tVi.'SiBnasjf üyj f^ / ^ SlTZüNr.SIJI'RICHTE DER KAISERMCHKN üKMIillE DER WISSENSCHAFTEN PIllLOSOFlIISCH-HISTORISniE CLASSE. EINUNDVIERZIGSTER BAND. -•OO^OO-o— WIEN. AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN CUMMISSIUN am KAHL »KKUI.D'S SÜHN, BUCHHÄNDLER ORR K AIS. AKAUKMIE UKR WISSENSCHAKTKN. 1863. SITZINGSIIERICIITE DE« PHILOSOPI IISCH-HISTORISCHEN CLASSE DER KAISKRI.ICHKN AKADliJIIR DliK W rSSENSCH AKTHN. ELNUNDVIERZFGSTER BAND. Jahrgang 1863. — Heft I und II. (Ulit 1 litt). 3ßrilagf.) -OOO^OOO- WIEN. AUS DEH K. K. HOF- UND STAATSDHUCKEREI. IN CUMMISSIOM BRI KARI, GRROI.O'S SOHH . BUCHHÄNDMi^R DER KAIS. AKADE.MIR DER WISSENSCHAFTEN. 1863. As BJ.4i-4z I iN HALT. Sfile S^Itziing vom 7. .liinnpr i8()3. Müller Friedrich, Beiträge zur Linillelire der armenischen Sprache. (Kortsetzung.) 3 Sitzung vom 14. Jiinner 1863. Bergmann, Pflege der Numismatik in Österreich durch Private, vornehm- lich in Wien, bis /.um Jalire 1862 , 15 Slfxiin;^ vom 21. .liinncr 1863. Pfizmaier, Die Geschichte des Hauses Tsclieu-kung 90 Veneichniss der eingegangeneu Di-uckschriflen 139 Sitzung^ vom 4. Februar 1863. Jos. V, Arneth , Ul)er ein Evangelistarium K.iri's des Grossen .... 14.'> Müller., Friedrich, Beiträge zur Lautlehre des Ossetischen 1-48 Silxuiig; vom 11. Februar 1863. Osenhrüggen, Rechtsalterthümer aus österreichischen Pantaidingen . . 166 Brücke, Über eine Methode der phonetischen Transsci-iption. (.Mit einer lith. Beilage.) 223 Pfeiffer, Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutsclien Alter- thums 1 286 Sitzung vom 23. Februar 1863. Sandhaas, Zur Geschichte der Textgestaltung des wiener Weichbild- rechtes .* 308 Bonitz, Aristotelische Studien. 2 379 Pfizmaier, Die Geschiebte der Häuser Schao-kung und Rbang-scho . . 43ä Göhlert, J. Vinc. , Die Lipowaner in der Bukowina 478 Verzeichnis^ der eingegangenen Druckschriften 489 SITZUNGSBERICHTE DKK KAISEIILICIIEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. P II I L ü S 0 P II I S C II • II 1 S T (I II I S C II C C L A S S E. XLI. BAIVD. I. HEFT. JAHRGANG 18G3. — JÄNNER. SITZUNG VOM 7. JANNER 1803. Der Secretär zeigt an, dass auf die am 30. Mai 18G0 aus- geschriebene pliilologisehe Preisaufgalte: „Eine umfassende und qneilenmässige Sammlung und Bearbeitung des V^ulgär- Latein", — eine Beantwortung mit dem Motto: „Seit celeriter fit quiilquid fit sntis hene'"' am 30. December v. J. eingegangen sei. Vorgelegt: Deiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache. (Fortsetzung.) ' Von Dr. Friedrich Möller, Docent Jer allg^emeiiieii Sprachwissenschaft an der Wiener Universität. Vorliegender Aufsatz bildet .die Fortsetzung und Ergänzung eines im ISaiide XXXVIII der Sitzungsbericiite der kais. Akademie der Wissenschaften abgedruckten gleichnamigen Aufsatzes. In die- sem habe ich nändich versucht, eine auf Grundlage der vergleichen- den Methode basirte kritische Beschreibung und Charakteristik der armenischen Laute zu geben, ohne mich auf eine Eintheilung oder Anordnung derselben näher einzulassen. Da diese von einem in dieser Richtung competenten Gelehrten, der meine Arbeit einer Beurtheilung unterzog i), mit noch einem andern Puncte — nämlich der näheren Untersuchung fremder, besonders semitischer Elemente im Armenischen — vermisst wurde, so will ich diese zwei Probleme hier näher in's Aujjre fassen und zu beleuchten versuchen. *) Heinrii-h v. EwaUI , in den Göttiii''] I.inguiil . . . — t S^ / Linguo-Donl»! — 9 i. r Dental . . . in t P 2_ •L ^1 Labial . . . "l r •t — '^ - t iT n nL. ' Zur näheren Erläuterung dieser Übersicht bemerke ich Fol- gendes: Ä- Märe nach der heutigen Aussprache zwischen i und q zu stellen, und es scheint, dass auch im Altarmenischen seine Aus- sprache jener di-s ^= altbaktr.^ nahe stand. Denn, wie aus den unter *^ im ersteren Aufsatze gegebenen Fällen ersichtlich ist, hat auch das Allbaktrische demselben meist ^ gegenüberstehen; da aber dieses altbaklrische ^ aus älterem, im Altindischen noch erhal- tenen Palatal entstanden ist, so habe ich es, um der Verwechslung mit einen» der vielen im Anuenischen auftretenden tönenden Spiran- ten vorzubeugen, als nicht -aspirirten tönenden Palatal aufzufassen vorgezogen. 1^ als palataK's l aufzufassen, haben mich besonders jene Fälle bestimmt, in denen es älteren Gutturalen oder Palatalen gegenüber- steht; seine Entstehung i>t den älteren '«-, '^gegenüber oflenbar jung. Beiträge /.iir Laullohic ilei ;inncnischen Sprai-he. O ^, lieiitziitage wie dsch gespfochen, ist l)estimmt ein Slunim- laut, dii er mit Slunmilauteii wechselt, z. B. //»/A/' { lisltir), Imperat. futuii II. von ih'f'/'iftinil) =: ilt^f— (li^is), rlJ'Z. ( fmhhlt.) „lloiiig- zolle" ^ f^l'^ (bcic). Wenn wir, wie in «/^^ (mi'sh) „Älitte", nach (le;n altliaktr. -»»^"i (ynaulliya), es als Vertreter eines tönenden Lautes finden, so haben wir den Fall in jene alte Lantvei'scliiebung einzuordnen, von der ich am Anlange des erwähnten Aufsalzes mehrere Beispiele voigebracht habe. Was nun die i)eiden Flaute ^ und i betrilTt, so entsprechen sie der alleren Aussprache \\:{i:\\ :; (ts) unÜL ^ (ds). Sie liaben in den avghaiiischen Lauten -9- (stumm) und -^ (tönend) ihre nächsten Verwandten. Sie bilden nämlich den Übergang von älterem Palatal zur späteren lingualen oder dentalen Spirans. Das Althaktrische bietet bei Stummlauten in diesen Fällen den reinen Palatal, das Neu- persische hingegen den Spiranten , hat aber zugleich den Stummlaut in den tönenden — nach einem bekannten allgemeinen Gesetze — herabgesetzt. Das armenische ^ steht zwischen diesen beiden derart in der Mitte, dass es statt des späteren tönenden Spiranten noch den stummen aufbewahrt hat. Man vergleiche: A 1 1 b a k t r 1 s c li : A r m c n i s c Ii : N e u p e r s i s c li : yö (pacj V"^ {(tf'^J p/ (pazam) „backen, kochen" „Brot" „ich koche" [vergl. phrygisch |3«'xo? „Brot"] (aiwi-niocaijt'iti) (lii^ancl) (afWnadJ „er zündet an" „anzünden" „er zündet an" Stossen wir auf P'älle wie •j'^iPiM,^ (:;amaq) = neupers. O^) (zamin) „Erde", griech. '/c/.\u, so haben wir selbe auf die schon mehrfach erwähnte Lautverschiebung zu beziehen. Dass nun aber ^ wirklich eine stumme Spirans ist, dafür bürgen erstens Fälle wie ..i^y».^, (^u^Cm) „achtzig" = •„.p^,,,,,.'!, (utli^üu), hl'O^P ( br^er) „klein, kurz" = ln,„u,Li, (krtser), zweitens Formen, wo dem •) ein » entweder im .Mtbaktrischon oder im Armenischen selbst gegenübersteht, z. ß. : 6 Dr. Fr. Müller A ) tbak tr i SC h: Armenisch: Neu persisch : "i^iö fperegj u,uA..ui^ (^^rtanal) :ij^» (sard) „kalt" „kalt sein" „kalt« gnupu, (^ürt) „kalt" hat neben sieh Formen wie «.««-^ (saht) „Eisklumpeii", uiun^.ulh.uf^ (sahianal) „zu Eis gerinnen"; beide gehen auf eine alte Wurzel gr, kr, vgl. griech. x^6o?, zurück. Beim Verbum finden wir im Futur »gtu (s^es) etc. statt ^j^» (ZZ^O etc., vgl. uf.pL.,gLu (sires9;es) „du wirst lieben", statt u/iptr^jlru (sire^^es), verglichen mit /.v^^" (l^^es). Diese Formen sind desswegen merk- würdig, weil in ihnen g nicht wie sonst auf einen alten Guttural, sondern auf einen alten Dental, resp. s, zurückgeht. Dieser Über- gang, der durch ^g (u-e%) „sechs" == altb. -^-»üj«^ (khshvas) und das g im Genitiv plur. = sum ausser allem Zweifel gestellt ist, scheint durch ^, das dem altbaktrischen s regelrecht entspricht [vgl. ilL ^niuuiu'i, (^icestasaji) „sechszehn"], stattgefunden zu haben. Dass nun i wirklich die tönende Spirans zu der stummen g ist, erhellt einestheils aus der von uns erörterten Natur des i, anderes- theils aus dem Wechsel beider, z. B.: piupif, (bur^i) „ich erhob" = piupg^ (bur^i), 1-iupiiuj (dar^jij) „ich kehrte zurück" = q-'upgiuj (darpij) — nach Analogie mit "(•pl^'jl' (sire2,i), (u>uilrgiuj (k1iose:;aj), in welchen Formen das ursprüngliche g in i herabgesetzt erscheint. Was ^ und •> anlangt, so sind sie den neupersischen ^'J und ^ gegenüber den altbaktrischen -^ und ^ analog. ^ und ^J^ entsprechen dem altbaktrischen -yj, während « und ^j das alt- baktrische » repräsentiren. Obwohl » und ^ nach ihrer jetzigen Aussprache umgekehrt einzuordnen wären, so habe ich es vor- gezogen, da ich consequent die heutige Aussprache nicht berück- sichtigen kann , auch hier dem etymologischen Principe gerecht zu werden. Was /", } , f>, '[• betrifft, so haben diese Laute mit den sans- kritischen *^, ^, ^, ^ wenig gemein; sie sind gleich den alt- baktrischen , V speciell eranische Entwickelungen. Für ^ schreibe ich nun lieber ph als f, da dies einestheils aus Formen wie uL>/„i,/f.u'it fsrp/iakriji) „edel, eigenthümlich" = «/^/yv"^'"^' (sepha- Beiträge tar Lautlehre der armeiiiseheD Sprache. 1 kau} hervorgeht, anderestheils auch in L'bereinslimiming mit kh, th also geschrieben werden miiss. An diese Erläuterungen will ich einige Retnei klingen über die gutturalen Spirunten ^, ^, ,y anknüpfen, um das, was ich bereits in dem ersten Aufsatze über (lirselhen bi'merkt habe, näher zu beleuchten. Neben dem, dass ^ altem sr entspricht, scheint es auch aus altem k hervorgegangen zu sein, z. B.: ^u,p-^i^ (,^avsel) „ziehen", n^w^. ös^^ (kasidun), altbaktr. ^\=^ (kcvesh), Sanskr. krsh; ^k'i' (qen) „Feindschaft^^, ^^^^Z. (qinel) „hassen"^, neupers. jf (kiJtJ; ^kz_(qes) „Religion", neup. J^ (kcs), altbaktr. --^KJ-Ag^ (tkaesha); ^'ulinp (qakor) ^Dreck", Sanskr. ^akrt. Auch glaube ich nun in einigen Fällen, wie »Tjp Qnq) = Skr. ntasi, altb. '«y*"* (mahi), ^ C'lJ' Zeichen des Plurals = altb. \o'if" (d"li6), eine Verdichtung der tönenden Spirans in die stumme annehmen zu müssen. Der Fall ist mit dem im Neupersischen, wo -9- manchmal statt A steht, verwandt und in das Gebiet der alten Lautverschiebung einzuordnen. ^, dem ich seiner Entstehung nach doppelte Natur (dentaler und labialer Hauchlaut) zuschreiben zu müssen glaubte, dürfte wohl wie das neupersische 4 dreifacher Natur sein (gutturaler, dentaler und labialer Hauchlaut). Es bildet insofern einen Gegensatz zum persischen i, als dieses überwiegend gutturalen und dentalen, seltener labialen Ur- sprungs ist, während hier die dentale und labiale Natur besonders hervortritt, die gutturale hingegen sich seltener statuiren lässt. Was nun die letztere betrilTt, so ergibt sie sich aus folgenden Fällen: u,n-^J" Qohm) „Same, Nachkommenschaft" = neupers. jsC (tuklim). altbaktr. ■»i^'":^ (tdokhmn); /[futu,^ (icstah) „kühn", ^»«.«/v/f_/3^/-^/ (irstiilu'ithiun) „Kühnheit" = neup. ^ll-S {(jitstukh), Parsi {y.-s?^«'? (icastdkh). In diesen Fällen ist > aus^, wie in den persischen Fällen ^^ (talutm) „stark" = altb. -«b«)»-«? (tak/midj etc. 6 aus dem p^ , abgeschwächt. j ist bekanntlich sowohl gutturale (darunter auch die ursprüng- lich labiale subsumirl) als palatale tonende Spirans; heutzutage gilt sie im Anlaute in der Aussprache ausschliesslich als erstere; beide 8 Dr. Fr. .Müller Fälle haben ihre etymologische Begründung, wie aus folgenden Bei- spielen klar hervorgeht. Für j als gutturale tönende Spirans nebst dem schon ange- führten jfiiinA (liisün) „fünfzig", verglichen mit ^ In der ersteren Eigenschaft, als gutturale Spirans, findet sich j oft im Anlaute ohne etymologischen Werth, w^ie i oft im Neu- persischen [vgl. meine „Beiträge zur Lautlehre des Neupersischen", S. 10], z. B.: e/'«-^ (häs) „Gemüth, Gedächtniss", auch /»^^ (ils), vergl. neup. ^^^ (hos), altb. ushi und aoshö. Hierher gehören : jiun.'itt^ (harnelj „aufstehen, sich erheben", Aorist «^^^ Oiri), altb. i^{ (ere), griech. io-vu-o.'. ; j"-pt (karg) „Preis, Würde", jinpf-tF/^ (liargelj „preisen, schätzen, ehren", Skr, arh, argh. fj und "j werden von den jetzigen Armeniern wie ah und oh gesprochen; folgt darauf ein Consonant, so nimmt ,y die Geltung von i an und »«/, "j lauten z. B. vor 71: ain, uin; folgt aber ein Vocal, nimmt j die Geltung von j an, z. B. •"pp'^j (arqahj „König", •ußpwji't-P^fiL'b (urqajüthiun} „Königthum, Königreich". Letztere Aussprache ist bestimmt keine sehr alte, da in den Formen tfj,^u,jhi^ =» MjyarjX, ftupiujhi^ = 'I^jpar/X, «i/V = ^■'^''^ J''*s j unmöglich wie y, sondern olTenbar wie h ausgesprochen worden sein musste, das aber, wie im griechischen rzpoocipioi = Kpo-aioifj), nur sehr schwach gehört wurde. Nachdem wir hiermit das zur Charakteristik und Classification der armenischen Laute Nothwendige vorgebracht und unsere im ersten Aufsatze darauf beziiglichen Untersuchungen berichtigt und ergänzt zu haben glauben, wollen wir über die in's Armenische auf- genommenen fremden Elemente, und darunter besonders die semi- tischen, einiges bemerken. Wie wir gleich am Anfange unseres ersten Aufsatzes ausge- sprochen liabtMi und es aus unserer Untersuchung klar geworden ist. Beitrüge /.iir f.nulli'liie ilor arnuMiisclK'ii S|ir;u'lie. «* haben wir im Armciiischoii ein eclit eraiiisclies Idiom vor uns, das jiber von den um diissclbe gflegfiien Spracligobicton Iheils becin- flusst worden «), tlieiis manches ans ihnen in sieh aufgenommen hat. Davon gehört unstreitig Einiges jener Sprache an, die von den Bewohnern gesprochen wurde, weiche die von der südöstlichen Seile her eingewanderten Armenier hier vorfanden, und die mit den heutzutage sogenannlen kaukasischen Sprachen zusammcidiing 2). Anderes — und dies ein ziendieh grosser Tbeil — i.^t dem Einthisse der beiden südwestiiclj und südöstlich vom Armenischen gelegenen Sprachgebiete zuzuschreiben, nämlich dem griechischen und semi- tischen und liier vor Allem dem aramäischen. Dabei ist der Einfhiss des letzteren Sprachgebietes ein viel grösserer als der des ersteren; er lässt sich passend mit dem Einflüsse des Aramäischen auf das Mittelpersischo — wenn auch nicht in demselben Umfange — in Parallele stellen. Was die griechischen Elemente betrilTt, so sind sie nicht erst in späterer, sondern in ziemlich alter Zeit eingedrungen; viele ') W.1S tliesei) Punct hetiilVt , so mahnt liie Scheu iles Armenischen vor dem Anlaute mit p ^ "-,7 lind die iu manchen Fiilleu sicli lindeiuie Vocalharmonie, z. B. [9^nqni.gni-J' (tfio,i>i'i:,i'im) , Conj. praes. von AT^»^..^ (llio'JiilJ, statt A^»,^.L,t/ C/iajustanJ, der einzelne Armenier heisst -;...y ( h Cf'<'J'}j^ der Name des Stammheros des armenischen Volkes <"}y^ ({i"jl<)- Der Name '^u.^/ ist wahrscheinlich althaktr. i^jiiej Cpaiti) „Herr", identisch mit der andern in Composifis jjehräuchlichen Form „^/.•« , so dass der Armenier sich mit diesem Namen im Gegensat/e zu den von ihm unterworfenen Völkern bezeichnete. Der Sciave heisst im Armenischen «././,... /^ (ilriik), \\:\fi nichts anderes als das altindische ff(^/i( „Feind" ist. Ähnlich erkliire ich die Bezeichnung für „Mann" u-jf, (ajr) aus dem altbaktrischen -""'*« (ainja) „cdi'l", liekanntlich ein Fhrcnname des asiatischen Zweiges des sogenannlen indo- germanischen Volksslanimcs. Was nun die .sogenannten kaukasischen Sprachen betrilTt, so benenne ich mit diesem Niinion alle im Kaukasus heutzutage gesproche- nen nicht-arischen Sprachen, deren Grnndvcrscliiedenheit von den sogenannten indogermanischen mir ausser allem Zweifel .steht. Diese Sprachen scheinen, nach dem, was von ihnen bekannt ist, unter einander mehrere von einander verschiedene Gruppen zu bilden, deren Abgrenzung und niihere Bestimmung im Interesse der Wissenschaft recht bald zu wünschen wäre. Sic haben ehemals ein grosses Gebiet eingenommen; wie ich anderwiiits (hei Kuhn und S c h I e i c li c i-. Beitrage III) anileutete, düifte die Sprache äer l.ykier in den Bereich dersclheu lallen. Das Kin- dringen kaukasischer Kiemente in's Armenische hat in der Auln.diuic ch a\ Ldischer KIcniente in's .\lliudisciie ein (lassendes Seitenstiick. \ 0 Dr. Fr. .M ü I I e r stammen schon gewiss aus jener Zeit her, in welcher die Anfänge der christlichen armenischen Literatur sich erst zu bilden begannen. Sie haben sich in der Sprache festgesetzt und haben durch Ver- mischung und Bekleidung mit ecbt armenischen Elementen förm- lich das Bürgerrecht gewonnen. Dabin gehört gewiss das Wort .up^u'j (arqaj, spr. arqüh) „König", das wohl nichts anderes als das griechische a^yjt, äfr/^jv ist. Die Ableitungen, welche daraus hervorgegangen, sind überaus zahlreich. Die Bezeichnung für „Heide, Götzendiener«, ^l^p^u,-!.,.,. (hethanos), ist das griechische iBvog, im christlichen Sprachgebraucbe ganz dem hebräischen 1^:\ entsprechend. Durch Bildungen wie <,bp^u,'h„u,ihiu,i^ „ein Heide werden'% ^bpy,u'i,nun^[3^l„n, „Heidenthum, Götzendienerei"^ zeigt es sich als vollkommen eingebürgert. Der Ausdruck für „Kirche", k^lr^ltrgl. (ekepe^i), ist dem griechischen £xxÄv;ata entnommen in der Art, dass das unbetonte a am Ende abfiel und zwischen dem X und l ein beide trennender kurzer Vocal eingeschoben wurde. i,u$u,J)ign (^sta7noqsJ „Magen" (Eznik, ^7*- utiu/bq^n^, S. 180) ist offenbar OTÖp-ayog; eben so fii-i (iuf>) „Öl" = fkaiov, ««^«y (lip) „Form, Modell", «»^^^^ (tipel) „drucken" = r-jnog. In gleicher Weise scheint »^p (orb) „Waise" = oryjtävog, und npa.„ (orot), npnuinutn, (orotumu) „Douuer" dem griechischen ßpovT-h entlehnt zu sein; äusserst merkwürdig ist Jt^uJI^ql (melamuftC) „Melan- cholie", worin der erste Bestandlheil «%« dem griechischen p.£Äag entlehnt ist, der zweite iiingegen, Jiuqi „Galle", dem Armenischen angehört. Was nun die dem Aramäischen entlehnten Elemente betrifft, so sind sie weit bedeutender als die griechischen. Sie stammen gewiss aus jpuer Zeit her, in welcher die aramäische Literatur ihre goldene Zeit erlebte und einen nicht unwesentlichen Einflnss auf die Sprache und Schreibweise der benachbarten Völker, Perser und Armenier, ausübte. Wenn auch diese Einflüsse im Armenischen heutzutage nicht so tief eingreifend erscheinen, wie im Mittelpersischen, so müssen sie selbst noch nach den erhaltenen Spuren bedeutend gewesen sein. Da es uns hier besonders nur um die in der Sprache gebliebenen aramäischen Elemente zu thun ist, so wollen wir die wichtigsten derselben hervorheben und mit ihren Ableitungen und Zusammensetzungen, an denen man die Festigkeit ihres Eindringens ersehen mag, hierher setzen. Bei(iiig:e zur Laiitlclirc lier iii'meiiisclien SpiMclie. 1 1 1. lufJnn. „Tliioii. Platz" ist das aramäische inN', snnJ<, ^z) „Ort". Was die begriltliche Seite betrilTt, darüber vergleiche man das neiipersische aIT , das sowohl „Ort" als „Thron" bedeutet; die- selben beiden Bedeutungen sind auch in dem altpersischen gntliu — ^^V yTy Kf ^TY — vereinigt. Davon kommen: utCJ^niLiuliiui^ „Stellvertreter, Nachfolger"; «/^/»/•-»«^'"^"t.^/'-^/ „Stell- . Vertretung". iup,„Liui(f,fj „einer, der denselben Rang einnimmt". 2. «i/L.«^ „Vordertheil, Kopf" ist das aramäische ti\S*"i, NX'Xl, vgl. arab. ^^^; da das Armenische mit r nicht gerne anlautet, wurde ein a vorgeschlagen, wie in mehreren Fällen. Davon kommen: ,uiLu,^u,t.n[, „vorne seiend, vorhergehend"'. ,u,L,u2t> „vorne", Adverb und Präposition. ,un^,u^^, „vorne befindlich, alt, ursprCaiglich". uMn.u,^,n[,q. „Oberhaupt, Meister, Schöpfer". uin.ui^inpq^Li^ „ObeHiaipt sein, leiten". 3. ^-"//""/„aussätzig" vergleicht Ewald (Sprachwissenschaftl. Abhandlungen, 11, S. 66) mit arab. ^_^^^, was lautlich vollkommen passt; es lässt sich aber gegen diese Parallelisirung eineslheils der Mangel der dem arabischen Worte zu Grunde liegenden Wurzel im Aramäischen einwenden, andererseits spricht das Substantiv p-p „Aussatz" für eine Ableitung von einer imlogermanischen Wurzel. 4. y-»"-^ „Cisterne, Grube" gehört wohl hierher und nicht zu 9\[\n^.kupa , das im Armenischen ^»t^y lauten müsste; es entspricht dem aramäischen du, X31J. ^- t'"r »Alter, Jahrhundert" ist augenscheinlich aram. m, Xll- 6. Lplili'i. „Himmel", gewöhidich im Plural gebraucht, f^rlil''''^, ist wahrscheinlich y>p"i, NI^'p"! „Ausgespanntes, Firmament". Der Vorsciilag des e vor r erklärt sich wie das a in >u,i^,u2^ (^s. oben), während n als Determinativsuffix oft erscheint ^). 7, Aus eben derselben Quelle wie Lplil,'i, ^ die Bezeichnung für „Himmel" scheint auch die Bezeichnuug für „Erde", l'i>fif>c, geflossen ») Vj^l. a,lfi. „Aiig^e", aUsl. CKO; u.W...,,'!, „Sommer". aUK -"g-^ey ; if,„[,Ti, „Mikli', lal. lad-; _pl,p,„% „Seliweiss", griecli. pi.ori'il^. 12 Dr. Fr. Müller ZU sein; letzteres dürfte auf NpiN zurückgehen, r tritt am Ende eben so häufig wie ii als Determiiiativsuffix auf «J. 8. p^.up.i^Jiu'b „Übersetzer, Dolmetsch" ist offenbar das ara- mäische pjnn , ai-ab. ü^ys^y ; davon kommt: p^.up.f^Jlu'i.Li^ „verdol- metschen", p^u,(,.f^Jh!i.nL^[^l.^b „Übersetzung". 9. cA/»^»i^ „Menge, Versammlung" halte ich für das aramäische Nltr „Mengp, Überfluss". Ableitungen davon sind häufig, z. B. : hminiliuituft, „Versammlungsort" . h-ntjnilk^i^ „versammein". h^min^nup^ „ Versammluug, versammeltes Volk, Volk überhaupt". h^nfinilpif.tu'iinif „ Versammlungsort, auva.^oi'yrt". hn.in,lpq.,u.,liru, „Vorsfaud dor Versammlung, Pfarrer". h^iii^i/pif^iuinlrutiiL[th[iA „ Pfa rr ei " . 10. b-J^'c „Sauerteig« ist das aramäische Tan, Nl^an- Ablei- tungen davon sind : lud^npLi^ „säuern", ^J^-cf'L »gesäuert werden, gähren". luirnf,nL.tfi, „Gährung". 11. ^»L^^ „Bündel Holz, Schnur" ist das aramäische \'r\n, i^rnn „Heihe an einander gereihter Dinge". 12. ^"./'„Fasten", davon Ä-«./ä^^ „fasten", könnte dem aramäi- schen Dl5i entlehnt sein; S- = nf bleibt aber immer etwas bedenklich. 13. linuuif, „Pech" ist wohl hebr. IDJ; davon kommt ^«y/»^/ „mit Pech bestreichen". 14. ^iupiuu „Süden" dürfte zunächst das südlich von den Ara- mäern wohnende Volk der Araber bezeichnen , vergl. damit «//.«««-»«/^ 15. >n.u„upu „Seide", griech. (xira^a, y-ärcc^oc, aram. ND0t3Q oder ]>Dpj3n wurde bereits von Ewald in den Göttinger gelehrten Anzeigen, 18G2, S. 372, ganz richtig = ^-i«^, p^Ql erklärt. IG. ^"j^ „Leder" ist das aramäische -jü^a, NDt^a, Vä.*.'-o; davon kommen ./7«^^Ä"/y oder Jiu^liL.ik't' „ledern" u. s. w. 17. iHupu „Steuer, Zoll" ist dem aramäischen ^jaaLo, hebr. dDö, arab. ,_^X. entnommen; Ableitungen davon sind äusserst zahlreich, so: dhipuiuinLiii „V^orsteher der Steuern", inuginJim^ oder MnuginumnCu 1) Vgl. ./t^,, „Uonil.i>f.>uj,,j „voll von Blättern", u,L[,l./n^ „Biälter treiben" etc. 21. '"'uij „Kind, Knabe" entstammt dem aramäischen '"^js, ^"»^13, 1^^^; daher kommen: u„iu.j,ufiiui, „gleich einem Kinde", ""ll'(j'"fl"'i' „kindisch", irniniftuiljun oder im^itjiu^tu'iii^iuit „kindischen Sinnes, unbesonnen", u,>iii,jiu'iiiui^ „kindisch werden", iniiiujnLß^f.L'ii „Kindheit" etc. 22. ilipu,u/i,f,i^ „enlflielien" könnte dem aramäischen t:^D ent- lehnt sein; jedoch iässt es sich auch an altbaktr. ^i\ü — vielleicht besser — anknüpfen. 23. 'tuh^L »erlösen" ist sicher aramäisch p^B, va^, arab. J^ ; davon stammen: >f.pli'u.iui,h^ „Erlöser'^, •Itpliiu.j.nph^nup^liA „Er- lösung", •l.pffu'iip „Erlösung, Preis", •^p^l't „Erlöser", •l.prinL^lih/.u'i, „Erlösung" etc. 24. ^uj^u/biy „Priester" entstammt dem aramäischen jno, Njno, vergl. arab. ^it>l5; davon stammen: ^iu^a/biyu/bui^ „Priester sein", ^tiu'^u/iiiißjuu'^li „Priesferinn", ^lu^u/Lufjiututu, „Oberpriesler", ^lu'^iJhtujutuiLutnup^lithM „Oberpriesterschaft", ^tu^u,'i,,ujnLp^[,ih, „Prie- sterschaft" etc. 2o. ^iu'iuip „Stadt", das auch als "[N'iD im Pehlevi vorkommt (Bün-dehesch, Fol. 25, 3), ist wohl nichts anderes als aram. -[nn, ND1JD, V=r= „Befestigung, Burg". Das Wort ist auch in 's Georgische übergangen, wo es ^6gm6^o lautet. Ableitungen von und Zusammen- setzungen mit demselben sind äusserst zahlreich, z.B.: ^///y///^«#^^«#^ „Städtebewohner", ^ix/'^o^#«^i«?/ „städtisch, fein", nrbanus, ^iutiu,^ ^.uliu.'iinip^lith, „Feinheit, Bildung", ^ui>iuipu/iiiui^ „zu einer Stadt werden", .^«/'/!'i^""'Y^"' j3ß''i'o^'''ni'^ister", ^tu'i^Hphk „Städtchen" etc. 26. .^"'7»«/',, heidnischer Priester" ist dem aramäischen Ni^ir „heidnischer Priester, Mönch" entlehnt; davon stammen: ^pJlipqf' „Sohn eines lleidenpriesters'% ^pJi,:^fi „la-idnisibe Priesterinn" etc. 1 4 I'r. Fr. ^I ü I I e r , Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache. Dies sind einige der wichtigsten und nicht allsogleich auf der Hand liegenden semitischen Elemente, die im Armenischen sich ein- gebürgert haben. Fremdwörter wie ^kP^, juipiup^, ^,u'iipiup etc. habe ich absichtlich übergangen, da sie auf den ersten Anblick als solche zu erkennen sind und auch nicbt weite Wurzeln in der Sprache getrieben haben. Manches von den angegebenen Wörtern dürfte sich vielleicht als etwas problematisch erweisen; man wird mir dies nicht zu hoch anrechnen, wenn man bedenkt, wie wenig das Arme- nische überhaupt erforscht ist und dass ich mit diesen Unter- suchungen den Anfang mache. Eben so sind die angeführten Bei- spiele von semitischen Elementen bei weitem nicht alle; diese aus- führlicher nachzuweisen, gehört in's Lexikon, dessen nach der neuen sprachwissenschaftlichen Methode angelegte Ausarbeitung kein ge- ringes Verdienst wäre. J. R p r j; ni a II 11 , l'llc(^f ilci- .Niiiiiisinallk in Östt-rreicli etc. 10 SITZUNG VOM 14. JANNEU 1803. Vorgelegt: J'flege der Niimismalik in Österreich durch Private, vornehm- lich in Wien, bis zum Jahre J862. (Vierte Abtheilung.) Von dem w. iM. J o s «> p h Bergmann. — si quid novisti rectius istis, candidus imperti; si non, his utere mecum. Ho rat. Wir haben in drei Abhandlungen über die „Pflege der Naniis- matik in Österreich im XVIII. und XIX. Jahrhunderte", einen histori- schen Abriss von den verdienstvollen, ja grossen Leistungen auf dem umfangreichen Gebiete der Numismatik in unserm Vaterlande in diesen Sitzungsberichten niedergelegt, und zwar von denen, welche nicht nur von Beamten am k. k. Münz- und Antikencabinete, sondern aucli von Ordensbrüdern, naiTientlich Jesuiten und Bene- dictinern, zum Frommen der Wissenschaft an's Licht gefördert wurden. Die erste Abhandlung oder Abtheilung enthält die Zeit von Heraeus bis auf Eckliel (von 1709 — 1774) unter den Kaisern Joseph I. und Karl VI., der schon als Prinz viel mit der Münzkunde sich beschäftigte und auf seinem Zuge nach Spanien ein kleines Münzcabinet, das spanische genannt, mit sich führte, ferner unter K. Franz I. und seiner erhabenen Gcmahünn. S. Sitzungs- berichte 1856. Bd. XIX, S. :{| — 108. \{j J. B e i- g 111 ii n II Die Resultate unserer Studien gaben wir in biograp li iseli- historiscber Form und niögliciist in eh ron ologischer Folge mit Rückblicken auf frühere Perioden unseres Faches in Österreich und auf drei vormalige Münzsammlungen des kaiserlichen Hauses, diese sind: ftj das alte österreichische von Kaiser Ferdinand l. herstammende und von Kaiser Karl VI. durch den vielseitig gelehr- ten lleraeus beträchtlich vermehrte Hauscabiuet in Wien, dessen geschichtlichen Abriss wir im Bd. XIX. 64 — 75 mitgetheilt haben; b) die im Schlosse Ambras in Tirol verwahrte erzherzogliclie lünz- Sainmlung (das. S. S9 — 64), die dem so eben genannten Haus- cabinete in den Jahren 1713 und 1714 einverleibt wurde; (^ das moderne Mm- und Medaillcü-Cabinet des Kaisers Franz I., welches nach dessen Hinscheiden (1765) die Kaiserin» Maria Theresia mit den beiden vorigen vereinte, wodurch ein grosses, reiches, wahr- haft kaiserliches Münzcabinet entstanden ist (das. S.75— 78). Zur klaren Übersicht wollen wir die Männer, welche sich auf dem numismatischen Felde in Österreich, insbesondere in Wien als k. k. Beamte oder als Mitglieder geistlicher Körperschaften ausge- zeichnet haben, nach der Reihe der drei Abhandlungen (um sie leichter aufzufinden) namhaft machen. In den ersten Zeitabschnitt gehören: I. Karl Gustav Heraeus aus Stockholm von 1709 bis um 1725. II. Abbate Johann Baptist Banagia oder Panagia aus Cala- brien, von 1727—1730. III. i). Karl Granelli aus Mailand, Jesuit, Beichtvater der Kaiserinn Amalia, Erasmus Froelich's Lehrer, f 1739. IV. Christian Edschlager aus Wien, Jesuit und Missionär, der die Numismatik in einem lateinischen Lehrgedichte besang, t 1742. V. Leopold Grueber aus Rohrbach in Niederösterreich, Jesuit, f 1773. VI. Cbrysostomus Hanthaler aus Marenbach im Innviertel, Cistercienser zu Lilienfeh!, f 1754. VII. und VIIL Die beiden Benedictiner des Reichsstiftes St. Blasicn: aj Marquard Herrgott aus Freiburg im Breisgau, der von •) Die Miiiiner von Nr. III — VIIl, dann XI und XII waren am k. k. Miinzcabinete nicht aiiffestellt; de France siih IX hatte nur die O b e ra u i'si cli t über das Cahinet, und war bei der llerau.sg;abe des PiaclilweiUcs „Moiiiioie.s en or et en argenl" vorwiegend thalig:; alle Anderen waren Ueanile am k. k. iMünzcabinete. Pflege der Niiniismalik in Österreich etc. 1 7 1728—1748 in Wien lebte und 1762 zu Krotzingen starli; und b) Rüsten Heer aus Kliugnau im Aargau, -j- 1769. IX. Joseph de France, angehlicli aus Besanc^on, General- Director der k. k. Schalzkaminern und Gallericn, starb 1761 und ruht bei St. Stephan. X. Valentin .lauierai Duval aus Artonay in der Champagne, von 1748—1775 in Wien. XI. Erasmus Froelieh aus Grätz, Jesuit, ein sehr gelehrter Bibliothekar im k. k. Theresiatium in Wien, -j- 17S8. XII. Josejjh K h e 1 1 von Khellburg aus Linz, Jesuit und Professor, Eekhel's Lehrer,-}- im k. k. Theresianum 1772, Die iweite Abtiieilang (Bd. XXIV, S. 296 — 354) enthält die 24 Jahre, von Eekhel's Eintritt ins k. k. Cabinet bis zu dessen Tode (von 1774—1798). XIII. Johann Baptist Verot aus Boulay in Deutsch-Lothringen kam durch Duval in's k. k. Institut, ward Director der Sammlung der modernen Münzen und Medaillen und starb am 26. September 1786. XIV. Joseph Hilarius von Eckhel, aus adeligem Geschlechte, geboren zu Enzersfeld bei Wiener-Neustadt am 13. Jänner 1737, Jesuit, Schöpfer des wissenschaftlichen Systems der antiken Numis- matik, kam in's k. k. Cabinet am 1. März 1774, ward Director der antiken Münzen und starb am 16, Mai 1798, — Über dessen Familie nebst Abbildung seines Porträtes und Wappens wie auch des Fac- simile's seiner Handschrift (s. Bd. XXIV, S. 303— 351). Die dritte Abtheilung im Bande XXVIII, S. 537 — 598 umfasst „das k. k. moderne Münz- und Medai I len-Cabi n et** von 1783 — 1798, dann das auf Anordnung des Kaisers Franz II. nach Eekhel's Hintritt damit vereinigte antike Cabinet, das nunmeh- rige k. k. Ilünz- und Antiken - Cabinet unter dem Director Neu- mann von 1798 — 1816, Mit einem Anhange über die Beamten an diesem k. k. Institute unter und nach Neumann bis 1858. XV. Abbe Franz de Paula Neu mann, geboren 1744 zu Krems, erst Augustiner-Chorherr zu St. Dorothea in Wien, ward am 5. Februar 1783 neben dem greisen Verot Director des modernen Münz - Cabinets, später Director der vereinten k. k, Cabinete, -j- 7. April 1816 (s. das. S. 538—570.). XVI. Karl Schreiber aus Wien, war am k, k. Cabinete vo« 1765 — 1815, erster Custos und Dircctors-Adjunct. Sit/.l). d. phil.-hist. CI. XLI. ßd. I. lU't. 2 IS J. B e I- g in a n n XVII. Johann Grueber, in Wien um 1776 geboren, trat 1794 in*sAntikencabinetein und starb vielversprechend am J>. Februar 1811. XVIII. Alois Primisser, zu Innshruek am 4. März 1796 geboren, ward am 14. Juli 1814 Praktikant bei der k. k. Ambraser Sammlung und am 14. April 1816 Custos am k. k. Münz- und Antikeneabinete wie auch der k. k. Ambraser Sammlung, ein reich- begabtes Talent mit vielseitiger Ausbildung, f 25. Juli 1827. XIX. Franz Fidelis Wächter, 1773 in der Reichsstadt Wan- gen geboren, Autodidakt, ward zugleich mit Primisser am 14. April 1816 zum Custos ernannt und starb am 13. September 1834. Dermals sind noch am Leben: XX. Anton Steinbüchel von Rht^inwall, geboren zu Krems 1790, trat als Praktikant am 19. Jänner 1809 ein, ward Custos am 11. Februar 1811, Director 17. Jänner 1819, quiescirt am 10. März 1840, lebt in Tiiest. XXI. Joseph Calasanza, seit 1861 Ritter von Arneth, geboren zu Leopoldschlag in Oberösterreich 1791, ward am 26. März 1811 Praktikant, am 23. Juli 1813 Custos und am 2. Mai 1840 Director. XXII. Joseph Bergmann, am 13. November 1796 zu Hittisau im Bregenzerwalde geboren, Gymnasiallehrer zu Cilli, ward am 13. Juni 1828 zum Custos am k. k. Münzcabinete unjl der k. k. Ambraser Sammlung ernannt. XXIII. Franz Vincenz Eitl, geb. zu Leitmeritz am 14. Sep- tember 1800, Gymnasiallehrer zu Cilli und Gitschin, dann Professor am Lyceum zu PremysI, ward Custos 27. März 1835, trat in Pension den 8. September 1861. XXIV. Johann Gabriel Seidl, geb. zu Wien am 21. Juni 1804, Gymnasiallehrer zu Cilli, ward Custos am 2. Mai 1840 wie auch k. k. Schatzmeister am 19. November 1856. XX V^ Dr. Eduard Freiherr von Sacken, geb. zu Wien am 3. März 1825, trat als Amanuensis ins k. k. Cabinet am 1. Juni 1845, ward Custos den 10. August 1854. XXVI. Dr. Friedrich Kenner, zu Linz am 15. Juli 1834 geboren, ward Amanuensis am 29. August 1854 und Custos am 21. Jänner 1862. Künstler am k. k. Münz- und Antikeneabinete waren: 1. Franz Thal er aus Würgl in Tirol, geh. 1759, ward 1804 Anlikencabincts-Bildhauer, f 25 April 1817. Pflege der Numismntik in Österreich ete. I 9 ^ö 2. Joseph Georg Mansfeld, seit 2. August 1812 Titiihw- Cahinetszeichuer und Kupferstecher , das Decret der wirklichen Anstelhuig ward am 20. December 1817 ausgefertigt und er starb am folgenden Tage. S.Peter Fendi, ein ausgezeichneter Künstler besonders als Genremaler, geb. zu Wien am 4. September 1796, ward am 14. Juni 1818 als k. k. Cabinetszeichner und Kupfersteeher angestellt und starb am 28. August 1842. Ihm folgte sein Schüler 4. Albert Schindler, am 19. August 1805 zu Engelsberg in k. k. Schlesien geboren, ward am 29. September 1842 angestellt, gestorben am 5. Mai 1861. 5. Theodor Fetter, geboren zu Wien den 29. Mai 1822, ward angestellt am 15. Mai 1861. Der österreichische Adel, der in früherer Zeit, beson- ders im XVI. und XYII. Jahrhunderte, einen schönen Theil seiner Bildung, Sprachen- und Sachkenntniss von auswärtigen, vornehm- lich deutschen , holländischen und italienischen Universitäten und Reisen in die Heimat brachte, gewann auch Geschmack an Gemälden und Kunstwerken mannigfaltiger Art, wovon die berühmten Galle- rien unseres hohen Adels die lobenswerthesten Beweise geben. Die grossen Geschlechter hatten und haben noch theils in der Residenz, tlieils auf ihren Schlössern und Edelsitzen ihre ßiblio- tlieken und Archive, welche im Interesse der Familien- wie der Landesgeschichte kundigen Forschern mehr und mehr zugäng- lich werden; manche dieser hochadeligen Familien, zumal an zwan- zig derselben münzberechtigt waren, hatten auch ihre Mü nz- sammlungen, von denen einige theils mit ihrem Erlöschen, theils im Drange der Noth oder aus Unwissenheit und Gleichgiltigkeit der Enkel im Ganzen oder stückweise im Wege der Versteigerung in fremde Hände gelangten. Die Familien von Liechtenstein, Schwarzen- berg und sicherlich mehrere andere haben Münzsammlungen oder für sie werthvolle Medaillen, die wir nicht kennen und nicht leicht aufsuchen und einsehen können. So hatte Wien von Kaiser Maximilian's I. Zeit an seine Samm- ler und Sammlungen ; zuerst netmen wir Caspinian , dessen gelehrten Rath, Leibarzt und nach Celtes' Tode (f 1508) Bibliu- •) * 20 J. B e r g m a II n fliekar, der wohl unter die ersten Sammler, wenigstens in Deutsch- land gehört, obwohl auch in Italien das älteste numismatische Werk im Jahre 1517 erschienen ist. Cuspinian's Zeitgenosse, der Arzt und Professor Ulrich Fabri <), von 1524 — 1532 viermal Rector der Hochschule, sagt in der Zueignungsschrift: Angeli Politiani Libellus, cui nomen Lamia. Viennae 1517 per Hieronymum Victo- ren! an Sebastian, Johann Cuspinian's Sohn: „Taceo instru- menta egregie exsculpta. Taceo picturas mirae cujusdam an- tiquitatis effigiem prae se ferentes. Quid ? referam tot diversae formae nniiusiiiata , atque imagines? Hieraus erhellet, dass Cuspioian (f 1529) Sculpturen, Gemälde und eine nicht unbedeu- tende Sammlung von Münzen verschiedenen Moduls besessen bat. Diesem roiiien wir an Leopold Hcyperger, Kaiser Ferdi- iiaiurs I. Schatzmeister und Burggrafen zu Wien (f 1557), dereine von Wolfgang Lazius geordnete Münzen- und Antiquitäten-Sammlung hatte (s. meine Mtdailien, I. 45 f.). Hermes Schallantzcr, in den Jahren 1538 und 1539 Bürger- meister, dann Baudirector (•]- 1563), unter dessen Leitung nach des hochverdienten Feldhanptmaims Leonhard II. Freiherrn von Vels' Tode (f 1545) Wien die Befestigung seiner Basteien zu verdanken hatte, sammelte die bei diesem Baue ausgegrabenen Waf- fen, Münzen, Särge und Römersteine und gab das seltene Werk, wohl das erste dieser Art in Wien, heraus unter dem Titel: Exempla Aliquot S. (acrae) vetustatis Rom. in Saxis quibusdam operä nohilis viri, I). Hermetis Schallauczeri caes. Maiestatis Consil. et Arehitec- lurae praefecti, lue Viennae erutis, Vnä cum interpretalione Wolf- gangi Lazija) Med: et Historiei. Viennae. Anno M.D.LX. 39 Blätter in kl. Folio. (v^H. meine Medaillen, I. S. 29G— 299). Ob Christian Tannstetter, Sohn des berühmten Arztes, Mathe- matikers und Astronomen Georg Tannstetter ^), Rath und Bürger •) Dieser Ulrich F a h r i , nicht ans Thorherg im Canlon Bern, wie Denis in seiner Buclxlriickergeschiclite Wiens S. ISl und IGIi annimmt, sondern — da er sich selbst öfters Ith e t II s nennt und Vorarlberg im Lateinischen Rhiietia Austriaca genannt wird — aus Torenliiircn, war Hellenist und einer der belesensten Humanisten jener Zeit in Wien (s. meine Medaillen, Bd. I, 190). 2) Wolfgang La/.ius, von iiiiilterlicher Seile Schallauczer's Neffe, f 19. Juni 136J> und i'ulit in der Kirche zu St. Peter. 8) Georg Tannsteller, C o 1 1 1 m i t i u s von seinem Gebiirtsstiidtchen ISaiii (von con- limes., Grenze, Hain, d. i. Hai n e r) an der (ircii/.e Schwabens genannt. Pflege der Numismatik iu Österreich etc. .w l der Stadt Wien (f um 1J)68), der ausgezeichnete Gemälde besass, auch einer Münzsammlung sich erfreute , vermögen wir weder zu bejahen noch zu verneinen. Christoph Adam Fcrnberger zu Egenherg huttc eine mit vie- ler Mühe und grossen Unkosten gesammelte Kunstkammer, welche der kunstliebende Erzherzog Leopold Wilhelm am 20. April i660 besichtigte, wie auch Münzen, die der reiche Freiherr von >Vind- hag ') an sich lirachle und die antiken Münzen nach den vier Welt- monarchien eintheilte. Diese Sannnlung enthielt auch Münzen von den römisch-deutschen Kaisern, den europäischen Königen, Fürsten, Grafen und Städten und zählte 19.574 Stücke (wovon 9000 in Silber, die anderen in Bronze), die wahrscheinlich nach des Grafen sohn- losem Tode an das k, k. Münzcabinet gekommen sind. S. Toitograph. Windhag. 2. Autlage, S. 19 f.; vergl. meine Medaillen, l. 173 f. Ohne Zweifel waren zu Wien in dieser und späterer Zeit n>)ch andere Sammlungen, deren Dasein uns unbekannt geblieben ist. Die Noth , welche aus dem grossen und langwierigen Kriege gegen Frankreich in den Familien erwuchs, forderte unablässig schmerzliche Opfer an Menschenleben und materiellen Mitteln. Man- ches Gold- und Silberstück, das als Andenken oder Scliatzgeld in einem Schranke oder Beutelchen durch Menschenalter begraben gelegen, ward hervorgesncht, um die drückendsten Bedürfnisse zu befriedigen. Nach Beendigung dieses gewaltigen Krieges, welcher ungeheuere Kräfte verschlungen hatte , nahm bei erweitertem Gesichtskreise und wachsendem Woldstande in kurzer Zeit, beson- ders in unserer Heichshauptstadt , das Sammeln von Münzen und Medaillen einen lebhaften Aufschwung, das Sammeln ward Mode. Nicht nur Cavaliere. Gelehrte und Künstler, sondern auch Militärs, Beamte und reiche Privatleute, selbst Frauen legten zur Belehrung um! zum Vergnügen, wohl auch aus Ostentation und gewitmbringen- dem Interesse Münz- und Medaillen-Sammlungen an; derlei Samm- lungen im Werthe von 10.000—30.000 Gulden gehörten nicht mehr zu den Seltenheiten. Viele dieser Sammler waren Universali- 'J Joachim Enzmiillcr, tOOU zu ßabciihausen in Schwaben geboren, huh sich durch Talent, Fleiss und Wissenschaft im Jahre 16Ö1 in den Freiherren- und IGG9 in den Grafensland und zu grossem ISeichlhum eni|ior. Kr ist der Stifter der Windhay- schen üihiiuUiek , die 1784 der TniN crsit;its-Diblio(hek einverleibt wurde. Er starb Lu Windhag am 21. Mai lü7ö. 22 ,1. B e r g ni a M II sten, (i. h. sie sammelten Stücke von allen Ländern und Zeitaltern, andere hatten nach ihren Geldmitteln und dem Grade ihrer Kennt- nisse und ihres Geschmackes, wie aurh nach der ihnen sich dar- bietenden Gelegenheit schöne systematisch geordnete Sammlungen von einzelnen Staaten und Epochen, ja wir hatten sogar Sammler von Zwanzigern, Groschen und — Knöpfen. Wie von Seite des kaiserlichen Hofes unter Karl VI , seiner erhabenen Tochter und ihrem Gemahle K. Franz I., wie auch deren Enkel K. Franzi!, die Numismatik durch Heraeus, Erasmus Froe- lich, Duval, Eck hei, später durch Neumann und ihre Nach- folger im Amte gehegt und gepflegt wurde, haben wir in den drei früheren Abtheilungen dargelegt. Die prachtvollen Puhlicationen der Monnoies en or et en argent, qui composent une des difTerentes parlies du Cabinet Imperial, welche unter den Auspicien der grossen Kaiserinn selbst mitten in den Bedrängnissen des siebenjährigen Krieges an's Licht traten , weckten einerseits das Interesse für die Numismatik im In- und Auslande. Selbst eine Tochter der Kaiserinn, die Erzherzoginn Maria Anna, pflegte mit aller Vorliebe die Medaillen- kunde, sie verfasste, wie wir hören werden, die Histoire m^tallique ihrer kaiserlichen Mutter; der allen Thalersammlern wohlbekannte Dr. M a d a i war ein Sohn der ungrischen Bergstadt Schemnitz. Andererseits ward durch die inhaltsreichen Vorlesungen der Direc- toren Eck hei. Neumann und ihrer Nachfolger in fruchtbaren Boden der beste Samen gelegt, welcher trotz der Ungunst der Zeit allmählich hervorkeimte und nach Jahren reichliche Früchte trug. Erst in diesem Jahrhunderte treten hier, wie auch in den Pro- vinzen, besonders in Böhmen und Ungern, die Sammler, deren Geburt und Erziehung zum grössern Theile noch in's abgelaufene fällt, mit ihren Sammlungen an's Licht hervor. Wir erachten es unseres Faches und unserer Pflicht, diesen numismatischen Zeitab- schnitt zu fixiren, zumal wir seit drei Jahrzehnten mit einer grossen Anzahl dieser Sammler persönlich verkehrt und ihre Sammlungen mehr oder minder eingesehen haben. Seit längerer Zeit waren wir bemüht, über die nun dahinge- schiedenen Persönlichkeiten, die wir den Freunden der Numismatik vorführen wollen, Familien- und Lebens-Notizen zu sammeln und wo möglich nachzuweisen, wie sie zur Numismatik gelangt sind. Pitcffc der Numismatik In Österreich etc. CO "b I. Maria Anna, Erzherzoginn von Österreich, f 1789. Die durchlauchtigste Frau Erzh erzoginn Äariji Anna, der Kaiserinn M. Theresia zweite, in Wien am 6. October 1738 geborne Tochter, ward den 2. Februar 1766 zur ersten Äbtissinn des von ihrer Mutter auf dem k. Schlosse zu Prag gegründeteu adeligon Damenstiftes ernannt. Im Jahre 1781 vertauschte sie diesen Sitz mit der Residenz zu Klagenfurt, wohin sie am 23. April abreiste. Sie starb daselbst am 19. November 1789 , wo sie auch ruht. Das Nähere über diese kunstfertige Erzherzoginn siehe in v. Wurzbach's biograph. Lexikon. Bd. VII, 26. So wie Kaiser Karl VI. eine Geschichte seiner Regierung in Denkmünzen, eine Histoire metallique, begann, die aber, als sein Hofantiquar Heraeus in Ungnade gefallen war i), in's Stocken gerieth, ward dagegen diese Idee von dessen Tochter, der grossen Kaiserinn M. Theresia, zur Verherrlichung ihrer vierzigjährigen Regierung glücklich ausgeführt. Die so eben genannte Frau Erzherzoginn, welche ihre Müsse mit allem Eifer dem Zeichnen (deren Lehrer in diesem Fache Friedrich Brand gewesen) und der Numismatik widmete, beschrieb mit eigener Hand die Denkmünzen ihrer kaiserlichen Mutter. Dieses Manuscript , mit den betreffenden Zeichnungen , wozu sie auch den jungen Adam Bartsch 2) verwendete, verwahrt die Bibliothek des k. k. Münz- und Aiitiken-Cabinets in Wien. Dasselbe ist in Grossfolio, in blauem Maroquin mit Goldschnitt eingebunden und trägt auf dem Deckel der Vorder- und Rückseite die verschlun- ') S. meine Medaillen .tiif berühmte Männer des österr. Kaiserstaates. Bd. II, 410. Über dessen kais. Unj;iiade S. 421 und l)esonders 382. 2) Adam Ritter von Bartsch, 17ö7 in Wien geboren, ein Schüler des MedaiUeurs Do ma nek und des Prof. Schm ut zer, verschaffte sich durch die glückliche Nach- zeichnung der bis dahin unter der Kaiserinn M. Theresia in geprägten goldenen und silbernen .Medaillen im .lahre 1777 die Anstellung als Scriptor an der k. k. llof- bibliothek, rückte allniählieh zum ersten Custos und Hof rat he vor, erhielt 1812 den Leopold-Orden und den Ritterstand und starb zu Hiet/.ing am 21. August 1821. Allbekannt ist dessen Peintre graveur in 21 Bden. v. 1803 — 1821. 24- J. D u r g in :t ii n genen goldenen Buchstaben MT. Der Titel lautet in Fractursclirift : „Sammlung der unter der glorreichen Regierung der Kaiserinn K önigi nn Maria Theresia bishero geprägten Denkmünzen". Unten im Felde gewahrt man ein grosses Medaillon mit dem links- gekehrten Brustbilde der Kaiserinn mit dem Witwenschleier und dem Porträtmedaiilon weiland ihres kaiserlichen Gemahles auf der Brust geheftet. Die Umschrift laufet: MARIA THERESIA AVGVSTA. Aufdem Rrv. sitzt die Erzherzogin n vor einer Tempel- oder Museumshalle und zeichnet mit einer Feder in ein Buch die Meditille ein, welche ihr die gegenüberstehende Pallas , zu deren Füssen rechts ihre Eule und links der Medusensehild ruhen, mit der Rechten vorhält. Rechts neben der Schreibenden liegen auf einem Tische, an dem der österreichische Wappenschild lehnt, Medaillen und Münzen. Im Abschnitte liest man in vier Zeilen: RERVM SVB AVGVSTA GESTAR.um | MONVM. enta COLLEGIT \ MARIA ANNA. A. rchi- ducissa A. ustriae | CI0I3CCLXXIV. Somit ist die Hauptarbeit im Jahre 1774 vollendet worden. Die letzte Medaille vom J. 1774 auf S. 238 ist die auf die Erneuerung und Verbesserung des lateinischen Schulwesens, eine Prämien- Medaille, auf welcher Maria Theresia MATER SCIENTIAR. um BONARVMQ. ue ARTIVM genannt wird. Die folgenden 17 Medaillen, wovon nur vier mit einem be- schreibenden deutschen Texte begleitet sind, gehören den späteren Jahren bis einschliesslich 1779 an. Die Dedication lautet: „Monarchinn | Allergnädigste Mutter und Frau". „Die glorwürdigsten tliaten Euer kayserlichen königlichen Maye- stät so sich während Dero höchstbeglückten Regirung ereignet haben, erforderten die zierlichste Feder des geschicktesten ge- schichtschreibers um selbige würdig für die nachweit aufzuzeichnen ; das ich aber die denckmale derjenigen thaten und begebenheiten welche bisshero durch die schaumüntzen der Vergessenheit schon ent- rissen worden, nach der reihe zu sammlen, und in der kürze zu beschreiben zum ersten unternohmen habe; geschieht nur um den heftigen trieb zu befriedigen, wo möglich nach meinen geringen kräfften etwas zur Verbreitung Dero unvergänglichen Ruhms beyzu- trageii; glücklich würde ich mich schätzen, wenn Euer Mayestät meinen Eyfer als ein wahres kennzeichen meiner tiefesten Verehrung Pflege der .Niiiiiisiriiitik in Oslurruicli elc. !Jii> und zäitliclic'ii kiiullicli(Mi liebe iiiizuseheii allergiiädigst geruhen wollen mit welcher ich iehenslang verharren werde Euer kityscrlichen kötiiglichen Mayostät unterthäriig gehorsamste tochter Maria An na." Das Ganze enthält 2ü3 paginirte Blatter nebst fünf Blattern Inliallsaiizeige, die in ciironologischer Ordnung ahgefasst ist. Einige derselben haben Unterabtheilungen, wie z. B. 109^ 109**, 109***, t09****. Die Zeichnungen erstrecken sich von der ersten Medaille auf die Geburt der Kaiserinn Maria Theresia (am 13. Mai 1717) bis 1779, S. 248, wo die achteckige Medaille auf die in den österreichi- schen Niederlanden durch die Vorsorge des General-Statthalters, des Herzogs Karl Alexander von.Lothringen, gestillte Epidemie abgebildet ist i). Die nach S. 248 folgenden 15 Blätter haben weder Zeichnung noch Text, sondern stehen für beide offen gelassen. Wenn der Leser das Buch öffnet, so sieht er auf dem Folioblatte rechts vor sich oben die mit der Feder gezeichnete Medaille, unter ihr deren beschreibenden und mit einigen historischen Erläuterungen verse- henen Text in deutscher Sprache, und unterhalb dieses Textes sind da und dort die kleineren Medaillen des gleichen Inhalts gezeich- net; links auf dem gegenüberstehenden Blatte (sonach auf dem Bücken des Blattes mit deutschem Texte) sieht er den französi- schen Text. Es ist jedoch zu bemerken, dass die Medaillen auf den Blättern 9, 11, 33, 73, 88, HO. 111 und US nur von deut- schem, und die auf den Blättern 8*, 10*, 32*. 72*, 87* nur von französischem Texte begleitet sind; ferner auf den Medaillen von S. 109** an fehlt mit Ausnahme auf S. 112, 113, 114 und 116 bis 248 der französische Text gänzlich, endlich findet er auf den Blät- tern 10*^ 157*, 182, 182*. 194*, 234*, 235*, 238** 238*'*. 239*. 241*. 242*, 243-248 die alleinige Zeichnung der Medaillen ohne allen Text. ') CAR . ALEX . LOTH . DUX . BELG. . PRAEF. Dessen linksgekehitcs B r uftbild. R. In sieben Zeilen: GRASSANTE | PER PROVINCIAS | PERNICIALI MORBÜ | SALUS POPULORf.M | PROCURATA | PROVIDENTIA PRINCIPIS. | M.DCC. LXXIX Gröttse-. 1" 4'", Gcwiclil: 1 • g Lutli in Silber, iicbtecki-. 26 J. B e r g in » ii ii Zur Probe der Beschreibung wäblen wir die Medaille auf dem Blatte 176, welche die hohe Person der durchlauchtigsten Frau Erzberzoginn betrifft. Sie lautet : „Über die den zweyten Hornung 1766 beschehene Ernennung der Ertzherzoginn Maria Anna zur Äbtissin des adelichen Fräulein- stiffts zu Prag." „Die kayserin königin dachte nun auch ihre älteste i) tochter Maria Anna anständig zu versorgen und gab ihr zu disem end den 2"^" hornung mit eigener band den ordensmantel und staab des königlichen Fraulein stilTts zu Prag: bey diser gelegenheit wurde folgende denckmüntz geprägt: auf einer Seite das Brustbild dieser Ertzherzogin mit der Umschrift: Maria A nna Aust. Maria A nna von öesterreich. auf der anderen seite zeiget sich das gantze gebäude dises stiffts mit folgender Umschrift: Reg. Colleg. Prag: a M: th. aug. condit. Das von der kayserin Maria There- sia erbaute königliche Prager stifft. Die unterschrifft: Prima antistes inaugurata 2. Feb. 1766. Die erste Äbtissin ist denn zweyten hornung ernennet worden" 2). Wie aus allem diesem erhellet, ist dasManuscript nicht bis zum Hinscheiden der grossen Kaiserinn (29. November 1780) fortgeführt, nicht vollendet worden. Noch bei Lebzeiten der hohen Verfasserinn erschien dieses Werk mit deutschem und französischem Texte vollständig im Drucke unter dem Titel: Schau- und Denkm ünzen, welche unter der glorwürdigen Regierung der Kaiserinn Königinn Maria The- resia geprägt worden sind. Wien, in der Johann Paul Krauss'schen Buchhandlung. 1782. Fol. Der Herausgeber ist nach der Angabe der österreichischen National-Encyklopädie. Wien 1836, Bd. V, 579 der gelehrte Nuinismatiker Adauctus Voigt. Das Ganze besteht aus H Abiheilungen, wovon die I. Ahtheilung die Abbildung der Medail- len, von dem Wiener Kupferstecher Karl Schütz (f 1800) gra- virt, von Nr. I — CLXXXII, nämlich von der Geburt der Kaiserinn bis zum Hinscheiden ihres Gemahls, d. i. vom Jahre 1717 — 1765 ') D. i. die älteste noch lebende Tochter , denn die vor ihr am 3. Februar 1737 geborne Schwester M. Elisabeth« Amalia starb als Kind zu Laxenhurg am 7. Juni 1740. 2) Diese Medaille, in Gold 10 Üucaten und in Silber ly^ Loth schwer, ist in äem gedruckten Werke unter Nr CXCI, S. 2j3 abgebildet und beschrieben. Pdefre iler Nuiiii.sm;ilik in Ustorreicli etc. 27 liehst dein Texte in beiden genannten Sprachen in zwei Spallcn enthält; die II. Abtiieilung überliefert uns in gleicher Weise die Medaillen von Nr. CLXXXIII — CCXCI, von dem Regierungsantritte K. Joseph's II. bis zum Tode seiner erhabenen Mutter, von 176o bis 1780. Das Manuscript, das uns die Medaille auf den Tod des Kaisers Franz I. S. IGT darstellt, macht daselbst keinen Huhepunct, keine Abtiieilung. Die Vorrede im gedruckten Werke musste nach Veränderung der Umstände eine andere werden. Man ersieht jedoch aus deren Schlüsse, dass auch die hohe Verfasserinn bei der Herausgabe wesentlichen Antheil hatte. DerSchluss lautet im französischen Texte: je presente ici en ordre chronologique toutes les medailles frappees sous son glorieux regne, que j'ai fait graver exactement d'apres les originaux, et je joins ä chacune d'elles une legere de- scription", Worte, welche wohl mehr auf die Erzherzoginn als auf den anonymen Herausgeber zu beziehen sind. Der deutsche Text ist in der gedruckten Ausgabe durch den gelehrten Voigt kürzer, prä- ciser, die Orthographie nach jener Zeit correct, so auch die Inter- punction richtig; auch der französische Ausdruck ist verbessert. Wir wollen liier noch einer seltenen Medaille auf den zu Breslau am 11. Juni 1742 mit K.Friedrich II. geschlossenen Frieden erwäh- nen, die nur auf Seite 21 des Manuscriptes, nich aber in der gedruckten Ausgabe abgebildet und beschrieben ist, wohl aus dem Grunde, weil sie eine Privatmedaille ist. Sie ist in den Katalogen von Ampach, Bd. II, Nr. 11. 360 und von v. Wellenheim, Bd. U, Nr. 7856 beschrieben. Nach der Aufzeichnung der hohen Verfasserinn ist sie in Brüssel geprägt. Der Stempel ist vom holländischen Medailleur N. icolaus V. an S. winderen geschnitten, der auch im Auftrage der Stadt Haag die Denkmünze auf das III. Seculum (1740) der Buchdruckerkunst mit dem Bildnisse des Lorenz Coster ver- fertigt hat. Das Anzeigeblatt des XXI. Bandes (1823) der Wiener Jahr- bücher der Literatur enthält zu diesen gedruckten Schau- und Denkmünzen ergänzende Beiträge aus einem altern Manu Scripte, das von einer ungenannten Hand geschrieben uns aber nicht mehr bekannt ist. In demselben sind zugleich auch die im römisch- deutschen Heiche und überhaupt im Auslande geprägten Stücke, zweiundsiebenzig an der Zahl, aufgenommen, welche eine nähere 28 J- Bergmann Beziehung auf die durchlauchtigste Familie des österreichischen Hauses und seineGeschichte haben. Besonders machen wir aufmerksam S. 10 zu Nr. CCLXXXVIII. b (der gedruckten Ausgabe) auf die Inschrift zweier Sterbemünzen (zu „30 und 10 Kreuzer") des Her- zogs Karl Alexander von Lothringen, Bruders des Kaisers Franzi. Dieselbe enthält 41 Anfangsbuchstaben auf der Vorderseite, welche nach einer alten Aufzeichnung auf einem gleichzeitigen Papierblatte im k. k. Münzcabinete folgende Bedeutung haben: C. arolus A. lex- ander. D. elicise G. entis S. u« (seu D. ecus G. eneris S. ui) A. tque B. elgarum G. loria 0. rdinis T. eutonici A. dministrator. E. jus- demque P. er G. ermaniam E. t I. taliam M. agnus M. agister D. ux L. otharingiae E. t B. arri S. acri R. omani I. mperii E. t C. sesareae A. c R. egiae A. postolicaj M. ajestatis M. areschallus T. ribunus D. narum L. egionum P. edestrium E. t G. ubernator G. eneralis B. elgii A. ustriaci. Im Felde dessen mit dem Herzogshute gekröntes Wappen. Vgl. Köhne's Zeitschrift für Münzkunde, Bd. IV. (1844), S. 312 f. 5k. in neunZeilen: f — NATVS — 12.DECEMBER (sie) 1712 — ELECTVS — IN SVPR. emum ADM. inistratorem PRVSS. iae — ET M. agnum MAG. istrum 0. rdinis T. eutonici — 3. MAY. 1761 — DEFVNCTVS — 4. IVLY. 1780— R. equiescat I. n P. ace. Unten auf dem grössern Stück: 40. EINE F. eine MARCK, und auf dem kleinern : 120 EINE F. eine MARCK. Anmerkung. Die Bibliothek, die Mineralien- und Münzen- Sammlung der Erzherzoginn kamen nach v. Wurzbach's biogra- phischem Lexikon, Bd. VII, S. 27, grösstentheils an die Pesther Bibliothek. n. Michael Gottlieb Agnethler, f 1780. II. Michael Gottlieb Agnethler, Sohn des Hermann- städter Rectors Daniel Agnethler, im Jahre 1719 daselbst geboren, sludirte im Jabre 1742 zu Magdeburg, ward Doctor der Philosophie und Medicin, körperlich schwach und kaum zum Professor der Archäologie undBeredtsamkeit inHelmstädt ernannt, starb er daselbst am V6. Jänner 17o2. Ausser anderen Schriften naturhistorischen und medicinisclien Inlialtes gab er mit einer Vorrede heraus : Martin SchmeizeTs Erläuterung Gold- und Silberner Müntzen von Sie- benbürgen, welche zugleich auch die merkwürdigen Begebenheiten I'flege der Nuinisinalik in Usleireich etc. 29 des XVI., XVII. und XVIII. Jahrliiuulerts in sellugem Fürstenthum zu erkennen giebet. Halle 1748, S. 96, in 4., mit 02 Münzen und Medaillen auf VllI Tafeln. Dessen andere Werke s. in Dr. von Wurzbaeh's biograpli. Lexikon des K;iisertbums (sie) Österreich. Bd. I, S. 7. III. David Samuel von Madai, f 1780. in. David Samuel von Madai am 4. Jiinner 1709 zu Sc-iiemnitz in Ungern geboren, machte erst seine Studien in seiner Vaterstadt, dann zu Wittenberg und Halle, wo er 1732 als Doctor der Mcdicin graduirte und die Physicusstelle am dortigen Waisen- hause erhielt. Im dahre 1740 wurde er herzoglieh Anhalt- Cöthen- scher Hot'rath und Leibarzt, auch war er Mitglied der kaiserlichen Akademie der Naturforscher. Kaiser Joseph der II. verlieh ihm ddo. Wien am 14. Jiinner 1766 wegen der offenkundigen Beweise seiner Gelehrsamkeit, zumal höchst dessen Vater weiland Kaiser Franz I. in huldvollen Ausdrücken die Widmung des ersten Theiles seines vollständigen Thaler-Cabinets angenommen hatte (wie es im betreffenden Actenstücke des Reichsadels-Archivs lautet) den Reichs- adel mit dem Ehrenworte ,von** und mit der Bewilligung sich von den zu erwerbenden (sie) Gütern zu nennen. Nach demselben Acten- stücke war sein Sohn Karl August damals schon Doctor der Medicin und seine zwei Töchter Friederike Henriette und Wilhelmine schon in ansehnlichen Familien verehelicht. Madai starb den 2. Juli 1780 auf seinem Gute Benkendorf bei Halle. Die etlichen medicinischen Schriften Madai's übergehend wen- den wir uns zur Münzkunde, welche seinen Namen auf die Nachwelt gebracht hat. Michael Lilie nthaW), derB egründer des Systems, das von Madai angenommen, gemeiniglich nach diesem genannt wird, verfasste für Tlialersammler ein nützliches Handbuch erst (172o) unter dem Titel: „Auserlesenes Thaler-C abinet", das mit vermehrten Nummern 1730, dann 1735 und abermals 1747 unter dem Titel : j. Vollständiges Thaler -Cabinet" durch den Dresdener Ober-Steuercassier Rein eck, als dessen Schüler von Madai dankbar sich bekennt, zu Königsberg und Leipzig erschienen ist. 'J .Michael Lilien t ha I, zu Liel)st;uU in üstpreiisseii am 8. Sepleinber 1086 geboren, war ein vielseitig gelehrter Mann und fruchtbarer theologischer Schriflsleller. und starb als Bibliothekar uud Arcbidiakun zu Königsberg am 2.'i. .liinner 1750. QQ J. B e r g- III » n n Als diese letzte, um 849 Nummern vermehrte Auflage bald vergriffen war und bei erweiterter Kenntuiss auch die Tlieilnahme des Publicums an derlei Sammlungen wuchs, wozu das Prachtwerk „Catalogue des Monnoies en argent du Cabinet Imperial. Vienne 175G, in Fol." wesentlich beitrug, fühlte Madai sich veranlasst, unter demselben Titel ein neues, ansehnlich vermehrtes Werk heraus- zugeben. Der erste Theil erschien gleichfalls zu Königsberg im Jahre 1765, ist dem ersten Mäcen der Numismatik seiner Zeit, Sr. römisch-kaiserlichen Majestät Franz I., der am 18. August des- selben Jahres zu Innsbruck gestorben ist, gewidmet und enthält 2384Nummern in gleicher Zahl und in derselben inneren Anordnung, wie die Lilienthal-Reineck'sche Ausgabe, aber mit Bemerkungen bei den einzelnen Stücken, Citaten u. s. w. bereichert; der zweite Theil vom Jahre 1766, der der Kaiserinn Maria Theresia gewidmet ist, zählt Ö332 Nummern; der dritte Theil, auf dessen Titelblatte der Verfasser sich von Madai nennt, ist ddo. Halle 11. Mai 1767 dem Kaiser Joseph II. gewidmet und enthält in derselben Ordnung weitere Bereicherungen und Ergänzungen zu den früheren Nummern. Zum Schlüsse folgen drei Fortsetzungen in den Jahren 1768, 1769 und 1774, zusammen mit 1898 Nummern oder Stücken, Wir müssen hier bemerken, dass Madai manche Stücke als Thai er in sein Cabinet aufnahm, welche keine Thaler, sondern nur thalerförmige Medaillen sind, indem das Geldmünzen die Münzherechtigung erheischt. Anmerkung. Nun erfreuen wir uns eines neu begonnenen „Thaler-Cabinets", eines mustergiltigen Werkes, an welchem von Madai seine wahre Freude hätte. Es enthält die Beschreibung aller (?) bekannt gewordenen Thal er, worin auch alle diejenigen Stücke aufgenommen wurden, welche in von Madai's Thaler-Cabinet beschrieben worden sind, von Herrn Karl Gustav Ritter von Schult- hess-Rechberg aus Zürich, der eine überaus reiche und seltene Thalersamnilung besitzt, die vorzüglichen öffentlichen und Privat- sammlungen in Deutschland und in der Schweiz gesehen und die Herausgabe dieses umfassenden Werkes sich als schönes Ziel seiner Wirksamkeit vorgesteckt bat. Der erste Band erschien 1840 in Wien, wo der Herr Ver- fasser, um sowohl das k. k. Miinzcabinet als auch mehrere Privat- sammlungen zu seinem Zwecke zu benützen, durch ein paar Jahre I'fleg'e der .Niiiiii!ini:i(ik in (»sterreicli etc. 3 1 im Kreise mehrerer Freunde und Faeh^enosson, i)o.sonders des von ihm vor allen hoehvcrehrlen Herrn F. M. L. de Traux (s. Nr. XXVII) weilte, ist mit vollstem Uechte dem Urenkel des Kaisers Franz I. und Maria Theresia's, Sr. k. k. apostolischen Majestät Ferdinand I. gewidmet und enthjilt die Thaler der „Kaiser und Könige" in 2597 Nummern, mit genauer Angabe der von Madai'schon Nummern in Klammern; der zweite Band, Ahtheilung I, Wien 184ö, enthält die „Päpste und Erzbischöfe" von Nr. 2598 — 4008; Ahtheilung II, Wien 1846 „Bischöfe, Ordensmeister, Abte, Pröpste iitulÄbtissinnen" von Nr. 40o9— 5812; der dritte Band, Ahtheilung I, erschien 1862 zu München, wo Herr von Schulthess-Bechberg seit Jahren lebt und enthält die Thaler von „Anhalt, Baden, Bayern, Berg, Birken- feld (Oldenburg), Brandenburg und Braunschweig bis inbegrilTen die mittlere Braunschweig'sche Linie zu Wolfenbüttel", vonNr. 5813 bis 6694. Den Werth dieses trelTlichen W^erkes erhöhen die sorg- fältige Angabe der wichtigsten, im letzten Bande bin und wieder zu weit ausgedehnten historischen Daten eines jeden Münzherrn, wie auch zahllose andere Notizen, wodurch auf unsere Anregung das zeitraubende Aufsuchen und Nachschlagen in vielen, oft seltenen Büchern erspart wird. Zur Berichtigung und Ergänzung des von Madai'schen Thaler- Cabinets siehe Lengnich's Nachrichten zur Bücher- und Münz- kunde. Danzig 1780, Tbl. I, 365—385. IV. Paulinus k S. Bartholomaeo. Paulinus a S. Bartholomfeo, eigentlich Johann Philipp Weszdin, am 25, April 1748 zu Hof an der Leitha in Nieder- österreich geboren, ward 1768 unbeschuhlcr Carmelit, Missionär, später Generalvicar und apostolischer Visitator in Ostindien, dann Professor der orientalisclien Sprachen und Syndieus der asiatischen Missionen in Rom, Mitglied der Akademie zu Velletri und der könig- lichen Neapolitanischen etc., gestorben zu Rom am 7. Jänner 1806. Dieser tiefgelehrte Mann kam bei den damaligen Unruhen in Italien w^ieder in sein Vaterland, besuchte den Director Ahh6 Neu- mann im kaiserlicheuMünzcabinete und beschrieb und erläuterte die indemseihen verwahrten indischen Zodi a ca 1 - M ütize n in dem W^erke: Mnsei Ca^sarei Vindobonensis numi Zodiacales animadver- 32 J. B e r g m a II n sionibus illustrati ete. Vindobonae, expcnsis Joli. Georg. Binzii. Mf)CCXC)X in 4., pag. 57, mit einer Tafel Abbildungen von vier Zodiaeal-Rijpien, die jedoch nicht gar deutlich radirt sind. Fra Paulin gibt zuerst die Geschichte dieser Münzen mit je einem der zwölf llimmelszeichen, die Sagen über ihren Ursprung und die Versuche sie zu erklären; im §. I, S. 13 die Beschreibung der einzelnen Münzen; der §. III, S. 28 f. enthält die Reihe der indischen Kaiser und Müiizstädte aus diesen im kaiserlichen Cabinete vorhan- denen Stücken, worin aber die einzelnen Stücke nicht beschrieben werden. Indess ersieht man daraus denReichthum dieser Sammlung, die auch in diesem Fache sehr schätzbar ist. Zuletzt kommt der Verfasser auf den Ursprung der Bilder-Rupien zurück und behauptet, dass die ganze Sage, die sie der Nur Gehan Begum, der geliebten Gemahlinn des Kaisers Gehanghir beilegt, von Europäern erfunden und zuerst von Tavernier, der hochbetagt auf einer siebenten Reisein den Orient im Jahre 1689 zu Moskau starb, verbreitet worden sei.Vergl. Göttinger gelehrte Anzeigen, 1799. Stück 158 vom 5. October, S. 1572. V. Hieronymus Weinhofer, Exjesuit, f 1808. Weinhofer, zu Wien am 14. April 1734 geboren, trat mit 18 Jahren in den Orden der Jesuiten, lehrte vom Jahre 1765 bis zu dessen Aufhebung im Jahre 1773 in den unteren lateinischen Classen des Ordeushauses und war hierauf Hilfspriester (Operarius) in der Ordenskirche, die zur Pfarre am Hofe erhoben wurde. Neben seinem priesterlichen Berufe widmete er sich eifrig den diplomatischen, heraldischen, numismatischen und historischen Studien , vorzüglich denen von Niederösterreich und Wien. Er brachte zuerst eine ziemlich vollständige Sammlung von kleinen österreichischen Silber- und Kupfermünzen zur Aufklä- rung der vaterländischen Münzkunde zusammen; ferner brachte er die Ordnung und zweckmässige Eintheiiung sowohl des Archives des Bürgerspitales als auch des magistratischen zu Stande, s. öster- reichische National-Encyklupädie, Bd. VI, 56 und Stoeger's Scrip- tores Provinc. Austridcae Societ. Jesu. Viennae 1856, S. 393, nach M elchem er ein Verzeichniss der Bisthümer und Pfarren des Erzher- zogthums Österreich, Wien 1791, 12"". herausgab, ferner einige Auf- sätze in Abbe Hofstätter's (f 1814) Magazin der Kunst und Literatur Pl'i'ge (liT Niiiiiismallk in Öslerreicli elc. .) O von 1793 — 1797, welche ich aber nicht naiiihaft zu machen vermag, indem hei wenigen der vielen Aufsätze der Verfasser genannt ist. Er starb in seinen) Hause im Schh)ssergässclien Nr. 035 (dermals 596) am 27. Juni 1808 (Wiener Zeitung 1808, S. 3410). VI. Joseph Ritter von Mader, f 1815. Joseph Ritter von Mader war am 8. September 1754 in Wien geboren, wo er studirte und 1777 die juridische Doctorwürde orhuifrte. Im Jahre 1779 wurde er ordentlicher Professor der deutschen Reichsgeschichto und der Statistik an der Universität zu Prag, später k. k. Rath, Dii-ector des philosophischen Studiums. Wegen seiner Verdienste als Professor der Statistik wie auch der um die Numismatik verlieh ihm Kaiser Franzi, aus höchst eigener Bewe- gung am 2. Juli 1810 den Leopold-Orden und erhob den Ordens- statuten gemäss ihn am 10. März 1815 in den Ritterstand. Er starb zu Prag am 25. December desselben Jahres i). Ausser mehreren statistischen und juridischen Aufsätzen schrieb er über Numismatik, der er seine Nebenstunden widmete. Diese seine Arbeiten zeigen den grossen Umfang seiner Kenntnisse und kritische Schärfe. Nachstehende Werke brachten ihm den wohl verdienten Beifall des In- und Aus- landes, als: aj Versuch über dieBrakteaten, insbesondere über die böhmischen (aus den Abhandlungen der k. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften). Prag 1799, 104 Quaitseitcn, mit der Abbil- dung von 76 Stücken auf VII Kupfertaleln. Das k. k. Münzcabinet in Wiin besitzt das ExompliU* mit den eigenliändigen Anmerkungen des Verfassers; bj Zweiter Versuch über die Brakteaten. Prag 1808, mit 108 Münzen auf VI Tafeln; cj Kritische Beiträge zur Münzkunde des Mittelalters. Prag bei Haase 1803—1813, 8°, VI Bändchen mit vielen Münztafeln. — Sein Sohn Paul Ludwig Ritter v. Mader war Präsident des Stadt — und Landrechtes zu Linz, VII. Joseph Müller Freiherr von und zu Mülüegg, f 1822. Es dürfte nicht ohne Interesse sein dieses aus Zürich herstam- mende Gesclilecht näher zu beleuchten. Jakob Müller^), einer der 1) Mader's Nekrolog s. in Dis. Karl Josepli P r a t o b e v e r a Materialien für Gesetzkunde. Wien 1816, Bd. II, S. 392. 2) Nach AI bert i A rge n t i n e n s i s Clironicon, F u ggo i's sugcnaniitem Elirenspiegel lind des Fürsten von L i c li n o w j k y Ceschichte dos Hauses Ilaiisbnrg. I. IM , S. ~'i. Sitzb. d. pliil.-hist.CI. Xl.l. Rd. I. Iiri. '-' 34 J. B e r g- m a n n angesehensten Bürger Zürichs und fehdelusfiger Feind des Grafen Rudolf von Habshurg, in dessen Hand er unversehens gefallen war, rettete sich aus dem ihm drohenden Verderben durch eine launige List i)» ward nun dessen treuer Anhänger und bald nachher Lebens- retter, Als nämlich der Graf in dem mit Hilfe derer von Zürich gegen den Fieiherrn Lütold von Regensberg geführten Kriege ver- wundet vom Streitrosse fiel, schlug dieser Jakob Müller sich zu ihm durch, nahm ihn vor sich auf sein Pferd und entzog so dem Tode oder der Gefangenschaft den Stammvater des österreichischen Kaiserhauses. Als Rudolf den Königsthron bestiegen halte, schlug er nach der Sage seinen Lehensretter unter den ersten vor den Reichsfürsten zu Mainz am St. Martinstage 1273 zum Ritter und erzählte ihnen, welche sich darob höchlich verwunderten, die Ursache mit dem Beisatze, dass er liiedurch ein Beispiel zur Nachfolge geben wolle (Fugger, S. 84; von Lichnowsky I, 111). Müller ward Reichsvogt in Zürich und wählte für sich und die Seinigen das Begräbniss in dem neu erbauten Augustinerkloster zu Zürich. Von diesem treuen Jakob Müller leiten sowohl die Freiherren Müller von Friedbergä) als auch die Müller Freiherren von und zu Müh I egg (auch Müllegg geschrieben) ab. Sie führen das goldene Mühlrad im schwarzen Schilde. In dem Diplonie vom 28, Jänner 1747, durch welches von der Kaiserin!! Maria Theresia dem Johann Jakob Müller von und zu ») Vgl. L eu's Schweizerisches Lexikon, Zürich 17S7, Bd. XIIF. S. 318 f. 2) Von Kaiser Joseph II. ward dem Franz Joseph Müller, Edlen von Friedberg', Ritter des k. französischen St. Michaelordens Grosskreuz, geheimen Ralhe des Fürsten und Al)ten zu St. Gallen und Landvogte der Grafschaft Toggenburg ddo. Wien 21. März 1774 der alte Ritterstand und das Prädieat bestätiget, und durch Kaiser Leopold's II. Handbillet vom 1. September 1791 derselbe Müller von Friedherg, fürstlich St. Gallischer Minister und Landeshofmcister , in den ösferrei- chisclicn Fr eih err e n s t a nd erhoben (nach den Acten im k. k. Adelsarchive). Er starb am 17. Februar 1803 und hiuterliess den Sohn Karl Franz, ausgezeichnet durch hohe Geistesbildung und Staatsklugheit, welcher um den jungen Kanton St. Gallen sich hoch verdient gemacht bat und am 22. Juli 1836 aus diesem Leben schied. Dessen zwei Söhne sind: a) Beda Karl, ein vielseitig' gebildeter Edelmann, vormals Präsident des Appellalionsgerichtes zu St. Gallen, der am 9. Jänner 18G3 zu Kon- stanz starb und die Tochter Mathilde, verehelichte von Chrismar, hinterliess ; h) Beat Anton, geb. 1790, gewesener Major in k. niederländischen Diensten, der bei seiner verehelichten Tochter Corinna in Genua lebt und den Mannsstamm dieser urullen Herren von Müller heschliessen wird. Pflegt' der Numisninlik in Österreifli elc. oO Müllegg, Ritter, der alte Hitterstand bestätiget wird, wird auf das altadelige Herkommen und die Verdienste dieses Geschlech- tes um das Erzhaus Österreich hingewiesen, dass er in zuläng- lichen Urkunden von jenem .lakoh Müller abstamme, der von Kaiser Rudolf 1274 (sie) auf dem Reichstage aus eigener Bewegnuss zum Ritter geschlagen und wegen seines tapfern und rühmlichen Ver- haltens mit ansehnlichen Gütern beschenkt worden, dessen Nach- kommen sich fortan adel- und ritterlich aufgeführt und in der Stadt Zürich in gutem Ansehen und Flor gelebt und daselbst Rathstellen bekleidet und adelige Lehen besessen haben; unter anderen ist Gottfried Müller, der bei weiland Herzog Leopold HI. die Stelle eines OLcrhofmcisters bedient, 1386 ritterlich gefallen und hat mit in der Abtei Königsfelden begraben zu werden verdienet *). Das Geschlecht ist bei bürgerlichen Unruhen aus Zürich nach Wallis und von da weiter in die freie Reichslierrschaft Friesen gezogen, wo er Ämter verwaltet hat. In deren Fussstapfen trat dieser Johann Jakob Müller, der schon unter Kaiser Karl VI. im Jahre 1717 bei der österreichischen geheimen Hofkanzlei als beeideter Agent aufgenommen war und besonders der ober- und niederösterreichischen Lande Nutzen und Bestes befördert, dann während des im Jahre 1733 erfolgten bour- bonischcn Einfalles in die österreichisch-italienischen Staaten mittelst mühsam geführter Correspondenz verschiedene gefährliche Absichten und schädliche Vorhaben frühzeitig entdeckt und hintangehalten hat. (Nach den Acten im k. k. Adelsarchive.) Dessen Sohn Johann Christian von Müller, Hofagent und Commercien-Titularrath ward auf seine Bitte, gleich der altritter- lichen, aus der Schweiz abstammenden Müller'schen Familie, mit welcher er einerlei Stammvater habe, in den Freiherrenstand erhoben wie auch dem den Müllern von F r i e d b e r g auszufertigen- den Diplome mit einverleibt zu werden, am b'. März 1792 in den F reiherren stand von und zu Mü hl egg =) erhoben. *) In Fugg-er"s Elirenspiegel, S. 3T6, wird „H. Götz Müller" niitor den am 9. Juli 1386 bei Sempach Erschlagenen genannt, und dessen Wiippenscliild, das Mühlrad, ist daseihst S. 37ö, Nr. 12 abgebildet. ') Miillegg, Hof in der Pl'arre Adligenschweil in der I.uzern'schen Landvogtei iialisliiirg (nacli Leu). 3» 36 J. B e r g m a n II Wahrscheinlich war dieses Johann Christitm's Sohn Joseph Müller Freiherr von und zu Mühlegg, k. k. privil. Grosshändler, der in einem Alter von 59 Jahren am 27. Februar 1822 in der Singerstrasse im eigenen Hause Nr. 901 an der Entkräftung gestorben ist (s. Wiener Zeitung vom 4. März 1822, S. 207). Er hinterliess als Witwe Frau Katharina von Paloesay und drei min- derjährige Töchter, wie auch einen Bruder Ferdinand, k. k. niederösterreichischen Regierungsrath, Ritter der Ehrenlegion, mit welchem das Geschlecht der Müller von und zu Mühlegg erloschen sein dürfte. Dessen universelle Münzsammlung von 10.179 Stücken kam mit der bezüglichen Bibliothek von 87 Nummern im Jahre 182o zui- Versteigerung, zu welchem Zwecke ein „Katalog einer grossen Sammlung Silbermünzen und numismatischer Bücher" verfasst und 1824 gedruckt wurde. Die in einem solchen Katalog im k. k. Münz- cabinete eingetragenen Verkaufspreise zeigen nicht ohne Interesse für heutige Münzsammler den grossen Unterschied zwischen damali- gen und jetzigen Preisen. Wir wollen unsere Leser mit Darlegung der Rangordnung, in welche in diesem Kataloge die Staaten eingetheilt sind, nicht lang- weilen, bemerken aber dass Münzen desselb enFürsten, der mehrere Lande besessen, hier aus einander gerissen und zerstreut sind, so dass z. B. die Münzen des österreichischen Kaiserhauses nach dessen einzelnen Kronlanden zerrissen und an ganz verschiedenen Orten eingereiht sind, statt sie — nach den einzelnen, ehedem münz- berechtigten Provinzen abgetheilt — in einem grossen Körper über- sieh" lieh vereint zu haben. Vm. Die Frauen Theresia de Roux und Maria Anna Spöttl, t 1822. Wir fassen zwei numismatische Frauen Wiens hier zusam- men, nämlich Theresia de Roux und Maria Anna Spöttl, welche beide wahrscheinlich im Jahre 1822 gestorben sind. A. Frau Theresia de Roux besass nach Franz Heinrich Böckh's Merkwürdigkeiten Wiens (Wien 1823, Bd. 1, 154) eine Sammlung französischer Medaillen, welche auf verschiedene merkwürdige Ereig- nisse geprägt wurden, vorzüglich jene der neuern Zeit. Sie besass Pfleije der Nurniüinutik in Österreifli etc. 37 gemeinsam mit ihren Geschwistern de Houx (Ins ll.ius Nr. 838 in der Griinangergasse, s. Schimmer's Hanser-Chronik der Stadt Wien (Wien 1849, S. 157). Ferner nach desselben Angabe S. lOÖ besass The- rese de Roux auch das Haus Nr. 534 unter den Tuchhtuben, woran der bürgerliche Tuchhändler Ignaz de Houx, der am 20. Mai 1828 in Hictzing starl), seinen Anlheil hatte. Nach Böckh 11, S. 33 wurde ihre Sammlung theils an Herrn Heinrich Grafen von Starhemberg, theils an Joseph Appl verkauft, ferner nach demselben Bd. I, S. 154 kaufte der eben genannte Graf, der damals im de Roux'schen Hause in der Grünangergasse wohnte, die Sammlung des verstorbenen Joseph de Roux, welcher dem- nach auch eine derlei Sammlung besessen hat, wenn nicht die eine und dieselbe gemeint sein sollte. B. Harla Anna Spöttl. — Die Familie Spöttl besass schon im Jahre 1760 das Haus mit der woiil renommirten Specereihandhing und dem wohl bekannten Schilde „Zum grünen Fassel" Nr. 260 am Kohlmarkte, in welchem von 1771 — 1802 das erste Locale der k. k. privilegirten Börse gewesen ist (s. Schimmer, Nr. 260 und 939). Nach Böckh I, S. 154 hatte Frau M. Anna Spöttl, bürgerlichen Spe- cereiiiändlers Witwe, eine sehr reichhaltige Thaler-Sammlung, die nach v. Madai's Systeme geordnet war und nach ihrem Tode verkauft wurde. Nach demselben Böckh, II, S. 33 besass die hinteilas- sene Familie im Jahre 1823 eine zweite Sammlung dieser Art. IX. Wenzel Edler von Ankerberg, f 1824. IX. Wenzel Edler von Änkcrberg, Sohn eines armen Israeli- ten Namens Epstein, im Jahre 1757 gehören , kam 1771 nach Wien , stndirte erst Medicin und erhielt von seinem Gönner, dem BanquierAdalhert von Henikstein, ein nicht unbedeutendes Vermächt- niss. Nun wurde er Katholik und nahm den Namen Ankerberg an, wahrscheinlich nach seinem hohen Gönner Wenzel Reichsgrafen Sauer von und zu Anker stein, Gouverneur von Tirol, der ihn wegen seiner Fähigkeilen a's Gubernial-Secrefär nach Innsbruck mitgenommen hatte, und ward am 8. Juni 1789 in den Adelstand erhoben. Nach des Grafen Tode ward er Hofsecretär bei der höh- mischen llofkanzlei in \>'ien, wo er am 27. Juni 1824 starb. Ef warein Mann voll Geistes und maimigfaltiger Kenntnisse wie auch aus 38 J. B e r g- m ii II n gezeichneter Schachspieler. Vgl. Drs. v. W urzbn ch biograph. Lexikon des Kaiserthums Österreich. Wien 1856, Bd. I, S. 43. Ausser einer Sammlung von Gemälden vorzüglicher Meister aus allen Schulen, dann von Mineralien (mit einem Kataloge von Mohs), geschnittenen Steinen besass er eine reichhaltige Sammlung sowohl von antiken und modernen Münzen als auch seltenen Medail- len von allen Metallen, Grössen und aus jedem Zeitalter, die er nach einem eigenen, mit grossem Fleisse ausgearbeiteten Systeme geord- net und in einem Verzeichnisse von vier Quartbänden, das zar Druck- legung bestimmt war, zusammengestellt hatte. In seiner Bibliothek befanden sich viele Prachlwerke , welche auf Numismatik und Archäologie, auf Natur- und Kunstgeschichte und besonders auf Botanik sich beziehen. Auch erfreute er sich eines sehr interessanten Albums von hervorragenden Zeitgenossen des In- und Auslandes. Viele seiner gedruckten Aufsätze sind mit Akbg bezeichnet in den Wiener Journalen, namentlich in Gräffer's Conversationsblatte. X. Jakob Ritter v. Frank, Banquier, f 1828. Des Thalersammlers Jak ob's Ritter von Frank Vater war Johann Jakob Frank, Patricius und Mitglied des grossen Rathes der damals der schweizerischen Eidgenossenschaft zugewandten Republik und Stadt Mühl hausen im obern Elsass, von wo auch die Grafen V. Fries entstammen, welcher wegen mehrerer erspriessHchen Dienste, da er sich in den österreichischen Ländern etablirt und sich in der Societät der künftigen Tabakgesellschaft mitinteressirt hat, von der Kaiserinn Maria Theresia ddo. Wien 23. Juni (intimirt am 17. Juli) 1 773 in den R i 1 1 e r s t a n d erhoben und am 10. August 1784 unter die neuen Geschlechter der niederösterreichischen Landstände aufgenommen wurde. Dessen Sohn Jakob, Banquier in Wien, gestorben am 15. März 1828, lag mit aller Liebe und allem Eifer der Numismatik ob, kaufte einige kleine Sammlungen , suchte in rastloser Ausdauer und keine Kosten scheuend nur Seltenheiten zu gewinnen und brachte nicht unbedeutende Opfer um dem Schönen das Schönste, das Besterhaltenste zu substituiren; denn er sammelte als reicher und verständiger Liebhaber. So wurde nach und nach seine Samm- lung, wenn auch nicht eine der zahlreichsten, doch eine der seltensten und besterhaltensten Slücke besonders von Thalern in weitem Pflege der Niiinisiiialik ia Östorreicli elc. o i) Umkreise und erwarb dadui-ch mit Recht sich einen günsti'^'en iJuf. Bei den Thalern waren auch einige halbe und Vierleltlialer, dann mehrere Testons , jedoch nur von solchem Gepräge, von welclieni keine ganzen Thaler zu haben sind. Die Sammlung war nach Madai geordnete, und wurde im October 1839 zu Wien versteigert. Nach dem von Dr. Cajotan Senoner verlassten Kataloge enthielt sie 3738 Thaler und 414 Medaillen auf berühmte Männer und Frauen. Dieser Rittt-r von Frank ist wohl jcMier in von Wurzbacirs bio- graphischem Lexikon Bd. IV, 326 mit P. Frank bezeichnete Mann, dessen joeose Weise zu sammeln Adolf Bau er le's Theater-Zeitung 1856, Nr. 23, S. 90 „Notizen für Münzens ammle r" schildert. XI. Leopold Ritter von Roschmami-Hörburg, k. k. Hofrath, t 1830. Martin Bosch mann, der Stammvater dieses Geschlechtes, war unter den Kaisern Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I. Post- meister zu Füssen und zu Lermos in Tirol und erhielt loö3 ein schwarzes Posthorn im goldenen Felde als Wappen. Einem seiner zahlreichen Söhne, gleichfalls des Namens Martin, des Erzherzogs Ferdinand Regierungs-Secretäre, der mit Anna von Hörburg, der Letzten ihres adeligen Geschlechtes, vcrthelicht var, erlaubte dieser Fürst ihren Familiennamen sammt dem Wappen annehmen zu dürfen. Seitdem stehen R o s c h m a n n treu im allerhöchsten Dienste. Einer dieser Nachkommen war Anton Bosch mann, geboren zu Hall am 7. Deceniber 1694, ein Mann von umfassender Gelehr- samkeit, hochverdient um das Aufblühen der Wissenschaften in seinem Vaterlande , erst Universitäts-Notar, dann Bibliothekar der kaiserlich-theresianischen Bibliothek, indem damals die Universität zu Innsbruck keine eigene Bibliothek hatte, wie auch Archivar und llistoriograph der tirolischen Stände. Unter grossen Hemmnissen und Schwierigkeiten vermochte er mit unverdrossener Mühe eine stattliche Kupferstiche-, Münze n- und .Antiquitäten-, Naturalien- und Mineraliensammlung in der ihm anvertrauten Bibliothek aufzu- stellen und erwarb durch seine rastlosen Foi-schungen auf dem Gebiete der alten Geographie und Geschichte Tirols wie auch der Denk- male des Landes, besonders zur Zeit der Römerherrschaft grosse und allzu wenig gekannte Verdienste. Er war mit den gelehrtesten Zeit- 40 .1. B e r g' ni :i n ii genossen seines Faches deutscher und welscher Zunge, wie auch mit den Boilandisten in literarischem Verkehre und die neugegründete kurbaierische Akademie der Wissenschaften zu München wählte ihn 1759 zu ihrem auswärtigen Mitgliede. Er starb allgemein geehrt den 25. Juni 1760 und fand erst in neuerer Zeit einen würdigen Biographen an dem um Tirols Geschiclite gleichfalls hochverdien- ten k. k. Appellatioiisgerichts-Präsidenten Freiherrn Dipauli v. Treuheim 1) in „Beiträge zur Geschichte, Statistik von Tirol und Vorarlberg« 1826, Bd. II, S. 1 — 184 mit dem beigefügten Ver- zeichnisse der Boschmanu'schen gedruckten und ungedruckten Schriften in CLXXXVII Nummern , deren grössten Theil die vom genannten Präsidenten gesammelte kostbare Bibliotheca Tirolensis im Ferdiuaudeum zu Innsbruck verwahrt. Er hiuterliess aus zwei Ehen drei Söhne und drei Töchter, jene waren: Joseph Anton aus erster Ehe, der als k. k. Appel- lationsgerichts-Secretär zu Klagenfurt um 1788 starb; dessen einziger Sohn Bernard Maria ward Servit und Gymnasialprofessor zu Inns- bruck; der zweiten Ehe entsprossten: B. Cassian Anton, der durch des gelehrten Joseph Freiherrn v. Sperges' (f 1791) Ver- wendung zum geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchive nach Wien kam und als Archivar am 16. April 1806 in einem Alter von 67 Jahren kinderlos starb 2). Er gab im Drucke heraus: Geschichte von Tirol. 2 Theile. Wien 1792—1802; und C. Ante n Leopold, um 1740 geboren, k. k. Gubernial-Secretär zu Innsbruck (s. folgende Seite). Diese drei Brüder bitten laut Angabe des k. k. Adelsarchives ddo. Wien 14. October 1783 um Erneuerung des von K. Ferdinand III. und der Erzherzoginn Claudia als Vormünderinn und Regentinn in Tirol für ihren minderjährigen Sohn Ferdinand Karl im Jahre 1644 verliehenen Adelsdiplomes (das aber nicht mehr vorhanden ist), M^elcbe Bitte von K. Joseph II. am 14. Jänner 1784 mit dem Prädicate von llörburg allerguädigst genehmigt wurde. ») Dessen Biogrnphie samml Medaille in meinem Medaillenweike. Wien 1837, Bd. H, S. 44:J— 4äö und Taf. XXVIM, Nr. 123. 2j Die Angabe in der österreichischen Nalional-Encyklop. Bd. IV, 412, dass Cassian A nton nicileröslerreichischer Regieningsialli und Kreishauptmann gewesen sei, ist eine irrige Verwechslung mit seinem Jüngern Bruder Anton Leopold, dessen daselbst nicht erwähnt wird. IMlt'i'e iKr Niiiiiisiiuilik in (islriicli-li de. 41 Dervorgetiiiiinle Anton Leopold v. Uoschmaiin-llörl» ur j;, später Gnbeniialrfttli unti Kreishauptmann, erst zu Bozen, dann im Piisterthale, hatte bei der Landesverlhridigung im Vintschgau und Biirggrafenamte und bei dem Aufgebote des Landsturmes und mehrerer SehiUzencompagnien in den Jahren 1796 und 1797 sit-h aus"-ezeichtiet. Nachher \v;ir er niederüsterrcichischerRi'gierungsi-ath und Kreishaupimann zu St. Pölteu, ward um 1819 jubilirt und wegen seiner vicljähriuen treuen Dienste mit dem Ritterkreuze des kaiserli- chen Leopold- Ordens geschmückt und in Folge dessen am 1. Mai 1820 in den Ritterstand erhoben. Erstarb zu St. Pollen den 19 Mai 1820 in einem Alter von 74 Jahren. Hessen Sohn Anton Leopold, am 26. December 1777 zu Innsbruck geboren, trat am 27. September 1800 in Staatsdienste und war mehrfach in der Lage in hervorragender Weise sich aus- zuzeichnen. So leitete er im Jahre 1809 als Unterintendant die Landesvertheidiguug im Unter-Innthale, wobei er verwundet wurde und verliess Tirol erst als nach dem Friedensschlüsse das Land nicht mehr zu halteo war, unter den grössten ihn bedrohenden Gefahren, da von Seite des Feindes ein Preis von 3000 Ducaten auf seinen Kopf gesetzt war. Im Jahre 1813 erwarb er sich um Kaiser und Vaterland mitseltener Selbstverleugnungausserordentliche Verdienste, welche näher zu berühren hier weder an der Zeit noch am Orte ist. In eben diesem Jahre zum Ober-Landescommissäre ernannt, organi- sirte und leitete er die Tiroler Landesvertheidigung bis er in die Lage kam, das Land als Repräsentant seines Kaisers von der k. baierischen Regierung zu übernehmen, worauf er daselbst eine Reihe von Organisirungsarbeiten durchführte, welche nur als Provisorien gemeint waren, sich aber so sehr bewährten, dass sie grösstentheils bis in die neueste Zeit in Geltung blieben. Im Jahre 1815 wurde er zum Oberintendanten der kaiserlichen Armee in Italien und nach dem Einrücken in Frankreich zum Gouver- neur des südöstlichen Theiles von Frankreich mit dem Sitze zu Lyon ernannt, und wusste auch diese schwierige Mission zur vollsten Zufriedenheit seines Monarchen zu lösen. Nachdem er liierauf als Hofrath bei der vereinigten Hofkanzlei bis zum Jahre 1819 gedient hatte, suchte er in diesem Jahre wegen geschwächter Gesundheit seine Versetzung in den bleibenden Ruiiesfand an, w^elche ihm auch in der ehrenvollsten Weise zu Theil wurde. Seine Verdienste wurden 42 J. B e r g m a n n durch die Verleihung des Ritterkreuzes des kaiserlichen Leopold- Ordens und des goldenen Civil-Ehrenkreuzes anerkannt; auch war er als Besitzer der Herrschaft Ottenschlag am 9. October unter die neuen Geschlechter der niederösterreichisciien Landstände auf- genommen. Er starb zu Wien an wiederholtem Schlagllusse am 11. Mai 1830 in einem Alter von 52 Jahren (s. Wiener Zeitung 1830, 18. Mai, S. 570) und hinterliess aus der Ehe mit Anna, Tochter des k. k. Hofrathes Alois von R oner-Ehrenwerth, die in Wien am 9. Februar 1847 gestorben ist, den Sohn Karl, geboren zu Ottenschlag in Niederösterreich am 1. Juni 1821, dermals k. k, Hofrath und Director der Kanzlei des k. k. Ministerrathes. Anton Leopold Ritter von Roschmann - Hörburg war ein vielseitig unterrichteter, kenntnissreicher Mann und hatte eine Üniversal-Sammlung von Thalern und Medaillen, unter welchen sehr gute, ja auserlesene, besonders österreichische Stücke sich fanden. Auf dem Krankenlager kurz vor seinem Hinscheiden verkaufte er die Sammlung an den Münzhändler Joseph Obern- dörffer, den er aus Ansbach nach Wien brieflich beschieden hatte, wie dieser mir mittheilte. Xn. Johann Michael von Held, f 1830. Johann Michael von Held war Besitzer des freien Thurn- hofes zu Brunn am Gebirge (drei Stunden von Wien), bedeutender Grundstücke und Weingärten, wo er am 8. Juni 1830 starb. Schon sein Vater gleichen Namens war ein kenntnissvoller, thätiger und ausgezeichneter Landwirth in Brunn, in dessen Bahn der Sohn mit allem Geschick und Eifer eintrat. Dieser vermehrte die Grundstücke auf 250 Joch, machte mancherlei kostspielige Versuche seine Land- wirlhschaft zu verbessern und zu heben, besonders forderte er den Weinbau und brachte grössern Geldumlauf in die Gegend. Im Jahre 1787 kaufte er von dem dam.aligen niederösterreichischen Land- rechts-Vicepräsidenten Franz B( rnhard von K e e s s (f 5. Jänner 1 795) den sogenannten Thurnhof in Brunn, eine ständische Realität mit obrigkeitlichen Gerechlsamen. Held bewährte sich auch durch Rath und That als Wohlthäler der Gemeinde ; so wird ihm von Seite der Obrigkeit der Herrschaft Liechtenstein, zu welcher der Markt Brunn gehörte, amilich bezeugt, dass der ärmere Theil der Unterthanen zur Winterszeit und bis zur Weinlese durch ihn die ergiebigste Pflege iler Niiinisiiiiitik in ÜsU-rreieli ete. 4t> lliUe und Unleislülzung ohne Aufrechnung eines Interesses erhalte, ohne welche in Missjahren ein grosser Theil der Weinberge derselben unbearbeitet bleiben, folglich veröden würde, und dass dadurch die Weincultur in der Umgebung eines grossen Vorschubs sich erfreue. In Anerkennung dieser Verdienste wurde er von Kaiser Franz II. am 24. April 1795 in den Ritterstand mit dem Ehren- worte „Edler von" erhoben (nach dem k. k. Adelsarchive). Dieser ehrenwerlhe Landedelmann, welcher, wie aus Allem erhellet, ander- weitig höhere Bildung batte, besass eine bedeutende Sammlung von beiläufig 4000 Stücken antiker griechischer und römischer Münzen und Medaillen in Silber und Bronze, worunter sich auch bis hundert Stück in Gold befanden. Sie waren nach des Abbe E c k h e 1 Catalogiis Musei Caesar ei Vindobonensis Numorum veterum. Vindobonae. MDCCLXXIX. II. Tom. in Fol. geordnet und in niedlich gearbeiteten Münzkästen aufbewahrt. Auf dem Zettelchen, der unter der einzelnen Münze lag, war auf diesen Katalog und noch überdies auf desselben berühmten Verfassers Doctrina mimorum veterum. dann Mio nnet's Description de Medailles antiques, Grecques etc. und dessen späteres Werk: De la rarete et du prLv des Medailles Romaines hingewiesen, natürlich mit Ausnahme derjenigen Stücke, welche in diesen Werken nicht beschrieben sind. Herr v. Held war sorgfältigst auf das Sammeln vollkommen echter Münzen bedacht und erholte sich die Bestätigung von seinem Freunde Abbe Neumann (f 1816) und dessen Nachfolger von Steinbüchel, den Directoren des k. k. Münz- und Antiken-Cabinels. Er berücksichtigte hiebei nicht allein die Seltenheit, sondern auch mit vollem Rechte die vortreffliche Erhaltung derselben. Mit dieser Sammlung war auch eine nicht unbedeutende Bibliothek numismatischer und anderer schätzbaren Werke der älteren und neueren Zeit verbunden. YTTT Die Familie Appl, deren Medaillen und Spielmarke. Wer über die Familie Appl sich belehren will, wird von Joseph Appl in dessen Repertorium III, 21, auf Johann von Gool de nieuwe schouburg der Nederlantsche Kunst-schilders en Schilderessen. Gravenhage 1720, Tom. II, pag. 158 verwiesen. Die etwaige Ver- wandtschaft muss erwiesen und darf nicht nach dem Gleichlaute des Namensohne vollgiltigen Nachweis selbstgefällig angenommen werden. M'erin auch Appl, d. i. Ap['el, auf die niederdeutschen Lande hin- weisen mag. Nikolaus Appl, um 1731 geboren, war mit Maria Theresia, Tochter des Kaufmannes Christoph Pfitzenreiter, welche im Jahre 1795 gestorben, verehelicht imd starb als Hofconcipist bei der geheimen k. k. Hof- und Staatsjtanzlei , 68 Jahre alt, am 28. Februar 1799 i) in der Judengasse Nr. 531 (dermals Nr. 497), „zur heil. Dreifaltigkeit", welches Haus in jener Zeit den AppTschen Erben gehörtes). Er besass eine bedeutende Münzen- und Mednilien- Sammlung, die er mit der Freude des Sammeins auf seine beiden Söhne vererbte. Dtr eine, Namens Franz, dessen weitere Schicksale uns unbekannt sind, nahm die Medaillen, Joseph die Münzen. Dieser Hess zu seines Vaters Andenken zwei kleine Medaillen verfertigen, als: I. NICOL. aus APPL S.acrce C.aesarece. B.egi(B CANCEL. larics AVLICAE INTIMI STATUS OFFICIALIS. Dessen Brustbild mit dem Zopfe in bürgerlichem Kleide, von der rechten Seite. R*- A.nna M.uria TllER. esia NATA PHITZENREITER. IIATER lOSEPHI APPL NU- MISxMATlCl. 1832. Deren Brustbild in ihrer Kleidung von der linken Seite. Grösse: 1 Zoll 4 Linien Wiener Masses; Gewicht: ln/i6 Loth in Silber, gegossen und schlecht geschnitten, im k. k. Münzcabinete. II. Die Vorderseite gleich der Medaille I. Die Kehrseite hat im Felde in zwölf Zeilen die Worte: lOS: ephus APPL | FIL zms PATRI PRIDIE I CALENDAS MARTII | MDCXCIX j ANNO M. tatis SSM. LXVIII. I DEFVNCTO. FVNDATORI | COLLECTIONIS NVMIS | MATVM MEDII ET RE I CENTIORIS ^VI PROPRIO SYSTEMATE | ORDINATO. (sie) j MDCCC. (Wappen.) XXXII. Grösse: 1 Zoll 5 Linien; Gewicht: iy,6 Loth in Silber, gegossen im k. k. Älünzcabinete. Joseph Appl, der sich auch Appel schrieb, war 1767 am 6. April (und nicht am 18. Mai, wie es in von ^^^ll•zbach's biographi- schem Lexikon I, 54 heisst) zu Wien geboren, wurde 1786 Beamter der k. k. Münz- und Bergwesens-Buchlialfung, dann 1788 Versatzamts- Cassier, 1810 k. k. Einlösungs^ und Tilgungsdeputalions-Commissär »ind starb nach dem Todtenzettel als Commissär der priv. öster- reichischen Nationalbank nach langwieriger Krankheit am plötzlich 1) S. Wiener Zeitung vom !•. .Alürz 1709. 2) Vgl. Schiminer's Hauser-Chionik der Slaiil Wien. Wien 1849, S. 9ö. Pllege der Numismatik in ÖstiM-reicIi elc. 4- i) erfolgten Sclilagflusse den 4. Üeceinher 1S34, in seiner Ehe mit Anna Tscluik kinderlos. Er widmete sich von Jugend auf der mittelalterlichen und modernen Numismatik und suchte sowohl seine Thalersammlung als auch jene der kleineren Stücke (die sogenannte Groschensammlung), woran diese nach und nach überaus reichhaltig wurde, mit allem Fleisse und grossem Kostenaufwande zu vermehren. Auch war er, wie es die Natur der Sache mit sich bringt, Mün/.händler und wurde auf solche Weise einer der geübtesten und erfahrensten Numis- matiker in der Residenz. Er gewann eine seltene Praxis in Unter- scheidung der Echtheit eines Stückes, und erfreute sich hierin eines grossen Selbstvertrauens, Leider fehlte es Appln an wissenschaft- licher und historischer Bildung wie auch an Sprachkenntniss, ja er .schrieb seine Muttersprache selbst kaum mittelmässig und unortho- graphisch. Seine Werke sind von seinem Freunde, dem Medicinä- Doctor Joseph Franz Salesius Frank (S. 57) in sprachlicher Hinsicht durchgesehen und gefeilt worden. Als Karl Schreiber, erster Custos und Münz- und Antikencabinets - Directorsadjutict, am 20. October 181ö gestorben war«), competirte Appl um dessen Stelle und gründete seine Bitte vorzüglich auf den Umstand, dass er seit seinen Studienjahren sich der Münzwissenschaft gewidmet, und dem Allerhöchsten Hause durch 28 Jahre, auch sein Vater mehr als 40 Jahre gedient habe. Er wurde wegen Mangels an den erforderlichen Hilfskenntnissen, Geschichte, Sprachen etc. seines Wunsches (nach Nr. 47o der Acten des k. k. Münzcabinets ddo. 12. Jänner 1816) nicht gewährt. Die von ihm verfassten Werke, welche wegen ihrer Anordnung und des Mangels an Registern sehr an ihrer anderweitigen Brauch- barkeit verlieren, sind: r/^Münz- und Medaillen-Sammlung, von ihm selbst nach seinem eigenen neuen Systeme geordnet und beschrieben, zwei Bde. in 8«, Wien bei v. Trattnern 180ö u.1808, mit dessen' Porträte, auf dem ersieh I. F. Appel schreibt. Der erste Band in vier Abtheilungen enthält die grösseren Münzen und Schau- stücke vom XV. Jahrhunderte bis auf unsere Zeiten, mit der gehalt- vollen Vorrede von J. S. Frank M. D. samnit Münzenmesser im «) Vgl. Pflefre der Numismatik in Öslcncicli im XVIH. und XIX. JahrlniMdoit. Alitheil. III. in den Sil/.iinuslioiiflilen iS.'iS, Bil. XXVIII, S. IJTI. 4G .1. B e r g m a n n Wienermaasse und XIV Tafeln mit höchst mittehiiässigen Abbildungen der seltensten Stücke, und unzähligen Verbesserungen von Setz- fehlern. Derzweite Band folgte bei Gerold 1808, in welchem Jahre die Sammlung, deren Beschreibung eigentlich nur zu einem Auctions- Kataloge bestimmt war, verkauft wurde und nun gehört das Buch selbst zu den Seltenheiten. Es beurkundet gar sehr den Mangel aller liferaiischen Bildung undKenntnisse, wesshalb es auch von manchen Recenseiiten sehr übel mitgenommen wurde, wie der erste Band in den Annalen der Literatur des österreichischen Kaiserthumes 1807, Bd. I, S. 68. b) Dessen Hauptwerk mit lateinischen Lettern ist: Repertorium zur Münzkunde des Mittelalters und der neuern Zeit. Mit Abbildungen der seltensten Münzen und Medaillen (nach seinen Zeichnungen von End erle radirt und tlieils im Texte eingedruckt, theils in Tabellen angehängt). Vier Bände in sieben Thcilen in 8". Die beiden ersten erschienen in Pest bei Hartleben 1820. Band I enthält Münzen und Medailb^n der Päpste, geistlichen Fürsten und Herren. Mit einer gehaltvollen Vorrede von Herrn Dr. J. Salesius Frank, mit einem Münzmesser und XIII Münztafeln. Das Werk ist gewidmet Sr. Excellenz dem k. k. Generale der Cavallerie Nikolaus Karl Freiherrn von Vincent, Commandeur des militärischen Maria -Theresien- Ordens und ausserordentlichem Gesandten am k. französischen Hofe ^}. Band II, Abtheiluiig 1, (1822) enthält die Münzen und Medaillen der deutschen Kaiser und Kurfürsten, wie auch des österreichischen Kaiserthums (sie) aus dem Mittelalter und der neuern Zeit, mit zwei Münztafeln auf einem Blatte a); Abtheilung 2 mit den Münzen und Medaillen aller Könige in alphabetischer Ordnung, dann der Markgrafen, Herzoge und Erzherzoge von Osterreich, mit drei Münztafeln. ») Die schön und rein gepiägle Medaille auf ßaron v. Vincent (1814), der auch Numismatiker war und am 10. Oclober 1834 zu Nancy starb, ist abgebildet vor dem Vorworte dieses Bandes und beschrieben Bd. HI, Abtbeil. 2, S. 1183. 2} Die österreichischen Medaillen von S. 333 — 382 (Nr. 1 — 139) erschienen auch abgesondert als selbstständigps Heft unter dem Titel: Skizzen einer Sammlung sämnitlicher .Medaillen, welche unter der Regierung Sr. kaiserlichen .Majestät Franz !. von Österreich geprägt worden sind. Wien 1832. 50 Seiten und die Medaille auf die Vermälilung des Kaisers im Jahre 1816 von Harnisch mit „Concordia et Virtus" als Titelvignette. F'flege der Niiniiiimalik in Osteiieicli etc. 4T Die folgenden beiden Bände erschienen in Wien auf Kosten des Verfassers. Der dritte Band, Abtlieiliing I hat die Münzen und Medaillen der wcltiiclien Fürsten und Herren aus dem Mittelalter und der neuern Zeit. NN'ien 1824, mit einer Münztafel; die Ahtheihmg llgiht ims die Fortsetzung mit IX Tafeln. Der vierte Band, Abtheilung I und II enlhalten Münzen und Medaillen der Republiken, Städte, Ortschaften, Gymnasien etc. aus dem Mittelalter und der neuem Zeit. Wien 1828 und 1829, mit VI T.tfeln. Die auf Tafel Hl, Nr. 6 abgebildete grosse Medaille aus Glockenmelall soll nach S. 173 bei einer Thronbesteigung eines ehinnsiscben Kaisers als Huldigungsmünze ausgethcilt worden sein! Der gelehrte Botaniker und Sinolog Stephan Endlicher (f 28. März 1849) erklärte mir dieses Stück als einen ehemaligen Deckel eines Topfes mit der Abbildung der Pflanze Salisbiiria adiantifoUa. — Von Appl's kleinem Schachspiel-Unterricht sind mehrere Auflagen erschienen. Appl's Repertorium gelangte trotz aller seiner Mängel in damaliger Ermangelung eines bessern wegen der Reichhaltigkeit des Materials, besonders bei Münzsammlern zu einem gewissen Ansehen und verbreitete des Verfassers Namen in weiteren Kreiset). Nach dessen Tode kauften im Frühlinge 183o der k. k. Hofrath Welzl von Wellenheim, der ßanquier Isidor Löwenstern und der Münzhändler Andreas Hondl die Sammlung und theilten sich in dieselbe. Auch besass er eine bedeutende Handbibliothek der besten Werke über Numismatik und Heraldik. Jetons und Medaille. I. Auf einem Bande die Worte: SIC FATA VOLVNT. Dessen Brustbild in gewöhnlicher Kleidung, im Dreiviertel-Profil; unten 1817, daneben C. R. Auf der Rückseite dessen Wappen, nämlich ein blauer Querbalken mit drei Sternen im goldenen Felde. Grösse: 8 Linien; Gewicht: ^/^ Loth in Silber, geprägt. Spielmarke auf dessen fünfzigsten Geburtstag. Vgl. Appl's Repertor. III, Abtheilung I, S. 22, Nr. 70. II. Av. Dem vorigen Stücke ganz gleich. R-. Innerhalb eines Perlenkranzes: lOS : APPL, Im Felde ein Glücksrad; unten: zwei Palmzweige. Grösse: 8 Linien, Gewicht y,g Loth in Silber, geprägt. S. daselbst Nr. 71, wo auch sub Nr. 72 und 73 zwei ähnliche Stücke beschrieben sind. 48 J. li e r g m a II n III. Im Felde ein Röschen, darüber: JOS: APPEL: unten: zwei Palmzweige, ß-. Innerhalb eines Kreises in einer rautenförmigen Einfassung der heil. Leopold, Markgraf von Österreich, aufrecht- stehend, als Stifter von Klosterneuburg, Klein-Mariazell und Heiligen- kreuz mit dem Kirchengebäude in seiner Rechten; zu beiden Seiten S. anctus-Leopoldus, in Kupfer, in Pfenninggrösse, sollte als Probe- stück (wozu?) gelten, im k. k. Münzcabinete. Vgl. Baron v. Bretfeld's Katalog Bd. II, Nr. 47, 430. IV. Innerhalb einer zierlichen Einfassung Appel's Wappen- schildchen. Y^. In gleicher Einfassung in sechs Zeilen : VON | ANNA V.ndlOS.eph | APPL | NEU ERBAUET | IN | HIETZING | 1825. Klippein der Grösse von 7 Linien, in Silber 2/^« Loth, geprägt — Vgl. Wellenheim's Katalog. Bd. II, Abtheii. II, Nr. 13, 109. V. lOSEPHVSlAPPL.CAES. areus REG. ius COMMISSARIVS. Dessen Brustbild in der gewöhnlichen Kleidung von der rechten Seite. 1^. Oben eine und unten zwei Rosetten, dazwischen in sieben Zeilen: NATVS VINDOBONAE 6. APR. ili 1767. MVNVS PVBLICVM ADllT 1786. REPERTORIVM NVMISM. aticum CONCINNAVIT i820— 1829. Grösse: 1 Zoll 4 Linien; Gewicht: »Vis Loth in Silber, gegossen. XIV. Frau Johanna Dickmann-Secherau, die blinde Numis- matikerinn, f 1835. Frau Johanna Nepomucena, geborne von Schweren- feld, erblickte am 24. Mai 1768 zu St. Veit in Kärnten das Licht der Welt, ward am 25. Juli 1786 mit dem dortigen Stadirichter und Flossofen- Director Johann Nepomuk von Dickmann-S echerau vermählt. Im folgenden Jahre legte er sein Amt nieder, widmete seine ganze Thätigkeit dem Schmelzwerke Lölling, wovon er den dritten Antheil geerbt hatte, und hob durch den Kauf der anderen Antheile und des Scbmelzwerks ürl mit dem dazu gehörigen Berg- werke sich in die Reibe der ersten Gewerke des Landes empor. Plleg'O ili'r Niiiiiisiii:ilik in (islci roifli. 4-t} Niicli dessen Tode (1809) setzte die mit sieben Kindern ge- segnete ^^'it\ve, eine Frau \oti regem, inännliehem Geiste, trotz der durch die Kriegsdraiigsale lierheigefüiiiteu ungünstigen Verhältnisse mit aller Sorgfalt und Ausdauer den Betrieb ihres Gescliafles fort, das sie mehr und tnehr zu liehen verstand. Frau von Dickniann, die durch Jahrzehnte einen von. Wien weit entfernten und bedeutenden Werkkörper durch tüchtige iMänner verwaltete, liatle für alles WissenswertJie theilnehnienden Sinn und Interesse und bedauerte gar oft in ihrer Jugend nur kümmerlichen Unterricht erhalten zu haben. Dieser Sinn und Trieb zu nützliclier und Erholung bringender Nebenbeschäftigung führte sie zur Numismatik. Zu einer kleinen Partie im Jahre 1811 ererbter Münzen sammelte sie mit sicherem Takle und voll Wissbegierde den historischen Iidialt ihrer Stücke, besonders der scliönen Medaillen, die sie vom Maler Herbst (-|- um 1824) gekauft hatte, kennen zu lernen und scheute sich nicht allenthalben Erklärung zu gewinnen. Doppeltes Vergnügen gewährte ihrem thätigen Geiste ihre Samm- lung und das Besprechen der merkwürdigeren Stücke, als sie in ihren letzten fjebensjahren erblindet war, welches Übel sie mit festem Gleichmuth erlrug. Sie war nicht nur mit den Numismatikern der Residenz, denen ihr gastliches Haus otTen stand, in ununterbroche- nem Verkehre, sondern führte auch mit dem Auslande einen ausge- dehnten Bi'iefweehsel. Sie scheute keinen Preis für Seltenheiten, so zahlte sie im Jahre 1834 für einen Thaler des ungrischen Grafen Niklas Zrinyi vom Jahre lö33 neunzig oder hundert (julden, der bei der Versteigerung im Jahre 1836 um 190 fl. verkauft wurde. Fr.iu von Dickmann, eine der verständigsten und praktischsten l'rauen, welclxi dem Referenten je vorgekommen, starb in Wien am 30. October 1835 und rulit im Döblinger Friedhof'. Ihre Sammlung bestand zum grössten Theile aus Münzen und Medaillen der neueren Zeit und zum mindesten Theile aus antiken und mittelalterlichen Münzen. Sie zählte 4328 Stücke nach: „Dickmann's Münzsammlung in Wien. Verzeichnet zum versteige- rungsweisen Verkaufe, welcher vom 16. November zu Wien anfan- gen wird. Beschrieben von Karl Wratislaw Wotypka, Cundidaten der Medicin (ihrem damaligen Secretäre und nachherigen k. k. Feld- stabsarzte). Wien bei Gerold 1836". Deren Erlös betrug die namhafte Sit/.!), il. pliil.-liist. II. \l I. Iä>l. I. Mft. 4 so J- '' e rg ni a 11 n Summe von 2o.99G fl. C. M. Die zweite Abtheilung des Katalogs S. 213 — 240 von 72o Stücken Tlialer und Scliaumiinzen geliört<; ihrer ältesfen Tochter Frau Johanna von Henikstein, welche eine kleine Gedächtnissmünze zu Ehren ihrer Altern anfertigen Hess. Diese kaufte hierauf eine auserlesene Sammlung von Edel- steinen vom k. k. Hofratlie v. GersdorfT, verkehrte viel mit dem aus- gezeichneten Mineralogen und Geologen k. k. Custos Paul Part seh (f 3. October 18öG) und dem bekannten Kenner der Edelsteine Joseph Fladung, kaufte später ein Haus am Rosenberg bei Grätz, wo sie am 25. November 1859 starb. Die dritte Abiheilung des von Dickmann'schen Katalogs, der von S. 271 — 282 griechische und römische Rlünzen verzeichnet, gehörte dem am 23. Järmer 1834 verstorbenen k. k. Regierungsrathe Johann Wilhelm Ridler, erst Lehrer der Geschichte Ihrer Maje- stäten der Kaiserinn Maria Ludovica und des Kaisers Ferdinand I., dann Director der k. k. Universitäts-Bibliothek in Wien. — Über Frau V. Dickmann-Secherau und ihre Familie siehe meine Medaillen. Band II, 437 — 443; die beiden Denkmünzen sind daselbst abge- bildet Tab. XXIII, Nr. 121 und 122. XV. Caroline Höfel, geborne Mark, f 1840. Der bekannte Kupferstecher Quirin Marck i), einer der besten Schüler Jakob Schmutzer's (f 2. December 1811), war verehelicht mit Johanna, gebornen Riepel, desselben Meisters einzigen Schülerinn, welche Kupferstechen lernte. Auch malte sie in Gouache und Aquarell und war die erste in Österreich, die von punctirten Kiipferplatten Farbendrücke lieferte. Ihre einzige am 7. Jänner 1783 in Wien geborne Tochter Carolina, in dieser Richtung erzogen, fing als Kind an zu coloriren und ward mit den Wasserfarben praktisch vertraut, zeichnete gut und machte Ver- suche in der Lithographie und Pastellmalerei. Ihr Vater, der unter vielen anderen Arbeiten, besonders Porträ- ten auch die Bildnisse zu Anton's von Gensau (f 4. Februar 1811) Geschichte der römischen Kaiser von Julius Cäsar bis K. Franz II. Wien 1804—1808 in fünf Quarlbänden, in Kupfer gestochen hatte. *) über Qiiiriii Mark aus Litlan in Mähren s. östei r. National-Encyklnp. Wl, 576 und JJa^'ler's Künstler-Lexikon, ßd. VKI, .338. Pilegu der Nuniisniftlik in Österreifli de. O ( besass eine Münzsaininlurifr, die nach seinem Tode (ISll) ver- steigert wurde , die Doubletton saminl dem Reste verblieben der Tochter. Im Jiihre 1813 vermählte sie sich mit dem Kupfersteclier lilasins Höfel, di'r für ihren Valer nach Nagicr VI. 210 gear- beitet hatte und Nvol;! dessen ausgezeichnetster Schüler genannt werden kann, und übersiedelte nach Wiener-Neustadt, als ihi- Mann im Jahre 1820 an der dortigen k. k. Militär-Akademie die Professur der freien Handzeichnung erhalten hatte. Hier erhielt die wissbegie- rige Frau einige antike Münzen, wodurch, zumal sie des Lesens alter Schrift kundig war, die Lust zu sammeln erwachte; so wuchs zugleich bei ihrem ganz ausgezeichneten Gedächtnisse die Neigung zur Geschichte, sie las Chroniken, die Münzwerke von i\Iadai, AppI etc. besuchte, wenn sie nach Wien kam, gewöhnlich das k. k. Münz- cabinet und vereinle im Laufe von z\\anzig Jahren über 4000 Stücke, griechische und römische Münzen, unter anderen einen echten Per- tinax, ferner Hrakteaten wie auch Medaillen, besonders von Päpsten, dann von den salzburgisehen Kircheniursten Leonhard v. Keutschach, Matthäus Lang und anderen, Spottmedaillen etc. Sie kam nach Wien und starb am 16. Mai 1840 plötzlich am organischen Fehler der Lungeng(:'füsse (Wiener Zeitung 1840, Nr. 140, S. 9öT). Die Samn)lung sollte in Folge des Ehecontractes an ilen über- lebenden Gatten kommen, da jener aber bei dem grossen Brande in Wiener-Neustadt am 8. September 1834 vernichtet worden war und der Gälte seine Rechte nicht urkundlich nachweisen konnte, ward die Tochter Adelheid, die allein von acht Kindern sie über- lebte, als Universalerbiiin erklärt, welche die Sannnlung an das Neii- kloster zu Wiener-Neustadt verkauft. ßlasius Höfel, der als Kupferstecher und Formschneider einen wohlverdienten Namen sich erworben hat und dermals in Pension zu Salziiurg lebt, ahmte im Jahre 1833 die von Fngländern erfundene Manier Abdrücke von Münzen und Medaillen mit grosser Genauigkeit in erhaben scheinender Art mittelst einer Maschine zu verfertigen mit allem Glücke nach, und erfand 1834 eine sehr ein- fache Methode Original-Kupferstiche, Holzschnitte und Steindrücke ohne Verändei'ung der geringsten Eigenlhümlichkeit derselben in einem beliebigen verkleinerten Massstabe wiederzugeben. Sie ist ■auch eine numisinalisclie Verkh-iiierungs-MascIiine. 4' 52 J. K e r g m a n u Professor Höfel hatte in Wiener-Neustadt auch eine Sammhing altdeutscher Gomähle von 120 Stücken, \vorunter ein Albrecht Dürer, ein van Eyek und zwei vollkommen erhaltene Fliigelaltäre vom Jahre 1400, welche letztere der Fahrikant Joseph Lemann zu Gnmpendorf kaufte (s. Nr. XXI). XVI. Franz Xaver Ertl, Dompropst zu Linz, f 1837. Franz Xaver Ertl, im Jahre 1761 zu Wien geboren, war ohne Zweifel der Sohn wohlhabender Eltern, indem seine ihn überlebende Schwester, bei der er, so oft er nach Wien kam, wohnte, hier ein Haus besass, welches wahrscheinlich älterliches Erbtheil war. Früh kam Ertl als Caplan zu der Eizherzoginn Ma ria Elisabeth *) nach Innsbruck, wurde dort Professor der Exegese an der theologischen FacuKät, dann Referent in geistlichen Angelegenheiten bei der tiro- lischen Regierung und wurde bald als Domherr an das Capitel zu Linz versetzt. Im Capitel stieg er durch alle Stufen hinauf bis zur höchsten Würde. Er war zweimal Generalvicar und Stadtpfarrer, slarb am 15. September 1837. Ertl, den Referent als einen schönen Greis kannte, galt als ein sehr unterrichteter Mann von scharfem Verstände und erfreute sich dieser Eigenschaften wegen eines grossen Ansehens. In seinem Renehmen war er derb, obwohl man ihm einen gewissen Ehrlichkeits- und Gerechtigkeitssinn nicht absprechen konnte. Herr Dompropst Ertl hatte eine ausgezeichnete Sammlung von Thalern und Medaillen, meist aus den österreichischen Staaten, welche noch bei dessen Lebzeiten von Joseph Obern- dörffer zu Linz gekauft wurde. Dieser fand in dieser Sammlung 42 verschiedene Stempel von Kaiser Maximilian I. XVII. Franz Joseph Freiherr von Bretf eld-Chlumczansky , f 1839. Franz Joseph Rretfeld, Doctor der Rechte, Landesadvocat im Königreiche Böhmen, wie auch Beisitzer und zweimaliger Decan der juridischen Facultät, \\ard von der Kaiserinn Maria Theresia am 10. Juni 1770 mit dem Ehrenworte „Edler von" in den Adel- stand erhoben. Joseph, wahrscheinlich dessen Sohn, war St. Wen- 1) Erzherzoginn M. El isab e tliii, geb. 13. August 1743, ward am 20. Mai 1781 als Alitis.siiiii äes k. Dameiistifles m Innsbruck introdufirt und starb zu LinA am 22. September 1808. IMt'j;e ilcr NiimisiiKilik in O-itfiicitli oto. Ort zc'l'.s liiltiT, Kroiiliütcr vitii Seite dos Liiliiiiisclien Uilleistaiiiles, ('oii- sistorialratli und Kanzler, dann llorr anf Wcssclitzko, wo seino Genialilinn Maria Anna Ignalia v. Chlumczansky 17ü3 gehören war, erhielt den 20. Jänner 1793 den Ilitterstand, dann den 9. .April 1795 das Incolat für Bijhmon und weiter am 27. Novenihor 1807 den Frei h err nst and mit dem Prädicate von K ronenh n rg. Dem Freiherrn Franz Joseph, des Erstgenannten Enkel (?j, ward die Adoption von Seitii seines mütterlielien Oheim Adalhert Ch lum cza nsk y , Uitters von Przostawik und Chhimcz;in, k. k. Käm- merers und Majors, am 14. Seplemher 1820 allerliöchst genelnnigt und ihm für seine Person am 14. Mai 1833 erlaubt den Gcschlechts- namen Chlumczansky, aber ohne dessen Wappen, anzunehmen, daher von B r e t f e 1 d - C h I u m c z a n s k y i). Der letzgenannte Franz Joseph, Freiherr von B retfei d- C hlumczansky, zu Prag um 1779 geboren, begann nach vollendeten Stadien daselbst beim Landesgubcrnium seine Praxis, ward Concipist und kam als solcher zur böhmischen Hofkanzlei nach \yien, im Jahre 1808 zur k. k. Staatskanzlei, bei der er zum Staatskanzleiratlie vor- rückte. Auch war er Johanniter-Ordens-Hitter, Schatzmeister des Sternkreuzordens, Ehrennwlglied der k. k. Akademie der bildenden Künste und Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften , im Jahre 1822 gewesener Rector-Älagnilicus der Wiener Universität, und starb in den letzten Jahren etwas goistesverlorcn als pensioiiirter k. k. llofrath zu Wien in seinem Hause auf der Wasserkunstb.istei Nr. 1191, das er 1822 gekauft hatte, unvermählt am 23. November 1839 2). Ei-he Mar sein Neffe Emanuel, Soliii des am 28. Februar 1837 verstorbenen k. k. Fcldmarschall- Lieutenants Emanuel Frei- lierrn von Bretfeld, Baron vonBre tfeld, schon in früher Jugend mit rastlosem Eifer und beträchtlichen Kosten Rlünzen sammelnd, benutzte auch hiezu seine Reisen im deutschen N'alerJande, in England, Frankreich, Italien, Dänemark und Schweden und wusste allenthalben Verbin- dungen anzuknüpfen. Auch mehrte er sie durch Ankäufe etlicher grösserer Sannnlungen , so jener Wenzel Dinzenhofer's, Professors *) Der .andere Oheim m ar Wenzel Leopold Rilfer v. Chi ii in e /. a nsk y, der aiisgezciciiiielc l*"iir.sU)isi'hür zn Praj, wo er als der Letzte seines Slainmes am U. Juni 18;}0 slaih. ■^) S. Wiener Zeitung 1839, Nr. 27.3, S. IG96. J)4 J. (J e r i: III ;i n n « der Keichsgescljichte und des Lehenreciiles zu l'rag (f 2'6. August 1805), jener des Aschaelier Pfarrers P. Ernest Koch, jener des k. k. Hofrathes Leopold Thonliauser, ferner eines ansehnlichen Theiles der in's Ausland verkauften und vorzüglich an mittelalter- lichen Münzen reichen Sammlung des 1815 verstorhenen Ritters von Mader (s. Nr. VI) und einiger anderen kleineren Privat- Sammlungen, so dass diese Sammlung nach der des Hofrathes von Wellenheim (s. Nr. XXII) unstreitig die an Stücken aller Art, in allen Metallen und allen Grössen zahlreichste Privatsammhing in der kaiserlichen Residenzstadt war und sich eines weit verhreiteten Rufes erfreute. Gold legte der Baron nach einem streng beobachteten Grundsatze nur von jenen Münzherren ein, welche nie in einem andern Metalle geprägt haben oder von welchen keine anderen Münzen zu haben sind. Wohl besass er auch gar vieles fast Werth- lose zum Tausche, der zu seiner Zeit unter den hiesigen Sammlern stark im Schwünge war. Die Ordnung seiner Münzen- und Medaillen -Sammlung und die Anzahl der Stücke erhellet klar aus der folgenden Zusammen- stellung, die dem vom k. k. Custos Franz Vincenz Eitl verfassten Licitations- Kataloge, in welchem er sich an des Sammlers System unverrückt gehalten hat, genau entnommen ist. Die ganze Sammlung zerfiel in zwei Abtheilungen, als: A. Antike Münzen: I. Städte-, Völker- und Königsmünzen 841 SUicke; II. römische Familienmünzen 4o7 Stücke, und III. römische Kaisermünzen 3377 Stücke, zusammen 4675 Stücke. B. Münzen desTMitt elalters und Münzen und Medaillen der neueren Zeit. Ahtbeilung I. Münzen und Medaillen geistlicher Fürsten und Herren mit den päpstlichen beginnend — 7067 Stücke; II. Münzen und Medaillen der Kaiser — 2318 Sücke; III. die der Könige in alphabetischer Ordnung — 8936 Stücke (mit einem Nachtrage von 121 Stücken, im Bde. II. S. 221). Jene Stücke, welche im ersten Bande des Verzeichnisses beschrieben sind, wurden im Jänner 1842 im Baron v. Bretfeld'schen Hause versteigert, und die im zweiten Bande im December desselben Jahres, nämlich: Abtheilung IV. Münzen und Medaillen der weltlichen Fürsten, Grafen und Herren aller Länder, in alphabetischer Ordnung, PIloRe iltT Niiiiii&iii^ilik in Osli'i reivli de. t>i) 13.739 Stücke; V. der Repiiltliketi, sowohl der eiiroiiäiselicii als jimei'ikiiiiisclicn, ia iilphabelisehei' Ordnung (soriut mit Amerika beginnend) — 2ööl Stücke; VI. der Städte, Land- und Ortschaften in alphabetischer Ordnung, 7993 Stücke; VII. ^led.iillons und iMcilaillen von Familien und einzelneu Personen lIöO Stücke, dann Seite 189 zehn unbeslimmte und verschiedene Stücke; VIII. Orien- talische (asiatische und afiikanische Münzen 918 Stücke. Im Anhange S. 20Ö eine Reibe von Bronce-Meilaillen , weiche Iheils wegen ihrer Grösse, theils wegen IMangels an Kaum am betrell'enden Orte nicht ciniiereibt werden konnten. G91 Stücke, dann alcbymistische i\Iedaillen, Talismane und Amulette, Freimaurer -Medaillen etc., 1154 Stücke. Nach unserer Zählung in .Allem 51.423 Stücke, da hingegen das gedruckte Verzeichniss 51.246 Stücke zählt, was daher kommt, dass S. 220 viele Stücke unter einer Nummer enthalten sind. — Das k. k. Münzcabinet erstand in beiden Licitationen 44 Medaillen in Silber, 31 Thaler und 96 Guldenstücke nebst einen» Rubel in Piatina. Auch besass Baron von Bretfeld eine merkwürdige Sammlung aller Galtungen von Papiergeld, die in Form eines grossen Tableaus hinter Glas zusammengelegt waren und die vorstellenden Münzzeichen aller Staaten in wohlerhaltenen Originalen begriil'en. Seine sehr bedeutende Bibliothek, die er theils von seinem Vater ererbt, theils durch Ankauf, so unter andern der des Professors von Mader ansehnlich vermehrt hatte, bestand allein im Facbe der Numismatik, dann der Wappen-, Geschlechter- und Siegelkunde aus etwa 800 Bänden und enthielt die seltensten Werke über die Münzen des Alterthums, des Mitlc!alteis und der neueren Zeit in allen Sprachen und in den vorzüglichsten Auflagen. Kaum irgend <'in Privatmann im Kaiserstaate konnte einer so zahlreichen Münz- Bibliotbek sich rühmen. Baron v. Bretfeld war ein wohlunterrichteter Edelmann, dem wir mehrere schriftstellerische Arbeiten verdanken, als: n) Historische Darstellung sämmtlicher von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1827 abgehaltenen böhmischen Landtage. Nach den besten Geschicht- schreibern, alten Chroniken, glaubwürdigen Handschriften, Prag 1810. Bd. I bis 1458 (K. Georg Podiebrad) in 8«. Der zweite Band ist nicht erschienen, h) Tmriss einer kurzen Geschichte des Leut- ö6 .1. li 0 r jr !ii :i ri n nierilzei- (sie) liislliuins im Küiiigreiclie Böhmen, nebst einigen gene;ilogischen Denkwürdigkeiten über das Alter und die Verdienste der böbmisclien Familie Chlumczansky von Przestawik und Cblumczan, Wien 1811, kl. 8", gewidmet seinem mütterlichen Oheim Wenzel Leopold v. Chlumczansky, damaligem Bischof zu Leitmeritz, mit vier Stammtafeln. Nach v. Wurzhach's biographischem Lexikon II, 138 verfasste er; c) Gallerie der merkwürdigen Erfinder alter und neuerer Zeiten in alphabetischer Ordnung nach ihrem Geistes- producte gereiht. Wien 1810, 8». Diesem müssen ^^ ir noch als in jenem Lexikon unerwähnt bei- fügen: d) Schönberg's Ruinen und ihre Umgebungen im Taborer Kreise, eine historische Skizze in des Freiherrn v. Hormayr Archiv 1812, Nr. 101, S. 405; e} von dem Ursprünge und der alten Dica- sterialverfassung des ehemaligen obersten Münz- und Bergmeister- amtes im Königreiche Böhmen, daselbst Nr. 103, wo S. 414 die Folgenreihe der obersten Münzvorsteher *) in Böhmen von Kaiser Karl IV. bis 1783 zu ersehen ist; ß ein Blick auf tfie Begräbniss- stätte der älteren Beherrscher Böhmens Nr. lOS, S. 421; g) über einen merkwürdigen Fund (von öOO — 600 Stücken) deutscher Bracteaten und Dickpt'ennige des Miltehtllers in Böhmen , daselbst Nr. 111, S. 449; //^ allgemeiner Überblick der böhmischen Landes- verfassung Nr- 115, S. 465; i) über die Landtage in Böhmen Nr. 117; k) Peter der Grosse. Als Seitenstück Philipp's 11. von SpanienNr. 119 f ; l) der Thurin Daliborka und seine Umgebungen,' als ehemaliges böhmisclies Staatsgefängniss. Eine historische Skizze. Nr. 137; m) über den Ursprung der Grafen, und insbesondere deren Aufkommen in Böhmen, in demselben Archive 1813, Nr. 5 und 6; n} über den Ritterorden des heil. Wenzel's im Königreiche Böhmen, nach historischen Quellen, daselbst Nr. 7, 8 und 14, mit einem Verzeichnisse aller jener Männer, welche bei den böhmischen Königskrönungen den Rittor.schlag des heil. Wenzel's empfangen ») Unter diesen ündun wir vom .lalirc IGOG— 1G78 Jolmiin Wenzel von I{ e i n b n r g, welcher dem K. Leopold I. zu dessen Namenstage am lö. November 1677 die aus gemischtem Metalle gegossene, 20ö3 Ducaten wiegende und im k. k. Miinzcabinete verwaliite Medaille , ein a 1 c h y m i s l i s c h e s Product, verehrte und ddo. Laxen- burg am ;{ü. Mai 1678 in den l'rcilien eiistand erhoben wurde. Diese Riesen-Medaille ist abgebildet in Marqiiard llerrgotfs Numotheca. Friburg. 17Ö2. Pars I, Till.. II. p. XXVIll: \gl. meine Medaillen itd. I, 22* und II, 4G7. I'lli'^t' iliT .Niiiiiiiiiiiilik iii (jsUTieii'li flc. J i liaboii; so Aiiloii Freiherr v. Feuerstein, k. k. Ohcrstwaclitiiieisler, der dein Bregenzerwjilile enistaiiunf , und Joseph \on Bretfeld, Consistorialkanzler und erwählter Rector-Maf^nificus hei der Krönung des Köniüfs Franz I. am 9. August 17 92. Der Verfasser sucht den Wahn Einiger zu widerlegen, als oh diese noch hesicliende Erthei- lung des Kitlerschhiges mit dem Sehwerle des heil. Wenzel's eine wiikliehe Ordensverleihung in unserem Sinne gewesen sei. Baron von Bretfcid-Chlumczansky mag noch andere Aufsätze veröirenllicht iiaben, die mir aber niibekaimt sind. Sollte nicht das unahlässige Sammeln seine Zeit, wie bei so vielen Sammlern, so in Anspruch genommen haben, dass er nicht zu literarischen Ausarbeitungen auf di-m weiten Gebiete der Numis- matik gekommen ist ? XVIII. Dr. Franz Salesius Frank, f 1842. Joseph Franz Salesius Frank, unseres Wissens israelitischer Abkunft, zu Berlin am 20. October 1768 geboren, kam 1789 nach Wien, studiite Medicin, nahm 1792 den Doctorgrad, ward prak- tischer Art und starb kinderlos am 10. Februar 1842 <)• Seine medicinischen Schriften in deutscher, lateinischer und französischer Sprache hat von Wur/.bach im biographischen Lexikon Bd. IV. 326 verzeichnet. Über Numismatik kennen wir nur seine Voriedon zu Appl's Münz- und Medaillen-Sammlung und Repertorium (S. 46), Frank war keineswegs darauf bedacht, seine Sammlung auf viele Nummern zu bringen, sondern nur seltene, echte und möglichst gut erhaltene Exemplare zu gewinnen. Desshalb konnte seine Sammlung ungeachtet der durch mehr als vierzig Jahre mit Liebe und ohne Kostenscheue verwendeten Sorgfalt eben nicht zahlreich genannt werden; hingegen erhielt sie viele kostbare Stücke, welche in wen'gen selbst fürstlichen Cabineten kaum anzutrcHen sein dürften. Er hatte seine Sammlung geographisch-alphabetisch, zum Thcil nach dem von J. Leitzmann in dessen Abriss einer Geschichte der gesammten Münzkunde aufgestellten Systeme geordnet. ») Nach amtlichoii Acten, niclit im Jahre 1S4Ü wie es in v. Wurzhach's hiofji-. Lexiivoii F.d. IV, 320 iieis&l. i>8 J. n e r allen Kunst- und Wundcrkaiunicrii auch andere Sellenlieilen nicht ausschloss und ägyptische, römische, indische clc. Gegenstände auf- genommen liat. Die Abtheilung der mittehdterlicheji Kunstwerke mehrte mit grosser Vorliebe sein würdiger Sohn Karl Lemann, der im Jahre 1836 eine Reise durch Deutschland, Belgien, Frankreicii und die Schweiz unternommen batte, mit vielen Seltenheiten. Im ,Iahrc 1839 kaufte Leman der Ältere vom Professor Blasius Ilöfel ') dessen ganze Sammlung alldeutscher Gemälde, welche dieser in der Umgegend von Wiener-Neustadt gesammelt hatte. Als im Jahre 1834 sein Sohn als Compagnon in des Vaters Geschäft eingetreten war, blieb diesem mehr Müsse seinen physika- lischen und numismatischen Studien sich zu widmen. Nun besuchte er Müiizlicitationen und begann auch mittelalterliche Münzen zu sammeln, war aber ausser Stand die gesanunelten zu ordnen, indem ein Fussleiden ihn an's Lager fesselte, in Folge dessen er am 1^. Juni 1847 sein thätiges Lehen endete. Die Kunst- wie auch die physika- lische Sammlung ist des Sohnes Eigenthum; die Münzen jedoch gehören dessen noch lebender Mutter und sind in demselben Stande geordnet und ungeordnet verblieben, wie sie ihr edler Gatte hinter- lassen hat. XXn. Leopold Welzl von V/ellenheim , k. k. Hofrath, f 1848. Leopold Welzl, am 15. November 1773 zu FIrohy s) geboren, verwendete sich in frühester Jugend bei dem Steuerregu- lirungs-Goschäfte in Böhmen mit solchem Erfolge, dass ihm zurBeloh- nung eine Ehrenmünze zu Theil wurde. Er ward hierauf im Jahre 1789 bei der damaliiien niederösterreichischen Staalsgütcr-Buch- haltung, dann bei der ilofhau-Buchhaltung, im Jahre 1790 bei der ') ßlasiiis Höfel, Schüler und naehherig'pr Schwiegersohn des Kupfeistecliers Qui- rinus M a r it (-j- 1811), ward gleichfalls Kupferstecher, seit 1820 Professor der freien Handzeichnung' an der k. k. Militär-Akademie zu Wiener-Neustadt, Wieder- tTwecker und AUmcisler der Holzschneidekunst in Österreich, lel)t in Pension dor- mals zu Sulzburg. 2) In H r 0 I» y , einem Dorfe des Taborer Kreises in Böhmen, war im Husitonkriege ein verschanztes Lager der Kalhulikep, das die Tahoriten erstürmten und an 100 Streiter erschlugen! Uadenin mit Hroby war seit 17ö'.5 eine der vielen Herr- schaften des ausgezeichneten Grafen Leopold Krakowsky von Kolowraf, welcher als kais. geheimer Halb, Staats- und Conferenzminister etc. am 'i. November 1809 in einem Aller von 82 .lahren /,ii Wien im cigeiuMi Hause in di'r llcrrengasse Nr. 2j8 (dermals .\r. 2;>0) gestorben ist (s. Wiener Zi-ituiig Min 18()'.>, >s. Nov. S ;!lil4|. 04 J. B e r g in a ii n vereinigten böhmisch-üsterreichisehen Hofkanzlei, Hofkammer und Ministerial-Baneo-Depulation, enillich im Jahre 179G bei demStaats- rathe anorestellt, rückte zur Dienststufe eines k. k. Staats- und Conferenzraths-Concipisten undHofsecretärs vor und arbeitete immer ganz allein zu Händen des dirigirenden Staats- und Conferenznn"ni- sters Leopold Grafen von Kolo\vrat, in welcher Dienstleistung er zu den wichtigsten und geheimsten Staatsangelegenheiten verwendet wurde. In Rücksicht seiner achtzehnjährigen ausgezeichnetenStaats- diensle wurde er sammt seinen eheligen Nachkommen in den deutsch- erhländischen Adelstand mit dem Ehrenworte von Wellenheini ddo. Wien 1. Februar 1808 erhoben (nach dem k. k. Adelsarcbive). Später ward Herr von Wellenheim Hofrath bei der k. k. Hofkammer und Refei'ent i.'ii Post\\'esen, als welcher er am 3. November 1835 in den Ruhestand versetzt wurde und von wiederholtem Schlagflusse gerührt am 19. Februar 1848 starb. Hofrath von Wellenheim, ein schöner IMann von feinem und gewandtem Renehmen, war, wenn auch ohne höhere Studien, in der franz'ösischen und italienischen Sprache und in der Geschichte wohl unterrichtet, Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften , Literatur und Künste zu Padua ete. Sein Aufsatz über „Münzen der Grafschaft Görz" ist in „Neue Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck 1839, Rdchen V, S. 52—88 mit der Abbildung dreier kleinen Münzen abgedruckt. Als Manuscript hinterlicss er eine umfassende Abhandluiig über Friesacher Münzen. Er sammelte durch vierzig Jahre mit Wissenschaft, Geschmack und seltenem Glücke, zumal er als vieljähriger Referent des Post- wesens mit den Provinzen und dem Auslande in einflussreichem Ver- kehre stand, so dass seine universelle Sammlung die grösste und zahl- reicliste war, \\ ie wohl kein Privatmann in Wien je eine solche gehabt hat. Der greise Numismatiker, der allmorgcnlich um vier Uhr aufzu- stehen gewobnt war, hatte zwei Söhne, deren älterer Wilhelm als k. k. Obertaxator am 9. April 1858 gestorben ist, und beschloss noch bei Lebzeiten seine Sammlung zu versteigern. Er liess zu diesem Zwecke einen Katalog na'ch der Ordnung, in welcher sie sorgsam gereiht war, anfertigen. Als Grundlage dienten die zahllosen, notizern-eichen Zcttelchen, die er geschrieben und unter die bezüg- lichen Stücke gelegt hatte. Dieser Katalog besteht aus zwei Haupt- Pflege der Niiinismatil» in Östcnoii-Ii etc. U J theilen; beider Titel und Vorreden sind sowolii in deutscher ;ils französischer Sprache, der ganze erste Theil aJjer ist durchgängig in französischer, der zweite Theil in zwei Abtheilungen hingegen in tieutscher Sprache ahgefasst. Dieses „Verzei chniss der Münz- und Meda illen samm- ln ng des k. k. flofrathesLeopoldWelzl von Wellen heim", Wien 1844 und 184ö, in gr. 8. ist ein Buch, welches auch lange nach beendigter Versteigerung wegen seines reichen Inhaltes seinen numismatischen Weith für Sammler und Miinzfreunde nicht verloren hat. Das Vorwort ist von Herrn Franz Vincenz EitI, Custos am k. k. Münz- und Antiken-Cabinct, der in den Jahren 1843 und 1844 die römischen Münzen im I. Theüe und sämnitliche des II. Theiles kala- logisirt und zur Drucklegung beschrieben hat, entworfen und von einem Franzosen in seine Sprache übersetzt worden. Der Band I enthält 8163 Nummern i) griechischer und 8G84 Nummern römischer Münzen mit InbegrifT der byzantinischen und falschen römischen Münzen wie auch von lOG Bleisiegeln, zusammen 16.867 Nummern sammt einem Generalindex. Im Anhang: Verzeich- niss einer Sammlung von Originalstempeln älterer und neuerer Zeit, 198 Stücke. Die Licitation der griechischen Ahtheilung ward auf den 15. Februar 1847, und die der römischen auf den 18. Oetober desselben Jahres festgesetzt. Der Band 11 enthält mittelalterliche Münzen und Medaillen der neuern Zeit, und zwar die AblheiUmg I in allem 12.428 Num;uern nach folgender Eintheilung: I. Wos t-Europ äi seh e Reiche, als: Portugal, Spanien, Frankreich, Grossbri:a!inien und Irland; II. die apenninische Halbinsel mit ihren Reichen, Ländern und Städten, wie auch den benachbarten Inseln und Städten nebst Dal- matien; III. Mittel-Europäische Staaten, nämlich: Schweiz, römisch-deutsche Kaiser, der österreichische Kaiserstaat, sowohl das Stammland und die deutsch-österreichischen, als auch die slavischen Provinzen in 5942 Nummern, mit einem Münzmesser nach dem österreichischen Masse und einem Register. Verzeichniss der numis- matischen, archäologischen und andererßücher — 861 Nummern. Die Licitation begann am 10. Februar 1845. *) Manche dieser Nummern liahen wieder ilire, oft zulilreiolien l'ntcralitheilunn^en, so dass die Sammlung hodouli-ini mehr SIÜL-iie als Xumiiier.i culliallen hat. Silil.. d. phil.-iiisl. Ol. XI. I. üd I. Uli. 3 ßß J. Bergmann Die Abtheilung II dieses zweiten Bandes umfasst den Schluss der Münzen und Medaillen des österreichischen Kaiserstaates, näm- lich die ungrischen Länder in 1613 Nummern; diesem folgen G688 Nummern der deutschen Bundesstaaten, dann Belgien, das Königreich der Niederlande mit den alten Provinzen. IV. No rd- europäische Staaten, Dänemark, Schweden und Norwegen; V. Osteuropäische Staaten, Russland mit Polen in 983 Num- mern, der türkische Staat, mit den souveränen Fürstenlhümern und den ehedem münzberechtigten Städten der europäischen Türkei in 634 Nummern; VI. Reihe von Asien und Afrika mit den euro- päischen Colonien, mit 792 Nummern; VII. Staaten von Amerika, 200 Nummern. Den Schluss bilden 2134 Denkmünzen auf berühmte Personen. Die Versteigerung dieser zweiten Abtheilung begann am 7. Jänner 1846. Am Schlüsse wollen wir der v. Wellenheim' sehen Spiel- marke gedenken. Auf deren Vorderseite in drei Zeilen: WELZL-DE- WELLENHEIM. Die Rückseite hat dessen Wappen auf schwarzem Schilde einen wellenweise gezogenen Querbalken, in dessen Haupte drei goldene Bienen, in dem Fusse aber auf grünem Grunde eine natürliche Nachteule, zu deren jeder Seite ein goldener Stern; auf dem Schilde ruhet ein gekrönter Turnierhelm, aus dessen Krone drei Straussfedern sich erschwingen und zwar die mittlere schwarz, die rechte Gold und die linke Silber (nach dem k. k. Adelsarchive). Grösse: 1 Zoll, von feinem Silber im Gewichte von y,, Loth, geprägt. Vgl. AppeTs Repertorium, Bd. III, Abth. II, Nr. 4239, wo von Wellenheim's Geburtsjahr 1774 irrig angegeben ist. XXIII. Dr. Stephan Endlicher als Numismatiker, f 1849. Stephan Ladislaus Endlicher, zu Pressburg am 24. Juni 1804 fjoboren und als Professor der Botanik und k. k. Regierungs- ö rath zu Wien am 28. März 1849 gestorben, war eines der hervor- ragendsten und vielseitigsten Talente in Österreich, von seltener Fassungskraft, Avelche schnell in den Kern der Sache, die er ergrilfen hatte, eindrang. Wir wollen zu dessen biographischem Abrisse in von Wurzbach's Lexikon Bd. IV, S. 44 — 46 noch Einiges hinzufügen. Der einzige Sohn eines gelehrten und verdienstvollen Arztes, der ein Schüler der damals noch lateinkuudigen Jesuiten gewesen und mit dem fähigen Knaben gewöhnlich in dieser Sprache verkehrte. l'tlefife iler .Numisnialik in Usteri-eicli etc. (j / ward er hierin gewandt in Wort und Schrift, ein Kenner der lateinischen Sprache und Literatur, wie Referent ausser dem Altmeister Professor Anton Stein (f 1844) ') in Wien keinen kannte. Als siehenzenj;ihri{^er Jüngling schrieb er: Conrad Celtes, ein Beitrag zur Geschichte der Wiederherstellung der Wissen- schaften in Deutschland" in des Freiherrn v. Horni a yr Archiv. 1821. Nr. 96, 99, 105, 117 und 123, welche Abhandlung, die von dessen slaunenswerther Belosenheit in diesem Alter das schünste Zeugniss gibt, in der Aufzählung der Eudlicher'schen Arbeiten in von Wurzbach's biographischem Lexikon unerwähnt geblieben ist. Hierauf studirteer im Wiener AlumnateTheologie, kam während der Ferien nach Prossburg und als er auf einem Spaziergange mit seinem Vater eine Blume bewunderte, ergriff deren Schönheit ihn so, dass er zu botanisiren anfing und es auch hierin zur Meister- schaft brachte. Als er die theologischen Studien beinahe vollendet hatle, kam er als Amanucnsis in die k. k. Hofbibliothek und begann in launiger Veranlassung des damaligen ersten Custos Kopitar (-}• 11. August 1844) gleichsam spielend sinologische Studien, in denen er gleichfalls bald Ausgezeichnetes leistete. Das k. k. Münzcabinet hatte eine kleine Anzahl chinesischer Münzen, welche zu beschreiben unser Sinolog von seiner Excellenz dem Grafen Moriz von Dielrichstein, der damals mit der Oberlei- tung dieses k. k. Institutes betraut war, aufgefordeit wurde. Als Endlicher beschäftigt war die Hauptwerke über die chinesische Numismatik zu studiren und sich einen allgemeinen Überblick der chinesischen Münzgeschichtc zu verschaffen, ward durch die Für- sorge des vorerwähnten Herrn Grafen und die Gefälligkeit des hier anwesenden Herrn Professors Dr. Siebold eine bedeutende Sammlung chinesischer und japanesischer Münzen erworben; zudem weilte zu dieser Zeit in Wien der russische Staatsrath Baron Schilling von Canstadt, der mehrere Jahre bei der kaiserlichen Gesandtschaft in China gewesen war, und eine sehr ansehnliche Sammlung von derlei Münzen bei sich hatte, welche Endlicher mit den vorhandenen *) Anton stein, kaiserl. Ratli und Professor der classischen Liter.'itiir, zu Baden in Oberschlesien am 24. April 17!J9 gelioren, stari) in Wien 1844, dessen Lebensaliriss und iMedaiUe in meinen Medaillen auf beiiilinile und ausgezeichnete .Manner des österr. Kaiscrsfnales. fid. II, 4öfi— 4G2 und Tnli. XXIV. Nr. 124. 68 J. B e r g' in a n ii vergleichen und zugleich sich der Belehrung desselben erfreuen konnte. So entstand eine allgemeine Einleitung in die chinesi- sche Numismatik mit einigen Andeutungen über japanische Münzgeschichte. Diese Arbeit führt den Titel : „Verzeichniss der chinesischen und japanischen Münzen des k. k. Münz- und Antiken-Cabinetes in Wien. Nebst einer Übersicht der chinesischen und japanischen Bücher der k. k. Hofbibliothek". Wien, bei Friedrich Beck, 1837. VI und 140 S. in 4<*, und ist dem oben genannten russisch-kaiserli- chen Staatsrathe gewidmet. — Das Verzeichniss der cliinesischen Münzen enthält 138 Stücke, ferner 3 coreanische, 4S japanische und ö cochinchinesische Münzen, zusammen 191 Stücke; hierauf folgen S. 103 — 114 drei Beilagen. Die k. k. Hofbibliothek zählte damals 125 chinesische und mandschouische, zusammen 189 Bücher, von S. 135 — 138. Auch gab Endlicher einen Atlas von China nach der Aufnahme der Jesuiten - Mission heraus, worüber das Nähere in der Anzeige desselben von Dr. Pfiz maier in Dr. Adolf SchmidTs österreichischen Blättern 1844, Nr. 45 zu ersehen ist. XXIV. Joseph Freiherr von Bonomo, k. k. Feldzeugmeister, t 1850. Die Bonomo zählen zu den uralten Triestcr Patricier- und Krainerisch-sländischen Geschlechtern. Peter I. Bonomo, Rath der Kaiser Friedrich's HI., Maximilian's II. und Karl's V., ward von Maximilian mit mehreren wichtigen Sendungen betraut und starb als Bischof zu Triest hochbetagt 1546. Franz, Johann, Lorenz und Peter H. B. erhielten am 1. November 1580 den Adelstand. Peter ward von den Kaisern Rudolf H. und Matthias nach Ofen, Belgrad und Constantinopel 1610 (nach Baron v. Hammer II. 730) mit Andreas Negroni etc. geschickt, um mit den Türken einen Waffen- stillstand oder andere Verträge zu schliessen, im J. 1620 ging er für K. Ferdinand II. nach Polen etc. Joseph Freiherr von Bonomo, am 8. Mai 1768 geboren, kam 1782 in die k. k. Ingenieur-Akademie zu Wien, ward am 5,Octo-: ber 1787 Unterlieutenant in diesem Corps und in Berücksichtigung seiner bei der Belagerung von Belgrad geleisteten erspriesslichen Dienste 1789 zum Oberlieutenant befördert, darauf 1790 bei dem BlüCkiidccoips zu Orsova verwendet. Mit Auszeichnung diente er in Pdi'^i? l;ireii , von denen in der Voreriimerung zum Frank'schen Kataloge, in welchem unter dem Ausdrucke „der gegenwärtige Besitzer dieser Sammlung" Herr von Hayek gemeint ist — 22 Stücke mit ihren Nummern besonders bezeichnet sind, und Hess sie im October 1844 versteigern. Der Ertrag war 10.880 Gulden 17 Kreuzer C. M. Sie zählte nach dem zurLicilation angefertigten gedruckten Verzeichnisse 2481 Nummern und 78 Medaillen auf beiülimte Personen, welche das Münzrecht nicht hatten. Auch hatte Herr vou Hayek eine mittelmässige Sammlung von römisclien Silber- und Bronzemünyen, die er zu Anfang der Vier- ziger Jahre an den Münzhändler Joseph OberndörfFer verkaufte. XXXV. Wilhelm Freiherr von Hammerstein-Equord, k. k. General der Cavallerie , f in Brunn 1861. Wilhelm Freiherr von Hammer stein, einer sehr alten Familie entsprossen und am 3. März 1785 zu Hildesbeim geboren, war erst in Kur-Hannover'schen Diensten und tliat sich in der Schlacht bei Jena im Jahre 1806 hervor, ward später Rittmeister unter König Hieronyuius Napoleon in Westphalen, focht 1809 rühmlich in Portugal und erhielt vom Kaiser Napoleon die Ehrenlegion. Nach der Rück- kehr ward er Ordinauzoflicier seines Königs, zog mit dessen Gefolge nach Russland und kehrte mit ihm wieder uacli Cassel zurück und O'* .1. B e r g m a n 11 wfird Oberst. Im Jahre 1813 befehligte er nach Aufkündung des Waffenstillstandes die Avantgarde, trat aber bei Lübbenau mit seinem Huszarenregimente zur österreichischen Armee über. Nun machte er den Feldzug in der österreichisch-deutschen Legion unter dem Grafen Buhna in Südfrankreich mit., ward 1823 Generalmajor, rückte 1832 zum Feldmarschall-Lieutenant vor, machte 1836 eine Reise nach England und im folgenden Jahre durch Deutschland nach Russland und Griechenland, ward am 1. November 1837 Divisionär in wechselnden Stationen. Mit allerhöchster Eutschliessung vom 16. September 1844 erhielt er den österreichischen Freiherrenstand am 10. October 1843, hierauf am 29. November mit dem Prädicate von Equord (einer Familienbesitzung) und später noch die Bewilli- gung in seinem Wappen die Grafenkrone auf dem Schilde aus- nahmsweise zu führen. Im Jahre 1846 ward er commandirender General in Galizien, wo er am 1. November 1848, als die Unruhen in Lemberg eine sehr bedenkliche Wendung annahmen, die Stadt beschiessen liess. Am 8. November ward er General der Cavallerie und hielt bei dem Fortschritte der Revolution im benachbarten Ungern jede Ruhestörung durch Verhängung des Belagerungs- zustandes über Galizien und die Bukowina thatkräftig zurück. Wegen seiner Schwerhörisrkeit trat er im Jahre 1849 in den Ruhestand und starb, in zwei Ehen kinderlos, zu Brunn am 13. Februar 1861. (Das Nähere in v. Wurzbach's biographischem Lexikon. Bd. VII, 291 f.) Freiherr von Hammerstein lebte um das Jahr 1836 in Wien, wo Referent dessen Münzsammlung, die eine universelle war, und vorzüglich schöne Tlialer von Salzburg, wie auch Medaillen enthielt, mehrmal gesehen hat. Kurz vor dessen Hinscheiden kaufte sie der Münzhändler Joseph Oberndörifer, durch den sie meist gebildet worden war. XXXVI. Eduard von Maretich Freiherr von Riv-Alpon, k. k. Generalmajor, f 18. Mai 1861. Jakob Maretich (auch Maretic), einer guten, alten croati- schen Familie, die manchen tapfern Kriegsmann zählte, entsprossen, hatte im siebenjährigen Kriege bei Liegnitz und Landshut sieh aus- gezeichnet , dann im Türkenkriege als Commandant der Landes- defension bei dem Cordonposten die erspriesslichsten Dienste geleistet und ward als Hauptmann des \N'arasdin - St. - Georger Pfle-je iltT Numisiiialik in (IbliMieicIi elc. ÖÖ Infanterie-Regiments am 28. DecemLer 1701 in den Ad eist a ml erhoben. Dessen Sohn Ernst Gideon, der diesen seinen Tauriianien von seinem Pathen, dem Kriegshelden Ernst Gideon Freiiierrn von Loiitlon, erhalten hatte, Mar 1771 zn Neustadt in Mahren geboren und in der Wiener-Nenslädter Militärakademie erzogen, trat 1787 als Cadet ein, diente 1788 im Türkenkriege, hierauf von 1703 — 1814 in den Niederlanden, Deutsehiand und Italien, 1815 in Frankreich und 1821 in Piemont, und machte 17 Campagnen mit. Als Major im k. k. General- Quartiermeisterstabe erwarb er sich am 15. November 1813 in drei Slürmen gegen den Feind von 3000 Mann auf die Brücke bei Villa nuova am Alponflusse durch Mutb und Ent- schlossenheit den Maria Theresien - Orden laut Diplom ddo. Frankfurt ö. December 1813 und ward in Folge dessen den Ordens- statuten gemäss am 2. Janner 1822 in den Fr ei her renstand mit dem Prädicate vonRiv-Alpon erhoben»). Er starb als Ober.>t zu Agram am 3. Mai 1839. Dessen Sohu Ernst Freiherr v. Maretich, 1807 zu Pest geboren, Zögling der k. k. Ingenieur-Akademie, ward 1827 Lieute- nant im Geniecorps, in welchem er in vielfacher Verwendung zu Temeswar und Essegg, in Semlin und Zara, wie auch in Mainz im Jahre 1834 zum Hauplmanne vorrückte, ward dann vom Jahre 1839 ab durch fünf Jahre als Professor der Situationszeichnung in der k. k. Ingenieur-Akademie, in der er eine namhafte Anzahl geschickter und fertiger Zeichner ausbildete, verwendet, kam hierauf als Genie- Director nach Peschiera und nach dem Friedensschlüsse mit Sardi- nien (G.August 1840) in gleicher Eigenschaft nachManlua, ward im Mai 1834 Oberstlieutenant und im November desselben Jahres Obersterund Genie-Director in Wien. Hier erfolgte am 8. April 1861 seine Ernennung zum Generalmajor und Festnngs- commandanten in Zara, wo er kurz nach seiner Ankunft den 19. Mai einem schnellen Tode erlag. Baron von Maretich erhielt als Knabe am 18. März 1818 von seiner Mutter eine Münze und sammelte von so frühem Aller an mit rastlosem Eifer über 40 Jahre lang, wodurch die grosse Anzahl von ') Das Nähere siehe in ..der Militiir-Mari.i-Thercsicii-Oicleii uii.l seilte Milfflieiler", von Dr. Mir teil leid. Wieü 18j7, \U. 11. I2(i3 f. Ö 0 J.Berg m :i n n Iieiliiufig 35.000 zum Tlieile seltciieu Stücken erkliirt wird. Er war ein schlicliter , einfacher Eiirenmaiin , fern von allem Spiel und jeglicher Leidenschaft mit Ausnalime der Numismatik, der er seine Ersparnisse und alle seine Müsse widmete. Da er eine dieiist- treue, seltene Arbeitskraft war, ward er, wie wenige Genieofficiere, in den verschiedensten Provinzen des Kaiserstaates verwendet. Am meisten soll er, wie mir dessen Frau Witwe berichtet, zu Mantua, wollin er im Jahre 1849 gekommen, seine Sammlung bereichert haben, fand jedocii daselbst keine Zeit seine Münzen zu ordnen und zu beschreiben. Erst nach seiner Versetzung nach Wien konnte er durch 0 Jahre seine Nachmiltagsstunden von 4 Uhr an dieser Arbeit widmen und verfasste das geschic ht lieh - geograp bis ch- n umi snia tische Werk in 2o dicken Fascikeln in Folio, das er vor beinahe 20 Jahren begonnen hatte. XXXVn. Isidor Löwenstern, f um 1860. Isidor Löwenstern, zu Wien um 1810 geboren, getaufter Israelit und Banquier, dem Referenten als junger aufstrebender Mann wohl bekannt, sammelte zwischen den Jahren 1830 — 1840 beson- der^ Thal er und hafte bievon Exemplare von der grössten Schön- lieit, indem er in jugendlicher Hast keine Preise scheute. Voll Talent lernte er fleissig Sprachen, auch orientalische, machte eine Reise nach Ägypten und anderen Ländern des Orients, ward aber während seiner Abwesenheit von seinem Geschäftsführer, der sein Hof- meister gewesen sein soll, um einen grossen Theil seines Vermögens gebracht. Die Ehe, die er gegen den Rath seiner älteren w'obl- nieinenden Freunde geschlossen hatte, machte ihn nicht glücklich, voll unruhigen Temperaments und beweglichen Sinnes, der manch- mal seinen Sparren heivorlreten liess, begab er sich nach Paris und London, wie auch nach Mexico, worüber er, Avie ich hörte, ein etwas oberflächliches Buch geschrieben haben soll. Hierauf machte er eine Reise nach Indien, Persien, Babylonien, vertiefte sich in die Archäo- logie und verölTentlichte die: „Expose des Eiemens constitutifs du Systeme de la troisieme Ecriture euneiforme de Persepolis". Paris 1847; dann gleichfalls gegen Rawlinson: Remarques sur la deuxieme Ecrilure cuneiforne (Elamite) de Persepolis. Revue Archeologique. Paris 18ö0. Ein Schreiben ddo. Paris 2S. Februar 1850 gegen denselben englischen Major über dessen in der künigl. Pdege der Niiinismalik in O^lerreii-Ii etc. o7 asialischcii Gesellschaft gehalteiUMi Vortrag s. in G a 1 i y ii a ii i's Messenger Nr. 10.93Ü. Paris, Tliiirsday, Febriiary 28, 1850, in ileni er sich Clievalier (?) IsiJore Loewenstein nnterzoiehnet. Der gelehrte Orientalist Dr. Anton Boiler, Professor des Sanskrit an der Wiener Universität, sagt mir über diese Leistutigcn Lüwen- stern's: „Die reichen Schätze, welche aus den Ruinen Ninive's zu Tage gefördert wurden, erregten Löwenstern's Aul'merksanikeit und sein reger Geist suchte nach dem Schliissel, welcher dieselben für die VN'issenschaft erschh'esscn sollte. Eine glückliche Comhinations- galx; liess ilin den Charakter der Schrift und der Spraclie erkennen und es wird sein hleibendes Verdienst um die Wissenschaft sein, den aramäischen Sjuachtypiis der Inschriften zuerst begründet zu haben". Ein Theil dieser Pri vatsammiung en kam noch bei f^eb- zeiten ihrer Besitzer, der grössere aber nach deren Tode durch die Erben in fremde Hände. Manchen dieser Erben gebrach es an den erforderlichen Kenntnissen, an Vorliebe und Sinn für die Mtinz- kunde, manche, besonders wenn deren mehrere waren, bedurften des Geldes , andere wollten nicht ein bedeutendes Capital todt liegen haben, und so wurden Sammlungen bald im Ganzen, bald in stückweiser Versteigerung an den Meistbietenden verkauft, und bereicherten theils iWTentliclie in- und ausländische Cabinete und Museen, wie sie die neueste wache Zeit in allen Ländern hervor- gerufen hat, Iheils die Sammlungen anderer Privaten, vornehmlich des jüngeren numismatischen Nachwuchses. Alle oben namhaft gemachten Sammlungen traf das Schicksal ihrer Auflösung, der auch die der jüngstverstorbenen Herren v. Almasy (Nr. XXX), des Dr. Brants (Nr. XXXII) und des Frei- bcrrn v. Maretich (Nr. XXXVI), wenn sie Käufer linden, entgegen harren. Major v. Tonelli (Nr. XXXI) that das Löblichste, indem er die Sammlung seiner Münzen und Anliqiiitüten der Sladt Trient vermachte; die Sammlung des k. k. FML. von Hayeck (Xr. XXXIV) ist käullicli der fürstlich Fürstenbcrg'schen zu Donaueschingen ein- verleibt worden. Die Frau Witwe Leman n (Nr, XXI) ist aus Pietät noch im Besitze der Sammlung ihres dahingoschiedenen biedern 88 .J. 1! e r "■ Ml ;i II II Gatten; nur die SamiTiluiig des Sliftes Uciligenkreuz, welche der hochwürdige Herr Weis (Nr. XXXIIJ) mit aller Liebe und Sorgfalt pflegte und mehrte, ist, als einer geistlichen Körperschaft gehörig, derselben verblieben. Wir haben absichtlich die Sammler mit ihren Sammlungen nach der Zeit ihres Hinscheidens geordnet, weil mit demselben gar oft der Übergang ganzer Sammlungen oder einzelner, seltener und werthvoller Stücke an andere Besitzer zusammenhängt, so dass man die Wanderung manches interessanten Thalers verfolgen kann — et sua habent numismata fata! So haben wir in XXXVII Nummern 33 M ä n n e r und S Frauen, welche in und aus Österreich, vornehmlich zu Wien die Numismatik hegten und pflegten, mit ihren Sammlungen den Freunden unserer Wissenschaft vorgeführt und wollen sie zu klarerer Übersicht in Gruppen stellen mit Beifügung ihrer Nummern, damit der Leser jeden Einzelnen leichter finde. Voran stellen wir die numismatischen Frauen und zwar Nr. I Ihre k. Hoheit die Frau Erzherzoginn Maria Anna, welche die Histoire metallique Ihrer kaiserlichen Mutter Maria Theresia schrieb; Frau von Dick- mann-Secher au Nr. XIV; die Frauen de R oux und Spott 1, beide unter Nr. VIH und Frau Karoline Höfel, geborne Mark Nr. XV. Die Männer, welche über Numismatik schrieben, sind : Agnethler Nr. II, v. Ankerberg Nr. IX, Appl Nr. XHI, Frä Paulin ä St. Bartholomaeo Nr. IV, Baron v. Bretfeld-Chlumczansky Nr. XVII, Professor Dr. Stephan Endlicher Nr. XXIII, Franz Salesius Frank Nr. XVIII, V. Madai aus Schemnitz Nr. III, der Exjesuit Weinhofer Nr. V, Welzl von Wellenheim Nr. XXII. Wenn wir diese unsere Sammler nach ihren Ständen ein- theilen , zählen wie die Militaire: FZM. Baron von Bonomo Nr. XXIV, den Baron von Hammerstein-Equord, General der Caval- lerie Nr. XXXV; die FML. von Hayek Nr. XXXIV und Ludwig de Traux Nr. XXVIl, den Generalmajor Baron v. Maretich Nr. XXXVI und den Major von Tonelli Nr. XXXI. Geistliche sind: Fru Paulin a St. Bartholomaeo; Dom- propst Ertl Nr. XVI, der Exjesuit Weinhofer und Johann Nepomuk Weis Nr. XXXIII. Beamte: von Ankerberg, Joseph Appl, Baron von Bretfeld-Chlumczansky, Stephan Endlicher, v. Mader Nr. VL Pflf''i! iIlm- .N'iiiiiismiitik in Osterreleli elf. nj Megcrle von M ii li ! f o 1 d Nr. XIX, von R o s c h m a n n - Ilöihurg Nr. XI, von Stegner Nr. XXVI, Welzl von Welle n heim. Ärzte: Agnethler, Cerlrard ßrants Nr. XXXII, Franz Salesiiis Frank und v. Madai. Private: die Grafen von St. Gen ois (Nr. XXIX) nnd Heinrich v. Starhern her g Nr. XXVIII, Joseph Müller Freiherr von und zu Miiliicgg Nr. VH; Jakob Ritter v. Frank Nr. X; die Herren v. Alniasy Nr. XXX, von Held Nr. XII, von Koller Nr. XX, die Bürger Hon dl Nr. XXV, Lemann Nr. XXI und der weilgereiste Isidor Lö weiister n Nr. XXXVII. 90 l'i'- I' (i z "1 ii t e r SITZUNG VOM 21. JANNER 1863. Gelesen: Die Geschichte des Hauses Tscheu-kung. Von dem w. M. Dr. Aogast PfizDiaier. Der Verfasser, der in einer früheren Arbeit die Geschichte eines der berühmten Fürstenhäuser des Alterthums: des Hauses Thai-kung in ihrem Zusammenhange wiedergegeben und erläutert, bringt in dieser Abhandlung die Geschichte eines anderen, nicht minder berühmten Hauses, dessen Entsprossene die Fürsten des in den alten Büchern oft genannten Landes Lu. Die Gründung dieses Hauses erfolgte kurz nach dem Untergange der Könige von Schang (1122 vor uns. Zeitr.) , um welche Zeit König Wu von Tscheu, indem er sämmtlichcn ihm unterworfenen Landen neue Einrich- tungen gab, mit der Erdliöhe von Khio-feu, dem fürstlichen Wohnsitze des Landes Lu, seinen jüngeren Bruder Tscheu-kung, d. i. Fürsten von Tscheu, belehnte. Von Tscheu-kung bis zu dem letzten seines Hauses zählt mar» in Lu vierunddreissig Landesfürsten, deren Lenkung den Zeitraum von nahe achthundertsiebenzig Jahren umfasst. An Macht mit dem ihm benachbarten Tsi, dem Erbe des Hauses Thai-kung, nicht zu vergleichen und dabei häufig an der ärgsten Zerrüttung im Inneren leidend, glänzte Lu trotz dieser ungünstigen Umstände durch eine Reihe weiser und hervorragender Männer, unter ihnen der gefeierte Khung-khieu (Khung-tse) selbst. Schon zu den Zeiten Khung-khieu's war Lu eines der schwäche- ren Fürstenländer und nach aussen so wonig unabhängig, dass dessen Fürsten gewöhnlich an den die Obergewalt sich anmassenden Höfen von Tsi und Tsu huldigend erschienen und daselbst nicht selten, zum Verdrusse der Machthaber und Weisen des Landes, ihnen mit Absicht bereitete Demüthigungen erfuiiren. . Die nescliic-lilu ilc» ilaiises Tsclii'ii-kiiiif;. 1) | Die iniiiier mehr hervorlreleiidc Sclnviiche von Lu liattc /um Tlicile ilircMi Grund in den allgemeinen Veihältiiissen, ganz beson- ders abei- in der Stellung der drei Abkommeiischaflen lioau, mäcli- ligor Seilenliäiiser, welche ihren Einfluss nicht immer /um Besten des Landes geltend maelitcn und so weit gingen, Fiirslen nach Will- kür ein/usel/eii, bisweilen selbst /u verdrängen. Nach dem Tode des Fürsten Ngai (467 vor uns. Zeilr.) waren die drei Abkonmienschafleii Iloan übermächtig, Lu hingegen kraftlos und weniger ansehnlich als die drei genannten Seitenhäuser. Auf diese Weise fristete das Land noch durch zwei Jahrhunderte ein unrühmliches Dasein, bis es endlich (249 vor uns. Zeitr.) durch Khao-lie, König von Tsu, angegrilVen und für inmier seiner Selbst- ständigkeit beraubt wurde. Die Geschichte des Hauses Tscheu-kung ist somit diejenige des Fürstenlandes Lu. Der Stammvater dieses Hauses ist B Tan, der jüngere Bruder des Königs Wu von Tscheu. Derselbe erhielt den Namen X\* jjxj Tscheu-kung, d. i. Fürst von Tscheu, weil ihm das alte Land von Tscheu, welches einst Thai-wang, d. i. Ku-kung, der Grossvater des Königs Wen von Tscheu, bewohnte, /um Unterhalte angewiesen worden war. Zu Lebzeiten seines Vaters, des Königs Wen, war Tan durch die gewöhnlichen vorzüglich gerühmten Eigenschaften, nämlich Älternliebe, Offenheit und Mensch- lichkeit, von den übrigen Söhnen des Königs verschieden. Als König W^u in dem Hause der Tscheu zur Nachfolge gelangte, stand Tan diesem Fürsten beständig unterstützend und deckend zur Seite und ward lange Zeit mit der Leitung der Geschäfte betrauf. Als König Wu, damals noch Lehensfürst von Tscheu, im neunten Jahre seiner Lenkung nach Osten auszog und das Gebiet Mung- tsin i) erreichte, war Tscheu-kung auf diesem Zuge seine Stütze. Im eilften Jahre seiner Lenkung 2) unternahm König Wu seinen Angriff auf den König Tscirheu und zog nach der „Wildniss der 'J riier dieses Geliiet siml in der „Geschichte des Hauses Tliai-kuiig« einige niihere Aiip;:iheii cnlhaUen. ■-) Nacli ik'iii \\ eiiic Li-lai-ti-waiig-iiicn-iiiad , „.Tahresdenkinak' der Anhalter und Könige saininllicher Geschiechtsalter'* üiierwälligle König Wu im dreizelinleii Jahre seiner Lenkung und zu einer Zeit, wo das Jahr in Ki-mao, d. i. der sechzehnten Verhindung des scchzigtheiligcii Kreises stand (I12'i vor uns. Zeilr.), das Haus Schang-. 92 I>|-. l'fiz mai er Rinderhirten". Hierbei stand ihm Tscheu-kung wieder zur Seite und verfertigte den unter dem Namen „das Übereinkommen derWildniss der Rinderhirten" bekannten Aufruf. Er schlug hierauf gemein- snhaftlich mit dem Könige die Macht der Yin und drang in den Wohnsitz der Könige von Schang. Nachdem König Tsch'heu den Tod gefunden, nahmen Tscheu-kung und Schao-kung, der erstere eine grosse Axt, der letztere eine kleine Axt in den Händen haltend, den König Wu in ihre Mitte, während dieser, den Landesgöttern die Gaben darbringend, die Verbrechen des Königs Tsch'heu dem Himmel und dem Volke von Yin verkündete. Unter der Mitwirkung Tscheu-kung's befreite man Khi-tse aus dem Gefängnisse und belehnte '^ "mn^ ^- TfV' Wu-keng-lö-fu i) mit dem Stammlande der Yin, indem man ihm Kuan-scho und Tsai- scho, die Brüder des Königs Wu, zu Zugesellten gab. Man hatte dabei die Absicht, die Darbringung in dem Ahnenheiligthume der Yin nicht aufhören zu lassen. Zugleich erfolgte die ßelehnung der verdienstvollen Diener und derjenigen Verwandten des Königs, welche mit diesem den gleichen Geschlechtsnamen liatten. Bei diesem Anlasse erhielt Tan, Fürst von Tscheu, als Lehen JP_ dlj Khio-feu^), die Erdliöhe des alten Allhalters -^- /y-^ Schao-hao, Sohnes des gelben Allhalters. Das Land, von welchem der Fürst von Tscheu der erste Landesfürst ward, hiess f^ Lu, ein Name, dessen eigentliche Bedeutung „stumpfsinnig". Das Land war nämlich reich an Bergen und Ge- wässern, was man für die Ursache hielt, dass dessen Bewohner stumpfsinnig waren. Der Fürst von Tscheu begab sich übrigens nicht in das ihm zugewiesene Lehen, sondern verblieb bei dem Könige Wu, dem er helfend zur Seite stand. Zwei Jahre nach der Unterwerfung der Yin und ehe sich noch die Bewohner der Länder in ihrer neuen Lage zurecht gefunden hatten erkrankte König Wu. Dieses Ereigniss kam sämmtlichen Würden- trägern sehr ungelegen und erfüllte sie mit Besorgniss. Thai-kung, •) Derselbe wird gewöhnlich nur Wu-keng', bisweilen auch Lö-fu g'enannt. ') Der Alliialter Schao-hao hatte seinen Wohnsitz in Khio-feu, welches heute wieder denselben Namen fiihrt und in deiu Kreise Yen-tscheu, Landschaft San-lung, gele- gen ist. Die Gescliiclitii des Ilniises Tschcii-kung. H3 (1. i. Liü-schaiig, und Scliao-kurig, ein Verwandter des Hauses Tscheu, waren gesonnen, in dem Alinenheiligtliiiine des Königs Wen, des jüngsten Voifahren, die SchiUikrötenschflle zu l>rennen. Aber der Fürst von Tselicu liielt sie davon ab, indem er sprach: Man darf noch nicht betrüben unseren vorliergegangenen König, Der Fürst von Tscheu verpfändete hierauf seinen eigenen Leib. Er errichtete zu diesem Zwecke drei Darbringungsslufen und stand mit vorwärts gekehrtem Angesicht , wobei er über das Haupt eine weisse Rundscheibe erhob und in der Hand eine Beglaubigungsmarke liielt. Er brachte die Meldung den drei letzten Ahnen seines Hauses ; dem grossen Köin'ge, dem Letztgeborenen des Königs und dem Könige Wen. Das Gebet, welches der grosse Vermerker von den zusammengebundenen Stäben herablas, lautete: Wir bedenken, euer erster Enkel, der als König waltende Fa ')» gibt sich ernstlich Mülie und ist umstellt von Krankheit. Wenn ihr, 0 drei Könige, haben solltet hinsichllich des ersten Sohnes einen Aultrag von dem Himmel 2^, so möget ihr Tan annehmen an der Stelle des als König waltenden Fii-). Tan ist verständig und tahig, besitzt viele Gaben, versteht viele Künste und ist im Stande, zu dienen den Göttern und Geistern. Der als König waltende Fa besitzt nicht gleich Tan viele Gaben, versteht nicht viele Künste und ist nicht im Stande, zu dienen den Göttern und Geistern. Er empling den Befehl in der Vorhalle des hohen Allhalters*) , er bewirkt die Ausbreitung ^) und unterstützt die vier Gegenden. Hierdurch ist er im Stande, festzustellen eure Söhne und Enkel auf der niederen Erde. Unter dem Volke der vier Gegenden ist Keiner, der ihn nicht ehrt und fürchtet. Möget ihr nicht fallen lassen den hehren Befehl, der herabgelangt von dem Himmel, unsere früheren Könige werden dann auch ewig haben einen Ort, an den sie sich halten und wo sie ein- kehren«). Jetzt nahe ich mich, um dfn Befehl zu empfangen durch 1) -^1 Fä ist der Name des Köniars Wu. 2) Wenn bei der Krankheit keine Rettung^ möglich sein sollte. 3) her Fürst voii Tsclieu möge an der Stelle des Königs Wu sterben. •*) Des llinimelsgottes. 5) Die Ausbreitung der geschmückten Tugend , nach Anderen die Ausbreitung des Weges. ^) Sie werden die Vorsteher des S(:unmhauses und des Ahncnlicilii^llniiiies sein. {)4 Dl"- P f i z m a i c r die grosse SchiUlkrüte. Wenn ihr mit- die Bitte gewälirt, so kehre ich mit der Rundsclieibe und der Beglaiibitjiuigsinai'ke heim und warte auf euren Befelil '). Weim ihr mir die Bitte nicht gewährt, so verberge ich die Rundscheibe und die Beglaubigungsmarkes). Nachdem der Fin>t von Tscheu durch die Rohrsläbe des gros- sen Vermerkers dem grossen Könige, dem Letztgeborenen des Königs und dem Könige Wen gemeldet hatte, dass er statt des Königs Wu steri)en wolle, begab er sich zu den Bildsäulen der genannten drei Könige und machte drei Schildkrötensohalen im Feuer glühend. Die Männer, welche sich diesem Geschäfte unterzogen hatten, sagten einstimmig, dass das Ergebniss glücklich sei. Sie öffneten das zum Wahrsagen verwendete Buch und fanden, indem sie daselbst nach- sahen, wiiklich das glückh'che Ergebniss. Der Fürst von Tscheu öffnete erfreut die Röhre, in welcher das zum Wahrsagen verwen- dete Buch verwahrt wurde, betrachtete den Inhalt und fand das glückh'che Ergebniss. Er begab sich hierauf zu dem Könige Wu und wünschte ihm Glück mit den W^orten: Du, o König, leidest keinen Schaden. Ich Tan habe unlängst erhalten den Befehl von den drei Königen. Nur dauernd und immerwährend wird erwogen. Auf diesen Wegen waren sie fällig zu gedenken unseres einzigen Menschens). Der Fürst von Tscheu bewahrte die Urkunde, welche der Ver- merker vorgelesen, in einer mit goldenen Fäden umwickelten Lade und untersagte es dem Verwahrer streng, hierüber etwas verlauten zu lassen. Am folgenden Tage war der König von seiner Krankheit hergestellt. König Wu starb indessen sehr fi'ühzeitig*). Sein Sohn, der spätere König Sching, war noch so jung, dass er in den Wickelbän- dern getragen wurde. Der Fürst von Tscheu befürchtete, dass die Welt, sobald sie den Tod des Königs W^u erfahren, sich auflehnen *) Er wartet so lange, bis die drei Vorfahren von Tscheu den König' gesund werden und den Fürsten von Tscheu sterben lassen. Erst in diesem Falle würde man den Geistern der drei Könige dienen können. ^) Wenn König Wu stirbt, würde auch die Waltung der Tscheu fallen. Man würde dann seihst bei dem besten Willen den Geistern nicht dienen können. 2) Der einzige Mensch ist der Ilimmelssohn. Die drei Könige gedachten des Königs Wu. *) Der Tod des Königs Wu erfolgte nach Einigen schon im zweiten Jahre , nach Ande- ren erst im seclislen Jahre n;u'h dei' Überwindiinjr der Yin. Die Gespliiclite ck's llniises Tselieu-kiing'. 95 werde. Er trat daher in das Amt des Verstorbenen und führte an der Stelle des Königs Sching die Lenkung über das gesainnife Land. Kuan-sclio und dessen Bruder verbreiteten in dem Lande Le:inruhi- gende Gerüchte, indem sie zu verstehen gaben, dass der Fürst von Tscheu dem Könige Schiiig nicht von Nutzen sein werde. Hiermit wollten sie den Fürsten verdächtigen, als ob dieser die Absicht hätte, den jungen Gebieter dereinst zu unüberlegten Schrilten zu verleiten. Zu seiner Rechtfertigung wendete sich der Fürst von Tscheu an Thai-kurig-liü und Schao-kung mit folgenden Worten: Dass ich mich nicht zurückziehe, sondern führe die Lenkung, es geschieht, weil ich fürchte, die Welt könne sich auflehnen gegen Tscheu. Es wäre dann nichts, das ich melden könnte unseren früheren Königen: dem grossen Könige, dem Letztgeborenen des Königs und dem Könige Wen. Die drei Könige sind bekümmert und bemühen sich um die Welt schon lange Zeit. Von jetzt angefangen kommen die Dinge zu Stande. König Wu ist frühzeitig gestorben, König Sching ') ist noch jung. Ich gedenke, die Sache zu Stande zubringen. Dies ist der Grund, warum ich so handle. Der Fürst von Tscheu ward endlich der Laudesgehilfe des Konijis Schini; und schickte in das ihm verliehene Lehen Lu seinen eigenen Sohn ^ /(^ Pe-khin als Stellvertreter. Als Pe-khin abreiste, um die Lenkung von Lu zu übernehmen, gab ihm sein Vater, der Fürst von Tscheu, die folgende Lehre: Ich bin der Sohn des Königs Wen, der jüngere Bruder des Königs Wu, der ältere Oheim des Königs Sching. Ich bin in der Welt ebenfalls kein unbe- deutender Mensch. Gleichwohl fasse ich bei einem einmaligen Waschen des Hauptes dreimal zusammen das Haar, bei einem ein- maligen Verzehren von Speise werfe ich dreimal den Bissen weg, erhebe mich und empfange die vorzüglichen Männer, indem ich mich gleichsam fürchte, zu verlieren die weisen Männer der Welt. Wenn du, mein Sohn, gelangst nach Lu, hüte dich, dass du nicht deines Landes wegen dich stolz benimmst gegen die Menschen. Nach einiger Zeit stellten sich Kuan-scho, Tsai-scho und Wu- keng mit ihren Genossen wirklich an die Spitze der Fremdländer *) Der nach dem Tode gfog-ehene N.Tine findet sich in der Hescliichlc sehr liiinfi? au Stellen, wo er nicht gesetzt werden sollte. C)(j Dr. P f i z in a i e r des Flusses Hoai und empiirten sich gep:en Tsebeu. Der Fürst von Tscheu empflng einen Befehl von dem Könige Sching, rüstete ein Heer aus und unternahm den Kriegszug im Osten, wobei er den in dem Buche der Tscheu enthaltenen „grossen Aufruf" verfertigte. Hierauf Hess er Kuan-scho hinrichten, tödtete Wu-keng und ver- bannte Tsai-scho. Zugleich schickte er das in dem Stammlande der Yin noch verbliebene Volk in die Verbannung und belehnte Khang- scho, den jüngeren Bruder, mit dem Lande Wei , welches durch Theilung des Stammlandes der Yin gebildet ward. Mit dem anderen Theile dieses Stammgebietes, dem Lande Sung, belehnte er Wei-tse, den Bruder des Königs Tsch'heu. Der letztgenannte Lehensfürst hatte den Auftrag, die Darbringung in dem Ahnenheiligthume der Yin fortzusetzen. Ferner beruhigte der Fürst die Fremdländer des Flusses Hoai und die auf jener Seite gegen das Meer gelegenen Länder des Ostens. Nach zwei Jahren hatten die Länder der Lehens- fürsten ihre vollkommene Einrichtung und alle huldigten Tscheu, welches von ihnen als Stammhaus anerkannt ward. Auch im Allge- meinen verbreitete sich über die Lande Glück und Segen. Um diese Zeit fand Thang-scho, der Sohn des Königs Wu und Bruder des Königs Sching, eine doppelte Kornähre, welche er dem Könige Sching zum Geschenk machte. Der König trug Thang-scho auf, diese Kornähre dem Fürsten von Tscheu, der sich auf den Gebieten des Ostens befand, zu übersenden. Man nannte dies zum ersten Male: „die Übersendung der Eintracht" i). Der Fürst von Tscheu, der damals den höchsten Befehl in Empfang genommen hatte, war mit diesem Befehle des Himmelssohnes einverstanden und darüber erfreut. Man nannte dies zum ersten Male: „Freude und Eintracht", ein Ausdruck, dessen ursprüngliche Bedeutung: „ein vorlrelTlicher Getreidehalm''. Auch der Umstand, dass die Bewohner der östlichen Gegenden sich jetzt ruhig niederliessen, wird hiermit in Verbindung gebracht. Als der Fürst von Tscheu den Rückweg antrat, wollte er dem Könige Sching Rechenschaft geben und verfertigte das Gedicht von dem Sperber, welches er dem Gebieter übersandte. In diesem Gedichte sagen die Vögel zu dem Sperber : 1) Weil zwei verscliiedene Halme eine gemeinsclinflliclie Alire trugen. Die Geschielite des lliiuses Tsclioii-kiiii?. .) 7 0 Sperber! o Sperber! Du liast gonommen uns're Söhne. ZiTsföre niclit unser Haus! So ziiitlieli, so sorglich Wir nähren die Söhne! Wie traurig! Sie inoiiien, es sei schon traurig genug, class der Sperber ihre «hingen genommen, er möge nicht dazu ihr Nest zerstören. So sei auch Wu-keng bereits vernichtet, und es dürfte nicht gestattet wer- den, dass Kuiin-scho und Tsai-scho das Haus des Königs zerstören. Der König getraute sich auch niemals, den Fürsten von Tscheu wegen der hier erwähnten Handlungen zur Rede zu stellen. Im siebenten Jahre des Königs Sching«), im zweiten Monate und an dem zweiunddreissigsten Tage des sechzigtheiligen Kreises hielt der König vorerst eine Versammlung an dem Hofe und begab sich hierauf von seiner Hauptstadt ^^ Hao nach ^J Fung, dem früheren Wohnsitze der Tscheu s), um daselbst in dem Ahnenheilig- thum der Könige Wen und Wu die wichtige Angelegenheit der Erbauung einer Hauptstadt im Osten zu melden. Er hiess zu diesem Zwecke den „grossen Beschützer" Scliao-kung, einen der drei Fürsten von Tscheu , früher nach Lo reisen und das Land in Augenschein nehmen. Im dritten Monate dieses Jahres machte sieh der Fürst von Tscheu auf den Weg und begann den Bau der Stadt ;g^ Lo "-) in pEj jdf" Schlug- tscheu*). Um zu erfahren, ob die Stadt zum Wohnsitz geeignet sei, Hess er die Schildkrötenschale brennen und erhielt die Worte: Man melde es und bestimme sie sofort zur Stadt des Landes. König Sching ist erwachsen und fähig, Gehör zu geben in Sachen der Lenkung. Der Fürst von Tscheu übertrug hierauf die Lenkung dem Könige Sching. In früherer Zeit hatte dieser König nur auf die Versammlungen an dem Hofe herabgeblickt, während der Fürst von 1) Nach den in dem Werke LT-tai-ti-wang-nien-piao enthaltenen Berechnungen das Jahr 1109 vor uns. Zeitr. 2) Sowdiil Hao als Fung hefanden sich in der Nähe des heutigen Si-ngan in Schen-si. ») Das spätere Lö-yang, welches sich in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt des heutigen Kreises Ho-naii, Landschaft Ho-nan. ht-fand. *j Sehing-tscheii bedeutet „das vollendete Tscbeii", weil um jene Z.'it der Weg der Tscheu vollendet ward. Die Gegend wird sonst „das östliche Tscheu" genannt. Sil/.b. d. phil.-hist. Cl. XU. Bd. I. lllt. 7 98 Dr. P f i z m a i e r Tscheri an der Stelle des Königs die Gescliäfte führte und, das Angesicht nach Süden, den Rücken gegen die scliwarzweissen Wandschirme gekehrt, die Lehensfüisten empfing. Seit dem genann- ten siebenten Jahre, in welchem er die Lenkung in die lliinde des Königs Sching zurückgab, kehrte der Fürst von Tscheu das Ange- sicht nach Norden, begab sich auf den für die Diener des Landes bestimmten Sitz und nahm eine unterwürfige und elirfurchtsvolle Haltung an. In seiner frühen Jugend war König Sching einst in eine schwere Krankheit verfallen. Der Fürst von Tscheu schnitt sich die Nägel ab, versenkte sie in den Fluss und betete zu dem Gotte des Gewäs- sers: Der König ist jung, er hat noch keine Kenntniss. ITerjenige, der zuwiderhandelt dem Befehle des Gottes, bin ich Tan allein. — Das Rohrbri tt, auf welchem diese Worte enthalten waren, bewahrte der Fürst ebenfalls in seinem Büchersaale, und der König genas zuletzt von seiner Krankheit. Als der König in späteren Jahren den Geschäften vorstand, traf es sich, dass Jemand den Fürsten von Tscheu bei dem Könige verleumdete. Der Fürst floh nach Tsu. Der König öff'nete hierauf dessen Büchersaal und entdeckte die Urkunde, welche das Gebet des Fürsten von Tscheu zu dem Gotte des Flusses enthielt. Der König weinte und berief den Fürsten zurück. Nach seiner Rückkehr fürchtete der Fürst von Tscheu, dass der König, der jetzt das männliche Alter erreicht, in der Lenkung zu Ausschreitungen verleitet werden könne. Er verfertigte daher zwei Werke, von denen das eine: „Die vielen Männer des Landes", das andere: „Die Vermeidung des Müssiggangs" genannt wurde. In der „V'ermeiduiig des Müssiggangs" stellte er hin, dass die Väter und Mütter der Menschen ursprünglich eine Beschäftigung gründen, dass aber nach längerer Zeit die Söhne und Enkel dies vergessen und dadurch ihres Hauses verlustig werden. Hierauf hätten die Söhne ein besonderes Augenmerk zu richten. Er nennt vorerst Tsehung-thsung, d. i. den mittleren Stanmihalter, den unter dem Namen A7 yV Thai-meu bekannten siebenten König des Hauses Yin. Derselbe war ernst, unterwüifig und ehrerbietig, Eigenschaf- ten, vermöge welcher er dem Befehle des Hiinmds nachlebte. Indem er das Volk lenkte, zitterte er voi- Furcht utid ^agle es nicht, sich der Sorglosigkeit und Ruhe hinzugeben. Aus diesem Grunde befand Die fipscliiclile ili's Hauses Tschcii-ki n::. 00 sich Tschiing-tlisiing fünfiiiKlsiehenzig Jitlirc im Besitze seiner Lande. Als zweites Beispiel wird Kao-thsiing, d. i. der hohe Stiunni- linlter, der unter dem Namen J ThT Wu-ting hekannte zwanzigste König des Hauses Yin, angeluhrt. Derselbe arbeitete lange Zeit in der Fremde und nahm an den Sorgen der kleinen Menschen Theil '). Als er zur Nachfolge gelangte, zeigte er eine anCrichtige Zurückhal- tung und sprach durch drei Jahre nicht ein Worl -). Als er endlich spracli, war man erfreut 3J. Er wagte es nicht, sich der Sorglosig- keit und Ruhe zu überlassen, er beglückte das Land der Yin. Ob es sich ufjj grosse oder kleine Angelegenheiten handelte, das Volk war niemals missmuthig. Aus diesem Grunde befand sich Kao-thsung fünfundfüufzig Jahre im Besitze seiner Lande. Ein drittes Beispiel ist B0 jjlß Tsu-kia, der Sohn des Königs Wu-ting. Derselbe war der Meinung, dass bei der Einsetzung des Königs ungerecht vorgegangen worden*). Er verblieb lange Zeit in der Stellimg der kleinen Menschen. In der Fremde lernte er kennen, worauf die kleinen Menschen sich verlassen, er war fähig zu beschützen und mit Woblthaten zu überhäufen das kleine Volk und nicht zu verachten die Verwaisten und Alleinstehenden. Aus diesem Grunde befand sich Tsu-kia dreiunddreissig Jahre im Besitze seiner Lande. Zuletzt erwähnt noch der Fürst von Tscheu, dass von den Königen, welche dem Müssiggange ergeben waren, einige nur zehn Jahre, andere sieben bis acht Jahre, andere fünf bis sechs Jahre 'J König "y ^ ■^\\ Siao-yi, der Viiter Wii-tiiig's, hatte es veranstaltet, dass dieser Sein Sohn lange Zeit unter den Menschen des Volkes lehte, die Geschäfte des Säens und Erntens hetrieh und, indem er hei den Leuten aus- unci einging-, an deren Beschiil'tiguiig'en Theil nahm. 2) Als Wu-ting- zur Naehfolge gelangte, war sein V^'^ter, König Siao-yl, gesforhen. Durch das dreijährige Schweigen bekundete der neue König den Wandel eines guten Sohnes. ') Weil das Volk schon lange erwartet hatte, dass er sprechen werde. *) König VVu-ling ernannte seinen ältesten Sohn H^ ]\\\l Tsu-keng, der von gemeiner Sinnesart war, zum Nachfolger, während Tsu-ki."! die Gabe der Weisheit besass. Tsu-kia verliess den ihif und lehte unter den Mensehen des Volkes. Kr wurde indessen in späterer Zeit, naehdeni sein Itrudej- Tsu-keng ge^lorben , zum Könige eingesetzt. 1 00 Dr. Pfizm aier und noch andere nur vier oder drei Jahre sich im Besitze ihrer Lande befanden. Das Werk: „Die vielen Männer des Landes" ist ein Aufruf an die vorzüglichen Männer des StammlaiKles Schang, welche mit dem noch übrigen Volke der Yin nach der neuerbautcn Stadt Lo übersifdelt waren. In demselben wird gesagt, dass von Thang, dem Gründer des Hauses Schang, bis auf ~l_^ ^ Ti-yi, den Vor- gänger des Königs Tsch'heu, unter den Königen von Schang noch keiner gewesen, der nicht die Darbringung in den Heiligthümern vorangestellt hätte. Unter den Allhaltern, welche die Tugend erlenchteten, war keiner, der sich nicht dem Himmel beigesellt hätle':i). Der spätere Nachkomme in der gegenwärtigen Zeit, d. i. König Tsch'heu, liess sich grosse Ausschreitungen zu Schulden kommen und nahm nicht Rücksicht auf den Himmel und dasjenige, was dem Volke heilig ist. Das gesammte Volk war auch damit ein- verstanden, dass dieser König durch Tscheu zur Strafe gezogen werde. Die vielen Männer des Landes werden ferner aufmerksam gemacht, dass König Wen vom Morgen bis zum Mittag des Tages nicht Zeit gehabt, Speise zu sich zu nehmen. Aus diesem Grunde befand sich König Wen fünfzig Jahre im Besitze seiner Lande 2). Der Fürst von Tscheu verfertigte die zwei oben genannten Bücher in der Absicht, den König Schlug zu ermahnen. Während dieser König in der Stadt Fung seinen Wohnsitz halte, war die Welt bereits beruhigt, aber unter die Obrigkeiten und in die Lenkung von Tscheu war noch keine Reihung gebracht worden. Der Fürst von Tscheu verferiigte jetzt das Buch: „Die Obrigkeiten von Tscheu". In diesem Buche werden die verschiedenen Obliegenheiten der Ämter gesondert. Er verfertigte ferner das Buch: „Die Begründung der Lenkung". Der Fürst besorgte nämlich, dass König Sching, nachdem ihm die Lenkung übergeben worden, der Trägheit und dem Irrthiim verfallen könne, und er belehrte ihn desshalb, wie Landes- fürst unti Diener die Lenkung zu begründen haben. Er beabsichtigte dabei den Vortheil der Geschlechter des Volkes, und diese Ge- schlechter waren mit seinen Bestrebungen zufrieden. •) Weil sie es nicht wagten, von den Wegen des Himmels abzuweichen. 2j Das Buch der Tsclieu hringt diese auf König Wen sicli bezielieiide Angabe unter der „Vermeidung des Miissiggangs". Die GesuhichtR des Hauses Tsclieu-kting. 1 0 1 Der Fürst von Tsclieu hefaiid sich in Fiiiig, als er schwer erknmkte. Vor seincin Tode sprach er: Ihr müsset rnicli begraben in Scliiiig-tscheii, um iiiVs Licht zu setzen, dass ich es niclit wage, mich zu trennen von dem Köniije Sching. — Als sein Tod hierauf wirklich erfolüte, liess es König Scliing geschehen, dass der F'üist auf dem Gebiete :ffi Pi, wo sich die Grabstätte des Königs Wen bef.^nd, und zwar zur Seite dieses Königs, begraben wurde. König Sching bedeutete dadurch, dass er, der zu den kleinen Söhnen geliört, sich nicht getraue, den Fürsten von Tsclieu als einen Diener zu bt'tiacbten. Es war nach dem Tode des Fürsten von Tscheu und im Herbst zu einer Zeit, wo das Getreide noch nicht geschnitten war, als ein heftiger Sturm mit llagelguss hereinbrach, in Folge dessen alles Getreide zu Hoden geworfen und alle grossen Baume entwurzelt wurden. Das Land Tscheu ward durch dieses Ereigniss in grosse Furcht versetzt. König Sching kleidete sich mit den Grossen seines Landes in die Hofkleider und öffnete das mit goldenen Fäden um- wickelte Buch des Fürsten von Tscheu. Er fand die Urkunde, in welcher dieser Fürst seine eigenen Verdienste hervorhob, damit er statt des Königs Wu sterb(>n könne. Die beiden Fürsten der Len- kung und der König fragten den früheren Vermerker des Fürsten von Tseheu und die bei dessen Geschäften verwendeten Leute, ob sich die Sache wirklich so verhalte. Der Vermerker und die Führer der Geschälte antworteten: Es verhält sich so in Wahrheit. Einst hat der Fürst von Tscheu uns befohlen, dass wir es nicht wagen sollen, zu sprechen. — Als König Sching das Buch ergriff, ward er zu Thränen gerührt und sprach: Von jetzt an werde in dem Ahnenlieiligthume des Jüngsten nicht die Schildkrötenschale gebrannt «)! Einst war der Fürst von Tscheu eifrig bemüht für das Haus des Königs, nur ich, der jugendliche Mensch, konnte dies nicht wissen. Jetzt hat sich der Himmel geregt in seiner furchtbaren Macht, um zu verkünden die Tugend des Fürsten von Tscheu. Nur ich, der kleine Sohn, ziehe entgegen in *) Der König wäre urspriiiig-lich geneigt gewesen, dns durch das Brennen der Schild- krötenscliiile erlangte glückliche oder ungliickliclie Eigebiiiss zu achten. Jetit, da er den Willen des Himmels kennt, thue er dies niciit mehr. 102 Dr- Pfi zroa i er meinem Land und Haus, und die Gebräuche seien ebenfalls liier angemessen i). Der König zog hierauf nach der fernen Umgebung der Haupt- stadt, wo er dem Himmel und der Erde Gaben darbrachte. Sofort fiel ein Regen, der Wind wehte von einer entgegengesetzten Seite, und alles Geireide, welclies früher auf dem Boden lag, richtete sich wieder empor. Man hielt dies für ein Merkmal, dass man r.eeht gethaii habe, in den fernen Umgebungen die Daibringung zu veran- stalten. Die zwei Fürsten der Lenkung befahlen jetzt den Bewoh- nern des Landes, an allen Stellen, wo das Getreide durch die ent- wurzelten grossen Bäume zu Boden geschlagen worden, die Bäume aufzuheben und das unter ihnen liegende Getreide aufzulesen, damit von dem Erträgnisse der Felder nichts verloren gehe. Zur Zeit der Ernte gelangte das Getreide zu V(dlständiger Reife. König Sehing erliess hierauf einen Befehl, in Folge dessen es dem Lande Lu gestattet wurde, in den fernen Umgebungen dem Himmel und der Erde Gaben darzubringen und für den König Wen ein Ahnenheiligthiim zu errichten. Den Lehensfürsten war es nämlich nicht gestaltet, in den fei neu Umgebungen die Darbringung zu ver- anstalten und eben so wenig, einen Himmelssohn als Almen des Hauses zu verehren. Dass in Lu die Gebräuche und das Klangspiel des Himmelssohnes eingeführt wurden, geschah desshaib, weil man die Tugend des Fürsten von Tscheu öffentlich bekannt geben wollte. Als der Fürst von Tscheu starb, hatte sein Sohn Pe-khin that- sächlich schon früher das Lehen Lu in Empfang genommen, und derselbe ist der Erste, dem in der Geschichte der Name eines Fürsten von Lu beigelegt wird. Als Pe-khin, Fürst von Lu, aus den Händen seines Vaters das Lehen empfangen hatte, begab er sich sofort nach Lu. Daselbst weilte er drei Jahre und erst nach Verlauf dieser Zeit erstattete er dem Fürsten von Tscheu den pflichtmässigen Bericht über die Len- kung des Landes. Der Fürst von Tscheu Hess ihn fragen: Warum so spät? — Pe-khiu antwortete: Ich veränderte die Gewohnheiten des Landes, ich verbesserte dessen Gebräuche. Ich verlor drei Jahre 1) Der Kiiiily «^odiMikt ilie Darbringung; in der ferne» Unig'eining' zu veranstiilten und die Tci"eiid des Fürsten von Tscheu auf nu<{'emesseue Weise hervorzuheheii. Die Geschichte des Hauses Tscheu-kun». 1 ü «> dann erst braclite ich es zu Stande. Aus diesem Grunde geschieht es so spät. Um dit'seibe Zeit war auch Thai-kung mit Tsi helehnt worden. Dieser Fürst erstattete dem Fürsten von Tseheu schon nach fünf Monaten Bericht über die Lenkung des Landes. Der Fürst von Tscheu licss ihn Irajjcn : Warum so schnell? — Thai-knng antwortete: Es ist, wf il ich iimschränkte die Gebräuche, die «jjelten für den Landes- fürsten lind die Diener, und mich richtete nach den Gewohnheiten des Landes. — Als der Fürst von Tscheu in der Folge erfuhr, dass Pe-khin so spät über die Lenkung Bericht erstattet, seufzte er und sprach: 0 Leid! Die nachfolgenden (ieschlechtsalter von Lu werden» iiach Norden gekehrt das Angesicht, dienen Tsi. Wenn die Lenkung nicht unterscheidet, nicht wechselt, so hat das Volk keine Gelegen- heit zur Annäiiei-ung. Wenn sie gleichmässig wechselt und sich nähert dem Volke, so wird sich das Volk gewiss ihr zuwenden. Nachdem Pe-khin in seine Würde eingesetzt worden, erregten Kuan-scho, Tsai-scho und deren Genossen den früher erwähnten Aufstand gegen Tscheu. Zu gleicher Zeit erhoben sich auch die öslliclien Fremdiänder des Flusses Hoai, die sogenannten „westlichen Frenidländer" >) von ^^ Siü, setzten sich mit den Aufrührern in Verbindung und unternahmen einen Plünderungszug gegen das zunächst im Norden gelegene Land Lu. Pe-khin stellte sich an die Spitze eines Heeres und bekämpfte die Fremdländer auf dem Gebiete 04- Pi 2). Bei dieser Gelegenheit verfertigte er das „Übereinkom- men von Pi", welches ein Aufruf an die benachbarten Lehensfürsten und die folgenden Stellen enthielt: Stellt in Reihen eure Panzer und Helme. Waget es nicht, sie nicht in gutem Stande zu haben. Waget es nicht, zu verletzen die Umzäunungen der Rinder. Wo ähnlich den schwärmenden Pferden und Rindern Knechte und Mägde entlaufen, möget ihres nicht wagen, Innauszusclireiten und ihnen nachzusetzen, sondern gebet sie ehr- furchtsvoll zurück. Waget es nicht, zu plündern und zu rauben, zu *) Sie werden j-Xf Jung „westliche Fiemdliindfr" geiiaiiüt . obgleich sie ihre Wohn- sitze im üslen hatten. 2) Dasselbe führt sonst den Namen ^^ Pi. welches das heutige gleichnamige Pi des Kreises l-tscheu in Sau-tuiig. IQ4 Dr. Pf i zmaiei- übePSfeigeil Mauern und Ringmaiien). Ilir Menschen von Lu in den drei fernen Umgebungen, in den drei entlegenen Kreisen ')! Haltet bereit euer Gras und euer Heu, die gerösteten Körner und das zuge- messene Getreide, die Längenbäume und die Breitbäume 2). Waget es nicht, euch nicht zu stellen. Wir errichten an dem Tage Kiä-sii ») die Mauern und machen den Eroberungszug gegen die M'estliehen Fremdländer von Siü. Waget es nicht, dabei nicht einzutreffen. Ihr erleidet eine grosse Strafe. Kurze Zeit nach der Veröffentlichung des „Übereinkommens von Pi" wurden die Fremdländer von Siü besiegt, und das Fürsten- land Lu erhielt einen festen Bestand. Als Pe-khin, Fürst von Lu, starb*), folgte ihm sein Sohn |jü| Thseu, genannt Fürst ^^ Khao. Dieser Fürst starb im vierten Jahre seiner Lenkung und iiatte zum Nachfolger seinen Sohn I5G, Hi, genannt Fürst j>^ Schang. Dieser Fürst erbaute das soge- nannte Thor der Warte von y^ Miao, eine Angabe, welche dahin gedeutet wird, dass Fürst Schang die neue an der Stelle von Khio-feu gelegene Hauptstadt von Lu bezogen hahe. Dieser Fürst starb im sechsten Jahre seiner Lenkung und hatte zum Nachfolger seinen Sohn •^- Thsai, genannt Fürst j^ Yeu. Fürst Yeu ward im vier- zehnten Jahre seiner Lenkung durch seinen jüngeren Bruder ^0 Fe getödtet, worauf Fe, in der Geschichte Fürst |^ Wei 5) genannt, sich in den Besitz der Würde des Landesfürsten setzte. 1) Lu als grosses Fürstenland besass drei Kriegsheere, welche an drei verschiedenen Orten der fernen Umg'ebung'en und der entlegenen Kreise lagerten. Nach Anderen werden hier drei Himmelsg-egenden g-emeint, und es werden vier Himmelsgegenden aus dem Grunde nicht angedeutet, weil die östliche Umgebung ohnedies bewacht gewesen wäre. 2) Bei dem Aufführen von Mauern bediente man sich der Längenbäume und Breitbäume. Die ersteren befanden sieh an beiden Enden, die letzteren zu beiden Seiten der Mauer. ') Der eilfte Tag des sechzigtheiligen Kreises. An diesem Tage wurden die Lagerwäile aufgeführt und der Feind angegriffen. ♦) Es wird angenonitiien , dass Pe-kliin im ersten Jahre des Königs Schlug (1113 vor uns. Zeitr.) eingesetzt wurde und sechsundvierzig Jahre später (1070 vor uns. Zeitr. ) starb. *) Dieser Name wird auch durch 1/fV Wei ausgedrückt. Die Geschichte des Hauses Tsoheii-kiing. J ütS Fürst Wei starb im fünfzigsten Jiilire seiner rjonknnfj und halte zum Nachfolger seinen Sohn j^^ Tht, genannt Fürst pj Li. Als Fürst Li im siebennnddrcissigsten Jahre seiner Lenkung starb, erhoben die Machthaber von Lu dessen jüngeren Bruder j^ Khiü zum Landesfürslen. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst fvfjl: llien. Als Fürst Mien im zweiunddreissigsten Jalirc ') seiner Lenkung starb, folgte ihm sein Sohn yka Pi, genannt Fürst I— . |a Tsch'hin. Im vierzehnten Jahre des Fürsten Tsciriiin von Lu (842 vor nns. Zeitr.) veranlasste König Li von Tscheu durch seinen Wider- willen, die eigenen Fehler zu hören, einen Aufstand seines Volkes nnd floh nach Tsch'iii, worauf zwei grosse Würdenträger unter dem Namen der „gemeinschaftlichen Vereinbarung" die Lenkung führten. In das neunundzwanzigste Jahr dieses Fürsten (827 vor uns. Zeitr.) füllt die Einsetzung des Königs Siuen von Tscheu. Fürst Tsclfhin starb im dreissigsten Jahre seiner Lenkung (826 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen jüngeren Bruder ^jr Ngao, genannt Fürst ^ Wu. Im neunten Jahre seiner Lenkung (817 vor uns, Zeitr.) reiste Fürst Wu im Fiühlinge mit seinem ältesten Sohne jij Ko und seinem jüngsten Sohne mv Hi nach Westen und erschien an dem Hofe des Königs Siuen von Tscheu. Der Köfiig gewann den Sohn Hi lieb und wollte diesen zur Nachfolge in Lu bestimmen. Dagegen machte ^/^ jjl '/m Tschung-san-fu von ^^ Fan 2) die folgende Vorstellung: Absetzen den Alteren und einsetzen den Jüngeren, ist nicht gemäss dem Bechte. Wer nicht handelt gemäss dem Bechte, wird gewiss zuwider handeln dem Befehle der Könige. Wenn Jemand zuwider handelt dem Befehle der Könige, so muss man ihn bestra- fen. Wenn man daher Befehle erlässt, so kann dies nicht anders geschehen, als gemäss dem Rechte. Wird der Befehl nicht vollzogen. *) Einige nennen das fünfzigste, Andere das sechsunddreissigste ,I:ihr. 2) Fan ist das Füistenthum, welches Tschung-saii-fii hesass. Die Nachkommen dieses \Vüidenträg( rs führten daher den Gesehlechtsnanieii Fan. 106 Dr. P f i z m :i i e r SO wird die Lenkung nicht begründet. Wird er vollzogen, aber es ist nicht gemäss dm Rechte, so wird diis Volk zurücksetzen die Höheren. Indem die Niederen dienen den Höheren, die Jüngeren dienen den Alteren, hierdurch wird gehandelt gemäss dem Rechte. Wenn jetzt der Himmelssohn, indess er einsetzt die Fürsten der Lehen, erhebt den Jüngeren, so lehrt er das Volk die Widerrecht- lichlieit. Wenn Lu Folge leistet, so wei'den die Fürsten sich hier- nach richten, und die Befehle der Könige werden unwirksam bleiben. Leistet es keine Folge, nnd m-ui straft es, so würde man strafen den Befehl der Könige. Straft man es, so wäre dies auch verfehlt. Straft man es nicht, so wäre dies ebenfalls verfehlt. Mögest du, o König, es überlegen. Der König beachtete diese Worte nicht, und er bestimmte endlich den Sohn Hi zum Nachfolger in Lu. Im Sommer trat Fürst Wu die Heimreise an und starb in dem folgenden Jahre, dem zehn- ten seiner Lenkung (816 vor uns. Zeitr.). Sein Nachfolger war dessen jüngerer S(din Hi, genannt Fürst 'ä'^, I- Neun Jahre später (807 vor uns. Zeitr.) überfiel 4^i in Pe-yü, der Sohn des älteren Fürstensohnes Ko, in Gemeinschaft mit den Bewohnern von Lu den Fürsten I und tödtete ihn. Pe-yü, durch den Willen der Bewohner des Landes erhoben, war hierauf durch eilf Jahre Landesfürst von Lu. Nach Verlauf dieser Zeit (796 vor uns. Zeitr.) unternahm Siuen, König von Tscheu, einen Kriegszug gegen Lu und tödtete dessen Landesfürsten Pe-yü. Der König stellte hierauf an seine Würdenträger die Frage, wer unter den Fürstensöhnen von Lu fähig sei , die Lehensfürsten zu leiten und sich mit ihnen zu vertragen, damit er der Nachfolger in Lu werden könne. Tschung-san-fu von Fan i) empfahl den Für- slensohn IjK Tsching, einen jüngeren Bruder des Fürsten I von Lu mit folgenden Worten: Tsching, der jüngere Bruder des Fürsten I ist behutsam, unterwürfig und erleuchteten Geistes. Er weiht ehrer- bietig seine Dienste den Greisen und Bejahrten. In Sachen der *J Dieser Verwandte des Hauses voii Lu wird auch unter dem ihm nach dem Tode hei- ■jelejjten Namen ^ '- 1 1 T>1^ Mö-tselinnj; von Fan angeführt. Die Geschichte des Flauses 'fscheu-kiin;?. \ 0 i Abjiiilioii iiiitl (ItM- Verhiingiiiig von Strafe f'i-Hijt ev ijidiz gewiss ilie liititerlassiMien Bclohi-unge!! und zieht zu Uaflie die zuverlässige Wirklichkeit. Kr stellt sich nicht entgegen dem, was .-r erfragt, er handelt nicht zuwider dem. was er erfahren.— König Siuen bemerkte: Wenn es sieh so verhalt, so ist er im Stande zu heleliren und zu lenken sein Volk. — Hierauf ward d.-r Fürstensohn Tsching in dem AhnenlieiligthuMie des Königs HR I, Grossvaters des Königs Siuen, zum Fiii-sten von Lii eingesetzt. Derselbe beisst in der Geschichte Fürst -^ lliao. Seit der Zeit, in welche diese liier erzählten ßege- benht'iten fallen, ereignete es sich oft, dass die Lehensfiirsteji den Befehlen tie< Himinelssohnes keine Folge leisteten. Im fiinfundzwanzigsten, nach der Zählung der zeilherecbnenden Biälter im seehsunddreissigsten Jahre') des Fürsten lliao (771 vor uns. Zeitr.) em[)örten sich die Lehensfürsten gegen Tscheu, die _„west;iclien Hunde-Fremdländer" tödteten den König Yeu, worauf dessen Nachfolger, König Ping, seinen Wohnsitz nach der in früherer Zeit durch den Forsten von Tscheu erhauten Stadt Lo verlegte. In demselben Jahre erhielt der Fürst von Thsin den Bang eines Lehens- fürst n der Reihe. Fürst Hiao stiu'b im siebenundzwanzigsten, nach der Zählung der zeitberechnenden Blätter im achtunddreissigsten Jahre seiner JjiMikung (769 vor uns. Zeitr.) und liatte zum Nachfolger seinen Sohn \f3- tife Fe-hoang, genannt Fürst ^^^ Hoei. Im dreissigsten Jahre dieses Fürsten (739 vor uns. Zeitr.) tödtete Fan-fu den Fürsten Tschao von Tsin. Im fünfundvierzigsten Jahre des Fürsten Hiao von Lu (724 vor uns. Zeitr.) tödtete Tscliuang, Fürst von Khio-wo, den Fürsten Hiao von Tsin. Fürst Hoei starb im sechsundvierzigsten Jahre seiner Lenkung (723 vor uns. Zeitr.). Sein ältester, übrigens nicht zur Nachfolge berechtigter Sohn e Si führte nach dem Tode des Vaters die Lenkung des Landes und besorgte die Geschäfte eines Landesfür- sten. Derselbe beisst in der Geschichte Fürst jsP Yin. •) In tler'GeschicIile wird das Jithr, in welcheni Pc-yii /iiiii Laiidesrürsten von Lu eilm- heii ward (8Ü6 vor uns. Zeitr.), als das erste des Fürsten Miau g^t-reclinet , obgleich dii- Eiiiselziing- dieses t'iirslen erst eill' Jahre siiiiler (TJü \or uns. Zeitr.) erfüllte. i 08 Dr. P f i z m ai e r Der verstorbene Fürst Hoei hatte von seiner ersten rechtmäs- sigen Gemahlinn "keine Söiine. Der hier genannte Fürstensohn Si war der Solin -+• >^ Sching-tse's, einer Nebengemahlinn von niedriger Herkunft. Dem Sohne Si ward, sobalil er erwachsen war, eine Tochter des Fürstenlandes Sung zur Gemahlinn bestimmt. Als die Tochter von Sung ankam, fand sie der Fürst schön, er entriss sie seinem Sohne und nahm sie für sich selbst zur Gemahlinn. Er erhielt von ihr einen Sohn, Namens yf^ Yün. Fürst Hoei erhob hierauf die Tochter von Sung zum Range einer ersten Gemahlinn und bestimmte den Sohn Yün zur Nachfolge. Dieser Sohn war zur Zeit, als sein Vater starb, noch unmündig. Die Machthaber von Lu ertheilten daher einmüthig dem Sohne Si den Auftrag, die Geschäfte der Lenkung zu führen, wobei sie es indessen nicht aussprachen, dass er zur Würde des Lundesfürsten gelangt sei. Im fünften Jahre seiner Lenkung (718 vor. uns. Zeitr.) besieh- tigte Fürst Yin die Fische auf dem Gebiete _S_ Thung, was, als eine unwürdige IJeschäfligung, in dem Werke „Frühling und Herbst"^ besonders vermerkt wird. Im achten Jahre des Fürsten Yin (715 vor uns. Zeitr.) überliess das Fürstenland Tsching die ursprünglich im Besitze des Hiuimelssolines befindliche, zur Seite des Berges Thai- san gelegene Stadt TTrfc Fang an Lu, welches dafür ffl g4- Hiü- tien, eine ebenfalls in der Nähe des Berges Thai-san gelegene, zum Nachtlager der Fürsten von Lu bei deren Reisen an den Hof des Himmelssohnes bestimmte Stadt, an Tsching abtrat. Dieser Tausch wurde von den Weisheitsfreunden getadelt. König Siuen hatte, als ein naher Verwandter zu Tsching, diesem die Stadt Fang zum Geschenk gemacht, während schon König Schlug dem Fürsten von Tscheu zum Lohne für dessen Dienste die Stadt Hiü-tien überlassen hatte. Fang lag nahe auLu, Hiü-tien nahe an Tsching, was der Grund war, dass man die Städte gegenseitig austauschte. Nach der Ansicht der damaligen Zeit durften die Leheusfürsten, weil über ihnen der Himmelssohn stand, unter sich keine Gebietsabtretungen vornehmen. Im eilften Jahre des Fürsten Yin (712 vor uns. Zeitr.) nahte der Fürstensohn Tm Hoei ') seinem Gebieter mit Schmeichelworten *) Derselbe wird auch niil seinem Jüngliiigsiiameii '^Z ^/\ Vii-fu anjfefiihrl. Die fiescliiclile des Hauses Tscheu-kung. 100 und machte ihm den folgenden Vorschlag: Die hundert Geschlechter sind gewölint an dich, o Gehieter. Mögest du, o Gehieter, dich sofort einsetzen hissen. Ich bitte, iti deinem Namen, o Gebieter, den Sohn Yün tödten zu dürfen, du, o Gehieter, mögest mich dann zum Landesgohilfen ernennen. — Fürst Yin erwiederte: Es gibt einen Befehl des früheren Landesfürsten. Weil Yün minderjährig, desswegen führe ich die Lenkung an seiner Stelle und lasse Yün i)er;inwachsen. Ich errichte eben ein Gebäude in Thu-kliieu i) , und ich verbringe daselbst mein Alter. Dabei übergebe ich dem Sohne Yün die Lenkung. Der Fürstensoiin lloei fürchtete jetzt, dass der Sohn Yün die hier erwähnte Unterredung erfahren und ihn dafür einst zur ver- dienten Strafe ziehen könne. Er verleumdete daher im Gegentheile den Fürsten Yin bei dem Sohne Yün, indem er angab, dass Fürst Yin sich sofort zum Landesfürsten einsetzen lassen und den Sohn Yün beseitigen wolle. Dieser möge daher seine Vorkehrungen treffen. Zugleich bat er um die Erlaubniss, den Fürsten Yin im Namen des Sohnes Yün tödten zu dürfen. Der Sohn Yün gab hierzu seine Einwilligung. Im eilften Monate des Jahres beging Fürst Yin die heilige Feier X|A ^^ Tsch'hung-wu, wörtlich: ,,die Beschwörung der Wein- gefässe". Dabei betete er in dem Garten [^ jnj^ Sche-pu und bezog das Haus eines Grossen von dem Geschlechte ^i Wei. Der Fürstensohn Hoei liess durch ausgesandte Leute den Fürsten Yin in dem Hause des Grossen von dem Geschlechte Wei tödten und bewirkte hierauf die Einsetzung des Sohnes Yün zum Landesfürsten von Lu. Der genannte Yün, der Sohn des Fürsten Hoei, heisst in der Geschichte Fürst fe3 Hoan. Im ersten Jahre des Fürsten Hoan (711 vor uns. Zeitr.) gab Tsching als Entgelt für die Stadt liiü-tien, welche es bereits von Lu in Tausch erhalten, noch eine Rundscheibe von Edelstein. Als Grund davon wird angegeben, dass die an Lu abgetretene Stadt Fang keine genügende Entschädigung für Hiü-tien gewesen. Die Weisheits- freunde tadelten dieses Vorgehen. Im folgenden Jahre (710 vor «) Der Fürst erbaute sich in der Stadt ^^ <^ Tliu-khieu ein Wolingebäude und geilachte daselbst sein Leben zu beschliessen. -1 I n Dr. P f i 7. m a i e r lins. Zeiti'.) stellte Fürst Hoaii die grossen dreifüssigen Gefiisse des Landes pfj Kao, welche er von llua-tii, dem Mörder des Fürsten von Tschinj:, als Geschenk erhalten hatte, in das Ahnenlieiügthnm des Fürsten von Tscheu. Die Weisheitsfreunde rügten nochmals diesen argen Verstoss gegen die Gehränche, indem Fürst Hnan, der im eigenen Lande seinen Gebieter getüdtet, in dem fremden Lande die Übelthaten eines Menschen begünstigte, von diesem eine Bestechung annahm und sich hierauf zurückzog, um dem Stamm- vater des Hauses in dem Heiligthume zu huldigen. Im dritten Jahre seiner Lenkung (709 vor uns. Zeitr.) lie.s Fürst Hoan die ihm bestimmte Gemahlinn _^ /^ Wen-kiang, welche sich in Tsi befand, durch den Fürsfensohn Hoei abholen. Dieser Vorgang wurde ebenfalls getadelt, weil es die Rücksichten ge»en Tsi erforderten, dass der Fürst in Selbstheit seiner Gemahlinn entgegen gezogen wäre. In das sechste Jahr des Fürsten Hoan (706 vor uns. Zeitr.) fällt die Geburt seines Sohnes Thung, den er von Wen-kiang erhielt. Dieser Sohn war an dem nämlichen Tage, welcher auch der Geburtstag des Fürsten Hoan, geboren, daher sein Name Ipl Thung, d. i. der Nämliche. Der Sohn Thimg ward später, als er erwachsen war, zum Nachfolger eingesetzt. Im sechzehnten Jahre seiner Lenkung (696 vor uns. Zeitr.) hatte Fürst Hoan eine Zusammenkunft mit den Fürsten von Sung^ Tsai und Wei in Tsao, woselbst ein Angriff auf Tsching zu dem Zwecke, den vertriebenen Fürsten Li .:urückzubringen, verabredet wurde. Durch den Angrilf, welcher hierauf st.ittfand und an welchem noch das Fürstenland Tschin theilnahm, wurde der hier angegebene Zweck nicht erreicht. Auch dieses Unternehmen wurde von den Weisheitsfreunden getadelt, da es zwar für angemessen erachtet wurde, dass Lehensfürsien andere Lehensfürsten zurückführen, aber nicht vermittelst eines Angriffs auf deren Land. Im achtzehnten Jahre seiner Lenkung (604 vor uns. Zeitr.) berieth Fürst Hoan über eim Reise nach Tsi, die er in Gesellschalt seinerGemahlinnWen-kiang anzutreten gedachte. 1^^ Schin-siü, ein grosser Würdenträger von Lu, suchte ihn davon abzuhalten, indem er vorstellte, dass nach den Gebräuchen das Weib ihr Haus nicht verlassen dürle und dass eine solche Missachlung dei' Die (iescliiclitü des Ilnuses Tsclieii-kiiiifj. 111 Gebräuche sehr verderbliche Foljicn h;ibiMi werde Der Fürst schenkte diesen Vorstellungen kein Gehiir und reiste snfnrt nach Tsi. Si;tnjj, Fürst von Tsi, der Bruder der Geinalilinn des Fürsten von Lu, Initte mit dieser seiner Schwester geheimen üingiing. Fürst Hoiin, der dies erfulir, äusserte sich zornig gegen Wen-kiang, worüber sicli diese bei ihrem Bruder, dem Fürsten Siang, beklagte. Im vierten Monate des Jalires, zur Zeit des Sommers und an dem dreizehnten Tage des sechzigtheiligen Kreises bereitete der Fürst von Tsi für seinen Gast die Feier des Emiifanges. Als Fürst Hoan trunken war, nalun ihn der mit ungewölinliclier Fjeibesslärke begabte Peng - seng, Fürstensohn von Tsi, in die Arme und drückte ihm auf Befehl des Fürsten Siang die Rippen zusammen. Der Fürst von Lu starb in dem Wagen, auf den ihn Peng-seng gehoben hatte. Die Machthaber von Lu beklagten sieh hierauf in Tsi mit fol- genden Worten : Unser unbedeutender Landesfürst hatte Ehrfurcht vor der Macht eures Gebieters. Er getraute sich nicht, in Kühe zu verweilen. Er kam und übte die Gebräuche der Freundschaft. Den Gebräuchen ist Genüge geschehen, er aber kehrt nicht zurück. Wir haben Nienianden, auf den wir die Schuld wälzen könnten. Wir bitten, dass wir in unsere Gewalt bekommen Peng-seng, damit wir los werden die Hässlichkeit vor den Fürsten der Lehen. — Tsi suchte seine Schuldlosigkeit darzuthun , indem es den Fürstensohn Peng-seng tödten Hess. In Lu ward der zur Nachfolge bestimmte Sohn Thung zum Landesfürsten eingesetzt. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst M^Tschuang. Die Mutter des Fürsten Tschuang, die Gemahlinn des Fürsten Hoan, blieb nach dem hier erzählten Ereignisse in Tsi zurück, indem sie sich nicht mehr getraute, nach Lu zurückzu- kehren. Fürst Tschuaug hatte im fünften Jahre seiner Lenkung (689 vor uns. Zeitr.) eine Zusammenkunft mit dem Fürsten von Tsi, worauf noch im Winter dieses Jahres ein Angrilf auf Wei zu dem Zwecke erfolgte, den Fürsten Hoei von Wei in sein Land einzufühlen. Im achten Jahre des Fürsten Tschuaug (G8G vor uns. Zeitr. ) kam der Fürslensohn Khieu von Tsi, indem er das durch Wu-tschi \[2 "'■• P f i zma i er heraufbeschworene Unglück mied»), als Flüchtling nach Lu. Im folgenden Jahre (68S vor uns. Zeitr.) gedachte Lu, den Fürsten- sohn Khieu als Landesfürsten in Tsi einzuführen, musste jedoch hiervon abstehen, da Siao-pe, Fürstensohn von Tsi, ihm bereits zuvorgekommen war. Als Siao-pe, genannt Fürst Hoan, ein Heer gegen Lu entsandte, liess dieses Land, durch die Waffen von Tsi bedrängt, den Fürstensohn Khieu tödten. Sehao-hoe, der Begleiter des Fürstensolines, tödtete sich selbst. Tsi liess hierauf die Aufforderung an Lu ergehen, Kuan- tschung, den anderen Begleiter des Fürstensohnes Kliieu, lebend zu übergeben, /jfj h4^ Sclii-pe, ein Grosser von Lu«), sagte zu dem Fürsten von Lu: Indem Tsi in seine Gewalt bekommen will Kuan- tschung, will es ihn nicht tödten. Es hat die Absicht, ilin zu ver- wenden. Wenn es ihn verwendet, so wird Lu dies zu bedauern haben. Das Beste ist, ihn tödten und seinen Leichnam verabfolgen. — Fürst Tsciiuane: schenkte diesen Worten kein Gehör. Er liess Kuan- tschung in ein Gefangniss setzen und ihn sofort an Tsi ausfolgen. In Tsi ward Kuan-tschung zum Landesgehilfen ernannt. Im dreizehnten Jahre seiner Lenkung (681 vor uns. Zeitr.) liatte Fürst Tschuang, in dessen Begleitung sich der Heerführer Tsao-mo befand, eine Zusammenkunft mit Hoan, Fürsten von Tsi, in TpI Ko, einer Stadt des Landes Tsi. Der Zweck dieser Zusammen- kunft war die Ahschiiessung eines Vertrages und Bündnisses mit Tsi. Tsao-mo, der als Heerführer in den Kämpfen mit Tsi dreihundert Weglängen Landes verloren hatte, bedrohte in dem Augenblicke, als der Vertrag beschworen werden sollte, das Leben des Fürsten Hoan und forderte von diesem die Zurückgabe des eroberten Ge- bietes. Nachdem die Zurückgabe des Gebietes eidlich zugesagt worden , liess Tsao-mo von dem Fürsten Hoan ab. Dieser war geneigt, sein Wort zu brechen, wogegen ihm Kuan-tschung Vor- stellungen machte. Lu erlangte zuletzt sein verlorenes Gebiet. *_) Die Darslelliing^ der um diese Zeit in Tsi eingetretenen Ereignisse ist in der „Ge- sehichte des Hauses Tliai-kung" enthalten. 2} Derselbe wird sonst auoii v^/ llrh Schi-fu genannt und war ein Sohn des Fürsten Hoei von Lu. Die Geschichte des Hauses Tscheu-kimg'. 113 In (las fiiiifzehntc Jahr dos Fürsten Tscliuang von Lu (G79 vor uns. Zeitr.) fallt die tliatsächliclie Ausübung der Obergewalt durch den Fürsten iloan von Tsi, indem dieser die Fürsten von Sung, Tschin, Wei und Tsching in 5['[] ^'^^^^> einem Gebiete von Wei, um sich versammelte. Im dreiundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (G71 vor uns. Zeitr.) begab sich Fürst Tschuang nach Tsi, um die in diesem Lande Staltlindende Aufstellung der Landesgötter zu sehen. Fürst Hoan von Tsi veranstaltete nämlich eine Darbringnng für die Götter des Landes und zog bei dieser Gelegenheit ein Kriegslieer zusammen. Im Grunde jedocii war es ihm nur darum zu thun, eine Heerschau zu halten. Dass Fürst Tschuang nach Tsi reiste, um dem Schau- spiel beizuwohnen, ward ihm von den Weisheitsfreunden übel ver- merkt, und der Heerführer Tsao-mo ») hatte ihm, obwohl vergeblich, die Reise mit folgenden Worten widerrathen: Der Fürst von Tsi setzt zurück die Vorbilder des grossen Fürsten 2) und hält eine Heerschau über das Volk vor den Aufstellungen der Landesgötter. Dass du, 0 Gebieter, aufbrichst und hingehst, es zu sehen, ist nicht die alte Beschäftigung. Wenn der HiMmielssolin die Gaben darbringt dem höchsten Allhalter 3), so versammeln sich um ihn die Fürsten der Lehen und empfangen die Befehle. Wenn die Fürsten der Lehen die Gaben darbringen ihren Vorfahren, so stehen die Erlauchten und Grossen ihnen zur Seite und empfangen Aufträge in Sachen der Geschäfte. Ich habe nicht gehört, dass die Fürsten der Lehen unter sich selbst sich versammeln vor den Aufstellungen der Landesgötter, Wenn der Landesfürst etwas unternimmt, so wird es gewiss ver- merkt. Wird es vermerkt, und es ist nicht gemäss den Vorbildern, an was sollten dann die späteren Nachfolger ein Beispiel nehmen? In seiner Jugend baute Fürst Tschuang eine Erdstufe, welche ihm die Aussicht auf das Haus eines Grossen von dem Geschlechte • ^ Tsch'hang gewährte. Daselbst sah er die älteste Tochter*) ») Derselbe wird sonst auch f^\ Hl Tsao-kuei genannt. *) Des Stammvaters Thai-kung. S) Dero Gotte des Himmels. 4) Dieselbe wird iiniiier nur -ff-- HP Meiig-niü genannt, eine Üenennnng, deren eigentliche IJcdeutung: die iiltesle vtm einer Nebengemahlinu geborene Tiuliler. Sit/.b. d. phil.-hist. n. XU. Bd. I. Illt. b 114 Dl'. P fi z m a i er dieses Hauses, welche ihm gefiel und die er llehte. Sie willigte ein, auf der Stelle seine Gemahlinn zu werden, worauf sie sich den Arm ritzte und durch das Trinken des hervordringenden Blutes mit dem Fürsten den Bund schloss. Die älteste Tochter von dem Geschlechte Tsch'hang gebar einen Sohn, Namens T)[J Puan. Dieser Sohn liebte, als er erwachsen war, die Tochter eines Grossen von dem Ge- schlechte ^ Liang. Eines Tages begab sich der Sohn Puan zu ihrem Hause und sah, wie ein Pferdewärter, Namens pbp Lao, von der Aussenseite des Hauses mit der Tochter des Geschlechtes Liang tändelte. Puan gerieth in Zorn und behandelte den Pferdewärter Lao mit Gertenhieben. Als Fürst Tschuang dies erfuhr, sagte er zu seinem Sohne: Lao ist ein starker Mann. Mögest du ihn sofort tödten. Er darf nicht mit Gerten geschlagen und entlassen werden. Dem Sohne Puan war es noch nicht möglich geworden, den Pferdewärter Lao zu tödten, als Fürst Tschuang im zweiunddrei- ssigsten Jahre seiner Lenkung (6G2 vor uns. Zeitr.) erkrankte. Fürst Tschuang hatte drei jüngere Brüder. Der älteste dieser Brüder hiess /^ f^ Khing-fu, der im Alter zunächst folgende hiess y^ /J^)? Scho-ya, der jüngste führte den Namen h ^- Ki-yeu. Die erste Gemahlinn des Fürsten Tschuang war ^^ '^^ Ngai-kiang, eine Tochter des Fürstenhauses Tsi. Dieselbe hatte keinen Sohn. Von ihrer jüngeren Schwester j^ /j^^ Scho-kiang hingegen, welche, wie es damals unter den Lehensfürsten Sitte war, gleichzeitig mit ihrer älteren Schwester eine Gemahlinn niederen Ranges geworden, hatte der Fürst einen Sohn, Namens Rn Khai. Der Fürst von Lu hatte auf diese Weise keinen gesetzlichen Nachfolger. Da er jedoch die „älteste Tochter" von dem Geschlechte Tsch'hang liebte, wünschte er deren Sohn Puan zum Nachfolger einzusetzen. Unterdessen verschlimmerte sich die Krankheit des Fürsten, und er fragte seinen jüngeren Bruder Scho-ya wegen der Nachfolge um Rath. Scho-ya antw^ortete: Einmal fortsetzen, einmal dazu gelangen i), ist die beständige Gewohnheit von Lu. Khing-fu ist am *) Wenn der Vater stirbt, setzt der Sohn die Besohäl'ligiin^j fort. Wenn der ältere Bruder stirbt^ „gelangt" der jüngere Brudei- zu der Beschäftigung. Die Geschichte des Hauses Tsclicu-kuiig'. \ \ ',') Fjfbcn, er kann der Nachfolger werden. Warum bist du, o Gebieter, bekümmert? — Den Fürsten verdross es, dass Scho-ya der Ein- setzung Kliing-fu's das Wort redete. Er hiess ihn gehen imhI fragte den jüngsten Bruder Ki-yeu. Dieser antwortete: Ich bitte, mit Hin- gebung des Lebens einsetzen zu dürfen Puan. — Der Fürst bemerkte: Tnlängst wollte Schu - ya einsetzen Khing-fu. Was ist hier zu tliun? — Ki-yeu schii-kte hierauf an Scho-ya im Namen des F'ürsten Tschuang einen Befehl, sich in das Haus eines Grossen von dem Geschlechte ÄJA §Xl7 Khien-wu zu verfügen. Daselbst bedrohte ^ i'I'A, '^'''^"~^'' *^"i Mitglied des Hauses, im Auftrage Ki-yeu's den Fürstensohn Scho-ya am Leben und reichte ihm zugleich einen aus den Flügeln des Giftvogels bereiteten Trank, indem er sprach: Wenn du dieses trinkst, so wirst du eine Nachfolge haben und erlangen die Darbringung in dem Heiligthume. Trinkst du es nicht, so wirst du sterben und auch keine Nachfolge haben. — Scho-ya trank sofort den Trank des Giftvogels und starb. — Nach dem Tode Scho-ya's setzte man in Lu dessen Sohn, indem man ihm den Ge- schlechtsnamen A-^ As\f Scho-sün, d, i. Enkel des jüngeren Oheims, ertheilte, zum Nachfolger des Hauses ein. Weil Scho-ya keines Verbrechens willen hingerichtet worden, liess man sein Geschlecht fortbestehen und verabfolgte seinen Nachkommen den Ehren- gehalt. . Fürst Tschuang starb im achten Monate des oben genannten Jahres, an dem sechzigsten Tage des sechzigtheiligen Kreises, worauf Ki-yeu endlich den Sohn Puan dem Befehle des verstorbenen Fürsten Tschuar)g gemäss zum Landesfürsten einsetzen liess. Dieser Sohn nahm, während er die Trauer beging, seinen Aufenthalt in dem Hause des Geschlechtes Tscb'hang, dem er von mütterlicher Seite entsprossen. Schon in früherer Zeit hatte Khing-fu mit Ngai-kiang, der ersten Gemalilinn des Fürsten Tschuang, geheimen Umgang und ■wünschte daher Khai, den Sohn der jüngeren Schwester Ngai-kiang's, zum Nachfolger in I^u zu bestimmen. Unterdessen .erfolgte der Tod des Fürsten Tschuang und die durch Ki-yeu bewirkte Einsetzung des Sohnes Puan. Im zehnten Monate des Jahres und an dem sechs- undfünfzigsten Tage des seclizigtheiligen Kreises, also kaum zwei Monate nach dem Ableben des Fürsten, tödlete der Pferdewärter 8* j 1 6 Dr. Pfizma ier Lao im Auftrage Khing-firs den Fürstensohn Puaii von Lu in dem Hause des Geschlechtes Tsch'hang. Ki-yeu, ausser Stande den Mörder zu strafen und dem drohenden Unheil aus dem Wege gehend, floh nach Tschin. In Lu ward indes-^en Khai, der Sohn des Fürsten Tsehuang, durch Khing-fu eingesetzt. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst y^ Min. Khing-fu hatte jetzt noch häufiger geheimen Umgang mit Noai-kiansr, und diese Fürstinn verschwor sich mit ihm zu dem Zwecke, den Fürsten Min zu tödten und Khing-fu zum Fürsten von Lu einzusetzen. Demgemäss drang Mm |- Po-I, ein Grosser von Lu, im Auftrage Khing-fu's mit einer Schaar Bewaffneter in den Wohnsitz und tödtete den Fürsten Min an dem von dem Kriegswesen benannten inneren Thore des Gebäudes, was sich im zweiten Jahre der Lenkung dieses Fürsten (660 vor uns. Zeitr.) ereignete. Als Ki-yeu diese Vorgänge erfuhr, verfügte er sich mit rf^ Schin, dem jüngeren Bruder des Fürsten Min, nach dem Für- stenlande Tschü, von wo er an Lu die Bitte richtete, dass man den Sohn Schin begehren und in das Land aufnehmen möge. In Lu war man geneigt, über Kliing-fu die vertüente Strafe zu verhängen, was diesen Fürstensohn mit Furcht erfüllte und ihn bewog, in dem Lande Khiü eine Zutluclitstätte zu suchen. Ki-yeu brachte hierauf den von ihm vorgeschlagenen Fürstensohn Schin nach Lu und bewirkte daselbst dessen Einsetzung. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst ^- Hi und war ebenfalls einer der jüngeren Söhne des Fürsten Tsehuang. Ngai-kiang, welche in Lu fir ihr Leben fürchtete, floh nach Tschü. Unterdessen begab sich Ki-yeu mit Geschenken nach Khiü und begehrte von diesem Lande die Ausfolgung Khing-fu's. Sobald Khing-fu zurückgekekrt war, entsandte Ki-yeu Leute mit dem Auf- trage, diesen Fürstensohn zu tödten. Kliing-fu bat um die Begünsti- gung, als Flüchtling das Limd verlassen zu dürfen. Die Bitte wurde ihm abgesci. lagen. Man hiess jetzt lä^ ^ Hi-sse, einen Grossen vonLu, sich zu dem Wohnorte Kliing-fu"s begehen, daselbst in Klagen ausbrechen und sich liieraiif entfernen. Als Khing-fu die Stimme Hi-äse's holte, tödlete er .sieh selbst. Die Gesohicht»* ilfs lliiuscs Tsclipu-kiiiig'. I I 7 Als lloaii, Fürst von Tsi, erfuhr, dass Nj^ai-kiaiipf, welche die eigene jüngere Scliwesfer dieses Fürstei), init Kliing-fn rni^eliiilir- lichkeiteti verübt und dadurch Lu dem Untergänge nahe gebracht, liess er sie aus Tsrini, wo sie sieh befand, zu sich fordern und gab Befehl, sie zu tödlen. Hierauf schickte er ihren Leichnam nacii I.ii, damit an ihm die Strafe der Hinrichtung vollzogen werde. Fürst Hi bat jedoch, in dieser Hinsicht milder verfahren zu dürfen und liess Ngai-kiang begraben. Die Mutter Ki-yeu's war eine Tochter des Fürstenhauses Tschin, was die Ursache war, dass dieser Fürstensohn seiner Zeit in Tschin eine Zufluchtsstätte gesucht. Tscliin hatte daher auch Ki-yeu und dem Sohne Schin auf deren Reise nach Lu das Geleite gegeben. Noch vor der Geburt Ki-yeu's hatte sein Vater, Fürst lloan von Lu, hinsichtlich dieses Sprösslings die Schildkrötenschale brennen lassen und das folgemlc Ergehniss erhalten: Es ist ein Knabe. Sein Name ist Yeu. Er befindet sich in der Mitte zwischen den beiden Auf- stellungen der Landesgötter »). Er ist die Sehutzwehr des Hauses des Fürsten. Wenn Ki-yeu sollte in die Verbannung gehen, ist es um den Glanz von Lu geschehen. — Als dieser Sühn geboren war, zeigten sich auf dessen Handtläche Streifen, welche das Wort ^ Yeu „Gefährte" bildeten. Man gab ihm daher den Namen Yeu und betrachtete dieses Vorkommen als ein Beispiel dessen, was man „mit dem Namen geboren werden" nennt. Der Ehrenname Ki-yeu's ist :^ tju' Sching-ki, d. i. ,,der vollendende Letzgeborene", und seine Nachkommen führten den in der späteren Geschichte berühm- ten Geschlechtsuamen ^^ Ki, während die Nachkommen Khing-fu's zu dem ebenfalls berühmten Geschlechte HF Meng gezählt wurden. Im ersten Jahre des Fürsten Hi (659 vor uns. Zeitr.) war9 Ki-yeu, nachdem er mit den Städten [^ Vv Wen-yang 2) und *) Die Aufstellungen der Landesgötter von Tscheu und von t§? ''"» '^^'^ Hauptstadt des Königs Thaiig von Schang. Zwischen den beiden genannten AufsteUungen befanden sich die Wiirdentriiger, welche in der Vorhalle des Hofes die Geschäfte der Lenkung führten. 2) Die Stadt VVen-yang befand sich in der Gegend des heutigen Thai-ngan in San- tung. Nach Anderen war Wen-yang, was auch der Name ausdrückt, das im Norden 118 bi'. P f i z m a i e r -^n Pi belehnt worden, Landesgeliilfe von Lu. Im neunten Jiihre des Fürsten Hi (651 vor uns. Zeitr.) tödtete Li-the von Tsin seine beiden Landesfürsten Hi-tsi und Tseho-tse. Hoan, Fürst von Tsi, berief die Lehensfürsten, unter ihnen auch den Fürsten Hi von Lu, zu einer Versammlung nach Khuei-khieu und unternahm an deren Spitze einen Kriegszug nach Tsin, um die in diesem Lande vorge- fallenen Gesetzlosigkeiten zu strafen. Er drang auf diesem Zuge bis Kao-liang und kehrte zurück, nachdem er den Fürsten Hoei von Tsin eingesetzt. In das siebzehnte Jahr des Fürsten Hi (643 vor uns. Zeitr.) fällt der Tod des Fürsten Hoan von Tsi, in das vierundzwan- zigste Jahr (636 vor uns. Zeitr.) die Einsetzung des Fürsten Wen von Tsin. Fürst Hi starb im dreiunddreissigsten Jahre seiner Lenkung (627 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfulger seinen Sohn J^ Hing, genannt Fürst "^T Wen. Im ersten Jahre des Fürsten Wen (626 vor uns. Zeitr.) tödtete Schang-tschin, der zur Nachfolge bestimmte Sohn von Tsu, seinen Vater, den König Sching, und nahm von dessen Würde Besitz. Im dritten Jahre seiner Lenkung (624 vor uns. Zeitr.) erschien Fürst Wen von Lu an dem Hofe des Fürsten Siang von Tsin. Im eilften Jahre des Fürsten Wen (616 vor uns. Zeitr.), im zehnten Monate und an dem einunddreissigsten Tage des seehzig- theiligen Kreises schlug Lu die „langen nördlichen Fremdländer", ein Geschlecht von Riesen, welches damals in die Mittellande ein- gedrungen war, auf dem Gebiete ^jw Hien <). Man erlegte in diesem Kampfe den nördlichen Riesen T/p \A^ Kiao-ju. Ein Grosser von Lu, Namens x^ ^"^ -^ S Fu- fu-tschung-seng, tödtete ihn, indem er ihm die Kehle mit einer Hellebarde durchstiess. Er begrub dessen Haupt bei dem Tliore ^^i -? Tse-kiü^). Um das Verdienst dieser That auf die Nachwelt zu bringen, gab E^ "fTT w des Flusses V^ ^^'^" gelegene Land. Der hier erwähnte Fluss Wen entspringt in dem lieiitigen Unterkreise Lai-wu, Kreis Thai-ngan in San-tung. ') Ein Gehiet von Lu. Ein anderes Gebiet dieses Namens lag in Wei *) Dieses Thur befand sicii iu einer V-jrsladl von Khio-feu. Die Gescliiclite des Hauses Tscheu-kun^. 119 Scho-sün-te-tscliiii ')» tl•■. PfUma i e 1- Khung-tse in den am Fusse des Berges Kuai-ki aufj^^efundencn riesigen Überbleibseln zu erkennen glaubte. Es wird auch wirklich angegeben, dass die Bewohner von Seu-man die Nachkommen Fang-fung's. Im fünfzehnten Jahre des Fürsten Wen (612 vor uns. Zeitr.) reiste Hp^ tV* ^ Ki-wen-tse, ein Nachkomme des Fürstensohnes Ki-yeu, als Gesandter nach Tsin. Fürst Wen starb im zweiten Monate des achtzehnten Jahres seiner Lenkung (609 vor uns. Zeitr.). Dieser Fürst hatte zwei Ge- mahlinnen, von denen die ältere ^ ^ Ngai-kiang, eine Tocliter des Fürstenhauses Tsi. Ihre zwei Söhne hiessen mit Namen ^ U und "fiP Schi. Die im Alter zunächst stehende Gemahlinn, welche sich der besonderen Gunst des Fürsten erfreute, war ^ -^y^ King-ying, und ihr Sohn führte den Namen |^ Tho *). Dieser Sohn widmete im Geheimen seine Dienste dem unter dem Namen im ^ Siang-tschung bekannten Fürstensohne ^^ Sui. Der letztere war gesonnen, dem Sohne Tho die Nachfolge zu verschaffen, wozu jedoch der unter dem Namen /(^ .^ Hoei-pe bekannte Fürsten- sohn ^d] ^\7 Scho-tschung nicht die Hand bieten mochte. Siang- tschung bat den Fürsten Hoei von Tsi, die in Lu beabsichtigte Ein- setzung geschehen zu lassen. Dieser Fürst, der selbst noch nicht lange eingesetzt worden und sich das Land Lu befreunden wollte, gab die verlangte Zustimmung. Im zehnten Monate des Jahres, zur Zeit des Winters, tödtete Siang-tschung die beiden Fürstensöbne U und Schi und bewirkte die Einsetzung des Sohnes Tho. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst g Siuen. Ngai-kiang, die Mutter der Söhne U und Schi, kehrte nach Tsi zurück. Daselbst ging sie laut weinend zu dem Verkaufsräume und rief: OHiinii»el! Siang-tschimg verübte ruchlose Thaten! Er töd- tete die echten Söhne und erhob den unechten! — Alle Menschen '*) Dieser Name heisst in einigen Büchern d^S Wei. Die Gescliichte des Hauses Tscheu-kunj. 1^1 des Verkaufsraumes weinten mit ihr. In Lu nannte man sie daher Ngai-kianjT, d. i. das hedauernswürdige Weib des Geschlechtes Kiang, ein Name, der, wie aus dem Vorhergehenden zu ersehen, auch der Gemalilinn des Fürsten Tschuang beigelegt ward. Die Folge des unrechtmässigen Vorgehens bei der Einsetzung des Für- sten Siuen war, dass seit dieser Zeit das Haus des Fürsten schwach, hingegen die drei Ahkommenschaflen des Fü-sten Hoan : die Geschlechter Tschung-sün, Scho-sün und Ki-sün, mächtig waren. Im zwölften Jahre des Fürsten Siuen (597 vor uns. Zeitr.) belagerte Tschuang, König von Tsu, mit grosser Macht die Haupt- stadt von Tsching, dessen Fürst sich unterwarf und hierauf wieder in seiner Hauptstadt wohnen durfte. Fürst Siuen starb im achtzehnten Jahre seiner Lenkung (o91 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn ü^ .±. He-kueng, genannt Fürst t^ Sching. Der durch seine Tugenden berühmte Ki-wen-tse that jetzt den Ausspruch: Derjenige, der bewirkte, dass wir tödteten die echten Söhne und einsetzten den unechten , dass wir verlustig wurden des grossen Haltes ') , ist Siang-tschung. Als Siang-tschung den Fürsten Siuen eingesetzt hatte, erwarb sich der Fürstenenkel y^ ^^ Kuei-fu, ein Sohn Siang-tschung's, die Gunst des genannten Fürsten. Fürst Siuen war seiner Zeit willens, die drei Abkommenschaften Hoan zu entfernen und verab- redete mit dem Lande Tsin einen Angriff auf diese ihm jetzt lästigen Geschlechter. Die drei Geschlechter vereitelten einen solchen AngrilT durch ihre gegenseitige Vereinigung. Nach dem Tode des Fürsten Siuen machte Ki-wen-tse aus seinem Unwillen kein Hehl, und Kuei-fu, der sich an dem Anschlage betheiligt hatte, floh nach Tsi. Im zweiten Jahre des Fürsten Sching (589 vor uns. Zeitr.) richtete Tsi im Frühlinge einen Angriff gegen Lu und entriss diesem 1) Durch die That Si.ing'-tschung's ward die Lenkung- des Landes um ihre Bestäiidig-keit gehracht, was die bcnaclibarten Länder missbillig;ten. Nach Anderen will hiermit gesagt werden, dass durch die That Siang-tschung's der Verkehr, den man im Süden mit Tsu unterhalten, schon früher von keiner Bedeutung gewesen, und dass man in Folge der That Siang-tschung's auch das Verhältniss zu Tsi und Tsin nicht befestigen könne. Man sei desshalb des grossen Haltes verlustig geworden. \ iiit Dr. P f i z in a i e r die auf dem Gebiete des Thai-san gelegene Stadt f]^ Liing. Im Sommer schlug der Fürst von Lu in Gemeinschaft mit Khie-khe, Heerführer von Tsin, den Fürsten Khing von Tsi auf dem Gebiete Ngan. Tsi gab hierauf das Gebiet von Wen-yang, welches es früher erobert hatte, an Lu zurück. Fürst Sching begab sich im vierten Jahre seiner Lenkung (587 vor uns. Zeitr.) nach Tsin, wo King, der Fürst dieses Landes, die Achtung gegen Lu bei Seite setzte. Lu gedaclite in Folge dessen sich von Tsin abzuwenden und an Tsu anzuschliessen. Durch Vor- stellungen, welche dem Fürsten gemacht wurden, gelang es, Lu von diesem Vorhaben abzubringen. Als Fürst Sching im zehnten Jahre seiner Lenkung (S81 vor uns. Zeitr.) sich wieder nach Tsin begab, starb King, Fürst von Tsin. Dieses Land hielt den Fürsten Sching zurück und bewog ihn, dem Leichenbegängnisse beizuwohnen. Der Geschichtschreiber von Lu verschwieg diesen Umstand als etwas Ungebührliches und Erniedrigendes, da nach den Gebräuchen bei dem Tode eines Lehensfürsten nur die Grossen seines Landes dem Leichenbegängnisse beiwohnen. Im fünfzehnten Jahre des Fürsten Sching (576 vor uns. Zeitr.) betheiligte sich Lu durch seinen Vertreter Scho-sün-kiao-ju an der Versammlung der Lehensfürsten, welche Scheu-mung, König von U, auf dem Gebiete Tsch'hung-li veranstaltete. Im sechzehnten Jahre dps Fürsten Sching (575 vor uns. Zeitr.) erhob Siuen-pe, genannt Scho-sün-kiao-ju, in Tsin eine Klage gegen Ki-wen-tse, der sich damals mit dem Fürsten von Lu in Tsin befand, wobei er dessen Hinrichtung verlangte. Ki-wen-tse, der bereits durch Tsin festgenommen worden war, Hess sicli rechtfertigen und wurde wieder in Freiheit gesetzt, worauf Siuen-pe die Flucht n;ich Tsi ergriff. Fürst Sching starb im achtzehnten Jahre seiner Lenkung (573 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn -^ Wu, genannt Fürst ^ Siang. Dieser Nachfolger war zur Zeit seiner Einsetzung erst drei Jahre alt. Das erste Jahr des Fürsten Siang von Lu (572 vor uns. Zeitr.) ist auch das erste des Fürsten Tao von Tsin. Derselbe war ein Enkel des Fürsten Siang von Tsin und durch Luan-schu, der im Winter des vorhergehenden Jahres seinen Gebieter, den Fürsten Li von Tsin, getödlet hatte, eingesetzt Die Geschichte des Ilnuses Tscheu-kung. 1 ■• «> worden. Im vierten Jahre seiner Lenkung (069 vor uns. Zeitr.), also in seinem achten Lebensjahre, erschien Fürst Siang an dem Hofe von Tsin. In das fünfte Jaiir des Fürsten Siang (568 vor uns. Zeitr.) fällt der Tod Ki-wen-tse's '), Landesgehilfen von Ln. Diesem Manne wird nachgerühtnt, dass es in seinem Hause keine Kebsweiber gege- ben, welche sich in Seide kleideten, in seinem Stalle keine Pferde, welche das Getreide verzehrten, in seinen Gewölben kein Gold und keine Edelsteine. Dabei sei er der Landesgehilfe dreier Fürsten von Lu gewesen. Die Weisheitsfreunde sagten von ihm: Ki-wen-tse war die Uneigenniitzigkeit und Redlichkeit selbst. Im neunten Jahre des Fürsten Siang (564 vor uns. Zeitr.) betheiligte sich Lu mit Tsin und mehreren anderen Lehensfürsten an dem Angritfe auf Tsching. Um dieselbe Zeit setzte Tao, Fürst von Tsin, nachdem er erfahren, dass Fürst Siang von Lu bereits eilf Jahre alt sei, diesem in dem Lande Wei die Jünglingsmütze auf. Die Gebräuche hätten jedoch erfordert, dass dieses in dem Ahnen- heiligthnme des Fürsten Sching von Lu, Vaters des Fürsten Siang, geschehen wäre und dass man sich dabei der grossen Glocken und der Klangsteine der Tscheu bedient hätte. Bei der gedachten Feier befand sich -?