres das riE (Membran mit Achsenband) bestimmt werden. 2. System nur aus Membran, Hammer und Amboß bestehend, Steigbügel ab- geschnitten. Die Gleichungen für die Statik lauten (vgl. zweite Akademieabhandlung S. 117): ^1^1 ^12^2 ^12^1 ^2^2 worin tje -b ^12' ^2 ^12 ”1” ■^2> ^12 "^12 • Die Lösung für die Verrückungen ergeben: a;, — P DJ D, x^ = P DJ D, worin D = rjnE^^-{- 7]e E^ -f E^^ E^, D^ ■■= E^^ -f E^, X D^ = E^^. Das Verhältnis der Verrückungen — ist = D^j D^. Bezeichnet man P j = DjD^ mit und P j x^ = D j D^ mit rj^ und löst nach den unbekannten Größen E^^ und E^ auf, so erhält man : ^12 = ^2 (^1 — Vh) V2—V7 ^2 = nt (vi — yn) (22) 3. Vollständiges System. Man kann die Verrückungen x^ des Hammers, x^ des Ambosses und x^ des Steigbügels durch eine am 26 0. Frank Hammer angreifende Kraft P bzw. ein Drehmoment nach den Grundsätzen der Statik eines Systems von 3 Freiheitsgraden be- stimmen, vgl. die zweite Akademieabhandlung S. 145. Die Gleichungen für die Verrückungen lauten: C, X, + X, == P, -VC,x,^ (7,3 X3 = 0, 6’,3 a:, -{.C\x, -=0, worin (7,=:,;^ + P^„ (7, = P„ -f- P, C'j2 -^12’ ^23 ~ -^23 • Die Auflösung nach x^, x^ und :r3 führt man am besten in Determinantenform durch. Sie ergibt: x^=PI)JD, x^=PB^IB, = PB^jB, worin die Determinanten B --= (r]s P,2 -i- P, + P,2 E,) (P,3 + P3) -h {rjn + P.^) P23 E, D, ={E,,+E,)iE,,+E,)+E,,E„ B,=E,,{E,,+E,\ B,^E,,E,,. Die Verhältnisse der Verrückungen zueinander sind stets: ^2 ^ __ -^3 ^3 -^3 X^ Pj X^ Pj x^ P, Wenn P/a;, mit rj^ etc. bezeichnet wird, dann ist J/, =P/P,, j;2 = P/P,, ri^ = BjB^. Bei Kenntnis von P,, und P, lassen sich aus rj^ und rj^ oder Tj^ und r]^, wie schon oben bemerkt, die Größen Pjj und P3 durch diese Beziehungen berechnen. Es wird: ^23 Es H P13 — VH Pj Ä + -E'12) iVs ~ - P,2 P,) >^3 »;2) Vs-zJh V2 P,. (23) Aus diesen Größen kann man weiterhin die Koppelungszahlen Pj., und P23 für die Verbindung von Hammer und Amboß und Amboß und Steigbügel ermitteln. Wenn auch die Drehung der Steigbügelplatte berücksichtigt werden soll, muß noch eine Verrückung x^ aufgenommen und der entsprechende Elastizitätskoeffizient berechnet werden. Die Leitung des Schalles im Ohr. 27 2. Dynamik des schalleitenden Apparates. Das allgemeine Schwingungsproblem. Ein elastisches System führe Schwingungen aus und zwar freie und erzwungene Schwingungen. Die Analyse dieser Schwin- gungen wird außerordentlich vereinfacht, wenn man die „Normal- Koordinaten“ (p (W. Thomson, Rayleigh) einführt. Sie gehen aus den Verrückungen x durch eine lineare Transformation her- vor. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß in den Ausdrücken für die kinetische und potentielle Energie ihre Produkte cpr^Ps nicht auftreten. Man kann also die beiden Ausdrücke folgendermaßen anschreiben : T ~ I Z tts (fs F = I 2” Cs (fs ■ Die Bewegungsgleichungen für die freien Schwingungen werden dadurch sehr einfach. Sie nehmen (nach Lagrange) die Form an : «s s . sU,{N) w/ J* QUl dx (30) iis{N) bedeutet Us für den Punkt N, zu dem f durch die Formel angegeben wird. 2. Freie Schwingungen: Wird das System durch Kräfte aus der ungestörten Lage gebracht, wodurch die Verrückung für den Gleichgewichtsfall 1 erzeugt wird, und dann losgelassen, so geben die folgenden Ausdrücke den Bewegungsvorgang wieder. s cos «s i Ws* J Q Us dx ; C = fPs Us (N) cos Us t nl J Q Usdx (31) Die Auslösung durch einen Impuls behandle ich hier nicht. 3. Erzwungene Schwingungen: Die einwirkende Kraft sei wie eine harmonische Funktion zeitlich veränderlich. Die Be- ziehungen lauten : Lösung : (fs (ps + w * qjs = 0s cos V t 0s COS V t (n^-v^) J QUgdx' J Qutdx C = cosvi^ (32) 0s Us (JV) QUldx Die Ausdrücke für 0 lassen sich aus den eingeprägten Kräften Z nach dem obigen Satz ableiten. Die Kräfte sollen an den Punkten Q wirken. 0sd(ps ist die Arbeit, die von den eingeprägten Kräften Z während der virtuellen Verrückung dC = dcpsUs geleistet wird. Dann besteht die Beziehung 0sd(ps — dq)sZ § Us Qm Z,ndx oder 0s = -Z ^ Us d,„ Zm d x. Der Ausdruck nimmt verschiedene Form an, je nachdem es sich um eine einzelne Kraft P handelt, die in einem beschränkten Bezirk bzw. an einzelnem Punkt angreift, der die Größe von Ug (Q) bestimmt, oder sich über die Elemente des Systems mit der Größe p gleichmäßig verteilt. Ich gebe die Werte an; 1. Die Kraft P greift an einem bestimmten Bezirk Q an 0s = Us{Q)^ Zdx. (33) In vielen Fällen kann auch dafür gesetzt werden 0s = Us{Q)Z. 30 0. Frank 2. Die Kraft ist über die Raumelemente des Systems mit dem Wert p verteilt. = ^ pu^dx — p^ Usdx. (34) Bei kreisförmigen Membranen nehmen diese Gleichungen eine besondere Form an. Sie ist einmal dadurch bedingt, daß sich aus dem Ausdruck J Quldo{da — Flächenelement) der Wert a^TiQ oder die gesamte Masse der Membran ausscheiden läßt, wenn die Dichte konstant ist. a ist hier der Radius der Membran. Es bleibt dann ein dimensionsloser Faktor übrig, den ich mit Ts bezeichne. Wir erhalten also: J ul da — a- 71 Ts. (35) Die Integration erstreckt sich hierbei zunächst über den deformierten Teil der Membranfläche. Wie weit Massen von einem in die Membran eingelassenen starren Körper einbezogen werden müssen, ergibt das einzelne Problem. Die , charakteristische Gleichung“ oder , Wurzelgleichung“ für die Membranschwingungen besteht aus Besselfunktionen. Ihre Lösung sei /ta. Für diese Wurzel besteht die Beziehung a^n^Q = S{i.ia)\ (36) worin S die Spannung der Membran ist. Hierdurch ergibt sich für den allgemeinen Nenner der obigen Gleichungen : nl^guldo = 7iS{jua)-Ts und die Formeln lauten schließlich: 1. Gleichgewicht: 1 der charakteristischen Gleichung ermittelt, die aus den inneren Rand- bedingungen hervorgeht (vgl. unter 3 ff.). 2. Die Grundgrößen Ts und €>s. Zunächst ist wieder die Größe Ts zu berechnen. n a " ^ vgl.(35)=^J utix)xdx. <• /'s* Das Integral läßt sich, da Us als eine Lösung der einfachen Besselschen (Fourierschen) Differentialgleichung betrachtet werden kann, bekanntlich berechnen. Es wird zu: [«;»(<•) + <*/(«)] - ^ [«;*(*■) + «.•(*■)]• Und da w« («) = 0 ist, vgl. oben, so wird: Ts = [Jj Os«) — RK^ (/“sa)P — d® {[J, (^s6) ~ RK^ (/is&)]^ + [«^0 ^) — -^0 (y“s 6)]^} . (54) Hat die Scheibe Masse = 31, so ist dann, wenn die äußeren Kräfte auf dieses System Membran mit träger Scheibe wirken, in das Ts noch ein Betrag zuzufügen, der durch die Masse 31 31 bedingt ist. Der Zusatz zu Q ) u! wird =p— Ms*(5). Der An- 6^ 31 ul (h) teil von Ts beträgt hiernach - Dadurch wird insgesamt gb^ 71 Ts = [t7, (//,«) — RK^ (/ts«)]^ — <32 {[Jj (jxsb) — RK^ (^,5)]^ + 1 (1 - WM - RKM)}’- Ferner kommt wie früher die Größe T>s in Betracht. (55) 41 Die Leitung des Schalles im Ohr. a) Eine Kraft P greift an der Scheibe an, dann ist = Uo (/“. (Ms &)] P‘ (56) b) Der Druck p wirkt auf Membran und Scheibe. Dann besteht 0s=pS Usdx aus je einem Teil für Scheibe und Membran. Es wird: a = p[u,(jusb)b^ 71 + j* Usipsr) 2r7idr] b = a^7tp{d^lJo(jUsb — RKoi/J-sby] + ^ {['^j(/«sa) -BK,(p, a)] - d [J, {p,b)-R K, Cus &)]} . (57) Die Funktion in der Klammer { } bezeichne ich mit U. Dann ist *Ps — Tip 11. Die Beziehung gilt auch für die zu- sammengesetzten Systeme, die unten behandelt werden, voraus- gesetzt, daß die Wurzeln ps a bzw. ps b für diese Systeme ein- gesetzt werden. 3. Die Scheibe ist mit Masse belegt. Die innere Rand- bedingung fordert, daß bei r = b die obige Gleichung für das Gleichgewicht zwischen der Trägheitskraft der Scheibe und der am Rand durch die Spannung der geneigten Membran bedingten ela- stischen Kräfte besteht. Die Randbedingung lautet: 2bjiS^-\-Mn^Usib) = 0. dr ^ = a^Tiplß^ {x) xdx'] Daraus folgt die schon in der ersten Akademieabhandlung gegebene charakteristische Gleichung: J^{pb)KQ{pa) — Ja{pa)K^{pb) _ {pb)M J,{pb)K,{pa)-J,{pa)K,{pb) 2¥7tQ' ^ Die Schwingungszahlen ergeben sich aus den Wurzeln pa dieser transzendenten Gleichung durch die obige Beziehung w® = . Das Problem kann auch nach dem Prinzip der Q ^ inneren erzwungenen Schwingungen behandelt werden, vgl. (62). 42 0. Frank Von besonderem Interesse sind die Grenzfälle: a) Die Scheibe ist masselos. Dann wird der Zähler der linken Seite der Gleichung ~ 0, oder: b) Zo (/i a) — Jq (,« a) Z, (/i 6) = 0 . (59) Man kann aus der Lehre vom Zwang Voraussagen, daß die Schwingungszahlen dieses Systems größer sind als die Schwin- gungszahlen der freien Membran ohne die Scheibe, deren Ein- fügung einen Zwang bedeutet. b) Die Masse der Scheibe ist unendlich. Die Gleichung kann nur bestehen, wenn der Nenner der linken Seite = 0 wird. Oder die charakteristische Gleichung lautet jetzt: Jq (u b) — Jq i/ii a) K^ißb) = 0. (60) Die Verhältnisse liegen hier genau so, wie wenn die Scheibe durch die unendlich große Trägheit in der 0 Lage festgehalten wird, d. h. die Gleichung gilt auch für eine ringförmige Membran (vgl. unter c). Die Schwingungszahlen liegen mit Ausnahme der Grundfrequenz, die unendlich klein ist, höher als bei der freien Membran, weil die unendlich große Masse ebenfalls wie ein Zwang wirkt (vgl. Rayleigh Sound). c) Die Schwingungen einer zwischen zwei konzentrischen Kreisringen ausgespannten Membran. Die charakteristische Glei- chung ist unter b) schon gegeben. 4. An der Scheibe greift eine Feder mit dem Elastizitäts- koeffizienten APjAl = E an. Wenn die Scheibe Trägheit be- sitzt, so ergibt sich nach den allgemeinen Formeln : 27ibs(^] = iE — 3In^) (Ms)r=6. (61) \ar Jr=b Das weitere ist aus der obigen Entwicklung unter 3 zu entnehmen. Man kann das Problem aber auch noch anders behandeln, nach dem Prinzip der inneren erzwungenen Schwingung. Auf die Scheibe wirkt hierbei die periodische Kraft P cos q t. Diese periodische Kraft wird erzeugt durch die elastische Kraft der Feder. Wenn tv die Amplitude der Verrückung der Scheibe ist, dann ist W‘E die Kraftamplitude. Und man erhält: Die Leitung des Schalles im Ohr. 43 ^ w(Mn^ — E) cos qt^ w cos qt = 2j Oder: '.S 31 — E 7t S = s K (&)? (l- I) (,<.«)’ T. (62) 5. Mit der Scheibe von der Masse 31 ist eine an Federn ■ , schwebende Masse m verbunden. Die Scheibe würde bei dem i schalleitenden Apparat dem Hammer, die Masse m dem Amboß ” entsprechen. Die Federn besitzen die Elastizitätskoeffizienten jE, und E^. 1 Die Verrückung der Masse sei = x. Die Verrückung der Scheibe — Wg. Die Gleichungen, die nach dem Prinzip der Analyse der einfachen harmonischen Schwingungen aufgestellt werden können, sind, wenn die unbekannte Frequenz — q gesetzt wird: I 1. Ws = Aug cos qf, I 2. X = B cos qt, I 3. (x — Wg) E^ ‘^s ^ q^ = — 2 7ibS , (Wg und für r = b berechnet). 4. mx — Wg) = 0. I Die Gleichung 3 gibt das Gleichgewicht zwischen dem Zug I der Feder 1 und dem Zug der Membran an der Scheibe an. Die Gleichung 4 ist die Bewegungsgleichung für die Masse m. Durch Einsetzen von 1 und 2 in 4 ergibt sich : — mq^B E^B 3- E^{B — UgA) = 0 . Daraus findet man die Beziehung zwischen den willkür- lichen Konstanten: B — UgA = Bimq^ — E^) ^ ^ ^E, -f E^ UgE^ Die Gleichung 3 wird zunächst zu: (B — UgA)E, -1- UgA3Iq^ ^ - 27tbS^~^A. Durch Einsetzen der Größen der Konstanten A und B er- hält man schließlich: 44 0. Frank /I dus\ E^mq^ — ^1^2 , \tts dr)r=b 2 6 71 /S ( £’, -f~ -£'2 — mq^) 2bnS‘ Oder ausgeschrieben : J^(f^sb) — EKj)fisb) 1 27iS\e^-\- E^ — mqs + Mq^ , (63) worin wie sonst q^ = Q ist. Die vorher behandelten Systeme, wie eine Membran mit träger Scheibe oder eine Membran mit Scheibe und Feder usw. ergeben sich ohne weiteres als Grenzfälle dieser Entwicklung. Auch nach der Methode der inneren erzwungenen Schwin- gung lassen sich die Schwingungszahlen berechnen. Ich schreibe hier kurz die Formeln an: Wenn w = P‘ G{q^) ist, worin G{(^) den Ausdruck bezeichnet: - (1- dann ergeben sich die Schwingungszahlen aus der folgenden Gleichung: mE, q^ G{q^) ^ mq^ - E, E,G{q^) = E, + A/, . (64) Die Berechnung ist zweifellos durch die Reihenentwicklung verwickelter als die Berechnung nach der ersten Methode. 6. An der Scheibe sind mit Federn zwei Massen aufgehängt. Sie würde dem Amboß und dem Steigbügel entsprechen, während die Scheibe dem Hammer entspricht. Die den vorigen Gleichungen entsprechenden Formeln lauten: Ws ~ Aus cos qt, 2. x^ = B cos qt, S. x^ = C cos qt, 4. (x^ — Ws) A/,2 -|- Ws Mq^ = — 27ibS 5. x^ -|” E^^ (ajj x^ -}“ E^^ (s/j w^ 0 , 6. m^x^ E^ x^ -j- {x^ ajj) E^^ = 0 . Aus Gleichung 1, 2, 3, 5 und 6 ergeben sich die willkür- lichen Konstanten, wie folgt: Die Leitung des Schalles im Ohr. 45 T> ... ^(-E^2S + -^S — + IS — A.Ut= U — — p p , •^12 -^23 ÄUs — C X ^Ij-^as -^12-^3 -^23-^3 ~ (-^23 -^3) ^^1 ~ ^1 ^^^2 S -^12 -^23 Die Gleichung 4 hat dieselbe Form wie die Gleichung 3 des vorhergehenden Problems, nämlich: {B — A Ms) Au. 2jibS 1 dus Us dr ‘ Die charakteristische Gleichung lautet dann: ( ,, t7j (,tts V) B (/^s V) __ 1 w «^0 V) — RK, iiUs b) 27t S ^ I -^23 ~^3 (-^23 -^3) ^^1 -^23 ^2 ~ ^1 ^2 S**] -^12 \E^^E^^ + E^^E^+E2^E^ — {E^^+E^m^ — E^^m^q“ + m^ni^q + il/g^}. (65) Die vorher behandelten Systeme erscheinen als besondere Fälle des allgemeinen jetzt untersuchten Systems. So ergibt sich z. B. das System Membran mit Hammer und Amboß, wenn E^^ = 0 ist usw. 7. Die Statik des Systems: Membran mit Scheibe durch Besselfunktionen dargestellt. Die statische Verrückung der Membran ergibt sich dann ohne weiteres aus den allgemeinen Formeln, a) Für eine zentrische Kraft P ist P Ug(b') (Ms(r)) 7t S (jUs ay Ts (66) Die Verrückung der Scheibe, d. h. der Merabranpunkte r ~ b, wird wiedergegeben durch : l^sjbW {fis ay Ts’ Auf anderem Wege kann man ähnlich wie S. 15 zeigen, daß die Verrückung der Scheibe bei dieser Krafteinwirkung T 46 0. Frank (1) ist. Dann ist zu erwarten, daß die Reihe 2! = ^ Inat wird, b) Für eine Druckwirkung p ist tv der Scheibe (67) a^p^ UusQ)) ~~S ^i/UsayTs in der Klammer (vgl. oben (57)). Die Reihe 2 müßte nach ähnlichen Überlegungen wie vor- ^2 her = — - — sein. Wenn keine Scheibe vorhanden ist, also d = 0 ist, geht der letzte Ausdruck in den entsprechenden für die freie Membran über vgl. (48). 8. Auslösung der Schwingungen. Es genügt, die allgemeine Gleichung nochmals hier anzuschreiben. a) Auslösung durch eine zentrische Kraft: P [mj (5)]^ cos ns t (jlsüfTs ■ b) Auslösung durch einen Druck: a^p Uus (b) cos Hs Ts 9. Erzwungene Schwingungen. Ich gebe wiederum nur die Formeln an: a) Erregung durch eine Kraft P cos v ^ an der Scheibe : (68) (69) w P cos V t n S (l -'])(/., afT, (70) b) Erregung durch einen allgemeinen Druck p cos vt: n Us (b) (Pp v- w = 2j (71) 10. Mit dem System ist eine Luftsäule verbunden. Die obige allgemeine Formel für die Verbindung eines Membransystems mit einer Luftsäule gibt unmittelbar die charak- teristische Gleichung für das kombinierte System. Die Leitung des Schalles im Ohr. 47 Die Beziehung lautet: na qV^ QS m (72) wenn man berücksichtigt, daß das Integral ^u^dx nach (57) = nll ist. Diese Gleichung umfaßt die Lösung für alle vorher be- handelten Systeme mit angehängter Luftsäule. Also z. B. für das System Membran mit träger Scheibe oder Membran mit Scheibe und Gehörknöchelchen. Man muß nur hierzu die Wurzeln für die entsprechenden charakteristischen Gleichungen jUsU ermitteln und in die Ausdrücke unter dem Summenzeichen eintragen. Ts ist unter Einbeziehung der Masse der Scheibe zu berechnen (vgl. S. 30). Kreisförmige Membran mit bis zur Mitte reichendem starrem Stab (Hammer). 1. Die Normalfunktion Us. Das System ist nicht zentrosymmetrisch. Deshalb muß in die Differentialgleichung ebenso wie bei dem statischen Problem noch die Abhängigkeit von der zweiten räumlichen Koordinate, dem Winkel '& eingefügt werden. Die Behandlung der Bewegungs- gleichung führt schließlich auf die Besselsche Differentialglei- chung ^ter Ordnung. d^Wp 1 dwp r dr ' dr^ {'•-{) w„ 0. Die Lösung ergibt Besselsche Funktionen ^ter Ordnung. p kann auch eine gebrochene Zahl usw. sein. Die Einführung von Bessel-Funktionen gebrochener Ordnung wird bei dem vor- liegenden Problem notwendig. Die Grenzbedingungen lauten: 1. Für die Lage des Stabs oder ■& = i: n müssen die Ver- rückungen der Membran in einer geraden Linie erfolgen. Oder w = a{a — r). a ist der Erhebungswinkel des Stabs. Diese erste Bedingung kann nur durch Reihen von Bessel-Funktionen er- füllt werden. 2. Für r — a ist = 0. Da durch die Reihe, welche die Bedingung 1 erfüllt, nicht zugleich die Bedingung 2 erfüllt werden kann, muß die Lösung 48 0. Frank noch eine zweite Reihenentwicklung enthalten, welche die Be- dingung 1 nicht stört. Dies ist nur durch eine Reihe von Bessel- Funktionen gebrochener Ordnung möglich. Dann schreibt sich die Lösung an: I II w = C0sp& S&mL'Tm + jC“»')] COS (wi + ^ . Schließlich muß noch eine dritte analytische Festsetzung getroffen werden (vgl. oben S. 16), An der Stelle des Hammers hat nämlich die Differentialgleichung keine Geltung mehr, weil 9 hier der Differentialquotient ^ unstetig wird. Die notwendige analytische Beziehung wird hier gegeben durch das Gleichgewicht zwischen dem Drehmoment, das die Membranspannung, und dem Drehmoment, das die äußeren Kräfte auf den Hammer ausüben. Die Bedingung 1 lautet jetzt: — ly apJp(jir) = aa — ar in aa und ar müssen in Reihen von Bessel-Funktionen entwickelt werden und zwar nach verschiedener Ordnung, Die Entwicklung erfolgt nach dem Schema: 1 = Jo(a:) + 2 L J2nix) und n = l 00 2Ü (2w -k 1) J2n+i(a;). n = 0 Daraus folgt für ^ = ± ti : a(a — r) = a ja ^ S «^2* {/<■ r) t (2Ä: + l)J2fc+.(/ir)j. k = 0 J Es ergibt sich: to'i = a ja '^0 + 2 S Jikipr) cos 2Jc& k= 1 2r -f — S (2Ä: + l)J^2k+i(/xr)cos(2Ä:H- l)i? . M^k=o Zu beachten das -|- Zeichen vor der zweiten Reihe. Es wird notwendig durch die Beziehung cos (2 k -\-l) ji = — 1). Die Bedingung 2 verlangt: Für r = a ist Wi-\- wu = ^’ Die Leitung des Schalles im Ohr. 49 Sie lautet: a ja {[xa) -y 2 S J2fc a) cos 2 Ä: i? j -j S {2Tc -j- l)t72fc-}-i {jx d) cos (2 Ä -|- 1) i? k=0 00 = — 1j b„J,„+i(jxa)cos{m-\-^)&. m = 0 } Zur Bestimmung von bm wird nach dem Vorgang von Fourier beiderseits mit cos (m -j- & multipliziert und von — n bis -\- n integriert. Die rechte Seite der Gleichung ergibt: — nbm Jm Wenn man die auf der linken Seite vor kommenden Integrale aus- wertet, so folgt: 4 ( — l)”* a a bm worin ist: (2 m -f- 1)71 Km — «^0 C“ “i* (2 m -}- 1)^ I — 2 S ( fc=i Km (jx a) , Jzk{fia) (4 Ä — 1 — 2 m) (4 Ä: -}- 1 + 2 m) {2Tc -\-\) Jik+\ (ja d) fx a k^o (4^ + 1 — 2 m) (4 Ä -j- 3 -j- 2 m) + 4 s (73) Damit ist die Struktur der Normalfunktion festgelegt. Sie wird: 1 00 2 Us = Jq (fx^ ^) + 2 S J2k ifXs r) cos 2 Ä # fc = i O OD 3 H £ (2 Ä; -j- 1) Jik+i {fXs cos (2 k 1) fXsO, k = 0 4 ™=o (2m-hl)^/,„+i(/i.a) + 2. Die Grundgrößen Ts und j n + Jt Ts wird hier = — I I ulrdrdd. 71 J j 0 — 7t (74) (75) Die Berechnung des Integrals ist nicht einfach. Man kann hierzu den Greenschen Satz, den Kayl Sound I, S. 322 ange- wendet hat, umformen und erhält: a -\-7t 2fx JJ- rdrdd^ = du du dfl dr d^u dudr ^ds. (76) Sitzungsb. d math.-phys. Kl. Jahrg. 1923. 4 50 Ö. Frank Die rechts stehende Integration ist über den ganzen Rand zu erstrecken, nämlich den Kreis entlang von — n bis + tt, dann den Stab hinauf und hiuab. Beide Teile des Randintegrals führen wegen des verwickelten Aufbaues von m zu umständlichen Rechnungen, wenn auch eine Anzahl von Gliedern durch 0 werden ausfallen. Ich versage mir, hier die Rechnungen vor dem end- gültigen Abschluß wieder zu geben. Die unmittelbare Integra- tion, die zuerst wohl nach dem Winkel, dann nach r durchge- führt werden kann, dürfte vielleicht einfacher sein. Da es sich nicht um eine Integration in allgemeinen Ausdrücken zu handeln braucht, so erscheint auch eine graphische Integration nicht aus- sichtslos. Die Hauptanwendung findet die Entwicklung nach Nor- malkoordinaten bei dem System Membran usw. mit angehängter Luftsäule. Hier könnte wohl die Reduktion auf zwei Freiheits- grade (vgl. unten) sehr nützlich sein. In Ts ist noch ein Anteil vorhanden, der durch die Träg- heit des Hammers bestimmt wird. Die Masse des Hammers redu- ziert man hierzu aus seinem Trägheitsmoment 0 auf den Mittel- punkt der Membran. Sie wird = &ja-. Für den Mittelpunkt ist Us — 1. So ergibt sich der Zusatz für Ts zu — r— vgl. Qa*7i unten (90). Die zweite Grundgröße €>s wird nach der allgemeinen Formel (vgl. S. 29) gebildet. a) Auf die Membran wirkt ein Druck p. 0. a -f-:^ = p ^ ^ Usr dr d'^. +« Ü — n Da J* cos 2 Ä: cZ ^ und J cos{2]c -\-l)'&d'& == 0 ist, so — W fallen aus dem Integral und Wg vgl. (74) heraus. Dadurch wird: a ^s=p\— -~Jo{psa) S ^ I jUstt ' Ji J {2m -i- ly J„+i{jUsa) 0 /‘jO ~ i \j,n+i{x)xdx\. Die Leitung des Schalles im Ohr. 51 Das Integral ^ Jr„-\-\{x)xdx wird man wohl ebenso wie unten (80) am besten in Reihen auswerten. Entwickelt man hierzu die Bessel-Funktion in Form der bekannten Reihe und integriert gliedweise, so erhält man schließlich: r xj„ + i(x)dx = ^ ^ N„ (/) a) , 0 (2« + l)!l/^ worin Nm die Summe bedeutet : ,=0 2’>!(2w-t- 3) (2n + 5) .. (2w + 1 + 2v)(2w + 5 + dy)' Der Quotient dieses Integrals dividiert durch die Funktion Jm + ^ ist gleich ^ ^ ^ 2u Bm vgl. (80). Man erhält ■tim ^ 2 d“ 71 p [j ^ 1 6 {p-s dr') {,Ps d) N in (^Ps di) Psd m = o (2 m + l)2i2„(/rja)j ' Wenn man den Ausdruck in der Klammer { } mit ZipsOi) bezeichnet, so wird Z (ps a). Oder Psd, a-^Ti JJ u,rdrd§ = ——Z{u,a). Psd (77) b) Durch eine in der Mitte der Membran wirkende Kraft P wird der Stab herausgezogen. Arbeit wird nur an geleistet. Alle anderen Teile von u sind = 0, weil alle in u vorkommenden Bessel-Funktionen mit Ausnahme von Jo für r = 0 zu 0 werden. Jq seihst wird = 1. Also ist nach der Formel (33) = P. 3. Membran mit trägem Stab. Zur Aufstellung der charakteristischen Gleichung muß das Drehmoment, das die Spannung der Membran auf den Hammer ausübt, festgestellt werden (vgl. oben S. 48). Es ist: Aus der Formel für Us ergibt sich: ^ Ct d Am Jm -f- 4 (/^ ^ ) ^ m=0 Jin+i (/^ di) A* 52 0. Frank Daraus folgt: K„ Morn = S S ■ ^ fJ' m = 0 fÄ. ü Jm -)- 1 (/^ öj) Wie im folgenden gezeigt wird, läßt sich das Integral in der Klammer { } durch Reihen auswerten. Selbstverständlich ebenso Jm+h Die drei Funktionen Km, das Integral und Jm+i bestimmen das Moment. Ferner läßt sich der Quotient — Jm+i Mm in der Form ansetzen : 4: ju.a . Das Drehmoment der Span- nung wird dann Morn = — s i: ^ m=0 -Rm (78) Jetzt ist das Gleichgewicht zwischen diesem Drehmoment und dem Moment der äußeren Kräfte zu ermitteln. In dem hier behandelten Fall wird das letztere Moment allein durch die Träg- heitskräfte des Hammers erzeugt mit dem Trägheitsmoment 0. Es ist — an^O = Gleichung: afi^SO und man erhält die charakteristische Km Mm Rm a fx' se oder: 16 Km(iua) 3Im(f^a) _ m = 0 Rm{ßO) QCl*' (79) Ich nenne die Funktion auf der linken Seite F. Die nähere Begründung und die Kritik der Lösung ist in der Dissertation von Küffner (Medizin. Fakultät, München 1922) gegeben. Ich entnehme ihr, daß zur vollen Lösung der Zusatz zu w von Gliedern in der Form der Reihe 00 S £ Jm (p- r) sin m ■& cos {nt f) m = l tu vom analytischen Standpunkt notwendig ist. Diese Glieder ent- sprechen den Schwingungstypen ~ der in der Mitte belasteten Saite (vgl. Rayl, S. 206). Sie stören die Randbedingung für die Hammerlage nicht und tragen zu dem Moment M nichts bei. Sie fallen also bei der charakteristischen Gleichung weg, erzielen Die Leitung des Schalles im Ohr. 53 aber die analytisch geforderte, zweifach unendliche Mannigfaltig- keit der Lösungen. Aus der Abhandlung von Küffner gebe ich ferner eine Über- sicht über die Berechnungsmethode, Die größten Schwierigkeiten bietet die Funktion Km- Da nur eine Tabellierung der Bessel- Funktionen höherer Ordnung für ganzzahlige Argumente vor- handen ist, so muß man teilweise zu einer unmittelbaren Reihen- entwicklung der Bessel-Funktionen, die in den Grundreihen CO eo 2j und £ k=l fc = 0 enthalten sind, schreiben. Das Nähere ist in der angegebenen Abhandlung zu finden. Auch die Funktion Jm + iifio) bzw. Jm + i(x) ist für das vorliegende Problem am besten in Reihenform auszuwerten. J wird dann xm\ (2x)” (2 w -p 1) = Bn worin "".^0 2’'v!(2m-f- 3) (2 m + 5) . . (2 m -j- 1 -|-2T)‘ Unbedingt notwendig wird die Reihenentwicklung für das Integral m«- 0 Es wird zu: 4a:^m! (2 x)’” (2m + l)!l/" Mm, worin Mm (81) ” i—iyx'^'' y=o2’’v!(2m+3)(2m+5)..(2m+l+2v)x(2m+l+4v)(2m + 3+4j')‘ Der Quotient aus dem Integral und der Funktion Jm + i wird dann 4:(jia) Mm{i^a) Bm (j^ o) (82) wie oben S. 52 schon angegeben. In der angegebenen Abhandlung ist das Nötige über die Konvergenz der Reihen enthalten. 54 0. Frank j&T j\I 4. Ausgezeichnete Punkte der Funktion ^ ” R„ (bzw. der charakteristischen Funktion). Die ausgezeichneten Punkte sind 1. der Anfang der Funktion für X — Q, 2. die Unstetigkeitsstellen, an denen die Funktion = 00 wird und 3. die Nullstellen. Die beiden letzteren Punkte sind von wesentlich physikalischer Bedeutung. 1. Für a: = 0 bekommt die Funktion einen Grenzwert. Da nämlich die Funktion für a: = 0 den Wert des Oten Gliedes — 4 1 Wert 1 erhält, so ergibt sich für Km M, (2w + l)(2w + 3)’ Bm den :-4L (2w — 1) (2w + 1) (2w + 3)"’ Die Reihe läßt sich in geschlossener Form summieren. Sie M 0 wird zu gl , vgl. Schaetz, Manuskript S. 22. Also wird (S : \ -tim J x = Q 16 — = 0.383150. KM Auch der Diflferentialquotient von S — ^ läßt sich für die Stelle X = 0 bestimmen. Da B d Km d ]Mm d Bm . , — 7 ^ — = 0 ist, so dx dx dx wird auch =0. dx\ B Jx=o 2. Die Unendlichkeitsstellen sind durch das Nullwerden des Nenners, d. h. von Bm hzw. Jm+l bedingt. Da die Bessel- Funktionen gebrochener Ordnung in endlichen Reihen dargestellt werden können, lassen sich die Gleichungen für das Nullwerden von Jm+i leicht angeben. Für ni — 0 wird Jm+i zu = y7zxl2 • sina:. (Ich lasse den Faktor Y^xl2 weiterhin aus.) Also ~ sina;. Sina; wird 0 für X = 17171, also sind Un stetigkeitsstellen für a; = tt = 3.14159, a; = 2 = 6.28319 usw. vorhanden. Für m=l soll ja^ 2® und m, 2® : Qja^ — E^ und w, 2^ — E^ in die Gleichung einzusetzen. 8. Statik des Hammermembransystems, a) Für eine zentrisch wirkende Kraft P, bzw. das Dreh- I moment P • a. Da wie oben entwickelt für diesen Fall ^s= P ist, wird für das Gleichgewicht P &) TtS^ {jXsafTifi.aY Handelt es sich um die Erhebung des Mittelpunktes, so wird Ms = 1 und p i W' = ^ L 7 W^TV 7 • (8^) TiS (jXsayTijita) Diese Formel muß dasselbe ergeben, wie die mit Fourier- schen Reihen gefundene Formel S. 16, wenn das System aus Membran und Hammer allein besteht bzw. die darin vorkommenden fit fl die Lösungen der charakteristischen Gleichung (79) sind. Im übrigen gilt die Formel für alle behandelten Systeme, auch für die Systeme von Nr. 7, wenn die entsprechenden Wurzeln ein- gesetzt werden. b) Einwirkung eines Drucks p. Für das Gleichgewicht er- gibt sich 2 a®2) Z{ps fl) fls {r, '&) S ^ {p,ayT{p,a)' (85) Diese Beziehung muß ebenfalls mit der für die Statik der Hammermembran durch Fourier-Entwicklung gewonnenen über- einstimmen. Für den Mittelpunkt der Membran wird 60 0. Frank ^ 2 Z {fis a) S ^{fx,afT{n,ay 9. Auslösung der Schwingungen. Es genügt, die Gleichung anzuschreiben : a) Auslösung durch eine zentrische Kraft P: P «s (r, 1?) cosns^ b) Auslösung durch einen Druck p\ 2 a^p a) Mg (r, §) cos Us t w = S (86) (87) (//g a)* T (ps a) 10. Erzwungene Schwingungen. Ich gebe wiederum nur die Formeln an: a) Erregung durch eine Kraft P cos v < : IV P cos vt Mg (r, §) 71 S (,Ug a)® Ts ■ b) Erregung durch einen allgemeinen Druck: w = — ^ cos / Jrrr — r- S yfig uj T (^s öt) (88) (89) 11. Hammermembran mit Gehörknöchelchen und angehängter Luftsäule. Die charakteristische Gleichung läßt sich nach der oben (43) angegebenen Formel unmittelbar anschreiben. Sie lautet: cot 4i7ia^ q^y y. Ql QS Z^iPsa) ißt a)* Ts (90) Hierin sind ebenso wie o. S. 47 für psO> die Wurzeln der charakteristischen Gleichung für das System Hammermembran mit Gehörknöchelchen einzusetzen und T, muß den Zusatz ent- halten, der durch das Trägheitsmoment des Hammers bedingt ist. 12. Einfluß der Luft der Paukenhöhle. Wenn die Luftsäule, die an die Hammermembran angehängt ist, im Anfang durch eine starre Wand verschlossen ist, so lautet die charakteristische Gleichung: tan Lq 47Ta*qy ygi QS Z^Cusü) (91) Die Leitung des Schalles im Ohr. 61 Wenn die Luft ohne Trägheit angenommen wird, so ent- wickelt sich hieraus, da tan sehr klein ist: J_ Ei {/i, a) S h]if^sarTs worin Ei den Volumelastizitäts-Koeffizienten des Luftraums be- deutet. Wenn wie bei dem Ohr außen die Luftsäule des äußeren Gehörgangs und innen sich der abgeschlossene Luftraum der Paukenhöhle befindet, so ergibt sich nun für das Gesamtsystem unter Berücksichtigung aller Teile Membran mit der ganzen Kette der Gehörknöchelchen, Luftsäule im äußeren Gehörgang und Luft der Paukenhöhle die folgende charakteristische Gleichung: 4a*7i • gV H Ql tan Lg ^—E‘Q H o) nQS (92) = 1. Annäherungsmethoden für die Berechnung der Schwingungszahlen. Die strenge Berechnung der Modelle des schalleitenden Apparates des Ohrs sind als Grundlage für die Durchrechnung des wirklichen Trommelfells von ausschlaggebender Bedeutung. Aber schon in der ersten Akademieabhandlung habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß Annäherungsmethoden dann notwendig werden, wenn sich die wirklichen Systeme von dem Schema der i mathematischen Modelle zu weit entfernen. Denn die strenge I Brechung dürfte mit den in dieser Abhandlung behandelten j Systemen ihr Ende gefunden haben. Zu der angenäherten Be- I rechnung können verschiedene Methoden benutzt werden. I 1. Wenn die Abweichungen des wirklichen Systems von der- i jenigen des Modells nur gering sind, dann reichen vielleicht die I von Rayleigh, Sound Art. 90/91 und 140 für die Saite S. 185, 186 für den Stab, S. 209 für Membranen, deren Begrenzung nur wenig von dem Kreis abweicht, vorgeschlagenen Annäherungsmethoden. 2. Für die Ermittlung der Hauptschwingung ist am vorteil- haftesten die Methode, die Rayleigh, Sound I, Art. 89 behandelt. Das System führt hierbei eine vorgeschriebene Bewegung von 62 0. Frank einem Freiheitsgrad aus. Für sie wird die potentielle und kine- tische Energie ermittelt und aus dem Satz von der lebendigen Kraft die Schwingungszahl abgeleitet. Sie führt im allgemeinen zu sehr guten Annäherungen, von denen ich in dem Abschnitt 5 einige Beispiele für Membransysteme geben werde. 3. Das Prinzip der Massenkonzentration. Ich habe in der ersten Akademieabhandlung S. 308, dann in der zweiten Abhand- lung S. 147 das Nötige hierüber gesagt. 4. Für die Berechnung einer Oberschwingung ist eine Methode sehr gut anwendbar, die darin besteht, daß man die Zahl der Freiheitsgrade durch eine den Forderungen des Problems ange- messene Festsetzung auf zwei Freiheitsgrade reduziert. Sie ist wohl hauptsächlich für die Verbindung eines Membransystems mit einer Luftsäule anwendbar. Die hierzu notwendige Zer- legung in zwei Einzelsysteme kann man so erhalten, daß man einmal die Masse eines charakteristischen Teils = 0 setzt, die Schwingungszahl hierfür bestimmt und für das zweite Einzel- system die übrige Masse = 0 setzt und wieder die Schwingungs- zahl hierfür berechnet, z. B. bei dem System Membran mit Scheibe in der Mitte zuerst die Masse der Membran und für die Gewinnung der zweiten Einzelfrequenz die Masse der Scheibe = 0 setzt. Die Berechnung der beiden Frequenzen des Gesamtsystems erfolgt nach der ersten Akademieabhandlung S. 291 (4). 5. Um ein Urteil über die Leistungen dieser angenäherten Methoden zu gewinnen, teile ich die Ergebnisse einiger Berech- nungen mit. Die Hauptfrequenz einer freien Membran fällt nach der Rayleigh-Methode um 0.4 ®/o zu hoch aus. Das System: »Mem- bran mit zentrischer Scheibe, die Scheibe massenlos, Verhältnis der Radien der Scheibe und des äußeren Kreises = 0.2“ erhält durch die angenäherte Berechnung einen um 1.1 °/o zu hohen Wert. Für einen Membranring fällt unter denselben Verhält- nissen die Frequenz 3.2% zu hoch. Aus der Reduktion auf 2 Freiheitsgrade ergibt sich für das System: »träge Membran mit träger Scheibe in der Mitte“ die Hauptschwingung um 2% und die Oberschwingung um 4.2 °/o zu hoch. Ebenso bei dem System freie träge Membran mit angeschlossener Luftsäule, Hauptschwin- gung 5.3 ®/o zu hoch, Oberschwingung 13®/o zu niedrig. Die Leitung des Schalles im Ohr. 63 Die Schwingungszahlen der Ohrmodelle und des wirklichen Ohrs. Eine wesentliche Größe für die Bewertung der Trägheits- wirkung ist das Trägheitsmoment der Gehörknöchelchen für das Achsen band als Drehungsachse. Von Prof. Broemser und mir ist es zu rund 2.5 x 10“^ gmcm® ermittelt worden. Durch ein rech- nerisches Verfahren, das einer gewissen allgemeinen Anwendung fähig ist, kann man das Verhältnis zwischen der Trägheit der Gehörknöchelchen und der Membran auf das System Scheibe mit Membran übertragen. Die Membran ist an der Umgrenzung fest- gelegt. Man nehme nun an, daß sie sich wie ein Konus bewegt, d. h. sich wie ein System von Stäben um die Peripherie als Achsen dreht. So erhält man ,das Trägheitsmoment“ der Mem- bran folgendermaßen: O = Qm S '^^rdr{a — ry = u b {qm = Masse der Membran für die Flächeneinheit). Das Verhältnis der Trägheitswirkung der Gehörknöchelchen und der Trägheitswirkung des Trommelfells ist dann: j. ©Gehörkn. 6 ©Gehörkn. ©Trommelfell a*7iQjn ’ Bei dem wirklichen Trommelfell würde dieses Verhältnis 6 X 2.5 X 10"’ 0.45* 71 X 0.01 13.4 sein. In der Formel für die Schwingungen einer Membran mit Scheibe tritt das Verhältnis — vgl. (58) auf. Man kommt zu Qm ihm durch eine Reduktion des Trägheitsmoments der Membran auf die Peripherie der Scheibe. Man erhält so ähnlich wie vor- her das Trägheitsmoment der Membran nQM{a — hy (0 + 36) “■ 6 ^ ■ Die Reduktion auf die Peripherie erfolgt durch die Division mit dem Quadrat des „Hebels“ = (a — hy. Die reduzierte Masse wird dann 64 0. Frank = qm{1 — ö) (1 3 ö), worin d = — 0 a ist. Diese reduzierte Masse der Membran steht in dem Verhältnis zur Masse der Scheibe wie 1/R und es existiert die Beziehung: Qsck __R (1 — (3) (1 + 3 (3) Qm Q Wenn nun S = 0.2 ist, was eine Koppelungszahl von un- gefähr 0.5 für die Verbindung Scheibe mit Membran ergibt, und wenn R aus der obigen Zahl entnommen wird, dann erhält man : Qsch _ 13.4 ^ 0.8 X 1.6 ^ qm~~ 6 ^ 0.04 ~ Berechnet man jetzt aus diesen Daten die zwei ersten Wurzeln der charakteristischen Gleichung für das System Membran mit Scheibe und Membran mit Stab, so kommt man in beiden Fällen zu ziemlich denselben Zahlen, nämlich Membran mit Scheibe <5 = 0.2: Für die Grundschwingung fia = 0.70. Die erste Oberschwingung , = 3.7. Die zweite Oberschwingung , = 7.8. Membran mit Stab : . . . . Die Grundschwingung „ = 0.65. Die erste Oberschwingung , = 3.3. Ich füge noch hinzu: Für eine „Membran, frei ohne Be- lastung“ ist die Grundfrequenz bestimmt durch . jua = 2.404. Für Membran mit massenloser Scheibe . . „ = 2.575. Für einen Membranring , = 3.81. (Jedesmal d = bja = 0.2.) 3. Ergebnisse der Theorie für die Physiologie der Schall- leitung. Meine Abhandlung ist in der Hauptsache der mathematischen Behandlung einiger Modelle gewidmet, die dem wirklichen Aufbau des Ohrs sehr nahe liegen. Die Annäherung ist bei dem Modell III so weit erfüllt, daß man ebenso gut mit ihm hören würde wie mit dem wirklichen. Die Mechanik des schalleitenden Apparates ist dadurch sowohl nach der statischen als nach der dynamischen Seite wesentlich weiter entwickelt, als dies bis jetzt der Fall war. Besonders muß man sich darüber wundern, daß die an sich ein- Die Leitunff des Schalles im Ohr. 65 fächere Statik gar nicht behandelt worden ist. Aus ihr allein können außerordentlich wichtige Folgerungen gezogen werden. Ich behandele zunächst dasGlrundproblem : Warum ist dasTrommel- melfell mit den Gehörknöchelchen überhaupt vor die Labyrinth- Öffnung vorgelagert? Man wird geneigt sein, als alleinigen Zweck die Vergrößerung der Fläche, auf welche die Schallwellen auf- treffen, gegenüber der Fläche des Labyrintheingangs anzunehmen. Das Kolbenmodell zeigt, daß in der Tat die Empfindlichkeit unter sonst gleichen Verhältnissen bei dem Menschenohr um das 20 fache gesteigert wird. Es wird sich aber zeigen, daß die Einschaltung der Gehörknöchelchenkette mit ihren nicht absolut engen Koppe- lungen den Schluß nicht zu einem zwingenden macht, abgesehen davon, daß die Einschaltung des Trommelfells und der Gehör- knöchelchenkette einen dynamischen Nachteil durch die Vermeh- rung der Masse bedingt. Am sichersten kommt man zu einem Urteil, wenn man sich die jetzt noch nie aufgeworfene Frage vorlegt: Was geschieht, wenn das Trommelfell mit der Gehör- knöchelchenkette weggenommen wird ? Die Schallwellen treffen dann unmittelbar auf die zwei durch Membranen verschlossenen Öffnungen des Labyrinths der fenestra vestibuli (fenestra ovalis) und der fenestra cochleae (fenestra rotunda). Wirkt nun auf beide Öffnungen wie bei einer gleichmäßig auftreffenden Welle der gleiche Druck, so kann keine Bewegung der Labyrinthlymphe stattfinden. Der Satz leuchtet wohl von selbst ein. Aber eine kleine mathematische Entwicklung gibt sicherere Ergebnisse. Ein von starren Wänden begrenzter Raum sei mit einer inkompres- siblen Flüssigkeit erfüllt. Er besitzt zwei mit Membranen oder Membranen mit Platten oder Kolben mit Federn usw. verschlos- sene Öffnungen. Auf die eine Öffnung wirkt der Druck 2?,, auf die andere der Druck p^. Der Druck im Innern sei =Pi. Wenn W der Volumelastizitäts- Koeffizient des Verschlusses ist, d. h. der Quotient aus auf den Verschluß wirkender Druckdifferenz und der Ausbauchung (bzw. Volumverrückung), dann besteht die Beziehung p^ — pi = E V. Ebenso i pi — = E'i V. Eli- miniert man p,-, so erhält man p^ — p^ = V {E\ -f- E2). Wenn nun p^ = Pi ist, so ist die Volumverrückung V = 0, ganz unab- hängig von der Größe von E{ und E^ und damit unabhängig von der Größe der Öffnungen und der Spannung der Membran. Sitzungsb. d. math.-pbys. Kl. Jabrg. 1923. 5 66 0. Frank Unter der Einwirkung von Schwingungen kann aber eine Be- wegung der Lymphe hervorgerufen werden, wenn die zweite Öffnung in den , Schallschatten “ gebracht wird. Das geschieht unter normalen Verhältnissen so, daß die Schallwellen auf das Trommelfell auftreffen, hinter dem die Luft der Paukenhöhle sich befindet. (Selbstverständlich darf aber der Volumelastizitäts-Koef- fizient der Luft in der Paukenhöhle nicht so groß sein, daß der Druck durch das Trommelfell sich im wesentlichen ungeschwächt hindurch fortpflanzt.) Berechnungen des E‘ für die Paukenhöhle aus dem Luftvolumen der Paukenhöhle und experimentelle Be- stimmungen haben dies erwiesen. Man kann schließlich die paradox klingende Behauptung aufstellen, daß die Schnecke bis in den Nasenrachenraum oder bis zur anderen entgegengesetzten Seite des Kopfes reichen müßte, damit die zweite notwendige Öffnung des Labyrinths in den Schallschatten kommt, wenn nicht der schalleitende Apparat vorgeschaltet wäre. Nun haben die Otiater beobachtet, daß nach vollständigem Verlust des Trommelfells, wenn nur der Steigbügel erhalten bleibt, das Gehör wohl ge- schädigt ist, aber wesentlich nur für die tiefen Töne. Wie können die Schallwellen nach dem Vorhergesagten überhaupt wirken? Hier wird man darauf aufmerksam, daß die fenestra cochleae ganz versteckt hinter einem Wulst, dem Promontorium, in einer trichteräbnlichen Höhle liegt, der Fossula fenestrae cochleae. Durch diesen Vorsprung kann ein Schallschatten bedingt sein. An einem geeigneten Modell ausgeführte Experimente bestätigen diese Annahme. Wenn man eine Röhre ähnlich so bildet, wie in der Fig. 1 das Labyrinth angedeutet ist, so erhält man keine Schwingungen, wenn man die Schallwellen frei auf die durch Membranen verschlossenen Öffnungen einwirken läßt. Bringt man aber vor die eine Öffnung einen kleinen Schirm, so schwingt die in der Röhre enthaltene Flüssigkeit. Bei einer theoretischen Be- handlung dieser Erscheinung wäre wohl auch auf die Reibung in dem engen Kanal zu achten. Der Schatten wird um so besser wirken, je höher die Schwingungszahl ist. Bei unendlich lang- samen Schwingungen, d. h. bei einer statischen Einwirkung hat das Vorlagern eines Schirms oder dergleichen keine Wirkung. Der Schatten kommt also nur zur Geltung, wenn Bewegungen auftreten. Damit wäre die Beobachtung der Otiater erklärt. Dar- Die Leitung des Schalles im Ohr. 67 nach ist das Trommelfell in erster Linie notwendig, um eine ge- ordnete Zuleitung der Schalleinwirkung zu der fenestra vestibuli zu bewirken. Für die höheren Töne wird diese Zuleitung weniger wirksam (vgl. unten S. 76). Um die weiteren statischen Verhältnisse zu übersehen, ver- einfache ich die Kette der Gehörknöchelchen etwas, indem ich den Amboß ausfallen lasse. Das System besteht aus der Mem- bran mit dem Hammer, der selbst mit dem Steigbügel durch eine elastische Verbindung von dem Koeffizienten zusammenhängt. Der Steigbügel ist in die Wand der Paukenhöhle durch eine Ver- bindung von dem Koeffizienten E^ eingefügt. Die Größe der Empfindlichkeit läßt sich unmittelbar aus der Formel (17) ent- nehmen. Sie ist : Y(B+S)S = YMrju rjM EB-Fen.ov. YmVh nu + ^12 + ^2 Für eine Übersicht empfiehlt es sich, zwei extreme Typen zu behandeln. Einen bei dem E^^ groß gegen E^, einen anderen bei dem E^^ klein gegen E^ ist. Im ersteren Fall ist die Koppe- lung von Hammer und Steigbügel eng, im zweiten Fall lose. 1. Enge Koppelung zwischen Hammer und Steigbügel, d. h. E^^jE^ groß. Das ganze verhält sich wie ein Federmanometer (vgl. erste Akademieabhandlung 1915). Die Empfindlichkeit wird nun Ym^Jm rjM -p E^ und, wenn zugleich rju klein gegen E^ ist _ Ym^m ^ Führt man Ktt — E'rjy^ ein und das Verhältnis der ■^2 Verrückung des Hammers zu der Volumausbauchung der Membran Y = ^ = yE , so erhalt man Y(.h+S)S = • üier zeigt sich der Einfiuß der Größe der Trommelfellfläche F einerseits und der Koppelung des Hammers mit dem Trommelfell Kfr anderer- seits auf die Empfindlichkeit, der S. 2 behauptet war. 2. Anders liegen die Verhältnisse, wenn E^^ klein gegen E^ ist. Dann wird YuriM rjM -p E^^ 5' V 68 0. Frank- Ist £^,2 klein gegen //.«, dann ist ^ m ■ -£^12 ^ KrrF ^ O E^ rjji d. h. es ergibt sich nicht mehr die einfache Abhängigkeit von der Größe des Trommelfells und von der Koppelung. Außer von Kjr und F hängt die Empfindlichkeit noch von E^^|E^ ab. Die Formel zeigt, daß die Empfindlichkeit durch einen niederen Ela- stizitätskoeffizienten gegenüber der Empfindlichkeit, die durch die Trommelfellkoppelung schon herabgesetzt ist, nochmals her- abgesetzt wird. Eine weitere Anwendung dieser Formeln kann man auf die Helmholtzsche Hypothese von der Bedeutung des schalleitenden Apparates machen. Helmholtz schreibt S. 219 „Tonempfindungen“, 6. Ausgabe: „Die mechanische Aufgabe des Trommelhöhlenappa- rates ist also eine Bewegung von großer Amplitude und geringer Kraft, welche das Trommelfell trifft, zu verwandeln in eine von geringer Amplitude und großer Kraft, die dem Labyrinth wasser mitzuteilen ist. Es ist dies eine Aufgabe, wie sie durch vielerlei mechanische Apparate als Hebel, Flaschenzüge, Krane usw. gelöst wird. Die Art, wie dies im Trommelhöhlenapparat geschieht, ist ganz abweichend und sehr eigentümlich. Eine Hebelwirkung wird zwar auch benützt, aber nur in geringem Maße. Die Spitze des Hammerstieles, auf welche der Zug des Trommelfells zunächst ein wirkt, ist allerdings etwa l‘/2 mal so weit von der Drehungs- achse entfernt, als die Spitze des Ambosses, welche auf den Steig- bügel drückt. Der Hebelstiel bildet also den längeren Hebelarm und der Druck auf den Steigbügel wird IV2 mal so groß sein als die Kraft, welche die Spitze des Hammerstieles eintreibt.“ Die allgemeine Aufgabe des Trommelhöhlenapparates ist gewiß durch den Helmholtzschen Satz nicht vollständig beschrieben. Aber auch die Wirkung eines Krafthebels ist durchaus nicht eindeutig zu erkennen. Man braucht sich nur zu überlegen, daß wenn der Angriffspunkt des Steigbügels näher an die Achse rückt, wohl die Kraftwirkung an dieser Stelle größer ist, daß zu gleicher Zeit aber auch der Ausschlag des Steigbügels verringert wird. Man wird also erwarten können, daß die Verlagerung des Steigbügel- köpfchens entlang einem Hebel, der sich um das Achsenband Die Leitung des Schalles im Ohr. 69 dreht, zu einer optimalen Wirkung bei einer bestimmten Länge • dieses Hebels führt. ] Die Formeln erweisen diese Vermutungen als richtig und sie ! geben den vollständigen Aufschluß, weil das System in allen wich- I tigen Punkten mit dem schalleitenden Apparat gleich ist. Alle I diese Fragen spitzen sich zur Frage nach der Größe der Emp- findlichkeit zu. Man hat in den obigen Formeln nur die Emp- findlichkeit für die lineare Verrückung des Steigbügels festzustellen, I alles was dem Trommelfell-Hammerapparat eigentümlich ist, näm- I lieh die und rja konstant zu lassen und den AngriflFspunkt des I Steigbügels an dem Hebel zu verrücken. Dazu muß man das j Torsionsmoment rja durch Division mit in einen gewöhnlichen I Elastizitätskoeffizienten und die Winkel-Empfindlichkeit in eine I I lineare verwandeln (vgl. oben S. 23). Darnach wird : I j ^ YamlriaMll^ _ yaMrjail y/(5+S)S rjanjl^ Es- Fen.ov. fjaM j I I Eh - Fen.ov. Behandelt man die beiden obigen Fälle getrennt, so ergibt sich für eine enge Koppelung zwischen Hebel und Steigbügel oder lim =00 folgende Formel: I YaMVaM j Die Maximumbedingung für yf lautet: — E^ ^ 0 I oder = r]a- Also wirkt die Verkürzung des Hebelarms nicht I unbedingt günstig, und sicher kann man jetzt sagen, daß die Ver- hältnisse beim menschlichen Ohr nicht so liegen, daß E^^jE^ I groß ist. Wenn wie bei dem zweiten Fall E^^ klein gegen E^ I ist, dann lautet die entsprechende Formel: yf{H+s)s = yaM'f]ttM l^aM I i "t" Ei2 ^ Hier existiert ebenfalls ein Maximum der Empfindlichkeit für ~ Tja. Da aber hier E^^ verhältnismäßig klein ist, wird die optimale Länge größer ausfallen. Hier ist die Wahrschein- lichkeit, daß eine Verkürzung des Hebelarms gegenüber dem Hebel- arm des Amboß günstig wirkt, noch geringer als bei Fall 1. Daß im äußersten Fall aber auch die Möglichkeit besteht, daß 70 0. Frank eine Verlängerung des Hebelarms günstig wirkt, kann man aus dem Fall entnehmen, bei dem klein ist gegen Dann wird yar]a’l na und eine Verlängerung des Hebelarms wirkt nur günstig. Man sieht also, daß alle diese maßgebenden Konstanten bekannt sein müssen, um einen Entscheid über die Zweckmäßigkeit des Baues des schalleitenden Apparates zu liefern, und daß die Helmholtzsche Behauptung durchaus nicht schlüssig ist. Zurückzutreten scheint mir ganz die Bedeutung der besonderen Form des Trommelfells, der Helmholtz einen großen Raum bei seinen Erörterungen ge- widmet hat. Ein drittes Problem bietet die Einschaltung einer verhältnis- mäßig losen Koppelung, wie sie zwischen Hammer und Steig- bügel durch das Amboß-Steigbügelgelenk gegeben wird. Für die Beurteilung des Einflusses dieser losen Koppelung wird der Ent- scheid nicht durch die Bewertung der Empfindlichkeit allein ge- geben, sondern die Schwingungszahl kommt ebenfalls in Betracht, d. h. die Güte. Ich habe die Güte das Produkt aus der Emp- findlichkeit und dem Quadrat der Schwingungszahl, und zwar der Hauptschwingungszahl bei Systemen von mehreren Freiheitsgraden, genannt (vgl. oben S. 12). Für die folgenden Betrachtungen nehme ich die Membran als massenlos an bzw. durch eine Reduk- tion in die Masse des Hammers einbezogen. Das System besitzt so zwei Freiheitsgrade. Es bestehen dann folgende Beziehungen: {rjH + A/jg) (A^,2 + E^ Ktot ist die Koppelungszahl für das ganze System. Ich be- handle wiederum die zwei Fälle: 1. E^^ groß gegen E^ und da- mit Ktot nahezu 1. Dann wird: YM VM _ VM + E^ Ei m, -f- ■ und die Güte Die Leitung des Schalles im Ohr. 71 Wenn rjn klein gegen und wenn (des Steigbügels) klein gegen w, (des Hammers) ist, dann wird Q Vm Vm E^Tr F * m^ mj ' 2. Ej^ klein. Dann ist, wenn nl groß gegen nl ist. WÄ wird 731 »?.!