7 SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. DREIUNDNEUNZIGSTER BAND. WIEN, 1879. IN COMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. SITZUNGSBERICHTE DER PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. ^ ^ DREIUNDNEUNZIGSTER BAND. JAHRGANG 187 9. — HEFT I— IV. WIEN, 1879. IN COMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN BüCHUÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. As 142, Druck von Adolf Holzhausen in Wien k. k. Universitäts-Buchdruckerei. INHALT. Seite I. Sitzung1 vom 8. Jänner 1879 3 II. Sitzung vom 15. Jänner 1879 5 Werner: Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander . 7 III. Sitzung vom 22. Jänner 1879 123 Pfizmaier: Ueber einige chinesische Schriftwerke des siebenten und achten Jahrhunderts n. dir 127 IV. Sitzung vom 5. Februar 1879 209 V. Sitzung vom 12. Februar 1879 211 Stein: Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen 213 Gebauer: Ueber die weichen u-, o- und »/-Silben im Altböhmischen 299 Petschenig: Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Augustae 355 VI. Sitzung vom 5. März 1879 421 Horawitz: Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von 1521—1533 . '. 425 VII. Sitzung vom 12. März 1879 463 VIII. Sitzung vom 19. März 1879 465 Werner: Die Psychologie, Erkenntuiss- und Wissenschaftslehre des Roger Baco 467 IX. Sitzung vom 2. April 1879 579 Kremer: Ibn Chaldun und seine Culturgeschichte der islamischen Reiche 581 Sickel: Beiträge zur Diplomatik VII 641 X. Sitzung vom 16. April 1879 739 SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. XCIII, BAND I, HEFT. JAHRGANG 1879. — JÄNNER. Sitzunpsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. I. Hft. Ausgegeben am 14. Mai 1879 I. SITZUNG VOM 8. JÄNNER 1879. Der k. k. Statthalter von Salzburg1, Herr Graf Thun, übermittelt einen Bericht des k. k. Archivars, Herrn Pirk- rnayer, über die in den letzten zwei Jahren in und ausser dem Archive neu aufgefundenen Salzburger Taidinge. Herr Dr. Wilhelm Bacher in Budapest legt die Pflicht- exemplare seiner mit Unterstützung der kais. Akademie er- schienenen Schrift: ,Sadi's Aphorismen und Sinngedichte' vor, und übersendet gleichzeitig für die akademische Bibliothek das Werk: ,Die Agada der babylonischen Amoräer'. Herr Dr. Alexander Kohut in Fünfkirchen übersendet das druckfertige Manuscript für den IL Band des Aruch von R. Nathan ben Jechiel mit dem Ersuchen um einen Druck- kostenbeitrag. Das c. M. Se. Excellenz Herr J. A. Freiherr von H eifert legt eine Abhandlung vor unter dem Titel: , Zeugenverhör über Maria Karolina von Oesterreich , Königin von Neapel und Sicilien, aus der Zeit vor der grossen französischen Revolution (1768—1790)' und ersucht um Aufnahme derselben in die akademischen Schriften , beziehungsweise in das Archiv für österreichische Geschichte. Dr. IT. von Zwiedineck-Südenhorst, Privatdocent an der Universität zu Graz, legt eine Abhandlung vor, welche den Titel führt: ,Die Obedienz-Gesandtschaften der deutschen Kaiser an den römischen Hof im 16. und 17. Jahrhunderte' und bittet um Aufnahme derselben in die akademischen Schriften. Herr Dr. Anton Kerschbaumer, Dechant in Tuln, sendet eine Abhandlung ein, welche betitelt ist: , Christoph Royas von Spinola als diplomatisch Bevollmächtigter des Kaisers Leopold L, 1664—1693', und ersucht um Aufnahme derselben in die aka- demischen Schriften. Das w. M. Herr Hofrath Franz Ritter von Miklosich legt eine für die Denkschriften bestimmte Abhandlung vor: ,Uber die langen Vocale in den slavischen Sprachen/ Erste Hälfte. An Druckschriften wurden vorgelegt : Academie Royale de Belgique: Compte rendn des seances de la Cominission royale d'histoire ou Recueil de ses Bulletins. IVe Serie. Tome III. 3e Bulletin. Bruxelles, 1876; 8°. — Tome IV. 1er — 4me Bulletins. Bruxelles, 1876; 8°. — Tome V. 1er — öme Bulletins. Bruxelles, 1877/78; 8°. Biographie nationale. Tome V. 2me Partie. Bruxelles, 1877; 8". — Tome VI. lre Partie. Bruxelles, 1877; 8». — — Memoires eouronnes et autres Memoires. Tomes XXVII et XXVIII. Bruxelles, Mai 1877; 8°, et Juiüet 1878; 8°. — — Memoires eouronnes et Memoires des savants Etrangers. Tome XL. Bruxelles, 1876; 4°. — Tome XLI. Bruxelles, 1878; 4«. — Tome XLII. Bruxelles, 1878; 4'». Bacher, Wilhelm, Dr.: Die Agada der Babylonischen Amoräer. Strassburg, 1878; 8". Freiburg i. Br., Universität: Akademische Schriften pro 1877/78. 24 Stücke. 4" und 8°. Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXI. (N. F. XI.) Nr. 11 und 12. Wien, 1878; 4". Landesausschuss, Mährischer: Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae von Vincenz Brand 1. Brunn, 1878; gr. 4". Libri Citationum et Sen- tentiarum seu Kniliy pühonne n nalezove. Tomus III. Pars prior Edidit Vincentius Brandl. Brunae, 1878; 8°. Littre, E. : Dante. L'Enfer mis en vieux langage franeois et en vers. Paris, L879; 12n. Mittheilungen aus Justus Perthes1 geographischer Anstalt von Dr. A. Peter- mann. XXIV. Band. 1878. XII. Gotha, 1878; 4°. Ergänzungsheft Nr. 56: Credner, Die Deltas. Gotha, 1878; 4". .Revue politique et litteraire' et .Revue scientifique de la France et de l'Etranger'. VHP Annee, 2e Serie, Nr. 25, 26 et 27. Paris, 1878/79; 4°. Verein für Erdkunde zu Dresden: XV. Jahresbericht. Wissenschaftlicher, dann geschäftlicher Theil und Sitzungsberichte. Dresden, 1878; 8°. IL SITZUNG VOM 15. JÄNNER 1879. Das c. M. Herr Professor Dr. H. R. v. Zeissber«: leet die , Fragmente eines Nekrologs des Klosters Renn in Steier- mark' vor, mit dem Ansuchen um Aufnahme derselben in das Archiv für Kunde österr. Geschichte. An Druckschriften wurden vorgelegt : Academie des Inscriptions et Belles-Lettres: Comptes rendus des ^eauces de l'annee 1878. IVe Serie. Tome VI. Bulletin de Juillet-Aoüt-Septembre. Paris, 1878; 8°. Central-Commission, k. k., zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale: Mittheilungen. IV. Band, 4. (Schluss) Heft. Wien, 1878; gr. 4". D'Arbois de Jubainville, H. : Les Bardes en Irland et dans le pays de Gallos. Paris, 1878; 8°. Geuootschap Bataviaasch van Künsten en Wetenachappen : Notulen van de Algemeene en Bestuurs-Vergaderingen. Deel XVI. 1878, Nr. 1 en 2. Batavia, 1878; 8°. — Tijdschrift voor indische Taal-, Land- und Volken- kunde, Deel XXV. Afleveriug 1. Batavia, 's Hage, 1878; 8°. Gesellschaft, archäologische zu Athen: Zeitschrift vom Januar 1877 bis Januar 1878. Athen, 1878; 8°. Göttingen, Universität: Akademische Gelegenheits-Schriften pro 1875, 187(>, 1877/78. 82 Stücke. 4° und 8°, Instituut, koninglijk, voor de Taal-, Land- en Volkenkunde van Xeder- landsch. Indie: Bydragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde. Vierde Volgreeks. Tweede Deel. 2e Stuk. 's Gravenhage, 1878; 8°. — — Abiäsä een javaansch Tooneelstuk (Wajang) door II. C. Humme. 's Gravenhage, 1878; 8°. — Javaansche Vertellingen door Dr. W. Palmer van den Broek. 's Gravenhage, 1878; 8°. Istituto, Reale Lombardo di Scienze e Lettere: Rendiconti. Serie II. Volume X. Milano, Pisa, Napoli, 1877; 4". 6 Ossolinski'sches National-Institut: Spravozdanie za rok 1878. We Lwowie, 1878; 8°. ,Revue politique et litteraire' et .Revue scientifique de la France et de l'Etranger'. VHP Armee, 2e Serie, Nr. 28. Paris, 1879; 4°. Society, the Royal geographical: Proceedings and monthly Record of Geography. Vol. I. Nr. 1. January 1*79. London; 8°. Verein, Militär-wissenschaftlicher, in Wien: Organ. XVII. Band, 3. Heft. 1878. Wien; 8°. Werner. Die Basier Bearbeitung von Lamhn-chts Alexander. Die Basler Bearbeitung von La in) »rechts Alexander Untersucht von Dr. Richard Maria Werner, Privatifoconten an der Universität in Graz. Abkürzungen. A die ursprüngliche Fassung des Gedichtes. B Basler Hs. E VI 26. D Dresdner Hs. M 55 vom Jahre 1470, enthält auf Bl. 1—77 eine Verdeutschung der Hdp. durch Meister Babilotli. Ep. Epitome aus Julius Valerius, herausgegeben von Julius Zacher 1868. Euseb. oder Hartlieb. Hie nach folget die hystori von dem grossen Alexander wie die Eusebius geschrieben hat. Zu dem ersten doctor hart- liebs von münchen vorrede. (Das von mir benutzte Exemplar ist am Schlüsse unvollständig, ich weiss daher nicht, ob ich die Ausgabe von 1173 oder 1488 vor mir habe. Vgl. Harczyk, Zachers Zeitschrift für deutsche Philologie, IV, S. 160.) H Harczyk in Zachers Zeitschrift für deutsche Philologie IV. S. 1 ff. 146 ff. Hdp. Historia Alexandri Magni de preliis. Strassburger Druck von 1494. JV. Julius Valerius in Müllers Ausgabe des Pseudo-Callisthenes. M Molsheim-Strassbtirger Hs. bei Massmann, Deutsche Gedichte des zwölften Jahrhunderts und der nächstverwandten Zeit I. Quedlinburg und Leipzig 1837, S. 64—144. PsK. Pseudo-Callisthenes. Primuni edidit Carolus Müller, Paris 1846. V Vorauer Hs. in Diemers Deutschen Gedichten des XI. und XII. Jahr- hunderts S. 183 — 226. Ich konnte dazu eine neue Collation benutzen, die mir mein Freund Max Eoediger in Strassburg freundlich zur Verfügung stellte. W Weismann, Alexander, Gedicht des zwölften Jahrhunderts vom Pfaffe u Lamprecht. Frankfurt am Main 1850; 2 Bde. Einleitung. Uie Beliebtheit eines mhd. Gedichtes lässt sich am besten aus der Zahl der Ueberarbeitungen oder Modernisierungen er- messen. Der veränderte Geschmack sucht sich das Anerkannte früherer Perioden mundgerecht zu machen. Bei einzelnen Ge- dichten;, so bei dem Tristrant des Eilhart von Oberge, lässt sich Q Werner. die Tradition bis in die Zeit der Volksbücher hinein verfolgen. Dadurch ist Gelegenheit zu beobachten, was in Sprache und Kunst als veraltet erschien, was dagegen noch gäng und gäbe war. Aehnlich wie mit dem genannten Werke ] verhält es sich mit den Gedichten vom Herzog Ernst, Roland u. a. Auch des Pfaffen Lambrechts Alexander scheint sich einer gewissen Berühmtheit erfreut zu haben, da die bisher veröffent- lichten Hss. V und M zwei verschiedene Bearbeitungen einer verlorenen Darstellung A vertreten; es ist merkwürdig zu sehen, wie rasch die von V repräsentierte Fassung nicht mehr salon- fähig war, wenn ich so sagen darf. Wie nun W. Wackernagel 2 zuerst nachwies, findet sich noch eine dritte Hs. dieses Werkes in einer Basler Weltchronik des fünfzehnten Jahrhunderts. Dass sie eine neuerliche Umarbeitung darbiete, Hess sich aus der kurzen Probe bei Wackernagel ent- nehmen, allein bisher hat sich noch Niemand eingehender mit ihr beschäftigt, obwohl gerade die Wichtigkeit und Schönheit des Gedichts, wie die Art der Ueberlieferung dazu aufgefordert hätte. Durch Prof. Scherer wurde ich auf diese Quelle gewiesen, 3 erhielt unter Prof. E. Steinmeyers freundlicher Vermittlung die Hs. nach Strassburg gesandt, wo ich im November und December 1876 die betreffenden Theile abschrieb. ' Da sich nun ergab, dass B in vielen Punkten näher mit V stimme und auch sonst manche interessante Seite der For- schung darbiete, da ferner die Wichtigkeit von Lambrechts Alexander selbst Publication einer jungen Hs. entschuldigt, gedenke ich demnächst einen getreuen Abdruck zu veranstalten. Das Manuscript ist bereits fertig gestellt, und sucht durch Inter- punction, Bezeichnung der Lücken und textkritische Bemerkungen Einiges zu einer künftigen kritischen Ausgabe beizutragen, die wünschenswerth erscheint, aber Schwierigkeiten genug bieten wird. s 1 Vgl. F. Lichtenstein QF. XIX und Zur Kritik des Prosaromans Tristrant und Isalde. Breslau. 1877. 2 Die altdeutschen Handschriften der Basier Universitätsbibliothek. Basel 1836. S. 31 ff. 3 Cf. QF. VII S. 60. 4 Der Alexander beginnt Bl. 22». 2 und endet Bl. 67\ 1; doch finden sich schon Bl. 21*. 1 ff. Hiudeutungen auf die Erzählung, welche ich unten mittheile. 5 Ich beziehe mich im Folgenden immer auf meine Verszähluug. Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander. 9 Für die Lösung- dieser Autgabe ist die nächstliegende Frage die. in wie weit die einzelnen Hss. den ursprünglichen Text A be- wahren und wie sie sich zu einander verhalten. Mit diesem Gegen stände beschäftigte sich zuerst eingehender Dr. Ilarczyk ' und gelangte zu einem ganz anderen Resultate als Weismann. Nach Harczyk liegt uns in *V der ursprünglichere Text vor, während *M eine jüngere Bearbeitung darstellt. Dieses schon nach dem Alter der Hss. wahrscheinliche Verhältniss kann als fester Anhaltspunkt bei der folgenden Betrachtung, welche als eine Einleitung zum Basler Texte gedacht ist, vorausgesetzt werden; die von Harczyk geltend gemachten Gründe sind wohl von Niemandem bezweifelt. Er gieng von dem Verhältnisse zur romanischen Vorlage aus, die in V treuer als in M wiedergegeben ist; da sie uns aber nur in einem ganz geringen Reste erhalten ist, - musste sich Harczyk auf die Einleitung beschränken ; für das Weitere war wohl Analogieschluss, aber kein Beweis zu gewinnen. Es ist daher meine erste Aufgabe zu untersuchen, ob B in dieser Frage herangezogen werden kann und welche Stellung es zu AVM einnimmt. Folgende Punkte sind hiebei zu betrachten. I. B stimmt zu V gegenüber M. Dabei bieten ent- weder BV 1. einen gemeinsamen' Fehler, oder 2. lässt sich ein Fehler in B nur aus der Lesart von V erklären, oder endlich 3. stimmen B V im Richtigen und Ursprünglichen. IL B stimmt zu M gegenüber V. III. B steht allein. 1. ist es dann entweder bei der Frage nach A gar nicht zu berücksichtigen, oder aber 2. es überliefert allein das Richtige. Letzteres ist nur in ganz ver- einzelten Fällen nachweisbar, während die selbständigen Aende- rungen meist dem Streben zu modernisieren oder zu kürzen ent- springen. Der Fall, in dem alle drei Hss. übereinstimmen, kommt natürlich bei unserer Frage nicht in Betracht. 1 Zeitschrift für deutsche Philologie Bd. IV. S. 1 ft". 2 Ob aus der französischen Bearbeitung von Alberichs Gedicht, über die zuerst Paul Meyer (.in der Revue critique 1868. I. 68) und daun Bartsch (im Jahrbuch für romanische und englische Literatur XI S. 167 ff.) Nach- richt gaben, viel für das Werk Lambrechts zu gewinnen sein wird, er- scheint mir nach der Probe bei Bartsch zweifelhaft. Näheres über die zwei Hss. in Paris und Venedig wurde mir nicht bekannt; auch konnte ich nicht constatieren, ob die über diesen Gegenstand in Aussicht gestellte grössere Arbeit von Paul Meyer schon publiciert worden sei. 10 W e r n e r. I. Capitel. B stimmt zu V gegenüber M. 1. Gemeinsame Fehler in BV. Dass V durchaus nicht fehlerfrei sei, bemerkte jeder Leser und Dr. Harczyk hob es ausdrücklich hervor; V hat auch Lücken aufzuweisen, von denen B einige theilt. B — dies muss ich vorausschicken — hat viele Lücken, die bei der Unter- suchung über das Hss.-Verhältniss durchaus ohne Belang sind, sie werden daher hier nicht weiter berücksichtigt. Von Wichtigkeit ist vor Allem Folgendes : B 1262 ff., ent- sprechend V211,14ff. M 1396 ff. Die Ueberlieferung stellt sich so: V er ne wurdes niemer ze fro wände ez gescah siht also daz ir mere uns dt r ime da toht belaib M er ne icrdis njemer fro wandiz gescah ime also daz ime nie Inte tot bleip, des sagen ih v di icarheit, dan der in tyro wäre geste oder bürgere. B des wer er niut ge- wesen fro wand der sinen dot gelag nie den in tirye der stat. tan der inerhalb tyre wäre weder geste oder bur- gare. Hier fehlt in V offenbar die Reimzeile auf belaib, und B stimmt mit ihr in diesem Fehler überein. M hat zwar ähnliche Verse wie des sagen ih v di icarheit seinem jüngeren Character gemäss und zur Herstellung gleicher Verslänge oftmals ein- gesetzt, wie die Zusammenstellungen bei Harczyk zeigen : doch kommen Versicherungen dieser Art auch bei V vor; freilich gerade der hier von M überlieferte Reim findet sich sonst nicht in V; beleih steht nur im Reim auf treib S. 202, 25. 206, 20. 213, 21. Die Composita mit -heit reimen: 184, 1 müzecheit: uersteit; 183, 17 itelcheit, 188, 3 wisseheit, 188, 8 chundicheit: geit oder geht; 192, 7 paltheit, 201, 9 Sicherheit, 221, 22 chint- heit: reiht; 190, 7 gelegenheit : geleit, 197, 4 vrumicheit : laeiht, . Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alezander. (213, 26 fnhnmichclu itileit); 203, 12 ubermütecheit : breit ; 184, 21 salicheit : kundecheit ; 194,22 smaheit : tfdtt. Flickverse aber der genannten Art kennt V auch : a) Betheuerungen der W a h r h a f t igk e i t : 186, 14 daz ich iv uon ime sage daz ist ivar. 187, 5 daz sagich iv ze wäre; 193, 4 des mage ich iu sundere gesagen. 196, 27 daz ich iv ~al wäre sagen; — 183, 14 louc er so liüge ich. 208, 17 min wart ne triege mich. 224, 15 so ich sicher bin. — 186, 9 globeht mir des ich iv sage. — (185, 2 mit rehter warheit si sprach). — b) Berufung auf die Quelle. 184, 7 f. daz ne saget, uns nehein puch noch neheiner slahte mare. 224, 7 da man uon ie gelas. Vgl. 183, 8. — 186, 25 alsus sagent die in ie gesachen. — 186, 8 Nu ne fressiht ich e noh sint. 195, 13 ich ne freiste nie den der f ernennt. — c) Flickverse anderer Art. 184, 4 unt ich ne wü mich nheit langer sparen. 184, 26 diser rede wil ich mich iruaren. (194, 14 ter rede willich nu gedagen.) — 185, 10 sinen uater ich wol genennen kan. 185, 19 ich sage ev wie ir name ivas. 185, 28 Nu ioil ich eu uon alexanders sagen geburte. 186, 18 umbe sin gesune wil ich ivch bereiten. 189, 18 Von phüippus stüde teil ich iv sagen. 206, 24 Nu willich sagen allen die des niene chunnen. 199, 9 ich sage iv wie . . . 223, 27 f. nu wil ich iv chunden über al. 224, 3 f. des ivillich. die fursten willich zellen. 210, 7 den mugent ir schiere uersten. 192, 16 als ir hie mid 'ferst an. 206, 10 noch mag ich iv sagen mere. — 208, 24 da ir noch ie abe horte gesagen. 209, 15 daz iz iv unzellich ist ze sagen. 220, 18 daz iv unzallich wäre ze sagene. — 183, 1 daz sult ir rehte merchen. 183, 8 Diz mugü ir wol hören. 187, 7. 204, 1. 221, 25. 225, 18 Nu vernement . . . 196. 11 Nu uernement waz ich iv hie zele. Auch B sind solche Betheuerungen und Flickverse nicht fremd, z. B. 314 des wil ich dir für icor jhehen. 224 des solt du von mir geivis sin. 412 f. daz ich für icor sagen mag vnd sin öffentlichen gich. 421 ich sag ivch vür war. Die Zusammen- stellungen später. Es wäre daher weder V noch B eingefallen, den Vers als überflüssig wegzulassen ; auch die Unreinheit kann der Grund dazu nicht gewesen sein, denn ist es wahrscheinlich, dass B, dessen Reime sonst ganz rein sind (s. später), einen unreinen Reim durch einen anderen ersetzen wird ? Freilich ist zuzu- geben, dass B hier überhaupt ändert; doch was beweist dies? 12 Werner. Es fand einen wichtigen Vers vor, den es nöthig hatte zur Herstellung des Zusammenhanges; der darauf reimende Vers jedoch fehlte; das nächste Reimpaar liess sich leicht in einen einzigen Vers zusammenziehen, was lag daher näher als aus drei: zwei Verse zu machen, ohne dass auf den Reim gesehen wurde. Möglich wäre es, dass von M die auch in seiner Vor- lage vorhandene Lücke durch einen Flickvers ausgefüllt worden sei ; in diesem Falle würden V und B dann nur das Ursprüng- liche erhalten und keinen gemeinsamen Fehler haben. Doch in V und B finden sich noch andere Lücken vor, so Vers 1381. V 216, 5 ff. Darins sante einen brief zewein herzogen die waren ime lieb unde bat daz si alexander div scehf gesparten unde sin werten unde daz si in wider stiezen unde sie über daz wazer niene liezen über daz wazer eu- frates daz was marios unde typotes u. s. w. M 1593 ff. Do sante darius ei- nen brieb zvein herzogen, di jme waren lieb, der eine der hiz ma- rius der brieb nennet in a Isus vnde der ander ty- botes er hi:. si sere biten des daz si gegen alexan dren leerten vnde jm daz land teerten vnde sines hohmutes widerstiezen vnde vbir daz wazzer nit ne liezen eufraten heim ze lande uam u. B 1378 ff. ' Daryus zwen her- zogen gebot daz sy allexander schiff zersteissen s. w. 1 Erwähnt sei, dass B hier Prosa bietet. der eine hies zibottes maryus der ander u. s. w. Die Basler Bearbeitung von Lambreehts Alexander. 13 In V fehlt die Reimzeile auf: unde bat daz si alexander; von ß wurde das bat verstärkt im ersten Verse gebracht; es stimmt aber in seinem Verse mit der zweiten Hälfte von V 21 6, 7 f., während M vollständig- ändern musste, da es die Namen der beiden Herzoge vorwegnahm. Hierauf in V und B die Erwähnung der Schiffe, welche in M fehlt; in VB gemein- sam die Anführung der Namen später als in M: mit einem Worte, bei aller Kürzung doch genauer Anschluss von B an V. Nun fehlt in V einer- und in B anderseits derselbe Vers, l der in M nicht nöthig war, weil M sich auf andere Weise half: darf man da getrennte Ueberlieferung annehmen? muss nicht vielmehr gemeinsame Lücken in VB constatiert werden? — Eine dritte Stelle ist Vers 1467. V 219, 9 f << wie mähte daz ie werden mennes slüch alexau- dern z-ä der erde M 1738 f. do slvch dok alexan- dren mennes nider an daz gras B 1464 f. menos den werden slug nider zu erden der Alda wart ime der heim abge- brochen de manegen grozer siege . . . u. s. w. u. s. w. de n heim er im zerbrach Nun Zusatz von 10 Versen in M, die in V und B richtig fehlen. da wart alexandro sin heim von dem honbete ge- brochen da was uil nah ge- rochen darins der tnre degen alexandro wart da gegeben manjc stoz unde slach vnd slüg vf in mit nide dar u. s. w. 1 Mau könnte vermutheii, in A habe gestanden : unde bat daz si im diu sceff pesparten unde sin [le7ide] werten, allein die Nennung des Namens Alexander in allen drei Hss. scheint dagegen zu sprechen, sowie der Reimpnnkt, den V nach alexander bietet. 14 Werner. Bei dieser Uebereinstirnnmng von VB ist nichts weiter anzuführen, die Thatsachen sprechen klar und deutlich, denn hier kann in V nicht &n Vers, sondern es müssen drei zum mindesten fehlen und B bietet zwar einen geglätteten Text, aber dem Inhalte nach durchaus nicht mehr als V. Wenn B aus *M stammte, wären die Aenderungen jedesfalls nicht erfolgt, sie haben durchaus V zur Voraussetzung. Anderer Art ist der gemeinsame Fehler in Vers 970 = V 201, 14, doch fällt er in die grosse Lücke von M: es steht nämlich in V : Kartanensen er enbot, denn das in eckiger Klammer befindliche [gi] ist eigene Ergänzung Diemers ' und B liest ze Karttanison er sant. Zwar ist B gerade in Namen sehr unzuverlässig, doch bei der Gleichartigkeit der Ueber- lieferung in V und B an der Gemeinsamkeit zu zweifeln ganz unnöthig. 2. Fehler in B aus V zu erklären. V 208, 7 tu sach er stan dem herzogen dem cd ttjre was un- dertan hegen ime nf der mure. B 1163 nun sach er an der zinen stan den herzogen, dem diryus was vu der tan. M 1250 do gesah er den her- zogen (-.un- gelogen) demtyn-u was vnder- tai> uor sich uf dl mu- ren sinn Diemer schlägt in V Umstellung von dem herzogen vor, ich zweifle, üb mit Recht, denn auch die Lesart von M ver- langt, dass in der Vorlage ein unreiner Reim auf herzogen gestanden haben müsse ; sonst hätte keine Ursache vorgelegen zu ändern. Auch B hatte offenbar den Verseinsehnitt nach stan angenommen, der Vers war ihm daher zu kurz erschienen und es setzte an der zinnen ein, was es gewiss nicht gethan hätte, wenn es der Lesart von M gefolgt wäre. Dasselbe gilt von Vers 1246 f., nur liegt hier in V kein Fehler vor. 1 Wie aus der Aiim. zu 36, 4 entnommen wird (vgl. zu 145, 12), aus- drücklich wird es nicht erwähnt. Die Basler Bearbeitung- von Lambrechts Alexander. 15 V 211, 3. so solt im. div burcli xo er den tiure gewuners nieht mit chriechissen fiure B 1246 die stat wer im ge- ll 1380 so solde ime ouch di burch (:icorf) wesen uil ture ne heter si mit den füre wide mit den man- gen nit be- stan Wie man sich das Missverständniss von B aus der Lesart von M erklären wullte, ist mir unerfindlich. Ebenso Vers 1477. wessen diur dene daz kreischy fiur V 219, 18 der ander hiez ivbal der sich uil ungerne in dem stür- me lud M 1773 ein riter der hiz iubal der sih ungerne uer- hal B 1476 ein graff der kies jubal, des lob in dem strit erhol Das hol in V konnte missverstanden werden, während das iterhal von M ganz deutlich ist. B versteht nun das hal würklich falsch und verstärkt es durch er-, während es die in M fehlenden Worte in dem strit = in dem stürme richtig in seinen neuen Gedanken einfügt. Mit der Lesart von M hat B nur das der im ersten Vers gemein , das in V aber ganz gut von ander verschluckt sein kann. B liest Vers 1324 mit offenbarem Missverständnisse: wand es diuchte dich wider zem daz recht, was syntaktisch sich nicht in den Zusammenhang fügt. V 213, 19 wände ez ne duckt ivch gnade noch recht erklärt den Fehler von B; welcher nach M 1494 icande daz ne icare njwit recht nicht verständlich wäre. Zu vergleichen ist noch die Aenderung in B Vers 1436 — 1440; darüber später. Dies sind die wichtigsten Fälle, die ich unter 1 und 2 aufzuführen habe, sonst überliefert B mit V das Richtige. 3. B V stimmen im Richtigen. Hier muss geschieden werden, ob B V in der Ueberlie- ferung ganzer Scenen oder einzelner Verse stimmen ; jener Fall führt auf die Frage nach den Quellen von B und findet daher erst Cap. IV. seine Besprechung. Hier beschränke ich 16 Werner. mich auf den zweiten Fall und zwar führe ich deshalb alle Stellen an, in denen VB das wahrscheinlich Aeltere und Rich- tige gegenüber M erhalten haben, um einen vorläufigen Begriff von dem Werthe der Hs. B zu geben. Vers 540 V gesephte B geschofte M gescafnisse. Vers 543 V der munt was im als \ einem esele getan } B sin mul als ein essel was j 546 V swanc B swach 598 V ich ne weiz icederz ein ros oder ein lewe deht. B ob es ros oder leow tut 600 f. V Btholomeus sprach zu dem chinde herre ist buziual ein ros nil sicinde B do sprach potolomevs zu dem kint her es ist ein ros geswind M ime was sin munt dez loil ih ü tvn Jcunt, alseime esele getan. M slang M fehlt, i M ptolomeus vnde sprach iz ist ein ros fr eislich V 191, 10 ff. daz hat iuwer uater ingetan nnder der stuf ne mothe neichn bezzer gegen er sprach herre ez ne hat nehein marslach in hüte wände ez erbizet ubele unt gute B 604 ff. daz hat ivwer vatter in getan heia stut mag solichs n Int gehan, kein mar schal k Juü es in siner hut : wand es bisset übel vnd gut. M 348 ff. din uater hatiz in getan iz ne dorfte bezzer nie gegan m wider neheiner stufe iz ne hat nieman in hüte « ivandiz ist uil f reis- lich 2 sin stimme di ist eis- lich iz irbizit man unde wib. 1 Die Reime wurden von M in Ordnung gebracht. 2 f reislich ist ein Lieblingswort von M ; hier jedoch wird es zum Ekel fünfmal wiederholt: V. 333. 338. 340. 344. 352. Die Rasier P.earl>r>itung von Lambreclito Alexander. 17 Auch B hat hier die allzu langen Verse von V verändert, aber nicht durch Auflösung in mehrere Verse, wie M, sondern durch Kürzung. V. G14 BV alexander M der here V. 631 f. B V M daz ros woltte gegen im vorn: als es in begunde. an starn Also buziual gegen im uz wolte varn nnt ez alexander ane begunde starn do sin daz ros icart gware unde er iz begunde anestare 640 B vnd nie zürn an is kam M er ne legete zovm noh seil V so der nie seil noch dar ane zom ane chom 646 f. V Ein fote Ute dem chunge M ' Do wart daz langer nit daz sagen er ne getorste er nieht uergen B ein bot iltte dem kunge sagen vnd woltte niut vertagen uerdaget dem kuninge wart do gesagt t 718 ff. V icar eines tinges trag ichivchube- len müt daz tünchet mich ze neuht gegüt daz ir mine müt er liezet ivwers willen nnt habet ein über här gestellet ter rede will ich nu gedagen iner ezzen ivillich neuiht fer- sagen B eins dinges trag ich üblen müt, mich d unket daz niut daz ir min mütter ic eilen t lan, sy über hilgen, ist bÖs getan die rede stet ah si nun ste essen t ich sol ivch niut sagen mee. M ivene ein dinc daz ih v clagen unde in mjnem her- zen tragen des han ih vil sve- ren mvt. ovh ne dunkit iz mir njwit gut daz ir mine muter olympiaden di gute ' M bietet hier den schlechteren Text, weil es die Erwähnung des Boten weglässt und die Reime umstellt. Sitzungsber. d. phil.-taist Cl. XCIII. Bd. I. Hft. 2 18 \V orner. V B M nu wevn so mir dei doch s a m e r m i n mir ze leide uerlazen ovge n da b q en hat ichmitkesihe ich kedanche sin allen ich sprich daz ane unde einen ubirlmr den hien lugen : begat die disen rah habent ich dank sin allen mit einem anderen gefrumit den wibe die iuch, den rat hant ih swcere v daz bi gegen mjneme Übe sver disen rat hat ge- fromit . . . 737 B als der tore dike dut V also diche der stolze man tuht 1026 B]von zorn er nider sas V mit zorn er der nider saz 1034 B icar sy ir sine tetten V war si ir sin thadin 1046 B vnd mit schiffen vf dem mer M fehlt M uon zorne begunder roten uor ungemvte er nider saz M wa si ir loisheit taten M fehlt in diesem Zusammen- hange, Vers 1034 V mit dem scephen in dem mit schiffen uaren in daz mere mere M dz roerten ire selede alse turlichen helide M me dan an hnndiith tusunt. 1050 B och werften sy sich ve- stenklich V si werten sich uone prise wole 1053 B zwenzig tusing der in- ren was ' V der in der burch loas zwainzchc thusen unde baz Die Erklärung- der Aenderung von M ist leicht gegeben, wenn man sich dessen erinnert, was Lichtenstein zu Eilhart v. 6787 sagt2 i Ebenso heisst es in Eilhavts Tristrant (QF XIX) Vers 403G der koning von zorne nedir saz und he.gunde hürnen als ein hole. M scheint also auch hier durch Eilhart zu einer Erweiterung verleitet zu sein, wie sich dies an einer anderen Stelle zeigt. Vgl. Lichtenstein S. CLIV f. 2 Vgl. Weinhold Mhd. Gr. §. 320. Die Basler Hearbeitnnsr von i-arabrecbts Alexander. 19 (QF XIX) ; wir müssen annehmen, in der Vorlage von M habe zwezig gestanden, wie in B; dies war leicht in zezig verlesen und daraus machte M hundrith, weil ihm die Form zenzig veraltet erschien. Ebenso muss es V. 1414 angenommen werden, wo sich gegenüber- stehen: V 217, 13 tusint man, M 1649 liundirttusint, B zwenzig dusent. A las sicher zenzig tusint man. M 1054 B sy slügen im so vil si- M nes her es V also uil sclugen si ime sine hers 1060 B hundert schiff er im. M versankt V daz siner scephe ein hunderht ver- sunchen 1065 f . B . . (hieser) . . die schiff in die hob gan der wisse bedachte . . . V er thete die secph wider in die hohe gan Alexander hedathe sich. 1078 B einloff tusing V Einluph tusint 1084 B arabite V arabati 1085 B die den von tiryus wol güttes gunden V die tyrin wole gutes (gunden) 1088 ' B sy namen in vil siceri pfand V si namen ein ungezogen- lich phant. 1096 B daz gessese bevall er ze M haut V den beualh erz gesez in die haut. si irslugen so vile (: wile) alexandris heris der schiffe sluch er zegrunde vile daz si versunken. gan vnde hiz balde wider di schif in di habe (dem zweiten Verse entspricht nichts in M) M zilif tusint. M arabes. M di tyro gutis gunden M ein phant si in namen den beualch er mit siner haut (di er da wolde lazen) 1 Ueber diese Stelle später Näheres. 2* 20 Werner. M M M 1109 BV im 1116 B sy saugten sich in des sewes grund V unde sancten sich in des sewes grünt. 1130 f. B Allexander mit gros- sen krefften hies die schiff ze sa- men hefften V alexander cliom mit grozer chrefte unt tet sephf zesa- men hephten 1152 B sy brachen der besten muren ein V Wide brache?} da der besten »iure ein 1154 BV hiez er 1159 f. B allexander kam uf die wer >■ obrest vnd gebot dem her V alexander steich uj dazobrist gewer unt gebot den stürm uberaldazhere 1162 B den ersten stürm Hessen werden V den ernst stürm wernden Hier überliefert B sogar: erst die Stelle gebessert werden kann 1 1 69 B vom berffrit vf die zinen V fon den perfriden uf die zinnen 13 71 B etlicher sprang disen fehlt der sende sich an der stunt nider an des meres grünt Do alexander sih bedachte waz er getvn machte er hiz in samt heften di schif mit manniscreften M der muren brach do eine alexander unde di geste eg in et uz werd flihen M waz dise gäbe meinte M daz ime alexander unde dar zo manic ander tagelich dienen solde also uil so er ivolde. M uil harte ummere jme icas M wi torste wir lazen daz unser herre uns gebot M er hat gliche getan alse der Mode houewart M er ne tar dar naher comen njet al bellender flihet. 26 Werner. M ackvh bant M uor di mere babylonien M daz er mich ie beschalt er ist worden zehalt etc. M darius ist harte betrogen er heizet tins den man van dem alle di lant sint undirtän. 1354B reimen V.riemen 1368 Bfnr die stat babilonij V ze babilonii für die groze stat 1376 f. B sid inn der beschult, des vatter im den zins gult. V er sprach daz mich ieder bescalt des uafer mir den eins ehalt 1393 f. B vnser here ist ser bettrogen, daz er heist vahen einen man dem manig land ist vnderdan. V unser herre ist uil sere be- trogen daz er uns den man hiezeht nahen dem alliv lant sint under tan 1425 B er schiffte genin hin über die fiut. ze fordrest kam er in engegen V er sciphjfeht sich zef or- derest über deflfiht an eime Stade chomen si im enkegen Die Ursache und der Gang der Aenderung, welche sich in B rindet, ist ganz durchsichtig in folgender Stelle : M si schiffeten vbir di eufra- teischen flut ze erist si ze stade auamen. V 218, 8 ( uf buziual er reiht) do slüg er also der thoner B 1436 (in den huffen er do rant : hant) er slüg als der hagel düt M 1699 (ergremet was ime\ sin mvt) er sluc alse der donre\ tut sine viande sicaz ir ime quam ze hande Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander. 27 for dem sich niemen machbewarn swer [in] fon ferre such geuaren e er hinder sich ge- sach so heter sin ainen stach. der ne genas nje ne- hein mvter harn sili ne rnohte njeman bewarn uon den siegen di er sluch wander ein iure sivert truch. vor dem nieman ist behul wa er kam gen in gevam ee sich jeman vnib gesach so beschach im von im vngemach Im zweiten Verse überliefevn BM das in V, ausgefallene tut z deit : reit. Die Reime in B ergaben sich nach der Kürzung leicht aus *V, wenn einmal reit in rant geändert war; aus bewarn warder Keim auf dät rasch gefunden in behftt; natürlich blieb dann gevam ungebunden. 1442 B der herzog menos genant M Mennes der ivigant V Mennes was ein herzzog genant B 1450 ff. durch sinen schilt er in do schach daz man daz blut schinen sach menos och sin niut vergas loie sin schilt hert heljftnbeinin was da durch in der helt Ol gut daz von im ßos daz blut si stachen bed enan- der nider do griffen sizen sivert- ten sidi>r V 218, 25 ff. mennes er durch den schilt stach daz daz plüht begunde rinnen mennes stach hine wider durch den sinen dar was feste helfen- pein daz daz lüuht an dem spere schain ir iewedere stach den ander nnider alda grifen si zen swerten sider M (1730 f. ir iegweder den an- deren stach nider zo der erden do griffen si zo den sverten. 28 Werner. Hier ist freilich eine ganze Scenc in M weniger, streng- genommen gehörte also diese Stelle nicht hieher, doch kennen wir die Quellen für diese Episode nicht. 1478 B menos hat in mit im M der was in andre site genomen in den selben strite V der ivas dar chom mit teme herzogen mit den zvein herzogen. 1494 B nun wert ivch her sprach M des wart daclym innen unde rief mit hoer stimmen alexander herre kuninc gedenket hüte an vwer tugint. danklin land ivwer eilend werden schin. V nu werth iuch herre chunich alsus sprach sin riter daclym hivte si ivver eilen schin 1505 B als der ein gras nider M daz sluch er nider aisein nxett (lies meit) V also der daz kras nider sieht 1506 B als vil wurden da er- slagen V also uil lager da reslagen gras M umbe di da lagen irslagen 1523 B es wirt ze laster dir geioant. der groß daz ros vmb warff. 1539 B daz im daz hübt fiel für die f Hesse V daz hübet uiel ime nur die füze 1557 f. B von den sinen ward sy verbrant er fant da silber vnd gold. iz wirt iv ze laster gewant. der graue daz ros umbe warf. M fehlt M daz sol dir werden noch geivani ze leide vnde ze ru- iven. M schire wart si verbrant do er si gwan der herre dar uf nam michil silber vnde golt. Die Basler Bearbeitung von Lambreehts Alexander. 29 V von sinen wart siv uerbrant do nam er selber unde golt. 1563 B niut sere er es noch klagt M niwit langer er gedagete V nivht sere er ne chlagete (: gesagete) 1564 ff. B doch sicor er ein teill M er svor bi sinem riche bi sines riches heil er stüende niut vier- zehen tag V iedoch so siour er ain teil er sprach so ulsim sines riches heil iz ne scolte niemer uierzehen naht en- te gan 1593 VB schar M here 1597 f. B achzig tnsing wart gesant M fehlt von cilliczya dem lant. V cilicien heizet ein lauf si brahtin im azech tusint, 1617 B nun waren sy alle ze M fehlt samen komen V do iz al zesamene chom 1621 B dar zu drissig dusing M fehlt och V unde dar zu drizech tusint Dies sind die Stelleu, in denen B mit V übereinstimmt, während M ändert. 30 \Y e r n p r. II. Capitel. B stimmt zu AI gegenüber V. Ich nehme das M 1114 ein phant si in na- men vnde irslugen ir da zestunt mer dan ein dusunt. da rdexander daz uernam uier dusint er do nam uz unn sinem here daz ander Uz er bi dem mere und beual iz zvein fursten di iz wol bewaren tursten die er mit ime braht hatte u. s. w. Wichtigste voraus. B 1088 si namen in vil sweri pfand siner besten wigant erslugen sy tusent oder nie. als allexander daz vernam er kos vier tusent si- ner man. mit den für er selber dan vf den berge ze libam. daz gessese bevall er ze hant einem fürst en, was perdix ge- nant u. s. w. V 205, 23 si namen ein ungezo- genlichjdiant unt erslugen ein tu- sint. er nam des Tiers daz I er noch do I habete. ein herzöge hiez sich I gracto unde ein ander der I was perdix I genant den beualch erz gesez in die hant. u. s. w. In V liegt offenbar ein Fehler vor : denn es heisst, die Araber hätten Alexandern ein tusint erschlagen. Nun macht er sich auf und nam des hers daz er noch do habete, lässt aber \ trotzdem gracto und perdix mit einem Theile des Heeres zu-l rück. Man muss daher des hers als genitivus partitivus auf-j] fassen und eine bestimmte Zahlenangabe erwarten. B M über- liefern eine solche in zwei gemeinsamen Versen, die V weniger Die Baslor Rearlioituns; von Lnmbrcchts Alezander. 31 bietet. Die Umgebung- zeigt innige Verwandtschaft von V J'». während M ganz in seiner Weise ausspinnt und zusetzt, ohne dadurch irgend etwas Neues zu überliefern. Es inuss daher in den zwei Plusversen von MB das Ursprüngliche erhalten sein, während der Fehler in V leicht durch Abirren von einem tüaant zum- andern erklärt werden kann, denn nach dem Gesagten hat in A gestanden: si ndmen in ungezogenlieh yfant: unt ersluogen ir ein tusant. db Alexander daz vernam, vier tüsant er nam des hers, daz er noch da hatte (: Gräfte). V überliefert noch das er nam, darnach fehlt aber der Reim punkt. — An dieser Stelle kann man also keinen gemeinsamen Zusatz von MB constatieren, sondern in beiden hat sich das Ursprüngliche treuer oder weniger treu erhalten. Dabei darf natürlich niemals ausser Acht gelassen werden, dass sowohl M als B modernisieren. Dasselbe Verhältnis rindet sich bei der Beschreibung des Bucephalus v. 535 ff., auf die ich näher eingehen muss: die Ueberlieferung stellt sich wie folgt. (Im weiteren Verlaufe bediene ich mich zur leichteren Uebersicht der an den Rand gesetzten Verszahlen.) V 189, 18 ff. • Von phüippus stude icil ich iv sagen dar under wart ein ros getragen daz was wunderlich iz was irre unt stri- tich snel unt ernisthaft fon siner gesephte ioch uon si- ner chraft M 270 ff. Von philippis stufe wil ich v nu sagen dar under was ein ros getragen daz ros daz was wnderlich irre vnde vil stritich snel vnde starc uon gescafnisse des sult ir sin gewisse B 537 ff. (. . . ein fürst vs ka- hadocgrn /mit pilipo ein ros sant) daz was ongezamt freislich wild vnd daz 32 Werner. V ^ 10 der munt ivas im als einem esele getan 15 sin oren warin im uil lanc daz hovbet mager unt swanc sin ovgen warim al der nare als eim ßigenten am 20 u. w. M iz liefe unzaUiche craft vnde ummazliche macht iz irbeiz di lute unde irsluch iz was freislich gnnch. ime ivas sin- munt daz wil ih ü tvn kunt alseime esele getan di nasen waren ime wite ufgetan sine oren ivaren ime lanc daz hovbit magir vnde slanc, sine nugen waren ime alliruare glich ein eine fliegin- din are. B es bies die Hut vnd släg es ivas tübhaft genüg sin mul als ein essel was vast vf geslagen sin nas sin oren woren im lang sin hübt iiviger vnd swach sin ogen ivaren als ein blüt vor bescheidenhe.it wol beMit u. s. w. u. s. w. Eine offenbare Lücke hat V nach Vers 12, es fehlt der Reim auf getan, daher muss Vers 15 für A in Anspruch ge- nommen werden und Abirren der Aug-en erklärt die Lesart von V auf die einfachste Weise. M machte nach seiner Ge- wohnheit aus dem langen Verse 12 mittels eines Flickverses dreie und B kürzte in seiner Art, indem es zugleich den er- laubten rührenden Reim getan : ufgetan durch leichte Aende- rung wegschaffte. Nicht so evident ist der Fehler, welchen V in Vers 10 f. hat; allein die folgende Erwrägung ist nicht zu unterdrücken: es wäre zwar möglich, dass A einen weniger bedeutenden Zug mit den übrigen Alexander-Darstellungen nicht theilte; aber Die Basler Bearbeitung von Lambreclita Alexander. 33 dass A, welches sieh so genau an seine Quellen hielt, gerade dieses charakteristische Detail nicht herübergenommen haben sollte, in dem allein alle Alexander-Sagen stimmen, ist im wahrscheinlich. Im PsK heisst es nach Cod. A (I 13): v.y.\ 5*j xojm'Couui zote [-pbc, «JXX'.tocov] SwpÖV ot -rt; Ky-~y.lzy.iy.; ip/svis; sv. twv Imcoifopßiwv raoXov öireppieY^Ov] rcoXXoT«; Trepi walt mit vollen wol gt - seillet si wurden geteillet u. s. W. 38 Werner. Stellen wir uns vor, die Ueberlieferung in A sei folgende gewesen : der rät der ime do wart getan, den muget ir schiere verstau : si rieten daz er sante über se unde lieze komen heris me, daz er mangen getcete wurchen [?J unde lieze die turne brechen vi. s. w. so konnte der Schreiber leicht von si rieten daz er zum zweiten daz er überspringen ; auch liegt das Senden um Hilfe sehr nahe, es ist sehr natürlich, dass die Fürsten auch diesen Vorschlag thun. Dazu kommt noch der Umstand, dass B fast nur in den zwei Versen von V abweicht, mit dem es sich gegenüber M auch an dieser Stelle in Uebereinstimmung befindet; darum können die Plusverse in MB nicht spätere Zusätze sein, sondern müssen das Ursprüngliche enthalten. Freilich zur Gewissheit kommt man hier nicht. V 219, 3 ff. M 1735 ff. B 1463 ff. d wi dazfuur dar uz daz daz fvr dar uz dz dz fiur dar nach spranch spranc schos da ein stahel wider ir iegweder dranc den ander[n | dranch uaste zo dem andren grozer siege wurden nie getan (u. s. w. s. u.) 5 d wie mähte daz ie werden mennes der slüch ale- do slvch doli alexan- menos den werden xandern zu dren slug nider zu der der erde mennes nider an daz erden gras ob di rede also was daz mach uns al be- sunder 10 nemen michel wnder ■ Die Basier Bearbeitung von Laiobrechts Alexander. 39 Alda wart ime der heim abge- prochen der manegen grozer siege der der chunich ale- xander finch unde ica/r er also wol gewafenht nieht er ne bescowet nie- merz tages lieht M Do hüben sih ir litte dare beidenthalben mit der scare da di helede iunge mit nide insamt run- gen da was michele not da bleib manic helt tot sere stoub da der melm da wart alexandro sin heim uon dem hottbete ge- brochen da was uil nah ge- rochen darius der ture de- gen alexandro wart da gegeben manjcstoz unde slach di teile di er der nider lac leit er ein bittere not er was uil nah tot B 15 den heim er im zer- brach 20 vnd slüg vf in mit nide dar 25 alleeander was mit flisse gewaff- net gar 40 Werner. 30 wane daz si?ies todes noch neweht solte sin ein riter der hiez 35 daclym M doli half in daz er genas daz er so wol geiva- fent was uil schire ime ouch ze- helfen quam daclym ein riter lobe- sam B dz ha If im dz er g enas u un kam ein ritt er anne but [?] danldin was er genant [: ze hat] u. s. w. u. s. w. u. s. w. Hier muss der Grund der Verderbnis in dem Worte liegen, das in B sehr undeutlich geschrieben ist Vers 33, so dass man lut, Int, but, bnt lesen könnte ; ich vermuthe, dass darin das md. Wort bat, bäte steckt, das nicht verstanden wurde; darum Hess V, welches ja theilweise dialektisch um- arbeitete (vgl. Rödiger. Anz. I 86), das ganze Verspaar aus, M änderte den zweiten Vers selbständig, indem es aber in seinem ze helfen Vers 34 den Inhalt von ane bat wiedergab. Es zeigte sich schon oben, dass VB in den ersten Versen einen Fehler theilen. Die Ueberlieferung ist klar bis zu den zwei hervorgehobenen Versen. Nehmen wir an, in A habe Folgendes gestanden : unde wäre er also wol gewäfent nieht, er ne bescouwete niemerz tageslieht: icane daz half im daz er genas. ' nun quam ein riter ane bat. (sines todes noch neweht solte sin) ein riter der hiez Daclym . . . Dadurch erklärt sich die offenbare Verderbnis, welcher Diemer durch ein daz zil abhelfen wollte (was er aber in den Anmerkungen S. 61 f. zurücknahm) und es erklärt sich die 1 Vgl. V 204, 6 f. M 1006 f. den Keim stat : daz. Die Basler Bearbeitung von Lainluechts Alex.ni.l. r II Ueberlieferung : wir müssten sonst an einer Stelle einen gemein- samen Fehler in VB constatieren und wenige Verse später einen solchen in MB. Hier spricht also die Wahrscheinlichkeit wieder für eine gemeinsame Erhaltung des Richtigen in MB. Vers 1593 ff. heisst es B : da kam im ein schar gros, die der reisse niut verdros. von medendrich hundert tusing kan ir dar, die icarent zagheit bar. In M 1991: dar nah quam ime ein here groz, dem wigis lutzü verdroz, daz kuninges reisen wol gezam. uon medintriche daz quam . . . funfzich tusint si brachten, alsus hortich si aliten. Dagegen sagt V 224, 22: noch tu chom im ain seahr groz, die des wiges liuzel bedroz, also si in chunigis reise loolgezam, wände si uon medin riche qvam. Hier fehlt ganz allein die Angabe einer bestimmten Zahl von Kriegern; dies ist auffällig und höchst unwahrscheinlich; die Quellen bieten die Aufzählung der Streitkräfte nicht und die in A genannte Summe von 630.000 Kriegern wird durch die Detailangaben der einzelnen Hss. VMB nicht erreicht: also auch hier nur ein Analogie- und Wahrscheinlichkeitssehluss. Evident dagegen ist die Richtigkeit der Lesart M B. V 204, 22 der ivint tehtin uil noht B 1057 den vsseren det ouch gros not ein mint der wester h ies vnd daz ///• / reis dike M 1058 dt /' "'/' nt '/- r fetin starke wit wander uil starl: was derselbederdaborea8 in den buchen heizet vnde di alh r rm ist r. izet 42 Werner. daz siner scephe ein hunderht uersunchen unde sine helde aller- tr wichen* do alexander daz ge- sach daz ir also uil thot lach des sturmes hiez er abe stan er thete disecphwider indiehabegan B hundert schiff er im versankt daz volk alles er- trank. do allexander kos die not des sturmes hies er abbe lan die schiff in die hob gan der wisse bedachte M daz mere mit den vnden der schiffe sluch er zegrunde vile daz si versunken vnde di lute dar in uertrunken vil manig ouh da ir- slagen lach, do alexander daz ge- sach des sturmes hiz er abe stan vnde hiz balde wider gan di schif in di habe ob ich rechte uerno- men habe. Do clagete alexander mer dan sihein ander sinen scade groze sine liebe ivicgenoze doh moser getrosten sih des scadenvmmazlich Alexander bedathe sich des scaden ummacz- lich Hier also zwischen V und B grosse Uebereinstimmung, nur ein Reimpaar in B mehr, dem in M vier Verse entsprechen, im Einzelnen aber grosse Abweichungen in dem was M und B gemeinsam ist. Die Quellen lassen zwar im Stich, aber es ist ganz gewiss, dass hier MB keine gemeinsame Zuthat haben, denn in V muss etwas fehlen. Aber weder von M noch von B scheint das Ursprüngliche überliefert zu sein : in A muss ein zu langer Vers gestanden haben, sonst wäre in M nicht geändert worden. Jedesfalls steht B dem Ursprünglichen näher als M und von einem gemeinsamen Fehler der beiden kann nicht die Rede sein. Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander. ».; Noch schlagender ist die Richtigkeit der von M B re- präsentierten Lesart Vers 1029 ff. V 204, 1 ff. uern erneut wie in ale- xander uernami mit zorn er der nider saz bi sinem hals er sieh uermaz er sprach sin scolte por lange sin er wolte . ouch ne waiz ich wie ir name si unde sante si dar lei- dere in die st at unde den alsten sagen daz . . . u. s. \v. M 992 ff. vnde in alexander uernam vnde er ime gesagete rechte, waz ime di guten knechte uz uon tyren enboten uon zorne begunder roten, nor ungemvte er ni- der saz. bi sime Übe er sih uermaz, iz gienge in allen an den leben, daz si ime forsten widerstreben. er sohle sih wol ge- rechen vnde ir stat zebrechen. Do nam er siner für- st en dri — ihneweiz niht wi ir name si — unde sante si wider in di stat vnde hiz den besten sagen daz u. s. \v. P, 1025 ff. do alle.rander dir botschaft ver- nam von zorn er nider sas bi sinem leben er sich vermas, er woltte sy haben sunder dank da nach niut lang sunt er siner fiirsten dry icider in die stat ze haut. er hie* d> n besten dfm bekant. u. s. w. In V haben wir einen offenbaren Fehler vorliegi n. dem aber wie ich glaube ganz einfach auf Grund von B ab- geholfen werden kann. B stellt einige Male Verse um, z. 15. Vers 1096 ff. 1116 ff. 1124 f. u. s. w., es ist daher nicht zu kühn, wenn ich Aehnliches auch hier annehme und glaube, die Keimbindung sei nicht dank : lang, sondern lang : dank 44 Werner. gewesen. Auch in V muss daher lange nicht sin das Reiinwort gebildet haben, der Vers ist aber auch sonst leicht gebessert, das ursprüngliche war wohl: er sprach ez enscolte sin porlanc, der Schluss dieses Verses wurde von *B modernisiert in niut lanc. Der ebenhergestellte Satz musste eine Reimzeile gehabt haben und. das er wolle in V, hinter dem Diemer schon richtig die Lücke vermuthet hatte (Anmerkungen S. 60) macht es klar, dass B den fehlenden Vers überliefert: er wolde sy haben sunder dank. Doch kann dies nicht das Ursprüngliche sein, weil er sprach ez enscolte sin porlanc er wolde sy haben sunder danc schon an sich keinen guten Sinn gibt und dann die Lesart von M durchaus nicht erklärt. Die Verse in M ez gienge in allen an den leben, daz si ime forsten ici der streben können nicht ursprünglich sein, denn sie tragen ganz den Stempel des Ueberarbeiters an sich und sind darum noch mehr verdächtig, weil M kurz vorher in dem Auftrage an die Boten, die nach Tyrus gehen, folgende Drohung einfügt (Vers 972 ff.) : er sagetin, daz er solde ir lant zevor> u vnde Ire stat ze stören vnde nemen in allen daz leben, ob si ime wol/hu loider -streben. Allein auch die zwei Verse er solde sich tool gerechen vnde ir stat zehrechen, die schon durch ihren Zusammenhang nicht ganz geheuer sind, können umsoweniger das Ursprüngliche sein, weil sie sich we- nige Zeilen später fast unverändert in allen Hss. wiederlinden (V 206, 6 f. M 1143 f. B 1108 f.). In M lauten sie: starke si sih rächen ein castel si zebrachen. Eine Drohung musste in A aber jedesfalls vorhanden gewesen sein und ich glaube nicht zu irren, wenn ich die ganz geringe Aenderung Die Basler Bearl>eitunof von Lambrechl Alexander. 15 er wohle si hohen sunder dann als das ursprüngliche ansehe. Nun unterliegt es keinem Zw mehr, dass der Vers, in dem MB gegenüber V stimmen, von V nur ausgelassen, nicht von M II gemeinsam hinzugesetzt wurde. In A wird also Folgendes gestanden haben: . . . mit zorn er der nider saz. hi si)iem halse er sich vermaz, er sprach ez enscolte sin porlanc, er wolte si hohen sunder danc. do nam er stner fürsten dri — ich ne ivaiz wie ir name si — unde sante si darwidere in die stat unde hiez den besten sagen daz . . . Von einem gemeinsamen Fehler in MB kann daher wieder keine Rede sein, und hier Hess es sich klar beweisen. Nachdem ich so die hauptsächlichsten Stellen eingehend besprochen, gebe ich wieder ein Verzeichnis der noch übrigen Verse, in denen das Verhältnis MB: V obwaltet. B 560 zu imgetorste nieman gan wand wer die schulde hat getan daz im verteilet was daz leben der ward dem ros denne gegeben. M 304 zo ime ne forste nie- man gan van der also hete V 190, 11 zu dem ros getorste nienii n gen iran umb den t i also was getan den uerteilehi was daz leben den mäse man dem rosse g< b n. getan daz ime uerteilet wart daz leben den mose man deme rosse geben. V enthält einen Fehler, es müsste heissen dem verteilet . . . und der Vers vorher entspricht nur in MB den Quellen, denn in allen antiken Darstellungen ist von Verbrechern die Rede. PsK I 13 y.y). -o'jz [irt 'i-r.y.i Lwn;x6ou<; rr,: i-rr,; ßafftXei'a*;, iXX' J-z- fewcTOVTas xw v6[i.(p aTTS'.ÜS'jVTa; rt ir.\ Xrjcrceia 'hr^Jivr.y.z owx- Sil u/1 II ■ :> V \\ e i n c i »'» der breiU n oute*. 10 . .■ . makt« nie be schar aho ede e uor etneme chunige die «/('r i« :«>,; cAomen, L92, 14 mta - St MAXtnetM cAomsn 225,19<2o i*al SOIIMtM cAom, L96, LOf.rfa* tr nataaten senden AetA* g«no~ )»en 15 (>//. (ZA teofcA k*CÄ 1 8 • . 16 f.St lertin uon darios zit stürm unde uolcquric unde so or scha- den genamen 228,24 iti der breiten OIC(')l 223, 24datooite > r sin her bcscoicen vgl, 200, 26 f. und« einen mantel dele SO rhu »ich . . . Zierli- chen scaren 3265 feta was mani- fc- NHO;« stürme vnde strite di uon dcirien : ,'te al biz her sint S Ätf, - 7 v 'ien dar zo nj 3268 datc - hi7 6? Die Bafflei Bearbeitung vi.n Lambrechta Alexander. 