- "j^ ^ Ki-wu-tse , der Sohn Ki-wen-tse's, in dem Gefolge des Fürsten und handhabte als Landesgehilfe die Gebräuche. Die Geschlechter der drei Abkommenschaften Hoan unterhielten hierauf in Lu drei verschiedene Kriegsheere. Nach den Gebräuchen der Tscheu besass der Himmelssohn sechs, ein grosses Fürstenland aber drei Kriegsheere, wesshalb auch Pe-khin, der erste Landesfürst von Lu, in seinem alten Lehen drei Kriegsheere aufgestellt hatte. Später erlitt Lu Verkürzungen an seinem Gebiete und versank in Schwäche, was die Ursache war, dass es sich mit zwei Kriegsheeren begnügen musste. Ki-wu-tse wollte die Macht, welche dem Hause des Fürsten eigen war, ausschliesslich für sich in Anspruch nehmen. Er errichtete daher im eilften Jahre des Fürsten Siang (562 vor uns. Zeitr.) drei Kriegsheere, deren jedes von einem der drei genann- ten Häuser befehligt wurde. *J Derselbe heisst sonst auch .a/ VT a^^ ^7»> Ki-süii-hang-fu oder Ki-siin, d.i. der Enkel des Fürstensoiines Ki-yeu, und wird in den alten Büchern häufig genannt. 124 Dr. Pfi z m aiei- Fürst Siang erschien selbst noch als Unmündiger zu wieder- holten Malen an dem Hofe von Tsin, was als eine diesem Lande von Seite des schwächeren La dargebrachte Huldigung anzusehen ist. So erschien er an dem genannten Hofe schon wieder in dein zwölften Jahre seiner Lenkung (561 vor uns. Zeitr.) Im sechzehn- ten Jahre des Fürsten Siang (557 vor uns. Zeitr.) war Fing, Fürst von Tsin, zur Lenkung gelangt, und fünf Jahre später, im einund- zwanzigsten Jahre seiner Lenkung (552 vor uns. Zeitr.) erschien Fürst Siang nochmals an dem Hofe des genannten Fürsten Fing von Tsin. Im zweiundzwanzigsten Jahre des Fürsten Siang (551 vor uns. Zeitr.) ward Khung-khieu, d. i. Khung-tse, der auch häufig mit seinem Jünglingsnamen Tschung-ni angeführt wird, in Rh^ Tseu, einer Stadt des Landes Lu, geboren. Im fünfundzwanzigsten Jahre des Fürsten Siang (548 vor uns. Zeitr.) tödtete Thsui-tschü von Tsi seinen Gebieter, den Fürsten Tschuang, und erhob dessen jüngeren Bruder, den Fürsten Fing. Im neunundzwanzigsten Jahre des Fürsten Siang (544 vor uns. Zeitr.) kam Yen-ling-ki-tse, Königssohn von U, auf seiner Gesandt- schaftsreise nach Lu und erkundigte sich nach dem Klangspiel der Tscheu. Er kannte vollständig dessen Bedeutung, und die Bewohner von Lu verehrten ihn desshalb. Fürst Siang starb im einunddreissigsten Jahre seiner Lenkung (542 vor. uns. Zeitr.). Sein Tod erfolgte im sechsten Monate des Jahres, und schon im neunten Monate desselben Jahres starb der zur Nachfolge bestimmte Sohn ^^ Ye. In Lu erhob man hierauf i Dr. Pfizmaier Im neunten Monate des oben genannten Jahres und an dem ftinfunddreissigsten Tage des seehzigtlieiligen Kreises unternahm Fürst Tsehao den Angriff auf das Geschlecht Ki und drang sofort in dessen Wohnsitz. Ki-ping-tse bestieg die Erdstufe seines Hauses und versuchte zu unterhandeln, indem er von der Höhe herabrief: Der Landesfiirst hat aus Anlass der Verleumdung nicht untersucht meine Schuld und lässt mich hinrichten. Ich bitte, dass ich versetzt werde an die Ufer des Flusses I i). — Diese Bitte ward ihm abgeschlagen. Er bat hierauf, dass man ihn ein Gefängniss in Pi, der Lehensstadt des Hauses Ki, bewohnen lasse. Auch dies ward ihm nicht gestattet. Zuletzt bat Ki-ping-tse um die Begünstigung, in Begleitung von nur fünf Wagen das Land verlassen zu dürfen. Auch diese Bitte ward ihm nicht bewilligt. Die Fürstensöhne ^^ -?- Tse-kia und ,^ Kiü riethen dem Fürsten, die letzte Bitte zu gewähren, indem sie sprachen: Mögest du, o Gebieter, es bewilligen. Die Lenkung hat ihren Ausgang von dem Geschlechte Ki schon lange Zeit. Diejenigen, die in seinem Solde stehen, sind die grosse Menge. Die grosse Menge wird sich vereinigen zu Anschlägen. — Der Fürst gab diesen Gründen kein Gehör, und Heu-tsehao-pe verlangte offen, dass Ki-ping-tse hingerichtet werde. Ein in den Diensten des Hauses Scho-sün stehender Mann, Namens /^ Li, fragte die zahlreiche Schaar seiner Leute: Was ist für euch vortheilliafter, wenn es kein Geschlecht Ki gibt, oder wenn es eines gibt? — Alle antworteten: Ohne das Geschlecht Ki gibt es auch kein Geschlecht Scho-sün. — Li sagte jetzt: Also kommt dem Geschlechte Ki zu Hilfe. — Li stellte sich sofort an die Spitze dieser Leute und schlug das Heer des Fürsten Tsehao. Als "F '□^ "du Meng-I-tse, das sonst auch mit dem Namen V JpT \^ 1 cb Tschung - sün - ho - ki belegte Haupt des Ge- schlechtes Meng, diesen Sieg des Geschlechtes Scho-sün erfuhr, tödtete er seinerseits das Haupt des Geschlechtes Heu, was ihm aus dem Grunde möglich wurde, weil Heu-tschao-pe zu ihm als Abge- sandter des Fürsten Tsehao geschickt worden war. Die drei Häuser *) Der grosse JfT • slriMiite im Süden von Lu. Ki-ping-lse wollte an diesem Flusse warten, bis liiubiehtiicli seiner Schuld entschieden worden. Die Gescliiühte des Hauses Tscheu-kung. 129 Ki, Scho-siiu und Meng«) vereinigten sich jetzt und machten einen AngrifT auf den Fürsten Tscliao. Dieser Fürst (loh sofort aus dem Lande. An dem sechsunddreissigsten Tage des sechzigtlieiligen Kreises erschien Fürst Tschao als Flüchtling an dem Hofe von Tsi. King, Fürst von Tsi, machte seinem Gaste den Antrag, ihn mit lausend Aufstellungen der Landesgölter, d. i. mit fünfundzuanzigtausend Häusern zu belehnen. Der Fürstensohn Tse-kia widerrieth die An- nahme dieses Geschenkes und sprach: Hintansetzen die Beschäfti- gung des Fürsten von Tscheu und werden ein Diener von Tsi, iht dies wohl thunlich? — Diese Worte bewirkten, dass man von dem Vorhaben abstand. Tse-kia sagte ferner zu dem Fürsten von Lu: King, Fürst von Tsi, ist ohne Treue. Das Beste ist, bei Zeiten sich begeben nach Tsin. — Dieser Ratii ward indessen von dem Fürsten nicht befolgt. Das Haupt des Geschlechtes Scho-sün besuchte den Fürsten a:i dessen Verhannungsorte. Nach seiner Rückkehr hatte er eine Zu- sammenkunft mit Ki-ping-tse, der, um seine Ehrfurcht gegen den abwesenden Gebieter zu bekunden, das Haupt zu Boden neigte. Die drei Abkommenschaften lloan hatten anfänglich auch die Absiciit, den Fürsten Tschao aus Tsi abzuholen und wieder in sein Land 7Airückziiführen; allein später reute dies die Geschlechter Meng-süu und Ki-sün, worauf die Sache unterblieb. Im sechsundzwanzigsten Jahre der Lenkung des Fürsten Tschao {516 vor uns. Zeitr.) richtete Tsi im Frülilinge einen Angriff gegen Lu und entriss diesem Lande die Stadt ffiR Yün, die es dem ver- riebenen Fürsten Tschao zum Wohnsitz anwies. Im Sommer desselben Jahres beschäftigte sich King, Fürst von Tsi, ernstlich mit dem Gedanken, den Fürsten Tschao nach Lu zurückzuführen. Er verbot daher den Grossen seines Landes, von Lu Geschenke anzunehmen. ^- ^ Schin-fung und ^ >)hr Ju-ku, zwei Grosse von Lu, begaben sich dessenungeachtet nacli Tsi und bewilligten m-, ^. Kao-ho und dem Fürstonsohnc yi^ ^ Tse- tsiang, zwei grossen Würdenträgern vun Tsi, einen Betrag von ') Dieses Geschlecht, die Abkonimciischaft des Fiirsteiisohnes Khingf-fu, wird sonst auch Tschuiig-siin und Menn-sün genannt. Ehen so heissl das Geschlecht Ki häuiig' anch Ki-siin. d. i. Enkel des letzt"^eh(>rnen Sohnes. :^iUll. d. [ihil .-hist. Cl. XI.I. Rd. I. Hfl. y 130 I>i'- P f i / m a i e r fünftausend Feldscheunen ") Getreides. Tse-tsiang sprach hierauf zu dem Fürsten von Tsi: Dass sämmtliche Diener nicht im Stande sind zu dienen dem Landesfürsten von Lu, ist zu verwundern. Yuen, Fürst von Sungä), hegab sich um Lu willen nach Tsin und bestrebte sich, den Fürsten einzuführen. Er starb auf dem Wege. Scho-sün- tschao-tses) war bemüht, einzuführen seinen Gebieter. Er starb ohne Krankheit. Ich weiss nicht, hat der Himmel von sich gestossen Lu, oder hat der Landesfürst von Lu sich etwas zu schulden kommen lassen gegen die Götter und Geister. Mögest du, o Gebieter, es abwarten. — Zuletzt ertheilte der Fürst von Tsi, blos zu dem Zwecke, um seiner Kriegsmacht Erfolge zu sichern, dem Fürsten- sohne ^FJ Tsiü den Auftrag, den Fürsten von Lu an der Spitze eines Heeres zu begleiten. Dieses Heer belagerte fjV^ Sching, die Lehens- stadt des Geschlechtes Meng. Im achtundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (514 vor uns, Zeitr.) begab sich Fürst Tschao nach Tsin und verlangte daselbst, dass man ihn in Lu einführe. Ki-ping-tse hatte geheime Beziehungen zu den in Tsin mächtigen sechs Erlauchten. Dieselben erhielten von dem Geschlechte Ki Geschenke, und man widerrieth dem Fürsten von Lu die Einmengung in die Angelegenheiten des fremden Landes, Dieser Fürst stand hierauf von seinem Vorhaben ab und bestimmte die innerhalb der Marken von Tsin in dem östlichen Theile des Landes gelegene Stadt '1^ ^j^ Kan-heu*) zum Wohnsitze des Fürsten Tschao. Im folgenden Jahre (S13 vor uns. Zeitr.) begab sich Fürst Tschao wieder nach Yün, der durch Tsi zurückeroberten Stadt seines Landes. King, Fürst von Tsin, schickte durch einen 1) Sechzehn SJL. Teu, d. i. .»Mass" Getreide bildeten ein /^ Yü, d. i. eine „Feldscheune". 2) Fürst Yuen von Sung war im vorhergehenden Jahre auf der Reise, die er zur Wie- dereinsetzung des Fürsten von Lu unternahm, gestorben. 3) D. i. —F" \]7' Tschao-tse, das oben erwähnte Haupt des Geschlechtes Scho-sün. 4) Diese Stadt lag auf dem Gebiete des heutigen Khieu, Kreis Lin-thsing in San-tung. Das genannte Khieu ist das j-|-* PfZ Tsch'hT-khieu der Zeilen von Han und befindet sich in ziemlich bedeutender Entfernung westlich von der Hauptstadt de» Kreises Lin-thsing:. i Die Gescliichle düs Hauses Tsclieii-kiiiig. 1 3 I Abgesandten dem Fiirster) Tscliao ein Sclireiben, worin er diesem die Benennung ^' it Tschii-kiün „vorgesetzter Gebieter" bei- legte. Da den grossen Würdenträgern die Ehrenbenennung zt Tscliii „Vorgesetzter" zukommt, so war es olTenbar, dass man den Fürsten von Lu mit den Grossen des Landes in Eine Reibe stellte. Fürst Tschao zürnte und reiste wieder nacb Kan-beu zurück, wobiii ibm Ki-ping-tse alljabrlieb Kleider und Pferde schickte. Im einuriddreissigsten Jahre des Fürsten Tscbao (511 vor uns. Zeitr.) war Tsin endlicb entschlossen, den vertriebenen Gebieter von Lu durch ein Heer in sein Land zurückliihren zu lassen. Früher berief man jedoch Ki-ping-tse nach Tsin, um dessen Zustimmung zu der beabsichtigten Einführung zu erlangen. Dieser Machthaber von Lu erschien in einem lianfeiien Kleide und barfuss vor dem grossen Würdenträger, der ihn im Numen des Fürsten von Tsin zur Rede stellte, und entschuldigte sich wegen seiner Verbrechen. Hierauf begab er sich nach Kan-heu, von wo er mit seinem Gebieter nach Lu zurückzukehren gedachte. Allein Fürst Tschao, dem Rathe seiner Begleiter folgend, verlangte von Tsin, dass es Ki-ping-tse gänzlich vertreibe, und er schwor bei dem gelben Flusse, dass es ihm nicht möglich sei, diesen Menschen von Angesicht zu sehen. Die sechs Erlauchten, mit denen Ki-ping-tse einverstanden war, bewirkten liierauf, dass die Einsetzung des Fürsten von Lu unterblieb. Fürst Tschao starb im folgenden Jahre (510 vor uns. Zeitr.), dem zwei- unddreissigsten seiner Lenkung, als Verbannter in Kan-heu. In Lu erhob man nach dem Tode des Fürsten Tschao einhellig dessen jüngeren Bruder ^|? Sung zum Landesfürsten. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst ^ Ting. Zur Zeit der Erhebung dieses Fürsten fragte Tschao-kien-tse, einer der sechs Erlauchten von Tsin, den durch seine Weisheit berühmten Vermerker Tsai-me, üb das Geschlecht Ki zu Grunde gehen werde. Tsai-me gab zur Antwort: Es geht nicht zu Grunde. Ki-yeu hatte sich grosse Ver- dienste erworben um IjU. Er erhielt Pi ') und wurde der höchste Erlauchte. Bis auf Wen - tse und Wu - tse -) vermehrten die *) Die früher genannte Lehensstndt Pi. *) D. i. Ki-wen-tse und Ki-wii-tse. von denen der erstere der Sohn, der letztere der Enkel Ki-yeus. 9* 132 !>'■• P f i zni ai er Geschlechtsalter ihre Beschäftigung-. Als Wen, Fürst von Lii, starb, tödtete Siii von dem östlichen Thore ') die echten Sühne und erhob den unechten. Die Landesfürsten von Lu wurden hierauf verlusti«^ der Lenkung ihres Landes. Die Lenkung befindet sich bei dem Ge- schlechte Ki bis zu dem gegenwärtigen Augenblick bereits in den Zeitaltern von vier Landesfürsten. Das Volk kennt nicht seinen Lan- desfürsten: wie könnte dieser tlieilliaftig werden des Landes? Dess- wegen wacht, wer Laiidesfürst ist, über die Geräthe und den Namen 2), er darf sie nicht den Menschen leihen. Im fünften Jahre des Fürsten Ting (50o vor uns. Zeitr.) starb Ki-ping-tse 3). Ihm fulgte sein Sohn ^ TG ^ Ki-hoan-tse als Haupt des Geschlechtes. Während der Abwesenheit des Fürsten Tschao hatte Ki-ping-tse die Geschäfte der Lenkung geführt, und nach dessen Tode masste sich ^ [^ Yang-hu, der grosse Haus- diener des Geschlechtes Ki, das Recht an, dem Lande Befehle zu ertheilen. Er liess Ki-hoan-tse, gegen den er einen geheimen Groll beste, in ein Gefängniss setzen und schenkte ihm erst die Freiheit, nachdem derselbe die Bedingungen eines ihm vorgelegten Vertrages beschworen hatte. Im siebenten Jahre des Fürsten Ting (503 vor uns. Zeitr.) machte Tsi einen Angriff auf Lu und eroberte wieder die Stadt Yün, welche es zur Lehensstadt Yang-hu's bestimmte, damit dieser sich der Lenkung von Lu anschliessen könne. Yang-hu hatte jetzt die Absicht, alle echten Söhne der drei Abkommenschaften Hoan auszurotten und an deren Stelle diejenigen unechten Söhne, welche mit ihm befreundet waren, einzusetzen. Um sich die Neigung des Volkes zu erwerben und eine gerechte Sache zu thun, veranstaltete er im achten Jahre des Fürsten Ting (502 vor uns. Zeitr.) die Darbringung in dem Ahnenheiligthume der früheren Fürsten Min und Hi, den wahren Stammhaltern des Hauses 1) Der sonst auch unter dem Namen Siang-tschung angeführte Fürstensohn Sui. Der- selbe hatte seinen Wohnsitz an dem östlichen Thore, wesshalh er auch „Sui von dem östlichen Thore" genannt wird, 2) Die Geräthe sind der Wagen und die Kleider. Der Name ist die Benennung der Ehrenstufe. 3) Ping-lse ist der nach dem Tode gegebene Name dieses Mannes. Derselbe wird in den allen Büchern gewöhnlich unter dem Namen T/|l £3 Jhrj ^p Ki-sün-I-jw angeführt. I Die tiescliivlite lies IIhuscs Tsclieu-kung. l •) O Tscheu-kung. Ilior;iuf wandte er sich vorerst gegen Ki-hoan-tse, den er in einen Wagen schallen Hess, und zu tödteii gedaehle. Ki- lioan-tse gelang es indessen, seinen Feind zu tiiiischen und zu etit- koinmen. Von der Gefahr unterrichtet, vereinigten sieh die drei Abkommenschaften lloan und überfielen Yang-hu, der, dem AngrilTe aus dem Wege gehend, in Rf| f|^ Yang-kuan. einer Stadt von Lii, seinen Wohnsitz aufschlug. I5ei seinem Abzüge hatte er die Beglau- bigungsniarke für das Lehen Lu und den grossen Bogen, den König Wu dem Fürsten von Tscheu zum Geschenk gemacht hatte, aus dem fürstlichen \\'oiingebiUide mitgenommen. Im neunten Jahre des Fürsten Ting (501 vor uns. Zeitr.) unter- nahm Lu einen Kriegszug gegen Yang-hu, der, nachdem er die aus dem fürstlichen Wohngebäude entwendeten Gegenstande zurückge- stellt, vorerst nach Tsi, hierauf nach Tsin sich flüchtete, in welchem letzteren Lande er bei dem Geschlechte Tschao Aufnahme fand. In das zehnte Jahr des Fürsten Ting (500 vor uns. Zeitr.) fällt die Zusammenkunft dieses Fürsten mit dem Fürsten King von Tsi in Kia-ko, einem Gebiete von Lu. Daselbst führte Khung-tsedie Geschäfte eines Landesgehilfen. Der Fürst von Tsi wollte bei dieser Gelegen- heit den Fürsten von Lu durch die Spielleute von Lai verrätlieriscli überfallen lassen. Khung-tse, der dies erfuhr, wandelte, sich an die Gebräuche haltend, längs den Stufen hin und Hess die ausschreiten- den Spielleute von Tsi enthaupten. Vor dieser Entschlossenheit bangte dem Fürsten von Tsi. Er stand nicht allein von seinem Vor- haben ab, sondern gab auch das in früheren Kämpfen eroberte Land an Lu zurück und entschuldigte sich wegen seines Vergehens. Im zwölften Jahre seiner Lenkung (498 vor uns. Zeitr.) gab Fürst Ting dem auch unter seinem Jünglingsnameu WÄ Hp- Tse-lu bekannten tapferen Krieger m im Tschung-yeu, einem Jünger Khung-tse's, den Auftrag, die festen Städte der drei Ahkommen- schaften Hoan zu zerstören und die in ilinen aufgewahrten Panzer und Angriffswaffen einzusammeln. Das Geschlecht Meng weigerte sich indessen, über seine Festen die Zerstörung ergehen zu lassen und ward durch die Kriegsmacht von Lu angegrilTen. Der .AngrilV war von keinem Erfolg, worauf Lu von seinem Vorhaben abstand. Die hier erwähnte Verfügung war auf Veranhusung Khung-tse"s getroffen worden, der nicht wollte, dass die Lenkung sich in den Händen der Grossen des Landes Lelinde. Tsclmng-yeu war der oberste Hausdiener des Geschlechtes Ki, und als er ausgeschickt wurde, zerstörte das Geschlecht Ki die Mauern seiner Lehenstadt Pi, das Geschlecht Seho-sün zerstörte die Mauern von j^K Heu, und blos das Geschlecht Meng Hess es auf eine Belagerung seiner Leliensstadt tpff^ Scliing ankommen. Ki-hoan-tse suchte jetzt den ihm verhassten Khung-tse aus Lu zu verdrängen. Zu diesem Zwecke bewog er den Fürsten Ting, eine Anzahl Tänzerinnen, welche ihm der Fürst von Tsi zum Geschenk machte, anzunehmen. Der Landesfürst und dessen Diener gesellten sich zu einander, um diese Tänzerinnen zu sehen, und die für den Hof geltenden Gebräuche wurden durch drei Tage bei Seite gesetzt. Aus Verdruss hierüber verliess Khung-tse das Land und begab sich nach VVei. Fürst Ting starb im fünfzehnten Jahre seiner Lenkung (493 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn -^|^- Tsiang, genannt Fürst 5^ Ngai. In das fünfte Jahr dieses Fürsten (490 vor uns. Zeitr.) fällt der Tod des Fürsten King von Tsi. Im sechsten Jahre des Fürsten Ngai (489 vor uns. Zeitr.) tödtete Tien-khe von Tsi seinen Landesfürsten, den Säugling Thu. Im siebenten Jahre des Fürsten Ngai (488 vor uns. Zeitr.) bekriegte Fu-tschai, König von U, mit grosser Übermacht Tsi und gelangle bis ^^ Tseng, einem Gebiete an den Marken von Lu. Fürst Ngai traf daselbst mit dem Könige Fu-tschai zusammen, und dieser forderte ein Geschenk von hundert Darbringungen, d. i. iiun- dertmal ein Rind, ein Schaf und ein Schwein. ? jy^ ^^^ ^'" khang-tse, der Sohn Ki-hoan-tse's, gab Tse-kung, einem Jünger Khung-tse's, den Auftrag, mit dem Könige von U und dessen grossen Hausdiener Poei zu sprechen und ihnen diesen Verstoss gegen die Gebräuche vorzuhalten. Der König von U antwortete: Wir sind das Volk, welches den Leib bemalt i). Wir verdienen nicht, dass man uns der Gebräuche willen zur Rede stellt. — Hiermit stand er von seiner Forderung ab. 1) Die alten Bewohner von U bemalten, wie dies bei den südlichen Fiemdiändern Sitte war, ihren Leib mit Farben. hie Ueschicilte lies Hauses Tsclieii-kuii^. 13«) Noch in dem Jahre, in welchem U his Tseng vordrang, bekriegte ein Heer von Lu das kleine Fürstenland ^^ Tseu '), dessen Fürsten es nach Eroberung der Hauptstadt gefangen nahm und mit ihm iu das eigene Land zurückkehrte. Um diese Gewaltthat zu strafen, machte in dem folgenden Jahre, dem acliten des Fürsten Xgai (487 vor uns. Zeitr.) ein Heer von U einen Angrill' auf Lu, Mubei es bis zu der Hauptstadt vordrang und erst, nachdem es unter den Mauern derselben den Vertrag des Friedens geschlossen, wieder abzog. Die Zeitgenossen erblickten in diesen Vorgängen die Erniedrigung von Lu, da es für äusserst scliimpfhch gehalten wurde, mit dem bis zu den Mauern der Hauptstadt vorgerückten Feinde eint-n Vertrag zu schliessen. In demselben Jahre machte auch Tsi einen Angritl' auf Lu und eroberte drei Städte dieses Landes. Dagegen richtete im zehnten Jahre des Fürsten Ngai (48ö vor uns. Zeitr.) das mit U verbündete Lu seinerseits einen Angriff gegen die südlichen Murken von Tsi. Im eilften Jahre des Fürsten Ngai (484 vor uns. Zeitr.) unter- nahm Tsi wieder einen Kriegszug gegen Lu. Um diese Zeit wurde "^ .äl. Yen-yeu, ein Jünger Khung-tse's, der oberste Hausdiener des Geschlechtes Ki, in welcher Stellung er sich Verdienste erwarb. Er dachte sofort an seinen Lehrer Khung-tse, der seit vierzehn Jahren in fremden Landen umherzog. Khung-tse erhielt hierauf eine Einladung und kehrte aus Wei, wo er sich zuletzt aufgehalten hatte, nach Lu zurück. Im vierzehnten Jahre des Fürsten Ngai (481 vor uns. Zeitr.) tüdtete Tien-tsch'hang von Tsi seinen Gebieter, den Fürsten Kien, in Siü-tscheu. Khung-tse verlangte, dass man Tsi angreife, land jedoch bei dem Fürsten Ngai kein Gehör. Im fünfzehnten Jahre des Fürsten Ngai (480 vor uns. Zeitr.) schickte Lu den grossen Wür- denträger i^ -^ King-pe, dessen Jünglingsname Rß ^ Tse-fo, als Gesandten nach Tsi und iiess ihn durch Tse-kung, den bekannten Jünger Kliung-tse's, begleiten. Tsi gab das in den früheren Kriegs- zügen eroberte Gebiet an Lu zurück, was aus dem Grunde geschah. *) Sonst nuth APK Tbcliü genaiiiil. ein Name, iiiiler dem es in ilein Wcike „Friililiiij und Herlist" voikomint. 136 Dl'. P f I z 111 a i e r weil Tien-tsciriiang, dei- erst vor Kurzem Landesgehiife von Tsi geworden, sich mit den Lehensfürsten befreunden wollte. In das sechzehnte Jahr des Fürsten Ngai (479 vor uns. Zeifr.) fällt der Tod Khung-tse's. Im zweiundzwanzigsten Jahre des genann- ten Fürsten (473 vor uns. Zeitr.) vernichtete Keu-tsien, König von Yue, das durch seine Kriegsthaten furchtbare U, wobei Fu-tschai, König von U, sich den Tod gab. , Im siebenundzwanzigsten Jahre des Fürsten Ngai (468 vor uns. Zeitr.) starb Ki-kliang-tse, das Haupt des Geschleclites Ki. Um diese Zeit besorgte Fürst Ngai, dass die drei Abkommenschaften Hoan ihn mit Hilfe der WafTen der Lehensfürsfen bedrohen könnten. Ebenso besorgten die Abkommenschafteii, dass der Fürst ihnen ein gleiches Unglück bereiten könnte. Es gab daher zwischen dem Landesfürsten und dessen Dienern viele Zerwürfnisse. Im Sommer dieses Jahres zog der Fürst zu seinem Vergnügen auf dem Gebiete nf^ n^-» Ling-fan umher. Daselbst begegnete er an einem Vierwege 4Ö ^^ ~^ Meng-wu-pe, dem Haupte des Geschlechtes Meng, und sagte zu ilim: Ich bitte, fragen zu dürfen, ob mir der Tod in Folge der Jahre zu Theil werden wird? — Meng-wu-pe antwortete kurz: Ich weiss es nicht. Der Fürst gedachte jetzt, mit Hilfe der Macht von Yue die drei Abkommenschaften Hoan anzugreifen. Im achten Monate des oben angeführten Jahres nahm er seinen Aufenthalt bei dem Geschlechte des Fürstenenkels Rl) des Fürsten Tao (4ö3 vor uns. Zeitr.) vernichteten die drei Häuser von Tsin die Macht Tsi-pe's und theilten sich in das Gebiet dieses Fürsten. Tao, Fürst von Lu, starb im siehenunddreissigsten Jahre 2) seiner Lenkung (429 vor uns. Zeitr.). In dein hiiigjahrigen Zeiträume von dem Tode des Füislon Tao bis zu dem Uiiterü^anije des Landes Lu enthält die Geschichte nur die Namen und Lenkungsjahre von Fürsten, ohne von weiteren Ereignissen Kunde zu geben. Die auf diese wenigen Angaben sich beschränkenden Nachrichten werden in dem Folgenden zusammen- gefasst: t— Der Nachfolger des Fürsten Tao war dessen Sohn -V^ Kla, genannt Fürst TT Yuen. Derselbe starb im einundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (408 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Yuen war dessen Sohn UJ] Hien, genannt Fürst ^ji Mo. Derselbe starb im dreiunddreissigsten Jahre seiner Lenkung (37t> vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Mo war dessen Sohn -^" Fen, genannt Fürst itt Kung. Derselbe starb im zweiundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (334 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Kung war dessen Sohn m Tun, genannt Fürst fßr^ Khang. Derselbe starb im neunten Jahre seiner Lenkung (344 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Khang war dessen Sohn \^ Yen, genannt Fürst -^ King. Derselbe starb im neunundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (315 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten King war dessen Sohn /|sj7 Scho, genannt Fürst ^p Ping. Um diese Zeit hatten sämmtliche Fürsten *J In den zeitberechnenden Blättern des Sse-ki wird, ohne Angabe des Grunfles, das zweite Jahr n-ich dem Tode des Fürsten Ngai (46ö vor uns. Zeitr.) als das erste Jahr des Fürsten Tao angeführt. ') So das Sse-ki. In anderen Büchern wird jedoch die Dauer der Lenkung dieses Fürsten verschieden angegeben. 138 LH"- 1' f i z in a i e r , Die (iescliichte des Hauses Tscheii-kiin?. der sechs gereihten Länder Thsin, Wei, Han, Tschao, Yen und Tsi sich bereits die Königsbenennung beigelegt. In das vierte Jahri) des Fürsten Fing von Lu (311 vor uns. Zeitr.) fällt der Tod des Königs Hoei von Thsin. Fürst Fing starb im zweiundzwanzigsten Jahres), nach einer andern richtigeren Berechnung im achtzehnten Jahre seiner Lenkung (297 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Fing war dessen Sohn g Ku, genannt Fürst 'aT Wen. Im siebenten, nach einer richtigeren Be- rechnung im ersten Jahre des Fürsten Wen 296 (vor uns. Zeitr.) starb Fürst Hoai, König von Tsu, als unfreiwilliger Gast in Thsin. Fürst Wen starb im dreiundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (274 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Wen war dessen Sohn ^^pTsch'heu, genannt Fürst {tp^ Khing. Derselbe war der letzte Landesfürst von Lu3). Im neunzehnten Jahre dieses Fürsten (2öä vor uns. Zeitr.) richtete Tsu einen Angriff gegen Lu und eroberte das im Osten dieses Landes gelegene Gebiet *)»j*j ^4^ Siü-tscheu. Nach einer anderen Angabe eroberte Tsu schon damals das gesammle Land von Lu und belehnte den Fürsten Khing mit dem Gebiete des ehemaligen Für- stenlandes Khiü. Im vierundzwanzigsten Jahre des Fürsten Khing (249 vor uns. Zeitr.) vernichtete Khao-lie, König von Tsu, in einem neuen Angriffe das Land Lu und versetzte dessen Fürsten, der dem königlichen Hause zugetheilt wurde, nach der Stadt ~K Fien. Die Darbringung für die Laiidesgötter von Lu hörte sofort auf. Fürst Khing starb in j;pj Ko, einer öfters genannten Stadt von Tsi. Der Landesfürsten von Lu, unter welchen der Fürst von Tscheu der erste, Fürst Khing der letzte, zählte man im Ganzen vierund-" dreissig. Das Fürstenland seihst hatte einen Bestand von ungefähr achthundertsiebenzig Jahren. 1) Das Sse-ki nennt iniger Weise das zwölfte. 2) So das Sse-ki. 3) Wie das Sse-ki angibt, eiitriss Thsin im zweiten Jahre des Fürsten Khing dem Königslande Tsu die Hauptstadt Ying und übersiedeile dem zu Folge Khing, König von Tsu, nach dem weiter östlich gelegenen Tsehiii. In Wahrheit füllt jedoch dieses Ereigniss in das achtzehnte Jahr des vorhergehenden Fürsten Wen von Lu (278 vor uns. Zeilr.). V'erÄi'ifliiii.is lU-r i'iiigi'j;5'';iiiyeiii'ii Itnii-kbfliiilti-ii. 1 t>i' VKUZKKIIi\188 DER EINGEGANGENEN DRUCKSCIIUIFTEN. (JÄNNER 1863.) Accadeinia (lellc scieiize dell' Istituto di Bologna: Memorie, Tomo XI, Fase. 3—4; Tomo XII, Fase. 1—3; Serie II. Tomo I, Fase. 1—3. Bologna, 1861 & 1802; 4o. — Rendiconto delle sessioni. Anno aecademieo 1861 — 1862. Bologna, 1861; 8o. Akademie der Wissenschaften, königl. bayer., zu Münehen: Sitzungsberichte. 1862. I. Heft 4; 1862. II. lieft 1 & 2. Mün- chen; 8o. Anzeiger für Kunde der deutsehen Vorzeit. IX. Jahrg., Nr. 1 0 & 1 1 , Nürnberg, 1862; 8o. Austria. XIV. Jahrgang, LI. — LH. Heft. Wien, 1802; gr. 8». — XV. Jahrgang, No. 1—2. Wien, 1863; gr. 4». Carlsbad, Marienbad, Franzensbad und ihre Umgebung vom naturhistorisciien und mediciniseh-geschiehtliehen Standpunkte. Mit 1 geognost. Karte und 4 Portraits. Prag Öz Carlsbad, 1802; 80. Gesellschaft, k. k. Krakauer Gelehrten-: Rocznik , Poczet trzeci. Tom VI & VH. W Krakowie, 1862; 8». — Wykaz zdrojowisk lekarskich Galicyi i Bukowiny uJezyl T. Zebrawski. (Mit 1 Karte.) Krakow, 1862; 8o. — der Wissenschaften, Oberlausitzische: Neues Lausitzisches Magazin. XXXVHL Band, 1. & 2. Hälfte. Görlitz, 1861; 8». — Codex diplomaticus Lusatiae superioris. I. Band, 2. Auflage. Görlitz, 1856; 8o. — Hauptbericht für 1861 in 1861; 8o. Hammelitz. III. Jahrgang. No. 4 — 10. Odessa, 1862 & 1863; 4«. Hauchecorne, G. Carte des chemins de fer de rAllomagnc et des pays limofrophcs. 1862; gr. Folio. 1 4-1; Verzoicliiii«5 d'Hericourt, Achmet. Notice sui- Teglise d'Ablain-S* Nazaire. Arras, 1862; 4o. Istituto, R., Lonibardo di scienze, lettere ed arti: Atti. Vol. III, Fase. 5—8. Milauo, 1862; 4o. — Memorie. Vol. IX. (III. della Serie II.) Fase. 2. Mihtno, 1862; 4». — Atti. della fondazione scientifico Cagnola. Vol. III. (Anni 1860 e 1861.) Milane, 1862; 80. — I. R., Veneto di scienze, ieltere ed arti : Memorie. V^ol. X., Parte III. Venezia, 1862; 4o. _ Atti. Tomo VP, Serie 111% Disp. 10% Venezia, 1861—62; 8o. Kandier, P. Haccolta delle leggi, ordinanze etc. (Fortsetzung.) 40. — L' Austriade di Rocco Ronii carmi di Rafaele Zovenzoni etc. Trieste, 1862; 8o. Kopp, J. E. Geschichte der eidgenössischen Runde. Mit Urkun- den. III. Rand, I. Abtheilung: König Adolf und seine Zeit. J. 1292—1298. II. Abtheilung: König Albrecht und seine Zeit. J. 1298—1308. Rerlin, 1862; 8o. Maelen, Pb. & Jos. van der. Carte archeologique, ecclesiastique et nobiliaire de la Relgique. (4 feuilles et Prospectus.) Folio; — Plan de Rruxelles et de ses environs. (7 feuilles.) Folio; — Carte du bassin huiliier de la Relgique. (2 feuilles.) Folio. Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Raudenkmale. VIII. Jahrgang, Nr. 1. Wien, 1863; 4o. — aus J. Per thes'geographischer Anstalt. Jahrgang 1862, XI. Heft; Ergänzungshefl Nr. 9. Gotha; 4«. Moor, Coniadin v. Ründnerische Geschichtsschreiber und Chro- nisten. Sechste Publication: Rartb. An horn's Püntner Aufruhr. Cur, 1862; 8«. Pichler, Georg Abdon. Salzburgs Landes -Geschichte. I. Abthei- lung, Heft 1, 3 & 6. Salzburg, 1861 — 1862; 8o. Pröll, Gustav. Gastein. Erfahrungen und Studien. Mit 3 xyjograph. Ansichten. Wien, 1862; 8». Relazione del Ministro delle finanze (Quinlino Sella) presentata alla Camera dei deputati nella tornata del 1' dicembre 1862. Torino, 1862; 8«. Reumont, Alfredo. Inscriptiones christiatiae Urbis Romae VII. saecido antiquiorcs. Edidit Joannes Bapt. de Rossi Romänus. der eiiin^egangenen Dnicksclirlflen. 1 4 l Vol. I. Bomae ex ofßcina libr. pontif. ab Anno MDCCCLV11 ad MDCCCLXl in Folio, XUl. CXXIII e 619 payinac. (tlxtr. d'all Arch. stör. Italiano, N. S. T. XVJ. P. 1.) 8". Schuller, Job. Karl. Ans vergilbten Papieren. Ein Beitrag zur Geschichte von Ilermannstadt und der sächsischen Nation in den Jahren 1726 und 1727. Sylvestergabe für Freunde und Gönner. Hermannstadt, 1863; 80. Übersicht der akademischon Behörden etc. an der k. k. Univer- sität zu Wien für das Studienjahr 1862/63. Wien, 1863; 4o. Verein für haniburgisclie Geschichte: Zeitschrift. N. F. IL Band, 1. Heft. Hamburg, 1862; 8». — historischer, für Steiermark: Mittheikingen, XI. Heft. Mit 1 Abbildung. Gratz, 1862; S». — für mecklenburfrische Geschichte und Alterthumskunde: Jahr- bücher und Jahresbericht. XXVII. Jahrgang. Schwerin, 1862; 80. — Siebenbürgischer Museum-: Jahrbücher. II. Band. 1 Heft. Klausenburg, 1862; 4». Weber, A. Über den Vedsikalender, Namens Jyotisham. (Abhaiidl. der K. Pr. Akad. der Wiss. zu Berlin 1862.) Berlin, 1862; 4«. SITZUNGSBEUICHTE DRM KAISEIILICHEN AKADEMIE DEIl WISSENSCHAFTEN. P II 1 L U S 0 P II I S C 11 - II I S T 11 R I S C II K C L A S S E. XU. BA\Ö. II. HEFT. JAllliGANG 18G3. — FEBRUAR. lü uu SITZUNG VOM 4. FEBRUAR 18C3. Gelesen: Herr RegicrungsiMth Joseph Ritter von Arnoth liält einen Vortrag über das Evangelistarium Karl's des Grossen in der k. k. Schatzkammer im Vergleiche mit den Gebetbüchern Kaiser Karl's V. und Kaiser Ferdinand's I. Arnetli bericlitet, dass seine mannig- fach dargelegte Rinneigung znr christlichen Archäologie beson- ders durch seine Arbeit über das Antipondium zu Klosterneuburg vom Jahre 1181 bewiesen wurde. Er vindicirte diese grossartigste Arbeit der Art, die er mit den ähnlichen Werken in ganz Europa verglich, Österreich, und gab ihm zuerst den richtigen Namen. Über diese Arbelt erhielt Arneth einen äusserst anerkennenden Brief des Sulpiz Boisseree, den er mittheilt, weil er zur ^Sache gehijrt, und weil er die Anhänglichkeit an Österreich dieses als Sammler, Gelehrten und durch anständig edles Benehmen gleich ausgezeichneten Mannes beweist". Als Graf August Bastard mit Unterstützung der früheren französischen Regierung für sein Pracht werk „Die Miniaturen vom 4. bis inclusive 15. Jahrhundert'- sammelte und er ein auf 12.000 11. C. M. kommendes Werk abzu- setzen wünschte, erhielt Arneth den Auftrag, demselben im k. k. Münz- und Antikencabinefe aus der damals so schwer zugänglichen Schatzkammer unter Schatzmeister Meyer das Evangeli.starium Karl's des Grossen zu zeigen. Sowohl Arneth als Graf Bastard hatten nicht den miiidoslen Zweifel, dass das Evangelistarium vuu Karl dem Grossen herstamme. Arneth durfte damals das Evan- gelistarium längere Zeit im k. k. Münz- und Antikencabinete behalten, er benützte dieselbe, um eine genaue Beschreibung davon zu machen, die er hier vorlegt. Als Excurs schickt er eine 10' 146 V. A r n e th Abhandlung über Portraite Karl's des Grossen voraus, deren Ergeb- niss war, dass es nach seiner Ansicht ebensowenig ein gleichzeitiges Portrait Karl's des Grossen, wie des 1100 Jalire vor ihm lebenden Alexander des Grossen gebe. Durch den Zeichner des Cabinetes, Herrn Schindler, Hess er Faesimiles der Evangelisten Matthäus und Johannes und der Anfänge der vier Evangelien machen, welche er bei seinem Vortrage vorzeigt und zur Beilage desselben in sechs Blättern übergibt. Diese Faesimiles nahm Arneth auf seine im Jahre 18o5 nach München, Aachen, London, Paris, Cöln und Mainz unternommene Reise mit, um sie mit den Schätzen ähn- licher Art in den genannten Städten zu vergleichen. Er verglich diese Faesimiles mit dem wichtigsten Monumente dieser Gattung, welches Gottschalk auf Befehl Karl's des Grossen und seiner Gemahlinn Ilildegarde, wie er selbst am Ende desselben sagte, im Jahre 780 beendigte. Arneth stellte die Faesimiles des Wiener Evangelistariums an die Seite desjenigen, welches von Toulouse nach Paris gekommen und Napoleon bei der Geburt des damaligen Königs von Rom geschenkt wurde, und fand Schrift wie Materiale des purpurnen Pergamentes ganz identisch, nur die Gestalten viel einfacher, und da diese später immer häufiger und zierlicher wurden, zieht er den Schluss, dass das in Wien befindliche Evangelistarium Karl's des Grossen noch vor jenem, vielleicht an seinem Hofe geschrieben worden sei. Aus der Vergleichung mit den im britischen Museum zu London und in der Bibliothek zu Bamberg vorhandenen Evangelistarien, die Alcuin ihren Ursprung verdanken, erhellt eine wesentliche Verschiedenheit schon im Materiale. Den gegenwärtigen Einband des Wiener Evangelistariums schreibt Arneth Fried- rich IV., Vater Kaiser Maximilian's zu. Gott Vater ist silzend, die Rechte zum Segnen erhebend, vorgestellt, fast wie auf dem Altar von St. Wolfgang von 1483. Rechts von Gott Vater ist die Mutter Gottes auf dem Betschemel knieend, links der Erzengel Gabriel mit dem Lilienscepter, in den vier Ecken die Attribute der Evan- gelisten. Nach der Besprechung des Evangelistariums Karl's des Grossen in der k. k. Sehatzkammer und dem ähnlichen Werke in der k. k. Hofhibliolhek, geht Arneth auf die Beschreibung der Gebetbücher Kaiser Karl's V. und Kaiser Ferdinand's I. über, beschreibt ein drittes in der k. k. Ambraser Sammlung sehr umständlich und ist Ülier ein Evangeliariiim Rarl'.s des Grossen. 147 pjeneigt, dasselbe ,To. Moeris, einem Maler aus der vorlrefTiicheii Schule des Hans Henilin«^ (Memling), dessen vorzüi^'lichste Werke in Brügge aufbewahrt werden, zuzuschreiben. Die Gebet- bücher Kaiser Karl's V. und Ferdinand's I. verhallen sich zu den Evangelistarien KarPs des Grossen, wie die Kirchen der Renaissance zu den grossen gothischen Monumenten. Die Erwähnung so vieler Museen gab Arneth Veranlassung, seine Gedanken über dieselben und ihre Zweckmässigkeit auszu- sprechen, und zwar zuerst über die Anstalten, die zusammen ein solches in Wien bilden würden, über das Museo Borbonico zu Neapel, über die päpsllichen im Vatican , im Lateran und auf dem Ca[)itol, über das französische im Louvre, das englische im briti- schen Museum, über die ein solches bildenden verschiedenen Anstalten in München, Dresden, Berlin, Kopenhagen, und die Eremitage in Peter^^burg. 148 1"-. Fr. Müller. Vorgelegt: Beitrüge zur Lautlehre des Ossetischen. Von Dr. Friedrich Müller, Doeent der allgemeinen Sprachwissenschaft an iler Wiener Universität. (Vorgelegt in der Sitzung vom 14. Jänner 1863.) Dass die Sprache der Osseten dem eranischen Sprachkreise beizuzählen ist und dort ihrerLage nach eine Mittelstellung zwischen dem ganz modern gehaltenen Neupersischen und dem mit dem Mittelpersischen (Pehlewi) fast auf gleicher Stufe stehenden Arme- nischen einnimmt, glaube ich in meiner Abhandlung: „Über die Stellung des Ossetischen im eranischen Sprachkreise" hinlänglich gezeigt zu haben. Als nächste Aufgabe bleibt uns übrig, die Laut- lehre dieser Sprache näher zu durchforschen und die Laute des Ossetischen genauer, als es bisher geschehen, mit denen seiner nächsten Verwandten zu vergleichen. Dabei darf besonders die Frage nicht übergangen werden, wie sich das Vocalsystem des Ossetischen zu dem der älteren und wie zu dem der neueren Dia- lekte verhalte? In diesem Puncte müssen wir uns besonders an Sjögren halten, da er mit seiner der russischen nachgebildeten Schrift die Nuancen der einzelnen Vocalhiute viel schärfer wieder- zugeben im Stande war, als dies Georg von Rosen mit dem von ihm zur Anwendung gebrachten grusinischen Alphabet thun konnte. Sollten wir gleich hier das Resultat unserer Untersuchungen im Kurzen darlegen, so wurden wir den Consonantismus des Osseti- schen als besonders an den des Armenischen sich anlehnend bezeich- nen, während der Vocalismus in den meisten Stücken an den neu- persischen erinnert. Eigenthümlich dem Ossetischen sind die dem Beiträge zur Lautlehre Jos Ossetischen. I 4 ■» Neupersischen niüngehiden Laute ^ und C (ö, a), die vüllkommeii den armenischen >j und «J und den avghanischen -^ (stumm) und p»- (tönend) entspreclien [vergl. meine Abhandlungen: „Üher die Sprache der Avghanen", S. 11, und -Beiträge zur Laullehro der armenischen Sprache-, II, S. !>]. Ciiarakteristisch für das Ossetisclie ist der Mangel des h. Dort, wo das h z. B. im Neupersischen guttu- raler Natur ist, steht ihm im Ossetischen meistens () gegonühor, während es dort, -wo neupersisches a = altem s sich darstellt, meist wie im Alfpersischen als sehr schwacli gesprochen abliel. Der stumme Labial, der sich im Armenischen im Anlaute zu -J verniichtigte, machte im Ossetischen seine Entwickelung nicht so weit dnrcl»; er blieb auf der Stufe des f stellen, wobei er das Mittelglied zwischen der ällesten Lautstufe — p — und der im Armenischen ausgepräg- ten — -^ — bildet. Hingegen hat das Ossetische, im Gegensatz zum Armenischen, mit dem Neupersisclien jene nacli Vocalen und Liquiden beliebte Herabsetzung der stummen Laute zu tönenden gemein, von welcher Verweichlichung sieh das Armenische frei gehalten iiat. Mit dem Neupersischen theilt das Ossetische auch den aspirirten tönen- den Guttural, der dem Armenischen fehlt, während das Aufgehen des älteren palatalen und dentiilen stummen Spiranten (V, s} in einen einzigen (dentalen) ihm besonders eigenthümlich ist. Wir wollen im Folgenden eine Übersicht der ossetischen Laute nach dem über die Laute des Armenischen von uns gegebenen Schema [vgl. „Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache", II, S. 4] hersetzen und daran eine Untersuchung der einzelnen Laute reihen. Dabei geben wir die Laute nach eigener, sowohl von der Sjögren's als Roscn's abweichender Transscription, indem Ton letzterem schon a priori die grusinische Schrift als nicht ganz passend gewählt erseheint, während Sjögren zwar die Laute nach der heutigen Ausspraclie genau gibt, aber dadurch oft innig Zu- sammengehöriges aus einander reisst. Jedenfalls wäre es am besten getlian gewesen, der Fixirung des zur Transscriplion nothwendigen Alphabetes eine umfassende und sorgfältige Untersuchung der Laut- lehre mit Rücksicht auf die verwandten crunschen Sprachen voraus- gehen zu lassen. Die Übersicht der ossetischen Laute stellt sich luicli unseren Untersuchungen folgendermasscn dar: 150 Dr. Fr. M ii I 1 e r Consonanten. Gutturale . . . Palatale . . . Palato-Linguale Linguale . . , Linguo-Dentale Dentale .... Labiale .... Momentane Laute Daueilaute Niclit aspirirte Aspirirte Spiranten Nasale tönend Liqnidae tönend stumm tönend stumm tönend stumm tönend kk C t t P. ff- ff ff d' (l b kh th (jh c 1 S f y i V h n m Ir Unter diesen Lauten sind besonders k, t, p hervorzuheben, welche Rosen (Osset. Sprachlehre, S. 4) als „ausserordentlich hart lind so hauchlos" bezeichnet, „dass man bei vorsichtiger Aussprache den folgenden Vocal davon getrennt hört'". Eine besondere Eigen- thünilichkeit derselben ist es, dass sie in echt indogermanischen Wörtern im Anlaute nie vorkommen. Dasselbe gilt auch vom g, worunter ich das von Rosen und Sjögren geschriebene gewöhn- liche g verstehe, wahrend ich für jenen Laut, den Rosen und Sjögren mit q umschreiben, ^r ansetze. Es ist ganz richtig, dass dieser Laut heutzutage wie ein völlig gutturales k klingt (Rosen, a. a. 0. S. 4), entsprechend dem arabisch-türkischen J (wie qajiJie = ixis, qyjijiyq = ^y beweisen); aber einestheils beweisen jene Wörter, in denen der betrelTende Laut im Anlaute vorkommt, ganz klar, dass er einem alten g entspricht, andererseits wechselt der- selbe dialektisch mit gh. Dieses gh ist aber an derselben Stelle ebenso regelrecht wie k für k, th für t, f für j), wovon nur erstere im Anlaute vorkommen. Wir wollen also im Folgenden zu einer näheren Darlegung der einzelnen Laute schreiten. L Consonanten. a) Momentane Laute. L Gutturale. k kommt in echt ossetischen Formen im Anlaute nicht vor; dafür tritt nach dem oben Bemerkten k ein. Sonst entspricht k altem k. Es findet sich besonders als ältere Lautstufc des späteren Beitrüge /in- LiuiUelire iles Osselisclien. 1 O 1 g in dem Detcnniiuitivsuffix ag\ z. B. : j^ocau Arbeiter = ijocar. 50K Kuh = 3033 (fjug). Dig. api^VK Braue = Tag. ap^ (novag). k entspricht altem k, im Allindischen ^»^. i'n Altbaktrischen 5, im Neupersischen -l3 , im Armenischen ^, z. B. : ^ögnS (kulm) ija.iM Wurm, Schlange = altind. /ryw/. ^(>^^ (kard) ijap^ Messer = neupers. Jjir^Ä-W;v/J. ;j66o6 (kanin) ijaHyn machen, ^-isopög (kntag) That, vgl. allh. ^^f^'^-U^fj ("Ä-JrJ^r/otV/^ er macht, altpers. (ikunacam, ich machte, neup. ö^ (kardan) machon, praes. ,^ {garm) Wixrm, Dig.r,apMi)aHyH warm machen = altbaktr. -«cd-co (garema), altind. gharma, neup. M entspricht altem k, eben demselben (=]^) im Altindischen. Auf eranischem Gebiete wurde k durch nachfolgendes y, v, r, m, n, f, «zu kh aspirirl; ossetisches kh entspricht also im Altbaktrischen 1S2 Dr. Fr. Müller (i», im Neiipersischen ->- , im Armenischen ^; seltener entspricht es im Allindischeii ÄsT . Beispiele dafür sind : 61j1;63 (ahhsav) Nacht = altb. S^a^i^ (klishapan), altind. ksliapd. 6o1j (nikh) Nagel = neup. ^>-lJ (^nakhun), griech. övvy-, altind. nakha. Ijöi^ög (kha- rag) Esel = neup. ,^ (kharj, altind. khara. oh (ikh) Eis = neup. ^ (yakh). ^oh (mikh) Pfahl = neup. g*. 6ljb62 (akhsaz) sechs = altbaktr. -^-»j^Jii' (khshvas). 61jIjoi^ (ukhsir) Milch = altind. kshira. Danehen stellt A7i auch eine Erhärtung eines älteren (aus s entstandenen) li dar, wie im Neupersischen jl^^ {khuskj trocken = altb. ■"^i^v (Imshka), allpers. uska, altind. gushka = siishka, latein. sicciis; j!^--=*- (kimsrav), Xocpö-ng = altb. V>'»^-»»o' (hugravo^, EüxXs'v;?; z. B.: xeT, Brücke, altbaktr. >- , in» Armenischen ^,3, z. B. : ^6(^06 (^carhij leben, f>6c?i^ (cardj Leben, vgl. altb. ''■"f (carj, allind. car. ^oI'Q? (cesQ Auge = altb. \"(>^r (casliman), neup. ,r^ (casmy. 2)n^o6 (ficin) backen := altbaktr. f^'eJ (pac), altind. 2)ac, neupcrs. O^'^ (pukhtanj, Präs. <.Jj Q)az(ü7i), arm. Ä*. cranischem c herabgesetzt, z.B.: ^oi^^p ffjird) Wort, ^^(^^b (yurin) reden, vgl. altb. \\ti^ ({ß^'O ''cJen, Skr. ->" Cv^'f'Jf neiip. Cf^j^ (sökhian), Präs. ^j^^.^ (soxam). oo6r^ob (tha{iin) fliessen = altb. r'-«?» (tue). 3. ralu(u-Iiiiiguali>. Was diese Ciasse betrilTt, so kommt sie nur dem Tagaiirisclicn Dialekte zu. Der Ausspiacbe nach entsprechen t' niid ^/'den gleichen böhmischen Zeichen. Ihrem Ursprünge nach sind sie aber keines- Mcgs aus Dentalen entwickelte Palatale, sondern gehen — wie die gewöhnlichen Palatale — auf ältere Gutturale zurück; z. B.: Tag. t1 wer, welcher = neup. ^ (kih), altb. \^ (ko), altind. kas. i'jpai^ Liciit = neup. pj^ (cirdgh), armen. 2^/.«"/ (('rag). Tag. 'Vipeii Kalk = Dig. kipe, arm. ^/'/. (kirj. Tag. Vipicxe XpiGzog = Dig. kipicTC. Tag. TCMa Boot = Dig. kcAia (dem türkischen ^ ent- nommen). Tag. ^ayp Ungläubiger = Dig. rayp (dem türkisch- arabischen ^15^ entlehnt). Tag. JiK^ij, Acc. und Gen. sing, von Axr Mann = .larij etc. 4. Dentale. t kommt in echt ossetischen Formen im Anlaute nicht vor, wofür dann th eintritt; sonst entspricht es altem i, im Allindischen rT , ^ , im Altbaktrischen ^, im Neupersischen O , im Armenischen ««; z. B. : (^6bg) (rast) gerade, recht = altpers. rd^la, Pehlewi riDNI (rd£t), neup. C^\j (ragt). ^Qi>^ (sfal) Stern = altbaktr. S^*^" (gtdre), altind. s^/-, neup. ijll.o (sitdrah), arm. iu„u,'i^(^asfi>). ^(^^^ (stag) Knochen, Bein = altb. -»^"" (agla), altind. asthi, neupers. o\^-^\ (asta-chFdn). ^q^<^ (stur) Lastlhier = allbaktr. -»»^'t-sf*' (gtaora), neup. j^-j (siitur). ob0>o(^ (istir) gross, altind. sthula, sthavara, armen, «//n»!..///. (stovar) feststehend, ragend. ^S^nh (datin) geben = altb. (ij^ (dath). bolg-nS (sislln) aufstehen = altb. •»■" (gtd), altind. slhd. bQ'63n6 (stavhi) loben = altb. >jI«j (sutndan). öIq) (ast) acht = altbaktr. |--^*' (astan), neupers. J— lit. (liast). d entspricht altem d, im Altindischen ^, \, im Altbaktrischen ^, 0., im Neupersischen J>, J> , im Armenischen 7; oft ist es aus 154 Dr. Fr. Müller ursprünglichem t herabgesetzt, entspricht also im Altindischen cT, im Altbaktrischen ^, im Neupersischen j», j> , im Armenischen ««; z. B.: 1066^063 (dandag) Zahn = altind. danta, altbaktr. \\'»'^j^ (daniuno) [Vend. IIJ, neupers. ül-^o (danddn), armen. «"«/""'■!« (atamn). «gi^^oög (^mlag) aufsteigender Weg, vgl. altb. --«W^J^j (eredkwa), altind. ürdhva. ap^aer Hiilfte, vgl. allb. -»^S''- (aredha), altind. ardha. ^yap Thür = altpers. duvara, altind. dvär, neup. j :> {darj. ioöi^^n (darghj lange = altb. --«^^ (darcgha), altind. dirgha, neup. ^Ij^ (diräz). It^^ (sardj Sommer, vgl. altbaktr. -»ßj'^^ (^garedha) Jahr = neup. Jj^-^ (^sdl), üvm.'iji"i-'uiiiu(itf. (^nava- snrdj „Neujahr", Name des ersten Monats im altarmenisclien Kalen- der, unserem August entsprechend, altind. garad „Herbst", göt^igoö {zarda) Herz = altb. 6>ü^^{^?C (^zeredhaem), altind. hrdayam. \o^ CfidJ Vater = altb. \'^'>^*ö QyiiareJ, i^»y (^murdah). ^y du = altb. €^s? (tum), altind. tvam, neup. y 0^0- ^^f^^rn-G^ip (barzond) hoch = altb. t^il}i) (berezat), altind. byhat. th entspricht altem t, im Altindischen cT^, '^^, auf eränischem Gebiete einem durch Einfluss folgender aspirirender Consonanten entstandenen th, also im Altbaktrischen «i, im Neupersischen ^>i, &, seltener J, im Armenischen /^; im Anlaute vertritt es gewöhn- liches t; z. B. : ^o(^co (firth) Sohn = altb. -»^ej (piithra), altind. pntra, neup.^-^^j (pusar). 6(^ot (arth) Feuer = altbaktr. {^«;<>-' (dtarej, vgl. aber -»»"'S^ (dthrava) Feuerpriester, altind. atharvan, neup. jj>i (ddar). örnmö (artha) drei = altb. 'M (thri), altind. . tri, neup. Ä-.0 (sih). ^6co66 (fathan) Breite = altbaktr. -uj-ci-e) fpathnnaj, vgl. neup. ^y^ Qja/KüiJ. oDÖrnbot (^tharsiii) sich fürch- ten = altb. "5^(<;f (tereg), neup. ö.a..-j^^ (tarsidan), altind. ^r«s. cn6^nfe (ihagui) tliessen = altbaktr. f*»!? ßac). Tjaenser dünn = Skr. taiiu. .1. Labiale. // kommt im Anlaute nicht vor (dafür steht f = ph); sonst lässt es sich auch selten nachweisen; es ist wahrscheinlich gleich altem p. In ö"j)l6(^ (^iipar) „\\q\" = altb. jl-uiTci-f (valhwarc) Beiträge zur Laulh-liie des Osselisclien. 155 entspricht es iv, das dem stummon t sieh ariiiälierte und später dasseihe zu sieh heriiherzog; daher sciireiht Sjögren richtiger Hynria'p. b entspricht altem b, im Ältiiidischen ^ , im Althaktrischen _j, im Neiipersisehen <— ^, im Armenischen /■; ebenso allem v, im Altindischen ^, im AUhakfrisclien ^, im Neupersisehen ^, ^ (dar- über vgl. meine „Beilriige zur Lautlebre der neupersischen Sprache", S. 8, und „Über die Stellung des Ossetischen im eranischen Sprach- kreise", S. 10}, im Armenischen p, 7-; oft ist b aus altem p herab- gesetzt; z. B.: 66(^2nrh6^ (barzond) hoch = alth. t^ii^i) (bvrezat) oder_^sJ^ (^bereza), altind. rrhat, brhat, neup. jy (biirz) Höhe des Körpers, arm. pmpip (barCrJ hoch. 5o(^6^ (biragh) Wolf = altb. -"jVjI? (vt'hrk(i), altind. vrka, neupers. ,l3^ (yui'())- 5o66^ (bhiadj Zuflucht, Zufluchtsort = neup. iU (phiäh). hS'^hS^ (bam- bafi) Baumwolle = neup. fpcmbah). öiney Kind = neup. i^ (bac(ih). a\i6yA faul, aMÖyjyH faulen, altb. ^e) (pu), altind. yu, griech. nv-eiv. b) Dauerlaute. 1. Spiranten. q entspricht altem st", im Alfindischen '^, im Altbaktrischen t^, »«y, im Neupersischen j»- , im Armenischen.^. Rosen und Sjögren machen zwischen hh und q keinen festen Unterschied, was beweist, dass sie wie die neupersisclien ri- und y>- fast gleich ausgesprochen werden. Beispiele für q sind: h^^ (i^^''0 -'^^P Sonne = altb. {''*>»ü' (hvcire), altind. svar, neup. j^ (kliFcir), j.^::jjj^ (khFur-sedJ. tnv (qo) xope Schwester = altb. 'ö>>m>'^(qnnhare), altind. svasar, peup. ^^^^ (kliFaluirJ, arm. ^yp ((]ojr, spr. quiv). ^3^5 (qed) Schweiss = altind. sveda, neupers. ^5^^ (khr(ii), armen. ^f>i'">'i> (^q{rt-7i). Ij6(^n6 fqarinj xapyn essen = altb. ^«{^ C'l^^^O' iieupers. O-^jy^ (khFardiüi). ^00-606 Qjoiiin) xoHyH rufen, vgl. altind. svan und neup. ü^j lj>- (kliFatidan). xe eigen, vgl. altb. -«.»(i*i»e)»ü-eL (qae-paithya), neup. J>j>. (kliFad), armen. ^V^ (in-q-n), altind. svay-ani. y entspricht altem y, im Altindischen ^, im Altbaktrischon Hü, », im Neupersischen ^. p-, im Armenischon ,/. f». Jene im Neu- I 1S6 Dr. Fr. Müll e r persischen und in den neueren indischen Dialekten beliebte Ver- wandlung des y m y kommt im Ossetischen nicht vor. Beispiele: '^^o- jy» I^'»- j^ye eins = Pehlewi "ji'i< (^aiwak), neup. jl» (ydk) = yFali = altb. -«»w (aeva). ja*yH ich erreiche = neup. Ai (^yäbam). In Tag. je«i>c Stute = Dig. acsce, vgl. altb. -»ej«*» fagpaj, neup. <^v-j1 (asp), Dig. jec er ist = Tag. ic (vgl. arm, LJ; tr.i etc.) ist je wie armenisches ir (^e = äj zu betrachten. s und z kommen ziemlich selten vor; sie finden sich im Digori- sehen Dialekte statt s, z des Tagaurischen. Lautlich entspricht s altbaktrischem ^, im Neupersischen ^, im Armenischen i_, ^, z.B. axmip Milch = axcip, vgl. altind. kshira, nenp.^^ (^sirj. z ent- | spricht lautlich dem altbaktrischen ^, im Neupersischen j, im Armenischen J-', es kommt ebenso wie das neupersische j verhält- nissmässig selten vor. ^ ist derselbe Laut, wie er durch das armenische g und das avghänische p- (stumm) repräsentirt wird, und ebenso entstanden, wie ich es in meinen Abhandlungen: „Über die Sprache der Avghänen", S. 11, und „Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache", II, S. 5, beschrieben habe. Beispiele für ^ sind: (j>gl6(^ (^^upai'J vier = i^yimsep, altb. jl^^üTci^^ (cathware), neupers. ^.^ (cihärj, altind. catvar, avghan. j_ji=- (^^alörj. «i>iqvH, «tii^yn kochen = ^n^n6 (^ficiu^, altb. Y"ö Q)acJ, neup. »Jj Qyazam) — z zwischen Vocalen für :;, das dem Neupersischen gänzlich mangelt, qap, i^apM Haut = altind, carman, neup. p^ (carm). uapyH leben, wohnen = fi6mn6 (carin), altb, '^"r (cur). i;a;cTe Auge =^ altb. }^<{2i"^ (casJmian), neup. s^ (casmj. C ist das armenische i, das avghänische ^ (tönend), und im Ossetischen ebenso entstanden vic dort. Sjögren umschreibt es richtig mit j\,; bei Bösen entspricht ihm eigentlich 9 (^dzj; jedoch finden sich die meisten Wörter, die hierher gehören, mit ^ ge- schrieben vor. Es ist dies eben dieselhe Erscheinung, wie wenn wir q = ^ angetrolTen haben und im Armenischen 5- älterem y ent- sprechend antrefFeu. Ii und ^ sind eben die älteren Laufstufen von U und fl,. Dem meist im Digorischen sich findenden fl, steht im Tagaurischen in vielen Fällen 3 gegenüber (vgl, armen. «J und neup, j); z. B.: Dig. /^aityii sagen = Tag, aauyn, Dig. /^ap^la/^aHe Beiträge zur Liiiitleliie des Ossetischen. 157 Kanone = Tag. aapMa.vm, grusinisch 86(^&6266o (zarbazaiiij. Bei- spiele für C sind: co/^yH brennen = ^^X^'^ (suyin), ncup. oj^«- (sözam) icli brenne, altb. r"»" (^ticj. «i'On,\ fünf = ^fT>-6r^ (funy), neup. <^' (panfj), allb. i-r-^-e) (pam'an). anin.^yii aufhängen = neupers. p^^I (ihcczam) ich hänge auf, Inf. ö'^,^^ fdwckhtan). s. Der Unterschietl zwischen dentalem und pahitalem . (sdlj, vergl. ^««t/i/z/w/i/f. (nava-sard) Name des ersten Monats im altarmenischen Kalender, altind. garad „Herbst", ^fec zehn = altb. j^^j (dagan), griech. oixa, lat. decem. ^6fnb (fars) Seite, altb. >-"J^?e) (peregu) Rippe, Seite, altind. purgva, Urdu ^-jL (pdsj. \iS^ (sarj Kopf = altb. -m'*»^ (gara), neupers._^^ (sar), altind. giras {= garas, wie dtrgha = dargha), Urdu^^-^** (slr). (^«gl (ins) Wange = neup. ^j (rukh). s = älterem s: ^(^^^ C^t^'O-) ^^'*o<^''Gi = ^'^h. -«^ij^ (agtn), altind. aslhi, griech. io^iriv, lat. oss-is = osi-is. 6(^1 (ai'sj Bär = arm. «"/»^ (arsh), altind. rksha, vgl. lat. ursus (nrcsus). cmqx ihr = altb. fJ3*'€^>vü (ijushmdkemy, altind. yushmdkam , neupers. Ic^ (mmu). «^ogH (ndchs) Licht, vgl. altb. -"j^hj^:!»'^"^ (vaokhshnaj leuchtend, neup. ^j^^j (roscai). öllö^ (akhsav) Nacht = neup. J-i (sab), altb. j-ö-^ti» (khshapan). ^^\i (f/nO Ohr = altb. j>^ij(j5 (gaosha), neup. ^_p^) (O^O- cxayH loben = altbaklr. >^" (gtu), altind. slu. ot6Ao6 (tharsin) fürchten ^ altb. ^i\^ (tereg), altind. tras, neup. 'ox^y (tarsidan). z entspricht allem fih, im Altindischen ^ , '^, im Allbaktrischen 5', im Neupersischen j, im Armenischen 7, manchmal auch ^ (dem strenggenommen im Ossetischen C entspricht) ; z.B.: 56rf^2nr>-6^ 1) Wie in den neueren indischen Sprachen, wo yi , ^ = ^ und SJ gilt. 158 ^>- F''- Müller (harzond) hoch = altb. t^j^ih) (berezat), arm. p«/.^/» (bai' (liizva), neup. olj (zabän}, altind. ^/Av«. 26i^^6 (zarda) Herz = altb. ckj-c^?'^ (zeredhaem), altind. hrdctyam, arm. «^^», ^s/r/9 — aus ^/»T^ f^MY/^ entstanden. 9o2o6 (miziii) harnen = altb._^'€ ("m*^^, altind. wm'ä, griech. o-^Sy/kf), lat. wim^/o, arm. ,i^^Ä^ (mizel). 62 ^«^^ ich = altb. ^" (azem), altind. a/iflwi, griech. £7wv. Merkwürdig ist das z in 3620 Qazi) Gans = altind. hansa, griech. y^v = yjvrjo-, 36206 (gazhi) scherzen, lachen = altind. Arts, wo man der Analogie nach h, das dem Ossetischen mangelt, erwarten sollte. In manchen Fällen entspricht z, wie altb. (, neup. j, älterem g, g, z. B. : %S^m-h^ (zarond) alt = altind. garat, vgl. altb. --»V^ (zaurva) Alter, griech. yyipoiv, armen. &-^/» fgerj. 2m-6ofc (zonin) sohjh wissen, vgl. altb. i'ü»^^»^^ (dzainti), altind.//««, griech. Yr/vcoaxw. aanser Kind, vergl. neupers. J.jj^9 (farzand), griech. 7£v-. 3aHxa Erde = altbaktr. ^ (zema), griech. 7aTa. /"entspricht altem p, das im Ossetischen im Anlaute immer in f übergeht. Es bildet also den Übergang von der alten Lautstufe zu dem armenischen <^. Im Altindischen entspricht ihm ^^, im Altbaktri- sclien ej, im Neupersischen l_> ; Beispiele dafür sind: ^66^063 (fandag.) Weg = altind. pcmthan. ^60166 (fatlian) Breite = altb. -i'j-ii^ej Q)ath(ma), neup. ^^ (pahan), ^o(^co (flrth) Sohn = altind. putra, altb. -«'U>e) (pnthra), neup. ^-^j Qmsar). \6c^h (fars) Seite = altind. pdrgva, Urdu j,*jI (pds), altb. >"J^Jü (peregu), neup. ^^^ {pahluj. \rcY-h ffosj Herde, Vieh = altind. j)agu, altbaktr. >>»*'«) (pagii). ^6<^ln6 (farsin) fragen ^ altind. /)mt't%, altbaktr. =>>Vlö (percgj, neu^i. C>^-'-*'j> (piirsidanj, armen. ^tufiy.u'i.Li^ (har^anel). ^obo6 (fisinj schreiben = altpers. ni-pistanaiy. ^nfin6 (ficinj kochen = altind. pac, altb. y"^ (pacj, neup. Ov'S^ (piikhtan), vgl. arm. ^J««^ Cl'^^^^J Brot, phrygisch bei Herodot ßt/iog. ^fT>-6^ Cß'^fjJ fünf = altind. panccin, altb. j^'f^-e) (paiican), neup. <^i (pang), armen. ^J^i»^ (hing). Manchmal ist /" im Ossetischen gleich dem ej im Altbaktrischen und C-» im Neupersischen nach g aus altem v erhärtet, z. B. : a*ce Beilriige zur f^atitlnlirc des Ossetisclion. 11)0 Stute, vgl. altind. «ft'rt Pferd, altbaktr. -»a"*> farpa), neiip. u^-j1 (^nsp). In manchen Fällen entspricht es, wie ^ im Gricchisclien, altem bh, z. B,: ci.ayH sein = allind. bhu, griech. yu-. ap«i>yi; Angenbraue = altind. bhru, griech. ofpvg. V entspricht altem v; oft ist es aber als Erweiclmng aus altem b, p hervorgegangen. Die im Neupersischen so beliebte Verwandlung des alten v in b im Anlaute tritt im Ossetischen nicht so häufig wie dort auf. Beispiele: 03 (^ivj eins = altb. --»w- (^acva). ^63 (sav) schwarz = altind. ^yävu, altb. -"»->"" (^cydvaj, arm. «ii-«««- (^seavj. 365)6 (vaJa) oben, 362P63 (^vaUig.) hoch, oben befindlich, vgl. neup. ili (bdlaj. 36^ (vad) Wind = altind. vdla, altb. -»^'»^ (vdtn), neup. ^\> (bdd). 36(^06 (varin) Regen == aliind. vdr, altb. -»^■"!? (vdra), neup. üb^ (bdrdn). 561^02 (^varig.) Lamm , vgl. neup. a/ (barah), Pehlewi "[m (icarak). 6350 (avd) sieben = allind. saptan, altb. j-!?ü^ey (haptaii), neup. ».iXiib (haft), armen, ^l/3^/ (^evtkn). Q^^S^ (erivad) Bruder, Genosse = allind. bhrdfnr, altbaklr. {'»(j»*;;!) (brdtarcj, neup. j.i|^j (birddar), arm. tr'ip"(jr (epbajr). Oft ist älteres aus ?< entstandenes ü hier wieder in u aufgelöst, z. B. : ^yse zwei = altind. dvau, ^y^p Thür = altind. dcdr, 2. \asale. Nebst den beiden allen neuen eränischen Sprachen zukommen- den 7i und m hat das Ossetische — nach Sj ögren —einen gutturalen Nasal ii. Dieser ist keineswegs mit dem vJ im Altindischen zu ver- gleichen, sondern dürfte passender an allbaktr. }, das meist mit ev verbunden auftritt, angeknüpft werden. Er ist meist aus einem älte- ren vollen Nasal abgeschwächt, z. B. : /\yHe Rauch = altind. dhuma. aaiixa Erde (= 3aHaxa?J. vgl. armen. au.f'Hp (^nmaq) = qu^Jlnp (zamaq), altb._«J^ (zcm) Thema für die obliquen Casus von J-;^ (zao), neup. OW (zamiii), eigentlich Adjectivum, mittelst des Suffixes aena vom vorhergehenden gebildet. n entspricht altem n, im Neupersischen i> , im Armenischen^/, z. B.: HaM Name = neup. Xj (ndm), arm. .uli»,-!, (anun). HcyaK Neuigkeit = griech. •AF'^g, allind. nava. m entspricht altem m, im Neupersischen «, im Armenischen J] z.B.: HKM Mutter = neup. ^jL (mddur), altb. jW-c (mdtarej, Sil/.h. d. phil.-hisl. Cl. XU. IUI. II. IUI. 1 i 1 60 Dr. Fr. Müller arm. J^'"jp (mnjr). Ma.ia'^ To(i, vgl. neup. ö^^ (nnirdnn) sterben, altb. ihi (mere), armen, •fbn.tu'i.f.f^ (meranil). Mapij Vogel ^ neup. ^^ (murgh), altb. V'^ijsc Qneregho). 3. Liqiiidae. / entspricbt altem l. Ohscbon der Z-Lant den älteren eräniscben Sprachen mangelt und im Armenischen ein reines / lange nicht existirte, ist er im Ossetischen gleichwie in mehreren Fällen im Neupersischen (vgl. meine Beiträge zur Lautlehre der neupersischenl Sprache, S. i9) ein sehr beliebter Laut, indem es oft dort, wo alle' verwandten Sprachen r zeigen, auftritt. Man vergleiche: 3650)6 (^walaj oben, neupers. ^Ij (bald), ^o^ögncnf (fidaltha) Väter, vgl. neup. j J^> (pidar), altb. s1- (niör), altbaktr. j^'^-e (maoiri), arm. J}.2l,A (mrsliuui}. bg'ögp (stal) Stern, vgl. neup. lijc^ (sitdrdh), alth. e^««?*» (gtdrej, altind. str, griech. a^rr^p. 66gn (nal) iVIann, männliches Wesen, vgl. neup. y (narj, altind. nara. Sögnöcn (mulath) Tod, vgl. neup. ö^» (murdan) sterben, alth. dj« (mere), griech. ^rjozig; vergl. dazu 9627126 (malga) „sterblich" und a\iapyH „tödten". r entspricht altem r, z. B. : hS^%rn-h^ (harzond) hoch, vgl. altb. l*^C?^ (berezüQ, altind. brhat, vrhfit, arm. piup&p (bar^rj. ^6fn^ (dargh) lang = alth. -«^^'a (daregha), altind. dirgha, nenp. j\j-^ (dirdz). <^6l;g) (rast) gerade, recht = neupers. C^^ (rdst). t^gi^ (qnr) Sonne = neup. j^t>. (kliFar), X^jy>- (kliFnrsed), altb. {'«»ü» (hvare), altind. svar. II. V 0 c a 1 e. Was dieVocale betrifft, so sind wir vermöge des Mangels einer von den Eingel)orenen angewendeten Schrift, aus der sich die Ent- wickelung der Laute stuiliren Hesse, nicht im Stande, Längen und Kürzen mit Sicherheit zu scheiden. Es ist die Frage, ob der Unter- schied zwischen diesen beiden — «ie auch im Armenischen ge- schieht — heutzutage überhaupt deutlich gefühlt Mird. Sjögren unterscheidet sie zwar; nach meiner Ansicht geschieht dies bei Beitrüge zur I.aiidohrc des Osselisclipn. 1 I) I eiiiiffon Lauten — wie im ArmPiiisrhcn — mit Uccht, wäliroiul mir bei iiinleren, wie i und u, eine solche Sclieidimg heutzulaj^e nicht recht zulässig erscheint. Jedenfalls besass das Ossetische wie alle anderen eranischen Sprachen ursprünglich die drei Grundlaute n, i, u und deren Längen ä,i,u sammt den l)iphthongen (',(), (n,uu. Jedoch von den beiden geschlossenen Diphthongen r, 6, welclie im Avgha- nischen und den östlichen persisi-hcn Dialekten bis auf den heutigen Tag vorhanden sind und im Armenischen vollständig lange vorhanden waren , sind in dem heutigen Ossetischen wenige Spuren übrig ge- biielien. r>as Ossetische schliesst sich hierin fast ganz an die Aus- sprache der modernen westlichen persischen Dialekte an. Dies beweisen folgende Formen: ^osn (migh) Wolke (nur Dig. AiicKa) = neup. ^-^ (megh, jetzt gesprochen nugh), altb. ^-^-6 (maegha), altind. mcgha, armen. Jk^- (mcg). ^^ 6/"*^ ^'"*', ^"^""^ (gns'm) hören = neup. J^}(gos, jetzt gespr. giU), ö X^ß (gd.^idan. jetzt gespr. gHsiden), altb. -»(HJ^-cjs (gaosha). <^ogtb (nikhs) Licht, neup. j^^^ (rosan, jetzt gespr. rusen) glänzend, altb. --üHic^'^-^ (raokhshna). ^^x^^ (sngin) Nähnadel = neupers. Ojj,^ (suzan, jetzt gesprochen sazeii). ^^^x^^ (sugi'O bi'ennen, neupers. ^jj^ (sozam, jetzt gespr. suzem) ich brenne. An's Neupersische lehnt sich auch die Form t>n)<^ Ol^'O Sonne, neup. jj^ (khFur, jetzt gespr. khiir), altb. aber {^-»e)' (hvnre), während die Form t6(^n6 (qarin) „essen", gegenüber der neueren Aussprache des Persischen ö ■^»^j»- (k/wrden, kliüvden), im An- schlüsse an die alte Pronunciation khfardan, altb. "^>''*^'')iL((j((raili) „er isst", einen Zug der Alterthümliclikeit bewahrt hat. Eiffenthümlich ist dem Ossetischen das o (nicht zu verwechseln mit 6 = 011) an Stelle nicht nur eines alten langen d, das sich nach neupersischer Aussprache — vgl. 6fn-9 (nom) Name = neupers. ^ (ndm, aber jetzt im westlichen Persien tiöni gesprochen^ — erklären liesse, sondern auch eines kurzen a, z. B. : hStfiZm-b^ (barzond) hoch = altb. gXj^ (berezntj. 26<^nr>-6ip (zarond) alt, vgl. altind. garat. hcvr^S^fnowag) neu, vgl. altind. nava. \^^% (fongj fünf = neiij). gt (pd'KJ), altb. j-r^-ü (p(incan). Was nun das Specielle der ossetischen Vocale betrilft, so zählt Sjögren (Memoiren der Petersburger Akademie, Serie VI, Tom. MI, II* |ß2 Dr. Fr. Müller S. Ö74) deren zehn auf, nämlich a, ae, e, e, i, o, ö, (o i), y, v, von denen nach ihm e, ö, co stets kurz sind, während e stets als lan«,^ auftritt. Die übrigen sind sowohl kurz als lang, wornach sich, wenn man die entsprechenden Längen noch dazu zählt, der Stand der ossetischen Yocale auf sechzehn oder vielmehr (da auch ie als Nebenart des e dazu gezählt werden muss) auf siebenzehn stellt. Dies mit dem ursprünglichen Stande der Voeale und einfachen Diphthonge (n, i, n, a, t, n, e, 6), der durch die Zahl acht reprä- sentirt wird, verglichen, ergibt eine Differenz von neun. Es liegt also im Ossetischen eine ziemlich bedeutende Entartung der älteren Lautverhältnisse vor, welche vollkommen der in den modernen west- lichen persischen Dialekten vorhandenen entspricht. Daneben lässt sich manches Alterthümliche freilich nicht in Abrede stellen. Der reine Laut a findet sich meist in den südossetischen Dia- lekten, in den nordossetiscben aber verhältnissmässig selten. Manch- mal ist er jedoch sehr alterthümlich, und kann hierin das Ossetische sich mit den ältesten Sprachen unseres Stammes messen. Beispiele: Dig. cap Kopf = neup. j^>> (sar), altb. -»^"" (gcira), altind. aber giras (statt garas). wap^, 96(^^ (margh) Vogel = neupers. ^ (murgh), altbaktr. ■*"^S6 (mereghu), altind. mrga (statt marga) ^,\ViId". ^627.9 (kalm) Wurm, Schlange = altind. krmi (statt karmi). 96i^^ (mard) todt = neup. ^.^y (murduh), altb. -»^J^ie (mereta), altind. mrta (statt martä). 26(^^6 (zarda) Herz = altb. 6)ü"^j^sC (zeredhaem), altind. hrduyam (statt hardayam). Am besten bewahren das a die südossetischen und der Digorische Dialekt, während es der Tagaurische meist in ae, e schwächt (wie das Neupersische), z. B.: Tag. Mse.iyH sterben = Dig. Ma.iyH, siidoss. 962T)n6 (malin). Tag. ;\«TTyH geben = Dig. TaxyH. Tag. aexcseß oder excsBB Nacht = Dig. axcana, südoss. fihhS^ (akhsav). Jedoch neigt sich hierin das Digorische mehr zum Tagaurischen als zu den südossetischen Dialekten, z. B. : Dig. /^ec zehn = Tag. ^8bc, südoss. ^S\j (das), altbaktr. \»^^ (daran). Dig. /^en^ax Zahn = südoss. ^66^63 (dandag), altind. danta. Aber auch dem Südossetischen ist 1) fiehöit strenge genommen nicht liii-rlier; denn es ist nielits anderes als ß^wie arab. 5 oder englisches »c gesprochen. Beitrüge zur I^;ititlflire des Osselischeii. 1 Ou eine solche Schwäcliung nielit fremd, z. B. : (^q^q (vestj Auge = altl). {-c^-r* (vt(shman), npup. r-^ (cahi, jetzt gespr. cesm). Bekanntlich sind die vocilischen Suflixe und die V^ocalanshiute der niitConsonanten anlautenden Suflixe in den tnodenien eranischen Sprachen — wie in den modernen indogermanischen Sprachen iiher- l,;m|,t — fiist sännnllich gescinviinden. Einen meikwürdigen Üherrest dieses aus älterer Zeit stammenden Erbgutes hewalirt aber das Digorische, indem es den Vocal — meist a — entweder unversehrt oder in e geschwächt (gleich dem allslavischen ä) darhielet, z. B. : MJeija Wolke = Tag. m!»,', altbaktr. --^-e (maiujhnj, neupers. ^-^ (rnajh). ea^c Sturm, Wind = Tag. Ba^, altb. -»^-'!? (enta), neup. :>L (bäd). a.i.ce Stute = Tag. je*c, altbaktr. --ü«- (ftfpfij P^erd, neup. u.-v-'l O'^lO- ^''^AC Mutter == Tag. Ma,^, altb. j^-«?—« (mtUare), Nom. ^s-»« (milta). *i^e Vater == Tag. *i^, altb. {'-^i (maidlii)a), aitind. madluja. hvx Nagel == Dig. nix, 6oTj (nihil), aitind. nakha, neupers. j^\> (ndkhun). *vuvii kochen = Dig. *i^yH, ^oi^o6 (ficht), altb. r'*'ü (pfic), neup. p^j (pazam) ich koche, öiney Kind = neup. a^ (bacah). In ähnlicher Weise, wie wir bisher a in ^/f, c, /, r übergehen sahen, finden wir dasselbe anfeinem entgegengesetzten Wege, näm- lich nach o und y (vergl. Ähnliches im Lateinischen). Beispiele für o = ä sind bereits oben angeführt worden. Für y, das besonders im Digorischen auftritt, mögen folgende Fälle als Belege gelten: Myr Honig, Meth = aitind. madliu, griech. [xi^u. Ay'^'y" ^'i»sen = neup. ÖJ^-oJ (dunudan), aitind. d/uim. Eine nicht unbedeutende Rolle spielt « und dessen Vertreter ae, e in einigen Fällen, wo älterer zusammengesetzter consonanti- scher Anlaut vorlag und wo die Sprache, um nicht das Wort hier 164 l>i-. Fr. M aller verstümmeln zu müssen, du es nicht jene Freiheit in Bezug auf Zusammensetzungen vonConsonanten im Anlaute wie das Armenische besitzt, zu ei'iem Mittel greift, das dem im Neupersischen angewen- deten ziemlich ähnlich ist. Es wird nämlich in diesen Fällen dem anlautenilen Consonauteucomplex ein a, ae, e vorgesetzt, z. B. : axcBBa Nacht = altb. j-e)«^;^ (khshapan), neup. w^ (sab), axc'p = altiiid. kshira, neiip. ^C» {sirj. axcaa sechs = althaktr. -^«»ö^cy (khshvns), neup. ^J-^ (ms), avghäti. -j^^ (spaz). apT,a drei, »pi^fe = altb. ^'^h (thri). ap«i>yK Braue = altitid. bhrä, griec!». ofp-'jg. apBa^e Bruder = altbaktr. j1-<;»«1) (brdtare), arm. l^'iP'"jp (epbajr). Was nun d betrifft, so scheint es in der jetzigen Sprache nicht mehr so lebendig als solches gefühlt zu werden. Das Einzige, was es vom ä unterscheidet, ist, dass es jenen Veränderungen, die letz- teres durchgemacht, nicht unterworfen war. Es behauptet sich überall als a; nur in manchen Fällen neigt es, wie das moderne persische ä (welche Erscheinung aber schon im Altbaktrischen vor- kommt, z. B.: efeys^e (md"hi'm) = aitind. mdsam, den Mund) zu d hinüber. Falle dafür sind: Ba/^e Wind, Sturm, sa^ = altb. -- (rast) gerade, recht = neupers. C^j (rdst), altpers. rdgta. hom Name = neup. >(> (ndm), aitind. ndman. ijapoH Ende = neup Oy (kardn), i>s'>\ß (kardnah). A^hb, /^OH ein Element, das, um ein ßeliältniss zu bezeichnen, Substantiven angehängt wird ;= Ol^ (ddn), aitind. dhdna. Was altes i und u betrifft, so haben sie sich vor jeder Ver- änderung und Zersetzung viel besser bewahrt als altes «. Sie ent- sprechen überall jüngeren i und u; freilich scheint bei ihnen das Gefühl der Quantität noch mehr abgeschwächt worden zu sein als bei a. Man vergleiche: ihckj zwanzig = aitind. vhigati. axcip Milch = aitind. kshira, neup. ^O (sir). aivifer Winter = altbaktr. ■^ (zima), aitind. hima. M\.i,\ Lohn = altb. j|^^6 (mizda), neup. J>J^ (mizd). Dig. T,apyH Jüngling =^a'.tb. -»j)^)-«? (tauruna), aitind. faruna. Dig. cTyfl, Lob = aitind. stiiii. Dig. cryp gross = aitind. Beiträge zur Lautlehre dos Ossctisvhen. 1 OD sthulti- ^j^scy^s Cf^"(f'f/.J 'l'lii»N Vgl. iieiip. ,'*io>a(i)uthru), iieiip. ^-j fpiisarj, altiiid. piUra, und obg>orfi fistir) gross = altind. sthulii, worin ein IbergrciftMi des n in / hervortritt, im Gegensalz zu dem oben betrachteten i'bers[»ringen des «, i in n. Dass jüngeres «, u ut't älterem « entsprechen, haben wir üben gesehen. Was nun die beiden gesclilnssenen Diphthonge e, 6 betriH't, so sind sie meist aus dem heutigen Ossetischen geschwunden und wie im Neupersischen in i, ü übergegangen; nur der Digorische Dialekt zeigt von ihnen einige Spuren; z. B.: AieayH harnen =^ Tag. Mi;jvi[, altb. ^w*»« (maez). xer Brücke und Scliweiss = Tag. xi^, alll». x^tü-ey (luK'tn), altind. sveda. Mie^a Wolke = Tag. wxv,, neuj). sLwo (megh), altb. -»"jHj-e (macyha), altind. mcijlui. an.^iccyH ich zeige = Tag. an.^cvH, altb. "«i»)«-^ (dacQny-). ^oc Ohr = 3.n)b (giis), altb. -»jHjf-iw ((jaosha), neup. ^ß Cß^O- Aus dieser kurzen Darstellung der wichtigsten Puncte der ossetischen Lautlehre ergibt sich zugleich auch die Rangordnung der ossetischen Dialekte. Auf der ältesten Stufe stehen olTenbar (angenommen, Rosen iiabe seine Aufzeichnungen nicht etwa der Schrift, die er gebrauchte, manchmal angepasst, sondern streng nach dem Gehör wiedergegeben) die Dialekte Südosseticiis; an sie reiht sich der Digorische Dialekt (vgl. u. a. S. 9, 15, 18). Den letzten Rang nimmt der Tagaurische Dialekt ein, der in manchen Puncten so ziemlich dem Neupersischen sicii nähert. 1G6 Oseiibriiggen SITZUNG VOM 11. FEBRUAR 1863. Vorgelegt: Rechtsallerthiimer aus österreichischen Pantaidiugen. Von Eduard Osenbrüggen. -§. 1. Den Mundarten der deutschen Sprache, wie sie von Niedersachsen und Schweizern, Altbaiern und Pfäizern, in Tirol und am Niederrhein etc. gesprochen wird, sind vergleichbar die Verschie- denheiten des Rechts der deutschen Länder, als dieses Recht noch derVolksthümlichkeit gemäss sich bildete und erhalten wurde, denn Sprache und Recht in freier Bewegung sind Erzeugnisse des Volks- geistes. Wie die Mundarten noch bis zur Gegenwart am reinsten erhalten sind auf dem Lande, in grossen Städten sich bisweilen zu grossen Corruptionen gestalten, so war es mit der Volksthümlichkeit der bäuerlichen Rechte, die ihn zäher Tradition unverändert von Geschlecht an Geschlecht gewiesen wurden. Wenn ein Zweifel entstand, so hatten die ältesten Leute der Gemeinde aus dem Schrein ihrer Erinnerung darzulegen, welches Recht von ihren Eltern und Voreltern „auf sie erwachsen" war i). Bekanntlich verwendet man jetzt den Namen Weisthümer, der freilich einen noch weiteren Umfang hat, vornehmlich für die Hof- und Dorfrechte. Diesem Namen nahe verwandt ist die Bezeich- nung Offnungen in der Schweiz und auch in deren Nachbarschaft (Baden, Baiern, Tirol). In Österreich ist der gewöhnliche Name Pantaiding oder Pantäding; daneben, wie in Baiern, Ehe- haftrecht, Eetaiding, ehehaft Taiding, und für eine sehr gewöhn- liche Art in Gegenden des Weinbaues ßergtaiding. In vielen der ') Grimm, Deutsche Rechtsallerthiimer 772; dessen Weisthümer III, 737. Rechtsalterlhiiiner aus östeiTeichischpn Panlnidiiigeii. 1(>7 botreirenden R<'chts(leiikmälei' in iler grossen Sammlung von Kalten- haeck wird eine Erklaiung von Patilaiding gegeben, die zwar das Wesen angibt, aber scbon über den Bucbslabensinn binaus- gebt. I, 3: „Zu merkben, was ain pantaiding sei, das bedewt als vil geredt bey dem pan und der gehorsam oder an Aydes statt nicht anders denn die lautter warbayt und gerecbtigkait" (s. aueh II, 3. IX, 2 n. s. w.). Taiding (Täding, mbd. Tagedinc) ist: die auf einen Tag anberaumte Versamnilung, nicbt blos Geriebt, denn es wurden auch viele aussergerichllicbe Sachen verhandelt. In einem lateinischen Weistbum aus Tirol (Grimm, Wstb. III, 733) steht dafür der allgemeine alte Name placitum i); Ehehafüaiding ist demnach: placitum legitimum und engverwandten Sinnes ist Pan- taiding: das unter dem Bann stehende Taiding. Dieser Name wird jetzt freilich sehr gewöhnlich anders erklärt. Kalte nbaeck (V^or- rede S. VIII) sagt "): „Pantaiding heisst das für einen bestimmten Bezirk (Pan, Ban) an einem angesagten oder herkümmlicben Tage abgehaltene Geiicbt — oder ist der Inbegriff der Rechte und Gewohnheiten, nach welchen auf dem, für einen streng abgegrenzten Bezirk ausgesetzten Gerichtstage (Tageding) entschieden wurde". Allerdings war der Bezirk für ein Pantaiding streng abgegrenzt und wird an unzähligen Stellen genau beschiieben, aber in diesen Be- schreibungen ist der Bezirk nicbt als Bann bezeichnet, wie man nach jener Erklärung des Wortes Pantaiding erwarten müsste, sondern durch Gebiet, March, Gemerk, Zirk und March (CXVI, 7), Gerichts- fang u. s. w. ; dagegen finden wir oft Verbindungen wie: „Pan und Gewalt« (Kalt. LH, 51. LXIII, 39. — XXX, 5. XXXI, 6. XXXII. G. LVI, 104. Grimm, Wstb. III, 694). Bann = Bezirk ist erst abge- leitet von der ursprünglichen Bedeutung, die noch in Pantaiding liegt^). Bannen (ahd. panncn) heisst: „bei Strafe gebieten oder verbieten" ») Grimm R. A. 748. 2j Vgl. aiu'li von Ka ra j an in Clitnel's österr. (icscliiclitsforscher II. (1841), S. 119 ff., dessen Ahhandiung- iiljcr die Banleidiiige siel) dieselbe Aul'gahe, welche Jakoli Grimm in einer Einleitung- zu seiner Sammlung von Weistliiiraern lösen wollte, liinsiclitlicli dieser Reclitsquellcn aus Österreich gesetzt hatte , leider aber das Schieksal des „Ge.sfhichlsforschers", nicht fortgesetzt zu werden, Iheilte. S. ferner Tomaschek, Deutsches Hecht in Österreich S. 130, Anm. 2. M o n e , Zeitschrift für die Uesch des Oberrheins I, 3, der Pantaiding durch Gemarkungsordnung übersetzt. 3) Wichtig ist, dass Pantaiding oft durch iudiciuni jicremtoriuui übersetzt wird; s. Tuniaschek a. :t, ü. 13ü, 131. Ibo Osenbi'iiggen und die im Baijn liegende Verpflichtung zum Erseheinen aller zuge- hörigen Personen zum Taiding (Dingptliehtigkeit s. XLIV, 51. L, 4. LI, 1. LXXVIII, 3. CLXXVIII, 13) i) ist in den Pantaidingen in fortwährender Wiederholung stark ausgesprochen, indem auf das Nichterscheinen Busse gesetzt (Grimm, Wsth. III, 680. 687. 699. 710. 716. 721. 733. 734) oder seihst Verlust des Lehens gedroht wird (Grimm, Wsth. III, 726). An einer der genannten Stellen (III, 680) ist sogar der Zusatz gemacht, dass dem Ausbleibenden, wenn er, die fällige Busse nicht zahlen könne, der Ofen in seinem Hause eingeschlagen 2) werden oder falls kein Ofen im Hause sei, er in der empfindlichsten Weise in seinem ehelichen Rechte gekränkt werden solle. Mag man das Erstere Alterthümelei, das Zweite burlesk nennen, so wird doch dadurch die Dingpflichtigkeit deutlich urgirt. Aber nicht blos das Erscheinen war Pflicht, sondern auch das Aus- harren bis zum Ende des Taidings bei derselben Busse geboten (XXI, 6. CVIII, 4). Ehehafte Noth konnte natürlich von dem Nichterscheinenden geltend gemacht werden. Grimtn, Wsth. III, 680: jjdoch werden ausgenommen und des aussenbleibens entschuldigt so mit feuersnot umgeben, mit wasser umbrunnen, oder welches ehemahl imgehurts nöten wäre". An anderen Stellen werden genannt: Gottesgewalt, Herrnsorg, scheffertige Wasser, Gefängniss u. dgl. (XCI, 1. CLX, 11. CLXXXII, 3 3). Wen ehehafte Noth säumte, der sollte doch seinen Scheinboten *) und seine Gerechtigkeit schicken (XXX, 5. XXXIII, 6. XL, 3. LI, 1 u. a.). Der Bann, dessen Zeichen des Richters „gewaltiger" Stab ist, erstreckte sieh weiter auf Ruhe und Ordnung in der Versammlung und niemand durfte ohne Urlaub reden. 1,7: „Dy weil der Richter mit gewaltigem stab an der Schrann sitzt, soll niemants an urlawb in dy schrann reden , wer aber darüber verprach und an urlawb in *) Ich werde im Folgenden die Weisthiimer ans Ka 1 1 e n haeck's Sammlung in dieser Weise, ohne Wiederholung des Namens citiren. 2) Vgl. Grimm R. A. 792 a. E. 3) Chabert in den Denkschriften der k. Akademie der Wissensch. philos.-histor. Classe IV. (1853), S. 42. Tomaschek a. a. O. 179, 299. Grimm R. A. 847. 4) Mit Scheinbote -Bevollmächtigter (vgl. Schwsp. 34 W. ; Schmeller, bayer. Wörterbuch III, 366) wechselt: Beredbote (Grimm, Wsth. III, 674. 673. 721. 723). — XCIII, 1 steht dafür: „sein volmechtigen Anwaldt", CIX, 1 „sein sich- tigen Potteu« Recht Siiltertliüiner aus iisterreichischen PDiitHidiiigen. 1 ()'f (ly Scliraiin redet, der hat vorwaiidlt von aim y<'glit-liPti , s(tvil diu- »n der scliranii sytzen. 72 PAiiid" (s. aiuli I, 12. II, Ü). — Bisweilen ist auch ein ri»nnIi('lios IJannen des Paiitaidiiig vorgeschrieben (CLXIII, 2) zu dem Zwecke, „dass keiner mit dem andern etwas zu schallen hahe in Übel ohne Recht, bei dem grossen W'andl" (LXXXVIII, 1). Die meisten Bezirke hatten drei Pantaidinge im Jahr, andere zwei und kleinere Gebiete nur eins. Die Tage waren bestimmt, daher sind die Pantaidinge „nngebotene Dinge", zu denen nicht geladen zu werden brauchte, ausser wenn derTag versciiobcn wurde (LI, 1. LVI, 3. LXXVIII, 1. LXXX, 2). Der Sicherheit wegen wurde aber doch eine Berufung drei Tage, seltefier acht oder vierzebnTage oder einen vorher üblich (I, 4. XXX, 5. XXXI. 6. XXXIII, 6. XL, 3. XLIV, 6. XLIX, 1. LXX, 5. LXXIII, 4. CIV, 16. CV, 2. CXXXVIII. 10. 1i) und bei der Umfrage nach der Gegenwart der Ding- pflichtigen hatte jeder anzugeben, ob sein Nachbar erschienen sei (LIX, 23. CI, 2). ^^'er, um dem Naclibar durchzuhelfen, das Fehlen desselben nicht meldete, verfiel einer Busse, die meistens gleich ist mit der Busse für das nichtenfscbuldigte Ausbleiben (I, 6. II, 4. X, 3. XIII, 3. Grimm, Wsth. III, 710). — Gegen die Regel ist die Bestimnmng des Tages für ein Pantaidung ganz der Herrschaft überlassen (LH, 1. CI, 7. CXVI, 3). Jedes Pantaiding hatte sein Nachtaiding, vierzehn Tage Jiacbber (L, 6): „Auch melden sy, das yets Pantaiding in vierIzehn tagen sein nachtaiding haben sulle, der gestalt, ob vor was vergessn war, da widerumb zu melden" (s. auch XXXII, 6. XLIX, 1. LXVII, 2. LXXXIV, 5). Die in einem Pantaiding zu verhandelnden Sachen waren in „drei Sprachen« als Abschnitte vertbeilt (I, S. XIII, 3. LIV, 2. LXXVIII, 5. u. a.). Wer bis dabin verhindert zu der dritten Sprache noch erscbien, war von Busse frei (LXXXVII, 1 1). Nacb jeder Sprache konnte sieh die Gemeinde bedenken und Versäumtes nachholen (XL, 29. LIII, 25. LVI, 39. LXXVIII, 22). Abweichend von der ältesten Sitle, die sich noch in der Schweiz erhallen bat, sollte niemand mit WalTen zu dem Pantaiding kommen als nur der Richter oder Vorsitzer des Taidings, die gescbwornen Bm-ger oder Vierer (XL, 3.) und die obrigkeitlichen Diener (I, II. II, ü Grimm, Wsth. III, 720). 170 0 s e n 1) r ii g n^ e n Vorsitz und Leitung des Pantaidings hatte in den kirchlichen und klösterlichen Gebieten ein Stellvertreter der Herrschaft, deren Anwalt, Hofmeister, Richter oder Amtmann (XXXVIH, 1. LIII, 2. LIV. 1. LVI, 2. LXVIII, 8. LXXVIII, i. LXXX, 2), oder der Vogt als Schirmherr des Gotteshauses (Ebersdorf §. 9 ff.) i)- ^^^ie sehr man daraufhielt, das Recht der Herrschaft zu wahren und dem Vogte nicht zu viel einzuräumen, zeigt ein Weisthum aus dem Bereiche des Klosters Melk (XVHI, 4). Nachdeni hier zuerst der oft zur Wirklichkeit werdenden Möglichkeit einer Bedrückung der Kirche durch die Vögte 2) gedacht ist, heisst es weiter: „und derselb vogt sol dy drey percktaidung pei unserm Hofmeister daselbs in unserm hoff siezen. Aber der hofmeister sol an unsrer stat das stebel sälber in seiner hant haben, als unser richter und Vertreter". So wie in den deutschen Schöffengerichten ganz allgemein die Schöffen die Urtheiler sind, welche das Recht finden und ertheilen, so ist es in den Pantaidingen die Gemeinde, welche das Recht bei ihrem Eide reproducirt (XL, 4. LXXI, 2). Als ihr Organ fungirt ein Vor Sprech er oder Redner (LIII, 2, LXX, 7. LXXIII, 7. LXXVIII, 2. LXXX, 2), der „ihnen ihr Recht ausdingt" (LXXXVIII, 9). Oft sind aber ausser ihm noch Weiser genannt, welche als die Kundigen ihm den Stoff mittheilen (LH, 1. LIV, 2. LVI, J>, LXUI, 2 ff. LXXX, 2. LXXXVni, 9 ff. CLXXVIII, 11). Nach Mittheilung der einzelnen Artikel fragt dann der Richter die Gemeinde, ob es ihr aller Red sei (LVI, 9. 10. 18. 20. 23. 25). Hinsichtlich des Formellen ist noch hervorzuheben, dass, nachdem in der Einleitung zu den Pantaidingen gesagt ist (XXXII, 2. XXXIV, 2. XLIV, 2. LXV, 2. 3), die ehrbare Gemein bitte die gnädige Herrschaft, es möge gestattet sein, zwei Leute, einen aus den geschwornen Bürgern, den andern aus der Gemeine zu ernennen, welche die Rechtsverhältnisse der Herrschaft und der Gemeine darzulegen hätten, diese Ernannten dann das Recht, wie es von Alters Herkommen ist, sehr gewöhnlich mit der Formel: „Wir rügen zu Recht, dass etc. etc." im Einzelnen angeben und der Name Rügen und Rügeordnungen ist auch für diese ') Das Banntaidiings-Buch von Ebersdorf , initgetheilt von Aiidr. von M ei Her im Archiv für Kunde österr. Geschichtsquelien. XII (1834). ») Vgl. C li a b e r t a. a. 0. IV, 64. ReclitsaKerlliiimer aus üsterreichisclicii P^mtniilingen. 1 < I Clusse von Weistliümcrn nicht ungowöhnlich '). Jene Verwendung des Wortes „rügen" weicht ith von dem gewöhnlichen Sprach- gohrauche, insofern es nicht im schlimmen Sinne, sondern für „anzeigen", „angehen" gehraucht ist, wasührigens, /.war selten, auch in der nichtjuristischen Sprache des Mittelalters vorkommt ^J. Im Hintergrunde steht freilich immer, wo ein Satz mit jener Formel eingeleitet wird, dass die Nichthefolgung verantwortlich mache und insofern ist eine Kiige darin verdeckt. In den Weisthümern anderer Landschaften sind andere Formeln der Art: „Wirtheilen auch etc. etc." — „Auch weisen sie etc. etc." — »Wir sprechen und weisen zu Recht" — „Darnach ölVent man euch" u. dgl. Ührigens ist auch in den österreichischen Pantaidingen recht hauiig: „Auch melden wir" u. dgl. Damit „das Pantaiding desto stattlicher gehalten mag werden", hat jeder Zugehörige einen Beitrag in Geld oder Naturalien zu leisten, und das ist die schon erwähnte „Gerechtigkeit", die auch der entschuldigt Abwesende einsenden musste (Vlll, 15. XVIIl, 3. XXXIV, 4. XXX VIII, 2. 38. CVI, 7. CXXI, 3. CXXVI, 2. Grimm, Wsth. III, 690. 695. 733). Genaue Bestimmungen über die Contri- butionen finden sich namentlich, wo von einem Vogttäding die Rede ist, wobei auch, wie in unzähligen deutschen Weisthümern, des Futters der Hunde ^) , der regelmässigen Begleiter hoher Herrn, gedacht wird (Grimm, Wsth. III, 686. Ebersdorf §. 12). §. 2. Die Sprache der Pantaidinge hat manche Eigenthümlichkeit und es liesse sich aus ihnen eine beträchtliche Beigabe zu einem künftigen Wörterbuch der Rechtssprache des deutschen Mittelalters zusammenstellen, wie denn überhaupt die Weisthümer , nach Inhalt und Form volksthümlich, eine reiche sprachliche Fundgrube sind, was Grimm in seinen Rechtsalterthümern schon vielfach zur Anschauung gebracht hat. So hat er eine grosse Blumenlese von Allitera- tionen gegeben und solche Anklänge finden sich natürlich auch in den österreichischen Weisthümern: ausser den gewöhnlichen Steg und Weg, Rain und Stein, steinen und rainen, Stehler und Hehler, setzen und entsetzen (CHI, 8), geaint und geraint (XXVIII, 2. *) Rössler, über die Bedeutung und Behandlung der Gesch. des Rechts in Österreich (1847). ürk. S. XXX. ^) Weig'and, Wörlerbucli der dciitsilien Syiionyinen, Nr. 1844, Aiiiu. l. 5) tiriinni H. A. 'iJi 11'. \ i i Osenbrüffffen e> b XXIX, 4), Anlait und Ablait (XXVIII, 93. XXXIII, 80), Bauer und Hauer i) (IV. 4. XI. 4. LXIII, 23. XCVII, 7), „ein jVder Mann mit Fridt soll sein in seinem Haus, als wer es mit einem Faden umbfangeti oder umbhangen" (LXXXIV, 14). Das aueli sonst überall verbreitete „Thür und Tlior" kommt oft vor in der die Hausliäbigkeit unter einer Herrschaft und deren Vertretung der Insassen bezeichnenden Wen- dung ^,niit Thür und Thor bescliliessen" in österreichischen und bairischen Weisthümern 2). Grimm, Wsth. III. 721 (723): „Item, darnach öffent man euch, das mein fraw hewt hiutz den iren, di si mit tür und tor beschlossen hat, umb all sach wol gerichten mag etc. etc." Eine andere Formel für dieselbe Sache ist: „der do gesessen wer hewslich ze pett und ze tisch binder dem gotzhaws" (LXIII, 4. LXIV, 2. CLXIII, 4. CLXIV, 2). Noch gewöhnlicher ist das bekannte „eigenRauch haben'' u.dgl. (XLIX, 28. 32. LIII, 10.33. LIV, 16. 32. u. a.). Aus dem Bereiche der Bildersprache, der schon die eben genannten Wendungen angehören, ist besonders drastisch, wenn es (CLXXXI, 26) heisst: „Item, welcher Gott lestert, der soll au leib gestrafft werden, und der Ambtmann soll Ime zwo aiclien hosen anlegen, und ain dürre Suppen geben". Die eLclien Hosen sind der Stock und die dürre Suppe besteht in Schlägen (Prügelsuppe). Der Humor, der hier sehr bitter ist, tritt überhaupt nicht selten als Schalk auf der Rechtsbühne auf. In den Rechten der Freien zu Rachsendorf (Grimm, Wsth. III, 688) heisst es, der Vogt soll, wenn er auf das Gebiet der Freien komme, sein Pferd festen an einen dürren Zaun, damit die Freien unbeschwert bleiben (vgl. unten -^.5). An einer Stelle (CLXXXII, 19) wird eine Scene im Wirthshause sehr launig beschrieben. Ein inuthwilliger Mensch kommt zu guten Leuten, die gemüthlich beim Trünke sitzen und stört sie in ihrer Ruhe. Sie sprechen zu ihm: „Halt Fried, halt einen guten Muth und lass die Leut verfahren". VN'ill er nicht gehorchen, so soll man ihm einen Rock um das Haupt schlagen und mit ihm von einer Wand zur andern laufen, bis er gelobt, er wolle Fried haben und einen guten Muth. In einem folgenden Weisthum (CLXXXIV, 6) ist gemeldet: Ob einer im Lande heirathet und die Braut auf der Landstrasse unter ') Hauer-Heuerliiig , Mielher s. LXXVIH, 18. F.XXXII, i7. «) S. auch K. Ludwig's liechtsbuch 148 Miinchun 1347, Art. 117. Grimm R. A. 277. Rcchlsaltcrtliümcr aus östPrieichischrn Paiitiiiilinj en. l t o den Tachenstein (das Scliloss) führte, so soll er bei dem Kreuze mit der Braut drei Tiinzo lliun, es sei Summer oder Winter, und d.r Ilerrsehaft auf dem Tachenstein einen Kranz und Krapfen verehren, hingegen soll der Herrschaft Inhaber ihnen von der Veste herah- schicken ein Kandel Wein und drei Schüsse thun. Sehr bemerkenswerth ist, dass „vogelfrei" noch in der älteren Bedeutung •) in einem Weisthum aus dem Vintschgau vorkommt: „Welche Leule in das gericht kommen, von wannen es sei, die sollen mit den freyen dienen, jeder mann nach seinem vermögen, ausge- nommen die aus Tlten, denn die sind vogelfrei". (Grimm, Wsth. 111, 738). Für Ehrverletzung ist ein starker guter Ausdruck „die Ehre abschneiden" =-') (CLXXV, 7. CLXXVI, 27). Ein sehr einfaches natürliches Bild ist es, wenn Tage und auch Jahre, überhaupt Fristen, als „verschienen" genaimt werden (XXXII, 38. L, 9. Llll, 25. 26). Zunächst vom Tage gehraucht ist dieses Bild hübscher zu nennen, als wenn man den Tag ablaufen oder verstreichen lässt. — Der Tag ist verschienen, wenn die Sonne unter- gegangen ist. Sonnenaufgang und Sonnenuntergang hatten im Bechts- leben ihre grosse Bedeutung 3). Bei scheinender Sonne oder ehe sich Tag und Nacht scheidet, warenÄbgaben zu entrichten*). (IX, 82. XXYIII, 84. XL, 33. XLIV, 8. L, 7. LIV, 4. CXXXVl. 10); wenn die Sonne aufgeht oder doch bei scheinender Sonne ist dem Wirthe die am vorigen Tage nicht bezahlte Zeche zu entrichten (XLIX, 36. LH, 35. LIV, 18. LXIll, 36). Die Schenkfreiheit dauert bisweilen nur bis die Sonne untergeht (XLI, 4). Oft ist vorgeschrieben 5), dass am Tage zuvor bei scheinender Sonne zu Gericht geladen werden soll (XL, 53. XLIX, 25. LIII. 28). Bedarf jemand des Bich- ters oder des Vogtes, so soll dieser auf seine eigene Zehrung reisen, so fern er bei scheinender Sonne wieder heim kommen mag, braiieht jener ihn länger, so soll er den Bichter „verzehren" (XI, 30. XXX, 87. XXXIII, 51. XL, 62. LXV, 80. LXXXIV, 7. Ebersdorf §. 13). Ebenso wenn einer die Hilfe seines Nachbarn bedarf (LVl, 231), Wichtiger ') Grimm R. A- 41. Anm. «) Vgl. alam. Stiafrecht. S. 248 8) Grimm R. A. 39ö. 4) eil ab er t a. a. O. IV, ."JG. Anm. 2. *) Vgl. Gl- im III, Wslli. III. 041. (505. 174 Osenbrüg'gen war es, wenn der Richter „bei der Sonne" den Leichnam eines Getödteten beschaute und die Handhaft nahm (s. unten §. 4). Dass noch Leben in einem zum Tode Verwundeten sei, ist aus- gedrückt: „dieweil der verwundete Mann eine Feder mag gerühren mit dem Odem vor dem Munde" (CHI, 19). §. 3. Manche bildliche Ausdrücke werden noch im Folgenden gelegentlich zur Sprache kommen; eine besondere Berücksichtigung verdient aber die auch dem Kreise des Bildlichen angehörige Art und Weise, in der man Maasse und Entfernungen beschrieb ^). Grimm hat daraufhingewiesen, dass die Maasse, entgegen unserem Streben nach mathematischer Bestimmtheit, in alter Zeit oft etwas Unfestes, dem Zufiill nie ganz zu Entziehendes haben. Wo in einer räumlichen Entfernung ein Recht erworben werden soll, ge- schieht es häufig durch einen Wurf 2), dessen Erfolg nie genau vorher- gesehen werden kann. So weit der Müller mit einer Pillen) werfen mag, soll er ein freies Fischwasser haben(CII, 6, s. auchCLYIII, 64); der Wurf mit einer Sciineidhacke entscheidet über die Räumlichkeit zum Holzfällen (Grimm, Wsth. III, 684); der Hammerwurf in ande- ren Fällen (Grimm, Wsth. III, 700, vgl. 662). Dem aus der Freiung des Schlosses Abziehenden soll das Geleit gegeben werden, so weit einer mit der Armbrust zu schiessen vermag (XCI, 4). Die Henne darf so weit vom Hofe gehen als die Bäuerinn von der First des Stadels ein Ei werfen kann, das in einen Schleier gelegt war (Grimm, Wsth. III, 683). Hier ist das durch Körperkraft und Ge- schicklichkeit bedingte Werfen noch gehemmt durch den Schleier und der Zufall hat grösseren Spielraum, insofern ein solcher Wurf misslingen kann. Noch mehr ist das Werfen erschwert, wenn es in einer Ehehaft von Niederbaiern (Grimm a. a. 0., Anm. 2) heisst' „die peyrin soll grittlich auf dem first des sfadldachs stehn und ain ai in ainen schlair legen, denselben hinter sich durch die bain hinaus werfen, so weit sich das wirft, also weit haben die hennen zu gehn recht." Nicht mehr die Körperkraft, sondern lediglich der Zufall ent- scheidet, wenn der Forstmeister bei der Ungewissheit über die ') Grimm R. A. 54 IT. 2) Chabert a. a. O. IV, 19. — Lex Baiw. XI, 6, 2. XVI, 1, 2. Alam. Stiafiecht S, 12Ä. 3) Billc ii>t die Haue zum Schäi'fen der Mühlsleine. 1 Reclitsulterlliiiinei- aus üsterreicliiselieii Paiituidiii^en. 17 t) Grenze seines Gericlits ein Ei soll bergab laufen lassen (Grimm, Wsfh. III, 679). Im Interesse des Naclibarn ist bestimmt, dass die Wand im Hofe so hoch sein soll, als ein Mann gelangen mag (LXXXIV, 29) oder häufiger „als hoch ain mi!ter IMaiin an die piust (das herz) ist" (XXX, 84. XXXI, 84. XXXII, II. XXXllI, 47. XL, 57. LXV. 77. LXXXIV, 29). An einer dieser Stellen ist noch hinzugesetzt „und nämlicli so hoch, dass ain järigs Swein *) nicht darüber springen nnig" (XXXII, II). In jener häufigsten Bestimmung ist die lex Baiwar. XIII, 1 reproducirt: „Si sepes legitime fuerit exaltata, id est mediocri statura virili usque ad mammas" ~y Die Stärke eines Zaunes ») wird darnach bemessen „wann der ambtmann darauf steht und drey schitter thut und ine derselbe panzaun ane alles mittel erhalten khan« (Grimm, Wstb. III, 681). Die Länge eines Wiesbaumes gilt als Mass für die Breite von Strassen *) und dient auch sonst zur Baumbestimmung. CLVIII, 59: „Viehtrift — so weit das Landtgericht werth oder geet ains zwer- ehen Wisspam weit"; 52. 60: „die Gassen sol so weit sein, dass ainer niag ain Wisspam zwerchs vor im fiieren". Es konmien aber auch manche andere ähnliche Messungen der Breite von Strassen und Gassen vor. CLVIII, 47: „dass ainer mit ainem Pflueg mag hin und wider khumben''. L. 25: „das man ain fudrig vas oder stübich waign müg." XCIV, 6: „als weit zween wagen weit neben ainander gehen, und als weit der wagenknecht raicht mit der gaissl zu baiden Saiten". Hier handelt es sich eigentlich nicht um die Breite der Strasse, sondern um die Gerichtsbarkeit der Herrschaft auf der freien Strasse. — Auch die Länge von drei Bossen mit dem Geschirr kommt vor (CXLIII, 4) und die Länge eines Speers (CLV, 2 (T.). Da Hühner zu den allergewöhnlichsten Abgaben gehörten, so war es nicht unwichtig zu bestimmen, von welcher Grösse ein Zins- huhn sein sollet). Grimm, Wsth. III, 711: „zwey hiener, die auf ') Vgl. Grimm, Wstli. 1, 243. «) Chabert a. a. (). IV. 33. Anm. 3. ») Grimm R. A. 550. *) Vgl. Grimm, Wstti. I, 256. 415. Argovia 18Ü0, 153. lüä. ISÜl, fi». S) Grimm R. A. 98. 376. Vgl. Grimm, WsUi. I, 13.239. H, 87. 102. 14». Ztschr. für schweizerisches Recht IV, S. 90. SiUh. d. phil.-hist. Cl. XLI. Bd. II. Hft. 12 \^Q O s e II 1) r ii g g e II ein ähren (Hausflur) mögen hupfen". CLXXXIl, 32: „ein haue, das auf ein Oeden fliegen mag", also üher den Hof liinaus. ^. 4. Das Wort Symbol in der allgemeinen Bedeutung des sinnlichen Zeichens für einen Begriff ist unserer Sprache so sehr einverleibt, dass die deutsehen Ausdrücke Sinnbild und Wahrzeichen nicht dagegen aufkommen. Wahrzeichen hat sich aber in der Rechtssprache lange erhalten und zwar, wie Grimm i) richtig hervorhebt, vornehmlich insofern der Gegenstand aufbewahrt und gerichtlich vorgezeigt werden sollte. Dahin gehört besonders die Handhaft (auch Handschaft), welche vom Leichnam des Gelödte- ten genommen wurde, III, 12: „darnach soll der Richter ein hand- hafft nemen von dem toten leichnam und sol in Urlauben zu der erd." S. auch VIII, 9. XIV, 9 u. a. Man könnte aus den Buchstaben des Wortes Handhaft vermuthen, es sei, wie es anderswo Sitte war 2), eine Hand des Leichnams abgelöst und aufbewahrt worden, um demnächst oder dereinst statt des Leichnams in's Gericht ge- bracht zu werden: allein erwähnt ist dies nirgends und wahrschein- licher wurde ein Stück der (blutigen) Kleidung von dem Leichnam genommen, um in dem Gerichte als Wahrzeichen der geschehenen Tödtung zu gelten 3). Beim Diebsfahl bestand die Handhaft, wofür auch geradezu Wahrzeichen steht, in der gestohlenen Sache. Durch diese wurde, wie die Tödtung durch das von dem Leichnam genom- mene Stück, der Diebstahl dem Gerichte vorgeführt, handhaft (mani- festum) gemacht (IV, 38. IX, 9. XIX, 64. XX, 10. L, 26. LXXII, 3. CVII, J>. CXXVIII, 2). Für das rechtliche Verfahren wegen Tödtung ist wichtig, dass der Richter gleich nachdem die Tödtung geschehen „bei der Sonn" den Leichnam beschauen und die Handhaft davon nehmen sollte. Die That sollte keine „übernächtige", sondern durch die sogleich genommene Handhaft bis in das Gerieht verlängert werden. Von den vielen Gegenständen, welche nach Grimmas Aufzäh- lung als Symbole im Rechtsleben verwendet wurden, kommen auch manche in dieser Eigenschaft in den österreichischen Weisthümern vor. ') R. A. HO. S) Dreyer's Nebenstiinden, S. 87 ff. Grimm R. A. 627. 3j S. meine deuLscIieii Kechtsalterlhiimer :uis der Schweiz Nr. XIV und meine kleine Scliiift: Die Rahen des heiligen Meinrad (1861), S. 21 ff, Birlinger, Volks- thüiuliches aus Schwaben, S. 187. Hechtsnlterthiiiner ans östei-reioliisolien ['iiiitiiiilinpen. 1 t 7 Der Stab des Richters heisst der gpw;iltige (I, 7) und d;imit ist seine Hedeiitiinj^ ausgesproehe Bedeutung haben, ist dann aber für das Recht der österreichischen VVeisthümer eine Sinijularit^t. An einer anderen Stelle lesen wir: „uuib dreierlei sach, umb nntfnuff, uinb ain diel», und uuib ain achter« (LXIII, 14). Die gewidinücbe Veranlassung zur Acht war ein Todtschlag, so dass wir in dieser Wendung keine Abweichung von der Regel zu sehen halten. Da der Sehwerpunct darin liegt, dass die drei Sachen todes- Mürdig sind, so findet sich bisweilen die Erweiterung: „oder snnst dergleichen Sachen" (XIX, 62. XX, 8), oder es ist auch ohne Zalil nur gesagt: „Das da geht an den Tod" (CIV, 18). Hie und da ist die Brandstiftung, von Haus aus unter dem allgemeinen BegrilTe der widerrechtlichen Schädigung stehend, in die Kategorie des Malefizes gebracht oder als vierter Fall hinzugefügt (LXXXIV, 10. XCV, 30. CCX, 6). Wie sehr man aber die drei Fälle als Regel betrachtete s), zeigt XCVII, 13. „Item ain Panrichter hat in disem Aigen nichts zu bieten noch zu schaffen, denn umb die drei stuckh, die den Tudt berürendt, das ist Manschlacht, Diebhait, Pranntschaden oder Nott- nuss, wie dann solliches genannt wird." Ebenfalls CHI, 2ö: „Das Landgericht bat in diesem Aigen umb nicbte zu schaffen noch zu thuen, allein umb drey Ding, das den Todt berüert, das ist Todt und Manschlächt, Diebhait und notzwang, und was wider die natur unmenscblicli ist". Die von Chlumecky mitgetheilten Dorfweisthümer aus Mäh- ren weichen für das in Rede stehende Thema ab von der Regel der baierisch-österreichischen Weisfhiimer, indem sie nicht drei*, son- dern vier Stücke — Mord, Brand, Erbberauben, Dieberei (S. 54, §. 2, S. 60, §. 48); Dieb, Brenner, Verräther, Kirchenbrecher (S.77); — an einer Stelle auch fünf Malelizstücke aufführen: Raub, Mord, Brand, Ehebruch und Diebstahl (S. 70). §. 9. Die Regulirung der Grenze der herrschaftlichen Gerichts- barkeit und des Landrichters so wie der Gerichte überhaupt, war M Vfjl. Ofeu 284. «) Grimm H. A. 872. S) Vgl. Grimm, Witli. III, 6Ö9. 66». 672. 1 ,) < ) 0 s e II I) r ii g g^ i' n von erliebliclier Bedeufuiis: nach der ökonomischen Seile liin, diihor ist die Competenzfrage, iibgesehen von der Ausscheidung jener drei Fälle für den Landi'ichter. oft berührt. Es wurde unterschieden zwi- schen Bussen durch Frevel in den Häusern uud ausserhalb verwirkt. XCI, 33: „Alle die wandl, die geschehen under den Tachtropfen, die gehören dem herrn zue, dess die grundt seindt, aber ausserhalb der Tachtropfen gehören alle gen Kbranichberg'" (s. auch Grimm, Wsth. Hl, 696. Chlumecky S. 59. §. 38. 39). Bei einer Töd- tuDg auf der Grenze zweier Gerichtsbezirke kam es darauf an, in welche Lage der Getödtete gefallen war. Riigung von Urbau §. 6 (Chlu meck y S. ö5) : „Item, wann Einer entleibt wurde auf dem gemerkb, es wäre hie oder anderswo, im Landfgericht, wo der mehrer Theil hin lieget, daselbst soll Er hie berechtund werden !)"• Mit kleinen Variütioneu in der Form wird überall die Procedur beschrieben für den Fall, wo ein Übelthäter in einem Dnrfe des Gotteshauses oder in dem Eigen ergriffen ist, welcher der Gerichts- barkeit des Landrichters zufällt. Der Fundamentalsatz ist, dass der Landrichter ihn nicht mit Gewalt herausholen, sondern sich denselben an der Grenze überliefern lassen soll (vgl. oben §. 7j und höchstens das Haus, in welches der Übelthäter geflohen ist, besetzen lassen darf, bis der Amtmann oder Dorfrichter herangekommen ist und den Menschen zu seinen Händen genommen hat (I. 9. VUI, 7. XIV, 7). Wird ein streichender Dieb oder ein anderer schädlicher Mensch, mit welchem Namen der Verbrecher am häufigsten bezeich- net wird 2), in dem Eigen gefangen, wozu alle Einwohner dem Orts- richter bei hoher Busse behilflich sein sollen, so hat ihn der Richter drei Tage lang in Haft, in Stock und Eisen, zu halten „und hei ihm erfaren, ob er schuld hab oder nicht« (CXL, 2. CXLVI, 10). An einer Stelle (CX, 22) ist bei der Gelegenheit von einem Prüfen mit dem Daumstock die Rede. Dann soll dem Landrichter eine Anzeige gemacht werden, dass er den schädlichen Meuschen an dem dritten Tage zu einer bestimmten Zeit, um Mittentag, zuderNon^eit (XLIX, 6. LIII, ö. LXXVIII, 7) oder zu Abgang der Sonne (I, 8) und an einem bestinmiten Grenzpuncte, bei dem Markstein, Diebstein, Banuzaun, Kreuz, vor dem Fallthor etc., entgegennähme. An der Auslieferung «) r. lim in R. A. 627. •■i) Alain. Strafreclit, S. 200. — Auch „uneiidliclie Leute« (CXI, 8). ReclitsallertliiiiiH'r aus t'ntprrpicliischi'ii Piwit;ii(lirijjen. l u i nimmt dio Gemeinde Tbeil (XIV, 4, LXXX, 3. CXVI. 3ö). I)reim:.l soll der Limdi'ichk-r mit seinem N;imen laut gerufen werden (CXXXII. 5: drei Schrei), erscheint er nicht, so m;i,<^ man den rhellliiilcr mit einem Strohhand oder drei Strohhahnen oder einem Strohhalm. (Rughalm), einer Schmelchen (Grashalm) oder einem Zwirns- faden •) (s. oben §. 4) an einen in die Erde geschlagenen Stecken oder an eine Säule oder einen Baum oder sonstwo anhinden (LXX, 19. LXXVIll. 7. XVIII, 8); macht der Mensch sich nun davon, „oh er ein Schalk war" (LXXVIll, 7 LXXX, 3. LXXXII. 5), so ist der Orlsrichter oder die Herrschaft und die Gemeinde ausser Verantwortung. An mehreren Stellen ist aher gesagt, dass der säu- mige Landrichter für den Schaden einstehen S(dl, den der L'helthäter weiter anrichtet, oder auch eine Busse zahlen (XXXVIII, 9. XCI, 0. CV, 37). — Regelmässig ist der Ausdruck gehraucht, der Misse- thäter sei dem Landrichter zu überliefern „als er mit (dem) Gürtel umfangen ist" oder „als ihn der Gürtel begreift", d. h. mit der Klei- dung, die er unter dem Gürtel 2) am Leibe trägt. Den Gegensatz diizu bildet was „ob der Gürtel ist" und hieher wird gezählt Mantel, Hut, Hauhe, Gugel, Handschuh (1, 43. III, 38, XI, 17. XIV, 32). Au diese letzteren Kleidungsstücke reihen sieb die WatTen. LXXIV, 4. LXXVIll, 7. LXXX, 3: „und soll ihn binaus antworten als er mit gnrtl umhfangen ist, biet er aher backhen, spiess, oder Armbmst oder andere wehr, es war Harnisch, Panzer oder Eisenhuct — das soll alles bie bleiben auf dem grundt etc." (s. auch Grimm, Wsih. III, 707). Sehr oft i'^t die allgemeine Formel gebraucht, dass alles andere Gut (aus er dem was der Mensch am Leibe trägt) dem Gottesbause oder der Herrschaft verfallen sei (I, 9. II, 2-1. III. 10. VIII, 7. XXXVIII, 9. CIV, 23. CXX, 6). Natürlich ist es nun aber, dass das gestohlene Gut als die Handhaft ihrem gericbtiicheii Zwecke nach (s. oben §. 4) mit dem Diebe dem Landrichter üher- liefert werde (XXXVIII, 8. 9. LXXVIll, 7. LXXX. 3. CIV, 20. CV, 37. Grimm, Wsth. III, 691) und es ist ein habsüchtiger Missbrancb, ») Vgl. die schweizerische OITuuii!,' von 1426 hei Bliintschli, Staats- und Rechts- g-eschiehte der Stadt und Landschaft Zürich I, 231. 2) Grimm R. A. 1Ö7. Cliahert a. a. 0. IV, 4ö. — Stadtreeht von Wiener-Neu- stadt c. 10, „suo cingulo circumeinctus" . Das Gürtelgewaad als die Alllags- kleiduiig wird auch der Soiintagskleidung gegenübergestellt. (Grimm. Wsth. I, 20. 262.) 198 Oseiibi üggen wenn auch die Handliaft für die Herrschaft beansprucht wird (CVII, 5). Nur in dem einen Falle lässt sich das Letztere reciitfer- tigen, wenn der Landrichter nicht erscheint und der symbolisch au einen Hahn oder Faden gebundene Dieb sich davon macht (CXXVÜI, 2 a, E.). Dem genannten Missbrauche (CVII, 5) ist nicht gleich, wenn in dem Falle des Todtsclilages es heisst: „wird der gevangen, der den todschlag gethan hat, den soll des gottshaus richter durch den Galtern antwurten, als ihn die gürtel umbfangen hat, und sei die ehaft beleihen in irem gerichte" (Grimm III, 726j. Die Ehaft kann nur identisch sein mit Handhaft, aber diese hat hier keinen Verinögenswerth, sondern ist nur Symbol, dessen sich der Klüger aus der Familie des Getödteten zu bedienen hat, um seine klage anzubringen; consequent wäre es jedoch, wenn auch in diesem Falle die Handhaft mit dem Todtschläger dem Landrichter überge- ben würde. Das Vermögen oder Gut eines Eingesessenen oder Hausgenos- sen wird, wenn er ein Capit.ilverbrechen begangen hat, nicht so behandelt wie das eines Fremden oder eines streichenden Diebes, indem Weib und Kind des Ersteren berücksichtigt werden i)- Nach- dem XXXVIII, 8 gesagt ist, der zu den Holden des Gotteshauses Gehörige, wenn er an wahrer That begriffen sei, solle dem Land- richter überliefert werden nur mit der Handhaft und „als er mit Gurtl umf.ingen ist", heisst es weiter: „Aber ander sein wolgewun- nens guet sol man tailln in drey tail, den ain tail seinem weih und seinen kindern geben und die zwei tail sind meinem herrn dem Brobst verfallen on alle Gnad" (s. auch Grimm, Wsth. III, 691, welche Stelle hiernach verbessert werden kann). Nach dem Weis- thum von Ebersdorf §. 26 sollen zwei Theile dem Weibe und den Kindern gelassen werden, „damit meiner (herrn) Guett nicht ödt werden", ein Tlieil ist dem Landrichter überlassen. Das Interesse für Weib und Kind, welches am reinsten gewahrt wird in den Rech- ten der Freien vonRachsendorf (Grimm, Wsth. 111, 689), ist nicht bei Seite gesetzt, wenn die allgemeine Wendung gebraucht wird: „aber sein erb und giielt soll in der Herrschaft beleiben" (CLXII, 8. vgl. CXI, 3). Dass sich in den Bestimmungen über diesen Gegen- stand Variationen finden, ist bei der so stark im Mittelalter hervor- ') Vgl. Alam. Strafiecht, S. 103. ReclilsiiKeiHiiimor iiiis öslerrcicIiIn'liLMi l':iiil;ii)• In den Schilderungen des Verfahrens gefren den schädlichen Menschen, speeiell seiner Auslieferung an den Landrichter, ist sehr häufig vom Für fang dieUede, der einem RiclUer zukomme und zwar als seine Gerechtigkeit, welcher Ausdruck nicht selten suhstituirt ist (Uli, 5. LIV, 9. LXXIV. 4. LXXVJIl. 7). auch „um seine Mühe" (LH, 9). Dem deutschen „Kürfang" würde das lateinische praeoc- cupatio^) entsprechen; es ist das „vorweg Genommene", und darin liegt die Beziehung zu einem andern Vermögensohject, von dem es gewissermassen abgelöst wird. Dieses Vermögensohject ist entwe- der das gestdbiene Gut oder das verfallene Vermögen eines Verbre- chers. Wenn wir andere Quellen des bairischen und alamannischen Rechts zu Rathe ziehen, so ergibt sich als die ursprüngliche Bedeu- tung des Fürfanges, der sprachlich ui»d sachlich mit dem „Anfang" zusammenhängt: „Antheil des Richters an einer gestohlenen oder geraubten Sache, welche vor Gericht von dem Berechtigten ange- sprochen wird"^s). Dieser Erklärung entsprechen zwar Stellen in den Paiitaidingen (IV. 38. IX, 8. XCVII, 43. CXX, 8), aber der Für- fang steht auch nicht nur in Relation mit dem verfallenen Vermögen des Diebes (z. B. II, 24), sondern kommt auch bei anderen Verttre- chen als dem Diebstahl vor und selbst wo nur noch ein Verbrechen vermutbet werden kann (XXX, 40. XXXI, 42. XXXIII. 29. XL, 20. LXV, 32. CXXVIII, 3 ; vgl. LVI, 53. LXX, 19. LXXi, 15.LXXIII, 16), fio dass Kürfang allgemein die Siunme bedeutet, Melche dem Richter vorweg zukommt für seine Thätigkeit. Diese Summe besteht gewöhn- lich in 72 Pfenningen*), äüsserlieh correspondirend mit der an unzähligen Stellen vorkommenden ßusssatzung. ') S. Jos. von Wüith, St,ihui-li 37. 38. 43. München 1347. Art. 71. 7;!. Memniiiigen 13!»(J. S. 249 IF. (Jriiiini, Wslh. III, 609. (Vgl. Lex. Baiw. II. 16 Schwsp. 26Ö W.) Wiiiier-Ni'ustailt e. 94. *) 8. auch Itiiprecht von Freysirig a. a. O. 200 Osenljrüg-gen Bei dieser weiten Ansdeliniing des Fürfanges hal)en sieh nun, nicht ohne Willkür und unter dem Einflüsse der Erwerhssucht der Richter, zwei entgegengesetzte Richtungen gebildet, indem der Für- fiing bald dem Landrichter zugesprochen, bald von dem Ortsrichter in Anspruch genommen wird : 1. Nachdem die Überlieferung des Diebes „als er mit Gürtel umfangen ist" an den Landrichter in der gewöhnlichen Weise geschildert ist, heisst es II, 24: „was bei ihm begrilfen wirt, das ist der herrschaft verfallen nach Inuhaltung Irer fürstlichen brief. Aber der Richter und die gemain sullen geben den fürfankh das ist 72 Pf. dem plut Richter, der In sol überwinden mit dem gericht" s. auch VII, 3. XCVII, 12. CXL, 2. XCI, 6. An der letzteren Stelle beträgt der Fürt'ang nur 32 Pf. i)- Eine kleine Besonderheit in der Form fin- det sich XCV. 29: „So soll dieselbig herrschaft oder Ir anwählt und die gantz gmain denselben schedlichen Man antworten — und soll man Im 72 Pf. an hals beugen in einem neuen PeutI, mit dem soll man den Richter dreimal ruefFen und Im den schedlichen Man ant- worten". 2. Dagegen ist an anderen Stellen ausgesprochen, dass der Dieb dem Landrichter mit der Handliaft zu überliefern sei, der Landrich- t«M' aber dem Dorfrichter 72 Pf. als seine Gereclitigkeit zu geben habe (LXXIV, 4. LXXYIII, 7). Öfter ist gesagt, der Landrichter habe den mit dem Gürtel umfangenen Dieb gegen Erlegung des Fürfan- ges an den Ortsrichter oder seine Gerechtigkeit oder fir seine Mühe entgegen zu nehmen, ohne Erwähnung der Handhaft (XLIX, 6. LH, 9. LIV, 9. LV, 10. LXVII, 34. LXX, 19. LXXI, 15. LXXIII, 16. CXV, 6. CXVI, 84). Das Letztere wäre im höchsten Grade aulTnllend, insofern der Landrichter den halbnackten Menschen und weiter nichts bekäme und dennoch 72 Pf. zahlen solle, wenn man nicht annehmen dürfte, die Erwähnung des Mitgebens der zur Überwin- dung nothwendigen Handhaft sei in ungenauer Weise, aber als sich von selbst verstehend, unterblieben. Dass die Handhaft zur Überwin- dung des Diebes erforderlich war, zeigt auch eine Stelle, nach wel- cher die Handhaft dem Landrichter nur geliehen, aber dem Orts- richter zurückgegeben werden sollte (CLV, 27). — Von der grossen Zahl der Stellen, welche die Auslieferung eines Übelthäters an (]en •) Ebenso Ciimm, Wstli. III, 639. ItechUaltei'tliümer aus Oslerreit-liisclien l'aiitaidiiigen. üiO l Landrichter scliildeni , liiihe ich nocli eiiiif^e hei Seite g'ehisseii, welche lJes(Hulcrlieiteii eiitliiiltoii und Zustei'i'eichiüeheii I'niilnidiiigeii. Z^)ti III, 32. IV, 32. IX, G5. XUX, Ol). Solches Gut soll „so sidi.'i- sein, ;ils oi) es versperrt wäre in einer Kisle" (IjM, 70). Der llauptteiiuiscliari ist auch noch in anderer Weise ein Zii- {restiindniss gemacht. XXXllI , 70: „Item ainem yeden perg ist tVeyung, ansgenommen iumlitfeintscliaft etc." (XL, 07). ■§.. 12. Ein besonderes Interesse und alterlluimliclie Färbung haben die Bestimmungen über straflose Tödtiingen: 1. Am häuligsten ist die ni<*bt mit der Tödtung in Nothwehr zusamnienlallende Tödtung in der Ausübung des Hans rechts i) für stratlos erklärt; die Strafbarkeit hat aber doch einen in die Form des Symbols gekleideten lUicklialt in der Scheinbusse, weiche zurückzuführen ist auf die ursprüngliche Regel, dass bei sonstiger Verschiedenheit der Hechtsfolge für jede Tüdlung eines Menschen, sei sie schuldhaft oder schuldlos, der Werth des Menschen, dessen Wergeid zu zahlen war, was sich besonders im alten langobardischen Rechts) durchgeführt findet. Von der rein casuellen Tödtung son- derte sich aber doch der Fall , wo das rechtswidrige Thun des Getödteten Veranlassung der Tödtung gewesen war: da lag zwar eine Tödtung vor und diese musste componirt werden, es genügte aber ein Minimalwerth als Scheinbusse. Als solche werden 1, 2, 3, 4 Pfenninge genannt, welche auf die Wunde, auf den Bauch (CXXXIII, 11), auf das Herz (CXIV, 43) des Getödteten zu legen sind. Bisweilen ist vorgeschrieben, es seien drei Pfenninge auf drei Wunden zu legen (1, 15), was Beziehung hat auf den sehr verbrei- teten Satz, dass, wenn mehrere Verletzungen vorgekommen sind, nur drei berechnet werden sollen s). An einigen Stellen ist auch gesagt, dass das Schwert, mit welchem die Tödtung geschehen war, ausser der Scheinbusse auf den Todten zu legen sei. XCV, 31 : „so legt er auf In drey Phening und das Schwert". Die Bedeutung des Schwertes ist wohl keine andere als welche hervorgeht aus dem Bergtaiding von Fnzersdorf §. 33: „War aber, das die scliädlich person erschlagen oder erstochen wurde, sol man die that beschauen, uuch die stang und das wallen, damit es beschehen ist, auch die wunden, und ain pfening damit legen etc." (Grimm, Wsth. III, 709). M Vgl. Wiiith /.lim Stadtreclit von Wieiiei-NeiistHdl, c. 14. 2) Strafreclit Htr Langoharden, §. 12. 3) Uli 111 III It. A. 029. 206 Regelmässig ist ferner vorgeschrieben, dass der Hauswiilh den Leichnam an den Füssen oder hei den Haaren aus den Dachtropfen (s. oben §. 4) auf die Gasse oder auf die nächste Wageidaist ziehen soll (III, 13. VIH, 10. LXXXVII, 0. XCVI, 8). womit ein offenes Verfahren ihm zur Pflicht gemacht wird (s. auchCLXXVlII, 47. CXI, 3). Dass er den Todten unter der Schwelle aus dem Hause ziehen soll i), sagen die österreichischen Weisthümer nicht. Die äusserste Ausübung des Hausrechtes ist gestattet gegen verschiedene Störungen des Hausfriedens : a) Am häufigsten ist der Lauscher (Lusmer) am Fenster oder an der Thür des fremden Hauses 2) genannt, und dabei tritt oft deut- lich die Präsumtion hervor, dass ein solcher ein „schädlicher Mensch** sei; dem Hauswirth ist aber doch in der Regel ein Verfahren vor- geschrieben, das ihn von Übereilung abhalten soll. XXVIII, 41: „oh ain Lusmer stuend an aines nachpaurn venster oder vor seiner thüer, und wuert des der wirt gewar, und rueft dreymal hinaus und spricht werstet da und der Lusmer melt sich nicht, stiecht der wirt hinaus auf den ungemelten man, und stiecht In zu tod, so sol Er Im auf den stich oder slag legen ain phening und sol damit niemand antwurten noch wandl pflichtig sein" s). Modernes Recht für solchen Fall enthält CLXXYI, 37 (vom Jahre 1677). h) Dem eben genannten und anderen Fällen des Hausfriedens- bruchs*) (z. B. in der Rügung von Urbau §. 37), die auf den Salz zurückführen, dass „ein jeder friedbar sein soll in seinem Hause" ist nicht gleich 2. wo ein auf der That ergriffener Dieb getödtet werden darf (XXIX, 19. LXXXIV, 18. CXII, V6. CXXI, 32. CXXIV, 7. CXXXI, 8. CLXXVIII, 47. CCXI, 3), aber auch dieser Fall ist nicht mit der Nothwehr zu identificiren s). wenn auch der Ausgangspunct dieses Tödtungsrechts, die Friedlosigkeit des fiir manifestus, in den VVeis- ») G r i m in R. A. 679. 2) E a V e s - d r o p p i n g-, das Lauschen unter der Dachtraufe ist noch jetzt im engliselien Recht ein friedenstörendes Delict, s. Stephen, new commentaries on the laws of England (3 edit.) IV, 336. 353. 3) Andere Stellen bi'i C h a b e r t IV, 3ö und in meinem Hausfrieden S. 60. 4) Hausfrieden S. ö7 ff. 5) (ieyer, I^chre von der Nothwehr S. 79: vg-l. Strafrechl der Langobarden, §. 46. Anm. 6'ö. \ Rechlsalterlhiimer aus österreichischen Piiniaidingen. 207 thümern nicht mehr in die Aiifjen springt und bisweilen auch die Nothwehr hervortritt (CLVIII, 16). 3. Eine sehr merkwürdige Bestimmung enthält die Riignng von Urbau §. 66: „Item, wenn ein Landtrichter wolt mutli willen, was weislich war, und legt ein guter Mann band an Ihn und entleibt Um gar, soll derselbig fromme Mann, dem der Landtriehter gewalt Iiiitt wollen thun, ein schwartzcn Stier auf sein Statt stellen, so hat Er Ihn schon büsst". Naclidem Gri mm Mittheilungen gemacht hat über die Thatsache, dass Wergelder und Bussen in alter Zeit in Vieh bestanden, gibt er eine Andeutimg <) über den Zusammenhang der Busse und Sühne mit dem Opfer und in diesen Zusammenhang scheint gerade die obige Stelle zu passen, indem es sehr nalie liegt, den schwarzen Stier, der an die Statt des todten Landrichters gestellt werden soll, als eine Erinnerung an die heidnische Sitte der Thieropfer auf dem Grabe zu nehmen. Die Forderung der schwarzen Farbe des Stieres sollte gewiss nicht dazu dienen, die Grösse der Busse zu erhöhen. Die dem Habicht des einreitenden Herrn zu gebende, als dem Tode geweihte Henne wird auch oft als eine schwarze bezeichnet =). Aber nicht der Stier, sondern das Pferd war das erste Opferthier der Germanen; daher man auf die Ver- muthung kommen könnte, es sei hier aus dem Grunde der Stier als Opferthier für das Pferd substituirt worden, weil den Christen das Essen des Pferdefleisches als eine besonders anstössige heidnische Sitte galt 3). Ich muss es gründlichen Kennern der Mythologie und altdeutschen Religion überlassen, dieses Tliema weiter zu verfolgen; jedenfalls ist der schwarze Stier in der obigen Stelle aus einer Niederschrift des Weisthums vom Jahre 1604 sehr bemerkenswerth. An den vielen Stellen, welche von der Scheinbusse bei Tödtun- gen handeln, ist dem Wortlaute nach eine Differenz, insofern an manchen Stellen nur gesagt wird, dass ein solcher Todtschläger dem Gerichte nicht verantwortlich sei (XXX, 62. XXXI, 62. XXXII, 2o. L, 13. LXV, 54. LXII, 14. CXII, V6), an anderen Stellen seine 1) R. A. 667. Aum. 2) Grimm, Wsth. I, 239. 242. 2ö0. 260. 266. Vgl. den schwarzen Widder in der Odyssee XF, 32. 3) Grimm. R. A. 4ö7; Mythologie 28, s. aber auch S. 30, wo für Rindopfer Be- ege gegeben werden, und Quitzmann, die heidnische Religion der Bai- waren- S. 239. Silzb. d. phil.-hist. Cl. XLI. Bd. M. im. i4 208 OsenI)rilg-6. CLXXVI, 63). Hier sind die Tritte-Fussspuren, Ähnlich wenn von jedem Huf des Pferdes oder anderen Viehes eine Busse zu zahlen ist (CCI, li>)0- — Wer durch Gewalt und Frevel den Marklfrieden hricht, soll für jede Speerlänge seines Weges, auf dem er im Unrecht geritten oder sich vergangen, die Busse zahlen (CLV, 2—4). — Am häufigsten ist die Bestimmung, dass der Verletzer des Hausfriedens 3) für jedes Über- treten der Hausschwelle, eingehend und ausgehend, den Busssatz zu erlegen hat (XXX, 47. XXXI, 49. XL, 14 u. a.). Ähnlich von dem, der in einem Weingarten mit blosser Wehr einen Andern verfolgt, „als oft er über einen Rain kommt" (CLXXXVl, 29) und in einem verwandten Falle „in das Feld 5 Pfund Pf. und aus dem Feld ö Pfund" (H, 10. IV, 4). 2. Bei dem Überackern des Nachharn wird jede Furche gerech- net (II, 42. III. C6. VI, 12. XLIV, 14. CHI, 113. CXIV, 16); jede Garbe, wenn einer sein Getreide einführt ohne dem Zehntner ange- sagt zu haben (XL, 79); jeder Stecken vom aufgebrochenen Zaun (CLXIH, 38). 3. Beim Schlagen mit einem Spiesse macht es einen Unter- schied, ob das Eisen vorgekehrt ist oder der Spiess umgedreht: im ersteren Falle ist die Busse ein Pfund, im zweiten hat der Thäter so ') Grimm R. A. 666. =) Stadtrecht von Iglau. 91. 3) S. auch österr. (erstes) Landreclit §. 48; Brüiiner Schöffenhuch, Nr. 272, S. 12j.— Hieniit ist zu vergleichen, dass nach altschweizerisehem Recht die Quote der Besserung bei der Heimsuchung für jeden Sparren gezahlt werden soll, den das Dach des l.ewolinteri Hauses iial, s. Hausfrieden, S. 87. Vgl. Auoieiitlaws of Wales I. (1841), l>. Ö77: ^Whoever shall iiuru the hall of the king, is to pay for euch liuiber that uiay suppürt the roof of the Luilding 20 pence to the king". 218 Osenbrüggen oft ein Pfund zu zahlen, als der Stab einen Ast hat (XC, 14. s. auch XCV, 14). 4. Wer seinem bei ausgebrochenem Brande um Hilfe rufenden Hausgenossen nicht zu Hilfe kommt, soll für jeden Ruf 72 Pfenninge zahlen (LH, 6. LXIII, 8). 5. Die Busse für Handlungen oder Unterlassungen, in denen eine Verletzung oder Gefährdung der ganzen Gemeinde gesehen werden kann, ist in der Weise vervielfacht, dass sie so oft gezahlt werden soll, als das Dorf Wohnhäuser hat, was in der Regel ausge- drückt ist: „der hat verwandelt von jeder Herdstatt von einem Val- tor zu dem andern 72 Pfenninge" (I, 28. 47. 51. 53. 55. 59. 81. 102. 103. 104. 107. XIII, 43. LIX. 12. CI, 88). — Verwandt ist es wenn z. B. derjenige, welcher ohne Urlaub in die Schrann redet, so oft in die häufigste Busse von 72 Pfenningen verfällt als Leute an der Schranne oder dem Geding sitzen (I, 7. 12. 52. 57. II, 31. XXX, 73). 6. So wie eine Symmetrie besteht zwischen dem Wandel von fünf Pfund und dem Verlust der Hand mit ihren fünf Fingern (s. oben §. 17), ist die Zahl der Finger auch sonst in einer gewiss sehr alterthüm- lichen Weise massgebend im Bussensystem. CXXX, 17: „Wann ein wiert dem andern in das Har feit, nach jedem finger, als oft er esthuet, 1 Pfund Pf." CUV, 14: „fert er ihm aber in das har mit bei- den henden, so ist er zu Wandel 10 Pfund". Unzählige Male wird der Unterschied gemacht, ob einer mit der flachen Hand schlug oder mit geballter Faust i); im ersteren Fall ist die Busse höher und kom- men die fünf Finger in Berechnung; auch wird darauf Rücksicht genommen, ob er den Daumen in der Hand verborgen hatte (I, 22. CXXXI, 10. CLVIII, 29. CLXX, 34. CLXXVIII, 50. u. a.). §. 19. Bei der Auffassung der Rechtsgeschichte als Cultur- geschichte verdient die Würdigung der Frauen eine besondere Berücksichtigung. Dass sie im altdeutschen Rechte den Männern nicht gleichgestellt wurden, ist bekannt 2), aber Zeiten und Gegen- den haben hierin ihre Verschiedenheiten. Auch die österreichischen Weisthümer berühren und behandeln dieses Thema in mehreren Puncten. <) ChabertIV, 37 verweist auf das Ed. Rolharis 44 und lex Sal. XX, 9. (XVII, 8. ed. Merkel). ') Grimra R. A. 403 ff. Rechtsaltertliiimer aus österreichischen Panlaidingen. 2 I 9 Niclit undeutlich ist dem Ehemann ein Züchtigiingsrecht seiner Frau zugestanden •)• I> 38: „und steht in ihres Mannes Straf" (IV. 14. IX. 35. X. 42. XI, 15. XCVII, 18). Die Frau kann im täglichen Verkehrsleben nur über eine geringe Summe verfügen; namentlich ist oft wiederholt, dass ihr der Leitgeb nicht mehr als 12 Pfenninge ohne Willen ihres Mannes auf Pfänder borgen soll (I, 40. II, 20. III, 37. IX, 32 u. a.). Merk- würdig ist in dieser Beziehung CXXXIX, 16: „Ein Jud soll einer Wittib oder einer angesessenen Frauen zu Neunkirchen auf nichts anders als auf ein Schwein Pfand leihen, und nicht mehr dann 12 Pfenninge'^ Da ein Jude sich nicht darauf einlassen wird, ein Schwein als Pfand zu nehmen , so ist dadurch ein solches Geschäft auf einem Umwege verboten. Auf dieselbe Summe von 12 Pfenningen ist denn auch häufig der „Wandel" einer Frau beschränkt (I. 38. X, 20. LXXXVII. 29. CLVIII, 38); doch gibt es auch Sachen, die einer Frau so wenig anstehen, dass ihre Busse doppelt so hoch ist als die der Männer. Eine Frau, die einen Mann aus seinem Hause fordert „und Mannheit also verschmähet" ist 10 Pfund verfallen der Herrschaft, während ein Mann, der einen andern Mann ausfordert, nur 5 Pfund zu zahlen hat (VIII, 38. Xil, 28. XIII, 34). Ist es aber der eigene Mann, den die Frau aus dem Hause fordert, so hat es sein Bewenden bei der kleinen Busse von 12 Pfenningen (X, 37). Eine grosse Aufmerksamkeit ist dem Falle geschenkt, wo zwei Frauen einander schänden mit unziemlichen Worten oder Werken. Die immer wiederkehrende Strafe ist, dass solche Frauen den Pag stein 2) tragen sollen, und zwar ist dieser Gegenstand in den Weisthümern mit dramatischer Neigung und Humor behandelt und kommt noch in Weisthümern von 1730 und 1748 vor (CC. 19. Bd. I. S. 102, §. 19). Der richtige Name des gefährlichen Steines ist: Pag st ein von pagen oder bagen = zanken, streiten»). Varianten und Cor- ruptionen sind: Pachstein, Pochstein, Pockstein, Wegstein, Wag- ') Chabert IV, 11. 2) S. auch Stadtiecht >oii Ofen löö. (Bagstein.) Speier 132», Art 1. 3) Schmeller 1, lö7. — Chabert iV, 39. Auin. 13 spricht unrichtig vom „Back- steiutragen"*. 220 O s e n 1) r ii JT ff e n » » stein, Bachstein. Anderswo hiess er: Klapperstein und Lasfer- stein i). Der Stein, zum Geriehtsinventar gehörig, hing an einer Säule oder wurde im Kloster aufbewahrt (I, 37. CI, 32, CLX, 41. CC, 19. CCX, 36). Die fehlbare Frau mussle den ihr umgehängten Stein tragen durch das Dorf von einem Fallthor zum andern oder von einer Kirche zur andern, von der Kirche oder dem Kloster bis zur Grenze des Dorfes und zurück, dreimal herum in dem Eigen, um die Fleischbank, vom Pranger durch das Eigen und zurück (I, 37. II, 19. IV, 11. IX, 34. XI, 11. XII, 30. XIII, 34. XXXIV, 55. LXIII, 66. LXXXIX, 24. CXXXIV, 21. CLIX, 19. Grimm, Wsth. III, 684) oder von der Säule bis zum Hause der Beleidigten (CLX, 41) und zwar am Frei- tage, dem regelmässigen Gerichtstage (XXI, 39. XL, 84). Zur musikalischen Begleitung diente ein Pfeifer und ein Pauker; jenen musste der Richter, diesen der Ehemann dingen (II, 19. IV, 11. IX, 34. XI, 11. XII, 30. XIII, 34); ja, wenn dem Ausdruck an einer Stelle zu glauben ist (XII, 30), sollte der Ehemann, der seine Frau nicht in Zucht gehalten hatte, selbst „pauken". Für die Erheiterung der Jugend ist noch besonders gesorgt. Während die Frau in dem Dorfe auf und nieder geführt wird, soll der Richter einen Eimer des besten Weines nehmen, drei oder vier Assach (Gefäss) darein legen, und alle jungen Knaben, so viele ihrer in dem Eigen sind, sollen den Wein zu einer Gedächtniss austrinken und das böse Weib soll ihn bezahlen (XXXIV, 55). Opponirte sich der Mann solcher Bestrafung seiner Frau, so trat für ihn die hohe Busse von 32 Pfund ein, als für einen, der sich des Gerichts hat „unterwunden" oder „des Gerichts und der Herr- schaft Gerechtigkeit unterstanden" , und der Richter soll ihm „das Stähl schicken" (s. oben <^. 4). Verschiedene Modificationen in dem Verhältniss dieser Strafart zum Bussenrecht waren praktisch wichtig: 1. Die Frau halte noch dazu eine Busse von 72 Pfenningen zu zahlen (XIX, 28. XX, 47. XXI, 13. L, 28. CVIII, 56. CXXVIII, 21. CXXXIV, 21) oder ein Pfund Wachs an die Kirche zu geben (LXVIil, 33. LXX, 33. LXXI, 30. LXXIII, 34) oder nachdem beide ') Grimm R. A. 720. — Alam. Strafreclit, S. 109. Zopf I, AUerthiimer I, 58. Tlechtsnltcrthiimer aus österreichischen PantniJingen. 22 l Frauen, die sich gescholten oder gerauft hallen, den Pagstein ge- tragen, wurde derjenigen, die den Anfang gemacht, eine Busse auf- erlegt (CXXIX, 29. CLXI, 21). 2. So oft die mit dem Stein beschwerte Frau während der Procession rastete, sollte sie die Busse von 72 Pfenningen zahlen (I, 37. CI, 32. CLVIII, 38. CCX. 36. Grimm, Wsth. III, 084). 3. Eine erhebliche Abschwächurig der Strafe lag in der Satzung, dass eine Frau die Busse zahlen oder den Stein tragen sollte und dass statt des Steintragens aus Gnaden die Busse eintreten konnte (XXX, 59. XXXI, 60. LXIII, 66. LXV, 51. CLX, 41. CLXX, 48. CCI, 55). Die alternative Busse bestand ausnahmsweise in einem Muth Hafer (LXXII, 55). — Auf diese Weise kam die beschim- pfende Strafe in Abnahme und wir finden auch schon einfach nur eine Busse gedroht für ,, verbotene Worte", während für Schlagen undBaufen der Pagstein blieb (XII, 29. 30). Auch wurde ein Unter- schied gemacht, ob es ein einfaches Schelten gewesen war oder Worte gewechselt waren, die Treu und Ehre berührten, unziem- liche ertödtende Worte u. dgl. (I, 37. 38. XXX, 59. XLIX, 19. L, 28. CCX, 36. 37). Ferner wurden angesessene und nicht ange- sessene Frauen nicht gleich behandelt (CLX, 41. 42). Mit dem Steintragen variirt das Einspannen in die Fiedel oder Geige ') (XIX, 19. S. 102. XXIII, 31. LXVIII, 33); auch kommt die Fiedel allein für dieses Delict vor (LXXIV, 16. LXXV, 17. LXXIX, 15. CLXXV, 3. CLXX VI, 27. CXCV, 43). Die Fiedel fand ebenfalls für andere Fälle Anwendung (Bd. I. S. 99, f 11. S. 102, §. 22. LXXI, 65. CLXXYI, 4). Humane Bücksicht, wie überall auf deutschem Boden, war den schwangeren Frauen geschenkt »). Der Hüter eines Weinberges soll einer vorübergehenden schwangeren Frau eine oder zwei Wein- beeren nicht verwehren (XLI, 90. CL, 23. CCV, 35). Es wird auch dem Ehemanne, der für die schwangere Frau darum bittet, noch eine grössere Quantität zugestanden (CLXXXIII, 42). Ebenfalls ist es der schwangeren Frau oder ihrem Manne gestattet, bei sonsti- gem V'erbüt des Fischens. einen bis drei Fische zu fangen (XC, 5. XCIV, 9. XCV, 19). ') Grimm FI. A. 721, 72Ö. — Z ö pfl, Alterlh. 1,349. 2) r. rim m R. A. 408. 222 Osenbrüg'gen, Rechtsalterthümer aus österr. Paiitaidingen. Das Schlagen einer schwangeren Frau ist besonders verpönt (CXXXII, 27. CLVIII, 38). In der vorstehenden Abhandlung ist nicht der ganze Reichthum der österreichischen Weisthümer erschöpft , wohl aber heraus- gestellt, welche reiche Fülle des Materials für die deutschen Rechts- alterthümer in ihnen liege und wie sich aus ihnen Grlmm's deutsche Rechtsalterthümer bedeutend ergänzen lassen. Wie die deutsch- österreichischen Stadtrechte neben den Übereinstimmungen mit Stadtrechten anderer deutscher Gebiete viel Besonderes enthalten, so ist es auch mit den Weisthümern, aber was sich aus ihnen Ge- meinsames und Besonderes für die deutsche Rechtsgeschichte dar- stellen lässt, trägt so sehr den echtdeutschen Charakter, dass sie nicht blos für den österreichischen Rechtshistoriker ein grosses Interesse haben müssen. Der Bauernstand erscheint in ihnen abhän- gig, aber nicht geknechtet und dem überall conservativen Geiste eines solchen Bauernstandes entsprechen die Rechtssitten; sie sind überliefertes Recht, das ihm heilig ist wie die Sitte der Väter in allen Richtungen und darum führen sie uns nicht selten in eine Zeit zurück , die Jahrhunderte hinter ihrer Aufzeichnung liegt, oft , wie Chabert sagt, zittern in ihnen die Klänge der alten Volksrechte nach. si sc 3 N r ^' \ C£> CS =3 v: K. Brücke, Ül>pr eine neue Melhorfc der plionetisclien Transsoriplion. 2!^i» Über eine neue Melhode der plioiieltHcliett TiuiiiHsniplion. Von dem \\. M. Prof. Ernst Brücke. (Mit einer Beihige.) (Vorgelegt in der Sitzung vom 7. Jänner 1862.) Als ich im Jahre 1856 meine Griititlzüge der Physiologie und Systematik der Sprachlaute veröffentliciite, entwarf ich am Schlüsse derselben einen Plan für eine neue Methode der phonetischen Trans- scription, für ein sogenanntes allgemeines Alphabet, ohne jedoch die praktischen Versuche, welche ich bis dahin auf diesem Gebiete und nach dem entworfenen Plane angestellt hatte, vor die Öffentlichkeit zu bringen. Ich war selbst zu sehr von der Unvollkomnienheit der- selben überzeugt. Ich habe es seitdem nicht an Anstrengungen fehlen lassen, der- selben abzuhelfen, und glaube jetzt so weit gelangt zu sein, dass ich meinen Versuch dem Urtheil der Sachkundigen unterwerfen darf. Ich würde dies vielleicht noch nicht thun, wenn ich nicht die lin- o-uistischen Studien einen solchen Verlauf nehmen sähe, dass das Bedürfniss eines befriedigenden Zeichensystems, mit welchem man Laut bei Laut transscribiren kann, immer fühlbarer wird. Das ent- wickeltste System dieser Art, das von Ellis, hat bei den Linguisten keine Aufnahme gefunden, wahrscheinlich wegen der Regellosigkeit seines Zeichensystems, durch das einerseits das Lernen erschwert wird, andererseits wesentliche Vortheile der Transscription verloren gehen. In neuester Zeit ist nach einem bereits durch viele Jahre gehegten Manuscripte ein Werk erschienen, welches dieselben Zwecke wie ich und nach ähnlichen Grundsätzen verfolgt. Es ist dies der Kadmus von F. H. du Bois-Reymond (Berlin 1862), aber ich habe mich durch ihn nicht von der Veröffentlichung meiner Arbeit abhalten Sitib. d. phil.-liist. Cl. XLI. Bd. II. im. ^^ 224 E. B r ii c k e lassen, erstens weil ich, wie dies aus einer Yergleiehung meiner Grundzüge mit dem Kadmus ersichtlich sein wird, mit dem ehrwür- digen Verfasser nicht in allen Punkten einverstanden bin, und zwei- tens, weil ich sicher weiss, dass sich die Linguisten nicht mit dem Zeichensystem, welches ihnen der Kadmus bietet, hegnügen werden. Es reicht in der That nicht hin, um Unterschiede zu bezeichnen, die sie nicht aufgeben können, weil sie von den sprechenden Völkern selbst aufs Strengste gewahrt werden. Man wird vielleicht fragen, warum ich nicht die weiteren Erfolge des im Jahre 1855 von Lepsius aufgestellten Systems abwarte, von dem, wie verlautet, der berühmte Gelehrte eine neue verbes- serte Auflage ausarbeitet. Die Antwort daraufist einfach: Das System von Lepsius dient anderen Zwecken als das meine, und wenn es für diejenigen Zwecke angewendet wird, für welche ich arbeite, so stif- tet es mehr Schaden als Nutzen. Das System von Lepsius ist kein solches, mit dem man die Aussprache bezeichnen kann, es ist über- haupt keine phonetische Schreibeweise, sondern nur ein System der Schriftvertauschung. Es mag dies hier nur an einem Beispiele erörtert werden. Das Persische ist eine Sprache, welche der phonetischen Trans- seription im Verhältniss zu mancher anderen nur geringe Schwie- rigkeiten entgegensetzt , und doch werden wenige Bemerkungen zeigen, welche Entstellungen es erleiden würde, wenn man es nacb dem System von Lepsius transscribiren und dann so lesen wollte, dass man jedem Zeichen den Lautwerth gibt, welchen Lepsius ihm zuschreibt i)- Lepsius gibt zunächst den Zeichen, welche er für slf und j> substituirt, den Laut von hartem (tonlosen) und weichem (tönenden) th der Engländer. Hierdurch führt er Laute ein , die dem persischen Munde so fremd sind , wie dem deutschen oder französischen, und die, wo sie aus ihm hervorgehen, mühsam ange- lernt wurden in dem Bestreben einem fremden Idiom, dem arabischen, 1) Wenn ich es wage, liier etwas über die Orthoepie des Persischen zu sagen, so mafj man mir dies desshalb verzeihen, weil auf einem so beschränkten Gebiete die Treff- lichkeit des Lehrers Wdhl den Mangel au Erudition beim Schüler aufwiegen kann. In der That habe ich ans der besten Quelle geschöpft, indem Herr Dr. Polak, der langjährige Leibarzt des Schah von Persien, die aufopfernde Freundlichkeit hatte sich durch eine Reihe von Stunden mit mir tu beschäftigen. über eine neue Methode der phonetischen Transscriptlon. 225 gerecht zu werden, etwa wie wir der englisclien Ausspraclie des th in englischen Wörtern n;ichstroben. Für gewöhnlich worden diese Laute auch in den dem arabischen abgeborgten Wörtern des per- sischen Sprachschatzes nicht gehört, und desshalb sind auch in der Bezeichnung der Grammatik desMirzalMuliammed Ibrahim, bearbeitet von Fleischer, die Lepsius der seinen gegenüberstellt . ganz consequenter Weise v^ und j ebenso wie ^^ und j durch s und z wieder gegeben. Ebenso hat Lepsius \o, ^o , ^ und i!> nnt denselben cha- rakteristischen Zeichen wie für das Arabische umschrieben, während der Perser \s von O, ^ voti ^^ und ^o und Ji> von j so wenig unterscheidet, dass er behufs der Rechtschreibung sich lediglich auf sein Gedächtniss verlassen niuss. Demgemäss finden wir auch in der obenerwähnten persischen Grammatik !:> ebenso wie O durch t, ^ ebenso wie ^t durch s und ^ und Ji ebenso wie j durch z ausgedrückt. Das j hat Lepsius in der Umschrift für das Persische mit demselben Zeichen bezeichnet, wie in der Umschrift für das Ara- bische. Nun ist aber, wo das j im Arabischen überhaupt ein Con- sonantengeräusch hat, dies Geräusch das des xo^ meiner Bezeichnung, des w labiale, während das Consonantengeräusch des persischen j das des w^, des lo labiodentale seu FRomanum, ist. Es kommt überdies vor, dass man im Arabischen gar kein Con- sonantengeräusch spürt, während dasselbe im Persischen an der- selben Stelle sehr kräftig hervortritt. Das Wort Jjl j)rimus hat die persische Sprache der arabischen abgeborgt, aber im Arabischen lautet es mial, im Persischen «7fH"aZ. Auch für das Ain hat Lepsius nur ein Zeichen, welches ihm wie im Arabischen, so auch im Per- sischen substituirt werden soll. Wie fremdartig würde aber dem Perser in der gewöhnlichen Rede, in Wörtern die das Bürgerrecht in seiner Muttersprache erlangt haben, und von denen er oft nicht weiss, dass sie aus dem Arabischen stammen, ein Laut klingen, den hervorzubringen er selbst beim Koranlesen nach Wallin's Zeugniss meist vergeblich bemüht ist? Kaum hesser als mit den Consonanten würde man mit den Vocalen daran sein ; wenigstens würde das lange Elif, das L e p s i u s im Persischen 13* 226 E- B r ü e k e mit demselben Zeichen umschreibt, wie im Arabischen, mit «, in der Mehrzahl der Fälle durcliaus unrichtig ausgesprochen werden. Seine Aussprache schwankt im Persischen zwischen dem tiefen a, im deut- schen TF«//^, und dem o im englischen lord, während es im Arabischen mit nicht emphatischen Consonanten den Laut eines hellen langen a hat. In dem persischen Worte ij^>- z. B. hat es den Laut des o in lord; würde man dasselbe nach den Regeln der arabischen Orthoepie aussprechen, so w^ürde es am Ende einen «-Laut erhalten, den der Perser wohl einem Fatha mit nachfolgendem P (z. B. in jJ-Xä-* sprich sädi) geben würde, aber nur in wenigen Ausnahmsfällen, wie z. B. in Ul (sed), dem langen Elif. Die Übelstände, die ich hier so eben erwähnt habe, sind nun aber nicht etwa Folge der einzelnen MissgrifFe, welche Lepsius bei Aufstellung seines Lautsystems gemacht hat, sie beruhen vielmehr in dem Principe, Zeichen bei Zeichen zu transscribiren, was ein für alle Mal unbrauchbar ist für die phonetische Transscription, selbst dann schon, wenn man für jede Sprache ein eigenes Substitutionsschema und dies soviel als möglich nach phonetischen Grundsätzten entwirft, um so viel mehr aber, wenn man es so wie Lepsius in der Weise anwendet, dass man ein und dasselbe Zeichen für ein und denselben Buchstaben in verschiedenen Sprachen festhält, trotz des durchaus verschiedenen Lautwerthes , der dem letzteren in denselben zu- kommt. Ich verkenne nicht, dass ein solches System nützlich, ja das beste sei, um einen Text zu transscribiren, wo es nur gilt die fremdlän- dische Schrift durch eine conventioneile, die sich der lateinischen Lettern als Basis bedient, zu ersetzen. Es wird nicht nur der Sinn auf's Genaueste gewahrt, sondern es wird auch stets leicht sein, nach der Transscription die ursprüngliche Schrift wieder herzustellen; aber die Orthoepie würde, wenn sie sich einer solchen Transscrip- tion anvertrauen wollte, auf eine oft wirklich seltsame Weise in die Irre geführt werden. Die Transscription, die mir vorschwebt, hat mit der eben besprochenen nichts gemein, weder imPrincip noch in den Zwecken. Sie soll nicht die fremdländische Schrift ersetzen, sondern sie soll neben sie gestellt werden, um sie zu erläutern und da, wo es noch keine Schrift gibt, soll sie zunächst dazu dienen, die Sprache abzu- über eine neue Mcllioile honetiselien Transscilption. 220 Laute selbst zu hören Gelegenheit hatten , keinesweges immer mit Sicherheit ergiht. So finde ich in Wallmann's Formenlehre der Namaqua-Spraehe zwar den als dental und den als lateral hezeich- iieteii Schnalzlaut ganz unverkennhar geschildert, nicht aber den als palalal und don als cerebral bezeichneten. Über diese sind mir wesentliche Zweifel zunickgeblieben. Indessen sei es mir erlaubt anzudeuten, in welcher Weise später, wenn das Material vollstän- dig beisammen sein wird , diese Lücke voraussichtlich ausgelullt werden kann. Die Schnalzlaute sind an sich durch ihre ganze Mechanik von den übrigen Sprachlauten vollkommen verschieden. In ihnen ist es nicht der exspiratorische Luftstrom, durch dessen Modification der Laut erzeugt wird, es ist auch nicht der inspiratorische. Nachdem ein Mundhölilenverschluss gebildet ist, wird durch eine Zungen- bewegung ein luftverdünnter Raum erzeugt und alsobald der Verschluss an irgend einer Stelle unterbrochen, so dass die Luft durch die so entstehende enge Öffnung plötzlich in den luftver- dünnten Raum hineinstürzt. Es muss also zuerst ein Zeichen da sein, für diese ganz veränderte Mechanik, ein Zeichen, das nichts gemein hat mit dem für den Verschlusslaut, das Reibungsgeräusch, den Zitterlaut, den L-Laut oder den Resonanten, sondern von allen diesen verschieden ist, ein Zeichen, das eben ganz allgemein angibt, dass geschnalzt wird. Dies Zeichen aber würde näher bestimmt werden durch ein anderes ihm voranzustellendes , welches angibt, ?on welcher Ver- schlussstellung aus geschnalzt wird. An diesem Zeichen müsste ferner ersichtlich sein, ob die Enge, durch welche die Luft eintritt, in der Mittellinie oder an der Seite entsteht. Der erste dieser beiden Fälle würde nicht besonders zu bezeichnen sein, der zweite aber durch das später zu besprechende Zeichen für die laterale Bildung angezeigt werden. So würde z. B. der von Wall mann Dental genannte Schnalzlaut einfach bestehen aus dem Zeichen für die dentale Articulation, verbunden mit dem Zeichen des Schnalzens , der von ihm Lateral genannte würde zu bezeichnen sein, mit dem Zeichen der alveolaren Articulation modi- (icirt durch das Zeichen für die laterale Bildung und verbunden mit dem Zeichen für das Schnalzen. Sollten sich alle wirklich vor- kommenden Schnalzlaute wie die beiden erwähnten unter den von 230 E.Brücke mir für die expiratorischen Sprachlaute aufgestellten Artieulatio- nen einreihen lassen, so würde zu ihrer Bezeichnung nur ein neues Zeichen nöthig sein, das des Schnalzens; sollten sich aber einige derselben dieser Einreihung entziehen, so müsste durch neue Arti- culationszeichen oder durch Modification der vorhandenen für sie gesorgt werden. Noch eine Art von Lauten muss hier erwähnt werden: sie stellen eine besondere Modification der Verschlusslaute dar. Bei der Bildung eines Verschlussiautes sind zunächst drei Fälle zu unter- scheiden: 1. die Stimmritze ist weit offen, dann entsteht eine Tennis; 2. sie ist zum Tönen verengt, dann entsteht eine Media; 3. der Kehlkopf ist ganz verschlossen. — Wird in diesem letzteren Falle der Verschluss des Kehlkopfes gleichzeitig mit dem in der Mund- hohle gebildet und vollständig durchbrochen, so entsteht auch eine Tennis aber mit schärferem Vocaleinsatze (respective Begrenzung). Solche Laute sind das !=> und das J[ der Araber; ferner die vor einem Vocale anlautenden Tenues der Ungarn und wohl grössten- theils auch der slavischen und romanischen Völker. Ich schreibe sie in meinem Alphabete mit dem Zeichen der entsprechenden Ver- schlusslaute, denen das Zeichen für den Kehlkopfverschluss ange- fügt wird. Man kann aber auch den Verschluss in der Mundhöhle bei noch verschlossenem Kehlkopfe durchbrechen und damit ein leichtes Explosivgeräusch hervorbringen, indem entweder die eingefangene Luft der Mundhöhle an sich die dazu hinreichende Spannung hat, oder indem man ihr dieselbe durch einen leichten Druck mittelst der Zunge oder den Backen gibt. Dies Explosivgeräusch, dem dann erst die hervorbrechende Stimme, wenn gleich so schnell, dass der Zeitunterschied kaum merklich ist, nachfolgt, steht zwischen der geflüsterten Media und der Tenuis, gleicht aber keiner von beiden vollkommen. So entstehen Laute, die die Obersachsen in vielen Fällen den Buchstaben b, d und g geben, und mit denen die Schwierigkeit innig zusammenhängt, welche sie darin finden, Tenues und Mediae von einander zu unterscheiden i). ') Merkel (AiiUiropophoiiik , Leipzig' 18.'>7) hat zuerst den Kehlkopfverschluss als wesentlichen Bestandlheil der .Mechanik dieser Laute richtig erkannt und heschrie- hen ; er giht aber irrthüinlich an , dass mit dem Kehlkopf- und Mundhöhlen- versehlusse auch die Gaiinicnklappe geöffnel werde. (Schmidt's Jahrb. d. ges. über eine neue Methode der phonetischen Transscription. i,ol Ich habe für sie keine besondere Zeichen erfunden, weil von mir für andere Laute aufgestellte Symbole so combinirt werden können, dass sie auch diese Art der Lauterzeugung unzweideutig anzeigen. Wir haben so eben gesehen, dass ich Zeichen besitze für den Mundhöhlenverschluss, der mit dem Kehlkopfverschluss verbun- den ist; andererseits besitze ich ein Zeichen für den Kehlkopfver- schluss bei vocalisch offenem Mundcanal. lasse ich beide aufeinander folgen, indem ich dem letzteren, um seine äusserst kurze Dauer anzuzeigen, das später zu beschreibende Reductionszeichen beigebe: so ist die betretlende Action ausgedrückt nach dem Grundsatze unserer Schreibweise, Avelcher lautet, es sind nach einander die Stellungen zu bezeichnen, welche die beim Spre- chen mitwirkenden Theile im Laufe der Rede anneh- men, und der Leser hat stets aus einer angezeigten Stellung in die nächstfolgende auf dem kürzesten Wege überzugehen. Es liegt auch nichts Fremdartiges darin, dass das Kehlkopfverschlusszeichen des zweiten Buchstaben dieFort- dauer des bereits in dem ersten Buchstaben angezeigten Kehlkopf- verschlusses bedeutet, vielmehr ist dies etwas durchaus regelmässiges, auch anderweitig in der Natur unserer Schrift begründetes; denn wenn ich z. B. icendeu schreibe, so ist durch das d nichts Neues gegeben, als dass die Gaumonklappe geschlossen wird; der Ver- schluss in der Mundhöhle und der Zustand des Kehlkopfes bleiben, wie sie waren. Es kann eingewendet werden, dass durch jene Zeichen freilich die Veränderung in der Stellung der Mundtheile angezeigt, aber nicht das Explosivgeräusch und die Art seiner Ent- stehung bezeichnet sei, da hier eben das continuirliche lauterzeu- gende Moment, das sonst immer stillschweigend vorausgesetzt wird. Medicin, Jahrg. 1838, S. 90. Ausser dieser scheint mir in M e r k e Is Beschrpihun? noch eine andere kleinere Ungjennu!<^keit enthaUen zu sein. Er saj^t nämliph, wenn die Media (oder, wie er den Laut später, 18.)8, nennt, Tenuis) vor einem Vocal laute, so werde der Kehlkopfverschluss mit dem Mundhöhlenverschlusse gleichzeitig durchbrochen. Wenn dies richtig wäre, so würden diese Laute, abgesehen von der gewiss unrich- tigen Angabc, dass sich hei ihnen die Gaumenklappe ölTiip, in ihrer Mechanik ganz mit den vor den Vocal anlautenden Tenues der L'ngarn übereinslimmen, die für mich davon auflällig verschieden sind. Die letzteren haben etwas stossendes, was sie aku- stisch kräftig macht, während umgekehrt in den in Rede stehenden Lauten der Ober- sachsen das Durchbrechen des Mundhöhlenverschlusses (wie ich meine, wegen des noch bestehenden Kehlkopfverschlusses) einen verbällnissmässig geringen akustischen Effect hervorbringt. 232 ^- Brücke der exspiratorische Luftstrom, durch den noch andauernden Kehlkopf- versehluss unwirksam gemacht ist; aber eine kurze Betrachtung wird auch hierüber hinweg helfen. Ein Mundhöhlenverschluss, der ganz ohne akustische Consequenzen ist, wird schwerlich Bestandtheil einer Sprache sein, und als solcher geschrieben werden. Der Leser kann auch beim Inlaute nicht glauben, dass das Zeichen des Kehl- kopfverschlusses hier der Sylbentrennung halber gesetzt sei, denn ein syibentrennendes Hamze würde sicher seinen vollen Werth haben, und ihm würde somit nicht das Zeichen der Reduction beigegeben worden sein. Eben so wenig kann der Leser auf die Idee kommen, dass die Luft durch Eindringen von Aussen ein Consonantengeräusch hervorbringen soll, denn dann würde der Laut als Schnalzlaut charakterisirt sein. Der Consonant muss also hervorgebracht werden mit ausströmender Luft, und da der Kehlkopf verschlossen ist, so bleibt dem Leser nichts anderes übrig, als aus unseren combinirten Symbolen eben die Art der Lauterzeugung herauszulesen, welche wir damit bezeichnen wollten. Diese Art der dialektischen Aussprache der Medien ist nicht zu verwechseln mit einer anderen, welche in Mittel- und Süddeutsch- land ein so grosses Verbreitungsgebiet hat, dass einige sie auch für die Kanzel und die Rednerbühne als berechtigt anerkennen und sogar in ihr die wahre und charakteristische Aussprache der Medien sehen. Sie besteht darin, die Medien im Anlaute auch beim lauten Sprechen zu flüstern i). Bekanntlich machen wir beim Flüstern die Mediae leicht und sicher dadurch kenntlich, dass wir bei ihnen unsere Stimmritze so wie bei den Vocalen und den übrigen tönenden Consonanten ver- engern, während die Tenues mit weit offener Stimmritze explodiren. Eine solche geflüsterte Media lässt sich also auch in der lauten Sprache nicht mit einer Tennis verwechseln, unterscheidet sich aber von der unserer Ansicht nach normalen Media durch den Mangel tönender Schwingungen. Dieses verzögerte Einsetzen der lauten Stimme dehnt sich bei vielen auch auf die übrigen tönenden Conso- nanten, ja bei manchen auch auf die Vocale aus, aber bei keiner Art von Lauten ist es so häufig wie bei den Medien. Es wird mir leicht sein, diese Aussprache, wo sie vorkommt, zu bezeichnen, da ') Berichte der rnalhcm.-iiiihir .\-. (.1., Bd. XXVUI. pagr. 67. über eine neue Methode der pliunutisctien Transscriplinn. <^u<> ich ein eigenes Zeichen für die verengte aber nicht tönende Stimm- ritze besitze, das sich gleichmässig mit Vocal- und Consonanten- Symbolen verbinden lässt. Hiicksichtlich des äusseren Mechanismus meines Alphabetes bin ich in etwas von meinem ursprüngliclien l'hine abgewichen. Ich hatte damals die Absiciit, die einzelnen Stücke, aus denen meine Consouantenzeicben bestehen sollten, in senkrechter Hichtung zu verbinden und halte auch bereits in dieser Weise ein Aiphabet ent- worfen, dessen ich mich für meine eigenen Zwecke bediente, als ich anfing, mich niit dem Studium der arabischen Sprachlaute zu beschäftigen. Ich habe aber dasselbe später wieder aufgegeben und dieses ganze Princip auf Kosten der Einfachheit der Schriftzeichen verlassen. Der Grund war kein anderer, als der, dass ich eine grössere Leichtigkeit und Sicherheit im Satze erzielen wollte, als mit jenem Principe vereinbar war. Der Satz meiner jetzigen Schrift ist so einfach und so sicher, wie der unserer gewöhnlichen deutschen und lateinischen Drucke, indem alle Stücke nur in horizontaler Richtung an einander gefügt werden und jedes Zeichen über oder unter der Zeile vermieden ist. Da ich, indem ich meine Transscriptionsmethode entwarf, zu- nächst die Bedürfnisse der Linguisten vor Augen hatte , so musste es mir wesentlich darauf ankommen, dass sich der Satz des neuen Alphabetes bequem in den lateinischen oder deutschen Satz einfügen lasse, was auch jetzt vollkommen erreicht ist. Ich habe ferner keine eigene Zeichen für die Resonanten ein- geführt, sondern dieselben aus den Zeichen für die tönenden Ver- schlusslaute und dem Zeichen für die offene Gaumenklappe, wie ich solches auch bei den uasalirten Vocalen anwende, combinirt. Ich bin hierin F. H. du Bois-Reymond gefolgt, weil ich eingesehen habe, dass es besser ist, zu einem diakritischen Zeichen seine Zuflucht zu nehmen, als ein und dieselbe Sache bei Consonanten anders als bei Vocalen zu bezeichnen. Die Zusammensetzung der Buchstaben aus mehreren Stücken habe ich in meinen Grundzügen (S. 123 ff.) bereits gerechtfertigt. Einerseits wird es durch diese allein möglich, milleist einer verhält- nissmässig geringen Anzahl von Typen eine sehr grosse Anzahl von verschiedenen Vocalen und Consonanten zu bezeichn« n, andererseits ist gerade durch sie die Erhaltung der Buchstaben in ihrem Ursprung- 234 E. B r ü c k e liehen typischen Charakter gewährleistet, denn wenn mau später auch um den Satz weniger zeitraubend zu machen, die häufigeren Combinationen zusammengiessen wird , so wird man doch immer jedem einzelnen Stücke und seiner ursprünglichen Gestalt gerecht werden müssen. Dies ist es, worauf ich den höchsten Werth lege, weil eben mein Alphabet durch sie den wahren Charakter der Laute offen zu Tage legt und die Gesetze der Lautveiäiiderung so einfach und unmittelbar aus den gesammelten Beispielen hervortreten lässt, wie das Facit aus den Zahlen eines Rechenexempels hervorgeht. Gleich dem ersten Bearbeiter einer Sprache wird bei dem Bestreben, die gehörten Wörter zu transscribiren, die Lautlehre eben dieser Sprache in so elementarer Weise aufgedrängt werden, dass er sich ihren Wahrheiten nicht entzieben kann und er wird direct und ohne sein weiteres Zuthun auf Beobachtungen geführt werden, die sonst erst das Resultat mühsamen Vergleichens und Nachdenkens gewesen wären. Wenn hieraus hervorgeht, welchen Nutzen ich mir von meiner Transscriptionsmethode für die Sprachwissenschaft verspreche, so hoffe ich andererseits, dass sie auch in Rücksicht auf die Verbrei- tung der Kenntnisse in weiteren Kreisen Früchte tragen werde. Wenn sich die Männer der Wissenschaft einmal mit ihr befreundet haben, so kann es nicht feblen, dass auch die Wöi-terbücher für den gewöhnlichen praktischen Gebrauch, die sich bisher anderer, und zwar sämmtlich höchst unvollkommener Transscriptionsmethoden bedient haben, dieselbe aufnehmen und dadurch ihre Brauchbarkeit um ein sehrBedeutendes erhöhen werden. Ich hege auch die Hoffnung, dass meine Transscriptionsmethode in Sammlungen von Fremd- wörtern und in historische, ethnographische und geographische Lexika übergehen, und dadurch nach und nach die im eigentlichen Sinne des Wortes barbarische Art verschwinden wird, in der in unseren Schulen beim Geographie- und Geschiebtsunterricht nicht nur die aussereuropäischen, sondern auch grossentheils die euro- päischen Namen mit Ausnahme der französischen und italienischen behandelt werden. Ja ich möchte noch w^eiter gehen und glauben, dass, wenn es dieserTransscriptionsmethode gelingt, sich Anhänger zu verschaffen, durch sie der phonetische Unterricht einen Weg in die Schulen selbst finden wird. Es würde dies nicht nur, wenn ich mich so aus- drücken darf, eine Turnübung für die Sprachorgane sein, um ihnen über line iioiie McIImkIc tk>r phonetischen Tiaiisscription. 235 im Vüi-hinciii diejenige Gewandtheit zu gehen, welcher sie zur Er- lernung verschiedenei- lebender Spraclien in so hohem Grade beddr- fen, sondern es würde auch die Aufmerksamkeit der Schüler auf die Spraehlaute überhaupt und die Art, wie sie hervorgebracht werdeil, lenken, und dadurch auf die Reinheit und Deutlichkeit des V'ortrages in der Muttersprache zurückwirken. Es würde endlich eine ernsthafte Beschäftigung der Schulmänner mit der Lautlehre dazu dienen, diesem Capitel in den gebräuchlichen Sprachlehren eine angemessenere Gestalt zu geben, und die Lehre von den Dingen, wie sie wirklich sind, an die Stelle der Gebäude treten zu lassen, die man nach dem inissverstandenen System altgriechischer Philoso- phen und Grammatiker aufgebaut hat. Die Vocalzeichen. Zur Bezeichnung der Vocale dienen mir zunächst neun Typen, welche theils einzeln, theils zu zweien vereinigt angewendet werden. Denke ich mir den Raum der Buchstabenzeile in drei über einander liegende Abtheihingen gebracht, von denen die mittlere dem m der lateinischen Schrift entspricht, die obere dem übergreifenden Theile des /, die untere dem herabragenden Theile des p, und bezeichne ich diese drei Abtheilungen als oberen, mittleren und unteren Raum, so sind alle Vocalzeichen auf den mittleren Raum, beschränkt. Ihre Elemente sind: 1. Die Fahne. Als solche bezeichne ich einen horizontalen Strich an der obern Grenze des mittleren Raumes - 2. der nach rechts geneigte Strich / 3. derselbe mit der Fahne 7 4. derselbe mit dem Querstrich i- 5. derselbe mit Fahne und Querstrich i 6. der nach links geneigte Strich v 7. derselbe mit der Fahne \ 8. derselbe mit dem Querstrich s. 9. derselbe mit der Fahne und dem Querstrich \ Diese Elemente bilden die Vocalzeichen in der auf der nächsten Seite dargestellten Weise. Zur Erläuterung habe ich daneben eine Vocalpyramide mit der in meinen Grundzügen angewendeten Bezeich- nung hingestellt. Der nach links geneigte Strich, der in der Vocal- 236 E. ß r ü e k e Pyramide nie für sich allein, aber als Bestandtheil alier Vocalzeielien vorkommt, bildet das Symbol für den sogenannten unbestimmten Vocal, wenn er ohne alles weitere Abzeichen gesetzt wird. A (t A TV n' a" A Vi K e" rt"' 0" ? Ä A -V e e" o' o \ -\ V -\ i i" u' u Als Zeichen der offenen Gaumenklappe wähle ich einen Punkt im oberen Räume; das Zeichen für jeden reinen Vocal wird also durch diesen in das Zeichen für den entsprechenden nasalirten verwandelt. Anbei sieht man das Schema der nasalirten Vocale. A Ä Ä A A ?. '\ -\ A \ i i vi. Als Zeichen für die unvollkommene Uildung i) wähle ich gleich- falls einen Punkt, der aber im mittleren Räume unten neben dem nach links geneigten Striche steht. Das Schema der unvollkommen gebildeten Vocale ist somit folgendes : A A :v A a a k i.\ A -\ \ -\ \ -\ An dies schliesst sich das Schema, in dem die Vocale unvoll- kommen gebildet und zugleich nasalirt sind: Ä Ä :v A A A 5 :i Ä i i A vi 'J Vergl. Gruudiüge. S. 23. fll ÜliPi" eine iiPiie Mellioilt' (Icr iihonelisclioii TiMiisscription. C «J ^ Die Gonsonantenzeichen. Die Zeichen für die tönend(Mi Consonante» werden aus zwei Stücken zusammengesetzt, von denen das eine die Artici>lation bezeichnet, das andere die pliysikalische Beschaffenheit des Conso- nanten, d. h. das letztere lehrt, ob der Consonant ein Verschlusslaut ein Reibungsgeräusch, ein L-Laut, ein Zitterlaut oder ein Resonant sei. Für die tonlosen Corisonanten existiren keine besondere Zeichen, indem die der tönenden mit den weiter unten zu beschreibenden Zeichen der Stimnilosigkeit, d. h. der weit offenen Stimmritze oder der verengten nicht tönenden, eventuell bei den Verschliisslauten des verschlossenen Kehlkopfes, versehen, die nöthigen Symbole liefern. Articulationszeiehen gibt es, entsprechend den neun Articula- tionen, zwei für das erste, vier für das zweite und drei für das dritte Gebiet. Dem ersten gehören an der nach rechts offene Haken im oberen Räume *^ als Zeichen für die labiale und der nach links offene Haken ' im oberen Räume für die labiodentale Articulation. I>em zweiten Articulationsgebiete gehören an: 1. Das Dach auf der Grenze zwischen dem oberen und mittleren Räume " für die alveolare Articulation. 2. Der nach rechts offene Haken im mittleren Räume c für die cerebrale Articulation. 3. Der rechts gewendete S-förmige Haken im mittleren Räume s für die dorsale Articulation. 4. Der Grundstrich im mittleren Räumer für die dentale Articu- lation !)• Dem dritten Articulationsgebiete gehören an: 1. Der einfache Hinaufzug durch die beiden unteren Räume ] für die Articulation des Zungenrückens mit dem mittleren Theile des harten Gaumens. Die Articulation des k, g und ch, wenn sie im •Deutschen mit e und i verhunden sind: sogenanntes vorderes k, g und eh. 2. Der Grundstrich durch den mittleren und unteren Zwischen- raum y für die Articulation zwischen dem Zungenrücken und dem hinteren Theile des harten Gaumen.s die Articulation für das g, k ') über diu Stellung der Mundtheile bei diuseii Ailiculationen veigl. meine üruud/.iige S. 36 ff. nebst der beigegebeneii T:i(V'l. 238 R- B 'ii ck e und ch, wenn sie im Deutschen mit a, o und« verbunden sind, wie in rock, auch etc. 3. Der Aufzug mit dem Dach | für die Articulation des Zungen- rückens mit dem weichen Gaumen, die Articulation des j; der Araber und der Perser *). ^ Der zweite Theil des Consonantenzeichens erscheint in fünf Gestalten. Sie sind: 1. Der nach rechts offene Haken auf dem mittleren Räume c für den Verschlusslaut -) ; 2. der nach links gewendete doppelt gekrümmte Haken t auf dem mittleren Räume für das Reibungsgeräusch; 3. der in den unteren Raum hinabragende Grundstrich \ für den L-Laut; 4. der nach links offene Haken auf dem mittleren Räume i für den Zitterlaut; 5. der nach rechts offene Haken mit dem Punct darüber i für den Resonanten. Diese Gestalten geben, mit den vorgenannten combinirl, die Zeichen für die tönenden Consonanten in der Art, wie es hier bei- spielsweise an einigen allgemein bekannten Lauten dargestellt ist. 'c b \ V Romanum, H m \ z der Franzosen, n 0 „ Neugriechen, ^ l „ Deutschen, ^ r „ ^t n „ ji j consona, |i r Uvulare. *) Die liier erscheinende Abweieliun» von meinen Grundzügen, in denen nocli eine Articu- lation hinter der des « erscheint, ist eine Folge meiner Studien über die arabischen Sprachlaute. Ich habe mich überzeugt, dass beim wirklichen Sprechen unser Unter- scheidungsvermögen , wenigstens meines, nur für die drei hier auTgezühlten Stufen ausreicht, und unter diesen musste das ^ auf die dritte gestellt werden. ') Ich bitte den Leser keinen Anstoss daran zu nehmen, dass dies Zeichen dieselbe Gestalt hat, wie das für die alveolare Articulation. Es unterscheidet sich von ihm durch die Stelle , so das.s durch die Übereinstimmung in der Form nie eine Zweideu- tigkeit entstehen kann. über eine neue Melhode der phonelisclien TransscripUon. ^60 Die Zeichen für den Zustand des Kehlkopfes. 1. Das Tönen dör Stiinmoänder als solches wird durch kein besonderes Zeichen angegeben. 2. Sind die Stimmbänder weit von einander entfernt, so dass die Luft frei und tonlos herausströmt, so wird dies angezeigt durch den einfachen Ilinaufz-ug durch die beiden oberen Zwischenräume. Dieses Zeichen gibt zunächst mit dem des unbestimmten Vocals verbunden, das Zeichen vi für das // der Deutschen und das k. der Araber. Mit dem Zeichen für die tönenden Consonanten verbunden, gibt es entsprechende tonlose, so mit dem Zeichen für b "r das Zeichen für j) ""d, mit dem Zeichen für o der Neugriechen n das Zeichen für .S- der Neugriechen m1 etc. 3. Das umgekehrte Dach unter der Linie, welche den mittleren von dem unteren Zwischenräume trennt mit dem Hinaufzuge durch die beiden oberen Räume ], zeigt einen Zustand des Kelilk, wenngleich keineswegs überall; ferner dem \ der Polen und den» diesem entsprechenden .11. der Russen. Dem polni- schen Ohre muss er im J charakteristischer sein, als das conso- nantische Element selber, das in der That im Munde der Landes- eingebornen manchmal überaus schwach und undeutlich, ja in ein- zelnen Fällen vollständig entstellt ist. Ein junger Pole aus Warschau, der in meinem Laboratorium arbeitete, hatte in dem \ zwar das voll- kommen charakteristische Timbre, aber gar keinen L-Laut mehr, sondern statt dessen ein schwaches w^. Er sagte mir, dass diese Aussprache anerkannt unrichtig, aber doch in Warschau gar nicht selten sei. Es scheint fast als ob beim ^o im Laufe der Zeiten das conso- nantische Element dem Timbre gegenüber einmal eine ähnlich untergeordnete Rolle gespielt hätte, sonst wäre es, ganz abgesehen von seinem Schwanken zwischen ^a, "u und tu, kaum begreiflich, wie man darüber streiten konnte, ob das ^ nur ein emphatisches J oder ein Laut siii generis sei*). Pas emphatische J, wie es in ÄUj gehört wird, hat nämlich eine innige Verwandtschaft mit dem \ der Polen, und ebenso sagt Wall in von ihm, dass es etwa wie das .\b der Russen laute. Ich finde dies auch durch Herrn Hassan's Aus- •) Veigl. Wallin, Zeitschrift der deutscheu orientalischen Gesellschaff, Bd. XII, S. 633 und 634. 244 E. 15 r ii ck e spräche, was das Timbre anlangt, vollkommen bestätigt, nur sehe ich das Jib von den mir bekannten Russen dental, also als r^i bilden, was ich bei Herrn Hassan in Rücksicht auf das emphatische J nie gesehen habe. Er schien es mir fast höher am Gaumen zu bilden, als das gewöhnliche l. Das Zeichen i kann und muss begreiflicher Weise auch mit Vocalen verbunden M'erden und bildet so ein wesentliches und noth- wendiges Hilfsmittel für die Umschreibung des russischen w, ausser- dem aber auch anderer Vocale, welche, nach der gewöhnlichen Auf- fassung unter dem Einflüsse emphatischer Consonanten, den tieferen Klang angenommen haben. * Zeiclien für Consonanten mit zwei Articulationsstellen. Wenn ein Consonant bezeichnet werden soll, bei dem zwei Engen hinter einander liegen, die jede für sich, wenn sie einzeln vorhanden wären, zu einem Reibungsgeräusche Veranlassung geben würden, so füge ich die Zeichen für die Orte der Engen (die Zeichen für die Articulationsstellen) an einander, und hänge ihnen das Zeichen des Reibungsgeräusches an: so schreibe ich das j der Franzosen mit ^ zusammengesetzt aus ^ y und i. Tritt dazu noch das Zeichen der weit offenen Stimmritze, so entsteht daraus "yii das seh der Deutschen. Beim Schreiben solcher Consonanten ist immer das Zeichen derjenigen Articulationsstelle, welche mehr nach vorne liegt, zuerst zu setzen. Zeichen für Consonanten mit zweierlei Geräusch. Solche Consonanten sind: das p und das •>■ der Araber. Ich schreibe zuerst das Arliculationszeichen, und füge diesem die Zeichen für die Geräusche eines nach dem andern an. So entsteht als Zeichen für 5- |a aus der Combination von | i und j. Tritt dazu noch das Zeichen der weit offenen Stimmritze, so wird daraus t\ii, das Zeichen für •>-. über eine neue Methode ?c im Gegensatze zu den krummlinigen der Consonanten. Ich weiss, dass hierduich das Ansehen der Schrift gelitten hat, dass sie bunt geworden ist; aber bei den Zwecken, denen sie dienen soll, musste ich dies gerir)g anschlagen gegenüber dem Vortheile, dass die Vocale in der Schrift auf den ersten Blick in die Augen springen und dadurch die Übersicht ungemein erleichtert wird. Meine zweite Sorge war, die Anzahl der zu schneidenden Stempel so viel als möglich zu vermindern. Die reinen Vocale mit heller Resonanz verlangen neun Typen, dazu kommen vier, welche das Zeichen der ofTenen Gaumen- klappe, vier welche das Zeichen der dumpfen Resonanz (unvoll- kommener Bildung) und vier, welche beide Zeichen tragen. Dies macht zusammen 21 Typen, die das Material für die Bezeichnung von 58 1) verschiedenen Vocallauten geben. Zugleich sieht man ein, dass man da, wo es auf die äusserste Sparsamkeit ankommt, dieAnzahl der zu schneidenden Stempel noch bedeutend vermindern könnte, indem man die diakritischen Punkte gesondert in die Matrizen einschlüge; wenigstens würde sich dies mit dem die otTene Gaumenklappe bezeichnenden Punkte bei einiger Sorgfalt wohl ohne aulTaliigen Nachtheil für die Schrift thun lassen. Bei der Combination zweier Typen zu einem Vocaizeiehen habe ich alle Verbindungen vermieden, bei welchen der eine Theil mit einem Querstriche versehen ist und der andere nicht, d;imit nicht beim schnelleren Schreiben der andere Theil mit durchstrichen und somit ein Fehler herbeigeführt werde. Man möchte vielleicht glauben, dass auch die einseitig angeheftete Fahne solche Gefahr bergen könnte, aber dies ist erfahrungsmässig nicht der Fall, indem man sieh leicht gewöhnt dieselbe in einem Zuge mit einem der abstei- i) Nicht 60, weil für den unbestimmten Vocal der Unterschied von voUkommener und unvoHkommener Bildung heUer und dumpfer Hesonanz nicht cxiitirt. 246 E. B 1- fi c k e genden Striche zu schreiben, wodurch jedes übergreifen, nach der lindern Seite unmöglich wird. Bei der Vertheilung der Zeichen auf die Vocalpyramide habe ich mich von dem Gedanken leiten lassen , dem Gedächtnisse so viel Erleichterung als möglich zu gewähren. Wenn man vom a aus die divergirenden Seiten der Pyramide verfolgt, so bekommt man die Laute «' und a" indem man dem Zei- chen des a eine nacli innen gewendete Fahne anhängt ; fügt man zu dieser den Querstrich, so erhält man die darauffolgenden Laute e" und 0% nimmt man dann den nach rechts geneigten Strich weg, wieder- um die darauf folgenden Laute e und o, und wenn man endlich auch den Querstrich entfernt, so bekommt man i und u. Legt man die Zeichen für e" und o" auf einander, so bekommt man den da- zwischen stehenden Vocal a"' (^soeur , malheurj ; nimmt man ihm den Querstrich, so bekommt man das Zeichen für e°, und nimmt man ihm den oberen Strich (die combinirlen Fahnen) , so erhält man das Zeichen für o'. Lässt man aus diesen beiden Zeichen den nach rechts geneigten Strich weg, so erhält man die Zeichen für i und ti'. Das Zeichen v habe ich desshalb für den unbestimmten Vocal reservirt, weil es Bestandtheil aller Vocalzeichen ist und desshalb als vocalisch offener Muiidcanal ohne Bezeichnung einer bestimm- ten Vocalfärbung aufgefasst werden kann. Alle Vocalzeichen haben eine Verbindung nach unten und rechts. Es war dies unumgänglich nothsvendig, weil sie nur Zei- chen für den Zustand des Ansatzrohres sind und sich ihnen die Zeichen für den Zustand des Kehlkopfes anfügen mussten. In Rücksicht auf die Consonantenzeichen war für mich der erste leitende Gedanke der, die Articulationsstelle , den physikali- schen Process der Geräuscheizeugung und den jeweiligen Zustand des Kehlkopfes durch besondere Zeichen anzuzeigen. Nur hier- durch war es möglich , eine leichte und rasche Übersicht über die grosse Anzahl der Consonanten zu erhalten und die Menge der Typen in entsprechender Weise zu vermindern, nur hierdurch end- lich konnte das Alphabet das werden, was es werden sollte, eine beredte Zeichensprache, die bei spraciivergleichenden Untersuchungen in durchsichtiger Klarheit die wesentlichen Veränderungen, welche die Laute erlitten haben, zur Schau trägt. über eine neue Methode der phonellsclien Triiiisscription. ^47 Meine zweite Sorge bestand darin, die Artieulationszeiehen n;ich den einzelnen Articulationsgehieten in aulTüIliger Weise von einander zu trennen. Desshalb nehmen die Zeichen des ersten Articnlationsgebietes den oberen Raum ganz ein und sind auf den- selben beschränkt. Von den Zeichen des zweiten Gebietes liegt das eine im untersten Theile des oberen Raumes, die drei anderen im mittleren Räume, den sie vollständig ausfüllen. Die Zeichen des dritten Gebietes erstrecken sich durch den ganzen unteren und mittleren Raum und eines von ihnen, und zwar das der letzten und hintersten Articulationsstelle, ragt noch etwas in den oberen Raum hinein. Man wird vielleicht fragen , warum ich nicht einfach die Zei- chen des ersten Gehietes auf den oberen, die des zweiten auf den mittleren , die des dritten auf den unteren Raum beschränkt habe, aber dies ging schon desshalb nicht an , weil die Verbindung mit dem nächstfolgenden Zeichentbeile natürlich immer in demselben Niveau gesucht werden musste, um überhaupt die verschiedenen Consonantenzeichen zusammensetzen zu können. Übrigens wird man beim praktischen Gebrauche sehen, dass selbst in der schlech- testen Schrift die Charakteristik der drei Gebiete noch in hinrei- chend aulTälliger Weise hervortritt. Die Verbindung zwischen dem ersten und zweiten Theile des Zeichens liegt in der Linie, die den oberen und mittleren Raum von einander trennt. Ich habe desshalb die Verbindung zwischen dem zweiten und dritten Theile in die Linie versetzt, welche den mitt- leren und unteren Raum von einander scheidet. Es hat dies einen doppelten Vortheil. Erstens konnte ich den ganzen mittleren Raum benutzen ohne wieder einen Hinaufzug suchen zu müssen, und zweitens lehrt die Art der Verbindung an sich, in welchem Theile des Consonantenzeichens man sich befindet, was beim Lesen der Consonanten mit zweifachem Geräusche oder zweifacher Articula- tionsstelle von wesentlichem Nutzen ist. Ich glaube bei Gelegenheit der letzteren auf das seh der Deut- schen zurückkommen zu müssen, um hier einer Art diakritischer Zeichen zu erwähnen, welche ich vorläufig noch nicht in meine Typen aufgenommen habe, weil ich ihrer zu den Transscriptions- proben, welche ich der Abhandlung beigeben konnte, nicht noth- wendig bedurfte. 248 E. n .• ü c k e Ich habe bereits in meinen Grundzügen (Seite 64) auf das Anstemmen der Zunge gegen den Gaumen aufmerksam gemacht, vermöge dessen die Luft beim seh nicht wie sonst beim s über die Mitte der Zungenspitze, sondern zu beiden Seiten derselben iibfliesst. Ich habe diese Bildungsweise damals für eine Eigenthüm- lichkeit eines einzelnen Dialekts gehalten, mich aber seitdem mehr und mehr von der grossen Verbreitung derselben überzeugt. Es mögen desshalb Fälle eintreten, wo es wünschenswerth ist, sie in der Schrift durch ein besonderes Hilfszeichen ersichtlich zu machen, und ich schlage vor, zu diesem Zwecke dann im unteren Räume und unter dem Zeichen für die bezügliche (hier dem zweiten Articula- tionsgebiete angehörige) Articulationsstelle einen Querstrich und einen Punkt darunter als Zeichen der bilateralen Articulation im Gegensatze zur medianen anzuwenden. Es würde hiermit zu- gleich das Mittel zur Bezeichnung der unilateralen Articulation gegeben sein und zwar würde man durch den Punkt allein die uni- laterale Articulation nach rechts, durch den Querstrich allein die (so viel ich weiss noch nicht beobachtete) unilaterale Articulation nach links anzeigen. Akustisch sind zwar beide durchaus gleiclnverthig, und es würde für das, was am einzelnen Laute zu hören ist, ein Doppelpunkt für die bilaterale und ein einfacher Punkt für die uni- laterale Articulation vollkommen genügen, aber es findet sich, dass bei Beschreibung unilateral gebildeter Laute ausdrücklich gesagt wird, dass sie an der rechten Seite gebildet werden. Ich erinnere an den Ausspruch: o\ — JJl jAr ^ ^l^^l ^ lyi. Uj öLill Äälo- J-ol ^^ SiA\ ^ (Baidäwi ed. Fleischer II. p.rA^ und \r. Wallin I. c.) Im Ehhkili (vergl. F. Fresnel '\m Jonrjial Asiatique, serie III, T. 17, p. Ö29) wird das ^^<:> noch jetzt unilateral gebildet und zwar immer nach rechts und eben so werden die beiden anderen unilateralen Consonanten dieser Sprache immer nach rechts gebildet. Fresnel fragte seinen eingeborenen Lehrer Muhhsin, ob es in seinem Lande keine Leute gäbe, die diese Laute nach links bildeten; aber dieser antwortete: „qu'on n'avait jamais vu d'exemple d'une pareille gaucherie^. Wenn also in irgend einer Sprache unilaterale über eine neue Methode der phouetischeu Transscription. c49 Articulation nach links aufgefunden würde, so würde man billig für diese ein besonderes Zeichen verlangen. Diese Zeichen für rechts und links würden sich auch auf die L-Laute übertragen lassen, und müssten natürlich ebenso wie bei den Reibungsgeräuschen unter das Zeichen der Articulationsstelle gesetzt werden. Ich kann nicht unterlassen , hier noch etwas über die Bezie- hungen zwischen i\en L-Lauten und den unilateral oder bilateral articulirten Reibungsgeräuschen des zweiten Articulationsgebietes hinzuzufügen. Alle L-Laute werden lateral gebildet und alle gehören dem zweiten (mittleren) Articulationsgebiete an. Bei ihnen allen fällt die Luft, nachdem sie zwischen dem Zungenrande und den Backenzähnen hindurchgelreten ist, zunächst gegen die Innenfläche der Backen und streicht an dieser entlang zur MundülTnung. Bei den lateral gebildeten Reibungsgeräuschen aber, sei es dass die Luft zwischen Zunge und Gaumen austritt und erst dann gegen die Zähne an- fällt (laterales "i und M) oder dass die Enge selbst zwischen Zunge und Zähnen liegt (laterales n und nl), tritt die Luft, nachdem sie die Zähne passirt hat, direct nach aussen, ohne erst die Innen- fläche der Backen zu treffen und an dieser fortzufliessen, und darin liegt es hauptsächlich, dass sie, den entsprechenden median ge- bildeten Reibungsgeräuschen in Rücksicht auf ihren akustischen Effect verwandt, mit den L-Lauten für das Ohr keinerlei Ähnlichkeit haben. Hier zeigt es sich aber einmal wieder recht deutlich, wie schwer in den Sprachen die organologische Verwandtschaft selbst den krassesten akustischen Unterschieden gegenüber in's Gewicht fällt, denn nach Fresnel substituiit sich im Ehhkili das lateral gebildete n, welches er mit dem willkürlichen Zeichen j schreibt, dem L. Der Laut, den Fresnel mit ^-^ bezeichnet, ist offenbar der entsprechende tonlose Laut, also lateral gebildetes nl, und der, den er mit ^ bezeichnet und der auch etymologisch dem ^^ in arabischen Wörtern, z. B. in ^aj\ entspricht, muss nach seiner Beschreibung als latei-al gebildetes rünl bestimmt werden. Um bei diesen seitlichen an den Backenzähnen zu bildenden Den- talen den directen Ausfluss der Luft zu ermöglichen, und zu verhin- dern, dass sie nicht erst wie bei den L-Lauten an die Innenfläche 250 E. B r ii c k e der Backe anfalle, ist es nöthig nicht nur die Zunge sondern auch die Mundspalle nach rechts zu bewegen. Hierdurch entsteht eine Verzerrung des Gesichts, von der Fresnel, der sie zu sehen oft Gelegenheit hatte, wohl nicht ohne Grund bemerkt, dass sie den Heizen der Königinn von Saba einigen Eintrag gethan haben müsse. Aber in eben dieser Verzerrung liegt eine Garantie für die Richtig- keit von Muhhsin Ausspruch, dass diese Laute durchweg nach rechts gebildet werden, denn eine ausnahmsweise nach links ge- hende Verzerrung würde hier sicher auch dem nachlässigsten Beob- achter auffallen. Was die Auswahl der einzelnen Elemente der Consonänten- zeichen anlangt, so habe ich besonders darnach getrachtet die Zei- chen so zu wählen, dass sie durch Nachlässigkeit der Handschrift nur schwer bis zur Unkenntlichkeit entstellt werden können , ein Zweck, den ich freilich theilweise auf Kosten der Flüssigkeit der Schrift anstreben musste. Ein wesentliches Schutzmittel gegen die Eulartung derselben liegt nämlich darin, dass sie keine verbundene ist, und somit ein gewisser Grad des Schnellschreibens nicht leicht überschritten wer- den kann. Hier, wo jeder Buchstabe seinen eigenen Gedanken for- dert, damit correct geschrieben werde, lag viel mehr daran, dass die Schrift zum Deutlichschreiben, als dass sie zum Schnellschrei- ben eingerichtet sei. Da sie in einer auch nur einigermassen sorg- fältigen Handschrift dem Drucke gegenüber nichts an Sicherheit einbüsst, so ist es klar, dass sie sich auch gut für die Lithographie und den Umdruck eignet und man somit für die Vervielfältigung keineswegs auf die Buchdruckerpresse beschränkt ist. Am Ende ist der Abhandlung eine durch Umdruck erlangte Schriffprobe angehängt, welche zeigt, wie sich mir die Buchstaben beim Schnellschreiben gestalten. Die zweite Rücksicht bei der Auswahl der Zeichen war wie- derum die Sparsamkeit, das Streben die Anschaffung des neuen Zeicliensystems so viel als möglich zu erleichtern, damit diejenigen, welche sich desselben bedienen wollen, nicht an dem Widerstände der Drucker oder Verleger scheitern. Desshalb ist für den Kehlkopf kein einziges neues Zeichen in Gebrauch gezogen worden. Die folgenden sind sämmtlicli durch Umkehrung schon vorhandener gewonnen. über eine neue Methode der phonetischen Transscrliition. 251 Das Zeichen für den Kehlkopfverschlass ^ ist die Umkelirung des Zeichens für die labiodentale Articulation \ Da es einen nach rechts olTenen Haken bildet, so kann das Symbol, abgesehen von den Dimensionen zum Anhalt für das Gcdächtniss auch als das Zei- chen für den V^erschluss betrachtet werden, das aus dem mittleren in den unteren Zwisclienraum und aus der zweiten in die dritte Stelle gerückt ist. Das Zeichen für das r laryngeum (das Keiilkopf-r der Niedersachsen) , ist die Umkelirung des Zeichens für die labiale Articulation *. Da das Symbol einen nach links olTeiien Haken bildet, so kann es auch, abgesehen von den Dimensionen, befrachtet werden, als das Zeichen des Zitterlautes, das aus dem mittleren in den unteren Zwischenraum und aus der zweiten in die dritte Stelle gerückt ist. Das Zeichen für den Zustand des Kehlkopfes beim p- der Ara- ber ] ist die Umkehrung des Zeichens für die hinterste Articulations- stelle der Mundhöhle |. Man mag sich hierdurch warnen lassen, es nicht an dieser Stelle zu articuliren, wie dies von Europäern so häufig geschieht. Nimmt man von diesem Zeichen den Hinaufzug, also das allgemeine Zeichen der Stimmlosigkeit durch weit offene Stimmritze, weg, so bleibt noch das umgekehrte Dach ^ als Zeichen für den Zustand des Kehlkopfes beim 9-. Man mag sich hierdurch an die Ansicht von Wallin erinnern lassen, dass das P der entsprechende tönende Laut zur r- sei. Bei Gelegenheit dieser Ansicht, welche ich auf Seite 100 meiner Grund- züge besprochen und wie ich glaube, auf ilir richtiges Mass zurück- geführt habe, kann ich nicht umhin, einen kleinen Nachtrag zu mei- nen Beiträgen zur Lautlehre der arabischen Sprache zu geben. Ich habe daselbst zur Erläuterung der Mechanik des 9- folgende Stelle aus J. Czermak's Kehlkopfspiegel und seine Verwerthung für Physiologie und Medicin, Leipzig 1860, angeführt: „Verschliesse ich den Kehlkopf in der oben beschriebenen Weise" (wie beim Hamze) „und diese drei Spalten" (eine von links nach rechts und eine von rechts nach links verlaufende zwischen der unteren Flüche des Kehldeckels und den oberen Stimmbändern, so wie dem oberen Rande der die Giessbeckenknorpel einschliessenden Schleimhautfiilte, und eine dritte von vorne nach hinten verlaufende zwischen den Innienrändern der Giessbeckenknorpel) „durch Aufeinanilerdrückeu 232 E. Brücke ihrer Ränder, und treibe die Luft kräftig gegen dieselben an, so ent- steht ein harter eigenthiimlich gequetschter Ton, indem die Ränder der Ftssura laryngea ganz ebenso wie sonst die Ränder der vereng- ten wahren Stimmritze in deutlich sichtbare tönende Schwingungen gerathen. Es entsteht für diesen eigenthümlichen Laut also gewis- sermassen eine besondere Stimmritze zwischen den an einander gelegten Rändern der Fissura laryjigea." „Ich(Cz er mak) habe wiederholt beobachtet, dass während die Santorini'schenHöcker fest und unbeweglich an einander schlössen, der untere Theil des interarytänoiden Spaltes die Luft in raschen Pulsationen hervorbrechen liess, was ich allemal an dem Zittern der Reflexlichter auf der feuchten Schleimhaut und zuweilen an dem Auftreiben von Luftblasen im zähen Schleim deutlich erkannte. Auch durch die beiden horizontalen Spalten kann die Luft tönend hervor- getrieben werden. Der auf diese Art erzeugte Ton ist nichts anderes als das vielbesprochene arabische Ain, wie ich es durch Herrn Hassan aus Kairo kennen gelernt hatte." Hiernach würde die eigentliche tonerzeugende Enge für das p die Fissura larijngea sein und nicht Aie Glottis. Ich habe mich aber durch Reobachtungen an Herrn Dr. Semeleder, der die Güte hatte, in meinen Vorlesungen die Erzeugung der Kehlkopflaute laryngoskopisch zu demonstriren , überzeugt, dass dies nicht der Fall sei. Herr Dr. Semeleder hat sich unter Herrn Hassan's Leitung andauernd mit der arabischen Sprache beschäftigt und die Hervorbringung des P ist ihm so geläufig, wie die irgend eines europäischen Consonanten; während derselben aber hatte die Fis- sura larij7igea mehrmals eine solche Rreite, dass sie unmöglich zur Tonerzeugung dienen konnte. Der Ort derselben muss also weiter nach abwärts, sei es in der Glottis vera, oder in der Glottis spiiria, oder in beiden gleichzeitig gesucht werden, und die von Czer- mak zuerst beobachteten und auch in der That sehr deutlichen Vibrationen an der Fissura laryngea müssen secundärer Natur sein. Das Zeichen des unbestimmten Vocals in Verbindung mit dem Zeichen Cur die weit offene Stimmritze ist das Symbol für das h der Deutschen, das & der Araber. Es ist der vocalisch ofi"ene Mundcanal mit weit offenem Wege für die Luft durch den Kehlkopf. Das bedarf über eine neue Methode der phonetischen Transscription. Cöo weiter keiner Krkliirung, aber auch andere Voealstellungen können sich mit der weit odenen Stimmritze verbinden; es entstellt dann ein h mit bestimmter Vocallarbung, welche eben von der bestimm- ten Form des Mundeanals herrührt, ähnlich so wie auch die Fliister- stimme, oder richtiger der Flüsterlaut eine ganz bestimmte und unverkennbare Vocalresonanz annimmt. Dasselbe gilt auch vom ^ der Araber, das sich natürlich ebenso mit verschiedenen Voealstel- lungen combiniren lüsst. Es ist das nicht blos eine theoretische Fiction, sondern von entschieden praktischer Bedeutung. Im Arabi- schen entstehen daraus ganz bestimmte Erscheinungen, welche die Umschrift wieder zu geben hat. Geht z. B. ein Wort auf ^ aus und ist der Vocal des vorhergehenden Consonanten ein Fatha, so nimmt auch das ^ die Resonanz des « an, so wird z. B. das Wort ^ im Vulgärarabischen gesprochen als ob dem Fatha ein hha nachlautete, in dem aber das a keine Stimme hat, sondern nur aus der eigenthüm- lichen Resonanz des lili erkannt wird. Hier würde ich also nicht den unbestimmten Vocal, sondern das Zeichen a mit dem Zeichen \ zu a1 verbinden. Wäre dagegen der vorhergehende Vocal ein Kesre oder Damma gewesen, so hätte das hh die Resonanz eines unvollkommen gebildeten a' angenommen oiler alle bestimmte voca- lische Färbung verloren. Es sind das Erscheinungen ganz analog denen, welche ich schon früher beim P erwähnt habe, bei dem sie viel auffallender sind; sie sind mehr oder weniger allen gutturales verae >) eigen, und es bedarf 1) Trotz der dagegen von L e p s i ii s erhobenen Einsprache, glaube ich mich dieses Ausdruckes nicht entschlagen zu sollen , so lange sich der Sprachgebrauch der Grammatiker riicksichllich des Wortes guUuralis nicht geändert hat. In den Aufsätzen von Lepsi US und von mir in K u h n's Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung Bd. X(, S. 263—276 u. 442— 4S9 ist das Material 7.ur Beurtheilung der zwischen uns bestehenden Controverse so weit gesammelt, dass ich es jedem Faehmanne überlassen kann zu entscheiden, welchem von uns beiden er sich aiiscliliessen will. Nur um n\ den Augen derjenigen , welche mit der Streitfrage nicht niiher bekannt sind, nicht als eigensinnig zu erscheinen, muss ich mit wenigen Worten erklären, wesshalb ich auf den von L e p s i u s gemachten Vorschlag nicht eingehen kann. L e p s i u s nennt die Laute, welche einschliesslich vom hinteren Theile des knöchernen Caumens bis einschliesslich zum Isthmus fauciiim gebildet werden, gutturales. Das Ihun auch im Allgemeinen die Grammatiker. Er schlägt aber weiter vor für die Kehlkopflaute, die Benennung faucales zu adoptiren. — Die Kehlkopflaute nun werden, wie jedermann weiss, in den Sprachwerkzeugen tiefer nach abwärts gebildet, als die vorerwähnten 21)4 E. Brücke in dieser Beziehung nur noch der Kehlkopfverschluss mit den Lauten, welche beim Entstehen und Vergehen desselben zum Vorschein kom- men, einer besonderen Besprechung. Mit dem Zeichen des unbestimmten Vocals verbunden, spielt das Zeiclien für den Kehlkopfverschluss eine ganz ähnliche Rolle wie das Hamze über dem Elif in der arabischen Schrift. Hier sagt auch das Elif im Grunde nichts anderes, als dass der Miuulcanal vocalisch offen sei und erst die hinzugefügten Vocalzeichen Fatlia, Kesre oder Damma geben an, ob wir in ein a, i oder « übergehen sollen. Diese Vocalzeichen stehen über oder unter der Linie, wie sie auch über oder unter der Linie stehen, wenn sie sich auf Consonanten beziehen, entsprechend dem syllabischen Charakter der Schrift. Wir, die wir die Vocale auf der Linie schreiben, müssen auch wie den Consonan- ten so unserem Zeichen v^ erst den Vocal nachfolgen lassen, und das Zeichen des Kehlkopfverschlusses darf also keineswegs mit dem syl- benbildenden Vocale verbunden werden. Das Vocalzeichen, mit dem das Zeichen für den Kehlkopfverschluss verbunden ist, ist akustisch unwirksam, weil eben durch den Kehlkopfverschluss die Stimme ab- gesperrt ist; es zeigt nur an, dass der Mundcanal vocalisch offen sei, und das ist wesentlich, denn wäre er z. B. nach Zeichen 'x oder nach Zeichen "[x geschlossen, so würde die Sylbe nicht vocalisch, sondern mit i?, bezüglich mit ^ anlauten. Es fragt sich nun, wo man überall das Zeichen zu schreiben habe, da wir in der abendländischen Schrift gar kein Zeichen für den Kehlkopfverschluss besitzen, ohne dass wir es bei unseren hergebrachten Leseregeln jemals vermisst hätten. Ich glaube hierauf antworten zu müssen, dass wir uns in wissen- schaftlichen Schriften, und um diese handelt es sich hier zunächst, die Consequenz des Arabers zum Muster nehmen sollen, der in voca- gutlurales der Grammatiker. Es hat aber nie einen Anatomen gegeben, der unter yuttur etwas veritanden liätte, was über den fuuces liegt; alle Anatomen, sie mochten nnn unter (jiittitr den vorderen Theil des Halses ohne bestimmte Beziehung auf den Kehlkopf, oder den vorderen Theil des Halses mit dem Kehlkopf, oder endlieh den Kehlkopf als inneres Organ verstehen, bezeichneten damit etwas, was nach ahwürts von den faiices lag. Die Nomenclatur von Lepsius kehrt alsp die natürliche Reihenfolge der Dinge um, und ich hin desshalb jetzt wie früher der Ansicht, dass, wenn man einmal die Namen yuUuralcs und faucates neben einander für die beiden Laiitclassen gehrauchen wollte, für welche sie Lepsius braucht, dann'wenigstens getauscht werden müsste , so dass der Name gutturales den Kehl- kopflauten verbliebe, der Name fattcales der anderen Classe. Ülier eine neue Methode der |ilionelisehcii Transscription. 2o5 lisirten Texten sein llamze überall hinsetzt, woliin es der Aussprache nach geliört. Wir würden es also auch, wenn wir das Deutsche für eine fremde Nation zu transscribiren hätten, überall im vocalischcn Anlaut schreiben, wo nicht, wie dies im Gespräche häulinf, bisweilen auch in der Declamation, geschieht, der Ton von der Eiidsylbe des einen Wortes ununterbrochen aufdieAnfangssylbe des anderen über- tragen wird. Hierdurch würden wir z. B. dem Franzosen anzeigen, dass er der Abend zu lesen liabe, der-abend und nicht, wie er nach seinen Leseregeln thun würde, derabend. Man wird hier ohne Beden- ken das Zeichen des unbestimmten Yocals mit dem des Kehlkopf- verschlusses verbinden, weil man wohl sagen kann, dass wenn. Jemand den Mund zum vocalischen Anlaut ölTnet, er durch die Stellung für den unbestimmten Vocal in die für einen bestimmten übergehe. Anders aber verhält es sich beim Hiatus. Wenn ich z. B. pro-nt spreche und beide Vocale durch den Kehlkopfverschluss trenne, so gehe ich sicher nicht durch die Stellung für den unbestimmten Vocal. Wenn ich ihn also hier schreibe, so kann daraus zwar kein Irrthum beim Lesen entstehen, da der Vocal stumm gemacht ist, aber ich bezeichne einen Zustand, der faclisch nicht eintritt. Dieser Anstoss ist leicht zu vermeiden. Ich kann statt des unbestimmten Vocals den endigenden oder den anfangenden Vocal, ein o oder u schreiben, immer bin ich sicher. Richtiges anzugeben, da thatsächlich während des Kehlkopfverschlusses die Mundtheile aus der Stellung für das o in die Stellung für das u übergehen. Hätte ich statt o und u die Vocale a und e, so könnte ich das Zeichen für den Kehlkopfverschluss mit dem Zeichen für a, für a' , für e" und für e, also mit a, a, a und \ verbinden, immer würde ich richtiges bezeichnen, und immer würde das Resultat für den Leser dasselbe sein. Um Ungleichmässigkeiten in der Schreibweise, die übrigens hier ganz unschädlich und bedeutungslos sein würden, zu vermei- den, könnte man sich dahin einigen, das Vocalzeichen überall da, wo der Kehlkopfverschluss dem vocalischen Anlaut oder dem Hiatus dient, ganz wegzulassen und den nach rechts offenen Haken im un- teren Räume in ähnlicher Weise frei hinzustellen, wie die griechische Schrift den spiritus asper und spiritus lenis frei im oberen hinstellt ; es ist aber wohl zu bedenken, ob das Loslösen eines Zeichens, das anderweitig z. B. in L und J als integrirender Bestandtlieil eines Consonanten erscheint, ans dem regelmässigen Verbände der Sitzl.. d. phil.-l.ist. Cl. XI.l. Kd. II. Ilft. i7 236 E- Brücke Zeile nicht in der Praxis wesentliche Nachtheile nnit sich fuhren würde. Ich werde in meinen Transscriptionen immer \ schreiben und beruhige dabei etwaige Gewissensbisse damit, dass das Zeichen v Bestandtheil aller Vocalzelchen ist. Ich kann es desshalb betrachten als das Zeichen für den vocalisch offenen Mundcanal im Allgemeinen und es unnüthig finden , die Abzeichen für die specifische Resonanz eines bestimmten Vocals hinzuzufügen, da dieselbe durch den Kehl- kopfverschluss ohnehin unmöglich wird. Dass ich für die Aspiraten des Sanskrit und der davon abstam- menden Sprachen keine einfache Zeichen eingeführt habe, recht- fertigt sich aus dem, was ich in der Zeitschrift für österreichische Gymnasien, Jahrgang 1858, p. 689 und in diesen Sitzungsberichten Jahrgang 1859, April, über die Aspiraten des Sanskrit und des Hindustani gesagt habe. Ebenso wird es jedem Kundigen einleuchten, dass ich für deutsch z, altgriechisch C italienisch c vor e und i und g vor e und i, für griechisch (p etc. keine einfachen Zeichen einführen konnte, sondern sie mittelst der Gruppen MM, ^f^, M^pi , ^> und MM bezeich- nen musste. Ich hoffe man wird es meiner Schrift nicht zum Vorwurf machen, dass sie kein besonderes Articulationszeichen für die sogenannten Lingualen der Araber besitzt. Ich habe mich auf das Bestimmteste vergewissert, dass in der Aussprache meines Lehrers Hassan nichts enthalten war, was ein solches gerechtfertigt hätte, und auch das, was ich in Büchern über die Aussprache der Araber, sowohl der west- lichen als der östlichen gefunden habe, hat mich nicht von der Noth- wendigkeit oder Brauchbarkeit eines solchen überzeugen können. Die Articulation, im engeren Sinne des Wortes ist es nicht, auf welcher die natürliche Verwandtschaft dieser Laute unter einander und ihre Sonderstellung im Lautsysteme der Araber beruht; es sind andere Eigenschaften, welche ich in meinen Beiträgen zur Lautlehre der arabischen Sprache ausführlich erörtert habe. Für den, der nicht tiefer in den Gegenstand eindringen will, mag schon die Bemer- kung der arabischen Orthoepisten genügen, dass diese Laute beim Flüstern, nach einigen schwer, nach anderen gar nicht von ihren nicht emphatischen Doppelgängern unterschieden werden können. Unterschiede, welche in der Articulation im engeren Sinne des über eine neue Methüde der phonelisclien Transscripliun. 2ib i Wortes beruhen, sind gerade beim Flüstern am deutlichsten, da man hier nicht durch den Ton der Stimme beirrt wird. Man wird auch ohne ein specifisches ihnen gemeinsames Abzeichen, die sogenannten Lingualen von ihren nicht emphatischen Doppelgängern, da wo sie die Aussprache erkennen iässt, in meiner Schrift gleichfalls mit Leichtigkeit unterscheiden, is unterscheidet sich von O zunächst durch das Zeichen des Kehlkopfverschlusses, das Zeichen für i? ist \, das Zeichen für O ist "d. Eben so wie sich 1? durch den Kehl- kopfverschluss unterscheidet, unterscheiden sich ^'o und iä durch das Zeichen des vertieften Tones der Stimme und, wo dies dem letz- teren nicht zukommt, wird noch immer der damit verbundene Vocal erkennen lassen, dass man es mit iä und weder mit ^ noch mit j zu tliun habe. Der Vocal, respective das ihm angefügte Zeichen für den Zustand des Kehlkopfes, wird es endlich auch sein, was überall ^o und ^ unterscheiden lässf, mit Ausnahme derjenigen Fälle, in welchen nach dem eigenen Urtheile der Araber ein Unterschied in der Aussprache nicht existirt i). Dass meine Schrift in diesen Fällen nicht unter- scheidet und eben so wenig bei der Transscription der mangelhaften Aussprache arabischer Wörter durch Nichtaraber, kann ich nicht für einen Fehler halten; denn sie ist eben nicht dazu bestimmt, Texte zu transscribiren, damit man sie aus der Transscription ohne weiteres orthographisch richtig wieder herstellen könne, sie ist dazu be- stimmt, die Aussprache abzubilden. Beide Zwecke schliessen, wie ich schon früher gezeigt habe, einander aus. Die Lesezeichen. 1. Von den Accenten. Als Zeichen für den Hauptaccent oder Accent erster Ordnung, wähle ich einen Strich von oben und rechts nach unten und links (Acut) im oberen Räume ('), als Zeichen für den Nebenaccent oder ') Vergl. Caussin de Perceval grammaire Arabe vulgaire. quatrienie Edition. Paris 1858, p. 7. 17» 258 E. Ciüoke Accent zweiter Ordnung einen Strich von oben und links nach unten und rechts (Gravis) im oheren Räume Q. Der Accent wird stets zum letzten der Buchstaben gesetzt, an welchen der stärkere Exspirationsdiuck fühlbar ist, gleichviel oh es ein Vocal sei oder ein Consonant. Dieser Buchstabe ist mit einigen später zu erwäh- nenden Ausnahmen der letzte der accentuirten Sylbe, so dass also der Accent das Ende derselben bezeichnet. Ich habe dieses Hilfsmittel der allgemeinen Anwendung eines Sylbentrennungszeichens vorge- zogen, weil die Abtrennung einer unaccentuirten Sylbe von der ihr folgenden, so weit sie sich nicht aus der Combination der Laute selbst mit Nothweiidigkeit ergibt, weder eine organologische noch eine akustische, sondern lediglich eine etymologische Bedeutung hat i)- Anders verhält es sich mit den accentuirten Sylben. Hier kann ent- weder der stärkere Exspirationsdruck nur den Vocal treffen und mit ihm endigen; er ist dann, wenn der Vocal kurz ist, ein Schlag, der sich selbst und unabhängig vom nächstfolgenden Consonanten begrenzt, ebenso wie es der accentuirte lange Vocal thut. Die darauf folgenden Consonanten schliessen sich hier für das Ohr vollständig der nächsten Sylbe an. Oder es kann der stärkere Exspirationsdruck ein oder zwei folgende Consonanten mittreffen, so dass er in ihnen eine lautbare Hemmung erfährt. Ist es ein Consonant, so schliesst er entweder nur die erste Sylbe, oder er schliesst die erste und fängt zugleich die folgende an, so dass die Sylbengrenze im Consonanten selbst liegt. Dies wird besonders deutlich bei den Verscblusslauten, weil das sonst akustisch unwirksame Zuklappen derselben durch den stärkeren Exspirationsdruck lautbar wird. Wenn wir z. B. sagen rettung, so hören wir deutlich, wenn ich mich so ausdrücken darf, den Accent bis auf das t aufstossen, und allgemein theilt man ab ret-tung in dem sicheren Gefühle, dass hier die Sylbengrenze im Verschlusse des t liege. Ganz analog verhält es sich aber auch mit anderen Consonanten. Wenn wir z. B. hoUand sagen, so fühlen wir den Accent auf das / aufstossen und theilen ab hol-lmid. Einige sind der Meinung, dass dies Verhältniss nur nach kurzen accentuirten Vocalen eintreten könne, das ist aber nicht der Fall, es findet sich «) Sollte es in einem oder dein anderen Fülle wiinsclieiiswerlli erscheinen , bei der Tr:insscri|itlon zngleicli nach elyniologisclien (iniiidsiiUen zu syll.ibiren. so mag man sieh hierzu des gohräiichllchen Zeichens, des horizontalen Striches in der Mitte des mittleren Raumes, l)cdiencn. ** *1 *' f\ Über eine neue Melhodu der phonetiüclien TrunsstM-iptiun. 4«)'' iiucli nach langen acceiituirten Vocalen. Wenn ich veigleiclie dd Land und DCillund, so liegt der Unterschied nicht allein darin, dass im letzteren Falle das / länger dauert, sondern auch darin, dass im letz- teren Falle das / sich der ersten Sylhe anschliesst, von ihrem Accent in seinem Anfange getroffen wird, in sich die Sylbengrenze enthält, während seiner Dauer abschwillt und die zweite Sylhe mit schwäclie- rem L-Laute wiederum beginnt, ^^äl)rend in da Land das l von dem vorhergehenden a völlig getrennt und unabhängig ist. Sind es zwei Consonanteii, die vom stärkeren t^xspirationsdrucke getroffen werden, so schliesst der zweite derselben entweder nur die erste Sylbe, wie z. B. in iiächt-lich, hnbs-burg oder er schliesst die erste Sylbe und fängt auch zugleich die zweite an, wie in ivacht-tliurni. Alle diese Verhältnisse lassen sich leicht und sicher durch die Stellung des Accents kenntlich machen, wie dies erst aus dem folgenden Capitel» welches von den Dauerzeichen (Quantitätszeichen) handelt, voll- ständig klar werden wird. So lange es sich nur um Transscription von Wörtern handelt, versehe ich natürlich nur mehrsylbige Wörter mit ein oder zwei Accenten und auch diese nur dann, wenn wirklich local ein stärkerer Exspirationsdruck vorhanden ist und nicht etwa blos eine oder die andere Sylbe durch ihre Länge mehr in's Ohr fällt; in der Darstellung zusammenhängender Rede kann ich aber genöthigt sein, ein ein- sylbiges Wort mit einem Accent zu versehen, wenn gerade auf dieses ein stärkerer Exspirationsdruck fällt und fallen mnss. 2. Tod deu Daaer-Zeicheo. Ich muss hier zunächst, wie ich dies bereits an der analogen Stelle in meinen Grundzügen (p. 128) gethan habe, darauf hinwei- sen, dass die Quantität von der hier die Rede ist, nicht zu verwech- seln ist mit der metrischen. Die Metrik hat es zu thun mit der Länge und Kürze der Sylben, wir haben es hier nur zu thun mit den Zeit- räumen, welche die einzelnen Sprachelemente in Anspruch nehmen, und die innerhalb einer Sylbe summirt erst die Sylbenlänge gehen. Ich gehe hierbei zunächst aus vom kurzen Vocal. Die Dauer desselben wird nicht besonders bezeichnet und er dient mir zugleich als Mass für die länger dauernden Vocale. welche ich in lange und in gedehnte cintheile. 260 E- Brücke Es muss desshalb etwas näher festgestellt werden, inneihaib welcher Grenzen ein Vocal noch als ein kurzer angesehen werden kann, da es thatsächlich eine unbegrenzte Menge von Zwischen- stufen zwischen einem kurzen Vocal, wie dem i in in, und einem langen Vocal wie i in i/m, gibt. Ich lasse unbezeichnet: 1. Die Vocale accentuirter geschlossener (auf einen Consonanten aus- gehender) Sylben, die sich dem Ohr als kurze Vocale kenntlich machen. Die Unterscheidung von den langen ist hier so leicht, dass sie keiner weiteren Erläuterung bedarf. 2. Die Vocale accentuirter offener Sylben, deren Accent dem Ohr als kurzer Schlag erscheint, wie z. B. im Italienischen cid. 3. Die Vocale aller unaccentuirten geschlossenen Sylben, welche man nicht dehnen kann, ohne die Aussprache zu entstellen, z. B. im Deutschen die der Endsylben ung, lieh, ig etc. 4. Die Vocale unaccentuirter offener Sylben, wenn man sie an den nächsten Consonanten angelehnt als kurze behan- deln kann ohne die Aussprache dadurch zu entstellen. Dies bedarf einer weiteren Erläuterung. Man denke sich, man habe es z. B. mit dem e in der deutschen Vorsylbe ge zu thun, so ist dies, so lange man es allein hört, schwer von dem e in geh zu unterscheiden, und doch ist das eine kurz, das andere lang. Man wird dies sogleich gewahr, wenn man in geschlagen das e an das seh anzulehnen und gesch-lagen abzutheilen such^ ohne jedoch dabei die Sylben aus einander zu zerren. Man kann dann das e noch so lang sprechen wie das e in geht, aber man kann auch, ohne die Aussprache zu entstellen, das e kurz sprechen wie im englischen get, wenn man nur dafür sorgt, dass man dabei nicht in einen Nachbarlaut oder in die unvollkommene Bildung übergeht, und dass man den Accent ausschliesslich der zweiten Sylbe bewahrt. Dies würde ganz unmöglich sein, wenn das e in ge wirklich ein langer Vocal, d. h. wenn eine gewisse längere Dauer für dasselbe charak- teristisch wäre. Ich sehe mich genöthigt, hier solche anscheinend unwissen- schaftliche Hilfsmittel an die Hand zu geben , denn Regeln auf die Grammatik begründet würden hier wenig nützen, da wir es nicht mit einer sondern mit allen Sprachen zu thun haben, auch mit sol- chen, von deren Grammatik man noch durchaus nichts weiss. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich leicht, welche Vocale ich mit einem Zeichen längerer Dauer versehen werde: 1. Die Vocale über eine neue Mulliode «ler plioncti^chcn Transsci!|ilion. 201 accentuii'ter geschlossener Sylben, sobald sie dem Ohre lang er- scheinen. 2. Die Vocale accentuirter oITener Sylben, wenn ihr Accent dem Ohre nicht als ein kurzer und zugleicli scharf begrenzter Schlag erscheint. 3. Die langen Vocale unaccentuirter geschlossener Sylben. Sie sind meistens leicht kenntlich; ist man in Zweifel, so versucht man sie zu dehnen. Der lange Vocal erträgt hier eine mas- sige Dehnung, ohne dass die Aussprache dadurch entstellt wird, der kurze durchaus keine. 4. Die Vocale unaccentuirter olTener Sylben, wenn man sie bei dem Versuche, sie an den folgenden Con- sonanten anzulehnen, niclit als kurz behandeln kann, ohne die Aus- sprache zu entstellen. Ich bezeichne diese Vocale mit dem Strich von oben und rechls nach unten und links im unteren Räume (J, ich unterscheide aber von diesen gewöhnlichen, allgemein bekannten langen Vocalen, die etwa die Länge von zwei kurzen repräsentiren mögen, noch andere, die merklich länger sind, und diese nenne ich gedehnte. Du sassesi wird in der gewöhnlichen Umgangssprache zusammengezogen in du säst und du sähest erleidet eine ähnliche Zusammenziehung, die ich mit den gewöhnlichen Schriftzeichen wiederum nur du säst um- schreiben könnte. In meiner Umschrift aber würde ich das erstere mit "ia/ü"i1, das zweite aber mit "iA,/il"d umschreiben, um durch den zweiten schrägen Strich anzudeuten, dass im letzteren das a etwa um die Hälfte länger ist, also die Länge von etwa drei kurzen Vocalen hat. Indem mir so der kurze Vocal als Mass für die längeren Vocale dient, bezeichne ich dieselben mit ein, zwei etc. Strichen, von denen jeder die Zeit bedeutet, welche ein kurzer Vocal in Anspruch nimmt. Trifft auf einen langen oder gedehnten Vocal der Accent erster oder zweiter Ordnung, so sind zwei Fälle möglich, entweder der stärkere Exspirationsdruck, der den Accent bedingt, hält so lange an wie der Vocal: in diesem Falle w^erde ich das Accentzei- chen dem oder den Dauerziichen nachfolgen lassen, wie z. B. in seele (anima) "ii/">^ , oder zweitens der stärkere Exspirations- druck erlahmt, während der Vocal noch dauert, dann setze ich den Accent an die Stelle, von der an der Exspirationsdruck wieder abnimmt. So würde ich (ds du ihn wiedersahst, transscribiren a'|^J \-\, \;i 'ii'^ci^riA'MXl. Hier bezeichnet also das Acccntzeichen 262 E. B r ii c k e nicht das Ende der Sylbe, aber ein Iri-thum kann dadurch nicht entstehen, weil jede Discontinuität im Vocallaut, wie der folgende Abschnitt lehren wird, durch ein besonderes Zeichen signalisirt sein würde. Ich wende die Zeichen der Dauer nicht nur auf Vocale, sondern auch auf Consonanten an. Wo wir im Deutschen im Inlaute Doppel- consonanten schreiben, wird nicht etwa ein und derselbe Consonant zwei gesonderte Male hinter einander gebildet (vergl. meine Grund- züge p. 52), sondern er wird nur einmal gebildet, hat aber eine doppelt so grosse Dauer. Ich werde also hier auch den Consonan- ten in der Umschrift das oben erwähnte Zeichen der doppelten Länge mitgeben; eben so im Arabischen einem Consonanten, der durch einen Vocal bewegt und mit Teschdid versehen ist, eben so endlich im Italienischen den Consonanten, die im Inlaute doppelt geschreiben werden etc. Es ist hier der Ort auf die im vorigen Capitel erwähnte Sylben- trennung durch den Accent zurück zu kommen, und zwar auf die Beispiele, bei denen die Sylbengrenze innerhalb eines Consonanten liegt. Ein solcher Consonant ist immer ein langer und muss als sol- cher bezeichnet werden. So z. B. das t in rettung, das l in holland, das l in dälland, das t in wachttlmrm. Hier setze ich erst den Accent und dann das Längenzeichen, um anzudeuten , dass die Syl- bengrenze innerhalb des Consonanten liegt und der Accent nur des- sen erste Hälfte trifft. So schreibe ich also ^iM',-v]T]xi, vl-^Y/^"^"^» ^CA/iXc^ und \T^\il\i'Xi'i, Im Französischen werden im Inlaute oft Consonanten doppelt geschrieben, die in der Aussprache nur einfache Dauer haben. Bei diesen muss natürlich das Längenzeichen wegfallen. So würde z. B. immense mit einfachem "^c zu transscribiren sein. Wie es Vocale gibt, welche über das Zweimass hinaus ver- längert, gedehnt werden, so geschieht es auch bisweilen mit Con- sonanten. Die Koranleser verlängern nicht nur die langen Vocale über das Mass der gewöhnlichen Umgangssprache, sondern auch gewisse Consonanten. Diese Dehnung wird in der Umschrift ebenso wie die der Vocale durch eine entsprechende Anzahl von Strichen angezeigt werden müssen. Man braucht übrigens, um Beispiele für dergleichen Consonan- tendehnungen zu finden, nicht so weit zu gehen; man findet sie in Üher eine neue Metlioile tU'i- plionulisclieii Ti ainstiiplion. ^()e> der eigenen Miitterspraelie, iiideni die Endsyllte neu in der gewöhn- lichen Unigangsspraehe Norddeulschlands selir häufig wie ein )i von dreifacher Dauer gesprochen wird, so dass man innen mit v^i'('^,^, nenneti mit ^t\^t\^, transscrihiren müsste , nm dieser Aussprache gerecht zu werden. Im Plattdeutschen ist ein solches Kinheziehen des Vocals dieser Endsylhe in die dann in einen sylhenhildenden Laut zusaminenfliessenden 7i noch häufiger. So heisst es in einem bekannten Märchen, das ich als Kind oft gehört habe: yfh,,\rd' [c^,/»rd' n^^/iv^d' ^A^d Ma^v, y^i;^t„ yiArt,, M^/rr^ ^c-i^c vj[d Ausser diesem Dauerzeiclien, durch dessen einfache oder mehr- fache Anwendung ich die einfache Länge und die weitere Dehnung kenntlich mache, bedarf ich noch eines Zeichens, um anzugeben, dass ein Consonant nicht einmal auf seine gewöhnliche Dauer komme, dass er nur eben angedeutet werde, wie dies z. B. mit dem Zitter- laute im Ersch der Böhmen (vergl. Grundzüge p. 6(S u. 69) der Fall ist. Ich wähle hierfür einen Strich von oben und links nach unten und recbts im unteren Baume Q. Dieses Zeichen, welches icb das Beductionszeicben «) nennen will, kann selbstverständlich auch auf V^ocale angewendet werden, wenn man andeuten will, dass sie nur ganz kurz anklingen und selbst nicht einmal die Länge eines gewöhn- lichen kurzen Vocals erlangen. Man hat vorgeschlagen, sich einfach des unbestimmten Vocals zu bedienen, um das sogenannte „Verschlucken" der Vocale in den Endsylben vieler deutscher und englischer Wörter anzudeuten. Dies ist aber nicbt zu billigen, denn das Zeichen für den unbestimmten Vocal ist nur das Zeichen für eine Mundslellung, es sagt an und für sich nichts über die Dauer derselben aus. In der That wird das e in Wasser, rufen etc. sehr verschieden ausgesprochen, bald mit der Dauer eines gewobnlichen kurzen Vocals, bald nur andeutungsweise, bald endlich werden die Consonanten in der That unmittelbar an einander gefügt. Je nachdem ich eine dieser drei Aussprachen 1) Ich l)ilde diesLMi Namen nach Prof. Tnfel's Benennung iccUtccd vnweh oIiuü indessen den Begriff der rednciiten Vocale ganit so wie er zti fassen , in dem er aUe (kurzen) Voeale in unaccuntuirten Sylben als solche bezeicimel. Laws Engl, orlli. proa. I>. 8ö. 264 E. Brücke bezeichnen will, muss ich entweder einfach den Vocal schreiben, oder ihm das Reductionszeichen mitgeben, oder ihn ganz fortlassen. 3. Das Trennungszeichen und die Diphthonge. Wenn ich zweiVocale einfach hinter einander schreibe, so sol- len sie stets diphthongisch mit einander verbunden werden, und zwar so eng, wie dies nur in der Möglichkeit des Lesers liegt. Soll jeder Vocal einzeln gehört werden, und zwar so, dass die Stimme dazwischen aussetzt, so muss dies durch das Zeichen des Kehlkopfverschlusses \ angezeigt werden. Sollen dagegen beide Voeale einzeln gehört werden, ohne dass die Stimme dazwischen aussetzt, wie z. B. im Italienischen ^«««y«, so wende ich hiefür ein eigenes Zeichen, einen Kreis im oberen Räume (°), an, welches ich Trennungszeichen nenne und schreihe \a°-v/"2A i). Es ist hier der Ort, darauf aufmerksam zu machen, wie sich zwei Voeale diphthongisch mit einander verbinden lassen, und welches die akustischen Effecte sind, die dabei zum Vorschein kommen. Diphthong im physiologischen Sinne des Wortes ist jeder Laut, der durch die Resonanz der Stimme entsteht, während man mit näherHngsweise gleichförmiger Geschwindigkeit aus einer Vocalstellung in eine andere übergeht, gleichviel welches der akustische Effect ist, der dadurch hervorgerufen wird, und diese Definition vom Wesen des Diphthongs wollen wir auch hier beibehalten. Gehen wir aus der Stellung der Voeale, bei denen der Mund- canal weiter ist, in die Stellung für Voeale über, bei denen der Mund- eanal enger ist, so erhalten wir im Allgemeinen leicht Diphthonge, die sofort vom Ohre als solche erkannt werden, wie die Diphthonge ai, au, aü, oi (in englisch oiV), ui (in deutsch pfui). Machen wir aber mit unseren Mundtheilen den umgekehrten Weg, so fallen für unser Ohr die Voeale entweder aus einander, oder es mischt sich dem ersten derselben, dem, der die engere Mundstellung verlangt. ') Wenn im Contextein Wortauf einen Vocal nuslautet und das nächstfolgendemit einem Vocal anlautet und beide in der Umschrift getrennt eisclieinen, so ist der Zwischen- raum ein Äquivalent für das Trennungsxeichen, aber nicht ein Äquivalent für das Ilamze. Der Kehlkopfversehluss des vocalischcn Anlaute« wird, wie ich schon früher bemerkte, wo er vorhanden ist, auch jedesmal g'eschrieben werden. über eine neue Melhude der phunulbclieii Transsi-ripliuii. ehen Transscription. Zi) i nicht durch einen plötzliclien Huck, den ÜLergang zum zw eilen ver- niitlelt, und sich gegen das Ende dieses Überganges wieder ver- langsamt. Dann fallen zwar Anfangs- und Endvocale als verscliiedene Ijaute in's Ohr, aber der erstere ist an den letzteren oder, wenn man will, der letztere an den ersteren diphthongisch angelehnt. Ein Beispiel wird dies leicht deutlich machen. Ich habe z. B, auszu- sprechen, ,jj^j^\ so würde dies syllabirt und in lateinische Lettern umgeschrieben gehen nr-rä-ui. Diese Umschrift würde aber eine sehr unrichtige Vorstellung von der wahren Aussprache geben. Auf diese wird man gefülirt, wenn mati sicli denkt, man solle arraui aussprechen, dabei aber den Diphthong au in seinem ersten Theile auf eine Zeitdauer hinausdelinen, welche die des au in haus, maus etc. merklich übertrifft. Man thue dies durch denselben KunstgritT, den man beim Singen verwendet, um die Diphthonge zu verlängern, d. h. man beginne den Übergang aus der Vocalstellung a in die Vocalstellung n ganz langsam und beschleunige die Bewegung erst im Verlaufe ; aber nicht so, dass der Diphthong dadurch zerstört wird und die beiden Laute aus einander fallen. Dann gehe man in der Stellung n angelangt gleichfalls continuirlieh in die Stellung i über, in der man zur Ruhe gelangt. So entsteht zwischen dem Ende des Diphthongs au und dem Anfange des / wiederum eine Art diph- thongischer Verbindung, wenn auch eine weniger feste. Ich werde diese Zwittergebilde zwischen Diphthongen und getrennten Voca- len, die ich Halbdiphthonge nennen will, dadurch bezeichnen, dass ich das Trennungszeichen nicht in den oberen, sondern in den unteren Raum setze und v^a'i,a^-\ j, transscribire. Fällt auf einen Halbdiphthong ein Accent, der sich nicht auch noch auf den folgen- den Consonanten erstreckt, so werde ich ihn der Natur der Dinge gemäss, dem Vocal beigehen, der durch den stärkeren Exspirations- druck ausgezeichnet wird. Wenn man also die Halbdiphthonge, wie dies von den Grammatikern wohl bei den meisten geschieht, als ein- sylbig betrachtet; so würde auch hier das Accentzeichen nicht noth- wendig mit dem Sylhenende zusammenfallen. Es kann dadurch aber kein Missverständniss entstehen, indem die Art der Vocalverbindung ausdrücklich signalisirt ist. Trifft der Accent auf den ersten Vocal, so schreibe ich erst das Accentzeichen, dann das Zeichen für den Halbdiphthong. 2(>8 E. Brücke Mit Hilfe der vorbeschriebenen Symbole glaube ich meinen Zwecken innerhalb der Grenzen, welche ich mir gesteckt habe, genügen zu können, und führe sie im Folgenden dem Leser der besseren Übersicht halber noch einmal im -Zusammenhange vor. Übersicht über die Zeichen. " Labiale Articulation. , Zitterlaut des Kehlkopfes. ^ Labiodentale Articulation. Verschluss des Kehlkopfes. " Alveolare Articulation. ^ Kehlkopfstellung für das Ain der Araber. i Cerebrale Articulation in der ersten Stelle, in der zweiten Stelle Zeichen für den Verschlusslaut. i Zitterlaut. s Dorsale Articulation. 5 Verengte aber nicht tönende Stimmritze. Y Dentale Articulation. I Vertiefter Klang der Stimme. j Articulation des Zungenrückens mit dem mittleren Theile des harten Gaumens. 1 Weit offene Stimmritze. I Articulation des Zungenrückens mit dem hinteren Theile des harten Gaumens. 1 Verhärteter Klang der Stimme, I Articulation des Zungenrückens mit dem weichen Gaumen. i Kehlkopfstellung beim ^ der Araber, i Reibungsgeräusch. \ L-Laut. i Resonant. ' Hauptaccent. Längenzeichen. ' Accent zweiter Ordnung. Reductionszeichen. " Trennungszeichen. Zeichen für die Halbdiphthonge. über eine neue Metliotle der iihunetischen Transsctiplion. 4 Ol) Für die Vocalc dienen die folgenden einzelnen Typen : ■ / : i 2 \ i \ \ viii v\\4 \ i \ i Sie geben folgende Yocalzeichen: Reine und vollkommen gebildete Vocale. a A a' a" A 7V e" a"" 0" A n 7V e e" 0" 0 4 n A -x i i" tC u \ 1 i "V llkommen gebildete Vocale Nasalirte Vocale. A A A A Ä A A Vl Vs. A Ä ft \ -A i\ '\ i Ä A -\ \ T !k A i i i A Unvollkommen gebildeli , und ZU gl sich nasalirte Vocale. Ä Ä TV A S ä ( ä Ä A i -\ '\ A V bezeichnet den unbestimmten Voeal — v den unbestimmten Voeal nasalirt. Die TraDsscriptioüsproben. In den folgenden Blättern biete ich dem Leser eine Reihe von Beispielen der Anwendungmeiner Schrift. Ich habe keine Vollstüiidig- keit in Rücksicht auf die wichtigeren Sprachen des Erdhalls zu erreichen gesucht, sondern lediglich diejenigen ausgewählt, für welche sich mir verlässliche Gewährsmänner (deren Namen ich jedesmal der Transscriptionsprobe hinzugefügt habe) darboten. Ich habe dieselben stets gebeten bei der Auswahl des zu schreibenden auf den Sinn gar keine Rücksicht zu nehmen, sondern nur dafür zu sorgen, dass diejenigen Laute, welche als eigenthümlich für die JiiO E. Brücke Sprache oder als besonders schwierig, oder als sonst wie bemerkens- werth gelten, darin vorkommen. Ich habe mich meinerseits immer bemüht, mich ihrer Aussprache so eng als möglich anzupassen. Seihst da, wo ich mich in bewusstem Widerspruch mit Regeln der Lexikographen oder Grammatiker befunden , bin ich der directen Wahrnehmung gefolgt, Avenn ich bei wiederholter Nachfrage stets denselben Laut vernahm. Ich glaubte dies thun zu müssen, weil es nicht mein Zweck war, die von den Orthoepisten festgestellten Regeln praktisch zu denionstriren, sondern nur zu zeigen, wie ich mich meiner Schrift bediene, um einer bestimmten Aussprache Laut für Laut nachzugehen. Mit einer Anzahl der fremden Sprachen, von denen Proben vorliegen, habe ich mich mehr oder weniger beschäftigt, theils indem ich sie für den gewöhnlichen Verkehr erlernte, theils indem ich mich für den speciellen Zweck meiner phonetischen Studien mit ihrer Gram- matik bekannt machte. Rei anderen war dies nicht der Fall und ich habe hier nur über einzelne Laute, die mir als besonders schwierig bezeichnet wurden, nähere Auskunft gesucht, wie ich mich denn namentlich in Rücksicht auf die slavischen Sprachen vielfältig des Rathes des Herrn Professor Miklosich erfreut habe. Diejenigen Sprachproben , bei denen mir die Grammatik so fremd war, Mie das Lexikon, werde ich je mit einem Stern bezeichnen. Ich muss mit ihnen auf eine Linie auch das Neugriechische stellen, denn obgleich es uns in der Schrift leicht verständlich ist, so unterscheidet sich doch unsere Schulaussprache des Altgriechischen bekanntlich so sehr von der Neugriechischen, dass sie uns in Rücksicht auf die letztere mehr beirrt als fördert. Da ich mich auf Gebiete gewagt habe, auf denen ich keinen anderen Leitfaden hatte als meine augenblicklichen Geliörsempfindungen ; so mache ich mir auch keine Illusionen über dieCorrectheit der von mir gegebenen Proben, und wünsche nur dass sie von gründlichen Kennern der bezüglichen Sprachen bald besser und in grösserer Ausdehnung gegeben werden. Wer mit meiner Schrift transscribirt, ist wie ein Mosaikarbeiter, der zwischen seinen bunten Steinen sitzt und ein Gemälde nachbildet. Je länger er arbeitet, je mehr er sich in sein Original vertieft hat, und je besser er unter seinen Steinen Bescheid weiss, um stets den rechten Stein an den rechten Ort setzen zu können, um so ähnlicher wird sein Mosaik dem Gemälde werden. Ich bitte desshalb den Leser sich i'lier einp iiPiie Mellmrle der ptionetisolien Trnnsscriplion. 2/1 iiiclit durch diesen oder jenen Verstoss ;in der Briiuclihnrkeit meiner Schrift, irre machen zu lassen, sondern lieber zu versuchen, ob er ihn nicht mit meinen eigenen Hilfsmitteln verbessern kann. Andererseits bitte ich ihn aber auch, niclit jede anscheinende Incon- sequenzund nicht jede Ahweicliung von den Regeln ohne weiters als einen Fehler anzusehen. Beider Armuthder convenlionellen Alphabete geschieht es nur zu liänfig, dass ein und dasselbe Zeichen in ver- schiedenen WiM'tern verschiedenen Lauten entspricht, und manche dieser Fälle haben so wenig die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, dass man sieweder in Gramnialikennoch in Wörterbücliern verzeicbnet lindet. In solchen Fällen konnte ich mich natürlich niclit nach den Regeln halten, gleichviel ob ich sie kannte oder nicht. Ich musste der Aussprache, wie sie war, folgen. Je vorurtheilsfreier man die Aussprache verschiedener Individuen aus verschiedenen Gegenden analysirt und transscribirt, um so sicherer und vollständiger wird man die Lautlehre einer Sprache aufbauen. Ich beginne die Reihenfolge der Proben mit dem Deutschen und zwar mit den Anfangsversen eines Rückert'schen Gedichtes, in denen das Metrum dafür sorgt, dass jeder Sylbe ihr volles Recht werde; dann folgt im Gegensatze dazu ein Passus aus Holberg's eilftem Juni übersetzt von Priilz, in uelchem ich alle Abkürzungen und Verschleifungen wieder gegeben habe, die man sich in der gewöhnlichen Rede erlaubt, von denen ein Theil aber auch für den Dialog geradezu geboten ist, veil ohne dieselben die Aussprache etwas Gezwungenes erhält, was man nur an Ausländern und an Menschen, die mehr Bildung affectiren, als sie besitzen, zu hiJren gewohnt ist. Sit/b. d. phll.