/ ^^12 rjii 7m rjM -2^,2 ^Tr • F -2'! 2 {rjii -h Aljg) E^ m, ~ m, E^ ~ m, Das Verhältnis der Güten der beiden Systeme, die sich nur durch die Größe von E^^ unterscheiden, wird = E^^fE^, worin E^^ der Koeffizient für das lose gekoppelte System ist, d. h. die lose Koppelung verschlechtert die Güte. Da bei dem Vogelohr die Masse der Columella sehr klein ist, da ferner die Koppelung zwischen dem in das Trommelfell eingelassenen Schenkel der Colu- mella und dem eigentlichen Columellastäbchen, das unmittelbar mit der Membran der fenestra vestibuli in Verbindung steht, sicher wesentlich größer ist als bei den Säugetieren, so ist die Güte des schalleitenden Apparates bei dem Vogel größer als bei den Säugetieren. Wie sich die Erhöhung der Güte bei dem Vogel- ohr auf die Empfindlichkeit und die Schwingungszahl verteilt, kann nur durch Versuche entschieden werden, die ich für das Ohr des Truthahns und der Gans mit Aussicht auf Erfolg in AngriflF genommen habe. Damit ist die letzte Frage dieser Reihe aufgeworfen, die Frage nach der Bedeutung des Amboß. Die Güte des schall- leitenden Apparates wird zweifellos durch die Einfügung des Amboß verschlechtert. Denn es kommt eine neue Masse hinzu und außerdem wirkt die Hammer-Amboß-Gelenkverbindung mit einem kleinen E^^. Die Versuche, die von Broemser und mir angestellt worden sind, erweisen dies unmittelbar. Die Ein- fügung des Amboß kann also nur durch sekundäre Momente be- dingt sein. Man könnte an die von Helmholtz behauptete Sperr- wirkung denken (Helmholtz, Tonempfindungen, S. 217). Nach Helmholtz hat das Hammer- Amboßgelenk Sperrzähne, die so 72 0. Frank wirken, „daß wenn der Hammer mit seinem Stiel nach innen ge- zogen wird, er den Amboß ganz fest packt und mitnimmt, um- gekehrt, wenn das Trommelfell mit dem Hammer nach außen getrieben wird, braucht der Amboß nicht mitzugehen. . . . Der Steigbügel kann nicht aus dem ovalen Fenster ausgerissen werden, wenn die Luft im Gehörgang erheblich verdünnt wird. Eintreibung des Hammers, wie sie durch Verdichtung der Luft im Gehörgang entstehen könnte, ist ebenfalls ohne Gefahr, da sie durch die Spannung des trichterförmig eingezogenen Trommelfells selbst kräftig gehemmt wird“. Diese Sperrvorrichtung ist aber nicht unumgänglich notwendig. Denn bei Vögeln ist diese Schutz- vorrichtung nicht vorhanden. Bei meinen bisher angestellten Ver- suchen hat sich bis jetzt noch nicht ein Anzeichen dafür ergeben, daß die Sperrvorrichtung bei dem menschlichen Ohr wirkt. Aller- dings haben wir unsere Versuche nicht unmittelbar auf diesen Punkt gerichtet. Es bleibt zunächst nur die Annahme, daß die Einfügung des Amboß etwas mit den Trommelfellmuskeln zu tun hat. Bei den Säugetieren sind zwei Muskeln vorhanden, der tensor tym- pani und der Stapedius. Der eine greift unmittelbar ,an dem Hammer, und der andere an dem Steigbügel an. Wenn die beiden getrennt wirken sollen, muß eine lose Verbindung vorhanden sein. Sie wird durch das Einfügen des Amboß erzeugt. Ich hatte diese Meinung über die Bedeutung des Amboß schon ausgesprochen, als ich in Wiedersheim „Vergleichende Anatomie der Wirbel- tiere“ die Bemerkung fand, daß nur die Säugetiere einen tensor tympani besitzen. Sie besitzen aber auch keinen Amboß. Mög- lich ist, daß die Sperrvorrichtung eine Vergrößerung der Koppe- lung zwischen Hammer und Steigbügel hervorruft. Eine gewisse jedenfalls weniger ausgiebige Koppelung ist zwischen dem in das Trommelfell eingefügten ersten Schenkel der Columella und der eigentlichen Columella auch bei den Vögeln vorhanden. Ich habe in dieser Abhandlung die Wirkungsweise der beiden Muskeln nicht behandelt. Aber diese Überlegungen haben mich zu der Meinung geführt, daß sie beide Spanner sind, d. h. daß der Tensor, das Trommelfell bzw. das Achsenband (vgl. Helmholtz, „Ton- empfindungen“, S. 216, und der Stapedius die membrana fenestrae ovalis spannt. Die Leitung des Schalles im Ohr. 73 Mit Prof. Broemser zusammen habe ich eine Reihe von Experimenten durchgeführt, die bis zu einem gewissen Grad die Leistung der Theorie erweisen und im einzelnen wichtiges ergeben. Wir haben nicht nur die Statik des schalleitenden Apparates gründlich untersucht, sondern auch die Eigenschwingungen fest- gestellt. Zunächst haben wir hierzu das tote menschliche Ohr benutzt. Wir haben Spiegel auf dem Hammerkopf, auf dem Am- boßkörper, ferner auf der Steigbügelplatte und Drahtmarken an dem Steigbügel angebracht und die Exkursionen durch Einwir- kungen eines Drucks oder eines Drehmoments auf den Hammer, bzw. die Größen y und an dem ganzen System, z. T. auch nach Eröffnung der fenestrae rotunda, nach Lostrennung des Steigbügels von dem Amboß und nach weiterer Lostrennung des Amboß von dem Hammer gemessen. Die Auslösung der Schwingungen geschah nach dem von Fetter, Broemser und mir ausgearbeiteten Ver- fahren. Wir können damit schließlich über alle Einzelkonstanten verfügen. Die Überarbeitung der Ergebnisse hat, wie ich schon früher bei der Experimentaluntersuchung der Registrierinstrumente gezeigt, welche ungemeine Bedeutung die mathematische Analyse als Fingerzeig für die Anstellung der Experimente hat. Die Hauptergebnisse sind bereits eindeutig. Die Koppelungszahl für die Einfügung des Hammers in das Trommelfell {Krr) ist an- nähernd = 0.5 und, wie schon oben angegeben wurde (vgl. S. 24), etwas größer als diejenige für einen Stab, der in einer ebenen gespannten Membran bis zur Mitte reicht. Die Koppelung zwischen Hammer und Amboß, ferner die Verbindungen des Hammers und des Amboß mit der festen Wand sind sehr lose. Die darnach möglichen Folgerungen für den schalleitenden Apparat sind oben angegeben. Die Untersuchung der Statik ermöglicht mir einen Einwand gegen die Versuche am Leichenohr zu widerlegen. Es ist ge- lungen, eine der wichtigen statischen Konstanten, die Größe E‘, d. i. das Verhältnis des einwirkenden Drucks zu der Volumaus- bauchung der Membran, am lebenden Menschen zu bestimmen. Die Werte zeigen, daß die Elastizitätskoeffizienten des lebenden Ohrs und die Spannung nicht wesentlich von den entsprechenden Größen des toten Ohrs abweichen. Für mich war das von vornherein unwahrscheinlich, da ich bei der Untersuchung der Elastizität der 74 0. Frank Arteriell gefunden habe, daß die Elastizitätskoeffizienten der rein elastischen Organe bis zur beginnenden Fäulnis sich nicht verändern. Die Eigenschwingungszablen des Gesamtsystems belaufen sich bei 3 Ohren auf 1110, 1092, 1340, im Mittel rund 1200/sec. für die Hauptschwingung. Der sogenannte Eigenton ist also sicher höher als der Formant des wichtigsten Vokals a. Man kann ge- wiß nicht sagen, daß Hermann mit seiner Bemerkung, Poggendorfs Annalen der Physik, Bd. 37, S. 432, recht hat. ,Es läßt sich leicht zeigen, worauf ich indessen hier nicht näher eingehe, daß die Leistung des Trommelfells, jede Ton- oder Partialtonhöhe an- nähernd gleich gut auf das innere Ohr wirken zu lassen, mit der Resonanztheorie nur vereinbar ist, wenn man ihm einen sehr tiefen Eigenton, d. h. fast gar keine Spannung, dagegen eine un- gemein starke Dämpfung zuschreibt; aber bei der enormen Emp- findlichkeit des Ohres ist dies kein Einwand.“ Auch mit der Be- hauptung, daß die Dämpfung ungemein stark ist oder wie er sich später ausgedrückt hat, überaperiodisch ist, hat Hermann nicht recht, denn es treten immer 2 oder 3 gut ausgeprägte Schwingungen zutage. Die Dämpfungszahl D, die bei aperio- discher Bewegung = 1 ist, ist bei dem Ohr, dieses als ein System von einem Freiheitsgrad betrachtet, 0.3. Die Behauptung Her- manns steht im Zusammenhang mit seiner eigentümlichen An- schauung, daß durch eine überaperiodische Dämpfung bei niederer Schwingungszahl eine korrekte Aufzeichnung stattfindet. Er hat deshalb für den Phonograph auch eine solche überaperiodische Dämpfung angenommen. Ich habe nachgewiesen, daß auch für den Phonograph die Dämpfung gewiß nicht überaperiodisch ist. Wenn man aus den statischen Versuchen die Spannung des Trommel- fells und die übrigen elastischen Koeffizienten berechnet, so kommt man für die Grundschwingung zu einer außerordentlich guten Über- einstimmung zwischen der gefundenen und berechneten Schwin- gungszahl. Abgesehen von den Elastizitätskoeffizienten muß man hierzu die Massen Verhältnisse kennen. Sie sind bei dem Trommel- fell selbst durch die Dicke des Trommelfells bestimmt, die etwa 0.1 mm beträgt, und das spezifische Gewicht des Trommelfells. Für die Gehörknöchelchenkette muß das Trägheitsmoment der Kette aus den Dimensionen und dem spezifischen Gewicht be- rechnet oder experimentell bestimmt werden. Für den letzten Die Leitung des Schalles im Ohr. 75 Fall haben wir die Kette um einen dünnen Faden, der in der Richtung des Achsenbandes durch die Kette hindurchgezogen war, schwingen lassen, die Schwingungszahl und das Torsionsmoment des Fadens bestimmt. Aus beiden Bestimmungsmethoden hat sich ungefähr dieselbe Zahl ergeben, nämlich für das Gesamtträgheits- moment 2.5 mg cm^. Es ist so groß, wie wenn die ganze Masse weggenommen wäre und 12 mg oder rund 1 cg an der Spitze des Hammers befestigt werden. Merkwürdigerweise ist früher nicht einmal diese wichtige Grundzahl des schalleitenden Apparates be- stimmt worden. Das Hauptergebnis dieser Bestimmung zeigt, daß die Trägheit des Trommelfells gegenüber der Gehörknöchelchen- kette wesentlich zurücktritt, während in allen Betrachtungen von Helmholtz und von Hermann das Trommelfell die Hauptrolle spielt. Eine Oberschwingung tritt auf den Kurven kaum zutage. Es ist eine sehr rasche Schwingung von etwa 5000/sec. Am besten tritt eine solche Schwingung bei dem System Trommelfell mit Hammer allein hervor.- Dies könnte seinen Grund darin haben, daß in diesem Fall die Grundschwingung relativ langsam ist. Wenn man in das mathematische Modell die bei dem Trommelfell wirklich festgestellten Größen ein führt, so kommt man zu einem relativ sehr hohen Oberton (vgl. oben S. 64). Der Abstand zwischen dem Oberton und dem Grundton ist so groß, daß man durch Annäherungsmethoden leicht den Grundton berechnen kann, wenn man das Trommelfell eine beliebige Schwingungsform (parabo- lischen Charakters oder dgl.) (vgl. oben S. 61) ausführen läßt. In der Erörterung über die Leistungen des schalleitenden Appa- rates kann die Form des Trommelfells nicht die große Rolle spielen, die ihr Helmholtz zugeschrieben hat. Wenn man nun das Ganze auf ein System von einem Frei- heitsgrad reduziert und auf Grund der Schwingungszahl und der Dämpfung eine Resonanzkurve bildet, so tritt ein deutliches Resonanzmaximum hervor. Die Amplituden der erregten Schwin- gung werden bis in die Nähe des Resonanzmaximums richtig in den erzwungenen Schwingungen dargestellt. Bei dem Resonanz- maximum, das selbstverständlich bei 1200 liegt, werden die Am- plituden überhöht, Schwingungen, die über diesem Resonanz- maximum liegen, werden verkleinert aufgezeichnet. In der Nähe dieses Resonanzmaximums liegt nun nach den allerdings nicht un- 76 0. Frank bestrittenen Angaben von Max Wien das Empfindlichkeitsmaximum. M. Wien meint, daß dieses Maximum nicht ein Resonanzmaxi- mum wäre, besonders, weil die Kurve der Empfindlichkeit von der Empfindlichkeit 0 bis zu diesem Maximum steigt und wieder auf 0 herabsinkt. Es ist selbstverständlich, daß der Verlauf der Kurve nicht von diesem Resonanzmaximum allein bedingt sein kann, aber auf der andern Seite auch klar, daß die Empfindlich- keitskurve mit der Empfindlichkeit 0 an der Grenze beginnt, bei der überhaupt eine Empfindung auftritt, nämlich bei einer Schwin- gungszahl von 20 in der Sekunde und daß auf der andern Seite die Kurve wieder auf 0 bei der oberen Hörgrenze herabsinkt. Es dürfte sich also um eine Vereinigung von physiologischen und physikalischen Momenten handeln. Daß die von mir bestimmte Schwingungszahl richtig ist, zeigen auch die Versuche mit er- zwungenen Schwingungen. Wir haben zur gleichen Zeit einen Pfeifenton auf die von uns konstruierte akustische Kapsel und das Ohr wirken lassen. Die akustische Kapsel hat eine Eigen- frequenz von 3000. Man sieht, daß bei dem hohen Pfeifenton die Amplitude der Ohrregistrierung weit hinter der Amplitude der Registrierung mit der akustischen Kapsel zurückbleibt, d. h. wie die Theorie fordert, die Amplitude durch den schalleitenden Apparat und seine verhältnismäßig geringe Schwingungszahl her- abgedrückt wird. Um schließlich die Leistungen des schalleiten- den Apparates für wichtige Schalleinwirkungen zu demonstrieren, haben wir auch Vokale ein wirken lassen. Die Versuche zeigen, daß wenigstens die Registrierung des a von keinem Registrierapparat besser erreicht wird. Man versteht jetzt auch, warum bei Defekten des Mittelohrs die hohen Töne noch fast ebensogut gehört werden wie mit dem schalleitenden Apparat. Denn der Trommelfell- Hammer-Amboßteil des schalleitenden Apparates setzt die Ampli- tude der Schwingungen außerordentlich herab. Nach der oben geäußerten Ansicht führt in diesem Fall die versteckte Lage des foramen rotundum zu einem genügenden Schallschatten. Die Schwingungszahl des schalleitenden Apparates ist wahr- scheinlich bei den kleineren Tieren höher. Ein Blick auf die zarten Knöchelchen des Kaninchens in dem Stereogramm zeigt die starke Massenreduktion und damit unter im übrigen gleichen Verhältnissen die höhere Schwingungszahl. Bestätigt wird diese Die Leitung des Schalles im Ohr. 77 ( Vermutung durch eine Feststellung der Eigenschwingungszahl 1 bei der Katze, die bei etwa 1600 liegt. Daß die Güte des Vogel- I ohrs größer ist als bei den Säugetieren, habe ich durch besondere • Versuche bereits nachgewiesen (vgl. S. 71). Der Gehörsinn ist .• zweifellos in erster Linie für die Verständigung mit den Art- 1 genossen bestimmt. Für wen singt der Vogel im Frühling? Für die Artgenossin. Die übrige Welt ist für ihn zu dieser Zeit ent- rückt. Wenn beim Menschen die Schwingungszabl des Ohrs adap- tiert ist an die Sprache, so zweifellos bei den Tieren auch an die eigenen Tierlaute. Und diese harmonieren bei den kleineren Tieren wieder mit der Perzeption durch das Gehörorgan, indem ihre Laute höher sind. Sie sind höher, weil ihre Stimmorgane kleiner sind und deshalb höhere Schwingungszahlen besitzen. 79 Beiträge zur Inversionsgeometrie der Kurven. Von Heinrich Liebniann in Heidelberg. Vorgelegt von S. Finsterwalder in der Sitzung am 3. Februar 1923. Der Invariantentheorie wichtiger geometrisch definierter Gruppen ist in den letzten Jahren besondere Beachtung zuteil geworden. So entstand die Affingeometrie, so sind zur Inver- sionsgeometrie, der Geometrie der Gruppe der Bewegung, Ähn- lichkeit und Transformation durch reziproke Radien wichtige Bei- träge geleistet worden.^) Die folgende Darlegung befaßt sich mit den Inversions- invarianten der Kurven. Zunächst wird die Integralinvariante (»Inversionslänge“ oder »Inversionsparameter“) berechnet, die der Bogenlänge in der euklidischen Geometrie entspricht, und zwar für Räume beliebiger Dimension. In der Ebene und im Rj ist sie leicht geometrisch zu deuten. Daran schließt die Bestimmung der Nullkurven (§ 1). In § 2 werden die Extremalen besprochen, die aus der Forderung gewonnen werden, daß die erste Variation der „Inver- sionslänge“ zu Null werden soll. Das Ergebnis ist besonders in der Ebene sehr einfach. Daran schließt die Berechnung der niedrigsten Differen- tialinvariante, der „Inversionskrümmung“ für ebene Kurven und Kurven des Rg. In der Ebene ergibt sich, daß die in § 2 bestimmten Extremalen alle konstante Inversionskrümmung be- sitzen, nur für eine bestimmte Auswahl von ihnen ist sie gleich Null. Die entsprechende Untersuchung im Raum führte u. a. zur 9 Vgl. z. B. A. Voss, Zur Theorie der reziproken Radien. Münchener Berichte 1920, S. 229—259. 80 H. Liebmann Aufstellung der Bedingung dafür, daß eine Schar von oo‘ Kugeln aus den Schmiegungskugeln einer Raumkurve besteht (§ 3). Was die Methode betrifft, so ist zu bemerken, daß man in einfachen Fällen die Invarianten fast unmittelbar geometrisch aus der Theorie der reziproken Radien bestimmen kann. Gelegentlich ist weiter auszuholen und die Lie’sche Theorie heranzuziehen, § I. Der Inversionsparameter. 1. Ebene Kurven. Bei der Inversion h^x h-y / 2 , a = TT entspricht bekanntlich dem Bogenelement ds das Bogenelement (1) ds, = ^2 ds. Bildet man ferner den Kreis K (I, r], q) = {x— + (y — = 0 ab, so wird ihm der Kreis K, (|, , rj, , pj zugeordnet, dabei ist (2) : r], : g, : 1 = ^ : Jc^ rj : Q : N, N = — Q^. Betrachtet man insbesondere eine Schar von Krümmungs- kreisen, so daß (3) I = a; p cos 9? , t] = y Q sin (p die Koordinaten der Punkte der Evolute sind und die bekannte Beziehung besteht d$ — dg cos 9? , di] — dg sin (p, so ergibt sich is, = (f df + S de)) = ^ — e MS ipY +0/ — g sin ?>)’} = r*. Hieraus folgt wegen (1) und (2) ds, dg, ds dg Q. Beiträge zur Inversionsgeometrie der Kurven. 81 Da diese Größe bei Bewegung und Ähnlichkeit ebenfalls invariant ist, so ist worin dq) den Winkel zweier Nachbarnormalen darstellt, eine Integralinvariante bei der Gruppe der Kreisverwandtschaften, die wir als , Inversionsparameter“ bezeichnen können, entsprechend dem „Affinparameter“. Man kann dafür auch schreiben J {x‘ y“‘ — ds, (5) wobei die Akzente die Differentiation nach der Bogenlänge ' bedeuten. 2. Raumkurven. Für die Integralinvariante von Raum- I kurven liegt im Hinblick auf (5) der Ansatz nahe (6) Den Nachweis, daß (6) eine Invariante bei Bewegung und Ähnlichkeit ist, können wir der Einfachheit halber unterlassen, wollen in dieser Hinsicht nur betonen, daß das Integral hinsicht- lich der Bogenlänge die Dimension Null besitzt. Es mag ge- nügen, das Verhalten bei einer einzelnen Inversion zu untersuchen. Wegen der Identitäten 2{x‘y'" — y‘x“y = i:{xy • 2! {x“y — {Zx‘x'‘y, i:(xy = i, 2x'x“ = o, i:x‘x'“ 2:{x‘y = 0 ist 2’ {x‘ y‘" — y' x“y = 2 {x‘"Y — {2 {x“)y. Die Inversion sei gegeben durch h^y Wz o ? o ’ *1 ^2 • Zu berechnen ist wobei noch zu berücksichtigen ist (1) Sitzungsb. d. matb.-phys. Kl. .labrg. 1923. G 82 H. Liebmann - * = h^r~- oder 3 — = r*k~^, as aSj — 2r^r'Jc^* ^^ = 2. *(3(0»+ .-Ol-'. Man findet dann fd^r \2 = h-^r^{2{x“Y + 4r"r-i), fd^ r\- = h-^r^{2{x‘“f -I- 16r-2(r")® + 8 r- ' r" 2’ (a;")") und hieraus leicht (7) ds^ = {2'(a;'")^ — (-5’(a:“)®)®}* ds. Hierdurch ist bestätigt, daß (6) in der Tat Integralinva- riante ist. Der Bau dieser Invariante und der Gang der Rechnung zeigt, daß das entsprechende Integral im Ii„ ebenfalls invariant bleibt bei der konformen Gruppe. Interessanter als diese naheliegende Verallgemeinerung ist die geometrische Deutung, die mit Hilfe der Serret-Frenet- schen Formeln unter Einbeziehung vom Krümmungsradius r (nicht zu verwechseln mit r = y x^ und Radius B, der Schmiegungskugel sich ergibt. Man findet /ox / /// / j Vds dr (8) (Z(xy — y‘x“y)*ds = — -. r y2)l Man erhält noch engere Anpassung an (4), wenn man den Abstand g des Kurvenpunktes P vom Schnittpunkt der Krüm- mungsachse mit der Tangentialebene der Schmiegungskugel in P einführt, g geht für P = 00 in den Krümmungsradius g der ebenen Kurven über, und es zeigt sich, daß die Invariante (8) der Raumkurven den Wert hat Ydsdr (8') r 1 Beiträge zur Inversionsgeometiüe der Kurven. 83 Man könnte (8') direkt durch geometrische Betrachtungen gewinnen, doch ist die oben gegebene rechnerische Aufstellung der Invariante (6) schließlich einfacher. 3. Die Nullkurven (Inversionsminimalkurven). Die Kurven, längs deren das Integral (5), zwischen zwei beliebigen Punkten erstreckt, den Wert Null hat, sind nach (4) leicht zu bestimmen. Man erhält einmal die durch I ds — 0 I bestimmten Minimalgeraden, und dazu noch dg = 0, also die Kreise. (In der Affingeometrie sind die Parabeln Null- I , kurven.) Dies zusammen sind die einzigen in reellen Ebenen i gelegenen Nullkurven. Im i?3 erhält man aus (6) folgende Nullkurven: Zunächst die Minimalkurven der euklidischen Geometrie. I I Dazu kommen als einzige reelle Nullkurven die durch ' x‘y“‘ — y' x“‘ = 0, I y‘2 “ —2‘y“‘ ^ 0, z‘ x‘“ — x' s“‘ = 0 : bestimmten, das sind die Kreise. Die durch {x‘ y'“ — y' x‘“y -P iy" y“‘y -|- (s'x“ — x‘s“y = 0 gegebenen imaginären Kurven lassen sich, wie hier nicht weiter ausgeführt werden soll, durch Lösung einer Riccati sehen Dif- ferentialgleichung bestimmen. Die ebenen Kurven unter ihnen kann man ohne Integration angeben. Setzt man nämlich 2 = ux -p vy, = ux' -p vy\ z“ = ux" -P V])"^ so wird y' z" — z‘y" = u{y‘x" — x' y"), z'x" — x' z" = v{y‘ x" — x'y"), es ist also zu fordern G 84 H. Liebmatin {x‘y‘“ — y‘ x‘“Y (1 -f- -j- v'^) = 0, was einerseits in jeder beliebigen Ebene die Kurve liefert, oder auf der andern Seite die Forderung, daß die Ebene den imagi- nären Kugelkreis berührt. Die in diesen Ebenen gelegenen Kurven also, die bekanntlich in der metrischen (euklidischen) Differential- geometrie zu langen Erörterungen geführt haben, treten in der Inversionsgeometrie als Nullkurven auf. § 2. Die Extremalen. 1. Die Extremalen in der Ebene und auf der Kugel. Die Kurven extremer Inversionslänge, also nach (4) die Lösungen des Variationsproblems (9) = = 0 sind in der Ebene leicht zu bestimmen, wenn man sich der Koor- dinaten (^, rj) der Evolutenpunkte bedient und als unabhängige Veränderliche den Krümmungsradius q beibehält. Die Differen- tiationen seien durch Fußmarken angedeutet. Es ist dann die Nebenbedingung zu berücksichtigen (10) = und es wird also ^2 == — sin 9? • 9?, , r)^ = cos (p-cp^, „ ^1 ^2 ^2 fl + -fl ’ dC^ ^ 3^1 3»?i 3^1 3^2 2 (^1 »?2 — Vi h) _ + rjl + vir = — sin cp • = — cos 9? • 9’i , ex-{-yl = — sin 9?, 3^1 3»/2 cos (p. Das Variationsproblem (9) mit Nebenbedingung (10) setzen wir dann in der Form an Beiträge zur Inversionsgeometrie der Kurven. 85 dabei ist d J UdQ = 0, (fl + Mit Verwendung der Bezeichnungen A = 1 — q ^ , B = q 2^1 ist dann — = A cos 9?, dJJ drj^ dU „ . dU — sm 9^, = A sin 97, = B cos 99, 3^2 3»72 und die Euler’schen Gleichungen werden d d? ^-(.lcos?.)+^-,(Bsmy) = 0, /^(.lsmy)-^,(i.’cosy) = 0. Hieraus folgt .4, -f- 2 1?, 99j + 5 992 = 0 , ^ 99j — B^-\- Bcp\ = 0 . Setzt man probeweise an 9? = X logp, also die natürliche (innere) Gleichung der logarithmischen Spi- ralen, so kommt (p^ = xQ-\ (p^ = —X p-2, A ^ B = k 1 = A, -}- Q-^, B^ = B^=^ 0. Dies in die obigen Gleichungen eingesetzt, gibt _L _ J_ A^ B (p^ ^ B^(p^ = Q~^ — X ^xp~^ = 0, 1 99, (A -f- ^99,) — B.^ = (p^ {X — X 2 X p->) = 0, 86 H. Liebmann also können die Gleichungen erfüllt werden, indem man setzt: = A = 0. Alle logarith mischen Spiralen, daher auch die durch In- version aus ihnen ableitbaren Kurven, die Isogonalen eines linearen Kreisbüschels (und seines Orthogonalbüschels), die man auch Loxodromen nennt, sind also Extremalen. Im ganzen sind das oo® Kurven, der Tatsache entsprechend, daß das Variationsproblem, wenn man wie üblich sich die Auf- gabe stellte, y als Funktion von x (nicht | und rj als Funktionen vön q) zu bestimmen, auf eine Differentialgleichung der sechsten Ordnung führen müßte. Es bleibt dann noch die Aufgabe bestehen, zwei beliebige Krümmungselemente der Ebene wirklich durch eine Loxodrome zu verbinden, die diese Elemente enthält. Sodann wäre die Frage zu beantworten: Ist das Extrem ein Minimum oder ein Maximum? Geometrische Überlegungen führen auf den zweiten Fall — ge- nau so, wie in der Affingeometrie die Extremalen (Parabeln) das Maximum der Affinlänge zwischen zwei Linienelementen liefern. Endlich überträgt sich das Ergebnis durch Inversion sofort auf die Kugel. Die Extremalen sind auch auf der Kugel Isogonal- trajektorien eines linearen Kreisbüschels, also, wenn man das Büschel der Meridiane nimmt, eigentliche Loxodromen. 2. Das Extremalenproblem im Raum. Im i?, erhielte man bei schematischer Behandlung des Variationsproblems (11) (5 J* {Zix'y'“ - y'x‘“Yf ds = d zur Bestimmung von y und s zwei Differentialgleichungen sechster Ordnung, womit übrigens auf Grund der Erfahrungen in der Affingeometrie noch nicht gesagt ist, daß es Extremalen gibt. Wir geben hier ein Verfahren an, das auf oo^° Extremalen führt und gehen von dem Ansatz aus Kcp X = ue cos 99, (12) y = ue^'^ sin 99, K q> z = viie u und V sollen die abhängigen Veränderlichen sein, 9? die Unab- hängige. Das zu variierende Integral erhält dadurch die Form J F {u, V, Z<,, Vj, Mj, Vg, Mg, Vj) d(p. Beiträge zur Inversionsgeometrie der Kurven. 87 Wenn dabei zufällig F von u frei ist, so lassen sich sofort » Lösungen der Euler’schen Gleichungen ^ _ A I A f ^ fA'l = 0 du d^\dv^) j > I angeben. Man braucht nur u einer beliebigen Konstanten gleich zu setzen und v gleich dem Wert der sich ergibt durch Auf- lösung von dF dV = 0. Dieser Kunstgriff erfordert nun, und darin liegt seine Be- I deutung, nicht die vollständige Berechnung von F — in der Tat, man darf wohl billigerweise verlangen, daß man eine Auswahl ] von Extremalen auch feststellen kann, ohne die kompendiöse I Differentialgleichung hinzuschreiben. I Man braucht ja F nur zu berechnen unter der Voraus- I Setzung, daß die ersten, zweiten und dritten Differentialquotienten ; von u und v nach cp Null sind. Wenn die „gekürzte Funktion“ ' dann von u frei ist, ist das Verfahren anwendbar. Die Rechnung gibt bis auf einen konstanten Faktor A A _ ' I — y‘ ds == ^ {\ -\- \ K'^) ^dcp, I also ist das Verfahren anwendbar, und zwar ist zu bestimmen aus = i (1 + v^f ^ (5:* + 1 + »» K’-f V A _ A — \{\-\-v^yK^{K^-\-l^F“K^) " = 0. Man hat also nur die Gleichung .K2 1 + — 2 (1 + «2) = 0 aufzulösen und erhält also die oo^ Extremalen 88 H. Liebruann (13) X = cos cp , y = ce'^f’ sin 99 , V\ — K^ ^ = c ^ das sind konische Spiralen. Berechnet man den Winkel, unter dem diese konischen Spiralen die Erzeugenden schneiden, so findet man cos a — Zxx' 1 {Sx^^Zx'^)^ ~ t72’ Also: Die auf Rotationskegeln gelegenen konischen Spiralen, die die Mantellinien unter dem Winkel 71/ 4 schneiden, sind Extremalen, Man erhält durch Anwendung der konformen Gruppe dann 00^° Extremalen, nämlich auf jeder Dupinschen Cyklide die beiden Scharen von 7r/4-Trajektorien der Krümmungslinien. Übrigens sind auf der Dupinschen Cyklide alle Isogonal- trajektorien Lösungen des gebundenen Variationsproblems, von dem man also oo^ der 00® Lösungen angeben kann. Diese Cykliden sind ein Gegenstück zu den Regelflächen, von deren 00* geodä- tischen Linien (Lösungen des gebundenen Variationsproblems) 00^ gerade Linien (Lösungen des freien Variationsproblems) sind. § 3. Die Inversionskrümmung. 1. Ebene Kurven. Um für ebene Kurven die niedrigste Difierentialinvariante zu bestimmen, gehen wir davon aus, daß im Raum der Kreise K (f, rj, q) die Gruppe sich darstellt als sechs- gliedrige Untergruppe der zehngliedrigen, vermöge deren 4- drj^ — dg^ bis auf einen Faktor invariant bleibt; diese sechsgliedrige (nicht- euklidische) Gruppe ist durch die Forderung, daß (14) ~ eine Invariante ist, definiert. g Beiträge. zur Inversionsgeometrie der Kurven. 89 Schreiben wir x, y, z für rj, q, so sind die infinitesimalen Transformationen df df df . df dx dy' ^ dx ' dy' (15) df df df xUif)- yU{f)- dx dy x^ y^ — df 2 dx' x^ y^ — ■2'^ 2 dy Es ist indessen zu beachten, daß mit Rücksicht auf (10) für Krümmungskreise der Ausdruck (14) zu Null wird. Um das gleich im Ansatz zu berücksichtigen, setzen wir dx dy 7— ~ X. = cos w , , dz * dz Vi sin cp und haben dann z. B. bei der fünften erzeugenden Transformation Z = xz, X = und hieraus zunächst y^ + ^^ 2 Y = xy, ^ _dX dz dZ = z(l — xl) — yy^, Ferner ist daher ^ „ ISZllx _ ip = arctg^, •*1 X{ + y{ x\^y\ y — sin 99, und hieraus weiter ^ (t/ — z sin 99) — 99j (g; + .sr cos 99) = — ‘iz cos 9999, — xcp^, % = + ^cos99) = — 3 cos 99 (99j -j- z cp^ -f* 2 sin 99 • 99i — 2x(p^, d 0 ^3 = -jf — 9^3 ^ cos 99) = sin 99 (5 9?! + 7 99j 99j) cos99(— 8993 + 2^^991 — 4.2993) — 809993. 90 H. Liebmann Die drei ersten erzeugenden Transformationen, die zusammen die Gruppe der Bewegungen der Ebene ergeben, zeigen, daß die durch 3/’ , V^f 1 I .T. < rf, , rT. dx ^ ^ ^ ^ 'TZ ^ ^3 ^ dy dz d q) '99^2 59^3 definierte Differentialinvariante von x, y und cp frei sein muß; die dritte (Ähnlichkeit) gibt dann noch die Forderung dz df df df cp, 2 cp,. Sip, =0, ’a'Pi 39^3 also muß f eine Funktion von zcp^, z‘‘‘cp^, seinÄ) Das ist von vorneherein klar, eine Invariante der vier- gliedrigen ebenen Gruppe Bewegung -j- Ähnlichkeit kann nur von dcp 2 ^ do dp^ ' dg^ 03 für abhängen. Die oben angegebenen Werte von Z, X, . die fünfte erzeugende Transformation ergeben dann die weitere Forderung 3f V>i 5f dcp^ U 3 «Pa -1-C0S95< — ^cp^-\-zcp^~ -\-{—%cp^->r2zcp\ dcp^ IL 3 = /c-‘. Aus (20) und (21) lassen sich weitere geometrische Sätze ableiten. 95 Über konforme Abbildung von Kegelschnittpolygonen. Von F. Lindemann. Vorgetragen in der Sitzung am 3. Februar 1923. In den Sitzungsberichten der Berliner Akademie der Wissen- schaften (math.-phys. Klasse vom 2. November) hat Herr Schottky einen Aufsatz veröffentlicht, der sich mit der Frage beschäftigt, ob gewisse Funktionen durch Differentialgleichungen definiert werden können; zu diesen Funktionen gehören auch diejenigen, welche Polygone algebraischer Kurven (insbesondere von Kegelschnitten) auf die Halbebene (]F>0) konform abbilden. An einem Bei- spiele, das sich auf gewisse einfache Parabel- und Hyperbel-Polygone bezieht, wird dargelegt, daß die benötigten Punktionen keiner Differentialgleichung genügen können. Die zu diesem Resultate führenden Schlüsse sind aber nicht stichhaltig. Behandelt man nämlich das gewählte Beispiel auf Grund der von mir entwickelten allgemeinen Theorie (was Herr Schottky nicht durchführt), so kommen die bei Herrn Schottky auftretenden Gliedei', die zur Verneinung der Frage führen, nicht vor, und alle scheinbaren Widersprüche lösen sich von selbst auf (vgl. unten Nr. 5 und 6). Sollte der a. a. 0. ausgesprochene Wunsch, es möchte der Beweis für die negative Antwort der Frage allgemein geführt ') Es handelt sich um die beiden Abhandlungen ,Die konforme Ab- bildung der Halbebene auf ein von beliebigen Parabeln begrenztes Polygon“, Sitzungsberichte der K. Bayerischen Akademie der Wissenschaften, math.- phys. Klasse, Jahrg. 1918, S. 203 und ,Die konforme Abbildung der Halb- ebene auf ein von beliebigen Kegelschnitten begrenztes Polygon“, ebenda S. 453. Diese sollen im folgenden als Abhandlung I und Abhandlung II zitiert werden. 1 96 F. Lindemann werden, sich erfüllen, so bliebe die Tatsache bestehen, daß es eine merkwürdige Klasse von Differentialgleichungen gibt, die alle Eigen- schaften besitzen, die man für das Problem der konformen Ab- bildung von den aufzustellenden Gleichungen nur erwarten darf. Zum Schlüsse (Nr. 11) wird noch gezeigt (was mir bei Ab- fassung der Abhandlung II noch nicht gelungen war), wie man die Schwarz’sche Theorie der Kreisbogenpolygone aus meinem allgemeinen Ansätze als besonderen Fall richtig erhält. In der Abhandlung I hatte ich die im folgenden stets mit jR bezeichnete Funktion als rationale Funktion behandelt, obgleich sie sich in den singulären Stellen nur verhält wie eine rationale Funktion; das mag zu Mißverständnissen Anlaß geben. Ich bin aber in Abhandlung II § 7 auf die Frage zurückgekommen und habe die Funktion B dort durch eine Differentialgleichung definiert. 1. Es möge zunächst das von Herrn Schottky konstruierte Beispiel auf Grund der von mir aufgestellten Gleichungen be- handelt werden. In der Ebene der komplexen Variabein s = x iy sei ein Polygon gegeben, dessen Seiten von Parabeln mit gemein- samem Brennpunkt und von geraden Linien gebildet werden. Nach Gleichung (33) meiner Abhandlung I wird die konforme Abbildung dieses Polygons auf die obere Halbebene der Variabein Z = X iY durch eine Differentialgleichung der Form (1) gegeben, in der i2(^) eine gewisse Funktion von bedeutet, die reell ist auf der reellen Axe F = 0 und deren Definition unten in Nr. 12 nochmals angegeben ist. Näher bestimmt wird sie durch eine von dem Sch warz’schen Ausdrucke { TF, Z] abhängige Dif- ferentialgleichung, die in § 7 der Abhandlung II aufgestellt wurde. Bezeichnen wir die Differentiation nach Z durch Striche und setzen (mit Schottky): (2) z‘ V = <1 in also = g' + so wird jene Gleichung: (3) 2' -f 32 _ 3 -p 2 i?-' = 0 . über konforme Abbildung von Kegelsehnittpolygonen. 97 Die Gleichung (1) war a. a. 0. für Parabeln aufgestellt; gerade Linien sind Grenzfälle von Parabeln, so daß die Gleichung auch für unsern Fall anwendbar bleibt. Die in (2) aufgeführte Größe p kommt in (3) nicht vor, wie es nach geometrischen Über- legungen (Unabhängigkeit von der Lage der Koordinatenaxen) oder nach einem allgemeinen Satze von Schottky sein muß. 2. In der komplexen Ebene sei andererseits ein Polygon gegeben, dessen Seiten von gleichseitigen Hyperbeln mit gemein- samem Mittelpunkt und geraden Linien gebildet werden. Die Hyperbeln können nur in gerade Linien ausarten, die durch den gemeinsamen Mittelpunkt gehen. Die Hyperbeln an sich würden zunächst zu einer Gleichung dritter Ordnung führen (in der aber s — a neben z\ z“‘ vorkommt, wenn a den Mittelpunkt be- zeichnet); das Vorkommen der geraden Linien zwingt zur Be- nutzung der allgemeinen Differentialgleichung vierter Ordnung, die ich in Gleichung (13) der Abhandlung II für Kegelschnitt- polygone aufgestellt habe, nämlich; SV- n‘ -z' — 8iV‘ z‘ — svz“)n = o, wo II = [— 9 V^z'“ -f QVV'z' -p (3 FF" — V‘^)z‘]. z Führt man die hier angeführten Differentiationen aus und setzt 9F2 V n = — P, also P = q‘ ~ S Rq — R‘ -\- 2 R= so daß P die linke Seite der obigen Gleichung (3) bezeichnet, so wird die Dififerentialffleichung : O O -1-3^6P — 8 ^P— 8^3P — 3 — ^ P = 0 , oder (4) - 2RP= 0, dZ wo R wieder eine Funktion von Z bezeichnet, von der in Nr. 12 die wesentlichen Eigenschaften angegeben werden, und entwickelt: W + 2qq‘ — SRq‘ — SRq — R‘ -V 4 P P'] — 2 P [g' (5) + — 3 P 2 — P' + 2 P2] = 0 . Sitzungsb. il. math.-pbys. Kl. Jabrg. 1923. 7 98 P. Lindemann In § 7 der Abhandlung II wurde nachgewiesen, dai diese Gleichung unabhängig von linearen Transformationen der Varia- bein Z ist. 3. Wir setzen jetzt die beiden Polygone durch die Abbildung (6) ^ zueinander in Beziehung, wobei wir das Hyperbelpolygon von Nr. 2 in der Ebene der komplexen Variabein C = ^ denken. Dabei entsprechen bekanntlich den Parabeln mit gemeinsamem Brennpunkte {s = 0) der .S’-Ebene die geraden Linien der C-Ebene und den geraden Linien der .^-Ebene gleichseitige Hyperbeln mit gemeinsamem Mittelpunkt (t = 0) in der Z-Ebene. Aus dem Parabelpolygon, das in Nr. 1 behandelt wurde, entsteht also (bei passender Bestimmung der vorkommenden Konstanten) das Hy- perbelpolygon von Nr. 2; es muß folglich die Differentialgleichung vierter Ordnung (5) durch die Gleichung (6) auf die Differential- gleichung dritter Ordnung (3) zurückgeführt werden. Das ge- schieht in der Tat auf folgende Weise. In der t-Ebene sei y! yii y 0. Aus einer geraden Linie (17) wird bei der Spiegelung (21) eine Kurve, die sich aus den Gleichungen a‘ J — i ß' Ci -\- y' = 0 , a‘ s'j i ß' y‘ = 0 , aiC + CD-ißiC^-CD + 7 = 0 durch Elimination von C und Cj ergibt; die Gleichung wird: j, + 2 a y'2 _ aß'^C*^ + Ct^) + ißß'^ {CV - C*D -^2i/ß‘[ia^iß)l:*-{a-i ß) Cn = 0 wieder eine gleichseitige Hyperbel; ihr Mittelpunkt liegt aber nicht im Anfangspunkt. Aus dem von geraden Linien und Hy- perbeln begrenzten Polygon wird also ein Polygon, das nur von Hyperbeln begrenzt wird. Liegen im Innern der betrachteten Flächenteile Brennpunkte der betreffenden Kurven, so sind die Flächenteile als mehrblätterig zu denken ; auch die Halbebene K> 0 wird dann mehrfach überdeckt. Der Linie (20) entspricht in der ^r-Ebene eine Pai’abel; der Hyperbel (20a) eine gerade Linie; die Spiegelung an der Hyperbel wird zur TJraklappung an der geraden Linie. Dadurch entsteht aus der Parabel wieder eine Parabel, aber mit anderem Brenn- punkte, es sei denn, daß die Gerade zufällig durch den Brenn- punkt der Parabel hindurchgeht. 106 F. Lindemann 11. Die Kreispolygone erscheinen in der Abhandlung II zu- nächst als Ausnahraefälle; sie müssen aber in dem allgemeinen Ansätze doch als besondere Fälle enthalten sein. Nach der Schwarz’schen Theorie ist für sie, wenn {s, Z} den Schwarz- schen Ausdruck bezeichnet: (22) {z, Z) = q' — = Q (Z), also q“ = qq‘ + q\ wenn q eine gewisse rationale Funktion von bedeutet. Anderer- seits gibt die Gleichung (11) für a = b (also T = {z — a)-) als erstes Integral der Gleichung (4) beim Kreise: (22 a) R = q^^‘ z — a und, wenn man z — a eliminiert : (23) q‘ — — qR m Q und hieraus q“ =. R“ + q'R-\- R‘q — 2RR\ also durch Vergleichung mit der zweiten Gleichung (22): R'‘ + q\R — q)-\- R‘q — 2RR‘ — q‘ = 0, und wenn man q‘ mittels der Gleichung (23) eliminiert: — R 2qR^ — RR* — - q' 0; andererseits, indem man den Wert von q' aus (23) in die erste Gleichung (22) einsetzt: q^-2Rq^2R^ — 2R‘-\-2Q = 0. Die letztere Gleichung, mit R multipliziert und zur vorher- gehenden addiert, gibt: (24) R^ — 2,RR' R* -]-2qR — q' =^0. Nach Gleichung (41) in § 7 der Abhandlung II sollte eine Gleichung der Form (25) R - ^R^ = t{Z), also auch: R‘ = RR -{■r* bestehen, wenn t eine gewisse rationale Funktion bezeichnet. Setzt man hieraus die Werte von R‘ und R“ in (24) ein, so ergibt sich: 2 R{q - r) = q* - t* . 107 Über konforme Abbildung von Kegelschnittpolygonen. Da nun R keine rationale Funktion sein kann, so folgt (26) 0 also q‘ = und somit, da die linke Seite von (25) gleich { W, Z) ist. {W, Z) = {z, Z), wenn R = gesetzt wird ; folglich : -V ß wo a, ß, y, d Konstante bezeichnen, und hieraus W' ~ yz -f d .e' ’ wodurch die Gleichung (22 a) in der Tat erfüllt ist; diese aber ist ein Integral von (4); also auch letztere Gleichung ist erfüllt. Die Kreisbogenpolygone ordnen sich in die allgemeine TheoriederKegelschnittpo ly gone oh ne Schwierigkeit ein. Die Gleichung (24) läßt sich in der Tat nunmehr in der Form schreiben: R{W — ‘IR' - RR' - q' = 0, oder: = 2[{W, Z) - g] R, ist also erfüllt, sobald die eckige Klammer der rechten Seite ver- schwindet, wie es die Gleichungen (26) im Zusammenhang mit der Gleichung (41) der Abhandlung II verlangen. 12. Der besseren Übersicht wegen wiederholen wir hier (aus Abhandlung II) die genauere Definition der auf dem Rande reellen Funktion R, die sich an den singulären Stellen verhält wie eine W" rationale Funktion. Setzt man R = und bezeichnet { W, Z} wieder den Schwarzschen Differentialausdruck, so ist W aus einer Differentialgleichung der folgenden Form zu bestimmen: B' - i = { r. ^} = - i s 1 + i s ^ {Z- Qßf) ^ ^ Z-Ai^ ^\Z-R,^ Z- qJ 108 F. Lindeinann, Über konforme Abbildung etc. Hierin bezieht sich der Index i auf die verschiedenen Poly- gonecken, der Index h auf die im Innern des Polygons liegenden Brennpunkte der begrenzenden Kegelschnitte. Es bezeichnet Ai den Punkt der X-Axe, welcher der iten Ecke entspricht und ?.in: den zugehörigen Polygonwinkel; P* ist der Punkt der Halb- ebene E’> 0, der dem k ten Brennpunkt zugeordnet wird, Qk der konjugierte Punkt der Halbebene K<0; /5,, d*, di bezeichnen gewisse Konstante, die mit den Größen X,-, P^, Qk durch gewisse Relationen verbunden sind, nämlich X -j- X (d* di) = 0 , ^Aißi + XP* d* -1- X di = I X(;..^ _ 1) _ I XXr^, -f- XPi d* x^i di = 1 X(;.? - 1) Ai - f X(P* -h Qk), wo N die Anzahl der in Betracht kommenden Brennpunkte be- zeichnet. I 109 Der Schubmesser. Ein neues Feinmessgerät für Festigkeitsversuche. Von A. Föppl. Vorgelegt in der Sitzung am 3. März 1923. ^ Das bekannteste und weitaus wichtigste Instrument zur Aus- ifübrung genauer Messungen der elastischen Formänderung, die ein Körper unter einer Belastung erfährt, ist der Dehnungsmesser. Dem Vorgänger in meinem Lehramte, Johann Bauschinger, gebührt 1 das Verdienst, den ersten sehr vielseitig verwendbaren Dehnungs- I messer konstruiert zu haben, mit dem man die Längenänderung einer Strecke von einigen cm Länge bis auf etwa 0,1 Mikron genau I messen kann. Ausgeführt wurde der Bauschingersche Dehnungs- 1 messer von seinem Assistenten C. Klebe, der ein geschickter Fein- 1 mechaniker war und der mir später noch viele Jahre lang treue ' Dienste geleistet hat. Später hat Martens, der damalige Direktor I des Berliner Materialprüfungsamtes einen in den Einzelheiten sehr ! verfeinerten Dehnungsmesser angegeben, der aber sonst in der Hauptsache mit dem von Bauschinger übereinstimmte. Heute wird ; der Dehnungsmesser meist in der ihm von Martens gegebenen ’ Gestalt benützt. So nützlich und brauchbar der Dehnungsmesser aber auch ist, läßt er doch immer noch den Wunsch nach einem zweiten j Meßgerät offen, mit dem es möglich sein müßte, unmittelbar die elastische Winkeländerung zu messen, die ein ursprünglich rechter Winkel bei der Formänderung eines Körpers erfährt. Man denke sich nämlich im ursprünglichen Zustande des Körpers von einem Punkt 1 aus zwei rechtwinklig zueinander stehende Strecken nach I irgend zwei Nachbarpunkten 2 und 3 gezogen. Der durch die drei Punkte bestimmte Winkel 213 erfährt bei der Formänderung I 110 A. Föppl des Körpers im allgemeinen eine kleine Winkeländerung y und die Aufgabe des Instruments, das als ein Schubmesser bezeichnet werden kann, besteht darin, diese Winkeländerung mit genügender Genauigkeit zu messen. Wenn man annehmen darf, daß der Stoff, aus dem der Körper besteht, isotrop ist und daß er dem Hookeschen Elastizi- tätsgesetze gehorcht, besteht zwischen der Schiebung y und der Schubspannung t, die in den durch 12 und 13 beschriehenen Schnittrichtungen übertragen wird, der einfache Zusammenhang worin G den „Schubmodul“ bedeutet, d. h. dieselbe Größe, die nach dem Vorgänge von Kirchhoff und von Hertz von den Phy- sikern häufig mit dem Buchstaben K. bezeichnet und auch „Starr- heitsmodul“ (modulus of rigidity) genannt wird. Sobald es gelingt, bei einem Festigkeitsversuche y genau genug zu messen, nämlich ungefähr so genau wie die elastische Dehnung mit dem Dehnungsmesser, vermag man auf Grund dieser Gleichung entweder hei bekanntem Spannungszustande den Schub- modul 6r aus dem Messungsergebnisse abzuleiten oder umgekehrt bei gegebenem Schubmodul auf die Schubspannung r zu schließen, die in den durch die Winkelschenkel 12 und 13 angegebenen Schnittrichtungen übertragen wird. Ein Instrument, das die ge- stellte Forderung erfüllt, vermag daher für viele Zwecke, die man bei Festigkeitsversuchen anstrebt, sehr wertvolle Dienste zu leisten. Schon vor vielen Jahren, nämlich bald nachdem ich als Nach- folger von Bauschinger die Leitung des mechanisch-technischen Laboratoriums der hiesigen technischen Hochschule übernommen hatte, habe ich mich um die Lösung der Aufgabe, ein brauch- bares Instrument dieser Art zu konstruieren, selbst sehr ernsthaft bemüht. Dabei wurde ich von dem schon genannten C. Klebe unterstützt. Damals war uns aber kein Erfolg beschieden; die Messungen fielen nämlich bei häufiger Wiederholung immer wieder anders aus und es gelang uns nicht, alle Fehlerquellen aufzu- decken und sie zu beseitigen. Freilich nimmt sich der alte Schub- messer, der von jener Zeit her noch in unserer Sammlung auf- bewahrt wird, zu dem heute vorliegenden Instrument, mit dem Der Schubmesser. 