53 M in it ten toten über gpreiht da alexander durch daz wale brach fi was da helede tot lach Wide also er hin muz nu also ergan ir sulten zins hie in- fahen: da ir uil manegen tach habeth nach gesant den hau ich ir braht in diz lant. mit fem selben icorte so gab er im mit dem swerte [vg\.209,13ff.ufder erde mähte niemen gm/, also ii il lag ir da er scla- gen.] 218, 25 durch alle die sine er brach 202, 1 1 f. dannen er durch daz laut brach 210, 27 f. a waz ime da helede tot lach (: brach) 196, Uff. der den scins non sinem Jäter philippus woldenfanen. 196, 23 f. (daz phi- lippus den zins galt in darios gewalt) dannen aber mane- gen tach . . vgl. 199, 2 f. dar nach über um manegen tach. 221, 28 mit dem sel- ben icorte 222, 1 gab er im mit dem swerte den t ! vbirspi 20 i'.> 54 Werner. M ainen stach der was mare groz daz imz höbet uur daz march scoz 30 da geschieth sich daz volcwic. suis saget uns maister albrich mit der gute phajfte lamj>ret. diz lieht ist war unde rehth. hie duhte siv beidi div maz. 35 nu ist zith daz laZEN. 222, 3 f. uf daz hö- bet ern sluch [vgl. 220, 16 f. div we- nige div was mare groz : schoz.] 222, 4 f. daz hübet uielimeuur die füze [vgl. 221, 2 f. e sich der stürm ge- schiede. 220,26 der der ie gevaht uolcwich] 218, 2 f. alsus hortich mai- ster alberi- chen sagen. |183, 1 ff. Diz lit . . | sin genüge ist uil reht, iz tihte der phaffe lambret. derselbe Reim findet sich 197, 14 f. 214,1 f. 215,21 f. Schi us s. Das Resultat meiner bisherigen Untersuchung lässt sich graphisch folgendermassen darstellen : A V Vi M B1 I ß asler Bearbeitung ron l.umbrechts Alexun.ler III. Capitel. B steht allein. Naturgemäss zerfällt die folgende Untersuchung in zwei Theile, sie behandelt: 1. Aenderungen und 2. Auslassungen. Dabei sind wieder zu scheiden a) Auslassungen mit bestimmter Kunstabsicht, b) fehlerhafte Auslassungen, durch die der Sinn gestört wird. Wackernagel stellte die Ansicht auf, B sei durch eine oeuer- liche Uebersetzung von Alberics Werk entstanden. Seite '-'<\ seiner Schrift sagt er: , Der Verfasser hat mit dein Lamprechl in der Hand noch einmahl dessen franzoesisch.es Vorbild, den Alexander Aubris von Besancon verdeutscht'. Dass diese An- sieht unhaltbar sei, ergibt sich schon daraus, dass *B die von A ausdrücklich zurückgewiesene Einleitung über Alexanders Abstammung und Geburt enthält. Hätte ihm also Alberich vorgelegen, so hätte er sich gewiss nicht unter die Seh aar von lougendren gestellt, von denen die Rede ist. Das von 1'. II gefundene Bruchstück des französischen Gedichtes kannte Wackernagel noch nicht. Auch Alberich sagt: Dicunt alquant estrobatour, qu'el etc., in B müsste daher, wenn Wackernagels Ansicht die richtige wäre, wenigstens mit einigen Worten gegen den Ausspruch Alberichs remonstriert und die Richtig- keit der Geschichte mit Nektanabus hervorgehoben werden. Doch nichts von alledem, B berichtet mit Ruhe die ganze schmutzige Erzählung, die einen betrügerischen Pfaffen und eine leichtgläubige Königin vorführt, wir sie die mittelalter- lichen Alexanderdarstellungen alle überliefern. Dies ist die Hauptänderimg von B, es wollte aber mit seiner Einleitung offenbar die vollständige Sage geben, denn in seiner Hinweisung auf Alexander heisst es: der disse mer icelt icissen der lesse den grossen allexander oder daz buch der machabeis. (Bl. 21a. 1.). Diese Einleitung ist darum interessant, weil mau aus ihr die Leistung des Ueberarbeiters ersehen kann. Die Ansicht, welche Wackernagel ausgesprochen hatte die Entstehung von 56 Werner. *B sei ins dreizehnte Jahrhundert, ubwohl erst gegen das Ende desselben zu setzen, findet darin ihre Bestätigung-. ' B reimt ganz genau, nur folgende Unreinheiten sind zu bemerken. d : a getan : daran 137 f. : man 305 f. i : i sin : sin 149 f. ei : ie scheid : miet 247 f. o : o wort: hört 105 f. '.erhört 443 F. m : ?i riam : man 65 f. herheim : mein 171 f. gadem : schaden 237 f. s:z was: daz 71 f. gesaz : genas 389 f. e» : e stunden : begunde 378 f. (was leicht in stunde zu bessern ist.) Höchst auffallend ist der Reim Vers 417 siccere (swer) : Alexander. Alle diese Unreinheiten finden aber zudem Erklärung im Dialekte des Dichters und einige von ihnen, z. B. die Bindung von d : a begegnen schon in classischen Dichtungen. Auch über die metrischen Ansichten des Ueberarbeiters werden wir unterrichtet; seine Verse sind alle vierhebig, oder (Ireihebig klingend, die vierhebigen sind entweder stumpf oder klingend, nur Vers 4ö(> und hasse daz niut bist geltch der froutven \\. formen] min und Vers 444 disse wort fügen sich dieser Regel nicht. In ihnen muss Verderbnis angenommen werden. 2 Die Einleitung enthält 267 Reimpaare, von denen 24 ge- wiss, 2 wahrscheinlich dreihebig klingend sind, also 10 Procent. Es sind folgende: 21. 25. 49. 51. 61. 69. 81. [133.] 135. 141. 165. [233.] 289. 317. 321. 323. 327. 353. 377. 379. 433. 463. 499. 511. 515. 529. Die Verse zeigen zum Theil keinen, zum Theil ein- oder mehrsilbigen Auftact. Zweisilbiger findet sich 40 Mal u. zw. Vers 1. 10. 17. 19. 26. 48. 53. 70. 90. 115. 124. [132.] 150. 151. [152.] 164. 187. [223.] 224. [226.] 241. 262. [274.] 278. 300. 306. 309. 336. [34c;.] 363. 364. 400. 406. 414. 422. 474. ")i»2. 512. 51s. 53<>. Vom dreisilbigen wären Vers 57 daz er ze | mazidoni wurd erkannt und Vers 406 alle die | zit soz [Hs. so daz] Jcind wurde bräht, die einzigen Spuren, doch dürfte der letztere in al die zu bessern sein. 1 Ich verweise auch auf die Betrachtung: des Lautstandes in B. 2 444 zu bessern nach Vers 4610? Die Basler Bearbeitung von Lambrecht» Alexander. ,">7 Schwebende Betonung- gestattet sich der Dichter fünfmal. Vers 5 nienäer noch in nigramanci. [164 anders ich dir niut gelouben mac, hier wohl zwei silbiger Aui'tact.J 259 meister, ich hau gesant »ach dir. 375 meister, mir ist unmdzen we. r 449 meister, ich hin gesant nach dir. Die beliebten Flickverse sind ihm bei der Arbeit will- kommene Mittel zur Herstellung der Reime. 1. Berufungen auf die Quelle: Vers 2 als ich von im geschriben las 78 als ich von ir geschriben las 139 als mir die (ge)schrift hat geseit 146 als ich an einem buoche las 428 als ich an der istori 0( r- nam. 2. Betheuerungen der Wahrhaftigkeit: Vers 224 des solt dti von mir geivis sin 314 des wil ich dir für w6r jeken. [384 als war daz ist?] 412 f. daz ich für wor sagen mac >n> die Bibel- stellen aus, vgl. Vers 2305 ff. 4024 ff. (M). Der Vergleich aus der altdeutschen Sage wird von B nicht minder als überflüssig angesehen und daher bei Seite geschoben : es beweist darum für eine nähere Verwandtschaft von M und B durchaus nichts, wenn sich einmal die Anführuno; aus der Bibel in beiden nicht findet; V 219, 3 heisst es: grozer siege wurden nie getan, si ne slüge vollen sdmson, der die grozen mäht an ime truoch daz er mit eines eseles bachen ein tüsint Hutes erüuock. (daz er und lüttes zu streichen und er sluoch zu schreiben?) B lässt jede solche Stelle weg, ist auch hier sonst von M ganz unabhängig, darum das Fehlen Samsons kein gemein- samer Fehler von M und B. Das eben angeführte Citat aus der Bibel ist ganz im Stile solcher Vergleiche icf. Lichtenstein QF. XIX s. CLII), während die Anknüpfung von biblischer Gelehrsamkeit in A anders typisch war: tpre ist noch dir selbe stat (W 1257); diz ist noch der selbe icalt (W 945): diuselbt burch sardix (W 1762); medin rieh ist noch daz selbe laut (W 1840); oder es heisst: armmim laut . . . dir: was da diu arrha gesaz (W 1850); diz teas darios ter . . iW 552 ; zityam . . . diz was da (W 770) ; diz ist libanus der . . . (W 942) ; oder endlich : ein stat heizet nicomedias da . . . (W 906 f.); ouch pitaniam >• mir Oa arebät auf den Kampf bezogen und Vors 380 von den arbeit'»» I. küngin, womit die Geburtswehen gemeint sind. 60 Werner. halt als Epitheton ornans kennt er nicht mehr, er schafft es fort (Vers 979. 1104. 1550). zende ist nicht der von ihm gebrauchte Plural, er ändert daher (Vers 743. 1484). ort muss wegfallen (1532), auch gegen gire zeigt sich Abneigung (Vers 1195. 1399). Das Pferd darf nicht mehr weien, es muss winhellen (594), für helde wird volk gesetzt (Vers 1061). Dann erweist B Streben nach Abwechslung, er hält Vers 1597 — 1602 nicht an der Ueberlieferung fest : cilicien heizet ain lant, si brähtin im azech tüsini. von ninive wurden ime gesant ain unde zewainzich tüsint. die üzer armenin lant, si brähtin ime aht tüsint sondern schreibt: achzig tusing wart gesant von cillizya dem lant. (von) ninive brdhte dar zwenzig tusing in ir schar. achzig tusing wdrent der die von armenye komen her. Dadurch hat die Stelle entschieden gewonnen. Lautstand in B. Im folgenden Abschnitte betrachte ich die lautlichen Ver- hältnisse von B ; freilich lernen wir nur den Schreiber kennen, jedoch ist auch für den Bearbeiter manches aus den Reimen zu gewinnen. Ich verzeichne bei jedem Laute, was in B dem reinen Mhd. entspricht; dabei scheide ich aber, indem ich unter I den Lautstand von Einleitung und Schluss (Vers 1 — 534 und 4241 — 4734) zusammenfasse, unter II den Lautstand des Ge- dichtes, so weit es in VMB (Vers 535 — 1623), unter III so weit es nur in M B überliefert ist. Die Beispiele werden keines- wegs vollzählig aufgeführt, sondern bei jedem Falle eine Auswahl getroffen. Wie sich schon zeigte, sind Bearbeiter und Schreiber nicht ein und dieselbe Person (s. o. S. 55 f.) ; darum empfahl Die Hasler Bearbeitung von Lamürechts Alexander. Ol es sich, die durch Reime gesicherten Eigenthümliehkeiten von den andern zu trennen und als charakteristisch für die Sprache des Bearbeiters hervorzuheben. Der Dialekt ist durchgehends alemannisch, nur scheinen sich Spuren des Md. zu finden ; ich verweise darum jedesmal auf Weinholds Alemannische (AG) und Mhd. Grammatik (MhdGr.). (BG natürlich Bairische Gr.) A. Vocalismus. 1. Die einfachen Vocale mit ihren Umlauten. a. Der Bearbeiter steht auf streng mhd. Lautstufe-, er gestattet sich nur Reim von a : d, was nicht auffällig ist. In der Sprache des Schreibers wird mhd. a geschädigt: 1. durch übermässige Ausdehnung des Umlauts, in der Hs. durch e wiedergegeben. II Vers 898 erbeit AG § 12. 15. MhdGr. § 28. 35. Vers 1123. 1198. 1453. 1510 hertter als Positiv. Im Comparativ Vers 612 lenger als Adverb. III 2904. 2951. 3282 erbeit 3035 menlich. I 438G gevelle steht für gevalle. Dabei ist Schwanken vorhanden zwischen den Formen mit und ohne Umlaut. I 362 mengi laut 4355 meng es (— manegen) gegenüber 4111 manig 4113 mangen. II 675. 1003. 1179. 1189. 1245 menger gegenüber 1168. 1181. 1186. 1462 manig. III 2263. 2513. 2520. 3036. 3139. 3211. 3238 menger und 3390 menigvalt gegenüber 3189 manger. (Zwischen iemen, niemen und ieman, nieman dasselbe Schwanken vgl. Vers 4042. 4143 gegenüber 4139. 4334 AG § 17.) 2. durch Verdampfung zu o. AG § 25. Es findet sich nur in wond sehr häufig III 1635. 2293. 2296. 2307. 2368. 2405. 3054. 3720. 3732. 3874, daneben jedoch in I z. B. 118. 383. 411 wand. Vermutungsweise ist o für a auch anzunehmen Vers 2396 sol für sah. III 3467 old 3663 oider (3745 oder). d. Auch dies vom Bearbeiter rein mhd. bewahrt. ' Beim Schreiber tritt dafür e ein III 2989 liest 2186 het : rat, ein Beweis, dass der Bearbeiter nur hat schrieb. 1 Der Reim moren : geboren (— gehären) 3099 f. ist zweifelhaft, man wird andere Versabtheilung vornehmen müssen; die Stelle ist verderbt. (32 W etnef. Sehr häufig wird d zu o AG § 44. 124. MhdGr. § TG. Dass dies nicht blos Zeichen des Elsässischen, sondern vom dreizehnten Jahrhundert ab allgemein alemannisch vgl. Deutsches Heldenbuch IVvn. Vxn. Jänike Altd. Stud. S. 58. I 25 körnen 46 hör 65 froge 178. 314. 412. 4921 wor 194 mos 226. 4376 noch (270 nach) 321 geboren : woren 427. 4308. 4767 f. 4720 etc. jor, joren 4379 schoff 4452 geton 4505 Ion : man ' 4623 sücße?i 4639 ro< (: draf) 4721 underlos. II 545 lüorai 587 j'or 652 mo/£ 688 Ion. III 1749. 1759 ivoren 1694 nocÄe 1758 erschroken 1771 scäocä 1843 s^osse 2030 jo 2041 tfro/eu 2052 dornen 2133 gon : o» = gdn : dne 2929 : ston 2195 ^e&ore« 2350 /o.s£ 2404. 3728 wonde 2608 Zos 3178 underlos 3291 /ro^e (3305 fragte). ä und ce werden in der Hs. durch e wiedergegeben und dies scheint dem Dialekte des Bearbeiters zu entsprechen AG § 39. 89. 122. MhdGr. § 61; es finden sich nämlich folgende Reime : I 417 f. 4368 f. swer : Alexander. III 2235 mer : Alexan- der, daneben Alexander Vers 2630 : wer stf. 2682 : her gereimt. Auch 4559 Capadocyer : schriber sind gebunden. Dem Bearbeiter erschien also Alexander wohl als Verkürzung aus Alexandere. (Die metrische Verwendung des Namens ist bei ihm eine un- gleiche. Vers 471 dlexänder ebenso 493. 512. 517 u. o. alexdnder Vers 584. 691. 868. 883. alexdnder Vers 741. 749. 879 wenn in diesen Fällen nicht alexander zu betonen ist wie 853 alexandro.) Beim Schreiber I 25 f. u. o. mer : wer = mcere : waire 176 spedier 219 leg : pfleg 4456 sessen : esen = saizen : aizen 4386 icenne = warne. II Vers 583 brechtte swer 907 verechttet. III Vers 1662. 2210 wer : mer 2361 werest 1772 stette 1914 hetti : tette 2072 kernen 2291 seid. Einmal steht a für ce III 3036 datten, doch dürfte dies nur Misverständnis sein (Ind. für Cönj.). age wird contrahiert 1. zu a (= a) II 870 klate MhdGr. § 55. Dies scheint nur ind. zu sein vgl. MhdGr. § 58. Nichts Entsprechendes AG S. 34 f. — 2. zu ei AG § 56. 99. 131. MhdGr. § 103. II 778 seitte. III 3624 f. treu : maget leit (: leget) • es gestattete sich also auch der Bearbeiter solche Contraction — 1 Beim Bearbeiter also ä : a. Die Basier Bearbeitung von Lambrechfa Alezander, 3. zu e (==-#), welches oft für et steht (s. n.i III L759 teding 2634 deding = tageding (AG § 38. MhdGr. § 68). ähe wird zu e (= e) III 3903 und -//-■//. wie B abwechselnd reimt: Vers 56 beinin steht für fönin, das Misverständnis scheint auf einer Form leinin zu beruhen. Offenbar misverstanden sind die Formen 1753 gebeitten 2230 erbeiten : striten 2325. 2421 beitten, wo ? das einzig Richtige ist. Jenes eine -fejcn gehört also zu den Fällen, in denen gelegent- lieh auch alem. ei für ! erscheint AG § 57. 99. 131. MhdGr. § 91, wenn man nicht lieber Verschreibung annimmt. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. I. Hft. 5 66 Werner. ie für i I 4700 liebes = llbes misverstanden. i erscheint III 3085 vinden und 4193 si (Hs. sy : hie) für 2e, resp. za. i5e wird 2 I 386. 536. II 818 git = gibet. j für i I Vers 4409 jTnerc 4721 jn 4572. 3207 ,;Ve«; auch vor Vocalen : 4042 Jemen 4334. 4139 jeman 4461 jeder 3538. 4588 je 3314. 3345. 4641 jener. II Vers 1216 jemer 1440 jeman 1508 je. Synkope von i (resp. e) findet sich durchgehends bei küng und kungln. Vgl. ferner I 4026 sidner 4666 mecidonscher. II in ver- schiedenen Formen : 1037 krieschen 1234 kriechs 1247 kreischy. III 2438. 2483 kriechsen 2568 hiescher 3072 kreichschen 3366 kriechschi 3072. 2080 kreichschen 2097 kreichschy. Kinffesehoben erscheint ? Vers 4105 icuniste für wünschte. o. Der Bearbeiter reimt a : o 4486 nac/^ : mocht. Im Superlativ ist die Form auf o, welche der Reim verlangt, vom Schreiber verwischt Vers 1868 fordrest : drost, doch findet sich ausserhalb des Reimes 3123 zwenzigosten gewahrt. Sonst ist nichts zu erwähnen. Beim Schreiber jedoch steht: a für o I 4306 üan für von AG §11. MhdGr. § 20. III erhalten erscheint a in ungewan Vers 3131. 3718. AG §11- Eingetreten in nach für noch Vers 2136. 2965. AG §11. gezagen Vers 3943 ( : herzogen). Vers 76 alimpya für olimpia. e für o, » II Vers 1293. 1304 Ä^eme* neben fcZetno« Vers 1300. AG § 17. u für o II Vers 1134 f Orchiten : wurchtten. o. Nur Sprachformen des Schreibers zu erwähnen. a für 6 in III Vers 3224 und 3239 datten für töten irrthümlich. on für 6 343 scMs =: schoz AG § 71. 105. 139. MhdGr. § 97. Schönbach Zacher's Zs. für d. Philol. 6, 282. uo für o 2285 /r«o (: so), wo /rö zu lesen ist wie in M. ö und ce. In B geschrieben o und e (z. B. I 4453 mecht = mühte. III 2398 mechte) ; auch o, was wohl nur Flüchtigkeit der Schrift ist (Vers 3609 gbtte; 127. 130 steht gotte 118. 1 Vers 4434 verzech, wohl für«erzocA, jenes passt nicht in den Zusammenhang. Die Basler Bearbeitung von Lambreclit^ Alexander. li7 120 gutten 572 gotter). Die Sprache des Bearbeiters auch hier strenge. Beim Schreiber unterbleibt der Umlaut, z. B. I 42f>4 schönes wib. III 3449 schone bäume 3816 schone keminat, drind dagegen z. B. in das Adverbium ein 3780 schone gegenüber 3809 schon. Auch sonst gewinnt der Umlaut an Ausdehnung I 4452 sblich. II 605. 698. 816. 1567 sblichs 664 ir sollent 663 mbchtte 1319 bedbrße. III 1624. 2146 u. s. o. sblich 1660 icblt 2375 sblt 2020 solle 1769. 1863 sollen 2413.2898.4019 sollent 2593 tbrffte 3038. 3214 mbren : oren (3612) : geboren ' (= gebären 3099) 1987 dort AG § 27. iie für oe AG § 75. 109 Vers 76 schüeni. Es ist eine ganz junge Form. Zu bemerken die Schreibung duechte : mbchtte Vers 4140. v. Die Sprache des Bearbeiters ist strenges Mhd. e für u II 1055 e»cte = unde (Welle), wohl nur mis- verstanden, wie bei diesem Worte oft. 0 für u AG § 24. 83. 116. Mhd.Gr. § 42. 1 466 begonde (dagegen 464 begund : stund). II 571. 618 begonde (631. 880. 1447 begunde). III 3493. 3757 kond 3038 wosten. uo (Hs. ä) für u I 4546 fruom = wmw : pottolomeum MhdGr. § 129. AG § 78. 111. 144. •ite für u I 113 küenen. u = un nur verschrieben 4337 bettiongen = betwungen. «e für it III 1985 rüemen = rtfwn»» ist nur Misverständnis. tf = räwe I 4724 &wtfe = &tfwefe. m und m werden durch zt ausgedrückt. 517 steht jedoch H — in ruioe = riuwe. Umgelautete und nicht umgelautete Formen stehen neben einander. 1 1024. 4511 fursten 36. 4558 fürst 12. II über .".7 wurd 20 wurden 407 zw# 4315 *m» (= sinne) 4317 sune : wunen. II 852 gawundet : gekündet 1215 geumnen 1461 » » >tn cfe : &w(ft 1521 kundikeit. III 1661. 2494 töMrde 1734 fam = fcänne 1883 kur 1932 zw#i 1938. 2384 fursten 1966 kung 4022 kungin 2063 1 Doch ist dieser Reim zweifelhaft. 5* 68 Werner. bruken : sinken 2102 ruhen 2272. 4151 fünf 2468 erwirb : s&/r& 2776 durlich 2843. 2979 /«r 2911 furios 2997 tan = Zwte 4235. 4228 hult 4236 /«?fte 3359 fürt : «pw*. Eingedrungen ist der Umlaut z. B. Vers 4338. 4544. 4550 . Süllen. Daneben II 3143 sullen. III 3930 sülen. B schreibt auch III 4206 genattüret. i für ü AG § 22 I Vers 134 gewirket. 6 für ü AG S. 29 I 4334 fbrcht -. ich viirhte. ie für ü I 136 icienschen, es ist sonst nicht belegt; ie für ii entsprechend gemeindeutschem iu findet sich bei Konrad von Ammenhausen (Vetter, Neue Mittheilungen p. V). tiefet neben tüfel, beweist aber nur, dass die Hss. noch unterscheiden zwischen ü und iu. üe für ü MhdGr. § 133. Es scheint mehr bairisch. BG S. 109 f. (AG § 75) I 174 süel 4634 süellen 262 müege. II 888. 890. 892 sUellent. III 2442. 3891 müegent 2860 müegen 2940 müegens 2860. 3156 süellen. 2. Die Diphthonge. ei. Nur Sprachformen des Schreibers zu erwähnen. e für ei I 488 enander 427. 587 zwenzig AG § 17 S. 308. II 637 fredikeit daneben Vers 633 freidikeit. 1053. 1414 zwenzig 1456 enander 1492 en -.= ein III 1741 ener1 2436 zwenzig 3146 ziuen AG § 36. MhdGr. § 63. Neben beide er- scheint bede sehr oft I 319. 403. II 1429. 1456. 1501. 111 2083. 2085. gen und gein neben gegen allgemein, z. B. 648. 945. 3497. 3529. 4293. 4415. ai für ei I 138 crais (Hs. er ais) Lreize plur. ie für ei MhdGr. § 114 md. AG § 64 wird die Ver- muthung als nahe liegend erklärt ie sei für ei nur verschrieben. I 253 schied 4290 zwie (Hs. zive; über die Bedeutung von w siehe unter xc) II 541 Ines 664 gebietten : arbeitten 980. 1125. 1417 £?i5i'e III 1999 giegny = geigne = gegene (?) 2809 iedem = eidem. Hieher wohl auch 919. 1612 zwielf 4313 zwAelfften AG S. 307. MhdGr. S. 294. Es scheint für ziveilf zu stehen, das hauptsächlich md. ist, sich jedoch auch alem. findet. AG § 58. 99. 131. MhdGr. § 90. 1 3463 ene = iene. Die Busler Bearbeitung von Lambre hts Alexander. li' I oi für ei 140 geloit - gehit geleget (wohl verschrieben . Doch AG § 69. 100. 104. 138. Es ist besonders schwäbisch. ie. Der Bearbeiter verwendet ei für ie im reime; so steht Vers 248 meit : scheid, jenes für miet (: schied, wie 253 steht?) In B findet sich dies sehr häufig; es scheint mehr nid. als alem. zu sein. Weinhold sagt AG § 59 (vgl. £§ 99. 131): , besonders verbreitet und fest war dieses ei nicht'. Damit ver- gleiche man MhdGr. § 107 über diese Erscheinung. I 381. 390 scheire. II 649 enpfey : gie 921 meitten : gebietten 1055 hiesireis 1219 reitten (oder -redeten?) 1247 Krei&chy L245 besleiff ibrieff 1302. 1346 breiff 1309. 1354 reime» 1432 kreicht III 1631. 1663. 2710. 4048. 4069 breiff 1671. 1724. 2882. 3703 scheir oder scheire 1760 geheissen 1803 heing : bevieng 2080. 3072 kreichschen vgl. weitere Formen unter i. 2510. 2801. 2867. 2932. 3075. 3109. 3124 kreichen 2312. 2632 reitten 2759 bereuten 2543 fleichm 2558 fleichent 2657. 2678. 2722 verh h 3009 Äe?/ = hie 3220 schreit 3289 enpfeingen 3780 - rap< m./-../ n . Der Bearbeiter bindet ou und ä. Vers 1621 o? (AG S. 356) I 4606 tuo : zuo. B. Consonantismus. Vor allem zu bemerken, dass Gemination der Coiis<-n;mt«'ii vollkommen bedeutungslos ist: B schreibt ohne Grand, Qach langen und kurzen Vocalen, den Consonanten doppelt, so dasa ich im Folgenden von dieser Erscheinung ganz absehen kann. Ferner ist hervorzuheben, dass die Schreibung der Consonanten in B zu wenig Consequenz verräth, als dass daraus viel Schlüsse gezogen werden könnten. 1. Die labialen Laute. b. Mhd. b wird p I 4473 prachtte — brähte 4509 plix. II 1515. 1522. 1526. 1540. 1542 -parier 686 pan. III 3554. 3617 lechpartten. b wird bb I 4730 abbrellen. II 1064 abbe. Im Auslaute steht b und p für b, z. B. 4643 wib : lip. Assimilation von b an t bei Synkope von e I 4687 lopt 4722 leptte. II 622 lept neben 555 dobt. III 373») lepte 4151 leptten 3731 streptte. b wird I im Inlaute zu/. Vgl. AG § 161. Vers 1- zouff< r gegenüber Vers 43. 158 zouber. b wird tt; III 4203 /«ric. Bemerkt sei schliesslich die Form beben =■ phtdent* 3772, vgl. Lexer I 136. p. Mhd. p wird i. I 4258 bin = p>n 4491 /»w/// AG § 153. II 1205 6o>-tte 1241 bortten gegenübn 12<>1 porten. III 3796 bedas gegenüber 3801 palas 4153. 41»',."). 4168 baradis gegenüber 4224 paradis. Neben dem gewöhnlichen pw us 3135. 3186. 3882 borus 3616 banttier. pp wird im Auslaute vereinfacht. III 3732 gesip. pf für p III 3556 lampferden, falsche Etymologie für 72 Werner. /. Für mhd. pf steht 1. pff I 4482 pffallacz gegenüber 4483 pfallacz — i. fp I 4552 schbfpencl. II 739 kofp III 2471 schinfp — 3. / III 3166 kanff— kämpf 1692 ranff — 4. p III 4026 peller 3780 enpeing. Ausgefallen ist / Vers 1835 ketiges = kreftiges. w für v nur verschrieben Vers 4214 wil = vil. w. Angefügt sei das Wenige von w zu Erwähnende. Es wird erhalten in den Formen II 636 kniuwete 1116 setoes. l w fällt aus I 4510 zifflung. III 2970 verzifelt, 3105 unbetungen = unbettcungen. — In Vers 3165 zen für zioen mis- verstanden. Vers 3162 ist zehen = ziren. b für w III 2276 grabe = gräice? AG § 155. Vers 3372 rober mis verstanden für ruowe. Die Bedeutung des Zeichens w als wi ergibt sich aus den Zusammenstellungen bettcngea Vers 22 zwsent 4288. 2275. Doch hat es auch die Bedeutung von iuw oder iw 517. 921. 1099 trw : ruwe 667 getrw und von einfachem ü 1675 sires : muos. In Vers 830 ist w = wü swer : für. — Neben w findet sich auch ü in gleicher Bedeutung. Vers 3033 zuen = 2450 zwen. 2. Die lingualen Laute. d. Mhd. d wird im Anlaute zu t. I 68. 267. 531 vertagen 4698 getagen 141 tiutnisse 4376 betiuttet 487 £ra£ eüra*. II 608. 647 vertagen 1347 betiutung 1241 trungen gegenüber 1428 drangr. III 1620 toryo u. s. o. 2476 hiinp 2593 <6r/^ 2735 trat gegenüber 3151 drat. Auch im Inlaute Vers 3995 megte. Im Auslaute bleibt es meist. I z. B. 29 ward 46 sneid 55 Zand oder es wird zu t Vers 183 haut 10 /an£ etc. ; ebenso in II und III. Assimilation an t bei Synkope von e: I Vers 66 rette -redete; dies tt kann im Auslaute verkürzt werden 131 ger et. III 1679 ret = redete. Auch entgegengesetzte Assimilation I 162. 231. 4505 u. s. o. wilttu neben 509 toifru. II 1528 müstu. III 2187 wilttu. 1 Vers 1709 f. kniue : nie so ive, wohl die Form Jene anzunehmen. Die Basier Bearbeitung von Lambrechts Alexauder. 73 Epithese von d II Vers 14!».") eilend für eilen. III Vera 3060 eilend rieh 3236 wald stat, kann zwar als Volksetymologie ei fasst werden, jedoch steht sie parallel den Formen mormut, wilent u. s. w. AG § 175. t. Mhd. t wird im Anlaute zu d. AG S. 142 I Vers 175. 195 düstu 4312. 4325. 4361 etc. datten 263. 295. 336. 350. 4258. 4275. 4354 etc. dot, dodes 4720 dreib 472s underdenig 4277 drat. II 1033 Ä 569 dot 555 do&f 896 deillen L072. 1207 dürnen 1246 dt wr 1311 deglich 1008 underdan 1341 2. als ss oder //. I Vers 4450. 4461 ti//=tißh. III Vers 3200 zwijfen — 3. als chf. I Vers 4492 lach/ lafch. II Vers 710 tichfe 1499 frichflich 1234 kriech/. III Vers 3553 fichf — 4. als /c. I Vers 536 ge/cri/t — 5. als ßh. Vers 3420 Jwoicen für /chouwen ist nur ver schrieben. Noch ist zu erwähnen Vers 3176 gewa/ch/en gewach/en und Vers 2450 we/ßn weffen. z wird auch cz geschrieben. I Vers 409 gam ■ i 1 106 //<>/»•-.. Dieselbe Schreibung- für tz Vers 387 siez 4463 siezen, cc für cz Vers 4596 pföjc. cli für z Vers 337 kurehlich. Für fwj erscheint z«>. III Vers 3375 zwang 3724 ztbegen = twingen. 3. Die gutturalen Laute. g erscheint als eh III 2448 ßiechen vliegen auch im Reime Vers 2158 geiaget : vachet 4213 wag : ungemach. — Abge- fallen ist es im Anlaut 4117 og - - Gog. ■ ■ d- g verschrieben. III Vers 3543 meid neig. — Im Auslaute wird es k oder bleibt erhalten. — Ausgefallen ist g Vers 1169 berffrid neben 1081 berg/rid. k wird durch g ersetzt. Im Auslaute I Vera 4404. 111 -; trang neben 4421 trank III Vers 3559 dang: lang. Im In- laute II Vers 758 linge alem. gewöhnlich lingge Vetter Neue Mittheilungen p. VII doch auch linge Griesh. pred. 1, 11. Vers 1116 saugten. — k fällt aus II Vers 849. 864 margroff. eh für k I Vers 4703 kranch : lang. III 2990 mach mac. auch im Reime Vers 3890 gesmak : brach. g für ck III Vers 3531 glogen. tt für et I Vers 8 nettanibo. q Vers 2848 gellen. eh erscheint als k. I Vers 234. 243. 320 traken. — Ala gk I Vers 293 tragk. - Als h I Vers 151. 168 zeihen. III Vers 3188 sah. 76 Werner. ch fällt ab II Vers 986 dur = durch. Auch im Reime Vers 1073 nd : da. III Vers 3820 hoch : do. ch eingeschoben: II Vers 553 lechbart : lebart. III Vers 3554. 3617 lechpartten 3289 frbchlich. h durch ch vertreten. I Vers 179 siehst 180 hoche 4623 sochen neben 4625 sahen . . . sach. h fällt aus vor t. I Vers 4515. 4613 nit : geschieht 4527 geschit : nicht. — B hat folgende Formen für niht : niut (Hs. niit), z. B. Vers 94 nicht Vers 91 nit Vers 96 nich Vers 417 ; im Reim steht 566 f. Hut : niut 1018 f. wicht : nicht. Vers 351 (jeschit. II Vers 620 niht : sit. III Vers 3301 niut : sieht. h fällt aus nach l. I Vers 4634 bevollen 4643 enpf ollen 4429 empfal 4644 enpfil. II Vers 1096 bevall. III Vers 4175 uWer. Auffallender Weise steht Vers 2900 Äer für er. y wird durch g ersetzt. I Vers 44 vigent ebenso II Vers 873. III Vers 2798 müegen rnüejen. i für j. II Vers 1268 vertagte 991 verheriet. jh ohne Bedeutung in jhehen I Vers 331. 395. 478. 509. II Vers 1528. III Vers 3792. x als gs in Vers 4512 rogsan. 4. Die liquiden Laute. II erscheint vereinfacht I Vers 188 bilich. — n steht für l III Vers 3633 manit. — Ausgefallen ist l Vers 3678 kage =i klage. r wird verdoppelt. I Vers 4595 donrr 4280 serr 170 merr = mazre. AG § 198. r springt um. AG § 197. I Vers 163. 411 brutlich — bürtlich 393 dornblik 4395 verlonr 4697 sirn = smw\ II Vers 962 6nt& = = burc. r fällt aus. I Vers 495 truenklichen 441 turet AG. S. 166. Auch wird es abgeworfen. III 3291 me — nucre, also mis- verstanden. 3555 gespenget. r wurde eingeschoben in dem Namen burzival vgl. AG 8. 166. Die Basier Bearbeitung von Lambreclita Alexander, 77 Zwischen r und n tritt e als Svarabhakti .-in. .'MSI g,r.-„. rr wird r. 1 Vers 383 dire. II Vers 599 v&riret. 623 tVre 813 cZf're. m durch n vertreten, auch m auf n gereimt : beides überaus häutig. Vgl. AG § 203. I 31 kein. Ebenso II 588. III 3235 Im Reim 237 gaden : schaden. 4430 kein lieh 4586 cleopatran 261. 381. 4509. 4510 fcimf. Ebenso II 610. III 2016. I ll allesant : hant. II 696 undertan : Jean C>14 vernan :kan. III 2010 #mw : moi! 1818 %mi : /oi^.v,,//, 2724. 3353. 3636. 4«>s;;. 4633 dan-.kan 2320. 2522. 2558. 2568 kan-.ma» .'5341 nam i : „„ 3277 rwom : getuon 3889 gaden. — 1692 rawjf rawipÄ :U60 kanff - kämpf. n wird durch m ersetzt. AG § 168. Vers 3799 bodem 3210 machen -. nahen, jedesfalls misverstanden, ebcn.su 3672. 3712 nemen -. nennen (was freilich auch anders gefassl werden kann) und 3543 meid -. neig. nn für n. 4G78 anne dne (4712 an 4720 on) 438G wenne — weene 4466 gernne etc. 1376 inw. ?■ für n nur verschrieben. Vers 1278 endrar 14S'.i Äerer == herren. n eingeschoben AG S. 267. II Vers 577. 1530 geva'fruLiir/i 1051 vestenklich 1374 zornenklich. III 3201 gewaltenklichen 3687 4030 wunenklich 4184 züchtenklich. en : e erscheint gereimt. 610 nache : gevacht n 3039 //< /•//< : werften 3143 bringen : gedinge 3llJ7 hende '.wenden 27<1<> Hessen : verhiesse (vgl. auch 4012 her: wem). — 2093 da : gm-an isl in rfom zu bessern. 2019 ?:?/o : £moh. Höchst auffallend isl Vers 27ti'i kam : daryum, doch werden die Namen sehr frei bebandelt. »« wird vereinfacht. I Vers 276 gerninet 371 I. sinen: gewinen und so noch oft. Dagegen 3642 Hs. gerant i://«//i. ftw steht für jid. Vers 145 wonrce AG § 204. Daneben Vers 4324 ?>w/>. Aus dem Vorstehenden hat sich ergeben, dass einzelne Spuren des Md. sich besonders in den Reimen, also der Sprache des Bearbeiters erkennen lassen, obwohl auch er, wie durchweg ^ 8 Werner. der Schreiber alemannische Formen braucht. Auch war zu ersehen, dass Schreiber und Ueberarbeiter nicht eine Person waren. Flexion in B. Schliesslich sei noch erwähnt, dass auch die Flexion den alemannischen Charakter der Sprache nicht verläugnet. A. Conjugation. B zeigt die grösste Vorliebe für die Endung ent. ' Sie erscheint 1. in der ersten Person pl. ind. ps. (AG S. 337) II 888 wir süellent. III 2442 niüegent 2898 sbllent - 2. in der zweiten Person pl. ind. ps. AG S. 337 f. I 529 hand - habet (ebenso 4332) 4629 mbgent. II 664 sbllent 680. 720 wellent 716 land IM 812 dünt 882 hbrent 1206 tünd. III 2865 sind 2936 wellent 2944 dtnü-.mät 3952 wellend 4019 sbllent. Auch im Imperativ dieser Person. I 92 gand 93 siczentJ III 1860 hand = habet 1973. 1986 sind -. = sit 2286 vernement 2076 werent 4071 wissent 3095 rechent — 3. in der dritten Person pl. ind. pt. I 336 warent. II 1056. 1125 wurdent 1173 brachent. III 1732. 3217 wurdent 1785. 1884. 1885 icarent 2163 wichent. AG S. 344 - 4. in der dritten Person pl. conj. ps. und pt. I 4554 süllent. III 3108 werent 3190 hettent. AG S. 341. 346. In der 2. pl. rindet sich die Endung en. AG S. 338. 1124: sehen 123 meinen. Imperativ 3087 wagen. II 1213 bedenken. III 2750 werden 2951 sagen 1769 sollen 2863 sfdlen 3316 wissen 3939 vechtten 3948 getriuwen 4225 loeren 4226 sacztten. Impe- rativ 3015 bereuten 3958 geben. Die Endung en erscheint auch in der ersten Person sg. ind. ps. AG S. 334. III 2291. 2294 ich schaffen 2707 erbeuten. Tax erwähnen sind noch folgende Formen : Erste Person sg. conj. ps. III 1926 sig. Zweite Person conj. I 85 sigest AG S. 351. pt. ind. 3882 slüegt 2402 stellt, (furatus es.) imper. 1 Das t wird auch zu d erweicht. AG S. 338. 2 Kommt in I nur zweimal vor, weil sich die Personen duzen, nur im An- fange der Bekanntschaft irzen sich die Königin und Nectanabeus. IH>> Hasler Bearbeitung von Lambrechte Alexander. 79 2594 gibe 2698 kum. Dritte Person sg. pt. I 97 hie. III 2236 lie : 2237 lies. I 104 antwurt 2417 m'rf. I 3068 diuch. 111 2248. 2692 mach 3111 mocÄ 2259 gedach. — III 1871 zerhiuwe. II 1220 sa«£. Zweite Person pl. III 1985 rüemen -. rämet. Parti cipium pt. I 134 gewirket -. -. geivorht. AG S. 388. III :!7!»7 gebuwen 3809 enpflegen 2380 gemach. II 991 verlier!, t. Alle diese Formen gehören nur dem Bearbeiter an, sie finden sich nicht im Reime. Einige Erscheinungen der Conjugation mussten schon im vorigen Abschnitte behandelt werden. B. Declination. Es erscheinen Parallelformen: I 3039 mitdien 3046 min/leren dat. pl. von mül. 130 götte (130 Dat. gotten). Schwach ist der I ren. pl. 39 Hütten. Nom. 418 ellimenten. II 572 gbtter 1072 dürnen 1149. 1251 turn 1207 dvrn 1074 büem 1080 büm 1082 iim/m. — pl. 1185 geren von .z\).viy.z und bei JV 3, 5 Eorum filii conjugqsque pascendis pecudibus occupantur und Ekkehard liest genau ebenso wie die Hdp. Auch die andere Parallele, für die Harczyk selbst zugleich den PsK anführt, beweist mehr für eine nähere Verwandtschaft von M und dem Lib. Doch ist auf einem solchen Wege nicht viel Heil für die Frage zu erwarten. Freilich bietet die Erschöpfung des Gegenstandes ihre grossen Schwierigkeiten, denn die Untersuchung über die antiken Quellen der Alexandersage ist kaum erst begonnen. Wichtige Darstellungen liegen noch nicht in brauchbarer Gestalt vor, während anderes bis jetzt nur in den Hss. und alten, meist sehr verderbten Drucken zu benutzen ist. Daher muss auch ich mich darauf beschränken, das Einschneidendste und Ent- scheidendste zu erwähnen, um doch wenigstens eine Sonderung im Grossen und Ganzen vorzunehmen. Dabei müsseu drei Theile unterschieden werden: ich behandle I. die bei Lambrecht fehlende, von seiner französischen Quelle mit Absicht zurück- gewiesene Vorgeschichte, II. den historisch strengeren Theil, der von VMB gemeinsam überliefert ist. III. die mehr sagen- hafte Darstellung von Alexanders Zügen, welche in V nicht mehr erhalten ist. Die Basler Bearbeitung yon Lambrechts Alexander. 8] Ich benutze den PsK und JV in Müllers, die Epitome in Zachers Ausgabe, für die Hdp bin ich auf .'inen Strass- burger Druck von 1494 angewiesen, den mir Herr Geheimrath Professor Müllenhoff aus seiner Bibliothek in liebenswürdiger Weise lieh. Es hätte nahe gelegen, die von Harczyk in einer Abschrift Schindler' s benutzte Münchner Hs. (Cod. lat. nr. 23489) selbst einzusehen, doch hatte Herr Professor J. Zacher die Freundlichkeit, mir mitzutheilen : ' ,Mit dieser IIs. allein können Sie wenig mehr als gar nichts anfangen. Zwar hat sie noch nicht die massenhaften Interpolationen, an denen alle Strassburger und niederländischen Drucke leiden, aber einen unverfälschten Text bietet sie keinesweges. Wie sehr sie in den vorderen Theilen entstellt sei, wird sich erst bei Kenntnis und Vergleichung echterer Texte klar und sicher herausstellen. Dass sie gegen Ende so confus und verderbt ist, dass sie für diesen Theil unbrauchbar wird, sieht jeder Kenner auf den ersten Blick'. Nach einer solchen Charakteristik durch den Einzigen, der sich in Deutschland eingehend mit den Alexander- sagen beschäftigte und seit Langem eine kritische Ausgabe der Hdp vorbereitete, vergieng mir die Lust, den langen Weg zur Erlangung der Hs. zu betreten und ich begnüge mich mit (hin Drucke von 1494, da offenbar auch dem Pfaffen Lambrechl oder seinem französischen Gewährsmanne eine kritische Aus- gabe der Historia noch nicht vorlag. I. Die Vorgeschichte in B. In allen mir bekannten Darstellungen findel sich die Sage, dass Alexander nicht würklich Philipps Sohn gewesen, sondern dass er von einem ägyptischen Gotte, beziehungsweise Zauberer abstamme. Nu spreclt.nt /><"'*<' lugenäre daz er eines goukeldres sun wäre, die ez imer gesagent, die liegent also !><'>■■<<' zagen, oder di es i gedähten (V L85, (3 ff. M 83 ff. 1 In eiuem Briefe vom 30. December 1^77. Damit vergleiche man. er 1867 im Pseudocallisthenes S. 132 sagte. Sitzungsber. d. pliil.-hist. Cl. XCIII. Bd. I. Hit. 6 82 Werner. und B schliesst sich der grossen Masse in diesem Punkte voll- kommen an. Wenn man bedenkt, dass sich der Basler Alexander in einer Basler Chronik vorfindet, so liegt die Vermuthung nahe, Ekkehardus Uraugiensis (EU), welcher zu Anfang des zwölften Jahrhunderts in Bamberg seiner lateinischen Weltchronik einen grossen Auszug aus Leos Werk einfügte, l habe dem Basler Bearbeiter einer Weltchronik vorgelegen ; denn auch B zog in seine Darstellung ein selbständiges Buch herein, wie sich aus dem Schlüsse ergibt. Für die Benutzung Ekkehards durch B scheint ein Umstand zu sprechen. Wie schon oben S. 55 erwähnt ist, findet sich Blatt 21a. 1 von B eine Hindeutung auf die Geschichte Alexanders, bevor die eigentliche Erzählung beginnt. Sie lautet: jn der con- sul zitten ward der gros allexander von meczydonj pilipes sun [sc. geborn]. 2 der zerfuortte daz rieh der -persar und den jungen kiing darjum; des tochter raxani er sider nam. 5 also zergieng daz rieh der persar und Jean tif daz rieh der kriechen. Alexander stiffte in egipto allexandry die grossi stat und do er die weit enhalh viers in zwelff joren alle betungen hat, do wart im von sinem schenken vergeben 10 und [er] 3 starb mit aller kriechen grosser klag, von allexanders her komen die Sachsen und die sicoben. do allexander dot ivas, sin her ward in vier her geteilt und in iiij künker [21a. 2J rieh, die zerfuortten es mit mangem strit. von dem her ward anithyohus von anthyoha. der zerfuortte jherusalem und beroubt den 15 tenpel. dar umb sluog got 4 wider in urliug [mit] Judas machabeus und sin bruoder jonachas und sin bruoder simon und ouch mit mettryo und mit allexandro dem jungen eds lang, unez ir aller rieh in der roemer gewaltt komen. der disse mer also weit 5 ivissen, der lesse den grossen allexander oder daz buoch 20 der mach ab eis etc. 1 Zacher, Pseudocallisthenes S. 110. 2 3 geborn] fehlt Hs. 3 10 er] fehlt Hs. — Vgl M Vers 7271 do wart ime uergeben. 4 15—18 so die Hs. 15 got] Hs. got. mit] fehlt Hs. 5 18 Hs. weit. ! Die Basier Bearbeitung von Lnmbrechts Alexander. In ähnlicher Weise leitet Ekkehardus Beine Geschichte ein; es finden sich dabei folgende directe Parallelen: Zu Z. 2 vgl. EU 60, 46 ' Quibus etiam diebus"1 Alexander Magnus . . . natus est. Zu Z. 5 f. vgl. Gl, 66 f. Persarumque regnum Alexan- driam translatum est, ubi regnatum est per annos ducentos nona- ginta sex. Quod regnum alii Grecorum, alii Aegyptiorum umnimmt regnum. Zu Z. 7 vgl. 61, 58 Alexandriamqne in Aegypto coni,-.s diversas sortiti provincias .... mutuis se bellis consumpserunt. Zu Z. 18 f. vgl. 62, 9 ff. Sed quia idem Alexander multa mire peregisse legitur, quae scire multi delectantw, Übet de vita eins aliqua summatim decerpere, quibus delectationi querentium utcumque valeam safisfacere. Und darauf folgt erst Excerptum de vita Alexandra Magni. Aber schon aus dieser Probe ergibt sich, dass die Unter- schiede trotzdem noch sehr bedeutend sind, umsomehr als sich bei Ekkehard die Erzähluno- direct an die Einleitung anschliesst, während in B ein langer Bericht über die* Vorgänge in Rom zwischengeschoben ist. Und auch sonst gibt es Discrepanzen genug in grossen Hauptzügen wie in kleinen Detailausmalungen, so dass an eine Benutzung des Ekkehard nicht gedacht werden kann, vielmehr sind die Uebereinstimumngen auf die gemeinsame Quelle der Sagen zurückzuführen. Während zum Beispiele B Vers 14 ff. (mit gereinigtem Texte) und EU 62, 15 f. sich gegen lldp stellen: B er gie in sin kamer ein EU sed palaliumintrans appi'e- und saczte für sich ein bekelin, hendit concham aeream, regenioazzer goz er darin implevitque eavn aqua pl ii viali • 1 Mon. Germ. bist. VIII Scriptores VI. 2 Anno ab UrJ>e cond. 365 . . . dignitates in urbe mutatae sunt, et pro sulibus . . . tribuni militares esse coepermif. 3 Vgl. 61, 65 f. et totus oriens in potestatem Macedonici cessit imperii. 6* 84 W e r n e r. — in den Hdp dagegen lautet der entsprechende Satz : sed intrauit cubicidum [B kamer] palacij sui et deprendens concham eream plenam aqua pluuiali (bei PsK I 1 heisst es ähnlich, doch fehlt ein Zug: aXXa itOs'.; Xr/.avvjv CTOiet XsxavojjiavTeiav, y.al TtOstc ; tyjv Xexavijv . . JV 1, 1 weicht vollständig ab, JStO.C 1CTQY<*10V er sagt: quin potius ingressus aulae penetralia regiaeque secreta, ibi se solitarium abdebat, invecta secum pelvi. Quam dum ex fönte limpidissimo impleret, . . . .) — während also hier Ekkehard sehr wohl der Gewährsmann von B sein könnte, ist dies in anderen Punkten total unmöglich. Bei EU fehlt z. B. die ganze Scene B Vers 29 ff. er sagt 62, 17 Cumque regnaret annis decem et octo, nunciatum est sibi, multas gentes adversus eum convenisse. Qui, remotis a se omnibus, palatium intrans, et solito rnore .... Dies entspricht den Versen 25 ff. do körnen im mozre, daz der kling persarum icoere komen in in sin lant, und in roubt und brant und 41 ff. ze der rede sweig er do, in sini kamer gieng er dö . . . das was zwischen Vers 29 und 41 steht, hat keine Parallele bei ihm, während Hdp gerade hier bis in Sentenzen stimmt, wie B 39 f. der Hute menge ist selten guot, si haben denn vereinten muot und Hdp üirtus enim non hec valet in multitudine populi, sed in fortitudine animorum, was dann durch ein Beispiel aus der Thierwelt erläutert wird, das in B fehlt. Hdp schliesst sich an PsK an. I 2 ou yap iv sy/,<;> it vrrj.'v.:, kXX1 ev jcpo6up,ia o rShz[j.oq • •/.ai '{7.0 ei; Xewv ■roXXa«; £Xa y.y. xou Qt)Xouatou v.y). y.r.o-/.zJz-y.z TcapayiveTai zl; QsXXtjv . . . Ferner die wenigen Worte JV 1, 3 Mxe autem, raso capite et barba, col- leciisque omnibns quae sibi erant pretiosarum opum, (ij/jntlit Macedoniae. Ibique amictus veste linea . . . Seine Nachrichten kann B in diesem Punkte nicht aus der Chronik des Ekkehard, noch aus dem PsK, noch aus dem JV geschöpft haben, sondern muss einer der Hdp entsprechenden Darstellung gefolgt sein. Wieder gleichsam gekreuzt ist das Verhältnis Vers 69 ff., wo in B überliefert : B EU 62, 21 ff. Da kam ez zuo Cumque ibi morare- den ziten, turusqueadtem- pora regis Phi- lippi, quo dam tempore illo ex- , unte ad proeLium} daz küng philip < wol- te rxten, der des Landes ein herre ivas Hdp Inti'.n-n l'hWppns rex Macedonii 86 Werner. B (durch urliuge fuogt sich daz). vnde da er gereit, Nectanibus niht ver- meid : vf den balast gie er durch seh ou- io en Olimpia die schne- ll i fron wen, diu da küngiune was, als ich von ir ge- schriben las. ze hant als er sie sach, ir minne schoz in sere stach : daz sich von ir mimte verkerten sine sinne, gen ir hu ob er üf sin hant, mitsinem gruoz ward si ermant. er sprach ,gegrüezest sist du mit sinne Macidome here kün- ginne1. er toolt niht sprechen ,frouwe miir : daz muotte enteil die küngin. EU Nectanebus venu ad palatitnn salutansqioe reginam OUmpiadem, Hdp abiit in prelium. Anectanabus autem ascendens palacium ut reginamOlimpiam conspiceret et videret pulchri- tudinem eius. Hie cum videt eam iaculatum est cor eius in coneupiscentiam eius eversit, extendensque manum suam salutauit eam dicens ,Aue regina Macedonie', dedignatus ei dicere ydomina'. Klar ist, dass B eine nur wenig- freie Uebersetzung von Hdp darbietet und der erste in Hdp mangelnde unbedeutende Zug ist wohl für die ursprüngliche Fassung des Archipresbyter Leo zu reclamieren. Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander. 87 Es Hessen sich noch viele Beweise dafür vorbringen, dass die Darstellung- in B nur auf die Hdp zurückgehen könne 5 sie folgt ihr jedoch nicht sklavisch. Manches fehlt in B, was Leo ausführlich darstellt. So gleich zu Anfang die Aufzählung der herannahenden Völkerschaften, von denen auch Ekkehard nichts berichtet. Wie dieser bringt B nichts Näheres über die incantatio, gegen die Autorität der Hdp; nichts von den Zuständen in Aegypten, nachdem der König so plötzlich verschwunden war. Dagegen fügt B ein oder das andere Detail hinzu, so wenn z. B. Vers 96 ff. erzählt wird: diu frouice ir zuckt nit vergaz: si hie im schenken iren win in einen köpf guldin. der durst in nit vil sere twang: ez stuont anders sin gedank. Oder Vers 175 f. duostü mir daz kunt : daz danket mich ein speecher funt. Während solche Ausmalungen Eigenthum von *B zu sein scheinen, ist dagegen Anderes, was B abweichend von der Hdp enthält, in anderen Darstellungen erhalten ; z. B. in der Beschreibung des Gottes Amnion (Vers 193 — 198) stimmt Vers 193 er ist ze jung, noch ze alt mit der Hdp neque iuuenis neque senex, wenn B dagegen fortfährt : in rekter mos gestalt, so findet sich eine Parallele zwar nicht bei Leo, wohl aber in der Verdeutschung des Euseb: er hat ein mittel gsetalt, und in D — Ekkehard 62, 28 sagt: in media aetate consistit — und für Vers 195 f. er hat an der stirne sin zwe hörn widrin ist nur PsK I 4 v.ipy.^y. r/jov h. tou [j.e-mzz-j -izsj.z-v. und Ekk. 62, 29 habens . . . in fronte cornua, ferner D 2C het an de hewpte herner alz ein stechir heranzuziehen. Mit der Ansicht, dass Amnions Bart sei gestalt als einem kitzin steht B ganz allein. l Schon aus dem bisher Gesagten gieng klar hervor, dass die Untersuchung keineswegs einfach ist, doch hat dies nur darin seinen Grund, dass man nicht jene Textesgestalt der Hdp benutzen kann, die dem Bearbeiter vorgelegen haben muss. Denn ein Verfahren, wie man es nach meinen Aus- führungen anzunehmen hätte, ist undenkbar; eine Compilation 1 Hdp et Lariam canix hahens ornatam D 2C vnnd hot einen hundes Laly wol geezyreth Berger XIII 2, -94 et larles aornee de chaenes. 88 Werner. in der Weise, dass bald aus diesem, bald aus jenem Werke ein kleiner Zug herübergenommen würde, hat gerade so viel Wahrscheinlichkeit, als dass der Bearbeiter von *B griechisch verstanden habe, was auch vorausgesetzt werden müsste. So viel ist aber trotzdem als sicheres Resultat der im Einzelnen geführten Untersuchung hinzustellen, dass die Ein- leitung von "B in allen Hauptsachen, in Anordnung und Grup- pierung des Thatsächlichen, und in einer grossen Reihe von Einzelheiten genau zur Hdp stimmt. Bei allen anderen Stellen ist die Frage aufzuwerfen, ob an der Abweichung nicht viel eher die Ueberlieferung der Hdp als die selbständige Thätig- keit des deutschen Bearbeiters Schuld trägt. Und die Frage wird von einer kritischen Ausgabe der Hdp gewiss mit Ja beantwortet werden. Die Uebereinstimmungen zwischen *B und dem Werke des Archipresbyters Leo sind viel grösser als die zwischen *B und irgend einer anderen Fassung der Alexandersage. Es lässt sich nicht eine grössere Scene finden, die bei Leo nicht in demselben Zusammenhange stünde wie bei *B, während man bei JV, bei Ekkehard, bei der Epitome Seite für Seite auf die klaffendsten Discrepanzen stösst, und vom PsK kann als Quelle für *B ohnedies die Rede nicht sein. Es wäre vollkommen überflüssig, wenn ich noch mehr Beweise für diese meine Ansicht beibringen wollte, ich müsste den ganzen Text von B und dazu das Meiste aus der Hdp hier in der Einleitung abdrucken lassen. Denn ich muss noch- mals hervorheben, dass B manchmal kürzer als die Hdp ist. Es ist nicht ganz ohne Werth, diese Unterschiede zwi- schen *B und der Hdp im Einzelnen zu verfolgen. Dabei läuft man freilich Gefahr, B Freiheiten zuzumuthen, die ihm ferne lagen. Es kann B eben alle abweichenden Züge aus einer Gestalt der Hdp geschöpft haben, die von der uus vor- liegenden sehr verschieden war. Die folgenden Bemerkungen sind daher mit Reserve aufzunehmen. Nectanabeus verspricht Vers 229, er w^erde der Königin den Gott Amnion in eines traken bilde zeigen; in den anderen Darstellungen setzt er noch hinzu, wie in der Hdp: et exinde Inimanam formam accipiens et mea similitudine apparebit. Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander. OO Dadurch, dass B diesen Zug weglässt, erscheint der ' Betrug weniger handgreiflich und die Königin wird in besserem Lichte dargestellt. Das Hinwegschaffen dieser schmutzigen Ausmalung beweist eine feinere Empfindung des Bearbeiters. Ueberhaupt wird die Königin von B mehr als leichtgläubig, denn als schlecht geschildert, wie z. B. in der Hdp, wo sie auf Necta- nabeus Zumuthung unde si placet , esto Uli parata , quia in nocte videbis eum et in somnio concubet tecum geil antwortet si hec videro, [te] non ut prophetam nee diuinum, sed ut deum ipsum adorabo, was von B mit Feinheit unterdrückt wurde. Auch die Liebesscene ist eines grossen Theiles ihrer Ausführ- lichkeit entkleidet, und das Ganze mit Bescheidenheit vorge- tragen vnd volbrähte den willen sin mit Olimpid der küngtn. Damit vergleiche man das, was die Hdp und alle anderen Darstellungen berichten. Auch sagt B einfach nun läze ich dir ein groze nxiet, daz -wizze edle kungln: diu geburt so grdz sol sin daz ir dehein man mit strit mag gesigen an, während Hdp erzählt cum autem a coneubitu surrexisset, percussit eam in utero et dixit etc. und dann erst noch cynisch hinzufügt: taliter deeepta Olimpia cum homine tamquam cum deo coneubuit. Mane autem facto descendit Anectanabus de palacio. Regina itaque prae- gnans erat. Von alledem nichts in B, erst des Archipresbyters : cum autem, cepisset tumescere venter eius vocauit ad se etc. gibt er durch ein do si nun grbzen begunde dö besante si etc. wieder. Auch in diesem Zustand wahrt bei B die Heldin ihre Ehre, denn sie fordert den Zauberer auf, sich zu setzen (256) und ihre Schuld gesteht sie reumüthig ein, indem sie fürchtet, Philipp werde sie bei seiner Rückkehr tödten (263 f.); ' ausdrücklich erwähnt wird, dass sie Angst empfinde (265. 268). Und der darauf folgende Traum des Königs ! Wie gross der Unterschied zwischen B und der Hdp; diese berichtet2 . . eadem nocte apparuit philippo in somnio deus Hamon con- cubens cum Olimpia vxore sua et post coneubitum videret os vulue consuere et anulo aureo consignare und beschreibt den Ring genau, während B nichts sagt, als ... küng Bilipus von der küngin troumte, wie der got Amön si hetti geminnet sclwn. ' Vgl. Weinholtl Frauen 292 ff. 2 In Uebereinstimmnug mit PsK etc. D übersetzt stäts die Hdp. 90 Werner. B fügt bei dem ersten Begegnen Philipps und der Königin höfisch hinzu : die kust er an ir roten munt, während Leo trocken sagt osculatus est eam. Schon oben lernten wrir einen Zug auf gesellige Freuden bei B kennen Vers 9(5 ff., auch bei dem Gastmahl des Königs, von dem Hdp nichts zu sagen weiss als Quadam die epulabatur Philippus cum principibus etc., wird hervorgehoben eines tages fuogt sich daz daz . . . man truog mit schalle bede brot und ouch den imi. Dieselbe keuschere Darstellung wie oben beweist das Fortlassen des Satzes et torquehatur venter eins, auch sagt die Königin nicht magister venter meus maximis dolor ibus torquetur, sondern nur meister, mir ist unmdzen tce. Ueberhaupt vergleiche man die ganze Scene in den beiden Fassungen und man wird das Rohere der lateinischen Darstellung besonders in der Ueber- setzung z. B. in D unangenehm empfinden. Dagegen ist B in einigen Punkten bedeutend trockener, philisterhafter als die Hdp ; ich verweise vor Allem auf die erste Jugend Alexanders; während Leo hier mit Interesse das Detail ausmalt, constatiert B in wenigen Versen (429 — 436) nur das Thatsächliche ohne inneren Antheil. Auch das erste Gespräch zwischen Alexander und Nectanabus beweist dasselbe Verhältnis. Tiefere Empfindung spricht dagegen der Vers 525 f. aus ,ice mir' sprach Olimpias ,iXwctwo 'izu> 5vt'i ~r,; TcöXewc. c0 es £XtTCico<; ■j-c\j.'/rlcÜz\q tou xpvjffjAOu £:jOioj; ä-r(vTr(ss tw 'A-Xs^avSpw v.y). r^-y.-yr.z auxbv S'.ttmv ■ jXaipoic, \\'/.z zs.'/ipi v.z'[j.zv.zy-zp'-. JV I 17 Quod cum admirationi visentibus foret, l ex cursu quidam rem periculi Maus nuntiat Philippo. ßed ad memoriam ille revocans monitus oraculi 1 Dem entspricht B 645 daz duhte si ein wunder al. Die Basler Bearbeitung von Lambrechtä Alexander. 