-hist. Cl. XI.I. Bd. 11. Hfl. 18 272 E. Brücke Hochdeutsch. Hofle! Du erlebst es noch, Dass der Frühling wiederkehrt. Hoffen alle Bäume doch. Die des Herbstes Wind verheert. Hoffen mit der stillen Kraft Ihrer Knospen winterlang. Bis sich wieder regt der Saft, Und ein neues Grün entsprang. Ach, ich bin kein starker Baum, Der ein Sommertausend lebt. Nach verträumtem Wintertraum Neue Lenzgedichte webt. Ach, ich bin die Blume nur. Die des Maies Kuss geweckt, Und von der nicht bleibt die Spur, Wie das weisse Grab sie deckt. Rückert. Na, da sollt Ihr schön Dank haben, Herr Visitator, dass Ihr mir nicht auch noch in die Hosentaschen gefühlt habt! Das sind ja eigene Kerle hier, die gehen ja mit den Menschen um, wie mit dem Vieh. War' ich in die Stadt gekommen, um mich zu verheirathen, so möchte es noch angehen, da könnt ich denken, sie hätten sich versehen und mich für ein Thier mit Hörnern gehalten. Holberg's 11. Juni. Übersetzt von Prutz. Mederösterreichische Itlondart. — 's geht nix übä d' Östreichä- Sprach'; für koan Geld gab' ih s'her; nermbst hat in seinä Red' goar so viel G'fühl; ih moan*, wann ih im Fegfeuä war', und ruafät' ma-r Oana ä Wirt'l Östrei- chisch zua, ih foahrat' oan's Geh'n's in'n Himel auffi. Johann Gabriel Seidl. *} ^ *y l'her eine neue Metlnuio »ler phonetischen Transseription. -C i *> \,i;^rj jrrt-vM'^drc ^l^'^l^^ATiId^ \^-\^t^ v^Arc ^Av'°sM yc^u,^ v^At^M'd^Airyd' v^Ayd vjyü ^t^c ydA^c M^A^i'jds^ 'caa'c ^1^ V^AV^C ^i-k^c>^i^AV^5^cM ">7t/d^d tAyü Ms^M^iAv'c'Ms't ^rc'Ms^J^rlAA"t v^Ajxl v.ipi 'c^^ ti, ^c^A/'ti ^i-\;i ^i, Wii 'cAi'^iM |dAM |C5^$jd^d' -CA, ^A, ^A^M vj/i >1a;c -lAyiyd vIa.^^c vin ^ru ^Ia/Ma^ ^aM V^t/l 'Cl,^ ^iplM V^AApi ^ApJ l^ ^t, Üa/VC MA>r^ yriMv/^M vlA/dM ^A^ii -ii^^i pA vAiji'^s ydiV^s Ui;i ^1, F^.^ p^ ^iM"c ^it'V^ v^A^i \i, *ä^'^ Mv; ^A,^ ipl rc \i, MMaM yiiiy^-v'f',, v^a^ "tipl MMa, Mj^vIai'^a,^^ -lA, ^ApI^ rü -cApi v,A^'p:s,^ -CA, jdA-c-d ipl ^sytidjc -II, üaM-c \^[d Mi-iM,',-c v,A-c-d 'äpi Mv,-j \^Arc -d\,-i "ii^ vlA-j'-c.ri-c [ciÜA->'-d-c -il|C5t,-d -cifd-il vj,'^A -r55,-ü-d'-2Ai[\iA y^^A,Td M", IC^aA ICn->,-d TCA,'C V,I,-Ü viriA, -CÄ,A,'c"c-li-d vlA,-d V,rc -V5Al'-CA ^/Ü,-CS |CAA, -b-A M-O |C5Mk,-> V,l ^CAÄ 'lAt l Vj^C, ^JÜ,|C'Ma1°A Sa,-) v^A-c-d -jA,AMyx-d Ha^i aa,'-ca v^a ^O-d-^ \^i,-il-d'-iA^pJn^ -d-ÜA,V v,v MA,'-2A-d v,AA,-c-ii ici„-c-ii vj^, vJi,''cr) V,A^M',\ Aussprache von Herrn J. G. Seidl. 18' 274 E. ß r ii c k o Ditmarschisch Platt. Dagdecf. Dör Busch un ßi-ok to snekeln Mi in de Sünti to rekeln Dat sünd min besten Tög; Un maiik de Blüm to dangein Un oppen Knüll to rangeln Dat is min gröttste Hög. Klaus Groth. Pommersch Platt. Dei Kluk mit Ahnten. Kratzefoot hett Unglük hatt Arme Fru wo geiht di dat? Ja, dat nenn ik angeführt, Niederträchtich schikanirt! Hest so lang das Nest nu hött Un doch niks as Elend brött. All as Ei um Ei terbrök. Wüst du nich wat mit die sprök, Dat klung jo heil M'unnerlich! Nee! So piept keen Küken nich; Dei sünd nich ut diene Maak Nee, dat is keen Kükensprak. Doch wat kreegst Du ierst tau sehn! Wat en Snabel, Flucht un Been, Mang dei Tehnen wat för Huut! ^ So süht jo keen Küken ut! Ach sei dehrn Di, ihr Du't raken Tau'ne Ahntenmutte maken etc. (En poa Blomen un Annmariek Schulten ehren Goahren, von A. W., heraus- gegeben von Fritz Reuter. Greifswald und Leipzig 1838.) ^' Schwedisch. Anfang der Frithiofs Sage von Esaias Tegner. Der växte uti Hildings gärd Tvä plantor under fostrai-ns värd Ej Norden förr sett tvä sä skönu De växte herrligt i det gröna. über eine neue .MeJlioIa;"{a XI ^I|dM'^dI drj/.^-^ip^d \\ Vi/d |t^)A;^cA 2 7 (> K- Brücke Den ena som ei» ek sköt frain Och som en lans är liennes stam Men kronan, som i vinden skälfvcr Liksom en hjelm sin rundel hvälfer. Den antlra växte som en ros När vintern nyss har flytt sin kos Men vären som den rosen gömmer I knoppen ligger an och drömmer- ^■' Norwegisch (SprichwöHcr), Det er ikke alt Guld, som gh'mrer. Mit Fsedreland det er min Fryd. Med Lov man Land skal bygge. ^' ßiiniscti. Morgenstund har Guld i Mund, .leg giver Dig en god Dag. Som man raaber i Skoven, faar men Svar. * Isländisch. , Or5, ivb, meb, eöa, fjöröur, Guöny, siöara, aörar, öörum, f>riöja, hundraö, J>aö. f>au, J>6, |>ii, p\i, f>röstur, |>rjotur, affielija. Segja, ögra, fagra, log. Ljosavatn. Englisch. Many reasous make it impossible for us to lay before our readers at the present moment a complete view of the character. and public career of the late Lord Holland. But we feel that we have already deferrcd too long the duty of paying some tribute to bis memory. D M a c a II 1 a y. ' riier eine iioiie .Mellioile der |>lionelisc-lieii Traiisscripliuii. C i i ^CA,^ \\^'^li^y^i ^rril \l:v;i '(J^|\^d ^\ivi ]dA/tJ \^^, ]li^{A*'d',S"C ^|\|('^l^i \,^^( \A]d "t^JA'^c'^^^J Aussprache von Dr. Biörns t röiu aus Upsala. ^crd r^i ^]t1'^i v^r^^rf-^ l^^'h ^^"^''^ yi^iv'c'^ji^i *ä^d M/i^^^ii^^A^c, "a^d \\^i ''ä/c ""tl^i^/c *ä,^ "p/l ^CA^( "|A^C, ^^il^iA^I, ^f^f^ Aussprache von Dr. Onsum aus Christiania. ''cA^]X5"c"ütiA^c vIa^v, 1TA^ \J *(A^C Jb-Apj I^t/l^^ ^^P? V^i'C |tA,TÜ ^A|t' ^ÜA'^i *^tAt ^A/cS^i \^l "dldA^S^C Ma,V, *^CA"( "l5^3A,Vj Aussprache von Dr. Reisz aus Kopenlia<^on. Vj^Afi^n v^A^CTi "ä^n v.i"('nA MiA|i"c'nA^ yiA^n'^t, \iv;^nA|JA v^.\^n'|iA,p v^A^fTi'pA'c nitirc'raA \1a^'^c|ja^cti TiJA'cn YÜAV nJA, YIJA^ Tli'tY, TÜ|lA/aifdi|i 1Rj|JtV?di-^ V^ a'^Ü Tti X / jd TV "d?'|l^A V^A'ppA Ma'[1|1A "|Ap 'I^a/^a^a^I^c Aussprache von Dr. Pro y er. ^|A, 'rv\lA3v; v^AAA^ ^n/^f-V» V-A^d TU ^d^i'^r^d 'tA/'tt^rd VA |T]A*rd^^;d' M-\, \-\\ TU fdA'^l.\[fi^i.l, V^A^rt MA'(''|\fti fd.m^v; v.Ai n\ ^\/\;d ^17\A,\ dAY.a^i^f *<'vM ay, M^/I n.x^d A\^ \1a'( Ai/i^jrd^x 'aMA,/( ^dA,, ^p^c, in i(]i-\;'(i\ ^a^ 'd;i,°\f( (Ia'c M^n"(iA/d \i-\, \lri *ä"(A'n •Aussprache von FM'. Priver. 278 I". 15 1- ii f li e Französisch. Je le suis a la verite; et j'admire, madame, comine le eiel a pu former deux ames aussi semblables en tout que les nofres, deux ames en qui Ton ait vu une plus grande conformite des sentiments, qui aient fait eclater dans le meme temps une resolution ä braver les traits de l'amour. M 0 1 i e r e. Italienisch. L' intelligente agrieoKore separa le frutta buöne dalle mezza. II manzo die ti diedi a pranzo era eecellente. '" Rumänisch (Zeitungsnachricht). Varietati. Autorulu telegrarnului, despre strapunerea Dlui Sipotariu d' in Doboe'a la De'es, ca d' in pedepsa pentru aperarea diploniei, s'a luatu sub cercetare criminale, pentru aeesta seornitura. ^ Serbisch. BüHie >iiijiii, Hy/^a Be.iiiKora, Ka^i. ce 'l)opl)e na opyjKb A"»'^^? Ca noMohii Bora iicTiiHora II cBexora cry/^eHHMKori. Kpa.ia, /l,a pacTepa rypne ayjiyivihape, jy^ OiV'JpaHH CpÖa 0^1. l^BIMCHH. * Neuslovenisch. MIad ribic cele noci vesla, Visoko na nebi zvezda migija, Nevarne mu kaze pota morja. Vec let mu zarki zvezde lepe Ljubezen sijejo v miado sree, Mu V prsili budijo eiste zelje etc. Franz Presern. Ül)er eine iieiiu Alclliodi- der iiliuiiolisclieii 'rniiisseriplioii. -^ i \f ^A \a; jl^h ^]i, ^cTv.^lpl^ ^fA, ^lA,^ ^lA, [d^; ^Ä^ A, ^\; v,v;c *d^yv, r*^pÄ/( |f,A'MAt/frdt; ^a' ^üA^^ii'cA' ]di v^a/^y, Mä]' Vit^iri^^Atii/ "fA, ^j:^ *fA/c' \^A, "u/c pi"iA"|iJiiiA' "(a *t|iA/ii, Aussinaelie von Herrn Fuchs. "^l"i^J5*|,rC>:1*c'"di V^AH"3l|Ti-k"|\l-v/^5 "»ii'dA/"(A ^\\, \\,^ *CA"C'"("\A [T^A %^ "C^^a/^V A 'd^JA^t'M^dA V^A/^iA Aussprache von Prof. Mussafia. v^aat^a'^a,"! n:^5"|5yT^A''tVpt "ci^il'M^i? MM*i:x*dA/riti"iiA "ca'^c'^a^a^s "ph'dArCj.A"yps, \\^ "fA/'rAM^iiA %a ^ii;]\l |t^a \rc ^ÄiTtA^'Mx \l^'^^i\ V^A^dv^A/^YA ^l^fl^^ a/'i Y5[15, Ma ^pVd ^iIaS: M>h^2^i>l^Tr,A;"U5 fri^^'fV^A/^s \t^'^J^2A \^A^d'|thA"ii'"dA ^ü[dA"j^vn:^A/^4 Aussprache von Herrn Prunkul aus der Moldau. Ma \A'*TA^pii ^a']TA V^t^li'Ml^CA^jfCA \^i "ii\t'\A|T:A "ii"dA"iCi'"ii"d^lyr^A|ir fT^"iA/s|tA ^(A ^aM'Mj^A \A;,^[r^l ^lA^p^^dfÜA/^J "fA l^A^'^t^JA^^Y^ MYc'^A VjA^ "dM^Y/s|5,^lA Aussprache von Alex. Spasic aus Seniendria in Serhien. 'c^A/c ^H/'a^d^J ^IMs/^vÄ ^A^^ph; ^l\l^|A; ^vMA'l-dA t\ ti'hv Vii/i'^A 'äjis^^A/ "U^IaV^IA *CA |C^a/"PA \a/\A *CA":ilA/ 'i^^i^fd ^i;d ^A >A/yp:^v ^^i/i'^CA ^:^\ii,' ^A M \^3;MApJ 'c-\\i;p\ ^d>ird'\Ä >^:^^a; Aussprache von Prof. .M i k 1 o s i c h. 280 K- Brücke ^' Böhmiscb (Sprichwörter). Mnoho ki-iku, malo vluy. Stesti nechodi po horacl), ale po lidech. Co je s Septem, byvä s certem. Kuj zelezo, dokud je borke. * Polnisch. Niewyraziiosc obrazii tworzacego sie na siatküwce w takiin razie, gdy oko nie jest nalezycie zastosowane do odlegJosci przed- miotu w tem ma swoja przyczyne. Prof. Majer. * Russisch. Mto Tbl iKa^HO r.iH/^miih Ha ;^opory B-b CTopoHb OTi. Bece.iMxi. iio^pyn>? 3HaTb, aaÖH.io cep;i,eqKO rpeeory — Bce JiHuo TBoe BcnwxHy.io B^pyri. etc. Ne k rasso IT. '^ In garisch. Ha csak az erdemli neve ünnepelteteset, tisztelt ballgatoim, ki gyözödelmekkel vedte mog bazajat, ki ennek szabadsägät törve- nyekkel, fenyet a müveszet remekeivel, joletet az ipar munkaival alapitotta meg vagy emelte; vagy ki a szeilem orszagaban üj bodi- tasokat tett, s emlekezetet elme balbatatlan müveivel örökitette: ugy az a ferfiu, kiiöl ma kivanok szolani, e tisztessegre es Önök reszvevö figyelmeie szamot nem tarthat. Toldy Ferencz. ■^ Finnisch. Anfang des ersten Gesanges aus dem Nalional-Epos „Kalevala". Mieleiii ininuri tekevi, Aivoni ajattelevi, Mieli ruveta ninoilie, Laatiu'a laulainaban; i'her eiiio neue .Melliode iler plioiietischeii Tiaiisscription. lio 1 Aussprache von Herrn Eduard Albert aus Senftenherg in Böhmen. \-\']c^-\ still' jxVxi^d ^A,%i^u'"d"[üi? ^a'^J^KM-v^a/^c/? ^-v \jVfl^FTM'^^r^'^-l>'^ \>li^'ci^jv'^dA M^üi^i 'cA ^li'i-^/p-kjt Aussprache von Dr. Rydcl aus Strzelce wielkie in Galizien. "jdrda' k^u "pArr'ria yT:"|AS?:i^"yü' ka rc:\^-\/"[?-\ M a]TdA"3Asi|XÄ' v^'vrd ^5sd?vr]i'.upi \ATc"iA,yti' arcATdfü siA^ti/r^M süj^^sct^rd^'yc^a Td"ii\-\/|iA "Msiifüa "i^^rdalÄ' rrriA^pa' Mai'ri.upi'TiAr^M ^rc^njd Aussprache von Dr. Krassilnikoff Uä^a/pa^M fiji v^.5"i:,.i]Tl "iia'*ia:"i:J"piA/jiA,^i \A"3^?^^r?[r/,Ä"| Vji'\:v^ 'TAtp:jA/°s\A% Vj^.\^vA\i,\A\',A 't/ijc ^a,a:[ls v^a^ca^^a ^A,SCfl3 [TJ V^rV MäY/^'c Vj-V^"liA,]TA/'lA^ \^\^l vh,\l\A,'^\\L^Ayi Xtiti' >i ^.A't^t;[t^/^^A\iX v^/^Y'cA d:vYdA\A\^A^ *ek;^A^^A^ \a':iaji^i'\a\\a \^a,9:]\s v^a^ Vj.a \l5,")Mi°-\, p:^i"iA,Y *^"v ^\,^i'\:\\A,' \llSCJ\A^^i;^A MA/'i-iM -filH X^TÜ' \1a'X1 Aussprache von Herrn J. Siklösy aus Somogy. V^A\"lA*tl V^A'[lA\i,t^Jt'n ^a;Mv°a;°a ^i\a'^|a'ca\1a^c 2(S2 K- l!-ücke Sanat suuss'.tni sulavaf, Kielelleni kerkiävüt, Hampahilleni hajovat. Veli kulta, veikkoseni, Kaiinis kieli-kiimppalini, Harvoin yhtehen yliymme, Saanemme sanelemahan, Näillä raukoilla rajoilla, Poloisilla pohjan-mailla etc. Neugriechisch. riPOS TON AOil. Kai ßlsTicov i^ll^'CA^' Tll-C V,A;^|aM5 \A\i' %A ^5^'v^aVa^' ^^^ v,i rÜA;*\AM v,0'\v fiix? Mi^i; \aM vA/yr^^A'M \a^ 'dAHA^; Ma Aussprache von Dr. Alexandrides aus Kandia. VA^VM YA,,,„^C V,,,^,, YV.;n.ldA^r.hMA,;'cA VV,, -^A'^^'fA Mi,;di, vJa^a^; '|0'cA;d\AKi,;t tAr\'„A\\,;^tA nAv;'ä^A,;^A ^coni^^'^^ ^^ n^K^,/'f^„'*'. MM,A%A,;tiA AA^ä'iO.A, ^>AnAtr/^fA;vlAt [X^^^ Ml^A^/^C A Ausspraclie von Prof. Hassan. 284 E. Brücke Tnlgiirarabisch. Aus den Phrases in Caussin de l'erccvars Gramm. Arabe vulg. Persisch. Aus den Gesprächen in der Grammatii( des Mirza Mohammed Ibrahim, übersetzt und mit Anmerkungen verseilen von H. h. Fleischer, Leipzig 1847. \ " 1 ° • t • ' I • . 6-9 . _ '>' e 'T 9 11-° 1 l ln'c i'iiie iiciii' Mi'llioilo ilcr |ilioiii'(i,s(!liL'ii 'ri-:iiissei'i|itioii. 285 v^aU'^a^c aa MavI'^ia^c AA A^cM \A|\^'r' Ausspraclie von Prof. Hassan. \ 'ci^ v^a^ v^7v,t v^AM'*cs[chviry \\^i;\^ tÜA^li'c 'ä°a,[ii^ ^' 'ii'iiÄMA^c^i'r M>lrc^'\lA ^v>lA;^ci'aM[i7v,^tiiA'j:' ^Ä,^rd Aussprache von Dr. Polak. 286 Dr. Fr. Pfeiffer, Forsch, ii. Kritilt ;i. .1. Coli. d. .leiitscli. AKertlnims. Forfichnug und Krifih auf dem Gebiete des deutschen Alterthums. I. Von den» w. M. Dr. Franz Pfeiffer. VORWORT. Unter dieser Aufschrift gedenke ich der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in unbestimmten Zeiträumen eine Reihe von Aufsätzen und Mittheilungen vorzulegen, die einerseits der älteren deutschen Sprache und Literatur theils neue Quellen zuführen, theils schon vorhandene erweitern und vervollständigen, anderer- seits über einzelne wenig bekannte oder dunkle Puucte der deut- schen Alterthumskunde Licht verbreiten oder auch der verkannten Wahrheit zu ihrem Recht verhelfen sollen. Ich wähle diese Form der Mittheilung, um Aufsätzen von kleinerem Umfang, die verein- zelt leicht der Reachtung entgehen, durch ihre Vereinigung zu einem grösseren Ganzen mehr Halt und Zusammenhang zu geben. Über die Gegenstände, die ich in den Kreis meiner Rctrach- tung zu ziehen die Absicht habe, so wie über die Rehandlungs- weise und die Richtung, die ich hiebei verfolgen werde, wird die für das vorliegende erste Heft getroffene Auswahl Aufschluss geben. Die kleine Untersuchung über Meier Helmbrecht hat den Zweck, die Heimat dieser ersten deutschen Dorfgeschichte, die man ohne zureichenden Grund nach Raiern verlegt hat, wieder für Öster- reich in Anspruch zu nehmen. Daran reihen sich, als Ergebniss einer unbefangeneren Würdigung der Rerliner Handschrift und deren Werthes, kritische Erörterungen und Vorschläge zur Verbesserung des bisher zu einseitig nach der Ambraser Handschrift aufgestellten Textes. Der zweite Aufsatz ist den beiden nachrudolfischen Bearbei- tungen der Geschichte vonBarlaam und Josap hat gewidmet. Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutsclien Altertliums. 2»S i Von der einen, wohl älteren, jedenfalls werthvolleren, deren Existenz ich vor nun zwanzig Jahren durch Verüirentlichung zweier Perga- mentblätter zuerst festgestclU habe , werden weitere Bruchstücke hier mitgetheilt. Ein grösserer Abschnitt aus der andern Bearbei- tung, die zwar vollständig in einer Handschrift zu Solrns-Laubach erhalten, aber nur aus dürftigen Proben bis jetzt gekannt ist, soll einer lehrreichen Vergleichung aller drei Bearbeitungen des Bar- laam dienen. Zugleich wurde der Versuch gemacht, Heimat und Alter der beiden jüngeren Gedichte wenigstens annähernd zu be- stimmen. Im dritten Stücke wird der mittelhochdeutschen Literatur ein neues, noch unbekanntes Denkmal zugeführt, ein Lobgedicht auf K. Ludwig den Baier; allerdings nur in Bruchstücken, aber um- fangreich genug, um die Anlage des Ganzen ungefähr daraus zu erkennen. Ohne gerade von erheblichem historischen Werthe zu sein, darf das Gedicht docli schon um des Fürsten willen, dessen Preis darin verkündet wird, Interesse beanspruchen; wichtiger ist es in Beziehung auf die Sprache und den Wortschatz, dem es manche willkommene Bereicherung bringt. Über den Verfasser ist eine Vermuthung aufgestellt, die bei der unvollständigen, lücken- haften Überlieferung allerdings nur Vermuthung bleibt, aber doch wohl einiger Wahrscheinlichkeit nicht entbehrt. Wien, am 7. Februar 1863. Sitzb. d. phil.-bist. Cl. XLl. B>I. II. Hft. 19 288 Dr. Franz Pfeiffer I. ÜBER MEIER HELMBRECHT. I. Unter den Denkmälern nnserer allen Literatur, die es immer wieder von Neuem bedauern lassen, dass unsere Dichter, statt die Heimat, das eigene Volk, zum Gegenstand ihrer poetischen Dar- stellungen zu machen, ihre Stoffe zumeist aus der Fremde holten, nimmt die Erzählimg vom Meier Helmhrecht von Wernher dem Gärtner eine . hervorragende Stelle ein: das deutsche Mittelalter besitzt keine zweite Dichtung, die dieser frischen, lebensvollen und ergreifenden Schilderung aus dem Volksleben an die Seite gesetzt Averden könnte. Wie ganz anders würde unsere Literatur aussehen, welche Thaten würde deren Geschichte zu verzeichnen hüben, wenn dieser leuchtende Vorgang, diese erste wahrhaftige deutsche Dorf- geschichte unter den Gebildeten der Nation Beifall und Nachfolge gefunden hätte! Eines so ausgezeichneten Gedichtes Heimat, den Grund und Boden festzustellen, auf dem es erwachsen- ist, dürfte daher wohl einer neuen Untersuchung werth sein. Befragt man unsere literatur- historischen Handbücher (z. B. Gervinus 2*, 150. Koberstein 1^ 227. W. Wackernagel 218), so wäre die Sache längst im Reinen, d. h. es wäre der Helmbrecht in Baiern gedichtet und später in Österreich umgedichtet. Das scheint mir jedoch keineswegs so ausgemacht zu sein, und ich ver- hehle nicht, die Ausführungen Haiipt's und Karnjan's, auf denen diese Angabe ruht, stets mit Zweifel und Misstrauen betrachtet zu haben. Nähere Erwägungen haben mich zur Überzeugung geführt, dass meine Bedenken vollkommen berechtigt waren und dass die bisherige Ansicht von der Heimat des Helmhrecht unrichtig und unhitltbar ist. Die einzigen Anhaltspuncfe zur Ermittlung der Heimat, oder richtiger: des Schauplatzes der Erzählung, bilden drei im Gedichte selbst an zwei Stellen vorkommende örtliche Benenimngen. Diese drei Namen lauten aber in den beiden Handschriften durchaus ver- schieden. Forschung und Kritik auf dem GeNiL-to des Joulschen Alterlliums. 2'•• Franz Pfeiffer Aus den hier dargelegten Gründen geht mit Nothwendigkeit liervor, dass die in der Ambraser Handschrift vorkommenden drei Ortsnamen nicht die vom Dichter selbst gebrauchten sein können, sondern durch einen gedankenlosen Schreiber an die Stelle der ursprünglichen sind gesetzt worden. Durch die Betrachtung der Berliner Handschrift wird dies noch deutlicher in die Augen springen. Hier fügt sieh nämlich Alles eben, rund und glatt zusammen: die drei hier erscheinenden Namen lassen den Leser keinen Augen- blick im Ungewissen über die Gegend, die nach diesen Angaben den Schauplatz der Geschichte bildet. Von Wels, der alten blühenden und gewerbreichen Römerstadt, bis zum majestätischen Traunberg (jetzt Traunstein), der, wie ein Riese aus den Fluthen des Traun- (Gmundner-) Sees und über die umliegenden Berge sich erhebend, meilenweit das gegen Lambach, Wels und Linz abfallende Land beherrscht, sind nur wenige Stunden. Was dazwischen liegt, ist das von der Traun durchflossene schöne Thal, das Traungau (Driingoioe) , wie es seit dem achten Jahrhundert bis heute heisst. Die beiden Namen Wels und Traunberg sind also nichts anderes als eine Umschreibung für Traungau: der Dichter wollte sagen, dass es im Traunlhal auf und ab, im ganzen Traungau, keinen reichern Bauern gegeben habe als Helmbrecht, und er hat sich durch die Nennung der beiden Endpuncte auf eine damals wie heute vollkommen verständliche und bestimmte Weise ausgedrückt. Auch den dritten Ort dürfen wir nicht weit suchen: wir finden ihn ganz in der Nähe. Leubenbach (jetzt Leonbach) liegt nur ein paar Stunden seitwärts in einem vom Loibelbach (alt: LiubeUnbacli) durchflossenen, nach Wels zu sich öffnenden Thale, von letzterer Stadt kaum eine Stunde entfernt. Es ist eine kleine, aus zerstreuten Häusern bestehende Ortschaft, die seit frühester Zeit zum Stifte Kremsmünster gehört. Schon in der vom Herzog Tassilo im J. 777 ausgestellten Gründungsurkunde dieses Klosters, wie in den spä- teren Bestätigungsurkunden Karl's des Grossen von 791 und 802 wird der Ort als zum Traungau gehörig aufgeführt, z. B. Tassilo — nliqua loca ad ipsum sandum locnm concessit in supradido pago (Drungaos) , id est Stilzibah ^' Sicbah , Liiibilinpach et qiiicquid inter dm fliimina , qiiae vocontur Ipphas, esse cernitur (Hagen, Urkundenbuch. Wien 1852, S. 5) und öfter. ForscIlUiig und Kritik nuf dt'tii fiel)iete des dtMitscheii Allerlliums. <205 Als Helmbrccilt seinem vornehm und lierrenmässi|^ heimkeh- renden Soline an Gesoltenem und Gebratenem auftischen lässt, was sein Hof vermag, bedauert er, ihm keinen Wein vorsetzen zu können'): „dafür bekommst du das beste Wasser zu trinken, das jemals aus der Erde quoll. Nur eine Quelle kenne ich ausserdem, die unserm Brunnen zu vergleichen ist: die zu Leubenbacli; es ist aber zu weit, um einen Trunk von dort zu holen". Einen Dauer, der im Traungau wohnte und dort eben so gut Bescheid wusste, als ihm alles darüber Miiiausliegende gewiss fremd und unbekannt war, so reden und einen Ort aus der Nachbarschaft vergleichsweise nennen zu hören, wird man ganz naturgemäss und in der Ordnung finden. Tragen somit, gegenüber iien confuscn Angüben der Anibraser Handschrift, die uns in Baiern und Franken durch einige Länge- und Breifegrade an der Nase herumführen, die ein kleines Gebiet scharf umgrenzenden Ortsnamen der Berliner Handschrift schon durch ihre Bündigkeit den Steujpel der Echllieit, der Innern Wahrscheinlichkeit an der Stirne, so ist das Hinzutreten noch weiterer Bestatigtnigs- momente fast vom Überflüsse. Sie sollen gleichwohl hier nicht über- gangen werden. Dass Österreich in der That Helmbrecht's Heimat ist, geht nicht minder bestimmt aus einer Stelle hervor, die von beiden Hand- schriften gleichlautend überliefert is\. Zwar sucht Haupt durch die spitzfindige Deutung eines Wortes ihre Beweiskraft zu schwächen aber es ist leicht, dieselbe zu widerlegen. Helmbrecht ermahnt seinen Sohn, von seinem Vorhaben abzustehen. „dil solt leben des ich lebe unt des dir diu muoter gebe. trinc wazxer, lieber sun min, e du mit roube koufest win. dafz Österriclie clamirre, 445. ist ex jener, ist ez dirre, der tumbe unt der tvise ') Im niiihliok .tut" eine irrel'üiirende Äusseriing Haupt's zu V. 444 fZeilschrift 4, 320) scheint mir für aiissoriisterreieliische Leser die Bemerkung' nicht iiberfliissij»;, dass Oberösterreich den Weinbau so wenig- kennt als Baiern, und dass aMer Wein, der dort getrunken wird, aus Steiermark und Niederösterreich eingerührt wird. Auch eine veränderte Interpunction in V. 444 würde datier die dort aufgeworfenen Zwei- fel nicht beheben. 29ß Dr. Fran z Pfeiffer hänt ez da für Herren sptse : die solt du ezzen, liebez kint, e du ein geroubtez ri'nt 4 SO. gebest timb eine kenne dem wirte efestvenne. din muoter durch die tvocken kau guoten brien kochen: den solt du ezzen in den grans, 45 S. e du gebest umb eine gans ein geroubtez phärit sun, und haltest du den sit, so lebtest du mit er an, swar du ivoltest keren. 460. sun, den rocken mische mit habern e du vische ezzest nach uneren. sus kan din vater leren, " Darauf entgeg-net der jung'e Helmbreclit: „Dil solt trinken, vater min wazzer; so wil ich trinken wtn. und iz du giselitze ; so wil ich ezzen ditze, daz man da heizet huon versoten. 47 ö. daz wirt mir nimmer verboten, ich wil ouch unz an minen tot von ivtzen semein ezzen bröt: haber der ist dir geslaht. " Dazu macht nun Haupt (Zeitschrift 4 , 320. 521) folgende Bemerkung: „clamirre (V. 445) verstehe ich zwar nicht, doch ist deutlich, dass der Vater eine gemeine, in Österreich beliebte Speise nennt. Daraus folgt aber nicht, dass er ein Österreicher ist; er kann auf den Brauch des Nachbarhmdes hinweisen, und zu einer solchen Hinweisung auf ein anderes Land als die Heimat stimmt du (V. 448)." Das sind aber nur Ausflüchte, keine Gründe, deren Nichtigkeit durch die Betrachtung der ganzen Stelle im Zusammenhange sogleich in die Augen springt. Der reiche übermüthige Bauernsohn, angelockt von der Pracht und Annehmlichkeit des Hoflebens und überdrüssig des arbeitsvollen Forschung; und Ki'itik auf dem Gebiete des deutschen Alterlliums. 207 einförmigen Lebens auf dem Lande, erklärt dem Vater seinen Ent- sclihiss an den Hof zu gehen, mit der Bitte, ihn zu diesem Behufc mit dem Erforderliehen zu versehen. Nachdem der Vater alle Gründe des Verslandes und der Erfahrung, den iibelgerathonen Jungen von seinem thörichten Beginnen abzuhalten, vergeblich erschöpft hatte, gibt er ihm bekümmerten Herzens das Verlangte, lässt aber den riltermiissig Ausgerüstelen nicht von dannen ziehen, ohne einen letzten Versuch, ilim die Sache auszureden. „Lass' dich, lieber Knabe, noch abwendig machen. Begnüge dich mit der Nahrung, wie ich sie habe, und mit dem, was dir die Mutter gibt. Trink Wasser (wie ich) statt gestohlenen Wein. Iss chtmirre, das hier in Österreich bei Reich und Arm, bei Alt und Jung für ein Ilerrenessen gilt; das ist besser, als ein geraubtes Rind einem Wirlh für eine Henne zu geben. Statt einer für ein gestohlenes Pferd eingetauschten Gans iss lieber den treiriichen Brei, den deine Mutter dir kocht, und lieber mit Roggen gemischtes Haberbrot als auf unehrenhafte Weise erworbene Fische." Alle diese Ermahnungen schlägt der Sohn in den W^ind, sie höhnisch fast Punct für Punct erwidernd: „fahre du fort, lieber Vater, Wasser zu trinken, Geislilze (^= clamirre und hrie) und Haberbrot zu essen, wie du bisher gethan hast und gewohnt bist: ich will Wein trinken, gesottene Hühner und Aveisse Semmeln essen". Hier ist Alles so klar und eben wie möglich und man begreift nicht, wieder einfache naheliegende Sinn jener Worte eine so gezwun- gene Deutung erfahren konnte, datz Osterriche kann im Munde des Vaters, der die in seinem Haus und Land üblichen einfachen Speisen aufzählt, gar keinen andern Sinn haben, als: hier (bei uns) in Öster- reich, und daran kann das in V. 448 stehende da, auch wenn es richtig ist (was ich indess bezweille), nichts ändern: da bedeutet nicht blos dort, sondern auch hier (vergl. Iwein 2615. 2708: herve da ze lande u. s. w.). Auf keinen Fall kann in dieser Stelle „auf einen Brauch des Nachbarlandes hingewiesen" sein. Das wäre nur dann möglich, wenn Hehnbrecht seinem Sohne, um ihn zurück zu halten, Leckerbissen von dort in Aussicht stellte. Davon ist aber keine Rede, Im Gegentheil verlangt der Vater vom Sohne, sieh mit den einheimischen Gerichten der väterlichen Küche zu begnügen, mit den ausdrücklichen Worten: du solt leben des ich lebe und des dir diu muoter gebe. 298 _ Dr. Franz Pfeiffer und dann führt er die einzelnen Speisen, die seine gewöhnliche Nahrung bilden, namentlich auf. Clamirre hat bis zur Stunde allerdings keine sichere Erklärung gefunden und ist noch immer unbelegt. Doch ist so viel deutlich, dass an die Stelle dieses Aus- druckes und des guten Breies, den die Mutter zu kochen versteht, in der Antwort des Sohnes giselitze getreten ist; clamirre dürfte daher wohl auch gleich diesem eine Mehlspeise gewesen sein. Unter geislaz, geisliz versteht man in Kärnten (s. Lexer S. 112) ein Mus aus Habermehl. In einer Wiener Handschrift des XH. Jahrhunderts (Sumerlaten 27, ö) wird giseliz durch gUcerium glossiert. Glyceria ist in der Botanik eine Pflanzengattung, aus deren Samen die soge- nannte Mannagrütze bereitet wird, die von Schlesien und Polen aus in den Handel kommt, ein sehr zuckerreiches Mehl enthält, leicht verdaulich und nahrhaft ist und sowohl gekocht als gebacken genossen wird. Wir werden demnach giseliz für identisch mit Mannagrütze halten dürfen. Wie beliebt und verbreitet diese Speise einst in Österreich war, scheint aus nachstehenden Recepten zu erhellen , in denen geisliz kurzweg ohne nähere Bezeichnung genannt, mithin als allgemein bekannt vorausgesetzt wird. Ich ent- nehme sie einem auf der hiesigen k. k. Hofbibliothek befindlichen Kochbuch des XV. Jahrhunderts (Cod. 2897. Vgl. Hoffmann S. 280), das dem Dorotheenkloster zu Wien gehörte und in dem die Fisch- und Mehlspeisen eine grosse Rolle spielen. Bl. 30*'^ Von fierlai geislicz (roth). I. Zu loeiss geislicz nim ein It mamleln, die schel schon und reib si klain und slach si mit der geislicz durch als vil als ir werd auf ein guet essen ; die setz in ein chessel oder in ein hcfen, die la sieden durch ein- ander wol. Wil si dick werden, so geus ein waser daran, salz und ein zuker tue dar an , an das das zu müssen sei. Wann das nu gesoten ist, so tue es auf ain schussel und lazz stan. — HI. Von roter geislicz (roth). Nim eiii halb 'ii toeinper, die solt du mit der geislicz durchslahen , und ein halb U hünig und laz sie sieden durch einander, tue dar an phe/fer und saffran. Wann sie nu geso- ten ist, so geus auf und lazz kalt werden. Versalcz nicht. Zwei weitere Recepte (IL IV.) handeln „von sioarzer" und „grober (gvauer') geislicz". Hält man diese Zubereitungsweise zusammen mit obiger aus der alten Glosse gewonnenen Erklärung, so war giseliz nach Art derPolenta, nur aus anilcrera feineren StolTe und darum eine Forschung uiiJ Kritik auf Jem Gebiete des deutschen Alterthums. 299 „Herrenspeise". Dass sie heuzutage in Kärnten aus llabermehl gemacht wird, kann nichts dagegen beweisen, wohl aber liegt in dem Vor- kommen und Forlleben des N-amens Geisiiz in österreichischen Landen ein verstärkter Beweis für die österreichische Heimat des Meier Helmbrecht. In Baiern scheint der Name und die Speise unbekannt: wenigstens weiss Schmeller's Wörterbuch nichts davon. Schliesslich glaube ich noch einen Punct hervorheben zu dür- fen , der nach meiner Ansicht dem bereits gewonnenen sicheren Resultat noch höhere innere Glaubhaftigkeit verleiht. Wer jemals das schöne Oberösterreich durchwandert und Aug' und Herz nicht allein an der herrlichen Aipennatur, sondern auch an der musterhaften Bebauung des Hodens, an der tüchtigen Land- bevölkerung geweidet hat; wer jemals in einen dieser Bauernhöfe getreten ist, die, von einem weiten Kreise prächtiger Felder und Wiesen umschlungen, stattlich in mitten grossartiger Obstgärten liesrend, schon von aussen den Eindruck von Wohlhabenheit machen, in den innern Räumen aber, in Küche, Kammer und Wohngelass, in den reinlichen wohlgefüUten Scheuern und Ställen von seltenem Wohlstand, ja Reichthum zeugen, dem werden bei der Leetüre des Gedichtes unwillkürlich diese Bauernhöfe vor die Seele treten,- wie sie zu Hunderten über Oberösterreich zerstreut liegen, der wird aus der Schilderung des alten Helmbrecht's, seines Wesens und Charakters, sogleich das Bauerngeschlecht wieder erkennen, das in jenen gesegneten Gauen haust und wie vor sechshundert Jah- ren so noch jetzt durch eine seltene Vereinigung von Tüchtigkeit und Ehrenfestigkeit, von Fleiss und Intelligenz vor vielen andern sich auszeichnet, an Wohlstand und freiem unabhängigen Sinn hinter der Bauernschaft keines andern deutschen Landes zurücksteht. An Meiern und Hofbauern nach Art des prächtigen alten Helmbrecht fehlt es dort noch heute nicht; auch Helmbrechtel wird es hin und wieder noch geben, aber deren Überhandnehmen wehrt die von Vater auf Sohn vererbte alte strenge Zucht und Sitte. In der vorstehenden Untersuchung glaube ich durch über- zeugende Gründe dargethan zu haben, dass die bis dahin herrschende Ansicht, die das Gedicht vom Meier Helmbrecht in Baiern gedichtet, in Österreich umgearbeitet sein lässt, eine irrige ist, indem 1. die jener Ansicht zur alleinigen Stütze dienenden Ortsnamen der Ambraser Handschrift durch ibre Widersprüche unter sich wie 300 Dr. Franz Pfeiffer mit den ausdrücklichen Angaben im Gedichte selbst sich als gefälscht erweisen i), während umgekehrt 2. die örtlichen Benennungen der Berliner Handschrift vermöge ihres vollen Einklangs unter sich, mit den übrigen Stellen und dem ganzen Charakter der Erzählung den Stempel der innern Wahr- scheinlichkeit und der Echtheit an sich tragen , dass somit 3. der Schauplatz des Gedichtes nicht Baiern, sondern Ober- österreich, und zwar das Traungau, ist 2). Damit ist allerdings nicht auch die Frage über die Heimat des Dichters entschieden. VVernher bezeichnet sich selbst nicht undeut- lich als einen Fahrenden: sioie vil ich var enivadele^^ (vage), son bin ich an deheiner stete, da man mir tuo als man im tete 847 — 850, d. h. wie viel ich auch herumziehe, so finde ich doch nirgends eine solche Aufnahme, wie sie hier dem heimgekehrten Sohn zu Theil wurde. Den fahrenden Sänger verräth auch seine Kenntniss deutscher Sagen und Dichtungen. Ausser Neithart (217) weiss er *) Ob die Änderung-en von dem Schreiber der Ambraser Handschrift herrühren oder schon in seiner Vorlage standen, bleibt ungewiss. Zing'erle's Nachweis (Germ. 6, 44), dass in der Gudrun, also in der nämlichen Handschrift, der tirolische Ortsname Campati lle au die Stelle eines andern Namens eingeschw.Trzt ist, möchte für erstei'e Annahme sprechen. Er war ein Schreiber von Beruf (s. v. d. Hagen, Hel- denbuch. Leipzig ISSo, 1, XVI), und dieser konnte ihn leicht einmal nach Halden- berg und Hohenstein geführt haben, die er dann in dem Buche an unpassender Stelle einschob. ^) Um etwaigen Mäkeleien Übergenauer vorzubeugen , dass dieser Beweis eigentlich schon einmal geführt sei, will ich hier bemerken, dass v. d. Ilao die liotiben wivhe) wiederholt A uiigescliickt aus der vorhergehenden Zeile lool standen. 278. lies ich ivil dir nitnmev bouwen = B. 282. vil sclidfe swin unde rint. = B, zelten r. A. 289. vil selten im (jelinget. = B, iLHin s. A, wan vil s. Haupt. 317. mit der drischel uz gebiez. = B, mit drisch elen A. 340. du muoz dir misselingen an = B. 347. der gedinget doch ze jungest baz = B, der Conj. gedingcte, den A bietet und II. in gedingte kürzet, ist hier nicht nothwendig. 391. entweder als uns saget daz mcere mit ß, oder sus saget uns. 398. lies darzuo vier matte kornes = B. 399. — 402, die in B feiilen, scheinen in der That entbehrlich; V. 399 ist überdies metrisch verdächtig. 415. 416. graven mit kurzem a Awi draven (=draben) ge- reimt ist höchst aulFallend. Vielleicht: über etesUchen graben und über ecke teil ich draben? Wegen des Ausdruckes über ecke (A liest über velt} ist zu vergleichen Y. 367 über ecke triben und V. 371 über ecke snurren. 419. 20. ist wohl besser zu lesen Id mich iiz diner huote hinnen varn: nach minem niuote wil ich selbe tcahsen. statt varn hat A jf harren, ß für. 442. 43. oder mit übel zefüere din langez valwez hdre. A m. übel icht z. und dein. 437. kleiner mit B zu streichen : uud swar dich wiset ein knabe. 445 IT. datz Osterriche clamirre, ez si jener, ez si dirre, alte unde junge hdnt ez für herrenspise. Z. 446 nach B; A liest dafür: ist ez jener, ist ez dirre; viel- leicht /;/ ez jener, izt ez dirre . da, welches AB in der vierten Zeile 2Ü* 300 Dr. FraiizPfeiffer einschieben, ist metrisch störend und ist, weil datz Osterriche vor- ausgeht, überflüssig. 499. lies haber der ist dir geslaht mit R, in A fehlt der. 490. lies loit dran belibe stcete, oder unt dar an blibe stufte. 602. der für ere schände hat erkorti? 5t3> — 515. si sint beide so gUmz, daz si baz zcsmeii einem tanz dann der eiden oder dem pflaoc. Zwei gekürzte Dative unmittelbar nach einander sind dem Dichter kaum zuzutrauen. Man wird zu lesen haben : daz si baz zemetit an einen tanz dann an die eiden oder den pfluoc. 516. lies we daz dich muoter ie getruoc oder noch genauer an B anschliessend: we daz din muoter dich ie trnoc. 520. ob dir wonen witze bi = AB; der Cunj. ist hier ganz am Platze. 517. du wilt daz beste län untz bosste tuon. So nach A, welch* ein Veis! Mau lese nach B: du loilt eht leider übel tuon. la den hierauf folgenden Zeilen gibt Helmbrecht seinem Sohne zu erwägen, wer ein angenehmeres Leben führe: der Lasterhafte, den alle verfluchen und verwünschen, oder der Reine, der von Gott und den Menschen geliebt sei, und schliesst mit der Aufl'orderung, ofl'en zu sagen: 537. wer dir nü gevalle baz. Statt tver ist ofl'enbar weder zu lesen: welcher von beiden; vergl. Bari. 47, 36: wederz gevellet iu baz. 549. din geniuzet woIf und ar und alle creatiure gar nach B; Ä liest der loolffe und der ar, Haupt wolf und der ar, mit Weglassung des Artikels vor ivolf. 563. ist und mit B zu tilgen. 571 fl". Sinn und Interpunction scheint weit passender , wenn nach B gelesen wird : ich u'il dem pfluoge widersagen, solt ich swarze hende tragen Forsi'liuiig und Kritik ;iuf dein »Jeliiele iles diMitsi'lH?ii Alteiilinnis. oU < von des j)/liiOf/i'S sehn /dl', so mir gofes hui de, sd totere ich immer geschaut ii. s. w. 592. ff. lese ich z. Th. mit Anschliiss ;in B; er sprach : „mir träumte mere, wie dir ein fuoz iif erden gie . und du mit des andern knie stiiende nf einem stocke, dir ragete auch uz dem rocke u. s. \v. 607. dd icart dtn fliegen gar rermiten -= B, gar fehlt AH. 610. lies we hende, f'üeze und ougen diu. 614. lies schaf dir umb einen andern knecht. einen lieide }|ss., H. umbe ein. 619. ni\ Innre ro7i troume. so H. ühneHs., Aß lesen von einem troume, und daran ist nichts zu ändern; die Kürzung hwr hat so wenig AiilTallendes als die von u'o^re in wier. 621. von dinen filezen an daz gras = B. 626. lies strahlte statt streite. 632. j"a wcene ich riuwic müeze gestdn nach B scheint alterth-imlicher, echter als die Lesart von A, der müeze fehlt. 638, 39. ich geldze nimmer minen muot hinnen unz an minen tot. hinnen unz klingt ungewöhnlich, man wird hesser nach B lesen: zicdre ich geldz doch minen muot nimmer unz au minen tot. 648. alhin so drabete er durch den gater = B. oder abhin, fort, weg, scheint passender als hie drabete = S. 6ÖÖ. lies daz er stcete urLiuges leielt = B. 656. ouch\9>\. überflüssig und mit B zu streichen. 664. lies dhein = A. 681. lies h(ete statt het gehabt = AB. 687. lies sins muotes wart er so geil = AB. 700. ei künde ich ez bediufen = B. 308 )>"•• •*'':"' ^ ''fei ff er 717. Hier und in der Folge ist die Schreibweise des Nieder- deutsehen, wovon sich in den Hss. noch deutliche Spuren finden, genauer durchzuführen, als die Ausgabe gethan hat, die ein wunder- liches Gemisch nieder- und hochdeutscher Formen bietet. Also vel leve snster Mndekin god Idte üch umnier silUch sin. 737. wohl : ern ist ez sicherliche. 740 ff. lese ich mit B: do ich im engcgen gienc und in mit armen umbevieiic, do antioiirte er mir in latin 747. — leve snster kindekm. 760. lit'S diu phärit tvtl ich dir wischen = B. 764. ff. ei wat sakent ir gebitrekin inde dit gunerte icif? min parit, minen klaren lif sal nechein gebürich man zwdre nummer gripen an. 783. htet ich dann alle vische'] was heisst das ? 787. ir müezet imver malhen mit in hdn gefileret A ir müezet ez (nämlich das Essen) in i. m.; aber diese Bedeutung liegt schon in dem Worte malhe, Schnappsack, Proviantsack. 817. ff. wird besser zu lesen sein : der ich do loilen pflegte und minen gart ob in tvegte, der heizet einer Uwer. einer von denen; AB der eine h. U. 857. lies da er vil sanfte ouf erbeit = B. 873. nä hceret wie ich daz wizze mit Vtrsclileifung von icie ich — wicch. 877. ir deheinen des verdröz. des AB, es H. 88S. 886. swenne er gejeides pfln'ge linde unfeiner tvarte Imge. mit vier Hebungen. 888. 889. Entweder ist das Komma nach erkande oder nach lipnar zu streichen, vielleicht: Foi-scliuny iitiil Kritik aiifili-in Celiiete dos deiitscIiL'n Alleilliuiii!). «»09 (l(tz (jehüre nie bekunde also giiote Itpnar. 892. des müeste hinte (jetrunken sin heint B, heut A, hiute H; mir hinte, heute Nacht, kam» rich- tig sein, wenn man sich erinnert, dass V. 79ö gesagt ist: nü toas ez harte spate; vergl. V. 1040, 41. 896. ich?i weiz nieiidert sin genoz, = B; ich weiz niht brunnen sin genoz, wie H. nach A setzt, ist l;aum mittelhochdeutsch. 899. lies do si mit frenden gdzen = B. 902. ivie der hdvewise uuere = B mit zweisylbigem Auftact. 917. was die dem Verse: mit kwse und mit eier unten zuge- fügte Verweisung auf den Frauendienst 291, 4: mit gel zenddl ge- f'urrirt wol erklären soll, begreift man nicht; sie wird an die un- re<-hte Stelle gerathen sein. 939. 940. liier fallt das zweimalige danne auf; ich lese mit B: als si danne daz getdten, einen tanz si do getrdten mit hochvertigem gesange: daz ktirzete in die ivile lange. 946. lies meht; A macht, B macht ; nur der Indicativ scheint hier zulässig. 973. ze hooe der spise ist kein Vers, lies : da ze hove der spise = B. 987. lies trink daz ouz, so trinke ich daz, d. h. trink mir was vor (lass" mir was steigen), so trink' ich nach. 999. Wohl ei)ien andern also guot. lOlö. 16. die sint nü in dem banne und sint loibe und manne = B; nur der Plural scheint hier angemessen, A der ist, und ist. 1032. tuo mir dem der hende buoz = B. 1337. lies vater min, ivan deich enivil, ich getroute (= B) dir gesagen vil. All. ich trouwe; nur das Prät. ist hier richtig: wenn ich wollte, könnte ich dir noch viel erzählen , aber mich schläfert und verlangt nach Ruhe. 1081. lies: hinte. 310 !>'■• Franz Pfeiffer 1054. ivester für icestet ir ist kaum zulässig; man wird swe- stir: ivestir lesen müssen; eben so ziväre statt zewdre. 1066. Nicht einen Haken, sondern eine Hacke, Axt, hat der Sohn dem Alten mitgebracht, daher ist mit beiden Hss. zu lesen: und eine hacke da mit. 1068. lies den hrdlite siner muoter Helmbreht der junge knabe. 1074. eim krdmer hete er genomen; Auf keinen Fall ist gnomen zu schreiben, indem, wenn man bei der Überlieferung bleibt, heter verschleift in die Hebung fällt. 1077. lies und einen borteii wol besingen = B. 108o. lies so gar hövesch was Helmbreht = B. 1089. lies brdht er und einen bendel rot = A, die Kürzung des Acc. einen ist ganz unnöthig. 1092. der knabe dem vater bi. Ich zweifle an der Richtigkeit und Nothwendigkeit dieser Be- tonung. Entweder ist knappe oder knabe aldä mit B zu lesen. 1131. lies also vil getan hat = B, denn die Hartmannische Betonung ist dem Wernher kaum zuzutrauen, 1136. lies siniii rinder; wir haben hier wie so häufig bei Wernher ein klingendes Verspaar von drei und vier Hebungen. 1142. der mir auch leide hat getan = B. 1157. lies daz im ziuhet pfluoc unt wagen; vgl. oben zu V. 237. 1159. lies getvant ze disen u'ihenahten. So nach B ; das verhilft mir zu Kleidern für kommende Weih- nachten. 1163. der mir hat herzenleit getan, diese Wortstellung nach B ist ungezwungener als in A. 1178. Der Vers wird geschmeidiger und der zweisylbige Auf- tact vermieden, wenn man nach ß liest: daz diene ich immer hin ze dir. 1185. lies Deist. 1193. lies knaben dn sint an der schar, dd^ das B, fehlt A. 1214. lies fürder schoz, sioenn er dar trat = B. 1218. den gabim (oder gabeni). 1229. lies übelta^te. Forschung und Kritik auf dem Gebiete des dculscheii Alterlhum!). .» I 1 1232. lieber sioi, wie s^prichet dir icf/lich (lln geselle = B, Wie nennt, heisst dich, einem sprechen, ihn nennen, ihm einen Zunamen geben, ist gewiss echter als was X bietet; vergl. Schmeller 3, 586. Granimatiii 4, G94. und die von Ziemann gege- benen Belege. 1235. 30. lies vaicr min, fhit ist ein nume, des ich mich nimmer geschame. A hat meiri statt ein. 1240. lies miiezent statt müezen. 1244. lies disen howe ich in den rücke, ich fehlt bei H., oder dann disem hoice oder pliuice ich den rücke. 1249. eneJi midie ich die lide. so Haupt. A liest einem, B aine, also: enem miille ich diu lide, jenem zerstampfe, zerbreche ich die Glieder in kleine Stücke. 1252. lies daz die gebaren hdnt, dast min. BN. buren — daz ist. 1272. lies des ich nü nimmer tiioji icil = A. 1283. lies daz ie tvip bi einem man ze der loerlte gewan. 1323. lies si snidet dir unz an den tot. \\. snidt — dinen. 1327. Hier ist H. wie mir seheint ohne Noth von der überein- stimmenden Überlieferung abgewichen. Man wird schreiben dürfen ze morgengäbe wil i'r (=ich ir) geben, und eben so auch V. 1340 mit beiden Hss. daz gibe i'r allez an ir lip, obschon hier auch gibich in der Hebung zu einer Sylbe verschleift werden könnte: daz gibich ir allez an ir Up. 1358. lies so geschach nie wibe also we. 1392. lies des stet onch mir min miiot so höhe = B, vgl. V. 1382. 1402. lies und ist ouch wol gemalcn mier = B. 312 Dr. Franz Pfeiffer 1409 IT. ist anders zu interpungiren: ouch trouwe ich in geivern wol: des ein man haben sol an einem starken wibe, daz ist an minem Übe. 1430. lies vater mnoter unde mage mit vier Hebungen. 1447. lies ouch fliege ich solhe hochzit = B. 1503. lies tiü sul wir Gotelinde = B. 1510. lies an einen rinc = B. 1543. lies und, der Vers ist ein dreimal gehobener, wie 1545. 1600. lies oive daz ich so drdte. 1605. lies het gdz. 1651 — 1668. Ich halte, wie schon obenS. 303 bemerkt, diese übel gebauten und gereimten, inhaltsleeren Verse, obwohl in beiden Hss. stehend, doc-h für unecht. 1689. lies tioch was der räche niht genuoc. 1698. 99 lies von den sünden leit sin lip dise maneger slahte not. dise, das in A fehlt, verlangt der Sinn und der Vers. 1729. lies von siegen alsoliche not. 1739. wohl ir sult suochen andern icirt. 1746. lies nu envorhtet ir des schergen dreu statt nu vorht ir tiihf. 1773. lies leider ichn mac niht genesen = B, oder leider ich enmac g. 1793. lies hinte mit B. 1877. lies do si sich ivol errdchen an im mit siegen, si sprächen. 1885. lies bleip ir niht bi einander. 1896. im gesähet swarte statt ir g. nie stv. 1911. ich tvame, des vater troum sich alhie bennere. = B. 1 925. lies dem volget unt des wisen rät. 1932. lies bitet daz got gena'dic ivese im unt dem tihtcere. Furseliuiii^ und Kritik aiil dem iieliiete des deutselieii Allerlhiiiiis. t> 1 O 2. ZU BARI.AAM U.\ü JUSAPIIAT. Von diesem einst so beliel)ten geistlichen Romano, über dessen liiiddhistische Grundlage uns unlängst Felix Liebreclit so über- raschende Aufschlüsse gegeben hat (s. Ebert's Jahrbui h für roman. lind engl. Literatur. 2, 314 — 334), gibt es ausser dem Rndolfischen Gedichte bekannllich noch zwei weitere, der Zeit nach ziemlich weit auseinander liegende dichterische Bearbeitungen, von denen sich die eine vollständig, die andere nur bruchstücksweise erhalten hat. Über jene hat die erston kurzen Andeutungen Benecke gegeben (Göttingische gel. Anzeigen 1820, 34. Stück), denen später Lorenz Diefenbach iu einem besondern kleinen Scliiiftchen (Miltheilungen über eine noch ungedruckte mittelhochdeutsche Bearbeitung des ßarlaam und Josaphat aus einer Handschrift auf der gräfl. Bibliothek zu Solms- Laubach. Giessen 1836. J. Ricker'sche Buchhandlung, 16 Seiten 8") ausführlichere Nachricht mit einigen Proben folgen liess. Von der Existenz der andern , also der dritten Bearbeitung, habe ich vor zweiundzwanzig Jahren die erste Kunde gegeben durch den Abdruck eines auf der Wasserkirche zu Zürich auf- gefundenen Bruchstückes von 336 Zeilen (Zeitschrift für deutsches Alterthum 1, 127— 13o). Ein zweites, nicht nur derselben Bearbeitung, sondern der- selben Handschrift angehöriges Bruchstück hier mittheilen zu können, setzt mich die Güte meines Freundes Prof. E. L. Rochholz in Aarau in den Stand, der es von dem Holzdeckel eines Quartanten ablöste. Dass es mit dem Züricher Bruchstück zu einer Handschrift gehört, zeigt, neben der Übereinstimmung der schönen festen Sclirit'tzüge, die ich jetzt freilich nur mehr aus der Erinnerung beurtheilen kann, schon eine flüchtige Vergleichung der Schreibweise, die in beiden bis auf's Einzelnste zusammen slinunt. Statt Avenier, Josaphat, Bar- laam bei Rudolf erscheint hier stets Avennir, Jomfat , Barlam. Die Doppelung des z nach langer ^^'urzelsylbe begegnet hier wie dort: mvzze : svzze l"*. fvzzen V. mvzzen l*"*. gesazzen H. 127, 17, flizze 27. svzzer 129, 7. In beiden finden wir dasselbe Schwanken in der Bezeichnung der Diphthonge iu, uo, üe, die bald ausgedrückt, bald unterlassen ist, z. B. erlvhtet , rvgte, gvlen 1', stzze: mvzxe V, 314 I»r. F r:i n 7, P f e i f f e r mvzze V"\ mvt ', liivte 1% frivntschaft l^ hochijemvte 2\ chrvce 2'. Für oii steht in dem Worte gelouben : v, gelvbet l** = H. 130, 6. 8. 16: givbe, geli'ben. Die Anwendung des Circumflexes zur Be- zeichnung der Länge und über ie trifft sicli häufig, z. B. here: sere 1% rät, e, het 1'', do : ho, ergie : gevte, est, lut V = H. 127 sere : lere, 128. hat, stiez : liez, die, brdht, here : lere, het, rief: slicf u. s. w. Auch in dem Zusammenschreiben zweier kurzer Verse in eine Zeile stimmen beide übereiri: 2^ 3. 10 = H. 132, Z. 3 von unten, ferner im Gebrauch von Idnt als Masculinum: den kint J% der tcise kifit l"" = H. 132, 8 der kint, so wie in dem paragogisclien Plural goter, gotre 2% 2\ = H. 129, 1. v. o. 10. 13. v. u. Soll ich, was bei dem geringen Umfang der Bruchstücke nicht leicht ist, über Alter und Heimat dieser Bearbeitung etwas sagen, so gellt meine Meinung dahin, dass sie mit dem Barlaam des Rudolf von Ems etwa gleichzeitig und in Baiern entstanden ist. Sie später zu setzen, verbietet schon die Handschrift, deren ganzer Charakter mir, im Verein mit den reinen Spracliformen, auf die Mitte des 13. Jahrhunderts zu deuten scheint. Dieser Zeit widerspricht iler sorgfältige regelmässige Versbau nicht. In der Schweiz ist die Hand- schrift zwar zertrümmert worden; aber dass sienicht dort geschrieben ward, zeigen mir die (e für den Umlaut des langen und kurzen a, an deren Stelle alamannische Handschriften regelmässig e zu setzen pflegen. Alamannische Ausdrücke oder Wortfornien sind auch sonst nicht wahrzunehmen, wie es überhaupt diesen Bruchstücken an hervorstechenden dialektischen Eigenheiten, auch in den Reimen, gebricht. An vocalisch ungenauen Reimen ist kein Mangel, doch beschränken sie sich durchaus auf d : a. gar : war 1*. man : hdn 2". hdn : man H. 127, getdn: kan : enkan, hat : stnt 129. began : getan 130. bat : missetdt, man : gdn 131. man : enhdn l32, an : getdn \ZZ. man '.undertdn, jdr : gar 135. Dieser Reimfreiheit begegnet man zwar auch bei andern Dichtern derselben Zeit, ob in dieser Fülle bei schweizerischen oder schwäbischen, möchte ich bezweifeln. Noch weniger möchte ich Diclitern dieser Gegenden, die nicht unhäu- fige Apocope des e in Reimen, wie H. 128. 129. got : hotfe), 130. got: ndch sinem gebot (e), 133. zeinem gol(e) : gebot, oder gar wie gevalt : der alt(ej 2", gesant : brant(e) H. 131. vHilt'. valt(e) zutrauen. Diese Erscheinungen, zusammengehalten mit Ausdrücken, wie antldz . halt. /t?Ks^? (daneben allerdings auch die Diniinulivform Forscliung- iiinl Kiitik :iuf dum GeliielL' des deulsclieii Allerlliunis. O 1 O steinh'ii) \\. 131, mit Forna-ii, wie IiUigcn H. 129. (vgl. Geniiimia 1, 441. K. Rolli's altdeutsche Predigten S. 57 und öfter), iiisscii mich in dem Verfasser einen Baiern, und zwar einen von Scliwahen und der Schweiz nicht zu entfernt wolinenden Oberhaiern yer- muthen. Jene tadelliafte Kürzung des auslautenden tonlosen c finde ich nämlich zuerst in mehrfacher Anzahl bei einem, um die Mitte des 13. Jahrhunderts lebenden haierischen Dichter, dem Reinbot von Turne, der nicht nur seinen Taufnamen kürzt (^Reinbot(eJ : got 19. 4751. 6095; ferner got:devbot(e)^^1: gebot(e) 5090), sondern auch scl(c) : Michahel 4745. 6083: hrahel 3016. 4353. und die Präterita gert(e) : stcert 1617 : gewert 5604. eru'achet(e) : gemuchet 1817. tagct(e) : unverzaget 5277. Dageffen zei":t sich von der bei Reinbot in zahlreichen Reimen und auch bei andern baierisch-österreichischen Dichtern vorkommenden Erweiterung des langen ii zu ou (vgl. Grammatik l3, 195) in den Bruchstücken keine Spur, und dies ist der Grund, warum ich den Dichter in Obeibaiern, in der Nähe der schwäbisch -alamannischeii Sprachgrenze zu suchen geneigt bin. Zu einem sichern Entscheid reichen indess die wenigen Verse (400 von vielleicht 150U0!) natürlich nicht hin; weitere Bruchstücke könnten leicht auch für jenes ou = ü Belege und würden bestimmt noch durch Anderes, z.B. den Con- juncliv des Präsens vom anom. Verbum haben (in den vorhandenen Zeilen erscheint nur der Indicativ heie; gebete H. 127. liet : tet 128. hete: ze stete 130. 133.) weitere erwünschte Anhaltspuncte bieten. Was die dichterische Begabung und die künstlerische Ausbil- dung des Verfassers anlangt, so tritt er meinem Gefülile nach gegen Rudolf von Ems weit zurück, ohne dass es ihm an Gewandtheit und einem gewissen Geschick in der Handhabung der Sprache und des Verses gebricht. Auch an hübschen, die Darstellung belebenden Bildern fehlt es nicht, so z. B. auf dem vorliegenden Bl. 1"^ : geht ihr aus dem Kampigespräch als Sieger hervor, — — — — so ist iii min fviuntschuft iemer nähe bi und u'irt in des siges zivi nach lobe /tf gebunden. wert aber ir überwunden von in, so habt ir iwer leben dem tode in den niunt gegeben. 316 Dr. Franz Pfeiffer Weit tiefer in jeder Beziehung steht die Laiibacher Bearbeitung, der man nach meiner Ansicht eine Ehre anthut, wenn man sie blos mittehnässig nennt. W. Wackernagei hat sie (Literaturgeschichte S. 163, vgl. S. 166) in's XII. Jahrhundert gesetzt, ich weiss nicht recht, aus welchem Grunde; denn die hie und da darin vorkommen- den ungenauen alterthümlichen Reime: gevestenot : got 339''. geojfenot : not Diefenbach S. 11. tage : grabe 338'', virnimmit: beginnit Diefenbach S. 10. leben: pflegen ebend. S. 12. kranc: gewant ehend. S. 15 berechtigen noch nicht, sie jener Zeit zuzu- schreiben, von deren nicht zu verkennendem Charakter Styl und Darstellung auch gar nichts an sich tragen. Ungenauigkeit und Roh- heit des Reimes hat, wie ich anderwärts schon einmal nachgewiesen habe (Germania 2,502), auch noch im XIV^. Jahrhundert vielfach geherrscht und nur als solche werden neben siechbette: dicke Diefenbach S. 15. wartet: tatet ebend. S. 16 die genannten Reime zu betrachten sein. Der Verfasser war ohne Zweifel ein Franke. Nach Franken weist der häufige Wegfall des auslautenden n: keren: lere, were: vischeren, willen: stille 337'' offenbare: den geivären 340*. ivorhten: vorhte S^V. sameniinge: jungen, geleite: breiten Diefenbach S. 10. holden: wolde S. 11. schiere: zieren S. 12. die guten : mute S. 15.; ferner e = ce : mere : enwere 339'',, endlich der Mangel des Umlautes : si kusten : brüsten 337". sunde : er künde 339" : begunde 342" : stunde 340 •\ tvdre : jdre 340". oren: gehören Diefenbach S. 13 und Anderes. In der oben angeführten kurzen Nachricht machte Benecke die Bemerkung, dass als Verfasser dieser Bearbeitung am Schlüsse ein Bischof Otto genannt werde. Gewiss wäre es von Interesse, die betreffende Stelle vollständig kennen zu lernen. Allein dieser natür- liche Wunsch ist von Diefenbach in seiner Mittheilung unerfüllt geblieben: er weiss vom Bischof Otto kein Wort zu sagen, ja er hatte keine Ahnung von dem, was in der von ihm beschriebenen Hand- schrift auf den Dichter Bezügliches steht. Zu meinem Bedauern bin auch ich nicht in der Lage, meine und Anderer Neugierde zu befriedigen; was ich zur genauem Kenntniss dieses Gedichtes thun kann, beschränkt sich darauf, dass ich nach einer Abschrift, die mir vor Jahren Dr. Franz Roth in Frankfurt zugeschickt hat, die dem Inhalt des ersten Blattes der Züricher Bruchstücke (Zeitschrift I, 127 — 131) entsprechende Stelle aus Otto's Gedicht hier mittheile. Forschung und Kritik luif dem Tiehiele des deutschen AlleiUiums. .5 1 < Man erhält dadurch wenigstens einige Einsicht in die BesehalTon- heit der drei verschiedenen Bearheitungen des Barlaam und ihr Verhältniss zu einander. Die Lambacher Handschrift ist von ver- schiedenen Händen zu verschiedener Zeit geschrieben, der erste kleinere Theil mit schönen Zügen auf Pergament mit untermischten Papierblättern, das Übrige bhiss und oft sehr unleserlich auf Papier. Am Ende steht , wohl von der zweiten Hand : „Anno domini MCCCLXXX X« (so Diefenbach S. 6, Benecke gibt die Jahreszahl 1392 an) ipso die Gerniani episcopi et confessoris per manus pau- perimi clerici licet indigni Gcriaci, Deweezfillare oriundus, cogno- inine Fomistorffir, totus amicus in Christo". Der Umfang der Hand- schrift beträgt 380 Blätter. I. 1" D az wizze ehvnie Avennir. Rudolf 223,3 1 . O ü der fvrste liere. D en kint also sere. G ot crkante niinnen. V ii daz mit hohen sinnen. E rlvhtet was daz herze sin. A Is er des dicke gvten schin. M it wiser antvvurte tet. D 0 rvgte in dazestet. S in selbes gewizzen. so daz gar. S ins svnes rede waere war. D oeh zoeh in div gewonheit wider. R. 22:{.<). 1" D iz ist mines herzen rat. R. 223,32. D er wise kint Josafat. D en rät e von got hct crkant. D em kvnige antwurt er zehant. V ii sprach herre vater min. N ach gotes willen mvzzc sin. V ii ovch geschehen din gebot. V ii geb mir daz der riebe got. D vrch willen siner svzze. D az ich der warhcit mvz/.t'. 318 Dr. F r a n z P f e i f f e r 1 n sinem namen bi gestan. W an ich an in gelvbet Iran. r M V wart dem kvnige bereit. R- 22S,9. E in gesidel hoch vn breit. D ar yf gesaz der fvrste dö. S in mvt het sieh erhaben ho. S in herze wände, des niht ergie. S inen svn er bi der hant ge\ie. Z V im er in sitzen bat. D 0 ert in da mit Josafat. D az er ze sinen fvzzen saz. D a mit lie der kvnic daz. V n gedaht er fvrhtet mich. E r lät noch hivte wisen sich. 1* J osafat verirret sin. B. 226,1- G eschiht ovch daz so ist min. F rivntschaft iemer nahe bi. V n wirt iv des siges zwi. N ach lob vf gebvnden. W ert aber ir vberwunden. V on in so habt '' iwer leben. D em tode in den munt gegeben. V n mvz mit lasterlicher schäm. G an immer vnder iwer nam. D ar ZV so mvzzen ivre kint. R. 226,13. V n alle die iv mage sint. 2* D en voglin vn dem wilde. D az da bi nemen bilde. D ie noch din geverten sint. D az si decheines fvrsten kint. I ht valsches wellen leren. V n von ir gotren keren. I> o Nachor gehört also. D ie rede sin do wart vnfro. S in hochgemvte sazestet. E r sach wol daz er sich het. S elbe in daz netze gevalt. D ar in daz er wände daz der alt. Forschung und Kritik auf dem Geliiete des deutschen Aiterlhums. 3 1 9 2** D ie alle g-erne wolden scIicn. R. 229, 30. D cn strit. vfi dar vnder spehen. A n Aved'rein teile, d'r sie belib mit heile. 0 o sprach vz des kvnig-es schar. R. 230, 20. E iner der ein nieistergar. V or in allen was erkant. Z V Nachor dv bist g-enant. B arlam. der vnwise. N ein ich sprach der g^rise. 1 ch binz endeklichc. barlam d' sinne, riebe. Dv bist d'r vnser g-oter hat. G eswaehet vli Josafat. 2" D en sin ivng-er verriet. R. 231, 21. V n der an dem chrvce versehiet. A Is billich ein vnrehter man. N aehor sach den meister an. V il lang-e daz er nine sprach. W an er in dazv dvhte ze swach. D az er im des solde. A ntwurten oder wolde. M o wanden sazestvnde D az niht da wider kvnde. N aehor. alle des kvnig-es man. S i öeg-vnden michel frevd' han. 2** V il g-ar svnder alle were. N V reden kvnic von dem mere. R. 236, 27. V fi von ander g-ots gesehaft. y n sehen ob dechein div chraft. W erde fvnden an in. D es ich doch vng-ewis bin. D az si zerehte sin g-enant. E in warer g-ot vü erkant. S wer wa?net daz der himel si. R. 236, 37. G ot dem wont vil nahe bi. E in tvmbez herz ein valseher wan. W an wir wol sehen vmbe g-an. Sit/.l.. d i.hil.-hisl. CI. }.L[. Cd. II. Hft. 21 320 Dr. Franz Pfeiffer IL 337" (D)odenievater gekündet wart R.3öI,40.H.127, 1. sines sunes zu vart mit vrouden er daz kint enphienc. vz engegem nu er gienc, er helste vnde koste en, S er dwanch en zu den brüsten, sin vroude waz groz ane nit. da wart ein michel hohzit. zfl samene sa die riehen 337'' saszen sonderlichen. 10 wer mochte vol bringen, mit wie güden dingen sinem vater josaphat beide riet vnde bat daz er sich wolde keren 15 nach des heiligen geistes lere, von des schulden weren von armen uischeren, daz daz were ergangen von ungelerten mannen, die würden wiser denne die die wiser waren denne sie, von des selben geistes lere. Josaphat der here sinen vater wider zoch daz er den irretüm da floch. er sprach mit wiser alite vnd tet ouch waz er mochte. daz halff allez kleine, biz got der reine 30 durch josaphates gebet sines vater liertze uf tet. < 20 2S 4. lies eno^egen im. S. /. kusten. 17. /. were. 28. I. mähte. I Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alterthums. 3-« 1 wan got tut al der willen die en vorcIitei)t stille, der vater horte vnde sach 3S waz sin vil liebir sun sprach. 338' Do josaphat die rechten zit gesach, do hüb er sinen strit an die vil ubeln geeiste, die da vor aller meiste 40 haften sines vater g-ewalt: die vertreip der helt halt, sine sele erloste er so vil harte uollecliclion do von der apgofc irretunie "^^ von ir vil bcesen rume. do kunt er oiTenliche eme daz hymmelriche da versunte er en mit got : er lerte en leisten sin gebot. ^ von erste er do begunde der rede, als er wol künde. er sasret eme daz er nie vernam wunder michel vnde fram. er sprach von gote vil vnd gnuch. Sä des guden glouben er gewuch, er saget eme daz niemere enwere wan ein got here noch zu berge noch zu tal : iz ist ein got vber al, 60 der sun, der uater aller meist, da zu der vil heiige geist. 338'' (D) 0 sagete eme der jungelinch von der scrieft bezeichenliche dinch. er begunde eme auch des iehen Oö daz got schliff waz man mag gesehen 33. willen 7>iit dem Tilyumjspuncl über dem n. 38. hübet " die Jh. er ist mit blasserer Tinte übergeschrieben, hübet Sihreibfeliler für \\»\ (A) iiennir der konniy rieh des mutwartdo uil g-otlich. den apgoten wart er gram : mit sinen handen er sie nam 180 vva er sie in deme palas vant, er warf sie nider alziihant vf den harten ertrieh. si dachten en vil histerlich. sie M'eren silber adir golt, 18o er enwohle en mere wesen holt. zu slfieken brach er sie vii gar. (hl milde nam er der armen war. daz da vor waz vnnütze daz machet er do vil nutze 190 zuzim nam er do sinen sun, der apgote huz hiez er vertun, er liiez sie brechen an den grünt. do hiez er gotes huz zustunt 341" machen an die selben stat. 19ü vil vro waz des do josaphat. in der stat nicht eine vbir al daz laut gemeine gotes huse sie worhten durch die gotes vorhte. 200 die YÜ vbeln geiste die wuften aller meiste daz man sie üz ir bösen treip so daz ir einer nicht beleip. si jähen daz die gotes craft 20ö mit Worten were sigehaft. (B) a bi alle vmb daz lant vnd al daz volk kam alzfiliant, zu cristes glouben stunt ir mut, dar qwomen biscolTe gut. 210 dar nach qwam ez an die vart daz er von en getoulFet wart 199. huse i'on niuitcicr Hund fälschlich in huscr yeändert. wochteu //«. 'iOO. voihte Hs. 326 Dr. Franz Pfei ffe r mit vil gfidem willen sin daz er g-iene in den namen drin, do hup der g-ute josaphat 215 sinen vater an der stat vz der reinen touffe do. sin geistlicher vater wart he so. siiz wart er ander stunt g-eborn, sin vnfroüde waz verlorn. 220 341'' da wart die stat vnd al daz lant mit eme getouffct alzuhant. si wiirden alle des lichtes kint, die e da waren vinster vnd blint. Siechtum vnd al vng-emach 225 daz von deme tieuel in g-eschach der gloube daz vil g-ar vertreip. lip vnd sele in heil beleip. Wunders an in vil ergienc, da von der gloube craft enphiene, 230 da zimberte man die gotes hüz die biscoffe giengen vz die dfirch vorchte waren verborgen in den iaren, ir bistum sie besaszen. 235 in dorfen loch in straszcn wurden da geschafl'en die muniche zu den paffen daz si der cristenheite wol phlagen mit geleite. 240 (O) 0 begünde gar begeben Auennir sin erstez leben mit vil guten truwen begunde en harte ruwen als daz er ye missetete. 245 sin riebe liez er sa zu stede dem guden josaphate, do zoch er sich vil drate 217. da Hs. 24ö. als = alle/., missetate Ils. Forschung und Kritik auf dem Geliiete des dcutselien Alterlhums. o27 an eine sunderliclie stat 342* Got er mit vlisze gnaden bat. 2U0 vil dicke wart sin houbet mit asclien da bestoubet. sin suftzen daz waz harte g-roz, mit zahern er sieh gar begoz. got bat er alterseinc 2o» mit ynncclieher meine daz er von groszen sehfdden in liesze kommen zu lifdden. sin dem fit ioch sin rfiwe wart also groz entruwe 260 daz er sin selbes munde mit nicht des engunde daz er got iht nande. do daz sin sun erchande, er sprach: vatir, nicht so tu! 26S du nenne en spate vnde fru. sus wart verwandelt sin mut: R. 306,39. H. 131, 15. er vur den wech zu tugenden gut. sin gude die wart do gezalt vor sine sunde manichvalt. 270 (A) Isus lebete er nu uier iar mit grosme rüwen daz ist war. mit zahern waz er tugentliaft. da ward er siech an siner craft, er leit angest vnde not, 27J> wan er lach des selben tot, 342'' do er bi deme ende waz, wand er langer nicht genaz. sorgen er begundc durch sine groszen sünde, 280 er dachte an sine missetat. do qwam der gude josaphat, mit tröste er eme sin truren iiam vnd sine grosze sorge alsam. 271. nu ist mit blasser Tinte über uier geschlichen. 328 Dr. Franz Pfeiffer 3. BRÜCHSTUCKE EINES GEDICHTES AUF K. LUDWIG DEN BAIER. Es war im Sommer 1857, kurz vor meiner Übersiedlung nach Wien, dass ich im dunkeln Erdgeschoss eines Stuttgarter Antiquars nach alten „Schwarten" stöbernd aus dem untern Fache einer dop- pelt gestellten Bücherreihe naclieinander vier Exemplare eines und desselben Buches hervorzog, die sämmtlich in Blätter alter Perga- ment-Handschriften eingebunden waren. Mit dem Funde an's Tages- licht tretend, zeigte es sich, dass die Blätter des einen Exemplars einer späten lateinischen Handschrift theologischen Inhalts angehörten, während die drei andern Bände deutsche Schrift und Verse erkennen Hessen. Eine sorgfältige Ablösung ergab sechs, theils oben, theils unten, theils seitwärts beschnittene Doppelblätter einer Octavhand- schrift. Das Werk, dem sie als Einband dienten, ist betitelt: „Leben Defs Ehrwürdigen Patris Petri Canisij der Societet JESV Theologen. Aufs Dem Lateinischen ins Teutsch versetzt. Getruckt zu Dilingen inn der Akademischen Truckerey bei Virich Rem. M.DC.XXI" 312 Seiten in 4«. Die Epistola dedicatoria ist „geben ihm Collegio zu Freyburg in Vchtlandt den 26. tag Weinmonats. Anno 1621". Jedes der vier Exemplare trägt am obern Rande des Titelblattes die Auf- schrift „Soc. JESV DilingsB 1622". Daraus geht hervor, dass, wie ein paar Jahrzehnte früher die kostbare vor-notkerische Psalmenübersetzung (vgl. Germania2,102), so auch diese Handschrift von den Dilinger Jesuiten zertrümmert und zu Einbänden für die Auflage des Lebens Canisii ist verwendet worden. - Nicht die ganze Handschrift: denn als ich einige Jahre später, im Herb.ste 1860, gedachtes Antiquarlager, in welches von der Dilinger Lyceumsbibliuthek eine Partie älterer Bücher durch Kauf übergegangen war, abermals genau durchsuchte, gelang es mir noch ein weiteres einzelnes Blatt — es ist das unter Nr. XI abgedruckte — aufzufinden, das einem Büchlein in 24»: „Jac. Bidermann e Soc. Jesu de B. Ignatio Loiola. Dilingae 1621", also wiederum einem Dilinger Drucke vom selben Jahre, als Decke diente. Eine diese Spur verfol- gende Forschung in baierischen Bibliotheken dürfte leicht noch einige weitere Blätter unserer Handschrift zum Vorschein bringen. Meine Forschung und Kritik auf iletn Gebiete des deutschen Alterlhiims. .) -. 9 Versuche in österreicliisehcii Klöstern blielieii erfolglos: die Exem- plare beider Bücher waren, wo ich sie fand, Itereits einj.^ebiinde[i. Die nun in meinem Besitz helindliclien Bliilter enthalten Bruch- stücke eines Gedichtes, das sich die Aufgabe gestellt liat, K. Ludwig den Baier, auf den des Dichters Wort: von der Parteien Gunst und Hass verwirrt scliwankt sein Charakterbild in der Geschichte, fast in noch höherem Masse als auf Wallenstein seine Anwendung findet, von den Anschuldigungen seiner Gegner zu reinigen und den Zeitgenossen in besserem, richtigerem Lichte darzustellen. Die Ein- kleidung ist die Allegorie, diejenige Form der Poesie also, deren sich das 14. Jahrhundert, bei seiner ausgesprochenen Vorliebe einer- seits für das Geheimnissvolle, Riitliselhafte, andererseits für die Lehrhaftigkeit, nicht nur didaclischen und erotischen, sondern anch politischen StolTen gegenüber vorzugsweise zu bedienen pHegle. Dadurch wird aber die nuithmassliche Anordnung der Bruclislücke sehr ersehwert, und obwohl die von mir getrofTene auf reitlicher Erwägung beruht, so bin ich doch keineswegs sicher, den Faden der Erzählung überall richtig gefunden zu haben. An der Hand der zahlreichen Allegorien, die in der äussern Anlage Ähnlichkeit mit der vorliegenden haben, will ich den Gang des Gedichtes, wie er mir aus den Bruchstücken wahrscheinlich geworden ist, darzulegen versuchen. An einem schönen Fiiililingsmorgen maclit sich der Dichter zu einem Spaziergange auf in's Freie. Aber die Reize der Natur, der Vöglein Sang und der Blumen Glanz, vermögen nicht den einsam dahin Wandelnden zu erfreuen und zu fesseln, dessen Herz durch den heillosen Zustand der Welt, durch die Verwirrung und denZwie- spalt in Kirche, Staat und Gesellschaft, durch die Auflösung aller Bande der Zucht und Sitte bekünnnert und gedrückt ist. Tief in seine Gedanken und Betrachtungen versunken, geht er, ohne des Weges zu achten, weiter, verirrt sich im U'alde, und gelangt, in diesem vordringend, auf eine Lichtung, von wo er vor sich hoch oben auf steilem Felsen eine nie gesehene Burg mit ragenden Thürmen und Zinnen erblickt. Es ist, wie er später erfährt, die Veste Solialt (vgl. II, 57), der Sommcrpalast der Frau Venus. Dort Einlass be- gehrend, wird er vor die Herrinn geführt, und gibt sich, von dieser freundlich aufgenommen und um Stand und Namen befragt, als 330 D''- Franz Pfeiffer Schreiber (vgl. II, 55. III, 3. VII, 34. X, 53) des Kaisers zu erken- nen, des besten Herren, der jemals gelebt. Gleichwohl werde er ver- kannt, von seinen Feinden geschmäht und verleumdet, von aller Welt, zumal vom geistliehen Schwerte, bedrängt und bekämpft. Der Kum- mer darüber habe ihn vom Hause fort in die Einsamkeit getrieben, und ohne es zu wissen, sei er hierher vor die Minneburg gerathen. Gerührt durch diese Treue und voll Theilnahme an seinem Schmerz sucht Frau Venus den Schreiber zu trösten: sie kenne seinen Herrn und sein treffliches Herz recht gut, habe er doch von Jugend auf ihrem Dienste sich geweiht. Darum sei sie bereit, auch ihm wiederum zu dienen. Da der Kaiser vor dem geistlichen Tribunal weder Recht noch Anerkennung finden könne, so möge der Schreiber zu Gunsten seines Herrn an den Thron der Frau Ehre appelliren und die Streit- frage dieser zur Entscheidung vorlegen. Sie werde ihm dazu behilf- lich sein. Soeben habe sie durch einen ihrer geflügelten Boten, Herrn Velox (II, 36. 71. VH, 48) eine Einladung erhalten, bei dem nächstkommenden Pfingstfeste, wo Frau Ehre Gericht halten und Urtheil sprechen werde, zu erscheinen. Dorthin solle auch er, der Schreiber, kommen, sie wolle ihn dann der Frau Ehre vorstellen und empfehlen. Sie bestimmte ihm Ort und Zeit: Herr Velox werde ihn erwarten und geleiten. Der Schreiber stellte sich pünctlich ein und ward von Velox auf die blühende Au geführt, wo das mehrere Tage dauernde Fest stattGnden sollte. Der erste Tag war ohne Zweifel der Schilderung der Ankunft und Bewillkommnung der geladenen Gäste gewidmet. Mit dem zweiten Tage beginnen unsere Bruchstücke. I. Als der Tag anbrach und man Messe gehört hatte, Hess Frau Ehre durch den Aufzug ihres schönen Hofstaates das Fest eröffnen. Es war zur Pfingstzeit und Alles zur Freude aufgelegt. Der Dichter beobachtete die Hofordnung, das höfische Benehmen in Scherz und Ernst, die Ritterspiele und den alle beseelenden Eifer, sich darin auszuzeichnen. Als es Essenzeit war, wurden der Gewohnheit gemäss an Herren und Frauen neue prächtige, kostbare Kleider ausgetheilt und auch das fahrende Volk damit erfreut. Eine reichverzierte Tribüne, die der Frühling mit Blumen und Blülhen bestreut, war auf der lichten Au unter einem Baume errichtet, um dort im Schatten das Mittagsmahl einzunehmen. — — Forschiin-; und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alterthums. 331 IL Als die Tafel aufgehoben war , trieben die llofleute und die Gäste allerlei Spiel und Kurzweil und erreichte die all- gemeine Frühliclikeit ihren höchsten Grad. Da zog sich F'rau Ehre, um vor dem lustigen Treiben eine Weile Ruhe zu liaheii und traulich zu plaudern, mit ihrem Hofstaat auf die Tribüne zurück. Als sie so allein im Kreise ilires Gefolges da sass, mahnte Velox seinen Gefährten, sich zu erinnern, wesshalb er hieher gekommen sei. Wenn er seinen Zweck erreichen wolle, so möge er mit ihm zur Frau Venus gehen, damit diese ihm von seiner Herrinn das Gewünsciite erwirke. Als der Schreiber zu ihr trat, nahm sie ihn mit freundlichem Grusse und der Versicherung, ihr auf Solialt gege- benes Versprechen halten zu wollen, bei der Hand: „wohlauf, sei getrost! Dein Wunsch soll erfüllt werden. Frau Ehre kann jeden Kummer vollauf stillen. Gehen wir zu ihr, ich werde ihr deine widrige, schwierige Lage offen darlegen". Er ging, von ihr und Velox begleitet, zu dem Throne der Frau Ehre. Bei ihr sassen in reicher Kleidung die Masse, Scham, Keuschheit, Treue, Milde, das Recht und die Bescheidenheit. Indem die herrliche, mit allen geisti- gen und körperlichen Vorzügen ausgerüstete Frau beide huldvoll gegrüsst, lad sie Frau Venus ein, an ihrer Seite Platz zu nehmen. Da zögerte der Schreiber nicht, vor der Frau Ehre ehrerbietig sein Knie zu beugen, was wuhlgefällig von ihr bemerkt wurde. Venus aber setzte sie sogleich von seiner beschwerlichen Reise und der ihm widerfahrenen Unbill in Kenntniss. Dann setzt der Schreiber selbst sein Anliegen auseinander, erzählt vom Kaiser, seinem Herrn, seiner Vortrefflichkeit und seinem Unglück. III. Darauf fordert Frau Ehre den Schreiber auf, ihr von dem Fürsten, den sie wegen seiner Liebe zu ihr ebenfalls liebe und hochachte, und dessen Tugend und Tüchtigkeit er so lobe, von seinem Rufe und seinem Leben noch mehr zu erzählen. Der Dichter bekennt seine Unfähigkeit, den Fürsten dem Recht und der Wahrheit gemäss zu preisen: nur mit Furcht dürfe er es wagen. Von Kindes Beinen an habe sein getreues Herz stets nach Tugenden gerungen, wie es einem Sprössling aus edlem königlichem Geschlechte zieme. Darum sei sein Ruf von Tag zu Tag höher gestiegen und weit über die Grenzen seines Herzoglhumes gedrungen, so dass kein Fürst gelebt, der es ihm an Würde und Ruhm gleich 332 Dr. Fia nz Pfeif fe r gethan. Da wollte ihn Gott, um ihn noch fester an Tugend und Ehre zu fesseln, zur höchsten Slufe auf Erden emporheben: er ward zum römischen Kaiser erwählt, ungeachtet des Zornes und der Gegenwahl einiger Kurfürsten. Wer zuletzt verlieren werde, darüber dürfe niemand in Sorge sein, denn die Treue und das Recht, wie viele Anfechtung sie auch dulden müssen, behalten schliesslich doch stets die Oberhand. Das sei auch an seinem Herrn sichtbar geworden, dessen Würde und Macht, trotz alles Widerstandes und Trotzes, erfreuliche Fortschritte gemacht habe. Nachdem Gott das römische Zepter in seine Hand gelegt, habe er mit ganzem Ernste darnach gestrebt, seine Widersacher zu demüthigen, zumal seinen Vetter Herzog Friedrieh von Österreich, der durch blossen Übermuth sich zum Gegenkaiser habe wählen lassen. IV. Auf diesem Blatte ist es Frau Ehre selbst, die, wie der Schreiber vom Kaiser, von dessen Gemahlinn (Margarethe) Worte des Lobes und Preises spricht. Namentlich rühmt sie die Treue, womit die zarte, aber für die Ehre und das Ansehen ihres Gemahls ängstlich besorgte Frau die gefährliclie und anstrengende Romfahrt (1327) mitgemacht und sich auf dessen Wunsch an seiner Seite in Rom habe krönen lassen. Sie kenne keine Frau von so jungen Jahren, die ihr an Tugend und Vollkommenheit zu vergleichen wäre. V. Wiederum ist es die Frau Ehre, die hier redend erscheint (vgl. V, 9 — 13. Vn, 11 — 14). Wie vorhin die Kaiserinn, so preist sie nun den Kaiser, indem sie seine Mannhaftigkeit und Tapferkeit, seine Güte, Milde und Fiiedensliebe hervorhebt. VI. Ober dieses seinem Herrn aus dem Munde der Frau Ehre gespendete Lob ist der Schreiber sprachlos vor Erstaunen und entgegnet der Frau Venus, die ihn desshalb tadelt, dass nach solchem Vorgang Alles, was er etwa noch sprechen könnte, über- flüssig scheine. Nun ergreifen die anwesenden Tugenden, zuerst Frau Venus, dann die Masse, die Milde, die Treue, die Scham u. s. w. das Wort, um in auszeichnender Weise auch ihrerseits den Ruhm und die 'I rettlichkeit des Fürsten zu erheben. VII. und Vlll. Das auf diesen beiden Blättern Erzählte fällt offenbar später und wird am folgenden (dritten) Tage stattgefunden liaben, auf welchen der Schreiher bescliieden ist, um in feierlicher Versammlung aus den Händen der Frau Ehre und der übrigen Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alterthuins. 333 Tugenden für seinen Herrn das geweihte Schwert und die Rüstung zu empfangen, mit deren Hilfe er seine Widersacher überwinden werde. Was nun folgt, sind eigene Betrachtungen und Ermahnungen des Dichters. IX. Nach einem tadolnJeu Seitenhlicke auf die treulosen Rath- geben, die ihren Hirren zum Bösen statt zum Guten rathen, ver- kündet er die Lehre der Frau Ehre von den Eigenschaften, die ein rechter Fürst haben soll. Er solle kein Unrecht aufkommen lassen, sondern gegen Reich und Arm gleiches Recht sprechen, die Witwen und Waisen schützen und das Thor seiner Gnade den Unterdrückten ötTiicn; er soll keine unrechten Zölle nehmen, keine falsche Münze schlagen u. s. w. X. Er erwähnt die beiden Schwerter und klagt, wie das eine (geistliche) aus llass und Neid und zum Schaden des Reiches und der Städte das andere (weltliche) verdrängen wolle. Er ermahnt den Kaiser, mit aller Kraft dahin zu streben, dass der Gottesdienst wiederhergestellt werde und der Zwiespalt und der Wirrwarr, der zum Naehtheil seiner Macht und seines Ansehens schon viel zu lange im Reiche geherrscht, ein baldiges Ende nehme. Wenn er im Bisherigen irgend etwas Unpassendes gesagt oder seine Worte auf unkünstlerische Weise gesetzt habe, so wolle man das seiner Ungeübtlieit zu Gute halten und nicht vergessen, dass er es in bester Absicht und zu des Kaisers Ehre gethan habe. An diesen solle sich wenden, wer sein Lob übertrieben fände, und an die Frau Ehre, die ihn so zu thun geheissen. XI. Zum Schlüsse preist er, unter Hinweisung auf einen Aus- spruch Christi, den Frieden, meint aber, man könne oft nur mit Härte, Strenge und Unfrieden bewirken, dass man einige Zeit vor dem Unfrieden Frieden habe. Dies der Inhalt der vorliegenden Blätter. Ob es mir gelungen ist, die Lücken überall in einigermassen entsprechender Weise aus- zufüllen, steht dahin: bei dem Mangel so vieler Mittelglieder (beson- ders empfindlich ist das Fehlen des Bialtes zu Anfang, wo der Dich- ter der Frau Venus sein ivildcz Icnunbez inigeverte, dm (jroze umbilde und sines herzen gir [11. 6ö. 110. 111.44] auseinander setzte), lässt sich Manches mehr nur erratlien, als mit einiger Sicher- heit feststellen. Soviel scheint jedoch klar, dass der Kampf der beiden 334 Dr. Franz Pfei ff er Schwerter, der unter Ludwig dem Baier mit grösserer und andauern- derer Heftigkeit als jemals früher oder später entbrannt war, den eigentlichen Kern und Mittelpunct des Gedichtes bildet. Nachdem alle Bemühungen des Kaisers, durch Güte und Gewalt die An- erkennung von Seite des päpstlichen Hofes zu erwirken, in der Art misslungen waren, dass jeder vergeblichen Unterhandlung neue Bannstrahle und wiederholte heftige Anschuldigungen auf dem Fusse folgten, sollte versucht werden , dem kaiserlichen Ansehen in der öffentlichen Meinung dadurch zu Hilfe zu kommen, dass man dem weltlichen Schwerte die ihm von der Kirche versagte Weihe in allegorischer Weise durch die personificirten Tugenden zu Theil werden Hess. Das Gedicht war wohl zunächst auf das Bürgerthum derReichsstädte berechnet, wo der Kaiser zahlreiche Anhänger zählte und diese Art der Poesie besonders beliebt war. Ob die beabsich- tigte Wirkung damit erreicht wurde, bleibt fraglich, um so mehr als das Gedicht vielleicht kaum jemals in weitere Kreise gedrungen ist; gewiss hat der Kaiser mit den greifbaren Versuchen, die prak- tischen Bürger für sich zu gewinnen, durch Privilegien und andere Gunstbezeugungen grössere und sicherere Erfolge erzielt. Der Dichter gibt sich als Diener und begeisterten Verehrer des Kaisers zu erkennen und gesteht mit anerkennenswerther Offen- heit, dass er vom Kaiser selbst mit der Arbeit sei beauftragt worden. Unter diesen Umständen darf man sich nicht wundern, wenn er ihm mit vollen Händen VV^eihrauch streut und sich alle Mühe gibt, seinen Herrn im günstigsten Lichte erscheinen zu lassen. Gleichwohl ist, was er zu seinem Lobe vorbringt, nicht lauter Schmeichelei und Übertreibung. Von der Trefflichkeit seines Herzens und Charakters wissen auch andere zu erzählen, die ihm nahe gestanden und ihn erkannt haben, und schönere Beweise edler grossmülhiger Gesinnung als sein Benehmen gegen Friedrich hat die Geschichte wohl nicht viele aufzuweisen. Auf keinen Fall war er so schwarz, als seine fanatischen Gegner ihn zu malen suchten. Seine grössten Fehler waren Schwäche und Unentschiedenheit, Fehler also, die ihm selbst am meisten zum Nachtheil gereichten und sogar auch in unserem Gedichte angedeutet werden. Der Dichter lässt sich zu öfteren Malen als Schreiber anreden (H, 55. IH, 3. VH, 34). Ich verstehe diesen Ausdruck nicht als blosse Redensart oder als gleichbedeutend mit Dichter, sondern Forschung und Kritik auf ilem Gebiete des detitsclien Allerthums. 335 nehme ihn vvörth'ch, und dies führt mich ;>uf eine Verrniilhiing üher den Verfasser, die ich hier hegriinden will. Kaiser Lndwig halte in seinen Diensten einen oherstenSchrciher (protonotarius, dccretista, wie er auch genannt wird), der ihm durch lange Jalire treu ergehen war und den er um seiner Treue und her- vorragenden Eigensciiaften willen vor andern auszeichnete: Meister Ulricli von Augshurg. Namentlich hedicnte er sich dieses erprohten Beamten öfter zu diplomatischen Sendungen an den päpstlichen Hof zu Avignon. So befand er sich unter den Ahgeordncten, die der Kaiser im Frühjahr 1333 und im Herbste 1341 an Papst Benedict XU. sciiickte (s. Stalin, 3, 203. 222); und auch Lei der wiederholten Gosandtscliaft im September 1343, diesmal an Clemens VI., fehlte Ulrich nicht (s. Stalin 3, 223). Dass er auch sonst die kaiserlichen Bechte mündlich sowohl als schriftlich tapfer vertheidigte, wird mehrfach bezeugt (vgl. Stetten, die adel. Geschlechter von Augs- burg S. 79. Aventiii's Annales Boiorum Frkf. 1627, S. 483). Dieser letztere sagt von iiim: „per idem tempus (1346) vita defungitur Ulricus Hangenohr, scrinii impt-ratorii magisfer, sapientia insignis, Augusta civitate Rhetorum ortus, cuius opera, consilio, domi, foris, in pace, civilibus rebus, otio, negotio, plurimum est usus imperator Ludovicus". Der Kaiser selbst nennt ihn in einem Schreiben au Papst Johann XXII. „Udalricum de Augusta, familiärem et secretarium suum dilectum" (Stetten a. a, 0. S. 79), und weist durch Urkunde Nürnberg 28. Octoher 1336 „dem beschaiden man maister Ulrich dem Hofmaier von Augspurg unserm lieben getr. obristen sehriher und sinen erben 400 pfunt Augsburger pfenning" an, die die Stadt Augsburg dem Kaiser „ze stiur solte geben haben, von nu — über driu jar", eine Anweisung, die vier Jahre später durch Urkunde München 1340 erneuert und erweitert wird , unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Ulrich's Gesandtschaft an den Papst: „ — wir lazen iuch wizzen, daz wir dem wisen man maister Ulrichen von Augshurg uf der gewonlichen stur, die ir uns und dem rieh uf S. Martins- tag — schuldig werdent ze geben, 700 pfunt und 20 pl'unt Haller, die wir im gelten suUen für die kost, die er in unser botschaft gen Franchenrich getan und gehabt hat, verschaft haben" u. s. w. (beide Urkunden sind abgedruckt bei Stetten a. a. 0. S. 388). In der oben angeführten Stelle gibt Aventin und auch Andere, z. B. Stetten (S. 76), geben dem Meister Ulrich den Geschlechts- Sit/li. (1. i.l.il.-hist. Cl. XM. M. II. Ilft. 22 336 Dr. Franz Pfeiffer namen Hangenohr. Mit welcheni Rechte, kann ich, da kein urkund- licher Beleg hiefür beigebracht wird, nicht beurtheilen. Aber der ihm in der Kaiserurkunde vom 28. October 1336 gegebene Beiname hofmeier ist kein Beweis dagegen, und Stalin irrt, wenn er Ulrich zu wiederhohen Malen schlechtweg M. Ulrich Hofmeier von Augs- burg nennt. Hofmeier ist nämlich hier kein Geschlechlsname, sondern ein Titel, ein Amt (vgl. mhd. WB. 2,93^): Ulrich war hofmeier von Augsburg, d. h. landesfürstiicher, mit richterlichen Befugnissen ausgestatteter Verwaltungsbeainter. Von den Rechten des hof'meiers gegen der Stadt und der Stadt gegen ihm bandelt im Augsburger Stadtrecht (ed. Freiberg S. 26. 27) ein besonderes Capitel. Trotz dieses Amtes könnte also Ulrich immerhin ein Hangenohr gewesen sein. Diesen Meister Ulrich bin ich nun versucht für den Verfasser unseres Gedichtes zu halten. Man erwäge Folgendes. Der Dichter" nennt sich Öfter einen Schreiber und gibt sich durchwegs als eifrigen Diener und Anhänger K. Ludwig's zu erken- nen. Beides war auch Ulrich. Ferner schreibt der Dichter, wie er deutlich sagt, im besonderen Auftrag des Kaisers. Einen solchen Auftrag konnte Ulrich um so leichter bekommen und übernommen haben, als er auch sonst in Schriften für seinen Herrn und seine Rechte eintrat. Im Gedichte wird eine Mission an den Hof der Frau Ehre fingirt, die dem Kaiser unter voller Anerkennung seiner Würdigkeit bereitwillig gewährt, was ihm vom päpstlichen Hofe fort und fort beharrlich verweigert wird: das Attribut der kaiser- lichen Würde und Macht, das weltliche Schwert und dessen Weihe durch das oberste geistliche (sittliche) Tribunal. Der Gedanke an eine solche Dichtung, die zugleich ein Appell an die öffentliche Meinung sein sollte, konnte leicht im Kopfe eines Mannes entstehen, der dreimal als Abgesandter seines Kaisers am päbstlichen Hofe war und dreimal unverrichteter Dinge und mit der Überzeugung heimkehrte, dass auf diesem Wege und so masslosen Forderungen gegenüber nichts zu erreichen war. Dazu kommt, dass der Ver- fasser, wie Sprache und Reim lehren und in den Anmerkungen im Einzelnen nachgewiesen ist, ein Schwabe war. Der Verfasserschaft Ulrich's, den wir wohl als einen gehornen Augsburger betrachten dürfen, steht also auch von dieser Seite nichts im Wege. Dass sich der Dichter einigemal einen tiimmen k/iaben, d.h. einen jungen Forschung und Krilik auf dem Gebiete des detitselien Allerthums. 337 unerfahrenen Mann nennt, wird eine Redensart sein, entweder ein Ausfliiss seiner Bescheidenheit oder um die Muthmassiingen über den Verfasser irre zu führen. Aucii üher die Entstehiingszeit des Gedichtes will ich meine Vermiithung nicht zurückhalten. Wenn ich die Stelle VII, 38 — 43 : des maeht du icol gemessen und gar ergehet u^erden aller der Oeswerden , die du von dem sicerte hast, des der von Niffcn dir gehrast, als -wir alle hau vernomen , richtig verstehe, so ist darin eine liindeutuntj auf den Toil des Yi»n Neifen enthalten. Dieser erfolgte im J. 1342 (s. Stalin 3, 192. 218). Das Gedicht wäre daher nicht früher, und, wenn man annimmt, dass die letzte vergebliche SendungUlrich's nach Avignon im .1. 1343 die Idee dazu gegeben, erst nach diesem Jahre entstanden, mithin, da Ulrich 1346, ein Jahr vor Ludwig, starb, zwischen 1343 — 1346. Unter den Anhängern K. Lud\vig"s war Berthold von Neifen, Graf von Marstetten, der treuste und ergebenste: er Mar des Kaisers rechte Hand und sein Schwert. Seine Treue gegen Ludwig war so fest und unwandelba'*, dass sie sprichwörtlich wurde. In einem Gedichte, das im Widerspiel zu den Lügenmärchen eine Reihe von Dingen aufzählt, die ihrer Natur nach sich von selbst verstellen, wie z. B. dass der Dichter lieber guten Wein trinke, als Weibwasser, oder dass man vom Baden nass werde, oder dass der Reif Laub, Blüthen und Gras versenge, wird von ihm gesagt: ich xca'ue, der von Nifen halt sich in des keisers teil. (W. Wackernagers Altd. Lesebuch, 4. Ausg., S. 977, 12. Vgl. dessen Literaturgeschichte S. 121.) Der Verlust eines so ergebenen, dabei überaus tapfern und angesehenen Mannes musste dem Kaiser sehr nahe gehen, und viel- leicht spielt derselbe in unserm Gedichte eine grössere Rolle, als sich aus den Bruchstücken erkennen lässt. Was das Gedicht als solches betrifft, so ist der Versbau und Reim so gut, als man in dieser Zeit nur erwarten kann, und die Bil- dung an guten Vorbildern blickt überall deutlich durch. Die nnhäufi- gen Kürzungen, wie tat : spat I, 23, trun : schon II, 70, oder Ver- 22 • 338 Dr. Franz Pfeiffer doppelungen, wie erlitten : sitten (zum klingenden Reime verwendet) IV, 21, oder Bindungen von s und z: was : fürebaz II, 6, sus : clüs: fluz etc. VI, 17, fallen auf Rechnung der Zeit; anderes, wie e = w: erlcert : gewert : gert II, 32, besivaerden : iverden VII, 40, oder n =^ m: nan : getan XI, 31, oder vorritten : w orten III, 27. 95, auf Rechnung der schwäbischen Mundart des Verfassers. Die häufig vorkommende Art, die Absätze mit drei gleichen Reimen zu schliessen, konnte er von Wirnt oder Heinrich und Ulrich vom Thiirlein gelernt haben (vgl. W^ackernagePs Literaturgeschichte S. 136), und auch die Künstelei, die Tugenden in acht gleichen Reimen reden zu lassen, hat er wohl einem andern abgesehen. Die Handschrift, auf starkem Pergament mit festen, deutlichen Zügen geschrieben, ist sehr sorgfältig und sieht fast wie eine Ur- schrift aus: die wenigen Fehler sind Schreibfehler, wie sie auch heute noch einem begegnen können. Der Abdruck folgt ihr genau, die Längezeichen (Circumflexe) finden sich ebenfalls schon in der Handschrift. I. Durh die nachtreste. (f/ Aber do dev ander tag Durlüchtecliches schines (pflag) Vnd man gottes dienst (begie), 10 Fro ere des aber nicht enlie Durch das werde hochgezit, Si hiesse zogen widerstrlt Ir weidenliche hovediet, Als gut gewonheit ir geriet. 15 Nv was es In den pfingsten. Die besten bi den ringsten Hatten froiden wunder. Do prüfte icli bisundcr Forschung und Kritik auf dem Gehiete des deutschen Altertlmms. 339 Des houes ordenung-e, 20 Do alten vnd och iiinge Hielten lioueliclie tat Beide fru vnde spat, Die man ze schimpfe halten sol. Mang-er da vf prises zol 2S Stalte mit ritterlicher tiost. leg-esl icher hatte trost Das er der beste wurde. 1 b 30 . . . • . . es gewonheit, 3y (Als ir hie) vor hant vernomen. . . . inbis was er komen er drate Von kostberem rate Den herren vnd den frowen 40 Vf den blunden owen (N) Ywe kleider spehe, An kost, an werken wehe, (I)eglichen nach ir masze. Mit mangem riehen hasze 4S Wart dii varnde diet erfroit. (H)ie bi hat aber bestreit Des bernden meijen gute Mit bli°imen vnd mit blute Das kosterich gestule, 50 Das vf dem Hechten briile Vnder des bömes obedach Was gebuwen durli gemach, Das man dar vffe esze So man ze tische sesze, 35 Als och da ze stunde 340 Dr. Franz Pfeiffer II. 2" Daz g-esinde mit den gesten Treib manger leije tagalte; Beidü jung- vnd alte Versuchten alle ir fuge Stoltz vnd da bi kluge. 5 Do dis gnüg gctriben was, Do geviengens aber fiirebas Ander leije kluge spil, Des ze sagen wurd ze vil. Si wären also gemellieh, 10 An hove züchten so gar rieh, Das ich nie horte noch gesach Noch min hertze mir verjach, Das icht vf erde lebte. Das so hohe swebte 15 In froiden wilneriche. Fro ere da sundei'liche Mit ir ingesinde hoch Sich wider ins gesesze zoch Vnd in das gestule 20 Ab dem Hechten brule Durh heimlich vnd gespreche Vnd daz si sich gebreche Ein wile von der frijen schar, Die zuzir komen wären dar 25 Durh frijen mut vnd vmb ir tuget: Wan ir stete nach zugent Die herren alle von India 2'' Vnd swaz dem paradise na Gesessen was. das was gewert 30 (Swes) man ze nvtz vnd eren gert : Manig hertze kumbcrs was erlert. Do fro ere du reine Alsust gesas alleine Bi dem hofgesinde, 35 Her velox da geswinde Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alturthums. 341 Sprach zu mir: „triit g-eselle, Vorniin was ich diu welle. War vnibe bist du lier komen? Wilt du schaden dinen Ironien, 40 So tu als ich dir rate Vnd g"ang- mit mir gedratc Zv fro Venus, das si dir Erwerbe dines hertzen gir An miner werden frowen. 4S Dich mag wol betowen Gelükes funt vnd seiden regen : Lasse alles schowen vnderwegen." (f Was sei ich sagen mere? Fro Venus tet ir ere : 50 Do ich alr erst zvz ir kam, Bi der hende si mich nam Vnd grusle durh ir tugent mich. „Genade, frowe", so sprach ich, (^, Si sprach: „schriber, nv wol dan ! öS Ich tun, als ich dir gelobet han 3' Vf Solialt die veste gut. Wol dan vnd wis hochgemut! Din girde wirt erfüllet, Mit froiden vmbetüUet. 60 Fro ere du wirderiche Kan so vollecliche Den gernden kumber sweinen. Wol dan zu der vil reinen! Ich wil ir din geverte 63 So krumbcs vnd so herte Luterlichen machen kunt." (t Ich giengmit ir an der stunt Zu fron eren in ir tron, Do si sas gerichet schon. 70 Vns volgte mit her velox, Wir hatten anders klein gezox. Do wir do komen wären Zv der hohen clären, 342 Dr. Fla na Pfeiffer Da mässe, scliani, du kusche 73 Triiw, milte ane getiische, Das recht vnd fro bescheidenheit Bi ir säszen schon becleit, Fro Venus si da gruste Vnd mich, das beiden büste 80 Ob wir hatten kumbers icht, Da si in so richer pflicht So finlich was g-ezieret Nach wünsche durflorieret An form ynd an gewande. 85 Des himelrichs ermande Mich ir wunschlich bilde, Do dii kusche milde Gab so brehenden widerglast. Hugender fröide vberlast 90 Bar ir hochg-ebaren. Si kond der mässe varen Ze ernst vnd ze sehimpfe. Mit reiner tagende glimpfe Ist si stete behuset, , 93 Wan ir vor meine gruset, Vnd was den eren missehagt Das ist gar von ir veriagt, Als ich han da vor gesagt. Dis lasse ich aber beliben 100 Vnd wil vch furbas schriben, Wie fro ere da saste Ze sunder werdem gaste Fron Venus an ir siten. Wes solt ich tumberbiten? 103 Ich bog min knie ze dienste dar. Des nam fro ere gute war. Mit dem fro Venus alzehant Tet fron ere gar bekant Min vngeverte wilde 1 1 0 i| Vnd das grosse vmbilde, Wie ich armer tumber Forschung und Kritik auf dem Gebiete de» deutsclieu Alleitliums. 343 III. 4* Da von, min frowe, fraget nicht Des dez im ywer gnade gicht." (f Fro ere du sprach : „schribcr, Ich han zu im soliche ger Das ich wil aber Lilien dich S Das öeh du bewisest mich Von des fürsten krije. Er min Irut, ich sin amije: Zv mir hat er stete gir. Spricl», sage von dem fürsten m(ir), 10 Dem du so grosser tugende Giclist vnd lioher mugende Von siner kindes jugende." * „Onade, frowe here", Sprach ich, „min fro ere, IS Der tugent ein meisterinne ! Jo bedorft ich richer sinne, Solt ich lop des fürsten Ze vollem prise bürsten, Das ich es luter vnde gantz 20 Flechten möchte sunder schrantz, Als ich von rechte solde. Ob ich die warheit wolde Fiu'en, als ich han gedacht. Sin hohes lop wirt kum fürbrach(t) 2S Von mines sinnes vvorten. Da von ich mit vorten Tichte von dem fürsten (hoc)h, 4"* (VVan) sin getrüvves hertze zoch (Si)ch ie von kindes beine 30 (Ze) tugenden luter reine, (AI) s sinem adel vvol gezimt. (V)on hoher künges künne nimt (Si)n vrbor werden anevang, . . a von richeit vsgang 3ö . . irt so reiner vrsprung. (Al)sus an steter wirdi jung 344 Dr. Fianz Pfeiffer (H)öhet sich von tag ze tage (D)es fiirsten krije, als ich sage : Die warheit zwar ich nit rerdage. 40 Do des fiirsten hoher nam Von kindes jugende siinder schäm (I)n sinem hertzogtume Mit voller eren rume (S)o hoch vf drang an eren, 4S (D)as sin lop sich meren Begond vnd wite spreiten Mit tugenden esten breiten, Das kein fürste lebte Der so hohe swebte SO (I)n so richer wirdekeit, Do wolde got der werden kleit Fürbas dem fiirsten sniden an Vnd vf der hohsten eren ban An dirre weite schiken 55 Vnd in gantzlich sti'iken In fürtreffender eren ioch, Das ander weltlich fürsten noch Vnd och fürsten geistlich Von sim gewalte wirdeclich 60 Ir fürstentum empfiengen Vnd dass vmb in begiengen Mit diensten vnd beholten In trüwen als si solten : Ich mein, das sin persone 65 Wart redelich vnd schone Ze einem Romschen vogt erkorn, Wie das sumelichen zorn Were vnder den kurfürsten Die nach vnheile dürsten 70 Begonden mit der widerkur. Wer ze lest dar an verliir, Dar vmb darf nieman fragen Noch mit dem andern bagen, Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alterthums. 345 War» du trüwe vnd das recht 73 Ob di'i diildcnt widorvecht Von vnreclit vnd vntrüwen, So kan das recht doch brüwen Ze iung'cst g^utes ende. Da von sich nieman wende 80 Von edels rechtes stule Zu des vnrechles schule Vnd zu des lasters pfiile. Das recht an dem hcrren min S*" Ist lobelichen worden schin: 8ö Wie niang-er hande widersatz, Grossen bochen vnde tratz Er hat g-elitten vnd gedolt, Doch hat sin wirdekeit bcholt Lobelichen fiirgang-. 90 Dez habe recht vnd trüwe dank Vnd der, der si behaltet, Wan der in eren altet Vnd wirt da bi hie vnd dort Gesichert gar von arger vort. 9S (^ Dis wil ich lassen vnderwegen Vnd der cronik aber pflegen Vnd fron ere tun bekant, Als ich von ir bin geniant, Wie min herre hat gevarn. 100 Die warheit wil ich nit ensparn So verre als ich vernomen han Vnd selbe weis gar sunder wan. Do got das fugen wolte. Das der fürste solte lOo Tragen Romisch zepter. Mit gantzem ernste strepter, Wie er den widersachen Mochte kumber maclieu: Ich meine den von Osterrich. 110 Sin oheim hertzog Friderich, Der durch blossen vbermut 346 Dr. Franz Pfeiffer 6" 6^ IV. -> Sich ze ringem schimpfe Mit rechter züchte glimpfe, Als si wol kan, erscheinet. Da bi si stete meinet 10 Des keisers ere vnde fromen. Dis han ich alles wol vernomen." Sus sprach zu mir fro ere. „Ich weis von ir noch mere, Ich mein ir gantzen trüwe IS Die si hat stete nüwe Zv ir vil lieben herren. Das künden vnde verren Ist mit warheit worden kunt, Wie manger hande sorgen bunt 20 Du reine hat erlitten Mit tugentlichen sitten Verre in welschem lande Als manger wol erkande. Wie kumberlich si dicke 25 Ze sorglichem schricke Wart geweket harte, Daz wag du reine zarte 30 geschehen. 35 Wil ieman gantze trüwe spehen, Forschung und Kritik auf dem fiebiele des deutschen Alterthums. o-ii Der schowe die keiscrinnc, Dii mit stetem sinne Meint ir IViedels ere, Da von dii kusche liere 40 Hat keiscrliche cröne Mit grosser richeit schöne, Als es der beste weite, Empfangen als si solte Bi dem keiser Ludewig. 4S Sust kan si manger sorg-en strig- Dem fürsten wert entstricken. Si kan och erkicken Froide vil geswinde. Hie bi ich an ir vinde 50 Demut in lioher züchte. Ey was froiden gn lichte Birt ir hohe gebaren! Ich enweis von so vil iaren Kein fröwen, du ir geliche SS An gantzen tugenden riclie. In geuechten ald in striten Aid von aventüren. Von guten schimpfentüren Heim ald in fremdem lande. 10 Wan ich in dar zu mande. Das er durh minen willen Sunder arges villen Mit guten sachen ie begie, Vnd wie im gottes helfe ie IS 348 Dr. Franz Pfeiffer Mit gelücke wonte bi Vnd wie der fürste meiles fri Frum vnd notveste Ze vorderost vnd ze leste Mit flisse dar nach stalte, 20 Wie er g'ar g-evalte Siner vijende vvidersatz. Er gantzer manheit hoher schätz le warb vf hohes prises solt. Des hat sin werder lip verscholt 25 Der weite Ion vnd g-ottes segen. Ey wie der keiserliche deg-en Ze ernst vnd ze schimpfe 30 Das er mit der manheit gar 3S Pfliget rechter müssen. Halten vnd och lassen Kan er, als es danne lit, Da von im gar zaller zit Von schulden ist gelungen, 40 Das alten vnd jungen Ist vil kündig worden, Wie er ritters orden Ze prise hat gefüret, Also das nie versnüret 4S Wart siner manheit krije. Doch wolt er kriege drije Gerner vil versünen, E das er einen grünen Wolt von sinen schulden, SO Sin hohes lop vergulden Wil ich da von besunder. Er was ie stete munder, Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alterthums. <>49 Wie er sieh also vbte Das er nielit betrübte SS Icmans er dnrli vbermüt. VI. 8" Daz ich als ein stnmme Vernarret vnde tiimme Begonde swigen stille. Si sprach: „din g-uter wille Ist, wen ich, worden trege : S Des mus ich dir vnwege Werlich sin yon schulden." Ich sprach: „bi Ywern hulden, Min fro ere du clare Hat so prislis (so) zwäre 10 Den fürsten wert gerumet, Das da von wurd verdümet Was ich gesprechen künde". Do sprach vs rotem munde An der selben stunde IS Dy zarte frowe Venus; „Ich kenne den hohen fürsten (sus), Das er in sines hertzen clüs Frowen minne treit alsus, Des vnküscher tete dus 20 Niemer zvzim gewinnet flu(z). Doch wirt im licht von lieb (ein kus), Daz birt im suszer fr6i(den. ...)"• Dar nach sprach fro (masse) : ' „Hie von ich nicht e(nlasse) : 2S Der fürste vs miner (strasse) 8** (Si)e gap im sint ze riisse. (Wi)e manger gen im grasse, 30 (Gu)t heil in doch behasse". 350 Dr. Frn n z P feif fe r (D)o sprach du rein fro milte: „Dis lop ich uberg-ilte. (Ich^ pri'if vnd nit ensehilte, (D)as nie kein fürst g-espilte 35 (Vn)der fron eren schilte, (D)en solich lop erzilte, (Ge)bens in nie bevilte, (D)a mit er kumber stilte." (D)ar nach so sprach fro trüwe : 40 „Dem fürsten her ich knüwe, (Si)n lop ich gerne schrüwe, (W)an es ist stete nüwe. (Mi)t g-antzer triiwen brüwe (E)r stiftet sunder rüwe. 4S (Sw)er im schaden brüwe, (Vn)heil den iemer blüwe". (0)ar nach so sprach du werde schäm : „Mir ist des werden fürste nam (Mit) solichen sinnen worden zam, 50 (Daz im) ist vnschame gram. (Waz ich) von fürsten ie vernam, recht als ein stam ch ie das beste nam 55 *■ VII. 9* Diirh das gestule vber al Vf der Hechten crone Mit so mangem done Prislich hat gesungen. Vil schon si widerswungen 5 Vf des bÖmes tolden, Da si der meije versohlen Kond mit bernder gnüchte. Do wart du krön mit züchte Widerbracht fron eren. 10 Alsus du zarte meren Forschung^ und Kritik nuf Jcm d'liictc des deutschen Altertliunis. 3>) I Koiule schimpf mit schimpfe In inassc viul rcclitcm glimpfe. Hie mit die tische schon erhaben Wurden von den hoveknabcn. 15 Was ich hie von seite, Das brechte vil g-ereite Den die dis lesent vrdnitz, Wan es trijge kleinen nutz: Des belibt es vngeschriben. 20 Wie si aber fürbas triben Manig- gemelliclies spil, Dis ich nv nicht künden wil, Wan des ze sagen Murd ze vil. Do liouierens vil geschach *iS S"* „Din trüwe vnd din stete. Des wirt dir hochgerete 30 Kunt von dinen triiwen. Grosse froide brüwen Sol din stete trüwe dir. Wol dan, schriber, nv mit mir! Fro ere mus ir gnaden sclirin 35 Durh die steten trüwe din Tugetitlich entsliessen : Dez macht du wol geniessen Vnd gar ergetzet werden Aller der beswerden, 40 Die du von dem swerte hast, Dez der von Niffen dir gebrast, Als wir alle han vernomen. Ile, lasse vns drate komen Zu fron eren trone rieh!** 45 „Gnade, frowe, daz tun ich", Sprach ich zu der zarten. Her velox früntlich warten m Sit/.I). d. phil.-hlsf. Cl. XLI. IUI. II. Hfl. 23 3o2 Dr. FranzPfeiCfer Begonde miner verte. Alsust er mit vns kerte SO Zv fron eren trone. Von tugende zog-te schöne Mit vns ander frowen zart 10" VIII. SS „Mit sinr materie z . . • In vier weg-e streeke(n) ; Daz mag" wol ersrecken Dez keisers widersachen 10 Ich sol daz swert so machen Mit minen hohen listen, Das sumlich valsche kristen, Juden, tarten, heiden Von ir vnrechte scheiden 15 Vnd rechten globen haltent, Die sich da wider staltent, Als dir hie nach wirt geseit, So daz swert wirt bereit Nach des fiirsten werdekeit." 20 Wro 0 ere da vil drate Mit der frowen rate. Ich meine milte, trüwe, Scham an züchten nüwe, Mäze vnd och bescheidenheit, 2S Mit allem flisse wol bereit • ') Grösserer rother über vier Zeilen sich erstreckender Initial. Füiscliiin- und Kritik nuf dem (icblele .les deiilsehea Allerlhiimj. Waren da ze stunde, Wan si in liertzcn gründe 10" .... 30 353 o genug . . . (vn)d bereitet 3S (Nicht langer w)art gebeitet bisunder . . . . ynde munder . . . si sunder sture (I)n das swert so türe. 40 Gesuchte in ir schrine. (H)ey hey was koste fine (Z)e samen da geleit wart (V)on den hohen frowen zart (V)on golde vnd edelm gesteine, 4S (D)az bi dem wasser reine (P)liison sich lat vinden (V)on des landes kinden (In) vil manger wise (V)or dem paradise, SO (D)es fro ere gewaltig ist! (F)ro ere in der selben frist (L)ies snellecliehen tragen dar (V)on siden vnd von golde clar (Ei)n Serien kosteriche SS (Nach) wünsche herliche IX. 11" Swelch ratgebe fürsten ra(ten sol), Der bedarf ze not des wol, Das er si (/. sich) wol besinnet. Wan swas der fürste gewin(net) Schaden alt vnere, P So gicht man ofte sere, 23 3 O 4 Dr. F r a n z P f e i f f e r Es hab des herren rat g-etan. Der herre si imsehuldig- dr(an), So doch vil lieht der herre Hat tnniplich widersperre, 10 So das er g-antzlich vbersic(ht) Vil wisen rat, der im g-eschi(cht). Sich mus ein ietslich ratg-eb (schämen), Ob sin rat an eren lamen Ti1t sins herren hohen namen. IS IVv mfis ich noch ein klei(ne) Als mir fro ere du rei(ne) Geholten hat, hie schriben, Dur das ir 1er becliben Welle in edlen hertzen 20 Vnd brestlichen smertzen Jetten vs dem gründe Vnd girlich alle stunde Reine tug'cnde seijen dar, Das ir richü wirde g-ar 25 ' Von tag ze tag sich hohe Vnd . . . gar entflöhe Schaden (vnde) sünde. ll'' (Die) hohen lere ich künde, (Als) fro ere mir gebot 30 (Mit) ir munde rubin rot. (Es) sol ein fiirste tögen (Mit) sines hertzen ögen (Schö)wen, pruven, merken, (Das i)n kein vnrat derken 35 (Müg) an dekeinem stucke, (Vnd) wie er die verdrucke, (Das) si geschehe niemer me. (Er s)chöwe, wie sin gerichte ste ji (Gen) riehen vnd gen armen, 40 ^j (Vnd) ob er sich erbarmen ',', (La die) witwen weisen, f | (Vnd) wie er den der freisen Foiscliuiig- uiiil Kritik auf dem Gebiete des deutschen Älterthums. (Vni')fchtes gewaltcs wese vor, (Vnd) ob siner gnaden tor 4S (Don) verdruclitcn oflen si. (Er) sol seliowen och da bi, (Wie) er solich zolle nemo, (Das) er sich nicht vor g-otte scheme (Vnd) dar vmb in och dii weit 50 (Has)se; est ein swaehes g-elt, (Da)s vnrecht zol ze same treit. (Do)ch hat fro ere sunder leit, (Das) so nianig- niüntze velsch (Tiit) sehen fiirsten und och welsch öS (Er)kiesent vmbe swache solt X. 12* Mich heisse es danne schriben Der hochg-elopte keiser: So bin ich nit so heiser An gefuger künste, Ich welle mit guter günste g Von den swerten beiden Mit Worten vnderscheiden, Wie si sich beide halten, Wie ein swert wolt verschalten Das ander swert dur gitikeit, i 0 Da von du werde kristenheit So grossen bresten lidet, Das si von schulden nidet Den, der des swertes hat gewalt, Da von breste manigualt IS Des riches stetten vallet zu. Her keiser, trachtet, wie man tu, Das gottes dienst vns wider kom. Dast üwer ere vnd vnser from. Secht an die klageliche klage, 20 Du sich nüwet alle tage Veh ze vneren ane schulde. Wolt ir behalten der weite hulde, 35S 356 I)r. Fi-ftii /. Pf ei ff er So secht mit wisem rate Fru vnd da bi spate, 2S Wie ein zitlich ende Werd der missewende, Du dem riebe vfFe Ht 12 Von des einen swertes nit: Dar nach stellent alle zit. 30 Hab ieb micb iendert missehügt Vnd gescbriben das nit tügt Das sol man mir verkiesen; Wan ob ieb solt Verliesen Dirre worten babedank, 35 Durb das ze kurtz oder ze lang Si sint vil liebt gemessen, Des sol man gar vergessen Vnd von mir tumben ban für gut, Das min verminst mit wille tut 40 Durb des keisers ere. Das ist fron eren lere Von des keisers swerte, Des wille ie gantzlicb gerte Als ein wol versunnen man 45 Ze tunne als er sieb versan Das beste so er künde. Docb ob ieb ieman funde Dem vnreebte bi gestan, Das ducbte micb gar missetan. SO Der liebte sprecb : du bast gelopt Vnd in dem lop dich vbertopt. Des kom er an den herren min, Wan des wil ieb vnscbuldig sin. leb lob die wil ieb loben sol. S5 Docb wisset, das erkenn ich wol XI. 13" Ze sunderlicbem grusze Sprach den sinen jungem zu Ofte spate vnd och fru: Forschung iiiiil Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alterthums. Ich gib vch frid, ich lasse Ych frid. Dis sprach er, do er sine lid S Wolte geben in den tot Mit sinem blute rosen rot Vnd losen vns Yon wernder not. Dar nach do got mensche erstünt Vnd der zorn was versunt, 10 Den got vatter hat gen vns, Mit dem liden gottes suns, Swefi er do den jungern sin schin IS 20 Selten alle Fürsten her Ze hertzen setzen iemer mer Vnd och die sinne . . Sust geben 2S Vnd nach fride stellen Vnd den frid ie wellen, 13^ Wan got mit dem worte Der Yorhelle porte 30 Brach vii dar vs nan Die sinen willen hant getan Vnd entslos des himels tor. Das beslossen was da vor. Da von wer rechten friden mint, 35 Der ist geheissen gottes kint, Als vns got mensche wiset Da er den fride priset. Doch mfis man dicke machen Mit horten strengen Sachen 40 35T 358 Dr. Frau HZ Pfeiffer Vfi mit vnfridcs twang-e, Das man dar nach belange Von dem vnfride fride hat 45 wirt . . . g'ut vnd ere Dis ist frön cren lere, SO Der si mir manig- hat g'egehen, Wie die fürsten süllen leben, Die nach gewalt vü eren streben. Ein klein ich schribe fürebas. Dar vmb sol nieme sinen has 55 Legen an mich tiiben knabea Forsciluiig und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alterthums. OOD A u ui e r k 11 n g c u. I. 7. nahlreste stf. Nachtruhe, fehlt im mhd. WB. 2, 357. 10. goltes dienst] so auch X, i8; diese Verbindung von got und dienst für Alesse und im heutigen Sinne, woraus dann später das Compositum ent- stand, im mhd. WB. 1, 371 unbelegt. Vgl. Berlhold: gotes dienst tuon mit singen und mit lesen 102, 12 und öfter. 12. hoehgczit stn. Fest, im Mhd. sonst vorherrschend stf., vgl. mhd. WB. 3, 9i3\ 13. zogen swv. intens, zu ziehen, auch bei Boner 43, 34: 47, HO u. s. w.; doch auch baier ische und mitteldeutsche Dichter kennen diese Form, vgl. VII, 52. widerstrit adv. um, in die Wette, vgl. Gramm. 3,156, seltener als enwider- stiit. 14. weidenlich ad j. stattlich, vgl. mhd. ]VB. 3, 554. liovcdiet stf. Hofgesinde; im mhd. WB. 1, 323 nur aus Gottfried und Kon- rad belegt. 17. ringe adv. Frühes Vorkommen dieses Wortes in der neuhochd. Bedeutung: niedrig. Vgl. Jeroschin S. 160. 21. alten] /. alle. 22. hoveliche tut halten] den höfischen Anstand bewahren, den man auch in Lust und Scherz (ze schimpfe) nie ausser Acht lassen soll. 25. 20. üf prises zol stellen] nach Ertheilung, Erwerb des Preises, Lobes trachten; im Mhd. gewöhnlicher mit der präp. nach, tcie X, 30. XI, 27, oder ze. Nur Boner verbindet stellen ebenfalls öfter mit üf. 43. an kost, an werken \v«he] herrlich, prächtig durch Kostbarkeit und Arbeit. 44. iegelichen] Dat. plur., selten. nach ir niaze] nach ihrer Art und Weise? ihrem Rang und Stande gemäss? 45. haz stm. Kleid, ein ausschliesslich schwäbisch- alamannischer, noch heute üblicher Ausdruck: „ha^sz" ; vgl. VI, 31 hchdzcn, bekleiden. 50. kosterieii adj. kostbar. 51. hrüel stm. Gras-, Wiesplatz, ein ebenfalls nur schwäbisch-alamannisches Wort; vgl. H, 21. 3(50 l»r. F i;i II z l'feif le r II. 2. lagalte, Spiel, Zeitvertreib, könnte der von manger leie regierte Gen., aber auch acc. pl. sein; doch wäre auch tagalte als stf. eine richtige, dem ahd, tagalti entsprechende Form. 5. kluogp, fein, schmuck, als adv. unerhört, wird wohl als plur. zu betrachten sein. 6. gevahen, ergreifen, anfangen. JO. gemellicli, lustig, zum Spasse aufgelegt; vgl. VII, 22: pemellichez spil. .11. hovezulit stf. höfische Wohlgezogenheit. 17. sundcrliclie adv. einzeln, sich absondernd. 19. gesaeze stn. ahd. gasäzf, sedes, tabernaculum, Tribüne; inz gcsseze ziehen, sich auf die Tribüne zurückziehen. 22. lieiniliche stf. familiaritas. durch heimliche, um vertraulich, ungestört sich unterhalten zu können. 23. sich brechen von einem] sichXgewallsam) losmachen, trennen. 31. crlaeren, c. g. frei, leer machen von etwas. 34. alsust] so, auf diese Weise; vgl. VII, üO. XI, 24. Diese Form (=alsus) findet sich auch in md. Denkmälern (vgl. Germania 6, S5^; das einfache siist (alias, aliter, woraus später suost und dann unser „sonst" entstand) hat J. Grimm (Grammatik 3, 92J zuerst im Augsburger Sladtrechl vom Jahre 1276 gefunden: mit der wage oder sust S. 122. 38. waz ich din welle] was ich von dir will, verlange. 42. gedräte adv. (= drate), scJnväbisch-alamannische Form. vgl. mhd. IVB, 1,388. 50. tet ir ere] gerade so auch in der Kaiserchronik 72'': that, icie es ihrer Ehre geziemte. Über diese und ähnliche Redensarten vgl. Grammatik 4, 609, mhd. WB. \, 443. 57. die veste guot] man erwartete eher der veste. Ist die richtig und kein Schreibfehler, so muss die vorhergehende Zeile in Parenthese gesetzt werden. 60. umbilüllen] umzäunen, umgeben; auch für dieses ]Vort bringt das mhd. WB. 3, 128 nur Belege aus schtcäbisch-alamannischen Denkmälern. 63, gernden ist nicht adj., sondern dat. plur.: den Begehrenden, denen, die darum bitten. kumber sweinen] den Kummer verschwinden machen, vertreiben =^ kuniber büezeii II, 80. 81. 65. 66. kriimbez geverte] schwierige, hinderliche Reise, Lage. 67. luteilk-hen adv. klar, deutlich. 70. doj lies da: da zvo. 72. anders adv. sonst. ■ gezox = gezo.i^es, gen., abhängig von klein, wenig. Ein kühner, aber laut- lieh untadelhafter Reim, dem der bei Hijinzelein von Konstanz III, a, 5 erscheinende vrits (=:vrides) : witz ganz nahe, der von Wolfram im Part. 377, 1 gebrauchte Antraxe : wac sc völlig gleichsteht, gezog stn. Gefolge, vgl. Myst. I. 313, 3. FoiscliuDg- uiiii Kritik :iuf dein Geliiefe des deutschen Allerthums. ob 1 SO. 81. das uns beiden den Kummer verscheuchte, wenn wir dessen etwas hatten. 82. pfliht, Art, Weise, vgl. mhd.Wfi. 2, S09. diu wut was so richer pfliht Hein- rich von Freiberg Tristan 2344. 83. finlicli adj. fein, schön, vgl. mhd. WB. 3, 317, too ein einziger Beleg aus Grieshaber's Denkmälern S. 4S. 84. durcliflorieren, vollkommen, durch und durch ausschmücken, vgl. mhd. WB. 3, 354. 86. ermanen c. g. an etwas ermahnen. 89. brelien, leuchten, glänzen. widerglast stm. Widerschein. 90. hügemlcr] das h und ender ist sicher ; hügende fröide, ein öfter vorkom- mender Ausdruck: verlangende, sehnsüchtige Freude, vgl. mhd. WB. 1,723 überlast stm. Ubermass. 91. bar praet. von bern, hervorbringen \v hoch geiiaren] ihr vornehmes, erhabenes Benehmen; so auch IV, 58. 92. sie konde der niäze varcn] sie verstand Mass tu halten: sie bewahrte in Scherz und Ernst ihr schönes Mass, ihre edle Haltung. 94. 93. Mit dem edeln Anstand, der ein Ausfluss reiner Tugend ist, ist sie stäts umgeben. 103. ze sunder werdeni gaste] als besonders werthen Gast. 103. wozu sollte sie länger zögern? 107. war stf. guote war nemen] freundlich beachten, aufnehmen ; vgl. mhd. WB. 3, 507. 108. mit dem] eo momento, zu gleicher Zeit : eine seltene, dem instrumentalen ahd. mit diu entsprechende Partikelbildung, für welche die Grammatik 3, 189 kein Beispiel hat. 110. umbilde = unbiide stn. Unrecht, Unbill. III. 1. da von, deshalb. 4. zuo im] d. h. zu K. Ladung. 7. bcwisen c. acc. und gen., belehren über etwas, ist eben so gctoöhnlich, als einen von einem Dinge bewisen selten; vgl. mhd. WB. 3, 760, wo ein Beleg davon vermisst wird. 8. krie stf. sonst immer Schlachtruf, Feldgeschrei ; hier, wie es scheint, Ruf d. i. fama; vgl. III, 39. V, 46. 16. Über den unbestimmten Artikel vor dem Vocativ vgl. mhd.WB. 1, 419*. 19. lop bürsten] das Lob von Flecken reinigen, und 21. lop Hellten, zwei ungewöhnliche Ausdrucksweisen, ebenso 23. die warheit füeren. 27. mit vorten = vorhten (mit Besorgniss), vgl. III, 93: von arger vort = vorht. Diese sonst dem Mittel- und Niederdeutschen eigene Unterdrückung der Spirans findet sich auch in andern schwäbischen Denkmälern, z. B. in Seuse's Leben, Strasshurger Hs. Bl. 34': wan sie vortan daz man siu och angrifli; do viel er nider — von vorton des (odcs. 3(32 Dr. Frau 2 Pfeiffer 52. 57. 63. 64. 71. 73. 74. 76. 78. 87. 97. 111 53. da wollte ihm Gott noch grössere Ehre anthun, Hin noch mehr auszeich- nen, erhöhen. einem ein kleit ansniJen] auf den Leib schneiden, anmessen, zurecht machen. fürtreffende] weiter gehend, vorzüglicher. in der eren joeh stricken] binden, fesseln, spannen, wie andertcärts : in der niinne joch vveten Jilai 194, 11. daz si iinib in begiengen] sich bemühten, sich umthafen? beholten] praet. von beholn, erwerben, V. 89 das part. beholt. widerkür stf. Gegenioahl. fragen uinb ein ding] fragen,forschen nach etwas; darüber in Zweifel sein. mit einem bagen] streiten, zanken. widerveht stf. Widerstand, Anfechtung, vgl. mhd.WB. 3, 312. briuwen] brauen, bereiten, guotez ende briuwen, etwas zu gutem Ende bringen; vgl. V, 31. VI, 46. boehe swm., diese Form ist doch tooM hier anzunehmen; vgl. mhd. WB. 1, 220. der cronik pflegen] in der Geschichte, Erzählung fortfahren. . cehein bedeutet im Mhd. nicht blas Onkel und Neffe, sondern, loie aus die- ser Stelle deutlich wird, auch Geschwisterkind. IV. 7, ze ringem schimpfe] zu leichtem heitrem Scherz. 9. sich erscheinen] sich sehen lassen, zeigen. 10. meinen] lieben, liebend besorgt, bedacht sein; vgl. V. 39. 18. künden unde verren] Angehörigen und Fernstehenden, Fremden. 20. sorgen bunt erliden] eine Last von Kummer erdulden, vgl. Winsb. 15, 7; bat iemen sorgen swseren bunt, und mhd. WB. 1, 135. 51. W.TZ fröiden gnüchte] welclie Fülle vo?i Freuden. 54. von so vil jaren] von diesem Cd. h. so jugendlichemj Alter. 7 ff. ald conj. oder, schwäbisch-alamannisch. 9. schimpfentiure stf. Fehde; sonst auch Unfall im Kriege. 13. sunder argez Villen] ohne schlimme Züchtigung ; ohne gewaltsam dazu an- gespornt, genöthigt zu werden. 17. meiles fri] makellos. 18. notveste] staudhaft, ausdauernd in Drangsal und Gefahr. 19. ze vorderost] alte Superlativform. ze leste, zuletzt, = ze lezzest. 20. stalte, praet. von stellen; nach einem Dinge stellen, nach etwas streben, sich bemühen, vgl. X, 30. XI, 27. 22. widersatz stm. Widersetzlichkeit, Widerspenstigkeit. 24. werben mit üf, nach etwas streben, trachten, vgl. mhd. WB. 3, 724'. 25. vcrscholt, part. von verschulden, mit Grund verdienen. Forscliung' und Kritik luf dem Gebiete des deulschen AKerthums. o63 38. als ez danne lit] je nach Umständen, je nachdem die Verhältnisse sind. 40. von schulden] mit Recht, von Reclitswegen; vgl. VI, 7. X, 13. 45. versnücren] mit Schnüren unterbinden: dass der Ruf seiner Tapferkeit nie beeinträchtigt, geschmälert toard ; vgl. ahd. farsnuorjan, defigere: Graff 6, 849. 49. grüenen swv. grün, frisch, neu machen : er war geneigter, drei Kriege friedlich beizulegen, als durch seine Schuld einen einzigen neu zu beginnen, zu veranlassen. 53. sfjete nninder] unausgesetzt wachsam, bestrebt. VI. 2. vernarren] ztim Narren icerden. 6. unwsege adj. ungewogen, unhold. 10. lies piislich. 12. verdüenien] verurtheilen, verdammen, vernichten. 20. des] icohl daz? ttete gen. von tat stf. That. duz stm. Schall, Geräusch von fliessendem Wasser: brausender Zufiuss. 29. räz stm. oder raze stf. Honigtcabe, Honigseim. Die bildliche Verwendung des Wortes ist wegen der vorhergehenden Lücke unkenntlich. 30. grazen] Hass, Zorn ausdrücken, zu erkennen geben, zornig schreien. 31- behäzcnl mit einem liaz versehen, bekleiden, vgl. I, 45, fehlt im mhd. WB.; schwäbisch noch „an-, aushäsen", an-, auskleiden: Schmid, schtoäb. WB. 263. 37. erziln] frühes Vorkommen dieses Wortes im Sinne von „erreichen". Man ericartete aber eher der statt den, wie jedoch deutlich steht. 38. mich bevilt c. gen., mir icird zuviel. 42. schriuwen, schriwcn scheint schwäbische Form für schrien. 44. hriuwe stf. das Brauen, Bereiten, Anstiften, vgl. hl. Martina 48,82: mit steter minne triuwe stet ane meines briuwe. Der syntaktische Bau dieser und der folgenden Zeile ist mir 7iicht recht klar, doch ist das t (in nntj sicher und ebenso das r in Z. 43. 47. bliuwcn] bläuen, klopfen, schlagen. 50. mit solichen sinnen] durch solche Gesinnung. zam werden] zugethan, vertraut, heimlich werden. Vgl. Gudrun 217 getriulicher dienste was er im so zani, und MSF. 46, 29, die von Lach- mann allerdings nicht sicher emendirte Stelle: einer frouwen was ich zani. VII. 5. si, d. i. die Vögel. widerswingen] sich schwingend hin und her bewegen, wiegen, schaukeln. 7. versolden] besolden, bezahlen. mit bernder gnüclito] mit überschwänglicher Fülle. 364 I^'- F'-a uz Pfeiffer 14. die tische wurden schon erhahen] tmhl nicht hergerichtet, sondern wie anderwärts den tisch üf hehen, üf ziehen, hindan nemen (s. mhd. WB. 3, 38^^ die Tische abräumen, xoegtragcn. i5. hoveknabe swm. Page, fehlt mhd. WB. i, 850. 30. hochgersete] kostbare Ausrüstung, vielleicht auch Rath, Unterstützung. 37. entsliezen] erschliessen, öffnen, vgl. XI, 33. 42. an dem es der von Keifen dir fehlen Hess? Ich kann diesen Gebrauch von gehrcslen sonst nicht tiachtveisen. 52. von tugende] vermöge edler Sitte, feinen Anstandes ; aus Höflichkeit. VIII. 8. in vier wege] in vierfacher Weise, Richtung. 9. ersrecken = ersclirecken, eine in schwäbisch-alamannischen Denkmälern nicht seltene Form. iO. widersache stom. Widersacher. i4. tarteii] Tataren = Sarazenen. 16. 17. lies halten : stalten. sich da wider stalten] dagegen auflehnten, feindlich entgegentrafen. 48. Phison] Pison, einer der vier Flüsse des Paradieses. 55. Serie stvf. tv ahrscheinl ich = sevlcA, seidene Decke oder Kleid, vgl. das franz. serge, sarge und Ducange : sericaiis pannus; DiefenbacK'a Glossar 529^ IX. 3. si] lies sich. 10 widersperre slf. Widerstreben. 14. 15. wenn sein Rath beivirkt, dass der hohe Name seines Gebieters an Ehre an Ansehen geschwächt, erniedrigt wird. 16. ein kleine] ein wenig, vgl, XI, 54. 19. bech'ben stv. Wurzel fassen. 21. brestlich adj. was durch Mangel, Gebrechen entsteht, fehlt mhd. WB. 27. enttloehen swv. entfliehen machen, vertreiben. 35. derken, terken siov. verdunkeln, beflecken, besudeln; Schweiz, „darggen", Stalder 1, 207, vgl. mhd. WB. 3, 31. 43. 44. vorwesen einem eines dinges] ihn vor etxoas behüten, bewahren, etwas von einem fern halten, 51. est = ez ist. 54. velscb] den Umlaut zeigt auch Boner 33, 21: välsch : wälsch. Herbort da- gegen, Troj. Krieg 47. 48: valsch : walsch. X. 3. an künste heiser] schwach an Kunst, kunstlos. 9. verschalten stv. Verstössen, verdrängen ; vgl. Barlaam 355, 24, Elisabet iDiut. 1, 416), Graff-Q, 425. 13. niden stv. hassen. Forscliung und Kritik anf dem fiehiele dos di'utsclien Aüeithiims. 36d 26. zitlich adj. zeitig, baldig. 31. missehiigen] refl. wohl synonym mit niissedenken: sich vergebliche Hoff- nung machen, sich in seinen Voraussetzungen irren. 33. verkiesen stv. mit dem Dativ der Person: einem nachsehen, verzeihen, im mhd. WB. 1, 823 ohne Beleg. 35. Worten] ein in der schwäbisch-alamannisehen Mundart häufiger schioacher Gen. plur. der starken Neutra; vgl. Boner 12, dö: von der Worten süeze- keit; 100, 3S. 90: daz ende sincr werken; Nicolaus v. Sfrassburg {^Myst. I. 269, 8. 9): vil nie gtioter werken; nach vili siner werken. Doch auch der baierischcn ßlundari ist diese schtoaehe Form nicht fremd, vgl. Megen- berg 2, 6, ä : von manger dingen hört und öfter. 52. übertoben S7vv. in übermässigen Affect gerathen, ausbrechen; sich über- stürzen; fehlt im mhd. WB. 3, 47. 53. an einen komen] an jemand herankommen, sich an einen wenden. XI. 5. sine lit] seine Glieder, seinen Leib. 8. von wernder not] von dauernder, etoiger Noth, Verdammniss. 22. ze herzen setzen] zu Herzen nehmen, beherzigen. 42. belange adv. lange Zeit, auf lange hinaus. 55. baz legen an einen] Hass u^erfen auf einen. 3G6 Dr. Franz Pf e i f (er Verzeichniss der erklärten Wörter. ald, Conjunction V, 7. alsust II, 34. anders II, 72. ansniden, ein kicit III, 32. bäfren III, 74. begän umb einen III, 63. behazen VI, 31. beholn III, 64. bekliben IX, 19. belange adv. XI, 42. bern stv. II. 91. VII, 7. beviln VI, 38. bewisen e. acc. et gen. III, 7. bliuwen VI, 47. boche swm. HI, 87. brechen, sich von einem br. II, 23. brehen II, 89. brestlich IX, 21. briuwe stf. VI, 44. briuwen III, 78. V, 31. VI, 46. brüel I, öl. II, 21. bunt, sorgen b. IV, 20. bürsten, lop b. III, 19. derken IX, 35. durchflorieren II, 84. duz stm. VI, 20. enifloehen IX, 27. entsliezen VII, 37. efe, e. tuen II, oO. erheben, die tische VII, 14. eriaeren c. g. II, 31. crliden IV, 20. ermanen c. acc. et gen. II, 86. erseheinen, sich IV, 9. ersrecken VIII, 9. erziln VI, 37. gebaren sfn. II, 91. gediate adv. II, 42. gemellich II, 10. VII, 22. genuht slf. 10, 51. VII, 7. gesaeie stn. 11,^19. gevähen 11,^6. geverte stn. II, 65. gezoc stn. II, 72. goltesdienst I, 10. grazen VI, 30. grüenen V, 49. haz legen an einen XI, 55. haz stm. I, 43. heimeliche stf. II, 22. heiser, an künste X, 3. hochgeraete VII, 30. hochgezit stn. I, 12. hovediet I, 14. hoveknabe VII, 15. hovelich I, 22. hovezuht II, 11. hügen swv. II, 90. joeh, der eren j. III, 57. kleine, ein kl. IX, 16. kernen, an einen X, 53. kost stf. I, 43. kostenrich I, 50. krie stf. III, 8. cronik, der er. pflegen III, 97. krunip, krumbez geverte II, 65. leste, ze I. V, 19. liiferiichen II, 67. Forschung und Kritik auf dem Gebiete des deutschen Alteithums. 36T mäze, nach der m. I, 44. meil, meiles fii V, 17. meinen IV, 10. missehügen X, 31. mit dem II, 108. munder V, S3. nahlreste stf. I, 7. nidcn X, 13. Nifen, der von N. VII, 42. notveste adj. V, 18. oeheinlll. 111. Phison VIII, 48. pflicht stf. II, 82. prislich VI, 10. raz stni. VI, 29. ringe adj. IV, 7. adv. I, 17. schimpfentiure V, 9. schriuwen VJ, 42. schult, von schulden V, 40. Serie swf. VII, 53. setzen, ze herzen XI, 22. stellen, nach einem V, 20, üf prises zol. I, 25. stricken, in der eren joch III, 57. sunder II, 103. sunderliche adv. II, 17. sweinen, kumber sw. II, 63. tagalte stf. II, 2. tarte VIII, 14. tat, hoveliche tat halten I, 22. überlast stm. II, 90. übertoben X, 52. umbetüllen II, 60. umbilde stn. II, 110. unwaege VI, 6. vären c. g. II, 92. velsch IX, 54. verdüemen VI, 12. verkiesen c. d. X, 33. vernarren VI, 2. verre swm. IV, 18. verschalten X, 9. verschulden V, 25. versolden VII, 7. versnüren V, 45. Villen stn. V, 13. finlich II, 83. vorderost, ze. v. V, 19. vort-vorhte II, 93. vorten III, 27. vorwesen IX, 43. fragen, umb III, 73. fürtreffen III, 37. waehe, an kost, an werken I, 43. war stf. II, 107. weg, in vier wege VIII, 8. weidenlich I, 14. welsch IX, 54. werben, üf ein ding V, 24. wernde not XI, 8. widerglast II, 89. widerkür III, 71. widersache swm. VIII, 10. widersatz stm. V, 22. widersperre stf. IX, 10. widerstrit I, 13. widerswingen VII, 5. widerveht stf. III, 76. Worten gen. pl. X, 35. zam werden VI, 30. zitlich X, 26. zogen I, 13. zol, uf prises zol stellen I, 25. SlUb. d. phil.-hist. Cl. XLI. Bd. il. Ilft. 24 308 Dr. G. Sa n d li a a s SITZUNG VOM 2ä. FEBRUAR. Es wird der Classe vorgelegt ein vom Herrn geistlichen Ruth Dr. Kn;ibl in Graz zur Herausgabe eingesandtes Weric: „Codex ducatiis Styriae epigraphicus romanae vetustatis'^. Vorgelegt: Zur Geschichte der Textgestaltung des iviener Weichhildrechts. Von Prof. Dr. G. Sandhaas. (Vorgelegt in der Sitzung vom 4. Februar 1863.) I. Von dem wiener Weiclibildrechte sind mir bis jetzt fol- gende 13 Handschriften bekannt geworden: 1. Zunächst die 10 bei Homeyer Rb. verzeichneten: Hom. 39 (Berlin), 239 (Giessen), 469 (München), 570 (Prandau-Sehwandt- ner)'), S71 (Prandau), 683 (Wien, Hufbibliothek), 685 (Wien, Stadtarchiv) 2), 686 (ebendas.) s) , 687 (Wien, Schottenkloster) 4), 716 (Wolfenbüttel). 2. Eine Handschrift der gräzer Universitätsbibliothek 4«, 34, 19, deren zuerst im Archiv der Gesellsch. f. ä. d. Geschk. gedacht wurde und über welche neuerlich Herr Dr. Stark nähere Miitliei- lungen gemacht liat s). 1) Vergleiche über diese Handschrift Siegel, zwei Handschriften des wiener Stadt- archivs 1838 (eine nicht in den Buchhandel gekommene Sylvesterspende) S. 3, Note 1. -) Eine ausführliche Beschreibung dieser Hanilsclirift bei Siegel S. 2 ff. 3) Auch diese Handschrift hat Siegel S. 3 ff. iiiilier beschrieben. 4) Von dieser Handschrift findet man eine genaue Besclireihmig bei Moser, Bibiiotheca manuscriptor. p. 13 — 133, wonach sie, wbs den Inhalt betrifft, mit Hom. 686 völlig identisch ist (Siegel S. 3, Note 1). 5) Das wiener Weicbbildrecht nach einer Handschrift der gräzer k. k. Üniversitäts-Biblio- thek von Dr. Franz Stark 1861. (Aus dem Jännerhefte des Jahrganges 1861 der Silzungsbericlite der philos.-histor. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften. Bd. XXVI, S. 86 (F. besonders abgedruckt.) Zur Geschichte der Texlg'estaltunji^ des wiener Weichbildieclits. OuJ 3. Zwei bislierunbekannteHaiidschrifteii des ^räzer Joaiineums- Ai-chivs, auf welche ich durch Htn-rn Prol". Zahn aufmerksam gemacht worden bin, nämlich : a) Joaimeums-Äi-chiv 168, Geschenk des H.Franz Bouvier in Radkcrs[)iirg, 15 Jahrb., Papier, Folio, 13 (erst neuerlich) und CXFjIV (schon ursprünglich bezifferte) Blätter (dcivon die beiden letzten und die zweite Seite des drittletzten Blattes leer), enthaltend (\(i\\ Schwabenspiegel 1). das wiener Weichbildrecht, die wiener Hand- feste H. Albrecht II. von 1340, Recepte. b} Joanneums-Archiv 138, früher judenburger Gemeindearchiv, E. des 14. oder A. des 15. Jahrb., Papie-, kl. Folio, 58 Blätter, von denen 51 neuerlich beziffert, die 8 letzten unbeschrieben sind, ent- haltend das wiener Weichbildrecht, umgeschrieben auf Judenhurg (einfach in d. A., dass in der Handschrift überall statt Wien Juden- burg gesetzt ist) und die wiener Handfeste H. Albreclit II. von 1340 ganz in der soeben bezeichneten Weise auf Juiienhurg umgeschrie- ben, aber mit der merkwürdigen Überschrift: Hie tiebt sich an die hant" fest der pur^fT zu „priigli In der Statt 1327 „judenburg~). Von diesen Handschriften ist nun freilich Ilom. 570 gänzlich verschollen s) und Hom. 607 bei einer neuen Nachsuchung nicht aufgefunden worden *). Eben so fehlt es fast für alle anderen Hiuidscbrifte!» an genaueren Angaben iiiter die Beschaffenheit des Textes. (Für einige der unter 1 aufgezählten Handschriften mussten die Angaben bei Honieyer soyar noch so allgemein ge- halten werden, dass es nicht ganz unzweifelhaft bleibt, ob gerade das unter dem Namen des wiener Weichbildrechts bekannte Zeugrniss des wiener Stadtrechts in der Handschrift enthalten 13 über diese bisher unbeachtet gebliebene rLindschrift des Schwabeiispiegels, werde ich an einem andeiii Orte nähere .Mitttieiluny:en machen. -) Ob niiin ans dieser Üi)erscbrift den Schluss ziehen darf, dass Brück bereits im J. 1327 eine Handfeste erhielt, welche mit der im J. 1340 der Stadt Wien ertheilten über- einstimmt und welche dann in unsere Handsclirift auf .ludenl)ur>^ umschlichen wurde, das ist eine Frage, welche, so interessant sie auch ist, an dieser Stelle nicht näher untersucht werden kann. ä) Siegel S. 3, .Note 1. ^) Siegel S. 5, >'ote 1. Auch wird leider der Ab)• 2. Beifügung eines kleinen Zusatzes (in der Synopsis durch -}- bezeichnet) hinter R 20: Beclagt aiu gast ain pnrger den niues er vier stund für hiden , fast wörtlich ühereinstirnincnd mit dem An- fange von R 132 = J 21 = G^ 20: Bekhigt ain gast ain purger {\en mues er vier stund für pietten. 3. Umbildung von G« 60 = J 74 = G^ 69 in R 42. 67 8) und Einschiebnng von R 42 vor R 43 = G» 39 = J 75 =- G^ 70. 4. Kürzung von G* 61 = J 59 = G^ 54 in R 41 (in der Synopsis durch Bfisetzung eines -\- zur Ziffer der 3 zuerst genannten Stellen angedeutet s). 5. Auflösung von Gi 116 = J 148 == G^ 141 in die 2 Capitel R 121, 122. 1) Von diesen Zusatzcapiteln ist übrigens, wie schon Stark S. 11 bemerkt hat, R 11 nur eine Wiederholung' von R 8, R 21 aber nur eine Hiuweisung- auf R 9 (oder mit Hiiiz.uz.ählung- der beiden Capitel des Prologs 11). 2) ü* 60 (von dem J 74 = G' 69 keine wesentliche Abweichungen bieten) lautet also : Ist das ein man gewant ehauft wider einen gewantschneyder vyer eilen oder sechs oder wye vil er dann ehauft undg-ibtiin aiuen g-otzspheiiyg- daran, und chumpl der darnach hinwider nicht, also das iu der chauf vielleicht gerawu hat, Ist das dann das denn der gewantsneyder das tuch nit hat abgesnyten so chomen sy des cliaufs wol wider, hat er es awgesnyten, so muss der ebauf für sich gen, er hab gechawft urab gerayt- schaft da zu weren oder umb pürgel zu setzen, doch rat ich das, das ehain gewant- sneyder sein tuch versneyd es sey im dan vergolten oder vergewyzt mit guter ge- wishait. Von den beiden Capilelu in R stimmt dann R 67 bis zu den Worten also das in der chauf viel leicht gerawn hat (einschliesslich), fast wörtlich mit Gl 60 (u. s.w.) dann aber heisst es weiter: Ist dann das der hanntschneider das thuech hat ver- schnitten, so beclag In, hat er aber sein thuech unverschnitten, so ist er gewert. Umgekehrt ist in R 42 der Anfang abweichend gefasst; denn er lautet: Chauft ain maii gewannt von ainein gewannt sclineider der von hannt schneidet es sey leinesoder wolleins. 0er Schluss stimmt dagegen wieder mit dem Sciilusse von G' 60 (u. s. w.). Es folgen nämlich auf die soeben mitgetheilte Stelle zunächst die Worte : Und also die «eil das thuech nicht ist aligeschnitten, dann aber die Sätze: so chomen sy des kaufs wol wider — oder vergwisset mit gueter gewissen, fast wörtlich überein- stimmend mit dem Schlüsse von G' 60 (u. s. w.). 31 Niiho.pR h-i Stark S. 12. N. 3. Zur Geschichte der Textgeslaltung' des wiener Weichbildrechts. 3(3 Theils unter A tlieils unter B fällt dagegen die Art und Weise, in welcher R die unter A 1 aufgezählten neuen Capitel dem Texte von Gl beigefügt hat. Von jenen Capiteln ist nämlich R 112 = J 130 = G3 123 in allen 3 Handschriften hinter G* 107 = R 111 = J 129 = G3 122 eingeschoben. Mit den anderen Capiteln ver- iiält es sich dagegen folgendermassen. In J und G^ sind dieselben hinter Gi 19 = R 20 = J 20 = G^ 19 eingeschaltet; in R da- gegen stehen sie erst z. E. des Rechtsbuchs, aber in einer Ordnung, die wenigstens ihrem Ursprünge nach nur auf einem Versehen beim Binden einer Handschrift beruhen kann. Wie nämlich schon Stark S. 11 gezeigt hat, ist der Schluss von R 125 eigentlich der Schluss von R 133, der Schluss von R 133 eigentlich der Schluss von R 129, endlich der Schluss von R 129, eigentlich der Schluss von R 123. Reihen wir nun den Schluss von R. 129 (d.i. den echten Schluss von R 12H) und die darautfoigenden Capilel R 130—133 (letzteres ohne seinen falschen Schluss) an R 125 (ohne seinen falschen Schluss), sodann den Schluss von R 125 (d. i. den rechten Schluss von R 133) und die darauffolgenden Capitel R 12ü — 129 (letzteres wieder ohne seinen falschen Schluss) an R 133 (ohne seinen falschen Schluss) und endlich den Schluss von R 133 (d. i. den echten Schluss von R 129) und die darauffolgenden Capitel R 134 fr. an R 129 (ohne seinen falschen Schluss), so ergibt sich folgende Ordnung i) : R D G3 125 A. = 1S2 A. = 143 A. 129 Sclil. = lä2 Schi. = 145 Schi. 130 = 1S3 = 146 131 = 134 == 147 132 =21 =20 133 A. = 22 A. = 21 A. 123 Schi. = 22 Schi. = 21 Schi. 126 =23 =22 I I I 129 A. = 26A. = 23 A. 133 Schi. = 26 Schi. = 23 Schi. 134 ft-. = 27 ff. = 26 ff. 1) Die Stelle, von der an die in Ahs. H gegebene Synopsis nach Massgabe dieser Ordnung zu verbessern ist, habe ich durch Querstriciie angedeutet. Uiese Verbesserung wiiklich vollzogen gedacht, stellt sich dann von selbst das Verhältuiss der Capitel- folge in Pi zu der iu G- ungleich einfacher dar. als nach der Tabelle bei Stark S. 10 f. 374 Dr. G. Sandhnas Diese Ordnung von R 12S ff. wird dann als die ursprüngliche auch dadurch bestätigt, dass sie, wie die vorstehende Tabelle zeigt, abgesehen von der Voreinschiebung von J 21 ff. = G» 20 ff. (d. h. der Artikel, die in G» fehlen) hinter J 20 = G^ 19 (= G> 19 = R 20) ganz mit der Capitelfolge in J und G^ stimmt. III. Was endlich die Eigenthümlichkeiten von J und G» be- trifft, so scheiden sich dieselben, wenn wir absehen von denje- nigen, welche diese Handschriften G^ gegenüber mit R theilen, in 2 Gruppen: A. Eigenthümlichkeiten, welche den Handschriften J und G^ gemeinsam sind. Diese sind: 1. Die Beifügung von 10 neuen Capiteln J 133, 134, 136-141, 146, 150 = G2 126, 127, 129-134, 139, 143 i)- 2. Die Beifügung eines, wie schon Stark S. 12 bemerkt hat, ungehörigen Zusatzes zu Gi 96 = R 100 = J 118 = G^ 111. (Er ist in der Synopsis durch + bezeichnet worden, und gehört, wie ich glaube, zu Gi' 114 = R. 119 = J 145 = G^ 138) ^). ») Sie sind gedruckt bei Stirk S. 13 ff. ') G' 114 (u. s. w.) bestimmt also: Ist awer das ein raawr zwischen mavvrein leit und ist des ersten also dangema\vret,das ain nachpawr den andern hat lazzen mawren auf sein erdreycli mitseinem guetem willen auf die erd daz er lazz trawmen in dieselben mawrund auch die mawr aufpringen und furbas ymnier zu pessern wo der mawr des durfft ist an allen seinen schaden, sy ge nider oder nicht und dieselb mawr wirt also mit geliih und mit ir payder willen volpracht das sol man schreiben under des perkchherren (lies purkherren) insigel, dem man von demselben haws dient, darum darumb das hernach chain chrieg nicht werd zwischen ireu nach chomen die dasselb haws besitzen es sein erben oder ander laut. Ist aber das sich dieselb mawr ze kleubt darnach und wil nyder gen als ener an getramet hat, so scliol er czu seinem nach- paurn gen der dieselb mawr die weil in gewer und gewalt hat und nem frum lewt zu im und red mit im, er pezzer die mawr; widerredt ener das, das er die mawr pezzern sol, so piet im für gericht und chlag dann gegen im als recht sey, laugent dann der antwurter der mawr zu pezzern so bewar der chlager das mit seinem brief den er da hat über die sach mit der purcliherren Insigel. An diese Vorschriften reiht sich nun offenbar vortrefflich jener Zusatz, nach J 118, also lautend : Ist das in den zeylen dy selbig mawr nydert get und er chlagt und der chlager sein Recht vollichleich erlangt, allen den schaden den er dy weyl nympt den miiss Im der antt- wurtter ablegen recht als er statt an Im wirdt, er hab denn seinem geweren ze pielten der Im das haws und auch dye maur (vil) leycht anders hat er (d. i. zuvor) ze chauffen gegeben, denn es mit altem recht hintz her chomen ist und das auch ze rechten zeyt gewerd sey waren und Im dye anttwortter für in gestanden. So muss der selbig gwer an eins stat paydenthaibem pezzern dem chlager seinem schaden dem richter das wandl. Ist das im anbehabt wirt mit den zeugen als recht ist. (Der Text von G^ 100 abgedruckt bei Stark S. 12 ff. bietet, abgesehen von dem offenbar ungehörigen Punct hinter leycht, keine wesentliche Abweichung.) Zur Geschichle der Texfgestaltmig des wiener VVeichbildrechts. 3To 3. Folgende Versetzungen : a) Vorcinschiebung von J 21—30 = G2 20—37 (= R 132, 133, 126— 129,134— 145) hinter J 20 = G^ 19 (= G19 = R.20). b) Zurückschiebung von J 75—84 = G^ 70—79 (= G' 39—48 =- R 43—52), hinter J 74 = G^ 69 (= R 67 = G 1 60). 4. Auflösung von G» 83 = R 87 in J 104, 105 = G^ 97, 98. B. Eigenthümlichkeiten, welche je einer der Handschriften J. und G^ ausschliesslich zukommen. Hieher gehören die folgenden Eigenthümlichkeiten : 1. In J nur die Auflösung von G' II = R II = G^ H in J H und IHi). sodann von Gi 1 = R 1 = G^ 1 in J 2, 3 und von G» 33 = R 35 = G3 48in J 52. 53. 2. In G^ die folgenden Zusammenziehungen: Gl R J G3 21, 22 = 23, 24 = 40, 41 in 39 2S, 26 = 27, 28 = 44, 4ö „ 41 77. 78 = 80, 81 = 97, 98 „ 92 79, 80 = 82, 83 = 99, 100 „ 93 beziehungsweise die Nichtzahlung des in der Synopsis durch 40 b bezeichneten Capitels = G' 24 = R 26 = J 43. Sonach sind die Eigenthümlichkeiten, welche J und G^ von einander scheiden, durchaus nur formeller Natur; es sind aber diese formellen Eigenthümlichkeiten in G^ etwas zahlreicher, als in J. IV. Aus den in Abs. III dargestellten Eigenthümlichkeiten unserer 4 Texte dürfte sich nun aber, wie ich glaube, für die Geschichte deräussereuTextgestaltung unseres RechtsbuchesFoIgendes ergeben : I. Es können schon jetzt 3 Recensionen des wiener Weichbild- rechts unterschieden werden: Recension I, repräsentirt durch die Handschrift Gis)^ charak- terisirt durch den dieser Handschrift eigenthümlichen Mangel der in Abs. III unter II und III dargestellten Eigenthümlichkeiten der Hand- schriften R, J und G2- ') Formell sind übrigens G' II und J III, als die ersten rubricirten Cap. von G' und J, die ersten Cap. des Textes, also G' 1 = J 1 eigentlich G^ 2 = J 2 u. s. w. 2) Vielleicht gehören aber zu dieser Recension auch die Handschriften: a. Hom. 686 ; denn auch sie schliesst mit R 131 (= G' 121 = J 154 = G^ 147) von kurzweilligen pfannten (Siegel, S. 6) und dies beruht auch nicht, wie ich gegen Stark S. 10, Note 1 bemerken kann, darauf, dass die Handschrift die Capitel nur in einer von der von Rauch verschiedenen, etwa mit G^ stimmenden Ordnung folgen lässt. 376 ^'- ^- Sil 11 dhaas Recension II, zu welcher der Text R gehört. Ihr Merkmal sind diejenigen Ahweichungen von Gi, welche H mit J uiul G^ theilt, während die Eigenthümlichkeifen, welche R auch von J u:id G scheiden, als eigenthümliche Forthildung be/. Misshildung i) des ursprünglichen Textes der Recensioti II aufzufassen sind 2). Recension III, welche die beiden Handschriften J und G^ umfasst, mit denjenigen Eigenthünilichkeiten, welche diese Handschriften mit einander theilen und denen gegenüber die formellen Eigcnthiimlich- keiten, welche jede dieser byiden Handschriften für sich idlein zieigt, wieder als Weiterbildung des ursprünglichen Textes derRecensionlll gedacht werden müssen. II. Das gegenseitige Verhältniss der 3 Recensionen werden wir uns dann aber so zu denken haben, dass I die Grundlage von II und III ist, so jedoch , dass III nicht unmittelbar aus I geflossen ist, sondern zunächst aus II geschöpft hat. 1. Dass nämlich I die Grundlage der beiden anderen Recensionen ist, dürfte sich zuvörderst in stotf iclier Hinsicht einfach daraus erge- ben, dass während I nithts enthält, was nicht auch in 11 und III stünde, darin 19 Capitel fehlen, welche II und III gemeinschaftlich sind, und 10 Capitel, welche III auch vor II voraus hat. Schon diese materielle Ursprünglichkeit von I rechtfertigt aber bis zum Beweise des Gegen- theiles die Annahme, dass I auch in formeller Beziehung die Quelle von II und III ist, und ist nun unsere weitere Behauptung richtig, dass II selber wieder die nächste Quelle von III ist, so findet jene Annahme auch noch eine besondere Stütze in dem Umstände, dass die Anordnung von II (abgesehen von einigen wenigen, in IH wieder- bj Honi. 687. Da nämlich diese (jetzt veimissle) Handschrift, was den Inhalt betrifft, mit Hoin. 686 völlig- identisch ist (s. Abs. I, Note 4) so liegt die Verinuthung- nahe, dass sie auch unser Rechtsbucli in der g-leichen Gestalt enthielt, wie Hom. 686. cj Hom. 370. Für diese jetzt g-leichfalls verschollene Handschrift g-ilt nümlich, nach dem, was Senkenberg, Gedanken von dem jederzeit lebhaften Gebrauch S. 17 über sie mittheilt (vgl. Siegel S. 5, Note 1) dasselbe Raisonnement, wie für Hom. 687. 'J iMissbildungen sind die Einschaltung von R 11 und 21, sowie die Zerlegung von G' 60 (= J 74 = G2 69J in die Capitel R 67, 41 und der Zusatz zu R 20. 2) Der Zusatz zu R 20, welcher dem Anfange von R 132 — J 21 — G^ 20 entspricht, legt übrigens die Möglichkeit nahe, dass die Capitel lt. 126—143 (= J 23—26, 21, 22, 27—38 = R 22—23, 20, 21, 26-37) auch in der Recension II urs|irün-lich auf R 20 (= G' 19 = J 20 = G^ 19) folgten und erst durch eine Weiterbildung dieser Recension die Stellung am Schlüsse des Rechtsbuches erhielten, welche sie in R eianehraen. S. auch schon Stark S. 18. Zur Gescliiclite der Texfgestaltung des wiener Weiclibildieclils. O ii kehrenden Ausnahmen) mit der von I durchaus übereinstimmt, während III bederitendere Abweichungen darbietet. 2. Die Ansicht, dass III nicht unmittelbar aus I, sondern zunächst ans II hervorgegan<;eii ist, begründet sieh dagegen in folgender Weise. In materieller Hinsicht dadurch, dass III 10 Capitei iiat, welche nicht blos in I, sondern auch in II fehlen; in formeller Hinsicht aber ans dem soeben hervorgehobenen Umstände, dass die Anord- nung von II keine Abweichung von I zeigt, welche nicht auch in III wiederkelirte, wohl aber die von III Abweichungen von der Ord- nunsr von I in einer Reihe von Fällen, in denen II mit I übereinstimmt. V. Den vorstehenden Erörterungen über die Tex'gcstaltung, sei es erlaubt, noch zwei Benierkungen über das Alter und die Verbreitung unseres Rechtsbuches beizufügen: 1. Dass das wiener Weichbiidrecht nicht erst in demJahre 1433 entstanden ist, welchem vielmehr nur eine oder die andere Hand- schrift desselben ihre Entstehung dankt, ergibt sich schon aus der von Stark S. 1 mitgetheilten Notiz in G^' : Finitus est ille liber (der auch das wiener Weichbildrecht enthaltende Hanpttheil der Hand- schiifi) sub anno dumini milesimo quadragintesinio vicesimo nono. Erwägt m;in nun, dass die Handschrift G^ eine eigenthümliche Fort- bildung einer dritten Recension des Rechtsbui-hes ist und dass auch die Handschrift J, welche gleichfalls diese dritte Recension in eigen- Ihümlicher Weiterbildung zeigt, wenn nicht dem Ende des 14., so doch dem Anfange des 15. Jahrhunderts angehört, so wird es sehr wahrscheinlich, dass die Entstehung unseres Rechtsbuches noch in das 14. Jahrhundert fällt, ja es erscheint selbst nicht als unmöglich, dass dieselbe sogar bis in die Mitte dieses Jahrhunderts hinaufreicht. Das Argument, w^elches man für die Entstehung unseres Rechtsbuches um die Mitte des 14. Jahrhunderts aus R 147, einer Erbrechtssatzung H. Albreclit III. aus dem J. 1381, weiche mit der Bemerkung schliesst: Und darüber zu ainer ewigen vestung des anfsaczs des erbs rechtes hat es der vor genant herczog mit sambt dem ratt in disz gross stat purch haisseii schreiben, entnommen hat, halte ich dagegen, so lange die Handschrift, aus der Rauch seinen Text ge- schöpft hat, nicht genauer bekannt geworden ist, nicht für ent- scheidend. Denn die Stelle könnte gar wohl in einem beliebigen 378 Dr. G. Ssiidhaas, Zur Guschiohte der Textgestallung etc. Jahrenach 1381 von dem Schreiber der Handschrift Hom. 571 aus einem das wiener Weichbildrecht (als blosse Privatarbeit) gar nicht enthal- tenden Stadtbuche entnommen sein; ja wenn wir uns in Erinnerung bringen, was in Abs. III und IV über den Charakter des Textes R ausgeführt worden ist, dürfte diese Auffassung des Verhältnisses von R 147 zu dem wiener Rechtsbuche sogar als die näher liegende erscheinen. 2. Das wiener Weichbildrecht ist ohne Zweifel eine zunächst für Wien bestimmte Privatarbeit. Doch aber scheinen mir manche Gründe darauf hinzudeuten, dass dasselbe schon frühzeitig in einem grösseren Kreise von Städten in Gebrauch gekommen ist. Dafür darf vielleicht schon die Zahl der bis jetzt bekannten Handschriften an- geführt werden, die, wenn ich aus dem Funde von drei bisher unbe- achteten Handschriften allein in Graz schliessen darf, bei weiteren Nachsuchungen wohl noch um ein Reträchtliches vermehrt werden wird. Das bestätigt die merkwürdige Art, wie unser Weichbildrecht in Gl dem Schwabenspiegel beigefügt ist. Letzterer schliesst mit der Bemerkung: Hie habent die recht des ersten puechs ein end, Got uns seine genade send, amen, worauf dann das wiener Rechtsbuch durch die Bemerkung eingeleitet wird: Incipit alius liber de eadem materia. Endlich aber finden sich hinsichtlich einzelner Städte auch nochspeciellere Anlialtspuncte für die Benützung des wiener Weich- bildrechts. So spricht für dessen Gebrauch in Klosterneuburg der Umstand, dass in G^ dem Haupttheile der Handschrift, wenn auch durch spätere Hände, doch noch im 15. Jahrhundert 2 Stücke bei- gefügt sind, von denen das eine die Überschrift führt: Das sind die gesetz und die Zoll auf dem wasser in der Stat zu Newnburgkloster, das andere die Überschrift: Vermerkcht diedörffer die in das gericht gehörnt gen Klosternewnburg. Besonders beweisend ist aber in dieser Hinsicht die merkwürdige Umschreibung des wiener Rechtsbuches für Judenburg in J, deren bereits in Abs. I gedacht worden ist. ») Vgl. Weiske, Ztschr. f. d. R. XIV, S. 113, Note. 2) Bisch off, österr. Sladtrechte S. 203, Stobbe, Gesch. der d. Reehtsquellen, Abth. 1. S. 523, Note 127. 3) Stark, S. 4. 27 f. B o II i t X , Aristotelisclie Studien. ö i J Aristotelische Studien. 2. Von dem w. M. H. B onitz. Die bekannte Äusserung des Aristoteles über Herakleitos tcc tqu 'Hpocxlslrov oiaaTi^at epyoi^ ist öfters auf Aristoteles selbst ange- wendet worden. Und mit Recht, denn an zahlreichen Stellen der Aristotelischen Schriften ist es schwer, die richtige Interpunction zu setzen, oder was dasselbe ist, die grammatische Satzfügung sicher zu erkennen; selbst nach den verdienstlichen Arbeiten zur Erklärung des Aristoteles, welche besonders den letzten drei Jahrzehenten seit dem Erscheinen der Bekker'schen Ausgabe des Aristoteles ange- hören, ist für diese Seite der Interpretation merklich weniger geleistet, als bei anderen Schriftstellern, denen gleiche Wichtigkeit beizumessen oder ähnlicher Eifer der gelehrten Bearbeitung zuge- wendet ist. Der Grund hiervon liegt einerseits in der Sache selbst. Die stilistisch gewiss nicht zu rühmende Manier des Aristoteles, in einen begründenden oder bedingenden Satz zu den Hauptgliedern des Beweisganges Erläuterungen oder untergeordnete Begründungen hinzuzufügen, macht es häufig zweifelhaft, wo denn der Nachsatz beginne oder ob vielleicht über der zerstreuenden Ausdehnung des Vordersatzes die grammatische Form, in welcher er begonnen, und somit das Erforderniss, ihn durch einen Nachsatz abzuschliessen, ganz in Vergessenheit geralhen sei. Zu dieser objectiven Ursache kommen aber subjeclive Anlässe hinzu; die Erklärung des Aristo- teles ist darauf gerichtet, den in seinen Schriften niedergelegten 3S0 I! o II i t z Gedankeninhalt sicher und genau zu reproduciren, und hiit bei dieser Aufgabe der sachlichen Schwierigkeiten so viele zn beseitigen, dass die sprachliche Form weniger, als bt-i anderen Scliriftstejlern, der Aufmerksamkeit gewürdigt ist; und bei der Fremdartitikeit des Ein- druckes, welchen die sprachliehe Form der Aristolelisclieti Schriften im Vergleiche zu den ilun vorausgegangenen Prosaikern macht . ist es begreiflich, dass man, wie die Interpunclion der sorgfiiltig- steri Ausgaben beweist, in der Satzfügung des Aristoteles manches für möglich hält und nicht einmal eine;- Bemerkung bedürftig erachtet, was bei jedem andern Prosaiker a!s unzulässig erscheinen würde. Mögen nun auch diese Umstände den gegenwärtigen Zustand der Unsicherheit über Arislofeliscbe Satzt'ügung erklären, so ist doch gewiss, dass dieselbe mit fortschreitender Strenge und Genauigkeit der Erklärung entfernt werden mu-^s; die grammatischen Fragen über die Satzfügung, die in gar manchen Fällen als für den Gedan- keninhalt gleicligiitig mögen gering geschätzt werden, sind doch in ihrem gesammlen Umfange ein wesentliches Moment für wirkliches Verständniss und für Kritik des Textes, und gewinnen seihst in manchen einzelnen Fällen unmittelbare Bedeu!ung für das Verständ- niss oder das Verkennen der Aristotelischen Gedanken. Trendelen- burg hat in seiner wichtigen ersten Abhandlung über ro rl v-* sivcci Rhein. Mus. II. 1828, S. 466 an ein puar schwierigen Stellen durch Aufhellung der Salzfügung und durch eine ihr entsprechende Infer- punction das Verständniss derselben unbestreitbar hergestellt. Krische hat (Jen. Lit. Zeit. 1835, Nr. 230) an einigen Stellen der Nikomachi- schen Ethik Pieihen von Sätzchen, die in den bisherigen Aus- gaben durch die luterpunction zerrissen und zerstückelt waren, in ihrer Zusammengehörigkeit zu dem Ganzen einer einheitlichen, umfangreicheren Periode nachgewiesen. In meinen kritischen Ver- suchen zur Metaphysik und zu den pseudo- aristotelischen Ethiken (Observ. crit. ad Ar. Met. p. 8 — 39. Ohs. crit. ad Ar. Mor. M. etc. p. 12 — 15) habe ich auf Herstellung des Verständnisses durch rich- tige Interpunetion und namenilich auf den Zusammenhang längerer, in iiirer Zusammengehörigkeit zu demselben Gtiizen bisher ver- kannter Sätze Aufmerksamkeit gewendet. An manchen der von mir berichtigend behandelten einzelnen Stellen ist in später erschie- nenen Revisionen des Textes (in Bekker's nachher erschienenen Octavausgaben der Ethik, in Frizsche's Endemischer Ethik, Inder Aristotelische Studien. Ool Didot'schen Ausgabe) oder in Übersetzungen die von mir empfoh- lene Auffassung der Satzfügung gebilligt worden, an anderen nicht, ohne dass es mir möglich wäre, den Grund dieser Ungleichheit einzusehen. Zu einem möglichst begründeten Urtheile über derlei Fälle, in denen es sich um die Zusammengehörigkeit einer längeren Argumentation zu einem einzigen Satzjjanzen oder ihre Isolirung in einzelne selbständige Sätze handelt, wird sich nur daim gelangen lassen, wenn das Material, welches dabei in Betracht kommt, in Annäherung an Vollständigkeit zum Überblicke gebracht wird; für jeden einzelnen Fall ist sodarm die sprachliche Form und der Ge- dankengang zu erwägen, um dadurch zu einer Entscheidung über die Satzlügung zu gelangen, und die Zusammenstellung der in sprachlicher Form gleichartigen Stellen kann als Induction wesent- lich zur BestätiiTunff der aus der Beschaffenheit der einzelneu Stellen gewonnenen Überzeugung beitragen. Eine solche geordnete Übersicht des Materiales zu geben , ist in dem Nachfolgenden versucht. Der Gegenstand hätte sich aller- dings auf wenigen Seiten abmachen lassen, indem ich in den Gruppen der verschiedenen Hauptfornien ausgedehnterer Sätze zunächst die bereits in bisherigen Ausgaben anerkannten Fälle verzeichnet und diesen datm die Stellen, die ich für gleichartig halte, mit der nach meiner Auffassung berichtigten Interpunction hinzugefügt hätte. Aber der Sache und den Lesern, welche sieh für sie interessiren, wäre mit dieser Kürze sehr wenig gedi<'nt. In dea meisten Fällen ist ein genaues Eingehen auf den ganzen Zusammenhang erforderlich, um über das grammatische Gefü;;e der fraglichen Stellen sicher zu urtheilen; und diejenigen Auffassungen derselben, denen kritisch sorgfältige Herausgeber durch ihre Interpunction Ausdruck gegeben haben, sind nothwendig in Erwägung zu ziehen. Diese Mittel der Entscheidung glaubte ich den Lesern in möglichster Genauigkeit darlegen zu müssen, um so mehr, da häufig die Schwierigkeit der Satzfügung mit anderen Schwierigkeiten der Erklärung oder mit Zweifeln in Betreff der Texteskritik zusammenhängt. Wenn ich erklärte, in möülichster Vollständigkeit das Material zum Überblicke bringen zu wollen, so ist damit nicht blos im Voraus zugestanden, dass manche mit in Betracht zu ziehende Satz!)ildungen meiner Auf- merksamkeit mögen entgangen sein, sondern ich habe wissentlich die Behandlung einiger Stellen, deren grammatische Fügung in einen 382 B o n i t z der Abschnitte gehören würde und mir zu bestimmter Überzeugung gediehen ist, desshalb unterdrückt, weil mir bei wiederholter Erwä- gung sonstige Schwierigkeiten des Verständnisses oder der Textes- kritik sich nicht in so weit lösten, dass ich eine Erörterung der grammatischen Form hätte geglaubt vortragen zu dürfen. Die unech- ten Schriften, welche unter Aristoteles Namen gehen, habe ich, so weit sieh Anlass fand, in die Betrachtung mit einbezogen; beweist ja doch schon die Thatsache ihrer Einreibung unter die Aristoteli- schen Schriften, dass sie in stilistischer Form und Farbe manche Vergleichungspuncte zu ]den wirklich Aristotelischen darbieten. — Besonders überzeugend für eine behauptete Satzfügung ist in vielen Fällen eine Übersetzung der fraglichen Stelle in's Deutsche; wenn im Nachfolgenden hier un,d da dieses Mittel angewendet ist, so bitte ich, nicht den Massstab einer wortgetreuen und vollständigen Über- setzung anlegen zu wollen. Es kam hier darauf an, durch die Re- produclion den behaupteten Zusammenhang der Satzglieder, und diesen treu wiederzugeben; um dies zu vermögen, rausste auf Worttreue im Einzelnen und auf Vollständigkeit in der Aufnahme aller näheren erläuternden Ausführungen verzichtet werden; denn wenn man in dieser Hinsicht Vollständigkeit durch die Übersetzung erstrebt, muss man bei Aristoteles häuGg den umgekehrten Weg, nämlich den der Auflösung des grammatischen Zusammenhanges grösserer Perioden statt ihrer Zusammenfassung einschlagen. I. 1. Zu den einfachsten Formen von Satzbildungen, welche eine Erweiterung des ganzen Satzes zu grösserem Umfange herbeifüh- ren, gehört die Verbindung zweier oder mehrerer coordinirter Glieder im Vordersatze. Sätze dieser Form, deren Fügung schon bisher richtig erkannt und demgemäss durch die entsprechende Interpunction in den Ausgaben bezeichnet ist, finden sich ungemein häufig. Es genügt, zwei Perioden dieser Form anzuführen, als Typus für die gleichartigen, die dann im Gegensatze zu den bisherigen Herausgebern zu behandeln sind. Eth. Nie. ß 5. 1106 6 8— 16. Nachdem Aristoteles für die Definition der Tugend das Genus aufgesucht hat, unter welches dieselbe fällt, ß 4, und sodann auf inductivem Wege den Werth Aristotelische Studien. ooo dargelegt, den auf dem gesammten, einer quantitativen Bestim- mung zugänglichen Gebiete des Handelns dies richtige Mittelmass gegenüber den beiden Extremen des Zuviel und Zuwenig habe, 5.1106 a26—b 7 begründet er das wesentliche Merkmal der Tugend durch folgenden Satz: e^ dr) Tzäoa kniarri^Y) ovroi rö spyov eu inirelsi^ ^pog tö ixiaov ßlinovaa nai eig tovto ä'^ouacx. rä ipyoc (o3-£v doi^aatv eTiiliyeiv zeig ^^ gu ey^ovoiv ipyoig ort out' d^pelslv ,i(jTiv ovts npOG^slvai^ (hg rr/g /j.£v vnepßolrig -/.cd rrj? t^Xti'^zitig (p^sipovarjg t6 £y, rrtg de ixeaÖTrjTog aoü^o6(7V7?), oi 5' a.')oi.Bol Tsyylroa, ojg liyoixev^ 7:p6g tovto ßAinovng ipyä^ovTOCi, Vi o' dpsTTj TcdGYig TEyyng axpißzaripa -/.ai ä/xstvcov laziv oJGKsp xai ri (pvGigi, roxj [Kiaoxj dv dri aroyaaTixri. Die Interpunclion ist so gegeben, wie sie sich in der Bekker- schen Ausgabe und mit unerheblichen Unterschieden in den übrigen findet, nur ist, wie es auch im weiteren Verlaufe dieser Abhandlung geschehen soll, die Übersicht der Satzgliederung dadurch erleich- tert, dass die Hauptglieder des Vordersatzes durch einen leeren Raum, der Vordersatz vom Nachsatze durch einen etwas grösseren leeren Raum im Drucke getrennt ist. Der Vordersatz nämlich hat zwei, nicht drei Hauptglieder. Das erste Glied besagt, dass jede Kunst sich das rechte Mittelmass zur Aufgabe stellt, und spricht diesen Gedanken in zweifacher Form aus, indem dieses Streben nach dem Mittelmasse einmal der Kunst, näaoc iniaTri^r) o-jTOi to spyov £'j iniTzleX^ dann, nach der parenthetischen Erläuterung, den Künstlern zugeschrieben wird, oi dya^oi re^^vlrai rzpog tovto ßli- TTOvTsg ipyd^ovTCii; der für diese Auffassung vorausgesetzte syno- nyme Gebrauch von sniaTrjixYi und Tiyyri ist eine bei Aristoteles feststehende bekannte Thatsache (vergl. meine Bemerkung über TzotrjTixoü kmaTrii).a.i zu Met. 3-2. 1046 b 3, und dem entsprechend die häufige Verbindung von Tiyyat y.cd iKiarnixoa, z. B. Pol. 7 12. 1282614, dl. 12886 10,ry 13.1331 637). Das zweiteGlied schreibt der Tugend einen höheren Grad von Genauigkeit und Vollendung zu, als die Künste ihn haben. Daraus ergibt sich dann die beab- sichtigte Folgerimg. „Wenn schon eine jede Kunst das richtige Mittelmass sich zur Aufgabe bei Gestaltung ihrer Werke setzt, die Tugend aber jede Kunst an Genauigkeit und Vollkommenheit über- trifft, so ergibt sich, dass gewiss auch die Tugend nach dem richti- gen Mittelmasse strebt". Die Worte co^y^sp -/.cci -n 'fÜTUi habe ich mit sit/.i). .1. i.iiii.-hist. ci. XLi. n.i. II. nrt. 2ö 384 » o n i t z Bekker zum zweiten Gliede des Vordersatzes gezogen, nicht mit Zeil zum Nachsätze; die Richtigkeit der Bekker'sehen Auffassung wird nicht nur durch die Wortstellung erwiesen, sondern noch ins- besondere dadurch bestätigt, dass Aristoteles häufig das Wirken der Natur mit dem der Kunst vergleicliond zusammenstellt, und zwar so, dass die Natur in gleicher Weise wie die Kunst, aber vollkommener und fehlloser wirke (vergl. >? ■ziyyrt [neuron t-ov fvaiv Phys. ß 2. 194 «21. Meteor, o 3. 3816 6 und darnach wiederholt de mundo 5. 396 6 12). Über die Richtigkeit des hiermit dargelegten Gedankenganges im Aristotelischen Sinne kann schwerlich ein Zweifel erhoben wer- den, und auch der sprachliche Ausdruck, wie wir ihn bei Bekker (ebenso bei Zell und in der Didot'schen Ausgabe) lesen, muss als möglich anerkannt werden. Aber wahrscheinlich ist es gewiss nicht, dass die zweite Hälfte des ersten Gliedes des Vordersatzes ot o' dya^oi TsyylTai — ipyä^ovTui^ die nur eine \Viederholung des in der ersten Hälfte desselben Gliedes st oh rzäia iKiarriik-q — £^7« Gesagten ist und sich als blosse Recapitulation ausdrücklich durch waTiSp ltjO[Ltv ankündigt, nach der erklärenden Parenthese in derselben Weise, durch die Partikel (>£, augefügt sein sollte, wie dies in der Regel bei dem Fortschritte zu einem dem Inhalte nach neuen Gliede geschieht. Durch diese Erwägung wird man nothwendig darauf gefülirt, den Werth der Überlieferung anzuerkennen, die sich in drei beachtens- werthen Handschriften <) der Ethik findet; nämlich für oi 0 dyaJjoi 1) Krische hat in der inbaUreiehen Recension der Miclielefschen Ausgabe der Niko- machischen Etliik (Jen. L. Z. 1833, Nr. 228 ff.) aus Vergleichung des ßekker"schen Textes mit dem von Bekker gegebenen kritischen Apparate nachzuweisen unter- nommen, welche von den Handsciiriften Bekker vor den übrigen bevorzugt habe und welche den meisten Glauben verdiene. Er entscheidet sich in beiderlei Hin- sicht für den cod. Marcianus 214, von Bekker H" bezeichnet. Und allerdings, für den ersten Blick mnss man auf den Gedanken kommen, dass Bekker hauptsächlich dieser llandschritt gefolgt sei, da man öfters auf umfangreiche Stellen hin keine Varietät aus H^ angemerkt findet, also aus diesem Schweigen, nach der Ein- richtung des Bekker'scben Apparates, auf Übereinstimmung des Textes mit der in U» enthaltenen Überlieferung zu schliessen geneigt sein muss. Freilich bei etwas genauerer Aufmerksamkeit wird dieser Glaube erschüttert; denn wenn auch eine Handschrift noch so gut sei, so wäre es doch beispiellos, dass Seiten, ja Bogen lang nicht an einer einzigen Stelle sich ein Versehen in ihr finde, welches einen Herausgeber bestimmen niüsste, von ihrer Ülierlieferung, trotz deren sonstiger Verlässlichkeil, abzugehen. Und das müssle hier der Fall sein, denn von 1103 o 14 Aristotelische Studien. 3o5 haben M'' 0'' d otj oi dyoc3ol und K*" das davon nur wenig unter- schiedene £l o' oi dyoc^oi, Lesarten, die an sich schon vor der von Bekker bevorzugten das Präjudiz der Urspriingliclikeit für sich haben, da sieh aus ihnen leichter die Entstehung der von Bekker aufgenom- menen erklärt als umgekehrt. Nur darf man nicht mit Cardwell die Schreibweise des K'' aufnehmen, durch welche im Widerspruche mit dem Gedankeninhalte dieses Glied als ein seinem Inhalte nach neues bezeichnet würde, sondern die der beiden anderen Handschriften £1 oYi oi d'^^oc^oi, durch welche nach dem bekannten Gebrauche von oi; (vergl. die recapitulirende Formel st or? raOr' e^rcv d):n^Y) Eth. N. 7 7. 1114 6 12, und unten Abschnitt II, 4 zu Eth. N. a G. 1098 a 1 — 17) und in Übereinstimmung mit ü'jTizp Itjoii-vj dieses Glied bis 1120 a 9, von 1130 a 6 — 1181 h 24 findet sich aus H» nicht eine einzige Variante bezeichnet, man müsste also hiernach annehmen, d.nss in diesen Par- tien, also in dem bei weitem grössten Theile der Ethik, die Bekker"sche Aus- gabe einfach ein Abdruck des Marcianus sei. Die Vermuthung, zu der man durch Betrachtung dieser Thatsachen unabweislioh geführt wird , dass nämlich Bekker nur für einen kleinen Theil der Nikomachischen Ethik den Mar- cianus verglichen und es unterlassen habe, diese nur theilweise Vergleichung in der Aufzählung der für die Ethik benützten Handschriften p. 1094 zu bezeich- nen, bestätigt sich durch eine Collation der Handschrift für die gesamnite Ethik, welche ich vor ein paar Jahren vorgenommen habe. Kritische Ausbeute hat diese Collation so gut wie gar nicht ergeben, sondern nur bestätigt, was sich im Voraus vermuthen liess, dass Bekker Grund hatte, von der Collation der ganzen Hand- schrift abzusehen; sie ist an Fällen der üngenauigkeit und an Auslassungen so reich, dass sie für Textesrecension der Nikomachischen Ethik sehr geringen Werth hat. — Überhaupt hebt sich unter den Handschriften der Nikomachischen Ethik, wenigstens unter allen bisher verglichenen, keine an Glaubwürdigkeit so über die übrigen, wie etwa für die Physik und Psychologie die Pariser Handschrift 18i>3, bei Bek- ker E, oder für die Rhetorik die Pariser Handschrift 1741, Bekker's A<^ ; verhält- nissmässig verdienen Rb , d. h. Laurent 81, 11 (den die CardwelTsche Ausgabe dem Texte hat zu Grunde legen wollen, aber nicht in dem Masse wirklich verwerthet hat, als der Codex es verdient), und .Mb, d. h. Marc. 213, vor den übrii^en Beachtung, beides Handschriften, die auch zugleich die grosse Ethik enthalten. Leider fehlt uns für die Ethik das wichtige, die Handschriften an Werth über- treffende kritische Hilfsmittel, das wir für manche Aristotelische Schrift in den alten griechischen Commentaren haben; denn weder aus dem unter Eustratius, Aspasius und .Michael Ephesius Namen überlieferten Commentare , noch aus der griechischen Paraphrase ist eine erhebliche Unterstützung für die Texteskritik zu gewinnen. Wir sind daher bei der Nikomachischen Ethik, trotzdem dass sie verhältnissmässig leichter zu verstehen ist als manche andere Aristotelische Schrift, und trotzdem dass sich in neuester Zeit der Scharfsinn mehrerer Gelehrten mit besonderer Vorliebe der Texteskritik einzelner Stellen dieser Ethik zugewendet hat, von der Herstellung eines kritisch einigermassen gesicherten Textes noch weit entfernt. 2ö» 386 B o n i t z als eine nach längerer Unterbrechung durch die Parenthese eintre- tende Recapitulation des schon Gesagten bezeichnet wird: „Wenn jede Kunst sich das rechte Mittelmass zur Aufgabe stellt (nun folgt erläuternde Ausführung dieses Satzes), wenn also, wie gesagt, dit' tüchtigen Künstler in ihrer Werkthätigkeit auf das richtige Mittel- mass hinblicken, die Tugend aber im Vergleiche zu jeder Kunst dei Vorzug grösserer Strenge und Vollkommenheit hat, so ergibt sich dass die Tugend nach dem richtigen Mittelmasse strebt". Ebenso evident ist die Verbindung mehrerer coordinirter Glie der in demselben Vordersatze Rhetor. ß 25. 1402 b 12—25: ensl §£ To. sv^ufxvi^ara H'^srai ix. Tsrrapwv, rä oi rsTrapc 15 raür' iarlv eUog 7icipä.dtiyiJ,cc Tsxixripicv a-nixslov^ eari §£ toc /jiIv ix tc3' (bg ini tö koIv t/ ovtwv rj ooxouvrwv a\)vrrj\).ivo!. £v3-j/Jt,r;^aTa ex TcZii euÖTwv, rd oi \oi lna')(ji^Tig'\ oia. zov oixoiou, y) ivog vj ttXsiövwv orav locßüjv t6 xa^oXov ehoc avlloyiamai zcc xara lJ.ipog, ota nccpcx- o£iyiJ.ccTog^ rd oi oC dva-yxccfou y.ai < dsi > ovrog dia. t£x/ji.>7- 20 pt'ou, rd di ö'td tov xcc^ölov rj zov iv [kipzi ovro?, iäv re 5v edv r<. fjirj, dtd cxryfjL££WV, TÖ ö's £1X0? ou xo olü ollä TÖ (hg irri tq noXit' (oocvspov ort TU rotaüra juilv rwv iv-S-yp-ry^adTOJv dei sgti 1-jsiv fipovra haraaiv^ -n oi ),C>aig (paivoixivn älV ov/. uArj^rig dsi xr/. In der Entfernung von di' irca^^oijng 6 16 aus dem Texte bin ich Spengd's, in der Hinzufügung von d£t 6 19 Vahlen's evidenter Conjectur (Vahlen, zur Kritik Arist. Schriften S. 85) gefolgt. Die Interpunction ist so beibehalten, wie bereits die ßekker'sche Aus- gabe sie gibt, nur habe ich der Deutlichkeit wegen vor oid nccpoc- dsiyixazog b 18 ein Komma gesetzt, dus Bekker nicht hat, und den Nachsatz durch ein Kolon vor ^oLvtpbv öri b 21 von dem Vordersatze unterschieden, wo Bekker blosses Komma setzt. Der Vordersatz bezeichnet in seinen ersten beiden Gliedern die Eintheilung der rhetorischen Schlüsse, £v3'U|ji.r/;jt.aTa , in vier Arten, definirt sodann jede derselben, und nachdem er auf Grund dieser Definitionen das wesentliche Merkmal für die ivBvixrj^uTix iy. tcüv ££xötwv herausge- hoben hat, zieht der Nachsatz daraus die Folgerung über die leichte Lösbarkeit dieser Art von rhetorischen Schlüssen. (Während die Construction dieses Satzes vollkommen klar ist, gilt nicht dasselbe von der unmittelbar folgenden Stelle. Die Entgegnungen gegen die Schlüsse aus dem Wahrscheinlichen, sx twv ££xötwv, sind, wie schon die Schlussworte des angeführten Satzes besagen, oft mehr Aristotelische Studien. 387 scheinbar als wahr und wirklich beweisend. Denn man entkräftet häufig nicht die Wahrscheinlichkeit, sondern die Nothwendigkeit der gezogenen Folgerung, und hat doch damit den Anschein, jene selbst widerlegt zu haben. Desshalb ist vor Gericht der Vertheidiger in günstigerer Lage als der Ankläger; denn der Ankläger muss seinen Beweis in der Regel auf Wahrscheinlichkeit gründen, und der Ver- theidiger scheint den Beweis schon dann entkräftet zu haben, wenn er die Folgerung nur als nicht nothwendig erweist: dio xai dsi erjrt nleovexTslv dnoloyoOixevov ixallov 77 xccrr/yopovvTCx. diä tciOtov töv nocpaloyt.aixöv' insi ydcp 6 fxsv xccrriyopSiv dt' eüöroav ärrodeüvuCTtv, eart de ov tccvtq lOacci r, Sti ovx eixög yj ori o-Jx «vayxarov xtX. Wie weit man auch im Folgenden selbst über Puncte hinweg fortlese, es findet sich schlechterdings nichts, was als Nachsatz könnte betrachtet werden. Die Annahme einer Anakoluthie, nach Art derjenigen, welche unten im Abschnitt V zur Betrachtung kommen, halte ich nicht für wahrscheinlich; denn so viel ich beobachtet habe, findet sich sonst, wenngleich der grammatische Zusammenhang des Vordersatzes mit dem Nachsatze durchbrochen ist, doch hernach der Gedanke wirklich ansgesprochen, der den Nachsatz hätte zu bilden gehabt. Das ist aber hier nicht der Fall. Wahrscheinlich sind die Worte ind yäp verderbt. Man würde ausreichen, wenn man mit cod. Q yccp wegliesse, erhielte aher durch diese Schreibung, die vermuthlich selbst nur auf Conjeetur beruht, nichts der üblichen Ausdrucksweise des Aristoteles Entsprechendes; ich vermuthe vielmehr, dass irzzi in xat zu ändern ist: xat yäp 6 iiiv y.arrtyopüjv xtA., dem dann ent- spricht 6 30 6 öl xpiT-ng ohToci, av o-jrwg ilii^in xrX. , welche W^orte man übrigens bei Aristoteles trotz der einstimmigen Überlieferung der Handschriften nicht kann uncorrigirt lassen; vermuthlich wird, wenngleich die Änderung etwas gewaltsam scheinen mag, av ovtou; Iv^Y) zu schreiben sein.) Ähnliche Perioden mit mehrgliedrigem Vordersatze sind nun nicht selten in der Weise verkannt, dass als Nachsatz angesehen ist, was vielmehr noch einen Theil des Vordersatzes bildet. So Eth. Nie. X 7. 1177 6 16 — 26 selbst noch in der dritten Auflage (1861) der Bekker'schen Einzelausgabe der Ethik. Nachdem Aristoteles am Anfange des Capitels die Thätigkeit des voög in der ihr eigcnthüm- lichen Vollkommenheit als die vollendete Eudämonie bezeichnet hat, weist er sodann nach, dass dieser Thätigkeit die der Eudämonie 388 B o n i t z zuerkannten Prädicate in unbedingter Weise zukommen, und die sonst etwa hochgestellte sittliche Thätigkeit in der Stiuitsverwallung oder in der Kriegsführung- den Vergleich mit ihr nicht aushält. Dieser im Einzelnen durchgeführte Nachweis 1177 a 18 — b 15 wird sodann in folgendem Satze zusammengefasst: ei ori Twv fxiv xard rä? dpsTccg npä^ttov ai TzohTUcä y.al Kol£ixiy.v riltiov • ovoev yäp dre'kig iazi twv rf^g svdcnixovictg. Nach dieser Interpunction Bekker's muss man zu dem mit et 5rj eingeleiteten Vordersatze den Nachsatz bei xat rd aurapxsj d-n beginnen lassen, und so hat dies Rieckher in seiner Übersetzung wirklich gethan, obgleich doch gerade die Übertragung in die Mut- tersprache die Unmöglichkeit des sich auf diese Weise ergebenden Gedankenganges deutlich herausstellt, die durch den Schleier der fremden Sprache einigermassen verdeckt werden kann. Selbstän- digkeit, Müsse, Mühelosigkeit, ja überdies alle noch sonst irgend dem Glückseligen zuerkannten Eigenschaften können doch nimmer- mehr als Folge betrachtet werden von dem, was in dem bis dahin begrenzten Vordersatze ausgesprochen ist, nämlich von der Unselb- ständigkeit und Ruhelosigkeit der politischen und kriegerischen Thätigkeit und von dem Vorzuge der Vernunftthätigkeit, dass die- selbe, dem reinen Erkennen hingegeben, keinen ausser ihr selbst liegenden Zweck verfolgt; zu dem ersten Gliede des Vordersatzes stände dieser Nachsatz in gar keiner Beziehung, selbst wenn man durch kühne Ausdeutungen erzwingen könnte, auch das allgemeine oa« äl'Aci TU) [xa-KOLplut dKoviiisrar. aus den drei Voraussetzungen 3-£{t)pr/TtxY3 O'jaa, Trap' a'jrrjv ovosvog ifisG^ai rilovg und i'/^siv ridovrjv otxstav abzuleiten. Aber dass Aristoteles mit den Worten xcci tö avTapatg — övra nicht hat eine Folgerung aussprechen wollen, ist ebenso sehr aus dem sprachlichen Ausdrucke als aus dem Zusam- menhange mit der vorhergehenden Erörterung 1177 a 18 — b 15 ersiclitlich; denn in dieser wird die aurdp-/.tioc nachgewiesen a 27 Aristolersclie Studien. 389 bis b 1, das ärpvr&v a 21, 22, das ayo/a^rix.öv b \—\ö, cbeiisü wie die von Bekker noch in den Vordersatz aufgenommenen Momente o-jovjog Trap' avrf/v i'^cscj^ai rilovg 6 1 — 4, v^oovrj oüsta « 23 — 27; und dem entsprechend wird auch a-jrapxs? cyolc^mv/.o^) ärpyrov nicht als ein erschlossenes (siV^ äv, aviißabti £''v«i u. ä.) bezeichnet, son- dern es wird darauf als auf etwas evident Vorhandenes, «patverat ovra, hingewiesen. Es ist nach alle dem kein Zweifel, dass erst bei Yj Tslsia. oYi der Nachsatz zu beginnen ist, wie dies vor Bekker die Ausgaben von Zell und Cardwell und die Lambin'sche Übersetzung, nach Bekker die Didot'sche Ausgabe bezeichnen. Sprachlich möglich ist es nun auch bei dieser Construction, dass das noch dem Vorder- satze angehörige Glied xat tö aijTocpxsg die Partikel oh habe, aber gewiss nicht wahrscheinlich; denn es würde dadurch diesen Momen- ten, (xv7(Xf>y.sg ayoloi.aTiy.bv ärpurov, in Vergleich zu den vorhergehen- den, zilog otV.sIov, r^oovrj otxsta, ein Nachdruck gegeben, wie es für ihr gegenseitiges Verhäitniss, vollends wenn man an die einer solchen hervorhebenden Betonung nicht fähigen oacc oC/lci. d^rovifxe- TOLi denkt, nicht passt; es wird vielmehr durch die ganze Reihe der Aufzählung von Vorzügen das im Vorhergehenden Dargelegte gleichmässig in Erinnerung gebracht; die Partikeln, welche man hiernach zu erwarten hat, xai — oi, finden sich in den Handschriften M''ü'' und sind mit Recht in der Sylburg'schen und der Zell'schen Ausgabe dem or, vorgezogen worden. Hiernach gestaltet sich, wenn man 6 21 der Deutlichkeit wegen eine Parenthese setzt, 6 22 Kom- mata, welche die Übersicht erschweren, weglässt, der ganze Satz in folgender Weise : £t Bri Twv [klv y.a.Ta. zag dpsTccg npd^iOiv oci TroXircxat xai nole- ixr/ioü xa/Xcc /.oci fisys^si npoiyovaiv, a-jrat o' äayoloi xat Tiloxig rivog ifiiVToci xat Oll de' avrdg aipSTOii etcrtv, rj §i tqO vov ivipyeioc anovd-^ TS QiOL'fipzvj doxel 3-£copv/Ttxr2 ovaa, xat nocp' ccvTrjv ovSevög i(f>Ua^a.t 20 TS/oug, ^X^tv T£ YiQOvrtV oiy.siocv (aurv? de awaO^si Tr,v ivip'^jtictv)^ xat TÖ a-jTOLpxsg de xat cyoXoi.aTiy.ov xat öiTpvTOv djg av3-pa);rw xai oacc ä/Aa TÖ) ixxy.apicü ÜKOviiiETOci /.aTCf. ra-jrrjv rriv bAp'^izici.v (^aivsTai ovTOC' Yj Tsleia drj z'joaiixovia. o^jTfi av etv? ävo-pw/Tov, ?>a^0'j(7a 23 ^rty.og ßiou tUsiov • O'joev yäp a.Tt\ig iaTi twv TTtg s-Jdaifxovtaf. „Wenn nun unter den tugendhaften Handlungen die staatsmän- nischen und kriegerischen an Schönheit und Grösse sich hervorthun, diese aber mussclos und auf ein (von ihnen unterschiedenes) Ziel 390 B o 11 i t z gerichtet und nicht um ihrer selbst willen erstrebenswerlh sind; und wenn dagegen von der Thätigkeit der Vernunft anerkannt wird, dass sie, als auf Erkenntnlss gerichtet, einen höheren Werth besitzt, keinen ausser ihr liegenden Zweck erstrebt und eine ihr selbst angehörige Lust mit sich bringt, und wenn Selbständigkeit, Müsse, Freiheit von Ermüdung, so weit diese dem Menschen möglich ist, und was nur irgend dem Seligen zugeschrieben wird in dieser Thätig- keit sich als vorhanden zeigt: so ergibt sich, dass diese die vollkommene Glückseligkeit des Menschen ist, wenn sie die volle Dauer des Lebens erreicht; denn an der Glückseligkeit ist nichts unvollkommen." Bei einer leichten Stelle aus der grossen Ethik Mor. M. a 34. 1195 ö 37 — 1196 « 4 wird das Setzen der richtigen Interpunction schon im wesentlichen von der Richtigkeit der dadurch bezeichne- ten Satzfügung überzeugen. Es fragt sich, ob es möglich ist, sich selbst Unrecht zu thun, aüröv airöv ddiaeXv. Für die Möglichkeit spricht folgende Erwägung: ei yäp ä. 6 v6iJ.og tocttsi npdmiv raörd iari dUocta^ 6 jJir) n KpäTTCiiv TU'jTa douel' xcä £l npog ov xeXeuet TTjoarretv, npög toö- Tov £^ iXY] TzpäTTsi^ TovTOv dor/.£i , 6 de vöi^og -/.eAeuei otiifpova, eivai, ovaloLv xsjtT^a^at, atbi^ccTog iniiie'XeiGd'ai xat raXXa rd rotaüra, 6 ä äpcx. raöra |xvj npdzTOiv doixel auröy eig ou^ivoc ydp dAXov twv TOtov- Twv doiy.rt^droiv ri dva'jtopd eurtv. „Wenn die Befolgung der Vorschriften des Gesetzes gerecht ist, so begeht wer sie nicht befoii,4 eine Ungerechtigkeit; und wenn die Übertretung der Vorschriften des Gesetzes ein Unrecht gegen den ist, in Beziehung auf den das Gesetz die Vorschriften macht, das Gesetz aber Selbstbeherrschung, Vermögenserwerb, Sorge für den Körper und anderes der Art vorschreibt, so begeht wer diese Vorschriften übertritt ein Unrecht gegen sich selbst; denn auf keine andere Person lassen sich die ungerechten Handlungen dieser Art beziehen." Der Beweis für die Möglichkeit des d^txslv aCiTÖv wird in zwei, jedesmal durch el begonnenen Sätzen geführt, welche sprachlich durch xat wie coordinirt neben einander gestellt sind, von denen aber dem Gedanken nach der erstere die allgemeine Grundlage für das erste Glied des Vordersatzes des zweiten, den eigentlichen Beweis enthaltenden Satzes bildet: ,,So wie überhaupt Übertretung der Aristotelische Studien. 391 Vorschriften des Gesetzes ein Unrecht ist, so ist sie insbesondere ein Unrecht gegen denjenigen, in Beziehung auf den das Gesetz die Vorschrift gibt". In der Weise nun, wie es so eben in dieser erklärenden Umsclireibung geschehen ist, schliesst Bekker den Satz selbst ab, indem er a 2 nach dor/.sl einen Punct setzt. Man müsste demnach die Partikel si in den Worten Kpog tovtov ei ixr) nparTti als blosse Wiederaufnahme des vorher stehenden d ansehen, also: d Tzpög Toxjzov fxri TtpdcTrsi^ Txpdg ov 6 vöjm.o? xsXsust rrpärrstv. Eine solche blosse Wiederholung der Partikel st ist gegen den Sprach- gebrauch des Aristoteles so wie des Peripatetikers, der die grosse Ethik geschrieben hat. Das zweite d führt vielmehr eine der erste- ren untergeordnete Bedingung ein, die man sich, wenn es nöthig scheint, durch Umwandlung in participiellen Ausdruck erläutern kann: xat ei ixy) n-parrwv Trpög toötov, Kpög öv 6 vöp.o? xeXeust, toütov douel. Sobald die Nothwendigkeit dieser Auffassung des zweiten ei anerkannt wird, ist die Richtigkeit der oben gegebenen Satzfügung, dass nämlich der zweigliedrige Vordersatz bis toiocjtu reicht, erwie- sen. Diese Construction habe ich bereits unter Hinweisung auf die Ausgaben von Casaubonus und Sylburg in meinen Obs. crit. ad Eth. p. 14 empfohlen; sie ist neuerdings in der Didot'schen Ausgabe aufgenommen worden. An einer Stelle der Schrift über Entstehen und Vergehen de gen. ß 6. 333 6 26 — 33 hängt die Frage nach der richtigen Auf- fassung der Satzfügung noch mit anderen Schwierigkeiten der Erklärung und der Textesüberlieferung zusammen. In der Kritik nämlich der Empedokleischen Naturphilosophie erhebt Aristoteles unter anderen den Vorwurf, dass Empedokles über die Bewegung, welche er auf die Freundschaft und den Streit als deren Principien zurückführt, nur in unbestimmter Allgemeinheit spreche, rrspt y.ivri- aeoig änlüjg li'^ei b 22. Wir werden dadurch an den von Aristoteles oft ausgesprochenen Tadel erinnert, die Unterscheidung des Empe- dokles, dass der Freundschaft das av^apivetv und ycvväv, dem Hasse das dtaxpt'vstv und f^eipei-^ zukomme, lasse sich nicht durchführen, weil mit jeder dieser beiden, den unterschiedenen Principien zuge- wiesenen Thätigkeiten die entgegengesetzte untrennbar verbunden sei, vergl. z. B. Met. A 4. 98S « 21. ß i. 1000 a 24. Ein etwas anderer Gesichtspuiict ist es, den hier Aristoteles in seiner Kritik geltend macht; er versucht nämlich auf die bewegenden Principien 30 392 B o 11 i t z des Empedokles die in seiner eigenen Naturphilosophie übliche und weitgreifende Unterscheidung der naturgemässen und naturwidrigen Bewegung, xarä ^Oatv und Tiapä (p-jatv oder ßia ■/.ivsXo^at, anzu- wenden: £Tt 5' irtd (ptxivsTCci xat ßiq. y.a.1 ncupa. yOatv /'.tvo6;/.£va ra aüii^ccToc, xat xara yC/atv, oiov tö nvp ävo) jxev oü ßta, xärw ^e ßta, töj os /Sfqc TÖ xara i^daiv ivavrtov. eirrt ds tö jSta* sttiv äpa xac tö xaTä ipyatv xtvstCT^at. raOrrjv ovv r, ^ilia. xtva, 77 ou • TOiJvavTtov 7ap t/:v 7r/v ävco xai oiocTipiaei eotxev • xat |j(.äA)>ov tö veüo? acVtov Tf/j xaToc cp6c7tv xtvf/aeoü? ■>/ r/ 7 ixaXkov. So schreibt und interpungirt Bekker und mit ihm unverändert die Didüt'sche Ausgabe. Man hat nach dieser Interpunction zu dem Vordersatze ir.ei ^atvcTac — aüiikara. den Nachsatz mit xat xara ^6(7tv zu beginnen, wie dies auch wirklich die lateinische Über- setzung des Franz Vatablus thut. Dadurch erhält man aber einen nicht nur an sich unrichtigen, sondern, worauf allein es ankommt, einen in dieser Form dem Aristoteles schlechthin nicht zuzuschrei- benden Gedanken. Es wäre ganz wohl denkbar, dass auf imi ßia. y.a.1 Tzapä fiiaiv xcvstTat rä <7w/j.aTa, Aristoteles einfach den Schluss folgen Hesse y.al v.ata (jiüaiv (nämlich yj.vtirai), indem dabei die Berufung auf das gegenseitige Verhältniss der ivavria als Mit- telglied des Schlusses stillschweigend vorausgesetzt würde; aber nimmermehr kann er aus der Wahrnehmung oder der feststehen- den Thatsache, i^aivtrai xr^o6/x£va, der naturwidrigen Bewegung die Wahrnehmung oder sichere Thatsache der naturgemässen Be- wegung erschliessen wollen; denn es ist nicht einmal zulässig, die Verkehrtheit eines solchen angeblichen Schlusses dadurch eini- germassen zu überdecken, dass man zu y.aza fOaiv nicht faiverat xtvc/6|X£va, wie es geschehen muss, sondern mit Vatablus xivtlrai ergänzt. Und will man sich über alT diese Unmöglichkeiten hinweg- setzen, und überdies, wie es unter diesen Voraussetzungen noth- wendig wird, die Worte tö) os. ßlct. /.zl. durch eine stärkere Inter- punction, mindestens ein Kolon, von dem Vorhergehenden trennen, so geräth man mit den folgendin Worten in das neue Cbel, dass dasselbe in derselben Weise wieder gefolgert wird £(Jti oi tö ßia- iariv äpa y.ai tö y.arä fjaiv xivElo^ai. — Den einzig möglichen Weg zur Beseitigung dieser Übelstände hat bereits Prantl in dem seiner Übersetzung beigegebenen Textabdrucke eingesehlagen, indem er Aristotelische Studien. oUo I)is y.ctxa üJ(7'.v •/jyzli^a.K einen einzigen Süfz reichen !ässt. Der Vor- dersatz bestellt hiernacli aus drei Gliedern; das erste spricht aus, dass wir thatsäclilich ebensowohl naturwidrige als naturgemässe Bewegung walirnehinen, das zweite, dass diese beiden in conträrem Gegensätze zu einander stehen, das dritte s[)richt die Existenz der naturwidrigen Bewegung aus; gefolgert wird dann hieraus, das heisst im Grunde aus den beiden letzten Gliedern, zu denen das erste nur die Einleitung bildet, die Existenz der naturgemässen Bewe- gung. Soll nun in diesem Falle der Schlusssatz ecrrtv äfsa v.cd to xard yjcjiv xtveta^at sich nicht mit dem ersten Gliede des Vorder- satzes ^cdvtTo.'. — /cai xara ^6(7£v decken, so kommt es auf den Unterschied des eart ro ^Sta, rö /.CLro: fjoiv xiveia^at von ^atverat ßta, xara yv^'.v -/movixv^cc an. Nach dem Zusammenhange des vor- liegenden Abschnittes glaube ich diesen Unterschieil nur so auf- fassen zu können, dass ich bei iart tö ßia denke: „nach der Empe- d(*kleischen Lehre", ein Gedanke der dadurch gegeben ist, dass es sich ja in der ganzen Erörterung um Kritik dieser Lehre handelt. „Da naturgemässe Bewegung eben so sehr wie naturwidrige eine Thatsache der Wahrnehmung ist, da ferner diese beiden in conträ- rem Gegensatze zu einander stehen, und von Empedokles die eine, die naturwidrige, gesetzt wird, so folgt, dass für ihn auch die andere, die naturgemässe, existiren muss". Die naturwidrige Be- wegung aber der Empedokleischen Lehre als unzweifelhaft zuzu- schreiben, £(jrt oi 70 ßta, war für Aristoteles, sobald er einmal seine Unterscheidung des xarä fOaiv und rzapa fjrji.y in die die- selbe nicht enthaltende Empedokleische Lehre einschob, dadurch nahe gelegt, dass nach Empedokles den Dingen die Bewegung durch Principien zukommt, die ausserhalb ibrer eigenen fO^ig liegen, also hiermit jedenfalls ein mxpcc fvaiv xtvst^r^ai gesetzt ist. Unter Voraus- setzung dieser Auffassung schliesst sich die folgende Frage daran ganz verständlich an: „Ist es also die Freundschaft, welche diese naturgemässe Bewegung bewirkt?" Denn dass diese Worte als Frage zu verstellen sind, hat PrantI richtig bezeichnet, nur durfte die Frage nicht ununterbrochen bis r, o-j erstreckt werden, sondern es ist zu schreiben: ra-jTrjv o-jv V7 (pUi'o-yr, xtX. Trendelenhnrg in seinem Commentar schweigt über die Schwie- rigkeiten, in welche man sich bei einem Versuche, diese Stelle 10 398 B 0 n i t z grammatisch aufzufassen, unausweichlich verwickelt findet. Torstrik gibt zu einem Puncto derselben eine schätzbare kritische Bemer- kung, nämlich zu h 9 -h toiovto: „Dubito utrum r/ tw tovto tawg r} ezspov ri Aristoteles scripserit an rj to) tovtg r} Xaoiq erepöv rt an simile quid. Vulgata certe corrupta est". Sowohl diese letztere Erklärung als die Richtung der vorgeschlagenen Emendation muss als richtig anerkannt werden; denn es ist der Absicht dieser ganzen Beweisführung widersprechend, dass das Denken „etwas anderes** sei, eVepov ti, nämlich als Bewegung, sondern die Überzeugung, dass To ^ic(.voEZa3on MvziG^ai tL sart muss festgehalten werden; folglich kann eVepöv ti nur zur Bezeichnung eines anderen Substrates des xivela^oci, im Vergleiche zu dem im Vorigen enthaltenen tyjv xctp- diav (hoi 7,ivtla^c/.i^ oder einer anderen Art des Bewegtwerdens gemeint gewesen sein. In die erstere dieser möglichen beiden Be- deutungen bringt Torstrik durch seine Emendation die in der überlieferten Form unverständlichen Worte. Aber die Änderung des Textes kann nicht hierbei stehen bleiben, sondern muss nothwendig in die vorausgehenden Worte zurückgreifen. Die AfTecte, ferner das Wahrnehmen, das Denken sind als Bewegungen bezeichnet, xivriotiq zial^ ixcctyrov ro6ra)v eotI -/.lyslG^at; dem entsprechend ist nicht zu erwarten, dass in der speciellen Ausführung gesagt werde cFov TÖ opyi^so^cii r; (poßsla^at tw tvjv xcipoiav ojoi xtvela-S'at, son- dern TÖ ryjv xapoiav choi xivsT/j^ai. Der Nominativ wird, trotz der geringen handschriftlichen Autorität, die er für sich hat (cod. V), in den Text zu setzen sein, und darnach ist es dann nicht zulässig, im. Folgenden den Dativ erst mit Torstrik durch Conjectur in den Text zu bringen, sondern es wird o rö aiiTO laoig rj irepov rt, r, ro tovtq t^wg ■?/ irspov rt, T/Toi toOto '(fjoig r, zTEpöv rt (immer mit hinzu- gedachtem y.ivila^ai) oder Ähnliches herzustellen sein. Aber mit diesem allen ist die zum Verständnisse der Stelle doch unerlüssliche Einsicht in die Satzfiigung noch nicht erreicht. Nach der bis in die neueste, Torstrik'sche Ausgabe hinein beibehaltenen Interpunction müsste man entweder eine Anakoluthie voraussetzen, dass sich der begonnene V^ordersatz unbestimmt verlaufe, ohne der sprachlichen Form nach durch einen Nachsatz abgeschlossen zu werden — diese Voraussetzung scheinen wenigstens die beiden Herausgeber der Psychologie nicht gemacht zu haben, weil sich dann unzweifelhaft eine Bemerkung darüber fände; oder man müsste den Nachsatz bei Aristotelische Studien. 399 TÖ di xtvct-j^at isTi\/ beginnen lassen: „Wenn es aueli wahr ist, dass Trauer, Ffeiide, Denken Bewegungen sind, so sind sie doch eine durch die Seele hervorgerufene Bewegung". Dass man eine solche, in der gesammteu übrigen atiischen Prosa unzulässige Gebrauchs- weise des oi im Naclisatze dem Aristoteles zugetraut habe, ist nach den verbreiteten Ansichten über den Gebrauch des oi im Xaclisatzc bei Aristoteles ganz glaublich; dass die sämuitlichen Stellen, durch welche diese Meinung begründet wird, keine Beweiskraft haben, wird im weiteren Verlaufe dieser Abhandlung (Abschnitt IV) nach- gewiesen werden; es möge also erlaubt sein, hier schon das dort Erwiesene vorauszusetzen und den Anfang des Nachsatzes bei tö oe xivciG^cci zu verwerfen. Die andere Annahme aber, die einer Anako- luthio, ist doch nur das äusserste Mittel, wenn sich schlechterdings eine wirkliche Salzfügung nicht auffinden lasst. Diese findet sicli aber im vorliegenden Falle, sobald man nur b 1 1 für ro oi. liystv mit den Handschriften S T ro o-n /iye'.v schreibt und den ganzen Satz entsprechend gliedert: ££ yäp xcii ort ixüAioroc ro AVT:£tG^cx.i. v; yalotvj v^ ^iccvoslaBoLi y.tvr;;j£ts' ti'jl y.ai sxai7Tov xivsta^at toOtcüv, tö de xii/sia^ai ecrtv vnö rr,g •^'jyj,q ^ oFov to öp-yiCea^ai t, (fo^tXa^ai z6 rr,v xapdiav uidi /Ctv£tj3'at, TÖ oi oiocvosTa^Cii v; ro roOro t'^coj r, btzCÖv t'. , ToOrwv di <7y/ji.|3atv£t rä fxiv xarä oopa.)/ rtvcöv xtvou/Jt-svcov, za. oi xctr^ dlloioi- mv (jicfa oi x.ai nQg., irspog iari loyog^' ro orj }Jy£iv öpyll^SG^a.'. TY/V •■l/vyrjv oikoiov xav et rig Xiyoi rriv '■^•jyr,v Ofccbsiy r, oixodciitXv • ßÜTiov "yäp 'iaoig [vn Xiysiv rr,v ^vy/iv ilseiv r, ;j.av3-dvc'.v r^ diavoii- c^ai, ocAAcc Tov ävc3-p&ü/rov rf, 'y^vyri. Durch die Erwägung, dass die AfTecte der Freude und der Trauer, der Furcht und des Zornes, die Vorgänge des Wahrneh- mens und Denkens Bewegungen sind, könnte man sich leicht zu dem Schlüsse berechtigt glauben, dass die Seele selbst in Bewegung sei. Der Schluss ist aber nicht richtig. „Denn wenn es auch durchaus wahr ist, dass diese Vorgänge Bewegungen sind, jede derselben ein Bewegtwerden ist, die Bewegung aber durch die Seele als die wir- kende Ursache hervorgerufen wird (z. B. Zorn oder Furcht besieht darin, dass das Herz so und so bewegt wird. Denken darin, dass etwa dies oder etwas anderes bew egt wird, und davon tritt das eine ein, indem etwas eine Ortsveränderung, das andere, indem etwas eine Qualitätsveränderung erfährt, auf deren nähere Bestimmungen Sitzb. d. pl.il. -Iiist Ol. Xl.l. Bd. II. Hfl. 2G 400 B o n i t z wir jetzt nicht eingehen), sojst es ja eben so unrichtig zu sagen, die Seele befinde sich in der Bewegung des Zornes, als zu sagen, sie befinde sich in der Bewegung des Webens oder Bauens; m:\n hat vielmehr nicht der Seele, sondern dem Menschen in seiner Seele (durch seine Seele?) die Bewegungen des Mitleides, des Lernens oder Denkens zuzuschreiben" i). An einer von Schwierigkeit vollkommen freien Stelle zu Anfange der Meteorologie Meleor. a 2. 339 a 11 — 21 wird zu einfacher Bezeichnung der richtigen Gliederung nicht viel zuzusetzen erfor- derlich sein. Aristoteles erinnert nämlich durch die ersten Sätze der *) Bei dieser Geleg-enheit kann ich nicht unterlassen, in Betreff der auf den behan- delten Abschnitt zunächst folgenden Worte eine auf die Texteskritik bezügliche Anfrao-e auszusprechen. Im Einklänge nämlich damit, dass Aristoteles die Bewe- gungen der Affeete, des Wahrnehmens und Denkens als Bewegungen an sich nicht der Seele, sondern dem leiblichen Substrate zuschreibt, erklärt er im Folgenden, dass mit dem Eintritte der Alterschwäche nicht die Vernunft, viü;, eine Entkräf- tung erfahre, sondern nur die Organe ihrer Wirksamkeit, in derselben Weise, wie wir dies bei den Sinnesorganen bemerken, v5v 5' latu; o^sp sttI t(Jjv «Is&tjty)- piiov a'j|j.3o(iv£i- sl '(i.o Xdißoi ö TrpssßuTTj; ä(X[ia xoiovSt, ßXJTTOi av ujjirsp xai 6 virj%. lözxt 10 Yf;po(; (die Eiitkräftung, die geistige Schwächung des Alters) o'j toj ty)v 'h Ti ;z£7iov&=vai , a/X i-i oi (d. h. tö t/ lu, das leibliche Gefäss oder Substrat der Seele, der Körper), xa&au-p h (j.e9(3cu xat voaoi;. So wie in den angeführten Beispielen der Krankheit oder Trunkenheit, so wird dann auch im Alter die geistige Thä- tigkeit des Denkens und philosophischen Forschens beeinträchtigt: xal xo voslv Stj xal dscupsTv ixapatvsTat aXXo'j xivo; iacu tp9£ipo|j.£vo'j, auTo hi iKabii; ia-i. Die Schwierigkeit, die in dem suco liegt, ist von den Herausgebern der Psychologie unberührt gelassen. Trendelenburg , in seiner Bemerkung ausschliesslich auf die Frage bedacht, ob Aristoteles ein bestimmtes körperliches Organ gemeint habe, übersetzt iaio unbedenklich durch intus. Und allerdings lässt sieh nicht in Abrede stellen, dass wie sonst im griechischen Sprachgebrauche, poetischen und prosai- schen, so auch speciell bei Aristoteles laiu sich gleich IvSov gebraucht findet, vgl. Met. 08. 1030 a 21. Aber passt denn diese Bedeutung für die vorliegende Stelle? Das körperliche Organ, welches auch immerhin dies sein möge, wird doch natür- licherweise der geistigen Kraft gegenüber nicht als ein Inneres, sondern als ein Äusseres zu bezeichnen sein. Dass dies auch des Aristoteles Auffassungs- weise ist, zeigen deutlich die vorher angeführten Worte ou Tip ttjv 'j"J"/.7)v xi tisttov- Ssvai, aW i-/ w. Ich denke, wenn man diese nur um eine Zeile vorausgehenden Worte in Betracht zieht, wird man sich nicht bedenken, selbst gegen alle hand- schriftliche Autorität mit Änderung eines Buchstabens zu schreiben äXXou xivoj i V tp o&sipopi^vou „indem etwas Anderes, worin der Geist sich befindet, entkräftet wird". Simplicius hat unverkennbar saiu in seinem Texte gehabt, da er sehreibt f. 16« crXXou xivo; £ a (jj (p8£ipo[x;vci'j tj Trvs'jjiaxo; •?; xpdtjso); |xapo(iv£xai zo vosTv. Aber von Philoponus möchte man vermulhen, dass er tt tn las, indem sich daraus seine Bemerkung erklären würde E6 xoüxo Yiv£af>ai (jJTjai xoD Tcv£'j|j.axixo'j aujfxaxo;, ev (jj jtpiijxuj; £XXa|i.Tio'jjiv «i 'j^'J^ixal O'jvajxsi;, cpftopav xtja OTto|i.£vovxo;. (Erst nachträg- lich sehe ich, dass Steinhart, Progr. von Scbulpforfa 184,1, s; gefolgt sind „Apodosis huius loci ordieiida est vcrbis oio irsf-o) ;tiit omnino nulla est, euius generis exetnpla v. iul IV 1, 30. Nam Came- rarii ratio apodosin verbis ixin^og äoa y.rl. tribuentis non satis placet" ist, so weit sie sich auf Cainerarius' Conslm-tioo einlässt, nichtig, so weit sie vor» Vordersätzen ohne Nachsatz als einer dem Aristoteles /uzuschreibenden Eigenthiimlichkeit spricht, auf solche Auslegungen gestül/.t, die hoireiillich im Verlaufe dieser Ahhandhing werden beseitigt worden. Mit oV; iripw den Nachsatz zu beginnen, indem ütö dem Yun Aristoteles im Beginne des Nachsatzes gebrauchten wctt; vergleichbar ist (vgl. unten Abschnitt 111), ist mindestens unzweck- mässig, da iripw KoitX zu dem Inhalte des Vordersatzes vielmehr die Stellung einer Erklärung als einer Folgerung einnimmt. Die hier gciechtfertigte Constructiun von Camerarius hat in der Rieckh.er- schen Übersetzung Aufnahme gefunden. Wie an dieser Stelle der Ethik, so ist an einer Stelle zu Anfange der Poetik Poet. 2. 1448 a 1 — 9 gegenüber der jetzigen Inler- punclion und theilweise auch der Texteskritik auf ältere Ausgaben zurückzugehen. Im Einklänge nämlich mit der MoreU'schen (Paris, lÖoo) und der Tyrwbilfschen Ausgabe, nur mit Hinzufügung einer den Überblick erleichternden Parenthese, ist zu schreiben: iKzi Ol |Ji,t,aoövTat oi ixiixoiiixivoi TTparrovrag, dvdyx-n oi roj- rou? r, GKO'jdaio-jg r, (pa-JAOvg zhai (rä ^ap n^Yi ayjoov äci z:,i>7C,ig «xcXou3-£t /j.övo'.^, y.a.y.ia yccp y.ai äpirr, rd r.^r, oiaoipoufji rävTe?), rjTOi ßsAriovag r, y.v.^'' r,\}.äg r, ■^^ziprj^a.g r, y,cä roio-Jzo-jg, coaTzsp o'. ypoc'fsXg (rioX-j'/voüTog y-iv yäp -/.psiTzo-jg, Ilavawv oi yzipoug^ Atov6- aiog oi 6[koioug slx.aCev) • or^lov dii öVc y.al r'iv liy^^uo'JiV ky.drjrT, lj.i{xr,<7£U}v i'lcc Tixürccg rag oia^opüg , x«t eoTCCi izipcc rü> iztpcc piXit- (jcat roOr&v tov rpoKO^j. „Da die Nachahmenden Handelnde nachahmen, und diese noth- Mendig entweder sittlich würdig oder niedrig sind (denn hierauf beruhen alle Unterschiede des Charakters), entweder besser als nach unserem gewühnlichen Masse oder schlechter oder ihm gleich, wie unter den Malern der eine seine Darstellungen über die Wirk- lichkeit erhöht, der andere unter sie erniedrigt, ein dritter die Wirklichkeit einhält: so ist offenbar, dass auch von den erwähnten Nachahmungen eine jede diese Unterschiede zeigen und sie je nach den in dieser Hinsicht verschiedenen degenständen ihres Nachahineiis von einander verschieden sein werden". Dass mit 406 B o n i t z ovlo^j der Nachsatz beginnt, ist durch den Inhalt von Vorder- und Nachsatz unmittelbar gewiss. Für den Gedanken erkennt auch Ritter den mit o-ölov beginnenden Satz als Nachsatz an, für die gramma- tische Form aber beruhigt er sich bei der nur für Aristoteles so leichthin zugelassenen Annahme „-apodosis deest". Ritter setzt nämlich mit Rekker nach eiy.aUjv einen Punct und schreibt dann o-nAov de, wie Rekker im Texte hat ohne Angabe einer hand- schriftlichen Varietät, ulso, müssen wir annehmen, im Einklänge mit den drei von ihm verglichenen Handschriften. Selbst gegen alle liandschriftliche Autorität würde man in einem Falle, wo die Con- struetion so offen vorliegt, die geringfügige Änderung von ds in d-h nicht zu scheuen haben; aber es kommt hinzu, dass die vorher genannten Ausgaben, die MorelTsche und die Tyrwhitt'sche, df/lov drj haben, beide ohne Nutiz über eine Abweichung von den Hand- schriften. Eben so wie in dieser Stelle durch dr.lov und durch dr? gekenn- zeichnet i) ist der wirkliche Nachsatz Phys. t 1. 224 «34 — b 6. Nachdem im Reginne des Abschnittes der Physik, der über Verän- derung und RcAvegung handelt, Aristoteles in der üblichen Weise die Redeutung der Veränderung an sich von verschiedenen blos relativen Geltungen dieses RegrifTes, y.c/.za. 'j-JiJ.ßsß-ny.og ftsra/SaXXstv, xa-rä p.ipog i).zzaßa)Xziv ^ abgetrennt hat, geht er auf die Frage über, in welchem der verschiedenen bei der Rewegung in Retracht kom- menden Elemente die Rewegung vor sich gehe. inti Q irjTi [xiv zi z6 yj.vovv TipÖizov, lazi di zi zo x.tvov|;.£VOv, ezi h w, 0 XP^^°^' ''^•'- ^'^P^ zcpjza. I^ &'J "«' ££? o (?7äÄov ort £v rw £OXw, OVX iv TÖ) Et'Ö'St • OÜTE ^Äp XtVEt OUTS XlvelTtXt TÖ £'700? r, Ö TÖ/TO? v; TO Tojovoc, aÄÄ' £'7ri /«tvoöv x.at xtvo6^£Voy y.ai eig ö xivelTOCi. Bekker sel/.t b 3 vor ro6rojv, b 5 vor r, dr; Piiiicte, gibt also, da vor dem ersteren Puiicle sich kein Salzglied findet, das nach Form oder Inhalt für den Nachsatz zu dem durch imi eingeleiteten Vor- dersätze gellen könnte, die grammatische Construction schlechthin auf. Nun ist ja aber offenbar, dass mit den Worten -ä?« yäp eine Erklärung zu £^ cv -/.ai sig o beginnt, welche Erklärung, diese beiden Factoren von dem xtvo6/jL£vov unterscheidend, fortreicht bis 6 4 rö d' iE o-j. Hebt man zur Erleichlerung des Überblickes diese Erklä- rung ijiirch I\lamniern aus dem Salze herau.«, so tritt die Zusammen- geliörigkoit des daiui beginnenden Nachsatzes -h oh xbr^a'-g mit dem durch sKii d' eingeführten Vordersatze um so deutlicher hervor: „Indem bei jeder Bewegung fünferlei in Betracht kommt, das Bewe- gende, das Bewegte, die Zeit, der Zustand aus dem die Bewegung beginnt, der Zustand nach dem sie hingeht: so ist ollenbar, dass bewegt, in Bewegung begrifVen das Stofl'iiche ist (iv tw C'^Xco, wie das Stoffliche individualisirend unter Beziehung auf das in der Erklärung angewendete Beispiel bezeichnet wird), nicht der Zustand aus dem oder in den die Bewegung stattfindet (^tioog. rönog^ ro^övds je nachdem die Veränderung a/loifjiGtg oder fopd oder a-j^r,atg xai f^iaig ist)". So conslruirte Sinspücius und vor ihm Alexander, vergl. Schol. 39o b 2 y.a.i etre ovrct) ypa.(psTai ,^yj dl xt'vrjfft?" str* cÜTOig y,r; oh y.ivr,'jig"' . dixtpÖTSpa ToOro) äy.oAoO^-cxig indysTCci tö) „e/T£t de Ion i),iv zi rd x'.voOv" y.tx'i -olg i^fjg . . . 6 oi 'A/£tavdpoc, £{' ,a£V „r, ort xtvvjat?" £[•»/ ycypc(iJ.iJ,iyov, 'ir.za^oLi qy^ toiito rclg -poripotg (hg £ipr,Tai or,Grj' si di ypd^poizo „ri ök y.ivr,aig"' '/.tA. Wie sich der Exeget die Construction zurechtlegt unter Voraussetzung der Schreib- weise r; OB x;vv}!7[g, wird mir aus Simplicius' Worten nicht klar und kann füglich übergangen werden; übrigens zeigen die Worte .Alexander's, bis in welche Zeit das an dieser Stelle auch in unseren Handschriften ersichtliche Schwanken zwischen dyj und oi (oi EF, o-h H I) hinaufreicht. In gleicher Weise scheint Tbemislius con- struirt zu haben, indem er schreibt 49 a r.ivrs o-h toOtwv nepi tcc y.a^' odtTCf. x£vo6|JL£va ^tCüpou/xivcüv, toö xivoüvto?, toü xivoy/X£vou, toö ■fpvj'-j'j bj o) r, xtvr;7tc, it o-j ixEraßaAlsi, eig o, £v Tt'vt toOtwv tö y.':vr,'ji.g : dr'. /J.ev ovv oOx £v r'I) xjvsvvrt, zpr^cztdv.^'xii.vj y.zX. Die 408 B 0 n i t z Construction der griechischen Erklärer hat Prantl zwar nicht im Texte, aber doch in der Übersetzung befolgt; in den Text hat sie, mit derselben Anwendung der Parenthesen, wie ich sie oben bezeich- net habe, die Didot'sche Ausgabe aufgenommen. Nur hätte die Didot'sche Ausgabe mit der durch die Prantrsche Übersetzung bezeichneten richtigen Interpunctiun nicht zugleich die gewiss ver- fehlte Coiijectur dieses Gelehrten zu den letzten Worten des ange- führten Satzes aufnehmen sollen, nämlich dass b 6 y.y.'. vor dg o xtvEtrat, allerdings auf Grund der besten Handschrift E, aus dem Texte zu entfernen sei. Die Worte, wie sie in den übrigen Handschrif- ten und dem gemäss in der Bekker'schen Ausgabe stehen, bedeuten dasselbe, was kurz vorher durch irtpov yd^ zo Kpüjrov xtvo'j//.£vov ■Acci dg ö ■/.'.vdra.i xolI iz, ov bezeichnet war, und stimmen genau mit der Paraphrase des Simplicius Scliol. 395 b 9 ort iVspa y,(xl /.zyoi- piaixeycf. rö xivovv zö xcvo!j/jt.£vov y.ai tö sig o. Mit Weglassung von xai die griechischen ^^'orte in die Bedeutung hineinzuzwingen, welche Prantl in seiner Übersetzung ausdrückt „Bewegendes und Bewegt- werdendes hat sein Sein eben für jenes, in welches die Bew^egung vor sich geht" ist sprachlich unzulässig, denn das vorausgesetzte Bindeglied ^,für jenes" ist ja ohne jede Grundlage im Texte willkür- lich hinzugefügt. Für eine andere Stelle der Physik Phys. o 9. 217 a 10 — 18 wird es genügen, auf die Prantrsche Übersetzung hinzuweisen, welche im Widerspruche mit der Interpunction in seinem Textab- druck die Satzfügting richtig bezeichnet. Der Satz ist nämlich zu interpungiren: ind dt y.svöv juisv ov '^ap-^v dvai, zaAAa q r,7T:öpr,Ta.i aXr/^wg, OTi r, xivTjaig oux £<7ra'., ei pSn sGzai n-jyMOioig xui jnävwaig, r^ xvi).ocv£l 6 oüpavö?, •>> dii t(70v vd(x}p i^ dipog iazai y.y.i drtp i^ voazcg (orilov 15 ycip özi nltioiv d-np k^voazog yivsrai)- dvdyy.rj toiVjv, et i^^i iozi K'ilr,aig^ ri s^'w-S'O'^/Ji.evov rö v/oij.£v(jv zo iaya.zrjv y.-jiiabjztv tioisTv, v? aXXo^i nov l(JOV p.tzaßdAAti-j i^ dipog vooip^ 'iv' i näg ö'yxog zoü oAO'j 'iiog r,. r, ^-rjoh y.ivsia^cx.1. Bekker setzt vor dr^Aov b 14 Kolon, vor dvd'i-/:n b 15 Punct, ihm folgt an dieser Stelle die Didot'sche Ausgabe. Die Erklärung der Stelle und mit ihr der Beweis für die bezeichnete Construction liegt in der Erörterung, mit welcher das neunte Capitel anfängt, dass manclie Philosophen die Existenz dos Leeren aus den unzulässigen Arislolelisclie Sliulien. 4"J Consoqiicii/.on erweisen wollten, welche aus der Leugnung des Leeren unil der nach ihrer Meinung dadurch schon mitgesetzten Leugnung vnn Verdünnung und Verdichtung hervorgelien, nätnlich (2 IG 6 24) ei ro'jro (ro (juvcivat xal Kilv.o^a.'.^ irn dri , r, o'/Mg xivv^^t? oüx s^Tat, r, x'j(JLav£!: 70 oÄov, u)n-£p i'j>r, Hov^o^, r, tiq W^v äst < Qzl > /Asra- ßäXXitv ocsp« xat G^'jüo. (Die Ilinzufügung von Occ zu den zuletzt angeführten Worten, zur Construction erforderlich, wird durch das vorausgehende an Buchstaben fast gleiche «sc sehr erleichtert.) Phys. t 7, 238 «1—8. Aristoteles will erweisen, dass unmög- lich eine Bewegung in unbegrenzter Zeit eine begrenzte Strecke zurücklegen kann, wenn man darunter eben die gesainmte zurück- gelegte Strecke versteht, nicht etwa z. B. eine Kreislinie, in welcher sich der bewegte Körper unendlich oftmal bewegt. Unter der Voraus- setzung einer Bewegung von gleicher Geschwindigkeit ist es leicht ■i\\ beweisen, dass die Annahme der Möglichkeit begrenzter Strecke der Bewegung in unbegrenzter Zeit zu Widersprüchen führt. Man nehme nämlich einen Theil der gesammfen Strecke, welcher ein Mass derselben, von dem also die gesainmte Strecke ein bestimmt vielfaches, ein n-faches ist. Jenen Theil legt der bewegte Körper in begrenzter Zeit zurück, denn erst für die gesammte Strecke, nicht für den Theil derselben, war die unbegrenzte Zeit als erforderlich vorausgesetzt. Die gesammte Strecke ist das n- fache des angenom- menen Theiles, die gesammte dazu erforderliche Zeit also das n-fache der begrenzten, für jenen Theil erforderlichen Zeit, also selbst begrenzt. Das Wesentliche des Beweises (auf dessen Schwächen in der Behandlung des Bi-griffes des Unendlichen einzugehen hier nicht Aufgabe ist) ändert sich auch dann nicht, wenn von ungleichmässi- ger Bewegung die Rede ist, cCkkol oö xav zl irn {^ora/cZi?, oia'fi^v. ovo-iv. Nämlich — und ich lasse den Beginn der Beweisführung sogleich in der mir nothwendig scheinenden Interpunction folgen: ioT'ji yäp ty r,g TÖ A [y.c/j. tö] B oiä'jrr,it.a. -t-sfjccaixivov, ö jctxjv/jra'. iv rw drzdf^'ji. /.yj. o yjji'jfjg aizv.oog z'o o-j ro 1 -i. £'. or, avÖL'jv:^ KpoTspo'^ 'iripov iripcj xsxtvrj^^ai (roüro dt o'^AOv ötj rov y/^6^>o-j h rw -porip'^ y.cci uaripui irspov -/.r/J.vnry.'.- dsl 'j/dp £v rw KAsiovi 'i-tpov z'j-y.i x;x'.vy/,U£Vov, iäv ~- i'yorayöig iäv r; ixr, '.cozayöjg ix-ra^x/lr, y.oci iäv rs eKiTzivr, r, y.'vjr,aig säv rc äv-v; £«v t£ fi-iV/;, ov^sv ■^irrsv), zOx,'ji~'ji dr, v. rcj AB oictOTriixarog , rö AC, ö xarafxs- or^rjn rr.'j \ B. •f' 410 B o n i t z In dem ersten, übrigens vollkommen einfachen Siitze wird xoci TÖ vor B trotzdem, dass die handscliriftliche Überlieferung dieser Worte überdies noch durcli Simplieius Bestätigung erhält, aus dem Texte entfernt werden müssen. Zur Bezeichnung einer Strecke, einer Länge oder Distanz ist die unmiltelhare Verbindung der beiden an die Endpuncte gesetzten Buchstaben eine durch die Sache selbst gegebene Form (rd AB oder s'^' rig tö AB ist die Linie, welche A und B zu Endpuncten hat, tö A xat tö B sind die beiden Endpuncte selbst), sie ist die bei Aiistoteles durchweg übliche und so auch im weiteren Verlaufe dieser Beweisführung seihst eingehaltene 238 a 7, 8, 18. Also: „Die begrenzte Strecke, welche nach der Voraus- setzung in unbegrenzter Zeit zurückgelegt ist, heisse AB, die unbe- grenzte Zeit CD, Wenn nun nothwendig ein Theil der gesammten Strecke vor dem andern zurückgelegt sein muss, so nehme man also einen Theil der gesammten Strecke AB an, AE, welcher ein Mass, ein rational aliquoter Theil der gesammten Strecke ist". Die im Vordersatze ausgesprochene Behauptung, welche eine nothwendige Voraussetzung ist, wenn die in rein geometrischem Sinne stets zulässige Annahme eines Theiles der zurückgelegten Strecke für die Discussion der Bewegung eine Bedeutung haben soll, wird nun in der Parenthese dadurch gerechtfertigt, dass im V^erlaufe längerer Zeit noch eine andere Strecke, also jedenfalls im Verlanfe der Zeit überhaupt eine Strecke vor den anderen zurückgelegt wird. — Dieser Gedankengang ist so evident, dass seine blosse Bezeichnung durch die Interpiinctiun hinlängliche Widerlegung ßekker's sein wird, der vor siÄrjf^oi einen Punct setzt und dadurch auf die Mög- lichkeit jeder Construction Verzicht leistet. Prantl hat diese Inter- punction zwar heihehalten , aber in der Übersetzung richtig die Worte rovTO de o/jAov — fyTrov als Parenthese behandelt und den Nachsatz bei silr/ji^oi d-n begonnen. Nur verffhlt in zwei anderen Puncten die Prantrsche Übersetzung den Sinn der Aristotelischen Worte. Wenn es nämlich heisst tovto oi ovjAov ort x.tA. , so ist in diesem Falle ort nicht begründend, wie Prantl es durch 'weil' über- setzt, sondern führt eine Erklärung vor rovro ein, tov y^pövov h tw Tzpoziptjd xal uaript^ trtpov aeabfiTai ist ja identisch mit dem durch roTjzo zusammengefassten npörspov irzpov iripov xcxt'wyTat, kann also nicht der Beweis für letzteres sein; dieser ist vielmehr erst in den Worten dei yäp sv töj nlsiovi xtÄ. enthalten. Und ferner, wenn Arislotelisclie Stmlien. 4 1 1 Prantl die Woi-lc Tzporepov irtpov iripo-j x£x.tvf/ äfri cdG^r,7ä. eartv, r;v TU7Ydvö|m.£v £yov7£g^ oGa oi oiä rcuv iJ.£7a^v xai p-rj au7ü)'j d;rTÖf/.£vo£, 70ig änloig, liyoi 0 olov dipi xal xjoa7i' £-/^£i o'oGrco?, war' £i ixev (5t' ivog TiXstw aiGBr,7d £7£pa övra dllri'JMv rtL yivsi, dvd')Y.-t) rdv lyov70L 70 7010Ü70V aiG.^rj7rt piov a/ji^oTv aiG^rt7ixov £i.vai (_otov et et dipog £G7i 70 aiG^r,7ripiov y.al £G7iv 6 d'hp y.cd ■\iö'^0'j xat -^pbag) ^ ei o- dt nleioi 70O ccütoö, olov y^pöccg v.al dr,p y.al -jdoip (^äp-fdi ydp dia- üavr/), y.ai 6 70 eVspov aürwv i'^wv iJ.6vov a.iG^riG£7ai. 70v 01 dix- tDolv TcZiv oi dnlüiv i/. dOo toOtüjv aiG3r^7rjpia ixivov iari'v, s.^ dipog s y.al vda7og (j) fxiv ydp xöpri iJ^arö? , ri 0' dx'oYj dipog ^ n ^' ÖG-tv erklart Trendelenhurg „eI Y«p TtavTO?, oy ejt'ii/ aij8/}ai;, aOY) (£3ti), (rravto;) xcti vüv aia&/]aiv eyojxsv. Si omnium rerutn sensus in contactu positus esset, on]ni:i senlirenms; sentiitius enim omnes corporum ratiunes quae lactu sciitiri possiint" etc. Bei dieser Auffassung des ersten Gliedes wird es freilich kaum möglicli sein, den Beweis als zusammenhängend aufzufassen. Die griecliisehen Worte sind aber vielmehr so zu umschreiben: el fäp xa'i v5v aiaÖTjatv toütcüv nävxüjv 'iyrjp.f/, ujv tj aia9T,ai; ä'fTJ •(l'Cizzixi. 2J Durch diese Umschreibung der griechischen Worte wird hoffenllich der Einwand beseitigt sein, den Torstrik gegen dieselben erhebt. „Nam si deficeret nos aliquis sensus ad ea (coi-pora) percipienda natus, deficeret etiam sensorium. — Qua in deraonstratione falsus est Aristoteles. — Nam uhi actus est, necesse est adsit instrumentum , non vice versa". Fiir's erste ist a'iaEtYj-i; nicht nothwendig die i-iipfeia toD oijödtvsa&ai, sondern ist eben so häufig die 6'Jva/ii; toü oisSivsjöai, und nur von dieser ist in dem ganzen Zusammenhange des Beweises die Bede. Und ferner ist von Aristoteles in diesem Sat/gliede nicht das Verkehrte gesetzt, das Torstrik ihm zuschreibt, sondern eütiep exXsrast -i? aisjÖTjji? heisst : wollte man, als Gegensatz des zu beweisenden Satzes, annehmen, es fehle fiir ein Gebiet der sinnlichen Erscheinungen die Fähigkeit der Wahrnehmung, so führt dies nothwen- dig, bei der allgemeinen ai38Tj-ixT) 9O31; der tliierischen Seele, zu der anderen Voraussetzung, dass nämlich ein entsprechendes Sinnesorgan für die Vermitte- lung fehle. Aiibtotelisclie Stiiilii'ii. 415 iiUe Gebiete der Wahrnehmung zngänglich seien, nur Sinnesorgane, welche aus diesen l)eiden SlolFen bestehen, erfordei-lich, nämlich aus Luft und Wasser (5). Die aus ihnen bestehenden Sinnesorgane finden sich in den höheren Thierclassen, ravT« ok xae vöv sy^ovaiv svia (^o)« (G). Diesen sind also alle Gebiete der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich, näaat äpa c/J. a.!'j!^r,azi.q iywrcfj., man müsste denn etwa, wie es im folgenden £poiJ.ivov o-h ToO riliou x6x).w, xat öVav {xiv nlr^Gid^rt rr, ^spixo- Tr/Ti dvdyovTog tö uypov, KoppwTipoi ds yiyvoixivov §id rr,v -^-j^iv a auviazaikiv-ng rcdhv Tf^g d-i^ccyßziang ärjatdo? dg votap (dtö yjii).tLvög T£ [i.a>lov YqvtTCx.1 zd iioara y,cci ^jvxTUip r} ixt^ Y;p.£pci\>, d)X ov doxst oid TO Aav^d-ntiv rd vuxTsptva tcüv ^xs^' r^ixipav /xäXJ.ov) , tö dyj XÄTtöv udwp OKxdioorai Träv sj? tvjv y-^v, xjTzdpyzi d' ev t£ t^ 7^ t ;roXO ödüjp xat rro/Xr; ^tp^o-Ttg xat d ^Xto? oü pLÖvov tö £-t;ro?>ä<^cv r-ng yng i/yp6v i'/xct, aXXd xat Tr}v yr,v auTYj\> ^r^pabei ^epiiaivcov t^^ d' ava.C?y,ata;7£a)?, cuc7~cp tiprtTcci. oirrftg ovar,g ^ rf,g fxh ä-juLtdcüdo-j^ ,0 Tf,g di xaTTvwdou?, äiKporipcig dyocyy.aTo'v yt'yv^a^ai. 418 B 0 n i t /, „Indem nämlich die Sonne sich in einer Kreisbahn bewegt und bei ihrer Annäherang iin die Erde durch ihre Wärme die Feuchtig- keit aufwärts zieht, bei ihrer Entferniiiig dagegen durch die eintre- tende Kälte der aufgestiegene feuchte Dunst sich in Wasser ver- dichtet (daher im Winter und bei Nacht die Regen häufiger sind); so vertheilt sich das herabfallende gesammte Wasser in die Erde, in der Erde selbst aber ist viel Feuchtigkeit und viel Wärme vor- handen und andererseits zieht die Sonne nicht nur die Feuchtigkeit an der Oberfläche der Erde an, sondern trocknet durch ihre Wärme auch die Erde aus, und die im Vorigen unterschiedenen Arten der Verdunstung, die feuchte und die trockene, müssen nothwendig beide stattfinden". Erst in dieser gei^liederten Verbindung des ganzen Satzes tritt der Gedankenzusammenhang khir heraus. Das Ganze dient zur Naehweisung des ausgesprochenen Satzes 359 b 32, dass trockene und feuchte Verdunstung untrennbar verbunden sind. Die Voraussetzungen für diese Nachweisung sind die im Vordersatze bezeichneten verschiedenen Einwirkungen der (vermeintlichen) Son- nennähe und Sonnenferne. Aus ihr geht hervor die Vertheilung des feuchten Niederschlages in die Erde, das Vorhandensein einer Menge von Feuchtigkeit und von Wärme in der Erde, so dass dann unter der Einwirkung der Sonnenwärme beides zugleich eintreten muss, feuchte und trockene Ausdunstung — was eben nachzuweisen beab- sichtigt war. Wenn man mit der Bekker'schen Ausgabe a 2 nach v^oip und a 3 nach -nixipocv ein Kolon, « 4 nach i^öC/lov einen Punct setzt, also den Satz o'.ö yjiiiGivog n entweder selbst grammatisch (vergl. unten Abschnitt III) oder doch dem Inhalte nach als Nachsatz betrachtet, so macht man zum Nachsatze, was nur eine gelegent- liche, den eigentlichen ßeweisgang nicht berührende Bemerkung ist, und desshalb, wie in der Ideler'schen Ausgabe richtig geschehen ist, in Parenthesen geschlossen werden muss. Es reicht aber nicht aus, den Satz mit Ideler bis a S dg zr,v jnv oder selbst mit Sylburg bis a 8 ^-cpfxatvwv zu erstrecken, sondern erst in der Verbindung der drei bis a 10 '^r/vso^cti. reichenden Glieder des Nachsatzes ent- hält derselbe die für den zu führenden Beweis erstrebte und durch den Vordersatz begründete Folgerung. Die Didot'sche Ausgabe setzt richtig einen Punct erst rt 10 nach dvccynaiov yr/vsa^ai, indem sie aber nirgends die Zeichen der Parenthese anwendet, überlässt sie es eben dem Leser, das verschlungene Satzgefüge sich zurechtzulegen. Arislolelisflie Studien. 4 1 tJ Mit besondrerer Evidenz ist trotz der Erweiterung des Vorder- satzes durch Fai-eiithesen der Anfang des Nachsatzes dann erkenn- bar, wenn Vordersatz und Nachsatz die beiden Glieder einer Ver- gleichung hihlen, mau nun diircli die Vergieichung von einem Falle zu einem andern derselben Kategorie oder mag von einem oder mehreren einzelnen Fallen zu dem sie alle umfassenden Allgemeinen furtgeschritten werden. Indem dann der Naclisalz durch cO'roj, c{j7(ji d-h, Tov a-jTÖy rpönov, rdv auTOv orj TfJÖKOv eingeleitet wird, so kommt fiir das Erkennen des Nachsatzes zu dem Gedankeninhalte noch ein deutliches sprachliches Zeichen hinzu. Als Typus eines durch erklärende Parenthesen erweiterten Vergleichungssatzes, des- sen Gliederung schon in der Bekker'schen Ausgabe richtig bezeichnet ist, kann man betrachten de anim. ß 10. 4'^2 «20 — 32: (xxjKsp oi xai rj o'^pig ioTi roü ts oparov /.y.'. roO dopdTou (tö yap 20 (jxÖTog döpcizo'^^ y.pbsi oi x.ai toOtg r/ o-^'.g^-, £Tt rov /tav laixTzpoO (y.oü yäp tovto döparov ^ äXAov ok Tpörcov toö cxörou?), öpt.otwg di y.oci y.oil ^eyccXo-j -.^öpo'j, y.a^ixnep yj 0^1? "^oO Aaix7:pov (wd^Tsis ydp 6 iJ.r/.p6g 23 •~^6fog ävrjxouCTTOg, TpoTzov rivv. v.yX d \}.vjag TZv.ai 6 ßi'atog), döpa- Tov OS rö jUiV 6/Mg HysTUi, iöanzp xal in' äÄ/ojv zo do-j'^avo'^ ^ to 0' eäv -£(D'jy.og ixyj s'/Ti rj ^aOXco?, coamp tö dno-jv y.ccl zo d-'jpr,- vov oGtw or, y.c/.l r, ysiiaig zoü ysvazov z£ y.cd dysOazo'j. zoOzo dt z6 /j.'.xi&v r, (paOAo'u eyoy yui^O'j r, ^^OLpziy.o'j zr,g yeOizOig. 30 Der Vordersatz besteht aus drei Gliedern, deren erste beide an das Verhältniss des Gesichts- und des Gehörsinnes zu ihren Objecten erinnern, das dritte die Verschiedenheit zweier Bedeutun- gen der durch das a privativum bezeichneten Negation erwäiint; aus den beiden ersten Gliedern wird sodann unter Benützung der im dritten gegebenen Erklärung derselbe Satz auf den Sinn des Ge- schmackes übertragen. Die nähere Erklärung ist durch die griechi- schen Commentatoren , welche sich hier in der ihnen geläufigen Aristotelischen Terminologie leicht bewegen, und von Trendelen- burg so vollständig gegeben, dass nichts hinzuzufügen ist. In der schon von Bekker, Trendelenburg, Torstrik richtig gesetzten Inter- punction iiabe ich ausser unerheblichen Kleinigkeiten nur das geän- dert, dass ich auch die Worte « 2o — 26 oj^-sp — ßiaiog in Paren- these geschlossen habe, wie dies die Vergieichung mit a 22 xxi yap — 'j/.öz'-yjg empfehle 1 wird, und dass ich «20 vor zpönov rivä, nicht 420 B o 11 i t z mit jenen Herausgebern nach diesen Worten ein Komma gesetzt liabe. Diese Interpunction wird sich durch die Vergleichung von a 22 y.c/.i yv.p tovto (to liav laiiK^öv) äöparcv, olHov §i rponov toO axoTovg als nothwendig erweisen ; eben so nämlich ist rpönov rtvd 6 ixi'ycig y.ai 6 ßlaiog ^ö'fog dvyj-/.ov(j7og. nämlich älloM rponov roü lJ.iy.oov ^öfov. Übrigens hat schon Themistius in der von mir bezeich- neten Weise die Worte verbunden, 81 b/.ci oiä rovro ov [xtvov i p.ty.pog ^öfog dvrr/.ovGTog, oülä Tpör.ov rtva y.a.i 6 p.iyiGTog y.cci 6 ßiaiog. Die vollkommen gleiche Satzform Meteor, a 14. 3!}2 6 3 — 13 i.«.t in der Bekker'schen Ausgabe verkannt und durch falsche Inter- punction verdeckt, in der Ideler'schen dagegen bezeichnet, aber in Verbindung mit einer unberechtigten und die Auffassung der Satz- fügung beeinträchtigenden Textesänderung. Die Meinung, sagt Aristoteles, dass das Meer überhaupt abnehme und ausfrockene, ist unrichlig; es finden sich vielmehr eben so gut Fälle, dass Gegenden unter Wasser stehen, die früher trocken waren, als umgekehrt. Die Ursache dieser im Vergleiche zu dem Ganzen kleinen Veränderun- gen im Einzelnen darf mau nicht in der Weltentstehung suchen, sondern darin, dass von Zeit zu Zeit bald die eine, bald die andere Gegend durch Regenwasser und Überschwemmung betrotTen wird. oTav ouv oh 7£vryTaj roiaOrv? umpßolri o/j.j3/ja)v, 'i/op.iils'.v yp-h 5 ini zol'jv yjjövov diixpy.eTy, y.a.l toarzs p vvv toü roug iisv dsväovg eiyai TÜ)v Koroi\).G)V Tovg oi (rh oi fxiv laocaiv ccitiov eivcci rö ixiys^og twv VKÖ yrig y^aGii.äroiv , r/y-sTg oi rö jmsys^o? rojv v^-nlQv TÖnrwv xat tyjv nuy-voTTiTCi y.al ^\)yp6~r,ra cturüi-u (ourot '/äp nlslnrov y.cä oiyovTca vocoQ y.ai ariyovGi xal koioüci) , öaoig §£ ixiy.pocl ai i;rtxp£y.d^£vat 10 avardaiig xfJiv opoiv r, ao^t.'jial y.a.1 li^6ioiig y.cd dpyÜMOtig ^ rovrovg dt TrpoocTxolciKsiv ovTO)g oha^ai o^r totc, iv olg äv ylvriTOci -h zoia'jrr, tov vypov (popä olov divdoog kouXv Tag uypörvjr«? rwv tö-wv [IjläaXov]. „Wenn also ein solches Übermass von Regenwasser eingetreten ist, so muss man annehmen, dass dann das Wasser auf lange Zeit andauert; und wie jetzt für die Erscheinung, dass einige Flüsse nicht versiegen, andere dagegen versiegen, manche in der Grösse der unterirdischen Höhlen den Grund suchen, wir dagegen in der Grösse, Dichtigkeit und Kälte von Bergen, welche am reichlichsten Wasser aufnehmen, bewahren und entsenden, während aus niedrigen Höhen von trockenem Ihonigem Gesteine die Flüsse bald versiegen, Ai'istulelisclie Studien. 4^1 SO muss man sich denken, dass auch in jenem Falle die Masse des ergossenen Wassers der Nässe der Gegendon eine heinalie ininier- währende Dauer verschaffe". Dass mit oGrwc: der Nachsatz beginnen muss, zeigt ausser dem Inhalte der Leiden Glieder der Verglcicliung und den correspondirendcn Wort(Mi öjcrzsp — oÜTtog noch überdies der Gegensatz des auf die jetzige allgemeine Wirklichkeit bezüg- lichen vjv zu dem, einen einzelnen Fall im Verlaufe des Geschehens bezeichnenden tö-s. Damit aber so construirt werden könne, ist, entsprechend dem vojiz-ftstv ypö im Anfange des Satzes, mit Idt-ler zu schreibeti o-jroig oita^cci o iX st.itt der Lesart der Bekker'scheii Ausgabe ouziog o'Ua^ai osl'j. Brkker fuhrt zwar zu oirv keine Variante an, ;iber osT hat die Sylburg'sche Ausgabe, und aus Syl- burg's Bemerkung „Cam. pro oü habet infinitivum osTv" möchte man vermuthen, dass oü nicht auf blosser Conjeclur beruhe; indessen selbst ohne Unterstützung durcii Handschriften in diesem Falle ist es nothwendig in den Text zu setzen. Wenn dagegen Ideler in den zunächst vorausgehenden Worten für ro-jzovg oi -poctKOAsiTZciy unter Berufung auf das für oi in der Camot. und der Sylburg'schen Aus- gabe sich findende ovj schreibt roOro'jg dsl -p5a;roAci'-£Jv, so wird dadurch die deutliche Abhängigkeit der beiden entgegengesetzten Glieder raiig ijlsv asvaoug sivcci — ro-jrovg os TcpoaKolv.r.tvj von (pccah und rii^slg (nämlich focixi-^) aufgehoben und dem Gliede o^joig — rzpocc- rkolzir.zvj eine die Satzfüguiig des Ganzen durchbrechende Selb- ständigkeit gegeben. Aus der Interpunction Bt'kker's, der, oline eine Parentiu'se anzuwenden, vor oaoig einen Punct, vor outoj? gar keine Interpunction setzt, ist es unmöglich, eine Construction des Satzes herzustellen. Die Didot'sche Ausgabe setzt einen Punct erst am Schlüsse der ganzen ausgehohenen Stelle nach röiv rön-ojv fxä/Xov, aber, vielleicht nur durch ein Versehen, ist vor o-jVod, oito^oa otlv gar nicht interpungirt. — In der Athetese des ^aklo)> bin ich Ideler gefolgt, doch scheinen hierdurch, so wie durch die beiden Athetesen Ideler's in den fulgenden Zeilen die kritischen Schwierigkeiten derselben nicht beseitigt zu sein. An einer Stelle im Anfange der Nikomachischen Fthik Etb. N. cf. 1. 1094« 9 — 16 ist zwar die Natur des Vergleichungssatzes nicht überhaupt verkannt, aber durch die in den einzelnen Gliedern gesetzten Piirtikeln ist die Construction verdunkelt. Der Satz lautet nämlich in der HekkerVschen Ausgrabe: 422 B o n i t z 10 öaa.1 o' siGi Tcüv rotoÜTcav vko ixiav ziva. dvvaiuv^ v.y.^ä.KZ'^ uko r/jv iv:KV/.r,-v r, y aXivonoiririy.r, i) y.al oaai ällai rwv IkkixQv op'^ävuv eiaiv, coixr, di y.aJ. Käaa nolep-ixi} npcf^'-g uko rr,v aTpCizrjytxriV ' töv Civröv QY} rpÖTzov äAloci vf' iripcxg' iv öcndaaig di zcc töjv doyiTExro- 15 v'.x'jüv tUt/ nävruiv iariv ccipsrojTepa röJv 'j/t' aürd • toOtojv yccp '/ßp^^^ y.dy.Eivoc otoüxsrat. Wie der Text hier lautet, dürfte man sich niclit hedeiiken, den Nachsatz bei röv aüröv orj rpoKOv beginnen zu lassen und dann iv andaxig ok als eine daran sich schliessende weitere Bemerkung anzusehen; man müsste denn der von Zell nach Sylburg's Vorgange zu iv uTkäaciig dt ausgesprochenen und seitdem öfters wiederholten (vergl. unten Abschnitt IV) Versicherung Glauben schenken, dass Aristoteles os im Nachsatze auf eine sonst in der Gräcilät unerhörte Weise gebrauche. Dass allerdings der Nachsatz da anfangen muss, wo Zell den Anfang setzt, nämlich bei iv drtdaccig., geht aus der Erwägung des Gedankenganges mit Sicherheit hervor. Das Ziel jeder Kunst, sagt Aristoteles , und jeder überlegten Entschliessung ist ein Gut. Solche Ziele, welche als selbständige Werke existiren (spY«), haben den Vorzug vor der blossen Thätigkeit und Handlung fivipysia^ rrpä^jg). Indern aber in dem Zusammenhange der ver- schiedenen Künste einige nur die Mittel und Werkzeuge für die anderen sind, so haben die Zwecke und die Werke der gebietenden Künste den Vorzug vor denen der dienenden (iv d.~daaLig rä rwv apYtTcXT&v'.y.cov re'Avj ndvzoiv iazlv aipSTclirspci röjv \jk cc'jzcc). Wenn es nun einen Zweck gibt, der für keinen andern die Stellung des blossen Mittels einnimmt, so ist dieser das höchste Gut. — Um diese durch den Zusammenhang gebotene Coustruction sprachlich möglich zu machen, ist in dem Gliede töv aurov zpÖKOv cCkKoli v'-p' szipccg statt o'n zu s(;hreiben di, damit eben dieses Glied an die beiden vorher- gebenden in der Aufzählung einzelner Fälle sich als gleichförmige Fortsetzung anschliesse, gerade so wie wir töv a-jzov di zportov in 1) yaAivoTOiTjTixr) haben Sylbiir^, Zell, Cardvvell, die Didot'sche Ausj^abe; Bekker schreibt yaXivo-ouxT^ , obgleich er aus allen Handschriflen, ausser Rb, -/aXivoTiotTiTixT) als überliefert erwähnt. Von der Handschrift K'' müssen wir nach Bekker's kriti- schem Apparate voraussetzen, dass sie /aXivoiiou/-?) , nach Cardwell, der die Varie- täten aus dieser llaudschiift angibt, dass sie yaXivoiroiTjTtxrj habe. Wie es nun auch hiermit stehe, so spricht für ya>.ivo-oiT,-ixAj noch ausserdem, wie Krische Jen. L. Z. 1835. Nr. 230 bemerkt, die Analogie entsprechender Wortbildungen Lei Aristoteles. Ai'istoleliselie Studien. -^-do den eutspiecliendeii Fällen 1094 6 22, 1099 ^ 10, 1101 a 6 u.a.m. lesen, an der zuerst angeführten Stelle mit der Variante oo. Bekker gibt zwar an der vorliegenden Stel!e « 13 zu röv aöröv or, tcöttov keine Variante an, aber Cam., Sylburg, Zill haben ok im Texte, ohne eine Notiz über Abgehen von der handschriftlichen Überliefe- rung, so dass wir voraussetzen dürfen, es finde sich oi in Hand- .schrifteii, wie es denn auch im Lemma desCommentars von Eustratius steht. — Dagegen ist nach £v y.T:d'7Ci'.g aus M'' die Partikel zu setzen, ■welche gerade bei Aufstellung der aus einer Induction zu ziehenden Summe bezeichnend gebraucht wird, nämlich o ö , man vergleiche dasselbe or, in den ganz entsprechenden Sätzen 1 103 ö 13 (v. 1. of), 21, 1160 «2, 3. Hiernach gestaltet sich die Gliederung des ganzen Satzes in folgender Weise: Ofjat o' eil', rwv zoio-jto^v und |it'av Tivd oOva/xiv, -/.u^iimp v~6 ^'^ rrjv inzi'/.rr^ r, ycOdvoTzoir,ziy:n y.ai. oaai ällai rclJv izK'.y.'Jjy 6p^c/.v(jiv £!;7iv, a-jzr, o; y.cii näaa Ko'kt[),i.v.ri 7tpy.Ei<; vno Trpj aTparriyi-/.r,v, röv ocvTOv oi rpö-ov a/Xat vf' iripcnq' h a.na.'jy.'