111 das Ziel schließlich ganz befriedigend erreicht werden konnte, ungefähr wie eine ziemlich grob gebaute Dampfmaschine zu einem feinen Uhrwerk aus. Zum großen Teile ist übrigens der frühere Mißerfolg auch darauf zurückzufüliren, daß ich mir das Ziel damals zu hoch gesteckt hatte. Meine Absicht ging nämlich ursprünglich darauf hinaus, den Schubmodul G irgend eines Metalls mit Hilfe eines ge- wöhnlichen Zugversuches an einem aus diesem Metalle hergestellten Flachstabe zu ermitteln. In den um 45** gegen die Hauptzug- richtung geneigten Schnittflächen treten nämlich bekanntlich Schub- spannungen T auf, die halb so groß sind wie die Hauptspannung. Wenn es uns gelungen wäre, die Winkeländerung y genau genug zu messen, hätte man daher den Schubmodul G aus dem Zug- versuche entnehmen können. ln das Verdienst, das neue Gerät geschaffen und soweit ver- bessert zu haben, daß man unter gewöhnlichen Umständen brauch- bare Messungen damit ausführen kann , teilen sich zwei Labora- toriumsbeamte, der Konservator Herr Dr. Huber und der Werk- meister Herr Johann Mertel. Herr Mertel hatte sich schon vorher, insbesondere bei der Anfertigung von Dehnungsmessern in der von Martens angegebenen Bauart als ein sehr geschickter Mechaniker bewährt und Herr Dr. Huber hatte Gelegenheit, sich bei zahl- reiclien Versuchen der verschiedensten Art Erfahrungen über die Ausführung von Feinmessungen an elastisch veränderlichen Körpern zu sammeln. Die Vorbedingungen waren daher gegeben, um von einer verständnisvollen Zusammenarbeit beider Herren eine be- friedigende Lösung der gestellten Aufgabe erhoffen zu dürfen. Der erste Apparat, der aus dieser Zusammenarbeit hervor- ging, war zwar wiederum ein Mißerfolg, indem er ungefähr die- selben Mängel aufwies, wie der erste Schubmesser, den C. Klebe nach meinen Anregungen gebaut hatte. Es schien hiernach, als wenn die Aufgabe überhaupt nicht gelöst werden könnte. Aber die Herren Huber und Mertel ließen sich nicht abschrecken und ich gab gern meine Einwilligung dazu, daß sie ihre Bemühungen fortsetzten. Diese waren dann auch insofern von Erfolg gekrönt, als das neue Gerät wenigstens in allen Fällen, bei denen ein Gleiten der Befestigungsspitzen auf dem Probekörper nicht zu be- fürchten ist, insbesondere also bei der Anwendung zu Verdrehungs- 112 A. Föppl versuchen, allen Anforderungen genügt, so daß die damit ausge- führten Messungen an Genauigkeit nicht hinter denen eines guten Dehnungsmessers zurückstehen. Die Ermittelung des Schubmoduls aus Zugversuchen läßt allerdings auch mit dem neuen Schubmesser immer noch zu wünschen übrig. Bei weichen Metallen, wie Kupfer, Flußeisen oder nicht zu hartem Stahl kann man zwar den Schubmodul auf diesem Wege mit befriedigender Genauigkeit ermitteln. Dagegen wollte es bisher noch nicht gelingen, eine brauchbare Messung für ein hartes Gußeisen durchzuführen. Der Grund für das verschiedene Verhalten ist darin zu erblicken, daß beim Zugversuche die unter 45® gegen die Hauptrichtung geneigten Strecken nicht nur gegen- einander gedreht werden , sondern daß sie sich zugleich auch etwas dehnen. Um eine einwandfreie Messung der Winkeländerung y beim Zugversuche durchführen zu können, muß man daher verlangen, daß das Instrument solche Dehnungen gestattet, ohne daß die Angabe der Drehung dadurch gefälscht werden könnte. Die Längenänderungen, um die es sich dabei handelt, sind unter ge- wöhnlichen Umständen so klein, daß sie durch elastische Form- änderungen der beiden Hauptbestandteile ohne weitere Folgen an sich leicht ausgeglichen werden können. Dabei muß jedoch vorausgesetzt werden, daß die Befestigungspunkte des Schubmessers an dem Px-obekörper keine Verschiebung gegen diesen erfahren. An den Befestigungsstellen muß daher eine zur elastischen Form- änderung der Bestandteile des Instruments ausreichende Kraft übertragen werden können, ohne daß dabei die Spitzen, in denen die Berührung erfolgt, ins Rutschen kämen. Das ist eine Forderung, die nicht leicht zu erfüllen ist. Bei einem weichen Metall, wie insbesondere bei Kupfer, genügt es jedoch, wie der Erfolg lehrt, den Schubmesser durch Anziehen der Bügelschraube mit leichtem Druck an dem Probekörper zu befestigen. Die Spitzen setzen sich dadurch fest genug, um an dem Probekörper zu haften, so daß sie sich im Verlaufe des Ver- suches nicht dagegen verschieben können. Bei einem härteren Metalle muß man dagegen immer mit der Möglichkeit eines Glei- tens rechnen. Daß ein solches Gleiten zugleich auch mit einer von Zufälligkeiten abhängigen Drehung verbunden ist, sieht man Der Schubmesser. 113 leicht ein. Daher darf man den Versuchsergebnissen erst Ver- trauen schenken, wenn bei häufiger Wiederholung des Versuches an verschiedenen Stellen des Probekörpers hinreichend miteinander übereinstimmende Werte erhalten werden. Mit Rücksicht hierauf erblicke ich den Hauptgebrauchswert des Schubmessers, so wie er heute vorliegt, darin, daß es mit seiner Hilfe möglich ist, die Schubspannungen unmittelbar zu messen, die in einem auf Verdrehen beanspruchten Stabe auf- treten. In diesem Falle kommt nämlich die Gefahr, daß die Spitzen gleiten könnten, überhaupt nicht in Betracht, da die in den be- treffenden Richtungen gehenden Strecken ihre Längen gar nicht ändern. Im Verlaufe meiner Arbeiten über die Verdrehungssteifig- keit der Walzeisenträger habe ich vor einigen Jahren die Be- hauptung aufgestellt, daß die größte Schubspannung bei der Ver- drehung eines Stabes von doppel-T-förmigem Querschnitt in der Mitte des Flansches auftrete und nicht, wie man früher allge- mein annahm, in der Stegmitte. Diese Behauptung ist von man- chen Sachverständigen bestritten oder wenigstens bezweifelt und vielleicht von den meisten nicht geglaubt worden. Es mußte mir daher daran liegen, sie auf dem Versuchswege zu prüfen. Hierfür stand mir anfänglich kein anderes Mittel zur Ver- fügung, als die Oberfläche des Versuchskörpers gut zu glätten und zu polieren und die Verdrehung so weit fortzusetzen, bis sich die ersten Fließfiguren deutlich sichtbar geinacht hatten, worauf der Versuch abgebrochen wurde. In der Tat traten auch diese Fließfiguren an der von mir erwarteten Stelle auf und nicht in der Mitte des Stegs. Dieser Befund war beweiskräftig genug, um jeden Sachverständigen, der sich die Versuchsstücke bisher ansehen konnte, für meine Ansicht zu gewinnen. Immerhin war jedoch die Beweisführung insofern nicht ganz einwandfrei, als man bei dem Versuche die Elastizitätsgrenze überschreiten mußte, um die Fließfiguren hervorzubringen, während sich die Behaup- tung, die geprüft werden sollte, auf einen Zustand im rein ela- stischen Gebiete der Formänderung bezog. In diesem Falle ist der Schubmesser das einfachste und zuverlässigste Hilfsmittel, um einen in jeder Hinsicht befriedigenden Nachweis für die Richtig- keit der aufge.stellten Behauptung zu erbringen. Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jalirg. 1923. 8 114 A. Föppl Ich brauche kaum besonders hinzuzufügen, dah dieser Ver- such ausgeführt wurde und dah er das erwartete Ergebnis lieferte. Die zahlenmäßige Wiedergabe dieses Versuches und einiger anderer Versuche, bei denen der Schubmesser verwendet wurde, möchte ich meinem Mitarbeiter Herrn Dr. Huber überlassen, der darüber an anderer Stelle zu berichten beabsichtigt. Das Instrument besteht, wie die beistebende Zeichnung er- kennen läßt, aus zwei Hauptbestandteilen, nämlich aus zwei Stängelchen von rund 10 cm Länge, die nebeneinander liegen und von vornherein ungefähr in der gleichen Richtung gehen, sich aber im Verlaufe des Versuches ein wenig gegeneinander drehen, nämlich um den Betrag des Winkels y, den man zu messen be- absichtigt. Die beiden Hauptbestandteile werden von beiden Seiten her durch zwei Deckel zusammengehalten, in denen sich die Lage- rung für die Spitzen befindet, um die sich die Stängelchen gegen- einander drehen können. Das eine Stängelchen stützt sich mit zwei Spitzen gegen den Probekörper, die um 1 cm voneinander entfernt sind und deren Verbindungslinie in der Richtung des Stängelchens geht. Das andere Stängelchen hat in der Mitte einen kurzen Querarra und in diesem sind die beiden Spitzen gelagert, mit denen es .sich gegen den Probekörper stützt. Auch diese beiden Spitzen sind um 1 cm voneinander entfernt und die Verbindungsstrecke geht in der Richtung des Querarms, also senkrecht zur Richtung der beiden Stängelchen. Der zu 1 cm gewählte Abstand von je zwei zusammengehörigen Spitzen könnte ebensogut auch größer oder kleiner sein, ohne daß dadurch eine wesentliche Änderung in der Wirkungsweise des Instruments herbeigeführt würde. Vermutlich wird es sich empfehlen, ihn bei späteren Ausführungen etwas kleiner, vielleicht gleich 5 mm zu wählen. Im Mittelpunkte des durch die vier Befestigungsspitzen ge- bildeten Quadrats sind die beiden Hauptbestandteile drehbar gegen- einander gelagert. Die Lagerung erfolgt in verschiebbaren Körnern, die in die beiden Deckel eingelassen sind. Sie bedarf einer be- sonders sorgfältigen Ausbildung, weil das Instrument in vier Punkten mit dem Probekörper verbunden werden soll, während ein starrer Körper schon beim Festhalten an drei Punkten un- verschieblich festliegt. Um die hiernach erforderliche Anpassung Der Schubmesser. 115 zu ermöglichen, ist der kleine Stahlbolzen, der nach beiden Seiten hin die Spitzen trägt, um die sich die beiden Stängelchen gegen- einander drehen können, federnd gelagert, wie aus dem Schnitte im untern Teil der Abbildung zu erkennen ist. Der Winkel 7, um den sich die beiden Stängelchen gegen- einander drehen, wird durch zwei Spiegel gemessen, die an beiden Enden nach Art des Dehnungsmessers von Martens stelzenartig einerseits gegen das eine Stängelchen und anderseits gegen zwei an den Enden des anderen Stängelchens angebrachte federnde Arme gestützt sind. Die Anordnung ist dabei so getroffen, daß eine Drehung der beiden Stängelchen um einen Winkel 7 zu ent- gegengesetzten Drehungen der beiden Spiegel führt. Hierdurch wird ähnlich wie beim Dehnung-smesser der Fehler ausgeschaltet, 116 A. Föppl, Der Schubmesser. der andernfalls durch eine Drehung des ganzen Instruments oder des Probekörpers herbeigeführt würde, an dem es befestigt ist. Die Ablesung erfolgt mit Fernrohren, die in einem geeigneten Abstande von etwa 1,5 bis 2 m aufgestellt werden und mit denen man die Verschiebungen des Spiegelbildes eines feststehenden Mah- stabes abliest. Das aus Stahl hergestellte Instrument wiegt mit Einschluia der beiden kleinen Bügel, durch die die beiden Hauptbestandteile in der Mitte drehbar zusammengehalten werden und mit Ein- schluß der beiden Spiegel, jedoch ohne den großen Bügel, der dazu dient, das Instrument an dem Probekörper festzuklemmen und der je nach Bedarf ausgewechselt werden kann, rund 53 gr. Wenn das Instrument angebracht werden soll, stellt man die beiden Stängelchen zuerst gegeneinander fest, so daß sie sich nicht gegeneinander drehen können. Dazu dienen zwei kleine Stifte, die man durch die in etwa 35 mm von der Mitte beider- seits angebrachten und aus der Zeichnung ersichtlichen Löcher steckt. Nach dem Anlegen des Instruments zieht man diese Stifte wieder heraus. Etwaige Anfragen wegen Lieferung eines solchen Schub- messers und des Preises, zu dem er bezogen werden kann, wären an den Werkmeister des mechanisch-technischen Laboratoriums der Technischen Hochschule in München, Herrn Joh. Mertel zu richten. Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. Von Ludwig Döderlein. Vorgetragen in der Sitzung am 5. Mai 1923. Einleitung. Die mir vorliegende Platte von lithographischem Schiefer mit den Resten eines neuen Pterosauriers kam schon vor einer längeren Reihe von Jahren aus den Händen eines Steinbruch- besitzers in Eichstätt in den Besitz des kürzlich in München ver- storbenen Oberbergdirektors Ludwig v. Ammon. Ein genauerer Fundort war nicht mehr zu ermitteln. Herr v. Ammon hatte die Absicht gehabt, das Exemplar selbst zu beschreiben, legte es aber nicht lange vor seinem Tode in meine Hände mit der Be- stimmung, es nach der Bearbeitung der paläontologischen Staats- sammlung in München zu übergeben. Das Fossil erschien ihm deswegen besonders bemerkenswert, weil es noch unverkennbare Reste der Flughaut zeigte, von der bisher nur bei einem der zahlreichen Exemplare von Pterodactylus, die man kannte, deut- liche Spuren erwähnt worden waren {Pt. elegans im Haarlemer Museum, vgl. Zittel). Denn zu dieser Gattung, von der gerade aus dem lithographischen Schiefer bereits eine größere Anzahl von Arten bekannt ist, schien es seines rudimentären Schwanzes wegen zu gehören. Die auffallende, mächtig entwickelte fünfte Zehe am Hinter- fuß überzeugte mich aber sofort, daß es trotz seines Stummel- schwanzes nicht zur Gattung Pterodactylus gehören könne, und $ der äußerst kurze Metacarpus, die kurzen Halswirbel, die voll- j komraene Trennung der beiden Präorbitallücken am Schädel ent- I fernen es durchaus aus der ganzen Gruppe der Pterodactyloidea I und verweisen es entschieden zur Gruppe der sonst langschwän- ji zigen Rhamphorhynchoidea; unter diesen nimmt es schon wegen 'I Sitzungsb. d. matb.-phys. Kl. Jalirg. 1923. 9 118 L. Döderlein Fig. L AnurognaViiis Ammoni nov. gen., nov. sp. aus dem litbographischen Schiefer von Eichstätt nach einer Photographie ioi ursprünglichen Zustande. Das Relief der Flughaut ist an einigen Stellen künstlich etwas verstärkt, doch in durchaus sachgemäßer tVeise. Der Sakralteil und das rechte Kniegelenk sind eingeleimt, letzteres verkehrt. Natür- liche Größe. Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 119 seines Stummelschwan- zes eine ganz eigentüm- liche Stellung ein und stellt eine noch unbe- kannte, auch in anderer Beziehung höchst merk- würdige Form dar, der ich den Namen Anu- rognathus Ammoni nov. gen., nov. sp. beilege. Die Verkümmerung des Schwanzes ist bei dieser Form eingetreten ganz unabhängig von allen übrigen dadurch ausge- zeichneten Formen, die eine natürliche geschlos- sene Gruppe der Ptero- saurier darstellen, die Pterodactyloidea, die sich in ganz anderer Richtung als unser rognathus aus den ur- sprünglichen langge- schwänzten Rhampho- rhynchoidea entwickelt haben. Anurognathus besaß etwa die Größe einer Amsel (Turdus merula)-, was aber die Flugorgane anbelangt, so erinnert unter allen Vögeln, die ich zum V ergleich heran- zog, die Nachtschwalbe {Caprimulgus europaeus) noch am meisten an un- sern neuen Flugsaurier. Fig. 2. Anurognathus Ammoni. Rekonstruktion des Skeletts. Schultergürtel, Rippenenden, Sternum, Bauchrippen sind absichtlich weggelassen. Ein Teil des Schädels und der Flugfinger ist ergänzt. 3/^ natürliche Größe. 9* 120 L. Döderlein Bei den vielfachen Vergleichen mit den übrigen Pterosauriern und einer Auswahl von Vögeln und Chiropteren, die ich bei der Besprechung des Baues von Anurognathus anstellte, fühlte ich die Notwendigkeit, nicht die absoluten Größen der einzelnen Skeletteile zu vergleichen, sondern relative Werte zu verwenden. Da es prak- tisch durchführbar war und gute Resultate ergab, wählte ich als Einheit die Länge der Rumpfwirbelsäule vom 1. Rückenwirbel bis zum letzten Sakral wirbel (Rumpf =1). Als relative Länge des Schädels z. B. bezeichne ich die Zahl, die angibt, wie oft die Rumpflänge in der Schädellänge enthalten ist. Auch in Fällen, da die Wirbelsäule nicht im Zusammenhang vorliegt, läßt sich die Rumpflänge aus der meist bekannten Zahl der Wirbel annähernd berechnen, so daß trotz der nicht abzuleugnenden Schwierigkeiten diese Größe in den meisten Fällen mit einer für unsere Zwecke genügenden Sicherheit festgestellt werden kann ; auf absolut genaue Zahlen kommt es ja doch nicht an. Es war mir nahe gelegt worden, einen einheitlichen Knochen, am besten den Humerus, als Einheit zu benutzen, aber angesichts der Tatsache, daß bei zwei der vor- züglichsten Flieger unter den Vögeln in einem Falle (Cypselus) der Humerus nur 0.35 der Rumpflänge, im andern Falle (Dmnedea) aber das 1.5 fache der Rumpflänge mißt, zog ich vor, eine kon- stantere Größe als Einheit zu suchen. Als 1. Rückenwirbel der Vögel nahm ich den ersten, dessen Rippe nahezu oder völlig das Sternum erreicht; bei Chiropteren, die mit stark gekrümmter Rumpfwirbelsäule fliegen, nahm ich die Sehne des dadurch ent- standenen Bogens als Einheit. Bei der Auswahl der Vögel suchte ich typische meist ein- heimische Vertreter der wichtigsten Gruppen aus, die sich zum Vergleich mit Pterosauriern eignen könnten, und schied vor allem extrem ausgebildete Formen aus, wie die langbeinigen und lang- schnäbligen oder die besonders kurzflügligen Formen. Bei den Pterosauriern fand ich öfter die von mir gesuchten Größenangaben nicht im Text von den Autoren verzeichnet. Ich war dann dar- auf angewiesen, sie mir aus den Abbildungen, auch aus einzelnen guten Photographien, die ich benutzen konnte, selbst abzumessen. Aus solchen Messungen ließen sich nicht unschwer die relativen Größen feststellen, wenn auch in manchen Fällen die absoluten Größen unsicher blieben. Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 121 Für die Bereitstellung der Literatur sowie für die Erlaubnis, die wunderbare Sammlung von Pterosauriern in der Paläonto- logischen Staatssammlung in München benützen zu dürfen, bin ich den Herren Prof. Dr. Broili und Prof. Dr. v. Stromer- Reichenbach zu großem Danke verpflichtet. I. Erhaltungszustand (Fig. 1). Der vorliegende Flugsaurier geriet nach seinem Tode offen- bar in nahezu unverletztem Zustande in den Kalkschlamm, aus dem sich der lithographische Schiefer bildete, und wurde rasch von ihm vollständig begraben, noch ehe die eintretende Fäulnis Zeit fand, den Zusammenhang der Skelettknochen zu lockern. Lediglich eine der Hinterzehen und vielleicht einige Schädel- knochen scheinen noch vorher wohl durch Gewalt aus dem ur- sprünglichen Zusammenhang gerissen worden zu sein. Der linke Schultergürtel nebst der daran hängenden Gliedmaße ist etwas ventral- und kaudalwärts verschoben. Sonst scheint der ganze Körper in tadellosem natürlichem Zusammenhang zur Einbettung gekommen zu sein. Er liegt auf der linken Seite, die linken Extremitäten nach der rechten, die rechten nach der linken Hälfte der Platte ausgebreitet, der vordere Teil des Kopfes über dem linken Flugfinger, der rechte Hinterfuß über dem rechten Flug- finger liegend. Störende Überkreuzungen von Skeletteilen fanden fast nur insofern statt, daß die linke Mittelhand nebst einem Teil des Flugfingers den hinteren Teil der Halswirbelsäule verdeckt. Fast der ganze Teil der Platte, der von dem Skelett eingenommen ist, zeigt eine eigentümlich glatte, zum Teil mehr oder weniger deutliche Relieffiguren enthaltende Beschaffenheit, die ohne Zweifel durch die Weichteile, besonders durch die Flughaut veranlaßt ist. Deutliche Umrisse derselben, die ihre Formen darstellen, sind aber kaum mehr festzustellen. An dem teilweise unbefriedigenden Zustand des Skeletts tragen zwei Umstände die Schuld. Erstens fehlt die Gegenplatte, in der nahezu der ganze Schädel stecken muß. Denn was von deutbaren Schädelspuren vorhanden ist, besteht fast nur aus Ab- drücken einiger Knochen der linken Schädelseite. Auch ein großer Teil der Wirbelsäule, ein Teil des Beckens und der Gliedmaßen ist nur in Gestalt von Mulden erkennbar, die mehr oder weniger 122 L. Döderlein deutliche Abdrücke der Skeletteile darstelleu , die früher darin lagen. Der rechte und Teile des linken Schultergürtels und fast das ganze Sternum sowie die meisten Rippen fehlen ganz, ebenso beiderseits die drei äußeren Phalangen der Flugfinger. Ob die "ehlenden Teile in der Gegenplatte blieben oder der ersten Prä- paration des Stückes zum Opfer fielen, die wohl hauptsächlich die Herstellung eines Schaustückes bezweckte, ist nicht zu ent- scheiden; nur der Sakralteil des Rumpfes war bei dieser ersten Präparation in die Mulde, aus der er sich gelöst hatte, wieder eingeleimt worden, ebenso das rechte Knie (verkehrt). Ein zweiter Übelstand, der einen unbefriedigenden Zustand des Skeletts veranlaßte, besteht im Auftreten von kristallinischem Kalkspat an der Stelle oder in der Umgebung der Knochen. Dies geht gewöhnlich in der Weise vor sich, daß etwa in der Mitte eines Röhrenknochens nur dessen Lumen von Kalkspatkristallen erfüllt ist, während die umgebende Knochensubstanz noch völlig intakt geblieben ist. Näher den Gelenkenden ist auch ein Teil der inneren Knochenwand in Kalkspat verwandelt, und im Ge- lenkteil selbst ist statt des Knochens eine einheitliche Kristall- masse vorhanden, deren Oberfläche erst noch eine zarte äußere Knochenschicht zeigt, die weiterhin nur noch aus einzelnen Fetzen besteht und am Gelenkende selbst schließlich ganz verschwunden ist. Die Knochensubstanz erscheint nach und nach förmlich einge- schmolzen in den kristallinischen Kalkspat. Diese durchsichtige Masse bewahrt oft noch in allen Einzelheiten die äußeren Formen des betreffenden Knochens. Äußerst fatal wird es aber, wenn auch auf der äußeren Oberfläche sich Kalkspat knollenförmig ansetzt, mit dem dann der Knochen förmlich verschmilzt, so daß er sich nicht mehr davon trennen läßt. Der Knochen verliert dadurch seine natür- liche Form und an seiner Stelle finden sich nur unförmliche Ge- bilde von kristallinischem Kalkspat. Derartigen Verunstaltungen sind die Gelenke vor allem ausgesetzt. So erscheinen bei dem vorliegenden Fossil die Zehen als rosenkranzförmige Bildungen, deren kuglige Verdickungen den unförmlich aufgetriebenen Ge- lenken zwischen den sonst unverändert dünn gebliebenen Mittel- stücken der Phalangen entsprechen. Innerhalb solcher Kalkspat- massen lassen sich Knochengrenzen meist nicht mehr nachweisen. Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 123 Man glaubt mitunter in den zu Kalkspat umgewandelten Hand- oder Fußwurzeln noch die einzelnen Knöchelchen zu erkennen ; doch sind es gewöhnlich einzelne Kalkspatkristalle, die eine solche ! Täuschung hervorrufen. Bei dem vorliegenden Stück ist u. a. die ganze Kreuzbeinregion mit den dazu gehörigen Teilen des Beckens in eine gleichmäßige kompakte Kalkspatmasse verwandelt, ebenso die beiden Fußwurzeln und die rechte Handwurzel nehst der Mittelhand. Auch innerhalb der Wirbelsäule lassen sich aus ' diesem Grunde nur wenig Einzelheiten mehr feststellen. 2. Pneumatische Knochen. Soweit die Knochen des Skeletts selbst noch vorliegen, zeigen sie sämtlich auffallend weite Hohlräume in ihrem Innern, so daß alle Knochen äußerst dünnwandig sind. Durch jeden der langen Gliedmaßenknochen zieht sich ein ununterbrochener Kanal, selbst durch die sehr dünnen Phalangen, während die übrigen Knochen von einer weitmaschigen Spongiosa erfüllt sind. Solche pneuma- tischen Räume scheinen nur den Bauchrippen zu fehlen. 3. Schädel (Fig. 3). ' Offenbar war der 1 Kopf noch in natür- I lichem Zusammenhang ^ mit den Halswirbeln t erhalten gewesen, und Izwar mit der linken Seite auf der ersten Phalange des linken Flugfingers liegend. I Eine sonst unverständ- k liehe, hinten scharf um- ^ randete Vertiefung auf I der Kalkplatte im An- I Schluß an die Halswirbel muß als Umriß des Hin- terkopfs angesehen wer- den; als Andeutung des Auges muß eine auffal- Fig. 3. Schädelknochen. A Adlacrymale. Fr Frontale. J Jugale. W linker ünterkieferast. von der Seite. rM rechter Unterkieferast von oben mit den Eindrücken von 8 Zähnen. Mx Maxillare mit 4 Zähnen. N Nasale. 124 L. Döderlein lende runde Erhöhung gelten, die dorsal noch Spuren einiger Skierotikalplatten zu zeigen scheint. Von Schädelknochen selbst sind nur ganz vereinzelte kleine Bruchstücke vorhanden, von denen zwei nach ihrer Lage als Teile des linken Jugale anzusehen sind, dazu zwei dreischenklige Knochen, die die beiden Adlacrymalia (v. Huene) darstellen dürften. Von weiteren Schädelknochen sind nur Abdrücke vorhanden in Gestalt von scharf umgrenzten Mulden. Unter diesen sind mit aller Sicherheit Frontale, Nasale und Maxil- lare mit 4 Zähnen der linken Seite festzustellen, die noch zusam- menhängend ihre natürliche Lage gegen die Orbita gewahrt haben. Sonst ist, etwas aus der ursprünglichen Lage verschoben, noch der Abdruck des linken Dentale mit den zwei vordersten Zähnen deutlich. Während dieser die Seitenansicht bietet, läßt sich, fast nur durch die Eindrücke der 8 Zahnspitzen kenntlich, der Bogen, den das rechte Dentale bildet, erkennen. Eine Mulde von 20 mm Länge und 2.2 mm Höhe stellt den Abdruck der Außenwand des linken Unterkieferastes dar; es dürfte der größte Teil des Dentale sein, dessen hinteres Ende unvoll- ständig ist; sein vorderster Teil zeigt sich ganz leicht abwärts gebogen, zugleich gegen die Symphyse zu stark einwärts gebogen. Die scharfen Eindrücke der Kronen von den zwei vordersten Zähnen sind erhalten, die als spitze, fast gerade Kegel von 0.4 mm Dicke an der Basis sich zu einer Höhe von 2.6 mm fast senk- recht aus dem Knochen erheben. Vor den Zähnen verlängert sich der Unterkiefer noch zu einem etwa 2 mm langen Symphysen- teil. Wie stark die Einbiegung des Unterkiefers gegen die Sym- physe zu ist, erkennt man sehr gut an den Spuren, die der rechte Unterkiefer auf der Platte hinterlassen hat. In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Vorderende des linken Unterkiefers findet sich ein tiefer Eindruck, der den Symphysenrand des rechten Unterkiefers darstellt, daneben in entsprechender Entfernung als Spuren der zwei vordersten Zähne die tiefen Eindrücke ihrer Spitzen und neben diesen fast ebenso tiefe Grübchen, die einer Aufblähung um die Alveolen dieser beiden Zähne auf der lingualen Seite der Mandibel entsprechen dürften. Als Fortsetzung der Zahnreihe lassen sich noch 6 in etwa gleicher Entfernung von- einander befindliche nadelstichartige Eindrücke zum Teil von äußerster Feinheit bemerken, die eine nahezu gerade Reihe bilden. r Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 125 i die zwischen den zwei hinteren Zähnen des Maxillare endet. Es it sind das zweifellos die Eindrücke der übrigen Zahnspitzen des I rechten Unterkiefers, die in etwas verschiedener Höhe gelegen sein mußten. Von diesen 6 hinteren Zähnen ist am linken Unter- kiefer keine Spur mehr nachzuweisen, auch ist nichts von einer / Aufblähung ihrer Alveolen zu bemerken, die im Unterkiefer aber « auch nicht auf der labialen Seite, die allein vorliegt, zu erwarten I wäre. Die Symphyse des Unterkiefers ist etwa 5 mm von der H geraden Linie entfeimt, die durch die Spitzen der 6 hinteren Zähne festgelegt ist. Die beiden Unterkieferäste bilden daher vorn einen ziemlich breiten Bogen miteinander und sind nur in einer ganz kurzen Symphyse miteinander vereinigt, die vor dem ersten Zahn deutlich vorspringt. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß auch die beiden Zwischenkiefer eine breite abgerundete Schnauze mit- einander bilden dürften. Von den bestimmbaren Knochen des Schädels ist der wichtigste und am deutlichsten erhaltene das linke Maxillare in einem sehr wahrscheinlich ganz vollständigen Abdruck seiner Außenseite, Es erscheint als eine ungefähr drei- eckige, stark gewölbte Platte von 10 mm Länge, die dorsal in einen 9.5 mm hohen, 1 — 1.5 mm breiten, zungenförmigen, fast senkrecht stehenden Fortsatz ausläuft, der den Flugfinger über- kreuzt. Die Entfernung seines Unterrandes bis zum Ende des Fortsatzes beträgt 15 mm. Senkrecht oder kaum merklich nach hinten geneigt stehen auf dem Unterrand in annähernd gleichen Abständen 4 schlanke, spitze, fast gerade Zähne von durchschnitt- lich 2 mm Höhe, die beiden mittleren unmerklich kräftiger als die äußeren. Ihre Alveolen bilden auf der Außenwand des Kno- chens kräftige Aufblähungen. Der vor dem aufsteigenden Fort- satz liegende Teil des Maxillare ist kürzer als der hintere, in- folgedessen ist die am Hinterrand entstandene Einbuchtung des Maxillare, die den vorderen Teil der Präorbitallücke bildet, be- trächtlich tiefer als die Einbuchtung des Vorderrandes, die die : Nasenöfifnung hinten begrenzt. An das oberste Ende des Maxillarfortsatzes stößt ein von hinten her sich erstreckender schmaler zungenförmiger Abdruck eines Knochens von 10 mm Länge, des Nasale, der oberhalb der Orbita in einen ebenfalls etwa 10 mm langen, aber viel breiteren Abdruck eines Knochens übergeht, der eine große und sehr tiefe 126 L. Döderlein Mulde in der Platte veranlaßt, und den ich für das kräftige, über die Orbita ragende Frontale ansehe. Ein dreischenkliger, tatsäch- lich vorhandener Knochen am oberen VordeiTand der Orbita ist wohl als Adlacrymale zu deuten; seinem unteren Schenkel kommt ein Knochen entgegen, der als der aufsteigende Ast des Jugale anzusehen ist, dessen Körper vielleicht durch das Bruchstück eines kräftigen Knochens am Unterland der Orbita dargestellt wird. Ist die Deutung dieser Knochen richtig, dann sind sie sämtlich aus ihrer natürlichen Lage zueinander gar nicht oder nur ganz unbedeutend verschoben. Der merkwürdigste unter diesen Schädelknochen ist das Maxillare, das auffallend kurz ist, nur 4 Zähne trägt und einen fast senkrecht aufsteigenden Fortsatz besitzt. Daß es sich nicht um ein Prämaxillare handeln kann, geht abgesehen von seiner Lage zu den anderen Knochen besonders daraus hervor, daß der Vorderrand eine deutliche Einbuchtung zeigt, die bei einem Prä- maxillare nicht erklärlich wäre. Die übrigen Rhamphorhynchoidea, deren Schädelbau bekannt ist, zeigen sämtlich ein sehr viel längeres Maxillare mit 5 — 9 Zähnen und einen verhältnismäßig kurzen aufsteigenden Fortsatz, der in ausgesprochener Weise schräg nach hinten gerichtet ist. Diese Formen besitzen aber auch sämtlich eine bemerkenswert lange Schnauze und eine Präorbitallücke, die mindestens so lang, meist aber beträchtlich länger als hoch ist. Unser Anurognathus kann aber nur eine kurze, dabei aber verhält- nismäßig hohe Präorbitallücke besessen haben, und auch die Nasen- öffnung muß kurz und hoch gewesen sein. Es dürfte eine aus- gesprochen kurz- und hochschnauzige Form gewesen sein, die nur 4 Zähne im Maxillare und wahrscheinlich wie die sämtlichen be- kannten Rhamphorhynchoidea ebenfalls 4 Zähne im Prämaxillare gehabt hatte. Am nächsten von diesen steht dem Anurognathus wohl Scaphognathus crassirostris in dieser Beziehung mit nur 5 Maxillarzähnen, der ebenfalls nur aufrecht stehende Zähne in der breit abgerundeten Schnauze zeigt, was auch bei Dimorphodon der Fall ist. Doch ist auch bei diesen Formen die Verlängerung der Schnauze außerordentlich viel größer als bei Anurognathus. Bei den anderen Rhamphorhynchoidea endet die Schnauze spitz, und bei Ehamphorhynchus und JDorygnathus sind die vorderen Zähne mit der Spitze nach vorn gerichtet. l Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 127 Der präorbitale Teil des Schädels, also die Schnauze von 1 Anurognathus dürfte kaum die Länge des hinteren Schädels ge- . habt haben im Gegensatz zu allen anderen Pterosauriern, deren 1 Schnauze den hinteren Schädel weit an Länge übertrifft, meist 1 um das Doppelte (bei Pterodactyloidea oft noch länger). Nur bei i Scaphognathus und Campylognathus (auch Criorhynchus) erreicht • sie nicht die doppelte Länge (Arthaber 1919, Studien über ' Flugsaurier in Denkschr. Ak. Wiss. Wien Bd. 97 und Arthaber » 1921, Entwicklung, Ausbildung und Absterben der Flugsaurier in c Paläont. Zeitschr. Bd. 4). Alle die Annahmen, die ich mit der Gestalt des Maxillare 1 i bei Anurognathus glaube begründen zu können , werden nun durchaus bestätigt durch das, was über die Gestalt des ünter- . kiefers festgestellt werden kann. Auch die Ausmessungen des Unterkiefers und dessen Bezahnung lassen eine kurz-, aber bi'eit- schnauzige Form annehmen, die nicht mehr als 8 Zähne jeder- ' seits im Ober- und Unterkiefer besaß, die alle aufrecht in unge- fähr gleicher Entfernung voneinander standen. Die vorderen Zähne waren nicht stärker als die hinteren im Gegensatz zu allen anderen Rhamphorhynchoidea. Zu den bekannteren Pterodacty- loidea ergaben sich gar keine näheren Beziehungen. So erscheint der Kopf von Anurognathus (Fig. 2) durchaus f fremdartig unter den Pterosauriern, speziell auch unter den Rham- i phorhynchoidea {Ptenodraco halte ich für jugendliche Exemplare • mit noch nicht entwickelter Schnauze). Trotz seiner kurzen > Schnauze erscheint der Schädel von Anurognathus aber doch ver- l hältnismäßig sehr groß, besonders auch wegen seiner bedeuten- ' den Höhe. Er ist so lang wie der Rumpf (bzw. Rumpfwirbel- • Säule), seine relative Länge ist also gleich 1 zu setzen, ein Ver- i hältnis, das bei den meisten Rhamphorhynchoidea ungefähr das I gleiche ist (1 bis 1.2); bei Rhamph. longicaudus beträgt sie 0.9, I bei Dimorphodon 1.4; letzterer besitzt den relativ längsten Schädel I unter allen Rhamphorhynchoidea. Bei Pterodactylus ist die rela- ' tive Schädellänge 1.5 — 1.6 (Pt. elegans 1.1, micronyz 1.3, longi- i rostris 1 .9), bei Pteranodon ingens beträgt sie 2 (ohne den Hinter- i hauptskaram). Eine relative Schädellänge, die der von Anurognathus un- I gefähr entspricht, besitzt von Vögeln u. a. die Lachmöve, Amsel, 1 128 L. Döderlein Rabenkrähe, Schwarzspecht, Turmsegler. Auch unter den Chi- roptereu, die im allgemeinen einen relativ kurzen Schädel haben (0.4 — 0.7) gibt es Formen, die darin dem Anurognathus ähnlich werden, wie Phyllostoma perspicillatum mit einer Schädellänge von 0.9. Der Schädel dieser Art hat übrigens eine unverkenn- bare Ähnlichkeit mit dem des Anurognathus, was bei der Frage nach der Ernährungsweise dieser Form nicht übersehen werden darf. 4. Wirbelsäule (Fig. 4 und 5). Die Wirbelsäule war ursprünglich in ungestörtem Zusammen- hang vollständig erhalten gewesen, aber jetzt größtenteils nur als Abdruck in Form einer tiefen Rinne erkennbar; wo darin noch Reste der Wirbel vorhanden sind, bestehen sie aus kristallini- schem Kalkspat; nur selten lassen sich noch einige Einzelheiten erkennen. Sie bestand vermutlich aus 36 Wirbeln, und zwar wahrscheinlich 8 Halswirbeln, deren letzter eine rudimentäre Rippe trägt, 10 Rückenwirbeln mit wohl entwickelten Rippen, 2 Lenden- wirbeln mit kräftigen Querfortsätzen, wahrscheinlich 5 Sakral- wirbeln und 11 Schwanzwirbeln. Die Zahl der Halswirbel scheint bei den Pterosauria in der Regel 8 zu sein, mitunter werden 7 angegeben, bei Pteranodon 9. Dimorphodon und Scaphognathus besitzen 12, Dorygnathus und Rhamphorhynchus 13 Rückenwirbel, dazu 2 Lendenwirbel und 4 Sakralwirbel (Rh. longicaudus 3 oder 4). Während also vermutlich nur 17 Rumpfwirbel besitzt, haben die übrigen Rhamphorhynchoidea deren 18 — 19. Diese Anzahl scheint auch die Regel bei Pterodactylus zu sein, während Nyctodactylus nur 16, Pteranodon dagegen 22 Rumpfwirbel zeigen soll. Die Halswirbel sind wie bei allen Pterosauria beträchtlich größer als die Rumpfwirbel, im Gegensatz zu diesen ohne erkenn- baren oberen Dornfortsatz, die vorderen 5 mm hoch. Wie bei allen Rhamphorhynchoidea sind sie nicht länger als hoch im Gegensatz zu den Pterodactyloidea. Der Atlas war wohl dem der Krokodile ähnlich, wenigstens läßt sich dorsal der Abdruck einer den zweiten Halswirbel überdeckenden Spange erkennen, die eine der Postzygapophysen des oberen Bogens darstellen könnte. Ein schmaler ventraler Fortsatz am Atlas ist vielleicht als Hypapo- physe zu deuten. Weitere Einzelheiten waren nicht zu ermitteln. Änurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 129 Fig. 4. Wirbelsäule und Kumpf. C Coracoid. Fe Femur. Fi Fibula. 0 Schultergelenk. H Humerus. 11 Ilium. /s Iscfaium. P Pubis (Epipubisl. Ph 1. Pbalauge des Flugüngers. R Rippen, proximal. R' Rippen, distale Verbreiterung. S Scapula. Sp Schwanzspitze, daneben vergrößert. Sl Sternum. T Tibia. Fig. 5. Sakraler Teil des Rumpfes von der linken Seite (war in der Platte eingeleimt) nebst letzten Rippen. 17, 18 letzte Rückenwirbel. 19, 20 2 Lendenwirbel. 26 erster Schwanzwirbel. Ac Acetabulum. II Ilium, acetabularer Teil. Is Ischium, ebenso. R Ver- breiteter Teil der letzten 3 Rippen. 130 L. Döderlein Von Halsrippen ist nichts zu sehen mit Ausnahme des letzten Halswirbels, der unverkennbar eine feine 3 mm lange doppel- köpfige Rippe zeigt. Die gesamte Länge der 8 Halswirbel be- trägt 28 mm, ihre relative Länge (Rumpf = 1) beträgt 0.62, bei den anderen Rhamphorhynchoidea 0.56 — 0.86, bei den Pterodac- tyloidea 0.9 — 1.9, bei den verglichenen Vögeln 0.9 — 1.5, bei Chi- ropteren 0.23 — 0.4. Die darauf folgenden 12 Wirbel sind beträchtlich kleiner, sämtlich von ungefähr gleicher Größe und Gestalt, und nehmen von vorn nach hinten nur ganz unmerklich etwas an Größe ab; ihre Gesamtlänge beträgt 33 mm, von denen 5 mm auf die zwei Lendenwirbel kommen, ihre Höhe einschließlich des 1.9 mm hohen oberen Dornfortsatzes 5 mm. Dieser Dornfortsatz ist bei allen Rumpfwirbeln gleich hoch, bei den drei letzten quadratisch, bei den übrigen etwas nach hinten geneigt, stets etwa so lang als hoch. Die Wirbelkörper selbst sind offenbar sehr niedrig, so daß die Wirbel wesentlich aus den oberen Bogen bestehen. Das läßt sich aus den sehr weiten Intervertebrallücken schließen, die man an den Lendenwirbeln beobachten kann, bei denen noch die äußerste Knochenschichte vorhanden und noch nicht in Kalkspat verwandelt ist. Bei sämtlichen 10 Rückenwirbeln sind wenigstens proximale Teile von freien Rippen festzustellen, die sich bis zum ventralen Rand ihrer Wirbel verfolgen lassen. An den beiden Lendenwirbeln ist sehr deutlich ein kräftiger Querfortsatz zu beobachten. Von Sakralwirbeln möchte ich 5 annehmen; sie sind aber sämtlich in der Masse reinen Kalkspats aufgelöst, die die Stelle der Beckenregion einnimmt. Von den einzelnen Wirbeln ist keine sichere Spur mehr aufzufinden, nur einige schwache narbenartige Eindrücke in der Mulde, die das Becken aufnahm, lassen sich vielleicht als Andeutungen von Querfortsätzen der Sakralwirbel ansehen und ihre Zahl auf 5 festsetzen. Sie nehmen zusammen eine Länge von 12 mm ein, so daß die gesamte Rumpflänge vom 1. Rückenwirbel bis zum letzten Sakralwirbel 45 mm mißt. Der dorsale Rand der oberen Dornfortsätze der Sakralwirbel liegt im gleichen Niveau wie der der Rücken- und Lendenwirbel. Eine der auffallendsten Erscheinungen , die Anurognathus zeigt, ist der kurze, nur aus 11 Wirbeln bestehende Schwanz von Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 131 nur 14 mm Länge, während alle anderen Rhamphorhynchoidea sich gerade durch ihren langen wohlentwickelten Schwanz gegenüber den stummelschwänzigen Pterodactyloidea auszeichnen. Während aber bei diesen der Schwanzstummel stets sehr dünn und ver- hältnismäßig zart ist, zeichnet er sich bei Anurognathus durch seine kräftige kegelförmige Gestalt aus mit deutlichen oberen und unteren Apophysen. Es ist wohl als sicher anzunehmen, daß die Verkümmerung des Schwanzes bei Anurognathus unabhängig von den Pterodactyloidea eingetreten ist. In der Kalkspatmasse, die an Stelle der Beckenregion noch vorhanden ist, ist der erste Schwanzwirbel noch zu erkennen als ) formloses Stückchen, das hinten an der Ventralseite des Kreuz- beins befestigt ist; hier ist der Schwanz unter einem Winkel von I etwa 45® ventralwärts von der Rumpfwirbelsäule abgeknickt. '( Während dieser und der zweite Schwanzwirbel keine bemerkens- * werten Eindrücke von Fortsätzen auf der Platte hinterlassen haben, ; ist von den darauf folgenden 7 Schwanzwirbeln jeder einzelne ^ gekennzeichnet durch einen stärkeren ventralen und einen schwä- cheren dorsalen, warzenförmigen Fortsatz, die einen deutlichen i Eindruck hinterlassen haben in Form von tieferen und seichteren i Grübchen in regelmäßigen Abständen. Die Gesamtlänge dieser ' 7 Schwanzwirbel beträgt 9.5 mm; dieser Teil des Schwanzes ver- I jüngt sich nach hinten zu gleichmäßig. Beim ersten dieser 7 Wirbel i beträgt seine Dicke noch 3 mm, beim letzten nur noch 1 mm. Die Reihen der dorsalen und ventralen Grübchen konvergieren 1 nach hinten in ausgesprochener Weise, so daß sie sich zuletzt * fast berühren. Dieser Schwanzstumrael ist konisch, endet aber ' in einem kleinen aufwärts gekrümmten Häkchen, in welchem ich zwei weitere Wirbel zu erkennen glaube. Der vorletzte Wirbel ist von winziger Größe, der letzte aber wieder vergrößert, von herzförmiger Gestalt mit aufwärts gerichteter Spitze. So erinnert er etwas an das Pygostyl der Vögel, das aber als wohl ent- wickelter wichtiger Träger der Steuerfedern bei den Vögeln eine ganz andere Rolle spielt als der winzige einfache letzte Schwanz- wirbel des Anurognathus, dem eine besondere Bedeutung nicht zugesprochen werden kann. 132 L. Döderlein 5. Rippen (Fig. 4 und 5). Nur am letzten Halswirbel kann eine Rippe nachgewiesen werden von nur 3 mm Länge, sehr fein und deutlich doppel- köpfig. An den sämtlichen 10 Brustwirbeln lassen sich Rippen oder deren Eindrücke wenigstens in Bruchstücken erkennen. Von ihnen ist nur die erste Rippe vollständig erkennbar; sie ist groß und kräftig, 15 mm lang, 1.3 mm breit, fiach und nahezu gerade. Die folgenden nehmen allmählich an Stärke ab. Von ihnen sind nur proximale Teile zu beobachten. Die 4 ersten Brustwirbel besaßen, wie sich deutlich feststellen läßt, zweiköpfige Rippen; bei der ersten ist der Hals des Capitulum kurz und kräftig, bei den folgenden wird er länger und schlanker; an der 3. Rippe ist er 2.5 mm lang. Es scheint, daß auch noch einige der folgenden Rippen doppelköpfig Avaren; deutlich nachzuweisen sind bei ihnen nur proximale Teile des Rippenkörpers, die sich bei den 3 letzten Rippen bis zum unteren Hinterrande der Wirbel verfolgen lassen. Die 10. Rippe bildet einen schlanken, zuerst geraden, hinten etwas gebogenen Stab von 7 mm Länge, der bis zum Beginn des Ischium sich erstreckt und dort plötzlich in eine ventralwärts verlaufende breite, äußerst dünne Platte von etwa 5 mm Länge übergeht, die unten breiter, aber undeutlich wird und sich im Gestein verliert. Ähnlich scheinen sich auch die beiden vorher- gehenden Brustrippen zu verhalten. Denn parallel zu der breiten Platte der 10. Rippe finden sich vor ihr noch zwei weitere ähn- liche Platten, deren oberer Rand einen sehr schlanken nach vorn gerichteten Stab entsendet, der, wie ich vermute, als das distale Ende des schlanken Teils der 8. und 9. Rippe anzusehen ist, deren ebenfalls vorhandener proximaler Teil die Richtung nach diesen merkwürdigen Platten nimmt. Diese sind in ihrem obersten Teile so breit (2 mm), daß sie aneinander stoßen, nach unten werden sie nur halb so breit und zeigen, besonders die vorderste, an ihrem Vorderrande einige Einbuchtungen. Sie liegen fast senkrecht zur Wirbelsäule; ihre ventrale Fortsetzung ist unbekannt. Ich ver- mute, daß es sich um die distalen Abschnitte der Rippen handelt, die hier plattenförmige Ausbildung erlangen, wie es in etwas weniger ausgesprochenem Grade bei der lebenden Hatteria zu be- obachten ist. So werden ja auch, und wie ich mich überzeugt Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 133 habe, mit Recht die merkwürdigen zackigen Gebilde bei Rham- phorhynchus gedeutet. Zwei Knochenbruchstücke, über die nichts bemerkenswertes zu sagen ist, dürften die einzigen Reste sein, die vom Sternum zu beobachten sind. 6. Schultergürtel (Fig. 4). Vom Schultergürtel ist sehr deutlich das linke Schulter- gelenk festzustellen, das mit der daran hängenden Vorderextremität etwa 20 mm ventral- und kaudalwärts sich verschoben hat. Die Gelenkfläche selbst war durch Kalkspat deformiert; ihre Ränder sind aber unverändert und an den Wänden ist noch spongiöser Knochen sichtbar. Das Gelenk selbst ist 5 mm lang und 4.5 mm hoch. Vom Gelenk aus erstreckt sich ein kräftiger, tadellos er- haltener Knochen mit weiter pneumatischer Höhle nach hinten; er stellt offenbar die Scapula dar, deren deutlich konkave innere Seite jetzt auf der Platte frei gelegt ist. Aber vergebens be- mühte ich mich, das hintere freie Ende dieser Scapula festzu- stellen. Anscheinend ohne jede Grenze geht dieser Knochen in einen ihm vom Becken her entgegen kommenden, ebenso starken Knochen über, der nur als Pubis (Epipubis) angesehen werden kann. Der ganze balkenförmige Knochenzug weist ja verschiedene Verletzungen auf, aber überall ist doch der Zusammenhang deut- lich zu übersehen, und nirgends ist eine Stelle zu bemerken, die als Grenzmarke zwischen den von beiden Seiten her übereinander geschobenen Knochen angesehen werden könnte. Die Scapula ist auf keinen Fall kürzer als 13 mm. Sie besitzt am Rande des Gelenks eine Breite von 3 mm, weiter außen von D/2 mm. Das Coracoid, dessen Beginn am Gelenk sichtbar ist, ist mit der Gegen- platte verloren gegangen, in der sich auch der rechte Schulter- gürtel befinden muß. So weit der Schultergürtel von Anuro- gnathiis sich beurteilen läßt, stimmt er mit dem der anderen Rham- phorhynchoidea überein. 7. Becken (Fig. 4 und 5). Vom Becken ist der sakrale und acetabulare Teil zu einer kompakten durchscheinenden Masse von Kalkspat umgewandelt, der nur an einigen Stellen noch Reste von Knochen erkennen läßt. Sitzungab. d. matb.-pbyB. Kl. Jahrg. 1923. 10 134 L. Döderlein Doch scheint die Oberfläche der linken Seite, die in die Mulde auf der Platte paflt, mit Ausnahme des ganz unkenntlichen Acetabulum die ursprüngliche Gestalt behalten zu haben. Vom Acetabulum aus erstreckt sich das Ilium in der Höhe der Wirbelkörper gerade nach vorn in einen dreieckigen Fortsatz, der mit seiner spieflartig verlängerten Spitze etwa bis zur Mitte des 9. Rückenwirbels reicht. Ein zweiter, kürzerer dorsaler Fort- satz des Ilium reicht bis zum Vorderrand des oberen Dornfort- satzes des zweiten Lendenwirbels, während der einspringende Winkel zwischen diesen beiden Fortsätzen des Vorderrandes bis etwa zum Hinterrand des 1. Sakralwirbels zu reichen scheint. Das Ilium scheint die sämtlichen Sakralwirbel und den Dornfortsatz des 2. Lendenwirbels von der Seite mantelförmig bis zum Dorsalrand ihrer oberen Dornfortsätze umhüllt zu haben. Den Dornfort- sätzen schmiegte er sich eng an, so daß der dorsale Teil des Beckens ein kielförmiges Aussehen erhielt. Nur der Dorsalrand der oberen Dornfortsätze trennt noch die beiderseitigen Ilia von- einander. Der Mantel, den die beiden Ilia bildeten, scheint bis zum 1. Schwanzwirbel gereicht zu haben. Nur der präacetabulare untere Teil mit dem spießförmigen Fortsatz ist noch als Knochen vorhanden, sowie kleine Bruchstücke längs des Dorsalrandes der oberen Dornfortsätze und der fast gürtelförmige Mantel um die letzten Sakralwirbel. Dieser Teil der Oberfläche des Ilium bietet ein mosaikartiges Aussehen, das aber vielleicht der Umwandlung in Kalkspat zuzuschreiben ist. Eine derartige mantelartige Um- hüllung des ganzen Sakrums bis zum Rand der Dornfortsätze findet sich in ganz ähnlicher Weise auch bei gewissen Vögeln, am auffallendsten etwa bei Apteryx. Unter den Pterosauria zeigt nur Pteranodon ein Ilium, das in seinem präacetabularen Teil einige Ähnlichkeit mit dem von Anurognathus besitzt, da auch hier zwei nach vorn gerichtete Fortsätze vorhanden sind; doch ist bei Ptera- nodon der obere ebenso lang wie der untere. Nur die präacetabulare Naht zwischen Ilium und Ischium ist deutlich zu beobachten, und hier läßt sich auch beim Ischium noch der Knochen erkennen. Die ventralen Teile des Ischium sind nur in Abdrücken vorhanden, die zeigen, daß es sich als flache, ungefähr dreieckige Platte mit konkavem Hinterrand nach unten und rückwärts erstreckte, ohne daß die Symphyse beobachtet Anurognathus Ammoni, ein neuer Plugsaurier. 