93 occurrit ad puerum, et salutat inde ut orbis integri dominum. Hdp cunaue ergo vidisset eum Philipp us dixit ei ,Fili Alexander, omnia responsa deorum impleta sunt in tel. Auch Ekkehard 63, 22 sagt wie Hdp Quod cum vidisset Phylippus dixit: ,Fili Alexander, omnem divinationem modo cognovi in te'. In Hartlieb's Verdeutschung des Eusebius heisst es: Das ward bald verkündet Philippo dem kling, der sähe es auch vnd sprach: ,0 Alexander, nun habe ich gesehen alle icarsagung . . (Auch in dem bei Berger und Weissmann gedruckten französischen Prosaromane [W II 376] wird nur berichtet Quant li roys Phelippes le vit, si li dist: ,Fiz Mixandres, or conoys-je tous les respons de Dien en Dieu'.J Keine von all diesen Darstellungen — die englische weicht vollkommen ab - - kann hier die Quelle für A gewesen sein, Vers 5 — 24 sind verschieden von allen übrigen Fassungen. Ich habe das Recht, diesen Unterschied auf A zurückzuführen, denn auch V, wenn es gleich zwei Verse nicht überliefert, die MB darbieten, stimmt zu keinem der oben angeführten Texte; die Verse 4, 6, 9 und besonders 12 beweisen zusammengehalten mit 19—24 zur Evidenz, dass auch ihm etwas Aehnliches wie MB vorgeschwebt habe. Wäre V seinen näheren Vorlagen JV und der Epit. ge- folgt, so müssten wir 1. etwas dem Satze sed ad memoriam — oraculi Entsprechendes erwarten, 2. aber dürfte das Abspringen vom Pferde und das Entgegengehen Alexanders nicht erwähnt worden sein. Da aber V schon in diesem einen Punkte sich dem vollkommen abweichenden Verfahren von MB genau an- schliesst, so wäre es inconsequent anzunehmen, dass es nun Vers 12 f. nicht enthalten habe ; vielmehr ist es wahrscheinlich, dass abermals ein Abirren des Auges Schuld an der Verderbnis trägt. Ich vermuthe in A habe gestanden : ' 1 Die Wiederholung eines oder mehrerer Satzglieder nach einem Zwischen- satze findet sich mhd. nicht so selten, als man wohl glauben würde; vor Allem sei erwähnt: Veldeke En. 195, 29 ff. T)<> daz Turnus gesach, daz du vile tot lach des hers von den zwein reuen, daz niemav mohte genesen, den si mohten bestrichen, si müsten alle entwichen: de des Turnus wart gewar . . In den alten Bruchstücken des Eilhart VIII 26 da lägin si beide, mit michelin leide wann si bevangm. dar lag in si. s6 lange, daz sie nietnen uf huop ... IX 63 ich wene in sin geselle hüf, Satanäs der tübil; ich bin is och dne zuwihil, er huob in 94 Werner. er warf sich nider unde gienc (Vestiän daz ros entfienc, des wart ez gezemet mit eineme hritele) unde gienc sineme uater gegene . . . Dies ist freilich nur eine Conjectur, erklärt aber den Stand der Ueberlieferung. Einen andern Punkt kann ich dagegen nicht entscheiden, wie das Verhältnis zwischen Vers 10 und Vers 8 aufzufassen ist. Hier muss ich gestehen, meiner Sache nicht gewiss zu sein-, man erwartet zwar Vers 9 einen Objectsatz, denn ein blosses daz würde auf Vers 6, nicht auf Vers 5 zurückweisen, allein ich weiss mir nur mit der Annahme einer Doppellesung zu helfen, dass nämlich in A entweder 10 (8) oder 11 über der Zeile als Correctur gestanden habe etwa in der Weise : sicherliche. Beides wurde vom Bearbeiter zerstört, der aber selbst Aebnliebes aufweist: 321 ff. wen he was ein forste hoch geborn. der koning hdte in uz irkorn, daz he shies riches ufflt und im lanf, und ere belült. he was ein forste von dem lande . . . 4452 ff. Kurneväl do wedir sach, wie nähe im der hunt loere. he Mit rechte in der gelere als ob he wolde sin lebin umme des brakin tod gebin. Kurneväl der gute', in vil zorniglichem mute hilt he bi einem boime und nam vil rechte goime, wä he den brackin hörte. 5157 der wall, du von ich üch wil sagin, da in der koning do reit jagin, der en was sin nicht aleine. 6940 do gedächte he her wedir ,her ist mit dir ir: komen: ez enwere dir kein vrome; swie obele so he habe getan, Idz du dinen zorn zugän1 gedähte der helt wise. In der Berliner Hs. 7409 — 7412 die [kunigein] weit plaich vnd rot Sam es die frewd ir da gebot Wart sie an ir varbe ist noch etwas mehr verschieden und ver- gleicht sich Sätzen wie Vorauer Alexander 216, 10 f. unde sie über daz wazer niene liezen über daz wazer eufrates. In der Vorauer Kaiserchr. steht 93, 28 ff. Ein armer wart ir gewar, er slceich ir nach an das uruar aiin armer trageere, doch er e kunich ze rome weere. 133, 13 ff. du minnet oh in div froive mit aller slahte triwen. mit zuhten unde mit gute mit aller deumüte minnet e si den helt palt. 234, 23 ff. so bistu frowe geborn uon kunigen unt uon herzogen geboren alse edele gezimet niht ze kebese. 405, 4 ff. der prister der herre Eusebivs di uvil er iungelinch was in der swarzen buchen er las. (Vgl. Heinzel QF 10, 7 f.) Nicht alle diese Beispiele sind gleich überzeugend, beweisen aber doch, dass ich A nichts dem Geiste des Mhd. Widersprechendes zuschreibe. Bei Tauler überliefern in der Predigt: Des andern suntages in der vasteh die Strassburger und Wolfen- büttler Hs. gemeinsam sogar: O herre, ie doch geschiht es underwilen daz die kleinen welfelin, die kleinen hundelin, daz die doch gespiset werdent von dem gebrockele daz do vellet von der herren tische. Aehnlich Wigamur Hs. S (vgl. Zs. 23, 109) Channel ir vns gesagen wa Wa ist sein lanl hyn gelegen. Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alex in Lei 95 unde also Alexander (daz) uernam 9 daz der Jcuning dar quam 10 (8) er thet als im wol gezam 11 Nun schrieb V etwa alle drei in dieser Reihenfolge ab, V Hess den zweiten, B1 den dritten fort, während *M durch einen unbeholfenen Flickvers (7) die Erhaltung aller drei Verse er- möglichte. Auch hier also Anschluss von B an V, nicht ge- meinsame Zuthat von MB. Zugleich zeigt diese Stelle, dass die Quellenuntersuchuug durchaus nicht so einfach ist, wie sie nach Harczyks etwas nüchtio-em Aufsatze scheinen möchte. Noch ein zweites Mal geht die Frage um das Hand- schriftenverhältnis und die Quellen Hand in Hand, nämlich Vers 704 (Harczyk.S. 153). Es war von Alexanders Zug gegen Nicolaus die Rede und dann wird berichtet: V 198 28 ff. mit als er do wider haim gesan ein laiht nue mare er im uernam sin fater habeht sich siner viriler ge- lovbet untsaz in f oller brut- lofe er Uz die sine mfiter die frowen div liiez cleopatra M 452 ff. Do er do icider keime quam ein uil leit mere er uirnam desgwan er ungemute iz luas siner muter sin unter philippus ab comen unde hete ein ander ivib genomen di icas cleopatra ge- nant B 697 ff. do er nu wider kein Jean do hört so liehe mer die im icoren swer sin vatter küng pili- pus hat entseezet von sine 5 hus sin matter die küngin nach etlicher rat vnd sin hat er ein ander ge- nome vnd was vf die zit komen dz im der hochzit 10 gezam cleolepatra was ir nam 96 Werner. Also alexander liaim chom 15 er geinch für sinen fater sten mit nam die corone die er mit samt ime da hete M do alexander daz ir- uant unde erz rehte uer- nam uor sinen tiater ginc er stan B alexander gie ze hant da er sine mutier vant . . . er nam die erfochten krön vnd saczte sy vf sins vatter hobt eben. (er sazte di cronen do [die er nicolao \hete geroubit sinem fater ers uf sinem uater uf daz sazthe houbit Wir finden hier in V einen Gedanken zweimal ausgedrückt Vers 4 und 11, dagegen fehlt der nothwendige, für den Zusammen- hang unentbehrliche Gedanke, den MB in Vers 8 ausdrücken. In den Quellen ist Folgendes zu lesen; bei PsK I 20 5 et 'AXe^avSpo«; . . . iva:'/J.-t.zj tou yxzCkiiDz, t;v l'i ^iXimcov '■■c;j.y:r.y. xr)v aBsX'.Xwctcou, '-'/}<>> tov viwrjTixbv x,at 'OXu[Jt.max.bv i7ce fisch in grosser hochzeit vnd würtschafft. Alexander gieng für den tisch . . . V kann hier unmöglich das Richtige erhalten haben, denn so ungeschickt hätte A die Quellen gewis nicht wiedergegeben, es ist nur die Frage, wie der Gang der Verderbnis deutlich würde. V enthält hier eine Reihe von auffallenden Reimen ; Rödiger versuchte Anz. I 82 wenigstens einen zu bessern, es bleiben aber immer noch rnuoter : Cleopatra und quam. : stän. Der letztere ist noch einmal verwendet 198, 26 f. also alexander heim chom, er giench füre sinen uater stan- und Vers 13 wieder- holt nur, was schon Vers 1 gesagt war. Es erscheint mir daher unzweifelhaft, dass die beiden Verse 11 und 13 zu streichen seien. Mau könnte das Ursprüngliche wie folgt reconstruieren : unt als er do wider heim quam ein leit nüwe märe er im vernam. sin vater (Philippus) habet sich siner müter geloubet unde habet ein ander icib gehiicet\?] unt setz in foller brütloufe, Cleopatra hiez diu frouice. er gienc für sinen fater stän, die corone er do nam die er mit samt ime häte, stnem fater ers üf daz hoid)et satzte. Es ist dies nur ein Versuch, die verschiedenen Schreibungen zu vereinigen ; aber wenn auch dieser Versuch nicht ganz gelungen ist: das wird sich aus dem Vorstehenden mit voller Sicherheit ergeben haben, dass M B durchaus das Richtige, nicht eine selbständige Aenderung überliefert haben. In der zuletzt behandelten Scene findet sich auch ein tiefer gehender Unterschied zwischen Hdp und B, welches seiner deutschen Vorlage, diese aber mehr dem .TV und s^inr]- Epit. folgt. H 151 f. B corrigiert hier also nicht nach seiner lateinischen Quelle die deutsche Darstellung. Auch bei der Bändijung des Bucephalus hält sich B mit V an das Griechische, den JV und die Epit., während M der Hdp folgt. Es scheidet sich auch, was die Benutzung der einen Quelle anlangt, B von M, denn dieser Bearbeiter ändert stofflich einschneidend. Silzungsber. d. pliil.-bist. Cl. XCIII. IM. I. Hft. 7 98 Werner. yers 777_796 der Zug gegen Antonia, den V im An- schlüsse an JV bringt, Hdp und EU gar nicht aufweisen, wird von B ohne Anführung des Namens gegen die Autorität der Hdp geschildert. Dasselbe gilt von dem Empfange der Boten, die Darius sendet Vers 797—823, von der Besiegung der Stadt Thelemon Vers 824—844, die B talomone nennt. Vers 844 — 878 1 rindet sich ein bemerkenswerther Unter- schied zwischen V und B. Beide erzählen übereinstimmend: V 198, 8 ff. unt als er dö wider haim reit, do begagent ime ein meror arbeit. da wider reit ime Pausonias, der ein richer marcgräve was, unt fuorte die chunigin in sine gewalt. ä wie sere ers da ze stede engalt! daz was diu scone Olimpias diu Alexanders muoter was (M fehlt) während die Quellen von einander und von diesem Berichte vollständig abweichen, aber im Folgenden schliesst sich B gegen V an die Hdp und sagt: den spies er durch den großen stach, ze der erden dot in warf. V: durch sinen buch er stach, zuo der erde er in warf. Hdp2 facto impetu et evaginato gladio trucidavit eum. Bei JV PsK und dem Epitomator tödtet Alexander den Herzog Pausanias nicht, sondern bringt ihn vor den Vater zur Bestrafung. Hier, wie in dem Berichte bis zum Tode Philipps scheiden sich V PsK JV Epit. und B Hdp EU, so dass man sieht, B änderte seine deutsche Vor- läse im Hinblicke auf die lateinische, oder um mich der Worte Wackernagels zu bedienen, der Bearbeiter hat mit dem Lara- brecht in der Hand die Historia de proeliis verdeutscht. Und nun folge ich dem Gange der Erzählung in der Weise, wie es Harczyk that, indem ich nur das Erwähnens- werthe bemerke; die Verszahlen beziehen sich auf die Dar- stellung in B, die in Klammern auf W. Vers 879-907 (638-671). B folgt A gegen Hdp. Vers 908-940 (672—703). B bringt mit A die Zahlen- angabe und den Zug nach Sicilien [sittiren lant] gegen Hdp. i Vgl. Harczyk S. 153 f. 2 Vgl. Harczyk a. a. O. dem eine andere Fassung vorlag, die mit Ekkeh. 63, CO ff. wörtlich übereinstimmt. Die Basler Bearbeittim; von Larabrechts Alexander. 99 Vers 941—981 (704—743). Den einen von Harczyk her- vorgehobenen Zug, den A mit der Epit. gegen die Hdp theilt, bringt auch B. — Von der Aufforderung an die Carthager, sich zu unterwerfen, ihrer Gesandtschaft u. s. w. steht nichts in den Quellen, nur JV und PsK I 30 erwähnen Carthago überhaupt mit Namen und nur dieser hat im Cod. C eine nähere Parallele y.y.\ s/.aßs Trap1 auTwv ozzzjz. Vers 982—985 (744—759). Die Gründung von Alexandria mit A gegen Hdp, doch fehlt, ganz in der Weise von B, die Vergleichung mit den anderen berühmten Städten. Vers 986—1000 (760—779). B stimmt mit A gegen Hdp sowohl in dem was es bringt, als in dem was es nicht bringt, obwohl es in der Hdp steht. Besonders der Zug nach Palä- stina wird ganz abweichend geschildert. 1 Vers 1001—1265 (785—1246). Die Geschichte der Be- lagerung und Zerstörung von Tyrus berichtet B in Ueberein- stimmung mit V, resp. A. Die antiken Quellen sind noch nicht gefunden, wir treffen Darstellungen bei Curtius Rufus, der im Mittelalter sehr beliebt gewesen zu sein scheint, und, was Harczyk nicht erwähnt, in Diodors historischer Bibliothek XVII. Buch, Cap. 40 — 46, Diodor erwähnt auch das Holen der Bäume vom Libanon. 2 Vers 1266—1275 (1247—1266). Ueber diese Stelle, welche auf die Sage von Apollonius von Tyrus anspielt und in den antiken Quellen natürlich nichts Analoges hat, wurde bereits oben in anderem Zusammenhange gehandelt (S. 21 ff.). Vers 1276—1371 (1247-1422). B stimmt zu A gegen Hdp in dem von Harczyk hervorgehobenen Punkte. Vers 1372—1377 (1423—1437). B berichtet Aehnliches wie A. Hdp sagt: Darius itaque perfecta epistola turbatus est valde. Deinde scripsit . . . JV I 39 Enimvevo acceptis Alexandri Utteris rex Darius, eisque gravius et arrogantius motus} ad satrapas . . . scribit. Ekkehard hat nichts Entsprechendes. Vers 1378—1410 (1438—1492). B lässt den von Harczyk als hervorstechend bezeichneten Zug im Anschlüsse an die Hdp fort. 1 Vgl. Weissmann zu 7G0 (nicht 769). 2 Man vergleiche den lesenswerthen Abschnitt in Dunckers Geschichte Alexanders des Grossen. 7* \00 Werner. Vers 1411—1549 (1493—1749). Schlacht gegen Mennes hat in den antiken Quellen keine Parallele. B schliesst sich gegen die Hdp an A an. Vers 1550—1622 (1770—1880). Die Streitkräfte nach A aufgezählt. Hdp nichts Entsprechendes. Hiemit endet das in V Ueberlieferte und es gehen nun M und B parallel. Wie sich ergab, änderte einigemale M, indem es sich genauer als A an die Hdp anschloss, auch B schlägt in einigen Fällen dasselbe Verfahren ein, doch fanden wir MB in dieser Thätigkeit nie einig. Für das Folgende ergäbe sich nach dem bisher Gesagten die kritische Regel: Ueberall wo nur eine der beiden Dar- stellungen sich genauer an die Hdp, die andere an JV oder die Epit. schliesst, ist anzunehmen, letztere repräsentiere die Fassung von A, wo jedoch sowohl M als B gemeinsame Ver- wandtschaft mit Hdp zeigen, ist dies auch für A vorauszu- setzen. Diese Regel kann freilich erst dann in einer kritischen Ausgabe von Lambrechts Alexander befolgt werden, wenn klarer in den antiken Quellen gesondert ist. Gerade in der zweiten, sagenhaften Hälfte der noch zu besprechenden Partie ist die Unklarheit am grössten. III. Der mehr sagenhafte Theil in M und B. Auch hier müssen wieder zwei Punkte unterschieden werden, je nachdem die einzelnen Züge von MB oder von M und B getrennt, resp. B allein überliefert werden : also 1. in MB. Vers 1631— 1056 (1889—1923). Hier weicht B und M von PsK JV und der Epit. ab und folgt der Hdp, nur ist B etwas kürzer als M. Dasselbe gilt von der nächsten Scene: Vers 1657—1694 (1924—1973) nur im Schlüsse stimmt B genauer zur Hdp als M. Vers 1695—1714 (1974—2001) die Schlacht gegen Amenta wird nur von der Hdp und Ekkeh. berichtet ; M schliesst sich genauer an die Hdp, in dem es si vohten freislichen zwene tage al in ein daz di sune nit ne geschein, wände si ne wolde uelücliten niht den mort wie Hdp erzählt, was in B und bei EU fehlt. Dagegen schiebt es 1983 — 1992 W zwischen si vohten allen einen tack Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander. IUI und si vohten langer tage dri, während B sagt: md vackten allen den dag, daz ir haut nie gelag. sy stritten drg gancze tag . . wie die Hdp und Ekk. et usque ad occasum solis equaUter pugnauerunt. ' Sic etiam per tres dies continuos pestiferum bellum durauit. Die kurze Beschreibung- der Schlacht 1994—1996 (W. 1707 — 1713 B), in welcher B und M übereinstimmen, hat in den Quellen keine Parallele. Die ausführlichere Schilderung in M 2002—2017 (W) hat ihren Ursprung in einem kleinen Satze der Hdp und der Chronik Ekkeharts; der Satz schliesst aber nicht direct an die Beschreibung der Schlacht an; sondern erst an den Bericht, wie der fliehende Amenta zu Darius kommt und dort die Boten mit Alexanders Brief und Gabe trifft. B bietet nichts diesen Fassungen Ent- sprechendes, sondern lässt auf die Ausmalung des Kampfes sogleich folgen Vers 1715—1734 (2018—2041). Die von der Hdp und EU ausführlich berichteten Eroberungen deutet M 2021—2028 nur an und B stimmt darin mit M. Das Sammeln des Heeres mit der Zahlenangabe findet sich nur in MB.2 "Vers 1735—1774 (2042—2087). Die Aenderungen von B haben in keiner der Quellen eine Autorität und ein Zug ist sogar gegen die ausdrückliche Erwähnung von Hdp aus der Beschreibung von Tyrus herübergenommen: abtirus . . lit an ener vestin wer, zwissent dem gebirge und dem mer. Hdp locus non erat naturaliter munitus. 3 Vers 1775—1815 (2088—2139). B stimmt zu M, die Zuthaten sind eigenes Machwerk von B. Die Aenderung von Harczyk ime in in ist nach B 1804 richtig. A weicht übrigens ziemlich stark von allen Quellen ab, am meisten Aehnlichkeit hat es noch mit der Hdp. Vers 1815—1821 (2140—2152). MB stehen allen andern gegenüber. Die Erwähnung der Bibel blieb in B weg, vgl. oben III. Cap. (S. 59). Vers 1822—1831 (2153—2163) gilt dasselbe. 1 Ekk. und die von Harczyk benutzte Fassung der Hdp haben liier uoch einen Satz überliefert. Vgl. H. 157 f. 2 Vgl. oben S. 100. 3 Dies wird in der von H. benutzten Fassung der Hdp freilich nicht erwähnt. 102 Werner. Vers 1832—1919 (2164—2277). Die von Harczyk hervor- gehobenen näheren Parallelen zwischen M und Hdp resp. PsK entfallen, da auch JV und Ekk., so weit sie von einander und den andern abweichen, gerade alle in der Erwähnung stimmen, dass die Lacedämonier eine Seeschlacht versucht und durch Feuer ihre Schiffe verloren hätten. Dagegen ist hervorzuheben, dass keine der sonst verwandten Quellen in dieser Scene die Vorlage von A gewesen sein könne, da keine so ausführlich die Belagerung schildert wie A. Es war also wohl eigene Zuthat des Alberich von Besancon. Vers 1920—1997 (2278—2391). Was Harczyk S. 161 über diese Scene sagt, ist durchaus nicht befriedigend. Die erste Parallele zwischen M und Hdp (PsK) fällt weg, denn auch JV sagt II 7 Tu illum ruleas nee dueibus nee preecurso- ribus confidentem, sed sibimet laboris omnis officio, vindicantem, Ucee agere quee tanta sunt: quee tu quoque, si reeta sapias, per te feceris. Vi den ut primus irruat in proeliaf prior in- tonet beüicum? prior periculum subeat? Die zweite ist richtig, JV auch Ekkeh. weiss nichts davon. Aber auch B bietet nichts dem Analoges, stimmt daher gegen M und die Hdp mit JV. Sollte hierin nicht das Ursprüngliche stecken? Denn sonst stimmt B mit M auch in dem von allen Darstellungen Abweichenden : Vers 1930—1937 = 2287—2292 das Versprechen vom Zins abzusehen, wenn Alexander vom Kampfe abstehe. Die Rede Ocyators - - Hdp nennt ihn Macher, M Occeatyr, PsK 'O^uaÖp-^c, JV Oxyathrus — ist in B viel gröber als in M. Von den kleineren Aenderungen in B z. B. Vers 1971 ff. bieten die Quellen keine. — Mit Ekk. theilen MB zwei Auslassungen: PsK II 7 (S. 61 b) r^j.sXq ok eTcejAtpa^ev oma) cntöxo? xa! acpaTpav eirt xb tocilciv y.a.\ ^a'.oc'jccöat . . JV II 7 (S. 62 a) Denique pudorem suum haud dubie fatebatur, quod ei viro pilam habenamque mi- sissit . . . Hdp Direxi ei ludicram pilam et zocham ut ludum disceret puerorum . . . Ferner fehlt nur in MB und bei Ekke- hard die Aufzählung der Völkerschaften. Vers 1998-2047 (2392—2454). Die von Harczyk er- wähnte Parallele zwischen Hdp und M ist richtig und M be- wahrt hier das Richtige, trotzdem B und JV den Gedanken, dass das Heer trauerte, nicht haben. B machte sich, wie aus 2008 hervorgeht, einer Auslassung schuldig. — Eine andere Die Basler Bearbeitung von Larabrechts Alexander. 103 Uebereinstiminung zwischen MB und der Hdp ist das Fehlen einer Apposition : PsK II 8 v.al er, tc; ^tXimcoq ovo^aTt, yiXtaxoq 'AXe^avSpw . . JV II 8 sedulitate acceptissimus regi . . Auch Ekk. 65, 71 quem diligebat Alexander quia medicus erat. Da- gegen heisst Parmenius in der Hdp und bei Ekkeh. princeps militiae qui tenebat Armeniam, dies fehlt bei MB, JV und PsK. — In der Erzählung des Gesprächs zwischen Alexander und Philippus weichen MB von allen andern Darstellungen ab. M und Hdp in der Bestrafung des falschen Parmenius, welche bei PsK, JV, Ekkeh. und B von Philipp erst gefordert werden muss, während Alexander in M : Parmenen Mz er slän ze siner anesihte (Philippo er do richte) wander in habite belogen. Und in der Historia Mox . . iussit ad se Parmenium venire et per- cunctatus invenit eum morte dignum. Sicque praicepit ut capite privaretur. — Die Todesart in B ist originell. 2048—2077 (2455—2544). B ist bedeutend kürzer als M. Der Zug nach Armeniä wird von JV II 9 nicht erwähnt, da- für ist ein anderes Motiv von ihm eingeführt, das sich später wiederholt : igitur recepta valetudine Alexander per Medos exer- citum ducens iter illud multis admodum diebus per deserta regionis emensus est, multamque aquae penuriam toleravit. Was M von Alexanders Thätigkeit in Armenien zu berichten weiss, bieten weder B noch die Quellen. Die stat Andriä M'ird bei PsK, Ekk. und in der Hdp genannt, hier heisst es : deinde ambulans diebus multis ingressus est locum aridum et inaquosum, ubi aquoz rninime consistebant et transiens per locum qui dicitur Adriacus x venu ad fluvium Euf raten; JV überliefert den Namen nicht. — Nachdem die Brücke geschlagen, weigern sich die über die Grösse des Flusses erschrockenen Soldaten hinüberzu- gehen, Alexander schickt daher zuerst die animalia, als dies auch nichts nützt, geht er als Erster hinüber und das Heer folgt ihm. Die beiden im Druck hervorgehobenen Motive fehlen BM im Gegensatze zu allen Darstellungen. — Die Reden der Soldaten und Alexanders, deren Ueberein- stimmung mit der Hdp Harczyk S. 161 f. nachwies, 2 wurden von B sehr stark zusammengezogen; dass dies nicht im 1 Ekk. 66, 14 Andriacus, wie auch Hdp zu lesen sein wird. PsK 'Apaav^. 2 In dem von mir benutzten Drucke ist die Uebereinstimmung viel geringer. 104 Werner. Hinblicke auf eine lateinische Vorlage geschah, ergibt die Ver- gleichung mit JV und der in B bis zur Unverständlichkeit gestörte Context. Vers 2078—2162 (2545—2650). Der Zug in MB, die Heere seien einander so nahe gewesen, dass die Vorposten sich gesehen hätten, findet in den Quellen keine Parallele, ebensowenig Vers 2587 er hetis gerne mer getan. Auch sieht sich Alexander in den antiken Darstellungen nicht nach dem Attentäter um, sondern dieser wird vor ihn gebracht. Die Aelmlichkeiten zwischen A und Hdp (PsK) im Dialog sind von Harczyk richtig angedeutet. Darauf folgen in dem von mir benutzten Strassburger Drucke der Hdp Vorschläge der Soldaten, wie der Perser gestraft werden solle. Dies fehlt in Harczyks Angabe, ist daher wohl Zuthat einer Recension von Leos Werk. Die M und B gemeinsame Schlachtbeschreibung ist von den Quellen nicht vorgebildet. Vers 2163-2205 (2650—2696). JV berichtet an dieser Stelle nichts über die Gefangennahme von Alexanders Mutter und Familie. Vers 2206—2243 (2697—2768). B kürzte so stark, dass Alexanders Antwort vollkommen unverständlich ward. Vers 2244—2255 (2769—2788). Die Angaben Harczyks beruhen auf grosser Flüchtigkeit. Alle Quellen berichten über- einstimmend, dass Darius den König Porus von Indien um Hilfe angegangen habe. PsK II 11 "E-ypa^e ce xai Qd)pw tw ßactXei Twv 'IvSüSv, zii\).vtzz ßorjöeia«; w^stv t.-j.-S dcutou. JV II, 11 Igitur ad Porum qnoque scribit Darius petitque sibi auxilia plurima. — Hdp ßcripsit et aliam litteram ad Porum regem Indorum, ut sibi dignaretur auxilium impartire. l Woher die Abweichung in M stammt, kann ich nicht ermitteln. Vers 2256—2451 (2789—3051). Für die Wichtigkeit dieser Partie bei der Frage nach den Quellen beweist Harczyk S. 162 f. kein Verständnis; auch S. 147 f., wo er die Verse 2825—2859, besonders 2851 f. (W) hätte erwähnen müssen, nicht ein Wort. Alexanders Traum Avird berichtet, es erscheint ihm ein 1 Auch in Hartliebs Verdeutschung: darnach schrib aber der gross Icünig Darius dem küniij Poro in India das er im ze hilf kein: Vgl. Michelant 255, 7 ff. Die Basier Bearbeitung von Lambrechts Alexander. 105 man in allen dem gebere als er sin vater were, nun äussert M wieder seine sittliche Entrüstung über der leien spot, welche den Vater Alexanders einen Gott sein lassen, die Rede aber, welche eben der Mann hält, hebt ausdrücklich hervor : ich teil dir läzen werden schin daz ih ein gwaldich got bin. PsK II 13 . . 'AXe!jav8po<; . . . bpx xa8' j-v;jc tov A;j.;j.o)vz h r/r^j.yr.: *Epu.ou x:j-ö) jcapecröxa, . . XeYOVta äutm 'Texvov AXeSavSps, l-.i v.y;.zzz i<7Tt ßoY]8e(a<;, rjv.-ac si[/.t crot . . . JV II 13 somniatque sibi deurn Ämmonem adstitisse omnem liabiturn, quo deum Mercurium pingi visisset , sibimet porrigent&m cum his mandatis: ,En tibi, fili Alexander , adsum in tempore' . . . Hdp Eadem vero nocte ap- paruit Alexandro Mercurius . . . dicensque Uli: ,Fili Alexan- der cum opus tibi fuerit semper in adiutorio tibi astabo1. Diese Stelle ist wohl verderbt und nach Ekkeh. 66, 71 f. zu corrigieren, wo es heisst : dormiens autem, vidit in somno Ham- monem deum in forma Hermi . . . sibique dicentem : ,Fili Alexander, quando necesse est adiutorium, paratus surn nunciare tibi'. Schon aus diesen Sätzen ergibt sich, dass M den gemeinen Text aufnahm, ohne auch nur den Versuch zu machen, ob die Ueberlieferung und seine specielle Auffassung nicht vielleicht in Einklang gebracht werden könnten. M ändert an der Rede, wie sie von allen Quellen überliefert wird, ' die wenigen Worte, auf die es ankam, nicht, sondern gibt nur seine widersprechende Ansicht wie in einer Anmerkung. Dies Verhältnis . ist höchst auffallsnd, entweder fand sich der Widerspruch schon in A vor, oder er entstand dadurch, dass M seine deutsche und latei- nische Vorlage in Einklang zu bringen suchte ; denn es muss als ausgemacht hingestellt werden, dass die Aenderungen, welche M vornahm, nicht bloss formalen Gründen ihren Ur- sprung zu danken haben, die Discrepanz von V und M, was die Benutzung der Quellen anlangt, ist nur aus einer Revision des Thatsächlichen im Hinblick auf eine bestimmte Quelle zu erklären. Gegen die zweite Möglichkeit lässt sich jedoch Manches einwenden: 1. Der Umstand, dass schon zweimal für A ein Widerspruch ähnlicher Art constatiert werden musste, vgl. Harczyk S. 146 — 148. 2. Der Umstand, dass M durchaus 1 Wohl zufällig blieb bei Hartlieb das Motiv des Traumes ganz fort. 106 Werner. keine von den Quellen ganz genau wiedergibt, weil der überein- stimmend überlieferte Zug fehlt, Ammon sei in der Gestalt des Mercurius erschienen und habe Alexander beauftragt, in derselben Tracht zu Darius zu gehen : PsK II 13 . . sv cyr^xav. 'Ec!j.oj . . iyyr.z arjpöxiov v.x: '/\v.\)!?.y. xal pa,'ic;v xat Mr/.eocv.xbv r.C/J.Z') i%\ tvjv JteipaXrjv xjt:j . . . cj ci zWoq "vrjj ärffekoq xat zipsJoj avaXaßwv tb cr^[j.a bizep lytvi bpi: \ie und weiter bei der Ankunft im Lager des Darius II 14 v.cd o\ b.v. ippoupapxoi (katjai/svc. auxbv ev toutü) cyr^.7.-'. utcevoouv 0ebv xütov elvat. JV II 13 . . videlicet hoc omni habitu adornatus quem nunc a me tibi offerri consideras . . . II 14 Jamque aderat Alexander et habitum ittum pompamqne regiae magnificentiae mirabatur. Denique non absque ea dubitatione egit utrumne adorandus sibi idem rex foret, ita omni cidtu tum capitis tum vestitus, sceptro etiam et indumentis pedum magnifice adorna- batur. Aderantque et satellitum millia stupore barbarico regem suum ut deum praesentissimum demirati. Hdp Mercurius portans clamidem ac vestem Macedonicam. . . . volo enim ut induas figuram meam .... audientes eum Perse non modicum in figura eius obstupuerunt , existimantes illum deum esse. Ebenso Ekkeh. M sagt aber bei Alexanders Ankunft im Lager des Darius: jene sprächen [die Perser]: ,wer ist derel er glichet sere einem gote'. Auch B erwähnt den Auftrag Ammons nicht, dagegen die Frage der Perser wie M, daher ist zu entnehmen, beides sei aus A in M und B herübergenommen. 3. Endlich ist der Umstand geltend zu machen, dass selbst in B ein Ueberrest der einschränkenden Anmerkung stehen blieb, wenn es ohne Zusammenhang Vers 2297 heisst: (ich bin ein hocher got) dis ist der leyen spot wie M 2832 (W). Darum ist nicht zu zweifeln, dass schon in A die Einleitung zu der Rede und diese selbst gestanden haben, und dass M wegen der in der deutschen Vor- lage vorhandenen Uebereinstimmung mit der Hdp nicht änderte. Bei der Beschreibung des Flusses Stranga findet sich wieder nähere Berührung zwischen A und Hdp (und PsK) ; während JV von ihm behauptet plerumque ex vehementia nivium adeo stringitur et congelascit, ut instar saxi mobilem sese transeuntibus viris, carris etiam quam onustissimis praebeat. Atque ex hoc ingenio sui etiam tunc gradabilis fuit, sagt Leo von ihm hyemali et vernali tempore tota nocte coagulatus existit. Mane vero cum calet sol dissohdtur et cursu tarn rapido fluit vt Die Basler Bearbeitung von Lamhreckts Alexander. 107 si quis ingressus fuerit velocitate Jluta'i raj>iatur ' und PsK II 14 ebenso. M der fiüzit allen den tach unde irfrüsit inne der naht daz man dar ubir mohte riten. B der ßiusset den tag mit macht und gefriuret die nacht daz man es mag geriten. Alexander kommt zu Darius, wird für einen Gott ge- halten und richtet barsch seine Botschaft aus. Der hieraus entstehende Dialog weicht in M von B und den Quellen ab, es fehlt folgender Zug: PsK II 14, jedoch nur in Cod. A AapeToq sfae ■ My; ti ah ÄXe£av8po<; ; c'J-.uq vap y.z-.'y. öpaaouq \).v. Sta- hi-ft'.q' oux w? arftekoq, aXX5 w; a?jib; iv.tho: ■ JV II 14 Numnam quceso, tu ipse Alexander ades, qui adeo nihilum reverens nostri confidentissime loquerisf Hdp An tu es Alexander, quum tanto furore sermonem tuum promulgas, qnia vt video non vt nuncius sed vt rex superba promittis. Ebenso Ekk. B und werest du joch selber Alexander, es wer genuog unmessenklich , daz du so redest rar dem rieh. Das Gastmahl des Darius, Alexander behält die Becher B dis det er durch den list, wände er wol icist daz sin diener vil bereit wurden durch die gitekeit, in sinen hof ze riten. Davon nichts in M und den Quellen, nur Hdp fügt etwas Aehnliches an Perse vero qui sedebant in conuiuio ad inuicem dicebant: Ista consuetudo laudabilis et bona est etc. vgl. auch Ekk. 67, 25 und D 29 c f. Der Schluss dieser Scene ist in B geändert, Alexander nimmt Abschied und reitet ungehindert von dannen. In den Quellen findet sich keine Analogie. — Das Beispiel aus der Thierwelt bieten MB, Hdp, Ekkeh. und PsK, dagegen fehlt es bei JV (Harczyk 163). Vers 2452—2574 (3052-3266). Die Schlacht, Alexander besteigt den Bucephalus, es wird furchtbar gekämpft da was daz feit vil breit mit den töten ubirspreit (Hdp . . . ut totus campus ex semivivis et mortuis vestiretur, fehlt B - und JV). Die Perser fliehen über den Stranga, dessen Eisdecke bricht, so dass die Meisten ertrinken; als man die Toten zählte, zvei hundirt tüsunt der was, der nie nehein negnas, an di, di in dem Strdge ouh vertrunken lägen, der ne mohte man neheine zale gescriben noch gesagen wale (ähnlich B), Hdp In hoc siquidem proelio 1 Aehnlich Ekkeh. 2 Die Stellen sind wichtig, vgl. oben. 108 Werner. mortui sunt ex Persis trecenta milia hominum, exceptio his quos profunditas fluvii suffocavit (fehlt PsK, JV und Ekk.). Das ganze Land beklagt die Gefallenen (die schöne Stelle in M fehlt B so wie den Quellen), Darius verzweifelt : M fortuna di ist so getan . . etc. (ähnlich B nur verstümmelt) JV II 16 (vgl. PsK II 16 r, vip -s/r, ßpcc/eiav eav Aaßr, pwrijv yj tou? WKewouq ÖTcepavw xwv ve-b> i%\ tyjv ijvjpdv. B 4276: daz mer sluog in an daz lant. 2. Alexanders Luftfahrt. Diese schliesst in PsK nicht direct an 1., wohl aber sind in Hdp (D und Hartlieb) und Ekkehard 2. und 1. durch keine weitere Scene getrennt. Auch hier geht B seiner eigenen Wege. Alexander lässt junge Greifen aus dem Neste nehmen und sie aufziehen, jedesfalls damit sie zahm werden, nach PsK sind die Vögel jener Gegend ^j.spa ■ ßXeTcovxa yap xo\Sq av8p(i)TOU<; oux iyeuYOV, nach Hartlieb gezempt, Aehnliches wird von Hdp und D nicht hervorgehoben; "2 Alexander lässt zwischen die Greifen einen Sessel binden und zwei Stangen 3 und Aas an die Stangen. So fährt er auf, eine Stimme warnt ihn, er sieht unter sich einen huot: ez ist daz ertlich, er richtet seine Fahrt zurück und kommt anderhalb hundert tnil ferne von den Seinen wieder auf die Erde, so dass er ein ganzes Jahr gehen muss, bis er sein Heer findet. Das ist die Erzählung in B. Anders Hdp tunc siquidem virtus divina obumbravit griffones, ut, dum crederent alta petere, ad terrarn infimam descen- derunt in loco camjjestri longe ab exercitu suo itinere quindecim dierum ; 4 die Darstellung des PsK ist B ähnlicher, auch hier wird Alexander gewarnt, der Warner ist jedoch nicht eine Stimme, sondern TteTeivbv xvöpwTcopiop^ov,. auch kommt er nur sieben Tagereisen 5 weit von seinem Heere zu Thal. Die Erde erscheint Alexandern im PsK und der Hdp (Ekk.) als Tenne, um die sich ein Drache schlingt, in D 65 a als ein agker mit körne geseet, das Meer darum gewunden als ein kroner trache, in Hartliebs modernerem Werke als Kugel, die immer grösser wird, je mehr sich ihr Alexander nähert. 1 o i/Oi?. 2 Die Einleitungsscene fehlt in B gegen alle anderen. Alexander besteigt einen hohen Berg und wird dadurch erst auf den Gedanken gebracht, in den Himmel zu steigen. Sollte Aehnliches für die Lücke nach Vers 4280 angenommen werden? 3 Sessel fehlt PsK, Hartlieb sagt currus, D wayn, Lambert Zimmer mit Fenstern (Weissmann II 350), nur Ekk. 70, öl sedes. 4 Aehnlich Ekk. statt quindecim jedoch nur decem. Ebenso Hartlieb, der sonst stark abweicht. D gibt Hdp unverändert wieder. 5 fcoccrjXÖEv zr.\ r/jv yfjv [xax.po'Oev toü utpaTO^Sou auxou ooöv r;p.Epwv Itctcc. Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander. 119 3. Alexander kommt zum Baum der Sonne und des Mondes; der erste prophezeit ihm ze lande kirnst du niemer mer, der andere dir duot din nechster kamercere mit grosser gifte swcere. Alexander seufzt und antwortet auf die erstaunte Frage der Seinen, er sei nicht sicher, ob er schon Alles besiegt habe ; hierauf kehrt er nach Babylon zurück. Mit Hdp ist B nur in den allgemeinsten Zügen verwandt, auch PsK und JV können nicht die directen Vorlagen von B gewesen sein, die Ab- weichungen sind zu bedeutend, nur Vers 4313 er huob sich selb zwelften dan, erinnert an die Aufzählung im PsK III 17 l guvs'.;y;yov oz tou; yikovq IIap(Aev(wva, Kpatepov, 'löXXav. My.yr-.r^. SpaffuXeovxa, ösoSsktyjv, AifycXov, NsokXvjv, ä'vopa; ca'. D 57 b zwölf. Vers 4346—4389. Nun kehrt die Erzählung in B zu dem Punkte zurück, wo sie von der Hdp abwich, um anschliessend an M den Zug ins Paradies zu berichten und zwar setzt sie mitten in den Begebenheiten ein. — Eine der Frauen Alexan- ders gebiert ihm ein Kind, das bis zum Nabel tote mensch- liche, von da an Thiergestalt hat, die allein lebt. Der meister deutet dies auf Alexanders baldigen Untergang, wodurch Alexander tiefbetrübt wird. Er betet zu Jupitter. Dies Alles ist wörtliche Uebersetzung aus der Hdp : cum itaque Alexander in Babylone esset, peperit qucedam mulier filium qui a capite nsque ad umbilicum hominis similitudinem habere videbatur et erat mortuus a capite usque ad umbilicum. Ad umbilico nsque ad pedes dirersarum gerebat similitudinem bestiaruni et erat vivus etc. PsK und JV weichen ab. 2 Die Anrufung Juppiters findet sich auch in Hdp und JV, doch zeigt nur B und Hdp Uebereinstimmung: ich hat mir eins dinges erdacht, daz xoolt ich, hän vollbrächt, ich wenne, es dir gevelle nicht, ach hocher got, wen daz geschieht . . . dö nim mich zuo dir in din rieh. Hdp (= D) decebat me amplius vivere ut possem adimplere magnalia [sie] quae mens mea cogitavit. Sed quia tibi <«>n placet ut ea per- ficiam, rogo te ut me suseipias in subiectum. JV III 30 nur pro bone Juppiter, quam bona res est ignoratio metuendorum.! Vers 4390—4489. Alexander wird vergiftet. Antipater kauft ein Gift, das nur in einem eisernen Gefässe zu halten i Vgl. JV III 17 (sp. I24b). 2 D hat die Erzählung, Ekk. nicht, Hartlieb vollkommen verschieden. 120 Werner. ist und schickt damit seinen Sohn Cassander zu Jobal, seinem zweiten Sohn, er möge Alexander vergiften. Jobal, ein Lieb- ling des Königs, war gerade durch ihn gekränkt worden, führt daher den Auftrag bei einem Gastmahle aus und da Alexander nach einer Feder verlangt, sich zum Brechen zu reizen, reicht er ihm eine in Gift getauchte. Alexander lässt sich in sein Schlafgemach bringen, unter dem der Einfrattes fliesst. Die Erzählung stimmt wieder wörtlich zur Hdp, während PsK und JV zum Theile weit abliegen. Es genügt, auf einzelne Details hinzuweisen. B zuo einem arzät er do gieng, er kouft vergiß so gar unrein .... Hdp (= D) abiit igitur Antipater ad medicum peritissimum et emit ab eo potionem venenosam . . .l PsK III 31 . . ioxeöaae ipapjjKwwv SrjXrji^ptov . . JV III 31 ... venenum Antipater laborat curiosum admodum efßcaxque . . . Ferner z. B. Hdp Alexander vero turbatus in- gressus est cubiculum et quaesivit unam pennam ut mittens eam in guttur suum sumpta veneria repetieret. Cassander vero caput tanti mali pennam ei dedit eodem veneno linitam. Ipse vero mittens in guttur suum ut vomeret, sed magis ac magis cepit eum veneni sumptio coartare. Davon nichts in PsK und JV. 2 B sagt: nun hies er im bringen dar ein vedren, mit der er w ölte in die kelen grifen, do von solte von im brechen an der stund, was boeses in im iver worden Jcunt. jobas das wol bedächte, vil bald er(s) hu prächte; die veder (er) mit der gift bestreich, da von Alexander entweich sin kraft und al sin macht, do er si in die kelen stach(t) die gift brach in je me und je me. Vers 4490—4534. Um Mitternacht erhebt sich Alexander von seinem Lager und will sich in den Eufrat stürzen, wird aber von Roxtine zurückgehalten, die ihn wieder in sein Gemach bringt und auffordert für ihr aller Heil zu sorgen. Alexander lässt seinen obersten Schreiber Simeon kommen und dictiert ihm sein Testament. — Auch hier übersetzt B die Hdp. Die erste Seene überliefert die älteste Fassung des PsK, 3 in den jüngeren und jüngsten ebensowenig eine Spur davon wie im "Werke des JV. Die Uebereinstimmung zwischen B und der Hdp geht wieder bis auf "Worte : B er lasch daz Hecht daz da 1 Fehlt Ekk., dessen Darstellung sonst Hdp sehr nahe steht. 2 Ekk. stimmt nicht so genau wie Hdp. 3 Zacher 8. 173. I Die Basler Bearbeitung von Larabrechts Alexander. 121 bran Hdp candelabrum quod ante ipsam lucebat extinxit. Ein grösserer Zusatz rindet sich, der interessant ist. Roxane sagt zu Alexander : du soll herre gedenken, wer im selber duot den döt, daz der ktint in grossi not. * Kürzlich hat Philipp Strauch ,Die Offenbarungen der Adeheid Langmann' QF. XXVI S. 117 f. Einiges über den Selbstmord im Ma. zusammengetragen und eine ausführliche Darstellung versprochen. 2 Vers 4535 — 4592. Alexanders Testament. Der Anfang stimmt in B und Hdp genau:3 Rogamus te, Aristoteles, caris- sime magister noster, ut ex thesauro nostro regali distribuas inter sacerdotes JEgypti, qui teniplis deserviimt, avri talenta mille . . . custos corporis nostri et gubernator vestri Ptholemens existat . . . . Item dico vobis, ut, si Roxana genuerit masculum, nostro fun- gafur iynperio et nomen ei, quodcunque volueritis imponatis. Si vero feminam genuerit, eligant sibi Macedones regern, 4 et sit ipse rex et ipsa regina. Die weiteren Angaben differieren bei beiden in der Anordnung, wie im Thatsächlichen. Vers 4593 — 4599. . . . erdbidem und, doner groz, und vil menig plix schöz. Alexanders Tod wird bekannt. Hdp . . subito facta sttnt tonitrua, fulgura et terrae motus magni et tremuit tota Babylonia. Tunc per nniversam terram pronndgatus est interitus Alexandri. Vers 4600 — 4650. Die Macedonier wollen ihren König noch einmal sehen , Alexander spricht zu ihnen , sie erbitten Perdica zum Herren, was ihnen gewährt wird; schliesslich küsst Alexander jeden einzeln auf den Mund. Die Erzählung in B stimmt wie in der Anordnung so im Detail mit der Hdp (D), während PsK — JV und Ekk haben nichts Entsprechendes — grossentheils abweicht. Vers 4651 — 4672. Ein Mann, Namens Spellius, spricht zu Alexander, worüber dieser so erzürnt wird, dass er sich aufsetzt 1 In der Kaiserchronik 31, 17 heisst es ähnlich: swer im seile tuot den tot der ist eivicliche uerdampnet. — Wigamur Vers 32ö fY. tötet sich Lesbia selbst. 2 Ich fand im deutschen Minnesang das Motiv des Selbstmordes nur ein- mal verwerthet (auch da nicht sicher) bei dem von Gliers (MSH I 103*) dem tiefen se heviilhe ich e min houhet vnt minen vuoz e ich der orouwen min ie mir guoten hidden enbtere, mir weere gar der Up unvicere, guot unt alles, daz ich hän. 3 Ekk. lind die anderen -weichen stark ab. D 7oa f. übersetzt Hdp. 4 Ebenso Ekk., der nächste Satz fehlt. 122 Werner. Die Basler Bearbeitung von Lambrechts Alexander. und ihn schlägt, dazu sagt er einige betrübte Worte. — Der Zusammenhang ist nicht klar. PsK gibt mit seiner kurzen Ausführung keinen Aufschluss und die Hdp wie D sind nicht klarer als B; der mit ihnen bis aufs Wort stimmt. In der Hdp heisst der Macedonier Solenicus, in D Selencus. B er rieht sich üf daz er dö saz, er gab im einen starken streich . . . Hdp Ticnc Alexander erexit se in lecto et sedit et sibimet alapam dedit . . . B in meeidonischer zunge er dö sprach . . . Hdp . . . cepit . . . in lingua macedonica ita proferre. Vers 4673—4696. Alexanders letzte Worte, sein Tod und Begräbnis. B ist kürzer als die Hdp. Vers 4697 — 4734. Schluss, Zusammenfassung. Ueber Alexanders Gestalt, Alter etc. mit Anlehnung an die Hdp Einiges erwähnt. Endlich Schlussformel. Somit stehe auch ich am Schlüsse meiner Betrachtung. Ich bezeichnete sie ausdrücklich als Einleitung zu B, daher sah ich von den Beziehungen Lambrechts zu den gleichzeitigen Werken ab, berührte mit keinem Worte die vielen Ueberein- stimmungen zwischen ihm und Heinrich von Veldegge, l deren Behandlung grosses Interesse darbieten würde : kurz ich wollte nicht über Lambrecht, seine Persönlichkeit und seine Leistung, sondern nur über die eine Bearbeitung seines Werkes sprechen. Dass ich dabei Manches berühren musste, was auch für das ganze Denkmal von Bedeutung ist, versteht sich von selbst und wird hoffentlich nicht als Durchbrechen der selbst geschaffenen Schranken angesehen werden. Schliesslich erübrigt mir, den Bibliotheken von Basel, Dresden, Graz, Salzburg, Strassburg i. E. und Wien meinen Dank auszudrücken. Salzburg, Mai 1878. [Während des Druckes erschien die Arbeit von Karl Kinzel in der Zs. f. d. Phil. X 47 ff. Ueber ihr Verhältnis zu meiner Untersuchung und über ihre Mängel muss ich an anderem Orte ausführlicher handeln. Graz, Ende März 1879.] 1 Vgl. Harczyk S. 29. Scherer QF. VII 60. Rödiger Anz. I 78. Lichten- stein Zs. 21, 473 f. Demnächst werde ich näher darauf eingehen. III. SITZUNG VOM 22. JÄNNER 1879. Von dem k. k. Militär-geographischen Institute werden vierzig weitere Blätter der Specialkarte der österreichisch- ungarischen Monarchie übersendet. Herr Dr. Friedrich von Bärenbach in Strassburg widmet mit Begleitschreiben sein eben erschienenes Werk: , Grundlegung der kritischen Philosophie, I. TheiP für die akademische Bibliothek. Von Herrn Dr. Kohut in Fünfkirchen und Herrn Pro- fessor Dr. Leo Reinisch in Wien werden die Pflichtexem- plare der mit Unterstützung der k. Akademie erschienenen Werke: ,Aruch-Lexikon< I. Band und die ,Nuba-Sprache' vor- gelegt. 124 Das w. M. Herr Dr. Pfiz maier übermittelt eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung : ,Ueber einige chine- sische Schriftwerke des siebenten und achten Jahrhunderts n. Chr.' Herr Dr. Adalbert Horawitz, Docent an der Wiener Universität, legt eine Abhandlung unter dem Titel : , Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius' vor und ersucht um deren Aufnahme in die Sitzungsberichte. An Druckschriften wurden vorgelegt: Academie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique. 47e Annee, 2e Serie, Tome 46. Nr. 11. Bruxelles, 1878; 8°. — imperiale: Zapiski. I. et II. Band. St.-Petersbourg, 1878; 8°. — Bericht über die 19. Zuerkenmmg des Uwarow'sehen Preises. St.-Petersburg, 1878; 8". Bärenbach, Friedrich von: Prolegomeua zu einer anthropologischen Philo- sophie. Leipzig, 1879; 8°. Ecker, Alexander: Katalog der anthropologischen Sammlungen der Universität Freiburg i. Br. III. Nach dem Stande vom 1. April 1878; 4°. Gesellschaft, Deutsche morgenländische: Zeitschrift. XXXII. Band, IV. Heft. Leipzig, 1878; 8". — historische, des Künstlervereines: Bremisches Jahrbuch. X. Baud, Bremen, 1878; 8°. Hamburg, Stadtbibliothek: Gelegenheits-Schriften pro 1877. 72 Stück. 4°. Handels- und Gewerbekammer in Wien: Bericht über den Handel, die Industrie und die Verkehrsverhältnisse in Niederösterreich während des Jahres 1877. Wien, 1878; 8°. Jahrbuch, statistisches des k. k. Ackerbau-Ministeriums für 1877. III. Heft. II. Lieferung. Wien, 1878; 8°. Kohut, Dr.: Aruch completum. Tomus I. Vieunae, 1878; 4°. 125 Militär-geographisches Institut, k. k.: Zusendung von 40 Blättern der Specialkarte der österr.-ungar. Monarchie. Fol. Programme der Gymnasien und Realschulen: Bistritz: IV. Jahresbericht der Gewerbeschule. 1877/78. Bistritz, 1878; 8°. — Böhm.-Leipa: Pro- gramme des k. k. Obergymnasiums 1878. Böhm.-Leipa, 1878; 8°. — Brixen: 28. Programm des k. k. Gymnasiums. Brixen, 1878; 8. — Brunn: Deutsches Obergymnasium. 1878. Brunn; 8°. Geschichte des deutschen Staats - Obergymnasiums. Festschrift. Brunn, 1878; 8°. — Czernowitz: Erster Verwaltungsbericht der akademischen Lesehalle an der Franz Josefs-Universität. Czernowitz, 1877; 8°. — Eger: K. k. Staats- Obergymnasium für das Jahr 1878; 8°. — Eulenburg: Jahresbericht der Forstschule. Cursus 1878,79. Olmütz, 1879; 8°. — Fiume: K. Ober- gymnasium 1877/78. Agranr, 8°. — Hermannstadt: K. Obergymnasium. Hermannstadt, 1878; 8°. — Hermannstadt: Evangelisches Gymnasium A. B. 1877/78. Hermannstadt, 1878; 4°. — Kaschau: Obergymnasium. Kaschau, 1878; 8°. — Klausenburg: Kathol. Obergymnasium 1877/78. Klausen- burg; 8°. — Leoben: III. Jahresbericht 1877/78. Leoben, 1878; 8«. — Leutschau: Köuigl. uugar. Staats - Oberrealschule. 1877/78. IX. szäm. Leutschau, 1878; 8°. — Marburg: K. k. Staatsgymnasium. 1878. Mar- burg; 8°. — Mödling: Francisco-Josephinum. VIII. Jahresbericht. 1877. Wien, 1877; 8°. — Pressburg: Köuigl. kathol. Obergymnasium. 1877/78. Pressburg, 1878; 8°. — Reichenberg: II. Jahresbericht der k. k. Staats- gewerbeschule. 1877 78. Reichenberg, 1878; 8°. — Roveredo: K. k. Staats- Obergynmasium. 1877/78. Roveredo. 1878; 8°. — Saaz: K. k. Staats- Obergymnasium. 1878. Saaz, 1878; 8°. — Schässburg: Evang. Gymnasium. 1877/78. Schässburg, 1878; 4°. — Trento: K. k. Obergymnasium. 1878. Trento; 8°. — Trieste: Aceademia di commercio e Nautica. 1878. Trieste, 1878; 8°. — Troppau: Staatsgymnasium 1877/78. Troppau; 8U. — Ung.- Hradisch: K. k. Real- und Obergymnasium. 1877,78. Ung.-Hradisch; 8°. Wien: K. k. Technische Hochschule 1878,79. Wien, 1878; 4°. — K. k. Akademisches Gymnasium, 1877/78. Wien, 1878; 8°. — Ober- gymnasium zu den Schotten. 1878. Wien, 1878; 8°. — Staats-Unter- gymnasium in Hernais 1877/78. Wien, 1878; 8°. — Wiener Haudels- Akademie. 1878. Wien, 1878; 8°. — Leopoldstadt, k. k. Oberrealschule, 1877/78. Wien, 1878; 8°. — Leopoldstadt, k. k. Unterrealschule. 1877/78. Wien, 1878; 8n. — ' Margarethen, k. k. Staats-Unterrealschule. 1877/78. Wien, 1878; 8°. — Mariahilf, Communal-, Real- und Ober-Gymnasium. 1878. Wien, 1878; 8U. — Wiener-Neustadt: Nieder-österr. Landes-Lehrer- seminar, 1878. Wiener-Neustadt, 1878; 8°. — Landes-Oberrealscliule. 1878. 126 Wiener-Neustadt. 1878; 8°. Zara: K. k. Obergymnasium. 1877/78. Zara, 1878; 12°. Reinisch, Leo: Die Nuba-Sprache. I. und II. Theil. Grammatik und Texte. Wien, 1879; 8°. ,Revue politique et litteraire' et ,Revue scientifique de la France et de l'Etranger'. VHP Annee, 2e Serie, Nr. 29. Paris, 1879; 4». Pfizmaier. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. 12f Ueber einige chinesische Schriftwerke des siebenten und achten Jahrhunderts n. Chr. Von Dr. A. Pfizmaier, wirkl. Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften. Aii die Abhandlung: ,Die philosophischen Werke China's in dem Zeitalter der Sung' sich anschliessend, bringt die vor- liegende Arbeit Kunde von den in demselben Zeitalter verfassten oder veröffentlichten Schriftwerken, welche, nachdem Ergän- I zungen zu den Werken über die Verwandlungen und den Werken aus vermischten Häusern vorausgeschickt worden, unter die folgenden acht Classen: 1- Ü ?ܧ Schi-Jui .Werke über das Buch der Gedichte', 2. ffi^ ^ King-kiai ,Erklärungen der mustergiltigen Bücher', 3. /J> *$$i Siao-hiÖ , Werke des kleinens Lernens', 4. -^ ^ Nung-hia , Werke über Landwrirthschaft', 5. /J> j|^ Siao-schvt' , Werke des kleinen Sprechens', 6. ^ ~^T Thien-wen , Werke über Sternkunde', 7. Jj|^ W Li-suan , Werke über Kalender und Rechenkunst', 8. Ji ife Ping-schu , Werke über Kriegskunst', sich vertheilen. Wo es möglich war, wurden in den Verzeichnissen An- gaben über die Verfasser, den Zeitpunkt des Zustandekommens und sonstige nothwendige Bemerkungen hinzugefügt. In Bezug auf die Einrichtung dieser Abhandlung werde erwähnt, dass in zwei früheren Arbeiten des Verfassers die grosse Anhäufung chinesischer Zeichen ein bedeutendes Hinderniss der schnellen und mühelosen Drucklegung gewesen. 128 Pfizmaier. Zur Beseitigung einer solchen Anhäufung wurden daher auf einer Zeile der Name des Verfassers mit chinesischen Zeichen, auf der nächsten Zeile der chinesische Titel des Werkes, gewöhnlich in romanischer Umschreibung, auf der dritten, und wenn erforderlich, auf noch mehreren Zeilen die Uebersetzung des Titels gegeben. Für die Umschreibung können, da die Uebersetzung wortgetreu ist, die chinesischen Zeichen von dem Kenner leicht errathen werden. Im entgegengesetzten Falle wurden sie eingeschaltet. Wo bei den Titeln der Verfasser nicht genannt wird, ist der Name desselben unbekannt. Zu den Werken über die Verwandlungen. ß^ B/^ ^ Yin-hung-tao. Yin-hung-tao tscheu-yi sin-tschuen sa. Weitere Erklärungen der neuen Ueberlieferungen zu den Verwandlungen der Tscheu. Von Yin-hung-tao. 10 Bücher. lä|£ /t* "tS" Sie-jin-kuei. Sie-jin-kuei tsheu-yl sin-Uchü pen-i. Die neu erklärten ursprünglichen Bedeutungen der Ver- wandlungen der Tscheu. Von Sie-jin-kuei. 14 Bücher. Sie-jin-kuei kommt unter den Heerführern zu den Zeiten des Kaisers Kao-tsung vor. 3: j$) Wang-pÖ. Wang-pÖ tscheu-yi fä-hoei. Das zum Vorschein Gebrachte und Hervorgehobene der Verwandlungen der Tscheu. Von Wang-pö. 5 Bücher. Wang-pö wird auch unter den Dichtern der Zeiten der Thang angeführt. Kaiser Hiuen-tsung von Thang. Hiuen-tsung tsclieu-yl ta-yen lün. Erörterungen der grossen Ergiessung der Verwandlungen der Tscheu. Von dem Kaiser Hiuen-tsung. 3 Bücher. ^ Jjjj. jjff: Li-tmg-tso. Li-ting-tso tsi-tschü tscheu-yi. Gesammelte Erklärungen der Verwandlungen der Tscheu. Von Li-ting-tso. 17 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und . 8. Jahrhunderts a. Chr. 129 IP[i &) Tung-hiang-tsu. Tung-hiang-tsu tscheu-yi we-siang sclil-i. Erklärung des Zweifelhaften iler Dinge und Bilder der Verwandlungen der Tscheu. Von Tung-hiang-tsu. 1 Buch. Ü^ — « ^y Seng-yi-hang. Seng-yi-hang tscheu-yi lim. Erörterungen der Verwandlungen der Tscheu. Von Seng- yi-hang "(dem Bonzen Yi-hang). Die Zahl der Bücher dieses Werkes ist unbekannt. Seng-yi-hang ta-yen hiuen-thu. Himmelfarbene Abbildungen der grossen Ergiessung. Von Seng-yi-hang. 1 Buch. Seng-yi-hang i- kiur. Entscheidungen über die Bedeutungen. Von Seng-yi-hang. 1 Buch. Seng-yi-hang ta-yen liln. Erörterungen der grossen Ergiessung. Von Seng-yi-hang. 20 Bücher. >|H & 4^ Thsui-Uang-tso. Thsui-Mang-tso yi wang-szang. Die vergessenen Bilder der Verwandlungen. Von Thsui- liang-tso. Die Zahl der Bücher dieses Werkes ist unbekannt. -jt\ f||/ Yuen-tsai, Yuen-tsai tsi-tschü tscheu-yi. Gesammelte Erklärungen der Verwandlungen der Tscheu. Von Yuen-tsai. 100 Bücher. ^ ^ ^ Li-ke-fu. Li-ke-fu tschü yi-hang-yi. Die Erklärung einer Reihe von Verwandlungen. Von I Li-ke-fu. Die Zahl der Bücher dieses Werkes ist unbekannt. 'nW 7C lÜlf Wei-yuen-sung. Wei-yuen-sung yuen-pao. Ursprüngliche Umhüllungen. Von Wei-yuen-sung. lOBücher. Angegeben werden Ueberlieferungen von Su-yuen-ming i und Erklärungen von Li-kiang. "fil /£ Kao-ting. Kao-ting tscheu-yi wai-tschuen. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. I. Hft. 9 1 30 P f i z m a i e r. Aeussere Ueberlieferungen zu den Verwandlungen der Tscheu. Von Kao-ting. 22 Bücher. M ft Pei-thung. Pei-thung yt-schu. Das Buch der Verwandlungen. Von Pei-thung. 150 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes lebte zu den Zeiten des Kaisers Wen-tsung. Jeb ^f jßi Lu-hang-tschao. Lu-hang-tschao yi-i- Die Bedeutungen der Verwandlungen. Von Lu-hang-tschao. 5 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes lebte in dem Zeiträume Ta-tschung (847 bis 859 n. Chr.). R?S? ^RT ilP Lo-M-schinq. Lö-hi-sching tscheu-yi tschuen. Ueberlieferungen zu den Verwandlungen der Tscheu. Von Lö-hi-sching. 2 Bücher. Zu den Werken aus vermischten Häusern. 58- 5& im Men9-{- : Meng-i tse-lin. Der Wald der Söhne. Von Meno-I. 20 Bücher. Die Söhne sind die acht Abrisse, welche als Söhne des Himmels und der Erde betrachtet werden. 59. ffc $j Tsch'in-yö. Tsch'in-yÖ tse-thsiao. Aufzeichnungen über die Söhne (die acht Abrisse). Von Tsch'in-yö. 30 Bücher. Tsch'in-yö verfasste auch das aus 100 Büchern be- stehende Buch der Sung. 60. J^J ^ ^ Yü-tsckung-yung. Yü-tsckung-yung tse-thsiao. Aufzeichnungen über die Söhne (die acht Abrisse). Von Yü-tschung-yung. 30 Bücher. 61- JS W S Yin-Uchtmg-kan. Yin-tschnng-lcan lün-tsi. Gesammelte Erörterungen. Von Yin-tschung-kan. 96 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. ehr. 131 62- $t Tfet Thsui-hung. Thsui-hung ti-wang t.u-yao. Gedrängte Sammlungen über Kaiser und Könige. Von Thsui-hung. 30 Bücher. 63. Iot *i?£ Lo-tsch'ina. LÖ-tsch'ing schö tsching-liln. Fortgesetzte richtige Erörterungen. Von Lö - tsch'ing. 12 Bücher. 