.g ort rä TÖiv «oyt- TtXTOvuwv riXri ndcvTOiv iazh at^cToüTep« töjv v-' a:jzv.- x'j-'jz'jyj yäo is yjipif y.a.v.zvjix otcoHsrat. Nicht vollkommen gleichartig, aber doch nahe vergleichbar der zulelzt behand^llen Gruppe von Fällen ist ein Satz in der Me- teorologie Meteor. /B 3. 357 h 26 — 358 a 3, dessen Construction in der Bekker'schen und in der Ideler'schen Ausgabe auffallend ver- fehlt ist. Aristoteles hat nach einer vorausgeschickten Bemerkung über die Frage, ob das Meer unverändert sich gleich bleibt oder in Abnahme begriffen ist (/tötcoov äsi kaziv ri aurv;, r, o-jt' r,v o-jt' lorw. 6ÖX xjzolEi'^zi 3o6 6 4), über den salzigen Geschmack des Meer- wassers die Ansichten anderer dargelegt und kritisirt. In der Ent- wickeking der eigenen Erklärung bezeichnet er als die Grundlage, von welcher auszugeben sei (äo-/^Y;v locßövng rr-v a-jTr,v y;v xat npo- rspov 357 b 23), die Unterscheidung der feuchten und der trockenen Ausdünstung. Ehe er jedoch aus dieser Grundlage seine Erklärung ableitet, geht er mit einer kurzen Bemerkung auf die Frage über das identisclie Verbleiben des Meeres zurück: xai or, y.ai Kspl oö c(.-opf,'jCci. rzponpov dvoc'^y.cciov^ nÖTSpoy y.xi r, ^cCkolzxol äv. oiv.\i.vj v. roijv «-JrcüV ohooL ixopi(/)V apt^fxä) r, rw £iO£t y.cii Tib noacb ix.tTaßa/'A6-^/70JV dii rcbv ]ui.£pcöv, -/.a^dTzsp dr,p y.y.'. rö TTÖr'.uov Gowo x.cct -Oo. dv. 'id'j ä/Xo y.c/X äÄ/o •^v.vzza.i. zoOro}'^ öo 4 t t / 1 • 424 B 0 n i t 2 eV.aarov, rö §' eioog to'j ixAri^o-jg ey,äGzc>-j to-jtwv [Kivti^ xa^dKep ro rSiv psovTUiv vodroiv y.ai ro rrjg flo'-^dg fsvixa. (oavepov di) tovto y.ai Tci^uiioy , (hg aoOvarov [ro tov ck-jtov iivac nspi Tzdvrwv to'jtwv loyov^ xai oicacipiiv TdyyrriTi y.ai ßpaovTfiTi rrjg ii.sTaßoArig izi nravrwv ts, xocl (pSopäv tlvcx.1 y.ai '^iveaiv^ raiiT-nv ixivTOi T£TayiJ.ivo}g au/xjSatvstv Tzäaiv aCroTg. Die Präposition nrspt im Beginne dieser Stelle ist unverkennbar in der auch bei Aristoteles oft genug vorkommenden Weise gebraucht, dass sie dem deutschen „was das anbetrilTt" gleichgesetzt werden kann. Wo dies der Fall ist, finden wir als Fortsetzung des Satzes entweder die bestimmte Aufstellung der Frage, deren Gebiet vorher durch Kspi allgemeiner bezeichnet war, oder sogleich deren Beant- wortung. Von der ersteren Art sind die Fälle Phys. v/ 4. 249 a 29 Tzepi ok orj akXomatoig^ TzGtg sazai laoTayrig kripa krioa.: Metaph. y; 6. 1045 a 7 Kspl ok rrig dnopiag rr,g dprii).hrtg nspi rt zo\jg opi- aixovg y.ai Ktpi ro\jg dpt^ixoOg^ zi aiztov zov £v shat; von der zwei- ten folgende Sätze Rhet. a IS. 1375 b 26 ixepi oi •j.apzOpoiv, V-'^p' Tvpig dai oizzoi. 7 18. 1418 b 39 Ktpi ok kpoizr,aztjig ^ vjy.aipov iazi KOizX'j.^ai iJ-dliGza [j-tv özav zo iztpov dpr/y.'hg fi -/.zl. Coel. j3 12. 292 b 2ö Ktpi oi zftg dnopiag ort y.a.zd p-h zrjy Tzpojrrjv p.iav oxjaav (popdv Tzolv nlrj^-og av'jiazriY.vj ccarpwv, twv 0' dXloyj yjjipig 'iy.aazov sXlrj^pev idiag xtvyjast?, oC 'iv p-sv äv zig TxpGizov s-JÄöywg olri^zvn rov3-' vndpyjiv xzl. Nach der ßekker'schen Interpunction nun niüsste man voraussetzen, dass in der fraglichen Stelle der Meteorologie auf das einleitende ntpi dann als Hauptsatz die bestimmte Aufstellung der Frage folge. Aber eine solche Auffassung lässt sieb nicht durch- führen, da in die Aufstellung der Frage durch die Vcrgleichung y.abdr.tp d'np y.ai zö r.iziixov iiooip y.ai zvp, und durch die hieran sich schlicssende Erklärung dsl ydp y.zl. schon die Vorbereitung der Beantwortung eingefügt ist. Man muss also als Hauptsatz vielmehr die durch (pavepöv dr/ zovzo begonnene Beantwortung der Frage betrachten, ganz entsprechend der Form der letzten aus Coel. /3 12 angeführten Stelle. Die Worte dsi ydp — pvjp.a werden in diesem Falle als erklärende Ausführung von y.a^dTzep dr,p y.zA. in Parenthese einzuschliessen sein. Innerhalb dieser Parenthese nun kann z6 0^ £idog Toö KA-h^o'jg trotz der einstimmigen Bestätigung durch die Bekker- schen Handschriften nicht beibehalten werden. Die beiden Glieder des Dilemmas, um das es sieh handelt, sind individuelle Idenlitäf, 4 0 " -i<> raÜTQv TW dpt^-fJLo), und Iiieiililät der Art und Quantität Leim Wechsel der einzelnen Tlieile ra-Jröv tw e'idst /.ai tw no'7(h p.£Taj3a/Xövrojv du Twv /ji.£jsä)v,- den letzteren Worten entsprechend wird für -6 d' eloog ToO nlrt^ovg vielmehr zu sclireihen sein tö d' eiocg -/.ai z6 Ttlri^og. — Auch in dem Ihnipisatze von ©avspdv o// an ist eine Berichtigung erforderlich; denn in dem Satzgiiede /.vJ. oiccfipeiv T.£V£t , xa^arTcp ro Twv p£ÖVTüJv 6ddTwy y.at to rng (r^Xoyog fsviia) • (favspöv drj tovto y.a.i TTi^-avöv, wg ädOvarov /J.r/ röv a-jzoy sivai ~tpl Trdvrcov to'jtwv a XÖ70V, xat dic/.(pip£iv 7a.-/yTri7i y.ai ßpaourfiTi rf,g iJ.£Ta.ßoAvg, ini nävTOiv oi y.ai (p^opäv elvcci y.ai "^iveoiv, ravTr/v /xivrot T£TO(.yiJ.ivoig C7'J/UL]5a!V£',V TZä'jVJ Ci'JTOig. 3. Es ist im Griechischen wie im Lateinischen sprachlich zulässig und ein gar nicht seltener Fall, dass zwei Vordersätze, asyndetisch an einander gereiht, von denen der zweite dem ersten untergeordnet ist, denselben Nachsatz einleiten; der übergeordnete Vordersatz ist conditioiialer oder causaler Bedeutung, der unter- geordnete am häufigsten condilional. Z. B. Plafo Prot. 311 B si £;r£vÖ£'.g Tzc/.pd töv aauToO öfJMyvp.ov i/3-wv, 'iTznoy.pdTO töv Ka)ov, TÖv T'iv ' Aoy.lriKiadGiv , dpyOpio'j tsIeI-^ VTzip aavTOv ixifj^ov ixdvfii, eX Tig Gz TjpeTO, EutI /j.ot, (xiAleig rzAslv^ w '^IrzKÖy.pazsg , 'IzKoy.pdrsi /j.t<7-S-6v, wg Tivi oMTi: ri av d7:sy.pi.v(x>; 311 C. (Weitere Stellen aus Plato vergl. Stallb. zu Gorg. 453 B.) Cic. Manil. 20, Ö9 qui cum ex vobis quaereret, si in uno Cn. Pompeio omnia poiieretis, si quid eo factum esset, in quo spem essetis habituri etc. (Zahlreiche Bei- spiele bei Nägelsbaeh Stilist. §. 116.) Im Deutschen muss bekannt- lich der zweite, dem ersten untergeordnete Vordersatz entweder dem ganzen Nachsatze nachgestellt oder in dessen Mitle aufgenom- men werden: „Wenn du zum Hippokrales zu gehen gedächtest, was würdest du auf die Frage (wenn dich Jemand fragte) etc. antworten?" „Wenn ihr auf Pompejus Alles setzt, auf wen wollt ihr dann, wenn ihm etwas widerfaiiren sollte, eure HotTiiung setzen." Bei der unverkennbar näheren Verbindung des unter- geordneten Vordersatzes mit dem Nachsatze wird es kein Miss- verstäudniss veranlassen, Avenn ich hier und in später zu behan- delnden zahlreichen Fällen dieser Salzform den untergeordneten Vordersatz \^ie einen integrirenden Theil des Nachsatzes selbst betrachte. Arislulelisclie Studien. 427 Sätze nämlich der eben bezeichneten Form sind bei Aristoteles nielit selten, aber öfters ist ihre Fügung, auf Anlass irgend welcher die Coiistruetiün verdeclvonden Erweiterungen, verkannt worden. Einen Satz dieser Form habe ich in dem ersten Hefte dieser Stu- dien (Sitzungsber. Bd. XXXIX. S. 219) nachgewiesen, Phys. a 4. 187 b 13 — 18. STi o'' £( dvd'^y.r, , oC ro (xöpic^'^ ii/oiyjroci OKYihy.ovovv eIvoli -/.cizcc IJ.iysJB'og xat ixucorr^zx^ /.ai ccuzo ivoiyji^oLi (Äiyoj oi röJv rotourwv Tt /JLO^ot&üv, v.g ö ivv~a.pyov oiaipeiTUi rö oAov), ii orj dd-jyccTov ^wov r] fvroy ö~r^)dxovoüv evjai xaza ixiyiJB^og y.cci iiupörr/To:^ favspov ort oi/oi Twv [kopiiiiv i~iO'jv' £<7TCii yäp xai rö o/ov cjuloico?. „Wenn es nothwendig ist, dass dasjenige, dessen Theil beliebig gross oder klein sein kann, auch selbst beliebig gross oder klein sein könne, so ist ofi'enbar, dass, da ja ein Thier oder eine Pflanze nicht kaim beliebig gross oder klein sein, dies auch nicht für irgend einen Theil derselben möglich ist; denn sonst würde es in dieser Weise auch für das Ganze gellen." Die vollkommen gleiche Satzform erkennt man an drei anderen Stellen der Physik, und wenn sich an jeder derselben aus ihrer eigenen Form und ihrem Inhalte die bezeichnete Construction zur Evidenz bringen lässt, so wird überdies die Übereinstimmung der Form nicht wenig zur Bestätigung beitragen. In den ersten beiden Capiteln des vierten Buches der Physik legt Aristoteles die von den früheren Philosophen weder erkannten noch gelösten Schwierigkei- ten dar (^ouo' eyoixsv ovotv Txapä rcJJv äÄXwv o'jrt TzpofiKoprt^i'jrjv oiixc. 7zpo£UT:opr,ij.ivov Kzpi cc-jto'j 208 a 34) , zu denen der Begriff des Raumes führt; im Verlaufe dieser Entwickelung weist er nach, dass man durch gewisse Gesichtspuncte sich bestimmt finden kann, den Raum für die Form, durch andere, ihn für den StolT der Körper zu halten, Phys. d 2. 209 « 31 — Z> 3. eTzsi dt zo fxiv x.a.S-' adrö rö oi xar' ä//o leyeTai. y.ai TÖnog i ixh y.oivö?, £v o) ci-U'jTCt zcc -Jw/xara sartv, 6 o'toio^, £v w npojzt^ Q.iyoi o'clov oi) vüv h rö) oüpavcl) ort iv rw dipi^ o-jzog 'T iv ri) oupavö), xat sv ro) dipi oi ort iv rf> yf; , ö/J.otc*j? öi y.ai £v zaiizri ort iv 35 Twöe reu röiTO) , og KS.pityj.i oudiv TrXeov r, ni) , £t or, inziv i zözog f, rö TzpQzo"^ -cotiyov rciv <7w,aäroJv sxaarov, -ipag zi av £t>; , ojozs d6^£i£'j av rö eloog y.ai r, [i.op(fr, ixä-jro'j ö zönog £tvat, w ipill,izai. zi ixtji^og xat r, Qx, r, zo\J u-z'/i^o-jc- zo'jzo yy.p i/.d'jzrj r.ipag. ä 428 B 0 n i t 2 Bekker setzt, wie die Ausgaben vor iliin uutl wie die nach ilim erfolgten Textabdrüeke, a 33 nach -ocorco ein Kolon, b 1 nach r) ai einen Piinct; durch diese Interpunclion wird mithin, falls man nicht sofort zu dem äussersten Nothbehelf, der Annahme einer Anakoluthie sollte geschritten sein, xat rokog — iv w T:pd>TUi zum Nachsatze von l^sl — liysTai gemacht. Und allerdings bei einer blos ungefähren Betrachtung der Sache mag eine solche Conslruction nach Inhalt und Form als zulässig erscheinen. Die beiden Bedeutungen von TOTcog, dass nämlich dadurch einmal der Ort des einzelnen Körpers bezeichnet wird, dann im Allgemeinen der Raum, als das Wo oder Worin der gesammten Körperwelt, werden offenbar dem Unterschiede von y.v.y avzo Aiysa^ai und xar' a)lo Uyso^a'. gleichgesetzt; an sich (xa^-' avTo) roKog des einzelnen Körpers ist das Wo, in welchem unmittelbar (n'pwTw) er selbst und nichts anderes sich befindet; erst indem man die Verbindung des einzelnen Körpers mit der übrigen Körperwelt und die dadurch für ihn sich ergebenden Prädicate (x.ät' ällcj liysG^at') in Betracht zieht, kann man den gemeinsamen Raum der Welt als roncg des einzelnen Körpers betrachten. Und wie dem Inhalte nach, so eischeint es der Form nach zulässig, zu dem Nachsatze xat zo-og xza. aus dem Vordersatze Itfirai zu nieder- holen. Aber eine solche Vertheidigung der bisherigen Interpunclion lässt sich nur mit völliger Ignorirung Aristotelischer Denk- und Schreibweise führen. Dass ror.og in zweierlei Bedeutungen gebraucht wird, nämlich ror.og 'ioiog und rönog y.oivög, ist für Aristoteles eine Thatsache, die nicht aus irgend etwas anderem erschlossen, sondern nur mit allgemeinen Gesichtspuncten zusammengestellt wird; als Thatsache des Sprachgebrauches und der in ihm entlialtenen allgemeinen Ansichten (u;rt.Y/ oi ty^v /Atav p^yi^oug ri rivog slvat (oü ydp xiveiTai tö dfj.i'^e^sg^ x.ai ivog xai Of' ivög' ou ydp earat avveyjig^ dlV iy_oixivY} 2S iripa iripag xal di-^pYiij,ivYi. tö oy) xivovv el £v, y] xtvoOp.tvov xiveT yj dxivrjTOv 6v. si /Jisv o-h xivovixsvov ^ avvaxolov^sXv osyjGsi xai ixsraßd),- b Xetv a'JTÖ, dixcc de xivsla^ai ön6 rivog' aiars aTvjusTat xcci -n^si dg tö xiV£iG^ai. und dxtvf/Tou. Die Interpunclion, wie sie hier mit der Bekker^schen, Prantl'- schen, Didot'schen Ausgabe bezeichnet ist, hebt jede Möglichkeit einer Construction auf; denn bis zu dem nach diYipY]}xevYi « 24 ge- setzten Punct ist kein Satzglied zu finden, das sich seiner gramma- tischen Form oder seinem Inhalte nach als Nachsatz betrachten liesse. Dies hat Prantl in seiner Übersetzung nicht übersehen, son- dern im Widerspruche zu der Interpunction seines Textes, tö §y] Prantl fi unverkennbar in seiner Übersetzung als Nominativ betrachtet: „so dass es irgend ein Quantum sein wird, was bewegt wurde". Aristotelisclie Studien. 431 xivoöv — äxfvryTov ov als Nachsatz zu dem mit inei eingeführten mehr- gliedrigcn Vordersätze behandelf. Aber auch diese Auffassung ist sachlich und sprachlich nicht zulässig. Sachlich nicht, denn es ist nicht möglich, die Unterscheidung des bewegten und des unbeweg- ten Bewegenden aus den vorher angeführten Sätzen als Prämissen zu folgern, und wie sollte überdies Aristoteles auf den Gedanken kommen, diese Unterscheidung hier als erst erschlossen darzustellen, und nicht vielmehr gleich den vorliergehenden Sätzen als einen Lehnsatz aus dem früher behandelten anführen, wie ja diese Unter- scheidung früher bereits ausführlich behandelt ist (Phys. 3- o); sprachlich nicht, denn sollte rö on xtvoOv — ov Nachsatz sein, so würde die Folgerung durch ■/.ivh'jsi, y.ivoiri a.'j u. ä. bezeichnet sein. Sobald man statt oö die Lesart der besten Handschrift E 0£ setzt, wird die Gliederung des ganzen Satzes klar hervortreten, dass näm- lich nach einem viergliedrigen, durch erklärende Parenthesen erwei- terten, die bisher gewonnenen Prämissen darlegenden Vordersatz iTzii — äxtvr^rov ov der folgende Nachsatz durch eine mit demselben unmittelbar verbundene Bedingung ü [liv d-n y.tvo6/x£vov eingeleitet wird : inei o' ^v Toig ovaiv dvdya-n -/.ivr^fsiv sxvaf. ouvv/r,^ «urv^ o'l |j.i« £(7Ttv, avaYxvj §i rr/v //.tav jLtsyi^'oy? ri rivog s.h(xi (o'j yao xivstrat TÖ a.[).tje^s.g) -/.ai vjog v.cd uy' kvbg {o'j "^dp zazcci auvv/jng dOX k'/o~ ixivn iripa kzipccg v.c/l rjit^pr^iJ.ivn')^ tö oe xtvoöv ei sv, v; x'.vo6fJL£vov 2j xiveT ^ äxivvjTOv ov ei ixiv oyj xtvo6jui.£vov , auvaxoAou^etv der/aei xat ixercißdlleiv aurö, ccixoc o's xjv£T(73-at vkö rvjog' wäre arr,oerce.i ■/.a.i 6 rj^ei eig tö xivsia^czt vko äxivrjTOu. An einer Stelle der Abhandlung über Schlaf und Wachen, einer Schrift, in welcher überhaupt verliältnissmässig auffallend häufig ausgedehnte Satzbildungen sich finden, scheint mir, wenngleich für die Erklärung noch einige Zweifel zurückbleiben, doch das Aufgeben der bisherigen Satzzerslückelung und Gestaltung einer Periode der jetzt behandelten Form nothwendig. Im Verlaufe nämlich der Frage nach der Ursache des Schlafes und des Wachens QiZGiocg y.v^r.aeoig xat npdEetog iv roTg GcSj^xctai yiynoixivTig ovij.ßai'uet. rö re lypr^yopivaL xat TÖ xa^eOdeiv 45S b 28) heisst es de somn. 2. 4ö6 « lö — 24: £7r£t ö'i xtv£tv /jiiv 7L r< ;:oi£Tv dvev ia'/Oog äo-JvaTOv, ij^Ov di a noisT Yj TQv zveOixaTog y.d^e^ig , zoig [xiv eiafepoixevoig r, Bvpoc^e%/^ zoig de [xn dvanveoviiv -fi aii[L^\)zog. diö xat |3o|u.^oOvTa a/oclveTUi tx SlUb. d. iihil.-hisl. Cl. XLI. Bd. II. Ilft. 28 20 432 B o n i t z TZTSpoiTÜ, &Vav y.ivft7ai^ tv; rpi^s.i to'j Tivs^ixccTog TtpoamTCTOvrog Tzpog TÖ vn6^(jip.Ci Twv oXonripoiv. xivilrai ok näv ala^riGzdyg rivog ytvoixi- VY/g, r; oiyMxg ri dXloTpiag^ iv rw TzpojTM aiG^-mrjpit^. d o iarlv 6 vTxvog y.ai •/; iyp-nyopatg nä^ri rov [koplov toOtov^ iv o) /j.iv rörw xa' £v w ixop'Kü jrpwTW yiverai 6 vnvog xcci vj iypr/yopaig ^ (pocvspöv. Man fragt, welche Coiistructiun bei dieser Iiiteipunction voraus- gesetzt ist; denn überhaupt eine Construction und nicht Aufgeben derselben scheint doch vorausgesetzt zu sein, da sonst hier wie in anderen Fällen, z. ß. de inferpr. 9. 19 « 7, das Zeichen der Ana- koluthie, der Strich — , würde angewendet sein. Den Nachsatz zu insi 0£ xtvsiv /jilv xr/. in dem folgenden Gliede i^yyv de noul zu suchen, wie dies der deutsche Übersetzer der psychologischen Schriften, Kreuz, wirklich gethan hat, würde bei einem andern Schriftsteller als bei Aristoteles Niemand sich einfallen lassen. Für die zunächst dann sich darbietende Construction, den Nachsatz bei roXg [Ktv BiG'ftpoiKivoig beginnen zu lassen, kann man sich auf den freilich sehr wenig bedeutenden Vorgang des Michael Ephesius in seinem griechischen Commentar berufen; aber schon die spracliliche Form spricht dafür, dass man in diesen Worten nicht einen Nach- satz, sondern eine eintheilende Erklärung zu 'h toO nvzvixaTog -/.d^s^ig zu suchen hat, und was den Inhalt betrifft, so würde durch die An- nahme einer solchen Construction von dem wirklichen Ziele des Gedankenganges abgelenkt werden. Dieser aus dem Gedanken ent- lehnte Grund gilt noch bestimmter gegen den lateinischen Übersetzer Leonicus, der mit otö den Nachsatz anfängt; sprachlich ist dies bei Aristoteles als zulässig anzuerkennen (vergl. unten Abschnitt III}, aber sachlich ist es unmöglich, diese beiläufige, zur Bestätigung von Yj aviJ.(pvTog gehörige Bemerkung zum Nachsatze zu machen. Sobald man aber einmal über den in den Ausgaben nach 6Ao;rT£pwv gesetz- ten Punct hinausgehen muss, ohne zu der Protasis imi os jctvstv ^xiv einen Nachsatz zu finden, so wird man, da der folgende Satz xivelrai dl Tväv sich selbst in der Form als correspondirend zu ItzsI oi y.vjsXv fjL£v, mithin als zweites Glied des Vordersatzes zeigt, mit Nothwen- digkeit dazu geführt, in d dr, iartv, wie man für sl o' iiyTiv wird zu schreiben haben, den untergeordneten Vordersatz zu finden, welcher unmittelbar zu dem Nachsatze im strengsten Sinne, nämlich ^v w Tönw — fccvepov^ einleitet. Das Ziel, dem der ganze Satz zustrebt, ist, das Herz als dasjenige Organ nachzuweisen, dessen unmittelbare AristotelisL-Iic Sdiiliun. 40 3 AfTectioiien Sclilaf und Wachen sind. Um dies nachzuweisen, wird in dem ersten Gliede dos Vordersatzes das Bewegen auf das Herz zurück'geführl, denn -h toü r.vzv^arog y.üBe^iq stellt nach Aristoteli- scher Ansicht (vergl. .1. B. Meyer, Aristoteles" Thierkuiulo, S. 42G) mit der Thätigkeit des Herzens in noth wendigem Zusammenhange; im zweiten Gliede wird das Heweglwerden oder Sichbewegen auf Thätigkeit der sinnlichen Kmplindung und hiermit auf das Herz als das centrale Organ zurückgefühlt. Durch den untergeordneten Vor- dersatz „wenn nun anerkanntermassen (o/j) Schlaf und Wachen Affeetionen des ersten und centralen Organes der Sinnesempfindung sind", wird auf den früher über die Ursache des Schlafes ausge- sprochenen Satz zurückgewiesen, dass derselbe eintrete örav h do'j'^aix'ia rng yjjr,azoiq — iv rw npöjrr/i w aiG^ävsrat. TrävTOJV 455 b 8, und es erweist sich hierdurch die Änderung von d' in ori noch von einem andern Gesichtspuncte ans als treffend. Hieraus wird sodann erschlossen, welche Stelle und welcher Theil des Körpers es ist, das Herz nämlich, dessen unmittelbare AlTectionen Schlaf und Wachen hervorrufen. Es scheint mir hiernach unzweifelhaft, dass der ganze Satz so zu gliedern ist: inei di xivsiv ^£v ri rj zouiv ävsu iayüog ddvvazov^ layy'j oi i^ noitX r, TOI) KveOiiocTog xd^s^ig, roXg /liv zia^Bpo\kivoig y] ^vpcc^B'^j ToTg OS /irj dvazviovaiv r) axj[).(^\izr,g (Jjio xai j3op!.|3oüvTa (paivsTai rd TiTspoizd^ ö'rav xtvriTCci, rf/ rpi^psi tov r.vvjikazog TzpoaKiKrovrog npog rö u;rötoj|ji.a tcüv öXoTTrepcov), xtvstrat de Tzäv ocia^riaeojg rivog "^ivo- 20 jxsvvj?, r} GiyMixg rj dXlorpiag, iv rw n-pcorw atV^vjrr^ptw • d ori icTiv 6 vnvog v.cd v? iyp-hyopGig nd^-n rov yiOpio^j toOtov^ iv w /isv TÖ/-W xai iv üj jUcptoj Trpwrw •^fivs.zai 6 vnvog v.cd r, i-ypry-yopat?, ^avspov. Auffallend bleibt bei diesem Satze, dass zur Nachweisung des ursprünglichen Organes für Schlaf und Wachen auf die Bewegung eingegangen wird, während in der ganzen vorhergehenden Erörte- rung der Schlaf ausschliesslich als äduva/Jifa ah^rtGsojg aufgefasst ist. Diese Schwierigkeit bleibt übrigens natüriicli dieselbe, wenn man über die grammatische Fügung des Satzes auf irgend eine der vorher abgelehnten Weisen glaubt hinweggehen zu können. Der Übergang zu diesem Gesichtspuncte für Schlaf und Wachen scheint gebildet zu sein durch den Satz 455 b 34 oti fxiv ovv v^ Tf^g aih^r, Gtoig dpy/yi '^iverai dno rov ccvto'j ixipo'jg zolg ^(^oig, d'f' o-jKtp xcti y} TYjg xtvrj- aeoig, omptiTUi npörepov iv izipoig. Und dass wirklich mit dem in 28* 434 * Bonitz, Aristotelische Studien. Rede stehenden Satze die xivf/uew? dovuocij.icc statt der OLia^rtav-jig ddvvocixia als charakteristisches Merkmal des Schlafes eingetreten ist, ergibt sich noch daraus, dass in den unmittelbar folgenden Worten 456 « 24 Aristoteles die Ausnah ms fälle erklärt, xtvoövrat d' ivLOi xaBsOdovTeg y.ai noiovGi noAld ky p-nyo pixd, wobei schon im sprachlichen Ausdrucke xivela^ai als ein iypr/yopr/.6-^ bezeichnet ist. — Möchte diese Discussion der schwierigen Stelle, welche die Grenzen der gewonnenen Erklärung nicht verdeckt, Anlass zu vollständiger Lösung der Schwierigkeiten geben. An einer Stelle der Psychologie dagegen wird die blosse Her- stellung der richtigen Interpunction für sich selbst Beweis sein, de anim. ß 2. 414 a 14 — 19 wird auch noch in der Torstrik'schen Ausgabe so geschrieben: ** rpt^öjg ydp 'ktyofj.hrjg rrig ouaiccg , x.aB'dTiep dnoixsv, wv tö /jl^v «rdo?, TÖ 0£ uA"^, TÖ ds i^ dixtpoiv TOUTwv o'v? ixev vkn ouva/Jit^', tö dl tX^og ivTeAiyjicc' insi ok tö i^ dixifoiv iix^vy^ov, ou tö aw^a lanv ivTsHysicx. ^^yjng, dll' avT-n aojixazög nvog. Das Satzglied toOtwv g' — ivTsliyjioc steht nicht dem Satzgliede rpiyöjg leyoixivng coordinirt, sondern muss.wie die Construction erweist, als Fortsetzung von wv tö fxsv — dy-foly betrachtet werden, darf also von diesen Worten nicht durch ein Kolon, sondern nur durch ein Komma unterschieden werden. Mit den folgenden Worten hört alle Möglichkeit der Construction auf, wenn man nicht dem Aristoteles den schon erwähnten unglaublichen Gebrauch der Partikel Si (vergl. unten Abschnitt IV) zumuthen will. Aber die Hälfte der Handschriften UVWX hat de nicht, die beste Handschrift E bietet ind Toc TÖ i^, wo das t« recht wohl blosse Dittographie des folgen- den TÖ sein kann. Man wird sich also schwerlich bedenken, den Satz in die jetzt wiederholt nachgewiesene Form zu bringen, durch fol- gende Interpunction: jg Tpiyüg ydp leyoixivrig rrig ouaiag ^ -/.ccBänzp £t;rojUL£v, cHv tö ju.lv tWog^ TÖ oi vIy}, tö di i^äjuL^oiv, toOtojv d' rj /xlv 5Xvj o6va|xts', tö di tt^og evipyeioc^ insi tö k^ dixfoTv iix^vyov, ov tö awfxa laTtv ivTt},iy^£ii-- Pfizmaier Gegenstand liäiifiger Beachtung. Wei kennt hauptsächlich nur innere Ereignisse, welche allerdings oft sehr aussergewöhnlicher Art sind und von denen nannentlich die spateren dadurch bemerkbar wurden, dass Jünger Khung-tse's sich an ihnen betheiligten. Die Geschichte des Haases Schao-kung. SJ@ ^/N ^ Scliao-kung-schi, d. i. Schi, Fürst von Schao, gehörte zu dem besonderen Seitengeschlechte TllJ Ki und führte somit den Geschlechtsnamen der Könige von Tscheu. Seine Benen- nung erhielt er von der ihm zum Unterhalte angewiesenen Stadt Schao, welche südlich von dem Hauptorte des späteren Kreises ^g Yungi) gelegen war. Als Wu, König von Tseheu, das Haus der Yin überwältigt hatte, belehnte er den Fürsten von Schao mit dem nördlichen ^k Yen 2). So hiess dieses sonst einfach mit dem Namen Yen belegte Lehen, weil es damals auch ein südliches Yen gab. Zur Zeit des Königs Sching von Tscheu war Schao-kung einer der drei Fürsten, d. i. Lenkungsvorsteher von Tscheu, und hatte die Aufsicht über alles Land westlich von dem Gebiete \M^ Sehen s), während Tscheu-kung dem östlich von dem Gebiete Sehen gelegenen Lande vorgesetzt war. Ais der Fürst von Tscheu in Betracht der Unmündigkeit des Königs Sching die Zügel der Lenkung ergriff und in dem Lande die höchste Stufe des Banges einnahm, erregte dies das Misstrauen des Fürsten von Schao. Der Fürst von Tscheu verfertigte daher das Buch: „der Gebieter Schi", indem er den Fürsten von Schao durch die Setzung des Wortes „Gebieter" ehrte und ihn zugleich, was in den ältesten Zeiten mit der Hochschätzung nicht im Widerspruche stand, bei dessen Kindesnamen „Schi" nannte. In diesem Buche *) Dieser Kreis Yiing- befand sich in unmittelbarer Niihe der HauptsCadt des heutigen Kreises Fung-thsiaiig in Schen-si. '■'■) Yen entsprach anfänglich dem heutigen Ki-tscheu (wörtlich : Landstrich der Disteln), welches östlich von der Hauptstadt des Kreises Seliün-thien in Pe-tschT-Ii gelegen. *') Die Gegend des heuligen Schen-tscheu in Ho-nan. Die Geschichte der Häuser Schao-kuiig und Khang-schu. 4«> / wird angenommen, dass der „Gebieter Schi" an dem Vorgehen des Fürsten von Tseheu, der, einmal im Besitze der höclisten Macht, nicht leicht wieder in den Stand eines Dieners zurücktreten könne, keinen Gefallen finde. Der Fürst von Tscheu machte dagegen gel- tend, dass zu den Zeiten des Königs Thang von Schang der Landes- gehilfe "^ß" ItLL 1-yün durch seine Verdienste den grosshafligen Himmel erreicht habe. Zu den Zeiten des Königs TV ^ Ta-meu von Schang hätten Männer wie ^)y i4l I-tschi i) und M^ ^ Tschin-hu2) den Gott des Himmels, den höchsten Allhaltcr, erreicht, während f^ Ap\ Wu-hiens) das königliche Haus eingerichtet habe. Zu den Zeiten des Königs "^ ||[|^ Tsu-yi von Schang habe es Manner gleich t^ 7JK Wu-hien*), zu den Zeiten des Königs ~J ^^ Wu-ting von Schang habe es Manner gleich jfjl^ '^ Kan- puan^) j;egoben. Alle diese Männer hätten sich Verdienste in erster Reihe erworben und zugleich, da sie mit Sicherheit lenkten, das Höchste geleistet. Nachdem der Fürst von Schao dieses Buch gelesen, billigte er das Vorgehen des Fürsten von Tscheu. So die Darstellimg des Sse-ki. Mehrere Neuere sind jedoch der Meinung, dass der Fürst von Schao keineswegs den Fürsten von Tscheu mit Misstrauen betrachtet habe. Die Wahrheit sei, dass der Fürst von Schao aus Altersrücksifbten sein Amt aufgegeben habe und dass der Fürst von Tscheu, indem er das erwähnte Buch verfasste, ihn bewegen wollte, in dem Amte zu verbleiben. Übrigens enthalte das Buch: „Der Ge- bieter Schi'* viele unverständliche Stellen, welche sowohl in den alten als neuen Zusammenfügungen vorkommen. In seiner Amtsthätigkeit, welche sich über die Gegenden des Westens erstreckte, war der Fürst von Schao überaus glücklich. *) I-tschl war der Sohn des ohen g-enauiiten I-yiin. 2) Tscliiii-hu war einer der Diener des früheren Königs Thang. 3) Wii-liien, ein Diener des Königs Ta-meu, hahe sich mit dem Hause des Königs befasst, weil er den beiden Dienern I-lschT und Tschin-hu nicht gleichgekommen. *) Wu-hieti war der Sohn des oben genaiinlen Wu-hien. 5) Als König Wu-ting jiur Lenkung gelangte, staml ihm Kan-puan zur Seite. DerNach- folger Kan-puan's in dem Amte des Landesgehilfen war der bekannte -^^ /IW Fu-yue. 438 Dr. P f i zm a i e r und das Volk zeigte sich mit den getroffenen Verfügungen einver- standen. Auf dem Gebiete der Stadt Schao befand sich ein Birnbaum, unter welchem der Fürst von Schao, wenn er auf seinen Rundreisen zu der Stadt zurückkam, Streitigkeiten schlichtete und in Sachen der Lenkung entschied. Sämmtliche Menschen, von den Lehensfür- sten zweiten und dritten Ranges herab bis zu den Niedrigsten unter dem Volke, erhielten dabei ihr gebührendes Recht, und nirgends liess man sich Pflichtverletzungen zu Schulden kommen. Nach dem Tode des Fürsten von Schao richtete das Volk die Gedanken auf dessen Lenkung und hatte eine besondere Liebe zu jenem Birnbaum, den Niemand umzuhauen oder zu verletzen wagte. Man sang auf diesen Baum die folgenden, in den Volksliedern von Schao-nan mit zweimaliger Abwechslung vorkommenden Zeilen : Wie breit und schattig dieser Birnbaum! Er werde nicht beschneitelt, nicht gefüllt. Der Fürst von Schao war unter seinem Zelt. Auf den Fürsten von Schao folgten in Yen neun Landesfürsten, deren Namen in der Geschichte nicht angeführt werden. Derjenige, dessen Name zunächst in der Geschichte vorkommt, ist Fürst ^ß^ Hoei, ein Zeitgenosse des Königs Li von Tscheu. In das drei- undzwanzigste Jahr des Fürsten Hoei von Yen (842 vor uns. Zeitr.) fällt die Flucht des Himmelssohnes nach Tsch'hi, ein Ereigniss, in Folge dessen die Lenkung Kung-ho, „die gemeinsame Vereinbarung" in Tscheu eingesetzt ward. Fürst Hoei starb im achtunddreissigsten Jahre seiner Lenkung (827 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn HJ. fj Tsehuang, genannt Fürst ^! Hi. In das Todesjahr des Fürsten Hoei von Yen fällt das erste Jahr der Lenkung des Königs Siuen, Sohnes des Königs Li von Tscheu. Im einundzwanzigsten Jahre des Fürsten Hi von Yen (806 vor uns. Zeitr.) wurde Fürst Hoan, ein jüngerer Mutterbruder des Königs Siuen von Tscheu, mit dem um diese Zeit zum ersten Male vorkommenden Fürstenlande Tsching belehnt. Fürst Hi starb im sechsunddreissigsten Jahre seiner Lenkung (791 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den Fürsten j;j^ Khing. Im zwanzigsten Jahre dieses Fürsten (771 vor Die Geschiclite der Häuser Schao-kung und Kliang-siho. 4o9 uns. Zeitr.) ward der einen ungeziemenden Lebenswandel führende König Yen von Tsclieu durch die westlichen „Hunde-Frcmdlander" getödtet, ein Ereigniss, mit welchem die Anerkennung der Gebieter von Thsin als Lehensfürsten der Reihe im Zusammenhange steht. Fürst Khir)g starb im vierundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (767 vor uns. Zeitr.)- Auch von den nächstfolgenden fünf Landesfürsten von Yen werden in der Geschichte nur die Namen und die Zahl der Len- knngsjahre angegehen. Der Sohn und Nachfolger des Fürsten Khing war Fürst ^^ Ngai. Derselbe starb schon im zweiten Jahre seiner Lenkung (765 vor uns. Zeitr.). Der Sühn und Nachfolger des Fürsten Ngai war Fürst ^R Tsching. Derselbe starb im sechsunddreissigsten Jahre seiner Len- kung (729 vor uns. Zeitr.). Der Sohn und Nachfolger des Fürsten Tsching war Fürst 1^ M8. Das siebente Jahr dieses Fürsten (722 vor uns. Zeitr.) war das erste des Fürsten Yin von Lu. Fürst Mo von Yen starb im acht- zehnten Jahre seiner Lenkung (711 vor uns. Zeitr.). Der Soiin und Nachfolger des Fürsten Mo war Fürst jg Siuen. Derselbe starb im dreizehnten Jahre seiner Lenkung (698 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Siuen war Fürst >r>H Hoan. Bei diesem und den meisten weiter unten erwähnten Fürsten von Yen wird das Verhältniss der Verwandtschaft, in welchem dieselben zu ihren Vorgängern gestanden, in der Geschichte nicht angegeben, was in der Schwierigkeit, ein solches Verhältniss jedesmal zu bestimmen, seinen Grund hat. Fürst Hoan starb im siebenten Jahre seiner Lenkung (69! vor uns. Zeitr.). Dieser Fürst hatte seinen Wohnsitz nach ;^^ f ^ Lin-yi verlegt, einer Stadt, welche, wie ihr Name ausdrückt, auf einer dem Flusse ^j Yi nahe gelegenen Anhöhe erbaut war '). Der Sohn und Nachfolger des Fürsten Hoan war Fürst M-j- Tschuang. Im zwölften Jahre dieses Fürsten (679 vor uns. Zeitr.) *) Lin-jt ist das heutige Hiung, Kreis Pao-ting in Pe-tschl-Ii. 440 I>r. P f i zmaie 1- machte Fürst Hoan von Tsi, indem er die Lehensfürsten zu einer Versammlung nach Kien berief, zum ersten Male die Obergewalt geltend. Im sechzehnten Jahre des Fürsten Tschuaug (67S vor uns. Zeitr.) vertrieb Yen in Gemeinschaft mit den Fürstenländern Sung und Wei den König Hoei von Tscheu, der sich nach i^ Wen, einer Stadt des königlichen Gebietes, flüchtete. In Tscheu ward indessen der Sohn Tui, der jüngere Bruder des Königs Hoei, zum Könige eingesetzt. So die gewöhnliche Erzählung. Nach Anderen jedoch hätte nur das wenig genannte südliche Yen, dessen Landesfürsten dem Geschlechte JT^ Ke angehörten, an der Vertreibung des Him- melssohnes theilgenommen. Im folgenden Jahre (674 vor uns. Zeitr.) ward 7 4m Tschung-fu, ein Grosser von Yen, in Tsching aufge- griffen, und dieses Fürstenland brachte, indem es im Bunde mit Kue den Sohn Tui angrifl", den König Hoei wieder nach Tsohea zurück. Im siebenundzwanzigsten Jahre des Fürsten Tschuang (664 vor uns. Zeitr.) machten die ^,westlichen Fremdländer der Berge" einen Einftill in Yen. Fürst Hoan von Tsi unternahm einen Kriegszug zur Rettung von Yen und trat, nachdem er die westlichen Fremdiänder der Berge im Norden angegriffen, den Rückweg an. Der Landesfürst von Yen gab dem Fürsten von Tsi das Geleite und überschritt dabei die Marken des eigenen Landes. Fürst Hoan machte dem Fürsten von Yen das Gebiet, welches derselbe auf seiner Reise erreicht, zum Geschenke und bedung bei die'ser Gelegenheit, dass Yen den Zoll des Himmelssohnes so wie zu den Zeiten des ungeschmälerten Tscheu zu entrichten habe. Zugleich wurde auch Yen die Amtsthätigkeit nach dem Vorbilde des Fürsten von Schao zugewiesen. Fürst Tschuang starb im dreiunddreissigsten Jahre seiner Len- kung (658 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger den Fürsten ^^ Siang. Im sechsundzwanzigsten Jahre dieses Fürsten (632 vor uns Zeitr.) berief Wen, Fürst von Tsin, die Lehensfürsten zu einer Versammlung nach Tsien-tu und brachte dadurch seine Ansprüche auf Obergewalt zur Geltung. Im einunddreissigsten Jahre des Für- sten Siang (627 vor uns. Zeitr.) erlitt das Heer von Thsin die bekannte grosse Niederlage auf dem Gebiete Hiao. Im siehenund- dreissigsten Jahre dieses Fürsten (621 vor uns. Zeitr.) starb Mo, Fürst von Thsin, einer der fünf Obergewaltigen. Die Geschichte der Häuser Schao-kung und Khang-scho. 441 Fürst Siiiiig starb im vierzijjfsteii Jalire seiner Lenkung (Gl 8 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger den Fürsten ]j»H Hoan, den zweiten dieses Namens in Yen. Derselbe starb im sechzehnten Jahre seiner Lenkung (602 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Hoan war Fürst g Siuen, der zweite dieses Namens in Yen. Derselbe starb im fünfzehnten Jahre seiner Lenkung (i)87 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Siuen war Fürst ^V Tschao. Der- selbe starb im dreizehnten Jahre seiner Lenkung (574 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Tschao war Fürst J^ Wu. Im Jahre der Einsetzung dieses Fürsten wurden in Tsin die drei grossen Würdenträger des Geschlechtes Khie getödtet. Fürst Wu starb im neunzehnten Jahre seiner Lenkung (o35 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Wu war Fürst ^ Wen. Derselbe starb im sechsten Jahre seiner Lenkung (549 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Wen war Fürst fk l- Im ersten Jahre dieses Fürsten (548 vor uns. Zeitr.) tödtete Tlisui-tschü von Tsi seinen Gebieter, den Fürsten Tschuang. Fürst I starb im vierten Jahre seiner Lenkung (545 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den Fürsten ^^ Hoei, welcher der zweite dieses Namens in Yen. Im ersten Jahre dieses Fürsten (544 vor uns. Zeitr.) kam j]- j^ Kao-tsch'hi, der Sohn Kao-heu's von Tsi, als Flüclitling nach Yen. Fürst Hoei, der seine Gunst vielen nicht in seinen Diensten stehenden Männern zuwandte, hatte die Absicht, die Grossen seines Landes zu entfernen und den Günstling yP Sung an deren Stelle zu setzen. Die Grossen des Landes vereinigten sich und Hessen den Günstling Sung hinrichten, was den Fürsten Hoei mit solcher Furcht erfüllte, dass er das Land verliess und sich als Flücht- ling nach Tsi begab. Dies ereignete sich im sechsten Jahre der Lenkung dieses Fürsten (539 vor uns. Zeitr.). Vier Jahre später (535 vor uns. Zeitr.) erschien jTE j^ Kao-yen, ein Grosser von Tsi, an dem Hofe von Tsin, wo er die Bitte stellte, dass Yen durch 442 Dr. Pf i z ni a ie r Tsi und Tsin in Gemeinschaft angegriffen und Fürst Hoei daselbst wieder eingeführt werde. Fing, Fürst von Tsin, gewährte die Bitte und unternahm im Bunde mit Tsi einen Kriegszug gegen Yen, dessen Fürsten er in Wirklichkeit zurückführte. Fürst Hoei starb jedoch gleich nach seiner Ankunft in der Hauptstadt von Yen. In diesem Lande ward hierauf Fürst A^ Tao eingesetzt. Derselbe starb im siebenten Jahre seiner Lenkung (529 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Tao war Fürst Ä Kung. Derselbe starb im fünften Jahre seiner Lenkung (524 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Kung war Fürst ^ Fing. Um diese Zeit hatte in Tsin das fürstliche Haus sein Ansehen verloren, während die sechs Erlauchten zu Macht und Grösse gelangt waren. Im achtzehnten Jahre des Fürsten Fing (506 vor uns. Zeitr.) ver- nichtete Ko-liü, König von U, die Macht von Tsu und hielt seinen Einzug in Ying, die Hauptstadt dieses Landes. Fürst Fing starb im neunzehnten Jahre seiner Lenkung (505 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Fing war Fürst [^^ Kien. Der- selbe starb im zwölften Jahre seiner Lenkung (493 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Kien war Fürst ^T Hien. In dem Jahre der Einsetzung dieses Fürsten belagerte Tschao-yang von Tsin die von den Geschlechtern Fan und Tschung-hang vertheidigte Stadt Tschao-ko. Im zwölften Jahre des Fürsten Hien (481 vor uns. Zeitr.) tödtete Tien-tsch'hang von Tsi seinen Gebieter, den Fürsten Kien. Im vierzehnten Jahre des Fürsten Hien (479 vor uns. Zeitr.) starb Khung-tse in Lu. Fürst Hien starb im achtundzwanzigslen Jahre seiner Lenkung (465 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Hien war Fürst -^i Hiao. Im zwölften Jahre dieses Fürsten (453 vor uns. Zeitr.) vernichteten die drei Häuser von Tsin: Han, Wei und Tschao das Geschlecht des Fürsten von Tsi und theilten sich in dessen Länder, wodurch die Macht der drei genannten Häuser noch um ein Bedeutendes vermehrt ward. Fürst Hiao starb im fünfzehnten Jahre seiner Lenkung (450 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Hiao war Fürst fcjf Sching. Der- selbe starb im sechzehnten Jahre seiner Lenkung (434 vor uns. Zeitr.). Die Geschichte der Häuser Schao-kung und Khnng-seho. 443 Der Nachfolger des Fürsten Scliing war Fürst y^ Min. Der- selbe starb im einunddreissigsten Jahre seiner Lenkung (403 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Min war Fürst ^ Ili, der zweite dieses Namens in Yen. Im Jalire der Einsetzung dieses Fürsten traten Han, Wei und Tschao, die drei Häuser von Tsin, in die Reihe der Lehensfürsten. Im dreissigsten Jahre des Fürsten Hi (373 vor uns. Zeitr.) unternahm Yen, nach dem Beispiele mehrerer anderer Fürstenliinder die Jugend und Sorgiosigiceit des Königs Wei von Tsi sieh zu Nutzen machend, einen Kriegszug gegen Tsi und schlug dessen Heer auf dem Gebiete ^\ 'Wjk Lin-ying. Fürst Hi starb in dem Jahre des erwähnten Angriffes auf Tsi. Der Nachfolger des Fürsten Hi war Fürst JQ Hoan, der dritte dieses Namens in Yen. -Derselbe starb im eilften Jahre seiner Len- kung (362 vor uns. Zeitr.). Der Nachfolger des Fürsten Hoan war Fürst "^ Wen, der zweite dieses Namens in Yen. In dem Jahre der Einsetzung dieses Fürsten starb Hien, Fürst von Thsin, und war das Übergewicht des genannten Landes um diese Zeit bereits entschieden. In das neunzehnte Jahr des Fürsten Wen von Yen (343 vor uns. Zeitr.) fällt der Tod des Königs Wei von Tsi. Im achtundzwanzigsten Jahre des Fürsten Wen (334 vor uns. Zeitr.) kam der Redner Su-thsin zum ersten Male nach Yen und sprach mit dem Fürsten dieses Landes über die gegen die Macht von Thsin zu treffenden Vorkehrungen. Fürst Wen schenkte Su-thsin Wagen, Pferde, Gold und Seidenstoffe und setzte ihn dadurch in Stand, sich an den Hof von Tschao zu begeben. Su, Fürst von Tschao, verwendete sofort Su-thsin, auf dessen Rath die sechs Fürstenländer Wei, Han, Tschao, Tsu, Yen und Tsi sich zu einem Bündnisse gegen Thsin vereinigten. Hoei, König von Thsin, suchte jedoch Yen für sich zu gewinnen, indem er seine Tochter dem zur Nachfolge bestimmten Sohne des Fürsten Wen zur Ge- mahlinn gab. Fürst Wen starb im einundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (333 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den späteren König ,^^ Yt. Gleich nach der Einsetzung dieses Fürsten maciite sieh Siuen, König von Tsi, die Trauer, in welcher sich Yen um den verstorbenen Fürsten befand, zu Nutzen und griff dieses Land an, wobei er zehn feste Städte eroberte. Su-thsin reiste hierauf nach Tsi und bewirkte durch einige Worte, welche er an den König Siuen richtete, dass dieser die eroberten zehn festen Städte an Yen zurückgab. Im zehnten Jahre seiner Lenkung (323 vor uns. Zeitr.) legte sich König Yi, bisher Fürst von Yen geheissen, zum ersten Male die Königsbenennung bei. Su-thsin hatte während seines Aufenthaltes in Yen mit der Gemahlinn des früheren Fürsten Wen, der Mutter des Königs Yi, geheimen Umgang. Da dieses Verbältniss nicht unentdeckt blieb, besorgte er, zur Strafe gezogen zu werden, und sann auf Mittel, wie er Yen verlassen könne. Er erbot sieh daher dem Könige, sich als Gesandter nach Tsi zu begeben und daselbst für Yen Späherdienste zu verrichten, indem er Tsi in einen Zustand der Zerrüttung bringen wolle. Der König gab hierzu seine Zustimmung. König Yi starb im zw^ölften Jahre nach seiner Erhebung zum Fürsten von Yen (321 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, der, da er nach dem Tode keinen Namen erhielt, in der Geschichte nur mit dem Namen p^ Khuai von Yen genannt wird. Gleich nach der Einsetzung des Königssohnes Khuai von Yen wurde Su-thsin in Tsi durch einen gedungenen Meuchel- mörder getödtet. Schon zur Zeit, als sich Su-thsin in Yen befand, hatte er sich mit ^ ^ Tse-tsehi, dem Landesgehilfen von Yen, verschwägert, und auch Su-tai, der Bruder Su-thsin's, war mit dem genannten Tse-tschi in Verbindung getreten. Nach dem Tode Su- thsin's verwendete Siuen, König von Tsi, wieder dessen Bruder Su-tai zu den Diensten des Landes. Im dritten Jahre des Königs Khuai (318 vor uns. Zeitr.) rich- tete Yen in Verbindung mit Tsu und den drei Königsländern des früheren Tsin einen grossen Angriff gegen das übermächtige Thsin. Der Angriff misslang indessen und endete mit dem Rückzuge der fünf verbündeten Heere. Tse-tschi, auch von dem neuen Könige als Landesgehilfe bei- behalten, war in Yen ein angesehener und wichtiger Munn , der in allen Dingen entschied. Su-tai wurde im Auftrage des Königs von Tsi als Gesandter nach Yen geschickt. Daselbst richtete König Khuai Die Geschichte der Iliiiiser Schao-kung und Khang-scho. 445 an ihn die Frage: Wie steht es um den König von Tsi? — Su-tai gab zur Antwort: Er wird gewiss kein Obergewaltiger werden. — Auf die Frage des Königs, was zu dieser Annahme berechtige, ant- wortete Su-tai: Er schenkt kein Vertrauen seinen Würdenträgern.— Su-tai wollte nämlich, indem er so sprach, den König dahin bringen, dass er Tse-tschi noch mehr ehre. Der König von Yen schenkte in Folge dessen seinem Landesgehilfen Tse-tschi unbedingtes Vertrauen. Tse-tschi übersandte jetzt an Su-tai hundert Hundertgewichte eherner Geldstücke und bewirkte, dass der König dem Vorschlage, das Gebiet von ^ ffK Lu-mao <) als Geschenk auf das lange Leben des Landesgehilfen zu verleihen. Gehör gab. Su-tai forderte den König allen Ernstes auf, das gesammte Land Yen an Tse-tschi zu überlassen, indem er sagte: Dass die Menschen Yao weise nann- ten, es war desshalb, weil er abgetreten hat die Welt anHiü-yen^). Hiü-yeu nahm sie nicht an. Yao hatte den Namen, verzichtet zu haben auf die Welt, aber in Wirklichkeit ward er nicht verlustig der Welt. Wenn du jetzt, o König, auf das Land Verzicht leistest zu Gunsten Tse-lschi's, so wird Tse-tschi gewiss nicht wagen, es anzunehmen Hierdurch würdest du, o König, mit Yao gemein haben die Hand- lungsweise. Der König von Yen übertrug hierauf sein Land an Tse-tschi, der ein Mann von grosser Wichtigkeit wurde. Jemand sagte zu dem Könige noch Folgendes: Yü empfahl Yi^). Nachdem dies gesche- hen, ernannte er die Leute des Sohnes Klii*) zu Angestellten. Yü ward alt und hielt dafür, dass Khi nicht verdiene, betraut zu werden mit der Welt, und er überliess sie an YT. Nachdem dies geschehen, machte Khi mit seinen Genossen einen Angriff auf Yi und entriss ihm die Welt. Dies bedeutete, dass Yü dem Namen nach überlassen die Welt an Yi, dass aber, nachdem dies geschehen, er in Wirklichkeit 1) Nach einer anderen Lesart ^^ S^ Thsu-mao. Es wird angegeben, dass j^ Thsu der ursprüngliche Name des späteren Unterkreises Kan-ling, der seinerseits das heutige Ku-tsching des Kreises Ho-kien in Pe-tschl-li. Übrigens ist der hier angegeitene Sinn nicht ganz sicher, da die bezti^jliche Stelle in dem Sse-ki sehr anslassungshaft erhalten ist und ein anderes Werk von dem Verfasser nicht nachge- schlagen werden konnte. 2) Es wird erzählt, dass der Allhalter Yao sein Land an Hiü-yeu abtrat, dieser jedoch die .\nnalinie verweigerte. •) Yi war ein grosser Würdenträger des Königs Yü. '*) Khi, der zweite König des Hauses Hia, war der Sohu des Königs Yü. 446 Dr. P f i z m a i e r geheissen hat Khi für sicli selbst sie nehmen. Jetzt hast du, o König, gesagt, dass du übergibst das Land an Tse-tschi, aber unter den An- gestellten ist keiner, der nicht gehörte zu des Nachfolgers Mensehen. Hierdurch hast du dem Namen nach es übergeben Tse-tschi, aber in Wirklichkeit wird der Nachfolger verwendet bei den Angelegenheiten. Durch diese Worte bewogen, zog der König die Abdrucks- marken der Angestellten, deren Gehalt dreihundert Scheffel und darüber betrug, an sich und händigte sie Tse-tschi ein. Tse-tschi sass fortan mit dem Angesicht nach Süden gekehrt und verrichtete säramtliche Geschäfte eines Königs, während König Khuai selbst, sein Alter vorschützend, in Sachen der Lenkung kein Gehör gab und sich nur als Unterlhan betrug. Alle Angelegenheiten des Landes wurden durch Tse-tschi entschieden. Dieser Zustand der Dinge währte drei Jahre i). Endlich befand sich das Land in grosser Zerrüttung, und der Geschlechter des Volkes bemächtigten sich Furcht und Bangen. Der Heerführer il^ rrj Schi-pi ging mit dem zur Nachfolge bestimmten Königs- sohne ^P Fing zu Rathe, wie man Tse-tschi mit bewaffneter Hand angreifen könne. Unterdessen riethen auch die Heerführer des Königs Min von Tsi ihrem Gebieter, in Yen einzuschreiten, indem sie sprachen: Wenn wir bei diesem Anlasse schnell hineilen, ist die Zertrümme- rung von Yen gewiss. — König Min von Tsi schickte hierauf durch Leute an Fing, den zur Nachfolge bestimmten Königssohn von Yen die folgende Botschaft: Ich der unbedeutende Mensch habe gehört, dass der zur Nachfolge bestimmte Sohn in seiner Gerechtigkeit gesonnen ist zu zerstören die besondere Sache und aufzubauen die öffentliche Sache, herzustellen das Verhältniss zwischen Gebieter und Diener, in's Licht zu setzen die Rangstufe des Vaters und des Sohnes. Mein, des unbedeutenden Menschen, Land ist klein, es ist nicht stark genug, um vorangehen zu können oder im Nachzug zu sein. Dessenungeachtet geschehe nur, was der Nachfolger mir hierbei befiehlt. Im Vertrauen auf diese Zusicherung warb der Nachfolger Fing Genossen und versammelte um sich eine Heeresmenge. Der ') Nach den zeithereclmenden Bl.ittern überliess König Khuai im fiinfleo Jahre seiner Lenkung (316 vor uns. Zeitr.) das Land an Tse-tschi. Die (ii'scliiclite der lliiiiser Scliiio-kuny und Kli:iii^-sclio. 44 T Heerführer Sclii-pi umringte zuerst das köiiigliche VVolingelniiiile und machte einen An grill" auf Tse-tschi. Dieser Angrillinisslang indessen, worauf der Heerführer Sc hi-j»i und die Mensclien des Volkes ihrer- seits den Nachfolger Fing angriffen. In diesem Kampfe fu'l der Heerführer Sciii-pi, und dessen Leichnam ward in dem Lande zur Schau umhergeführt. Das Unheil nahm jedoch seinen Forlgang durch mehrere Monate, und in den noch folgenden Kämpfen fanden meh- rere Zehntausende des Volkes den Tod. Furcht und Schrecken wurden hald allgemein, und das Volk spaltete sich nach der Ver- schiedenheit seiner Ansichten in Theile. In Tsi sagte ^Pj]^ Meng-kho (der berühmte VVeisheitsfreuiid Meng-tse) zu dem Fürsten Min: Wenn man jetzt angreift Yen, so ist dies die Zeit der Könige Wen und Wu. Man darf es nicht ver- säumen. — Der König von Tsi gah sofort dem Heerführer ^ ^ Tschang-tse den Befehl, die Streitkräfte der fünf Hauptstädte um sich zu versammeln und, unter gleichzeitiger Aufbietung der gesamm- ten Heeresmenge der nördlichen Gebiete, das Land Yen anzugreifen. In Yen vermieden Anführer und gemeine Streiter den Kampf, die Thore der festen Städte wurden nicht verschlossen, was zur Folere halte, dass Khuai, Landesfürst von Yen, den Tod fand und Tsi einen grossen Sieg davontrug. Der Landesgehilfe Tse-tschi begab sich auf die Flucht i)- Erst nach zwei Jahren (312 vor uns. Zcitr.) ward der zur Nachfolge bestimmte Sohn Fing durch das Zusammenwirken der Bewohner von Yen zum Landesfürsten eingesetzt. Derselbe heisst in der Geschichte König J]2 Tschao, und ist der zweite Lan- desfürst dieses Namens in Yen. König Tschao, der nach der Zertrümmerung des Landes Yen zu seiner Würde gelangt war, zeigte sich demüthig und suchte weise Männer durch reiche Ehrengeschenke an sich zu ziehen. In diesem Sinne sagte er zu [J^ ^^ Ko-wei: Tsi hat während der Zerrüttung meines Landes mit einem Einfall heimgesucht und zertrümmert Yen. ') Dies ereignete Sil li iükIi den zeitbereiliiieiideii IJIätteni des Sse-ki ira siebenten Jahie .K-s Königs Khu:u (^314 vor uns. Zeitr J. Die genniinten zeilbei echnenden Blätter ei!lh:ilten die Angabe : Der Landi'sfurst Kliuai, der Nachfolger und di-r Laudesge- hilfe Tse-tschi verlieren das Leheu. — Dass dies in Be/.ug auf di-n Nachfolger unrichtig, gelit aus dem Verlaufe der hier erzählten Itegel.enheiten hervor. Eine aus einem anderen Jahrlmche an-efuhrte Stelle lautet: Die .Mensoheri von Tsi nehmen Tse-tschi gefangen und legen dessen Leih em. Sit/.b. d, phil.-hist. fl. XLI. lid. Fl. Hft. 29 448 '''■■ P fi /. 111 Hi e r Ich, der Vaterlose, weiss sehr gut, dass Yen klein, dessen Kraft gering und nicht hinreicht, um Vergeltung zu üben. Dass ich des- senungeachtet gewinne weise Männer, denen ich darbieten könne mein Land, um wegzuwaschen die Schande des früheren Königs, ist mein, des Vaterlosen, Verlangen. Indem du, o Frühgeborner, siehst, ob dieses möglich, möge es dahin kommen, dass ich in Selbstheit dir diene. — Ko-wei antwortete: Indem du, o König, heranziehen willst die Mäimer der L;tnde, hast du früher den Anfang gemacht mij mir: um wie viel mebi- wird dies der Fall sein bei denen, die weiser sind als ich? Wie sollten sie für eine Entfernung halten tausend Weglängen? König Tschao Hess jetzt für Ko-wei das königliche Gebäude umbauen und diente diesem Manne wie einem Lehrer. Unter den vorzüglichen IMännern, welche dem Rufe des Königs Folge leisteten, kamen ^^ ^ Lo-I aus dem Königslande Wei, ^WT ^^ Tseu- yen aus Tsi, ^£ W^ Khie-sin aus Tschao. Die vorzüglichen Män- ner aller Länder wetteiferten, sieh schnellen Schrittes nach Yen zu begeben. Der König dieses Landes beklagte die Todten, erkundigte sich nach den Verwaisten und theilte mit den Geschlechtern des Volkes Freude und Kummer. Nach einer langen Reihe von Jahren hatte sich Yen so weit erholt, dass in ihm Übeifluss und Wohlstand walteten, dass Kriegs- auführer und Streiter an der Pflichterfüllung Freude hatten und einen Kampf mit dem Feinde nicht scheuten. König Tschao ernannte jetzt, im achtundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (284 vor uns. Zeitr.) den oben erwähnten Lo-I zum obersten Heerführer und verabredete mit Thsin, Tsu und den drei Ländern des früheren Tsin einen gemeinschaftlichen Angriff auf Tsi. Bei diesem Angriffe ward die Kriegsmacht von Tsi geschlagen, König Min von Tsi floh aus seinem Lande und rettete sich in die Fremde. Nachdem hierauf die übrigen Verbündeten abgezogen, verfolgte Yen für sich allein den erfochtenen Sieg, drang von Norden in das feindliche Gebiet und eroberte die Hauptstadt Lin-thse, wo es alle Kostbarkeiten des Landes erbeutete, die fürstlichen Wohngebäude und inneren Häuser, so wie die Ahnen- heiligthüiner des Slammhauses verbrannte. Mit Ausnahme von Liao, Khiü lind Tse-me wurden sämmtliche festen Städte von Tsi erobert und dem f^ande Yen einverleibt. Dil' (icscliiclile iler lliiusei- Scliao-kiiiijj und Kliiiii-r-scln). 449 König Tschao starb im seclisteti Jahre des Katinifcs in Tsi, im dreiunddreissigslen Jahre seiner Lenkung (279 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den König ^> lloci, den dritten Landesfiirsten dieses Namens in Yen. König Hoei hatte schon zur Zeit, als er noch der zur Nachfolge bestimmte Sohn war, mit Lo-I ein Zerwiirfniss gehabt. Nachdem er jetzt zur Königswürde gelangt, war er gegen Lo I misstrauisch und ernannte an dessen Stelle ^-fj ||pY Ki-khie zum Oberbefehlshaber des Heeres. Lo-[ begab sich auf die Flucht und wandte sich nach Tschao. Unterdessen machte Tien-tan von Tsi an der Spitze der in der Feste Tse-me eingeschlossenen Krieger einen kühnen Ausfall gegen das Heer von Yen, welches er schlug und wobei Ki-khie, der neue Heerführer von Yen, den Tod fand. Die Kriegsmacht von Yen ward zum Rückzuge gezwungen und Tsi brachte in Jahresfrist sämmtliche Festen, welche es an Yen verloren hatte, wieder in seine Gewalt. Min, König von Tsi, war schon früher, im ersten Jahre des AngritTs (284 vor uns. Zeitr.) in der festen Stadt Khiü, wohin er sich geflüchtet hatte, getödtet und an dessen Stelle sein Sohn, der spä- tere König Siang, in der Fremde eingesetzt worden. König Hoei von Yen starb im siebenten Jahre seiner Lenkung (272 vor uns. Zeitr.), und bei Gelegenheit seines Todes griffen Han, Wei und Tsu in Gemeinschaft Yen an. Der Nachfolger des Königs Hoei war König tjr it'^Wu-sching. Im siebenten Jahre dieses Königs (265 vor uns. Zeitr.) richtete der Heerführer Tien-tan von Tsi einen Angriff gegen Yen und entriss diesem Lande die feste Stadt HM \h Tschung-yang. Im zwölften Jiihre des Königs Wu-sching (260 vor uns. Zeitr.) schlug Thsin das Heer von Tschao in Tschang-ping und tödtete vierzigmal zehn* tausend feindliche Streiter, König Wu-sching starb im vierzehnten Jahre seiner Lenkung (258 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den König ^ Hiao. Derselbe w ar der zweite Landesfürst dieses Namens in Yen. Im ersten Jahre dieses Königs (257 vor uns. Zeitr.) ward das durch Thsin belagerte Han-tan, die Hauptstadt von Tschao, durch Wu-ki, Fürstensohn von Wei, entsetzt. König Hiao starb im dritten Jahre seiner Lenkung (255 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn if? Hi, den 29' 450 R'- F l'i 2 ni a i e r letzten König von Yen. Demselben ward, damit ihm die Darbrin- gung für das Haus Schao-kung aufhörte, nach dem Tode kein Name in dem Ahnenhoiligthume verliehen. Im vierten Jahre dieses letzten Königs (251 vor uns. Zeitr.) starb Tschao, König von Thsin. Der König von Yen hiess seinen Landesgehilfen jj^ ^ Li-fo mit Tschao ein Bündniss der Freundschaft schliessen und dem Könige dieses Landes um fünfhundert Gewichte Wein als Geschenk reichen. Als der Landesgehilfe zurückkehrte und über seine Sendung Bericht erstattete, sagte er zu dem Könige von Yen: Die wehrhaften Männer des Königs von Tschao sind sämmtlich gestorben in Tschang-ping. Deren verwaiste Söhne, welche noch nicht wehrhaft, kann man angreifen. Der König beschied ^ ^ Lo-kien, den Landesfürsten von S Tschang, der ein Sohn des früher genannten Heerführers Lo-I, zu sich und befragte ihn in dieser Angelegenheit. Lo-kien antwortete : Tschao ist ein Land der vierfachen Kämpfe, sein Volk ist geübt in den Waffen, es kann nicht angegrilTen werden. — Der König sprach : Ich greife es an mit fünffach überlegener Macht. — Lo-kien hielt den AngrilT immer noch für unmöglich, worauf der König zornig ward und seine übrigen Würdenträger befragte. Diese Männer waren sämmtlich der Meinung, dass ein Angriff auf Tschao von Erfolg sein würde. Der König von Yen Hess endlich zwei Kriegsheere, welche von zweitausend Streitwagen begleitet waren, aufbrechen. Das eine dieser Kriegsheere, welches von Li-(ö befehligt war, bestürmte die feste Stadt ,«;^^j) Hao in Tsch'hang-san. Das andere Kriegsheer, an dessen Spitze ^^ -MpP King -thsin stand, überfiel das im Norden von Tschao gelegene Land Tai. Bios /^ y\f\^ Tsiang-khiü, ein Grosser von Yen, machte dem Könige wegen dieses Unternehmens Vorstelhingen und sprach: Mit den Menschen verkeliren in den Durchwegen der Marken, abschlies- sen ein Bündniss, um fünfliundert Gewichte zu trinken zu geben dem Könige der Menschen, hierauf, sobald der Gesandte Bericht erstattet, sie wieder überfallen, ist von keiner guten Vorbedeutung. Die Kriegsmacht wird keine grossen Thaten verrichten. — Der König gab dies( n Vorstellungen kein Gehör, er stellte sich vielmehr an die Die fiescliiclile der lliiiiscr Si-liao-kiirijjr und Khiiui^-sclio. 4 • J I Spitze eines besonderen Heeres und foljj^te den beiden geniinnten Heerführern auf dein Fusse nach. Tsiang-khiii zog auch jetzt noch den König bei dem Bande der Abdrucksniarke und hielt ilin zurück, indem er sprach: Mögest du, o König, dich ja nicht auf den \N eg begeben! Wenn du dich auf den Weg begibst, wirst du keine grossen Thaten verrichten. — Der König stiess Tsiang-kliiü mit dem Fusse von sich, worauf dieser NN'ürdenti äger weinend sprach: Ich halte keineswegs dafür, dass ich als König auftreten könne. Als das Heer von Yen nach Hp- t|? Sung-tse, einer Stadt auf dem Gebiete Khiü-lo, gelangt war, schlug und zerstreute der von Tschao ausgeschickte Heerführer Lien-pho in raschem AngrilTe das von Li-Io befehligte Heer auf dem Gebiete von Hao. Auf gleiche Weise schlug und zerstreute er das von King-thsin und ^E ^2^ Lü-sching befehligte Heer in dem Lande Tai. Lo-kien verliess Yen und floh nach Tschao. Lien-pho verfolgte die Kriegsmacht von Yen auf einer Strecke von fünfhundert W'eglängen und schrilt zuletzt zur Belagerung der feindlichen Hauptstadt. Yen bat hierauf um Frieden, Tschao wollte jedoch unter keiner anderen Bedingung Frieden schliessen, als dass Tsiang-khiü bei den Unterhandlungen gegenujirtig sei. Yen ernannte Tsiang-khiü zum Landesgeliilfen und hiess ihn sich an Tschao mit Friedensvorschlägen wenden. Tschao gab endlich den Bitten Tsiang- khiü's Gehör und hob die Belagerung der Hauptstadt von Yen auf. Im sechsten Jahre des Königs Hi (249 vor uns. Zeitr.) ver- nichtete Thsin sowohl das östliche als das westliche Tscheu und bildete aus dem Gebiete des Himmelssohnes die Landschaft der drei Rinnsäle, im siebenten J;ilire des Königs Hi (248 vor uns. Zeitr.) entriss Thsin dem Lande Tschao die Stadt Y"ü-thse nehst siebeniuid- dreissig anderen festen Städten und bildete aus den Gebieten der- selben die Landschaft Thai-yuen. Im neunten Jahre des Königs Hi (246 vor uns. Zeitr.) ward der Köni.nssohn Tsching, der spätere Alllialter des Anfangs, zum Könige von Tlisin eingesetzt. Um diese Zeit hatte Tschao das Königsland Wei mit Krieg überzogen und gegen dessen Macht den Heerführer Lien-pho aus- geschickt, der im zehnten Jahre des Königs von Yen (245 vor uns. Zeitr.) die feste Stadt u^ iix. Po-yang angrilT und eroberte. In demselben Jahre starb Hiao-schiiior, König von Tschao, und dessen Nachfolger, König Tao-siang ei-nannte den bei einem früheren Anlasse nach Tschao getlüchteten Lo-sching an der Stelle Lien- pho's zum Befehlshaber des Heeres. Lien-pho versagte jedoch dern kI;>niglichetiB(^fehle den Gehorsam, vertrieb den neuen Heerführer mit Waffengewalt und tloh hierauf nach Ta- Hang, der Hauptstadt von Wei. Im zwölften Jahre des Königs Hi (243 vor uns. Zeitr.) ward ^pV ä^ Li-nio, Heerführer von Tsch-no, gegen Yen ausgesandt. Derselbe eroberte ^i^ jFV Wu-sui und yjx~/f P'ang-sching, zwei feste Städte von Yen. Der von dem Könige Tschao von Yen aufgenommene Khie-sin lebte ursprünglich in Tschao und stand daselbst zu K^ Igg Pang- nuan, einem Heerführer dieses Landes, in freundschaftlichen Bezie- hungen. Später floh Khie-sin aus Tschao und begab sich nach Yen. Als jetzt Yen sah, dass Tschao mehrmals durch Thsin in Verlegen- heit gesetzt worden und dass man nach der Entfernung Lieri-pho's dem Heerführer Pang-nuan den Oberbefehl übertragen habe, gedachte es die erschöpfte Lage von Tschao zu einem Angriff auf dieses Land zu benutzen. Man fragte Khie-sin um Rath, und dieser Mann antwortete: Mit Pang-nuan ist leicht auszukommen. — Yen stellte hierauf Khie-sin an die Spitze des Heeres und Hess durch ihn einen raschen Angriff gegen Tschao ausführen. Tschao befahl Pang-nuan, seinerseits den Feind anzugreifen. Dieser Heerführer nahm zwanzigtausend Krieger des Heeres von Yen gefangen, bei welcher Gelegenheit auch Khie-sin in dem Kampfe getödtet ward. Diese Niederlage des Heeres von Yen ereignete sich in dem drei- zehnten Jahre des Königs Hi (242 vor uns. Zeitr.). In demselben Jahre, in welchem Yen geschlagen ward, entriss Thsin dem Königslande Wei zwanzig feste Städte und bildete aus deren Gebieten die Landschaft des Ostens. Im neunzehnten Jahre des Königs Hi (236 vor uns. Zeitr.) entriss Thsin dem Königslande Tschao das Gebiet Nie sanunt neun festen Städten. In demselben Jahre starb auch König Tao-siang von Tschao- Im dreiundzwanzigsten Jahre des Königs Hi(232 vor uns. Zeitr.) begab sich der zur Nachfolge bestimmte Königssohn -|^ Tan von Yen als Geissei nach Thsin, floh jedoch, durch ungebührliche Be- handlung bewogen, aus diesem Lande und kehrte nach Yen zurück. Die Gesfhielite der lüiuser Scliao- kiiiig; uiiJ Klniiig .-.t-liö. 4 0 0 Im füiifundzwanzigsteri Jahre des Königs Hi (230 vor uns. Zeitr.) nahmTlisiii den König Ngan von lim gefangen und vernich- tete dieses Königsland, aus welchem die Landschaft Ying-tschuen „die Rinnsäle des Flusses Ving" gebildet ward. Im siebenundzwanzigsten Jahre des Königs Hi (228 vor uns. Zeitr.) nahm Thsin den König Tsien von Tschao gefangen und ver- nichtete dieses Königsland, währe nd Kia, Königssohn von Tschao, nach Osten zog und daselbst seine Einsetzung zum Könige von Tai bewirkte. Yen erkannte jetzt, dass die Vernichtung der sechs Königs- länder durch Thsin bald eine vollendete Thatsache sein und dass bei dem Umstände, als Streitkräfte von Thsin bereits im Angesichte des Flusses Yi ihre Aufstellung genommen, das Unglück in nächster Zukunft auch über Yen hereinbrechen werde. Im Hinblick auf diese Wendung der Dinge beherbergte Tan, Königssohn von Yen, im Geheimen zwanzig starke Kriegsmänner, unter ihnen den durch seine Entschlossenheit furchtbaren jpT -+j-lj King-kho. Den letzteren schickte der Königssohn als Gesandten nach Thsin, damit er einen Abriss des Landes y|^ ^ Tii-keng überreiche und bei dieser Gelegenheit den König von Thsin ersteche. Der König von Thsin, der spätere Alihalter des Anfangs, merkte jedoch im entscheidenden Augenblicke die Absicht des Gesandten und brachte es, obwohl mit vieler Mühe, dahin, dass King-kho noch vor Verübung der beabsich- tigten That getödtet wurde. Dies ereignete sich im achtundzwan- zigsten Jahre des Königs Hi (227 vor uns. Zeitr.). Im folgenden Jahre, dem neunundzwanzigsten des Königs Hi (226 vor uns. Zeitr.), richtete Thsin einen Angriff gegen Yen und entriss diesem das Gebiet tfill Ki, welches die Hauptstadt des Landes enthielt. Der König von Yen verlegte hierauf seinen Wohnsitz nach Liao-tung, Hess den Königssohn Tan enthaupten und übersandte dessen Haupt an Thsin. Im dreissigsten Jahre des Königs Hi (225 vor uns. Zeitr.) ver- nichtete Thsin das Königsland Wei. Endlich im dreiunddreissigsten Jahre des Königs Hi (222 vor uns. Zeitr.) schickte Thsin den Heer- führer Wang-tsien gegen Yen. Derselbe eroberte im raschen An- griffe das Land Liao-tung und nahm Hi, König von Yen, gefangen. Das KönigslandYen war somit vernichtet. In demselben Jahre nahmWang- feii, Heerführer von Thsin, auch den König Kia von Tai gefangen 4d4 •''"• I' fi z 'n a ' e f Die Geschichte des Hauses Rhaug-scho. 'l^X /^ Khang-scho, der Stammvater der Fürsten von Wei, führte den Namen 4,+ Fung und war unter den zehn leiblichen Brüdern des Königs Wu von Tscheu der neunte in der Reihenfolge des Alters. Ihm zunächst folgte im Alter nur noch Jen-ki, der unter den Brüdern des genannten Königs der jüngste. Nachdem König Wu von Tscheu den König Tsch'heu von Yin überwunden hatte, belehnte er Wu-keng Lo-fu, den Sohn des Königs Tsch'heu, wieder mit dem Überbleibsel des Volkes der Yin, endem er ihn den übrigen Lehensfürsten gleichstellte und ihn den Vorfahren des Hauses Yin huldigen hiess. Die Absicht des Königs war, zu verhüten, dass die Darbringung an den Anbetungsorten der Landesgötter von Y^in aufhöre. Wu-keng hatte sich in seinem Lande noch nicht festgesetzt, und es war zu befürchten, dass er hinterlistige Gedanken hegen werde. König Wu gab daher seinen jüngeren Brüdern Kuan-scho und Tsai-scho den Auftrag, bei W\i-keng Lo-fu die Stellen von Zugesellten und Landes^ehilfen zu versehen und auf diese Weise dessen Volk gefügig zu machen. Nach dem Tode des Königs Wu und während der Minderjäh- rigkeit des Königs Schlug übernahm Tan, Fürst von Tscheu, an der Stelle des Königs die Lenkung des Landes. Kuan-scho und Tsai- scho, die beiden Oheime des Königs, Wiiren gegen den Fürsten von Tscheu misstrauisch und erregten in Gemeinschaft mit Wu-keng Lo-fu einen Aufruhr, wobei sie das zur neuen Hauptstadt von Tscheu auserkorene Tsching-tscheu zu überfallen gedachten. Der Fürst von Tscheu bot im Namen des Königs Schlug ein Kriegsheer auf, richtete einen Angriff gegen das Land von Yin, tödtete Wu-keng Lo-fu nebst Kuan-scho und schickte Tsai-scho in die Verbannung, Der Fürst von Tscheu belehnte hierauf seinen jüngeren Bruder Kbang-scho mit dem noch übrigen, früher Wu-keng zugewiesenen Volke der Yin, indem er ihn zum Landesfürsten von Y^f Wei ernannte und ihm das zwischen dem gelben Flusse und dem Flusse Die Gescliifltte der Miiuser Schao-kuiig iiiid Kliaiifj-schö. 4:<)«> m Khi gelegene Land mit dem alten Erdhiigel der Sehang ') zum Wohnsitz bestimmte. Der Fürst von Tsclieu hegte Besorgnisse wegen der Jugend Kliang-scho's, und er erliess an diesen eine Verkiindung, worin er ihn aufforderte, die weisen Miinner von Yin und die Altesten der Weislieitsfreunde zu fragen, aus welchen Ursachen das ehemalige Haus Yin sich erhoben und aus welchen Ursachen es wieder zu Grunde gegangen. Da!)ei ermahnte er ihn, das Volk mit Sorgfalt und Liebe zu behandeln und stellte ihm vor, dass König Tsch'heu eigentlich aus dem Grunde den Tod gefunden, weil er sich dem Weine ergehen habe. Wo man sich bei dem Weine verfehlt, befolgt man den Rath der Weiher. Dies seien die ersten Anfänge der Lasterhaftigkeit des Königs Tscli'heu gewesen. Es ward nebstbei Khang-scho gerathen, sich mit Ackerbau, Künsten und Gewerben zu befassen, wo ihm verschiedene Vorbilder geboten werden. Die bezüglichen Aufsätze, in denen ihm somit der königliche Befehl ertheilt wird, heissen: „die Verkündungen an F\hang", „die Ver- kündungen wegen des Weines", „der StoIY des kostbaren Baumes". Als Khang-scho sich in sein Land begab, hatte er diese Ver- kündungen bereits erhalten, und er bewirkte, indem er in deren Geiste handelte, die Festsetzung des Volkes, welches an den Restim- mungen seines Landesfürsten grossen Gefallen fand. König Schiiig verwendete seinen Oheim Khang-scho noch immer zu den Geschäf- ten und ernannte ihn zum Sse-kheu, d. i. obersten Strafrichter von Tscheu. Zugleich verlieh er Wei die kostbaren Geräthe der Dar- bringung: den grossen Wagen und die aus Federn verfertigte Fahne des Königs Wu, wodurch er die Tugend des Landesfürsten in's Licht zu setzen gedachte. Als Khang-scho starb, ward dessen Sohn Fürst Jp^ Khang zum Landesfürsten von Wei eingesetzt. Derselbe fiihrle gleich seinen fünf unmittelbaren Nachfolgern die Benennung yjy Pe, Lehensfürst dritten Ranges. Als Fürst Khang starb, folgte ihm dessen Sohn, Fürst ^k Khao 1) Dieser Fürstensitz von Wei befand sich in der Gegend des heutigen Wei-hoei in Ho-nan. 45() !>'■• 1' f ' i 'I' ;i i e r Fürst Khao hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den Fürsten 4^ Thse. Auf den Fürsten Thse folgte dessen Sohn Fürst Tsche. Fürst "Tsehe hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den Fürsten M Tsing. Der Nachfolger des Fürsten Tsing war Fürst g Tsching. Fürst Tsching hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den Fürsten J;§ Khing, der in der Geschichte unter der Benennung lü^ Heu, Lehensfürst zweiten Ranges, angeführt wird. Derselhe brachte es nämlich durch viele Geschenke, welche er dem damaligen Könige ^ I von Tscheu überreichte, dahin, dass in Folge eines könig- lichen Befehles die Landesfürsten von Wei zu Lehensfürsten zweiten Ranges erhoben wurden. Fürst Khing starb im zwölften Jahre seiner Lenkung und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den Fürsten ^ Hi. Im dreizehnten Jahre dieses Forsten (842 vor uns. Zeitr.) floh Li, König von Tscheu, nach Tsch'hi, worauf die unter dem Namen Kung-ho „das gemeinsame Einverständniss" bekannte Lenkung eingesetzt wurde. Im achtundzwarizigsten Jahre des Fürsten Hi (827 vor uns. Zeitr.) ward König Siuen von Tscheu eingesetzt. Fürst Hi starb im zweiundvierzigsten Jahre seiner Lenkung (813 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn g^ Yü, genannt Fürst it Kung. Dessen jüngerer Bruder ^kH Ho stand seiner Zeit in der Gunst des verstorbenen Fürsten Hi, von dem er viele Geschenke erhalten hatte. Der Fürstensohn Ho ver- theilte jetzt die erhaltenen Geschenke unter die Kriegsanführer des Landes und überfiel mit Hilfe dieser Männer seinen Bruder, den Fürsten Kung, der sich eben auf dem Grabhügel seines Vaters befand. Fürst Kung trat in den Grabweg des Fürsten Hi und tödtete sich selbst. Die Bewohner von Wei begruben ihn daher zur Seite des Fürsten Hi und gaben ihm den nach dem Tode zu führenden Namen Fürst Kung. Die Bedeutung des Wortes it Kung ist „gemeinschaftlich". Zugleich ward der Sohn Ho zum Fürsten von Wei eingesetzt. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst Wu. Ä Die Geschli'hte der Hiiuser Sfhao-kuiig und Klimig-si-hö. 4.) < Sobald Fürst Wu zu seiner Würde erhoben war, befleissigte er sich der Lenkung des ersten Landesfürsten von Wei, des in hoher Achtung stehenden Khang-scho, was zur Folge hatte, dass die Geschlechter des Volkes mit ihm einverstanden waren und sich um ihn schaarten. Im zweiund vierzigsten Jahre dieses Fürsten (771 vor uns. Zeitr.) tödteten die westlichen ^,Hunde-Fremdländer-' den König Yen von Tscheu. Fürst Wu stellte sich an die Spitze seiner Streitmacht und zog zum Schutze von Tscheu in's Feld. Er brachte die westlichen Fremdliinder zur Ruhe, wobei er sich sehr grosse Verdienste erwarb. König Fing von Tschen erhob daher die Landes- fürsten von Wei zu Lehensfürsten ersten Ranges. Fürst Wu starb im fünfundfünfzigsten Jahre seiner Lenkung (758 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn ^^ Yang, genannt Fürst M-|^ Tschuang. Dieser Fürst vermählte sich im fünften Jahre seiner Lenkung (733 vor uns. Zeitr.) mit einer Tochter des Fürstenhauses von Tsi. Dieselbe wurde eine Gemahliiin ersten Ranges, war durch ihre Schöiilieit berühmt und blieb kinderlos. Ausserdem vermählte sich der Fürst mit einer Tochter des Fürstenhauses von Tschin. Dieselbe gebar einen Sohn, der jedoch frühzeitig starb. Die jüngere Schwester der Tochter des Fürstenhauses von Tschin ward ebenfalls der Gunst des Fürsten Tschuang theilhaftig und gebar einen Sohn, Namens ^^ Hoan. Als die Mutter des Sohnes Hoan starb, hiess Fürst Tschuang seine erste Gemahlinn, die Tochter des Fürstenhauses von Tsi, diesen Sohn an Kindesstatt aufnehmen. Zugleich bestimmte er ihn auch zum Nach- folger in Wei. Endlich hatte Fürst Tschuang noch eine begünstigte Nebengemahlinn, welche einen Sohn, Namens p'f' 'j'h Tscheu-yü gebar. Im achtzelinten Jahre des Fürsten Tschuang (740 vor uns. Zeitr.) war der Fürstensohn Tscheu-yü erwachsen und zeigte Vor- liebe für das Kriegswesen. Fürst Tschuang übertrug ihm den Ober- befehl über ein Kriegsheer. Dagegen machte J^^ /^ Schi-tso, der erste Erlauchte von Wei, dem Fürsten Vorstellungen, indem er sagte: Ein unechter Sohn liebt die Wallen, und man lässt ihn ein Heer befehligen. Der Aufruhr erhebt sich hierdurch zur Höhe. — Der Fürst liess indessen diese W^arnung unbeachtet. 458 Dr. I> f i X ma ie r Fürst Tschuang starb im dreiundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (73ö vor uns. Zeitr.) und iiatte zum Nachfolger seinen Sohn Hoan, genannt Fürst T>H Hoan. Tscheu -yü, der jüngere Bruder des Fürsten, benahm sich stolz und übermüthig, was den Fürsten Hoan bewog, iiim die Rangstufe eines Fürstensoiines zu entziehen. Tscheu -yü floh in Folge dessen aus dem Lande. Dies ereignete sich im zweiten Jahre der Lenkung des Fürsten Hoan (733 vor uns. Zeitr.). Im dreizehnten Jahre des Fürsten Hoan (722 vor uns. Zeitr.) überfiel Tuan, der jüngere Bruder des Fürsten von Tsching, diesen seinen älteren Bruder und floh, als er nichts ausrichtete, aus dem Lande. Tscheu -yü bewarb sich hierauf um die Freundschaft des Fürstensohnes Tuan. Im sechzehnten Jahre des Fürsten Hoan (719 vor uns. Zeitr.) versammelte Tscheu-yü um sich eine Anzahl Flücht- linge von Wei, mit denen er in dieses Land einfiel und den Fürsten Hoan tödtete. Tscheu-yü, der sofort seine eigene Einsetzung zum Landes- fürsten von Wei bewerkstelligte, gedachte jetzt, dem Fürstensohne Tuan, dem jüngeren Bruder des Fürsten von Tsching, zu Gefallen das Land Tsching anzugreifen und bat die Fürstenländer Sung, Tschin und Tsai, mit ihm gemeinschaftliche Sache zu machen. Die drei genannten Fürstenländer willigten in dieses Begehren. Tscheu-yü, der erst unlängst eingesetzt worden, ein Freund- des Kriegswesens war und zudem seinen Gebieter, den Fürsten Hoan, getödtet hatte, war aus diesen Ursachen bei den Bewohnern von Wei nicht beliebt. Schi-tso, der Erlauchte von W^ei, benützte den Umstand, dass die Mutter des getödteten Fürsten Hoan dein Lande Tschin entsprossen, zum Verderben Tscheu-yü's, mit dem er verstellter Weise ein gutes Einverständniss unterhielt. Unterdessen gelangte Tschen-yü zu den fernen Umgebungen der Hauptstadt von Tscliing *). Schi-tso traf mit dem Fürsten von Tschin eine Verab- redung, der gemäss der Hausdiener der Beeilten, Namens ^H Tsch'heu, l)eauftragt wurde, Tscheu-yü Speisen zu reichen. Bei dieser Gelegenheit wurde Tscheu-yü ergriffen und in yj^ Po, einem •) So hericlitet <1hs Sse-ki. Nach Her Gescliiclile Tsn-kiiieii - ming's begrab sich Tsc-heii-yii an den Hof von Tsfhin. I Die Geschichte der-Häuser Schao-kuiig und Khimg-scho. 459 Gebiete von Tschin, getöcKet. Die MaclithahiM- von Wei liossen hierauf ^p- Tsin, den jüngeren Bruder des Fürsten Hoan, aus dem Fürstenlandc;. fll] llingi), wo er sich bisher aufgehalten, abholen und erhoben ihn zum Landesfürsten. Derselbe heisst in der Ge- schichte Fürst s^ Siuen. Im siebenten Jahre des Fürsten Siuen (712 vor uns. Zeitr.) tödtete Tse-hoei von Lu seinen Gebieter, den Fürsten Yiu. Im neun- ten Jahre des Fürsten Siuen (710 vor uns. Zeitr.) tödtete Hoa-tü von Sung seinen Gebieter, den Fürsten Schang, ferner den grossen Würdenträger Khung-fu. Im zehnten Jahre des Fürsten Siuen (709 vor uns. Zeitr.) tödtete \Vu, Lehensfürst von Khio-wö2), seinen Gebieter, den Fürsten Ngai von Tsin. Fürst Siuen besass ursprünglich eine Gemahlinn ersten Ranges, welche er besonders liebte und deren Name ^^ HR I-kiang. Die- selbe gebar einen Sohn, Namens "{Jh Khi. Der Fiirst bestimmte diesen Sohn zur Nachfolge und hiess den „Fürstensohn der Rech- ten" sj bei ihm das Amt eines Zugesellten versehen. Der „Fürsten- sohn der Rechten" brachte es zu Stande, dass dem N.ichfolger eine Toehter des fürstlichen Hauses Tsi zur Gemahlinn gegeben wurde. Derselbe war um diese Zeit noch nicht in das innere Haus des Nachfolgers eingezogen. Fürst Siuen sah, dass die Tochter, welche man dem Nachfolger zur Gemahlinn geben wollte, mit grosser Schönheit begabt war und fand an ihr Gefallen. Er nahm sie daher für sich selbst zur Gemahlinn und bewerkstelligte, dass der zur Nachfolge bestimmte Sohn mit der Tochter eines anderen Hauses vermählt wurde. Fürst Siuen erhielt von der Tochter des Hauses Tsi zwei Söhne, Namens '^ Scheu und ^pa So, denen er den „Für- stensohn der Linken" zum Zugesellten gab. ') Die Fürsten dieses Landes geiiörlen zu den Natlikoninieii des Fürsten von Tscheu und fülirU-n den Ceschleehtsuarnen Ki. D;is Fürslenland Hing hefaud sich in der Gegend des heutigen Schün-te, Landscliall Pe-tscIiT-li. 8) Das Sse-ki nennt Tschuang, Lehenslürsten von Khio-wö, Aev .jeiloch sielien .lalne früher verstorben war. ') Von den Würdenträgern, welche dein Sohuf einer ITnstlicheii ("leniiililinn zur Seite standen, wurde der eine „der Fürstensohn der Linken", der andere „der Fürslen- sohn der Reeliten" genannt. 400 I»i'- P fi i 111 a ie r Die Mutter des Nachfolgers Khi starb, und die jetzt erste Ge- mahlinn des Fürsten Siuen verleumdete in Gemeinschaft mit dem Sohne So den Nachfolger Klii, dem schlechte Eigenschafttn von ihnen angedichtet wurden. Fürst Siuen war dem zui* Nachfolge bestimmten Sohne, dem er die Gemahlinn entrissen hatte, schon früher im Herzen ahgeneigt, und er war Willens, ihn von der Nach- folge wieder auxzuschliessen. Als er jetzt von den schlechten Eigen- schaften dieses Sohnes hörte, gerieth er in heftigen Zorn. Er schickte den Nachfolger Khi als Gesandten nach Tsi, nachdem er vorher einer Räuherbande den Befehl ertheilt, den Weg an den Marken des Landes zu verlegen und den Vorüberziehenden zu tödten. Um dies in's Werk zu setzen, gab er dem Nachfolger vor dessen Abreise einen als Fahne dienenden weissen Kuhschweif und liess den Räubern an den Marken sagen : Wenn ihr Jemanden seht, der in der Hand einen weissen Kuhschweif hält, so tödtet ihn. Der Nachfolger Khi war im Begriffe abzureisen. Der Sohn Scheu, der ältere Bruder des Sohnes So, war der von einer anderen Mutter geborene jüngere Bruder des Nachfolgers, Dieser Bruder wusste, dass der Sohn So den Nachfolger verdächtigt und dass der Landesfürst die Absicht habe, diesen zu tödten. Er theilte daher dem Nachfolger den Anschlag mit, indem er sagte: Wenn die Räu- ber an den Marken sehen werden bei dir, o Nachfolger, den weissen Kuhschweif, werden sie sofort dich, o Nachfolger, tödten. Du, o Nachfolger, kannst dir dadurch helfen, dass du die Reise nicht antrittst. — Der Nachfolger Khi antwortete: Zuwiderhandeln dem Befehle des Vaters und dadurch trachten, das Leben zu erhalten, ist nicht erlaubt. — Er begab sich hierauf ohne Verzug auf den Weg. Als der Sohn Scheu sah, dass der Nachfolger sich von der Reise nicht abhalten liess, entwendete er ihm den weissen Kuh- schweif, machte sich noch vor dem Nachfolger auf den Weg und gelangte, indem er seine Reise beschleunigte, an die Marken des Landes, Als die Räuber an den Marken das verabredete Zeichen sahen, tödteten sie ihn. Der Sohn Scheu war bereits todt, als der Nachfolger Khi eben- falls an den Marken ankam. Derselbe sagte zu den Räubern: Der- jenige, den ihr hättet tödten sollen, bin ich. — Die Räuber tödteten hierauf auch den Nachfolger KhT und meldeten diese That dem Für- sten Siuen, der sofort den Sohn So an der Stelle des getödteten Die Gesolipclite dei- Iliiiisei- Schiio-kmig iinil Klllul^-st'llo. 4G l Solines Klit zum Nacht'olger einsetzte. Dies ereignete sich im acht- zehnten .lahre des Fürsten Siuen (701 vor uns. Zeitr.). Fürst Siiien starb in» neunzehnten Jahre seiner Lenkung (700 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger den oben erwähnten Sohn So. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst .^^ lloei. Die„Kürsten- söhne der Linken und Rechten" fanden es indessen unbillig, dass der genannte Sohn So eingesetzt wurde. Die Unzufriedenheit dieser Männer, welche einst die Zugesellten dieser zwei Fürstensöhne, fand immer neue Nahrung an der Betrachtung, dass der gegenwär- tige Fürst Hoei durch seine Verleumdung den Tod des früher zur Nachfolge bestimmten Sohnes Kiu herbeigeführt habe und hierauf an dessen Stelle eingesetzt worden sei. Sie erregten daher einen Auf- sland, indem sie den Fürsten Hoei überfielen und /p i^ Kien-meu, f /»\ \. einen jüngeren Bruder des Nachfolgers KhT, zum Fürsten von Wei einsetzten. Fürst Hoei flüchtete nach Tsi, «as sich im dritten Jahre seiner Lenkung (697 vor uns. Zeitr.) ereignete. Nachdem Kien-meu acht Jahre Landesfürst von Wei gewesen, siellte sich Siang, Fürst von Tsi, an die Spitze der Lehensfürsten und richtete, nachdem er dazu einen Befehl des Himmelssohnes erhalten, in Gemeinschaft mit ihnen einen Angriff gegen Wei zu dem Zwecke, den vertriebenen Fürsten Hoei wieder einzuführen. Zwei Jahre später (687 vor uns. Zeitr.) Hess Tsi die „Fürstensöhne der Linken und Rechten" hinrichten, und Kien-meu, Landesfürst von Wei, floh nach Tscheu, worauf Fürst Hoei von Neuem zum Landes- fürsten von Wei eingesetzt wurde. Dieser Fürst nannte das auf seine Wiedereinsetzung folgende Jahr (686 vor uns. Zeitr.) das vierzehnte seiner Lenkung, indem er im dritten J .hre seiner Lenkung aus dem Lande geflohen, acht Jahre sich in der Fremde aufgehalten und nach seinem Wiedereintritte früher zwei Jahre mit dem Lande verkehrt, was im Ganzen ein Zeitraum von dreizehn Jahren. Fürst Hoei zürnte über Tscheu, weil dieses dem Fürstensohne Kien-meu Aufnahme gewährte. Er richtete daher im fünfundzwan- zigsten Jahre seiner Lenkung (675 vor uns. Zeitr.) in Gemeinschaft mit Yen einen Angriff gegen Tscheu. Hoei. König von Tscheu, floh nach Wen, worauf Wei und Yen den Köuigssohn Thui, einen jüngeren Bruder des Königs Hoei, zum Könige einsetzten. Im neunundzwan/.igsten Jahre des Fürsten Wei (671 v(tr uns. 462 l>r. rfi /.in a i e r Zeitr.) brachte indessen Tsching den König Hoei wieder nach Tscheu zurück. Fürst Hoei starb im einunddreissigsten Jahre seiner Lenkung (669 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn jfr^ Tsch'hT, genannt Fürst '^h I. Dieser Fürst liebte die Störche, fer- ner das ausschreitende Klangspiel, und war stolz und übermüthig. Im neunten Jahre des Fürsten I (661 vor uns. Zeitr.) unternahmen die nördlichen Fremdlüiider einen Angrift' auf Wei. Fürst I war gesonnen, seine Kriegsmacht gegen den Feind ausrücken zu lassen, aber die Krieger versagten ihm zum Theil den Gehorsam. Auch die grossen Würdenträger waren nicht geneigt, Rath zu schaffen und sagten zu dem Fürsten: Du, o Gebieter, liebst die Störche. Den Störchen kann der Befehl gegeben werden, die nördlichen Fremd- länder anzugreifen. — Da auf diese Weise nirgends VVider*tand geleistet wurde, drangen die nördlichen Fremdländer in die Haupt- stadt von \N'ei und tödteten den Fürsten I. Die Geschlechter des Volkes und die grossen Würdenträger hatten übrigens schon von dem Augenblicke der Einsetzung des Fürsten I keine Unterwürfigkeit gezeigt. Seit der unter dem Namen Fürst Hoei bekannte Sohn So durcli Verleumdung den Tod des Nachfolgers Khi herbeigeführt und an dessen Stelle eingesetzt wor- den, endlich.noch zu den Zeiten des Fürsten 1 trachtete man in Wei fortwährend, dem Landesfürsten den Untergang zu bereiten. Aus dieser Ursache vernichtete man bei dem Eintritte des erzählten unglücklichen Ereignisses die Nachkommen des Fürsten Hoei und erhob ffl Schin, den Sohn des unter dem Namen i^ fl2 Tschao-pe bekannten Fürstensohnes "Fg Wan, jüngeren Bruders des einst mit der höchsten Würde in dem Lande bekleideten Kien-meu, zum Lan- desfürsten von Wei. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst IX Tai. Der Fürstensohn Schin, genannt Fürst Tai, starb übrigens schon in dem ersten Jahre seiner Lenkung (660 vor uns. Zeitr.). In Anbetracht der wiederholt entstandenen Wirren von Wei stellte sich der damals zur Obergewalt gelangte Hoan, Fürst von Tsi, an die Spitze der Lehensfürsten, richtete einen Angriff gegen die Die Geschichte der Häuser Schao-kung; und Khang-scho. 4ß3 nördlichen Fremdländer und erbaute zum Schutze von Wei die feste Sliidt J^ ^ Tsu-khieu. 'l^x ^J"ci, ein jüngerer Bruder des Fürsten Tai, halle sich aus Anlass der in Wei ausgehrochenen Unruhen nach Tsi geflüchtet. Bei Gelegenheit des gegenwärtigen Feldzuges führte Hoan, Fürst von Tsi, diesen Sohn in Wei ein und bewirkte dessen Einsetzung zum Landesfürsten. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst ^ Wen. Fürst Wen soll ursprünglich einen anderen als den hier ver- zeichneten Namen „lloei" besessen haben, worüber aus dem Werke: „Das Buch Ku-I"' i) folgende erwähnenswerthe Stelle angeführt wird: Der Fürst von Wei erschien an dem Hofe von Tscheu. Der Mann des Verkehrs fragte ihn um den Namen. Er antwortete: Pi-khiang, Lehensfürst von Wei. — Der Mann des \' crkehrs von Tscheu schickte ihn zurück und sprach: Khi-khiang und Pi-khiang2) sind Benen- nungen des Himmelssohnes, die Fürsten der Lehen dürfen sie nicht führen. — Der Fürst von Wei veränderte seinen Namen und nannte sich Hoei3). Dann erst empfing man ihn. Als die nördlichen Fremdländer den Fürsten I tödteten, waren die Bewohner von Wei wegen dieses Ereignisses bekümmert, und man war geneigt, bei der Einsetzung eines neuen Fürsten wieder auf die Nachkommen des in früherer Zeit eines unglücklichen Todes gestorbenen Klii, Sohnes des Fürsten Siuen, Rücksicht zu nehmen. Allein der Sohn des Nachfolgers Khi war ebenfalls gestorben, wäh- rend der Fürstensohn Scheu, derselbe, der für den Nachfolger Khi gestorben, eben so wenig einen Sohn hinterlassen hatte. Der Nach- folger Khi hatte zwei leibliche jüngere Brüder. Der eine dieser Brüder war Kien-meu, der an der Stelle des vertriebenen Fürsten Hoei zum Landesfiirsten erhoben wurde und nach acht Jahren diese Würde wieder aufgab. Der zweite Bruder des Nachfolgers KhT war der oben erwähnte Tschao-pe. Sowohl Kien-meu alsTschao-pe waren zur Zeit des Eintrittes der hier erzählten Ereignisse bereits 1) Ku-I ist ein hel47 vor uns. Zeitr.) stritten sich ^ 'm Ning-hi und Sün-lin-fu um die Gunst des Fürsten und suchten sieh gegenseitig zu verdächtigen. Fürst Schang gab Ning-hi die Vollinacht, Sün-lin-fu mit bewafTneter Hand zu überfallen. Sün-lin-fu floh nach Tsin und trachtete, den eheniidigcn Fürsten Hien wieder in das fvand zu bringen. Fürst Hien von Wei befand sich noch immer in Tsi. Als King, Fürst von Tsi, die Kunde von dem zuletzt erwähnten Ert'igiiisse erhielt, reiste er mit dem Fürsten Hien nach Tsin, wo er dessen Einführung nach Wei begehrte. Tsifi richtete zu diesem Zwecke einen Angrilf gegen Wei und verleitt-te das angegrilTene Land, mit ihm einen V^ertrag des Friedens zu beschwören. Als jetzt zwischen Schang, Fürsten von Wei, und Fing, Fürsten von T.^in, eine Zusammenkunft stattfand, Hess Ping, Fürst von Tsin, den Fürsten Schang von Wei sainmt dessen Begleiter Ning-hi festnehmen und führte hierauf Hien, Für- sten von Wei, wieder in sein Land ein. Fürst Hien hatte sich im Ganzen zwölf Jahre in der Fremde befunden und begann nach seinem Wiedereintritte die Jahre seiner Lenkung von Neuem zu zählen. Dieser Fürst Hess in dem ersten Jahre seiner zweiten Lenkung (54G vor uns. Zeitr.) den grossen 468 Dr. Pfi z tu ;, i er Würdenträger Ning-hi liinricliten. Im dritten Jahre der zweiten Lenkung des Fürsten Hien (544 vor uns. Zeitr.) kam Yen-ling-ki-tse, Königssohn von U, auf seiner Gesandtschtiftsreise nach Wei. Er besuchte daselbst Khiü-pe-yo und den Vermerker H[5i Thsieu, zu denen er sagte: Wei besitzt viele Weisheitsfreunde; das Land hat keinen Grund zu Besorgnissen. — Hierauf begab er sich nach So, wo Sün-lin-fu ihm zu Ehren den Klingstein schlagen Hess. Der Königssohn von U sagte: Ich habe keine Freude an den Klängen, ich habe grosses Leid. Derjenige, der verursacht die Zerrüttung von Wei, ist dieser Mann. Fürst Hien starb in demselben Jahre, in welchem Yen-ling- ki-tse zum Besuche gekommen, und hatte zum Nachfolger seinen Sohn ^ Ngo, genannt Fürst ^ Siang. Im sechsten Jahre dieses Fürsten (538 vor uns. Zeitr.) berief Ling, König von Tsu, die Lehensfürsten zu einer Versammlung auf dem Gebiete von Sung. Siang, Fürst von Wei, schloss sich von dieser Versammlung aus, indem er sich krank melden Hess. Derselbe starb übrigens im neunten Jahre seiner Lenkung (535 vor uns. Zeitr.). Fürst Siang hatte eine Nebengemahlinn von niedriger Geburt. Derselben träumte während ihrer Schwangerschaft, dass ihr ein Mann erschien, der zu ihr sagte: Ich bin Khang-scbo. Ich bewirke, dass dein Sohn besitzen wird Wei. Ich gebe deinem Sohne den Namen Yuen. — Die NebengemahHnn verwunderte sich über diesen Traum und fragte desshalb ^ tjr -^^ Khung-sching-tse *), einen Erlauchten von Wei. Dieser antwortete: Khang-scho ist der Stamm- vater von Wei. — Als die Nebengemahlinn das Kind gebar, war es ein Knabe, und sie entdeckte, w as sie geträumt, dem Fürsten Siang. Der Fürst sprach: Der Himmel hat ihn eingesetzt. — Er gab hierauf diesem seinem Sohne den Namen TT" Yuen. Da die erste Gemahlinn des Fürsten Siang keinen Sohn hatte, ward der genannte Sohn Yuen zimi Nachfolger ernannt. Derselbe heisst in der Gescliiclite Fürst p^ Ling. Fürst Ling erschien im fünften Jahre seiner Lenkung (530 vor uns. Zeitr.) an dem Hofe des Fürsten Tschao von Tsin. Im sechsten *) Derselbe ist auch unter dem Namen ^jrj ^X 31 Kliuiig-stliing-tsu bekannt. Die Geschichte der tläiiser Sciiiio-kun^ und KliiHig:-sclio. 4(39 Jahre des Fürsten Ling (329 vor uns. Zcitr.) tüiltete Klii-tsT, Fürstensohn von Tsu, den König Liiig und nahm von dessen Würde Besitz. Khi-tst ist der noch nach dem Tode durch U-tse-siü gegcis- selte König Fing. Im eilften Jahre des Fürsten Ling (ö24 vor uns. Zeitr.) ward auch Wei gleich ineiireren anderen Fürstenländern durcli BrandunglÜL'k heimgesucht, was die Machthaber der damaligen Zeit mit Schrecken und Besorgniss erfüllte. Im achtunddreissigsten Jahre des Fürsten Ling (497 vor uns. Zeitr.) kam Khung-tse nach Wei, wo ihm derselbe Gehalt, den er früher in Lu bezogen, ver- liehen wurde. Nach einem kurzen Aufenthalte verliess Kliung-tse eines Zerwürfnisses willen Wei, kam jedoch in späterer Zeit noch einmal. Im neununddreissigstcn Jahre des Fürsten Ling (496 vor uns. Zeitr.) ereignete es sich, dass B J fjjjlj Kluiai-I, der zur Nachfolge bestimmte Sohn des Fürsten Ling, mit -^ [^ Nan-tse, der ersten Gemahlinn dieses Fürsten, einer Tochter des fürstlichen Hauses Sung, sich verfeindete und dieselbe zu tödten beabsichtigte. Er ver- schwor sich zu diesem Ende mit j^\ f^ !^j^ Ili-yang-so, einem Angestellten im Hause des Nachfolgers, und er kam mit seinem Ge- nossen überein, es so einzurichten, dass Nan-tse bei der Aufwartung an dem Hofe getödtet werde. Hi-yang-so empfand später Rene und zeigte, als die That ausgeführt werden sollte, keinen Ernst. Khuai-I warf ihm daher öfters Blicke zu. Die Gemahlinn des Fürsten merkte den Anschlag und rief erschrocken: Der Nachfolger will mich töd- ten! — Fürst Ling gerieth hierüber in Zorn, und der Nachfolger Khuai-I floh nach Sung. Von dort begab er sich nach Tsin, wo er bei dem Geschlechte Tschao Aufnahme fand. Im zweiund vierzigsten Jahre seiner Lenkung (493 vor uns. Zeitr.) zog Fürst Ling in den Umgebungen der Hauptstadt umher, wobei er seinen Sohn -rrl] Ying die Dienste eines Wagenführers verrichten hiess. Dieser Ying, mit dem Jünglingsnamen |^ HP Tse-nan genannt, war der jüngste Sohn des Fürsten Ling. Diesen Fürsten verdross es, dass sein ältester Sohn, der von ihm zur Nachfolge bestimmt worden, aus dem Lande geflohen, und er sagte daher zu dem Sohne Ying: Ich werde dich zu meinem Nachfolger einsetzen. — Ying antwortete: Ich bin nicht würdig, Schande zu bringen über die 470 Dr. P f i z Ell a i e r Götter des Landes. Mögest du, o Gebieter, es nochmals überlegen. — Noch in dem Sommer desselben Jahres starb Fürst Ling. Nan-lse, die erste Gemahlinn -des Fürsten, bestimmte den Sohn Ying zum Nachfolger, indem sie sagte : Dies ist der Befehl des Fürsten Ling. — Der Sohn Ying sprach: Tsche, der Sohn des Nachfolgers Khuai-I, des ausgewanderten Menschen, ist am Leben. Ich wage es nicht, die Stelle einzunehmen. — Hierauf erhoben die Machthaber vonWei den Sohn eW, Tsche zum Landesfürsten. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst H^ Tsch'hu. Im sechsten Munate des Jahres und an dem zweiundzwanzigsten Tage des sechziglheiligen Kreises war Tschao-kien-tse, das Haupt des Hauses Tscliao in Tsin, entschlossen, den Fürstensohn Khuai-I in Wei einzuführen. Er hiess zu diesem Behufe Yang-hu, den in Tsin als Flüchtling lebenden grossen Würdenträger von Lu, ungefähr zehn Männern von Wei einen erdichteten fürstlichen Befehl erthei- len, demgemäss dieselben, mit Trauerkleiilern angethan, als ob sie aus Wei gekommen wären und den Nachfolger abholen wollten, vor Khuai-I zu erscheinen hatten. Tschao-kien-tse gab hierauf dem Fürstensohne Khuai-I das Geleite. Als dies die Machthaber von Wei erfuhren, entsandten sie eine Kriegsmacht und Messen das Gefolge Kbuai-I's angreifen, wodurch die Rückkehr dieses Fürstensohnes vereitelt wurde. Derselbe begab sich endlich nach So, der Stadt des Geschlechtes Sün, wo er sich festsetzte. Sofort Hessen die Machthaber des Landes Wei von dem Kampfe ab, indem sie ihre Streitkräfte zurückzogen. Im vierten Jahre des Fürsten Tsch'hii (489 vor uns. Zeitr.) tödtete Tien-khe von Tsi seinen Landesfürsten, den Säugling von dem Geschlechte Ngan. Im achten Jahre des Fürsten Tsch'hii (485 vor uns. Zeitr.) tödtete Pao-tse von Tsi seinen Gebieter, den Fürsten Tao. In demselben Jahre kam Khung-tse, nachdem er früher in Tschin gewesen, zum zweiten Male nach Wei. Daselbst fragte ihn ■^ lyT X\ Khung-wen-tse, der bei seinen Lebzeiten j^J ^|^ Khung-yü genannt wurde, um das Kriegswesen. Später schickte Lu eine Gesandtschaft nach Wei und Hess Khung-tse zur Rückkehr auf- fordern. Derselbe kehrte sofort nach Lu zurück. Khung-wen-tse war mit der älteren Sciiwester des Nachfolgers Khuai-I vermählt und hatte von ihr einen Sohn, Namens ;|i^ Khuei. Die Geschiuhte der Häuser Schao-kung und Khang-scho. 4/1 Ein in den Diensten des Hauses Kluing stehender junger Knecht, dessen vollständiger Name dt. ^^ ^im Hoen-liang-fu, hatte sich durch die Schünheit seiner Gestalt bemerkbar gemacht. Derselbe liatte nach dein Tode Khung-wen-tse's mit der genannten Schwester des Nachfolgers Khiiai-I geheimen Umgang. Während sich der Nachfolger in So befand, schickte dessen Schwester den erwähnten Hoen-liang-fu zu ihm als Abgesandten. Der Nachfolger Khuai-I sagte zu dem Abgesandten: Wenn du im Stande bist, mich in das Land zu bringen, so vergelte ich dir durch einen Wagen mit einem Vordach i). Ich verzeihe dir drei todeswürdige Verbrechen und gewähre dir Alles. — Er beschwor hierauf mit Hoen-liang-fu einen Vertrag und erlaubte ihm, dass er die Gebieterinn des Hauses Khung, die Witwe Khung-wen-tse's, zur Gattinn nehme. Im Schaltmonate des zwölften Jahres des Fürsten Tsch'hü (481 vor uns. Zeitr.) kam Hoen-liang-fu mit dem Nachfolger nach Wei, und beide nahmen ihren Aufenthalt in dem äusseren Thiergarten des Geschlechtes Khunc:. Am Abend umhüllten die zwei Männer ihr Haupt mit einem Tuche, wodurch sie in der Tracht Weibern ähnlich sahen, und bestiegen einen W^agen. Der kleine Hausdiener V^ Lo lenkte den Wagen und fuhr zu dem Hause des Geschlechtes Khung. Daselbst fragte der Hausdiener ''^ |^ Luan-ning nach ihrem Namen. Sie nannten eine an das Haus vermählte Nebengemahlinn, der sie etwas zu meiden hätten. Hierauf traten sie in das Haus des Geschlechtes Khung und begaben sich zu der Gemahlinn des älteren Oheims von diesem Hause. Nachdem sie Speise zu sich genommen, ergrifT die ältere Schwester des Nachfolgers eine Hellebarde und ging den Übrigen, welche Khung-khuei, den Sohn der erwähnten älteren Schwester, aufsuchen wollten, voraus. Der Nachfolger und noch fünf andere Männer kleideten sich in Panzer und folgten ihr, indem sie zum Beliufe der Eidesleistung in einer Sänfte ein Schwein mit sich führten. Die Gemahlinn des älteren Oheims zwang jetzt an dem abgele- genen Orte des Hauses den Sohn Khung-khuei durch Drohungen, ein Bündniss zu beschwören. Eben so zwangen sie ihn durch Drohungen, ') Eines solclicn Wagens ))edienten sich die Grossen des Landes. 472 Dr. P fi zin a i er die Erdstufe des fürstliehen Gebäudes von Wei zu besteigen und sämmtliche Würdenträger des Landes herbeizurufen. Luan-ning, der oben genannte Hausdiener des Geschlechtes Khung, war eben im BegrilFe, Wein zu trinken, und das Fleisch, welches er dabei verzehren wollte, war zu der Zeit am Feuer, aber noch nicht gebraten. Sobald er von dem Aufruhr Kenntniss erhielt, schickte er an den unter dem Namen ctl 1 m Tschung-yeu bekannten fl'A, Hp^ Tse-Iu, der ein Jünger Khung-tse's und erster Hausdiener der Stadt des Geschlechtes Khung, einen Abgesandten mit der Meldung des Vorgefallenen. Unterdessen bestieg ='Ü 7J Schao-hoe, ein Grosser von Wei, anstatt sich eines Kriegswagens zu bedienen, einen gewöhnlichen Wagen und gab dadurch zu verstehen, dass Fürst Tsch'hü seinem Vater, dem Nachfolger Khuai-I, sich nicht feindlich entgegenzustellen gedenke. Während Luan-ning die Becher füllte und das halbgebratene Fleisch verzehrte, machte Schao-hoe dem Fürsten Tsch'hü den Antrag zur Flucht nach Lu, was von diesem Fürsten auch angenommen wurde. Tschung-yeu erschien jetzt vor dem Thore der Hauptstadt von Wei und wollte daselbst eintreten. Er bejjeiinete dem unter dem Namen 3n -P Tse-kao bekannten ^^ r^ Kao-tlisai, einem anderen Jünger Khung-tse's und Grossen von Wei, der eben durch das, Thor die Stadt verlassen hatte und zu entfliehen gedachte. Der- selbe sagte zu Tse-lu: Das Thor wird bereits verschlossen. — Tse-lu erwiederte: Ich bin zum ersten Male gekommen. — Tse-kao bemerkte ihm: Es geht dich nichts an. Mögest du nicht den Fuss setzen in dieses Unglück. — Er meinte damit, dass Tse-lu nur ein Hausdiener des Geschlechtes Khung und das Fürstenland ihn nichts angebe, zumal Fürst Tsciriiü bereits aus dem Lande geflohen sei. Tse-Iu antwortete: Ich verzehre seinen Gehalt, warum sollte ich aus dem Wege gehen seinem Unglück? — Tse-Iu gab hierdurch zu erken- nen, dass er seinem Gebieter, dem durch die Verschworenen bedräng- ten Khung- kliuei, in dessen Diensten er eigentlich stand, zu Hilfe kommen wolle. Tse-kao setzte seinen Weg fort und entfloh. Als Tse-lu zu dem Thore gelangte und eintreten wollte, ver- schloss der Fürstenenkel "hu^ Kan das Thor und sprach: Es gibt beim Eintreten nichts zu tliun. — Tse-lu bemerkte : Der Fürsfenonkel Die fiescliiolite der Häuser Scliao-kuiig iiiid Kiiang-scho. 473 sucht den Nutzen und entweicht bei dem Unglück. Ich Yen thue (lies nielit. Wessen Gehalt man geniesst, dem muss man in seiner Betriibniss zu Hilfe kommen. — Endlich nahm ein aus der Stadt kommender Gesandter seinen Weg durch das Thor, bei welcher Gelegenheit es auch Tse-lu möglich wurde, in die Stadt zu gelangen. In der Stadt äusserte sich Tse-lu: Wozu verwendet der Nach- folger in seinen Diensten Kluing-khuei? Sollte er ihn auch tödten, es wird gewiss Jemanden geben, der das Werk fortsetzt. — Ausser- dem sagte er noch: Der Nachfolger besitzt keinen iMuth. Wenn wir die Erdstufe verbrennen, wird er gewiss seinen Aufenthalt nehmen bei dem Oheim von dem Geschlechte Khung. — Als der Nachfolger erfuhr, dass Tse-lu die Erdslufe verbrennen wolle, fürchtete er sich und stieg von der Erdstufe, wo er die Grossen des Landes empfing, herab. /p y^ Schi-khe und 1^ -h Yü-yen, zwei Hausdiener des Nachfolgers Khuai-I, stellten sich jetzt Tse-lu entgegen und stiessen nach ihm mit ihren Hellebarden. In dem Handc:emen!Te wurden die Schnüre, durch welche die Mütze auf dem Haupte Tse-Iu*s festge- halten wurde, von der Hellebarde durchschnitten. Tse-lu rief: Der Weisheitsfreund stirbt, aber die Mütze liisst er nicht fallen. — Während er jetzt die Schnüre der Mütze wieder zusammenknüpfte, ward er durch die Hellebarden der Gegner getödtet. Als Khung-tse die Kunde von den in Wei ausgehrochenen Unruhen hörte, rief er in weissagendem Geiste: W^ie bedauerlich! Was Thsai betrilTt, so wird er wohl kommen, aber Yeu ist des Todes! Zuletzt bewerkstelligte Khung-kliuei die Einsetzung des Nach- folgers Kliuai-I zum Landesfürsten. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst M^ Tschuang und ist der zweite Landesfürst dieses Namens ia Wei. Bei den hier erzählten Ereignissen wird als besonders denkwürdig hervorgehoben, dass Khuai-I der Vater des von ihm ver- triebenen Fürsten Tsch'hü gewesen, mithin in diesem Falle der Vater gegen den Sohn Aufruhr erregt habe. Zur Zeit, als Fürst Tschuang in der Verbannung lebte, nahm er es sehr übel, dass unter den Grossen von Wei Keiner gekommen, um ihn in das Land zurückzuführen. Er war daher gleich nach seiner Einsetzung und schon in dem ersten Jahre seiner Lenkung willens, sämnilliche grossen Würdenträger von Wei hinrichten zu lassen. 474 Dr. Pfizmaier Indem er diese Männer mit Vorwürfen überhäufte, sagte er zu ihnen : Ich der unbedeutende Mensch lebte in der Fremde lange Zeit. Habt ihr vordem auch etwas davon gehört? — Diese Worte hatten die Wirkung, dass die Würdenträger von Wei entschlossen waren, Auf- ruhr zu erregen, worauf Fürst Tschuang von seinem Vorhaben, die Grossen seines Landes hinrichten zu lassen, abstand. Im zweiten Jahre des Fürsten Tschuang (479 vor uns. Zeitr.) starb Khung-khieu (Khung-tse) in Lu. Im dritten Jahre seiner Lenkung (478 vor uns. Zeitr.) bestieg Fürst Tschuang eines Tages die Mauern seiner Hauptstadt und erblickte die Stadt il\i\ t-V Jung-tscheu, eine Ansiedlung der west- lichen Fremdländer. Der Fürst rief bei diesem Anblicke voll Verach- timg: Was haben die Gefangenen der westlichen Fremdländer hier zu thun? — Die Bewohner von Jung-tscheu nahmen diese Äusse- rung sehr übel. Im zehnten Monate des Jahres beklagte sich Jung- tscheu bei Tschao-kien-tse, dem Haupte des Geschlechtes Tschao in Tsin. Derselbe suchte die Hauptstadt von Wei sofort mit einer Belagerung heim. Schon im eijften Monate des Jahres verliess Tschuang, Fürst von Wei, seine Hauptstadt und begab sich auf die Flucht. Nach der Flucht des Fürsten Tschuang erhoben die Machthaber von Wei den Fürstensohn hfl] ^t Puan-sse, einen Enkel des frü- heren Fürsten Siaiig, zum Landesfürsten. Aber Tsi richtete einen Angriff gegen Wei, nahm Puan-sse gefangen und bewirkte seiner- seits die Einsetzung des Fürstensohnes ^ß Khi, eines Sohnes des früheren Fürsten Ling, zum Landesfiirsten von Wei. Der Landesfürst Khi ward indessen schon im ersten Jahre seiner Lenkung (477 vor uns. Zeitr.) durch .iS> ci=a Ij^ Schi-man-tschuen, einen grossen Würdenträger von Wei, vertrieben und floh nach Tsi. In diesem Augenblicke kehrte Fürst Tsch'liu, früher der Sohn Tsch'hi genannt, aus Tsi, wo er sich bisher aufgehalten, wieder nach Wei zurück und wurde daselbst zum Landesfürsten eingesetzt. Fürst Tsch'hö war zwölf Jahre im Besitze seiner Würde gewesen, als er das Land verliess. Nachdem er vier Jahre in der Fremde zugebracht, kehrte er wieder zurück. Von diesem Fürsten wird noch bemerkt, dass er im ersten Jahre seiner zweiten Lenkung (476 vor uns. Zeitr.) 4>» t* ^ J den Männern, welche ihn in die Verbannung begleitet hatten, Beloh- nungen zu Tlieil werden Hess. Fürst Tsch'hu starb im einundzwanzigsten Jahre nach seiner zweiten Einsetzung (4ö6 vor uns. Zeitr.). Gleich nach diesem Ereig- nisse vertrieb ±--^ Kien, der jüngste Oheim des Fürsten Tsch'hu, den hinteriasseniMi Sohn des Fürsten mit WafTengewait und nahm von der Würde des Landeslursten Besitz. Dieser Oheim und Nach- folger heisst in der Geschichte Fürst /L^ Tao. Fürst Tao starb im fünften Jahre seiner Lenkung (4öl vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn äfe Fe, genannt Fürst King. Fürst King starb im neunzehnten Jahre seiner Lenkung (432 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn ^^-^I- Khieu, genannt Fürst j\V Tsehao. Um diese Zeit waren die drei Häuser von Tsin übermächtig, während Wei, einem kleinen Fürstenthume ähnlich, von ihnen abhängig Mar. Im sechsten Jahre der Lenkung des Fürsten Tsehao (426 vor uns. Zeitr.) tödtete der Fürstensohn i!^. Tu diesen seinen Gebieter und setzte sich in den Besitz von dessen Würde. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst i^, Huai. Fürst Hoai erfuhr im eilften Jahre seiner Lenkung (415 vor uns. Zeitr.) das nämliche Schicksal, welches er seinem Vorgänger bereitet hatte. Der Fürstensohn ^g Thui tödtete ihn und nahm von der Würde des Landesfürsten Besitz. Dieser Nachfolger heisst in der Geschichte Fürst 4t|a, Schin. Der Vater des Fürsten Schin war der Fürstensohn 2[^ Schi, der seinerseits ein Sohn des früheren Fürsten King. Fürst Schin starb im zweiundvierzigsten Jahre seiner Lenkung (373 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn ^)| Hiün, genannt Fürst /^ Schlug. Fürst Sching starb im eilften Jahre seiner Lenkung (362 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn h$ Sü, genannt Fürst ty Sching. Derselbe ist der zweite Landesfürst dieses 476 Dr. P f i zmaier Namens in Wei. Im eilften Jahre dieses Fürsten (3S1 vor uns. Zeitr.) trat der als Gesetzgeber berüchtigte Fürstenenkel Sip. Yang von Wei in die Dienste von Thsin. Im sechzehnten Jahre des Fürsten Sching (346 vor uns. Zeitr.) vertauschte Wei die seinem Fürsten einst verliehene Benennung ^y^ Kung „Lehensfürst ersten Ranges" gegen die ursprüngliche geringere Benennung "7^ Heu „Lehens- fürst zweiten Ranges". Fürst Sching starb im neunundzwanzigsten Jahre seiner Len- kung (333 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den Fürsten ^ Fing. Fürst Fing starb im achten Jahre seiner Lenkung (32ö vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den „Gebieter" mm Thse. Im fünften Jahre dieses Fürsten (320 vor uns. Zeitr.) schaffte Wei für seine Fürsten auch die Benennung „Lehensfürst zweiten Ranges" ab und belegte sie mit der geringeren Benennung '^^ Kiün „Gebieter". Wei bestand damals nur noch aus dem kleinen Landstriche [^ li^ Fo-yang i). Der ^Gebieter" Thse starb im zweiundvierzigsten Jahre seiner Lenkung (283 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn, den „Gebieter" /ji^ Hoai. Derselbe ist der zweite Landes- fürst dieses Namens in Wei. Der „Gebieter" Hoai erschien im einunddreissigsten Jahre seiner Lenkung (253 vor uns. Zeitr.) an dem Hofe des Königs Ngan-li von Wei, woselbst ihn die Machthaber des Landes in ein Gefängniss setzen und tödten Hessen. Das Königs- land Wei erhob hierauf einen jüngeren Bruder des „Gebieters" Thse zum Landesfürslen. Derselbe heisst in der Geschichte der „Gebieter" 'JT Yuen und war ursprünglich ein Eidam des Königs von Wei, aus welchem Grunde er durch die Macht dieses Landes eingesetzt ward. Im vierzehnten Jahre des „Gebieters" Yuen (239 vor uns. Zeitr.) hatte Thsin das östliche Gebiet des Königslandes Wei weggenommen und daraus die „Landschaft des Ostens" gebildet. ') Dieser Landstrich ist das heutige \'^' ^''"" Kreis Thai-ming in Ho-nan. Die Geschichte der Hüuser Schao-kung und Khan^j-scho. 477 Hierdurch ward der „Gebieter" Yiieii bewogen, mit seinein Volke weiter westlich nach ^ ^-f» Ye-wang') zu ül)ersiedeln, auf weichen) Gebiete das Fürstenland Wei seit dieser Zeit forlbestand 2J. Thsin verwandelte unterdessen Po-yang, das bisherige Gebiet des Fürstenlandes Wei, in einen Unterkreis, der zu der „Landschaft des Ostens" geschlagen und den Landen von Thsin einverleibt ward. Der „Gebieter" Yiien starb im fünfundzwanzigsten Jahre s) seiner Lenkung (228 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Solin, den „Gebieter" iü Kio. Im neunten Jahre*) dieses Fürsten (221 vor uns. Zeitr.) eroberte der König von Thsin das bisher von der Vernichtung verschont gebliebene Königsland Tsi und nannte sich, nachdem er sämmtliche Länder dem seini^en ein- verleibt, den Allhalter des Anfangs. Bios Wei rettete bei dem allgemeinen Untergange seine Selbstständigkeit, indem dessen Fürst noch durch eine Reihe von Jaiiren in dem Besitze seines Landes belassen wurde. Erst im einundzwanzigsten Jahre des „Gebieters" Kio (209 vor uns. Zeitr.) setzte der Allhalter des zweiten Geschlechts- alters diesen Fürsten ab und verwies ihn unter die Menschen des Volkes, Die Darbringung in dem Ahnenheiligthume des Hauses Khang-schö hörte somit auf. ♦) Die Gegend der Hauptstadt des heutigen Kreises Hoai-khing in Ho-rian. 2) Nach den zeitberechnenden Blättern des Sse-ki übersiedelte der „Gebieter" Yuen im eiiften Jahre seiner Lenkung (241 vor uns. Zeitr.) ron Pö-yang nach Ye-wang. 3) Nach den zeitberechnenden Blättern des Sse-ki starb der „Gebieter" Yuen im drei- undzwanzigsten Jahre seiner Lenkung (230 vor uns. Zeitr.). ♦) Dieser und der folgenden Angabe des Lenkungsjahres ist die, wie es scheint, rich- tigere Zählung der zeitberechnenden Blätter des Sse-ki zu Grunde gelegt. 478 G o e h 1 e r t Die Lipowaner in der Buhowina^^. Von J. Yinc. Croehlert. In der Mitte des 17. Jaliihunderts zur Zeit der Regierung des Czars Alexius fasste der Patriarch von Moskau, Nikon, den Ent- sehluss, die slavisehen Kirchenbücher zu revidiren und die nach seiner Anschauung unter den Russen im Laufe der Zeit eingeschli- chenen religiösen Missbräuche zu beseitigen. Auf der im Jahre 1654 zu Moskau versammelten Synode wurde nach seinem Antrage die veranstaltete Änderung der Kirchenbücher zum Reschlusse eriioben. Diese Neuerung fand indessen nicht nur bei einem Tlieile der Geisllichkeit, sondern auch unter dem Volke heftigen Widerstund, welcher um so starrer wurde, je mehr man darauf ausging, ihn durch strenge Massregeln zu brechen. Der Patriarch Nikon wurde von den Altgläubigen (Starowerci), anderen Spitze der Bischof Paul von Kolomna stand, für einen Ketzer und die von ihm geweihten Priester wurden für unrechtmässig erklärt. Zwar wurde Nikon auf der im Jahre 1666 zu Moskau versammelten Synode seiner Würde entsetzt, jedoch dessen Neuerung bestätigt und die Befolgung derselben sog;ir unter Androhung des Kirchen- bannes angeordnet. Neben den kirchlichen Strafen waren die Alt- gläubigen, welche inzwischen einen mächtigen Anhang selbst unter den Söhnen des Alexius gefunden halten , auch noch mit den schärfsten Massregeln von Seite der russischen Regierung bedroht, zumal denselben der Aufstand der Strelicen unter der Prinzessinn Sophia und die Verschwörung des berüchtigten Pugatschew mit zur Schuld gelegt wurde. Sie wurden überall aufgesucht, vor Gericht gezogen und wenn sie sich der angeordneten Neuerung nicht unter- 1) Siehe Band XXXVHI der Sitzungsberichte der philos.-histor. Classe: „Über die Karaiten und Mennoniteo in Gnlixieo". l>ie Lipowaner in der Bukowina. 479 werfen wollten, auf das liärteste bestraft und nach Sibirien ver- bannt. Diese Verfolgungen zwangen einen grossen Theil der Allgläu- bigen (Starowercen oder Raskolniken) in die angrenzenden Länder, in die Türkei und naeb Polen zu flücbten, wo sie ungebindert nach ihrer Weise leben konnten. In die Bukowina sind die Altgläubigen gegen das Ende des 18. Jahrhunderts gekommen und daselbst unter dem Namen der Lipowaner aufgetreten. Dieser Name ist nur eine Kürzung und soll eigentlich PbilipoM-aner beissen, welcher nach Einigen daher rührt, dass sie den h. Apostel Philipp besonders verehren, nach Anderen von dem Namen eines ihrer Führer (Philipp auch Pustoswjät genannt) hergeleitet wird. Die Lipowaner sind von zwei verschiedenen Seiten in die Bukowina eingewandert; die aus der Moldau (aus der Chotimer Raja) gekommenen gründeten im Jahre 1774 die Gemeinde Mitoka dragomirna (auch Sokalince genannt) und im Jahre 1779 die Ge- meinde Klimoutz. Zu diesen ersten Ansiedlern kamen weitere Zuzüge, und zwar im Jahre 1782 nach Mitoka und im Jahre 1783 nach Kli- moutz, so dass im Jahre 1784 in Mitoka 15 alte und 12 neue, und in Klimoutz 20 alte und 6 neue Familien bestanden haben. Die Ansiedelung der Lipowaner aus Bessarabien (von den Ufern des schwarzen Meeres) fand im Jahre 1783 Statt; sie jiessen sich in der Anzahl von 22 Familien (nebst einem Igumen und 7 Mön- chen, welche der Igumen seine 7 Kinder nannte) auf der sogenann- ten Waritza, einem dem Erbherrn auf Hliboka Thaddäus von Turkul gehörigen Grunde, nieder und gründeten daselbst die Gemeinde Bialokrynica (auch Bialokiernica, rumänisch Fontina alba, deutsch Weissenbrunn genannt). Gleich nach ihrer Ankunft richteten sie daselbst ein Haus zu einer Kirche ein, schmückten es mit den mit- gebrachten Bildern und Kirchengeräthen und errichteten bei dem- selben ein Gerüst, auf welchem vier in Moskau angekaufte Glocken aufgehangen wurden. In dem naheliegenden Walde erbauten sie ein Kloster, welches im Jahre 1803, da die darin befindlichen Mönche fortwährend von Raubanfällen zu leiden hatten, in das Dorf Bialo- krynica übertragen wurde. Neben dem Mönchskloster entstand einige Jahre später auch ein Nonnenkloster. Ihre beiden Anführer, Alexander Alexjew (angeblich ein Kalmück) und Nikifor Larion (angeblich ein Sitzb. .1. |.iiii.-iiisi. ci. XLi. li.i- II. iirt. 3£ 480 G 0 e h 1 e r t Armenier) erwirkten bei dem Kaiser Joseph ein eigenes Privilegium, Avelches den Lipowanern besondere Vorrechte, namentlich die freie Religionsübung, gewährte i)- Man hielt die Lipowaner anfänglich für schismatische Russen, welche sich von den walachischen Scliismatikern dadurch unter- scheiden, dass sie sich der illyrischen und nicht der walachischen Sprache hei ihrem Gottesdienste bedienen. Kaiser Joseph selbst schrieb bei Gelegenheit seiner Reise durch die Rukowina, wo ihn in Suczawa Abgeordnete der Lipowaner Gemeinden feierlich begrüss- ten, aus Czernowitz (am 19. Juni 1783) an den Hofkriegsraths- Präsidenten Feldmarschall Hadik : „Die Lippowaner sind russische Bauern, ihre Religion ist die schismatische, man will nur einen Unterschied darin finden, dass sie ihren Gottesdienst in illiri- scher Sprache, wie in Russland, halten. Ausserdem sind sie arbeitsame und fleissige Leute, welche man durch jene, so sich in der Moldau noch befinden, zu vermehren trachten muss. Aus dieser Ursache ist ihnen auch ein Pop von ihrer Nation zu gestatten, oder ihnen einer aus Slavonien, wo die illirische Sprache am meisten in Übung ist, zu verschafTen". In Folge dieser irrigen Ansicht wurde auch angeordnet, dass die Popen der Lipowaner in kirchlicher Beziehung dem grie- 1) Privilegium für die aus Bessarabien eingewanderten Lippowaner de dato Wien 9. October 1783. Wir Joseph 11. etc. Nachdem die in Unserer Residenzstadt Wien eingetroffenen 2 Deputirte der am schwarzen Meere wohnenden Altgläubigen, Namens Alexander Alexiew und Nikifor Larion im Namen und aus Auftrag dieser Gemeinden bei Uns die Bitte angebracht haben, sich mit ihren Familien und ihrem Vermögen in Unseren Landen ansiedeln zu können, so geben wir in der Zuversicht, dass dieselben nach ihrem Eintieffen und erfolgter Sesshaftmachung an ihren künftigen Wohnsitzen in Unseren Landen sich in allen Stücken, gleichwie Unsere übrigen Unterlhanen, betra- gen werden, den benannten zwei Deputirten und durch sie den herübersiedelnden Gemeinden ihrer Nation mittelst gegenwärtigen von Uns gefertigten Patentes folgende Versicherung : 1. Gestatten Wir ihnen das vollkommen freie Religionsexercitium für sie, ihre Kinder und Kindeskinder nebst ihren Geistlichen. 2. Lassen Wir sie und ihre Kinder von der Zeit ihrer Ansiedelung 20 Jahre lang von aller Contribution und Steuer völlig frei; 3. Gestatten Wir ihnen die Befreiung vom Militärdienste. 4. Werden Wir sie nach dem Verlauf von 20 Jahren nie mehr als nach Mass ihrer Vermögensumstände bezahlen und wie andere mit ihnen in gleicher Lage befind- lichen kaiserlichen Unterthanen hierinfalls behandeln lassen. Die Lipüwaiier in der Kiikowiiia. 48 I cliisch nicht iiniiteu Melropoliteti von Kiirlowilz zu unterstehen liiitten. Die F^ipowaner in Klimoutz und Mitoka waren bereits hei ihrer Ansiedelung in ihren religiösen Ansichten getrennt, indem die crsteren ohne Popen lebten, die letzteren aber Popen hatten, sich aber sonst in nichts Wesentlichem unterschieden. Auch wollten sie von den in Bialokrynica angesiedelten Lipowanern keine Geistlichen annehmen, indem sie behaupteten, sie hätten nicht die feste Überzeugung, dass diese wahre Rechtgläubige seien. Die Trennung der Altgläubigen (Starowerci) in priesterliche und priesterlose besteht eigentlich seit dem Beschlüsse der im Jahre 1606 zu Moskau gehaltenen Synode, indem die letzteren behaup- teten, dass es seit Nikon's Neuerungen keine rechtmässigen Bischöfe und Priester mehr gäbe. Die priesterlosen Lipowaner (Bezpnpowci) glauben zwar an den ganzen Umfang der griechisch nicht unirten Glaubenslehre, haben aber statt der Popen Kirchensänger, welche die gottesdienst- lichen Handlungen verrichten. Bei den sieben Sacramenten sehen sie sich eigentlich nur auf die Taufe beschränkt, welche auch von Laien ertheilt werden kann; von dem Sacramente der Busse nehmen sie blos die Beichte an, welche der die Stelle der Geistlichen vertretende Kirchensänger (daskal) entgegennimmt, die Sündenvergebung hoflen sie von Gott allein; die heil. Communion kann aus Mangel an geweih- ten Broten nicht stattfinden. Jedoch behaupten sie, aus der vornikoni- schen Zeit Überbleibsel von geweihten Broten noch zu besitzen, welche sich auf wunderbare Weise erhalten haben und wovon sie den Sterbenden einen kleinen Brocken in Wein zu geniessen geben. Die Liturgie kann bei ihnen gleichfalls nicht gefeiert werden, nur zum gemeinsamen Gebete versammeln sie sich unter Anführung von Kirchensängern in der Kirche. Eine Hierarchie ist bei ihnen selbstver- ständlich nicht voi'handen, ein Kirchensänger segnet am Todtenbette blos den andern zu seinem Nachfolger. Obgleich sie keine Priester anerkennen, so haben sie doch Mönche und Nonnen, welche das Gelübde der Ehelosigkeit ablegen. Die Bezpopowci kommen gegenwärtig in der Bukowina nur in den beiden Ortschaften Klimoutz und IMychydra bei Beihomet in der Zahl von 1300 Seelen vor. 31» 482 O o e h 1 e r t Die pi'icsterlosen Lipovvaner theilen sich in neuerer Zeit wieder in zwei Parteien, deren Anführer zwei Kirchensänger sind, welche sich in der Auffassung der Ehe unterscheiden. Die eine Partei, an deren Spitze der Kirchensänger Wasiljew steht, hetrachtet die Ehe als eine ohne besondere Förmlichkeit zu schiiessende und willkürlich auflösbare Veri)indung zwischen Mann und Weib, wäh- rend die andere Partei das Ehebündniss als einen kirchliehen Act und die Ehe als unauflösbar betrachtet. Wasiljew hält sich nämlich als Mönch nicht für berechtigt, Trauungen vorzunehmen, und macht seinen Anhängern zur Pflicht, entweder ihre Weiber zu verlassen, oder mit ihnen zwar in gemeinsamem Haushalte zu leben, sich jedoch jeder geschlechtlichen Vermischung zu enthalten. Diese Seete ist dadurch entstanden, dass im Jahre 1852 drei glaubensverwandte Mönche aus der Lipowaner Ansiedelung in Preussen nach Klimoutz gekommen sind und den Kirchensänger Wasiljew, bei dem sie Unter- kunft fanden, zum Anhänger ihrer Lehre machten i). Stärker als die Secte der Bezpopowcen sind die Starowercen, welche die bischöfliche und priesterliche Würde nicht für erloschen ansehen; sie unterscheiden sich in nichts Wesentlichem von den griechisch nicht unirten Russen, nur halten sie an den alten Kirchen- büchern und an den vornikonischen Gebräuchen fest. In der ersten Zeit nach der Lostrennung von der russischen Staatskirche hatten sie jene Bischöfe und Priester, welche sich dem Beschlüsse der Synode vom Jahre 1666 nicht unterworfen hatten und trotz des Kirchenbannes als rechtmässig anerkannt wurden. Die priesterlichen Lipowaner (Popowci auch Popowljani) besitzen in der Bukowina das Mönchskloster zu BiaJokrynica, aus welchem ihre Geistlichkeit hervorgeht, und seit dem Jahre 1844 wurde ihnen auch ein Weihbischof (Swiätylel) mit dem Befugniss bewilligt, den in BiaJokrynica befindlichen Mönchen die höheren Weihen zu ertheilen und seinen Nachfolger noch bei Lebzeiten zu weihen. Zur Würde eines Bischofes wurde nach langem Suchen der ehemalige griechisch nicht unirte Metropolit von Bosnien, Namens ') Diese Secte ist mit der in Russland und in den Donaufiirstenthiimern verbreiteten Secte der Skopci (Castraten) nahe verwandt. Audi die in Südrussland vorkommenden Pomoranen theilen dieselben religiösen Ansichten, indem sie die Ehen ohne Weiteres lösen, die Kirchen für Hüuser des Antichrists halten und eigentliche Priester nicht anerkennen. Sartori: Die christlichen Seelen. Lübeck. 1833. Die Lipowaner in der Bukowina. 40u Ambrosius erhoben, tnicbdem er in Bialokryi)ica von dem russischen Mönche Jeronim mit dem heil. Chrisam gesalbt und eonlirmirt worden war; ihm folgte im Jahre 1848 Cyrill Timofejow, welcher bereits seinen Nachfolger in der Person des Onufry Iwanow geweiht hat •). Das Kloster zu Bia^fokrynica, an welches sich eine mit einem Thurme versehene Kirche und ein grosser Obst- und Gemüsegarten, ein Vermächtniss des Lipowaners Milarion Pelrowiczs), ansc iliesst, ist der Sitz des Bischofes und er erhält zu seinem standesmässigen Unterhalt nicht unbedeutende Geldzuflüsse von Glaubensverwandten aus Bussland, aus der Türkei und aus den Donaufürstenthümern, bei welchen das Kloster in grossem Ansehen steht. Die Bezpopowcen stehen in keinem Verbände mit dem Biato- krynicer Kloster, aber auch die Anhänglichkeit der Popowcen an das Kloster scheint nur innerhalb sehr enger Grenzen zu bestehen. Denn die Laien gehorchen ihrem Bischöfe und ihren Priestern nur in so weit, als es mit ihren religiösen Ansichten in Übereinstimmung ist. Übrigens stehen die Mönche auf einer sehr niedrigen Stufe der Bilduiijr, bei den meisten beschränkt sie sich auf die Verrichtung der Kiichenceremonien und auf das Lesen der Kirchenbücher, und nur wenige Jkönnen ihre Muttersprache schreiben. In der Anzahl von 1700 Seelen leben die Popowcen in Bialokrynica, Mitoka, Lukawetz, Kiimoutz und Mychydra. Die Lipowaner in der Bukowina werden als ehrliche und betriebsame Leute allgemein anerkannt, welche ihren alten Sitten und Gebräuchen treu anhängen. Diese Scheu gegen alle Neuerungen wurzelt in ihren Religionsbegriften. Denn eine ihrer ersten Glauhensregeln beruht auf einer hartnäckig verfochtenen Ausle- gung einer Stelle aus dem Briefe des heil. Apostels Paulus 1) .Mit der Allerhöchsten Enfschiiessung vom 18. August 18ö9 wurde den priesterlichen Lipowanern die im .lahre 1844 ausgesprochene Bewilligung: eines Oberhirten unter dem Namen Swiätytel mit dem Zusätze erneuert, dass derselbe noch bei Lebzeiten seinen Nachfolger zu weihen hat, welcher sich jedoch, so lange der Swiätytel lebt, jeder bischöflichen Function enthalten müsse. Der Fortbestand des Mönchs- und Nonnenklosters zu Biatokrynica wurde gleichfalls zugesagt, und auch den priester- losen Lipowanern die Errichtung von Mönchs- und Nonnenklöstern gestattet, jedoch die Aufnahme von Ausliiiulern in die Klöster verboten. 2j IUI. l'elrowicz, einer der i. J. 1783 eingewand.>rten I-ipowaner, erhielt i. J. 1817 als "Ojiihriger Greis die goldene Verdienstmedaille, welche er hei seinem Tode der Lipowaner Gemeinde Bi.Trokrynica als Vermächtniss hinlerliess. 484 G o e ii I e r t an die Galater: „Wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch etwas anderes verkündigen würden, als ihr schon angenommen habt, der sei verflucht"^. Ihr ganzes Leben ist so innig mit ihren religiösen Anschauungen verwebt, dass sie als eine mit einem Ana- them bedrohte Neuerung nicht blas neue Glaubenslehren, sondern überhaupt jede Einrichtung ansehen, welche sie nicht von ihren Vorältern ererbt haben. Für diese Überzeugung gehen sie mit stoi- schem Gleichmuthe den grössten Leiden entgegen und die ganze Geschichte der Starowercen in Russland bietet einen Beleg dafür. Man hat sie aller Reclite beraubt und mit Strafen belegt, und doch wichen sie nicht von ihren religiösen Ansichten, ja im Gegentheile wuchs ihre Zahl in dem Masse als ihre Unterdrückung. In Folge dieser Scheu gegen alle Neuerungen leben die Lipo- waner in strenger Abgeschlossenheit von allen anderen Glaubens- genossen in patriarchalischen Zuständen, so dass ihre socialen Ver- hältnisse durch Gemeinsamkeit der Ansichten und durch unbestrittene Geltung des Herkommens in Ordnung erhalten werden. Ihre Geistlichkeit, selbst jeder überwiegenden Bildung ent- behrend, ist auf die ihnen zugewiesenen Functionen beschränkt, so weit diese reichen, geniesst sie unbestrittenes Ansehen. Von Schul- bildung wollen die Lipowaner nichts wissen, denn sie sind sich bewusst, dass durch jede höhere Bildung ihrer Secte, deren Ver- schiedenheit von den griechisch nicht Unirten zuletzt nur auf Äusser- lichkeiten beruht, den Todesstoss versetzen würde. Diese Äusseriichkeiten bestehen namentlich darin, dass die Lipowaner eine andere Art der Kreuzbezeichnung, nämlich mit aufrecht gehaltenem Zeige- und Mittelfinger beobachten, nur die Verehrung des achtarmigen Kreuzes und der alten Bücher zulassen, ferner behaupten, man müsse das beil. Messopfer mit sieben Weizen- broten verrichten, bei kirchlichen Ceremonien von der Linken zur Rechten herumgehen, beim Psalmlesen das Allelujah nur zweimal sagen, den Namen des Heilands ohne den auf I folgenden Vocal aussprechen und schreiben, endlich die dreimalige Untertauchung unter das Wasser bei der Taufe für notliwendig, die Ablegung des gerichtlichen Eides für unzulässig, das gemeinschaftliche Beten und Essen mit anderen Glaubensgenossen für nicht erlaubt erklären. Jede Neuerung in ihren gesellschaftlichen Zuständen betrachten die Lipowaner als etwas, dem sich zu fügen nach ihren religiösen Die Lipowaner io der Bukowina. 4oJ Grundsätzen verboten ist. Daher sind sie auch gegen die Errichtung ordenliicher Voliisschulen , gegen die Kuhpockeniinpfung, gegen die Einführung der Matrikenbücher, gegen die Todtenbeschau u. s. w. Ihre Kinder werden nur bis zum achten Lebensjahre nothdürflig unterrichtet, von da an sind sie an den Umgang erwachsener Per- sonen unter YermeiJung jedes Umgangs mit Fremden angewiesen. Nur dadurch wird erklärlich, dass die Lipowaner, welche als Handelsleute und Taglöhner in fortwährende Berührung mit An- dersgläubigen kommen, dennoch in rehgiöser Beziehung bei ihren her- kömmlichen Ansichten starr verharren, wozu noch kommt, dass sie einen hartnäckigen Widerwillen gegen neue Bücher haben und nur Bücher aus der voiiiikonischen Zeit für nicht gefährlich anerkennen. Die Matrikenführung betrachten sie als eine mit einem Anathem belegte Neuerung, welche die Seele des Menschen beireffe. Weniger sträuben sie sich gogen die Volkszählung, als gegen die Zählung des Vieh- standes, indem sie der Meinung sind, dass eine gezählte Kuh keine Milch mehr gebe. Die Kubpockenimpfung halten sie nach ihren Religionsgrundsätzen für nicht erlaubt, indem sie behaupten, dass hierdurch ihr Blut mit Thierblut vermischt werde, vielmehr glauben sie durch Gebete zu dem heil. Konon von den Blattern befreit zu bleiben. Nur bei äusseren Krankheiten suchen sie ärztliche Hilfe, bei inneren Krankheiten hingegen weigern sie sich Arzte und Arzneien zu nehmen, indem sie ihr Leben allein den Rathschlägen Gottes durch Ergebung in den göttlichen Willen und durch fromme Gebete anvertraut wissen wollen. In Lebensgefahren und schweren Krank- heiten weihen sie sich zur Sühne ihrer Sünden dem Klosterleben und nach den Kirchensatzungen müssen sie auch unverweigert in das Klostor aufgenommen werden. Ihre Todten bringen sie in offe- nem Sarge zum Grabe und decken sie erst daselbst zu; auch erzählt man sich, dass sie ihre Todten zuweilen in ihren Hausgärten begraben. Sie rechnen ferner das Geniessen geistiger Getränke, des Kaffee's und Thee's, das Schnupfen und Rauchen des Tabaks, das Rasiren des Backen- und Schnurrbartes zu den Todsünden und ver- bieten jede Änderung in Nahrung und Kleidung. Zu den besonderen Eigenthümlichkeiten gehört noch, dass sie sich bei ihren Unterhal- tungen und beim Tanze keiner Musik, sondern nur des Pfeifens und Singens bedienen. In ihreii Wohnungen haben sie beilige Bilder, 486 G o e h 1 e r t welche auch zum Verschliessen tabernakelartig eingerichtet sind und vor welchen sie sich bekreuzigen, wenn sie aus dem Hause gehen. Hunde dürfen ihre Wohnungen nicht betreten, dagegen halten sie Störche in Ehren. Die Lipowaner befassen sich mit Ackerbau, Obst- und Bienen- zucht, mit Teichgraben und Grundentwässerungen, in welchen Ar- beiten sie besonders gewandt sind; mit ihren Erzeugnissen, nament- lich mit Obst, Flachs, Hanf, Honig und Wachs treiben sie einen ausgebreiteten Handel nicht nur in der Bukowina, sondern auch in Galizien und in der Moldau. Sie haben keine bleibenden Familien- namen, es fügt blos der Sohn seinem eigenen Namen den seines Vaters bei, z. B. Peter Iwanow (Sohn des Iwan), dessen Sohn Fedor Petrow (Sohn des Peter). Sie sprechen zumeist die russische Sprache und unterscheiden sich schon äusserlich durch Bart und Kleidung von den übrigen Landesbewohnern i). Was insbesondere die Mönche zu Biafokrynica, deren eigent- lichen Aufnahme in"s Kloster gewöhnlich eine Probezeit vorhergeht und in jedem Alter über 17 Jahre erfolgen kann, betrifVt, so leben diese sehr einfach und verschafFen sich zumeist durch eigene Arbeit den zum Unterhalte nöthigen Bedarf. Man findet unter ihnen Gärtner, Fischer, Schneider und Schuhmacher; neben diesen gewerblichen Arbeiten befassen sie sich mit Krankenpflege und Unterricht in der vom Kloster gegründeten Knabenschule. Das Nonnenkloster zu BiaJokrynica erhält sich gleichfalls durch eigene Arbeit und milde Gaben. Die Nonnen arbeiten zu Hause und auf dem Felde, verfertigen weibliche Handarbeiten, unterrichten die weibliche Jugend, nehmen gebrechliche und hilflose Waisen in Versorgung und befassen sich gleich den Mönchen mit Kranken- pflege. In dem Mönchs- und Nonnenkloster sind ausser jenen, welche das Gelübde abgelegt haben, auch solche, welche ohne Ablegung eines Gelübdes ihr Leben in Gebet beschliessen wollen. *) Ihre Tracht ist echt russisch und insbesondere bei den Frauen die Kopfbedeckung (Kokosznik genannt) sehr reich geschmückt; ihr einspänniges Fuhrwerk gleicht den russischen Kibitken, und wenn man eine Gesellschaft von Lipowanern fahren sieht, so glaubt man in das Innere Altrusslands versctict zu sein. (Wochenschrift der Buko- winer Handelskammer Nr. 10 v. J. 1852.) Die Lipowaner in der ßiikuwina. 4o7 Die priesterloson Lipowanor in Klimoutz h'.il)en gleiclifalls Mönche und Nonnen; Männer und Frauen treten in's Kloster und legen das Gelnbde ab, sobald sie für Niemanden zu sorgen haben und fahren auch im Kloster fort zu arbeiten, wie sie es früher ge- wohnt waren. Bei den priesterlichen Lipowanern zu Mitoka hat das klosterliche Leben nicht Kingang gefunden. Die Lipowanor kommen in der Bukowina in fünf Ortschaften vor, sie bilden in den drei Ortschaften Biafokrynica, Klimoutz und Mitoka (auch Lipoweni genannt) selbstständige Gemeinden; die Ort- schaften Mychydra bei Berliomet und Kossowanka (Lukawetz) sind nur Colonien und gehören zu den Gemeinden Czereszanka und Lukawetz (im Bezirke Wisznifz). Diese beiden Colonien wurden erst in neuerer Zeit gegründet, Mychydra vor ungefähr 27 Jahren und Kossowanka vor ungefähr 18 Jahren; die Ansiedler der ersten Colonie sind aus Klimoutz, jene der letzteren aus Biatokrynica, angeblich aus Anlass der Übervölkerung der Muttergemeinden, ein- gewandert. In den genannten fünf Ortschaften, mit Ausnahme von Klimoutz, leben die Lipowaner ganz ungemischt mit anderen Glaubensgenos- sen; sporadisch kommen Lipowaner noch in Radautz, Suczawa, Wilawcze und im Kolomeaer Kreise Galiziens vor. Ihre Zahl, im Jahre 1784 noch 300— 400, ist bis zum Jahre 1858 auf nahezu 3000 gestiegen, welche sich auf die einzelnen Ortschaften in fol- gender Weise vertheilen: Klimoutz 1187 Seelen, Bia.?okrynica (Fontina alba) ' . . . 1008 Mitoka (Lipoweni) 421 Lukawetz (Kossowanka) 182 Mychydra bei ßerhomet 128 „ Suczawa 8 „ Radautz 3 „ Wilawcze 2 „ In Galizien (im Bezirke ZabJotow) 3 „ Zusammen . . 2942 Seelen. Die ausserordentliche Steigerung der Bevölkerung seit der Zeit ihrer Einwanderung ist zum Theile durch fortwährende (zumeist heimliche) Zuzüge, zum Theile aber auch durch die natürliche Zu- nahme erfolgt. Die Zunahme in neuerer Zeit, nämlich seit dem Jahre 1 844, » n 488 G 0 e h 1 e r t, Die Lipowaner in der Bukowina. in welchem Jahre man noch 1900 Lipowaner zählte, berechnet sich im jährlichen Durchschnitte mit 3-8 Proc. und stellt sich für ßiatokrynica am höchsten mit 4-7 Proc. Ihre Familienzahl, welche im Jahre 1784 noch 73 betragen hatte, ist bis zum Jahre 1844 auf 320 und bis zum Jahre 1858 auf 700 gestiegen. Der Hauptort der Lipowaner, Biafokrynica, welcher im Jahre 1844 noch 94 Häuser mit 640 In- dividuen zählte, umfasst gegenwärtig 167 Häuser mit 1008 Bewoh- nern. Im Mönchskloster daselbst lebten 57 Mönche und im Nonnen- kloster 56 Nonnen. In den Bevölkerungsverhältnissen der Lipowaner treten keine besonderen abweichenden Erscheinungen hervor, nur bleibt das ausserordentliche Überwiegen der männlichen Bevölkerung über die weibliche zu erwähnen, indem sich im Durchschnitte unter 100 Per- sonen 53 mäimliche und 47 weibliche befinden, während sich bei der gesammten Bevölkerung der Bukowina ungefähr die Gleichheit der beiden Geschlechter ergibt. Ausserhalb der Bukowina (mit Ausnahme der drei Lipowaner in Galizien) kommen die LipoAvaner in keinem Lande der österrei- chischen Monarchie mehr vor. Im Auslande ist diese Secte besonders in Russland vertreten, wo viele Familien heimlich zu den Slarowercen gehören, namentlich unter den Kosacken und in Sibirien hat diese Secte noch einen grossen Anhang; sie haben daselbst auch Bischöfe, "welche jedoch von der russischen Regierung nicht anerkannt werden. Ausserdem finden sie sich in der Moldau (Jassy) und Walachei (Ibraila) und in der Türkei (Tultscha und Rustschuk). In Ibraila lebt ein Bischof dieser Secte. Ferner leben in Preussen (im Regierungsbezirke Gumbinnen) unter dem Namen der Filiponen Lipowaner in der Anzahl von 1500 Seelen, welche zur Secte der Bezpopowcen gehören und aus Lithauen eingewandert sind. Ihr Hauptort daselbst ist die Colonie Alt-Utka 1). ') Dr. F. W. Schubert: Handbuch der allgem. Staatskunde des preussischen Staates. Verzeioliiiiss der eingegangenen Dnicksclirifleii. 4öy VERZFJ(H\ISS DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN. (FEBRUAR 1863.) Acailemy, The Royal Iiish: Transactions. Vol. XXIV. Part. II. Dublin, 1862; 4o. Akademie der Wissenschaften, königl. bayer., zu München: Quellen und Eroiterungen zur bayerischen und deulsehen Geschichte. II. Band. Quelle» II. Band, II. Abtheilung. Mün- chen, 1862; 8o. — der Wissenschaften, königl. Schwedische, zu Stockholm: Hand- lingar. Ny Följd. Band 3. lieft 2. 1860; 4o. ; Öfversigt, XVIII. Jahrgang. Stockholm, 1862; 8«.; Meteorologiska lakttagelser i Sverige. Af Fr. Edlund. II. Band, 1860; 4». Mitglieder- Ver- zeichniss, Maj 1862. Buchner, 0., Zweites Quellenverzeichniss zur Literatur der Meteo- riten. Ein Anhang zu Kesselmeyer, über den Ursprung der Meteoriten. (Aus den Abhandl. d. Senckenb. Naturf. Gesellsch. Bd. IV.) Frankfurt am Main, 1863; 4o. Christiania, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus den Jahren 1860. 1861, 1862. 8«., 4o. «& Folio. Coussemaker, E. de, Drames liturgiques du mnyen äge. Rennes 1859; 4o. — Messe du XIII" siede. Paris, Lille, 1861; 4«. — — Notice sur les archives de l'Abbaye de Bourbourg. Dunker- que, 1SÖ9; 8». — Notice sur un manuscrit musical de la Biblio- theque de St. -Die. Paris, Lille, 18ö9; 8o. — Vitraux peints et incolores des eglises de la Flandre maritime. (Extr. des Annales du Comite Flamand de France, tome V.) Lille, 1860; 8". — Keure de Bergues, Bourbourg et Furnes. (Extr. d. Ann. d. Com. Fl. d. France, t. V.) Lille, 1860; 8". — Documents relalifs ä la Flandre maritime extraits du Cartulaire de l'Ab- baye de Watten. (Extr. d. Ann. d. Com. Fl. de France, t. V.) Lille, 1860; 8«. — Quelques epitaphes des eglises de Comines, Cambrai, Conde, Esne, Eslaires, Halluin, Solre-Ie-Chateau et 490 Verzeichniss Valenciennes. (Extr. d. Bullettiii de la Commission hist. du departem. du Nord, t. V.) Lille, 1860; S». — Quelques recher- ches sur le dialeefe flam.ind de France. Duiikei-que, 1839; S». — Delimitation du Flamand et du Fran^ais dans le nord de la France. (Extr. d. Ann. d. Com. Fl. d. France, t. III.) Dun- kerque, 18S7; 8». — Essai historique sur le Hoop. Lille, 1861; 80. — Discours sur Tarclieologie du XIX' siecle. Lille, 1861; 8«. — Chanson du XV siecle. Lille, 1861; 8». — Fragment d'un Roman de chevalerie du Cycle Carlovingien transcrit d' apres un parchemin du XIII" siecle, par M. P. Blommaert. (Extr. d. Ann. d. Com. Fl. de France, t. V.) Lille, 1860; S». Documents inedits sur l'histoire de France: A venel, Lettres, Instructions diplomatiques et papier d'etat du Cardinal de Richelieu. Tome IV. 1630—1635. Paris, 1861; 4o. Baudry, F., Memoires de Nicolas-Joseph Foucault. Paris, 1861; 4o. Cheruel, Journal d'Olivier Lefevre d"Ormesson etc. Tome IL 1661—1672. Paris, 1861 ; 4«. Desjardins , Negociations diplomatiques de la France avee la Toscane. Tome IL Paris, 1861; 4o. Guessard, F. etE.de Certain, Le mistere du siege d" Orleans etc. Paris, 1862; 4». Gerhard, Eduard, Thetis und Priumne, Etruskischer Spiegel der kais. Russischen Sammlung. Auch über Gräberidole des könig- lichen Antiquariums. (22. Programm zum Winckelmannsfest der archäologischen Gesellschaft zu Berlin.) Nebst 1 Abbildung. Berlin, 1862; 4o. Gesellschaft, Fürstlich Jablonowski'sche, zu Leipzig: E. L. Etienne Laspeyres, Geschichte der volkswirthschaftlicheii Anschauungen der Niederländer und ihrer Literatur zur Zeit der Repubhk. (Gekrönte Preisschrift.) Leipzig, 1863; kl. 4o. — Schleswig-Holstein-Lauenburg' sehe, für vaterländische Ge- schichte: Jahrbücher für die Landeskunde der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Laueiiburg. Band V, Heft 1 — 3. Kiel, 1862; 8o. — für vaterländische Geschichte und Sprache, Königl. Dänische: Danske Magazin. L Band. 3. Heft. Kjobenhavn, 1862; 4». der eingegangenen Druekscliriften. 49 1 Gesells chaft, Antiquarische, in Zürich: IMitllieiluiigen. Band XIII, Heft G; Bantl XIV, Heft 3. & 5. Zürich, 1862; 4o. — 9. 11. und 17. Bericht, 1853, 1855 & 1861. 4o. Halle, Universität: Akademische Geiegenheitsschriften aus dem Jahre 1862; 8o. & 4o. Hamm eilt/. III. Jahrgang, Nr. 11—12. Odessa, 1863; 4». Istituto, I. R. Veneto di scienze, lettre ed arti: Atli. Tomo VIII", Serie 3% Disp. 1^ e 2\ Venezia, 1862—63; 8o. Jena, Universität: Akademische Geiegenheitsschriften für das 2" Halbjahr 1862; 8o. & 4o. Lange, Ludwig, Römische Alterthümer. II. Band. Berlin, 1862; 80. Leyden, Universität: Annales Äcademici. 1SÖ8 — 18S9, i8S9 — 1S60. Lngdani Batavorum, 1862; 4». Maatschapp ij der Nederlaiidsche Letterkunde: Handlitigen der jaarlijksche algemeene Vergadering, gehouden den IQ**'" Junij 1862 te Leiden; 80. Älitthe ilungen der k. k. Central-Commissioii zur Erforschung und Erhallung der Baudenkmale. VIII. Jahrgang, Nr. 2. Wien, 1863; 40. — aus J. Perthes' geographischer Anstalt. Jahrgang 1862, XII. Heft, nebst Ergänzungsheft Nr. 10; Jahrgang 1863, L Heft. Gotha; 4o. Pamatky. Dil V. sesit. 4. V Praze, 1862; 4». Parthey, G., Das Orakel und die Oase des Ammon. (Aus den Ab- handlungen der K. Pr. Akad. d. W. zu Berlin 1862.) Berlin, 1862; 40. Riedel, A. Fr., N^ovus Codex diplomaticus Brandenburgensis. I. Haupttheil, XXIII. Band; IV. Hauiitlheil, I. und einziger Band. Berlin, 1862; 4o.. Sacken, Ed. Freih. v. , Über die vorchristlichen Culturepochen Mitteleuropa's und die Quellen der deutsclien Ursgeschichte. (Vortrag, gehalten im Alterthumsverein am 12. März 1862.) Wien, 1862; kl. 80. Schatzmayr, E., Studia Horatiana. Golhae, 1863; 8". Societe des Antiquaires du Nord: Aniialer for nordisk Oldkyn- dighed. 1859; 8«. — Memoires. 1850—1860. Copenhague, 1861; 8». — Texte explicatif de i'Atlas de Tarcheologie du Nord. Copenhague, 1860; 8". — Kong Frederik VII til Dan- 49 -i Verzeichniss der eingegangenen Druckschilften. mark, Oni Bygningsmaaden of Oldtidens Jaettestuer. Kjöben- havii, 1862; S». — Inscriptions runiqiies du SIesvig meridional interpretees par C. C, Rafn. Copenhague, 1861; 8". — Beret- iiinger om det Kongelige Nordiske Oldskrift-Selskabs Aarmo- der i 1860 — 1861; 8». — Kaladlit Assilialiait ou quelques gravures, dessiiiees et gravees sur Lois par des Esqiiimaux du Groenland. 1860; 4o. — Beskrivelse over den 0 Islandia ved Daniel Streyc. Kjöbenhavn, 1859; S^. — Depecher fra den polske Legation i Kjöbenhavn i Tidsrummet fra 26 Marts 1791 til 13 October 1792. Kjöbenhavn, 1859; 8o. — Om de redu- r plicerede Datider i Old-Islandsk og om Mandsiiavnet „Olafr" i dets aeldre islandske Former, of Konrad Gislason. Kjöben- havn, 1862; 8o. — Brage den Gamles Kvad om Kong Ragnar Lodbrogs Skjold, ved G. Bry n julfsson. Kjöbenhavn, 1861 ; 8o. — Descente en Angleterre projetee par le Boi de Danemark Valdemar Atterdag de reunion avec les Francais. Memoire par Fred. Schiern. Copenhague, 1860; 8o. Society, The Royal Asiatic, of Great Britain & Ireland : Journal. Vol. XX. Part. 1. London, 1862; 8o. — The Royal, of Edinburgh: Transactions. Vol. XXIII. Part 1. For the Session 1 86 1—62. 4o. — Proceedings. Vol. IV. Nr. 56—58. Session 1861 — 62. 8o. — The Royal Geographical, of London: Proceedings. Vol. VII, Nr. 1. London, 1863; 8o. Tafeln zur Statistik der oesterr. Monarchie. Neue Folge. III. Band, 5. & 7. Heft. Wien, 1861; Folio. Tübingen, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem Jahre 1862. 4o «Sc 8». Viaggio intorno al globo della fregatta austriaca Novara negli anni 1857, 1858, 1859. Tomo I. Vienna, 1862; gr. 8o. W^allich, G. C, The Nord-Atlantic Sea-Bed: Comprising a Diary of the Voyage on Board H. M. S. Bulldog, in 1860 etc. Part I. London, 1862; 4o. Wickenhausen, Franz Adolf, Moldawa oder Beiträge zu einem Urkundenbuche für die Moldau und ßukovina. 1. Heft. Wien, 1862; 8o. Wurzbach, Conslant v.. Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. IX. Theil. Wien, 1863; 8o. SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN mDEMIE DER WISSESISCUiFTEK. PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. ZWEIUNDVIERZIGSTER BAND. -VOO^OCX^ WIEN, AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI. IN COMMIS&ION BEI KARL GEROLD'S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1863. /"" iGSIIERICilTE DER PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE DER KAISBRMCHF.N AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ZWEIUND VIERZIGSTER BAND. Jahrgang 1863. — Heft I und II. (Hit 1 litt). Scilngf.) — »OO^OOO- WIEN. AUS DßR K. K. HOF- UND STAATSDUUCKEKEI. IN COMMISSION Uli:! KARL GEROLD'S SUH> , BUCIlHÄISDLEn DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 18G3. t, INHALT. Seile SilKiing vom 11. März 18G3. JlHUler, Friedrich, Über die S|>raeiie der Avgliiinen (Paylo) .... 3 Bonitz, Aristotelische Studien. 3 25 .SKxuii»; vom 18. März 1863. Pfeiffer, Zwei deiilsche Arzneiliiielier aus dem 12. und 13. Jahrhundert. .Mit einem Wörterimche 110 J>>Il7aing vom 26. März 18C3. Siegel, Die E^rholung' und Wandelung im g-ericlitliehen Verfahi-en . . . 201 Verzeichniss der eingeg-angeneu Druckschriften 24i» SItxung vom lö. April 1863. Müller, Friedrich, Beiträge zur Lautlelire der arnienisclien Sprache III. 249 ^iitzuiig^ vom 22. April 1863. Vorlagen in der Classensitzung 239 Reinisch, Die Gralistele des Priesters l'tali'emwa. Mit liiterlinear-Ver- sion und Comnieiitar. (Mit 1 Tal'el.) 261 Silxuiig vom 29. April 1863. Slussafia, Handschriftliche Studien 276 Müller Friedrich, Beiträge zur Coiijugation des armeiiiselien \ei bums . 327 Verzeichniss der eingegangenen Druckscliriften 343 Sitxiiii»; vom 13. Mai 1863. Asehbaeh, Eine historisch-archäologische Abliandinng über Livia , die Gemahlinn des Kaisers Augustus. (Für die Deuksehriften.) . . . 349 Jäger. Über das rliäliscbe Alpenvolk der Bi'euni oder Creoneu .... 351 Seitv Sitzung vom 20. Mai 1863. V. Karajan, Berichte über die Thätigkeit der historischen Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften während des aka- demischen Verwaltungsjahres 1861 auf 1862. Vorgetragen in der Commissions-Sitzung vom 20. Mai 1863 und darnach in der Classensitzung desselben Tages 441 — Bericht über die Thätigkeit der Concilien-Commission während des akademischen Verwaltungsjahres 1861 auf 1862 446 — Über den Leumund der Österreicher, Böhmen und Ungern in den heimischen Quellen des Mittelalters 447 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften 533 SITZUNGSBERICHTE DER KAISEIILICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. P III L 0 S 0 P III S C II - 11! S T 0 R 1 S C II F. C L A S S F.. XLII. BAXÖ. I. HPT. JAÜKGANG 1863. — MÄRZ. SITZUNG VOM 1 1. MAHZ 1863. Der Referent der liistorischon Comiiiission , Herr v, Karajan, zeigt an, dass derselben zur Publication eingesandt wurde: Diplomatarium Portusnaonense, serles documentorum ad histo- riam Portusnaonis spectantium, quo tempore (1276 — löl4) domus austriacae imperio paruit, liinc inde lectorum cura et opere Josepln Valen ti nel li. Vorgelegt: IJbcr die Sprache der Afghanen (Payto). II. Von Dr. Friedrich Müller, Docent der allgemeinen Spiachn Issenscliaft an ilcr Wiener Universität. Vorliegende Abhandlung schliesst sich an eine in den Sitzungs- berichten, Bd. XL abgedruckte gleichen Namens an, worin ich. die Frage über die Natur der avghanischen Sprache und die daraus sich ergebenden Folgerungen in Betreff des Ursprunges der sie i-edenden Stämme durch Beleuchtung der vorzüglichsten Lautver- hällnisse derselben zu entscheiden versucht habe. Da meine Re- sultate von cornpetenter Seite Beifall gefunden haben i), und ich am Ende dtr eben genannten Abhandlung eine Untersuchung des Formenbaues des Payto zur Vervollständigung und Erhärtung mei- ner dort ausgesprochenen Behauptungen in Aussicht gestellt habe, so will ich in den nachfolgenden Zeilen eine Analyse der wichtig- sten Formen des Pa/lo versuchen und an denselben die echt erä- nische Natur der avghätiischen Sprache darlegen. ') Benfey in den Göttiiiger g-elelnteii An/eig-en 1862. S. 1997 fl'. 1 » 4 Dr. Fr. M ii I I e r Da das Pa)(to, wenngleich es in manchen Puncten den älteren eiänischen Dialekten sich nähert, seiner ganzen Natur nach ein ziemlich modern gehaltenes Idiom ist, so kann hier von einer Dar- legung der Wurzel-Elemente und der Stammtiildnngen nicht die Hede sein, deren Darstellung der Grammatik der älteren Dialekte angehört. Wir müssen uns daher auf die Aufzählung und Beleuch- tung derjenigen Elemente beschränken, welche das Pa^^to entwe- der aus älterer Zeit als solche, wenn auch nunmehr versteinert, überkommen, oder gleich den verwandten Schwestersprachen an Stelle der verloren gegangenen organischen Functions-Elemente erzeugt hat. Dabei schicken wir die Darstellung des Nomens jener des Verbums voraus. 1. N 0 m e n. Hier kommen folgende Puncte in Betracht: Geschlecht, Zahl, Endung. Geschlecht. Was das Geschlecht betrifft, so ist es hier zwar nicht so lebendig wie in den älteren Sprachen, aber die Sprache kennt es und hat dafür bestimmte Merkmale, Im Allgemei- nen wild das Femininum durch ah gekennzeichnet, z. B. ^A (äs) Pferd, altb, -«ej«*» (ngpaj, neup. «.^-jI (asp) — ä*^1 {aspah) Stute, U***^^ O'X) Kamehl, altb. -»'V-^> (ustra), neup.^^il {itsiurj — a^| {ü/ahj Kamehlinn. Man darf aber nicht etwa glauben, diese Art der Motion, welche der in den semitischen Sprachen gfbräucli- liclien frappant entspricht, müsse diesen entlehnt sein, sondern es ist vielmehr ah wahrscheinlich nur eine andere Sehreibung für ä, welches das regelrechte alte Feminin zu dem in den neuen Idiomen ganz abgefallenen masculinen kurzen a darstellt (vergl. im Altindi- schen (lirgha „lang" mascul., dirghä fem., im Altbaktrischen ya-g welcher, yd welche). Wir sehen, dass das Paj^to auch in diesem Puncte den anderen neueren eränischen Sprachen gegenüber, welche von einer Motion des Substantivs gar nichts mehr wissen, ein bedeutendes Stück Alterthum gerettet hat. Zahl. Als Zeichen des Plural sehe ich an (Nebenformen äna, uno, (hm, ä) an , das dem neupersisehen Pluralzeichen bei belebten Wesen an entspricht. Davon lassen sich nna, üno, iinu, im, i1, o über die SpiMclie der Avg-Iiiuieii. II. t> als Modificationen ableiten , sämmtlich durch Verdumpfuiig des hui- gen a entstanden, wie g^ (nmimQ Gebet = nenp. jlr fnamdxj, altbaktr. wj-eu (nemahh). I)i ^^ (muH ay- arm), A^ (melmah) Gast «JolL-o (mvlrn-dnah) j^jIU* (melm-uno), j^j (pldr) Vater i^^j% (plar-ünah) ö^j'^> (pldr-nno), ^c^ ((jhfir) Berg b^j^ (ghr-una) bjj^ (ghr-umi), Ji Ojhul) Dieb aIp (ghl-ah) Js^ ((ßl'o), 'Sjr' {sarai) Mann c?^-**» (safi) j^-*» (sar-d), ^i (Idr) Weg j ^ ("/«r/; j^ ("/«'r-o^, ^^ Cxci^ah) Weib J=^^ 6r«C«e; ^i^^ r/«^-«> Endung. Was den Casus betrilTt, so besitzt das Payto einen Nominativ, Aecusativ, Genitiv, Dativ, Ablativ, Vocativ, Local, natür- lich nur in dem Siime, wie alle anderen modernen Idiome. Davon sind Ntiminativ und Vocativ gleich im Vorhinein als jedes Zeichens entbehrend, auszuscheiden, ebenso der Aecusativ, der entweder mit dem Nominativ oder dem Dativ zusammenfällt. Das Zeichen des Genitivs ist J> ((Jd) ^^^^ ^^ (dahj. Es wird dem das Besitzende ausdrückenden Nomen vorgesetzt. In diesem Zeichen, das sowohl der Form als der Anwendung nach, wirklich frappant zu dem aramäischen i, ? stimmt, hat man ehemals ein semitisches Element entdecken wollen. Diese Ansicht haben mit Recht schon Ewald (Zeitschr. für Kunde d. Morgenlaiides II, 309) und Dorn (Memoiren der Petersburger Akademie, Serie VI, Tom. ö, S. 40) aufgegeben. Ewald siebt in dem avghänischen Genitiv- Elemente das relativ gebrauchte Demonstrativwörlchen dd, welches, nachdem der wahre Genitivcasus verloren gegangen ist, zum Aus- 6 Dr. Fr. M ii I I e r drucke seines Begriffes angewendet wurde. Dorn fasst es eben so demonstrativ und hält es mit dem deutschen „der, die, das" des- selben Ursprungs. Meiner Ansicht nach haben wir in dem avghäniscben Genetiv- zeichen nicht nur ein indogermanisches , sondern ein echt eräni- scbes Element vor uns. Es stimmt sowohl was den Gebrauch als auch was den Ursprung desselben anbelangt, mit der neupersischen sogenannten Idäfat vollkommen überein. So wie diese nichts an- deres ist, als ein Überbleibsel des im Altbaktrischen auftretenden Relativpronomens -«nj Cv^O' ^^''® ™^'^ ^^'^ ^^"' Pärsi überzeugend beweisen kann (vgl. S pi egel, Parsigrammatik, S. 52), so entstammt auch unser da gewiss nichts anderem als dem Pronominalstamme tya, der in den Keilinschriften dem altbaktrischen ya gleich gilt. Der Dativ wird gebildet, indem man dem Worte a7 (tah), <>.l (Iah), i>J> (laralQ nachsetzt; allen dreien kann noch j (ivaj ver- stärkend beigefügt werden, das aber vor das Wort tritt, so dass letzteres dann von zwei Partikeln eingeschlossen wird. Neben Ai (tah) kommt auch ^^ (watahj, wahrscheinlich nur eine Verstär- kung desselben, vor. Von diesem Elemente ist AJ' (tah) mit dem Neupersisehen U (ti'Q in der Bedeutung „bis, zu" zu vergleichen, bS (Iah), ^J (larah) hängt höchst wahrscheinlich, wie schon Dorn (a. a. Orte S. 47) vermuthet, mit dem Neupersischen \j (rd), Pehlewi 'N1 (rdi) und dem Altpersischen rädiy „wegen" (vgl. Spiegel, Huz- varescbgrammatik, 8. 67) zusammen. Echt eränisch ist^ (wa), das ich mit dem Pehlewi iiN» (aw) und dem Parsi 4 (6i) identificire. Auch das neupersische ^ (bih), <_> (i^O' (hq) entspricht, anknüpfen. Über ^ (nah) könnte ich zwar manche Vermuthung beibringen, es ist mir aber im Ganzen ziemlich dunkel geblieben. Der Locativ wird durch die Partikel äj (pah), »-^ (p^O be- zeichnet, welche die Bedeutungen „durch, in, mit, wegen" in sich vereinigt. Zu ibrer Erklärung ziehe ich die Pelilewi-Partikel JJD (pann) herbei. Oft wird hier auch die Phrase o\^ ö^ (pah-miydn) oder 4i^^• (plur) Vater. Singular. Plural. Nominativ t Dativ ^" O^J% aI o^^% 0 "^J-J^, aJ^^ j a: üj^^^j t^^\^ a1 ÜjJ^>^ ^),\, 0 '^3^^', 3 ^3 -> ^i J ^^ Ü^J^Jj, Genitiv V O^J^^ -> ^% AJ» OjjjM AJ ^ Dr. F I'. M li I 1 e r Ablativ j^* ä) ü_5J^^ aI Lücativ i^j Aj Oo^^j ^ Adjectivum. Was das Adjectiv betrifft, so ist zu bemerken, dass es nicht wie im Neupersischen dem Nomen folgt, sondern immer demselben vorausgeht (was an die neueren indischen Spra- chen erinnert), ohne mit demselben durch irgend eine Partikel ver- bunden zu werden. Die Motion wird — analog der Art und Weise bei den Substantiven, mittelst ah vollzogen, z. B. : ^^j^ (ucat) „hoch", vergl. Hindüstani: \^j\ (uncd), altind. ^(cVa, femin. <^j (ucatah). Pronomen. Pas Pronomen hat vieles Alterthümliche und Eigenthümliche erhalten. Der Nominativ singular. der ersten Person lautet 4J (zah), das dem altbaktrischen_€J^- (azem) entspricht. In den obliquen Casus tritt L (mu) ein, entsprechend dem --s (ma) des Altbiiktrischen. An dieses Element treten die Casuszeichen in derseli)en Weise wie beim Substantiv an, nur mit der Ausnahme, dass der Genitiv nicjit da-mu , sondtM-n l^ (^mn) lautet. Neben dieser Form fuhrt Dorn (a. a. 0. S. 84) auch LJ (dmd) als bei Mirsa vorkommend an, welches, sammt der Nebenform der zweiten Person l".^ (data) wahrscheinlich macht, dass l,^ (Cmdy aus da-md entstanden ist. Bedenken wir dazu, dass das Genitivzeichen da, wie wir oben gezeigt haben, aus allem tya entstanden ist, so bietet die Erklärung des C ans dy (das von ty herabgesetzt ist) keine beson- deren lautlichen Schwierigkeiten. Der Plural der ersten Person lautot jC-« (niimg), jf^j'» (mihig) oder ^* (mu)Hjah), dXjj^ (munfjali), wofür auch in den westli- chen Dialekten jy> (muz) vorkommt. OfTenbar liegt hier derselbe Stamm, wie in den obliquen Casus des Singular zu Grunde, nämlich ma, der mit demselben Pluralzeichen, wie es beim Nomen substant. über die Sprache der Avgli:men. H. 9 auftritt, nämlich iina, wovon nngah nur eine andere Aussprache sein dürfte, versehen erscheint. Etwas dem Ähnliches findiMi wir in den neupersischen PronominalsuCfixen » (m), O (t), ^'^ (s), Melche im Plural üU (mdn), öU (tan). Ob (mn) lauten. Die Casus werden, ebenso wie im Sinj^ular, durch Vprhinduii. (^mimgali), ^j^p^ (OmoigahJ, j^p^ (Zmuz). Der Stamm der zweiten Person lautet im Singular U (td), im Nominativ a)' (tah), offcnhar identisch mit dem allbaktrischen e^^ (tum) = tvcm, altpers. tuvni. Die Bezeichnung der Casus geschieht ebenso wie heim Pronomen der ersten Person; der Genitiv lautet \^ (st(t) oder Uji (data). Letztere Form steht der beim Nomen 'gebräuchlichen Genitivform am nächsten; bei der ersteren ist das s offenbar als eine Entwickelung von tya zu erklären. Der Plural der zweiten Person lautet ^_yi^ (tdsiij,j^^ (tdsu), ^"^-'i (Idsi), ,_j^lJ' (tust). Das an den Stamm der zweiten Person angetretene Pluralzeichen .9 dürfte wahrscheinlich aus dem alten Determinativsuffixe sma zu erklären sein, und dürfte der avghäni- sehen Form eine dem prakrischen rl^Se (tumhc) = tu -\- sme = tu -\- sma -\- i ') entsprechende zu Grunde liegen. Die Bezeichnung der Casus ist mit jener im Singular gebräuchlichen vollkommen iden- tisch; der Genitiv bildet, wie beim Singular, eine kleine Ausnahme. Bei der dritten Person kommen besonders zwei Stämme in Betracht, nämlich AiA> (hagha/i) und *cj) (daghah) oder \^ (da). Ich theile die Formen als ha-ghah , da-ghah ab, und erblicke in den ersten Elementen ha und da die alten Demonsfrativstämme sa und tya-}, während das zweite Element glia nichts anderes als das alte gha, griech. ys zu sein scheint, welches bekanntlich auch im altind. a/tam (für aglunn), griech. i'/wv, als Determinativ-Ele- nient, ähnlich dem sma in anderen Formen, vorkommt s). *) Vgl. Orient und Occident von Benfey I, 737. 2) Bei da lässt sich auch an altpers. di'n, dis, aUbaklr. dim, dit, diu (Ilaujj, Essays HO) denken. ) Vgl. Orient und Occident >on Benfey I, 739. j 10 Dr. F r. Müller Als Reflexivum trilt J.x>- (khpal) auf, fem. öL^ (khpalahj, welches, wie ich bereits in meiner ersten Abhandlung bemerkt habe, das allbaktrische ^»(i»i»üw-eL (quepaithya) vollkommen wiedergibt. Als Interrogativ treten auf: der Stamm X». (^d), Nomin. -ii^s.- C^ok), der zunächst mit dem altbaktrischen -«r (ca), vergl. >^ir (ca-hmai), --»ey^r' (ca-hya) verglichen werden muss, ferner S (kam) oder ?_f (kum), fem. i^S (kmnak) oder b.^} (komah), wel- ches sich unmittelbar als altbaktr. -"5 (kdj, Nom. \<^ (bo)^ ■*"5 C^f^O' £L-»3 (knt) und neup. ^ (kih) anschliesst. Als Intcrrogativum und Indefinitum tritt ^ C^c^O ^"^' ^'-^ vollkommen dem neupers. ds^ (cih) entspriclit. Zu vergleichen ist damit altbaktr. -"r (ca)^ -^'^ (eis), ^r (cit). Ein anderes Indefinitum ist ^>. (^im) oder js^ (^hii), das dem Gebrauche und dem Ursprünge nach mit dem neupers. -xls>- (canclj übereinstimmt und offenbar mit dem altbaktr. 8^^»^' (cvaQ verglichen werden muss. Der Deutlichkeit halber lasse ich im Nachfolgenden eine Über- sicht des avgbänischen Pronomens folgen: I. Person. Singular. Plural. Nominativ ^J JL,, Aklo, J^^, ^^•«» jj^ Accusativ u wie Nominativ Dativ 6jL ^y^^ / .JU^ j ^■^Uj ^J>1 1 -? Genitiv u J^, jjj^;^, . , <^Xjj«»-, Jj*»- über die Sprache der AvgliAiieii. 11. II. Person. Nominativ aI Accusativ L" Diitiv AiU All; iji; Genitiv l^-*, ^-^ wie Nominativ 'J ut^- ^ l- ^-9 \ 11 » U»j , ^^ ll-i ,«j U 3 , _j»»J U ..> , j^-J Ij ^ , j^^J^-J Ij ^ III. Person. Stamm i^^ Singular. Nominativ AäS» Accusativ wie Nominativ Dativ <5J Genitiv a1 0 9 C^ Plural, wie Nominativ > » \(^^^^9^^^) 0 ^\(hii(jh6i)/3 a1 ^J ff' jiÄ, 1 2 Dr. F r. Müller Stamm Aff^, 1j> Nominativ acj, b apj> Accusativ wie Noniiiiiitiv wie Nominativ Dativ ^- / -^ '^ ^7 y^ \ ^\ \ ^ \Cdaqh6) 0 '"^^ 0 Genitiv as^j>J> ^5^-^ j£^J>.i o . 7 AP ^ j> j J> ^y ^ :> 0 . J :>:> -vO J Numerale. Unter den Formen des Zahlwortes gibt es meh- rere, welche einen unwideileoliehen Beweis für die echt-eranische Natur des Payto ablegen. Ich will sie der Reihe nach hieher setzen und beleuchten : y Cyaiv) „eins" entspricht vollkommen dem altbaktrischen -"»w- (aeva), das im Pehlewi -jrN (aivak), im Neupersischen j).> (yak) — aus ypak entstanden — lautet. Die neuindischen Spra- chen bieten l'ür eins CX>\ (ck) = altind. eka, das von dem eräni- schen Ausdrucke dem Ursprünge nach verschieden zu sein scheint. :;0 (spat) oder ^^'i^ Opf'ffJ „sechs" kann — wie ich bereits in meiner ersten Ahliandluug bemerkt habe — nur einer eranischen Spraclie angehören. Es entspricht dem altbaktr. ^*>>^i;ii^ (khshvas). Das Urdu bietet für „sechs" den Ausdruck (dih) an Alterthümliehkeit und stimmt zunächst mit dem Urdu ^^J (das) = altind. dagan überein. Durch den Übergang des Dentals im Anlaute in / verrälh sich die Form als eeht-avghaniseh. Bemerkenswerth ist die Form J--' C^^ö »zwanzig'^ (eine Ver- stümmelung aus altem nf>**»",;» (i'igaiti), derart, dass das vi im An- laute abfiel), die nur alleinstehend vorkommt, während in der Zu- sammensetzung die Form JU^j fvistj — dem neupersischen J-*.^ (bist) entsprecliend — sich vorfindet. Die Form für „dreissig" ^J^y-^ (diris) = altbaktr. cj«?*»"^© (thrigatem) übertritTt das neupersische ^jv*» (sij in Bezug auf Alter- tliümliclikeit; es ist auch bedeutend besser erhalten als die Urdu- form j_;-jJ (lis), altind. tringati. Bemerkenswerth sind ferner die Formen für „liundirt" ^y^ (sal) und „tausend" jj (zar) , entsprechend den altbaktr. iW"" (gutem) und -"V^-ey (hazaiira). In ersterer Form ist das alte t nach avghanischein Lautgesetze in / umgewandelt; in letzterer ist der aus altem s (vgl. altind. sahasra) entstandene Hauchlaut li im Anlaute (wodurch, sowie durch das^ = h, die Form als eine echt- eiänische charakterisirt wird) \\ie oben bei Aj^I spurlos abgefallen. Der Übersicht wiegen lasse ich die Zahlenausdrücke des Pa/to folgen : 1 -?'. 6^-0* V 1 1 ^1^ 2 h^ 7 ,j^\ 12 ^J.j^ 3 >,^ 8 ^\ 13 ^Jjl^^ 4 J^^ 9 ^ U ^j\j^ 5 d.^1 10 u-> lö ^Ja^ 14 Dr. Fr. Müller 16 r 2 1 (_-^wJLl »J 70 l,\ 17 ^ J &^J\ 30 J^y:^ 80 LJ! i8 ^x;\ 40 w-u1j ftio- 90 ^y 19 ^Jjl 50 ^.ß^. 100 > 20 ^^ 60 a:*^ 1000 j-> Die Ordinalia werden, wie im Neupersisclien, mittelst des Suf- fixes am, um gebildet; z. B. ,c^:> (^diiyamj, ,cjJ> (^driyam), ^jj^ (^^Uram), -«^ (panZum). Abu eieheiid gebildet ist ^j, (ranbaiy, der erste, auch ^uj (wranhui). Ich lialte diese Form für eine Verstümmelung des altbaktr. -««{«»"''ri (fratemiQ, altind. yratliama. Was die Erweichung und den endlichen Abfall des y im Anlaute betrifft, darüber vergleiciie man^j^ (ror), auch^^^jj (loror) Bru- der, altbaktr. i*^»^^ (brdtare), altind. bhrdtar, und J^j (wral) tragen, altbaktr. l^ (bere), altind. bhar. li. V e r b u m. Was diesen Redetheil betrifft, so hat schon Ewald in seiner bekannten Abhandlung (Zeitscbr. für Kunde des Morgenlandes II, S. 301) richtig erkannt, dass der Conjugation desselben, wie im Neupersischen, zwei Stämme zu Grunde liegen, der eine für das Präsens und die dumit zusammenhängenden Tempora und Modi, der andere für das Perfectum und die damit zusammenhängenden Formen. Der Stamm des letzteren ist nichts anderes, als das alte Participium perfecti passivi in ta, welches sich aber schon im Alt- baktrischen in aotiver Bedeutung nachweisen lässt. Bekanntlich stehen im Neupersisclien das Participium perfecti (dessen Zeichen aJ , aj = altbaktr. -») und der Infinitiv (dessen Zeichen ^y,0^= altpers. tanaiy) in einem gewissen Zusammen- bange, derart, dass man, sobald der Infinitiv gegeben ist, ebne alle Schwierigkeit durch Substituirung des tah, dah an Stelle von tan, dan das Participium perfecti und die davon abgeleiteten Formen bilden kann. Im Ganzen hängt auch hier das Participium mit dem Infinitiv auf diese Weise zusammen. über die Sprache der AvghAnen. II. 1 O Was das Verliältniss der beiden oben angegebenen Stumme zu einander im Neupersiscben betrifft, so eiilbält das Partieipiiim per- fecti passivi nacb Abtrennung des Zeichens tcih, dali, und mit Be- rücksichtigung der obwaltenden Lautgesetze, die Wurzel rein, während der Präsensstamm dieselbe mit verschiedenen erweitern- den Elementen (deren genügende Erklärung nur innei-halb der älteren eränisclien Sprachen, Allbaktrisch und Aitpersisch, gegeben werden kann) belastet auftritt; z. ß.: ö^l^ (dddan), pait. perf. Aj]^ CdadaJiJ, während Präsens ^:> (diham), altiiid. dadhämi, daddmi (Classe III) = gricch. rt3-v;;jL'. und oiowjul'.. iJJ^->- (cidan), part. perf. i>X-->- (cidah), während Präsens Ä^s^s- (^clnam), altind. dinomi (Classe V). Im avglianischenV'erbum scheint derselbe Gegensatz obgewaltet zu haben, wiewohl er sich nun — bei der Cberwucherung der ab- geleiteten Verba in der Sprache — nicht mehr recht nachweisen lässt. Präsens- und Perfectstamm stehen sich hier näher; ihre bei- derseitige Differenz beruht meist auf rein lautlichen Gründen. Der Präsensstamm stellt meist die reine Wurzel dar; z. ß. : J.J^! C^Z-uY/^«/^ fliegen, Präsensstamm j^l^ (al-icazj = neiipers. ö^j^ (u'azidan), althaktr. ^-i? (icaz) -f ^> (nc). J_j-j (swal) brennen. Präsensstamm -y-y^ (s6~), vergl. neupers. pj^^ (s6zav\). ^y^ (mit(dj harnen, Präsensstamm ^-u (niiz), vergl. arn)en. >fl"i}i^ (mizel), althaktr. ^>i (miz). Jjiä- (khat(d) aufstehen. Präsens- stamm j^-=>^ (khez), vergl. neupers. pj. (kliczam). Wie schon aus den eben angeführten InGnitivformen hervor- geht, so hat die Verbalwurzel in denselben — folglich auch in dem damit zunächst verwandten Participium perfecti — eine Verstümme- lung erfahren. Nur bei den Verben in cd(d — verwandt mit den neupersischen in idan — ist dieses nicht eingetreten. Wir wollen gleich hier die ßildung der avgbänischen Verbal- formen im Allgemeinen skizziren und dann zur Darstellung dersel- ben im Einzelnen übergehen. Wie oben bemerkt wurde, sind aus älterer Periode zwei Stämme erhalten, welche allen Bildungen dos Verbums zu Grunde liegen, nämlich der Präsensstamm und das Participium perfecti. Zu diesen treten, wie im Neupersischen, das 16 Dr. F r. Müller Vei'bum substautivum und die Wurzel jj (bü), neup. iJJ>^) (budan) zur Bildung der activen, und die Wurzel >^ (su), neup. O-Xi' (sitdany, avghän. Jy^ (swcd) ^,gehen''', dann „sein" i) in Verbin- dung mit den beiden ersteren zur Bildung der passiven Formen. A. Vom Präsensstamm werden gebildet: I. Das Präsens activi durch Anknüpfung der Personalendungen; z. B. : ^^ (kaiv-am) „ich thue", ^J> (kaiv-ai) „du thust", ^^ (kaio-ij „QY thut" etc. 2), vgl. neup, jS (kun-am), ^_^S (kim-e), sS (kim-ad). II. Das unbestimmte Futurum (Futur-Aorist) durch Vorsetzung der Partikel imi (neup. k-^) vor die Form des Präsens; z. B. : ij (^imi'kam) ich werde thun, S^ (^icii-kai) du wirst tliun etc., vgl. neup. ^So (bi-kunamy, ,jS^ (bi-kime) etc. III. Der Imperativ, welcher meist den Präsensstamm ohne allen Zusatz wiedergibt; z. B.: £ (kidij oder tß (küh) „mache", neup. jT (kiin) 3). 1) Die Bildung des Passivums mit Hilfe eines Verbums, welches „gehen" bedeutet, ist besonders in den modernen indischen Idiomen einheimisch. So lautet im Hindustani (Urdu) das Passiv von UjU fmärnä) „sehlagen , tödten", u 1&. ijU (märd ijänä) eigentlich „gesehlagen gehen" oder „in's Geschlagensein gehen". Daher l^ ui^ \>\»- ijl< (^<-o (main tndrd gätd hun) ich werde geschlagen, yu ^ Jb b l&» (tu märd (jätd hai) du wirst geschlagen, <^^i^ w ijU ^^Ka (main indrd (jayd hiinj ich bin geschlagen worden, ^ U' l^Lo «J Ctu mdrd gayd hai) du bist geschlagen worden. Ebenso im Bengali: xoj ( |il CT Jul ^1^L\Sl^ (dmi dekhd yditechi) ich werde gesehen, ^ÖTfuT Uf JlTl Pl iJ 1 1 ^ (iniii ilclihd yiyächij ich bin gesehen worden. Auch die Dravida -Sprachen k. nnen die->es Verfahren. (Vergl. Ca Id well: A coniparative gr.Tmmar of the Di'iiviiliaii or South-lniliaii family of languages, S. 365.) — Die Verwendung des J Ä^ zur Bildung des Passivnras füllt bei Feststellung des eranlschen Charakters des Pay.to schwer in die Wage. 2) Vergl. im Gil:'ini d J>Aj = neup. b^Xj. ^) Vergl. im GilAnTjV' = neup. (Jj^j. Ül>er die Sprache der Avghdnen. II. 1 I • B. Vom Participium perfecti werden gebildet: I. Der Aorist Activi durch Anfügung der Personalcndungen an dasselbe; z.B.: iy^ i>j {zah sivnlum) ich ward, auch p^ !>j (zah swam) '). neup. p-X^J (suihün) etc. II. Der Aorist Passivi durch Verbindung des Participium per- fecti mit dem Aorist von J_^i; z.B.: py^ ijj'j 0'^^'' ^"'^^"' ^icam) ich bin geniaclit, c5^ ^J 3 0^'^^ krai sivaij du bist gemacht, neup. .J^.i A.i^ (kardah sudam), j^ J^ 4 3p (kcirdah sude) etc. III. Der Präsens passivi durch Verbindung des Participium perfecti mit dem Präsens von J^j; z. B.: ^ ^j (krui sam) ich werde gemacht, ^^ ^S (krai saij du wirst gemacht, neup. i>-^ Fj^ (karduh suicam), ^y^ i^:>ß (kardah suwej etc. IV. Das Perfectum activi durch Verbindung des Participium perfecti mit dem Präsens des verbum substantivum; z. B. : x- X^ (khatlai yam) ich bin aufgestanden, ^ ^J^ (khatlai yal) du bist aufgestanden, neup. p^ iO)l=>- (khästah am), ^\ öl^\=" (khustah e) etc. V. Das Perfectum passivi durch Verbindung des Participium perfecti mit dem Perfectum von Jy-; z. B. : ^ ^j^ j; > {krai sivai yam) ich bin gemacht worden, ^ ^^^ti ^j {krai sivai yai) du bist gemacht worden, neup. J aj^ i.>^ {kardah sudah am), ->/ ^ ,J\ ij^i {kardah sudah e) etc. \\. Das Plusquamperfectum activi durch Verbindung des Par- ticipium perfecti mit dem Aorist der Wurzel bü; z. B. : p^ A'-'^ {khatlai wum) ich bin aufgestanden, ^j ^^ {khatlai wai) du bist aufgestanden, neup. p:>y aLjIc*- {khdstah büdam), ^J-^y äI-jIo. {khdstah büde) etc. VII. Das Plusquamperfectum passivi durch Verbindung des Participium perfecti mit dem Plusquamperfectum von Jji; z. B.: n iJj-^ ^J {krai swai icum) ich war gemacht worden, Jij^ ^J *) Vergl. im GilÄni AT-Xj = neup. «.^Jj. sit/.b. d. phii.-hist. ci. XLii. n.i. I. Hfl 2 1 8 Dr. Fr. Müller ^^ (krai swai ivai) du warst gemacht worden, neup. i^y^ i>^ o^ (kardah sudah hüdam), ^^_^ ^y^ i^^J> (kardah stidah bilde) etc. Was nun die Personalsuffixe betrilTt, so sind sie im Pa-/to zwar noch ziemlich deutlich, wenn sie sich auch, was das Anschliessen an die primitiven Formen betrifft , mit den neupersischen nicht messen können. Sie lauten: f (um) j in) ö(D öö) Deutlich davon sind am und ai, welche sich zunächst an die Parsiformen 6-ey (kam), ^»ly (hae) anschliessen. ü dürfte eine Verstümmelung von um für dm sein; i und cCi bieten bedeutende Schwierigkeiten, die ich vor der Hand nicht zu lösen wage i). Hier mögen auch gleich jene Formen Platz finden, welche bei der Conjugation des Verhums zur Darstellung der zusammengesetz- ten Tempora und Modi verwendet weiden, nämlich das Verbum suh- stantivum, der Aorist der Wurzel bü und das Verbum J^i. Verbum Substantiv um. j: ij (zah yam) ich hin y jC_j^ (miing yii) wir sind ^ du (tah yai) du bist ^ l/*^ ^^"^" V^'^O ''^'* ^^''^ ^i b.kh (hayhah stuh) er, sie ist ^x,a (^agti) getreu wiederspiegelt 2). 1) Vergl. jedoch im Giläni AIj = neup. -X.j; A^ = neup. ».^a»»)) J; ^j> = neup. »XjJy. 2) -^ = neup. j,*», allb-ikfr. « darf hier nicht aiiffallen. Abgesehen davon, dass J-v.^1 , J^iJ*» altes, specieU auf erAnischem Gebiete zu p entwickeltes dentales s haben (vgl. allind. a^^j), entspricht im Pü/.to ^»t selbst manchmal altem p, z. B. : j_)..i) fiff/; zwanzig = aitbaktr. j^iuu^ij (vigaiti), w^^^ ^n«(^ = derselben Form; griech. plv^ai, pclxaizi. über die Sprache der Avglii'uieii. II. 1 1) Aorist der Wurzel bü. • 5 Aj (^zah u'umj ich war ^^ J^^-« 0'^''"'9 ^^'^0 ^^'''' ^^^rcn j_5j dj (tali wai) du warst jj ^-jU ^/asj< ii'a'(^ ihr wäret 4j od.^ Aiib (haghah tvuhj er ^^ Aää. (liaghah ivü) sie waren war (masc.) 4j <)iiA> (haghah wah) sie j <)i«ib (haghah wi) sie waren war (fem.) Verb um J^^J:* (swal). Präsi'ns. - (haghah sivQ sie waren (fem.) Perfecluni. X ^^w Aj ^««/t 6'tr«i yam) y ^j^ S-'j-^ (müng swi yd) wir ich hin geworden sind geworden ^j ^^^tj aJ (tali sicai yai) ^ ^Jj^ ^j*jIj (tdsu swi ya'i) ihr du bist geworden seid geworden ^J^ ^jw AäA» (haghah sioaidi) ^^^ ^j^ <>^t*> (haghah stet dt) sie er ist geworden sind geworden (masc.) A^ yii AiA> (haghah sivi dah) A3 ^^i AäA> (haghah sice dah) sie ist geworden sie sind geworden (fem.) 2* 20 Dr. Fr. Müll er Plusquaiiipcrfecluin. »j ^J^ i>j(zah swai wum) j^ ^j^ jC^'» fmiwg stci wüj wir ich war geworden waren geworden *^:> t-^^*^ ^ 0^^^^ ^''^"^' ^^'^0 ^^ iJj-^ u^^ (tüsu swi wai) ihr du warst geworden wart geworden A_j ^^i ääA. (haghah swaiwuh) j^ ^^ <>^ä> (haghah swi wü)s.\e er war geworden waren geworden (masc.) Äj ^ iJtib (luigliah swi wahj j c5_j^ ^^^ (^haghah swe ivij sie sie war geworden waren geworden (fem.) Was nun die Erklärung jener Form, auf welcher die Conjuga- lion des avghanischen Verbums zumeist beruht, nämlich des Par- ticipium perfecti befriflt (mit dem die Erklärung des Infinitivs zusammenhängt), so ist sie, wie auf den ersten Anblick scheinen möchte, nicht leicht. Denn vergleicht man Formen wie den Infi- nitiv Jy^ (khutalj mit dem dazu gehörigen Präsens ^j'^ (khe- zam), so ergibt sich daraus, dass ersterer statt khastal = neup. ^>ujI&- (khäslun) steht. Eben so steht dem analog J-j_^1 (alwatal), verglichen mit dem Präsens pj^H (^ahcazamj für ulwaztal, j-'-^ (mttulj, Pj"^ (mizamj für miztal. Aus diesen Fällen folgt tal als Zeichen des Infinitivs, eine Form, die zu dem neupersischen tan, dan (alt: tanaiy^ schön zu stimmen scheint. Betrachtet man aber Formen wie J-l=^ {^ci)^nl) trinken, neup. öjk.^5.. (casidcm^ kosten, JJ^ (krul) machen, neup. O^y (kar- dan), Jj_j>- (kliwaraiy essen, neup. o:>^j-i>^ (kliFurdan), Jj^ (swuiy gehen, sein, neup. O^^ (sudan), ^}j^y (parwaral) auf- ziehen, neup. ö^j^ji (ijurwardanj, so ergibt sich nur l als Zei- chen des Infinitivs. Es fr^gt sich nun, wie hängt dieses l mit dem eben gefun- denen tal zusammen? Ist es aus demselben verstümmelt oder ist l das ursprüngliche Zeichen des Infinitivs und tal nur eine Erweite- rung desselben? Um diese Frage gewissenhaft zu beantworten, wird es gut sein, das Participium perfecti, wie es in der Conjugation des Verbums verwendet wird, sich genauer anzusehen. Von ,y^ (khatal) lautet über ilie Sprache der Avgliäiicii. II. ,4 l der Aorist Ij^i- (khatlam) oder ^c--^ (khatam) , das Perfectiim x X^ (khatlai yam) etc. Daraus geht nun hervor, dass tal, oder verkürzt ta, als Charakter des Participium perfecti gilt. Ist nun Uli wirklieh = tan, so ist die Form des Particips tla ftalaj rein iinerkläilich. Zudem ist / = w im Payjo lautlich gar nicht zu rechtfertigen; denn l kann hier ausser altem /, r nur noch altem t, d entsprechen. Nehmen wir aber nach lezterer Lautregel l = t (mit Ahfali des schliessenden ii) an, so ist damit einestheils die lautliche Schwierigkeit gelöst, anderestheils werden die Formen «J--=^» J^> etc. erklärlich. Nach diesem wäre das Suffix tal zusammengesetzt. \\"\o ist nun das erste Element in demselben — nämlich ta — zu erklären? Ich glaube, dass wir hier eine Bildung vor uns liahen, die auf den ersten Anblick zwar etwas fremdartig aussieht, aber in der Sprachgeschichte nicht vereinzelt dasteht. Ich halte das ta für ein Überbleibsel der älteren Participialbildung mittelst ta, welche Form bekanntlieh in den eiänischen Sprachen eine grosse Verbreitung gewonnen hat. Es sciieint nun diese Bildung bei einigen Verben statt des Präsensstammes als Substrat bei Bildung des Infinitivs ange- wendet worden zu sein, so dass sich an das Zeichen ta, dessen Werth in der späteren Zeit gar nicht mehr gefühlt wurde, die Zei- chen des Perfcctparticips ta, das im Vw^/io in la überging, und des Infinitivs tan, das ebenso in la sich verwandelte, anschlössen. Während nun nach dem eben Erörterten in mehreren Formen eine zu freigiebige Anwendung des alten Participialzeichens ta zu Tage tritt, haheu wiederum viele Formen d;is Zeichen des Parti- cips ganz verloren, indem das l, welches im Payto dafür eintrat, ganz verschwand. So in den Formen ic>- (khatam), Aorist von J.-^ (khatal) statt A.I>. (khatlam), ^ fjj (krai sam), Präsens pass. von JjT (kral) statt xZ> jjT (kralai sam) '). •> Vergl. die Gil.^iii- Formen A^«^ = iJuws£, Ar Jj = o Ju Jj , ^\ X ~ in welchen durchgeliends das Zeichen des Perfectums J ausgefallen ist. Um diese kurzen Bemerkungen (die keineswegs eine Lehre der avghänischen Conjugation darstellen, sondern nur das Verliält- niss derselben zu jener der eränischen Sprachen überhaupt be- leuchten sollen) zu erläutern, füge ich im Nachfolgenden eine Übersicht der Conjugation des Verbums in den Hauptformen bei. A c t i T. Infin. ^>- aufstehen = khas-tal. Präsensstaitim: ^1.5-. Präsens. Singular. PhiraJ. IL t5>^ II- JJ^ III. c5J^ III. jy^ Unbestinmites Futurum. A I. ^J":"^ 3) I- j-'^'^j II.. ^j'f>- ^ II. jj^'^ j Imperativ. Aorist. I. llä- odei' I. y.Is^ oder II. A'-'^ ^'^^^^*' ''• 1^^-^ oder III, m.' 0_j»- III. m. J-^*- fem. ^jjjsi- oder fem. J^>- oder Perfeclum, I. ^^ J::^ l y J:^ III. j:> J:^ III. ^.> JJi- über die Spiaclu' dur AvgliÄiieii. II. «>•> -^ «* Pliisqiuimperfecliim. Singular. I. p J:=- 1. II. ^J Jl^ II. III. A^ Jl::>- 111. Passiv. Iiifin. JJ^ machen. Präsens. II. ^ ^/ II. HI- ^-^ c5/ in. Unbej^timintes Fuluniin, I. ^ ä; ^/^ I. Plural. j>3 J- II. 111. c^ .Ai ^ 11. 111. A^ ^j r Imperativ. IL ^^.1. ^^ ^ 111. A^ t5j^^ II. ^-j ^jj,:^ j/ Aorist. Perfectum. I. p ^JJ,:^ ^J III. i_5 j;^:- ^jT Plusquampeifecturn 1. 11. 111. 3J^ jj J I. 11. y ÖJ^ '^} J3 öj^ <^I 111. 33 ^i^ ixc(.Tog juLspcöv Acav eCtti- i» roiGTog . . . oixoioig dt äro-ov /.cci < tö > töv /Ö70V rr/C ixt^sw^ cTvat Der Vordersatz legt die beiden Bedeutungen von äpp-ovia dar, der Nachsatz spricht zuerst allgemein aus, dass in keiner dieser beiden Bedeutungen man mit gutem Grunde die Seele eine äpy-ovicc nennen kann, o-joeripoig fjisv o-jv svloyov, nämlicli rr/v -^v/tiv äpixo- viocv dvai, worauf sodann die nähere Ausführung für jede der beiden möglichen Bedeutungen von äii,u.ovia insbesondere folgt, r} dl oOv- -^£{71? xrX. und öfxoto)^ oi äTOT:o'J y.ccl < rö > röv /570V rrig /jLi^cOj? -/.TA. Diese Satzfügung bezeichnen durch ihre Interpunction Trendelenbnrg und Torsirik (mit letzterem habe ich im Anfange des Salzes auf gute handschriftliche Beglaubigui.g den durch den Sinn erforderlichen Indicativ Ac'7&/j.£v statt des Optativs liyoitxzv der bis- herigen Ausgaben geschrieben); wenn die Interpunction Bekker's, der vor o'jdsripcMg einen Punct setzt, nicht ein blosser Druckfehler ist, so wird dadurch die Möglichkeit der Construction aufgehoben. All einer anderen Stelle der Psychologie ist auch in den nach Bekker erschienenen Ausgaben die Satzfügnng verkannt, de an. ;3 11. 423 fl 21— 6 2. Aristoteles handelt von dem Tastsinne und geht auf die Frage ein, ob auch bei dem Tastsinne, wie bei dem Gesichte, dem Gebore, dem Gerüche, ein zwischen dem Sinnesorgane und dem Objecte liegendes Medium die Walirnehmuiig vcimiltelt, oder ob ,4 0 B o n i t z beim Tastsinne und beim Geschmacke das Sinnesorgan und das Object in unmittelbare Berübrung treten. Den Satz, in welchem Aristoteles diese Frage entwickelt, will ich sogleich in der Form schreiben, welche die mir nolhwendig scheinende Construction bezeichnet: oLKoprjaeLZ d' äv Ttg ei näv G'I>ixci ßdB'og ^yji-^ toüto d' iari tö . rp'iTOv ixiys^og' cDv o' iari dOo (7a)f;.drwv fAsra^O aöJixd rt, oux ivoi- yjrai raö-a dAxvjAwv änreG^ai • tö o'' vypov ovx •eanv ävsv aoi/xa- 25 Tog ouds zo öiapöv, alV a.vayy.oüov voo^p tivai r; s^siv vdoip' rd di d;rTÖ/Ji£va dÜYiAoj-u iv ro) üoart p,Y) fv/pcJJv rwv d.v.puiv ö'vtwv a.va.'^fAcäov vooip s'^stv /^.sral'u , cS dvänlza. rd. eayara' d dt tovt' dlri^ig^ do'jvuTQv d'^pao^ai d'Ako dXXov iv vouti ' tov avTOv di zponov xat iv so rö) dipi (öpLOtcü? ydp iyzi 6 d'hp Ttpog rd. Iv avrih xai rd vooip npog rd iv TÖ) üdccTi, lav^dvst oi |jt.dAAov v^/^dcr, uiOKtp xat rd iv tw lioart * Cy<^5 ^' (Jtspöv (3't£poü d;rT£ra'.) • KÖrspov o\jv ttävtcov op-oi^Jig iariv Vi Ciia^rjGig rj dXAwv äXAcuj, xa^dTctp vüv ooy.tl r] fxev Ysöat? xat 19 d^Yj TW dKTza^(xi^ a.i 0' dXAat dTro^ev. „Man könnte folgende Frage aufwerfen. Wenn jedrr Körper Tiefe als dritte Dimension bat; wenn zwei Körper, die einen dritten mitten zwischen sich haben, sich nicht einander selbst berühren können; wenn Nässe und Feucbtigkeit nicht ebne körperliche Aus- debnung sein können, sondern Wasser sein oder Wasser baben müssen; wenn Körper, die im Wasser einander berühren, ohne dass ihre Grenzflächen trocken bleiben, nothwendig Wasser, welcbes ilire Grenzflächen bedeckt, zwischen sich haben müssen; wenn unter der Voraussetzung der Wahrbeit dieses Satzes nicht ein Körper den andern im Wasser berührt, und eben so wenig in der Luft, bei der das Verhältniss dasselbe ist und sich nur uns, weil wi»> selbst in der Luft leben, mehr verbirgt: so fragt sich, ob bei allen Sinneswahr- nehmungen der Vorgang der gleichartige oder ob er bei den einen ein anderer ist, als bei den anderen, gemäss der jetzt verbreiteten Ansicht, dass die Sinneswahrnehmung des Tastens und des Ge- schmackes durch unmittelbare Berübrung des Ohjecles, die anderen aus der Ferne durch ein vermittelndes Medium geschehen." Die Unterscheidung des Tastsinnes und des Geschmackes in der Art ihrer Thätigkeit von den übrigen Sinnen ist für Aristoteles die 'n seiner Zeit verbreitete Ansicht (xa^drrsp vüv doxa), die er bestreitet (tö 0' ovx e^tev b 3); die Bestreitung wird zunächst in der Ariiitotelisehe Studien. 29 Form einer Frage, einer dnopicc eingeführt dnof/r-jaeitv av ng nÖTe- pcv Travroüv Q[Komq iorcv ti cda^-naig r, äXAwv äA/ojg. Zur Motivirung (lieser Aporie werden diejenigen Erwägungen dargelegt, welche zur Eutsclieidung der Frage gegen die verbreitete Ansicht führen; die Darlegung der Erwägungen geschieht in dem durch die Partikel d eingeführten Vordersatz, \Nelche Partikel im vorliegenden Falle nicht eine eigentliche Bedingung bezeichnet, sondern wie dies auch in anderen Sprachen zulässig ist, einem d d' e^rtv äXv/^-i?, „iti Erwä- gung, dass" gleichkommt. Diese Partikel herrscht fort bis zu ;:öt£- pov o-jv und das im fünften Gliede sich findende ei ist nicht eine an dieser Stelle unmotivirte Ep;inalepsis jenes den Vordersatz einlei- tenden £j, sondern ihm untergeordnet, so dass man ohne Änderung des Sinnes setzen könnte: ovTfji q'' 'iy^ovzog toOtov ocgOvcctov y.rl. oder toOtov d' 6)JTog aArj^ovg äd6varov xrX. — Bekker und Trendelenburg setzen a 24 nach änTs^j^cct, a 25 nach üdoip, a 28 nach Odart, b 1 nach äKTerai Puncte; durch eine solche Interpunction ist der Ge- danke an eine Consiruction des Satzes überhaupt aufgegeben, eine Ansicht, welche durch die gegebene Nachweisung einer Satzfügung widerlegt ist; denn si etwa in dem Sinne von „ob" zu nehmen „man könnte die Frage aufwerfen ob" etc., wird von Trendelenburg mit Rücksieht schon auf das erste Satzglied mit Recht abgelehnt. Tor- strik ändert allerdings diese Interpunction und lässt den mit dTzocr,- (7£i£v äv riq beginnenden Satz bis b 28 Gdart sich erstrecken, indem er unverkennbar st oi toöt' cuxi^ig nicht in der vorher bezeichneten Weise dem ersten d unterordnet, sondern als Epanalepsis desselben betrachtet. Wesentliches scheint durch diese Änderung nicht gewon- nen zu sein; denn unmijglich kann man doch, wie man es nach dieser Interpunction müsste, als Angabe der durch d-opriGeiev äv Tig angekündigten Frage den apodiktisch ausgesprochenen Satz betrach- ten ddvvocrov älAo ä/Aou ä^cca^ai iv vouti, sondern man kann diese Angabe erst in den Worten nörepov o\Jv xtA. finden und gelangt so zu der vorher aufgestellten Interpunction und Satzfügung. In lU'trefF einer Stelle der Nikomachischen Ethik Elh. N. t 9. 1170 a 25 — b 8 habe ich bereits in meinen Obs. ciit. ad. Met. p. 35 die Behauptung ausgesprochen, dass die bisher zerrissenen Satzstückchen in ein Ganzes zu verbinden seien: den dort gegebe- nen Andeutungen ist theihveise die Didol'sche Ausgabe, vollständig Fritzsche in seiner Ausgabe des 8. und 9. Bucehs der Nik. Ethik 30 ~~ B 0 n i t z {Giessen, 1847) gefolgt; Bekker dngegen hat auch in dem neuesten Abdrucke der Octavausgabe (1861) seine ursprüngliche Inter- punclion beibehalten. Da der Beweis für die von Aristoteles beab- sichtigte Satzfügung hauptsächlich von der Einsicht in den Gedan- kengang abhängig ist, so verbinde ich mit der Besprechung der bezeichneten Stelle zugleich noch einen in derselben Gedankenreihe vorausgehenden und einen nachfolgenden Satz, welche einer Berich- tigung der Construction bedürfen und ihrer Form nach dem ersten Abschnitte angehören würden (vergl. Bd. XLI, S. 402). Aristoteles behandelt die Fruge, ob der Glückselige der Freunde bedürfe. Man verneine diese Frage gewöhnlich, sagt Aristoteles, indem man nur die auf den Nutzen gerichteten Freundschaften in's Auge fasse und mit ihrer Ablehnung über Freundschaft überhaupt abgesprochen zu haben glaube. Um sich zu überzeugen , dass diese Entscheidung falsch ist, brauche man nur auf die ursprüngliche Erklärung der Eudämonie als einer Thäligkeit, ivsp'/sta, zinückzugehen, t 9. 1169 b 30—1170 «4. 30 £{ OS rö süoat/jLOvsTv kfjTiv iv to) tr/V xat ivspysXv^ tov o dya- ^ov -n ivipyeici orcoudaia -/.ai rjoeia xa^-' aurr,v ^ xu^äKsp iv dfiXV eipr^rat, ian oi xal tö oiy.üov tojv r/öe'wv, ^swpsfv §i fxäXXov 33 roi/i; Tzilag dvvdiJ.e^a r, kavroxjq xat rag sxsivwv npd^sig rj ra? « oiy.eiag, ai tüjv ar.ovoaiuiv oh npd^zig ff'üMV ovtojv ryostai zoXq dya3o'ig- djx'ftji "^dp iyouai zd rri (pOaei r,Qia. 6 [),6«t yfila, dass dieselben nämlich bedeuten: a\ -v a-ouoaloiv de npd^sig zu schreiben, und dann unter Setzung eines blossen Kolon nach -ndia der Nachsatz mit 6 u.ay.dpLog zu beginnen ist (in welchem übrigens vor roiaOzai keine stärkere Iiiterpunction als ein Komma stehen darf). Diese Änderung würde, bei dem überhaupt (vgl. Bd. XLI, S. 407 zu Phys. s i. 224 a 34 ff.) Ta T^ tpOasi 7)5;«, to -s. iTTO'joaiai slvai xal to oixEiat, beilarf für den aiifmerksaineii Leser, der die vorausgehenden Worte: xoy Z' i-cxbo'j -f) iii{,^tKa srouSotia xai TjSsia xa&'a'j-r,v, io-i Oä xai to olxiiov -zibw tjSiiuv, und die naclifolgenden npa;£i; e^isixsT; xai olxsia; beachtet, schwerlich einer weiteren Rechlfertiffunu'. Ich erwähne die- selbe nur, weil Zell anders auslegt: „aa'piu, iiitellige 6 a;:o'j5aTo; xoti ö tpiXoc aJtoO", und diese spriichlich und sachlich unmögliche Erklärung von Frit/.sche z. d. St. ausdrücklich gebilligt wird. S|iraclilich unmöglich, denn aufweiche Weise soll man denn aus Aristoteles' Worten zu dem Gedanken kommen, unter äa-fiu als zwei Per- sonen diejenigen zu unterscheiden, welche im vorausgehenden Salze als zwei Eigenschaften derselben Person bezeichnet waren, oi xcLv a;^-/^^»;^'; — ciXtuv ö-^tiuv : in sachlicher Hinsicht aber vermag ich mir in Aristoteles' Sinn nicht zu denken, was o (jTto'jSaio; xai ö 91X0; a'jxoü h/o'iii t(x tq o-iisi tiUol heissen soll. Das Richtige war in diesem Falle schon ans Eustratius' Commentar zu entnehmen 139 a (fjasi ya? eIs" Tf^ia TtävTa ta xa/.a, xa xax' apsTYjv. o'J (aovov 5' eljiv YjSi'a xi xax' äpExijv . äXki. xai xa olxsia xäv (xt) Jj ji OTouSaia . . . (üixä xai xi» E'jSai(j.on xi olxsia Ipfx. 6 i y. tl) « elsiv -(jSsa xai (i>; otxsia xai lij; aro'jSai«. 32 B o 11 i t z und namentlich in der Ethik häufigen Sehwanken der Überlieferung zwischen di und oyj durcli den Zusammenhang gerechtfertigt sein auch ohne handschriftliche Autorität; übrigens scheint selbst diese nicht zu fehlen, da in der Aldina und den beiden Basler Ausgaben, eben so im Lemma des Etistratius zu dieser Stelle oi steht, und Zell überdies dasselbe aus einer Breslauer Handschrift anführt, über deren Wcrth die Notiz ZelFs (I. p. 4) keinen ausreichenden Aufscliluss gibt; Lwmbin setzt in seiner Übersetzung ebenfalls oi. voraus. Nachdem Aristoteles zu dem Beweise, welcher in dem jetzt behandelten Satze ausgeführt ist, noch einige bestätigende Bemer- kungen hinzugefügt hat, beginnt er a 13 einen neuen Beweis, bei welchem er nicht von dem BegrilTe der Eudämonie, sondern von dem des Lebens, ferner der duvaixig und ivipytia ausgeht (^uatxoorepov iniaxonovaiv xtA. a 13). Nämlich in folgender Weise. Für den sitt- lich guten Menschen (tw arrouoato)) ist das ein Gut und ein Gegen- stand der Freude, was an sich und seiner Natur nach ein Gut ist. Das Leben ist ein Gut an sich. Das Leben besteht in der wirklichen Thäligkeit des Wahruehmens und Denkens. 25 £t d' auTO TÖ <^vjv dya^ov xal yjoO (eous di y,ai t/. rov TcävTCcg cpiysa^atCiTjrov., y.ai p-dcliaza. roxjg inui'KzXg xat /Jiaxaptou?* roCiTOig yap 6 ß'iog aipercbrarog xat v? toutwv ixccxc:pi(x)TäTri ^wf/) , 6 ^' opQv 071 opd ala^ävtroLi xcf.1 o axoOcov ort dxoOsi y.ai 6 ßccoi^oiv ort ßudii^si y.ai ini rwv äXXwv 6/Aotwg sgti Tt tö aia^avoixsvov öti iv£pyoviJ.£v^ war' atu^avofjuLc^' av ort aia^avoixs^a xai vooXixsv '6ti vooüixsv^ tö ö' OTi aia^avoixe^a r; voovikvj ort s^/j-iv (ro ydp thai vv aia^ä- vza^ai Tj voslv), tö o' aia^ävta^ai ort ^rj rdJv Yjoicxiv xa3"' aurö (avGsi 7äp d-'^a^ov two i tö o'äya^ov vnäpyo)^ Iv iaurw aia^dv£.G^ai r;o6), atpsTÖv ^i rö C'^v xat [).äXiazci zoig d.'^aBolg^ öti to eivcxi dya- ^6v iaziv ocvToXg xat rj§i) (_avvat.a3-av6iX£voi ydp rov xa^' aurö dya^ov r;dovTat), (bg dl ^zpog iavTov ijj.i o (jKOvdalog^ y.ai npög rov (piXov (zrtpog ydp avTog 6 ^ikog eartv) ' y.(xBdKEp ouv tö aiJröv dvai aiperöv iaziv exdcrco , oütw xai rö töv ^t'Aov , r/ napanA-ooiojg. Man kann an unnützen Wiederholungen in der Ausführung dieses Beweises Anstoss nehmen (so namentlich an dem Gliede b 3 alperov ds rö ^riv xtA., nachdem der Beweis davon, dass ^yjv xa^' auTÖ dya^ov xai r}dO ausgegangen war a 2S und sogar noch ausdrücklich in Betreff der iKieimlg bemerkt halte, dass ihnen aipsTüjTarog 6 ßiog a 28), man kann selbst zu dem Zweifel kommen, ob man in dieser 30 Aristotelische Sliiiüen. 33 tadelnswcrthen Weitliiiifiy:keit eine Naclilässigkeit Aristotelischer Darstellung oder ein Verderbniss der Überlieferung, möglicherweise eine Verbindung versciiiedencr Bearbeitung zu sehen hat: con- struirt aber kann der Satz, wie er nun vorliegt, nicht anders wer- den, als in der oben bezeichneten VN'eise; in den fünf Gliedern des Vordersatzes i^t, trotz ihres Umfanges und ihrer ferneren Erweite- rung durch Parenthesen, ihr Verhältniss als Prämissen zu dem Schlusssat/.e festgehalten. Wie man sich die Satzfügung eigentlich denken soll, wenn man mit Bekker a 32 nach v&&0]l/.£v, b 1 nach vostv, h 3 nach r.oii^ b 5 nach f/oovrai, b 7 vor y.cc^är.crj durch Setzen von Puncten jedesmal einen Satz abschliesst, ist sclilechthiu unbegreiHich. — Durch den Nachsatz der in Rede stehenden Periode hat Aristoteles erwiesen, dass die Existenz von Freunden für den Glückseligen einen Werth hat und Gegenstand des Strebens ist; in den angewendeten Prämissen liegen aber noch überdies die Mittel, um zu erweisen, dass das Zusammenleben mit Freunden für ihn wünschenswortli ist. Diese weitere Folgerung wird in den folgen- den Worten gezogen b 8 — 12: 70 o' efva'. r,v aipsTov oiä. t6 (xisa3'o:t äpx oiT xdi roü (pilov Özi sartv, toOto de yivc/ir' av £v to) au'Qnv xat xoivwvay Xöyöu xat ^tavotag xtA. Da hier die beiden Prämissen tö o tlvai — ovrog, r, oi — iauTTjv und der Schlusssatz auvaio^dveo^ui — scrtv nicht syntaktisch als Vorder- und Nachsatz, sondern blos parafaklisch gestellt sind, so bleibt es allerdings einigermassen der Willkür überlassen, durch welcherlei Interpunction man die einzelnen Glieder von einander unterscheiden will. Die beabsichtigte Gedankenverbindung würde aber in der sprachlichen Form deutlicher hervortreten, wenn jedes dieser Glieder vom folgenden durch ein blosses Komma unter- schieden wird. 2. Schon in den bisher behandelten Stellen trat zu der Mehr- gliedrigkeit des Vordersatzes öfters aucli noch eine Unterbrechung des einfachen Gedankenganges durch Parenthesen hinzu und trug dazu bei, die Salzfügung zu verdecken. Wir gehen nun zu einer Gruppe von Stellen über, in denen es wesentlich eben diese Sitib. d. phil.-hist Cl. XLU. B.I. 1. Uft. 3 34 B 0 n i t z parenthetische Einfügung von Erkliirungen ist, welche über die Zusammenfassung des Satzganzen ine führen kann. Dass Bekker sich nicht scheut, durch Annahme von Parenthesen einer Periode des Aristoteles eine ansehnh'che Ausdelinung zu gehen, mag aus einem Beispiele entnommen werden, Toj). o 4, 125 a 33 — 6 6: inei oi. röJv npog ri Isyoiiivcjiv rd fxiv i^ dvdyx-ng iv ixs'tvoig v? 3ä Tzspi ixsivd iari Tcpog ä tzotb rvf/jxvzi Is'^öixsva. (oFov yj oidd-satg xa.'. •fj tCig y.y.l 'O Guixp-STpioc iv älloi ydp oiiosvl ouva.r6v \jT:äpyj.iv rä sip-nixiva Tj iv ixsivoig npog ä Äeyszai)^ za. o' O'Jx aMÖr^xn \i,iv iv i'/Mvo'.g itizoLp-^tiv npog ä. kozz As^srat, ivoiyjrai oi (olov ei ini- "**> arv/TÖv h ■^nyri • oöoh yäp xwAust ty;v aurftg imarrtiXTiV iyziv rriv * ^vyjjv, O'JY. d.vcc'^y.cd'jv oi' o'uvardv ^/dp 7.a.l iv ä/Aw vKäpytiv ttiV avT-hv rccjzrtv) , rd o dnlQg oOx ivoiyszai iv ixsivoig unäpytiv Tzpog ä Tcozs z'jyydvsi 'keyöfj.sva (oTov z6 ivavziov iv zu ivavz'm ovoe zy,v iTHGZYip.rjV £v TM sTViazTjzchy Idv p/n zw^^y^dvri z6 sKtazrjzdv '■pvyr) rj 5 äv^pMKog ov) • axoKsTv oüv yp-h idv zig stg yivog -S-v? z6 zoioüzov £ig zo (x-h zoiovzov^ oiov £f. zrjv iivt/Ixt/v ikovr,v iTciazrtjxrjg ünsv. Der Vordersatz unterscheidet drei Arten des Relativen, der Nachsatz zieht die Folgerung, die sich aus der Möglichkeit der Ver- wechslung unter diesen Arten für das Verhalten bei Discussionen ergibt; der Vordersatz hat aber dadurch eine grössere Ausdehnung erhalten, dass zu jeder der drei Arten ein Beispiel angeführt ist; hierdurch wird die Einrechnung der Periode gerade in diese Gruppe gerechtfertigt sein. Diese Erläuterungen liaben im Vergleiche zu dem Hauptgange des Satzes einen parenthetischen Charakter ; die Zeichen der Pitrenthese wendet Bekker und mit ihm Waitz ungleich- massig an, indem bei der ersten Art der Relation nur die Begründung des Beispieles iv äX?//) — Aiysrat, bei der zweiten das Beispiel sammt der Begründung oiov — raOrr^v, bei der dritten endlich nichts in Parenthese geschlossen wird. Entweder muss man überall Beispiel sammt Begründung in Parenthese schliessen, wie in dem obigen Ab- drucke der Stelle geschehen ist, oder überall blos die Begründung, dann muss die Bekker'sche Interpunction daliin moditicirt werden, dass bei der zweiten Art nur oCoiv ydp — zavzrj^/ in Parenthese steht. Ich habe jene erstere Interpunctionsweise vorgezogen, weil sie den Überblick des Gedankenganges am meisten erleichtern dürfte. Die gleiche Form in Perioden massigeren Umfanges erkennt man z. B. Top. ^ 8. 160 a 35 — b 3 (wo die Parenthese richtiger .\ris(()leli>clif SliiilicMi. Oi> mit VVuitz a 3() vor o^/ov o' als mit Bekker a 37 vor n yäo zu beginnen ist) T.>p. C 9. 147 « 4 — 9, wenn man hier mit Waitz a 6 or/Xoy o-jv nncii den beston Handschriften schreibt, während Bekker oüv w'pglässt. Mit diesen bei eits in der Bekker'schen Ausgabe riclitig bezeich- neten Sätzen werden die nachfolgenden ihrer wesentlichen Form nacl» si(;h als gleieliartig erweisen, wenn auch nicht überall die äusseren Zeichen dt'r Parenthese in gleicher Weise zur Anwendung kommen. Zunächst Phys. ^ 4. 234 b 10 — 17. Aristoteles führt den Beweis, dass jeder einer Verändeiung unlerworfenc Gegenstand Iheilbar sein muss: TÖ di ixiTaßä'/lav a'/TCcv ävayy.v; oixipSTov elvoci. iTzel yap k'y. rtvog lo ctg Ti -ä'jO. ^j-^raßolri , y.al ötciv ixiv fj iv to'jtoj ei.; ö ijLsrijSaXsv, o'jyJri ixsTCißdllsi^ özci'^ o' i^ o-j fXzTißcils xat a-jvö y.xl rx \J.iyi r.d-j-a^ (j-j iisTCcßdAAsi (zo yäp ojacc-JTOjg syc^ y.ci.i avrd xat rä l^-iyn o-j fJL£ra|3äXXc'.) • dvd^'ATt ovv ro ixiy ti vj zoiizoi slvcti zo o' h '3 .S-aripcj) TO-j iJi£7a,3ä/?,0VT0?* o\jzt ydp iy ätxrpozipoig ovr' £v ixr,otzip'ji „Jedes sich verändernde Ding muss theilhar sein. Denn da jede Veränderung ein Übergang aus einem Zustande in einen andern ist, und sobald sich das Ding bereits in jenem Ziistaiide befindet, in den es überging, die Veränderung nicht mehr stattfindet, so lange dagegen das Ding niit alT seinen Theilen noch in dem Zu- stande sich befindet, aus dem es sich verändert, die Veränderun"- noch nicht vorhanden ist (denn was in allen seinen Theilen in i\(:^\\\ gleichen Zustande beharrt, das ist eben nicht in Veränderung), so muss nothwendig von dem sich verändernden Dinge ein Theil in dem ersteren, ein anderer Theil in dem zweiten Zustande sein; denn auch die beiden anderen (ausser der im Vordersatze abgelehnten noch denkbaren) Annahmen, dass das sich verändernde Dinsr in beiden Zuständen zugleich oder in keinem von beiden sei, sind ja unmöglich.'* NN'enn man in dieser Stelle vor ä^äyy.r, o\Jv einen Piinct setzt, wie in dem Bekker'schen, Prantrschen und Didot'schen Texte geschieht, so ist jede ConsfructicMi aufgegeben. Und doch konnte schon Thcmistius zur richtigen Auffassung fuhren, Them. 54 b r.izi- po'j o£ ä-av zo ixizaßdAAO'j oiaipsziy ... i~iay.i~zioy. si rot'vjv dvdyy.r, zo ;j.£ra,3ä/},ov ix-nzs iv ix.iivo) tivxi s'.g ö ixizcißdAASt (iXzzxßsßAr,x6g 3' 36 B o n i t E yäp o:v v.ri^ f y.'n'i^ £V ex.£tvw e^ o-j ixsTaßälAei (o-Jos yap ovrcog av fji.£ra]3äA/oi), o-PjXov w^ 7r£piX£t;r£rat tö jxfv Tt aOroO iv rovr"--*) efvat, To ol £v ^aT£pw x.tX. Sylburg setzt dem entsprechend vor ävd^-^rj oliv nur ein Kolon, und in der Übersetzung hat Prantl, im Wider- spruche zu seinem Textesabdrucke, den Nachsatz mit a.väyy.'n o-jv angefangen, ist dagegen in der Construction der Worte xat avzo xai ra [Kipfi Kdvra 6 13 der Interpunction der bisherigen Ausgaben gefolgt, welche vor denselben ein Komma setzen und dadurch diese Worte mit o-J ]Li.£Ta,3aÄ/£j verbinden. Sie sind aber viehiiehr zu den vorausgehenden, wie im obigen Abdrucke interpungirt ist, zu bezie- hen, so dass man sie mit der durch das vorausgehende Glied gege- benen Ergänzung so zu verstehen hat: orav o wjto ro iJ.£-ocßdAAov v.aX zci iJ-ip'O Tzd)JTa r, Iv zo'jz'ji^ iz, o-j iJSTißalsv^ o-j [J.zza'ßäjXti. Nur durch diese Construction kommt man in Einklang mit den fol- genden Worten TÖ yap ojaccvroig v/ov y.y.l c/.u~o y,a.l rv. iJ.ip'n (in denen Prantl avzö und rd y-ipr} richtig als eintheilende Erklärung zu t6 auffasst) und bahnt den Übergang zu dem Gedanken, dass bei der Veränderung eben nicht alle Theile mehr in dem ersteren, nicht alle schon in dem späteren Zustande sich befinden. — Ausser dieser Änderung der Interpunction bedarf übrigens noch ein Wort des Textes einer Bericiitigung. In dem zweiten Gliede derYoraussetzung, nämlich dass die Veränderung dann noch nicht stattfindet, wenn das sich verändernde Ding noch in dem Zustande sich befindet, aus welchem die Veränderung ihren Anfang nimmt, wäre i^ oO iieri- ßaX c logisch unrichtig, und diese falsche Anwendung des Präteri- tum ist nicht glaublich in einem Falle, bei dem auf das Bereits und das Noch-nicht eben alles ankommt. Entweder muss das Futurum stehen i^ oO ixülsi jL/.£Taj3ä//£tv (denn ixeraßaAsi: dürfte sich bei Aristoteles nicht nachweisen lassen) oder das allgemein, ohne Zeit- bestimmung gemeinte Präsens i^ oO p^sraßdlAci. Die letztere Ände- rung wird nicht nur durch die grössere Einfachheit empfohlen, son- dern auch dadurch, dass Themistius in seiner Paraphrase (s. oben) £? o-j p.zTcy.ßd.AAei schreibt, und zwei Handschriften, unter ihnen die beste, mindestens das doppelte II erhalfen haben, ixizißccklz-u. In der Erörterung der Frage (de gen. et corr. ß 11), ob in der continuirlichen Reihe des Geschehens einiges mit Nothwendigkeit erfolgt, oder alles in solcher Weise eintritt, dass auch das Gegen- theil eben so möglich ist, geht Aristoteles auf das verschiedene Arislalelisflio Stiidifii. O i VeHuiltiiiss ein, in welchem das in der Reihe des Geschehens Früliere und Spätere zu einander in Beziehung? auf Möglichkeit und Nolli- wendigkeit stehen. liierüher heisst es (3 11. 337 b 14— IG: otV.ta, ^Bixihov, ei oe toüto, nr^lö^. ao' oov y.al st ^tixiliog ytjovvj^ dydyy.rt oiy.'.av yeyia^ai ,• In merkwürdiger Übereinstimmung gehen hier die Ausgaben (Sylburg, Bekker, PrantI, Didot) eine Interpunction, die jeden Ver- such eines Verständnisses zu nichte macht; PrantI, der sonst liänfig in der Übersetzung von der falschen, durch seinen eigenen Text bezeichneten Construction abgeht, übersetzt wirklich nach dieser Interpunction; mit welchem Erfolge für die Möglichkeit eines Ver- ständnisses, wolle man bei ihm selbst nachlesen. Der Satz ist viel- mclir so gemeint: ei or; rö -pörepov dvdyy-'^ yevea^xi^ ei rd varepov etJTai, otov ei 13 oi/.ia. ^eixihov, ei de toüto , r.-qlöv dp' o-jv /.cti ei ^eiiehog '/s'yovcv, d'^dyy.Tt oi/Äa^ yeveG^'Cii; „Wenn das Frühere nothwendig muss eingetreten sein, sofern das Spätere eintreten soll, z. B. das Fundament gelegt sein muss, sofern ein Haus werden soll, der Lehm da sein muss, sofern das Fundament soll gelegt werden: ist es auch umgekehrt wahr, dass, wenn das Fundament gelegt ist, das Hirtis entstehen muss?" Durch dp^ ojv wird das in Frageform ausgesprochen, was mittelbar die Antwort in sich schliesst o-Jx dydyy.r, y.x^ölov, ei ro r.pirepov yiyovc, xai Tö •Zarep'-yj ye^ei^ai, und statt des Ausdruckes in allgemeinen Begi iffen schliesst sich die Frage an das gewählte specielle Beispiel so an, dass eben in der Vergegenwärtigung des Beispiels schon die Entscheidung liegt. Diese richtige Interpunction Hess sich in dem einen wesentlichen Puncte, dem Komma nach sarai, statt vor dem- selben, schon aus Philoponus ersehen (68 b r, r/yj äxo/ou^-ia, ürj^t, TOü KCi'-j'zeori.'j Tcpog ro vaTepov zo'.ctitvn rtg r^j. (öize ei ro iiarepov s^rae, d'vdyy.r, evjai y.al ro -pdrepov) ; aus dieser Berichtigung ergibt sich sodann als nothwendige Folge, dass der Fragesatz dp' o\j^j Nachsatz 7.W ei OYi ro y.rl. sein muss, wie dies schon die lateinische Übersetzung des Vatablus richtig ausgedrückt hat. In der Untersuchung über die Ursache von Wachen und Schlaf, aus deren weiterem Verlaufe früher eine Stelle behandelt ist (s.Bd. XLI, S. 431), geht Aristoteles von dem Gedanken aus, dass diese beiden, OÖ B o n i t 7. üllen lebendin Wesen gemeinsamen Ersclieiiiuiigen bei allen dieselbe Ursache haben müssen. Eine Schwierigkeit für die Durchführung dieses Gedankens ergibt sich nun daraus, dass, indem der Schlaf eine Gebundenheit des sinnlichen Wahrnehmungsvermögens ist, ait7^rj<7S(j)g d-/.ivrjalci xai oiov deGiJ.6g 4J)4 b 2S, dieses Wahrnehmungs- vermögen selbst sich nicht bei allen Thieren gleich entwickelt findet; einige haben alle fünf Sinnesorgane, manche sind dagegen auf den Tastsinn und den damit verbundenen Geschmack beschränkt. Von dieser thatsächlichen Ungleichheit ans gelangt nun Aristoteles zur Annahme einer bei allen Thieren gleichen Ursache durch folgende Erwägung 45S a 12—26: xotvöv, loirj^ ]xbj olov TT, o'\)s.i TÖ i^oäv, zr, Q dxori to dxo'jicv, Talg 13 o' öXkaig y-ara. röv aüröv rponrov, eart oi rig xai -/.oivr) ovvaixig dy,o- lov^ovaa ndaaig, ri aal ort. opd x.oci dy.oOsi [xat] atV^ävsTcct (oü ydp orj Tfi y£ 6^£i 6p(X ort öpa.^ xcl xpivsi oh xat oiivarai xpivstv özi erspa. rd "^fkvxia tojv Ivjy.Ojv ovts '^sOosi outc o'^psi gut' dp.o&Iv, äXXd zivt 20 yAvtb fjiopiw Töiv aiG^rjT-npif/iv dndvTOJV sari i^iv "^dp [xla aio^Yioig y.al TÖ xOpiov ata^riTrjpiov i' v , tö o' slvai aiaBriOti rov yivovg ixdoTOU iripov^ oXov ^ö'fov y.ai y^pöjixccTog) ,, zovto o di^cc tw dnruw [i.d- }dG^' vndpysi (^TOVTO iiiv ydp y^iJ^pt^sTai töjv äAÄoJv ata^r/TV/ptwv, rd 25 o' ällci toOtov dyjjpiaza, dpr^rai dl nspi aÜTwv iv roXg Tzepi ^vy/ig ^tüjpTtixaaiv^ ' (pavepov zoivvv otl zoiirov iari nd^og ri iyprj- yopotg xai 6 Ottvo?. In dem ersten Gliede des Vordersatzes wird die dem Aristote- les geläufige Unterscheidung (de an. ß 6. 7 1) gemacht zwischen der specifischen Tliätigkeit der einzelnen Sinnesorgane und der Thätigkeit des allgemeinen Wahrnehmungsvermögens, auf welches sie alle zurückkommen und durch welches Vergleichung unter den Ergebnissen der verschiedenen Sinnesorgane möglich ist, eine Un- terscheidung, die in der längeren P.irenthesc des weiteren erläutert wird. Die zweite Prämisse schreibt sodann dem Tastsinne, als der thatsächlichen Bedingung für die übrigen, da keiner der übrigen ohne ihn existirt, dies zu, dass sich bei ihm die beiden Momente, die spccifische Thätigkeit und die Natur des Gemeinsinnes, am meisten vereinigt zeigen'). Also, folgert dann der Schlusssalz, beruht der 1) Ich sehe keine Müg-lichkeit, die in dem Texte stehenden Worle iilicr den Tastsinn sowohl an sich als im Zusammenhaiigfe der ganzen Auseinandersel:tung anders Arislolclisclie Sdidicn. «J J Sclilaf und das Wachen auf einer Affection des allen Tliicron j^emoiM- samen Tastsinnes. Dass dies das logische Verhältniss der Prämis- sen und des Schlusssatzes ist, kann bei einem Hückhlicke auf den vorher angedeuteten Gang der Arisfolelisclien Untersucliung nieiit bezweifelt werden. Es steht aber nichts im Wege, dieses logische Verhältniss in der entsprechenden grammatischen Form ausgedrückt zu finden, dass die Prämissen Glieder des Vordersatzes, der Schluss Nachsatz ist; denn trotz der, bei Aristoteles nicht auffüllenden, Aus- dehnung der Parenthese deutet nichts auf eine Lösung von der im IJeginne des Satzes ausgedrückten Abhängigkeit, ja tovzo nach dem Ende der Parenthese geht auf die vor derselben bezeichnete xotv/j dO-u(xiJ.ig zurück. — Die Bekker^sche Ausgabe setzt «17 nach ooa, n 20 nach a;rävTwv, a 22 nach ypoüinaTö?, a 24 nach d'/üjoiaza, a 2i> nach ^zoifj-nfxacjtv Puncto. Da nicht das von ßekkcr zuweilen gebrauchte Zeichen der Anakojuthie, ein Strich — , angewendet ist, so scheint Bekker zu dem mit i~sl beginnenden Vordersatze in den Worten ifotov iiiv den Nachsatz gesucht zu haben; damit ist alle Cuntinuität des Gedankenganges aufgehoben und es sind die deut- lichen Weisungen des sprachlichen Ausdruckes, in welchem i'otov /j.£v — icjTi oi Tig y.al Y.oivrj sich als erklärende Ausführungen bekun- den, vernachlässigt. Dass icli das von Bekker «18 nach Ivjymv gesetzte Komma, und «16 y.y.i nach ccHOVic aus dem Texte entfernt habe, wird an sich evident sein; übrigens hat die Weglassung des x.at zwei Handschriften für sich; vergl. über denselben Gegen^t;lnd de an. 7 2. 42o h 12 ir.ü ö' ati^avoixs^cc ort opoO/jisv y.a.i dy.o-joiJ.rj. Die parenihetisehe Natur einer den Vordersatz erweiternden, ziemlich umfimgreiclien Erklärung kann kaum irgendwo evidenter hervortreten, als in einer Stelle der nicht von Aristoteles selbst ver- fassten, aber seiner Schule angehörigen grossen Ethik, Mor. M. « 3. 1185 « 13—24: ixETÜ. ro-jTO 70 ixiAÄO'^ Aiy£a3cii oürs At'av oöc^ttv clv ctV.slov £ivac ro'Jrojv o-jri ixanoccv cc~iyoy^ cTov i-sior^Tzsp eVrcv, ei)? ocxsi, ^östöv 15 riTTtg '\/'jyr,g o) rps^öiJLe^Ä, ö /caXoO/Ji.£v 2rpt7zxiy.6v (roOro 7«^ sijXoyöv i'jTcv cTvat • 70-jg yo'jv Ai-cro-jg 6f>öjp.zv ä.o'jvä.zovg Tpi^ptO^cc. ovrag^ Giazi o'v7Äov OTi Tcöv iix-^vyoiv Igti to rpifsa^ai^ si dt tcöv iir^Oy^ojv, aufzufassen, als in den obIy;en Woiten geschehen ist. .Mit ilen sonst von Aristoteles dargelegten Aiisiehleu über xoivt/ ai'jOfjSi; weiss ich das hier ausgesprochene nicht in CinMaiig zu Liin'ren. 20 4 0 B o ri i t z ■q ^v/Ti av d-fj aJTt'a, rng oi ^v/rtg toOtoüv [xiv rwv iiopiojv oii^iv cuTiov av dri rov Tpi(p£(j^ai, olov vo AoyiGTixov ri tö 3-u/J.txöv •>; tö 6vo\i.a. £7rt3-£lvac r; ^'psTTTaöv), tc oGv äv rig dnot, norspov y.ai Tourov TOü iJ.opi.ov rrig ^vyrig kariv dpezYi ,• Der ganze Abschnitt nämlich, den ich in Parenthese geschlos- sen habe, dient ausschliesslich dazu, die Anführung des ^psjirixov als eines Theiles der Seele zu rechtfertigen; er schliesst da ab, wo diese begründende Erklärung in sachlicher Hinsicht und in Betreff des Namens vollständig gegeben ist; und die folgenden Worte sind dann so fortgeführt, dass sie sich, nach Weglassung der Parenthese, an den Anfang des Satzes in voller grammatischer Genauigkeit anschliessen würden: knaoriutp iari [köpiov zi rng ^vyfjg — ^pznzi- xöv, ri o\jv^ zItzqi äv rtg, Trörepov xat toOtou iazlv a.ptrrr, Durch diese Erwägungen wird die bezeichnete Construction gegenüber der Bekker'schcn Setzung von Puncten a 19 nach rpir^ta^ai und nach aiTia. und a 23 nach BpsKxvAOv gerechtfertigt sein. Ich hatte auf die Nothwendigkeit der Annahme einer Parenthese schon in meinen Obs. ad Eth. p. 12 hingewiesen, aber unrichtiger Weise dieselbe nur bis «19 airioi. erstreckt; die Didot'sche Ausgabe hat das dort empfoh- lene Setzen der Parenthese aufgenommen, jedoch ist durch ein Ver- sehen die schliessende Klammer ausgelassen, so dass man nicht ersieht, wie weit der Herausgeber die Parenthese wollte ausgedehnt wissen. — In den Schlussworten des Satzes liabe ich zl o\jv äv zig dnoi geschrieben; Bekker schreibt zi oüv , äv ztg a'/TOt, so wie er Plat. Grit. 52 D ällo zi ouv, äv ^aTsv, r; xzl. Dem. Ol. 1, 19 d ouv, äv ztg eiKoi, ou ypdfstg u. ä. schreibt; aber die Stellung von äv selbst setzt doch wohl ausser Zweifel, dass für die griechische Auf- fassungsweise der Zwischensatz mit dem ihn umgebenden Hauptsatze verschmolzen war und nicht äusserlich durch Interpunction getrennt werden darf; G. Hermann Opusc. IV, p. 195. Bäumlein, Modi. S.360. 3. Besonders zahlreich vertreten unter denjenigen Perioden, welche im Beginne des Nachsatzes die Partikel ouv haben, ist die Gruppe derjenigen Fälle, in welchen dem Nachsatze im engeren Sinne des Wortes ein zweiter, dem ersten untergeordneter Vorder- satz, in den meisten Fällen bedingenden Sinnes, vorausgeht. Der A^i^lllleliscln,• StiKÜeii. 4- 1 Uinstaiitl, liass ia Siilzfii dieser Form die Partikel gOv sieh jedesmal an die den untergeordneten Vordersatz einführende Conjunetion sinsehliesst, ist ein äusseres Zeiehen für die enge Zusammengehörig- keit dieses zweiten Vordersatzes zu dem Naehsatze und re<:htfertigt die ohen ausgesprochene Ansicht (I, 3, S. 426), schon mit dem Be- ginne dieses zweiten Vordersatzes den Nachsatz im weitereu Sinne des Wortes anfangen zu lassen. a) Aus der erhehlichcn Zahl der hierher gehörigen Falle mögen zunächst diejenigen in Belraelit gezogen werden, in denen der untergeordnete Vordersalz ein einfacher Satz ist. So der schon in der Bekker''scheii Ausgabe richtig interpungiite Satz Anal, post. /3 8. 93 a 3—9 (über dessen Erklärung vergl. Waitz z. d. St.), in welchem nur beim Beginne der untergeordneten, mit dem Naehsatze eng verbundenen Bedingung nicht oCv, sondern tocvjv gesetzt ist : iKEi 0 i(jTtv, (hg ecpaixev, tocvtöv tö sidiycn. zi iiTi -/.ai rö dovjai TÖ aiTtov Tov ri iari • loyog öi toOtou, ort stjzi zi zo atV'.ov • '/.:/.'. zoüzo y, zo a.vz6r, ahlo ^ xav rt öCklo^ r, dnoosuzov r, ci.va.r.bQziv.zov ei rotvuv sarcv ä'/lo v.yX vjoiyzza.i diroosl^ai, d'^dy/Xt iJ-lao-j eivai z6 aiziov y.al iv zoi oyjiiJ.azi zoi Trpwrw ody.'jvo^uf y.a^ölov ze ydp y.y.'. y.a.zYi'^jopiy.ov zo dziy.vjii.tyov. Dem dreigliedrigen begründenden Vordersatze irret — dvano- oiv/.zo'j ist ein bedingender st — dKoon^ai untergeordnet, dessen Einführung durch rotvuv schon auf seine unmittelbare Zusammen- gehörigkeit mit dem Nachsatze hinweist. — Bei mehreren anderen in dieselbe Kategorie fallenden Perioden, welche durch die Bek- ker'sche Interpunction noch verkannt sind, haben die nach Bekker erschienenen Ausgaben schon die Satzfügung richtig bezeichnet, so dass blosse Anführung genügen wird. So Coel. 7 1. 299 b 7 — 10: izi d zo {xev ßapu nvxvov rt, tö dt y.ovfov ixavöv^ iazi dt iTuxvöv juiavoö diaoifiov zCb sv taw oyxoi nltiov trjTzdpytiv ' ti o\jv tozl ozi.yiJ.ri ßccptlci y.y.\ /.o-j'^r, ^ tozai y.ai r.-jy.vri xat /j.avv;. Vor ti ouv haben Sylhurg, Bekker und die Didut'sche Ausgabe einen Punct; die oben bezeicbnele Gliederung des Ganzen zu einem einzigen Satze hat Prantl sowohl im Texte als in seiner Übersetzung. In derselben Schrift über den Himmel lesen wir ß 8. 290 a 7—11: 42 n o n i t z ETI o' kTid Ofaiposiorj rd ä^jrpa, xa^d;rcp oi' t' äAAoi fd'ji xat v7/ji.rv 6iJ.oloyoOix£vo'^ tiTzslv, iq ixsivov '^£ tov G6ip.ot.Tog ^swoJatv, roü 10 o£ O(^aip0itoovg oiio y.ivriOV.g dai xa^'ccvTO, xv}.t(T£? xai OivvjCTt?" zlntp ovv y.iMOiTO tx äorpu oC a'jroDv, tvjv sripav av xtvoirc/ to6- Twv dAX' ovozzipav ^c/Imzto.i. Durch die Piincle, \\ eiche Sylbiirg und Hekkor nach ^zwü^aiv und nach oiYrtniq setzen, wird auf jede Möglichkeit einer Construction verzichtet; die richtige Verbindung dos Ganzen zu einem Satze ist von Prantl in Text und Übersetzung und demgemäss in der Didot'- SL-lien Ausgabe bezeichnet; im Commentar des Simplicius ist, ob- gleich er sich darüber nicht ausdrücklich erklärt, doch wahrschein- lich diese Satzfügung vorausgesetzt. — Phys. q 14. 223 b 12 — 20: ir.ii oi < KpojTY] > igzi cpopa. -/.ai TaiiTTig r, xOxAw, d.pi.^[xib:oLi o'' iy.aGTOv ivi rivi GuyysveX, p.oväozg iioväot^ innoi o' itzti'-ö ^ oiiroj /.cci iä 6 y^povog y^povM tivI copca/Xe'vw, p-irptlrai o' co'jKSp eiKOixsv ort '/^po- vog xivr,azt y.ai r/ y.ivrjcig yp6v(xi (rovzo o' ioziv oti vno z-ng d)piaiJ.ivrtg xiv'naioig ypöv'Xi p.£.zpzlzai. zf,g ze xtvvjaeojs' zo kogov y.oCi zoü ypo- vov)' ££ ouv ZQ Ttpü)zov [xizpov Tidvzcov züjv avyyevöJv^ r} xuxÄo- 20 (popia Yj op-aA-og iiizpov p-dliGzcc^ 6'rj 6 dpi^ij.dg 6 zaOzrjg yvwot/j.w- zazog. Im Anfange des Satzes ist npd)z-n nacli PraiitPs Conjectur eingesclioben, indem schon durch den folgenden coniparativen oder partitivcn Genitiv erwiesen wird, dass ein Wort dieses Sinnes im Texte gestanden haben muss. Sylburg und Bekker setzen vor ,ui.£- zpeizai h 15, vor roöro o b 16 und vor si oüv ö 18 Piincfe. Die durch diese Interpunction vorausgesetzte Construction hat, \\älirenJ sich aus Themistius und Simp'icius niclits darüber ersehen lässt, den Vorgang des Philoponus für sich v 3 extr. : e ävTiy.siiKhr,v r^psixiav (j} '/äp r,oii).'.a. azif^-noig y.ivr,ücöig £7rtv)- £t ovv ha.v7i.a'. fjAv y.vjr,r;tiq c^i xar' s-j^stav, a^ua 0£ {vh hot/tzai xivtla^ai zag tvcivriag, rö d~o zo-j A Txpog zo V (^srjo^z- 30 vov 0-jy. av (jiipoizo äp-Ct y.ai dno roü T Tzr^dg zo A. Sylburg, Bekker, Prantl, die Didot'sche Ausg.ibc haben vor sl o-jv einen Puncl; welche Construclion dann gemeint sein soll, ist • niclit zu erralhen, da in den durch imi eingeleiteten Satzgliedern sich schlechterdings keiiis findet, das nach Form und Inhalt für Nach- satz gelten könnte- Die Verbindung des Ganzen zu einem Satze hat Prantl in seiner Übersetzung richtig ausgeführt, nur hat derselbe am Schlüsse die Worte des Bekker'schen Textes ovx dv (oipoizo a,ua xat dr.6 zo'j A npog zo A selbst in der Übersetzung beibehalten. Ihre Unmöglichkeit ist aus dem Begriffe des conträren Gegensalzes, svav- Ttov, augenscheinlich, denn entgegengesetzte Richtung zu der geradr linigen Bewegung AT ist nur TA. Die Schreibweise bei Bekker ist übrigens wohl nur ein Druckfehler, Sylburg hat d-ö zojT npog zo A ohne Noliz über handschrifiliche Varietät, und Simplicius 300 a drückt dieselbe Lesart in seinem Commcnlare aus, Top. ß 4. lila 33 — ^ 7: i-ti 0' äva^/xatov, wv zo '/hog /.cczr^yopeizoci, xat rcZiv ttooJv zi •/.azr.'^opslG^ai, -/.olI o'jy. v/ti zo yivog r, ncipoivJiJMg dr.i roO yi'v^-jc 33 30 44 15 o n 1 t z Twv £{^wv Xeysa^at (oFov el' rtvoj Imarriiirt -AOCTrjyopslTCii, y.ai ypaiJ.- ixarixri rj ixovGwh v; twv aAAoov rtg eTrtaTv^jixäiv •/.aTrjyoprj^-oazTai ^ -/.cci d Tigiyji iKidTT/iXTiV rj rrapwvj/xw? «ttö TV7g iniarYJiXYig leysTW.., y.ai ypaix- p.aTiy.Y]V i^£i Tj ixQvauriv ri riva. twv ccXXojv iTiiaz'nixüiv y} Ttaptjiwix^jig UKO Tivog aÜTcöv pfiBrianai^ olov ypoci^ixaziadg ri iio'jatxög) ' edv ouv Tt rs^-^ "ksyöixsvov dnö vov yivovg onoiaovv ^ olov rr>v "j'^X^^^ xtvera^'at, axoTrsIv £j xara rt rwv Siowv twv tyj?' y.ivr,at(x>g ivoiyjTCCi zYjv ^v'/Yjv y.ivsXo^at., olov avEea^ai rj o^sipsG^ai r^ ylvea-^cci r, oacc ä'Xla. y.ivriat(jig sioy). „Da in allen denjenigen Fällen, in welchen ein Gattungsbegriff alsPrädicat gesetzt ist, notlnvendig auch irgend einer der ihm unter- geordneten ArtbegiilTe Prädicat sein muss; so hat man, wenn ein Gattungshegriff prädicirt, wenn z. B. der Seele das Bewegtwerden als Prädicat gegeben wird, zu untersuchen, ob ihr irgend eine der Arten der Bewegung zugeschrieben werden kann". Dies der deut- liche Gang des Gedankens; die Länge des Vordersatzes kann nicht Anlass sein, mit Sylljurg, Bekker. Waitz vor iäv oxjv einen Punet zu setzen und einen nachsatzlosen Vordersatz zu statuiren. Die Exem- plification erweist sich deutlich als Parenthese, nach welcher der auch grammatisch nicht aufgegebene Zusammenhang durch oxjv noch bestimmter markirt wird. Vahlen hat diese Satzfiigung bereits bezeichnet (Zur Kritik Arist. Schriften, S. G3) und als bestätigen- den Beleg für einen, ebenfalls schon von ihm auch hinsichtlich der Construction berichtigten Salz aus der Rhetorik /3 9. 1387 a 27 — 32 beigebracht, den ich sogleich mit der von Vahlen gegebenen sehr wahrscheinlichen Ergänzung schreibe: xat inü v^olotov twv a.ya.^Giv o\) roü fjyövrog ä^iov , ajXd rig iariv dvaloyla y.a.1 tö dpiiÖTTOv, olov ök)mv y.aAkog oii to) oixajc*) 6t.p\xömi dlAa. Tüi dvdp£i(xy^ y.al ydiioi < laixKpol > dpixÖTZOVTtg o-j TOig vcOiGTi rclovTOvaiv dlld rolg zvyzviaiv idv o\>v dya^bg oJv fjiyj Toö dpiioTTOVTog Tvyy^dvri , v£|UL£(jryTÖv. Sylhurg, Bekker (auch noch in der dritten Octavausgahe) sefzen vor idv OXJV Punct; das Kolon, und somit die Verbindung des Ganzen zu einer Periode, hat bereits Spengel gesetzt. Die bisher angeführten Stellen, an denen schon von anderen Seiten statt der Zerstückelung in unvollständige Satzglieder die Ver- bindung zu einheitlichen Perioden anerkannt ist, werden derselben Arislolelisclio Stiullt-n. 4«J Auffassung einiger anderer, in ihrer sprachlichen Form voUkonnmen gleichartiger Fälle, in denen dies bisher nnbemerkt geblieben ist, grössere Evidenz geben. So Anal. post. j3 IG. 98 6 16 — 21. Wo Ursache und Verursachtes, sagt Aristoteles, in einer solchen Reci- prociüU stehen, dass mit dorn einen das andere gesetzt ist, lässt sich ebensowohl von dem ersteren auf das zweite scbliessen als umge- kehrt, z. B. von der Breitliliittrigkeit eines B;uimes auf das Abwer- fen der Blatter als nmgekelirt , von der Stellung der Erde zwischen Sonne und Mond auf Mondlinsterniss ebensowohl als von der Mond- finsterniss auf jene Stellung. £1. ot fx-h ivQiy^txat airta. eivoci ccaXtjXoüv (tö ^äp ai'rtov TxpoTspov O'j aiVtov), xai tov p.iv ix.ldKtvj atrtov rö sv |Ji£(7W tyjv yvjv dvat, to'j ö' £v ]JL£(7W rr/v 7viv slvcii. o'Jx ahiov ro iy.leinsiv zi. oxjv r, i^iv dta TO'J ahio'j a.TziQs.ic.ig roO oicu. ri, -n oi firj oia. roü airio-j roxj ö't'., ort „Wenn bei der Priorität der Ursache vor dem Verursachten - unmi'iglich zwei Dinge von einander Ursache sein küimen, und Ursache der Finsterniss die Mittelstellung, aber nicht die Finsterniss Ursache der Mittelstellung ist: so erkennt man, da ja der durch die Ursache als Mittelglied geführte Beweis das Warum, der durch ein Niclit-Ursachlicbes die blosse Thatsache erweist, durcii den Schluss von der Finsterniss auf die Mittelstellung nur die Thatsache, nicht das Warum". Diese erklärende Übersetzung wird wohl ausreichen, die dem Gedankeninhalte allein entsprechende Satzfiigung zu erwei- sen. W^cnn man mit Hekker und Waitz vor si oOv durch einen Punct abschliesst, so macht man das, was blos eine beispielsweise Anfüh- rung ist (/cal ToO ixiv — tö ix/stüetv) zum Nachsatze, im Widerspruche ■ mit der deutlich erkennbaren Absieht der Beweisführung und ohne im sprachlichen Ausdrucke irgend ein, doch sonst nicht leicht feh- lendes Zeichen des Nachsatzes zu haben. Mor. M. ß 10. 1208 a 12—20. Wir haben, sagt der Verfasser im Sinne des Aristoteles, das tugendhafte Handeln definirt als ein TcpäT-tLv v.ataL töv opäov Xöyov , es ist nun zu bestimmen, worin dieses npÜTTiLv -/.aroc töv öp^ov Xöyov besteht. eaTiv oGv xarä töv op^oi^ XÖ70V npärzBCj^ ozav tö ako^^ov jxipog rftq ^v/fig [xrj xwXOv; tö Ic^/i- CTTtxöv ivepysl';^ töv a'jzo'j hipyEtwj ' zi-s yäp r, r.pät'.g k'^roci xocto. töv öp^öv XÖ70V. Diese Erklärung wird sodann begründet durch folgenden Satz: 2Ü 46 B 0 n i t z sTiV-dr] "^dp Tt ZYtq '^vyjng zö [ksv yslpov iyoixe'j tö di ßsArtov, «et öi TÖ ytlcjov toö jBsXTtovo? zv£xsv Igtcj , ojrjTZcp ini Gö^ixcczoq y.y.i 13 •'pvy/ig TO aoj/Jt-a rrig '^'jyjng svszsv, x.at tot' ipCfvp.z\i iyj-VJ zo a^ixy. xaXwg, OZCH.V ovzcog iyji rxxjzt p/n x.ojÄ6£tv dAAci y.a.1 G'JixßdlAta^a.t. y.al avp.Kdpopp.ä''^ Ttpog zo zrr-> ^'jy/jy inizfAsiy z6 avzrjg s'pyov (tö ydp yjXpov Tov ßslriovog £V£X£V, rzpog zo o'jvepyslv zu ßslziovC) • ozocv 20 o-jv zd TtdB-n p.ri y.cjilOciiat zo-^ voOv zö avzo'j epyov skizsIsTv^ zöz' iazai zo y.a.zd tov 6p3ov /670V •yivop.zvov. „Da nämlich ein Theil der Seele geringer, der andere besser ist, und der geringere immer dem besseren als Mittel zu dienen hat, um dessen Zwecke zu unterstützen, wie wir dies in dem Verhält- nisse zwischen dem Körper und der Seele ersehen: so wird das richtige Verhältniss im Handeln dann stattfinden, wenn die Leiden- Schäften und Begierden der Vernunft kein Hinderniss in ihrer Thä- tigkeit setzen". In dieser Weise ist der Satz wirklich Begründung der aufgestellten Erklärung. Wenn man dagegen mit Bekker und der Didot'schen Ausgabe vor oTav oüv einen Punct setzt, also y.al zöz'' ipo'j/j-sy zum Nachsatze macht, so mulhet man dem Schriftsteller zu, aus der Unterscheidung eines minderen und höheren Theilcs der Seele einen Schluss auf das Verhältniss zwischen Körper und Seele zu ziehen, was auch dem Verfasser dieser Ethik nicht zuzu- trauen ist. Dieselbe Satzform wird man leicht Mor. 31. ß 7. 1206 a 36—6 3 anerkennen, wenn man zugleich ein paar zweifellose Berichtigungen an den Worten des Textes vornimmt. Die Stelle lautet nämlich in der Bekker'schen Ausgabe: dTCOpr/GSis d' dv zig y.al p.£zaßdg ir.l züiv dptzthv zo zoiovTOVj oiov insidri 6 Xöyog xpazsX nozi twv na^'Jj-j (^fap.sv ydp eni roO iy/.piaclie unmöglich; beide beweisen, dass wir es nicht mit einer Folgerung, sondern mit der Berufung auf eine zweite Classe VdU Tlialsachen zu Ihun haben. Aber auch nach dieser Berichtigung der Intorpunction ist der folgende Theil des Salzes unverständlich; denn daraus, dass der unvernünftige Theil der Seele im schlechten Zustande über den vernünftigen bei dessen richligcm Verhalten Gewalt gewinnt, kann nicht der Schluss der Analogie gemacht weiden, dass die Vernunft zuweilen in gleicher Weise schwach oder schlecht ist, y.a.1 6 löyog G^otw? (paOlog. Die von Spengel vorgeschlagene evidente Änderung weniger Buchsta- ben lässt den Gedanken, wie er in der ganzen dem Verfasser dieser Schrift üblichen Breite ausgedrückt ist, deutlich hervortreten: oTov iKsiorj 6 löyog xparsl -ort twv ;ra^o5v (yafxsv yap e.-t 7oO iyxparoOg), x.at rcc ~ä^r, oi Ktxliv dvTSC!7f>C(iJ.ixiv(Jig toO l6yov xoaTsc (gTov enrt Tcüv dxparü)-^ <7y/ji.,3aiv£t), inei ouv ro aAoyov l^ioog zf,g ^vyjig ex*^v rov y.ay.iccv xparel rov loyov s\> oiax£t/j.£vou (6 7äp dy.paTTtg rotoOroj), xsci o loyog ö/j-Otw? üa6/.ojj ojax.icfxe- vog x.oarr;^£c tcöv -ccSöJv £Ü ota/i£tiJL£vaJV y.al t/övTOi-j töv 0£X£tay doi7r,v. £t oi toOt' i'jza.'.^ a'Ji).ßYi(7£rat rri dperfi x(xy.Qg ypn'^^ai- ö '/äo löyog oaiiXoig QiccKsiixevogy.ciiypcbp.eyog tyj dperf, y.c^.y.üjg a-jTri ypr/'^eroci. Die Sätze, welche unter der vorliegenden Rubrik (3, a) zusam- mengefasst sind, können zugleich als weitere Bestätigung der Intor- punction dienen, die ich für Met. ß 6. 1002 b 14—30 in den Obs. ad Met. p. 36 und dann in der Ausgabe der Metaphysik nachgewie- sen habe; sie ist auch von Schwegler in seinem Commentarc S. 147 als nothwendig anerkannt. b) Um einen Schritt weiter entwickelt zeigt sich die jetzt eben behandelte Salzform, wenn dem ersten Vordersatze nicht ein zweiler einfacher untergeordnet ist, sondern zwei einander entgegenge- setzte, welche zu der im übergeordneten Vordersatze ausgesproche- nen Voraussetzung eine Subdivision bilden. \\"\v linden diese Forui z. B. anerkannt in der Bekker'schen Ausgabe Met. /. 3. lOüO b 31— 3Ü: 48 B 0 n i t z £;ret o' ioriv rj toO ytXoaoyou imaTYiixri roü övrog r, ov xa-^ÖM'j xoci Ol) -/.ccTa. ixipog^ tö o' ov 7:oXka.-/ßig xal ov naJcr' Iva "keyeroci zpo- nov £1 fxiv o\jv 6p.oiVjpMg xara, dl xoivöv ix'n-^iv , ovx eanv vnö iJ-iav iniGrri^Yiv (ou yäp iv yivog twv toioOtwv) • ei oi xoctö. zi xotvöv, drj o.v VKO ixiav kruorrt^rjV. „Da die Philosophie Wissenschaft des Seienden als solchen ist, das Seiende aber mehrfache Bedeutungen hat: so gehört es, falls diese mehrfachen Bedeutungen nichts weiter als den Namen gemein- sam haben, nicht einer und derselben Wissenschaft an, falls dagegen die mehrfachen Bedeutungen eine begriffliche Einheit haben, so fällt das Seiende unter eine und dieselbe Wissenschaft." Es wird aber gewiss nur der Hinweisung bedürfen, um dieselbe Constructionsform an einer Stelle des Organon zur Anerkennung zu bringen, wo dieselbe bisher in den Ausgaben (Bekker, W^aitz, Didot) verdeckt ist, de interpr. 7. 17 a 38 — 6 8: knü Q iari rä [kIv y.a^oXox) tojv 7rpa7/xdrwv rd de xa3-' ixocarov *o Qjy(f} de y.a^6lov pJv o erd Kktiövoiv Tzifvy.e y.ccTrjjopela^(xi, xa3-'£xa- f> arov dz. o p.ri , olov oLv^poinog p.iv rwv xa^-öAoy, Kalltag di twv xa^-' £xa<7TCv) , dväyxYj de a.7:o(paivea3-ai u^g xjKÖLpyei ri rj y.-?) ore |i£v röjv y.a36Aou zivi^ ort de röjv xa^' exuarov idv |X£v ouv xa^ölov dnofccivriTai eni zov xo!.^öXov ort i)Käpyei riri ^ri ^ ecjovrai s Evccvrtat at oiKo^pdcvfjeig (^£700 de irzl tov xu^öXov dnofaivea^cii xa.