135 werden konnte. Dieser flache Teil des Ischiuni hatte eine Länge von 8.5 mm bei einer Breite von 3 mm in seiner proximalen Hälfte. An den Vorderrand des flachen Teils des Ischium stößt mit einer in nicht sehr deutlichen Spuren sichtbaren Naht ein flacher, gerade nach vorn gerichteter Knochen, der stellenweise noch vorhanden ist und dann eine weitmaschige Spongiosa zeigt. Er entspricht dem Pubis (Epipubis) der Krokodile. Bei seinem Ansatz am Ischium 2.5 mm breit verjüngt er sich allmählich auf 1.5 mm und geht, wie oben erwähnt, unmerklich über in die ihm von vorn ent- gegenkommende Scapula; er muß mindestens eine Länge von 10 mm haben; sein vorderes Ende ist aber nicht festzustellen. Das Ischium läßt sich auf das anderer Pterosaurier zurück- führen, nur ist sein dorsaler Teil unterhalb des Acetabulum auf- fallend schmal und hoch; auch das Epipubis scheint noch in den Rahmen der bei Pterosauriern vorhandenen Ausbildungen zu fallen. 8. Bauchrippen (Fig. 1). Ventral von Ischium und Pubis sind, regellos durcheinander geschoben, eine Anzahl von Bauchrippen zu erkennen. Jede be- stand wie gewöhnlich nur aus dem winkelförmig geknickten Mittel- stück und jederseits einer seitlichen Spange. Aus ihrer spärlichen Zahl läßt sich schließen, daß jedenfalls nicht mehr als 6 solcher Gastralia vorhanden waren. Sie sind wie der Schultergürtel ein Stück nach rückwärts verschoben. Diese Knochen sind ganz solid, und ihnen fehlt jede Spur einer Spongiosa bzw. pneumatische Räume, die sonst in fast allen Knochen sich finden. Ich muß übrigens darauf aufmerksam machen, daß nicht nur in älteren Schriften über Pterosauria, sondern auch in allerneuesten Schriften die Bauchrippen (Gastralia, Parasternum) nicht genügend scharf von den wahren Rippen unterschieden werden. Letztere sind einschließlich des Sternum Anhangsgebilde der Wirbel, gehören daher zum Innenskelett und werden knorpelig angelegt. Die Bauch- rippen sind dagegen reine Hautverknöcherungen, an denen niemals Knorpel auftritt, und die auch niemals mit den wahren Rippen des Innenskeletts in engere Verbindung treten, sondern nur ober- flächlich ihnen aufliegen (Voeltzkow u. Döderlein 1901, Zur Frage nach der Bildung der Bauchrippen. Abhandl. Senckenberg. nat. Ges. Bd. 26, p. 315 u. 329). Die Homologie der Bauchrippen 10* 136 L. Döderlein und des Bauchpanzers der Stegocephalen habe ich an der Hand des in obiger Abhandlung abgebildeten Materials besonders von Archegosaurus und Hatteria (1. c. 1901, Taf. 31) zuerst festgestellt und Dezember 1889 veröffentlicht (Steinmann u. Döderlein 1890, Elemente der Paläontologie, p. 600, 618, 620, Fig. 759). G. Baur hatte noch vor dem Erscheinen dieses Lehrbuchs unter anderem auch diese Tatsache, die ich ihm bei seinem Besuche in Straßburg unter Vorlegung meines Materials mitgeteilt hatte, veröffentlicht (1889, Amer. Journ. Sc. and Arts, Vol. 37, p. 312). In meinen beiden oben erwähnten Schriften gab ich Abbil- dungen der Bauchrippen eines schönen Exemplars von Pterodac- tylus spectabilis aus der Beneckeschen Sammlung in Straßburg (1890, 1. c., Fig. 796; 1901, 1. c., Taf. 26, Fig. 5). Die Bauchrippen der Pterosaurier sind stets spangenförmig mit spitzen Enden. Die bei verschiedenen Pterosauriern beobachteten platten gezackten oder gezähnten Gebilde sind die distalen Teile der wahren Rippen wie bei Hatteria, die zum Teil noch aus Knorpel bestanden haben dürften und nur gering verkalkt waren , und haben mit Bauch- rippen (parasternale Elemente) nichts zu tun. 9. Vorderextremität (Fig. 6). Das Skelett beider Vorderextremitäten ist ziemlich voll- ständig und im Zusammenhang erhalten, und nur die äußeren Flugtingerphalangen fehlen. Doch sind die Gelenke vielfach durch Kalkspat so zerstört, daß hier oft die Umrisse der Knochen nicht mehr kenntlich sind. Der linke Humeims ist fast vollständig erhalten; er ist 31 mm lang, sein pi-oximales Ende ist etwa 10 mm breit, sein distales 6 mm; der Schaft ist in der Mitte 2 mm dick. Es ist der kräftigste Knochen des ganzen Skeletts. Der Humerus ist bei Anurognathus verhältnismäßig viel länger als bei irgend einem der übrigen Ptero- saurier. Seine relative Länge beträgt 0.69 (Rumpf = 1), während sie bei den übrigen Rhamphorhynchoidea zwischen 0.4 {Rhampho- rhynchiis und JDorygnathus) und 0.54 (Dimorphodon) schwankt. Bei Pterodactyloidea beträgt sie 0.5 — 0.62, bei den meisten Vögeln und Chiroptera 0.6 — 1.2. Aber zwei der vorzüglichsten Flieger zeigen Extreme, Cypselus 0..35 und Diomedea 1.5. Anurof^nathus Auimoni, ein neuer Flupfsaurier. 137 Die Breite des Humerus bei Anurognathusnsi\i.Q dem Schulter- gelenk ist kaum der dritte Teil seiner Länge, wie das nur bei Dimorphodon und einigen Arten von Pterodactylus der Fall ist, während sie bei allen übrigen Pterosauria mehr als der Länge beträgt infolge mächtiger Ent- faltung der Muskelleisten, bei den Arten von Rhamphorhynchus so- gar über die Hälfte der Länge des Humerus. Radius und Ulna erscheinen gleich lang und gleich dick, in ihrer ganzen Länge nahe anein- ander geschmiegt. Der Radius ist 46 mm lang, am proximalen Ende sind beide zusammen 5.5 mm breit, am distalen 6,5 mm, in der Mitte ihrer Länge erreichen sie eine Breite von 2.5 mm, jeder von ihnen ist hier 1.1 mm breit; das distale Ende des Radius ist verbreitert, das der Ulna kugel- förmig. Die Länge des Radius übertrifft die des Humerus um die Hälfte, ungefähr wie bei den meisten anderen Pterosauriern, he'i Scaphognathus mißt der Unterarm fast das Doppelte des Humerus, während er bei Dimorphodon, Campylognathus und Pterodactylus scolopaciceps nur wenig länger ist als dieser. Bei den Vögeln ist er meist ein wenig länger, manchmal etwas kürzer als der Humerus, bei Cypselus und den Chiropteren ungefähr um die Hälfte länger. Änurognathus hat unter allen Pterosauriern den relativ längsten Radius; er ist so lang wie der Rumpf, bei den übrigen Ptero- sauriern mißt er 0.6 — 0.9 (Rumpf = 1). Der Carpus von Änurognathus ist 5 mm breit, auf der radialen Seite 3 mm lang, auf der ulnaren 4 mm. Nach den Eindrücken zu schließen, die die auf der rechten Hand fehlenden Carpalia hinterlassen haben, war ein großes distales Carpale vorhanden, das allein sämtliche 4 Metacarpalia trägt, und das von Radius und Ulna durch zwei niedere, nebeneinander liegende proximale Carpalia getrennt ist. Auf der radialen Seite des großen distalen 138 L. Döderlein Carpale ist ein kleines, frei vorstehendes Carpale vorhanden, an das der dünne, am freien Ende abgestutzte und etwas gebogene Spannknochen sich stützt, der sich in seiner ganzen Länge von 6.7 mm dem Ende des Radius anlegt. Der Carpus von Anurognathus hat daher etwa den gleichen Bau, wie ihn für Stieler (1922, Naturwiss. Wochen- schrift, p. 276, Fig. 3) darstellt. Der Spannknochen ist wie bei allen Rhamphorhynchoidea sehr kurz und stumpf, während er bei allen Pterodactyloidea viel länger wird und spitz endet. Bei einigen Arten (z. B. Pterodactylus suevicus) soll er aus zwei ge- trennten Knochen bestehen, von denen der proximale kurz, der distale lang und spitz ist, der damit dem einfachen Spannknochen anderer Pterodactyloidea gleicht. Sollte nun dieser proximale Spannknochen nicht vielleicht das Carpale darstellen, das bei unserem Anurognathus an der linken Hand deutlich aus der Reihe der übrigen Carpalia herausragt und als Träger des wahren Spann- knochens dient? Diese Ansicht könnte eine Unterstützung er- fahren durch das Verhalten des Spannknochens an der rechten Hand von Anurognathus, dessen Carpus hier durch Kalkspat völlig unkenntlich ist. Neben dieser Kalkspatmasse liegt nun deutlich an der Stelle, wo der Spannknochen zu erwarten ist, ein stabförmiger Knochen von 3.5 mm Länge, und an seinem Ende ist der Abdruck des wahren Spannknochens zu sehen, der dem der linken Hand völlig gleicht. Dieser Spannknochen hat sich mit dem ihn tragenden Knochen offenbar aus dem Verband des übrigen Carpus gelöst und wurde etwas zur Seite geschoben. Ob nun dieser Knochenstab, der hier den Spannknochen trägt, dem Carpale der linken Hand entspricht, das dort als dessen Träger auftritt, ist nur deshalb zweifelhaft, weil er beträchtlich länger ist. Um aber zu einer sicheren Aufklärung zu kommen, dazu ist das Exemplar nicht geeignet. Von verschiedenen Autoren wird heute noch der Spann- knochen der Pterosaurier als der 1. Finger angesehen und folg- lich der Flugfinger als der 5. Finger betrachtet, eine Ansicht, die ich früher selbst vertreten hatte. Ich bin aber heute überzeugt, daß der Spannknochen als eine Neuerwerbung zu betrachten ist, und daß der Flugfinger als der 4. Finger anzusehen ist. Ich habe selbst (1890, Steinmann und Döderlein, Elemente der Paläont., Anurognatbus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 139 p. 599) darauf hingewiesen, wie charakteristisch die Phalangen- zahl für die verschiedenen Gruppen der Tetrapoda ist. Sie ist auch sehr konstant, und ich habe die Überzeugung, daß die sämt- lichen Formen, deren Phalangenzahl auf die Formel 2, 3, 4, 5, 3 (4) zurückzuführen ist, eine geschlossene natürliche Gruppe bilden, und daß die Feststellung der Phalangenzahl unter den sogenannten Theromorpha z. B. von außerordentlicher systema- tischer Bedeutung sein würde. Abweichungen von der typischen Phalangenzahl treten nur unter ganz besonderen Umständen ein: Hyperphalangie wohl nur bei ausgesprochenen Wassertieren zur Ausbildung von Schwimmfüßen; Reduktion der Phalangenzahl bei Verkümmerung der Füße oder Zehen. Für die Rhynchocephalia, Lacertilia und Archosauria incl. Aves ist die Formel 2, 3, 4, 5, 3 (4) typisch. Unter den Archo- sauria herrscht große Neigung zur Verkümmerung der 5., oft auch der 4. Zehe, wobei zunächst die Ausbildung der Horn- kralle aufhört. Bei Crocodilia soll die 4. Zehe vorn und hinten nur noch 4 statt 5 Phalangen zeigen. Die Angabe ist unrichtig; es ist das nur bei Museum.s-Skeletten der Fall. Ich habe bisher aber noch bei jedem Krokodil, das ich daraufhin untersuchte, gleichgiltig von welcher Größe, sowohl an Vorder- wie an Hinter- füßen die sämtlichen 5 Phalangen der 4. Zehe nachweisen können, die letzte Phalange allerdings nicht mehr verknöchert, sondern in knorpeligem Zustand. Es würde mir nach dem vorhergehenden ganz unverständ- lich sein, anzunehmen, daß bei der Pterosaurierhand an den 3 wohl entwickelten, noch mit kräftigen Krallen versehenen Fingern je eine Phalange spurlos verschwunden sei, was angenommen werden müßte, wenn diese den 2., 3. und 4. Finger darstellen, und daß dazu obendrein am 5. Finger, nachdem er als erstes Zeichen einer Verkümmerung die Hornkralle eingebüßt hat, eine überzählige Phalange sich eingestellt habe. Und das müßte alles geschehen, nur um den rätselhaften Spannknochen für ein Homo- logen des Daumens halten zu können. Die dicht aneinander gedrängten Metacarpalia von Anuro- gnathus sind 10.5 mm lang; die drei ersten sind sehr schlank und nehmen in ihrer Mitte zusammen nur eine Breite von 2.6 mm ein, an ihrem distalen Ende, das bei allen verbreitert ist, eine 140 L. Döderlein solche von 4 mm. Das Metacarpale des Flugfingers ist am proxi- malen Ende 3 mm breit und verschmälert sich etwas in der Mitte, die Umrisse des distalen Endes sind nicht festzustellen. Die Mittel- hand ist bei der neuen Art kürzer als bei irgend einer anderen Art der Pterosaurier. Der Radius ist 4.4 mal so lang, während er bei den übrigen Rhamphorhynchoidea nur 2.3 — 3.5 mal so lang ist wie die Mittelhand. Bei den Arten von Pterodactylus ist das Verhältnis gar nur 0.8 — 1.4 und bei Pteranodon Ingens nur 0.6. Die erste Phalange des ersten Fingers ist 8 mm lang, die zwei ersten Phalangen des zweiten Fingers haben 3 und 6 mm, die drei ersten Phalangen des dritten Fingers haben 3, 2, 6 mm. Die Endphalange wahrscheinlich an allen 3 Fingern ist 7 mm lang, stark gekrümmt mit langer feiner Spitze, an der Basis 3 mm hoch und stark komprimiert. Die letzte Phalange, abgesehen von der Endphalange, ist stets die längste, was wohl bei allen Pterosauriern der Fall sein dürfte. Bei Anurognathns sind die sämtlichen Krallenfinger beträcht- lich länger als die Metacarpalia, der dritte von ihnen übertrifft sie um ihrer Länge. Bei den übrigen Rhamphorhynchoidea ist nur dieser dritte Krallenfinger etwas länger als die Metacar- palia, der erste ist stets beträchtlich kürzer. Bei allen Ptero- dactyloidea sind sie ja alle viel kürzer als die verlängerten Meta- carpalia. Ausnehmend mächtig sind die drei Krallenphalangen bei Anurognathns und zwar sehr viel größer im Verhältnis als bei irgend einem anderen Pterosaurier, was auf Hornkrallen von ganz ungewöhnlicher Mächtigkeit schließen läßt. Spuren der Hornkrallen habe ich übrigens noch bei keinem Pterosaurier be- obachten können, auch nicht bei dem bekannten Zittelschen Flügel von Bhamphorhynchus. 10. Flugfinger (Fig. 1 und 2, vgl. Tabelle). Die erste Phalange des Flugfingers ist bei Anurognathns auf beiden Seiten sehr schön erhalten als schlanker, kaum merklich gebogener Knochen von 59 mm Länge, in seiner Mitte 1.4 mm dick. Sie ist der ganzen Länge nach hohl, die Enden verbreitert, deren Umrisse aber undeutlich. Ihre relative Länge beträgt 1.3 (Rumpf = 1) ähnlich wie bei Canipylognathus Zitteli, Bhampho- Anurognathus Ammoiii, ein neuer Flugsaurier. 141 rhynchus kokeni und Pteranodon Ingens, während sie bei den übrigen Pterosauria geringer ist (0.5 — 1.1). Von der zweiten Phalange ist nur links ein 12 mm langes Stückchen erhalten, von dem übrigen Teil des Flugfingers fehlt jede Spur. Ich habe nun versucht, ob sich nicht durch Vergleich mit den anderen Arten eine Regel ergibt, nach der die Gesamtlänge des Flugfingers von Anurognathus mit einiger Wahrscheinlichkeit sich berechnen läßt, und glaube, daß es mir gelungen ist. Danach lassen sich unter den Rhamphorhynchoidea zwei Gruppen annehmen, bei deren erster, aus den kurzflügeligen Gat- tungen Dimorphodon, Dorygnathus und Scaphognathus bestehend, die erste Phalange des Flugfingers kürzer ist als zwei Dritteile des Rumpfes (relative Länge 0.5 — 0.6); bei ihnen ist der ganze Flugfinger 4.4 — 4.7 mal so lang als seine erste Phalange, seine zweite und seine dritte Phalange sind beträchtlich länger (min- destens 15®/o) als die erste, und auch die Endphalange ist länger oder fast so lang wie die erste. Zur zweiten Gruppe, die die Langflügler umfaßt, gehören die Arten von Rhamphorhynchus und Campylognathus, deren 1. Pha- lange länger ist als zwei Dritteile der Rumpflänge (0.9 — 1.4). Bei ihnen erreicht der ganze Flugfinger nur das 3.5 — 3.8 fache seiner 1. Phalange; die 2. kann ein wenig länger sein, die dritte und vierte ist stets kürzer. Hieher gehört jedenfalls auch Anu- rognathus, und sein Flugfinger dürfte daher etwa 3.7 mal so lang gewesen sein wie seine 1. Phalange, also etwa 218 mm. Dieser zweiten Gruppe, den langflügeligen Rhamphorhyn- choidea ähnlich verhalten sich auch sämtliche Pterodactyloidea, deren erste Phalange stets eine relative Länge von wenigstens 0.7 hat. Diejenigen Arten von Pterodactylus, deren 1. Phalange kürzer ist als der Rumpf (Pt. elegans, spectaUlis, scolopaciceps, longirostris, kochi), besitzen einen Flugfinger, der das 3.2 — 3.4 fache der ersten Phalange, und dessen Endphalange davon das 0.6 bis 0.7 fache mißt; bei anderen Arten, deren 1. Phalange so lang oder länger ist als der Rumpf {Pt. micronyx, longicollum), beträgt die Länge des ganzen Flugfingers das 2.4 — 2. 6 fache seiner 1. Pha- lange, und seine Endphalange mißt nur das 0.4 fache von dieser. Ähnlich diesen letzteren verhält sich auch Pteranodon Ingens, dessen Flugfinger das 2.8 fache der ersten Phalange mißt. 142 L. Döderlein II. Flugfertigkeit (vgl. Tabelle). Um die Leistungsfähigkeit der Flügel von Anurognathus zu beurteilen, kann man die relative Länge des ganzen ausgestreckten Flügels vom Schultergelenk bis zur Spitze des Flugfingers, die 6.8 beträgt (Rumpf — 1), in Vergleich mit anderen Fliegern bringen. Fast die gleiche relative Länge (6.7) kann für Cam- pylognathiis Zitteli angenommen werden, der bisher unter allen Pterosauriern die längsten Flügel besaß. Bei Ehamphorhynchus holieni ergibt sich 5.9 als Flügellänge, für Rhamph. genimingi und CampyJognathus Uasicus etwa 5, bei den übrigen Rhamphorhyn- choidea {Rhamph. longicaudus, Dimorphodon, Dorygnathus und Scaphognathus) 4.2— 4.5, nur für das Wiener Exemplar von Dory- gnathus 3.6. Bei den verschiedenen Arten von Pterodactylus be- trägt die relative Flügellänge 4.2 — 5, bei Pteranodon Ingens 6.2. Unter den Chiropteren findet sich bei Pteropus edivardsi und PhyJlostoma perspicillatum eine relative Flügellänge von 5.3, Ves- perülio murinus 4.2, Vesperugo noctula 4.3. Unter einer Anzahl von Vögeln stellte ich die größte Flügellänge (Schultergelenk bis Spitze der Schwungfedern) fest bei Caprimidgus mit 7.2, Sterna hirundo 6.7, Larus ridibundus und Sarcorhamphus gryphus 6.4, Falco subbuteo und Cypselus 6, Haliaetus, Astur, Diomedea 5.4 — 5.7, Corvus corone 5, Columba palumbus, Dryocopus martius, Scolopax 4.4 — 4.7, Turdus merula, Tetrao urogallus und Cormoranus carbo 3.7 — 3.9, Anas boschas und Mergus merganser 3 — 3.1. Für Archaeopteryx fand ich ebenfalls 3. Uber die Breite der Flügel bei den Pterosauria, die für die Beurteilung der Flugfertigkeit doch eine hervorragende Rolle spielt, wissen wir nur, daß die von Rhamphorhynchus gemmingi (inkl. Rh. phyllurus) schmal sind wie bei Cypselus. Über die sämtlichen anderen Arten mangelt es an jeder sicheren Kenntnis. Wir müssen daher die Beurteilung lediglich auf die Flügellänge stützen. Es ist nun interessant, festzustellen, daß, wenn nur die rela- tive Flügellänge in Betracht gezogen wird, kein Anlaß vorliegt, die Arten der Gattung Pterodactylus als ungeschicktere Flieger aufzufassen wie die der Gattung Rhamphorhynchus {Rh. koJceni aus- genommen). Wir treffen in beiden Gattungen die Flügellänge 4 — 5. Dieselbe relative Flügellänge besitzt überhaupt die große Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 143 Menge der Pterosaurier und ebenso eine große Anzahl gutfliegen- der Vögel und wohl auch die große Menge der Chiroptera. Fteranodon erreicht die Flügellänge von Seglern, Falken, Kondor, Möven, während Campylognathus Zitteli und Anurognathus die größte Flügellänge unter den Pterosauria besitzen, damit den Seeschwalben gleichkommen und nur wenig hinter den Nacht- schwalben Zurückbleiben. Ein etwas anderes, vielleicht noch treffenderes Bild erhält man, wenn man nicht die ganze Flügellänge, sondern nur den äußeren Abschnitt der Flügel zum Vergleich herbeizieht, der in der Ruhe gegen den Unterarm eingeklappt und bei den Vögeln als , Fittich“ bezeichnet wird. Er umfaßt bei Vögeln und Chi- roptera die ganze Hand einschließlich des Metacarpus, bei den Pterosauriern besteht er nur aus dem Flugfinger, da hier der Metacarpus praktisch nur zur geradlinigen Verlängerung des Unter- arms dient, gegen den er sich auch nur unbedeutend bewegen kann. Die Annahme, daß der Metacarpus fast in einen rechten Winkel zum Unterarm sich stellt, wie sie in neuesten Darstel- lungen von Pterosauriern sich findet, muß ich für unnatür- lich halten. Berücksichtigt man also nur die relative Länge des Flug- fingers bzw. des Fittichs (Rumpf = 1), so erhält man wieder für Anurognathus und Campylognathus Zitteli die höchsten Werte (5.1 — 5.3) unter den Pterosauriern, die der Fittichlänge von Cyp- selus und Gaprimulgus (5) entsprechen. Rhamphorhynchus kokeni nähert sich Sterna (4.6); Rhamph. gemmingi, Camp, liasicus und Fteranodon mit 3.8 — 3.9 nähern sich Falco subbuteo und Larus ridihundus (4.1), hinter denen die sämtlichen übrigen Raubvögel, Rabenkrähen und Schwarzspecht mit 3.3 — 3.8 etwas Zurückbleiben. Dimorphodon, Scaphognathus und Rhamph. longicaudus sowie sämt- liche Arten von Fterodactylus mit 2.4— 2.9 kommen den Tauben und Schnepfen nahe (3), sowie den Chiropteren Fteropus und Fhyllostoma. Eine geringere Flugfingerlänge findet sich bei Ptero- sauriern nicht mehr. Die übrigen Vögel und Chiropteren zeigen 2.2 — 2.4, die Entenvögel 1.8 — 1.9, Archaeopteryx 1.7. Hier kommt also die Überlegenheit von Rhamphorhynchus gemmingi über sämt- liche Arten von Fterodactylus zum Ausdruck; dagegen kommt Diomedea nicht zu ihrem Recht. Dies ist aber auch die einzige 144 L. Döderlein von allen hier berücksichtigten Formen, deren Fittichlänge kürzer ist als der proximale Teil des Flügels. Es ist interessant, auch dies Verhältnis zu beleuchten. Nimmt man hier als Einheit den proximalen Teil des Flügels, so ergibt sich als relative Länge des Fittichs beim Albatros 0.8, für alle übrigen Vögel 1.4 — 2.4, nur Cypselus zeigt 5.7; Arcliaeopteryx 1.4, alle Chiroptera 1 — 1.2; sämtliche Pterodactyloidea einschließlich Pteranodon 1.2 — 1.6; alle Rhamphorhynchoidea ergeben höhere Zahlen, nämlich Dimorphodon , Dorygnathus und Scaphognathus 1.7 — 2; die übrigen Rhamphorhynchoidea 2.3 — 2.9, nur Bhamph. gcmmingi 3.2 und Camp. Zitteli 3.7. 12. Hinterextremität (Fig. 7). Auch das Skelett der Hinterextremitäten von Anurognathus läßt sich fast vollständig im Zusammenhang feststellen; doch sind auch hier die Gelenke mehr oder weniger zerstört. Das Femur dürfte etwa 27 mm lang gewesen sein; auf beiden Seiten ist die proximale Hälfte nicht mehr zu beobachten; in der Mitte war es 1.5 mm dick, am distalen Ende 4 mm. Es ist ver- hältnismäßig lang unter den Pterosauriern mit 0.6 relativer Länge (Rumpf = 1). Die mei.sten Arten von Pterodactylus nähern sich dieser Größe, eine einzige Pt. longicollum hat ein längeres Femur von 0.7; bei sämtlichen Rhamphorhynchoidea ist es wesentlich kürzer; bei Dorygnathus und bei allen Arten von Bhamphorhyn- chus ist es besonders kurz (0.3—0.36). Unter den in Betracht gezogenen Vögeln finden sich derartige kurze Femora, wie sie Bhamphorhynchus hat, nur bei Schwimmvögeln (Enten, Albatros, Kormoran, Seeschwalbe), während sie bei Landvögeln meist dem von Anurognathus und Pterodactylus nahe kommen (0.5 — 0.8). Dasselbe gilt auch von den Chiroptera. Die Tibia von Anurognathus war 39 mm lang, in der Mitte ist sie 1.3 mm dick; ihrem proximalen Ende angeschmiegt ist auf eine Länge von 7.7 mm der Abdruck einer sehr dünnen Fibula zu erkennen. Bei sämtlichen Pterosauriern ist die Tibia länger als das Femur im Verhältnis von 1.2 — 1.6; bei Anurognathus ist dies Verhältnis 1.4. Auch bei den Vögeln ist die Tibia stets länger, aber bei den Schwimmvögeln um mehr als die Hälfte, bei Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 145 den anderen meist um weniger. Bei den Chiroptera ist sie so lang oder unbedeutend länger als das Femur. Über die Zahl und Anordnung der Tarsalia ist nichts mehr festzustellen; die erkennbaren Umrisse scheinen die von Kalkspat- krystallen, nicht die der Tarsalia zu sein. Anurognathus besitzt 5 wohlentwickelte Zehen. Die Meta- tarsalia der vier ersten Zehen sind lange, sehr schlanke hohle Röhrchen mit etwas verbreiter- ten Enden, die mittleren 18 mm lang, die äußeren etwas kürzer; sie liegen anscheinend in einer Ebene (bildeten aber wahrschein- lich einen flachen Bogen), ihrer ganzen Länge nach dicht zu einem Bündel aneinander ge- drängt und nehmen in ihrer Mitte zusammen eine Breite von 2.7 mm ein, am distalen Ende, wo sie sich etwas auseinander spreizen, eine solche von 5.5 mm. Das 5. Metatarsale ist von seiner Basis an von den anderen ab- gespreizt; es ist kurz und sehr dick, 4.5 mm lang, am proxi- malen Ende 2 mm breit, in der Mitte 0.8 mm, am distalen Ende 1.5 mm breit. Die Länge des Metatarsus trächtlich geringer als die des Femur, bei den meisten Formen 0.4 — 0.6 (Femur — 1), bei Pter. micronyx und longicollum noch kürzer (0.3). Nur die Arten von Bhamphorhynchus besitzen einen verhältnismäßig langen Metatarsus (0.74 — 0.8). Ihnen nähert sich in dieser Beziehung Anurognathus mit 0.67. Bei den Vögeln ist der Lauf fast durchgehends länger als bei den Pterosauria der Metatarsus, meist 0.7 — 1.3; bei Tetrao ist er nur 0.6. Bei Chiroptera ist der Metatarsus sehr kurz (0.2). Während die 4 Metatarsalia an beiden Füßen von Anuro- gnathns eng aneinander gedrängt sind, sind die Zehen selbst weit Fig. 7. Rechter Hinterfuß. Die proximalen Tarsalia sind wabrsoheinlich mit der Tibia vereinigt, die distalen waren unkenntlicb. ist bei allen Pterosauriern be- 146 Ij. Döderlein voneinander gespreizt, mit 2, 3, 4, 5, 4 Phalangen. Die Krallen- phalangen sind etwa 3 mm lang; die vorletzte Phalange ist an allen bekrallten Zehen weitaus die längste wie an den Vorder- extremitäten. Die 1. Zehe hat eine Länge von 9 mm, die anderen nehmen an Länge gleichmäßig zu, so daß die 4. etwa 14 mm mißt. Diese ist also kürzer als der Metatarsus, was bei Ptero- sauria die Regel zu sein scheint; bei Pteranodon ist sie gleich lang. Unter den Vögeln ist fast nur bei Schwimmvögeln die längste Zehe beträchtlich länger als der Lauf. Die Länge der Phalangen an den einzelnen Zehen ist fol- gende in mm: 1. Zehe 6, 3 = 9 mm, 2. Zehe 3, 5.5, 3 = 11.5 mm, 3. Zehe 3, 2, 5.5, 3 = 13.5 mm, 4. Zehe 3.5, 2, 1.5, 4.5, 3 = 14.5 mm, 5. Zehe 9, 2.5, 4.5, 12 = 28 mm. Die 5. Zehe ist mit ihrem Metatarsale weit abgespreizt von den übrigen Zehen. Ihre Endphalange ist krallenlos und läuft in einen lang ausgezogenen, leicht gebogenen, äußerst dünnen Stachel aus. Diese Endphalange ist etwas abgebogen von dem sonst gerade verlaufenden Finger. Die 2. kurze Phalange über- kreuzt auf der Platte den Flugfinger und ist weggebrochen. Es könnte bestritten werden, ob eine solche wirklich vorhanden war, oder ob an dieser Stelle das Gelenk zwischen der 1. und 2. Pha- lange besonders ausgedehnt war. Doch läßt sich deutlich in diesem anscheinend verlängerten Gelenk eine Einschnürung beob- achten, die es höchst wahrscheinlich macht, daß tatsächlich hier eine be.sondere kurze Phalange, wie sie auch an den anderen Zehen vorkommt, vorhanden gewesen war. Am linken Fuß fehlt diese 5. Zehe; es war davon nur das Metatarsale in situ und ein- zelne Trümmer der langen Phalangen zu beobachten. Anurognathus ist unter allen Pterosauriern ausgezeichnet durch die ungewöhnliche Länge seiner 5. Zehe, die (ohne Meta- tarsale) doppelt so lang wird wie die längste der anderen Zehen. Dazu kommt noch die interessante Tatsache, daß sie noch die ursprünglichen 4 Phalangen besitzt wie bei den Rhynchocephalen und Lacertiliern. Die übrigen Rhamphorhynchoidea besitzen gleich- falls eine verhältnismäßig gut entwickelte 5. Zehe, die aber bei Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 147 keiner Art mehr als 2 Phalangen besitzt. Auch keine erreicht annähernd die relative Länge dieser Zehe bei Anurognathus. Sehr gut entwickelt ist sie bei Dimorphodon und Dorygnathus-, recht kurz ist sie bei Campylognathus. Bei den Pterodactyloidea ist sie stets verkümmert und zeigt nur noch eine winzige Phalange. Sehr bezeichnend für den Fuß von Anurognathus ist es, daß die 4 ersten, besonders langen und dünnen Metatarsalia der ganzen Länge nach zu einem Bündel dicht aneinander gedrängt sind und so einen kompakten, schmalen, wahrscheinlich etwas gewölbten Mittelfuß bilden, dessen einzelne Komponenten gegeneinander kaum beweglich waren; die Zehen dagegen sind auffallend gespreizt. Dieser Teil des Hinterfußes erweckt den Eindruck eines digiti- graden Fußes, der infolge der Länge und Schmalheit des Meta- tarsus sich schon einigermaßen zum Springen, bzw. Abschnellen vom festen Boden eignet, um so mehr, als Femur und Tibia auch verhältnismäßig lang sind. Ganz ähnlich gebaut, besonders auch in den Längenverhältnissen auffallend übereinstimmend, ist u. a. das Hinterbein von Dipodomys kolticus, einem Springmaus-ähnlichen Nagetier aus der Familie der Geomyidae. Die relativen Längen der einzelnen Beinabschnitte (Femur = 1) sind die folgenden: Anurognathus: Fern. 1(27 mm), Tib. 1.44, Metat. 0.63, 4. Zehe 0.5, Dipodomys: „ 1(30 mm), , 1.3, , 0.63, 4. , 0.4. Auch bei Springrüßlern, den Macroscelididae findet sich ein ähnlicher Fußbau. Gestört wird aber dieser Eindruck durch die eigentümliche Entwicklung der 5. Zehe bei Anurognathus, die bereits vom Tarsus an gegen die anderen Zehen abgespreizt ist, wodurch doch wieder der Charakter eines plantigraden Fußes ent- steht. Zwischen allen Zehen bis zu deren Spitze war aber eine Schwimmhaut, oder wohl richtiger Flughaut ausgespannt, deren Spuren deutlich zu erkennen sind. Denselben Charakter wie Anurognathus hatte vermutlich der Fuß aller Rhamphorhynchoidea mit Ausnahme von Rhampho- rhynchus selbst. Denn bei Dimorphodon wie bei den zwei Arten von Campylognathus, bei denen der Metatarsus genügend gut erhalten ist, sind die 4 Metatarsalia dicht aneinander gepreßt, aber verhältnismäßig noch kürzer wie bei Anurognathus. Auch für Dorygnathus muß ich dies annehmen auf Grund der Abbil- 148 L. Döderlein düng von Stieler (1922, Naturwiss. Woschenschrift, p. 275), die eine überraschende Ähnlichkeit mit Änurognathus zeigt, obwohl der Verfasser die Metatarsalia gespreizt wiedergibt, vermutlich in Nachahmung der Verhältnisse von Rhamphorhynchus. Über- raschend ähnlich mit der des Änurognathus ist auch die 5. Zehe in dieser Stieler’schen Abbildung. Ich möchte vermuten, daß die Knickung innerhalb der Endphalange bei Dorygnathus rich- tiger als eine Knickung zwischen zwei äußeren Phalangen wie bei Änurognathus anzusehen ist, wodurch auch die Phalangen- zahl der 5. Zehe mit Änurognathus besser übereinstimmen würde. Der Fuß von Rhamjfhorhynchus selbst hat aber einen ganz anderen Charakter, und darin stimmen alle Exemplare dieser Gat- tung üherein. Hier sind alle im Verhältnis zu dem verkürzten Femur besonders lang erscheinenden 4 Metatarsalia mit ihren Zehen von ihrer Basis an etwas gespreizt und die Zehen bilden ihre geradlinige Fortsetzung; auch die krallenlose 5. Zehe schließt sich ihnen an. Dies ist ein typisch plantigrader Fuß, dessen Zehen wohl auch durch Haut verbunden gewesen sein mögen, und der sich durchaus zum Schwimmfuß eignen würde. Für diese Auf- fassung spricht die auffallende Verkürzung der Femora, wie sie Schwimmvögeln eigentümlich ist. Änurognathus mit seinem langen Femur zeigt durchaus keine Anlage zu einem Schwimmfuß. Aus demselben Grund, dem langen Femur, muß ich auch den meisten Arten von Rterodactylus die Eignung zu Schwimmfüßen absprechen, obwohl ihr Fuß einigermaßen an den von Rhamphorhynchus er- innert. Denn auch bei ihnen sind die Metatarsalia von ihrer Basis an etwas gespreizt und die Zehen bilden ihre geradlinigen Fortsetzungen, so daß der Fuß ausgesprochen plantigrad ist. Die Metatarsalia nebst den Zehen sind auch in keiner Weise verlängert. 13. Weichteile (Fig. 1). Der Teil der Platte, der von dem Skelett eingenommen ist, zeigt einschließlich eines Saumes von etwa 10 mm außerhalb der Skeletteile eine eigentümlich geglättete Oberfläche, die sich auf- fällig von der übrigen rauhen Oberfläche der Platte abhebt, ohne aber irgendwo scharfe Umrisse zu bilden. Der Gedanke, daß diese Glätte künstlich durch Ätzung erzeugt sei, war unhaltbar, da sich auf der glatten Oberfläche schon mit bloßem Auge, besonders Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 149 aber unter der Dojipellupe fast überall bald schärfer, bald schwächer angedeutet ein Relief von charakteristischen Figuren und Streifen erkennen ließ. Besonders deutlich traten auf der rechten Hälfte der Platte zwischen Unterarm und Fuß Figuren hervor, die im ersten Augenblick für Andeutungen eines Gefäßnetzes gehalten werden konnten, und die sich an der entsprechenden Stelle auf der linken Seite der Platte ebenfalls, aber viel undeutlicher wieder- fanden. An anderen Stellen ließen sich Systeme von parallelen Streifen erkennen, ja der größte Teil der Fläche außerhalb des . scheinbaren Gefäßnetzes zeigte eine verwaschene, etwas wellige Streifung, die fast den Eindruck einer wolligen Behaarung machte. In Verbindung mit der Erkenntnis, daß das scheinbare Gefäßnetz tatsächlich ein Gewirre von stärkeren und feineren Streifen war, ij die sich vielfach kreuzten, war ich eine Zeit lang geneigt, eine haarartige Körperbedeckung für diesen Pterosaurier anzunehmen, (, was ja als sicherer Beweis für eine Warmblütigkeit der Ptero- H Saurier sehr interessant gewesen wäre. I Jedenfalls aber ist die glatte Beschaffenheit auf der Ober- II fläche der Platte von Weichteilen des Tieres hervorgerufen. Im l! Bereich der vorderen Extremitäten wird es sich hauptsächlich um 1 die Flughaut handeln, wenn auch über deren Gestalt nichts zu I entnehmen ist. Am rechten Fuß endet die glatte Oberfläche ziem- 1 lieh genau mit den Spitzen der 5 weit auseinander gespreizten 1, Zehen und macht das Vorhandensein einer Schwimmhaut zwischen I' den Zehen fast zur Gewißheit, um so mehr, als zwischen den , ebenfalls weit gespreizten 3 Fingern der rechten Hand die glatte Oberfläche nicht ausgebildet ist. Es ist anzunehmen, daß sie frei , waren. Auch zwischen dem rechten Unterarm und dem Hinter- haupt und Hals ist die Oberfläche der Platte rauh geblieben. An dieser Stelle haben Weich teile keine Spuren hinterlassen; ein Halspatagium war offenbar nicht vorhanden. Uber dem Scheitel aber breitet sich eine umfangreiche glatte Fläche in Höhe von etwa 20 mm aus, die mit einiger Phantasie als ein hahnenkammartiger Auswuchs auf dem Kopfe des Tieres angesehen werden könnte. Auch das Becken und der Stummel- schwanz liegen noch innerhalb der glatten Oberfläche. Doch geht diese allmählich in die rauhe Fläche über und zeigt nirgends eine scharfe Grenze, die bestimmte Umrisse erkennen ließe. Sitzuiigsb. d. niatli.-pliys. Kl. Jalirg. 1923. 1 1 150 L. Dödeilein 14. Flughaut. Um nun über die Natur der Gebilde klar zu werden, die diejenigen Stellen zeigen, die höchst wahrscheinlich auf die Flug- ; haut zu beziehen sind, untersuchte ich den berühmten von Zittel (1882, Palaeontographica, Bd. 22, p. 51, Taf. 10) beschriebenen i und vorzüglich abgebildeten Flügel von Rhamphorhynchus gern- < mingi, der eine der hervorragendsten Zierden der Münchner palä- ontologischen Staatssammlung darstellt. Es ist übrigens der rechte, nicht der linke Flügel, wie irrtümlich gedruckt ist. Hier zeigt nun die ganze Flughaut an allen Teilen, die gut genug erhalten sind, ein System von feinen, parallel dicht nebeneinander ver- laufenden Längsstreifen, die überall geradlinig bis zum Rand der Flughaut sich erstrecken. Mit bloßem Auge noch deutlich sicht- bar ragen diese Streifen an den besterbaltenen Stellen wie die scharfen Rippen einer Feile hervor, durch scharfe Zwischenräume voneinander getrennt, die kaum die Breite der Rippen zeigen. ^ Im Innern der Flughaut zählt man unter der 2. Phalange 40 — 60 | solcher Sh'eifen auf die Breite von 1 cm, am Rande sinkt die ' Zahl stellenweise auf 25 für 1 cm. Sie verlaufen nahezu parallel oder in einem sehr spitzen Winkel zu den Phalangen des Flug- fingers über die ganze Flughaut. Neben der Ulna sind sie un- deutlicher, doch läßt sich sicher erkennen, daß sie sehr steil auf sie gerichtet sind und einen Winkel von über 45° mit ihr bilden. Auf dem Humerus stehen die Streifen fast senkrecht. Auch auf der anderen Seite der Armknochen findet man einzelne Spuren solcher Streifung, und zwar neben dem Spannknochen, zu dem sie senkrecht stehen, und neben dem Carpus, zu dem sie parallel verlaufen. Neben dem Metacarpus konnte ich solche Streifen nicht entdecken. An vielen Stellen werden die Streifen undeutlicher; dann springen sie nicht mehr so scharf hervor, sie erscheinen flacher und breiter und die Zwischenräume enger, bis sie auf längere oder kürzere Strecken ganz miteinander verschmelzen. Kommt eine Vereinigung zweier Streifen nur auf einer sehr kurzen Strecke zustande, so entsteht das Bild eines Knotens zwischen beiden Streifen. Doch ist das alles nur der Ausdruck eines weniger günstigen Erhaltungszustandes, d. h. die Platte hat sich an solchen Stellen weniger sauber von der Gegenplatte gelöst. Änurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 151 Einen einzelnen Streifen kann man, wo ein sehr guter Er- haltungszustand vorliegt, mitunter auf eine weite Strecke ver- folgen, bis er plötzlich aufhört und die beiden Nachbarstreifen in kurzer Entfernung davon so weit sich nähern, daß sie wieder in normalem Abstand voneinander verlaufen. Umgekehrt schiebt sich auch oft zwischen zwei Streifen plötzlich ein neuer ein. Auf eine längere Strecke als vielleicht 6 cm ist es aber kaum möglich, einen bestimmten Streifen ununterbrochen zu ver- folgen. Nach einer längeren oder kürzeren Strecke folgt immer einmal eine Stelle, wo infolge einer Unebenheit oder einer anderen Störung der Streifen undeutlich wird und mit einem benachbarten mehr oder weniger lange verschmilzt, um sich weiterhin aber wieder von ihm zu trennen, ohne daß Sicherheit besteht, daß es immer noch der gleiche Streifen ist. Auf diese Weise hat man oft den Eindruck, daß ein Streifen sich gabelt, was aber bestimmt nicht der Fall ist. Unter dem Gelenk zwischen 2. und 3. Phalange biegen in der Nähe des Flughautrandes eine Anzahl Streifen plötzlich von ihrer geraden Richtung ab und streben dem Rande zu. Ich möchte diesen Befund mir dadurch erklären, daß ich in Übereinstimmung mit Zittel annehme, daß diese Längsstreifen tatsächlich starre elastische Fasern sind, die in der Flughaut ein- gebettet liegen zu ihrer Stütze, und daß sie resistenzfähiger sind als andere Weichteile der Flughaut, durch die sie aber in ihrer Lage festgehalten werden. Sobald nun aber nach dem Tode des Tieres durch Fäulnis das Gefüge der Flughaut sich lockert, gerät allmählich das System der elastischen Fasern, die bisher streng parallel nebeneinander in gerader Richtung verliefen, in Unordnung. Hier sehen wir nun den Beginn solcher Unordnung, indem sich die Enden einiger dieser Fasern frei gemacht haben und sich aus irgend einer Ursache gegen den Rand zu gebogen haben, wobei sie andere Streifen kreuzen. An einer anderen Stelle, unter dem Gelenk zwischen 1. und 2. Phalange scheinen sich einige Streifen sehr deutlich zu gabeln. An einigen dieser Gabelungsstellen konnte ich mit Sicherheit be- obachten, daß hier tatsächlich zwei Streifen sich kreuzen. An anderen Gabelungsstellen war das nicht mehr festzustellen, doch ist es mir sehr wahrscheinlich, daß hinter dem Kreuzungspunkt 11* 152 L. Döderlein zweier Fasern die eine von ihnen unkenntlich geworden ist. Jeden- falls lassen sich alle Übergänge zwischen sehr deutlichen Kreuz- ^ . ungen und scheinbaren Gabelungen nachweisen. Es liegt auch 1 1 hier beginnende Mazeration vor. Ich kenne keinen unzweifel- h haften Fall einer Gabelung der Fasern. ; Nach diesen Beobachtungen an dem Zittelschen Rhampho- i- rhynchus-F lügel vermag ich mir nun alle die rätselhaften Er- scheinungen auf der Flughaut des vorliegenden Exemplars von Änurognathus zu erklären. Nur an ganz wenigen vereinzelten | Stellen sind noch kleine Reste der ursprünglichen Parallelstreifung j ganz unverändert und scharf, an einer Stelle sogar mit hloßem ■ Auge zu erkennen. Es kommen 30 — 50 Streifen auf 1 cm. Die 1 scheinbare Gefäßverzweigung wird durch scharf hervortretende Bruchstücke von Fasern vorgetäuscht, die zum Teil noch die gleiche Richtung bewahrt haben, aber von anderen gekreuzt werden, wo- durch Gabelungserscheinungen entstehen. Eine Anzahl der Fasern sind noch gerade, andere bogenförmig gekrümmt, vielfach offen- bar gebrochen und in kurzen Stücken wirr durcheinander liegend. Die wollhaarartigen Erscheinungen endlich lassen sich mit Sicher- heit zurückführen auf sehr undeutlich gewordene, zum Teil schein- ; bar unter Bildung von Knoten miteinander verschmolzene Fasern, i die ihre gegenseitige Lage noch ziemlich bewahrt haben, aber in ganzen Partien streckenweise etwas gebogen sind. Die Aufgabe der Längsfasern, die bei den Flugsauriern dichtgedrängt die ganze Flughaut durchsetzen, war offenbar die, der Flucrhaut eine gewisse Starrheit zu verleihen. Es waren steife Spangen, die jedoch eine gewisse Biegsamkeit besaßen, die es aber zu verhindern hatten, daß eine Knickung der Flughaut quer zur Längsrichtung eintrat. So ist bei dem Zittelschen Exemplar ein ununterbrochenes System gerader Fasern zu erkennen, das sich längs der 4 Phalangen von einer Beugungsstelle des Flügels aus, die zwischen Unterarm und 1. Phalange liegt, bis zum Flügel- ende erstreckt. Es ist ausgeschlossen, daß dieser Fingerteil des Flügels zu einer Querfaltung oder -knickung befähigt ist. Dieser Fingerflügel mußte auch im Ruhezustand stets gerade ausgestreckt bleiben. Es muß auch ausgeschlossen gewesen sein, daß die 4 Phalangen gegeneinander in ihren Gelenken eine nennenswerte Beweglichkeit besessen haben. Bei den in gutem Zusammenhang Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 153 erhalteneu Exemplaren der Pterosaurier bilden auch in der Tat die 4 Phalangen miteinander in der Regel einen ungefähr ge- raden Stab. Nur bei der Gattung Pterodactylus beobachtet man zwischen der 1. und 2. Phalange in der Regel eine unbedeutende Knickung 7on etwa 140“. Ob diese dauernd oder nur vorübergehend auf- trat, ist nicht sicher zu entscheiden. Dieser Knickung des Fingers entspricht aber eine ebensolche Knickung am Karpalgelenk zwi- schen Unterarm und Metacarpus. Diese beiden Knickungen fügen sich bei eingeklapptem Flügel in der Ruhestellung völlig inein- ander, wie bei einer Anzahl von Exemplaren aus dieser Gattung deutlich zu erkennen ist. Diese Knickung des sonst steifen Unter- arms mit Metacarpus und die des Fingers kommt zu regelmäßig vor, als daß sie einen nur zufällig eingetretenen Zustand dar- stellen sollte. Sehr deutlich ist dieser Zustand z. B. auf der Ab- bildung von Pterodactylus longirostris zu sehen, die J. Hofker kürzlich veröffentlicht hat (K. Akad. Wetensch. Amsterdam. Wis- en Natuurk. Afdeel., Bd. 30, Nro. 6 und 7). Eine stärkere Knickung der Phalangen gegeneinander oder eine Faltung der Flughaut an solchen Stellen halte ich auch bei Pterodactylus für völlig aus- geschlossen. Und wo sonst zwei Flugfingerglieder bei den Ske- letten der Pterosaurier einen nennenswerten Winkel miteinander bilden, ist fast sicher anzunehmen, daß der Zusammenhang des Gelenks gelöst ist. Wie die Fasern an der Hauptbeugungsstelle der Flughaut zwischen Ulna und 1. Phalange sich verhalten, ist aus dem Zittelschen Flügel nicht ersichtlich. Hier muß die Möglichkeit einer Knickung der Längsfasern vorhanden gewesen sein, die der des Gelenkes zwischen Metacarpus und 1. Phalange entspricht, die ja ebenso ausgiebig war wie die eines Taschenmessers. In ausgespanntem Zustand, wenn der Flugfinger die fast gerade Fort- setzung des Unterarms bildete, müssen die vom Unterarm und Metacarpus ausgehenden Fasern sich geradlinig in die Fasern des Fingerflügels fortsetzen; im Ruhezustand müssen die ziemlich steil auf der Ulna stehenden Fasern einen sehr spitzen Winkel mit denen des Fingerflügels bilden. Das von Marsh beschriebene Exemplar seines Phampho- rhynchus phyllurus zeigt auf der Flughaut des einen unvollständig 154 L. Döderlein erbalteneu Flügels jedoch gerade an dieser Stelle eigentümliche an einen Wirbel erinnernde Unregelmäßigkeiten, die es sehr wahr- scheinlich machen, daß hier bestimmte kreisartige Falten vor- handen sind, die innerhalb der Flughaut selbst eine Art von Ge- lenk darstellen ähnlich, wie in den Hinterflügeln der Käfer und Wanzen, die ebenfalls quer eingeschlagen werden können, auch solche gelenkartige Stellen sich finden. Eine mir vorliegende Photographie des Marsh sehen Exemplares zeigt dies Flügelhaut- gelenk sehr deutlich, während auf der veröffentlichten lithogra- phischen Tafel diese Erscheinung wenig glücklich dargestellt ist. Aus allem scheint mir mit Sicherheit hervorzugehen, daß der von den 4 Phalangen getragene Teil der Flughaut wohl einer Längsfaltung fähig war, die den Längsfasern entsprechend ver- läuft, wie es das Zittelsche Exemplar tatsächlich auch schön erkennen läßt. Auch scheint mir die Flughaut einer beschränkten Verschmälerung und Verbreiterung fähig gewesen zu sein, wobei die Längsfasern sich einander näherten oder voneinander ent- fernten. Von einer Querfaltung kann aber keine Rede gewesen sein mit Ausnahme zwischen Unterarm und 1. Phalange. In dieser Beziehung ist ein Vergleich der Flughaut der Pterosaurier mit der der Chiropteren ausgeschlossen. Bei den Chiropteren ist sie in mehrere dreieckige Felder eingeteilt, deren jedes auf zwei Seiten einen festen Rahmen besitzt, durch den es gespannt werden kann. Diese Rahmen bestehen aus dem Unterarm und den 4 Metacar- palia mit ihren Fingern, deren Auseinanderspreizen allein genügt, die Flughaut straff zu spannen. Steife elastische Fasern in der Flughaut, um sie beim Fluge straff zu halten wie bei den Ptero- sauriern, sind völlig überflüssig. Die von Zittel erwähnten ela- stischen Fasern im Fledermausflügel sind feinste mikroskopische Gebilde, die mit den groben Fasern der Pterosaurier gar nicht zu vergleichen sind. Sie dürften wohl nur dazu dienen, die Flug- haut widerstandsfähiger zu machen. Dadurch, daß bei Fleder- mäusen die Finger aneinander gelegt werden können, und daß auch die Beugefähigkeit ihrer Phalangen wohl erhalten ist, kann die Flughaut in verschiedenen Richtungen in Falten gelegt werden, so daß sich die Tiere in der Ruhe darin wie in einen Mantel ein- wickeln können. Sie kräuselt sich dabei förmlich zusammen, und längere steife Fasern würden dabei entschieden nur hinderlich sein. Anurognathus Auiuioni, ein neuer Flugsaurier. 155 Dagegen läßt sich der Fingerflügel der Pterosaurier sehr wohl mit dem Handfittich der Vögel vergleichen, der aus den großen Handschwingen besteht, deren steife Schäfte die Funk- tionen sowohl der Längsfasern wie der Phalangen im Pterosaurier- Flügel vereinigen. Auch bei den Vögeln kann dieser Handfittich wohl der Länge nach zusammengeschoben, aber ebensowenig wie der Fingerflügel der Pterosaurier der Quere nach gefaltet werden und bleibt ebenso im Ruhestand gestreckt. Ja, wenn man die Längsfasern der Pterosaurier auf Schuppen zurückführen könnte, wozu aber nicht der geringste Anhaltspunkt vorliegt, könnte man sie mit einiger Phantasie sogar als Vorläufer der Schwungfedern ansehen, die unter Reduktion ihrer Zahl auch die Funktion der allmählich verkümmernden Phalangen übernommen haben. Natür- lich kann eine solche Ansicht aus anderen Gründen gar nicht im Ernst erwogen werden. Unter den Insekten findet man das Prinzip des Fingerflügels der Pterosaurier in verschiedenen Gruppen, am einfachsten und deutlichsten vielleicht bei den Phasmidae verwirklicht. Hier ist der Vorderrand des Hinterflügels stark chitinisiert und fest, dem knöchernen Flugfinger entsprechend, während die Flughaut selbst dünnhäutig ist und von einer Anzahl steifer gerader Längsnerven gestützt wird, die parallel zueinander bis zu dem Rand verlaufen. Sie gestatten, den Flügel im Ruhezustände in Längsfalten zusammen zu legen. Geht der starre Vorderrand in die Flugstellung über, so wird die Flughaut auch der Breite nach völlig ausgespannt, geht er aber in Ruhestellung über und wird eingeklappt, so legt sie sich mechanisch in Längsfalten zusammen. 