64. Lö-tsctiing kiue-wen. Die lückenhaften Texte. Von Lö-tsch'ing. 10 Bücher. 65. ^ [g| Siü-ling. Siü-ling wen-fu. Das Sammelhaus der Texte. Von Siü-ling. 7 Bücher. Als Verfasser der Erklärungen wird Tsung-tao-ning genannt. ^- jitlj Tj" $fc. Ijieuscheu-king. Lieu-scheu-king sse-kiün yen-sin. Das Herz der Worte der vier Landschaften. Von Lieu- scheu-king. 10 Bücher. Die Verfasser folgender fünf Werke sind unbekannt: 67. Sin khieu-tschueyi. Neue Ueberlieferungen aus dem Alterthum. 4 Bücher. 68. Ku-kin pien-tso lo. Beurtheilend verlasste Verzeichnisse aus dem Alterthum und der Gegenwart. 3 Bücher. 69. PÖ-lan. Vielseitige Ueberblicke. 15 Bücher. 70. Pu-liÖ. Kurze Denkwürdigkeiten der Abtheilungen. 15 Bücher. 71. Han-mt-lin. Der Wald der Pinsel und der Tinte. 10 Bücher. 72. U g Wei-tsch'ing. Wei-tsch'ing kiün-schu tschi-yao. Das Nothwendige der Anordnung der Bücher. Von Wei- tsch'ing. 50 Bücher. Wei-tsch'ing ist ein Würdenträger aus den Zeiten des Kaisers Thai-tsung. 9* 132 Pfizmaier. Der Verfasser des folgenden Werkes ist unbekannt: 73. Lin-kÖ sse-ying. Der Glanz der Aussprüche des Einhornsöllers. Das Werk wurde zu den Zeiten des Kaisers Kao-tsu zusammengestellt. 74. ^ $£ j|lj Tschü-king-tsi. Tschü-king-tsi schi-tai hing-wang lün. Erörterungen über Erhebung und Untergang der zehn Zeitalter. Von Tschü-king-tsi. 10 Bücher. 75. !Ü£ 5£ |j!f Sie-hhe-heu. Sie-khe-Jceit tse-lin. Der WTald der Söhne. Von Sie-khe-keu. 30 Bücher. Die Söhne sind wieder die acht Abrisse, welche als Söhne des Himmels und der Erde betrachtet werden. 76- lji£ fj£ yä Yü-schi-nan. Yü-schi-nan ti-wang liö-lün. Abgekürzte Erörterungen über Kaiser und Könige. Von Yü-schi-nan. 5 Bücher. Yü - schi - nan war vorzüglich als Schriftkünstler berühmt. 77- ^§H] 'fft tJ±. Lieu-pe-tschuang. Lieu-j)e-tschuang kiün-schu tschi-yao yin. Die Laute des Nothwendigen der Anordnung der Bücher. Von Lieu-pe-tschuang. 5 Bücher. Bezieht sich auf das oben (Nr. 72) angeführte Werk Wei-tsch'ing's. 78. ßl| ~hr -n§|- Tsclianq-ta-su. Tsch'ang-ta-su schue-lin . Der Wald des Sprechens. Von Tsch'ang-ta-su. 20 Bücher. ^* 3l ~)j ÜÜ Wang-fang-JcMng. Wang-fang-khing tu schi-schue sin-schu. Das neue Buch der fortgesetzten Gespräche des Zeitalters. Von Wang-fang-khing. 10 Bücher. 80. ^a */ff Han-tan. Han-tan thung-tsai. Darlegungen und Eintragungen. Von Han-tan. 30 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. 1 .")."> Dieses Werk wurde im dreizehnten Jahre des Zeit- raumes Tsehing-yuen (797 n. Chr.) dem Kaiser vorgelegt. 81. ^ H ^j Hiung-tsche-yi. Hiung-tsche-yi hoa-thung. Darlegung der Umgestaltungen. Von Hiung-tsche-yi. 500 Bücher. Hiung-tsche-yi schrieb ein Werk von der Art der neun mustergültigen Bücher und vollendete es in dreissig Jahren. Er hatte es noch nicht dem Kaiser vorgelegt, als er in Si-tschuen starb. Wu-yuen-heng wollte es abschreiben und emporreichen. Die Gattin Hiung-tsche-yi's versteckte das Werk und gestattete nicht, dass man es abschreibe. 82. d$* ~^F JtJ/" Li-wen-tsch'ing. Li-wen-tscti 'ing pö-ga tschi. Denkwürdigkeiten des Vielseitigen und Richtigen. Von Li-wen-tsch'ing. 13 Bücher. 83. jr* 'Nfi Wt Yuen-hoai-Mng. Yuen-hoai-Jcing scho-wen yao-i. Die nothwendigen Bedeutungen der angefügten Texte. Von Yuen-hoai-king. 10 Bücher. 84- -§t jfe ß$ Thsui-hiuen-wei. Thsui-hiuen-wei hang-i yao-fan. Abgekürzte Muster für das Ende des Wandels. Von Thsui-hiuen-wei. 10 Bücher. 85' Jffi IS ffl Lu-tsang-yung. Lu-tsang-yung tse-schu yao-liö. Kurze Fassung des Buches der fejöhne (des Buches der acht Abrisse). Von Lu-tsang-yung. 1 Buch. 86- >% H Ma-tsung. Ma-tsung-i-Un. Der Wald der Gedanken. Von Ma-tsung. 1 Buch. 87. qm Ha Wei-mu. Wei-schi scheu-liö. Abgekürzte Denkwürdigkeiten von Handgriffen. Von dem Geschlechte Wei. 20 Bücher. Das Geschlecht Wei ist Wei-mu. 134 Pfizmaier. 88. ~£: ~%? |fj| Sin-tschi-ngao. Sin-tschi-ngao siü-h in > t . Angereihte mündliche Belehrungen. Von Sin-tschi-ngao. 2 Bücher. 89. Pö-ioen ki-yao. Zusammenfassung des Wunderbaren vielseitiger Erfahrung. 20 Bücher. Dieses Werk wurde in dem Zeiträume Khai-yuen (713 — 741 n. Chr.) durch 4& ps3 Siü-yin, einen Mann des Kreises Wu-kung, dem Kaiser vorgelegt. 90. jüj Ip? Tscheu-mung. Tscheu-mung tu ku-kin-tschä. Fortgesetzte Erklärungen des Alterthums und der Gegen- wart. Von Tscheu-mung. 3 Bücher. 91. §£|£ ^t Sie-hung. Sie-hung ku-kin tsing-i. Die wesentlichen Bedeutungen des Alterthums und der Gegenwart. Von Sie-hung. 15 Bücher. 92. jg p1 Tschao-jui. Tschao-jui tschang-tuan yao-schö. Die nothwendige Kunst des Langen und Kurzen. Von Tschao-jui. 10 Bücher. Die Kunst des Langen und Kurzen ist die Kunst der Machtentfaltung der Reiche. Der Verfasser des obigen Werkes führte den Jünglingsnamen Thai-pin und stammte aus Tse-tscheu. In dem Zeiträume Khai-yuen (713 — 741 n. Chr.) zu dem Kaiser berufen, leistete er diesem Rufe keine Folge. 93. ^t fä Tu-yeu. Tu-yeu li-tao yao-kiue. Nothwendige Entscheidungen der Ordnung des Weges. Von Tu-yeu. 10 Bücher. 94. ;|=£ JHj J£ j£ Ho-lan-tsching-yuen. Ho-lan-tsching-yuen yung-ßn kiuen-hang. Die Wagebalken der Macht bei der Verwendung der Menschen. Von Ho-lan-tsching-yuen. 10 Bücher. 1 Das hier fehlende Zeichen ist aus -j-f- und ^ links und £fc rechts zusammengesetzt. Chinesische Schriftwerke des 7. nnd S. Jahrhunderts n. Chr. lQD Dieses Werk wurde im dreizehnten Jahre des Zeit- raumes Tsching-yuen (797 n. Chr.) dem Kaiser vorgelegt. 95. ^ ^^ Fan-tsung. Fan-tsung sse-kuei ki-kung. Die Leitung des Oeffentlichen durch die Lehrmeister und Häupter. Von Fan-tsung. 30 Bücher. 96. Fan-tsung. Fan-tsung WQ ^r- fan-tse. Fan-tse. Von Fan-tsung. 30 Bücher. 97. J|5 flg KÖ-tschao. Kö-tschao tu-tschi-schu. Das Buch der Bemessung und Lenkung. Von Kö-tschao. 10 Bücher. 98. -fc. >M» Tschü-pÖ. Tschü-pö tschi-li schu. Das Buch der Einführung der Grundordnung. Von Tschü-pö. 10 Bücher. 99. ^£r "vi© Su-yuen. Su-yuen tschi-luan tsl. Sammlungen über Ordnung und Unordnung. Von Su-yuen. 3 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes lebte gegen das Ende der Zeiten der Thanff. 100. w| ^l| Tsch'ang-tsien. Tsch'ang-tsien hiang-tso yü-khiü-lö. Verzeichnisse der Ansiedelungen zur Linken des Stromes. Von Tsch'ang-tsien. Die Zahl der Bücher dieses Werkes ist unbekannt. 101. Bji $g Tsch'ang-thsu. Tschang-thsu kin-schin Mai. Die Warnungen der goldenen Schärpe. Von Tsch'ang-thsu. 3 Bücher. 102. *|| jji Fung-Jcang; Fuixj-kang yü-mung. Kundmachungen für Unwissende. Von Fung - kang. 1 Buch. 136 Pfizmaier 103. |5| $£ $t Yü-king-lüeu. Yii-king-hieu yli-schen-lö. Verzeichnisse der Kundmachungen des Guten. Von Yü- king-hieu. 7 Bücher. 104. fjf ^ Siao-yi. Siao-yi mö-tsai tsching-schö. Die Kunst der Lenkung- der Landpfleger und Vorgesetzten. Von Siao-yi. 2 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes war Befehlshaber von Lui-yang. 105. Sp Ji ^tjj Lu-jin tksu. Lu-jin thsu kung-heu tsching-scho.' Die Kunst der Lenkung der Fürsten und Lehensfürsten. Von Thsu, dem Menschen von Lu. 10 Bücher. Der aus Lu stammende Verfasser dieses Werkes lebte in dem Zeiträume Ta-tschung (847 bis 859 n. Chr.). Thsu ist dessen kleiner Name. Sein Ge- schlechtsname ist unbekannt. 106. ^S J$ fä Li-tsclu-jxio: L i- tsch i-p ao khie n- tschi . Die umschränkten Vorsätze. Von Li-tschi-pao. 3 Bücher. Der Verfasser lebte zu den Zeiten des Kaisers Tai- tsung von Thang. 107. ^£ j|jri Wang-fan. Wang-fan tu mung-khieu. Die Fortsetzung des Suchens der Unwissenden. Von Wang-fan. 3 Bücher. 108. £| g j^ Pe-ting-han. Pe-ting-han thang mung-khieu. Das Suchen der Unwissenden von Thang. Von Pe-ting- han. 3 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes stammte aus Kuang- ming in Kuang-si. 109. ^ fä Li-kang. Li-kang hi-mung. Der Anschluss an die Unwissenden. Von Li - kang. 2 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. lo7 HO. I f | Lu-Mng-liang. Lu-king-Uang san-tso ki. Verzeichnungen der drei genügenden Dinge. Von Lu- king-liang. 2 Bücher. Werke über das Buch der Gedichte. §s |4 Han-schi ..Gedichte von Hau, die Gedichte von dem Geschlechte Han< heisst das von ^ ||| Han-ying erklärte Buch der Gedichte. h j^rl PÖ-schang ist der Verfasser von Einleitungen zu dem Buche der Gedichte. 1. PÖ-schang, Han-ying. Han-schi pö-schang siü han-ying tschü. Die Gedichte von dem Geschlechte Han, mit Einleitungen von Pö-schang und Erklärungen von Han-ying. 22 Bücher. 2. Han-schi wai-t sehnen. Aeussere Ueberlieferungen zu den Gedichten von dem Geschlechte Han. 10 Bücher. 3. PÖ-schang tsi-siü. Gesammelte Einleitungen von Pö-schang. 2 Bücher. 4. Pö-schang yi-yao. Das geflügelte Erforderliche von Pö-schang. 10 Bücher. 5. ^- ~jC Mao-tsch'ang. Mao-tsch'ang tschuen. Ueberlieferungen zu dem Buche der Gedichte. Von Mao- tsch'ang. 10 Bücher. 6. HR v£r Tsching-hiuen. Tsching-hiuen tsien mao-schi ku-hiün. Andeutungen der Lesungen der alten Wörter der Gedichte von dem Geschlechte Mao. Von Tsching-hiuen. 20 Bücher. •% l^F Mao-schi ,die Gedichte von dem Geschlechte Mao' heisst das von dem oben genannten Mao- tsch'ang hergestellte Buch der Gedichte. 7. Tsching-hiuen pu. Register zu den Gedichten von dem Geschlechte Man. Von Tsching-hiuen. 3 Bücher. 138 Pfizmaier. 8. ^ li| Wang-sü. Wang-sü tschü. Erklärungen zu den Gedichten von dem Geschleckte Mao. Von Wang-sü. 20 Bücher. 9. Wang-sü tsä-i po. Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf vermischte Be- deutungen der Gedichte von dem Geschlechte Mao. Von Wang-sü. 8 Bücher. 10. Wen-nan. Fragen bei Schwierigkeiten der Gedichte von dem Ge- schlechte Mao. Von demselben Verfasser. 2 Bücher. 11. 3|£ 5|L Sche-tsün. /Sche-tsün tschü. Erklärungen der Gedichte von dem Geschlechte Mao. Von Sche-tsün. 20 Bücher. Man gab diesem Werke den Namen sche-schi ,die Gedichte von dem Geschlechte Sehe'. 12. $t 1H Jsjl Thsui-ling-ngen. Thsui-Ung-ngen tsi-tschü. Gesammelte Erklärungen zu den Gedichten von dem Geschlechte Mao. Von Thsui-ling-ngen. 24 Bücher. 13. Thsui-ling-ngen i-tschü. Erklärungen der Bedeutungen der Gedichte von dem Geschlechte Mao. Von Thsui-ling-ngen. 5 Bücher. 14. ^»|J tä Lieu-tsching. Lieu-tsching i-icen. Das Fragliche der Bedeutungen des Buches der Gedichte. Von Lieu-tsching. 10 Bücher. 15. ^£ HH Wang-khi. Wang-khi mao-schi po. Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Gedichte von dem Geschlechte Mao. Von Wang-khi. 5 Bücher. 16. Mao-schi tsä thä-wen. Antworten auf vermischte Fragen in Bezug auf die Ge- dichte von dem Geschlechte Mao. 5 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes ist unbekannt. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. lo.' 17. Tsä-i nan. Schwierigkeiten vermischter Bedeutungen des Buches der Gedichte. 10 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes ist unbekannt. i8- % M Sün-y°- Sün-yö i-ihung jring. Erwägungen der Verschiedenheiten und Uebereinstim- mungen des Buches der Gedichte. Von Sün-yö. 10 Bücher. Sün-yö ist auch der Verfasser zweier Werke über die Ueberlieferungen des Geschlechtes Tso. 19- % X Yan9-i- Yang-i mao-sclii pien. Beurtheilungen der Gedichte von dem Geschlechte Mao. Von Yang-I. 3 Bücher. 20. $fc $£ Tsckin-thung. Tschin-thung nan sün-schi schi-ping. Beanstandung der von dem Geschlechte Sün verfassten Erwägungen des Buches der Gedichte. Von Tschin-thung. 4 Bücher. Das Geschlecht Sün ist der oben verzeichnete Sün-yö. 21. Tschin-thung piao-yin. Die Verborgenheit der Kennzeichen. Von Tschin-tun». 2 Bücher. 22. -jr\ ^ji£ flfl Yuen-yen-ming . Yuen-yen-ming i-fu. Das Sammelhaus des Angemessenen. Von Yuen-yen-ming. 3 Bücher. 23. B|| J^ Tsch'ang-schi, das Geschlecht Tsch'ang. Tsch 'ang-schi i-su. Die fernere Erklärung der Bedeutungen. Von dem Ge- schlechte Tsch'ang. 5 Bücher. 24. gs i§. Lö-Jci. Lo-Jci thsao-viö niao-scheu yü-tschung su. Die weitere Erklärung der in dem Buche der Gedichte vorkommenden Pflanzen und Bäume, Vögel, vierfüssigen Thiere, Fische und Insecten. Von Lö-ki. 2 Bücher. 140 Pfizniaier. 25. gjj #fc Sie-tsch'in. Sie-tsch'in schi-i. Die Erklärung der Bedeutungen des Buches der Gedichte. Von Sie-tsch'in. 10 Bücher. 26- jtfjl J^ Lieu-scM, das Geschlecht Lieu. Lieu-scM siii-i. Einleitungen zu den Bedeutungen des Buches der Gedichte. Von dem Geschlechte Lieu. 1 Buch. 27. ^j| *}& Lieu-hiuen. Lieu-hiuen schö-i. Die überlieferten Bedeutungen des Buches der Gedichte. Von Lieu-hiuen. 30 Bücher. 28. ;g Jj£ :g| Lu-schi-thä. Lu-schi-thä yin-i. Die Laute und Bedeutungen des Buches der Gedichte. Von Lu-schi-thä. 2 Bücher. 29. ||K v£r Tsching-hiuen. Tsching-Muen-teng tschü-kia yin. Die Laute des Buches der Gedichte. Von Tsching-hiuen und einigen Anderen. 15 Bücher. 30. ^P j£r fö Wang-hiuen-thu. Wang-hiuen-thu tschü mao-schi. Erklärungen zu den Gedichten des Geschlechtes Mao. Von Wang-hiuen-thu. 20 Bücher. 31. Mao-schi tsching-i. Die richtigen Bedeutungen der Gedichte des Geschlechtes Mao. 40 Bände. Dieses Werk wurde von einer Anzahl Gelehrter, unter ihnen Khung-ying-thä, Wang-te-schao, Thsi- wei und Andere, auf Befehl des Kaisers zusammen- gestellt. 32. g^p ^ -^" Hiü-schö-ya. Hiü-schö-ya mao-schi thsuan-i. Die zusammengefassten Bedeutungen der Gedichte des Geschlechtes Mao. Von Hiü-schö-ya. 10 Bücher. m- J& /fß (> + J?) Tsch'ing-pe-yü. Tsch'ing-pe-yü mao-schi Uchi-schue. Chinesische Schriftwerke des 7. and 8. Jahrhunderts n. Chr. 141 Andeutende Besprechungen der Gedichte des Geschlechtes Mao. Von Tsch'ing-pe-yü. 1 Buch. 34. Tsch'ing-pe-yü tuan-tsckäng. Die Durchschneidungen nach Absätzen. Von Tsch'ing- pe-yü. 2 Bücher. 35. Mao-schi thsao-mo tschung-yü thu. Abbildungen der in den Gedichten des Geschlechtes Mao vorkommenden Pflanzen und Bäume, Insecten und Fische. 20 Bücher. In dem Zeiträume Khai-tsch'ing (836 bis 840 n. Chr.) befahl Kaiser Wen-tsung, dass man in dem Gebäude der versammelten weisen Männer dieses Werk zu- sammenstelle und zugleich die Bilder der Gegen- stände zeichne. Yang-sse-fö, Mann des grossen Ler- nens, und Tsch'ang-tse-tsung, Mann des Lernens, reichten es empor. Erklärungen der mnstergiltigen Bücher. 1. ^|jj [pj] Lieu-hiang. Lieu-hiang u-king tsa-i. Die vermischten Bedeutungen der fünf mnstergiltigen Bücher. Von Lieu-hiang. 7 Bücher. 2. Lieu-Mang u-king thung-i. Die durchgängigen Bedeutungen der fünf mnstergiltigen Bücher. Von Lieu-hiang. 9 Bücher. 3. U-king yao-i. Die notbwendigen Bedeutungen der fünf mnstergiltigen Bücher. 5 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes ist unbekannt. 4. H£ 'KM. Hiü-schin. Hiü-schin u-king i-i. Die verschiedenen Bedeutungen der fünf mustergiltigen Bücher. Von Hiü-schin. 10 Bücher. Tsching-hiuen war mit dem Inhalte dieses Werkes nicht einverstanden. Hiü-schin ist auch der Ver- fasser des Werkes SchuÖ-wen. 142 Pfizmaier. 5. |N£ JS Tsiao-tscheu. Tsiao-scheu u-king jen-feu hin. Erörterungen des So und Nicht-so der fünf mustergültigen Bücher. Von Tsiao-tscheu. 5 Bücher. 6- Hl ~)j Yang-fang. Yang- fang u-king keu-tsch'in. Das Herausfischen des Versunkenen in Bezug auf die fünf mustergiltigen Bücher. Von Yang-fang. 10 Bücher. '- ^ 45 Yang-sse. Yang-sse u-king thse-i. Das Fragen nach dem Zweifelhaften in den fünf muster- giltigen Büchern. Von Yang-sse. 8 Bücher. 8. j£ ^j£ Bf] Yuen-yen-ming. Yuen-yen-ming u-king tsung-liö. Kurze Denkwürdigkeiten von dem Hinwenden zu den mustergiltigen Büchern. Von Yuen-yen-ming. 40 Bücher. Yuen-yen-ming ist auch der Verfasser eines früher verzeichneten Werkes über das Buch der Gedichte. 9. ^)J ifö Lieu-hiuen. Lieu-hiuen u-king tsching -ming. Die richtigen Namen in den fünf mustergiltigen Büchern. Von Lieu-hiuen. 12 Bücher. Lieu-hiuen ist ebenfalls Verfasser eines früher ver- zeichneten Werkes über das Buch der Gedichte. 10- tll 1%. I^Rr Tsch'in-wen-o. Tsch'in-icen-o king-tien hiuen-jil ta-i siü-lo. Geordnete Verzeichnisse der von den Gelehrten des Himmel- farbenen gegebenen Bedeutungen der Vorbilder der muster- giltigen Bücher. Von Tsch'in-wen-O. 10 Bücher. Tsch'in-wen-0 ist auch der Verfasser zweier Werke über die Gebräuche. n- m m pan-ku. Pan-ku-teng pe-hu-thung i. Die Bedeutungen des Werkes : Der Verkehr des weissen Tigers. Von Pan-ku und Anderen. G Bücher. Pan-ku ist der Verfasser des Buches der früheren Han. Chinesisch«' Schriftwerke des 7. u»S /$? Schi-king ,die mustergiltigen Bücher des Steinernen' sind die Bücher, welche zu den Zeiten des Kaisers Siuen von Han in dem Söller ^ V|| ^ sclü-khiü-kö , Söller des steinernen Wassergrabens' hervorgesucht und erklärt wurden. 30. -|H Jji| Thsui-yuen. Tlisui-yuen fei-lung pien tschuen-thsao schi-ho. Die Kraft des Tschuen und der Pflanzenschrift in den Heften des fliegenden Drachen vereinigt. Von Thsui-yuen. 3 Bücher. 31. Wf- 4iiL Hiü-schin. Hiü-schin schue-wen kiai-tse. Der besprochene Schriftschmuck von Hiü-schin mit er- klärten Schriftzeichen. 15 Bücher. 32. g ijjjj Liü-schin. Liü-schin tse-lin. Der Wald der Schriftzeichen. Von Liü-schin. 7 Bücher. 33. ;j|| 7p; Hg Yang-sching-khing. Yang-sching-khing tse-thung. Die Leitung der Schriftzeichen. Von Yang-sching-khing. 20 Bücher. 34. }$| ]jt£ ^g Fung-kan-kö. Fung-kan-kÖ tse-yuen. Der Garten der Schriftzeichen. Von Fung-kan-kö. 13 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. umi 8. Jahrhunderts n. Chr. 149 35. ^jl? jjjfö Kia-fang. Kia-fang tse scho-pien. Zusammenhängende Hefte der Schriftzeichen. Von Kia- fang. 1 Buch. 36. Ja ^t Kö-hung. Kö-hung yao-yung tse-yuen. Der Garten der zum Gebrauche nothwendigen Schrift- zeichen. Von Kö-hung. 1 Buch. 37. fij£ ^ Tai-khuei. Tai-kkuei pien-tse. Die Beurtheilung der Schriftzeichen. Von Tai-Khuei. 1 Buch. 38. Hl* f|* j|j£; Seng-pao-tschi. Seng-pao-tschi wen-t.se scki-hiün. Erklärungen und Lesungen der Zeichen der Schrift. Von Seng-pao-tschi. 30 Bücher. 39. BS tfc Tscheu-tsch'ing. Tscheu-tsch'ing kiai tven-tse. Die erklärten Zeichen der Schrift. Von Tscheu-tsch'ing. 7 Bücher. 40. ^E $!£. Wang-yen. Wang-yen tsä-wen-tse yin. Die Laute der vermischten Zeichen der Schrift. Von Wang-yen. 7 Bücher. 41. J^ ^ Wang-schi, das Geschlecht Wang. Wang-schi wen-tse yao-schue. Nothwendige Besprechungen der Zeichen der Schrift. Von dem Geschlechte Wang. 1 Buch. Das Geschlecht Wang ist der oben genannte Wang-yen. 42. JEß l£t && Yuen-hiao-tschü. Yuen-hiao-tschü wen-tse tsi-lio. Abgekürzte Sammlung der Zeichen der Schrift. Von Yuen- hiao-tschü. 1 Buch. 43- % JJL Peng-K- Peng-ll xoen-tse pien-hien. Beurtheilung des Verdächtigen der Zeichen der Schritt. Von Peng-li. 1 Buch. 150 Pfizmaier. 44. ^E flf Wang-yin. Wang-yin wen-tse tschi. Denkwürdigkeiten von Zeichen der Schrift. Von Wang- yin. 3 Bücher. 45. Hj| & ^£ Ku-ye-ioang. Ku-ye-icang yö-pien. Die Edelsteinhefte. Von Ku-ye-wang. 30 Bücher. 46. ^ ^ Li-teng. Li-teng sching-lui. Die Arten der Töne. Von Li-teng. 10 Bücher. 47. [zj mS Liü-tsing. Liü-tsing yün-tsi. Sammlung der Endlaute. Von Liü-tsing. 5 Bücher. 48- Hj» -$C ^ Yang-hieu-tschi. Yang-hieu-tschi yün-lio. Abgekürzte Darlegung der Endlaute. Von Yang-hieu-tschi. 1 Buch. 49. Yang-hieu-tschi pien-hien yin. Beurtheilung der Laute des Verdächtigen. Von Yang- hieu-tschi. 2 Bücher. 50. W j^ =g}< Hia-heu-yung. Hia-heu-yung sse-sching yün-lio. Abgekürzte Darlegung der Endlaute der vier Töne. Von Hia-heu-yung. 13 Bücher. 51. ß|s jfer TscKang-liang. Tsch 'ang-liang sse-sching pu. Die Abtheilungen der vier Töne. Von Tsch'ang-liang. 30 Bücher. 52. $| J^ Tschao-schi} das Geschlecht Tschao. Tschao-schi yün-pien. Die Hefte der Endlaute. Von dem Geschlechte Tschao. 12 Bücher. 53. K& ^£ Lotse. Lö-tse thsie-yün. Die Endlaute der Durchschneidung. Von Lö-tse. 5 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. 151 54. ^K 5J1J Ko-Mün. Kö-hiün tse-tschi pien. Hefte des Sinnes der Schriftzeichen. Von Ko-hiün. 1 Buch. 55. Ku-icen khi-tse. Die seltsamen Zeichen der alten Schrift. 2 Bücher. 56- $$ 5&Z Wei-hung. Wei-hung tschao-ting ku-wen tse-schu. Ein Buch der verkündeten und bestimmten Zeichen der alten Schrift. Von Wei-hung. 1 Buch. 57. ||l ^U Yü-ho. Yü-ho fä-schu mö-lö. Verzeichnisse der Musterschrift. Von Yü-ho. 6 Bücher. 58. |j|j j|| Wei-heng. Wei-heng sse-thi schu-schi. Die Kraft der Schrift der vier Körper. Von Wei-heng. 1 Buch. 59. Ita -^?* ^? Siao-tse-yün. Siao-tse-yün u-schi-ni ihi-schu. Die Schriften der zwei und fünfzig Körper. Von Siao- tse-yün. 1 Buch. 60. J3ä Jp| 2£ YiirJcien-ngu. Yü-kien-ngu schu-pin. Die Gattungen der Schrift. Von Yü-kien-ngu. 1 Buch. 61. J|i| ^* ^^ Yen-tschi-tui. Yen-tschi-tui pi-me-fä. Die Weise von Pinsel und Tinte, Von Yen-tschi-tui. 1 Buch. 62. y|| j£ l*i Seng-tsching-thu. Seng-tsching-thu tsä-tse schu. Das Buch der vermischten Schriftzeichen. Von Seng- tsching-thu. 8 Bücher. 63. -föj" ^ ^ Ho-sching-ihien. Ho-sching-thien ihsuan-wen. Der zusammengefasste Schriftschmuck. Von Ho-sching- thien. 3 Bücher. 64. Jfj^ ^j£ _v* Yen-yen-tschi. Yen-yen-tschi thsuan-yao. Das zusammengefaßte Erforderliche. Von Yen yen-tschi. 6 Bücher. 152 Pfizmaier. 65. Yen-yen-tschi khe-yeu wen. Der Schriftschmuck zur Befragung der Jugend. Von Yen- yen-tschi. 3 Bücher. 66- 5|§ ^ Tsch'ang-tui. Tsch'ang-tui tsching-sö yin. Die bestätigten gemeinen Laute. Von Tsch'ang-tui. 3 Bücher. 67. HÜ Uk 4t? Yen-min-thsu. IS?* AU* ACr Yen-min-thsu tsching-sÖ yin-liö. Abgekürzte Darlegung der bestätigten gemeinen Laute. Von Yen-min-thsu. 1 Buch. 68. 35 ra£ Li-khien. Li-khien tu thung-sö xoen. Fortsetzungen der Schrift des gemeinen Lebens. Von Li-khien. 2 Bücher. 69. f^ 4? Li-schao. Li-schao thimg-sö yü nan-tse. Die schwierigen Schriftzeichen der Sprache des gemeinen Lebens. Von Li-schao. 1 Buch. 70. jj|£ Ja ^p| Tschü-ko-ying. Tschü-kÖ-ying knei-yuen tschü-tsung. Die Ansammlungen der Perlen des Zimmtgartens. Von Tschü-kö-ying. 100 Bücher. 71. 7k jfljsl j)in Tschü-sse-hking. Tschü-sse-khing yeu-hiö pien. Die Hefte des Lernens der Jugend. Von Tschü-sse-khing. 1 Buch. 72. 3|| |^ Hiang-tsiün. Hiang-tsiün sclii-hio pien. Hefte des ersten Lernens. Von Hiang-tsiün. 12 Bücher. 73. ^£ |g| J>* Wang-hi-tscln. Wang-M-tschi siao-hio pien. Hefte des kleinen Lernens. Von Wang-hi-tschi. 1 Buch. 74 M 3fr Yang-fang. Yang-fang schao-hio tsi. Sammlungen des Lernens der Jugend. Von Yang-fang. 10 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. lOo 75. I|§ fjJL ^ Ku-khai-tschi. Ku-khai-tschi Tchi-i. Die Eröffnung des Zweifelhaften. Von Ku-khai-tschi. 3 Bücher. 76. iji1 ^r* tili Siao-tse-fan. Siao-tse-fan thsien-tse wen. Die Schrift der tausend Schriftzeichen. Von Siao-tse-fan. 1 Buch. 77. ^§J J|L ß^ Tscheu-hing-sse. Tschext-hing-sse tse-yün thsien-tse wen. Die mit angereihten Endlauten versehene Schrift der tausend Schriftzeichen. Von Tscheu-hing-sse. 1 Buch. 78. fgi (Yen) thsien-tse wen. Die fortgesetzte Schrift der tausend Schriftzeichen. 5 Bücher. 79. Lan-tse tschi-yuen. Die bekannte Quelle der überblickten Schriftzeichen. 3 Bücher. 80. Tse-schu. Das Buch der Schriftzeichen. 10 Bücher. 81. Kvei-yuen tschil-tsung liö-yao. Das abgekürzte Nothwendige der Perlen des Zimmt- gartens. 30 Bücher. 82. Ku-kin pä-thi lö-iven schu-fä. Die Weise der sechs Schriftgattungen der acht Körper des Alterthums und der Gegenwart. 1 Buch. 83. KtL-lai tschuen-li ku-hiün ming-lo. Verzeichnisse von Namen mit alten Lesungen in den von Alters her üblichen Schriftgattungen Tschuen und Li. 1 Buch. 84. Tschuen-schu thsien-tse wen. Die Schrift der tausend Schriftzeichen in Tschuen-Schrift. 1 Buch. 85. Kin-tse ^ $?£ schi-king yi tschuen. Das aus den mustergiltigen Büchern des Steinernen in Tschuen-Schrift hervorgegangene Buch der Verwandlungen in gegenwärtigen Schriftzeichen. 3 Bücher. Von den ,mustergiltigen Büchern des Steinernen' ist Nr. 29 die Rede gewesen. 154 Pfiz ni uier. 86. Kin-tse schi-king schang-schu pen. Der Text des aus den mustergiltigen Büchern des Stei- nernen hervorgegangenen höchsten Buches in gegenwär- tigen Schriftzeichen. 5 Bücher. -ffe" =& Schang-schu ,das höchste Buch' ist das Schu-king. 87. Kin-tse schi-king ||j$ ^ tsching-hiuen schang-schu. Das von Tsching-hiuen aus den mustergiltigen Büchern des Steinernen hergestellte höchste Buch in gegenwärtigen Schriftzeichen. 8 Bücher. 88. San-tse schi-king schang-schu ku-tschuen. Das aus den mustergiltigen Büchern des Steinernen her- vorgegangene, in alter Tschuen-Schrift geschriebene höchste Buch in dreierlei Schriftzeichen. 3 Bücher. 89. Kin-tse schi-king ^ ^p mao-schi. Die aus den mustergiltigen Büchern des Steinernen her- vorgegangenen Gedichte von dem Geschlechte Mao in gegenwärtigen Schriftzeichen. 3 Bücher. 90. Kin-tse schi-king i-li. Das aus den mustergiltigen Büchern des Steinernen her- vorgegangene Buch des Verfahrens und der Gebräuche in gegenwärtigen Schriftzeichen. 4 Bücher. 91. San-tse schi-king tso-tschuen ku-tschuen schu. Die aus den mustergiltigen Büchern des Steinernen her- vorgegangenen, in alter Tschuen-Schrift geschriebenen Ueberlieferungen des Geschlechtes Tso in dreierlei Schrift- zeichen. 12 Bücher. 92. Kin-tse schi-king tso-tschuen-king. Das aus den mustergiltigen Büchern des Steinernen her- vorgegangene mustergiltige Buch der Ueberlieferungen des Geschlechtes Tso in gegenwärtigen Schriftzeichen. 10 Bücher. 93. Kin-tse schi-king ^. 3£ kvng-yang-tschuen. Die aus den mustergiltigen Büchern des Steinernen her- vorgegangenen Ueberlieferungen Kung-yang's in gegen- wärtigen Schriftzeichen. 9 Bücher. % 95 Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts 11. Chr. lOO 94. ^| $ Tksai-yung kin-tse schi-king iMn-yii. Die von Thsai-yung hergestellten, aus den mustergiltigen Büchern des .Steinernen hervorgegangenen erörternden Worte in gegenwärtigen Schriftzeichen. 2 Bücher. 95. W W Thsao-hien. El /Uli» Thsao-hien ni-ya yin-i. Die Laute und Bedeutungen des nahen Richtigen. Von Thsao-hien. 2 Bücher. Ni-ya ,das nahe Richtige' ist das Nr. 1 angeführte Werk. 96. Thsao-hien -jf| J|| po-ya. Das vielseitige Richtige. Von Thsao-hien. 10 Bücher. 97. Wen-tse tschi-ltuei. Fingerzeige auf die Zuständigkeit der Zeichen der Schrift. •4 Bücher. 98. ^J -fft y£ Lieu-pe-tschuang. Lieu-pe-tschuang tu ni-ya. Fortsetzungen des nahen Richtigen. Von Lieu-pe-tschuang. 1 Buch. 99. Hf| fjjjj ^Jj Yen-sse-ku. Yen-sse-ku tschü kl-tsieu-tschang. Erklärung der eilig vollendeten Absätze. Von Yen-sse-ku. 1 Buch. Bezieht sich auf das Nr. 22 angeführte Werk. Yen- sse-ku ist in der Abhandlung: ^Nachrichten von Ge- lehrten ChinaV Gegenstand eines besonderen Ab- schnittes. j 100. Die Kaiserin von dem Geschlechte Wu. Wu-heu ^ )$j tse-hai. Das Meer der Schriftzeichen. Von der Kaiserin von dem Geschlechte Wu. 100 Bücher. Die unter dem Namen der Kaiserin Wu heraus- gegebenen Bücher wurden von einer Anzahl Ge- lehrter zusammengestellt. | 101. ^ß jflßjj Li-sse. Li-sse tsch'in-schu heu-pin. Die späteren Ordnungen der wahren Schrift. Von Li-sse. 1 Buch. 156 Pfizmaier. 102. fä ffä Siü-hao. Siii-hao schu-pu. Register der Schrift. Von Siü-hao. 1 Buch. 103. Ku-tsi ki. Verzeichnungen der Spuren des Alterthums. 1 Buch. 104. ß)| |il j|§ Tsch'ang-hoai-kuan. Tsch ang-hoai-kuan schu-tuan. Entscheidungen über die Schrift. Von Tsch'ang-hoai-kuan. 3 Bücher. Dieses Werk wurde in dem Zeiträume Khai-yuen (713 bis 740 n. Chr.) in dem Gebäude des Pinsel- waldes dargereicht. 105. 7 seh 'ang-hoai-kuan ping-schu |JjB| ^?t yö-schi liln. Erörterungen über den Arzneistein bei Beurtheilung der Schrift. Von Tsch'ang-hoai-kuan. 1 Buch. 106. SJ| |$£ ~$2. Tscli ang-king-hiuen. Tscli ang-king-hiu en sehn- tsi. Muster der Schrift. Von Tschang-king-hiuen. 1 Buch. Der Verfasser dieses Werkes lebte in dem Zeiträume Tsching-yuen (785 bis 804 n. Chr.). 107. B|| J§^ Jö TscVang-yen-yuen. Tsch' ang-yen-yuen fä-schu yao-lo. Nothwendige Verzeichnisse der Musterschrift. Von Tsch'ang- yen-yuen. 10 Bücher. 108. gg fö jfö Pei-hang-khien. Pei-hang-khien thsao-tse tsä-thi. Vermischte Körper der Pflanzenzeichen. Von Pei-hang- khien. Die Zahl der Bücher dieses Werkes ist unbekannt. 109. ^J jfg§ King-hao. King-hao pi-fet ki. Verzeichnungen der Weise des Pinsels. Von King-hao. 1 Buch. 110. ZU. 3l Ni-wang B|| ^ tsch'ang-tschi ß|§ ^ft^ tsch'ang- tsetiang. Ni-wang tsch'ang-tschi tsch' ang-t seh' ang-teng sehn. Die Schriften der zwei Männer des Geschlechtes Wang, ferner Tsch'ang-tschi's, Tsch'ang-tsch'ang's und Anderer. 1511 (eintausend fünfhundert eilt) Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. L'hr. 15 ( Die zwei Männer des Geschlechtes Wang sind die Schriftkünstler Wang-hi-tschi und Wang-hien-tschi. Tsch'ang-tschi und Tsch'ang-tsch'ang sind ebenfalls Schriftkünstler. Die alten Schriften der genannten Männer wurden auf Befehl des Kaisers Thai-tsung von den damaligen Schriftkünstlern Wei-tsch'ing; Yü-schi-nan, Tschü-sui-liang und Anderen hinsichtlich der Aecht- heit geprüft und zusammengestellt. Das Werk wurde im fünften Jahre des Zeitraumes Khai-yuen (717 n. Chr.) vollendet. 111. ^P ~fc J|| Wang-fang-khing. Wang-fang-khing j)ao-tschang ist. Sammlungen kostbarer Absätze. Von Wang-fang-khing. 10 Bücher. 112. Wang-fang-khing wang-schi pä-thi schu-fan. Schriftmuster der acht Körper des Geschlechtes Wang. Von Wang-fang-khing. 4 Bücher. Das Geschlecht Wang ist der Schriftkünstler Wang- hi-tschi. 113. Wang-schi kung-schu-tschuang. Die Beschaffenheit der kunstvollen Schrift des Geschlechtes Wang. 15 Bücher. 114. Hiuen-tsung khai-yuen wen-tse yin-i. Die Laute und Bedeutungen der Zeichen der Schrift des Zeitraumes Khai-yuen (713 bis 741 n. Chr.), Jahre des Kaisers Hiuen-tsung. 30 Bücher. 115. BJjl ?&. Tsch'ang-tsan. Tsch'ang-tsan n-king wen-tse. Die Zeichen der Schrift der fünf mustennlti^en Bücher. Von Tsch'ang-tsan. 3 Bücher. 116. f§* ^£r fö Thang-hiuen-tu. Thang-hiuen-tu kieu-king tse-yang. Die Art der Schriftzeichen der neun mustergiltigen Bücher. Von Than°r-hiuen-tu. 1 Buch. 117. Jjp^ [pir S^ Ngeu-yang-yung. Ngeu-yang-yung king-tien fen-hao tsching-tse. 158 Pfizmaier. Die auf das Kleinste vertheilten richtigen Schriftzeichen der Vorbilder der mustergültigen Bücher. Von Ngeu-yang- yung. 1 Buch. 118. ^ J|§ Li-teng. Li-teng schue-ioen tse-yuen. Die Quelle der Zeichen des besprochenen Schriftschmucks. Von Li-teng. 1 Buch. 119. ffl" !=| j/j Seng-hoei-li. Seng-hoei-li siang-wen yo-pien. Edelsteinhefte der Bilderschrift. Von Seng-hoei-li. 30 Bücher. 120. jH' |^J Siao-kiün. Siao-kiün yün-yin. Die Endlaute und Laute. Von Siao-kiün. 20 Bücher. 121. -^ '!*[§ Sün-mien. Sün-mien thang-yün. Die Endlaute der Thang. Von Sün-mien. 5 Bücher. 122- Ä 7t £ Wu-yuen-tschi. Wu-yuen-tschi yün- ^^ tsiuen. Die Wagebalken der Endlaute. Von Wu-yuen-tschi. 15 Bücher. 123. Hiuen-tsung yün-ying. Die Blüthen der Endlaute. Von dem Kaiser Hiuen-tsung. 5 Bücher. Dieses Werk wurde im vierzehnten Jahre des Zeit- raumes Thien-pao (755 n. Chr.) in Folge einer höchsten Verkündung zusammengestellt. 124. jpg pl j)j|jp Yen-tschin-khing. Yen-tschin-khing yün-hai king-yuen. Die Quelle des Spiegels des Meeres der Endlaute. Von Yen-tschin-khing. 360 Bücher. 125. ^ ^ Li-tscheu. Li-tscheu thsie-yün. Die durchgeschnittenen Endlaute. Von Li-tscheu. 10 Bücher. 12G. ff^ JDJ ^U Seng-yeu-tschi. Seng-yeu-tschi pien-thi pu-sieu kin-tse thsie-yün. Die durchgeschnittenen Endlaute mit Unterscheidung der Körper und Hinzufügung der Schriftzeichen ergänzt und geordnet. Von Seng-yeu-tschi. 5 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. and 8. Jahrhunderts n. Chr. 159 Werke ober Landwirthschaft. !•! f Fan-tse ff ß Ki-jen. Fan-tse und Ki-jen. 15 Bücher. Fan-tse ist Fan-li; Reichsgehilfe des Königs Keu- tsien von Yue. Fan-li fragt, Ki-jen antwortet. 2. "p3* Yün-tu-wei schu. Das Buch des allgemeinen Beruhigers von dem Geschlechte YTin. 3 Bücher. 3- Vß lli^ Ä^ Fan-sching-tschi sehn. Das Buch Fan-sching-tschi's. 2 Bücher. 4. ^ 5|£ Thsui-schi. Thsui-scM sse-jin yue-ling. Die Gebote der Monate in Bezug auf vier Menschen. Von Thsui-schi. 1 Buch. 5- H fi j| $ty Tu-thai-khing. Tu-thai-khing yo-tschö pao-tit m. Die kostbaren Vorbilder der Edelsteinlampe. Von Tu-thai- khing. 12 Bücher. 9. ££ Jfc Wang-schi, das Geschlecht Wang. Wang-schi sse-schi 16. Verzeichnisse über die vier Jahreszeiten. "\ on dem Ge- schlechte Wang. 12 Bücher. 160 Pfizmaier. 10. SU g|L ^ Tai-kai-tschi. Tai-kai-tschi tschö-pu. Register des Bambus. Von Tai-kai-tschi. 1 Buch. 11. Ig fr}! Ku-hoan. Ku-hoan thsien-pu. Register der Kupfermünzen. Von Ku-hoan. 1 Buch. 12- $§£ Jfc $* Feu-khieu-kung. Feu-khieu-kung siang-hö hing. Das mustergiltige Buch der Beobachtung der Störche. Von Feu-khieu-kung. 1 Buch. 13. 3^ %M> jffi Yao-siü-pö. Yao-siü-pÖ fl£ ?B? tschi-ke 16. Verzeichnisse des Angriffes der Raubvögel. Von Yao-siü- pö. 20 Bücher. 14. Siang-ma king. Das mustergiltige Buch der Beobachtung der Pferde. 3 Bücher. 15. >fg H Pe-lu. Pe-lö siang-ma king. Das mustergiltige Buch der Beobachtung der Pferde. Von Pe-lö. 1 Buch. 16. 4[fb fij/' Siü-tsch'ing. Siü-tsch 'ing-teng siang-ma king. Das mustergiltige Buch der Beobachtung der Pferde. Von Siü-tsch'ing und Anderen. 2 Bücher. 17. |N| Igj ^H Tschü-kÖ-ying. Tschü-kö-ying tschung-tsclii fä. Vorschriften für das Pflanzen. Von Tschü-kö-ying. 77 Bücher. 18. Tschü-kö-ying siang-ma king. Das mustergiltige Buch der Beobachtung der Pferde. Von Tschü-kö-ying. 60 Bücher. 19- || Jfi fing-UL Ning-tsi siang-nieu hing. Das mustergiltige Buch der Beobachtung der Rinder. Von Ning-tsi. 1 Buch. Ning-tsi lebte zu den Zeiten des Fürsten Hoan von Thsi. Chinesisch« Schriftwerke des 7. und s. Jahrhunderts n. Chr. 1(')1 20. ^g fg Fan-li. Fan-li yang-yü hing. Das mustergiltige Buch der Fischzucht. Von Fan-li 1 Buch. Fan-li ist der früher genannte Reichsgehilfe des Königs Keu-tsien von Yue. 21. 3pv Jm^ Kin-yuen schi-lo. Verzeichnisse der Früchte des verschlossenen Gartens. 1 Buch. 22. Ying-king. Das mustergiltige Buch der Falken. 1 Buch. 23. Tsan-king. Das mustergiltige Buch der Seidenraupen. 1 Buch. 24. Tsan-king. Das mustergiltige Buch der Seidenraupen. 2 Bücher. 25. jfö f=J Siang-pei hing. Das mustergiltige Buch der Beobachtung der Muscheln. 1 Buch. 26. Wu-heu, die Kaiserin von dem Geschlechte Wu. Wu-hen jj{< A tsch'ao-jin pen-nie. Die ursprüngliche Beschäftigung der die Schildkröten- schale brennenden Menschen. Von der Kaiserin von dem Geschlechte Wu. 3 Bücher. ~^- 3E ~}j JÜ Wang-fang-khing. Wang-fang-khing yuen-ting ihsao-mo su. Weitere Erklärungen der Pflanzen und Bäume der Gärten und Vorhöfe. Von Wang-fang-khing. 21 Bücher. 28. J(^ J^ Sün-schi, das Geschlecht Sün. Sün-schi ihsien-kin yue-ling. Die Gebote der Monate in Bezug auf tausend Pfunde Goldes. Von dem Geschlechte Sün. 3 Bücher. Das Geschlecht Sün ist -^ B3 ^ Sün-sse-mö. 29. ^5 j|[ JH, Li-tschün-fung. Li-tschün-fung yen thsi-jin yao-scho. Die erweiterte nothwendige Kunst der Menschen von Thsi. Von Li-tschün-fung. Die. Zahl der Bücher dieses Werkes ist anbekannt. Li-tschün-fung ist in dem Buche der Thang i Buch 1 29 Gegenstand eines besonderen Abschnittes. Sitzungsher. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. I. Hft. 11 162 Pfizinaier. 30. ^5 & Li-yung. Li-yung kin-kö yuen-ki. Verzeichnungen des Gartens des goldenen Thaies. Von Li-yung. 1 Buch. 31. §«i£ %ß> Sie-teng. Sie-teng sse-schi ki. Verzeichnungen von den vier Jahreszeiten. Von Sie-teng. 20 Bücher. 32- JH $t Pei-tech'ing. Pei-tsch!ing sching-yü yue-ling. Die Gebote der Monate in Bezug auf das Besteigen der Sänfte. Von Pei-tsch'ing. 12 Bücher. Der Vorsteher der Beschäftigung der Söhne des Reiches legte dieses Werk im eilften Jahre des Zeit- raumes Tsching-yuen (786 n. Chr.) dem Kaiser vor. 33. ^j? yß| Wang-yai. Wang-yai yue-ling thu. Abbildungen der Gebote der Monate. Von Wang-yai. 1 Achse (Gemäldestift). 34. ^ |^ Li-tscho. Li-tscho iss; Fp thsin-tschung sui-schi ki. Verzeichnungen von den Zeiten des Jahres in Thsin. Von Li-tschö. 1 Buch. 35. ja ^j ^^ Wei-hang-khuei. Wei-hang-khuei p* j|f| Lieu-tschi-yin schin-lö. Verzeichnisse von Göttern. Von Lieu-tschi-lin. 5 Bücher. 21. Liang yuen-ti, Kaiser Yuen von Liang. Liang-yuen-ti y^j\ ngen-schin ki. Verzeichnungen von guten Göttern. Von dem Kaiser Yuen von Liane;. 10 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. and 8. Jahrhunderts ». ehr. lOO 22. jjji. £j ^ Tsu-ihai-tschL Tsu-iha i- tsch i 's, -h i-k na i. Die Wunder der Denkwürdigkeiten. Von Tsu-thai-tschi. 4 Bücher. 23. ^\j J^ Khung-schi, das Geschlecht Khung. Kh ung-sch i tsch i-Tcuai . Die Wunder der Denkwürdigkeiten. Von dem Geschlechte Khung. 4 Bücher. 24. J& & Siün-scki, das Geschlecht Sün. Sün-schi Ung-kuei tschi. Denkwürdigkeiten von geistigen Dingen und Dämonen. Von dem Geschlechte Sün. 3 Bücher. 25. Ü)- J^ Sie-schi, das Geschlecht Sie. Sie-schi kuei-schin Ke-tschuen. Ueberlieferungen von Dämonen und Göttern. Von dem Geschlechte Sie. 2 Bücher. 26. §?|J f|| JH Lieu-i-khing. Lieü-i-khing yeu-ming 16. Verzeichnisse des Dunklen und Hellen. Von Lieu-I-khing. 30 Bücher. 27. Tung-yang ^q ^^ wu-i. Tung-yang wu-i 7ß&> gvr thsi-kiai ki. Verzeichnungen von Wundern der Denkwürdigkeiten. Von Wu-I von Tung-yang. 7 Bücher. 28. ^ j£j U-kiün. I -kiüa tu thsi-kiai ki. Die fortgesetzten Verzeichnungen von Wundern der Denk- würdigkeiten. Von U-kiün. 1 Bucl 29. T $£ ^5 Wang-yen-sieu. Wang-yen-sieu ^x /ff6 kan-ying tschuen. Ueberlieferungen von Anregung und Entsprechen. \ ron Wang-yen-sieu. 8 Bücher. 30. g jj£ Lö-ko. Lö-ko hi-ying-h ien. Zusammenhängende Entsprechungen und Bestätigungen. Von Lö-ko. 1 Buch. X66 Pfizmaicr. 31- 3E $k Wang-yen. Wang-yen ming-tsiang ki. Verzeichnungen von dunklen Glückszeichen. Von Wang- yen. 10 Bücher. 32- BE ^ II Wang-man-ying. Wang-man-ying tu ming-tsiang ki. Fortgesetzte Verzeichnungen der dunklen Glückszeichen. Von Wang-man-ying. 11 Bücher. 33. ^\ fjfc Lieu-yung. Lieu-yung ^1 j& yin-ko ki. Verzeichnungen von der Vergeltung früherer Thaten. Von Lieu-yung. 10 Bücher. 34. Hpj _>* ^ Yen-tschi-tui. Yen-tschi-tui -^5? 3pfl yeu-hoen tschi. Denkwürdigkeiten von Ueberweisung der Seele. Von Yen- tschi-tui. 3 Bücher. 35. Yen-tschi-tui tsl ling-ki. Gesammelte Verzeichnungen des Geistigen. Von Yen- tschi-tui. 10 Bücher. 36. fd j7f| TscJiing-ying tsl. Sammlung der deutlichen Entsprechungen. 2 Bücher. 37. -||| je* -jkt Heu-kiün-su. Heu-kiün-su "Jfrj: W, sing-i ki. Verzeichnungen der bekundeten Merkwürdigkeiten. Von Heu-kiün-su. 15 Bücher. 38. jg- pjgjj Thang-lin. Thang-lin ming-pao. Die dunklen Vergeltungen. Von Thang-lin. 2 Bücher. 39. ^ ^g Li-jü. Li-jü kiai-tse sclii-i. Das Auflesen des Hinterlassen en in Bezug auf die Er- mahnung der Söhne. Von Li-jü. 4 Bücher. 40. Khai-yuen yü-tsi kiai-tse schu. Die kaiserliche Sammlung der Schriften der Ermahnung der Söhne aus dem Zeiträume Khai-yuen (713 bis 741 n. Chr.). 1 Buch. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chi-. lbl 41. ~PP ~ij Jj|f Wang-fang-khing. Wang-fang-khing ^P j^r wang-schi schin-thung ki. Die Verzeichnungen des göttlichen Verkehres des Ge- schlechtes Wang. Von Wang-fang-khing'. 10 Bücher. 42. $t fr ^ Ti-jin-khie. Tt-jin-khic kia-fan. Die Muster des Hauses. Von Ti-jin-khie. 1 Buch. 43. Jm ^ Lu-kung. Lu-kung kia-fan. Die Muster des Hauses. Von Lu-kung. 1 Buch. Lu-kung ist fm 'ffi Lu-tsiuen, ein Gelehrter aus den Zeiten der Thang. 44. ■&£ JJM ptl Su-hoai-tschung. Su-hoai-tschung khiü kuei-king. Der Schildkrötenspiegel der Thürangeln. Von Su-hoai- tschung. 1 Buch. 45- i^ j\^ M^ Yao-yuen-thsung. Yao-yuen-thsung lÖ-kiai. Die sechs Ermahnungen. Von Yao-yuen-thsung. 1 Buch. 46. ^ -bh Sse-schi. Die Anfänge der Dinge. 3 Bücher. 47« J§H\ 5%^. Lieu-jui. Lieu-jui tu sse-schi. Fortsetzungen der Anfänge der Dinge. Von Lieu-jui. 3 Bücher. 48. Tjjpx Jffi -3p- I-ngan-tse. Y-uen-ke i-ngan-tse. I-ngan-tse in der ursprünglichen Knüpfung. 1 Buch. 49. jjg g (3J4-^J) Tschao-tse-mien. Tschao-tse-mien ging hoa-kiuen yü. Das Entgegenziehen in der Sänfte der Macht der Um- gestaltungen. Von Tschao-tse-mien. 6 Bücher. 50. j^H Ijljjb -^ Thung-wei-tse. Thnng-ioei-tse schi-we tschi. Denkwürdigkeiten von zehn Sachen. Von Thung-wei-tse. 1 Buch. 51. J% (A* + j£) ) U-yün. U-yün Hang ihung-schu. Die beiden übereinstimmenden Bücher. Von U-yün. 1 Buch. 168 Pfizmaier. 52. ^$5 v^ Li-feu. Li-feu -ffli |ML thsien-wu. Die Irrthümer der Einzeichnungen. Von Li-feu. 2 Bücher. 53. ^5 fE ~aT Li-klmang-wen. Li-khuang-wen thse-hia. Die Verwendung der Muse. Von Li-khuang-wen. 3 Bücher. 54. ^ li|/ ^r- Tschl-kö-tse. Tschl-kö-tse tsä-lo tschü-hiai. Ei'klärungen und Auslegungen vermischter Verzeichnisse. Von Tschi-kö-tse. 5 Bücher. Tschi-kö-tse ist ^£ ^7 Wang-jui. 55> M II Su-mß- Su-ngö yen-i. Erweiterte Bedeutungen. Von Su-ngö. 10 Bücher. 56. Su-ngö fu-yang tsä-pien. Vermischte Hefte von Tu-yang. Von Su-ngö. 3 Bücher. Su-ngö war in dem Zeiträume Kuang-khi (885 bis 887 n. Chr.) ein beförderter Gelehrter. 57. $jD J^ Lieu-schi, das Geschlecht Lieu. Lieu-schi kia-hiÖ yao-lö. Noth wendige Verzeichnisse des Lernens des Hauses. Von dem Geschlechte Lieu. 2 Bücher. Das Geschlecht Lieu ist i^f] (J -j- § ) Lieu-tsch'ing. 58. )W ;)£ ^C Lu-kuang-khi. Lu-kuang-khi thsu-khiü tse. Die erste Erhebung der Söhne. Von Lu-kuang-khi. 1 Buch. Der Verfasser dieses Werkes war Reichsgehilfe des Kaisers Tschao-tsung von Thang. 59. Hfl] fjptj =j Lieu-nä-yen. Lieu-nä-yen ffii =$jt pai-fa'ai tsi. Sammlungen von Scherzen. Von Lieu-nä-yen. 15 Bücher. ^- IBJC pl||* ^ Liü-tao-seng. Liü-tao-seng ting-ming lo. Verzeichnisse des bestimmten Lebenslooses. Von Liü-tao- seng. 2 Bücher. Liü-tao-seng lebte in dem Zeiträume Thai -he (827 bis 835 n. Chr.). Er vermehrte die von Tschao- tse-khin verfassten Besprechungen. 82- JS. (ffl +ß*) Wen-yü. Wen-yü tu ting-ming lö. Fortsetzung der Verzeichnisse des bestimmten Lebens- looses. Von Wen-yü. 1 Buch. 172 Pfizmaier. 83. -jjg JJg gg Hu-khiü-tan. Hu-Jchiü-tan pin-lö. Verzeichnisse der Gäste. Von Hu-khiü-tan. 10 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes lebte zu den Zeiten der Kaiser Wen-tsung und Wu-tsung. 84. §. |gj Wei-siün. Wei-siün ^|] ^ h'eu-kung kia-hoa 16. Verzeichniss der vortrefflichen Reden des Fürsten von dem Geschlechte Lieu. Von Wei-siün. 1 Buch. Der Fürst von dem Geschlechte Lieu ist ^|| ^ §J^ Lieu-yü-si. Derselbe ist in dem Buche der Thang (B.uch 93) Gegenstand eines besonderen Abschnittes. 85. Liü-Ung kuan-hia ki. Verzeichnungen der Obrigkeiten und Untergebenen von Liü-ling. 2 Bücher. 86. JJT -^ Lu-tse. Lu-tse sse-lo. Verzeichnisse der Geschichtschreiber. Von Lu-tse. Die Zahl der Bücher dieses Werkes ist unbekannt. 87. Lu-tse ^jL & yi-sse. Die verborgenen Geschichtschreiber. Von Lu-tse. 3 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes lebte in dem Zeiträume Ta-tschung (847 bis 859 n. Chr.). 88- ^ 1 u-^- a 1 Li-yin ta-thang khi-sse ki. Verzeichnungen wunderbarer Dinge des grossen Thaug. Von Li-yin. 10 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes lebte in dem Zeiträume Hien-thung (860 bis 873 n. Chr.). 8^- $tl w) IUI. Tschin-schao-thung. Tschin-schao-thung yeu-ki. Verzeichnungen des Dunklen. Von Tschin-schao-thung. 1 Buch. 90. ^g f|| Fan-tsch'ü. Fan-tsch'ü yün-khi yeu-h Berathungen des Freundes des Wolkenbaches. Von Fan- tsch'ü. 3 Bücher. Cliinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. 17.) Der Verfasser dieses Werkes lebte- in dem Zeiträume Hien-thung (860 bis 873 n. Chr.). Er nannte sich den Menschen des Baches der fünf Wolken. 91. gij" }g. ||S Wei-Uclii-khiü. Wei-tsch'i-kh iü nan- thsu sin-wen. Neue Nachrichten von dem südlichen Thsu. Von Wci- tsch'i-khiü. 3 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes lebte gegen das Ende der Zeiten der Thang. 92. iJ|| i& Tsch'ang-ku.- Tscliang-ku |^J Pj| yeu-Men khu-tsch'vi. Das Trommeln und Blasen des Dunklen and Verborgenen. Von Tsch'ang-ku. 1 Buch. 93- Hfl ^ Ldeu-scM, das Geschlecht Lieu. Lieu-schi tsä-schue. Vermischte Besprechungen. Von dem Geschlechte Lieu. 1 Buch. 94. Kuei-ym tsung-tan. Gesammelte Gespräche des Zimmtgartens. 1 Buch. 95« j$j$ 'H* Sschu-hiuen 16. Verzeichnisse gepflanzter Taglilien. 1 Buch. 96. Snng-techuang lo. Verzeichnisse des Fichtenfensters. 1 Buch. 97. *£ gg TscM-thien lo. Verzeichnisse der Felder der Unsterblichkeitspflanze. 1 Buch. 98. ^E j^ Hp Yö-thsiuen-tse. Yö-thsiuen-tse kien-icen tschin-lo. Wahre Verzeichnisse des Gesehenen und Gehörten. Von Yö-thsiuen-tse. 5 Bücher. 99. |Jj[J Tji^ Lieu-tsiang. Lieu-tsiang »|j Vpgj siang-siao lo. Verzeichnisse von den Flüssen Siang und Siao. Von Lieu- tsiang. 10 Bücher. 100. Ö. -^ ^ Hoang-fu-sung. Hoang-fu-sung tmv-hiang je-yue. Die Tage und Monate des trunkenen Bezirkes. Von Hoang-fu-sung. 3 Bücher. 174 Pf izra ai e r. 105. 101. -jaf g ffc Ho-tse-jen. Ho-tse-jen siao-lin. Der Wald des Lachens. Von Ho-tse-jen. 3 Bücher. 102. ^ $g H Tsiao-lu-khiung. Tsiao-lu-hhiung schin-pi-yuen . Der göttliche geheime Garten. Von Tsiao-lu-khiung. 10 Bücher. 103. g (^ + }f|]) Pe*-W«flf. Pei-hing tschuen-khi. Ueberlieferte Wunder. Von Pei-hing. 3 Bücher. 104. $S}\ fcT Lieu-kho. Lieu-kho nieu-yang je-li. Tagekalender der Rinder und Schafe. Von Lieu-kho. 1 Buch. Dieses Werk wurde von dem früher vorgekommenen Verfassern Nieu-seng-jü (Nr. 75) und Hoang-fu-sung (Nr. 100) mit Einleitungen versehen. ?l tH Ü P'n-kiang-thsung. P'u-kiang-thsmig pe-ynen tschuen. Ueberlieferungen von dem weissen Affen. Von P'u-khiang- thsung. 1 Buch. LÖ-yü tsch'a-king. Das mustergiltige Buch des Thees. Von Lö-yü. 3 Bücher. ^ 3C Wx Tsch'ang-yev-sin. Tsch 'ang-yeu-sin thsien tscli a-schui ki. Verzeichnungen von dem Sieden des Theewassers. Von Tsch'ang-yeu-sin. 1 Buch. 108. ^f fgj Fung-yen. Fung-yen tu thsien-pu. Fortsetzung der Register der Kupfermünzen. Von Fung- yen. 1 Buch. Das von Ku-hoan verfasste Werk: , Register der Kupfermünzen' ist unter den Werken über Land- wirthschaft (Nr. 11) verzeichnet worden. 106. 107. Chinesische Schriftwerke des 7. und s. Jahrhunderts n. Chr. 1 <:> Werke ober Sternkunde. 1. j|j| IS Tschao-ying. Tschao-ying tschü J$\ fjfe tscheu-pi. Erklärung der sich drehenden Hüften. Von Tchao-ying. 1 Buch. Tscheu-pi ,die sich drehende Hüfte* heisst ein altes Werk über Sternkunde. ^ Ehud ,die Hüften' ist ein aus sechzehn Sternen bestehendes Sternbild des westlichen Himmels. Dasselbe hat die Gestalt der beiden Hüften. 2. ^ £jt Khicn-lnan. Khien-Inan tschü tscheu-pi. Erklärung- der sich drehenden Hüften. Von Khien-luan. 1 Buch. 3. Ä|| ^ Tsch'ang-heng. Tsch'anq-henq gH W Mnq-Men thu. Zeichnungen der reingeistigen Vorbilder. Von Tsch'ang- heng. 1 Buch. 4. Tsch'aiig-heuij fä[ ^ hoen-thien i. Die Weise des ganzen Himmels. Von Tsch'ang-heng. 1 Buch. 5. ^P zSk Wang-fan. Wa/ng-fan hoen-thien siang tscl/ü. Erklärung der Bilder des ganzen Himmels. Von Wang- fan. 1 Buch. 6* i$& 'fa IfJf Yao-sin-hin. Yao-sin-hin thien-lün. Erörterungen über den Himmel. Von Yao-sin-hin. 1 Buch. 7. 7* J& Sclu-schi, das Geschlecht Schi. Schi-schi sing-hing p'u-tsan. Das mustergiltige Buch der Sterne. Mit Registern und Lobpreisungen. Von dem Geschlechte Schi. 1 Buch. Das Geschlecht Schi ist ^ ^ Schi-schiu. 8. |j||£ Jal 4t Yü-hi-ngan. Yü-hi-ngan thien-lün. Erörterungen des Himmels. Von Yü-hi-ngan. 1 Buch. 176 Pfizmaier. 9. ~tf" för Kan-schi, das Geschlecht Kan. Sse-thsi-fä ,die viermal sieben Vorschriften'. Von dem Ge schlechte Kan. 1 Buch. Das Geschlecht Kan ist -^ ^ Kan-te. 10- ^l] ^L Lieu-jnan. Lieu-piao iÖj hing-tscheu sing-tschen. Die Beobachtung der vSterne von King-- tscheu. Von Lieu pao. 2 Bücher. 11. ^I |&7 Lieu-jul. Lieu-jui hing-tscheu sing-tschen. Die Beobachtung der Sterne von King-tscheu. Von Lieu jui. 30 Bücher. 1 hien-wen tsi-tschen. Gesammelte Beobachtungen aus der Himmelskunde. 3 Bücher. 13- ffi ( 0 + 1B) £ Tsu-hoan-tscM. Tsu-hoan-tschi thien-wen lö. Verzeichnisse über Himmelskunde. Von Tsu-hoan-tschi. 30 Bücher. 14. ge Ttek Han-yang. Han-yang thien-wen yao-tsi. Sammlungen des Notwendigsten der Himmelskunde. Von Han-yang. 40 Bücher. 15. TSj a£ ^t Kao-wen-hung. Kao-iven-hung thien-wen hung-thn. Schräge Abbildungen aus der Himmelskunde. Von Kao-. wen-hung. 1 Buch. 16. J^ j)£ U-wen. U-wen thien-wen tsä-tschen. Vei'mischte Beobachtungen aus der Himmelskunde. Von U-wen. 1 Buch. 17. ffi ^L Tschin-fschö. Tschin-tschÖ sse-fang sing-tschen. Beobachtungen der Sterne der vier Gegenden. Von Tscliin- tschö. 1 Buch. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chi 177 18. TscMn-tsckÖ u-sing tschen. Beobachtungen der fünf Wandelsterne. Von Tschin-tschö. 1 Buch. 19. Thien-icen tsi-tsch&n. Gesammelte Beobachtungen ans der Himmelskunde. 7 Bücher. 20- -^ fft $C Sün-seng-hoa. Sün-seng-hoa-teng sing-tschen. Beobachtungen der Sterne. Von Sün-seng-hoa und Anderen. 33 Bücher. 21. BJ ££. Sse-ihsung. Sse-ihsung schi-ni- ~Zfc tse ni-schi-pä-so sing-tschen. Beobachtungen der Sterne der zwölf Thierkreisbilder und der acht und zwanzig Sternbilder. Von Sse-thsung. 12 Bücher. 22. ||j ^5 yjp Yü-ki-thsai. Yü-ki-thsai ling-thai pi-yuen. Der geheime Garten der reingeistigen Erdstufe. Von Yü- ki-thsai. 120 Bücher. 23. JÜ fT ( £ + äl) Fung-hang-kuei. Fung-hang-huei Muen-ki nei-sse. Die inneren Sachen der himmelfarbenen Triebwerke. Von Funar-hanff-kuei. 7 Bücher. 24. Liin ni-schi-pä-so tlni-su. Erörterungen über die Zahl der Stufen der acht und zwanzig Sternbilder. 1 Buch. 25. U-sing ping-fä. Die Kriegskunst der fünf Sterne. 1 Buch. 26. Hoang-tao sing-tschen. Beobachtung der Sterne des gelben Weges der Ecliptik . 1 Buch. 27. Hiao-king-nei ki-sing thu. Abbildungen der in dem Buche der Kindlichkeit ver- zeichneten Sterne. 1 Buch. 28. 5§ v£? Jljl Li-tschün-fung. Li-tschün-fung sclü I=i3 |j$ tscheu-pi. Erklärung der sich drehenden Hüften. Von Li-tschün-fung. 2 Bücher. Ueber tscheu-pi ,die sich drehenden Hüften' ist oben (Nr. 1) Einiges gesagt worden. Sitzungsher. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. I. Hft. 12 178 Pf izmaier. 29. Thien-wen-tschen. Beobachtungen des Himmelsschmuckes. 1 Buch. 30. Ta-siang yuen-wen. Der ursprüngliche Schmuck der grossen Bilder. 1 Buch. 31. Khien-khuen pi-ngao. Die geheimen Tiefen des Himmels und der Erde. 7 Bücher. 32. Fä-siang tschi. Denkwürdigkeiten von den Bildern der Vorschrift. 7 Bücher. 33. ji£ g Wu-mi. Wu-mi ku-kiu thung-tschen- 0| hing. Der gemeinsame Spiegel der Beobachtung für das Alter- thum und die Gegenwart. Von Wu-mi. 30 Bücher. 34. Ta-thang khai-yuen tschen- •^ hing. Das mustergültige Buch der Beobachtung für den zu dem grossen Thang gehörenden Zeitraum Khai-yuen (713 bis 741 n. Chr.). 110 Bücher. 35. J||; ^D Tung-ho. Tung-ho tlmng-khien lim. Durchgängige Erörterungen des Himmels. Von Tung-ho. 15 Bücher. Der Name Tung-ho's ist eigentlich j|j{j Schüu. Da dieses der Name des Kaisers Hien-tsung war, ver- änderte er seinen Namen zu ^Q Ho. Werke über Kalender und Rechenkunst. 1. ^J [pj] Lieu-hiang. Lieu-hiang kieu-tschang tschung-tsch'a. Die Schwere und der Unterschied der neun Abschnitte. Von Lieu-hiang. 1 Buch. -h^ jlp Kieu-tschang ,die neun Abschnitte' ist so viel als ~j\^ -h^ kicu-kieu , neunmal neun' ,die Rechenkunst'. Siü-yÖ kieu-tschang suan-schu. Die Rechenkunst der neun Abschnitte. Von Siü-yö. 9 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8 Jahrhunderts n. Ohr. 1 < '. I 3. Siü-yo suan-king yao-yung ve-fä. Hundert Vorschriften für den nothwendigen Gebrauch des Rechenbuches. Von Siü-yö. 1 Buch. 4. Su-schÖ ki-i. Verzeichnung- und Hinterlassung der Kunst des Zählens. 1 Buch. **• Hill JEt üft Tsck'ang-khieu-kien. Tsch'ang-kh ieu - kien suan-king. Das mustergültige Rechenbuch. Von Tsch'ang-khieu-kien. 1 Buch. Die Erklärungen sind von dem unten (Nr. 7) ange- führten Khien-luan. 6. 1| -jp| (tflr Hia-lieu-yang. Hia-hen-yang suan-king. Das mustergiltige Rechenbuch. Von Hia-heu-yang. 1 Buch. Die Erklärungen sind von dem unten (Nr. 7) ange- führten Khien-luan. 7. $fi %M Khien-luan. Khien-luan khieu-tschung suan-king. Das mustergiltige Buch der Rechenkunst der neun Ab- schnitte. Von Khien-luan. 9 Bücher. ^* '5V j^ ^ Sung-thsiuen-tsrJ/i. Svng-thsiuen-tsch i kieu-king schö-su. Die weitere Erklärung der Kunst der neun mustergültigen Bücher. Von Sung-thsiuen-tschi. 9 Bücher. 9. ^|J ^ Lieü-hoei. Lieu-hoei hai-ihao suan-king. Das mustergiltige Buch der Rechnung der Inseln des Meeres. 1 Buch. 10. Lieu-lxoei kieu-tchang tschung-tsch'a thu. Abbildungen der Wichtigkeit und des Unterschiedes der neun Abschnitte. Von Lieu-hoei. 1 Buch. 11. ^|] Jfijh Lieu-yeu. Lieu-yeu Meu-tschang tsä-suan wen. Der Text vermischter Rechnung von den neun Abschnitten. Von Lieu-yeu. 1 Buch. 12* 180 Pf iz maier. 18 12- R£ Ä für Ym-king-yü. Yin-king-yü thsi-king suan-scho thung-i. Die allgemeine Weise der Kunst der Rechnung der sieben mustergiltigen Bücher. Von Yin-king-yü. 7 Bücher. 13. %>\\ tiT Lieu-hin. Lieu-hin ~^_ «& Wy san-ihung-li. Die Zeitrechnung der drei Leitungen. Von Lieu-hin. 1 Buch. San-thung ,die drei Leitungen' sind die Leitungen des Himmels. 14. Sse-fen-li. Die Zeitrechnung der vier Theile. 1 Buch. 15. Tui han-schu lio-li tschi-scJiö. Die Kunst der Auslegung der Denkwürdigkeiten der Zeit- rechnung des Buches der Han. 1 Buch. 16. ^|jj vib Lieu-hung. Lieu-hung khien-siang li-schö. Die Kunst der Zeitrechnung der Bilder des Himmels. Von Lieu-hung. 3 Bücher. 17. yfaj* ?& 5^ Ho-scMng-thien. Ho-sching-ihien sung yuen-kia lt. Die Zeitrechnung des Zeitraumes Yuen-kia von S ung (424 bis 443 n. Chr.). Von Ho-sching-thien. 