^6- Xou, olov Tzäg äv3poiT:og "Xevxog , ovdeig äv3p(jJ7:og levxog') ' orav de kni röiv xa^ÖAov /xiv, fx-o xa^ölou 0£, a-jrai ixev ovx eiaiv ivocv- Tioci, zd. iJ.evzoi d-nAoOp-evci iaziv elvai ivavzia Ttozi. „Indem man AllgemeinbegrifTe von den Bezeichnungen indivi- dueller Dinge zu unterscheiden hat und bald jene bald diese das Subject bejahender oder verneinender Aussagen sind: so stehen, für AllgemeinbegrifTe als Subject, allgemeine Bejaiiung und allgemeine Verneinung desselben Prädicates im conträren Gegensatze, particuläre Bejahung und particuläre Verneinung dagegen nicht, wiewohl es mög- lich ist, dass zuweilen das unter den particulären Aussagen gemeinte einander entgegengesetzt ist". Wenn in den bisherigen Ausgaben vor idv if.kv ovv und vor ozav de Puncto gesetzt werden, also dvdyx-n de zum Nachsätze des durch £7r£i 0' eingeführten Vordersatzes gemacht vt'ird, so ist dabei wieder die Voraussetzung gemacht, Ari- stoteles gebrauche di im Nachsatze in einer für die sonstige griechi- sche Prosa unerhörten Weise, worüber unten im vierten Abschnitte Aristolelisolif Sliiilitii. >^Q gehandelt wird; denkt man sich die, bei Aristoteles doch gewiss nicht ungewölinlichen Parenthesen hinweg, so hat man genau dieselbe Satzform, wie in der vorher angeführten Stelle der Metaphysik. An zwei anderen Stellen, einer aus der Physik, einer anderen aus der unechten Schrift über die Bewegung der Thicre, ist es nicht grössere Verwickelung in der Satzfügiing, die vielmehr den bisher angeführten ganz gleich ist, sondern Schwierigkeit des Gedanken- inhaltos, welche die richtige Construetion übersehen lässt. Phys. di. 211 a 23—34: £T:ii dt AiyoiJ.£v elvcci cj? iv tÖ/tco £v rä) o-Jpavö), oiöri iv -w äspt, o-jTog o' iv rw o'Jpavö), xai iv tw dipi di oOx iv nccvri, dlla ^s dicc TO EG'/^arov avro'J xul nepiiyov Iv zrh aipi oaixiv sivai (si yäp Tzüg 6 driO ronog^ O'jx av t^jog dr, k^äarov 6 rönog y,o!.i zy.aarov ^ Qoy.iX §i ye i'jog fTvat, zo'.ovTog o' 6 KpöjTog iv o) eart'v) • ötccv ixiv oxjv jXYj mriprip.ivov f, z6 Tzspii'/^ov üXax ODVV/Jg ^ ovy (hg iv tÖ/Toj ^o X£7£Tat eivai iv ixeivw , äÄX' öjg i^ipog iv oXw • orav oi Qir,p-nii.ivov •Q xat a.K7Ö[J.tv'jv ^ Iv -owro) iazi rw iayärtit roG ntoiiyovTog . ö oi>r' ia~i i^ipog tov iv aOro) ovrog o'jzz pslCo^j ^oO oiaazrtU.a.Tog odX taov iv yap toj «Otw rd (ayaru. rä»v ciKTOixivc/iv. Die falsche Interpunction Bekker's der a 28 vor ToiovTog. a 29 vor orav ixiv o\iv Puucte setzt, ist in dem Prantrschen und Didot'schen Texte beibehalten; durch seine Übersetzung dagegen drückt PrantI dieselbe Satzfügung aus, die in der vorstehenden Interpunction bezeichnet ist, und gibt durch diese Übersetzung zugleich für die eingeschlagene Construetion die Bestätigung, welche allein man etwa noch wünschen könnte. (Das im Anfange des Satzes vor röj o'jpavöj gesetzte Iv, welches die Ausgaben nicht haben, ist nicht Conjectur, sondern Überlieferung der besten Handschrift.) de motu an. 4. 099 b 17- — 29. Über die Bewegung der Theile des Himmelsgehäudes erhebt sich ein Zweifel aus folgenden Erwä- gungen. Wenn man durch eine ßewegungskraft die Buhe der Erde überböte, so würde man die Erde aus ihrer Lage im Mittelpuncte in Bewegung setzen; und hierzu ist, da die Erde eine begrenzte Grösse, also auch eine begrenzte Schwere hat, nicht die Annahme einer unendlichen Kraft erforderlich. i/Tct oi TO d.(i\jvarov "kiysrcci KAsovayQg (oü T/6cp waauTwj tt^v ts foivhv doüvarov <^aix-v dvvj. ipa^nvccf. xcä roO^ i::i z'ng ailr.vr.g Vf' r.ix'Jjv TO ixiv yäp i^ dvdyxr.g^ to oi KSf^jxög ipän^^i o-Jx 20 Sit/.l). d. phil -liist. Cl. XLH. Bd. I. Hft. 4 50 B o 11 i t z dü.5r/(7£-at) , TÖv o' oi>pv nlovrov xcä xd xoiuüxa. xtLv dyad-öjv xai Ytoliiiv)' xoitg [xiv o\jv Tzpog xavxa Tvapd xov 6p.3-6v lö-jov ünep- ßdAAovxug xov h auxotg dnlGJg [xiv ov )Jyop.cV dy.paxslg, Ttpoaxi^iv- reg di xö -yprjixdxo^v dy.pa.xzXg y.al y.ipoovg xai xiiir^g y.a.i ^vij.gv , dnlöjg 33 o' oO (hg ixipovg y.ai xa^' oiioiöxr^xa Isyoixivovg, ojansp dv^poinog 6 xd 'Ok(j[XTii(x v£Viy:ny.6jg ^ ixslvoi ydp 6 y.oivdg lö^og xov ioLov p.txpw oii(p£p£v^ diy Ö/J.W? exspog 'hv (^onixslov de- rj (xiv ydp dy.paaia. ^iye- xa.i oxj'i^ oj$ d\xa.pxiaL p.övoM dWd xa.l 6)g y.c/.y.'ia xig vi dnliög oixja r] 5 y.y.xd XL p.ipog ^ xoOxoiv o' ov^sig^ ' xöjv dt Ktpl xdg GOJixaxr/.dg dnolaOosig^ mpi dg Hyop-sv xov cöjopova. y.ai d.y.oka.rjxov ^ 6 (xri xCb KpoaiQsla^ai xöJv xs rjoirjiv diojy.oiv xdg vnspßo'kdg y.a.i xdiv lunripöjv üEUY&JV, KÜvr,g y,a.i oi^r.g y.ai d'/Jag xai ^pj'/^ovg xai r.dvxuiv xmv Tzspi 10 d'.priV xa'] yvjatv ^ dXkd napd xr,v upoaipzaiv xai xr,v uidvoiav ^ d.xpcc- xr,g Xtjixai^ o-j xv.xd npöo^taiv ^ öxi nspi räoc, xa^dTzsp opyYig^ dW drcAüJg [xövov (artixzlov oi' xai jap [xalaxoi liyovxai nspi xauxag^ Tzepi kxsivojv o' ouo£p.tav). Die Interpunction der älteren Bekker'schen Ausgaben, im We- sentlichen beibehalten in der Didol'schen, durch welche dvayxaia p.lv xd Gojp.axixd zum Nachsatze des durch inzi o' zcxi begon- nenen Vordersatzes gemacht wird, lässt sich vom grammalischen Ai-istutelisclie Studien. O ci Gesichtspuncte aus nicht als unzulässig bezeichnen, sie könnte sognr wegen der weit grösseren l!iiifacliiieit der dadurcii für das Folgende sich ergebenden Fügung den Vorzug zu verdienen sclicinen. Sie erweist sicii ai)er sofort als unmüglicli, wenn man die Stelle im Zusammenhange liest; denn die Frage, welche Aristoteles jetzt zu beantworten unternimmt, ist nönpoy o' iaii zig ä-\'Jjq dy.pc.rng y) ndvTeg y.a.ra. iJ.ioog^ y.cä ei i'jri ~zpl -o~.x i'jzi^ 1147 ö 20. Für die Beantwortung dieser Frage bildet nicht nur die Unterscheidung der Arten von Lust in notliweudige und nicht nothwendige, sondern eben so sehr die Identification der ersteren Art mit der sinnlichen Lust, die Erläuterung der zweiten Art durch einzelne Beispiele die blosse Voraussetzung, aus welcher die Unterscheidung des dy.pcczrig änlüig und des dy,pcx.rr,g y.azy. p.ioog abgeleitet wird. „Indem es zwei Hauptarten von Lust gibt, einerseits nothwendige, die aus der Befriedigung der natürlichen sinnlichen Bedürfnisse hervorgeht, anderseits nicht nothwendige aber an sich erstrebenswerthe, her- vorgehend aus der Erreichung von Zielen, die an sich ein Gut und angenehm sind: so wird ein Übermass in der zweiten Richtung nicht Unmässigkeit schlechthin, sondern Unmässigket mit näherer Bezeichnung des Gebietes genannt, ein Ühormass dagegen in der ersteren Richtung, sofern die Regeiirung im Widerspruche mit der eigenen Einsicht und dem eigenen Entschlüsse steht, ist Unmässig- keit schlechtiiin". Diese Übersicht des Gedankenganges wird die Zusammengehörigkeit der beiden Glieder des Nachs.ifzes zeigen; jedes derselben erhält einen grösseren Umfang theils durch beschrei- bende Ausführung, theils durch die mit ar,i}.£lov eingeführte Be- gründung, das Ganze aber in so ebenmüssiger Anordnung, dass die Periode trotz ihres erheblichen Uinfanges eine deutliche Gliederung und volle Übersichtlichkeit gewinnt. Nachdem an die eben behandelte Periode Aristoteles die Folge- rung angeknüpft hat, dass die tadelnden Prädicate UKpccrng und d/.ö- laoTog, wo dieselben schlechthin ohne specicile Begrenzung ange- wendet werden, sich auf dasselbe Gebiet des Begehrens und Han- delns beziehen, wie die lobenden i^y.pa.Tr,g und ctw'jSowv, führt er die Erörterung fort in einem Satze, dessen Bau sich sofort als gleichartig dem zuletzt besprochenen erweist, wenn auch seine Gliederung keineswegs die gleiche Ebenmässigkcit zeigt. Man wolle versuchen, die Stelle 1148 a 22 — b 9 in folgender Interpunction zu lesen: 34 r> o II i t /, y.c/.l OKVjoa.iuiv ^ twv ^ap r,Qi'jyj ivia (^Ogsi alpträ.^ rä. o' ivavria. roOzojv^ TCi öl jULsrafO, xa-crdTZzO diBiÄOixsv r.^öztpov.^ oFov y^^r,]}.c/.TOL y.ai y.ifjoog v.c/.l v'v/:q v.yX ~i\):r, , r.^oq äTzavra ok y.a.1 zöl zoiwjza v.cd ZV. jj.szoi^v 0-j z(Jü Tzäayjfu y.a.1 i7i:i^vp.£Xv y.cci (piAslv ^iyovzai^ a/Aä rw -'jjg •jZzpßxAAsrj (o'.d OGOt ixh Tiaoa tov löyov rj xparcövrat v^ u'.'jy/.o-j'j'. z'Jyj 'Y-'jCzt zt y.cCtMV y.y.l ayarS'düv, ocov oi Ktfi zi^Itiv p-ällov r; Ozi anovod'Covzzg r; n-spc zixva. y.ai yovzlg' y.ai yap zaüzu zoJv äya- ^'Jyj^ y.ai inv '/dp r/oiojy iVta (pOosi aipEzd in Klammern schliessen darf, da die folgenden Worte unverkennbar damit ver- knüpft sind, noch auch, was nach sonstigen Aristotelischen Ana- logien dem Leser nahe gelegt ist, rajv -/dp r.oioiv — t'./j./; als Paren- these betrachten kann, weil in dieser vermeintlichen Parenthese die AiisloUllscliC SliiiliiMi. Ot) vor derselben begonnene Eiiitlieilung fortgesetzt wiid. Wenn m;in nun, wie in säiiinitlichen Ausgaben gescbieht, n 28 vor o'.ö cinfn Piinct setzt, so wird das Glied /-od,- ä~a\7cc oi y.xi — •jmc^ßoi'/ltr^ zum Nachsätze des durch i-ei. eingetuhrten Vordersatzes gemacht. Spraciilich wird dies nur dann müglit-h, wenn man statt zgo; oiravra o£ vielmehr ~oi; ccTzocvra oö liest, wie sicii dies in den Ausgaben von Zell und Card« eil findet; Zell beruft sich für v>, nur auf Bas. III, Card well führt zu a-avr« or; aus dem von ihm speciell verglichenen Laurentiaiius Iv*" keine Variante an, es ist also wahr- scheinlich, dass diese Handschrift o/; hat, obgleich Bekker zu dem o£ seines Textes aus derselben Handschrift K"* keine Variante anführt. Aber selbst wenn es durch Setzen dieser Partikel sprach- lich zulässig wird, das Glied rod^ ä-avra ■/-'/.. zum Nachsatze zu machen, so ist dies durch den Inhalt unmöglich gemacht; denn d,tss das Streben nach etwas an sich Erstrebenswerthem oder Gleichgil- tigem nicht schon an sich tadelnswerth ist, bedarf nicht erst einer Schlussfolgerung, sondern nimmt z\i dem vorausgehenden mit s--'. begonnenen Gliede nur die Stelle einer coordinirten Erläuterung ein, und nicht hierauf, sondern auf die Unterscheidung von a.y.oa'yici ä-hZg und äy.oaaia xard -od'T.S-s^tv ist die ganze Argumentation gerichtet. — Ist es nun nicht müglieh, in den Worten -oöc ä-avra y-l. den Nachsatz zu finden, so ergibt sich, dass man ihn dem Sinne nach gewiss erst in /j.o-/^r;ota ah oOv y.rl. zu suchen hat. Lud zwar ist dieser Nachsatz seinem wesentlichen Inhalte nach zwei- gliedrig: „in den Begehrungen des an sich Erstrebenswerthen ist auch dann, wenn sie durch ihr Cbermass dem sittlichen Tadel anheim fallen, weder eine Schlechtigkeit (ij.c>yjrnpic<.) noch eine eigentliche Ziigellosigkeit {dy.oaG'.ci) anzuerkennen, weil iioyß^np'.a und dupaG'.ci schon an sich sittlich verwerflich sind, sondern nur eine Unmässigkeit in gewisser näherer Beschränkung". Das dem \t.oy^r,oia [xi-j ovv entgegenstehende zweite Glied des Nachsatzes begirjut mit oC 6iJ.o'.örn7x Ot, während in den Worten daot'ojc o' o-jrT y.TA. nur eine Weiterfülirung des ersten, abgelehnten Gliedes gefunden \\ erden kann. — Der vor diesem Nachsatze noch stehende Abschnitt enthält jed^-nfalls eine zweifache Schwierigkeit; für's erste ist es hart, zu dem Subjecte ogci o.£v — ocwxovtrt aus dem Vorher- gehenden •-^i'/ovTÄ'. zu ergänzen, wie dies durch den Sinn gebotei; ist inul im gric-hischcn Ccmuien'ar des Aspasius ohne weitere 56 B o II i l z Rechtfertigung hinzugefügt wird; zweitens ist nach langer Ausfüh- rung des durch p.h eingeleiteten Gliedes das entgegengesetzte, welches beim Setzen jenes /jic'v vorschwebte, unerwähnt geblieben. Diese Schwierigkeiten bleiben übrigens volllvomnien die nämlichen, wie man auch den ganzen Abschnitt sich gegliedert denken und demgemäss interpungiren mag. — Von dem Satze p.oyjC;npia txiv o-jv habe ich absichtlich gesagt, dass er dem Sinne nach Nachsatz zu insi 5s. y.rl. ist; denn mehr lässt sich im vorliegenden Falle nicht behaupten; der Abschnitt a 28 — h 2 o'.6 ixoiuaivsiv , den ich in Parenthesen geschlossen habe, wird nicht in einer für Parenthesen üblichen Weise eingeleitet, und er erhält eine so selbständige Aus- führung, dass die sprachliche Zusammengehörigkeit des Ganzen schwerlich kann in Erinnerung behalten werden. Es ist daher nichts dagegen einzuwenden, ja es empfiehlt sich als das Wahrscheinlichere, dass man \).oy^r,pia [Csv o\jv als nicht der grammatischen Form, son- dern nur dem Sinne nach den Nachsatz bildend bezeichne, d. h. dass man nach a 28 •jTzspßdAAsiv einen Strich — als Zeichen des formell unvollständigen Satzes und der Anakolulhie setze. Dass von dem Baue umfangreicher, durch mannigfache Erläuterungen unterbroche- ner Perioden zur Anakoluthie ein ganz allmählicher Übergang statt- findet, wird im weiteren Verlaufe (Abschnitt V) an Beispielen ersichtlich werden. Wenn in dem vorliegenden Falle die grammatische Fügung des ganzen Satzes mindestens zweifelhaft, die Annahme einer Anakolu- thie sogar wahrscheinlicher war, so bietet sich uns dagegen in Met. ~ 10. 1051 b 9—17 ein vollkommen evidentes und klares " Beispiel eines durch ;j.£v gjv eingeleiteten zweigliedrigen Nach- satzes: 10 £i OTi rä ixh dsi Giiyy.sirai ■/.al ddOvara oia'.pc3-ri\fXi^ tcc o' dd mfipTtzai x-al ddiivara. avvTi^rjva'., xd o' ivokytrai ■zdvOMzia^ < y.aX > tö fjilv thoLi ifjxi TÖ TJ'^f/.ili^cx.i. y,al h tlvai^ rö oi iJ.h dvcci zö [xr, a'jyy.£i- a^OLi dlld nAsioj sivai- nspi /jlIv o^v rä hov/öit-zva. r, aörrj yiyviTai ^s-jo-ng y.oü «Xv/^yjj öö^a xai 6 AÖyog 6 a-jzög, y.ai hQiyirc(.i 15 &T£ [xkv dlri^iüziv irs. oi ■^iv^iaBa.i.' rxspi de zd düCivaza dllcjig £)(£tv ov yr/vsrat ozl fx£v dlY]^eg 6zi oi 'psvoog^ dlV del zavzd d)Xi^-h Die früheren Ausgaben (Sylburg, ßrandis, Bekker) machen z6 /j.£v sivcii — Tzhi'j) slvai zum Nachsatze, was durch den Sinn unmöglich Aiistotelisclie Studien. 5 i ist, da zwischen dem so angenommenen Vordersätze und Nachsatze das Verhältniss von Voraussetzung und Folge in keinerlei Weise besteht. Dass xcä vor to (xev hinzuzufügen ist, ergibt sich aus Aloxan- der's Commcntar; nach dieser Ergänzung ist sodann die schon von Alexander und Bessarion in gleicher Weise aufgefasste Gliederung des ganzen Satzes nicht weiter zweifelhaft. Ausführlicheres darüber in meinen Obs. ad Met. p. 33; die dort nachgewiesene Construction und Iiiterpunction des Satzes ist in der Didorschen Ausgabe auf- genommen. Bekanntlich werden durch /j.iv und oi nicht selten Sätze einan- der grammatisch coordinirt, von denen dem Sinne nach der erstere im Verhältniss zum zweiten nur eine untergeordnete Stellung ein- nimmt. Derselbe Fall lässt sich öfters in solchen Perioden erken- nen, deren durch ixiv o\)V eingeleiteter Nachsatz der Form nach aus zwei coordinirten Gliedern besteht, während dem Inhalte nach das zweite Glied die eigentliche Folgerung enthält .und das erste nur eine Vorbereitung dazu ist. Dahin gehören zwei Sätze aus der Metaphysik, deren Interpunction ich Obs. ad Met. p. 33 f. behandelt habe. Zunächst A 3. 983 « 24 — 6 3: i-.d ü£ ^avspöv ort rcZiv it. ä'^'/f,^ atrt'ojv ozl laßtlv i-iaznix-nv 23 (tg7£ ydf> eirjivai fj)a.[).vj 'iy,a.a-Cj'j ^ oto-'j rr,v npö^TTtV airiccv oioj^xe^a. ■^vui^itjvj) , rd 0 al-ia li-jixai rzroa'/ßig^ wv [xi(xv [xiv ahlccv ~-(i. rö ou svexa y.ai rdya^öv {zilog '/do yvA/VJ7^a'.) • ov yäjO l-jT'. ro' ■■^s-jocg y.ai rd d/v^^c^ £v roij Tzpdyixccyrj ^ oWj zi ij.h dyaSov dj:r,^ig^ rd oi y.a.y.i^j vj^\jg ^sOodg^ d)X iv rf; o'.avoi'a, /Tcoj oi rä ei;-/,« y.ai zd zi i'jztv ovo' ev rf, oiavoic/.' ona ^iv ovv OcT .S-£Wio-i7(jat TTEpi rd ovzojg dv x.at /j.r; öv, vaztpov infjy.sKziov i-si oi 3^* r, avixTt'Xoy.Y} Igzi y.ai r^ o'.aioiaig iv oiavoia d'/X ovy. iv zolg ~pdyp.a- aiv . . . dtd ra-jza p.ev d^psiu^-oj, ay.zr.ziov oi zo-j övzog aCzoO zd aizix y.ai zdg dpydg r, dv. Die wesentliche Gleichartigkeit der Satzform und des Gedan- kenganges mit dem vorhergehenden Falle wird dadurch etwas verdeckt, dass das zweite Glied des Nachsatzes eine weitere, die Argumentation nochmals aufnehmende Ausführung erhalten hat; aber trotz dem lässt sich doch die logische Unterordnung des durch [j.iv r/jv eingeleiteten Gliedes des Nachsatzes nicht verken- nen : „Da das dv oj, dj:r,^ig auf der Verbindung und Trennung der Begriffe in der Aussage beruht, also im Denken, nicht in den Dingen selbst seinen Sitz hat, so haben wir, unter Aufschiebung der Erörterung dieser Bedeutung des Seins auf später, vielmehr das objectiv Seiende selbst, seine Ursachen und Principien zu untersuclicn". Ari4i>ti'li»i-Iie Studien. oO Unmiltelbai-ci- crsichllich ist diese Salzfonn Etli. Nie. x. lU. 1180 a 14 — 24: £! o' gOv, /'.a.S-a-^o £Vv/;7a'., töv i^c^'arvov «'/a^öv rOÄ'j/-öva'. is y.OLAÖJC 0£f /.ac sc-j^-S-y^vc« , ef^' oC/tco^ iv i-i.7r,ovj[).c/.'j'.-j ir.'.E'.v.i'^i 'Cr,'j ■/.OL'. [XYit'' äx.ovTÄ u.v;.c-' ixövra zodzTSiy rü. oaOÄa, r^Ora 0£ '/t'votr' cv ßiaiiixivoig y.arä r'.va voOv xa'. rocciv cioc-y;v, i'yo-j^av iT/yj' r, \).tt cOv r.y.TOi.y.r, -piircc^ic oj/. iyv. rö i'^yy/jy o-joi ro d'.^ayy.aloy ^vov or; ö'/.'jjc •'; ivds ävooöc /j./; ßcciOJujg övrog r, zuog ro'.oJrov, o o £ 20 vöaoc 6:-jO!.yy.cc'jTi.y.r,v S'/J'- o6va;ji.'.v, loyog a)v arrd rtvo^ (^poyr,aiOig v.y.'. ',rj'j- y.'J.'. Töjv tjL£v äv3-o'jü-ojv i-/_.3-a(po-J7'. rov, £vavr!0'jiJ.£youg raig rärr'jjv rö ir.iu/.i „Wenn zur Erwerbung sittlicher Tüclitigkeit nach empfangener guter Erziehung niul Gewöhnung ein Leben in edlen Beschäftigun- gen und das Fernhalten jeder unsittlichen Handlung, freiwilliger wie unfrei« illiger, crlorderlich ist, und wenn zu diesem Zwecke das Leben einer vernünftigen Ordnung unterworfen sein muss, welche Kraft und Nachdruck besitzt: so hat, während dem Gebote des Vaters oder sonst eines einzelnen Menschen, der nicht Machthaber ist, diese nöthigende Kraft fehlt, nur das Gesetz, als eine von ver- nünfliger Einsicht ausgehende Regel, diese zwingende Gewalt" u.s.f. Diese Constiuclion bezeichnet schon Eustratius in seinem Commen- tar ISö/v» £>ri oi r, ä.r.6ooa'.g roO /.öyo-j iv rw „ö 0£ vöy.og äva7xa^ri- xv-v £•/£'. ojvai^cv /.öyov (vielmehr lö-^jog^ cov drA os.ov/;7£wg xat v':,'j'-\ ZV. rT oula. k'j [i.ii'j} y.-l7C/.<. a-jvayovra x6 osl y.ela^a'. vd,u.ov? /T£0'. zf,g 7Jyj r.a'.o'jyj dy'Jiyf,g y.oä z-Jyj ä/XoJv «-«vrojv. Dieselbe Constructioii billigen Lamhinus und Victorius, ersterer mit ganz unbegründeter Vi'.diichtiului": des oOv. Unter den neueren Ausgaben setzen die ZeH'sche, die Hekker^sche (auch in der 3. Aulhige von 1861) und die Didot"sche vor r, u.h ovv u 18 und vor y.y.i rwv ij-h a 22 Puncte, und Zell erklärt ausdrücklich raOra oi yr/votr' c.v — «cr/vv für den Nachsatz zu dem durch st &jv eingeleiteten Vordersatze, eine Constructioii, welche grammatisch zulässig erst d;iiin wird, Avenn man mit Camerarius zy.-jzv. oi in ry.-jzy. ^r, ändert, aber selbst dann durch die sclhsländige Stellung, welche dorn nur einfach fortsetzenden Satzgliede gegeben wird, der Aristotelischen Schreib- weise fremdartig wäre. Auf die Nothwendigkeit, das Ganze zu einer einzigen Periode zu verbinden, hahc ich Obs. ad Met. i>. 3i> nur 60 B O 11 i l 7. hingewiesen; diese Interpunction findet sieh aucli in der Card- well'schen Ausgabe. Po!, r; 13. 1331 b 26—1332 a 3: £7T££ oi o6' eoTtv £v olc ybsTai z6 £v näai , rourotv o' i^riv Iv ju.lv £V TüJ Tov G/.OTidv y.slG.S'at v.cf.i xö rilog rcüv Kodzcorj op^öJg^ iv 30 dt Tag npiq rö ri/og (ptpovaag Ttpd^eig zvpiay.tiv (^hdiyjrai yäp ravT« xai dtacöwv££V ä.XkriXo'.g v.ai aviK'^oivvy ivioTS yäp 6 fxiv ay,07iog ly.y.zi- ■zuj. xa/djg, £v ü£ TO) TzpÜTTSiv ro'j z'jy siv a-jzoü üta.p.aprä.yo'j'jrj • iviors oi Töiv [xh rcpog tö rfAog nccvrojv iKirvyydvo'JGiy ^ ä/Xä tö riXog e^-svro fccvlov otI os ixciTepov oic/.iX'XpTdvov'jtv ^ olov Tztpl taTpt/cvjv, 35 CUTS ydp r.olöv xi ozl xb ii-^iiy.ivo'j slvai G'Jjij.x y.pivovai.-^ ivt'ore y.a.l'jjg^ ovx£ Txpbg Tov •jr.oy.siiKivov a-oxolg 'iprj'j x-riydvyj'ji xw TiOi/nxiy.üJv , OzT o' £v xatg xv/vc/.ig youi k~tax-nixaig raOra dix(p6xtpa. y.paxcXa^iXoGO^iag c-ro'. ruyy^ävouatv iiiKÜp^g vyovztg zr,g nzpi zr^j iJ.o-jaiy.rtV rzaiosiag^ zr,v [).iv y.a^' 'iy.aazov a.y.pißolo'^fiav dr.ooöiaoikiv ^rjzziy zoig ßo^lop-ivoig Tzap' ixsivwv, VJV oi vorj-ixoDg oif/Mixtv ^ zovg zOKOvg [xövov siTzö^zeg ~zpi a-jzojv. Die vorliegende Stelle beginnt, wie so zahlreiche, mit einem Satze, in welchem das Fehlen des Nachsatzes zu dem durch sKzi eingeleiteten Vordersatze bei jedem andern Schriftsteller entweder zur Andeutung der Anakoluthie durch das Zeichen des abgebroche- nen Satzes, etwa 6 10 nach -aiodav, oder zu Versuchen coiijectu- raler Änderung würde Anlass gegeben haben; bei Aristoteles dage- gen gehen die sorgfältigsten Ausgaben über derlei Dinge wie über unberechtigte Forderungen hinweg. Nun wäre allerdings die gram- matische Construction sehr leicht herzustellen, wenn man für £-£t das damit öfter verwechselte ezi schriebe; aber der Zusammenhang verbietet den Gedanken an diese Hilfe, denn Ari.stoteles sajjt in die- sem Satze nichts wesentlich Neues, sondern fasst nur zusammen und führt etwas weiter aus, was er sogleich bei dem Beginne der Erör- terung ausgesprochen hatte «10 zi ij.r.zz zä -pog zo-jg äyüvag zovg zvfjiy.oitg cvvTsivovza ota/Tovotsv xr/,. Sind wir also genöthigt, ir.zi beizubehalten, so ergibt sich sofort, dass dem Sinne nach der Nach- satz in den Worten (jy.zKzio-j o' i'zt r.tpA zz zag äpyj.'j-Aag y.ai zovg pv^p.ovg enthalten ist. Denn Arist, bat für die Feststellung der Gren- zen, innerhalb deren der musikalische Unterricht in dieJugendbildung aufzunehmen sei, als Gesichtspuncte ausdrücklich bezeichi et a 1 y.ai An'slolelisi'he Stuilicn. (),> rrotwv (;.£/>üJv v.cjii rotoüv ij-j ^ \i,'ji'j ■/.'■ji-^'jyyr,ri''yj . i'rt ot vj -OiO'.c 0 07 äv 0 '. c rv;v aa-3-v}<7'.v roiriziov. Nach Beemiigung nun der auf den einen Piinct, die musikalischen Instrumente, hezügiichen Erörterung geht Aristoteles auf die beiden andern über. Dass die beiden andern vorher durch [Xi/Xt und yj^i).'-A. hier durch äpij.^yjiy. und yj^u.oi bi-'zeichnet sind, macht in diesem Falle keinen erheblichen Unter- schied; "xyyyAy. im Sinne der griechischen Musik iiängt mit dem a|},o^ und der ixiloKoüa auf das Genaueste zusannnen, daher wir im Folgenden diese beiden Momente vereinigt behandelt (vergl. 1342 rt 16 TCiig ixsy ro'.y.'j7CK'.-; ö:piJ.oviaig /.al ro'.g rc.o-Jro'.g ai/£7J, 1341 b 33, 35) und von dem einen BegrilTe leicht zu dem andein über- gegangen sehen (vergl. 1341 b 19, 24). Die ganze Stelle also von b 8 i~d OS rojv rx öpydvoiy — h 19 fu^ij.o-j.; besagt: „Da wir über die eine Seite der Frage, nämlich die musikalischen Instrumente, hiermit entschieden haben, in dem Sinne, dass wir in ihrer Wahl und in ihrer Behandlung i]en eigentlich kunstmässigen Betrieb ver- werfen, so bleibt uns nun noch die Untersuchung über die Harmo- nien und die Rhythmen". Dieser Zusammenhang der Gedanken ist auch dann unzweifelhaft, wenn man in granimatisclie r Hinsicht eine Anakolntliie voraussetzt, also annimmt, dass durch die Ausführ- lichkeit der Erklärung von rty^iy.ri Kaiosia die llinzufügung des Nachsatzes zu dem Vordersatze k-ti os rwv x.r/,. in Vergessenheit gekommen sei. Aber wenn wir nur nach ay.B-Tioy die Partikel 0' ent- fernen, so bilden selbst in grammatischer Form die Worte o/.sr.riov £Tt den vollkommen entsprechenden Nachsiitz zu i-zl ot a.r.oooy.i.u.y.- (^o|L».iv, und die dazwischen liegende Erklärung von -r/yv/.ig, b 10 ziyyiy.r,'j — b 18 y.i.-/r,n-'.g tritt aus der .sonstigen Weise erklärender Parenthesen bei Aristoteles so wenig heraus, dass man gewiss ein Recht hat, mit Victorius, Reiz, Schneider, Göttling die bezeichneten Worte in Klammern zu schliessen und 7X£-r£ov iVt als Nachsatz zu ir.zl oi T'Jyj auch in streng grammatischer Hinsicht zu betrachten. In diesen Worten aber selbst, durchweiche der neue Abschnitt der Erörterung angekündigt wird, ^x.i-riov 'in r.tpi ri zy.q xpao-^iag xat 70-jg i'j^^o-Jc, y.yi rzpig -aiosiccy r.iriyyj -y.'jy.g ■/yf,':7irj'j rat, dpixoviccig ist nicht zu begreifen und auch meines Wissens von kei- nem Erklärer aufgehellt, w as durch die Partikel y.y.i bezeichnet sein soll. Gegen die folgenden Worte npog ;ratoiJÄv sind allerdings schon Bedenken erhoben; ihre Unmüglichkoit ist aiijjenscheiidich, weil 64 B o n i t 7. durch sie der Unterschied von dem zweiten Theile der Frage, insiTu Tolg npog n aiosiav oiaKOvoüai nÖTspov röv avzov dtop(.Gp.dv 3riao- ixev -/.rl. aufgehoben wird. Dass aber zweierlei Fragen gemeint sind, nämlich Zulässigkeit oder Nichtzuliissigkeit aller Harmonien und Rhythmen im Staate überhaupt, und andererseits Grenzen der Zulässigkeit für den Jugendunterricht, ist im sprachlichen Ausdrucke durch insira bezeichnet, und dem entsprechend ist hernach 1341 j 32 — 1342rt28 zuerst die allgemeine Frage, dann von 1342a28 an npog ok Tiai^dav v.rh. die speziell pädagogische behandelt. Orelli's von Stahr in den Text aufgenommene Conjectur v.cd npog natoiäv lässt sich nur als ein Ausdruck für die Unhaltbarkeit des überliefer- ten Textes, aber nicht für eine leidlich wahrscheinliche Restitution desselben ansehen; denn dass dem im zweiten Gliede genannten Tcaiosio: nicht blos ncnoicc entgegengesetzt werden darf, darüber belehrt uns leicht ein Rückblick auf 1339 a 16 — 26 oder die Ver- gleichung mit der hier unmittelbar folgenden Untersuchung jener allgemeinen Frage, besonders 1341 b 36 — 41. Es wird also schwer- lich etwas anderes übrig bleiben, als die Worte y.ai npog naideiccv für eine Interpolation zu belrachten, zu welcher das häufige Vor- kommen dieser Worte in der vorliegenden Erörterung, so nament- lich soo'leich in der nächsten Zeile b 21, den Anlass gegeben hat, und sie mit Aretinus aus dem Texte zu entfernen i). Ist es gegründet, dass o-z-enriov in y.rl. den Nachsatz bildet zu ind oi Twv xrX. , so kann unmöglich diesem Hauptsätze ein zweiter begründender Vordersatz enretorj rriv [xiv ixovaiy.-hv angefügt sein; diese Satzbildung des von zwei Vordersätzen umgebenen Haupt- satzes wird man bei Aristoteles vergeblich suchen. Und selbst wenn man oy-enriov eri nicht als eigentlichen Nachsatz betrachtet, sondern ihm (unter Annahme einer Anakoluthie im Vorausgehenden) selb- ständige Stellung gibt, ist der Satz enstorj rhv y.-A. weder seinem Inhalte nach geeignet, die Begründung der vorausgehenden Ankün- digung eines neuen Tbeiles der Untersuchung abzugeben, noch würde diese Form, die Bogründimg durch inzi^ri nachträglich beizubringen, der Aristotelischen Schreibweise entsprechen. Mit ') Auch die Worte b 11 yj Tpi-ov osi zvti. sxspov können nicht wohl richtig sein. Was soU ToiTov bedeuten? Und aus {)y;jo|j.£v den entsprechenden Infinitiv zu 5si zu ergän- zen, ist, wenn aucli nicht unmöglicli, so doch selir h;\rt. Aristotclisi-Iiu Stiiilifii. ßo Ändci'iing eines einzigen Buchstabens und lieseitigung eines Puncies im Folgenden lässt sich das, wie icli denke. Ursprüngliche herstel- len: inet drj tyjv iJ.h — eupu^juiov, voiiiacivrig ouv — rzaiosiag, ty/V fji£v xrX. Mit vop-iaavTzg ovv beginnt der Nachsatz, und zwar so, dass das durch partiei[tiale Constrnction untergeordnete Glied in ähn- licher Weise, wie in den bisherigen Fällen das ersterc von den grammatisch coordinirten Gliedern (,ui.cv oGv), ablehnende Bedeutung hat: „Da bei der Musik zwei Factoren in Betracht kommen, Melo- die und Rliythmus, und ihre Bedeutung für sittliche Einwirkung niciit übesehen werden darf, so wollen wir, überzeugt, dass von älteren Fachmännern und Piiilosophen viel Treiriiches bereits hierüber bemerkt ist, für ein genaueres Eingehen in das Specielle auf jene verweisen und uns auf die allgemeinsten Umrisse beschränken". Den Schluss in dieser Kategorie von Sätzen mögen zwei Stellen aus der Meteorologie bilden, in welchen zur Setzung der richtioen Interpunction kaum eine ausführliche Begründung wird hlnzuzufügci sein. — Aristoteles will die Erscheinungen des Donners und Blitzes erklären; zunächst die Erklärung des Donners gibt er in folgenden Worlen Meteor, ß 9. 3G9 «12 — 29: uypäg Tf,g ds ^r^päg^ y,(xi Tf^g o'jy/.pi^jzojg kyyjrjr.g ä^aooj raOra ouva- i^ fjL£t x.ai GUViGra.iJ.ivr,g sig vsoog, uxjTkSp dpriTCti npozsooy , in os jruxvorspa? rrig a\>G7äas.oig rdJv ve^cZiv yi.yvoii.ivr,g Tcpog rd i'^yar&v Tzipag (r, yap ixldTTzi t6 ^£piJ.dv oiocxpivöyiivov dg töv ävco rö-&v, ra'jTYj ruxvori&av xai •^•j'/poripa^j dvayy.aXov sivai rnv auaTaaiv oio xat ot x.spauvot y.ai ci iy.vvjiia.i y.ui küvtcx. rd ToiaDra fiosroci y.äzoi. 20 xatTOc n-e^uxdrog ävw roO ^tpiir^O (pipsG^at. Tzcuvrog , d)X sig toüvocv- ziov rr,g -uxvdrv^rc^ a.vu'^y.a.VjV yiyvsG^ai zr,v h^h'^iv. ctov oi nupf,- ■veg Ol ix rciv öay.z'jAoi)^ -T/Ocövt^, • y.xi yäp zavza ßdpog ey^ovTOC wios- zcci -oAAÜy.ig ävw) • v; ;j.iv 0 0 v iy.y.pivo[i.i-\/rt ^spixözr^g eig zov ävoj 2ä oiaGKEipezcci z6kc>v ÖGr, 0' six-spO.aixßävszoci zr,g ^Yjpüg dva^vaiä- G^o^g iv zf, p.szaßo'/.ft •.^•j-/^o^£voy roO dipog, avzo Gxiviövzoiv z'Jy^ v£'j.c/jv ^xxpivETai, ßt'a 0£ (fspcikhr, xcci TzpoGniKrouGO. xoXg Tzsoisyoixvjotg vifSGi Tzoul -Ar/yriv, -hg 6 -^ö'fog y.aAsirai ßpovr-h. Bekker setzt a 19 vor rj'.d. a 24 vor r, uiv ojv, a 2ö vor iGr, r^ Puncte, ebenso Ideler, ohne sich über die Constrnction irgend zu erklären; die Didot'sehe Ausgabe weicht davon nur unerJieblich ab, indem auch sie vor r, ixh oOv einen Punet selzt, ;in den beiden siuii. ii. |.iiii.-iiibt. ci. XI. 11. Uli. I. iin. .. 66 B 0 II i t z andern Stellen nur ein Kolon. Es ist eben so einleuchlend, dass in solcher Interpunction ein Verzicht auf jede Construction enthalten ist, als dass sich nach der vorher von mir bezeichneten Interpunction der Satz sehr einfach gliedert. Das erste Glied des Vordersatzes T-nq ^äp — KfiOTzpov ruft die allgemeinen Sätze über die doppelte Qualität der Verdunstung und über die Wolkenbildung ((Tuvta-ccjis- vYjg £ig vifcg) in's Gedächtniss zurück; das zweite Glied stl di — -nipag setzt fest, dass die Wolken an ihrer oberen Seite eine dichtere, festere Rinde haben. In der erklärenden Parenthese wird diese Ansicht zunächst dadurch begründet, dass in Folge der Zer- streuung der Wärme nach oben der oberste Theil der Wolke kälter, also dichter werde, und sodann wird daraus beiläufig die Ursache abgeleitet, warum der Blitz, obgleich ihm nach seiner feurigen Natur die Bewegung nach aufwärts an sich zukommen M'ürde, den- noch nach abwärts gedrängt wird. Aus diesen Prämissen wird nun in dem mit >7 p.iv ovv beginnenden Nachsatze die Erklärung des Donners als Folgerung gezogen; in diesem Nachsatze selbst aber lehnt das erste Glied >j ixiv oGv nur ein zur Erklärung nicht führen- des Moment ab, und erst mit dem zweiten beginnt die eigentliche Folgerung: „Bei der vorher beschriebenen Beschaffenheit der Wolke und der grösseren Dichtigkeit ihrer oberen Rinde wird, während die ausgeschiedene Wärme sich in den oberen Raum zerstreut, der in der Wolke eingeschlossene Theil der trockenen Verdunstung bei einer durch Zunahme der Kälte eintretenden Zusammenziehung der Wolke mit Gewalt (und zwar durch die weniger dichte untere Grenze) herausgedrängt und bewirkt durch sein Anschlagen an andere Wolken den Schall, den wir Donner nennen". Die andere Stelle der Meteorologie gehört jener bei Aristoteles reichlich vertretenen Classe von Sätzen an , in welchen ein neuer Abschnitt durch Recapitulation des bisher auf dem betreffenden Ge- biete bereits Erörterten eröffnet wird. In dieser Weise beginnt das vierte Buch der Meteorologie o 1. 378 6 10 — 28: )0 inei oi. riTTOLpa üidjpiarai cclxia. tcöv axoiyj-ioiv ^ to'jtwv oi xard raj (jvCvylag y.ai rä arov/jXoL rizTUpa GVi).ßißrr/.sv eivai, <^v ra. fxsv dOo ;rotr;nxa, zö ^epp-ov y.a.1 to ^vy^pov , to. os oiio /ra^v^Ttxd , zö ^ripov y.ai z6 v-^pöv (yj oi. rdarig zoüzcf^v ix rr^f inayoj'^fig- foüvezai yäp iv jä Txäaiv Yi p.iv ^spixözY^g xal ^v/^pözY^g opiCovaui xat GvixfOovGdt xai ixEzaßdAAO'jfjai zv. G/j.oy£V/; v.o.\ rä /j.-^ iixo'^svri. y.al Oypaivovaai xai Aristo telisclie Studien. Öl ^Yipoüvo'jaaL x.ai ay.Art pO'^o-j aai /.ul /jLa/ärro'jaa'. , rd oi E;r,pä. y.ui u'/pä coi^öfxsvci xac zaWa zcc £ipr,ij.i\ia kü^Ti r.äayovra aOrä rt xa^'' aurv. xat o-T« xotva ii^ aa'jiotv göjixcctoc cuvsarvixev £~t o' £x röJv Hyojv 20 of/Xov, or^ öpiCöiit^a zag (pOosig aüröjv rö piiv 7äp ^£r>tj.dv xai TpuyjSÖv cog /":Qtr,Ttxd Xiyofxv^i) zo yäp n-jy/.pizr/.iy oiaKtp Tzovnz'.xoii zi £(7rtv, TÖ di vypov xat ^'vyoov ;ra^y;Ttxöv, rö '/äo sOöpt^rov xat o-j'ji- piazov röj näo'jij.vj zi Aiyszcii. zn'j 'j-'j'jiv avTwv) • orc [f.i'^ o-jv zd 23 /ji.£V rotr^rtxä rä di -a^v/Ttxa, favspov oio>piai}.iv(jiy ot zoiiz'jyj "XrjTtziov äv dr, zag kp^oculocg ociizöiv, alg ipydl^ovzcii zä -oirtzud, y.y.l züiv Tza^r^ziKÖjv zd s'io-/]. Die Bekker'sche Iiiterpunctioii, welche durch Puncle b 20 vor izi o\ b 2S vor ort p.iv ovv die Möglichkeit einer Construction auf- heht, ist in dem Meler'schen und im Didot'schen Texte beibehalten, obgleich Ideler in seinem Commentar angibt, dass ort /ulev oOv — ya- vspöv der Nachsatz zu dem mit £;ret begonnenen Vordersätze sei. Der dazwischen liegende Abschnitt r; oi niazig — zr,v (pvaiv a-jrwv charak- terisirt sich durch seinen Inhalt so kenntlich als erläuternde Paren- these, er hebt sich als recapitulirende Begründung des thätigen und leidenden Charakters, und zwar Begründung einmal auf dem Wege der Inductiori, dann auf begritriichem Wege so deutlich aus der Umgehung heraus, endlich der Umfang der Parenthese, zu dem wir gelangen, hat nach Aristotelischer Schreibweise so wenig Anstoss, dass man sich nicht bedenken darf, den grammatisch zu dem Vor- dersatze vollkommen stimmenden Nachsatz auch durch die Inter- punction als solchen zu bezeichnen. Grammatisch fängt dann der Nachsatz allerdings mit ozl (xtv o^rj an, aber die eigentliche Folge- rung ist erst in dem zweiten Gliede enthalten, das erste wiederholt nur, eine weitere Behandlung des Gegenstandes als unnöthig ableh- nend, einen Theil vom Inhalte des Vordersatzes: „Nachdem die vier Principicn der Elemente und die vier aus der Combination der Principien hervorgehenden Elemente behandelt sind, von welchen Principien zwei die Fähigkeit des Thuiis, die beiden andern die Fähigkeit des Leidens haben: so ist nunmehr, da dieser thätige und leidende Charakter der Principien klar vorliegt, auf die specielleren Arten der Wirksamkeit der thätigen Principien und auf die einzelnen Arten der leidenden Principien einzugehen". 08 B 0 ii i t /. 4. In den Abschnitten I, 3 und II, 3, a und ö wurden solche Perioden behandelt, in denen ein zweiter, dem ersten Vordersätze untergeordneter Vordersatz dem Nachsatze unmittelbar vorausgeht. Der sprachlichen Form nach diesen Sätzen gleich, aber im gram- matiscben und logischen Verhältnisse von ihnen wesentlich verschie- den sind diejenigen Fälle, in denen der Inhalt des Vordersatzes, insbesondere eines bedingenden oder begründenden Vordersatzes, nochmals durch einen Vordersatz derselben Art kurz recapitulirt wird; in der Natur der Recapituhition liegt es schon begründet, dass der den zweiten Vordersatz einleitenden Conjunction sj, knei eine die Wiederaufnahme des Gedankens andeutende Partikel, z. B. ouv, TOtvuv, o-h hinzugefügt wird. Man kann als ein einfaches Beispiel, in welchem schon die Bekker'sche Ausgabe diese Satzform anerkennt, betrachten Phys. ^ 5. 2S6 a 13—21: d oh dvä'/xv/ Kay zo xtvoOucvov vt:6 rivog tö xivslfj^oci Kai ri IS VKÖ xivo'jixivov vn' ällou r, fx-h , y.ui si p.i'j •jtz'' ällov xjvou/ji.£vou, a.\iüyxr] ti dvoci yuvovv o ou'^ •jk'' ällou npöJTOv, si ok toio'jto to npd- Tov, ovy. avdyxvj ää.rz^O'j (a^uvarov "ydp dg äneipov iivai tö y.ivovv xai [rö] -/.ivoOixsvQV vn' äXXov auTO' zöiv yäp dmipcxiv ovx eariv 0'jdi.v 20 TTpcöTOv) • ti oxjv OLKOLv \),iv xii v.iv O'j \}.zv ov itKO zivog y,ivsXza.i^ zo OS Tzpüjzov y.ivovv yuvsXzat yAv ^ ou'^ vk' ä/Aou os, a.vä.'jv.t] ccvzo •jü' aitzo~j ydvv.o^a.1. Durch d ouv — iin äXkov oi wird das im vorhergehenden Vor- dersätze Dargelegte kürzer recapitulirt, so dass dadurch der Zusam- menhang der Folgerung mit der Voraussetzung sich evidenter her- ausstellt (die durch den Sinn gebotene Entfernung des zo vor xivov\),tvov 6 18 aus dem Texte ist auf Grund der besten Handscbrift schon von Prantl vorgenommen). — Andere Beispiele von Perioden dieser Form, welche schon die Bekker'sche Ausgabe in ihrer Zusam- mengehörigkeit zu einem einheitlichen Ganzen aufzeigt, findet man Anal. post. a 24. 83 u 31 — h 3 und, mit or, statt olv in dem recapitulirenden Vordersatze, 8S a 21 — 31. Die gleiche Satzform habe ich in den Obs. ad Ar. Mor, M. p. 14, o-e"-enüber der den Zusammenhang verdeckenden Bekker'schen Inter- punction, für Mor. M a 23. 1191 6 30^36 nachgewiesen: 30 intio-h 7«^ iaziv öp'^ilog 6 Kccvzi y.ai Ttävzuig aoci i.m nkdov io^.itö\kzvog^ xoü ^SKZög di 6 zoiovzog- ovze yäp Tcavzi dei opyii^ea^oii o"jz^ i~'- r.ö'.aiv ovzt Travrojc y,y.l dst, o-jo' av r.äliv gutojc i'/tiv ozX Arisliileli^flie Stiulici G9 £;r£t TOtvuv xai 6 y.ara. zy,v vn£pßoAr,\i ^sy.Tdg v.cd i Y.y.-y. Tf^J I'kkv.- 35 ti>tv, & iJ.i'Jog «y to-jtojv ic'y; xa'. ;roäog xai sTracvcTÖc. Man wird zmiiiehst versucht sein, das mit oürs '/ccp beginnende Satzglied als ausführende Erläuterung zu -^sy.rog ö to'.oöto? in Paren- thesen zu schliessen; dies ist aber nicht zulässig, da von der blossen Erläuterung sofort der Übergang zu der lliiizurüguMg des Gegen- satzes gemacht wird. Gerade der Tmstand, dass die gleiche Ver- werflichkeit der beiden Extreme in dem Vordersatze nichl präcis genug einander gegenübergestellt ist, mag der Anlass zu der kurzen recapilulirenden Zusammenfassung sein. An andern Stellen ist aller- dings die Ausführlichkeit einer erläuternden Parenthese der Anlass zur Recapitulatiiin des Vordersalzes, so Top. 5 5. 159 a 25—37 = i-si o' i'jriii doiöoiira zoTg yviivciGiag xat -eipag i-jv/.y. rov^ 23 "köyo'jg T:o'.o'JiJ.vjoig (o'J yxp oi aCroi av.or.ol rolq didüay.ovaiv r, [kav- 5dvou(7i xai -zoXg d^aivi^oii-ivoig, ovoi roO-oig rs y.ai zolg oia.zpißo'jai IXSt' dAlriXojv (jy.i'^£(jig X^f'-v • tw ij.Iv ydp fxav^-dvovrt ^'srsov dii zd do'/.ovvzcc, y.cct "/dp ovo' iü'.ysipsl '■ptvdog avBdg ö'todcx.itv zQv o' äyoj- so vK^opiivoüv Tov ^.rv ip(j}zü)vza (ßp.S'j si-zXv. Der Vordersiitz „da für solche Discussionen, welche zur L'buug lind zur Erforschung des Gegenstandes angestellt werden, metho- dische Regeln bisher nicht aufgestellt sind'', findet seine Erläuterung in der Parenthese, durch welche dieser Zweck des Gespräches von dem der Belehrung sowohl als dem des sophistischen Wettkainpfes unterschieden und auf die Nolhwendigkeit verschiedener Methode für die verschiedenen Zwecke hingewiesen wird. Die Ausführüch- keit dieser Erläuterung gibt den Anlass, dass der Schriftsteller durch STrsi oDv — d'/JM^ den Vordersatz erst recapitulirt, ehe er die Folgerung ausspricht, dass er selbst zuerst diesen Gegenstand zu erörtern unternehmen wolle. Die Interpunction ßekker's, der n 28 nach y^dpiy . a 32 nach Kd.T/v.v , a 36 vor £;r£i o-Üv Puncte setzt, ist von Waitz beibelialten und dazu im Cjmmentar bemerkt: „Ora'ionis 70 |{ u II i i z anacoluthi apodosin habemus « 37". Aber zur Annahme einer Ana- kohithie liegt noch kein Anlass vor; der Umfang der Parenthese hat für Leser des Aristoteles nichts auffallendes, und nirgends findet sich im Inhalte oder in der Form des Ausdruckes eine Andeutung davon, dass die Abhängigkeit von dem das Ganze einleitenden Vor- dersatze in Vergessenheit gerathen sei. In andern Fällen ist es nicht die Unterbrechung des Gedanken- ganges durch Erläuterungen, sondern die lange Reihe einzelner Glieder des Vordersatzes, welche zu recapitulirender Zusammen- fassung den Anlass gibt. Dies ist der Fall Eth. Nie. a 6. 1098 a 7—17: £'. o' E'jziv epyov a.y3-pd>7:ov •'pv/ßg iyipyeicc xarä löyov rj p,-?! äv£'j /öyo'j, TÖ o' aürö oa^xiv ipyov slvai tw yhsi TOOdt y.oci toüos 10 riTzovocciov, oj'jTzsp '/.o.B'txpiarov Kxi dKOVodLO-j ■/.a^a.piGTOü ■/.a.i dnlöig orj toüt' skI Txdyrtüv 7tpoa'zi^ti)Avr,g rng xar' dpirrtv •jmpoyjtg Jipog ro epyov (y.oi^apiarov p.£v yäp rö -/.ci^apiilsiv ^ ar:ovdaiou os tö £-j) • ii o'oGrcog', dv^pdiTcou ok ri^sfxsv ipyov ^cüv;v Ttva, ravrvjv oi 'pv/i^g ivipyc'.ccv y.7.i rzpä^sig p.cTä Aoyov, aTzovoaiou o' dvopög £Ü lä rcivrci '/.ci y.c/j/jjg^ sV.aar&v o' £j /carä ryjv oiy.siav aptzr-jv dnoTslsl- xcLf si o'oO'to), rö äv^-pwnrtvov dya^ov ipw/ftg hip'^tia ylvsTOCt y.OiT' dpsTTtV, zi dz Tclslo'jg c/l dpizai, y.c/.zd ~r,v dpiarrjv y.al xtUi''j- rdrr,v. Die Interpunction der Bekker'schen Ausgabe, von der ich nur in unerheblichen Puncten zum Zwecke grösserer Deutlichkeit abge- gangen bin, bezeichnet bereits richtig rö äv^|swr:'.vc/V dycc^ov -pv/fig ivipyeiv. ybirai x.ar' dptzov'ah Nachsatz, Zell in seinem Commentar p. 37 spricht dies noch ausdrücklich aus. Ist dies aber der Fall, und eine andere Construction ist nicht denkbar, so bildet si q' o6'rw an der zweiten Stelle a lö eine Recapitulation der gesammten einzelnen Glieder des Vordersatzes, während dagegen das vorhergehende si o' 0-0-0} g a 12 den Fortschritt zu wenigstens theilweise neuen Glie- dern des Vordersatzes bahnt. Dass nun in der Recapitulation ^,wenn dem nun so ist", „wenn das also sich so verhält" der aus dem Vordersatze wiederholten hypothetischen Conjunction et die Par- tikel oi beigefügt werde, halte ich für unmöglich, wir erwarten nach allgemeinem Spracbgebrauche und ebenso nach den Aristotelischen Beispielen ovv (wie in den bisher behandelten Beispielen und de Coel ß 6. 289 « 1 v. ojv rovr' aXvy^sc), riivjv oder or;, wie sich dies Aiistolelisclie Sludien. i 1 letztere z. B. in dem fnihep (S. 50) besprochenen Satze findet Eth. Nie. 7 7. 1114 6 12 si oh TU-jr" i'j-iv aAr/^n. Es scheint mir unz\veifelh;>ft, dass ebenso in der vorliegenden Stelle unmittelbar vor dem Nachsätze vielmehr d d-n oütw gesehriehen war. Der eigentlichen Recapitnlatiun sehr nahe steht es, wenn eine vorher in bestimmter Modalität ausgesprochene Bedingung, z. B. der der Möglichkeit oder der Nothwendigkeit, unmittelbar vor der im Nachsatze ausgesprochenen Folgerung in anderer Modalität, z. B der der Wirklichkeit, wiederholt wird (wiewohl es ebenso zulässig ist, diese Fälle der oben unter II, 3, « behandelten Classe einzu- reihen). Hierher gehört der in der Bekker^schen Ausgabe richtig interpungirte Satz de pari. an. /3 16. 6S9 « 15—23: £/T£i o' äo-Jvarov -^v cfvat röv tj/j/crfiOa rotoOrov ix-'n ,ij(.aÄay.öv ovra '^ Acc^tvj T/;v 3-joa3-£v rpo'^rjv, y.a.^ä.TCz.p faai rd. y.ipxTCc rois ök'.g^o- vö/Jioib |3o-j7iv • x.at ydp iy.sivovg viu.S'i^oii oo-niv •j-oyyipo'jvrcf.g nd'/d'-^ 20 i-u7v;oöv), Ondp^ocvrog o-jv toio'jto'j tov ^'jy.Tftpog , r, oiiaiq KCK.p'T.y.a.-cf.y pr,ra.i. ^ y.a^dr.tp zioi^vj ^ ir.i t:\v.ovx toI? aurocg /xootot?, ävrt -ftq röjv Ttpon^'.uyj -orjörj yotlaq. Die in dem Vordersätze i~tl 0 dd-jvoc-ov xrÄ. als nothwendig erforderlich bezeichnete Eigenschaft des Rüssels wird in dem reca- pitulirenden Satze •jT:dp^c(.vzog oOv als wirklich vorhanden bezeich- net, und darauf der Nachsatz r^ .vr,~r,\y.i röv ryjpaviv (JjiaKBp ydp ovos ßccdiod'. o'jos x'.^a- piaai ev örqjo'jv /pövw ouvaröv, dlV ixa^rv;? iari npd^eojg (lipia\),ivog Q ekdy.OTog ypövog xarä rd ij.n unspßdAAsi-j . O'j~o)g ouoi xtv/j-^f/vat Tov oüpavöv iv öroJoOv ypövü ouvarov) • et oOv roOr' äXr/3-ig', « oiix. av ei'rj äct iTTirafji, r^g (oopäc^ £t 0£ ^y; s/ttra^'-g, oöo' ävs-itg xrX. Die in dem Vordersatze s'i zig Adßoi als eine blosse Annahme ausgesprochene Bedingung wird dann in Folge der in der Parenthese enthaltenen inductiven Begründung als thatsächliche Wahrheit reca- pitulirt und hieran die Folgerung geknüpft. Die Interpunction Bek- ker's, der b 31 nach cJoavdv ein Kolon, tt I vor zi oOv einen Punct setzt, ist von PraiiU in der so eben bezeichneten Weise berichtigt; nur setzt Priintl vor si ojv einen Strich — als Interpunclion, wozu keinerlei Anhiss ist, -da von dem Abbrechen einer begonnenen Con- struction oder einer Anakoluthie, als deren Zeichen wir doch jenen Sirich betrachten müssten, hier nichts zu finden ist. III. Diiss ein Nachsatz im eigentlichen grammatischen Sinne durch w7r£ eingeführt werde, muss an sich unglaublich erscheinen, mag man nun auf die Form dieser Partikel oder mag man auf ihren fest- stehenden Gebrauch Rücksicht nehmen. Die relative Form dieser Conjiinclion steht im Widerspruche zu der selbständigen Stellung des Nachsatzes, und nach dem feststehenden griechischen Sprach- gebrauche wird durch ojars zu einem selbständigen Satze eine Fol- gerung in abhängiger Form hinzugefügt, während der Nachsatz die Fdlgerung in selbständiger Form zu einem ihm untergeordneten abhängigen Satze ausspricht. Wo daher dasjenige Satzglied, welches zu den vorher in abhängiger Form ausgesprochenen Voraussetzun- gen oder Begründungen die Folgerung enthält, durch ätars einge- leitet ist, liegt die Vermuthung nahe, dass eine Anakoluthie statt- finde. Wenn wir z. B. bei Xenophoii lesen Hellen. Yll, 5, 18 dvd'^f/.rj i(70izo dniivxi oiä tq i.triy.v.v rr, arpcuTzia. töv -^pövov , ££ de ■/.oltoCaei-^oi ip-hfxovg oig -hl-^t aOixixuyog , i/.sTvoi Ttohopxriaoivro vtzo T'jjv ävTt;ra/a)v, avzog oi rr, iaurov oder/ ~(xvrä.Ka.aiv iooiro Izko- ixaGpJvog^ rjTzrjij.£vog pAv iv Aocx.soacfj.ovi oxjv jto/./o) 6;:)aT£xw vn'' oXi- 7WV, riTzriijAvog oi iv Mavrivsia iKKOixayiq.. aiziog oi "^tysyr^ixivog , oia. zr,v dg IIcAoTrövvr/aov azpazziav zryj rj'jvzozävai Aay.cdcciixovioug y.ui 'Aoxdoag y,cd ' Ayjxioug y.ai 'Hlsiovg y.cci 'A3-v>vato'j?' ooazs oux sooy.ei avzüi ovvazov dvai d\},o.yzl Kccpik^ilv^ loyii^oiJ.ivfii ozi si fxev vt/CWV/ y.zl. so ist offenbar über die lange Auseinandersetzung der Überlegungen des Epaminondas in Vergessenheit gekommen, dass dieselben in grammatisch untergeordneter Form eingeführt waren; es wird so fort- gefahren, wie wenn im Vorigen in selbständiger Form ausgesprochen ArisloU*li>plio Stiiilii'ii. 73 wäre ö o' av 'Era/;.£tvojvoa? lvc3-ufj.£rT0 x.r/,. Unter den gleichen Gesiclilspunct fallen wahrscheinlich alle Stellen griechischer Schrift- steller, von Aristoteles ahgesehen, die sieh etwa für einen derartigen Gehranch beibringen lassen. Ich wüsste deren übrigens, obgleich ich (laranf geaclit«'t liabe, nicht beizubringen. Mail wird daher auch bei Aristoteles zunächst geneigt sein, in denjenigen Fällen, in denen ihis Satzglied, welches zu einer vorher in gramnialiscli nntergeonlnoter Form bezeichneten Vorausseizung (liier Hegründung die Folgerung enthält, durch W7r£ eingeführt wird, eine Anakoluthie in der Weise des eben behandelten Xeno- Ithontischen Sat/es anzunehnien. Und allerdings fügen sich einige Stellen sehr leicht dieser Auffassung. So Eth. Nie r, lo. lIo4 H 22—26: QO'jg (-oyro "/äp a'j\t.^cC/X-zo!.'. -pög r/jv TziaTiv örav yccp sOloyov (pav^ t6 oix t'i OOLKVITVX dlrj^ig oi3/C ov dArt^ig, KKjzsOeiv -oiil tw dlr^^ci 2:» fxäXXov) • W7T- Asy.riov O'.d zi 'j/atvovTÄ'. a>. o'JiiJ.aTi.y.al r,oo'JCf.l a>.':>tz'J}7Soa'.. ich habe zunächst die von Zell und Cardwell gesetzten, dem Inhalte und der Aristotelischen Schreibweise vollkommen ent- spreclienden Parenthesen beibebalteu; indem man sich dieser Inter- [»nnction gemäss die begründende Ausführung zovzo ydp — fxä/Xov ans dem Conslructionsgange herausgehoben denken soll, so hat es etwas höchst Aufl'allendes, dass an den Vordersatz ir.ii 0 o-j fxövov 0£i Tdlr,^iq iiizElv d/ld ■/.al rö «c't'.ov tgv ^svdovg unmittelbar als Nachsatz man die Folgerung soll angeschlossen denken cogts Iv/.riov. Anders dagegen lässt sich die Sache in granunatischer Hinsicht auf- fassen, wenn man, wie es in der Bekker'schen und Didot'schcn Aus- gabe geschehen ist, die Zeichen der Paienthese weglässt. Man kann dann voraussetzen, dass durch die erläuternde Ausführung die abhän- gige P'orm, in welcher begonnen wurde, £-£c o£ o£f, in Vergessen- lieit gerathen sei, und nicht eigentlich an dieses Satzglied, sondern vielmehr an rovro yao GviißdAAs-ai. r.pog niaziv jenes oj^ri ÄJ/ctcOv t'wh anschliesse. Ähnlich de an. 7 9. 432 b 21—26: £( sGv r, ^•'j'ji.q p-'^rs r.O'.Ei [xdzr.y ixr,^h ixr,rs d~olt'.r.v. rt rwv ccva'/x.aiüjv, ;:Äy;v £v zolg ür,p6i[Ka.'j'. v.y.\ £v roTc är£Ä£5tv • r« oi zrj'.oSjzy. rör^ t'jyjyj ri/.v.y. v.yj. o-j -r.'yjvi.v-y. i-^rcv • 'jr,u.iVyj 0 or: £77'. - 1 I t ' 74 B o n i t z Auch in diesem Falle ist die Annahme recht wohl zulässig, dass in Folge des begründenden Gliedes ar,\).z\ov o — 'f^iovj die gram- matische Unterordnung aucli des zweiten Theiles des Vordersatzes za. Ol TOi.'.6Tt •/.iVcTa^cci. iJ.r, d'jvajuicvoj 0' a£c y.y.l Tjvv/ßig Y.iv£laJa.i. |j.£c' v^oovr/g 20 a.variy,a.VjV tlvui y.al diwiliixo-^., roj 0' vKvtxi q'.' a-jzrrj 7r,v yj/rj^ziav Tzpoaäirzovy'. zr^j ixsTCifopä^^ ra,it-r,'j ojg dvancc-jasi o'jt'. ■ cii or s c7co- T-npiag svsy.ci rdüv tojojv ÖKdpyy. Der ganze Satz gehört derjenigen Form an, welche oben I, 3 und II, 3, a behandelt ist, und der Gedankengang würde in Kürze gefasst dieser sein: ^,Indem es vier Arten von Ursachen gibt, so würde sich zunächst, da wir der Natur Zweckthätigkeit zuschreiben, und ein Wesen, das der Bewegung fähig, doch durch continuirliche Bewegung ermüdet wird, des Ausruhens bedarf, ergeben, dass der Schlaf zur Erhaltung derThiere dient". Dem ersten durch i~el ein- geleiteten Vordersatze ist ein zweiter, mit dem Nachsatze unmittel- bar verbundener V^ordersafz e-sid-rj — ovrt untergeordnet, von dessen drei Gliedern (Zweckthätigkeit der Natur rf/v fOarj — dyoc^ov ri^ Unentbehrlichkeit des Ausruhens rr,v 0' — wcsi/tf^-ov, sprachlicher Ausdruck für den Schlaf tw 0 — övr^) die ersten beiden von Aiyjixsv abhängig sind, das drifte aber nicht mehr. Man kann annehmen, dass durch diese Änderung in der Construction das letzte Glied tu d'uTrvw — i'vTt den Schein selbständiger Stellung erhalten und dies zusammen mit der Ausdehnung des gesammten Vordersatzes die untergeordnete Stellung desselben in Vergessenheit gebracht habe und in Folge davon der Satz, der dem Inhalte nach der Nachsatz ist, W7T£ — vnäp'/Ei, wie an einen selbständigen Satz angeschlossen sei. In ähnlicher Weise ist es noch in manchen anderen Fällen mög- lich, die Setzung von o3c;r£ im Nüchsalze mit dem sonst constatirten AriülotulisL'he SUiiIieii. lÖ Gebrauche dieser Conjunction eiiiigermassen in Einklang zu bringen. Aber man reicht für die Aristotelische Schreibweise mit diesem Ver- fahren einer rechtfertigenden Erklärung nicht aus; es findet sich w<77c auch zur Einführung derjenigen Sätze, die ihrem Inhalte nach imzweilelhaft den Nachsatz bilden, in solchen Fällen, wo der Vor- dersatz, wenn er auch in der IJegel nicht blos eingliedrig ist, doch weder durch seinen Umfang noch durch Änderungen im sprachlichen Ausdrucke die Annahme rechtfertigen kann, dass das Bewusstsein der grammatischen Abhängigkeit vordunkelt sei. Man betrachte in dieser Hinsicht Stellen wie Met. i 4. lOoä a 22—23: ro-Jrcov oi övrojv oavspov otl O'jy. Ivot/j-rai ivl zAeioj havrlcx. tlva.1' c-jTc yäo ro'j i-^ydro-j i'j'/aröjrspo'j v/n äv rt , o-jzz toO i'vog OiaarrilJ.arog Tzlsi'ji ovoly sV/scra. oAojg tb si eiri-j r, ivavriÖTr;? d'.a- oooä, r, Ol oiaoapä duolv, wari y.xi r, ziAsiog. Phys. C 1- 232 rt 12 — 14: si oCv a.vä.Y'^-n r, ripsixtu r, Y.'.vzlcj^ai -äv, r,pz^Ei oz xa3-' iy.oi.oT'jv rcöv ABF, war' t'^rai ri a-jw/jj^g Phys. £ 2. 220 a 1—4 (vgl. Met. x. 12. 1068 a 2Q-b 2): oio-, d r, öirJSr, '/iviaig kyr^szö tzozs', -/.xl rd y'.vöaivov eyfvero, utar' o-j7zoi 70'j-' tji.-ji7Ö 7:or£, co(Jt' oJx. v> JToj 7Ör£ ytvö/jLsvov. (über die Textesänderungen in diesem Satze vergl. Arist. Studien I, S. 21S.) Nach Beispielen dieser Art wird man es wohl aufgeben müssen, den Gebrauch von oüars im Nachsatze bei Aristoteles überall auf eine an dem speclellen Falle noch nachweisbare Anakoluthie zurückzu- führen, wie dies Zell zu beabsichtigen scheint in seiner Anmerkung zu Eth. Nie. VII, 14, 3, p. 324 (wo übrigens Phys. 7 4. 203 a 32 mit Unrecht diesen Fällen eingerechnet wird, da als Nachsatz schon n 30 xat x'.va dp-^nv otl zhai zu betrachten ist). Man wird vielmehr anerkennen müssen, dass Anakoluthien der vorher dargelegten Art zwar wohl den Ausgangspunct, aber keineswegs die Grenze des thatsächlichen Gebrauches bei Aristoteles bezeiciinen, dass sich vielmehr cüjt; von ihm in einer eigenthümliclien , sprachlich unge- nauen Weise in solchen Fällen des Nachsatzes angewendet findet, in welchen sonst überall bei griechischen Schriftstellern keine Partikel, oder or, und ä^s«, selbst kaum ojv angewendet würde. Wenn Tren- delenburg zu der vorher aus der Psychologie angeführten Stelle 7 9, 431 b 21 — 26, indem er das mit 0J77J beginnende Glied als Nachsatz 4 G B o 11 i t z bezeichnet, hinzufügt: „Sed apodosin a particula wurs (i(aque) cxoriri, rariiis videtur", so ist durch diese Bemerkung in solcher Allgemeinheit für den sonstigen griechisclien Sprachgebrauch mehr zugegeben, als sich wird constatiren lassen, für die Aristotelische Sehreibweise dagegen weniger anerkannt, als thatsächlich vorliegt. Die Fälle, in denen schon die bisherigen Ausgaben und speciell die nekker'scbc, die sonst im Setzen von abschliessenden Puncten bei Aristoteles keineswegs zurückhaltend ist, durch ihre Interpunction das mit ai^-c beginnende Satzglied als Nachsatz anerkennen und der Gedankeninhalt eine andere Annahme gar nicht zulässt, sind keines- wegs an Zahl unerheblich. Zu den bereits angeführten kommen nämlich noch folgende: Phys. C 2. 233 i T — 11: an o' si [j/r, -äv ij.i'jt^og vj düsioui yj^öyrxi 0££t(j'.v, dx/' ivot/_£7a.i zt v.y.l iv ~.zr.z^Cf.i\i.ivt^ ^teX^cfv , rAov 10 rö BE, Toöro Oc y.O(.TC(.iiSTpri(j£'. zo r.ö.v ^ r.y.l zi laov iv i'(7w oiti- atv, öjizt KSKSpocauhog iozc/j. v,ol\ i ypivog. (Die an sich nicht unwahrscheinliche Vennutliung Prantrs, d;iss dieser Satz eine Interpolation sei, vielleicht aus einer anderen Foim der Bearbeitung desselben Gegensland(>s, kommt für die Frage der Constructinn nicht in Betracht.) Met. C 10. 103Ö ö 14— 20: kr.ü ok n zr^v Cywv '^-j'/j, (zoiiro 13 yäp ouaia. zov iij.-^-jyov^ r, xazv. zöm /öyov o-j'jioc y.ccl zci sioog y.ai zo zi ■hv etvat tw zoitüoe Gt^ixazi (Jy.o!.azov yovv zo (J-ipog säv öpi.t'^tzai xci^Qg, o-jy. äveu 70V ipy'ou opuTzai^ o ovy itTzäp^zi avrj OLiG^riaioig^ • wäre za zcdizr^q [xipri npizzpa.^ r, tzö.vzol v? £vta, roö ctvvö/ou C^ov ^ xoü y.a^' sxaarov o/j oixoioig. Vergl. meine Obs. ad Met. p. 32. Met. fjL 7. 1081 a 29 — 35: izt i^Ti'.ov/ iazi TtptLzov /jlsv a-jzo z6 30 c'v, STZstza TöiV a/JMV tGz'i ZI r.pwzov VJ osOzzpov 0£ juisr' ixslvo, xat Tzd'/dv zp'i.zo'j zo OE-jzspoM |JL£y iXzzä zo ov'jzcpov zplzov 0£ (JiSZa. TÖ TzpGizov £v clioTc Tzpözzpa.1 av £r£v at i).oväotg -n oi dpt^ixoi k^ ojv Tzliy.ovza.'.. oTov iv rvj oudot zpizrj jxovd? srjzai nplv zcc zpicc eivoci^ y.ai £v zf, zpiäoi zzzdpzr, y.cd v^ r.i\i,Kzr, r.plv zoug dpi3ixovg TO-jzovg. Vergl. Obs. ad Met. p. 23. Anal. [tost. a. 2ö. 86 b 30—37: l'-t £t apy/i aulXoyi^yixov v y-Ci^olov r.pözoLüig ä/Ji£(70?, i'jzi o iv [xiv zri öfitxrjx-^ xaraijjartxyj £v dl zTi artprtzixrt dnofjxxzv/.r, r, y.a^öAov r.pözuaig ^ r, dz y.Ci7CC(pcx.ziy,r] zfig dKOfCiziy.fig -pozipa y.ai "^jvjipiix'jizipa (oia ydp tyjv y.azd(faaiv v? 3s ä,-:ö'j>Ä'7!C yvöip'.fj.og ^ y.ai -pozipa r, y.azd'^aiig ^ oj'yKsp y.ai zo zlvci Arislolclifii'lu' Sliidioii. ^ t TO'j jL/.r/ zivat')- ojfj Tz ßsXrioiv r, dpyjt rng oeuvu-ng r, Tr,g 'jrzpr,- zi.Y.r.g- r, dt ßz/sioGCj ctpyaig ypojixtjr, ßsAriojv. An der Iiiterpunctioii der Bekker'schcn und Waitz'sehen Aiisg;il)e hübe ich nur die Ände- rung getroffen, dass ich zur Erleichterung des Überhlickes der ganzen Periode die Erklärung did ydp — ij.'n ev^cc. in Paientheseu geschlossen habe. — Zu dieser Stelle kann man sogleich eine kurz vorhergehende liinzufiigen Anal. post. a 24. 86 a 10 — 12, wenn man im Anfange derselben mit \\i\i\7. nacli der Überlieferung der besten Handschriften eti st schreibt, nicht blos eri mit Bekker. Der Satz lautet dann: ezi ei aiperojripa xao-' vjv zoüto y.ai ä?.Äo ri y.ay r,y TO'jTO [xovov oidsv 6 OS. TTiV xci^ölov iy'jiv OLQS Y.a''. zb xarä ixioog^ o-jTog oi 70 y.a^ÖKO'j ovx oio-y 'JJ77e y.äv oüzojc aioszoizioa. vn. 1 4 ' Zwei Stcllon der Poetik sind zw'ar in dem Hekker'schen Texte, selbst noch im neuesten Abdrucke, in einer die Construction zer- reissenden Weise interpungirt, doch die richtige Zusammenfassung in eine einheitliche Periode ist schon von Victoriiis, von Hiccobonus in der lateinischen Übersetzung und neuerdings von Bursian (Jahn- sche Jahrb. Bd. 79, S. 7ö4) bezeichnet; es genügt daher, ohne weitere Begründung, blos durch die Interpunction ihie Gliederung anzugeben : Poet. 7. 1400 6 34 — 1451 «6: iz>. ö' irzd zi y.ulov y.a.i Cyov y.ai ärav -päyixa ö 7-jv£C7Tv;x.£v ix t'.vojv, o-j ij.övov zoi-jza zszocytxha 33 osreystv, aAAa y.y.1 ij.iye^og vndpyjcj [j/r, zi z-jyöv (tö yao xa/öv iv ixiyi^ei xat zdc^ei iizi, 016 o-jzs T:dtj.ixi-/.poy äv zt yivoizo xa?>öv ^ü)o\), au'^iyclzce.i -/y.p r, ^vjipia. iyyvg zov dvaic^rtzo'j ['//iövo-j] yivoixivn^ ovzs 7ra/x|j.c'7£^ij, ov yäp äiJ.oc y/ ^soipicc yivszai, a/X oryjzoii zoig n ^eoipoüai z6 sv y.ai z6 oAov ix zr,g ^-ojpiag ^ olov si ix-jpirjj-j azahioyj zir, (^wov)' w(77£ otl y.a^är.zp irzi zw act>,aärwv xat ir.i rwv twoüv £j(£'.v /x£v iiiyz^og^ zoüto os sOovvokzov sivai, (j-jzoi xai ir.i z'Jyj i ixu^üiv lytiv [xh [xf/Aog , zoüzo d' £-JjjLvv:/;.6v£urov sivai. Üher die Athelese von ypö'^o-j vergl. Arist. Stud. I, S. 276. Poet. 9. 1452 a 1 — 11 : £;:£t oi o-j /jlövov ZzAsiag iazi r.oäizoig ri ixii^r/Gig äAAcc xai foßspöJM y.ai iXsttvcDv, zwjzx oi yiyezai paAiaza GTav yivrtzai ~apd rr/v oöcav, y.ai \xaAAr,v örav ot' aucnAa (rö ydo ^aypiaaröv oi/rwg £^£t |jLäÄÄov r, zl d-6 zx-jzoixdzov y.ai zr,g z-jyr^g^ : iml xai zöjv aKÖ zityrtg raOza ^avixaoiöjzaza ooxzl iia. d'jTXzO ir.i- TTtdeg yaiverat ysyovivai.^ olo)/ ojc 6 dv^pidg 6 zoO Mizvcg ev "Acyst a~£xr£ivi rdv ai'r'.ov roO 3"aväro"j roj AFirvt . ^iwooOvr'. i~i.Kz'j'Jyj ' 10 78 15 o n i t z TOioiiroug slvai y.oUJj.O'jg julv^ou?. Aus Schriften der Aristotelischen Sammlung, die M-ahrsehein- lich oder gewiss nicht von Aristoteles, sondern aus der Aristoteli- schen Schule herrühren, mögen folgende, schon in der Bekker'schen Ausgahe anerkannten Fälle erwähnt werden: de insecab. 971 b 27 — 31: d ixkv ouv tö Ifs^f/g a.K-zi'j^a.i dvccYx.-/:, i aCrog iVr«'. /öyog- zi ot ivoiy^erai ife^rig ri dvai [U) äTTTÖasvov, t6 §s o-jvv/ig ovovj ällo Aiyoixsv rj tö el" wv sGTiv änroixivjiv , (hnzt y.ai ovTOjg dvdyy.-n rdg arr/ixag v.T:Tza^C(.i aX/ry/ojv r, zho:i ypaij.u.rj'n < fj-V/ > cruvsyrj. Das von mir in der letzten Zeile hinzugefügte p/n ist durch den Sinn gefordert; die Abhandlung TTsoi dröuojv yGap-p-öJv bedarf ähnlicher, mit massigen Mitteln herzu- stellender Emendationen noch an zahlreichen Stellen. Probl. •// 18. 889 a 4 — 9: et oOv rö op-oiov vnö rov 6ii.oio'j dna- ^£g, TÖ OB ^cpfJLÖv Tov pijöivzog ci'jco G-Jvi'jzazai. y.ai (7'JV£p)^cTa'., tö 0£ öyrjdv y.cTa.lv.Tiizai. y.y.i tö -^-jy^piv^ tö oi IvavTtov roO havTiov ^3-apTtxöv oiGrs idv /xsv y\i(/.vjrt ^ y,a.zd \).iy.p6'j i^Jpyjrai tö ^£pp.öv y.y.1 h~zoy rzovsi, £äv öi ij/n dvcx-'/lidv^^ npocdyei [käWov. Mor. M. ]3 7. 1205 b 2, — 8: ö'tj y' dai ^aöAat >^oovat, ; y;ot- •TTOv, ty; 7c 'j>y.Q:rt 'yOGn (pa-jArj -qoryjr,. An dem ßekker'schen Texte, den in diesem Falle die Didot'sche Ausgabe unverändert beibehalten hat, habe ich nur die beiden Änderungen vorgenommen, deren Rich- tigkeit kaum in Zweifel kann gezogen werden, dass ich nämlich b 7 TYjv a-j~ov für TT/V aÜTotJ geschrieben und b 8 das Komma nach Ytoioro^j^ nicht nach y'j7£t gesetzt habe. Wenn Bekker vor cü7T£ ein blosses Komma setzt, so kann dadurch gemeint sein, dass der Folge- satz unmittelbar an das zunächst vorausgehende Satzglied r, ot r^oo^rn — avTO-j sich anschliesse und darin die Setzung von w7T£ ihre Erklärung linde, was mit den vorher über den Ursprung dieses Ge- brauches von W!7T£ ausgesprochenen Ansichten im Einklänge stehen würde; dennoch habe ich es unterlassen, hierin Bekker zu folgen, da CS sich doch, wie die bisherigen Beispiele schon werden gezeigt Arislolfli.selie Slmlieu. 79 haben, nicht consequent durchführen lässf, in solcher Weise durch die Interpunction auf den Anlass des Gehrauches von w^ri hinweisen zu wollen. Mor. M. ß 11. 1211 n 17—25: l-ti 'T oOv o>ä),a£v, co^j-ep xoü iJ.iy.f6y ir.dv'ji sAiyofxsy , in i/. ,aiv tcÖv x.a^-' iV.ajra rö otÄstv (xat 7dp rdya^ci y.ai zi sivcci v.al rö vj efvczt, o/uioto;ro-3i7raro£ 20 0' a'Jrorc v^^aiv in]xvj ^ y.ai a-jtr,v oi y.-^' iaxiröiv ixdAfjra ßrjVAo- ixs^cc)' war' £t /xiv £x ~ov x.a^' saccaza 'poipittzai. r, oi/t«, rd 0£ xa-S-' Ex.aGTa vj/jitv aürotg^ av ßouAot/xs^a xjKäpyj.iv ^ o^/Ad e^rtv w^ £-77'. ~oö^ «'jToOc O'./ia, oi'jTztp xat TYjy do'.y.i.av ioausv Tzoog a.'jziv tha.1. Die Periode gehört derjenigen Form an, M'elche oben unter II, 4 behandelt ist; dächte man sich ££ /j-iv ovv für ciiar' £{ \j.iy geschrieben, so hätte man vollkommene Gleichheit der sprachlichen Form mit den dort behandelten Sätzen, in denen der Inhalt des Vordersatzes nochmals vor dem Beginne des Nachsatzes zusammen- fassend recapitulirt ist. Der Inhalt dieser Recapitulation, die Beschränkung nämlich auf die zwei Puncte „das VVesen der Freund- schaft wird an den einzelnen Handlungen und Bestrebungen erkannt" und „in allem Einzelnen ist jeder sich selbst der Nächste" beweist, dass auch in der vorhergehenden Darstellung £-£l — ß(^-Aö\xzSrot. nur zwei Hauptglieder anzuerkennen, also der ganze Abschnitt yA -/dp xccjCA^if. — ßo'Skö^t^% als Erklärung zu dem zweiten Gliede zu betrachten ist. Aus diesem Grunde habe ich die bei y.a.1 vdo beaon- nene Parenthese nicht mit der Bekker'schen und der Didot'schen Ausgabe nach 10 t-j zho.i^ sondern erst nach ß&'jÄö/x£3-a geschlossen. Am Ende dieser Parenthese ist y.c/.l r;\jtrt\) ~z die Cberlieferunsr der beiden von Bekker verglichenen Handschriften; Bekker schreibt y.cd a-jtrrj 7£, für die von mir vorgezogene Änderung y.cä Tji:r,y dt wird die Häufigkeit dieser Partikelverbindung sprechen. Die bisher angefülirten Stellen, an denen ich die Interpimction der IJekker'schen Ausgabe gar nicht oder nur in unerheblichen Nebenpuncten geändert habe ') , werden den Inductionsbeweis *) Unter ilenjenijen Stellen, in denen l.ereils die Bekliersclie Ausgabe duicli iliie Interpunction einen mit uJjts eingeleiteten Nachsatz, anerkennt, h;ibe ich wissentlich Meteor. 3 1. 3S3 i 35 — 334 a 5 nicht mit angefiihrl. Aristoteles hat in der diesem S;il/.e unniiltelhar voransgehcmlen Slolle einen IJi-h eis ■geführt, .);i'«s iho Meei kein 80 B o n i t z hergestellt haben, dass w2r£ als den grammatischen Nachsatz einfüh- rend bei Aristoteles schon von den bisherigen Herausgebern still- schweigend oder ausdrücklich anerkannt ist: diese Induction wird es erleichtern, für die Änderung der Construction und Interpunctioii in einigen anderen Fallen Beistimmung zu tinden, um so mehr, wenn die zur Sprache kommenden Perioden in ihrer Form den vorerwähn- ten gleichartig sind. Dies gilt sehr auH'allend von Anal. post. a 24. 85 b 23—27: hl V. r, anb^ziiiq p.iv lazi avllo^^iaiJ-og deuTixog aniag y.ai toü 23 oiä Ti, rö y.y.^ölo-j o' airiojtspcv (w yäp x.a^-' (xvrö öndpyji, toöto avTO ccvtCo aiTiov ro de -/.a^öAov KpGizov a'iziov äpu zo v.aBo- lov)- (iiazz 7.01.1 r, dTiöoci^tg ßslzlojv /xäÄXov yäp zov cciziau v.aX roü oid T£ iaziv. Aus den beiden Prämissen: „Der Beweis ist ein den Grund darlegender Schluss« und „das Allgemeine ist Grund im volleren Sinne des Wortes«, wird gefolgert „der allgemeine Beweis (denn zu xat -h dnoQtiE'.g ist aus dem vorigen x.a5ö/ou hinzuzudenken, vj roö xa^öAou dnodeiEig oder n y.a^oAo-j dnörjci^'-g -, vergl. Scliol. 233 a 13) ist der vorzüglichere«. Über diesen Zusammenhang der Ge- danken kann kein Zweifel sein; aber auch grammatisch die Worte oJazs y.ai 77 d~6oet^ig ßuzmv als Nachsatz zu betrachten, und nicht mit Bekker und Waitz durch Setzen eines Kolon nach aizioj- Tspov und eines Punctes vor conzt die Construction aufzuheben, wird man sich nicht bedenken, wenn man den vollkommen gleichartigen Bau der oben (S. 7Ü) angeführten Periode An. post. a 2ö. 80 b 30 — 37 beachtet, in welcher ebenfalls bei mehrgliedrigem Vor- dersatze die dem letzten Gliede desselben angeschlossene unter- geordnete Begründung den Gebrauch von (ogzb im Beginne des Quelhvasser, ü5(up Tir^Yoitov ist. Er fiig-t eine ßeslätiy^ung zu diesem Satze hinzu in den Worten : iti 5' etteI irXeio'j; sbi OaXonTai jtpo; a/j.r^^o:^ o-j (j'j\).\).i^-tWJion xat' O'JÖEva T'jitov, (I)v q (iiv epuUpa ei' Abkürzung des Ausdruckes abgefassten bogrürideuden Satz a> yäo xr/. genügt es auf Waitz's Commentar zu verweisen.) Keiner näheren Erläuterung oder Begründung wird es bedür- fen, dass Meteor, ß 5. 363 «9 — 13 der Nachsatz durch (Lars ein- geführt ist: ort ixh O'jv "voTog oux iaziv i oltzo toO iTioov nölo-j TTvt'wv ävc- p.og^ driAov. l^si o' ovr' ixslvag ou-^' 6 dzo ysiixspiviig TpoTir,q (ßioi yäp av äA/.ov dzo ^sptvyj^ sivai Tponiig' ovroi yäp tö dvdloyov dno- ddjoci' vOv o' O'Jx eartv, sig ydp jJiövo? foüvsrca. nviuiM ex rGiv exsi^sv rö/Tcov) • war' d'^dyy.rj tov dno roü y.a.7(x.x£xccvixi\>ov tökov nviovTa ävsfjLov elyai vörov. Bekker setzt vor vöv und vor cogt' Puncte, die Didot'sche Aus- gabe vor vüv Punct, vor war' Kolon. de interpr. 12. 21 a 38 — b 12. Aristoteles untersucht, was zu ouvaröv sr^ai (d. h. möglich, dass es sei; fähig, befähigt zu sein), hoeyötxsvov slvai^ d-JO(.'/y.alr,v zhai der contradictorische Gegen- satz sei, und beginnt die Discussion damit, dass er zunächst aus der blossen Analogie der sprachlichen Form etwas Unrichtiges ableitet: £t yäp TcDv avixTzXsxoixivcüv auroci dXKr,\a.ig ävTixetvrat avTt^a- elzuiig vun elvai mit dem Prädicate zu einem Worte, äv^pw-ov ]3adt<^etv, die den contradictorischen Gegensatz herstellende Negation zu den» das civat in sich schliessenden Worte treten muss, ävc-pojTr&v ßa- di^etv — äv^poüJ ein Kolon, b 1 vor r] oi und 6 3 vor w(7T£ Puncte setzt, so macht man entweder die Worte xat rd ävw athixara xard röv a-jTÖv XÖ70V zum Nachsalze, obgleich dieser Satz in keiner von den bei Aristoteles sonst üblichen Weisen als Nachsatz charakterisirt ist und obgleich er dann eine viel grössere Betonung erhält, als nach seinem für das Ganze des Beweises nur vorbereitenden Charakter passend ist; oder man statuirt stillschweigend eine Anakoluthie, ohne sie durch die Interpunction zu bezeichnen. Denn für den Gedanken- inhalt ist klar, dass zwei Prämissen gesetzt werden: continuirliehe Schichtung der Elemente und Kugelgestalt der Obei flache des einen Elementes, nändich des Wassers, und aus diesen beiden Prämissen der Schlusssatz, Kugelgestall des Himmels, gefolgert wird. Als den Schlusssatz dem Sinne nach erkennt diesen auch Simplicius an 101 « ort OS. afCiipiMv dvd'yxr^ töv ovpavöv slvai laßoi dv Tts, i^vjd, niariv y.ai £x TOüV mpi tö [xidov iopv\t.ivoiv (7W|j(.dTwv, xat in av [i.n spcxi- vwv avzo üJr7T£, ^ryjj, xat ^lä. rovxo favspov iarcci öVt afaipixog iariv 6 ovpavog^ ohne sich freilich hierdurch über die grammatische Con- struction unmittelbar zu erklären. Dass gegen die Zusammenfassung des Ganzen in eine grammatische Periode nach den bisherigen Ana- logien kein Bedenken obwaltet, wird aus der eben bezeichneten Gliederung ersichtlich sein; auch hat Prantl, obgleich er die Arisloleliscilc Studien. ö5 Bekkcr'sehe Inteipniiction im Texte hoibchoKcn, Auch in der Über- setzung die vorher bezeiehiiete Interpunclioti aiisgedciickt. de coel. 7 1. 299 f) 18 — 23. Die Platonisclie Ansielit über die Hildiiiig der physikalischen Kitrper ans blos mathematischen Grössen ('lihit Aristoteles zu der widerlegenden Folgernng, dass hiernach der mathematisclie Punct Sch\\ere haben müsste: xat si näv f;.£t^ov ßäpog ßdpo'jg ßäpsi^ a'JixßrtOSTa.i xai ey.ocyrrjv rcöv a|j.£pcZ»v ßdpog r/£tv. Nach diesen Worten, welche den Schlnsssatz des zu führen- den Beweises vorläufig aussprechen, wird man richtiger gemäss der snnsligen Analogie einen Punct, als mit Bckker, Prantl, Didot blosses Kolon setzen. Der Beweis selbst wird nun in den nächsten Worten geführt: ei 7ap ai zizTapsg CTtyiicci ßdcpog iy^ovai^ to 0' ex nleiövoiv r, TO§i ßocpeog ovrog ßcxpOrepov , t6 de ßapiog ßapvrepov ccjä'^xt] ßocpij ^0 elvai^ üjarzep x ßocpOrepov eaza.1 d£tdvojv vi roüvot (näm- lich (7rt7|j.cöv). Für vollständig emcndirt kann ich übrigens durch die Prantrsche Ergänzung ijaö. aTiyiJ.Yi das dritte Glied des Vorder- salzes noch nicht halten. Dass dasjenige, was schwerer ist als etwas Schweres, schwer ist, bedarf gewiss nic!:t besonders ausgesprochen o6 I{ ü 11 i t z ZU werden; dagegen fehlt in der Durchführung des Beweises der Satz, der in der kurzen Ankündigung als Grundlage des Beweises bezeichnet wird näiv p.£iCov ßäpog ßdpovg ßäpsi, ein Satz, den man auch gar nicht entbehren kann, wenn der Sclilusssatz wirklich erschlossen und nicht blos behauptet sein soll. Man kann diesen Gedanken mit der leichtesten Änderung der Überlieferung herstel- len, wenn man tö an zwei Stellen in w verwandelt: o) os ßapiog ßapuTspov dvd'yx.Yj ßapv efvat, uiansp xat w ^s^J^oO Xsuxörspov Asuxöv. Äussere Unterstützungen lassen sich für diese Conjectur freilich nicht beibringen; denn dass für rd an der ersteren Stelle eine Hand- schrift L 6 bietet, ist nicht von Erheblichkeit, und wenn Simplicius die fraglichen Worte paraphrasirt f. 141 b t6 de tgO ßapiog ßocpO- Tspov ßapxj iari xat ßdpti vtzs p iy^si^ so hat dies ganz den An- schein, dass er bereits den jetzigen Text vor sich hatte, und aus ihm durch jenen Zusatz aus Eigenem einen passenderen Sinn zu gewin- nen suchte. Aber der so hergestellte Gedankengang dürfte die Con- jectur ausreichend stützen; denn wir erhalten so die Prämissen: „Die aus vier Puncten bestehende Grösse besitzt Schwere; die aus mehr Puncten bestehende Grösse ist schwerer als etwas bereits Schwere besitzendes; das, wodurch eines schwerer ist als ein anderes, muss selbst schwer sein", aus denen dann der Schlusssatz „der einzelne Punct muss Schwere haben" sich wirklich ergibt. Die in ihrer grammatischen Construction und in ihrem Inhalte schwierige Stelle der Psychologie ß 2. 414 a 4 — 14 glaube ich Id folgender Weise schreiben und gliedern zu sollen: snsi oi w ^öJixtv xat at(73-av6/jL£3a diy^ö)g liyezai^ x.Ci3dnsp a> eKiardiii^c liyoixsv [os] i) tö /jisv iniarnix-nv z6 oi ^v/jnv (ixarspo) 1) Die übeiliefeite Lesart wird natürlich so aiifg-efasst , dass Xi-joiiz-i 6i von qj sTruTii- ijLsöa durch eine Interpunetion getrennt wird, durch ein Komma, für das man auch das Zeichen der Parenthese würde setzen können xoSditsp «^ iniatiit-t^a , Ai-^o^i.s.'t oi 10 ixiv £-iJTYi[j.7iv t6 Si '{'uy.Yjv. Fuilem dann durch Xeyo|a£v nicht die Berufung auf die im S|>raciigeliraiiche vorhandene Doppelbedeiitiintr des eTtijTaj^ai enthalten sein würde, sondern die Erliiiiterung, welclie Doppelbedeutung gemeint sei „ich meine nnmlich etc.", so hiitte man, wie Torstrik treffend bemerkt, nicht Xi-jr,^i,, sondern Xkfui zu erwailen, )A-(ia oi t6 [i^v ETiijTrjixTjv to ok 'li'r/j,-'. Man kann die von dem Plural deutlich unterschiedene Gebrauchsweise des Singulars Xs'yto 6; ersehen aus Stellen wie 17 a 39, öS, 8. 187 6 14. 249 6 28. 264 a 20. 1027 6 24. 1147 6 24,29. 1290 6 30 etc., so wie aus der bei Aristoteles gebräuchlichen Formel Xifw 8' aWi L. B. 209 a 33, 317 a 34, 6 26. 1003 6 33. Dass der vorliegenden Stelle durch Ent- fernung des o£ noch leichter und vollstündiger Hilfe gebracht werde, ist eine Con- jectur Viililen's. die mir durchaus evident erscheint. Aristolelisclie Stinlieii. ö7 ii'ptia TÖ ^i /JioptüJ rivi toü aöjixarog r, aai oAoy tovto}v oh /j.£v iruarrtiKf} n xat 'yfuia ixop'fh xat sloög rt xai XÖ70? xai oiov svi^yöia TO'j o£xr£xoö, >^ jUtv ToO i;rt(7Ty3jm.ovixoO , ry ds toO vyt-/y xat tö "jn:OX£t/Jl,£VOV. Bekker und Trendeleiibuig schliessen den durch £;r£t eingelei- teten Satz durch einen Punct a 8 nach 6'Aw, ohne dass Trendelen- hiirg im Commentar eine Andeutung darüber gibt, wie man bei solcher Interpunction construiren soll; unverkennbar hört in diesem Falle jede Möglichkeit einer Construction auf. Torstrik verbindet allerdings die gesammte hier ausgehobene Stelle zu einer einzigen Periode, aber er setzt voraus, dass der Nachsatz a 12 bei ri '^'jyj, oi beginne; zur Entschuldigung für die bei >? ^'jyji stehende Partikel o£ scheint der davor gesetzte Strich, das Zeichen der Anakoluthie, dienen zu sollen, nebst der Bemerkung „ante -h '^vyv ot posui signum ;ipodoseos post orationem longius extractain incipientis". Aber wie man auch über die Zulässigkeit eines solchen dl im Nachsatze denken Ullis:, worüber weiteres im Abschnitte IV: dass diese Worte ihrem Gedankeninhalte nach noch eine Prämisse enthalten und die Folge- rung erst mit u)gt£ eintritt, beweisen zur Evidenz die folgenden Worte rpiyßig yäp Aiyoixivr.g xtX. (s. Bd. XLI, S. 434), aus denen manersieht, dass derBegrilT von T|^y)^Y5 als löyog xcci ivipyua. dasZiel ist, auf welches im Vorigen hingeleitet wurde. Diese Folgerung nun wird durch drei Prämissen vorbereitet, Die erste Prämisse spricht eine Thatsache des Sprachgebrauches aus, nämlich unter dem w kTtiGzdiis^cc können wir iKiaTr^ixrj nnjd können ^'jy/i meinen, ebenso unter dem w v^ioüvopuv entweder üyleta oder acLixoc. Die zweite Prämisse gibt für diesen Sprachgebrauch die Deutung, nämlich durch die erstere der beiden Bedeutungen bezeichnen wir Form und Be- grilT, durch die andere das aufnehmende Substrat. (Dem jixiv in den Worten rj [xiv iKioTr,[i.-n entspricht nicht als zweites Glied r, '^uyr, o£, wie dies der Sinn deutlich zeigt; sondern das Satzglied ist ange- fangen, als ob es ungefähr so hätte sollen ausgeführt^werden: to-j- Twv o'r; fj.£v £7rtaTr;|xr/ zz -/.ai r, üyieioi ixopfh y.ai v.oög zi xai Xöyo^ xai otGV £V£p7£ta, r, 0 i -^vy-rt xat z6 ai^ixci oi-/.zv/.iv ^ das zweite Glied Oö B o II i t z ist aber dann statt in coordinirter, in subordinirter Form angescblos- sen roö osxrixov.^ Die diitte Prämisse endlich besagt, dass die Seele es ist, durch welche wir im eigentlichsten und giltigsten Sinne, ;rpo[)Tw?, leben und denken. Die unsichere Deutbarkeit des rrpwrojg hat alte und neue Interpreten beschäftigt, vergl. Trendel. p. 346; da in dem vorigen für w ^äi|jL£v xat ata^avo/jis-S-a zwei Bedeutungen unterschieden sind, die sich wie eloog und uXvj verhalten, von diesen beiden Momenten des Seins aber nach Aristotelischen Principien das £idog das Prius und das absolut Erste der Wesenheit nach ist, so ist unzweifelhaft hierauf TTpwTwg zu beziehen. Hierdurch ist dann die Folgerung, dass ^vyj) Form und Begriff sei, vollkommen vor- bereitet,— Die grammatische Gliederung des Ganzen wird, hoffe ich, durch diese einfache Darlegung ausser Zweifel gestellt sein: eine Schwierigkeit des Inhaltes dagegen ist hierdurch nicht beseitigt, ja gar nicht berührt. In dem Beispiele der ersten Prämisse wird ipvyrj als oty.riY.ov zu kniaTTiik-n als dem tloog aoci Xoyog bezeichnet, während doch das Ganze daraufhinzielt, ^vyji als eloog xat XÖ70?, gegenüber nämlich dem Körper, aufzuzeigen. Trendelenburg sucht diese Schwierigkeit durch eine Unterscheidung zu beseitigen „Cavendum est, ne ^vyr] eniaTrjp.ovu-ri , de qua in exemplo tanquam de scientiae quasi instrumento agitur, cum ^vyji confundatur universo vitae prin- cipio. Haec quum diversa uno verborum ambitu comprehendantur, turbant quodammodo legentis animum". Aber nicht auf verschiedene Bedeutungen kommt es hier an, in welchen dasselbe Wort ^vyrj gebraucht sei, sondern auf verschiedene Verhältnisse, in welche der Begriff ^vyri gebracht ist, das eine mal zu iniGrriixr) , das andere mal zu aü)p.a. Dass dasselbe in der einen Beziehung sioog, in der andern vir/ sein soll, wird keinem Leser des Aristoteles auffallen; darum aber bleibt es jedenfalls eine unpassende Wahl, als (erläu- terndes Beispiel in einer Argumentation, durch welche ^uyn als sioog aufgezeigt werden soll, ein solches zu wählen, in welchem ^vyri vielmehr die Stelle des dexTixov einnimmt. Es möchte also wohl, wenn allerdings „legentis animus turbatur", Aristoteles selbst durch unpassende Wahl des Beispieles die Schuld davon tragen. Nahe vergleichbar dem Gebrauche von wars im Anfange des Satzgliedes, welches seinem Inhalte nach den Nachsatz bildet, würd<: es sein, wenn in gleicher Weise ö'tö, diönep angewendet vorkom- men sollte; und allerdings machen manche Stellen bei Aristoteles es Ariatoteli^vlie S(u rpofh yivsTOci roXg ^u)Qig^ out' äv£'j '^•jynig out' avsu ^-sp^uLÖTvjTÖ? iaTiv K'jpi 7dp ip'^/ocCe- Tat TzdvToc' oiÖKzp £v w n'pcüra) TÖrw to'j a6iiKa.rog xui iv qj npuiTfti TO'J roTiGv TO'jTOv jJLopt'w TYjv dp'/Yjy ä'^a'^f/.cx.iov dvoa tyjv xotuii- Trjv, ivTa'j^a y.cd ty5v 7rpoüT>5v [tvjv] 3-p£;rTtxviv ^uyriv dvocyy.alov (j7i6(.pyj.iv. Unverkennbar ist der Gedanke, welcher zu dem durch ir,ü ausgesprochenen begründenden Vordersätze den folgernden Nachsalz zu bilden halte, in dem durch oiönep eingeführten Satze enthalten: „Da das Leben nothwendig, nach dem früher Gesagten, Wärme voraussetzt, so findet sich die erste ernährende Seele in demjenigen Theile des Körpers, welcher Prineip der Wärme ist'^; dies ist, wie dann in den folgenden Sätzen fortgefahren wird, für die mit Blut begabten Thiere das Herz, für die blutlosen ist es namenlos. — Dürfte man nun für diörzsp bereits eine gleiche Abschwächung im Gebrauche voraussetzen, wie dies für axTTs nachgewiesen ist, so würde man o-Jos ydp — ipyd^sTai komzol als Parenthese und den mit otön-ep anfangenden Satz als Nachsatz auch im grammatischen Sinne betrachten; diese Auffassungsweise zeigt sich in der lateinischen Übersetzung von Vatablus, der die bezeichneten Worte in Paren- thesen schliesst und diörzep geradezu durch idcirco übersetzt. Aus den schon angegebenen Gründen bin ich dieser Interpunction nicht gefolgt, sondern betrachte den Satz in grammatischer Hinsicht so, dass sich das die Folgerung enthaltende Satzglied oiönsp y.rh statt an den Vordersatz, vielmehr an die dazu gegebene Erläuterung anschliesse ; daher die oben gegebene Interpunction, welche sich auch in der Didot'schen Ausgabe lindet; statt derselben hätte iiiicii 25 30 90 H o 11 i t z vor o-jos yäp das Zeichen der abgebrochenen Construch'on gesetzt werden können. Unrichtig dagegen ist Bekker's Interpunction, vor ovos. ein Kolon, vor diorzsp einen Punct zu setzen. (Die Entfernung des Artikels vor 3p£Ttziy,riv, durch den Sinn dringend empfohlen, ist nicht Conjectur, sondern Überlieferung von vier unter den fünf von Bekker benützten Handschriften; auch der griechische Comment-.t als nspi'y'jöjg gesetzt, als blosses „Zeichen" des Nachsatzes betrachten wollte, so ist ja dadurch ein Verständniss des ganzen Satzes noch nicht erreicht; denn die vor- ausgehenden Worte xai Ix rcZiv dva)3-£y eig töc xärcü xai £x röjv £;rt- no'Xrjg £ig töc ivrög geben, zu yii/oixi-Jüiv tcDv yößwv construirt, wie dies nach der Cberliefei ung geschehen müsste, keinen nur halbwegs erträglichen Sinn. Nach dem Zusammenhange mit dem Vorausgehen- den, toöt' o'jv ^lOyEt 0 T£ «v yoßy/^Tj, niuss man vielmelir erwarten t g ^ B o n i t z dass in diesen Worten die Bewegung bezeichnet sei , welche die Wärme des Körpers bei einem von aussen her eintretenden Gegen- stande des Schreckens einschlägt, etwa fivysi (nämlich t6 ^sp/^töv) ix. TÜ>v ävw^cv sig za. xäroj xai ix. twv ininoAfig dg to. ivrög. Wird eine solche, durch den Inhalt des Satzes selbst gebotene Änderung angenommen, so schwindet damit zugleich der Schein, dass ein Nachsatz durch oi eingeführt sei. Die Stelle Pol. 7 9. 1280 b S kommt im folgenden Abschnitte unter der Anakolnthie zur Betrachtung. Die einzige somit noch übrig bleib 'ude Stelle Pol. 7 12. 1282 b 21 würde den Beweis für einen dem Aristoteles eigenthümlichen Gebrauch auch dann nicht herstel- len, wenn sie in jeder Hinsicht, ebensowohl in Beziehung auf Satzfügung als auf Sicherheit der Textesüberlieferung, vollkummen evident wäre. Ein Blick auf die lange Reihe coordinirt an einander gefügter Glieder des durch ir.ü eingeleiteten Vordersatzes oder eine Vergleicliung der verschiedenen Ansichten der Erklärer zu dieser Stelle zeigt aber leicht, dass man es mit nichts weniger als einer sicheren Belegstelle zu thun hat. Ob es wahrscheinlicher ist, mit Camerarius, Sylburg, Lambin b 21 noiuiv für ;rotwv 0 zu schreiben (oder was dem sehr nahe käme oi in ort zu verwandeln), oder ob man eine durch die lange Reihe der coordinirten Glieder sehr wohl erklärliche Anakolnthie vorauszusetzen hat, weiss ich nicht zu ent- scheiden. Jedenfalls entzieht schon die Mannigfaltigkeit und Leich- tigkeit der sich darbietenden anderen Auffassungen dieser Stelle die Bedeutung für das, was man durch sie beweisen will. VV^enn im Vorstehenden sich gezeigt hat, dass unter den für den eigenthünilich Aristotelischen Gebrauch von oi im Nachsatze Beigebrachten Stellen nicht eine einzige Beweiskraft hat, so wird hoffe ich, zweierlei dadurch erreicht sein; erstens wird es fernerhin nicht zulässig sein, sich für jenes Hilfsmittel der Construction in manchen schwierigen Aristotelischen Perioden auf die Beweise von Zell u. s. f. wie auf eine feststehende Autorität zu berufen, sondern der Beweis muss erst von Neuem mit anderen Mitteln geführt wer- den; und dann wird es, da ein solcher Beweis bisher noch nicht geführt ist, als gerechtfertigt erscheinen, dass ich in den obigen Untersuchungen an mehreren Stellen vorausgesetzt habe, dass für den Gebrauch der Partikel oi bei Aristoteles dieselben Gesetze gelten, wie in dem übrigen Sprachgebrauche der attischen Prosa, und Aristotelische Studien. Oo dem-pdg -apsov yäp ixörig dicSTCCt civ^fcö/TOCutv" y.cci iv äXko'.g „ö-S-jv ayt^jcv aui y.cü rö fpoveXy d\loXc( TiapiaTOLTCn^^ rö 23 "J' ai/TÖ rovroig jS&uXsTai xal rd 'Oir'npov »rolog 7«^ voog eari'v", ndv- Tcg ydp o-jTOt rö voslv G(/}ixazudy utGTXSp rö «io-^ävea^at ÜT:olay.ßd- vou^iv, xai aia^dvea^^ai rs xai (opovsTv rw i[).oi(a rö ö,u.oiov, oiaKip xat £v roc^ >'-aT' dpyr,v Xö^ioig oiwpi(ja|j.£v * xatrot eost d^a rcepi roO r,7:oirr,a^ai a-jzoxjg '/J'^/ziv, otKeiörspov ydp rolg ^(iioig y,cci nleioi '/^po- b vov £v ToiiT'Xi diarelel vi ^vy-n' diö dvdyy.-rj ^r'ot, öiOKtp svioi '/Jyovji^ nd^za. zd ^atvöjJ.£va zha.i d.\r,^fi^ r, zr/v zov dvoixoiov ^i^iv dr.dzn-j zhoLi^ zo-jzo ydp ivavziov zu rw ö]Li.otw rö op-oiov yvoipiiziv doy.eT ot s xai r, dKdzTt xai v; iT:iGzr,^ri rclJv ivavrjwv r; aürrj sTvat} ' ort p. iv oGv &"j raüröv is'rt rö aia^dvzG^ccr. y.ai rö (ppovelv (pccvepov. ') Ich habe der Cekliei"selien Receiision gomiiss tm vojTv xat tuj xpivsiM beibehalten, wie ausser anderen Handschriften die entscheidendste E hat, ohne die Gründe zu verketinen, mit welchen Torstrik seine Schreibweise tuj xpivsiv xai vo^iv unterstützt. Bei den aus Pliiloponus und Sirapli<'ius dazu verwei theten Benierkung:en ist es doch zweifelhaft, ob wir in ihnen ein einlaches Wiedergeben des Textes oder ein logi- sches Zurechtlegen desselben zu erkennen haben. Ja es scheint mir noch fraglich, ob nicht xpiv£iv nur aus den folgenden Worten hierher gerathen und vielmehr, im Anschlüsse an einige andere Handschriften, xai -m voeiv xoti tppovsiv xai aijöavsjdai zu lesen ist. In dieser L'usicherheit bin ich vorläufig bei der Bekker'schen Texle«- recension verblieben. Silzb. d. phil.- bist. Cl. XU. lid. I. im. 7 9ö ß o II i t z Durch die Iiiterpunctioii habe ich zu bezeichnen gesucht, in welcher Weise man diese Stelle gliedern und einen umfassenden Abschnitt als Parenthese herausheben niüsste, um sie als grammati- sche Einheit einer Periode aufzufassen, deren Gedankengang sein würde: „Indem man das Wesen der Seele durch zwei Merkmale bestimmt, Ortsbewegung einerseits, Denken, Urlheiien, Wahrnehmen anderseits, so ist, während n)anche das Denken für eine Art von Wahrnehmen halten und die Alten Denken und Wahrnehmen für identisch erklären, so viel klai-, dass Wahrnehmen und Denken nicht einerlei ist". Für diese grammatische Construction, deren Möglich^ keit sich eben so wenig wie im vorigen Beispiele bestreiten lässt, darf man sich überdies auf die von Trendelenburg (p. 4öO) bereits erwähnte Auffassung der griechischen Erklärer berufen. Philop. p. 3«: 'Ali^avdpog doxtl ixäTr,v dvai rö ineiori^ oxjzt (vielmehr o-jo'i) yap iyjL dr.öooaiv. 6 p.ivzoi U.Ao-jT(Xpy6g (prjGi xtxTOizipui slvai r'ov oltzöoc- atv, ono'j Aiyei. öVi /jiiv ovv oü tccvtov xtI. Simpl. 56 b ev oi rfy Xi^st r^pog TÖv ind a\Jvosai).ov oiä ixay.pov a.rAo'jiy.zv ö'n o-J raüröv lari tö aia^dvea^cii xai tö fpovsZv (pavepöv dva.i ypaywv, ota. zr,v dia, iJ.a.y.poO dnöocoiv TÖV ovv Ttpaa^sig avvösoixov. Aber ob wirklich bei (\en Worten ort p-iv ovv ou xtA. die sprachliche Zusammengehoi-igkeit mit dem Vordersatze iml oi noch im ßewusstsein mag gewesen sein, ist liier noch zweifelhafter, als in dem vorigen Beispiele. Nicht allein liat die Parenthese eine Ausdehnung, welche selbst für Aristotelische Schreibweise sehr ansehnlich ist, sondern vor allem, diese Paren- these beschränkt sich nicht auf die Erklärung und das Belegen der Aussage, an welche sie sich anschliesst, sondern gibt zugleich in den daraus gezogenen Consequenzen eine Widerlegung jener Ansicht der alten Philosophen und dadurch eine Begründung des darauf durch ort pAv Oliv ausgesprochenen Satzes; es tritt somit der längere' Abschnitt, den ich zur Herstellung einer einheitlichen Construction durch Klammern von dem übrigen Satze ausscheiden musste, durch seinen Inhalt aus dem Charakter der blossen Parenthese heraus. Diese Momente machen die Voraussetzung einer Anakoluthie sehr wahr- scheinlich; Bekker setzt, vermuthlich unter Annahme einer Anako- luthie, Puncte nach « 25 zapioTo^rai^ a 26 vö&g sttjv, a 29 oioipi- ccx.i}.vj^ 0 2 rj '•pvyrj, b 6 vor ort y-iv o-jv; zur Bezeichnung der Ana- koluthie würde es wohl deutlicher sein, «22 vor (iiar.tp einen Strich zu setzen, denn die mit (öansp beginnende Anführung von Ansichten Aristulvlische Sdiilici). QQ frühoror Philosophen mni Dichter ist es, deren Umfang das Satz- gefüge aus einander treiht. Torsirik folgt weder der von Pliitareh und Simplieiu.s bezeichneten Constrnction, noch setzt er Anakolnthie voraus, sondern nimmt nach xat aiG^d\/cv xtvr^Ttx.oüV ij-optojv, ö -fig ov^£Ü^z(ji)g rf^g ro'j-cov dpi^ixog i^ aväyxv/? 7:oir,ae'. KAsioi ^/ivn C^wv (o-j ^/dp oTöv rt ravröv ^wov £^$jv ~ldo'jg ffTOfjLaro^ oiaoopäg^ oixoioig oi o'jo' 'Iirwv), wct^' örav Ir/f^ütai TO'jTOJv ~ä.'j-tg Ol syosyoixtvo'. avvdvaaixoi^ KOir,aorjai-j dori C'-f^^v, 3 xcci tCjCC-jt' d.or, roO C(l)Ov oacunzp ai aul^sO^sig tcDv dvayxocioj'j ^opiwv £t7cv. TÖv aüröv di rp6~ov xa,i twv siorttxivoy^ -oÄ'.r-twv y.ai '^/ocp /-'/.. Ich habe die Bekker'sche Interpunction beibehalten, nach welcher zu der durch dar.zp eingeleiteten Exemplification des Eintheilungsprincipes für die verschiedenen Thierarten das ent- sprechende, die Arten der Verfassung gleichsetzende Glied nicht 100 15 0 n i t z als grammatischer Nachsatz folgt, sondern eine Anakoluthie statuirt wird, indem die umfassende und selbständige Ausführung jener Ver- gleichung die Erinnerung an die grammatische Unterordnung ver- dunkelt h.iix"; man würde die hierdurch statuirte Anakoiuthie viel- leicht deutlicher bezeichnen, indem man vor dem ersten olov b 26 einen Strich setzt, indem dort die Ausführung beginnt, welche den grammatischen Zusammenhang verdunkelt. Aber schwerlich würde sich etwas Entscheidendes einwenden lassen, wenn man den ganzen Abschnitt b 26 olov — 637 ij.opiojy daiv als Parenthese, und töv aOröv orj Toö-Tov als grammatischen Nachsatz zu oiamp ouv betrachtete; natürlich, dass dann, Avie ich es so eben gethan, die geringe Ände- rung des oi in or, müsste angenommen werden. — Ganz unabhängig von dieser möglichen Differenz in der grammatischen Auffassung der vorliegenden Stelle ist es, dass b 29 die Worte d oyj roaccvTU siöv/ ixö-^ov einer kleinen Änderung bedürfen; wie viel eto/j oder yivri der Thiere (6 33 yivn, b 36 dor,) seien, soll erst aus Erwägung der nothwendigen Theile oder Organe, ihrer Verschiedenheit und deren möglichen Conibinationen gefunden werden. Es wäre gegen die Bedeutung von sioog und brächte das ganze erläuternde Beispiel in Unklarheit, wenn diese Organe als ro<7aOra siorj bezeichnet würden. Wahrscheinlich war vielmehr geschrieben st dr/ 7oac/.üTcc eivcci det lj.6voy. und das in den nächstfolgenden Zeilen b 36 vorkommende To^aör' eid-n hat die Verwechslung noch unterstützt. Von eigentlicher Anakoiuthie findet man ein sehr evi- dentes, schon in der Bekker'schen Ausgabe ausdrücklich als Anako- iuthie durch die Interpunction bezeichnetes Beispiel Anal. post. a 19. 81 6 24 ff. ; drei Fälle aus der Metaphysik habe ich früher nachge- wiesen und in meiner Ausgabe dem entsprechend interpungirt Met. 7 2. 1003 b 22 — 1004 «1. til. 1041 611 ff fji 4. 1078 6 17 ff. Für die beiden letzteren Stellen darf ich mich auf meinen Commentar dazu berufen , da ich an der dort gegebenen Auffassung nichts zu ändern finde; dagegen muss ich die Auffassung der ersten 7 2. 1003 b 22 ff. in etwas berichtigen. Aristoteles hat nachgewiesen, dass das Seiende, trotz der Mannigfaltigkeit seinei- Bedeutungen, doch einen gemeinsamen Beziehungspunct hiit und unter eine einzige Wissenschaft fällt (o'.ö 'Kcti toö ovTog ogcc dor, ^siop-öacn fxtäg iaTiv £KiaTniJ.-ng rw yi^si. rä oi sXort twv eio'JJv^ , und fährt sodann, auf den Begriff rd h übergehend, folgendermassen fort: Aristulelisi'hc Stuilioii. 101 loig S)(jn£p dpyr, y.y.i aircov. ä/.)/ ov-/ w? £\>i lö'joi düoOixzva. — O'.a- 2s 'fipzi 0 o-J3£v ovo' av o.aot'ojs ü/T0Aä,3w/^.£v , ä/./cz x.ai rpd i^'/o-j rj.ä>.- /ov. raOrö '/äo sf^ äv3-poj/TO? xat wv äv^oojTro, x.a? äv-^cojK'OC, xai oüy iVfoöv n ovjÄor xarä röv Xi^tv inravaot;rXo6,u.£v&v tö £c^ £(7Tiv dv^puiizog xat £(77tv ävö-own-Oj- or^Xov d' öri oO yoipltczcci. o-jt i-i 7£V£(7£W? oüt' £ri ü^Goä^. ö,aot'jj^ üi xac i-i toO ivög. 6j<7T£ ^av£C,öv 3o OTt Yi npöa^^^jig £v roOrot? ra-Jrö onAoi, -/.o-i ou^iv erspov rö £v Tzapä TÖ ov. £Tt o' -n sy.i'jTOu oCaia i'v i^rtv ov x.arä (j-JiJ.ßißrr/.6g , öix'-ji'jjg oi xoü ÖKSQ OV T-r oio^' oaanirj roO £vö? Etdv; , Toaa-jTa x.at toO ö'vro? ecrriv, 7r£0'; ojv tö rt ia-i rng a-}z-ng e~i.irr,ij.rjg rw yivct ^£(x)pYiaai^ 35 X£7W d' otov 7r£(5t raüro'j x.a'. iv-olo-j y.y.i röiv äxXwv Töiv TOto-jrwv xat Tcüv T0-J70'.K avrtxftiJLivojv. Daraus, dass £v und öv unfrenuhai- verbunden sind (ro) «xoXo'j- ^etv äXÄviAot^, zieht Aristoteles über £v dieselbe Folgerung, die vorher über öv ausgesproeiien ist, dass alle seine Arten derselben einen Wissenschaft unterworfen sind; der Satz also, welcher sei- nem Inhalte nach das enthält, was zu v. oh ri öv y~l. den Nachsatz bilden würde, ist in der Form eines Relativsatzes b 34 -zpl ojv tö ri iort. y.TA. au das zunächst vorausgehende Glied angeschlossen, und wir haben also eine Anakoluthie in» eigentlichen Sinne. Es ist irrig, wenn ich in dem Texte meiner Ausgabe b 33 vor iöcj^ oaa einen zweiten Strich setze, der das zwischen den beiden Strichen enthal- tene als eine Art von Parenthese bezeichnen soll, und dem ent- sprechend im Cummentar mit äict^' öaa den Nachsatz zu dem hypo- thetischen Vordersatze beginnen lasse. Der mit wa^' öau beginnende Satz ist nur eine aus dem nächst vorausgehenden erschlossene Fol- gerung, welche den Satz, der beim Aussprechen des hypothetischen Vordersatzes schon den Zielpunct bildete, vorbereitet. Denn d;iss erst in den Worten Tztpi wv xtÄ. die eigentlich zu jenem Vordersalze gehörige Folgerung ausgesprochen ist, geht deutlich aus dem diesem Abschnitte zunächst vorausgehenden, oben angeführten (oiö y.ai roO ovToc XTÄ.) Satze über rö öv hervor. de gen. et corr. a 3. 319 n 3 — 14. Während jede Verände- rung zugleich ein Entstehen und ein Vergehen ist (ei/tjo rö a-Jrö ijrt yh£aig /JL£v 70'jrji 'j^^opcc Oi To-joi. y.ui .o\tzov d^ O'j^vj ällo (occivszoci adixa. y.£iij.r^ov ä^pöov, itiar.tp y.ai röJv öCÜmv Gzoiyjloiv ^ TZA-nv zo zr,g ^akdzzr,g ikVjz^og • zo ydp twv -ora,awv o-Jz' d^pooy o'-Jrt azäoi\f.ov^ ctXX' (hg 7'.7v6fJL£vov dv. (palyszai jcao-' r,ixipuv. ix za.-jzr,g dr, zr,g d~opi.cf.g ,s xat doyr, -jjv -j^oorj booEbv v.voh y.a.i zoO ravTÖj voazog r, .^d/.cczzx. Zu dem durcli xac-ä/TiS eingeleiteten Relativsatz«! liudet sich kein Demon.stralivsatz , der ;in Inhalte und in der grammatischen 104 15 0 11 i t z Form ihm entspräche. Man diirf das durch w(7Tc eingeführte Satz- glied nicht dafür ansehen; denn selbst wenn man es übersehen könnte, dass dem y.a^dnep nicht {öazs entspricht, so ist die Abhän- gigkeit von cvAoyov sivcci aufgegeben und der Inhalt des mit wcjts eingeleiteten Gliedes ist keineswegs derjenige, den man in dem zu ■/.a-crämp entsprechenden Demonstrativsatze zu erwarten hatte. Denn nach dem Anfange des Satzes hatte man vielmehr eine Fortsetzung dieser Art zu erwarten: oo^sis yäp av svloyov slvai^ ■/.a.^ä.izs.p xai Twv a/JMv aroiyeioiv tariv ri3-poi.aiJ.ivog oy/.og y.cd a.pyji otä tö Tzkfi- 3-0?, '63zv — TOlg äWoig^ ovto) y.o:i. tov Coccrog dvai a.p'/riv. roioüro d' oü^cv oC/lo ffc/lvezoLi tzItiv ro zfig ^alärzr^g p.iyc3-og. Nun erhält aber dies Beispiel der übrigen Elemente eine solche Ausführung, da.ss sich die weitere Entwickelung des Gedankens nicht mehr an den Anfang des Satzes oö^ei-s ydp av süloyov slvcci, v.a.3ä.Kzp xrX., son- dern an die Ausführung der Analogie der anderen Elemente anschliesst. Erst durch h. -(/.inrig orj zrig uKopiag y.rl. wird in Zusammenfassung des vorherigen Gedankengajiges der Schlusssatz, nur in sprachlich anderer Form, ausgesprochen. Da durcli die Ausführung der Ana- logie oiov nvpog y.rl. die grammatische Form des begonnenen Satzes durchbrochen wird, so habe ich vor diese Worte das Zeichen der unterbrochenen Constructiön gesetzt. Es wird nach den vorigen Beispielen keiner weiteren Nachweisung bedürfen, dass die Bekker'sche Interpunction (nämlich a 1 vor olov Komma, rt 10 vor waT£, all vor rotoürov, a 15 vor ky. rccjvng Puncte) der wirklichen Stru'ctur des Satzes und ihrer Entstehung nicht entspricht. Eine andere Gestalt hat die Anakoluthie in der Stelle de soinn. 3. 450 a 32 — b ö. Nach Darstellung nämlich des Wesens des Schlafes geht Arisloteles zur Untersuchung über dessen Ursache (tj'vwv 7tvo- jL>.£vwv y.aX ttö^cV ri <^pyjl '^cO rzä^rovg -/r/vsTat) über: ^avspov oh OTi irzzi a.vayyoüov reo C<^w, ötuv atG^r/aiv £'x."{2 5 '^O'^^ npöiTOv Tp(jfr,v Tc laixßdveiy y.cä a-jcv/(7tv, Tpofri 0' iari näoiv r, inydrfi zolg [xiv svaiixo'.g r, toO o.iiJ.ctTog (^Oaig rotg d' dvcüixocg rö '•' dvdloyov^ TÖnog di. zoO aiiJ.azog a.i ^lißzg , zoOzoiv d' apyr) -h xoip- dia. (yav£pöv de tö Isy^^iv ex tojv d^azop-ojv^ — zYjg p.iy o-jv 30pa- Bsv TpO(p-ng siaio-Ja-ng sig zovg dexTucug zoncvg yivszai >? dvcc^vixiaaig eig zag (plißccg, t/.BX oi ii.STxßdXlovJX e^ai.ixciTOvz ai xa.'. Tzopvjezoci eni TYjv dpyjiv xtI. I Aristdti-Iisehe Stiidicii. lOÖ Mit dem Satzgliede z-ng ij.h o-jv ^upa^sv Tpo(p-ng beginnt die Nachweisung der den Scldaf bewirkenden Ursache, wie man sich leicht überzeugt, \\ enn man weiter liest bis 6 18 a/X v/. rr/g -spi rr/v Tpö^r/V ava3-uim.tä7£ojj yi^zvai zö nd^og rovzo. Es ist daher gewiss iiiclit ('nts[tri'chen(l , niil Ijekker vor rng ^jA-j gjv durch einen Punct ahzuschliessen. Anderseits aiier ist der mit rr/^ /J.£v oOv beginnende Satz nicht ein(; grammalisch genaue Fortsetzung des begonnenen Satzes, da die Abhängigkeit von ^av£.oöv orj ort aufgegeben ist, und dem Inlialte naeh gibt dieser Satz noch nicht dasjenige, was zu ^avspöv örj orc den wirklichen Abschhiss bildet, denn dieses würde sein: ^av£piv dr, ozi irzv. a.vo!.'^iy,aXov — — iy. zrig TztrA r/jv rpo^^riv ava^'u/j.'.daiwg 7cv£Tat zo'jzo z6 r.ä^og. Vielmehr wird durch zrtg fjiev ouv y.zl. eine HeschreihuMg des Vorganges bei dem Ernährungsprocesse begonnen, lind hierdurch die Antwort auf die gestellte Frage vorbereitet. Da elien diese Beschreibung es ist, welche den grammatisch strengen Gang des Satzes durchbricht, so glaubte ich am zweckmässigsten vor dem Beginne derselben das Zeichen der unterbrochenen Con- struction setzen zu sollen. Pol. 7 9. 1280 a 31 ff. Forderung der Gerecbh'gkeit ist, dass die Zulheiiung der Güter, also vor allem der Antheil an politisclien Hechten im Staate, in gleicbem Verhältnisse stebe mit dem Werthe der Personen. Ober diesen Grundsatz besteht keine Verschiedenheit der Überzeugungen, aber in seiner Ausführung geht man ausein- ander, weil man V^erschiedenheilen, welche unter Personen nur in irgend einer einzelnen Hinsicht bestehen, für absolute, ihren gegenseitigen Werth bestimmende Unterschiede ansieht, oder ander- seits Personen darum schlechtbin einander r;leich stellt, «eil sie in einer bestiminten einzelnen Richtung einander irleich stehen. Daher der Irrthum der oligarehiscben Rechtshestinunungen , welche das Mass der politischen Rechte nach dem Masse des Besitzes festsetzen, als wäre der Unterschied des Besitzes schon ein absoluter Unter- schied der Rechtssnbjecte seihst. Wäre der Staat eine Gemeinsehaft zum Zwecki^ des Erwerbes, so wäre die oligarchiscbe Rechlsansicht begründet, ti pAv ^äp rojv xTy;aärojv yv.ovj exotvwv//'7av xat o-rj'rX- .3"cv, zcao'jzo'j (Xizt/^ovat zf,g -ölsojg rj'j'jv r,zp xac z-ng y.zr.'jsoig, WT^' 6 z'Jyj 6\ri(xpy'.y.'Jiv /.öyag oöcitcv av I'j'j-jivj. Dieser beschrän- kenden und irrigen Voraussetzung über den Zweck des Staates gegenüber führt nun Aristoteles fort: 106 B o n i t z 3S sj ds IXT/ZS TQv l^riv fxövov l'vsxsv dlloc zov zu tf,v (v.o(.i "yäp av ooO)mm y.ai Twv äÄXojv lld)0)v f,v tzöXh;' vöv o' O'Jx. sart otd to iJ.r, y.tzi- •j(£iv £üoai[j.oviccg ixrjdk zov ^f^v xcczä Tcpoaipsav^^ ^ l>.-n~s auixixayiocg £V£X£v, OTtoig vTio (rnosvog aouwvrai, (j/nzi otx zag dllocyccg xoci zr/v ypnoiv ZT/V npog öX/:r,Xo-jg — xcti yäp av Tuppr^voi xcci Kapyjjoövioi y.cx.i ndvzeg oig SGzi Gvixßolcc npog dXkv'kovg cJjg (xiäg dv nolTzai TröAswgfyCTav. ei.Gi yovv avzoig (jvvSrr/.cci ntpl zöjv £iGCiy(jiyf.iJ.(j}y -/.ai oOixßolcc ntpi zov 40 lf.'h doiy.eXv aai ypa'^ai Tzzpl Gvi^ixccylag. a/A' O'jt' dpyv.i Tiäaiv im zoO- b zoig xoivai -/.aSsGzäatv^ a/,A' szspai Tvap'' t/.azipoig, o-jzszov noiovg rtväg e.iva.1 osXfpovzi^ovGiv äzspo'. zovg kzipo'jg^ ovo oKOig p-ridsig dor/.og sozai rcöv und zdg a'jv^rjxag juv^os iioy3^r} piocv s^si iJ.rjdsixix\ij dlld fxövov oTrwg b p-Tjoev dor/.YiGOiJGLv dAArjlovg. nspi o' dpzz-qg y.(xi üccxiccg TvoAizurig öta- (jy.OTVovGiv oaoi (fpovzi^ovGiv £i3vofj.taf. fj xxl foa^spdv ozi ozl mpl dpszrjg inip-sAsg sivaizfi •/' (hg dAY)3cüg övoixcclloixivri nöAsi, /xy/ löyov ydpiv. Schneider schliesst die Worte a 36 /.oli 'jap av Tuppv/vot — 6 5 ddiy.riaovGiv dllrt'Aovg als Parentliese in KUimmern und setzt einen Piinct erst nach (ppovzi^ovatv svvoiiiag^ Göttliiig folgt ihm in dieser Interpnnction. Die granfimatische Auffassung, welche in dieser Iiiter- pnnction iliren Ausdruck finden soll, ist bei diesen beiden Erklärern nicht ganz dieselbe. Schneider erklärt, obgleich er den Satz wie ein grammatisches Ganze interpungirt, dennoch, die eingeschobenen Bemerkungen hätten bewirkt „ut philosophus tandem coepta verbo- rum strucfura excideret. Nam redit ad institulam rationem demum in illis verbis ri y.cd (pocvspov, özi osl y.zh" Göttliiig dagegen erklärt ausdrücklich den mit mpi d' dpszrig beginnenden Salz für den Nach- satz des hypothetischen Vordersatzes st öt ixhzs y.zl. „Desinit in niinutam apodosin monstrum informe protaseos, satis tamen apte inter se colligatae. Ipsa vero series reriim sententiarumque ot illud post Ttspi ex more Aristotelico in apoiiosi poscere videtiir. Quare non opus est ut cum Corae deleamus". Man muss wirklich in der äusserlichsten Weise nach einem Nachsatze suchen, wenn man, selbst abgesehen von der unhaltbaren Hypothese über das oi „more Aristotelico", in den Worten 7:spi dpszrig oiarjy.onovai-j den Nach- satz zu dem hypothetischen Vordersatze glaubt finden zu dürfen. Der Gedankeniidialt der Sätze, deren einen ntpl dpsziig Qiaay.ono-j- cnv Göttling als Nachsatz des hypothetischen Vordersatzes betrach- tet, und in deren anderem f> xai (pavspov y-zh Schneider den Schriftsteller „ad iiistitutam rationem dcmiim" zurückkehren lässt, ist B o II i t /. 107 vielinelir eine Fortsetzung des begonnenen hypothetischen Vor- tle 1- s ;t f zc's , und derjenige Gedanke, der den Nachsatz dazu zu biidiM» hätte, folgt erst 1281 «4 o'.ir.i.o 'i^r,'. (j-jim.^äÄAovrÄt ~\iio~K,^j v.z 7r,-j roia.'jTTiV x.oivojvjav, ro'jroti rvi^ -öÄiOj^ ixiTSfjT'. rrXsTov — v; ro?^ y.«rä -/.cvrov ÜKepiyo'j'jt xar' a.pE7r,v o' •jTZipsyoixiyotg. Denn wenn wir den Sat-c der ausführenden Erläuterungen entkleiden, so würde er lauten: st ot ixr,rz r'-yj !l.r,v fjiövov vjv/.tv (xotvojvoüatv) äXXä /j.äÄ/,ov 7oO sj C^v, fXvjTc G'JiJ.ixxyJ.cig svixsv O/T'ojg 0770 |U.r;o£vö^ äot- x'üvrÄ!, /xöt; o'.ä rä^ xllw^^äg xac rrjv yovj^'.v röv rrpöij dllrj^^O'jg^ a/lä. C'jiftg hiy.u. -rz'Kv.ac, -/.cd oc-jTOcpy.O'jg xat roDv xaXwv TzpdEe^xJV 7,aptv ^£7£cv r-/;v -0At7'.x.-^v xotvcovtav, d'^ot a'j,a,3ä?,XovTaj 7rX£t(7TOv etg rr/V zo'.oc-jTC-^ xc'.vojviav, ro'jTOu? npoarr/.zi tzIü'jtc'j iJ,sziysiv Tzolzoig. Aber nicht etwa blos der Naclisatz dieser liypothetischen Periode tritt in einer mit dem sprachlichen Ausdrucke des Vordersatzes nicht über- einstimmenden Form ein, sondern schon das positive Glied des Vor- dersatzes, durch welches die wirkliche Aufgabe des Staates der irrlliündich vorausgesetzten entgegengestellt wird, ist nicht mehr in der dem Anfange des Satzes geniässen Form ausgesprochen. Die ausfiihrliche Besprechung der einen falschen Ansicht über den Staats- zweck, otä zxg dllayäg v.yX Tr;v yonGiy^ führt dazu, dass an sie, und nicht an den ursprünglichen Anfang des Satzes, die Erwähnung der wahren Staatsanfgabe angeschlossen wird, Ktpi o 6t.pzrf,g -/.ct.'. y.ocy.iag 7:oXi7r/.r,g oixay.o-oO(jiv y.rA.b ^; diese wahre Staatsaufgabe findet darm durch Unterscheidung dessen, was für sie nur unerlässliche Vorbedin- gung, nicht schon selbst Zw^eck ist, eingehende Erklärung, und erst dann wird zum positiven Aussprechen des wirklichen Staatszweckes (1280 h 40 rzÖA'.g o' v; yvjüiv y.Cii xw,U'üv xo'.vwvta C<^^? rzlzixg y,a.i a.-jzäpy.'j'jg^ und zu der sich daraus ergebenden Bestimmung über das wirkliche Mass der politischen Bechte (1281 a 4 otö/Tsp Ö'TO'. (J'j/ji- ßaÄAovrat -IzlaTov xt?,.) und in ihr zum sachlichen Abschlüsse der 1280 «31 begonnenen hypothetischen Perio le gelangt. — Bekker hat d»'mnach ganzBecht gehabt, die Parenthesen der Schneidrr'scheii und üöltling'schen Ausgabe zu entfernen; er setzt vor 1280 «36 xa; yäo &v ein Kolon. Die Einsicht in den Satzbaii wird jedenfalls unterstützt, wenn di^rch ein Zeichen der unteibrochenen Construrlion an dieser Stelle der Leser auftnerksam gemacht wird, d.iss diese Erklärung in ihrer weiteren Ausführung den grammatischen Zusammenhang des Satzes in Vergessenheit bringt. 108 ß u II i t z REGISTER. Die Seitenzahlen 379 — 434 beziehen sich auf Band XLI, die Seitenzahlen 2S i07 auf Band XLII der Sitzungsberichte. de interpr. 7. 17 a 38— b 8 9. 19 «7 — 22 . „ 10. 19 ö 5-12 . „ 12. 21 a 38 — 5 12 Anal. pr. a 4. 26 6 14—20 . „ post. al9. 8U 24 ff. . „ „ a24. 83« 21—31 . „ „ a24. 83«31— 6 3 „ „ a 24. 8o b 23— 27 „ „ a24. 86al0— 12 „ „ a2ö. 86Ä30— 37 „ „ ß 8. 93 ffl 3 — 9 . „ „ /3 16. 98 i 16— 21 Top. /3 4. 111 «33— i 7 . „ ö 4. 125 ß 33— ö 6 . „ K 9. 147 a 4-9 . . „ ä 5. 1Ö9 fl 2d-37 . „ 3 8. IGO fl35-i 3 , Soph. el. 24. 179 a 26—31 Phys. a 4. 187 b 13— 18 „ 5 2. 209 «31-^.5 „ 5 4. 211 « 23— 34 „ ö 9. 216 i 26 . . „ 8 9. 217 « 10—18 „ 5 12. 220 b 32—221 « 9 „ 5 14. 223 6 12—20 „ £ 1. 224 ö 34— Ä 6 „ e 2. 226 rt 1—4 . „ ? 1. 231 ^» 28— 232 «6 . s . 48 • 5J 415 • » 402 • ?J 81 • » 27 • » 100 • )5 68 ?) 68 • » 80 • 55 77 • » 76 • » 41 J5 45 » 43 • » 34 • « 35 • » 69. • » 34 • 55 26 • 53 427 • » 427 • )> 49 • J> 409 M 408 '^ 55 406 • 5? 42 • 55 406 • » 75 5 55 82 Phys. 1. 232 a 12—14 . . 2. 233 5 7—11 . . . 4. 234 b 10—17 . . 7. 238 «1—8 . . . 7. 238 « 17 . . . . 5. 249 a 27—250 « 7 5. 236 « 13—21 . . 8. 264 « 22- S. 75 „ 76 „ 35 „409 „411 „429 „ 68 5, 43 5,430 „ 84 71 41 41 85 101 391 31 „ 5 10. 267« 21-52 . . „ de Coel. ß 4. 287 « 32— 5 4 . „ „ „ ß 6. 288 b 30—289 « 4 „ „ „ jS8. 290 «7— H . . „ „ „ ^i 1.299 5 7-10 . . „ „ „ V 1. 299 5 18—23 . . „ de gen. etcorr. a3.319«3 — 14 „ |3 6. 333 5 26— 33 „ „ /BIO. 337 «17— 25 „395 „ ßl 1.3375 14-17 „ 37 Meteor.« 2. 339 «11— 21. . „400 „ a 14. 352 5 3 — 13. . . „420 „ /3 1. 353 5 35 -354a5„ 79 „ ß 2. 354 5 4—16 . . „ 103 „ ß 3. 357 6 26- 358« 3 „ 423 „ ß 4. 359 b 34—360 « 8 „ 417 „ ß 4. 361« 14— 21 „ j3 5. 303 a 9-13 „ ß 9. 369 a 12—29 „ d 1.378 5 10-28, de aniin. « 4. 408 «3-12 • 55 26 • „ 81 • 55 65 • » 66 9J 27 Aristotelische Studien. de anim. a 4. 408 b ö — lö S. a 4. 4U8 b2'S . . ß 2. 414a4— i4 ß 2. 414 rt 14-19 ß 10. 422 a 20—32 ß 11. 423 «21— ^> 2 „ '/ l-'i'-i^ ^24-420 «10 „ 7 3. 427 «17- Ä 8 7 9.432 6 21—26 . de somn. 2. 455 « 12 — 26 . 2. 43:) h 14-22 . 2. 4Ö6 « 13-24 . 3. 436 « 32— /; 3 de resp. 8. 474 « 23— b 3 . de part. an. ß 1. 646 «24—5 2 „ „ „ „ p 16. 639« 13 -23 „ de motu an. 4 699 b 17—29 de ine. an. 13. 712 a 1 — 13 Physioir. 4. 809 a 3—16 . . Mech. 3. 830 « 36— 6 2.. „ 6. 831 b 2 — 3 . . . Probl. v; 18. 889 « 4—9 . . „X? 10. 948 6 33-949 «2 „ de inscc. 971 b 27-31 . . Met. A 3. 983 « 24— b 3 6. 1002 6 14-30 . 2. 1003 b 21 — 1004« 1 4. 1027 b 18—29 . ^10. 1033 b 14-20 . ? 17. 1041 b iiff. . . 3 10.10316 9-17 . i 4. 1033 « 22-23 . X 3. 1060 b 31-36 , X 12. 1068« 36- 6 2 5 7 397 400 86 434 419 27 412 97 73 38 74 431 104 89 96 71 49 417 27 27 27 78 93 78 37 47 100 38 76 100 36 73 47 75 n » » » Mor. 31. Met. [j. 4. 1078 6 17 ff. . . „ p. 7. 1081 « 29—33 . Eth. N. a 1. 1094« 9—16 « 6. 1098 ff 7—17 . „ ß 5. 1106 6 8 — 16 . „ 7 7. 1114« 31—6 13 „ ; 10. 1134 6 2—8 . . „ n 6. 1147623— H48all„ n 6.1148«22-69 . . „ £ 13. 1134 «22— 26 . „ i 9 1169630— 1170«4 „ i 9.1170a23— 68 . . „ t 9.117968-12 . . . „ X 7.1177 6 16—26 . . „ X 10. 1180« 14— 24 . „ a 3. 1183 a 13-24 . „ „ „ a 3. 1191 6 30—36 . ^ „ „ a34. 1196 « 1-4 . . „ „ „ ß 7. 1203.6 2-8 . . „ ^ „ ß 1. 1206 « 36— 6 3 „ „ „ ß 10. 1208 a 12—20 . „ „ „ ß 11. 1211 «17—23 . „ Pol. 7 9. 1280 « 31-1281 «8„ „ 7 12. 1282 6 14-23 . . „ „ 8 4. 1290 6 23—37 . . „ „ e 7. 1307 ß 27-33 . . „ „ v3 13. 1331 6 26-1332« 3 „ „ 3 7. 1341 6 8—32 . . . „ Rhet. ß 9. 1387 « 27—32 . . „ „ ßZÖ. 1402 6 12—23 . . „ „ ß23. 1402 6 26, 30. . . „ Poet. 2. 1448« 1—9 . . . . „ 7, 1430 6 34-1431 «6 . „ 9. 1432« 1 — H ...... 100 S. 100 „ 76 „421 70 382 30 403 52 53 73 30 32 33 387 39 39 68 390 78 46 43 79 103 94 99 92 60 61 44 386 387 403 77 77 110 iJr. F. :ni /, I' fei ff er SITZUNG VOM 18. MÄRZ 1863. Vorgelegt: Zwei deutsche Arxneihüclier aus dem 12. und 13. Jahr hundert. Mit einem "Wörterbuche Von dem w. M. Dr. Franz Pfeiffer. EINLEITUNG. Meiner Ausgabe des Biiclies der Natur von Konrad von Megen- herg (Stuttgart 1862) lasse ich hier zwei Arzneibücher folgen, die ältesten in deutscher Sprache, die ich kenne, von denen das Eine jenem Werke des gelehrten Regensburger Domherrn um mindestens hundert, das Andere leicht um zweihundert Jahre vorausgeht. Können auch beide dem reichhaltigen , das ganze Gebiet des damaligen naturhistorischen Wissens umfassenden Werke weder durch Anlage noch durch Umfang und Fiille des Stoffes irgend wie zur Seite gestellt werden, so gewähren sie doch als erste Versuche, die Arzneimittellehre in deutscher Sprache zu bebandeln und die- selbe auch dem Laien zu erschliessen, mannigfaches Interesse. Aller- dings erblicken wir hier die Arzneikunde noch auf der allerunter- sten Stufe, im uiibehiiflichen Zustande der Kindheit, und wus sich den stolzen Titel eines Arzneibuches beilegt und mit dem Namen des berühmtesten Arztes der classischen Vorzeit schmückt, ist wenig mehr als eine planlose Zusammenwürfeluiig von allerlei Recepten , in den Augen vieler gewiss eher ein Gegenstand des Mitleides als ernst- Zwei ileutsclic Ar/.iiciliii(?lier aus clcni 12. iinil l;5. Jaliili. 111 liclier Be;ielitmig weitli. (ileicliwohl sind diese; Deidcinälei' ;iiis alter Zeit , wie goiin«,' auch ihre Bedeutung für die hetrelVeiide Wissen- schaft an und fiir sich >e\n mag, nicht ganz so werlhlos, als es auf den ersten I)lick scheint. Wer immer Sinn und Empfängliclikeit hat für das Werden und Entstehen im Geisteslehen der Menschheit, für die historische Entuickelung der Wissenschaften, wird die frühesten Spuren und Anfänge derselben stets mit einem gewissen geheimniss- vullen Reize betrachten, er wird die Vergangenheit, ihre Anschauun- gen und Meinungen über wissenschaftliche Dinge nicht mit dem Massstab der heutigen Bildung und Gelehrsamkeit messen, sondern sie vom Standpuncte ihrer Zeit und im Zusammenhange mit anderen Erscheinungen auf geistigem Gebiete als nothwendige Durchgangs- puncte aufzufassen suchen. Fiir de medicinische Wissenschaft auf ihrer gegenwärtigen Hölle wird aus unsern beidon Arzneibüchern in der That nichts zu lernen sein. Wer aber mit der Geschichte der Medicin sich be- schäftigt , erCährt hier , welche Heilkräfte man einer nicht unbe- trächtlichen Anzahl von Kräutern im 12. und 13. Jahrhundert zu- schrieb; der Botaniker findet eine Reihe schöner, (lieils neuer, theils seltener Ptlanzennamen, und wo beide IcL-r ausgehen , beginnt für den Sprachforscher die Ernte, wobei noch dem Freunde des Volkes, seines Glaubens und seiner religiösen Anschauungen, in den Segen und Besprechungen und Zauberformeln eine Nachlese übrig bleibt. Diese beiden letzten Seiten, die sprachliche und mythologische, waren es, die mich in dem zweiten, Jüngern Arzneibuche zunächst und schon früh anzogen. Meine Abschrift desselben fällt noch in das Jaiir 1840, in den Schluss meiner Studentenjahre. Das andere, ältere, lernte ich wenige Monate später während einer gelehrten Rundreise kennen , und schon damals fasste ich den Entschluss zur Herausgabe beider, in der Meinung, dass es für die Cultur- und Sprachgeschichte von Wichtigkeit sei, das Mittelalter auch von an- derer als blos der politischen und poetischen Seite kennen zu lernen. Das erste der hier mitgetlu-ilten Arzneibücher befindet sich in einer Handschrift der Wasserkirch- (Stadt-) Bibliothek zu Zürich (C. 58) mitten zwischen lateinischen und deutschen Predigten und anderen Stücken geistlichen Inhalts. Die erste Kunde davon gab GralT, der in seiner Diutiska 2, 269 — 270, ausser einer Stelle aus den deutschen Predigten, den 112 Hr. Frau z 1' f i'i I fe r Anfang des Aivneibiiches nebst den darauffolgenden deutschen Glos- sen von Pflanzen hat abdrucken lassen. Eine vollständige Predigt daraus theilte später in seinem altdeutschen Lesebuch Wilhelm Wackernagel mit (4. Ausg. 193 ff.), dessen längst in Aussicht ge- stellte Sammlung altdeutscher Predigten und Gebete dereinst den ganzen homiletischen Inhalt der Handschrift uns vorführen wird. Eine theilweise Abschrift des Arzneibuches hatte ich mir schon im Jahre 1840 an Ort und Stolle gemacht; Herr Dr. Alfred Rochat war so freundlich, mir zu deren Vervollständigung behilflich zu sein. Wie aus zweien auf S. 10' und 16* stehenden Epitaphien des berühmten Abälard (f 1142) und des Abtes von St. Denis Su- gerius (f llo2) hervorgeht, ist die Handschrift nicht vor der Mitte des 12. Jahrhunderts, aber, nach Sprache und Schrift zu uitheüen, auch nicht viel später, und zwar aller \^'allrscheinlichkeit nach zu Schafl'hausen geschrieben. Darauf deutet eine am Schlüsse beige- fügte Formel: „Ego W., Scaphusensis secclesite professus, apello te A.inprjßsentiam domini apostolici ii\ feste Lucse evvangelistse, qund proxime accurit, de bis et aliis obiciendis mihi responsurnm". Mit dieser Zeit und dem Orte in vollem Einklang steht die Sprache, die in den Predigten sowohl als im Arzneibuch alle die charakteristischen Eigenthümlichkeiten aufweist, die der alamannischen Mundart im 12. Jahrhundert zukommen und zum Theil in meiner Abhandlung über Wesen und Bildung der höfischen Sprache S. 19 (279) ff. sind dargelegt worden. Für das Alter der Hds. eines der stärksten Zeugnisse ist die fast gänzliche Abwesenheit des Umlauts. Nur einmal erscheint koßse 5. Icegillin 23; daneben jedoch lagilli , vazzili 22 , tageliche 23, der morsäre 3.4, säe, säge{=s(ee, scejej i2. 15. 16. 17. 34. ole steht iunuer ohne Undaut, ebenso stäts u = mhd. ü: über 3 IS. 14 und öfier, die dtemzuge 29; mugin Einleitung; svhtin, oft funf^. 1;fur 1.7; tvnnnei; lucel 16.23; uberflnzzic 16. Auch die Diphthonge zeigen keinen Umlaut : für uo zeigt sich nach ahd. Weise entweder no , z. B. kuogin 13 , huorilü 7, enrnore 34, be- Imote 3, oder ii, z. B. frrtge 29 (vgl. Graff 3, 656), grüne (ebd. 4, 299) , rephünir 6 (vgl. ebd. 4, 958 hun, repalinn u. s. w.), drüse 9, süze 26 (vgl. ebd. 6, 314: süzUhho). Neben iu begegnet zuweilen verdichtetes ü: ze den rüden 32 , den rüdigen 27 , zühit 14 , 7mn 31, crütern 26, guz 31 , auch dies iu Übereinstimmung mit ahd. Zwei Jeiitsclie Arzti, ibiiclier ans dem 12. uml 13, Jnluii. 113 Lautei-selieiiiungeu (vgl. Grammatik 1», 100). e für ei in enir 16, 30, ei = i in du geist 4, ea = iu in geuz 4, stehen zwar nur ver- einzelt, haben aber gleichfiills im Ahcl. ihre Analogien. An llieils alterthümlichen , Iheiis der alamannischen Mundurt eigenen Formen ist zu bemerken: wola 29, loole 3. 18, vile 1. 29, sc = mhd. seh: gescribiii Einleitung 26, scaz 14. cch = ck: des pocches 18, gehecchet Ijrucchinez 22. ss = s: wahsset, irwahssin 1. du weites 22. disses 6. sarph (= mhd. scharpf) 1. drige 13. eiger^.nen=^nemeu2iS; dieDiminutiva auf//.- lugilli, vazzili2%,\\\\i\ deren so höchst merkwürdige, nur in schwäbisch-alamannischen Quellen erscheinende Plural auf -lü.-lin: huonlu 7 (vgl. Gries- haber's Predigten 2, XI). Was die Declination, zunächst die der Substantlva, betrifft, so sind es vorzugsweise die schwachen Feminina , welche noch regelmässig die alte volle Form bewalirt haben, während die starken, mit Ausnahme zweier Nominative ruora 22, buzina 23, schon der neuen Form gewichen sind. Fem. Sg. gen. der chervellun 22 , der erlun 23 , der gerstun 23 , der liliun tonrzun 19 , minziinsdme 29 , der nezzelun 1 , der pappellun 17, petrosilun 24, der rutuu 4, der salviun 26, loullimin 4, der icundun 14, icurzun 6. 22. Fem. Sg. dat. von der liuigun 29 , in einer phannun 16 , mit der poleiun, salviun 9. 25, von der sehun 34, ze der situn 34, an, ze der sunnun 22. 27, ze allerslahte icundun 26. Fetn. Sg. acc. die bldterun 6, egelun 34 , harnwindun 20, munzun 3, rütun 7, sehun 6. 34, sevinun 26, £?^^^c snitun 18, llerslehen zuerst Nachricht und Auszüge ge- geben hat. Die von ihm in deuFiindgruben 1, 325. 326 — 327 mitge- theilten und zum Theil in der deutschen Mythologie S. 1124 ver- wcrlheten Abschnitte über die fallende Sucht und die Yerbena (Eisenkraut) entsprechen wörtlich Bl. 13'— 14^^ unseres Buches und sind kaum anderswoher entlehnt. Ähnliche Zaubermittel, Segens- und Beschwörangsfurmeln sind noch mehrere darin enthalten: siie werden den Freunden des deutschen Volks- und Aberglaubens nicht entgehen, ohne dass es einer besondern llinweisung darauf bedarf. D;igegen hielt ich es auch hier wiederum für meine Pflicht, den von beiden Büchlein dargebotenen Wortvorrath in ein Glossar zusanmienzustollen, das den Naturhistorikern das Verständniss der ihnen ungewohnten Sprache, den Fachgenossen die wissenschaft- liche Ausbeute erleichtern und fördern soll. Bei der Erklärung mehrerer schwieriger Wörter ist mir Jacob Grimm freundlich zu Hilfe gekonunen; einige, vor denen wir beide rathlos stehen geblieben, mögen dem Nachdenken und Scharfsinn der philolo- gischen Leser empfohlen sein. Wien, 10. März 1863. 118 Dl-. Franz Pfeiffer I. Liber de natural! facultate incipit. ^•^^• Hie beginnet daz arzinbuoch Ypocratis, daz er het gescribin wider allen den suhtin, die der mugin irwahssin in allen dem men- nisclichem libe. 5 1. Ad capitis dolorem. Nim wormatun, rutam, ebehoue, daz an der erde wabsset, unde nü ez mit bonege unde misch iz mit dem wizin des eies, legez an ein tuoch unde virbint daz boubet dirmite. Nim des pbersicbis ehernin unde niie sie mit oleo rosato aide 10 mit deme einvaltigin ole, tuo daz balb teil des sarpbin ezzicbis dar zuo, salbe daz boubet allez dirmitte unz an die nabt. Obe dicb dunke, daz sich daz boubet spaltin welle von dem swere, so nüwe daz ebehoue unde .mische ole dar zuo unde dru- chez durch ein tuoch unde salbe daz furhoubet mit dem daz dar üz 15 riniiit : ez hilfet dicb vile wol. Nim rosam unde schellewurz unde niu sie mit dem ezziche unde salbe daz houbet mitte. Nim den samen der nezzelun, niu in mit dem ezzike unde salbe daz boubit da mitte. 20 Mit disen allen so wirt virtribin diu boubitsuht. 2. id capillos cadcntes. Brenne den Itnsämen unde mische in mit ole unde salbe daz bar. Brenne des widirs born unde niu ez mit dem ole unde salbe daz boubit dirmitte. Diu geiiüwene agrimonia mit der geizzinnm milche 25 machot, daz daz här wabset. 2. arzinböch. 6. ebeliöe. 8. töhc. 10. tö. habt teil. 11. zö. nath. 13. svere. 14. töc. 16. \yrt, so stäls. 22. 23. hAr. 23. dez w. Zwei deutsche ArziieihüclK'i- ;iiis dem \2 und 13. Jaliili. 1 l .^ 3. Ad eiiiigraneam ycI timpani dolorem. Nim eia chnohelouchis houbet iiiide zwelf plieffirscorn ui'ide fünf lurber und einen leflil vollen gebulvirlir inunzun unde zweite lefl'ele des gepulverten leimes, der in dem ovene ist, unde nüez allez cesamiue in dem morsare unde mische ez mit dem band igen 5 ezziebe unde bii.t ez ubir duz boubit und ubir diu wangin unde behuote vil wole, daz daz sou in diu ougen nit enrinne. 4. Ad aarium dolorem. Nim daz saf der wizun bilsun unde läwi ez unde tuo ez in daz ore. Sint joch die wurme dar inne, sie ersterbint. Nim des safles, lo daz man da diihit üzzir dem grünen banefsainin, unde troufez in diu orin. Nim daz gensesmer, zirlaz ez unde trouf ez in diu oren. Nim daz sou des seviboumis unde der rütun unde die gemaln- nun mirnun unde mische sie mit ole unde mit deme ezzike unde 15 salbe daz boubit unde die iiase unde diu orin, so \\irdit im baz. Nim der gütun mirrun VI pheiinige gewieh unde der aloe viere unde pulvere ez sunderiiche. Dar nach nim ein gebundelin der hüs- wurze und einez rütun und einez seviboumes und einez ephouwes und einez betonice unde nim alse vil wullinun so du mäht mit fier 20 vingirn üf gehebin. Disu allu soltü vil harte nüwen in den morsare unde ze jungest so nim eine hant volle salzes, daz da gebrennit ist mit dem wizin des eiges in dem fiure, unde milwez vil deine unde mischez zuo dem genüweme erüfe. Dar nach nim einen stouf vollin des handigiu ezzikes unde mischez iillez zesamine unde sicbez durch 2;i ein tuoch, und denne aller erst so mische daz pulvir der mirrun unde der aloe dar zuo. So du diz allez getuos, so giuz denne oleum nar- dinum oldir oleum roseum oldir daz | üz dem tille wii-t gemachot, dar geuz ein triteil eines stoufis von ezzike, danne giuz ez in ein glasevaz, unde swenne dich daz houbit swer, so salbez mit dirre 30 salbe, e du geist slafin, unde bewint ez mit einem tuoclie. 13. iirlaccs tüf. 17. vire. 12. si iiiin heiue. 27. «jetuoz. oleum deiine. 120 Dr. Franz Pfi iffer 5. Ad oculos dolentes. Nim des epphes bletir unde niu sie mit dem nuwen ksese unde lege daz über diu oiigin. Nim zwo unze ciimins und ein halbe orge- menles und alse vil der gepulvertun nebetun, so dirre beidir ist, ä und mache ein pulvir unde tue ez in diu ougin. 6> Ad lippitodinem ocolorum. Nim daz atramentum unde daz \vize des eiges unde daz honec unde mischez zesamine unde legiz ubir diu ougin. Diz coUirium ist wunderliche guot ze der finsternisse der ougon. 10 Nim daz guote cinimin unde daz caferan, unde milwez unde nim des ephes wureun sou unde honec unde misch ez allez zesamine vil harte unde sich ez durch ein luoch unde gehalt ez. So du disses bedurfist, so troufe mit einir federe einin Irofin in daz äuge. Diz collirium ist vil guot ze aller slahte ungefuore der ougon. i5 Nim wizzis wirouches libras duas , mannä II, aloe II, mirr^ II, auripicmenti III, draganti I, piperis albi I, litargiri II, cerose I, Disu allu niilwe vil deine unde rit sie durch ein tuoch unde samene sie mit dem touwe oldir mit der vvibis milche , diu einin sun souge, unde gehalt ez. So du des bedurfist, so zetribez mit dem ezzike 20 oldir mit der selbun milche in eineme culTirvazze oldir in eineme leffele und strich in diu ougin. Nim des rephünes gallun unde sine blaterun unde mische sie mit dem balsamo oldir mit dem ole unde salbe diu ougin da mite. Gesehit ouch der iiiut unde hat er die gaiizin sehun , er gesiet 25 scliire äne zwivel. 7. Contra sangainein de naribas fluentem. Nim die eigerschal , dannän diu jungen huonlü sint gehecchet, unde pulver sie unde bläsez in diu nasenlocb , so geslat daz bluot. Stüz die rutun für diu naselocb. 30 Bint im die nezzelunwurcun an daz boubet older funfl)lat. 3. zwo] lö. 11. wrcunso. U. luoch] töc. IS. wizaiz wiröcli. 17. tÖch. 23. zwivwel, 28. liönlu. Z«ei ilcul.sclif Ai'ziieiliiiclicr ;\iis dem l'l. iiiul 13. Jiiliih 1 » 1 8. Ad dolorem dentium. Nim die espiiuin rinde unde iiiu sie mit dem ezzike uiide lege sie in den munt. 9. Ad glandalas. Nim die linsin unde iiiu sie mit deme czziche unde lege sie S uher die diüso. Brenne die wisulun zo pulvere unde salbe die drüse. Nim die geizzebone unde niu sie mit ezziche unde lege sie über die drüse. 10. Ad pectoris dolorem. Siiit die rütun mit dem wine unde mache ein lütertrane mit der 10 poleiun unde mit dem honige unde gib daz zi trinchenne. Nim die rütun , marubium, stabewurz mit gelichir mäze unde niu sie unde gip -isie dem sichin zi trinchen. Cbumet ez ouch von dem herzeswern, so bezzeröt er sich. II. Ad pastema corandum. ^5 Nim zwei mez des honeges, ein teil des chuosnierwes und allin win , marubium , feniculum unde siut daz alzesamine in eineme nuw'ime havene unze ez werden zwei mez , dar nach sich ez durch ein tuoch unde mische dar zuo den pliefir, unde gip ez dem sichin, so er vaste, zwene leffiie, so er welle släfin gan. 20 IS. Contra ficam. Du solt nemen ein gewich carioffiles unde cinomomi unde piper, 89 gingeber, cumich unde zirribez | mit niweme lionege unde säe ez an die stat. 13. Contra dolorem cordis et pulmonis. 2S Der ezze linsine gesotin mit dem ezzike , older er trinche die feltconelun, genüwen mit dem wine, older trinche chuognie milch, niuwenes gemolchen, vastende: daz ist vil guot ze dem swermagen Item nim fenum grecum unde siut ez, daz ist ouch guot. 8. nvi. 16. zwei] zvi. clivsin. 20. zmmic. 23.ni»cme. 20. siulj syd. 122 Dr, Franz Pf eiffer Diz ist vil guot ze dem maginswern unde ze der bittern roffez- unge, da für newedir hilfet ezzin noch trinchin. Nim der gepul- verter centaria niun leffele volle unde gip ime drige tage ze trinehinne mit trin becheren winis. Ez ist ouch vil guot für den S siteswern unde für den lancheswern. 14. Ad sagittam eiciendam. Nim den steinvarn unde niu in mit alten smerwe unde bint ez ubir die wundun: ez zühit daz scoz uz. Obe du wellist dizze selbe dine versuoehin, so bint ez andirhalb ingegin der wundun: daz scoz 10 gät dar üz. 15. Ad Tulnera. Nim den gepulveröten pungen , sag in an die wundun , so heilet siu. 16. Ad sananda gravia vuloera., 13 Nim mirram, wirouch, mastice, harz, pech, orgimunde, polgalga, aloe, gips, hirzzeshorn, arustolociam rotundam, duo der aller gelich unde mach ein pulver dannän üz unde säe ez dar ane. Nim bli unde brenne ez in einer phannun unde trib ez mit enir schinun unze ez verbrinne unde tuo ez tanne in ein hulzin vaz unde tuo dar zuo ein 20 lucel oles und ezzikes unde tiibez unz ez diche werde , unde salbe ez da mite. 17. Ad cancrum. Nim daz gepulverte unde daz gebrande bli und atramentum, piper piretrum, des häcchides chinnebachin, des crebzes bein. 23 Disiu alliu soltü wegin geliche unde pulveren unde wasche die stat aller erest mit dem warmen wine unde fruchenez mit eineme tnoche unde salbe ez mit dem honege. Dar nach so säe daz pulver dar ane unde lege der papeilun pleter older der truchenun nezzelun dar ubir. 18. Ad diificaltateui iningendi. 30 In dem ougwestin so nim des pocches lebere unde sulze sie vil wole unde gip den diu harnwinde daret tagiliche eine snitun ze 7. steivarn. 12. vuiidun. 19. huolzin. 24. dez chiebses. 30. in den. 31. ha'ndvinde. über daret steht schadit. Zwei deutsclie Aiziieiltiiclier aus liein VI. und 13. .I.liili 1 -. «5 czenne, unze du gesehest daz ez helfe. Ist cz ouch der stein, ime wirt baz. 19. dui noii potest ariaani contiaere. Nim der lilium wurcun uude siut sie in der milche, niu sie unde biiit sie ubir die lanche. 20. Ad difficDltatcni orine. Nim saxifragam, niu sie unde gip im ze trinchinne. Diu ist vil guot für die harnwindun. Item siut den lubestecbin mit dem wazzere unde gip im ze trinehenne. Daz hilfit vil wol. 21. Contra lapidcm. ^^ Nim zwei elobeloucheshoubit unde siut sie mit fier mezzen wazzeres in einem niwen havene, unz ez versiede ze zwein bechern vollen, unde gip im ze trinchinne dri tage, so bristit der stein. Item nim daz eie, daz an dem dunrstage geleget wurde, unde gip ez im mit dem wine ze trinchinne. 23. Ad dissiuteriam qu^ sangDinem emittit. Nim des wegerichis wurcun unde lubestechen unde der cher- vellun mit den bleteren unde trucchinez allez an der sunnun older in eineme ofene. Dar nach pulver ez unde rit ez vil 1 oleine unde • 20 nim ze drin mälin ieclies mit den vingeren geliche unde tue ez in ein lagilli unde tue dar zuo niun mez des luteren wines unde des honeges ein mez, des lubestechinsous ein mez. So du daz niezin welles, so triez zesamine unde trinchez niun tage ein vazzili vollez, so stet diu ruora. 25 23. Contra ydropicam passioneui. Nim der gerstun so vil so du wellest unde mache ein malz, daz ez zuo der erde niet enchome unde mache ein hier dar iiz unde nim der erlun rinde, diu aller nächest dem boume ist, unde mache ein pulver dannan üz unde nim ein lucil mez unde siut ez mit dem biere unde vollemache daz hier unde giuz ez in ein lägillin unde 4. vrcvn. 18. s.nxifiiicam. 12. veiside ze zvin beccherii. 14- gelege. 22. iiiziii. 27. niet] nt-t. 30. laegillun. i 24 Dr. Franz Pfeiffer {li|) ez dem wazzirsulitigin ze trinchiiine niun tage. Aftir disime tranclie so gip ime tageliche gebratenu aiger ze ezzinne vil heizu. So du gesehest daz ez in helfe, so gip im dar nach über lanc ein ruortranc, daz wir heizen buzina. 24. Electoariam contra ydropisin. Nim den cumin unde des atechessou ein unciam, ingiber iinciam I, cariofeles unciam I, piper eine unciam, reoponticum V pheninge gewäge, costes VIII pheninge gewage, galgan Y phe- ninge, lorber als vile, granomastice VIII pfeninge, zwo uncius ^0 epphensämen, als vil feniculi, als vil tillinsamen, als vil petrosilun, lubestechen eine halbe unce. Disiu alliu mache zeime electuario unde gip ez z'ezenne dem des durf sie so vaste. 25. Contra plenrisini. Nim den stein, den diu swalwe treit, unde den hanefsämin und iö der chölesämen unde mische ez mit der salviun unde lege ez im undir die zungun. [26. Von lüterlranche.] In dirre stete ist gescribin unde geordönot, wie man in eineme iegelichen manöte sol lütertranc machon iizer ciüteren unde pic- 20 mentis, Diz lütertranc ist vil guot unde heilit unde gehaltet, unde gedoublt die uberfluzzigin liumores, die dir sint in dem menneschin. Zi dirre wis sol man ez machon. In martio sol man ez machon ilzir einem teile salviun unde sol man da zuo nen XII corn piperis, per- theram, gingiber, spie, wol gesotin, honeges unciam, XXX mez 25 wines. Disu alliu suln wol gemilwet sin, dar nach gestän, daz sie geluteren unde daz diu clara potio süze si zi trinchinne. Man sol sie ouch vastende trinchin unde nach muose aller tagelich in disem manödin, so wirt er vil gesunt. In aprile sol man zuo diseme tranche tuen die wormäte und allez, daz da vor gescribin ist. In maio sol 30 man lubestechil dir zuo tuon und predicta, in junio betoniam und predicta, in julio gamandream, in augusto agrimoniam, in octobere fimbrate, in novembre millefolium, in decembre hagun, die dir wahsint lifen den wizin hegene, in januario sevinun unde poleium, 12. (lern fc}dt. 23. lioncc. 29. und allez] vallez. 30. in vinio. 32. hajrnn die die. 1'> " in febi'uario löilter uiuU' cdst. D(M' disis lutirtranchi^s spiilgit, der wirt vil gesunt. [27. Emplastrani.] Emphistriiin ist vil giiot ze aller shihto wuiidiiii uiide ze der lebere iinde ze den brustiii unde ze dem miize unde zi dem lippe- 3 swcrn unde ze der situn unde widir dem cramphe unde ze podagra 92 unde ze dem lanclieswern. Diz so! man dirztio tuon. | Aloe, mastice, mirram : dirre alre sin libie quatuor, orgementum 1. III. des luteren giasis libre III, gepulveröt, walisis libra una, peches 1. I. Mit discme pblaster sol man den rüdigin menniscbin riltin in 10 dem bade odir ze der sunnun. Des ungesotinen swebeles 1. I, poclies 1. II, oics alse vil so du bedurfist. 28. Emplastrani contra febres. Nim des atecbiswurzcn sowes under daz weizine mel unde mischez zesamine unde legiz an ein tuoch unde bindez iiber den \'6 magin. So ziigat daz bivir ane zwivel. 29. Emplastruni solitoriuni beizet daz emplastrum, den meiidiz mugen (?) unde ze dem biiostin, jocb die der vil üz werfen! fon der fülun lebere oldir hingun. Ocli ist ez vil guot den, die der ungehisticb sint des libes, unde den daz 20 bluot wadelot aflir dorne übe ist diz vil notdurftic. Dar zuo erwecket ez vile wola die lange slapliintin menniscbeit der manne unde fiir- bringit die menstrua und ist nuzze ze allen den inwartigin passioiii- bus unde maeliit die suozzen ätemzuge. Diz sol man dar zuo tuon. Oleandes libr» III, piper der \vi/.en , minxun samen 1. I, numines 23 I. II, siler I. II. zit I. II, cinamon^i 1. II, unde boneges also vil so (In bedurfist. Dirre leeluarien sol m;in Trüge gebiii zwene lefTile volle, lange wile e danne z'ezze, unde diie lefTele volle e danne er slafin \\elle. 30. Inguentum Jacobi calisticuni 30 ist vil guot ze allen den swern des lihis, jocb ze allen den goswulstin und ist barte guot podagricis und ist guot dem, der iiizwissen den lidirn \ve ist. Sus sol man macbun diz unguentum. 4. sliihote. 3. lippesverii. 7. l,iiios\ ein. 14. iK-z.. 27. Ii-ctiiai iiiiii. 32. doin 1. 126 Dr. F r a II z P f 8 i f f e r Nim altes swinissnierwes enir unze gewic , wahses zwiio unze, salces zwuo unze , des oles , des man gemachot iizir den lörberen, zwo unze gewic. Disiu tuo zesamine unde zirtrip sie vi! harte, unde dems turf si den salbe dir mite. S 31. nngaentam grecam ad capnt. Diz «nguentum lieizit latineschun gruone (?) und ist vile guot ze deme houbitswern unde ze allen suhtin. Ouch bedarf man ez ze vile manegen arzeinten. Diz sol man derzuo tuon. Rute manipulum I, huswurz m. II, epphes m. V, folia lauri m. V, seozwurze m. V. 10 Disiu ailiu solt du vil harte nüwen mit dem ezziche joch sih in durch ein tuoch in ein erin vaz. Daz selbe vaz solt du begrahin in der , erden niun tage unde solt ez vil vaste obenan betuon. Unde dar nach solt du ez biderbun. Nim ein cuphervaz odir ein heriniz vaz unde guz ein mez oles dirzuo, daz andir des handigin ezzichis dar in IS unde begrabiz in der erde nun tage, unde dar nach so engrab sie unde biderbe sie ze allen den erzentin, so da gescribin ist in dem arzinbuoche. Och is siu vile gut ze der vvundun unde ze der houbitsweren. 33. rogaeDtam albom 20 ist vile guot ze der rüden joch ze dem grinde unde ze der unsübir- liche. Diz sol man dirzuo tuon. Litargiri, des ungesotenis swebeles, wirauch. mastice, | cerose suspendifo. Et jugiter illum portet . . . 93 suo cum in balneum ire voluerit , in terra domi dimittat , reliquis horis Omnibus secun) habeat. 25 33. Ad morsnm serpentis. Den du natere gehekke , der neme zwai phenninge gewäge agrimonium sous unde zwai copheiin wines unde trinche diu samint. Ez tribit daz aiter üz dem libe. Daz wib, der diu brüst swere, diu neme andorn und altez swere 30 unde stozze diu zesamine unde binde dar ubere: ir newirret sä niht. 4.(1611181^5!. 7. luiohit. bedeiman ez. 9. Imzwurz. 29. vib. und altez] valtes, 3U. stouzze. Zwei deutsche Aizneibiieher aus dem 12. und l:J. Juliili. 127 34. Contra menibranoin oculi. Nim diiz ine, daz an dem heiligen tage ze wihennahten geleit werde unde hienne cz zc pulvere unde rip daz pulver iinde rit ez durch ein luocli unde leg in nidir iiiule saig im in daz ouge. So daz fei von der sehun come , so tuo daz pulver mit einer spenelun 5 houbet an daz fei, daz ez die sehun niet enruore. Swa du wollest daz daz har niht enwahse, da rouf ez uz unde nim die egeiun , diu des mannes bluot söge, unde brenne sie ze pul- vere in oiiieme niwen havene unde säge daz pulver an die stat. II. iO 1' Ditze huoch dihte ein meister der hiez Barthoiomeus, daz nam er ze Chriechen üz einem buoche, daz haizet practica. Daz ist hie tiudsche gefihtet mit den seihen worten, also ez ßarfholomeus an sin buoeh hat geschriben. Swer den brief dises buoches wil wizen, der sol in also erchennen: „introduciiones et experimenta Bariholo- 15 mei magistii in practii-am Ypocras, Gallieni. Constantini, grecorum medicorum". Der brief diutct alsus. Barthoiomeus der maister, daz er uns an disem buoche geleret hat, alliu diu dinch, diu er ver- siiohte, daz si war sint in den ehriechischen buochen unt daz er den wech unt die rehten chnnst geleret hat, die wir vinden suln in 20 den ehriechischen buochen, diu da geschriben habent die chriech- sclien arzet Ypocras, Gallienus unt Constantinus. Swer in den erzen- buoehen iht gelernen wil, der sol aller erste wizen, ouz weihen dingen oder wie der mensch geschaffen si. Ein igelich mensch der ist geschahen üz den vier elementis: üz der erde, von dem lüfte, 25 von dem wazer, von dem fiure. Die wirme und die hitze hat der !*■ mensch von dem fiure, von | dem wazzer die fiuhte, von dem lüfte die chelten, von der erde die trüchen. Diu lote varwe chumet einem igelicben dinge von der hitze; diu wize varwe chumt von der chelten. 2. iage fehlt, vielleicht eher: an den heiligen uihennahten. S. hliiit. 11. 12. buch, buche. 14. Bartholone^. 17. dulet. 18. disen. 21 . ihiiehschen. di daz. 23. g-elereu. 24. der mensch fehlt: aus einer Uberliiujer Handschrift ergänzt. IIS. viere. 26. den f. 28. truelien. rocte. 31. diciie, xo t/civiihnlich. 128 Dr. Fia n I Pfeiffer von der trüchen wirt ein igelich dinch siiial oder dünne, von der fiuhte wirt ein igelich dinch dicke. Swer nü wil wizen, von wiu ein igelich siehtuom chom den der mensch habe, der sol ditz merehen bi der varwe, die daz harn 5 hat, daz von dem menschen chunt. Swenne d;iz harn ist rot unde dicke, daz bediutet daz daz bliiot rehte chraft unde guoten gewalt hat in dem libe. Swenne daz liarn ist dünne unde rot, daz bediutet daz der mensch ist colericus: der hat des pluotes ze vil unde der fiuhte 10 ze hizil von dem w;izer, der muoz durch not gähinuotes sin, waii im diu gaile schiere cnbrinnet so starche, daz ir diu fiuhte niht widersten mach. So daz harn ist wiz unde dicke, so ist der mensch flecma- licus; der hat des | pluotveimes ze vil gevangen, der ist lanch- l« 13 raeche unde swiget gerne. Ist daz harn dünne unde wh, so ist der mensch melancoiicus; der hat des pluotes so vil, daz iz ist erswarcet; der wirt schiere grä. So lanch so daz houbet ein ancgenge ist des menschen, f^6 sul wir des buoches an dem houbet beginnen. 20 Swer daz harn rehle schowen wil, der sei gewinnen ein wtzez glas, daz vil lüter si unt daz obene enger si danne niden; erne sol ouch daz harn nimmer gevAhen, e der mensch des nahtes wol gesläffe, wan daz iiarn gewinnet nimmer rehte varwe unze näh mitter naht. Daz glas sol man danne decken unde sol ez schowen, 25 so diu sunne ouf get oder umbe mitten morgen. Hat daz harn ein dicken chreiz al umbe in dem glase, so ist daz houbet tapher unde swsere siech. Ist daz harn lüter unde ist der chreiz rot, so ist des pluotes ze vil vor in dem haubet. 30 Ist daz houbet siecli | in dem hirne, so ist daz harn bla unde l louter unde ist doch der siehtuom groz in dem zesawen teil des houbtes. Daz chunt von der colerica rnbea, diu an der stete liget. Ist daz harn dünne unde ist der chreiz wiz, so ist daz houbet winsterhalbe siech in dem nacche. Daz chunt von dem flecmate, 3ö daz leit in der zelle, da diu gehnget inne lit. 3. sihtiim u. s. f. 7. in den I. 8. hediilet. H. scliiro, so meist. 18. ist fehlt. .22. uh. 24. decheii. 23. uf. 27. sich, so in der Regel. 31. iTiter. groze. K Zwei (leutsclie Ar/.iieiljiielier aus dem 12. iiiul 13. Jalirli. 1 .Co Swer nü wizen wll, weihen siechtuom der mensch in dem houbt habe , der soI daz rnercht-n l)i dem chreize , der uinbc daz harn gel, also daz buocli da vor gesaget hat. Swenne daz harn ist oben griiozeloht, zware so ist daz houbct allenthalben siech. :> Ist daz harn triiobe unde val , als des vihes , so ist daz houbct so siech , daz der mensche in groze not chinnet, im werde sin ge- buozet. Hat daz liarn einen diken chreiz unde daz ez allenthalben ist ein luzel schoiimech, so ist daz houbet siech unde diu brüst vil unchreftech. 10 Ist daz harn rot unde dikhe, so hat der mensch daz fieber. Daz 2' ist so getan, daz da von chumt ein siechtuom, der | heizet synocha febris. Daz fieber chumt von dem unmazlichen pluote , da von chumt daz vieber daz da heizet terciana , daz leidiget den menschen an dem tritten tage. la Ist daz harn wfz unde dicke , so hat der mensch daz tegelich vieber. Daz chumt von flecmate, daz ist clialter näture. Swenne abe des liarnes so vil ist unde vil dünne, so wil daz fieber ende haben. Beginnet abe daz harn swarcen , so wil sieh daz tege- lich vieber wandelen in tertianam. So daz harn rot unde louter ist 20 unde so sin vil wirt, so ist der mensch siech an der lungel von der grözen hitze. Ist des harnes vil unde ist iz \\h unde vil louter, so ist diu lungel erfroren. Ist daz harn vil dünne unde bleich, so hat der mensch etwaz 23 unvcrdoutes in im. Ist daz harn rot unde dicke unde ist sin vil , so ist diu lungel zebrosten. Ist daz harn rot unde ein teil gemischet mit der swerze, so ist diu lungel ze heiz. So der mensche sieche unt daz harn weitiner 30 a*" varwe si oder wiz ode | dike oder truobe, als des vihes , daz be- diutet daz der mensch den stechen wil gewinnen in der winstern stten. Ist daz harn rot unde truobe unde doch dicke, so gewinnet er den stechen in der zeswen siten; da ist der menscii aller wermist ^5 3. buh. 9. schumech. 12. silhuin. 20. Ifiler, »o häufig neben luter. 26. vnver- dfiles. 32. vinstern. Silib. d. phil.-hisl. Ci. XMI. Rd. 11. Uff. 9 130 Dr. Fran z P feif fei- lst daz harn an dem gründe lieht unde louter unz an die mittel- öde unde ist ohernthalbe dicke unde truohe, so ist der menscii vil siech in den brüsten. So der mensch hat daz fieber tertianam , ist sni harn zaller 5 erste dike unde rot; wirt iz danne wiz unde dünne unde durstet in harte , so gewinnet er daz fieber , daz in immer über einen taeh leidiget, Ist daz harn milchevar unde luzil dünne , so hat der mensch den harnstain in der blater. 10 Ist daz harn griezich unde daz diu flekelin schinent da inne, so lit der harnstein in den lanchen. Ist daz harn wiz unde dünne unde daz sin allez ein liizel ist, so lit etvvaz unverdoutes in dem magen. Ist daz harn dünne unde blaich, so ist diu lungel siech von IS unverdeuten | dingen. 2« Ist daz harn weitiner varwe, so hat er einen siechtuom ob der brüst, da von er töbich wirt. Hat daz harn langin stiickel als daz här, so ist der menseh über allen den lip siech unde in den lanchen zebrosten. 20 Ist daz harn zach unde sint diu stuckel da inne, so ist der mensch über allen den lip siech. Ist daz harn getan sam die chliwe drinne varen oder als die scuopen, so ist diu lungel ser oder zebrosten. Ist der mensch siech unde ist daz harn giftevar unde ist doch 25 zach, so ist der lip aller innen zebrosten. Swer daz starche vieber hat, sint denne in dem harne chleiiiiu stucheiin unde doch swarzevar, sone mach der mensch niht genesin. Ze gelicher wise ist des harnes luzil unde daz selbe ouch swarz, vii gewislichen, so ist der mensch vaige. 30 Ist des menschen harn getan sam chliwe drinne varnne unde ist iz danne luzil, so wirt er schiere vergibt. Ist des harnes | vil unde maniger slahte varwe, so ist der lip 2* aller beweget von siechtuome. So daz harn ist vil wunderlichen gyluch, so der mensche lit in 35 dem starchen vieber, so muoz der mensch schiere sterben. 1. übt. 8. millievar. 11. lilit. 13. lith. 17. tveblch. 32. diu chliwe. 23. scöpen. 23. itache. ist doch der I. 26. siiil] ist. 29. gewisel. 32. harn. Zwei deutsclie Arzneibiiclipr aus dem 12. und 13. Jnhrh. 131 So daz harn grüene ist in dem vicber, so gewinnet er lilite daz vergibt. Dai ist Yon der wibe harne. Der rnagde liarn sol wesen liebt unde louter. Daz barn so der man des nalites bi dem wibe lit, daz sol wesen truobe uiide liebt, 5 daz semen an dem gründe. So daz wip swangir wirt, an dem an- deren oder an dem tritten manoede so sol daz barn louter sin unde sol ein miebel teil sin unde sol getan sin als diu hepben an dem gründe. So sin vier mariode werdent, so ist daz barn oben louter unde 10 ist an dem gründe bepbich unde dicke. So diu wip siecb sint in dem menstruo, so ist daz barn pluotvar. Ist der frowen barn truobe als des vibes, so sint sie siecb in der cbindolege , diu da baizet matrix, unde in der wambe, daz ist diu vulva. 3' So daz barn stet in dem vaze unde der cbreiz pipenet [ so i5 daz vaz niemen ruoret , so bat daz wip der ubelen ßubte ze vil, daz si rinnet durcb den rucke in daz boubet unde in allen ir üb, so muozen der wibe boubet toucbticb werden. Ist daz barn rot unde fiwervar, so bat daz wip daz vil übel tägelicb fieber. Ist ein cbreiz ob dem harne , so ist sie bouptsiecb 20 oder bat die vil ubelen bifze an ir libe. M swige wir des harns unde sagen von der vrowen slechtuom. So dem wibe der milcb zerinnet , daz si des spunnes nibt haben mach, so sol si nemen gruonen venicbl und siede den in dem wine oder in milch unde tiinc ez vastunde zwir oder tristunt , so 2d gewinnet si spünnes genuoch. So daz wip ze groz wirt, so sold du nemen vier mazze der wermuot, des cymeies ein teil, der seifen neun teil, der wilden cbiubez fünf teil; diu sold du danne elliu samt temperen mit wazer unde gib daz dem wibe ze trineben: si wirt scbiere sinal. 30 Sweih wip ir siechtuomes nibt haben muge, diu neme myrren unde temper si mit dem süge artymesien, unde so diu temperunge 1. giiline. 3. das zweimal. 11. dichen. 13. pipeneit. 18. tovthtich {«oj. 22. von] vor. 23. ez] hez. 26. spunnes. 28. in seifen ist das e corrigirt. ne8n. 29. fivnf. 32. temperunge. 1 32 Dr. Franz Pfeiffer danne getruchne, so sol si | vigelen ein hirzes hörn unde mische S*" diu zesamene unde beliulle si vlizeehlich unde mach einen rouch, dar üz unde setze den under diu bein: an der wile so gewinnet si ir wipheit. ß Ze gelicher wis sol si röten ezzen unde den souch vaste trin- chen unde sol die wurzenschiben zwischen diu bein haben: so ledigent sicli diu menstrua. Ez erget vil dicke, daz diu matrix ersticket, da daz chint inne lit, eintweder von dem smerwe oder von dem foulen pluote, daz si 10 sich niht erfurben mach noch daz si der gehurt niht enphähen macli. Des sol man sus buozen. Daz wip sol nemen gruone rüten unde ribe die wol vast unde stoze die an die stat. Ze gelicher wis du sold nemen swebel unde temper den mit sfarchem ezziche und habe die temperunge lange für die nase unde sfoz ir ein teil an die 15 tougen stat, so wirt dir baz, Swenne daz wip den siechtuom liat , so geswiliet | si ein teil ^, umbe den nobel unde walget ir daz geliberte bhiot under den rippen also diu eiger unde beginnet ir diu ader swellen unde get ir der toum in daz houbet als der dicke rouch. Wil du des siechtuomes 20 schiere buozen , so nim ruten unde temper die mit guotem honege unde salbe dich da mit al umbe die tougen stat. Wellest du aver schiere gesunt werden, so nim linse unde beize die mit wine, da näh temper siu mit honege unde neuz die erzenie alle tage: du wirdes schiere gesunt. 23 Sumelichiu wip, so si chindelin gewinnent, so zerbrestent si in der wambe. Den siechtuom sol man da bi chiesen. In ist we vil dicke in dem bouclie unde so si sitzent, so ist in also we, als in ein spiz durh den ruke ge. Des siechtuomes sol man sus helfen. Nim ein chalch , der ouz chiselingen gebrennet si, unde clifeselüppe, diu SO^ungebiderbet si, unde seifen unde zomule daz in einem hulzinen vaze unde mach ouz dem allen samt ein phlaster unde lege daz [ an die 3^ stat, so wirt dir zestete paz. Wellestu des niht tuen, s6 nim reteich unde rip den mit honecseime unde neuz die erzenie vil msezlichen alle tage unze dir baz werde. 1. getruche. 2. behule. rficli. 'j. 12. iglii-her. 9. f\^leii. 10. nihil. 11. rillen. 22. schir. 27. biithe. 29. uz. Zwei (leulselic Aivneihiiclier aiis dein l'i. uml i:j. Jaliili. I O o Ez ergct vil dicke , diiz sich eizze erheven an der matrice in dem libe; da von wirt daz wip so siech, daz si des diinchet, daz ir der lip aller si erswoin, unde swa si grifet an den beuch, da dunchet si, wie si grit'e an ein gcswor. Oiich geswillet ir diu geschah. Des siechtuomes nialitu schiere helfen. Du solt nemen eines bern 5 smer unde solt daz zetriben mit einer vil waichen wolle unde lege daz an die sfat. Nehell'e daz niht, so niin artimesiam unde genssmer unde misch daz mit rosenole unde lege daz an die stat, da du die geswulst habt'st. Swenne den w »ben we ist in der niati-ice oder unibe den nahel 10 oder an der geschaft, so gewinnent si ein getwanch, daz si dunchet des, daz si niden si zesaniene gebunden. Des hilf du alsus. Nim ein hirzin march unde ein toter eins gebraten eiges unde mule diu zwei [zesamene mit rosenole unz daz ez dicke werde sam ein honic- seim unde lege daz an die stat. Nemugestü aber des niht gehaben, li» so nim mirren unde zerib den in gesotem winc unde trink daz also warmez, du wirdcst gesunt]. I vil sanfte wernien unde strich die crzonie umbe diu ougen : dir wirt inner zwein tagen baz. 20 Du solt in dem mänode julio centauriam daz chrout gewinnen unde samen sin vil, daz du sin genuoch habest ailez daz jar. So du danne wellest, so nim sin ein gebundelin unde lege daz in ein wazer unde decke daz vlizechlichen zwene tage unde wasche danne daz chrout mit würze mitalle vil starch in dem selben wazer unde siut 2.i daz wazer vifzchliche zwene tage. So daz wazer danne gesiede, so giuz dar zno ein halbez trinchen wines. So der win wol danne ge- siede mit der würz, so giuz ez allez zesamen unde soch ez vil sanfte, unze daz ez dicke werde, so giuz ez in ein chophervaz, unde dem sin dürft si, dem gib der erzenie also groz, same zwo weiheseh 30 nuz. Diu erzenie ist guot den daz wazerchalp weliset unde machet den magen gesunt unde den gerne unmähtet, der wirt da von gesunt. 4. geswllet. H. Hier eine Lücke von ztoei Bliittern, den beiden innern des eisten (Juartcrnio = Bl. 4. ö, wie die alte Foliiruny ausweist. Die Erijämung von Z. 14. ze- saniene bis Z. 17. gesunt ist der Münchner Ils. C(jm. 722, Bl. 28' entnommen. 21. cen- l.iriiiMi 22.j;iie. 2;;. mil tulle. .30. (lurfl. ol . welcliscli. 1:54 Dr. Franz I'feiffer So dir daz lioubet we luo , so heiz dir gewinnen ebbouni, der an der erde lige, unde | siut den vil vaste in wazzer unde twaeb 4" daz büubet da mit, so wirt ez gesunt. Ton der stimme. S- \Yil du guote stimme gewinnen, so nim senef und mule den in einem morssere unde fowe in vil cbleine und temper in mit bonech- seime unde maeb drüz vil cbleiniu zeltel unde iz diu vastunde, und wil du, so tuo da zuo cymei unde kannelin unde piretrum, diu vin- destü veile in den chrämen. Nemugeslü des niht gewinnen, so nim 10 geir.alen pheplier unde babe in lange in dem munde unde slint die speicbeln; dar nach salbe die ebel mit boumole , daz solt du nemen in den munt: dta gesibst miehel wunder von der stimme. Von schöner varbe. Wil du macben daz diu antluze scböne si, so nim lustecben unde IS siut in stareb mit wazer, so wirt din antlüze sebone. Wil du din antluze aver junclilieb machen unde scböne, so nim eine henne | unde lege die in einen niwen havin unde versiut si 4' M'izem wine, der wol louter si, unde siut si unze daz sich daz ge- beine von dem fleische lose. 20 Wil du macben daz der mensch sprechende werde, so er vor uncbreften die spräche beleit, so nim polein unde dübe die in einen ezicb unde bint danne daz selbe polein in ein linin tuoch unde babe daz dem siechen für die nase: er wirt als palde sprechent. Nehabestü des nilit, so nim ein pionienchorn unde lege imz üf die zungen, er 2S wirt sprechent. Nehabestü des niht, so wasche im die fiieze mit chiiltem wazer; ist ez des winders, so sol daz wazer warm sin. So du chumest über einen menschen, des du zwivel haltest ob er genese oder sterbe , daz versuoch also. So der sieche in dem grozen siechtuom beginne switzen von der brüst ouf unz an daz 30 houbet, der genist wol; ist er starche truchen umbe die brüst, so mach er nibt genesen. Swenne der mensch ist | in grözem siechtuome, vorvellet im 4' danne der bouch an den ruke unde erlustct in deheins dinges, hat l. der fehlt. 12. munt. 18. wizen. 20. mesch. 23. 2ä. sprelichent. 27. ein m. 30. truchen. Zwei deutsche Arzneibiiolier aus dem 12. und i:{. .lühih. 1 oD or danne ehalten sweiz, der stiibet an dem einleftem tage. Ist daz der mensch der erzenie vaste gert uiide ime diu erzenie wol zimet, der geniset wol. Swenne sieh der sieche dicke clieret zuo der wende, daz ist niht guot. So er die nase vaste spizet und im diu nase weichet unde so im diu ougen holent unde swindent 5 unde so im diu tunewengel unde die tuomen enphallcnt unde die lefse nider vallont unde im diu oren ehalt sint unde sich ver- werfent itwederthalbent, an swelhem siechen du disiu zeichen .sihst, zwäre der ist veige. So du chumest über einen siechen, sihslü danne daz im diu ougen hol sint unde im der munt offen lo stet so er slsephet, so soltü in vragen, oh ez sin sit si daz er mit offem munde slaffe; ist ez sin gewohnheit niht unde zehert im daz winster ouge, so stirbet er an dem driten tage. So du den S" siechen grüezest unde in vragest, wie er | sich gehabe, wirfet er denne die hende über daz houbet unde zucket die füeze wol faste 15 zuo sich, der genist wol. So der sieche allengähes daz houbet wirfet hin da die füeze lagen, gewisliche der geniset niht. So der arzet get zuo dem siechen, cheret sich der sieche zuo der wende, der stirbet des andern tages. Wellestü wül schiere versuochen, ob der sieche sterbe oder 20 genese, so nim daz harn, daz er geharnet habe vor mitter naht, linde giuz daz an ein grüene nezel unde schowe die des andern tages: ist si grüene sam e, so geniset er wol; ist ave si erdorret, vil gewisliche so stirbet er. In swelhem siehluom der mensch zv.ir erniuset, der nestirbet in dem leger nilit. 215 Alle die wile der sieche den grüenen rinch vor den ougen siht, so er iz zuo tuot unde so er daz ouge oben rüeret mit dtm vinger, so nist er niht veige. Welleslü versuochen, oh der sieche genesen müge oder des legers sterbe, so nim eines wibes spünne, diu ein degenchint ziehe, 30 i)' unde nim | des siechen harn unde mische diu zesamen. Ist daz si fliezent under einander, so geniset der sieche wol; schaidet sich daz spunne von dem harne, zwdre so geniset er niht. Daz ist versuochet. 4. gulh. ö. höii-iit. G, lumeii. 7. öreii. 8. A\\ fehlt, ist fehlt. 11. sl.-phet. 12. offen. 13. viiisler. lö. lueliet. 27. siht /•<■/(//, zuc töet. 29. siliche. i 36 Dr. Fia 11 z P f eiffei- Sweiine du hseisei* werdest, so nim fenum grecum, daz ist ehriechschez heu, daz vindest in den cliramen, unde nim ysopum uiide poleium unde rip den souch dar üz unde trincli den souch läwen, so wirt din chel liel unde louter. 5 VVil du machen daz der mensch schiere sprechent werde, so er spräche beleit, so nim populion unde salbe ime den guemen da mit: er wirt als balde sprechent. So dir ze den brüsten we si, so nim wilden chressen unde geizine milch unde gib im daz ze trinchen also läwez: im wirt als 10 balde baz. Neliabestii des niht, so nim rüten unde siut die in einem guoten wine unde gib im den win also läwen ze trinchen, so wirt ime als balde baz. Swenne dir in der brüste unde in dem herzen | we si, so nim 5' marubium, daz ist retich, unde poleium unde siut diu zwei in einem tu wazer unde salze daz ein lüzel unde souf daz vastunde, so wirt dir baz. Swenne dir so we si in dem hercen, daz du geswillest, so salbe dich mit ole unde mit milchsmalze unde seie danne dar ouf aschen, der üz fiehtinen rinden si gebrant, so wirt dir baz. 20 Si daz dir diu brüst stsetechlichen we tuo, so nim retich unde rufen unde abrotanum unde zetrip diu driu under einander unde lä si über naht in dem souge ligen und iz danne der erzenie dri tage alle morgen, so wirstü wol gesunt in der brüst unde dowest wol daz ezzen. 25 So der mensch niht släphen mach, so sol er nemen wermuot unde sol die wellen in einem wine oder in wazer unde soufe daz also warmez: zwäre so slaephet er wol. Nehelfe daz niht, so nim ein winblat oder grüenin winbleter unde zetrip si under einander in einem wazer unde gib im daz ze soufen, so slsefet er als balde. 30 I Swenne du weder ezzen noch getrinchen mügest noch 5* verdoun, so nim millefolium, daz ist tou<;entbleter, unde souf daz in einem läwen wine. Wil dii machen ein electuarium, daz guot ist ze dem hercen unde ze der brüst, so solt du nemen ysop unde wiz marubium, 3ä jelsere unde typtannum unde mule diu vil vaste under einander unde 2. chrieches. 19. ficthinen. 27. slephet. 28. viubleler. vnder ander. I Zwei dciilsclie Ar/.iieiliiifliLM- :iu9 iloiii i'i. iiiul II». J;iliili. 1 o < temper si dünne mit lionecseime unde tuo da zuo ein lüzel niilech- smiilzes. Wellestuz suoze niachetr, so tuo dar zuo katinelin unde iinder guoto species; si siilu aver alle gelich gewegen sin. Wellestu maclien ein guole erzcMiie zuo der brüst, so nim daz eliroiit, daz da heizet nepita, unde rülen unde polei , daz man U an den wisen vindet, unde abrotanum unde cppliih. Von disen fünf clirouten soltu machen mit houege ein wirz unde souf die vastunde unde so du sli^plien gest. Manech mensch ist, daz den sin verliuset von etlelichem sieh- tuom. So nim solseqium, daz ist ringel, unde abrotanum unde salvei 10 6' unde mül diu driu zesamen unde beize ] diu in wine unde trinche den win mit würze betalle nüehter fünf tage, so wirstü gesunt. Wil du daz autluze unmäze scone machen, so nim einer eselinne milch unde twah daz antUize da mit des abendes unde nim danne lubestechenwurz unde siut die in wazer unde rip den souch ouz unde lö twaeh daz antlüz da mit des morgens unde sih danne in einen spiegel, du sihst michol wunder von der scone unmäzen. Sweme diu sfte we tuot oder den der steche müet , so nim honech unde milch, diu zwei samt erwallen, unde stöz da in ein linein tuoeh und legez denne an die rippe: zestet wirt im baz. 20 Wil du daz pluot verstellen , so nim einen vilz undebesenge den \il vaste unde nim ein micliel teil der phloumvedern unde mache dar ouz ein pulver unde sfege daz in die wunden unde bint den be- sancten vilz dar über, so verstet daz pluot als palde. Nehelphe daz 6" niht, so wasche im die nieren in einem ezich, so | verstet daz 21» pluot. So du den ubelgetanen nagel schiere wilt verlriben, so nim honieseim unde auripigmentum unde ein wahs unde bint daz über den nagel, schab ine mit einem snidegen mezer, daz er beginne bluoten, so wirt der nagel schone, der da nah wahset. 30 Diascordes ein meister der saget, wie man der geswiilst helfen solde. Kr sprach, man sül nemen touhenmist unde girstiu mel unde temper diu zwei zesamen mit ezich unde lege daz plaster über die ge.swulst, so cntswillet si. Wil du die besten salben machen zuu der wunden, so nim einen 2^ al unde siut in in einem wazer unde samen daz snuilz, daz da oben 3. hezot. C. fiviif. 18. siUe. nult. 23. so^'c. 32. girslim. 33. div s- 1 38 I>'-- Franz P fei f fe r beste, in ein schönez vaz unde nim danne ein henne unde ein gans linde samen ouch daz smalz unde nim danne souch der salbei unde der rüten unde der wermuot unde des eboumes, der an der erde lit, unde des chrütes, daz da heizet hnntszunge, unde pere daz under einander; 5 daz heizet diu wurzesalbe. Swelh ] wunde da mit gesalhet wirt, 6' diu bedarf deheines piiiasters mere unde hauet schierer danne iemen gelouben mach. Swem der trophe wirret oder der ser ist an der haute, der sol nemen wermuot und sol die vil lange pern mit honecli und mach 10 drouz ein phlaster und lege daz an die stat, da im we si, in einem leininen tuocli. Wellestü daz pluot schier verstellen, so nim des fichpoumes ehern und chnit den mit dem nizen des aiges unde gehalt daz swie lange du wellest. Da von verstet daz pluot. Swem aver daz pluot 15 vaste ouz der nase rinnet, der sol nemen einen hirzinen riemen und bint im die arme vaste bi der schuiter und nim danne den ehern, der in dem hörne si , und rauche dem menschen da mit und scliiub im sin ein teil in die nase, so verstet daz pluot. Newellez niht ver- sten, so nim groze nuzschale unde fülle die mit peche, daz in | einer 6" 20 phanne zeläzen si, unde stürze die beide an die linne (daz pech sol lä sin), so verstet daz pluot. So dem manne sin geschaft we tuo, daz der zagel heizet, so der vaste geswillet, so nim phepher unde ingeber unde wirouch unde selaere unde pere diu under einander unde bint daz umbe die 23 geswulst, im wirt als palde baz, Swelich mensch ist ouzgebrosten, wil sich der schiere heilen, der so! nemen alare und mül den mit altem smerwe und salbe sich mit der salben bi einem fiure: als palde heilet diu hout und wirt scone und linde. Du solt den alare sieden in einem ezich. 30 Swelich mensch reudich ist an dem libe, der sol nemen einen retich unde siede den in wazer unde bade sich mit dem wazer. So du wol geswizest, so wirstü gesunt. Swenne du dehein lit verlenchest oder so dir der fuoz oder daz enchel geswelle, so nim poleium , pere den mit salz unde bint 33 daz dar über, | so wirt dir baz. Nehelphe daz niht vil schiere, 7" so nim rüten unde pere die mit hirzinim marge. Nehein geswulst 8. wo.rmSl. 17. tnonsch. 27. salbem. 30. rPidich. Zwei deulsc-lie ArAiiciliiicInr aus dem 12. und 13. Jaliih. 1 O «J ist, geinaelieslu die salben da mit, si entswelle als balde. Nelielphe daz iiilit schiere, so niin zieutam , daz ist scherlinch, in wazer unde siiit baz linde lege si über die geswulst also wanne, unde hiiete daz du der würze iht enbizest, des gewünstii schaden. So dir daz houbet we tuot , so heiz dir gewinnen epoum, der 5 an der erde llget, unde sint in vaste in wazer unde twahe daz houbet da mit, so wirt ez gesunt. So dir in den zenden we si, so nim gemainen phefer unde mische den »nit wine unde habez in dem munde , so wirt dir baz. Nchelphe daz niht, so nim die würz verbenam unde siut die in altem 10 wine und habe daz in dem munde. Swie groz der we si, er zeget als balde. 7" Wil du den zantswern | schiere büezen, so scrip an daz wange, dem da we si , disiu wort: „Rex. pax. nax. in Cristo filio", so wirt im baz. *^ Swem aver die grozen schuze gen in die zende oder zuo den ougen , der neme phefer unde Aviroch unde gebrande hone unde mach uz disen drin dingen ein pulver unde temper daz mit dem wizen des eies unde strichz an ein irich unde lege iz also über daz wange an die ädere, so sihstu michel wunder, want da enchumet 20 nimmer hein schiiz für. Ypocras der schribet von der agrimonia, swer an dem ougen verlenchet wirt, oder dem etwaz gesieht an daz ouge, daz ez rot wirt, der sei nemen diu bleter agrimonie ui;de mul si flizchlichen unde misches mit dem wizem des aies unde lege daz üzerhalp über 23 7' daz ouge (ist daz ouge geswollen, für daz ouge): er wirt | ge- sunt von der chreftigen würze. An dem selben buoche so schreip Ypocras, swem daz vel si für daz ouge gegangen, der sol nemen einer swarzen chalzen houbet unde brenne daz ze bulver unde blase daz in diu ougen; er wil daz 30 vil gewislichen, si er ein jar gewesen daz er nie stich gesach, er werde gesehent. Swem wurme die zende holntunde die bilare ezent, nime bilsen- ole unde bere daz mit wahse unde mach eine cherzen unde stecke die in eine schuzel, da ein luzel wazers inne si: so diu cherze en- 3j 10. die fiittt. 20. miclil. 2ö. inisselics. 33. di Wime zoiide. 140 Dr. Franz Pfeiffer hrinne, so habe die zende dar über, so vallent die wurme alle in daz wazer. Sweme die nieren geswellent, der neme bone iinde sol die sieden in einer louge iinde lege die danne an die stat unde beize 5 die da mif, unze diu geswulst zerge. So deheime menschen we st an dem chnie oder an deheiner fuogeander | lide liden, der sol die egelen immer setzen niderhalbe 7'* unde sol si läzen sögen, unze si selbe vallen; dar nach so lege üf den biz wegerich oder ein ander chrüt, daz daz gesuhte üz ziehe. 10 Newerdestü da von nibt gesunt, so nim wegerich unde mule den mit würze mitalle unde lege daz pblaster über die geswulst oder an die stat, da dir we si, oder du lege dar an wermuote, diu wol ge- bert si mit anehsmerwe. Si daz gelit so harte verstözen, d;iZ du dich der leme da Ver- la sehest, so nim sambuch daz chrüt unde mach üz dem souge ein salben mit rösenole oder mit viole. Diu selbe erzenie ist guot vur die lem an den füezen oder an den banden oder ander geswulste. Nehelphe daz niht schiere, so nim bilsenole unde temper daz mit rösenole unde salbe die geswulst: dir wirt schiere baz. 20 Wil du die mäsen heilen, daz si niemon chiesen muge, so nim wiroch I unde mirren unde die sinewellen aristologiam unde mule 8' ein linin tuoch unde in wine beize daz unde daz bulver, daz du da gemachet hast ilz dem wiroch unde uz der mirren und üz der aristologiam, daz ist ein species in den chrämen, unde s»je daz 23 pulver in die wunden oder an die mäsen, si verwehset als palde. Nemugestü des niht gewinnen, so nim hasenbein unde manfende unde gebrandez hirzeshorn unde phepher unde auripigmentum unde wirouch unde mirren unde aloes: üz disen dingen soltü machen ein stuppe unde ssee daz ouf die wunden: du soll aver e die wunden 30 waschen mit ezicbe oder mit wine. So daz mensch diu unchraft anget, so nem wirouch unde maslicum, temper daz mit dem wizen des aies oder mit minzensouge oder mit rütensouge unde legez üf den bouch. So diu wunde be- ginnet swinden, so nim | wegerich unde mule den unde nim den 8" sy souch unde den souch rubi der stüdelen unde temper daz mit gir- 7. fvege. niderlmlpe. 11. inittalle. 24. seie. 29. se. .'J3. dem. Z«ci ileiitstlie Arzneihücber ans dem 12. iiml 13. Jiihrh. 141 stillem niohve unde lege daz da uf, so wirt diu wunde linde unde heilet doch schiere. Swa d;iz fleisch hefiiniiet fülen oder toten, du solt nemen einen leim uz einem ovene , der wol verhrant si , unde temper den mit ezich unde lege dar uf, unde als daz tote fleisch röten beginnet, so 5 wirf daz plaster alte unde lege aver ein andercz dar üf unde tuo daz die wile du dos toten fleisches iht sehest. Wil du daz pluot schiere verstellen , s6 nim eins swines mist, daz gras ezze , unde werine den mist vil starch unde lege den mist an diestat, da daz pluot uz rinnet, so verstet ez als palde. Nehelpiie 10 daz niht, so nim verbruimen leim unde zetiib den mit starchem ^' ezich unde lege den über die wunden; rinne aber daz pluot üz | der nase, so salbe dii die tinnc vil vastemit dem selben leim, so verstet ez. Du solt nemen ein eigerschal unde leges in einen starchen ezich, uiiz si so vaich werde sam daz aie in der henne ist, unde lo nim die schal danne unde leges an die sunne, unze si wol truchen unde berte werde, unde mul si ze stuppe unde gehalt daz stuppe swie lange du wil: an swellie wunden du daz stuppe gesaeest, d;iz pluot verstet als p.ilde. So den menschen diu nater heket , so nim eint würz, heizet 20 dragentea, die sollu nemen unde siut si in ezich unde gip im die ze triiichen: als palde fort daz eiter von ime. So soitu denne einen Wegerich nemen unde mul in mit würz mitalle unde leg in über den biz unde biiit einen hirzinen riemen für die geswulst, so wirt der mensch in drin tagen gesunt. 2S Swenne dir gesaget werde, daz ein mensch vast bluote, so sende 8'' dinen boten binze wazer | unde gebiut dem boten, daz er niene spreche underwegen. So dir daz wazer braht werde , so seihe iz einhalp durch din liemede in ein ander vaz unde sprich danne disiu wort : „In nomine patris et filii et spiritns sancti. N. caro carice 30 conflrma Ysmaheli te." Daz tue dristunt unde gip dem boten ze triuchen , ob der da niht si der da bluolct: zware ez verstet als palde. Swenne dir we si an deheiner stete in einem lide oder sus von deheiner geswulste, sone darf du niemer tuon , want du nim wer- 3ö i). tohte. 7. fleisch. 18. sfupti*. 19. gesehst. 22. svil. 24. mittane. 28. nine 3K. nimer. 142 Dr. Franz Pfeiffer muot unde siut die in louterem wine unde lege die über din ge- swulst, so zerget si als palde. Daz ist versuochet. Svvaz siechtuomes du an den füezen hast, so nim wegerieli unde mule den mit einem chleinen salze unde lege den dar über, S so wirt dir baz. Daz ist versuohf, Si aver der fuoz so geswollen, daz er welle üz vallen, so nim geiziiien mist und brenne den ze pul- ver unde siut daz puIver mit ezieh unde temper daz mit honege unde mache | dar üz ein phlaster unde lege ez über die geswulst, 1)° so wirt dir baz. 10 Swem die nieren geswellen, der nem die würz cicutam unde beize die ein luzel in aschen unde bere si danne in ezieh unde lege die danne also in ein tuoch üf dip geswulst unde bint ez dar an: über zwene tage wirt dir baz. Nehelfe daz niht, so nim röten unde des lörboumes bleter unde siut diu in ezieh unde leg an die IS geswulst, so wirt dir baz. Deme die gemähte vast geswellent, der nem den souch uz der eicuta unde ole unde ezieh unde honech unde zetrip diu vieriu vast under einander unde lege si danne in einer geize wolle und bint die so in die geswulst: über zwene tage wirt dir baz, 20 So der (nensch geswillet von dem läzen, so nim rüten unde wermuot unde cymein unde salz unde gersten unde her diu elliu under einander unde werme diu in einer phanne unde mach dar ouz ein phlaster unde leg dnz über die | geswulst: so entswillet ez. 9" VVil du machen ein electuarium dinem guotem friunde, daz wol 23 furbet die brüst unde woi dowet unde doch süeze ist, so nim veni- chelsämen unde petersilsämen unde rösensämen unde cynamomum unde liquiricii souch unde mule diu zesamen elliu unde temper daz mit honechseime unde iz daz alle tage näh dem ezen: du bist immer gesunt zen brüsten. 30 Polipodion heizet ein chrüt, swenne daz geschoz stecket in dem menschen, so nim chrüt unde würzen unde mule unde bint ez über die wunden. Die selben würzen funden erste diu tier, diu von den jageren geseret wurden. So si die würzen geezent, so werdent si desgeschözes aiie. Bindestü die würze anderhalp gegen 35 der wunden, so vert daz geschoz uz. 1. verraut. wergerich. 17. vieru. 25. forbest. 34. werden. Z\vi>i deutsche Ai'/.neil)ücher aus dem 12. und 13. .Tuhrli. 143 Swa der mensch geswilt, so nistiiii iiiiit so giiot so ditze. Nim 9' wfzen swebel unde siut in | in starclieni wiiie uiide bint iti über die geswulst , unze si nider sitz; so mul veibrunnen leim unde temper den mit wtzem des aies unde lege daz phlaster über die geswulst, so wirt dir als palde baz. Nehelph daz nihf, so nim vil dickez pier 5» unde nim dar zue ezieiies düZ vierteil unde daz ahteteil boumoles unde siut diu eliiu samt unde salbe die geswulst da mit: si zerget als palde. Wil du ein vil guot salben machen zailer slahte wunden unde viir den ubelen trophen unde für daz ubel pluot, daz in dem Übe ist, lu so diu vaste anget, so nim eliazensmer unde eines dahses smer unde bernsmer unde einer alten geize smer , diu in dem holze gezogen st : disiu dinch soltü vil vlizechliclien bern unze sin oben dicke werden als ein gebertez walis ; dar nach so nim einen vladen hone- 9* ges, da vil inne sei , unde nim wermuotsoueh | unde ephichsouch V3 unde maratrisouc'h unde mische die alle under einander unde peie si vil vlizechliclien wol einen halben tach. Die salben mäht du gehalten swie lange du wilt. Wil du versuochen, ob der wunde man sterben oder genesen schule, so nim pibinellam unde zetrip die in wazer unde gip im die 20 wui'ze also in dem wazer ze trinchen: sol er genesen, er verdowet di würze, sol er sterben, du vindest die würz in der wunden. So dem menschen die hende oder die füeze schrindent, so nim röten unde ole unde luterz wahs unde per daz under einander unde salbe die schrunden da mit, so werdent sie heil. 25 Ein meister hiez Johannes Furia, der schreip siner friundinne, diu hiez Cheopati-a, dise erzenie. Er sprach: welle daz har uz gen, so nim newen chalcli unde derre in vlizechlichen in dem (iure unde nim auripigmentum (daz ist gelwe varwe) unde ole unde nim 10' den chalch in einem niwen haven unde luzel wazers unde | oles 30 auripigmentum unde la daz under einander wallen. Swenne du danne versuochen wellest, ob ez frume si, so nim ein rüche vedere unde stoz si da in: wirt si als palde bloz, so ist diu erzenie gar; ist des nilit, so lä si als lange wallen , unze diu veder bloz werde. So gehalt die erzenie: swa du si bine strichest, 3S da wirt diu hout bloz als ein glas. 14. gelientez whas. nim] mit. IT. m;ilile(U. 27. Iierzenie- 144 R''- F ranz Pf e i ff e r So daz pluot vast rinnet, daz verstelle sus. Nim wilde minzen unde mule die unde leges also toumige über die wunden oder in die nas, an der stat verstet daz pluot. Odir so dir die vüeze we tuont oder diu enkel oder so du dehein geswulst habest, so nim polei ij unde rib si danne unde baize si mit ezich unde mit salz unde legez ouf die geswulst : als palde enfswillet si. So der mensch unmazen bluotet, so nim diu ciileinen chornelin, diu an der winrebe Avahsent, an diu her, unde trucken diu an derio' sunne unde gip im siu ze triuchen | in einem wine. Nehelphe daz 10 niht , so nim diu pleter der grüenen papelen unde brenne diu in einem lüterem wine , unde mugestü gewinnen basilien die würz, die mische da zuo. Si des niht, so bew^I die papelen also gebrande in einem ezich unde lege si an die stat, diu da pluotet, so verstet ez. Nehelphe daz nilit, so mul iapatium, daz ist chlette, undemacbe 15 drüz einen chloz unde lege den an die stat, diu da pluot, so ver- stet ez. Ditze saget von dem hoobet nnde von alle dem daz da zoo höret. Swem diu ougen tunchel werdent, daz er niht wol gesehen 20 mach, der sol nemen wize myrren unde so! die ze stuppe malen unde temper daz mit honecseime, der wol gesiede an rouch ouf der glüete, unde salbe diu ougen da mit: si werdent schiere lüter unde schone. So dem menschen diu oren ver | wahsent oder vervallent, lO'^ 25 daz ez niht geboren mach, so nime eines widers gallen unde misch die mit eines wibes spunne unde giuz daz in daz öre. Nehelphe daz niht, so nim die madeii, die die ämeizen tragent, unde mule si in einem morser unde temper die mit wibes spunne unde mit ole unde giuz daz in daz öre: er wirt in churzcr stunt gehörent. 30 Nim würz, heizet barba Jovis, hirzwurze, die sol man mulen unde trucken durch ein tuoch unde trouphe daz in daz öre, daz ist guot. Sweme aver sus turlem in den oren oder we si, der nem mincen unde mule die unde trophe den soiich in daz öre, er wirt gesunt. 3 söäir fehlt. 9. wiiine. 10. grünen. 12. sd] si. 15. den fehlt. 19. 24. diu] di. 21. rScli. 22. glvte. 24. verwallen. 29. gieze. 31. durcli] drueh. 34. dem s. Zwei (ItMitscIie Ai/iit'il)iiclier ;ius dem 12. mid 13. Jaliili. I 4 »> Swem diu oiigen rinnen, der nern eins phares galien unde eines äles gallen unde den souch der würze verbena unde feneclielwurze unde rip den souch dar ouz unde misch diu alliu zuo einander unde wenne sin bi einem finre unde sih iz danne durch ein tuoch unde 10''giuz si danne alliu samt in ein hörn oder in ein chopher ] vaz unde 5 strich die salben uzen umbe dazouge: iz wirt schiere gcsunt unde trucken. Swem die brä ser sint , der nem anlimoniuni unde sliphe duz an einem steine unde beize daz in einem ezich unde giuz daz in ein erin vezelin unde setze ez an den iu(t dri nalit, dar nali salbe die lo brä da mit, so werdent si heil. Swem diu ougen tunchelsin, der nem patönjen unde welle si in einem wazer unde trinch des wazers gein einem guoten trinchen: diu erzenie Iribet daz übel von den ougen. Celidonia heizet ein clirüt , der daz mulet unde den souch trie- 15 stunt trophet in daz ouge, dem wirt ez gesunt unde vi! heiter; ze gliclier WH , swem vor den ougen nebeb-t , der nem rüten unde ephich unde venichel unde mul diu driu under einander unde troufe den souch in diu ougen. Centaiiriam daz chrut sol man niiilen unde sol ez ten)pern mit 20 honecseimo unde diu ougen da mit salben, so werdent si heiter unde 11« lieht. Nemugeslu diu ougen anders | niht heiter gemachen, so niin eines bannen gallen unde temper si mit honocseime unde huote dich ein jär vor dem rouehe unde vor dem starchen glaste unde iz die erzenie alle tage, so häslu immer mer guotiu ougen. 2j Ein würze heizet simphoniaca. Swenne dir we si an den zan- den, so nim die selben würze unde rip si vast an die zende: so wirt dir ze stete baz; unde hiiete dili, daz du der würze iht verslintest des gewunsdl schaden. Swem die oberen brä ser sint oder dem si sus we tuont, der 30 neme wilden chressen unde mül in unde temper in mit wizem wine unde leg über daz sere : so werdent si schiere heil. So diu ougen ser sint , chumet der siehluom von dem bluote, so sint diu ougcu rot unde heiz unde griekech unde gent die schuze vasle dar in, sone wart nie neliein erzenie bezzer denne daz er 3ö 11. s\ fehlt. 21. si fehlt. 22. lilit. 23. haniien , so. liulte. 24. luclie. galste. 29. scliaiideii. 30. div obreren. 30. sus. 31. mul. 32. chiie. Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XLII. Bd. I. Ilft. jy 1 46 Dr. Franz Pfeiffor diu ougeii habe in ein wazer , daz geregenet si , so wirt im als balde baz. So die wnrme wahsent in den oren | oder siis da in choment, ii'' so nim phersichpleter unde mül diu unde giuz den souch in diu 5 öreii, so sterbeilt die wurme, Nemngestu des souges niht haben, so nim einen spech unde zeläze den unde giuz daz smalz in daz öre, so wirt dir baz. Sweme diu nase innen zebristet , daz si von den michelen sehrunden stinehet, der suochein den edelen chrämen ein speciem, 10 diu heizet geralodioii laxatium, unde strich daz in die nas, so wirt im baz. Nemugestü der specie niht gewinnen, so nim die bhiich- grüenen salben unde strich die in die nase. So dem menschen daz houbet we tuot staetechlichen, daz ist colerica passio, der siehtuom chumt von dem unmffzlichen bluote. IS Den siehtuom sollü da bi merclien. Swem der siehtuom wirret, dein sint diu ougen rot unde mach niht geslafen unde mach den sunneschin niht ane sehen unde süsent ime diu oren | unde risetii» im vil dicke daz bar üz. Wii du des siehtuomes helfen , so nim ezich unde misch in mit rosenole oder mit violisole unde douhe ein 20 duoch dar in unde bint daz umbe daz houbet unde laze ez ge- truchenne unde douhe iz aver dar in unde bintz umbe also unze daz lioubet wo! gesunt werde. Newelle daz gesuhte niht da von, so nim populion unde temper si mit ole oder mit den vioüs oder mit dem souge , der ouz dem 2g swainbuoch wirt gemachet. Swä du daz strichest umbe daz houbet, da muoz daz gesuhte fliehen. . Beginnent diu oren gellen, nemugestü dem menschen anders niht gehelfen, so muost du im daz houbet beschern unde mül danne epphich unde nim den souch unde temper den mit rosenole unde 3Q salbe daz houbet da mit. Nehelphe daz niht, so sol er daz houbet baeen mit geiziner milch oder er neme eines widers leber also warme unde bint die I umbe daz houbet oder du schürfe einen bannen unde wirf dazu,' ingetuome ouz oder du nim ein weif unde bint ez also warmez umbe 4. mul. ö. des niht sovges, docli mit zwei Umstellungsstrichen. 11. spicie. 13. Ifiiit. 19.21. dfilie. 24. mit dem s.] uz d. s. 26. fliehen. 27. den m. 31. Leen. 33. iiannen, so. Zwei deutsche Arzneihiiclier aus dem 12. und 13. Jahrli. 147 d;iz houbet, su niuoz duz gosiiht fliehen, unde salbe die nase inner- halp mit rosenole, daz des gesiihtes iht belibe. Si daz sich daz vieber von dem {jesuhte heve, daz du niht ge- slafen miigest , sT) nim papeln unde viohts unde magenchrout unde sjut diu drin in einem wazer unde setze diu bein dar in unze an diu 5 chnie. So du siu danne wo! gebaizest , so salbe die füeze unden an der solen mit populion oder mit rosenole. So diu oren nah dem vieber süsent, so siut eier in wazzer daz si herte werden unde nim die toter unde trip die durch ein cbleinez h^nin tuoch : daz danne dar uz rinne, daz trouphe in daz 10 inore, so wirt im des süsens buoz. Wil du die zende wiz machen, so nim die würze des linsen- 12' chrutes unde schab die rinden abe unde rip die zende | vast da mit, s6 werdent si wiz. Nelielpiie daz niht, so brenne einen bumez ze pulver unde nim die hal , da die niize inne sint, unde truchen die 15 unde rip die zende wol vast mit den zwein, so werdent si schone unde wiz, unde ieiche si danne mit einem wizen marmelsteine. So dich die pylar swerent oder bluotent, so nim die rinde male granati (daz vindestu in den chramen) oder die rinden ab dem lubstechen unde siut die in einem wazer unde habe die rinden lange 20 im munde unde schrephe danne under dem chinnebein oder du setze die egelen an den chinnebachen. Morphea ist ein siehtuom , da von chumet vil dike daz dem manne diu barthär üz valient. Wil du des helfen, so rib zem ersten die bloeze, daz si nahen beginne bluoten, unde nim beien, die man 25 töte vinde in dem honege, unde brenne die ze pulver unde rip daz pulver vast an die stat, so beginnet daz här Avahsen. IS* Swem die bra ser sint, der nem eboum unde | mule den unde temper in mit wizem wine unde strich daz an die bra, so hei- lent si. 30 Swem diu ougen we tuont, chumet der siehtuom von dem bluote, so sint si rot: der laze an der halsiider unde nem rösen unde mul die unde temper si mit dem wizem des aies: des morgens wasch diu ougen mit dem wazer, da die rösen inne gesoten sint, so wer- dent diu ougen gesunt. 35 1. fliecheo. 3. sihch. 10. trvophe. 11. suhsens. 12. lisenchrutes. 14- bumez. 18. bluten. 10* 1 48 " Dr. Fr n 11 z P f e i f f e r So dem menschen der raunt stincli, ist er juneh , so nem ein getranch des sumers, ist er alt, so nem ez des winters. Chumt der stanch niht von den zenden, so ist der niage aller erswor«, so dur- stet den menschen vil starche unde sint imo die lefse vil dürre. So 5 nim merswaz unde siut in vil starch in wazer unde hsee im den boueh da mit unde mit heizem brote, unz sich der bouch wol er- ledige. So nim danne ein habermel unde siut daz in wegeriches souge unde niuz daz ] vastunde des morgens fruo siben tage, so 12"= wirstü gesunt. 10 Wellestü machen, daz dich dine vinde müezen vermiden , so scrip an ein plige oder an eine zinine tavel sinen namen unde dise bnochstabe : H^- HJ)- ^-it. !'• V- 'B- unde trach den brief under dinem fuoze. Wellestü versuochen , welich wip gerne man habe, so nime 15 ruobe unde mul si in einem lininen tuoch: umbe eine wile vindestu dar inne wurme. Swer daz welle machen , daz in die hunde niht anpeilen, der trage in der iiant der wiseien zagel unde hasenhär in der anderen, oder er h;ibe eines hundes herce bei im unde trage eines hundes 20 zunge under der meisten celien. Wil du die vogel vähen mit der haut, ein würze heizet cycuta, daz doutet schärlinch, die selben würz nim unde wingerwen , unde so du den souch gewin | nest liz der würzen, so misch die gerwenl2* zuo dem souge unde beize da inne weize : swelcli vogel des enbizet, 2S der mach niht vliegen. Wil du den harnstein schiere brechen, so nim buochinen pluot unde truchen daz an der sunne, unz iz herte werde; so nim den pluot danne unde temper in mit wizem wine unde gip imz also läwez ze trinchen des morgens unde des nahtes, so er släfen sule 30 gen , so muoz der stein bresten. Daz ist versuochet. So der stein denne zebreste, so sol er immer hirse unde petersil niezen,s6 newah- set im der stein nilit mere. Wil du den harenstein vil gewislichen brechen, so merche dlsc erzenie , wände Ypocras wil , swelchera menschen der stein nine 35 breste von diser erzenie , der wirt sin nimmer ledich, man snide'n 5. be. 11. einen plige. 13. rohe. 21. vachen. 22. diitet. 28. pivde. wine »vizem. 29. schlafen. 34. steine. Zwei deutsche Aizneibüolicr nus dem 12. iiml 13. Jaliih. 149 im UZ. Nim einen hasen also ganzen , daz dar abe niht verschertet si, weder har noch chio, unde wirf in in einen haven ' unde vermach den haven oben mit leime, d;iz der tamph ninder onz nemeg; so setze den haven danne enbor unde mach da unibe fiur als lange, nnze der has ze piilver verbrinne. So soll du danne honecscim ob ö der glüete sieden unze daz er verschoume. So nim danne des hasen pulver also dicken als ein electuarium unde mach daz mit dem seiine. Die erzenie sol der sieche vast ezen des abcndcs unde des morgens, so beginnet sieli des ersten fages der harnstein ehlii'bcn. Als er die erzenie verbiderbe, so mach aver eine ander, iinz er des sleines gar lo äne werde. Als der stein danne von im vcrt, so tuont im diu sebir- ber vil we: so sitze er in ein volpat, so wirt er sin vi! lihfe ane. Wil du wercen vertriben , so nim einen halm unde brenne die wercen mit des halms lide unde nim danne wilden chressen unde senef unde mül die zesamen unde lege diu zwei iiher die würzen 13 der wercen: si verswindet twerlies über naht unde wehset nimer. *^'' Swem daz bar ouz riset, | ezne si daz ez von der alten cbalwen si, der sol nemen bonecseim unde ribe die stat wol vast da mit unde nem danne peien, die man tot in dem honege vinde, unde brenne die ze pulver unde rip daz pulver danne wol vast an die stat, da daz 20 här ouz riset ez niemer ouz unde wehset daz junge här doch vast. Wil du die milwen schiere vertriben, so nim des howessamen unde brenne daz unde mach üz dem asclien eine louge unde twahe dir da mifc^ so sterbent die milwen alle. Wil du die wercen vertriben, so besenge si e mit eines rokinen 25 halms lide unde nime danne zwivol unde welle den mit ole oder mit sma'ze unde legez uf die wercen: si verswindet gar. Nim die würz in dem wazer , da daz breite blat obe swebct, unde nim meischoz smalz unde siut die würz da mit unde salhe daz bonbet, so wahset daz har. . ^0 ^^' Nim epich und brenne I in unde habe in einer für die nas, diu da sprichet, si sei dirne; ist si niht ein dirnc, s») beseichet si sich. Swenne du die harnwinden hast, so nime papelen unde cbno- velouch unde siut diu in guotem wine unz ez dristunt ingesiede iindc trinch den win danne, so wirt dir paz. Nehelphe daz niht schiere, 3ö Z. Werder. 4. fivri'. :!. lionecseiine. 6. versueme. 12. littie. 10. werswindet- 22. iiiilvvi'in. 'o,i. cliiiov eliK'li. 3."). (li'iii w. 150 Dr. FranzPfeiffer SO nime phersichcherae unde eichelen unde brenne diu zwei ze pulver mit sclude mitalle. Swem der hareinvinden von disem pulver niht buoz wirt, der hat vil gewislichen den harenstein. Ein chrout heizet verbena, daz ist für manich dinch nutze unde B guot. Von dem selben chriite saget uns Macer, der best arcet, der ie wart, daz si habe gröze chraft an ir, swer si neme mit würz mit- alle unde bedecke si in der cesewen hant unde ge zuo dem siechen, daz er der würz niht inne werde, unde | sprech zuo im: ^,wie ver-13« sihestu dich ze leben unde wie gehabeslü dich?"; sprichet der siech 10 daniie: „ich gehabe mich wol", zwar, so geniset er wol; sprichet er: „ich gehab mich übel", so enchümt er nimmer ouf; spricht er: „ine mach mich nü niht baz geliaben« oder: „ich gehabt mich gerne bnz , möht ich'S so geniset er wol; er muoz aver michel arbeit liden in dem legere. Der die selben würz graben wil , der 13 sol si uinberizen mit golde unde mit silber unde sprech dar obe einen pater noster unde credo in deum unde sprech: „ich gebiute dir, edeliu würz verbena, in nomine patris et fiiii et spiritus sancti unde bi den zwein unde sibenzech namen des almehtigen gotes unde bi den vier engelen Michahel, Gabriel, Raphahel, Antonie), bi 20 den vier ewangelisten Johanne, Matheo, Luca, Marco, daz du neheine fugende in dirre erde verlazest, dune sist immer | in miner gewaltl4, mit der chreft unde mit den tugenten unde dich got beschaffen hat unde gezieret. Amen." Des selben nahtes soll du läzen ligen bi der würz Silber unde golt unz des morgens, e diu sunne ouf ge, so grab 2S die würzen, daz du simit dem isen nine rüerest. So wasch si danne mit wine unde wihe si danne an sant Marien tage der ereren unde gehalt si danne mit michelem flize. Diu selbe würz ist guot den frowen, die ze chemenäten gent: habent sie die selben bi in, in ge- wirret nimmer dehein twalmen unde habent guot ruowe. Swelhem 30 cliindelin man si umbe pindet, daz erchümt niht unde hat guot i'uowe unde enmach ez nieman versprechen. Swelch mensch niht släfen mach und in dem släfe unruowe hat, hat ez verbenam bi im, iz bat als palde guote ruowe. Swer die verbenam bi im hat, swen er da mit rüeret, der muoz im holt sin. Swer die ver ] benam bei im hat, 14" 3S der gedarf nimmer dehein zouber gefurten. Swer verre riten sol, der binde verbenam unde artimesiam dem ross umbe den schoph, zwar. 7. sichern. 29. 30. liwe. 32. manch, und fehlt, vnruwe. 33. zvber. ' Zwei deutsche Arzneibücher aus dem 12. und 13. Jahrh. 1 .3 I ez erlit nimmer , ez etnvirt ouch nimmer ze rseohe. Swen der alp triuget, roiicliet er sich mit der verbena, itne enwirret als [)ald iiiht. Swer die verbenam bi im hat, der enwiit des wcges nimmer inüede unde einvirt nimmer irre. Verbena diu machet den menschen liep unde genseme unde /allen ziten fronuiot. Macer der w il daz ö festen in sime buoche , daz verbena als manige lugende hap als manich zwt an ir wahsct. So du wellest dem menschen helfen der valliinden suhf, so niin einen niwen liemen hirzinen so in diu suht grüeze unde bint im den umbe den hals so im \\e s\ unde sprich : „in dem namen des 10 vater unde des sunes unde des heiligen geistes so binde ich hie den 14'siehtuom dises menschen in disem chnophe", | unde nim den riemen unde chnuphe dar an einen chnoden unde binde im den riemen umbe den hals, unde sol sich der mensch danne enthalten von dem wine unze er chome da man einen toten begrab: da so! man dem siechen 13 den riemen ab dem halse ledigen unde sol den riemen begraben mit dem toten unde sol in dem toten ander die schultcr legen unde sprech der den riemen lediget: „in nomine patris et filii et spiritus sancti begrab ich mit diseme riemen den siehtnom ditse menschen mit dem gedinge , daz disem menschen dirre siehtuom nimmer mere 20 gewerre unz dirre lichame an dem jungistem tage erste." Mit den werten sol man den riemen begraben under des toten schulter. Ist er da niht der den riemen aller erste baut, so ledige in ein anderre li'unde begrabe in als ener | tuon solde unde als hie geschriben stet: so gewirret im des siehtuom nimere. 2ö So der mensch daz ezen niht behabet unde spien muoz, so hilf im sus. Nim batonjen ein teil unde honeges driu teil unde tempc daz nn't wine unde mach dar oiiz ein electuarium oder celtelin undi; gip im alle tage ein celtel vastunde in einem warmen wazer; dar nah gip im des vvazers ze trinehen, so er meist miige: er wirt ge- 30 sunt. Ze gifcher wis nim batonjen unde sitit si in altem wine, unde sol si der mensch niezen sehs tage. Diu erzenie ist versuoht. Ypocras der stuont eines tages bi dem mere unde sach, daz ein vogel, der het daz getwanch, daz er stuont unde nam daz wazer onz dem gesalcom mere und goz ez ime selben ze dem zagele in den Xi 1. iiinmer. reche. 6. siiiie. l'>. dem r. lö. tüeten. 16. leidigen, dein. 17. toe- leii. ViT. ilriii. ;50. m^'rc. 152 f)r- Fiiiiiz Pfeiffer bouch mit dem snabel. Bi dem vogel lernet Ypocras, daz er mit dem gesalcen den Hüten immer mere half. Alsus habe | wir die erzenielS" noch. Swer daz getwanch hat oder swem der bouch zesamen ge- zoeren ist, trinchet er vast ein wazer daz erwallen si unde danne vil S vast gesalcen si, so wirt er als palde gesunt, waot der bouch zele- diffet sich von dem saice unde wirt Ouhte von dem wazer. Vil dicke wirt diu lungel wund von der colera; da von wirt der mensch so siech, diiz er pluot spiet. Dem hüph sus. Nim vil louter girstin mel unde misch da zuo mandelchern, die suln chlein gemaln 10 sin, unde lä daz danne wallen in der milch unde mache daz ezen vil Suez als die varveln unde gip im dar näh vil citigiu winber, die furbent daz phiot von der lungel. Nevindeslü der winber niht, so nim ein würz, heizt blela, unde siut die in wazer unde gip im des ein lücel ze soufen. 13 Nehelph daz niht schiere, so nim gersten unde stamph die unde lege si danne ouf ein bret, unz si vil wol gedorre und unze si alrot werde. So wasch si daime, | ein groz goufen volle nim ir IS*" unde wirf die in einen Laven unde wirf ein huon dar zuo unde lä daz sieden als lange unz sich daz fleisch ledige von dem beine, unde 20 gip im danne daz wazer ze trinchen. Dar näh nime ein chürbez unde bewil daz in einem teige unde wirf ez in einen oven, unz der laich gebache; so nim den souch, der ouz dem chürbez rinne, unde gip im ze trinchen. Hat er dehein siehtuom umbe die brüst, der wirt datme mit dem souge vertriben. Dar näh sol er siben tage süezez 25 ezen niezen, unz im der lip inne geheile. Swem der munt von dem vieber niht wol ensmecket, der neme einen ehalten brunne unde salz d(^n vil starch unde eze drouz eines warmen girstinen brötes, so er meiste mege, dri tage nüehter: der wirt wol ezende unde wirt ime der mnnt wol smekent. 30 So dir we wirt in dem magen oder in der siten, so nime papel und ephih unde marubium | unde honech unde girstine mel unde IS" temper diu alliu ensamat unde werme daz phlaster unde legez als warmez da dir we si, so wirt dir als palde baz. Swelcli mensch den ouzganc hat, so nim des birboumes rinden 33 wol gegen drin uncen unde siut die in guotem wine , unce der win dristiint in gesiede. Daz sol er danne also lieizez trinchen. 3. bouch fehlt. 7. dich. 8. sich. l.'J. die fehlt. 23. silhRm. 26. muut. viher. 20. wirt fehlt. 34. uzgant. 3ö. die fehlt, der winc. 36. heizet. Zwei deutsclii- Ar/.iieiiiiiclier ans ili-iii l'i. und 1.'}. J;iliili. 1 Ö .> Swem der houcli geblcet ist unde der die wazersuht iiäf , der ncm alare unde iiiule den unde rfbe den souch ouz unde temper daz mit lioiicdi unde gip im alle tage des ein eirschal volle so der man ;il)Mem ainlef tage, so wirt er gesunt. Daz ist versuoht. Gallienus der het einen friunt, der iiet daz getwaneb so vaste, ä daz er aller geswolleu was unde daz deliein arcet in des moble ge- trosten, daz er immer genesen molite. Gallienus sant im dö einen brief unde enböt im alsus. iö'* leb bau wol vernomen, du bast grözen | siebtuom von dem ge- twange, Oä für wil icb dir zeigen ein vil liiit erzcnie, diu endarf dir 10 uiiibe daz nilit versmabcn. Nim eines pbares galle unde nim aloe unde louler salz unde temper die mit ole unde baeje dieb vaste bi einem fiiire unde per unde salbe daz gessez vaste mit der salben. Des selben nabtes wirdeslü des getwanges ledicb. Swem der boucb geblaßt ist oder dem daz wazerebalp wabsen 15 wil, so nim vk'iibs unde milcbsmalz unde ole, daz die arcet cyprinum beizent, unde salbe dieb vast da mit gegen dem magen: du wirst seiner gesunt. Swer daz tegelicb fieber bat, der nem ein micbel teil der egelen unde setze die under die scbultern unde laze si sougen unze si vol 20 werdent. So si vol werden, so nim des pluotes unde i)estricb die scbulter unde den rükke da mit unde wascb daz pluot aver in drin tagen nibt abe, vil gewislich so wirt dir sin buoz. Trementilla beizet ein chrout, swa du daz vindest, so sineb den Ißa pater noster dar obe | unde grabe si daniie. Swer daz fieber bat, 23 dem lege die wurcen under, daz er sin nine wize: für daz er dar ouf ensiaepbt, so gewirret im daz fieber nimmer inere. ^^'iI aver du ein libter erzenie dii für wizen, so nim centauriam unde müle die mit wurcen mita'le unde gip im den souch ze trin- chen ; er wirt ine vier tagen gesunt. 20 Wil du dem belphen, der daz teglich fieber hat, so nime den souch liz des holeres rinden unde fülle sin drie aierscbal , unde so der taeb aller erst ouf gät, so gip im den souch ze trindien , unde si)l er danne nibt ezen , unze an die wil, daz in der siebtuom be- ginne müegeii; so sol er nimer broles ezen , wan so lanch so eines 33 1. gebiet. 3. ersclial. 10. endorf. 11. niii. 12. Intter. heie. 13. fiure. gesez. 13. fft'bk't. Tl. walis. 'li. chrüt. 27. eiislolnh. 3ä. iiii'i'reri. 1 54 Dr. Franz Pfeiffer huones lit ist, und alles &.'.dern ezens als vil als des brötes, unde tiinch gewalnes wines, niht ein inichel trinchen. Des selben nahtes wirt sin buoz. Ein chrut heizet azarum , daz ist haselwurz; des clirütes nlm S zehen bleter unde gip dem , der tercianam habe , in einem läwen wazer : so wirt im sin buoz. Nime zwainzech pheferscborn unde | IG* elinobelucbboubet unde temper die in warmem wazer unde sih daz flizclichen durch ein tuoch unde gip im daz ze trinehen. Wil er sih danne hüeten an den, ezen, daz da zuo boret, so wirt ime des sieh- 10 tuomes buoz. Zuo dem siehtuom ist so guot niht , als Ypocras ge- scbriben hat, so marweu hüenre, dla wol mit phefer gemachen sin, unde lembeiin fleisch unde warmez ezen unde ingeber unde phorren, der zwir gesoten si. So du unmäzen siech bist in dem bouche unde so dir der we under den rippen walge, so nim betonicam daz chrüt 15 unde siut ez in geiziner milch mit swiiiem smalz und niuz die ercenie : so wirt dir baz. Dem diu nas oder swä der mensch bluotet, so schrib oberhalbe disen namen: Opelen. Daz ist versuochet: so verstet ez; unde schrib den namen mit dem bluot. Sei iz ein wip, so scrib disen namen: 2(^ ANech , oder dise namen: ON. ON. ON, inclimus milus. Daz ist ver- snobt. Swer daz getwanch habe, der siede himeibrant mit würz mit ] iqc alle unde bint in an sin bein. Im wirt sin buoz. Jeronimus der heilige man vant an den caldeischen buoehen von 23 maniger ercenie, diu an manigem vogel ist. Under den selben voge- len ervant er von dem gire so groz ercenie, daz er des jach, so manich ercenie waer an dem gir, same manich lit er hat. Er saget alsns. Swer den gier ze ercenie wil , der sol des vären, daz er in erslahe äne isen, e er sin inne werde, want verstet er sich, daz er, 30 niht genesen mach, so slindet er daz hirn. So der gir danne ge- vangen wirt, so sol man in danne allen zeliden , durch daz die er- cenie indorre iht. Nehein ercenie ist, chiimt des giers hirn da zuo, sin habe so grozc chraft, daz si nimer misseraitet. Swa der mensch geswollen ist, salbe er sih mit dem giers hirn, er enswellet als palde. 35 Swer den stechen bat oder dem we ist in den siten , getrinchet er 8. (lisclil. 13. sih. lä. siut. niuz. 18. versuhchet. 22. side. 27. wer. mauicch. 33. misseretet. Zwei ileutsclie Arziieiliiii-her ans dem 12. iiml 1.1. .Iiilirli. I OD IGUles girs liirii in warmem wazer, er wirt gesuiit. 1 Sweniie den wibeu ii- siehtuomes iiilit cliümt, so iiemeii si des, girs hinie uiide soupheii ez in warmem wine: si gewinnent als palde ir reht. Swenne si den siehtiioiii w eilen verstellen, so brennen daz iiirn ze piilver unde ezen sin ein liicel in girstinem Lrut, so verstet ez als palde. Des girs 5 fleisch sol man derren unde sol ez gehalten: swen der winnunde hiint gebizet, ezet er des fleisches, iz geswillet in nimer unde heilet als palde, daz daz ungenant nimmer da zuo chumt, Swem die zeude we tuont, der neme des girs ouge unde sinen snabele unde brenne diu ze pulver unde temper ez mit warmem wazer, unde nim daz in 10 den munt , so cerget der zantswer. Wil du des niht tuen , so nim daz selbe sluppe unde rip die zende da mit: si geswerent dich nimer. Siut des girs äder in einem ole unde gehult daz ole , swie lange dii wil; swa der betteris ist oder der gar vergibt ist, wirt er bi einem Gure gebset unde wirt mit dem ole gesalbet vast, er wirt la 17* in siben tagen ] gesuat. Swem diu ougen we tuont, der neme des gires gallen unde siede die in honege ane rouch; als er sich danne släphen legen welle , so sitz zuo einem fiure unde habe diu ougen zuo unde beize si da mit unde lege dich danne slaphen ; so du danne des morgens ouf stest, so hast du heitriu ougen. Ouch sprechent die 20 physici, daz Ypocras nie nehein collirium gcmachete, da er zuo des gires galleu wolt enbern, Sw^en die houptdühte müent, der binde des gires hout in ein tuoch mit einem wollinen vadem umbe den hals, so gewirret ime daz nimere. Swer sieb verlenket in dcheinem lide an dem beine, der brenne des gires bein ze bulver unde mache 23 dar ouz ein phlaster mit dare unde legez an die stat , da dir we si : dir v/irt baz. Swem in die siten, in den rüke, in die hüf gesehiuzet, der neme des gires zesewen huf unde siedez mit ole; diu salbe ist guol; man sol in bi dem fiure da mit salben, so wirt er gesunt. Swer gerne liustselich si, der neme daz zesewe ouge des gires unJe trage 30 ez in di'r tenken haut oder biiidez ume den tenken arm; swa du für lierren gest, die siut dir holt: die wil dii ez bi dir treist , du vtr- liu.sGbt niumicr diues herren hulde ; verliusesl aver du iemei.s hulde, so du in mit des gires ou^^en ume gest, er wirt dir als palde holt. 3. gewiiiel. 6. wiiiniuude. 14. verp;liit. l."). gebet. 17. rTicli. 18. lejre. 21. ge- machet. 2i. -dulite nuleiit. 23. h^iit. 27. ruke. 27. 28. liiif. 28. siiles. Sl.teiiceii. 34. »ir. 156 Ui-. Franz Pfeiffer Swenne du dehein sorge hast ze teidinge, so traeh daz selbe ouge mit dir, so scheidest du mit eren von danne. Swenne du dich strites versehst, so bint des gires heree ia den ermel: swie gröz der strit si, du gesigest unde scheidest mit eren von dautie. b In Gallieiies buochen vindest du geschriben, daz der ehunech Orestes het zwei ehercensfal gemäht ouz des gires chreulen. Swenne der ehunech wolde versuochen die chraft des gebeines , so hiez er etwaz eiteriges ouf den tisk tragen. Als palde htschen die chercen von dem grözen tunst , der von dem gebeine gie. Üa von wil Gal- lo lienus , swer des girs ehreul ouf siuem tisk habe, daz ime nehein gift geschaden mach. Deme cliunege Antioche sante Ypocras einen brief, der dütet alsus. Ich enmach selbe hince dir nilit chomen , wilt aver du disem brief volgen, so wirt dir des | siehtuomes puoz, den du mir gechlaget 17" 15 hast. Der brief ist von dem houbet, von der brüst , von dem bouch, von der bläter. Swenne deme mensclien dehein siehtuom wirret in dem houbet, daz merch bei disen ceichen. Im sint die oberen brä swaer und tunchelt imz gesiben; in duncht im gen die schüz in daz hirn; im slaphent die tinne hedenthalben bei den oren, unde so er 20 des morgens ouf stät, so zeherent im diu ougen unde vervallent sich gerne diu naslocher so hart, daz er chüme den stauch gehaben mach. Des büez also. Nim birenmost unde siut in unze er dristunt in gesiede. Daz heizent die physici saplium. So nim ysopum und origanum, oben den sämen, unde beize in mit ezich unde giuz danne da zuo zwei 23 teil wazers unde lä daz also über naht sten unde siud ez des andern tages in einem schonen chezelin unde sibe ez danne vil schön unde tuo die sapam dar zuo, wol ein trinchen, unde siud ez danne allcz ensamt, uiize driu trinchen gesieden ze einem. Dise erzenie nim in den munt unde habe si so lange da inne, unze diu husiu fiuhte alliu 30 üz dem houbte entsiiphe; want die weil duz in dem munde hast, so rinnet daz wazer so starch üz dem munde, daz du ez ubele gelouben mäht. Des ersten tages niuz die erzenie funfstunt, des andern tages sibenstunt, | des dritten tages niunstunt, unde decke danne daz IT* houbet vaste, daz ez niht erchalt, unde huote dich, daz du die erzenie 33 iht slintest, daz ist dir guot. Dir wirt aver daz houbet gesunt baz danne von getranch. Nemugestü des niht gewinnen, so nim gemahi 2. fillest. 9. oeibeine. 11. gltf. 12. s.int. lö. hnut. 18- swer. 34. hfiKe- Zwei tloiiisehe A rznciliiicliei' aus dem 13. und 13. Julirli. I i) I pliefer unde geribeii seiioph unde habe diu zwei in dem munde: diu furbent dir daz boubet, al.s icb dir j^esaget ban. Swer siecb in dein boupt ist , enphleget er dii-re dinge niht, dem werdent diu ougeii blüede unde bej,'iiinont iine diu oren swern unde iiimt im daz gesiben abe unde bristet der bals und macb uibt guoter stimme bän unde ä wallst im der \ve unde rfset im daz bar ouz unde twinget in diu brüst. Iine luont die zende liht we unde gewint libt die stroucben. ig« Des wirst du alles ledicb von dirre crzenie. Swem we ist umbe | die brüst, daz nieicb da bei. Er swizet gern umbe die brüst, im wirt diu zuiige vil dick, in duncbet diu speichel bitler unde gesal- 10 zen und ist libt grüene under den ougen, im ist we umbe daz milz. in swerent die absei. Dem bilpb alsus. So du seilest daz er gerne geine unde wacb unde ime der arm gerne pitemet, der siech sol des vordem tagcs an dem abent guots ezens maziieb ezen unde vast des andern tages uiiz an den abent und eze daniie retich oder senef 15 oder wilden chressen uiulc trincb danne warmez wazer , so muoz er als palde spien. Daz tuo zwir oder tristuiit, so wirt er wol gesunt umbe die brüst, als er driu guotiu tranch babe genommen. Swer daz versümet, der wirt lungelsieeb unde gewinnet daz swarz (ieber, ime foulet daz milz unde plmescbet stsetecblicb und enmag nilit gc- 20 släpben. Des wirt er alles ledicb von dirre erzeiiie. Swer siecb wirt in dem bouch, der bat disiu zeicben. Er ist tisege und unmäh- tich unde svvirt ime der lip innerhalp und ercbumel libt unde wirt siecb an dem milz unde gewinnet daz Geber, daz heizet acute. Der not aller samt büez dir alsus. Nim daz abteil wazeres unde daz niun- 25 teil wines unde siut diu zwei mit einander vil vast. Daz heizont die pbysici rnulsam. Siut danne dar inne bletas unde malvas, unde soufe danne der siecb daz, so muoz er ze stete spien. Möge er des nibt gehaben , so neme wilden cbnovehicli unde siede in in wazer unde souphe ez also warmez, so muoz er aver s[iien. Unde tuo daz als 30 lange unz in beginne hungern. Der des niht entuot. der gewinnet febres tercianas unde swernt ime diu lit, er wirt aller vergibt. Des wirt er ledicb von dirre erzenie. Swer siech ist in der blafer, der hat disiu zeichen. In duncbet, daz er allezan sat si unde get im daz ezen allezan widere. Im wirt libt ze heiz unde bat müelichen 33 2. sich w. «, w. 10. dich. 13. wahc. der arme. 14. vorderm. 19. lungelsich. 22. unmaeticli. 23. ine. 24. daz daz h. a. 29. das eine in fehlt. 32. verghit. 138 Dl-. Franz Pfeiffer slaph linde twinget in daz harn unde beginnet ime der boucli sweren unde swellen. Der nem fenichel und epieh unde retich unde pliefer unde petersil unde paslinatam unde siut diu alliu in einem wazer unde sihe daz wazer, unde nim wizen wiii unde welle in mit phefer 5 unde miscli daz aliez ze samen unde soufe daz siben tage | gegen 18^ einem halben trinchen , so wirt er gesunt- Mügestü dir des niht enblanten, so nim louterz regenwazer unde wellez und trinehez unde salz ez des nahtes, so du slaphen wil, unde des morgens, so du ouf stest, so wirslü in siben tagen gesunt. Entuostu des niht , so blaet 10 sich der bouch unde gewinest den harnstein unde mäht niht ver- douwen. Des wirdestu alles ledich von der ercenie. Disiu erzenie stuont alliu an dem brieve , den Ypocras dem chunege Antiocho sante. Swer sicli bewart vor disen vier sieh- tüemen, der ist immer wol gesunt. IS So den menschen die wurme bizent in dem bouch, der nem ein gebundelin des phersichpoumes pleter unde driu teil wazeres unde geizine milch unde siut diu zwei, unze si dristunt in gesieden unde gip dem siechen die erzenie ze trinchen, so sterbent die wurme alle unde wirt er gesunt. 20 Swer verbrinnet , der neme rinderhor unde lege daz dar ouf, so wirt ime baz. Nehelph daz niht, so neme er welline des chroutes würz unde brenne die ze pulver unde lege daz pulver über die brunst mit wizem des aies , so sieht daz fiur ouz unde heilet diu brunst. So du hart verbrinnest, so nime spech und einer henne smer unde 2S trouf daz mit einem brinnenden lauge in ein wazer unde salbe die brunst mit dem smalz, so heilet si e daz iemen trowen müge. 10. dem h. werdiuwen. 13. saiit. 23. eiirae. Zwe! deutsche Arzneibücher aus dem 12. und 13. JahiU. 1 oU ANHANG 0. I. W'il du die horwürme vortriben, so lüin lionich iiiide mirren IS'unde zinziber unde siud daz in ainer airschal. II. 2). . .des aies unde gehalt daz wie lange du wild. Daz leg an die stat, 29* so verstet daz piuot. Swem daz pluet auz der nasen vast rinnet , der nem hierzzein riem und pint die argi pei dem ellpogen auf die achsel, so du maist machst. III. 1. 35* . . .den wurzzen sol er trinchen fumf tage, so wirt er gesunt. Daz ist war. 2. Ad dolorem capitis. So dir daz haubt we tuet, so haiz dir gewinnen den eboum s), der an der erde lit , unde siut den vil vaste in einem wazzer unde dwach daz haubt da mit, so wirt iz gesunt. 3. Für daz geschoz *). Baumvarbe^) haizet ain chraut; swenne daz geschoz gestecket in dem menschen, so nim daz chraut mit w'urzzen mit alle unde mule daz in einem morser unde bint iz über die wunden. Des andern tages so vindeslü daz isen ob der wunden. Daz selbe runden diu tier aller erst, diu von den jegern wurden geschozzen: als si die ') Aus Cod. germ. Mon. 92. ») Vgl. W, 6'. ') enboum Us. 4) Vgl. II, 9'. 5) = Steiufani, polipoiiion. 160 Dr. Franz Pfeiffer würzen gäzzen, so wurden si des geschözes an. Bindest du dia würzen anderhalben gegen der wandenso vert daz geschöz averu z., 4. Ad febres <). Wil du dem helfen, der daz tegleich vieber hat, so solt du nemen den saueh, der an der rinden des holers ist, unde vulle des drei aiersehal fölle, unde so der fach aller erst auf get, so gib den saueh dem siechen ze trinchen, unde sol der siech danne niht ezzen, unz in der siechtuem beginnet miien, so sol er niht mer ezzen bröles nuewer als lanch ist eines hundes lid, und alles andern ezzens so vil unde des brötes ist unde trinch gewallen win ein wenigez trin- chen: des selben nahtes so wirt im des viebers baz. 5. Ad tercianas. Ein chraut haizzet azarum, daz ist hasehvurzze. Des chrautes solt du nemen zehen | pleter und gib si dem menschen, der tercianas 351» hab, in läwem wazzer, so wirt im zehant baz. 6. Ad qaartanam. Daz quartanas hat, so sol du nemen zwairizich phefferchorn und ein clovelauchliaubt unde temper diu in einem wazzer, daz warm sei, unde sihe daz vil vlizcleichon durch ein tuech unde gib daz wazzer dem siechen ze trinchen. VVil er sich danne hüeten an dein ezzen, daz dar zuo gehoeret, so wirt im des siechtuems buoz. Zuo dem siechtuem ist niht so guet, als Ypocras geschriben hat, sam jungen hüener unde daz diu wol mit pheffer gemacht sein, oder lemberein vleisch unde warmez ezzen, unde sol daz ezzen allez vil wol gemacht sein mit pheffer unde mit ingeber unde mit phorren, der zwir gesoten sei. 7. Ad inflationein. Swa der mensch geswillet, sone ist im niht so guet so diseu erznei. Du solt nemen wizen swebel unde siut den in einem star- ehen wine unde bint den swebel über die geswulst, unz diu geswulst nider sitze, unde mule verbrunnen laim unde temper den mit dem ») Vffl. 11. IC. Zwei (K'utsolie Ai'/.iieiliüclier aus dein l'i. iiml \'o. .laliili. 1 O 1 wizen des aies unde lege djiz plilasler über die geswulst, so wii't er balde gesiiiit '). 8. Item. Nehelfe duz iiilit scliiere , so sollu iiemen vil diekez pier unde nim dar zuo ezziches daz viertail unde daz ahtail pauinole unde sint diu alleu mit einander unde salbe die geswulst da mit, so zerget si alspalde. 9. Nobile ungaontain. Wil du ein edele 2) mncben zuo aller slaht wunden unde für 36* den ubelen tropplien und | für daz übel pluct, daz in dem menschen belibet, so din vaste an get, du solt nemen ganzensmer ») unde dachsensmer unde berensmer und einer alten geize smer, diu in dem holz gezogen si. Diseu dincli solt du alleu under ein ander boren vleizleich unde daz si werden ebeiidicke , als ein gebertcz wahs*). Da tiach solt du nenien einen vladen höniges, daz daz bonieli dar inne sei, unde nim danne wermuetsauch und ephichsauch unde den sauch marobi unde mische diu alleu under ein ander unde bere si danne vil vlizcleich wo! in einem halben tag. Die selben salben mäht du behalten swie lange du wil. 10. De Tulnerato viro. Wil du versuochen umb den wunden man, ob er genese oder sterbe, du solt nemen pibinellam unde zetreibe die in einem wazzer. Schol der mensch genesen, so verdouwet er die wurzzen wol, sol er sterben, so vindest du die wurzzen in der M'unden. II. lu veutre. So du unmäzen gröz unde siech seist , in dem bauch unde der we walget under den rippen, so solt du nemen betonicam daz ehraut unde siut daz in einer gaizein milch und in einem swinein smalz unde niuz die erznei, so wirt dir baz. ') Vgl. II, 9\ 2) edelev. 3J Das wä/-e Fett von einem Gänserich . doch heinst es vornW, 9' chazensmcr. *) wahsclie. Sil/.l). d. phil.-iiisl. Cl. XI. II. R.l. I. Hfl. 11 1 62 Dr. Franz Pfeiffer 12. Sd dem menschen die fiieze und die hende geschrinden. Der sol nemen rüten und ole unde lüterz wahs unde bere diu under ein ander unde salbe dich danne mit, unde nim i) hirzen unslit unde salbe danne hende unde fücze, so werden si liail. 13. Ad nasnm -). So dem menschen diu nase pluet oder swä der mensch bluet, so solt du oberhalb schriben ein chriecliisclicii tiamen s) Daz ist versucht: so verstet daz bhiet. Unde solt den nainen scliri- ben mit dem selben bliiel. — Hat aver daz \\ip inichel not von dem bluet , so sol si schriben mit dem selben bluet '*-) oder du schribe disen namen ON. ON. ON. Inclinus milus. Daz ist auch ofte versuecht unde hilft. 14> Ad dentes. So dir vil wunderlichen we ist an den zanden, so nim gemalen pheft'er unde mische den mit wine unde habe Jen in dem munde, so wirt dir baz. Unde helfe daz niht, so nim die würzen der verbenen unde siut die in einem alten wine unde bee die zende da mit: dir wirt baz. 15. Ad pedos. S6 dir diu brüst swere, so Sdlt du nemen seheffeinen mist unde lege daz also warmez über daz sere , so hailt diu brüst. Und helfe daz niht, so nim agrimoniam unde pere die würze mit altem smerwe unde lege daz auf daz seie zwir in dem tage, unz daz daz boese geswer allez aiiz gerinne. So nim die selben würzen unde mule die mit ole, in einer wenigen wile so hailt diu hrust und wirt elaiii als e. Enhelf daz niht schiere, so nim honich unde milchsmalz unde pere diu zwai wider einander unde lege daz phlaster dar auf, so wirt dir baz. Nehelfe daz niht, so nim nezzel unde müle die wo! vaste mit salz unde lege daz phlaster dar über. Daz ist versuocht. *) nim fehlt. 2) Vgl. W, 16". ff. ') Attsffekraizt. Zwei deutsclie Arzneiliücher aus dem 12. uiiii 13. Julnh. 103 WORTEKBUCH. ab praep. von, zur Umschreibung des gen. die rinden von dem lubsteclien II, 12\ abe = aber II, 2". vgl. avcr. abrotanum, Stab-, Eberwurz, zur Arznei für die Brust. II, S"*. z{i\r praep. e. dat. nach, ausser, aftir diseme tranche I, 23. daz bluot wadelot aftir dcme libe I, 29. agrimonia f. Ach-crkraut, Odermennig. I, 26. 33. II, 7''. absei stf. die Achsel, in swcrent (schmerzen) die a. II, i8'. aht-, aliteteil xln. Achtel, nim daz a. bounioles II, O*", wazzers II, 18\ aite r s. eitcr. al adj. ganz, aller starke Flexion: der mage aller II, 12''. er wirt aller vergibt II, 18\ alare, aelsere. stm. II, o''. 6'". Iü*". Dies Wort hält J. Grimm, den ich darum befragt, für sambucus nigra, alborn, albern (bei Nemnich), ags. ellser, vgl. Diefcnbach's Glossar S. 509*^. aide, aldir conjunction, oder. I, 1. 4. und ü'ßer. a 1 1 e n t b a 1 1) e n adv. auf allen Seiten, überall. II, 1 *. allererst adv. zuerst, so der tach aller erst oiif gät, sobald der Tag anbricht. II, 16". aller tagelicb adj. per omnem diem. I, 26. vgl. Gramm. 2, 570. allezan adv. immer, immerfort. II, iS". aloe, aloes f Aloe. I, 4. II, S\ IS**, alp stm. boshafter, neckender Geist, Alp. swen der alp triuget II, 14''. vgl. mhd. IVB. 1, 24., a 1 r 6 1 adj. ganz, überall rot. II, 1 5". als-balde ado. sogleich II, S^ und oft. also vor adj. im Sinne von: noch = p-anz. ^tant, vgl. Megenberg S. 559. also ganzen II, 12'' a. beizcz 15'\ a. lävven, läwez 5^ 12''. a. war- me, vvarmez 7°. ll**. 15% also toumige, gebrande II, 10"''. a 1 s u s adi\ ganz so, auf diese Weise. II, 1 4** . 1 1* 164 I>'- Franz Pfeiffer alumbe adv. ringsum. II, 1". änpraep. tu, an, bei. an ein tuoch leg-en I, 1. sich hueten an dem ezen II, IG'', an dem houbet beg^innen II, T. anchsmer, gen. -smerwes stn. Butter, vgl. Grnff 6, 838. Grimm, Gesch. d. d. Sprache 1003. g-ebert mit anchsmerwe. II, 1^. anderhalp adv. auf der andern, entgegengesetzten Seite. I, 14. a. g-eg-eu der Avunden II, 9"". anders adv. gen. auf andere Weise. II, 10 . andorn.s^/H. haleta, marrubium. I, 33. vgl. mhd. WB. 1, 37. äne adv. los, ledig, frei. ä. werden c. gen. befreit loerden von etwas. II, 9". 13'. anegenge stn. Anfang, Beginn, daz houbet ist ein a. des menschen II, 1 '. anegen ^stv. 1. intr. beginnen, anfangen, so diu vaste ^^i II, 9'. — 2. trans. anfallen, ergreifen, so daz mensch diu unchraft anget II, 8'. anpeilen stv. anbellen. II, 12\ antimonium n. Spiessglanz, gegen entzündete Augenbrauen. II, IC*. Antioc h US n. pr. künic A. II, 17\ arbeit stf. Mühsal, Beschwerde, michel a. liden II, 13^. aristolochia f. arustolocia rotunda I, 16 = die sinewellen aristo- logiam II, 8^. artemisia/. Beifuss. II, 3^"*. 14\ arz einte, erzenie, Arznei. I, 31. Diese Wortbildung setzt ein nnerweis- lichcs Verbum arzenten oder arzeniten, curare, voraus; vgl. erzenen mhd. WB. 1, 64, arzten Grimm, d. WB. i, S77. arz et stm. Arzt. D, S*. IS**., die gewöhnliche mhd. Form ist arzät. a r z i n b u 0 e h stn. Arzneibuch. I, 3 1 . asche swm. die Asche. II, 13 . atech stm. samhucus ebulus. I, 24, vgl. mhd. WB. 1, 66\ atech würze sivf. I, 28. atemzue stm. Athemzug. I^ 29. atramentum n. daz a. unde daz wize des eiges I, 6. bli und a. I, 17. a u r i p i g' m e n t u m w. Goldschaum, a. daz ist gelwe varwe I, 0. II, 6^ 8*. 9 . ave, aver adv. aber, wieder, wiederum, iterum. II , 5". iJ . 8 . 11'. 18*. azariim n. asarum, Haselwurz. II, 16. vgl. mhd. WB. 3, 829". B. (P). bseen stvv. bähen, erwärmen, daz houbet b. II, 1 T. den bouch b. II, 12 . b»ie dich vaste II, IS**, bi einem fiuve geb.Tt II. 16". Zwei ileiifsclie Arziieil)iiclier ans iltT» 12. iiml 13. J;ilii-h. l().> balde adv. als balde, sor/leich. If. 5'' i/iul öfter, ri/l. als. barba Jovis, Hauswurz. II, 10''. barthär st)i. loie neuhd. II, 12". basilia f. basilien die wiirz g-ewinnon II, 10''. l)atonje swf. betonica. II, 14*. becher stm. tri b. wincs I, 13. b e d e n t li a 1 b e n adi\ tu beiden Seiten. II, 17''. beginnen sti\ c. gen. etwas anfangen, eröffnen, des buoclies b. II, 1'. beg'vabin stv. vergraben. I, 31. 1) cbabon stv. festhalten, behalten, daz ezcn b., bei sich behalten II, 14''. b e h u 1 1 e n stv. bedecken. II, ?*\ beliuoten swv. verhüten, I, 3. beie, pcie swf. Biene. II, 12'. peie II, 13''. beizen swv. beizen, in, mit ezich II, 10**. 17''. in, mit wiue II, 3^ 5**. 6*. beleg-en swv. hinlegen, aufgeben, so er die spräche beleit, verliert. II, 41- «»b . O . bern, peni, pcren swv. schlagen, kneten, bere daz bilsenole mit wahse II. 7% 3G''. wermuot die avoI g-ebert si II, 7''. als ein g-ebertez ualis 11, 9^ porn II, 13'. p. mit honech II, 6'. mit salz II, 6''. under ein ander II, G'"'. bernsmcr, gen. -smerwes stn. Bärenfett. II, 3''. ö*". b eschern stv. scheeren. einem daz houbet b. II, ll^ b es ei eben swv. sich b., sich bejtissen. II, 13*". beseng'cn sivv. einen vilz II, 6". den besancten vilz ebd. besten sIlj. stehen bleiben, daz smalz daz oben bestet II, 6''. bestrichen stv. bestreichen. U, lö*. bctallc adv. ganz und gar, sammt und sonders, trinche den win mit würze b. II, 6*. vgl. mittalle. betonia, betonica/". I, 4. 26. II, 16^ bettcris adj. bettlägerig. II, IG'^. betuon swv. verschliessen, ve7'machen. ein vaz vil vaste obenan b. l, 31. bcAvegen stvv. so ist der lip aller beweget von siechtuome II, 2*. be wellen stv. herumdrehen, wälzen, bewil die papclen in einem ezich II, lO*". bewil daz in einem teige IS"". be win den stv. einmachen, timhüllen, mit einem tuoche I, 4. bezzeron swv. rcß. besser iverden, genesen, so bezzerot er sich I, 10. h\ praep. bei, an, merchen bi der varwe II, 1''. piponen = bibcnen >iwv. beben. II, 2''' 166 Dr, Franz Pfei ffer biderbun swv. gebrauchen, benutzen. I, 31 (^zweimal). pier stn. vil diekez p. II, 9^ bilar, pilai* stm. Zahnfleisch, swcm -wurme die bilare ezent II, 7'. 12'. bilse swf. daz saf der wiziin bilsun I, 4. bilsenole stn. II, 7^ 7**. birboum stm. Birnbaum. II, 1S°. birenmost stm. Birnmost. II. 17''. pitemen swv. = bidcmen, beben. II, 18'. "bivir stn. Fieber. I, 28. biz stn. Biss. über, üf den biz legen II, 7''. 8°. blä adj. blau, so ist daz harn blä II, I*^. blaeen swv. blähen, so bist sich der bouch II, IS*", der beuch ge- blaect II, 15^ bläter stf. die Harnblase. II, ä\ 17\ b leichg-r ü ene adj. blassgrün, nim die blaichgrüenen salben II, 1 1*". bleta/". = beta, Mangold. II, 13\ 18\ plige .v^«. Blei. II, 12^ blcede örT/. dem werdent diu oug-en bl. II, 17''. blöz adj. kahl, diu hout wirt blöz als ein glas II, 10". blcBze stf. calvitium. II, 12". pluot stn. Blut, daz übel, daz foule pl. II, 3''. 9". pluotsfm. die Blüte. II, 12''. pluot var adj. Mut farbig. II, 2*. pluotveim stm. Blutschaum. II, 1'. bccse adj. übel, schädlich, diu bcesin fiuhte II, 17''. bouch stm. = mhd. buch, Bauch. II, 3". und öfter. bouniol stn. Baumöl. II, 4". 9^ brä stf Atigenbraue. II, lO''. 17\ braten stv. ein gebraten ei II, 3''. gcbriitenu eigir I, 23. brechen stv. den harnstein br. II, 12''. bresten stv. intr. brechen, so bristet der stein I, 21. II, 12 . brief stm. Titel, Vorrede, swer den brief dises buoches wil wizen u.s.w. II, V. brunne swm. Quelhoasser. II, 15"'. brüst stf. pl. siech in den brüsten sin II, 2''. büezen swv. c. acc. bessern, den zantswern b., vertreiben II, 7''. c. gen. beseitigen, heilen. y\\\ du des siechtuomes schiere buozen II, 3'. 17" 18\ Z.vci deutsche Ariiieibiiclier «us dem 12. und 13- J;ihrh. 1 0 < c. dai. und gen. einen befreien von etwas, im werde sin gcbuoret II, 1"*. pung-c SIC f. Bunge. I, 15. buochin adj. fugineus. nim buochinen pluot (^die Blüte dei- Buche) II, 12^ bumez stm. pnme.v ahd. pnmez, mhd. pnmz, Bims. II, 12". buoz adj. h. m erden, c. dat. u. gen. Abhilfe, Befreiung finden: im wirt des susens buoz, er wird davon befreit II, IT'. 13". 13'^. buzina: ein ruortranc, daz wir heizen b. I, 23. C (CH) s. K. D. da: da von, weg, hinweg. II, 11% da für, dagegen. II, 15". dahs stm. dalises smer, Dachsfett. II, 9^ dannän räuml. adv. relat. wovon \, 7. dannän üz, daraus I, 16. 23. daren swv. =taren, schaden, verletzen, quälen, den diu harnwinde daret I, 18. vgl mhd. WB. 3, 14. decken swv. bedecken, zudecken. II, V. 4". de gen chint sin. männliches Kind, Knabe. II, o*. der, (\\v dat. ethicus des persunl. pron. die dir sint (die da sind) I, 26. die der miigin irwalissin I, Einleitung und 29. derren sv:v. dorren, austrocknen, dorre den ehalch in dem fiure II, 9". 16". Diascordes n. pr. Dioscorides. II, 6''. dicke, dick, diche, adj. dick, daz harn ist rot (wiz) unde dicke II, l*". d. werden I, 16. II, 1'". 18\ vil dickez pier II, 9^ — adv. oft. II, 3" und öfter. dihten swv. schreiben, schriftlich abfassen. II, 1". dirnc sie f. Jungfrau. II, 13^ dissinteria, Dysenterie. I, 22. d inten, doutcn swv. bedeuten. II, 12^ der brief dütet alsus, lautet folgendermassen II, 17". dowcn swv. verdauen, wo! (\owcx\, gtit verdauen. II, 5'. 9''. dragantea/l ein würz lieizct dr. II, 8'. dragantum n. Tragant. I, 6. dri, drei: drige tage I, 13. 16S Dr. Fra a z P fei ffer dristiint, tristunt, dreimal. II, IS"*, dr. in sieden, auf ein Drittel ein- sieden II, IS". 8^ triestunt II, 10". druchen = drücken swv. drücken, pressen, daz ole durch ein tuoch dr. I, 1. d r u s e stf. glandula. I, 9. dühen, doiihen swv. mhd. diuhen, drücken, pressen, nim des saffes, daz man da dühit uzzir dem grünen hanefsamin I, 4. II, 4'. douhe ein duoch dar fn II, ll^ vgl. mhd. WB. \, 372. dünne adj. smal oder dünne II, 1''. A\ivc\vpraep. d. daz, damit. II, 16". dürft, durf s^/". d. sin, nüthig sein. II, 24. II, 4". dürre adj. dürre lefse II, 12''. dwahen s. twalien. E. e adv. bevor. II, l^ ebb Olim, eboum , epoum stm. Epheu. e. der an der erde lig-et II, 4'. 6^ T. i%\ Anhang III, 2. ebehö u s. epliou. egele swf. stf. Egel, Blutegel. I, 34. eg-elen setzen II, 7*. IS**, ei stn. gen. e'iges, pl. eigir. I, 4. 23. ei er-, eig-erschal swf I, 7. II, 8^ 1S\ 16\ einleft, undecimus. II, 4'^. einteil, etwas, ein wenig. II, 3'^. einvaltic or//. einfach, rein, mit dem einvaltigen ole I, 1. eiter, aiter stn. Gift. I, 33. II, 8^ eiteric adj. Gift enthaltend. II, 17*. eiz stm. Blntgeschwür. daz sich eizze erhevent an der matrice II, 3 . electuarium n. Latwerge. II, S''. 9". 14^ emplastrum n. Pflaster. I, 26. e. solutorium I, 29. en, encr = eiii;, einer I, 16. 30. enbizen stv. essen, speisen, gemessen. II, 7\ 12''. enblanten stv. sichMühe geben, auferlegen, müg-estti dirdesnihtenblan- ten, kannst du dir das nicht verschaffen. II, 18''; vgl. mhd. WB. 1, 198\ Wackernagels Gl. 72\ enbor adv. auf. den havcn cnbor (über) setzen. II, 13". onb rinnen stv. entzündet werden, vvan im diu gaüe schiere enbrinnet I, l^ Zwei diMitseliL- Ar/iieiljiiitici' aus ili*iii 1''. iiml l'->. .I:iliili. I (>.» ener = jener II, 13^ e n g- r a b e n stv. att&graben. I, 3 1 . enkel. enchel stn. Knöchel, der fiioz oder daz e. II, G**. 10^ »'iipliallen stv. einfallen, so im die toumen enphallent II, 4"^. ciisamt, cnsainat ado. zusammen, zugleich. II, lo*". IT"". enthalten stv. refl. mit jyraep. abstinere. sich c. von dem wine II, 14'. entsliphen stv. elabi, entweichen. II, IT"". cn ts well en «^f. abschwellen, so entswillet si (diu geswulst) II, 6''. V. 9\ 10\ eph stm. ajrium. des epplies bletir I, 5. 31. des ephes wurcun sou I, 6. epheusäme swm. I, 24. ephieh, eppliich, epich stm. apium. II, S''. M*". 13". 1 ö''. 18\ e p h i c h s 0 11 c h stm. Eppichsaft. II, 9**. cphou, ebehöii stn. Epheu. I, 1. 4. epoum s. ebbeboum. crdor ren .9Jt"('. dürre werden, abdorren. II, 5*. er er adj. früher, an sant Marien tag-e der erercn II, 13^ Maria Ver- kündigung, 25. Merz, s. Haltaus, Jahrteitbuch S. 97. — superl. erest, aller e., zuerst I, 17. er gen stv. vor sich gehen, geschehen. II, S"". 3^. erheveu stv. refl. erheben, daz sich eizze e. II, 3*. er in adj. ehern, e. vaz I, 31. e. vezelin II, 10'". erkalten swv. kalt werden. II, 1 7''. cr^oTüQXi stv. zusammenfahren, erschrecken. II, 14'. 18^ erle sivf der erliin rinde, diu aller näeliest dem boume ist 1, 23. erledigen sicv. refl. ledig machen, entledigen. II, 12''. erlig-en stv. erliegen, liegen bleiben, daz ros erlit nimmer II, 14"*. erniesen stv. niesen, der mensch erniiiset II, S*- ersterben stv. die wurme ersterbint I, 4. ersticken swv. infr. praefocari. diu matrix ersticket II, 3''. vgl. Mcgen- berg S. 60S. s. v. erstccken. er s Warzen swv. schwarz, dunkel werden. II, 1*^... erswern stv. suppurare. II, 3''. 12''. ervinden stv. ausfindig machen, entdecken. IL 16''. erfriesen stv. erfrieren, so ist im diu lung-el erfroren II, 2'. erfurben swv. ausputzen, reinigen. II, 3''. erwahsen stv. entstehen. I, Einleitung. er wallen stv. siedend aufwallen. II, 6^ IS". 