15. Systematische Stellung. Die systematische Stellung des Anurognathus als Mitglied der Rhamphorhynchoidea ist dadurch erwiesen, daß er mit Aus- nahme des rudimentären Schwanzes in allen Merkmalen, durch die sich diese Gruppe von den Pterodactyloidea unterscheidet, nicht nur mit ihnen in ausgesprochenster Weise übereinstimmt, wie in der vollständigen Trennung der beiden Präorbitallücken, in der Kürze der Halswirbel, der Kürze des Spannknochens; son- dern er entfernt sich gerade in der Ausbildung solcher Merkmale noch weiter von den Pterodactyloidea als irgend einer der übrigen 156 L. Döderlein Khaiiiphorhynchoidea, so in der Kürze des Metacarpus und in der mächtigen Ausbildung der 5. Hinterzehe. Nichts wäre daher unrichtiger, als etwa anzunehmen, daß Anurognathus wegen seines Stummelschwanzes eine vermittelnde Stellung zwischen den beiden Gruppen einnimmt. Er entfernt sich im Gegenteil mehr als irgend I eine der andern Formen von der Gruppe der Pterydactyloidea. ; Vor allen übrigen Arten der Rhamphorhynchoidea zeichnet er sich aus durch Verkürzung der Schnauze, die geringe Zahl von Zähnen, durch das kurze Maxillare mit dem fast senkrecht ; | aufsteigenden Fortsatz, durch die Länge von Oberarm und Unter- |< arm sowie der 3 Krallenfinger mit ihren ungewöhnlich großen jj Krallen, durch die Kürze des Metacarpus, durch die Länge von ( Femur, Metatarsus und 5. Zehe, sowie durch deren große Pha- '* langenzahl, vor allem aber durch seinen Stummelschwanz. Neben Campylognathus Zitteli besitzt er weitaus den längsten , Flügel und Flugfinger nicht nur in seiner Gruppe, sondern unter allen Pterosauriern. In der Ausbildung eines zum Abspringen geeigneten Hinter- beines steht er mit vermutlich allen übrigen Rhamphorhynchoidea der Gattung Rhamphorhynchus gegenüber. Den Besitz von aus- schließlich aufrecht stehenden Zähnen hat er mit allen anderen Rhamphorhynchoidea gemeinsam den Gattungen Dorygnathus und Rhamphorhynchus gegenüber. Anurognathus besitzt wie Dimorphodon und Scaphognathus eine breit abgerundete Schnauze mit kurzer ünterkiefersymphyse, während bei Dorygnathus, Campylognathus und Rhamphorhynchus die Schnauze vorn spitz zuläuft mit einer langen Unterkiefer- symphyse. Die abgerundete Schnauze mit kurzer Symphyse und auf- rechte Zähne sind primitive Merkmale, durch die Anurognathus mit Dimorphodon und Scaphognathus als eine ursprünglichere Formengruppe unter den Rhamphorhynchoidea ausgezeichnet ist. Von diesen beiden anderen in dieser Beziehung primitiveren Gat- tungen hat sich aber Anurognathus durch die enorme Steigerung seines Flugvermögens weit entfernt; durch diese wird auch die eigentümliche Ausbildung der Hinterbeine und der Verlust des Schwanzes verständlich. Die beiden anderen Gattungen bewahrten die ursprünglichen kurzen Flügel. Anuroynathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 157 Anuroynathus kann jedoch nicht von Bimorphodan abgeleitet werden, da der Besitz der ursprünglichen 4 Phalangen an der 5. Hinterzehe ihn in dieser Beziehung noch primitiver als diesen, der nur noch 2 Phalangen besitzt, erscheinen läßt. Dimorphodon hat bereits die Reduktion der Phalangenzahl erlitten, die auch alle übrigen Pterosaurier zeigen (dabei ist vorausgesetzt, daß die Angabe, es besitzen alle Rhamphorhynchoidea nur 2 Phalangen an der 5. Hinterzehe, auch wohl begründet ist). Änurodactylus hat sich bereits vom Stamm der Rhamphorhynchoidea getrennt zu einer Zeit, als diese noch im Besitz der vollen Phalangenzahl waren, wohl schon ehe sich die Pterodactyloidea davon getrennt hatten. 16. Schlussbetrachtungen (Fig. 2). Bei der von mir versuchten Darstellung des Skeletts von Anuroynathus habe ich nur ergänzt, was ich glaubte, vollständig verantworten zu können, und habe absichtlich den Schultergürtel mit dem Sternum und die äußeren Teile der meisten Rippen so- wie die Bauchrippen weggelassen, da keine genügenden Anhalts- punkte zu deren einwandfreier Wiederherstellung Vorlagen; auch würde ihre Einzeichnung zum Teil wenigstens sicher beobachtete Teile des Skeletts unübersichtlich gemacht haben. Der kurze katzenartige Schädel gibt der neuen Form ein höckst fremdartiges Aussehen unter den Pterosauriern. Diese Eigentümlichkeit im Verein mit dem Auftreten von überaus mäch- tigen Krallen an den Vorderfüßen, worin alle übrigen Pterosaurier weit hinter ihr zurückstehen, läßt sich vielleicht in der gleichen Weise erklären wie die auffallende Verkürzung der Schnauze bei einer Reihe von Säugetieren und Vögeln, wie z. B. der Katzen, Affen und Halbaffen, der Elefanten, der Papageien, Eulen und vieler Tagraubvögel. Eine weit vorgezogene Schnauze bzw. Schnabel, wie sie den ursprünglicheren Formen zukommt, ist angezeigt bei solchen Formen, die sich ihrer Nahrung noch in der ursprüng- licheren Weise bemächtigen, daß sie sie direkt mit dem Gebiß oder Schnabel erschnappen. Wird aber diese Aufgabe von anderen Organen übernommen, wie das bei Raubvögeln durch die scharf bewehrten Fänge, bei Katzen durch die Vorderpranken geschieht, bei den Affen und Papageien durch die Greifhände und -füße, beim Elefanten durch den Rüssel, so daß die Nahrung durch 158 L. Döderlein deren Vermittlung erst dem Munde zugeführt wird, dann ist eine verlängerte Schnauze zwecklos, und es genügen dann die ver- kürzten Kiefer vollständig, um die von den Hilfsorganen erbeutete Nahrung aufzunehmen und zu verarbeiten. Daß dieses Prinzip" nicht alle derartigen Fälle erklärt, spielt dabei keine Rolle, doch kann ich bei der Betrachtung der kurzschnauzigen Fledermäuse die Vermutung nicht ganz unterdrücken, ob hier die besonders kräftige Bewaffnung des Daumens bei Erbeutung der Nahrung nicht doch auch manchmal eine gewisse Rolle spielt. Bei Anu- rognathus aber muß ich es für recht wahrscheinlich halten, d%ß die ungewöhnlich großen und spitzen Krallen nicht ausschließlich den Zweck haben, den Tieren beim Klettern und Festhalten an Felsen oder Baumstämmen zu dienen. Ich vermute vielmehr, daß sie auch beim Erhaschen der hauptsächlich wohl aus fliegenden Insekten bestehenden Nahrung eine gewisse Rolle spielen. Viel- leicht hingen sie sich mit den Hinterkrallen fest und fingen mit den Vorderkrallen vorüberfliegende Tiere, wie das manche In- sekten tun {Bittacus mit den Hinterbeinen). Die kurze Schnauze von Anurognathus läßt sich übrigens auch unter einen anderen Gesichtspunkt bringen, der zur Er- klärung der Kurzschnauzigkeit bei den Fledermäusen zu berück- sichtigen ist. Es scheint, daß diese eine Eigentümlichkeit aller Wirbeltiere ist, die gewohnt sind, im Fluge ihre fliegenden Beute- tiere zu jagen und mit dem Maule zu fangen. Dazu gehört die große Mehrzahl der Microchiroptera, aber nur verhältnismäßig wenige Vögel sind dazu imstande, wie besonders die Hinmdini- dae, Cypselidae, Caprimulgidae und Podargidae. Es sind das aber gerade die Vögel, die sich durch einen besonders kurzen und schwachen Schnabel, dabei aber durch eine ungewöhnlich weite Mundspalte auszeichnen. Kein langschnäbliger Vogel jagt auf diese Weise, und es scheint, daß bei solcher Art des Nahrungs- erwerbs, die nur von äußerst gewandten Fliegern ausgeübt wer- den kann, die kurze Schnauze bzw. Schnabel unbedingtes Er- fordernis ist. Daß die Fledermäuse zu solcher Jagd so vorzüg- lich befähigt sind, beweist übrigens, daß sie an Fluggewandtheit die meisten Vögel übertreflfen und nicht die unbeholfenen Flieger sind, als welche sie mitunter in Gegensatz zu den Vögeln ge- stellt werden. Anurognathus Aimuoni, ein neuer Flugsaurier. 159 Änurognathus muß, der Länge der Flügel nach zu urteilen, ein ungewöhnlich gutes Flugvermögen besessen haben, wie es unter den Pterosauriern nur noch bei Campylognathus Zitteli in annähernd gleichem Maße der Fall sein mochte. Aber nicht nur unter den Flugechsen war Änurognathus der beste Flieger, auch unter den Vögeln wetteifert er mit den vorzüglichsten Fliegern I wie Seeschwalben, Seglern und Nachtschwalben, wenn man die Flügel- oder auch die Fittichlänge verglichen mit der Rumpf- 1 länge als Wertmesser nehmen darf. Bemerkenswert ist noch, daß unter allen Pterosauriern Anu- rognathus weitaus den relativ längsten Ober- und Unterarm be- sitzt, und daß auch die Länge der ersten Phalange des Flug- il fingers von keiner anderen Art merklich übertroflfen wird. Da- gegen kommt in der Kürze der Mittelhand kein anderer Ptero- 1 Saurier dem Änurognathus auch nur annähernd gleich, j Die Hinterbeine des Änurognathus dürften, wie ich oben 1 bereits ausgeführt habe, in beschränktem Maße zum Springen 1 geeignet gewesen sein, und ich möchte mir vorstellen, daß das Tier vor dem Abspringen zum Flug etwa die Haltung eines Fro- |i sches eingenommen haben mag mit erhobenem Vorderkörper, der i sich auf das Ende des Metacarpus stützte, während das Becken i' auf den Boden gedrückt war. Die wie bei den Fledermäusen I fast senkrecht von der Körperachse abstehenden Oberschenkel ! machen es mir wahrscheinlich, daß das die Ruhestellung auf fester 1 Unterlage gewesen sein mag. Dabei ist es gleichgültig, ob sie i dabei auf der Erde auf etwa wagrechtem Boden sich befanden I oder an mehr oder weniger senkrechten Felsen oder Baumstämmen I mit den Krallen sich festhielten. Die Fähigkeit, sich wie Fleder- mäuse frei anzuhängen, spreche ich ihnen dabei keineswegs ab. Daß diese hockende Stellung mit mehr oder weniger hoch- gehaltenem Vorderkörper auch von den Arten von Pterodactylus eingenommen wurde, möchte ich aus der eigentümlichen Knickung zwischen Unterarm und dem verlängerten Metacarpus annehmen, die man bei vielen der besser erhaltenen Skelette von Pterodac- tylus beobachten kann. Diese beiden Armteile bilden mitein- ander einen stumpfen, nach hinten offenen Winkel. Diese geringe Knickung ermöglicht eine freiere Haltung des Oberkörpers in der Ruhe und einen festeren Auftritt auf das Ende des Metacarpus, 160 L. Döderlein als wenn dieser die geradlinige Verlängerung des Unterarms auch im Zustand der Ruhe bliebe. Vielleicht wird obendrein ein kräf- tigeres Abschnellen des Körpers beim Abflug durch diese Knickung begünstigt, wenn man annimmt, daß die beiden Armteile dabei plötzlich in die gestreckte Lage übergehen. Da der im übrigen | ■ stets ganz gerade bleibende Flugfinger in der Ruhelage eng gegen j | den Unterarm und Metacarpus eingeklappt wird, zeigt sich dabei .j eine ganz entsprechende Knickung auch zwischen der ersten und |{ zweiten Phalange des Flugfingers, die auf die Knickung zwischen Unterarm und Metacarpus paßt. Von einem Zusammenlegen der i Phalangen des Flugfingers wie bei den Fledermäusen kann auch j bei Pterodactylus meines Erachtens gar keine Rede sein. Diese ,1 Knickung des Flugfingers ist bei den Rhamphorhynchoidea nur I aus dem Grunde nicht vorhanden, weil ihre Veranlassung, eine j Knickung am Unterarm wegen der Kürze des Metacarpus keine i Rolle .spielt. Deshalb wird bei ihnen der Flugfinger auch stets | völlig gestreckt getragen. Dafür wird bei den meisten Rham- { phorhynchoidea das Abschnellen des Körpers für den Abflug durch ; den oben besprochenen eigentümlichen Bau des Metatarsus er- leichtert, der sich bei Pterodactylus kaum dafür eignet, ebenso- j wenig wie der von Rliamphorhynchus. Daß die Funktion der Hinterextremitäten bei allen Ptero- sauriern doch eine ganz andere gewesen sein muß wie bei den Chiropteren, möchte ich schon daraus schließen, daß bei letzteren Femur und Tibia stets ungefähr gleich lang sind, während bei den Pterosauriern die Tibia stets beträchtlich verlängert ist wie bei den Vögeln. Auch die auffallende Kürze des ganzen Hinterfußes der Chiropteren gegenüber dem aller Pterosaurier bestätigt dies. Was die Beteiligung der Hinterextremität an der Flugtätig- keit betrifiPt, so scheint sie mir bei Anurognathus ganz erheblich gewesen zu sein. Zweifellos waren sämtliche Zehen bis zu ihrer Spitze durch eine Flughaut miteinander verbunden, die bei aus- gespreizten Zehen, wie das bei unserem Original an beiden Füßen der Fall ist, einen beträchtlichen Umfang gehabt hat. Vermut- lich stand diese Flughaut der Hinterfüße mit der der Vorder- extremitäten in Zusammenhang. Dagegen ist es höchst unwahr- scheinlich, daß die beiden Hinterextremitäten durch ein Uropata- gium miteinander in Verbindung waren. Sonst wäre es wohl un- Anurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 161 möglich gewesen, dah bei dem vorliegenden Individuum, das kaum irgend eine Andeutung von Zerrungen oder Zerreißungen nach dem Tode erkennen läßt, die beiden Hinterfüße sich so weit von- einander entfernen konnten, wie es auf der vorliegenden Platte zu sehen ist. Nimmt man an, daß beim Fluge die Hinterfüße in der Weise wie bei Fledermäusen gehalten wurden, so ver- I größerten sie nicht nur die Tragfläche der Flügel ganz erheblich, sondern mußten vor allem als ganz vorzügliche mächtige Steuer I dienen können. In jede Lage verstellbar, durch das Spiel der Zehen bald breit bald schmal werdend, dienten sie ebensogut als li Horizontal- wie als Vertikalsteuer und ermöglichten blitzschnelle ^ Wendungen und w'ohl auch fast augenblickliches Stillhalten mitten ii im rasendsten Fluge. Ein langer Schwanz wäre bei diesen vor- , züglichen Flug- und Steuereinrichtungen nur ein Hindernis ge- I' wesen. Anurognathus muß ein Flugkünstler ersten Ranges gewesen ii sein, und was die vereinte Leistungsfähigkeit seiner Flug- und Steuer- organe betrifft, dürfte unter den bisher bekannten rezenten wie 11 fossilen Wirbeltieren seinesgleichen nicht wieder anzutreffen sein. J Beim Flug wird die Haltung der Hinterfüße bei allen Ptero- H Sauriern dieselbe gewesen sein wie bei den Chiropteren, die Ober- I! Schenkel fast senkrecht zur Körperachse, die Tibia fast recht- ki winklig dazu, die Zehenspitzen nach hinten und außen gerichtet, ii die 1. Zehe nach außen, die 5. Zehe dem Körper zugewendet, also Ii die Plantarseite nach unten, nicht umgekehrt, wie es oft, selbst i: unter den neuesten Publikationen dargestellt wird. Die 5. Zehe ij könnte allenfalls ein Uropatagium spannen wie der Sporn der I' Fledermäuse, der auf der gleichen Seite liegt, falls ein solches b überhaupt vorhanden war, aber niemals dem zwischen den Hinter- füßen und dem Flugfinger befindlichen Teil der Flughaut zur ' Stütze dienen. Bei den Vögeln, die im Fluge die ganzen Beine , gerade nach hinten strecken, ist die Haltung der Füße gerade umgekehrt, die Plantarseite nach oben, die 5. Zehe auf der äußeren Seite. Die Literatur ist von Arth aber 1919 (Denkschriften der Akad. Wiss. Wien, Bd. 97) und 1921 (Paläontol. Zeitschr. Bd. 4) er- schöpfend angegeben. Darin nicht berücksichtigte oder seither neu erschienene Schriften sind im Text genauer bezeichnet. 162 L. Döderlein 1 1 Rumpf 1 Hals Schädel Schwanz 1 Humerus Radius Metacarp. cc 1 1. Pterosauria 1 Dimorphodon macronyx ! 160 110 222 -1.4 530 87 -0.54 96 -0.6 41 r2.3 27, 3( Dorygnathus banthensis 157 112 149 -1 300 63 -0.4 103 -0.6 31 r 3.3 22,3 Scaphognathus crassirostris 105 90 115 -1.1 50 -0.47 94 -0.9 27 r 3.5 23, 2: Khamphorhynchus longicaudus b9 22 34 -0.8 110 15 -0.39 24 -0.6 10 r 2 4 6, 8, j , Gemmingi 100 65 123 -1.2 291 39 -0.39 62 -0.6 19 r 3.2 15, r. , Kokeni 125 125 150 -1.2 58 -0.46 95 -0.8 34 r 2.8 26, 3 Campylognathus liasieua 80 40 80 -1 260 42 -0.5 50 -0.6 18 r 2.8 , Zitteli 128 72 130 -1 580 68 -0.53 82 -0.6 32 r 2.6 Anurognathus Ammoni 45 28 45 -1 14 31 -0.69 46 - 1 10.5 r4.4 15, U Pterodactylus elegans 29 27 33 -1.1 7 14 -0.48 20 -0.7 16 r 1.3 4.6,7 , spectabilis 28 27 44 -16 7 15 -0.5 19 -0.7 14 r 1.4 , scolopaciceps 45 54 71 -1.6 20 28 -0.62 32 -0.7 22 r 1.4 , longirostris 57 97 107 -1.9 21 31 -0.54 47 -0.8 33 r 1.4 14, 11 , Kocbi 49 45 80 -1.6 21 28 -0.57 43 -0.9 30 r 1.4 11.5,1 ^ inicronyx 46 42 59 -1.3 17 25 -0.54 31 -0.7 35 r 0.9 4, 6.6 , longicollum 150 250 215 -1.4 78 -0.52 104 -0.7 130 r 0.8 Pteranodon Ingens 400 400 800 -2 16 202 -0.5 290 -0.7 455 r 0.6 2. Aves Phalacrocorax carbo 201 280 135 -0.7 180 168 -0 8 171 Anas boschas 159 250 114 -0.7 90 102 -0.6 88 Mergus merganser 165 240 124 -0.7 80 101 -0.6 85 Larus ridibundus 75 112 82 -1.1 130 75 - 1 93 Sterna hirundo 58 79 69 - 1.2 140 56 -1 65 Diomedea exulans 290 360 265 -0.9 230 430 - 1.5 430 Scolopax rusticola 72 88 113 -1.6 90 55 -0.8 61 Tetrao urogallus 176 240 120 -0.7 360 125 -0.7 115 Columba palumbus 81 101 56 -0.7 170 47 -0.6 57 Falco subbuteo 65 46 50 -0.7 160 55 -0.8 62 Astur palumbarius 99 90 71 -0.7 290 83 -0.9 99 Haliaetus albicilla 185 200 118 -0.7 320 210 -1.1 240 Sarcorhamphus gryphus 221 300 160 -0.7 420 270 -1.2 310 Cypselus apus 34 31 32-1 80 12 -0 35 18 Caprimulgus europaeus 38 43 1 42 -1.1 120 37 - 1 47 Dryocopus martius 77 84 79 -1 175 52 -0.7 63 Corvus corone i 99 91 -1 200 69 -0.8 82 Turdus merula 47 50 48 -1.1 120 30 -0 6 35 Archaeopteryx Siemens! 96 63 45 -0 5 170 63 -0.7 54 3. Chiroptera Pteropus Edwardsi 112 45 74 -0.7 0 116 -1 166 Phyllostoma perspicillatum 39 9 35 -0.9 36 -0.9 58 Vesperugo noctula 1 10 19 -0.5 40 30 -0.7 50 Vespertilio murinus 39 12 24 -0.6 53 35 -09 58 Anurognathus Amiiioni, ein neuer Flugsaurier. 163 1. Phalange des Flug- fingers Flug- finger Flügel i Femur Tibia Metatars. Längste Zehe 5. Zehe, Meta- tarsus u. Phal. ■06, 117, 133, 94 450 p4.4 677 -4.2 86 -0.54 132 35 f 0.4 32 14; 29, 27 0.5, 101, 102, 83 365 p4.7 565 -3.6 52 -0.33 69 31 f 0.6 36 7; 26, 27 •0.6, 74 300 p4.6 473 -4.5 53 -0.5 -0.9, 28, 26, 28 114 p3.5 164 -4.2 12 -0.3 15 8.5 f 0.7 5 2.3; 4,4 -1, 100, 90, 94 387 p3.8 510 -.5.1 28 -0.3 42 23 f 0.8 18 3.5; 9,9 •12, 550 p3.7 739 -5.9 45 -0.36 64 34 f 0.8 -0.9, 80, 70, 60 284 p3.8 398 -5 32-0 4 38 19 f 0.6 16 ; 5,3 -1.4, 209, 165, 121 680 p3.7 862 -6.7 69 -0.54 88 41 f 0.6 38 10; 10,6 -1.3, 218 p3.7 305 - 6.8 27 -0.6 39 18 f 0.67 14 4.5; 9, 2.5, 4.5,12 •07, 20, 16, 14 71 p3.3 121 -4.2 12 -0.4 18 8 f 0.66 6 1; 0.5 -0 7, 18, 16, 15 69 p3.4 117 -4.2 15 -05 20 f 0.5 -0.7, 29, 27, 20 108 p3.4 189 -4.2 22 -0.5 31 12 f 0.5 9 2; 1 -0.8, 45, 36, 29 157 p3.4 269 -4.7 34 -0.6 47 20 f 0.6 12 3; 1.5 ■0.9, 36, 32, 25 136 p3.2 233 -4.8 30 -0.6 41 16 f 0.5 14 4; 1.5 ■ 1, 27, 20, 19 111 p2.4 203 -4.4 28 -0.6 39 8 f 0.3 7 -1.1, 109, 77, 65 411 p2.6 725 -5 99 -0.7 149 30 f 0.3 - 1.4, 470, 322, 193 1535 p2.8 2487 -6.2 192 -0.5 290 77 f 0.4 78 Fittich Lauf 450 -2.2 789 -3.9 62 -0.3 110 65 f 1 105 300 - 1.9 490 -3.1 56 -0.3 95 45 f 0.8 60 300 - 1.8 486 -3 57 -0.3 95 52 f 0.9 75 310 - 4 1 473 -6.4 38 -0.5 77 50 f 1.3 41 270 -4.6 391 -6.7 25 -0.4 42 21 f 0.8 21 700 -2.4 1560 -5.4 110 -0.4 215 118 f 1.1 175 210 -3 326 - 4.5 46 -0.6 67 37 f 0.8 40 430 -2.4 640 -3.7 116 -0.6 140 70 f 0.6 70 250 -3.1 351 -4.4 45 -0.6 65 36 f 0.8 30 275 -4.2 392 -6 34 -0.5 63 42 f 1.2 31 360 -3.7 547 -5.5 75 -0.8 94 80 f 1.1 58 610 -3.3 1060 -5.7 111 -06 154 93 f 0.8 93 840 -3.8 1420 -6.4 145 -0.7 220 120 f 0.8 135 170 -5 200 -5.9 18 -0.5 27 12 f 0.7 12 190 -5 274 -7.2 23 -0.6 34 19 f 08 20 250 -3.3 365 -4.7 41 -0.5 52 34 f 0.8 35 300 -3.3 451 -5 56 -0.6 88 58 f 1 49 110 -2.4 175 -3.7 31 -0.7 48 34 f 1.1 29 163 -1.7 280 -3 51 -0.5 70 34 f 07 30 Metat. 316 -2.8 598 -5.3 64 -0.6 77 13 f 0.2 37 113 -2.9 207 -5.3 22 -0.6 23 5 f 0.2 9 96 -2.3 176 -4.3 18 -0.4 18 3 f 0.2 7 92 -2.3 163 -4.2 21 -05 22 3 f 0.15 7 164 L. Dötlerlein, Änurognathus Ammoni, ein neuer Flugsaurier. 17. Bemerkungen zu den Tabellen (vgl. pag. 120). I Die an erster oder einziger Stelle aufgeführten Zahlen sind j absolute Werte in mm, die an zweiter Stelle mit einem Vorzeichen | versehenen sind relative Werte, und zwar ist bei allen mit - ver- ' sehenen Zahlen die Rumpflänge (1. Rückenwirbel bis letzter Sakral- i' Wirbel) als Einheit genommen (Rumpf = 1). Die mit r versehenen Werte des Metakarpus bezeichnen das Verhältnis von Radius zum Metakarpus (R : M). | Die mit f versehenen Werte des Metatarsus beziehen sich j auf das Femur als Einheit (M : F). Die mit p versehenen Werte des Flugfingers beziehen sich auf seine 1. Phalange als Einheit (F : P). Die absoluten Werte für Pterosaurier und Archaeopteryx sind bekannten Autoren entnommen, soweit sie solche Werte an- gaben, wie H. v. Meyer, Zittel, Plieninger, Broili, Eaton, Da nies, mitunter nach Münchener Originalen etwas abgeändert. Die Maße für Dimorphodon sind an Owens Rekonstruktion gemessen, die für Dorygnathus an der Arthaberschen Abbildung des Wiener Exemplars, die für Campylognathus liasicus an einer Originalphotographie des Pittsburger Exemplars (das auf keinen Fall C. Zitteli ist). Die Maße von Dimorphodon dürften sehr un- zuverlässig sein, die von Dorygnathus und C. liasicus sind nur relativ genau. Auch einzelne Maße der anderen Arten mußten erst ergänzt werden. Die Maße der kleineren Phalangen sind viel- I fach nur annähernd. Die Maße für Vögel und Chiroptera wurden an Skeletten der Münchener Zoologischen Sammlung gewonnen, die Fittichlänge der Vögel jedoch an anderen Exemplaren oder aus der Literatur, was bei Vögeln meist nur unbedeutende Abweichungen er- geben kann. Trotz mancherlei Fehlerquellen und Ungenauigkeiten dürften die erhaltenen absoluten und relativen Werte den damit beab- sichtigten Zwecken genügen, doch fand ich, wie wünschenswert es wäre, wenn solche Maße einmal in möglichster Vollständigkeit kritisch zusammengestellt würden. Zur Unterscheidung der Arten sind sie unentbehrlich. 165 Zur Abhandlung des Herrn F. Linderaann; Über Bie- gungsflächen. Von H. Liebniann und K. Eommerell. Vorgelegt in der Sitzung am 5. Mai 1923 von dem korrespondierenden Mitglied A. Brill in Tübingen. Im 29. Band der Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-physikalische Klasse, ist eine Arbeit von Herrn F. Lindemann ,Die Biegungsflächen einer gegebenen Fläche“ erschienen. Die Ankündigung (Sitzung vom 5. Februar 1921) stellt in Aussicht, der Verfasser werde „für jede Fläche beliebig viele Ver- biegungen durch bloße Quadraturen angeben und weiter . . alle Biegungsflächen einer gegebenen Fläche unter Einführung willkür- licher Funktionen mittelst aufeinander folgender Quadraturen ana- lytisch darstellen“. Ein erstes Verfahren erstrebt das Ziel auf folgendem Weg. Es seien a, ß Minimalparameter, also das Bogenelement gegeben ds^ = 2F{a,ß)dadß, und X, y, z die rechtwinkligen Koordinaten eines Punktes der Fläche S. Dann wird gesetzt (§ 8, S. 22) z^ = ax -^hy cz, wo zwischen den Konstanten a, b, c die Beziehung a- 6® + c® = 1 bestehen soll, und behauptet, eine neue Fläche S, mit zwei wesentlichen Konstanten und demselben Bogenelement ds^ — dx\ + dy\ -j- dz\ = 2F{n, ß) da dß könne so bestimmt werden, daß sie zu 8 weder kongruent noch symmetrisch ist. Sitzungsb. d. matb.-phys. El. Jahrg. 1923. 12 166 H. Liebmann u. K. Kommereil Dieser Behauptung steht folgende Überlegung entgegen. Man betrachte die Fläche S.^ mit den Gleichungen = ax -\- hy + cz, x.^ — a'x -h b'y c‘ z, y^ = a“x + b'‘y -f- c“z, wo rechts die Koeffizienten einer orthogonalen Transformation stehen. Dann ist und z 1 dz\ + dx'l -f- dyl = dzl -f dxl + dyl = dx^ -f- ‘ •, ; . > i. >.«}»«. qli^j 'f ' -ffi '. ■> i!.w rjit.niJ ( »y. .) r%»^n4 . 4'‘. .S .filliln ;^i*ji 4 - ■ i liTji -. 'f(l!.; :’. 1») •ij ;-,!- 'jOo^ '-• )i'*j -iji’ ii)> (Ld) '.I f :i <*.-.•;■«] I V i ., .'!,■• iV "S#?. v. i, iU'»>>'i' ji ipb «Jv UiT laA I *ifi rlcrildt/ia rt nida«?'' flifi ' , ■■•I t. r Ml ^ it$ * !v 4| t/ rtf 3l4tt^ I 169 ; Beweis, dass unter allen homogenen Membranen von . gleicher Fläche und gleicher Spannung die kreisförmige den tiefsten Grundton gibt. Von treorg Faber. Vorgelegt in der Sitzung am 7. Juli 1923. I 6r sei ein einfach zusammenhängender abgeschlossener Be- r reich mit der Randkurve G und dem Flächenelement dtv. U sei ' unter den in G stetig diflPerenzierbaren und den zwei Neben- I bedingungen: I 1) £7 = 0 auf 6’, 2) JJ U^dw = 1 . Q genügenden Funktionen diejenige, für die der Integralwert 3) JJ (grad Uydiv möglichst klein wird. 0 Der Maximalwert von U in G sei c (> 0). Ferner sei, falls 0 < 7 ^ c, Gy sei das Teilgebiet von G, für das U gilt; G ist also mit Gc identisch. Fy sei der Flächeninhalt von Gy, Cy bilde zusammen mit G den Rand von Gy, (7„ und bedeuten das nämliche wie G, Sy sei (im Falle 7 < c) die Bogenlänge von Gy. 0 Es ist das meines Wissens der erste Beweis für diesen vermutungs- weise häufig ausgesprochenen Satz (vgl. Lord Rayleigh, The Theory of Sound, London 1894, Bd. I, S. 339 — 340). Ein ähnlich lautender, von Herrn Courant (Math. Zeitschrift, Bd. I (1918), S. 321) bewiesener Satz, bei dem die Membrane vom nämlichen Umfang statt, wie oben, die vom nämlichen Flächeninhalt in Vergleich gezogen werden, folgt leicht aus dem obigen, während das Umgekehrte nicht gilt. 170 G. Faber Endlich sei 4) Jy = JJ (grad U}-dw, sodaß also das Integral (3) soviel ist wie Je. Ich betrachte weiter für 0 < 7 < c ein System konzentrischer Kreisringflächen Ky mit den inneren Radien Ty und dem gemein- samen äußeren Radius r^. Diese Radien werden bestimmt durch die Bedingung: 5) Flächeninhalt {rl — 71 von = Flächeninhalt F’y von Gy, 6) Flächeninhalt rl n des äußeren Kreises Kr. (vom Radius rj = Flächeninhalt Fc von G. Die Kreislinie vom Radius heiße l<,y\ ist soviel wie Iz^. Jcc ist der gemeinsame Mittelpunkt aller Kreise. In Kr werde eine Funktion V definiert durch die Gleichung: 7) V = y auf ky (0 ^ 7 ^ c) . Dann wird 8) SS = n = 1. Ich setze noch 9) iy = JJ (grad (0<7 Sy : (c — y) beschränkt wird), e„ sei eine Zahl, die für n — ► cc gegen Null konvergiert, nicht jedesmal die nämliche, und Ar werde zur Abkürzung für Vy — ^y+dy geschrieben. Dann ist 2.'tryZlr(l + £„), AJy _ SyArjl + £n) ", J_ A iy n 2 71 Ty 1 Avi' Nun gilt bekanntlich folgender Satz (den man noch ein- facher als mittels Differentialrechnung durch den Schluß von n auf n -k 1 beweist): Falls die Summe s der positiven Veränder7 liehen x^, x^, ... x„ gegeben ist, nimmt für x^=x^ = •^■ = x„ = s : n die Summe 11) 12) 13) 14) 1 (-•••+ ihren Minimalwert - an. 3^2 ^ Da aber nach Voraussetzung 15) ^’'i:.zlv, = 2.Tryzlr(14-£„) n 1 ist, folgt aus (14): 16) 1 > ns.. f A i'i — 2 71 r.. Ar (1 + in)- Setzt man diesen Wert in (13) ein, so findet man: I 17) > A iy - - (1 + in). Nun umschließt aber die Kurve (Jy ein ebenso großes Gebiet wie die Kreislinie ky] es ist daher Sy^2 7iry, also nach (17). wenn man n über alle Grenzen wachsen läßt: 172 G. Fabel’, Beweis, daß unter allen homogenen Membranen etc. 18) und daher, weil ja d J d Vy Ty - d^ ’ c c 19) 0 0 20) hier aber kann das Gleichheitszeichen nur dann gelten, wenn stets Sy = ^TiTy ist, d. h, wenn alle Kurven Cy Kreise sind. Zusatz bei der Korrektur: Das im Vorstehenden benutzte Verfahren läßt sich auch bei anderen Aufgaben verwerten, z. B. beim Beweise des Satzes, daß von allen Körpern gleichen Volu- mens die Kugel die kleinste elektrostatische Kapazität besitzt. Auch hier handelt es sich mathematisch darum, eine Funktion U so zu bestimmen, daß ein Integral wie (3) möglichst klein aus- fällt. Doch ist es jetzt ein dreifaches Integral, das über den Raum außerhalb des Körpers zu erstrecken ist; statt (1) und (2) hat man folgende Nebenbedingungen zu beachten: Auf der Ober- fläche des Körpers soll U überall den nämlichen Wert annehmen. und es soll lim r U {x, y, z) = l r = Yx^ sein, wo r 173 Über die isotherme Teilung. Von A. Voss. Vorgetragen in der Sitzung am 7. Juli 1923. Jede quadratische Differentialform ds^ = edii- -[■ 2f dudv 4* y diP einer reellen Fläche (auf die wir uns hier beschränken) läßt sich durch Lösung einer Differentialgleichung auf die iso- therme Form ds^ = E {du\ dv\) bringen, und durch Einfüh- rung der willkürlichen Funktion iv^ — iv^) jede andere isotherme Teilung erhalten. Jeder isothermen Teilung ent- spricht daher eine bis auf einen konstanten Faktor bestimmte Funktion einer komplexen Variabein, wenn man von einem kon- stanten additiven Teil absieht. Die umgekehrte Frage indessen, wie man aus irgend einer gegebenen isothermen Teilung diese Funktion findet, scheint bisher nicht behandelt zu sein, obwohl sie vielleicht nicht ohne Interesse ist. Dazu schien es passend, in den § I und II einige allgemeinere Bemerkungen vorauszuschicken. § I- Wir betrachten zunächst die Abbildung einer reellen Fläche vom Krümmungsmaß Null auf die Ebene mit den rechtwinkeligen Koordinaten x, y. Soll das Quadrat des Längenelementes ds^ = e du^ -f- 2f du dv y dv^ die Form dx^ dy^ annehmen, so hat man aus den Gleichungen -f yl = e, X* 4- y , x,. x„ 4- y,, y, = f X und y als Funktionen von u, v zu ermitteln. Setzt man Xu = £ cos (p, y„ = £ sin (p , Xv — y cos yj, y^ — y sin , wo £ = ]/e, y = Yg positiv sind, und 174 A. Voss 2) f cos {cp — xp) = f V eq wird, so erhält man aus den Integrabilitätsbedingungen der Glei- chungen 1) durch die Multiplikation mit cos cp, sin cp resp. cos ip, sin xp und Addition derselben 3) 9e dv de dy du cos {cp — xp) = y xp„ sin {cp — xp), dy cos{cp — xp) — — = e cp, sin {cp — q>). C V cU Für die Differentialkovariante 3 a) 2 = Xu y, — x, yu — e y sin {xp — cp) hat man ferner 4) ,^ = eg-r, wo 0 mit dem positiven oder negativen Zeichen genommen wer- den kann. Da nach 2) sin {xp — qp) = hat Vl — C* das Vorzeichen von 2, und es wird cos {xp — cp) {xpu — cpu) — — CC« : Kl — oder nach 2) C« tpu — qpu ^ — ,, Eliminiert man aus 3) mittels 5) v’m so li8,t man 5) 6) ^17^2 V7 av y du) V” J 1 \e dv e du) Aus diesen Gleichungen ist jetzt cp zu bestimmen. Die Integrabilitätsbedingung a = 0 r 1 ß ^ 1 3A 1- ' ' ... i 1 de X.JX 1 e du) J dv 1 1 y dv y du) _ Kl - ist aber hier erfüllt. Setzt man nämlich den Koordinatenwinkel gleich o), so hat man aus cos <0 = 7 über die isotherme Teilung. 175 und man erhält Oin = — y- Vi - c* 9« de — COS CO a V dy 3u E sin CO + S /dy 9e' ( — cos CO — dv\dU dV COft XI 0 \ y sin CO dies aber ist (vgl. z. B. Darboux, Theorie generale des surfaces II, S. 384) wirklich gleich Null. Hat man nun aus 6) durch Quadratur in der Form cp — (Po-\- c, wo cp^ eine bestimmte Funktion von u, v ist, ermittelt, so ist y’ — c arc sin Yl — = ip^ c und x, y ergeben sich durch zwei weitere Quadraturen vollständiger Differentiale in der Gestalt a; = J* £ cos (9?o + c) -h X cos (i/^q + c) + Cg, y = X £ sin (97o + c) + X sin {ip^ + c) + oder, falls = f £ du cos ~i~ f / cos jp„, yj = f £ du sin q?g + f y dv sin gesetzt wird, X = x^ cos c — «/j sin c “h Cg , 7 a) y = y, cos c + x, sin c + C4, so dah dx'^ + dy^ = dx\ 4- dy\ = dU^ dV^ wird. Die Formeln 7 a) sind aber nichts anderes als die der rechtwinkeligen kongruenten oder symmetrischen Transformation, so daß tatsächlich nur eine einzige Lösung entsteht. Wird bereits f = 0 vorausgesetzt, so ist die direkte Rech- nung noch einfacher. Denn jetzt ist und es wird ^ yti ) y^ — ^ I X t» YjeX x„ 1/1 + A* — TS ’ VT+'P' wo rj und nach Belieben gleich der positiven oder negativen Einheit zu setzen sind, während aus 8) jetzt die Gleichungen 176 A. Voss t] de \ A, dy \ 1 + P Yj^ dv y' 1 du e folgen, so daß 9) const. sich ergibt, und damit sind x, y vollständig bestimmt. § II- Die durch Fortlassung selbstverständlicher Gleichungen viel kürzer darstellbare Betrachtung des § I, welche einfacher sein dürfte, als die sonst wohl gebräuchlichen, läßt sich für jede deve- loppabele Fläche verallgemeinern. Bekanntlich ist die Ebene die einzige Fläche, deren sämtliche Biegungen sich bisher durch Quadraturen haben bestimmen lassen, während durch die ausge- zeichneten Arbeiten von Darboux, Bianchi und anderen in zahlreichen speziellen Fällen das Boursche Problem seine Lösung gefunden hat. Setzt man in § I, 7) so ist dp = dU- dV^‘, U und V sind bekannte Funktionen von u, V, wobei ds- in § I das Krümmungsmaß Null hat. Es seien nun X = X — u^)a, Y=y-j-lv^ —u^)ß, Z = ^ + (v, — M,) y 1) die Koordinaten einer Developpabeln F; x, y, s die eines Punktes ihrer von dem Bogenelement du^ abhängigen Gratlinie, a, ß, y die Richtungscosinus der Tangente derselben, R der Krümmungs- halbmesser, so daß dann ist nach 1) das Quadrat des Längenelementes von F ge- geben durch über die isotherme Teilung. 177 Setzt man jetzt wo Mq wird $ = cos + J sin Mß, rj = sin Uq — J d Uq cos , eine passend zu wählende Funktion von «, allein ist, so d^- drj^ = dv\ dul {v^ — Setzt man endlich Jdu^ R so wird ds^ = d^^ dr]"^ — ds^. Um also die gegebene Fläche F als Verbiegung der Ebene ij zu erhalten, hat man aus den Gleichungen , _ p _ ^ ^ >j = V= yj (u, v) = 'F(m, , V,) w, , Vj als Funktionen von u, v zu ermitteln; die Lösung enthält noch die willkürliche Funktion R. Verlangt man insbesondere, daß die Fläche F eine gegebene Krümmung und Torsion ihrer Gratlinie habe, so muß man allerdings die betreffende Riccatische Gleichung lösen, die nun die Koordinaten x, y, z und damit auch R bestimmt, so daß eine ganz bestimmte Transformation entsteht. § III. Ist eine Developpable mittels der Gleichung dx’^' -f diß — E{dn^ -f dv^) — ds^, wobei VE — £ isotherm auf die Ebene x, y abgebildet, so ist dx -{■ i dy = £X{du -|- i dv), ^ dx — idy = ^^{du — idv, so daß X Funktion von u, v ist, so wird nach 1) dx — idy = £X{du — idv) für X als konjugierte Funktion von X. Aus 1) folgt jetzt XX — 1, oder X — e*"’. 178 A. Voss Nun bat man aus 1) oder also I) woraus de. , . dco . de dco 4-i£ = I e — dv dv du du de dv dco du ’ de dco du ~ to =■ f J \d U — dv die du -}- const. , II) J, f (/e _ ^ dt() ß J 1,9« ® 9« / c j f? tj) -j- const. mit den komplexen Konstanten C, c, die man übrigens auch gleich 1 und 0 setzen kann. Damit ist aber die Funktion + deren Ausdruck in M -|- iw bei gegebenem e gesucht wurde, völlig bestimmt. Man kann nun auch umgekehrt die Formel II) direkt be- weisen. Setzt man das Längenelement in der Form ds^ = dx- dy^ voraus, so ist, falls {x -f yi) = f{u -j- iv) = Cr-F i F ist, Uu = Fj, Ug = — F„, Uuti “F Ugg = 0. fl) b) Da jetzt e = y U« -F Ug wird, hat man sie UuUuu UgUgu du m + Ui Uug -F Ug l Setzt man rechts in a) U„„ = — Ugg, in b) ügg = — ü« = Uu üug -F Ug Ugg. dv und so wird die du z = Uu, C = Ug, s C» ^ die z ^u C Für ■2 ’ dv Z^ — C^ ' arctg - = cü . f = Yz^ -F cos o) = ^ — , sin (o = — - — rr=;. folgt also r über die isotherme Teilung. die ^ die dv du dv du = — rfoj, so daß das Integral II) übergeht in J {du + i dv) \z — i C 179 Aber der Integrand ist jetzt nichts anderes als duUu idv Uu — i duUv -\- dv U„ oder duU„ dv Ut i {du dvV^ = d{U i V). Ist nur ein isothermes Längenelement beliebig gegeben, so ist zwar E = V^; es handelt sich dann um die Bestim- mung von U und V. Es ist also die Bestimmung des Inte- grals II erforderlich, um die zugehörige Funktion a: 2/i zu finden. Allerdings kann man ja auch direkt aus E die beiden Bestandteile U und F ermitteln, dies führt aber gerade zu der- selben Formel II, weshalb dies hier nicht wiederholt werden soll. § IV. Es ist vielleicht nicht unpassend, einige Beispiele anzuführen. In den einfachsten Fällen (Polarkoordinaten, rationale ganze Funk- tionen etc.) macht die Berechnung des Integrals in § III keine Schwierigkeit. Ist z. B. I) (2M-fl)» -t- 4^;^ e = V{2u -\-\y 4:v\ so wird die , dl e ^ , dv du = d arctg du dv ° f— )• \2 u -f- 1 j Setzt man nun 2v = psina), 2u 1 — q cos oj , so wird X + yi = J (cos o) -\- i siTi (o) Q {du i dv) const. oder für c = 0 X yi = {u -Y i vy {u iv). II) Nimmt man s = sin {u -p iv), so wird dz = cos {u -\- iv) {du i dv), dz = cos {u — iv) {du — idv), e = '/2 ye-" -j- e~2ti _j_ 2 cos 2u = V 2 /l. 180 A. Voss 2t _ g du 2 sin (2 u)dt e{du + idv) zu berechnen. Aus der Identität — e~^'>) • du -b 2 sin (2m) dv auf die man aus § III geführt wird, erhält man dann jz, wenn man sin u(e' — e~ ®) = g sin cd , cos M {e" — ®) = p cos CU setzt, so dah in der Tat die Sinusfunktion entsteht. III) Konfokale Kegelschnitte. Nimmt man so wird e- M, V, V die Gleichung jB, = g-2« g2.r_g-2.r) liefern, so dafä e gerade denselben Wert wie im Falle II erhält, so daß sich das bekannte Resultat ergibt. Die direkte Bestim- mung des Integrals würde hier schon weitläufig ausfallen. IV) Etwas anders liegt die Sache aber beim isothermen System konjugierter Kreisbüschel. Die orthogonalen Kreisbüschel 1) — 2uz k- = 0 , — 2 1; a: — k^ = 0 geben für m > k zur Bestimmung der reellen Schnittpunkte der Kreise 2) ux — vy = k^. kH Setzt man über die isotherme Teilung. 181 so ist nach 1) 4) Die Diflferentiation von 1) liefert {x — u) dx y dy = X du, X dx (y — v) dy = y dv oder nach 3) für o = (x — u) {y — v) — xy o dx = x{y — v)du — y'^ dv, o dy — y{x — u)dv — x^ du oder dx‘’ -\- dy^ = Ä:* d u^ {Tc^ v"^) -\- d (u^ — F) o'^ (u — V t)'^ Setzt man aus 4) t und rechts ein, so wird {ti V k'^ + — vY u^ — k^) ]/ — k^ u — vt also ■ 5) dx^ + dy^ = ¥ {u^ - ¥) (v^ + ¥) {u Yv"^ -\-¥ — V (Y — ¥y' Diese isotherme Teilung ist jetzt auf ihre Normalform zu bringen. Setzt man nun in 5) M — ko , ^ 1 = e-"i, arctg ^ = w, oder v = k tgv,, so wird + ¥ ¥ dv cos’-^ Wj ’ v^ -\- ¥ k = k‘ * u = — k 4P e"» e~ «1 g«, — g-.., du dl (e".* — e“"»)* ¥ — ¥ und nach einfacher Zwischenrechnung A¥{du\ + dvX) 1 A u^—k y u -\- k 6) so dah dx"^ + dy"^ — (e"‘ + e~’‘> + 2 sin v^) 2 ' Sitzungsb. d. matb.-phys. Kl. Jabrg. 1923. 13 182 A. Voss, Über die isotherme Teilung. 21 -j- e “ ”1 -J- 2 sin folgt, womit auch w bestimmt ist. Als Vergleichsfunktiou bei der Bestimmung des vollstän- digen Differentials kann hier X-\- Yi = h arctg ( -j- i F) dienen. Es wird dann ^ (e2» + e-2' -b 2cos2t/)»’ also wenn und coj die zu s und co entsprechenden Zahlen bedeuten ^ ^ e-2v^ 2cos2C7 derart, daß ktg{U iV) = j e*"'« e^(dü -\- idV) eine Identität wird, wenn coj aus den Diflferentialquotienten des Zcj entnommen wird. Setzt man nun 2Ü = jt/2 — v, , 2V = — , so wird, da £, bis auf einen konstanten Faktor in e übergeht, der im Z(£,) beim Dififerentiieren herausfällt, wenn man endlich noch in dem zu suchenden Integrale diese Werte einführt, sein Wert auf (uv \ y 2'^ 2-^1^) zurückgeführt, und hierdurch ist die Funktion der komplexen Variabein u^i völlig bestimmt durch einen einfachen Aus- druck in tg . 183 Zur Theorie der Raumkurven. Von A. Voss. Vorgetragen in der Sitzung am 7. Juli 1923. I. Abwickelbare Flächen durch eine gegebene Kurve. §1. Es sei P ein Punkt der Raumkurve C, dessen Koordinaten X, y, z Funktionen der Bogenlänge s sind, a, ß, y; rj, A, fj,, v die den Frenetschen Formeln genügenden Richtungscosinus der Tangente, Hauptnormale und Binormale (d. h. gegen die Kanten des Frieders von (7), endlich q, t die Radien der Krümmung und Windung von C. Durch P sei eine Strecke PQ gezogen, deren Projektionen u, v, w auf die Triederaxen die erzeugende Gerade g einer abwickelbaren Fläche bestimmen. Die Koordinaten von Q sind dann 1) X X ua -p vt wX^) Geht man auf C von P aus um ds fort, so ist 2) dX= u — — + aw'-p ßv' -\- ds. Soll der Punkt X -j- dX, F’4“ ^ “P ^'^f den von Q um d entfernten Punkt von PQ fallen, so hat man 2 a) dX = (5 {ua -\- wX) und die Vergleichung von 2) und 2 a) liefert dann *) Die Gleichungen 1) und 2) gelten auch für die Vertauschung von Xa^l mit Yßtj.n und Die Striche bezeichnen die Diiferential- quotienten nach s. 13 184 A. Voss 3) du — dv = dw = +“')* (^ + 7 + "') ^ ^ + w'^ ds, oder, wenn der im allgemeinen von Null verschiedene d : ds durch o bezeichnet wird, V ou =1 f- {? 3a) öü=- + - + i;' Q ^ aw — 1- w . Ist iv 4^ 0,*) so hat man oder 4) - -j- u' : w' — Q V ~ 1 T V u w , , — = — 1 v' : w w Q V ~ ^ T 1_ tv V QIO 1 UVV, d— -I 1- w WW X -r- ds = 0, 5) also für 4 a) 5 a) IV u WQ V + .V -\- JV = 0, ds O» 1 “ « ■ Oq • ^ w ^ w ^ «•-T+v+df s 1 -j- O2 , dOa 0, -+ — + ^ = 0- ds 1) JO = 0 ist überhaupt auszuschließen; dieser Annahme entspricht nur die durch die Tangrentenfläche von C gebildete Abwickelbare. Zur Theorie der Raumkurven. 185 Schon hieraus lassen sich einige Schlüsse hinsichtlich der Integration des Systems 3 a) ziehen. Erstens. Wird Ö3 willkürlich angenommen, so ist durch I eine Biccatische Gleichung 5a) gegeben, damit also nach 4a) auch öj. I Zweitens. Wird willkürlich gewählt, so liefert 5a) den Wert von O3, dann 4a) auch 0, so daß nun u, v, w ohne jede Integration gefunden werden, d. h. unendlich viele abwickel- bare Flächen durch G bestimmt sind. Drittens. Werden — und v als Konstanten c, und c, an- w ^ genommen, so gibt 4) 1 -H — = 0. Dies ist die bekannte Gleichung, welcher eine Bertrandsche Kurve G genügen muß; dabei muß aber noch die Gleichung f + (' + (») erfüllt sein, also w einer Ricccatischen Gleichung genügen, wo- mit eine besondere Gattung B ertrandscher Kurven definiert ist.‘) Viertens. Ist m = 0, so ist nach 4) = p und aus 5) folgt ds ► das ist die bekannte Gleichung für die Konstruktion der Filar- evoluten von G. Fünftens. Es kann auch beständig o gleich Null sein, dies entspricht einem besonderen Falle, der hier der Kürze halber nicht weiter verfolgt werden soll, für allgemeine Schraubenlinien sich leicht durch Quadratur behandeln läßt. ') Man kann hier die Konstruktion für die gemeine Schraubenlinie aller dieser abwickelbaren Flächen durch Quadratur bemerken. 186 Ä. Voss §2. Etwas einfachere Gleichungen ergeben sich noch, wenn man, um insbesondere das Problem der Traktrix-Evoluten von C in seiner allgemeinsten Gestalt in Betrachtung zu ziehen,^) u = at, V = bt, w = ct I mit der Bedingung \ setzt, so daß nun a, b, c die | Richtungscosinus von g gegen die Triederaxen sind, und t die I Entfernung PQ bedeutet. Multipliziert man die Gleichungen 3) I des § 1 I 1 — t'a a't — aat Q i - + - + = obt I gz I f- ^'c fc' = oct X mit a, b, c und addiert, so folgt I 1) d -|- t' = Ot, I also: 2) 1 [-a‘t — a^ = S=0 Q — H=0 Q T — — + c7 — ac = Z = 0, so daß t' ganz herausfällt. Da jetzt aE -h bH cZ — a — a® — ab^ — ac® = 0 ist, so wird falls a :fc 0 ist, durch die beiden letzten Gleichungen von 2) durch die erste erfüllt. Setzt man jetzt 6 = — a® cos 9? . c = y 1 — a® sin 9? ') Davon wird hier indes der Kürze wegen nicht wieder gehandelt. Zur Theorie der Raumkurven. 187 so erhält man durch Elimination von t aus 2), wobei c 4^ 0 an- zunehmen ist, 4) und aus 3) Aus 4) wird jetzt 5) e t bc‘ ~ 0 h'c — c'h = — (l-a2) d(p ds ' a . , V\- sin 09 -\ Q ’ dcp ds 1/T^2 = 0. Um diese Differentialgleichung auf ihre einfachste Form zu bringen, setze man 2 6 . 1 — Ö2 womit ^ : 1 4- wird. So wird aus 5) die Riccatische ds ds Gleichung : 2dd ds 6) 4( -f )• Sie bestimmt bei konstantem g/z d. h. für jede Schrauben- linie bei konstanten a das gesuchte 6 durch Quadratur, und es scheint von Interesse, daß man für diejenigen Erzeugen- den von abwickelbaren Flächen, welche einen konstan- ten Winkel mit der Kurventangente einschließen, die Verallgemeinerung der Gleichung der Filare voluten (vgl. § 1, unter viertens) erhält. Haben nämlich 1/1 «2 e 1 Yl — Q gleiches Vorzeichen, so daß etwa das erste mit +2?^, das zweite mit + bezeichnet wird, so hat man 2dd = + ds -\- q^ 6^ ^ Da aber bei der Ableitung der Gleichung 5) a nicht als konstant vorausgesetzt ist, so ist die Integration durch einen 188 A. Voss arcus taiigens^) auch dann nur möglich, wenn nur das Ver- hältnis von a I ^ ^ ^ QVl — a- t'x konstant = Je oder a Je — 1t y l — a- + 1 P ist. Hierdurch sind für jede Kurve C oo^ abwickelbare Flächen durch C bestimmt. U. Zur Theorie der Raumkurven. B. de St. Venant (1844) und J. Bertrand (1848/50) be- merkten, daß das Verhältnis q : t = w der Krümmungs- und Windungsradien für jede zylindrische Schraubenlinie konstant, und auch umgekehrt jede Kurve mit konstantem w eine solche Schraubenlinie ist. Dieser Satz findet sich z. B. in den gebräuch- lichen Lehrbüchern (L.Bianchi, Differentialgeometrie, Leipzig, S. 17, G. Scheffers, Einführung in die Theorie der Kurven, 2. Aufl. 1910, Bd. I S. 302, dort auch mit Berücksichtigung des besonderen Falles tv = i).^) Verallgemeinerungen des Satzes scheinen bisher nicht erwähnt zu sein. In der Tat hängt auch die Untersuchung weiterer Fragen meistens von nicht einfachen Differentialgleichungen ab. Einige Fälle übersichtlicher Art mögen hier jedoch ange- führt werden. Soll die Gerade g oder TQ von I, deren Projektionen auf die Triederaxen p, q, r sind, mit einer festen Geraden, deren Rich- tungscosinus Cj, Cg, Cg sind, einen konstanten Winkel 8 bilden, so ist 1) {ac)p -{■ {Xc) q -{- (^c) r = cos ö • Yp^ + 2^ + Dabei kann neben c\ c\ c\ = 1 auch p^ ^ = X an- genommen werden. Zur Abkürzung ist in 1) gesetzt: ac, -h ßc^ + yCj = (ac), Cj -f- rjc^ + fCg = (fc), XCj 4-/^Cg -f vCg = (Ac). *) oder bei ungleichen Vorsseichen durch einen Logarithmus. ’) Hier sollen nur reelle Kurven betrachtet werden. Zur Theorie der Raumkurven. 