2 Bücher. ]J| ( j| + ij) Yü-kuang. Yü-kuang Hang ta-ihung U. Die Zeitrechnung des Zeitraumes Ta-thung von Liang (535 bis 545 n. Chr.). Von Yü-kuang. 1 Bach. 19- -^ ffj $C Sün-seng-hoa. Sün-seng-hoa heu-wei yung-ngan ll. Die Zeitrechnung des Zeitraumes Yung-ngan der späteren Wei (528 bis 529 n. Chr.). Von Sün-seng-hoa. 1 Buch. 20. ^ § 1 Li-nie-hing. Li-nie-hing heu-wei kiä iL Zeitrechnung des Jahres Kiä-tse (544 n. Chr.) der späteren Wei. Von Li-nie-hing. 1 Buch. 21. Heu-wei ivu-ting lt. Zeitrechnung des Zeitraumes Wu-ting n. Chr.) der späteren WTei. 1 Buch. (543 bis 549 Chinesische Schriftwerke des 7. and 8. Jahrhunderts n. Chi 181 22- ^R JS- M Sung-king-nie. Sung-Mng-nie pe-thsi thien-pao li. Zeitrechnung des Zeitraumes Thien-pao (550 bis 559 n. Chr.) des nördlichen Thsi. Von Sung-king-nie. 1 Buch. 23. Pe-thsi kiä-tse yuen-li. Die ursprüngliche Zeitrechnung des nördlichen Thsi seit dem Jahre Kiä-thse (544 n. Chr.). 1 Buch. 24. ^£ ^ Wang-tan. Wang-tan tscheu ta-siang li. Die Zeitrechnung des Zeitraumes Ta-siang von Tscjieu (580 bis 581 n. Chr.). Von Wang-tan. 2 Bücher. 25. M, M§ Ma-hien. Ma-hien tscheu kiä-yui yuen li. Die ursprüngliche Zeitrechnung von Tscheu seit dem Jahre Kiä-yin (534 n. Chr.). Von Ma-hien. 1 Buch. 26. Tscheu kiä-tse yuen-li. Die ursprüngliche Zeitrechnung von Tscheu seit dem Jahre Kiä-tse (544 n. Chr.). 1 Buch. 27. ^(1 ^ ^ Lieu-hiao-sün. Lieu-hiao-sün sui khai-hoang lt. Die Zeitrechnung des Zeitraumes Khai-hoang (581 bis 600 n. Chr.) von Sui. Von Lieu-hiao-sün. 1 Buch. 28- ^ M # Li-te-lin. Li-te-lin sui khai-hoang li. Die Zeitrechnung des Zeitraumes Khai-hoang von Sui (581 bis 600 n. Chr.). Von Li-te-lin. 1 Buch. 29. EJI fj| 5j£r Tsch'ang-tsch'eu-hiuen. Tsch'ang-tsch'eu-hiuen sui ta-nie lie. Die Zeitrechnung des Zeitraumes Ta-nie von Sui (605 bis 616 n. Chr.). Von Tsch'ang-tsch'eu-hiuen. 1 Buch. 30. ^ j^ Kiang-schi ,das Geschlecht Kiangv Kiang-schi j^ li-schÖ. Die Kunst des Kalenders. 3 Bücher. 31- $L ft5 Thsui-hao. Thsui-hao lisch ö. Die Kunst des Kalenders. Von Thsui-hao. 1 Buch. 32. Li-je ke-hiung. Die glücklichen und unglücklichen Tage des Kalenders. 1 Buch. 182 Pf iz m a ier. 33. 34. 35. ^fc $L Tschü-sse. Tschü-sse JT|] vlfi khi-leu king. Das mustergiltige Buch der Wasseruhren. Von Tschü-sse. 1 Buch. 5fc sP* Sung-king. Sung-king khi-leu king. Das mustergiltige Buch der Wasseruhren. Von Sung-king 1 Buch. ^5 Vltt Jjj^ Li-tschün-fung. JWl Ü^ Tscheu-pi suan-king. Das mustergiltige Buch der Rechnung der sich drehenden Hüften. Von Li-tschün-fung. 2 Bücher. Ein ähnliches Werk Li-tschün-fung's ist unter den i Werken über Sternkunde (Nr. 28) vorgekommen. 36. Li-tschün-fung tschü kieu-tschang suan-scht. Die Erklärung der Kunst der Rechnung der neun Ab- schnitte. Von Li-tschün-fung. 9 Bücher. Tschü kieu-tschang-king yao-liö. Kurze Fassung der Erklärung des mustergültigen Buches neun Abschnitte. 1 Buch. Tschü u-king suan-schb. Erklärung der Kunst der Rechnung der fünf mustergiltigen Bücher. 2 Bücher. Tschü ß|| J£ 3|i tsch'aug-khieu-kitn suan-king. Erklärung des von Tsch'ang-khieu-kien verfassten muster- giltigen Rechenbuches. 3 Bücher. Das Werk Tsch'ang-khieu-kiens's ist oben (Nr. 5) verzeichnet worden. 40. 37. 38. 39. 41. Tschü *ߣ Mz hai-thao suan-king. Erklärung des mustergiltigen Buches der Rechnung der Inseln des Meeres. 1 Buch. Das hier erklärte Werk ist früher (Nr. 9) verzeich- net worden. /jW JlH j^j Fu-jin-kiün. Fu-jin-kiün ta-thang meu-yin lt. Kalender auf das Jahr Meu-yin (618 n. Chr.) des grossen Thang. Von Fu-jin-kiün. 1 Buch. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n, Chr 1Ö -^¥- sün-tse. Die Erklärung Sün-tse's. Von Kaiser Wu von Wei. 3 Bücher. Sün-tse ist -^ jj£ Sün-wu. 8. Wei-icu-ti tu sün-tse ping-fä. Fortgesetzte Erklärungen der Kriegskunst Sün-tse's. Von dem Kaiser Wu von Wei. 2 Bücher. 9. ^ J^ Meng-schi, das Geschlecht Meng. Meng-schi kiai sün-tse. Die Auslegung Sün-tse's. Von dem Geschlechte Meng. 2 Bücher. 10. ffi fe Tsch'in-yeu. Tsch'in-yeu tschü sün-tse. Erklärungen Sün-tse's. Von Tsch'in-yeu. 2 Bücher. Kia-yl tschü J^ ^ u-tse ping-fä. Die Erklärung der Kriegskunst U-tse's. Von Kia-yi. 1 Buch. U-tse ist _^L ^ß U-khi. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chi L85 12. J^ 3& -¥* U-sün-tse, Sün-tse von U. U-sün-tse san-schi-ni-lui hing. Das mustergiltige Buch der zwei und dreissig Lagerwälle. Von Sün-tse von U. 1 Buch. 13. f£ -^ |f U-tse-siü. U-tse-siil ping-fä. Die Kriegskunst U-tse-siü's. 1 Buch. 14. Hoang-scM-kung san-lio. Die drei Entwürfe des Fürsten des gelben Steines. 3 Bücher. Der Fürst des gelben Steines wird in der Geschichte EJ| ~S Tsch'ang-liang's erwähnt. 15. fij£ Jü^ Tsch'ing-schi, das Geschlecht Tsch'ing. Tsch'ing-scM san-liö hiiln. Belehrung über die drei Entwürfe. Von dem Geschlechte Tsch'ing. 3 Bücher. 16. j*l| |S Tsch' ang-liang hing. Das mustergiltige Buch Tsch'ang-liang's. 1 Buch. 17. j*|| J^ Tsch'ang-schi thsi-pien. Die sieben Hefte des Geschlechtes Tsch'ang. 7 Bücher. Das Geschlecht Tsch'ang ist Tsch'ang-liang. 18. Wei-wen-ti, Kaiser Wen von Wei. Wei-wen-ti -ü ä£ ping-schu yao-liö. Das Waffenbuch des Kaisers Wen von Wei in kurzer Fassung. 10 Bücher. 19. Sung-kao-tsu} Kaiser Kao-tsu von Sung. Sung-kao-tsu ping-fä yao-liö. Die Kriegskunst des Kaisers Kao-tsu vun Sung in kurzer Fassung. 1 Buch. 20. IfJ M )& >Sse-m Bücher. 22. Liang-wu-ti ping-fä. Die Kriegskunst des Kaisers Wu vun Liang. 1 Buch. lbb Pfizmaier. 23. Liang-yuen-ti, Kaiser Yuen von Liang. Liang-yuen-ti ^^ eS yo-thao. Der Edelsteinköcher des Kaisers Yuen von Liang'. 1U Bücher. 24. ^|J j^f Lieu-yeu. Lieu-yeu £± gS kin-thao. Der goldene Köcher. Von Lieu-jeu. 10 Bücher. 25. ^ "=jy Siao-ke. Siao-ke kin-hai. Das goldene Meer. Von Siao-ke. 47 Bücher. 26. ßj|j ß/j -fjl- Thao-hung-king. Thao-hung-king tsch'in-jin schui-king. Der Wasserspiegel der wahren Menschen. Von Thao-hung- king. 10 Bücher. 27 • S t& NgÖ-Mng. Der in der Hand gehaltene Spiegel. 3 Bücher. 28. ]£ 0£ Wang-liÖ. Wang-lib j^f* lyk wu-lin. Der Kriegswald. Von Wang-liö. 1 Buch. 29. Sui-kao-tsu sin-tsiuen ping-schu. Von Kaiser Kao-tsu von Sui neu zusammengestelltes Waffenbuch. 30 Bücher. 30. Sin-ping-fä. Die neue Kriegskunst. 24 Bücher. 31. Yung-ping yao-scho. Die kurzgefasste Kunst des Gebrauches der Waffen. 1 Buch. 32. J£ |§ Ping-ki. Die Triebwerke der Waffen. 15 Bücher. 33. Ping tsch'ün-thsieu. Der Frühling und Herbst der Waffen. 1 Buch. 34. ^|t ||l^ %$£. Yo-tscliang-king. Das mustergiltige Buch der Edelsteinzelte. 1 Buch. 35. Ping-fä yün-khi jfi^ Jz tlml-tschen. Die eröffnete Beobachtung der Wolkenluft der Kriegs- kunst. 1 Buch. 36. 35 ij§j Li-tsing. Li-tsing lö-kiün king. Der Spiegel der sechs Kriegsheere. Von Li-tsing. 3 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. t S i 37. d$5 yjvt J§^ Li-tschün-fung. Li-tschün-fung hiuen-king. Der aufgehängte Spiegel. Von Li-tschün-fung. 10 Bücher. 38. ^ ^ Li-tsiuen. Li-tsiuen tschü ffi* Hp* sün-tse. Die Erklärung- Sün-tse's. Von Li-tsiuen. 2 Bücher. 39. jffc i^ Tu-mÖ. Tu-mÖ tschü sün-tse. Die Erklärung Sün-tse's. Von Tu-mö. 3 Bücher. 40. |^ ^ Tschin-kao. Tschin-kao tschü sün-tse. Die Erklärung Sün-tse's. Von Tschin-kao. 1 Buch. 4L j| ^ Kia-Un. Kia-lin tschü sün-tse. Die Erklärung Sün-tse's. Von Kia-lin. 1 Buch. 42. ^ |?|j Sün-kiao. Sün-kiao tschü J^. ^- n-tse. Die Erklärung Ü-tse's. Von Sün-kiao. 1 Buch. 43. ^ il)|| Li-kiao. Li-kiao kiün-meu thsien-kien. Der vordere Spiegel der Kriegslisten. Von Li-kiao. 10 Bücher. 44. ^ jK U-kking. U-khing ping-kia tsching-sse. Die richtigen Vermerker der Häuser der Warfen. Von U-khing. 9 Bücher. Werke über (He fünf Gänge. ^fj ^y U-häng ,die fünf Gänge" sind die fünf Grund- stoffe. Sie heissen so, weil sie zwischen Himmel und Erde umherziehen und niemals einen Stillstand machen. 1. jf* ^ Sse-su. Sse-su tschln-sse king. Das mustergiltige Buch des Versenkens in die Gedanken. Von Sse-su. 1 Buch. L88 Pfiz maier. 2. ^tl & Tsiao-schi, das Geschlecht Tsiao. Tsiao-schi tscheu-yi lin. Der Wald der Verwandlungen der Tscheu. Von dein Geschlechte Tsiao. 16 Bücher. Das Geschlecht Tsiao ist 'fil jb" Tsiao-kung. 3. ra J^ King-schi, das Geschlecht King. King-sclii tscheu-yi sse-schi heu. Die Beobachtung der vier Zeiten der Verwandlungen der Tscheu. Von dem Geschlechte King. 2 Bücher. Das Geschlecht King ist jäf jß| King-fang. 4. King-schi tscheu-yi 31& fei heu. Die Beobachtung des Fluges der Verwandlungen der Tscheu. Von dem Geschlechte King. 6 Bücher. 5. Tscheu-yt hoen-tün. Das Ungeordnete der Verwandlungen der Tscheu. 4 Bücher. 6. Tscheu-yi £&■ ^K thsa-kua. Die vermischten Abrisse der Verwandlungen der Tseheu. 8 Bücher. 7. ^j ^|J Nie-lä ,das Verkehrte und Widersprechende'. 3 Bücher. 8- J|r j^ Fei-schi ,des Geschlecht Fei'. Fei-schi tscheu-yi ^ H|J me-Za focAerc thsai-i. Das Verkehrte und Wie erfrechende der Verwandlungen der Tscheu in Bezug auf die Wahrsagung vuti Unglück und .Seltsamkeiten. 12 Bücher. Das Geschlecht Fei ist ^ j|[ Fel-Uch'u 9. Fei-schi tscheu-yi lin. Der Wald der Verwandlungen der Tscheu. Von dem- selben Verfasser. 2 Bücher. 10- % &: Thsui-schi, das Geschlecht Thsui. Thsui-schi tscheu-yx lin. Der Wald der Verwandlungen der Tscheu. Von dem Geschlechte Thsui. 16 Bücher. Das Geschlecht Thsui ist -g ^ Thsui- tschuen. 11- Hß ife Tsching-hiuen. Tschiiuj-hiueutschü j\^ g4 Jcieu-kung fj ^| hang-Jchi hing. Erklärung des mustergiltig-en Buches der wandernden Würfel der neun Paläste. Von Tschang-hiuen. 3 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. nnd s. Jahrhunderts n Chr. 189 12. ^ $& Kuan-lu. Kuan-I.u tscheu-yi lin. Der Wald der Verwandlungen der Tscheu. Von Kuan-lu. 4 Bücher. 13. Kuan-lu ^ |jfj rdao-tsing y$\ ^ nie-tschen. Verkehrte Wahrsagungen der Leidenschaft der Vögel. Von demselben Verfasser. 1 Buch. 14. IJH yffi Tsch'ang-muan. Tsch'ang-muan tscheu-yi lin. Der Wald der Verwandlungen der Tscheu. Von Tsch'ang- muan. 7 Bücher. 1;)- EtIF J^ Hiii-schi, das Geschlecht Hiü. Hiü-schi tscheu-yi tsä-tschen. Vermischte Wahrsagungen der Verwandlungen der Tscheu. Von dem Geschlechte Hiü. 7 Bücher. Das Geschlecht Hiü ist ff£ tj| Hiü-siün. 16- fiat lü Schang-kuang. tichang-kuang tscheu-yi tsä-tschen. Vermischte Wahrsagungen der Verwandlungen der Tscheu. Von Schang-kuang. 8 Bücher. 17. jj£ J^ Wn-schi, das Geschlecht Wu. Wu-schi tscheu-yi tsä-tschen. Vermischte Wahrsagungen der Verwandlungen der Tscheu. Von dem Geschlechte Wu. 8 Bücher. 18> Sl Tfi Wr Wei-pe-yang. Wei-pe-yang tscheu-yi ^ßi p\ 3^1 san-thung-khi. Die zu Dreien gleichlautenden Beglaubigungsmarken der Verwandlungen der Tscheu. Von Wei-pe-yang. 2 Bücher. 19. Wei-pe-yang tscheu-yi u-siang-lui. Fünf einander ähnliche Dinge in den Verwandlungen der Tscheu. Von demselben Verfasser. 1 Buch. 20- fä Ä Siü-schi. Siü-schi tscheu-yi ^ J=j schi-tschen. Die Wahrsagung durch die Wahrsagepflanze in den \ er- wandlungen der Tscheu. Von dem Geschlechte Siü. 24 Bücher. Das Geschlecht Siü ist fä "jfjj" Siii-miao. 190 Pfizmaier. 21. -^ m» %£& Fö-man-yung. Fö-man-yung tscheu-yi tsi-lin. Der gesammelte Wald der Verwandlungen der Tscheu. Von Fö-man-yung. 12 Bücher. 22. fö ff Fo-sclri, das Geschlecht Fö. Fo-schi tscheu-yi tsl-lin. Der gesammelte Wald der Verwandlungen der Tscheu. Von dem Geschlechte Fö. 1 Buch. 23. yfyh ff Tu-schi, das Geschlecht Tu. Tu-schi sin yi-lin t sehen. Wahrsagungen des neuen gesammelten Waldes der Ver- wandlungen. Von dem Geschlechte Tu. 3 Bücher. 24. Wl »||| Liang-yVui. Liang-yün tscheu-yi tsä-tschen schi-kiue wen. Beurtheilung der Schriften über vermischte Wahrsagungen durch die Wahrsagepflanze in den Verwandlungen der Tscheu. Von Liang-yün. 2 Bücher. 25. ]|| gg Yü-fan. Yü-fan tscheu-yi tsi-lin St B^ liö-li. Zeitrechnung des gesammelten Waldes der Verwandlungen der Tscheu. Von Yü-fan. 1 Buch. 26. |p J|| Kö-pö. Kö-pÖ tscheu-yi ^|p| iyk thung-lin leiai. Auslegung des tiefen Waldes der Verwandlungen der Tscheu. Von Kö-pö. 3 Bücher. 27. Liang-yuen-ti, Kaiser Yuen von Liang. Li ang-yuen-ti ^ jjj lien-schan. Die zusammenhängenden Berge. Von dem Kaiser Yuen von Liang. 30 Bücher. 28. Liang-yuen-ti ^fjjj ^ thung-lin. Der tiefe Wald. Von dem Kaiser Yuen von Liang. 3 Bücher. 29- JR ff Kö-schi, das Geschlecht Kö. Kö-schi Mj Jjjjj yi-nao. Das Gehirn der Verwandlungen. Von dem Geschlechte Kö. 1 Buch. 30. Tscheu-yi U-tsch'ing tschen. Die auf der Stelle vollendeten Wahrsagungen der Ver- wandlungen der Tscheu. 6 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. 1**1 31. JJ ^ Yi-Mn. Der Wald der Verwandlungen. 4 Bücher. 32. Tscheu-yi sin-lin. Der neue Wald der Verwandlungen der Tscheu. 1 Biuli. 33. jßj % )jj Yi-UÖ-li. Die Zeitrechnung der Verwandlungen. 1 Buch. 34. Tscheu-yi J]g || fö-yo ja, Die Weise der Anwendung von Arzneien in den Ver- wandlungen der Tscheu. 1 Buch. 35. JrJ El Hf Yt-san-pi. Drei Vorbereitungen der Verwandlungen. 3 Bücher. 36. ^j >g§ r^ui. Das Mark der Verwandlungen. 1 Buch. 37. Tscheu-yi toen. Fragen über die Verwandlungen der Tscheu. 10 Bücher. 38. Tscheu-yi tsä-thu siii. Vermischte Abbildungen der Verwandlungen der Tscheu. Mit Einleitung. 1 Buch. 39. Tscheu-yi pä-kua -£p pfcj teu-nei ihn. Abbildungen der acht Abrisse der Verwandlungen der Tscheu in dem Inneren eines Nessels. 1 Buch. 40. Tscheu-yi nei-kua schin-schi fä. Die Weise der göttlichen Wahrsagung nach den inneren Abrissen der Verwandlungen der Tscheu. 2 Bücher. 41. Tscheu-yi tsä jjfa Jtj schi-tschen. Die vermischten Wahrsagungen in den Verwandlungen der Tscheu. 4 Bücher. 42. ^ -^ Lao-tse jjj$ fö schin-fu yi. Die Verwandlungen nach dem göttlichen Abschnittsrohre Lao-tse's. 1 Buch. 43. Hiao-kiny yr fö yuen-schin. Die ursprünglichen Sternbilder des mustergiltigen Buches der Kindlichkeit. 2 Bücher. 44. Tui yuen-schin fä ^j ngo-mi>i Thai-yi schi-king. Das Musterbuch des grossen Einzigen. 2 Bücher. 72. Thai-yi schi-king tsä-tschen. Vermischte Wahrsagungen des Musterbuches des grossen Einzigen. 10 Bücher. 73. Hoang-ti lung-scheu hing. Das mustergiltige Buch des von dem gelben Kaiser ver- fassten Drachenhauptes. 2 Bücher. Sitzungslier. d. phil.-tiist. Cl. XCIII. Bd. I. Hft. 13 194 Pfizmaier. 74. Hoang-ti ^ ||| Ui-ling. Das von dem gelben Kaiser gesammelte Geistige. 3 Bücher. 75- ~ÜC J& -&■ Thai-sse-lmng, der grosse Fürst der Ge- schichtschreiber. Thai-sse-kung wan-sui li. Zeitrechnung für zehntausend Jahre. Von dem grossen Fürsten der Geschichte. 1 Buch. Der grosse Fürst der Geschichte ist ff] j^ ^ Sse-ina-tan. 76. Wan-sui-li jjfjij sse. Die Opfer der Zeitrechnung von zehntausend Jahren. 2 Bücher. 77. ^ J^ Jin-schi, das Geschlecht Jin. Jin-schi ihsien-sui li-sse. Die Opfer der Zeitrechnung von tausend Jahren. Von dem Geschlechte Jin. 2 Bücher. 78. ß|| ^|t Tsch'ang-heng. Tsch'ang-heng hoang-ti fei-niao li. Die Zeitrechnung des fliegenden Vogels des gelben Kaisers. Von Tsch'ang-heng. 1 Buch. 79. Thai-yi fei-niao li. Die Zeitrechnung des fliegenden Vogels des grossen Einzigen. 1 Buch. 80. Thai-yt kieu-kung tsä-tschen. Vermischte Wahrsagungen der neun Paiäste des grossen Einzigen. 10 Bücher. 81. fy 's4 Kieu-kung king. Das mustergiltige Buch der neun Paläste. 3 Bücher. 82. ;ü£ iM. Kan-yii li tschü. Die Erklärung der Zeitrechnung von Himmel und Erde. 2 Bücher. 83. Jg |3 Yin-schao. Yin-scliao hoang-ti ÜQ j^. sse-siü kan-yii. Himmel und Erde in den vier Ordnungen des gelben Kaisers. Von Yin-schao. 1 Buch. 84. j=|jj jflj TJii-tsie kan-yü. Himmel und Erde in der Gliederung der Erde. 2 Bücher. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n. Chr. 195 (/(. 85. f£ J- ^ r-tse-sii U-tse-siü $M Eff tün-kiä wen. Die Schrift der Entweichung- vor dem (ersten cyclischen) Zeichen Kiä. Von U-tse-siü. 1 Buch. 86- 18 SP 5* Sinrtutfang. Sin-tu-fang i)§ B3 tün-kiä hing. Das mustergültige Buch der Entweichung- vor dem Zeichen Kiä. 2 Bücher. 87. H $t KÖ-hung. Kv-hung 3El -rr" san-yuen tün-kiä thu. Abbildung der Entweichung- vor den drei ursprünglichen Zeichen Kiä. Von Kö-hung. 3 Bücher. 88. jft JJ Hiü-fang. Hiü-fang san-yuen tün-kiä. Die Entweichung vor den drei ursprünglichen Zeichen Kiä. Von Hiü-fang. 6 Bücher. 89. jjifc pfl Tu-tschung. Tu-tschung san-yuen tün-kiä. Die Entweichung vor den drei ursprünglichen Zeichen Kiä. Von Tu-tschung. 1 Buch. 90. t*& ^ Ying-schi, das Geschlecht Ying. Ying-schi tün-kiä Bä J_|j kJii-schan thu. Abbildung der vor dem Zeichen Kiä entweichenden Eröffnung des Berges. Von dem Geschlechte Ying. 2 Bücher. 91. Tün-kiä hing. Das mustergiltige Buch der Entweichung vor dem Zeichen Kiä. 10 Bücher. 92. Tün-kiä nang-tschung hing. Das in dem Sacke enthaltene mustergiltige Buch der Ent- weichung vor dem Zeichen Kiä. 1 Buch. 93. Tün-kiä ^^ 3£ thui-yao. Darlegung des Nothwendigen der Entweichung vor dem Zeichen Kiä. 1 Buch. 94. Tün-kiä f\nh ^ pi-yao. Die geheimen Erfordernisse der Entweichung vor dem Zeichen Kiä. 1 Buch. 95. Tün-kiä kieu-sing li. Zeitrechnung der neun Sterne der Entweichung vor dem Zeichen Kiä. 1 Buch. 13* 196 Pfizmaier. 96. Tün-hiä ^ — • loan-yl gj£ laue. Eine Beurtheilung der Entweichung vor dem Zeichen Kiä wie Zehntausend zu Eins, 3 Bücher. 97. San-yuea tün-kiä li-tsch'ing thu. Eine auf der Stelle zu Stande gebrachte Abbildung der drei ursprünglichen Entweichungen vor dem Zeichen Kiä. 2 Bücher. 98. Tün-kiä li-tsch'ing fä. Die Weise, die Entweichung vor dem Zeichen Kiä auf der Stelle zu Stande zu bringen. 3 Bücher. 99. Tün-kiä kieu-kung pä-men thu. Abbildung der Entweichung vor dem Zeichen Kiä, von den neun Palästen und von den neun Thoren. 1 Buch. 100. Tün-kiä ^El "pf" san-khi. Die drei Wunder der Entweichung vor dem Zeichen Kiä. 3 Bücher. 101. (^r Yang-tün-kiä. Die zu dem Yang gehörende Entweichung vor dem Zeichen Kiä. 9 Bücher. 102. (^ Yin-tün-kiä. Die zu dem Yin gehörende Entweichung vor dem Zeichen Kiä. 9 •Bücher. 103. |t| |§£ Tsang-king. Das mustergiltige Buch der Bestattung. 2 Bücher. 104. ^jf ife Tsang-schn jfy JJ^ ihi-mi hing. Das Buch der Bestattung und das mustergiltige Buch der Adern der Erde. 1 Buch. 105. J||L Wg> Mu-schu u-yin. Die fünf Verborgenheiten des Buches der Gräber. 1 Buch. 106. Tsä-mu thu. Vermischte Abbildungen von Gräbern. 1 Buch. 107. ^ ijg Tschen-teng king. Das mustergiltige Buch der Wahrsagung aus der Lampe. 1 Buch. 108. Ta-ihang thi-li king. Das erdbeschreibende mustergiltige Buch des grossen Thang. 10 Bücher. Dieses Werk wurde in dem Zeiträume Tsching kuan (627 bis 649 n. Chr.) vorgelegt. Chinesische Schriftwerke '!c^ 7 und 8 Jahrhunderts n. Chr. 10( 109. Ping-ko lo-mvng. Der Befehl für das Glück von Seite der vereinigten Flüsse. 2 Bücher. 110- -IS fff fö Sün-seng-hoa. /Siin-seng-hoa lo-lciä hhai-tkien 1%. Die den Himmel eröffnende Zeitrechnung ß Pe-kuai-schu. Das Buch der hundert Wunder. 1 Buch. 144. jjipj Ty£ Sse-tao hing. Das mustergiltige 'Buch des Herdopfers. 1 Buch. 145. Kiai-wen. Die Auslegung des Textes dieses Buches. 1 Buch. 146. j^ j|£ Tscheu-siuen. Tscheu-siuen JjJ /S» tschen-müng schu. Das Buch der Deutung der Träume. Von Tscheu-siuen. 3 Bücher. 200 ri'izmaier. 147. Dasselbe Werk in 2 Büchern. 148. .|& ER jjljfji Sün-sse-mö. Sün-sse-mÖ kuei-king. Das mustergiltige Buch der Schildkröte. Von Sün-sse-mö. 1 Buch. 149. /Sün-sse-mö. Sün-sse-mö jJl ^u u-tsctiao suan hing. Das mustergiltige Buch der Berechnung der fünf Arten des Aufspringens der Schildkrötenschale. Von Sün-sse-mö. 1 Buch. 1^0- JH _il Kuei-schang ^Jl ^(S n'isc^iao tung-yao-king kiue. Beurtheilung des mustergiltigen Buches der Bewegung der fünf Arten des Aufspringens der Schildkrötenschale über der Schildkröte. 2 Bücher. 151. Fö-lö liin. Erörterungen über Segen und Glück. 3 Bücher. 152. v4l Jpjj^ Tschün-fung. Tschün-fung sse-min fo-lö liin. Erörterungen über Segen und Glück dos Volkes der vier Gegenden. Von Tschün-fung. 3 Bücher. 153. Tschün-fung. Tschün-fung _^£r *|3£ hiuen-ngu hing. Das mustergiltige Buch der Aufmerksamkeit des Himmel- farbenen. Von Tschün-fung. 3 Bücher. 154. "T£ — • Thai-yl yuen-kien. Der ursprüngliche Spiegel des grossen Einzigen. 5 Bücher. 155. Tschü pK v£^ tsching-hiuen hien-khi fei-pien. Erklärung des von Tsching-hiuen verfassten mustergiltigen Buches der Veränderungen des Fluges der neun Fahnen. 1 Buch. 156. 5H TT) San-yuen hing. Das mustergiltige Buch der drei ursprünglichen Dinge. 1 Buch. 157. Thai-yi ||g| ^" khiü-hoei ^ fu. Das bilderlose Gedicht auf die Vereinigung der Thür- angeln des grossen Einzigen. 1 Buch. Die Erklärungen dieses Werkes sind von dem Kaiser Hiuen-tsung. Chinesische Schriftwerke fies 7. und 8. Jahrhunderts n. ehr. '_'( 1 1 158. |g J$ t$ Thsui-tschi-ti. Thsui-tschi-ti jjjip tschau -thu. Abbildungen der Geburt. Von Thsui-tschi-ti. 1 Buch. 159. H y4~* Liü-ihsai. Liü-thsai yin-yang sehn. Das Buch des Yin und Yang. Von Liü-thsai. 53 Bücher. 160. B|f Mfc Kuang-thsi. Kuang-thsi yin-yang pe-ki li. Die Zeitrechnung* der hundert zu vermeidenden Dinge des Yin und Yang. Von Kuang-thsi. 1 Buch. 161- ^ ^C ot3 Yuen-thien-Jcang. Yuen-thien-kang >|iEJ siang-schu. Das Buch der Beobachtung. Von Yuen-thien-kang. 7 Bücher. 162. 3£ a& Yao-kiue. Kurzgefasste Beurtheilungen. 3 Bücher. 163. [>j| ^ 3E ^& W Wang-hi-ming. Wang-hi-ming thai-yi kin-king j\^ sohl king. Das mustergiltige Buch des Musters des goldenen Spiegels des grossen Einzigen. Von Wang-hi-ming. 10 Bücher. Dieses Werk wurde in dem Zeiträume Khai-yuen (713 bis 741 n. Chr.) in Folge einer höchsten Ver- kündung zusammengestellt. 173. fü" — • ^J ^ — ■ Seng-yi-hang-thien-yi. Seng-yl-hang-thien-yt tsai-yi king. Das mustergiltige Buch des grossen Einzigen. Von Seng- yi-hang-thien-yi. 1 Buch. 1 74. Seng-yi-hang-thien-yi. Seng-yi-hang-thien-yi j^ B3 tün-kiä scht-pä- f^Q khiö- Achtzehn Gemächer der Entweichung vor dem Zeichen Kiä. Von Seng-yi-hang-thien-yi. 1 Buch. 175. t£ — ■ Jjlj Thai-yi-khiÖ tün-kiä king. Das mustergiltige Buch des Entweichens vor dem Zeichen Kiä in das Gemach des grossen Einzigen. 1 Buch. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts r. Chr. 203 176- .3l "Ig' Ü-JP» £Ät-& hing. Das erdbeschreibende rnustergiltige Buch in fünf Lauten. 15 Bücher. 177. -4? -^£- Lo-jin ming-king lien-tschü Jco. Gesänge der gereihten Perlen des glänzenden Spiegels der sechs Zeichen Jin. 1 Buch. 178. Lo-jin |]«| sui hing Das rnustergil Jin. 3 Bücher Das rnustergiltige Buch des Markes der sechs Zeichen 179. JÜ 4r Ma-sien. Ma-sien thien-pao thai-yi ling-ying t\. schi-lci. Verzeichnungen von Mustern der geistigen Entsprechun- gen des grossen Einzigen in dem Zeiträume Thien-pao (742 bis 755 n. Chr.). Von Ma-sien: 5 Bücher. 180. ^5 Lfrj ffi Li-ting-tso. Li-ting-tso lien-tschü ming-king-schi king. Das rnustergiltige Buch der Muster des glänzenden Spiegels der gereihten Perlen. Von Li-ting-tso. 10 Bücher. Dieses Werk wurde in dem Zeiträume Khai-yö (681 n. Chr.) dem Kaiser vorgelegt. 181. lif 3pi* jjjn Siao-kiün-tsing. Siao-kiün-tsing tün-kiä thu. Abbildung der Entweichung vor dem Zeichen Kiä. Von Siao-kiün-tsing. Der Verfasser war in dem Zeiträume Khai-yuen (713 bis 741 n. Chr.) Vorgesetzter der Register in dem Gebäude der kleinen Diener. Er setzte in Folge einer höchsten Verkündung dieses Werk zusammen. Die Zahl der Bücher ist unbekannt. 182. lijj JJ| mjt Sse-ma-jang. Sse-ma-jang tün-kiä j& fu pao-wan-sui king kne-li. Das Abschnittsrohr des Entweichens vor dem Zeichen Kiä, das rnustergiltige Buch der zehntausend Jahre, die Zeitrechnung des Reiches. 1 Buch. Sse-ma-jang stellte dieses Werk in Gemeinschaft mit seinem jüngeren Bruder 'fy. Yö zusammen. 204 Pfizmaier. LSG 189 1H0. L/i-tsiuen 183. "jjf -± (-J+ -f- ^g) Thsao-sse-huei. Thsao-sse-kuei kin-lchnei hing. Das mustergiltige Buch der goldenen Kiste. Von Thsao- sse-khuei. 3 Bücher. 184. ,f| j(f£ Ma-Mung. Ma-hiung $$ |S kiang-nang hing. Das mustergiltige Buch des hochrothen Sackes. Von Ma- hiung. 1 Buch. 185. ^ £j| Li-tsing. Li-tsing yo-tsch'ang hing. Das mustergiltige Buch des Edelsteinzeltes. Von Li-tsing. 1 Buch. ^ Li-tsiuen. -^r -^C- lö-jin thai-yÖ-tsch'ang J:o. Gesänge auf die sechs Zeichen Jin und das grosse Edel- steinzelt. Von Li-tsiuen. 10 Bücher. 187. ]£ ^ j^ Wang-schÖ-tsching. Wang-schÖ-tsching tui ihai-sui Jiang-nien ke-hivng /j^ ngi. Darlegung von Glück, Unheil und Gefährlichkeit des grossen Jahres, der wandelnden Jahre. Von Wang-schö- tsching. 1 Buch. 188. t£j ^ y^. ^ Yeu-ngu-kung yo. Yö, Fürst von Yeu-ngu. Yeu-ngu-kung yo Wz tsang-king. Das mustergiltige Buch der Bestattung. Von Yö, Fürsten . 3 Bücher. S Sün-ki-yung. Sün-ki-yung tsang- ffin fan. Die Muster der Bestattung. Von Sün-ki-yung. 3 Bücher, /ra Wi TT Lu-tschung-yuen. Lu-t.se/iung-yuen ^* mung-schu. Das Buch der Träume. Von Lu-tschung-yuen. 4 Bücher. Der Verfasser dieses Werkes lebte in dem Zeiträume Khai-yuen (713 bis 741 n. Chr.). 191. $p Jjg Lieu-tsan. Lieu-tsan ££* J& mung-tsiuen. von Yeu-ngu ^ pq. Das Ausgezeichnete der Träume. Von Lieu-tsan. 1 Buch. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhundeits n. Chr. ZU«) Werke über das ig J|£ thsu-sse ,die Worte von Thsu'. 1. ^£ ^ Wang-yi. Wang-yi tschü thsu-sse. Erklärung- der Worte von Thsu. Von Wang-yi. IG Bücher. Kb-po tschü thsu-sse. Erklärung der Worte von Thsu. Von Kö-pö. 10 Bücher. 3. %$pj Ig* Yang-mo. Yangmö thsu-sse j^ j|m Meu-tiao. Uie neun schmerzlichen Dinge der Worte von Thsu. Von Yang-mö. 1 Buch. 4. ^jj ^|£ Lieu ngao. Lrieu-ngao li-sao ihsao-mb tsekung-yü su. Wreitere Erklärungen der in dem Li-sao (einem Theile der Worte von Thsu) vorkommenden Pflanzen und Bäume, Insecten und Fische. Von Lieungao. 2 Bücher. 5> Ü& H Meng-ngao. Meng-ngao thsu-sse yin. Die Laute der Worte von Thsu. Von Meng-ngao. 1 Buch. (3. -f4^ j$j| Siü-mö. jSiü-mb thsu-sse yin. Die Laute der Worte von Thsu. Von Siü-mö. 1 Buch. 7. &t jM~ ifjP; Seng-tao-khien. Seng-tao-khien thsu-sse yin. Die Laute der Worte von Thsu. Von Seng-tao-khien. 1 Buch. Das obige Verzeichniss enthält von sieben Verfassern sieben Werke in zwei und dreissig Büchern. Bei den Werken über das Buch der Gedichte zählt man fünf und zwanzig Verfasser, ein und dreissig Werke und drei hundert zwei und dreissig Bücher. Die Namen von drei Ver- fassern sind unbekannt. Bei den Erklärungen der mustergiltigen Bücher zählt mau neunzehn Verfasser, sechzehn Werke und drei hundert ein und achtzig Bücher. Der Name eines Verfassers ist unbekannt. 206 Pfizmaier. Chinesische Schriftwerke des 7. und 8. Jahrhunderts n Wir. Bei den Werken des kleinen Lernens zählt man neun und sechzig Verfasser, hundert drei Werke und sieben hundert ein und zwanzig Bücher. Die Namen von drei und zwanzig Ver- fassern sind unbekannt. Bei den Werken über Landwirthschaft zählt man neunzehn Verfasser, sechs und zwanzig Werke und zwei hundert fünf und dreissig Bücher. Die Namen von sechs Verfassern sind unbekannt. Bei den Werken des kleinen Sprechens zählt man neun und dreissig Verfasser, ein und vierzig Werke und drei hundert acht Bücher. Die Namen von zwei Verfassern sind unbekannt. Bei den Werken über Sternkunde zählt man zwanzig Ver- fasser, dreissig Werke und drei hundert sechs Bücher. Die Namen von sechs Verfassern sind unbekannt. Bei den Werken über Kalender und Rechenkunst zählt man sechs und dreissig Verfasser, fünf und siebzig Werke und zwei hundert sieben und dreissig Bücher. Die Namen von fünf Verfassern sind unbekannt. Bei den Werken über Kriegskunst zählt man drei und zwanzig Verfasser, sechzig Werke und drei hundert neunzehn Bücher. Bei den Werken über die fünf Gänge zählt man sechzig Verfasser, hundert sechzig Werke und sechs hundert sieben und vierzig Bücher. Die Namen von fünf und sechzig Ver- fassern sind unbekannt. SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. XCIII. BAND, II. HEFT- JAHRGANG 1879. — FEBRUAR. - • ^u^^MM^immummaM IV. SITZUNG VOM 5. FEBRUAR 1879. Das c. M. Herr Professor Dr. J. A. Tomasch ek in Wien überreicht der Classe den zweiten Band der von ihm bearbeiteten , Rechte und Freiheiten der Stadt Wien'. Von dem mit Unterstützung- der kais. Akademie erschie- nenen Werke Dudik's ^Schweden in Böhmen und Mähren 1640 — 1650' werden die Pflichtexemplare vorgelegt. Das w. M. Herr Regierungsrath Dr. Schenkl legt eine Abhandlung des Herrn Dr. Michael Petschenig in Graz vor, welche betitelt ist: , Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Augustae', und um deren Aufnahme in die Sitzungs- berichte von dem Verfasser ersucht wird. Herr Dr. Lothar Ritter von Dargun in Wien überreicht eine Abhandlung: ,Die Entwicklungsgeschichte des Eigenthums* mit dem Ersuchen um ihre Aufnahme in die Sitzungsberichte. Als Delegirte der kais. Akademie in die Centraldirection der ,Monumenta historiae Germaniae' wurden mit einer vier- jährigen Function sdauer wiedergewählt: das w. M. Herr Hofrath Dr. Sickel in Wien und das c. M. Herr Professor Dr. Stumpf- Brentano in Innsbruck. Sitzungsber. d. phil.-liist. Cl. XC1II. Bd. II. Hft. 14 210 An Druckschriften wurden vorgelegt : Akademie der Wissenschaften, königl. Preussische, zu Berlin: Monatsbericht. September und October 1878. Berlin, 1879; 8". Cavaleri Michele: II Museo Cavaleri e il Municipio di Milano. Milane-, 1875; gr. 4°. Kiel, Universität: Schriften ans dem Jahre 1877. Band XXIV. Kiel, 1878; 4°. Leseverein, akademischer, in Lemberg: Bericht für das Jahr 1877/78. Lwow, 1878; 8°. Mittheilungen, archäologisch -epigraphische, aus Oesterreich. Jahrgang II, Heft 2. Wien, 1878; 8n. — aus Justus Perthes' geographischer Anstalt von Dr. A. Petermann. XXV. Band. 1879. I. Gotha; 4». ,Revue politique et litteraire' et , Revue scientifique de la France et de l'Etranger'. VHP annee, 2e serie, Nr. 30 et 31. Paris, 1879; 4°. Scli Wickert, Joh. Jos. Dr.: CommentationisPindaricae emendationis studiosae atque explanationis liber singularis adjeeta Terentiani loci selecti emen- datione. Augustae Trevirorum, 1878; 4°. Societe d'Emulation dAbbeville: Memoires. 3e serie. 2e vol. (1873-1876). Abbeville, 1878; 8°. Society, the royal historical: Transactions. Vol. VII. London, 1878; 81 Vorein für Hamburgische Geschichte: Mittheiltmgen. II. Jahrgang. Nr. 1, 2 und 3. Hamburg, 1878/79; 8°. — historischer, für Niederlmiern: Verhandlungen. XIX. Band. 3. und 4. Heft. Landshut, 1877; 8°. militär-wissensehaftlicher, in Wien: Organ. XVIII. Band, 1. Heft, 1879. Wien; 8". V. SITZUNG VOM 12. FEBRUAR 1879. Die k.k. Kriegs-Archivs-Direction übermittelt ein Exemplar des Repertoriums der in dem genannten Archive vorhandenen gezeichneten Karten und Pläne. Das w. M. Herr Professor Dr. L. von Stein legt eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung unter dem Titel: ,Die Entwickelung der Staatswissenschaft bei den Griechen' vor. An Druckschriften wurden vorgelegt: A carte m v, the California, of Sciences: Proceedings. Vol. VI. 1875. San Francisco, 1875; 8°. — Vol. VII. Part. I. 187G. Sau Francisco, 1877; 8ft. Bibliotheque de TEcole des Chartes: Revue d'erudition. XXXIXe annee 1878. 5° et Ge livraisons. Paris, 1878; 8°. Delisle Leopold: Notice sur uu Manuscrit. de Lyon renfermant une ancienne version latine inedite de trois livres du Pentateuque. Paris. 1 s7V» ; Folio. Gesellschaft, deutsche, für Natur- und Völkerkunde Ostasiens. 1»',. Heft. December 1878. Yokohama; Folio. — k. k. mährisch-schlesische, zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde: Schriften. XXIII. Band. Brunn, 1878; I . Hamburg, Stadtbibliothek: Gelegenheitsscbriften. 3 Stück. I". Harzverein: Urkunden der Stadt Halberstadt. 1. Theil; von Dr. Gustav Schmidt. Halle, 1878; 8n. ,Revue politique et litteraire' et ,Revue scientifique de la France et de PEtranger'. VIIIC annee. 2e serie. Nr. 32. Paris. 1879; I . 1 I 212 Society, the American philosophical : Proceedings. Vol. XVII. Nr. 101. Philadelphia, 1878; 8Ö. Catalogue. Library. Part. III. Philadelphia, 1878; 8°. - the royal geographical : Proceedings and Monthly Record of Geography. Vol. I. Nr. 2. Fehruary. 1879. London; 81 United States, Department of the Interior: Bulletin of geological and geographical Snrvey of the Territories. Vol. IV. Nr. 3. Washington, 1878; 80. IB Stein. Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen. 213 Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen. Von Prof. Dr. Lorenz Ritter von Stein, wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften. Wenig- Widerspruch glauben wir zu erfahren, wenn wir sagen, class der höchste Fortschritt aller Wissenschaft da beginnt, wo nicht mehr von den Dingen allein der Mensch lernt, sondern wo die eine Wissenschaft von der anderen zu lernen und jede sich mit den Ergebnissen dessen zu erfüllen versteht, wras die anderen leisten. Das aber kann wieder in einem Zweifachen bestehen, den Resultaten der Forschung und der Methode vermöge deren jene gewonnen wurden. Nun wissen wir, dass die zwei grossen Gebiete der mensch- lichen Erkenntniss der Dinge, die als die philosophische und naturwissenschaftliche so alt sind wie das Erkennen selbst, ihre grossen Bahnen, einst selbständig neben einander laufend, jetzt zu kreuzen beginnen. Es ist nicht unsere Sache, diesen Process hier weiter zu verfolgen. Allein die Gewalt, welche in demselben die Resultate der Beobachtung über die des organischen Begriffslebens ausüben, wird für Verständige zum Nachdenken über die Methode durch welche jene errungen werden, und zur Frage ob und wie weit diese Methode auch für die Erkenntniss der geistigen Welt eine berechtigte sein könne und solle. Dass sie dies aber ist, müssen wir zeigen, bevor wir zu den Resultaten gelangen die aus ihr hervorgehen. Diese Methode besteht nun darin, dass jene Richtung der Arbeit der menschlichen Erkenntniss bei keiner Erscheinung, möge sie Namen und Form haben welche sie will, stehen bleibt, 214 Stein. sondern unermüdlich trachtet dieselbe in ihre Elemente aufzu- lösen, und jedes dieser Elemente dann der sinnlichen Wahr- nehmung- in seiner Körperlichkeit darzulegen. Dabei kennt sie genau den Process und die Factoren, durch welche sie die Auflösung einer solchen scheinbaren Einheit erzielt, misst und bestimmt ihn selbst und seine Stadien auf das Genaueste, und verfolgt mit derselben Genauigkeit den Process, durch welchen die so gewonnenen Elemente sich wieder in tausendfacher Weise verbinden, neue Körperlichkeiten erzeugend. So ist sie über , nichts unsicher und ungewiss, weil sie mit den Sinnen für die Sinne arbeitet; denn der Sinn kann an der Gewissheit seiner selbst durch sich selber nicht zweifeln. Das grosse Gesammt- ergebniss aber das schon die ältesten Denker geahnt, das jetzt aber mit der ganzen Gewalt unwiderstehlicher Thatsachen die Erkenntniss erfüllt, ist eine Weltanschauung, deren Wahrheit in dem fassbaren gegenseitigen Bedingtsein aller Bewegungen liegt, welche Bewegung aller Atome für den Menschen als Sinnesempfindung zur Erscheinung gelangt, so dass die Natur- wissenschaft im höheren Sinne des Wortes die gewaltige Efraft in sich trägt, auch von der einzelnsten Empfindung aus mit Schritten, deren jeder wieder seine volle Gewissheit in sich selber trägt, zur Erkenntniss des Ganzen der Welt und seiner ewig harmonischen Bewegung zu gelangen, welche Bewegung sie das Leben der Natur nennt. Neben dieser Methode steht aber die zweite, auch ihrer- seits wie jene durch die Natur ihres Inhalts bedingt. Denn in den beobachteten Dingen lebt etwas, das durch keinen augenblicklichen Zustand erschöpft, das Werden und den Wechsel der beobachteten Erscheinung erzeugt. Es ist da, und doch kann ich es nicht empfinden, weil alles Empfinden nur ein mechanischer Process ist. Sein Dasein aber bestimmt mich nicht weniger als seine Erscheinung. Der Process aber, mit welchem ich dieses innere Sein des Daseienden erfasse, nenne ich das Denken. Wie nun die sinnliche Empfindung nicht blos den mechanischen Eindruck, sondern auch seine Begrenzung umfasst, und durch die Einheit beider sich die Vorstellung von dem bildet was wir einen Körper nennen, so gestaltet sich auch das Denken zum Denken eines bestimmten inneren Seins, und dies Denken der bestimmten Kraft, welche in ■* Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen. 2 1 5 der Verschiedenheit der sinnlichen bestimmten Erscheinungen das innere Sein derselben und ihre Gleichheit bildet, ist der Begriff. Während ich also Bestimmung und ßegränzung der Erscheinung äusserlich durch den Sinn empfange, unuss ich das Bestimmtsein des Wesens der letzteren innerlich selbst setzen. Der Begriff ist daher keine Empfindung und kein Ein- druck, sondern eine That. Als solche ist er wieder die Resul- tante einerseits meiner individuellen schöpferischen, und anderer- seits derjenigen mir noch äusserlichen Kraft, welche eben das lebendige Wesen der Erscheinung bildet. Nun kann man dieses alles auch in anderer Weise denken, obwohl zuletzt wenig Unterschied im letzten Resultat sein wird. Klar ist es aber, dass damit alles was Denken und Begriff heisst, mindestens mit seiner einen Hälfte in das Gebiet der Individualität fällt, so dass zwar das Streben nach dem Begriffe allen gemein, der Begriff selbst aber in jedem Geiste ein individueller, das ist ver- schiedener ist ; und dass dem so sein kann sehen wir täglich ja auch an dem Täglichen, das uns bei andern entgegentritt. Die Folge aber davon ist, dass jeder mit demselben Worte etwas oft sehr von dem andern Verschiedenes sagt, so dass es nicht selten mehr Mühe kostet zu begreifen, was der andere meint, als was man selber gesagt zu haben glaubt. Da nun aber keiner das Ganze weiss, sondern erst die Gemeinschaft der Arbeit auch in der geistigen Welt Inhalt und Bedingung dessen ist, was jeder geistig erwirbt und besitzt, so gibt es nichts, was eben diese in Gegenseitigkeit und Gemeinschaft beruhende geistige Ent- wicklung so sehr erschwerte, als eben jene individuelle Ver- schiedenheit in Denken und Begriff, die um so schwieriger zu bewältigen, ja zu erkennen ist, als sie sich meistens zugleich unter völliger formaler Gleichheit der Worte verbirgt. Und das ist es nun, wodurch das Leben der Gedanken nicht blos so tief verschieden wird von dem der Beobachtung, sondern wodurch auch die Entwicklung beider eine keinesweges gleich- massige geworden ist. Denn das haben die Naturwissenschaften vor den philosophischen voraus, dass Niemand über den ganz bestimmten Sinn ihrer Worte in Zweifel ist, und dass daher, so wie eine Thatsache einmal in ihr Wort gefasst wird, eine objeetiv feste Basis für den Fortschritt gefunden ist. Bei der Philosophie dagegen beginnt jeder nicht blos bei sich selbst, 216 Stein. sondern er muss auch bei allen andern zugleich beginnen, und bedarf oft genug viel mehr Arbeit, um zu erfahren was der andere meint, als um zu beurtheilen ob derselbe Recht hat. So ist es denn gekommen, dass alles was Denken und Begreifen heisst, nicht blos den Charakter des Unsicheren am meisten für die Nichtdenkenden hat, sondern in der That auch unendlich viel langsamer fortschreitet, weil jeder die Auffassung des anderen um so weniger versteht, je mehr derselbe die gleichen Worte gebraucht, um sie zum Ausdruck des dabei von ihm gedachten Verschiedenen zu bringen. Wer daher bekannte Worte und Begriffe nicht mehr auf sein eigenes inneres Leben, sondern auf ein objectives Erkennen anwenden will, der wird wohl zuerst darnach streben müssen, in der Weise wie die Naturwissenschaft es thut, ganz genau zu sagen was er selber unter diesen Worten versteht, vor allem aber da wo es sich um Dinge und Fragen handelt, mit welchen auch die nicht streng philosophische Auffassung sich beschäftigt. Und die Einfachheit, Klarheit und Bestimmtheit gerade in der Bestimmung solcher Worte ist es, welche die philosophische Auffassung mehr fördert, und ihren Werth wie ihre Gewalt auch für andere deutlicher erscheinen lässt, als viele glauben. Und darin soll unserer Meinung nach dasjenige bestehen, worin die Methode der philosophischen Erkenntniss sich zunächst die der naturwissenschaftlichen zum Vorbild nehmen sollte. Wir aber haben geglaubt dies dem Folgenden vorauf- stellen zu müssen, weil auch wir den letzteren ein Wort zum Grunde gelegt haben, dessen Bedeutung keineswegs in dem Grade feststeht, als viele von denen meinen, welche dasselbe gebrauchen. Es ist sehr leicht von der Entwicklung der Staats- wissenschaft zu reden, aber es scheint nicht mehr leicht zu sein zu sagen, was denn eigentlich unter der Bezeichnung der Staatswissenschaften genau zu verstehen ist. Denn nicht viele werden mit der in solchen Dingen keinesweges gleichgültigen Bestimmtheit sagen können, was denn eigentlich die Bedeutung der Staatswissenschaften im bestimmten Sinne des Wortes sei, wenn man daneben von einer Staats- oder Rechtslehre, von einer Staats- oder Rechtsstatistik, oder von einer Philosophie des Rechts oder des Staates redet. Und doch ist es nicht wahr- scheinlich, dass mit so verschiedenen Worten stets das Gleiche Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei deu Griechen. 217 für den Redenden oder den Hörenden bezeichnet werde. Von besonderem Werthe aber erscheint es gerade da, dass man sich genaue Rechenschaft über solche Ausdrücke ablege, wo man sie stillschweigend als ganz feste begriffliche Kategorien aufstellt, indem man die verschiedene historische Gestaltung ihrer Entwicklung auf sie zurückführt. Denn wie soll ich die ersten Bewegungen der griechischen Staatswissenschaft über- haupt ihrem Wesen nach bezeichnen können, wenn ich nicht wenigstens mit mir selber einig bin, ob Staats- und Rechts- philosophie dasselbe ist wie Staatswissenschaft und Rechts- wissenschaft? Das also zu sagen wie wir es denken, wird wohl zuerst nothwendig sein. Ob wir damit nun das an sich Richtige feststellen, mag immerhin fraglich bleiben. Gewiss dagegen ist es, dass möge nun der Philosoph oder der Historiker mit uns übereinstimmen oder nicht, jedenfalls für ein wohlwollendes Verständniss wenigstens unsere Auffassung selbst und das Ur- theil über dasjenige klar werden dürfte, was die griechische Welt für diese Staatswissenschaft geleistet habe. I. Gewiss wird man an diesem Orte nicht dasjenige er- warten, was man die phänomenologische oder auch nur die dialektische Entwicklung von den Begriffen nennt, deren wir bedürfen. Ruft man sie aber einmal für die Beherrschung eines wissenschaftlichen Gebietes auf, so muss man wenigstens mit aller Bestimmtheit sagen können, was man selber unter ihnen versteht. Denn gerade in einem solchen Falle ist ihr Werth für die weitere Verfolgung eines Gedankens in der Klarheit dessen gegeben, aus welchem sich derselbe zu ent- wickeln hat. Nun sagen wir dass das Bewusstsein von den Sinnes- empfindungen zur Kenntniss der Dinge wird, wenn dieses Be- wusstsein zugleich die Begränzung und die Selbständigkeil der einzelnen Erscheinung enthält. In dieser ihrer Selbständig- keit für unser Bewus-tsein wird dann aus dem Object der Empfindung ein Gegenstand, den ich als Einheit seiner Momente 218 Stein. wieder einen Körper nenne, wenn ich meine, dass er dem natür- lichen Dasein angehört. Gehört aber die Erscheinung; dem Leben der persönlichen Welt, so wird aus dem Gegenstand eine Thatsache. Denn so ist z. B. ein Berg keine Thatsache, wohl aber das, dass er für den Menschen oder durch denselben bewohnbar, übersteiglich, oder anderes sei. Vermöge dieses per- sönlichen Moments nun das aus den Gegenständen Thatsachen macht, erscheinen' zuletzt alle Thatsachen des persönlichen Lebens als ein Ganzes, eine Einheit, eine grosse Gesammtthat- sache. Sie sind als eine solche Einheit eben das, was wir die Wirklichkeit des Lebens der Persönlichkeit nennen. In diesem Sinne sagen wir, dass aus der objectiven Kenntniss dieser Er- scheinungen der persönlichen Welt eine , Kunde' derselben werde, wie wir von einer Erdkunde, einer Geschichtskunde, einer Rechtskunde u. s. w. im Unterschiede von einer Kennt- niss der Erde, der einzelnen historischen Thatsachen, der ein- zelnen Rechtssätze u. s. w. reden. Da nun wo diese Kunde des Thatsächlichen, zusammengefasst in dein Bewusstsein dass sie alle in irgend einer Gemeinsamkeit oder Ordnung dem Leben der Persönlichkeit angehören, in der Darstellung zu einem einheitlichen Ganzen von Thatsachen wird, reden wir von einer , Lehre' derselben, oft genug meinend und auch wohl sagend, dass diese Lehre schon eine , Wissenschaft' sei. Nur in gewissen Gebieten erhält sich lebendig das Gefühl, dass das was eine Kenntniss oder eine Kunde ist, damit noch keines- wegs als eine Wissenschaft gilt; so wird es schwerlich jemand einfallen von einer Wissenschaft der Erde zu reden, oder die Rechtskenntniss mit der Rechtswissenschaft für gleich- bedeutend zu erklären, oder anderes. Das nun sagen wir sei die erste Gestalt alles menschlichen Erkennens, in welcher die Beobachtung der einzelnen Erscheinungen fast ohne unser Zu- thun den Begriff der Thatsache von dem des Gegenstandes ablöst, uns die innere Einheit aller Thatsachen zur äusseren der einheitlich geordneten Darstellung und Lehre wird. In dieser Auffassung aber bleibt das Erkennen der Welt keines- wegs bei dem Einzelnen stehen. Das Leben desselben tritt vielmehr meiner geistigen Empfindung schon hier als ein grosses Ganze entgegen, in welchem sich die einzelnen Thatsachen aneinander reihen, sich ordnen, sich bewegen, und meinen Die Entwicklung der Staatswis6enschafl bei den Griechen. 219 Geist mit dem ffewaltie-en Stoff erfüllen der ihm zwar nie allein genügt, ohne den er aber nicht weiter gelangen kann. Die Voraussetzung dafür aber ist, dass die einzelne Thatsache wie sie in meiner Auffassung erseheint, auch mit demjenigen in absoluter Harmonie bleibe, wodurch ich sie selber erst zum Bewusstsein gebracht. Das aber war die Empfindung. Die Iden- tität der Empfindung mit der Vorstellung aber nenne ich die Gewissheit. Sie ist absolut, weil der Sinn nicht an dem Sinne zweifeln kann. Und so ist die Gewissheit das Gewisssein der Kenntniss alles Daseienden und aller Thatsachen. Nun aber wird das was die Kenntniss als einzelne That- sache dem Geiste zuführt, ihm alsbald zu demjenigen was in dieser einzelnen Thatsache niemals ganz zur Erscheinung ge- langt. Das nun was auf diese Weise in dem Wechsel der letzteren lebt, löst sich in unserem Geiste allmälig von den Formen ab, in denen es für die Empfindung vorhanden ist und zur Kenntniss wird. Es ist ein Selbständiges, das neben und über oder vielmehr in der Einzelerscheinung, der Einzelthat- sache ist, Und als ein solches Selbständiges und doch ein ganz Erscheinendes will es auch selbständig für uns da sein. Damit scheidet es sich für das Bewusstsein von seinem Empfunden werden, und aus der Kenntniss wird die Erkcnntniss, welche das Dauernde und Gleiche im Wechsel und Verschiedensein ent- hält. Dies Dauernde und Gleiche aber heisst uns dann, indem wir es als das die erscheinende Thatsache Bedingende erkennen, die Kraft, welche wir als thätige das Wesen der Dinge nennen. Die Kraft aber, insofern sie als das das Gleiche in der that- sächlichen Verschiedenheit Erzeugende erkannt wird, ist der Begriff der in Worten erscheinend die Definition ist. Der Begriff ist daher weder eine Empfindung noch eine Beobachtung, sondern er ist eine That, und zwar eine geistige That meiner Individualität. Daher kann ich mit gutem Recht sagen, dass ich bin was ich weiss. Das Erkennen einer Thatsache nun vermöge jener sie erzeugenden Kraft heisst man das Begreifen derselben. Das Erkennen der Ordnung dieser Thatsachen aber als das Erkennen der Ordnung der Kräfte ist das System der- selben. Das Erkennen selbst aber, indem es alle diese zu Be- griffen definirten Kräfte wieder in der letzten Einheit erfasst, aus welcher sich alle diese Begriffe zu einer grossen, alle 220 Stein. Verschiedenheit, alle Bewegung und alles Leben der Thatsachen umfassenden Ordnung entwickeln, und deren höchster Inhalt daher eben diese harmonische Entwicklung der Verschieden- heit der Begriffe aus der Einheit einer letzteren, alle Elemente der organischen Begriffe noch ungeschieden enthaltenden Ur- kraft ist, heisse sie nun dem Einen die Gottheit oder dem Andern das reine Sein, tb ov3 oder dem Dritten die Natur, oder dem Andern das Absolute, oder sonst wie, ist das was wir die Philosophie nennen. Die Harmonie aber unter den einzelnen Begriffen die sich die Philosophie aus dem letzten Urgrund aller Kräfte auf diese Weise entfaltet, ist das was wir als die Wahr- heit bezeichnen; denn für die Philosophie ist kein einzelner Begriff und keine einzelne Erkenntniss für sich wahr, sondern alles Erkannte hat seine Wahrheit erst in seinem Zusammen- hange mit dem Ganzen, das eben nur als Ganzes wahr sein kann. So stehen sich nun zwei grosse Weltanschauungen ein- ander gegenüber, tief verschieden in ihrer Methode und doch gleich in ihrem letzten Ziele, jene die Gewissheit an die Stelle der Wahrheit setzend, diese im Namen der Wahrheit der Gewissheit nicht bedürfend; jene beobachtend, diese denkend, jene mit den Versuchen, diese mit Schlüssen arbeitend, beide aber das doppelte Dasein der Welt dem menschlichen Erkennen gemeinsam zum Inhalt machend. Für jene ist das letzte sinn- lich Untheilbare das Element, und die Bewegung dieser Ele- mente nennt sie ein Gesetz; denn das Gesetz ist ihr zwar die Erscheinung der Causalität, aber die letztere selbst ist für sie doch wieder nur eine Thatsache die sie wiederum genau in derselben Weise beobachtet wie die Elemente, in deren Be- wegung es zur Erscheinung gelangt. Für diese ist dagegen die Kraft an sich das Gesuchte und wo sie dieselbe als selbständige und untheilbare gefunden zu haben glaubt, entfaltet sich ihr ein in seiner Weise in sich harmonisches Bild, in welchem der Wechsel als Willkür und Zufall, die Bewegung dagegen als das ewig lebendige in sich Zurückkehren der einzelnen Begriffe und Kräfte in die letzte Urkraft, und das Werden der letzteren zur Selbständigkeit ihrer einzelnen Momente eine Welt- anschauung gestaltet, welche sich über das rein Thatsächliche und sinnlich Gewisse frei in die Region der ewig gleichartigen, Pie Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen. 221 göttlichen Ordnung- des Seins erhebt, und für welche daher jenes Einzelne als ein Verschwindendes, als die , schlechte Wirklichkeit' erscheint, während die wahre Wirklichkeit für sie das Anschauen des in sich Ruhenden und nur durch sich selbst Bewegten bildet. Und das ist die Philosophie, die in- dividuelle Ueberzeugung des göttlich Unendlichen, der Reflex des Ewigen in der individuellen Vergänglichkeit, die Ruhe des Alls in der Unruhe des werdenden Einzelgeistes. Das Wesen aller Philosophie ist es demnach, nur ihrer selbst gewiss zu sein, nicht des Wechsels und Werdens der Erscheinungen. Und so entsteht aus diesem Moment der individuellen That, welche den Begriff aus dem Gedanken schafft, die Thatsache dass, während es nur eine Naturwissenschaft gibt, sich so viele Philosophien bilden als tiefere Denker geboren werden; wo aber dennoch sich für eine bestimmte philosophische An- schauung eine Gemeinschaft mehrerer bildet die gleichartig in Denken und Arbeit sind, da entsteht das was wir eine Schule nennen. Des Begriffes und des Wesens der Schule aber werden wir unten bedürfen. Und jetzt bleibt zu sagen übrig, was im Unterschiede' von der Kenntniss des Thatsächlichen und dem Begreifen des Nichtsinnlichen das ist, was wir das Wissen und die Wissen- schaft nennen. Nun wissen wir, dass das was diese Philosophie enthält und lehrt, nicht blos ein wirklich Vorhandenes sondern auch eine gewaltige Macht über die Menschen und ihr geistiges Leben ist. Allein jener Wechsel und jene Verschiedenheit der äusseren und inneren Thatsachen, von denen die Philosophie nur den einheitlichen Begriff sucht und erkennt, ist doch selbst wieder eine unzweifelhafte Thatsache. In dieser Thatsache hat die Naturwissenschaft ihrerseits neben dem Besonderen und Einzelnen auch jene zweite Thatsache des Bestimmtwerdens des Einen durch das Andere gefunden und diese Thatsache des Zusammenhanges ein Gesetz genannt, wo aber dies Gesetz nicht zutreffen will, sich mit den Begriff der Ausnahme be- helfend, durch die Ausnahme das Gesetz zur Regel umgestaltet; die Philosophie aber hat nur das Unveränderliche, die zum Be- griffe gewordene Kraft erkannt, das ewig Gleiche in dem ewig Ungleichen. Wie nun ist es möglich, dass aus dem Gleichen 222 Stein. das Verschiedene werde? Wie ist es möglich, dass das Wirk- liche nicht dem Begriffe, das Gewisse nicht dem Wahren ent- spreche? Es scheint vollkommen klar, dass diese Frage eine unabweisbare ist; aber eben so klar wird es wohl sein, dass gerade sie weder durch die Naturlehre noch durch die Philo- sophie allem gelöst werden kann, und weder im Kennen noch im Erkennen enthalten ist. Und doch ist sie da; und weil sie ist und nicht durch jene beantwortet wird, hört man wohl von Vielen aus der Empfindung dieses Mangels heraus sagen, dass wir überhaupt , nichts wissen'. Nun sagen wir, dass jede bestimmte Kraft wie der sie erfassende Begriff zwar aus der allen gemeinsamen Urkraft entwickelt, aber als entwickelte auch selbständig und vermöge ihrer Selbständigkeit auch selbstthätig sei. Ist das der Fall, so wird damit jede selbständige Kraft zugleich zum Gegenstande der anderen, und das ist das Bestimmtwerden des Einen durch das Andere. Wird aber jede Kraft durch alle anderen bestimmt, so ist damit offenbar zugleich gesagt, dass gar keine Kraft zur reinen nur ihr gehörigen Erscheinung gelangt, sondern dass sie in ihrer Wirklichkeit stets jenes Bestimmtwerden durch die andere mit enthält. Ich muss daher nothwendig in jeder Erscheinung die Kraft aus der sie hervorgeht von der- jenigen scheiden, welche auf jene einwirkt; oder wie wir nun- mehr wohl sagen dürfen, ich kann überhaupt gar keine Er- scheinung bloss durch ihre eigene Einzelkraft, oder durch ihren einfachen Begriff begreifen. Sondern alles wirklich Seiende ist ein Ergebniss des Zusammenwirkens verschiedener Kräfte in derselben Erscheinung. Nun nenne ich diejenige Kraft, welche die Erscheinung der anderen Kraft bestimmt und sie durch ihre Gewalt ändert, die Ursache der Besonderheit in der Er- scheinung oder Thatsache, welche ohne jene zweite Kraft stets dieselbe bleiben würde; die für sich gedachte Modifikation der Erscheinung der ursprünglichen Kraft aber, heisst die Wirkung. Da nun alle Kräfte selbständig gewordene Momente in der Urkraft oder jenem , Grunde' aller Dinge sind, so ist für die wirkliche Besonderheit der Erscheinungen oder Thatsachen jede Kraft eine Ursache, sei es in der Natur, sei es im Leben, und jede Thatsache wiederum eine Einheit von Wirkungen oft sehr verschiedener Kräfte oder Ursachen. Ist dem nun aber Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen . 223 so, so werde ich das Daseiende weder bloss als Thatsache, noch bloss als Begriff und Kraft vollständig je begreifen, sondern ich muss dasselbe auf jedem Punkte seiner Erscheinung als Ur- sache und Wirkung- erkennen lernen; erst dann kann ich es verstehen. Dieses Verhältniss nun vermöge dessen alle Dinge und Thatsachen auf diese Weise für einander Ursache und Wirkung zugleich sind, nenne ich die Causalität, die Ursäch- lichkeit. Das Erkennen dieser Ursächlichkeit aber ist weder reine Beobachtung, welche ja nur die Erscheinung und ihren Wechsel kennt, noch reine Philosophie, welche nur den an sich gleichen Begriff und Kraft begreift. Wir werden dieselben daher, indem wir sie als eine selbständige Aufo-abe und Arbeit des Geistes bestimmen, mit dem Namen des Wissens bezeichnen. Ich kenne die Thatsache, ich begreife ihren Grund und ihr Wesen, aber ich weiss sie nur als Wirkung ihrer Ursachen. Alsdann aber nenne ich den Wechsel ihrer Erscheinung der aus beiden sich ergibt, das Leben derjenigen Kraft, welche der Grund des Einheitlichen in der Thatsache ist. Das Zusammen- fassen des Wissens von Grund, Erscheinung, Ursache und Wirkung in ein Ganzes, das Leben der Kräfte in ihrer Cau- salität, nenne ich die Wissenschaft. Und wenn ich nun, ohne auf weitere Voraussetzungen und Entwickhingen einzugehen, die Gemeinschaft der Menschen als eine Einheit der Begriffe von Staat und Recht betrachte, so kann ich jetzt mit Recht sagen, dass es einerseits eine Kenntniss von Staat und Recht, das ist der positiven, con- creten gegebenen Erscheinung und Ordnung beider gibt, die sich in der Rechts- und Staatslehre zum Ausdruck bringt, und dass auf der andern Seite die Philosophie des Staats und Rechts wie beide Begriffe aus der Urkraft zu einem in sich harmo- nischen Ganzen entwickelt, dass aber beide Auffassungen eben so weit von einander verschieden sind für Recht und Staat wie für das Daseiende überhaupt, keine von der andern ab- hängig, keine die andere erfüllend, jede für sich vielleicht voll- endet, aber keine für sich fähig die Wirklichkeit der Lebens- gestaltungen zum vollen Verständniss zu bringen. Die letzteren kann ich, da alle wirklichen Verhältnisse des Lebens doch zuletzt nicht als einfache, sondern als ein Complex zusammen- gefasster Ursachen und Wirkungen erscheinen, offenbar überhaupt 224 Stein. erst dann verstehen, wenn ich sie als organische Thatsachen in ihrer Causalität untersuche und ihre bestimmte Gestalt als das Ergebniss einer Mehrheit von Factoren betrachte, deren Zusammenwirken jene erzeugt haben. Oder wie wir nunmehr glauben sagen zu dürfen, das wahre Verständniss des staat- lichen und rechtlichen Lebens der menschlichen Gemeinschaft kann uns niemals weder die Rechts- und Staatslehre für sich, noch auch die Rechts- und Staatsphilosophie geben, sondern nur die Staatswissenschaft. Und jetzt erst scheint es einen ganz bestimmten Sinn zu gewinnen, wenn wir von der Stellung der Griechen innerhalb jener gewaltigen Arbeit des menschlichen Geistes reden, die wir in diesem Sinne die eigentliche Staatswissenschaft genannt haben. Denn es ist keinem Zweifel unterworfen, dass wir erst den Griechen die Anfänge einer, zugleich mit der Geschichte innig verwobenen Staats- und Völkerkunde verdanken. Eben so gewiss steht es uns allen fest, dass wir im griechischen Geiste die Elemente aller eigentlichen Philosophie des Rechts und des Staats zu finden haben. Wenig Werth würde unsere Arbeit haben, wollte sie das hundertmal Bewiesene und im Grunde nie Bezweifelte noch einmal beweisen. Wohl aber hat es, wie wir im Hinblick auf das oben Gesagte zu glauben berechtigt sind, einen Sinn, wenn wir nunmehr sagen, dass die Griechen auch die grossen Grundlagen desjenigen gegeben haben, was wir jetzt im wesentlichen Unterschied von jenen die eigentliche Staatswissenschaft nennen. Denn das ist nunmehr das Zeichen und der wahre Inhalt eben dieser Staatswissen- schaft, dass sie das bürgerliche und das öffentliche Recht des Staats nie als blosse Thatsache auffasst, etwa wie unsere Behandlung des heutigen römischen Rechts, sondern dass sie vielmehr jeden im bürgerlichen wie im öffentlichen Rechte gegebenen Zustand, jede Verschiedenheit desselben, kurz jede einzelne bestimmte Rechtsordnung der menschlichen Gemein- schaft als die Consequenz der Factoren erkennt, welche die- selbe vermöge ihrer eigenen Natur gebildet haben. Und dies höchste Princip aller Wissenschaft des Gesammtlebens, diese unerschöpfliche Fundgrube für das wahre Verständniss der öffentlichen Gewalten, welche uns umgeben und beherrschen, diese wahrhaft unendliche Aufgabe menschlichen Erkennens Die Entwicklung der Staatswissenschaff bei den Griechen. 22;) menschlicher Dinge verdanken wir den Griechen. Das was sie grade hier und grade in diesem Sinne geleistet haben, ist ihre ureigenste That, und wenn man sie hier auch nur ein wenig versteht, wird man sie grade hier am meisten bewundern. Dies nun, wenn auch nur innerhalb enger Grenzen nach- zuweisen, oder mindestens den Blick der Berufenen grade auf diesen selbstgearteten Inhalt der griechischen Geistes- und Rechtsentwicklung hinzuwenden, ist die Aufgabe die wir uns gesetzt haben. Vielleicht ist es dabei verstattet zu betonen, dass wir grade dadurch gezwungen werden, Inhalt und Gang dieser für ihre eigentliche Vollendung viel zu eng begränzten Arbeit in ganz anderer Weise darzulegen, wie die Werke der so hochbedeutenden Fachmänner, denen wir nie genug danken können, dass sie das Gold der Geschichte Griechenlands mit wunderbarer Hingebung in den Tiefen der Vergangenheit sowohl in den Darstellungen des thatsächlichen griechischen Lebens für sich als in den grossartigen Anschauungen der griechischen Philosophen entdeckt und uns zum Genüsse hingegeben haben. Mit aufrichtiger Hochachtung wird alle Zukunft die Arbeiten nicht bloss der grossen Geschichtschreiber der griechischen Philosophie, sondern auch die Bearbeiter der Thatsachen des griechischen Gesammtlebens, eines Boekh, Herrmann, Grote und anderer verehren und nie werden wir aufhören von ihnen zu lernen. Aber doch findet selbst neben ihnen noch ein Versuch seine Berechtigung, der das geistige Leben Griechenlands als Ergebniss und Begleiter seiner wirthschaftlichen und gesell- schaftlichen Ursachen auffasst, und in denselben wieder den Factor zu erkennen sucht, der jenem seine Gestalt und seine Entwicklung gegeben. Und wenn das Folgende einen Werth hat, so kann derselbe nur in dem Streben liegen, eben dieser Aufgabe zu dienen. Freilich müssen wir dann noch einen Schritt thun, bevor wir mit der historischen Entwicklung selber beginnen. Denn wenn die Wissenschaft ,von Recht und Staat das Wissen der Ursächlichkeit ist, welche den Gedanken vom wahren Recht und vom vollendeten Staat mit den Ursachen verbindet aus denen die bestimmte Gestalt und das Werden im positiven Recht des Staats hervorgehen, so werden wir über den \\ erth und den Erfolg einer solchen eigentlich wissenschaftlichen Sitzungsher. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. II. litt. 15 226 Stein. Behandlung nur ein sehr unsicheres Urtheil bilden, wenn wir diese causalen Factoren, aus denen das Wirkliehe im wechseln- den Staatsleben hervorgeht, nicht schon vorher erkannt und bestimmt haben. Denn ob jene Wissenschaft bloss ein Streben nach derselben gewesen oder einen dauernden, auch für uns noch werthvollen Inhalt besitzt, das erkennen und messen wir zuletzt doch erst dann5 wenn wir die Grundlagen an und für sich festgestellt haben, die ihrerseits die Wirklichkeit und den Wechsel im concreten Rechts- und Staatsleben beherrschen. Wir aber würden nun diese Vorarbeit für die Beurtheilung des Entwicklungsprocesses der griechischen Staatswissenschaft hier vorzulegen uns gewiss nicht erlauben, wenn das Ergebniss derselben bloss für die griechische Geschichte maassgebend wäre. Wer aber diese Ergebnisse an und für sich betrachten mag, der wird finden, dass sie mindestens in gleichem Maasse wie einst für Griechenland, so auch für unsere unmittelbare Gegen- wart, ja wir wagen es zu behaupten auch für alle Zukunft ihre ewige Geltung fordern dürfen. Und darum verstatten wir uns, sie auch an diesem Orte darzulegen. Denn die Ehrerbie- tung mit der wir der geistigen Welt der Griechen nahen, wird in dem Grade steigen, in welchem das was sie vor tausenden von Jahren zu wissen gewagt haben, nicht bloss jetzt, sondern noch nach tausenden von Jahren gelten wird. Das eben ist das Grosse bei ihnen, dass wir, indem wir die tiefsten und gewaltigsten Factoren alles menschlichen Lebens vor uns entwickeln, doch zuletzt nur zu vollenden streben, was jenes wunderbare und uns doch stammverwandte Volk zu be- ginnen die Kraft hatte! II. Wenn es uns gelungen ist unsere Auffassung von der Wissenschaft menschlicher Dinge im Unterschiede von der Kunde und der Philosophie derselben richtig darzustellen, so wird es klar sein, dass ihre Entwicklung und Erfüllung in der genauen Entwicklung und Untersuchung eben dieser selbst- ständigen Factoren selber liegen wird, welche aus dem an sich einheitlichen und gleichen Begriffe des Staats die Verschieden- heit und den WTechsel des thatsächlichen Staatslebens erzeugen. Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen. 227 Diese beiden Factoren nun sind die Persönlichkeit an sich und der Besitz, dessen Macht zwar ewig gleich, dessen Vertheilung aber ewig' eine verschiedene ist, Alle Wissen- schaft vom Staate, im Unterschiede von seiner Kenntniss und seinem Begriffe beginnt daher da, wo ich seine Zustände als durch den nie ruhenden Einfluss des letzteren auf die ewig an sich gleiche Natur des ersteren zu erkennen beginne. Und das ist die Grundlage alles Folgenden. Denn was gerade hier die Griechen geleistet, das anzudeuten ist unsere Aufgabe. Nun sind zunächst die Griechen die ersten, welche den Menschen als solchen zum Gegenstande wissenschaftlicher Unter- suchung gemacht haben. Es mag sein dass sie die Elemente der Anatomie und Physiologie vom Orient empfingen, und die Elemente der strengen Logik gleichfalls von daher in sich auf- genommen haben. Allein den Menschen in der lebendigen Gemeinschaft, den Menschen der Pflicht und den Menschen der That in der wirklichen Welt, den ethischen Menschen, haben nur die Griechen verstanden. Das Ethos der Griechen ist die zur selbständigen Wissenschaft erhobene Erkenntniss des Menschen, in so fern sein eigenes philosophisches Ideal 'mit den concreten Kräften kämpft, die sein Leben bestimmen. In immer wiederholten Arbeiten haben die Philosophen aller Zeiten diese griechischen Gedanken wieder gedacht. Auch wir werden unsere Auffassung in unserer Weise auszudrücken Veranlassung finden. Aber auf bekanntem Gebiet Bekanntes zu wiederholen, kann nicht unsere Aufgabe sein. Ganz anders gestaltet sich jedoch der zweite Factor, den auch die Griechen kannten, den aber auch sie nicht ganz zu Ende gedacht haben. Wir müssen, wollen wir anders die Geschichte des Staats- und Rechtslebens Griechenlands wie die der griechischen Philosophie desselben ganz verstehen, bei diesem Begriffe einen Augenblick stehen bleiben. Zuerst nun, denken wir, wird wohl niemand bestreiten, dass ohne dasjenige was wir im allgemeinen die Güter oder das Vermögen des Menschen nennen, weder der Einzelne sich erhalten, noch der Begriff des Staats oder der des Rechts ohne diese seine materielle Grundlage, überhaupt gedacht werden können. Das wirtschaftliche Gut im weiteren Sinne bildet den objeetiven Inhalt beider und die natürliche Voraussetzung i.v 228 Stein. für jedes einzelne Moment in ihrer Entwicklung. Das nun ist in seiner Allgemeinheit gewiss richtig, aber gewiss auch werthlos. Indem ich aber dies wirthschaftliche Güterleben zunächst für sich zu denken und in seinen ganz selbständigen Gesetzen und Bewegungen zu beobachten suche, so entsteht mir eine selb- ständige Wissenschaft, welche ich noch ausserhalb ihrer Be- ziehungen zu den übrigen Gebieten des Lebens wohl die Volkswirtschaftslehre oder Nationalökonomie, die Wissenschaft des Lebens der Güter nenne. So wie ich aber einen Schritt weiter gehe, und in diesen Gütern und ihrer Bewegung eine Kraft erkenne, welche thätig und nur zu oft entscheidend auf den Process einwirkt, in welchem die reine Idee des Ge- rechten in Staat und Recht zur Verwirklichung zu gelangen strebt, so erkenne ich bald, dass unter allen Dingen keines ihnen vergleichbar in Macht und Bedeutung mit eben dieser Welt der Güter dasteht. Denn es gibt keinen Punkt, auf welchem dieselben nicht das Leben nicht bloss der ganzen Menschheit, sondern auch ihrer Gedanken durchdränge und zum nicht geringen Theil beherrschte, kein Gebiet menschlicher Be- strebungen und Hoffnungen, ja fast keines menschlichen Glückes oder Unglückes in dessen Grundlage oder Hintergrund sie nicht mit ihrer elementaren Gewalt aufträten. Das nun erfährt jeder Einzelne an seinem einzelnen Schicksal in tausendfacher Weise, und ewig wird es wahr bleiben, dass bei den meisten Menschen das was sie sind und thun nie erklärt werden kann ohne das was sie haben. Da aber, wo die Güter durch ihre Gewalt über die Einzelnen auf die Gemeinschaft selber zu wirken beginnen, da erst zeigt es sich was sie vermögen, und wie wenig wir dies wirkliche Leben der Welt verstehen, so lange wir jene nicht in unser Verständniss derselben aufzunehmen wissen. Und in dieser ihrer bald harmonischen bald furchtbaren Gewalt über die concrete Bildung von Staat und Recht, in ihrer Gefahr für die Idee des Gerechten und für den Kampf und Sieg alles Edlen über das Gemeine, in der Energie mit der sie das Be- stehende bald erhalten, bald es bedrohen, in dem Bewusst- sein dass erst da, wo sie mit ihren Elementen und Gewalten dem Ganzen eingefügt und ihm gebändigt unterworfen sind, stellen jene wirthschaftlichen Güter neue Forderungen an das Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen. -1«' Verständniss des Lebens, neue Bedingungen für die Aufgaben des- selben, und empfangen als mitwirkende und gewaltige Factoren der Gestaltung aller menschlichen Dinge auch einen neuen Namen, unter dem eigentlich erst unsere Zeit sie verstehen und in der Bahn ihrer mächtigen Wirkungen sie verfolgen lernt. Aus dem wirtschaftlichen Gute dessen Begriff und lebendigen Organismus uns die Volkswirth schaff lehrt, wird in diesem Sinne, als Factor der geistigen Entwicklung der Menschheit überhaupt und speciell als mitwirkende Kraft in aller Verwirk- lichung der Idee vom Gerechten, von Staat und Recht, der Besitz. Der Besitz ist zunächst nichts anderes als das Gut, aber er ist das Gut in seiner Gewalt über das Leben der menschlichen Gemeinschaft, das Gut als einer der mächtigsten Factoren in aller Staats- und Rechtsbildung, das Gut in seiner ethischen Bedeutung für jeden Einzelnen und damit für das Gesammtleben. Dies Gut aber als Besitz erkannt und gedacht bleibt in diesem seinem Einfluss auf die Menschheit, ihre wirk- liche Ordnung und das Leben ihrer Idee nicht etwa wieder ein in sich einfaches Element, und nicht bloss in seiner elemen- taren Natur, welche sein Begriff wie sein Name von dem des wirtschaftlichen Gutes so bestimmt scheidet, muss man die Quelle seiner Gewalt in menschlichen Dingen suchen. Der Besitz vielmehr als das in die ethische Idee aufgenommene Gut nimmt in das Leben dieser Idee wiederum dasjenige mit hinüber, ohne welches es selbst kein Gut sein kann, das Maass und die Vertheilung. Mit diesem seinem Maasse aber, das an ihm vermöge seiner zunächst wirtschaftlichen Natur haftet, tritt er in die Menschheit hinein, und es ist klar dass, wenn das Gut als Besitz etwas über die Menschen vermag, sei es im Guten sei es im Schlimmen, diese Macht des Besitzes mit der Vertheilung der Güter welche eben den Besitz bilden, zu einer Vertheilung dieser Macht selber unter den Menschen werden, und das Maass des Besitzes selbst für jeden Einzelnen aus dem Gute selbst ein neues Gut erzeugen muss, dessen Inhalt dann nicht mehr die Substanz des wirthschaftlichen Ver- mögens etwa in Grund und Boden oder in Geld, sondern die mit dem letztern gegebene Stellung in der Gemeinschaft selber bedeuten wird. Die Untersuchungen über diesen Process, durch welchen auf diese Weise aus dem wirthschaftlichen Gute der 230 Stein. Besitz und aus dem Besitz ein neuer Begriff neuer Güterarten, und aus der Vertheilung beider eine zuletzt auf dem wirth- schaftlichen Organismus der Güter beruhende neue Ordnung des Gesammtlebens der Menschheit entsteht, hat sich nun erst in unserer Zeit von der Volkswirtschaftslehre einerseits und der Rechts- und Staatslehre andererseits zu einem selbstän- digen Gebiete der Wissenschaft abgelöst und sich neben jene hingestellt. Diese nun zu verfolgen ist hier zwar nicht der Ort; wohl aber bedürfen wir für das Verständniss nicht bloss unseres Lebens, sondern auch der griechischen Staats- und Ge- dankenwelt der Worte und Begriffe, welche aus jener Unter- suchung hervorgegangen sind und die wir alle kennen, obgleich ihr eigentlicher Sinn bis jetzt kein offen vorliegender war. Jene Ordnung unter den Menschen nämlich, welche durch die Ver- theilung des Besitzes im obigen Sinne gesetzt und mit dem Wechsel dieser Vertheilung eine immer wechselnde ist, nennen wir die Gesellschaft; das Maass des wirthschaftlichon Gutes aber, dem Einzelnen zum Maasse der Kraft geworden, vermöge deren er auf das wirkliche Leben Anderer Einfluss hat, ver- leiht ihm jetzt als Maass seines Besitzes seine gesellschaftliche Stellung, und aus der materiellen Grösse dieses wirthschaftlichen Maasses, die wir als Reichthum, Armuth und Wohlhabenheit rein wirthschaftlich bezeichnen, wird ein neues gesellschaftliches Gut, das wir in seinen zwei grossen Grundformen als die Kraft in allen öffentlichen Dingen, die Macht oder den öffentlichen Einfluss, und andrerseits als den öffentlichen Werth einer ein- zelnen Persönlichkeit die Ehre nennen. Die Gesellschaft der Menschen wird damit jetzt in ihrem wesentlichen oder viel- mehr organischen Unterschiede von der abstracten Gemeinschaft derselben diejenige Ordnung, welche durch die Vertheilung des Besitzes als Vertheilung der beiden gesellschaftlichen Güter der Macht und der Ehre gebildet wird, und in welcher daher das wirthschaftliche Element des menschlichen Lebens zur ethischen Grundlage des Gesammtlebens erhoben ist. Das ist der erste Schritt, den die neuere Wissenschaft auf diesem Gebiete gethan hat. Als solcher aber würde er ein bloss abstracter sein und rein der Geschichte des menschliehen Gedankens angehören. Allein er bedeutet mehr. Die Entwicklung der Staatewi6senbcha.fi bei den Griechi 2öJ Denn da das wirtschaftliche Gut das wirkliche Leben der Persönlichkeit erfüllt und als Besitz die Grundlage der Ordnung der wirklichen Gemeinschaft derselben ist, so werden beide auch je mit ihren einzelnen Momenten in allen einzelnen Verhältnissen des persönlichen Lebens sich als wirkende, er- füllende und erzeugende Kräfte wieder rinden; denn sie sind es ja doch, in denen die Bethätigung des Wesens der Persön- lichkeit nicht bloss für die letztere an sich, sondern auch für die andere erscheint. Es ist daher schon jetzt nicht füglich mehr zu bestreiten, dass erst sie es sind welche auch dem Rechte seinen Inhalt geben. Dieses nun hier zu entwickeln, dürfen wir uns nicht anmaassen, nachdem wir dasselbe schon an einem andern Orte versucht haben. Wohl aber ist es auf den ersten Blick klar, dass die deutsche Sprache, die wunderbarste Schöpfung des noch unbewusst wirkenden Geistes die es gibt, jene Güter beständig von dem Rechte dessen Inhalt sie bilden, geschieden und die unklare Verschmelzung beider fast unerbittlich ver- hindert hat, in welcher sich hier mehr oder weniger alle andern Sprachen der Welt befinden. Denn nur sie spricht von einem Eigenthums-Recht, von einem Güter-Recht, von einem Besitz- Recht, von einem Ehe- und Familien-Recht, von einem Staats- Recht, in einem Worte zwei selbständige Gedanken geistig so verbindend zu einer dritten Einheit, wie die Natur tausendfach uns zwei Elementen ein drittes zu erzeugen weiss, ohne dass doch die beiden Elemente aus denen es besteht, jemals Eins gewesen wären. Und so ist sie es zunächst welche uns lehrt, dass Recht und Staut erst durch das Leben der Güter ihren Inhalt und wiederum durch den Besitz und seine gesellschaft- lichen Gewalten ihre Bewegung empfangen. Wie nun aber das geschieht und nach welchen Gesetzen, das darf hier nur in seinem letzten Resultate als Grundlage der Beurtheilung der griechischen Staatswissenschaft gesagt werden. Fassen wir nämlich alle Untersuchungen die darüber stattgefunden hier in die zwei Sätze zusammen, welche gleichsam das letzte Ergebniss dieser Forschungen ausmachen, so können wir sagen, dass die wirthschaftlichen Güter für das Leben der Einzelnen unter einander die Grundlage und das System- des bürgerlichen Rechts, der Besitz aber im obigen Sinne und die aus ihm entsprin- genden gesellschaftlichen Güter der Macht und Ehre die 2ö2 Stein. Grundlage und das System der Staatsverfassungen, des öffentlichen Rechts bilden, das gleichfalls nach den neuesten Forschungen wieder in das* Verfassungs- und das Verwaltungsrecht ge- schieden werden muss, eine Unterscheidung ohne deren Durch- führung uns, wie es die nahe Zukunft aller Staatswissenschaft zeigen wird, weder das System der letztern, noch auch die Geschichte der alten oder der neuen Welt je vollkommen ver- ständlich werden kann. Und dies, glauben wir, ist der Punkt, von welchem aus die griechische Rechts- und Staatswissen- schaft in ihrer Eigenthümlichkeit und ihrem wahren Werthe betrachtet werden muss. Denn wenn wir früher schon gesagt haben, die griechische Welt habe die Staatswissenschaft als solche erzeugt, so dürfen wir jetzt den Sinn dieses Satzes bestimmter fassen. Die Griechen sind es, welche zuerst erkannt haben, dass alles Recht und alle Staatenbildung zwar an sich durch die Urgewalt ewiger Kräfte, durch ihr Wesen, ihre tpuct? entstehen und sich nie ganz von derselben scheiden, dass aber das wirkliche Leben dieser Idee auf jedem Punkte, namentlich aber in dem Recht und der Ver- fassung der Staaten durch die wirthschaftlichen und gesell- schaftlichen Güter und die in ihnen lebendige und in der Per- sönlichkeit sich äussernde Kraft beherrscht sei. Es ist wahr, dass sie weder eine Rechts- noch eine Volkswirtschaftslehre gehabt haben, und deshalb sind ihre allgemeinen Begriffe über beide höchst unklar und unfertig; aber dennoch sind sie es, welche die Gewalt jener Güter zuerst empfunden, sie zuerst in ihrer selbständigen Kraft von der Idee des Gerechten und Edlen geschieden und sie zum bewussten Gegensatz erhoben haben. Sie sind es, welche zuerst die Gefahren die in ihnen für alles Edle und Grosse liegen, erkannt und dieselben der Welt gepredigt, zuerst die Tugend dem Reichthum, die Kraft der ci>y^pzzJrrt dem Genüsse der Güter, die Idee des sittlichen Ganzen der Wirklichkeit einer durch jene elementaren Gewalten beherrschten Rechts- und Verfassungsordnung gegenübergestellt, zuerst mit tiefem sittlichem Unmuthe das Verderben bekämpft haben, das jene materiellen Mächte immer da mit sich bringen, wo sie des Bessern im Menschen Herr werden. Ihr Ethos ist daher keine Moral, welche nur negativ diese Herrschaft der Güter mit kindlicher Lehre beseitigen möchte-, nein, es ist Die Entwicklung 'ler Staatswisaenschaft bei den Griechen. *2'o'o vielmehr die geistige Kraft des Besten und Edelsten in uns, die mit all den Verlockungen zur Unwahrheit und Ungerechtigkeit den offenen mannhaften Kampf kämpfen soll, der des wahren Mannes, des avrjp Uxaioq, allein würdig; ihr Ethos ist nicht Frömmigkeit, sondern die That des Edlen um der Gerechtig- keit willen; es ist nicht die Freiheit von fremder Herrschaft, sondern die Erhebung über die Herrschaft der Güter; es ist nicht eine Ergebung in das himmlische, sondern die thatkräftige Verwirklichung in einer gesellschaftlichen irdischen Ordnung, die vor ihren Augen durch jene r.'S/.r/yr^.y.-J.y. auf allen Punkten in Blut und Geld zu Grunde ging, welche der delphische Gott den Spartanern als ihren einzigen tödtlichen Feind gewahrsagt hatte. Und darum predigten und wollten sie nicht so sehr die technische Bildung und den Unterricht, in dem unsere Zeit zu sehr die letzten Gründe des Wohlseins und der Entwicklung des Volkes findet, und nicht Lehren der Weisheit und Tugend, welche die gefahrlose Vollkommenheit als den Preis für ein Leben hinstellen, das nie etwas verliert weil es nie etwas zu wagen wagt, sondern sie wollten die Erziehung zum thatkräftigen Ethos im Herzen des Menschen, die Anschauung, welche das Edle als das wahre Gut hoch über jene wirtschaftlichen und gesell- schaftlichen Güter zu erheben, die Kraft für dies Höchste zu leben und wenn es sein muss zu sterben lehrt. Darum wird das griechische Ethos aus dem sittlichen Begriff zum sittlichen Charakter, und ihre [/.ougouq ist keine stille Harmonie der Seelen, sondern die Kraft zur harmonischen Arbeit, welche das Schöne zugleich zu empfinden und zu vollbringen weiss. Und das war es, weshalb sie die Kunst des Erwerbes so tief neben der Kraft des Besitzes verachteten und niemals dahin gelangten, der Thatsache des Reichthums in ihrer Wissenschaft dieselbe Ehre zu erkennen, welche das wirkliche Leben ihr nur zu reichlich spendet. Das war es eigentlich weshalb ihnen der Erwerbssinn so gemein dünkte, dass er auch dem idealsten unter Allen, dem sinnvollen Plato, nur dann als Tugend erschien. wenn er im Dienste der Weisheit stehe, während der schärfste ihrer Denker, Aristoteles, von jenem wahrhaft griechischen Ge- fühl fast unbewusst bezwungen, zugleich alle Menschen iür gleich erklärte, und dennoch auch nicht entfeint den Gewerbs- pann, den yhxj^::, zum Bürger in seinem Staate zuliess. Es 234 Stein. ist etwas unendlich tief Sittliches in diesem logisch unerklär- lichen Widerspruche, der zuletzt doch nur den Unmuth über die Gewalt der wirtschaftlichen Güter im Leben ihres Volkes bedeutet und sich stets zu der von ihnen allen ewig erneuten Idee entfaltet, dass nicht der Mächtige, sondern dass der Weise herrschen solle, und dass die Gemeinheit da beginne, wo die wirth- schaftlichen Zwecke sieh gleichberechtigt neben die ethischen Ziele zu stellen trachten. Und wahrlich gerade diese tief- innerste Auffassung der Griechen, welche man ohne den idealen ewig jugendlichen Grundzug in ihrem geistigen Leben und ohne die elenden Zustände, welche rings umher die Herrschaft von Armuth und Reichthum geschaffen, als der peloponnesische Krieg unter seinen blutigen Schlachtfeldern die Blüthe dieses herrlichen Volkes begraben hatte, wird niemand die griechische Rechts- und Staatsphilosophie verstehen und niemand den tiefen Klageton herauslesen aus den Dialogen Platons, mit denen er sich in eine Welt flüchtete in der er wenigstens jene gemeinen Elemente nicht mehr fand, welche den Aristides und den Xenophon verbannten und dem Sokrates den Tod gaben, oder aus den strengen Untersuchungen des Aristoteles, mit denen der selbst Verbannte auf Euböa zu begreifen suchte, wie ein grosses Volk so klein werden könne durch Gewalten, die seinem eigenen freigebornen Herzen die Erkenntniss abzwangen, dass diesem gefallenen Volke nur ein Macedonier helfen könne! Endlos wäre es für uns zu sagen, was wenn wir es erschöpfen sollten, hierüber gesagt werden müsste. Aber das ist gewiss, dass hier gerade in diesen Griechen, die uns voranleuchten, zum ersten Mal das Edelste im Menschengeiste sich gleichsam aufbäumt gegen die ihnen zuerst zum Bewusstsein gekommene Gewalt der wirthschaftlichen Güter, und dass gerade dadurch für sie zum ersten Mal in der Geschichte des Gedankens die rein formale Staatswissenschaft zur Lehre vom lebendigen, that- kräftig sich zur Herrschaft erhebenden Ethos geworden. Und in diesem allgemeinen Sinne sagen wir zunächst, dass der griechische Geist es sei, der die Gesellschaftslehre aus dem Schooss der Staatsphilosophie geboren, und an der Mutterbrust seines edlen, stolzen Volksbewusstseins ernährt habe, eine Wissenschaft die für alle Zeiten eben darum die Aufgabe und die Kraft jener ewigen Jugend behalten wird, das Schöne aufs Die Entwickluo UatswisBen li len 235 neue in uns zu erzeugen und das Edle aufs neue zu verehren und zu erstreben. III. Das nun ist es was uns den in seinem Inhalt entwickelten, als selbständigen gewaltigen Factor alles wirklichen Leb' vom Gute und Vermögen so tief verschiedenen Begriff und Organismus des Besitzes lehrt, der die Gesellschaft und aus ihm den wirklichen Staat mit seinem Recht und seinem Leben in beständig wechselnden Gestaltungen erzeugt. Und nun dürfen wir sagen, dass, wenn die Griechen die Gründer nicht blos der Philosophie sondern der Wissenschaft des Staats geworden, sie das nur sein können, indem sie neben der Lehre vom geistigen Menschen auch das Verständniss eben dieses Factors, des Be- sitzes, in ihren grossen geistigen Lebenskreis hineingezogen. Und während wir nun die Geschichte der reinen griechischen Philosophie als bekannt voraussetzen dürfen, bestimmt sich jetzt unsere besondere Aufgabe dahin zu zeigen, wie das was wir die eigentliche Staatswissenschaft nennen, sich in den gewaltigen Händen der Erkenntniss vom Wesen eben dieses Besitzes und der Gesellschaft bei den Griechen gestaltet hat. Nun dürfen wir bei dieser Behandlung den Standpunk I charakterisiren, von welchem wir ausgehen. Denn bei dem das gesammte Leben von Recht und Staal des ganzen Griechenlands umfassenden Wesen dieses Besitzes, dürfen wir nicht bei einem einzelnen Mann und nicht einmal bei einem einzelnen Zeitraum stehen bleiben. Das Grosse in dieser griechischen Welt war eben die Continuität in der Gesammtentwicklung derselben, durch welche am meisten jene Werke alle Zeiten überlebt und ihre wahre Unsterblichkeil darin gefunden haben, dass wir von dem geistigen Werden jener Gedankenwelt erfasst uns sagen müssen, dass wir immer erst dann recht anfangen, wenn wir mit ihnen, den Beginnenden in der Staatswissenschaft selber beginnen. Denn in der That hat der grosse geistige Process, der die griechische Staatswissenschaft erzeugte, durchaus nicht die Natur einer zufälligen, auf dem individuellen Geiste ruhenden Be- wegung, wie sie auf- und absteigt je nachdem die Fürsten des 236 Stein. Gedankens zufällig geboren werden oder die geistige Arbeit lieben lernen. Sondern wir sehen vielmehr ein grosses in sich geschlossenes, klares Bild vor uns, in welchem der Keim sich allmälig zur Blüthe, die Blüthe zur Frucht entwickelt ; und auf jedem Schritte dieser Entwicklung sind wir im Stande den Maass- stab wieder anzulegen, den wir zuerst suchen und bestimmen mussten, um eine Welt zu verstehen, die durch das Gemessen- werden uns nicht kleiner erscheint. Dieses Bild aber, oder diese Entwicklungsgeschichte nicht des griechischen Rechts und nicht der griechischen Philosophie, sondern eben die Ent- wicklungsgeschichte der griechischen Staatswissenschaft speciell im obigen Sinne, die Entwicklungsgeschichte der Erkenntniss von jener Gewalt, welche der Besitz über Recht und Staat, über das Edelste im Menschen und das Freieste im Volke aus- übt, scheidet sich wie die Natur ihrer eigenen Erscheinungen fordert in drei grosse Gebiete oder Stadien seiner Ge- schichte. Das erste ist der Zeitraum, in welchem das Be- wusstsein des Unterschiedes zwischen dem an sich Gerechten, dem von dem Wesen der Dinge Geforderten, dem Sfraiov und dem geltenden Recht, dem vöjxog entsteht; es ist die Zeit der Gnostiker neben den grossen Gesetzgebern, deren Object die Ordnung des Grundbesitzes und der Versuch war, eine tief erschütterte Gesellschaft wieder auf eine feste Grundlage zurück zu führen. Den zweiten Zeitraum bezeichnen wir als den der griechischen Publicistik. Denn kaum ist die kurze Epoche der Gesetzgeber und der Gnostiker vorüber, so ergreift der Process der Entstehung einer neuen Art des Besitzes, des gewerblichen neben dem Grundbesitz, auf allen Punkten in Griechenland die festen Grundlagen, welche in der Epoche der Gesetzgeber für die Besitzvertheilung gesucht und zum Theil zeitweilig gefunden waren, erschüttert sie und weiss sie zu brechen. Schon haben sich die Classen der Armen und der Reichen einerseits, die der Grundherren und der Kaufherren, des Boden- und des Werthcapitals in allen Städten Griechen- lands bestimmt geschieden; schon ist die Hast mit der das griechische Volk nach Reichthum drängt, die auri sacra fames ein allgemeines Element des griechischen Lebens geworden ; schon hat die alte, auf dem alten Besitz beruhende Volksver- sammlung, der ursprüngliche vr^.zi des griechischen Lebens Die Entwicklung der Staat^wissenschaft bei den Griechen. 2o l seinen Charakter verloren ; schon beginnt der Bürger der freien Städte sich an den Gedanken zu gewöhnen, der mit so vielem und furchtbarem Ernst in unsere Zeit hereinragt, dass die Grund- lage des Gerechten der Nutzen und die einfache Majorität sei, weil die Majorität das Gesetz und damit das geltende Recht erzeugt, das nach der Verfassung, welche die Vertheilung des Besitzes beherrscht, an die Stelle des an sich Gerechten tritt; schon drängt eine rohe Undankbarkeit des Volkes die andere und ein demagogischer Schwindler folgt dem andern ; schon haben die Classen in den grossen Städten die Waffen erhoben und den Weg des gesellschaftlichen Verderbens mit dem Blute der Bürger getränkt, und der Schrei des Classenhasses und der Grimm über die Classenverbrechen ertönen, von Ehrgeiz, Habsucht, Faulheit und Gemeinheit getragen in der or/opa; schon werden die Reichen gesetzlich ihres Wohlstandes beraubt und die bessern Elemente von dem S/Xo«; der Städte vertrieben bis sie sich blutig rächen ; aber noch immer kämpft die Er- innerung an eine edlere Zeit mit dem Gemeinen das das Bessere verfolgt, und noch immer hoffen denkende Männer dem all- gemeinen Verderben durch Kampf mit dem Einzelnen begegnen zu können, bald an die grossen Thatsachen der Geschichte mit Thucydides, bald an die Macht anschliessend welche der Dicht- kunst das Schwert des Spottes gegeben, und im Aristophanes den Athener durch seine eigene Carricatur vor den Con Sequenzen seiner unedlen Bestrebungen erschreckend, bald mit Hippodamas auf die Vertheilung des Grundbesitzes, bald mit den Rhetoren auf die Begeisterung für das Grosse zurückgreifend, in dem die Herrschaft des Unedlen untergehen soll. Es ist ein grosses, aber schon wüstes Bild, das diese Epoche bietet, um so wüster, als es sich in jeder Landschaft, in jeder izokiq mit immer neuen widerlichen Zügen wiederholt, ein Kampf, welcher die Zeit vom Beginne des peloponnesischen Krieges etwa bis zum antalkidischen Frieden erfüllt; aber an diesem Abschluss der grossen Epoche des griechischen Staatslebens scheint er zu ermatten, wieder einmal nicht darum weil die Völker besser oder schlechter, sondern weil nach so viel Blut und Selbstver- nichtung denn doch zuletzt die Kraft selbst dieses herrlichen Volkes gebrochen ist und das Gute wie das Schlechte zu- gleich erschöpft darnieder lag. Diese Zeit aber ist die der 238 Stein. Einzelparteiungen und der Parteienkärapfe , und ihr gegen- über die der Publicistik, die von der Gerechtigkeit redend das geltende Recht darunter versteht und den Unmuth im Spott, die Lehre in der Sophistik, die Lösung der allgemeinen Fragen in der Untersuchung der einzelnen sucht und findet. Jetzt folgt die dritte. Sie ist eine traurige und eine grosse zugleich. Griechenland ist gebrochen, nicht weil seine edelsten Kräfte auf den Schlachtfeldern den Schwertern der Feinde unterlagen, sondern weil das Edelste in Griechenland die Kraft verloren hatte, dem Unedelsten, der rohen Gewalt des bestechenden Geldes und der Pöbelmasse zu widerstehen. Schon ist das griechische Leben so weit dass es der Charaktere ermangelt, und dass sein Geist unter das Mittelmaass seiner eigenen Ver- gangenheit zu sinken beginnt ; statt der grossen Leidenschaften heften sich kleinlich Hass und Neid an die Fersen der Reste der bessern Zeit und jedes Verbrechen wird verziehen, nur nicht das, ein Besserer zu sein wie der Schlechtere. Da kommen die Zeiten, in denen der rohe Grundherr in die Stadt der wirth- schaftliehen und künstlerischen Freiheit, in die Stadt der herr- lichen Erinnerungen und der unsterblichen Thaten des Geistes einzieht, wo Athen unter dem eisernen Schritt der spartanischen Bataillone erzittert und wo Agesilaus die Vernichtung aller Städte und ihre Auflösung in Dorfschaften, den Rückfall in die alte Unbildung ohne ihre Freiheit zu seiner Lebensaufgabe machte, den Maassstab des Hintersassen, des Penästen und Metöken an jeden freien Mann anlegend und alles verurtheilend, was er nicht begriffen hat ; die Zeit, wo die edleren Elemente entweder in die Verbannung fliehen mit dem Xenophon und Aristoteles, oder sich mit Ekel von der Gemeinschaft ab- wenden, um mit Plato über die Unsterblichkeit der Seele zu philosophiren, deren Zukunft in der Gemeinschaft der Sterb- lichen keine Heimat mehr suchen mag. Umsonst ist es jetzt, dass den Künstlern der Prunkreda, einem Isokrates und Gorgias ein Demosthenes, den gelernten Fachmännern der sophistischen Rhetorik der flammende Redner für das Vaterland folgt. Mit tiefem Schmerze neigen sich die Blätter und welken die Blüthen, die herrlicher die Sonne des glänzenden Meeres zweier Welt- theile niemals beschienen hatte. Und nur eines bleibt; aber das was damals geblieben, defe wird ewig bleiben. Mitten in Die Entwicklung der Staatswissenschaft boi <1pu Griechen. 239 der Versumpfung' selbst der Athenenser, denen Aristophanes jenen Hohn ins Gesieht schleuderte den man niemals verstehen wird, so lange man nicht versteht wie das bessere Gefühl dem gemeinen Durst nach gemein erworbenem Gelde entgegen tritt, und zum Spotte wird wo die Wahrhaftigkeit machtlos geworden, flüchtet sich das grösste Erbtheil jenes hochbegabten Stammes in das Gebiet des reinen Gedankens, das ewige Eigenthum edlerer Sinnesart. Sokrates wirft um den Preis seines Lebens der Herrschaft der Willkür und der Ungerechtigkeit den Hand- schuh hin ; er ist es, der zuerst in der Welt den Widerspruch empfunden und laut ausgesprochen hat, welcher stets das Recht der Quantität, der thatsächlichen Majorität begleitet, wo sie dem ewigen Rechte der Qualität, der Berechtigung der höheren Fähigkeit gegenübertritt. In ihm wird der Widerspruch des formalen vc(us;, des geltenden Rechts mit der höhern Idee des Gerechten, der äaaiocuvv], zuerst zur scharfen Dialektik und dann zur innersten Ueberzeugung, die sich auf Gefahr des eigenen Lebens gegen die Masse und ihre niederen Interessen stemmt; Sokrates zuerst lehrt um der Wahrheit willen sterben, wie ein Grösserer uns lehrte um der Liebe willen in den Tod zu gehen. Und um seine Manen krystallisirt sich nun ein geistiger Process, dessen hohe Bedeutung wir niemals mit den einzelnen Lehren erschöpfen können, die derselbe zuerst zu formuliren verstand. Das was Plato und Aristoteles in Griechen- land nicht eigentlich schufen, sondern zur Vollendung brachten, das war seinem innersten Wesen nach genau dasselbe, woran das geistige Leben der germanischen Welt mitten in der tiefsten Versunkenheit ihrer gesellschaftlichen Ordnung sich aufrecht zu erhalten und zu grösseren Dingen vorzubereiten vermochte als alles Gegenwärtige verloren schien. Sie schufen um sich die Schulen des Wissens, die ersten elementaren Anfänge unserer Universitäten. Sie waren es, welche die Geister um die Wahrheit und das Schöne in der Urheimat der griechischen Kunst sammelten, als die Nachkommen der Sieger von Marathon ,die Hand noch bittend aus dem Grabe zu strecken begannen, um ein Almosen zu erhalten' wie Aristophanes spottete; ihre Hunderte von Zuhörer, den elenden Kämpfen der damaligen Zu- stände, dem Napoleonismus der Makedonier und dem Bour'geois- Ömme der Nachkommen der Piräusgrössen wie der spartanischen 240 Stein. Erbtöchterwirthschaft entfliehend, wurden zu den letzten Hütern des Ringes in der grossen Kette des Gedankens, der bei dem Unterschiede zwischen dem Rechte, das durch die Idee geboren und in den positiven Abstimmungen eines verlotterten, feil- gewordeneu Br(y.c; vergessen, in Sokrates zur selbstgewissen Ueberzeugung, in Plato zum reinen Ideal, in Xenophon zum klaren männlichen Charakter und in Aristoteles zur systema- tischen Wissenschaft ward. Sie sind es, welche das glühende Abendroth des griechischen Tages bilden; mit ihnen schliesst eine herrliche Epoche, deren wunderbarste Macht darin bestand, dass das blutige Unrecht, die grausame Gewalt, die mörderischen Classenkämpfe, ja selbst das feile Gold den letzten Nachkommen einer herrlichen Zeit weder das Suchen nach dem Gerechten das uns die ewige Jugend, noch das Anschauen der Wahrheit die uns den Frieden gibt, zu nehmen vermochte. Wir aber sagen, dass für unser Gebiet diese letzte Epoche diejenige war, in welcher sich aus der Gnostik und der Publicistik Griechenlands in derselben Bewegung die griechische Staatswissenschaft in unserem Sinne entwickelte, in welcher sich — wunderbares Widerspiel des wirklichen und des geistigen Lebens — nach den grossen Gesetzgebungen der peloponnesische Krieg und nach ihm der Untergang der griechischen Freiheit, der römische Tod auf die erste Schule der menschlichen Wissenschaft vom Staatsleben gelegt hat. Das nun wenigstens zum Theil im Einzelnen zu verfolgen, ist die Aufgabe des positiven Inhalts dieser Arbeit. Wohl aber darf dieselbe, indem sie innerhalb des griechi- schen Lebens sich ein so bestimmtes und scheinbar materielles Gebiet erwählt, zuerst einen Blick auf das werfen, was jene schönste Epoche der Vergangenheit so innig mit all unsern Wissen, ja selbst mit unseren liebsten Gefühlen verkettet hat. Denn wer je den Blick nach Griechenland richtete, der weiss wie der Duft seiner wunderbaren Poesie sich über Alles ver- breitet, was wir in ihm suchen und finden. Und fast möchten wir sagen, dass, wer nicht diesem Hauche des Göttlichen in der Geschichte seinen Tribut gebracht ehe er zum Einzelnen in derselben übergeht, kaum je dieses Einzelne ganz in seiner lebendigen Wirklichkeit verstehen wird. So möge denn das Die Entwicklung «lor Sl lat iwlssonecuaft bei den Griechen. 241 hier mit wenig Worten Platz finden, was wir als den Gruss der Wissenschaft der Einzelarbeit derselben voraufsenden dürfen. IV. Wenige wohl werden sich, wenn ihnen das Gefühl aller der grossen Dinge erschlossen wird, in denen und für welche wir leben, der Ehrfurcht erwehren, wenn sie das herrliche Gebiet der Weltgeschichte betreten, das wir mit dem Namen des alten Griechenlands bezeichnen. Denn so gross und schön auch Alles sein mag, was wir in den Werken der römischen und der germanischen Kunst bewundern, und so gewaltig auch die Wissenschaft unserer Tage sich über Alles erheben mag-, was die Vergangenheit geleistet, von jedem Funkte unseres ganzen geistigen Lebens laufen die nach tausenden von Jahren noch sichtbaren und unsichtbaren Linien zurück in iene Wieee der geistigen Thaten welche die Menschheit gross gemacht haben, an jene Ufer des Meeres, das die unfreie Urzeit des Orients von der freien Kraft Europas zuerst geschieden, nach jenem sonnigen Himmel, der auf die herrlichen Werke Attikas herableuchtete, in jenes in seinen edelsten Elementen so tief harmonische Leben einer Welt, die mit dem Speere in der Faust Europa vor den Asiaten rettete, mit dem ewig jungen I Herzen die Blüthen der Poesie zu entfalten wusste, und mit der Kraft seines denkenden Geistes zuerst die Frage nach der Wahrheit von der sklavischen Ueberlieferun<>- träumender \ Priester und wilder Despoten loszulösen und das Forschen Dach I dem ewig Freien zum höchsten Inhalt des vergänglichen Lebens zu erlieben wagte. Ehrerbietig beugen wir uns ihnen, denn sie I sind das geistige Erbe unseres Welttheils, aber dankbar ver- ' ehren wir sie zugleich, denn die ewige Jugend die sie uns gebracht, liegt nicht so sehr in dem Einzelnen was sie gefunden, sondern in der schöpferischen und forschenden Kraft, die sie \ selbst trieb und die sie nach tausenden von Jahrein in jedem wieder zu erwecken wissen, der sich ihnen hingibt. Denn das ist ihre wahre Unsterblichkeit, dass sie das Schöne und das Edle zu einer selbständigen, sich selbst wiederzeugenden Krafl im Leben der Völker gemacht, dass sie uns ewig aufs neue lehren das Gemeine zu verachten, das Wahrhaftige zu verehren Sitznngsber. i. phil.-hisi Cl. Sl III. Bd. II. Bft. 16 242 Stein. und in dem Kampfe um das Beste nicht zu ermüden. Sie sind es; welche uns wahrhaft über die Gränze der Gegenwart er- heben, da sie uns zeigen wie jeder ernst Forschende mit seiner eigenen Gegenwart zugleich der Zukunft des Kommenden zu- gehören vermag, indem sie selber all die grossen Arbeiten und Thaten der Vergangenheit, auf deren Schultern wir selber mit unserem Streben stehen, zur Gegenwart gemacht haben. Denn in ihren Werken durchleben wir alle Alles, was die fertige Vor- aussetzung unseres Eigensten ist, zum zweiten Male, als einen Theil unseres eigenen Lebens. Darum, indem wir uns ihnen hingeben, vollzieht sich in uns noch einmal jene gewaltige Arbeit der Gottheit, die wir die Weltgeschichte des Geistes nennen, und noch einmal strömt uns der goldene Quell entgegen, der zuletzt doch das Gute das wir haben, nach dem Besten streben lehrt. Und so haben die Edleren aller Zeiten gedacht, von den Römern für die sie eine neue Welt, eröffneten, bis zu unserer Epoche welche sie selbst in Verehrung die alte Welt nennt. Allen aber erscheint darum nichts in sich fertig, was nicht bis auf die letzten Wurzeln verfolgt ist die es in jene alte und doch immer lebensfrische Welt des griechischen Geistes hinein- senkt, hier zum ersten Mal als eine Arbeit und That des menschlichen Geistes sich loslösend von dem Eindruck der sinn- lichen Erscheinung, wie von dein blinden Gehorsam gegen die Tradition, welche mit Gedankenlosigkeit und Interesse im innigen Vereine den lebendigen Gedanken und den kräftigen Fortschritt in Fesseln geschlagen. Als Jenen die herrliche Sage vom Pro- metheus aus dem dunklen Gefühl der eigenen weltgeschicht- lichen Bestimmung entstand, da wussten sie wohl noch nicht, dass sie selber der Prometheus des ewigen Feuers, des freien Wissens, zu werden bestimmt seien. Aber sie sind es geworden; unser ist es zu sorgen, dass die Flamme nicht mehr erlösche. Vor Allem aber ist es in erster Reihe das Gebiet, dem diese Arbeit gehört, das Gebiet der Rechts- und Staatswissen- schaft, das nie zu Ende gedacht werden wird, wenn wir es nicht bei seiner ersten Quelle, der griechischen Welt, an seinem Ursprung verstehen lernen. Denn, ganz abgesehen noch von allem Eingehen auf einzelne Fragen und Gebiete, viel mehr als die meisten meinen, verdanken wir gerade in Allem was Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen. 243 Staat und selbst das positive Recht betrifft, den griechischen Denkern; Worte und Gedanken, welche die Welt bewegt haben und von denen wir glauben sie seien jedesmal der Zeit ent- sprossen, welche sie zu ihren rechtlichen und staatlichen Glaubens- artikeln und zum Wahlspruch im geistigen und politischen Kampf erheben, sind von den Griechen schon gefunden und gesagt, und wahrlich wenig bleibt bei vielen, auch bei grossen Namen übrig, wenn wir ihrem Glanz dasjenige nehmen werden, was den Griechen gehört. Schon die Griechen wussten und ihre Philosophen predigten, dass die Menschen ihrem Wesen nach gleich seien und das foovq elvat tob«; ävOpio-o-jc, das ,omnes hominis natura sua aequales esse' in der lateinischen Redaction der Professorenhefte von Constantinopel und Beryt, hat selbst Ari- stoteles nicht zuerst gesagt; die Freiheit, die iXsu9epia war schon ihnen nicht leere französische liberte, sondern dem englischen Selfgovernment haben sie zuerst den Namen und den Inhalt in ihrer xuxovc(ji.ia und aÜTOtpxeia gegeben, die Körper der Selbst- verwaltung aber in dem Unterschiede von 7.6i[j:r, und zi>,;; be- stimmt, den sie zuerst verstanden haben. Sie haben das höchste Princip der Verwaltung, das zu Zftv schon neben das höchste der Verfassung zu stellen verstanden; sie waren es, welche die Sociabilitas als den psychischen und das Bedürfniss nach der gegenseitigen Erfüllung der Einzelkraft durch die Gemeinschaft mit anderem als den physiologischen Grund der Staatenbildung erkannten ; und daneben haben wiederum sie den göttlichen Willen zuerst als die schöpferische Urkraft der Rechtsbildung im Plato verehrt und in der Kraft des Bedürfnisses die Quelle der Ordnung zu finden gewusst; sie sind es, von denen Begriff und Wort jenes ,bellum omnium contra umnes' herstammt, von denen wir oft genug meinen, Hobbes habe sie zuerst gedacht (Plato de Legg, I, 026 a. u. e }xo -;a£;j.(o'j: sivai r.xr.y.z r.y.7:'), von ihnen stammt das römische Wort über das Wesen der Gerechtigkeit, das ,suum cuique tribuere' das nichts ist als die wörtliche Ueber- setzung Piatos: ,~b Tcporriptov vlv.z-m y.r.z-y.civy.'.' (Rep. I, 332 c); sie wussten schon das grosse Princip Macchiavell's zu formuliren, dass, ev y-y.zy.i iodq rcoXect tocutov eivat St'xaiov, xh -.?,; xaöearrjxuiYji; yy/r,z z'Jij.^ipv' (ib. 339 a); sie sind es, welche zuerst den Grundbesitz vom gewerblichen Besitz als y-.r^j.y. und yfrt\>.y. geschieden haben ; sie haben zuerst neben der Oligarchie den Adel als die TcXouctot v.y.\ 16* 244 Stein. eirfev&repot hingestellt (Ariht. Pol. IV, 4, 12901', 19); sie haben zuerst den Gedanken der Talion gehabt und über die Strafe selb- ständig neben dem Verbrechen nachgedacht, einzelner anderer Rechtssätze des römischen Rechts nicht zu gedenken, deren Sammlung die Aufgabe einer andern Arbeit sein muss; sie aber sind es vor Allen, welche zuerst die Gewalt und die Natur des Besitzes überhaupt, den Unterschied von arm und reich im Staatsleben, die Natur der gesellschaftlichen Gegensätze und die der Classen und Ordnungen zu verstehen wussten, die wir erst jetzt wieder in ihrer ganzen Bedeutung aufs neue denken lernen. Auf dieses nun' wird die Arbeit bei der Darstellung des Aristo- teles zurückkommen ; sicher bleibt, dass gerade in allen gesell- schaftlichen und staatswissenschaftlichen Fragen die griechische Literatur eine fast unerschöpfliche, gewiss aber bisher uner- schöpfte Fundgrube ist und dass wir die Zeit kommen sehen, wo auch unsere gewöhnliche Literaturgeschichte dieses Gebiet in sich zu verarbeiten wissen wird. Ist dem nun so, so müssen wir an die Spitze des Folgen- den die Frage stellen, ob und wie weit mit dem was diese griechische Welt geboten hat, gegenüber dem was die germa- nische Welt hier erzeugt, jenes Gebiet nicht schon wirklich im Wesentlichen erschöpft sei. Und hat die letztere Leistungen aufzuweisen die von nicht minderem Werth sind wie jene, worin liegt der tiefe Unterschied, vermöge dessen wir selbst gegen- über jenen Vätern des bewussten Denkens dennoch auch unseren Werth zu bemessen wissen? In der That hat es seine Berechtigung, jede Literatur eines Volkes als ein Ganzes aufzufassen, als einen Baum mit Keim, Wachsthum, Blüthe, Frucht und Tod; und fassen wir dann die grosse in den Völkerliteraturen zur Erscheinung ge- langende Arbeit der Weltgeschichte als ein Ganzes auf, so hat es wiederum seine Berechtigung, innerhalb der letzteren die Arbeit jedes einzelnen Volkes als eine individuelle Lösung einer bestimmten Aufgabe zu charakterisiren. Nur darf eine solche Anschauung nicht bei allgemeinen Bildern stehen bleiben. Wir aber werden für das, was wir die grosse geschichtliche Function der griechischen Literatur im Gebiete unserer Wissen- schaft nennen möchten, auf Grundlage der voraufgegangenen Unterscheidung leicht die richtige und, wie wir glauben, auch w^. Die Entwicklang der Staatswii Jen chafl bei den Griechen. 