1 I 0 Dr. Franz Pf eiffer erzen buoch stn. Arxneihich. II, 1 '. erzen ie stf. Arznei. II, 10^ 18'\ «nrf öfter. erzente s. arzeinte. eselinne stf. asina. einer e. milch II, 6*. espin adj. die espinun rinde I, 8. ezzen sin. Mcthheit. vi daz nah dem ezcn II, 9^ lange wile e danne z'ezze, geraume Zeit vor dem Essen. I, 29. ezzen swv. swem wurme die hilare ezent II, 7'. ezzich, ezzik stm. acetum. I, 1. u. öfter. F. s. V. G. gähes adv. gen. allen gähes (plötüich) daz houbet werfen II, 5'. gähmuot stm. Jähzorn, der muoz . . . g-ähmuotes (aufbrausend) sin II, l^ galgan stn. galanger. I, 24. galle SIC f. diu g-. enbrinnet II, 1\ eines äles g. II, 10^ g a 1 s t = glast, Glanz. gamandrea/". = chamacdrys I, 2ß. vgl. Diefenbanhs Glossar 92^ ganz adj. vollkommen, vollständig, die ganzin sehun haben I, 6. gar adj. so ist diu crzenie gar, fertig. II, 10". gebeizen swv. diu bein in einem Pflanzenahsud gebaizen II, ll**. gebert s. bern. gebundelin stn. fascictdus. I, 4. II, 4". 18''. ge dinge stn. Hopiung. II, 14^ gedouben s?t?ü. ^ getoiiben, tödten, vernichten. I, 26. ge dürfen anom. verb. == dürfen. II, 14''. gegen, gern praej). annähernd, nahezu, wol gegen drin uncen II, 13°. g. einem halben trinken II, 18''. gcin einem guoten trinchen II, 10**. gehaben sicv. refl. sich befinden, benehmen. II, o'- W^.ff. gehalten stv. erhalten, aufbewahren. I, Q ff. 2ö. II, 6'. 8'. 9*. 10'. 13". 16^ geh ecken swv. stechen, beissen. den du natere gehokkc I, 33. gehugct s//". ahd. gihnet, mhd. gehügcde, Gedächtniss. in der zelle, dsi diu g. inne lit II, l**. gein s. gegen, geinen = ginen swv gähnen. II, 18*. Zwei dvutsclie Arzneil.ücln r aus dem 12. ui J 1.1. Jul ih. 1 i 1 geiz stf. in einer geize wolle, in Gaishaar. II, 9*. geizeböne stf. I, 9. geiz in adj. caprinus. g. milch I, 2. II, S^ il^ 16\ 18'. gel feil adj. gleich viel, der aller g. I, 16. 22. gel IC he ade. g. uegin, i// gleichen Theilen tcä'gen. \, 17. gelidonia = celidonia, SchellLraut. II, 10*. gellen swv. wie neudcutsch. diu oren beginnent gellen II, ll*^. gelilteren sirv. iutr. lauter. Mar werden. I, 26. geniiih te /?/. lesticuli, genitulia viri. dem die gemähte vast geswellent II, 9\ vgl. Schmellcr 2, ä47. gen stv. lind get im daz ezen allezan widere, widersteht ihm? stosst ihm auf? \\, 18\ genannc adj. gratus. liep und g. II, 14''. gen ist, genisetj!>;Y/(?6'. von genesen, gesund, geheilt werdenU, 4''. o". IS**. gensesmer stn. Gänsefett. I, 4. II, S''. g e r al 0 d i 0 n (= geralogodicon : Diefenhachs Glossar 260*^), eine Salbe. ein species diu heizet g. laxatium II, ll*". g erste swf gen. der gerstun I, 23. gerwc swf. Hefe. II, 12^*. gesaecn swv. säen, streuen, an (in) swelhe wunden du daz stuppe gesajest II, 8'. gesaez stn. der Hintere. II, 13^. geschaft stn. stf. genitalia. so dem manne sin g. we tue daz der zagel heizet II, 6"^. gcswillct ir diu g. II, S**. an der g. II, S**. vgl. Stal- der 2. 308. geschoz stn. telum, jacidum. II. 9'. Anhang III, 3. gesihen stn. das Sehen, Gesicht als Sinn, tunchelt im'z g. II, IT*", geslahcn stv. schlagen, dem etwaz gesieht an daz ouge II, 7"". g est an stv. stehen bleiben. I, 26. stocken: daz bluot gestat I, 1. gesuhte stn. Krankheit, Siechthum. II, 7. 11'*. ges wellen stv. schwellen, anschwellen. II, S**. 9*. g e s\y ev stn. Geschwür. II, 3*. ges wer n stv. schmerzen, schwären. II, lö**. geswulst stf. wie neud. I, 30. II, 6''. getr an ch s^/j. Trank, Getränk. II, 12''. getwanch s^rt. Grimmen, Bauchgrimmen. II, S**. 14'. g e V a h e n stv. auffangen. II, 1 "■. ge für ton = gefürhten H, 1 4^ 172 Dr. Franz Pfeiffer g-ewäg-e stn. mhd. g-ewieg-e, Gewicht, zwei, fünf phemiinge g. I, 24. 33. vgl. mhd. WB. 3, 647. g-ewaln^ör^ gekocht, gesotten, gewaln win II, 16\ gewalt stf. in miner g'. II, 13**. — stm. relite kraft unde guoten g'. haben II, i\ gewie, g-ewichs^n. Gewicht; cdlgemein: selis pfenninge g. I, 4. enir unze g. I, 30; bestimmtes Gewicht: ein g. eariofiles I, 12. gewinnen ä^ü. sich verschaffen, bekommen, heiz dir epouni g. II, 7*. ein getwanch g. II, 3''. ein wizez glas g. II, l^ chindelin g. II, 3^ gcwis liehe adv. sicherlich, ztwerlässlich. II, S''. 12**. vi! gewish'chen wellen, mit Sicherheit behaupten. II, 7". giftevar adj. ist daz harn giftevar, von giftiger Farbe. II, 2^ gyluch = gilvch = gilwic, gelblicht? so daz harn ist vil wunderlichen g. II, 2 . cod. 722. 5/. 3''. stimmt auch hier nicht genau und ge- währt keinen sichern Aufschluss : ist daz härm grüne , daz bedeutet den tot; ist auf dem grünen härm ein gelber schäum, daz bedeutet die gelbe sucht, gelb spräche für obige Vermuthung , schäum aber für gefluch, flockicht. gingiber, gingiber = zingiber, Ingwer. I, 12. 26. gips stm. wie neud. \, 26. gir, gier stm. Geier. 16°. oft. girstin adj. hordaceus. g. brot II, lö^ 16'*. g. mel II, 6''. iö\ mit girstinem melwe II, S"*. glas stn. XU einem guten Wund2)flaster ist unter anderm zu nehmen des lüteren glases librse III gepulverot T, 27. glase vaz stn. gläsernes Gefäss. I, 4. gl not, gen. glüete stf. ouf der glöete II, 10\ goufe stf. die Höhlung der Hand, ein gröz goufen volle nim ir (der gerösteten Gerste) II, IS""., vgl. Schmeller 2, 17. grä adj. grau. II, 1*. graben stv. ausgraben. II, 16". granomastix, Mastixko7-n. I, 24. griekech adj. Upj)us, vom Schleim in den Augenwinkeln, so sint diu ougen gr. II, 11'. vgl. Schmeller 1, 107. griezich adj. griesig. ist daz harn gr. II, 2''. grint stm. impetigo, Scabies, guot ze dem grinde I, 32. gröz adj. kräftig, gröz erzenie II, IQ", dick, schwanger: so daz wip ze gröz wirt II, 3". Zwzi ileiilscho Arzneibücher aus dem 12. niul 13. .Ialii-Ii. 1 7 O griiene adj. der griiene riiicli vor den oug'eii II, 5\ griicne sin undur den oug-cn II, 18". grüezen siov. hildl. befallen, so in diu snht griieze II, 14''. gruozclolit adj. tcohl = griuze-, griezeloht v'' Kranz Pfeiffer helfen sfv. c. gen. abhelfen, des sieclituomes sol man sus h. II, 3'. c. acc. mitten, ez hilfet dich vil wol I, i. hephen stf. Hefe, daz harn sol getan sm als diu h. an dem gründe II, 2^ vgl. Schmeller 2, 222. hephich adj. wie Hefe, daz harn ist an dem gründe h. II, 2-^ herre swm. für herren gen, vor adelliche Personen, Leute höherer Stände, treten II, l7^ herz eswer sww. dolor pectoris, Herzkrankheit. I, 10. heu stn. fcenum graecum daz ist chrieehschez heu II, S"". heven stn. anheben, anfangen. II, 11*. himelbrant stm. Königskerze, verbascum Thapsus. II, 16''. hinze 5 hince adv. zu, gegen. II, S''. 17\ hirse stm. wie tieiid. II, 12''. hirz stm. Hirsch, hirzes hörn, Hirschhorn I, 16. II, S"*. hirzin adj. cervinus. h. mareh II, 7% h. Herne II, 8". 14\ hirzAvurze stf. barba Jovis. II, 1 0^ hol adj. hohl, eingefallen, daz im diu ougen hol sint II, 14'^. holen, holn swv. intr. hohl werden, diu ougen holent II, 4'', die zende holnt II, 7^ ho 1er stm. Hollunder. des holeres rinde II, 16*. holz stn. Wald. II, 9^ ho nee stn. Honig. }, 6. honeeseim stm. II, S**. horwurm stm. lumbricus. Anhang I. hörnst«. Trinkhorn. II, 10^ ho ob et stn. Kopf, einer spenehm houbet, ein Stecknadelkopf. I, 34. houbetduht stf. ictus, impetus capitis, swen die houbetdiihte müent II, 17'. vgl. mhd. WB. 1, 372. houbetsiech adj. kopfkrank. II, 3*. houbitsuht stf. Kopfkrankheit. I, 1 . houbitswer swm. dolor capitis. I, 31. houi st f = hut. Haut. II, \T. howessäme swm. Heusamen. II, 13''. huf s^m. Hüfte, des gires huf II, 17'. swem in die siten, in den rüke, in die häf geschinzet, schiesst, Stiche gibt. ebd. hülzin, hulzin adj. höhern. ein h. vaz I, 16. II, S'. hundesher z e sttJW. II, 12*^. hundes-, huntszunge swf. des chrutes, daz da heizet h. II, ö"". 12'. li u o n 1 i nfn. Hühnchen. 2>l- luionlu I, 7. huoste sinn. Hunten. I, 29. h ü s vv u r z e stf. Haiiswurt. I, 4. 31. I. J. jag' er stm. Jäger. II, O"". ieclich adj. = ieg-clich. gen. ieclics I, 22. jehen swv. sagen, sprechen, prcut. jach. II, 16*. \\ii pron. snbst. etwas. II, 1". 17'*. immer adv. immer mer, stäts, immerfort. II, 11". ing-ebcr stm. Ingioer. 1, 24. II, 6^ 16\ i n g- e g e n adj. gegenüber. I, 1 4. ingctuome s^/i. Eingeiveide. II, 11". inne ß6?f. innc werden, geicahr icerden. II, 16*, inner pro'p. innerhalb. II, 4^*. innerhalp adv. inwendig, von innen. II, 11''. 18". inore stcn. das Innere des Ohres, daz trouphe in daz inöre II, 11^. fnsie den stv. einsieden. II, 13". in wart lg adj. inwendig, innerlich, ze allen inwartigen passionibus. I, 29. i n z w i s s e n pro'p. zwischen. 1,30. j och conj. und. I, 4. 29. 30. 32. irich stn. Hirsch-, Gemsleder. II, 7''. vgl. mhd. WB. i, 853. ysop stm. hgssopus. II, 5''. 17''. itwederthalbent ado. zu beiden Seiten. II, 4''. j unehlich adj. jung aussehend, sui autliize j. machen II, 4''. K. C. CH. caferän stn. 1, 6, wohl = safcrün, denn auch bei Mege?iberg 392, lo. 23. wird Saffran als Äug enarxnei genannt. chalch stm. Kalk. eh. üz chiselingen gebrennet II, 3^ neMcr eh., ungelöschter II, 9''. chalwe siof. Kahlheit, von der alten chahven II, 13'. kannelin stn. wolü = ahd. chenula, koncla, qiienela, satureja, Quendel. II, 4\ 5". 176 Dr. Franz Pfeiffer cariofiles: Gewürznelke7i. I, 12. chaeseluppe stf. coagulum. II, 3". vgl. Schneller 2. 486. c h a z e n s m e r stn. Katzen fett. II, 9*". clielte sivf Kälte. II, 1". ehern enate swf. heizbares Frauengemach, frowen, die ze chenienätcn gent, im Kindbett liegen II, 13^ vgl mhd. WB. \, 793^ ehervelle swf. cerefolium, Kerbel, der ehervelim wnree I, 22. kerzenstal stn. Leuchter. II, 17". ehezelin st7i. kleiner Kessel, ein schoenez, blankes, eh. II, IT*". chiesen sto. wahrnehmen. II, 7''. chin delege stf. in der eh., din da heizet matrix II, 2*. chindelin stn. Kindlein. eh. gewinnen, ein Kind bekommen II, 3". chinnebacke swm. Kiefer, des häcchides ehinnebachin I, 17. II, 12^ c hinneb ein stm. Kinnbein. II, 12*. chiselinc stm. Kiesel. II, 3% chlär stn. Eierklar, Eiweiss. II, 17". chleine adj. fein, mit einem chleinen salze II, 8^. ein ehleinez linin tuoch II, W. — adv. chleine milwen, malen I^ 4. 6. II, 1S\ kl. fovven II, 4". Cleopatra n.pr. II, 9*. chlette swf lapatium daz ist ein ehl. II, lO"". c blieben stv. intr. spalten, der harnslein beginnet sich chl. II, 13". chliwe stf. Kleie, sam die cldiwe drinne varn II, 2^ (zweimal). Ohio = klä stf Klaue, Pfote, hasen chlö II, 12^ klobeloucheshoubit stn. Knoblauchkopf, - Knolle. I, 21; diese Form begegnet öfter in den Sumerlatten: clobelouch 1, 25. 33, 34. 49. 60, ii. vgl. knovelouch. chlüz stm. rundlicher Klumpen. II, lO"". ebneten stv. kneten, chnit den mit dem wizen des aiges II, 6^ knobelouchishoubit I, 3. knobeluchhoubet II, 16". clovelauchhoubt Anhang III, 6. vgl. klobel. ehnode swm. Knoten, dhnuphe an den riemen einen ehnodcn II, 14^ ebnovelouch,- luch stm. allium II, 13^ wilder chn, II, 18*. chnoph stm. Knopf an einem Riemen. II, 14'. ehniiphen swv. knüpfen, einen clinoden chn. II, 14*". colcra, Ruhr, diu lungel wirt wunt von der c. II, lo". colerica: c. passio II, ll*", c. rubea, die rothe Ruhr. II, 1^ kölesäme swm. Kohlsumen. I. 2ö. Z««'i liculsclie Arziieiliiiclur aiii dem 12. iiiiJ 13. jHhih. 1/7 colliriuin n. Augensalbe. I, 6. II, 17". cop heiin stn. kleiner Becher, zwai c wines I, 33. cho phe r s. cupher. chornelin stm. Körnchen, germen. diu chlainen eh., diu an der winrebe wahsent II, 1 0\ cosi stm. origanum. costcs VIII pheninge g-ewäg-e I, 42. in februario lörber unde eost I, 26. vgl. Graff i, 531 ; dafür auch dost, tost vgl. Diefenhachs Glossar 400''. chräme swf. Kau fninmisbudc, Kramladen, Apotheke W, 4''. 12° undößer. kraniph stm. pflastei* wider dem cramphe I, 27. chrebez stm. des chrebzes bein I, 17. chresse swm. wilder chr.II , 5'. \i\ 13". 18'. chreul stf. Klaue, Kralle, uz des gires chreulen II, 17'. chrüt sin. polipodion heizet ein ehrüt, — nim chrüt und würzen II, 9^ chume adv. mit Mühe. II, 17"*. chumich stm. cuminum, Kümmel. \, 12. vgl. Schmeller 2, 299. cumin = cuminum \, o. 24. cumme, cummes 1. II; I, 29. wohl dasselbe. chuogin adj. vaccinus. chuogine milch I, 13. chuosmer stm. wohl = anchsmer, Butter, ein teil des chuosmerwes I, 11. cupher-, cuffir-, chophervaz stn. I, 6. 31. II, 4". 10^ chürbez stm. Kürbis. II, IS"". lä, gen. läwes adj. lau. II, ö''. den souch läwen trinchen II, S*". in einem läweu wazzer II, 16'. lägellin stn. mit. lagellum, Fässchen. I, 23. lanche stf. Hüfte, Lende, Weiche. I, 19. so ist der mensch. . . in den lanchen zebrosten II, 2'. so Iit der harnstein in den lanehen II, 6''. la Dcheswer swm. Hüftschmerz. I, 13. 27. lanchraeche adj. den Groll lange nachtragend, rachgierig II, 1'. vgl. Nibelungenlied 1489, 3. lapatium daz ist ehielte II, lO*". latinischun adv. dat. pl. latine. I, 31. läwen swv. lau machen. I, 4. läzen stv. tur Ader lassen 11, 12''. — sust. Aderlässe II, 9*. .Sitzli. il. phil.-hiat. Cl. XI.II. Rd. I. Ilft. jo 178 Dr. Fr an z Pfe i f f e r lectuarie ^= electuarium I, 29. s. das. ledlc adj. 1. werden c. g. frei, befreit werden von etwas. II, 12''. 13''. ledigen swv. lösen, losmachen, dem siechen den riemen ab dem halse 1. II, 14". refl. unz sich daz fleisch ledige von dem beine II, IS*". so ledigent sich diu menstrua II, S**. leffil stm. Löffel. I, 3. lefs stm.pl. lefse, Lippen. 3''. 12''. leger sin. Lager, Krankenlager, ob er des legers sterbe II, S^ der nestir- bet in dem leger niht II, 5". 13**. leichen swv. gleich, glatt machen, ^mliren. II, 12*. leidigen swv. Schmerz, Betrühniss verursachen ; das dreitägige Fieber leidiget den menschen an dem tritten tage II, 2\ leim stm. Lehm, des gebulverten leimes, der in dem ovene ist 1, 3. leim üz einem ovene, der wol verbrant ist II, 8^. verbrunuen leim II, 9". einen haven mit leime vermachen II, 13^. 1 ein in s. linin. lemberin adj. agninus. 1. fleisch II, Iß*". Anh. III, 6. lem stf. Lahmheit, Lähmung. II, 1^. le sehen stv. intr. erlöschen, als palde laschen die cherzen II, 17". libern swv. gerinne?i. daz geliberte bluot II, 3*^. lihte adj. leicht, einfach, ein vil Iihte erzenie II, IS''. 16". 1 i 1 i e swf der liliun wurzun I, 1 9. linde adj. weich, so wirt diu wunde linde und heilet doch schiere II, 8". Iinin, linein, leintn adj. 1. tuoch II, 4"^. 6*''. 11''. lins am e swm. Leinsamen. I, 2. lins in stf. JJnse. linsine gesotin I, 13. lippeswer sivm. Geschwür auf den Lippen, guot zi dem lippcswern I, 27. liquiricium: liquiricii souch II, 9*". Wistn. Glied. II, 6''. 7''. Iß"", eines huones lit II, 16". mit des halms lide II, 13". pl. diu lit II, 18". diu lidir I, 30. litargirum n. Sinder, Silber-, Goldschaum I, 6. 32. vgl. Diefenbachs Glossar 333''. liutsaelic adj. den Menschen wohlgefällig, anmuthig. W, 17*. lörber stm. Lorbeerkern. I, 3. iorboum stm. laurus. II, 9". louc stm. Flamme, mit einem brinnenden louge. II, 18''. louge stf Lauge. II, 7^ 13''. Zwei deutsche Arzneibücher aus dem 12. und 1.1. J;iluli. 1 t %} 1 übe steche swm. luhisticum. I, 20. 22. lubestechil stm. dasselbe. I, 2ü, lubestecliin soii sin. I, 22. 1 u b e s t e c h e n würz stf. II, 6". luft stm. die Luft. W, V. lungcl stf. LiUKje. siech an der 1. II, 2^ so ist im diu 1. erfroren ebd., ze heiz ebd., ser oder zebrosten ebd., i S". tmd öfter. lung-elsieeh adj. lunfjenkranh: II, 18'. lusteche = liibestcehe II, 4''. lusten sw. unjiers. v. c. g. gelüsten nach elicas. und enhistet in deheius din^es II, 4*'. luter, louter adj. klar, diu oiigfcn werdent luter II, 10''. rein, durch- sichtig, ein wizez glas, daz vil liiter sf II, l^ rein, unvermischt. louter girstin mel II, 15". louter salz II, 13''. lutcrtranc stn. mulsuiu: uzer crüteren und picmentis I, 10. 26. ff. lutzel adj. klein, wenig, ein lucil mez I, 23. subst. ein IQtzel, ein wenig I. 16. II, IG*", adv. ze hizil II. 1\ M. Mac er n. jir. II, IS*". machen swv. starkes pari. prwt. huenre , diu wol mit phefer g-emachen, angemacht, zubereitet, sm II, 16''. made swf. Made, Wurm, die maden die die ämeizen tragent (Ameisen- eier?) II, 10^ mägenchrau t s^«. Mohnkraut. II, 11**. m a g e n s w e r swm. Magenschmerz. I, 13. malagranatum n. II, 12". malva f Muhe. II, 18\ malz stn. wie neud. I, 23. mandelcherne swm. Mandelkern. II, 1 ö". nianfende: nim eia hasenbein unde manfende undc gebrandez hirzes- horn II, 8'. „manfende, schreibt mir J. Grimm, verstehe ich kaum, das ahd. fendeo, fendo ««^ pedes, {yxoiÄcndo pedisequus , es erhellt nicht, ob neben hasenbein und hirschhorn ein anderer knoehen oder ein kraut gemeint wird. Den Worten nach wäre manfende gleichfalls pcdisequus, was sich auftarsus, fuszblatt, fusziehe deuten liesze." m an na f, I, 0. 12 * 1 80 Dr. Franz Pfe if fer mänöts/m. Monat. \, 26. II, 2^ 4\ mar, gen. manves adj. xart, mürb. marweu hüenre II, iö"". maratrisouch stm. Fenchelsaft. II, 9''. marmelstein stw. Marmor. II, 12'. mar tibi um n. Andorn. I, 10. 11. II, 15'. wiz m. II, 15*. m. daz ist retich II, ö*^. mase swf. Narbe. II, 7*. mastieum n. I, 16. II, 8". matrix/". in der chindelege, diu da heizet m. II, 2*. S*". 3**. mäze stf. Mass, zugemessene Menge, vier mäze wermuot II, 3'. mit g-licher m., in gleichet; Menge I, 10. mäzlich, maezliehen adu. massig. II, 3*^. 18'. mcg-en anom. verb. = müg'en, können. II, IS"". 15^ meiseli, in heissem Wasser umgerührtes Malz: nim meischez smalz II, \'i^. Schneller 2, 641 ; das adj. ist unbelegt und auffallend. meist adj. superl. von mer. under der meisten, grasten = grossen, z^he II, 12". adv. so er meist müge, so sehr er kann. II, 14* mel, gen. mehves stn. Mehl. II, 8^ m en niseheit s^/". Mannbarkeit, das männliche Vermögen. I, 29. m e n n i s el i c h adj. humanus. I, Einleitung. mensch swn. homo. II, 8'. menstruum n. II, 2*. 3''. merken swv. beobachtend erkennen. II, 1 1 . merswaz oder merswäz stm. so nim den merswäz unde siut in vil starch II, 1 2''. ^gemeint ist sepia, os sepice, ein altes arzneimittel. swäz ist ausgusz, ausschuit, quod effunditur , schlesisch sv^uiz, was sowohl an schmutz, als an schweisz, sudor erinnert, merswäz wäre also maris effusio , vielmehr quod in mari effunditur a pisce, meer schmutz, meerdinte, atramentum marinum, sepia. Die Franzosen brauchen für os sepice ecume de mer, meerschaum" : Jacob Grimm. mez stn. ein bestimmtes Mass. zwei mez des honeges I, 11. 30 mez wines I, 26. mit fier mezzen wazzeres I, 21. michel adj. gross, mieliele sclirunden II, ll"*. ein michel teil II, 2 . m. Munder sehen II, 7\ milch evar adj. milchfarbig, ist daz harn m. II, 2''. milchsmalz stn. Butter, Riiidsschmalz. ein luzel milehsmalzes II, S**. mit milchsmalze II, S'. IS*. jnillefolium, daz ist tousentbletcr II, 5*. I. 26. Zwei ileulsche Ai ziK'iljiictier aus ilem l'i. und 13. Jaliili. lo 1 milwe swf. Milbe. II, 13'. milwen swv. zu Mehl oder Staub machen, pulven'sircn. kleine m. 1. 4(). wol g-cmihvet sin I, 26. milz stn. Mih. l, 26. II, 18'. luinze swf. menta. wilde minzen 11. 10". minzensouch stni. .succus mentcv. II, 8'. minzunsäme swm. I, 29. mirre siof. Myrrhe, die gcmalenun mirrun I, 4. der giiotuii niirrun ebd. wize niirren II, lO"*. misseräten stv. missratlien, fehlschlagen , die Wirhung versaijen. diu erzenie hat so gröze chraft, daz si nimer misseraetet II, 16^ mist stm. excrementa. nini geizinen mist II, 8^. eines swines mistll,8'*. mittalie adv. icas betalle (s. das.), sammt und sonders. II, 7**. 8'. \r. 16\ mittelöde s^/". die Mitte. II, 2\ vgl. mhd. WB. 2,199. mitter adj. medius. iiinbe mitten morgen II, 1"". unze nah mitter naht II, V. morphea/l m. ist ein siechtiiom, da von chnmet vil dike daz dem manne diu barthar üz vallcnt II, 12*. morsär, morser stm. Mörser. I, 3. 4. II, 4''. müede adj. m. \verden des weg;es II, 14". muejen, müeg-en, miien swv. beschweren, quälen. II, 6". 16°. 17". müelich adj. beschwerlich, müelichen sliiph haben II, 18^*. müg^en anom. verb. können, so der mensch niht slaphen mac II, 5'. S'^. u. s. f. muln, mulen sti'. ahd. muljan, xerslossen, zerreiben, mule den senef in einem morsere II, 4*". die würz sol man mulen II, 10'. ze stuppe muln II, 8"". ze samene m. II, 3*^. 6^ flizecliehen m. 7*". mulsa: nim daz ahteil wazzeres unde daz niunteil wines unde siut diu zwei mit einander vil vast: daz heizent die physici mulsam II, 18'. münze swf. menta, vgl. minze. I, 3. muos sin. Essen, Mahlzeit, nach muose I, 26. N. nähen adv. beinahe. II, 12'. naht = nät stf. die Naht, sutura. I, 1. nase stf. so er die nase vaste spitzet und im diu nase weichet II, 4. swemc diu nase innen zolirislel II. 1 I*". I 82 :*" i Dr. Franz Pfe iffe r II as-, nase-, nasenloch stn. I, 7. IL IT**, nätere, näter stf. Natter. I, 33. II, S*". ne adv. nickt. Negation des Verbnms; diesem vorgesetzt: nelielfe daz niht II, S'*. nemugestu des niht g-ewinnen II, 4''. nist II, S''. u. s. w. ; atidern Wörtern angelehnt: evne, diine^ ezne II, 13\ sone II, 2^ 8'^. ine = ielme II, 1 3*^. nebelen swv. nebeln, swem vor den ougen nebelet II, 10**. n e h e i n 2Jron. kein. II, 1 6". öfter. nen zusammengezogen = nemen I, 26. nepita, nebeta sicf. alse vil der gepiilvertun nebetun I, 5. daz chrout, daz da heizet nepita II, S'^. vgl. Diefenbachs Glossar 373. n e w e d e r pron. neuter. I, 13. nezzel swf. urtica. der truchenun nezzeluii I, 17. nezzelunwurze siof. I, 7. niden adv. unten. II, l'". 3**. niderhalbe adv. unterhalb. II, 7^. nidersitzen stv. sich setzen: unze diu geswulst nidersitz II, 9*". nidervallen stv. herabfallen, so im die lefse nidervallent, herabhän- gend werden II, 4*^. niemer adv. tiichts weiter. II, 8^. niet = nibt I, 23. nine = nie ne pr-on. nichts, daz er sin nine, nichts davon, wize II, 16*. n i u n s t u n t , ?iennmal II, 1 7*. niunteil stn. das Neuntel, daz niunteil Avines II, IS''. niut adv. nichts, niut sehen I, 6. n i u w e n e s adv. gen. unlängst, mileli niiiwenes g-emolchcn, frisch gemol- kene I, 13. vgl. mhd. WB. 2, 388. niiiz imjj. von niezen, geniessen. II, 16''. und öfter. nötdurftie adj. nöthig,nothwcndig. I, 29. nü ehter adj. nüchtern. II, 6*. n üw e adj. neu, frisch, jung, mit dem nuwen ksese I, ö. in eineme ninvime havcne I, 1 1 . nüwen, nuen stv. fricare , conterrere. harte n. I, 4. 31. nu niu, nüe ez mit honeg-e, mit dem ole, zcsamine I, 1. 2. 3. 8. 9. 10. diu ge- nüwene agrimonia mit der geizzuuin milche I, 2. zno dem ge- nüwenie erüte I, 4. g-oniWen I, 13. vgl. Graff i, 1125. n u z s c h a 1 stf. Nussschulc. II, 6^ id Zwei deutsche Airiieihücber aus dem 12 um! 13. Ji^liih. 1 öJ 0. oh, obe, iccnn. I, 1 ii. s. f. obcne, obtiiän adr. oben. 1, 31. II, l*". ob er halbe adv. II, i6'*. och = oiic'h, r/iich I, 21). offen adj. mit offem munde shtphen II, 4'. ol dir 6". aide. oleandes lihraj trcs I, 29. oleum nardinuni, roseum I, 4. opelen 7iom. schrib obcrhaihe disen namen: opelen II, 16 Orestes n. j>r. künik 0. II, 17*. ordenön swo. verordnen. I, 26. ore sitm. Ohr. diu ören gellent II, 11% silsent II, 11''. orgement, orgimundc, auripiymentum. I, li. 16. 27. vgl. mhd. WB. 2, 443. orig-anum n. II, 17''. ouf = üf s. daselbst. oug-e SICH. Auge, diu oug-en sint hol, holent II, 4''. swer an dem oug^en verlenchet wirt II, 7''. swem daz vel si für daz ouge gegang-en II, 7^ swem vor den ougen nebelet II, 10''. oug'west swm. August, in dem ouo;westin I, 18. 0 u z = uz s. daselbst. P. vgl- B. papel, papele siof. der papellun plcter I, 17. pleter der grüenen papelen II, 10'"'. 13^ 1S\ pastinata f. II. 18\ vgl. Diefenbachs Glossar 41S'\ patern oster stm. der sprech dar obe einen p. II, 13"^. sinch den p. dar obe II, IS"*. Das Wort wird im Mhd. regelmässig als masc. gebraueht, vgl. unser hcrre lerte si daz vröne g-ebet, den hl. pater- noster Spec. ecel. 178. g-ot ordenöte den hl. p. ebd. 180; als neutr. in Waekertiagcls Lesebuch 256, 29. Aus der einzigen Stelle, die das mhd. WB. 2, 469. anführt (Engclh. 301 7^ ist das Geschlecht nicht ersichtlich, und dann bedeutet das Wort dort nicht das Vater unser, sondern einen Roscnkranx; paternosterer. ein Ilosenkranx- 184 Dr. Franz Pfeiffer macher. Vei-gl. Schmeller 1, 301 und Ott Rulands Handelsbuch S. 2 und öfter. patonje swf. hetonica. II, 10*. p ech stn. Pech. I, 16. petersil stm. petrosüiutn. II, 12^ 12^ — petrosile swf. als vil pe- trosilun I, 24. petersilsäme swm. II, 9''. pharesg-alle swf. Ochsengalle. II, 13'^. der nem ein spliares gallen II, 1 0'. pfeffirscorn stn. I, 3. II, 16'^. phennic, pheninc stn. Pfenning. VI phennig-e gewich I, 4. V pfeninge g-ewäg-e I, 24. p h e r s i c li b 1 a t s^« . II, 11 ''. phersichboum stm. II, 18". phersichkerne swm. W, iV. phlaster stn. emplastrum. I, 3'. phlournveder swf. II, 6^. plin eschen swv. schnell athmen, keuchen. II, 18*. vgl. mhd. WB. 2,513. phorre swm. porrum. II, Iß*", p i b i n e 1 1 a f. ai-moi'cicia. II, 9*. pionienchorn sif«. II, 4^ piper: die wize p. I, 29. piper I, 17. piretrum: Bertram (pyrethrum) I, 17. II, 4"". pl eiirisi s I, 2S. Podagra I, 27. poleie sw/". poleium (polegmm) I, 26. II, S\ I, 10. II, 4". S". 10*. p 0 Igalga I, 16. polipodion, Stein f am. II, 9**. p 0 p u ii 0 n , eine Salbe vom Pajjelbaum. II, 1 1'^. pulper stm. Pulver, Statib. ze p. brennen I, 9. des hasen pulrer II, 13*. pulvern swv. zu Pulver, Staub zerreiben oder zerstossen. I, 4. 7. pustemal, 11. R. raech adj. rehe, steif, rigidus. ze raeche werden, rehe werden. II, 14 . vgl. Schmeller 3, 74. regenen swv. wazer daz geregen et si II, 11*. regenwazzer stn. II, IS"*. reoponticum = rhaponticum, Rhabarber I, 24. Zwei dculsolie Ariiu'iliiiiluM- niis dein 12. i.iid 13. jHhrh. 1 O t) rephuon stn. des rephünes gallun unde sine blätenin I, 6. retich, reteich sfin. marubium, daz ist reticli II, S**. ö". 18". riben stv. reiben, loindend drücken, rib den souch dar uz II, ö**. vgl. üzribcn. riden stv. winden, rft si (ez) durch ein tuoch I, 6. 34. rit ez vil deine I, 22. rieme swm. Riemen, einen hirzinen riemen II, G'. 8'. rinch stn. Ring, Kreis, den grüenen rinch vor den ougen II, S". rjnd erhör, gen. -horwes stn. Rindermist. II, 18''. ringel: solseqiiium daz ist ringel II, S**. roffezunge stf. ructatus, das Aufstossen. giiot ze der bittern r. I, 13. rokin adj. sccalinus. mit eines rokinen halms lide 11, 13"". r 0 s euo 1 stn. II, 3''. rösensäme swm. II, O"". roten sivv. roth icerden. als daz tote fleisch röten beginnet II, S*", xcenn das faule oder todte Fleisch wieder roth zu werden beginnt, seine natürliche Farbe tvieder erhält. Es gibt zwar auch ein verbiim roten, (mhd. WB. 2, 768^ faulen, das aber hier offenbar, schon wegen des vorausgehenden fülen oder töten, nicht gemeint sein kann. rouch stm. Dampf, Dunst, in honege sieden ane roiich II, 17'^. Rauch- mache einen rouch dar uz II, 3''. rouchen sivv. räuchern, beräuchern, rouche dem menschen da mit II, ö'". sich mit verbena rouchen II, li*". rubus m. Brombeere, den souch rubi der studelen II, S*". ruch adj. rauh, nim eine ruhe vedere. II, 10". rüde stf. = riude, Scabies. I, 32. rüdic, roudich adj. scabiosus. I, 27. II, ö**. ruobe swf. Rübe. II, 12". r u 0 r a stf. Ruhr, l, 22. ruortranc stn. Abführungsmittel. I, 23. vgl. Schneller Z, 124. rüta, rüte swf Raute. I, 1. 4. 10. II, 3\ röten souch stm. Rautensaft. II, 8". s. sä Zeitadv. alsbald, sogleich, ir newirret sa niht I, 33. säen, sägen, saigen, seien swv. säen, streuen, säe ez an die stat, dar ane I, 12. 16. säg in an die wundun I, lö. 34. saig im in daz ouge I, 34. saege daz pulvcr in die unnden II, 6''. seie II, 5'. 8'. 18G Dr. Fran z Pf ei f fe r s a f stn. Saft. I, 4. salvia, salbei stf. Salbei, mit der salviun I, 25. II, S''. sambuch stm. sambucus. nim s. daz cbrüt II, 7*^. samenen swv. vereinigen, verbinden. I, 6. s am int adv. zusammen, miteinander, samint trinchen I, 33. sanfte adv. langsam, s. wermen, soeben II, 4". sapa, sa\)]mm, gekochter Birnmost. II, 17''. sarpb adj. = ahd. (vgl. Graff Q, 278^, scharf, acer. des sarpbin ezzi- cbes I, 1. vgl. liandic. saxifrag-a I, 20. schade swm. Schaden, Nachtheil. s. g-ewinnen c. g. II, 7. schjefin adj. agninus. scheffein mist Anhang III, IS. scheiden stv. fortgehen, Abschied nehmen, entweichen, dannen s. II, 17*- schellewurz swf. I, 1. scherlinch, schärlinc stm. eiciita daz ist seh. II, 7*. ^2^ schiere adv. sogleich, alsbald, rasch. I, 6. II, 1''. comp, schierer II, 6^ schiezen sto. schiessen, swem in die huf geschiuzet II, 17"*. schine swf. Schiene, trib ez mit enir schinnn I, 16. schirbe stn. Scherbe, Splitter, diu schirber II, 13*. schiumech adj. schaumig, ist daz harn ein luzel schiiimech II, 1''. schcene adj. glämend, blank, ein schcene chezelin II, 17''. Schone adv. satiber, sorgfältig, vil schöne sihen II, 17''. schöpfst/«, wie neud. verbenam dem ross umbe den s. binden II, 14"". seh Owen swv. anschauen, betrachten. II, ^^. sc 6z stn. sagitta, jaculus. I, 14. s c ü z w u r z e swf. Eberraute. I, 3 1 . schrephe n sivv. schröpfen. II, 12^ sehr in den stv. intr. sich spalten. Risse bekommen, so dem menschen die hende oder die ffieze schrindent II, 9**. seh runde swf. Spalte, Riss der Haut. II, 9*^. 11^ scuopc stf. Schujjpe. II, 2". schürfen swy. ausnehmen, ausiveiden. oder du schürfe einen bannen II, If''. schuz stm. Schnss, rascher heftiger Schmerz, swem die g-rozen schuze gen in die zende II, 7''. 11% in daz hirn 17''. vgl. Schneller 3,411. sehe stvf. die Sehkraft, die ganzin schun haben I, 6. 34. so daz fei von der sehun come 1, 34. Zwfi Jeiitschü Aiziu-ilnu'lier ;iiis ilcrri 12. und 13. Jaliili. lo7 .s e i e n s. säen. seife sti'f. Seife. II, 3'. s ei heil s. silien. sencf, sencpli sfm. Senf. II, 4\ l3^ 17". 18\ s 0 r stm. Schmerz, swem der ser ist an der haute II, G^ ser adj. schmerzhaft, verletzt, wund, swem die hra ser siiit II, 10''. so ist diu lungel ser oder zehrosten II, 2^ — subsf. daz sere, schmerzhafte wunde Steife II , 1 1 ''. S(?ren swv. verletzen, verwunden, diu ticr, diu von den jageren g'eseret wurden II, 9". setzen ähv. ansetzen, eg-elen s. II, 7^. 12". sevene swf. sabina I, 26. vgl. Graff" G, 283. seviboum stm. Sebenbaum. I, 4. sihenstunt, siebenmal. II, IT*", sieehtuom stm. Krankheit, s. an den füezcn II, 8''. s. der wibe, men- strua II, 3-^'. 10'^ sihen, seihen s^t\ seihen, inqi. sih, sich, durch ein tuoch sihen I, 4. G. n. 31. II, 8". lo^ 16". Sil er 1, 29. siniphon laca /*. = hyoscyamus, Bilsenkraut, ein würze heizet s. II, 11". vgl. Diefenbachs Glossar S. S33". sin stm. mens. Verstand, den sin Verliesen II, 5*^. sinewel adj. rund. II, 8''. Site stof. latus. I. 27. den stechen haben in der winstern und in d'^r zeswen siten II, 2". sweme diu site we tuot II, 6^ Sites wer siom. Seitenschmerz, -stechen. I, 13. siut imp. von sieden. slaht stf. Geschlecht, Art. gen. aller slalite, allerlei \, 6. II, 9'. slap hen siov. schlaff, schmal tverden. II, 17". slinden sto. schlingen, schlucken. II, 16^ slint die speicheln II, 4". sliphen sti\ schleifen, reiben. II, 10**. smal adj. schmächtig, smal oder dünne II, 1". 3''. smalz stm. zerlassener Speck. II, 11". smer, gen. swerwes stn. Schmeer, Fett. II, 3". mit altem swerwe I, 14. 33. II, 6**. einer alten geize smer II, 9*". snidic adj. schneidig, mit einem snidigen niczer II, G". snite sxi'f. Schnitte, gip im — eine snitun ze ezenne I, 18. 188 Dr. Franz Pfeiffer SO adv. wenn II, 2^ und öfter ; als 1, 11. II, 1'. sochen swv. sonst kränkeln , hier langsam loärmen, kochen lassen: soch ez vil sanfte II, 4''. (^oder ist es verschrieben für kochen ?} s 0 1 e swf. die Fusssole. II, 1 1 ^. solseqium daz ist ring'el II, S"*. sou, ge7i. souwes stn. succns. I, 34. des ephes wurzun, des ateehes wurzun sou I, 6. 28. vgl. Graff 6, 63. 64. souch, suc stm. dasselbe. II, 3'. S\ 6'\ 7*. 8\ mit dem süge artemi- sien II, 3^ soug-en swü. säugen. I, 6. specli sfm. Speck, nim einen spech II, 11''. speeies: Heilkraut, ander guote sp. II, S**. daz ist ein species in den ehramen II, 8\ IP. Speichel sm?/". '■• F la 11 1 Pf e i f fer twalmen sin. Betäubung durch Qualm, in gewirret nimmer dehein twalmen II, IS**, twerhes adv. gen. quer, twerhes iiber naht verswinden, so dass blos eine Nacht dazwischen liegt M, IS*", vgl. Schneller 4, 309. twinge n stv. zwingen, nvthigen. unde twing-et in daz harn II, 18*. ty planum = diptamum = dictamnum. du soll nemen ysop, marubium, aelaere unde t. II, ö"^. vgl. Diefenbachs Glossar S. 180*. u. Übel stn. daz übel von den oug-en triben II, 10*. übele adv. schwer, kaum. ü. gelouben II, IT*". übel getan ö. Jalirli. l J i want couj. ivcil, (hnn. \\, G'^ wazzerkalp s/w. Wassersucht, dem ilaz w. wehset II, S*. lo'. w a z z e r s u h t stf. dasselbe II, 1 S''. wazz ersuhtic oc//. I, 23. wß ach. unpers. weh. we sin LXII, S*". ze den brüsten II, S", umbe daz milz II, 18\ we stm. Schmerx. H, 8\ IG'. 17^ wegen sto. wägen, g-ewegen sin 11, 5^. Wegerich stm. xck tieiid. 1, 22. II, T*". 8^ wegeriehcs souch II, T*". weich adj. Mcicli sam daz aie in der henne II, 8^ weiche Molle II, 'i ■ weichen siov. lo eich werden. II, 4'^ weitin adj. sandiceus, blau, bläulich, so daz harn weitiner varwe si II, 2\ 2^ weizin adj. daz weizine mcl I, 28. weif stm. Junges von Hunden und wdden Thleren. nim einen w. unde bint ez — II, 1 1^ weihe seh adj. wälsch. zwo w. nuz II, 4\ wellen swv. behaupten. Ypocras wil 11, 12*. wellen swv. Irans, wallen machen, kochen \[, C. 10'. 13''. IS"*, well ine swf. welline des chroutes würz II, 18'', icohl = wulline I, 4. und mhd. WB. 3, 803. Sumerlatten: blandonia, willene 55,^5'^. 22. lanaria, wiiUina 22, 07. 23, 31. blandonica, wiiUina 21, 41. Diefenbachs Glossar: blandonia TG"*, wenic adj. Mein, ein weuigez trinchen Anhang III, 4. in einer wenigen wile ebd. 15. werfen stv. die heude über daz houbet w. II, 5'\ wermen swv. warm machen. II, 1I)^ wermuot stf. Wermuth. II, 3''. S^ wermuotsoucb stm. Wermuthsaft. II, 9^ werren sti-. im Wege, hinderlieh sein, stören, unpers. swem der siech- tuom wirret 11, 11". I, 33. II, 6". werze sie f. Warze. II, 13% öfter. wider stm. Widder, des widirs hörn I, 2. des widirs leber II, 1 !'. Mi der pro'p. c. d. gegen, wider allen den suhtin I, Einleitung. widere adv. zurück, unde get ime daz ezen allezan widere, stosst ihm auf II, 18\ wil 2. pra's. von wellen, = wilt, willst. II, 16^ IT. winbcr stn. Traube. II. lo'. 198 Dr. Franz l'feiffer winblat sin. Weinhlatt. II, 5*. wing-erwe swf. Weinhefe. \\, 12". w innen sto. wüthen. der winnunde, tolle, hunt II, 16''. winrebe stf. Weinstock, diu ehieinen cliornelin diu an der winrebe wahsent II, lO''. winster adj. link, daz w. oug-e II, 4''. in der winstern siten II, 2''. w inster halbe adv. an der linken Seite. II, 1 **. wipheit stf. menstrua. so g-ewinnet si ir wipheit II, S"". w int er, winder stm. adv. gen. des winters, im Winter II, 4^ 12''. w i r ni stf. Wärme. II, 1 ''. wiroiich stm. Weihrauch, wizer w. I, 6. wirz stn. Würze, aroma, condimentum. ein wirz machen von chrouten II, 5". wisele, wisnie swf. Wiesel, brenne die wisulun ze pulvere I, 9. der wiselen zag-el II, 12*. wiz adj. loeiss. wizer win II, 18^ — suhst. daz wize des eiges I, 1. 4. 6. II, 6". wol, wole, wola adv. gut I, 29. w. släphen II, S". wo II in adj. sonst mhd. wullin. ein w. vadem II, 17*. wormäta siof. Wermuth. nim wormatum I, 1. tuo die wormäte I, 26. vgl. Graff 1, 978. wullina sto f. hlandonia , lanaria. als vil wuUinun so du mäht I, 4. vgl. welline. wunder stn. Wunder, Wunderbares, du gesihst michel wunder von stimme II, 4''. wunderliehe adv. wunderbar, überaus, w. guot ze der finsternisse der ougon I, 6. wurm stm. so die wurme wahsent in den oren II, 11*. swem wurme die zende holnt TI, 7^ würze nsehibe siof. die Scheibe einer Wurzel. II, 3''. wurzesalbe stof. eine Wuudsalbe , deren Bereitung und Bestand- theile ausführlich angegeben loerden. II, 6*". zach adj. zähe, und ist daz harn doch zach II, 2'. zagel stm. Schwajiz. zc dem zugcle, beim Schwanz. II, 14''. membrum virile, so dem manne sin geschaft we tuo, daz der zagel heizet II, 6". 14. I Zwei deutsche Aiz-neiluiclier aus deui 1-. und i:>. Jalirli. 1 •' J zant, pL zcnde s(m. Zahn. II, 7* tind ff. zantswer swni. Zahnschmerz. II, 7''. tG**. ze, zi prwp. an. ze der siinmin ribin I, 27. bei. ze dem zagel II, 14 . zi dirre wise, auf diese Art. I, 26. zebresten, zerbrcsten stv. intr. xcrhrechen. II, 3^ so der stein denne zebreste II, 12''. in Geschwüre aufbrechen, sweme diu nase innen zebristet II, 1 1''. so ist diu liingel, so ist der mensch in den lanehen zcbrosten II, 2\ V. z e li e swf. die Zehe. 1 1, 1 2\ zehern siin\ Zähren vergiessen, thrünen. so zehert im daz winster oiig-e II, 4'^. \1\ zeläzen, zerlazen stv. auslassen , schmelzen, daz gensesmer I, 4. pech II, 6**. spech II, ll^ zeledig-en swv. refl. sich frei machen, befreien, auflösen, want der boiich zelediget sieh von dem salec II, 13*. zeliden siov. attswürken, zei-legcn. II, 16°. z eile stf. in der zelle, da diu gchuget inne Iit II, 1*. z eitel, zeltelin stn. rotula, Zeltchen, mach drouz chleiniu zeltel II, 4". 14". z emen stv. geziemend dünken, Wohlgefallen, ist daz im diu erzenie zimet, schmeckt. II, 4''. zemulen stc. conterrere. II, 3". centauria f Tausendgüldenkraut. II, 4\ 10^ 16*. gepulverte een- ta(u)ria I, 13. zergän, zergen stv. vergehen. I, 28. II, 16''. diu geswulst zerget als palde II, 9". z e r r 1 b e n stv. zerreiben. I, 1 2. zesewe adj. recht, in der cesewin Iiant II, 13''. des gires zesewer huf II, l7^ zetriben, zertribcn stv. umrühren, abrühren. I, 30, mit dem ezzike I, 6. in wazzer II, 9". under einander II, 5^ 9*. mit einer vil Meichen wolle II, 3'*. zicuta daz ist scherlinch II, 7*. l2^ ziehen stv. aufziehen, erziehen, diu ein degenchint ziehe II, S". einer alten geize, diu in dem holze gezogen si II, 9°. den bouch zesamen z. 11, IS"*, zimei stn. Zimmt. II, V. 4''. 9*. cinimin I, 6. cinamomuni I, 12. 29. II, 9". vgl. Diefenbachs Glossar S. 1 1 9^ i^üü Dr. Franz Pfeiffer, Zwei deutsche Arzneibücher etc. zyprinum: ole daz die arcet c, heizent II, IS*. zinin aclj. zinnern, an eine zinine tavel II, 12"- zit? zit librjB III. I, 29. zitic adj. maturus. zitigiu winber 11, 15*. zouber stn. Zauber II, li''. zwäre adv. in Wahrheit, fürwahr. II, 5^ zwi stn. Zweig. II, 14''. zwir adv. zweimal. II, 5\ zw. gesoten II, le*". zw. oder tristunt II, 18*. zwivol stm, Zwiebel. II, IS**. zwuo fem. zwei, wahsis zwiio unze I, 30. H. Siegel, Die Kiliulung; und \Viiiidel.ung im geiielilliclieii Wm (';ilii eii. -« (J 1 SITZUNG VOM 26. MÄRZ 1863. Die ErJioIuug mid Wandelung im gerichtlichen Verfahren. Von dem c. M. Heinrich Siegel. In dem deutsclien Rechtsgange, der auf mündlichem Verfahren beruhte, galt für die Verhandlung der streitenden Theile der Grund- satz, dass eine Erklärung, die gegeben worden war, nicht wider- rufen werden konnte und unabänderlich war. Der Rechtssatz: wat en selve sprikt vor gerichte, dat van dem richtere unde dinglüden behort ist, dat ne mach he nicht weder spreken, lebte in nicht weniger als vier Formen im Munde des Volkes. Bald hiess es „ein Mann ein Wort", bald „ein Mann ein Wort, ein Wort ein Mann", oder auch ,,ein Mann ein Mann, ein Wort ein Wort" und „ein Wort muss ein Wort sein i)- ^Ver recht und gut gesprochen, sollte *) Der Gegenstand der vorliegenden Abliandliing wurde bereits liesproclien von Nietzsche in seiner gediegenen Schrift: de prolocutoribus 1831. Trotzdem konnten in der folgenden Zeit noch Ansichten geäussert werden, wie die von L e- man, Culmisches Recht (1838) S. 298: holung und wandet sei das Recht, vor Gericht zu erscheinen, und von Wilda, Zeitschr. f. deutsche R. XV (ISjö) S.291: holung und wandet sei das Recht, eine Sache zu verhelilen, d. i. abzuleugnen und abzuwenden. Neuerdings hat Ho meye r bei der Erörterung über die Parteien und ihre Vorsprecher in dem Richtsteige Landrechts (1Sj7) S. 420—426 davon gehan- delt, indem er ausgeliend von Nietzsche's Ausführungen in seiner trefflichen Weise das hervorhob, wozu das genannte Rechtsbucli die Aufforderung bot. Die Rechtfertigung einer erneuten und umfassenden Darstellung des Gegenstandes muss die Abhandlung selbst geben. «) Diese Bedeutung der Sprichwörter blieb bis jetzt unerkannt. Zwar hat dieselben bereits Sachsse, Zeitschr. f. deutsche R. XVI, 97 in eine Beziehung zu dem gericht- lichen Verfahren gesetzt. Allein die Deutung welche er ihnen gibt, ist eine wesent- lich andere. Hiernach wollen sie sagen: .,Der Manu soll auch in seinen Worten unwandelbar und nicht doppelzüngig, sondern wahr und treu sein". 12 0 2 II e i n r i c h S i e g e I dessen geniessen, dagegen musste nicht minder den Schaden tragen wer sieh versprochen. Eine Ziuücknahtne und Besserung des Gesprochenen stand aber nicht etwa im Widerspruche mit der Achtung, die man dem Gerichte schuldig war 2). Der Grund der Unwiderruflichkeit und Unwandeibarkeit einer Krkläru-ig hig viel- mehr in der Unverträglichkeit mit der Würde und Festigkeit, welche das Volk von einem Manne verlangte. Desshalb iionnte Jc-der bei seinem Worte genommen werden, desshalb hatte auf die Erklärung des einen der streitenden Theile der andere ein sicheres Reciit, das ihm weder entzogen noch verkümmert werden durfte. Wie tief in des Volkes Art und Sinn der Rechtsgedanke gelegen, zeigt die Dichtung, in der wiederholt anklingt, was als Rechts>atz im Leben vor den Scluanken des Gerichtes galt. Lunete, die treue Dienerinn ihrer Königinn, die ob des Rathes, den sie im Vertrauen auf Iwein ihrer Herrinn gegeben, von den drei ersten Beamten des Hofes des Verrathes beschuldigt worden war, erzählt, als sie gefangen in einer Capelle dem Feuertode nahe, mit der Ver- zweiflung ringend, von ihrem Retter gefunden wurde, wie sie unschuldig angeklagt vor Gericht stand, und — daz ist gar der saelden slac swer sine zorne niene mac gcdwingen, ern uher spreche sich leider also tet ich mich. Ich hän mich selber verlorn, ich sprach durch minen zorn, swelhe dri die tuirsten man sich von dem hove naemen an daz siz bereiten wider mich, einen riter vnd ich der mit in allen drin strite ob mau mir vierzee tage bite. Die Folge dieser Worte aber war die: der rede giengen si dö nach wand mir was gewesn ze gäch : man Hex mich ir niht wandel hau ') Wie ^'iet7.sclle rechen. Weisth. von 1039, Grimm 3, 304), Frei- berg ausnahmsweise in den sog. Vardingen (Nietzsche N. 100), Nordhausen in dem Stadtgerichte (Nietzsche N. 102). Nach lübiscbem Rechte musste ein Vorspreclier reden, es sei denn, dass der Sachwalter schwörte, dasser keinen finden könne (Nietzsche N. 107). — Aufgehoben Wiir der Zwang mit .\usnahme Eines Falles in dem b r a u n s c h w e i g i s c h e n Stadtrechte von 1332 (Pufendorf, observ. app. 4, 84: Umme schult mach eyn man sulvesl bekennen und vorsaken vor 206 Heinrich Siegel SO bit er, sagen die SchofTen zu Gmnnden in der Nahegegend und zu Mengorscheid auf dem Hundsrück ") einen, der ihnen sein wort thu, so geiviss duz er das sein nicht verliere. Ein solciier Vorsprecher vertrat belianntiich seinen Mündel, der übrigens vor Gerieht ebenfalls anwesend sein musste, vollstän- dig in der Rede. In seinem Namen das Wort führend sprach und handelte er statt desselben, bis es zum Schwüre kam. In den soge- nannten Gesprächen, welche ausserhalb des Gerichtes bei Seite geführt wurden, gab der Sachwalter seinem Vertreter den Stoff und wenn es nöfhig wurde, ergänzte und half er, hinter dem Vorsprecher stehend, während der Verhandlung durch Raunen, denn laut zu sprechen im Ringe war ihm versagt. Des Vorsprechers Aufgabe aber war es, geschickt in der Sache und vollkommen in der Form mit dem gegebenen Stoffe zu verfahren. Der fvrsprecbe, sagt das kaiserliche Lehnrechtsbuch c. 37 a. PI, sol sprechen, swaz in der man heizzet sprechen vnde sol die selben rede bez/.ern, alse verre er kan und mag nah rehie, Boten die Sachkenntniss und Umsicht der Vorsprecher, ihre Übung in der Handhabung der gerichtlichen Formen und die Gewandtheit in der Rede bereits ßürgscliaft, dass eine gute Sache, die von ihnen geführt wurde, nicht so leicht in dem Verfahren und durch dasselbe zu Grunde gerichtet werde''): so gewährte die gericht aiie broke. — We werth vorgeboden Ihu Ja edder Neil, de schall suluen andtvvorden, dar de Cleger suluen Jegemverdich is, sunst in andern saken mach ein Jeder dorch synen fulniechtigen clagen vnd antworden lathen), nach haniburgi- schem Rechte (Ein ewelik man mot wol simes sulues wort spreken ane vare, al waut he antwort get to liker wis oft men vorspraken hedde in dem rechte. Stadtr. von 1270, IX, 26. Lappenberg, hamburg. RA. 1,39. Dasselbein dem Stadtr. von 1292, ß II und 1497, ß VIII mit dem Zusätze: wert her auer ghcuraget ofte he selven sin wort spreken wille, vnde seghet he ia, so ne mach he anders neuen uor- spraken hebben a. a. O. 103, 198), in den Staden'schen Statuten von 1279, VI, 23 (Pufendorf a. a. 0. 1 , 206, 207: Ein man mot wol siues sulues wort spreken ane vare. al wante he antwort get, to liker wis ofte he enen vorspraken hadde) und endlich gleichlautend in den Statuten von Riga 128 (l'ufendorf 3 , 264: Eyn islick man moth wol syn suluegen worl spreken ane vare al wen he antwerde tlio geliker wysse als offte he eyne vorsprake hadde). 6) Grimm, Weisthüiner 2, 169, 173. ">) Zur Würdigung'- des Einflusses der Vorsprecher auf die Verhandlung und den Ausgang einer Sache fordert das Bninner SchiilTenbuch mehrfach auf; so Nr. 311, wo eines günstigen Erfolges Erwähnung geschieht, der hätte erzielt werden können, wenn dem Beklagten ein gewandter (expedilns) Vorsprecher zur Seite Die Ei-lioliing iinJ Wandelung im gerichlliclioii Vorfiiliien. 207 Verhiiiulluii^ diiich einen Vorspreeher für den Sachwalter noch ausserdem den Vorthcil, dass, wenn ersterem einmal eine Erklä- rung entschliipfte, die dh des Inhaltes oder der Form wegen Nach- theil bi'ingen musste, letzterer dieselbe widerrufen konnte, womit keineswegs an den Grundsatz „ein Mann ein Wort" getastet war. Wat en selve sprikt vor gheriehte — dat ne mach he nicht weder- spreken, d;it aver sin vorspreke sprikt, dat mach he wol wider- spreken **). Mit dem Widerruf bewahrte sich der Sachwalter vor dem sonst unausbleiblichen Schaden und konnte derselbe nun eine neue, bessere Erklärung an die Stelle setzen. DieseMöglichkeit aber, gespro- chene Worle ungesprochen zu machen, und die zuvor unzweckmässig oder unrecht gegebene Erklärung abermals und besser zu geben, heisst in der Gerichtsspraclie meist Erholung, dann auch Wande- lung und im XIV. Jahrhunderte, wenigstens in der sächsisclien Rechtssprache dnrcbgehends Erholung und Wandelung. Holunge, in deni althochdeutschen Spraclischalze nicht bezeugt, wird in einer lateinisch geschriebenen lUchtsquelle bezeichnet als iteratio9), reiteratio «<>), restauratio iuris n), oder revocatio ver- borum'2), wobei indess nie der Zusatz: (juod vulgariter holunge dicifur fehlt. Auch ist einmal in Beziehung darauf von einer recla- matio qiierimoniae etc., von einem reiterare iuramentum die Rede 's^. Holung ist daher das Wiederansichbringen der Rede, die Wieder- holung einer Erklärung oder Handlung, beziehungsweise das Recht hiezu 1*). Mit Rücksicht auf ihre Wirkung aber stellt sich die Holung dar als „eyne bewarunge des klegers vnd des schuldi- gers'' *5). Zu der ersten ursprünglichen Hedeulung hat der Ausdruck in gestanden wäre; ferner Nr. 446, wo die Art wie mehrere Klagen behandelt wnrden, als die Folge der „fürsorglichen Umsicht" des Vor^prechers hingestellt wird. 8) Goslar'sche Statuten 69, 31—33. 9j Briinner Schöffenhuch Nr. 429. 1") Ebendaselbst Nr. 717. ") Ebendaselbst Nr. 367. 12) Ebendaselbst Nr. 59, 67. '3) Ebendaselbst Nr. 367. '4j Vgl. auch Haltans, Glossar c. 349, 949, 9ö0. Benecke-Müller, mittelboehd. Wörter- biich 1, 703. Homeyer, Sachsenspiegel, Glossar 420 und Kichtsteig, Glossar 539. >5) Berliner Stadtburb 80, unten ,S. 209. 208 Heiniich Siegel der Rechtssprache sodann noch eine zweite abgeleitete gewonnen. Holung \\ ird auch die Busse genannt, welche im Falle des Wider- rufes einer Erklärung, der die Voraussetzung für die Erholung bildet, zu zahlen ist. Diese Bedeutung liegt dem Worte überall zu Grunde, wo von einem holunge perdQre im Gegensatze zum habere, von einer perditio liolunge, oder von einem angewinnen und abteilen einer solchen die Rede ist i^^. Der oder das Wandel im Mittelhocli- deutsclien, wantal , wantala oder wandil in der alten Sprache aber ist so viel als Änderung, Wechsel, Zurücknahme, Rückgang i^). Und zwar bezieht sich der Wandel bald auf des Vorsprechers Erklärung, bald auf seine Person, indem jene zurückgenommen und von dieser zugleich abgegangen werden darf, bald endlich ist der Ausdruck nur t.iutologisch mit dem zuvor besprochenen verbunden. In der dem Sachwalter eingeräumten iVlögüchkeit der Erholung lag unstreitig der grösste Vorlheil der Verhandlung durch einen Vorsprecher. Darum wird stets dieses Moment hervorgehoben, wenn zum Zwecke der Belehrung von dem Verfahren mit und ohne Vor- sprecher die Rede ist. Vgl. Sachsenspiegel 1, 59, §. 2: So klage manlik dat im wirre mit vorsprekon, durch dat he sik nicht ne ver- sume. 60, §. 1 : Sunder vorsprekcn mut wol klagen en man unde andvverden, of he sik scad:n getrosten wel, die ime diir an beje- genen mach, of he sik vorsprict, des he sik nicht erhalen ne mach, alse he bi deme vorspreken wol mut, di vvile he an sin wort nicht „e jet. — Deutschenspiegel 82: Dar nach sol maenichleich chlagen mit vorsprecl^en swaz in wene. Ein isleich man mag wol chlagen vnd antwurten . vnd versprechen (ane fursprechen) ob er sich wil zeschaden troesten der im davon geschieht . verspricht sich ein vor- spreche (er t-icli ane fursprechen) des enm: g er sich niht erlioln, er müzz den schaden huben . hat er einen vorsprechen und misse- sprichet der . er ma^;^ sich wol erholen mit einem andern ^^). — '6) Brünner Schöffenhuch Nr. 251, 423, 429, 441, 4S7, 717 und Dona'sche Urtheils unten S. 234 Note lOS. IS") Graff, allliochd. Sprachschatz 1, 763. Wächter, Glossar c. 1820, 1831 Hallaus, Glossar c. 2027, 2026. Schmeiler, hair. Wörlerbueh 4, 97. BenecLe-.Müller, mittel- hochd. Wörterbuch 3, 697, 698. Homeyer, Hichtstelg, Glossa. 368. 18) Ühereinstimmend, abgesehen von den augelührten liesserungen, k. Landrechtsb. c. 93. II Die Erholung und Wandelung im geiichdiclicn Verfuhren. 209 Magdeburger Weichbildbuch 18, §. 7: So gebidc die richtere mariliken dat lie khige mit vorsprcken , durch dat sik niemant vorsume. §. 8: Ein iclilik man mach sin wort wol sehen spreken, die hyrmen wicliMIde gesetcn is und uiiitesproken is an sime rechte, of he sik des scaden trösten wil die cme dar na kernen mach. — Rechlshuch nach Dislinclionen IV, 2G, 12: Ein ic/iich unbeschiildencr man mag sin wort wol selber sprechen dywiie he sich dez schaden gotroestcn wel, der cm selber davon ensten magk, wenne wandi'l unde liohinge mag lie nicht gehabe. — Purgold's Rechtsbuch V, 3ö: Ein ic/licher mag wol an dem gericlite selber klagen ane vorsprechen und aritworlten, o!) her sich schaden getroesten wxW, der im davon ensten mag, ab her sich vorspricht, des her sich nicht erholeiin magk, also her wol thiin mochte midt eim vorsprechen, ader midt zwcn, ab in eyner vorsumet, das her den andern gewinnet . dye weyle auch das her an seyn versprochen wortt nicht gehett . Dit is lantrecht, wiohpiis recht und stadt- recht. — Berliner Sladtbucli i»): Dan so klage niallich, dat em werre mit vorspreken, dorch dat he sich nicht vorkäme. Sunder vorsprcken mut wol klagen eyn man vnd atitwerden, of he sich scaden getrosten wil, di em darane heiegen mach; ofte ho sich vorsumet so kan he sich nicht vorhalen met eynen batspreker in deme gehegeden dinge, also he bi deme vorspreken wol don müt, also di lielunge wol vt wiset, di dar is eyne bwaiunge des klegers vnd des schuldigers. — Rechtsbeleiirung der Brünner Schölfen für die Geschwornen von Ungarisch-Brod ~o): Actor et reus possunt per se ipsos coram iudicio proponere, quidquid habent placilare. Revocationem verborum , quae vulgariter holunge dicitur, nisi prolocutores verba eorum proponant, non habent. Unde necessarium est et utile, quod unu.»quisque per advocatum proponat et respondeat, quidquid habuerit quae- rulari. Darum wird ferner in den dichterischen Erzählungen von gerichtlichen Verhandlungen unter den vielen Bitten, mit welchen die Vorsprecher an den Richter traten, immer nur die der Wand- lung gestellt. Als Brun der Bär die Vertretung des Wolfes vor des Königs Gericht übernommen, spricht er: »9) Bei Fidicin, Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin. 1837. S. S9. »0) Brünner Schöffenbuch, Nr, o9. Sitzb. d. phil.-hist. Cl. XLII. Bd. II. Ilft', j^ 210 H e i n r i p li S i e g c I herre, nu g-ert Isengrim durch relit vnd iuver güete ob ich en missehüete (laz er min müeze wandel hän. Darauf der König: daz si getan si)- Und in der Dichtung „die Minne vor Gericht", wo von der Gerechtigkeit, die als Klägerin einen Vorsprecher sucht, gesungen wird : vil bald si daz gelüke vand das hett si E dar umb versölt daz es jr wort sprechen wölt fügt nicht minder der Dichter bei: Ob si versumt waer dar an so mocht si sin wol wandel han 22). So allgemein der Satz „ein Mann ein Wort« in deutschen Landen galt, so allgemein war auch die Möglichkeit der Erholung beim Verfahren mit Vorsprechern im Rechte begründet. Sie ist nicht eine Besonderheit des einen oder andern Stammesrechtes, sie findet sich nachweisbar eben sowohl im Rechte der Franken und Baiern, als im sächsischen Rechte 23). Sodann war sie nicht blos vor der Schranne des Landgerichtes, sondern auch im Ringe des Lehensgerichtes begründet. In der Weise des Lehenrechtes 2*) heisst es: so kome der vorspreche an seyn wort, vnd dinge yme holunge vnd wandil wye afte des not sey worde, gleicher weysse alss vor lantrechte. Für die Lehensgerichfe behauptet freilich das kaiserliche Lehnrechfshuch das Gegentheil ~'^). Seiner Lehre gemäss sollte der Lehensherr als Richter den Lehensmann, nach- dem dieser einen Vorsprecher angenommen, fragen, ob er dessen Erklärung für sich anerkennen wolle. Nur im Bejahungs- falle würde hiernach der Vorsprecher ihm verbleiben, im andern 21) Reinhart Fuchs v. 1370—1374. Ausgabe von .1. Grimm. 2*) Von Lassberg, Liedersaal 1, 201. 28) Aus dem schwübisclien Rechlsgebiete gebricht es , wenu raan absieht von liem k. Landreeblsbuche, allerdings an Zeugnissen. 24) Sachsenspiegel (Homeyer) 2', S47. **) S. bereits Homeyer, System des Lehenrechtes S. S88. Die Eiliolnn"- iiml Wuiidrlung iiiT gerii-litlii-litMi Verfaliron. c\ l Falle niiisste er unvertreteii sein Wort selbst reden, c. 37: So sei der herre vragen sineti man alse er fvrsprechen nimet, ob er ane sins fvrsprechen wort welle iehen. Sprieliet er ia, so belibet im der fvrspreche; sprieliet er nvt, so git im der herre dez fvrsprecber nvf. Swa man richtet vinhe Iehen reht, da sol der herre deheinen fvr- sprechen geben, er veriehe danne swaz der fvrspreche spreche, daz daz sin wort si. — c. 119a: In aller rede sol der herre den man vragen, oh er an sins fvrsprechen wort welle iehen. Sprichet er nein, so git im er mit rehtc deheinen fvr.«;precheti ; sprichet er ia, so git er im einen fvrsprechen. Auch der Lehensherr sollte nur unter der gleichen Bedingung einen Vorsprecher haben. Ditz reht hat der man oh gen sinen herren, fährt c. 119 a fort. Die Folge aber wäre nach c. 37 die: sprichet er wo), dez genvzzet er, sprichet er übel, er hat den schaden, dez wort er da sprichet. Versumet er iu;, er hat den schaden, m en git im deheinen fvrsprechen me den tag vmbe die sache, oder wie c. 119 a sa«:t: vnd missespriehet der fvrsprech, da hat der herre vnd der man den schaden an. Vnd swaz der fvrsprech sprichet, daz muoz staele sin, vnd mag ir deweder keinen wandel han. Daz ist aber nit wan in lelienrecht. Ob diese Lehre einem lebendigen Gerichtsgebrauche entnommen war, und wo derselbe etwa bestand, lässt sich nicht nachweisen. Der blosse Umstand, dass einer durch einen Vorsprecher sich vertreten Vioss, gab übrigens noch keineswegs dem Äliindel das Recht der Erholung. Damit dasselbe bei der Verhandlung einer Sache begründet war, wurde erfordert, dass es von dem Vor- sprecher alsbald nach seiner Bestellung, ehe der Rechtsstreit begonnen, erbeten und von dem Gerichte zugestanden worden sei. In dem Brünner Schöffenbuche Nr. 67 ist zwar von diesem Beding- nisse als von einer blossen Übung die Rede, wenn es heisst: revo- cationem verborum, quae vulgariter holunge dicitur, deliberationem et alia, quae advocali consueverunt pro iure partium praeter- mittere, allein die Übung gründete sich auf die Nothwendigkeit des Gedinges, wenn anders das Recht dem Sachwalter zukommen sollte, Bittet ein man eines mannes, der sin wort spreche uor gerichte, der trete an sin wort utid irdinge im des wandeis nicht, und he irvalle an sime werte, daz ienre an sin wort nicht jehe; so ist di teidinc vnd die Sache verlorn, wes he da benennte. Wen he der holunge nicht irdinget hat vnd des wandeis, so mach he nicheinen vorsprechen 14* 212 Heinrich Siegel me gehaben umme die saclie «ß). Die Anweisung, welche demgemäss Johann von Buch in seinem Richtsteige Landrechts 3, §. 3 dem Vor- sprecher giht, lautet: So vrage — oftu di vorspreket dor (din unwissen adir) diiie dorheit, oft het icht ane scaden wedderspreken möge. Dat vint ine, he mog et dun. So vrage vort, offe en nicht bewaren koriest an sime rechte, ofte he sie icht mit enem anderen vorlialen möge. Dat vint me s^). Über die Fassung, in welcher die Erhohing bedungen zu werden pflegte, giht eine Reihe von Formeln Aufschluss, unter denen übri- gens keine alle einzelnen üblichen Fiagen vollständig enthält. Sie mögen hier zusammen Raum tlnden, während ihr Inhalt im Einzelnen später an den entsprechenden Stellen verwerthet werden soll. Mag- deburger Formel: Vnd ob ich ine an jenegen dingen vorsume . ob her sich dies icht erholen niüze mit mir oder mit einem andern ^s). — Freiberger Formel: Her ricliter sal ich sin wort spreken . ich irdinge im sin wandel als recht ist ab ich in versuine daz he des liolunge habe mit mir oder mit eime baz sprechenden manne e danne iz zu urteilen kume . daz ich iz ane buze blibe vnde he sime rechte deste ucrrer icht si 29). — S. g. Joachim'sche Formel: Sint dal ik an N wort kamen byn met rechte unde met orlove, oft ik velleftich Würde in N worde, oft ik N vorsumede dat he eyn gewedde 'Jede, oft he sik icht tu rechte vorlialen möge met my oder met eynem anderen bat sprekenden manne, oder wat dar recht umme si so), ßamherger Formel: So dinge Ich Im alle die Avandell mit rechte, die euer zentgericht hat — und ob ich In verkürzet in meinen Worten, also daz ich Im zu kurlz oder zu langk sprech, das das dem khiger an schaden were vnnd das er mocht ein andern nemen, vnnd von dem andernn an den dritten als lang dasdemclager geholUrenwere 3i). 26) Frellieiger Staluteii XXXI, 17, Schott 3, 2Ö3. 27) Vgl. siuch liechlsb. n. Dist. IV, 21, 2, wo es heisst, sobald ein Vorspiecher dem S.ichwaiter mit ui teilen gegeben wirt. der vorsprecher gewinne ym sin wandet und sine liolunge. 28) MHgdcb.-Breslaiier R. (12G1 — 1283), §. 74 bei Gaupp, magdeb. Recht S. 247. — Ülifreiiisliinmeiid Cuhii. R. II, 83, vo übrigens in einer Hiindschrift statt mit mir : mit ym selher steht, während in einer andern die Worle ganz felilen. 29) Freil.er-er Slatulen XX, 210. 80) Gerichtsroriiieln §. 2 bei Homeyer Richtsteig S. 330. 8' Bamherger Zentgerichtsordnung §. 3 bei Zöpd, Bamberg. R. 129, vgl. §. 3, 133, §. 1, 134. Die Erholung und Wandelung im gerichtlichen Verfuhren. 213 HoIIändiseiie Formel "^y. Soo verdinge ik dosen Jan, of lioe tlut liy gehelen is by syiicm kcrsteii naem, waert dat ick woordLMi spiack, die liem goet, mit, ende orbatu* uaoron, dat sy stade, afto, ende vaste blyven. NN'aert sake, dat ick des niet eti dedo, dat by iiyt mach gaen met my of mot cen andei* om zyn beraet, tc cynden t' zyner banne s^j. — Säcbsisclie Formel : So vrage ick unimc en recht. Eft ik mi vorspiike und N an sinen rechte nicht vorwaren konde, eft N dat icht ane schaden wedder sprekcn möge und sik vorhalon mct sik selves edder met einen anderen betsprekende manne, wat daran geschiet dat dar jo rocht an schee. So bidde ik vort umme ein recht. Eft N unde ik van sinon worden ichl möge ane schaden drics gcsprcke umme iewelke rede, rtin unde rat, halinge unde waiideliuge hebben, so dicke als N des behnf is to sinen reclite si). — Nikohius Wurm's Formel: llyrre her Richter ich dinge ym bolunge und wandil. Ich dinge ym auch eynen basredynden man, ab her is bedarff und ab ich en an ichte vorsewmte, daz er sich myt eynem andern und basredyndyn irholen möge und bcthc in einem reclitin czu irvarin ah her daz icht czu richte thun möge .... Hirre her Richter, ab mir eyn ungerethe geschege und mich schedelich vor- spreche, bethe ich ut s(upra), ab her daz icht ane wandil wedir sprechen möge, adir waz etc. S5^ , ü. Die Regeln, unter welchen die Geltendmachung des Rechtes der Erholung beim Verfahren mittelst eines Vorsprechers stand, waren folgende: 1. Eine Erholung setzte voraus, dass der Sachwalter der säu- menden Erklärung seines Vorsprechers gegenüber Widerspruch erhob. Hinsichtlich der Umstände, unter welchen ein solcher Wider- spruch zu erheben war, waltete aber ein Unterschied zwischen dem Verfahren in sächsischen Gerichten und dem Rechtsgange, wie er sonst üblich gewesen. »2) Bei Matthaeus, tractahis de jure gladii (1689), p. 037. *') D. ii. um zu seinem Ziele zu f;eluugen. 24) Als Rand/.us!itz in einer Breslauer Handschrift zu Richtsteig c. 3, während sie in einer Auf-sliuiger Ausgabe von lülG, Bl. 200 nach dem Texte steht. Voll- ständig ahgcdruekt hei üoineyer. lüehlsleig S. 101. 3*) Blume des S:ich enspiegels Nr. 4.) hei lloniever Hiehtsteig, S. 366, 367. Ä 1 4 H e i u r i L- ii S i e "■ e I Nach Sacliseiirecht sollte der Richter allezeit, nach j« der Erklä- rung- des Vorsprechers den Mündel fragen, ob er einverslandon sei oder nicht, worauf letzterer alsbald oder nach einer erbetenen und verstatteten Berathung mit Ja oder Nein antworten musste. Vgl. Sachsenspiegel 1, 62, §. 7: Die riclitere sal immer den man vragen, of he an des vorspreken wort je ^^'). §. 11:.. vragetin die richtere, of he an sines vorspreken wort je, he mut wol spreken ja oder nen, oder gesprekes bidden 37^. — Vetus auctor de benef. I, 43: In omni sermone homo inquiratur, si in veibum prolocutoris sui profiteatur. — Sächsisches Lehenr. 67, 6: In aller rede viage man den man, of he an sines vorspreken wort je ss). — Görlitzer Lehenr. 26: In iegelicher rede sol der herre den man vragin, ob er an des vor- sprechin wort jehe. Ausserhalb Sachsen war dagegen diese stete, immer wieder- kehrende Frage des Richters nicht im Rechtsgange begründet. Der Verfasser des Spiegels der deutschen Leute sagt c. 82 mit beson- derer Rücksicht auf die Lehre des Sachsenspiegels: Swenne der man vorsprechen niinet . so sol in der richter vragen ob er an seines vorsprechen wort welle iehen . so sol er sprechen ia . vnd als er den vorsprecher nimet so niuz er staet haben swaz er sprichet . daz ist etwa niht gewonheit daz man den vrage ob (er) an seinen vorsprecher welle iehen. Ditz ist nach der laeut gewon- heit als der man vorsprechen genimt. Von Wort zu Wort überein- stimmend lautet das kaiserliche Landrechtsbuch c. 93, und im Ein- klänge damit lassen auch die beiden Rechtsbücher in der unmittel- bar vorausgehenden, dem Saclisensjiiege! 1, 60, §. 1 entsprechenden, Stelle 39) die lelzten Worte des sächsischen Rechtsbuches „diwile he an sin wort niht ne jet" weg *<>). Nach der Leute Gewohn- lieit wurde also bei der Aunahnre eines Voisprechers der Sach- 36J Übereinslimmeiul: Hainburgisches Stadtr. von 1497 B II, 3 (Lappenherg 194), Uieiner Ordelen 29 (Pufendorf 2. 82). Statuten von Uiga 127 (Pufendorf 3, 2G4). '') Von Wort zu Wort üLereinstimmend : Magdeb.-Breslauer H. 1201, §. 43 (Gaupp 242) und Mag:del).-Gi)rlitzer R. 1303, §. lOö (das. 30j). 38) Übereinstimmend Dsp. Lehenr. 203. 30) S. dieselbe oben S. 210. ■*0j In dem zweiten unverarbeiteten Theile des Dsp. c. 217 wird freilich eine wider- sprecbende Stelle (Saehsensp. 3, 14, §. 1) ohne Bedenken wiedergegeben, und arglos folgte seiner Vorlage das k Landrechtsbueh c. 271 b. Die Erholung und Waudoluiig im g'erichlliclu'ii V'ei führen. 4 1 O wjiUer gefragt, ob er für sich anerkennen wolle, was jener vor- trage. Die Bejahung der Frage in diesem Zeilputikte machte eine fortwährende Wiederholung derselben nach jeder Erklärung unnöthig. Irrig aber wäre es, wollte man aus der obigen Stelle SL'hliesseii, der Miind;! habe sich eines Wortes seines Vorsprechers nicht erwehren können, die Möglichkeit der Erholung sei damit ausgeschlossen. Dieses Recht war auch in der Leute Gewohn- heit begründet, und es bestand nur der Unterschied von dem säch- sischen Verfahren, dass dort ohne eine Aufforderung von Seiten des Richters der Mündel widersprechen oder sagen musste, woria sein Vorsprecher ihn gej<äumt liabe. Vgl. bairisches Landrechtsbuch I, 14: Wer mit vorsprechn vor gericht stet, der mag wol melden, ob in sein vorsprech saumpt, benent er daz, so sol es im vnschedlich sein, vnd mag er den oder einen andern wol nemen **). — Freisinger Siadtrechtsbuch *2) : War aber daz ain vorsprech jemand versäumet mit dem wortt vor dem rechten, daz mag der wol melden, dez wort er spricht, jm selber an schaden, und sol jm dann der richter denselben odrr aineii andern geben wenn er wil. — Ruprecht's Rechtsbuch II, 77*2): Wir sprechen, spricht ein man vor gericht, in savm sein vorsprecher . er sol nennen mit wev . mag er sein nicht genennen, so mues er pei dem vorsprechen beleiben, vnd flevst anders nicht gen dem gericht dar vm . Ist auer daz er nennt mit wev er in gesavmt hat, so mag er denn wol genenen den er vor gehabt hat oder einen andern. 2. In Bezug auf die Frage, wie lange ein Widerspruch reehts- giltig erhoben werden durfte, herrschte eine Zweiung zwischen dem gemeinen Sachsenreehte und einzelnen Stadtrechten sächsischer Art, die ihrerseits wieder mit aussersächsischen Rechten überein- kamen. Nach gemeinem sächsischen Rechte durfte der Sachwalter so lange widersprechen, als er nicht auf des Richters Frage ausdrück- lich seine Zustimmung erklärt hat. Vgl. Sachsenspiegel 3, 14, §. 1 : «•) V. Freyberg, Sammlung: histor. Sehr. 4, 400. ♦2) Resliili;;! von Bischof Albrecht 13ö9, bei v. Freyberg; ä, 1C3. ♦ 3) Lei WestL-iM-ieder. Übereinstimmend die Handschriften von 1408, 1436 und 1-141, während das Mannscriiit von 1473 eine Lücke an dieser Stelle hat. V{jl. v. .Maurer .S. 34«. 340 Note lö. 21() Heinrichsiegel Of en man sines vorspreken wort nicht ne jet, de wile blift he suii- der f-caden sines vorspreken worde **). — Vetus auctor de benef. I, 43: Hominem prolocutoris sui negligentia non damnabit qiiamdiu in verbum illius cunfessus non fuerit. — Sachs. Lehnr. 67,6: Missesprikt die vorspreke, die wile en man an sin wort nicht ne jet, so ne scadet it ime nicht *5). _ Görlitzer Lehnr. 26: iz ne schadet dem man nicht, ob sich der vorspreche vorsumot, die wile er an sin wort nicht jehet. — Neun Bücher der Distinctionen IV, 13, 18: Divvile ein man in sines vorsprachen wort nicht gehe, diwile blibct er ohn schaden. Auf Grund dieses gemeinen Gerichtsgebrauches hatte sich Johann von Buch eine „Behendigkeit" für den, der als Mündel vor Gericht steht, ausgedacht, einen Kunstgriff, den er sowohl in seinem Werke über den Rechtsgang, als auch in der Glosse zum Sachsenspiegel mittlieilt. Derselbe besteht darin, dass der Sach- \valter durch den Vorsprecher sofort nach dessen Vorbringen, Zug um Zug, das Urlheil fragen lässt. Denn, so unterweist der Verfasser des Richtsteiges Landrechtes 2, §. 2 seinen Leser, alse met vint, behaget it di nicht, so je an sin wort nicht, wen den blibestu noch ane scaden. Einem gewandten Richter gegenüber hilft freilich dieser Kunstgriff nicht, er wird ein solches Vorhaben vereiteln, ßistu aver richter, lehrt der kundige Ritter weiter, so beware di unde ne vrage nenes ordeles, du ne vragest jo den sakeweldegen, oft sin M'ort also si . Secht he ja , so ne mach hes nicht wedder- 8prt'ken *6). Und wohl mit Rücksicht hierauf bringt das Berliner Stadtbuch 89 die richterliche Fragepflicht in Zusammenhang Hiit der Dauer des Widerspruchsrechtes, indem es da heisst: ■»'*) Wörtlich übereinstimmend Rh. n. Dist. IV, 20, 1j; ausserdem vgl. S. 216 Note 40. *^) Ühereiiistiinineiid Dsp. Leiiiir. 203. «6j Vgl. die liiich'sL'he Glosse (.Augsburg bei Hans Scliönsperger 1482, k. k. Hof- bibliolhek) zu 3, 14: Hie bnb du ein belieniligkeit, wenn du vor gericht beschwert pist oder du vor gericht begriffen pist, so lass vragen eines urteiis nach deiner Sachen die dn gern bettest vnd hortest, ob es der vinder wolle vinden das es für dich sey oder wider dich . wenn es geschieht ofTt das ein vrteil einem gefunden wird zu fromen durch der vinder loi heyt, oli sy als weiss weren das sy im es villeicht zu schaden fiinden. Ist es dann nach deinem willen funden so behalt e« nest. Ist es aber dir zu schaden funden, wenn dich der richter fraget, ob es dann dein wort also sey, so l)itt du eines gespräches vnnd ktimm dann wider hinein, und Sprech nein . so Ideibst du on schaden, vnnd darumb so stet hie oben der richter sei ia vor dem vrteil fragen den sachwaldigen ob ez sein wort sy, als hyeuor I, 62. li Die Eiholiiii^ und Wiiiidcliinj im'gerichllichcn Verfaliren. 4\t Item oft eyii mau an seyties vorspreken wort niclit en iet di wile blil't he sunder scaden synes vorspreken wordes. Darvmmo vrage di richler den kleger oder den schuldiger in aller rede: ofte he an synes vorspreken Avord ie; sprekt he tu allen dedingen ia, missesprecht di vorsprcke, so scadet dat dem genen, des vorsprake he is. Sollte der Richter einmal die F'rage gänzlich vergessen, so würde nach des Glossators Meinung, die auf 1. un. Cod. de errore cale. 2, 5, I, 2 und 3 C. de erroie advoc. 2, 10 sich stützt, der Mündel so lange widersprechen könne, als die Sache nicht abgethan ist, dyeweil das nicht verricht ist *'). Nach dem Freiherger Sladtrechte wurde dagegen das Recht der Erholung von vornherein bedungen nur für die Zeit, „e danne iz zu urteilen kume" ^^) und übereinstimmend wurde es laut der Blume des Sachsenspiegels Nr. 4ö gewährt, „ab do keyn urteyl uhir gegangen, dy wt-yle nicht urteil und recht dor ubir gegangen isl*'*9^, oder wie die Witzenhauser Ilegungsformel ^o) sagt: „sint das man das urteil bewarre" ^i). Hiernach war also im Gegensatze zu dem gemeinen Sachsenrechte eine Virschweigung möglich, was auch die Goslar'schen Statuten 69, 33—30 aussprechen. Des he aver an sines vorspreken wort gut, daf ne mach he seder nicht wederspreken. Sprikt ok de vorspreke wat, dat hc nicht weder ne sprikt, dat ne mach he seder nicht weder f^preken. Daher musste da, wo die richterliche Frage um die Zustimmung üblich war, der Mündel auch, ohne die Auflorderung des Richters abzuwarten, als- bald widersprechen können, was das Biünner Schuflenbuch Nr. 59 hervorhebt: potest homo verba advocati sui ve! per iudicem inter- rogatus vel per se alfirmare vel negare. Ja, es war hiernach um eine Verschweigung auszuschliessen vorsichtig, wenn der Vor- sprecher nach seiner Rede den Richter veraidasste, seinen, den eigenen Mündel um die Zustinmiung zu fragen. Demgemäss stellt *'') Vgl. die Glosse (Note 46 a. a. 0.), worin unmitteihar vorher die Verschie- denlieit des geistlichen Rechtes, das eine dreitiigige Frist zum „wyder tüdingen" setzt, andererseils aher den Beweis einer redliclien Ursache der Irrung fordert, festgestellt wird. «8) S. oben S. 214. *9) S. oben S. 214. »0) s. unten S. 220. *>J D. h. nach Kopp, hess. Gerichtsverfassung S. 23ö , iSote : so lange, als die Schoppen das Urtheil noch bei sich, nicht aber, wenn sie dasselbe schon ausge- sprochen hatten. 218 Heinrichsiegel der Vorspreclier in dem oben 53^ angeführten Randzusafze das Ersuchen : Her richter vraget N oft sin wort also si, alsi ik hir vor em gesproken liebbe, und dieselbe Bitte findet sich auch stets in den sogenannten Joachim'schen Gcrichtsformeln, sowohl nach einer Klage als nach der Antwort und einer Beweisfrage ^s^, 3. Der Widerspruch von Seiten des Mündels erfolgle für diesen ohne Schaden, ohne Wandel; dagegen zog er in aller Regel Buss- fälligkeit des Vorsprechers gegenüber dem Gerichte nach sich. Vgl. neun Bücher der Distinctionen IV, 13, 18: Missethiit aber der vor- spräche oder verspricht sich seinem haubtman zu schaden, und spricht der haubtman, es sey sein wort nicht, so wettet der vor- spreche dem richter ^*). Der Grund dieser Busstalligkeit ist ein anderer in demLehens- gerichte, ein linderer vor dem Landrechte. In dem Lehensgerichte verwirkte der Vorsprecher die Busse , weil er als treuer Lehens- mann seines Herrn vor diesem, der zu Gerichte sitzt, nicht eine andere Erklärung hätte geben sollen, als ihm von dem Sachwalter befohlen worden war. Desshalb kann hier auch, und insoferne leidet die Regel eine Ausnahme, die Busse entf-illen, wenn nämlich der Vorsprecher zu schwören vermag, dass er nicht etwas anderes gesprochen, als ihn der Mündel zu sagen gebeten. Vgl. Richtsteig Lehenrechts 10, 8: So vrage de herre dem manne alle tid, oft he an sines vorspraken wort je. Sprikt denne de man ja, so vrage de herre des ordels van sik, Sprikt aver de man nen, so vrage deherre wat de vorsprake de sin man is vorboret hebbe, dat he ander ordel jpgen sinen lieren vragen lieft, wan eme bevolen was. So vind me sin gewedde; id ne vverre dat he dar sin recht to dede, dat he an- ders nenes ordels gevraget hedde, wen dar vmme he gebeden were 55^. Für das Landrecht dürfte sich der Grund der Busse aus "j Vgl. S. 213 Note 34. S3) Vgl. §. 3, 13, 14 a. E., bei Homeyer Richtsteig S. 331—333. **) Vgl. Rh. n. Dist. IV, 26, lö: Missethut aber der vorspreche, er muz iiden , waz recht ist. **) Vgl. siichs. Lehenr. 19, 1: Of eii m.in an sines vorspreken wort nicht ne jct, «nde of die herre den vorspreken dar umrne sciildeget, he njiit dar uinme ge- wedden , he ne du sin recht dar vore unde svere dat, dat he anderes nicht gesproken ne heiihe, wen als im jene bede, deme he to vorspreken gegevon si. Übereinstimmend Dsp. Lehenr. SO; nur sieht statt gewedden irrig swern. Die Ei'holmiy iiiiii \N (.mlelunu im geiiclilliclieii W-rfiilircii. Z I J dem Satze: iudices et iiiiati audire debent necessaria verba partium sine emenda ergeben, welchen Joliann von Brunn über ein nacbCrum- law ergangenes Unheil setzte ^e). Was nicht nothwendigwar, nnd als unnöthisT stellte sieh dar, was von Seiton des Sachwal'ers widerrufen oder zurückgewiesen wurde, musste gebüsst werden. Hin>ichtlich der Grösse der Bussewird alsRegel gelten können, (lass die kleinste in dem Gerichte übliche Busse verwirkt wurde. Emend.i perditionis holuüge sunt XU parvi denarii, qiii faciunt gros- sam Pracensom, et ita est minima ernenda iudicialis 5'). Da die IJusse von Seiten des Vorsprechers im Dienste des Sachwalters verwirkt wurde, so war es übrigens billig, dass letz- lerer dem ersteren Ersatz leistete. Nicht leicht hätten sich sonst Vorsprecher überhaupt gefundtn. Immer aber musste der Vor- sprecher diesen Regressanspruch sich bedingen und vom Gerichte feststellen lassen, widrigenfalls entbehrte er desselben. Vgl. Rechts- buch nach Distinctionen IV, 26, 6: Wer czu vorsprecher gewunnen werf, der sal sich mit orteylen bestelle, ab he busswerdig wert, wer on mit rechte dor abe neme 58). En tud he des nicht, he musz dy busse selber liden 59). Die hierauf bezügliche Frage lautet nach dem Richtsfeige Landrechts 3, §.1: her richter, ic bidde eiies ordeles, oft ic des vorsprekens in scaden qiieme, we is mi af nemen scoldc? So scal men vinden, durch den du in scaden kumst. Auch gebricht es nicht an Zeugnissen aus dem Leben über entsprechende Fragen und Urtheile. In dem freien Meiordinge, das zu Sersum im J. 1531 von dem Pater Heinrich und den Brüdern Nikolaus, Siderius und Jobann Wolf des Klosters Wittenburg als Oberberrn gehegt wurde, heisstes: Da bedinckpalde sick H. Wassmann (der Vorsprecber), und leith fragen ein ordell eft he dusses seggendes in jennigen SS) Briinner Schoffenb. Nr. 420. *') Briinner Schoffenb. Nr. 231. Vgl. ferner Weislh. v. Cröve unten S. 43. — Freib. Statuten XXXI, 16 unten S. 225, 226. — SolUn die Weisung: welcher ein vfho- lung^li Ihiit, gibt dem geriebt ein mass wein vmU vor zwen pfenningh weckh !ius dem Frnnkensteiner Weistliiime (Grimm 1, 482), an dessen Schlüsse die gerichtlichen T:(xen für ein vorgeholt, eine zusezungh oder verleghung und ein vrkundt und die obige Handlung genannt werden, hierher gehören? *8) Nichls anderes wohl, als diesen Riickanspruch bedingt sich der Vorsprecher laut der Freiberger Formel (oben S. 214), damit der .Mündel sime rechte deste uer- rer icht si. *9) Übeieinstiiiimend Piirgold's Rb. V, 36 a. E. 220 Heiniich Siegel schaden kerne, we ohme den gelden scholde? warth gefunden: de ohme daran gebracht liedde ^o). ¥{•!. ferner Alefelder Vogtei- gerlcht vom Jahre 1580: Vorspracli: ob icli des Sprechens halber in schaden geriete, wer mich daraus entheben und ent- ledigen sdlle? Ricliler: der sachewalde ßi). Ist die Haftpflicht des Mündels gegenüber seinem Vorsprecher fesigestelit, so, fährt der Richt->teig weiter, vrage vort, uppe wem du des sen scolest. So viiit me, de man scole it di vorwisen, d. h. Sicherheit dafür geben. Und daran knüpft Johann von Buch einen Rath für die Vor- sprecher. Statt sich soll er dem Richter die Sicherheit geloben lassen und sprechen: Herr Richter, genügt sie Euch für mich, so genügt sie auch mir. Damit war der Vorlheil gewonnen, dass der Vorsprecher, falls er eine Busse oder Wette verwirkte, trotzdem dass er nicht erbgesessen war <>-), dennoch keine Bürgschaft zu leisten braurhie und nicht festgenommen werden durfte. Von der Verptlicbluiig gegen das Gericht, die Busse zu bezahlen, wurde er freilich damit nicht etithumleii. Übrigens ist nicht aller Orten diesem Rathe gemäss gehandelt worden. Anderwärts bedingte sich der Vor- spreclier aus, dass er, falls sein iWündel die Schuld ob ihrer Grösse nicht sofort berichiigeu könnte, ein Pfand setzen durfte und darauf so frei vom Gerichte gehen mochte, als er zu demselben gekommen. Alefelder Vogteigericbt «s^: Vorspr. wenn nun der schade so weit- lich und so gross würde, das mein principal denselben nicht geben oder bezahlen könte, ob ich denn nicht möchte eine wedJe leggen, und gehen so frei von gi-richte, als ich dazu gekommen bin, und lassenden gegenwärtigen schaden, oder was ein recht darin sei? Richter; dieweil er s<.tlianes erwerbet, mag es wol sein ^ij. 4. Die neue Erklärung, welche an die Stelle der widerrufenen trat, mus^te der Natur der Sache nach gegeben werden, die Erho- lung halte Statt zu linden: innerhalb der Schranken oder Bäume, die «0) Grimm, Weisth. 3, 240. Ühereinslimmend laufet das Urthell und Recht, welches in der HDUtnark zu Bebra (1039. 1672) Nr. 8 gefunden und eingebracht wurde. Ebendaselbst 304. «•) Ebendasell.bt 269. «2) Vgl. Sachsenspiegel 1, 61, §. 4. «3J Grimm, VVeisth. 3, 209, 270. «*) Dainit zu vergleichen ist Sachsenspiegel 3, 40, §. 2. Sve so penninge oder silver gel Jen sal, bat lie dar wedde vore, he n'is dar mede nicht ledich ire gelo- vede ne stunde also. Die Erholun;; und WaiiJelung im gericIiHicheii Verführen. 221 den Gerichts|iliitz einfriedigten. So lautete siclierlich das Urtheil auf die Fraf^e, \\ eiche nchen ineht-eren anderen diT Vorspreciier nach den Joachiiirschen Gcriclilsfonneln §. 2 an das Gericht zu stellen pfiej^le: N di biildet tu viMji^en umme eyn recht, war he sik tu rechte voih-.ilen scole. Nach §. 22 hegniigle sich jedoch der Vor- sprecher hieinU nicht, cv fnig weiter: Her rithler etc., oft he sjk dar hüten vorhaldi?, dat dar hynnen bchort worde, oft dat gelike stede si oder nicht, oder wat dar eyri recht umme si, worauf nicht minder gewiss von Seilen des Gerichtes das verlangte Ziigeständ- niss engeriuiint wurde. Nun könnte allerdings hei diin „au'^ser- balb" ar» die Schranken gedacht werden, durch welche die Sach- walter von ihren Vorsprechern getrennt sind, so dass der Phttz, von wo aus die Erholung auf die zweite Frage gestattet wurde, imnier noch in den Kreis des gewirkten Bannes fiele ß^). Allem, so oft von ausserlialb und innerhalb, von hüten und binnen die Rede ist, bezieht sich der Gegensatz auf den ganzen Umfang des gehegten Gerichtes. Und es Mar also eine neue Klage oder Antwort, selbst wenn sie ausserhalb des Ringes eHiobeii oder gegeben «urde, rechtskräftig, fall* sie nur in dem Ringe gehört und verstanden wurde. Die Veran- lassung zu dieser Eigenthüuilichkeit mag aber der Umstand gegeben haben, dass der neufu Erklärung regelniiis/;ig ein Gespräch zwischen dem Sachwalter, seinen Freunden und dem Vorsprecher vorausging, welches ausserhalb des Gerichtes bei Seite gepflogen wurde, so dass also das Zngeständniss darauf sich bezöge, dass bei der Rück- kehr von dem Gespräche, noch ehe d.'e Plätze wieder eingenommen waren, die bessernde Erklärung gegeben wurde. 5. Die Erholung konnte erfolgen, die neue Erklärung gegeben werden durch den Mund des bisherigen Vorsprechers. Vgl. die neun Bücher der Distinctionen IV, 13, 8: Spricht der haubtman, es sey sein wort nicht, so wettet der vorspreche dem richter, vnd könipt wider an sines bauptmans wort. Es konnte aber auch hierzu ein anderer ^^) Vorsprecher genommen werden s'). Ob das Eine **) So ist Ilomeyer Richtsteig S. 423 anr.unelimen geneigt. *6) „liesser reiieniler." *'J Vgl. die .Magdeidirger, Freiberger, Joachim'sclie und bollündische Kormei oben S. 412,215, ferner das bnir. Lniid-, das Freisiuger Sladtrechtsbiich und Kuprecht's Reehtshuch olien S. 217. — Can?. vereinzelt wird dein SachwuUer das Recht 222 Heinrich Siegel oder das Andere geschah, hing ah von dem Willen und von der Verständigung der Betheiligten, des Sachwalters und des Vorspre- chers. Auf den Wechsel in der Person des Vorsprechers wurde regelmässig beim Ausbedingen der Erholung ausdrücklich Rücksicht genommen; und zwar wurde entweder hlos das Richt, den Vor- sfti-echer zu wandeln, erbeten «»), mit dessen Zusicherung selbst- verständlich das Recht derV^'iederholung der Erklärung eingeräumt war, oder es wurde in erster Reihe das letzterwähnte Recht und ausserdem noch das Recht des Wandels hinsichtlich der Person des Vorsprechers zum Inhalt der Bitte an das Gericht gemacht «9). Ferner kam es hierbei vor, dass der Vorsprecher nicht blos für seinen Mündel um das Recht warb, von ihm abzugehen, sondern dass er auch sich die Befugniss ausbedang, jenen aufzugeben. So heisst es in dem Weislhum des Meierdings zu Sersum vom Jahre 1534 ^o) ; Darna bedingpalde he (der Vorsprecher) sich gewanthliger wisse . . ift he sinen principal nicht mochte upgeven, wen he ohme nicht verdegedingen konde? welches ohme . . tho- gestanden worth. Und eben so verlangt der Vorsprecher in dem Holzmarkgerichte zu Bebra ein urtheil zu rechte, so ick diese sache nicht konnde verwaren, wie ich den billig thun solde, ob ich auch möge frei davon gehen ui^d einen andern in die stelle lassen? darauf erkant, ja 'i). Ein solcher Wechsel hinsichtlich der Person des Vorsprechers konnte übrigens während der Verhandlung einer Sache nicht ohne Zahl stattfinden. Sal der vorspreche, heisst es in bedunfjen, mit sich selbst sich zu erholen. Vgl. die Formel oben S. 213 bei Note 34 und Note 28. 69) Vgl. die ßamberger Formel oben S. 214, die Witienhanser Formel S. 223 und die beiden Stellen der Dichter oben S. 212. 69j Vgl. I'.ichtsteig Lnndr. 3, §. 3 oben S. 214 und Wurm's Formel oben S. 213. yO) Grimm, Weislh. 3, 241. 71) Ebend.nselbst 304. — Vgl. auch Emmerich's Bericht (vom Jahre 1493) über die Frankenbergischen Gewohnheilen und den Gerichtsgebrauch, der übrigens dem nichter ein sonst nicht begründetes weitgehendes Recht, in die Verhandlung der streitenden Theile einzugreifen, gab. Da heisst es: „Höret aber der Richter, dass ein vorspreche durch syne unverstandenheit eyme syiie sach wil verlyssen, da he sust recht behilde, ob he guten rait hett: he sal wol eyne warnunge thun, das he sich bass herade, unde den man nit versume an synen rechtin, verstehe M lie sichs nit , das he dan den man uffgehe. Beheldet aber jener da hoben den vorsprecbin, unde versumet he en, he muss den schaden han. Schmincke , Ana- lecta hass. 3, 721. D'.e ICilmluiig und W^indcluiig' im gcriflitliclieii Verfaliren. ^ -i 3 der Hegefoi-nu'l ilos peinlichen Gerichtes zu VVitzenliausen '2), sprechen: her richtor icii bedinge eynen wände! zu vorsprechiii rechte . do siiilen die schoppen teilen von cynem :in den andern, von dem andern an den drelten, sint das man das urteil hewarre. Und noch bestimmter drückt sich der Bericht über eine Verhand- lung in dem mehrfach erwähnten Meierdinge zu Sersum vom Jahre 1531 aus: Und ift ho (der Vorsprecher) ohme nicht ver- deyendingen konde, ift he sik nicht mochte mith einem andern vor- spreken wente an den dridden behelpen? warth gefunden, ja, in deme alse lie dath thovohrne gewarven, und de driddcscholde ohme in dem falle belpen de sake ulh dragen und by ohme bliven. 6. Auch der Wandel der Worte war nicht in's Ungemessene erlaubt. Das Recht hatte auch nach dieser Richtung seine Grenze. Das Wort, welches bei der letzten Erholung gesprochen wurde, war unwiderrullich, von ihm hing der Erfolg ab. Yerba in ultima holung prolala, qualitercumque proferanlur, causam ohtinent vel amittnnt ''^}. Eine Erklärung konnte aber höchstens zum dritten Wale versucht werden. „Aller guten Dinge sind drei" sagt das Sprichwort; dremal is sin recht, meinte der Niederländer, und wie die Alten summten, zwitschernnoch die Jungen: „dreimal ist Buben- recht" behaupten bis heute die Knaben, wenn im Spiel der Wurf gefehlt. Es war also nach der ersten Erklärung höchstens eine Zwei- malige Erholung und Wandelung zulässig. Für das gerichtliche Verfahren, in welchem ein Versprecher tliätig war, führen diesen Satz die Freiberger Statuten'*) klar und umständlich aus: Bittit ern man eines mannes der sin wort spreche, der trete an sin wort und irdiiige im sin wandel also recht is . daz liat he drislunt zu rechte. /;• vellet der vorspreche zu einem male, daz ienre an sin wort en iehet, so verbuzet he einen schillinc, den sal he leisten binnen dinges . leistet he is nicht binnen dingis, so verbuzet he sechzik Schillinge . di muz he leisten in virzehn tagen und ienre hat dennoch sine holunge zwir. Der bittet aber eines mannes, der sin wort spreche und bittit aber desselben oder einis andern, der tritet denne aber an sin wort vnd teidinget vor in. Ist aber daz der 7'i) Bei Kopp, Hess. Geiichtsverf. 1, 234, 230. (Beilage HC). 7») Blünner Sehöffenb. Nr. 423 n. E. »4) XXXI, 16 (2Ö5J. 224 H e i n r i c li S i e g d I saclnvalde sprichet ez si sin wort nicht ziime anderen male, so ver- buzzet der vorspreche aher einen schillinc . den muz he ouch leisten . . . dennoch hat der saclnvalde liolunge noch zu einem male . vnd muz aher bitten eines manncs der sin v\ort spreche des- selben oder eines anderen, der trete aher an sin wort zume dritten male tind teidinge vor in. Ist aher deniie, daz he an sin Avort nicht iehit zu dem diilten male, so verbnzet der vorspreche aber einen schilline vnd alle die sache die da beteidinget vnd henant ist, di ist verlorn zu rechte alles dinges, wen he mac nicheinen vorsprechen noch nicheine holunge me gehaben. Ist aber daz he an sin wort jehet zu dem dritten male \vaz der vorspreche denne geteidinget hat, iz si schedelich oder vrumelich, daz muz vor sich gehn zu allem rechte. 7. Das Recht der Erholung, welches von dem Vorsprecher seinem Älündel bedungen wurde, erstreckte sich auf Alles, was jener statt dieses vorbrachte, also auf die Klage, die Antwort, die Benennung vor Zeugen, die Bitte um ein Urtheil u. s. f. Dagegen fand es keine Anwendung auf die gerade mit den grössten Fiilirlieh- keilenverbundene Leistung des Eides, der das regelmässige Beweis- mittel in einem Bechtsstreite, oder wie das Sprichwort sagt, das Ende alles Haders war '^s^. Cum judex, erklärt der rechtsgelehrte Stadtschreiber von Brunn "6), concedit parlibus „holung", hoc est intelligendum, quantum ad reclamafioncm querimoniae, resporisionia nomiuationis testium, vel aliorum consimilium quae prolocutores pro- ponunt, sed non quantum ad reiterandum juramentum. Der Grund liegt darin, dass bei dem Schwüre die Thätiglceit des Vor- sprechers, wenn ein solcher angenommen wurde, eine wesentlich andere war, als bei den übrigen Erklärungen, liier handelte der- selbe nicht statt des Sachwiilters '^j, sondern half nur mit, inso- ferne er bei der Vornahme der vorgeschriehciien Handlungen anleitete und die Schwurformel vorsagte oder den Eid stahte. Der 'S) Eisenhart, Grunds. i1. deutsch. H. in Sprichwörtern (1823), Nr. 367. — Vgl.Brünner ScliölTenh. Nr. 082 : Ciim nmiiium Ulium finis Bit iuraiiienluin. '6) Briiiiner Schiiffeiih. Nr. 367. '') Eine Verlretunj heim Schwur ffab es nicht. Unde quemcunque jicrmiseris rem *' tuam agere aut delendere, iUe procurator tniis iiiteilijjilur ; tauien si pars corpo- rate jiiriiinentiim per se facero del)eat, quantum ad lioc procuratorem subslituere noa putCbt. lirünner ScIiüiTenl). Nr. !>89 a. E. Die Krholung' und \V:\ii(leliiiiy im jerichtliclien Verfahren. 22^ Vorsprecher geleitete nach einem feststehenden Ausdrucke der Rechtssprache zu den Heiligen und setzte den Eid. Den Schwur selbst vollbrachte dagegen der Sachwalter und e;^ griff also hier wieder der Satz ein : ein Wort ein Wort. III. Von dem Satze „ein Wort ein Wort" und der damit verbun- denen Unmöglichkeit der Besserung eines Fehlers in der eigenen Erklärung anerkannte das Recht zu allen Zeiten eine zweifache Ausnahme. Einmal sollte, was für einen beredten Mann galt, keine Anwen- dung finden auf einen Stotterer oder Stammler hinsichtlich dessen, was er missesprach vermöge des ihm von der Geburt anhaftenden Gebrechens. In der Rede und Widerrede, während des ersten Ver- fahrens konnte allerdings ein Unglücklicher dieser Art, um jeglichem Schaden, der ilim aus seinem Gebrechen erwachsen möchte, vorzu- beugen, durch einen Vorsprecher sich vertreten lassen. Macht doch der Schriftsteller, von dem das kleine Kaiserrecht verfasst wurde, zur Begründung des Satzes, dass der Kaiser Jedem gebieten mag, eines Andern Wort zu sprechen, gerade den Umstand geltend I, 12: Sint geschriben stet: die zungen der sprach sullen geteilt werden mit den, die da stameln "») mit der rede, wan ez hat der keiser geboten. Dennoch findet sich im Sachsenspiegel 1, 61, §. 3 ganz allgemein die Rechtswohlthat gewährt: Die stamere man, of he misse sprikt, he mut sik wol erholen "»). Der Verfasser des deut- schen Spiegels ist freilich seinem Muster hierin nicht gefolgt. Er hat diesen Rechtssatz nicht aufgenommen. In Folge dessen fehlt er gleichfalls in dem kaiserlichen Landrechtsbuche, und auch Johann Purgold hat ihm in seinem Rechtsbuche keine Stelle gegönnt. Da- "*) Aniicre Flandschriften lesen : stummont und stonie sin. ''9J Der Eid sollte trotz Stotterns und Staniraelns gegangen sein, wenn vor der Eidesleistung fesigestellt wurde, dass dem Scliwörenden von der Natur die Zun- genfertigkeit versagt sei. Was für jeden Andern ein Fehler war, das wurde beim Schwüre eines Stammlers übersehen und es gehrach also hei dieser Handlung ganz und gai' au der Voraussetzung, für eine Erholung. Daher ist hier auch nicht weiter von dieser Uechtswohlthat die Uede. Sitzh. d. phil.-liist. n. XI.II. I!d. I. IUI. | ü 22b Hein ricli Siegel gegen ist er wörtlich übergegangen in das Reehtsbuch von Berlin so) und in das nach Distinctionen IV, 26, 7: Der stammeninger man, ab he missespricht, he mus sich wol vorholen. Und in fast allen Rechts- hüchern hat sogar die Möglichkeit, dass ein Stotterer in der Eigen- schaft eines Vorsprechers thälig Mird, Berücksichtigung gefunden. Es mochte von so Manchem gelten, was Ekkehard von dem St. Gal- lener Mönche Notker, der nur der Stotterer hiess, sagt: voce non spiritu balbulus erat si). Immerhin war es freilich, wie bemerkt wird, ungehörig, dass der Richter einen Mann, der seine Zunge nicht in der Gewalt hatte, wenngleich der Sachwalter selbst um ihn gebeten, wie dies üblich war, als Vorsprecher bestellte. Geit ein richter einen stamlunden man ze vorsprechen, daz ist wider recht, sagt der Deutschenspiegel c. 83 und wörtlich übereinstimmend lautet das kaiserliche Landrechtsbuch c. 94; allein in beiden Rechtsbiichern sowohl als auch in anderen wird nichtsdestoweniger der Fall gesetzt, dass es trotzdem geschieht, und bestimmt, was dann Rechtens sei. Der Sachsenspiegel 1, 61, <§•. 3 fährt fort, nachdem er gesagt, dass der Stammler sich erholen dürfe: versumet he jenegen man des vorspreke he is, die mut sik wol irhalen mit eneme anderen vorspreken. Eben so das Rechtsbuch nach Distinctionen IV, 26, 7: vorsumet he euch ienen, des wort he spricht, he mag sich wol erholn mit eyme andern vorsprochn §2). — Purgold's Rechtsbuch V, 36: Stammert eyn vorsproche ab sich der wol vorspricht, des muss her sych woli erholen, wye dick im das nodt thudt. Vorsumt her aber ihenem des wort her spricht, der on gewonnen und gebetlen hatt, der mag sich des mit eim andern oder zweyen ver- sprochen erholen. — Deutschenspiegel c. 83: wa er (derstamlunde man) misse sprichet, des hat er dhcinen schaden des wort er sprichet. — K. Landrechtsbuch c. 94: swaz er (der stamelonde man) misse sprichet, daz wandelet er. — Ruprechtes Rechtsbuch II, 76 83) : Suer auer ainen vorsprechen nimt, der stamelt an der red gen einen gereten man dem sol man niht auf vahen ob er 80) S. unten S. 233. 8') Mon. Germ. SS. 2, 94. 82) Das übereinstimmende Berliner Stadtbuch unten S. 233. P3) Westenrieder. Von den übrigen Handschriften gilt dasselbe, was zu U, 77 oben Mittle 43 bemerkt ist. H Die Eiliolimj iiiiil \V:iii(k'liing i m ^oriclitliclien Vei fiilnen. 227 verzieht an der red . vnd doch von got di sinne hat, daz er zu dem rechte wol chaii — verzieht er auer drey stunt . so mag man ims wol auf vahen . vnd mag auch ienem wol ze schaden chomen . des ward er spricht. Aus diesen Darstellungen ergiht sich, dass nach sächsischem Rechte ein stotternder Vorsprecher, so oft als Veran- lassung dazu vorhanden war, sich \viederl)olen und selbst besserfi durfte. Unterliess er aber die Besserung, so mochte dann noch sein Mündel mit einem andern Vorsprecher sich erholen. Dagegen sollte nach Freising'schem Rechte das Stottern zweimal gar kein Grund zu einer Erholung sein «*), während ein drittes Mal nun aber auch gar keine Rücksicht auf das Gebrechen des Vorsprechers genommen wurde, und der Sachwalter sich erholen musste, wenn nicht dieser Fehler gleich jedem andern ihm zu Schaden gereichen sollte. Die Bemerkungen des Deutschenspiegels und des Landrechtsbuches sind zu abgebrochen, als dass darauf sichere Annahmen gebaut werden könnten. Die zweite Ausnahme bezog sich auf den Schwur, und war zu Gunsten des weiblichen Geschlechtes. Während eine" Frau in dem gerichtlichen Verfahren sich ganz und gar vertreten lassen konnte durch einen Vormund, dur dr.t man se nicht vertügen ne mach, de se vor gerichte sprekct oder düt ^^), so musste sie beim Schwüre gleich dem Manne nothwendig selbst tliätig werden. Svar it den vrowen to eden komet, die solen sie selve dun, unde nicht ire vor- nmnde se). Jedoch sollte das schwache Geschlecht beim Schwüre 8*) Es galt also hier beschränkt, was sonst unbegrenzt für den Schwur Rechtens war. S. Note 79. 85) Sachsensp. 1, 46. Kraut, Vormundschaft 2, 268 — 270. Beizufügen erlaube ich mir was Hartmann von der Aue (Iwein, v. 7674 ff.) die Schwester, „die sich in ihren Worten verfahren" (oben S. 203) sagen iiisst: jA gesprichet lihte ein wip des si nicht sprechen solde. wir wip bedürfen alle tage daz man uns turiibe rede vertrage; wan st sunder wilen ist herte unde an argen lisl, gevaerlich und doch äne haz : wan wirne kunnen leider baz. •6) Sucbsensp. 1, 47. §. I. Kraut a. a. 0. 1. 378 Note 24. 15 228 H e i 11 r i c h S i e g e I nicht fallen; es hatte mit anderen Worten das Weib bei dem Eide, den es mit aiiTs Herz gelegter Hand schwörte, das Recht der unge- messenen Erholung und Wandelung. Was von dem Manne verlangt wurde, dass ein Wort ein Wort sei, muthele das Recht der Frau nicht zu — eine der bedeutsamsten Rechtsfolgen, die sich an den Unterschied des Geschlechtes knüpfen st^. — Vgl. die neun Bücher der Distinctionen IV, 12, 17: Frawea vnd megede mögen nicht fellig werden an jhren Eyden, sondern sie sollen schweren also lange, bis das sie vollfahren. — Daselbst VI, 1, 11: Eyne izliche mait adirAvip, dieunvorsprochin isf, hotwandilvnd holunge als lange bis das se vorkompt. — Zipser Recht vom Jahre 1370 c. 67 s»): Auch ab ein frau einen eid tut, die mag nit vorfalen. — Ofner Stadtrt'chtbuch c. 31ö s"): Das man den frawen aid dertailt, da mügen sy nicht an feien. Ist sy eyn geerbte frauvnnd guttes wortis, sy schol in yrem hausz sweren für eynes purgers keigenwurtikait, vnnd sy sol sitzen auf eynem stul. Wy offt sye den feit an dem aid, so offt schol man ir den stul von der stat rucken, vnnd schol ander- wert sweren, vncz dasz sye den aid verpringet. Ist sye aber eyne fragnnerin ^^^ sy sol auf dem rothaus sweren, vnnd sy mag auch des aides nicht verfeien. — Freiberger Statuten XXIII (218): So sal der richter die boten vregen, ab die vrowe gestanden si, so sal man ir aber anderweide den eid staben, vnd sal daz triben also lange, biz daz si rechte geschwerf, wende si noch kein vrowe mac nicht irvallen an keinem eide. — Daselbst XXXI: So mac die vrowe eines uiteiles biten, wi dicke si sich irholen solle, wen si eyn vrowe si. so sal man teilen also lange, biz daz si rechte geswert. Für den misslungenen Eid war nicht einmal eine Busse zu entrichten. Und wirt se vellig, fahren die neun Bücher der Distinc- tionen VI, 1, 11 fort, se darff darumb nicht wetten. Das Vorrecht war dem Weibe eingeräumt in der Würdigung der seinem Geschlechte anhaftenden Schwäche und des ihm eigenen sy) VVeinhoId, Deutsche Frauen, g-edenkt S. 128, wo er von dem Schwüre der Frauen spricht, nicht dieses bis jetzt überhaupt vergessenen Reciites. — Beiläufig mag erwähnt werden, dass während der Schwangerschaft Frauen gar niclit zu schwören brauchen. Goslar. Statut. 78, 11 ff. 88) Michnay und Lichner Ofner Stadtrecht S. 232. 89) Ebendaselbst S. 171. »") Vgl. über diese Marktweiber daselbst c. im S. 95—97. Die Erholung und Wandelung im gericlitliclien Verfahien. «« 4 J ängstlichen Gemiithes. Daher stand es sowolil der .Imigfraii als der Ehefrau und nicht minder auch der Witwe zu. Ja, seihst Kauffrauen, die sonst im Rcchtslehen z. B. hei Ahst-hliessung von Rechts- geschäften „mechtich sint gelik den mannen" 9'), zählten in dieser Beziehung zu dem Geschlechte, dem sie vermöge der Gehurt ange- hören, wenn sie auch ihren Anspruch auf weitere Rücksichten ver- wirkt hatten, mit denen ihre Genossinnen behandelt wurden, wie dass sie nicht an ölTentlicher Stätte, sondern im Hause, auf dessen Abge- schlossenheit Beruf und Thätigkeit das Weib beschränkt, und sitzend auf einem Stuhle die Eide schwören durften. Andererseits erstreckte sich das Vorrecht vermöge seiner Grundlage nicht auf die Eide der Helfer, die etwa mit einem Weibe schxvörten. Vgl.Brünncr SchöfTen- satzungen 186, 2: Item, wie wol ein weip nicht velt an dem aide, doch schol si geczeugen haben dl vallent »-). Und weiter fand die Wohlthat keine Anwendung auf einen Eid, den der Ehemann, wozu er übrigens nicht gezwungen werden konnte , nach Brünner Recht für seine Frau ausschwören durfte. So wurden die Geschwornen von Crumlaw belehrt. Vir ad agendum vel respondendum pro uxore rigore iuris compelli non potest. Si vero voluntarie causam uxoris sibi assumit: in jurando, sicut in causa propria, cadit et causam amittit ^s). Überall scheint indess das Vorrecht, was selbstverständlich sein mochte und daher die schrankenlose, allgemeine Anerkennung zuliess, nur dann begründet gewesen zu sein, wenn das Weib als angegriffener Theil, sei es zur Entschuldigung oder zur Verthei- digung einer Sache, den Eid zu leisten hatte. Was von der Ehe- frau in der bereits angeführten Rechtsbelehrung für die Crumlawer Geschwornen gesagt wird : uxor autem vicem actoris gerens et causam jurando obtinere volens in juramento cadit et causam perdij sicut vir, locum vero rei tenens hoc est respondens et causam defen- dens, hac praerogativa et priuilegio mulierum gaudet, quod in jurando non cadit 9*^», galt, was den ersten Theil betrifft, gewiss 9') Vgl. Kraut, Vormundschaft 2, 324 fi'. 9=) Bei Rösslor, Uechtsdenkm. 2, 390; auch aufgenommen in das SchölTeubuch Nr. 499. 93) Biünncr SchOirenb. Nr. 487 pr. 9-!j liriiiiiKM- SiiiöllVnli. Nr. 487. 230 H ei II ■' i c li Siegel auch von der Jungfrau, deren nicht gedacht M'ird, wie nachweisbar von der Witwe, für welche aber, was den zweiten Theil angeht, ein nachher zu besprechender ungünstiger Gerichtsgehrauch in Brunn sich gebildet hatte. Nur eine Folge jener selbstverständlichen Grenze des weiblichen Vorrechts aber war es, dünkt mich, dass beim Schwur eines V^oreides, der bei peinlichen Klagen gegenüber jedem Unverfesteten von dem klägerischen Theil gefordert wurde »5), das Weib dem Manne gleich stand. In iudicio civitatis sententiatum est, heisst es in dem Brünner SchötTenbuehe Nr. 449, quod sicut vir sie et mulier juramentum calumniae praestare debens, si jurando cadit, in causa succumbit «e^. Es lässt sich begreifen, dass man der Schwäche des Weibes nur zu Hilfe kommen wollte, wenn es ange- griffen worden und den Angriff abwehren wollte, nicht auch dann, wenn letzterer von ihm selbst ausging. Dagegen hat man in Brunn und Prag den Rechtssatz, dass ein Weib mit ihrem Eide nicht fallen solle, allmählich unter einem neuen Gesichtspuncte aufgefasst. Der Gedanke, dass durch das Vorrecht ein Unterschied der Natur ausgeglichen werden sollte, trat in den Hintorgrund. Der Krämergeist, welcher die Herren vom Rathe jener beiden Städte beseelte, liess sie nicht einsehen, warum ein ^^'eib, das die Gewalt und Verfügung über sein Ver- mögen hatte, also eine erwachsene Jungfiau oder Witwe, anders als ein Mann an ihrem Eide sich sollte erholen dürfen! In diesen» Sinne ertheiiten die Brünner Schöffen den Crumlawern das Recht: mulier tamenvidua, quia bonorum est domina, sive agat sive respon- deat, tamquam vir jurando cadit et causam obtinet vel amittit . . et est ratio, dum vidua de bonis propriis, quorum per se est domina, facere possit et disponere, quidquid placet sicut vir, dignum cen- setur, quod etiam agendo vel respondendo super bonis talibus eidem iuri subiacebit, quo vir subjacet ipso iure ^'). Von jenem Gedanken ausgehend stellte der Rath von Prag im Jalire 1373 fest: Auch wenne man ein frawe, di witlib ist odir iuncfrawe ist, anspricht mit einem rechten, es sey vmb schuld odir vmb andir sache, di do 95) Brünner Scliöffenl). Nr. 448, 600. 96) Vgl. die Satzungen 180 a. E. S. 390 : Hern scliol ein weip sweroii voraid an tolslegen oder an seinbliclien suchen, so vell si sam ein man. 9") S. Brünner Schöffenb. Nr. 487; vgl. öOO am Anfang und Ende. Die Erholung und Wriiidel.in^ im o^eriulitlic-hmi Verfalireii. C o 1 muinlig ist vnd ire yare hat, dieselbe, wenn man ir ein reclit teilet, mag wol fallen an irem rechten als ein man. Zugleich wurde weiter verordnet, dass eine Ehefrau, welche als Witwe zuvor gewirth- schaftet hat, des Rechtes der Erholung darben sollte, wenn der Kiagegrund in die Zeit ihres Witwenstandes zurückreichte. Auf ihren Ehemann aber wurde für den Fall, dass sie mit dem Eide fiel, hier insoferne Rücksicht genommen, als sie die fällige Schuld nur dann sogloich mit ihrem Vermögen zu bericlitigen hatte, wenn die Klage innerhalb Jahresfrist seit Eingehung der gegenwärtigen Ehe erhoben worden war, während andernfalls als Zeitjninct hiefür gesetzt vurde: noch ircs mannes tode, ob sy icht eigens gutes haben wert ^^'). Wie es zu halten sei, wenn eine Frau im Witwen- slande belangt werde wegen einer Schuld, die nicbt durch sie, son- dern durch ihren verstorbenen Manu während der Ehe begründet worden, dess waren die Geschwornen von Crumlaw nicht weise, als einige Jahre nach der ihnen von Brunn aus zugekommenen Rechtsbelehrung ein Fall dieser Art an sie gelangte, und die Witwe um ein Ui theil fr;igte, ob sie nicht desselben Rechtes geniessen sollte, dessen sie bei Lebzeiten ihres Mannes theilhaftig gewesen wäre. Sie wandten sich zum andern Male an ihren Oberhof, welcher dem neu angenommenen Rcchlsgrunde des weiblichen Rechtes ganz entsprechend erkannte, dass solchen Falles die \\'itwe allerdings dos Rechtes der Erholung und Wandelung ohne Mass und Zahl theil- liaftig wäre ^^}. Ganz und gar vergessen war übrigens trotz alledem das alte Recht und seine Bedeutung wenigstens in Brunn nicht. Die SchitITen dieser Stadt urtheilten im einzelnen Falle nur dann nach dem neuen Gesichlspuncte, wenn ihn die gegnerische Seite für sich geltend machte. Das Fallen am Eide wurde nur dann zugestanden: si tarnen adversa pars pro se hoc sententiari petierit "*o^, si impctens contra 98) Präger Statutarrecht Nr. lOö bei Rössler, Rechtsdenkm. 1, 6ö, GG. 99) Sehöffenb. Nr. üOO: .Mulier vidua in causa Iracta seu ad Judicium cifata pro debi- tis per maritum'suiim conlractis, si jurare debuerit , jurando non cadit; in hoc enira casn gaudeliit eo jure , quod sibi vivente raarito compcfüsset. Si autem vidua pro debilis lenipore vidiiitalis suae de bonis ad ipsam propria et perso- niililer perliiieiilibus, et (jiioruin per se est domiiia, conlractis alicui ipsaiii im- pelii'iiti jur.iie debuerit, in hoc casu . .jurando cadit, in causa succumbil. "">) Uriinner Schölfc^ib. Nr. 187. 232 Hein licli Siegel ipsam huiusmodi allegat loi). Würde der Gegner es versäumen, darüber ein Urtheil zu verlangen, so könnte der Yorsprecher einer Witwe seiner Mündelin das weibliche Recht der ungemessenen Erholung beim Schwüre ausbedingen. Qua petitione neglecta heisst es im Brünner SchöfFenbuche Nr. 487, si advocatus viduae suis muliebre sibi excipiat: tali jure debet gaudere, scilicet quod vicem rei tenens jurando non cadit. Und an einem anderen Orte, Nr. 300, wird übereinstimmend gesagt: si vero talia contra eam allegata non fuerint et ex ejus parte jus mulierum sibi excipiatur jurando non cadit. IV. „Der Narr" sagt Moser 102) in seiner kernigen Weise, „der zuerst das Sprichwort: ein Mann ein Mann, ein Wort ein W^ort, so ausgelegt hat, dass ein ehrlicher Mann sein erstes Wort nichtwider- rufen könne, hat mehr Unglück angerichtet, als man glauben sollte". Der vermeintliche einzelne Narr war nun freilich das ganze Volk und die sogenannte erste Auslegung die Übertragung und Anwendung eines Gedankens, der die Grundlage für Treue und Glauben im Verkehre bildet, auf dem Boden des Rechtes, sowohl bei friedlichen Abmachungen als zumal in dem streitigen Verfahren vor Gericht. Dass die Herrschaft des Gedankens in diesem Bereiche häufig Recht und Unrecht verkehrt hat, konnte unmöglich verborgen Ideiben, aber als ein Gebot der Ehre war sie unantastbar. Das aller Rücksichten baare Ehrgefühl, welches die seit alter Zeit freien, rit- terlichen Männer beseelte, waltete nun nicht in gleicher Weise in den Kreisen der städtischen Bevölkerung. Und so ging von hier im vierzehnten Jahrhunderte eine Entwickelung aus, die darin bestand, dass an dem Grundsatze „ein Mann ein Wort", womit nur für den Sachwalter gegenüber den Erklärungen seines Vorsprechers eine Erholung vereinbar war, nicht mehr wie früher unverbrüchlich fest- gehalten wurde. Die Zweckmässigkeit siegte üher ein Gefühl, die Billigkeit über das strenge ..Recht, das so oft zum schreienden Unrecht geworden. Das Anstössige, dass einer, wmin auch nur in 10') Brünner Schöffenb. Nr. SOG. '02) Patriot. Phantasien 2, 121 ff. _ I Die Erliulu..g iiii.l Wamk'luiijj iiu Sf>'> ■(^liiliclxn Veil";ilircii. ii ö O Worten, sieh selbst auf den Mund schlug, was bekanntlich derjenige 'n Wirkliclikeit mit der Hand Uiun musste, dem ein Widerruf zu Khren eines andern als Strafe auferlegt worden war '^'^) , wurde nicht empfunden oder doch verwunden. Der Bruch mit dem bisherigen Rechte war indess kein allge- meiner, und selbst da, wo er eintrat, kein vollständiger. Nicht selten wurde nur eine Ausnahme neben der noch immer festgehaltenen Regel anerkannt, häufig stand ein neuer Brauch ganz unvermittelt neben dem Herkommen. Für den Nachweis dieser örtlich sich voll- ziehenden Entwickelung, deren Ergebniss die grösste Vielgestaltig- keit des Rechtes im Einzelnen ist, mag das erste Verfahren, in dem ein Vorspreclier statt seines Mündels handeln oder der Betheiligte selbst seiner Sache walten konnte, und die Eidesleistung, bei welcher der Hauptmann stets selbsithätig werden musste, mochte nun ein Vorsprecher dabei behilflich sein oder nicht, unterschieden werden. Bei der Klage und Verantwortung durch einen Vorsprecher nun war es eine Neuerung, wenn, wie in Berlin, dem Vorsprecher das Recht eingeräumt wurde, in Bezug auf sein Vorbringen selbst zu erklären, dass er das Gesagte nicht gesagt haben wollte, und dafür eine andere Erklärung an die Stelle zu setzen, m. a. W., wenn der Vorsprecher seine eigenen Worte widerrufen und sich erholen durfte. An die mit dem Sachsenspiegel 1, 61, ■§•. 3 vollkommen übereinstimmende Regel: Dy stamerman , ofte he missespreke, he mut sich wol irhalen; vorsumet he ouch engen man, des vorspreke he is, di mut sich wol irhalen mit eiieme ander vorspreken knüpft das Berliner Stadtbuch 90 den weiteren Satz: Doch dri stunt vor- halet sich eyn islike vorspreke in eme gehegeden dinge, war he sich daran bewaret in der helunge. Und dem entsprechend bestimmt das Recht für Bacharach lOi^ : So sol der vürspreche sy verdingen zu allem yrem reichte, und sol fragen, wi dicke das er sich erholen möge? so sol man wysen dry werve, dry stundt '"5). io3j Glimm, RA. 711. '»^J Grimm, WeisUi. 2, 212. 105) Kiclit hielier geliöit kl. Kaiserr. 1, 12: Audi lint der keiser erleulief, daz ein igiicli Yorspreclie hat macht eine rede driwcrbe zu tun oder me , ab man iz bedarf; biz ez die schetTen geatzlich vornemen. Sint gescr. stet: man sal den schelTen die rede ergrunden, biz daz sie sis versten und sich mugen druz ver- richten. Es beruht dieser Satz nebst seiner Begründung auf Beslimmungen der Capitularien, welche Endeinann Note 20, 22 zu diesem Ciipitd nennt. -^ d 4 H e i 11 r i e li S i e g e 1 Ferner \v!ir es eine Neuerung-, wenn dem Sachwalter, der sein Wort selbst sprach, ebenfalls gegenüber der eigenen Erklärung das Recht einer Erholung gewährt wurde. In einer Rechtsbelehrung über das Vorsprecheranit, welche den Geschwornen von Ungarisch- Brod auf ihr Ersuchen vom Brünner Rathe übersendet wurde, hiess es noch mit ausdrücklichen Worten, dass nur beim Verfahren mit Vorsprechern eine Erholung zulässig sei. Dagegen und mit aus- diückliclier Rücksichtnahme hierauf schrieb später Johann von Brunn i*»«): licet supra scribatur, quod actor et reus coram judicio per se causas suas proponentes, revocationem verborum, quae vul- gariter liolunge dicitur, non habent, tarnen, si in priucipio de hoc caveant peteutes, per judicem liujiismodi revocationem et alia . . sibi concedi, tune, si fuerint eis indulta, habent singula, quae com- petunt advocatis. Wer genöthigt war, selbst zu klagen oder selbst sich zu vertheidigen, brauchte nur das Recht der Erholung sich aus- zubitten; das Gericlit schlug die Bitte nicht ab. Indess erkannte sogar das Gericht zu Brunn auch ohne vorausgegangenes Gedinge in einzelnen Fällen, die einer besonderen Berücksichtigung würdig schienen, statt auf Sachfälligkeit auf blosse Bussfäliigkeit mit dem Rechte der Erholung •o'^). Und in dem Brauche anderer Gerichte war bald ohne Weiteres das Recht der streitenden Theile auf Erho- lung als etwas Selbstverständliches begründet. Sowohl in dem Gerichte, von dem der Rechtsstreit zwischen Paul Godeler und Heinrich Kuntze wegen einer Scliuldforderung im Betrage von zwanzig Gulden an die Mannschaft der Donaischen Pflege zur Ent- scheidung gesandt wurde, als auch vor diesem Oberhofe war an und für sich das Recht des Beklagten auf Erholung, obgleich er „seynis selbis wort in seyner eygen personen (rette)," ausser Frage. Es handelte sich in diesem Falle nur davon, ob der Beklagte des Rechtes nicht verlustig gegangen sei dadurch, dass er, wie der Kläger frei- lich unter ^^'iderspruch von der andern Seite behauptete, erst, nachdi-m zum vierten Male die Ladung erfolgt und die Klage erhoben worden sei, sich verantwortet habe '"*). Hatte früher jeder unver- '06) Sch5ffenb. Nr. 67. '*') Davon wird unter einem andern Gesichtspuncte an einem andern Orte die Rede sein. i08j Der Oborhof erkannte hierauf zu Recht, dass, faUs die Behauptungen des Kiiigers begründet seien, „so koiide heynrieh ken pauel forder holunge nicht gehabin", I Die Erlioliiii«;- iiiiil NViunlelung iff» gericlitliclieii VorfiihriMi. ä t) i> sprochene Mann das Recht, in dem Verfahren vor Gericht eines Vorspi-eehers sicli zu bedienen, so halle er jetzt das Hecht auf Erholung und Wandelung. Die Rechtlosen, denen früher jenes Recht "ebrach, entheiirten nun dieses. Während es in mehreren Hand- Schriften des Richtsteiges Landrechfs 2, §. 4 a. E. heisst: ouch wisse (das) meneydes und rechtlose lüde iieyne vorspreche gehabin mögen, sagt Walther Ekhardi in seinen neun Büchern der Distinc- tionen IV, 12, i'6: Erhohinge und wandil suUen darben alle dy, dy do rechtlos syn 'oo). — Der Hergang in dem Verfahren vor einer Wandelung der eigenen Erklärung war aber der: auf eine Erklä- rung fragte der Gegner, ob in Folge derselben nicht Sachfälligkeit oder irgend ein Präjudiz für seinen Widersacher begründet sei. Statt dass nun das Gericht dieser Frage wie früher Folge gab, ver- stattete es jetzt gegen blosse Entrichtung einer Busse die Zurück- nahme der betrelVendcn Erklärung und das Vorbringen einer besseren. Eine Erholung beim Eide stand immer im Widerspruche mit dem Satze „ein Mann ein Wort", mochte nun derselbe unter Anlei- tung eines Vorsprechers oder ohne Hilfe geschAVoren werden, denn stets war es der Sachwaller, der das entscheidende Wort sprach, den Schwur vollbrachte. Trotzdem wurde vielfach in dem einen Falle gewährt, was in dem andern versagt wurde. dafveo-en würde Heiarich allerdings mit dem durch das Gericl)t zu ei bringenden ÖD O Beweise seiner Gegenbehauptungen „an seyn recht (treten) , doch also daz heyiirich ane lengern uffzog pauel czu seynen schulden folle vnde recht antworte Ihu, also recht ist. S. das Urtheil .Nr. 41 bei Wasserschieben, Sammlung deutsch. Rechtsquellen 1, 396, 397. 109) Ausserdem werden von ihm genannt alle, die „in hanthafftiger tat begriffen werden vnd vor gerichte gebracht, als vmme dube, roub , notezog, morthrant, vorretnisse, totschlege, vyrherter." Vgl. ferner Culm. Uechtsb. V, 73: Mancher- leye man der nicht holunge vnd wandel haben kan. Also vnrechte kempe vnde spe- lekynt. Alle dy unelich geboren synt vnde dy mort vnde rawb bekennen vor gerichte . vnde deube . vnde wedergeben . vnde obirwumlen werden. Also eyn recht ist. Dy sint alle erlös vnde rechtlos. Vnde wer des niht obirwunden wirt, der mag holiiiige vnde wandel haben . unde wen er das hot, so mag yu nyniant obirwynden adir obirczeugen, der ist ouch voikomcn an seyuem rechte. So hot er sieh alle wege czu vorentwerden billicher unde ee, wen yn ymant obirczewgea mag, und ein Magdeburger S.chöffenurtheil bei Böhme, diplom. Beiträge VI, 134: Eyn unelich man und seyn uneliche kinder suUcn nicht habin hoel und wandel gleyche deme der do dich geborn is. (Nimt ein unelich man) ein elich weyp und gewynnen kinder mit enandcr, dy kinder habin hoel und wandil gleich den dv do elich geboren sevn. ^ O Ö H e 1 n r i c h S i e g e l In Brunn stand vor Allem laut einer für das Gericht zu Nena- M icz verfassten Reehtsbelehrung n») der Satz fest: qui iuramentuni fjicere debet, si voluerit, potest per se sine proloeutore jurare et si formam a scabinis approbatam in juramento non servat, male jurat et in causa cadit. Allein auch dann, wenn der Eid mit Hilfe eines Vorsprechers geschworen wurde, sollte der Schwörende in der Sache füllig sein, wenn er an dem Eide, den der Vorsprecher richtig gestabt hatte, seinerseits fehlte. Die angeführte Rechtsbelehrung fährt fort: si illum sc. prolocutorem in forma juramenti per scabinos Ordinate et debite secutus non fuerit in causa cadit. Nur wenn der Eid gefallen war durch die Schuld des Vorsprechers, der ein Helfer sein sollte, schien das alte Recht doch allzu hart und unbillig. Und so gestattete man gegen blosse Entrichtung einer Busse die Wan- delung des Schwures, der aus dem Grunde misslungen war, weil der Vorsprecher, dem der Mündel getrosten Muthes und voll Ver- trauen nachgesprochen, unrichtig den Eid gestabt hatte. Si autem prolocutor in forma erraverit, et jurans ipsum eodem modo in verbis secutus fuerit, propter errorem prolocutoris in causa non cadit, sed holunge perdit m)- In Übereinstimmung hiemit bedingt auch der Wortschöfie zu Rhense seinem Mündel das Recht der Erholung nur für den Fall, dass er ihn durch sein Wort säumt. Item wan eyner einen eyt vor schuld thun will ... so spricht der w^ortscheffen : her scholtes, so verdingen ich diesem man sein wort, abe ich ihn seumete in seinen Worten, das er mir nicht gefolgen kunt, eyn mal, zwey mal, drey mal also dick ime noth ist, also dc^s er sich vor recht erwere vnd rechts erholen kunte n^). Ferner sagen die Sachsen in der Zips gleichfalls nur: wir haben das zu einem rechten, wer einen eid tut, und seinem vorsprechen nicht recht nochredet, der sol sein saeh verloren haben n^^. Dagegen war anderwärts diese Unterschei- dung fremd und es stand dem Schwörenden für sich und seine Gezeugen das Recht der Erholung zu, sobald er den Eid mit Hilfe eines Vorsprechers leistete. Ganz allgemein heisst es in den neun 110) Im Brünner Schöffenb. Nr. 442. '") Vgl. Schöffensatzung 202 bei Rössler 2, 396: Swert er aber übel sam der vor- sprecli (sie), so verleust (sie) ain holung und swert ander waid. "2) Weisthuin v. 14ö6, Grimm 3, 779. i>ä) Zipser Recht v. 1370 c. 67, Michnay und Lichner Ofner Stadtrecht S. 232. Die Erholung und Wandelung im gerichtlichen Verfiihien. 237 Bücliern der Üistiiiclionen IV, 12, 13: Sol ein man schweren mit gezeiige für gericht, der sol das durch seinen vorsprechen thiin; denn wo ein man schweret mit vorsprechen, so mag der man erhal- tunir hahen z\\ ier nach dem ersten i'^). Endlich wurde aber auch einem, der allein, ohne Geleite und Slabung von Seilen eines Vor- sprechers, sc'hwörte, das Hecht der Erholung zugestanden. Nach- weisbar war dies in Freiberg wenigstens der Kall. Die Statuten bestimmen an verschiedenen Stellen n»): der kleger mac einis urteilis biten . wi dicke he sich irholen sulle . he vnd ander sin gezuk . daz sal he zwir nach dem ersten. Eine weitere Rechtsverschiedenheit bestand insoferne, als an manchen Orten nicht bei allen Eiden, und dann wieder hier in wei- terem, dort nur in beschränkterem Umfange das neue Recht sich die Anerkennung errungen hat. Nach dem Rechte zu Deutsch- Brod kam die Begünstigung bei allen Eiden zur Anwendung, indem das Stadtrecht den Satz enthält : item omnes articuli in cruce con- firmandi liolunge obtinebunt "«). In Prag stellten die SchöfTen mit den Ältesten der Stadt im Jahre 1361 den Satz fest: auch yeder- man vmb allerlay sach, vmb dy man yn ansprichet, nach saim ersten ayd sol vnd mag zweier holunge haben •'"). Hierdurch wurde also gleichfalls ausnahmslos beim Schwüre in jedweder Sache das Recht der Erholung anerkannt. In einem besonderen Falle mussfe indess doch ein Eid ohne das Recht der Erholung geschworen werden. Wenn einer der Nothzucht angeklagt worden war, so hatte er sich selbstneunte zu entschuldigen. Dabei war, wie an vielen andern Orten ausser dem Bereiche des sächsischen Rechtes i'^'^) dem Ange- klagten gestattet, den „elenden tuch" zu schwören, d. h. so fremd und verlassen von Freunden zu sein, dass er keine Gehilfen zu finden vermöge. Hierauf durfte er, nachdem er zuerst seine Unschuld beschworen, selbst die acht Hilfseide leisten. In Bezug auf diese neun Eide aber galt der Rechtssatz, dass er „den ersten an holunge die andern mit holung" schwörte "9). Nach dem Iglauer Rechte 114) Vgl. ferner das hallische SchölTenurtheil unten S. 241, 242. 115) Vlll (187); XIII (198); XIX (209): XXIX (24Ö). 116) Graf Sternberg, Geschichte der höhm. Bergwerke i". .34. "?) Urtheil Nr. 83 hei Rössler 1. ü3. 118) Vgl. die Nachweise bei Horaeyer Richtsteig S. 473 >ole *♦. 119) Prager Reehtsbuch 88 a. E. Rössler 1, 126. 2 3 ö H e i n r i e li S i e g e 1 war die Möglichkeit der Erholung und zwar selion im dreizehnten Jahrhundert wenigstens die Regel. Der deutsche Text des genannten Stadtrechtes 29 i^oj sagt: von der holunge. In allem aide mak iczlicher mensch erlioltinge haben ane die baiiteidingen i-i). Das wirt eyns in dem iare noch östern. Diese Ausnahme hing wohl mit der Eigenthümlichkeit zusammen, dass eine Sache, die an dem all- jährlich einmal stattfindenden Banntaidinge (iudicium peremtorium) in Verhandlung gezogen wurde, auch zum Austrag gehraclit werden musste. Sollte ein Eid nochmals geschworen werden dürfen, so musste auch ein weiterer Termin zugestanden werden. Ein solcher Aufscliub war gegenüber einem Banntaiding unstatthaft. In der spä- teren Redaction des Stadtrechtes aus dem Ende des dreizehnten, oder Anfang des vierzehnten Jahrhunderts heisst es in dem statt des mitgetheilten Artikels eingeset7,ten unter dem Titel: de eo quod dieitur erholunge: in omnihus causis, que coram iudiciis tractantur a festo natiuitatis domini usque post octauam pasche proxima feria sexta, qua die iudicio peremptorio presidendum est, qnilibet homo iteracionem sue cause, que vulgo erholunge dieitur, habere poterit, quam die iudicii peremtorii nullus habere poterit. Und im Einklänge hiermit steht ein Schöffenurtheil de judicio peremtorio 122^, welches besagt: In iudicio peremtorio statim aliquis condempnatur. In eynem panteydink heyset man eynem man ezu eynem mal yn vnd verteilt in saczehant daselbst, den man czu ander czeit drey gericht mus in hayschen vnd alrest vorczelen. Nach dem Br (inner Rechte wurde eine Erholung nur gestattet beim Eineide. Das Stadtrecht aus dem Anfange desvierzehnten Jahrhunderts, eineFortbildung des Wenzes- law'schen vom Jahre 1243 bestimmte Art. 92: Wir wellen daz welich mensch sich mit aim aide unschuldigen wil, der schol die holung czu eim richter haben 123^, Ein Eineid wurde aber nur geschworen auf eine „schlichte Kluge" i-^) und schlicht erhoben •2Ö) Bei Tomaschek, deutsches R. in Mähren 229. *2'j Nach ßriinner Recht h.iUe der Umstand, dass der Eid in einem Banntaiding'e fiel, blos die Wirkung, dass eine grössere Busse, eine Busse im ßetiage von fünf Groschen, zu bezahlen war, während sonst nur mit einem Groschen gebüsst wurde. Schöffenb. Nr. 242, 251, 233; vgl. 233. »22) Mitgetheilt von Tomaschek a. a. 0. 131. •23) Rössler 2, 263. *'*) Vgl. hierüber eine treffliche Dissertation von Behrend, ohss. de actione simplici Beroiini ISGl. Die Erholung' und W.inilihing im geriolilliclieii Verfiiliren. /^oU wurde regelmiissiL;' eine Inii-gerliclie, nicht auch eine peinliche Khige. Dalier wurde in einem L'rlhcile '25), das wegen eines, einer beson- deren Berücksichtigung wcrth scheinenden Versehens eine Erholung gestattet iiatle, beigefügt: ut consuetiido servetur, si causa est cri- niinah's, ila quod in jurainentis bolung iion liabealur. Nur ausnahms- weise konnte auch eine Khige wegen Todschhigs, einer Heimsuchung und ähnlicher Missetliaten in schlichter Weise d. i. ohne einen Vor- eid von Seiten des Klägers angebracht werden; dann genügte auch zur Entschuldigung der alleinige Eid des Beklagten und hei seinem Schwüre war eine Erholung zulassig. Eine Aufzählung solcher Aus- nahmsfälle wird von Johann von Brunn, als in „dem allen Rechte" bereits enthalten, an zwei Stellen i^c^ seines Werkes in überein- stimmender Fassung gegeben, indem es Nr. 367 und 450 heisst: Aiitiquuni jus civile habet: si homo impetitur simplici querimonia pro homicidio ante multos annos perpetrato, vel in alio judicio com- niisso, vel cujus fuiius et occisi vulnera iurati non perspexerunt, ille simplici juramento se expurgabit et holung habebit. Et simile intel- ligitur de „haiinsuchung" et excessu aequali. Ausserdem vergleiche man das nach Letowicz ergangene Urtheil imSchöfTenbuch Nr. 311. Ein Leibherr hatte in jener Stadt einen Eigenmann, der flüchtig geworden m ar und daselbst über Jahr und Tag bereits sich aufge- halten, verhaften lassen, indem er ihn beschuldigte, siebenzig Prager Groschen ihm diebisch entwendet zu haben. Nachdem in dem Ver- fahren dem Beklagten das Recht der Entschuldigung zuerkannt worden, wurde die Frage aufgeworfen, ob er mit drei oder sieben Gehilfen zu schwören habe, indess entschieden, dass der von ihm allein geschworne Eid genüge, denn wäre ihm ein gewandter Vor- sprecher zur Seite gestanden, so hätte er selbst ohne Schwur von der Klage sich befreien können. Zum Schlüsse aber heisst es: bene etiam deliberandum est, utrum famulus post annum de furfo expur- gare se debens in jurando holunge possit habere. — Von der Gegend des Mittelr h ei nes wird aus der Witte des vierzehnten Jahrhun- derts berichtet, dass, wenn einer beim Eide sich versprach und „es betraf eine Geldschuld, so verlor er seine ganze Rechtssache, der '25) Im Scliöffenl). Nr. 4Ö1. '■■^6) W'as indess nicht der Fall ist. lo dem allen Stadtrechte findet sich gar keine darauf bezügliche Bestimmung', in den wenzeslaw'soheii nur die oben angeführte. 240 Heiniich Siegel über Erbe Scbwörende konnte dagegen zweimal nachbelfen und bessern, gelang es ihm aber zum dritten Male nicht, so ward ihn« das Erbe abgewiesen" 127). — i^ Zittauisehen endlich wurde bei dem Eide der Leute vom Lande wenigstens zwischen den „hohen" Sachen und den übrigen unterschieden und in Betreff jener noch das alte' Recht festgehalten, während sonst eine Erholung zulässig war i^^^. Wo immer übrigens die Möglichkeit einer Erholung beim Schwur anerkannt war, da musste das Recht, damit es im einzelnen Falle begründet war, am Tage der Eidesleistung durch ein Gedinge erworben werden. In dem gemeinen Urtheile der Prager i^») wurde das Recht der Erholung beim Eide in jeglicher Sache nur unter der Bedingung anerkannt: ob ym das sein fursprech dinget i»**). Die Voraussetzung für die Geltendmachung des Rechtes im Verfahren aber war eingetreten, sobald nach gethanem Schwüre auf die Frage an das Gericht, ob der Eid gegangen sei, ein verneinendes ürtheil gesprochen, der Schwur als ein misslungener erklärt worden war 13"). Der Gefallene, beziehungsweise sein Vorsprecher, frug jetzt um ein Urtheil, ob er nicht einen neuen Eid leisten dürfe, welche Frage von Seite des Gerichtes bejaht wurde. In einem im Jahre 1373 vor dem Gerichte zu Erbach anhängigen Rechtsstreite zwischen Reyde von Lorch und Henne Becker von Hassmanshausen, welcher im weiteren Verlaufe an den Oberhof zu Eltville gediehen, war erkannt worden: daz H. B. zu siner Vnschuld gen mochte. '27j Bodinanii, rheingauische Alterth. 637. Vgl. dazu dessen Bemerkung in Note g S. 643 : Den Beweis hievon liefert eine vor mir liegende Urkunde vom J. 13S7. i28j Vgl. unten S. 243 Note 140. 129) S. S. 237. ISO) Vgl. ausserdem das liallisehe Urtheil S. 242, die rhensesche Formel S. 236 und die Freiberger Statuten S. 237. •31) Zu bemerken ist, dass der Schwörende, so lange seine Hände auf den Heiligen lagen, nachholen durfte, was er versäumt hatte, ohne dass von einer Erholung im gerichtlichen Sinne die Rede wäre. Es war immer noch derselbe, der alte Schwur. Ein Vorsprecher des H. B. frug für seinen Mündel, er holTte vnde getruwele, syt der zyd er die hende noch nll' den heilgen ligen hette, waz er dau iiit gelaii helle, da/, sulde er noch dun, vnde zu sime rechten komen. Da habe daz gericlile mit vnderdinge gowisel: syt der zyd H. B. die hende noch uff den heilgen ligeu habe, waz er dan nll getan habe, daz möge er noch tun, vnde zu sinem rechten komen. Aus dem Eltviller Schöffenbuche S. 69 ff. bei Bodmann, rheinffauiscbe AUerth. S. 043. Die Erholung iiml Waiiclcliiii:; im gfcrii-lidiclipii Vei f^iliroii. /C 4- l Darüber wird nun bericlilct: Alse sy R. und H. H. bodde an goriclil komen, vnd liabc H. B. da sinen fiirsprocbcn gcbabt, der In zu den Heilgen geieit babe, vnd babe da H. B. sinen furspreeben die werte die er itn vcrgespiocben babe, nacbgesprocbeii. Als daz gescbeen sy, so sy daz geiicbt gefreget worden: obe H. B. sein recht getan bette, als yne R gescbuldiget vnd daz geriebt besebeiden bette? do sprccbe das geriebt nein. — Also wurde doeb dar inne gerelten, daz (dem) R vnd H. B. ein ander tag gestalt wurde von demselben tage zu vierezeben tagen, daz II. B. (dein) R. dann ulT dem läge sin recht tun solde 133^. Bevor der neue Eid geschworen wurde, war für den missinngenen die Busse zu entrieliten, welche für jeden gefallenen Eid bezahlt werden musste. So vorleust (er) ain holung und swert ander waid iss). Bussfäilig war aber beim Schwüre stets der Sachwalter, niemals der Vorsprecbcr. Seine Thätigkeit bei dieser Handlung war überall nicht entscheidend, so dass selbst, wenn er irrte, der Sacbw:ilter aber in vorsiclitiger Weise ihm niciit folgte und recht scbwöite, der Eid gegangen sein würde 'si). Mit gutem Grunde sagten daher die Brünner Schöffen den Gescbwornen von Nenawicz: cum enim proloeutor in bene vel male jurando nihil perdit, necessaritim est jurare debenti, diligenter formain juramenli habere in memoria, ue causam amittat is5). Yüv die Erholung, d. i. den neuen Schwur, mochte ein weiterer Termin verlangt werden. Die für die Ableistung von Eiden üblicbe Frist konnte, wie der mit- getlieilte Bericht der Erbacher Scbüffen an den Oberbof zu Eltville zeigt, auch von dem in An.-^prucb genommen werden, welcher zum andern oder dritten Male schwörte, nachdem der frühere im Urthcil zuerkannte Eid misslungen war, es sei denn, dass das Gericht von vorn herein das Recht der Erholung nur unter der Bedingung zuge- standen habe, dass dieselbe noch au dem nämlichen Gerichtslage stattfinde. Dass eine solche Beschränkung vorkam, beweist ein bal- iisches Schüffenurtlieil vom Jahre 1396, worin es heisst: da wart cm gefunden, he solde dat bewiesen seif sevcnde, dat he des mit 132) Aus dem Eltviller Schöffen!), vgl. Note 131 a. E. "3) s. S. 236 Note 111. 1'*) Brünner Sehoffensalzung 202 (Note 111 : l'nJ ist ilsz Her vorsprech nwel swert und iner so wesiclitiger (sie) i.st, daz er wol und reclit swert, er bchahtdiesach. Überein- stimmend Scliöffenb. Nr. 442. «35j Sfhöffenb. Nr. 442 n. E. Si'/.b. .1. phil.-hist. Cl. XLII. IM. 1. llft. iO 242 H e i I) 1- i c I) S i e g e I öm gesünet were. Do dingete sin vorspreche wandel und erhalunge mit ordelei), vnd öm wart gedielt, of öm der tüge brok werde, dat he sik mit andern mochte irholen, di wile dat ding werde ise^. War ein Vorsprecher bei der Leistung des früheren Eides thätig gewesen, so konnte der Schwörende bei dem neuen Eide eines andern sich bedienen; auch ein Wandel nach dieser Richtung war statthaft. Der oben abgebrochene Bericht der Erbacher Schöffen fährt fort: Als die viertzen tage quemen, do sin sie abt r beyderseyt an gericht komen, vnd habe H. B. do eynen andern fursprechen bracht, der in zu den heiligen geleit habe, vnd habe 11. B. syme fursprechen die worte, die er im furgesprochen habe, nachgesprochen. Endlich war auch beim Schwüre wie bei den übrigen Erklärungen des vorausgehenden Verfahrens in aller Regel eine zweimalige ^Erholung gestattet »st). Erst der dritte Eid war der entscheidende. Nachdem Henne Becker das dritte Mal gefallen war, stellte sein Gegner die Frage an das Gericht: syt der zyt H. B. ein male, zwey male, dru male sin recht nicht getan bette, als yn das gericht bescheiden, vnde er yn geschuldiget bette, waz er des zu genyessen bette? Und hätte nicht ein Zwischenfall sich ereignet iss)^ §0 würde hier, wie sonst die Sachfälligkeit des Angeschuldigten endgiltig ausgesprochen worden sein. Vgl. Freiberger Statuten XII (19S): So sal man in manen zume dritten male . . Irvellet he denne so ist der gezuk ver- lorn vnd daz gelt damite vnde he verbuzet uir Schillinge dazu. XIX (209) : Irvellet he (der Kläger) an dem eide dristunt nach einander so ist der dip genesen vnd he verbuzet sechzic Schillinge . . Irvilen si (die Gezeugen) aber dristunt nach einander, so wurde der dip ledik mit rehte. XII (194): Irvellet ir einer (der Kläger oder ein Gezeuge) dristunt nach einander, welcher iz ist an deme gezuge, so ist der gezuk verlorn. Diese Schranke für die Erholung wurde in Cröve an der Mosel bei dem Eide selbst dann noch festgehalten, als sie bereits hinsichtlich der Handlungen des ersten Verfahrens 136') Weiter wird berichtet; do brachte he ses tugen, der worden vife vellig, do trat he afe, vnde solde ander brengen, die brachte he nicht, die wile dat ding werte etc. Aus Dreihaupt 2, 483 abgedruckt bei Hallaus, Glossar c. 39ä. »«') Freiberger Stat. (oben S. 237 bei Note 140). Prager Rh. 283 (oben S. 237). Neun Bücher d. Dist. IV, 12, 13 (oben S. 237). Weislh. v. Cröve (S. 243). >38) Er ist bes|.rochen S. 240 Note 131. Die Erliolung; iiiul \V;\ii(li'lini!,' iiti gericliiliclieii Vfif.ilifeii. -i^O aufgegeben war. Ist es das sich ein man oder sein vorspreche, der sieh vor geeicht verdedinget hat, siimet oder vorspreche, der mag, sagen die Schoflen, das bessern mit der minsten hoiissen; ane allein so er ime eide selzen vnd zu den heiligen geleiden soll, suiriet er sich diin drei stundt, so were er vnib komen '3'J). Dagegen wjir in Zittau, Stadt und Land, das ilechf der Erholung auch heim Eide, so weit es anerkannt war, bereits ein unbegrenztes Weai es über- haupt zukam, der mochte sich erholen „als lange bis dass er sich entbricht" i*"). Und dasselbe war im Salfeld der Fall. Swer da swert vir den heiligen vor dem richtere vmme eyne sache, si si groz adir kleine, misse>pricht her, her vorlust kein dem kleger nicht vnd er swert also dicke, daz be recht s« ert; vnd also dicke, also her missespricbet also dicke wet'et he fünf Schillinge dem riehfere '*')• Vgl. ferner: Wer da swere solde vor gerichte, missespreche her, her wette deme richtere fünf Schillinge vnd verhist damit nicht kein dem klegere vnd swere iilzo lange, wan daz he sinen eyt vol- brengit 1*2^. So vielgestaltig auch das Recht und der Gerichfsgebrauch geworden, nachdem einmal der feste leitende Reehtsgedanke aufge- geben w„r: dem Rechte des Gerichtes war durch alle diese Neue- rungen nichis benomu'.en. Wer sein eigenes Wort zurücknahm, musste ebenso büssen, wie wenn er seines Vorsprechers Erklärung verwarf, und so oft auch einer sich erholte, inwner musste zuvor eine Busse entrichtet Averden wie früher, da die Erholung begrenzt war. Durch die Neuerungen war nur die Lage des Gegners in dem Rechtsstreite veiändert worden; ihm gegenüber konnte jetzt einer, und zwar sowohl der Vorsprecher als auch der Widersacher, der unvertreten vor Gericht stand, sein eigenes Wort zurücknehmen 1*^) 139J Glimm, Weisth. 3, 381, 382. '*oj Die Biiig^er der Stadt Zittau erklären, dass sie „haben behaUin zu rechte sogethan recht, da uietlie dy Stadt viid das Laiidt ausgesetzt ist . . . dass ein jeglieh Ritter- niiissig: .'Manu soll halu-n llolunge als lange biss dass er sich entbricht von aller Sache Haiide. So haben wir darwiedcr zu [lachte, dass vinb hoc Sache kein .Mann, der yn dem Lande besessen ist, llolunge gelinben möge. Mitgetheilt aus einer ungcdi'ucklcn Urkunde vom .lahre 1366 von Carpzow, analecta fastor. Zittaviens. 1716. [>. 249. !■»<) Salfeld. Stat. T!» bei Walth. l!<-ifra-e 1, 33,34. •**) Ebendaselbst 122. Walch 1, 43. '*') In Frankenberg in Hessen hatte sich der alte Satz erhalten: wer syn worth selbst riJt, \crs])ii'clil sich der, dcss cn mag- he sich uiclil erholen — sumlcrn he niussden 16* ä44 Heinrich Siegel, Die Eilioliinf^ im gerichtlichen Verfahren. lind diese Zurücknahme und Besserung durfte an manchen Orten sogar so lange wiederholt werden, bis endlieh das Rechte getroffen war. Man könnte allerdings durch ein Urtheil welches von den Leipziger Schöffen im fünfzehnten Jahrhundert gesprochen wurde, mittelst eines argumentum a contrario zu dem Schlüsse sich versucht finden, dass damals selbst ohne Bussfalligkeit gegenüber dem Gerichte eine Erholung unter Umständen gestattet worden sei. Unter der Rubrik : von eynen antwurter der vor gerichte keyne hoUinge noch wandil gedingit bot, was her deme richtir ist dorumb voruallen, lautet nämlich das Urtheil i**), Sint dem mole der ant- worter em keynen man gedingit bot vor gerichte sin wort zu redin vnde also an sin wort seibin getrethin ist, vnde em ouch wedir wan- delunge noch liolunge gedingit bot, so bot der do methe wandil gebort vnde ist dor vmb dem richter voruallin sins gewetes vnde mag mit dem geweite des richters wedir an sin wort komen. v. r. w. Allein kaum dürften diese Entscheidungsgründe genügen als sichere Grundlage für einen solchen Scbluss, für die Behauptung, dass dann, M'enn einer selbst seiner Sache waltend Erholung und Wandelung sich bedungen, von diesem Rechte hätte Gebrauch gemacht werden können, ohne dass dem Gerichte die herkömmliche Busse verfallen wäre. Höchstens könnte darauf die Behauptung gegründet werden, dass im fünfzehnten Jahrhundert die Gerichte selbst zu diesem Zuge- ständnisse im einzelnen Falle konnten vermocht werden. schaden han. Doch fügt Emmerich in seiner Arbeit über die dortigen Gewohnheiten vom J.ihre 1493 (Schmincke, Anal. hass. 2, 718) bei : ess en wuU ym den der jener gunnen, der widder en ist, unde es tzu gute halden. Hierin spricht sich deutlich das Recht des Gegners aus. '*4) Mitgetheilt von Haltaus, Glossar c. 590. Verzeicliiiiss der üingej^niigenen Drucksclirirteii. ^^40 VEUZEFCILMSS DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN. (MÄRZ 1863.) Accadorriia delle scienze dell'Istituto di Bologna: Mernorie. Serie II. Tomo I. Fase. 4. Bologna, 1862; 4o. AI b 0 rgli e t ti, Carolina de, Documenti storici delle famiglie. Strassoldo e Dolia Torre. Venezia, 1863; 8o. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. IX. Jahrgang, Nr. 4 «& 12. Nürnberg 1862; X. Jahrgang, Nr. 1. Nürnberg, 1863; 4". d'Avezac, Restitution des deux passages du texte grec de la geograpliie de Ptolemee aux eliapitres V et VI du septieme livre. (Note lue a la St" geographique de Paris, 17 oct. & 7 nov. 1862.) 8o. Institution, The Royal, of Great Britain: Nofices of the Pro- ceedings. Part XII. 1861 — 1862. London, 1862; 8". Kaufmann, A. , Das Gebiet des Weissen Flusses und dessen Bewohner. Mit 1 Karte. Brixen, 1861; 12o. Löwen, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus dem Jahre 1861 — 62. 12», 8o & 4». Maatschap pij, Ilullandsche, der W'etenschappen te Haarlem: Natiiurkuudige Verhandelingen. XVII. Deel. Haarlem, 1862; XIX. Deel, I. Stuk. Haarlem, 1862; 4». Michelsen, A. L. J. , Urkundlicher Beitrag zur Geschichte der Landfrieden in Deutschland. Nürnberg, 1863; 4". Mittheilungen der k. k. Central -Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. VIII. Jahrgang, Nr. 3, Wien, 1863; 4«. — aus J. Perthes' geographi.'.cher Anstalt. Jahrgang 1863, II. Heft, Gotha; 4«. Neve, Felix, De l'invocation du Saint- Esprit dans la liturgie armenienne. Louvaln, 1862; 8«. — Guy Le Fe vre de la /i'ii) Verzeiuhiiiss der eingegangenen Druckschriften. Boderie, orientaliste et poete. Tun des collaborateurs de la polyglotte d'Anvers. Bruxelles, 1862; 8". Piehler, Georg Abdon, Salzburgs Landes-Geschichte. I. Abtliei- lung, VII. Heft. Salzburg, 1863; 8o. Poggiolo, Giuseppe, Alcuni seritti inediti di Michelangiolo Pog- gioli. Roma, 1862; 8«. S i c k e 1 , Th. , Monumenta graphica mecUi aevi. Fase. VI. Tab. I — XX Nebst erklärendem Texte. 4. & S. Lieferung. Wien, 1862 & 1863; Folio & 4o. Society, Tbe Asiatie, of ßengal: Journal. N. S» Nr. 49—541, 1843; Nr. 1 — 6, 1847; Nr. 5—7, 1852; Nr. 5, 1853; Nr. 7, 1855; Nr. 5 & 6, 1856; Nr. 6, 1857. Calculta; S«. — Index to Volumes I, to XXIII, of tbe Journal, and to Volumes XIX and XX of tbe Asiatie Research s. Calcutta, 1856; 8o. — Bibliotbeca Indica: Nr. 1 — 75, 77 — 93, 96, 98 — 178. 180 — 185. Calcutta, 1848 — 1862; 4» & 8o. New Series. Nr. 1—30. Calcutta, 1860—1862; 8o. S teffenbagen, Aem. Jul. Hut^o, De inedito juris germanic monumcnto, quod codice maniiscripto Bibliothecae civitatis Elbingensis Nr. S. Quarto continetur. Regimonti Brussorum, 1863; S\ Übersicbt der Waaren-Ein- und Ausfubr des allgemeinen österreicbiscben Zollgebietes und Dalmatiens etc. im Sonnen- Jahre 1862, Zusammengestellt vom Recbnungs-Departement des k. k. Finanz-IVlinisteriiims. Wien, 1863; 4o, Valentinelli, Giuseppe, Supplemenli al saggio bibliografico della Dalmazia e del Montenegro. Zagabria, 1862; S», — Diario di Pordenone Febbrajo MDXIV. Yenezia, 1862; 8». Verein, historischer, für Krain: Mitlheilungen. XV. Jahrgang, 1860. Laibach; 4«. — historischer, für Niederbayern: Verhandlungen. VIII. Band, 3. & 4. Heft. Landshut, 1862; 8«. — historischer, von und für Oberbayern: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte. XIX. Bd., 3. Heft, 1858-1860; XX. Bd., 3. Heft. 1859; XXI. Bd., 2. «fc 3. Heft. 1860; XXIL BJ.. 1. & 2. Heft. 1861. München; 8o. — 21. 22. & 23. Jahresbericht für die Jahre 1858, 1859 & 1860. München, 1859, 1860, 1861; 8«. I SITZUNGSBERICHTE DER KAISEllLICnEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. P III IJ) S 1 1 P III S C 11 - n I S T (J R I S C II E C L A S S E. XLII. Wkm. II. IIKFT. JAIIHGANG 1863. -— APRIL. 17 249 . SITZUNG VOM 15. APRIL 1863. Vorgelegt: Herr Professor Mussafia legt zwei altfranzösisehe Epen des Kerlingischen Sagenkreises aus den Handschriften der St. Marcus- Bibliothek von Venedig (La prise de Pampelune und Macaire) vor und ersucht, die Herausgabe durch eine Unterstützung der Akademie zu ermöglichen. Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache. III. Von Dr. Friedrich Müller, Docent der allgemeiaea Sprachwissenschaft an der Wiener Universität. Obwohl ich in meinen Aufsätzen: „Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache I. und \\." (Sitzungsber. Bd. XXXVIII und XLI) die Grundziige der armenischen Lautlehre vom sprachverglei- chenden Standpuncte hinreichend behandelt und meine Behauptun- gen durch genug zahlreiche Beispiele unterstützt zu iiaben glaube, so halte ich es doch nicht für überflüssig das. was ich bei wieder- holter Beschäftigung mit diesem Gegenstande weiter gefunden, hier mitzutheilen. Dadurch wird, wie mir dünkt, einerseits manches klarer, andererseits manches, was ich dort vermuthungsweise aus- gesprochen, als sicher erscheinen. Der Übersichtlichkeit wegen will ich mich bei meinen nach- folgenden Bemerkungen besonders an das im ersten Aufsatze Vor- getragene halten. 17* 2 S 0 I>r. F r. Müller Was die Aussprache der Lunte p, ^, q^, -i, ^, "• anbelangt, so ist es von Interesse die Bemerkung des Armeniers P. Sibilian in den Sitzungsber. VIII, 283 zu vergleichen, wo er bemerkt, dass die im russischen Armenien, in Persien und Ostindien wohnenden Ar- menier die alle richtige Aussprache dieser Laute bis auf den heutigen Tag erhalten iiaben. Zu den bei der Lautverschiebung angeführten Beispielen ingQ man noch Iiinzii : Jlufiän (^marQ Schlacht, Kampf, davon «/?"/»"'^/j^^ (mart-n-chil) kämpfen, vgl. altb. -"ßjl^c (muredhay Vend. I, 20. ^'"^ (koii'J Kuh, neup. Js^ CO^'^J' ^^^^' ^^ CO^^^J- k"""'"- C^cttü = katov) Katze = altb. --«a^qs (gadhivaj im Vendid. oft, das fälschlich durch „Hund" übersetzt wird. Zu !(•. Iii'lig (hiiq) Siegel, vergl. neup. üy^ (nigin). "hlinA (nkün) nieder, gedrückt, arm, neup. ö^ (nigün). ^"V"^ (ktro%) Messer, ^«»^^^ (ktreQ schneiden, vgl. neup. ^J^ (kärd). it.^us^ fakahj wissend, kundig, neup. ilTl (ugüh), Pehlewi dnd^ (dkdsj, vgl. altbaktr. •'^^^y .1?»^'^« -6^« •£"■»" Vend. XXII, 5 (Spiegel S. 191} „da bemerkte mich die Schlange (Anro-mainyu)'* . Zu u,\ i[>i"n (dirt) Hefe, Bodensatz = neup. J>j^ (dtird). ,n,up ßai\) „abstehend, weit", vgl. altb. V*"«!» (taröj und J^^^-^9 (farniüdan) im Sinne von „sagen". u^uMu,pu,i,u, (patrasty „vorbereitet, geordnet", neupers, i>l^\j Qubar-iüi), ein merkwürdiges Wort, kommt bekanntlich auch in den slavischen Sprachen vor. „iiupnupLi^ {pariirel) umwickeln, umgeben, vergl. altb. J^j!? •''''"0 (pairi -\- verej. miu^ufuA, Qyast^ pan) Beschützer, Vertheidiger, davon i'iiu^'n,tfu,'i,L i^ {pustpanelj Beitiiige zur Lautlelire der ai'ineiii$clii.'ii Siirarlu-. III. /CO i vertheidigeii , beschützen, vcif;l. neiip." üULlj (pusthun). "i"'i'Hi (^pnrik) Pari, jnui>riiuu^iup[.l( (liuslutpar'ik) Centiuu" (Kznik L'ih^ ,u'iu,'h,f^ny pag. 98), vgl. nciip. ^y (pari), altb. -"j^^'-e) fpairikaj. Zu ^: u/iif-uiiP (^(tiiffftm) Zeit, iicup. «iCib (hanyam). '//'"•> (groh) Ihiufe, Volk, iieup. li^^ ((juioh), vergl. Sclialinaiiieh: t"L Cö^O »sein". Wühl ursprünglich = ^«7^ ri7'^0 wgel'^^'ii"» altinil. ga-m, wie L'iiuhf,i^ (epanilj = Liiu'hbi^ (elaneQ. In ßetieft' der Bedeutung vergl. man neup. ÖJ^^ (siidan) im älteren Sprach- gebrauche „gehen", altb. >}H3^(shu). t{-»Af- (gund) Schaar. i'iii'ijf/ (^gndak), auch t^unulf (gntak) Kugel, vergl. Vend. lil, 108 -£"«5 ■\i(o „Wenn Cberfluss da ist, da fliehen die Dacvas" — [die vorhergehenden -^>a>" -V»*»«) und W-^o'e) fasse ich als: „Getreide(aussaat)" — ^,(Getreide)reiiiigung" (Ausdre- schen) und „Zeistampfuiig" (des Getreides) = Mahlen]. Das ara- bische -X-^ (gund-iinj scheint unserem i-m^ii- entlehnt zu sein. Zu f. iiij'i (end) hinein, hinzu, neup. jjJl (andar), altbaktr. {Ii.50^« (palliare). ^h'T (dem) „Antlitz", neup. x^ (dlm), vergl. pyill-kJ^ (end-dcm) „gegenüber", vgl. altbaktr. -»''i^ (doithva) „Auge", von di, neup. üJ^^ (didan); dazu gehiirt auch 7-^"» (det) „Wächter". i'^tQ, (damq) „Schlinge", neup. Jj (dum). itHtjfi (dmak) Schweif, neup. j.^ (dum), altb. •^^^e^ (duma). Zu p'. ftLiifü (bern) Last, neup. ^ (^bar) — piut^dluliu/i, (buz- makan) Tischgenosse, p""i'ftL (bazmil) sich zu Tische setzen, vgl. neup. py (bazm) Gastmahl, ptu^fr (baze) Falke, puiqk'iw'b (baze- pan) Falkner, neup. tjj\» (buzi). put.j.lt'h (bagin) Götze, Statue überhaupt, vergl. altpers. ^f ^ff^ C^^^g^O^ '^'^^' ""'^^ (fj(ighn), Pehlewi ja (bug), in dem Stadtnamen j^äj (bugh-dud) noch heut zu Tage erhalten, piupiulf (barak) fein, dünn, neupers. S^j\j (burik), Jjli (burik). Die armenischen Aspiraten /", p^, ^ entsprechen zwar im Gan- zen den allbaktrischen ci», ^, &; es besteht aber doch z\\ischeii 232 Dr. Fr. Müller beiden ein wesentlicher Unterschied. Während nämhch die altbak- trischen aus den entsprechenden Momentanen durch Einfluss be- stimmter ihnen nachfolgender Laute entstanden sind, so ist dies, besonders bei /^ und '[> nicht der Fall. Die Aspiration hat sich bei denselben nicht von aussen, sondern mehr von innen heraus ent- wickelt, und sie sind daher in dieser Beziehung zunächst an die osse- tischen 01 und \ anzuschliessen. (Vergl. Beiträge zur Lautlehre des Ossetischen S. 5.) Zu R: Ri^pJ" (tharm} jung, frisch, vergl. neup. ^7 (tarj, altb. -«j>''»»^ (tcmruna), altind. taruna. LRk (ethe) „wenn", vgl. Pehlewi riN (at), altbaktr. joi^ksw (yeidhi), altpers. yadiy, altind. yadi. p^^u'iii.f, ßhanZr) fest, dick, altbaktr, -^^-^'f^-s? (tancistaj. 13-wif.L-i^ (^thaphel) wenden, biegen, neup. o"^^' (tdftan). tpRiuf^ (erthal) fortgehen, abgehen, allb. (i*^^ (irith) „sterben", wohl ursprünglich „abgehen", vgl. griech. oi-^oixo:i und arab. jllib (ha- lakcQ „zu Grunde gehen" == liebr. "j^n {hdlakhj weggehen, ebenso auch neup. ü-X^ (siidan) „gehen" — auch „sterben"; vergl. Schah nämeh : Die Pehlewi-Übersetzung übersetzt das altbaklrische ■'!i>^* .-»<1«e) (para-irith) durch pn^Tm (ivetiHtann), pnim (ivetartann^ = neup. O'*-^-^^ (gudastan), so Vend. V. I. R-^ihi^ (thrchil) oder p^n^u/iifn^ (thraiüQ „fliegen" == altb. \\'^ (tere) wie neup. ö^j* (paridan) = ihö (pere) oder Denominativverbum von ^j (par)? Zu 'p: lii>i/,Li^ (kophel) hämmern, schlagen, nenp. ü^9_^ C^^'f- tanj, rCy (^köbamj. b,j[,hi^ (^ephel) backen, kochen, vergl. giiech. c;r-Tdw, on-rioi. f^'"^'^^ (^thaphelj wenden, biegen, ueup. ^j^sb (tuftnn). i/i'un^ (pharq) Majestät, Gi;inz, neup.^ Cf'i'^0- u"'/'^ (laphclj schlürfen (besonders von Thieren), vgl. griech. län-rtji. i^tuinui, fpheturj Feder, altbaktr. ■^'^"'^ü (ptara}, rtTspöv, nri^yj^. t[,nL,u, (^phiiQ faul, verdorben, davon '/»»^^ fphlcQ verderben, ver- faulen lassen, '/>'"f>i^ (plitil) verfaulen, verdorben werden, vergl. altb. ■><;<>*"»"ej (pavaitij Fäulniss. Vend. V.; griech. -O-w. Beitrüge zur Laullelire der armenischen Sprache. III. ^53 Merkwürdig ist 'l> = b in ("•"•/•iMi (klmphuk) Neger = aral). ^_j^lc5»» (^habasij-un). li"!hL''[t (^kanepli) Hanf = cannabis. Zu 7: ^M/t.«/y.«^ (^gavazan) Stock, neup. O^j^i (gdvazuny, alll). ^^^»'»(o CffavdzüJ Vend. XIV, 45 „Stock zum Antreiben der Rinder", y.ivTpov. i'u>L/,ff (^zarik), qiuii-Lli (^zareky Rauschgold, Flit- tergold, neup. j^ (zar), altb. *|^ (zairl). ip'-'^ (^zrah) Kürass, Panzerhemd, neup. ijj (zirali), altbaktr. -»&'^ (zrudha). 'i-litjutlf Qiizak) Speer, Lanze, neup. i>jy (nizah). 'i'fiiuq Qiiaz) arm, noth- dürftig, vergl. neupers. ^U (^niyaz) Noth, Nothwendigkeit. tjl/hnui^ (zenfil) schlachten, Aorist, •jl.'i'l' (^zcn-i) = neup. i>J>j (zadan), xj (zaiiam), altb. J^ (zun), altind. han. '[uiq^Li^ (ivazel) weg- fliegen. ^«»T^ (tt^azq) Lauf, Flug, neup. i>^j^ (^wazidanj, Peh- le\\i pn^Jl (li'afjitann), altbaktr. ^"^ (vaz) Vendid. V. "in.lutuq^ (nokhaz) Ziege, neup. ^l^: (iiuhuz), Pehlewi "['jxnj {nuhdßik). iniLi^(^mzel) auspressen, vgl. neup. ö^->j^ (^mazidan) saugen, aus- saugen, ''•qii'lß (nzo^iHj) Fluch, Eid, Anathema, vgl. altbaktr. jüj5 fzbc), JCHV^M (nizbaijcnn), altind. hve. Zu «^: d^iuiifxp (zaniq) Ziihne der bilden Tbiere, vgl. allslav. 37k^7v und griecb. '^ap.^^cci. tr^^L Ol^'^^'O betiiigen, uif>iiui'f^fiiit.tf (tira-drni) der den Herrn betrügt (Fznik L'ih^ /«^/«^/^^/»y pag. 252), allb. -^i^l^ (druklis), accus. 6J«J*>^ {dnnemj, i'^^ (driizim), altind. drnh, dvugh. - (das aus g erweicht ist) wechselt; vergl. f-iu(f (baz) Tribut, neupers. jl , j\> oder p-L, altp. ^V yy^ >-/^ ww (b(uji). Zu »: iuii,i,[ip (astiq) Welt, besonders diese, altb. jupi„uL.bi^ (parsavcl) strafen, tadeln = altpers. ^ ^y V^ (pct'C) .^ vergl. Peblewi cxiDnXD (piUfrds) Höllenstrafe, «ä^«- (ser) Art, Gattung, davon •iL.liuIiu,^. (serakaii) einer, der zu derselben Gattung gehört, altbaktr. -«ajl-i» (garedha), neup. a^-v*» (sardah). •uutifmi, (asparj Scliild, neup. j<^ (aipav). 'inuu,u,„ui,n. (^navasard) Name des ersten 254 Dr. Fr. .\I ii I 1 e r Monats im altarmenischen Kalender, wörtlich „Neujahr", altbaktr. -u(Bj1i>i> (^garedha), neupers. J^-j (säl). uuiui'bij.lupiuJhu, (spandara- met} Beiname des Bacchus, dürfte nichts anderes als das altbak- trische „gpenta dniiaiti", der Gedeihen und Kraft bringende Ge- nius der Erde sein. Zu ^: ^'u^ (kam} Arm, altbaktr. -^^^ (kasha) Vend. VIII. uiiu^l^ (^tcisel) glätten, schneiden, behauen, vgl. altb. tash, altind. taksh, griech. Tiy.roiv. ^.««^ (^d(tsn) Bündniss, Pakt = altb. -"^ör"^ fdashmaj, altind. dakshina „rechte Hand", griech. os^tig. In Be- treff der Bedeutung vgl. man arab. ü^ {yamin-un) „rechte Hand" und „Schwur". ^^>^/^ (sinel) bauen, altb. >^ (shi), altind. kshi, griech. xtjTw. lu^lru, (^speQ Hirte, vergl. neup. öL^ (^subun) mit einem andern Elemente im zweiten Gliede der Composition. 2_ scheint ehemals vollkommen das avghänische j_^'*) (darüber vergl. meine Abhandlung: „Die Sprache der Avghänen I." S. 13) gewesen zusein, wie folgende Transscriptionen beweisen: wp^lr^ u^fiu^ninnu = o'.^yj.zrÄ'j'/.OKog ; ^nn^nu grüu, blass = ylupig. Zu Ä-: &%oin (y)i6t) Kinn, Wange, vgl. neup. ^j (^zanakhj, altind. hanu, griech. yiwg. «7»*^^^ (^argiv) Adler, altbaktr. -"J^^dj (erezifyuj Vend. XYII, 28, altind. rgipya „geradfliegend" = nieder- .schiessend. dluhruhif,!^ (maganil) anheften, ankleben = altind. magg. pnt.& (biig) junges Lamm, neup. jy (büz), ^ (biiz) Ziege, altb. j^->\ (buza) Vend. V. Zu ^: tt-p^li (derZik), i-bpiu,^ (der^ak) Schneider, neup. ^JJJ^ (darzi), jjJ> (darz) Nath des Kleides, vgl. altb._j;^S^^"ey (handareza) Vend. Vlll, 242 und 245, wo es durch „lUindel" über- setzt wird. ^.iJi>q.lrpi (hcmderZ) Kleid (wörtlich: „Zusammenge- nähtes") und als Präposition „mit", vergl. altb.^j^S^ (dareza) befestigt, anhaftend, von derez, altind. drh. Zu 2^: jT/iz/iiY (cavj)) feit, Pehlewi ^-n (carp), Parsi ^*^'>y (cario), neup. ^y>- (carb). f"^ (gf^^J Gyps = neup. ^ CO^^O weisse Erdart zum Bauen der Gebäude. i^lrJLf^ (cemel) spazieren. ^LHupuhi (cema7'an)y T^bJhihg (cemeliq) Ort zum Spazierengehen, neup. ^->^-*>" (('(imidan) und j«»- (caman) Garten. ^uiuinJi (^6a- Beiträge zur Lautlehre der ariooiiisclieii Sprache. III. ZDo puk) biegsam, hurtig = neup. ^ylo- fcdhuk). miuu,ytui£ Q)atmc) piissend , i^iowj/uzr^^ fpnt.sacilj passen, vgl. altb. '^i^yf^ (gavuiti), iieiip. y^^ (sazadj. J^n-^tulj (^mi\c(ik) Schuh, neup. aji^ (müzali). Dahin gehurt vielleicht auch nftuuiJliL.i^iu'ii QiafmücanJ Kleid, '^'^l--/ (ivicC'l) streiten, vergl. aitiucl. viveka von vic. Zu^: ««/'£ (ai'sUy Bär, ossetisch «ipc, iup^.un. (arsharj Rind, Stier, vergl. grietli. äpon^^ und altind. rslia-bha, vrsha, Urlorm vrshanf „der besamende". Ül)er «- = auf vergl. Lp/n/iup (^erhcarj Renner, aUbaktr. £«»''>- (aurcaQ. Zu^: (Liua (bii:;) offen, entfernt, ohne, vergl. ^b (bäz). Jl'ijl-i {inr^elj tödten, kämpfen, altb. ri^li (merec), r^J^je (mcrenö). •jm-i (^i'd) Slier, vergl. goth. stiur, altind. stliüra. Zu /»: luiJui-u,/^ (khandal) lachen, neup. (JJujJ>> (khandt- dan). ^•ufumpiuff (^cakharaky kleines Rad, Spinnrad, neup. &»i/>- (carkhahj, vergl. altind. vakra Rad = griech. y.-jylo-, lat. circo-, davon 2r,///«^/t-^ (cakhrel) sich tummeln, im Kreise herumdrehen, ^lufi.piJii^ (^cakhranq) das sieh im Kreise drehen, «//«i« faklit) Krankheit, Leiden, altb. *^- (akhti) Vend. V, 86. ^^^^^ (iskhel) regieren, vgl. altb. ^^^ (klishi), altind. Ä-sA/. ^ftT (kham) roh, ungebildet, neup. »U»- (khdmj. piu^lutri^ (baskhelj vertheilen, zer- streuen, vergl. ni'upers. OX-^ (bakhsidanj und altbaktr. \h^j^ (bakhslij schenken, vertheilen. tuy/ump^ (^askharh) Welt, Land, altb. j'^ö-^^Jü' (khshathra) Heich, Land, »l^u, (^uklitj Gebet, Glau- bensbekenulniss, Paet, Bündniss, setzt altb. ukhti voraus, altind. ukti. '"'^'";'l"'"p^'i (^apaskharel) bereuen, iui^ttiyfinupi,t.f}-/,t,'i, (^apa' skharutliiunj Reue, altind. apa -\- kshar oder /»s/i«/ „übwaschen" = sühnen, lu^piuu, (^askhat) Arbeit, Mühe, setzt eine Form altb. khshati, altind. kshati „Verletzung, Plage" von kslian voraus. [un'i.iui,^ (khonavh) „demüthig, sich beugend", setzt eine altb. Form klinatlua voraus von <3''\^ (khnatli) ^„sich beugen, anbeten", vergl. Vend. XIX, 18: ■*<^>>'^^\^ -i^m •'^i^y'^'^ö -^j*!*^ „Ich will tödten die Pari, vor welcher (das Volk) sich beugt" — und Vend. I, 35. 36: .i^>»^^\^ .i^y^ „Dann bildete ein Übel desselben (Vai'kt'rctas) Anro Mainyu, der viel Tod bringende: die Paii, vor welcher (das Volk) sich beugt". 256 Dr. Fr. Müller Zu <^ und zwar: a) Gutturaler Hauchlaut : -^'''^^z. (pahel) bewahren, «y«»*^.^"'^' {jmhpcm) Wächter, neup. öLjI (piisbän) von spag, latein. s|;ec-. luliuM^ (cikah) kundig, wissend, neup. An (dgäh), Pehlewi DNDi« (ahds), altbaktr. kag , vgl. Vend. XXII, 5. b) Dentaler Hauchlaut: iu^u.^^ (askharh) Welt, Land, altb. j.1(i^^^ (khshathra). zL'"e^ (snorh) Gnade, Anmuth, vergl. altb. ^)^^^^^ (khshnaothra). "t'^»'.'^ (sepuh) Edelmann, vielleicht Pehlewi nmcn^ (sahimhr), voran letzteres Glied = altbaktr. -»U>e) (piithra). '^>«/?«/. (hamar) Beschreibung, Rechnung, davon ^^u,^ Jh.f,lri^ (hamarel), ^iuJlup[,i^ (hamaril) stimmt mit dem Pehlewi INaN (amur), von altbaktr. ihio' (Iwiere) = altind. smr, während neup.^W*' (sumdr), davon ö^c^ (sumurdan) auf Pehlewi pm^at2>^^« (osmurtmin), altb. jl^s^^^ -^4^- (aiwiskmere) zurückgeht. Zu den Beispielen über den Abfall des h im Anlaute füge man noch folgende hinzu: u,ppl/i„ui^(arhen(d) sich berauschen, trinken, latein. sorbere und griech. poftlv = apofslM. "f/'y (shaj) Hiese = <,uli,uj (hskaj) von ^»«»««^ (hamk) Gestalt, Höhe. ,u1,^u,J'(u}Ujam) Zeitabschnitt, Zeit = neupers. pICä. (hangdm), wohl = altb. ham -\- gdma, während das Vend. V sich findende -"«-(ü -'«i^- (aiwi- gdma) = Parsi «^^(vjV (ogdm). u.pl.u'i. (ariun) Blut, vielleicht = latein. serum Blutflüssigkeit, griech. öpoq. c) Labialer Hauchlaut: ^^«/ (herl) fern, ^Ln.iJh.uf^ (hehtnal) sich entfernen, entfernt sein, goth. fairra. v"'V"V-^ (hrahangq) Einsicht, Klugheit, Gelehrsamkeit, neup- JAli^s (farhung), Parsi Qj^i.ey«')^ (frahang). ^u,f„h, (harsn} Braut, ist wohl von altb. "i^'lö (pereg), ?Mmi\. pracch abzuleiten (vergl. \'Al^'\\\. procm, Freier). Über das Verhältniss des Wortes V"/"'^' zu ^>uf,g,u'i.l^i^ vergl. „Bei- träge zur Lautlehre der armenischen Sprache" II, S. 6. -^/»«"-A'^X (hravirel) einladen, ^«"^4-/» (hraver) Einladung, vergl. altbaktr. {1jl? .^)ii (^fra-vere). Zu "j = 6: L''j" (lojs, spr. luis) Licht, allb. V^-^ {raocö), neup. jjj (ruz). Genit. davon ^'"-«".y (lusoj), »j'^ (^oß spr. ?«'i^ Kraft, altb. \ä^- (uogd), davon nL.27, Note) und Peter manu (Grammatica linguae armeniacae 1837, pag. 38 et 39) Behauptete seihst heurtheilen. Merkwürdig ist^ = r in '^"•ja^L (l'f^jvO '^'tt'""» h'lein. precor, alth. ^\*^lö (pcreg), neup. OX-^j> (purstdan) und armen. ^"V^'"^'^/^ (hav^-anel) fragen. In den indttgermaniselien Sprachen ist mir kein ähnlicher Fall hekannt; auf dem malayiscii-polyuesischen Sprachgehiele kommen aher mehrere Fülle solcher Lautvandlung vor, z. B. Javan. ^f^^ (hiimah) Haus = malay. u^j (rümtili), Dayak. dulia Blut = malay. äjIj (dilvah), Dayak. dulii Dorn = malay. ^j^-> (duri), Dayak. tanteloh Ei = malay. ^^ij (telur) etc. Zu '[: •['"luf.Li^ (ictarciy wegtreihen, vergl. Fehle\\i pmNm (ii-ldrtann) verlassen, aufgehen, neup. ^JC^^ (gudustan). l-cb- •[iup (ermar) Renner, Pferd, alth. g"»^)« (durvat), altind. arvan. qjL.Jh (wxean) Schaden, neupers. J^^ (giizandj, Parsi t^^"^ fvazant). Zu den Liquiden. Dass /^ unter den Liquiden der jüngste Laut ist, geht seh m daraus hervor, dass das Armenische mit demselhen verhältuissmässig häufiger anlautet als mit den drei anderen. Dabei ist meistens ein Laut vor demselhen ahgefallen; so m iß voll, /^""^^ fällen, iiiLi^ hören; vergl. ferner [»uji, (Utjn) hreit, ausgedehnt, nlccTvg. i/>i'fii (liniiy sein = r.ilo[xai ich hin — bewege mich (vgl. TzdA/M = r.y'K-i-'ji ich bringe in Bewegung, schwinge), Jit^ (li<^) See von iilu. Zw 'U t^'iu''ijf'i^(epanil) sein, wohl ursprünglitdi identisch mit l.l.u'bLi (clanel) ausgehen = altb. {^{ (ere), vergl. ö-Xi» (sudan) „gehen" — dann „sein". Ein ähnlicher Zusammenliang besteht zwischen -»^ih (eretaj, altind. y^a und satya, sattva von as. u„i,u'i„i (apand) Secte, falsche Lehre, vielleicht = neujt. Juj (rind) Ein- siedler. Zu/»: Lptfi (creh), l-ff-ff'j (cvekoj) Abend, vgl. golh. riqnis und altind. vdfjas. Lputli (crak) Ader, neupers. Jl}j O'iiij), l-i»uJip (erunq) Schenkel, alth. -»j-^ (rana). Ji>"^i' (virur) Hefe, Nieder- schlag, vgl. althaktr. Vend. II, 48 K^ -V^^c -Vi»»-«?" „fester, diiker Schnee". 258 Dr. Fr. M ü 1 1 er , Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache. III. Zu «/"und ^: J^lfiL^ (mrshiun) Ameise, neup. ji^^-« (mor), Ä\Xh. 4libj>6 ^maoirij Vend. XVI. inJimuii (^maniik), J^u'i'p (^manr^ klein, vgl. goth. minniza, latein. mhior, altiiul. mandk wenig. Jt^iuiTujpin (^menamart) einer, der allein kämpft, Jh'iiui^tiui^ (^menanulj allein sein. Jh'Lu.ilui^iuiv. (jmenawacar^ Monopolist, vergl. griech. /jlövoj. 'LL'b^ (ne7ig) List, vgl. neup. 3^ (nang) Schmach, Schande. Vorlagen in der ('lasÄeiisil/.iiiig;. /ClJO SITZUNG VOM 22. APRIL 1863. Der Classe wird vorgelegt die von Herrn Professor Dr. Fer- dinand Bisch off eingesandte Sammlung von Urkunden zur Geschichte der Armenier in Lemberg, und von ihr der historischen Commission zur Verfügung gestellt. Die Commission, welche mit der Prüfung des der Akademie vernuicliten handschrifilichen Nachlasses des Freiherrn Hammer- Purgstall beauftragt worden war, erstattet ihren Bericht, in wei- chem sie naelifolgendes Verzeichniss der darin vorgefundenen Werke und Aufsätze des Verstorbenen gibt; — druckfertig ist nichts davon zu nennen. Verzeichniss der im Freiherrn Hammer -Purgstairsehen Nachlasse vorgefundenen und im Besitze der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften befind- lichen Manuscripte. 1. Die Fortsetzung der Liferaturgeschichte der Araber. Wohl als 9. Band zu betrachten. 2. Manuscript zum 2. und 3. Abschnitte des 3. Zeitraumes der Literaturgeschichte der Araber. 3. Makarri's Werk über die spanisch-arabischen Dichter, zahl- reiche Proben aus diesen Dichtern enthaltend. Alles in deut- scher Übersetzung. 4. Auszüge aus arabischen Dichtern in Übersetzung, eine von dem lierin Verfasser mit Charidet überschiiebene Handschiift. 5. Kinige sehr kurze Berichte über die Krim in türkischer Sprache. 260 Vorlagen in der Classensitzung. 6. Auszüge aus Taghriberdi's ägyptischer Geschichte in Über- setzung. 7. Übersicht der osmanischen Literatur. Nur einige Bogen. 8. Haidari , historische Bruchstücke in persischer Sprache. 9. Kaniinname , statistische Berechnungen verschiedener Ge- bühren. 10. Auszüge aus dem persischen Wörterbuche Ferhengi schuüri. 11. SammUing bildlicber Ausdrücke in persischer Sprache. Zwei Abtheihingen. 12. Persische Synonyma. 13. Persische Phraseologie. 14. Auszüge aus arabischen Wörterbücbern. 15. Verzeicbniss tatarischer und dschagatai'scher Wörter, die sich in türkisch-europäischen Wörterbüchern nicht finden. Nur 11 Seiten. Folio. Das Übrige, eine Anzahl kleiner Papier- schnitte, Citate enthaltend. 16. Curialia turcica. Verzeichniss einiger Wörter des türkischen Amtsstyles. 17. Bericht über 32 besuchte italienische Bibliotheken und das türkische Archiv zu Venedig. Äusserst kurz. 18. Sammlung türkischer, persischer und arabischer Sprüche. Im Original ohne Übersetzung. 19. Persische Sprichwörter im Original und Übersetzung. 20. Auszüge aus persischen Dichtern. 21. Persische Gedichte. Original und Übersetzung. 22. Türkische Gedichte. Original ohne Übersetzung. Ueiiiiscli, nie Grabstele de? Priesters Pl;ili'em\va. 20 I Die Grahstele des Pnestevs Plaliemwa. Mit Interlinear -Version und Commcntar. Von Dr. S. ßeinisch. (Mit 1 Tafel.) Der Text der nachfolgenden Inschrift wurde mir in einem schönen Papierabklatsche von 4' 10" Länge und 1' 2" Breite von dem wirklichen Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschatten, Herrn Professoi' Franz Unger aus Unterägypten mitgebracht. Die Stele, welcher diese Inschrift entnommen ist, befindet sich gegen- wärtig im Museum des Vicekönigs von Ägypten <). Ihrem Inhalte nach gehört dieselbe der religiösen Literatur der Ägypter an und zwar speciell dem Todtenritus. Sie enthält Anrufungen an den Gott Har- machis, an Anubis, den Wächter der Hadespforte, an den Horus von Cherti und an Osiris von Kakem, dass diese der Seele des absfe- schiedenen Priesters Ptahemwa (wörtlich: der Gott Ptah im Schiffe) den Eingang in die himmlischen Wohnungen aufschliessen und die- selbe in ihre Mitte aufnehmen möchten. Dergleichen Inschriften, gewöhnlich auf Kalksteinstelen eingegraben oder auch blos mit Tinte geschrieben, wurden in der Regel vom Sohne oder den nächsten Anverwandten des Verstorbenen für diesen den Göttern gewidmet und in dessen Grabe aufgestellt. Nach diesem ihren Inhalte nennt 1) Herausgegeben, beschrieben und auch theilweise übersetzt wurde diese Inschrift von n. Brugseh in dem „Recueil de raouuments egyptiens", Leipzig, 1862, part. I. pl. VII, doch kam mir diese Publication erst zu, nachdem ich bereits die gegen- wärtige Übersetzung der Classe vorgelegt hatte. Verbessert habe ich nach ß rüg seh nur den Namen des Verstorbenen, den ich zuvor 'Aa^-F(ah'-cm-va las, indem ich irrthiimlich die beiden Arme, welche als Determinativ zu uba zu beziehen sind, als einen Bestandtheil des Eigennamens betrachtete. Zu berichtigen ist an dem sehr correcten Texte von Brugseh nur der dreimalige Abgang der Gruppe O- vi'a-chcni nach dem Eigennamen , welche der mir überbrachte Papier- abklatsch noch deutlieh enthält. 262 Reinisch man daher diese Grabdenkmäler, welche in mancher Beziehung die Bedeutung unserer Leichensteine haben, Todten- oder Weihstelen. In der Interlinear-Version glaubte ich die lateinische Sprache an- wenden zu sollen, weil in dieser die ägyptische Satzfiigung genauer wiedergegeben werden kann, als mit Hilfe der deutschen Sprache. Der Text, dessen Transscription und Übersetzung ich hier folgen lasse, befindet sich auf der beiliegenden Tabelle. SUTN TA H'oTP HAR-ChU-Tl NuTeR AS ANCH eM Pium munus dedicatum Harmachi deo sancto viventi in M'A TA.K UNN eR CHeTA.K ASI eMMa 'A Neb H eH' veritate; concede, (ut) sit in scala tua sancta coram latere domini seterni- 'AQ PeRe eM NuTeR-GaR MeN SNA HeR Se- tatis, (et) intret (et) exeat in orco nee excludatur ex portis Ba.U eN DAAU eN Qa eN eP.P'A-H 'A SUTN UBa coelestibus rn; orlorise domus rj persona rou prineipis, e regia stirpe sacerdotis PTaH'-eM-UA M'A-CHeRu. Ptahemwa justificati. SUTN TA HoPT ANUP FeNTI NuTeR-Seba Pium munus dedicatum Anubidi sedenti apud divinam portam infer- TA.F QaBH' ARP.U ART S'oP SeN.t.U nalem, (ut) concedat libationem vinorum (et) lactis, (et) accipiat panes PeRe eMMa QaBH' H'oTP.U eMMa.K eN Qa eN qui offeruntur coram [te], libationem (et) saerificia coram te -^ persona vov eRP'AH'A SUTN UBA PtaH'eM-UA M'A-CHeRu. prineipis e regia stirpe sacerdotis Ptahemwa justificati. SUTN TA H oTP HAft FeNTI CheRTI ASIRI Pium munus dedicatum Horo dominanti (deo) in Cherti (et) Osiridi HeRI Qa-KeM TA.K UNN S'eSe eN H'aNU eM H'eB.F in Kakem; concede, (ut) sit serviens in navi in panegyride eius eN MeR SeBTi S.QA.F eMMa R'a eN QA eN TYjg circumambuiationis muros (et) celebret coram Sole vj persona roO eRP'A-H 'A SUTN UBA PTah'-eM-UA M'A-CbaRU. prineipis e regia stirpe, sacerdotis Ptahemwa justificati. Commentar. /X wofür häufig die phonetische Gruppe /l '^ SUTN ein- tritt, theilt seine Bedeutung mit dem entsprechenden cotj-tch, co-yTÜi der koptischen Sprache, dlrigere, dalier /X ^ ^' der König, und adjectivisch königlich, dann überhaupt vortrefflich, vor- züglich, und mit Rücksicht auf religiöse Handlungen dem Ritus entsprech e nd, eorrect, fromm, wie das entsprechende kop- tische cT-coTTOiti, rectus, ortltodoxus. Die Giabstfle des Priesters Ptah'emwa. 20o ^. ta, auch ^ ^ ta, ^ ^ tu, und ^ tu, ^ tu, "^^^Z^ in ist im koptisclion \, -vt^t-., to, toi, tiu, tgi (darej erhal- ten. Samuel Birch ») suhstituirt für das Zeichen ^ den Laut ma wegen der plionetischen Gruppe ^ — p, m'a, geben, die Gabe. Bei genauer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass ^ — -^ nur ein Synonymon von ^ sei, wie dus koptische -^ von mu, i\.o\ (dare). Hinsiclillich des Lautwerlhes t für ^ vergl. den Namen Petamn (cf. IIoTä/jiwv Suid.) im Piipyrus Cadet, welcher daselbst bald in der Form von ^ /] ^^ ' bald auch in der von ^ h ^^ ^ vorkommt. rq h' otp hat seine Bedeutungen gemeinsam mit dem kopti- schen ^coxn, ^otu bereiten, zubereiten, hingeben, sätti- gen, befriedigen, besänftigen; cansativ: um Frieden bitten (dann meist auch in der causaliven Form P ^ g seli'^ti)); dann vereinigen, untergehen (von der Sonne und den Ge- stirnen). Iq der vorliegenden Verbindung hat h'otp die Bedeutun;;^ darreichen, widmen. Häufig findet man dieses Wort substan- tivisch in der BedeutungGabe, Opfer gäbe, und concret, Opfer- brod, versehen mit dem Determinativ des Opferbrodes. So im Todlenbuch cap. 130, lin. 2Ö: ta.f h otp.ii en nuter u percher.u en chu.ii dedit sacrificia toij diis, inferias roic defunctis, Gleici)er Art ist die Diction im Buche S'ai-an-Sinsin (edid. H. Brugsch. pag. 23, lin. 5): ta f. h'olp.u en har.u percfier.u en chu.u dedit sacrificia ror? diis, inferias r'jlz defunctis. Hieraus folgt, dass h' otp in der eben angegebenen Bedeutung darbringen, Opfer seine bestimmte Anwendung hat zur Be- zeichnung von Gaben, weiche den Göttern, niclit aber auch den Manen dargebracht wurden. Dagegen gewähren diesen die Götter *) Memoire siir iiiie patere eg-yj)!. du miiseL' ihi [.(luvre. Paiis, I8j8, pagr. ä (T. Sitzb. d. iihil.-liist. Cl. XI.II. r..l. II. Hfl. 18 264 R e i II i s c li im Jenseits von ihren h otp.u. So sngt z. ß. der verstorbene Totnefer in einer Turiiier Stele: ?rf ^ B^ j] p, "^m^ R s'ep.a h' otp.u em nuter-gar = ich bekomme Götterbrode in der Unterweit. Das Casuszeichen zwischen h' otp.u und dem nachfolgenden Namen fehlt auf der vorliegenden und auf Stelen ähnlicher Art, es wird jedoch in dieser Verbindung eben so häufig gesetzt als aus- gelassen; vgl, "^^ i- /J3> ^ B ^^ «^ ^'' ^'^ ^^^'^ h'otp en Sokar = actio pii muneris dedicaii röJ Sochari deo. ^ ^ Üar-chn.ti, Uorus der beiden Sonnenberge. Die Haupt- varianten sind "^ SS und 2^ '^ . Hinsichtlich der Phonetik von <=> und täd diu vgl. H. Brugsch, Geogr. Inschriften Bd. I, Taf. L, Ni-. 1348 und 1349. Eirhalten zu sein scheint das chu der vorlie- genden Bedeutung in dem {(optischen Worte ujoii, pars superior, dither eiiujwi> in altum, sursum, und eujtoi, altiis, excelsns. Die Griechen transscribiren den Namen dieses Gottes durch "Apixayj.q; hieraus scheint zu folgen, dsiss die Ägypter zwischen den Lauten Har und chu das Casuszeichen m, obwohl es graphisch nicht aus- gedrückt wurde, doch gesprochen haben mussten. Wie schon die Bedeutung seines Namens „Horus der beiden Sonnenberge" es be- zeugt, war Harmachis eine Form der höchsten ägyptischen Gottheit, des Ra oder Sonnengottes, er wird daher in der Beiordnung auch nur mit Lichtgottheiten in Verbindung gesetzt, als: Ra-Haremchu, A tu m - Harem chu, Cheper - Haremchu und sogar Asiri- IJaremchu (Todtenb. 142, 22). Die mythologische Ausdrucks- weise „die beiden Sonnenberge" hat ihre Entstehung ohne Zweifel in den beiden das Nilthal im Osten und Westen begrenzenden Käm- men des arabischen und libyschen Gebirges, da von den beiden Sonnenbergen die Lage des einen im Osten, die des andern im Westen angenommen wird". So sagt z. B. der Verstorbene imTodten- buche cap. 72, 4: ich begleite den Gott Tckem, sei es dass er ^fer ^^ 1^ l£i -^ ?-^ ^'^'' begeben will nach demSon- nen berge des östliclien Himmels, (oder) dass er sich begeben will nach dem Sonnenberge des westlichen Himmels. Demnach ist Harmachis die Sonne des Auf- und Nieder- Die Grabstele des Piieslers Plali'einwa. ^UO ganges. Fast den gleichen Ausdruck enthält die Überschrift des fünfzehnten Capitels des Todtenbuches: Dan R\i Ilarchuti uhrn.f cm diu ubdu etil pe dau Ka nutev h'otp-f em 'nnrh.t. Adoratio Soli-IIarmachi (quando) fulget in monte orientalis cieli, adoratio Soli deo, (quando) occidit in terram vitce. Das Land des Lehens, nur eine andere Ausdrucksweise für den Amente oder die Unterwelt, wurde in den Westen des Nilthales gedacht, wo die Sonne untergelit. Dorthin zogen auch die Geister der Abge- schiedenen, um ihr ewiges Leben zu beginnen. Vom Sonnenberge des Westens leuchtet demnach die Sonne den im Amente Lebenden, daher ist Harmachis oder der Horus der beiden Sonnenberge auch der Sonnengott der beiden Hemisphären. In dieser allgemeinen Bc- deutun«]: heisst er vornehmlich Ra-Harmachis, während er als Mor- gensonne häufiger die Bezeichnung Clieper-Harmachis, als Abend- sonne aber den Namen Atum-Harmachis oder Asiri-Harmachis führt. ^ oder phonetisch ^ ^ ^ inäer ist bekanntlich das koptische no-TTe, noTT-^, Gott. Aus der Zusammenstellung der mit r auslau- tenden Wörter der altägyptischen Sprache mit den entsprechenden koptischen Formen ergibt sich die Thalsache, dass mehrsylbige Wörter ausnahmslos, zweisylbige in der Regel und einsylbige bis- weilen das auslautende r im Koptischen eingebüsst haben. Das Worten oder^^p w as, asi, zusammenhängend mit dem koptischen d.coT, prctium, hat die Bedeutung heilig, ehrwürdig, dann überhaupt vorzüglich, kostbar und wird als Epithel von Gottheiten, von Standespersonen, dann von Tempeln, Palästen und kostbaren Steinen gebraucht. — ^ phonetisch ^ '^ und ^^^ ^ anch 0 = ö.nä, &.n9^, vivere. ^ m = av. Casus- oder Relations- zeichen = in. — 0, phonetisch 2$^ w*a = MKi, JK^,veriis,veritas. ^^^ ta-k, Imperativ der Gegenwart; vgl. Champollion, Gramm, ^gypt. pag. 420. ^^ tut = oTon, ottH esse, o, Präposition, ent- ') Vgl. H. Brugsch, Recueil de raon. e'gypt. pl. LXI, 3 : § £J ^ ^^^ ^^>^ ^^^ ^Jj ^^ V\ r^ -^'" herrscht über die, welche leben im Lande Ägvplen". IS* 266 R e i 11 i s c li sprechend dem hebräisclien ^ und arabischen J ; über den Ge- brauch vgl. Champollion I. c. pag. 452. ^j»^ bezeichnet ideographisch die Treppe, Stiege. Die pho- netische Bezeichnung dafür ist entweder ® 2^ ^/j cheta, ^ "* /^ chet , ^|/] chet oder ß ^^fpt^ ß ^ ^ ^ Ö'««» welche beide Ausdrucksweisen übrigens in einem etymologischen Zusammen- hange zu stehen scheinen; beide Formen hat das Koptische für die angegebene Bezeichnung eingebüsst. Die mythologische Ausdrucks- weise, Harmachis möge der Seele gestatten, zu verweilen auf der hei- ligen Stiege im Angesichte des Herrn der Ewigkeit, ist nur eine andere Bezeichnung für das Einziehen und Wohnen in den himmlischen Behausungen. So sagt z. B. der Verstorbene im Todtenbuche, cap. 85, 9: nok neb qaa irit.a ses' .t.a ein zcni.u her.t ego dominus scalse; feci domieiliura in terminis codi (sum) ineum superioris. Im Capitel 22, 2 sagt derselbe: nok Asii'i neb Rasta nau enti em-ka chet. ego Osiris dominus terrse castigans eos qui in scala. (sum) Rastse sunt In der Nomosliste von Karnak (s. Brugsch, Geogr. Inschr. Bd. I, Taf. XIX) heisst der Gott Min von Koptos, „der Vater der Götter und der ^^ S^^ Herr seiner Stiege", d. i. seiner himmlischen Behausung, da ihm als dem Herrn der Stiege Niemand den Zutritt zur Wohnung wehren kann. Nur den im Todtengerichte gerecht befundenen Seelen wird der Eintritt in die himndischen Wohnungen gestattet, ihnen wird der Weg oder die Stiege zu denselben er- schlossen; die Lasterhaften dagegen bleiben in der Finsterniss, ihnen wird die Thür zur Sternenwohnung vor ihrem Antlitz ver- schlossen, sie werden von der Treppe hinabgeworfen. So fleht (Todtenb. Taf. L) der Verstorbene zu Osiris, dem Her.n des Jenseits: „Anbetung dir, dem Herrn im Amejite, Unnofer, Herr von Abydos! gestatte dass ich verlasse den Weg der Finsterniss und dass ich mich geselle zu deinen Dienern, welche leben in der Sternenwohnung und dass ich eintrete und erscheine im Lande Rasta". Im Capitel 17 des Todtoabuches sagt der Sonnengott: Ich Die Güilislele des l'iicsteis I'IüIi'imiiwu. Zi) i hin der Gott, der sich seihst erzeugt hat im himmlischen Occan dt*r sich bedndet auf der Treppe in Sesennu und § J §^ "^ ^ (ü P ' J ^D ^ ' ^ ^ ^ ^ /<'^saret domo. „Wohnung der Herrlichkeit" ist gleichfalls eine von den vielen Bezeichnungen des «{.»yptischen Hades. Die Localität dieses Ortes ist flach der Vorstellung der .Ägypter verschieden von der des Him- mels und der Erde. Dies geht hervor aus einer Anrufung an die Götter des Himmels, der Erde und des Herrlichkeitshauses (Stele der Passaiaqua'schen Sammlung, Nr. 1394). ^vvw> -> *t^*^ v.j^' v'^^^ TTT vZ- ^ ^ '^ ^ e. \\\ v-^ / \ X C-3 entuteti na neh.u en pe to dau.t vos oi (ioniini toO coeii, terrae (et) gloriae donius. Nacli der Inschrift auf der Mumie Petof's in Tiu'in (Champollion, Gramm, egypt. , pag. 453) ist zu schliessen, dass die Herrlichkeits- u'ohnung zum Aufenthalte jener frommen Seelen dientf», welche eben die Erde verlassen und noch nicht den Himmel erreicht haben: ^^r° ^ S^ P-^ ^^^ S '^^ ta.ut ba.k er pe.t c/iatJc er pa-dau datur aninia tua in coeliim, corpus tuuni in domum glorise. Als erste Stalion auf der Wan(i<^rung der Seele wird das Herrlichkeitshaus auch angeführt im Todteubuche (/rabelle der Psychostasie, pl. L), wo die Seele an Osiris de Bitte richtet: ta.k uba . u her.t kck . ui num.a s es . 7ik am.u Concede (ut) reiiii- viam tenebrarum (ei)coniun- cum servis qui lial)i- ^ ^ quam') gain tuis, tant dm/ .l-pa in glorise domo. VJ I auch 4^ qa bezeichnet wi)rllich das Sein, die Existenz Jemandeus, daher VV e sen, Geist, auch Person. Vgl. hierüber ') Wöillich: gesfiitte das Vt'rl.isscn (relicliis, pliu.'il.) des Weges ilcr Finsterniss und dass ich mich geselle zu deinen Dienern u. s. w. C i lii Reiiiisch Hinck's On the Egypt. stele. TiMnsact. of the Roy. Irish Acad., vo!. XIX, pag. 59 sqq., und Birch, Mein, sni' une patere Egypt. pag. 57 sqq. Das Wort ""^3^ ern^a, dessen Stamm im Koptischen veiloren gi'gangen ist, ij;t ein ehrendes Prädicat, das Prinzen von Geblüt und überhaupt dem königlichen Hause durch Verwandtschaft nahe stehenden Personen beigelegt wurde, ^^^ ^p^ !^ ^, der Kron- prinz; □ ^p, illustris dux, ein Titel, den in der Hegel Nomar- chen, die hohen Priester und alle höheren Beamten führten, ha ist im Koptischen ^oire, major, primus, erhalten. Der Titel eI»P'A-H"A dürfte am genauesten unseiem Excellenz entsprechen. Er war nicht erblich, sondern wurde, wie die Inschrift zu Benihassyii beweist, vom Könige verliehen, da Nahar, der Sohn des Numhotep, als Gou- verneur des Nomos Saliu zu dieser Würde erhoben wurde (s. Lep- sius, Denkmäler, III, 124, 47); auch Nahar's Mutter erhielt diesen Titel vom König „als die Tochter eines Gouverneurs" (ib. III, 124, 64. 6Ö). Der Laut des Zeichens ^ ist iiba, vgl. Ilouge, Etüde sur une Stele egypt. appartenant ä la biblioth. imperiale, pag. 78 sqq. Mit dem Determinativ /u, versehen, entspricht dieser Laut dem kopti- sehen o-s-efi, sacerdos. Der Eigenname des Priesters ist Ptyh'-em-wa derselbe Name begegnet uns in der gleichen Schreibweise noch in den von Hawkins heiausgegebenen Tablets and other Egypt. Monu- ments from the Collection of the Earl of ßelmore. London, 1843, tiibl. 13. Hier ist nur die Phonetik des letzten Namensbesfandtheiles schwankend, da die verschiedenen Arten di^r Nilschiffe auch ver- schiedene Bezeichnungen hatten. Der Umstand jedoch, dass der Schreiber die phonetische Gruppe dem Determinativ ^ji^ aus- drücklich vorauszusetzen für überflüssig gehalten hat, und das in einem Falle, wo es wie bei Eigennamen hauptsächlich auf einen gan» bestinmiten phonetischen Laut ankommt, lässt doch wohl schliessen, dass hier der allgemein übliche Name für Barke über- haupt, welcher ^ h (Todtb. 17. 79; 41, 2 u. a.) und \h^ (ibid. 67, 2) lautet, in Anwendung zu bringen sei. Analoga von ähnlich construirlen Namen sind nicht ganz ungewöhnlich; vgl. Sam, Sharpe, Egypt. Inscript. pl. 94, lin. 5 und Lepsius, Königsbuch, Taf. XXVIII, nr. 381. Wilkinson, Manners and Cust. vol. IV. pl. 24, Nr. 4. Dif Grii!)ste!e iles Priesters l'tali'em« a. ii i O l^l ^i) und am häufigsten .vl^^J^^ ^ macheru, justificatus. koptiscli Me^iHOTT ist ein Epitheton sänuntlicher Verstorbenen, ent- sprechend uiiserrn Ausdrucke selig. Lin. 2. /j '^ \Änpu, jedocli Anup gesprochen, wie die griechische Transscription 'Avov^ig, das koptische ».uoTfi , Ä.uo-rn , cvnofiion und die hieroglyphische Variante /] ^ schliessea lässt, war der Hermes Psychopompos der Ägypter, wcsshalh er hei PJutarch (de Iside cap. 61) auch 'Epjuiavo'jßt? genannt wird. Phiturch bemerkt, dieser Name beziehe sich auf die Unterwelt, und an einer anderen Steile (1. c. cap. 14) berichtet derselbe, Anubis habe die Aufgabe für die Götter 7.u waclen, ebenso wie die Hunde für die Menschen. Dem luliait diesei- Angabe entsprechend ist das Prädicat des Anubis $i^ ^^\ ^ ^ wörtlich: qüi est opiid cUvinam portum infer- nalem. I)ei.sii;ilh wurde er auch angerufen, den Verstorbenen eine gute Beerdigung iu dcM- Necropolis zu gewähren (vgl. Brugsch, Monum. de fEgypte, livr. I, pl. XV u. a.). Als ein dem Todtenreiche angehöriger Golt beurkundit sich Anubis auch durch seine Abstam- mung, er ist der Sohn des Osiris mit der Nephthys (Plutarch a.a.O. cap. 38). Über den Cult dieses Gottes vgl. Jablonski, Pantheon Aegyptior. lib. V, pag. 2 — 38. Wilkinson, Manners and Cust. vol. IV, pag. 440—444. Birch, in der Galiery of Antiquities. pag. 43—45. Reinisch, in Pauly's Realencyklopädie für Alterthums- wisscnschaft. 2. Aufl. s. V. Das Wort fjjf ^2X\ f^'^^^ "^^'' ^'*^'^^'' ^^egen der phoneti- schen Schreibuuf' '^^^^'^^und ^ Tf^, drückt das Verweilen an, oder die Angehörigkeit zu einem Orte aus "^^ ^^Sl 'V ^^^ "^^'' -^ ^ ^ -^ ", Osiris im Amente, [\ ^ '^ [\ ° ® Amen in Theben u. s. w., statt dessen eben so häufig ^37 ncO, angewendet wird: '?^'^-j^'* '^ Osiris, Herr der Unterwelt. Die [ihonetische Schreil.ung der folgenden Hieroglyphe /^ einen Propylon vorstel- lend, ist p ;>^ J seb oder p J J «^'^^''^^' ^''^ Pforte, der Propylon, siehe Champollion, Gramm, egypt., pag. 505; mit ^ verbunden, be- deutet dieses Zeichen die Hadespforte; siehe Birch, Gallcry, p. 44. ') Diese Vaii.inte z. B am Sarkophag des Pel Anicn-Apet zu Wien. Nr. 539. 274 R e i 11 i K c li /VWN 1^ ^^ , phonetisch : dj f^ ^^ qnh. auch ^ J^ ^ qahb' (Todteiib. cap. 188, 7), noch erhalten im koptischen Rfic, refrigerare, bedeutet die Libation von Wein, Milch u. s. w., welche den Göttern und den abgeschiedenen Seelen dargebracht wurde, h '^ ^ «»7^ = Hpn, h'A.it, vimim. [] "*^ ^ arit, n "^^"^ A arti = epwTC, cpw'^-, lac. -ctLl ^ (^ s'^^^ = uien, ujii accipere. "^^^ oder ^^ ""j^ ^^"^ ^'^ Opferbrode, welche den Manen dargebracht wurden, ifn Koptischen ist dieses Wort verloren gegangen. Lin. 3. '^'^H^ O Chrti, Name einer Stadt, deren Lage nicht genau angegeben werden kann. Die Hauptgottheit dieses Ortes war der Horus von Cberti , der auch im Todtenbuche (cap. 142, 10) erwähnt wird. Vgl. Brugscb, Gengr. Inschriften, Bd I, S. 285 = ■9"^ h'er-h'eti, wörtlich im Herzen = in; vgl. Champollion, Gramm, egypt., pag. 467. Üiier den folgenden Ort Kakem, siehe r.rugsch a. a. 0. S. ISO, 252. ^ s'ese, in voller Schreibung jTyC ä, der Diener, Sclave; der griechische Text der Rosette- Inschrift übersetzt dieses Wort durch ^zpot-nviisiv. §^\ auch *^~^ X*X (Chabas, Le Papyrus magique Hiirris, pag. 89) und J^^/j/j^IL^ (Todtenb. cap. 1, 10) ist der Name des dem Osiris und dem Ptali-Sokar-Osiris gelioiligten SchifTes. Im Koptischen ist dieses Wort nicht erhalten worden, dagegen glaubt Chabas in dfin hebräischen 'jt<, rT'JK dasselbe bewahrt zu finden. • T TT § CT? J h' eh, Panegyrie; vgl, koptisch ^^nfie, Indus, bezeichnet religiöse Feste, an welchen den Abgeschiedenen Todtenopfer dar- gebracht zu werden pflegten. <^ mer, umwallen, heninigehen, die Rundung machen; umfassen, binden, verbinden. So \\ ird im Hymnus an Osiris (Chabas, Revue arcli. 1857, pl. 307, lig. 15) über die Wanderinig der Isis zur Aulfiiidung ihres Gemahles Osiris gesagt: cm h'ai.f meti chenues, -sie macht die Rundung um diese Erde im Weheklagerufe, nicht ruht sie. In der Stele Totmes III (Rouge in der Rev. arch. 1861, tom. II, pl. XV, lig. 11) sagt Ammon zu diesem Pharao: ^ J_§ g^ -^ §^ = \ta-a mer necht.uk em Die Graljstele des Piieslers Ptali'emwa. 2 a. «» 4 J ta.ti lieb, ich verleihe (dii')' tlass deine Eroberungen umfassen alle Länder. IJ, phonetisch, 0 J '^ sebti, [)^ seht = koptisch cofiT, murus, ein Synonym von ^^ /j ^ ;:^/r (Todtenl». cap. 108, G; 111, 3 u. a.) die Mauer, vgl. koptiscli acoi, murus, o-Ao, sepes. P ^ jP Sf^'rt, erheben, preisen, ist das Causativum von £] '^H[^ ^«, koptisch 2C.C0, ciioT hoch, erhaben, die Hohe. Die Paiie- gyrie, aufweiche sieh der vorliegende Text bezieht, wurde in dem TheiJe von Memphis, der auf den Denkmälern den Namen Res-sebt.f führt, zu Ehren des Ptah-Sokar-Osiris gefeiert. Vgl. hierüber Brugsch, Geogr. Itischr., Bd. I, S. 235. 270 Mussafia SITZUNG VOM 29. APRIL 1863. Vorgelegt; B andschriftliche Studien. Von Adolf Massafia, >. ö. Prof. der romanischen Philologie an der Wiener Uoirersität und Amannensis der k. k. Uofbibliothek. (Vorgelegt in der Sitzung vom 5. Februar 1863.) II. Za den altfranzösischen Handschriften der Marcosbibliothek in Venedig. Die Marc'Lisbibliolhek in Venedig bewahrt eine kleim» Anzahl von altfranzösisclien Handschriften, die schon zu wiederholten Malen die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich zogen. Paul Lacroix *), Immanuel Bekker^), Adalbeit Keller 3), Franz Gejiin*), Franz Gues- sard^), Leon Gautier «), Paul Meyer') und Karl Bartsch s) lieferten Proben und Auszüge aus eihzelnen oder mehreren derselben. Eine so eifrige Beschäftigung erscheint durch das Interesse berechtigt, welclie diese Handschriften in zweifacher Hinsicht erregen. Zuerst *) Dissertntinns sur quelques points curieux de T histoire de France et de Phistoire litle'raiie. Paris, 1838—1847. 7 (1839), 147 ff. Daraus wieder abgedruckt in Cham- poIlion-Tigeric, Documents historiques ine'dits etc. Paris, 1842—1843. Cd. 3 (1847), S. 34Ö ff. 2) Philologische und historische Abliandlungcn der königlichen Akademie der Wissen- schaften in Berlin aus dem Jahre 1839. Berlin 1841, S. 213—293. Es iit auch ei" Separatahdruck erschienpn, den ich jedoch nicht erreichen konnte. 3) Romvart. Beiträge zur Kunde mittelalterlicher Dichtung aus italienischen Bibliothe- ken. Mannheim und Paris, 1844, 1 — 97. *) In seiner Ausgabe der Chanson de Roland. Paris, ISüO. *) In der bibliotheque de l'ecole des chartes IV, 3, 393 — 414. ö) In der bibl. de l'ec. des chart. IV, 4, 217—270. ') In seiner Ausgabe des Gui de Nantuii. Paris, 1861. 8) lu Pfeiffer's Germania. 6, 28 ff. Ilandsehnfllii-lie Studien. 277 von Seite der Sprache. Oic meisten unter denselben rühren nanih'ch von italienischen Abschreibern und Cberarbeilern her, welche sei es unbeuusst oder mit Absicht die Sprache ihrer Vorlage der eigenen — norditalienischcn, speciell venelianischen — Mundart anpiissten. Können nun auch solche Texte keineswegs als Denkmäler einer Sprache gelten, die je geredet wurde, so liefern sie dennoch willkommene Ijcilräge zur Kunde der bisher nur ungenügend be- kannten älteren italienischen Mundarten. Was dann den Inhalt betrilTt, so enthalten diese liandschiiften nicht nur ein trotz der grüssten Verwilderung häufig trefliiehes Hilfsmittel zur Herstellung der älteren Redaction der (hanson de Rohnul, sondern auch den Text zweier Dichtungen, welche bisher sonst nirgends nachgewiesen wurden: la prise de Pampeh(7ie und Macaire (die Königinn Sfbille). Als ich im vorigen Herbste diese Ilandschril'ten selbst besieh- tigte, gewann ich die Überzeugung, dass eine Revision der oben an- gedeuteten in vielen Werken zerstreuten Mittheilurigen von nicht geringem Nutzen sein würde. Ich machte zugleich einen Versuch, und das Ergebniss meiner kleinen Arbeit , die sich freilich wegen Kürze der Zeit auf nur wenige Handschriften beschränken musste» erlaube ich mir in folgenden Seilen vorzulegen. Dass dadurch dem Verdienste ausgezeichneter Märmer nicht der geringste Abbruch geschehen soll, brauche ich kaum zu erklären; ich glaube vielmehr, dass man die Achtung und die Dankbarkeit gegen seine Vorgänger und Meister auf keine würdigere Weise bezeugen kann, als dadurch, dass man den Nutzen, welchen ihre Leistungen gewähren, durch kleine Nachlräge zu erhöhen sucht. Desshalb verbleibe ich auch nicht bei den Auszügen von Laci'oix, weil sie von den später erschie- nenen Arbeiten bei weitem übertroffen worden sind, und diesem unermüdlichen Sammler, der zuerst über unsere Handschriften um- ständlich berichtete, jetzt noch einmal seine Flüchtigkeit und Unge- nauigkeit vorzuhaKon, hielt ich für eben so nnnötliig als unschicklich. Ich bespreche die von mir verglichen- n Handschrilten nach der Folge der Zahlen, welche sie tragen, und in welcher sie .'luch der Katalog vi)n Zanetti und Bongiovanni verzeichnet i)- ') Ausser dieser bewahrt die Marciisbibliothek eine nnüere kleine Satnmlung französi- scher Uandschriftei), die ein Supplement l>iideii, und in einem geschriebenen Kata- loge verzeichnet sind. Sie sind meistens jünger und historischen Inhaltes: darunter ilutiet sich aber iiucb die bekannte Sammlung provenfalischer Gedichte. 2^8 M u s s a f i a In meinen Bemerkungen stelle ich mich auf den Standpunet der Herausgeber. So bestand z. B. Kelier^s Vorsatz hauptsächlich darin, eine genaue Kenntniss der Handschriften zu verschaffen; daher diplo- matischer Abdruck, ohne Interpunction, ohne diacritische Zeichen. Nur bei Abtheilung der Wörter folgte er dem modernen Gebrauche (vgl. Roiuv. S. 70o — 706) mit der einzigen Ausnahme, dass, d;i kein Apostroph gebraucht wird, Prociitica mit elidirtem Vocale von dem folgenden Worte nicht getrennt erscheinen. Also ma siier, wenn auch in der Hs. masuer; engin, wenn auch in der Hs. en gm; aber nur menuoia, lauoit. Bekker gebrauchte geringere Strenge; er unterschied zwar nicht u und y, i und^, führte aber Interpunc- tion, Accente, Apostroph ein, und brachte hie und da treffliche Emendationen an, bei welchen man nur das Bedauern fühlt, dass er sie nicht consequent durchgeführt und sie nicht durch Angabe der Lese- art der Hs. kenntlich gemacht hat. Bei den Abdrücken Keller's ver- fahre ich daher mit jener Aufmerksamkeit, mit welcher man ein Fac- simile beobachtet; bei Bekker verweile ich auf Kleinigkeiten nur dann, wenn zwei divergirende Abdrücke einer und derselben Stelle vorliegen, oder wenn es für lautliche Verhältnisse erspriesslich schien. IV. a) AGOLANT oder ASPREMONT. Kommt auch in VI vor. Bekker druckte die sieben ersten Blätter der Handschrift , im Ganzen unge- Es wird nicht überflüssig sein, hier eine Bemerkung über die Bezeichnung die- ser Handschriften beizufügen. Die einzig richtige ist „Franc." oder „GaU." mit der betreifenden Zahl nach dem gedruckten Kataloge, oder „Supplem. Franc." mit der betreffenden Zahl nach dem geschriebenen Kataloge. Neben, hie und da auch statt derselben, findet man, besomlers in letzterer Zeit, auch das Zeichen für den Auf- stellungsort (die Signatur) angegeben. Bei Heyse z. B. wird die Sammlung proven- Salischer Gedichte mit XI (CIV, 7) bezeichnet; richtiger ist „Suppl. franc. XI«, denn wer blos „Franc. XI" verlangte, würde den prosaischen Lancelot erhalten. Von Guillaume de Cerveira heisst es „Cod. No. CIV, 6." Eine solche Bezeichnung hilft nichts; denn abgesehen von einer allfälligen Umstellung, so finden sich in CIV, 6 (d. h. im sechsten Fache des CIV. Kastens) viele Handschriften, so dass ohne nähere Angabe nichts erhalten werden kann. Man verlange „Franc. I." — Guessard spricht von einem „ms. cote XIII. zz. 3." Richtig „Franc. XIII"; das Übrige gehört blos zum inneren Dienste der Bibliothek und sagt, dass sich die betreffende Handschrift im 3. Fache des 22. (nicht zz.) Kastens findet. — Die Handschrift Franc. IV nennt Genin „cod. Tiepolo No. 4." Es scheint ein kleines Versehen stattgefunden zu haben. Die Signatur ist immer mit Arm(arium) und Th(eca) bezeichnet; letztere Abkürzung mag nun Genin als den Namen des edlen Geschlechtes Th(eupolu5) Tiepolo angesehen haben. Hiiiidsihiiftliilie Studien. 279 fälir 1400 Verse und die Schliissd'rade :i1j; hoi Koller finden sicli die ersten 166 Verse, wciclie er hie und da durch Zuziehung von Nr. VI ergänzte, und bis 151. 9 der IIs. die Capilelüberschriften. Bk. S. 2Ö2. Z. 1 1 Karle. \\\\ i) Karlo. 253, 1 Itois Cliem e II roys (KU rois} Roydant. Die Hs. hat, wie Ix.'i Keiler zu lesen, Boydant. Allerdings l)ietet Nr. 6 hier <:;inz deutlieh Boyihint, an einer andern Stelle aher (Bk. 263, 40) Boid., und zwar mit kleinem b. Eine Eniendation sollte demnach hier hlos Nr. VI tielTen. Boidans kounnt auch sonst vor; z. B. Gui de Bourgofjue v. 413. 5 Heumnnt. KU Ihnmwnt. 6 im bliat tont bhinc KU blant. Es ist nämh'ch eine Eigen- thümlichkeit sowohl der venetianischen als ülierh;iU[»t aller .«spä- leren Handschriften, dass ebenso wie sie dem Beim zu liebe i\ii\' Grammatik und dem Lexikon die grösste Gewalt anthun, sie auch auf Kosten der Orlhograpliie für volikommene Gleichheit der Versaus- gänge in der Schrift sorgen. 13 Balliere. KU Ballier, und in dieser Form erscheint das Wort bestandig in dieser und anderen Handschriften. 23 plus iiait por terre ch' aoxel e}i nolaiif. K chaoxcl. Da diese Handschrift ao für au (eine Eiget)!hümlicbkeit von Nr. \ ) nicht aufzuweisen vermag, und dagegen an mehreren Stellen die Form oxel und fast bestündig nacii Coniparali\ en die Form clia (= quam, aitit. ca, ka^ bietet, so würde icli die Trennung zu cha oxel vor- ziehen. In der Überschrift vor Zeile 36 ^coyiiant parloit Agulanf* fehlen A\q /.\\ q\\\ ov\,-liP StuiliiMi. ^ iS 1 28 quant de ses sup el se remembra. H sire. 2Ö8, I Sobr'üi oit ueit e entent qaauil oith Karies terres. II quant. 259, 29 taut chel (ch' el) oiat C7i Afriqiie. Die Hs. hat, dem ital. venne gemäss, uent. 260, 3 oi le Agulant. Ist eine Einendation. Die Hs. hat iiite, die eine (auch sonst vorkommende) italicnisirte Form sein könnte für Vit „er sah." 9 e^l sauoire. Ahziitrennen in c gi „ich ging". 27 eher che [ai] . . . . Puylle Cecilie Calabrie por entrer. H enter. Allerdings findet man an einer andern Stelle (256, 33) auch in der Hs. e Lonbardie Bergofjne por entrer; es sollte aber entweder an jedtT Stelle die hetreOende Lesart gelassen, oder wenn man schon emendiren wollte, das-otVenhar unrichtige entrer entfernt werden. 261, 8 Die ungewöhnliche Form baxant gehört nicht der Hs., welche bexant l)ietet. 18 e si U prie hiunel et e dolcemaiit. In der Hs. findet sieh das et nicht, welches man auch als Emeudation nicht gelten lassen kann. 262, 9 des armes on grant jjouertee. H 07it. 39 // rois li nith, n cn tint cum agratnant. Die Hs. hat uen, 3. Sing, des Pfct. von venir = it. venne. (Vergl. die Bemerkung zu 259, 29); „er wurde schwarz wie Tinte". Vgl. 266, 4 umt (wo die Hs. wieder ve7it bietet) ros e tint cum agrament. 263, 3 ne troo payn ne grant ne menor. H troua. 266, 20 non est mie rois qae tel seruis dement. H qui. 267, 15 asa du roit sofrait epenser. Jedenfalls e petiser. Sollte auch nicht dar oit abgetheilt werden? Oder etwa duroit (wie in der Hs.) aus dnrer ^^ endurer? 20 mant clereger qae douent dire la messa. H qui. 269, 21 la far fu si fer. Besser V afar. 27 autha est la feste e li rois biaus e der. Die Hs. hat ganz deutlich iors. Vgl. 284, 23. 270, 8 il se laxeront. H i, nach der Gepflogenheit dieser Texte Im Venez. ist ?' = lat. Uli; i parla, i dixe „sie sprechen, sie sagen". Diese Form kommt übrigens auch in echt französischen Handschriften nicht eelt(Mi vor. 19 • ,c82 Mussafin 16 lomcs meesme li doncg primer. Abzutheilen in lo mes „meinen eigenen Scluifz." In Nr. VI lautet der beireffende Vers le moi meesme si li doneg inimer. 24 or li doncg del iiostro: kar ni 07it mestier. Dies sagt gerade das Gegentlieil von dem, wns gemeint ist. Die Hs. hat richtig in, d. li. i 7i'o7it mestier „sie hodürfen dessen". 41 gunnt le diix Naimes oit parier. H //. 271, 22 c 11 se conbateid por nos terres saliner. H Cil, was auch df-ni Melruni besser zusagt. 272, 8 a sor tot li paoir. Die Hs. hatte ursprünglich j;ozV und eine spätere Hand setzte über das Wort zwischen o und i die Buch- staben ho hinzu. Da die Form paoir ziemlich seltsam ist, so wird es wohl besser sein pooir zu lesen. 13 e Bergognon et ä cels dcl Ceragne. In der Hs. ist ganz deut- lich deloeragne, also de Loeragiie „von Lothringen", zu lesen. 24 ncsluirc tailleg cum li agrie. H vesfiiire. 273, 19 li manger fu stra tat apareilleg. Wohl in eiaern Worte stratut. 274, 9 sotol cel non nc besfie. Was soll das ii vor e? Man thcüe 7wnn e. Vgl. a^iii irai in Floovant, 925; ann ont in Parise la duchessc, 604 und sonst auch nicht selten. 11 li fren . . . fa d\m forlacliier. Wohl abzutheilen in fort a einer. Eben so 12 la seile de fiaor — ßn or. 21 o, 20 plus oit proece qu' k lions abreite. In einem Worte qua, sonst ca cha geschrieben „als." Vgl. die Bemerkung zu 2S3, 23. Eben so 280, 12 a plus force qo' a lions ne sengte. 22 tot quique fönt si consillc. Besser qui („jene", quilli bei BorfVesin) que. 276 , 22 grant exploit siglent por V autrc mer. H ante. Auch bemerke man, dass vor grant die das Versmass lierstellende Präpo- sition a nachgetragen wurde, und zwar, wie mir scheint, von der- selben Hand. 277, 8 n'' en portarai mais armes enstra lata mia uia — en stratuta. 42 molt Voldi sovent dir e iurer che molt aiioit bone cose aescrcler a eser der „ein Schrittgelelirter zu sein". Ilandsclirlfllicho Studien. 283 278, 24 si Utk U hrcf aulhament cn noiant. Auch hier ist wio 274, 9 oui oiant zu trennen. 30 ule remes ne pitet ne grani — n' i e. 279, 10 6' bien menage de boce e de dant. Die Hs. mit ricliti- gerem IMetium e de boce. 30 nonc hom c?i soii host — non e. 281, 0 partarai ist wohl nur ein Druckfehler für portarai. 282, ö grant honla (H ont(i) est ad hom de ton hale. H hahe = ad „Aller«. 29 c ceste guise II Ott arnxone. II E, also eyi. 283, y li gavQ est fei e oure follement, qiinnt tel parole a dith ä nos ccnt. Wie sind letztere Worte zu verslelien? Et\v;i geiit==gent ; wo dann durch Veränderung von nos zu nostre das Ilemi.stich die nöthig^e Sylhenzahl erlangen würde. Die Hs. erlaubt auch oent (= oiant?) zu lesen. Würde man die zwei Wörter verbinden, su erhielte man noscent , was vielleicht als Verderbniss von nescient angesehen werden könnte. 10 di ci qua en occident — H de. 23 tis mariment. \Nolil // smar. 33 se al message Dies fare? de nient. In einem ^^'orte mesfareg. 285, 28 trosquament ad horlin. Sollte mit grossem Anfangs- buchslaben gedruckt werden. Iloiiin^ Orleans. 286, 1 ma en cesf punlel non monstra nient. — punt el „in diesem Augenblidce zei^t er nichts". 8 oil iioir, sire , che lu nos a ulhe. Rein» letzten Worte bietet die Hs. in statt vi; das Hemislieh ist folglich so zu lesen: cliola uos a in he „der hasst eucli'*^. 34 bie)i est sept an i qtCasemhle son Unaie. — uni, ja die \h. bat uni, w<\s dor italienischen Form noch näher kömmt. 36 portcra nient e por mer — por tera. 288, 31 a ses grans ciilpi ni (^=n'ij a ermc garatit. Wahr- scheinlich nur Druckfehler für das handschriflliche anne. 34 est de bal aytant. \\ bei. Die zwei Schlussverse sind auch von Keller mitgetbeilt wordent. 291, \2 plus uos non daron. KU diron. 13 dumnedeu. So die IIs. K damedeu. 2 8 4 M u s s a r i II b) CHANSON DE ROLAND älterer Redaction. Bei Bekker die ersten 10 und die letzten 9 Verse; bei Keller 279 Verse vom An- fange an, und die lelzfen 9; Genin hob aus verscliiedcnen Stellen über 600 Verse aus, darunter auch Anfang und Ende des Gedichtes. Romv. 12, 13 gubler qne cante. So auch Genin. Bk. qui. Hs. g. 14 destrerre; Bk. desti-eiere; GH destreire. 18a esfez in Spagne. So GH. Bekker's Espagne ist eine Emendation. 30 Ol di signor. In einem Worte: oldi „höret." Ebenso 13, 33 de tiiii no ol diral parola, lies oldirui; 20, 8 iiiiol diri, lies uu oldiri. Ol für lat. au und cd ist in älteren norditalienischen Mundarten sehr liiuifig, vgl. colsa, ripolsare, olsare; coldo. 31 par confuudre. G per ; H p. Ich würde bei italienisirten Handschriften diese Abkürzung immer durch per autlijsen, welche Präposition sowohl par als por pour ersetzt. 32 Consl a me segiior. Gen. consia me. Ebenso Kl. 17, 16. Dagegen 16, 8 consiame. Letzteres ist das richtige: consia (^=coji- slgUa[te]), dem sieh die tonlose Form me anlehnt. 13, 9 Se del seruisio e molt grand al mister. In einem Worte sedel, offenbar verschrieben im- f edel, dann aimister. Auch 20, 25 findet man fe del servisio statt f'edel. 11 deistrer. So auch die Hs. Gen. hat deistrier. 14 Ben enpora ses soldaer toer. Gen. richtig en pora und loer. 15 hl cest pars ele set agni ester. So auch Gen. Man trenne aber el e. . .ester (^^^este). 16 Ädasia en Frange ben doara reparier. Man trenne mit Gen. Ad Asia (= Aix). Vgl. Z. 32. Gen. hat devra, aber g^^en die Hs. 21 Sei iiole ostasi eon le liurarer. G e un. Obwohl sich an dieser Stelle nicht deutlich erkennen lässt, ob n oder u vorliege, so würde ich doch nicht zögern, e uu zu lesen; liurarer ist 2. Pluralis, so geschrieben wegen des Reime«;. Vgl. die Parte, priver, esmerer, ester; Z. 20 in fer (K infer) „als Lehen", cer „Kopf" u. s. w. 24 A sa einoio chi perda lo cer. Schon bei Gen. richtig Asa e meio (die Hs. hat deutliches e). Gen. aber, welcher den Apostroph gebraucht, sollte cK i „dass sie" drucken. Die Hs. hat endlich lor, wie bei Gen. zu lesen. 14, 1 fer eli roi. — e li roi „ist der König". 3 Assa emeio che il anla perde. — e meio che i la uia perde. „dass sie das Leben verlieren". lliiiKlscIiiirtlit'lie Sliiilifii. ^o.) 5 poel ben essere. — po el „kann es." 14 rt {urloQ tnaino ire. Die Hs. hat blos garlo. 15 Elc ala sedio de cordon. — el e a lasedio (=^ l as.) oder (d asedio. 18 Pur nu saurem. Die Hs. hat unzweifelhaft uu. Spricht doch Marsih'e zu den von ihn» abgeschickten Boten. 19 Eue donairo or ei ar^euto. — E(= eo, io) ue donaro ohne *. 20 Tere et feo tcuito cum onnorc. Auch hier hat die Hs. so deutlich, dass nicht der geringste Zweifel entstehen kann, uunore, d. h. im vore „ihr werdet wollen". 28 Sire ccvero la cristiana lez. — si recevcro. 15, 1 darcento. In der Hs. ist das c mit der cedille versehen; f = g. Vgl. Z. 9. 2 Ce lor munte che lo mesa^on de dire. — Celor in einem Worte „jene"; die Hs. hat dann blos mesago ohne n oder irgend ein Zeichen dafür. 5 baldo fo iant eler. — Quiant e ler (=^ le). 10 Noie remes saragins neiasscher Che üosia mort. Man trenne no i e rem. sar. nei asscher (== EsclerJ. Statt nosia hat dann die Hs. ganz deutlich nosia, d. h. no sia. 16 Ciifroi da {jor. In einem Woite dagor, d. h. d'A[n]gor => Anjou. 29 MarsUio la mirer. — lamirer ^= Vam. 31 Intre nni e lui uol che sia amister. H mti. Es spricht Blancandrin: „zwischen each (Karl) und ihm (Marsilie) soll Freund- schaft sein". 16, 2 Trestmita Spagna dann tircd infer. Das a von trestauta ist nnterpunctirt, durfte denuiach nicht aufgenommen werden. Man trenne da tiu und in fer. Das l von tiral ist enclitischor Ndminativ „er wird halten". Vgl. 15, 6 Cordoa al prcsa. 3 Se iioli ostaixi el neu donara a scp — aser ( = assezj. 5 regracia si ade — sia de {= De, Dieu). Mit dem 13. Verse fangt eine neue Tirade an, welche auch in der Hs. durch grossen gemalten Anfangsbuchstaben angedeutet ist. 21 von nentignira mia — uen tignira, 24 fpiel gloton li prese et silife ancira — si li fc. 2 8 b M u s s a f i a 2o Mafeites. — Ma feites. „Aber lasset". 29 no creez nlbricon, ne ami ne ad altrisc del vostro pronon. al bricun ne a mi ne ad altri se del vostro pro non; „weder ihm noch mir noch irgend Jemanden". 31 Qiii vos oiria [che] quesfo plaite sia o non. Diis Wort che fehlt bei Keller, ist aber in der Hs. zu lesen. 17, 3 Mior nasal no e in la carte dela — de tu wie Z. 10 richtig. Eben so 20, 19 dahii; trenne da Uli. 6 Bene oi ina chel sia sovenii — Ben e oima „Gnt ist nunmehr.'* 10 Qiiando a nos nianda cha bia merce de lu — chabia, d. h. cliahiä, iL ch'abbiale. \^ Se par ostasi ne iiol fare segu. H ne, was in der Reda Naime's zn Kail weit besser passt. 18 ei andaro; 2G eo iandaro; 29 iandaro. Zu trennen in e und eo i andaro. So auch 23 iandari = i andari; it. andrete. 18, 13 und 14 riclilig i andarai. 25 Co. — H (Ja. In der reich verziert« n Initiale ist die Cedille deutlich zu erkennen. Eben so 18, 2o. 18, 1 nesun de vos no i amra erer. Statt dieses niclits bedeu- tenden Wortes hat die Hs. , wenn auch nicht ganz deutlich, auira. Eine solche Umschreibung des Futurums durch das Futurum von habere und den Iritinitiv des betrelTenden Verbums kommt in diesen venetianischen IIss. auch sonst vor. So im ersten Stücke dieser Hs., im Agolant: 254% ü simel hient, gaVaiiro otrier und in der Chans, de Ho!, selbst: A foii et a rarbon tiiti m'aura gtiger (Gen. S. 528). — In Nr. VI ia de sun doij ne li aura sacer (ük. 267'') i). — In Nr. XIII kemmt diese \Ncndung sehr häufig vor. Eben so wird das Condit'onalo durch das Condit. von habere um] den Infin. umgeschrie- ben: 267" 7ie rancroit sachier = sacheroit. 3 Frangois li rende si se irace arer. H litede, d. h. Vi[n]tende. 4 Trepin deraina — de Eaina. 11 Si li diron. H diro, ohne irgend ein Zeichen, welches den Zusatz des n rechtfertigen könnte. *) Vgl. Bescape ed. Biondolli S. 148 : Partir i avra lo Segnore = it. li partirä Auch fia Jacomiuo cd. Ozanam S. 302: Fursi ii' avr'i trovur da Dco alyun pardon = i(. trovercte. Handschriftliche Studien. Co* 18 Ele c5 me nn bon vnsnl. In einem Worte elegime, d. li. elezi (iL eleqqelc) iiiul das ciicülisclie Pronomen ine. 22 Selal lassa — se lui lasset (d. b. lussu; it. lasciate). 30 J//t't si posso. II Aller. 19, 2 «0 ?//i /// qui bahloijn oit non. II cat andeutet. In der That sind sie aus der vorangehenden Seite, Sp. 1 wiederholt. Dass Genin diess nicht bemerkt hat, kann um so mehr Wunder nehmen, als er diese Haiidscbrifllivhe S(u. hat aber wie gewöhnlich empcrer. In derselben Zeile hat die 11-^. est statt este im Drucke. 190 estrote sa gant. Jedenfüils e strote verschrieben für sfratote. 521 , 8 a malt grand roxe si escric un scrnion. H norc = noise. 290 M u s s a f i a 22 L iine de Toscil. II Turcli „Türken;" cl stuU ilal. ch selbst >\ enn dieses nicht auf lat. cl gegründet ist. 27 De sonrni lo hoste la testa perderi. H soiira, also nach Genin's Schreibweise sovra. Auch hiit die lls. husto. 30 Eutre lur ue je ??^^ 2^'^* ^^^ '*^'^ ^'^ terre. Die Hs. bat natür- lich /e. Consonantisches i ist hier durchaus nicht zulässig; es war demnach iie i e zu dniclien. 49 Statt son frera iiat die Hs. so, die venezianische Form dos Possessivums. Eben so in der folgenden Zeile statt le roi die italie- nisirte Form lo roi. 523, 8 Li roi Alfarrse. Wahrscheinlich blos Druckfehler für Alfarise. 9 und iß halte statt oimiipotant blos oiiip. gedruckt uerden müssen, da die lls. oipolant bietet. \1 lo dalmugo cham recevu — cli am (1" Plur. Praes. von habere). 22 E li vecli hoi. II hoi, die in it;il. Ilandachriften gewöhnliche Abkürzung (ür homini. 2ö cum tue voire devin — tu e „Avic du wahrer Gott bist". 42 fjaristi. . .del callon. W dal. 72 Nostro emperer ja a apella por amor. H ia ap.; also ent- weder ja apella (IM'cl.) oder i a apella (Parte, mit ital. Form). Auch findet niiin in dei- lls. per ausgeschrieben. 77 Seri'ir gena dexe tnillia baran. Zu trennen in ge (= lat. Uli, venez. ghe) 11 a „ihm sollen dienen." Vgl. 87 Servir rena gicaler .vx. mi/lia, sdireibe ve 11a; und 151 servir lina x. m. combatant, schrei Ite // a'a. 108 cuvert. II ciilvert. 125 iasigner. II ingifjner = engigner. 14j E li lasüdi iiu moult petit euf'ant. II wo, also 77W7i. 153 Giiarnironlla d^ Epans c^ ^/6' Trovant. Nicht de paus e de provant? „wir werden die Sladt mit Lebensmitteln versehen". 183 vosire talant. II vostro. 190 {a\\e asemble — ga li e asemhl<^. 212 Traheiit lor cavelis e V atent lor pal. H batent. 242 Vi tel Anialdo. Der Sinn ist „Arn. sah ihn." Vile ist die 3. Sing, des Perfecls mit italienischem Ausgange; l ist enclitisches Pronomen. Handschriftliche Süiilien. 291 533, 1 E sef/niir, dist Carlo. Das E, welches (Ins Metrum störf. findet sich nicht in der Handschrift, wo die Tilade mit der gemalten Initiale S anlicht. 2 /,/ jugomont. II iniement. 5 E tonsey la fürs — Et enscQ „Und gehet aus". T LA PRISE DE PAMPELUiNE »). Daraus druckte Bekker folgende Absclmilte ah: Fol. I,, his 6'' V 24 incl 7% 33 „ 7", 1 « 7", 23 „ 7". 27 „ 2Ö\ 23 „ 31% 16 „ 48^^) 22 „ 49", 27 , 58", 29 „ G4-' 4 „ 97", 4 . 101" MO die Hs. endet; im Ganzen 1324 Ver'je. Davon finden sich die ersten i)7 und die vier lelz'en auch bei Keller. Bk. 213, Gfescn eli anhcrs li fmtse c' oo euer parmi U pari. Auch Keller hat coii. Die \h. bietet aber cou, d. h. die Cniijunctlon e und den enclitischcn Arlikel : e-l ,a\\\(\ das Herz spaltet er ihm". In dieser Handschrift erscheint nämlich ein /, das sich an einen vor- ang''bendj Ja seihst ein au das nicht auf iat. al zurückgeht, verhiilt sich auf gleicher Weise; demmatje, daumage, daorna^e, daoumuge. *) Eheuso in neuprovenzalischen .Miinilarten. In alfgeiiuesischen Gedichten TArch. slor. apiMMid. nuni. 18) aotro , aoto , reshaodor. lu einem sehr li.nierkeiisweriheM Oenk- male altxeronesisiher .Mumhirt, welches in einer l'er^amenthaudschrift der Comum- nalbihliülhek zu Verona aufl.ewahrt wild, — einer Darstellung der Passion Christi— findet man saoaa für Salsa, scaotriatneiitro für scaltcritamcnte u. s. \v. 292 M u s s a f i a. merlisainkeit vordient der Fall , wo im / ein Encliticon (Artikel oder Pronomen) vorliegt. Zuerst mit Präpositionen: ao , aou, dao , dnou; dann mit der Negationsparlikel (^tieo sofri) oder mit Conjunctionen : cheo roi, cheou senatour „dass der" oder „dass den"; eo eou „und der, und den" u. s. w. Aber selbst im Accusative an das regierende Verbum angelehnt: il a-ou meillor pais „er hat das beste Land", conei'OU mesclin „ich kenne den Armen". Wie man sieht, es geht hier die Inclination über die Grenzen, innerhalb welchen sie sich im Altfranzüsischen zu bewegen pflegt, und schiiesst sich an den pro- ven^alischen, auch älteren italienischen, Gebrauch. Bekker vereinigt gewöhnlich richtig die Vocale zu einem Worte; manchmal trennt er sie aber, wodurch sich der Cbelstand ergibt, dass ein Vocal, welcher mit dem vorangehenden nur eine einzige Sylbe bildet, von demselben losgerissen wird und allein schwebt. 214, 3i phis l'ahet che oa roi Marsilion; 215, 25 mes Vemperer ne o neust entendre; 220, 5 auoir le Ions e o pris; 220, 26 ie ay prisse la tour e o pales segnoris ; m 228, 28 Guinimer e ou cuens Hne; 231, 18 che oa c«/er ne litreti- gast; ehen so 221. 11; 239, 17; 240, 27; 241, 17; 250, 33. 8 pues a treite la spee com frans home e gaiart. Schon Lacroix hatte das richtige gailart. Eben so Keller. 10 Bertram le yencois. So auch Lacroix und Kellei-. Auch ist die Hs. nicht gerade dagegen. Da aber nicht seilen, wenn zwei o aufeinan- der folgen, der rechte Strich des ersten mit dem linken des zweiten zusammenfliesst, so glaube ich, dass überall wo dieses Wort vor- kommt yenoois (it. Genovese^ zu lesen sei. Dafür stimmt auch das Metrum, welches in dieser Handschrift ziemlich gut bewahrt ist. 1 1 — 12 Buigart. . . Bartiier e Bui. So auch Lacroix und Keller. Allerdings sieht in dieser Hs. das grosse G dem kleinen b nicht un- ähnlich aus. Vergleicht man aber viele Wörter unter einander, wo der tine oder der andere Buchstabe vorkommt, so lernt man leicht sie zu unterscheiden. Hier liegt überall ein G vor, wodurch sich die bekannten Namen Guigart, Garnier und Gut ergeben. Dass Bk. sicli täuschen Hess, kann um so mehr Wunder nehmen, als er S. 233, 1 — 2 die richtigen Formen hat. 14 chescun. Da diese Form in der Hs. nie vorkommt (sie ge- braucht nämlich ch nur in ital. Geltung), so sollte auch hier (und 214, 19) cescun, wie bei Lc. und Kl., gedruckt werden. Hiindsphriflliche Stu.lien. 203 214, 8 Xaure's. So auch Kl. Und doch ist es nicht unwichtig zu hcmei-keri, dass die Hs. nauries bietet, denn gerade die beständige Einschiebung eines / hihlet eine der Eigentluinilichkeiten derselben. Ebenso 244, 30 ariue's wo die Hs. ariides hat; 235, 6 anes, \\ anies. 10 7)ies ne ftirent altes le mitreit dun luii(Oii. Kl. hat lemi treit, was nicht zu hiUigen ist. Dagegen findet sich hei ihm statt des letz- teren unversländlichen Wortes das in der Hs. ganz deutlich zu lesende bou^on. 18 il a nne giant d'ji pie. Jedenfalls da, welche Präposition in vorliegendem Texte ziemlich häufig vorkommt. Vgl. 231, 1 wo Bk. selbst uint mit homes da yic schreibt. 25 cid che soit mal oii bon. H che, so dass chen (^ch'enj bei Kl. das richtige ist. Eben so 217, 27 Ver la place se idnt und Z. 29 loiir se idnt ner la place, H s'en. 219, 34 Se grand despit me idnt, H m'en. 221, 8 ie ne le sai blasmier, H l'en. 224, 13 a pne cliil ne fu deceu und 233, 28 die ne seroit, H 7ien oder etwa auch 7icn. 3ö a suen detre Gascon. KH galon. Und das ist richtig; nur muss man natürlich denAceent von detre tilgen: ä suen detre galon „an seiner rechten Seite". Bekker machte also eine unnüthige Emendation. 213, 2 se mist tut d'un rancon. KU randon. 3 la spee ?iue ao poing , oies rous con stigon. So auch Kl. Beobachtet man genau die Schriftzügo, so wird man bald gewahr, dass was beim ersten Anblicke als n angesehen werden kann, eigent- licii ir ist. Das Wort iries {iratusj entspricht vollkommen dem Sinne und stellt das Versmass her. 213, 11 iluec nous defendron S'il nous vousist offandre, ond blasme mle o' auron. Ist ebenfalls unnolbigerweise emcndirt worden. Die Hs. hat ide, also nien = ni en. Vorliegender Text braucht nämlich beständig ni für die einfache negative Conjunction, frz. ne, lal. non. Dass id en=nen nur eine Sylbe bildet, braucht kaum gesagt zu werden. 19 Hier und an ein Paar anderen Stellen, z. B. 223, 13 — 14; 223, 26 löste Bek. die Abkürzung cJirs und chrie in die Formen Chevaliers chevalerie auf, welche jedoch der Sprache vorliegender Handschrift nicht angemessen sind. Weit richtiger an den meisten Stellen ciualers und ciualerie. 294 M u s s a f i a. 29 cctr hien siii jioin'ceuant che ä fiii me Koliis tacr. Die Hs. hat ter und über dem e das Abk'irzungszeichen für ri. Miin lese demnach trier (Iraherc), was zu u fin w.eit besser passt. 216,8 doli f'ol mandemant qil nous tramist ier soir. Die Ms. bat noits , was auch vorzuziehen ist, da die Botschaft Karl's eher an den Louibardenkönig allein, als an das ganze Heer gei'lclitet ward. 13 — 14 mes Lomhars ne firent ne nllt6 ne sembhint che de lovr docoiisent le tiailement d'nn gajit. Im ersten Verse liest die lls. niste, gleichbedeulend mit semblant : ital. non far vista ne sembitinte. Im zweiten Vei-se ist docousent wahrsebeinlich blos ein Druckfehler fiir das dotouseni der lls, 29 Bertran li iencois (oder nach dem oben Gesagten ienoois^. H le. Allerdings ist li die ächte Form ftir das Masc. Sing.; in Mand- schriften, wie die Yorliegen ne veul je mie leissier 223, 16 9;iinte la spee forbie 223, 31 e la meslee fenie 224, 24 des Franzois ireemant 230, 19 q'ont nous tolne ees lous. Die letzten vier Verse kommen auch bei Kl. vor. Dass poarferAs nous plus daoynaze in pour fer as nous (= nos), wie bei Bk., ab- zutheilen ist, braucht kaum gesagt zu werden «). ') Es sei mir gestnttet hier anzuzeigen, dass eine von mir veranstaltete Ausg^alie dieses Gedichtes ehen im Drucke ist. t) (J >w M II s s H f f a VII. CHANSON DE ROLAND; jüngere Reduction. Davon druckte einige Verse K. Bartsch in der Germania (6, 28 ff.) ab. S. 30, 30 passe une tertre. Offenbar nur Druckfehler für un. 32 mercheant sunt, si vont fie reqaerant. Ich theile ab fiere querant *). .31, 21 He dex 'dist Otes qui fus enbeleant li soleuz baisse etc. Wie man leicht sieht: He dex dist Otes 'qiil fus en Beleanf . 32, 2 Sas en un bois s'est li fils enbuschie. H Ens. 34, 18 Mal de heait Druckfehler für dehe ait. 36, 33 tote Espeigne est vers moi apendant. H ert. 37 dous pors qui molt ertent coraiit. Verdruckt für errent. 37, 10 Es wird li gedruckt, und in der Anmerkung als die Les- art der Hs. la angegeben. Die 11s. selbst hat aber deutlich li. Eben .so 39, 30 lors im Drucke, und als die Lesart der Hs. lore, während schon die Hs. lors bietet. 22 je s'aorai ou il sunt sejournant. Wohl saurai. 39, 30 comuechier ist jedenfalls nur ein Druckfehler für comenchier. 40, 24 li clers fu sages de qu il en fl d' enfance. H ensi = issi (exivity. 29 vendu. Druckfehler für vendi. VIII. LA BATAILLE D'ALESCHANS. Nunmehr vollständig herausge- geben von A. W. Jonckbloet, (La Haye, 1854). Keller druckte im Ganzen 272 Verse ab. 30, 3 Herraa^; de santes. H Hernaug. 5 En trente leus faro^ se iacerang — fu rog (ruptus). 6 Ses escus fruit ese comes lusa7ig — e se eumes. 7 par mi en dos les flanz — endos. 10 3Iais noli uait la moite de dos gnng. — no li. 13 71US hom qui soit oinan^. H uiuang. ') Die Hs. Nr. IV, welche diese Episode der Verfolgung G a i ii e's ebenfalls ein- sehallct, hat : Mer^cant sont qui vont guadagnant. Haiidsoliiiltliche Stiidii-ii. O 0 O 17 corut auru li sauq. — au ru. 28 Cil sont a lui durde. — M dmde = (V bide. 31 Ine spie por(a. Wohl kommt die italieiiisirte Form spie (auch spli) in diesen Hss. ziemlich häufig vor, nie aber als Femi- ninum; man trenne demnach u?i espie. 31, 1 Anoi^ estrie (verschrieben für escrie). Besser A uoig. 2 En cul perdra GiiieV sa nalor. — Enciii „heute". 9 Viuain qiermnis ne li puet iieir. Die Hs. hat wie immer Viuian. Man trenne dann qicr mais „er sucht Y., kann ihn aber nicht sehen'^ 10 lo corda inatir. 11 cuida. 17 La iiersc'Q (II useg verschrieben für ueiseg^') fier esfor cbairoir. Die Hs. hat, ohne irgend einen Zweifel, ebavdir. 20 Taut ptiing tnnt pic tante teste. H pie. 32, o la iiiagnee gorhaiit, H masuee. Zwischen 7 und 8 fehlt der Vers: Chascuns portoit iine mace pesant. 20 pose aif comiciiant. Die Hs. deutlich pase „er hatte den Vertrag überschritten". 21 Li gentils homs sa testa. Jedenfalls satesta d. h. s'at. (wahrscheinlich verschrieben für sarestd). 25 Ne foi mai cstre tot mon uiuant. Wenstre, d.h. enstretotm. u. 26 Jal comparont poian. H paian. 28 Des pers de lärme. H pens „Gott sorge für die Seele!" Mit Vers 29 fangt eine neue Tirade, welche auch in der Hs. durch gemalte Initiale angedeutet ist. 34 Par mil auhergs. — mi Innhergs = l'aub. 33, 2 deu ne piaist qen core de ce fenir. — q'encore dece (eigentlich dege ; italienisirte Form = deggia) fenir. 5 E sa OS bretram. Wohl Esiios, oder, wie Manche vor/.ielien, Es-vos. 7 Le seaz li orent fait. . .froisir. — H Lesern . 8 son aubergs. . .desarcir. H desartir. ') Daraus erhellt, dass wir in diesem Cod. nur eine materielle Absclirift haben, die von einem Unkundigen angefertigt wurde. So findet sich 31, 26 boics, was demnach Keller berechtigte hoines zu lesen; die Vorlage bot hiichst walirsolieinlicb boicua (eu z= au wie bieus statt biaus beaus in Nr. VI). Nicht anders findet man häufig onde (mit dorn oberen Striche nach links gewendet) statt oncle : 32, 1 adeu ietant statt ademctant; 32, 10 firuerg statt cttucrf (Kl. druckte ciuety); 34, 14 fiirent statt finent; 35, 4 sarsir st. saisir u. s. w. 304 Mussafia 13 uers eis no se guentir (verschrieben für guencii-) — iiose = nose. 17 noir cum a nerser — auerser. 18 nen nosa aprochier. — H nennosa = nenn osa. Vgl. obe». 22 coplaer. H caplaer. Zwischen Z. 22 und 23 fehlt der Vers: 0 il escria monioie caualer. 23 07ides (verschr. für oncles) giell' carrne ueneg aider. — car me. 26 Pres est ma mort ui uoil (verschrieben für noi) nul recou- rier. H ni = n^i. 29 or fag trop qe la nier. H lanier. 32 QU 0 iicist. H qi lo ueist. Die gewiihnliche Formel: „Wer ihn sähe!" 34, 1 Bien uant chaschiins roUatit et oliuer. H uaut. 4 silincor abracier — si lin (richtig lui) cor. 31 areoi\ H arcor statt ancor. 35, 2 Oe lonc lor lancent les espieg por bair. Die Hs. ohne Zweifel De. Auch in Bezug auf das letzte Wort scheint die Hs. eher hair als bair zu bieten. 2Z qi Ros poust garentir. Ist eine Emendation, denn die Hs., welche 7i und ii ganz scharf unterscheidet, hat nos. 25 qe nestoif cirdesir. — Die Hs. hat ganz deutlich en desir. Auch sollte qen=q''en estoit getrennt werden. Vgl. Z. 14 derselben Seite. 36, 1 ardang, H aidang. 9 la terre dcsfran?. Wohl des frang. 11 Saadin li brun. Ganz dieselbe Initiale wurde 30, 1 richtig als G aufgefasst und Gaudin gelesen. Ehen so in der darauffolgen- den Zeile nicht s sondern G(autierJ le tolosang. 14 perdi i qi son tang. — iqi. 19 rt oocis. Die Hs. deutlich oncis, was nicht als ein Versehen des Abschreibers angesehen zu werden braucht, da bei occidere die rhinistische Einschiebuug häufig vorkommt; vgl. it. ancidere. 26 la ferroa e parti. Die Hs. hat auf unverkennbare Weise fendu. 33 des ier annedi. H amiedi = a miedi. 37, 6 orgeil. H orgoil. lliiiidsclirifllichc Stiiilien. oO^ 12 fier estor esbatoir. Auch hier, wie 31, 17, hat die Hs. gaiu deutlich esbandir. \Z pantir. \\ patir mit dem wellenförmigen r-Zeichen: also partir. 23 desface. Druckfehler für desfaee. XIII. DEUVES DE HANTONNE, BERTE AU GRAND PIE und CHARLE- RIAGNE. Cyclischcs Gedicht, nach Art der Reali di Francia. Aus dem- selben theilte Keller über 170 Verse und alleCapitelüherschriften mit; Guessard gab dann in der Bibliotheque de l'^cole des chartes (IV, 3. 393 fi.^ eine eingehende Analyse des Inhaltes nebst einigen neuen Versen, und berichtigte zugleich manche Versehen in dem Abdrucke Keller's. So z. B. in den ersten 10 Zeilen: Romv. 42, 16 7ior G a or. 19 abaci G abati. 20 spee feil cancon G spea feri canton. 21 0 laubergo G De l'aubergo. 22 biando G brando ; hinter Stellen, in welchen Guessard's Lescart die von der Hs. gebo- tene ist. Eben so sind Z. 18 et eti, Z. 22 de sis von Guess. richtig zu e teil und desis (descciidit) vereinigt worden. Nicht unhäufig aber sind die Fälle, in welchen Guess. nicht Lesefehler berichtigt, sondern Emendationen vorsclilägt. Da sie meistens gut sind, so muss man ilim dafür Dank wissen; wenn er aber dabei von einem ,,corriger Jes le^ons fautives qui ont echappe ä RI. Keller dans sa transcription" redet, so muss man diese Ausdrucksweise als nicht ganz genau bezeichnen. Es ist schon oben bemerkt worden, dass Keller nur einen diplomatisch getreuen Abdruck der Handschrift liefern wollte; wo er also von seiner Vorlage abweicht, dort darf man ihn berichtigen; ilin aber für die Fehler derselben verantwortlich zu machen , heisst seinen Staiidpunct verkennen , nach welchem vielmehr jede Einen- dation, die er in den Text aufgenommen hätte, als eine Iiiconsequenz gerügt werden dürfte. Guessard sollte um so weniger von „le^ons fautives" reden, als seine Emendationen das Schicksal aller Conjec- turen Iheilen; unter vielen trelTlichen findet sicii hie und da auch eine überflüssige. So z. B. gleicl» die erste: 306 -Mussafia Romv. 44, 17 en ceste putito de lui auron lasere e de li rois pepin buemestqe nusage. Guess. bemerkt dazu: „Lisez: de lui auron lasci^ (laseiato, laisse)". Der Infinitiv lasere (mit auslautendem e nach italienischer Art, wenn nicht laser e, wo dann der Schreiber aus Unachtsamkeit die Conjunction wiederholt hätte), ist aber voll- kommen richtig: auron laser entspricht dem Futurum laiserons nach jener umschreibenden Methode, deren oben (zu IV, b Romv. 18, 1) Erwähnung geschehen ist i)- E'^en so wenig berechtigt ist zu 48, 4 giarcilge die Bemerkung: „Lisez civalce"', denn die Hs. liesst in der That giarcilge und schon Keller hatte in einer Anmerkung ciualce vorgeschhigen. Ich werde daher die Bemerkungen Guessard's, in so weit sie Emendationen sind, nicht berücksichtigen und dem Zwecke vorlie- gender Arbeit gemäss, sow'uhl bei Kell, als bei Guess. selbst, nur die Abweichungen von der Hs. nebst den Unrichtigkeiten in der Trennung oder Vereinigung der Buchstaben zu einzelnen Wörtern namhaft machen. Romv. 42, 18 Gran colpo fer de son elmo en son. Nicht anders G. Und doch hat die Hs. deson son ebne; nur ist das n von deson untertiipfelt und darauf steht ein r. Dies ist auch gewiss das Richtige, sowohl in Bezug auf den Sinn als auf das Metrum : desor son elmo en son. 42, 3 V. u. cun son oste. H soa. 43, 5 ftue l& grant oste e lo vi li davant. Nicht zu trennen: quela, elo „er sah jenes grosse Heer". 7 Del ui Symbaldo^) si li dist. H Oel d. h. o el = oh, il vit ; die gewöhnliche Formel, um eine Rede einzuleiten. Zu Z. 8 ist zu bemerken, dass das Wort soldo, welches den Reim stört, gestrichen ist, und daneben mit sehr kleiner jüngerer Schrift or e argant geschrieben steht. 