189 Durch ein- und zweimalige Differentiation nach dem Bogen s der } Kurve C erhält man aus 1) zwei weitere Differentialgleichungen zwischen p, q, r, q, t, die aber im allgemeinen so weitläufig sind, daß man sich auf konstante p, q, r zunächst beschränken wird. A) Erster Fall. Ist 1) (ac)-l-^>(Ac)^=i(;, (cosö i -V so schließt g in der rektifizierenden Ebene mit der Tangente von G einen konstanten Winkel ein. Aus 1) folgt; 2) itc) {l^pw) = 0 3) [(ac -\- wiXcy] (1 wp) -j- {^c)pQw‘ = 0. Ist nun w nicht konstant, so kann man immer voraussetzen, daß für einen gewissen Bereich von G, 1 wp d' 0 sei. Dann hat man aus 1), 2), 3): (ac) = Tcw : IV — p 4 a) (Xc) = — Je : w — p (ic) = 0 oder 4 b) 1 = F (w^ -f- 1) : (tt) — p)~. Es ist daher w(l — Jc^) = p ± Yp^ “F 1 — reell für | ^ <1, und dieser Bedingung möge Je in diesem Bereich genügen. Es ist dann daselbst 1 -j- wp 4= 0. Wäre nämlich irgendwo w = — ^ ’.p, so müßte nach 4 b) (1 + f) / p'^ oder Je^ = \ -y P“ sein. Auch kann w nicht gleich p sein, weil sonst w^ \ = 0 gegen die Voraussetzung, daß w reell sein soll, sein müßte. Die Gleichungen 4 a) bleiben also völlig bestimmt, und die Annahme, daß w variabel sei, führt nach 4 b) auf den Widerspruch, daß w konstant sein muß. Es ergibt sich also: Soll die Gerade g in der rektifizierenden Ebene, 190 A. Voss die einem konstanten Winkel mit der Tangente bildet, zu einer festen Richtung eine konstante Neigung haben, so muß die Kurve eine Schraubenlinie sein. Dies ist eine sehr nahe liegende Verallgemeinerung des Bertrandschen Satzes. B) Zweiter Fall. Es sei (^c) + (Ac)jp = 0, d. h. die Ge- rade g in der Normalebene, die mit der Hauptnormale einen kon- stanten Winkel bildet, soll zu einer festen Richtung senkrecht stehen. Diese Bedingung liefert (ac) w{Xc) -f- wp-{Xc) — 0 (Ac) [p (1 -h (1 -\-p^)) — pw; (1 + ^ 0. Dies gibt, da (A c) = 0 auch (ac) = 0, (|c) = 0 nach sich ziehen würde, w' P ^ \ {\ p^) ^-^rP^ Q' also bei willkürlich angenommenen q einen arctg in Bezug auf Jd s h const. für w und damit auch r. C) Dritter Fall. Setzt man für eine Gerade in der Schmiegungsebene (|c) + {ac)p = 0. Man erhält auf demselben Wege die Gleichung p{l^p\+ — (l+^>») = 0, woraus ein’^ganz ähnliches Resultat folgt. Die betreffenden Kur- ven G sind hierdurch also völlig bestimmt; ihre Gleichungen in Punktkoordinaten wird man freilich nur durch Integration einer Riccatischen Gleichung erhalten. D) 'Der allgemeinere Fall 1) {ac)p-\-{Xc)g-\-{kc)r = Q gibt unter der Voraussetzung r rk 0 2) (ac) [;)* -f pqiü -f r*] -f (Ac) [gp -f w' (g^ -}- r^)] = 0, 3) {ac)[w* grpq — pT)-]r (Ac) [(g^ r^)w‘ gr — qT'\ = 0, wenn T = p^ -\- 2pqw + w;* g® + (1 + w;^) = (p + 2^)* "H »"^(l + w^*) Zur Theorie der Raumkurven. 191 j gesetzt wird. Aus 1), 2), 3) folgt dann die Differentialgleichung I für w, welche entwickelt die einfache Gestalt ' rtV'W . , 2\ I 9/1 I 2\ __ (p + + r» (I + «>’) = y / annimmt, aus deren Lösung wieder g folgt. j E) Soll die Hauptnormale mit einer festen Richtung einen konstanten Winkel bilden, so hat man (I c) = Ä zu setzen. Dies gibt die Gleichungen Jcw (ac) = H i ^ QW (Ic) = Je (Ac) = - Ä:(l + w®) also /L±^*V QW Jc^^l. Hieraus folgt wieder w W‘ c und damit t. § 2. In einigen Fällen kann man auch p und tv gleichzeitig als veränderlich ansehen. A) Erster Fall. 1) (^c) + (ac)^ = 0 2) {ac)lp‘Q~{l-\-p^)']—w{Xc) = 0. Setzt man 3) so gibt die Differentiation von 2) — (a c) {S — w'^)p + p (ac) ^ — (ac) S g^ ■= 0 oder 192 A. Voss Setzt man jetzt p = Jcg, also den Teilungsmodus der Ge- raden g in der Schmiegungsebene proportional dem Krümmungs- radius, so hat man, da g herausfällt, eine lineare Differential- gleichung einfachster Art bei angenommenem w für S. Setzt man den Wert von S in 3) ein, so erhält man S = hgg‘ -{l-\-k^g^), also eine lineare Differentialgleichung für p®, und damit den zugehörigen Wert von t, B) Zweiter Fall. Setzt man 1) c) -f- (Ap) = 0, (g in der Normalebene), so wird für 2) S = p' g — 3) (/ c) 2" — (a c) == 0 , also 4) dS ^ ds p {Zw — 1). Für p = gh erhält man wieder eine lineare Differential- gleichung für 2, und dann aus 2) eine lineare Differential- gleichung für g^. C) Dritter Fall. 1) (ac) + (Ac)p^0 2) {^c){l-\-pw) {Xc)p'g. Es sei pw ^ Q in dem gewählten Bereich der Kurve C, so daß für p' g = {I P^) i {$c) {Xc)q = 0 ist. Hieraus folgt weiter 3) —{iac) + (,Xc)w)-^i^c)qw-]-{Xc)q‘g = 0. Aus 1), 2), 3) folgt jetzt, wenn (Xc) nicht Null sein soll, was auch (ac) = 0, (fc) = 0 zur Folge haben würde, 4) p — w — q^w-\-q‘g = 0. Zur Theorie der Raumkurven. 193 Wählt man jetzt p = Tcw, also proportional dem Ver- hältnis der Krümmungs- und Windungsradien, so wird aus 4) w\h — 1) — IV q‘ Q = oder (ifc — 1) 2^ g'r = 0, welche Gleichung q mittels t bestimmt. Setzt man jetzt noch w'hp , SO hat man wieder eine Gleichung für w, also auch .ß, falls t als Funktion von s angenommen ist. III. Über die IVlinimalkurven. Unter einer Minimalkurve kann man alle diejenigen Kurven verstehen, deren Koordinaten der Gleichung 1) {x‘z" — z‘ x“y -f {z‘ x>‘ — x‘ z'y 4- (x‘ y“ — y'x'J = 0 genügen. Bezeichnet man die drei Determinanten in 1) durch u, V, w, so folgt aus V? w- = 0, wenn man nur den trivialen, nur gerade Linien liefernden Fall u =. V = w — ^ ausscheidet, in bekannter Weise das System der Gleichungen y' z“ — z‘ y“ ~ {P — l)w 2) z' x“ — x' z“ ~ (P l)iw x' y“ — y' x“ = 2Xw, wo w ein Proportionalitätsfaktor und X irgend eine Funktion der unabhängigen Variabein t ist. Multipliziert man die Gleichungen 2) mit x\ y‘, z‘; x", y“, z“ und addiert, so erhält man 3) {P — l)x‘-^iP + l)y‘i-{-2Xz‘ = 0 4) {P — \)x“^{P-^\)y''i-\-2Xz“ = 0, da von w = ^ abzusehen ist. DifFerentiiert man 3) nach t, so folgt nach 4) 5) P{X{a‘-]-iy‘)^z‘) = Q. 194 Ä. Voss, Zur Theorie der Raumkurven. Es sind demnach zwei wesentlich verschiedene Lö- sungen vorhanden. Entweder ist — 0, also X eine Kon- stante, oder es ist X eine Funktion von t und dann muß die Gleichung 6) X (x' -j- iy‘) -}- ;8:' = 0 erfüllt sein. Im ersten Falle folgt aus 3) — \) X iy {X^ 1) 2Xz const., es ergeben sich ebene Kurven. Soll eine solche Kurve durch den Punkt y^, gehen, so ist 7) -i){^r-x,)-\-i{X^-\-\){y-y,)-\-2X{z- z,) = 0 und die Ebenen dieser Kurve umhüllen den isotropen Kegel mit der Spitze x^^ y^, Zg. Die expliziten Gleichungen der Kurven, erhält man, wenn x und y als willkürliche Funktionen von t an- genommen werden, und aus 7) z bestimmt wird. Aus der zwei- mal dilFerentiierten Gleichung folgen dann wieder die Ausdrücke für u, V, tv, so daß man jedesmal unendlich viele Kurven durch ^0 yo ^0 erhält. Im zweiten Falle hat man Xix‘ -]-iy‘) + z‘ = 0 - 1) a;' -j- i (;i^ y' + 2Xz‘ = d und erhält hieraus die Minimalkurven erster Ordnung nach der Bezeichnung von G. Scheffers (Einführung in die Theorie der Kurven, 1910, Bd. I, S. 242 — 243), dessen Darstellung hier durch eine etwas andere Anordnung ersetzt ist. 195 Die Flächen mit gegebener Form des Linienelementes. Von F. Lindemann. Vorgetragen in der Sitzung am 7. Juli 1923. Wie ich in einer früheren Abhandlung D gezeigt habe, ist die Benutzung der Parameter der Minimalkurven für die Behandlung der Biegung einer Fläche von besonderem Vorteile. Dasselbe gilt für das allgemeine Problem, alle Flächen zu finden, deren Linien- element (?s in der Form ds^ = e du^ -f- 2fduv -j- g dv^ = 2 Fda dß gegeben ist. Führt man durch Lösung einer gewöhnlichen Dif- ferentialgleichung die Parameter a, ß der Minimalkurven ein, so läßt sich das Problem auf eine Reihe von Quadraturen zurück- führen. Die Hilfsmittel dazu sind in meiner früheren Abhand- lung gegeben ; die damaligen Gleichungen in anderer Zusammen- stellung und Reihenfolge benutzt, führen bei passender Wahl der willkürlichen Funktion zum Ziele. Ist eine Lösung schon bekannt, so ergeben sich wieder (vgl. unten Nr. 10 ff.) die Gleichungen meiner früheren Abhand- lung; es werden aber einige Berichtigungen der früheren Resul- tate nötig (vgl. unten Nr. 11). 1. Sind a, ß die Parameter der Minimalkurven auf der Fläche, so lassen sich die Koordinaten x, y, z eines Punktes dieser Fläche in folgender Form darstellen : 0 Vgl. meine Arbeit: ,Die Biegungsflächen einer gegebenen Fläche“, Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, math.-phys. Klasse, Bd. 39, 1921; im folgenden kurz zitiert als „Abhandlung“. Es wird jetzt 2 m für A — jx geschrieben, so daß o» an Stelle des Zeichens w' der Abhandlung steht. 196 F. Lindemann 1 cosin A • — da da cosin /< dW dß dß (1) . 3 dW. . dW^J sin / • — — da — sin « • — ^ dß , da ^ dß ^J’ y = iS z = S {Wada^Wßdß)= W, wo zwischen A, /t, W die folgenden Gleichungen bestehen: (2) (3) aA tg CO — dß ° 9 lg Wa aA ^dco a lg Wß da aa dß ’ aa dfl ts CO = - da ^ d lg Wß äcT ’ dfl dß o 9 1 . 9 lg Wa 2-^-^ + cotg». - A — ju = 2 co; fA, ist zu A konjugiert imaginär, also co rein imaginär. Die vier Gleichungen (2) reduzieren sich durch (3) auf zwei Glei- chungen (für A^ und jUa), und von diesen ist wieder die eine Folge der andern, da sie durch Vertauschung von i mit — i aus ein- ander hervorgehen. Infolge dieser Gleichungen sind dx und dy totale Differentiale. Aus (2) folgt ferner: (4) )a V cotg 0) 9 lg Wa dß ) + Jß{ cotg CO d lg Wß da 2^— dadß Das Gaußsche Krümmungsmaß der Fläche (1) ist rc;'! _ A ^ _ Ag//^ — A^/z« j. ^ F dadß 2 • cosin" CO ' und die Fundamentalgröße F: (6) F — 2 cosin^ co • Wa Wß, so daß das Linienelement ds durch die Gleichung (6 a) ds^ = 2Fdadß gegeben wird; hierbei sind (wie auch im folgenden) die Diffe- rentiationen durch Indices angedeutet. Durch Elimination von co aus den Gleichungen (2) ergibt sich die zwischen F und TF bestehende (schon von Bour aufgestellte) Gleichung: Waa Wßß - Wlß + TF„ Wß F‘ Fß - TF„„ Fß - Wßß W„ Fa (7) ={F-2 Wa Wß) Faß, wo F‘ = log F. *) In Gleichung (28) der Abhandlung fehlt der Nenner 2 auf der rechten Seite. I Die Flächen mit gegebener Form des Linienelementes. 197 Sie wird von den drei Koordinaten x, y, z der Gleichungen (1) befriedigt und ist ein besonderer Fall einer allgemeinen von Dar- boux und Enneper aufgestellten Gleichung, die von den drei Fundamentalgrößen E, F, G bei allgemeinen Flächenparametern abhängt, und die ich a. a. 0. nach den Vorlesungen Ennepers elementar abgeleitet habe, während Darboux zur Ableitung die Theorie der Dififerentialparameter benutzten. 2. Uns beschäftigen zunächst die Gleichungen (5) und (6), Erstere kann wegen (3) in der Form .g, 3^ IgF ^ Iß (Dg — h Oiß dadß cosin^o) geschrieben werden, oder in der Form : (9) I tg « - i ’ ly"] = A (a. tg «, + i -J?/] ; man kann daher setzen: (10) = ;..tgc. + |i^ Zufolge (6) ist aber: dlgF dß algß = — 2 CÜyJ tg tO + (11) also auch (12) 3\s F - ^ - = — 2 tg CO -j- 3a Ol dlgW.Wß dß dlgW^Wß da CI . 9lgß . , ^IgW.Wß {Iß + co^) tgco = — + 1 ^ {X„ — co„) tg CO = _ 3 lg ß _ j ^Ig TUc Wß da da Besteht also zwischen X und co die Gleichung (8) und ist die Gleichung (6) erfüllt, so gibt es eine Funk- tion Q, die gleichzeitig je den beiden Gleichungen (10) oder (12) genügt. Vertauscht man i mit — i und geht dabei Q in ü' (a in ß, X in fl, CO in — co) über, so ergibt sich ferner: 3lg^_ 3a Sitzuogsb. d. matb.-pbys. Kl. Jabrg. 1923. 14 (13) flatgW + ^ d\gü‘ . , alglF 3lgß' 198 F. Lindemann (14) {fla aj„) tg CO = {.Kß 4- Oiß) tg Cü = dl^Q‘ da j 3 lg FT« 14";. da 3jgß' , alglFgir^ dß ^ dß Aus den Gleichungen (10) und (13) folgt 3 \gQÜ‘ (15) (A;j — //^) tg CO = (L — /la) tgco = 3lgßß' 3)d ° da und diese Gleichungen werden mit (11) identisch, wenn man setzt: (16) \iQQ‘ = \^W^Wf-\iF, ‘ 12 cosin^ CO Um diese Gleichung (16) zu befriedigen und gleichzeitig die Gleichungen (10) und (13) mit den Gleichungen (2) in Über- setzung zu bringen, hat man zu setzen: Wr, Wti (17) ß = -^, Vf Vf Aus der ersten Gleichung (12) und der zweiten Gleichung (14) erhält man unter Benutzung von (16) und (11) dl^W.Wß o 3lgßß' , 3lgF {Aß — llß — 2 Wß) tg 0) = h -Yjf- dß 0, ebenso, wenn man nach a differenziert; folglich: (18) k — /t = 2 CO, wie in (3). Da [X zu X konjugiert sein sollte, folgt hieraus, daß X und // den gemeinsamen imaginären Teil co haben. Ist umgekehrt (18) erfüllt, so ergibt sich aus (15) wieder die Gleichung (16), näm- lich 2 cos^ CO Qü' = 1. Bestehen also die Gleichungen (8) und (6) und wird Q gemäß (17) bestimmt, so bestehen auch die Gleichun- gen (2) und (3), und als Folge derselben ist auch (4) erfüllt. 3. Berechnet man Xaß aus den Gleichungen (10), so ergibt sich unter Berücksichtigung von (17), wenn jP' = Igi^: (19) ) cotg CO — COa / '3 \gÜ sin^ CO \ < Sß cotg CO - (Oß p Ig^? [daSß => sin^ CO V da Die Flächen mit gegebener Form des Linienelementes. 199 cofcg CO- _ - (co„ Fß+U)ß F'a) 2snr CO ^ ' 1 sin^ CO djgü dß dlgü\ 3a )- Es ist dies eine p artielle Gleichung erster Ordnung für ü, wenn F und co gegeben sind; sie ersetzt die Glei- chung (8), da man /I aus Q berechnen kann. Durch Vertauschung von i mit — i ergibt sich eine entsprechende Gleichung für ü', nämlich : (20) i^ö/jainco-cosco — ^{FaCOß + FßO)a) = coß algß' da — co„ aigß- dß • 4. Sind F und co gegeben und ist l eine Lösung von (8), so ist die allgemeine Lösung durch X -\- qp{a)) gegeben, wenn cp eine willkürliche Funktion bezeichnet. Zu jeder Lösung X q) (co) gehört ein Wert lg ü x{(o), und aus (10) ergibt sich: (21) 9?' (co) tg co = (co) . Da der imaginäre Teil von X gleich co sein soll, so muß 9? stets eine reelle Funktion von co bezeichnen; es sei co = iq, und (p{(o) = y>{q), X (") = fi^) + ifi (2)> = —xp‘iq)-i, x'ico) = —if'{q) + f‘i{q). Ändert sich lg Q additiv um x (öj)) so verwandelt sich lg ü‘ in lg f{q) — ifiii) und es wird nach (13): — iy>‘ (q) tgco = (— f (?) -f if[ (?)) (— i) = f[ (?) + if‘{q), dagegen nach (21): — ixp'{q)igco = (f'iq) + if{ (?)) (— i) = f{{q) — if'iq), folglich f‘ (q) = 0. Nun ist nach (16) lg ß -j- lg ß' eine fest gegebene Funktion von co, es muß also f(q) if^ (?) -f- /"(?) — i/i (?) = 2 /■(?) = 0 sein. Zu einem gegebenen Werte von co gehören so unendlich viele von einer willkürlichen Funktion y}(q) abhängige Werte von X. Ist aber X gegeben, so gehören zu jedem X unendlich viele Werte von co, die von einer willkürlichen Funktion f{p) abhängen, wenn X = p co gesetzt wird. Wächst tg co um f (p), so wächst lg ß um g{p), lg ^3' um g^ip), wobei zufolge (10) und (13): (22) fijy) = g' (p) , /’, (p) = — g[ (p) , wenn zu f, g^ zu g konjugiert ist, und nach (16): 14* 200 F. Lindemann ^ (p) + Cp) = 0 , woraus folgt, daß ^(p) rein imaginär sein muß; ebenso ist dann f {p) rein imaginär. 5. Wie zwischen W und co und zwischen W und F, so muß auch zwischen F und co eine Relation bestehen. Die Aufstellung derselben scheint umständlich zu sein; statt dessen kann man Relationen zwischen F und einer Hilfsgröße d aufstellen. Die Gleichungen (17) sind nur möglich, wenn die Bedingung (23) düVF dQ'VF erfüllt ist; andererseits folgt aus (2) Waß ~ Wa^fiigoi , also auch: (24) Wa)^ß + WßPa = 0, also auch: Qkß-\- Q' pa = 0. Die Bedingungen (29) und (29 a) sagen also wesentlich das- selbe aus, nämlich, daß die Gleichungen (2) eine gemeinsame reelle Lösung W zulassen, ln der Tat erhält man aus (10) und (13): (24a) {QXß -f = ^FßQ üß — ^F'aQ‘ — Qä, und der Ausdruck rechts verschwindet wegen (23). Da der absolute Betrag von Q durch (16) gegeben ist, kann man setzen (25) Q = e*' i.5 V2 Q‘ ,-id cosm oi V2 cosin (o wo d reell ist. Wegen (10) und (13) wird dann die Gleichung (23): (26) Fß-j- iöß-\-tgco’ü)ß)-\- e-*^(iSa — iFä — tgco- coa) = 0. Es genügt ö der Gleichung, welche aus (19) oder (20) ver- möge (25) entsteht, nämlich: (27) /J sin (W • cosin CO = \{FaCOß -f- FßCOa) + i {oia^ß — (Oßda). Sei zur Abkürzung (28) M \ Fß-\- idß, N=\Fa — iöa, L = log cosin m , so erhalten wir aus (26) und (27): Lß e-’ — La e- M — e- •<* W, Lß N -\- LaM = — Faß sin^ o» , (29) Die Flächen mit gegebener Form des Linieneleinentes. 201 und hieraus durch Auflösung: + Ne-'^) = - - N{Me>^—Ne-'^), Lß{Me'^ 4" Ne~'^) — — Fäße~'^ sin^co -j- — Ne~'^). Die Elimination von L durch Aufstellung der Integrabilitäts- Bedingung führt zu dem Resultate: 9 / — Faße'^sin^co — N{Me'^ — Ne~'^) dß V ii/g.ä _|_ (31) 9 / — sin^ CO -j- Af(il/e' — Ne~'^) "“90 1^ Me'^ 4- Ne-'^ Führt man die Differentiationen aus, so wird dies eine lineare Gleichung zwischen S = sin^ co, Sa und Sß-, eine ebensolche Glei- chung entsteht aus (27), wenn man die linke Seite mit cosin^ co = 1 — S multipliziert. Fügt man in (27) auf beiden Seiten den Faktor sin co cosin co hinzu, so entsteht eine lineare Gleichung für 5(1 — S), Sa und Sß. Aus diesen drei Gleichungen kann man S, Sa, Sß berechnen; stellt man dann durch doppelte Berechnung von Saß die Integrabilitäts-Bedingung auf, so entsteht die ge- suchte, nur von F abhängige Differentialgleichung für d. Partikuläre Lösungen derselben kann man immer angeben. Die beiden Gleichungen (29) nämlich werden miteinander identisch, e’^ = gLa, e-'^ = — gLß, Lß — Lae~'^ = — q Faß sin® co , Lße'^ -f- Lae~'^ = 0, F’äygsin® co = — 2L„Lß, p® La Lß = — 1 . Nun ist nach (25) und (17) QÜ cosin (o 2, e~'^ y F = Wß cosin co • 1^2 , also : (Lße'^ -}■ La y F = y 2 • cosin co • {Lß Wa La Wß) = — y 2 cosin co • (coy? Wa + oi« Wß) tg co , und wegen (2): (32) {Lße*^ 4- Ay* /c„l/F= — 1/2 cosin co (coyj/c„—coaA^) TFa/j- Aus der ersten Gleichung (31 b) folgt also das Verschwinden von oißfXa — coaAyj, Und damit geht die Gleichung (8) über in wenn (31a) oder: (31b) 202 F. Lindemann (33) Faß cosin^ co = — 2 co« co/j, d. h. in die zweite Gleichung (31b). Besteht also eine der beiden ersten Gleichungen (31 b), so gilt auch die andere, und es sind dann die beiden Gleichungen (29) erfüllt, sobald eine erfüllt ist. Setzen wir das Bestehen der Gleichung (33) voraus, so folgt aus (8) nach obigen Entwicklungen die Gleichung (Hß/Xa — = 0; und hieraus gemäß (32) die erste Gleichung (31 b), andererseits vermöge (10) und (13): 0 ^ (ö>a F ß Wß Fa) + to« -h cp da = ^ (tOa Fß + COß Fä) -j- i {cOa dß — Oiß Öa) + 2 £0„ CÜyj tg CO ; das ist aber wegen (33) wieder die Gleichung (27), die mit der zweiten Gleichung (29) identisch ist. Genügt also co der Glei- chung (33), so sind auch die beiden Gleichungen (29) erfüllt. Definiert man eine Größe in durch die Gleichung cosin co •cZm = d(o, so geht (33) über in Fa ß 2 lüa h)/S = 0 , deren Charakteristiken sind {F* = Faß), q = tOß, 2> = 10«): da dß _ — (7lt) _ — dp — dq 2q~^p~ tf*’ ~ ~Fr ~ w Ist co gefunden, so muß d den beiden Gleichungen (29) ge- nügen, und somit auch der ersten Gleichung (31 b). Die Inte- gration von (32) läßt eine willkürliche Funktion in die Lösung eingehen ; ö ist dann vollkommen bestimmt. Aus (25) findet man dann Q und Q'‘, aus (17) wird W bestimmt und aus (10) bzw. (13) X und //. Durch Integration der partiellen Gleichung erster Ordnung (33) erhält man also eine Klasse von Flächen mit gegebenem Linienelemente, die von einer willkür- lichen Funktion abhängen (also noch nicht alle gesuchten Flächen). Die Gleichungen (29) reduzieren sich auch aufeinander, wenn die Bedingungen Die Flächen mit g^egebener Form des Linienelementes. 203 e'^ = QN, e = — qM, — e ‘^N= — sin^o), oder: (35) + Ne-'^ = 0, F'^ß sin^ o) = — 2 MN erfüllt sind; aber dann ergibt sich mittels obiger Umformungen: MWa + NWß = 0 und hieraus unter Benutzung von (24a), (10) und (12): 2lß/iia — coyj,u„ + = 0; ferner aus (8): Faß cosin^ (JO = 2 (Ayj -f COa COß), und es wird MN = (/yj — (Oß) (fla + m„) tg^ CO = {XßjUa + CO« (Oß) tg“ CO, SO daß die zweite Gleichung (35) erfüllt ist. Die erste Glei- chung (35) liefert eine partielle Gleichung erster Ordnung für d, nämlich : (36) ^'ß + + (i-^a — iöa)e~*^ = 0. Ist 6 gefunden, so ergibt sich co aus der zweiten Glei- chung (35); es hängt also d von einer willkürlichen Funktion ab, CO ist dann aber vollkommen bestimmt. Man findet auf diese Weise eine zweite Klasse von Flächen, die das Problem lösen, und zwar durch eine lineare partielle Glei- chung für d , während die obige Gleichung (33) für co nicht linear war. 6. Daß die Gleichung(7) infolge der aufgestellten Bedingungen tatsächlich erfüllt ist, läßt sich direkt in folgender Weise er- kennen. Die Gleichung (7) schreiben wir in der Form: Waa Wßß Wlß Waa Fß Wßß Fa Fa Fß Wa ' Wß WaWß Wa' F Wß ' F F^ (37) \WaWß ^Jdadß 2 sin2 co • a^lgF dadß ' Aus (6), (2) und (3) folgt: IFaa IFayJ ^ o ... I TP' ß aß | o 4-... I TP‘. = katgco F'a = Fß — fiß tgco. Sei ^ = tgco, so wird also die linke Seite von (37): {Fa-{-kat) (Fß — Hßt) — {Fa-\- Kt) F‘ß — {Fß — fi-at) Fa-\- F'aF'ß — WIj — Xa t^ß — WaV \VaWß WaWß = {Xß lila — Xa flß) tg2 CO ; 204 F. Lindemann wegen (5) stimmen folglich die beiden Seiten der Gleichung (33) in der Tat überein. 7. Da das allgemeine Problem, alle Flächen mit gegebenem Linienelemente (6 a) aufzustellen , auf eine partielle Gleichung zweiter Ordnung zurückführt, so gilt dasselbe, wenn eine dieser Flächen als gegeben betrachtet wird, d. h. wenn alle Biegungs- flächen einer gegebenen gesucht werden; es ergeben sioh indessen wesentliche Vereinfachungen Die Lösung dieser Auf- gabe habe ich in der „Abhandlung“ in einer besonderen Form erhalten, die sich hier in folgender Weise ergibt. Es mögen die Buchstaben u, CO, F, a, ß, X, y, z (— W) für die gegebene Fläche und bzw. 1 — J [sin (P • R Wa da sin W • R‘ Wß , ■Q = i^lR TF„ da — R Wß dß'] , in Übereinstimmung mit den Gleichungen (83) der Abhandlung. Damit in (43) unter den Integralzeichen vollständige Dif- ferentiale stehen, muß außer den Gleichungen (40) noch die Be- dingung (44) dRWa dR'Wß^ dß da~ erfüllt sein. Analog zu (24) muß auch die Gleichung (45) V’] = V'« Xß + vv Xa, (v'. x) = V’aXß — Wß x,a = — {:x> w)- Die linke Seite der Gleichungen (50) erscheint dann in der Form: (51) F‘^ß = (T, P) = {t, p) = {Q, P)T = (q, p) t, und die zweite Gleichung (50) wird wegen (49 a): (51a) Faß = \[F,Q]-\-i{Q,b)-\ri{Q,(p)\ und in dieser Form ergibt sie sich direkt aus (49) vermöge (51). Aus (49) und (51) erhält man auch: (51b) {Q,F)T = Fäß = {Q,p)t-\ri{Q,(p), und ebenso (51 c) (g, P)T = {q,p)t-]ri (g, cp) = F‘^ß-\-i (g, cp). Eliminiert man {Q, cp) aus den Gleichungen (51 a) und (51 h), so ergibt sich eine Identität. Die Gleichungen (40 a) und (40 b) sind eine Folge der Gleichung (38), vorausgesetzt, daß P einer gewissen Bedingung genügt, die sich ebenso ergibt, wie die Be- dingung (19) oder (20) für ü bzw. diese Bedingung ist durch die Gleichung (51a) gegeben, welche wegen (49) durch (51 b) oder (51 c) ersetzt werden kann. Die Gleichung (47) wird wegen der in (48) eingeführten Bezeichnung (52) cosiiP 2Ö = cosin® co. Die zu (18) analoge Gleichung ist eine Folge von (40) und (40a), aus denen man durch Subtraktion erhält: ( - P«) P = (4 - /<«) # + 2 r,; , {^ß-Wß)T= {Xß - ,uß) t i- 2 rß, wo r' = lg r. Aus (52) erhält man weiter: (52 a) K = m^T—coJ, rß = ^ßT—coßt. Die Flächen mit gegebener Form des Linienelementes. 207 Es wird also in der Tat (53) = Die Gleichung (44) wird : (53a) Waß{e'

= Q Qa, Wße-*'r = q Qß, 2 cosin (p • Waß + TT« r'ß + Wß e“ •> ri = q {(^, 2)) t — F'^ß) , also auch: W,ß{WßQ^ + Qß) + Wß (Q,, r'ß + Qß /-;) = W„Wß{{Q,p)t-F;ß}; hierin ist nach (52 a), (2) und (48): «.<■> + Qir. = [«, äß] T- [(J, a,] t = - [«, co] t, V,, [W,Q}= W. Wf t (Q.. if - Qf/z,.) = W,. W,t{(Q, p) +[«,«.]}. Setzt man dies ein, so ergibt sich: Faß cosin® 2B = — 2 '$&ß. Das ist aber die Gleichung (33). Durch den Ansatz (53b) findet man also dieselbe besondere Klasse von Biegungs- flächen, die wir im Anschlüsse an (33) aufgestellt hatten. Sie hängen nur von der Größe ab, nicht von den Größen TK,A,^,a). Die Gleichung (53 a) wird auch mit (51c) identisch, wenn die Relationen (54) Q qa = TK« e'>, Qqß = Wß e - ' also TK„ e' ^ — Wß qaC- '> = 0. (54a) Q{Faß-{q, F)T) = ir„^(e’>-l- e— >) -h Wßr'ae-'f erfüllt sind; die letzte Gleichung wird, wenn man q eliminiert: (54 b) {Faß- (g, P) T] Wa Wß = Waß [ W, g] -H Wa IF;, [r\ g] , und wenn man TF mittels (2) eliminiert: {F:f-(q,P) T) = + [,■',}] = F', + [/, j], also schließlich unter Benutzung von (51c): (54c) + + + = COS CO p 208 F. Lindemann Besteht umgekehrt die Gleichung (54 b) und die dritte Glei- chung (54), so läßt sich o so bestimmen, daß die Gleichungen (53 a) und (51c) sich auf eine Gleichung reduzieren. Vermöge der dritten Gleichung (54) wird die Gleichung (44), welche mit (53a) identisch ist: B^a/? [ 11 , 2] + IVo {[»■', ?] + i (2i 9^)} = 0 ’> so daß wegen (54 b) auch die Gleichung (51 a) erfüllt ist. Man findet also eine besondere Klasse von Biegungsflächen der ge- gebenen Fläche, indem man cp aus der dritten Gleichung (54) und darauf r‘ durch die partielle Gleichung (54c) berechnet; iß, cP, T ergeben sich dann aus (52), (40) und (40 a). Unendlich viele, von einer willkürlichen Funktion abhängige Biegungsflächen der gegebenen Fläche findet man hiernach durch Lösung einer partiellen linearen Diffe- rentialgleichung erster Ordnung und durch Quadraturen. Diese Flächen gehören nicht zu den beiden Klassen, die wir in Nr. 5 aufstellten und die zu der gegebenen Fundamentalgröße F gehörten. Man findet daher alle, von zwei willkürlichen Funktionen abhängigen Biegungsflächen, indem man zu- erst eine der beiden Klassen aufstellt, die sich zufolge Nr. 5 aus der Größe F ableiten lassen, und dann aus jeder dieser Flächen gemäß den Gleichungen (54) und (54 c) weitere, von einer andern willkürlichen Funktion abhängige Flächen bestimmt. Hiermit ist auch die Aufstellung aller Flächen mit gegebenem Linienelemente auf die Lösung zweier suk- zessiver partieller Gleichungen erster Ordnung zurück- geführt. Aus (49) folgt noch: (55) { _j_ g-iv) Waß -F e’’ WaVß -F «-’> WßVa = 0, (55a) ^Vae'’^Pß — Wße~"f(pa = ^- I I Die Flächen mit gegebener Form des Linienelementes. 209 [, V [j 1 Aus der zweiten Gleichung wird aus der ersten sodann r' = lg r gefunden, je durch eine partielle Gleichung erster Ordnung. Durch die beiden Gleichungen (55) findet man also alle (von zwei willkürlichen Funktionen abhängigen) Bie- gungsflächen der gegebenen Fläche (1). Daß die so gefundene Funktion ; der Differentialgleichung (7) oder (37) genügt, erkennt man in folgender Weise. Es ist nach (47), (41) und (53): Caa Caß n /IO 'T I i ^^aß ^ _ 2a,.« + 2SS.I’ + w w = aT — XJ + wenn^==tg£ü, ir= tg3B, ebenso: 2" Mß^ X ferner: Cß ^ ß Fa Waa , C) f ^^aa -j j. F ß Sei also zur Abkürzung : Wßß y^ß -f- /ißt. Waa Wa -IJ, ^ = ßß w. + /ißt, so wird die linke Seite der Gleichung (37): (® + ^>„T) {ß^-WßT)-®{S^-WßT)-^{®-Y^aT) + ® § - 5> = -^aFßT^-ßf- = (Hiß Wa - Wa Wß) T\ 4« C« Qß und denselben Wert nimmt die rechte Seite an, analog wie oben bei Gleichung (37) in Nr. 6. 10. Als Beispiel betrachten wir die Biegungsflächen der Rotationsflächen. Ist eine Rotationsfläche durch die Gleichungen x = F^{a—ß)‘C,os{a-\-ß), iJ = F^{a-ß)-sin{a-\-ß), s = W{a—ß), + F\XFV^ = Q dargestellt, so ist (A — /x = 2 co) für die gegebene Fläche / _ 0 _F^-\-F,F[ , _F\^ — F,F\ H f\-\-F\^' F\XF['^ ' F = 2 cos® CO • Wa Wß = 2 F\ = xp{a — ß), I 210 F. Lindemann also Faß eine Funktion allein von a — ß, die wir mit x{a — ß) bezeichnen (vgl. § 5 der Abhandlung). Aus (34) findet man die Gleichungen der Charakteristiken in der Form: 2ap = — h — x, '2aq^ = hx, a + ^ = J ^ + C, am = (cZa — f//?) + c', wenn a, b, c, c‘ Konstante bedeuten. Ist m und somit w gefunden, so ist auch W und q bekannt und >•' bestimmt sich aus (54 c). Die am Schlüsse von Nr. 5 angegebene Methode verlangt die Lösung der Gleichungen (55a), d. h. hier: — (e‘> + e-«>) (I>“{a — /?) + {e'^r'ß — e- •>?•;) ^ berechnet, während der reelle Teil von (und §2) willkürlich bleibt. Endlich findet man W aus (2) durch Quadratur: (59) ^gW„ = ^ Xßtgco dß = — i [%'(a — ß)^ a + 51 (« - ß)l tg — ß)-dß -)r G> wo C noch eine Funktion von a sein kann; ebenso (60) \gWß = — ^ fiaigoi da = — ^ {a — ß) - ß + §2 (a — /5)] tgr/^, (a - ß)‘ da + C\ wo C" noch von ß abhängen kann. Daß die Gleichung (6), d. h. yi{a — /?) = 2 TFa cos- co durch die Werte (59) und (60) tatsächlich erfüllt wird, erkennt man in folgender Weise : es ist lg = a J g'(a — ß) ■ tg v^i • d{a — ß) + /SKa — — ß)^ \gWß = — ß S %‘{a — ß) tg V-, -difi— ß) — S ^2 (a — ^) • tg • d(a — ß), also : lg Wa Wß = {a — ß)^J^-\- J^, und hierin durch partielle Integration unter Benutzung von (56 a): = 5(« - • tg Vb - J S d{a-ß) = %-tgxp^ - J 2 = (r5i - S2) • tg - J* (§, - ^2 d{a-ß) = (5i - S2) tg V’, - J (2 - (a - ^) %) d(a-ß) CUo U'i = (5i-S2)tg -2 tgy’^+2jxpl tgyj, d{a-ß)+j{a-ß) ^j^d (a-ß) = (5i - S2) tg Vb - 2 V'i tg V, - 2 lg cos V’, + (a - ß) i^-ß)- Das letzte Glied der rechten Seite ist gleich logi^; und somit wird in der Tat: log F ~\g {2 Wa Wß cos^yj) bei passender Bestimmung der Integrationskonstanten. 212 F. Lindemann Aber hier ist noch die Bedingung zu erfüllen, daß TKada + Wßdß ein vollständiges Differential sei; das ist nur erfüllt, wenn ~ ß) = Konst., und wenn §, = ^2 = reell ist. Für die Rotationsfläche der Kettenlinie ist F^ = a • cosin (a — ß), wo a eine Konstante bezeichnet (vgl. § 12 der Abhandlung), also F = 2 F\ = ~ 2 a- ■ cosin^ (a — ß). Für die Kugel vom Radius 1 ist (vgl. § 5 der Abhandlung): F=2F\ y>{a — ß) 2 cosin^ (a — ß)' Da hiermit die Bestimmung aller Flächen konstanten Krüm- mungsmasse auf partielle Gleichungen erster Ordnung zurück- geführt ist, so ist damit indirekt auch die Integration der Diffe- rentialgleichung 2 9 ^ geleistet; vgl. meine frühere Arbeit in den Sitzungsberichten der Akademie von 1922, S. 22. Damals hatte ich obige Gleichung (55) noch nicht aufgestellt; deshalb müssen einige Angaben dieser Arbeit über die Art der einzuführenden willkürlichen Funktionen abgeändert werden. 11. Aus demselben Grunde leidet die Abhandlung an einer Lücke, indem den willkürlichen Funktionen der Lösung ein zu großer Spielraum eingeräumt wurde, wie die Herren Lieb mann und Kommerell richtig bemerkten. Unter Hinzunahme der Gleichungen (33) und (55) wird diese Lücke ausgefüllt, und unter Benutzung der früher aufgestellten Gleichungen gelingt es doch wieder, die Lösung auf bekannte Probleme zurückzuführen. Die auf Seite 27 der Abhandlung über die Integration der Gleichung s = sin gemachten Angaben, welche Operationen zur Bestimmung von R, R‘, 0, W auszuführen sind, müssen auf Grund der jetzt erreichten Resultate abgeändert werden. Ferner ist als Ergänzung zu der Abhandlung hervorzuheben, daß die in § 7 derselben besprochene Schwierigkeit tatsächlich nicht besteht; infolgedessen führt das in § 8 angeführte Verfahren zwar zu neuen Lösungen der Bourschen Differentialgleichung, Die Flächen mit gegebener Form des Linienelementes. 213 aber nicht zu neuen Flächen, sondern nur zu orthogonalen Trans- •formationen der gegebenen Fläche; man weist das durch ge- schickte Anwendung der Relationen für die Koeffizienten der orthogonalen Transformation nach, wie ich es für die Kugel tat. Die Anwendbarkeit der von mir befolgten Methode der Variation der Konstanten wird dadurch nicht gestört. 12. Endlich betrachten wir noch das Beispiel der Mini- malflächen; eine solche Fläche ist dargestellt durch die Glei- chungen (vgl. § 12 der Abhandlung): X — i f [cos 2 a • A' da — cos 2^ • £‘ dß], y — i S [sin 2a • Ä' da — sin 2ß • J5‘ dß], 0 = A wo A eine Funktion von a, B eine solche von ß bezeichnet. Es ist A = 2a, /I = 2 ß, 0} = a — ß, F — 2 A' B' ' cosin^ (a — ß). Wählt man A und B als Variable, so werden die Gleichungen X — i j [cos 2% - dA — cos 2 23 • (Z jR] , y = i ^ [sin 2% - dA — sin 223-afi?], 0 = A B , 2^= 2cos2(31 — 58), CO = 5« — 58. Die Gleichung (44) wird hier, da Wxb = 0 ist: man darf daher setzen R = dP dA' R' IR dB' und dann erhält man aus (43): ^=11 j^COS ^ ■ aP ' dA ' ■ dA — cos W • dP dB »/ = i* l^sin d> • dP ' dA' dA — sin P • dP dB ■ eZp], t = iP(^,P), wo P eine rein imaginäre Funktion bezeichnet. Es sind das die Gleichungen (98) der Abhandlung, aber P ist nicht willkürlich wählbar, sondern genügt der Gleichung (52) Sitzungsb. d. matb.-pbys. Kl. Jabrg. 1923. 15 214 F. Lindemann, Die Flächen mit gegebener Form etc. dP dP d Ä Jb cosin^ = cosin® (a — ß). Die Gleichungen (55a) werden hier: q)ß — e~*f‘ (px = 0, e'^ppB 4" e~'‘PrA = 0. Für die Bonnet-Sch warzschen Biegungsflächen ist r = 1, q> = konst. Die Integration geschieht analog wie bei den Rotationsflächen. Es genügt P auch den aus (38) und (40) folgenden Glei- chungen (S = lgtgfo): cosin^ (a — ß) = Sa d}gp^ dß oa (d lg Pb \ ( Verbesserung. Seite 195, Zeile 10 und 6 v. u. Lies: ,(55)“ statt ,(19)“. Seite 195, Zeile 13 v. u. Lies: ,zwei partielle Differentialgleichungen erster Ordnung und eine Reihe von Quadraturen“ statt ,eine Reihe von Quadraturen“. 215 Einfluss der Überreife der Geschlechtszellen auf das Geschlecht von Lymantria dispar. Von Richard Hertwig. Vorgetragen in der Sitzung am 7. Juli 1923. Das Resultat früherer Untersuchungen, daß Überreife der Eier bei den Fröschen die Entwicklung des männlichen Geschlechts begünstigt und von einem Zeitpunkt ab zur Bildung einer aus- schließlich männlichen Nachkommenschaft führt, hatte mich ver- anlaßt, den Ursachen nachzugehen, welche diese so ausgesprochene sexuelle Umstimmung der Eizellen verursacht. Ich hatte daher, als der Friedensschluß und der Eintritt geordneter Zustände es gestatteten, meine Untersuchungen wieder aufgenommen und dabei eine Entwicklungsserie erzielt, welche erkennen läßt, daß es sich im Gegensatz zu früher geäußerten Ansichten um einen Fall von metagamer Geschlechtshestimmung handelt. Früher hatte ich es für wahrscheinlich gehalten, daß die vom Gewöhnlichen abwei- chende Geschlechtsbestimmung progam erfolge und durch den besonderen Verlauf der Eireife bedingt werde; ich hatte dabei die zwei Möglichkeiten erörtert, die sich ergeben, je nachdem sich die noch immer nicht mit Sicherheit gelöste Frage entscheiden sollte, ob das männliche oder weibliche Geschlecht heterogamet ist. Ein besonders günstig gelagerter Fall führte nun zu folgendem, eine progame Geschlechtsbestimmung ausschließendera Resultate. Ich hatte ein Frosch Weibchen, welches einer , indifferenten Rasse“ angehörte, bei der also die Gonaden lange auf einem Zustand der Indifferenz verharren, mit einem Männchen von einer Rasse, bei welcher es sehr frühzeitig möglich ist, Hoden und Eierstock zu unterscheiden, gekreuzt und dabei Parallelkulturen eingerichtet, 1. eine Normalkultur und 2. eine Überreifekultur (Überreife 68 St.). 15* 216 R. Hertwig Von jeder Kultur hatte ich Material auf verschiedenen Entwich- ! lungsstadien abgetötet: a) Kaulquappen mit gut entwickelten Hinter- beinen, b) junge ausnietamorphosierte Fröschchen, c) Fröschchen, ! die überwintert hatten und zu ansehnlichen Tieren herangefüttert ' worden waren. Für die Normalkultur ergab die Untersuchung , der Gonaden folgendes: 1. Erste Äbtötung 46 indifferente Tiere. 2. Während der Metamorphose abgetötete Tiere zeigten die Go- ; naden in Umwandlung. 3. Von den 7 überwinterten Tieren waren i 6 Weibchen, 1 Männchen. Anders gestaltete sich das Resultat ' bei den Uberreifekulturen. Bei ihnen ließen sich bei der ersten c Abtötung (a) noch zwei Gruppen in nahezu gleicher Zahl unter- scheiden: 1. Kaulquappen mit schwach entwickelten Hoden, und 2. solche mit indifferenten Gonaden. Die Abtötung b ergab, was durch die Abtötung c dann weiter bestätigt wurde, daß fast alle ( Tiere Männchen waren bis auf einen geringen Prozentsatz Weibchen. Aus diesen Ergebnissen zog ich den Schluß, daß Überreife in zweierlei Hinsicht das männliche Geschlecht begünstigt, einmal, , indem es die sexuelle Differenzierung der indifferent erscheinenden, für die Entwicklung zu Hoden bestimmten Gonaden beschleunigt, ferner, indem sie bewirkt, daß Gonaden, die unter normalen Ver- hältnissen zu Ovarien geworden wären, sich sekundär zu Hoden umwandeln. Will man diese Ergebnisse in Übereinstimmung bringen mit der immer mehr an Boden gewinnenden Auffassung, daß die Ge- schlechter durch verschiedene Beschaffenheit des Chromosomen- bestandes unterschieden sind, so werden wir zur Annahme ge- führt, daß bei den Fröschen wie bei den meisten Tieren das weib- liche Geschlecht homogamet ist und nur einerlei Eier erzeugt, die sämtlich das x Chromosom besitzen, während das Männchen hetero- gamet ist und zweierlei Spermatozoen bildet, solche mit einem X Chromosom und andere ohne x Chromosom oder mit einem y Chromosom. Die durch Überreife bedingte Umbildung von Weibchen zu Männchen wäre dann so zu verstehen, daß der weib- liche Chromosomen-Komplex xx in einen männlichen verwandelt wird, indem ein x entweder ganz rückgebildet oder in seiner Wir- kungsweise abgeschwächt wird. Es ist das ein Vorgang, für den bekanntlich in der Literatur Analogien vorliegen (Umbildung des weiblichen Rhabdonetna nigrovenosiim in ein hermaphrodites Tier). I Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 217 Ich benutze die sich mir bietende Gelegenheit, um auf eine \ Arbeit einzugehen, die von einem ganz anderen Beobachtungs- i material ausgehend zu dem gleichen Ergebnis gelangt ist, wie es 1 hier dargestellt wurde, daß bei Fröschen das homogamete Weib- } eben in das heterogamete Männchen verwandelt w^erden könne, indem das zweite x Chromosom in seiner Wirkung bis zu einer Männlichkeit erzeugenden Beschaffenheit abgeschwächt wird. Crew wurde zu dieser Auffassung durch das Studium herma- phroditer Frösche geführt. Durch das Studium von zahlreichen teils in der Literatur beschriebenen, zu einem großen Teil von ihm selbst untersuchten Fällen gelang es ihm, eine Reihe zu konstruieren, an deren einem Ende sich Weibchen befinden, bei denen die ersten Anfänge zu Männlichkeit auftreten, am anderen Ende Männchen, bei denen nur noch geringe Reste weiblicher Konstitution erkennbar sind. Letztere können funktionsfähige Hoden enthalten und sind dann befähigt, Weibchen zu begatten und Eier, die sich normal entwickeln, zu befruchten. Ein der- artiges sekundäres Männchen von Rana temporaria war für Crews Deutung maßgebend gewesen. Es hatte ein Weibchen begattet, dessen Laich zu anderweitigen Zwecken aufgezogen worden war. Aus demselben entwickelten sich ausschließlich Weibchen, ein interessanter Fall, für den kein Präcedenz in der Literatur vor- liegt. Aus diesem entwicklungsgeschichtlichen Resultat schließt der Verfasser, daß das zur Begattung benutzte Männchen homo- I gamet gewesen war und 2 x Chromosomen besaß, daß es daher nur Weibchen erzeugende Spermatozoen liefern konnte. In der Tat stellte sich das benutzte Männchen als ein Hermaphrodit heraus. Den Auffassungen Crews hat sich Huxley, der sich auch mit dem Sexualitätsproblem beschäftigt, angeschlossen. End- lich ist auch Witschi ganz unabhängig von Crew zu dem Resultat gekommen, daß bei den Fröschen das männliche Geschlecht das heterogamete sei und daß hermaphrodite Tiere von Weibchen abgeleitet werden müssen, indem das zweite x Chromosom eine Abschwächung erfährt. Noch ehe ich die hier kurz referierten Arbeiten über Ge- schlechtsbestimmung bei Rana esculenta begonnen hatte, hatte ich den Plan gefaßt, meine Überreife-Untersuchungen auf Insekten auszudehnen und zwar auf Formen, bei denen die Frage, welches 218 R. Hertwig Geschlecht das heterogamete ist, schon durch Beobachtung ent- schieden ist. Solche Formen sind die Schmetterlinge, bei denen durch die schönen Untersuchungen Seilers über Psychiden fest- gestellt worden war, daß die Männchen homogamet sind und somit zwei Geschlechtschromosomen besitzen, während bei den Weibchen nur ein Geschlechtschromosom vorhanden ist. Daß weibliche Heterogametie allen Schmetterlingen zukommt, ist in , hohem Maß wahrscheinlich, da schon seit längerer Zeit die an 1 Abraxas grossulariata angestellten Experimente über geschlechts- ' begrenzte Vererbung zu Resultaten geführt hatten, welche nur durch die Annahme weiblicher Heterogametie zu erklären waren. 1, Die Wahl der Schmetterlinge wurde mir auch aus anderweitigen ] Erwägungen nahe gelegt. Sie bilden vermöge ihrer weiblichen ^ Heterogametie eine willkommene Ergänzung zu den Amphibien, j bei denen, wie ich hervorgehoben habe, wahrscheinlich das Männ- chen heterogamet ist. Auch ermöglichte mir das freundliche Ent- gegenkommen von Prof. Goldschmidt vom Kaiser Wilhelms- Institut für Biologie in Dahlem meine Untersuchungen mit einem t durch seine Zuchten gut analysierten Material zu beginnen. Und ; so habe ich schon im Sommer 1921 angefangen, Lymantria dispar , var. japonica mit Rücksicht auf Überreife zu züchten. Über die ersten Ergebnisse meiner Kulturen habe ich schon kurz berichten können; sie wurden an einem sehr kleinen und daher für allge- j meine Schlußfolgerungen unzureichenden Material gewonnen, so j daß ich mich nur mit der größten Vorsicht über sie äußern konnte. | Es schien, als ob bei Lymantria Überreife der Eier genau den entgegengesetzten Effekt wie bei Fröschen ausübe, indem bei Überreifekulturen die Zahl der Weibchen eine freilich nur unbe- deutende Steigerung erfahren hätte. Zunächst kam mir dieses Resultat unerwartet. Es ließ aber bei näherer Prüfung sich mit den bei Fröschen erzielten Ergebnissen in Übereinstimmung bringen und ermöglichte eine für beide Fälle gültige allgemeine Formel, nämlich, daß durch Überreife jedesmal das homogamete Geschlecht betroffen und durch Rückbildung resp. Abschwächung des zweiten Geschlechtschromosoms in das heterogamete verwandelt würde. Je bestechender nun auch diese allgemeine Formel war, um so mehr hatte ich das Bedürfnis, sie auf ihre Berechtigung durch erneute Untersuchungen zu prüfen. Diese Überprüfung war um Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 219 so notwendiger, als Seiler bei seinen Überreife-Experimenten an Psychiden zu einem entgegengesetzten Resultat gekommen war, daiä auch hier wie bei Fröschen durch Überreife das männliche Geschlecht begünstigt werde. Er stützte sich freilich hierbei nicht auf Zuchtresultate. Diese waren ihm durch ungünstige, mit den politischen Ereignissen im Zusammenhang stehende Ereignisse ver- eitelt worden. Vielmehr hatte er den äußerst mühsamen Weg der Untersuchung der Reifeteilungen der Eier eingeschlagen und gefunden, daß bei einem verhältnismäßig hohen Prozentsatz der- selben das Geschlechtschromosom im Ei zurückbehalten wurde. Da nun infolge der männlichen Homogametie nur einerlei Sper- matozoen, solche mit Geschlechtschromosomen gebildet werden, müssen bei der Befruchtung unverhältnismäßig viele Eier mit 2 Geschlechtschromosomen, d. h. Männcheneier, resultieren. Ein weiteres Moment, welches neue Experimente nötig machte, war folgendes: Wie ich schon in meiner früheren Veröffentlichung hervorgehoben habe, sind die Insekteneier für Überreife-Experi- mente bei weitem nicht das günstige Material, wie die Amphi- bieneier. Bei den Fröschen kann man von einem und demselben Weibchen zweierlei Eimassen erzielen, normalreife und solche, die 2 — 4 Tage überreif sind; man kann so bei einem und demselben Tiere das überreife Material mit dem normalreifen vergleichen. Bei Schmetterlingen ist das nicht möglich, wenigstens nicht bei Lymantria. Hier werden die Eier nach der Begattung normaler- weise in einem einheitlichen Gelege abgelegt. Nur ab und zu werden kleinere Eimengen mehrere Stunden, sehr selten sogar mehrere Tage noch zurückgehalten. Man ist daher gezwungen, Gelege von verschiedenen Schmetterlingen miteinander zu ver- gleichen, von solchen, die sofort nach dem Ausschlüpfen begattet wurden, und anderen, die längere Zeit vom Männchen getrennt geblieben waren. Man kann daher nur verschiedene, verschieden reife Tiere auf ihre Sexualitätsziffer untereinander vergleichen, ohne mit Sicherheit entscheiden zu können, ob etwa zu Tage tretende Unterschiede durch Verschiedenheiten in der sexuellen Potenz der einzelnen Pärchen oder durch verschiedene Grade der Reife ihrer Eier bedingt sind. Diesem Einwurf kann nur be- gegnet werden, wenn man zahlreiche Überreifekulturen erzielt 220 R. Hertwig und feststellt, daß diese immer die gleiche, dem Grad der Über- reife parallele Verschiebung der SexualitätsziflFer zeigen. Die hier kurz skizzierten und eine Reihe weiterer Erwä- gungen sind Ursache gewesen, daß ich in demselben Jahre, in dem ich meine ersten Züchtüngsresultate erzielte (1921), umfang- reiche Zuchten für das kommende Jahr (1922) ansetzte. Bei den- selben berücksichtigte ich nicht nur die Überreife des Weib- chens, sondern auch — was sich bei Fröschen als wirkungslos erwiesen hatte — Überreife des Männchens. Um größere Sicher- heit der Resultate zu gewinnen, wiederholte ich meine Versuche noch ein weiteres (im Ganzen drittes) Mal, indem ich die im Sommer 1922 erzielten Schmetterlinge zu Überreifekulturen be- nutzte, die im Sommer 1923 zum Ausschlüpfen gelangten. In beiden Zuchtserien wurde auch die Frage berücksichtigt, ob alle Eier eines Geleges ausgeschlüpft waren. Dabei stellte es sich her- aus, daß diese Voraussetzung bei einem großen Teil der Gelege, auch bei solchen, von denen ich viele Raupen gewonnen hatte, nicht zutraf. Bei hochgradiger Überreife schlüpften überhaupt keine Raupen aus. Hier galt es nun zu entscheiden, ob die ver- sagenden Eier überhaupt nicht befruchtet worden waren oder trotz Befruchtung sich nicht bis zu einer lebensfähigen Raupe entwickelt hatten. Die Untersuchung der Gelege habe ich aus Mangel an Zeit erst mehrere Monate nach Beendigung der Kul- turen vornehmen können. Immerhin ließ sich das Wichtigste noch feststellen. Es stellte sich heraus, daß man außer den leicht erkennbaren Schalenresten ausgeschlüpfter Eier noch zwei Kate- gorien von Eiern unterscheiden konnte. Die einen sahen schwärz- lich aus, weil sie eine dunkel pigmentierte Raupe enthielten, deren Kopfschild besonders durch schwarze Farbe auffällt. Bei manchen dieser Eier war die Raupe zum Teil ausgeschlüpft, was dann überleitet zu Raupen, die ausgeschlüpft, aber nicht kräftig genug waren, um sich aus den Wollfasern des Geleges heraus- zuarbeiten und schließlich zu solchen, die zwar das Gelege ver- ließen, aber auch die zartesten Triebe von Kreuzdorn nicht an- nahmen und daher verhungerten. Außer den schwärzlichen Eiern gab es noch bräunlich gefärbte, letztere namentlich in Gelegen, bei denen sich keine einzige Raupe entwickelt hatte. Ob hier Eier Vorlagen, bei denen die Befruchtung ausgeblieben oder die Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 221 Entwicklung frühzeitig zum Stillstand gekommen war, ließ sich an dem eingetrockneten Material nicht mehr entscheiden. An- deutungen eines Embryo waren jedenfalls nicht zu erkennen. Bei meinem ersten Versuch, den Einfluß der Überreife auf die Eier von Lymantria dispar zu studieren, ließ ich mich von den in der Literatur vorliegenden Angaben bestimmen, daß eine normale Eiablage bei Schmetterlingen, bei welchen mehr als 5 Tage seit dem Schlüpfen verstrichen waren, nicht mehr zu Stande komme. In der Tat entwickelten sich auch von einem 6 Tage alten Weibchen nur 12 Räupchen, während ein Gelege etwa mehrere Hundert Eier enthält, und auch von diesen 12 ent- wickelten sich nur 7 zu kräftigen Raupen, bei denen das Geschlecht bestimmt werden konnte. In der Zeit meiner Kulturen herrschte damals eine sehr hohe Temperatur, 20 — 25® C. Bei meinen neuer- lichen Versuchen habe ich daher versucht, ob nicht durch Kultur bei niederen Temperaturen sich der Zeitraum, in welchem eine normale Entwicklung, wenn auch vielleicht nur für einen Teil des Eimaterials möglich ist, verlängern ließe. Ich hielt daher einen Teil meiner Schmetterlinge bei einer konstanten Tempe- ratur von 12®, während ein anderer Teil bei wenig schwankender Zimmertemperatur (cca. 20 — 25® C.) gezüchtet wurde. So gelang es mir, von Schmetterlingen, die 14 Tage lang überreif waren, noch leidlich normal