245 fest bestimmte Pormulirung finden. Und diese mag- in kürzester Form dem folgenden voraufgesendet werden. Das nämlieh ist die artvolle Selbsteigenheit der griechi- schen Gedankenwelt über alles Leben der mensehlielicn Gemein- schaft und ihr greifbarster und tiefster Unterschied von der römischen wie von der germanischen Auffassung, dass sie keinen selbständigen Begriff von Recht hat, wie sie auch kein eigenes Wort für dasselbe in ihrer Sprache besitzt. Denn das Snwctov ist das Gerechte, die SixouoffuvY] die Gerechtigkeit, die Sixy] ist das Gericht, der vi;.».:; ist das Gesetz, das r-po-r^o-/ ist das sach- lich berechtigt sein, das Billige; aber für Recht und Jus gibt es in der griechischen Sprache keinen entsprechenden Aus- druck. Das aber war so tief mit der ganzen Gestalt und Bewegung des griechischen Lebens verwachsen, dass es viel merkwürdiger wäre, wenn die Griechen das eigentliche Recht gehabt hätten, als es der Mangel an diesem Worte sein kann. Denn es liegt tief im Wesen der Sache, dass das Recht im specirischen Sinn des Wortes erst da entstehen kann, wo aus dem Gute das Eigenthum und mit demselben zugleich die specilischen Begriffe und Worte für den Besitz, die Dienstbar- keit und das Pfandrecht entstehen, welche ihrerseits wieder Besrriff und Wort der Sache — erst die Römer kennen die res — zur Voraussetzung haben. Es scheint das wohl der Beachtung werth. Doch gehen wir noch nicht darauf ein. Erst wenn einmal unsere Jurisprudenz^ die an Breite selbst die römische weit hinter sich lässt, erkennen wird, dass die römische Rechtsgeschichte ohne die griechische gar nicht ganz verstanden werden kann und dass daher jeder Romanist nicht fertig ist, so lange er nicht wie seine eigenen grossen Quellen von Cicem bis auf die Zusammensteller des Corpus Juris, die uns um dni Preis der Vernichtung der eigentlich römischen Rechtsliteratur die Trümmer derselben in jener merkwürdigen Sammlung aut- bewahrt haben, die Griechen studirt, dann erst wird es uns ganz verständlich werden, wie es doch zugeht dass, während die Griechen wie gesagt gar kein Wort für Recht und Eigen- thum hatten, die Römer für das letztere gar zwei Worte besassen, dominium und proprietas, ohne sieh doch philologisch oder juristisch um den Sinn dieser Doppelbezeichnuug zu kümmern, während die Deutschen, so viel wir sehen, das Wort Eigenthum 246 Stein. gleichfalls erst lauge nach den Rechtsbüchern finden, die Fran- zosen aber schon im dreizehnten Jahrhundert die propriete aus der römischen Terminologie in das Privatrecht aufnahmen, das domaine dagegen von jeher auf das öffentliche Recht be- zogen. Doch dieses mag hier nur angedeutet sein ; möge man entschuldigen, wenn wir in Beziehung auf Griechenland an dieser Stelle etwas behaupten, ohne es zu beweisen. In der That nämlich liegt der Grund nahe, weshalb die Griechen keinen Begriff und kein Wort für Recht in unserem Sinne hatten. Denn bei ihnen war der Richterstand kein Beruf; Richter war das Volk; noch ist bei ihnen nirgends die Function des Gerichts end- giltig von der Function der Volksversammlung geschieden und noch ist daher nirgends die Verpflichtung da, das Recht anderswo als in der Ueberzeugung des Volksgerichts von dem Gerechten zu suchen. Eben diese auf das Individuum, seine augenblick- liche Stimmung und die beständig wechselnden l Sixatov ihre Herrschaft ewig aufs neue bestritt und raubte? War es der Wille an sich, war es das Wesen der Persönlich- keit, die ybciq tou zvOcw—'j, welche mit sich selbst im Wider- spruch tretend, statt des Swweiov das äcv/.cv zum vijj.o: machte? Unmöglich. Woher denn jene Gewalt, die in das Ethos hinein- griff und der selbst die Besten unterlagen ? Jene Gewalt, welche stärker war als die Freiheit, und mächtiger als die Könige von Persien und Makedonien? Wahrlich sie brauchten sich nur umzuschauen um sie in jedem Obolus wiederzufinden, der bald genug das einzige Band war, das den einst so freien und stolzen Athenienser noch an das öffentliche Wohl band und mü- den Staat lieben und achten lehrte der jenen Groschen zahlte! Und kann es da noch wundern, dass das Edlere im griechischen Volke sich empörte, wenn es sah dass ein herrlicher Staat der allen Waffen Asiens getrotzt hatte, in Recht und Verfassung dem Gelde unterlag? Nicht durch Rechtslehre und nicht durch Volkswirtschaftslehre und nicht durch Definitionen und Systeme, sondern an ihrem Ethos haben die Griechen den Besitz und seine Gewalt, sein Wesen und seine Wirkung begriffen, und was das neunzehnte Jahrhundert weiss, das hat das dritte Jahrhundert vor Christo uns schon denken gelehrt. Das ist der Sinn, in welchem wir sagen, dass die Griechen den Besitz erkannt und verstanden haben. Und jetzt wollen wir versuchen zu zeigen, wie dies Ver- ständniss selbst wieder nicht etwa die Sache eines Mannes oder einer einzelnen Theorie gewesen. Sondern langsam ent- wickelt es sich, und man kann fast mit dem leiblichen Auge sehen, wie fast schrittweise der grosse Gang der Volkswirt- schaft der Lehrer des griechischen Geistes wird,, und wie sich die Stadien gleichsam messbar bilden, in denen zuerst die Gesetzgebung mit den Gnostikern, dann der sociale Kampf mil seinen Rhetoren und Publicisten, und endlich die selbständige Staatswissenschaft sich zum Verständniss der Gewalt und des Wesens des Besitzes und seiner Stellung und Aufgabe in der griechischen Geschichte emporarbeiten. 252 Stein. V. Wir dürfen von unserem Standpunkte dein Folgenden den Satz voraufsenden, den dasselbe zuletzt im Einzelnen ent- wickeln soll. Es mag sein, dass es Zustände vor der Geschichte gegeben hat, in welcher die Menschen ordnungslos theils als , Wald- gänger' oder als die icujkai des Thucydides, oder die Cyclopen Homers gelebt haben. Wir begnügen uns damit, dass die Ge- schichte eines jeden Volkes erst da beginnt, wo aus dem Gemeingut ein Einzeleigenthum wird. Die Gesetzgebung eines jeden Volkes aber beginnt da, wo die dadurch entstehende Ver- keilung der Einzeleigenthums sich zum Gegensatz der Classen ausbildet. Die Geschichtschreibung desselben endlich fängt da an, wo aus diesem Gegensatze der Classen die thätliche Gewalt entsteht. Bei den indo-germanischen Völkern Europas aber entsteht dieser Gegensatz und sein Kampf nicht durch die Vertheilung des Besitzes als solchen, sondern durch den Process vermöge desselben die letzteren auf die jenen angeborene Freiheit und Gleichheit ihren Einfluss ausübt. Die älteste griechische Geschichte ist in diesem Sinn nichts als die älteste Gestalt unserer eigenen Gegenwart, und die Zeit vom Zuge der Dorer bis auf unsere Tage ist nur die Wiederholung derselben Erscheinungen, weil sie die gleich- artigen Wirkungen gleichartiger Kräfte zeigt. Will man nun den Stoff, der sich hiefür darbietet, be- herrsehen, so rnuss man die Entstehung der wirtschaftlichen Classen, der Rechtsclassen und den ersten Kampf des König- thuins mit denselben scheiden, aus dem die erste grosse Ge- setzgebung und mit ihr die erste Philosophie der Griechen, die staatswissenschaftliche Gnostik, hervorgeht. Sie zusammen bilden die Grundlage für die folgende Zeit. Als die alten Völker, aus unbekannten Gegenden heran- ziehend, sich niederliessen, war der Grundbesitz Gemeingut: sie theilten ihn. Einen Theil gaben sie den Göttern, ein Theil blieb gemeinsam, einen Theil vertheilten sie an die Einzelnen und ihre Arbeit. Das geschah nach bestimmten Regeln, und bei allen alten Völkern haben die Bestellten, mochten sie nun Die Entwicklung der Staatswissenschaff bei den Griechen. I?; >- 1 Agrimensores der Körner oder Reebsmäud der Skandinaven oder anders heissen, nach priesterlichen Formeln unter dem Schutze der Gottheit ihre Aufgabe vollzogen. Der Theil der dem Einzelnen zufiel hiess bei den Griechen der •/.Xvjps; (das germanische Allod, die älteste römische Possessio) und sein Inhaber der vXrßovyoc ; die kpd oder tsjjl^vyj gehörten der Gottheit; der nicht vertlieilte Besitz (et superest ager) war das koivov, r, xotVYj yß>p Entwicklung ilor Staatswissenschaft bei den Griechen. 257 ist auf der einen Seite der Tod aus dem der Erbfall hervor- geht, und auf der andern das Bedürfniss, das den Vertrag erzeugt. Beide beginnen allerdings erst da ihre nie ruhende Arbeit, wo das Gemeingut ein Eigen wird; aber diese Arbeii ist der mächtigste Process den die innere Geschichte der Welt kennt, eben weil es jeden einzelnen Bestandteil, jedes ein- zelne Allod ergreift und umgestaltet. Wir dürfen ihn hier nicht verfolgen ; aber das bedarf wohl auch keines Beweises, dass er schon innerhalb des kurzen Zeitraumes von wenigen Ge- schlechtern eine neue Vertheilung aller wirtschaftlichen Güter erzeugen musste. Er ist es der unerbittlich, ja fast mechanisch die ursprüngliche iaorqq zerbricht, und eine ganz neue Ordnung des Besitzes an ihre Stelle setzt. Dennoch ist sie so bekannt und gewöhnlich, dass es genügen darf ihre Elemente zu bezeichnen. Da nämlich, wo der Kleruch ein zweites Allod durch Erb- schaft oder Heirath gewinnt oder ein drittes oder viertes, kann er es nicht selbst mehr bebauen. Da aber, wo der Bauer einen zweiten oder dritten Sohn hat, kann er dem letzteren keine Hufe mehr hinterlassen. So entsteht was ursprünglich nicht da war, der grössere Grundbesitz neben dem kleineren, und aus dem letzteren die Anzahl besitz- und beschäftigungsloser, er frei geborner Bauernsöhne. Und sofort vollzieht sich der ah !-> erste Process, der aus der Gleichheit die Ungleichheit macht. Es ist nicht nöthig ihn zu verfolgen. Der grössere Besitzer gibt dem Besitzlosen den Theil seines Grundes, den er oichl mehr bewältigen kann; aber er behält das Eigenthum, und der Arbeiter zinst ihm. Vielleicht im Anfang nur für eine gewisse Zeit; aber der arbeitende Bauernsohn heiräthet, und die Tochter hat selbst kein Vermögen; woher sollen es die Kinder be- kommen? Unterdessen muss er ein Haus haben; es wird wohl nicht gross sein; kein rechtes Bauernhaus; wäre es das, so würde es seinerseits trotz aller Rechte am Ende doch wieder Eigenthum erzeugen. Es wird ein Häuschen, eine Käthe; am liebsten wird der Bauer sehen, wenn dies Häuschen dicht an seinem Hofe liegt, ja er baut es dem Manne lieber selber, damit aus dem olxoc nicht doch zuletzt eine olxei'a entstehe. So entstehen die Häusler, die Kathsassen. die Insten des ent- stehenden Classenunterschiedes : die Griechen nannten sie die Sitzungsbev. d. phil -lii=t. Cl. XCIII. Bd. II. TTft. 17 253 St .in. Metoiken und Perioiken, andere Namen derselben: Orneaten, Penesten u. s. w. waren örtlich mit demselben Sinne. Wie lange nun dauert eine solche Ueberlassung? Ein Geschlecht, zwei Geschlechter? Vielleicht. Gewiss ist aber, dass anfänglich kein formaler Vertrag, kein crjvxXXs'.y^a geschlossen wird. Der grosse Besitzer ,lässt' den kleinen Häusler auf seinem , Grunde': und warum eigentlich nicht? So werden aus den Häuslern die ,Lassen', das griechische ,hy.6zc gegenüber dem s'Ovoc; wer hätte es gewagt die Athenienser }~kabq ÄÖYjvatwv' zu nennen? Und nun gab es neben der grösser gewordenen Hufe noch die y.o-.va und die *.spa. Wer wohnte hier? Offenbar im Anfange niemand. Bald aber kommen die besitzlosen Bauernsöhne — warum soll man ihnen wehren, einen , Grund' von denselben urbar zu machen ? Nur dass sie der Gemeinschaft dafür Zins und Dienst leisten. Gewiss. Aber wer wird sie zulassen, wer wird ihnen den Platz anweisen, wer wird ihren Zins entgegen- nehmen, wer hat das Recht ihnen den Besitz zu kündigen? Gewiss im Anfang der Ir^.zz der gleichen Kleruchen. Aber schon sind die letzteren nicht mehr gleich. Schon hat nur der grössere Hufner noch die Zeit sich mit Dingen zu be- schäftigen, die über den Betrieb seiner Hufe hinausgehen. Es ist natürlich, dass er, wenn auch im Namen der Gemeinde, der y.w;rr( darüber walte. Jetzt wächst seine wirthschaftliche Macht. Wenn er auf der arfopd erscheint, folgen ihm seine Lassen und die Insassen des vdoivov, die von ihm abhangen, was er sagt gilt; auf ihn sehen die kleinen Leute; er ist ein angesehener Mann (OsTo; von OsF?), ein geachteter Mann, ein yv&pi\t.O£, avvfc; er ist ein Geeigneter, ein Berufener für diese Dinge, ein ettc- ttffieioq ; er hat ein weites grosses Feld zu seinem Eigen, er ist ein Kcc/ßq' er heirathet nur innerhalb der ihm jetzt Gleich- stehenden, und sein Sohn und Enkel erben mit seinem Besitz sein Ansehen ; aus der Familie wird das Geschlecht, und die Geschlechter der Grossen stehen jetzt denen der Kleinen gegen- über; die Kinder der ersteren sind die Wohlgeborenen, die srjy£vsTc, und die Besitzenden, die i^r.opoi, die eine grosse Ein- nahme - 7:6pcc — haben, sie sind die , schönen Leute', die ,beaux Sires' des Mittelalters, die Sokrates zuerst die /.aXot v./vaf)ot genannt hat, während wir vergessen, dass wir deutsch redend, griechische Gesellsehaftsclassen bezeichneten. Und jetzt IIMW Die Entwicklung dei -t^ifswisspnschiiff l»>i .ion «'.rioclien. 259 kommt das .Land' zusammen zu irgend einer Berathuner. Ist es möglich, dass das noch der alte ursprüngliche Bvjiaoc sei? Gewiss, die Lassen werden oft genug keine Zeit haben, die r;zpy. zu besuchen; noch gewisser, dass sie nicht wagen werden darein zu reden, wenn der schwere r.y.yy; auftritt; wehe ihnen, wenn sie es thäten! Der Landlord in Griechenland hätte sie eben so gewiss von Haus und Hof gejagt wie er es in England gethan, wenn der kleine Farmer nicht nach seinem Sinne wählte! Aber auch der altfreie Grundsasse auf seinein , Sonnenlehn', dem yXrjpoq der ersten Vertheilung, das er sich zu erhalten gewusst, ist mehr ein Hörer als ein Redner; die Schwere der breiten Gelände über welche der erd-r^nc: Herr ist, drückt ihn; vielleicht hat er ein Kind mehr als er versorgen kann — wer soll dem letzten eine Pachtung auf dem xoivov geben, wenn nicht der yvdop^o;, auf den die Anderen hören? So schweigt er, und wagt es Keiner sich zu setzen, wo Jene neben den Steinen des Königes Platz nehmen; er stellt sich im Kreise, zwar mit Beinen Waffen, dem Zeichen seines freien Allods, aber doch nur um Ja oder Nein zu sagen. Jene aber, welche jetzt an der Spitze der r;opa stehen, die Inhaber des grossen Grundes, sind damit nicht mehr bloss reich. Ihr Eigenthum hat ein neues Moment entwickelt, vermöge der Differenz mit dem der Anderen. Denn war es das Eigenthum, welches der Persönlichkeit sein Gewicht gab, so wird die Dauer dieses Eigenthums zur Dauer dieses Einflusses für das ganze Geschlecht. Das Ansehen wird erblich mit dem Gute, worauf es beruht; es wird zur Ueber- lieferung für die Mittleren und Kleineren, dass jener vermöge seines Grundes, des ap = Erde, an der Spitze stehe wo die Gemeinschaft auftritt; das Vermögen hat einst gleiche Eine und Macht gegeben, jetzt vcrtheilt es Beide nach seinem Um- fange, und aus dem Eigenthum oder dem wirtschaftlichen und rechtlichen wird der eigentliche, der gesellschaftliche Besitz. Und so ist jetzt aus dem wirtschaftlichen Unterschiede der • gesellschaftliche entwickelt, und dieser Unterschied, ursprüng- lich ein persönlicher und damit vorübergehender, jetzt ein dauernder und dem gesellschaftlichen Besitze schon untrennbar verbundener, und durch des Eigenthumsrecht für den Be- sitzer unantastbar geschützter. Jedes jener Momente aber ist selbständig da: in der öffentlichen Gemeinschaft krystallisiren IT- 260 Stein. sie sich in den Personen, welche sulche Besitze haben. Damit vertheilen sie zuerst die gesellschaftlichen Güter der Ehre und der Macht nach der Vertheilung des Besitzes, und aus den ursprünglichen wirthschaftlichen Classen der Grossen, der Mitt- leren und der Nichtbesitzer sind die gesellschaftlichen Classen der Höheren, Mittleren und Niederen entstanden. Das ist der erste gesellschaftliche Entwicklungsprocess, den die Geschichte kennt. Es ist die Scheidung der äpwroi von dem übrigen 3vjp.oc; ' der hri\Loq selbst aber beginnt seine Natur zu ändern. Noch ist er wie ursprünglich seinem Princip nach, gemäss dem alten v6(xo<; xypcKDoq, die freie Gemeinschaft, aber in Wahrheit ist er nicht mehr die Gemeinschaft der Gleichen; schon Homer will oti apcsTcx; xpatet; aber die Empfindung, die hier zum Grunde liegt, ist jetzt zur festen Gestalt in der Vertheilung des Besitzes geworden, und der alte If^j.z: ist in der Wirklichkeit die Aristokratie der 1 Wenn wir uns verstatten dürften über Fragen, die wir allerdings nicht beherrschen hier beiläufig eine Ansicht aufzustellen, so würden wir glauben, dass ein ganzer Theil der Sprache so innig mit den Verhältnissen des Güterlebens durchdrungen ist, dass die Etymologie vieler Wörter ohne die Beachtung der Arbeits- und Güterverhältnisse nicht wohl 7.11 einem entsprechenden Resultate gelangen kann. Unser Gegenstand aber zwingt uns, wenigstens auf einen Punkt aufmerksam zu machen. Jene Scheidung der Classen, nämlich auf Grundlage des Besitzes, hat sich denn doch natürlich sofort auch in der Sprache tixirt. Ob und wie damit die Worte äyx'Jo: und avIpayaO'!* zusammenhängen, sowie der ä'vaijavopu>v oder der aypo;, ,Trift', der mit dem Privateigentum entstehende , Acker', vermögen wir nicht zu entscheiden. Jedenfalls scheint der zaXo?, der vermöge seines aypo; zu öffentlichen Dingen Berufene zu sein als xaXo? y.ayxOo; der grundansässige und dadurch ansehnliche Mann, und das alte deutsche Wort ahpar, achtbar, hat keinen andern Ursprung. Kommt nicht auch , ehrbar' von Erde, Hertha, 'ipct, 'Apda, arvum? Jedenfalls ist der Comparativ von x.aX6q ein doppelter, eben so der von ayxÖö? — wie wäre das möglich, wenn nicht im Worte selbst ursprünglich die doppelte Bedeutung des an sich und des gesellschaftlich Guten und Schönen gelegen hätte? Fast unzweifelhaft aber erscheint dieselbe durch den Superlativ; denn dass ,apigTO«' den durch den grossen Grund- besitz Besseren bedeutet hat, zwingt uns das Wort anzunehmen, wie die Geschichte selbst, welche unter den Aristokraten niemals die -Xoiaio'. oder die Timokraten, sondern immer nur die Grundherren verstanden hat; und wie doch konnte aus äyaüo; der apiffTO?, entstehen, wenn ayaOd; mit dem Grundbesitz absolut nicht zusammenhing? Jedenfalls aber harmonirt diese Auffassung, wie wir glauben, vollständig mit den historischen Thatsachen. Die Entwicklung ;; /.x-;yS)zz. Der aber beginnt den Forderungen der Herr- schenden zu widerstehen; um ihn sammeln sich die; Halbfreien, die man schon damals aus den Magazinen der Grundherren für jeden Feldzug mit Waffen versehen musste, welche man ihnen freilich nachher wieder abnahm, da sie kein Waffenrecht besassen. Es kommt zum Streit; die Lage der Classeninteresseu macht die in den Verhältnissen liegenden Bedürfnisse derselben zu Forderungen, Forderungen deren letzter Hintergrund aller- dings der Gedanke der alten Gleichberechtigung gegenüber der Ungleichheit des Besitzes war; jetzt entstehen öffentliche l'ar- teiungen, jede Gesammtfrage wird in das Gebiet der Sonder- interessen gezogen, Jeder beginnt gegen den Andern zu stehen; die Auflösung der alten Ordnung fängt an, in jedem Lande, in jeder t.zl'.z ihr Haupt zu erheben. In dieser Spaltung der Kräfte wird aber die Gemeinschaft selber sehwach; Unmuth be- mächtigt sich der Gemüther und eine Zeit beginnt, in welcher die Geschichtschreibung uns verlässt, Aveil es keine Geschieht«' elementarer Processe gibt, weder im Leben der Gesellschaft noch in dem des Staats. Dann aber bricht sieh durch die Gestalt- losigkeit der Zustände und Bewegung jene wunderbare höhere 266 Stein. Kraft Bahn, durch welche dann die Griechen uns als ein geistig so gewaltiges Volk erscheinen und die grösste Thatsache der alten Zeit, die Gesetzgebung der griechischen Staaten während des achten und siebenten Jahrhunderts v. Chr. tritt uns ent- gegen und bildet den ersten und grossartigsten Ausdruck des freien Gedankens eines edlen Volkes über sein eigenes Staats- leben. Sie ist der Beginn alles höhern staatlichen Bewusstseins in der ganzen Weltgeschichte. Sie ist etwas durchaus und wesentlich anderes als das, was wir jetzt eine Gesetzgebung oder Codification nennen; sie will mit einem ganz andern Maasse l;< messen werden, als alle spätem gesetzgeberischen Erschei- nungen in der Geschichte ; denn sie ist in Wahrheit die erste Gestalt des — wir dürfen es unbedenklich sagen staats- wissenschaftlichen Bewusstseins eines Volkes, eine in Gesetzen krystallisirte Philosophie des Rechts und Staats. Daher darf es uns genügen, ihren Inhalt zu kennen; auch würden unsere geringen Kräfte wahrlich nicht ausreichen zu dem, was die grossen Geschichtschreiber darüber mit bewunderungswürdigem Fleiss und Verständniss aus den Trümmern der alten Literatur wieder aufgebaut, neues hinzuzufügen. Im Gegentheil setzen wir die Bekanntschaft mit allem, was Lykurg, Pythagoras und Solon gethan, voraus. Aber Eines möchten wir festhalten, und das ist die Erkeuntniss, dass, wenn man einerseits jene grossen Gesetzgebungen ohne das Eingehen auf den geistigen Kern der griechischen Welt nicht beherrscht, man sie doch andrer- seits nie ohne die Macht des Besitzes und seinen EinHuss auf die innere Staatsbildung ganz verstehen wird. Und das letztere wenigstens nahe zu legen, soll unsere Aufgabe sein. Freilich muss man zu dem Ende einige jener Gesetze gegenwärtig haben, deren Wesen und historische Bedeutung uns die Gesellschaftswissenschaft gelehrt hat, und wir sehen uns daher allerdings gezwungen, dieselben an die Spitze des Folgenden zu stellen. Dann aber weiss Jeder, dass wir unter der Zeit jener grossen griechischen Nomotheten nicht etwa einen kurzen Zeitraum von wenigen Jahren, sondern vielmehr einen Process verstehen, der mindestens zweihundert Jahre dauert. In dieser langen und kampferfüllten Zeit sind die Factoren, welche das älteste Recht umgestaltet haben, die Güterbewegung und der gesellschaftliche Besitz nicht etwa still Die Entwicklung der Staatswissenschaff bei den Griechen. Jt w gestanden. Sie haben ihre Arbeil unermüdlich, wenn auch schweigend fortgesetzt; sehen zu Solons Zeit ist Griechenland ein anderes wie zur Zeit Lykurgs. Und daher wird kein Kun- diger erwarten, dass die Solonische Gesetzgebung der Lykur- gischen gleich sein konnte. Dennoch aber, bei allen tiefen Unterschieden, welche sie darbieten, erscheinen sie doch zuletzt als Gestaltungen und Selbstbestimmungen eines und desselben Volkes; ein und derselbe Geist weht uns aus ihnen entgegen, aber auch zugleich beherrscht ein und dasselbe Gesetz der Rechts- und Staatsbildung, ein Gesetz das jene empfunden ohne es noch klar zu wissen, diese Gesetzgebungen des Anfangs der eigentlich griechischen Geschichte. Doch vermöge dieses Gesetzes können wir diese grosse Epoche in einem Griffe zu- sammenfassen; nur dass es dabei verstattet sein muss, die festen Punkte zu Grunde zu legen, die auch hier das Leben tragen und in ihrem Gegensätze beherrschen. VI. Wir glauben, dass es als eine der grossen feststellenden Thatsachen der griechischen Geschichte anerkannt wird, dass der Epoche der alten Landes- oder Stammkönige fast allent- halben eine zweite folgt, die man als die Zeil der Tyrannen zu bezeichnen pflegt. Sie gehen den sogenannten Verfassungen vorauf, aber sie erscheinen bei näherer Betrachtung doch mit der tiefen historischen Bewegung in der staatlichen Etechts- bildung Griechenlands so innig verbunden, dass wir sie selbsl so gut wie die letztern, wenn auch nicht vom pragmatischen, so doch vom staatswissenschaftlichen Standpunkte betrachten dürfen. Von dem Staate redend, denken die meisten an die Summe seiner organischen Erscheinungen, seinen Körper im Lande, seine Seele im Volke, seinen Willen in der Gesetzgebung, seine That in der Vollziehung, sein Dasein als eine grosse, die grösste organische Thatsachc des persönlichen Lebens. Und gewiss ist das an sich richtig. Allein Eines fehlt in dieser Auffassung. Es ist aber unabweisbar, dies in der geistigen Anschauung festzuhalten. Denn auch das Verständniss der Geschichte ist nicht ohne dasselbe möglich. 268 Stein. Gewiss ist nämlich der Staat alle jene Dinge zugleich. Aber doch ist keines derselben für sich schon der Staat. Und da keines derselben für sich der Staat und damit das Ganze ist, so muss es selbst für die gewöhnlichste Erwägung in diesem grossen organischen Körper etwas geben, das ich wohl ziemlich unabweisbar als etwas für sich Seiendes und als eine selb- ständige Kraft setzen muss, die in ihrer Erscheinung eben die Einheit aller jener organischen Momente jenes Ganzen ist und daher denselben auch bildet und beherrscht. Dieses selbständig gedachte Moment der Einheit im viel- gestaltigen Organismus des Staats nennen wir begrifflich seine Persönlichkeit, als thätige Kraft die Staatsgewalt, als Träger der höchsten Auffassung und Bestimmung des persönlichen Lebens die Idee des Staats. Ohne dieses Moment kann ich mir vielleicht alle einzelnen Organe und Functionen, aber nicht den Staat selbst denken. Nun zeigt es sich, dass, so lange diese Organe und ihre Functionen ihrem eigenen Wesen nach thätig sind, ich mir jener Idee des Staats als einer selbständigen Kraft nur schwer bewusst werde, denn in der regelmässigen Ordnung der öffent- lichen Functionen gelangt ihre speeifische Aufgabe überhaupt nicht zu eigner Erscheinung; es genügt, dass sie da sei, wie der Mittelpunkt eines Kreises. Allein so wie jene Elemente des Staats in Unordnung gerathen, erwacht sie zu der ihr eigenthümlichen Arbeit; und wenn gar ein einzelnes, besonderes Moment des Staats sich selbst zum Staate machen will, sei es mit oder ohne Kampf, dann entfaltet sie sich in ihrer Kraft, wirft allen Widerstand der Theile vor sich nieder, bewältigt Recht, Güter, Besitz, Menschen und Geschichte, löst sich im Kampfe ums Dasein von allen sie umgebenden Factoren los und erhebt sich selbst zu der ihr eignenden höchsten Gewalt über alle Dinge; und das ist es was wir zuletzt die Souveränetät, die Selbstherrlichkeit des Staats, diejenige höchste Kraft des- selben nennen, welche ihren Grund nur in sich selber zu suchen vermag. Und um dieser seiner höchsten, alle menschlichen Factoren bewältigenden Kraft willen, hat alle Anschauung der Philosophie wie des Volksbewusstseins aller Zeiten das Gött- liche im Staate anerkannt. Die Entwicklung der Staats Wissenschaft bei den ichen. Das aber, was oben das innerste Wesen des Staats be- droht, ist nun kein anderes als der gesellschaftliche Kampf, der Kampf der Gesellschaftsclassen um die höchste Staats- gewalt. Denn während der Begriff des Staats die Herrschaft einer Classe noch erträgt; weil sie schliesslich zu irgend einer formalen Ordnung führt, ist es seine Auflösung selbst, wenn diese; Ordnung durch den Gegensatz der Classen und Interessen das an sich Widersprechende, den Dienst des Ganzen für den Theil zu leisten gezwungen sein soll. Dieser Widerspruch in der Sache aber wird zum Widerspruche für jeden Einzelnen, weil der gesellschaftliche Kampf bei jedem Einzelnen im Interesse des Andern die Grundlage seiner Selbständigkeit, seine wirtschaftliche Freiheit, seinen Besitz und damit seine Ehre und seinen gesellschaftlichen Einfluss negirt. Dann geht aus dem Krieg Aller gegen Alle, den Plato so richtig verstanden, das Bedürfniss der Unverletzlichkeit jedes Einzelnen durch jeden Einzelnen als die gemeinsame Erkenntniss hervor, dass Alle gleichmässig vor Allem des Staates bedürfen, den sie als Einzelne herzustellen nicht mehr fähig sind. Und das ist in jedem Staatsleben der Augenblick, wo die lebendig werdende Staatsidee irgend eine mächtige Persönlichkeit erfasst und sie zum Werkzeug und Diener ihrer Gewalt und ihrer jetzt von allen Einzelnen abgelösten Bewegung macht. In einer solchen, von der Geschichte auserkorenen Persönlichkeit krystallisirt jene Idee mit ihrer Kraft gleichsam innerhalb des engsten Raumes eines einzelnen Menschengeistes; sie erfüllt sich ganz mit ihm und ihn mit sich; er wird das Ich, das Haupt (\>> Staats, er wird der Wille, das Gesetz des Staats, er wird die That, die Vollzugsgewalt desselben; er ist das Recht, er ist die Ordnung, er ist der Herr und unwillkürlich, ja last unbe- wusst, beugen sich ihm die einzelnen Organe, die einzelnen Familien, die einzelnen Menschen, denn rücksichtslos und mit mehr als menschlicher Kraft und wie getrieben von einer hohem Gewalt zerschmettert er den Widerstand und fragl weder nach Gesetz noch nach Recht, denn er ist der Herr. Die Geschichte aller Zeiten und Völker zeigt uns glänzende Beispiele dieser Erscheinung, nicht bloss der alten, sundern auch der neuen Welt, Beispiele innerhalb der Sphäre örtlichen Gesammtlebens, aber auch Beispiele, deren Gewalt die halbe Welt erschüttert 270 Stein. hat. Die Wissenschaft des Staats und der Gesellschaft aber lehrt uns das eigentliche Wesen dieser Erscheinung- in einem Satze zusammenfassen, den wir als eines der Grundgesetze der Bewegung des Staatsrechts Achtung anerkennen müssen. Wo immer ein gesellschaftlicher Classenkampf ausbricht, da ent- steht die Dictatur; wo dieser Classenkampf beginnt, beginnen dilatorische Gewalten ; wo aber durch den Classenkampf Eigen- thum und Besitz erschüttert werden, da ist sie eine absolute, organische Erscheinung, denn dann ist es nicht mehr bloss der Bürger, sondern es sind vielmehr die organischen Gesetze des Lebens der wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Güter, welche jetzt der höchsten Allgewalt des Staats nicht mehr entbehren können. Es ist daher nicht wunderbar, sondern es ist eine durch- aus organische Thatsache, nicht bloss dass Sulla und August nach den Classenkämpfen in Rom, oder Cromwell nach den englischen, oder Napoleon I., wie Napoleon III. nach den fran- zösischen Classenkämpfen die Dictatur der Staatsgewalt in die Hand nahmen, sondern dass ganz nach demselben Gesetze auch in Griechenland während der beiden Jahrhunderte, wo die alte Gesellschaftsordnung mit ihren Besitz Verhältnissen auf- gelöst und die neue noch nicht entstanden war, sich innerhalb jedes Landesgebietes Dictatoren bildeten, nur dass die Griechen sie Tyrannen nannten. Ganz entsprechend erscheinen da, wo die Besitzverhältnisse zwar bedroht, aber nicht erschüttert sind, wie in Achaja, Elis, Argos, keine Tyrannen; das sind die ge- schichtslosen Länder. Aber so viel wir sehen, ist allenthalben wo jene früher charakterisirten Bewegungen sich Bahn brachen, das Zeitalter der Tyrannen eingetreten, über welche Aristoteles als einer bestimmten Kategorie der Verfassung redet, von welchen er zwar weiss wodurch sie untergehen, nicht aber wodurch sie eigentlich entstanden sind. Nun hat es gewiss einen grossen historischen Werth, die Geschichte dieser Tyrannis im Einzelnen zu verfolgen. Aber es liegt etwas in der Natur derselben, weshalb sie nur wenig zur Geschichte der Entstehung der Staatswissenschaft beitragen. Denn der Tyrann kann auch wollend keine freie Gesetz- gebung zulassen. Er kann es genau aus demselben Grunde nicht, welcher eben die Tyrannei erzeugt und sie selber Die Entwicklung «1p r Staatswissenschaft bei den Griechen ci 1 berechtigt. Denn der Tyrann ist Tyrann, weil der nach seinem absoluten Wesen persönliche St aal einen selbstbestimmten Willen und nur einen Willen haben kann. Wo aber die Bildung dieses Willens durch die Gesammtheit, vermöge der Gegensätze in den gesellschaftlichen Classen sich selbst aufhebt, da tritt eben die Einzelpersönlichkeit des Herrn für ihn ein ; der Herr dos Staats ist eben die persönliche Vorfassung selbst, weil, wenn er die Volksverfassung zuliesse, der Kampf um das Recht zur Gesetzgebung die Gesetzgebung seibor unmöglich macht. Er kann daher nur Selbstherrscher, Autokrat sein. Und so hat die Tyrannei keine Verfassung. Dagegen hat sie allerdings meistens eino sehr gute Ver- waltung, und man wird es leicht verstehen wenn wir nunmehr sagen, dass der praktische Werth der Verwaltung in geradem Verhältniss steht zu der Dauer jeder Dictatur. Es ist das leicht in der Geschichte nachzuweisen ; doch liegt es uns fern. Gewiss ist aber, dass auch die Verwaltungsordnungen der Dictaturen den individuellen Charakter des Dictators tragen und daher nur selten von dauernder Bedeutung sind. Tragen sie denselben nicht, sondern sind sie den wahren Bedürfnissen des Gesammtlebens entsprechend, so dauern sio nicht bloss selbst, sondern sie sichern auch die Dictatur; meist jedoch und zwar aus demselben Grunde, nur bis zum Tode des Dictators. Denn da die Tyrannis wesentlich auf der Verwaltung und nichl auf der Verfassung beruht, so wird sie nicht legitim und bietet selbst mit ihren besten Leistungen keine Gewähr für die Sicher- heit in der Befriedigung der Bedürfnisse der öffentlichen < Ord- nungen, während eben um jener Bedürfnisse willen ihr doch zu- letzt das Recht und die Macht gegeben war. Diese Sicherheil oder Unpersönlichkeit aber kann nur durch das verfassungs- mässige Gesetz gegeben werden; ein solches aber steht mit jeder Tyrannis in unlösbarem Widerspruch, nicht durch den Tyrannen selbst, sondern durch ihr eigenes Wesen. Ein freigebornes Volk kann daher einen Dictatur ertragen, aber keine Dynastie von Dictatoren. Und wie dies für die eine Zeit gilt, so gill es auch für Griechenland. Denn das sind organische Gesetze für die Bildungen des öffentlichen Rechtes. Und es wäre wohl auch grosser Mühe werth, wenn bei den in unserer Zeil so tief gehenden socialen Gegensätzen die Erkenntniss gerade 272 Stein. dieser Gesetze, als Inhalt jeder öffentlichen Bildung gefordert werden mochte. In jedem Falle aber glauben wir nun, dass man wenig widersprechen wird, wenn wir demgemäss sagen, dass die Epoche der Tyrannis in Griechenland, wie sie zwischen Lykurg und Solon geherrscht hat, nicht etwas gerade dem griechischen Leben Eigenthümliehes gewesen sei. Hier ist Griechenland wie ein anderes Volk. Das wodurch es gerade in seiner Verfassung ein unsterbliches Muster geworden, ist ein wesentlich anderes und höheres. Und jetzt betreten wir auf der Grundlage unserer Auf- lassung vom Staate, einen neuen Boden in Philosophie und Geschichte. VII. Allerdings nämlich wird man stets den Satz festhalten, dass jede Gemeinschaft eben jener absoluten Thatsache und Gewalt des persönlichen Staats und seiner Idee bedarf und dass sie denselben deshalb selbst in der Gewalt der Einzelherrschaft sucht, wenn sie ihn nicht anderswo zu finden vermag. Allein dieser Staat ist denn doch ein geistiges Wesen; ich kann ihn sinnlich nicht erkennen, so wenig w'ie ich überhaupt die Ein- heit eines Organismus sinnlich wahrnehmen kann. Ist er aber das, su kann ich sein Dasein, seine Nothwendigkeit, ja selbst seine Idee auch in dem Geiste des Einzelnen erzeugen und finden, welche ihm angehören. Alsdann empfängt er ein zweites, höheres, ja eigentlich sein wahres Leben. Er wird dann der Inhalt des Bewusstseins jedes Staatsbürgers; er ist in jedem Einzelwillen selbständig und lebendig da ; erwirkt, die Einheit Aller von Allen fordernd, in Allem was der Einzelne will und thut; er ist die bewegende Kraft der Ordnung für Alles was von Allen geschieht; er bedarf als solcher keiner äusseren Ge- walt, denn seine Stärke ist der Wille, seine Ordnung ist der Gehorsam, seine That ist der Dienst jedes Bürgers; er lebt in dem Bewusstsein seines Volkes und seine Idee erfüllt sich mit der freien Hingabe freier Männer an ihn und seine Forde- rungen. Das ist der Staat der wahren Freiheit, dessen uner- schütterliche Heimat rlie Brust und die Kraft des freien Mannes Die Entwicklung der Staatswiss>nscl>aft bei den Giiechen. 273 ist; und darum ist nur der Staat, der dieses vermag, der wahre Freiheitsstaat, die wahre Republik. Und darum kann auch erst in einem solchen Staat, das was wir formell das Gesetz genannt haben, der Idee des Ge- setzes entsprechen. Denn wenn das Gesetz der einheitliche, persönlich gewordene Wille der Staatsbürger ist, die Staats- bürger selbst aber von der Idee des Staats und den grossen Bedingungen seiner Existenz und seiner höchsten Entwicklung erfüllt sind, so werden sie naturgemäss das, was eben jene Idee des Staats fordert, zum Inhalt ihres eignen Willens, das ist des von ihnen beschlossenen Gesetzes machen. Die Idee des Staats aber ist zuletzt doch die Vollendung der Persön- lichkeit. Diese aber ist das, was wir das an sich Gerechte, tc Btxaiov, nennen. Lebt also die Idee des Staats nicht in äusserlicher Gewalt, sondern im Bewusstsein seiner Bürger, so ergibt sich das höchste Ziel aller freien persönlichen Entwick- lung in dem Leben der Gesammtheit; das Gesetz wird das Gerechte, der vopo«; wird das Stxaiov suchen und sein und es ist erreicht, was wir die letzte Verkörperung des Ideals der Mensch- heit nennen, dass joder Gegensatz zwischen geltendem Gesetz und idealer Gerechtigkeit aufhört, so dass das geltende Recht, welches durch das erste entsteht, zugleich zur Wirklichkeit der durch die letztere geforderten Sittlichkeit wird. Und wo immer das zum Ausdruck gebracht wird, da hat die Menschheit einen mächtigen Schritt auf der Bahn des Ideals ihres Lebens vor- wärts gethan. Damit das aber sich nun auch in der Wirklichkeit des Lebens vollziehe, sind zwei Dinge nothwendig, von denen das eine den Elementen und Bewegungen des materiellen, das andere denen des persönlichen Lebens angehört. Das eine ist die Ordnung der Güter und des Besitzes einerseits, das andere die Bildung und Erziehung des Geistes aller Staatsbürger andererseits. So lange jene Idee des Staats nicht diese beiden Factoren erfasst und sie nach sich gestaltet hat, enthält er in der That nur eine ideale, keine wirkliche Freiheit, er ist dir sittliche Idee, aber noch nicht die Wirklichkeit dersrllicn. welche Hegel, der jene Momente noch nicht selbständig zu verarbeiten wusste, eben deshalb in seinem Staatsbegrifl nicnl Sitzunssber. d. pliü.-hist. Ol. XCIII. Bd. II. Hft. 1" 274 Stein. zum Verständniss bringt. Und fast scheint es, als ob jene Idee des Staats das sich selber zu sagen wüsste. Denn allenthalben, wo dieselbe sich nun im freien Staats- bürgerthum verwirklichen will und ihren idealen Willen im Gesetze zum geltenden Recht macht, da wird dieses Gesetz in irgend einer Weise zuerst die Ordnung der Güter und des Besitzes und dann die Erziehung des Volkes in der Form ge- stalten, welche sie selbst für die richtige und seiner eigenen höchsten Aufgabe entsprechende erkennt. Das Gesetz kann sich dabei irren, aber das Ideale aus dem es entspriesst erhält sich auch im Irrthum; denn der Irrthum des Idealen ist stets nur ein Irrthum über das Mittel, nie über den Zweck. Der Zweck aber jener Gesetzgebung über Besitz und Erziehung, , welche der Idee des Staats ihre Wirklichkeit, geben, liegt wieder nicht bloss innerhalb der Gränzen jener beiden Elemente des Staatslebens. Denn instinctiv, möchten wir sagen, empfindet das nach dem Ideale strebende Leben eines solchen Staats, dass im wirklichen Leben der Gemeinschaft jene beiden Factoren gegenseitig in beständiger Wechselwirkung stehen ; schon die einfachste Beobachtung sagt mir, dass das Maass des Besitzes und Erwerbes, wenn es sich selbst überlassen functionirt, immer und unabweisbar auf die physische und geistige Erziehung und Bildung seinen unwiderstehlichen Einfluss übt und zwar in zweifacher, leicht erkennbarer Weise. Zuerst wird es dem Be- sitzenden eine reichere Erziehung und Bildung geben; zweitens wird es gerade dadurch den Besitz selbst als ein höchstes Gut, als die feste Grundlage nicht bloss für die gesellschaftlichen Güter der Ehre und Macht, sondern auch für den Erwerb der geistigen Güter selbst, also als das höchste Ziel menschlichen Strebens schätzen lehren. Und dass dieser doppelte Einfluss des Besitzes mit den Thatsachen übereinstimmt, das wird man wenig bezweifeln. Soll daher jene dem Ideale des Staats dienende Gesetzgebung ihren eigentlichen Zweck erreichen, so muss sie gegenüber der Gefahr, welche jene Herrschaft des Besitzes für das Ideale mit sich bringt, unabweisbar zwei grosse Grundsätze zur Grundlage des Staatslebens machen. Sie muss einerseits jene geistige Entwicklung, das Herausbilden der vollen und freien Persönlichkeit aus dem Menschen von dem Besitze und seiner Vertheilung unabhängig, das ist zur Gesammt- Die Entwicklung de) Sl latswissenschafl 1 2 < aufgäbe aller Einzelnen machen und sie rnuss zweitens als das höchste Princip ihrer geistigen Bildung den Satz in das jugend- liche Herz aller werdenden Staatsbürger einprägen, dass jener Besitz, wenn er auch noch so gross und wünschenswerth sein mag, nicht das Höhere des Menschenlebens und nicht berechtigt sein solle, die Arbeit, die Hoffnungen, das Streben nach Ruhm und Ehre zu beherrschen. Sie muss zu sagen und davon zu überzeugen wissen, dass es etwas unendlich viel Höheres, der Idee des Staates Würdigeres gebe, als Reichthum und Besitz und selbst als die Herrschaft die beide verleihen, und dass der wahre Ruhm und die wahre Ehre nicht durch Gut und Macht erreicht, nicht in ihnen angestrebt werden solle. In I sich selber soll der Mensch die Quelle des Edlen und des I besten Genusses finden und dazu soll ihn die Gemeinschaft I und soll er sich selber erziehen. Dies innere Gut aber ist die Tugend, und die Kraft, mit Verachtung des Besitzes die Tugend I hoch zu ehren und um ihretwillen die ganze Arbeit meines Lebens dem Ideal hingeben, ist das Ethos. So ist das Ethos jetzt zwar begrifflich die thätige Tug'end oder die sich durch | die Macht des Einzelnen verwirklichende Sittlichkeit, aber erst I gegenüber dem Besitz wird sie ganz was in ihrem Wesen liegt; erst hier ist sie die Freiheit der Tugend und der tugendhaften I That vom Besitz und seinen Gewalten, und daher die höchste Grundlage der Gemeinschaft, der ~i\'.z, des Staats. Das ist der Weg, auf welchem die Griechen, wenn schon nicht mehr j die theoretisch reflectirte Ethik des Aristoteles, doch das Ethos des Piatos in das Gebiet der Staatswissenschaft erhoben. So baut sich, indem wir noch von aller Geschichte absehen, mit allen diesen Momenten die Idee des lebendigen Staates, die Wirklichkeit der sittlichen Idee zu einem nicht bloss in sich ruhenden, sondern in sieh und für jeden Angehörigen thätigen und harmonischen Ganzen aus; und das ist die Philosophie des Staats und seines Rechts. Und wozu entwickeln wir an diesem Orte, mitten in dein historischen Process der Verfassungsbildung, dieses Bild idealer Anschauung ? In der That, weil die Epoche der griechischen Gesetz- geber gerade auf dieser Grundlage das griechische Staatsleben im tiefen Unterschiede von allen früheren Zeiten aufgebaut bat. 18* 276 Stein. Sie hat wenig Gesetze gegeben, Pythagoras gar keine ; aber sie wollte keine Gesetze, weil sie den Quell der höheren Rechts- ordnung nicht in der formalen Geltung fester Rechtsregeln, sondern in dem edlen Staatsbewusstsein der Bürger suchte. Jene Gesetzgeber haben nicht wie unsere Verfassungen die Bürger dem Staat und seinem Recht, sondern sie haben den Staat seinen Bürgern anvertraut. Sie wollten nicht dass das formale Gesetz, sondern dass die Tugend über den Willen herrsche, der das Gesetz schafft. Sie waren die ersten in der Welt, welche im Namen dieser Idee jener Gewalt den offenen Krieg erklärten, die wir als Reichthum und Besitz bezeichnet haben ; ihre Verfassungen sind der grossartige Versuch den Staat selbst, seine Gesetzgebung, ja seine Verwaltung über das zu erheben, was wir die gemeinen Interessen des Güterlebens nennen. Für sie ist darum auch die Quelle der Ehre nicht das grosse Gut, sondern hohe Tugend und edler Sinn und der Ruhm ist ihnen das Maass, in dem der Einzelne dem Staate zu dienen vermochte. In diese Kraft des einzelnen Bewusstseins, in diese Erziehung zur Hingabe an das höchste Gut, die göttliche Heiligkeit der Staatsidee, wussten sie die Unantastbarkeit des Staats und die Macht desselben zu verlegen ; ihr Staat bedurfte nicht des gewaltigen Tyrannen der das Einzelne von aussen her als Ganzes zusammenhält, sondern er lebt in der Brust jedes Einzelnen und wird mit jedem Einzelnen erzogen und selbst kräftig. Und kehren wir jetzt zu den Zuständen der Gesellschaft zurück wie wir sie eben bezeichnet, so ergibt sich nicht bloss der tiefe innerliche Charakter jener Gesetzgebungen an sich, sondern auch das, was ihnen gegenüber jenen Zuständen gemeinsam war und eben dadurch die grösste Epoche in der griechischen Geschichte begründet hat. Das nun besteht in der klaren Erkenntniss von den Gefahren, welche die Vertheilung des Besitzes für die ideale Entwicklung des Staatslebens im obigen Sinne ewig bringen wird, Gefahren deren Wirkung und Bedeutung jene Gesetz- geber während dieser ganzen Zeit in der Knechtung der Frei- heit durch die Tyrannis in der einen Hälfte der Staaten und durch die Auflösung derselben in der andern rund um sich her erkannten. Wohl war die Begeisterung für die Idee des Staats, das Bewusstsein, dass nur durch sie die Hellenen Die Entwicklung dei Staatswissenschaft bei den Griechen, ~2 t i berechtigt seien über die Barbaren zu herrschen, wie die Dichter sangen welche die Mühe des Lebens nicht kennen, eine gewaltige Macht : allein dennoch mussten sie sich bald genug sagen, dass, wenn die Idee des Staats auch in den Hinzen der Staatsbürger lebendig sei, die positive Verfassung nicht ohne ein tiefes Eingreifen in die Besitzverhältnisse geordnet werden könne. Wenn die Anschauung der hohen griechischen Freiheit ihnen den Muth gab, ihren Staat auf die edelsten Factoren der Menschheit zu stützen , so mussten die rauhen Thatsachen der Wirklichkeit die sie umgaben, sie bald zwingen ihrer Staatsidee eben dieser Macht des Besitzes gegenüber eine ganz bestimmte Stellung zu geben. Und in diesem Kampf, in diesem Ringen nach einer Ordnung, in welcher der Besitz mit seiner Vertheilang mit dem Ideale des Staats und seines freien, echt hellenischen Staatsbürgerthums in Harmonie ge- bracht werden sollte, besteht nun der eigentliche Charakter aller dieser Gesetzgebungen , so verschieden sie sonst sein mögen, zunächst aber die des Lykurg und seiner Spartaner. Sie sind der grosse Versuch, die Macht des Besitzes und die auf ihm beruhende Ordnung der Gesellschaft dem freien Ideale des Staats zu unterwerfen, ohne jene dabei einfach zu negiren, wie der Communismus späterer Zeit. Darin, und eigentlich nur darin liegt ihr innerstes Wesen; denn wenn sie das edle griechische Staatsbewusstsein im Ganzen aus der gesellschaft- lichen Verwirrung, die ihnen vorherging, wieder lebendig machten, so hatten sie die Freiheit in der Ordnung des Besitzes zuerst so recht eigentlich geschaffen. Das ist ihre grosse welthistorische That. Und weil dieselbe auf dem Geiste beruht, war sie es auch welche es vermocht hat, die Geister zur Arbeit in Philo- sophie und Wissenschaft anzuregen. Denn vor ihnen gab es in der ganzen noch unerschöpften Literatur des Orients, der Pyramiden so wenig wie der Assyrer oder Indier, überhaupt keinen Begriff von Staat und Recht, und es ist nicht richtig mit den Historikern der Geschichte des Geistes das nicht zu lehren und zu sagen! Nach ihnen aber' ist. und das zu zeigen wird uns vielleicht verstattet sein, eben dieser echt griechische Gedanke über Staat und Recht seinem eigentlichen und wahren Inhalte nach durch das gegeben was sie zuerst zum Ausdruck brachten. Denn nicht Plato und nicht Aristoteles und nicht 278 Stein. die Publicisten oder die Sophisten haben den Begriff des ->i\j.oq an seinem Gegensatze, dem Sixai'ov, zuerst untersucht und auf- gestellt: nicht aus ihrem subjeetiven Geiste sind die Ideen von Recht und Verfassung, von Staatsbürgerthum und Staatsideal entstanden, nicht sie haben zuerst nach der besten Verfassung gefragt oder von der Güterlehre, dem Besitz, der Vertheilung desselben, seiner Gewalt, der Freiheit oder Unfreiheit der Völker und Staaten gesprochen, sondern sie haben nur zur Wissenschaft zu erheben gewusst, was schon Jahrhunderte vor ihnen im Bewusstsein der Hellenen gelebt hatte. Sie sind jener j Zeit der ersten Jugend des griechischen Staatsbewusstseins gegenüber doch nur die Edelsteine, in denen der Glanz des ursprünglichen griechischen Geistes uns funkelnd entgegen leuchtet, das Wort, in welches sich die Empfindung der edelsten griechischen Welt zusammenfasst, als das Gefühl ihres Unter- ganges ihr nahe tritt. Und wenn sie die ersten sind, welche wie Plato diese Güterwelt philosophisch fassten oder wie Aristo- teles, sie wissenschaftlich zu behandeln versuchten, so sind sie es darum, weil zweihundert Jahre der bittersten, ja ver- nichtendsten Erfahrung sie belehrt hatten, wie viel gegenüber jenem Besitz die Gesetzgeber der früheren Epoche verstanden und gewagt, und wie wenig ihnen doch zuletzt gelungen war. Und so ist nun dieses. Und jetzt wird es immerhin seinen Werth haben, von diesem jener Epoche Gemeinsamen zu dem besonderen Charakter der einzelnen Gesetzgebungen herabzugehen. Denn das ist wie schon gesagt klar, dass, wenn ihre Gesetze es wesentlich mit Besitzen zu thun hatten, sie durchaus nicht dieselben sein konnten. Zweihundert Jahre fast liegen zwischen Lykurg und Solon ; es ist unmöglich, dass der Besitz in zwei Jahrhunderten seine Vertheilung, ja seine Natur selbst nicht geändert haben sollte. Lakedämon war ein naturgemäss auf Grundbesitz, Attika ein naturgemäss auf Geld- verkehr angewiesener Staat; es war unmöglich auch nur in der Grundlage des Besitzes die Gleichheit zu finden. So musste derselbe Geist den wir das Hellenenthum nennen, in dem ver- schiedenen Körper sich unabweisbar verschiedene Gestaltungen seiner Staats- und Rechtsbildung schaffen ; es war unmöglich, dass Lykurg und Solon die gleiehen Gefahren ihrer Staatsidee yor sieh sehen, ja es war unmöglich, dass sie in ihrem Kampfe Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen 279 gegen dieselben die gleichen Illusionen Laben, die gleichen IiTthümer begehen konnten. Das grosse aber, das acht hellenische ist, dass sie dennoch beide ihrem Wesen gleichartig, der Aus- druck derselben Idee sind. Und da wir wissen, dass jeder unserer Leser die Einzelheiten dieser Verfassungen ohnehin vollkommen kennt, so wird es unsere Aufgabe sein, in dem Unterschiede der Gesetzgebungen die Unterschiede der Zeiten und Länder festzustellen, für die sie gegeben wurden. Zu dem Ende unterscheiden wir die eigentlichen Gesetz- geber, den Lykurg und den Solon. Was wir aber von ihnen zu sagen haben, wird sich wesentlich auf die Verhältnisse des Besitzes zu demjenigen beziehen, was man ihre Verfassungen zu nennen gewöhnt ist. i VIII. Wirft man nämlich einen Blick zurück auf die Darstellung der Zustände unter dem Königthum in seinem Gegensätze zur Umgestaltung der alten Geschlechterordnung, so werden jedem in den öffentlichen Verhältnissen jener Zeit Bewanderten" vor Allem gewisse Dinge klar sein. Einerseits war es unmöglich das ursprüngliche Königthum wieder herzustellen, und zwar nicht bloss weil der Hellene desselben nicht bedurfte um seinen Staat in Liebe und Gehorsam als das Höchste zu verehren, sondern praktisch, weil die bereits um die Herrschaft kämpfende Classe der Grundherren durchaus nicht gesonnen war, die Grundbesitzungen, die sie durch den Fall desselben gewonnen, durch ein neues Königthum gefährden zu lassen. Andererseits konnte aber doch die neue staatliche Bildung der Einheit nicht entbehren, welche allein den Staat über die Sonderinteressen zu erheben vermochte. Diese Einheit aber in die Majorität, das ist in die einfache ununterschiedene Gesammtheit zurück- zuwerfen und damit die mächtigen Unterschiede einfach zu ncii-iren, welche schliesslich doch unabweisbar durch den Besitz und seine Vertheilung unter den Geschlechtern als unverkenn- bare Thatsachen dastanden, wäre ein geringer Beweis für ihr Verständniss öffentlicher Dinge gewesen. Wiederum aber die freien Griechen einer solchen staatliehen Einheit zu mit werfen, der sie ohne Macht gegenüber standen, war der tiefste 280 Stein. Widerspruch mit dem Kern des Helleneutliums selbst. Und hier daher das Richtige rinden, war die Aufgabe jener Männer. Lykurg- nun zuerst und nach ihm Solon haben diese Aufgabe in einer Weise gelöst, welche nicht bloss von hohem staatsmännischem Verständniss zeugte, sondern die in der That eine absolut neue Epoche in der ganzen Auffassung des Staats bezeichnet. Die Lösung dieser Aufgabe ist bei beiden Gesetz- gebern dem Wesen nach, wie auch der Form nach natürlich verschieden. Wir scheiden sie aber in zwei grosse Gebiete um den Reichthum ihrer Einzelnheiten beherrschen zu können. Das erste ist ihr Verhältniss zur einheitlichen Staatsidee die sie geradezu umgestaltet haben, und das sich in der Gesetz- gebung über die königliche Gewalt ausdrückt. Das zweite ist ihre Ordnung des Besitzes, die sie in der ihnen eigenen Weise ihrer Staatsidee unterwerfen. In dem ersten Theile sind sie in ihrer Rechtsbildung einander sehr ähnlich, denn das Gebiet derselben, das Königthum, war bei beideu dasselbe ; im zweiten sind sie so verschieden, wie der Besitz selbst, den sie zu orga- nisiren suchten. Was nun zuerst das Königthum betrifft und die Staats- einheit, die sie an seine Stelle setzten, so muss man davon ausgehen, dass das alte Königthum noch ungeschieden alle Momente der höchsten Staatsidee unklar in sich vereinigte. Es kam deshalb darauf an, dasselbe in seinen einzelnen grossen Functionen aufzulösen und für diese Functionen selbständige Organe zu schaffen, deren jedes seine bestimmte Aufgabe und Competenz empfing, so dass die Einheit der Staatsgewalt die in demselben lag, damit gebrochen und die Gefahr für die Freiheit die darin lag, bewältigt wurde. Dann aber haben beide Nomotheten in diesem allerdings anfänglich sehr ein- fachen Organismus das Princip der Freiheit hineingebracht, und das Grundgesetz auf dem die Geltung dieses Princips beruhte, ward aus der Geschlechterabstammung die Wahl für die höchsten Staatswürden durch das Volk. Wir nun sind so gewohnt an beide Gedanken, dass wir den fast unermesslichen Fortschritt der in ihnen lag, nur mit der Mühe der Reflexion uns zum Bewusstsein bringen. Unsere Zeiten und Zustände sind so gründlich von den beiden Principien der Wahl und des Organismus, das ist der gesetzlichen Competenz jedes öffent- Die Entwicklung '1er Staatswissenschaft bei den Griechen. 