15 cslne fe gründe goia. — e si ne. 1) Möge hier noch das Beispiel aus der Pass. Chr. ed. Diez 93, l angemerkt werden. 2) Ist Symbaldo oder Synibaldo zu lesen? Die Schriftzüge lassen im Zweifel; dem Metrum würde an vielen Stellen — so auch in der vorliegenden — die zweite Form zusagen. In der Wiener Hs. des Beuves (3429, Papier, 15. Jahrh.) welche eine Redaction des Gedichtes in zehnsylbigen Versen enthält, findet man immer symbaut; die mit derselben ziemlich genau übereinstimmende Hs. der vatie. Bibl. Chr. 1632 bietet (nach Romv. 410) Seinber. Die Vz. Hs. Nr. 14 hat endlich Soibaut, die Reali di Francis Sinibaldo. Haiulschiiftliclie Studien. 307 44, 1 0 ecomo e loit. — e como el oit. 45, 20 Aquilon de bauiere. Die Hs. , wie immer so auch hier, baiuere. 46, 18 si ohlrois — H ohlires. 20 Coment alle fahe fermc. HG cille f. ferne. 48, 25 Comende la dame. H comente. 49, 22 ^/o?/s. H ^ toris (= Teris). 50, 6 symbalto. II symbuldo. 15 Comeiit bouo dona a tense // primer colpo. H ^er/sf? 18 fl'o^/o teinagnoge. H demagä^e. Dass der w-Strieh etwas mehr nach links gerückt ist, berechtigt wohl nicht gna statt (/«w zu lesen; man hat (lemniich de Magance. 23 Inrmaire. W lannaure = V armeüre. 51, 21 Ol (dies. MG Oi aues. 52, 12 folrent in 1er 7???/r. HG E uireni ; H ^/^ /o; G in le. 1 o Vi aiioit a la tabra derasue ') or /« barom alfc snlefival a morir. H cufc fo /^ f »wa?. Vgl. Z. 7. 14 donente concir. HG donente d'oncir. 55, 13 6o?/o oYol. HG oW/. 56, 9 filz estoit lis olday — li solday, 15 morti e scanfin — HG e scunfiti. 22 ^OMS. HG 6o«o. 27 / loit — ?7 oit. *) Da in den Rubrilicn die Zeichen für u und )i beinahe indifferent gebr.Tucht werden und Kl. seihst an vielen Stellen nur den Sinn entscheiden liess, so hätte auch hier dcrasne gedruckt werden müssen. Eben so ö3, 22 le filz li rois le COllota — couota „wünschte das Pferd"; 66, 14 or deuent — ordenent (schon bei G.); 67, 23 sausouto — «anson[e]to. 308 M u s 3 a f i • S7, 5 alliec le. H auiec. 14 fte lol geto. Da lo als Nomin. nicht vorkommt <), so ist diese Trenniingsweise unzulässig. Also entweder qelol oder qelo-l „dass es sie (das Pferd die Schlange)". \1 Qe uer de le mie farent guarant. H ime d. h. i me. „sie (Gott und die Heiligen) schützten mich". 20 laseren de bouo daste gorno en äuant. H lasaren. Man trenne da sie. 21 A sa duro. Zusammen asa (^= asez). 23 dame berte. H dama. 2S IT. Ol du ist zu verbinden in oldu; senu HG send; esten H esie, G e si est. 58 1 An apreso de grande traixon. H £ in. 8 a trooer we« poron. In einem Worte: atrouer. 20 questa cangon nonc ^e trigarie — wow e. 28 bertela no/i oblio pus wiV. H pais, hier die gewöhnliche Form für pas. 29 Coneso Karleto la tenoit. — con eso. Eben so 60, 7. 09 Nach Vers 4 fehlt eine Zeile: Por grant auoir e por grmit manentie. 13 molto fait a salter. In einem Worte asalter=exhausser. 16 qui de Magange non estoit si lamer. H lainer. 18 See veoit Aquilon go qe poroit encontrer. H Ben. 60, 19 Tant auto faire par me engantamant. H cuito. 20 Mon per e berte aobes comunelmant. Die Hs. hat deutlich anbes. 22 Quant eil cent parier cosi linfant. H oent. 24 iN^ert fii de lor ni petits ni grant. H petita. 28 Lnndris autoit /« nouelle, Guessards cuntoit ist eine Emen- dation; die Hs. hat cuitoit, und cuitare kommt in altitalienischen Mundarten vor. Vgl. z. B. Bonvesin, fra Jacomino bei Ozanam u. s. w. 61, 26 // dient qe le stoit uti bricoii. Le als Nominativ geht wohl nicht an; daher qel estoit d. h. q'el estoit. 28 Ho fara oel iioia o non — I lo; o el. 30 coDtrana son dud. HG contraria son dito. ') Daher auch 61, 1 nitlil li lo le disl sondern elo, und 61, 27 nicht fo qc lo disl, sondern qelo = q'elo. Untuiseliriftliche Studien. 309 32 E lo // par ic cu7u homes forsoncz. Guessard, welcher diesen Vers ebenfiiUs abdruckte, hat richtig elonnA parle. Wenn er aber ebenfalls /}>rso/i^t druckt, so spricht dagegen die Hs. und der be- ständige Gebrauch derselben , die Reime dem Auge als vollkommen gleich darzustellen. 62, 2 li altri ses par lenti. In einem Worte, denn offenbar ist damit j;«r, wie schon zum Theile bemerkt, sowohl u und n als s und f nur durch den Sinn unterschieden werden, so hätte der Hg. wie an anderen Stellen so auch hier dem Sinne folgen können: fo leue^~). 74, 17 demande coge a sa dama. H da. 18 la raina estoit in non garle — hin Ongarie. 75, 23 danois sefevi con coriamont. H foriamont und zwischen /und 0 übergeschrieben ein /; also floriamont. Die letzten 13 Verse sind auch von Guessard abgedruckt worden. 77, 4 Ne le troua palio ne siglcdon. G se. Die Hs. hat aber le, das hier immer statt franz. y gebraucht wird. 10 tot quel colse qe perten a prodon. So die Hs. G hat qe portera prodom. Wenn dies eine Emendation sein soll, so kann man sie als unnöthig bezeichnen. 14 Da qiti auanti seona la cangoji. G s'en ora la cancoti. Ich verstehe weder das eine noch das andere. Die Hs. hat senoua, was ebenfalls nicht ganz deutlich ist. Vielleicht ist se = venez. a^e (est); „hier fängt ein neues Lied an". Der Compilator mag die Absicht gehabt haben, den vielen Erzählungen, aus welchen sein Gedicht besteht, noch eine hinzuzufügen, später aber diesen Gedanken auf- gegeben haben. Es bleiben noch die wenigen von Guessard allein mitgetheüten Verse übrig. S. 398, V. 8 se uncha mais e nen oldo parier. H uen, und der Sinn lässt keine andere Lesart zu. Landry spricht zu seinem Bruder, und bedient sich dabei, wie gewöhnlich, der zweiten Person bald des Singulars, bald des Plurals. 12 givalers ist allerdings der strengen Grammatik gemäss: Handschriften von der BeschalTenheit der vorliegenden kümmern sich aber um grammatische Feinheiten sehr wenig. Sie streben nach anderen Vorzügen; so z. B. dass alle Versenausgänge sich vollkom- men decken, und daher sollte hier civaler {: ager, muler, coroner, ger) nicht angetastet werden. 1) Eben 80 hätte 73, 11 statt des nichts betieuteiiden sasurrent das richtige saluerent jjesetzt werden können, da der Hg. an anderen Stellen dem Sinne nach l als « und 3 als l auffassle. Handsohriftliehe Sliidieii. *> 1 1 19 nensoit pas(Hpais) Lon/'roi {-o q'el doit encontrer. Encon- trer fordert in dieser Hedeututig die Sache als Sul>ject und die Person als Object; die Hs. hat in der That go qe le (auszusprechen qeV^ doit eiic. i) 30 ad ascolter ist ememliert aus dem liandscliriftlichen scolter. 399, 6 Fdlcon espaniTcri. Zu trennen in e spar. Anlaut mit combiniertem s findet sich in diesen Hss. ungemein häufig; die Con- junction aber seheint notliig. 11 fasoit orer lisant. Jedenfalls li saut „er Hess die Heiligen anbeten". 14 Ben de cser dolant. H do „ich tnuss". 17 Dist Danabrin, nn no vali niant: „Envoiez ä Uli etc. Der Hg. scheint die Worte nn no uali niant als ein appositionelles Adjectiv zu Danabrin zu halten: „ein Taugenichts". Die Hs. hat aber Uli, und sclion mit diesem Worte fängt die Anrede an : vii no vali niant „ihr tauget nichts"^. 406, 4 le masimo cunte si l apela la jan. Es ist schwer zu begreifen, wie Guessard, welcher doch die ganze Episode, deren Inhalt er mittheilt,, gelesen haben muss, nicht an den mehrere Male wiederkehrenden Namen bemerkt habe, dass die Hs. ohne irgend einen Zweifel zuzulassen nicht cunte, sondern gude (Judaeus) liest. Vgl. fol. 67\ V. 9 : Qui uestre nome primeran uos leiie E crego ben qe deist verite Ben dist uoir eil qe nu est es gue Fei renoies in mal ora fiisi ne. Ebenso 68 e morfo fo li maximo gue (:sagrc).^^ ') Zu V. 27 Karleto Hl leca empercr bemerkt Guessard, dass hier gewiss sis Irva zu lesen ist. Ich würde dageg'en nicht gezögert halten, schon aus der Hs. fu zu lesen, denn das, was beim ersten Anblicke als l erscheinen kann, ist offenbar nichts als der zweite Strich von u , etwas in die Länge gezogen; fu levä = leve passt aber besser als sis leva =. */ se leve. 2) Der letzte Abschnitt dieser Handschrift , welcher die Geschichte des Hundts voo Aubri (.iie Köiiiginn Sibille) eiilliiill, wird ebenfalls von mir in kurziM Zeil ver- öircnlliclit werden. Sitzb. d. pliil.-hist. Ol. XLll. IJ.i. II. Ilcfl. 21 O 1 -* M 11 s s a f i a XIV. BP:UVES de hantonne. In drei Abtheilungen. Keller diiickte die Eingangs- und Sclilussverse jeder derselben; im Ganzen 273 Verse. 78, 5 Plos aiioit de Chevalier vij vairs. H OInj = 0 lui. 17 De fiu argent trosseit v. c. soirriers. Es ist ganz deutlich somiers zu lesen. 23 Mut li a fie kil fera son plalsir. — afie. 29 A vos iiiendai. H meclai d. h. mencluin = tuen ciain, statt Claim. 79, IS Gratis est la noise ensioelle la loie. — en siuelle {= Se- ville). Vgl. 80, 5 parmi siuelle. 21 Li frans dns boenes. H boeues. 26 Et le destriez a le seile doreie. H destrier. 80, 9 Ot en prison en se grant cor quaree. H tor. 10 la desans en leniree. H desous. 14 de tote la contree. H sa. 15 e?i la sale paiiee. H le. Vgl. V. 26 wo auch der Druck le liest. Eben so 79, 26 le seile. 20 mult suj enfree. H enfreee. 32 la teste armee. Auch hier bat die Hs. die Form le. 34 Quatre enver sa dune lance. — enversa. 81, 21 li qiiens guis ou il oot kensengnier. H not = not. 24 Salus vus mande baroiae a vis fier. H la roine. 82, 5 A j. garchon mal bieii laidengier. H moi = m' oi „ich hörte mich". 25 Dusca le dame ne se vaurent cargier. H targier. 83, 12 essoiue. Vielleiclit nur l)rucktehler für essoine. 18 Bertrans sencontre. Ist ganz deutlich sentorne zu lesen. 23 Soibaut i crueue. H trueue. 25 Del duc boenon li grent a detnandeir. }^ prent. Druckfehler. 28 En nule terre la ynje sace aler. — H ou. 84, 3 iureur. Vielleicht nur Druckfehler lur iureir. 4 fors dou pais valeir. H raleir. 9 Ne sai aa sant. H ou sont. 12 Ses poing de cordre et ses cheviaz cirer. H defordre und tirer. Iliindsciiriflliclie Stiulien. 313 23 Awefa's cho aus i'arra saib. alcir. H cfieaits (= luix), und Soiblaut], die Foriu in welcher diese Hs. den Namen des Besehiitzers Beuve's bestandig bietet. Auch 80, 10 findet sich Saih. während die lls. soib. hat. 30 eis baroHS quil at fais nsenbler. H ot. 34 bevlrans ki c&nt fisf aloeir. H tant. Auch ist natürlich a loeir zu trennen. 85, 1 La messe ot fait . . .chanter. H ot, also ont. 10 Desous Auf'rike ariere rame aoir. Fl rameneir. 23 fratice me duce resion. H region. 28 Die durch Puncte angedeuteten Worte lauten griuit esone. 86, 2 Giuan mon fil. — ui ist als iu, und wie an vielen anderen Stellen, a statt o gelesen werden'); die lls. hat aber deutlich Guion. ANHANG. Ich benütze gern diese Gelegenheit um zur weiteren Kunde der altfranzösischeii Handschriften der Marcusbibliothek einen kleinen Beitrag zu liefern I. • P, Lacroix sagt, dass nicht blos Nr. 11 und 12, sondern auch Nr. 23 des Supplementes provenfulische Gedichte enthalten. Auch Keller verzeichnet: „Suppl. 12. Provenzalische Gedichte". Indessen enthält blos Nr. 11 die bekannte Sammhing; Nr. 12 ist historischen Inhalts, und in 23 findet sich ein altfranzösisches allegorisch-didac- tisches Gedicht. Über letzlere Handschrift will ich nun einiges berichten. Sie ist in fol., auf Pergament, und gehört dem lo. Jahr- 1) Das 0 ist iiäinlicli in dieser Hs. mit einem Häckcheii versehen, d.is ihm beim ersten Aiihlicke das Aussehen eines «gibt; da aber (»wieder eine ziemlich verschiedene iiim eigeuthiimliche Gestalt hat, so sind die zwei Buchstaben eigentlich gar uieht ^u verwei'hselii. 21* 3J4 Miissafia hunderte an. Aiifanj? und Ende fehlen; das erste Blatt trägt die Zahl 37; mit SOI" bricht die Hs. ab. Auf jede Seite gehen 44 Zeilen. II n'eüst ja la chasse empris 37' Ell son bois, dont il fu souspris, Combien que chelle male estrine Li venist contre sa doctrine. Encore de che 3 La troeuvon ie lit perilleux, Le lit divers et merveilleux, Oü si perilleuse coucbe ha C'onques Lancelot ne coucha En lit si perilieiis d'asses; 10 Ch' est li lis, se tu ne le sces, Oü ses las tent dans Vulcanus, Olli sont si tres soubtil que nulz Ne les poet veir ne comprendrei Si les y met pour ehiaulz sousprendre 13 Qui poursievent Venus sa fame Pour aulz faire honte e diffame: Mais Mars li [fort] dieu des bateilles, Qui mult est hardis ä merveilles, Ne s'en pot onques si garder, 20 Tant y seeüst pres regarder, Qu'il n'i fust pris et retenns Avecques s'amie Venus A grant vergog'ne et ä grant honte. Mais Venus n'en fist pas grant conte 23 Ne de rien ne s'en esmari, Car eile het tanf son maii Pour sa faiche laide et obscure Qu'elle n'a de son delit eure; Filile a plus eher son amy Mars, 30 Elle n'en prendroit pas niil niars; Car Mars est Jones et gentiex, Et s'est hardi et ententiex De li servir ä sa plaisanche. Et chilz est de rüde ordenanche 33 Et vieux et viiains et couars; Elle volroit qu'il fust orc ars. Encore de che II y a layens aussi fontaines, Qui sont toutes de venin pianies Handsehrifiliolu' Slinlieii. . •> I ») Et de peril couvertemeiit, 40 Et toutefois, au jujjoinent De la langue et de la veüe. Tu diroies c'onques veüe Ne fu lontaine plus plaisans, Plus douche ne plus aaisans 45 Que les fontaines de layens; . ST"" Mais a bries mos ch'est tout noyens, Clie n'est que toute Illusion, Qui bien seet la conciusion, Conment ches fontaines dechoivent 50 Chiaulz qui oujtre mesure en boivent Et eoniiieut elles le concliient Et les afollent et oehient; Tant sont de peiilleus afaire. Or enten qu'eiles scevent faire; 55 Car je t'en voeil un petit lire. L'une fait eheli qui s'y mire Amer son umbre et sa ügure, Si qu'amours tout le destigure Et ä le fois le met ä mort 60 Pour che que l'amour qui le mort Ne poet trouver fruit ne pourfit, Ensement que Narchisus fit. L'autre fait le houime en son vcnir Farne & moitie devenir, 65 Et du tout tarne le feroit, Se longuement y deniouroit .... Mainte fontaine aultre ha diverse U vergier oü amors converse De molt perilleus convenant, 70 Dont je me tairay roaintenant. Eiicore de che LI arbre de chelle clostüre Resont aussy de tel nature, Ainsi com ehertainement truys, Qu'il ne portent onques nulz fruys 75 (Au mains le plus comunement) Ne chose qui aueunement Puist ä la parfin pourfiter, Se n'est cspoir ä deliter La veüe tant seulement; 80 Et s'en y a molt ensement Que combien qu'il soient tout vert De foeilles et de flours couvert 316 M a s s a f f s Et qu'il puissent bien resjo'ir 38* De premiere faiche ä veir, 8S Toutes foys il sont plains dedens De couloevres et de serpens, ^} Dont chils tost decheüs seroit Qui Irop pres s'y endormiroit; Sans faille il y en a de telz 90 Qui portent bien, ch'est veritez, Pommes qui sont par dehors belles; RIais elles sont par dedens telles. Des lors que'on y voelt garde prendre Que on n'y troeve que poiidre et cendre -^ 93 Et chose inufile et puant Et abhominable au veant. Li aulfre ont un fruit si estrange Qu'il se mue souvent et change En natures toutes contraires; 100 II ne demeure en un point gaires: Car i] portent unes pometes Qui sont en une heure douchettes Et blanches comme fins yvoires Et puis sont ameres et noires i05 Aussi comme soubdainement; Et s'est bien teiz fois ensement Qu'elles reprendent lor blanehour Et lor prenieraine douchour; Toute fois par droite coustume 110 La fin est toudis d'amertume. Ainssy, se la lettre ne ment, Se mua anciennement Par maniere asses merveilleuse Uns moriers par la mort piteuse IIa De Pyramus et de Tysbe, Quant il furent si destourbe Pour la grant paour du Hon, Qu'il en prirent occasion D'aulz ochirre ä lors propres mains; 120 Passer ne s'en vaulrent a mains: Car chilz moriers qui mores franches Soloit porter douches et blanches Les aporta depuis tous tans Noires et sures as goustans. 1) Am Rande: hoc dicitur ad litteram de salicibtts. ») Am Rande: tales arhoves hahundare dicuntur super ripas maris mortui in tocn tibi Sodoma et alie civitates iijne et sulphure dcstructe fuerunt. «•' ll;ui.lM.liiifUi(lie Stiiilioii. in 7 125 Quoy plus? 11 y ha prant plente Ü'arbres qiii soiit hiycns plante. Qiii sont de i-ondii-ion tele SS"" Que lor uiiibie est nays mortele; ') Tel sont li arhres ä brief parier i30 Du vergiers oii tu voels aler. Encore de che en monstrmit aucuns examples des mauls qiii sont ave/iu et poeent avenir u veryier d'amour. Chi conclud Dyane so)i eiitencion en comparant sa forest au vergier d'amour. Coynmejit il respoudi a Dyane. Es folgt ein Gespräch zwischen Diana und dem Dichter, welcher, der Ermulhigunizen und Versprechen der Göttinn Venus eingedenk, den Garten der Liehe doch hetretcn möchte, bis endlich A tant s'est Dyane partie, 44' N'onqucs puls ä rnoy ne parla ; Mais isneleraent s'en aia, Ains se bouta sans faire arrest 5 U jmre espes de la forest. Coment il se remist au chemin comnie devant pour aler au. vergier de deduit. E chi parle l'auteur du vergier de deduit en le recommendant et pour Voccasion de che parle il dou roumant de la rose e le recommende. Nach einer Lobrede, welche der Dichter beiden Verfassern des Romans der Rose spendet, beginnt er zu erzählen . . las merveilles que g'y vi 45" Qui tout proprement s'acordoient, Si qu'en riens ne se descordoient A che que chilz songes propose o Qui est u roniant de la rose Reschreibung des Gartens, und der schönen Dinge, welche er darin gesehen. Unter anderen den Gott der Liebe sammt Gefolge, den Rosengarten und die Rosen et le Heu oii Jalousie fit Bei Äcoeil emprisouner et la fontaine Narchisus. Comant il trouva Deduit quigieuoit ad esche's ä une damoysele. Comment. . .li diex damours rault quil gieuast apres coutre la damoisele. •) Am Rande: hoc dicitur de itwo et de abielc (?) eli-. 318 M II s s a f i a Es folgt eine sehr ausführliche Beschreibung des Sch^chbi-ettes mit zahlreichen Allegorien; endlich siegt das Mädchen. Gespräch zwischen dem Liebesgott und dem Dichter, am Ende dessen ersterer abzieht, und letzterer nachsinnend zurück bleibt. Comment ii diex iVamours le vint reconforter. Neues Gespräch, in welchem der Liebesgott die Gebote seiner Mutter, der Venus, auseinandersetzt. Le premier commandement qui gist eti foy et en honne ima- ginacion — Example de Deucalion — de Pymalion. Du second commandement gener al qui gist en .iij. choses : en loyaulte, en secre et en diligence. Commetit aucuns voelent joir de lors amoiirs par forche et par violence. Et met iin exemple de Thereus — aultre example du fil Tarquinins. Verschiedene Weisen Liebe zu erwerben : ^^«r richesses et par dons — par sorcherie et par enchatitement (^Medea, Circe, DejaniraJ, — par fraude et par faintise. Cid parle. . .de secre. — Example de Jupiter. Le dieu d^amour... parle des mesdisans — Example du corbel (qui encusa Coronis) — de P/iebus et de Asthalaphus. De diligence — pluseurs examples de Jupitei et des aultres dieus. Comment biaus langaiges et douche pturole ont en amours grant efficace. Der Liebesgott scheidet wieder und wieder bleibt der Dichter allein, in Gedanken vertieft, sich nach dem Mädchen sehnend, welches ihn beim Schachspiele besiegte; da erscheint die Göttinii Pallas, um ihn von Venus abwendig zu machen. Pallas. . .parle de raison. . • [et] conclut que chilz ti'est pas proprement kons qui ne se gouverne par raison. Der Dichter lässt sich aber nicht leicht überreden Lors dis je adonc: 'Vaille que vaille, 134" Dame, je n'acors pas sans faille Que eheste sentence soit voire; Briefment, je ne porroie croire 5 Que la vie que Venus maine Soit si eontre nature humainc Ne eontre raison que vous dites, Ains est vie de grand uierites HaiiJachi'iftlicIie Studien. 31!) Et de grant bien, au dire voir, iO Je ne say qui vous poet mouvoir: Prouves au moins qu'il soit ainsy Car il ne soufist pas aussy Dire la cliose, au mains ä inoy, S'on ne dist la raison por quoy. Comment Pallas proeuve son entencion que la vie amoreuse est dcraisonnable. Sie thiit [)ies sehr weitläufig, nicht ohne Einwendungen von Seite des Dichters, welche jedoch immer schwächer werden. Wie sich endlich Pallas anschickt ihm auseinanderzusetzen Comment il se dovra damoiirs retraire, ist er schon ganz willfährig. 'Dame, por Dieu, dites toudis 141' Car j'ay ori-ünt plaisanclie en vos dis Quoy que du fait apres aviengne.' Ichy parle Pallas . . . des remedes d'amours soloiic Ovide- Sie gibt iiim im Ganzen 3o Regeln an, wovon hier als Probe zwei folgen : 'o' La quinte rieugle. La quinte est que nul ne s'eflTorche 148* De vaincre l'auiour en sa forche, Car son tans pert qui s'i aplique. A brief parier, chilz pert sa paine 5 Et trop se dechoit, qui se paine D'oster s'yinaginacion D'amour par incantaeion. Sans faille ehest art, tant en sai ge, Solüit estre en mult grant asaige 10 Et niainte merveille en faisoient Li anchiens qui en usoient, Ainsi que Ovides le tesmongne, 148* Qui nient niains en ccste besongne Ne voelt point de ehest art user. 15 Ovides n'y deigne muser, Car ch'est male art et dechevable: 11 voeit baillier art raisonnable, Teile que Apollo li dcsciaire. Je ne vocil pas' dit il 'hors traire 20 Les ombres de lors sopultures Pour savoir les choses obscures, 320 M u s s a f i a Ne je ne voeil pas ensement Les ablais *) par enchantement De champ eii autre tcansporter, 25 Ne je ne revoeil pas oster A Phebus aussy sa lumiere N'arrester Tybre la riviere; Je voeil que li Tybres s'en voit En la maniere qu'il soloit 30 Toudis vers la nier droite voye; Je ne quier ja qu'il s'en desvoye. Je voeil ainsi qu'il soloit estre Que la lune et li cors celestre Faichent tout continuelment 3d Lors cours tres ordeneement Et selone lour acoustumanche; Ja n'y inetrai desordenanehe, Ainsi qu'omes magicien Faisoient u tans ancien, 40 Et toutesfois il ne savoient De l'amour qu'en lors cuers avoient Trouver remede ne confort Par enchantement ne par sort. ' Briefment, Ovides ticn pour ferme 4S C'on ne poet (et je le conferme) Vaincre amours par enchantement Par soufre vif ny autrement. Example de Medee et de Cyrces. La sisime riengle. L'aultre riengle et l'aultre cautele 149"' Pour soy garir d'amours est tele (Je-) te lo bien que tu le gardes): Ch'est que tu penses et regardes 5 S'il y a chose vicieuse Mal seans ne mal gracieuse Ne chose qui soit ä blamer En chelle que tu seulz ainer, Et que tu ayes si ches ehoses 10 Tous tans en ta memoire encloses Qu'il t'en souviegne toutes heures, Quoy que tu faiches ou labeures, Et que tu mettes au derriere Le bicn de li en tel maniere ») Diese durch das Metrum g-ewährte Form ist niclit oinie lutert'sse, da sie die Deutung von Me it. biuda aus ahlafa unterstützt. *) Hs. Et le te. IliiiulscIirifUiihe Sliidien. dcl 15 Quc jamais il ne tc souyiengne ISO.* De chose que bien li avieiigne, Fors (lo ses vices soulement; Kt ayes ') toudis cnsement Devant les yeulz de ton curaige 20 S'elle l'a fait aucun damaige, Comme de tes dcnlers dcspcndre Ou d'engafjier ta terre ou veiulre, S'elle l'a fait aucun faus tour Dont tu ayes au eoer tristour, 25 S'elle t'a fait paine et anuys Soufrir, soit de jours ou de nuys, 0(1 s'elle ha nouvel amy fait. Ou aucun aultre vilain fait, A ches choses que je te conte, 30 Qui te ramentoivent sa lionte, Düis tu ta pensee tourncr, Car s'ainsy te voelz atouraer Tu le hairas legierement; Et suppose meesmemenit 35 Que t'amie soit belle et fresclie Et qu'il n'ait en 11 nule tesche Tele que cby devant deVsmes, Si dois tu faindre en toy meismes Qu'elle soit et laide et vilaine 40 Sans failie, se cb' estoit Helaine Ou la nieillor c*on sceüst prendre, . Si porroit on pour 11 reprendio Et aceuser de mesproison Bien trouver aucune acoison. 45 Li comniuns proverbes le proeuve 'Acoison qui son ebat bat troeuve'. Briefment, saiches qu' il n'est personne, Tant soit honnourable ne bonne Ne de gracicuse nianiere 50 Qui ne soit :» blamor legiere, Qui mctlre y volroit son engien, Car li malz est voisins au bien. Doch Palliis will iiiclit blos zerstören, sie weiss iuich elwas Neues aufzurichten. Pallas li monstrc.en qnclz choses il se poef mich eniploi/er qaen la vie d'amonrs et li fait premiercniettt mcncion des trois ries (vuluptnense, active, conleniplative). 1) its. Et se ayes. 322 M u s s a f i a Es folgen lange Betrachtungen über das Glück, mit grosser Umständlichkeit werden alle Dinge aufgezählt, in welchen dasselbe nicht liegt, um endlieh zum Schlüsse zu gelangen : Comment felicites finablement est principaulment en bien ouvrer selonc vertu. Am heilvolisten ist jedoch das beschauliche Leben. Die dazu nöthige Weisheit zu erlangen, soll er nach Paris ziehen. Ch'est une cite honnourable, 190* Si excellente et si notable Et de si grant auctorite Qu'en toute Europa n'a cite 5 Si soufissant ne si parfaite. Zwei Blätter sind mit dem Lobe der Stadt gefüllt. Dann kommt die Reihe an den König und an das Volk Frankreichs. Sans faille a ce trop bien s'acorde 192" Aussi le poeple du pais; Car je cuit que tu ne veis Onques poeple si souffissant, S Si bon ne si obeissant Ne qui tust par especial A son droit seignour si loyal; Et si le voit on ensement Paisible en soy naturelraent, 10 Doulz et eourtois et amiable. Vechy pais sor tous loabie, Vechy terre tres eüreuse, Vechy cite tres glorieuse, Oü il a aussi poeple et roy 192'' 15 De si tres raisonnable arroy. Que voels tu plus que je t'expose? Ch'est la flour dou monde et la rose Ch'est li basmes de vertu forte u. s. w. Dies Alles verdankt Paris dem — Mercurius, denn dieser ha grand sigtiificacion sur la cite de Paris. Chy parle Pallas de l'universife. Chy V eiiduit Pallas ä vivre au mains de la vie active, n cas qii'il ne volroit vaquier ä contemplative. Zu diesem Zwecke will sie die Verpflichtungen der verschie- denen Stände aufzählen. Sie fängt mit den Fürsten an. Mitten im Hnndscliriftliche Studien. 323 Abschnitte, welcher die Überschrift trägt — Comment larguesce et justice et proesche fönt amer les princes principahncnt — luicht die Ils. ab und zwar lauten die letzten Verse folgenderrnassen : La (lois tu nietre cocr et amo, Voire ton cors propre exposer S'aucuns s'i voloit opposer, Hai'diement et volontiers 5 ü cas qu'ii en seroit mesliers .... II. Es gereicht mir zu einiger Freude über zwei neue bisher unbe- kannte Fragmente der Aye (VAvig)W7i berichten zu können, welche ihres Veriiältnisses wegen zum Brüsseler Fragment ein um so grösseres Interesse bieten. Das Gedicht wurde neulich (Paris 1861) als sechster Band der „anciens poetes" durch Guessard und Meyer lierausgegeben; in der Vorrede (S. XXV — XXVI) findet man Nach- richten über das Fragment, welches sich am Deekel der Hs. 14G37 der Brüssler Bibliothek befindet und zuerst vonBeiflenberg (1841), dann von Jubinal (184()), und zum dritten Male von den Herausgebern des Gedichtes abgedruckt wurde. Letzlere machten auch die voll- kommen richtige Bemerkung, dass Sprache und Orthographie lebhaft an die venetianischen Handschriften erinnert. In einer lateinischen Papier-Handschrift der Marcusbibliothek (Class. XI, Cod. CXXIX) finden sich nun zwei Vorstichblätter von Pergament, welche Bruchstücke eines altfranzösischen Gedichtes enthalten , und zwar, wie schon die erste Leetüre zeigte, der Aye d'Avignon. Die Sprache ergab sich als vollkommen mit der des Brüssler Fragmentes über- einstimmend: dazu kam der äussere Umstand, dass in beiden Frag- menten acii tundzwanzi g Zeilen auf die Seite kommen. Es Hess sich daher schon mit ziemlicher Bestinmitheit die Zusammengehörig- keit der Fragmente annehmen; die Vermuthung. wurde jedoch zur Gewissheit, als ich durch die Freundlichkeit des Vorstandes der Brüssler Bibliothek das Facsimile einiger Verse und der Anfangs- buchstaben der übrigen erhielt, und dasselbe mit dem Facsimile der Venetianer Fragmente vergleichen konnte, welches mein verehrter Freund G. Valentinelli anfertigen zu lassen die Güte hatte. Wenn auch nun die zwei Fragmente ziemlich genau mit den betrelVenden 324 M u s s a f i a Versen in der Pariser Hs. übereinstimmen, so halte ich es nicht für überflüssig, dieselben hier zum Abdrucke zu biingen '). (Vgl. Aye d'Avignon, v. 1432— IS 13.) De dolor s'est pasmee desor lo lit a fant; 1* Quant li rois l'apercoit, grant merveille l'inprant; En lor romanz parole, si lor dit hautemant: 'Baron, don estes vos, ne niel celez noiant.' 5 Berrangiers le respont: 'De France la vaillant A la cort (^ariemaine avon fet tel mahant . N'en iert nies acordance a tot nostre vivant.' Dit Guenors: 'ßeaus amis, vos dites san d'i'[n]fant, Qu'il nen a en ces siegle tionie tant soit vaillant.' 10 'Sire, servirons vos se vos vient a talaot, Encontre tote jant vos serons desfendant Autrui terre confundre e metre a fou ardant!' E dit li rois Guenors: 'Grant merci vos an vant Qui fa estes torne, grant merci vos an rant 15 E ne por cant nie dites un poi de voz sanbiant: Cui est si belle dame ä la chiere riant? Se bon li est ne bei, ä fin or la me uant; A moiller la prendrai s'ele le me consant'. E respont Berrengiers: 'Nos n'en farons noiant. 20 N'est pas costume en France antre ia nostre jant Que nul venda sa ferne por nulle rien vivant.' 'Par Mahomet mon deu' ce dit li rois Guenort 'Tot tanz fu il costume a icest nostre port Que se nuls beaus clievaus ne ferne i arivort, 25 Veraiemant l'auroit li rois se lui plesort; Mes por ce le vos di, c'a fin or ia vendort. ' E respont Berangiers: 'De ce n'i a il acort. ' 'Amis' ce dit li rois 'don me faras tu fort? Par Mahomet mon deu, or me tien tu ä sort? l' 30 Je ne laroie mie por le tresor roi Lort Que je ne prange ce que mes ancestres ort.' Berrengiers tint la spee, don li ponz flaubiorf, Parmi le cef amont an vout ferir Guenort, Un Paien en ferri qui delez lui estort, 35 Amon sor les espalles que la teste anvalort (?) E Amaugins li bruns alla feiir Margort, 1) Leider nicht nach eigener Abschrift, sondern bios nach dem nachyeraalten Facsiraile. Handschriflliclie Studien. Dous (Ic tot le plus riehes lor i ont gite mort. Guenors le roi s*an fuit, grant pior o de inoit E ii Francois anseiiljle se ferirt-nt au port 40 De la eite sallireiit e Türe c Barigort E plus de .c. gallies les ancliauce Guenoit De tote par la mer les acognent (?) as bort Com li cliien lo sangler quaut est venuz ä mort; 0 il voillent o non, les ramenent au port. 45 Qui lors veit commant cele jant s'en aie, II los tirent au port par molt graul aatie, 0 il voillent o non, arivent lor gaiie. Qn\ donc oist comment la duchese s'escrie E dit ä aute voiz: 'Aidiez sainte Marie! 50 Hai fei Berrangiers, li cors Deu te maldie! Tu m'az gite ä tort de doce conipagiiie E fors de dol^e France o fu soef norie.' E Guenorz li respont qui molt bien l'ot oic: 'Ne vos esmaies mie *), belle suer douee amie ; 55 Se vos me volez croire, Mahomet von aie Frendrai vos a moillier, car de l'eme n'ai mie.' B. (Vgl. V. 1741—1798.) Premerans ont mande Baidos e Aragon 2* Des bors e des casteaus e ceus de Carion; Tant manderent ensenble que .xiiij. roi son E viniirent ä Morinde oü trevent le dromon, 5 Les voilles enlaülees par panz e par giron E bien anfigurees a teste de Hon; De davant auz el celf ot .xiiij. dragon'), Ce fu senefiance que il tant de roi son. En la terre Guenor prenent lor garison 10 E li bers se desfant ä coite d'esperon. Aien a herbergee en une tel nieison, Ne savez quex eile est, se nos ncl vos dison. Une tor nierveillose, que Aufelerne ot non; Desor aval au port arivent maint dromon, 15 En la röche conversent li si[n]ge e li hairon, En l'autre desertine li hors e li leon. Se trestuit eil del monde estoienl ■'') environ. :\VA 1) Hs. ne vos esmaies hos mie. '\ .xiiij. Chief de drayon. 3j icil . , , seieiil. 326 Miissafia, Handschriftliche Studien. Ne laroient de jus ne fable ne chanf on, E que en la douce eve ne prenent li pesson 20 E ne chacent les cherf en la forest d'Ardon. Iluec fu la duehesse trois anz (?) si en prison N'i a vespres ne messes (?), matines ne sermon, Ne ne set rien del siegle, ne quant les festes son. II y ot .iij. roines que bien la serviront; 25 Doucemant, par amor e par aflicion, Si honourent la loi Tervagant e Mahon. Elle est e proz e saize de diz e de sermon, Que nus hom [ne] la voit c'an die si bien uon; Ma si bone fei porte Garner le fll Doon S*" 30 Que onques vers nul home nen ot conversion. Or le iairomes ci del fil Marsilion, De Guenor l'Arabi e del fil Gainelon, E conterons de France, del rice roi (^arlon E del bon Chevalier, Garner le fil Doon, 35 Cum il se mist engrant per Aie d'Avignon. Ce fu ä une feste del baron Sain Richer, Que li cherf sont tan graisse que Ton les [doit] chaicer. Garner le fil Doon repaire de rivier; En sa compagna estoient plus de .c. chevaler. 40 Li bers se destorna en l'onbre d'un senter, Par desor l'erbe vert, per son cors refreder; Une fanfon fait dire de Robert le vaieer E de la bone foi Angelort sa moillier. Com garirent de mort lor signor Oliver, 45 Quant li dus la oi, si li mambra d'Aier; Tot li sans li fremi, si prit a refrider Que plus d'une grant liue alast bien un poier Qu' il ne d[e]it un niot por la teste trancier. Atant ec vos errant un pellegrin paumier, 50 E ot la barbe grant, bien la pofojit trencier, E escrepe ä son col e baston de pomer, Li dux l'a apelle delez un oliver: 'Pellegrins, don vien tu?' ce li a dit Garnier, 'Sire, de vers Espagne, de Sain Jaque prier, 55 E fui vandus el regne de la jant averser, Ei riame ä un roi qui molt fait ä prisier,' Dr. Fr. Müller, Beitriijje zur Coiijugatioii des armenischen Vcrbums. 327 Beitrüge zur Conjugation des armenischen Verhums. Von Dr. Friedrich KülIer, Docent tler allgemeinen Sprachwissenschaft an der Wiener Universität. Das armenische Verbum weicht vom neupersischen bedeutend ab. Abgesehen von der Frische und Kraft im Gehrauche der erhal- tenen Formen hat es diese in viel grösserem Umfange als das neupersische überkommen. So kennt es noch einen vollständigen Conjunctiv, einen doppelten Aorist und ein ohne Herbeiziehung eines Hilfszeitwortes gebildetes Futurum. Es ' ist noch fähig das Passivum vom Aetivum, ohne äussere Hilfsmittel durch die Form selbst, zu unterscheiden. Ebenso hat es, in Betreff der Flexionsart der Verba, die im Neupersischen im Ganzen nur eine ist — eine grössere Mannigfaltigkeit entwickelt, während es wieder einen von den im Altbaktrischen ausgeprägten, an's Altindische sich anleh- nenden und im Neupersischen in mehreren deutlichen Spuren sich noch vorfindenden Bildungen (Classen) ganz verschiedenen Weg eingeschlagen hat. Denn diese Bildungen, obwohl sie in den ver- wandten indogermanischen Sprachen, besonders im Griechischen sich finden, treten nirgends in dem Sprachkreise, dem das Arme- nische beizuzählen ist, so auf, wodurch man auch in diesem Puncte dem Armenischen eine schon in alte Zeit fallende selbstständige Elitwickelung zuzuschreiben genöthigt ist. Wir werden daher im Vorliegenden das armenische Verbum in der Art behandeln, dass wir vorerst die Art und Weise, wie aus der Wurzel der Verbalstamm gebildet wird (Verbal-Classen) dar- legen und dann nach vorausgeschickten Bemerkungen über die Per- sonalendungen das sogenannte Augment etc. zur Untersuchung der einzelnen Verbalformen (Zeiten und Arten) übergehen. Sitd). d. phil.-hist. Cl. XLll. Bd. II. Ilft. 22 328 Dr. Fr. Müller Wir müssen gleich im vorliinein bemerken, dass das Arme- nische von einer sogenannten bindevocallosen, starken Flexion we- nige Spuren aufzuweisen hat. Es hat hier wie auch anderwärts die sogenannte binde vocalische, schwache (mit der sogenannten Pronominai-Declination par:illellaufende) Conjiigafion die Oberhand gewonnen und fast alles ausgeglichen, so dass wir in der That äusserlich — was nämlich die Verknüpfung des Pronominalsuffixes mit dem Verbalstamm betrifft — nur eine einzige Conjugation vor uns haben. Es hat sich aber hier gleichwie im Griechischen bei den Zeitwörtern in -aw, -e'w, -öw, die alle drei den sanskritischen in -aya entsprechen, eine Differenz herausgebildet, in der Art, dass dem ursprünglich einen Vocal a nun ^, «/, '»- entgegenstehen, wenn auch unter dem letzteren viele Formen sich finden, in denen das "t unzweifelhaft alten Ursprunges ist. Diesen drei Classen, die sämmtlich Verba activer, sowohl transitiver als intransitiver Bedeu- tung in sich befassen, steht jene mit dem Charakter /> entgegen, der sowohl die verba neutra als passiva angehören. Was den Ur- sprung dieser Charaktere betrifft, so ist es nicht schwer, ihn zu deuten. In t und «* haben wir, wie sich unten zeigen wird, sowohl a als aya, m dem nu sowohl « als ii, in dem ^ den Charakter ya, mittelst dessen im Sanskrit sowohl die Verba der vierten Classe (verba neutra) als das Passivum gebildet werden, zu erkennen. Alle diese Zeichen werden aber lebend, als einer alten Periode angehörig, von der Sprache nicht mehr gefühlt; sie sind, wie dem Neuperser die im Altbaktriscben noch lebenskräftigen Verbalclassen, dem Armenier unverständlich. Dagegen hat die Sprache unabhängig — wie oben bemerkt wurde — von dem Gange ihrer Verwandten mit echt indogermani- schen Elementen neue Formen geschaffen, welche sie mit vollem Verständniss verwendet, und denen noch immer so viel Leben inne- wohnt, auch fremde Elemente zu befruchten und im Sprachorga- nismus gehörig zu verwerthen. Wir theilen daher die Verba von diesem Gesichtspuncfe aus in fünf Classen, jenachdem sie den Verbalstamm von der Wurzel mittelst der einfachen Pronominalstämme a, ya (zu denen wir auch die Contractionen aus aya ziehen), oder mittelst des Stammes na, nu oder a-na, oder mittelst des alten Elementes ska, oder endlich mittelst Combination der beiden letzteren Elemente n-ska bilden. Beilräge zur Conjugation des armenisclion Verl)ums. 320 I. C 1 a s s e. Hieher gehüren die einfachen Verba, hei denen der Präsens- stanim nach Absonderung des sogenannten ßindevocals (a-ya) mit der Wurzel zusammenfällt; z. B.: lufrlrf^ (^nß-el) fübren, vgl. altbaktr.^^^ 0^^)^ äy-itv, ago. lui^L^^ (aö-elj wachsen, vgl. griech. äx-jULrj. «#«A^ (^as-el) sagen, vergl. Skrt. ah. •uu.t.f^ (at-vl) hassen, vgl. Jat. odi, odinm. fl-pl'!^ (her-el) tragen, vgl. althaktr. i^ (bercj. Skr. bin-, griech. yep-s'.v. y^i«/^ Cgit-i'O wissen, Skr. x'id-, griech. fio-zty. ^piui.Lf^ (grav-clj ergrei- fen, alth. w^^Jcc (gerew), neiip. O^ (girif-tan), goth. greip-an. ibl^i (liz-el) lecken. Skr. Uli, griech. ?>££')^-££v, Ihig-o. IfUßiifLf (knp-el) fesseln, festmachen, vgl. lat. cap-io. u,>iuii^ (un-al) malen, vgl. griech. dl-üv. Lppun^ (erth-al) gehen, vgl. griech. ea^-eXv. npuui/^ (^ors-al) jagen. ^1-wl (ke-al) leben, vgl. Skr. giv-. Rnq,,t,f (thop-vl) verlassen, vgl. alth. lh- %«t^ (ar-nüO fassen, piiCS^tm^nL.!^ (en-thei'-nul) lesen, [D^iuij^ni.^ (thag-tml) sich verbergen, /^"»^/^ (l-mU) füllen, vgl. Skr. irrnä (IX. Cl.) und altb. \\i\ü (perenöj, altind. ptirna. (u'unu^ (ch-nid) schliessen. III. Classe. Die Verba, welche hieher gehören, bilden den Präsensstamm von der Wurzel mittelst des Charakters a-na, und finden in den griechischen Verben in dvoj eine passende Parallele. Auch unter ihnen finden sich wie in Classe I viele Denominativa; besonders reich sind aber die Causativa vertreten, die durch Composition mit gn^gu/iilri^ (^ti^-aiielj zcigcn, aufweisen, vergl. gm-giu^ (^ü^-aky Zeichen, gebildet werden. Beispiele dafür sind: uAguAt^i^ (an^- anelj vorübergehen, "'{'^"''i't^ (ark-anel) werfen, ^u,u/ijlri^(gt-aneiy finden, vgl. altb. ju!? (vend). Skr. vi7idy Ä^^«#^/i^^ (el-anel) auf- steigen, weggehen , ft^^u'tilri^ ("ts/i-«7i^r^ heruntersteigen, i^>uiriu'hbi^ (lug-aiiel) lösen, ^iuu,ufblri^ (hat-anelj abschneiden, '^lupfjulhhi^ (har^-anel) fragen, altb. «J^Jü (pereg), u,lri,u/Llri^ (tes-anelj sehen, oi^u/itlri^ (ug-anelj salben. — piupf^iu^ijui/^ (bark-analj zürnen, ijuypiu'itiui^ (zajr-anulj erzürnen, i>>t,,u'ii,ui^ (lov-anaiy waschen, lit. ^9^«?^^/, griech. tzI-j^jw, ^uiiuputtJuiui^ ( hpart-anal) stolz sein, Jlpklf'iitui^ (mer^-enalj nahe kommen, nupuhnui^ (ur-anaiy leugnen. — u/bliiu^f,/^ (ank-ajiü) fallen, pm^au/isfi^ (biis-anU) hervorbringen, LquM^'/il^ (ep-aniiy sein, existiren, ^'i"u'iif'i^(gn-a7iU) geboren werden, S)Vy. gan, •Jtn,n/i,lti^(mer-a7iU) sterben, altb. iHz (mere), nuuu/bfif^ (us-afiilj lernen. Beiträge zur Coiijugalioii Aea ai'iiiciiisclieii Vi-rlniins. OO 1 IT. C 1 a s s e. Die hielior goliöi-igen Verba bilden den Präsensstamm von der Wurzel mittelst des Zeiehens ska, urnien. i, das passend mit dem Charakter ^ des Allindiselien, z. B. garch von ga-m, gvm ifn Grieehisehen und sco im Latein verglielien werden kann. Beispiele sind: wqiuiPi^ (opa-vhcl) bitten, vgl. ««70/i^ faoöllij Bitte, Gebet, und latein. ovo. luliu^i^ ((ima-ehvl) sieii schiiinen, vergl. luJlfJ- (ai)wthj Scham, Sehmach. ^luiimiLi^ (cana-chcl) kennen, vergl. neiip. ,>^>-Ui (s'utd-kh-taii). P^">itbL (thag-chil) sich verbergen, \^\. ff-'"'/'ij"'^l {t/i(tg-/nil) dass. •^•"'iff^i^i^ (^/inng-c/iiij vuhen. •[•"•["d'L {phakh-chilj sieh flüchten, fliehen. Y. C 1 a s s e. Die Verba, welche hieher zu rechnen sind, bilden den Präsens- stamm von der \N urzel mittelst der beiden Zt-ichen der II. oder III. und IV. Classe, welche coinbinirt werden. Beispiele sind: bpl{ii}Pi^ (^erk-n-chil) sich fürchten, vgl. Lplffi^'i^ (erk-inp) Furcht, ^''^^'d^L {kor-ii-chil) zu Grunde gehen, vgl. linpm^uu, (kor-ust) Untergang, Jh'l^JhiLi^ (mep-an-chel) sündigen, vergl. Jt'i^ (^mepq) Sünde, Jiupuiii^l^ (mart-n-ckil) kämpfen, vergl. in„f,u, (^martj Schiacht, Kampf, altb. -»^r'-6 (maredha). Nachdem wir die Eintheilung der armenischen Verba nach den natürlichen Merkmalen derselben dargelegt und diese im alten indo- germanischen Spraehgute nachgewiesen haben, wollen wir zur Dar- stellung jener Zeichen übergehen, mittelst deren die einzelnen Per- sonen gebildet werden — der sogenannten Personalzeichen. Dass diese in ihrem tiefsten Grunde mit den Stämmen der persönlichen Pronomina zusammenhangen, ist aus der vergleiclien- den Grammatik der indogermanischen Sprachen bekannt. Obwohl diese Zeichen im Armenischen, als einer mehr modernen eranisehen Sprache mehr oder weniger ihre ursprüngliche Gestalt eingebüsst haben, sind sie doch noch deutlicli als solche zu erkennen. Am einfachsten stellen sieh uns dieselben im Präsens dar, deren Schema ich naeli den in meinem Aufsatze: „Zwei sprach- vergleiehende Abhandlungen zur armenischen Grammatik" ange- stellten Untersuchungen hieher setze. Sie sind: 33^ Dr. Fr. Müller -.T -J Suffixe, in denen niemand die alten Formen m-i, s-i, t-i, m-as-i, t-as-i, n-t-i, welche bekanntlich in den neueren Idiomen durchaus ihren V'ocalauslaut eingebüsst haben, verkennen wird. Äusseriieh von denselben verschieden, im Grunde aber nur eineModification derselben, sind die Suffixe der vergangenen Zeiten, des Imperfects und Aorists. Petermann gibt erstere also an: ^,up ^f,^ ^/l'lf Diese sollen an den Präsensstamm sich anschliessen, und durch diese Verbindung die Formen des Imperfects entstehen. Betrachtet man aber die Formen, wie sie factisch gebildet werden, näher, so findet man bei den Verben mit den Charakterlauten ^ und ^ vor den eben angegebenen Personalzeiehen statt der betrefTenden Charakter- laute den Vocal k, während die Verba mit dem Charakterlaute w zwischen demselben und den obigen Personalzeichen ein ,/ darbieten. Da nun aber k in vielen Fällen aus älterem a -\-j entstanden ist, so haben wir, nach Analogie der Verba mit dem Charakterlaute «», hin- reichenden Grund, auch bei den Verben in k und ^ eine ältere Form in trj anzunehmen. Darnach sind die Suffixe des Imperfects viel- mehr also anzusetzen: "J-Hp "jl'^ -jf' ' Es entsteht nun die Frage, wohin der Laut j zu beziehen ist, zum Suffix oder dem vorausgehenden Stamme des Zeitwortes? In dieser Beziehung wird es gut sein, die Suffixe des Aorists zur Ver- gleichung herbeizuziehen. Diese lauten: "'up -t'P ^F^ Ofi'enbar haben wir dieselben Suffixe wie im Imperfect vor uns, nur mit dem Unterschied, dass, während dort einem jeden Suffixe ein j vorausgeht, es hier vor demselben mangelt. Es ist also das Zeichen^ vom Suffix abzutrennen und dem Stamme des Zeitwortes zuzuweisen. Dass es aber diesem nicht ursprünglich angehört, beweist der Um- stand, dass, während im Präsens und den anderen Formen je nach Beiträge zur ConJu<^ation des annciiiseluM) Vorliiiins. t> O O den auslautenden Charaktervocalen des Stammes eine DilTerenz in den Bildungen eintritt, sie hier (mit Ausnalime der Vei'ba in "t) in Bezug auf ^ alle übereinstimmen. — Es kann also darnach j nur als selbstständiges im Imperfeet zum Prüsensstamme getretenes Clement aufgefasst werden. \N'as nun seine Erklärung betrillt, so glaube ich nicht zu irren, wenn ich es als Vertreter des s des Verbum sub- stantivum as betrachte, welche Ansicht durch den Hinblick auf die Flexion des Imperfectums dieses Verbums bedeutend an Wahrschein- lichkeit gewinnt. Die Flexion desselben lautet nämlich: i;/, = bj^-f, (as-i) k'u^ = l^j-"ip (as-nq) k/r ^ l-u-^lr Ois-ir) 4A^ =^ kj-i"^ (as-iq) kl, = irj^p (as-rj k^'ti = 4/-^^^ (as-in). Dass nun das j in diesen Formen aus altem s (wie in den Formen ^ujjp, •Puyp, ^njf, und den Genitivendungen wj, ••/) erklärt werden müsse, dürfte wohl niemand ernstlich bezweifeln. Was aber den Mangel des ^ vor j in den Imperfectformen der Verba betrilFt, so ist auch im Altindischen, Griechischen etc. überall dort, wo das V'erbum substantivum an andere, Verbalstämine angetreten ist, z. B. adiksham=^a-dik-(a)sam, sdei^a = i-$£i-/.-(a)aa(ii} das anlautende « desselben abgefallen, welcher Abfall gar nichts Befremdendes hat, da er sich schon in den freistehenden Formen desselben Verbums (vgl. altind. s-mas, s-anti, latein. s-iimus, s-iint) nachweisen lässt. Nach diesem ist das armenische Imperfectum als eine vom Prä- sensstamine aus nach Analogie des schwachen Aorists im Altindischen und Griechischen gebildete Form aufzufassen und zunächst mit dem lateinischen Imperfectum in -bam zu vergleichen. Der einzige Unter- schied, der zwischen diesen beiden Bildungen obwaltet, ist der, dass, während dort die Wurzel bhü, hier die Wurzel as, welche beide in Hinsicht ihrer Bedeutung nicht weit von einander abstehen, verwendet wird. Darnach ergibt sich folgendes Schema der Personalsuflixe für die vergangenen Zeiten (Imperfeet und Aorist): ^,ug ^fip -f^'h. Was den Zusammenhang dieser Suffixformen mit denen des Präsens betrifft, so scheinen sie auf den ersten Anblick bedeutend von einander verschieden zu sein. Indessen bieten sich doch manche 334 Dr. Fr. Mül ler Anknüpfungspuncte, welche, besonders bei den Formen des Plurals, zu finden nicht schwer ist. Nicht unwichtig ist es auch, auf die Suffixe der verwandten älteren Sprachen und besonders die durch die Vergleichung derselben erschlossenen Ursuffixe zurückzugehen. So hängt gewiss l> in der ersten Person Sing, mit dem i des Alt- indischen in der ersten Person Sing. Atmanepadam, so wie mit dem für dieselbe Person geltenden e des Altbaktrischen (vergl. Haug, Essays, p. 72) zusammen, ^p, //» der zweiten Person sowie das /» der dritten (im Imperfect) stehen mit den Charakteren derselben Personen im Präsens gewiss in irgendwelchem Zusammenhange. Diesen durch Vergleich der neueren Formen unter einander nach- zuweisen fällt wohl etwas schwer, da sich im Armenischen p = altem s nicht nachweisen lässt. Auf ein speciell altindisches oder lateinisches Lautgesetz sich zu berufen ist etwas misslich, weil da- durch einerseits nichts erklärt, andererseits der Weg zu späteren richtigeren Erklärungen verschlossen wird. Wie ich glaube, müssen beide /» auf das t, den ursprünglichen Charakterlaut der zweiten (vergl. altind. thäs = tha-a-s, griech. go und tii-ani) und dritten Person bezogen werden; ein solcher Übergang lässt sich mit den Lautgesetzen des Armenischen wohl in Einklang bringen i). Etwas verschieden von den eben besprochenen Suffixen stellt sich eine dritte Suffixreihe dar, nämlich die des passiven Aorists. Sie lautet: •-ur« —utp ^lUL. Verglichen mit jenen des Activs zeigt sie in den meisten For- men den Übersehuss eines «» vor den Zeichen desselben, wodurch es wahrscheinlich wird, die Reihe also zu zerlegen: iw-i tu— tun I cyi^ pn ) 2 I tw-u ut^iup S I ui-^po tw-uiu I pu I . Dieses überschüssige «/, in dem der Charakter des Passivums eigentlich steckt, richtig zu erklären, ist nicht ganz leicht. Offen- bar haben wir hier eine jüngere speciell eränische Bildung vor uns. 1) Auch das p des Imperativs entspricht dem alten Suffix dhi = toa. 2) vergl. tri/t-p, 3) vergl. t'ijriup. Beiträge zur Conjiigntion des nrmeiiischen Verbums. 33b l)ei deren Erklärung Berufungen auf ältere indogermanische Bil- dungen nicht ausreichen. Vor der Hand — so lange die Sache nicht besser erklärt werden kann — ziehe ich die alte Formation des Mediums mittelst des rellexiv gebrauchten Pronominalstammes ii (vgl. m-a-i und m-i, jülyjv (ma-a-m) und m, thds (thn-a-s), griech. ao und s) in Parallele, welche Formation jedoch gegen die arme- nische den Unterschied zeigt, dass, während dort das reflexive Ele- ment an den subjectiven Pronominalstamm antritt, es liier demselben vorausgeht. Was nun die Zeit- und Modusformen des Armenisclien betrilTt, so beruht deren Bildung auf jenem besonders im griechischen Verbum ganz klar ausgeprägten Gegensatze zwischen dauernder und momentaner Handlung — Präsens- und Aoriststamm. Wie im Griechischen wird auch im Armenischen die Wurzel, um den Be- griff der dauernden Handlung zum Ausdruck zu bringen, mit erweiternden Elementen behaftet — denselben, auf welche wir oben die Eintheiluiig der Verba in fünf Classen basirt haben, während der Begriff der momentanen Handlung in der Wurzel selbst unmittel- bar seinen Ausdruck findet. Dies letztere kann freilich nur bei echten Wurzeln, d. h. jenen Verben geschelien, weiche unmittelbar auf die reine Wurzel zurückgehen, während abgeleitete Verba zu einem andern Mittel, greifen müssen, um dasselbe thun zu können. Es muss nämlich in diesem Falle die Wurzel des Verbum substanti- vum as „sein" die Stelle der Wurzel einnehmen und das sonst von der Wurzel des Zeitwortes selbst Ausgedrückte zur Anschauung bringen. Diese Bildungen nennt man gewöhnlich schwach, gegen- über den ersteren, den starken. Da eine momentane Handlung in der Gegenwart streng genommen gar keine Darstellung finden kann, indem sie, ähnlich dem Blitzstrahl, gleich bei ihrer Erscheinung eigentlich schon der Vergangenheit angehört, so ist eine Präsensform von dem unmittel- bar auf die Wurzel selbst zurückgehenden von uns schlechtweg genannten starken Aoriststamme gar nicht vorlianden, sondern diese geht immer auf die erweiterte Wurzel, den sogenannten Präsens- stamm, zurück. Der starke Aoriststamm wird meist nur zur Darstel- lung vonin der Vergangenheit liegondeiiHandhingen verwendet, natür- lich nur solchen, welche als momentan aufgefasst werden, während für den Ausdruck jener Handlungen, welche als dauernd, sich 336 Dr. Fr. Müller entwickelnd betrachtet werden müssen, wieder der Präsensstamm zur Verwendung kommt. Die Hinweisung auf die Vergangenheit erfolgt durch das Augment (über dessen Bedeutung vgl. die Beiträge von Kuhn und Schleicher, III.), welches aber im Armenischen meistens, da die Formen durch ihre von den Präsenssuffixen ver- schiedenen Suffixe hinreichend charakterisirt sind, wegfallen kann. Diese drei Zeiten (Präsens, Imperfect, Aorist) sind diejenigen, welche das Armenische aus der älteren Sprachperiode überkommen hat; die übrigen werden, wie wir unten näher bemerken werden, durch Verbindung von Participialformen mit Bildungen des Verbum substantivum oder durch Stellvertretung anderer Sprachforraen um- schrieben. Was nun die Modusformen des Armenischen betrifft, so finden wir ausser dem Indicativ einen Conjunctiv und Imperativ vor, und zwar letzteren in allen Zeiten, ersteren nur im Präsens und bruch- stückweise im Imperfectum. Die Suffixe des Conjunctivs sind : Dieses Schema gilt für alle jene Verba, die den Charakterlaut «*, P, ^ haben, während bei den Verben mit dem Charakterlaute >"- statt ir, k überall »•- eintritt. Nebstdem ist zu bemerken, dass bei den Verben in h dieses letztere einem l> Platz macht, bei den Verben in ^ die obigen Suffixe sich unmittelbar an den Präsensstamm an- schliessen, während bei den Verben in «* zwischen dem Präsens- stamm und den oben angegebenen Suffixen ein j erscheint. Ich glaube bei dieser Erscheinung — wie auch in anderen Bildungen — auf die Verba in '« ein besonderes Gewicht legen zu müssen. Da man in denselben das j unmöglich als phonetische Beigabe, noch etwa als eine Erweiterung des Stammes ansehen kann, da ja der Indicativ von demselben ganz frei ist, so bleibt nichts anders übrig, als dasselbe dem Suffixe zuzuweisen. Wir erhalten darnach für die Verba in «« folgendes Schema : •7j3'"(y •ua^^'P -fia^'i" Da nun^ in diesen Formen unmöglich als li aufgefasst werden kann, indem das Abfallen desselben bei den anderen Bildungen Beiträge luv Coiijug ation des armenischen Veihums. 337 lautlich unerklärlich hliebe, so ist es offenbar, dass wir in demselben ein y, respective { zu suchen haben, welches nacli «« in j über- gehen musste. Es ist also vielmehr folgendes Schema anzusetzen: welcbes vollkommen den Conjunctiv des Verbum substantivum repräsentirt und folgende altindogermanische Formen voraussetzt: ns-ydm as-yäs as-ycii us-ydm-as as-ydi-as as-ydnt. Diese alten Formen wird Jedermann nach einigermassen auf- merksamer Betrachtung in den obigen armenischen leicht wieder- erkennen. — Was nun ihre nähere Lautentsprecbung betrifft, so ist ,7 = " nach den von uns anderwärts (Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache II, S. 6) gegebenen Parallelen ganz gerecht- fertigt; ebenso darf uns ^- = d nicht aufTallen, wenn wir bedenken, dass das Armenische die Quantität der Vocale überhaupt mehr oder weniger eingebüsst hat. Um zu unserem Conjunctiv "wieder zurückzukehren , so sehliessen sich die Bildungselemente desselben — nämlich der Op- tativ des Verbum substantivum — an den Stamm der Verba in «/ unmittelbar und unversehrt an, während bei den Verben in tr und t> der Cliarakterlaut mit dem /> der daranlretenden Optativform des Verbum substantivum verschmilzt. Die Verba in «»- lassen nicht nur das darauf folgende ^ in dem Charakterlaute nu aufgehen, sondern assimiliren ihm auch noch nach einer Art von Vocalharmonie den Vocal der darauf folgenden Sylbe (vergl. Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache II, S. 9, Note 1). Der Conjunctiv kommt, wie bereits bemerkt worden, nur im Präsens und bruclistückweise im Imperfectum vor; der Aorist, der bekanntlich in zwei Bildungen (stark und schwach) sich nach- weisen lässt, kennt diesen Modus nicht. Dafür haben wir aber vollen Grund, in dem Futurum (das ebenfalls in zwei Bildungen — stark und schwach — sich nachweisen lässt) einen ursprünglichen Conjunctiv des Aorists zu suchen. — Der Conjunctiv, z. B. des schwachen Aorists, müsste, der Analogie nach, also lauten: 340 Dr. Fr. Müller stamme gebildet werden. In der Flexion fällt es mit den Formen des Infinitivs in -^/^, -«"^, -'"-/^, ^tb zusammen. Dieses berechtigt uns eine innige Verwandtscbaft, wenn nicht eine ursprüngliche Iden- tität beider, zu vermuthen. — Ich halte, was das Suffix des Parti- cipium betrifft, dasselbe mit dem Suffixe des altslavischen Particip. perf. act. II az für gleich, das Miklosich, nach meiner Ansicht ganz richtig (Altslov. Formenlehre S. 94) an das Sanskritsuffix la in bhavila „existens"^ etc. anlehnt. Einen Beweis dafür, dass diese Parallele richtig ist, und man altslavisches aä nicht mit sanskriti- schem ta in Verbindung bringen dürfe (wie man früher gethan hat) — abgesehen von der lautlichen Schwierigkeit — bietet das Bengali, wo die Form Uffill^Tl^ (dekhildmj „ich sah", eine Imperfect-, die Form tlffjlt^t^ (dekhitäm) „ich sah", hingegen eine Aorist- form darstellt. Dass aber der Infinitiv (ursprünglich der Casus einer Nominalform) mit dem Participium recht gut identisch sein könne, beweisen unter anderm die eränischen Sprachen, in denen das Suffix des Infinitivs -tan, -dein, altpers. -tanaiy, nichts anderes ist als der Local einer besonders bei Adjectiven verwendeten Bildung in tana, z.B. altind. hyas-tana, 7iü-tana (^= nava-tana), latein, cras-tinus, sero-tinus, pris-tinus etc. Ich halte also nach diesem den armeni- schen Infinitiv für einen Casus derselben Bildung, welche den Participialformen zu Grunde liegt. Übersehen wir die Conjugation des armenischen Verbums, so stellt sich der Stand der Formen also dar: A. Einfache Formen, d. h. jene, welche die Sprache aus älterer Zeit überkommen. 1. Präsens, und zwar Indicativ, Conjunctiv und Imperativ. 2. Imperfectum: Indicativ und Conjunctiv. 3. Aorist, starke und schwache Bildung. 4. Futurum, starke und schwache Bildung. B. Zusammengesetzte Formen, d. b. welche die Sprache in späterer Zeit auf Grundlage älterer Elemente selbst gebildet. 1. Perfectum durch Verbindung des Aorist-Participiums mit dem Präsens desVerbum substantivum. 2. Plusquamperfectum durch Verbindung des Participiums mit dem Imperfectum desVerbum substantivum. 3. Futurum exactum durch Verbindung des Participiums mit dem starken Futurum desVeibums ä^^ju^V/:- Beiträge zur Conjugntion des armonisclien VerLums. 341 Präsens Iiidicaiiv. '^u,i,^,u'b&J^(^hai'^-a7ie-m) altb. '6>"i>{^?ej (percgd-mi) ^lÄ^iiijuIhLi, ( hnr:;'nne-s) <,,ui,,j,u'},i; ^ h ar%-ane = har%-ane-j) '^lupij.u'i.LiQ, (Iiar:;-cme-mq) ^lufiifiu^li^ (^har^-aiieq = har^^-ane-jq) '^lUfigiJiiL^ Qi arT^ - an e- Ji) Präsens Conjiincliv. '^tupjiu'iif.gLir (^]iar:y-an-i:^em) iilib. ii^^ia^ (qyem) ^lupijiuhftijLu (^h (ir'^-an-i^esj ' hav^-mi-i^ej) <^ii,p,jiuhf,girJf, ( hm-^-an-i^eynq ) ^ujpifiuiifig^^ (/iar:;-(m-i^eq = har2,-an-i!;ejq) -^lupifu/iiftgl/b (^ Ji ai'!;a>ii^e7ij altind. prccha-si allb. i^i-Mj^fü {pe7'egai-ti) „ »(y^s^^l^ii) fpe7'i'f'd-77iahij „ -»«i*>Aj{1{jj Q}ere^a-tha = pi'7\'£a-tnhi) „ '(f^'^'Mj^Jej (peregai-7iti) ^ {«ij{M_ (qydoj Jiltiiid. syds » t^^'ÜL ((pjdt) „ ■"«•»»'"eL (qydmdy ^^ i»^mii^ (^tjydtd) „ <5"eL (qyenj luiperallv, -^^lupgiJhhp (ha7'^-a7i-e7') altl). 'S^^U^Jj (kerätüi-dlii) ^ujpg.u'jik^ (ha7-:;-a7i-eq = „ ^?«-;fj(j*eyJ^> fngehista-ta) hcü'Z-an-i'jq) lni|)orrerlniu. usqusjf. (apa-ji) altind. (i-yd-si ""ll-uh ((fpd-jiO » a-yd sthds '"'ll"Ji' (fipn-jr) » n yd-sta .uqu.ju,^ (apa-jaq) n n-yd-S7nahi ""u^db-e (ap(t-jiq) yt a-yd-dhva/yi = a-yd'sdhva77i tu.inyl.'b (^apa-jhij Aorisl, stark. a-yd safa = a-yd-sa7ita ^'"Cdb (har2,-i) altind. a-lip-e ^'upgbp (hary-er) n n-lip-athds ^W^7 (e-harO « a-Up-ata '^"'P3"ip Cltfir%-aq) w a - lip - d 771 a h i (a Up d w» a s aj '^•"Plil'^ (harz-iq) >♦ a - Zip ata (a lip afaft) '^"'räb^' (h (17'^- 171} r> a-lip-a/i 342 Dr. Fr. Müller, Beiträge zur Conjugation des armenischen Verbiims Aorist, schwach. ^uiJluptrßf, (hamar-e-%i) ^utJiuftbghp (hamar- e-^er) ^uidTuiplruig (hamar-e-a^) '^uMJiupLylig (^hamar-e-^iq) ^u.Jluphgl.'h (hamar-e-i^in) Futurum, stark. ^tuu.gk (^hat-^Sy ^ujut^l,^ (hat-shiq) n altind. a-bodh-i-shi „ a-hodh-i-shthus a bodh-i-shta • (i'bodh- i-shmahi „ a-bodh-i-slita (^a-bodh-i shtas) „ a-bodh-i-shus (a-bodh-i shant) Futurum, schwach. ^iuJiuplrgf,g f bfünar-c'-^-izJ ^uMtHupkugirn (^ hamctr-es- ^cs) ^utiTuMplrugk (hamar-e-s-':;e) ^luJlupbiignL^ (^hamar-e-s-'^itq) 'C^uädlupLu^l'^ (hamctr- e-s-slüq) ^luJlupkugi/i, (^h amar- e-s-%en) Perfeclum indicativi. ^•upg^uji^tJ^ (^Jiur^eal em), vgl. neup. J ttX-^y (^pursidah am) Perfectum conjunclivi. ^ußpgbiui^ IfgtrS' (har::^eal izem), vgl. neup. ^\i iJ^j Qyursidah bdsamy Plusquaiiiperfectum. '>'"ea^'"L^b (har^^eal ei),\g\. nenp. »J>y ijt*-j^j (pursidah budam) Futurum esacium. ^.upgiruMi^ lr,ikg ( fiar2;enl epezj. Verzeiciliiiss der eiiig:eg:au lö, der römisclien Herrschaft unterworfen wurden, nennen tileichzeitige Scliririslellor und Denkmäler auch die Breuni oder wie sie später genannt wurden, die Breones. Dieses Volle miiss, wie nichrl'aclie Gründe anzunehmen berech- tigen, eine besondere "Wichtigkeit gehabt haben. Zunächst spricht schon der Umstand daCiir, dass es unter den 44 besiegten Alpen- völkern, welche das Trophänni des Angustus kennt, von Iloratius neben den Gmiaiuien nnd Vindelikern vorzugsweise genannt wird, worin wir ohne Zweifel den Beweis erblicken diu fen, dass es sich im Vereine mit di'ii Genannon im Kam[»fe gegen die Römer ausgc- zeidinet hat. Dann zeigt uns die Geschichte die merkwiirdrge Ersclieinung, dass dieses Volk der Breuni die Schicksale aller andern mitnnterjochten rliälischen Alpenvölker und der Provinz Rhätirn selbst, ja sogar die Sitirme und Umwälzungen der ViJlker- wandirun? überdanerle und immer nnd immer wieder als fortbe- stelionsl zum Vorscheine kann NN'ährend die Namen der Lepontii, Triumpilini, Camuni, Rngusci, Vennonetes, Isarci, Genauni n. s. w. im Laufe der römischen Herrschaft sämintlich in dem allgemeinen Namen der Rhälier untergingen, während sogar der geographische ßegritr Rliäticns sich allmiihlich verengte und vom G. Jahrhundert an selbst der Name zu verschwinden anfing, begegnen uns die Breu'ii oder Breones im G. Jahrhundert in den Schriften des 352 AlbertJäger Cassiodorus, des Jordanis, Venantiiis Forturiatus und Gregor's von Tours, im 8. Jahrliuridert in den Seliriften Aiibo's und Paul Warne- fried's, ja noch in Urkunden des 9. Jahrhunderts. Unstreitig ist dies eine autTalleiide Erscheinung; und die lange dauernde, den Untergang aller andern rliätisi-hen Slaminspeciali- täten und die römische Herrschaft und Provinzeinriclitung und selbst die Zeit der neuen Völkergründung überlebende Fortexistenz eines eben nicht grossen Volksstanimes kann ohne besondere Ur- sachen nicht gedaclit werden. Entweder besassen und wahrten die Breuni eine solche Fülle unrertilgbaier Volkslhiimlichkeit, dass sie sowohl dem Alles absorbirenden römischen, als auch später dem gothischen und seihst bajovarisclien Einflüsse zu widerstehen ver- mochten, oder die Fortdauer muss äussern Umständen, oder beiden zugleich zugeschrielien werden. Die seltene Erscheinung ist ohne Zweifel einer Untersuchung werth, darum soll es Aufgabe der vorliegenden Abhandlung sein, sie zu erforschen. Zu diesem Zwecke beschäftigt siih die Abhand- lung zunächst mit dem Nachweise, wie lange wir die sicheren Spuren des Daseins der Breuni verfolgen können; geht dann zur Untersuchung über, in welchem Gebiete der Alpen wir ihre Wohn- sitze finden, und schliesst im dritten Abschnitte mit der Darstellung ihrer Eigenthümliohkeilen und Verfassungszustände, ihrer Schick- sale und ihres allmählichen Verschwindens. Das Dasein der Breani bis in das nennte Jahrhnnderf. Der Erste, der uns mit dem Dasein der Breuni bekannt macht, ist der römische Dichter Iloratius, Zeitgenosse des Auguslus und der Eroberung Rhätiens. In der 14. Ode des IV. Buches seiner Gesänge, in welcher er die Thaten des Augustus preist, zeichnet er mit kühnen Pinselstrichen den siegreichen Feldzug des Drusus "-ciren die rhätisch-vindelicisclien Alpenvölker und nennt unter den Überwundenen neben den Genaunen auch die ßreunen. maxime prineipum, Vindelici didicere nuper Quid Marte posses. Miiite nam tno Ober das rhütische Ali^nvolk der Breuni oder BreoDea. OOO Drusus Genaunos, implacidum genus, BreunosquevelocesO» et arces Alpibus impositas tremendis Dejecit acer plus vice siinplici. ») Horatius ex recens. Orellii. Turici et Londin. 1837. üb. cartn. IV. 14. — De» Kampfes mit den Rhätiern erwähnt Horatius auch in der 4. Ode desselben Buche» wo er singt: „Videre R actis bella sub Alpibu» Drusum gereutem Vindelici Lateque victrices catervae Consiliis juveiiis revictae Sensere, quid mens rite, quid indolet, Nutrita faustis sub penetralibus Posset, quid August! paternus In pueros aiiinius Nerones". Es trägt zur Klarheit der folgenden Ualersuchung sicherlich bei, wenngleich hier im Eingänge die Kritik der zwei, die Rhiitier und Breunen betreffenden Stellen «Jes lloi-atins vorangescbickt wird. Ich verdanke die Andeutungen hierüber der freiindliihi'n (Icf.illigkeit meines verehrten Collegen, des Herrn Professors Vahlen. ßek:inntlich variirt der Text der 4. Ode des IV. Buchesso, dass neben dem „Videre H a e t i N — sub Alpibus — Vindelici" auch gelesen wird: „Videre Raeti bella snb Alpibus Drusum gereutem et Vindelici" und in der 14. Ode desselben Buches anstatt „Genaunos" und „Breunosque" — „Naunes" Brennosque". Vor Allem muss gefragt werden, was die Handschriften lehren. Den Nominativ „Raeti" haben die ältesten Codd. Bemensis saec. VIII. vel ineuntis IX., Turicensis saec. X, ; auch die Meliizalil der übrigen Handschriften hat den Noniinativ „llaeli", nur das-* sie in der Orthographie abweichen und bald Relr, bald Kheti , bald Retlii etc. schreiben. — Den doppelten Nominativ: „Raeti . . . Vindelici" halieu auch die Sclioliasten Acron und Porphyrion. — Den .Ablativ „Ra et i s" hingegen weisen die Codd. Regineusis saec. XI. Saa- gallensis saec. X. von der ersten Hand, eine zweite Hand corrigirle „Raeti"; dann zwei l'oild. des (."arl Fea. — Die Lesearl: „et Vindelici" hat nur ein Cod. Batlelianiis , und die Ausgabe des Toirentius (Antwerp. 1620j nach Hand- Bchril'ten ; alle alten und -{uten Codd. hüben das „et" nicht. Es fragt sich nun, welrhe Leseart den Vorzug verdient? Da die Leseart: „Raeti et Vindelici" schon von Rieh. Bentley (Horat. Flacc. etc. Cantabri- giae 1711) und in neuester Zeil auch von Orelli (Hurat. Flacc. etc., Turici et Londin. 1837) als zu wtnig begründet verworfen wurde, so dreht sieh die Frage nur um den Ablativ „Itaetis" oder den Nominativ „R a e t i". Fürltaetis kämpft lientley in cler Noie zur betielfenclen Stelle S 1j9; seine Gründe sin«! abi'i- nielit über jeden Zweifel erli.ibcu ; erstens zei rt er an den Handschriften, ■welche Raeti haben, indem er z. 15. sagt: Accedunt Codd. Torrentii et veter- rimus noster (iraevianu-i, qui Relii halient , quod a Retiis seribarufn errore fluxisse viiletur, et magis adhnc Regineusis, in quo Reti nunc habetur, litera quadam, quae sequebatur erasa". Das sind nicht Beweise gegen, sondern für 334 AlbertJiiger ZurVerewigang des Sieges über die zahlreichen Völkerstämme, welche den, Italien im Norden utaschliessendenAlpcngüitel bewohnten, wurden an verschiedenen Orten Trophäen errichtet, ein sprechen- der Beweis, d;iss der Sieg nicht nur für Uüm und Valien grössere Bedeutung hatte, sondern auch mehr Schweiss und Blut gekoslet Raeti. Zweitens weiss ich nicht, ob „nnctis alpil)iis" für „Raeticis alpibus« ohne weileis a!s eine Hoialianische Eigciitliüinlichkeit hefinchtet werden kann. Orelli S. 4C1 schlicsst sich an r.ealley an und gibt auch dem „Haetis", als der richtigeren Leseart den Vorzug. So viel steht nun fest, dass Bentley und Orelli und auch Heinsins die Lcseart „liaelis" für tio ex Iroplmeo Alpiuni" 3^. Das zweite Denknuil, ein Triuniplibogen, stand zuSegusio, dem heuligen Susa in Picrnont. Seh )n Crulor war nicht mehr in der Lage, von der bereits im Jahre IGTl bis zur Unlescrlichkeit Tcrwitterlen In- schrift mehr in sein Sammelwerk aufzuneiimen, ;.ls eben hinreicht, um mit Zuvcrüissigkeit auf ihre Verschiedenheit von der bei Plinius erhaltenen schliessen zu können '■*). In der von Plinius iiberlicferten Inschrift wenlen unter den 44 liesiegten AlpcnviHkc in neben den andern rhätischen Stämmen auch die ßrcuni wieder aufgezählt 5). 8j Ve 1 1 1' j 11 s Paterciil. II, 9j: „majore cum periculo quam damno Romanin exercilii>''. Auch I) i o Cassius vill (ücscii K:iiii|ifen keine grosse Wichtigkeit beilegen. Im j4. r.nciie cap. 22 (edit. Ueiniari Haiiib. 17Ö0_) sagt er: ryj X*'^^" 7:6)-, a.7B öiZGza.'ju.i-jot.ic r(xl: rung verdankt, so kann seihstvcrsläudlich aus ihr für unsern Zweck nichts abgeleitet werden. •)Plinii Secund. histor. natur. edil. Flavdu'n IIb. MI. o. 20. 4) Von dieser Inschrift konnten im .lahre 1071 nur noch die Worte gelesen werden : Imp. C.iesari Augusto Uivi F. Pontifici .Maxinio Tribun. Potestatis XV. Imp. XIIIF. (Ilarduin hei Pliu.) 6) Die vollsläridige liisclirifl des Alpentro|)liaeums lautet: „Imperalori Cae-ari Divi F. Auiy. Pontillcl II .Maximo, Imp XIIII. Trihun. Pote- glaliä II S. P. Q. R Quod Rjiis f)i:clu A:i^|>iciisqiie II nentes Alpinae Omne«. 356 Albert Jägrer Wie Horatius und das Trophäum des Augustus, so erwähnt noch eine dritte gleichzeitige Quelle der Breuni. Der gründlichste Geogr.iph des römischen Allerthinris, Straho, Zeitgenosse des Augustus, der selbst angibt, den Abschnitt seines Werkes über die Alpen und deren Bewohner 33 Jahre nach ihrer Unterwerfung unter die römische Zinsbaikeit aufgezeichnet zu haben ^^, hebt da, wo er die Lag'^ und Eintheilung der Rhatier und Vindeliker beschreibt, die Bpsvvoi und Fsva-jvot hervor '^). Von jetzt an erscheint nahe durch zwei Menschenalfer der Name dieses Volkes, so wie der andern vielen kleinen rhätischen Gebirgsvölker nicht mehr in den Geschichtswerken der Römer. Es fehlte jede Veranlassung zu ihrer Erwälmung. Die Reichsgrenze war vorgeschoben an die Donau. Wiehtigkeit konnten allenfalls wohl die dortigen Gegenden und Stämme, nicht aber die Bewohner des Gebirgslandes erlangen , die überdies durch die massenhafte Wegschieppimg der waffenfähigen Jugend zu sehr geschwächt worden waren, um sich bemerkbar machen zu können §). Die Römer kannten nur eine Provinz Rbätien. unter deren Namen die ursprüng- lich vorgefundenen zahlreichen Völker begriffen und verschwunden waren. Quae A Mari || Supero Ad Inferum Pertinebant , Sub II Imperium Pop. Rom. Sunt RedacUie. || Gentes Alpinae Devictae: Triiiinpilliii, Cainuni, Venostes, Ven- Donetes, Isai'ci, ßreuni, Genaiines, Fociinates ; Vindelicoruin gentes quatiior, Consuanetes, Rucinates, Licates, Catenalcs, AmMsnnles, Rugiisci, Suanetes, Calu- cones, ßrixentes, Lej)ontii, Vilieii, IS'aiitiiates, Sediiiii, Vei-a^ri , Salassi, Acita- vones, Mediilli, Uceiil, Caturigss, Brigiaiii, Si)gontii, Brodiontii, Nemaloni. Ede- nates, Esubiani, Veamiul, Gallitae, Triulatti, Eetiiii, Veiginini. Egiiiluri, Netuen- turi, Oratelli, Neriisi, Velauiii, Siieti-i. — Nun sunt aleiis . Cot- tiaiiis Alpibus Italiam irnimpere; Caeciiia propiorc tratisitii , Peiiiiiis jiigis de- gredi jiissiis. — Cap. 70: „Caecina praeinissis Gallomm, Liisitanorum, Britanno rumque coborUl'US et Germanonim vexillis . . . ipse panUnIiim cmiclatus, nur Rha etic is jugi s in Noricurn flecterel adversus Petronium . . . melu, ne amitteret praeinissas jam cohortes alasqiie . . . l'onino subsignanum inilitcm itiiiere et grave Icgionuin agiiieii biberiiis aiihuc Al])ibus tiaduxit". »0) Siehe oben Note 3. «<) L. Ann. Florus epitom. rer. roman. 1. IV. c. 12. Ad septemtrionem conuersa feime plafra ferocius agebat . . . Noricis animos alpes d;.bant. quasi in nives bellum non posset ascendere; sed ouines illius cardinis populos, Breunos, Cennos (ist zu verbessern in Genaunos) atque Vindelicos per privignum suum Claudiuiii Drusum pcrpacavil. — Für Florus hatten also unter allen von Drusu» besieglen und im Alpnntr.^pbäum in lan-.m Verzeichnisse aufgezählten Berg- 358 AlbertJager Namen der Breuni nur noch bei dem Geographen Pto lern aus, der unter Hadrian und Autoninus Pius, beiläufiij; zwischen 130 — 140 nach Christus blühte. In seiner Beschreibung Rliätiens und Vindeliciens nennt er neben andei-n Völkern auch die Bpivvoi und die Genaunen, die er aber n»it BsvAaOvot bezeichnet uiul überdies beide irrthümlich nach Vindelicien verlegt ^^}. Nach Ptolemäus vorschwindet der Name der Breuni, trotz aller Wichtigkeit, Avelche die Alpenländer zur Zeit der Barbaren-Einbrüche als Schufzmauerllaliens erlangten, bis zur Zeit der ostgothischen Herrschaft aus den Gesrhichtsbücbern, denn die Stelle bei Appian über die Päonier kann doch nicht, wie Boschmann will, auf die Breuni bezogen werden is). Eine Einwendung gegen die Behauptung, dass der Name der Breuni bis zur Zeit der ostgothischen Herrschaft über Italien und Völker nur die Breuni, Gcnnuni und Vindelici nedontuiig:. Hieser Umstniid darf nicht übersehen werden, denn da die Breuni, Gen:iuui uud Vindelici im Alpen- trophaeum weder als die erslen, noch als die wichlig-sIcMi g-enannt werden, so dürfle die VerinuUiuny; keine vidlig uuboj;riiMdele soiu, dass Floriis nur sie lier- vorhob, weil sie zu seinei' Zeit uofii die heltanuleslen oder bedeutendsten unter den rliiitischen Alpenvcilkern waren. ^) Claud. Ptolemaei fieograph. lib. VIII. (edit. Wilber? 1838) li!.. II, cap. XI, p. 158: „TYjg 8s OOtvösXxiac va. [J.hj apy.riYM-cO'x /.«rc'-//ju(7t 'Pouxivärat, VKO 5s TovTovg AsOv&i xal KojvG'ouävrai || sfra BsvXaüvot, £ira Bpsöv oi." Dass statt BEvXaOvot gelesen werden müsse: FsvcOvot, unterlit'gt keinem Zweifel; siehe Zeuss: Die Deutschen nud die Nacliliarsläinme, |>. 237. ") Boschmann Änt. „Veldidena nrlis anliquissima et lotius Rliaoliae princeps etc. behauptet S. 9 : Breuni seu Breniii siib nomine Brionnrum ac Paeonuni . . . Appiano noti fuere". Appian, der etwa uui 147 n. Chr. s-iae riHnische Ge- schichle schriel), berichtet nun allerdiiigs (im Buche de hellis illyricis Bd. 11, p. 1203 edit. Tollii. Amstelodarni 1G70), dass die Paeones gemeinschaftjich mit den Salassiern dem Aug\istus Widersland leisteten. „Maxime aulem inier omnes Caesari impedimenlum altulere Salassi et Jnpodes, qui ultra alpes iucolunt . . Paeonesque, qui Salassis sponte ailiiaeseraut. Ili vcrtices Alpium tenciit, niontos inaccessi, arcta semita ac dilficilis ad Cds diicil". Wer alter wollte glauben, Appian habe an obiger Stelle unter dou Paeones die [5riouas oder ßreunos verstanden, er, der S. 1202 klar ausspricht, welches Volk er unter Paeones begreift. „Paeones vcro, natio iiigens, circa Islrnni per longum incolens, ab Japodum popiilis snpra Dardanos prolenditur. Ili a Gr;iecis Paeones, a Romanis Pannonii ajjpellantur". Dies ein für allemal wider den Irrthum, der sieh bei mehreren Schiiftstdlern vorfindet, welche die Paeonier und Breonen odei- Brennen sowie die paunonischen Breuci (Sueton in Tiberio cap. 9) identiliciren , wahr- scheiulich durch SIrabo verleitet, der die BpeOvot und Fsvaüvot zu den illyri- 8chcn Völkern zählt. über (las ihiitischc Alpenvolk der ßreuiii oder ßreoneo. 359 Rliafien aus den GcjchichtsLüchern verschwinde, könnte jedoch noch gemacht worden; man könnte auf Jordanis de Getanim sive Güthorum origine et rebus gcstis hinweisen und fragen, ob nicht dieser Schriftsteller die Dreuni mit ihren» späteren Namen Briones unter jenen Ililfsvölkern aufzählt, mit denen Aelius im Jahre 451 den Sieg über Attila auf dem calalaunischen Schlachtfelde erfocht. Die Frage dürfte vielleicht grössere IJcaclitung finden, wenn wir nur über die Leseart des Wortes Briones im Reinen wären. Bei der Unsicherheit des Textes iässt sich aber aus der Stelle des Jordanis geradezu gar nichts folgern •*). Um so zuverlässiger tritt der Name der Breuni, jedoch mit der Veränderung in Breones und Briones, seit dem Eintritt der osfgothi- schen Herrschaft über Rliätien aus seiner mehr als dreihundert- fünfzigjährigen Verborgenheit wieder an das Tageslicht. Der eilfte Brief des I. Buches von Cassiodorus Variarum enthält einen Be- fehl des Königs Theodorich an Servatus, den Dux von Rhälien, den Breonen gewalttliätige Handlungen, worüber vor dem Könige Klage geführt worden war, zu verbieten i^). Durch dieses Document wird das Dasein der Breuni, oder wie sie von jetzt an regelmässig genannt werden, der Breones, in den rhälischen Gebirgen neuer- dings bezeugt. Cassiodor's hiehcr bezügliche Briefe gehören der Zeit von 493 — 526 an. Bei Jord anis, deregnorumsuccessione i^) '*) Die Stelle bei Jordnnis (edit. Car. Aug. Closs. Stullj^art 18G1) p. 134 lautet : „Hi eniin aiTuere niisiliares: Fraiici, Saruiatae, Armoriuiaiii, Liticiaiii, Burgiin- dioncs, Saxoncs, Riparioli, Briones, quondam ni i I i t e s romaiii, tunc vero jnm in numcio niisiliaiiorum exqiiisili". Nu:i licnehtc man, ^vie es mit der Sicher- heit des Worles ürJoiies sieht; Herr lv:irl Aug. Closs belehrt uns darül)er. Zwei Codic. Palaliii., deren sirli (iiiiter lieiiieiite und die von diesem Gelehrten liciaus- gcg-ehene llistor. .Aliscella lesen: Riparioli, Krinnes. — Dsr Ci)d. Aininas. und Alonnc. : 1! i p a r i i , Ulilirinncs. — Frecul|ilii Clironieon verltiiidet die beiden A'aincn zu einem Wo: te : 11 i p a r i o I i b r i on e s. — Epiloni. Aeiieae Svlvii histor. Gollior. liei Uuelliiis: Ripparioli, Y briones. — Die .tlarginalnotea zur Pariser Edition von lT;j9; Liliari, Gibriones; die l'aiiser Edit. von IjS3 und 1Ö88: Libari, Gilbrioncs. — Die ilislor. Miscella edit. .Mnralori: 11 i p a- rioli üariones. — DIoiid. und Bonfin: Iliparioli, Lanibriones. — KoJe- rie. Ximen : Uriones. — Otto Erising. cndlicli: Ripariolii, Brigones. **) nQuapropter .Maniarii (so hiess der Kl.igerj suppliealioiie conimoti praesentibus te alTamur oracnlis, nt si revera nianciiiia ejus Krcones irratioi.abiliter coguo- veris nbstulisse . . . postiiliitn faeies siue iatermissioue reslitui." ^^) Muratori Scriptores I, p. 234. b. 360 Alh ert Jä ger dessen schriftstellerische Thätigkeit nach 552 fällt, erscheinen si« unter dem Namen der Brenni*'). Jordariis liefert zwar nichts anderes als die schon ohen in der Anmerkung 1 1 aus Florus citirte Stelle, allein es verdient bemerkt zu werden, d iss er die ältere Form des Namens Breuni, die er, wie man annehmen muss, in den ihm zu Gebote stehenden Handschriften vorfand, in den der Brenni umwan- delte. Es liegt der Beweis darin, dass zu Jordanis Zeit, nach der Mitte des sechsten Jahrhunderts, der ursprüngliche Laut des Volks- namens nicht blos die Wandlungen in Briones und Breones durch- gemacht hatte, sondern bereits an die spätere mittelalterliche Form Pregnarii, Prennarii anzuklingen begann. Dass übrigens des Jor- danis „Briones", das Hilfsvolk desAetius, nicht hieher gehören dürf- ten, ist schon oben bemerkt worden, und wird später noch aus- führlicher bewiesen werden. Bezeichnende Erwähnung finden die Breonen in den Werken des Vena nti US Fortun atus und Gregor 's von Tours. Kurze Zeit vor dem Einbrüche der Longobarden in Italien, etwa um das Jahr 564, unternahm der in der Nähe von Treviso geborne Dichter Venantius Fortunatus seine Pilgerfahrt zum Grabe des heil. Martin von Tours, und beschrieb in der Dedication seiner Gesänge an den Bischof Gregor von Tours die zurückgelegte Reise von Ravenna bis an die Grenze Galliens. Auf diesem Wege berührte er das Land der Breonen 18). Fortunatus blieb hierauf in Gallien, lebte auf freund- schaftlichem Fusse mit dem heiligen Bischöfe Gregor von Tours, wurde selb.st Bischof von Poitiers und schrieb theils in Prosa, theils in gebundener Rede neben vielen Gesängen auf die Thalen der Heiligen auch die Lebensgeschichte des heil. Marlin von Tours. Am Schlüsse der Verse, in denen er diesen Heiligen verherrlicht, wendet ") Die Stelle lautet: „Noriei credebant quasi in rupes et nives bellum non posset asceodere, sed mox omnes illius cardiiiis populos, Brennos, Teiitones, Seoones (ist Genaunos zu lesen) atqiie Viiidelifos gliidio vicit loinaiius exercitiis". **)Venautii Forlunati carminum epistolar. etc., libri XI. edit. Broweri in Biblioth. luaxiiiia veter. Patrum. Tom. X, p, 328. Lugduni 1677. „De Ravenna progrediens Padura, Athesim, Brintara, Plavem, Liqiientiam, Tiliamentumque tra- nans, per Alpem Juliam pendulus, montanis anfractibiis, Dravum Norico, Oenum Breonio, Licam ßojoaria, Danubium Alemannia, Rhenuin Germania Iransiens, ac post Musellam, Mosam, Axonam et Seqiianam, Ligerim et Garoranam . . . trans- mittens." t über das rhälische Alpenrolk der nreiini oder Breonen. oul er sich an sein Büchlein und zeichnet ihm mit der Sehnsucht des Italieners, der ;\uch in Frankreich die heimatlichen Fluren nicht vergessen konnte, den Weg in das südlich von den Al|)en gelegene Vaterland. Er empfK'hlt ihm den Weg, den er selbst auf seiner Pil- gerfahrt zurückgelegt, in umgekehrter Oidnung vom Rhein nach Ravenna durcii das Land der Brennen «»). Auch Gregor von Tours, der Freund und Gönner des Fortu- natus, pedenkt in seinem Weike der Breonen. Er nalim in sein erstes Buch de gloria marlyrum einen der Gesänge seines Freundes auf, in welchem dieser ein Wunder des heiligen Laureniins verherr- lichte und setzte am Schlosse des Gesäuges die Worte hinzu: ^Acta sunt liaec apud Hrionas, Italiae castrum", ein Umstand, den Gregor von Tours wohl nur aus mündlicher Mitllieilung des Fortu- natus wissen konnte, der das Wunder wahrscheinlich auf seiner Reise durch das Land der Breoneu kennen gelernt hatte 20). Nun tritt wieder eine Stiile von vollen zwei iitindert Jahren ein, innerhalb welcher wir keiner Erwähnnng der Breonen begegnen, wenn man nicht eine solche in dem Schreiben der schismatischen •9)Venantii Fortunati vita S. Martini I. IV. Tomo X. Biblioth. max. patruro editio Lugdunens. 1677. pag. 612. col. 2. : Si tibi harbaricos conccditur ire per amnes, Ut placide Üben um tnniscendere pi>ssis et Histrum, Pergis ad Aufj^uslam, quam Vindo Lycusque fluentant; lUic ossa sacrae vener.ibere IMarlyiis Afrae. Si vacat Ire viam, neque te Bajoarius obstat, Qua vicina sedent Breonum loca pergc per alpem, Ingrediens rapido qu;i gurgite volvitiir Oenus. Inde Valentini benedicti teinpla require, Norica rura petens, ubi Byrrus veititur undis. Per Dravum itur iter, qua se castella supinant. Hie monlana sedens in colle siiperhit Aguntus, Hinc pete rapte vias, ubi Julia tenditur Alpis, Altius assurgens, et mons in niibila pergit. Inde Foro Juli de nomine principis exi. etc. etc. «*)S. Gregorii Episc. Turonens. opera studio Theodor. Riiinar Lutetiae Paris. 1699. p. 770. Ruinart bemerkt zum Worte Brionas: „Brios prope VerceUas habet Ortelius, ubi, ut aif, CaroUis Calvus imp. interiit. At regio nem Brionum Paul. Diac. Hist. Longob. IV. 4, et Fortunatus coniraemorant; Breones in Comitatu Tirol. noniiuMi lopant, de quil.us auotor vitae S. Corbi- niani. Eine unverbürgte Sage bezeichnet die CapeUe des heil. Laureniins zu Wüten bei Innsbruck als den Ort, an welchem sieb das Wunder zugetragen. 3C2 AlbcrtJäger Bischöfe des Aquilejer lMetropolilan«pi'engels an den oströmischen Kaiser Mauritius vom JalireöOl, welciies sich auf eine „ecclosia Be- conensis" beruft, entdecken wilbsi). Es gibt nämlich Scliriftstcllcr und von nicht geringer Autorität, welche die genannte ecclesia Beconensis für identisch halten mit eccbisia Breonensis und dess- halb in dieser Stelle einen Hinweis auf dieBreonen erblicken. Diese Annahme ist aber nicht unbestritten, wägen wir daher die Gründe, welche dafür und dagegen sprechen ab, und suchen wir ein sicheres Ergebniss zu gewinnen. Was die Handschriften anbelangt, so ergibt sich aus ihnen für die obige Annahme so viel als nichts, Daronius las in dem ihm vorliegenden Codex: Bremensis; Rubeus, Beco- nensis; nach Ilansiz sollen einige Codices , die er aber nicht näher bezeichnet, Bremensis und ßrencnsis lesen. Die Varianten beweisen somit für die Identität der ecclesia Beconensis und Breo- nensis nichts. Gegen die Identität sprach sich Hansiz aus 22^^ der mit vollem Rechte die Leseart Bremensis verwirft, dann aber dafür hält, dass, wenn man schon nicht wisse, was mit Beconensis anzu- fangen sei, man lieber Betoviensis unterstellen solle. Später erklärte er sich aber für die Leseart Brenensis, hergeleitet von Bernensis, dem deutschen Namen Bern für Verona, und wollte die ecclesia Veronensis darunter verstanden wissen. Mit Recht hielt man ihm entgegen, dass das Wort Bern vor dem 10. Jahrhundert nicht vor- komme, daher ein Schriftsteller des sechsten Jahrhunderts das- selbe nicht gebraucht haben konnte, am allerwenigsten ein italieni- scher, da Bern wohl nicht italienischen Ursprungs ist. Gegen diese 2t) In dem sogenannten Dreicnpitelstreite richteten raelirere Dischöfe des Aquilejer Metropolitansprengeis eine ßiltschrift an den Kaiser Jlauritius um Schutz und Abhilfe für manche ihrer Beschwerden, Es waren dies die ßischflfe I n g e n u i- nusepiscopnsecclesiae secundae lihetiae, iMaxenlius Juliensis, Laurentius ecclesiae Eellunae, Aogustus Concordiensis, Agncllus ejjiscopus ecclesiae Trejentinae (TrideutinaeJ, Agnelliis ecclesiae Acellinne, Junior Vero- nensis, Foutejus Fellrinae ecclesiae, lloronlius Vicentinae etc. etc. Sie drückten unter andern die Bcsorgniss aus, dass hui längerer Fortdauer der Dedriickungen der Metropolitanverhand der Kiiclie von Aquiit-ja sich giinzlich auflösen möchte, indem den Erzhischöl'en Galliens neuerdings Gelegenheit geboten würde, die Oiöcesen an sich zu ziehen, wie dies schon früher unter Kaiser Justiuian der Fall gewesen, „ubi in tribus ecclesiis nostri conciiii Dcconensi, Tiburiiiensi, et Augustana Galliarum episcopi constitueraiit sacerdotes". (Urkunde bei S i a- n a c h e r, Beitr. z. Gesch. d. Kirche v. Sähen I. 247.) ") Germania sacra. Tom. 1. p. 94. über (las rliiilisolie Alpeiivolk der nrciiiii oder Uieoiien. 3GU Idt-ntifioirung der ecciesia Beconeiisis mit Bernf^nsis oder Veroncnsis protostirt auch Scipio Maffei, nicht aher gegen die Mentificiruiif? der ecelesia Beoonensis mit ßreonensis, die er jedoch in ganz eigen- thüniiieher Weise erklärt. Er glaubt nämlich unter der ecelesia Beconensi oder Breoncnsi die Kirciie von Brescia-Brixiensis ver- stehen zu dürfen. Er stützt sich auf die Br/o6vot des Ptolemäus III. c. 1, welches Wort er für eine Variante von B;>cOvo£ hält. Nun sassen nach seiner Meinung die Breiini, oder was vermöge der Variante dasselbe wäre, die Bechuni, in den Thälern oberhalb Bresoia am Oglio, und von ihnen dürfte, wie Maffei will, die Kirche zu ßrescia ecelesia Bechunensis genannt worden sein as). Allein dagegen wurde geltend gemacht, dass die Kirche von Brescia nie- mals zu Aquileja, sondern immer zuMaihind gehört habe; die ecele- sia Beconensis aber in dem Schreiben an den Kaiser Mauritius als eine Suffragankirche von Aquileja aufgeführt wiid. Für die Identität der ecelesia Beconensis mit einer von dem Volke der Brennen oder Breonen, aber nicht im Sinne Maflei's benannten ecelesia Breonensis erklärt sich Papebrork 2*). Indem er die Leseart Bromensis geradezu verwirft, setzt er bei: „Es kann keinem Zweifel unteiliegen, dass man an der bezeichnetenStelle im Briefe an Mauritius Breocensis oder Bieunensis, oder auch Bren- nensis lesen müsse. Venantius Fortunatus berechtigt zu dieser Annahme, der ein Land Breonium und Sitze der Breonen kennt." Pagi, in der Kritik zu Baronius, stimmt mit Papebrock vollkommen überein. Der Codex, sagt er, dessen sich Baronius bediente, muss fehlerhaft gewesen sein, leider haben wir keinen andern und bes- seren 25). Diese Ansicht der Gelehrten findet ihre kräftige Unter- stützung in der geographischen Lage der in dem Schreiben an Mauritius genannten drei Kirchen. Dass die Bischöfe unter ecelesia Tiborniensi die Kirche Mittelnoricnms mit ihrem Sitze zu Teurnia im heutigen Kärnten 26) und unter ecelesia Augustana den Augs- S3j Verona illustrata I. 114— llö. Vgl. mit p. 23. 24) In actis Sanctnr. bei den Bollaiidist, Acta S. Ingenuini mcnsis Febr. Toni. I. *') Pajji, critica in Baron. Tom. 10. f. 903 edit. Lucc. *6) Teurnia = (Tibiirnia bei Eugippius vil. Severin. c. 28 etc.) im heutigen f.urn- felde bei dem Markte Spital in Ober-Kärnlen. Sielie A n k e r s h o f i- n : Hand- buch der Gesch. KärnU-ns 1. S. öOO und Note 2ül. SiUl). d. phil.-hist. Cl. XLII. lid. III. Ilft. 2j 364 Alhert Jäger burger Sprengel verstanden, darüber sind Bollandus, Hansiz, Maffel, Rubens und Pagi einig. Was liegt nun näber als die Annahme, dass unter der ecclesia Beconensi keine andere Kirche zu verstehen sei, als die zwischen den Kirchen von Teurnia und Augusta in der Mitte liegende ecclesia secnndae Rhaetiae, deren Bischof Ingeriuin, einer der das Schreiben an Mauritius mitunterzeichnenden Bischöfe war? Auf die ecclesia secundae Rhaetiae passte, Avas im Schreiben gesagt war, sie habe unter Justinian einerlei Schicksal gehabt niit den Kirchen von Tiburnia und Augusta; sie waren Nachbarkirchen. Die ecclesia secundae Rhaetiae des Ingenuinus konnte aber auch mit vollem Rechte ecclesia Breonensis oder durch einen Schreibfehler verunstaltet, Beconensis genannt werden, weil die Rhaetia secnnda lange schon vor 591 neben der Rhaetia prima sich in die Gebirge zurückgezogen hatte 27^ und in diesem Gebiete des zweiten Rhätiens nach Yenantius die ßreonen sassen. Somit wäre es mehr als blos wahrscheinlich, dass wir in dem ö91 an Kaiser Mauritius ausgefer- tigten Schreiben eine Erwähnung der Breonen, obschon unter ver- unstaltetem Namen zu erkennen hätten "^). '') Bischof Asimo von Cliur erscheint 4j2 als episcopus primae Rhaeliae (Eichhorn episcop. Cur. p. 1), iDgeuuin, der sich später von Siihioiia nauiite , 391 als episcopus secundae Rhaetiae. Paul. Üiac. H. 15 sagt, wo er von der Eintheiluiig Italiens zur Zeit der Loiigohardeu-Einwanderung spricht: „luter hanc (Ligiiriain) et Suaviani i. e. Alemannorum patriam ... d u a e p r u v i n c i a e i e. li li e t i a prima et Rhetia secunda inter Alpes consistunt, in quibus proprie Rheti habitare noscuntur". 28) Karl V. Spruner in seiner deutschen Ausgabe des Paul Warnefried, Gesch. der Lungobard. Hamburg 1838 mochte auch den im 3. cap. des II. Buches er- wähnten Söldner des Narses „S i n d v a I d u m regem B r e b t o r u m" dem Volksstamme der Breonen vindiciren. Oer Versuch muss aber als ein missglückter betrachtet werden. So verschiedene Varianten auch die Codd. vom Worte Breb- torum aufweisen, als: ßreutorum im Cod. Ambros. — Bretonorum im Cod. Modaet. — Bretonorum, Brionum, Bentorum, Brilon orum bei Lindenborg. — Urendorum in dorn von Spruner benutzten Bamberg. Co- dex; und so zuversichtlich auch Spruner hiezu bemerkt: „Dieser Brenden, Brennen, natio Pregnariorum gedenken noch spätere Urkunden", waren dennoch Sludwald und seine Brenden oder Brebten nichts anderes als 11 eruier. Abgesehen von Agathias, der 1. 20 Siudwald einen Anführer der Ileruler nennt, selbst Paul Diae. berichtet in der citirten Stelle dasselbe: „qui (Sindvaldus) adiiuc de Heru- I o r u ni stirpe remanserat, quem (muss noth»endig gelesen werden quam stirpem) secum in Italiam veniens simul Odoacar ailduxeral". Wahrscheinlich liess sich Spi uuer durch diese Verwechselung der Brenden mit den Breonen l)estinimen, auf der 3. Karte seines histor. geogr. Atlasses Ileruler neben den Breunen in Ober (las rliütischc Alpeiivolk der Brciiiii uder liieoiien. oOO Gelangten wir zu diesem Sclilusse nur auf dem weiten Umwege der Coinbinatiori, so haben wir aus der Neige des achlen Jahrliun- derts wieder desto mehrere und directe Zeugnisse für das Dasein der Breonen. Aribo, Bischof von Freising von 704 — 784 kennt und nennt sie an zwei Stellen seiner Lehensbeschreibung des ersten Bischofs von Freising, des heil. Corbinians, gestorben 730. Er erwäimt ihrer im XI. Capitel, in welchem er die von Corbinian innerhalb 723 — 730 unternommene Reise nach Rom beschreibt und im Cap. XXXV, wo er die Übertragung des Leichnams des Heiligen nach dem Castrum Magiense (Mais bei Meran in Tirol) erzählt. Auf der Reise nach Rom gelangt Corbinian in das Land der Breonen 29) und bei der Übertragung der Gebeine nähert sich dem Sarge eia gewisser Dominicus, welchen Aribo nobilem quemdam Breonensium plebis civem nennt ^o). Wie Aribo, so weist auch der gleichzeitige Paul Warnefried (gest. 799) in seiner Geschichte der Longobarden noch zweimal auf die Breonen hin; das erste Mal im Buche IV, cap. 4, wo er zum .lahre 593 die regio Brionum nennt si), das zweite Mal im IL Buche, cap. 13, wo er seines Landsmannes, des Venantius Fortiinafus gedenkt und den Weg bezeichnet, welchen dieser auf seiner Wanderung nach Tours eingeschlagen s-). die Tiroler Gejjirge zu versetzen. „Der Name der Brendi, Brebti" sagt Zeus 3: Die Deutsclien und die Nachbarstärarae S. 484, ist entstellt aus Eruli, vielleicht von Paulus schon so vorg'efunden oder falsch gelesen." 29) Aribo, vita S. Corbinian! bei .Meichi'lbeck Hist. Frising. l. P. 2 instr. cap. XI. „In ipso autem itinere Roinam pergendo cum in B r e o n e s pervenit, juxta silvani quandam in castris manebat." 80) Cap. XXXV. „Cum auleni venissent partibus Vallensium cum sancto corpore ejus quidam nobilis Romanus nomine Dominicus Breonensium plebis civis . . . magnis vexatus febribus ad viri Dei corpus venit." 31) Paul. D i a c.0 n. histor. Longobardor. bei Mural er. Script, rer. ital. Tom. I. üb. 4, c. 4. „In regione Brionum sanguis de nubibus fluxit. Et Interim fluvii quasi rivuli cruoris emanaverunt." Die verschiedenen Lesearten zu dieser Stelle bei .Murafori gaben dem Verfasser der Aniiales ecclesiae SabionensiSj Joseph Resch, Veranlassung, den zweiten Satz des Paul. Diacon. wie folgt zu lesen: „Et inter Eni fluvium quasi rivuli cruoris emanaverunt". Das i n t e r i ni bei Paulus gibt allerdings keinen Sinn und deutet auf eine verdorbene Stelle. Zur Substituirung des Wortes Eni — Innlluss, berechtigte Resch zunächst die regio Brionum, dunn die Variante: „et intra Rheni fluvii aquas rivnlus cruoris emanavit". Der Enus lag dem Lande der Breonen freilich viel näher als der Rhenus. 3") P a 11 1. D i a c. 11. 1.3. „Her igitur fecit properando per fliionta Tiliamenti et Reuniam, perque Ostipum, et Al|)eni .liillain, pcrque Aguntuin castruiii. Üraviirnque et Bvrrum fluvios. ac B r i o n e s et Augusfam civitatein." 366 AlbeitJäger Nach Aribo und Paul Warnefried komnnt der Name der Breonen noch einmal in einer Urkunde vom Jahre 828 vor. Ein in der Gegend von Sterzing in Tirol reich begüterter Mann, Namens Quartinus, nennt sich in einem für das Kloster zu Iimichen ausge- fertigten Schenkungsbriefe einen Sprössling des Breonischen Volks- starnmes 33). Weiter erscheint der Name der Breonen weder in Urkunden noch Zeitbüchern. Fassen wir nun das Ergebniss der bisherigen Untersuchung in kurze Worte zusammen, so wird es dahin lauten, dass der Beweis für das Dasein und die fortwährende Erhaltung des rhätischen Alpenvolkes der Brcuni oder Breonen von der Zeit der römischen Eroberung bis herauf in den Anfang des neunten Jahrhunderts sicher hergestellt ist. Treten auch Pausen ein, in denen dieser Name verschwunden zu sein scheint, so kommt er duch immer und immer wieder zum V^orscheine und gibt Zeugniss vom Dasein des genannten Volkes. Nun wird es unsere Aufgabe sein zu untersuchen, wo, in welchem Gebiete der Alpen, wir die Breonen durch mehr als 800 Jahre vorfinden? II. Die Wohnsitze der Breuni oder Breonen. Als die Bömer die rhätischen Alpenhewohner ihrer Herrschaft unterwarfen, stiessen sie daselbst aufzahlreiche kleinere und grös- sere, durch Namen und I^age, vielleicht auch durch Abstammung»*) von einander unterschiedene Völker. Es war diese Verschiedenheit eine natürliche Folge der BeschafTetiheit des Gebirgslandes. Im Flachlande kann sich ein Volksstamm ausbreiten, bis ihm etwa 3 3) „Ego Quartinus nationis Noricorum et P r e g- n a r i o r u m , tlnno ac trado." Urkunde hei Rescli: „Aetas Millenaria ecel. Aguntinae, p. 32 auch Annal. eccl. Sabionensis I. sec. IX. p. 86. — Z e ii s s : Die Deutschen und ihre Nachbarstämine p. !)87. „Das letzte Mal nennt ihren Namen Pregnarii, d. i. Breunarii (wie Anagnia fiir Anauiiia) eine Urkunde vom Jahre 828. Aus dieser Korin Pregnarii, Bregnarii scheint die Benennung des Gebirgsrückens des Brenneis, entstanden." ^*) Vorausgesetzt, dass es mit der etruskischen Abkunft eines Tlieiles der Rhätier seine liichtigkeit hat, welche sehnn Plinius nicht als unbestreitbare Thatsache annahm. „Ithaelos Tuscorum prolein arbitrantur" sagt er in Histor. natur. III. 20. über (las i'liiitische AI|ioiiV()lk der Breuni oder Brcoiifii. ö\> i irgend ein grösserer Fluss, oder dieN;ic]ib;irsclu>ft eines st.imm- und sprachvei'scliiedenen Volkes, oder freie Übereinkiinft eine Grenze setzen. Anders im Hochgebirge, liier setzen nicht nur iinübersleig- liche Gebirge der Ausbreitung eines Volksstiimmes iiuhe Grenzen, sondern die durch hohe Felswände von einander getrennten und oft in der entgegengesetzten llichtung ausnriündendeii Thäler losen im Laufe der Zeit selbst einen und denselben Stamm in mehrere durch Namen, Lebensweise und Verkehr sich unterscheidende Bruchtheile auf. Hat sich in eines der Thäler eines solchen Gebirgslandes ent- weder zur Zeit einer grossen Wanderung, oder gedrängt von feind- licher Übermaclit, oder in Folge vertragsmässiger Übersiedelung ein fremder Stamm eingeschoben, so setzen die Berge nicht nur seiner weiteren Verbreitung eine Sebianke, sondern isoliren ihn auch in der Regel in der einsamen Thalabgeschiedenheit. Daher können in einem Gebirgslande ganz gut mehrere ursprünglich ver- schiedene Volksstämme unverinischt neben einander fortbestehen, ja es wird sogar eine unvermeidliche Folge dieser trennenden und isolirenden Localverhältnisse sein, dass selbst ein und derselbe Stamm iin Laufe der Jahrhunderte sich in viele, scheinbar wesent- lich verschiedene, vielnamige Äste verzweigt. Das Tro[)häum des Augustus bei Plinius zählt daher nicht weniger als 44 solcher, in den Alpen sesshafter, in viele Gemeinden vertheilter, unter eigenen Namen den Römern bekannt gewordener und ihrer Herrschaft einverleibter Völker aufsaß; unter ihnen auch die Breuni, welche den Gegenstand unserer Untersuchung bilden. Es fragt sich also, wo sassen die Breuni zur Zeit, als die Römer das rhätische Alpeiigebirge eroberten? wo müssen wir ihre Wohnsitze aufsuchen? Die Grenze, welche Vindelicien von Rhätien in jener Ausdeh- nung, in welcher die Römer dieses Land vorfanden, trennte, lief nach den Angaben des Slrabo, Plinius, Tacitus, Ptolemäus und Die Cassius von den Quellen des Rheines ^s), diesen Fluss entlang s') 3*) Siehe ohi-n Anmerk. .">. Plinius set/.t nncli hiii/.ii „Incolae Alpiiiin uiiilli populi . . in miiltns civitates divisi." 36) „Rhaptoium Vennoiies Saruiietfsqiie ortus Rheni acoolnnt." Plinius III. 20. 37) Tr,j 'Vairix: ^ lj.h ^jctjj.ix^ kIs-joöl öoc^irat zü> zs 'Aoh/.oc oost. Ptolemäus Geograph. II. 11. edit. Wil herg-. „'0 'AörtAac zö oooc, it, a pzl ö 'P^vo; irzi r«,- apxro-JS." Straho IV. cap. 6. §. 6. „Oi y.rj ojv 'PaJroi diazirjHCji y.al \>-iyj''- ~'')v y'jirji.'jyj. tjC o)v ö l*'^voc yifiirxu" Mein §. 8. 308 All) fit Jäger bis ZU seiner Einmündung in den Bodensee ^s^ ; von da weg dem nördlichen Saume der Alpen entlang bis zum Innflusse, der dann die östliche Grenze zwischen den Rhätiern und Norikern bildete s»). Waren nun die Breuni, wie wir anzunehmen berechtigt sind, Uhätier, so werden wir ihre Wohnsitze irgendwo in denGebirgen des weiten Gebietes der nördlichen Alpenabduchung südlich von der bezeich- neten Grenzlinie zwischen dem Rheine und Inn aufsuchen müssen. Die älteste Ouelle, welche uns von diesem Volksstamme Kunde gibt, sind, wie oben S. 354 hervorgehoben wurde, die Gesänge des römischen Dichters Horatius. Allein aus ihren Angaben gewinnen wir zur Bestimmung der Wolinsitze der Breuni nicht viel, denn nicht nur enthält Horatius gar keine nähere Bezeichnung der Lage des genannten Volkes und ihrer Nachbarn der Genauni, sondern nach seiner Darstellung der Kämpfe des Drusus gegen dieselben wird es sogar zweifelhaft, ob sie nicht eher Vindeliker als Rhätier waren, und ob daher wir sie nicht vielmehr unter jenen anstatt unter diesen aufsuchen sollen? „Vindelici didicere nuper, quid Marte posses, singt Horatius*»); milite nam tuo Drusus Genannos . . Breu- nosque, et arces alpibus impositas tremendis dejecit acer" ; und dann wieder: „Videre Rhaetis bella sub alpibus Drusum gerentem Vindelici"**). In diesen Worten scheint die kaum zu verkennende Andeutung zu liegen, dass der Kampf mit den Breunis und Genaunis in der Nähe der Vindeliker staltfand, dass sie Augenzeugen der am Fus se der rhätisch en A Ipen (wie man etwa das „Rhiietis sub alpibus" übersetzen könnte) also draussen am Saume des vin- delicischen Flachlandes durch Drusus vollbrachten Besiegung der (rhätischen? oder vindelicischen?) Breuni waren. Allein gegen diese Hinneigung des Horatius, nie Breuni nach Vindelicien zu versetzen, erheben sich denn doch bedeutende Bedenken. Erstens wird das „sub alpibus" nicht „am Fusse der Alpen" übersetzt werden dürfen, da, wie schon oben in der Anmer- kung 1 hervorgehoben wurde, Horatius wenige Zeilen weiter unten 38) npoffaTTTOvrai oi p.lv 'Patrot r-^c X'!p.v/ji in' oXr/ov. Strabo VlI. c. 1. §. 3. 39)Ptolem. 11. cap. 11. „r^g 'Pairiag vj o'avaroXwc Klevpit. «yroj röi 'Ac'vm Trorajjiaj opi'^erai. T a c i t ii s Histor. HI. c. 5. „Aemis fliivius, qiii Hhaetos Noricosqiie inlerfliiit. 4<') Lib. IV. carm. 14. 4') Vergl. oben Anmerk. 1. Ül)er «las rliiitisclie Alpenvolk iler Ureiini oilor Itreoiicn. o()9 in derselben Ode sich des Ausdiuckes bedient: „sul» pi ne(r;ilil(us", was Niemandem einfallen wird, mit „am Fiisse der Gemächer" zu übersetzen. Wie aber Horatius an dieser Stelle das „suh" für „in" hraiiclit, wird auch das frühere „suh alpibiis" so viel lieissen als „in alpibus". Dann muss bemerkt werden, dass die Ungenauigkeit, welche wir in allen, den rhätisch-vindelicischen Krieg hetrelfenden Angaben dieses Dichters wahrnehmen, seinen VVerth als einer histo- rischen Quelle ziemlich zweifelhaft erscheinen lässt. Wollte man sich auch über den Umstand hinwegsetzen, dass er die Gegend oder den Ort, wo die Siege über die Breuni und Gcnauni, sowie über die gesammte Streitmacht der Rhätier erfochten wurden, gar nicht näher bezeichnet, so kann man dasselbe doch nicht in Betreff eines andern aufTallenden Mangels thun. Aus den Angaben dieses Dichters vermögen wir nämlich nicht zu entnehmen, welcher von den beiden Brüdern, ob Tiberins oder Drusus, den Krieg gegen die Rhätier führte, und welcher von ihnen gegen die Vindeliker kämpfte? Lässt auch Horatius den Drusus den Krieg in den rhäti- schen Alpen führen *-), lässt er ihn auch Burgen auf schwindelnden Höhen niederwerfen und die Breunen und Genaunen besiegen , so schreibt er doch die Entscheidungsschlacht gegen die Rhätier dem älteren der Neronen, dem Tiberius zu *s). Vergleichen wir aber die Berichte anderer Quellenschriftsteller, so verhielten sich die Dinge ganz anders, und zwar wie folgt. Augustus sandte Anfangs Mie Dio Cassius berichtet **), den Drusus allein mit einem Heere gegen die Rhätier. Drusus traf in den ti'identi nisch en Alpen mit ihnen zusammen und schlug sie. Als aber die Rhätier ihre räu- berischen Einfälle bald darauf wiederholten, sandte er auch den Tiberius gegen sie aus **). Yeliejus Patercnlus stellt nun die Saclie so dar, als wäre die eigentliche Führung des schweren Krieges dem Tiberius übertragen und Drusus ihm nur zur Unterstützung heige- 42) „Viilere . . Rhaetis bella gereiilem Diusuin sul» AIi»ibiis." '*>') „Major ISeroiium mox grave i>raeliiiiii cuininisil iininanesijiie Itliaetos ausiiiciis pepiilit seciindis." **) Dio Cassius 54. c. 22. „'0 Au-yov^oj ;:pcor&v (ji£v röv AryoOffov sVauroüc Tup.jSaAÖJV 'ii.'xrv.yi'jyj irpi-^azo. — — j-eira 'T; xai rov Ti^J-'ptov Trpoc- 370 Albert Jäger geben worden *^). Dhss Vellejus die Saslie so usid nicht anders darstellte, wird Niemand befremden, der weiss, in welchem Ver- hältnisse dieser Schriftsteller persönlich zu Tiberius stand und welcher Schmeicheleien gegen denselben er überhaupt fähig war. Doch schon im nächsten Satze lässt er uns das richtige Yeriiältniss in welchem die beiden Brüder Tiberius und Drusus bei der Führung dieses Krieges zu einander standen, erkennen. „Die beidenBrüder" sagt er, „theilten ihre Aufgabe und eröffneten den Kampf gegen die Rhätier und Vindeliker" *6), das heisst wohl, sie handelten nach einem gemeinsamen Plane, aber von einander unab- hängig, und zwar in der einen Richtung gegen die Rhätier, in der andern gegen die Vindeliker. Der Krieg wurde sofort von Drusus und Tiberius gleichzeitig eröffnet und der Einbruch in Rhätien und Vindelicien geschah theils unter der unmittelbaren Führung der beiden Feldherrn selbst, theils unter der Führung ihrer Legaten an vielen Orten **). In die rhätischen Gebirgsthäler von Italien her, wahrscheinlich an der Etsch hinauf, drang Drusus ein. Wir berufen uns zum Be- weise nicht auf die in der Peutinger'schen Reisekarte zwischen Subsavione und Tridente vorkommende römische Station Ponte- drusi. Man wird uns zugeben, dass ein, nahe um 2S0 Jahre jün- geres Document, wenn sein Inhalt nicht durch frühere Quellen unterstützt werden kann, nie ein vollkommen sicheres Zeugniss abzu- legen vermag, und das blosse Vorkommen des Namens Pontedrusi im Etschlande die Anwesenheit des Claudius Drusus daselbst nicht stringirender nachweist, als der Name Vallis Drusiana (romanisch Val Druschauna) seine Anwesenheit in Blndenz oder Niziders ver- bürgt 48^. Unsere obige Annahme findet ihre Begründung in dem Umstände, dass Drusus schon früher in den tri dentin ische n • Alpen mit den Rhätiern gekämpft und Siege erfochten hatte und 4*)Vell. P a t e r c u I. 11. 95. „Reversum deiiide Neroiiem Caes.Tr haud mediocris belli niolem experiii slatiiit, adjtitore dato operis fralie ipsiiis Driiso Claudio." *'') »Qiiippe uteique divisis p a r t i b u s Rbaelos Viiidolicosiine adgressi sunt." Vellejus. loe. cit. ^''j Di o Cass i IIS loc. cit. „i'jß'xXö'JTSc 8V ic Tr,-j y'j)oa.-j r o ). ). ay ö 3 i v ä;/ x «;i.'j3 9 7£pi 0 t , aOrol rs xal öi». rwv vTZ'j^^'jV.rri'j'jyj.''^ ■"*; .Merkl e. Vorarlberg, III. .\blheil., p. 13. über (las rhätisclie Alpenvolk der Breuui oder Breuiieii. o i l diihcr ohne Zweifel die Führung des Krieges in jenem Gebiele übernahm, wo ilim Feind nnd Hoden bereits hekiinnt war. Und hier nnn in den rhu tischen Alpen (Uhaetis [sub] in Alpibus) schlug er neben mehreren andern Vijlkern die Brtuni *'), keineswegs aber draussen am Saume des Flaclilandes, weil, abgesehen von allen andern Schwierigkeiten nicht angenommen werden kann, Drusus sei mitlen durcli die Alpenvölker, denen sein Angriff galt, ohne Hin- dernisse und Kämpfe bis an den Bodensee gelangt, um dort im Angesichte der Yindeliker die Rhätier zu besiegen. Die Angaben des Horatius sind also, wenn sie nicht in dem von uns bezeichneten Sinne interpretirt werden sollen, wie das Vorstehende zeigt, weder eine genaue, noch üherhanpt eine sichere Quelle zur Bestimmung der Wohnsitze der Breuni. Noch unzuverlässiger erscheint aber die Angabe des römischen Hofdichters, dass die Entscheidungs- schlacht gegen die Rhätier nicht von Drusus, sondern von Tiberins geliefert worden sein soll. Vergleichen wir sie wieder mit den sicheren That^achen. Tiberins kam in diesem Kriege ganz plötzlich auf dem B 'deii- see zum Vorscheine, wo er eine Insel, aller Wahrscheinlichkeit nach das heulige Lindau s«), als Stützpunct für seine Operationen besetzte und den Kampf mit den Vindelikern zur See eröff- nete 51). Keine Quelle gibt an, auf welchem Wege und von welcher Seite her er dabin gekommen. Dass er nicht, wie Zeuss^a) der Ansicht zu sein scheint, von Ilalien, etwa von Mailand aus, durch die westlichen Alpenthäler der Lepontier (Valle Leventina) über den Gotthard durch die .Gebiete der Helvetier an den Bodensee vordrang, scheint daraus hervorzugehen, dass er sich um diese Zeit nicht in Italien, sondern in der Gallia comata, deren Verwaltung 4«») Horatius. *») Jos. Bergmann, Beitrüge zur kritisclien Gesi-Iiiclite Vorai llier^'S. Denkschrifleii der kais. Akademie der Wis.seiiseh. IV. p. 51t inaclit hiezu die Bemerkung : Andere meinen die Ueiolienau im L'ntersee. Diese sehoint mir n:\cli dem Ausdrucke de» nio Cassius 54, '12 nieht gemeint zu sein: Tiberins besetzte meines Eraeiittus Lindau. •■*') Strabo VII. 1. §. ö. /; ).':p.vv; r/j'. ^>; xal •jr,'7<,-j, ^ ipYYiTXV) öpiJ.r.zY,pifji Ti^i- OLoj vav(Jia)(^obv ffpös Oviv^e/'-XOtb. Dio Cassius I. :>4. c. Tl. „x«'. o •/£ 1 i^i- oio; y.al 5ii rrc ),'!iivv3C 7r).oiotc xoM^äil;. *-J Die Deutschen und iliie N.icIil'arslSrume, S. 2;>7. Ol2i A I h e r t J ä g e r Augustiis ihm übertragen hatte, aufhielt ^s^. Dort bekam er die Weisung, gleichzeitig mit Drasus die Waffen gegen die Rhätier und Vindeliker zu kehren 54). Nun drängt und berechtigt die geo- graphische Lage zur Annahme, dass Tiberius mit seinen» Meere von Gallien herüber auf der kürzesten Linie, etwa über Augusta Raura- corum bei Basel vorbei, den Bodensee zu gewinnen suchte, um auf diese Weise plötzlich im Rücken der Rhätier zu erscheinen und deren Verbindung mit den Vindelikern zu unterbrechen s^). Daraus ergibt sich nun ganz klar, dass Tiberius es weder auf seinem Zuge, noch bei seiner Ankunft auf dem Bodensee vorzüglich mit den Rhätiern, sondern wie diesStrabo ausdrücklich sej und Vel- ejus mit seinen divisis partibus fast eben so unzweideutig angibt, mit den Vindelikern zu tluin hatte, während, wie früher gezeigt wurde, Drusus die Rhätier in ihren Gebirgen bekämpfte. Aus Strabo kann zur Unterstützung dieses Ergebnisses noch eine Stelle herangezogen werden, aus welcher hervorgeht, dass nicht die Ge- birge und Thäler im Süden des Bodensees, sondern die vindelici- schen Gefilde im Norden desselben das Feld der Thätigkeit des Tiberius waren. Strabo berichtet nämlich, dass Tiberius bis zu den Quellen der Donau vorgedrungen sei "j. Damit soll nun aber keineswegs behauptet werden, dass Tiberius in gar keine Berüh- rung mit den Rhätiern gekommen sei, waren doch diese, wenngleich 53) Suelon. in Tiberio cap. 9. Post liaec comatam Galliam aiiiio fere rexit. — Di o Ca SS ins 34. in Caesare Augusto p. 748. „Post haec Augustiis anno nrbis con- dit. 738 in Galliam profectus est«, „Tov ds (Jy) TißipiQ-j 7Zixpi.l(xßoiV." Das Jahr Roms 738 füllt mit dem Jahre 16 vor Christ, zusammen und das Jahr 739 mit dem Jahre lö, d. i. mit dem Jahre des Krieges gegen die Aipenvölker. Verwaltete Tiberius nach Suetonius ein Jahr lang die Gallia coraat«, so ist klar, dass er von dort weg nach Vindelicien zog. 54) Suetonius loc. cit. fügt zur obigen Stelle hinzu: Exin Rhaeticum Vinde- lieumque bellum gessit; was nur den Sinn zuliisst: Von seiner Verwaltung Gal- liens weg führte er den rhätisch-vindelicischen Krieg. 55) D i o C a s s. loc. cit. deutet dies in Folgendem an : Das unerwartete Erscheinen des Tiberius auf dem Bodensee überraschle und trennte die Feinde: aro r£ TOur» xarsTrXvj^av avrouj, wj Ixa^otj dfiai >? (aÜToy?) xarstp'/äffavTo. Auf dasselbe weist die Stelle bei Veliejus II. 9S d i- V i s i s ,p a r t i b u s Rhaetos Vindelicosque aggressi sunt, hin. 56) Siehe oben Anmerk. 51. 50 Strabo VII, c. 1. §. li: 'IlfASfi^ffiov de iizo tyjC )vt(AVy;c ;:pocX.5wv 686-J Tißi- ptoc vl5i rac r» "I^pK Tfo^jic. Ülier (las rliiilische Alpunvülk ). Dieses Monument, ein Verzeichniss aller im rhätisch-viudelicischen Kriege besiegten Völker, errichtet zum Andenken an die erfochtenen Sieg'C, somit den Charakter eines officiellen Berichtes und Denkmales an sicii tragend, wird uns vermutlilieh über die Wohnsitze der Brennen befriedigendere Nachricht geben. Dürfen wir annebmen , wozu die Inschrift olTenbar berechtigt, dass in der Völkeraufzählung eine gewisse Ordnung, und zwar nach ilirer geographischen Lage und Aufeinanderfolge beobachtet wurde •">), so gelangen wir, wenn auch zu keinem in jeder Beziehung vollkommen befriedigenden, doch zu einem ganz anderen Ergebnisse, als zu dem blos negativen, welches wir aus den Angaben des Horatius gewonnen haben. Gehen wir au die in mebr als in einer Beziehung interessante Untersuchung. 58) Veil. Paterc. II. 104. Als Tihciiiis zur Fiiiiruii": des Krieges nach (iermaiiioii kam, enipiin^'en ihn die Solilateii mit dem Zurufe: Ejjo teoiim, imperator, iii Anneiiia, e g- o in Hhaetia fui, ego a te in Vindelicis. rgo in Paniio- nin etc. donatus siim. 5'J) Vgl. oben AnmerU. ;>, 60) Zeil s.S. p. 234 bejaht obige Annalimo. „Der Wi-rlh d.'i' liisilnilf sagt er. .wird noch dadurch erliöhf, dass sie die Volker nach ihrer l'ol-e in ihren WolinsUzen aufzählt". Zeuss blieb aber dieser Ansicht nicht (reu. 374 A 1 1) e r t J ä 8 e r Die Inschrift geht in der Aufzählung der überwundenen Alpeu- völker von jenem Gebirgsstoeke üus, der sich zwischen der Adda und der Etsch ediebt, übersteigt das Hochgebirge, welches die Adda- und Etschquelleii trennt, folgt dann dem Laufe der Etsch nach Süden in das Thalgelände des Eisaks, übersetzt die Höhen der Etsch- und Eisakquellen liinaus über die Gebirge, welche die Grenzscheide zwischen den Rhätiern und Vindelikern bildeten, schweift östlich ab bis an den Lech, ja bis an den Inn und dieSalza, und wendet sich dann über den Bodensee zurück, den Quellen des Rheins zu, um über die höchsten Gebirge wieder hinabzusteigen in die westlich nach dem Genfersee und südlich nach dem Verbanus und Larius auslaufenden Thalgebicte der Salassier und Lepontier zu gelangen. Das Alpentrophäum beschreibt also einen Kreis, dessen Linie die Etsch, den Eisak , Inn und die Salza berührt, dann den Lech und die Vindeliker am Bodensee durchschneidend, über die Rheinquellen hinweg die Seen von Genf, Locarno und Como streift. In der Aufzählung der besiegten Völker selbst macht die In- schrift den Anfang mit den Triumpi lini und Camuni. Dass man unter diesen Namen die Bewohner jener Gebirge und Thalgebiele zu verstehen habe, welche der in den Lago d'Iseo einmündende Oglio und der, Brescia's Mauern bespülende Mellafluss durchströmen, also die Gebiete jener Thäler, die heutzutage noch als Val Camo- nica und Val Trompia die Erinnerung an ihre Ureinwohner bewahren, darüber herrscht unter älteren wie neueren Gelehrten nur eine Meinung ei). Warum diese zwei Stämme zuerst genannt werden, dafür lassen sich, abgesehen von ihrer geographischen Lage, verschiedene Gründe anführen. Wahrscheinlich waren es die Camuni mit ihren Nachbarn den Triumpilini, welche zum Kriege Anlass gaben. Dio Cassius berichtet, dass im Jahre Roms 738, d. i. im Jahre 16 vor Christus, also ein Jahr vor dem Beginne des rhä- 61) Cluverius Itül. antiqii. lil). I. c. lÜ. „Triumpilini, qiii iipiid Pliiiinm l)is ocriir- runt, in tribcis nntiquis inscriptionil)iis lirixiae exislentilms sunt Tri ump lini; in tabula vero antiqua itiiieraiia Trumpli; ex hac voce posterioiilius teuipo- rihus ortum est Trompl», nunc Trompia. Est autem vallis quam Mela auinis secat. — Cainuni üllii fluminis vallem incoluerunt, quae a priscis eiiltorihus etiam nunc nomen retinet = Val Ca in o ii ica." Mannert Ul. 605). li eicliard, thesaur. topogr. orb. ant. u. Karle. über d i'j) xixXtfAi'vot, 378 Albert Jäger hinaus in die nördlichen Auslaufet' der Alpen ''^). Plinius hinn^egen macht sie zu Bewohnern der hochgelegenen Thäler, in denen der Rhein seine Quellen sammelt '''*), und Ptolemäus lässt sie den mitt- leren Theil von Rhätien einnehmen '^^^. Von den zwei sich wider- sprechenden Angahen Strabo's muss eine nothwendig verworfen M erden und da trifft dieses Loos die zweite, indem, abgesehen von den Bedenken, welche gegen die Richtigkeit des Textes an der Itetreffenden Stelle erhoben wurden «o^^ die Vennonetes, wie das Folgende zeigen wird, keine Vindeliker waren, daher auch nicht in die Nähe oder unter die Vindeliker verlegt werden konnten. Die übrigen Angaben des Strabo, Plinius und Ptolemäus, so weit sie auch von einander abzuweichen scheinen, stehen sich doch viel näher, als man auf den ersten Anblick glauben sollte, ja kommen am Ende auf ein und dasselbe hinaus. Untersuchen wir die Sache. So viele Bedenken sich auch gegen die volle Richtigkeit des Textes bei Strabo in den die Vennones betreffenden Stellen erheben mögen, darüber kann kein Zweifel obwalten, dass er an der ersten Stelle dieses Volk in die Gegenden östlich oberhalb Como verlegen wollte. Der Text und Sinn der Stelle in dieser Beziehung ist klar und widerspruchslos s*). Man fasse sie nur näher in's Auge. ''''J Siehe oben Aiiiiieik. 72. Damit ist zu vergleichen der §. 8, wo es heisst; Ol dk Outvös/.ixot xal Xojpixoi tvjv ixzo; ;rapcop£i'av xarsyadt. '8) Rhiietorum Vennonetes Sarnnetesqiie ortus Rheni amnis accolunt. FII. 20. '^) Siehe oben Aiiinerk. 74. **') Z euss, p. 234 hiilt die SteUe, in welcher Strabo die Vennones zu den Vindelikern zähU, tür verdorben. „Gewiss" sagt er, „ist hier entweder durch Strabo oder seinen Berichterstalter (waium nicht auch durch Abschreiber) ein .Missgriff geschehen ; die Ovfvvwvsf sind sonst überall als R h a e te n genannt." Er glaubt daher, dass der Text bei Strabo lauten sollte: irafAwraTOt öi rwv p.£v 0 u t v (Js), ixciiv s'lvj- rai^ovro Aixärnoi xal KXaurtvärtot, 'Pouxävrtot xal Korouävnof twv 8k PatTWV Ov £ vv i-jü V c s; gewiss eine eben so scharfsinnige als gegründete Ver- muthung. In Betreff der zwei sich widersprechenden Angaben Strabo's über die Wohnsitze der Vennones bemerkte schon C I u v e r i u s Ital. ant. I, p. 104: „Mira sane unius eiusdemque rnentis variatio, si ita utrobique scripsit ipse Strabo", indem dieser Autor das eine Mal die Vennones zu den Völkern Italiens, die oberhalb Como wohnten, das andere Mal zu den Vindelikern an der Nordseite der Alpen zählt. Auch Cluver glaubt daher, dass wir deu Text nicht in seiner urs])riiiigliclien Richtigkeit vor uns haben. **) Ein Bedenken gegen den Text findet nur Statt, weil Strabo im Widerspruche mit sieh selbst an der fragliehen Stelle die Vennones von den Rhätiern ausscheidet. „Oberhalb Como'' sagt er, „wohnen 'PaiT&l xal Oüi-jvwj-;", während er doch ÜI)L'r (liis rliiilisclii' .\l|i('Mvolk clor Iticiiiii oiU'r lirL-oiioii. ,) ( [f „Oberhalb Como", siigt Strabo, „welches am Fusse der Alpen lic^t, wolmen gegen Osten die Rhätiei* und Veniiones und die Ijepoiitier, Tridentiner und Stoner". Stehen nun auch die Lepontier neben den Tridentinern ofTenbar nicht an ihrem Orte und müssen diese, und vielleiclit auch das xai zwischen 'Vaizoi und Oviwojvsg, als nicht zum Texte gehörig, ausgeschieden werden, so steht doch unwider- sprechlich fest, dass Strabo alle die genannten Völker siciroberhalb Como in der östlichen Richtung gelegen gedacht habe. Es geht ferner aus dem Wortlaute des Textes hervor, dass er sicli dieselben wieder in zwei Gruppen neben einander dachte, auf der einen Seite (jfi ixh') die Tridentiner und Stoner, auf der andern (r^ oi), also oberhalb den Tridentinern und Steuern die Vennones. Nach dieser kaum zu bestreitenden Auffassung der Stelle Strabo's dürfte diese am richtigsten so verstanden werden, dass Strabo östlich oberhalb Como im Allgemeinen Rhätier kannte , die sich nach der einen Seite hin in Tridentiner und Stoner, und nach der andern Seite hin in Vennones gliederten. Fassen wir die geographische Lage der Tri- dentiner, Triumpiliner und Camuner, die keinem Zweifel unterliegt, in's Auge, so bleibt uns für die in der anderen Richtung oberhalb Como gegen Osten gelegenen Vennones, zwischen Como und Trient keine andere Gegend mehr übrig, als das Thal der Adda, die Vallis Teilina. Und so führt uns die einfache Interpretation der Angabe Strabo's ohne allen Zwang zur Entdeckung der Wohnsitze der Veimones im Veltliner Thale. Diese aus Strabo abgeleitete Entdeckung findet ihre mittel- bare oder unmittelbare Restätigung sowohl in Ptolemäus als auch in Dio Cassius und selbst in der Inschrift des Trophäums. Ptole- mäus weiset in seiner Reschreibung Rhätiens den Vennones eine Gegend zu, welche mit dem oberen Theile des Veltlinerthales ziem- lich übereinstimmt. Den nördlichen Theil Rhätiens, sagt er, bewohnen im §. 8 dessell)eii IV. Buclies u. 6. cap. den ihälischeii Volksstanim liis nacli Kalieii hinab, oberlialb Verona und Como verbreitet sein lässt: oi y.£v o'Jv Patroi fAs'XP' ~^s 'IraXi'«; xa^^xuffi, z?,: vrrip Oyi^pwvOs x«t KoifA». Ferner zeigte sicli der corrujile Text auch darin, dass die Leponliiii zu Jen Trideiitini und Stones gezählt werden, während sie doch in die von Como wesllieli gelegenen Gebirge gehören. Darum glaubte schon Cluverins, dass ursprünglich bei Strabo gelesen wurde: v-j'pxcivrat fJi ra Kw(y.y, zri ^li-j Ayjrr&vrto'. 'i*ai7ic>!., zr, dk OJi-rj'jyjz;, i-i T-rjv iui x£x).t^£vot, y.y.1 Toidi-jzwji xKt iirövot. Sit/b. d. phil.-bist. (^1. XML B.i. III. IUI. «<» 380 Alberl Jäger die Brixantes »2), den südlichen die Suanitae und Rigusci ss) und den mittleren die Calucones und Vennontes "*). Erwägt man, dass Rhätien, ehe Vindelicien damit in Verbindung gebracht wurde, sich vom Bodensee bis an die Ausläufer der Alpen bei Verona und Como erstreckte ss), so wird der mittlere Theil so ziemlich in die Nähe der Gebirge fallen, welche die Quellen der Adda umgeben. Directer als Ptolemäns bestätigt unsere Behauptung eine Nachricht bei Dio Cassius. Im Jahre 16 vor Christus ergriffen die Camuni und Vennonii die Waffen gegen die Römer und wurden von Publius Silius besiegt und unterworfen «ß). Nun ist es sicher kein gewagter Schluss, wenn wir annehmen, dass diese zwei Völker, welche ver- eint die Waffen gegen die Römer ergriffen und in Einem Feldzuge von demselben Feldherrn besiegt wurden, Nachbarn gewesen fein müssen, folglich die Vennones, da wir die Heimat der Camuni genau kennen, nicht in Vindelicien, wohl aber in der nächsten Nähe der Camuni, in Veltlin, zu suchen seien. Auch ist es undenkbar, dass Publius Silius ein Jahr vor der Unterwerfung der rhätisch-vin- delicischen Völker schon draussen irgendwo am Bodensee oder auch nur tiefer im rhätischen Gebirge die Vennones bekämpft und besiegt haben sollte. Alles führt also auf ein nahes Beisammenwohnen der Camuni und Vennones oder Vennonetes zurück. Und wohl aus diesem Grunde zählt das Trophäum — das Gewicht dieser Quelle kann nicht verkannt werden, die Triumpilini, Camuni, Venostes und Vennonetes gleich an der Spitze seines Verzeichnisses neben einander auf s^). Diesen Gründen gegenüber kann auch der Bericht des Plinius, so sehr er von Strabo, Dio Cassius und dem Alpentrophäum abzu- weichen scheint, keine grosse Schwierigkeit verursachen. Plinius versetzt die Vennonetes in das Quellengebiet des Rheins ^^^, also "2) Ptolem. n. 11. Die Bpi^ävTat des Ptolem. heisseii hei Stial)o IV. c. 6. §. 8. Bpi^avTiot Hnd ihre Hauptstadt ßpi^ivriov (Bregeiiz). *3) Auch Zeuss, p. 236 verlegt die Souavirat und 'Pt'/SfTxat in dentiebirgsriicken zwischen dem Rhein und dem Comersee. S4) „rä o£ fAsra^u KaXo'Jxwv^j xat OOivvovrec." *5) Sieiie Anmerk. 81. SC') nio Cass. lib. S4, cap. 20. *') (lenfe.s alpinae devietae : Triumpilini, Cainuni. Venostes, Vennonclci". "8) C. III, c. 20. nhaetorum Vennonetes Sarunetesque orlus Rheni amnis adcolunt. über (liis ihiitisclif Alpeiivullv ili'i' llicMini Dik-r iJreolieii. OO I in eine vom Tluiie der Aclda ziemlich weit entlegene Gegend. Allein wenn man erwägt, dass die Römer vun dem Quellengebiete des Rheins im Allgemeinen eine sehr unbestimmte Vorstellung halten »9), dass sie den Rliein im Adula entspringen Hessen "") , unter diesem Adula nicht eine einzelne Spitze oder einen einzelnen Berg, sondern eine weit nach Norden und Süden laufende Gebirgskette ver- standen !"), dass sie in diesem Gebirgsstocke des Adula die Quellen derRhone, des Rheins und derAdda sich ziemlich nahe neben einan- der dachten »^j und zwar so, dass die Quellen des Rheins und der Adda nur durch einen Scheitel getrennt seien, von welchem der Rhein gegen Norden, die Adda in entgegengesetzter Richtung nach Süden abfliesse ^^'); wenn man erwagt, dass wir diese unbestimmte Vorstellung vom Quellengebiete des Rheins nicht blos bei Slrabo, Ptolemäus und Pomponius Mela »*) finden, sondern dass auch Pli- nius nicht frei davon gewesen zu sein scheint ^^^, so dürfen wir ohne Wagniss annehmen, dass Plinius nicht die Absicht ge- habt habe, die Vennonetes wirklich in jene Thäler zu verlegen, *'8) Jul. Caesar liisst den Rhein bei den Lepontiern entspringen; Strnbo VII. 1. §. 5 in der Nähe der vom Hercynischeii Walde eingeschlossenen Land- schaft, nicht weit von den Quellen der Donau; J'Jt 8s TrXvjffiov (xv-rjg Tj tb t5 "Kfiö Trrj'/T^, xal >3 ra 'Pr,va. Dio Cassius 39, c 49 in den keltischen Alpen: 0 de dri 'Pi^voj avadidoist ^£v £x rwv "AXrrecov twv KeXrtjS^^pwv, oXr/ov s^(ti Tr;<; 'Pairia^j also sogar ausserhalb Rhütien! 90) s trab o IV. c. 3. §. 3. at "v/al ra "OTafia ('P;^vb) iiaiv £v rw 'A^öX^ opji ; ebenso IV. c. 6. §. 6. 9«) Ptoleraaeus II. c. 11: Trig 'PatTtag i^ (xev ^ufffxixi? rrXsupoc opt^srat rw ri 'AdöXqc op£t. Nach Ptolemäus zöge sich der Adula der ganzen Westgrenze Rhätiens entlang. ^•) Siehe die folgende Anmerkung. 9^) Strabo IV. c. 6. §. 6 : ojx a::3v. ^•i) Pompon. Mela, de situ orbis lib. 11. c. S: „Rhodaiius non longe ab Isti i Rhenique fonlibus surgit", dann lib. III. cap. 2: „Rhenus ab Alpibtis decidens prope a capite duos lacus eflicit, Venetuin et Acronium". 95) Plinius III. 20. „Vennones . . ortus Rheni adcolunt, Leponlioriiiii . (|iii rbi'ri vocalitnr. fontciu Rliodjiii. e o dt" in :i I |> i ii in t r ii c t n " •iü • 382 A 1 1) e r f J ii g e r welche der heutzutage sogenannte vordere und hintere Rhein durch- strömt, sondern dass auch er mit dem Ausdrucke „ortus Rheni ad- colunt" nur im Allgemeinen den Gebirgsstock bezeichnen wollte, aus welchem die Adda, der Inn und Rhein entspringen, und dass er zur^ Bezeichnung dieses Quellengebietes den Namen des bedeu- tendsten Flusses wählte. Dass Plinius die Absicht nicht gehabt haben konnte, seine Vennonetes in unsere Rheinthäler zu verlegen, geht schon daraus hervor, dass ihm, so gut wie dem Julius Cäsar ^6) und Strabo, bekannt sein musste, dass im engsten Sinne des Wortes an den Quellendes Rheins die Nantuates ihre Wohnsitze hatten 9'). Es besteht also zwischen dem Ausdrucke des Plinius : „Vennonetes ad ortus Rheni adcolunt" und der Annahme, dass die Vennonetes im Addathale wohnten , kein unvereinbarlicher Wider- spruch, indem die unbestimmte Ausdehnung des Quellengebietes des Rheines nach der Vorstellung der Römer auch das Quellenge- biet der Adda, oder was dasselbe ist, die Wohnsitze der Venno- netes im Veltlinerthale umfiisste. Ganz übereinstimmend mit Strabo wird aber die Angabe des Plinius lauten, wenn wir dem Vorschlage beistimmen, den schon der alte Ägid Tschudi gemacht hat »s), dass in der citirten Stelle des Plinius anstatt „Rheni" gelesen werden müsse „Aeni*^ Durch diese Textcorrectur werden wir gerade auf 96) Jul. Caes. de bell. gall. IV. 10: Rhenus oritiir ex Lepoiitiis , qiii Alpes inco- liiut, et longo spatio per fines Nantualium, Helvetiorum etc. citatus feitur. 8") Strabo. IV. c. 3. §. 3: Tr^v 5' £-1 r'JJ 'Pt^vw zfj'jivoi twv ä-ävrwv ouöffi Navröä-ai. 7:ap' oi? sialv aö -v/ai rö -orajxB 'Pr^vö. 9») Tschudi Aegid. Hauptsclilüssel zu verschiedenen Alterthüinern etc. Con- stanz 1738, p. 333 erkennt in den Sarunetes des Plinius die Bevölkerung des Ober-Engadins an den Quellen des hin, deren Andenken sich im Namen des oberengadinischen Hauptortes „S a r n e z = Z e r n e z" erhalten hat, darum müsse bei Plinius lib. 3, cap. 20: „P.haetorum Vennonetes Sarunetesque ortus Aeni (nicht Pi he ni) accolunl" gelesen werden. „Die Vennones und Sarnezer, sagt Tschudi, sind weit gelegen von dem Ursprünge des Rheins, bei dem Yne die aller- höchsten, desswegen allda Aenus und nicht Rhenus solle gelesen werden". — In den Varianten zu Plinius (vgl. Jul. Sillig's Ausgabe) findet die Annahme Tschudis freilich keine Unterstützung; allein sie enthält keinen inneren Widerspruch; überdies war eine Verwechslung des „Aenus" mit dem viel bekannteren „Rhenus" keine unmögliche, sondern eine sehr nahe liegende Sache. Schon oben, Anmerk. 31 sahen wir, dass Resch eine solche Verwechselung auch bei Paul. Diaoon. ver- inuthete und daher statt „Rheni" „Aeni" zu setzen vorschlug. Vgl. auch die Anmerk. 2. über das rliälisclie AI|)einolk der r.ii'iuii oder Breoiicii. 3oO jenes Gebirge verwiesen, mif dessen iiördlieher Abdacluing der Inn, auf der südlichen die Adda entspringt o»). Von den Quellen der Adda bis liinüber zu den Quellen des Innflusses und bis zu den Venosten an den Quellen der Etscli mögen die Vennonetes ohne Zweifel gewohnt haben, Beweis dafür ihre gemeinsame Unterwer- fung unter die römische Jlerrschaft. Wenn wir nun einen Blick zurückwerfen auf die vorstehende Untersuchung über die Wohnsitze derTriumpilini, Camuni, Venostes und Vennonetes, so zeigt sich als sicheres Ergebnis«, dass das Alpentrophäiim diese vier Völker desswegen neben einander aufge- führt hat, weil sie Nachbarn waren, wohnend und an einander grenzend in den Thälern jenes Gebirgsstockes, der sich zwischen Como und Verona und zwischen der Etsch und Adda bis hinauf zu dem Quellengebiete des Inn und Rheines erhebt, weil zweitens diese Völker höchst wahrscheinlich von einer selbstständig operirenden Abtheiking des an vielen Orten zugleich in die rhätischen Gebirge einbrechenden römischen Heeres i*'*') besiegt worden waren, daher die Inschrift des Trophäums sie als eine zusammengehörige Gruppe betrachtete i<"). 93) Das Beniiiiagebirg zwischen den Inn- und Addaquelleu. lot') Vgl. die Anmerkungen 46, 62, 69. lOij [.'{i,. jie Verlegung der Vennonetes in das Tlial der Adda entschied sich unter den älteren Geograplien C 1 u V e r i u s. Anfangs war er geneigt, sie an der Etsch, iui Vintschgau zu suchen; ultra Fontes Ollii valtls est, in qua .\thesis oritur, vulgari vocabulo Italis Val Venosca, Germanis Viuschgau dicta; a Vennouihus, Camunoruni iinitimis, quin id noniinis retiueat, haud equidem dubitaverim. Ital. autiq. I. I. c. lö. Doch bald Hess er diese Ansicht fahren, und zog, mit Rücksicht auf P I i- n i u s die .\nnahme vor, dass sie im Thale von Veltlin und Chiavenna bis zum Adula auf der liiickseite der Hheinquellen, gewohnt liahen müssen. Loc. cit. Unter den Neueren stimmt theilweise Bischoff und Möller's vergl. Wörterbuch damit übereiu. Aus dem Ergebnisse unserer Untersuchung geht aber hervor, dassZ e u s s, der die Vennones das eine .Mal an den Hhein verlegt, ein anderes Mal die Ansicht aus- spricht, sie seien in der Inschrift nur des Gleichlautes wegen zu den Venostes ver- setzt worden, und gehören zu jenen Völkern, durch welche Tiberius den Weg in die nördlichen Gegenden öffnete, der einzige Name, wie er hinzusetzt, den die Inschrift uicht au ihrer Stelle gibt, kaum auf Beachtung Anspruch machen kann. S. 236, 237. Eben so wenig kann den Angaben H e i c h a r ds (Orbis terrar. antiqu. Norimberg. 1824J beigestimmt werden, wenn er im lliesauro topograph. sagt : „W a n g e n (im Allgau?) quod Vennum nuucupatur, caput gentis Vcnnonum fuisse videtur. Ilinc et lacns Venetus (Briganlinus") ; und wenn er demgemhss die Vennones auf seiner Karte an die Nordseite des Bodensees verlegt. 384 A I L e r t .1 ä '' e r Nachdem uns das Trophäum mit der ersten Gruppe der von den Römern besiegten rliätisclien Alpenvölker, nämlich mit den westlich von der Etsch gelegenen Stämmen bekannt gemacht hat, nennt uns selbes die Namen der Isarci, Breuni, Genauni und Focunates löäj^ Ist die Annahme richtig, dass die Inschrift bei der Aufzählung der Völkernamen deren geographische Lage und Aufeinanderfolge berücksichtigte, so kann als wahrscheinlich, ja sogar als gewiss angenommen werden, dass wir nicht nur mit einer neuen wiederzusammengehörigen, sondern auch mit einer den früher genannten Stämmen der Triumpilini, Camuni, Venostes und Venno- netes benachbarten Gruppe bekannt gemacht werden. Sollte sich dies als begründet herausstellen, so wären wir, da in dieser Gruppe auch die Breuni genannt sind, der Lösung unserer Haupt- aufgabe, Ermittelung der Wohnsitze der Breuni , so weit dies aus dem Alpentrophäum möglich wird, sehr nahe gekommen. Unter- ziehen wir die Sache wieder einer näheren Prüfung. Es kann als ausgemacht angenommen werden, dass die in der Inschrift zunächst genannten Isarci in jenem südtirolischen Thale gesucht werden müssen, welches sich von der mittägigen Abdachung des bekannten Brenner-Überganges über Sterzing und Brixen bis Bozen in einer Länge von 11 Meilen ausdehnt und von dem schäu- menden Wildstrome, dem Eisak, bewässert wird. Die Annahme stützt sich zuvörderst auf den Umstand , dass der Name dieses Volkes sich in der Quelle, aus welcher er hervorgegangen, bis in das tiefe Mittelalter herein erhalten hat. Wir finden den Namen Isarcus, als Name des Eisakflusses, in den Acten des heil. Cassian, die, wenn sie auch erst aus dem zwölften Jahrhundert datiren, doch auf den Schriften des 612 verstorbenen Secundus Triden- tinus beruhen; wir finden ihn noch in einer Grenzbestimmung des Bisthums Trient aus der Mitte des eilften Jahrhunderts, ja noch in einem ßrixner Traditionsbuche aus dem Anfange des zwölften Jahr- hunderts 103). Unter den alten Quellenschriftstellern kennt auch !•>-) Siehe oben Anmerk. S. >''\) Resch, Aniial. ecci. Sabionensis f, |i. 9,]. Fii den Actis S. Cass. Iieissl es in der IJcschieibung dei' Laye von Sabiuiia: „et licet ab Oriente Humen Ysa i- c h e in jtede inontis irrigetur" ; in der Grenzbesliuimung': „Tridentinus episcopatiis iucipit al) Y s a r c o fliiraiue" ; im Tiaililionsbiiche : „Ivadalhoh af^riini ultra V s a r c ii in Hiivitini tradidil"'. über ilns rhliliüche Alpenvulk ilei- Breiiiii nrliT üreoneii. OO^ Sfral)0 den Isarcus. Oheihalb tlem Lande der Karner, so lierielitet er, erhebt sich ein Berg mit einem See, welclier in den Kluss 'ladcog ablänft. Dass Strabo den Eisuk darunter verstand, geht aus seiner weiteren Angabe hervor. Dieser M^äiocr, sagt er, nimmt den "Ara'^r^, einen anderen FIuss auf, der sich in die Adria ergiesst. Aus demselben See entspringt noch ein FIuss, 'Arrj^tvOb genannt, der dem Ister zuströmt >"*). Diese Angaben sind so bezeichnend, dass, wenn einige ilinen anklebende Feliler beseitigt werden, die Identität des 'laapog mit dem Eisak Niemand verkennen kann. Strabo hatte offenbar Kunde von dem ßrennersee und war der Mei- nung, dass aucli der dem adriatischen Meere zuströmende Iraxpog, Eisak aus demselben entspringe, wie in der That die auf der ent- gegengesetzten Seite abfliessende Sill aus dem Brennersee dem Inn und der Donau zueilt. Im Irrlhume war Strabo nur darin, dass er den 'Irjdpog-E'isäk für den Hauptslrom hielt und ihn den Ara-ytv (Athesis-Etsch) als Nebentluss aufnehmen lässt, was zu gewissen Zeiten selbst heutzutage eine verzeihliche Verwechslung sein könnte. Ein anderer Fehler zeigt sich in der Benennung des dem Ister zueilenden zweiten Flusses, den Strabo 'Aryjatv&s nennt. Zeuss vermuthet, der Name sei versehrieben und soll heissen : 'Atvo^-Inn ('A(TTjj)tvog) '"5), Giovanelli hingegen will in 'At/j^ivos durch eine an- dere Correclur des Namens die Sill finden, wornach zu lesen wäre: ^'ATTj)(7tXAoc 1"^*). Annehmbarer ist ollenbar die von Zeuss angedeutete Vermuthung, Strabo hätte dann nur darin geirrt, dass er den Brennersee als Quelle des 'loäpog, und den Siliersee als Quelle des 'At'vog für einen und denselben See hielt i""). Aus beiden erörterten Gründen steht nun aber das fest, dass unter Isarcus oder 'laäpog der Eisak zu verstehen, folglich die gleichnamigen Isarci des Tro- phäums im Eisakthai zu suchen sind i**»). '04) strabo I. IV. cap. 6. §. 9. Den Berg nennt Strabo 'A;t£vvivov; Casaub. liest üoivsvov, V'enet. 'A^c'pvrjvov. Letztere Leseart dürfte der späteren Benennung des Brenners wohl am nächsten stehen. ^05) Zeuss, i>. 23a. '06) Bened. GiovaneMi, Ära Dianae, p. 189. ■0?) Strabo liebt es überhaupt, weit von einander entlegene Flüsse aus einem und demselben See entspringen zu lassen, so IV, cap. 6. J;. 5 die Druentia (l>i)r:inpe), und Duria (Dora balteu) ; beinahe hätte er dies selbst dem Padus zugedacht. '•'8) Aus dem Vorstehenden ergibt sich von selbst, dass die Ansichten der älteren tiiMi- graphen C I u v e r s und (,' e I I a r i u s , welche die I s a r c o s an die 38(> AI l.ert Jäger Aber selbst, wenn wir diese Quelleiiberichte über die Wohn- orte der Isarci nicht hätten, würden wir schon durch den Gang der römischen Eroberung vernnlasst, ja genöthigt werden, sie nicht anderswo als im Eisakthaie aufzusuchen. Bis Bozen war dem römi- schen Hauptheere nur ein Weg vorgezeichnet, nämlich der durch das Etschthal. Bei Bazen fand aber Drusus für sein weiteres Ein- dringen in die tridentinischen Alpen zwei Wege vor sich, nord- westlich über Meran das Thal der Venosten, nordöstlich das zum Brenner emporsteigende Thal am Eisak. Wie nun Drusus in nord- westlicher Piichtung mit den Yenosten zusammenstiess und in Ver- bindung mit den aus Val Camonica und dem Addathaie über die Gebirge einbrechenden römischen Schaaren nach dem Zeugnisse des Trophäums sie auch besiegte, so musste er bei seinem Vor- dringen in nordöstlicher Richtung unvermeidlich zuerst auf die Bewohner des Eisakthaies stossen; es konnten also die in der zweiten Völkergruppe der Inschrift zuerst genannten Isarci nur die Bewohner des erwähnten Thaies sein. Man mag demnach, mit der Inschrift des Trophäums in der Hand, die Untersuchung auf diesem oder auf jenem Wege verfolgen, man gelangt immer zu demselben Ergebnisse, dass die Isarci in dem Thalgebiete des gleichnamigen 'ladpog, d. i. Isarcus oder Eisak sesshaft waren. Gehen wir nun einen Schritt weiter. Unmittelbar nach den Isarci nennt die Inschrift die Breuni, Genaunes und Focunates. Nun hätten wir durch die genaue Ermittelung der Wohnsitze der Isarci bereits einen sehr festen Anhaltspunct zur Bestimmung der Wohnsitze der Breuni, also zur Lösung unserer Aufgabe gewonnen. Wir dürfen nämlich aus dem Umstände, dass die Inschrift sie unmittelbar nach den Isarci nennt, mit voller Sicherheit annehmen, dass sie in der Nähe der Isarci, und zwar, da der Zug des Drusus das östlich vom Eisakthai gelegene Noricum (Pusterthal) nicht berührte, irgendwo nördlich, oberhalb der Isarci, ansässig sein liier versetzen, keine Berück sichligimg: verdienen. C'ellariiis vill niiinlicii in der bekannten Elegie des Alhinovanus an Livia anstatt Itargus, 1 I a r g u s lesen (C I u- V e r i u s, Vindelic. p. 10. C e 1 I a r i n s, Geogr. antiqii. I. II. c. 7). Elienso ver- i'eliit ist es, wenn Ilnrduin zu Pliniiis die Isarci in das Sarcalhal oberhalb des Garda- sees verlegt. Reichard hingegen, sowohl in orhe terrar. antiqii. , als anch in lliesiuir. lopogr. erkennt in dem 'I^dcpo? des Strabo den Eisak. über das rhiilisclie Alpenvolk der Bietini oder Breonen. 38T niussten. Allein da diese Annahme nicht unhestritten zuj?egeben wird, so wird es besser sein, wenn wir zu desto sicherer Ermitte- lung des Gebietes der Breuni zuvor den Kreis um sie herum durch die geographische Bestimmung derjenigen Nachbarvölker, deren Wohnsitze keinem Zweifel unterliegen, so eng als möglich begrenzen , wir werden auf diesem Wege den Wohnsitzen der Breuni unfehlbar nahe rücken. Nach der Aufzählung der zweiten Völkergruppe (der Isarci, Breuni, Genaunes und Focunates) führt uns die Inschrift des Tro- phäums eine dritte Gruppe, wieder aus vier Stämmen bestehend vor, die Gruppe der vier vin deli cischen Völker, der Consua- netes, Rucinates, Licates und Catenates »f"). Es kann uns gleich- giltig sein, wo jedes dieser vindelicischen Völker lag; für unsere Frage ist es von grösserer Wichtigkeit zu wissen, welches die Grenzen Vindeliciens gegen Rhätien und Noricum waren, indem wir dadurch die Linie kennen lernen, über welche hinauf die zweite 1Ö9) „Vindclicorum genles qualuor , Coiisiiaiietes" etc. in liisciiptionc ex trophaeo. Alpium bei P 1 i n i u s, vide Aiimeik. 3. Auch Strabo, IV. 6. §. 8 kennt vier Völker, Namens Atxarnoi, KXajrtvaTi&t, 'Povxavuoi und Koro-jävrtoc; er ziihlt aber nur die zwei ersten zu den Vindelikern, die zwei letzteren hingegen zu den Rhätiern, während er hinwieder die Vennones heranzieht und den Vindelikern beigesellt, offenbar Alles verwirrt, denn aus der oben (Anuierk. 80) mitgetheilten, von Zeuss eben so scharfsinnig als gründlich vorgeschlagenen Tt-xtverbesse- lung geht hervor, dass auch S t r a b o in Übereinstimmung mit der Inschrift die- selben vier vindelicischen Völker kannte und nur in ihrer Benennung abwich, so dass die Consuanetes der Inschrift seine KoroyavTiot, und die Catenates , wie auch schon Cluverius in Vindel. p. 11 vermuthete, seine KXa-jrtväyiot sind. Dess- gleichen kannte P t o 1 e m ä u s die vier Völker der Inschrift und zwar als Vinde- liker: die 'Pövixöcrai, Ko>v(7öävrat, Aizärtoi und die sonst nirgends genannten AsOvoi, wie Zeuss p. 234 vermuthet , ein entstellter Name. Seine drei ersten Völker sind ohne Zweifel die Rucinates, Consuanetes und Licates der Inschrift; aus welchem Namen das verdorbene AeOvoi entstand, muss dahingestellt bleiben. Mit vielem Rechte hingegen machte Cluverius Vindel. |). 11 den Vorschlag, die KojvaHavi-at des Ptolem. in KojvJHaviyat zu verbessern, wonach wir die Con- suanetes der Inschrift vor uns halten, ebenso die 'PBVtxärat in 'Poxiviyat , Ru- cinates, wenn nicht, meint Cluver, das Plinius'sche Rucinates vielleicht nach Plole- mäus geändert werden muss. Für die erste Verbesserung beruft sich Cluver auf die Analogie, die sich bei Ptolemäus vorfindet, der die Suaneles des Pliuius als '^isX'jr.TXi kennt. In ßetrelT der Catenates der Inschrift lässt es Cluver unentschieden, ob bei Strabo KXauTtvaT-tot in Kaurivärtoi, oder umgekehrt Catenates in Cla- tinates zu verbessern sei. Auch Zeuss p. 234 bemerkt zu Catenates und K).ÄVr'.V«rtO'. : ,.e i n e > ist v c r s r li r i e b e n". 3 S 8 A I b e r t .1 ii g e r von der Inschrift genannte Völkergruppe sich nicht erstreckte, oberhalb welcher somit die Breuni mit ihren Nachbarn denGenauni und Focunates auch nicht weiter gesucht werden dürfen. Die Nordgrenze Rhätiens wurde zwar schon weiter oben n») in allgemeinen Umrissen bezeichnet; allein hier handelt es sich, wie so eben bemerkt wurde, nicht um eine allgemeine, sondern um die möglichst genaue Bezeichnung der Linie, welche Vindelicien von Rhätien schied, weil wir nur dailurch im Stande sein werden, das Gebiet der zwischen den Isarci und den vier vindelicischen Völkern mitten inne liegenden Breuni ebenfalls möglichst genau zu bestimmen. Die Nachricht des Dio Cassius über die Lage der Rhätier (er weist ihnen zwischen Noricum und Gallien denPIatz an) ist nicht nur zu allgemein, sondern kann auch gar nicht als Beweis für die rhätische Nordgrenze herangezogen werden, weil Cassius unter Gallien unstreitig das von gallischen Stämmen bevölkerte Oberitalien verstand m). Eben so wenig kann für unsern Zweck aus einer zweiten Stelle Dio's abgeleitet werden, in welcher er allerdings eine nordwestliehe Grenze Rhätiens im Auge hatte, sie aber offenbar falsch bezeichnete, indem er den Rhein „ein wenig oberhalb Rhätien" entspringen lässt n^^. Auch einige der Angaben bei Strabo sind zu allgemein, als dass sich aus ihnen für die scharfe Bezeichnung der Grenzlinie zwischen Vindelicien und Rhätien ein Ergebniss gewinnen liesse. Strabo sagt an zwei Stellen, dass die Vindeliker, theilweise auch die Helvetier und Noi-iker das ausser- halb der Alpen gelegene Hügelland und die dortige Hochebene, die Rhätier und Noriker hingegen das Land in den Alpen, über die höchsten Gebirge hinweg, hinab bis an die Grenze Italiens bewohnten i'3). Aus allen diesen Angaben gewinnen wir aber nicht mehr, als dass die Vindeliker im Flachland, und die Rliätier in den Alpen zu suchen seien. Viel bestimmter und bezeichnender sind >iO) Siehe S. 367—368. »i») 'PatTol, oixoOvrsj (^.sra^ü rö re Nwf)ix8 xal r^$ FaXanaj, ?rf>oc raic "AXneai 'zaXg Tzpog r^ 'IffaXia zcdg Tpi^svri'vaic, ty}c vb TaXartac -poaöpou <7cpi(7t etc. *i^) Siehe oben Anmerk. 89. '»')Vergl. Anmerk. 81 mit folgender Stelle: 'EXöT^rnot xal OyivöeXtxot otxöfftv ipoTzi^ix. 'Pa'.roi dk xal Nupixoi fA='xf>i röiv 'AX;:£''oiv vKspßoXiäv aviTXHfft, xat Tzpdc ro'j ' Irv'/.icc^j Kspivfjsai. über das rhülische Alpeuvolk der IJreuiii oder ItrcDrioii. Oöl' andere Angaben sowohl bei Strabo, als auch bei Plinius, Plole- inäiis und Taeitiis. Aus diesen kann mit ziemlicher Genauigkeit die Grenzlinie Uhätiens gegen Vindelicien im Nordwesten und Nord- osten, dann die Grenze gegen Osten, und selbst die Linie vom äussersten nordwestlichen bis zum äussersten nordöstlichen Grenz- punete abgeleitet werden. Die Rhätier, sagt Strabo, erstrecken sich auch bis in jene Gegenden, welche der Rhein durchfliesst «'*). An mehreren andern Stellen hebt er hervor, dass die Rhätier, Helvetier und Vindeliker sich am Budensee als Grenznaclibarn berührten, so dass er einer- seits diesen See als das Eigenthum der genannten drei Völker bezeichnet, anderseits aber bemerkt, dass die Rhätier nur einen kleinen Theil seiner Ufer bewohnten, den grösserenTheil hingegen die Helvetier und Vindeliker n^). An welcher Stelle die Rhätier einen kleinen Uferstrich des Bodensees berührten, ergibt sich nicht nur aus der erst angeführten Stelle des Strabo, nach welcher der Lauf des Rheins die West- grenze der Rhätier bildet und zwar selbstverständlich der Lauf des Rheins bis zu seiner Einmündung in den Bodensee, weil ja weiter zurück die Helvetier den See berühren, sondern auch aus einer Stelle des Ptolemäus, die da lautet: Die nördlichen Striche Rhätiens haben die Bp'.|ävrat inne H6), welche Strabo als Bpr/dvrto'. , und deren Hauptsitz als nöliq Bpr/dvrtov (Bregenz) kennt n'). Nimmt man noch eine andere Steile Strabn's zu Hilfe, in welcher er sagt. Lib. IV. cap. 6 §. 8. »15J Slrabo VII. c. 1. §. o: ripo!7ä;rTovTai 81 rf,z Xifxvy;^ j;:' cXi'/ov fi£v oi 'Patrol, rd de ttXs'ov 'EXöi^moi xal 0 v ivo s). ixoi." — „6 'P^vo? tlq D.y} (/.s'/dcXa xal Xt{xv>jv ava^etrai /i£7ä),r;V, rig if%7:rov-(xi xal 'Pairol xal OvVvos- Xlxot." Idein lib. IV. c. 3. §. 3., dann lib. VII. cap. 3. §. 1. ).'-fAV»;, >5 xari rov; 0-jiv5i).ixHj, xal 'PatTu; xai Totvtn;. Letzteres ei» offenbarer Pebler der Absclireiber, da an allen Stellen immer die Vindelici, Rhaeti und Helvetii als Anwohner des Itodensees genannt werden. Zeuss p. 233 will Boiac lesen; allein schon Casaubon. fand die Variante 'E).«v;rriH;. "•*) Karr/BTi 8z rP-c 'Patriae ra fA£v ioxrixojrcfia r..ot£ivrat. Plolem. ioc. eil "'') Lib. IV. c. 6. §. 8. Die Lage von Boi'/ävnov an der Grenze Rhi^tiens und Vindc- liciens brachte es mit sich, dass Slrabo die Bpi'/ävrtii zu deu Vindelikern, Plole- UKitis ZU den Rhätiern zählt. 390 A I i) e r t J ii g e 1- dass die den Bodensee berührenden Rhätier und Vindeliker tlieils in den Alpen, theiis jenseits der Alpen wohnen ns), so ergibt sich aus allen diesen Zeugnissen, dass die an das vindelieische Flach- land anstossenden, in den Gebirgen wohnenden Rhätier, gerade wie heutzutage die Vorarlberger, an der nordwestlichen Seite durch den Lauf des Rheines, und auf einer kleinen Strecke bei Bregenz, durch den ßodensee begrenzt waren. Wir haben damit die nord- westliche Grenzlinie Rhätiens gegea Vindelicien ganz genau bezeichnet. Mit gleicher Genauigkeit lässt sich auch die östliche und nord- östliche Grenze Rhätiens bestimmen. Nach Plinius traf die Grenze der Rhätier und Noriker an irgend einem Puncte der Donau zusammen: „qua se fert magnus Ister Rhaetis junguntur Norici^'' (lib. III. cap. 24). Diesen Punct, sowie überhaupt die zwischen Rhätien und Noricum hinlaufende Grenzlinie bestimmen Tacitus und Ptolemäus haarscharf, indem sie den Inn, folglich dessen Lauf und Einmündung in die Donau als dieselben bezeichnen i'»). Hiebei entsteht nur die Frage, ob, wenn wir den Inn bis zu seiner Ein- mündung in die Donau als die Grenze zwischen Rhätien und Nori- cum annehmen, folglich die Rhätier hinaus in das Flachland zwi- schen Donau und Inn versetzen, ob wir nicht in Widerspruch gerathen mit all den früher angeführten Zeugnissen des Strabo und selbst Ptolemäus, welche den Rhätiern nicht das Flachland, sondern die Alpen als Heimat anweisen? Die Schwierigkeit wird dadurch gehoben, dass zur Zeit des Piinius, Tacitus und Ptolemäus die Rhä- tier und Vindeliker schon nicht mehr regelmässig unterschieden, sondern die Namen Rhaeti und Riiaetia bereits über ganz Vindeli- cien ausgedehnt wurden, wie z. ß. Tacitus in German. c. 41 die Stadt Augusta Vindelicoruni „spien didissimam Rhaetiae provinciae "8) IV. c. 3. §. 3. 6 'l'ryvoj oi dg Xt/zv/jv ava)(£trai fAS^aXvjv, vjg syä^rrovrai xa 'Pairol xal OutvöeXtxol rwv 'AX;Tsiwv Ttvij, xat rwv vKepsikTzeituv. 'i'-*j Tacitus, Ilist. III. S. „.\enus Rhaetos Noricosque interfliiit." P toi ein. II. 1 1 . 12. 'PatTtaj xal Ouivdslixiu; ^iaig. T-^j 'Patriae -/J (j.ev ävar&Xixv; nrXsupa opi^srat aur^ tu» 'Ai'vw 7r&rap.w' ^ ds apxrixo , (xspHi t5 Aavou/St« KoraiJ.», Tai a;:o rwv K/i^jdv y-ixp'- ^^b ^3 'Aiv8 exrpoTr^?. Dann: t& Nojpixojv Tiepiofjl.- ÜIkt «liis iliiitisfln« AI|>Riivolk «ier IJrciini diler Hi'eoiiuii. 30 1 eoloniam" nennt *-") und iil)erh:ui|it keine Provinz Vindelicia, son- dern nur eine Provinz Rhaotia kennt. Die Schriftsteller dieser Zeit kannten also dranssen in der Ebene wie nur eine Provinz Rh.tetia, so auch in der Regel nur Rliälier 121), obwohl wir hei ihnen, wenn sie nicht vom Lande, sondern von den Völkern sprachen, die Vin- delikcr und Rhiitier noch öfter unterschieden finden '22). Es darf uns deinnaeli nicht Iteirren, wenn Plinius, Tacitus und Ptoleinäus den Inn auch nocli draussen in der Ebene, nachdem er die Gebirge schon verlassen hat, bis zu seiner Einmündung in die Donau als Ostgrenze Rhätiens und der Rhiitier bezeichnen ; man hat dort unter derRenennung derRhätier undRhätiens dieVindelikcrund Vindelicien zu verstehen, wie Plinius dies an einer anderen Stelle wieder aus- drücklich bezeugt 123J. Wir haben demnach auch für die nord- östliche und östliche Grenze Rliätiens die Linie ganz genau gefunden; sie läuft innerhalb der Alpen eine Strecke dem Inn entlang bis dahin, wo dieser Fluss :ius den Gebirgen in die Ebene des heutigen Rosenheim hinaustritt 124). Es fragt sich nun, ob wir auch die Linie vom äussersten nord- westlichen Grenzpuncte bis zum äussersten nordöstlichen (von Rre- genz bis ungefähr Rosenheim) mit gleicher Sicherheit zu bestimmen im Stande sind. Die Nachweisung unterliegt beim Abgänge directer *20) Tacitus nennt den Namen Augiista Vindeliconiiii am angeführten Orte nicht, man hat aher unter der splendidissima Rhaetiae inovinciae colonia, nur Aufrshuig zu ver- stehen. •2») Tacit. Annal. 1. 44. Veteran! in H h a e l i a ni mittunliir, speeie defendendae provinciae, ob iinminentes S u e v o s. **2j Tacit. nist, II. 17. Uaetorum Vindclicorumque cohortes. 123j iiist. nat. III. 20. Noricis contermini 11 h a e t i et V i n d e I i c i. '24) Wie weil hinein in die Gebirge der Innfluss die Grenze Rhätiens und Noricums bil- dete, kann nicht genau bestimmt werden. C I n v e r i n s llal. antiqu. I. 16 und nach ihm A n k e rs h o f e n I. p. 341 glauben etwa bis Seh w a z, weil, wenn der Inn weiter hinauf die Grenze gewesen wäre, notliwendig Veldidenn, Malrejnm, Vipitenum zu Noricum gehört hätten, da doch diese Orte unstreitig zuRhätieu gezählt wunlen. Allein diese Beweisführung ist nicht ganz stichhältig. Welche Quelle sagt uns, dass Veldidena, Matreium und Vipitenum zu Rhätien gezahlt wurden? Wo kommen über- haupt diese Namen vor der Peutinger'schen Tafel und dem Anloiiin. Itinerar. zum Vorschein? Wie will man erklären, dass das Eisaktlial vom sechsten Jahrhundert bis tief in's Mittelalter herauf Vallis Norica genannt wurde? Die Grenze zwischen Rhätien und Noricum mag im Gebirge wohl sehr geschwankt haben. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass Veldidena. Maircium. Vipitenum zu Nuricum gezählt werden müssen. 392 A I b e !■ t J ä g- e r Zeugnisse mancher Schwierigkeit, ist aber niclit unmöglich. Die Anhaltspuncte gewähren uns die von der Inschrift genannten vier vindelicischen Völker, so wie ein anderer vindelicischer Volksstanim den Strabo kennt. Können wir auch nicht die Wohnsitze eines jeden der vier vom Trophäum aufgezeichneten Völker bestimmen, so ver- mögen wir dies doch bei einem von ihnen, bei den Licates. Ptole- mäus zeigt uns diese als die Bewohner des Lechthales 125^. ßg liegt kein Grund vor, sie nur auf eine Strecke des Lechflusses zu beschränken i^e^; jm Gegentheile, die Charakteristik, welche Strabo von ihnen gibt, beweiset, dass sie, wie die tapfersten, so auch die zahlreichsten und mächtigsten waren, da die Tapferkeit ja die Macht zur Stütze hat ^"^); wir werden also berechtigt sein, ihre Wohnsitze den ganzen Lechfluss entlang, über Augsburg, Schon- gau und Füssen hinauf, bis an die Quellen des Lechs im Hochge- birge zu suchen, \\elches das Innthal und Vorarlberg vom Lech- thale trennt. Dadurch haben wir schon einen Punct innerhalb Bre- genz und Rosenheim gewonnen, durch welchen wir die Grenzlinie zwischen Vindelicien und Rhätien werden ziehen müssen; das ganze Flussgebiet des Lechs von seinen Quellen angefangen, gehörte hinaus nach Vindelicien. Strabo kennt, wie schon erwähnt wurde, ein zweites vindeli- cisches Volk, dessen Wohnsitze genau anzugeben sind, die 'ECt'wvs?, ihr Hauptort war Ka/j.7rörj8vov = Kempten i^^). Durften wir die 125^ II. cap. 11. xal ndfiof. vd-ii Atxtav ;:orafji.&v lixcnvioi. 126^ Strabo IV. 6. §. 8 nennt Aap.a(7ia als Acropolis der Licatier und einige Gelehrte wollen Augusta Vindelicorum darunter verstehen und den Beweis daraus ableiten, dass die Licates eigentlich nur um Augsburg herum sassen. Allein da miissle vor Allem erwiesen werden, dass Aafxaffta wirklich Augusta Vindelicorum war , wo- gegen, wenn nichts anderes, schon der Begriff Acropolis streitet; es miisste ferner die Vermuthung entkräftet werden, dass wir in Aap.ao'ia mit weit grösserem Rechte Hohenems suchen dürfen, welchem im Mittelalter Amisi und Emedis genannt wurde und auf welches der Begriff Acropolis vollkommen anwendbar ist. Wahrscheinlich fand bei Strabo, ob durch Abschreiber, oder schon ursprünglich eine Verwechslung Statt und wurde die acropolis Damasia von den Bpt-ydcVTioig, denen sie gehörte, zu den Aixärrtotj übertragen. '27) Strabo IV. cap. 6. §. 8. irajAOuTaTot de rSiV fASV OuivSsXtxwv i^vjx-a^ovTO At- XO/LTtlOl. i28j Loc. cit. xaf. Ol 'ECt'wvs? 8s twv Ovivdsltxoiv siar xai KÖlig «urwv Kaimö- öuvov. über das rliiitisclio Alin'iivolk der Ureuiii uilt'i- iiieoiieii. 303 Licates nicht auf eine kleine Strecke des Lecliflusses beschränken, so werden wir aus denselben Gründen auch die 'ECtwvs? nicht in die nächste Uma tov Aixiav ;rora(xov XtxaTioi. *S4) Ol Ö£ OuivöcXtxol xal Xwpixol tvjv exrös rrapojp.n'av xarix«^' -0 rXiov y.iri B. §. 1. li^j(x) ^.h dv} roc 'iXXu/itxdc — — a&^a(A£va ard TYii Xtp.v>7c zr,; xarä rov? OutvJjXcXBj xal 'Pocivöi xod 'EXuyjrri»}?- Üher il:is rlrilisi'lit' Alponvolk iler ni-fimi odei' ni-eoiieii. oOT See der Viiidelikor; iiiul der Humor wiilinte sogleich iiuf der ent- gegengesetzten Seite des Gebirges nacli Illyrien liiniibzusteigen ; darum galten ihm schon die ersten Völker im Nordahhimge der Alpen (BpsOvoi nal Fsvaivs?) für Illyrier. Diese nach dem ersten Betreten des Landes vielleicht allgemeine Vorstellung desselben musste, wie Zeuss hinzufügt, durch den bleibenden Besitz bald berichtigt werden'^ »ss^. Nach der Versicherung Appian's gesclmh dies nicht und hatten die Römer noch zu seiner Zeit, also ungefähr um die Mitte des zweiten Jahrhunderts, dieselbe Vorstellung i'»). Die Meinungen einiger neuerer Schriftsteller über die Sitze der Breuni verdienen blos als curiosa noch eine flüchtige Erwäh- nung. Während Cluverius Neigung zeigt, sie zu den Vindelikern zu zählen, weiss C eil arius völlig nicht, was er mit ihnen anfangen soll; das eine Mal bemerkt er, sie scheinen ein Theil der vindelici- schen Völker gewesen zu sein, ein anderes Mal versetzt er sie als Rhätier in die südlichen Alpenthäler in die Nähe von Italien «*<>). Reichard wirft das Veroneser Gebiet und das tirolische Puster- thal durch einander, indem er, verleitet durch die Assonanz des Wortes Bruneck, nicht wissend, dass der Name von dem Erbauer dem Bischöfe Bruno von Brixen herrührt, die Stadt Bruneck zum Hauptsitze der Breuni macht, und sie desshalb auf seiner Karte im Pusterthale ansiedelt i*')« <^^"" ^^ß"* '" seinem thesaur. topograph. wieder hinzufügt, dass man im Veroneser Gebiete die Ortsnamen Brun und Breoni findet, olTenbare Beweise für das Dasein der Breuni in dortiger Gegend 1*2)- Alberti Leander, eine im 16. und 17. Jahrhunderte geach- tete geographische und ethnographische Autorität, verlegt die •^8) Zeuss, die Deutschen etc., p. 231—233. 139) Appian I. cit. „Qua opinione a principio ducti (Romaiii) adhuc in e :< persistentes" etc. Auch bei A m m i a n u s Marcellinus scheint diese Vorstel- lung noch vorhanden gewesen zu sein; er lässt 1. XVI. den Kaiser Constantius von Rom durch Tr ient nach lllyricuni eilen: ah urhe profectus, )) e r TridenUnn iter in Illjricum festinavit. »40) C e 1 I a r i u s. Notit. orh. ant. J. 423. '■!») Aegid Tschudi verlegt sie nach Braunau, aus demselhen Grunde, ans welchem Reiehard ihnen Bruneck anwies »■»•-) R e i c h a rtl : Orhis ten ar. anliiiu. cum thesaur. (opn^r. und die da/.if gelnirigeu prachtvollen Karlen. 27' 398 Alb eit Jäger Breuni in das nordöstlich von Valle Leventina oder dem Tliale des Tessin oberhalb Osagna aufsteigende Thal von Blegno, weiches in seinem oberen Theile noch den Namen Brenn führt 1*3). Scipio M äffe i stellt es beinahe als ausgemacht hin, dass die Sitze der Breuni im obersten Theile des Thaies Camonica, da, wo sieh heut- zutage noch der Name Bre vorfinden soll, gewesen seien i*»^. In seiner Geschichte von Verona jedoch versetzt er sie in die Vero- neser Gegend nach Breonio, auf die Höhe des Thaies Pulicella, indem eine Gruppe von anklingenden Namen in der nächsten Um- gebung, als: Brentino, Brentonico, Brenta u. s. w, auf die Breuni oder Breones hinweise 1*5). Doch von dem Vorkommen vieler an die Worte Breuni anklingender Ortsnamen wird noch später die Bede sein. Grössere Beachtung verdient vielleicht Roschmann's Meinung, nach welcher sich Spuren von den immer an der Seite der Breuni erscheinenden Genaunes am südlichen Abhänge des Brenners unweit Sterzing im Namen Valgenein (Val Genaun?) erhalten haben sollen i*»). In Betreff der Focunates mag Giova- nelli's Äusserung als Schlusswort hieher gesetzt werden: „Der heutige Name der (alten) Focunates blieb sowohl mir, als auch allen übrigen Forschern, so viel ich weiss, unbekannt" 1*'). Ist richtig. Auch Zeuss S. 237 weiss über sie nichts zu bestimmen. Wollte aber Jemand etwa an den Fockenstein zwischen Tölz und Tegernsee denken, und in ihm die Spur der Focunates entdecken, so wäre er jedenfalls besser daran als Reichard, der die Focu- nates in dem sardinischen Dorfe Vogogna, zwischen Domodossola und Pallanza, an der in den Lago maggiore ausmündenden Toce finden will i*»). Die Inschrift des Alpenlrophäunis berechtigt wohl, sie im Achentliale und um Tegernsee herum, nicht aher in Sar- dinien zu suchen. ^*^) A 1 b e r t i Leander, 1479 gebor, schrieb: Descrizione di lulta Italia. Boiog-. löüO, dann öfter gedruckt und auch lateinisch herausgegeben von W. Kyriander, Cöln 1367. „Octavo a Belinzona lapide seqiiitur ostium fluininis Breunii, qiiod ex raonte Lucumone profluit. Ager circa fluviura hunc Vallis Breunia dicitur, nirairum ab ipso amne Breunio". 144) Verona illustr. lib. I. col. 114—115. '■»5) Histor. Veronens. f. 42. ^*6) Ro s c h m a n n. Veldidena etc., p. 9. Genaunes in Val Genaun, ioco circa Ster- zingen non iMiprobabilller ad nostra usque teinpora remanserunt. **') Beilrjige zur Geschichte, Stalistik etc. von Tirol und Vorarlberg, Hd. IV, p 6". •48J Thesaur. topograph. orbis terrar. antiqu. ad vocem : Focunates. rinT ihis rliiiiisclie Al|ii'iiv,p|k dor fSrciini oilor Bipdikmi. «jUU III. Die EigODtliüiiilichkeitcn uad Schicksule dor Breonen. In der Einleitung wurde es als eine aulTalleiide Erscheinung liei'voi'gehoben, dass, während einerseits unter der langen römi- schen Herrschaft die alten Namen der vielen Alpenvijlker ver- schwanden und die Römer ungefiihr vom dritten Jahrhunderte an nur mehr die allgemeinen Provincialnameii von Vindelicien, Rhä- tien und Noricum kannten, ja, während mit dem Untergänge des weströmischen Reiches sogar diese Provincialnamen zu verschwin- den aniingen, anderseits der Name eines der Alpenvölker nicht nur fortdauerte und die römische Herrschaft überlehte, sondern gerade von dieser Zeit an mit urwüchsiger Kraft wieder hervortrat, der Name der Breuni, oder wie sie von jetzt an genannt werden, der Breones. Es wurde weiter hervorgehoben, dass diese Erscheinung ihre be- sonderen Ursachen entweder in einer nicht zu vertilgenden Volks- thümlichkoit, oder in äusseren Umständen haben müsse, und dass es der Mühe werth sei ihnen nachzuforschen. Gehen wir daher an diese Untersuchung, nachdem wir in den zwei voranstehenden Abschnitten das Dasein der Breonen bis in das neunte Jahrhundert herauf, und die Grenzen ihres Gebietes nachgewiesen haben. Die Quellenangaben fliessen freilich äusserst spärlich, immerhin aber werden uns die wenigen Spuren auf eine sichere Fährte leiten, nicht nur um die Wohnsitze dieses Volkes noch genauer zu bestimmen, sondern vorzüglich, um manche ihrer bezeichnenden Eigenthüm- lichkeiten an's Licht zu stellen. Während der mehr als vierhundertjährigen Dauer der römi- schen Herrschaft theilten die Breonen das Schicksal aller übrigen Alpen\ölker; sie wurden unter dem langen und unwiderstehlichen Einflüsse der römischen Sprache, Sitte, Cultur, Gesetzgebung, Civil- und iMilitärverwaltung allmühlich romanisirt. Um den Process zu besclileunigen, und um aus den Al|ien, deren Besitz den Römern wegen der an die Donau hinausführenden Strassen und Pässe nicht minder wichtig war, als wegen des Schutzes, den sie später dem Reiche gewährten, jedes gefährliche Element zu ent- 400 Albert JS-jer fernen, hatten sie gleich im Anfange ein durchgreifendes Mittel in Anwendung gebracht. Dio Cassius berichtet von demselben: „Da die rhätischen Gebirge sehr stark bevölkert waren, führten die Römer, um die Wiederkehr eines Aufstandes unmöglich zu machen, den grössten Theil der streitbaren Jugend aus den Gebirgen hinweg, und Hessen nur diejenigen zurück, die zur Bebauung des Bodens nothwendig waren, und diese nur in so geringer Zahl, dass sie an eine Erhebung nicht mehr denken konnten" i*«). Strabo und Tacitus machen uns bereits mit den Erfolgen dieser Massregel bekannt. „Seit dieser Zeit" sagt der erste (er schrieb 33 Jahre nach der Unterjochung) „zahlen die Rhätier ruhig und pflichtmässig die Steuern" »^oj. ^g,. letztere zeigt uns schon den Gewinn, welchen die Römer aus der kräftigen und tapferen Jugend der Bergvölker für ihre Heere zu ziehen wussten. Unter Germanicus, dem Sohne des Drusus, 16 Jahre nach Christus und 31 nach der Bezwingung ihrer Väter, kämpften die rhätischen Jünglinge, bereits römisch geschult und organisirt, an der Weser gegen die Cherusker, und zwar mit entscheidendem Antheile am Siege. Rhätische Cohorten waren es, welche den Durebbruch der geschlagenen Cherusker verhinderten, und würden sich selbst des Helden Hermann bemäch- tigt haben, wäre es diesem nicht gelungen, mit seiner riesigen Körperstärke und mit der Kraft seines Streitrosses sich noch durch- zuschlagen 151). In den nächstfolgenden zwei Jahrhunderten schritt die Ro- manisirung Rhätiens unaufhaltsam und durchgreifend vorwärts. Römische Militärstrassen mit ihren Meilenmessern, Mansionen und Mutationen durchzogen das Land von Süden nach Norden und von Osten nach Westen, darunter die von Augustus gebahnte i^^) und ^49) Dio Ca SS. I. U. c. 22. »50) strabo 1. IV. c. 6. §. 9. 151) Tacitus Afinal. II. 17. „Cherusci coUibiis detrudebantur, iiiter quos insrgnis Armi- nius mann, voce, vulnere sustentabat pug-nam, incubueratque sagittariis , iUa riiptu- ru9, ni Rhaetorum Vindelicoriinique et Gallicae cohortes sigiia objecissent, iiisii tarnen corporis et impetu equi pervasit". Da Tacitus die Vindeliker neben den Rhä- tiern nennt, verstand er unter diesen selbstverständlich die Gebirgsbewohner. 15-) Strabo IV. c. G. §. 6. TTfjoaE^vjxe '/ap ö 2j/3acoj Kaiaap T'^ xavochjan. rwv X^/^wv zr^v xaraaxsuriv rwv oowv ; — — w s'v ici rjia zr^v xaraaxsui^v. Diese eine, künstlich angelegte Strasse war, wie schon Cluvcrius Ital. ant. I. 15 dafür Iiiflt. keine andere als die Brennerstrasse. über das rhiitisclie Alpeiivolk ilcr ßreuni oder Brponoii. 401 von Kaiser Claudius vollendete i^^) Haiipthecrslrasse über den Brenner, nicht mir damals, sondern durch alle Jahrhunderte herab die kürzeste Verbindungslinie zwischen dem Po und der oberen Donau. Zeugniss für ihren Lauf liefern die von Avio angefangen, der Etscli und dem Eis;ik entlang über den Brenner hinaus bis Partenkirchon aufgefundenen und der Zeit von Kaiser Claudius bis Julian (41 — 363 nach Christus) angehörigen Meilensteine '54). Eine Querstrasse lief von Aqniieja und Julium Carnicum, dem heu- tigen Zuglio, über die Pleckenalpe in's Gailthal, von dort über den Gailberg in das obere Drautlial nach Lontium und von da der Drau und Rienz entlang in das südliche Rhütien '55). B^i Bozen zweigte sich eine andere Linie ab, die in nordwestlicher Richtung an der Etsch hinauf die Mühen bei Nauders überstieg «^ß). Von Opiter- gium (Oderzo) führte eine Strasse über Feltre und Ausugum durch das heutige Valsngan nach Trient 1^'). Mit den Militärstrassen standen die Standquartiere der Legionen in Verbindung. In Rhätien lag seit Marcus Aurelius (161 — 180) die Legio III, auch Italica genannt i^s). In späterer Zeit, wo wegen läSj Nach der Iiist-lirift mehrerer Meilensteine: „Claudius Caesar viam Claudiara Aiigustam quam I)ri»»us Pater alpihus hello patefactis direxerat, munit a flumiiiePado ad Humen Danuhiuni". Orelli I. 708. 154^ Der Meilenstein des Maxentius hei Avio; ein gleicher hei B 1 u m a u ; ein Meilen- stein des Kaisers Severus, gefunden zwischen Sterzing und Innsbruck (Wege- lin I. 437J ; des Kaisers Maximin hei Lueg; zwei Meilensteine hei Willen, einer aus der Zeit des Sept. Severus, der andere aus der Zeit des Kaisers Decius ; hei S o n n e n li u r g aus der Zeit Julians, und endlich einer hei P ar t e n k ir ch en aus der grossen Strassen-Erneuerungszeit des Sept. Severus. Wegelin disser- tat. X. p. 434 sagt: „Extaut per Hhaetiam, Vindeliciam et ^"or^cum tot paene solius Severi columnae milliares dispositae, quot in Germania vix ex universo reliquoruni Caesarum adparatu conquisiveris". «**) A n k e r sh o fe n I. S.'il. Sic scheint nicht dieselbe zu sein, die iui sechsten Jahr- liundcrt Venaut. Fortunatus wanderte. Zeugniss für ihren Lauf: die Meilensteine bei Aguntum und Litaniuni. 156) Zeuge dafür der bei Ha bland oberhalb der Toll l.S.'iS aufgefundene Meilenstein des Kaisers Claudius. Giovanelli I. p. 20. O r e 1 I i III. j40. 157) Beweis dafür der Meilenstein des Kaisers Claudius zu Cesio maggiore hei Feltre. Siehe oben Aninerk. 63. — Vgl. Tartarotti: Memorie antiche di Rovereto, pag. 10. >58j B ü c k i n g. Notit. dignitat. IV. p. 244. Signum habuit Ibin sive Cieoninui. Rose h- niann. S. Cassian. p. IOj enthält ein Verzeichniss von Inscriplionen , in denen dieser Legion erwähnt wird. Damit zu vergl. Orelli in den hetreirenden Xuinniern. 402 AlLert Jäger der Barbareneinbrüche die Bedeutung Rhätiens stieg, hitlfe der Dux Rhaetiarum, man zählte auch Vindelicien zu seinem Bezirke, 21 Besatzungsplätze unter seiner Aufsicht mit entsprechender Mannschaft anFussvolk und Reiterei 1^9^. Aus denBesatzungsplätzeii d. i. Standquartieren derLegionsabtheiiungen (praesidia), sowie aus den zahlreichen Post- und Raststationen (mutationes und mansiones), und aus den Mittelpuncten der Civil- und Militärverwaltung wuchsen bedeutende Ortschaften heraus, indem immer zahlreiche Verpflegs- und Verwaltungsbeamte daselbst lagen i«"). Wohin der Römer kam, da wollte er seine Bequemlichkeit und Mittel zur Befriedigung seiner Gewohnheiten wieder finden; darum entstanden unter seinen Händen Gärten, Bäder, Wasserleitungen, Villen und was sonst zur Verschö- nerung und Erheiterung des Lebens beitrug. Wir kennen, allerdings erst aus Documenten des dritten und vierten Jahrhunderts, eine ziemliche Anzahl solcher Orte in Rhätien, die sich zu Mittelpuncten römischer Sitte und Bildung erhoben. Es sind dies die in dem An- toninisclien Itinerar iß'} genannten Ortschaften Parthanum, Veldi- dena, Vipitenum, Subsavio, Endidae, Tridentum, oder wie sie auf der Peutinger'schen Tafel iß^^ angegeben sind, Partenum, Scarbia, Vetonina, Vipitenum, Subsabio, Pontedrusi, Tridentum; dann an der Strasse durch das Drauthal Lontium, Littamum, Sebatum, Vipi- tenum u. s. w. Obgleich wir diese Ortsnamen aus keiner früheren Quelle, sondern erst aus den Itinerarien des dritten und vierten Jahrhunderts kennen lernen, wäre die Behauptung dennoch eine völlig irrthümliche, dass alle diese Orte erst um die Zeit, aus wel- cher die Reiseberichte herrühren, entstanden seien; wir dürfen mit voller Zuversicht annehmen, dass sie weit früher, zum Theile wohl t59j p a n c i r 0 1 i, Notitia dignifatum etc. Lugduni 1608, p. 172. 6. *60) Schon um der sogenannten „Annona rhaetica" willen, zu deren Weiterbe- fürderung hinaus an die Reichsgrenze zahireiclie Saumpferde in den mutationes gehalten werden Hiussten. S. A u g u s t i n. de civit. Dei XVill. 18. — Licht ver- breitet auch das Gesetz des Cod. Theod. vom Jahre 382. V. Idus Dec. in Betreff der Exemtion der Dignilarii in Itliiitien über die Folilenzucht, über die Bäckereieu und Vorspanns- und Lieferungsanstalten. 'G') Vetera Iiomanor. itincraria, sive Antoniiii .^ugusli itiiierai-ium curante I'etro Wes- s e I i 11 g i o, Amstelodaini 1733. 4. ie2) Tabula Peutinger. edit. F. C. de Sclieylp. Wien 17;)3 f. — Zweite Ausgabe von C. M a n n e r I. Leijizig 1824. über (las rliätische Alpeiivolk der Uiciiui oiUm' Itreoiieii. 4Uu sclion zur Zeit der Eiolieruiig Rliätieiis vorharidfii waren iind von den Riimern als Mansionen benutzt wurden; ist doch die Ansicht unter den Gelehrten fest begründet, dass die Ilinerarien selbst, in ihrem Ursprünge, der Zeit des Augustus, und nur in der Fassung, in welcher sie auf uns gekommen, der späteren Zeit angeliüren <«'). Unter den vorgenannten Orten erhohen sieh einige zu grösserer Bedeutung, so Trideiitum, Suhsabio i«*) (vom sechsten Jahrhundert an als Sabio-Säben bekannt), Aguntum, Vipiteiium und besonders Vetonina oder Veldidena (Willen -Innsbruck). Im Antoninischen Itinerar erscheint Veldidena viermal als Ausgangs- oder Endpnnct der römischen Mililärstrassen. Von der Bedeutung und dem Glänze mehrerer dieser Orte greben die zahlreichen Monumente und Funde Zeugniss, die sich als Belege i-ömischer Kunst, Sitte und Lcbens- Aveise erhalten haben ^^'^). 163^ Wesseling in der Einleitung: „Id negligeie non del)eo , Augusti g^nerum Agrippam orbem terranim per sua spatia mensuratum in tabula speetandura propo- suisse apud P I in. III. c. 2, id enim argumeiito nobis est, Augusto principe teirarum (|uandam dimeiisionem fuisse instilutam. Tempore Trajiuii finibus iinperii longe lateque prolatis, nieiisuiala oinnia et in u s u in e u rs u s v eh i c ii I a r i s viae man- siüuibus stabiilisque distinclae erant; ... in commodum enim legionum et cohor- tium necessaria piorsus ea res erat". '6^) Sowohl in der Peuting. Tafel, als aiieh im Antonin. Itinerar. lautet der Name : S u 1) I a b i o n e und S u b I a v i o n c, und mau bat sicli viel den Kopf zerbrochen, um dieses Sublabro oder Sublavio bald in La b e r s bei Meran. bald in L a j e n am Eingange in das Grödnerthal unterzubringen; allein schon Cluverius in Ital. anliqu. I p. 122. W e s s e l i n g im Itiner. Antonin. und B ü c k i n g in der Notit. dignitat. haben als richtig erkannt, dass S u b s a v i o n e oder Subsabione gelesen werden niüsse, und dass darunter kein anderer Ort zu verstehen sei, als das Savio, Sabio oder Sabiona des Paul. Diacon. in der histor. miscella, der Silz des Bischofs Ingenuinus de Sabiona, das heutige Sähen mit dem Städtchen C I a u s e n, in welchen letzteren Namen das „Subsabione" im Mittelalter verändert wurde, als (siehe Anmerk. 169) die Ortsbenennung „Clusae" „claustra" gebräuchlich wurde. Noch im Jahre 1028 finden wir: „Clusassitas in loco S e b o n n a". Sin- naeh. II. \<. 308, Nr. 76. Dass Snb f avio durch fehlerhafte Abschrift leicht in Sub I avio verändert worden konnte, weiss Jeder, der die longobardische oder gothi- sche Schrift des .Mittelalters kennt. I65j z. B. Inscriptiones et alia diuersi generis Romana per omnem Tirolim Monnmenta, maximam partem adhuc exstanlia ac potissimnm ineignum Drusum perpa- cavit". .Man wendet nun freilich gegen das Wort „Cenni" ein, dass die rich- tige Leseart nicht feststehe, indem sowohl Jordanis de regiior. successione cap. 62 als auch Codd. „S e n o n e s" haben, so dass die Stelle, da an Senones neben den Breuni und Viiidelici nicht gedacht werden könne, offenbar eine ver- dorbene sein müsse. Dass „Senones" verderbt ist, kann zugegeben werden, allein das Ursprüngliche bleilit immer „C e n n i," indem fiiuter in der Codd. palatin. die Variante „Scennos" fand, so dass wir mit Sicherheit die Senones auf Scen- iiüs,, und didc auf Cciinos /.uriickfiihren können. Es erscheiat demnach der Narae Ülier tias rliiilisclie Alpi-iivolk ilci- DiiMini imIit nrecuieii. 407 römiscilon Herrscluift, unter der Regierung des 0.stgotlieii Tlit o- dorieli (489 — 526), da kamen die Breuiii, nur mit etwas verän- dertem Namen plötzlich wieder zum Vorscheine, und zwar in einer Eigenihiimh'ehkeit, die geeignet ist, nicht nur über die Stellung, welche dieses Volk unter Theodorich einnahm, sondern auch über seine Znslände und Schicksale während der langen Verborgenheit zur Zeit der römischen Herrschaft Licht zu verbi-eiten. Unter den vielen Verordnungen des Königs Theodorich, welche in der Form von Briefen in den Werken ihres Verfassers, des ost- gothischen Kanzlers Cassiodorus auf uns gekommen sind '■ ■), tindet sich ein Sendschreiben an Servatus, den Dux von Rhätien, die Breuni, oder wie sie von jetzt an genannt werden, die Brennen betreffend. Einem gewissen, nicht näher bezeichneten Maniarius waren von den Breonen Sclavcn mit Gewalt weggenommen worden. Der Beschädigte wendete sich mit seiner Klage an den König Theo- dorich, und dieser erlicss ein für unsere Aufgabe sehr wichtiges Schreiben an den Militär-Befehlshaber Servatus in Rhätien. Im Eingange wird als allgemeiner Grundsatz hingestellt, dass der Würde, die ein Beamter bekleide, auch dessen Handlungen ent- sprechen müssen, daher Servatus nicht dulden dürfe, dass in der Provinz, deren Präsident er sei, irgend eine Gewaltthat verübt werde, er habe vielmehr Sorge zu tragen, dass Alles nach der Vor- schrift der Gerechtigkeit, die in Theodorich's Reich blühe, vor sieh gehe. Darum, fährt die Verordnung weiter, haben wir uns durch die Bilte des Maniarius bewegen lassen, den folgenden Auftrag zu ertheilen: Wenn du findest, dass die nur an den Militär- dienst und an dasKriegs band werkgewöhnten Breonen, ,.Cemii" früh schon, und zwar neben den Brennen und Vindelikern. Nun be- hauptet Zeuss an einem andern Orte, p. 237 selbst, dass das ,,S e n o n e s*« des Florus aus „Genauni" diiieh Verderbiiiss entstanden und dies an die Stelle des eisteien m setzen sei. Wir haben nichts entg-egen; denn da kaum geleugnet werden kann, dass Floius in der cilirten Stelle den lloratius vor Augen hatte, welcher den Sieg des Drusus zwar über alle Rhälier , besonders aber über die ßreuni, Genauni und V i .1 d e I i c i besingt, so kann mit Recht angenouiMien werden, dass unter den „C e n n i" die „Genauni" zu verstehen seien und dass das Volk vielleicht „Genauni- und „t'enni- „Kivvoi"* genannt wurde. »") Cassiodori Aurel. opera edil. a .loh. Garet. Venetian. Ausg. 1729. Miehcr gehören die liliii Varianiui. 408 Alhert Jäger wie b e 1' i c li t e t w i i* d , selbst mit I) e \\ a f f n e t e r Hand die Bürger bedrücken und d e s s w e g e n, weil sie n n r mit dem Kriege sich beschäftigen, das Recht verachten (wie denn überhaupt Leute, die immerwährend mit dem Schwerte zu thun haben, sich schwer vor Verwilde- rung schützen können) ^"*) — wenn du also findest, dass die Breonen in der That und ohne Grund die Sclaven weggeführt haben, so sollst du mit Zurückweisung jeder muthwilligen Anmassung, die sich etwa auf die Tapferkeit stützen möchte, das Geraubte dem Beschädigten ohne Verzug zurückstellen lassen. Diese höchst interessante Verordnung Theodorich's bietet nun für unsere Untersuchung mehrere eben so sichere als wichtige Anhaltspuncte. Zuvörderst ergibt sich aus ihr, dass die Breonen ein militärisch geordnetes, unter den Waffen stehendes Volk waren und zwar nicht erst seit kurzer Zeit, sondern dass das Kriegshand- werk schon seit lange ihnen, als ihre fast ausschliessende Beschäf- tigung, zur Gewohnheit geworden war (ad bella Martia semper intendunt, militaribus officiis assueti); ferner dass sie sich eben wegen ihres kriegerischen Sinnes (praesumtio virtutis) und wegen ihres ununterbrochenen Felddienstes (assidue dimicantes) den bür- gerlichen Beschäftigungen sogar feindselig gegenüber stellten (ci- vilitatem premere dicuntur armati i^"). Wir hätten also in den Breonen eine Art Grenzmiliz vor uns, die furtwährend unter Waffen stand, und zu Kampfund Krieg nicht erst seit der Entstehung des ostgothischen Reiches, sondern schon seit der Zeit, als das Flach- i"8)Cassiod. hb. I. Variar. epist. 11. „quapropter Maniarii supplicatione commoti, praesentibus te affamur oraculis, ut si revera mancipia ejus Breones irrationa- biliter cognoveris abstulisse, qui militaribus officiis assueti civili- tatem premere dicuntur armati, et ob hoc justitiae parere de- spiciunt, quoniam adbellaiMartia semperintendunt, dumnescio quo pactu assidue dl m i e a n t i b u s difficile est morum custodire mensuram; quapropter omni piotervia remota, quae de praesumtion« potest virtutis assumi, postulata facies sine intermissione reslitui." »"9j Dieser .Maniarius, der die Veranlassung zur obigen Verordnung gab, mag wohl kaum etwas anderes gewesen sein, als ein S c I a venh ii n die r, dem seine Waare auf dem Durchzuge durch die Gebirge von den Breonen abgenommen wurde. Noch um das Jiihr 900 vs'urde auf der Donau ein bedeutender Sclavenhandel betrieben. Kurz, «Jesch. des Handels in Österreich in älter. Zeilen, p. li. — Bei Öfele, rer. boic. Script. I, p. 718, Originalquelle. über «las rhiitische Alpenvolk der Rieuiil oder Rii-oneri. 4()s) land ausserhalb der Alpen preisgegeben werden mussfe, häufig, ja fast täglich Gelegenheit hatte, eine Grenzmiliz, der Jetzt dieselbe Aufgabe gestellt war, welche die Militiircolonien und die Grenzbe- völkerung am Rheine und an der Donau zu lösen hatte, so lange diese Ströme den Limes imperii romani geliildct halten «»"); kurz, wir entdecken in den Breonen die be\vaffnete Besatzung des Ge- birgslandes zur Bewachung und Vertheidigung der Alpcnpässe. Damit stehen zwei andere Verordnungen Theodorich's in vol- lem Einklänge, indem sie uns die Breonen in der so eben bezeich- neten militärischen Thätigkeit zeigen. Die erste enthält einen Befehl an den obersten Hofbeamten (praefectus praetorio) Faustus, für die Verpflegung der in den „Clausuris Augustanis" liegenden Kriegsleute zu sorgen. Es geht aus ihr hervor, dass in den nach Augusta Vindelicorum führenden Gebirgspässen i«») sechs Tausend Mann Besatzung lagen, für deren Verpflegung schlecht gesorgt war. Faustus erhielt den Auftrag, Abhilfe zu schaffen. In der Molivirung des Auftrages kommt nun folgende bezeichnende Stelle vor: „Es ist Pflicht für die Verpflegung des Soldaten zu sorgen, der für die allgemeine Ruhe an den Grenzorten (finalibus locis) seinen Schweiss vergiesst und die barbarischen Einbrüche gleichsam am Thore der 180) Vopiscus in Probo c. 14: Agios et honea et domos et annun.im Tr.nnsrhenani Omnibus fecit, iis videlicet, quos in excubiis eollocavit. '91) „Clausu rae A ii g us t a n a e", wo sind diese Püsse zu suchen? Bei der Beantwor- tung dieser Frage kann nur an Augusta praetoria (Aosta) oder an Augusta Vinde- licorum (Augsburg) gedacht werden. Nun ist auf den ersten Blick klar, dass die Ausdrücke: „finales loci", „porta provinciae", „g e n t i I es i n t r o i t u s" gegen welche der „m i I es s e m p e r in procinctu est" schon desswegen auf Aosta nicht passen, weil auf dieser Seite die in Rede stehenden Gefahren nicht drohten. Der Theil der burgundisehen und gallischen Lande diesseits der Rhone gehörte ja zu Theodorich's Ileicli und mit den jenseits der Rhone wohnenden Bur- gundern und Franken stand Theodoi ich auf friedlichem Fusse. Man vergleiche P r o- co p. de bell. goth. bei .Murator. I. 2öS— 'iü9, wo die Erwerbung der diesseits der Rhone gelegenen burgund. -gallischen Gebiete für das ostgothische Reich daige- stellt wird. Daraus geht hervor, dass Theodorich gegen die Lande der Burgunder und Franken keiner Grenzwache bedurfte, sowie die .\usdrücke „ferae et agre- stissiraae gentes", gegen welche in de» Clausuris Augustanis gekämpft werden musste, auf die Franken und Burgunder keine Anwendung zulassen. Es können dem- nach unter diesen „Clausuris Augustaiiis" nur die zwischen dem lunlhale, Füssen und Partenkirchen , an den Strassen nach Augusta Vindelicorum gelegenen Gebirgs- pässe verstanden werden. Hier drohten Aleinaniien, Thüringer und die später genannten Bijovaren lortwiihrend mit AiigiilFund tiiibiucii. 410 A n. e r t J ä g- e r Provinz abwehrt. Wer die Barbaren abhalten soll, miiss immer gerüstet und (schlagfertig dastehen, weil nur die Furcht jene noch zurückzubalten vermag, die sich durch ihr gegebenes Wort nicht binden lassen" i^a). Wer sind nun diese Krieger in den Auguslani- schen Pässen, an den Grenzorten, die gleichsam am Eingangsthore der Provinz in der Abwehr der Barbaren ihren Schweiss vergiessen? Wer wohl anders als die fortwährend unter den Waffen stehende, an ununterbrochenen Felddienst und Kampf gewöhnte tapfere Lan- desbevülkerung der Breonen. Dasselbe bezeugt die zweite der angezogenen Verordnungen; sie enthält die sogenannte Formula Ducatus Rhaetiarum, d. h. eine Amtsinstruction für den Feldhauptmann in Rhätien, wahrscheinlich für den schon erwähnten Servatiis iss^. In dieser Instruction wird wieder einerseits die Provinz Rhätien als der ausgesetzteste und gefährdetste Punct des Reiches bezeichnet, anderseits die Grösse der Aufgabe hervorgehoben, die demjenigen obliegt, dem die Ver- waltung und Vertheidigung eines solchen Landes anvertraut wird. „Obwohl" heisst es darin, „jedes Amt gleich ehrenvoll sein sollte, wird doch, wenn man die Sache näher betrachtet, denjenigen viel mehr anvertraut, denen die Leitung der Grenz- völker übertr agen wird. Denn etwas anderes ist es, in fried- lichen Ländern Recht sprechen und wieder etwas anderes, seinen Sitz in der Nähe verdächtiger Völker aufschlagen; hier hat man nicht nur den Ausbruch der Leidenschaften, sondern auch den Aus- bruch des Krieges zu fiirchten; hier ertönt nicht immer blos die Stimme des Herolds, sondern auch das Schmettern der Kriegstrom- peten. Rhätien ist nämlich die Schutz mau er Italiens und das Thor d er Provinz 1S4), Titel, welche das Land mit Recht verdient, da man Rhätien wie einen Schild den wilden Völ- I82j Cassiodor. Variar. lib. H. ep. 3. I83j Cassiodor. Variar. lib. 7. formula 4. »84) Dass unter „Provinz" Rhätien verstanden wurde, geht aus der Beschreibung des Felsenkopfes bei Trient, auf welchem sich die Burg Veruca erhob, hervor (Cas- siod. Variar. III. ep. 48), wo gesagt wird: Hiinc tumulum Athesis . . . praeter- fluit; caslrum pene in mundo singulare, tenens Claustra provinciae". Die Veruca war an der Südseite Rbätiens ein Claustrum provinciae, wie die „Clausurae Augustanae« an der Nordseite „quasi porta Provinciae" genannt werden. (Variar. U. epi!»!. 3.) über (liis iliälisclie AI|>envolk der liiciiiii oili-r Iticoncii. 411 kern entgegen halten kann; denn dort kann dem AngrifTo der Bar- Laren i*'^) begegnet, von dort aus können ihrem wiilhenden Über- niuthe Schläge beigebraclit werden. Darum hat auch Euer Kampf mit ihnen fast nur das Aussehen einer Jagdunterhaltung. Darum, so fährt die Instruction weiter, haben wir Dir die Feidhaupfmann- schaft von Rhätien übertragen, damit Du die Kriegsleute friedlich zu.sammenlialtest und mit ihnen unsere Grenzen unverdrossen über- Macliest. Du sollst bedenken, dass Dir keine geringe Sache anver- traut sei, indem die Ruhe unseres Reiches unter Deinen wachsamen Schutz gestellt ist." Es ergibt sich also auch aus der Instruction für den FeUlhauptmann von Rhätien, dass dieses Land den AngritTen der Barbaren am meisten und beständig ausgesetzt war, und dass eben desshalb seine Bevölkerung, und darunter vorzüglich die Breonen, in immerwährendem Kriegszustande sich befanden, oder, wie Theodorich in dem Sendschreiben anServatus sich ausdrückte: ad bella Martia semper intenti, militaribus officiis assueti, assidue dimicantes. Aus dem Briefe des Theodorich an Servalus fliessen aber noch mehrere andere für unsere Untersuchung wichtige Ergebnisse, und zwar erstens eine ziemlieh genaue Bestimmung der Nordgrenze des osfgothiscben Reiciies, zweitens eine Widerlegung der bei gewich- tigen Schriftstellern vorhandenen Behauptung, dass die Breonen der ostgothischen Herrschaft nicht unterworfen, sondern schon lange selbstständig waren und dem Rtiche Theodorich's sogar feindlich gegenüber standen, und drittens eine noch genauere Bezeichnung des Breonisi'hen Gebietes, als in der vorausgehenden Unter- suchung bereits gegeben wurde. In BetrelV der Nordgrenze des Reiches Theodorich's verzweifeln einige Schriftsteller geradezu, mit den vorhandenen Hilfsmitteln etwas Genaueres bestimmen zu können i*e); andere schliessen sie einfach und ohne viele Umstände oberhalb Trient in den Alpen ab, so auch der übrigens verdienst- 185^ Bei Cas s i o d o r wird der Ausdruck „i in |> e t u s g-e ii ti I i s" g«lirauck(. „Geiiti- i i s" scheint im Allg'eiiieiiien deu Geg'ensat/. zu „It o ni a ii ii s" gebildet zu haben. So wird von Theodoricli gesagt: „Vidit te genlilis Üanubius", d. h. die Donau, welche nicht mehr römisch, sunderii in der (lewalt der Völker war. Vou Stilicü heisst es „hahcbal sisb se plurimos Roma n o r u m alijue (i e n 1 1 1 i u m". *86) Büdinger, österr. (iescli. I. lid. ISäS. S. ö4. Sit/.b. d. phii.-iiist. Cl XLI!. I!d. I!l. Mtl. 28 412 Albert Jäger volle Verfasser des Werkes: „Die Deutschen und ihre Nachbar- stämme". Zeuss beruft sich auf die bei Cassiodor (Variar. III. ep. 48) in einer Verordnung Theodorich's vorhandene Beschreibung der Veruca bei Trient, in welcher dieses Schloss „castrum tenens claustra provinciae feris gentibus objectum" genannt wird. Aus dem Umstände nun, dass das Schloss Veruca innerhalb, ja wohl an der südlichsten Abdachung des Gebirges an der Etsch als „Schlüs- sel des Landes" und als „Grenz wehr gegen die Bar- baren" bezeichnet wird, lasse sich, meint Zeuss, schliessen, dass die Grenzen des Gothenrelches sich nicht viel über Bozen hinaus erstreckt haben ist). Allein Zeuss Hess die andere Stelle in den Ver- ordnungen Theodorich's, welche von dem Kriegsvolke in den „clau- suris Auguslanis" spricht, völlig unberücksichtigt. Wir berufen uns desshalb auf das oben in der Anmerkung 181 Gesagte, und leiten daraus, wie wir glauben, mit vollem Rechte den Beweis ab, dass die Nordgrenze des ostgolhischen Reiches nicht südlich vom Brenner, sondern an der nördlichen Abdachung der Alpen zu suchen sei. Folgerichtig mit der Beschränkung der ostgotliischen Reichs- grenze musste Zeuss auch die andere Behauptung vertheidigcn, dass die Breonen nicht unter Theodorich's Herrschaft standen, sondern lange schon selbstständig waren. „Die Breunen im Innthale" sagt er S. 369, „zeigen sich selbstständig". Aber Verwun- derung muss es erregen , wenn der gelehrte und scharfsinnige Forscher hinzusetzt: „und sie, die Breunen, zeigen sich sogar räuberisch gegen die got bischen Unter tlianen'^ oder wie er dies S. 586 mit den Worten umschreibt: „Sie scheuten sich nicht, selbst gegen die mäch t igen Got hen Räubereien zu begehen", und \venn Zeuss zum Beweise seiner Behauptungen sich auf den Befehl Tlieodorich's an den Fehlhaupt- mann Servatus beruft und darin findet: „Theodorich habe dem Dux von Rhätien Befehl gegeben, gegen die Breonen zu verfahren i^sj. '^'j,. berufen uns auch diesen Behauptungen 187) Zeuss, pn;^. 3G9. Wer wollte z. B. aus dem Umsl.inde, thiss in den Dreissig'er Jahren hei Brixen eine Veste angelegt wurde, die man mit Fug „castrum tenens claustra provinciae" nennen kann, schliessen, im dritten Decennium des neun- zehnten Jahrhunderts habe Tirol seine Grenzen bei Brixen gehabt? •89) Zeuss scheint Manner t vor Augen geliabt 7,u hallen, der im III. Bde. S. 629 der Geographie der Griechen und Römer, von den Broüiien /.u Theodoricirs Zeit sagt; Ülter ilas rliiili^clie Alpcinulk iler llriMiiii dcIit nriHnicii. 413 gegenüber einfach auf ila>^, was wir oben S. 407 — 409 über die au Servatus erlassene Verordnuiig Theodorich's gesagt haben. Die Broonen waren demnach nicht, wie Zeuss will, lange schon selbsl- ständig und ausserlialb des ostgotliischen Reiches, sondern sassen fest innerhalb desselben, noch viel weniger traten sie, die Hüter und Vertheidiger der Reichsgrenze, feindlich und räuberisch gegen die ostgothischenUnterthanen auf. Ältere Schriftsteller, z. B.Resch >«") liessen, dem Sinne nach mit Zeuss zusammentreffend, die Breones ebenfalls, aber lange schon vor dem Entstehen des ostgothischen Reiclics, abhanden kommen. Sie stützten sich auf jene Stelle des Jordanis cap. 36, in welcher unter den Hilfsvöllcern des Aetius im Kampfe gegen Attila auch die „Briones, quondam milites romani" aufgezählt werden und nehmen an, dass die Breonen^ dieser Angabe zu Folge, schon lange vor dem Jahre 451 aufgehört hätten, römische Unterthanen zu sein und selbststUndig geworden seien. Die Annahme hätte vielleiclit einigen Werth , wenn der Be- weis hergestellt werden könnte, dass das rhätisehc Gebirgsland schon vor den Zeiten des Aetius vom römischen Reiche abgerissen worden sei, denn in diesem Falle würde sogar unsere Ansicht an Gewicht gewinnen, dass die Breuni oder Breonen nicht erst unter Theodorich, sondern schon früher, in den letzten Zeiten der römi- schen Herrschaft, jene militärische Verfassung erhalten haben, in welcher sie unter Theodorich zum Vorschein kommen, und das „quondam milites Romani" des Jordanis Märe dann gleichbedeu- tend mit dem „militaribus o.fficiis assueti'' des Theodorich. Doch bei der grossen Unsicherheit des Jordanis'schen Textes an dieser Stelle können wir kein allzugrosses Gewicht auf dieselbe legen und verweisen auf das, was wir oben S. 359 und in der Anmerk. 14 über sie mitgetheilt haben. Aus der Widerlegung der irrigen Ansichten über die Nord- grenze des ostgothischen Reiches und über die Frage, ob die „Sie ersclieiiien im sechsten Jahrhundert wie ihre ältesten Vorfahren als ein roher Haufe Räuber, iler von der ahgenommenen Beule der Reisenden und der schwä- cheren Greuznnchbnrn lebt. Sie waren völlig frei und u n a b hü n g ig. Doch scheinen sie geg^en Verordnungen des mächtigen Golhenkönigs Theodorich Aciitun"- sfeliabt zu haben". '*') Aiinal. eccies. Sabiouensis I. annot. i'G. E\ bis Jordanis verliis P.ienrn's- ni)Slros a Valentiniano lil. defecissc jam ante annum 4äl comperimus. 28» 414 All. ertJäger I 1 Bi'eonen demselben einverleibt waren oder nicht, fliesst aber, wie oben bemeikt wurde, für niisere Untersuehutig noch ein dritles Ergebniss, eine noch genauere Bezeichnung des Breonischen l| Gebietes. Waren wir auf dein Wege unserer Forschung schon früher dahin gekommen, die Wohnsitze der Breonen ziendich genau innerhalb jenes Raumes zu bestimmen, der das Th;ilgelä()de der Siil, des oberen und unteren Innflusses bis an die nördliche Grenz- linie umfasste, weiche über die Quellen der Bregenz und Hier, des Leches, der Ammer, Loisach und Isar liinwegläuft '9"), so geben uns die Urkunden der Zeit Theodorich's Winke zu ihrer noch viel genaueren Abgrenzung, Da nach diesen Urkunden die Breonen die- jenigen waren, welche „die Einga ngstho re und den Schlüs- sel der Provinz" in ihren Händen hatten, und welche „an den ausser sten Grenzorten'^, besonders _„in den von Augs- burg hereinführenden Pässen" mit „den wildesten Völ- kern" in „unablässige Kämpfe" verwickelt waren, so con- centrirte sich nach diesen bezeichnenden Angaben ihre Hauptmacht im Innthale, etwa vom Achenthale hinauf bis Landeck, und in den Pässen gegen Tegernsee, Parthenkirchen und Füssen, was in spä- teren Zeugnissen, wie wir noch sehen werden, seine volle Begrün- dung findet. Nachdem wir nun aus der vorstehenden Untersuchung nicht nur die sehr genaue Abgrenzung des Breonischen Gebietes, son- dern, worauf es uns vorzüglich ankam, auch die besondere Eigen- thümlichkeit, in welcher dieses Volk erscheint, kennen gelernt haben; nachdem wir die Breonen als ein mililärisch geordnetes, mit der Grenzhut des römischen, und s[iäter des ostgothisclien Reiches betrautes Volk erkannt haben, wollen wir noch untersuchen, was uns die spärlichen Quellen über die weiteren Schicksale und Zustände derselben nach dem Tode Theodorich's berichten. Mit dem Verfall und der Auflösung des osfgothischen Reiches nach Theodorich's Tode verschwand allmählich auch Rhätien als Provinz. Begriff und Raum waren wohl schon vor und unter Theo- dorich sehr verengt worden; von einer Herrschaft des os'gothischen Königs über das vindelicisch-norische Flachland kommt keine Spur 190) Siehe oben S. 393. Ülit'i' (l;is ihiitisL'lie AIi>ciivolk ilcr niciinl odei- nrcDiien. 4 I «> vor, iiiul wciin auch die aiiitüclien Scliriftcn ans Tlieodorich's Kanzleien noch immer von Hhätien in der vielfachen Zahl, von einem Dux und Ducatus Hhaetiarum sprechen, wenn wir auch im Jahre 452 in Asimo Bischof von Chiir einen episcopuMi primae Rhaeliae i^'), und noch im Jahre Ö91 in dem Bischöfe Ingenuin von Sähen einen episcopum ecclesiae secundae Rhaetiae finden ''••-), so beweiset doch die Bezeichnunuf des rhätischen Gebirges als „Schlüssel Italiens" und als „Schutzwehr der Provinz" (Rhaeliae sunt munimina Italiae. et clauslra provinciae), dass schon zu Tlieodorich's Zeit Bcgrifl' und Raum Rhätiens auf das Gebirgsland beschränkt war. Dies liestätigt auch die Beschreibung Rhätiens, wie wir sie bei Paul. Diaconus II. c. 14 lesen: „Inter Liguriam et Suaviam" sogt Warnefried, ,,1. e. Alemannorum patriam, quae ver- .^us septenitrioncm est posita, diiae provinciae, i. e. Rhaetia prima et Rliactia secunda inter Alpes consistunt, in quibus proprie Rhaeti hahilare noscuntur". Bald nach Tlieodorich's Tode, 526, verschwand aber die Pro- vinz Rhätien auch in ihrem verengten Begrifi" und llaume, und zwar in Folge der Ausbreitung der Frankenherrschaft sowohl über Rhä- tien als auch über das unter neuem Namen auftauchende >'olk der Bajovaren, und insbesondere in Folge der Ausbreitung dieses Yolks- stammes über die rhätisch-norischen Gebirge. In der Verlegenheit, in welcher die Gothen sich dem byzantinischen Feldherrn Belisar gegenüber befanden, waren sie genöthigt, nicht nur ihre streitbare Mannschaft aus den entfernteren Besalzungsplätzen abzuführen und viele dieser Orte und Gegenden ihrem Schicksale zu überlassen '»s^, sondern sie niussten sich auch, um die Hilfe und Bundesgenossen- scliaft der Franken zu gewinnen, zu Gebietsabtretungen an diese herbeilassen. Darum bot schon Totilas den Franken den unter ost- »»*) Eicliho rn, Episcopat. Curii-iis. p. I. „Ego Almiulaiilius ecclos. Coiiu-iisis episco- piis . . pro abseilte fiatie meo Asiinoiie episcopo Curiens. eccles. p r i in a g H li ae- t i ae subsci'ipsi. »92) Siiiiiacher I. p. 247. Beil. 10. 193J Aga t liias (lo hell, {rolliic. Itci .Miiratori I. 383, lieinerkt liiezu : „weil diese Besal/.iiiigeii unter den gegebenen Verliilltnissen den Unlerlhaiien uielir zur Lasl al.s zum Schutze gereichten iiml die (uitlun nirlit um eiilferiitc Herrschafl, .son- dern um den Be.viU Italiens und um die Unvelir ihres eigenen l'ntor;;;in;;cs /.n kaunjfeii hallen". 416 AlLeit Jäger gotliisclier Herrschart stehenden Theil Galliens (die^seilsderRhoiie) als Preis der Hilfeleistung an. Viliges erneuerte den Antrag, und die Frankenkünige Childebert, Theudebert und Chlolar gingen auf das Angebot ein, richteten aber ihren Blick bald weiter, indem ihnen die Gelegenheit günstig schien, sich wohl eines grossen Theiles Italiens selbst zu beniächtigen. Und in der That, der fränkische König Theudebert benutzte die Niederlagen der Gothen nicht als Veranlassung, ihnen Hilfe zu leisten, sondern um treulos sich in den Besitz vieler Orte in Ligarien, der Cottischen Alpen und eines grossen Theiles des ven etianischen Gebietes zu setzen. Die Gothen mussten zu dem h'ösen Spiele noch eine heitere Miene machen und ihren falschen Freunden die Beute verlragsmässig abtreten i»*). Das Gleiche geschah auch mit Alemannien und mit den zwei Provinzen R h ä t i e n und M i 1 1 e I n o r i c u m ; sie mussten eben- falls den Franken überlassen werden. Über die Abtretung Aleman- niens berichtet Agathias an zwei Stellen: „Sobald der Krieg ent- brannt war, schreibt er, veiliessen die Gothen, um die Gunst der Franken zu gewinnen, sowohl verschiedene andere Orte als aucli^ Alemannien" und „das auf diese Weise preisgegebene Volk der Alemannen unterwarf Theudebert seiner Herrschaft i^^). Über die Abtretung Rhätiens und Noricums berichtet keine Quelle, wohl aus dem Grunde, weil diese Provinzen in Folge der Ereignisse auch ohne Zuthat der Gothen von selbst als Beute den Franken anheim- fielen. Nun kann aber hier die Frage eingestreut werden, wo das Alemannien war, welches bisher den Gothen unterthänig gewesen, den Franken überlassen werden musste? Schweifen wir ein wenig ab und untersuchen wir diese Frage. Dass an die oberhalb des Bodensees, am Neckar und bis an den Main hinauf wohnenden Ale- mannen, überhaupt an das gesammte alemannische Volk, welches Theodorich in seinem Schreiben an Chlodwig „innumerabilem nationem" nennt '»e), nicht gedacht werden kann, ist klar; Theo- dorich's Reich erstreckte sich, wie wir gesehen haben, nie über die i'Ji) Pro CO pi US de beUo gothic. hei Miiratoii I. nii verscliiedeiien Stellen. 195) Agathias de hello gothie. Murator. I. 383. 196) Cassiodor. Vaiiar. il. ci'- ^1- Über das rliiilisclie Alpenvolk der [Jreuiii oder Breoiieii. 4 1 / Al|)eii liiiiaiis ; wir werden diilicr das von den Gotlien ;uif"-efcbeiic Alernannien nicht ansser- sondern innerhalb der gothischeti fk-ichs- grenze suchen müssen. Nun werden wir innerhalb des Reiches Theodorich's keine andern Ah;inannen finden, als jene, welche nach der Schlacht bei Zülpich südwärts zogen, und sich unter Theodo- rich's Schutz begaben und von ihm innerhalb der Grenzen seines Reiches aufgenommen wurden. Man hat die Sitze, in denen diese Alemannen von Theodorich angesiedelt wurden, an verschiedenen Orten gesucht i»"); eine vorurtheilsfreie Auffassung der Quellenan- gaben deutet aber unstreitig aufVorarlberg. So schrieb Theodorich an Chlodwig: „Lasset ab von der weiteren Verfolgung der erschöpften Überbleibsel der Alemannen, die zu uns geflohen sind, und noch zitternd sich innerhalb unserer Grenzen verbergen. Fürchtet von dieser Seite keine Beunruhigimg, da sie zu unserer Herrschaft gehört- «»s^. Wie hätte Theodorich besorgen können, Chlodwig werde sie noch weiter verfolgen wollen, wenn sie tiefer im oslgothischen Reiche, etwa in den südtirolischen Bergen oder in Mittelnoricum angesiedelt worden wären? Wie hätte auch Chlod- wig an einen Zug dahin denken können? Ferner, welchen Sinn hätte die AulTorderung Theodorich's an Chlodwig, „er möge von jener Seite, wo die Alemannen sich niedergelassen, weiter nichts mehr fürchten ?** (nee sitis solliciti ex illa parte, quam ad nos cognoscitis perliiiere). Alle diese Stellen werden nur verständlich, wenn die Alemannen irgendwo an der Nordgrenze des ostgothi- schen Reiches sassen; dort war noch Gefahr von ihnen wie für sie möglich. Eine zvAcite Quelle, welche unbefangen beurtheilt für unsere Behauptung spricht, sind die Worte des Ennodius im Pane- '9'J Graf Benedict GiovaneUi in einer Aliii.indhmg- ; „DcU' orlgine dei seüe e tre- dici comuni e d' altre popolazioni alemanne". Trento 1826, und Zeuss; „Die Deutschen und die Nachbarsliimme", p. 589 (wohl nur nach GiovaneUi) wollen sie in der deutschen Bevölkerung- zwischen der Elseii und Brenta itn Tridenli- nischen, Veronesischen und Viceiitinischen Geliiete finden. Aligesehen von der Sprache dieser deutschen Gemeinden, weiche der alemannisciien Mundart jeradc/.u widersjiricht, hat Kudolf Kink in dem Codex Wan;jianii5, p. 30ü (siehe V. Bd. der Fontes rer. Austriacar.) urkundlich nacliy:ewicsen, tl..S3 cij evjt im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts von den Bischöfen von Tricilt ans der Gegend \on Bozen daliin ver|illanz( wurden. ' *'••*') Ca SS io d. Vaiiar. K. e\>. 41. 418 A 1 1. e r t J ä jr e r gyricus an Theodoiich i»»): „Quid, quod a te Alemaniiiae genera- litas intra Italiae terminos sine detrimento romanae possessionis inclusa est? Facta est Latiaris custos im- perii semper nosti'orum populatione grassata". Wie konnten die Alemannen in das ostgotiiisehe Reich aufgenommen werden a"»), ohne römisches Besitzthum zu beengen, oder zu be- nachthe ilige n, wenn dies nicht an den äussersten, wahrschein- lich verwüsteten nördlichen Grenzen geschah? Wie konnte Eiino- dius von ihnen rühmen, sie, die früher römischen Reichsbodea ver- wüstet hatten, seien jetzt die Schutzwehr desselben (Latiaris custos iniperii) geworden, wenn ihnen nicht an der Grenze Wohn- plätze angewiesen waren? Alle diese Gründe werden uns demnach bestimmen, die von Theodorich aufgenommenen Alemannen nicht anderswo, als an der Nordgrenze seines Reiches, und zwar, wie wir oben behauptet haben, in Vorarlberg zu suchen. Sollte diese Schlussfolgerung nicht gebilligt werden, so möge im Umfange des Reiches Theodorich's ein anderer Ort nachgewiesen werden, wo alemannische Abstammung und alemannische Sprachlaute sieh erhalten haben ^oij. 1993 Ennodius. Opera illust. a Sismond. Paris 1611. p. 1610. 200^ Ennodius sagt zwar „intra Italiae terminos" und dieser Ausdruck mag selbst Zeuss bewogen haben, anzuriehmen, dass die Alemannen in Italien ang-esiedelt wurden; allein Ennodius konnte mit vollem Rechte die Nordgrenze Rhiitiens als die Grenze Italiens betrachten, denn RliStien gehörte unter Theodoiich so gut zu seinem Reiche Italien, wie es zur römischen Kaiserzeit zu diesem Lande gezählt worden war. 2O1) Chabert (Denkschriften d. kais. Akad. d. Wissensch. III. Bd., II. Abth., p. 78) will die Alemannen-Aufnahme durch Theodorich so auslegen, dass mehrere, dem ostgo- thischen Reiche nahe, etwa im Lenz-, Argen-, Rhein- und Allgau ansässige aleman- nische Stämme sich jetzt nach der Niederlage bei Ziilpich unter Theodorich's Schutz begeben haben, so dass sie, bleibend in ihren alten Wolinsilzen , nur wegen des ihnen gewährten Schutzes dem Gothenkönige Gelegenheit gegeben hätten, die „nostros fines" die Grenzen seines Reiches als auch über sieausgedehnt darzustellen. Was macht aber Chabert mit dem Ausdruck und Begriffe „cela n t ur nostris finibus" wenn die Alemannen draussen in der Ebene sassen ? Was macht er mit dem Aus- drucke „quos ad nos c onf ugisse conspicilis" ?, was mit dem Ausdrucke „fe ssae reliquia e"?, was ferner mit dem Auftrage Theodorich's an die Noriker, ihre kleineren Ochsen mit den für die Zucht besseren, aber „itineris longinqui- tate d efect is" alemannischen Ochsen oder Slieren auszutauschen? (Vaiiar. III. ep. ."iO) ? „Einige Fliichllinge" sagt Chabert weiter, „mögen wohl auch tiefer in Rhätien und sell.st in Italien angesiedelt worden sein"; allein die eine wie die andere der B<'hiuiptniig('n Chabert's findet in Quellen ihre Begründung nicht. Üiier (las rliälisuhe Alpenvolk der lireuui uder lircünen. 410 Kehren wir nach diesem kleinen Excurse wieder zii unserem Ausgangspuncte zurück. Unter dem Lande Alemannien, welclies die Gothen in ihrer Noth den Franken überlassen inusslen, kann, wie aus dem Gesagten sich ergibt, kein anderes Gebiet verstanden werden, als jenes, welches Tbeodurich di-n flüchtigen Alemannen eingeräumt hatte; ein anderes Alemannien konnten die Gothen nicht abtreten. Nun halte aber diese Pieisgebung der nordwestlichen Schulz- wehr des Gotheiireiches in Verbindung mit dem anderweitigen Unglücke des cdKn gothischen Volkes noch viel weiter gehende Folgen für die Alpenliinder ; sie zog auch den Verlust von Hhiilien und Rlilteliioricum nach sich. Die Franken, durch Theodorich's Tod von dem Hindernisse befreit, welches die Macht und das Ansehen dieses grossen Königs ihrer Eroberungssucht in den Weg gelegt hatte, breiteten -''•) ihre Herrschaft auch über die Thüringer in IMitteldeutschland und weiter an der Donau und zwischen diesem Strome und den Alpen über das Volk der Bajovaren -"2^ bis an die Grenze Pannoniens aus ""*). Da sie im Süden der Alpen den ganzen Saum der Gebirge von den Cottischen .Alpen über Venetien hinweg bis an das adriatische Meer in ihre Gewalt gebracht hatten , so folgte die Unterwerfung der von der fränkischen Macht im Norden und Süden umklammerten rhälisch-norischen Gebirgsländer unter 202^ U in das Jahr 536, in weklieni Alemannien iin die Kranken abgetreten wurde; denn riehtig- bemerkt Cliabert, dass vor d.essen Unterwerfung unter die Franken die weiter östlicli ansässigen Völkei-, Thüringer und l)ajo\arier kaum in Abhängigkeit geralhen konnten. 203j Sobald die Bajovarier unter diesem Namen /.um Vorschein kommen, stehen sie schon unter fränkischer Oberherrschaft. Wenn es richtig ist, dass der fränkische König Theoderich den Bajovariern das erste Gesetzbuch gab, so wären sie freilich schon vor dem Jahre .i34, dem Sterbejahre Theoderich's, in fränkische Abhängig- keit gekommen. Sicher geschah die Unterwerfung der B.ijovarier wie die dei- Thüringer niciil in einem einzigen Jahre. so*) Wir erfahren diese grosse .Vuslireituiig der fränkischen Macht aus einem Berichte Theodebert's, der seinem Vatei- Theoderich 034 nachfolgte, an den oströmlsehen Kaiser Justinian. „Dei misericordia feliciter subaclis 'Ibüringis et eorum provin- ciis acquisitis, extinctis ipsoruin tunc teniporis regihus, Norsavorum (sollte viel- leicht gelesen werden Xorgavorum? Noricorum? Chabert) gentis. nobis placnta niajestas colla subdiiiit (unterwarf sich freiwillig) . . per Uanubium et limitem Pannoniae usijue in Oceani litoribus, cu^todienle Oeo, dominatio nostra porri- gilur-'. Tiieodeberfs Brief an Ju.ttinian (jo4 — j47J bei Un Chesue I. ibiVi. 420 Albeit Jäffei ihre Herrschaft noihwendig von selbst, und alles Land, was man bis dahin unter Ruätien und Miltelnoricum begriffen, fiel den Franken anheim. Die Beweise dafür liefert uns eine dem Jahre 591 aiigehörige Quelle, das Schreiben jener schismatischen Bischöfe an den oströmi- schen Kaiser Mauritius 205^, dessen in unserer Untersuchung schon (oben S. 361 u. 362) Erwähnung geschah. Aus diesem Schreiben ersehen wir, dass die gallischen (fränkischen) Bischöfe in den bischöflichen Kirchen von Tiburnia 206)^ Breonium 207) um] Augusta (Augsburg) Priester einsetzten, was nur möglich war, wenn die Provinzen, in denen die genannten bischöflichen Sitze sich befanden, unter fränkischer Herrscbaft standen 208), Über die Zeit, wann diese Einverleibung der rhätisch-norischen Gebirgsländer in das Frankenreich vor sich ging, gibt uns eine Nachricht bei Paulus Diaconus nähere Auskunft. Er erzählt im 4. Capifel des II. Buches, dass Narses den Bischof Vitalis von Altinum nach Sicilien in die Verbannung geschickt habe und fügt hinzu: „Dieser Vitalis war viele Jahre früher (ante annos plurimos) aus der Stadt Altinum in d as Reich d er Fr anken in die Stadt Agont hia geflohen" so»). Eckhard in seinen Commeiitarien de rebus Franciae oriental. setzt die Flucht des Vitalis in das Jahr S36; daraus ersehen wir, dass die Ausbreitung der fränkischen Herrschaft auch über die rhätisch- norischen Gebirgslande ganz zur selben Zeit geschah, als die Franken Alemannien und Bajovarien ihrem Beiehe einverleibten. Wie lange die Herrschaft der Franken über Rhätien und 3Iit- telnoricum dauerte, ist nicht genau zu bestimmen. Nach einer Stelle des Briefes der schismatischen Bischöfe wurde sie noch unter Kaiser Justinian I., also vor 565 aus einem grossen Theile dieser 205) Das Schreiben bei Sinnacher I. 147. Beil. 10. 206) Über Tiburnia siehe Anmerk. 26. äo^) Das bischöfliche Schreiben nennt ecciesia ß e c o n c n s i s. Dass wahrscheinlich Breonensis zu lesen sei, wtirile oi)en S. 3G2 — 364 nachgewiesen. 208) Die betreffende Stelle im Schreiben an Mauritius lautet : „ul, quod ante annos fieri coeperat, et in tribus ecciesiis nostri Concilii, Beconensi, Tibur- niensi, et Augustana Galliarum episcopi co n s t i t u e r a n t saeerdotes". 209) Bei Paul Diac. 11. 4. „qui ante annos plurimos ad Francoruni regnum con- fugerat h. e. ad A g o n t h i e n s e in civilatem". Wenn gleich die Codices in der Schreibung des Namens Sehr abweichen, der Modoec. Magothiensem, der Lind. Magontiensem und der Bamberg. Gonthiam liest, folgt Muratori doch der Lese- art Agonthieusis. d. i. A l; ii ii t u ni an der Drau in IS'oricum. Ülier iliis rliiilische AI|iciivolk iIit Breuiii udi-i- BreiiU'ii. 4 -i 1 Läiiilcr durch die Byzantiner verdräiijif f. Die scliism;itisclien Bischöfe schreiben niiiiilich ;»n Mauriliiis, dass Jusliiiian dem Eiiidriiif:jeii IVäiikischei* Priester in die oben genannten Bisthüiner ein Ziel gesetzt liabe 2ioj, ^vas voraussetzt, dass Justinian wenigstens die Gebiete der ecciesia Tii)uriiieiisis und Bieonensis den Franken ent- rissen l)abe. Sie schreiben ferner, dass t.ie „die heilige griechisclie Herrschaft, unter welcher sie einst rnliig lebten, noch nicht ver- gessen haben" 2"). ^vas wieder voraussetzt, dass sie von der fränki- schen Herrschaft befreit und unter die byzantinische versetzt worden waren. Wahrsclieiidicli geschah dies in Folge jener grossen Nieder- lage, in welcher um das Jahr 054 die alemannisch-fränkischen Heere unter Leutliaris und Butiiin in Hallen vernichtet wurden und Ohcritalien für die Franken verloren ging^ja). Allein auch die byzantinische Herrschaft dauerte in diesen Gegenden nicht lange. Die im Jahre 568 in Italien einwandernden Lo ngobar den entrissen ihrVenetien, drangen in die Alpen hinaul und erriclitelen 569 das Herzogthum Trient s'^). Wahrscheinlich unterwarfen sie sich auch über Trient hinauf das Eisak-, Hienz- und Draulhal, Dafür spricht zutiächst die Thatsache, dass nach den» Zeugnisse der schismatischen Bischöfe die griechische Herrschaft aus diesen Gegenden verdrängt M'orden war, was wohl nicht durch die früher vertriebenen und jetzt etwa wieder zurückgekehrten Franken geschehen sein konnte, da diese, wie wir sehen werden, nicht einmal im Stande waren, den Longobarden die Gegenden an der Etsch wieder zu entreissen. Zweitens spricht dafür der Umstand, dass der Bischof des zweiten Bhätiens Ingenuin, noch im Jahre 590 bei dem Loskaufe der von den Franken auf 1 o ngob ar di s c hem Gebiete an der Etsch gemachten Gefangenen als Befreier mitwirkte , was darauf liindeutet, dass Ingonuin's Diöcesanangehörige nicht 2'") „In liil)iis ecck'süs nostri Concilii Calliiirum cpiscopi constilueiaiit sacerdoles; ol iiisi tiiiic (livae incinoriae .liisliiiiaiii priiii'ii>is jiissioiie cdinmotio parlimn nosliaiHim remota fuisset, pro nostri.s iiiiiiuilatibiis peiie omiies occlesias ad AiiiiiU-jciiseiii syim- diiin pertiiientes GnMiaruin sacerdoles pervasuraiit." -") „Deinde iioii oliliti siiimis saiKlain icinpublicam vcslraiii , siili 'lua olim quielo vixiriiiis." •-'i.;) Paul. hiac. lil.. II. cap. 2. .A-^alliia.s II. :JSO. = '«) l'aul. Piac. II. r. 14. 33. 422 A Iheit JÜger unter fränkischer, sondern longohardischer Herrscliaft standen 2'*). und drittens der weitere Umstand , dass auch der eben genannte Bischof des zweiten Rhätiens, Ingenuin, S91 die Klage der schisma- tischen Bischöfe über schweren Druck der Barbaren mitunterzeich- nete ~^^), was nur eine Klage gegen die Longobarden sein konnte, die als Heiden gegen Priester und Kirchen grausam wülheten 2>6), nicht aber eine Klage gegen die christlichen Franken ~^^). Der Verhist eines grossen Theiles des rhälischen und niitfel- norischen Gebietes an die Longobarden war nun aber Ursache, dass die Franken von 577 — 590 zur NViedereroberung des Verlornen wiederliolte Heereszüge in die Gebii'ge unternahmen. Der bedeu- tendste dieser Einbrüche war der von 590. Gregor von Tours gibt uns ausführlichen Bericht über ihn ^^^), Die Franken, so erzählt er, hatten sich mit dem byzantinischen Hofe in Verbindung gesetzt zu einer gemeinsamen Unternehmung gegen die Longobarden. Unter zwanzig Führern entsendete König Childebert sein Heer zu dem bevorstehenden Kampfe. Die Schaaren zogen von Melz aus herunter nach dem Süden. Angelangt an der Grenze Italiens, was, wie der Verlauf der Erzählung andeutet, keinen anderen Sinn haben kann, als: angelangt am Nordabhange der Alpen, lösten sie sich in drei Abtheilungen auf ^i»). Die eine, unter dem Oherfeldherrn Audwald und sechs andern Führern, wendete sich rechts, und drang, wahr- scheinlich über den grossen Bernhard und über Aosta nach Mailand vor. Olo, ein anderer Führer, schlug den Weg über den St. Gott- hard und Belinzona ein ^aoy Chedin, mit 13 Führern, wendete sich links, um über die rhätischen Gebirge (Arlberg und Vinfschgau) s'*) Paul. Diac. Hl. 30. Vgl. Res ch, Annal. Sabion. I. 401 not. 16Ö. 2'*) Im Schreiben an Kais. Älauritius S91 : „nam etsi nos peccata nostra ail teinpiis g' r a- vissimo jugo suininiserunt" — „contriti Dei judicio injugo barbaric o". 2'6) Paul. Diac. II. 32. ^i*") Vergleiche Anmerk. 210. 2i8j Gregor. Turon. Histor. Fi'aneor. IIb. X. cap. 3, edit. lUiinart. 2 '9) Die Trennung der viginti duces nach rechts und links geschah nicht, wie man nach Paul. Diac. III. 30 annehmen möchte, von .Mailand weg, sondern wie Gregor von Tours ausdrücklich sagt: „Apropinquautcs autein ad lenniniim Italiae (sie kamen von Me t /. her „(juae eis in itinere sita erat") Audovaldus cum sex ducibus d e x- teram petiit, alque ad Mediolanensem urbem venit". **") „Olo autem Uux ad Bilitionem (Belinzona), in campis situni caninis importiine acce- dens, j.Tfiilo sauciatus cecitlil". 1 Ül)cr (la< rli iti^t•lll' Aliioiivolk ilci- Üri'imi mlci- Ifi't'iuii-ii. 4- 4 O an die Etseh zu gelangen, wo die vorlornen oder ahgefalltMien Gebiete wieder gewonnen werden sollten ~-^). Diesen Chedinns sehen wir nun mit seinen Scliaaren im jetzigen Südtirol die Gehirge übersteigen, die Tliäler durciizielien , Burgen breclien ^s':^, Jie Besatzungen als Gefangene mit sich schleppen, den Einwohnern den Eid der Treue abfordern, und für den Frankenkonig jene Gebiete in Besitz nehmen, die dessen Vater besessen hatte--"). Bei dieser Gelegenheit befhätigten, wie schon früher bemerkt wurde, dt-r Bischof dos zweiten Rhütiens, Ingenuin, und sein nächster Nachbar, 221) „Chedinns autcm cum treJecim diicibus laovam Italiae ingressiis, qiiiiiqtie castella cppit." Über den Weg, den Chedinns einschlug-, herrscht unler den tirolischeii Geschichtsforscliern grosse Meiniiiigsverschiedeiiheit. Die italienischen, fiiovanelli. Barbacovi u. A. lassen ihn durch V'al di Sol in den Nonsberg hereinbrechen, wornach man annehmen iniisste, dass sein Zug entweder über den Spliigen nach Chiavenna oder über das Berninagebirge nach Vaitelin und von dort nach Val Camonica und über Ponte di Lcno gerichtet gewesen sei. Möglich, aber nicht wahrscheinlich, um in das Etscbland zu gelangen. Sie stützen ihre Ansiclit darauf, dass einige der ([iiin.ine castella auf dem Norsberge zu suchen seien. Siehe darüber die folgende Anmerkung. 222^ Die „quinque castella", welche Gregor von Tours nicht näher bezeichnet, zählt Paul. Diacon. III. 30 den Gregor hier ergänzend namentlich auf. „Nomina autem Castrorum, quae diruerunt in territorio Trentino ista sunt: Tesana, Maletum, Semiana, Appianum, Fagitana, Cimbra, Vitianuni, Brentonicum, Volenes, Ennemase, et duo in Alsuca, et unum in Verona.'- Über die Piichligkeit der Leseart dieser Namen, sowie über die Lage der zerstörten Schlösser weichen die Codices und Ge- schichtsforscher sehr von einander ab; es genüge, dass sie nach der bestimmlen Versicherung des Paul. Diacon. auf dem Trid e n ti ne r Territorium zu suchen sind. Wichtiger ist die Frage, warum Paul. Diac. nur die zerstörten Burgen des Tridentiner Gebietes aufzählt? Sollten die Franken, welche nach Gregor von Tours scbon zu Metz, auf heimischer Eide zu morden und zu rauben anfingen, diese ihre Lust nur im tridenliniscben Gebiete und sonst nirgends befriedigt haben ? Die Sache erklärt sich am einfachsten daraus, dass Paul Diacon. wahrscheinlich den leider verloren gegangenen Secundus tridentinus vor sich halte , für den natürlich das, was sich auf Tridentiner Boden zutrug, das nächste und grösste Interesse haben musste. 223\ Piiul Diac. III. 30: „Haec omnia castra cum diruta essent a Francis, cives universi ab eis ducti sunt captivi. — Gregor v. Tours loc. cit. „quinque ca- stella cepit Chedinus, a quibus etiam sacramenta exegit" — und dann wieder: „Exercitns Franeorum aiirum intemperantia ac fame nitritus redire ad propria destinavit, subdens etism illud, acceptis saeramentis, Regis ditionibus, quod pater ejus prius habueral, de quibus locis et caplivos et alias ah- dnxere praedas". Paul. Diac. loc. cit. ergänzt diese Angaben mit folgenden Worten: „Post sacramenta aulein data, gentes, quae se eis credideranl . per- emptae sunt, nulltim ab eis doluni exislimanles". 424 Alliert Jii bei- der Bischof Agneilus von Trient, ilire oberhii'lliche Sorgfalt, indem sie Schonung für die Besatzung von Yeruca ertlehten, die Gefan- genen loskauften 224) und Agneilus nach hergestelltem Frieden sogar in das Frankenreichwanderte, um den fortgeschleppten Gefan- genen und Geiseln die Befreiung zu erwirken 225^, w^je viel von dem ehemals besessenen Gebiete sich die Franken bei diesem Ein- brüche wieder zueigneten, ob sie ihre verheerenden Streifziige auch in die Thäler des Eissik, der Rienz und Drau ausdehnten, darüber berichten die Quellen nichts; man möchte es aber aus dem Um- stände bejahen, weil Avir der! Bischof der ecclesia Breonensis oder secundae Rhactiae, Ingenuin, der, was wohl zu bemerken ist, erst von spätem Schriftstellern, zuerst von Paul. Diaconus „de Savione oder Sabiona" genannt wird 226), bei derLoskaufung derGefangenen thätig sehen, die also wohl auch aus seinem Bisthumssprengel gewesen sein mögen. Dessgleichen finden wir in den Quellen keine Angaben, welche Verfügung die Franken mit den wiedercroberten Gebieten getrolTen haben. Dürfen wir aus den Zuständen, die wir nach dem Abzüge der Franken in den Gegenden, welche sie ver- wüstend durchzogen hatten, wahrnehmen, einen Schluss ziehen, so *-*) Paiil. Diac. loc. cit. „I'ro Fenuge (Veruca? der Cod. Amines, liest: Femig^ero Formicarium = Sigmuiidskroii ?) vero Castro intercedenlihus Episcopis Ingenuiiio de Savione et Ag-nello de Tridentinö data est redenitio pro capite uniusctijiisque viri solidi sexcenti." 225j Paul. Diac. IV. 1. Coiifiimala igitur Agilulfi regia dignitate causa eoruni , qui ex eastellis Trideiitinis captivi a Francis ducti fiierant, Agnelluin episcopuin Tri- denlinnm in Franciani niisit, qiü exinde rediens aliquantes captivos, quos Bruni- hildis regina Francoriiiri ex proprio pretio redemerat, revocavit. 226) Ingenuinus selbst unterzeichnete sich 579 und S91 „Episcopus sanctae eeclesiae secundae Rhaetiae". — De Saliiona netint ihn erst Paul. Diaconus. Nimmt man an, dass Paul. Diacon. seine Notizen über Ingenuin aus dem Secundus Triden- tinus, auf welchen er sich öfter, z. B. III. 28., IV. 28. beruft, geschöpft und bei diesem ihn mit dem Beinamen „de Sahiona" gefunden habe, so könnte Ingenuin diesen Titel erst zwischen 391 und G12, dem Todesjahre des Secundus von Trient, sich beigelegt oder erhallen haben; es ginge aber noch weiter daraus hervor, dass Ingenuin erst nach 591 und zwischen 612 seinen Sitz zu Sabiona- Saeben aufschlug. Er mag früher Hegionarbischof ohne bestimmten Sitz, episcopus secundae Pihaetiae, oder eeclesiae Breonensis gewesen sein. Erstreckte sich seine Wirksamkeit als Regionarbischof vielleicht auch hinaus in das ehemalige Vinde- licische Gebiet? Ui.d erkliiren sich daraus die Spuren von Beziehungen zu Wes- Kobrunn und Polliiigen? Yergl. Ilesch. Annal. I. 302 — 374. 4 Olier «las rliätiselie AIppnvolk dvi- I!i-oimi (mIit liicoiien. 4-2 O Avurden in dem I»;i!(l darauf zu Slaiule gckommoiion Frieden -•'') die südlichen Tiieile Rhäliens, etwa von Meran und Brixen abwärts den Longobarden, der östliche und nördh'che Theil hingegen den Bajovariern überlassen. Von IMittelnoricum und selbst vom Drau- thale konnte keine Bede mehr sein, weil diese rjandscluifteti schon seit dem Abzüge der Longoharden aus denDonaulaiidern, besonders aber seit 591, von slavischen Stämmen übeitlatet wurden, unter deren verheerenden Zügen bald Temmia und Aguntnm in Trümmer sanken. Doch weit wichtiger als alle diese, seit dem Tode des osfgo- fhisehen Königs Theodorieh eingetretenen Gebiets- uiulllerrschafts- veränderungen, und von den entscheidendsten Folgen für das rhäti- sche Gehii-gsland wurde die im Voranstehenden wohl schon ange- deutete, aber nicht näher bezeichnete Ausbi'eilung des bajovari- sehen Volksstammes über dasselbe. Durch die bleibende Niederlassung dieses germanischen Volkes in den Thalgebieten des Inn, des Eisaks, der Rienz und an den Drauquellen, sowie an der Etsch bis unterhalb Bozen hinab wurde Alles, was von altrömischer, unter der gothischen Herrschaft noch beibehaltener Provinzeinrich- tung, Ortsbenennung, Sprache, Sitte und Leb( nsweise übrig war, verdrängt oder verschlungen, und der Grund zu dem seit dieser Zeit entstehenden Tirol gelegt. Wann diese oiTenbar massenhafte Einwanderung der Bajovaren geschah, hüt keine Quelle aufgezeichnet, gerade so wie in keiner Quelle die Nachricht aufbewahrt wurde, wann und woher das weit verbreitete Volk der Bajovarier an der Donau erschien und wann es bis an die Alpen vorrückte —s^. Seine Einwanderung in die Gebirge Tirols müssen wir im Allgemeinen in die Zeit verlegen. 227» Paul. Diacoi). IV. 1. „Evin tnioiiiie Dnx riiiliMilinoiiiiii :iil obtiiiendam paccm ad GaUias perrexit, qua et impetiala regiessiis est. — ca|i. 7. Uis dielms Tassilo a Cliildeberlo rvge Fraiicoi-um apiid Bojoai-iam rox orclinatus e,s( ; qiii inox cum exereitu in S da v o ru in proviiiciain inlroiiMis, palrala victoria ad soliim pro|iriiiin remeavit". — cap. 41. „.Morliio Tlias.siloiie liliiis ejus (Jai-ihalilns in A jj u ii t u a Sciavis devictus est." 228^ Die j^iündlicJisten Forschungen über Ilcikunfl und erstes Auftreten des liajoari- sclien Voliisstammes bat Zeiiss: Die Deutseben etc. S. 364— SSO. oder in seiner M)baud 1 un jj: Di'' Merkmilt der Havern von den .Marcoinaniieii. München 1S;>7 "eliefert. 