aussehende Gelege zu erzielen, aus denen auch ein großer Teil der Eier schlüpfte. Dagegen war die äus- serste Grenze der Entwicklungsmöglichkeit bei Zimmertemperatur mit 6 — 7, selten 8 — 9 Tagen gegeben. In den im folgenden mitzuteilenden Untersuchungen habe ich leider keine genaueren Angaben machen können, in welchem Zahlenverhältnisse sich die geschlüpften Raupen zu den im Faden- gewirr des Geleges zurückgehaltenen oder in den Eischalen vei- bliebenen Raupen, resp. zu den bräunlichen, wahrscheinlich un- befruchtet gebliebenen Eiern standen. Die Eier sind in dem dichten Filz der Wollfäden so fest eingebettet, daß sie sich mecha- nisch nicht isolieren lassen. Bei meinen neuesten Untersuchungen bin ich auf ein Verfahren gekommen, um auch diesen Übelstand zu beseitigen. Wenn man ein Gelege in Kalilauge digeriei't, löst sich der Kitt, durch welchen Eier und Wollfäden zu einer Masse verklebt werden, und man kann damit die Eier isolieren und ihre 222 R. Hertwig Zahl und ihren Entwicklungszustand feststellen. Leider hatte ich die Gelege, die aus dem Jahre 1921 stammten und die einer ober- flächlichen Untersuchung unterworfen worden waren, schon weg- geworfen, ehe ich auf das eine genaue Zählung ermöglichende Verfahren gekommen war. Auch auf einen weiteren Punkt von Wichtigkeit habe ich erst in der Neuzeit Rücksicht genommen, nämlich auf die Frage, ob die Eier sämtlich von dem Schmetter- ling abgelegt oder zu einem größeren oder geringeren Teil im Körper zurückgehalten worden waren. Ein letztes Moment be- zieht sich auf die Frage, ob die Sexualitätsziffer bei dem ersten und letzten Teil des Geleges die gleiche ist. In den zahlreichen Arbeiten, die sich in der Neuzeit mit der Entwicklungsgeschichte von Lymantria beschäftigt haben, ist hervorgehoben worden, daß man einem Gelege schon äußerlich ansehen kann, ob es normal abgesetzt ist oder nicht. Die cca. 300 — 400 Eier eines Weibchens werden von einer bald mehr grauen, bald mehr bräunlichen Wolle zugedeckt, welche aus feinen verfilzten Fäden besteht. Unter normalen Verhältnissen entsteht dann ein mehrere Zentimeter langer, etwa 2 cm breiter Schwamm, der auf seiner Oberfläche schön geglättet ist und in dessen zen- tralen Partien die Eier geborgen sind. Wird die Begattung über das Normale hinausgeschoben, so fangen die Weibchen, einige früher, andere später an. Wolle auszuscheiden und zu verstreuen. Allmählich werden auch Eier in unregelmäßigen Haufen abge- setzt, niemals aber vollständig, so daß ein großer Teil der Eier im Abdomen zurückbehalten wird. Derartig unbefruchtet abge- legte Eier entwickeln sich nicht, wie schon wiederholt hervor- gehoben worden ist, so daß wir genötigt siud, das Vorkommen von fakultativer Parthenogenesis im Lymantyia in Abrede zu stellen, wie es ja auch von allen neueren Forschern, die sich mit dem Objekt beschäftigt haben, geschehen ist. Daraus, daß die Weib- chen anfangen. Wolle zu bilden und vereinzelte zerstreute Eier abzulegen, darf jedoch nicht gefolgert w'erden, daß nunmehr keine Aussichten auf Begattung und Bildung eines normalen Geleges gegeben sind. Aus den im folgenden mitzuteilenden kurzen Pro- tokollen ist ersichtlich, daß auch dann noch in manchen Fällen gute Entwicklungsresultate erhalten wurden. Andererseits kom- men auch Fälle vor, in denen scheinbar eine normale Begattung Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 223 stattgefunden hatte und ein völlig normaler Eierschwaram ge- bildet worden war, ohne daß Räupchen sich entwickelten. Die Begattung der Weibchen habe ich übrigens in der Mehr- zahl der Fälle nicht festgestellt, weil meine Zeit es mir nicht erlaubte, die hierzu nötige häufige Kontrolle auszuüben. Ich kann daher in vielen Fällen nicht angeben, wie viel Zeit zwischen Be- gattung und Eiablage verflossen war. Dies muß bei der Beur- teilung vieler Kulturen berücksichtigt werden, solcher Kulturen, bei denen die Eiablage erst erfolgte, nachdem schon einige Tage zuvor Männchen und Weibchen in den Zuchtbehältern zusammen- getan worden waren. Für die Beurteilung des Grads der Über- reife kommt dieser Beobachtungsmangel kaum in Betracht, da wir wissen, daß die Besamung der Eier erst im Moment der Ab- lage erfolgt, zur Zeit, in der die Eier am Ausführungsgang des Receptaculum seminis vorbeigleiten. Den Grad der Überreife berechne ich daher nicht nach der Zeit der Kopulation, sondern nach der Zeit der Eiablage. Freilich kann ich auch über diese keine bis auf die Stunde genauen Angaben machen, da sie ge- wöhnlich nachts erfolgt und ich in der Regel nur zweimal die Kulturen kontrollierte, morgens beim Besuch und abends beim Verlassen des Instituts. Aber auch diese üngenauigkeit spielt keine Rolle, da es gleichgültig ist, ob bei einer Überreife von 6 — 14Tagen die Eiablage einige Stunden früher oder später erfolgte. In einer neuerdings erschienenen Arbeit hat 0. Koehler die Frage aufgeworfen, ob nicht auch die Überreife des Spermas einen geschlechtsbestimmenden Einfluß ausüben könne. Er wurde zu dieser Frage durch seine eigenen Untersuchungen an Seeigel- Eiern veranlaßt, Untersuchungen, die ergeben hatten, daß bei Bastardierung die Eier bald mehr nach dem Vater, bald mehr nach der Mutter schlagen, und daß dieser verschiedene Ausschlag nicht nur durch das Alter der Eier, sondern auch durch das Alter der Spermatozoen bestimmt wird. Ich habe dieser Möglichkeit bei meinen neueren Untersuchungen Rechnung getragen und nicht nur die Überreife des Weibchens sondern auch die des Männ- chens geprüft. In seinen Arbeiten hat Koehler ferner die Frage erörtert, was man bei den Geschlechtszellen unter den Bezeichnungen Normalreife, Frühreife und Überreife zu verstehen habe. Er macht 224 R. Hertwig mit Recht darauf aufmerksam, daß diese Begriife bei Pflanzen und Tieren eine ganz verschiedene Bedeutung haben und nicht einmal innerhalb des Tierreichs völlig gleichwertig sind. Letzteres gilt ganz besonders von den Eizellen. Bekanntlich tritt bei den Seeigeln die Reifeteilung und die auf sie folgende Bildung des Eikerns vor der Besamung ein, so daß das Eindringen der Samen- fäden auf den Ablauf der Reifeteilungen, speziell auf die so wichtige Reduktionsteilung keinen Einfluß ausüben kann. Das andere Extrem bilden die Nematoden-Eier , die zur Zeit des Eindringens der Spermatozoen noch das Keimbläschen besitzen. Eine vermittelnde Stellung nehmen die Insekten und Wirbeltiere ein. Deren Eier werden unter normalen Verhältnissen befruchtet, wenn das Ei das Keimbläschen rüekgebildet und in die erste Reifespindel verwandelt hat, während die Abschnürung des ersten resp. zweiten Richtungs- körpers nach dem Eindringen des Samenfadens erfolgt. Bei den Amphibien wird zwar die Vollendung der Eireife auch ohne Ein- wirkung des Samenfadens durch die Entleerung der Eier in das Wasser herbeigeführt. Indessen kommen derartig künstlich ge- reifte Eier für uns nicht in Betracht, weil sie nicht mehr befruch- tungsfähig sind, da die im Wasser erfolgte Quellung der Eihüllen das Eindringen der Samenfäden unmöglich macht. Für die im folgenden mitzuteilenden Untersuchungen haben die hier angestellten Erwägungen keine Bedeutung, da die Be- samung der Eier bei Amphibien und Schmetterlingen in gleicher Weise auf dem Stadium der ersten resp. zweiten Richtungsspindel erfolgt. Ob freilich der Zeitraum, der von der Auflösung des Keim- bläschens bis zur Eiablage verstreicht, bei allen Individuen der- selben Art der gleiche ist, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Bei Fröschen lassen sich im Verlauf der Fortpflanzung zwei Zeiten feststellen, der Zeitpunkt, in welchem das Männchen das Weibchen umklammert und der Zeitpunkt, in dem das Weibchen die Eier absetzt. Der zwischen diesen beiden Vorgängen liegende Zeitraum ist nach meinen Beobachtungen sehr verschieden lang; er kann einerseits unter einem Tag, andererseits mehrere Tage betragen; meist beträgt er bei Rana escidenta ca. 24 Stunden. In diesem Zeitraum spielen sich ab: 1. Der Follikelsprung und der Übertritt der Eier in die Eileiter. Zugleich wandelt sich das Keimbläschen in die Richtungsspindel um. 2. Die Bildung der Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 225 Eigallerte im Uterus. Die verschiedene Dauer des Zeitraums, der zwischen Umklammerung des Weibchens und Eiablage verstreicht, wird wahrscheinlich durch den ersten Abschnitt bedingt. Es scheint, als ob bei manchen Weibchen der Follikelsprung rasch herbeige- führt wird, bei anderen relativ spät eintritt. Ursache dafür ist wahrscheinlich Verschiedenheit der ovarialen Reife. Ich habe daher früher mit der Möglichkeit ovarialer Früh- und Normalreife ge- rechnet, je nachdem der Follikelsprung mühsam oder leicht durch die Umklammerung ausgelöst wird. Eine derartige Unterscheidung mag zu Recht bestehen; einen Einfluß auf die Geschlechtsbestim- mung habe ich bisher nicht nachweisen können. Bei den vielen Zuchten, die ich angesetzt habe von Eiern, die unter natürlichen Bedingungen abgelegt wurden, ergab sich immer das gleiche Se- xualitätsverhältnis 50 ; 50, gleichgültig ob die Copula länger oder kürzer gedauert hatte. Und so kann man bei den Amphibien als Normalreife den Zeitpunkt bezeichnen, in dem unter normalen Bedingungen die Entleerung der Eier erfolgt. Einfacher als für die Eier liegen die Verhältnisse für die Spermatozoen. Hier ist für alle Tiere der gleiche, gut bestimm- bare Zeitpunkt für die Festsetzung des Alters gegeben; es ist der Moment, in dem die Reifeteilungen abgelaufen und die Sperma- tozyten zweiter Ordnung in die befruchtungsfähigen Spermatozoen umgewandelt sind. Für die Frösche ist es bekannt, daß dieSpernia- tozoen lange am Leben bleiben, ehe sie degenerieren. Nuß bäum fand bei Rana temperaria noch im Juni, also drei Monate nach der Brunstperiode, Spermatozoen im Hoden. Ich selbst war in der Lage, mich von der Befruchtungsfähigkeit der Samenfäden aus dem Hoden von Männchen zu überzeugen, die vor 4 Wochen die Brunstperiode durchgemacht hatten. Dies wurde mir dadurch ermöglicht, daß ich mir aus Florenz gepaarte, aber vor der Eiab- lage getrennte Wasserfrösche hatte senden lassen und die Männchen zu künstlicher Befruchtung von Eiern, die von Weibchen aus der Umgebung von München stammten, benutzte. Dabei ergab sich kein Einfluß der Überreife auf die Sexualitätsziflfer. In der Neuzeit sind besonders von Botanikern noch eine Reihe weiterer Faktoren geltend gemacht worden, welche von den Mikrogameten ausgehend möglicherweise einen Einfluß auf das Sexualitätsverhältnis ausüben könnten. Eine wichtige Rolle 226 R. Hertwi" spielen die Lethalfaktoren; es könnten die Männchen erzeugenden Mikrogameten bei Überreife länger am Leben bleiben als die | Weibchen erzeugenden, es könnte somit das Gegenteil eintreten von dem, was Ursache ist, dab bei Aphiden und bei Rhabdonema nigrovcnosum aus befruchteten Eiern nur Weibchen entstehen. ^ Während in diesen Fällen die Männchen erzeugenden Sperma- ' tozoen befrucbtungsunfähig sind und für dieGescblechtsbestimmung | ausscbeiden, könnten bei den von mir untersuchten Fällen die j Weibchen erzeugenden Spermatozoen früher absterben. Bei den ! Fröschen könnte man die Berechtigung dieses Einwands experi- mentell leicht prüfen, wenn man das Sperma des zur Besamung der überreifen Eier benutzten Männchens gleichzeitig auch benutzen würde, um normal reife Eier zu befruchten. Bei Schmetterlingen, von denen hier zunächst allein die Rede ist, ist ein derartiges Experiment nicht durchführbar. Man könnte ferner an das, was man in der Neuzeit „cer- tation'^ oder Wettbewerb nennt, denken. Es hat Correus nach- gewiesen, daß auch in den Fällen, in denen beiderlei Pollenschläuche lebenskräftig sind, die Weibchen erzeugenden durch ihre raschere Entwicklung im Vorteil sind und beim Herunter wachsen von der Narbe zum Ei die Männchen erzeugenden überholen. Bei Amphi- bien und Schmetterlingen ist eine derartige Certation äußerst un- wahrscheinlich, weil bei beiden, die bei der Besamung von den Spermatozoen zurückzulegende Wegstrecke zu geringfügig ist. In den Jahren 1922 und 1923 habe ich sowohl an Fröschen wie Schwammspinnern meine Untersuchungen fortgesetzt. Da die ersteren noch nicht abgeschlossen sind, werde ich mich in dieser Darstellung auf die Schwammspinner beschränken und dabei die im Jahre 1921 angesetzten und im Jahre 1922 abgeschlossenen Kulturen getrennt von denen des folgenden Jahres besprechen. A. Resultate der im Jahre 1921 angesetzten und im Jahre 1922 zur Geschlechtsbestimmung benutzten Kulturen. Die Kulturen wurden in der Weise geführt, daß die Raupen und Puppen in Zimmertemperatur gehalten wurden ; dagegen wurden die ausgeschlüpften Schmetterlinge zur Erreichung der Überreife zum Teil in einen Kälteapparat bei 11 — 12® C. verbracht, zum Teil in Zimmertemperatur belassen. Behufs Copula wurden Männ- Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 227 eben und Weibchen bei Zimmertemperatur in besondere Zucht- gläser verbracht. Die Gelege wurden in einem ungeheizten, aber vor Frost geschützten Zimmer überwintert. Während ich im März einige Tage abwesend war, trat auffallend warme Witterung ein, was zur Folge hatte, dalä auch in dem Zimmer, das zur Unterbringung der Kulturen diente, die Temperatur so erheblich stieg, daß bei einem Teil der Gelege die Räupehen auszukriechen begannen. Ich wurde noch rechtzeitig aufmerksam und konnte durch Einsetzen in einen Eisschrank erreichen, daß ein weiteres Ausschlüpfen der Räupehen unterblieb. Da nur aus dem Gewächshaus des Botanischen Gartens spärliches Futter gewonnen werden konnte, dagegen im Freien alle Bäume noch kahl waren, gelang es mir, nur wenige der verfrüht ausgeschlüpften Raupen aufzuziehen. Die Haupt- masse der Raupen kroch erst im Mai aus, als die Gelege aus dem Kälteschrank in Zimmertemperatur zurückversetzt wurden. Die ausschlüpfenden Raupen wurden mit Weißdorn gefüttert und zum größten Teil auf dem Raupenstadium abgetötet. Ein anderer Teil, von den meisten Kulturen je 50 Stück, wurde bis zur Ver- puppung gebracht und die Geschlechtsbestimmung an den Schmetter- lingen vorgenommen. Im folgenden seien die Protokolle der Kulturen wieder- gegeben, ehe ich zu einer kritischen Beurteilung meiner Resultate übergehe. I. Kältekulturen 12® Celsius. Kultur 1. Ein am 9. Juni geschlüpftes Weibchen wurde mit einem frisch geschlüpften Männchen am 18. Juni zusammengesetzt. Am 19. Juni trat Copula ein; am Abend wurde ein völlig normales Gelege abgelegt. Das Weibchen lebte noch bis zum 24. Juni und hat am 21. Juni noch einen kleinen Eihaufen abgesetzt. Infolge außer- gewöhnlich warmer Temperatur begann in meiner Abwesenheit das Aus- schlüpfen der Raupen am 8. März 1922. Ihre Zahl betrug 55. Durch Kälte wurde der Rest des Geleges am weiteren Ausschlüpfen verhindert. Von den 55 geschlüpften Raupen wurden 45 abgetötet, um bei dem spär- lichen und ungeeigneten Futter (aus dem Gewächshaus des Botanischen Gartens) wenigstens 10 zur Aufzucht zu bringen. Indessen gingen auch diese zu Grunde. Nachdem die Möglichkeit Raupen aufzuziehen gegeben, wurde Anfang Mai die Kältebeeinflussung unterbrochen. Am 8. Mai kamen 30 Raupen zur Untersuchung; dabei ergab sich das Ver- hältnis 259:5er- Im Gelege fanden sich ca. 50®/o nicht geschlüpfte Eier, die zum Teil Embryonen enthielten, zum Teil bräunlich waren. 228 R. Hertwigf Kultur 2. Ein am 9. Juni ausgeschlüpftes Weibchen wurde am 19. Juni mit einem ebenfalls am 9. Juni geschlüpften Männchen zu- sammengebracht, nachdem es zuvor schon begonnen hatte, Wolle abzu- legen. Da am 20. 6. weder Copula noch Eiablage beobachtet werden konnte, wurde das zur Kultur 1 benützte Männchen vom 18. 6. noch hinzugesetzt. Abends am 20. 6. scheint das cf 9. 6. zu copulieren. Am 21. 6. fand sich ein leidlich normales Gelege, welches zum Teil auf dem Flügel des alten Männchens abgesetzt war, dem im Laufe des Tages noch ein weiterer kleiner Eihaufen folgte. Das Weibchen blieb noch bis zum 24 Juni am Leben, ohne weitere Eier abzulegen. Infolge der abnormen Wärme im März schlüpften 87 Raupen aus, von denen 14 zum Fütterungsversuch verwandt wurden, jedoch nur 2 heranwuchsen, so daß sie zur Geschlechtsbestimmung verwandt werden konnten; eines davon war ein Weibchen, das andere ein Männchen. Nach der Kälteeinwirkung schlüpften am 9. — 15. Mai noch Raupen aus, gingen aber, ohne zu fressen, zu Grunde. Das Gelege wurde nicht auf zurückgebliebene Eier untersucht. Kultur 3. Ein am 12. Juni geschlüpftes Weibchen wurde mit einem Männchen, das zwischen dem 18. und 20. Juni geschlüpft war, am 20. 6. zusammengebracht. Es hat am 26. Juni ein kleines gut geglättetes Gelege geliefert, legte keine weiteren Eier ab, obwohl es bis zum 2. Juli noch am Leben blieb. Im März schlüpften 4 Raupeji aus, von denen zwei sich füttern ließen, sie ergaben Männchen. Der Rest des Eimaterials, durch Abkühlung am weiteren Ausschlüpfen verhindert, ergab, aufs Neue in die Wärme zurückgebracht, nur wenige Raupen, die, ohne zu fressen, zu Grunde gingen. Im Gelege fanden sich wenige zurückgehaltene Raupen vor. Viele Raupen hatten die Eischalen nicht verlassen. Kultur 4. Weibchen ebenfalls vom 12. 6., Männchen vom 20. 6., Vereinigung am 21. 6., normale Eiablage 21. 6. Das Weibchen lebt noch bis zum 2. Juli. Im März schlüpften 40 Raupen aus, von denen nur 1 bis zur Geschlechtsreife sich aufziehen ließ, 1 cf. Im Mai schlüpften noch 160 Raupen aus. Von ihnen wurden 50 zur Verpuppungskultur verwandt, sie lieferten 33 $ 12 cf Schmetterlinge. Von den übrigen 110 Raupen wurde ein Teil sehr früh abgetötet, 93 auf ihr Geschlecht untersucht: 62 9 31 cf . Im Gelege fanden sich 2 zurückgehaltene geschlüpfte Raupen und 20 — 30 Eier, aus denen die Raupen nicht ausgekrochen waren, keine bräunlichen (un- entwickelten) Eier. Kultur 5. Weibchen ebenfalls vom 12. 6., Männchen vom 20. 6., Vereinigung am 21. 6. Gelege schön geglättet vom 21. 6., Weibchen bleibt bis zum 2. Juli leben. Im März schlüpfen 25 Raupen aus, die sämtlich absterben Im Mai entwickeln sich wenige Raupen, die, ohne zu fressen, absterben Im Gelege sind einige Raupen zurück- gehalten. Mindestens die Hälfte der Eier ist nicht geschlüpft, manche scheinen sich nicht entwickelt zu haben. f Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 229 Kultur 6. Weibchen vom 11. Juni mit einem Männchen wahr- scheinlich vom 21. 6. (vielleicht auch 1 — 2 Tage früher) am 21. 6. zusammengegeben, scheinen um 3 Uhr zu kopulieren, sind aber um 4 Uhr wieder auseinander. Das Weibchen wandert im Zuchtglas herum und setzt 7 Uhr abends einige verzettelte Eier ab. Am 22. 6. setzt das Weibchen Wolle ohne Eier ab, sitzt nachmittags 4 Uhr in Kopulastellung mit dem Männchen, hat in der Nacht zum 24. 6. einen kleinen ziemlich normal aussehenden Eihaufen abgesetzt. Ver- früht schlüpfen 4 Räupchen aus, von denen 1 beim Auskriechen, 3 andere bald darauf absterben. Nach der Kältebewirkung kriecht im Mai keine weitere Raupe aus. Im Gelege nur wenige leere Ei- schalen. Viele Eier sind bräunlich, scheinen sich nicht entwickelt zu haben. Kultur 7. Schmetterlinge wie in Kultur 6 (9 11. 6., cf 21. 6. vielleicht auch früher 18. 6. — 20. 6). Kopula wurde nicht beob- achtet. Am 22. 6. hat das Weibchen ein normales Gelege gebildet, welches es im Laufe des 23. 6. verlängert. Am 24. 6. hat es einen weiteren kleinen Eihaufen gebildet. Im März kriechen 3 Räupchen aus, sterben aber beim Auskriechen ab. Im Mai, nach der Kälte- bewirkung, schlupfen viele Räupchen aus, sterben aber ab, ohne den Versuch zum Fressen zu machen. Kultur 8. 2 Weibchen, frisch geschlüpft am 21. 6., wurden mit 3 Männchen vom 12. 6. am 21. 6. zusammengegeben. Trotzdem die Männchen 9 Tage alt sind, sind sie sehr lebhaft und sammeln sich am 22. 6. um ein etwas verkrüppeltes 9. Am 23. 6. haben beide Weibchen normale Eihaufen abgesetzt. Männchen leben noch am 23. 6. Kultur 8a. Kleiner Eihaufen. Im März kriechen 5 Räupchen aus, welche bald absterben. Im Mai folgen sehr viele nach, werden nicht weiter gezüchtet. Kultur 8 b. Großes Gelege. Im März kriechen 68 Tiere aus, von denen 58 getötet wurden, 10 zur Aufzucht bestimmte bald ab- starben. Von den zahlreichen im Mai ausschlüpfenden Raupen wur- den 50 Tiere in Sonderkultur, 50 weitere in einer Reservekultur gezüchtet. Von der Sonderkultur wurden 16 als Raupen zur Ge- schlechtsbestimmung verwandt; sie waren sämtlich weiblichen Ge- schlechts, von dem zur Verpuppung gelangten Rest waren 21 9, 7 cf. Im Ganzen war also das Geschlechtsverhältnis 37 9 : 7 cf- Das Ge- schlechtsverhältnis der Reservekultur wurde auf dem Raupenstadium bestimmt; es ergab: 23 9 : 8 cf. Das Gesamtresultat war somit 60 9 : 15 cf. Im Gelege fanden sich etwa — Vs Eier nicht ge- schlüpft, enthielten aber Räupchen. Kultur 9. 2 Weibchen, welche wie in Kultur 8 frisch am 21. Juni geschlüpft waren, wurden am 21. 6. mit 3 Männchen vom 9. 6. zusammengegeben. Die Männchen waren trotz ihrer Überreife Sitzangsb. d. matb.-phys. Kl. Jabrg. 1923. 16 230 R. Hertwig sehr lebhaft. Am 22. Juni waren die Männchen sehr abgeflattert und saßen von den Weibchen getrennt; am 23 6 waren 2 Männchen tot, das dritte Männchen noch so lebhaft, daß es fort flog und wieder eingefangen werden mußte. Das beste der in Kultur 8 verwandten Männchen (vom 11. 6. stammend) wird der Kultur 9 neu hinzugesetzt. 24. 6. ein Männchen zwischen den beiden Weibchen in Copulastel- lung beobachtet. Beide Weibchen liefern normale Gelege. Im März waren aus dem Gelege 9 a 21 Tiere ausgeschlüpft, von denen 11 ab- getötet, 10 mit Futter versehen wurden. Letztere starben gleich- wohl ab. Im Mai kamen dann noch cca 20 Räupchen aus, die aber zu schwach waren, um das Gelege zu verlassen und ohne zu fressen abstarben. Gelege 9 b lieferte im März 9 Tiere, die aber rasch ab- starben, im Mai dagegen eine enorme Masse, von der die meisten Räupchen abgetötet wurden. Die zur Aufzucht verwandten Tiere wurden als halbwüchsige Raupen getötet und untersucht. Es waren 30 g, 17 cT. Kultur 10. Ein Weibchen vom 11. Juni wird am 22. Juni mit 2 Männchen zusammengesetzt, von denen das eine Tags zuvor ge- schlüpft war, das andere etwas früher. Da keine Kopula eintrat, wurde am 24. 6. ein neues frisches Männchen zugesetzt. Nachdem in den vorhergehenden Tagen schon isolierte Eier abgesetzt worden waren, wurde am 25. 6. ein scheinbar normaler Cocon gebildet, aus dem weder im März noch Mai Raupen hervorgingen, Kultur 11. Vier Weibchen vom 12. 6. wurden mit 2 Männchen vom 19. 6. und 24. 6. zusammengebracht. Eine Copula wurde nicht beobachtet. Doch legte ein Weibchen als 11a bezeichnet am 25. 6. ein normal aussehendes Gelege ab. Am 8. März schlüpften 10 Räup- chen aus, von denen 5 frühzeitig abstarben, 5 bis zur Geschlechts- bestimmung aufgezogen werden konnten; es waren 39, 2 cf. Die im Mai ausschlüpfenden zahlreichen Raupen wurden aus Mangel an Zuchtbehältern nicht aufgezogen. Im Gelege waren alle Eier geschlüpft. Ein zweites Weibchen 11b hat am 25. 6. ein kleines Eihäufchen abgelegt, am 26. 6. ein leidlich normal aussehendes Gelege geliefert. Aus beiden Eierhaufen schlüpften keine Raupen aus, weder im März noch im Mai. Ebenso lieferten die beiden anderen Weibchen keine Nachkommenschaft, wenn sie auch am 28.6. — 30 6. unregelmäßig abgesetzte Eihaufen lieferten. Kultur 12. Drei Weibchen vom 16. 6. werden mit einem Männchen vom 23. 6. am 24. 6. vereint. Am 25. 6. abends 10 Uhr wurde ein Weibchen 12 a in Copula mit dem Männchen gesehen. Von ihm stammt wahrscheinlich ein sehr kleiner, aber gut aussehen- der Eierhaufen vom 26 6., wahrscheinlich auch ein gut aussehendes Gelege vom 27. 6. früh, außerdem am Abend noch weitere Eihaufen. Im März schlüpften keine Raupen aus, zahlreiche dagegen im Mai; letztere waren jedoch unfähig, zu fressen und starben bald ab. Die Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 231 meisten Eier waren nicht geschlüpft. Von den beiden übrigen Weib- chen legte eines in den folgenden Tagen bis zum 1. Juli noch weitere kleine Eihaufen, aus denen aber später keine Raupen hervorgingen. Das dritte Weibchen ging ohne Eier geliefert zu haben zu Grunde. Kultur 13. Drei Weibchen vom 17. 6. werden mit einem Männ- chen vom 23. 6. am 24. 6. zusammengebracht. Ein Weibchen (13a) wurde schon am Nachmittag 3 Uhr in Copulastellung beobachtet, welche bis zum Abend andauerte. Tags darauf lieferte es ein gut aussehendes Gelege. Aus ihm gingen im März 4 Räupchen hervor, welche sich nicht aufziehen ließen, im Mai große Mengen, welche aber nicht in Kultur genommen wurden. Zu den beiden anderen Weibchen wurden am 25. 6. zwei Männchen hinzugesetzt, deren Alter nicht bestimmt worden war; sie lieferten zwei schöne Gelege (13b und 13c). Aus dem Gelege 13b schlüpften im März 4 Tiere aus, von denen jedoch nur 1 am Leben blieb, bis es untersucht werden konnte; es erwies sich als Männchen. Im Mai lieferte das Gelege viele Raupen, von denen jedoch nur 30 aufgezogen wurden; es waren 13 Männchen und 17 Weibchen. Im Gelege fanden sich etwa 50 °/o nicht geschlüpfte Eier. Von dem Gelege des Weibchens 12 c schlüpften nur im Mai Raupen aus in großer Menge. Von den zur Geschlechtsbestimmung benutzten Tieren waren 22 Männchen, 33 Weibchen. Im Gelege keine nicht geschlüpften Eier. Kultur 14. Fünf Weibchen vom 18. 6. hatten bis zum 24. 6. sehr viel Wolle abgesetzt und wurden an diesem Tage mit 2 Männ- chen, die in der Zeit vom 18. 6. — 20. 6. ausgeschlüpft waren, zu- sammengebracht. Ein Männchen scheint abends den Versuch zu machen, zu kopulieren. Da am 25. 6. keine Gelege gebildet waren, die Kultur aber mit Wolle stark verunreinigt war, wurden zwei Weibchen mit zwei Männchen neu installiert. Am 26. 6. liefert eines der beiden Weibchen ein gut aussehendes Gelege, das zweite einen Eihaufen. Aus ersterem schlüpften im März 4 Raupen aus, von denen 1 sich auffüttern ließ, es war ein Männchen. Im Mai lieferte das Gelege noch viele Raupen, die auch Versuche machten, zu fressen, aber sehr frühzeitig abstarben. Von den übrigen Weibchen wurde keine Nach- kommenschaft erzielt, Kultur 15. Zwei Weibchen vom 19. 6. wurden am 24. 6. mit einem am 18. 6. geschlüpften Männchen zusammengebracht. Weib- chen 15 a wird nachmittags 3 Uhr in Copula beobachtet. Copula ist um 6 Uhr auseinander gegangen. Am 25. 6. fanden sich zwei normal aussehende Gelege vor, von denen das zweite offenbar erst in Bil- dung begriffen war (15b). Eiablage geht am 26. 6. weiter vor sich: ein größeres (wahrscheinlich b) und ein kleineres Eihäufchen. Auch am 27. 6. wurden noch einige Eier abgelegt. Am 8. März schlüpften 17 Räupchen von Kultur a, 4 von Kultur b aus, von denen 7 beim 16’ 232 R. Hertwig Auskriechen abstarben, 12 weitere in den folgenden Tagen zu Grunde gingen, so daß nur 2 Raupen auf ihr Geschlecht geprüft werden konnten: 1 cf, 1 9. Von der Kultur 15b krochen am 15. Mai viele Raupen aus, die auf 2 Kulturen zu je 50 verteilt wurden. Von Kultur 15 a schlüpften zunächst keine Raupen aus, später am 15. Mai und den folgenden Tagen eine größere Zahl, von der jedoch viele abstarben. Die Zucht wurde nicht weiter geführt. Von der Zucht 15b wurde die Partie I auf dem Raupenstadium abgetötet, sie lieferte 25 9, 10 cf- Die zur Schmetterlingszucht ver- wandte Partie II lieferte an Puppen 33 9, 15 cf, wobei jedoch zu be- merken ist, daß 21 weibliche Puppen nicht geschlüpft waren, weil sie zu trocken gehalten wurden. Im Gelege fanden sich ca. 50 nicht geschlüpfte Eier. Kultur 16. Zwei Weibchen vom 20. 6. mit 1 Männchen vom gleichen Tag am 24. 6. zusammengebracht. Nachmittags 3 Uhr sucht das Männchen eines der Weibchen zu begatten, hat abends 6 Uhr noch keine Copula erzielt. Da am 25. 6. das Männchen abgeflattert und kein Gelege erzielt worden war, wurde ein neues Männchen vom 21. 6 hinzugefügt. Am 26. 6 ein tadelloses Gelege, ein zweites im Gang. Das erste Gelege liefert im März 1 Raupe (1 cf), im Mai enorme Massen von Raupen, von denen nur ein kleiner Teil (nicht in Verpuppungskultur) aber aufgezogen wurde. Das zweite Gelege entwickelte sich auch und wurde ähnlich behandelt. Das erste Gelege lieferte 19 9 : 23 cf, das zweite 13 9:7 cf. Kultur 17. Ein Weibchen vom 19. 6. wird mit einem Männchen vom 21. 6. am 25. 6. zusammengesetzt. Weibchen liefert ein nor- males Gelege. Am 8. März schlüpften 9 Raupen aus, die bald ab- starben bis auf 1 Raupe, die sich als cf erwies. Im Mai schlüpften keine weiteren Tiere aus. Kultur 18. Zwei Weibchen vom 19. 6. werden mit einem cf vom 21. 6. am 25. 6. zusammengesetzt. Abends 10 Uhr ist das Männchen mit einem 9 in Copulastellung, desgleichen am 26. 6. früh. Nachmittags 4 Uhr befindet sich das Männchen mit dem zweiten Weibchen in Copulastellung. Da am 27. 6. keine Eiablage erfolgt ist und das Männchen abgeflattert aussieht, wird letzteres durch ein neues Männchen ersetzt, welches abends mit einem Weibchen in Copulastellung beobachtet wird. Am 28. 6. hat ein Weibchen einen ganz normalen Eierhaufen abgesetzt. Aus ihm schlüpften am 8. März zwei Räupchen aus, die abstarben. Am 8. 5. schlüpfen enorme Mengen von Raupen aus, von denen nur ein kleiner Teil als Raupen- kultur gezüchtet wurde. Das Resultat war 63 9 ^ 14 cf- I® Gelege ca. 15 nicht geschlüpfte Eier. Kultur 19. Zwei Weibchen vom 13. 6. haben schon Eier ab- gelegt, sie werden am 27. 6. mit einem Männchen vom 25. 6. ver- einigt. Das eine Weibchen ist kräftig und klettert am Glas in die Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 233 Höhe. Nachmittags beßndet sich das Männchen mit einem Weibchen in Copulastellung. Die Prüfung am 30. 6. ergab: beide Weibchen tot, zwei sehr normal aussehende Gelege. Im März schlüpften keine jungen Tiere, im Mai viele Tiere aus 19a, keine aus 19b. Die Raupenkultur ergab 15 9 : 15 cf, die Verpuppungskultur 21 9 : 14 cf. Gelege 19 a war fast vollkommen geschlüpft. Kultur 20. Zwei Weibchen vom 14. 6. wurden am 28. 6. mit einem Männchen vom 25. 6. vereinigt. Die Weibchen hatten schon vorher einzelne Eier abgelegt. Nachmittags wurde das Männchen mit einem Weibchen in Copulastellung gefunden. Am 30. 6. hatten beide Weibchen schöne Gelege abgesetzt. Im März waren keine Raupen geschlüpft, im Mai enorme Mengen. Eine Verpuppungskultur wurde nicht angesetzt. Die Raupenkultur ergab 45 9 : 28 cf. Kultur 21 wurde bei 12 — 17° geführt. Zwei Weibchen vom 16. 6. wurden am 28. 6. mit einem Männchen vom 26. 6. vereint. Ein Weibchen hat am 30. 6. ein schönes Gelege geliefert und am 1. 7. noch einen kleineren Eihaufen. Im März krochen 13 Raupen aus, von denen nur zwei bis zur Geschlechtsbestimmung aufgezogen werden konnten; es waren Männchen. Im Mai schlüpften noch 15 Raupen aus, die, ohne zu fressen, abstarben. Im Gelege war über die Hälfte der Eier nicht geschlüpft. Das Gelege des zweiten Weibchens war unregelmäßig und lieferte keine Raupen. B. Kulturen bei Zimmertemperatur (21—25° C.). Kultur 21a. Zwei Weibchen am 21. 6. geschlüpft, wurden am 28. 6. mit einem Männchen unbekannten Alters vereint. Am 30. 6. wurde das Männchen in Copula-Stellung mit einem Weibchen beob- achtet, doch trat bald wieder Trennung ein. Nachmittags fand sich ein größeres und ein kleineres Gelege vor. Außerdem wurde das Männchen in Copula beobachtet. Das betreffende Weibchen scheint mit Eiablage zu beginnen. Am 1. 6. findet sich ein großes Gelege vor. Im März schlüpften 27 Raupen aus, im Mai ca. 70, die aber ohne zu fressen abstarben. Von den 27 Raupen im März wurden 16 wegen Futtermangels getötet. Von übrigen entwickelten sich nur 2 weiter: 2 6. Kultur 22. Zwei Weibchen ausgeschlüpft am 22. 5., von denen das eine wenig, das andere mehr Eier schon vorher abgelegt hatte, — ein drittes Weibchen derselben Zucht und desselben Alters war schon abgestorben — werden am 29. 6. mit einem Männchen unbekannten Alters zusammengesetzt. Copula wurde nicht beobachtet. Ein Weib- chen wurde durch den Deckel des Zuchtglases zerquetscht, das andere hatte 30. 6. ein normal aussehendes Gelege von ^{3 Größe des Ge- wöhnlichen gelegt, nachmittags weiter einen größeren Haufen, den es am 1.7. verlängert. Raupen schlüpfen weder im März noch im Mai aus. Auch das Gelege enthält keine Raupen. 234 R. Hertwig Kultur 23. Zwei Weibchen ausgeschliipft am 23. 6. wurden mit einem Männchen vom 26. 6. am 28. 6. vereint. Eines von ihnen hatte viel Wolle mit wenigen Eiern abgesetzt, das andere fängt eben an. Es wurde Annäherung des Männchen an ein Weibchen beobachtet, aber keine Copula. Am 30. 6. hat ein Weibchen den Anfang eines normal aussehenden grauen Geleges gebildet. Das zweite Weibchen liefert ein bräunlich gefärbtes Gelege. Aus beiden Gelegen entwickeln sich weder im März noch im Mai Raupen. Die Eier sehen bräunlich aus und enthalten keine Raupen. Kultur 24. Ein Weibchen vom 23. 6. wurde am 29. 6. (?) mit einem Männchen unbekannten Alters vereint, hat am 30. 6. ein nor- males Gelege abgesetzt, aus dem im März 28 Räupchen ausschlüpften, von denen 8 beim Auskriechen abstarben. Von den überlebenden konnten nur 2 Raupen bis zur Geschlechtsbestimmung gezüchtet werden, 1 9, 1 cf. Im Mai lieferte das Gelege noch ein kümmerliches Tier, welches ohne zu fressen abstarb. Gelege enthält viele embryonierte, aber nicht geschlüpfte Eier. Kultur 25. Ein Weibchen vom 24. 6. hatte schon vorher Eier abgelegt, wird am 29. 6. mit einem aus derselben Kultur stammenden Männchen vom 25. 6. zusammengebracht. Das Weibchen sitzt am 30. 6. auf einem normalen Gelege, das am 1. 7. weitergeführt wird. Im März schlüpften 27 Tiere aus, von denen nur 5 Tiere aufgezogen werden konnten, 29, 3 cf. Im Mai schlüpften viele Raupen aus, von denen aber nur ein kleiner Teil zur Zucht verwandt wurde. Auf dem Raupenstadium abgetötet, ergab die Kultur 19 9, 10 cf. Im Gelege fanden sich ca. nicht geschlüpfte Eier. Kultur 26. Ein Weibchen vom 25. 6., das schon vorher einen kleinen Eihaufen abgesetzt hatte, wurde am 3. 7. mit einem am 2. 7. geschlüpften Männchen zusammengebracht, ist im übrigen sehr lebhaft. Copula wurde nicht beobachtet. Am 4. 7. mittags beginnt das Weib- chen Eier abzulegen. Am 6. 7. fanden sich zwei ziemlich normale Eipakete, außerdem viele zerstreute Eier vor. Das Weibchen ist tot, hat aber noch viele Eier im Bauch. Im März wie im Mai schlüpften keine Raupen aus. Im Gelege finden sich keine entwickelten Eier. Kultur 27. Ein Weibchen vom 26. 6., das bis dahin weder Eier noch Flocken abgesetzt hatte, wird am 3. 7. mit einem Männchen vom 3. 7. zusammengesetzt. Am 4. 7. sitzt das Männchen beim Weib- chen, doch konnte keine Copula festgestellt werden. Am 5. 7. und 6. 7. wurde die Kultur nicht geprüft. Prüfung am 7. 7. ergab ein schönes Gelege. Auch waren Männchen und Weibchen noch sehr lebhaft. Im März schlüpften keine Raupen aus, im Mai große Mengen, so daß 2 Kulturen angesetzt werden konnten. Die eine auf dem Raupenstadium abgetötet ergab 36 9 : 28 cf; die zur Aufzucht von Schmetterlingen dienende Kultur lieferte 25 9:21 cf- Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 235 Kultur 28. Ein Weibchen, das weder Eier noch Flocken ge- bildet hatte, wurde am 3. 7. mit einem Männchen vom 26. 6. zu- sammengebracht. Abends keine Copula. Am 4. 7. findet sich ein leidlich normal aussehendes größeres Gelege. Im März waren keine Eier ausgekommen, im Mai enorme Mengen. Die für die Schmetter- lingsaufzucht bestimmte Kultur ergab 16 Weibchen, von denen 5 nicht aus der Puppe geschlüpft waren, und 26 cf. Die Raupenkultur war enorm reduziert worden. Die zur Untersuchung verwandten Raupen lieferten das Geschlechtsverhältnis 4 9 : 5 cf • Kultur 29. Ein Weibchen vom 29. 6., das bis dahin weder Eier noch Wolle abgelegt hatte, wurde am 3. 7. mit einem Männchen vom 25. 6. vereinigt. Am Abend weder Copula noch Eiablage. Am 4. 7. sitzt das Weibchen auf einem guten, bis zum 5. 7. etwas ruppig fortgeführten Gelege. Im März waren keine Raupen ausgeschlüpft, im Mai enorme Mengen. Die Raupenkultur ergab 11 9 : 17 cf, die Verpuppungskultur nach den Puppen bestimmt 21 9:25 cf- Kultur 30 I. Ein Weibchen vom 29. 6. wurde am 11. 7. mit einem Männchen der gleichen Kultur vom 3. 7. (Inzucht) zusammen- gebracht. Anfänglich trat keine Eiablage ein. Als am 14. 7. die Kultur neuerdings kontrolliert wurde, fand sich ein nicht gut aus- sehendes Gelege, das somit mindestens 13 Tage, vielleicht sogar 14 Tage nach dem Ausschlüpfen des Weibchens abgelegt war. Raupen schlüpften in großen Mengen im Mai aus. Die Verpuppungskultur ergab 22 9 : 17 cf. Kultur 30 II. Ein Weibchen vom 28. 6. wurde am 5. 7. mit einem Männchen vom 28. 6. zusammengebracht. Da weder Copula noch Eiab- lage erfolgte, wurde ein neues Männchen am 6. 7. hinzugesetzt, wel- ches sofort kopulierte. Am 7.7. fand sich ein tadelloses Gelege vor, aus dem im März keine, im Mai enorme Massen von Raupen ausschlüpften. Die Verpuppungskultur ergab 22 9 : 22 cf geschlüpfte Schmetterlinge. Durch ein Versehen waren die Raupenkulturen 30 I und II. zwar getrennt geführt worden, aber bei den Abtötungen wurde nicht bemerkt, wie sich die einzelnen Befunde auf die beiden Kulturen verteilen; es handelt sich um folgende Abtötungen: 1. 9 9 : 9 cf , 2. 11 9 : 8 cf, 3. 6 9 : 10 cf, 4. 3 9 : 7 cf , 5. 8 9, 3 cf, 6. 6 9 : 4 cf, 7. 149:8 cf- Ini Ganzen also 57 9, 49 cf- Zwei Kulturen, Nr. 31 und 32, bei denen Weibchen vom 30. 6. am 5. 7. das eine Mal mit Männchen vom 26. 6., das zweite Mal vom 28. 6. vereinigt wurden, verliefen resultatlos. Kultur 33. Ein Weibchen vom 1. 7 wurde am 5. 7. mit einem Männchen unbekannten Atters zusammengebracht und lieferte am 7. 7. ein etwas ruppiges Gelege, aus dem im März 5 bald absterbende Larven ausschlüpften, im Mai sehr viele. Mir stehen nur 2 Stich- proben zur Verfügung, Abtötungen von Raupen. Die eine ergab 9 9 : 6 cf , die andere 2 9 : 11 cf, insgesamt 11 9 : 17 cf- 236 0? S ^ .2 C® U 0) .o a s CQ CQ O n a> ;h •4^ :3 o *o ;-l d •4^ eö 04 a o H O Ü a fl a> CL; a a> EH QQ O ja eö fl w c« s 3 a a> CQ o R. Hertwig: o o O fl :d C5 „ ^ O Om ® 5:^ :D :fl‘-‘*S S (D^d 5^ tC t£M g p a cö C O O O fl cä :3 ‘fl 2 2 ^ S wc2 " '3'3 SS I -fcs ^ S o DO CO ^ .fl 'T3 a> bc £- O. fl fl 05 ja g 09 fl 09 09 0 ‘c O ‘c .S 09 3* M c 09 09 ^ Cm m « Ä g M fl P5 fl Qh ü 'i a 3 X9 M 00 . *s 09 0 (M •«0 •Stf w _ c § J D ^ P5 :fl X o ^ ^ «5 tD O (M ^ 2 •> p :D CI5 :3 -Z fcr ® r5 -3^ O) Sa>r3roBS3VCa>B.äcS O CjnOO P fcjco tx-o B=00 rt ^ pJp*=* n — — — .2 *S o >*i -D a a> ^ S! e S s a> o -tJ c c .« : ® 2 § bc-^ S ja ja fl fl 3 ® a flj ^ 'fl ^ o 'fl o — 'S S'3 ® O ® 2 00 fl a> j3 09 . bC.fl T3 ü , CD fl >) S 09 a .fl . 03 '-' CO fl >• C? Q 09 Q »- bD^ bc 3.0 ® fl -fl i- V 09 ■ c <4^ 3 oT ■S «.2 3 bc ® i. .20 09 ® SC •rSO ® 0) B . S' «'S 4) 0) a S2 0 0 OQ C9 t> ^3 O? 02 ^ 0 C9 02 02 C Ü 02 CO 5 0 IZi § ;! 09 .fl ?> t9ci ; 'b 'b'b'b ■b ^■b b) b9 fl iO - I'H Ofl {N (N »-4 c> 00+ 1 0 CH(> C> fl Dh 0 CO Iß Oi CO CO CO CO 0 \0 0 c lO 5 Ol 09 fl 'S b9 •b fl -4d B a> 1 > 25 r 1 c '.s S.-2 Ü ‘<ß 01 oi oi 09 cd cd pH pH 01 01 ^ *-4 pH pH p^ p^ pH pH ' fl XI ce -fl .0 09 fl X» iß iß CO CO CO CO CO 00 CO iß pH Ol Ol CO »-4 rH pH ^4 pH ^ l. 24. 6. 13 I (4) keine Raupen Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 237 0) o 'S 3 ^•2 ® a W 9- <3 G cj SeScä a> 2^ 'S W m - . ® ® -e rh -25 c« 2 ^ _ Ä :3 « ^ ,03 S ' ' ^75 •. ». © Ci. c3 ^ © O » 0 « tsc M ® g ^ aj 4) ^ bc 5? ü »— I ^ > « G I S 77" G ® ^ '■ CÖ s a® a B sB 3 ^ -G o P3 o ?' bc B 0:g-^cS® 09 ^ ® aa br © ja © © .3' ^ © ,-H <-M M oö w c3 c3 S a S, a a ^ o o o ^ 2;;2; ® ® ® bo G bc 0) ^ .a Cä o ? 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In der vorausstehenden tabellarischen Übersicht sind Kälte- kulturen (1 — 20) und Zimraerkulturen (21 — 33) aufgeführt. In jeder der beiden Gruppen gibt es verschiedene Grade der Über- reife. Diese sind in den Kältekulturen von 6 — 16 Tagen, in den Zimmerkulturen von 5 — 13 Tagen abgestuft. Im allgemeinen beziehen sich die Angaben auf Überreife des Weibchens bei nahezu normaler Reife des Männchens. Eine Ausnahme machen die Kul- turen 8 und 9, bei denen die Weibchen nahezu normal, die Männ- chen dagegen überreif waren, bei 8 11 Tage, bei 9 sogar 12 Tage, eine weitere Ausnahme macht Kultur 1, bei welcher sowohl Männ- chen wie Weibchen 11 Tage überreif wai'en. Wie nicht anders zu erwarten war nimmt mit dem Grad der Überreife die Aussicht auf Entwicklungsmöglichkeit ab. Dabei ergeben sich verschiedene Abstufungen. Auf der einen Seite haben wir normale Entwicklungsmöglichkeit, bei der nahezu alle Eier vom Weibchen abgelegt werden und sich normal entwickeln, auf der anderen Seite völlige Unfruchtbarkeit, bei der nicht nur keine Eier ausschlüpfen, sondern vermöge der bräunlichen Farbe ihres Inhalts es wahrscheinlicher ist, daß sie unbefruchtet oder wenig- stens auf frühen Stadien der Entwicklung stehen geblieben sind. Dazwischen gibt es alle Übergänge: 1. ein größerer oder gerin- gerer Teil der Raupen ist zu schwach, um die Eischalen zu sprengen und das Gelege zu verlassen, 2. die Räupchen arbeiten sich zwar aus dem Gelege hervor, vermögen aber nicht zu fressen, selbst wenn man ihnen sehr günstiges Futter, die jungen Triebe von Weißdorn, als Futter anbietet. Dabei stellte sich die Merk- würdigkeit heraus, daß mehrfach die im März, also verfrüht aus- geschlüpften Tiere trotz der Ungunst des um diese Zeit gebotenen Futters günstigere Entwicklungsbedinguugen ergaben als die im Mai angesetzten Kulturen. Manche Gelege, die im Mai völlig versagten, lieferten im März noch entwicklungsfähige Raupen. So konnten bei den Gelegen 2, 3, 14, 17, 21, 24 wenigstens ein geringer Prozentsatz auf sein Geschlecht bestimmt werden, während im Mai die entsprechenden Raupen entweder gar nicht ausschlüpften oder kein Futter aufnahmen. Merkwürdig ist ferner, daß wenn wir das im März für Geschlechtshestimmung gewonnene, aller- Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 239 dings sehr spärliche Material überblicken, das Prozentverhältnis der Männchen ein viel günstigeres ist als das der Weibchen, ins- gesamt: 19 cf zu 89. Dieselben gehörten fast sämtlich den Kältekulturen an, während für das Maimaterial der Kältekulturen sich das Sexualverhältnis 142 cf : 322 9 ergab. Der Unterschied ist wohl nur so zu erklären, daß die männlichen Raupen leichter zum Ausschlüpfen aus den Eiern veranlaßt werden. In der Art, wie die einzelnen Schmetterlinge auf Überreife reagieren, ergeben sich große Unterschiede, insofern manche Pär- chen bei hochgradiger Überreife noch gute entwicklungsfähige Gelege lieferten, während andere schon bei relativ geringer Über- reife versagten. Beispiele sind Kultur 1 und 14. In beiden Fällen waren Männchen und Weibchen überreif, bei 1 um 10 Tage, bei 14 nur um 8 Tage. Letztere Kultur lieferte zwar Raupen, die aber entwicklungsunfähig waren; erstere ergab dagegen gute Zucht- resultate. Freilich zeigte das Weibchen von Kultur 14 gleich von Anfang ein ungünstiges Verhalten, indem es, was immer ein schlechtes Zeichen ist, frühzeitig angefangen hatte. Wolle abzu- legen. Noch größere Unterschiede zeigen die Zimmerkulturen. Die Kulturen 22, 23, 24 waren nur 7 Tage überreif, ergaben ganz normal aussehende Gelege; für Kultur 24 stand sogar die Befruchtung außer Zweifel, da die Eier embryoniert und zum Teil sogar ausgeschlüpft waren. Gleichwohl war es nicht möglich, von ihnen entwicklungsfähige Raupen zu erzielen. Dagegen lieferte Kultur 30 sehr günstige Resultate, ein gut aussehendes Gelege, aus dem große Mengen von' entwicklungsfähigen Raupen aus- schlüpften, obwohl die Eier hier mindestens 13 Tage überreif waren. Kultur 30 war dabei eine Inzuchtkultur; Männchen und Weibchen stammten aus deniselben Gelege. Noch merkwürdiger ist das Ver- halten der Parallelkulturen 9, ein Beispiel von männlicher Über- reife. Beide Weibchen stammten aus demselben Gelege und waren normal reif; die zugesetzten Männchen waren das eine 13, das andere 15 Tage überreif, als die Weibchen ihre durchaus nor- malen Gelege bildeten. Beide Gelege waren auch befruchtet, was daraus hervorgeht, daß sich in ihnen Raupen entwickelten. Das eine ergab sehr günstige Resultate, das andere erwies sich zur Aufzucht unbrauchbar. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß beide Weibchen von demselben Männchen begattet wurden. 240 R. Hertwig Doch ist nicht ausgeschlossen, daß das Weibchen, welches das unbrauchbare Gelege geliefert hatte, von dem stärker überreifen Männchen begattet worden war. A. Kältekulturen. 1. Weibliche Überreife. Nr. 16 6 Tage 32 9, 30 cf , 15b 7 , 58 9, 255" , 4: 9 , 95 9, 43^ , 13b 9 , 179, 13cf , 13 c 9 , 33 9, 22 0^ . 1 10 , 25 9 , 5 Insgesamt 260 9, 138 cf 2. Männliche Überreife. Nr. 8b 11 Tage 60 9, 15 cf , 9b 13 „ 30 9, 17 90 9, 32 cf' Überreife cf • 90 9, 32 cf Überreife 9 • 260 9, 138 5* 350 9, 170 cf' B. Zimuierkulturen. 3. Weibliche Überreife. 4. Männliche Überreife. Nr. 25 6 Tage 21 9, 13 cf , 33 6 T 11 9, 17 cf , 27 9 fl 61 9, 49 cf , 301 9 fl 22 9, 22 cf , 3011 13 W 22 9, 17 cf Nr. 28 8 Tage 20 9, 31 cf , 29 9 , 32 9, 42 cf Überreife cf 52 9 , 73 cf Überreife 9 137 9, llSp^ 189 9, 191 cf In der voranstehenden Übersicht sind die Ergebnisse der Raupenkulturen 30 a und 30 b nicht aufgenommen, w'eil sich nach- träglich nicht mehr feststellen ließ, wie sie sich auf die Kulturen verteilen. In ihrer Gesamtheit ergaben sie 57 9, 49 cf. Es liegt kein Grund vor, sie von der Endsumme der im Zimmer gehal- tenen Überreifekulturen auszuschließen. Zählt man sie dazu, so würde man die Zahl 246 9 : 240 cf erhalten, also abermals ein ganz normales Geschlechtsverhältnis. Höchstens könnte man in- sofern an eine Veränderung des Sexualitätsverhältnisses denken, als bei geringeren Graden der Überreife (Nr. 28 und 33) die Männchen überwiegen, bei höheren Graden (Nr. 27, 301, 3011) die Weibchen. Aber die Unterschiede sind nicht sehr ausge- sprochen, zumal, wenn man bedenkt, daß es sich in allen Kul- turen nicht um große Zahlen handelt. Außerdem macht auch die Kultur 25 eine Ausnahme, indem trotz geringer Überreife die Weibchen die Männchen an Zahl übertreflfen. Dagegen fällt ein anderer Unterschied in den Kulturen sehr in die Augen, das ist der Unterschied zwischen den Wärme- und Kältekulturen. Addiert man sämtliche Wärmekulturen einschließ- lich der männlichen Uberreifekulturen (Nr. 29), so erhält man Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 241 247 9, 245 cf, also fast genau das Verhältnis 1:1. Ganz anders verhalten sich die Kältekulturen. Addiert man hier alle von mir erzielten Zahlen, so stehen 498 9 249 cf gegenüber, somit ein Verhältnis von 2:1, was aus folgenden weiteren Gesichtspunkten noch mehr Beachtung verdient. Die in Betracht kommenden Zahlen sind sehr bedeutend. Ferner herrscht eine auffallende Pro- portionalität zwischen den Raupen und den Schmetterlingen einer und derselben Kultur. Ich verweise in dieser Hinsicht besonders auf die Kulturen 4, 15b; auch Kultur 8 wäre hier zu nennen, bei der männliche Überreife vorliegt. In allen diesen Fällen ist die Zahl der Weibchen erheblich über die Norm gesteigert. Für die Ansicht, daß Züchtung bei niederen Temperaturen die Entwicklung des weiblichen Geschlechts begünstigt, hat sich auch Seiler auf Grund seiner Untersuchungen an Psychiden aus- ge.sprochen. Er fand bei diesen im weiblichen Geschlecht hete- rozygoten Schmetterlingen infolge von Kälteeinwirkung das Ge- schlechtschromosom häufiger als unter gewöhnlichen Verhältnissen in den Richtungskörper übergewandert, was zur Folge hat, daß Weibcheneier entstehen. Er bringt somit die Geschlechtsumstim- mung mit den Reifeteilungen in Zusammenhang. Ob das richtig ist, lasse ich zunächst unentschieden. Die Deutung würde es nicht erklären, daß auch dann, wenn die Männchen vor der Begattung niederen Temperaturen und Überreife ausgesetzt werden, eine Zu- nahme der Weibchen eintritt, wie die Kulturen 8 und 9 b, nament- lich die erstere, erkennen lassen. Mir sind überhaupt Bedenken gekommen, ob nicht die Bewirkungen, die wir zur Erklärung meiner Züchtungsresultate heranziehen müssen, komplizierterer Natur sind. Ich mache diesen Einwand mit Rücksicht auf die Züchtungsresultate, welche ich im Laufe des verflossenen Sommers erzielt habe, auf deren Mitteilung ich noch kurz eingehe. Kulturen im Jahre 1922 angesetzt und im Jahre 1923 abgeschlossen. Das im Jahre 1922 erzüchtete Material an Schmetterlingen habe ich im Sommer 1922 noch einmal zu Überreifekulturen be- nutzt. Für die Kältekulturen wandte ich abermals eine nahezu konstante Temperatur von 10 — 12° C. an. Die Zimmertemperatur variierte, betrug im Durchschnitt 21° C. und war somit im all- 242 R. Hertwior gemeinen niedriger als im Jahre zuvor. Die erzielten Gelege waren zunächst im Zimmer aufbewahrt worden, was zur Folge hatte, daß schon im Januar einige Raupen zu schlüpfen begannen. Es handelte sich nur um wenige Individuen der Kulturen 6 b (12 Tiere), 2 a (3 Tiere), 33 (4 Tiere). Ein weiteres Umsichgreifen des Übelstandes konnte durch Übertragung des Materials in den Eisschrank vermieden werden. Da das Frühjahr sehr milde war und die Weißdornhecken anfingen, auszuschlagen, schnitt ich am 15. März aus den Gelegen 1, 5, 6, 7 (männliche Überreife), 23, 29, 30, 32, 33, 36, 38, 39, 40, 41 (weibliche Überreife) und den Normalkulturen 16 und 17 kleine Stücke heraus, brachte sie in Zimmertemperatur und veranlaßte so das Ausschlüpfen der Raupen. Von diesen lieferten die Kulturen 1, 30, 32, 38, 40, 41 keine Raupen, was aber nicht auffällig ist, da die betreflfenden Gelege auch später erfolglos waren. Die Hauptmasse des Gelegemate- rials wurde zunächst in der Kälte belassen und erst am 23. April in das Zimmer überführt. Die Frühkulturen wurden sämtlich auf dem Raupenstadium am 24. April abgetötet. Die Ende April angesetzten Kulturen mußten, so weit sie sich als entwicklungsiahig erwiesen, was bei einem großen Teil nicht zutraf, mit Rücksicht auf ihre meist enorme Individuenzahl (in einem Fall nahezu 500 Raupen aus einem Gelege) stark reduziert werden bis zu 7* ursprüng- lichen Bestandes, in einigen Fällen sogar in noch höherem Maße. Die Reduktion erfolgte nicht gleich von Anfang an, sondern erst, nachdem die Raupen eine Zeit lang gefressen und so ihre Ent- wicklungsfähigkeit bewiesen hatten. Auch bei der Geschlechts- bestimmung wurden die Raupen nicht gleich sämtlich abgetötet, sondern in Zwischenräumen in demselben Maße, als das Nahrungs- bedürfnis der Raupen und die Knappheit des Futters es nötig machten. Ein Unterschied zu den vorjährigen Kulturen bestand ferner darin, daß nicht gleich von Anfang 2 Partien einer Kultur getrennt be- handelt wurden: eine, welche sukzessive auf dem Raupenstadium abgetötet, und eine zweite von 50 Individuen, welche bis zur Verpuppung und zum Ausschlüpfen der Schmetterlinge fortgeführt wurde. Vielmehr wurde eine einheitliche Kultur angesetzt, aus der in größeren oder geringeren Abständen Raupen abgetötet wurden bis auf einen Rest, der dann zum Züchten von Schmetter- Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 243 lingen diente. Dieses vereinfachte Verfahren wurde angewandt, um bei der großen Zahl der angesetzten Kulturen die Zuchten nicht auf zu viele Behälter zu verteilen. Sonst ist die im Vor- jahr benutzte Methode vorzuziehen; sie erlaubt die Zuchtresultate der Raupen- und der Schmetterlingskulturen besser miteinander zu vergleichen, da bei frühzeitiger Halbierung der Raupenmasse die beiden so gewonnenen Zuchten ein gleichförmigeres Material dar- stellen, als wenn die Schmetterlingszucht aus dem Rest des Raupen- materials stammt. Um der zu befürchtenden Ungleichmäßigkeit mög- lichst vorzubeugen, bin ich bemüht gewesen, beim Abtöten der Rau- pen jegliche Selektion zu vermeiden. Ich trug Sorge, daß bei jeder Abtötung alle Größen vertreten waren; nur die allerkleinsten Rau- pen, welche hei der Geschlechtsbestimmung Schwierigkeiten gemacht haben würden, wurden zunächst geschont. Die Zahl derartiger Spät- linge in der Entwicklung war aber eine so geringe, daß die Resultate der Geschlechtsbestimmung dadurch nicht getrübt werden konnten. Trotzdem Selektion nach Möglichkeit vermieden wurde, ließ es sich bei der geringen Anzahl der zum Abtöten herausgenom- menen Tiei-e (10 — 30) nicht erzielen, daß das für die Gesamt- kultur geltende Sexualverhältnis in jeder Abtötung auch nur an- nähernd gleich war. Vielmehr stellten sich, wie die folgende Zusammenstellung ergibt, ganz gewaltige Schwankungen heraus, ein Zeichen, welchen geringen Wert kleine Stich pi'oben für Be- stimmungen des Sexualverhältnisses haben. Verteilung der Geschlechter auf die Einzelabtötungen der Gelege. 2 a. 25.7. 7 9, 2 b. 8.6. 10 9, 10 cf 3 a. 3. 6. 179, 13 rf 8. 6. 14 9, 6cf 11.6. 79, 8cf 7. 6. 159, 15 cf 9. 6. 14 9, 9c/’ G 12. 6. 49, icf G 12.6. 19, 5cf 35 9, 20 cf 21 9, 19 cf 33 9, 33 cf 5. 3.6. 69, 13 cf 7. 3.6. 159, 15 cf 12. 28.5. 129, 8cf 9. 6. 20 9, 13 cf 1.6. 12 9, 9cf 25. 6. 49, 9cf 10.6. 9 9, Icf 8. 6. 109, lief 9. 6. 19 9, lief G 11.6. 1 9, 9.6. 21 9, 12 cf 35 9, 28 cf G 89, 6cf G 11.6. 39, 5cf 44 9, 38 cf 61 9, 52 cf 16. 3.6. 17 9, 13 (f 17. 28.5. 89, 4cf 22. 27.5. 89, 21 cf 7. 6. 119, 8cf 12.6. 6 9. 5cf 1.6. 14 9, 7cf 12. 6. 89, 7cf 28. 6. 119, 9. 6. 11 9, 7cf 36 9, 28 cf 20. 6. 49, 7cf G 11.6. 29, Icf 29 9. 20 rf 14. 6. 129, 13 cf 20. 6. 89, 3cf 56 9, 52 cf 244 25. 1.6. 7 9, 22 cf 7.6. 16 9, 16 ö" G 7.6. 20 9, , 12.6. 24 9, 6 cf 14.6. 4 9, 6 cf 20. 6. 17 9, 3o" 88 9, 53 cf 33. 27.5. 4 9, 17 cf 9.6. 21 9, 9 cf 14.6. 13 9, 7ö^ G 12 9, 4^ 50 9, 37 cf R. Hertwig 29. 1. 6. 9 9, 11 cf 7.6. 12 9, 9 5' G 35, Icf 24 9, 21 cf 36a. 27.5. 6 9, 4 cf 28.5. 21 9, 8^ 1.6. 16 9, 5cf G 7.6. 7 9, 7 cf 9.6. 10 9, 10 ö" 11.6. 4 9, 6 cf 12.6. 4 9, 4 5" G 18.6. 11 9, 22^ G 18.6. 13 g" 79 9, 79cf 31. 3.6. 11 9, 19 cf 8. 6. 11 9, lOg' 22 9 , 29cf 39. 9. 6. 13 9, 7 cf 18. 6. 119, Og* 18.6. 9 9, lg' 20.6. 10 9, 12 g' 20.6. 14 9, 7 g 57 9 , 46 cf welche nachträglich aus Der Buchstabe G bezeichnet die Raupen, dem Gelege geschlüpft sind, nachdem die Hauptmasse schon die Eischalen verlassen hatte. In manchen Kulturen überwogen in den ersten Abtötungen die Weibchen, in anderen die Männchen. Addiert man einerseits die ersten, andererseits die letzten Abtötungen sämtlicher Kul- turen, so erhält man für jede der beiden Summen ungefähr das gleiche Sexualverhältnis. Immerhin ist es möglich, daß die Männ- chen früher die Eischalen verlassen als die Weibchen. Ich habe darauf bei den ein Jahr früher gezüchteten Kulturen aufmerksam gemacht, bei denen unter den im März verfrüht ausgekrochenen Raupen die Männchen überwogen. Für die diesjährig absichtlich erzüchteten Märzzuchten stimmt das Gesagte nicht; diese waren aber auch unter ganz anderen Bedingungen entstanden. Es war ein aus dem ganzen Gelege herausgeschnittener Teil, der restlos zum Ausschlüpfen veranlaßt wurde, so daß rascher und langsamer sich entwickelnde Formen gleichmäßig zur Geschlechtsuntersuchung gelangten. Zwar ergab das Märzmaterial im großen und ganzen relativ mehr Männchen als die für die spätere Aufzucht ver- wandten Teile der Gelege. Aber der Unterschied ist zu gering- fügig, als daß man auf ihn größeren Wert legen sollte. Auch zwischen vorderem und hinterem Ende eines Geleges konnte ich bei getrennter Aufzucht beider keine erheblicheren Unterschiede feststellen. Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 245 Anders steht es mit Unterschieden, die sich im zeitlichen Ausschlüpfen der weiblichen und männlichen Schmetterlinge er- geben. Diese sind sehr auffällig. Ich habe in der folgenden Tabelle die vor und die nach dem 17. Juli ausgeschlüpften Schmetter- linge getrennt aufgeführt. Addiert man sämtliche Zahlen der Überreife- und Normalreifekulturen, so stellt sich das Sexualver- hältnis für die ersteren 83 9 : 135 cf, für die letzteren 178 9 : 95 cf, mit anderen Worten: in der ersten Periode schlüpfen erheblich mehr Männchen als Weibchen aus der Puppe aus; die männlichen Schmetterlinge haben im allgemeinen eine kürzere Puppenruhe als die weiblichen. Dieser Unterschied ist leicht verständlich, wenn wir den Entwicklungsgrad der Gonaden berücksichtigen. Die Ovarien der Raupen sind auffällig klein. Ihr Wachstum und ihre Ausgestaltung fällt somit hauptsächlich in die Zeit der Puppen- ruhe und trägt zur Verlängerung derselben bei. Bei Störungen der Eiablage, wie sie durch Überreife herbei- geführt werden, kommt es fast stets vor, daß eine größere oder geringere Anzahl Eier verspätet abgelegt werden. So können, nachdem das Hauptgelege in durchaus normaler Weise gebildet worden ist, 2 — 8 Tage später noch kleinere Eierhäufchen ent- stehen, oft sogar mehrere. In der Regel liefern solche Spätlinge keine Raupen, so bei den Kulturen 5 b (Überreife des normalen Geleges 6 Tage, der späteren Ablagen 14 — 16 Tage), 6 a (Über- reife 6 Tage, resp. 17 Tage), 21 (Überreife 8 Tage resp. 14 bis 16 Tage), 23 (Überreife 11 Tage, resp. 17 Tage), 29 (Überreife 11 Tage resp. 16 Tage), 32 (Überreife 12 Tage resp. 16 Tage), 36 (Überreife 14 resp. 16 Tage), 37 (Überreife 15 resp. 16 Tage). Von diesen Kulturen waren 5 b und 6 a Zimmerkulturen mit männ- licher Überreife, die übrigen Kältekulturen mit weiblicher Über- reife. Selten entwickelten sich die nachträglich abgelegten Ei- portionen, so bei Kultur 7 (Überreife des cf 6 Tage). Hier schlüpften noch 3 9 und 5 cf aus, obwohl die Überreife auf 8 bis 14 Tage gestiegen war. Die Nachgelege von 22 (weibliche Überreife bei Kälte 9 Tage) lieferten sogar 12 9, 13 cf; bei ihnen war die Überreife auf 11 — 14 Tage gestiegen. Auf der Grenze der Entwicklungsmöglichkeit stand das Nachgelege von Kultur 39. Als es abgelegt wurde, war das betreffende Weibchen 18 Tage alt. Das Nachgelege enthielt 9 embryonierte, nicht geschlüpfte Sitzangsb. d. matb.-phys.Kl. Jahrg. 1923. 17 246 R. Hertwi«’ Eier. Zwei Eier waren geschlüpft; die ausgekrochenen Raupen waren aber schwächlich und entwicklungsunfähig. Hier war aber auch das Hauptgelege nicht mehr vollkommen entwicklungsfähig gewesen. Ich untersuchte nur den dritten Teil desselben genauer. In ihm fanden sich 7 Raupen, die sich aus dem Schwamm nicht hatten herausarbeiten können, außerdem 60 Eier, die noch Raupen enthielten, von denen einige schon während der Entwicklung ab- gestorben waren. Daß nicht alle Eier eines Geleges sich entwickeln, kommt übrigens auch bei Schmetterlingen vor, bei denen keine Störung der Eiablage durch Überreife gegeben ist. Ein Beispiel ist Kul- tur 17. Das betreffende Gelege hatte ich in 3 Teile gesondert. Die Mitte war zur Märzkultur verwandt worden, die beiden Enden wurden im April getrennt voneinander gezüchtet. Ich hatte dieses Verfahren, wie im vorliegenden so auch in einigen anderen Fällen benutzt, um festzustellen, ob in den einzelnen Abschnitten des Geleges Unterschiede im Sexualitätsverhältnis vorhanden waren, was, wie ich schon oben bemerkt habe, nicht zutrifft. Das hintere Ende lieferte 57 Raupen, von denen 26 auf ihr Geschlecht ge- prüft wurden (14 9, 12 cf). Bei genauer Untersuchung nach Ver- lauf von Monaten stellte es sich heraus, daß 7 Raupen das Ge- spinnst, 36 weitere die Eischalen nicht hatten verlassen können. Fast die Hälfte der Eier hatte somit keine Raupen geliefert. Da die ausgeschlüpften Raupen kein absolut sicheres Bild vom Sexualverhältnis eines Geleges liefern, hatte ich nach dem Ausschlüpfen der Raupen die Reste der Gelege aufbewahrt, um die Zahl der unentwickelt gebliebenen Eier zu bestimmen. Leider wurde meine Absicht vereitelt, indem durch ein Versehen des die Kulturen überwachenden Präparators die meisten der Gelege und zwar besonders diejenigen, von denen ich Raupen gewonnen hatte, vor der Untersuchung weggeworfen wurden. Ich konnte außer den aufgeführten, nur noch folgende Gelege untersuchen. Im vorderen Ende der Kultur 2 a fanden sich 4 nicht geschlüpfte Raupen, im hinteren Ende sogar annähernd 100, von denen ein kleiner Teil im Gespinnst, der größere in den Eischalen einge- schlossen war. Das Gelege 7a enthielt noch 76 Raupen, da- von 12 im Gespinnst, 64 in den Eischalen, das Gelege 12, 10 bis 20 embryonierte Eier, das Gelege 22 a, 15 bräunliche, offenbar Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. 247 unentwickelt gebliebene Eier, die vom gleichen Weibchen stam- menden Spätablagen 22 b, c, d viele bräunliche Eier. Vom Ge- lege 23 waren im Hauptteil noch 23 emhryonenhaltige Eier vor- handen, in dem kleinen 8 Tage später abgelegten Nachgelege 8. In den übrigen noch zur Untersuchung gelangten Gelegen fanden sich keine leeren Eischalen, durch deren Nachweis man die Exi- stenz ausgekrochener Raupen feststellen kann, sondern nur bräun- liche Eier, in denen keine Embryonen nachweisbar waren, die entweder gar nicht befruchtet worden waren, oder sehr frühzeitig ihre Entwicklung eingestellt hatten. Derartige braune Eier fan- den sich auch in Kulturen, welche keine Raupen geliefert hatten ; es sind die Kulturen 1, 3b, 8, 9, 10, 15, 1611, 19, 20, 24, 26, 34, 37, 38, 41. Auch hierbei stellte sich die Merkwürdigkeit heraus, daß Kulturen von gleicher Überreife sich ganz verschieden entwickelten, indem einige gute Zuchtresultate lieferten, andere gänzlich versagten. Am interessantesten ist in dieser Hinsicht Kultur 37. Sie bestand aus zw'ei Geschwisterweibchen, die am gleichen Tag geschlüpft waren und zu denen ich 3 Männchen hinzugesetzt hatte. Beide waren 15 Tage überreif und setzten 2 gut aussehende Gelege ab. Aus dem einen krochen zahlreiche Raupen aus, aus dem anderen gar keine. Das Weibchen, welches die ungünstigen Resultate geliefert hatte, hatte allerdings schon vorher begonnen, Gelegefasern abzusetzen; auch enthielt es nach seinem Tode noch 50 nicht abgesetzte Eier im Leib, während das andere völlig abgelaicht war. Ich komme damit auf einen Punkt zu sprechen, der auch für die Kritik des Sexualverhältnisses von Wichtigkeit ist, ob nämlich ein Weibchen sich seines Eivorrats vollkommen entledigt hat oder nicht. Über diesen Punkt findet man in der folgenden Tabelle die nötigen Angaben, soweit ich die Schmetterlinge dar- auf untersucht habe. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen über den Verlauf der Kulturen 1922/23 kann ich darauf verzichten, die einzelnen Protokolle, wie ich es für 1921/22 getan habe, mitzuteilen, und beschränke mich auf eine tabellarische Übersicht der gewonnenen Resultate. 17* Übersicht der Kulturen im Jahre 1923, geordnet nach Temperatur und Überreife. 248 C 0^ J= o O) 00 jO ö d a u a> Qm B c; o» S S N bjo c 3 S 0) o H I ü 00 Q. Qm 3 d R. Hertwicf d C Q. CO ^3 o p ai oT S bC ’ä53'3 ® OOos 00 m m aj 1) a, 3 3 3 2 a a Sk t.. t. fc. O O O C'l 12; Iz;^ 0)

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J3 J3 -j» ,, O c c> _2 o D bc-g «.-SSrSS rti w ja Q) s ao !2i !> ? 3 K K •- (u 'S •• o O ‘«.a ^ -C «-» ® iS"? 2 ® ic: -j K . .3 3 =g ® e 5 t“0 Qm Qm 3 3 d d - P5 Q3 Q 0^ Qm 3 d -03 C O) Qm 3 d 03 C> CO 00 c Ci Q. 3 d 03 - Q 0) Q. 3 d Q3 - Ci 0 a> Ci Ci 0^ Ci s c c c c s c Q 'S 'S S S 'S a 'S s 1 JaJ 1 J*3 JM <ü Q« — 03 a> Qm Cm D 3 d d b 0 0 00 IM -^^OfO CO 0 ^ CO 0 (M -1 1 1 1 0 CO 11'- i 1 i 1 1 0 CO Ci 0 IN Of IN M O) 0 •qo+o ^cooo Q a> b .1 1 11 0 (M b CO II- 1 i 1 1 1 0 CO b M Of Ci Sbb b b b ^ (7i ^ wM M CO l-M CO c' -. . 1 1 1 1 1 - 1 1 1 1 1 P.OO K) 0 9 r- .a =1 -< »5 t^' l> l>-* 1^ !> Ci r- r» Ci — ' d d ^ d 00 d ja 1-H Dl M (M M M t^' ^ s CÖ CD iO Ci d 06 d d d CO 1^ (M (N 2 <’> l> r»* t> t> t> i> t^’ ^ M t*' Ci — d d — * d 06 lO Oi 00 mM ^ (M (M (M (M cc (M M • t^' !>•' c4 ö d d c6 d (N M Ol CO CD CD CD CD CD CD CD CD 0 — mM 1-^ u d CO ja M Ci 00 Ci iO 0 kC lO CD r* 00 M ^ g’-g-SP-sl^ ’P w ^ cö ® .S C 'S C e =53^ a-s| ® js-g M Z S oS 03 03 «3 ^ C __ 'S oT S ^ bc-" •■-^ fll S CO ^ blD (3> bJD^ a> ü ^ c ® S C 3 ^ a> cd cö c c2 s*s O ptd I> C b£ dJ ^ C3 :ö Sr ® ü .2 O c s o bc e2^:gO ■2 Sd.2 s ^ tä3^ *• 2 pC3 S)’2 wia ® 3 S3 o o 'b'b "b 'b -< «5 >n •-• I I OO o o 00 b Ci» ^ C> d; ^ bo o > O b S «M (> .- .3 c O 'S s a s a •" ^ S?.2 - •g S m -Ö ^ bb OO b o ,b : CC ’O b b 'b bb b b b o> CO 00 1 CO (N kO 00 1 ! 2 io^ 1 - ! o 1 CM- 0+0+ o+ 1 O |o+ (N iC CO 00 ^ O CO . t^ !« S b c c b •4^ ^b :cä o •u O ’S CC d 2 ao O - 0+ \0 c CU « '".sl S.cC^ 2“® -- § o-s^ 1 1 > s -49 C> •o CO a 'w D S 3 cä <1; • “ o 0+ o+ 1 c CM- o 00 CO kO •49 o kO CO • S /-*s b bb b 00 00 o+ 0+0+ o+ .s ^ 0+ oo ^ CO (N ® o 00 t-£ t- 00 00 o 05 ! 1 1 l--* l> b^ b^ b* 05 05 9^ 1 «N r> b»* b b* b r-l 05 05 kO -> 1 kci !> t> b- b^ t» i> t- kC cö b^ 00 00 ^ f-M ^ ^ ^ ^ k-H 1 1 l-H kO kO m 6 a c3 Cö *> CO HH (N eo ■«+' O ^ fH ^ bb 'b kC5 1 1 1 1 1 - 0+0+ o+ CO ^ bb b b ! b CO 00 CD Ol 1 0+0+ o+ o o+ CD 00 C5 CO CD b b b O CD i” 1 I kO 1 - o o+ o+ CO CO 1 Ol 01 Ol b b oi Ol 1 1 Ol 1 1 1. b b o6 d Ol b b oi Ol Ol 1 1 1. b b d Ö Ol R. 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Bei der Beurteilung der Befunde, die ich in voranstehender Tabelle zusammengestellt habe, kann ich mich sehr kurz fassen. Sämtliche weibliche Überreifekulturen bei Zimmertemperatur zu- sammen genommen ergeben 272 9, 204 cf, die Kulturen von männ- licher Überreife 292 9, 250 cf, beide addiert 564 9, 454 cf, somit ein geringes Überwiegen der Weibchen über die Männchen. Die Kältekulturen, bei denen nur die weibliche Überreife berücksich- tigt wurde, lieferten ein ähnliches Resultat 558 9, 529 cf, des- gleichen die im Zimmer geführten Kulturen mit normaler Reife 154 9, 143 cf. In allen Kulturen ergab sich ein geringfügiges Überwiegen des weiblichen Geschlechts. Wie im vorigen Jahre, so haben auch 1923 die Zuchten zum Resultat geführt, daß Über- reife keine Verschiebung der Sexualität zur Folge hat. Auch wenn wir die Einzelbefunde in den drei Überreifeserien uns an- sehen, kommen wir zu dem gleichen Ergebnis. Es sind zwar in den Einzelbefunden Unterschiede vorhanden; diese sind aber sicher zufälliger Natur. Es herrscht bei ihnen keine Proportionalität des Überwiegens des weiblichen Geschlechts zum Grad der Überreife. Soweit haben die Untersuchungen des Jahres 1923 die des Vorjahrs bestätigt, so daß wir das Resultat für gesichert ansehen können: Der Schwammspinner verhält sich der Überreife gegen- über ganz anders als unsere Froscharten. Der Grund hierzu ist wohl in dem verschiedenen Verhalten des Geschlechtsapparats ge- geben. Bei den Fröschen kann man einen scharfen Unterschied zwischen Ovarium und Geschlechtswegen und demgemäß auch zwischen ovarialer und uteriner Überreife machen. Maßgebend für die Geschlechtsverschiebung ist bei ihnen die uterine Über- reife, die Zeit, welche verflossen ist, seitdem die Eier aus dem Ovarium in den Uterus übergetreten sind. Bei den Schmetter- lingen dagegen gehen Eileiter und Ovarien kontinuierlich inein- ander über. Die Eier verweilen bei Überreife im Ovar und pas- sieren nur rasch bei der Eiablage den Eileiter. Dies Verhalten ist eher den Fällen zu vergleichen, in denen das Weibchen spät zur Umklammerung durch das Männchen zugelassen wird. Der- artige ovariale Überreife wird bei Fröschen sicherlich nicht ohne Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Eizellen sein, aber einen 252 R, Hertwig, Einfluß der Überreife der Geschlechtszellen etc. / direkten Einfluß auf das Sexualitätsverhältnis hat sie nach meinen Untersuchungen nicht. Denn das Sexualitätsverhältnis ist das gleiche, gleichgiltig, ob man Frösche aus dem Anfang oder dem Ende der Brunstperiode untersucht, ob die Entleerung aus dem Ovar rasch oder nach langer Dauer der Umklammerung durch das Männchen geschieht. Stehen die Untersuchungen des Jahres 1923 mit denen des Jahres 1922 in Bezug auf die Wirkung der Überreife in voller Übereinstimmung, so herrscht rücksichtlich der Temperaturein- flüsse ein ausgesprochener Unterschied. 1922 hatte sich für die Kältekulturen ein starkes Überwiegen des weiblichen Geschlechts ergeben. Dies gilt nicht für die Ergebnisse des Jahres 1923. Bei ihnen ist eher das Gegenteil der Fall. Der hei allen Kul- turen vorhandene Weibchenüberschuß ist bei den Zimmerkulturen größer als bei den Kältekulturen. Ich muß mich hier begnügen, die Tatsache festzustellen. Eine Erklärung für sie zu geben bin ich nicht im Stande. Angesichts der so klaren Resultate des Jahres 1922 und der gleichlautenden Angaben Seilers möchte ich mich dahin aussprechen, daß der das weibliche Geschlecht befördernde Einfluß niederer Temperaturen zu Recht besteht, bei den diesjährigen Zuchten aber aus unbekannten Gründen nicht zum Auswirken kommen konnte. Benützte Literatur. Crew F. A. E., Sex reversal in frogs and toads. A review of the recorded cases of abnormality of the reproductiv system and an account of an breeding _ experiment. Joum. of genetics, Bd. 2, S, 141 — 181, 1921. Hertwig R., Über den Einfluß der Überreife der Eier auf das Geschlechts- verhältnis von Fröschen und Schmetterlingen. Sitzungsber. d. Bayer. Akad. d. Wiss., Jahrg. 1921, S. 269. Ko eh 1er Otto, Über den Einfluß des Keimzellalters auf die Vererbungs- richtung. Biolog. Zentralbl., Bd. 43, S. 131. Seiler J. , Geschlechtschromosomen-Untersuchungen an Psychiden. I. Ex- perimentelle Beeinflussung der geschlechtsbestimmenden Reifeteilung bei Talaeporia tubulosa. Arch. f. Zellforsch., Bd. XV, S. 249. WitschiE., Der Hermaphroditismus der Frösche und seine Bedeutung für das Geschlechtsproblem und die Lehre von der inneren Sekretion der Keimdrüsen. Arch. Entw.-Mech., Bd. 49, S. 316 — 358. — Über die genetische Konstitution der Froschzwitter. Biol. Zentralbl., Bd. 43, S. 83. 253 Ergebnisse der Bearbeitung mitteltertiärer Wirbeltier- Reste aus Deutsch-Südwest-Afrika. Von E. Stromer. Vorgetragen in der Sitzung am 1. Dezember 1923. In den Diamantfeldern des Lüderitzlandes wurden von den Herren Prof. E. Kaiser und Diplom-Ingenieur Dr. Beetz zahl- reiche Reste Land- und Süßwasser bewohnender Wirbeltiere ge- funden, mir nach und nach zur Bearbeitung übergeben und der paläontologischen Staats-Sammlung in München geschenkt. Über einen kleinen Teil habe ich hier schon eine erste Mitteilung ver- öffentlicht (1. Mitteilung über tertiäre Wirbeltier-Reste aus Deutsch- Südwest-Afrika vom 3. XII. 1921, München 1922, S. 331 — 340); zwei weitere, ganz allgemein gehaltene Artikel sind nach Ein- treffen neuen Materials in der Paläontol. Zeitschr., Bd. 5, S. 226 — 228, Berlin 1923 und in der Umschau, Jahrg. 26, Nr. 46, Frank- furt a. M. 1922 erschienen. Die genaue, mit Abbildungen aus- gestattete Beschreibung wird aber in Prof. E. Kaisers großes Werk „Die südlichen Diamantfelder Südwest- Afrikas“ aufgenommen. Da nun dessen Druck unter den jetzigen Umständen sehr er- schwert und verzögert ist, und eine kurze Übersicht der Ergeb- nisse meiner umfangreichen und seit längerer Zeit fertig gestellten Arbeit erwünscht erscheint, möchte ich sie hier darbieten. Die Ausbeute, welche fast nur aus einzelnen Knochenstücken, Kieferteilen und Zähnen, selten aus vollständigeren Resten be- steht, wurde in tonig-sandigen Schichten an drei weit getrennten Fundorten gemacht, die der Kürze halber im folgenden als 1, 2 und 3 bezeichnet werden, nämlich : 1. in Wannen der Elisabeth- felder etwa 38 km südlich von Lüderitzbucht, 2. im Langentale 254 E. Stromer etwa 80 km südlich dieses Ortes und 3. in 30 m Tiefe eines Bohrloches 2 km westlich des Betriebes 4 der kolonialen Berg- bau-Gesellschaft etwa 20 km südlich von Lüderitzbucht. Alle Fundplätze sind also nahe der Küste in der fast wasserlosen Na- mib (Küstenwüste) gelegen. Es handelt sich um folgende Formen: I. Creodonta, A. Hyaenodonüdae: Metapterodon Kaiseri n. g. n. sp., eine Schädelhälfte mit Metacarpale II von 1. Etwas kleiner als ein Fuchs. Schädel gestreckt, schmal; For. infra- orbitale über der Grenze des P 3 und P 4, dahinter starker Wulst bis zum Jochbogen. Harter Gaumen schmal, bis weit hinten ge- schlossen, Pterygoidea hoch bis Unterkiefergelenk, Zahngröße von P 3 bis M 2 stark zunehmend, M 2 Brechscheerenzahn. P 3 ein- fach, zwei wurzelig, P 4 — M 2 dreiwurzelig, mit deutlichem Innen- höcker, einem einfachen Haupthöcker, davor winziger Parastyl, außen Cingulum, hinten bei P 4 Höckerchen, bei M 1 und 2 schneidender Metastyl. M 3 rudimentär, stiftförmig. Metacar- pale II ohne Gelenkfläche für Carpale I, ungewöhnlich lang und schlank. Die Form ist jedenfalls von allen bisher bekannten Hyaeno- dontinen deutlich verschieden und läßt sich am besten von einer dem Apterodon des ägyptischen Oligocäns ähnlichen ableiten. Ihre Backenzähne schließen sich noch am besten an die von Ptero- don an, Hyaenodon selbst sowie Neohyaenodon aber sind in ihnen und in der Länge des harten Gaumens noch weiter spezialisiert. Injder Länge der Metapodien steht Metapterodon am höchsten. Es war wohl ein sehr guter Läufer. B. g. et sp. indet. Kleines Unterkieferstück mit einem M von 1. Es läßt sich nicht einmal entscheiden, ob hier der Rest eines creodonten oder fissipeden Carnivoren vorliegt. II. Perissodactyla, Rhinoceridae: Rhinocerine g. et sp. indet. Unterkieferstücke aus 2. So groß wie Rh. simus, aber in den Zahnformen verschieden, Backenzähne mäßig hochkronig. III. Artiodactyla, A. Suidae: Diamantohyus africanus Stromer (1922, S. 332) Oberkiefer mit P 3, Ml und M 2 und wenige Fußknochen aus 2. Klein, primitiv. Backenzähne niedrig mit .sehr runzeligem Schmelz. P 3 länger als breit mit drei stark ab- Siehe meine erste Mitteilung 1922, S. 331 ff. über einen ersten Teil dieser Funde! Ergebnisse der Bearbeitung mitteltertiärer Wirbeltier-Reste. 255 geplatteten Höckern in Dreieckstellung. M 1 und 2 rechteckig, wenig länger als breit, primitiv vierhöckerig; zwei Auhenhöcker mit , Gipsnähten“, zwei fast halbmondförmige Innenhöcker, keine Zwischenhöckerchen, Cingulum stark außer an Innenseite. Zweite vordere Zehe wahrscheinlich schwach; Talus und Cuboideum sehr gestreckt, denjenigen primitiver Selenodonten ähnlich. Aff. Palaeochoerus Pomel, subg. Propalaeochoeriis Stehlin, sp. indet. Unterkieferstück mit M 2 und 3 und Oberhälfte des Meta- carpale III aus 2. Klein, primitiv. MM im wesentlichen wie bei Propalaeochoerus aus den oligocänen Quercy-Phosphoriten Frank- reichs. Metacarpale III so groß wie bei Diamantohyus, aber deut- lich in Form verschieden. Die Ähnlichkeiten der Backenzähne der ersten Gattung mit denen von Dicotylinen und manchen Suinen des europäischen Mitteltertiärs scheinen nicht auf unmittelbarer Verwandtschaft, sondern auf dem gemeinsamen Besitz primitiver Merkmale der Suiden zu beruhen. Mit den rezenten Suiden Afrikas läßt sich ebenfalls keine Beziehung herstellen. Bei der zweiten Form da- gegen wäre eine solche zu Potaraochoerus immerhin möglich, die Reste reichen aber dazu nicht aus, hierüber oder auch über die Frage, ob wirklich das primitivere Subgenus des Palaeochoerus vorliegt, einige Sicherheit zu gewinnen. Jedenfalls ist sehr be- merkenswert, daß eine stammesgeschichtlich so wichtige, primi- tive Schweineform wie Palaeochoerus in Südafrika gelebt zu haben scheint. B. Änülopidae: Cfr. Strogulognathus sansaniensis Filhol. Eine Anzahl in Größe und Form zusammenpassender Skelettstücke und Unterkieferstücke mit M 2 und 3 sowie unvollständige obere MM aus 2 und ein Zehenglied aus 3 gehören wohl zu einer Art von etwas über Gemsengröße. Ihre MM sind niedrig, vierhöckerig und selenodont. Der Schmelz ist glatt, der untere M 2 deutlich länger als breit, der untere M 3 mit nur kleinem Anhang ver- sehen. Die Innenwand der unteren MM besitzt Wölbungen und Nebenhöckerchen. Am Dens des Epistropheus ist die Zapfenform noch angedeutet. Die Füße sind adaptiv gebaut. Das vordere und hintere Kanonenbein ist sehr dick, besonders das 3. Metapodium hinten, die Trennungsfurchen der Metapodien sind noch sehr deut- lich, untere Gelenkkiele aber gut ausgebildet. Die Zehen sind 256 E. Stromer kurz, die zweiten Glieder unten schmal, ebenso die obere Gelenk- furche des Talus. Das Cubonaviculare endlich zeigt deutliche V er wachsungs-Spuren. Die Form besitzt in ihrem Unterkiefer noch am meisten Ähnlichkeit mit dem sehr unvollkommen bekannten Strogulo- gnathus aus dem Obermiocän Frankreichs, und ließe sich wohl von solchen Selenodontia, wie den Gelociden des europäischen Oligocäns ableiten, reiht sich aber wahrscheinlich wie jener unter die primitiven Antilopiden ein. Propalaeoryx austroafricanus n. g. n. sp. Gezahnter Unter- kiefer von 1. Etwa so groß wie bei dem Damhirsche. Vorder- zähne schmale Schaufeln. Reihe der PP fast so lang als die der MM. Schmelz runzelig. Vier zweiwurzelige PP, etwa doppelt so lang als breit, ohne Innenwand oder besonderen Innenhöcker, aber hintere PP mit je 2 Kulissen vor und hinter dem gestreckten Haupthöcker. MM nicht hoch, sehr deutlich gestreckt. Ihre Außen- höcker V-förmig, außen vorn Cingulum, nur am M 1 deutliche Basalknospe. Innenwand aus zwei platten, nicht tief getrennten Höckern ohne Rippen, hinter jedem ein Pfeilerchen. Lohns des M 3 breiter als lang mit V-förmigem Außenhöcker. Vielleicht gehören einige wenige Knochenstücke hieher, die vereinzelt in 1 gefunden wurden. Palaeoryx Stuetzeli Schlosser aus dem Unterpliocän von Samos gleicht dieser Form in den P 2 — P 4, nicht aber in den MM und in der Schmelzrunzelung. Andere Antilopiden sind noch mehr verschieden. Die miocänen Cerviden besitzen die Palae- omeryx-Falte und die Giraffiden einen Innenpfeiler am P 3 und P 4. Besonders bemerkenswert gegenüber all diesen ist das Vorhanden- sein eines noch zweiwurzeligen P 1, der schon bei den oligocänen Gelociden stärker rückgebildet zu sein pflegt. Auffällig ist auch die starke Streckung sämtlicher P P. Es scheint also ein in Manchem besonders primitiver Antilopide vorzuliegen. Fußnochen meist kleiner Artiodactyla aus 2 können zu keiner der hier beschriebenen Formen gehören; sie sind nicht näher be- stimmbar und erweisen nur das Vorhandensein einer größeren Mannigfaltigkeit von Artiodactylen in 2. IV. Hyracoidea, Hyracidae: Prohyrax tertiarim n. g. n. sp. Ein linker Oberkiefer mit P 3 — M 3 aus 2 und eine nahe dabei Ergebnisse der Bearbeitung mitteltertiärer Wirbeltier-Reste. 25 i gefundene Spitze eines oberen I gehören zu einem Tier etwa von der Größe des Palaeotherium parvulum Laur., also zu einem statt- lichen Hyraciden. Der Hinterrand des Jochbogenansatzes liegt ober dem M 3, der Vorderrand der Augenhöhle ober dem M 1. Zahnschmelz glatt und, wie normal bei Hyracoidea gegenüber fast allen Placentalia, voll Dentinröhrchen; Backenzahnkronen mäßig hoch. Hintere 2 obere PP und MM vierwurzelig und lophodont. PP kleiner und einfacher als MM, diese mit W-för- miger Außenwand. Schräge zwei Querjoche einfach, Cingulum zum Teil stark. Oberer I wahrscheinlich gerade, hohe Spitze mit drei verschieden scharfen Kanten. Die Form vermittelt zwar in der Lage der Augenhöhle zwi- schen den oligocänen und rezenten Hyracoidea Afrikas, läßt sich aber weder von einem bekannten oligocänen ableiten, noch als Vorfahre eines rezenten ansehen. Die Höhe ihrer Backenzähne spricht für einen Steppenbewohner; solche haben sich also bei dieser Tiergruppe nicht erst in jüngster Zeit herausgebildet, wie fälschlich vermutet wurde. V. Myohyracoidea n. subordo, Myohyracidae : Myohyrax Os- waldi Andrews. Einige obere und untere Molaren, Unterkiefer- stücke und vielleicht auch Bruchstücke von Extremitätenknochen aus 3 gehören nach Form und Größe zusammen und zu der Art, die aus dem Untermiocän des Victoria-Sees nach einem mit P 2 — Ml versehenen Unterkieferstück und oberem Backenzahn be- schrieben wurde. Ein Unterkieferstück erweist das Vorhandensein einer völlig geschlossenen Zahnreihe, seine niedrige Symphyse endet unter dem P 1, auf der sehr wenig gewölbten Außenseite liegt in Mitte der Höhe unter dem P 1 und P 3 je ein For. mentale. Myohyrax Doederleini n. sp. Eine Anzahl von Zähnen, be- zahnten Kieferstücken und Knochenstücken in fossilen Gewöllen von 1 beisammen gefunden gehören einer Art an, die etwas kleiner als die vorige ist und innen am Vorderpfeiler der unteren MM eine viel schwächere Falte hat als sie. Etwa von Rattengröße. Praemaxillae mit langer Mediannaht. Gaumen bis mindestens M 2 geschlossen, Jochbogenansatz ober M 1 — 2. Unterkiefer gestreckt, niedrig, außen sehr wenig gewölbt, mit Querrollengelenk, deut- lichem Kronfortsatz und niedriger kurzer Symphyse. Oben wie unten 3 platte, innen schmelzlose, ziemlich nach vorn gerichtete 1 1; 258 K Stromer I 1 vergrößert, I 3 am schwächsten. Oberer C unbekannt, unterer schwach. Schmelz der Backenzähne, wie normal bei Placentalia, ohne Dentinröhrchen, glatt. Backenzähne deutlich länger als breit, besonders untere; letzter zu primatischem Stift reduziert. Mindestens 3 PP da, hintere M-artig. Untere Backenzähne zwei- wurzelig, oben PP drei-, MM vierwurzelig; vordere Kronen mäßig hoch, hintere immer höher, unten fast prismatisch werdend. Obere Backenzähne bis M 2 größer werdend, viereckig, lophodont; Außen- wand mit 2 — 4 Rippen, zwei schräge Querjoche mit je zwei Schmelzinseln. Untere bis P 4 länger werdend, schmal, durch je zwei opponierte Querfalten in ziemlich gleiche, gerundet drei- eckige Vorder- und Hinterhälfte geteilt; Rückseite und Innenseite der Vorderhälfte nicht konvex, sonst konvex umgrenzt. Atlas mit For. obliquum und langem Canalis transversus, aber vordere Kerbe des gut entwickelten Seitenflügels nicht über- brückt. Epistropheus mit zapfenförmigem Dens. Lendenwirbel mäßig gestreckt. Sacrum vorn breit. Schwanz wohl ausgebildet. Scapula mit starkem Proc. coracoideus. Humerus gerade mit For. entepicondyloideum und supratrochleare, nicht starken Muskel- höckern, unten mit Rollengelenk. Radius nicht um Ulna rotier- bar, oben nicht dick. Metacarpalia getrennt und schlank, Zehen wohl bekrallt. Femur mit rundem Kopf und starkem Troch. major und minor. Fibula nicht bis zum Fuß. Talus oben mit ausgefurchter Rolle, unten mit einfachem Kopf an gestrecktem Hals. Calcaneus mit langem Tuber; Cuboidgelenkfläche quer ge- stellt, Sustentaculum wohl entwickelt. Metatarsalia getrennt, sehr schlank. Zehenkrallen spitzig, etwas gekrümmt. Protypotheroides Beeid Stromer (1922, S. 333) Unterkiefer- stücke mit P 2 — M 3 aus 2. Etwa von Kaninchengröße. Unter- kiefer mäßig hoch, vorn niedrig werdend. Drei MM und min- destens drei PP in geschlossener Reihe, gleichartig. P 2 sehr hochkronig und schmal, zweiwurzelig, die anderen Backenzähne sehr wenig nach außen gebogene Prismen. Zahngröße vom P 4 an nach hinten zu geringer. M 3 nur ein Pfeiler, die anderen Zähne je zwei gleichartige Pfeiler mit Schmelzgrube in Mitte. Außenseite der Pfeiler stark gewölbt, innere flach und außer am P 2 und M 3 mit einer schwachen vorderen Falte. Meine Vermutung (1922, S. 333), daß Protypotheroides seinen Ergebnisse der Bearbeitung initteltertiärer Wirbeltier-Reste. 259 nächsten Verwandten in Myohyrax habe, wird durch die Unter- suchung des nun viel reicheren Materials nur bestätigt; er läßt sich auch in seiner Größe und der mehr prismatischen Ausbil- dung und Gleichartigkeit seiner Backenzähne als höher spezia- lisiert erkennen. Jedenfalls gehört er zu der von Andrews (1914) für Myohyrax aufgestellten Familie der Myohyracidae. Für sie ist aber eine neue Unterordnung zu errichten. Myohyracoidea. Kleine Pflanzenfresser mit vollständigem Ge- biß in wahrscheinlich geschlossener Reihe. Zahnformel wahr- scheinlich primitiv, Oben wie unten I 1 vergrößert, M 3 aber zu einem Stift reduziert. 1 1 stark nach vorn gerichtet, innen ohne Schmelz. Dieser glatt und ohne Dentinröhrchen. Unterer C schwach, oberer wohl auch. Backenzähne homöodont, untere zwei wurzelig, oben PP drei-, MM vierwurzelig. PP hoch- kronig, MM prismatisch werdend. Obere P 2 — M 2 aus gerader Außenwand mit vier Rippen und aus zwei schrägen Querjochen mit je zwei Schmelzinseln. Untere viel schmaler, durch eine sehr tiefe äußere und innere Querfalte in zwei ziemlich gleiche ge- rundet dreiseitige Pfeiler geteilt, von denen jeder eine sekundäre Schmelzfalte besitzen kann. Skelett sehr unvollkommen bekannt. Unterkiefer gestreckt mit kurzer, niedriger Symphyse, wohl entwickeltem aufsteigendem Aste und Kronfortsatze und Querrollengelenk. Atlas mit For. obliquum, aber offener Kerbe vorn am gut entwickelten Flügel. Epistropheus mit zapfenförmigem Dens. Lendenwirbel mäßig ge- streckt, Sacrum vorn breit, Schwanz wohl lang. Humerus schlank mit schwachen Muskelansatzstellen, Querrollengelenk, For. supra- trochleare und entepicondyloideum. Radius nicht rotierbar, oben nicht dick. Metacarpalia getrennt und schlank, Zehen bekrallt. Femur mit starkem Trochanter major und minor, anscheinend ohne tertius. Fibula nicht bis Fußwurzel. Talus mit ausgefurchter oberer Gelenkrolle, gestrecktem Hals und gewölbtem Kopf. Cal- caneus mit sehr starkem Tuber und kräftigem Sustentaculum ; distal quer abgestutzt. Fuß anscheinend serial. Metatarsalia ge- trennt, sehr schlank. Zehen mit spitzigen gekrümmten Krallen. Die Ähnlichkeiten der Myohyracidae mit Hyracoidea werden durch zahlreiche, zum Teil wesentliche Unterschiede aufgewogen: Bei den Hyracoidea ist nämlich nach neueren von mir veranlaßten 260 E. Stromer Untersuchungen der Schmelz stets von vielen Dentinröhrchen durchzogen, was sich sonst fast nur bei Marsupialia findet; der vordere Gebifiteil ist spezialisierter, der untere I 2 größer als der I 1 ; der M 3 wie auch sonst bei Huftieren größer oder wenig kleiner als der M 2, also nicht reduziert. Die unteren Backen- zähne bestehen wie bei Perissodactyla wesentlich aus zwei ge- krümmten Jochen ohne weitere Komplikation. Der Unterkiefer hat einen stark nach hinten konvexen Hinterrand und, wie sonst nur bei den Lagomorpha, ein For. mandibulare im Vorderrande des aufsteigenden Astes. Am Atlasflügel ist die vordere Kerbe überbrückt, der Dens des Epistropheus ist oben platt, die Lenden- wirbel und der Schwanz sind kurz. Der Humerus hat oben starke Muskelhöcker, unten kein For. entepicond. Der Radius ist oben nicht so platt. Der Talus ist oben weniger ausgefurcht, unten, wenigstens bei rezenten, flach, und hat medial einen sehr be- zeichnenden Absatz für die Tibia am kurzen Hals. Der Cal- caneus besitzt bei rezenten einen kürzeren Tuber und kein Susten- taculum. Die Metapodien endlich sind nicht schlank und statt Krallen sind vorn wie hinten Nägel vorhanden. Beruht auch Vieles auf höherer Spezialisierung der Hyra- coidea, so geht diese doch mehrfach in eine ganz andere Rich- tung als bei den Myohyracidae. Diese können daher weder Ange- hörige noch Vorfahren der Hyracoidea sein, kaum nahe Verwandte. Noch mehr Ähnlichkeit im Gebiß und Skelett besteht zwi- schen den Myohyracidae und den Typotheria, besonders den Pro- typotheriidae des südamerikanischen Tertiärs; aber bei näherem Vergleich beruhen sie großenteils auf gemeinsamem Besitz pri- mitiver Merkmale und werden durch zahlreiche und wichtige Unterschiede aufgewogen. Der obere I 1 der Typotheria ist näm- lich breit, der untere I 2 vergrößert und der vordere Teil der unteren MM kleiner als der hintere. Vor allem sind die Backen- zähne zwar im Kronenbau sehr ähnlich, aber unten nach innen, oben nach außen konvex gekrümmt, und der M 3 ist keineswegs reduziert. An den Praemaxillae ist die äußere Mediannaht kurz, der Unterkiefer ist hinten höher und hat eine längere, bald verfestigte Symphyse. Dem Humerus, der starke Muskelfortsätze hat, fehlt fast stets ein For. supratrochleare, das Femur besitzt dagegen Ergebnisse der Bearbeitung initteltertiärer Wirbeltier-Reste. 261 einen Troch. tertius. Ini Fuße unterscheiden endlich vor allem die Gelenkung der Fibula mit der Fußwurzel, die schräge Stel- lung der Gelenke für Talus und Cuboideum am Calcaneus, die geringere Schlankheit der Metapodien und die distal unten ver- breiterten oder hufartigen Endglieder. Eine Einreihung der Myohyracidae in die Typotheria und ein gegenseitiges Abstammungsverhältnis erscheint deshalb nicht annehmbar. Die Stellung zu den Condylarthra des ältesten Ter- tiärs Europas und Nordamerikas, au die wegen des Fußbaues und mancher sonstiger primitiver Eigenschaften gedacht werden könnte, ist schon wegen der Spezialisierung der 1 1 und der Backenzähne ausgeschlossen. Die Meniscotheriidae z. B., die neuerdings mit Hyrax in Verbindung gebracht wurden, haben kleine untere 1 1, nicht reduzierte letzte MM, kein For. entepicondyloideum und abgeplattete Endphalangen. Andere Säugetiergruppen aber kom- men schon wegen der eigenartigen Bezahnung der Myohyracidae nicht in Betracht. VI. Eodentia duplicidentata, Ochotonidae : Austrolagomys in- expectatus n. g. n. sp. Schädel mit Unterkiefer von 1. Etwas größer als Ochotona alpina Pallas. Unterer I im Querschnitt ein gerundetes gleichseitiges Dreieck mit Schmelz auch an den Seiten. Backenzahnformel Oben P 2 zu einfachem Stift rückge- bildet, P 3 breit, dreieckig mit zwei schwachen Falten außen und einer innen; P 4 — M 2 kleiner werdend, gleichartig, breit vier- eckig mit langer schmaler mittlerer Innenfalte, aber ohne äußere. Unten P 3 viereckig, breiter als lang, vorn schmal, nur innen mit kleiner Falte; P 4 — M 2 aus je zwei querovalen Pfeilern, die innen und außen durch eine tiefe Falte getrennt sind, kaum breiter als lang; M 3 ein schmalerer, querovaler Pfeiler. In ihrer Größe und in der Vereinfachung und Verkleinerung des P 2 und der PP 3 ist diese Form am höchsten unter allen Ochotoniden spezialisiert, Prolagus nur in der völligen Rückbildung des unteren M 3 noch mehr. Wie alle anderen ließe sie sich aber wohl von Titanomys aus dem europäischen Mitteltertiär ableiten. VII. Rodenia simplicidentata , Ä. Pedetidae: Parapedetes namaquensis n. g. n. sp. Mehr oder minder vollständige Skelett- reste von 1. Pedetes ähnlich, aber von Eichhorngröße und in vielem primitiver. Schädel ebenfalls mit großem, hohem For. infra- Sitzungsb. d. math.-phys. Kl. Jahrg. 1923. 1 8 262 R. Stromer orbitale, und harter Gaumen nur bis Grenze von M 1 und M 2 ; aber gestreckter und niedriger, ohne Fossae pterygoideae und knöcherne Gehörgänge. Unterkiefer-Symphyse nicht fest, Mas- seterleiste von P 4 an zu dem weit rück-, aber wenig abwärts ragenden Angulus, der außen am Unterrand entspringt. Gelenk nicht hoch über der Zahnreihe, Kronfortsatz wohl entwickelt, breit. Nagezähne viel dicker als breit, obere vorn mit mesialer Kante. Vier gleichartige, prismatische Backenzähne, obere nach innen, untere nach außen konvex gekrümmt, alle etwas breiter als lang und mit nur einer mittleren schmalen und sehr tiefen Querfalte von außen bis nahe zum Innenrande. Zahnwechsel spät. Dm mit Wurzeln, sonst wie P 4. Hals und Brustregion kurz, 7 sehr starke Lendenwirbel, antikline Region weit vorn, Antiklinie sehr ausgeprägt. Drei Sakral- wirbel, 2. und 3. mit schwachen Querfortsätzen; Schwanz lang. Humerus klein mit starker dünner Crista deltoidea und supina- toria und For. entepicondyloideum. Unterarm ganz wenig länger; Hand unbekannt. Hinten sehr kräftige Sprungbeine. Becken mit längsovalem For. obturatum; Femur über doppelt so lang als Humerus, mit sehr starken oberen Muskelhöckern, Tibia fast ein Drittel länger als Femur, im Alter mit Fibula verwachsen. Fuß- wurzel nicht gestreckt, serial. Vier bekrallte Zehen, 3. und 4. fast gleich lang, 2. kürzer, 5. viel schwächer. Daß diese Form mit dem rezenten Pedetes Südafrikas ver- wandt ist, läßt sich kaum bezweifeln, sie kann aber, obwohl in Vielem primitiver, wohl nicht der unmittelbare Vorfahre sein, denn dagegen spricht die Kante der oberen Nagezähne, die um- gekehrte Lage der Falte der unteren Backenzähne und die mehr paraxone Ausbildung der Hinterfüße. Die Stellung von Pedetes im System der Nagetiere ist nun eine sehr isolierte und bisher strittige. Parapedetes ermöglicht jetzt vielleicht doch eine An- knüpfung an Formen des westeuropäischen Mitteltertiärs, Issiodo- romys und Nesokerodon, wenigstens im Bau der Backenzähne. Bei letzterem haben sie mehrere Falten, die dann wohl im Laufe der Entwicklung, wie mehrfach bei Nagetieren anzunehmen ist, rückgebildet wurden. Vor allem hat Nesokerodon oben wie unten eine mittlere Querfalte außen und innen. Man kann nun ver- muten, daß oben bei den Pedetiden die innere, bei Issiodoromys Erüber die Klassensitzungen vom Januar bis März . 1* Abhandlungen. F. Lindemann, Die nichteuklidiscben Minimalflächen . . 1 0. Frank, Die Leitung des Schalles im Ohr . . . 11 H. Liebmann, Beiträge zur Inversionsgeometrie der Kurven . 79 F. Lindemann, Über konforme Abbildung von Kegelschnitt- polygonen 95 A. Föppl, Der Schubmesser. Ein neues Feinmeßgerät für Festig- keitsversuche . 109 ( f o m t o ö 0) n r o § s. 1 1 1 II V . —