426 A 1 1) e )• t J ii jr e r welche dem Tode des ostgotliischen Königs Theodoricli folgte, und mit näherer Begrenzung in die Zeit innerhalb der Jahre 565 und 595. Venantius Fortunatus, der um diis Jahr 564 — 565 auf seiner Pilgerreise zum Grabe des heil. Martin von Tours die Thäler an der Drau und Rienz, am Eisak, an derEtsch und am Inn durchwanderte, fand die Bajovaren noch nicht im Gebirge, sondern erst draussen im Flachlande, ehe er den Lech überschritt ^•^). Hingegen zum Jahre 595 überliefert uns Paul. Diacon. IV. 7. die Nachricht, dass der vom fränkischen Könige Childebert zum Könige von Bajovarien eingesetzte Thassilo sogleich mit einem Heere die Slaven in ihrem Lande aufsuchte 23o^_ Dass wir unter der „provincia Sclavo- rum" das Drauthal verstehen müssen, darüber gestatten dieKämpfe Thassilo's und seinesSohnes Garibaldvon 595 — 610 keinen Zweifel, alle wurden an der oberen Drau, in den Umgehungen von Aguntum ausgefochten 231^, indem die Slaven im Bunde mit Avaren zwischen 592 — 595 nicht nur Steiermark und Krain, sondern auch Kärnten der Drau entlang hinauf bis an deren Quellen und das nebenliegende Gailthal und Windisch-Matrei überschwemmt hatten, und weiter in die rhätischen Gebirge hinein vorzudringen versuchten 232^. Jm Jahre 595 sehen wir daher zum ersten Male ein bajovarisches Heer in den rhätisch-norischen Gebirgsthälern südlich vom Brenner auf- treten, ofl'enbar zum Schutze eines Besitzthums, welches sich die Bajovaren von den Slaven nicht entreissen lassen wollten; daraus fliesst aber folgerichtig, dass die Bajovaren die an der Heerstrasse von Baiern hinein in die Gebirge gelegenen Thäler, das untere Inn- thal, Wippthal und Puslertha! bis an die Drauquellen zw^ischen den Jahrer ilas rhätische Alpcnrolk der Breuni oder ßreonen. 429 verräth die ganze Darstellung bei Venantius nicht mit der leisesten Andeutung, dass irgend eine drückende, oder gar Land und Leute afcsorbirende fremde Herrschaft über die Breonen ausgeübt wurde. Die Angaben des Venantius sind zu interessant und zu viel Licht verbreitend, um nicht näher betrachtet zu werden. Venantius, sein Büchlein a|)Ostro|)hirend, gibt ihm die Weisung, denselben Weg von Tours nach Ravenna aufzusuchen, den umgekehrt er von Italien nach Gallien zurückgelegt hatte. „Wird dir gestattet, so spricht er zu seinem Uüchlein, im Lande der Barbaren ruhig den Rhein und die Donau zu übersetzen, so eile nach Augsburg. Darfst du weiter ziehen, und versperrt dir der Bajovar den Weg nicht, steig über die Alpe (perge per alpem, über den Vern?) hinüber in die nahe gelegenen Sitze der Breonen (in das Innthal), dann fortwandelnd längs dem tosend dahin eilenden Innflusse (Ingre- diens rapide qua gurgite volvitur Oenus, doch wohl Oberinntha!?), suche auf die Tempel des gebenedeiten Valentin (inde Valentini benedicti templa require; also den Inn entlang hinauf, um von dort über die Höhe von Nauders und Besehen, durch Vinfschgau hinunter, bei Mais die von St. Valentin gegründeten heiligen Stätten zu besuchen)'. Dann wende dich den norischen Gebieten zu, wo der Byrriis seine Wogen wälzt (noriea rura, ubi Byrrus vertitur undis, d. h. liinaus in das Norilhal, welches Eisak und Rienz durchströmen) um sofort der Drau entlang, wo auf schwindelnden Höhen die Burgen aufragen und auf stolzem Hügel Aguntus thront, rasch über die Julische Alpe an Wolken nahen Bergen vorbei (über den Kreuzbeig) italienischen Boden zu erreichen" 237^. Wip sehen in dieser Reisebeschreibung, nebst einer unschätzbaren Angabe eines der damaligen Strassenzüge zwischen Aquileja und Augsburg, die Breonen in ihren oberinnthalischen Sitzen als für sich bestehendes Volk aufgeführt. Von der Zeit des Venantius Fortunatus, Mitte des sechsten Jahrhunderts, bis zur Zeit des heil. Corbinian, ging nun freilich viel über die Wohnsitze der Breonen hinweg; allein auch nach diesem 237) Ver^'I. Anm. 19. Was die A Ip is Jul i a, welche Forlunnlus überstieg, anhelang:», so d;irf nicht an die Julischen Alpen gedacht werden. Wuhrscheinlich erhielt der heutige Kreuzberg den Namen Alpis Julia von Juliuin Caruicum, dem gegenwär- tigen Ziiglio oberhalb Tolmezzo. 29* 430 Albert Jüger Zeiträume von mehr als J60 Jahren erscheinen sie noch im Besitze ihrer alten Heimat und Nationalität. Wir erfahren dies aus Aribo's Lehensgesehichte des genannten Heiligen sss^. Bei Gele- genheit, wo Aribo die zwischen 723 — 730 fallende Reise Coibinian's nach Rom erzählt, berichtet er unter Anderm, dass Herzog Grim- wald, Theodo's Sohn, dem heiligen Manne ein Gefolge mitgab, welches ihn ehrenvoll und sicher bis an die Grenze Italiens geleiten sollte 239), Zugleich hatte aber Grimwald den Begleitern befohlen, an der Strasse hin und hin in der Stille und ohne Wissen des heiligen Mannes überall den Auftrag zurückzulassen, dass, wenn der Mann Gottes auf der Rückreise wieder in diese Gegenden kommen sollte, man ihn nicht aus dem Lande der Bajovaren wegziehen lasse, er hätte denn zuvor den Hof des Herzogs wieder besucht. Die her- zoglichen Diener thaten wie ihnen befohlen worden; sie schärften den Beamten (actoribiis) und den Bewohnern der Alpen sowohl in Vintschgau als auch sonst überall 2*0) den Befehl ihres Herrn ein. „Als nun, so erzählt Aribo weiter, Corbinian auf dieser Wan- derung nach Rom in das Land der Breonen kam, schlug er sein Nachtlager in der Nähe eines Waldes unter Gezeiten auf, und da ereignete es sich, während die Pferdehüter sorglos einschliefen, dass ein Bär das Boss des Heiligen zerriss u. s. w." Aus dieser Reisebeschreibung entnehmen wir zunächst, dass um 723 — 730 die Bajovaren schon über Vintschgau und andere Gegenden in Tirol herrschten, und die Grenze zwischen ihnen und den Longobarden, wie aus dem weiteren Verlaufe der Erzählung hervorgeht, unterhalb dem Castrum Magiense (Mais bei Meran) gezogen war. Wir entnehmen aber hauptsächlich, dass die Breonen um diese Zeit noch vorhanden waren, und zwar in jener Gegend, welche wir schon lange als ihre eigentliche Heimat erkannt und nachgewiesen haben, nämlich in den oberen Gegenden des Inn- 238) Meichelbeck, Histor. Frising. Tom. I. P. 2. iiistrum. cp. X. 239J „Qui eum deducerent a finibus Noricensibus (Baierii) usqiie in Italiae partes." 240) ^jActoribus et babitatoribus Alpium mandaverunt , tarn Venusticae vallis , quam aliis ciroumquaque ete." Die herzoglichen Oiener konnten dies sowohl auf der Hin- ais auch auf der Rückreise thnn, was sich mit dem „ignorante viro Deo" noch immer verträgt; und so kann, da die Reise durch Vintschgau ging, unter „aliis circum- quaque" auch Oberinnthal darunter verstanden werden. Üi)er (Ins rhätisclie Alpciivolk iltT itroiiiii oilcr Breoiien, 4o l tliales, denn zwischen Baiern und Vintschgau konnte Corbinian nur dort in das Land der Breonen kommen. Hier sei im Vori)eigehen auf eine Schwierigkeit hingewiesen, welche der Verfasser der Annales ecelesiac Sahionensis in der vor- stehenden Stelle Ariho's zu finden glauhte, die aber Itei näherer Betrachtung nur sein subjectiver Irrtluun war. Resch konnte sich nicht erklären, wie Corbinian und seine Begleiter zuerst an die italienische Grenze und dann erst in das Land der Breonen gekommen sein sollen. Er suchte sich dadurch aus der Verlegenheit zu helfen, dass er den heil. Corbinian die Reise über den Nonsberg machen und nach Brez, einem kleinen Dorfe im Gerichte Fondo kommen lässt, so dass er annimmt, es müsse bei Aribo statt Breones, Brc- cines, Brecium gelesen werden. Wahrhaft ein müssiger Kummer d(!S gelehiten Mannes. Er bedachte nicht, dass die Quelle nirgends behauptet, Corbinian sei zuerst in das Vintschgau und dann erst zu den Breonen gekommen; sie erzählt im cap. X einfach die Reise Corbinian's bis an die italienische Grenze, wo ihn seine Begleiter verliessen, und dann im cap. XI, unabhängig vom Vorausgehenden, einen Vorfall aus der Reisegeschichte, der sich im Lande der Breonen zugetragen. Resch beachtete ferner nicht, dass bei dem Vorfalle mit dem Pferde und dem Bären im Lande der Breonen die bajoarische Reisegesellschaft noch bei Corbinian war, wofür die vielfache Zahl der Pferde und Pferdewäcbter Zeugniss gibt, dass sich diese Geschichte somit in einer Gegend zugetragen haben müsse, die eher erreicht wurde als Vintschgau, und daher unmöglich auf den Nonsberg verlegt werden könne. Aribo fährt hierauf fort in der Erzählung der weiteren Schick- sale Corbinian's und berichtet uns über dessen Rückkehr von Rom, über die Veranlassung zu seiner Ansiedlung in der Gegend des Castrum Magiense (Mais), über seine Reise an den Hof des Herzogs Grimoald. über seine Flucht in die Gebirge nach Mais, über seine zweite Piückkehr nach Buiern, über seinen Tod und über die Uber- triigung seiner Gebeine .nach dem Castrum Magiense, um dort, \\ ie der Mann Gottes vor seinem Tode gewünscht und angeordnet hatte, an der Seite Valentin's beigesetzt zu werden. Bei Gelegenheit nun, wo Aribo die Übertragung der lieiehe des Heiligen nach Südtirol beschreibt, macht er uns neuerdings mit den Breonen bekannt, und zeichnet im Vorbeigehen einige Züge, welche uns gestatten, noch 432 A I I. e r t J ;; g e r einmal in die Eigenthümlichkeit dieses Volkes hineinzublicken. „Herzog Hiigbert, so erzählt er, erfüllte den Wunsch des Heiligen und Hess dessen Leichnam in die Gebirge übertragen, um ihn dort an der Seite des seligen Valentin zur Ruhe zu bestatten. Als nun der Zug, welcher die Gebeine des heil. Bischofs begleitete, in die Gegend der Vallenses kam 2*1), üess sich ein edler Romane, Namens Dominicus, ein Bürger des Br eonischen Volkes 242^^ der an heftigen Fieberanfällen litt, in die Nähe der Leiche des Mannes Gottes bringen, und siehe da, er erlangte seine vorige Gesundheit so schnell, dass er sogleich sein Pferd besteigen und Gottes Allmacht preisend nach Hause reiten konnte". Hier also begegnen wir noch einmal den Brennen und wieder in dem Gebiete, in welchem wir sie vom Anfange her kennen gelernt, das aber von jetzt an unter seinem späteren Namen Vallis Eni = Innthal zu erscheinen anfängt. Was aber für uns von besonderer Wichtigkeit ist, aus Aribo's Erzählung fällt gewissermassen der letzte Strahl auf die von den Breonen scheidende Geschichte — ihrer erwähnt in diesen Gegenden keine spätere Quelle mehr — und beleuchtet noch einmal ihre Eigenthümlichkeit. Die Breonen im Oberinnthale bilden noch einen eigenen Volks- stamm und haiien ihr gesondertes Gemeindewesen (plebs Breo- nensis), sie erscheinen als Romanen, d. h. im Laufe der Jahrhun- derte romanisirte Rhätier; unter ihnen gibt es adelige Geschlechter (nobilis Romanus), sie haben noch Reste römischer Verfassung, z. B. den Begriff und die Einrichtung des Bürgerthums (civis plebis Breonensium), sind aber dem Christenthume eifrig ergeben, was eben der romanische Edelmann Dominicus an den Tag legte. Dürfen wir den Ausdruck „plebis Breonensium civis" in einem engeren Sinne fassen, und darunter eine bestimmte Localgemeinde, I 241) Vallenses = Thalbewohner; eine Schenkungsurkunde bei Meichelbeck T. I. P. II. instrum. Nr. 12. hat Va 1 1 en en s i um, vielleicht zur Bezeichnung der V a 11 i s-En i = Innthal. „Donatio praedioiuni in pago Vallenensium in villis PoUinga, Fluri- ninga etc." Hier tritt das erste Mal anstatt des „B reo n i u m" des Fortunatus und .instatt „regio ßreonum" des Paul. Diacon. der Name Vallenses oder Vallenenses = Innthal auf; ein Beweis für das Weichen aller älteren Namen bei der stärkeren Ausbreitung der Germanen. **») Cap. 35. „Quidam nob i li s Ro m anu s, nomine Dominicus, Breonensium ple- b i » elvi s, ad viii Dei corpus venit " über das rliätische Alpeuvulk der Brcuiii uder Breoiien. 4 3 O deren Bfirgcr Dominicus war, verstehen, so lässt sich aus diesem letzten Streiflichte, welches auf die Brennen im Oberinnthale fällt, mit ^'rosser Walirseheinliclikeit sograr einer der Hanptsitze dieses Volkes in dortiger Geijend ermitteln. Resch und 11 o seh mann liaben {jeglaubt, in dieser „p'fbs Breonensis" Veldidena als den Hauptort von Bnonium erkennen zu dürfen; allein ich nehme keinen Anstand, diese Gemeinde in der Gegen J von Landeck zu suchen. Ab- gesehen davon, dass von Veldidena zu Corbinian's undAriho's Zeiten keine Spur mehr vorkommt -'*^), zeigt schon die Richtung, in wel- cher die Gebeine Corbinian"s geführt wurdcMi, dass diese Gemeinde der Breonen nicht am Inn abwärts, sondern an diesem Flusse hinauf irgendwo liegen musste. Für die Gegend von Landeck spricht der Umstand, dass sich dort in dem Namen des Ortes Pryenn -**) am Fusse des Felsenschlosses Schrofenstein, unstreitig das Andenken Hd einen der vorzüglichsten Sitze der Breonen odc-rBrionen erhalten hat, was auch dai in seine Beslätignng findet, dass auf den Pi yenner Feldern viele römisch-ihätische Funde ausgegraben wurden 245j. -*'*] Es muss auffallen, dass unter der Regierung des os(goth!$ehen Königs Tbeodorich Veldidena's mit keiner Sylbe erwälint wird ; dass selbst Tiient , wie es scheint, aus einer Zerstörung wieder aufgebaut werden musste. Mitn nimmt gewöhnlich an, dass Veldidena durch Attila's Hunnen auf ihrem Zuge verwüstet worden sei, ohne jedoch diese Annahme auf eine QueUe stützen zu können. Es ist viel wahrschein- Hcher, dass Veldidena und Trient durch streifende Alemannen und Suevcnhorden ihr trauriges Schicksal erfuhren. >'ach Gregor v. Tours K. 19 iiberschwemraleu Alemannen zwischen 477 — 479- einen grossen Theil Italiens. Nach Rugippius cap. 23 streiften .Alemannen und Sneven in Ithälien herum ; nach cap. 22 wurde um 476 Passau von Alemannen überfallen und verwüstet; nach cap. 24 Joviaco (Salz- burg) von Herulern überfallen und dem Erdboden gleichgemacht; nach cap. 25 ver- wüsteten zahllose Alemannen (Alamannorum copiosissima mullitudo) .Mittelnoricum, während wir hinwieder aus Eugipp ins wissen, dass in üfernoricum an der Donau, wo Attila's Zug vorbeiging, zu Severin's Zeit bis 4SS herauf, Städte und Burgen von seinem Zuge unberührt sich erhalten hatten. 24«) In neuester Zeit beliebt man Perjen zu schreiben und den N;imen, nach Assonanzen haschend, durch „per Oenuni" zu erklären. Die Alleren, z. B. .Anich und Zoll er kannten kein Perjen, sondern ein Pryen oder Prienn. '*5j s ta f f I er: Tirol etc. 1.226 beschreibt die Lage von Pryenn wie folgt: .Nördlich (Landeck gegenüber) am linken liinufer. durch das hohe Sehrofensteiner .Nordge- birge gegen die rauhen Stürme geschützt, und gar freundlich von der Sonne beschienen, erhebt sich das Dörflein Perjen aus der .Mitte wogender Saaten, umrankt von schwer beladenen Fruohlbäumen". Cber die Bedeutung der Gegend von Landeck zur Römerzeit sagt Staffier p. 227. „Dass die Gegend im Landeck schon von den Röicern bewohnt gewesen, dürfte um so minder tiuem Zweifel unterliegen, als schon die öitliche Eigenheit beim Zusammenströmen 434 A I I) er t J ;ige r Mit dieser Nachricht Aribo's verschwinden, wie schon oben bemerkt wurde, die Breonen des Oberinnthaies aus der Geschichte; ihrer geschieht keine weitere Erwähnung mehr. Und endlich die letzte Spur des Daseins romanisirter Breonen in den rhätischen Gebirgen überhaupt, zugleich aber den Beweis ihres allmählichen Aussterbens oder Aufgehens in der bajovarisch- deutschen Bevölkerung finden wir im zweiten Jahrzehent des neunten Jahrhunderts am südlichen Abhänge des Brennergebirges. Ein in der Gegend von Sterzing, Bozen und im Vititschgau reich begüterter Romane, Namens Quartinus, allen Anzeichen nach der letzte seines Geschlechtes, opferte den grössten Theil seiner Be- sitzungen im Jahre 828 dem Kloster und der Kirche von Innichen, und bezeichnete sich bei dieser Gelegenheit als einen Sprössling und Angehörigen des Volksstammes der Noriker und Breonen. „Ego Quartinus, mit diesen Worten leitet er seinen Schenkungsbrief eic, nationis Noricorum et Pregnariorum dono ac trado" 24«). Quartinus war der Abkömmling einer ursprünglich römischen, aber- w^ie Grabsteine aus der Gegend von Vipitenum bezeugen , schon im Antoninischen Zeitalter daselbst ansässigen Familie, die durch ver- wandtschaftliche Verbindung mit begüterten Familien der Provin- cialen zu grossem Besitzthume gelangte, und so allmählich hinein- wuchs in die Nation der Noriker und Breonen 347J, Wie entnehmen nun aus diesen von Quartinus herrührenden Documenten, dass auch hier in den Umgehungen des alten Vipitenum, an der Haupt- heerstrasse von Germanien nach Italien, wo die bajovarischeNieder- J zweier Flüsse, an der Ausmiiiidung- zweier Thäler (wo die Strassen herein vom Bodensee, aus dem Thale der Veiiosten und dem Laude der Breonen in einem Knotenpuncte zusammenliefen), sowohl Im Interesse der Eroberung als der Verlhei- digung zur Befestigung aufforderte. Zu verschiedenen Zeiten wurden sowohl hei Landeck, als auch und vorzugsweise im Perjener Felde römische IJherreste gefun- den. Der Acker hei Perjen, wo man mehrere Statuen römischer Penaten entdeckte, wird allgemein der Götzenacker genannt". 246^ Pi-eg. u a ri i für Breunarii = Breoues. Vergl. oben Anmerk. 33. Chabert's Mei- nung, dass unter „N o ri c o r u m" die Uaicrn zu verstehen seien, und der Beisats „Pregnariorum" auf eine Verbindung oder Verschmelzung der Baiern uid Breonen schliessen lasse, hat nichts für sich. In der Gegend von Vipilenum berührten sich die Isarci, ßreones und Norici, und aus diesen Stammen leitete Quartinus seine Abkunft ab. 217) Vergl. oben S. 404. über das rhütische Alpenvolk der Breuni oder Breoneii. 4oü lassung und Germatiisirung der alleren Volkselemente rascher statt- finden rnusste, an jener Stätte, wo wir ganz inriAnfange die Breonen entdeckten 2»'^). am Fasse des ßrennergebirges, dem entweder sie den Namen gaben oder von dem sie ihn erhielten, wenigstens ein- zelne romanisirle ßreonische Familien noch im neunten Jahrhundert vorhanden waren. Wir erblicken sie im Besitze ausgebreiteter und in der günstigsten Luge befindlicher Güter s*»), was eben so auf ihre frühere mächtige Stellung, wie auf die Beschaft'enheit ihres Verhältnisses zu den neuen Beherrschern des Landes, zu den Bajo- raren, vermöge welchem sie dem germanischen Adel gleichgestellt waren s^"), schliessen lässt; sie haben das freieste Verfügungsrecht über dieselben, wie denn Quartinus einen grossen Theil seines väterlichen Erbes a^i) sammt den dazu gehörigen Eigenleuten, die aber wieder nur Romanen waren sssj . an die Kirche von Innichen verschenkt. Wir sehen aber auch, wie diese Familien zu verschwin- den anfangen entweder durch ihr Aussterben 253^ oder dadurch, dass ihre Besitzungen, wie früher von den rhätischen Provincialen 248) Siehe oben S. 386 nnd 394. 2*9J Quartinus besass Güter zu „Wipitina in castello et in ipso vico" und „in aliis vil- lulis ibique adjaceotibuü ad Stil res (auch heutzutage Stilfes), ad Torrentes (Trens), ad Val o II es (beute Flous zwischen Tren'> und .Mauh), ad Zede» (viel- leicht richtiger Zeres-Tschöfs, nördlicli von Sterzing) , ad Telves (heute Ober- und L"iiter-Telfes), ad T e i n e s (beute Thuins), beide Orte westlich von Sterzing ; ad Tulvares (beute Tulfcrs am Eingänge in das Pfitschthal), ad Bauzana (Bozen) in vico S uczano (vorausgesetzt, dass der iS'ame nicht verschrieben), ein heutzutage gänzlich unbekannter Ort in der Nähe von Bozen; auf Siffian kann er nicht gedeutet werden), ad T a ii r a ii e (Terlan), ad Stavanes (Stäben in Vinlsch- gan). 250) Vergl. oben S. 427 u. 428; — auch Chabert§. 12 scbliesst daraus zurück auf frei- willigen .Xnscbluss der Breonen au die ßaiern. 2^1) „In his supradictis locis quidquid in eis proprii habere visus sum, tain in silvis. in pratis, ia campis, in agris, io pascuis, in vineis, in aquarum decursibus etc. s i c u t antecessores niei habuerunt, et pater meus et reiater mea mihi reliquerunt in proprium." 252^ Q u a rt i n u s schenkt mit den Gütern auch seine Eigenleute mit folgenden Namen an die Kirche: „mancipia his nominibus, Urso, Secundioa, Mora, .Marcel- liiia, Tala" ; man siebt, es sasseii nur ruinani^cbe Colonen und Eigeuleute auf den Gütern der romauisirlen Breuneii und libätier. 2&3j Dies scheint der Fall bei Quartinus gewesen zu sein; in der Schenkungsurkunde ist weder von Söhnen noch Töchtern, noch au«-h von andern Verwandten, sondern nur von seiner Mutter die Rede, die in der Urkunde von 828 Clausa, in der zweiten Ur- kunde von 829 C I a u z a n a genannt wird, für welche Quartinus, sowie für sich selbst die lebenslängliche Nutzniessung seines Vermächtnisses vorbehält. 436 Albert Jäger an die Römer, so jetzt durch Familienverbindung und in anderer Weise an dieBajovaren übergingen. Hundert Jahre später erscheinen in der Gegend von Sterzing nur mehr germanische Besitzer als Eisrenthümer der früheren romanischen, oder was dasselbe ist, der Breonischen Güter 254), und von den Breoneii kommt weder diesseits noch jenseits des Brenners irgend welche weitere urkundliche Spur vor. Wenn wir nun, angelangt am Schlüsse unserer Abhandlung, einen Blick zurückwerfen auf den Gang der Untersuchung und deren Ergebnisse, so muss uns das Dasein und Hervortreten des Breoni- schen Volksstamtnes als eine nicht unbedeutende Erscheinung vor- kommen. Ein Zweig der rhälischen Bevölkerung, traten die Breonen den ihre Eroberungen auch über die Alpen ausdehnenden Römern mit solchem Muthe entgegen, dass ihr Name in Lied und Stein verewigt zu werden verdiente. Dem Übergewichte der römi- schen Waffen unterliegend, theilten sie das Schicksal aller, der Römerherrschaft unterworfenen kleinen Stämme; ihr Name verlor sieb in dem allgemeinen Provinznamen und ihrer ward besonders 254) Ein auffaUendes Beispiel dieser Art liefert uns die Selienkungsurkunde des Edel- mannes A da Ip ert, der mit seiner Gemahlinn Drusunda ,weil ihre Ehe kinderlos war, ihre Besitzungen in Wippthal zu Stilves, zu Avalones (Flons), zu Chemenatiim (Kematen im Pfitsehthale) , zu Ried nördlich von Sterzing, zu Mauls und zu Bozen dem Bischöfe Albuin von ßrixen schenkten im Jahre 993. Adalpert ist ein deutscher Name, Drusunda offenbar romanisch. Wir haben augenscheinlich einen Fall vor uns, in welchem romanisch-breonische Güter durch Heirat an den deutschen Eigenthümer gelangt sind; dies bezeugt nicht nur der Name der Galtinn Adalpert's, sondern noch mehr der Umstand, dass sie zwei romani- sche Höfe von der Vergabung ausnahmen „exceptis duobus mausis 1 a t i n i s" und dass auf ihren Gütern nur romanische Familien vorhanden waren. Analoge Beispiele von solchen, aus dem Besitze romanischer Familien in das Eigenthum germanischer Herren übergegangener Güter finden wir auch an anderen Orten des Eisak- und Pusterthaies. So schenkt It a u t p o t (offenbar deutsch) sein Eigen zu ß a rb i a n mit samint den romanischen Eigenleulen Laureuzo, Susanna, Adam, IMiniga, Saruha- dina, Vendranda, der Kirche. — Ein gewisser Edelmann L u t o theille die Familien seiner Eigenleute mit dem Bischöfe Albuin so, dass dem Bischöfe zufielen: Christinus, Martinus, Amizi, Engizo, Justo, Minigo, Johannes, Luide, Luva, Lau- renza item Laurenzo ; dem Luto hingegen verblieben: Erauvinus, Gezo, Diezi, Saturnus, Felix, et femimie Azala, Laurenza, Constanza, Luvisina, Luva, Pizina. Zeugen des Theilungsactes hingegen waren: Aripo, Azili, Grimolt, Erimpert Eppi, Erouvin. Hier erscheinen überall deutsche Besitzer auf ehemals romanischen Gütern. Siehe B e s c h, Annal. eccl. Sabion. H. cod. diploui. num. 19. 23. 26. 28. 30. 67. über das rliiilisclie Alpcnvolk der Hrcuni oder Brennen. 4-«> 7 und ausdrücklich nicht mehr gedacht, doch zeigen Spuren, dass ihre tapfere Jugend in den römischen Legionen ausgezeichnete Kriegsdienste leistete. Sie theilten ferner das Schicksal aller andern den Römern unler\vorfener Völker; mit der römischen Herrschaft nahmen sie auch römische CuUur in Spiacho, Sitte und Lebensweise an, und wurden unter dem fünflhalhliunderfjährigen Einflüsse dieser Cultur und vermischt mit römischen Vulkselementen romanisirt. Da grosse Unsicherlu'it über die Lage ihrer Wohnsitze unter den Gelehrten sowohl der älteren als neueren Zeit herrscht, so unter- suchten wir diese Frage in nothwendiger Ausführlichkeit und gelangten zu dem sicheren Ergebnisse, dass wir in weitester Aus- dehnung ihre Sitze innerhalb eines Gebietes suchen müssen, wel- ches nördlich von den Lsarci und Venostes und südlich von den Vin- delikern gelegen war, folglich in jenem Alpengebiete, welches sich etwa von Sterzing angefangen über den Brenner hinaus in den Thalgeländen des Inn und seiner Nebenflüsse bis zu einer nörd- lichen Grenzlinie, etwa von Bregenz über die Quellen der Hier, des Lechs, der Loisach und Isar gezogen ausbreitet. Mit dieser Bestim- mung des Gebietes, in welchem die Breonen aufzusuchen, gewannen wir den Vortheil. ihre Bedeutung nachweisen zu Jtönnen, als sie zur Zeit, wo die römische Reichsgrenze nach dem Verluste des ausserhalb der Alpen gelegenen Flachlandes in die Gebirge zurück- verlegt wurde, plötzlich wieder aus .lahrhundi-rte langer Verbor- genheit hervortraten und als tapfere Verlheidiger und Hüter der nördlichen Reichsgrenze orschicnen; da fanden wir sie unter ihrem alten unverwiscliten Namen vorzugsweise in dem Gebiete etwa vom Achenthaie den Inn entlang aufwärts bis Landeck im Besitze der aus dem Flachlande fn die Gebirge hereinführenden Pässe zum Schutze des auf die Alpen und auf Italien beschränkten römischen Reiches tliätig. Ihnen waren die „Schlüssel" und „Eingangspforten", sowie die „Sicherheit und Ruhe des Reiches" gegen die wild her;in- stürmenden barbarischen Völker anvertraut. Bei dieser Gelegenheit lernten wir die Breonen als (in niilii arisch geordnetes Grenz volk kennen, dessen Beschäliisung ausschliessend dem Reichsschutze gewidmet war. Mit dem Verschwinden des ostgothischen Reiches, welches den Begrifl' des römischei«. soweit möglich, noch festge- halten hatte, verschwand auch die Bestimmung der Breonen; wie es kein römisclies Reich, so gab es auch keine römische Reichs- 438 Alheit Jii-or grenze mehr; Franken und Bajovaren bemächtigten sieh der Alpen- länder, die Breonen verloren ihren Zusammenhang mit Italien und erscheinen fast wie eine Insel romanischer Bevölkerung in Mitte germanischer Stämme. Noch sehen wir aber dieses tapfere Kriegs- volk in seinen alten Sitzen mit Wahrung seiner nationalen Eigen- tliiimlichkeit sich nahe durch zwei Jahrhunderte forterhalten, bis es um das zehnte Jahrhundert in der überhand nehmenden germani- schen Bevölkerung verschwindet. Zum Schlüsse soll hier noch die Frage beantwortet werden, welche Bewandttiiss es habe mit derBehauptung einer grösseren Ver- breitung des Breonischen Volksstammes, als wir in vorstehender Untersuchung gefunden haben. Die Unsicherheit, welche, wie wir im II. Abschnitte unserer Abhandlung nachgewiesen haben, über die Lage der Breonen bei den römischen und griechischen Quellen- schriftstellern zu herrschen scheint, hat zu verschiedenen Zeiten Gelehrte veranlasst, dieses Volk in weit von einander entlegenen Gegenden zu suchen; wir haben die bedeutenderen, hierüber aus- gesprochenen Meinungen oben, Seite 397 und 398 mitgetheilt. Sie stützten sich auf das Vorkommen von Ortsnamen, welche mit dem Namen der Breonen , wenn nicht identisch , doch nahe verwandt zu sein scheinen und desshalb, wie sie annahmen, Zeugniss für das Dasein dieses Volkes in verschiedenen Gegenden ablegen. Der- gleichen Ortsnamen sind: Priennbei Landeck, Brennbichl bei Imst im Oherinnthal , Pernegg im Kaunserthale; dann viele mit Pre-, Pren-, Bran- zusammengesetzte Benennungen von Orten sowohl im Innthale als auch anderswo in den nördlichen Gebirgen Tirols, vor allen andern aber der Name des Brenners und ohne Zweifel auch der Name des Vern, jenes Ühergimges über die Gebirge, welchen die Breonen zur Zeit Theodorich's in den „clau- suris Augustanis" bew achten. Noch grösser ist das Vorkommen von anklingenden Ortsnamen in der ganzen Ausdehnung der südlichen Abdachung der rhätischcn Alpen, z. B. Brenta, Brentonico, Brentino im Tridentinischen, Breonio in Val Policella, Priö im Gerichte Mezzolombardo, Breghena im Bezirke Cles, Bre in Val di Ledro; boca di Brenta ein Hochgebirge, Brialon ein hoher Berg, Brione, Preore, Brenne, Breguzzo in Judicarien; P regne in Val Trompia, Breno und Braone in Valle Camonica; dann Monte Bernina, der Übergang von Poschiavo nach Pontre- über das rhütische Alpcavolk der Brcuni oder Ureoncn. 4*^0 sina in Oberengedein und das hohe Ber ninagehirge zwischen Engedcin, Bregaglia und Veltlin; monte Brione zwischen Sondrio und Tirano, und endlich Brenn im Thaie von Blegno, sowie Preonza am Ticino nördlich von Bellinzona, Brione oberhalh Locaniü, Brione im Tliale von Verzasca, Brienno am Comcrsec und Breno nordöstlich von Bergamo. Das Vorkommen einer so grossen Zahl von anklingenden Namen mtisste allerdings die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich ziehen, und man wird es hegreitlich iiriden, wenn sie in diesen Namen Zeug- nisse für das einstige Dasein der Breonen in den betreffenden Gegenden zu erblicken geneigt waren. Man wird es auch begreif- lich finden, wenn ihre Ansichten auseinander gingen und die Einen die Breonen in die nördlichen Gebirge Tirols, die andern in die Gebirge oberhalb Verona, wieder andere sie in die Thäler zwischen der Etsch und Adda, und. endlich Andere sie noch weiter zurück in die westliche Abdachung der rhätischen Alpen oberhalb Como und Locarno verlegten. Sie irrten aber, wie es scheint, insgesammt darin, dass jeder das Ganze für einen Theil in Anspruch nahm und daher, während die Einen sie ausschliessend nach dem Süden und die Andern eben so ausschliessend nach dem Norden der rhätischen Gebirge verlegten, einen wesentlichen Umstand übersahen, der nur dem tüchtigen Forscher Besch nicht entging. Haben die so zahl- reich und an verschiedenen, weit von einander entlegenen Orlen vorkommenden, an die Breonen erinnernden Ortsnamen einen Innern Zusammenhang mit dem Volke der Breonen, so lässt sich daraus nicht ableiten, dass diese nur da oder nur dort sein konnten, son- dern dass es eine Zeit gab, wo dieser Volksstamm weit und breit in den rhätischen Alpen verzweigt und vielleicht im ausscliliessenden Besitze derselben war, und erst im Laufe der Zeit durch die Ein- wanderung etruskisclier und gallischer Stämme aus den fruchtbaren südlichen Abhängen der Alpen in die nördlichen Theile zurückge- drängt wurde, wo die Bömer ihn fanden. Sollte vielleicht erst von dieser Zeit an der Name Bliälier den früheren der Breonen ver- drängt haben? 255^. Und sollte etwa Horatius, im Bewusstsein der «55^ Selbst Ze u SS p. 228 trägt über die Ursprüng'lichkeit des Namens „Raeti" für die Alpenvölker einige Bedenken. „Die Völker des alpisclien Mitlellandes sind kelti- scher Abkunft. Wenn ancli der Name „Raeli" sich sonst nirgends unter den Kelten zeigt, so kann er doch, da in den meisten rlintischen Namen sicli liellisclu' Ali^limi- 440 A. Jäger, Über das rhälisclie Alpenvolk der Breuni oder Breonen. ehemaligen Bedeutung der Breuni, sie desslialb besonderer Erwäh- nung werth gehalten haben? j,Die Breonen, sagt Resch, sassen zur Zeit des Venantius Fortunatus in dem Thalgebiete des oberen Inn- flusses; ihr Name muss aber etwas enthalten haben, was für eine allgemeine Bezeichnung der Völker in den rauhesfen Alpen galt (generalis quaedam significatio), denn wir finden Breonen nach dem Zeugnisse von Ortsnamen im Süden an der Etsch oberhalb Verona, M'ir finden Breonen im Westen am Flusse Mela, während einige der alten Schriftsteller die Wohnsitze der Breonen in nordöstlicher Richtung bis zu den Illyriern ausdehnen. Wie Aveit aber auch dieses Volk dereinst verbreitet gewesen sein mag, zur Zeit, als die Römer mit ihm zusammentrafen, erschien es, wenn gleich noch so mächtig, dass es den Kampf mit denselben aufnehmen konnte, doch in engeren Grenzen und verschieden von den Tridentinern und Norikern" äse^. Wir sind also am Schlüsse unserer Untersuchung noch zu dem gewiss nicht erkünstelten Ergebnisse gelangt, dass wir in den Breonen ohne Zweifel die keltischen Ureinwohner der mittleren Alpen zu erkennen haben, die vor der Einwanderung der tuskischen Rhätier die nach diesen benannten riiätischen Alpen in ihrer ganzen Ausdehnung inne gehabt haben. mung erkennen lässt, nicht anderer als keltischer Abkunft sein". Hätte Zeuss die Rhätier nicht für das ursprüngliche Volk der IMiltelalpen gehalten, so würde er sich das Bedenken richtiger gelöst haben, ^^s) Resch, Annales ecci. Sabion. I. p. 348, not. 43 und p. 3S1, not. Sl und ö2. V. K a r a j :i n , liericlit über die Tliüti^keit der liist. Comniis&iün etc. 441 SITZUNG VOM 20. MAI 1863, Ciel eseu: Bericht über die Thätigkeit der historischen Commissioti der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften während der aka- demischen Verwaltungsjahre 1861 auf iS62, vorgetragen in der Commissions-Sitzung vom 20. Mai 1863 und darnach in der Classensitzung desselben Tages durch ilen Berichterstatter derselben Dr. T h. G. \. K a raj a n , «1. Z. Vice-Prä.-iilciitCD. Meine Herren! Im Laufe des Verwaltungsjahres, dessen Thätigkeit dem heutigen Berichte zum Stoffe dienen soll, hat Ihre Commission mit den ihr zugewiesenen Geldmitteln zu leisten gesucht, was möglich war. Dass übrigens die Zahl der gelieferten Bände keine so reiche ist, wie in früheren Jahren, hat seinen Grund in den Beschlüssen der verehrten Classe, in Folge deren das Notizenblatt gänzlich, die Herausgabe der Monumeiita hahsburgica zeitweise ein- gestellt wurde. Was von diesen Beschlüssen aber nicht betrolTen wurde, die Lieferung von zwei Bänden Fontes und zwei Bänden des Archives ist nicht nur gewissenhaft eingehalten worden, sondern es wurden noch zwei weitere Bände der Fontes in Angriff genom- men, die begreiflicher Weise nur zur Hälfte dem eben abgelaufenen Jahre können zu Gute geschrieben werden. 442 V. Karajan Die Leistung der k.k. Staatsdruekerei, namentlich in der zweiten Hälfte des Jahres muss im Vergleiche mit dem Vorjahre als eine minder gehemmte bezeichnet werden, so dass auch für die nächste Zeit eine rasche Lieferung des ihr zum Drucke übergebenen Materials zu hoflen ist. Diesmal konnte von den Fontes auch ein Band der ersten Abtheilung, nämlich der Scriptores geliefert werden, in der Reihe der fünfte, während der zweite der Abtheilung Diplomataria et Acta als zwei und zwanzigster beigezählt ist. Die Bände XXI und XXIII derselben Abtheilung sind aber die noch im Laufe dieses Jahres in Angriff genommenen und im Laufe des nächsten zu vollen- denden Bände. Die wissenschaftliche Durchordnung des in diesen sechs Bänden zu Tage tretenden Stoffes weist nach den gewöhnlichen Rubriken vertheilt folgendes Ergehniss aus. Von den Kronländern des Reiches sind ausser einem Beitrage, der die archäologischen Funde der Jahre 1859 — 1861 in jedem einzelnen derselben auf- zählt, noch besonders durch Mittheilung neuen Stoffes vier bedacht, zwei weitere Arbeiten haben das ganze Reich zum Gegenstande und eine die Regentengeschichte Deutschlands. Österreich nnter der Eons und zwar die Kirch engeschichte dieses Kronlandes nicht minder, wie die allgemeine Geschichte desselben betrifft das noch im Drucke befindliche : „Urkundenbuch des Benedictinerstiftes S. Lambert zu Altonburg in Niederösterreich. Zusammengestellt von Honorius Burger, Abten dieses Stiftes". Es wird mehrere hun- dert bis jetzt ungedruckte Urkunden enthalten, die zum Theile in die Zeit der ßabenberger reichen, und mit den erforderlichen Registern versehen sein. Es füllt den einundzwanzigsten Band der zweiten Abtheilung der Fontes. Die Genealogie und Ortsgeschichte des Landes betrifft ein Aufsatz mit der Überschrift: „Die Veste Sachsengang und ihre Besitzer. Von Joseph Zahn". Die Arbeit ist zum Theile aus unge- drucktem, in verschiedenen Archiven verwahrtem Materiale entstan- den und wird von 148 Regesten begleitet, welche die Veste und das Bericht über die Tliüligkeit der iiisloiisclien Commissiün elc. 443 Geschlecht botrcffen und die Jahre r. 1120 — 1412 umfassen. Sie steht im Archive Bd. XXYIII, S. 287 — 350. Böhmen. Die Geschichte dieses Kronhindes betrelTen vier Beiträge und zwar die Regentengeschichte desselben: „Das urlvUiitlliche Formclbucli des königlichen Notars Fleinricus Italicus aus der Zeit der Könige Ottokar II. und Wenzel II. von Böhmen. Von Johannes Voigt". Es umtasst nicht weniger als 189 Urkunden des dreizehnten Jahrhunderts, in denen die nicht ausgeschrie- benen Namen grösstentheils durch den Herausgeber ergänzt wur- den. Es steht im Archive Bd. XXIX, S. 1 — 184. Die allgemeine Landesgeschichte während des zwölften Jahrhunderts IjelrefTen die auf sorgfältigem Nachvergleich der besten Handschrift beruhenden Texte zwL'ier gleichzeitigen Chronisten der sogenannten Strahover Handschrift, die zuerst aus einer nicht sehr genauen Abschrift Dobner herausgab. Sie führen den Titel: „Die Chroniken des Domherrn Vincenlius von Prag und des Abtes Gerlach von Miihlhausen. Herausgegeben von H. Tauschinski und M. Pangerl". Mit den nöthigen Registern und einer Einleitung im Bande V der ersten Abtheilung der Fontes, auf den S. 91 — 139 und 140 — 192. Fast gleichzeitig mit der erst kürzlich erfolgten Ausgabe dieses Bandes ist, was nicht vorher- sresehen werden konnte, auch in den Pertz'schen Monumenten von den beiden Chronisten ein berichtigter Text durch Walten- bach und ebenfalls aus der Strahover Handschrift geliefert wordi-n. Dieses von Seite der Commission unverschuldete Zusammentreffen hat wenigstens den Vortheil, dass jetzt an zweifelhaften Stellen der Texte mehrere Versuche der Herstellung und in dem Formate unserer Fontes eine bequemere Handausgabe der wichtigen Chronisten vorliegt. Zur Kirchengeschichte des Kronlandes sind zwei Arbeiten aufzuführen: Erstens das 'Urkundenhuch des Cistereienserstiftes B. M. V. zu Hohenfurt in Böhmen. Herausgegeben von M. Pangerl. Mit einem Register der Namen'. Viele ungedruckte Urkunden des dreizehnten bis fünfzehnten Jahrhunderts enthalt-nd. Es steht in der SiUb. d. phil.-hist. Cl. XLll. Bd. HI. Hft. 30 444 V. K aiaja n zweiten Abtheilung der Fontes, im dreiundzwanzigsten Bande. Zweitens: das in böhmischer Sprache abgefasste „Todtenbuch der Geistlichkeit der böhmischen Brüder. Herausgegeben von Joseph Fiedler". Versehen mit dem nöthigen Register. Es steht in der ersten Abtheiiung der Fontes im fünften Bande auf S. 213 — 302. Es wurde übrigens hier eingereiht, weil noch Raum vorhanden war, der Inhalt auch Böhmen betraf, und dieses Verzeichniss keine blosse Aufzählung, sondern über die darin erscheinenden Persönlichkei- ten aus den Jahren 1467—1606 eine reiche und ziemlich ausführ- liche Sammlung von biographischen Mittheilungen enthält. Salzbarg. Auch für die Kirchengeschichte dieses Kronlandes ist eine ähnliche Mittheilung gemacht worden, in folgender Arbeit: „Die Nekrologien des Domstiftes Salzburg. Nach Handschriften der k. k. Hofbihliothek in Wien. Mitgetheilt von Dr. Theodor Wiedemann". Im Archive, Band XXVIII, auf den S. 1—286. Es sind zwei Nekrologien, in einer Handschrift des eilften und einer des zwölften Jahrhunderts erhalten, und hier, mit Register und Anmerkungen versehen, zum ersten Male herausgegeben. Venedig. Zur Geschichte der auswärtigen Verhältnisse dieser ehemaligen Republik ist die unter der Rubrik „Monarchie" eingereihte Sammlung: 'Die Relationen der Botschafter Venedigs über Österreich im achtzehnten Jahrhundert', so wie eine ähnliche, ebenda erscheinende Sammlung von venetianischen Berichten über die letzten Jahre und die Katastrophe Wallenstein's anzuführen. Die erstere steht im XXIII. Bande der II. Abtheilung der Fontes, die zweite im XXVIII. Bande des Archives', S. 351—474. niouarchie. Als ein wichtiger Beitrag zur Regente ngeschichte stehe hier in erster Reihe die durch A. Ritter v. Arneth gelieferte Bericht iilicr die Tliiilifjkcit der liistorischen Commission etc. 445 schon oben erwähnte Sanimhing: „Die Relationen der Botschafter Venedigs über Österreich im achtzelinten Jahi-hnndcrt. Nach den Originahcn". Im XXIII. Bande der zweiten Abtheihmg der Fontes. Sie erhält nämlich die eingehendsten und geheimsten Nachrichten über die Person und die Regierung der Kaiser Leopold I., Joseph I., Karl VI., Maria Theresia, Joseph II. und Leopcdd II. Zur Kriegsgeschichte und namentlieh des dreissigjährigen Krieges von Bedeutung erscheinen die ebenfalls schon erwäiinten Berichte der venetianischen Gesandten über die letzten Jahre und den tragischen Ausgang Wallenstcin's, zum ersten IMale verölTonllicht in folgender Arbeit: „Gli Ultimi successi di Alberto di Waldstein narrati dagli Ambasciatori Veneti. Von G. Gliubich". Im Archive, Bd. XXVIII, auf den Seilen 3Ö1 — 474. Die ältesten Zeiten aber, und namentlich die Römerzeit betreffen die: „Beiträge zu einer Chronik der archäologischen Funde in der österreichischen Monaichie (1859 — 1861), von Dr. Friedrich Kenner". Als Fortsetzung der schon seit Jahren gelieferten ähnlichen Berichte. Sie stehen im Archive, Band XXIX, S. 18o— 337. Deatschland. Ein Beitrag ist auch hier zu erwähnen, eine bedeutend ver- besserte Ausgabe, einer Quellenschrift zur Geschichte Kaiser Fried- rich's I. des Rolhbarts, somit zur Regentengeschichte des Reiches. Die erste Ausgabe wurde durch Dobrowsky im Jahre 1827 nach einer jungen Abschrift geliefert. Die neue steht im fünften Bande der ersten Abtheilung der Fontes, auf den Seilen 1— Ot), unter folgendem Titel: „Ansbert's Bericht über den Kreuzzug Kaiser Friedrich's I. Herausgegeben von H. Tauschinski und M. Fangerl. Mit Einleitung und Register". Ist auch die Ausbeute des letzten Jahres zufällig keine durch Vielseitigkeit glänzende, so kann doch nicht geleugnet werden, dass Sanunlungen wie die Gesaiidtschiiftsberichte der Venetianer über Österreich im achtzehnten Jahrhundert und die Katastrophe Wallen- stcin's, dann Urkundenbücher und sonstige Aufzeichnungen von geistlichen Körperschaften so hohen Alters wie jene Salzburgs, Iloheufurts und Altenburgs, gewiss überall in der Welt, zu den bedeutendsten Geschichtsquellen gezählt werden müssen. 30* 44ß V. K a r a j a n Bericht über die Thätigkeit der Concilien-Commission während der akademischen Verwaliungsjahre i861 auf i862. Vorgetragen in der Classensitzung vom 20. Mai durch den Berichterstatter derselben. Br. Th. Cr. T. Rarajan, d. Z. Viee-Präsidenten. Me ine Herren! Der im letzten Jahresberichte in Aussicht gestellte Beginn des Druckes des zweiten Bandes der Monumenta conciliorum generalium seeculi XV, die ersten zwölf Bücher der Geschichte Juans de Segovia enthaltend, verzögerte sich durch den Umstand, dass bei fortschrei- tender Bearbeitung dieses umfangreichen Werkes nach den zum Grunde gelegten Handschriften der k.k. Hofbibiiothek es wünschens- werth erschien, zu möglichster Sicherstellung des Textes auch noch eine Handschrift der öffentlichen Bibliothek zu Basel, Sign. A. HI, 40, zu benützen. Die nöthigen Verhandlungen , um diesen Codex auf einige Zeit zur Benützung nach Wien zu erhalten, sind bereits im Zuge. Nach Vergleichung dieser Handschrift kann der Druck ohne Verzug beginnen und ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Die Vorarbeiten für den dritten Band der Monumenta schreiten indess nach Massgahe der verfügbaren Arbeitskräfte in erfreulicher Weise fort. Mit den von der verehrten Classe bewilligten Geldmitteln wurde das Auslangen gefunden. C))i'r den Leumuud der Üslüi-reiclier, UOIiüi'mi iinJ Untern. 447 Über den Letumind der Österreicher, Böhmen und Ungern in den heimischen Quellen des Millelallers. Eingang nnd Scblass dieser Abhandlung wurde in der feierlichen Sitzung der Akademie am 30. Mai d. J. gelesen. Von dem w. M. Th. t. Karajan. Nicht viel weniger als tausend Jahre sind es, seit an den geseg- neten Ufern der Donau und in ihren Nachbarländern dieselben Völker wie heute noch in buntem Gemenge neben einander wohnen. Sie alle haben diese ihre Silze sich erobert, keines von ihnen weilt auf dem ererbten BoJen seiner ältesten Ahnen, alle sind sie Ein- dringlinge, die die friedlichen Völker der Urzeit gewaltsam aus ihren Sitzen verdrängten. Durch Jahrhundeite sassen nun die Sieger unter wechselnden Herrschern neben einander, staatlich allerdings von einander unab- hängig, aber nur zu oft in gemeinsamem vStreben sich begegnend, auf Kosten des Friedens Sonderzwecke verfolgend, dem Vorlheile des Augenblickes die Ruhe der Zukunft opfernd, und nur allmählich zur Einsieht gelangend , dass für sie erst im staatlichen Verbände Älaciit und Ruhe, Ansehen und Gedeihen zu finden sei. Doch erst nach sechs Jahrhunderten reifte diese Ansicht der Dinge und mit dem Eintritte des siebenten sehen wir endlich diese Völker, die sich so oft feindlich gegenüber standen, zu einem gewal- tigen Staate verbunden , der von da an immer mehr und mehr die Blicke Europa's auf sich lenkte, schon desshalb, weil sein 448 V. Ka ra j a n Herrscher, nach kaum drei Jahrzehenden die höchste Stellung in unserem Welttheile einnahm und zu behaupten wusste. Was diesen jetzt über dreihundert Jahre alten Bund vollbrachte, wird niemand mehr ausschliessend in dynastischem Getriebe suchen. Ein gewaltiger, innerer Zug, allen Abneigungen der Völker trotzend, hat ihn zu Stande gebracht, und wird ihn auch fortan zum Heile Aller kräftig erhalten, wie oft auch noch das kurzsichtige Getriebe der Parteien in fruchtlos \fiederholten Anläufen gegen ihn sieh stemmen möge. Ihr vergebliches Beginnen sucht irrend und täuschend zugleich nach einer Begründung in der ursprünglichen Verschiedenheit der zum Bunde vereinigten Völker, während sie vielmehr nur in einer allgemeinen Eigenschaft des menschlichen Geistes zu suchen ist, in der Vorliebe sich stets über- statt ein-zuordnen. Es gewährt aber einen eigenthümlichen Reiz, den Blick nach rückwärts schweifen zu lassen und gerade jene behauptete Ver- schiedenheit, die so hemmend sein soll, näher in's Auge zu fassen, nachzusehen, ob sie denn überhaupt so massgebend war, ob nicht vielmehr gerade das gegenseitige Innewerden der Gebrechen und Vorzüge der einzelnen Völker das Bedürfniss zu Tage förderte, sich gegenseitig zu ergänzen und, wie scharf auch oft die Urtheile über den Nachbar lauten mochten, ein Heilmittel der eigenen Gebrechen in den Vorzügen jenes zu erblicken. Gerade diese wechselseitige Beurtheilung aber ist für den denkenden Forscher in hohem Grade lehrreich, denn sie umschliesst eine Art Kritik der Völker durch sie selbst geübt, aus ihrem Munde erst in die Feder der gleichzeitigen Geschichtschreiber gelangt, also nicht von diesen unsicher erschlossen, sondern als bekannt aufgenommen und zu ihren Zwecken verwendet. Diese Urtheile aber sind oft auf die wunderlichste Art in die Berichte der Zeitgenossen verwebt, so dass ihre Sammlung oft ganz besonderes Geschick erheischt und nur zu häufig es schwer hält, die Einzelansicht der Quelle von jener allgemeineren und ungleich werthvolleren, die diese als Itekannt voraussetzt, zu unterscheiden. Man kann sich aber denken, welch' eine reiche Fülle gegen- seitiger Urtheile die Quellen aller Länder des Kaiserstaates gewähren müsstcn, wollte man ihre Äusserungen in dieser Hinsicht neben ein- ander stellen und die Sammlung nach den Völkern so einrichten. über deü Leumund der Östcrreiclier, Biltnnpu und Ungern. 44i) dass bei jedem einzelnen derselben die doppelte Richtung der Beur- theilung berücksichtigt würde, nämlich sowohl die von jedem ein- zelnen Volke ausgehende nach allen übrigen hin, als auch jene des ganzen Areopags über jedes einzelne derselben. In dem bunten Gewebe dieser Arbeit müssten sich, so meino ich, höchst lehrreiche Gruppen und Gänge erkennen lassen, deren Betrachtung der Festigung unseres Urtheiles über die einzelnen Völker nur förderlich sein könnte, und es ist wirklich zu wünschen, dass eine solche Sammlung und Sichtung von dem Fleisse und der Ruhe eines tüchtigen Gelehrten unternommen werde, denn nur ein solcher Hesse bei der Empfindlichkeit des Gegenstandes ein leiden- schaftsloses Ergebniss hofVen, während die nationalen Heisssporne unserer Zeit die Sammlung absichtlich zu einem unentwirrbaren Knäuel gegenseitiger Beschuldigungen verwickeln würden. Das der Betrachtung erschlossene Gebiet müsste zudem ein noch ergiebigeres werden, wenn nicht blos die gegenseitige Beur- theilung der Völker des Kaiserstaates in den Bereich der Forschung gezogen, wenn auch auf die Quellenschriften der nicht österreichi- schen Länder Bedacht genommen würde. DieUrtheile dieser müssten dann um so schwerer in's Gewicht fallen, weil sie die Aussprüche von den Leiden und Freuden dieser Länder unbetroffener, somit auch minder leidenschaftlicher Zeugen enthielten, \ve\in ihnen auch in anderer Hinsicht, durch den Abgang bleibender Beobachtung aus nächster Nähe, ein minderer Grad von Verlässlichkeit zukäme. Eine Untersuchung und Sammlung dieser Art, wie lockend auch ihre Früchte wären, muss jedoch von vorne herein als ein gewaltiges Stück Arbeit erscheinen und dürfte erst nach jahrelangem Ringen einigermassen befriedigende Ergebnisse hoffen lassen. Die Forschung selbst, ist die Wahl und Sichtung der Quellen vollbracht, müsste überall ihren Blick auf zweierlei richten. Erstens auf die ürtheile , welche die heimischen Quellen über die Eigen- schaften des eigenen Volkes zerstreut und oft sehr verborgen ent- halten, — denn diese Selbsigeständnisse sind ja die schlagendsten Bestätigungen der fremden Urlheile, — dann zweitens auf die derselben Quellen über die übrigen Völker des Staates. Was ich heute der freundlichen Beachtung vorzulegen mir erlaube, ist nur ein erster schwacher Versuch einer derartigt^n umfassenden Arbeit, und zwar angestellt an jonom Puncte dos 450 T. K a r a j a n Reiches, wo von den vier Völkerstämnien, die es mit ihren vielen Zweigen umschliesst, drei schon seit sehr früher Zeit und ohne Unterbrechung bis zur Gegenwart ihre Sitze haben, nämlich Deutsche, Slaven und Magyaren, die gesciiichtlich zum Mittel- und Sammelpuncte wurden für alle übrigen Völkerzweige des ausgedehnten Staates. Wie ich mich bei dieser Probe örtlich beschränke, so thue ich es auch in Beziehung auf die Quellen in doppelter Hinsicht. Ich ziehe nämlich vorerst nur die heimischen und in diesen nur die Zeit des Mittelalters, also jene in Betracht, in welcher die Bewohner der drei Nachbarländer staatlich noch nicht vereinigt waren. Und auch von den heimischen Quellen sind vorerst nur die rein geschichtlichen in Betrachtung gezogen. Wie ich schon erwähnte, sind diese für die eben genannte Zeitgrenze in Bezug auf Äusserungen über den Charakter des eigenen Volkes , wie jenen der Nachbarn und Landesgenossen ziemlich schweigsamer Art und nur gelegentlich entschlüpft den Verfassern eine, als Bekanntes berührend, absichtlich kurze Äusserung, die dann freilich nur um so mehr in's Gewicht fällt. Ich erwähne dieses, weil dadurch die Unvollständigkeit der gewonnenen Urtheile, würde man einen allgemeineren Massstab für sie fordern, erklärlich wird. Dabei muss immer im Auge behalten werden, dass es sich bei mei- ner Untersuchung nicht im entferntesten um eine Sitten- oder Cultur- geschichte handelte, für welche noch ganz andere Mittel zu Gebote stehen , als ich benützte und benützen durfte , sondern um eine blosse Zusammenstellung dessen , was die heimischen Quellen an allgemeineren Urtheilen über die Eigenschaften der drei Völker enthalten; mit anderen Worten: wie sie durch diese die öffentliche Meinung über sie erkennen lassen. Da gibt es natürlich der Lücken genug. Ich gab daher vorerst was ich in dieser Richtung fand, aber dies ziemlich vollständig. Das Bild, das sich aus so mangelhaften Farben ergibt , kann daher kein vollendetes sein. Doch schien es mir, will man gewissenliaft verfahren, räthlicher, sich lieber mit einem nur theilweise, aber getreu ausgeführten Bilde zu begnügen, als ein vollständiges anzustreben , an dem aber alles nicht wirklich Überlieferte durch unsichere Schlüsse ergänzt wäre. Eine weitere Eigenthümliclikeit oder wenn man lieber will ein Mangel in den heimischen Quellen ist es, jlass diese, den gewöhn- Üher den Leumund der Österreicher, Biilimen und Ungern. 4 «5 1 liehen Menschen ähnlich, wenn sie von den Eigenschaften ihrer Mitmenschen sprechen, mit zu bedauernder Vorliebe mehr von ihren Schwächen und Fehlern als von ihren Vorzügen und Tugenden, zu ei zählen wissen. Ich werde zuerst von den Österreichern , als den Bewohnern des Stammhindes der Monarchie, dann von den Böhmen, endlich von den Ungern als den zuletzt Eingewanderten sprechen. n) Yon den Österreichern. Ein allgemeines Urtheil über diesen Zweig des deutschen Volksstammes im Ganzen genommen hat sich in den heimischen Quellen dieser Zeit nicht erhalten. Richten wir dafür den Blick vorerst auf einzelne Stände des- selben , namentlich auf den im Lande schon früh vertheilten zahl- reichen und wohlhabenden Adel. Wir begegnen da einer ganzen Reihe von nichts weniger als günstigen Urtheilen. Noch in die Zeit Leopold des Glorreichen, also an die Grenze des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts, fällt eine Klage über die Bedrückungen des heimischen Adels, der sich selbst im Dienste des Herzogs nicht scheue in Märkten und Städten sich einzulagern und dafür nichts zu bezahlen. Die Wiener darüber empört, wendeten sich an den Herzog mit der Bitte , er möge alle seine Dienstleute dazu verhalten , ihnen wie allen anderen Städten und Märkten im Lande endlich ihrer Forderungen wegen gerecht zu werden i). Hundert Jahre später begegnet eine zweite Klage über den heimi- schen Adel und zwar über den Geiz desselben, weil er seine Kriegs- knechte unbarmherzig darben lasse. Wie solle da ein treuer, aber armer Mann vom Dienste sich erhalten, heisst es an der betrefTenden Stelle, wenn die mächtigsten des Adels nur um der Ehre willen sich dienen lassen? Und wenn dies auch noch so Viele annähmen, so würde ihnen das nach tausend Jahren doch noch an ihrem Rufe schaden 2). Zu diesen Klagen stimmt vollkommen was etwa vierzig Jahre später Heinrich der Teichner vom hohen Adel meldet. Geiz und 1) Jans der Enenkel bei Rauch, Script. 1, 30i. 2) Seifried Helbling 2, 90—111. 452 V. Kaiajan wucherische Gelüste, äussert er, entehrten ihn. Er karge mit dem Lohne seiner Edelknechte, während er mit seinem nichtswürdigen Kammervolke prasse. Mancher von ihnen nehme unter den glän- zendsten Yerlieissungen WalTenknechte auf, von diesen rüste sich jeder auf Schulden aus, und wenn's endlich zum Zahlen käme, bleibe es bei den Verheissungen. Jetzt dringe der Jude, bei dem der Knecht geborgt, auf Bezahlung , belange ihn bei seinem Herrn, und dieser pfände den Knecht, wenn ihm der Jude die Hälfte des Erlöses verspreche, habe der Gepfändete auch noch so viele Kinder. Ein Herr der arme Leute nicht bedrücke sei überhaupt eine Seltenheit. Sie besteuerten ihre Unterthanen über alles Mass und glichen dabei jenem Thoren, der seiner Henne, um mehr von ihr zu erlangen als täglich ein Ei, aus Habgier den Bauch aufschnitt s). Teichner weist zudem den Herren, in der Fabel von der Beichte des Bären, ihrer Gewaltthätigkeiten und Ungerechtigkeiten wegen, die Rolle des Bären zu*). Diesen Beschuldigungen lässt sich eine ganze Reihe anderer über die Raubsucht und Verhöhnung jedes Rechtes durch den Adel hinzufügen, die schon in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahr- hunderts beginnen. Schon Neidhart im zweiten bis vierten Jahrzehend desselben klagt bitter über die V^erwüstungen im Lande, die durch die Fehden mit den Böhmen entstünden, zu einer Jahreszeit, in der die Frucht noch in Halmen stehe, dadurch niedergebrannt oder sonst ver- wüstet werde, während für die Bedürfnisse des nächsten Jahres noch gar nicht gesäet sei »J. Ulrich von Liechtenstein , selbst ein Adeliger, klagt um's Jahr 1246 bitter über die Verwilderung seines Standes. Nur traurig, äussert er, stünde es jetzt überall in Steiermark wie in Österreich. Die Reichen benähmen sich nichtswürdig, ihr Sinn sei nur auf Übles gerichtet, wie sie einander scliaden könnten. Damit zerstörten sie aui'h ihr Ansehen, denn man erblicke sie nur immer auf Raub ') Vergl. meine Abhandlung über den Teiehner in den Denkschriften der kais. Akad. nd. Vr, S. 162—163. *) Eijenda. S. 163. ») Neidharl 32, 30—33. Schon zum Jahre 1178 wird über furchtbare Kämpfe berichtet, die zwischen Österreichern , Böhmen und Mährern statthatten in der Continuatio Claustroiieoburg:. III. bei Pertz, Mon. SS. 9, 631, 43—632, 21. Cber den Leumund der Österreicher, Böhmen und L'ngcrn. 45 O ausziehend. Die Jugend folge zudem ihrem Beispiele «). Und an einer anderen Stelle, nachdem er das Benehmen des rauhsüchtigen Rapoto von Yalkenherg scharf getadelt, 474, 2S, bemerkt er, dass damals Mancher arm im Lande geworden, der früher zu den Reichen zahlte. Tag und Nacht würden die Rauhzüge fortgesetzt, viele Dörfer ver- wüstet, dabei seien es die Reichen, die den Armen ihre Habe raubten. 'Das ist ein unadeliges Treiben!' ruft er schlüsslich aus'). Die engen Grenzen des Landes schienen endlich den Gierigen zu enge, und es wurde 1270 mitten im Winter ein grösserer Raub- zug in"s Nachbarland Ungern beschlossen, an dessen Spitze Sigfried von Wähingen sich stellte. Man kann sich ein Bild von dem Um- fange dieses Zuges machen, wenn man hört, dass von den über den gefrornen Neusiedlersee dahin ziehenden Reitern und Fussknechten allein vierzig Adelige und dreihundert Knechte durch die ein- brechende Eisdecke ihren Untergang fanden «). Unter dem Vorwande politischer Rache wurden ähnliche Züge von Zeit zu Zeit unternommen, boten aber zugleich die Veranlassung, im eigenen Lande die gräulichsten Verwüstungen anzurichten. Ich erinnere nur an die ergreifende, lebenswarme Schilderung eines solchen Rachezuges bei Helhling») und stelle ihr eine zweite aus dem Jahre 1322 an die Seite, die sich dahin ausspricht, dass die gesammelte Heeresabtheilung so arg im eigenen Lande gewüthet hätte, als -wollte sie nie wieder zurückkehren, und als bestünde sie aus lauter Heiden. Zu gleicher Zeit aber hätten auf dem jenseitigen Ufer der Donau die Ungern mit den wirklichen Heiden, den Huma- nen, auf ganz ähnliche Weise gewirthschaftet, und so seien denn dies- und jenseits, von den wirklichen Heiden und den nur Christen genannten Österreichern, gegen alle Gottesfurcht die ärgsten Giäuel verübt worden lo). 6) Ulrich von Liechtenstein. öö4, 27. 7) Ebenda. 330, 14. 8) Continuiitio Vindob. bei Perlz Mon. SS. 9, 703, 36. Vom Zuge heisst es ausdrück- lich „volens per rapinam Ungariam infrare". Eines zweiten ähnlichen Zuges, der drei Jahre später, gleiehf;»lls von einer „societas nol.ilium" nach Ungern unter- uomraen wurde, bei dem aber der Beisatz „per rapinam" fehlt, erwähnt dieselbe Quelle S. 704, 33. ») Seifried Helbling. 2, 362—813. 10) Continuatio ZweUensis lll» bei Pertz Mon. SS. 9, 607, 8. Ein ähnlicher Verwüslungs- und Raubzug ward Ende September 1336 gegen Mähreu uuternouimeu. Coutinuat. Zwetlens, IV» bei Pertz Mon. SS. 9, BSG, 41. 454 V. Karajan Verrathen schon solche Vorgänge keine tiefer gehende Einsicht in das was dem Vaterlande ziemt und frommt, so kann es uns nicht Wunder nelimen, wenn die Quellen über die sonstige politische Reife und Bildung des heimischen Adels keine günstigeren Urtheile fällen. Wir sehen ihn nämlich das ganze dreizehnte Jahr- liundert entlang, statt die Macht des Landesfürsten durch treuen Anschluss zu kräftigen, sich mit ihr fortwährend messen. Schon im Jahre 1175 hatten die Adeligen der Steiermark, mit einer durch König Sobieslav II. von Böhmen begünstigten Verschwörung gegen Herzog Heinrich II. Jasomirgott von Österreich den Reigen eröffnet n). Im Jahre 1231 schlössen die Adeligen Österreichs gegen den aller- dings zu Gewaltthaten geneigten Herzog Friedrich II. einen gehei- men Bund, dtr das arme Land abermals mit einer Reihe von Kämpfen und Bränden heimsuchte i«), und fünf Jahre darnach in einem zweiten Aufruhr seine Wiederholung fand, welcher die Schliessung aller Städte und befestigten Orte des Landes, wie eine Menge Räubereien und Brände veranlasste ^^). Drei Jahre darnach machten die Adeligen Österreichs und Steiermarks gemeinschaftliche Sache, zogen die Städte in ihren Bund und widersetzten sich ihrem Landesherrn i*), ja 1253 sehen wir diese Stimmung des Landadels benützend und mit ihm verbunden König Bela IV. in Österreich einfallen, und dieses Land wie Mähren plündern und verwüsten i^^, Gleiches aber im nächsten Jahre wiederholen. Dass es in der herrenlosen Zeit, nach dem Tode Friedrich's des Streitbaren, nicht besser, sondern noch schlimmer wurde, haben wir bereits aus den oben angeführten Klagen der Zeitgenossen ver- nommen. Aber auch nachdem Rudolfs I. kräftige Hand Ruhe ge- schalTen, sollte diese nur kurze Zeit währen, denn der Adel sah sich dadurch in seinem nun zur Gewohnheit gewordenen Treiben zu sehr beirrt, und schon wenige Jahre nachdem Albrecht I. mit eiserner Faust die Zügel der Regierung ergriffen, begann der Adel abermals seine Umtriebe und im letzten Jahrzebend des Jahrhunderts sind die Quellen erfüllt mit allerlei Klagen über die Verschwörungen der »') Continuat. Zwellensis II^. bei Pertz Mon, SS. 9, 541, IS. '2) Annales Mellieenses bei Pertz Mon. SS. 9, 307, 44. »3) Contin. Vindob. ibid. 9, G38, 41 und Annales Mellicenses ibid. 9, i>08, 9. »*) Conlinuatio Sancrucensis U\ bei Pertz Mon. SS. 9, 639, 32. «5) Annales Mellicenses bei Pertz SS. 9, 508, 48 und ibid. 309, 3. über di'u Leumund der Österreicher, ßühmeR und L'ngero. 4öi) Alleligen. Man trug keine Scheu, sich ofTen mit den abgesagten Feinden des Landesfürsten zu verbinden, so 1292 mit dem Erz- bisehofe von Salzburg und Otto von Baiern i"), nachdem man sich im .Führe vorher, als König Andreas von Ungern durch sechs Wo- chen lang zwischen Neustadt und Wien ein Belagerungsheer auf- gestellt hatte, von Seite des Adels völlig unthälig verhalten hatte i'). Der Adel ging endlich im Jahre 1296 so weit, den Landes- fürsten bei König Adolf förmlich anzuklagen und diesen einzuladen, nach ()sterreich zu kommen und Ordnung zu schalTen f^). Landes- verweisung Etlicher , so w ie Güterconfiscationen Anderer waren Albrecht's Antwort auf das Beginnen des Adels. Helbing sowohl wie Ottacker's Reirachronik spotten über die ungebührlichen Forderungen dieses Standes, der überall drohte und prahlende Worte im Munde führte, wenn's aber zum Handeln kam, vor Albrecht^s Standhaftigkeit und eisernem Willen scheu sich zurückzog 19). Der Herzog wusste auch was er von dieser Seite zu erwarten hatte, er wusste, dass seine eigenen Dienstherren hinter seinem Rücken mit seinem persönlichen Feinde, König Adolf, zu seiner Vertreibung, verbunden waren, und desshalb griff er die Sache an der Wurzel an und zog 1298 an den Rhein zum Kampfe um die Krone Deutschlands 20). Dass es in den hierauf folgenden beiden Jahrhunderten um das Wesen des heimischen Adels im Ganzen nicht besser stand, lässt sich an einer fortlaufenden Reihe von Merkmalen erkennen, wenn sich auch gerade keine besonderen Urtheile mehr über ihn selbst in den Quellen vorfinden, um die es uns hier allein zu thun ist. Wir schreiten daher in der Betrachtung einzelner Stände, soweit die Quellen über sie Urtheile fällen, vorwärts. Was zunächst die Geistlichkeit betrifft so sind besonders die wenn auch nicht zahlreichen, doch wohlerwogenen Aussprüche Heinrich des Teichner's zu beachten, da besonders diese von den 1«) Annales Mellicenses bei Perfz SS. 9, SlO, 42 und Continualio Vindob. ebenda 9, 717, 15. 17) Continuato Zwetlensis II|a bei Pertz SS. 9, GdS, 11. 18) Continualio ZweUensis UU bei Pertz SS. 9, 638, 41. *9) Man vergleiche Helbling's viertes Büchlein und Ottacker's Cap. 623 Sp. JJTÖ» und Cap. 623. Sp. 376» . 20) CoDtinuati« Floriancnsis bei Perti SS. 9. 731, 31. 45 C V. K ar aj an heimischen Vertretern des Standes zu verstehen sind, während in anderen heimischen Quellen mehrUrtheile allgemeiner Art begegnen und überhaupt bei der Beschaffenheit derselben, als grösstentheils aus geistlichen Federn geflossen, es nicht Wunder nehmen darf, wenn ihre Verfasser nicht über sich selbst zu Geriehti; sitzen und die Beurtheilung der Genossen ihres Standes lieber Änderen überlassen. Teichner nun spricht sich dahin aus , dass ihm der geistliche Stand allenthalben bei den Österreichern nicht so geachtet erscheine, als er es verdiene. Jedermann sei mit Vergnügen bereit von Prie- stern und Nonnen recht Ärgerliches zu erzählen. Man schütte dann gewöhnlich das Kind mit dem Bade aus, verurtheile den ganzen Stand , statt das einzelne Glied desselben. Er leugnet aber nicht, dass auch Grund zu mannigfachen Klagen vorhanden sei. So die Bestechlichkeit mancher Bischöfe bei Verleihung von Pfründen, die Geldgier vieler Pfarrer und insbesondere an den Höfen der Adeligen mancher Capläne, die jede Dienstfahrt ihres Herrn zu hinter- treiben suchen, damit ihnen das Opfergeld nicht entgehe. Ebenso verwerflich seien die vielen von der Geistlichkeit empfohlenen Rom- fahrten und zu erwirkenden Ablässe, weil sie nur die argen Ver- gehen der Reichen beinänteln und sühnen sollen, während die Armen derselben Handlungen wegen verdammt bleiben. Ehebruch und Wucher sei im Stande der Weltgeistlichen nichts Seltenes. Mancher Pfarrer dürfe seine Pfarrkinder gar nicht zu tadeln wagen, weil sie ihn sonst selbst, und mit Recht, der Sünden der Unkeusch- heit, des Spieles und des Wuchers anklagen würden. Ja die Leute beriefen sich sogar, werden sie zu Rede gestellt, auf das üble Bei- spiel der Bischöfe, Prälaten und Pfarrer. Nie noch hätte die Geist- lichkeit leichtsinniger gelebt als zu seiner Zeit. Unkeuschheit, Völ- lerei, ausgelassene Reden, Raufen und Stechen in den Wirthshäu- sern, das sei jetzt ihr Lehen. Auf alten Gemälden sehe man oft den Priester abgebildet mit einem Buche in der Hand. Jetzt thäte msn besser ihn darzustellen mit einem Weibe an der Seife , ein Spiel- brett in der Hand , ein Schwert und langes Messer um die Lenden. Nicht besser stünde es mit den Geistlichen in den Klöstern , männ- lichen und weiblichen. Eher möge einer , meint er , im Fegefeuer ohne Neid und Aufregung leben, als in einem Kloster. Hoffahrt und Rang-Neid , der im Vordrängen über die Genossen sich kundgebe. über den Leumund der Österreicher, Bühmen und Ungern. 4u7 ewigen Hader und Parteiungen erzeuge, das seien die Haiiptgebre- chen dieser geistlichen Vereine u. s. w. 21). Von jenem Bruch tlieile eines Mittelstandes, der für die Zeit, weiclie uns hier zu Lescliüftigon hat , gleichsam als der Keim des erst später zum Heile der Gesellschaft reich entwickelten eigent- lichen Mittelstandes gelten kann, findet sich auf Osterreich Bezügliches in den heimischen Quellen nur äusserst Weniges und das wieder bei Teichner, somit für die Zeit des vierzehnten Jahr- hundeits. Dieser rügt ausser dem Stande der fahrenden Sänger, dem er zu Zeiten selbst angehörte und dem er Mangel an Wahrlieitsliebe vorwirft, noch jenen der Fürsprecher, die er Rechtsverdreher statt Rechtsfreunde nennt, und den der Handwerker. Aus ihnen tadelt er besonders die Maurer, Zimmerleute , Schneider und Schmiede als besonders gewinnsüchtig und preist daneben den Stand der Kaufleute als den „nutzhaftesten'% weil er nicht blos erzeuge, son- dern Erzeugtes auch in Verkehr bringe 23). Was über den Bauernstand anUrtheilen zerstreut sich findet, ist selten allgemeiner Art. Im Ganzen kann man sagen, das3 der Bauernstand Österreichs sich trotz aller ßedn'ickung von oben, durch den gesegneten Boden, dem er seine Thätigkeit widmete, stets einer bewussten Wohlhabenheit erfreute , die nur zu häufig einen merkliehen Grad von Stolz ja Übernintli im Gefolge hatte. Schon Neidhart in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts bemerkt, er habe von der Donau bis zum Rheine, von der Elbe bis zum Po die Länder alle kennen gelernt; in allen zusammen genom- men hätte er aber munterer Bauern nicht so viele gefunden als in einem kleinen Kreise Österreichs. Da könne man seine Wunder sehen 2s). Der Stricker, ein Dichter aus der ersten Hälfte des drei- zehnten Jahrhunderts, warnt Ritter und Dienstmänner in einem eigenen Gedichte, sich nicht auf dem flachen Lande Österreichs unter den Bauern anzusiedeln, denn mit diesen sei gar heiklich umzugehen und mit Gewalt nichts anzufangen. Sie seien mit einer Klage beim 21) Man sehe noch viel mehr in meiner oben orwiihnlon Abhandlung über Heinrich den Teichner in den Denkschriften der k. Akad. der Wissenscliaften Bd. 6, lö8 — IGl. 22) Ebenda, S. 164 und 165. ") Neidhart 93, lö. 458 ^- Karajan Landesfürsten nur zu schnell bei der Hand und wenn dieser nicht helfe, wüssten sie sich auf gräuliche Art selbst zu helfen a*). Der Satiriker Seifried Helbling zu Ende desselben Jahrhunderts ermahnt aber seinen Knecht sich nicht um den Übermuth der Bauern zu kümmern. Was beirre ihn auch das, wenn die Bauern wie Edel- knappen einher gingen mit fliegenden Hüten und klingenden Spornen, und lässt den Knappen entgegnen, wenn das so fort gehe, der Bauer nach Herrenart sich stelle, dann werde er auch bald der Herren Gesinnung theilen , und deren sei das Land ohne- dies schon voll genug 25). Im vierzehnten Jahrhunderte schildert Teichner, in mehreren seiner Sprüche, die österreichischen Bauern fast mit denselben Farben wie Neidhart und Helbling. Trinken, ritterlichen Aufwand in Kleidern, ewige Kämpfe unter sich und mit höher Stehenden , nie gesättigte Habgier und plumpen Übermuth nennt auch er als ihre hervorste- chenden Laster 26^. Als eine schauerliche Probe derLeidenschafllichkeit des Standes, gelegentlich bis zur Grausamkeit aufgeregt , mag die Erschlagung Albert's von Vöttau gelten, durch österreichische Bauern im Jahre 1405 zu Drosendorf auf gräuliche Weise ausgeführt und in der unten angegebenen Quelle recht anschaulich geschildert 27^. Wenden wir uns jetzt von diesen nichts weniger als erschö- pfenden Urtheilen der Quellen über die einzelnen Stände der öster- reichischen Gesellschaft des Mittelalters zu denen über einzelne Theile vom Wesen und dem Charakter des Österreichers überhaupt. Was vorerst seine äussere Erscheinung betrifft, so wird diese allenthalben als eine durch körperliche Wohlgestalt einerseits, ande- rerseits durch reiche ja prachtvolle Kleidung und Bewaffnung her- vorragende bezeichnet. Der Deutsche galt jener Zeit, was seine Erscheinung betraf, überhaupt für schön. Selbst eine für alles Deutsche wenig schwärmende böhmische Quelle spricht neben 24) Das Maere von den Gäuhühnern. Ein Beispiel des Strickers herausgeg. v. F. Pfeiffer. Wien 1859. 8. S. 10. Z. 34. ff. 25) Seifried Helbling. 3, 100. 36) Meineroben erwähnten Abhandlung S. 163. 27) Im Kalendariiiiii Zwctlense hei Perlz Mon. SS. 9, 696, 32—697, Ülier Jen Leumund dor üsterreielier, Uöliinen uiiJ L'iigern. 41)0 dem zierliehen schlanken Wüchse und dem edlen Wesen der Böhmen doch auch von der Schönheit der Deutschen ^^). Als Riidi»If von lliihshiirg 1282 die Österreicher und Steirer auf den r{eichsta}. Der Österreicher fühlte zu dem sehr deutlich die günstige Stellung, die ihm das Schicksal mitten unter Völkern angewiesen hatte, die seiner nicht entrathen konnten. Desshalb lässt Helbling *») Ich reihe hier in der Anmerkung all' die Stellen an einander, die die Farben boten zur Ausführung im Texte. HeliUiiig 14, 13. 2, 1431. 3, 332. 14,20. 2, 36. 2, 145. 14, 1. 1,431. 1,214.223. 280. 8,774. und 8,729. 1067. *«) Helhling: 14, fi6. über dt'/i [.ouiniiiiil der (i^lcrrclclier, Röhiticii und L'ng-ern. 403 seinen tadelnden Diener ermahnen, er solle sich nicht zu sehr über die Nacliahmnngssucht der Österreicher kränken. Die Völker, denen sie damit gewissermassen den Hof machten , brächton ihnen doch auch wieiJer viele Vortlieile und müssten schliesslich eine Menge Waaren hei ihnen holen. 'Dos lieben (Österreich geniesse manches Land'. Nach ßölimen und Mähren gingen Österreicher Weine, nach Baiern grosse Schiir>ladungen voll Waizen und Wein, nach Ungern alte Kleider u. s. w. *^y Was auch immer die inneren Fehden zer- stört hätten, Österroich bleibe doch 'ein guot tendeiin', das erführen sie seihst am Kheine und zögen zu uns, fügt llelbling hinzu, auf die vielen Einwanderungen unter Albreclit I. deutend "*'). Als König Ottakar von Böhmen für sein Heer von den Wienern Leliensmittel vcrfangte, antwortete der Bürgermeister Paltram kurz und bündig: er könne sie haben, so viel und so lang er deren bedürfe', die Landherren aber nieinten: 'Es zeige sich nun, dass Österreich nicht blos an Ehren, sondern auch an Gütern reich sei!' ■*'). Dieser Ruhm und Wohlstand erzeugte begreiflicherweise einen liöheren Grad von Selbsigefühl, das gelegentlich wohl auch zu Stolz und l'bermuth heranwuchs und dann gerechten Tadel fand. An meiireren Orten in den Quellen begegnet daher der den Deutschen im Allge- meinen gemachte Vorwurf ungestümer Heftigkeit, die zuweilen bis zu Grausamkeit sicii steigere. In den meisten dieser Fälle werden ohne Zweifel unter den Deutschen die Övsterreiclier zu verstehen sein, mit denen eben die Verfasser jener Rügen zunächst in Berührung kamen. So spricht jener der Chronica Polonorum**) wiederholt von den 'impetuosis Alemannis' und dem impetas Alemannorum'; und als Alhrecht I. bei Philipp IV. von Frankreich in Tüll am 8. De- cember 1299 zu einer längeren Besprechung sich einfindet, wird Albrecht's Gefolge jenseits des Wassers eingelagert, damit es nicht mit dem Gefolge des Königs in 'Unrede' käme, 'denn dieWälschen *i) Helliling 3, 209. Noch im seclizehnten .liilirlmndert gelien die Donnu hinab Eisen- waaren, Korn, Hüte und Kleider und als Hiickfracbl Vieh und Ochsenhüute. Quad von Kiniielbach, deutscher Nation Herrlichkeit. Cölu 1609. 4". S. 76. <») Helbiing 8, 1240. 4»J Otlacker's Reiinehronik. Cap. 61. Sp. 73. a. **) Bei Pertz Monumenta SS. 9, 46G. li und 467. 37. 4-U-t V. K :i r a j a n scheuten den Gähzorn der Deutschen und die.«, weil sie klug sind' 45). Als Friedrich dem Streitharen zugleicli von drei Seiten, nämlich von Ungern , Böhmen und Baiern her, Kriegserklärungen zukamen, soil er sich, wie Enenkel erzählt, über Olto II. den Erlauchten dahin geäussert hahen, 'seine Absage mache ihm nicht bange, denn er, Friedrich, hätte einen Dienstherrn, der allein mit ihm fertig würde. Er ziehe gar nicht gegen ihn aus, denn Otto könne ja doch im Kampfe mit ihm nicht aufkommen'. '0 weh Fürst von Baiern, nur um Regensburg kennt man dich! Wie willst du dir das beigehen lassen, mit mir dir einen Scherz zu erlauben!' Dem Boten aber mit der Absage König Wenzel's I. von Böhmen entgegnet er: 'Fürwahr Euer König könnte wohl mit Ehren daheim bleiben , denn die Böhmen taugen nichts im Kampfe und thäten besser ihren König daheim zu behalten' *6). Von Leopold 1. aus demselben Geschlechte erzählt eine höhmische Quelle, er habe, als der Markgraf Konrad von Mähren, 1082, zur Beilegung gegenseitiger Räubereien an der mährisch-österrei- chischen Grenze ihm wiederholt Boten zugesandt habe, seine Ermah- nungen 'mit aufgeblasenem Stolze verachtet', bis Konrad sich endlich an seinen Bruder Wratislav IL von Böhmen wandte, um Hilfe 'gegen den Stolz der Deutschen' *■?). llelbling sagt wohl auch ähnlichen Überschwenglichkeiten gegenüber: 'wir Österreicher glauben eben so derb sein zu müssen wie die Steirer' *«), und lässt ironisch seinen Knecht den Herrn fiagen, 'warum denn die Österreicher sich gar so schüchtern beneh- men' ? *»). Dem scharfblickenden Herzog Albrecht I. aber , der allerdings den Gesandten K. Andreas III. von Ungern, als dieser ihm eine Absage zukommen liess, 1291, bedeutete, seine Vorfahren hätten noch jeden Einfall der Ungern zurückgeschlagen, er werde sich auch zu behaupten wissen, wurde der Hochniuth der Seinen doch zu viel, als diese den Gesandten mit Spott begegneten, und er sagte: 'wenig droh'n und tüchtig handeln, das zieme dem 45) Ottaker's Reimchronik Cap. 699, Sp. 648. *6) Kiienkel bei Rauch SS. 1, 334 und 333. 4»J So Kosmas von Prag bei Pertz Mon. SS. 9, 90, 4. 48) Uelbliug 1+, 42. 49) Ebenda lö, 7. über den Leununiil der (islerieicher, BüIhik-ii und rjijjcrii. 4-0 ü Weisen' so^. Das hinderte ührij^ens docli nicht, dass die endlicli zur Fi'iedensverhandlung ahgesandten Biscliöfe von Passaii und Seckau den Ungern in den Bart sagten: und briiclite Euer Herr noch drei Könige mit sich, so mächtig \\ ie er selbst, da3 werde Österreich docIi nicht zu Grunde richten. Was Kuer Herr in Österreich errungen, ist zu verschmerzen, und mit dem nicht zu vergleichen, was Herzog Albrecht in wenigen Tagen bei Euch gewonnen. Sagt uns doch, wann sind denn Eure Könige in einem Jahre zweimal nach einander siegreich in Österreich eingedrungen? Das hat aber Herzog AIhrecht Euch gelehrt und fünfzehn der gewaltigsten Vesten dabei erobert. Die Burt^en, die Eure Könige uns genonuiien , sind leichter auf- gezählt' si). Solcher Übermuth mag wohl auch in aufgeregten Zeiten und bei den liaufigen gegenseitigen Neckereien, die nur Erbitterung hervorrufen konnten, bis zum Unmass sich gesteigert haben. So vielleicht im Jahre i30t> bei der Verwüstung der Burg Joslowitz in Mähren, die mit so grellen F;irben in unseren Quellen geschildert wird, dass selbst böhmische Chronisten wie Peler von Zittau an der Wahrheit der damals erzählten Grausamkeiten der Belagerer zwei- feln. Rlan sieiit daraus nur, ist auch in den Berichten stark aufge- tragen, wessen man die Österreicher für fähig hielt 52). Von den bewatTiieten Haufen des Erzbischofs von Salzburg Konrad's IV. und der Halleiner erzählt dieselbe Quelle ein nichts weniger als lobens- werthes Vorgehen gegen die männlichen und weiblichen Salzarbeiter und die herzoglichen Salzpfannen der Gosau, die aus Rache grausam verfolgt und zerstört wurden, als das falsciie Gerücht von Albreclil'sl. Tode sich verbreitete ^s^. Als allgem^ü iC und letzte Quelle ähnlicher Überhebungen muss wohl ein nicht unbedeutender Grad von Wohlstand angenommen werden, dessen Erreichung manniL'fachen örtlichen Begünstigungen und Vortheilen, wie einer gewissen Rührigkeit und Gewandtheit des Österreichers überhaupt wird zuzusclireiben sein. ^0) Ottackci's Reimchronik. C.np. 3S9. Sp. .300 b. ^•) Ottacker's Reimehrouik. Caj>. 397. Sp. 378 a. zu vergleichen mit Cap. 395. Sp. 373 a. *-J Mau sehe die ausführliche Erzäiilung dieser ßelajjeriinj; bei Ottacker Cap- 740. Sp. 718 a. bis Sp. 719 b. und vergl. Wolny, Mähren. 3, 302, wo der Vorgang: als Sage bezeichnet wird. 5») Ebenda Cap. 64ä, Sp. 591 a. 4Ö6 V. K ii r a j a ii Die höheren Stände freilich halten weniger Theil an dieser erspriessIichenThätigkeit und waren schwer zu ernsteren Geschäften zu verwenden, wenn Vergnügen und prudkende Entfaltung ihrer Tapferkeit, auf Tournieren und ähnlichen Versanimlungen, möglieh iind'geboten war. Es ist anziehend hierüber die Klage Leopold des Glorreichen zu vernahmen, über den Kreis von Adeligen und Würde- trägern, die er 1224 nach Friesach geladen hatte, um da eine Ver- söhnung zwischen Markgraf Heinrich von Isterreich und Herzog Bernhard von Kärnten zu bewerkstelligen, und die nun trotz aller Bitten vom Tournieren und Käftipfen nicht abzubringen und ernsten Geschäften zuzuführen waren 5*). Als eine Folge grösseren Wohlstandes müssen auch die zahl- reicheren Ansprüche betrachtet werden, welche zum Kampfe aus- gerückte Schaaren an ihre Führer stellten. In Bezug auf Genügsam- keit in dieser Hinsicht, bemerkt Ottacker's Reimchntnik, sei zwischen Ungern und Österreichern ein grosser Unterschied, denn während jene mit etwas Knoblauch und ungekochter Nahrung sich begnügten, ihre Pferde auf die Weide trieben, müsse man den Deutschen für ihre Rosse überall gutes Futter schalTen und könne ihnen nicht genug Schinken geben. Tüchtig seien die deutschen Truppen aller- dings, aber auch theuer^ä). Bezüglich der inneren Verwaltung des Landes ist es lehrreich, einige zerstreute und leider nur zu kurze Äusserungen der Quellen zu beachten. Was zuerst die finanzielle Gebahrung betrifft, so klagt bereits Neidhart, in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, über kaum mehr zu erschwingende Höhe der Steuer. Er dankt nämlicli Herzog Friedrich für das ihm verliehene Haus, fügt aber gleich hinzu: 'das wäre alles gut, wenn nur die ungebührlichen Abgaben nicht wären. Das wovon die Kinder leben sollten, müsse er als Steuer bezahlen ^ß).' Im vierzehnten Jahrhundert aber, zwischen den Jahren 1358 und 1378, äussert sich Peter der Suchenwirt über die Geldwirthschaft unter Rudolf IV. oder Alhrecht III. auf nichts weniger als sehr schmeichelhafte Weise. Er fragt nämlich in einem M) Ulrich von Liechtenstein. 78, 25 ff. 65) Ottaciier's Reimchronik. Cap. 59. Sp. 72 a. »6) Neidhart 73, 11. über den Leiimuiiil ih-r Ostcrreii-hi-r, IJiiluiuMi iiml Untern. 40 7 seiner Sprüche das Geld selbst in der Person des Herrn Pfennings, beiiänflgso: 'Nun, Herr Pfenning, s;igt an, ilir weiltet doch wohl auf Eueren Wanderungen auch in C)steireieh und hal»t da gewiss dessen junge und tugendreiche Fürsten kennen gelernt? Was sagt ihr zu iiinen' ?, worauf er den Pfenning erwidern lässt: 'Da ist meines Bleihens nicht. Die sind zu jung und kennen meinen Werth nicht. Ihre edle Ahkunft kenn' ich wohl, ihre grosse Macht und weiten Länder; geh' mich ihnen aber doch nicht zu eigen. Werden sie nur erst älter, dann werden sie mich besser zu schätzen wissen und dann bleib' ich gerne bei ihnen s'?)'. Auch über den Stand der Justiz im Lande lassen sich einige Äusserungen anführen. Er wird im Ganzen nichts weniger als tadellos bezeichnet. Schon die Sucht und Veranlassung zu zahllosen Rechts- streitigkeiten lässt auf die Mangelhaftigkeit der Gesetze schliessen. Wenn in Wien, meint Helbling, an den Schranken des Gerichtes hundert ihre Klagen eingebracht hätten, so lauerten ausserhalb der Schranne schon wieder tausend, die klaghaft werden wollten, wenn es nur anginge ^s). Dieselbe Quelle tadelt es, dass trotz dieser wahren Klagewuth die Einrichtung der Rechtsstellen nicht besser sei, und lässt sich bitter über alle Ausuahmsgerichte vernehmen, die den Schuldigen den lan- desfürstlichen Behörden entzögen. So hätte es die Geistlichkeit dahin gebracht, dem Landesherrn nicht Rede stehen zu müssen. Was sie immer unrechtlich erwürbe, darüber stünde sie nur in Rom zu Rede ^ö). Die Besteclilichkeit der Riciiter aber, wie den schleppenden Gerichtszug tadelt ein eigenes Gedicht Heinrich des Teichners, also für das vierzehnte Jahrhundert, indem es eine ganze Reihe lehirei- cher Einzelheiten autViihrt. Es äussei-t unter Anderem: die Gesetze seien so schlecht nicht, nur die die sie handhaben sollen, seien keine tüchtigen Leute oder gar Verworfene. Wo immer Gebhart in die Schranne tritt und Nehmhart Richter ist, da ist der Arme verloren, denn da geht es an ein erstrecken und verzitlien, so dass keiner zuletzt sein Recht erreichen kann' «»). Bei der BeschatVenheit des österreichischen Richterstandes seiner Zeit, meint Teichner, sei der 57) Siiclieiiwiit 93, 210.) 58J Helbling 2, 70G. 59) Helbling 2, 776. «<•) Meiner Ahhandlungr über Teicliner S. 172. 408 V. K a r a j a n StraiFällige oft besser daran als der Kläger, denn dieser verliere zugleich sein Geld und sein Recht. Es werde im Ganzen auch viel zu viel Rücksicht auf den Stand des Reklagten genommen. Sei dieser vom Adel, dann erlange der Niedere schwer sein Recht, wie- wohl dies nicht im Sinne des Lande^fürslen liege. Ebenso gehe es ihm, wenn er einen Reichen belange, der mit seinem Gelde das Recht zu seinen Gunsten zu drehen wisse ^i). Nicht besser äussern sich die Quellen über den Zustand der inneren politischen und polizeilichen Verwaltung des Landes. Von den ersten Jahrzehnten des dreixelinteu Jahrhunderts bis in die letzten des fünfzehnten lassen sich Äusserungen anführen, die den Zustand des Innern in Österreich als keinen gehörig geordneten erkenneil lassen. Schon oben haben wir bei Gelegenheit der Gesetz- losigkeiten, die der Adel sich erlaubte, auf Einiges hingewiesen, das wir hier ergänzen. Schon Neidhart klagt, dass aller heitere Sinn aus Österreich verschwunden sei, nur Leid da und Jammer wohne. Friede und Versöhnung der Parteien komme nimmer zuwege. Seelig würde der zu preisen sein , der diesem bedauerlichen Zustande ein Ende machte; so aber finde sich da nur Sünde neben der Schande ^~y Ein anderes Gedicht derselben Zeit, dessen Verfasser bis jetzt nicht ermittelt ist, das sich aber ohne Zweifel auf die inneren Ver- hältnisse Österreichs unter Friedrich dem Streitbaren bezieht ^^^, schildert einen Ritter vom Stegreif, der mit mehreren seines Gelich- ters Österreich verlassen und in einem anderen Lande sein Glück versuchen wolle. Er hätte nämlich nicht Lust sich in ihrer Gesell- fchal't als die ersten dazu herzugeben, um an ihnen ein lehrreiches Beispiel zu liefern, zur Warnung der Übrigen, denn es wäre leicht möglich , dass sie der neue Sduihneister , nämlich der Herzog Friedrich, am Ohr aufzöge (aufwinde, d. i. aufhänge) oder sonst mit seinem scharfen Scheerlein behandle. Fügt Euch, Arme und Reiche', setzt der Dichter hinzu 'dem Herzoge Friedrich, der will endlich mit allen anderen Fürsten den Pfad ebnen. So mag er uns denn auch vor allem seiner Würde und Thaten wegen am besten gefallen. Er weiss zu richten und vermag es auch' u. s. w. «1) Ebenda 172 und 173. 62) Neidhart 32, 1 und 31, 10—19 6») Mitg-etheilt durch M. Haupt in den Anraerkuugen zu Neidhart S. 241 zu Zeile 102, 21. über den Ll'uiiiuikI ili-i- Öslei reii'licr, Ütiliiiiin iiml I ii|,'i-im. 4(j1) Suclienwirt klagt ebenfalls über die unverzciliclierweise im Lande geduldeten Fehden und Käultereien, während 'inaniger oben unde niden' unbeküniinert um den Ziisfand des eigenen Landes tolle Ritterziige in fremde Länder unternehme <=*). Dass hier die Züge gegen die heidnischen Preussen gemeint sind, ist kein Zweifel, auch Teichncr verdammt diese. Der Scliulz der Armen, der Witwen und Waisen, das sei die Pflicht des Ritters, nicht nutzloses Stechen und Turnieren oder thörichte Fahrten nach Preussen. Kein Ver- nünftiger könne die billigen. Das soll zur Ehre der Gottesmutter sein. Und dabei lässt der Ritter arme Leute hilflos; Witwen und Waisen seines Landes, die könnten sich mittlerweile selbst verthei- digen u. s. w. ß^). Die oben vom Stegreifritter befürchtete Schulmeisterung trat allerdings später ein, denn zum Jahre 1312 wurde von Herzog Friedrich dem Schönen die Aiissendung einer Streitmacht unter dem llofmarschall Dietrich von Pillichdorf anbefohlen , welche in Verbin- dung mit verlässlichen und dazu beeideten Adeligen, Städte-Bürgern und Bauern im Lande strenge, dabei geheime Nachfrage nach den Störern des Landfriedens hielten und unter dem Namen Geräune' strenges Gericht übten 6«). Das Aufziehen und Scharfscheeren des Stegreifritters wurde dabei in der Form des Hängens und Köpfens redlich geübt. Dass trotzdem damit das Übel nicht geheilt wurde, lehren spätere Klagen der Quellen. So ruft Thomas Ebendorfer von Hasel- bach über das Raubwesen in Österreich unter Kaiser Friedrich HI. empört aus: 'Wozu auch nützen uns Htrzoge, wenn uir die Aussicht haben, durch Räuber geplündert von Thüre zu Thüre betteln gehen zu müssen, oder wenigstens unser Haupt nie ruhig zu Bette legen können'? e^j. Im Herbste des Jahres 1466 ging die Frechheit der Raub- ritter des Landes so weit, die Kaiserinn selbst, welche in Baden, vier Wegstunden von Wien gelegen, die beilkrälligin Quellen benützte, und von einem Ausfluge nach dem Stifte Heiligenkreuz heimkehrte, von der Burg Rauhenstein herab zu überfallen und mit Plünderung 64) Suchfiiwiit 38, 44. ö*) S. 1G6 meiner wiederholt aiiyefiilirleii Ahliiuidliiiij,'-. 66) Conlinualio Zwetlensis 111" bei Peilz Mon. SS. 9, 664, 44. 6') Pez Sciipfoies 2, 861. 4 / ü V. K a r a j n H ZU bedrohen «*). Vom jenseitigen Ufer der Donau aber, berichten die Quellen zum gleichen Jahre, und aus gleicher Nahe zur Haupt- stadt des Landes einen beabsichtigten älinlichen frechen Überfall eines harmlos Reisenden hohen Sianiles, nämlich Leos von Rozmital, Schwagers König Geoig's von Poiii« biad , der wahrscheinlich mit Aufträgen des.selben an mehrere Höfe des Abendlandes gesandt war. Als dieser von Trautmannsdorf her über Korneiihurg den H*^im\veg nach Prag fortsetzen wollte, da erhielt er die VVarntmg, dass in der Nähe dii^ses Städtchens der von Sternberg (nämlich Zdenko), weil erder Krone Böhmen Feind war, auf ihn laure, um ihn zu überfallen. 'Da mussten uns', sagt die Quelle, 'der Baiimkirchner und der Eizinger mit gewalt in Merhernland beleiten' ß^). Erwägt man ferner, ausser den eben aufgefiihrten Fällen, auch die schon oben erwähnten, ewig wiederkehrenden Verschwörungen unter dem Adel des Landes, die höchst unheilvollen Theilungen, Eifer- süchteleien und dadurch nothwendi-g herbeigeführten Spaltungen unter den Familieiigliedern der Landesfürsten, die dann wieder den Parteiungen im Lande selbst zur Folie dienten, so darf es einen nicht Wunder nehmen , wenn der innere , politische Zustand des Landes zeitweise zu einem trostlosen sich gestaltete. Schon Graf Eberstein, der Gewaltbote Kaiser Friedrich's H., fand 1237 die Zerklüftung der Österreicher in feindliche Parteien höchst bedenklich, und w^eilte längere Zeit ganz nutzlos zu Wien 'da er sieh Niemandem anzuvertrauen wagte, denn allenthalben herrschte nur Treulosigkeit im Lande' ■?<>). Und mehr als ein halbes Jahrhundert später äussert bitter Ottacker in seiner Reimchronik von den Grossen des Landes Österreich sprechend: 'So viele Köpfe, so viele Meinungen, so stand es mit ihnen. In jener Zeit hätte man nicht viere unter ihnen gefunden, deren Wille zusammenstimmte. Diese wollten so und jene so' ''•). Der die politischen Verhältnisse Österreichs, seines Geburlslandes, sehr genau kennende Thomas Ebendorfer von Haselbach ruft daher zum Jahre 1460, in welchem *9) Vergl. E. Biik, D. Lenor von Portugal, im Älraanach der kais. Akademie der Wissensch. Bd. 9, Al.th. 2, 187. 6®) Gabriel TetzcTs Reisel)erioiit über Leo Hozmital's Zug, in den Publicationen des StuUgaiter Vereines. Bd. 7, 193. ^0) Continuatio S. Crucensis 11' bei Pertz Mon. SS. 9, 639, 21. »») Ottacker Cap. 621, Sp. 373 a. über den Lt'iiimiud der Usterreiclicr, Uijlmieii und Ungri-n. 4 < 1 der des vierzelinten Jahrhunderts gleiche Verwirrung herrschte, wehmüthig und wohl mit Recht aus: 'Was ich über dich, o Viiter- land, sagen soll? Icli weiss es nicht. Zerrissen in zahllose Stücke eilst du , wie ich fürchte, nur zu schnell df^n Untergänge entge- gen'! '2j Und Aeneas Sylvius Piccolomini, als Papst Pius II., der die Österreicher genau kannte und in dieser Zeit beobachtete, lässt sich folgenderinassen über sie vernehmen. 'Aber diese österreichische Treue, sie gleicht dem Winde und ist morscher und gebrechlicher noch als Binsen; über nichts cinpünden sie Scham; was man ihnen sagt oder nicht sagt, nehmen sie auf die gleiche Weise hin; Beei- detes oder nicht Beeidetes gilt ihnen gleich. Sie kennen nicht was billig und was gut ist, alle trachten sie begierig nach Gewinn, sind räuberisch bei fremdem, geizig mit dem eigenen Gute und am Ende seheint ihnen nur Ansehen zu verdienen was reich, sclimablich was arm zu nennen ist' 's^. Diesen Äusserungen der Quellen über die Eigenschaften und die Zustünde der Ö.>terreicher im Allgemeinen will ich zum Schlüsse jene wenigen anreihen, welche ich über ihr Verliältniss zu Fremden und Nachbarn aufgefunden habe. In ersterer Beziehung sind es namentlich die Schwaben, über welche sich die Quellen aus der Zeit Albrechl's I. wiederholt ver- nehmen lassen. Vor allen ist es Seifried llelbling, der über sie nicht gut zu sprechen ist. So lässt er die Landlierren bei Albrecht sich bitter beklagen , dass Österreich unter ihm mit Fremden bis zur Ungebühr überladen sei. Wenn er Hofgesinde benöthige, stünden ihm aus ihren Reihen Mäimer wie Frauen genug zu Gebote. Sie verstünden ebenso gut wie irgend einer aus El-ass, Schwaben oder RheinIVanken sich in siinem Kienste umzulhun ''*). Und ein ande- resmal bemerkt rr bitter, hätten die Österreicher nun einmal einen Herzog aus Schwaben erhalten, dann sei es am Ende auch ganz billig, dass sie selbst nach und nach sich in Allem nach den Schwa- ben richteten, würden doch diese hier besser gehalten als alle anderen Leute '^j. 72) Pez Scriptores 2, 901, C. "3) Historia Friderici III. bei Kollar Analect», 2, 399. '*) Helbliiig 4, 718. 7*) Ebenda 1, 472. 4-T2 V. K a r a j a n Auch OÜacker in seiner Reimclironik, von der Hochzeit des Markgrafen Hermann von Brandenburg mit Albrecht s I. Tochter Anna sprechend, welche zu Grätz 1295 abgehalten wurde, betont f'ichtlich: der Herzog von Österreich sei endlich mit seiner schwä- bischeji Ritterscbaft gegen Wien aufgebrochen ^s^, und äussert von ihrem Treiben am Hofe Albrecht's, 'was man immer zu Wien einem Schwaben geben mochte, es genügte ihm nicht, es sollte das zehn- fache sein. Das mussfe so kommen' '?^). Bei einem Turniere zu Grätz aber, im December 1303, war der Hass der österreichischen und stei- rischen Landherren gegen die schwäbischen Ritter so weit gediehen, dass sich beide Parteien gegen alle Kampfregeln heimlich ver- abredet hatten-, die Landsleute nicht zu schädigen, dagegen die Fremden so hart als möglich anzulassen. Dem Könige Albrecht ward die Sache verratben und er verhinderte den üblen Anschlag durch schleunige Aufhebung des Turniers ''«J. Nicht besser als zu den Schwaben standen die Österreicher jener Zeit zu den Böhmen. Als die Adclsparfei, gegen Albrecht's L scharfes Regiment verschworen, mit dem Gedanken umging, sich um Hilfe gegen ihn an König Wenzel H. zu wenden, da widersetzte sich aus ihrer Mitte eine ziemliche Anzahl einem sohhen Beschlüsse mit der Betheuerung, nimmermehr würden sie sich einem böhmi- fichen Herrscher unterwerfen ; Ottakar's Gewaltthätigkeiten seien ihnen noch zu lebhaft im Gedächtnisse. Eher wollten sie für immer sich der Schwaben Gebote fügen, als den Böhmen hier ihren Über- muth abermals treiben zu lassen '^j. Dieselbe Quelle äussert bei Gelegenheit der Erzählung von K. Rudolfs des Sohnes Albrecht's L, raschem Untergange in Böhmen, nicht ohne Bitterkeit: 'das ist der Lohn, den er in Böhmen empfing' ! so). Es begreift sich, dass über das Verhältniss der Österreicher zu den Ungern, die in der uns hier beschäftigenden Zeit fast nur als Feinde im Lande erschienen , keine anderen als ungünstige Urtheile in den heimischen Quellen zu finden sind. Ich will das Wenige, was sich hier sagen liesse, lieber für jenen Theil meiner Untersuchung 76) Ottacker Cap. 642, Sp. 589 a. ") Ebenda Cap. 778, Sp. 782 a. 79) Ebenda Cap. 731, Sp. 706 a. ~^) Ottackei's Reimchionik Cap. 6^1, Sp. li7Z h. 8") Ebenda Cap. 783, .Sp. 7S9 b. über ik-ii Leumund der Östeireiclicr, (Jüliruen und L'iigern. 473 zurücklegen, in welchem ich vom Veihältiiissc der Ingern zu ihren Nachharn zu sprechen liahen weide. b) Von den Büliincn. Es scheint mir zweckmässig hei dor He(racli(ung der in den Quellen dieser Ahtheilung voi findigen Äusserungen üher die Eigen- heiten und Verhältnisse dieses zweiten Volkes der ge\\ ählttn Gruppe dcnselhen Gang einzuhalten wie hei den Österreichern. Voran stelle ich ein paar allgemeinere Urtheile über das \N'esen und die äussere Erscheinung der Böhmen. So hemerkt Antonio Bonfini, ein Neapolitaner, der lange in Böh- men und am Hofe Mathias Corvin's gelebt hat und vor löOo slarh, von den Böhmen: 'Vor den übrigen Völkern der Erde zeichnen sie sieh durch schlanken Wuchs und kräftigen Bau, wie SchönhtMt des Kör- pers aus. Ebenso ausgezeichnet ist ihr Haarwuchs und die Freund- lichkeit ihres Benehmens. Sie verwenden aber auch fast bis zur Ungebühr viele Sorgfalt auf ihren Körper, sind in Haltung und Klei- dung äusserst zierlich und geschmeidig, für den Krieg und für ritter- liche Vergnügungen w ie geschaffen. Zudem sind sie sehr leutselig und zulluinlich und zur Schliessung freundschafllicher Verbindungen ungemein geeignet si)'. Eine zweite ähnliche Schilderung fasst aber nicht blos die liöheren Stände, die vorzüglich hier beachtet scheinen, ins Auge. Sie ist aus der Feder des Papstes Pius II., nämlich des Grafen Aeneas Sylvius Piccolomini, gedossen und äus- sert: 'Das Volk im ganzen Königreiche trinkt und isst leidenschaft- lich, zu Irrglauben ist es leicht zu haben und überhaupt auf Neue- rungen erpiclit. So oft die W'irthe griechischen Wein ankündigen, verlassen viele um keinen Pieis die Weinstube, bis nicht das Fass zu Ende gelaufen. Älit den vorzüglichen Weinen Italiens treiben sie's auf gleiche Weise. Die zwischen dem N'olke und Adel nutton inne stehen, sind mutbig, gewandt, zu allerlei geschickt, von schar- fer Zunge, raubgierig und haben nie genug. Der Adel ist rulun- süclitig, kriegsgewandt, keine Gefahr scheuend, au dem was man ihm verspricht zäh haltend, wobei es dann äusserst schwer fällt ihm den Rachen zu füllen. Nimmt man alles in allem, so ist das 81) A. Bonfinii Decades. Fracof. 160G. Fol. S. 603 et 606. Auch Peter von Zittau, «a« ich sclion oben erwähnte, spric-bt in seinem „Chronicon ,Tul;ie regiae" von der „ele{^antis naturae decora procei-itas nolicmorum". Dolmor Monumenfn !!, ?C7. 474 V. K a r aj a II Volk nicht feindlich gegen die Kirche gesinnt, von ihm gilt aber auch was von jedem Volke, wie die Führer, so die Menge' «ä). Über die einzelnen Stände des Volkes finden sich ferner an ungemeineren Bemerkungen ausser der oben bereits erwähnten über den Mittelstund und das gemeine Volk nur folgende wenige über den Adel. 'Nach dem traurigen Untergänge Ottakar's, äussert die 'Histo- ria annorum 1264 — 1279' ^^), 'waren die Adeligen Böhmens wie die losen Glieder eines Körpers, dem das Haupt genommen, in die heftigste Zwietracht gerathen. Sie verwüsteten ihr eigenes Land fast ganz durch Raubzüge und Fehden, und zwar in so hohem Grade, dass in vielen Dörfern und Höfen weder Menschen noch Vieh mehr zu finden waren'. Dass dieser Zustand für die Wohlfahrt des Landes nur zu lange währte, lehrt eine Stelle in KarPs IV." Selbstbiogiaphie, an welcher der Kaiser erzählt, er habe ßölimen in einem so verwahr- losten Zustande gefunden, dass nicht eine der königlichen Burgen (vom übergrifilgen Adel) unbesetzt war, keine unverpfändet sammt allen anderen königlichen Gütern. 'Das war so weit gediehen, dass ich keine Burg fand, in der ich weilen konnte, und wie jeder andere Bürger meine W^ohnung in den Häusern der Städte nehmen musste. Die Prager Burg selbst war verwahrlost, zerstört und verkleinert. Seit Ottakar's Zeit verfiel sie fast ganz'. Der Kaiser schuf aher bald Ordnung und bemerkt im Verlaufe seiner Erzählung: 'die Gerechtigkeit hatte wieder zu herrschen begonnen und blühte im Königreiche. Die Landherren waren nämlich dem grössten Tbaile nach zu Tyrannen geworden. Jetzt aber fürchteten sie den König wieder, wie sich's gebührt, während sie früher das Reich unter sich getheiit hatten' «*). Der sogenannte deutsche Dalimil aher äussert über die Landherren Böhmens, voll Deutschenhass wie immer: „Sie spielten täglich mit falschen Würfeln, zogen die Deutschen in ihren Ratb, hielten ihre Landessprache nicht hoch genug, sondern began- nen lieber nach Art der Fremden mit Speeren auf einander zu stechen' u. s. w. 85). «^) Aeneae Sylvii Opera. Basileae 1571 fol. S. 83, c. 883 Bei Pertz Monum. SS. 9, 654, 17. »*) Vita Karoli IV. Imp. bei Boehraer, Fontes. 1, 247—248. •i) Dalimil in , 103 und 104. "'J Dobner Monumenta. 3, 102. 88) Üalimil 1. c. 176, 16. 89) i^rtz Monum. SS. -17, 66S, 4:» ff. und 669, 7. 9") Aeneae Sylvii Opera. Basileae 1071. Fol. S. »1. Sitzb. d. pl.il.-hist. Cl. Xl.ll. Bd. ni. Ilft. 32 4 < () r. K a r a j a ii schreibt, 'die Roheit des böhmischen Volkes, das bis auf ihn in thierischen Sitten verkommen war' durch sein Beispiel und 'gewisse Gesetze feineren Benehmens' gemildert zu haben und diesen Erfolg zum Theile dem Einflüsse des neu eingeführten Ritterwesens und besonders den Turnieren einräumf, 'dureli welche der Ruhm des böhmischen Volkes vermehrt und gegenseitige Achtung unter den Kämpfern eingeführt, dadurch eine Befreiung aus den Banden der Roheit erzielt worden sei' »i), bekiagt die Einführung derselben Dalimil. Zu ihr seien die Böhmen, so behauptet er, nur (durch die Deutschen) verleitet worden. Seitdem diese Spielerei begonnen hätten sie angefangen im Ernstkampfe weniger zu taugen, 'denn nur zu oft habe sich's gezeigt, dass viele im Turniere sich auszeichne- ten, die in der Schlacht gar nichts zählten ^ä)'. Neben dem allseitig gelobten Glanzpuncte der Tapferkeit, weisen aber die Quellen an vielen Orten auch auf gar manche Schattenseiten des böhmischen Volkes hin, ja im Ganzen muss gesagt werden, dass letztere bedeutend überwiegen und von Böh- men selbst ungescheut eingestanden werden. So um gleich von ihrer Kiiegführung zu sprechen, uird diese wiederholt eine hinter- listige, ja tückische genannt. Dalimil selbst der überall vom Hass der fremden Nationalitäten überströmt, äussert in der Erzählung von der Niederlage, die König Heinrich III. von Deutschland im August 1040 in Böhmen erlitt, geradezu: 'die Böhmen hätten nur durch ihre Hinterlist den Sieg über die Deutschen errungen ^^j'^ Ähnlicher Ausdrücke bedient sich die Chronica Polonorum 9*), von König- VN ratislav 11. sprechend und seinem Kampfe mit Boleslaus II. von Polen, 1068, indem sie wiederholt die 'gewandte Durchtriebenheit' und 'die Ränke' der Böhmen anklagt. Von Ottakar I. heisst es aber in einer österreichischen Quelle 9^), er sei auf hinterlistige Weise, also ohne Absage, 1230 in Österreich eingefallen und habe einen grossen Theil des Landes mit Brennen verwüstet. Vom Jahre 1420 wird erzählt, als Herzog Albrecht von Österreich vor Prag rückte, begleitet von einem zahlreichen Heere, in welchem sich auch Herzog 9») Dobner Monuinenta S, 30 und 31. 9') Dalimil 1. e. 188, 8. 93) Dalimil 1. c. 103, 18. «*) Bei Peitz Monum. SS. 9, 439, 42 und 440, 3. 95) In der Continuatio Garstensis hei Pertz Monum. SS. 9, ,")96, 27. über (Ion Leuiiiiiiitl dur ü^tcii'eii.'lior, lluluiicn uikI Uii^urii. 4 / T Ernst von Steiermark und die Herzoge von Baieru und Schlesien befanden, da hätten die Bühinen geloht in Allem Folge zu leisten und die Ketzer auszurotten. Der Herzog hätte dieser Zusage getraut und einen Theil seines Kriegsvolkes entlassen. Bald darnach ahcr liätteu sie alles geleugnet, den Gehorsam gekündigt und wiiren Ketzer gehliehen 'J«). Die Chronica P.donorum zum Jalire 1091, geschrieben schon vor dem Jahre 1113""), s|iriclit uiiverholen von Bestechungen, welche durch der Böhmen Verschlagenheit' bei Entt'iilirung Zbiguevs, des Bastards König Wladislav's I. von Polen, statthalten. Zum Jahre 1110 aber widmet dieselbe Quelle der Hinterlist der Bölimen' einen eigenen Abschnitt und lässt bald nach dem Eingange desselben die schonungslosen Worte fallen: die Treue der Böhmen gleiche dem sich wendenden Bade, wie sie frü- her Borivoy, ihn verrätherisch vertreibend, getäuscht hätten, so hätten sie ihn jetzt venätherisch wieder aufgenommen, um ihn abermals zu täuschen! "s)'. Von den ungetriwen grüezen' der 'venatnüsse' und der beheiun'schen ga'le' lässt auch Oltacker's Beimclironik '■>^) den König Adolf von Nassau gegenüber Köm'g Wenzel II. s|trechen und später Kaiser Budolf, Albrechts I. Sohn, den Seinen hetheuern, dass er nicht vergiftet steibe, wie man geschäftig von den Böhmen zu erzälilen sich beeilen wird""*). Man sieht hieraus, dass der Leumund des Volkes in dieser Rich- tung nicht der beste war, und w ird es erklärlich finden, wenn einem Manne wie Peter von Zittau, vollends über ungt-rechte Anklagen und Voraussetzungen das Herz blutete, und er in Worten der Entrüstung sich darüber vernehmen lässt. Er thut dies in seiner Chronik zum Jahre 1310, als Johann von Luxemburg, der Sohn des deutsehen Kaisers Heinrich VII., König von Böhmen werden soll und manche dem Vater in den schärfsten Worten die der Chronist uns bewahrt hat, abriethen, nändich: 'er möge die Perle nicht den Säuen vorwerfen, seinen einzigen Sohn nicht den Hunden preis geben, dem sündhaften Vulke, das nichts tauge, den lasterhaften Söhnen, den Böhmen, die ihre 86) Contiiiuatio Claustronooburgensis V* bei Pertz Moiiuin. SS. W, T38, 4l). 9") Bei Peitz fllonum. SS. 9, 446, 23. 98) Peitz MoiMim. SS. 9, 473, 2ö. 99) Bei Pez Seiiptores 3, Caj). 07«, Sp. 621 a. >00) otlaokor"s IJeimchroiiik Ik-i W'i Script. 3. Cap. 782. Sp. 788 b. 32^ 4 ? O V. K a I- ii j a II eigenen Könige ermordeten und nichts von Treue wüssten' "*')• Da empört sieh der vaterländische Sinn des Chronisten und er wird heftig und vertheidigt sein Volk gegen solche Anschuldigungen, indem er schlüsslich die gerechte Antwort des deutschen Kaisers auf diese Abmahnungen seiner Chronik einverleibt. Heinrich nämlich erwiderte: 'Die Könige Böhmens seien doch nur durch die Treue und Anhänglichkeit ihres Volkes berühmt und mächtig geworden. Wenn die Böhmen einige ihrer Könige ermordet hätten, so müsse dasselbe auch von den Deutschen gesagt werden. So seien Adolf von Nass;iii und Albrecht I. um's Leben gekommen durch Deutsche, ohne dass man desshalb das ganze deutsehe Volk anklagen könne, während Könige Böhmens nicht von Böhmen, sondern von Deutschen erschlagen worden seien. Der Apostel Petrus sei nicht verwerflich, weil Judas es gewesen. Was er geschrieben habe, bleibe geschrieben, und er werde seinen Sohn Johann sein Versprechen erfüllen lassen. Er wolle eher seinen Sohn opfern, als sein Wort brechen'. Nichts desto weniger währten die Klagen über geringe Ver- lässliclikeit der Böhmen im Puncte der Treue vor wie nach fort. Nimmt schon Abt Gerlach von Mühlhausen 1173, nach Palacky's Würdigung der böhmischen Geschichtsschreiber S. 79 selbst ein Böhme, keinen Anstand von der Treulosigkeit seiner Landsleute zu sprechen i^a), so darf es nicht Wunder nehmen, wenn eine öster- reichische Quelle zum Jahre 1278 schonungslos über das Benehmen Ottakar's, König Rudolf gegenüber, sich vernehmen lässt und äussert : der König der Böhmen hätte vom Wahnwitze des Stolzes aufgestachelt, den feierlich geleisteten Eid mit Hindannsetzung jeder Scham gehrochen und als Verleiter zum Treubruche sich der Geld- gier Heinrich's von Baiern preisgegeben los). Es konnte auch nicht fehlen, dass die Handlungsweise des böhmischen Adels, dessen Sinn, wie man sich damals erzählte, nach dem Ableben Königs Rudolf, Juni 1307, bezüglich der geschlossenen Verträge und klar ausge- sprochenen Verheissungen plötzlicii umschlug und ihn bis auf zwei Vertreter desselben sein Wort bezüglich der Wahl Friedrich des IL, Sohnes Kaiser Albrecht's 1., schmählich brechen liess, nicht nur die 101) Dobner Monumenta H, 226 und 226. 10=) Bei Peitz Moiium. SS. 17, 68Ö. 40. '<'*) Contiimntio Lanih.Tcensis I' lici Pcrtz Müniiin. SS. 9. ü61. 211. i'licr «K'ii LuiiiiiiiikI der ÖsIt'iii'ii'luT, n<'>liiiu'ii iiiitl l'n^'i-rii. 4 < l) übelste Nachrede veranlasste '»*), suiidern Albrecht zu neuen Rü- stungen Lewog, um die Böhmen nöthigenfalls durch Waflengcualt zur Erfüllung der kaum vor einem Jahre geschlossenen und beeideten N'erträge zu zwingen "'s). Durch solche Dinge ward der Huf der Böhmen so sehr untergraben, dass man im folgenden Jahre 1308 sogar die Kimordung Kaiser Albrecht's I. böhmischem Gelde zuzu- schreiben kein Bedenken trug 'oe). Eine der Hauptquellen jener Zeit, die namentlich auf das was man sich allgemein erzählte Rücksicht nimmt, ich meine Ottacker's Reimchronik, spricht in einer ganzen Heihc von Stellen über die Untreue der Böhmen und bemerkt bitter, sie hätten nicht nur Albrecht I. ihr Wort gebrochen, auch des neuen König Heiniich's, früher Herzogs von Kärnten, würden sie bald über- drüssig werden und auch ihm nicht treu bleiben *o"), was auch nur zu bald geschah, da Heinrieh schon am 24. Juli 1310 durch sie ihres Thrones für verlustig erklärt wurde und bald darauf enifloli. Nicht günstiger urtheilt im nächsten Jahrhunderte über die Treue der Böhmen ein scharfer Beobachter seiner Zeit, der Öster- reicher Meister Thomas Ebendorfer von Ilaselbach. Bei Gelegeniieit eines erneuten Rauheinfailes derselben in Öslei reich, im Jalire 142?, äussert er nämlich: 'Das böhmische Gift, das lange Zeit verborgen lag, ist nun wieder mit einem Male zu Tage getreten", und bemerkt kurz darnach, die Sache sei schon so weit gediehen, dass Herzog Albrecht, dem die Böhmen Friedensanträge machten, sicli nimmer- mehr zu solchen herbeilassen, und so hart das fiel, lieber Österreich noch fernerem Raube aussetzen wollte, als mit Ji'eulosen Frieden zu schliessen' 108). Zum Jahre 1458 ruft er aber empört aus: (Wer wird nicht entrüstet darüber sein), 'wenn er vernimmt, dass Frie- densverträge, die seihst gegen Heiden und Feinde unantastbar sein sollten, von den Böhmen und Mährern schamlos bei ihren Raubfahrten immer und immer wieder nach ihrer gewohnten Weise gebrochen ' M Man sehe Ottnckei's üeiaicliionik hei Poz Sei ipt. 3, l';i|). 7S4. Sp. T9t u und b. ' '') Kbeiula Caj). 789, Sp. 796 I). Zu vergleichen mit der Coiiliiiuatio Sa» Criicen- .sis nr hei Pertz Moniim. SS. 9, 733. 45 und 734, 11. Ferner einer drillen Ueleg- slelle bei OUacker Cap. SO.'i, Sp. 817 a., wo von der Riistunjj^ Triedriih de« Schönen gegen Böhmen gesprochen wird. '"*) nies thiit die Continuatio S. Crucensis Mr hei PerU .Mon. SS. 9, 734, 2ä. 1"') liier nur einige der Stellen in Ollacker's Chronik: so Cap. 790, 109, Sp. 797 a. Cap. 784, Sp. 791 b., Cap. 804, Sp. 81ä b. Cap. 804, Sp. 816 a. u. s. «r. i»H) Oei Pez Script. 2, 8Ü2 A und C. 480 K ;i 1- :c j :i il werden, indem sie Sauten in Brand stecken, Vieh nnd K'eidi r der Bauern hinwegführen, Söhne und Töoliter der Armen rauben und veräussern! fJiese seit Jahrhunderten unerhörten Graue! mögen endlieh die Brüder Johann und Heinrich von Liechtenstein an Hein- rich von Leipa, dem Urheber, \sie man sagt, all' dieser Schandthaten rächen' 109). Dass unter so bewandten Umständen aucli die inneren politi- schen Zustände Böhmens keine glänzenden sein konnten, ist begreif- lich. Vom zwölften Jahrhunderte an finden sich daher in den beimi- sclien Quellen mannigfache Klagen, namentlich über Verwüstungen, die durch ewige Raubzüge angerichtet wurden. Wir wollen hier nach der Zeitfolge alle jene Belegstellen, welche über den lief gewurzelten Hang des Volkes zu Räubereien aller Art für die ange- gebene Zeitgi-enze Nachweis geben, näher betrachten. Zum Jahre 1 [lli erzählt Abt Gcrlach von Mühlhausen, den wir schon oben als Eingcbornen kennen lernten, vom Zuge Herzog Sobieslav's II. zum Reicbsheere Friedricirs I, des Rothbarts folgende Einzelheiten. Als die Böhmen Ulm gegenüber an die Donau körnen, schlugen sie ein Lager auf und viele von ihnen begaben sich auf den Marktplatz der Stadt, um Vieh und andere Beute, die sie auf dem Herwege gemacht hatten, zu verkaufen. Als nun da irgend eine Entwendung statt hatte, worauf unser V^olk stäts aus ist, wurden die BOi'ger nnd Lanilleute so wüthend, dass sie einige aus ihnen erschlugen, andere furchtbar durehbläuten, gefangen nahmen oder über die Brücke in's Wasser sprengten' u. s. w. ''"j. Zur selben Zeit werden wiederholte Rauheinfälle nach Österreich gemeldet "')• Hundert Jahre später bemerken die Prager Canoniker und Fortsetzer der Chronik des Cosmas, das Heer Ottakar's, das sie aus Böhmen zusammengesetzt nennen, hätte auf dem Zuge von Tepl durch die südwestlichen Theile Böhmens, König Rudolf entgegen 1276, in fli den unwegsamen Gegenden viele Beschwerden ausgestanden, aber trotzdem von der eingeboinen bösen Neigung des Rauhens nicht ^| abgelassen und dabei kein Alter und kein Geschlecht verschont ua). i"9) Elieiidorfer bei Pez Seiipl. 2, 893 B. HO) Gerlaci alib. Milovicensis Coiitiniialio Cosinae I)ei Pertz Moniim. SS. 17, 687, 37. !•!) Von der Cotilinuatio Claustroneohurgeiisis III' bei Pertz Monuin. SS. 9, 630, 46 und 631, 6. HZ) Pertz Monum. SS. 9, 190, 28. I i'licr iloii l.i'Uiiiiiiiil ilcr Osleiroiilier, liöliineii iiiiil l'u;;!'!!!, 4o I Noch bomeikciiswertluM* ist alier eine Äusserung dos Königsaalof AbU'S Peter von Zillau, welcher sicli zum Jahre 1278 folgciuler- masseii vernehmen lässt. Von der Marehfeldschhicht kehrlen nun die Hölimen ruhm'os heim. Doch kaum war eine kui-ze Zeit verflossen, so he'gaunen sie ihr eigenes Land mit Rauh uiiil Brand zu verwüsti'n. Denn es ist eine sehr üble Gewohnheit oder viehnehr Enlarinng unseres Volkes, dass es jeilesmal, wenn es i^e^^en den Feind zieht oder von ihm heimkehrt, sein eigenes Land ärger als der Feind zu verwüsten sieh bei-ilt,. und so, statt die Feinde abzuwehren, feindlich seine eigenen Landsleute schädigt' '»s^ [)\q oben erwähnten Prager Canoniker bemerken aucli bei Gelegenheit der Marebfeldsciilaebt : König Rudolf liätto durch seine Kundschafter in Erfahrung gebracht, dass Ottakar keine Ahnung vom Heranrücken seines Feindes gehabt und desshalb seine S(;haaren gar nicht vereinigt habe, vielmehr wären diese, wie das so böhmische Sitte sei, weit und breit auf Raub herumgezogen ii*)\ Zum Jahre 1304, bei Gelegenheit des Einfalls Albrecht 1. in Böhmen, wiederholt Peter von Zittau seine oben schon erwähnte Klage, nur dass er an dieser zweiten Stelle sich noch scliärfer ver- nehmen lässt. Er sagt: '[)ie Adeligen Böhmens setzten sich überall auf den Giilern der Kirciie fest oder auf jenen irgend eines persön- lichen Feindes. So konnte es dann nicht fehler), dass das arme Land überall zu Schaden kau). Und das thun unsere eigenen Grossen. So schaden sie nachlialiiger als die Feinde, die doch \\ enigstens wieder bald abziehen. Zudem kennen die l^nseren genau, was und wo jedes etwas besitze und verstehen dadurch nur noch mehr Schaden zuzu- fügen' "■'). Noch bediMikliclier wurde der innere Zustand unter der Regie- rung lleinricb's von Kärnten. Benes von NVeitnnl gibt zum Jahre 1307 von diesen Veiliiiltiiissen eine sehr traurige Schilderung. Der Zu- -stand des Lande«, sagt er, verschlimmerte sich sehr. N'erruehte erhoben ihr Haupt, Unschuldige fielen; überall Gewalltliat, Gericht und Gerechtigkeit vertrieben. Die Kirchen wurden geplündert, die Klöster unterdrückt, der Wille der Nichtswürdigen galt als des«'!/, "^) Dobner Moiuimentn ä. 38. in) Pert/. Momim. SS. 0. ID.», V3, "*) Dublier .Moiiuineiita ü. 143. ■^öi V. K ii liij ;i II Räubereien wurden zur Tagesordnung, dem Hilferufe der Witwen und Waisen kein Gehör gegeben; die Priester weinten, das Volk jammerte 116). So ging es fort, bis endlich Karl IV. die Zügel der Regierung erfasste und überall mit unnachsichtiger Strenge verfuhr. Renes erzählt sogar, Karl habe im Jahre 13ö6 einen Räuber eigen- händig aufgehangen; zufällig einen Deutschen, der Kaiser Deutsch- lands ! ? 117). Aber auch unter ihm treten die alten Gebrechen gele- gentlich an's Tageslicht. Als er im Jahre 1371 ein Heer sammelt, um Otto von Brandenburg zu züchtigen, wüthen diese Schaaren im eigenen Lande nach gewohnter Weise. 'W^as soll ich da sagen' ruft Benes von W^eitmil aus, 'ich lobe mein Volk, das aber kann ich nicht loben. Wie ihre Väter Averden sie zu schlechten Geschossen, die den eigenen Schützen verwunden" n»). Es darf uns daher der Wahrnehmung gegenüber, dass selbst von Eingebornen verfasste Quellen sich auf so bittere Weise über diese Dinge vernehmen lassen, nicht wundern, wenn Aeneas Sylvius Piccolomini, der schon von seinem kirchlichen Standpuncte aus gegen die Böhmen einge- nommen sein musste, sie auch in anderer Beziehung sehr scharf beurtheilt, in einem Briefe an König Alfons von Neapel und Ara- gonien im Jahre 1438, indem er ausruft : 'Dort' (in Böhmen) 'ist nun zu unserer Zeit, nachdem man Rom den Gehorsam versagt hat, der Glaube der Vater niedergetreten, an den Priestern Mord, an den heiligen Stätten Zerstörung geübt worden. Man lebt da ohne Glaube, ohne Sitte, in Räubereien, Ehebruch und jeder Art sittlichen Unf]athes*ii9). Und dennoch, trotz all dieser Cbelstände, begegnet man in den heimischen Quellen selbst des vierzehnten Jahrhunderts, in welchem der Grund der meisten Klagen wurzelt, vereinzelt einem nichts weniger als zu gedrückten oder bescheidenen Nationalgefühle. Dalimil z. B. legt dem Herzoge Ulrich um's Jahr 1014 eine Äusse- rung in den Mund, die von scharf ausgeprägtem Selbstgefühle zeugt. Er wolle lieber' lässt er ihn betheuern 'eines heimischen Bauern Tochter zum Weibe haben , als die eines fremden Königs. Denn ii6) Pelzel et Dobrowsky Script. 2, 218. 1»') Ebenda 2, 367. 118) Ebenda 2, 414 und 413. 119) Aeneiie Sylvii opera. Basil. 1571 fol. S. 81. über den Leuinuiid iler Östenfiflit-r, liüliciicii iiuil l'ii;,'fi n. 4oij eine Fremde werde nie Treue gegen seine Leute bewähren. Sie wird fremdes Gesinde mit sich führen, meinen Kindern deutscli lernen lassen, und die heimische Sitte verdrängen. Dadurch wiid sie dem Lande nur Unheil bringen' u. s. w. •■^f). Und noch schärfer drückt derselbe Sci»riftsteller sich über diese Verhältnisse aus, an einer zweiten Steile, an der er Tom Einzüge Wladislaus II. in Prag spricht, nachdem ihm Kaiser Friedrich I. zu Regensburg 1158 eigenhändig die Krone aufgesetzt hatte. Er lässt nämlich den König ühermüthig vor die Grossen seines Ueiches hintreten, in seinem Gefolge eine grosse Anzahl Deutscher, und sie fragen: 'Glaubt ihr's jetzt, dass ich auch ohne Euch Auszeichnung zu erringen ver- mag?' und liisst die mit seinem Sohne verschworenen Grossen bei späteier Gelegenheit entgegnen : Wir haben diese Krone deinem Vater im blutigen Kampfe mit unserem Leben erhalten, und mit diesem Opfer auch der kaiserlichen ihre Macht gehoben. Wie durftest du nach Deutschland gehen und ohne uns die Krone em- pfangen ? Hier zu Prag, ohne die Deutschen mochte sie dir zu Theil werden. Wenn du dein Heil und deine Macht auf Fremde setzest, wie darfst du dann König der Böhmen dich nennen?''-') Das klingt den damals zu Piecht bestehenden Verhältnissen gegen- über hochmüthig genug. Ganz diesen Ansichten entsprechend sind ferner die Äusserungen derselben Quelle beim Tode K. Ottakar's die Deutschen hätten damals wohl Ursache gehabt, ihre Kleider zu zerrcissen, sich in die Zunge zu beissen und Thränen zu ver- giessen, denn er sei der Deutschen Ruhm gewesen!' *'-^, und König Rudolf hätte kein Recht geliabt, dem Könige Ottakar, nach- dem er ihn mit Böhmen und Mähren wieder belehnt lialle, die anderen Länder vorzuenthalten. Oltakar sei hier abermals zu nachgiebig dem Fremden gegenüber gewesen, und das hätte sich gerächt '22). Diese entschieden hochmüthigen Äusserungen linden eine Bestätigung auch in einer den Böhmen nicht holden Quelle, in der »-"') Dalimil I. c. S. 96, Z. 21 ff. i=«) Ebenda S. 147, Z. 11 ff. 1--) Ebenda S. 206, Z. 13 fi. i23) So glaube ich ist die dunkle Stelle bei Dalimil 1. c. S. 203, Z. 22 ff. verplicben mit 204, 7 zu verstehen. Die inosaische Auflusung bei Pe/. Script. 2, 1102 hat für 'den oll bi den hörn' 'den ochs . . . 484 K :i 1' a J M II Erzählung Oltackei-'s »2*) von dem Besuche Herzog Albrecht I. bei König Wenzel IL, der ihn ungebührlich lange an den Stufen des .Thrones knien Hess, bis er das Wort an ihn richtete und ihn auf- stehen hiess. Der Dichter spricht dabei die HolTiiung aus, er werde es wohl noch erleben, dass Albrecht so erhoben werde, dass der König von Böhmen wieder vor ihm werde knien müssen, was schon im nächsten Jahre eintrat, zu Aachen Sonntag den 24. August 1298, wo dem zum Kaiser gewählten Albreeht der König als Mundschenk des Reiches, kniend den vollen Becher reichen musste 125). Dieselbe Quelle ist auch gerecht genug der Wahrheit Zeugniss zu geben und zu bestätigen, dass die Grossen des Reiches im Rathe König Wenzel's II. es sehr missbilligten, als dieser sieh ver- leiten Hess, hinter dem Rücken K. Albrecht's I. und ihrer selbst mit dem vom Papste geächteten K. Philipp IV, von Frankreich um 1303 einen Vertrag zu schliessen i^e^. ßej liiestm Anlasse legt der Dichter den böhmischen Grossen folgende Worte in den Mund: Wenn einer wider diese beiden Häupter, das Reich und den Papst, sich stellt, dann nimmt das, wir haben es erfahren, kein gutes Ende, und er muss dafür büssen. Eure Stellung, wie eure Macht, habt ihr nun vom Reiche zu Lehen, ja ihr bekleidet ein Amt desselben und seid einer der Wahlfürsten. Verliert ihr dies, das mag euch wohl nicht frommen' 127^. Urid ganz im Einklänge mit diesem Gedan- ken der einsichtigeren Grossen Böhmens, dass nämlich dieses König- reich auf sich selbst gestellt an Bedeutung verliere, steht auch eine Äusserung derselben Quelle, die sie einer eigenthünilichen Deutung der alten Prophezeiung anftigt, dem deut^chen Reiche werde volles Heil erst daim zu Tinil werden, wenn der Adler im Neste des Lö- wen nisten werde'. Sie äussert nämlich: nur die Geistlichkeit hätte sieh bisher unter dem Löwen jenen Böhmens gedacht. Dem sei aber nicht so, sondern unter dem Löwen sei jener llabsburgs zu ver- stehen. Denn der böhmische Löwe habe doch nur Kraft in Verbin- dung mit dem Panther Steiermarks und dem weissen Striche Oster- leiclis. Das habe sich gege.i Ungern klar erwiesen. Als er diese »24) In der Reimchronik Cap. 633, Sp. Ö99 1). »•") Reimchronik Cap. 687, Sp. 633 a. 12b) Vergl. Palacky 2, 388. i'') Reimchronik Cap. 723, Sp. 687 a. l'bt'r ili'ii l.i'iiMiuiicl il.T ().>tcrrpiili('i-, l;<'i|iiiicii und ('iij,'ciii. 4''^i> Verhiiidimg- verloren hatte, tl:i hätte sich's gezeigt, dass seine Krall in ihr bestand' «28). Dass bei Kingeliiiiig immer enger nnd inniger sieh gestaltender staalhCher Verbiiidnngen die nationalen Kigenlhütnlicliki-iten stets Althnich leiden, ist eitie langst bewährte Krfahrung. Es wird daher nieht befremden, dass auch in den böhmischen Quellen eine Klage über die Abiialime der nationalen Färbnng sich findet. Wie oben unter den ö>terreiebischen Quellen Seifried llelbling diesem wehmüthigen Gefiihle, das ohne Frage seine IJerecliti''uni: in sich trüirt, Aus- druck gab, indem er wiederholt die Nachiifi'erei fremder S'tten niissbilligte, ja geradezu seine Landsleute 'OsteralTen* nannte, die, was n)an ihnen voithue possierlich nachmachten, gerade so, ja mit demselhen Bilde tadelt auch der Höhme Peter von Zittau dieselbe Krscheinung. Er bemerkt: Nach dem Ausgange der nationalen Könige nnis>te sich Böhnicn fremder und verschiedenartiger Herr- schaft fügen. Dadurch erhielt es ein Gemenge verschiedener Sitte, und es bewährte sich das Sprüchwort : Böhmen gleiche einem AlTen, es tluie alles nach , was es nur an anderen bemerke'. Ja ei- fülirt bei diesem Anlasse sogar den deutschen Dichter Neidliart auf, der, wie er meint, in Böhmen nicht blos an den Bauern, sondern auch in Städten liinlänglichen Stoff zu neuen Satiren fände '-"}. Karl IV. gestellt in seiner Selbstbiographie, er habe in den eilf Jaliren, die er ausser seiner Hciinalh zugebracht, selbst seine Muttersprache völlig vergessen, sie jedoch später wieder so erlernt, dass er sie sprechen und verstehen konnte, wie ein anderer Böhme ut alter Boemus' '^o). Aeneas Sylvius, also noch nach der Mitte des fünfzehn- ten Jalirluinderts, führt an, in Böhmen bestehe noch die alle Ge- woliubeit, in den Kirchen deutsch, auf den Friedhöfen böhmisch zu predigen, nur den Bettelmönchen sei es gestaltet, in was immer für einer Sprache das Volk zu belehren. Daraus sehe Jnan klar, meint Aeneas, dass diese Gegenden ur5j)rünglich deutsch waren und dass die Böhmen nach und nach eingewan- dert sind '•"). 129) Ueimcliroiiik Ciii'. 100, Sp. Hin. t29j Dobner Momimeiitn ö, 431». iSoj Bölinier Fontes I, 247. 131) Opera. Basilac lö71. Fol. S. 83. 4oU V. K a r a j a II Durch die Betrachtung der einzelnen Belegstellen über die Eigenthümlichkeiten des böhmischen Volkes in der Zeit vor dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts sind wir von selbst zur Erwägung jener Urtheile gelangt, welche sich über das Verhiiltniss desselben zu den hier in Betrachtung kommenden beiden Nachbar- völkern in den heimischen Quellen erhalten haben. Die meisten Berührungspuncte gab das Volk der Deutsch- Österreicher und der Deutschen überhaupt, von denen ein Theil als Überrest der ursprünglichen Bevölkerung in grosser, stellen- weise überwiegender Anzahl im Lande verbreitet war. Wenn das gespannte, ja gehässige Verhältniss zwischen den Böhmen und Deutschen oder Deutsch -Österreichern mit Absicht recht grell dargestellt werden sollte, so kann dazu keine der hei- mischen Quellen ausgiebiger verwendet werden, als der sogenannte deutsche Daümil. Sein Tadel der Deutschen beginnt schon bei Spitihnew IL, und reicht herab bis auf Budolf L, dem Sohne Albrecht'sL, umfasst somit vom eilften bis zum vierzehnten Jahr- hundert die Häuser der Przemysliden, Luxemburger und Habsburger. Was er nur Übles, als von den einzelnen Herrsehern über die Deutschen geäussert in Sagen oder anderen Überlieferungen seiner Zeit irgendwo erfahren konnte, hat er zur Warnung seiner Lands- leute gewissenhaft an einander gereiht, und keine der anderen Quellen reicht dabei an ihn hinan. So lobt er schon Spitihnew IL um 1046, weil er alle Deutschen „aus seinem Garten Böhmen ent- fernt habe, gleich Nesseln oder wie die Kletten aus dem Schöpfe seines Bosses', erwähnt die Warnung der Grossen Böhmens an Wratislaw IL vom Jahre 1068, keinen Deutschen zum Bischöfe zu ernennen, 'denn von diesen hätte er fast nur Untreue erfahren', und Herzog Boriwoy's reumüthigen Ausspruch, als er um das Jahr llOö durch Kaiser Heiniich V. seine Anhänger hinge- schlachtet sieht: 'Wer seinen Feinden zu Gericht sich stellt, richtet selbst das Beil über seinem Haupte. Ich erfuhr es nun recht deut- lich, dass alle Deutschen nach dem Unheile der Böhmen lechzen'. Zum Jahre 1175 — 1179 aber lässt er Sohieslaw IL dem Deutschen, nachdem er ihn durch Nasenabschneiden geschändet, zurufen: Du Deutscher magst nun so als mein Narr durch die Welt laufen Flieh bald aus meinem Lande, denn die Böhmen werden durch dich geschändet. Du bist nicht hieher gekommen, um im Frieden unser über den Leuiniirul dt-r UslerreicIuT, Rühmen und L'ii(:c'rn. 4(S i Glück ZU Iheileii. Drum bist du zu Schanden geworden. Warum hast du dicli auch wie eine Distel in unsere lilutnen gedrängt?" und lässt ihn seine Söhne ermahnen: Ich empfehle euch eure Sprache .... fördert sie nach Kräften und hisst die deutsche nie in euerem Lande vordiiiigen, denn diese Sprache unlergraht der Böhmen Ansehen. Wenn sie im Lande sich erhebt, sinkt der Böh- men Ehre. Die Deutschen, sie werden das Land und die Fürsten verrathen. Unsere Krone werden sie Deutschland zuwenden. Sie flüchten erst zu uns, aber haben sie sich da geliörig vermehrt, dann wenden sie sich gegen uns u. s. w\ Bei der Vertreibung Herzog Friedrich's aus Böhmen im Jahre 1182 lässt er dem Ziehenden nachrufen: 'Niemand vermag dir zu helfen, denn du hassest uns. Zieh nach Baiern und in deutsche Länder, du deutscher Hund!' Der Hass Dalimil's, des Vertreters der übernationalen Richtung in Böhmen, geht so weit, Albrecht l. nachzusagen, er habe die deutsehe Kaiserkrone mit böhmischem Gelde erkauft. Als ferner Wenzel II., der Sohn Oltakar's, für die Wahl desselben Albrecht's zum Kaiser stimmt, 1298, da äussert Dalimil: er habe für den Sohn des jMörders seines Vaters gestimmt, und gegen den Rath seiner Treuen den Feind über sein Haupt gesetzt'. Bei der Wahl Rudolfs aber zum Könige von Böhmen, nach dem Tode Wen- zel's III. 1306, trägt er keine Scheu zu äussern, seine Landsleute wären so kurzsichtig gewesen, ihren Feind' zum Fürsten zu wählen, ja als der Neugewählte schon nach neun Monaten stirbt, hat er kein Mitleid mit dem begabten und so früh dahingeschiedeneu Jüngling, sondern ruft seinen Landsleuten zu: Klagt nicht über ihn! denn wisst, hätte er länger unser Brod gegessen, so hätte ersieh wie ein gräuliches Ungewitter über den Böhmen erhoben"'^-) Nach diesen von Nationalhass glühenden Äusserungen wollen wir jetzt auch die übrigen ruhigeren Quellen bezüglich der Beurliiei- lung der Deutschen durch die Böhmen näher betrachten. Der Nestor der Geschichtschreiber Böhniens, der Domdechant der Prager Kirche Kosmas, da, wo er zum Jahre 1101 von der Absicht Ulrich's von Mähren spricht, sich des böhmischen Thrones zu bemächtigen, er- 13-!) Ich steUe hier aUe Belege /.tis-immen, die ich oben von HUR an l<\n 1300 »us D:(limil"s Chronik der Zcitfolpe nnch nnfef.ihrl habe. Es sind dies: IOC. 6; 111.. nfi. i:?1 24: 140. 0: löO. 13: If.l . 31 : 213. 29 ; 213,7; 218,23 und 219.26. 488 V. K a r a j n n zählt: er habe zu diesem Beluife viele Deutsche zur Unterstützung- seines Beginnens angeworben. Bei dieser Gelegenlieit spricht er nicht eben sehr schmeichelhaft von den Deutschen, sondern meint, sie seien auf seine Aulforderung eingegangen, 'weil sie in ihrer Be- sciiränktheit glaubten, in Bölimen lägen Lasten von Gold und Silber aufsichtslos in den Strassen herum' i^s^. Ottacker's Beimchronik 's*) legt Kunigunden, der Gemahliun König Ottakar's, die alte Weissagung in den Mund: dieBöhnien würden in ihrem Lande so arg verdrängt werden, dass eine Meile entlang erst ein Böhme als Fremder werde zu finden sein. 'Und das' lässt er die Königiim behaupten, 'werde durch die Schwaben geschehen'. An einer zweiten Stelle aber äussert er: 'wir wissen das alle, dass der Böhme von Hinterlist, Neid und Mass gegen den Deutschen erfüllt ist, und zwar aus keinem anderen Grunde, als ihrer Tüchtigkeit wegen' ^^^). Auch Peter von Zittau, so gemässigt er überall in seinen Urtheileu ist, nennt dennoch Böhmen und Deutsche 'genles discor- des', fällt aber dabei nicht in den Ton verletzender Gehässigkeit, die Dalimil überall zur Schau trägt, im Gegentbeil, er rüiunt z. B. die milde ausgleicliende Weise Gutta's, der Tochter Budolfs von Habsburg und Gemahliun W^enzefs IL, 'die zwischen den in ihren Ansichten so getrennten Völkern lebend' sagt er beiden gefiel' i^ej. Die deutsche, nichts weniger als schonend ausgeführte Vor- mundschaft über Ottakar's Sohn Wenzel H. durch den Markgrafen von Brandenburg konnte die Beliebtheit der Deutschen in Böhmen nicht steigern. Während Peter von Zittau über dieselbe mit Recht tief verletzt klagt und als Trost und Holfnung der Nation auf den Anblick des jungen Fürsten hinweist i37j^ lässt sich Pulkawa schär- fer über diese l)inge vernehmen, indem er sagt: Zu dieser Zeit wurde jämmerlich regiert und die in grosser Anzahl eingezogenen Sachsen bedrängten die Böhmen so arg, dass viele ihre Häuser ver- liessen und in W^äldern sich ansiedelten, so dass die Felder unbe- .stellt blieben und Hungersnoth ausbrach. Die Gewaltberrschaft der >•■=) l'crU Monumeiita SS. 9, 408, 'iO. 134) cap. 132, Sp. 138 b. «35j Cap. 230, Sp. 204 1». >•'") Üobner Mommieiita i>, Sä. i37j Dobner Moiiiiincnla ä, 4j. Ül)ei- tk'ii LtMiiiiiiiid der Ustcrreifliei-, iiDliineii tiinl rngorii. ^«Sl) Deutschen verletzte Bühmeii tief, ja zerstörte es zum Tlieile" '^i^j. Zum Jahre 1282, abermals auf diese Vormurulselial't zurückkom- nieiid, erwähnt Pulkawa noch einmal der durch Nichtbcstelluiig der Felder ausj^ebrocheuen HungerMiolh 's»). .lobniin von Marigiiohi noeli im vierzehnten Jahrhundert von dieser Zeit sprechend, erzählt, der Markgraf hätte, als sieh der Deehaut der Prager Kirelie über die harte Behandlung beklagte, die die Böhmen von den Deutschen zu erdulden luitlen, 'diesen mit Worten vertröstet, die man ohne Grauen weder hören noch weiter erzählen könne, er hatte zudem dieselben 'auf deutsche Weise wüthend bervorgestossen' '^o). Als nach dem Tode Hudolf's, 1307, sein österreichisciies zahl- reiches Gefolge Prag verliess, 'da war das Klagen der Biiluueu nicht gross', meint Ottackei-, 'denn es ärgerte sie das hohe Ansehen, in welchem die Österreicher in dem Lande standen' '*'). Dass die Verbrentmng Hussens auf dem Coiicile zu Kostnilz den ohnedies tief wurzelnden Hass der liöhmen gegen die Deutschen nicht mildern konnte, begreift sich. Laurentius von ßi'ezowa geht in der Erbitterung so weit, d;iss er .luch die bei Ketzerverbrennun- gen übliche Streuung der Asche des Verbrannten in den nächsten Strom, hier in den Rhein, als ßoemoi'iiin in contem|ttum" geschehen anklagt i*^). Ein allgemeines Urtheil über das Verhältniss der Böhmen zum dritten Glied der hier betrachteten Gruppe, nändich den Ungern, habe ich in den von mir durchforschten Quellen bis jetzt nicht ent- decken können. Alles Avas ich linden konnte, war ausser ein paar auf besondere Fälle sich beziehenden Äusserungen, die ich später bei der Beurtheilung des Verhältnisses der Ungern zu den Böhmen ein- reihen will, ein den Bäthen König Wenzel's II. in den Mund geleg- tes Bedenken über die .Absicht desselben, seinen Sohn Wenzel 111. den Ungern zum Könige zu geben, inOtlacker's Heimchronlk '*s). Die Räthe ermahnen nämlich den Vater, seinen noch u'.eifaiii'juen, ja unreifen Sohn nicht jenem Volke zu opfern, dosscii Unireue bekannt^ i38j piilkawa bei Doltner Müiiumoiilii .3, 339. iS9j Ebenda 3,342. i«'») Dublier .Moiiuraenta 2, 230. »•»!) Reimebroiiik Cap. 783, Sp. 789 b. •■•2) l.udewi^ Iiuli(|uiae !\laiuiscri|itinuiii Ct. ['.]' 143) Cap. 727, Sp. (588 b. 490 V. K n r aj a ii sei und das erst vor Kurzem seinen König (Ladislaus IV.) hinmordete. Aufgebracht über diese und noch andere Reden seiner Räthe, wendete ihnen der König, ohne ein Wort zu sagen, den Rücken und ging. Er war also nicht ihrer Ansicht. Ich will dafür hier zwei Stellen böhmischer Quellen einreihen über die Mährer, die mir beachtenswerth scheinen und am Ende auch ein Urtheil der Böhmen über einen ihrer Nachbarn enthalten, noch dazu jenen derselben, der gleich den Tschechen, dem Stamme der Slavinen angehört. Peter von Zittau nämlich in seiner Chronik von Königsaal, da wo er von den Unordnungen spricht, welche König Wenzel II. in Mähren gegen Ende des dreizehnten Jahrhunderts durch Waffen- gewalt schlichtete, nennt bei dieser Gelegenheit die Mährer feige***) und lange nach einem Jahrhundert begegnet bei Laurentius von Brezowai*^) eine Parallelstelle. Als nämlich Kaiser Sigismund 1420 am Freitag den ersten November mit grosser Heeresmacht Prag zu belagern beginnt, tritt ein mährischer Adeliger, der Landeshanptmann Heinrich von Plumlow, vor und warnt den Kaiser, da er Kunde habe, dass der Ausfalll der kaiserlichen Besatzung aus der Prager Burg vereitelt sei, den Angriff an diesem Tage zu unternehmen. 'Er kenne der Feinde Kampfart und habe alle Achtung vor den Dreschflegeln der Bauern!' Da fährt ihn der Kaiser an und sagt: 'Ich weiss es ja, dass ihr Mährer feige seid und mir nicht tieu!', worauf der Edle und seine Landsleute vom Pferde steigen und sich erbieten, an der gefahrvollsten Stelle für den Kaiser zu kän)pfen. Der Kaiser schickt sie dahin und Heinrich fällt der erste unter den Drescli- flegeln der Bauern. cj Von den ingern. An die Spitze der Beurtheilungen des ungrischen Wesens vor Ende des fünfzehnten Jahrhunderts stelle ich, wie bei den Böhmen, eine allgemeine Schilderung desselben, geliefert durch Antonio Boufini, einen fein gebildeten Neapolitaner, der lange Zeit am Hofe Mathias Corvin's lebte und dadurch Gelegenheit hatte, die Ungern 1**) Üoliner Monumenta S, 39. 145J In (Ipm liis daliin iingpdiucktcii Theiie desselben bei Palacky, Würdigung S. 214. Cl)er den Leumund der Ösferreicher, Bülimen und l'ngcrn. 40 1 ans nächster Nähe kennen zu lernen. Bonfiiii starb iiocli vor dem Jahre ISOö, und seine Decaden' zählen mit Recht zu den Haiipt- quellen ungrischer Geschichte des fünfzehnten Jahrhunderts. 'Im Vcrgleiclie mit den Böhmen' äussert er sind die Ungern rauher und ungebildeter. Zum Kriege sind sie sehr aligeliärtet, im Umgange derb und plump. Fremde lieben sie nieht, ja sie sind ihnen unangenehm. Sie sind hochmüthig und masslos verschwendorisc!» in Pferden und Kleidern. Ihre llauptleidensciiaft bilden gute WaOVn und Mahlzeiten, alles übrige kümmert sie sehr wenig. Gefahren verachten sie, an den Krieg sind sie gewöhnt, Müssiggang scheuen sie, sind nach Ehre und Lob begierig und suchen dieses durch die WalTen zu erlangen' i*«). Vom Charakter der Kumancn aber, von denen in der Zeit des Mittelalters als Landesgenossen neben den Ungern in den Quellen stets und selten mit Untersclieidung gesprochen wird, heisst es im 'Carmen miserabile Rogerii' i*^), sie seien ein unbeugsames und rohes Volk zu nennen, das sich zu fügen gar nicht verstehe. Über die äussere Erscheinung der Ungern bei-ichtet schon eine Quelledes ausgehenden dreizehnten Jahrhunderts, nämlich Ottacker's Reimchronik 1*^). Sie schildert dasselbe folgendermassen: 'Die mit den langen Barten erschienen' bei der Vermählung Oltakar's mit Kunigunden 'in reicher Schaar um ihren König versammelt'. Nach tatarischer Sitte bewährten sie ihre Vornehmheit und ihren Reich- thum mit Dingen, die uns Deutschen unheimlich sind. So hatten sie ihre Barte voll gefasst mit weissen Perlen und Edelsteinen. Ihre Kleider waren von Scharlach mit buntem und grauem Hermelin gefüt- tert. Mancher hatte um den Hals auf einem hohen Collier einen Marderpelz mit allerlei Verzierungen. Auf ihren Hüten sah man mancherlei Pfauenfedern, die höheren Herren aber trugen silberne Knöpfe auf denselben; ihre Haarsträhne und Zöpfe glitzerten von Spangen. Ihre weiten Hemden waren weiss und traten unter den engen Oberkleidern hervor. Wie Rehböcke schössen sie einher und wurden von den Deutschen angegalTt'. 146) Bonlinii Decades iM-aiicofurti IGOü. Folio. S. ÜOj, 12. 147) Endliclier Monumenl.T Aipadiana. SangaMi 1849. S«. S. 2'J7 et 238. 148) Cap. 67, Sp. 80 b. (T. Silil). d. pliiL-liist. Cl. XT.II. Bd. III. Iirt. '^3 492 V. Karajan Wenn sie schon in ihrem Festanziige diesen letzteren unheim- lich erschienen, so war dies noch viel mehr der Fall, wenn es zum Kampfe ging. Da wai* ihr Atiblick den Deutschen widerlich. Das greuliche Blecken der Zähne beim Bogenspannen und das wilde Geschrei beim Angriffe war ihnen, bis sie sich nach und nach daran gewöhnten, geradezu fürchterlich und Ottucker, der dies erzählt^*»), berichtet, dass die frisch geworbenen Söldner des Abtes Heinrich von Adinont, denen dieser Anblick ganz neu war und die von Berg- knappen plötzlich zu Kriegern umgemodelt waren, auf einmal Reiss- aus nahmen. Doch im Verlaufe der Erzählung sieht man, dass diese Scheu nur bei den Neulingen eintrat und dass die geübteren Kriegs- leute des österreichischen Heeres, trotz der anfänglichen Scheu, für * die Ungern nur zu tüchtig Stand hielten. Einem ähnlichen, durch die äussere Erscheinung der Ungern veranlassten Gefüble wird wohl auch die schon bei Simon Keza im dreizehnten Jahrhunderte dem Orosius fälschlieh zugeschriebene Ansicht entsprungen sein, als stammten die Ungern von alpdrückenden Gespenstern ab i50^_ Die langen Barte galten übrigens den Nachbarn der Ungern im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderte für barbarisch und in diesen Gegenden als den Ungern insbesondere eigenthümlich. Ais Otto von Baiern, nachdem er 1305 zum Könige von Ungern gekrönt war, nach vier Jahren des Thrones verlustig heimkehrt, bemerkt l'eter von Zittau, er habe nach der Sitte der Ungern einen langen Bart getragen und nennt das an einer andern Stelle eine den Barbaren abgelernte Sitte i^i). Ganz hiezu stimmt Benes von Weitmil wenn er zum Jahre 1328 anführt, es hätten eben neue ekelhafte Moden begonnen, so Hessen sich, z. B. einige dieser Neuerungs- Künstler lange Barte wachsen wie die Barbaren ^^~). Doch nicht blos diese in jenen Zeiten für barbarisch geltende Art die Barte zu tragen, nein, ihr ganzes Wesen liess sie den Nach- barn roh und verwahrlost erscheinen. Ich will eine Anzahl Zeugnisse aneinanderreihen, die mit dem ausgehenden eilften Jahrhundert 149) Reimchioiiik Cap. 28ö, Sp. 239 a und b. 150J Gesta Hiiiinortim et Htiiigaroruiii bei Endlicher Munumeuta Arpadiatiii S. 83. 1*') Bei Dobner Monumenta '6, 170 verglichen mit ö, 438. 1") Pelxel et Dobrowsky Scriptores 2, 2S6. über «leii Leumund der Österreicher, Bülimeii und Ungern. 4')»» beginnend herabreiclicti bis zum Ausgange des fünfzehnten. In alltores "2, löi. 496 V. Kiiraj an dieselbe Weise reden, dieselben Worte, dieselbe Aussprache und ähnliche Betonung gebrauchen'. Dass hierin zugleich ein Zeugniss für die Bildungsstufe der einzelnen Stände liegt, bedarf keines Beweises und wird von Marzio durch den Vergleich mit Italien, den er beifügt, nur leise angedeutet i^^). Auch sei es, so bemerkt er an anderer Stelle, 'niclit wie jenseits des Po, hier am Hofe Sitte, dass bei der Tafel jeder Einzelne aus seinem Teller esse, sondern dies geschieht von Allen zugleich aus einer gemeinschaftlichen Schüssel und nicht mit Gabeln. Jeder langt in diese nach seinem Klosse oder Stück Fleisch. Vor sich bat er den Tisch mit Brot belegt, holt sich aus der gemeinscliaftlichen Schüssel was ihm beliebt, und führt das stückweise abgebrochene mit den blossen Fingern zu Munde. Dabei kümmerts ihn wenig, wenn er sich mit den Brühen beschüttet und ihm von dem mit Safran versetzten Bräu Nägel und Finger ganz gelb werden' i^^^. So viel von den eigentlichen Ungern , die Rumänen werden aber in den Quellen noch weniger schmeichelhaft geschildert. Zum Jahre 1241 z. B. heisst es von ihnen, sie seien ein höchst 'unreines Volk, das fast rohes Fleisch verzehre, Pferdemilch trinke oder gar Blut' i"?^. Während eine böhmische Quelle das Heer König Stephan's V., der Rumänen wegen, ein 'heidnisches und unmensch- liches nennt' ^^^}, schildert uns eine steirisehe Quelle eine Scene aus der Marchfeld-Schlacht, die bezüglich der Bohheit der Rumänen unwillkürlich an die Wilden Afrika's und Amerika's erinnert. Als nämlich Rönig Rudolf mit Rönig Ladislaus vor seinem Zelte steht, da drängen sich die Rumänen herzu und wollen zeigen, wie tüchtig sie gekämpft haben. Zu diesem Behufe lösten sie aus den Helmen erschlagener Polen an hundert Röpfe und schütteten sie vor dem Könige in's Gras hin, der ihnen allerdings dankte, den aber heimlich graute vor solcher Rohheit i^^). Ein Gegenstück hiezu hat dieselbe Quelle bewahrt, da wo sie von der empörenden Behandlung eines i65j Galeotus Martins bei Schwandtner Scriptores 1, ü49. 166) Ebenda S. 548 und S49. 16'') Cotitinuatio San Crucensis II. bei Perlz Montim. SS. 9, 640, 16. 168) Canonieoniin I'ragensium Conlinuatio Cosniae ad annum 1260 bei Perlz Monum. SS. 9, 182, 31. 169) OUacker's Reimchronik Cap. 142, Sp. 143 b. über den Loumiiiiil der Österreieliei-, Biiliineii und Ungern. 40 / püpstliclifii Gesandteil spricht, etwa zum .lalne 1289. ist auch viil- leicht das Schärfste davon der Wahrheit nicht völlijj; entsprecliend, so lernt man doch daraus, was von den Kumaueii und ihrer rmnenscli- lichkeit damals erzählt und {geglaubt wurde. Es heisst nämlicli an der gleich anzugebenden Stelle, die blutdürstigen Kumanen hätten den Legaten oft entkleidet, auf die Schiessstälte geführt um! nach ihm wie nach einem Ziele geschossen, iiaclHlem sie ihn auch sonst ungebürlich behandelt und in hartem Gefängnisse gehalten hätten »'«). Das klingt also weit ärger noch als von den eigentlichen Ungern, von denen trotz der schon bemerkten spröden Schweigsamkeit der Quellen über gute Eigenschaften der beurtheilten Völker auchLohens- werthes begegnet. So z. B. wird von Ottacker's Reimchronik '^') die Genügsamkeit der Ungern gerühmt , wenn auf Kriegszügen Entbeh- rungen sich nöthig zeigen. Die Quelle bemerkt über das lange Lagern an der March, vor der Schlacht von 1278, wären die deutschen Truppen schon unwirsch geworden, während die Ungern zufrieden waren, wenn nur ihre Pferde Gras genug hatten. Wenn ihr König und sein Sohn an Geflügel ein Hühnchen oder eine Taube hat, da klauben sie beide daran herum. Dem anderen Volke aber werden selten die Augen trübe vom Rauch ihrer Küche. Ein Wagen voll Knoblauch schaiTt dem Könige für seine Leute länger Verpflegung als den Deutschen tausend Sehweinskeilen. Und niemand vermag diese zum Kampfe tauglich zu finden, wenn er nicht früher ihren Pferden ordentliches Futter verschafft hat. Doch gilt dies nur vom Heere, sonst wird der Unger ausdrück- lieh als ein starker Esser und Trinker bezeichnet. So von Marzio Galeolti, der in seiner Weise äussert •"-): Sie sind es gewohnt, auf ihrem Tische die grössten Massen von Speisen und Getränken zu erblicken und lieben es, mit den Weinen zu wechseln. Ausser ihrer Genügsamkeit bei llecreszügen lobt Ottacker auch ihre eigenthümliche Gewandtheit in der Rede. Bei Gelegenheit einer Verhandlung nämlich zwischen König Slf phan V. und Przemysl Otfa- kar II. lässt der Dichter folgende bezeichnende Worte fallen: dabei 170) Ebenda Cap. 264, Sp. 224 b. fJ) Cap. 50, Sp. 72 a. 172) Schwan dtiier Scriptore.s I. IHW. 498 V. K a r a j a u Lörte man manche zierliehe Rede, auf die sich die Ungern gar sehr verstehen' •*"). Minder gut wussten sie sich damals in sittlicher und religiöser Beziehung zur Kirche zu stellen. Einige Belege in gleichzeitigen Schriftstellern gehen hierüher Aufklärung. So erzählt die Chronik der Predigermönche zu Wien zum Jahre 1280 (d, i. 1279): 'Im Juni dieses Jahres kam Philipp, Legat des apostolischen Stuhles zu den Ungern, um sie, die den christlichen Glauben fast vergessen hatten, und nach Art der Heiden mit aufge- lösten herabhängenden Haaren und in weihlichen Kleidern verkehrten, zu ihrem Heile wieder zurechtzubringen. Die Bischöfe standen ilim dabei mit ihrem Rathe zur Seite' i"*). Eine zweite Wiener Quelle aber bestätigt dies und fügt noch die Bemerkung hinzu, König Ladislaus mit seinen Kumanen und Ungern hätten sich den heilsamen Ermahnungen des Legaten nicht fügen wollen i^^^. Von Stephan V. endlich meint eine böhmische Quelle, er sei noch ein eifrigerer Ver- folger der Geistlichen als seine Vorfahren i'^ß). Noch zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts ertönt dieselbe Klage, nämlich die Ungern hätten den Pfad des Christenthums ver- lassen. Marzio Galeotti erzählt, den Ungern sei unter König Mathias Corvin von Seite des Papstes das Fasten an Freitagen und zwar in der vollen Strenge des Enthaltens von Fleisch nicht nur, sondern auch von Käse, Milch und Eiern auf das eindringlichste geboten worden. Diese Last' sagt Marzio wurde den Ungern desshalb auf- erlegt, weil sie jezuweilen von christlichem Glauben abirrten' i'?^). Nicht besser war der Ruf der Ungern in Bezug auf die Erfül- lung heilig zu haltender Eidschwüre und die Verlässlichkeit in Beobachtung der Gesetze der Treue, wie jener ehrenhaften Beneh- mens. Als Belege dafür erscheint in den Quellen eine ganze Reihe von Anklagen, deren Grund oder Ungrund in manchen Fällen als nicht völlig gesichert erscheinen mag, die aber als Bestandtlieile des jeweiligen Leumundes der Ungern hier gewissenhaft beachtet I 15^») Keimchroiiik Cap. 88, Sp. 100 b. i'*J Continuatio Praedicatorum Viennae l>ei Peitz Monum. SS. 9, 731, 30. 1'*) Contiiiualio Vindobonensis bei Peitz Momim. SS. 9, 711, 43. '^•>j Caiioiiicoi'urn Prag-eiisiuin CuiiUnualio Cosmae ad aiium 1260 bei Perlz Muiitiiii. SS. 9, 182, 27. f) SchwaiidtiuT Sei iplores. 1, Sj38. Üher ileii I.euimiiid der ÖsliTifirlier, Böhnieii iiml Unjjeiii. 400 werden müssen. Der Zeit naeli beginnen die Äusserungen dieser Art schon mit dem zwölften Jahrhunderte. Zum Jiihre 1134, eigentlich zum 22. Juli 1133, erwähnen die Jahrbücher Melks eines Sieges des blinden Königs der Ungern Bela's II. über König Holeslaw III. von Polen, der durch die beige- setzten lakonischen NN'orte 'aber durch Hinterlist' zu einer Anklage der Sieger sich verkehrt f^'*). Der gräuliche Zwist König Emerich's und seines Bruders Andreas um 1205, an dem sich das in Parteien zertrennte Land betheiligte und der treulose Gewaltthaten hervor- rief, konnte nicht günstiger auf die öffentliche Meinung wirken «'»), und es begreift sich, wenn solchen und den kurz darautfolgenden Gräuelthaten am Hofe Andreas' II. gegenüber, dessen Gemahlinn Gertrude 1214 als Opfer derselben fiel, der Zeitgenosse Tomasin, der Dichter des wälschen Gastes', von der Treue sprechend, in die Worte ausbricht: In Ungern ist ihres Bleibens nicht, da ist sie lange schon nicht mehr hingezogen. Die Untreue, der Mangel an Einsicht bei den Ungern tritt klar zu Tage in der Behandlung ihrer Königinn' '*"'}. Durch die Überrumplung Steiermarks im Jahre 1233 und den darauf gefolgten Kampf, in welchem sie die Steirer auf hinterlistige Weise auf ungrischen Boden verlockten und dann von allen Seiten umringten, theils erschlugen, theils gefangen nahmen, gewöhnte man sich immer mehr die Ungern für treulose und raubsüchlige Nachbarn zuhalten i^»j. Wie man auch den König Bela IV. an seine Ver- heissungen erinnerte, die er den Landherren Steiermarks gethan, und gegen die er nun so treulos handle, beirrte ihn nicht eines Haares gross. Da sannen endlich die Herren darüber nach, wie sie die Ungern vertreiben konnten und schlössen geheime Bünde' ; so erzählt Ottacker zum Jahre 1252 beiläufig i^-) und bemerkt an einer späteren Stelle seiner Chronik, an der er von den Kämpfen im Marchfelde Ende Juni 1260 spricht: 'über die Treue der Ungern sei er nun im Klaren, seit er gesehen habe, wie das Heer der Deut- i''8) Aniunles Mellicenses bei Pertz Moiium. SS. 9, 502, 26. i'9) Coiitinuatlo Claustioiieohurjfeiisis 11'" hei Perl?. Müiiiiiii. S.S. «»,020. 48 und (•i2l. 10. »80) Thomasili Z. 249;{ der .\iisgabe Hoinr. Hiickerfs im 30. r.iiiide der liildiolliek der deutsch. National-Lileratur. Zu vergl. mit Fessler's Gesch. d. Ungern 2, 417. »81) Continu.itio San Crucensis V bei Pertz .Mouum. SS. 9, 628. I. »83J neimclirunik Ca|i. 23. S[». 3ä a. öUO V. K a r a j a n sehen, das sich auf König Bela's IV. Zusage (wegen Überschreitung der March) verlassen hatte, durch den Wortbruch desselben hinter- gangen worden sei' »83^. Diese Handlungsweise wird auch von Dali- niil 184^ als eine treulose bezeichnet. So sehr erschütterten solche immer wiedeikehi-enden Züge von Unzuverlässlichkeit die ötlentiche Meinung, dass z. B. das Heer König Ottakar's H. in hiutes Murren und Klagen ausbrach, als dieser zu einer Friedensverhandlung mit König Stephan V. im Jahre 1270 vor dem Heere sich unbewatTnet auf eine Donauinsel zu seinem Feinde begab, und sich so ohne Wehre auf die Treue der Ungern verlassen wollte. Desshalb stand Alles voll Angst am Ufer und wartete auf seine Wiederkehr' i^s). Ais eben so geängstigt durch 'der Unger unstäle' schildert dieselbe Quelle den Bischof Ulrich von Salzburg bei seinen Verhandlungen mit ihnen über den Besitz des Erzstiftes in der Steiermark ise). Eine österreichische Quelle aber is^J schreibt die Ermordung des österreichischen Landherrn Heinrich's des Preuzel ohne weiters dem Könige Stephan V. zu, indem sie den Helden 'nichtswürdig ver- rathen durch die Treulosigkeit und Hinterlist der Ungern' nennt. Der arge Friedensbruch derselben 1270 gegen die klarsten Verträge, abgeschlossen zwischen Stephan V. und Ottakar, klingt in scharf missbilligenden Tönen wieder in den Quellen der Zeit »ss^ und der Dichter Ottacker lässt den König der Böhmen, der empört ist über den Bruch der beeideten Einigung, in die Worte aus- brechen: Tfui! Damit ist aber auch alles aus! Es steht so mit den Ungern, dass man in jedem Geschäfte von ihnen betrogen wird. Wenn das auch eine Lüge sein soll, was w^ir beide auf jener Insel bechworen , dann glaub ich nimmermehr, dass noch Treue und Ehre bei den Ungern zu finden sei! So lange ich noch Willen, Leben und Macht habe, sag ich mich von ihnen los!' i*»). Als bald darnach Ottakar Pressburg erobert hatte und an König Stephan angesehene Männer als Gewaltboten zum Abschlüsse eines 183J Ebenda Cap. 62, Sp. 73 b. 184) Dalimil S. 201, 17. 185) Reimchronik Cap. 88, Sp. 100 b. 186) Ebenda Cap. 49, Sp. 63 a. 187) Die Continuatio Claustroneoburgensis IV bei Pertz Monum. SS. 9, 647, 44. 188) So in der eben angeführten Quelle bei Pertz SS. 9, 648, 11 und in der Continuatio Vindob. ebenda SS. 9, 703, 31. «*9) Cap. 91, Sp. 193 a und b. über den Leuinuiiil der üslerieiclier, Uölinieii uml l'ngeiii. oOl Friedens sandte, da soll dieser auf betrügerische Weise die Gesandten gefangen und sie als Lösegeld für die verlorenen festen Plätze angeboten haben. So erzählt eine Lambacher Chronik zum Jahre 1271 i9<>). 'Falscher Werke und falscher Räthe' , bemerkt bei einer andern Gelegenheit zum Jahre 1289 Oltacker^s Reimchronik: haben die Ungern so viele, dass mit ihrer Erwägung und Erzählung nie- mand zu Ende käme!' i^«)- Aller Ungern Treue' meint Helb- ling 192), 'wiegt gar leicht, ein einjährig Kind trüge sie; so gar verflucht sind sie!', das ist von Gott abgewendet, verdammt. Und Ottacker mit Hinblick auf die Ermordung König Albrechl's I. äussert: Die 'verfluchte Tücke des Königsmordes ist aus Ungern gekommen", indem er auf die Ermordung Ladislaus des Kumaniers anspielt "*). Peter von Zittau, zum selben Jalire von der Wahl Andreas III. zum Könige von Ungern sprechend, meint: der König hätte recht gut gewtisst, wie wenig verlässlich die Treue der Ungern sei J^*), und Benes vonWeitmil zum Jahre 1300 bemerkt, er könne es nur billigen, dass Wenzel I., dem wohlerwogenen Rathe der Seinen fol- gend und die Treulosigkeit der Ungern fürchtend, seinen Sohn Wenzel den sie zum Könige erwäblt hatten, mit einen) gewaltigen Heere wieder heimgeholt habe i^^). Hiezu stimmt Pulka\\a, der zum Jahre 1304 von der Wahl Karl's von Anjou sprechend, des zweiten Nachfolgers WenzeTs, folgende Äusserung über die Ungern fallen lässt: Für die Erkenntniss des Kommenden haben sie nicht den mindesten Blick, für die Einhaltung ihrer Gelöbnisse und Eide kein Gedächtniss' i^e). Über die schmähliche Ermordung des zum Könige erwählten und aus Apulien nach Ungern eingeholten Karl des Kleinen von Neapel 1386 äussert Peter der Suchenwirt, der sonst fast nur zu 190) Bei Pertz Moiium. SS. 9, o60, 43. 191) Fez Scriptores 3, Sp. 279 I. und 280 a. 1«) Zeitschrift f. d. Altertlium Bd. IV, 2, 10-46. 193) Reirachronik Cap. 383, Sp. 375 b. 194) üobner .Monura. 5, 04. 19JJ Felzel und Dobrowsky Scriptoi'es 2, 209. Vergl. /.udem die Aiiiiules Matseentet bei Perlz Monum. SS. 9,823, 38, wo es von derselben Heimkehr lieisst: propter infide- litateni Ung-arorurn L'ngariain desereus Buhemiam venit". 196) Bei Dobner .Monum. 3, 259. ö ü .i V. K .1 r a j a n loben versteht: 'Sechs Wochen trug er den Namen eines Königs, den Scepter, die Krone, da mordeten sie ihn; der Tod ward ihm zum Lohne. Die Königinn seihst sandte nach ihm, er meinte es wäre in Treuen, da spaltete ihm ein Mörder sein Haupt. Das bleibt eine grosse Seliandthat für immer!' i^^}. Auch Jakob Unrest, zum Jahre 1456 von der Ermordimg Ulrich's von Cilly sprechend, meint, die Ungern hätten da 'nach ihrer alten Gewohnheit wieder einen falschen Rath' ertheilt, und König Ladislaus den Mord 'an den ungetreuen Ungern' n-i*ht sofort rächen können i^^^. Aus dem Schlüsse des Jahrhunderts sind noch zwei Äusserungen anzuführen, die ganz zu der langen Reihe der Anklagen stimmen, die wir eben vernommen haben, und denen gegenüber nur eine ein- zige Stelle anzuführen wäre, an der in lobender Weise den Ungern nachgerühmt wird, dass sie im Jahre 1410 nicht zu bewegen waren, im Vereine mit Siebenbürgern, Böhmen, Mährern und Österreichern in Polen einzufallen 'weil sie mit diesen in einem heiligen und ewigen Bundes- Vertrage stünden, den sie nimmermehr brechen wollten' 19»). Doch diese Stelle in ihrer Vereinzelung allen anderen gegenüber kann natürlich die allgemeine Meinung in dieser Richtung als anders geartet nicht erkennen lassen. Tubero in der Geschichte seiner Zeit erzählt die Behandlung Beatrice's, der Witwe König Mathias Corvin's, durch den neuen König Wladislaus Tl., auf eine Weise, dass man nicht in Zweifel sein kann, wie sehr er die Schlauheit und Hinterlist der Ungern, gegen. die Königinn, nur auf plumpe Weise verhüllt, missbillige. Er äussert: 'die Königinn, wenn ihr Blick noch klar gewesen wäre, müsste längst wahrgenommen haben , dass ihr von den Ungern nur leere Worte geboten würden und dass man mit roher Schlauheit von ihr nur stets verlange, ihr nichts gewähre. Denn man hatte ihr vorgemacht, Wladislaus werde die Krone erst erlangen, wenn er sie geehlicht hätte'. . . . 'Ich hätte geglaubt, Beatriee, sonst eine Frau seltenen Geistes, .... müsste die Hinterlist der Ungern längst durchschaut haben und doch war dies nicht der Fall' 2"o), la?) Peter Siiclieinvirt, heransg^egeben von A. Priiiilsser. GG, 69. 198_) Hahn MoDiiineuta 1, 54Ö und 346. 199) Dliigoss ed. van Huyssen, 1, Lib. X, S. 30'i. *00) SchwandüKM- Scriptores 2, 145. über den Leumiiiifl di-r Österreicher, Bülinien und rngern. i)03 Marzio dei Galeotti aber schliesst seine Bemerkungen über die Äusserungen und die Thaten Mathias Corvin's, die er für dessen Sobn niederschriel» , mit folgendem Äl.ihnruf an den l'riiizun: Ein so ausgezeichnetes Volk zu beherrschen, kann nur rühmlich sein, denn es ist keine Frage, dass die Ungern sowohl durch ihre eigene geistige Befähigung, als durch die Annaiinie der Sitten der el»e- maligen Pannonier, deren Gebiet sie überkommen, sowohl listig als tapfer zu nennen sind. Schon Tibull hat den Pannonier trügerisch genannt, indem er die Klugheit des Volkes, das die Römer hasste, Hinterlist nannte. Wir aber halten dieses Volk für eben so tapfer als schlau' 2«i). Über die Kriegstüchtigkeit und Tapferkeit der Ungern findet sich aber nur Rühmendes in den Quellen, wird auch die Art der Kriegführung in mancher als nicht löblich bezeichnet. Peter von Zittau gibt zum Jahre 131ö eine allgemeinere Schil- derung des Ungers als Kriegsmann, die icli voranstelle. 'Einstimmig' beginnt er 'habe ich von vielen sagen hören, dass der Unger den eigentlichen Gebrauch der Waffen nicht kenne. Bricht ein Krieg oder auch nur ein Kampf aus, so versieht er sich vor Allem mit einem enge anschliessenden Pelz, als Unterkleid oder Kleid über- haupt, der durch seine Enge die Glieder recht zusammen schnürt, wodurch er zum Kämpfen tüchtiger wird. Darnach sucht er ein rasches Pferd zu erhaschen, das ein tüchtiger Renner ist. hii schnellen Fluge dann durch die Felder schiessend, bringt er seinem Feinde mit dem Bogen, den er rasch zu spannen versteht, tiefe Wunden bei. Ruhig stehend, will er nie kämpfen, denn stets flieht er entweder, oder er jagt den Feind vor sich her. Auf diese Weise vermeidet er jede eigentliche Schlacht, die, folgt man der schwäbi- schen Sitte, erst recht bitter wird. So wird sein ganzes Kämpfen, wenn man es genau betrachtet, zu nichts als einem Bogenkampfe. Indem er schnell den Bogen spannt und schnell nach allen Seiten hin abschiesst, schützt er sich zugleich nach vorne, wie nach hinten Dabei sieht man sie alle mit Speck oder Fleisch tüchtig eingerieben. Überlegung besitzt der Unger nicht viel, es ist ein leichtsinniges Volk, das aber tüchtig zu schicssen versteht' s"-). 2<") Schwandliier I. c. 1, Sßä. *"'-J Doliiicr Aluiiiiiiieiilii ö, 3;i(}. 004 V. K a r a j a n Mathias Corvinus, so scheint es, hat die im Unger vorhandenen guten Eigenschaften zum Kriege, wie so vieles andere, klug zu benützen verstanden und dadurch sein Volk bedeutend gefördert. Unter ihm sieht man in diese noch rohe Masse bereits Ordnung gebracht undBonfini, der sich auch bei anderen Heeren umgesehen, gibt jenem Corvin's noch am Ausgange des fünfzehnten Jahrhunderts ein ehrendes Zeugniss. Er sagt: 'Wenn ich die militärische Disci- plin und die strenge Mannszucht erwäge, durch die Mathias die Ungern erzogen hat, werd' ich mit Bewunderung erfüllt. Ich habe noch keine Krieger gesehen, die Hitze wie Kälte, Arbeit wie Hunger geduldiger ertragen, eifriger Befehle ausführen, freudiger auf das gegebene Zeichen in die Schlacht stürmen und dem Tode sich aussetzen, dabei jede Meuterei mehr verachten'. . . .203^. Von der Marchfeldschlacht 1278 sprechend bemerkt Ottacker, 'die Zahl derer, die durch die Ungern fielen, sei ungeheuer. Sie hätten gekämpft, als ob sie in Frankreich hätten fechten gelernt. Wenn welche sagen, sie hielten nicht Stand, und blieben in Hitz und Staub und unterm Helm nicht dauernd stehen, der hat sie an dem Tage nicht gesehen. Man muss ihnen das zuerkennen, sie wussten wie die Schwaben zu fechten!' 20*^. Auch vor Wien 1290 unter Andreas dem Venetianer haben sie sich rühmlich gehalten, so dass der Verlust der Deutschen wie der Ungern gleich wog und der Friede zu Stande kam, sagt dieselbe Quelle 205^. Nur ihre Art den Krieg zu führen fand zu aller Zeit Missbilli- gung. Sie erschien den Deulschen wie Böhmen jedesmal als eine treulose und hinterlistige. Nach einer Schlacht gegen Graf Yban von Güns, in den achtziger Jahren des dreizehnten Jahrliunderts, spricht der Anführer der Deutschen, ein Schwabe, der Marschall von Landenberg, die Seinen an: 'Ihr Helden, glaubt mir, ich habe mancherlei Länder Sitte gesehen. Hält ich euch heute vor einer Hinterlist dieser Art zu bewahren verstanden, ich hätte es sicher gethan. Mit unserem Wesen voll Zutrauen haben wir heute uns und unsere Leute aus Österreich zu Schaden gebracht. Wir hätten diesen folgen sollen. Ihr Herren aus Schwaben wusstet euch vor 203) Bonfinii Decades Francof. 1606. f. 644, 28. 204) Reimchronik Cap. 135, Sp. 150 I). 205) Ebenda Cap. 396, Sp. 377 a. über den Leumuiid der Österreiclier, Bühnicn und Ungern. J)0o Muth nicht zu helfen. Ihr wähntet, es ginge hier wie dort gegen die Franzosen'. Du erwiderten unter Anderem die Sehw;iben : 'Diesen Heiden gegenüber reicht unsere Kunst nicht aus !' Ottack<«r aber, der dies erzählt, fügt später die stolze Bemerkung hinzu: 'Das hätte niemand gedacht, dass die Ungern den Deutschen gegen- über je solche Ehre erringen würden' ^no^. Ausser der regellosen Art ihrer Bewegungen im Felde, die erst gewöhnt werden musste 2"'), wird auch noch manches Andere bei ihrer Kriegführung getadelt. So, dass sie nur so lange zu ver- wenden sind, als sich Futter für ihre Pferde auf den Feldern findet 20S), dann, dass sie durch furchtbares Geschrei beim AngritT die Truppen des Gegners zu verwirren trachten, was dem Geiste der Zeit als unritterlich galt. Als z. B. König Johann von Böhmen 13 IJ) gegen den Grafen von Trenczin in Ungern einfiel und bis zum Schlosse 'Alba' (wohl 'lllawa') vordringt, macht das Heer der Ungern beim Angriffe einen so gräulichen Lärm, dass die Böiimen anfangs zurückwichen, später aber doch sich ermannten und die Ungern schlugen. So erzählt Peter von Zittau in seiner Chronik ~^'^). Gerühmt wird aber ihre Gewandtheit zu Boss. Als König Wen- zel dem ni. die ungrische Krone angetragen wird, da gesteht er sich und den seinen: 'Wenn ich es auch verschwiege und den Ungern bergen wollte, wie weit meine Kriegsgewandtheit reicht, so werden sie's doch bald weghaben, dass ich dazu nicht erzogen bin, mit dem Bogen sechs Meilen lang zu Pferde zu sitzen und diese herumzu- werfen, wie sie das können' 210^. Ein Stich auf das von den Ungern so ausschliessend im Kampfe beliebte Schiessen aus der Ferne liegt in einer Stelle Ottacker's, an welcher er den Grafen Yban von Güns auf jede beliebige Waffe durch einen Deutschen fordern und den Boten melden lässt: 'wenn sein Gegner als Unger etwa Lust zum Schiessen hätte, so stünde er ihm auch damit zu Dienste', wobei noch ein Worlspirl mit unterläuft, nämlich in dem Ausdrucke schiezen', da dieses Wort 206) Reimehronik Cap. 277, Sp. 233 a und Cap. 278, Sp. 233 l>. 20' Ebenda Cap. 284, Sp. 238 a. 2«8) Man vergleiche Oltacker's Reimchronik Cap. 741, Sp. 722 b. 2«0) Pobner Monumenia S, 33S. 210) Oltacker's Reimchronik Cap. 723, Sp. G63 a. so 6 V. K a r a j a 11 in der alten Sprache zuweilen auch hinstürzen', also im Kampfe 'fallen' bedeutet 2' 0- Es begreift sich, wie aus der Tugend der den Ungern nicht abgeleugneten Tapferkeit sich bei dem geistigen Zustande der Na- tion in damaliger Zeit nur zu bald allerlei nicht so lobenswerthe Eigenschaften entwickeln konnten. So werden sie in manchen Quel- len als hochmüthig und zu UbergrifTen bereit geschildert. Nament- lich geschieht dies von Ottacker da, wo er von der rücksichtslosen Wirtbschaft der Ungern spricht während der Besetzung Steier- marks, in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre des dreizehnten Jahrhunderts 212J. 'Die Steirer', so meint der Dichter, 'hätten die Hochfahrt und den Übermuth nicht länger vertragen können, den die Ungern am Ende doch nur mit dem Gelde der Landherren trie- ben'. 'Herzog Siephan von Agram war so hochfärtig', heisst es an einer zweiten Stelle, 'dass er sich in Worten gegen jeden der Land- herren übernahm. Er ging so weit, sehr oft zu äussern, sein Herr hätte das Land gekauft! Die Ungern wussten sich überhaupt nicht zu benehmen. Nirgends wurde jenes Mass eingehalten, das Schick- lichkeit und Bildung erheischte'. Dieser Hochmuth hatte seine Quelle in Selbstüberschätzung, welche auf naive Weise schon bei einem sonst wahrheitliebenden Schriftsteller des ausgehenden dreizehnten Jahrhunderts, der freilich Unger ist, zu Tage tritt. Von der Marchfeldsehlacht sprechend, nimmt er nämlich keinen Anstand, zu behaupten, König Rudolf liätte die Rückerlangung Österreichs und Steiermarks lediglich dem Könige der Ungern zu danken. Ladislaus zählte aber damals nicht mehr als sech- zehn Jahre und Simon von Keza nennt ihn selbst einen Jüngling 213^. Nicht minder überschwänglich ist es zu nennen, wenn Stephan Bathory nach dem Tode Mathias Corvin's in der Voraussiciit, dass der König von Böhmen Wladislaus H. zum Könige der Ungern aus- gerufen werde, im Landlage darauf hinweist, dass die benachbarten Völker, 'welche an Kriegsruhm die Ungern beiweitem nicht erreich- ten', nur eingehorne zu Königen wählten, ja warnend Attila anruft, den Führer der Ungern, 'die bis zum britischen Meere hin Siege er- rungen', 'der sich aber, dieser Wahl wegen, entrüstet von seinem 2'1) Reimchronik Cap. 9.';, Sp. 107 b. 212) Man sehe der Reimchroiiik Cap. 23, Sp. 34 h und Cap. 48, Sp. 61 li. 2i3) Endlicher Monumenfa Aipad. S. 122. Ülier ileu Leiimuiid der üsU-rruicIier, liilliiiicii mid rngern. «)()7 Volke itbweiiden müsse!' Dies erzählt TuLero^i»^ und kiinii die He- merkuno; niclit unterdrücken, das sei masslos iresproelieii und nach Art der Scythen, von denen die Ung-ern abstammten. Peter von Zittau aber, nachdem er des Bündnisses zwischen Andreas III. und Wen- zel II. erwälint hat, das beide Könige um 1290 gegen die masslosen Ansprüche ilirei- Völker schlössen, meint 'von diesem Tage an sei die Uherschwänglichkeit der Ungern, wie sich's geziemt, eingedämmt worden' -<5). Und als nach dem Tode Andreas III. die Ungern ihre Krone 1301 dem Könige Wenzel von Böhmen anbieten, da thtin dies die Sendholen nach derselben Quelle, mit folgenden Wor- ten 21«): 'Unsere Väter haben uns erzählt, Ungern sei ein ausge- dehntes Land und seine Macht unermesslich. Unsere früheren Könige haben lange Zeit hindurch fast ganz Deutschland beherrscht' u. s. w. Auch Marignola2i7j spricht von dem den Ungern angeborenen Stolze, und schon Simon von Keza^isj^ also noch im dreizehnten Jahrhun- dert, legt ein Verzeichniss an 'de nobilibus advenis', damit das reine Ungern' wie er sich äussert, 'das nur 108 Geschlechter zähle', nicht mit den fremden Ankömmlingen verwechselt werde. Und doch mochten auch damals schon Einsichtigere fühlen, dass trotz alles kriegerischen Ruhmes von den benachbarten Völ- kern gar Manches zu lernen sei. König Bela IV. z. B. ermahnte seine Gesandten, die er zu den Friedensverhandlungen von 1201 abschickte, wie Otlackcr erzählt ^i»), eindringlichst, sie möchten ja auf ihrer Hut sein, 'denn denen gegenüber, die euch von Seite des Königs von Böhmen entgegenkommen, ist eure Einsicht und euer Witz so leicht wie ein Schaum'. Selbst Tubero, der nicht spröde ist, wo es gilt Biihmliches von den Ungern zu melden, meint doch z. B. in Bezug auf höhere Leistungen der Kunst: erst Mathias Corvin hätte begonnen. Ungern mit schönen Bauten zu schmücken, so dass es Deutschland, das durch solche Dinge in hohem Grade glänze, beinahe erreicht habest»). 214) Bei Schwand tner Scrii>torcs 2, 120 et 121. 2»5j Dohnor Monumentii ö, 64. 216) Elieiidii 5, 134 und 135. 2»'') Dobiier Monnmentii 2, 197. 218) Bei Endlicher Monumenta Arpad. S. 12*. 2i9) Keinnhioiiik Cap. ßö, Sp. 77 h. 2-'>) Schwandiner Scriploies 2, SiUh. d. pliil.-hibt. Cl. XLII, Dd. III. Hfl. ;i4 508 V. K ai-aj a n Ein Haupthinderniss rascherer Enlwickeluug der Nation im Wettstreite mit anderen vorangeschrittenen Völiiern lag in der zähen Anhänglichkeit des Uiigers an sein eigenthümliches Wesen, die zuweilen his zur Hartnäckigkeit sich verdichtete. Schon zum Jahre 1243 bemerkt desshalb eine gleichzeitige Quelle: aller Jam- mer lind alles Elend, das die Einwanderung der Rumänen, der Einfall der Tataren herbeigeführt, hätte die Ungern zu keiner grösseren Energie und Einigkeit aufgerüttelt. 'Wie sie vor dieser Heimsuchung waren, so blieben sie auch nach derselben', meint die Quelle, und eine um drei Jahrhunderte spätere Hand hat am Rande zu dieser Stelle die Bemerkung hinzugefügt: 'Dasselbe zeigte sieh auch im Jahre 1S43' (nämlich beim Einfalle Soliman's II. Ende Juli), 'eben so in dem vorausgegangenen wie im folgenden. So harten Schädels sind die Ungern' 221). Doch hatte dieses zähe Haften am Hergebrachten begreiflicher Weise, je nach der Gestalt-ung der Verhältnisse, zuweilen auch sein Gutes. So, als der Papst die Wahl des Sohnes König Wenzel's von Böhmen zum Könige von Ungern, 1301 , nicht billigen wollte, weil er ihn nicht dazu ernannt habe: 'da erhoben sich die Ungern einmü- thig dagegen und erklärten, ihr freies Königreich würden sie nie dem Papste zu eigen geben sie wollten da ihre Dinge selbst schaffen nach ihrer alten Gewohnheit!' 223). {jm dieses Haften an den volksthümlichen Eigenheiten beneidete Seifried Helbling die Ungern und hielt den Mangel desselben seinen Landsleuten tadelnd vor: 'Wie gross auch Ungern ist' ruft er aus nie tritt ein Unger auch nur einen Tritt breit aus seinem ungrischen Wesen. Dagegen ist Österreich ein kleines Land und wie buntscheckig lebt da Alles durcheinander !' —^y Zu dieser morgenländischen Stätigkeit stimmt auch die fast abgöttische Verehrung der Königswürde und ihres Trägers. So führt Oltacker etwas verwundert an 224^: es sei Gewohnheit bei den Ungern, den König nicht in die Schlacht ziehen zu lassen, denn dazu sei er zu erhaben. Nur ein sanft gehendes Pferd, das selbst durch 221J Continuatio Sancrucensis H" bei Perlz Monum. SS. 9, 641, 13 und Note 21. 222) Ottacker's Reimchronik Cap. 729. Sp. 694 a. 223) Helbling; 1. 149. 224) neimciiroiiik Cap. 103. Sp. 149 b. über den Leamiind der «isterreicher. Rilhiiieii iiml l'iifjiTii bOt) Peifschcnhicbe nicht zum Jagen zu bringen sei, gezieme dem Könige' u. s. w. Der leidenschaftlichen Vorliebe für die heimische Sitte und das ausschiiessh'ch ungrische Wesen entspricht auch die schon früh getadelte Einseitigkeit der Ungern, sich um alles Fremde nicht zu kümmern. Durauf spielt schon im dreizehnten Jahrhunderte Seifried Helbling an, M'enn er seinen naseweisen Kneclit tadelt, dass er sich um alles Mögliche kümmere, alles wissen müsse und ihn mit Fragen quäle, so dass er sich oft wünsche, er wäre ein wilder Unger*, der sich um niciits Fremdes oder Neues kümmere 225). Diese Ausschliesslichkeit und das wenige Beachten des Willens der fremden Völkerschaften im Lande selbst hatte durch Schuld der Ungern manche Uneinigkeit erzeugt, dadurch dem Reiche grossen Schaden zugefügt. So z. B. missbilligten zum Jahre 1301 die Nicht- Ungern, wie die Siebenbürger, das Vorgehen des Grafen Yban, der mit dem Bischof von Gran und der Partei des nationalen Adels ver- bunden, rücksichtslos die Wahl des zwölfjährigen Königs Wenzel durchgesetzt habe. So sieht die Dinge an der gleichzeitige Oltacker in seiner Reimchronik 220^. Diese Uneinigkeit und geringe Berücksichtigung des Willens aller Betlieiligten hätte schon manches Unheil über das Reich ge- bracht, meint Ottacker an einer anderen Stelle 'i-'), und desshalb hätte auch Graf Yban bei seiner Werbung für den jungen König von Böhmen auf den Umstand hinweisen können, dass die wieder- holten Einfülle und Bedrückungen, die durch den gewaltigen Nachbar, den Herzog von Österreich, über Ungern hereingebrochen, mittelst der neu einzugehenden Verbindung mit dem mächtigen Königreiche von Böhmen allein sicher zu beseitigen wären. Der spätere Bonfini aber, der den Dingen besser auf den Grund sieht, lässt zum Jahre 1490 den Bischof von Grosswardein, Johann von Pruis, aus Prossnitz in Mähren stammend, dem jungen Könige Wladislaus II. vor seiner Krönung die wohlerwogenen Worte zurufen: 'Aus ganzer Seele muss ich wünschen, dich vor Allem darüber im klaren zu sehen, dass du, von dem Augenblicke an, in 2ä5) llelhlliig 1, 13. 226) Ciip. 728, Sp. 691 I) und 692 a. 227) Reimcliroiiik Cap. 723. Sp. 685 I.. 510 V. Ka lajan welchem du die Zügel der Regierung dieses kriegei-ischen und rauhen Volkes ergreifst, den Unger nicht durch Milde, sondern nur durch Strenge fügsam machen kannst, und dass dieser nicht durch Nach- sicht und Ungebundenheit, sondern nur mit eiserner Paithe im Ge- horsam zu erhalten ist. Drum nimm unter günstigen Wahrzeichen das dir vom ungrischen Reichstage übertragene Herrscheramt an, schirme es aber vor Allem mit der Gewalt deines Armes!' —^). Zu diesem anscheinend harten Urtheiie bot aber der innere Zustand des Landes, wie er bis dahin sich gestaltet hatte, mehr als liinreichende Veranlassung. Es war namentlich die allen auf nie- derer Stufe der Cultur stehenden Völkern eigenthümliche Raubsucbt, welche immer wieder den Gegenstand von Klagen in den heimischen Ouellcn bildel. Nur aUmählich nehmen die Ausbrüche dieser Leiden- Schaft milderen Charakter an , und namentlich war es die strenge Zuchtruthe Mathias Corvin's, die hierin segensreich wirkte und auf die auch ohne Frage Johann von Pruis in seiner Ansprache an den jungen König hinweisen wollte. Schon zu Ende des eilften Jahrhunderts klagt eine Quelle des benachbarten Polens, dass die 'Valben', das sind die Kumanen, 'in zahlloser Menge sich sammeln und nach gewohnter Weise raubend das Land durchziehen. In drei bis vier Haufen vertheilt rücken sie Nachts an und über die Weichsel und kehren Tags darauf mit zahl- loser Beute beladen am Abende über den Fluss wieder beimaß»),« Zum Jahre 1112 aber schon melden die Jahrbücher Melks einen Raubeinfail der Ungern in Österreich und bemerken, dass dieser Zug sowohl hinsichtlich der im Kampfe gewonnenen Beute, als der sonst entwendeten ein sehr ergiebiger zu nennen sei -so). Aus der Unterscheidung, welche in dieser Quellenstelle in den Worten 'manubia' und praeda' liegt, erkennt man zugleich, dass dieser Einfall doppelter Natur war, ursprünglich politischer Art, der König Stephan II. selbst wird als Anführer genannt, dann unter der Hand den Cliarakter eines Raubzuges annehmend. Und er blieb, weiss Gott, nicht vereinzelt. Im selben Jahrhunderte noch, im Jahre lly9 sehen wir König Fimerich raubend und brennend Österreich ii28) Boiifinii Decades. Francof. IGOO. Fol. S. 671, 40. 229j So erzälilt die Cliioiiica Priiu'ipiirn !Niloiii:i(' hei Sfeii/.el Soriptoi-p.s rer. Siles. 1, 09. 230^ Amiaics Mellii-eiisi's Lei Peit/. Mouuin. SS. 9, jOI, 4. über (li'ii l.i'iiiiiiiiiil iliT (istf 11 ciclior, li iliiiii'ii iiiiil rci^ciii. »j 1 I durchziehen, freilich nur, wie man sagte, in der Verfolgiinjj^ seines Bruders -3>), und so g^-ht es fort mit und ithne N'orwiind. Ks wiiidc zu sehr ermüden, wollt' ich alle diese Haiih/.iige, nnIc sie in d» n nächsten drei .lalirhundertea statthatten, einzeln he-prechcn. Irii stelle desshall) in der Anmerkung alle Kinfalie nach Österreich allein zusammen, wobei ich bemerken nniss, dass ich nur solche aufge- nommen habe, bei denen verschiedenartig vermummt mir die Ilaub- sucht als Triebfeder erschien---). Es sind deren weit über ein Dutzend und zeigen nur, dass das fruchtbare, wie wir oben sahen, durch innere Parteiungen, Bruderzwiste der Herrscher, und manche andere Ursachen häutig unbeschützte Land zum Beutemachen zu bequem gelegen und ergiebig schien. Von sonstigen Urtheilen über die wenig geregelten inneren Verhältnisse der Ungern sind noch folgende Stellen der heimischen Quellen anzuführen. Zu den Jahren 1241 — 1243 vor Allem die VerMüstungen, welche Tutaren und Kumanen im Bunde, namentlich in den öst- lichen Theilen des Reiches verübten. Die im Inneren Ungenis be- reits angesiedelten Kumanen machten nändich mit den Eindringenden gemeinschaftliche Sache und mehrten dadurch die Verwirrung und das Elend des Landes, bis endlich die Eingedrungenen u.ich zwei Jahren mit zahlloser Beute wieder heimzogen •^^). ^3') Confiniiatio Claiistroiieoliiirgeiisis N • lifi l'eitz Moiinin. SS. 1», ti'lO. 17. 233J lin Jahre 1234 ein Zug Aiulrea.s 11. mit seinem Sohne üela. Coiitinualiü S.incru- censis !!'• hei Perlz Mnnum. SS. 9, 637, 48. Wiederholt 123Ö. Ebenda 638, 11. Im Jahre 1250 ein Einfall König Bela's IV. ins herrenlose Land. Annales Melli- censes bei Pertz Monum. SS. 9, öOS, 41. 12ä2. Heiner Hanbzug, bis Tuln alles verwüstend. Conti». Saneiuc. 11" ibid. W, 643, li , ver;^!. ibid. '.', ü08. 46. Ein eben solcher 12ö3. Annales RIellicenses ibid. '.l, .'Jos, 48. Zum .lahre 1200. Conlin. Sancrucensis 11"" ibid. 0, 644. l'J. Einer der grausamsten im Jahre 1270 unter Oela's IV. eigener Anführung, ilistoria aun. 1264 — 1279, ibid. 9, 6;(1, IS. Im Jahre 1271. ISauheinfall in's Marehfeld vor der Ernte. Conlin. Vindob. ibid. 9, 704, 10. Im Jahre 1273. Ebenda 9, 70;;, 1. Im 1290 mehrere Male, llolh- ling li, 12. 1304- Ris Weitra und Gmünd hinauf. Continuatio Zwetlensis 111' ibid. 9. 660, 49. Vergl. (Utaekers neimthronik t'a|). 741, S|>. 724 b. Vergl. Sp. 723. Entsetzliche Grüuel, 1328. Die Schaaren der Kiniige Karl von Ungern mit denen Jiiliann's von Röhmen. Conlin. Zwell. III' ibid. 9. 069, S. Endlich zum Jahre 140Ö durch liiiiger als sechs Woilien i|uia terra non halmlt diMVusm rm" f.m- tinuatio Clauslroireoiiurgensis V ibid. 9. 737, 9. "^■^) Coiitiiiualio Sancrucensis II'''. bei l'erlz .Monum. SS. 9. 04t». 14 und 641. 3. 5 ! 2 V. K a r a j a II Zum Jahre 1259 ist gleichsam als ein Gegenstück anzuführen ein Verwüstungszug des jungen Königs Stephan, nachmals V., den dieser mit Rumänen durch Steiermark und Kärnten unternahm 234). War's doch, als ob diese Raub- und Verwüstuiigssucht ansteckend geworden wäre. König Rudolf wenigstens muss Ahnliches befürch- tet haben als er nach kaum beendigter Schlacht gegen Ottakar die Schaaren der Ungern und Kumanen so schnell als möglich abziehen liess, 'damit die christlichen Böhmen nicht von der Raub- oder Mordsucht der heidnischen Kumanen angesteckt würden', meint die Quelle, der ich diese Äusserung entnehm.e, eine Chronik der Predi- germönche zu Wien 235). Von den Kumanen und Ungern erzählte man sich ferner nach der Marchfeldschlacht, 'sie hätten nicht ge- wartet bis der Kampf ein Ende genommen, sondern seien noch Avährend desselben über die Kammerwagen der Herren beider Theile hergefallen, hätten Saumschreine zerschlagen, Watsäcke aufgerissen und genommen was nur fortzuschleppen war, so viel, dass man darum ein ganzes Land hätte ausbezahlen können' 236). Eine Salz- burgei" Quelle äussert über diese Beutesucht und Gewandtheit der der Ungern unter Anderm: 'Hierin üben sie sich mehr als die Deut- schen, während diese nach dem Siege ringen, wiegen jene die Beute!' 237). Als im Jahre 1291 zur Abschliessung des Friedens mit Andreas dem Venetianer von Seite Österreichs Gesandte zu den Verhand- lungen in die Gegend zwischen Hainburg und Prossburg abgeschickt Avurden, da war man besorgt selbst um die Sicherheit dieser Ver- trauensmänner und Würdenträger, denn niemand traute 'den Szek- lern und VValachen zu, dass sie den Frieden hielten, den sie gelobt, und dass sie sich nicht rächen würden des Schadens wegen, den sie in Österreich genommen' 33s). Als die Räthe der böhmischen Krone dem Könige Wenzel ab- rieten die Krone Ungerns anzunehmen, da Hessen sie unter anderen 234) Contimiatio Sancruc. ir bei Pertz Monum. SS. 9, 644, 10. 235) peilz Monum. SS. 9, 731, 11. Rudolf habe die Ungern auch desshalb entfernt, lieraerkt eine zweite Quelle, weil ein arger Zusamnienstoss dieser mit seinen Schaaren zu befiirchlen war. Continuatio Claustroneoburgensis Vi" bei Pertz 9, 74S, li'l. 2'6) Ottackers Reimehronili Cap. 165, Sp. 158 b. 23r) Annales S. Rudberti Salisburg. bei Pertz Monum. SS. 9, 804, 43. «38) OKiicker's Rcimthronik Cap. 399, Sp. 381 a. über den Leumund der Österreicher, Böliiiu-n und Ungern. b 1 ti Bedenken auch dieses fallen: Haiih und Brand wüllie dermal . wie man erzählt, so arg im Lande der Ungern, dass sie desshalh eines Herrn hediirfen, der die Macht liabe, diesem Üliel wie gar manchem anderen noch zu steuern' -39^. Als aber der König Ungern verlassen, die Reichskrone mitgenommen hatte, 1304, und es sich nun darum liandelte, diese wieder zu erobern und in Böhmen desshalh einzu- fallen, da stcUlen die Ungern ihrem neu erwählten Könige Karl förmlich die Bedingung, Beute machen zu dürfen, d. h. zu rauben und zu plündern, namentlich, dass sie die Deutschen daran nicht hindern dürften. Was sie davon verkaufen wollten, als Weiber, Kinder oder Männer, sollte ihnen freigestellt sein 2*0^. Über die Gräuel, welche dieses zügellose Heer von 20.000 Mann nicht nur in Böhmen, sondern auch in Österreich verübte, berichtet eine Zwetler Chronik 241). Dass solchen Elementen gegenüber die Sicherheit im Inneren des Landes eine erbärmliche sein musste, begreift sich. Gabriel Tetzel, der Aufzeichner der Reise Leo's von Rozmital, erzählt, sein Herr habe 1466 mit einem Gefolge von vierzig Begleitern den Hof Mathias Corvin's zu Ofen besuchen wollen und habe zu diesem Behufe von Neustadt aus den König um Geleit gebeten, aber keines erlialfen können. Mögen nun die Gründe welclie immer gewesen sein, von denen geleitet Mathias die Gewährung der Bitte des hochgestellten Reisenden, des Schwagers König Georg's von Podiebrad, verweigerte, so viel bleibt immer noch auiTallig, dass selbst mit einem so zahl- reichen Gefolge die Reise ohne Geleit bedenklicli schien. Rozmital kehrte desshalb auch um, obwohl er die Grenze Österreichs bereits überschritten hatte 2*2). Selbst Marzio dei Galeotti aus der Umgebung des Königs Mathias Corvin, als er um 1490 aus Baden in C)sterreich an dessen Hof heimziehen will, bittet seinen Herrn um sicheres Geleite. 'Denn' sagt er, 'es geschehen sehr viele feindliche Einfälle in Ungern, auch sind dem Lande häufige Räubereien eigenthümlich' -"). 239) Ebenda Cap. 723,- Sp. 682 b. 240) Ebenda Cap. 741, Sp. 722 b und 723 a. 24t) Continuatio Zwetlensis III" bei Peilz Mouum. SS. 9, 6ßO. 38. 242) RozmitaPs Hof- und Piijjerreise in Nr. VII der PuMicnlionen des Stnlljrarler liturar. Vereins S. 19ö. 243) Galeolus Martius, De dictis et factis Mathiae Regis bei Schwandtncr Scriplores. 1, 338. Über den Mangel an bequemen Herbergen klagte scbon um I4jO Oss- ö I -t V. K a r a j a n Aus (lern bisher Gesagten lasst sich unschwer erkennen, welche Ansicht im Mittelalter über das Wesen der Ungern herrschte. Über ihr Verhältniss zu den fremden Völkern im Innern des Landes, wie zu jenen der beiden Naclibarliinder finden sich endlich in den Quellen folgende Äusserungen. Stephan dem Heiligen, f 1038, wird ein dem Kronprinzen Emerich gewidmetes Werk 'Demorum institutione' wohl mit Unrecht zugeschrieben. Es gehört etwas jüngerer Zeit an, aber wohl noch dem eilften Jahrhunderte. In ihm begegnen folgende merkwürdige Aussprüche, die der damals wenigstens an der höchsten Stelle herr- schenden Ansicht über das Verhältniss des Reiches zu eingewan- derten Gliedern desselben, wie zu Fremden überhaupt, Ausdruck verleihen. 'Durch unsere Landesgenossen fremden Stammes, wie durch die herzukommenden Fremden erwächst dem Reiche grosser Vortheil und Ruhm'. 'Denn wenn aus den verschiedensten Gegenden und Reichen Gäste herzukommen, so führen sie verschiedene Sprachen und Gewohnheiten, belehrende Schriften und Waffen mit sich, die dann dem Hofe zu Zierde und Ansehen gereichen und die Anmas- suiigen fremder Höfe herabstimmen. Ein Reich, in welchem nur 'eine Sprache und Sitte herrscht, ist nothwendig ein unbedeutendes und schwaches. Darum, mein Sohn, eriTiahne ich dich, erweise den Fremden guten Willen und halte sie in Ehren, damit sie bei dir lieber weilen als anderswo'^**). In diesem Sinne auch verlieh König Emerich 1201 den Fremden allerlei Begünstigungen, so z. R. eigene Gerichtsbarkeit, ausgeübt durch Genossen zu Orosz-Potok in Siebenbürgen u. d. m. ^'*^). Ja es scheint, dass man nachmals in dieser Hinsicht vielleicht sogar zu weit ging, w^enigstens wird durch das Decretum Andreas II. von 1222 ausdrücklich festgesetzt, dass Fremde nur mit Zustimmung des Reichs- tages zu Würden befördert werden sollen"*«). waU von Wolkensfein, der Dichter und S.Tiiger, mit den Worten: 'so diiifte mein l'iiicken jetzt auf der Bank nicht kr.Tchen, wie im Ungerland, wo man die Kissen aus Sätteln maciit'. Osswalt von Wolkeusteiu, Lerausge^. von Beda Weher. S. 45), Nr. VIII, Z. 8. ä44) Knilliuher Moiium. Arpad. S. 305 und 306. 2-»5j Kl,enda S. 399. =i*6) El.eiida S. 414. Über den Leumund diM- Usterrcicliur, liülimcn und Untern. U 1 ü Vio.'zig Jahre dariracli weist seihst iler niciit sehr uii|]jerri- freiiiidliche Oitaeker mit einer gewissen Befriedigung daraufhin, wie ausso vielen \'ölin'r K. Behi's IV. iü einer noch nie gesehenen Stärke zu Stande gekommen sei, alles dadurch herhei geführt, dass diese Völker alle der Krone l'ngerns zu Dienste verpflichtet wären. Er nennt dahei Szekler, Walachen, Rumänen, Serben, Nogajer, Türken, Tataren, Baizen, Bosnier und Croaten. Über das Verhältniss der Ungern zu den Deutsehen, bezijhungs- weise Österreichern, finden sich in den heimischen Quellen folgende allgemeinere Bemerkungen. Im ciirten Jahrhunderte unter des heiligen Stephan Nachfcdger Peter wird über dessen Vorliebe für die Deutschen bittere Klage geführt und wohl auch mit Recht. Simon von Keza berichtet, Peter 'habe alle Milde der königlichen Majestät abgelegt und mit deutscher Raserei gewüthet. Er hübe den Adel des Landes verachtet und mit Deutschen und Wälseheu die Reichthümer des Landes mit stolzem Blicke und unersättlicher Gier verzehrt, diesen auch alle festen Plätze und Würden des Landes zugewendet'. Es wurde damals von ihm erzählt, er hätte geäussert: 'bleib ich mir gesund, so will ich zu Richtern, Gespanen, Hauplleuten und Staltlialtcrn nur Deutsche und Wälsche ernennen, das Land mit Fremden fiillen und den Deutschen unterordnen' -'*'). Die Vita S. Gerardi -**) setzt in dieselbe Zeit die Erriciitiing einer Pflanzschule lür höhere Bildung von Jünglingen, in einem Kloster St. Georg's in der Diöcesc Czanad. Als Lehrer an derselben werden zwei Deutsche genannt, Meister Wallher und Meister Flein- rich. 'Adelige und Magnaten übergaben ihre Söhne diesem Walther zum Unterricht, auf dass sie der Frucht des Wissens der freien Künste theilhaftig würden'. Aus du-er Pllanzschule gingen die ersten im Lande gebornen Kanonike: hervor. Der Einmarsch Kaiser Heinrichs III., mit bedeutendem Heere 1042, zum Schutze des immer mehr und mehr verhassten Königs, konnte begreiflicher Weise, da eine arge Verwüstung des Landes -^'j Endlicher Monuni. Aij-iid. S. Id'J und IU>. >*8) iibenda S. 218-221. • olb V. Kaiajan bis an den Granfluss hin seine Folge war, den Hass gegen die Deutschen nur steigern. Zum Jahre 1213 (1212, 28. September) wird die Ermordung der Königinn Gertrude als 'den Deutschen zum Trotz' ausgeführt betrachtet und erzählt: Herzog Leopold VI. von Österreich, der sich damals gerssde bei König Andreas II. befand, sei gleichem Schick- sale nur mit der grössten Anstrengung durch die Flucht ent- gangen 249). In Steiermark trugen um 1260 ausser dem nicht klugen Be- nehmen der Ungern seihst hüuptsächlich die Aufhetzungen des Königs von Böhmen, wie Ottacker's Reimchronik angibt^äo), dazu bei, den Hass zwischen Ungern und Deutschen zu vermehren. Die böse Saat trug nun immer mehr und mehr ihre Früchte. War auch scheinbare Einigkeit und Verträglichkeit ab und zu auf kurze Zeit vorhanden, so genügte die nächste Veranlassung, um den alten Hass wieder wachzurufen. So erzählt Ottacker, dass beim Aufstellen der Heerschaaren für die Entscheidungsschlacht am Marchfelde noch die schönste Einigkeit zwischen Ungern und Deut- schen herrschte, ja sie begegneten sich gegenseitig so freundschaft- lich und zuvorkommend , als ob sie Hausgenossen gewesen wären, Trunk und Speise wurden mit einander in Eintracht verzehrt. Doch kaum war die Schlacht zu Ende, da begann der alte Hader und 'die Gevatterschaft zwischen Ungern und Deutschen war wieder getrennt. Konnte einer nur über den andern, da fügte er ihm Nachtheil und Leid zu', 'Die Ungern dachten, wer weiss wann wir wiederkommen und nahmen was sie konnten. Die Deutschen aber Hessen es dann an sich auch nicht fehlen und kapperten den Kumanen Hengste weg, wieviel sie nur erhaschen konnten' -^i). Der 'Anonymus Belae regis' berichtet, Herzog Zulta hätte schon, also um 944, zum Schutze Ungerns gegen die Einfälle der 'wüthigen^ Deutschen, die kommen könnten ihnen zugefügte Unbill zu rächen, jenseits des Neusiedlersees Petschenegen in nicht geringer Zahl angesiedelt 252). 249) Conlimiiitio Admuntonsis bei Peitz Momim. SS. 9, S93, 13. 250) Ciip. 23, Sp. 34 a. 251) Otlacker's Reimchronik Ciip. 14!>. Sp. 142 b verglichen mit Cap. 16ö, Sp. Iö9 a. 252) Eiidliclier Monumeiita Ai-pad. S. j3. über den Leumund der ÖsleiTeichcr, Böhmen und Unjjern. O I 7 Von der Raserei und Wuth der Deutschon ist in den iingri- schen Quellen dos Mittelalters oft die Rede. S(» z. B. sjtrielit gleich Andreas III. 1291 in seinem Schutzbriefe der Frenulen Presshurgs ausdrücklich von der Raserei und Wuth der Deutschen, mit der jene während des Krieges' von 1272 geseliädigt und vertriehen wur- den 258). Und derselbe Andreas, der dem Herzoge Albrecht I. von Österreich zum innigsten Danke verptlichtet und ihm persönlich auch nicht Feind war, muss sich, als ihm sein fndierer Gönner Vorwürfe macht, dass er ihn jetzt sich gegenüber als Feind erblicke, damit entschuldigen, dass er jetzt als König der Ungern nach dem Willen dieser handeln müsse -^4) Bezeichnend für die nur ausnahmsweise Eintracht zwischen Ungern und Deutschen ist die Art, wie eine Quelle des vierzehnten Jahrhunderts von dieser spricht. Als nämlich König Ludwig der Grosse von Ungern Zara belagert, im Jahre 1346, und die Vene- tianer dem Belagerungsheere arg zusetzen, 'da', sagt die Quelle, 'entfloli der König mit den Deutschen , die ihm damals anhingen'. Eine zweite Fassung dieser Nachricht fügt aber hinzu, 'mit den Deutschen, die er geworben und auf die er sich verlassen hatte' -^ö). Auch Peter der Suchenwirth in einem Gedichte, dessen Ab- fassung in die Zeit von 1358 — 1378 fällt, und das ich schon oben erwähnte, lässt den 'Pfenning', befragt wie ihm König Lud- wig gefalle, antworten: 'Soll ich dir die Wahrheit sagen, gut. Denn er hält die Deutschen in Ehren und so klingt seines Lobes Schwert durch alle Länder' "^«). Ein Menschenalter später konunt uns aus einem deutschen Liede auf den Tod König Albrecbt's IL 1439, wieder der alte schrille Ton des Hasses zwischen Ungern und Deutschen entgegen. Der Verfasser des Liedes nennt sich den 'Chiphenwerger* und oinon Diener König Albrechl's. Er klagt gleich im Eingänge desselben, die Herren in Ungerland' hätten Albrechten erschlagen wollen wie manchen König vor ihm. 'Wo icli immer hin mich wende, hör ich nirgends Löbliches von ihnen. Dem entsprechend haben sie auch jetzt zu Ofen nur die Deutschon geplündert. In solche Thorheit ver- 253) Ebenda S. G2.'J. 354) Ottacker's Rt'imcliionik Cap. 400, S|). 383 b. 255) Cüulinuatio Noviiiiontensis bei l'ertz Mouuin. SS. 9, 673, 39. 256) P. Suchöuwiith. herausfreg-. v. I'riinisscr. 90, 2ii. ö 1 O V. K a I ii j a II fielen sie, dass sie die Deutschen in Decken aus Bast oder Stroh gekleidet aus dem Lande jagen wollten, wie ich höre'. 'Sie sprachen: wir wollen keinen Deutschen hier haben, sie aus dem Lande treiben; sie sind ans ja doch zu aller Zeit nur zur Last'. 'Sie zwangen endlich den König, sich urkundlich dahin zu verbriefen, dass er keinem Deutschen in Ungern ein Erbgut verleihe und er musi.te wie ein Gefangener Avillenlos handeln, nur um sein Leben zu erhiilfen' 257^. In seiner Bitterkeit beschuldigt der Dichter die Ungern der Feigheit, da sie gegen die andringenden Feinde, trotz der Ermali- nungen ihres Königs, nicht hatten kämpfen wollen und fügt hinzu: 'das thäten die Ungern zu aller Zeit. Wo man ihrer bedürfe zu Sturm oder Kampf, da warteten sie nicht den Segen ab, den man mit dem Schwerte gibt. Es ist nicht viel Bühmliches von ihnen zu sagen. Grosse Falschheit zu üben, das verstehen sie. Ihre Tapfer- keit zählt nichts, zur Ritterschaft taugen sie nicht, Sant Jörgen's Sporen sollte man von ihnen reissen!' Endlich ruft er den König an: Räche die Schmach und Schande, zieh weg von ihnen aus Ungerland nach Österreich, zu deinem treuen Gesclilechte', und for- dert ihn auf, mit Böhmen, Mährern und anderen Nachbarn sich fried- lich abzuGnden, dann würden die Ungern ihm schon sich fügen. Als der König endlich zu Langendorf, d. i. Neszmely stirbt, da erinnert der Dichter an die letzten Worte desselben: 'Hätten mir die Ungern in's Herz gestochen, sie wären nicht schuldiger an meinem Tode als jetzt'! s^s^. Als nach dem Tode Mathias Corvin's die Gesandten Böhmens und Österreichs für je ein Glied ihres Herrscherhauses um die ungri- sche Krone werben, spricht Tubero auf das uns eben beschäftigende Verhäitniss hinweisend, von dem tiefwurzelnden Hasse der Ungern gegen die Deutschen, der für den römischen König eben so wenig günstig sei, wie der Umstand, dass der Vater derselben durch König Mathias erst vor wenig Jahren und auf so leichte Weise besiegt worden sei 259^. 2»'') Des Chiwcnpergers Klage um König Albreclit IL, herausgeg. von Ernst Birk in dem Hefte: Zur Feier des 19. Febr. 184ö. Wien 184ä. 4». S. 28— 29. Die angefiilirten Stellen sind Z. 12—18; 94— 9G und 99. 2^8) Ebenda Z. 1Ö8— 162 und 191 — 192. 259) Sehwandtner Scriptores 2, 123. Uhfr ileii l.eiiimind ilor Oslerri-iclii'r, ItuliiiiPii mnl L'iijj'cni. O | )t Über das Verhaltniss der Ungern zu den nölimon li;il)e ich mir wenige allgemeinere Äusserungen in den Quellen Hiiden können. Ks sind folgende. Schon Kosmas, der Vater der höhmischen Geschichtsschreibung, bemerkt bei Gelegenheit der Verdrängung IJoi-iwoy's vom böhmischeti Ihrone durcli dessen Bruder Swatopluk, also zum Jahre 1 107, bitter: die den Böhmen benachbarten Völker hätten diese That als iii)jes V^orzeichen für die Zukunft angesehen. Die Söhne Ungerns freilich, in ihrer scliaifen Voraussicht (Cassandri), fühlen darüber Freude und die elenden Polen (nequam trapi) wünschen sich mit verknitTenem Munde (circumcisis labiis) Glück, denn so lange unsere Fürsten mit sieh selbst beschäftigt sind, haben sie Ruhe' 200^, Während der kräftigen Regierung Ottakar's II. steigerte sich die Abneigung nur, und als er nicht mehr war, wurde sie nicht geringer. Sehr übel vermerkt ward nämlich von den Böhmen , dass König Ladislaus IV. nach dem Sturze Ottakar's dessen Todestag als einen Festtag im ganzen Reiche verkünden und jedwede Arbeit an diesem Tage verbieten Hess. Im Reigen zu tanzen sei aber erlaubt gewesen. Die Besiegung Bela's IV. und Stephiiu's V., mehr noch Otta- kar's siegreicher Zug durch's Land mit ungeheuerem Heere und sein Verweilen daselbst durch so lange Zeit, das waren die Hanptursachen des immer mehr heran wachsenden Hasses zwischen Ungern und Böhmen; König Rudolf erst 'meintdic Quelle, der ich diese Erwägung entnehme, 'hätte die Ungern aus dem böhmischen Joche befreit' -•*')• Noch Mathias Corvin wuv durch verschiedenartige Erfahrun- gen, die er gemacht haben wollte, gegen die Böhmen, selbst seiner eigenen Partei, so misstrauisch geworden, dass er im Jahre 147;} vor den Friedensverhandlungen mit Polen zu Oppeln seine Angelegeu- lieiten durchaus nicht den Händen jener anvertrauen wollte, durch deren Hinterlist er getäuscht worden sei\ nämlich den biihmischou Landherren 262). Dieser Ausspruch des Königs erregte begreithcher- weise die grösste Erbitterung bei den Böhmen und machte den Riss zwischen den Vertretern der beiden Völker nur noch grösser. Die böhmischen Herren, welche noch allenfalls dem Könige angehangen 260 j p^-i-t,, Monuni. SS. 9, 111. 10. -'•'1) roiitliiiintio ViiidiilioiuMisis liei l'erlz Moiuiiu. SS. '.•, Tili. \. •t'') Dfiiij-.iss eil. Villi lliiys.sou '.i, 494. I 1)20 V. K a r !i.j a 11 hätten, hielten sich daher von den Verhandlungen ferne, die übrigen waren den Interessen der Ungern ohnedies nicht günstig, und so kam es, dass die Verhandlungen nur üblen Ausgang fr Mathias neh- men konnten und die Entfremdung ja Feindseligkeit zwischen Ungern und Böhmen nur noch vermehrten. Fasst man zum Schlüsse die lange Reihe von Belegstellen über die Eigenschaften der drei während des Mittelalters als selbstständig neben einander wohnenden Volker vergleichend in's Auge, so treten folgende lehrreiche Ergebnisse zu Tage. Die Scheidung der Gesellschaft in scharf ausgeprägte Stände ist bei den Österreichern und Böhmen in drei klar geschiedenen Gruppen erkennbar, in jener des Adels, der Geistlichkeit und der unteren Stände. Bei den Österreichern und Böhmen finden sich auch schon, je weiter man der Zeit nach herabblickt, je klarer hervor- tretend die Anfänge des nachmals zum Heile der Gesellschaft immer mehr und mehr sich ausbildenden Mittelstandes. Über jeden Factor der vorerst dreitheiligen Gliederung ist in den Quellen Österreichs und Böhmens manches eingehendere Urtheil zu finden, so dass die drei Stände in ihren Umrissen ziemlich scharf zu erkennen sind. In den ungrischen Quellen dagegen tritt diese ganze Gliede- rung bei weitem nicht so deutlich hervor. Fragt man sich nach dem Grunde, so liegt er nicht ferne, denn er ist in der ungleich niederem Entwickelungsslufe der Nation überhaupt zu suchen, denn diese ist es ja, welche aliein die schärfere Sonderung nach Ständen herbei- führt. In den ungrischen Quellen ist in der Zelt, um die es sich hier handelt, vom Bauernstande fast gar nie die Rede, was nicht auf- fallen wird, wenn man bedenkt, dass ihm auch im täglichen Ver- kehre nur ein gegen den der übrigen Stände fast verschwindender Wirkungskreis zukam, so dass er an die Seholle gebunden, fast nur mit ihr zählte, gleichsam ihre Ergänzung bildete und mehr als zur Hälfte Sache war. Während der Adel Österreichs als übergriffig nach oben wie nach unten erscheint, in stäten Verschwörungen der Macht des Landesfürsten Hemmnisse bereitet und trotz aller geheimen Bünde unter sich doch uneins in stäten Fehden das Land verwüstet, statt es zu schützen, werden ihm in böhmischen Quellen dieselben Vorwürfe über den Leumund der Ösloneiclier, riijlimcn und Ungern. 521 gemacht, ja sein Wirken schädlicher als das des Feindes genannt, der doch bald wieder von daniien ziehe, währcml dieser im Lande bleibe. In Österreich wie in Böhmen wird von ihm gemeldet, dass er nur zeilweise vor der Macht des Landesfiirsten sich beugte, so z. B. unter Friedrich II. und Albreclit I., unter Ottakar II. und Karl IV. Von seiner politischen Einsicht hier wie dort ist kein er- freuliclios Bild zu gewinnen, denn an beiden Orten fördert er nicht, er hemmt nur eine gedeihliche Entwickelung. In Böhmen verhindert er z. B. lange Zeit die Aufzeichnung des Landesrechts, in Österreich durch ewige Widersetzlichkeit das Walten desselben. Über das Wirken des Adels in Ungern brechen die Quellen nur dann ihr Schweigen, wenn von Umtrieben zu berichten ist, die den Herrschern gelten. Von seinem Lasten auf den unteren Standen ist nirgends die Rede, weil sich das so gcwissermassen von selbst verstand. Über die Geistlichkeit Österreichs lauten die Urtheile der Quellen nichts weniger als günstig. Als ihre Gebrechen werden 3Iangel an Bildung, laxe Sitten, Käuflichkeit und Geldgier bezeich- net, aber auch hinzugefügt, dass mit einer gewissen Vorliebe nur Ungünstiges über sie verbreitet werde. Die Geistlichkeit Böhmens geniesst besseren Rufes, oder rich- tiger gesagt, solche Klagen über sie, sind in den Quellen nicht zu finden, wohl auch desshalb, weil sie grösstentheils aus geistliclien Federn geflossen sind. Gerühmt wird von ihr, dass sie gegen das Ankämpfen des Adels die Erweiterung der Studien an der Prager Hochschule förderte. Ihre geistliche Wirksamkeit muss aber keine geistig bedeutende gewesen sein, weil sonst das Eindringen und die Verbreitung der verschiedenen Secten des 14. und lö. Jahrhunderls mit den allein geziemenden geistigen Waffen wäre verhindert worden. Die Geistlichkeit Österreichs aber blieb von diesen Kämpfen verschont, zumTheile wohl desshalb, weil der mehr auf Realistisches gerichtete Sinn des Österreichers ähnlichen Gefahren minder aus- gesetzt war. Als unbedeutender noch erscheint das Wirken der Geistlich- keit in Ungern. Über dieses, wie über so manches Andere, enthalten die Quellen keine allgemeineren Urtheile, am wenigsten solche, die der ölYentlichen Meinung über ihr Wirken Worte verliehen. Aus den immer wiederkehrenden Klagen, dass den Ungern das Chrislenthum 522 V. K a r a j a n zum Theile abhanden gekommen, ja die harten Bezeichnungen von Halbchristen oder gar Ungläubigen für sie, zum Theil wohl in nnge- rechtfertigcr Vermengung mit den Kumanen, gibt wenigstens dafür Zeugniss, dass nach der allgemeinen Ansicht das Wirken der Geist- liciikeit kein durchgreifendes zu nennen war. Die unteren Stände Österreichs erscheinen im Ganzen minder scharf getadelt als die oberen. Gewinnsucht wird ihr Haupt- gebrechen genannt, und als Ergebniss dieses Strebens tritt ein Grad von Wühlstand zu Tage, der wieder eine ganze Reihe von anderen Untugenden zum Gefolge hat. Aus ihm tliesst nämlich ein gewisser Übermuth, ja Stolz, der in Allem seine Grenzen überschreitet, be- sonders darin, dass er den gemeinen Mann aus seiner Stellung rückt, ihn den oberen Sländen in allem Äussern gleich zu machen sucht und dadurch ihn in Lagen bringt, in die er nicht gehört und nicht passt. Von einer gewissen geistigen Regsamkeit gibt allerdings dieses Streben Zeugniss, und die ihm innewohnende Schwungkraft lässt ihren Mann nie zu tief sinken, in blos Ihierisches Geniessen, andererseits aber hat sie auch wieder ihre bedenklichen Seiten. Vor einem wenigstens hat dieser Wohlstand den österreichischen Bauer und Werkmann bewahrt, vor der Raubsucht, die er nur von über ihm Stehenden zu dulden hatte. Vergleicht man mit diesem Ergebnisse die Urtheile über die unteren Stände Böhmens, so tritt folgender Unterschied zu Tage. Diesen wird in den Quellen eine grosse Sucht zu starkem Trinken und Essen beigelegt und bitter getadelt, dass sie das Bestrehen haben, nur zu gerne auf fremde Kosten gut zu leben, mit anderen Worten, dass sie Hang zu Diebstühl, ja Rauh zeigen. Von einem Streben aber, es den oberen Ständen in Allem gleich zu thun, was namentlich vom Bauernstande Österreichs gerügt wird, ist hier keine Rode, wenn es auch an geistiger Regsamkeit in anderer Beziehung nicht fehlt, ja ausdrücklich dem Muthe, der Gewandtheit und dem Geschicke des gemeinen Volkes gutes Zeugniss gegeben wird. Dass über die unteren Stände Ungerns, bezüglich der eben be- sprochenen Verhältnisse in den Quellen eingehende oder allgemei- nere Urtheile fehlen, habe ich schon erwähnt, und erklärt sich dies aus dem Umstände, dass eben über diese Kreise, die nur in stillem Dulden ihr Dasein fristeten, nicht viel zu sagen war. Erst in späte- ren Jahrhunderten wird es ;uch in diesen Schichten rege und lauter. über den Leumund der Österreicher, Böhmen und Ungern. 523 Wenden wir nun den Blick von der Schilderung dieser Grup- pen und ihrer Stellung im Leben zu den allgemeinen Kigenscharien der drei Völker und suchen wir die unterscheidenden Merkmale Lei allen dreien uns klar zu machen. Was die äussere Erscheinung des Österreichers betiilTt, so wird sie im Ganzen als eine gefällige bezeichnet. Bei Gelegenheit liebte er es wobl auch, sich durch Pracht und Ansehen auszuzeichnen. Sein Benehmen wird ein ziemlich gerades, ja derbes genaniht; von be- sonderer Galanterie gegen das andere Geschlecht ist nirgends eine Meldung, imGegentheile wird sie als sehr vernachlässigt bezeichnet, und ihm der Vorwurf gemacht, dass er oft Unziemliches über die Frauen im Munde führe. Die äussere Erscheinung des Böhmen heisst in den Quellen eine schöne. Schlanker Wuchs, schönes Haar, auf das viele Sorgfalt ver- wendet wird, und kräftiges Aussehen sind ausdrücklich erwähnt. Sein Benehmen gilt in jeder Beziehung als ein freundliches, zuvorkommen- des, ja zuthunliches, und ganz geeignet zur Schliessung freundschaft- licher Verhältnisse. War die Erscheinung der Österreicher und Böhmen jenen Zei- ten eine gefällige und angenehme, so wird nicht Gleiches von jener der Ungern berichtet. Sie heisst allerdings eine prunkende, durch Geschmeide und reiche Kleider glänzende, im Ganzen eine un- heimliche, fremdartige, ja barbarische. Letzteres namentlich durch die Sitte lange Barte zu tragen und diese mit Perlen und allerlei anderem Schmucke zu durchllechten. ihr Benehmen galt für stolz. derb, ja plump. In Bezug auf Tapferkeit, dem Mittelalter in erster Reihe stehend, wird von allen drei Gliedern der Gruppe nurLobenswerthes geäussert- Als die glänzendste Zeit derselben gilt für Österreich jene des Babenbergischen Herrscherhauses, aber schon im vierzehnten Jahr- hundert wird über den Verfall dieser ritterlichen Tugend Klage geführt. Sie gehe unter, heisst es, in dem Ringen nach Geld und Gut selbst Fürsten richteten ihren Blick nur auf diese, statt auf den Ruhm. Handel, Gewerbe und Landwirlhschaft, das sei jetzt klüger zu treiben. Auch in Böhmen wird für dieseihe Zeit das Abnehmen des alten hcldenmässigcn Sinnes beklagt, der nicht in dem rohen Ver- wüsten der üblichen Züge bestehe, siub, d. phii.-hist. ci. XLii. Bd. Hl. un. 33 524 V. K a r aj a n Auffallender Weise findet sich in den Quellen gegen die Öster- reicher keine Anklage auf Roheit, während dies bei Böhmen und Ungern allerdings der Fall ist. Von ersteren wird gesagt, und zwar selbst von böhmischen Quellen: bis auf Oltakar IL seien die Sitten höchst roh, ja thierisch gewesen; er hätte erst, durch Einführung des Ritterwesens, das selbst den Feind in Ehren zu halten gebiete, feinere ritterliche Sitte eingeführt. Die Ungern werden noch ärger beurtheilt, am übelsten unter ihnen die Rumänen, die selbst in rein ungrischen Quellen, als wilde Barbaren erscheinen. Aber auch die Ungern jener Zeit galten für halb wild. Überall wird vom scythischen Charakter des Volkes gesprochen, das im Kriege seine Gefangenen hart, ja grausam be- handle. Sein Glaube sei ein schwankender, das Volk seiner nicht mächtig, unzuverlässig, unverträglich, in Nalirung und Trunk, in Rede und Gebärde wenig Mass haltend , kurz feinerer Bildung entbehrend. Über die Kriegführung der Böhmen und Ungern finden sich allerlei Urtheile, über jene der Österreicher keine, wahrscheinlich desshalb nicht, weil sich diese von der gewöhnlichen deutschen oder französischen in nichts auffallend unterschied. Beiden Arten, jener der Böhmen wie der der Ungern, werden im Wesentlichen dieselben Vorwürfe gemacht, nämlich, dass sie nicht offene und klare Wege gehe, den Sieg nicht durch entschiedenes Auftreten, sondern durch Hinterlist und Ränke aller Art zu erreichen suche. Den Böhmen wird noch zudem vorgeworfen, dass sie zuweilen auch .ohne vorausgegangene Absage den Krieg begonnen hätten. Die Kriegführung der Ungern wird wie die roher Völker geschildert. Vom regelrechten Gebrauche der Waffen sei strenge genommen bei ihnen keine Rede. Die Bewegung ihres Heeres be- stünde im Fliehen oder im Nachjagen, ein ruhiges Standhalten komme nicht vor. Den F'eind, anfänglich hinterlistig durch erlogene Flucht zur Verfolgung auffordern und, geht er darauf ein, durch plötzliche Umkehr verwirren und schädigen, das sei ihre gewöhn- liche Taktik. Erst Mathias Corvin, meinen die Quellen, hätte Ord- nung in dieses regellose Wesen gebracht und das Heer erst zum Heere gemacht. Früher sei es nur ein Haufe guter Reiter und Schützen ohne eigentliche Kriegszncht gewesen. L'lii'r ik'ii Leiiiiiiiiul iler ()!>Ilm reicher. Unliiiieii iiiul L'ii|;eiii. i).^D Doch diese hinterlistige Weise der Kriegführung entspreche, wie die Quellen beliaupten, ganz dem sonstigen Wesen der nöluncn sowohl, wie der Ungern. Treue und Verlässliclikeit, das seien keine Tugenden, die bei diesen Völkern heimisch wiircn. Der KünigsinorJ und der Bruch von Vertiägen, in beiden Ländern begangen, gäben Zeugniss dafür. Zudem übten die Ungern ihre Sclilaulieit und Hinterlist nicht einmal auf geschickte Weise, sondern ziemlich linkisch. Eine lobenswerfhe Eigenschaft dagegen derUngern sei ihr reger Sinn für ihre Nationalität. In dieser Hinsicht stehe der Österreicher und Böhme nach. Selbst der Fürst des Landes Österreich, F'iiedrich der Streitbare, trage keine Scheu, seinen Feind, den Unger, in Kleid und Gebärde nachzuahmen, und die Österreicher seien seitdem in dieser Nacliahmungssucht Alles Fremden zu wahren OsteralTen' geworden. Ganz derselbe Vorwurf begegnet auch in bölunischen Quellen über die Böhmen und wird mit dem vierzehnten Jahrhundert immer begründeter. Beim Österreicher namentlich war seine gün- stige Stellung mitten unter den verschiedensten Völkern , die alle seiner nicht entbehren konnten, die Veranlassung, sich dem, Wesen und den Eigenheiten derselben willig zu fügen und aus den- selben Nutzen zu ziehen. Aus diesem Verhältniss entsprang bei ihm ein gewisses Selbstgefühl, ja Stolz und Hochmuth, welcher dem Unger, der auf solche Veranlassung nicht hinzuweisen hatte, von Natur aus eigen war. Zu diesem angeborenen Stolze trat beim Unger, der sich von vorne berein in einem Gemische von nocii unter ihm stehenden Völ- kern als Sieger fühlen konnte, auch nocli die Hochhaltnng seiner Abkunft von Helden hinzu, und gewöhnte ihn, sich stets für das Vorzüglichste in seiner Umgebung zu hallen. Von dieser St-Ibst- überhebung, die sich oft auf die verscliiedeusle Weise kund gab, sprechen die Quellen wiederholt und weisen schon im dreizehnten .lalirhunderte eine Liste der Gesciilechter nach, angelegt, damit die echten Ungern mit den fremden Gesehlechtern nicht vermengt würden. Ausser stolz werden sie in den Quellen noch masslos verseliwen- derisch in Pferden und Kleidern, WalTen und Mahlzeiten genannt. Alles Übrige sei ihnen ziemlich gleichgiltig, um Fremdes und Neues kümmerten sie sich wenig. 026 V. K a r a j a ii Von air diesen Eigenschaften ist aber bei Österreichern wie Böhmen keine Rede. Dafür wird den ersteren gelegentlich wie den Deutschen im Allgemeinen Jähzorn und plötzlich und masslos aus- brechende Wuth vorgeworfen. Auch vonCbermuth undCberschweng- lichkeit derselben ist mehrmal die Rede und das Benehmen Leo- pold's II.,Friedrich''s II. und Albrecht's I. konnte allerdings der öffent- lichen Meinung Veranlassung geben, sich so über die Österreicher vernehmen zu lassen. Sich und seine Eigenschaften überschätzend, sich überhebend, also überschwenglich kann es wohl auch genannt werden, wenn die Deutsch-Österreicher bei Verträgen zum Kriegs- dienste fast ungebührliche Forderungen stellten und überhaupt hierin sehr wählig und vornehm waren. In dieser Überschätzung ihrer selbst treffen sie übrigens mit Böhmen und Ungern überein. Nur tritt dieselbe bei den beiden anderen Gliedern der Gruppe verschieden auf. Während die Böh- men ihrem Reiche gelegentlich eine durch nichts begründete über- mässige Bedeutung Deutschland gegenüber beilegen und den aus der Verbindung erwachsenden Vortheil einseitig nur bei diesem suchen, prahlen die Ungern mit Siegen über dasselbe und preisen als aus- schliessliches Verdienst ihres Königs Ladislaus, der kaum das Jüng- lingsalter betreten, Rudolf von Habsburg wie dem ganzen deut- schen Reichsheere gegenüber, die Rückerlangung Österreichs und der Steiermark in der Marchfeldschlacht. Aus demselben wenig berechtigten Gefühle entsprungen sind auch die oft in den Quellen gerügten rücksichtslosen Äusserungen, unklugen und verletzenden Handlungen gegen Nachbarn und Landesgenossen. Diese Überschätzung ihrer selbst war auch entschieden ein Haupthinderniss der rascheren Fortentwickelung der Nation. Wäh- rend der Österreicher in der eigenen Quelle als 'Osteraffe' begeg- net und auch der Böhme bis zum Tadel alles Fremde, das ihm gut scheint, annimmt, kümmert der Unger in orientalischem Selbstgefühle sich um nichts Fremdes oder Neues, ja weist es stolz von sich. Nur in österreichischen Quellen finden sich übrigens gelegent- liche Äusserungen über die Finanz- und Justizverwaltung des Lan- des, was auch von allgemeinerer Theilnahme an solchen Dingen Zeugniss gibt, weil sonst die Aufzeichner dei-selben. Dichter und Chronisten, wenn sie auf keine Theilnahme zu hoffen hatten, schwer- lich darüber sich geäussert hätten. über den Leumund der Oslerreicher, Hiilimcn uiul riigcrn. 1)2,7 Die Haiulhubuiig der Finanz sowohl wie der Justiz wird übri- gens als keine lobenswerthe bezeiclitiet. Zu wenig berechnete Aus- gaben neben zu bolien, kaum erschwingliehen Steuern bilden den Gegenstand gelegentlicher Klagen im ersteren Faclie, ewige Rechts- streitigkeiten in Folge mangelhafter Gesetze oder lässiger Ausfüh- rung guter, endlich das Fortbeslehen von Ausnahnisgerichten und die dein Rechte nachtheilige Rerücksichtigung der gesellschaftlichen Stellung des Geklagten, bilden den Inhalt der Rügen des zweiten Faches. Über die Verwaltung des Innern und der Polizei stimmen die Quellen aller drei Länder auf nichts weniger als erfreuliche Weise überein. Überall Räubereien des Adels nach ewig wechselnden Par- teiungen, die unter dem Vorwaiide staatlicher Interessen die Länder verwüsten. Überall Versuche dem Unwesen abzuhelfen, in Öster- reich durch die Gewaltmassregel des Geräunes, in Böhmen und Un- gern durch rücksichtslose Strenge, z. B. unter Karl IV. und Mathias Corvin, nirgends durchgreiftnder Erfolg, denn das Übel hatte nicht blos seinen Sitz im Innern der Länder, sondern wurde abwechselnd auch von den Nachbarländern her betrieben. Hier konnte nur Ver- einigung der Länder unter gemeinsamer und kräftiger Verwaltung Hilfe schatTen. Was schlüsslich das Verhältniss der drei Glieder der Gruppe zu den Fremden im Lande, wie zu ihren Nachbarn betrifft, so war dieses nach den Eigenheiten der Völker ein verschiedenes. Der Österreicher, als der rührigste und vornngeschrittcnste in der Gruppe, war auch gegen Fremde der leutseligste und zuvor- kommendste. Nur unter Albrecht I. begegnen Klagen über die zu grosse Begünstigung der Schwaben, bezeichnender Weise gerade über einen deutschen, vielleicht den deutschesten der Volksstämme. Von Klagen über Landesgenossen oder Fremde anderer Nationalität findet sich keine Spur in den Quellen, und doch waren z. B. Slaven allenthalben in Österreich und nicht in unbedeutender Menge sess- haft. Das Verhältniss dagegen zu den Böhmen als einem gesonder- ten Staate, war nicht so freundlicher Art. Schuld daran mögen wohl die häufigen Einfälle im Norden des Landes und die nicht angenehme Erinnerung an die gewaltthätige Regierung Otlakar's II. gewesen sein. Zu den Ungern war das Verhältniss kein günstigeres, denn von dort her drohten nicht blos Feindseligkeiten, sie waren durch i) 2 8 V. K a r a j a ii Jahrhunderte an der Tagesordnung und bei dem Wesen der dama- ligen Ungern an ein gegenseitiges Nachgeben oder sich Fügen nicht wohl zu denken, da die Bildungsstufe beider Völker eine noch zu verschiedene und erst nach einer vorbereitenden, wenn auch gewaltsamen, zuletzt aber doch erziehenden Regierung, wie jene Mathias Corvin's, ein erspriesslicher und dauernder Wechselverkehr oder gar eine Vereinigung zu hoffen war. Trotz der Leutseligkeit und Freundlichkeit des Böhmen gegen Jedermann, die von den Quellen ausdrücklich gerühmt wird, war dieser gegen die beiden übrigen Glieder der von uns betrachteten Gruppe aus verschiedenen Gründen nicht freundlich gesinnt. Der Deutsche , somit auch der Österreicher, war ihm einmal, richtet man den Blick auf die grosse Masse in jener Zeit, an Bildung überlesren. In bedeutender Anzahl zwischen ihm wohnend, hatte er früh schon Handel und Gewerbe, Städtewesen und Bergbau neben und mit ihm schwunghaft betrieben; seine Rechtsbücher und Wei- sungen hatten im Lande nach und nach Gesetzeskraft erlangt, oder als Vorbilder bei der Aufstellung ähnlicher gegolten, die Verbindung mit dem deutschen Reiche verlieh ihm zudem nachhaltigen Schutz, kurz alles zusammen Hess ihn stets als begünstigt erscheinen. Was Wunder also, wenn er dem Böhmen, dessen Nationalgefühl ein reges war, schon früh als bedenklicher Nachbar oder Landesgenosse erschien und ihm, traten noch besondere Veranlassungen hinzu, wie die gewaltsame Vormundschaft über Wenzel II., die Unterdrückun- gen der bussitischen Bewegung u. s. w., immer mehr und mehr ver- hasst wurde, und dass dieses Gefühl in den Quellen allenthalben zu Tage tritt? Die Stellung des Böhmen zum dritten Gliede der Gruppe war ebenfalls keine freundliehe, wenn auch die Quellen hierüber minder scharf sich äussern. Eine Reihe von Einfällen der Ungern in Böhmen und Mähren, wie die Wechselbeziehungen der Herrscher beider Länder zu einander, waren nicht dazu angethan, das tief wurzelnde Miss- trauen zwischen beiden Völkern, das sich nach und nach entwickelte, zu mildern oder gar zu beseitigen. Auch hier war nur durch die Vereinigung der Interessen im staatlichen Bunde Besserung zu er- warten. Wir sind zum letzten Gliede der Gruppe, zu den Ungern ge- langt , und ihrem Verhältnisse zu den beiden übrigen. Wie schon über den Leumund der Österreicher, niihmcn und Ungern. O ^ .) erwähnt, w-av ihrem Wesen alles Fremde unangenehm, und die er- leuchtete Ansicht, die ihrem grossen Könige. Stephan dem Heiligen beigelegt wird, dass das Hereinziehen Fremder, die Vereinigung verschiedener Nationalitäten und ihrer Vorzüge zu einem Reiche das Ansehen und die Kraft desselben fordere , war und kunnte bei den Ungern nie zur allgemeinen werden uiid wurde schon im drei- zehnten Jahrhundert wieder verlassen. Namentlich waren es auch hier die Deutschen und wohl aus ähnlichen Gründen wie in Böhmen, die am frühesten die Abneigung auf sich zogen. Ihre übertriebene Begünstigung durch den Nach- folger Stephan des Heiligen, der Einfall Kaiser Heinriclrs , 1042, das immer mehr zunehmende Ansehen und die Maiht des benach- barten Herrscherhauses der Babenberger und nach diesem in noch iiöherem Masse das der Habsburger , dem von vorne herein die deutsche Kaiserkrone zufiel , steigerte iuimer mehr das Misstrauen und den Neid der Herrscher Ungerns. Schon im zehnten Jahrhun- derte schützt Herzog Zrulta um den Neusiedlersee die Grenze des Reiches gegen den gefährlichen Nachbar durch Ansiedlung der kampfgeübten Petschenegen, und vom eilften Jalirliunderte herab bis zum fünfzehnten sind die Quellen erfiillt mit immer wiederkeh- renden wechselseitigen Einfällen der Ungern und Österreicher in ihre von Gott gesegneten Länder. Es darf also nicht Wunder neh- men, wenn solchen Verhältnissen gegenüber an friedliches Gedeihen beider Völker, so lange sie nicht zu einem Staate sich einigten, nicht zu denken war. Zu den Böhmen war das Verhältniss der Ungern auch kein günstiges, wie oben bemerkt wurde, und schon Kosmas, der älteste Chronist Böhmens, bemerkt bitter, es freue die Ungern, wenn die Böhmen Unglück treflte , und nach dem Sturze Ottakar's lässt König Ladislaus den Tag seines Falles in Ungern als Festtag begehen, und noch Mathias Corvin ist erfüllt von Misstrauen ge^^cn seine listigen Nachbarn. So beiläufig hatte sich im Laufe des Mittelalters die öfieutlichc Meinung über die Österreicher, Böhmen und Ungern gestaltet. Ein- gehendere Forschung und die Herheiziehung noch zahlreicherer Quellen, ausser jenen des Auslandes, auch Rechtshücher, Sprich- 330 V. K a r a j a n Wörter, Volkslieder, Sagen, Mährchen u. s. w. umfassend, welche letztere mir zum Theile der Sprachen wegen verschlossen sind, werden hoffentlich das Bild noch deutlicher hervortreten lassen. Unähnlich aber , dessen bin ich sicher , wird es sich dem hier Ge- lieferten nicht gestalten , denn was ich benützte , wird doch auch dann die Hauptquelle unserer Kenntnisse bilden. Klar tritt aus dem Ganzen s» viel zu Tage , dass eine Heilung der in den Quellen allenthalben gerügten Gebrechen nur in der Kräftigung einer einheitlichen Leitung , in der Einigung sich kreu- zender Interessen und in der gegenseitigen Ergänzung des hier oder dort Mangelnden zu finden war. Was dem Ungern an Bildung in jener Zeit fehlte, das konnte er in dem engeren Verbände mit vor- gerückteren Völkern , wie Böhmen und Österreichern, sich leichter aneignen; gegen das Übergewicht der Deutschen aber konnte der Böhme in dem engeren Anschlüsse an ein mächtiges Reich nicht deutscher Zunge, das der slavischen Elemente so viele zählte , nur ein willkommenes Gegengewicht erblicken imd für ihn wie für den Österreicher, die beide rührig und thätig in's Leben eingriffen, konnte ein erweiterter Markt für ihre Erzeugnisse nur willkommen sein. So viel hatte sich schon lange auf das Entschiedenste heraus- gestellt und das beiden Völkern benachbarte Österreich Hess es klar erkennen , dass in der Vereinigung getrennter Länder der all- gemeine Wohlstand sich immer mehr hebe und dass die Interessen einer kräftigen Dynastie am Ende doch auch den durch sie be- herrschten Ländern zu Gute kommen. Schon unter den Babenbergern hatten die Einigungen und An- schlüsse begonnen, in überwiegender Zahl durch freiwillige Bestim- mung, durch Vertrag oder Kauf, und durch sie war die Vergrösse- rung des ursprünglich kleinen Stammlandes zur Zeit Karl's V. zu einer Ausdehnung gelangt, die es zum mächtigsten Staate der Welt gestaltete. Als Karl den österreichischen Theil seiner Länder , der vom Rheine bis zur Leilha, von der Adria bis zu den Sudeten reichte, seinem Bruder Ferdinand als ein ganzes und herrliches Reich für sich und seine Nachkommen abgetreten hatte und die sichere Aus- sicht herrschte , dass auch ihn die Kaiserkrone schmücken werde, kann es da Wunder nehmen, dass Böhmen und Ungern dem allge- meinen Zuge nach Vereinigung folgten und da Kräftigung und Schutz suchten, wo vor ihnen alle Nachbarn ihn gefunden hatten oder noch über <1en LeuiniiDd der Üstei rriclier, Rühmen und Ung-erii. •J31 suchten? Hat sie diese llonniing, als die Gelegenlieit sich bot sie zu verwifldichen, etwa getäuscht? Sind mit dem Vortlieile der Dynaslie nicht auch jene der Länder seihst Hand in Hand gegangen? Stehen diese Länder seit dem nun dreihundertjähri^en BiinJo nicht in Wohl- stand und Gesittung, nidit gehoben und gekräftigt bei einander? \N'as auch die Zeiten bringen mögen, der innere Zug, der den Bund geschalTen , wird ihn auch , so lange Einsicht und Klugheit herrscht, fort und fort, so Gott will, kräftig und blühend erhallen. Sitzb. d. phil.-hlst. Cl. Xl.ll. B.l, in. Hft. 36 Veiüciiliiii^i der i'in|,'i';,';iii''eiiPii Dnicksilii iflcii. Ö3»J \KltZKKll.\l88 l'EU EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN. (MAI 1863.) Akademie der Wissenschaften, Königl. Preuss. , zu Berlin: Monatsbei-ielit. November und Deceinber 18G2; Januar und Febniar 1863. Berlin; 8«. — der Wissenschaften, Königl. Bayer., zu München: Abhand- lungen der philüs. -philolog. Classe. IX. Band, 3. Abtlieilung. München, 1863 ; 4<». — Plath, Job. 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