281 liehen Organes, wir möchten sagen durchtränkt, dass wir sein in gar nicht mehr sehen, wie weder der Orient noch das könig liehe Griechenland, geschweige denn die Tyrannis, jemals auch nur daran gedacht haben, weder in der ersten die Freiheit, noch in der letzten die Ordnung des Staats zu finden. Wahl und Organisation der obersten Behörden sind absolut neue Erscheinungen ; ja sie sind eine neue Staatsordnung für sich, die Grundlage der grossartigsten Harmonie im Staate, die man zu denken vermag. Und deshalb sind beide Principien der ganzen folgenden Geschichte nie wieder verloren gegangen ; verloren scheint nur die Erinnerung daran, dass wir beide erst den Verfassungen von Lykurg und Solon verdanken. Und eben so verdanken wir ihnen genau auf demselben Punkte den Begriff und das Recht des allgemeinen Stimmrechts. Es ist so leicht das Wort zu gebrauchen — und doch müssen wir sagen, dass man seine wahre Bedeutung überhaupt nicht ver- steht, wenn man nicht Begriff und Wesen des Besitzes und- seiner gesellschaftlichen Ordnung mit ihm in Verbindung bringt. Das allgemeine Stimmrecht heisst für jene grosse Staatsauf- fassung nicht abstract das Recht, dass jeder eine Stimme habe, sondern es bedeutet ihnen vielmehr das Recht, dass die Stimme jedes Berechtigten gleich sein soll ohne Rücksicht auf den Besitz. Das Tap*eia. Die Organi- sation aber, in welche durch die Abstimmung bei der Wahl der Einzelne hineingewählt wird, ist eben deshalb nicht mein- em ßaaiXow] -).cyrh nicht mehr eine objeetive Macht für den <1S.) ,-i-x- euÖüveiv -'xz xpydcf zum Richter in eigener Suche wurde — ein Verhältniss, das auf die Dauer naturgemäße zur fast unbedingten Herrschaft der Ephoren im Hause und zur maass- gebenden Stellung dieser ,Commissaires du salut public' selbst im Kriege führen musste. Wesentlich anders war die Sache in dem beweglichen Athen, wo die Archunten das Recht des -p:ßojA£j;j.a auf die Dauer in seiner Ausschliesslichkeit nicht festhalten konnten, indem das Volk statt wie in Sparta zu wenig, so hier zu viel Gesetze machte. Davon wieder war im Unterschied von Sparta die Folge die grosse Unselbständigkeit eben dieser vollziehenden Gewalt , die ihrerseits unter dem Urtheil des Volkes stand, die Furcht vor jedem selbständigen Auftreten gegenüber dem schon damals eben so unconsequentm als undankbaren §»}|Jt.o<;, und damit jene Willkür und Unge- rechtigkeit in den Volksbeschlüssen, an denen Athen zuerst seinen Ruhm, dann seine Macht und endlich seine Freiheit verlor. Wir aber, wenn wir diese Zustände auf unsere, aller- dings unendlich viel klareren öffentlich rechtlichen Begriffe zurückführen, werden sagen, dass die Ephoren wie die Archonten die Verordnungsgewalt besassen, und dass während in Sparta die Gesetzgebung im Laufe der Zeit in dieser Verordnungs- gewalt fast unterging, in Athen umgekehrt die Verordnungs- gewalt von der gesetzgebenden absorbirt ward — ein Verhält- niss, das uns schon an und für sich viele Dinge erklärt, die wohl nur durch jene Kategorien unserem heutigen Verständniss nahe gebracht werden. Gewiss aber ist, dass das was Lykurg als das eigentliche Gebiet der gesetzgebenden Gewalt vor- schwebte, — denn an eine klare Competenz wie in den Ver- fassungen unserer Tage wird da nicht gedacht — doch eigent- lich nur die Verfassungsgesetzgebung war, während Solon jedes geltende öffentliche Recht der Abstimmung des of^.oz unter- worfen dachte-, denn einen Unterschied der Verfassungs- von der Verwaltungsgesetzgebung kannte man nicht. Das war der Punkt, auf welchem allmälig die Erschütterung und Vernichtung jener Verfassungen selber hereinbrach. Und dass hier wirk- lich die Gefahr für die neuen Verfassungsorganismcn lag, das fühlten beide Gesetzgeber, und jeder von ihnen hat in seiner Weise seine Verfassung gegen dieselbe zu schützen versucht. 280 Stein. # Denn hier ist es wo das zweite Gebiet jener Rechts- bildungen beginnt. Während die Verfassung den Grundgedanken der Gleichheit der freien Staatsbürger in Wahl und allgemeinem Stimmrecht zur Verwirklichung bringt, mussten sie sich jetzt dem zweiten Factor zuwenden, der Ungleichheit desselben, und zwar der Ungleichheit einerseits im Besitze, und zweitens in der Bildung des Volkes. Und wieder müssen wir darauf hinweisen, dass jene Verfassungen die ersten der Weltgeschichte sind, in denen ein Volk es unternommen hat, mit seinen staat- lichen Gesetzen in den gewaltigen Kampf hinein zu greifen, den die Verschiedenheit in der Vertheilung der persönlichen und der wirthschaftlichen Güter mit dem obersten Grundsatze der Gleichheit des freien Staatsbürgerthums zu führen nie ermüden wird. Wenn die nachfolgenden Jahrhunderte das hellenische Staatswesen schon wegen jener so tief angelegten freiheitlichen Organisation bewundert und um ihretwillen die Republiken des Alterthums in ihrem gewaltigen Gegensatz gegen die Staatenbildung des Orients mit Recht gepriesen haben, während sie die auf Besitz und Erziehung berechnete Gesetz- gebung mehr als eine Merkwürdigkeit, die sie nicht verstanden, einfach registrirten, so leben wir in einer Zeit, wo wir diesen Factoren unabweisbar ins Auge schauen müssen. Wir erst wissen, was Besitz und Bildung bedeuten, und dass beide sich weder in der Nationalökonomie noch in der reinen Gesellschafts- lehre erschöpfen, sondern dass über alle Verfassungen das Gesetz herrscht, dass die Vertheilung der Güter unwiderstehlich die Rechtsbildung der Staaten bedingt. Und wir sind daher verpflichtet und berechtigt gerade den Theil in jenen Ver- fassungen mit Bewunderung des tiefen Sinnes ihrer Urheber zu verfolgen, der zuerst diese beiden rechtbildenden Gewalten in der Geschichte der Menschheit der Verfassung ihrer Staaten zu unterwerfen trachtete, damit die Verfassungen nicht ihnen unterworfen werde. Wie weit ihnen aber das gelingen konnte, und welche Folgen der Kampf de? Besitzes mit der Idee des hellenischen Staates hatte, das zu sagen, wird uns vielleicht später erlaubt sein. Wir werden daher gezwungen, bei diesem Gebiete einen Augenblick zu verweilen. Um so mehr als wir davon ausgehen müssen, dass die Verschiedenheit der jenen Männern vorliegen^ Dio Entwicklung izz urce twv Awptswv 5 8y}|ao<; hi--y.'o; Paus. a. a. O.), erst als Kresphontes und seine Söhne die Gewalt dieser Grundherren beschränkten — der tx %prt\j.y-y. lyovzeq, wie Pausanias sagt, dem schon zwischen -/pvil-».« und -/.TV;:;'.; der Unterschied verschwunden ist — standen sie auf und erschlugen nach der alten Regel den fremden König, wie sie den eigenen erschlagen hätten. Das alte Messenien ist das Albanien der Gegenwart, und zwischen Kresphontes und Ali Pascha in Prizrend ist fast nur der Unterschied der Zeit und des Namens vorhanden. Ganz ähnlich war es in Lakonika, wo die Könige durch ihre Comites (bei dem de, os tx; aXXa? (xöhei^) -sjj.tlai ßxaXsxc des Strabo VIII, 5, 4 wird wohl niemand an Könige, sondern an Comites missi, die Ballifs der franzö- sischen Capetinger denken), die Unterkönige, in ähnlicher Weise im Die Entwicklung der Staatswissen i den Griechen 289 herrschten; und auch hier ,&ßpst twv ßaaiXewv', meint Plutarch Lyc. 3, in derThat aber weil die Könige als Vertreter der Unter- worfenen auftraten, wurden sie vertrieben. Das war allerdings ein naturgemässer Process. Allein nun ergab sich die Folge desselben. Mit den Königen und ihrer vollziehenden Gewalt war auch die Einheit der Spartaner gebrochen; wer sollte die y.zzz: berufen und leiten und die Polemarchen dem militärischen Befehle im Felde unterwerfen, wenn die Letzteren den bürger- lichen Anordnungen des ßaccXs6<; auf ihrer Grundherrschaft offenen Widerstand entgegensetzten? Und doch waren die Spar- taner ^Eindringlinge' und der , nationale' Hass der Lakedämo- niern und Messenen hiess damals wie zu anderen Zeiten nichts als die Hoffnung, durch Bewältigung der , Fremden' den alten Besitz wieder zu erlangen. Und schlimm genug mag es für die Ersteren auch wohl ausgesehen haben, wenn Plutarch uns erzählt (Agis 5) zv.-Grr.z \''y.z dkpeiSw«; ■JjoY] TCapaöouvTS«; 01 Suvaroi t;:j: -zzzr;/.zrr.y.z ex TtSv z:y.zzyuvt' (sind das Formen, welche der y.y/yJ.y. \>.z\zy. angehören?). So war der Streit zwischen Königthum und Grundbesitzern in Sparta nicht mehr eine Verfassungs- sondern sie war in der That eine Existenzfrage des ganzen Spartanerthums geworden, und wenn das in Lakedämon geschah was in Messenien sich beständig wiederholte, wenn die La- konischen Sassen auch zu den Waffen griffen um die Spartaner als ihre Obereigenthümer zu vertreiben, dann war wohl wenig Hoffnung für die hochadeligen Geschlechter der Dorer mehr übrig! Das sah und das erkannte Lykurg, und gewiss nicht er allein. Gewiss haben viele der damaligen Besitzer schon vollständig begriffen, dass es sich schon gar nicht mehr um das Vertreiben der Könige und die einfache Herstellung der Aristokratie handelte, sondern um ihre ganze Zukunft und die ihres ganzen Stammes, und dass sie sich bereit halten müssten die grössten Opfer zu bringen, wollten sie nicht selber von den ,Nationalen' erschlagen und vertrieben werden wie ihre Könige. In der That gänzlich unverständlich wäre die Annahme der Lykurgischen Ordnungen in einem doch tapferen und der Herr- schaft geniessenden Stamme gewesen, hätten solche Erwägungen nicht die Gemüther jener Zeit schon auf das tiefste bewegt. Nicht die Weisheit sondern die Gefahr des Besitzers hat der Verfassung Lykurgs den Boden gewonnen, auf dem ei' sein Sitzungsber. d. pliil.-l.it I 1 XCIII. Bd. ET. II fr. 19 290 Stein. Werk aufführte. Und dieses Werk entnahm er selbst wieder dem Lande, in welchem ein verwandter Stamm in verwandter Weise über die nationalen Sassen herrschte und sich vor ihnen, den 7vXap6"at<; und :j.oy.\v.M-y.'.z nicht weniger fürchtete, als seine Landsleute im Peloponnes vor den Lakonen. Aber dennoch war sein Gedanke, wenn schon in der Conceptiou grossartig, in der Ausführung noch grossartiger. Und das, worauf es uns hier ankommen muss, ist es eben diese Ausführung von jener Grundlage zu scheiden. Diese aber für sich betrachtet ist die neue Gestalt des wirtschaftlichen Lebens, die Lykurg schuf; die Ausführung dagegen lag wiederum tief im Wesen der hellenischen Staatsidee, und wenn wir daher jene wirthschaftlich leicht bezeichnen können, so kann diese nur durch die Gewalt lies griechischen Ethos zum vollen Verständniss gebracht werden. Die Besitzesordnung des Lykurg beruhte nämlich einfach darauf, dass schon vor ihm der Spartaner überhaupt nie das ld selbst bearbeitet hat, sondern nur als Herr der Lakonen sich von ihnen den yöpoq geben Hess, von dem er lebte. Das Ein- treiben gerade dieser Naturalzehnten aber war durch die Auf- lösung der ursprünglichen Stammeseinheit Sache jedes Ein- zelnen geworden : in der Verwirrung der öffentlichen Zustände bei der Bekämpfung des Königthums war die Zeit gekommen, wo der Stamm selbst sich darum nicht mehr kümmerte. Als Sache jedes Einzelnen aber war diese Eintreibung für die grösseren Herren zwar leicht, aber mit beständiger Verlockung zur Ungerechtigkeit begleitet, wie beim Zehnt des Mittelalters; für die Schwächeren aber wurde sie gegenüber dem ansehn- lichen Lakonen gewiss oft genug gefährlich; die Hilfe des grösseren Herrn für den kleineren aber hätte den letzteren wieder abhängig von dem ersteren gemacht. Wollte Lykurg daher die erste Existenzbedingung seines dem Ackerbau abgewendeten Volkes überhaupt sichern, so lag seine Aufgabe klar genug vor, und der naturgemässe Gang der Dinge hatte die Lösung in Kreta schon gegeben. Er musste die Eintreibung des Zehnten für alle Spartaner ohne Rücksicht auf die Grösse des Besitzes zur Gesammtangelegenheit des Volkes machen. Das aber bloss gesetzlich zu bestimmen, wäre werthlos geblieben, da bei gleicher Aufgabe die Interessen an dem vepoe durch die ver- schiedene Grösse des Besitzes verschieden waren. Er musste T)\c Entwicklung der Staatswissensclinft bei den Griechen. 'J\)\ daher die Sache so einrichten, dass die Gresammtheit des Dorischen Stammes in ihren ersten Existenzbedingungen, nament- lich im täglichen Unterhalt, an die Gesammtheil der Zehnten des ganzen Landes in einer Weise angewiesen ward, dass niemand mehr von seinem Zehnten, sondern alle von allen Zehnten ihren täglichen Bedarf gedeckt sahen. Und das geschah durch die Sysstitien, die Gemeinschaft der Mahlzeiten, das ein- zige Mittel jenen Zweck zu erreichen. Sie waren es, welche nicht bloss den Aermeren der Gefahr entzogen jemals zu wonig zu haben, sondern sie waren es auch, welche es dorn Reicheren gleichgültig machten, viel oder wenig zu besitzen, denn zwar gehörte ihm der Besitz, nicht aber sein Ertrag; den musste er der Gemeinschaft abliefern, und es war schliesslich nur ein geringer Ruhm, vieles für andere herzugeben, da doch keiner von allen arbeitete, sondern nur alle für jeden die Einbringung des y-?'~~- gewährten. Es ist daher wie man sieht gänzlich falsch von einer Gütergemeinschaft unter den Spartanern zu reden; wohl aber war die wirtschaftliche Grundlage des Spartaner- thums die Gemeinschaft des Ertrages, und Lykurg ist es, der die Scheidung von Gut und Ertrag zur Basis seiner zunächst wirtschaftlichen und damit auch seiner gesellschaftlichen Ordnung zuerst mit klarem Bewusstsein aufgestellt und durch geführt hat. Sein ist der Ruhm auf diesem Wege, den wir doch nur mit den Begriffen der Nationalökonomie bezeichnen können, das Wesen des Besitzes und seiner Gewalt zuerst der [dee und denn Leben des Staats untergeordnet, und damit die ge- sellschaftlichen Elemente von den wirtschaftlichen getrennl zu haben. Es fiel ihm dabei gar nicht ein. das Eigenthum als solches anzugreifen; im Gegentheil blieb es nach wir vor ein oberster Grundsatz, dass es unehrenhaft — -Ar/zvi - sei. über- haupt Grund und Boden zu verkaufen und zu kaufen, ja i war das offenbar wieder wie nach germanischem Recht über- haupt nur zulässig für die , walzenden Grundstücke', welche die Spartaner natürlich so gut hatten wie das alte Sonnenlehen dei Germanen — besassen ja doch die ,Erbtöchter' zur Zeit des Aristoteles zwei Fünftheile des ganzen spartanischen Bodens ! \\ aber das angestammte Gut, den ursprünglich an das Geschlechl vertheilten xXvjpoc betraf, so war es direct verboten ihn zu ver- kaufen — ,-r,; ck y.zyy.b.; [xotpa«; (d. h. des eigentlichen /././, 19 292 Stein. yjlt rcwAeiv i^eaitV (Heracl. Pol. 2) — was durch Plut. Agis 5 bekanntlich mit dem Zusatz bestätigt wird, dass die Schenkun- gen erlaubt waren, also das Eigenthum erhalten blieb. Und in demselben Sinne ist ohne Zweifel auch die fahrende Habe durchaus nicht Gemeingut gewesen, sondern jeder hat das Seinige gehabt; wenn Plutarch glaubt (Lyc. 9) Lykurg habe auch hier durch Gemeinschaft der Güter erstrebt ^avTa^actv s^sXsiv tc aviaov', so ist das reine Consequeuzmacherei ; der Satz, dass jeder sich der Fahrniss des anderen bedienen könne, ist ein wirthschaftlicb.es Unding, und bedeutet praktisch nichts als das alte landwirtschaftliche mutuum und commodatum der Römer, über dessen Natur und Unterschied von unseren Leih- und Darlehensbegriffen man jetzt wohl einig ist. Von Gemeinschaft der Güter darf man daher nicht reden; es war wahrlich genug* den Ertrag für die Gemeinschaft zu bestimmen und damit dem Gute seinen Genuss für den Besitzer und den Verkehrswerth für das Ganze zu nehmen. Denn dass die Häuser keine Schlüssel und die Weiber keinen Schmuck haben sollten, brauchte Lykurg nicht anzuordnen, und hat es gewiss auch nicht gethan. Was war zu stehlen und womit sollte man Schmuck kaufen, wenn man selbst nichts verdiente und den Zehnt des Kspiotxo? oder ütt^xocx; zu den Syssitien hergab? Aber auch so schien eine der grössten Aufgaben der Welt gelöst und eine wunderbare Basis für die Reinheit aller Verfassung gewonnen. Denn während mit dem Eigenthum die rechtliche Selbständig- keit des Einzelnen erhalten blieb, ward die Gewalt des Besitzes über die ursprüngliche laövqq, der Unterschied des Ungleichen innerhalb der Gleichheit, welche die Wahl und das allgemeine Stimmrecht zu Grundlagen der Verfassung erhoben hatten durch die Gemeinschaft des Ertrages gebrochen ; der Werth und die Macht des Geldes war beseitigt durch das Kaufverbot fremden Grundes und die dem Golde und Schmucke feindliche Sitte, und zum ersten Mal scheint die Idee der freien Gemeinschaft, ungestört durch fremdartige Kräfte, nur in sich selbst ruhend, dazustehen. Freilich nun musste Lykurg, wollte er dauernd dies grosse Ziel erreichen, einen Schritt weiter gehen. Besitz, Ertrag und Genuss sind schliesslich keine natürlichen Erscheinungen; sie gehören dem persönlichen Leben, und was über den Menschen Die Entwicklung der Staatswissenschaft bei den Griechen. 293 auch hier Gewalt hat, das erzeugt er sich selber und strebt darnach es zu erzeugen. Es genügt daher nicht jene Mächte zu beseitigen; fast schwieriger als der Kampf mit ihnen selbst ist der Kampf mit dem persönlichen Wunsche sie zu besitzen. Und hier ist es; wo Lykurg am meisten geleistet hat und wo er sich von Solon am tiefsten unterscheidet. Denn jenem Streben nach Genuss kann man nur eines entgegensetzen und das ist die Verachtung ihrer selbst und diejenige der sie Geniessenden. Soll aber diese erst durch Reflexion entstehen, so kommt sie zu spät. Soll sie aus dem subjoctiven Gefühle, in welchem sie doch niemals ganz ge- sichert ist, zur objeetiven Macht werden, so muss sie auf (irundlage der Erziehung sich zur geltenden Volkssitte ge- stalten. Das aber kann sie wiederum nur dann, wenn diese Erziehung selbst von jedem Einflüsse der Verschiedenheit des Vermögens die bloss physische Entwicklung des Menschen zum Inhalt hat und damit zur absoluten Gleichheit der Erziehung wird. Erst dadurch konnte Lykurg das Grosse sichern, das er für das Leben des Besitzes erreicht hatte. Und das ist ihm gelungen. Wir glauben an diesem Orte über die Formen der spartanischen Erziehung um so weniger etwas sagen zu sollen, als sie schliesslich ungemein einfach war. Es war die ohne Rücksicht auf Besitz und Stand der Eltern für alle gleiche, rauhe, geistlose Erziehung der Soldaten - kinder, deren Grundlage Strenge und Entbehrung neben der Achtung vor den , Altgedienten', deren Inhalt Leibes- und Waffenübung, deren Ziel und Ruhm Waffenleistung war. Damit aber nicht im Hintergründe wie bei den alten Pasargaden, die Aussicht auf glänzendes Leben nach der Mündigkeit das harte erträglich mache, waren ja die Eltern selbst arm; für den Knaben gab es keine Zukunft im väterlichen Hause; er war und blieb ein ,Kind des Regiments' ; und dass er nicht, vom alten herrschenden Adel abstammend, lüstern nach den Töchtern der Heloten schiele, Hess Lykurg die Kinder beider Geschlechter gemeinsam und fast unbekleidet ihre Gymnastik treiben. So war das ein Ganzes in sieh und doch nur ein Theil eines grösseren Ganzen. Denn wer stand dafür, dass der Anklang an o-eistiü'e Bildung und höhere Bedürfnisse nicht denn doch zuletzt den Wunsch nach einem edleren Dasein in der Brust 204 Stein. des hellenischen Knaben erwecke, namentlich wenn er das Herrliche sah; das ihm das übrige Griechenland bot? Nur einen Weg' gab es dieser Gefahr zu entgehen und Lykurg betrat ihn. Das Kind durfte nichts lernen. Es lernte keine Bücher studiren, es las keine geschriebene Verfassung oder ein edictum praetorium an öffentlichen Stellen angeschlagen, es lernte kein Gemälde und Statuen bewundern, es betrat keine Poikile, es hörte keinen Chorgesang, es wusste von keiner Musik als von dem Regimentspfeifer, den eine gutmüthige Auf- fassung der spätem Zeit zum , Flötenbläser' gemacht hat, und noch Isagoras durfte diesen Spartanern den Vorwurf ins Ge- sicht schleudern, dass diese Männer, welche Hellas beherrschen wollten, noch am Ende des peloponnesischen Krieges nicht lesen und schreiben konnten! Freilich konnte da die Sehn- sucht nach dem Schönen nicht zum Streben nach seiner ersten materiellen Bedingung, nach dem Reichthum, werden ! Und so war diese Gefahr bewältigt. Nur Eines blieb noch zu thun. Sollte ein solches Geschlecht nun mitten unter dem lieblichen Himmel Griechenlands, mitten unter den herrlichen Werken der Poesie und der Wissenschaft, ja mitten im vollen, warmen Hellenismus, dieser edelsten Blüthe der Geschichte kalt bleiben gegen Alles, was diese so reiche Welt besass, so musste wenigstens Eines dafür geboten werden und auch das wusste Lykurg zu bieten. Das war statt des wissenschaftlichen Begriffes und der Staatskunst der einfache Glauben an die Weisheit, ja an die Göttlichkeit dieser unmenschlichen Ordnung. Und Lykurg wusste das. Ihm war das Orakel kein blosser Wahrspruch über kommende Dinge, sondern es war die göttliche Bestäti- gung seiner Sendung ; in Delphi holte er sich nicht seine Weis- heit, sondern den Glauben des Volkes an dieselbe, den sein Katechismus des öffentlichen Rechts predigte, der aber nicht geschrieben und auf Stein gehauen, sondern als pvJTpa: den Kindern mit der Sprache zugleich gelehrt wurde, und obenan stand das eigentliche Grundgesetz, das wir jetzt erst ganz ver- stehen und das das wirkliche. Leben wTie jede innere Ucber- zeugung des Spartaners beherrschte, dass keine Macht der Welt im Stande sein werde, jemals Sparta zu bewältigen, als die des Strebens nach dem was Lykurg im öffentlichen wie im Privatleben als den Todfeind seines Volkes und seiner Diu Entwickluug dei Staal i ■ ■ heu. eigenen Gesetze erkannt hatte, des Strebens nach Reichthum. Und das nun ist die merkwürdige pijTpat, die uns die Geschichte aus Sparta bewahrt hat, allerdings die Grundlage aller andern und zugleich das Gebot des Delphischen Gottes: !A r.oKjypr^.xv.ot. Ir.y.pzx'/ oXei, iXXc ii :rjssv. So ist die Lykurgische Gesetzgebung in sich ein Ganzes, nicht mehr ein einzelnes Gesetz, sondern eine ganze Lebens- ordnung, welche den Staat wie den Einzelnen, die Tugenden wie den Glauben, den Besitz wie die Erziehung auf jedem Punkte umfasst; ein grosser Organismus, der sieh durch seine wirkenden Grundkräfte selber trägt und welchem sieh alle einzelnen Muniente wie unter einem gemeinsamen Willen beugen. Es ist das aber nicht bloss ein an sich grossartiges Bild; denn auch Egypten und Indien bieten uns Aehnliches in ihrem Kasten- wesen, dieselbe Ordnung, dieselbe Herrschaft des Ganzen über den Theil, dieselbe Vermengung des Glaubens mit der Er- kenntniss, dieselbe Hingebung für das was dort für die Idee des göttlichen Staats gehalten wird. Das Sparta Lykurgs isl mehr; und grade in der Vergleichung mit dem Orient' tritt das wieder an die Spitze, was wir das eigentlich hellenische Element auch in Sparta nennen. Das ist die Freiheit und die Selbstbeherrschung, die zuletzt trotz aller Starrheit der Ord- nung auch diesen Theil des hellenischen Lebens, in dem all- gemeinen Wahlrecht und dem allgemeinen Stimmrecht die Grundlagen des freien Staatsbürgerthums festhielt. Auch Sparta wählt die Männer, denen es Gehorsam gelobt; seine staatliehen Gewalten stehen nicht ausserhalb und über seinem Staatsbürge] thum; es gibt in Sparta keine Kaste, die nichts hätte als ihre göttlichen Vorrechte: jeder kann das Höchste erreichen und jeder muss sogar seine Stimme geben wo ein Gesetz für ihn gelten soll. Und in dieser Freiheit, und das war das spat nische Princip, gilt nicht der Reichthum noch die Abstammung als Grundlage der gesellschaftlichen und staatlichen Stellung, denn Sparta hat selbst mit eigenem Gesetze die Freiheil vom Bedürfniss an die Stelle des ersten, und die heldenhafte Thal an die Stelle der letzteren gesetzt. Ja es hat, und auch hier nach dem Vorbilde Kretas, noch mehr gethan. Es hat mitten in dieser festgeffriradeten Herrschaft der erobernden Cla 296 Stein. und nicht auf Grundlage des Besitzes, den es verachtet, sondern auf Grundlage der persönlichen mannhaften Leistung' selbst, das seiner Freiheit zugestanden, was wir die aufsteigende Classen- bewegung nennen. Denn nicht allein, dass es seine Sklaven auch von Staatswegen frei liess und so zuerst das ganze Rechts- gebiet des Freigelassenen gründete, dem wir in Rom wieder begegnen, es hatte sogar seine Herd- und Tischgenossen, die [xoöwvsq oder \).'J)v:/.zi} Kinder aus der beherrschten Classe, welche die Erziehung, das Waffenrecht und die staatsbürgerliche Stellung mit denen der Spartaner theilten und völlig in ihre Reihe traten, aber wieder nicht durch Reichthum und Glanz, sondern durch den Werth, den sie sich selber durch das gaben, was sie dem Staate leisteten. So begeisterte jene Verfassung die Herrschen- den durch den Ruhm den sie besassen ; die Beherrschten aber durch den, den sie mit eigener Kraft erwerben konnten. Und mit dieser in sich geschlossenen festen und wehrhaften Ord- nung trat nun Sparta in die griechische Welt hinein, die auf allen Punkten von den gesellschaftlichen Gegensätzen durch- drungen und bewegt war war es ein Wunder, dass sich da Alles, was sich nach Festigkeit und Ordnung sehnte, sofort an dies Sparta anschloss? Und anderseits war es ein Wunder, dass es bei seiner schon verfassungsmässig gewordenen Ver- achtung vor dem Erwerb des Reichthums in einen fast unlös- baren Gegensatz mit allen jenen Völkern treten musste, deren verfassungsmässige Ordnung und Entwicklung grade auf diesem gewerblichen Reichthum und seinem Erwerb beruhte? So scharf auch die dialektische Untersuchung vorgehen mag, nie wird sie die beiden grossen Begriffe von Grundbesitz und Werthbesitz, von Grundherrschaft und gewerblichem Reichthum, von der Kraft des über das Streben nach Erwerb erhabenen Mannes und der Macht der Arbeit, die nach demselben ringt, von der Tugend, die im entsagenden aber doch freien Hingeben an ein grosses und mächtiges Ganzes und der nie rastenden, aber individuellen Thätigkeit, aus der allein die Grösse des Vermögens entspringt, so klar, so fassbar und zugleich so in seiner grundlegenden geschichtlichen Bedeutung zu erkennen und zu beschreiben wissen, wie sie uns hier in dieser Ge- staltung Spartas gegenüber dem des freilich noch wenig ent- wickelten Athen entgegentritt. Das aber ist eben die Stellung Dir - 201 dieser beiden, wir dürfen jetzt unbedenklich - _ mder- baren Erscheinungen in der Geschichte d - ihnen die zwei gross ... scheinbar - retiscl Grundbegriffe der Wissenschaft d llsehaft. die - _ G schlechterordnu und ihr Gegensatz, die staatsl _ gliche Gesells .ander als unbestreitba. ts _ _ :eu. in denen der ge- meinsame und gleich: _ st des fl .lenenthums mit seiner ganzen Poesie und mit seiner ganzen Frei! -ich in der Haud Jen - _ waltig d Fact 5 gesl den wir der. I sitz g haben. Noch zwar is: dies Sparl : _ sl . . ' ssen- s iaft, aber es isl - - ist ;i den ss ier diesen Besitz erfasst und ihn da onterwi r dem Menschen am nächsten tritt, in seinem Er: _ ür den Einzelnen wie fiir das Ganze, ihn scharf begränzend und in Fesseln bannend, ihm zwar seine Gefahr, wohl ab', sei idige Kraft während Athen diesen Besitz I _ lässt, sich ihm mehr hingebend als es die Staats g rügend und Ehr tragen können. So ist das Element aus welchem di S Wissenschaft entstehen soll und das wir - vi . Mähe haben theoretisch zu begreifen, hier tfa tts ihlich a is s iner Verbin- dung mit dem individuellen Leben hin rnsa - bieden und wenn nicht zum Gegenstand der Untersuch a g, s I eh zum Gegen- stand der Gesetzgebung gemacht. Und einmal in lies W is selbständig hingestellt, wird es von jetzt au mit oder ohne Bewusstsein der Gesetz« bei- wie der Denk ver- loren. Mit diesem Verständniss - Besil - ist dabei . - gewonnen, was nach den früheren Darstellung künde und der Staatsphilosophie die 31 fcswissens _ macht; das Erkennen des Staatslebens hat in s K ontniss ind s ine griffe die Causalität aufgenommen und v I lürfen wir sagen, dass jede positive Verfassung ein - n Volkes als das Resultat der Freiheit und der B sil theilnng betrachl werden muss. Darum aber haben wir geglaubt, _ . . die Lykurgische Verfassung au die geschichtliche S aller Entwicklung der eigentlichen Staats ss - -.ft zu: in Griechenland stellen zu müssen and ein Blick auf die _ ssen Philosophen lehrt uns. dass wir auch thatsächlich Recht haben. Denn dem Plato wie dem Aristoteles is lies spartanische Verfassung nicht etwa eine einfache Thatsach* I r ein 298 Stein. Du- Entwicklung äer Staatswissenscuaft bei den Griechen. abstrakte« Ideal ihres Ethos, sondern sie ist ihnen eine Lehrerin von Principien geworden, bei der ihre tiefsten Untersuchungen in die Schule gegangen. Das Alles aber nun in seiner gross- artigen Eigenartigkeit wird, wie wir meinen, erst dann ganz erkennbar, wenn wir die weitere Gestaltung der griechischen Welt auf Grundlage der zweiten Artung ihres Besitzes, die Entwicklungsgeschichte Athens in seiner klonischen Verfassung daneben stellen. Gebauei Debe äie weichen . i und (-Silben im iHböhmischen. Ueber die weichen a-, <>- und w-Silben im Altböhmisehen. Von Dr. Joh. Gebauer. In meiner Abhandlung: ;Ueber die weichen e-8ilbeu im Altböhmisehen', Sitzungsberichte LXXXIX, 317 — o907 hübe ich nachgewiesen, ilass im Altböhmischen iu palatalen Silben eiu etymologisch berechtigter Unterschied zwischen e (lang e) und e (lang ie) geherrscht habe, indem e (e) einem asl. c oder 6 entspricht oder euphonischer Einschub ist, während e (ie) einem asl. a, e, e gegenübersteht oder auf Contraction beruht; z. B. fekl asl. reklt, pomocen asl. pomost&ni, ohen asl. og-nB, reci asl. resti, duse asl. dusa, dusiem asl. dusami, drevo asl. drevo, hfiech asl. grehi», tieie se Part, praes. asl. teze se, ctyiv'e asl. cetyvijc. In einer ähnlichen Absicht will ich jetzt die weichen a-, o- und w-Silben einer Untersuchung unterziehen. Auch diese werden in Handschriften des XIII. und XIV. Jahr- hunderts verschieden geschrieben, bald ohne Präjotation bald mit einer solchen (d. h, mit einem zwischen den Consonanten und den Vocal der »Silbe eingefügten Buchstaben i oder y), z. B. ki'zestonka Pass.1 372 und krziestyanka eb. 2< >, ohwowymi 1 Erklärung der Abkürzungen. Alx. = altböhm. Alexandreis, und zwar: AIxK. = das Fragment viui ISudweis, abgedruckt von F. Koubek in Cas. Cesk. Mus. 1841, 79—90; Alx 15 31. <'in ehemals Budweiser, jetzt im böhmischen Museum in Prag aufbewahrtes Fragment; Alx II. = zlomek Jindricho-Hradecky, d. i. das Fragment von Neuhaus ; AIxS. — das Fragment Safafik's, abgedruckt in '1 sammelten Schrift 300 G e b a u e r. retezi Pass. 458 und ohnyowymy retezi an derselben Stelle in einem anderen Passionale (geschrieben 13797 in der Museums- III, 337—340; AlxV. = Fragment in der Bibl. des Domeapitels bei St. Veit in Prag. An S. = Safarik's Fragment einer Marien- (Anna-) Legende, in der Bibl. des Böbm. Museums. Ap. = die Apostellegende, und zwar ApD. = das in Dobrovsky's Geschichte der böhm. Sprache und Lit. (1818), S. 103—107, und ApS. = das in Safarik's Gesammelten Schriften III, 330 — 334, abgedruckte Fragment. Doli. = Dialogi Bohemarii in Hanka's Zbirka nejdävnejsich Slovni- kuv (1833) S. 337-355, XIV. Jahrhundert. C Eräug. = Ctenie (evangelii) zimnieho casu, Winterperikopen, Codex in der Bibl. des R. v. Neuberk in Prag (sign. 34). I). s. svD. Dal. = die Reimchronik Dalimils, und zwar: DalC. = die Cam- bridger Handschrift derselben; Dalli. = das von Höfler entdeckte und von Hanns (Cas. Cesk. Mus. 18(31), correctcr von Jos. Jirecek (Rym. kronika ceskä 1878, 245 — 247) edirte Fragment der Prager Universitäts- bibliothek; Dal Hr. = Dalimil Hradecky, das Fragment von Königgrätz, Museums-Bibl., abgedr. v. J. Jirecek (Rymovanä krön. 252 — 253); DalV. = Dalimil Vfdensky, Codex der k. k. Hofbibliothek in Wien (sign. 2922). Hrad. = rukopis Hradecky, d. i. die Handschrift von Königgrätz, in der fürstl. Lobkowitz'scheu Bibl. in Prag. Jid. = Jidäs, und Pil. = Pilat, zwei zusammengehörende Fragmente aus den ersten Jahren des XIV. Jahrh. ; Museums-Bibl.; Jid. ist abgedruckt in der Beilage zu Listy filolog. 1878: Ukäzky staroceskych text u rukopisnych 19 — -'_'. Jir. = Jiri, Fragment einer Legende vom hl. Georgius; Museums- Bibliothek; abgedr. in derselben Beilage 34 — 35. Kat. = Leben der hl. Katharina, ed. Erben 1860; LA1. = Legende vom hl. Alexius, Fragment, abgedruckt von Jul. Feifalik in den Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss., phil -bist. Cl., XXXVII (1861), 420-424. Mast. = Mastiekaf, d. i. der Quacksalber, Fragment; Museums- Bibliothek. 3Iodl. = Modlitby, d. i. Gebete, Codex der Prager Universitäts- Bibliothek (17. F. 30). NRada = Nova Rada, d. i. der neue Rath des Herrn Smil Flaska von Pardubic, meine Ausgabe 187(3. Pass. = das Passionale der Museums-Bibliothek (sig. 3. F. 16; Näheres darüber in den Sitzungsber., LXXXIX, 319). ■ Pil. s. Jid. Ueber die weichen i , o- und u -Silben im Aitböhmiecb .'»()1 Bibliothek in Prag-), dassu mü Acc. sing. Z Wittb. 68 und duss^/u mü eb. 48, na skonciemt ZGÜoss. 255 und skonczye- n//u takemu DalC. 18 u. s. \v., — und auch hier fragt es sich: was bedeuten diese ungleich geschriebenen Silben für die Grammatik, wie lauteten sie in der altböhmischen Aussprache, kfesfanka, oh^ovy, dusw, skonee>7i>/, oder kfesi/anka, 6hnjovf} dusju, skqnceraw? oder vielleicht hart kfesftmka, ohwovy, skonöeww? Dass das Letzte nicht der Fall war, beweist die ungleiche Schreibung- der Handschriften selbst. In einer harten Silbe, z. B. tu- liegt kein Anlass zu der in krzes&znka und krzie- styanka befolgten ungleichen Schreibweise, und ebenso nicht im harten to-, tu- u. dgl.; ein solcher Anlass konnte nur von weich gesprochenen Silben ausgehen. Obendrein bietet das Fragment Dal IL für die weiche Aussprache ein positives Pror. = Proroci, d. i. die Propheten Isaias, Jeremias und Daniel, Codex der Prager Universitäts-Bibliothek (17. D. 33). Rostl. = Rostlinär, altböhniische botanische Namen, abgedruckl von AI. Müller im Öas. Öesk. Mos. 1877, 391—393. Scqu. = Sequentionorius Magistri Conradi, in 1 [anka's Zbirka u.s. w. 356—366: svD. = svaty Dueh, Fragment einer Legende, in der Museums- Bibliothek. Slit. = Thomas von Stitne; RhM = dessen reci nedelni a svä- tecni, Homilien, Codex der Prager Universitäts-Bibliothek (17. C. 15); iic. = desselben uceni, eb. (17. A. G). linut'. = Umueem, Fragment einer Leidensgeschichte, in Do brovsky's Geschichte der böhm. Sprache u. Lit. (1818), 113 — 116. Z. = zaltär, der Psalter, und /.war: Z Bill. = das s. g. Briinuer Fragment in der Pr. Museums-Bibl. ; Zdoss. == Zaltar glossovanjf , eb., abgedr. in Hanka's Zbirka u. s.w. 235—258; ZKIein. = Zaltäf Klemen- tinsky in der Pr. Univ.-Bibl. (17. A. 12); Z Wittb. = Codex der theo- logischen Seminar-Bibliothek in Wittenberg. Ist einem Citate keine Abkürzung beigefügt, SO ist dieselbe Quelle zu verstehen, aus welcher das unmittelbar vorhergehende Beispiel ge- nommen ist. Die Zahl bedeutet bei Dal. das Capitcl, bei ZWiltb. den Psalm, bei Jid. den Vers, sonst aber die Seite der Handschrift oder des Druckes; die eingeklammerte Zahl gibt an. wie vielmal sich ein Beispiel an der bezeichneten Stelle findet. Die Belege des Z Wittb. sind ans einer in Sat'aiik's Nachlass befindlichen Copie stnr's, die des AlxH., AK 7. und Hrad. aus Copien des Herrn Museums-Custos Ad. Patera, die übrigen ans den Orisrinalien oder aus gedruckten ausgaben derselben gi i men. 302 Gebaue r. Zeugniss, indem es den Consonanten der Silben, um die es sich hier handelt, mit dem ihm eigenthümlichen Erweichungs- buchstaben h verbindet, z. B. ba^Zto Voc. sing., d. i. bafio 30, kskonczienÄu d. i. k skonce/m 42 u. s. w. Die Annahme einer harten Aussprache kfestonka u. s. w. fallt also weg und es bleibt zu untersuchen, ob dabei oder diahe], äusu oder dusju . . gesprochen wurde, oder allgemein gesagt: ob eine und was für eine Regel in Betreff der jotierten und nicht jotierten Aus- sprache der altböhm. weichen a-, o- und »-Silben gegolten habe. Zur Entscheidung müssen die Schreibweisen alter Handschriften zu Rathc gezogen werden und es werden sich hiezu solche Handschriften eignen, die in Bezug auf die e-Silben in einem genügenden Masse genau sind und von denen man also an- nehmen kann, dass sie die Sache auch sonst streng nehmen und die Pracjotation nicht in blos graphischer Geltung (als Erweichungszeichen), sondern zur Bezeichnung eines wirklichen Lautes gebrauchen. Leider enthält das der Abhandlung über die weichen e-Silben zu Grunde gelegte und in dieser Bezie- hung als musterhaft befundene Passionale für die weichen a-, o- und »Silben wenig Stoff und wir sind genöthigt, unsere Untersuchungen an solchen Denkmälern vorzunehmen, die dem Pass. an Strenge und Genauigkeit mehr oder weniger nach- stehen. Es wird sich iudess zeigen, dass auch sie zur Fest- stellung der Regel in einem befriedigenden Grade genügen. Beim Abstrahiren der Regel müssen natürlich die relativ genauesten oder genaueren Handschriften vor allen anderen berücksichtigt werden und den Ausschlag geben. Daneben können aber auch regelmässige Belege aus jüngeren und minder genauen Sprachdenkmälern (z. B. aus dem jüngeren Theile des Pass., Kat., Pror., Stit. u. a.) mit angeführt werden, d. h. aus Handschriften, die zwar die Jotation auch als blosses Er- weichungszeichen anwenden, die aber die alte Regel im Ganzen doch beobachten und deutlich erkennen lassen; jene von ihren Beispielen, die mit der Regel übereinstimmen, sind Reste der alten zum Theil schon geschädigten Reffelmässiffkeit und daher auch für uns verwendbar. Ueber .lie weichen a-, i and «-Silben im Mtb5h mischen. 303 x. fl , n , in. Die Regel, welche die Handschriften in Betreff der weichen a-Silben erkennen hissen, ist folgende: ia uud ya wird nur dort geschrieben, wo der Diphthong ia ' ctjinologise.il berechtigt ist. Für die Aussprache bedeutel die nach dieser Kegel geschriebene! Jotation selbstverständlich das i <\v* Diphthongen ia, hat also phonetische und nichl blos graphische (die Erweichung des vorhergehenden Consonanten andeutende) Geltung, dyabel Pass. 348 sprich diabel (dia-) ; dagegen haben alle übrigen weichen a-Silben ohne inlautende Praejotation gelautet, krzestanka Pass. 372 (neben krziestyanka eb. 20) sprich kresfanka (nicht kfestyVmka). Der Diphthong ia kommt freilich nur in sehr wenigen Fidlen vor; er war in der böhmischen »Sprache des XIII. und XIV. Jahrhunderts bereits in ie übergegangen. In den für diese Abhandlung untersuchten Sprachdenkmälern ist er nur im Genitiv sing, der yo-Stämme und in diabel zu linden. Der Gen. sing, der //o-Stümnie lautet«; ursprünglich -ija, wie asl. kopya, später contrahiert -ia, dann assimiliert -ie und endlich verengt -i: sbozija, -ia, -ie, -i. Für die Stufe -ia, deren Diphthong durch das ursprüngliche -ija berechtigt er scheint, bietet das Fragment Umuc. einen Beleg: velikeho mylo- srrdya 114, d. i. milosrdza. in diabel und seinen Ableitungen stimmt der Diphthong zum lat. diabolus. Der Belege ffibt es eine Unzahl und ich lasse nur einige folgen: tehdy dyabel voce Pass. 321, aj diable pysny 321, eoz sc z dyabla urodi, dyabel jest 348, dyabli poeeehu vyti 351, mnozstvie dyablow 381, dyabel stau na pravici jeho ZKlem. 91a, vyjde dyabel pred nohy jeho I26b3 dyabel sepee Hrad. 25a, proti dyablu 21'. ze jej dyabla mniechu Dal C. G4, dyablowe mnozi Kat. 68, tem dyablom klatym 1 Statt des Diphthongen ia wird auch jd gelesen, und ebenso h' nv statt ie und in. ■/.. B. sing. Noni. slm/.yV, Gen. sboZjä, Dat. sboiyM. Schreibungen, wie: le&wije sve pfepasete stft. reci 152", David chtel gt/esty c.bleb L52b, na bozi/em olta.fi I51b, pfed svu zzmyrtyiu Ap. S. 333 u. ä. sprechen für «1 i o diphthongische Aussprache. 304 G e b a u e r. 154, v tvych dyablech, — z dyabelske ruky Modi. 47a, dyabel- skich pokuseni 14a, — dyablowemu pokuseni Pass. 330, hlasi dyablowi 314, dyablowe obrazy 303, dyablowu moci 293, dyablowych modl 335 (2), dyablowym modlam 283, dyablowi poslove Hrad. 25a, radu dyablowu Kat. 112 u. s. w. — Eine Ausnahme ist mir in keiner altböhmischen Handschrift vor- gekommen. Für das unjotierte a erscheint ein Nachweis der oben ausgesprochenen Regel nicht für alle Fälle nothw endig. Man findet es so zu sagen in der Ordnung, wenn die Silben ra-, sa-, ca- . . . und ebenso ihre Längen bloss rza-} ssa-, cza- . . . und nicht rzya- oder rzia- . . . geschrieben werden, z. B. strachem trzasa se Pass. 342, d. i. t/V/sa, v jedny czasy 311, d. i. casy u. dgl. ; in diesen Fällen kann die Richtigkeit der Regel als zugestanden betrachtet werden. Dagegen widerspricht ihr die bisherige Auffassung in Betreff der Silben mit n, d, t) l, für diese muss also ihre Gültigkeit eigens nachgewiesen werden. Zum Zwecke eines solchen Beweises führe ich alle Belege (aber nicht auch alle Wiederholungen) an, die ich im Pass., Z Wittb., Z Klein., DalC, Hrad. und Modi, gefunden habe, und ausser- dem auch Beispiele aus anderen Handschriften. Einige Bei- spiele mit anderen Consonanten als u} J, f, l füge ich den übrigen nur in der Absicht an, damit es offenbar sei, dass dieselbe Regel, deren Gültigkeit für die Silben ra-, za-, ca- . . . als selbstverständlich zugestanden wird , auch in den dem Zweifel ausgesetzten Silben na, (fa, fa, la gegolten habe. 1. Nom. sing, der /a-Stämme: bud1 wola tvä Modi. 85a, d. i. völa, eine im Vaterunser erhaltene alterthümliche Form. 2. Participium praet. act. II und Part, praet. pass. der Verba I. 5. tieti asl. teti; jieti asl. jeti: toi, vy-ual, tat, vy-fiat. Z. B. kat hlavu stal Pass. 29f>, 325, d. i. sfal , stal hlavu berauovi 295, podtal me ZKlem. 1231', d. i. podfal, üsko jez byl vtal DalH. 31, d. i. utal, jakz hlavu biese stal DalC. 21, hlava stata Pass. 280 u. ö., d. i. sfata, stat 473, mezi jine state 308, (Dorota) nevinne dnes stata Modi. 179a; — aby wynal me Z Wittb. 30, d. i. vynah jenz nie wynal z temnosti Modi. 48a, oheii se wznal Z Wittb. 17, d. i. vzüal, wynato Hrad. 41a, d. i. vyiiato, z uma wynata 41'', u. s. w.? — durchgehends un- jotiert, ebenso wie in radu wr.al Pass. 406, srp viece zal 293, Ueber die weichen a-, o- und «Silben im Altböhmischeu. 305 d. i. zal, coz s' poczal 298, duse do nebes wzata 283, v oko- väch spate 351, by rozpat na krizju Ap S. 333 u. ä. Auch minder genaue Handschriften jüngeren Ursprunges enthalten häufige Belege für diese Regel, z. B. jesto hlavu stal Pass. 22, tvä hlava bude stata Kat. 180, kdez ta panna byla stata 194, pro jehoz ty jme i radu wznala tu jistii svädu 94, d. i. vzriala, wynat bude Pror. 16a, d. i. vyiiat, aby se nesnala spolu Stit. uc. 38a, d. i. nesnala (dual.), kdyz biese vtal ucho Stit. feöi 164a, d. i. ufal, üd odtat od tela 151a u. s. w. — Für das Participiuni praet. act. I. fav, vy-nav (wie statka sobe wzaw Pass. 323, neben vzem), sowie für das Supinum tat, vy-üat (vergl. zat chodila Manda im Cisiojanus, Rozbor staroceske literatury 188, d. i. zat asl. zefb, poslal sein vy zat CEvang. eb. 709) habe ich keine Belege. 3. Participiuni praet. act. II der Verba III, 1. und 2.: vyvräcen jsem, abych letal, ut caderem Z Wittb. 117, d. i. letal asl. leteli), knezie jich letala, sacerdotes eorum ceciderunt eb. 77, d.i. lefala, mäte srdce zkamenala a k slitovaniu ztwrdalaHrad. 52b, - d. i. zkamenala a ztvrrdalä, Infinitiv zkameneti und ztvrdeti, asl. -eti ■ Jan jest jiz tak ohubenel, zlutal, zzelenal a zbledel Hrad. 55, d.i. zlutal Inf. zluteti, asl. zltteti flavere, und zzelenal Inf. -zeleneti, asl. -zeleneti virere; ktery jest clovek, jenz by neplakal zde matky Kristovy, kdyz by wydal v takej rnuce Modi. 101b, d. i. vidal Inf. videti ; daj mi milosti te svatosti, af by ch te wydal bez konce eb. 99b ; matka wydala Jezise v mukach a bicoväni poddaneho eb. 161 l'; pfislo mi na mysl jiue zeny nabozenstvie, kteräz aby te nekdy videti mohla, vrüci läskü hledala a opet jednü sedsi' hrob wydala eb. 115b, centurio odpowyedal a fka eb. 91b, d. i. odpovedal Inf. odpovedeti, abych hfiechu nenawydal eb. 8a, d. i. nenavi- dal Inf. nenävädeti, — ebenso wie in den gleichen Formen svaty Petr wiezal Pass. 393, d. i. vezal Inf. vezeti , mesto horzalo 311, hospodäf biezal 355, d. i. bezal Inf. bezeti, hospo- din vslyssal 397, pozwuczal hlas 278 u. s. w. In der Schritt fällt dieses Participiuni mit dem der Classe V, 1 zusammen und es muss der Context entscheiden, ob z. B. geschriebenes letal = lefal, asl. leteta, oder letal, asl. letali., zu lesen ist. Manchmal wird aber die Ungewissheit dennoch nicht beseitigt, weil der Context beide Formen zulässt. z. B. vsel nad cheru- bin i letal jest, letal nad peruti vetröv, volavit, volavit super SitzungBber. d. phü.-bist. Cl. XCIIi. Bd. II. Hft. 20 306 Gebauer. pennas ventorum Z Klein. 10 a, aby dar teu vzal a pfed sesti dny svu smrt przyewyedal Modi. 173b, sv. Kliment nah vezrev poce se domnievati, jakzby tolio cloveka nekda widal Pass. 291, a kdyz jej to defätko uzrelo, ez biese nikda lidi newi- dalo, velikym b ehern umrlej matefi pod pläsc se vrazi 340 ; an jiz zczrnal jako vräna Hrad. 141b. 4. In demselben Participium der weichen Stämme der Verbalclasse V, 1: co svyma rukama vydelal, toho jesce ehudym udielal Hrad. 9% d. i. udielal, coz vydeläse, tiem sg krmil a oclieval a ehudym scedfe udielal eb. 16b, — unjotiert, ebenso wie in den gleichen Formen nikda se neurazal Pass. 281, d. i. neurazal asl. -razdali>, svu sestru k sluzbe ponuczala 378, d. i. ponücala, aby jiej neprziekazal v Jezukrista vefiti 345, d. i. nepfekazal, aby nikte nepronassal 405, d. i. nepro- nasal, ez se tak svej bratfi poruczal 331, d. i. porücal u. s. w. Das Gleiche ist im Participium praet. act. I, im Part, praet. pass. und im Supinum zu gewärtiges; vergl. dokonchzaw ApS. 331, d. i. dokoncav asl. dokonBcavi., pläsc kfizi wyrazani Pass. 399, d. i. vyrazany, zapovedel, aby izadnä (kfesfanka) k nim nebyja pusczana 480, d. i. püscana asl. pustana, vejdu k nemu weczerzat Alb. 28a, d. i. vecefat asl. vecerjatt. — Die hier betrachtete weiche «-Silbe ist der Auslaut des Infinitivstammes dieser Verba und deshalb kann hier auch die auf diesem Stamme beruhende Ableitung' promenävati angeführt werden: tak se i jesöe stavä, ze cest nravy promienawa AlxH 2a, d. i. promeiiava. 5. In der Suffixsilbe der Stämme auf -jan-: od polan Dal. C. 36, d. i. Polan asl. poljanT,, za polany eb., knez Misnani do mesta pustiti chtiese DalV. 103, d. i. Misnany asl. -njany od. -iiany, knez mysnany na n (na hrad) vzpusti eb. 104, Cechy mysnany pobichu eb., ten slechtic mysnanom cti ukräti eb., d. i. Misnanöm, Velflovici s mysnany se slichu 103, mnoho lidi v zemi, najviec plznam (sie) mfiese 92, d. i. Plznan, hvezda vidina wcznanom Sequ. 358, d. i. uenanöm (Nom. sing, uenan oder gar ucnenin, eine unrichtige Bildung für magus), — unjotiert, ebenso wie vzkäzasta miesezanom Pass. 367, d. i. mescanöm, u. ä. An diese Stämme lehnt sich im Altböhmi- schen krest'an, lat. christianus, ahd. christäni, christiäni, mit seinen Ableitungen an, nicht nur was den Umlaut anbelangt, Ueber die weichen a-, o- and u-Silben im Altböhmischen. .">!)< — z. B. Nom. sing, verny krzestan Pass. 435 und plur. krze- styene 375, d. i. kfesfan und krestene, ebenso wie meScan- und mescene, - - sondern auch in Betreff der weichen a-Silbe. Diese wird in strengen Handschriften nur ta-, nie tya- oder tia- geschrieben; z. B. bohobojuy krzestan Pass. 365, bycli nebyl krzestaneni 361, dobrych krzestanow 335, näsilnik krze- stanora 283, krzestani ze statka lüpiese 283, nad krzestany 286, kazdemu krziestanu Hrad. 92a, vsem krziestanom 73b, krzestanom Modi. 92a, nektere krzestany s sobü pojem Kat. 170, . . . näboznä krzestanka Pass. 372, za krzestanku se mä 347, jsüc krzestanku ustavienu Kat. 62, döstojnä krzestanka 136, . . . krzestanskeho kroje rücho Pass. 435, v krzestänskem zamüceni 364, krzestanska tela 332, z uobee krzestanske 376, od viery krzestanske 283, ke krzestanskey viere 372, vieru krzestansku 319, z knih krzestanskych 319, krzestanski se varuji adv. 366, krzestansku vieru Modi. 105b, cierkvi krzestanske 90a, viera krziestanska ZKlern. 136", krzestanske bydlo Kat. 64, . . . vseho krzestanstwie Pass. 370, . . . poce krzestanstwo u viere potvrzovati Pass. 299, mnozstvie krzestanstwa Kat. 64 u. s. w. 6. In der Sufnxsilbe der Stämme auf-«/!- asl. -qt~: sezenata fevüce Z'Wittb. 103, d. i. scenata asl. steneta, male sezenatko Hrad. 103b, d. i. sceiiätko, poradovalo se dyetatko Pass. 278, d. i. defätko, dyetatku pokrmu pfidada 338, s dyetatkem 339, tu dvu dyetatku 278, tve dietatko Hrad. 58a, sveho dietatka 68a, sveho diet*atka Kat. 54, dyetatko Modi. 144b, to dyetatko DalC. 21 u. s. w., — durchgehends unjotiert, ebenso wie robatka Pass. 464, rimskä knyezata 281, d. i. kuiezata, pfe- stante nebozatka 458, d. i. nebozätka, kurzatka Hrad. 81' u. a. 7. Ausserdem bestätigen unsere Regel auch noch folgende Beispiele: Ditti part. dal asl. dejalt: boh daj, bychom tez s niu dali, dwalili cius hospodina Hrad. ÖiJ'A, falls die Leseart däli ('und nicht däli) richtig ist; die Form verstösst gegen die Lautlehre, es wird umgelautetes dieli erwartet, vergl. by trhu v nedelju nedieli DalC. 32. Donaz, clonadz, dofiavadz, oduad.t u. ii. : donads nevze horsü vnadu AlxH. 2a, donads seepov neotfasü Jid. 71, donadz ta smrtelnä stfela nevyjme se z tveho tela x^.lx.S. 340, donadz nenajdu Hi-ad. 37a, donadz ho nepozuäs 501V, donadz se nesmiluje 20* 308 Genauer. ^Klem. 107a; donadz sü otmeny neprijeli DalC. 22, donadz dusö u mein tele Kat 100, . . . donaz nezahynu ZKlem. lla . . . donadz duse u mem tele Hrad. 123% . . . donawadz telo nepo- choväno Hrad. 22b, donawadz najdele sem ZKlem. 84a, . . . odnads prijidü do Thyrie Alx H. 1% odnadzto smy vyhnäni Pass. 321, nad tim mestem, odnadz urozenim biese 384, onadz (sie) byl vsel, tamez vznide Kat. 114. Komnata: v komnatu vnide Hrad. 61b, v komnatu DalC. 83(2), ta zlä komnatu vyrazista 26, do komnaty 63, pred kom- natu 98 (2), v komnatu DalV. 83 (2). Lundk: jako kiife pred lunakem Kat. 2. Nadra asl. jadro sinus: stfed nader tvych ZWittb. 73, krev po meciech v nadra teöiese a v nadrzyech jim zmi-zniese DalC. 74. Snatecek: neshromazdim snateezkow ZWittb. 17. Snatek: v snatku jesutnem ZWittb. 24, ot snatka zlobi- veho 63, v snatku jesutnem ZBrn. lb, v snateie velikem ZKlern. 14, nenavidel sem snatka zlostivycb 17a, u velikem snateie 29b, v snateiech podekujte hospodinu 50a, v snateie bohov 65a, v snateie svatych 70a, vzplanul ohen v snateie jicli 87a, v snateye ljudskera 89b7 ustavil eile snatkom 128% räd bych ucinil ten snatek Hrad. 15a, vesken snatek 15b, byva zde veliky snatek 17a, v Jeruzalemi na snatezye 71b, na kazdy snatek 108a, ertöv snatek 114% tvöj snatek Modi. 120% snatkow Pror. lb. Was Ausnahmen betrifft, so ist in ZWittb., ZKlem., Pass. (im älteren Theile), Modi., DalC, Kat. und in vielen anderen Handschriften keine einzige zu finden; in Hrad. nur im Reimpaare sedyal: powydial (sie) 122b an einer Stelle, die jünger ist als der übrige Codex; sonst sind mir hie und da einige nur in solchen späteren Handschriften vorgekommen, welche die Jotation auch bei den e-Silben nicht streng nehmen, z. B. jehoz biese wydyal ve sne AlxV. 158% d. i. vidal asl. videli), säm sem sedyal Pror. 64b, d. i. secfal asl. sedeli., Juda letyal eb. 3% d. i. letal asl. letelt, letyalo jest Babylon 15% oba sta letyala 95% feku rozwodnyaluv 49% d. i. rozvodnalü; krziestyanka Pass. 20 und krziestyanskey viery 19 (beides im jüngeren Theile des Pass.), ta zlä komnyatu vyrazista DalV. 26, do komnyaty 63, pred komnyatu 98 (2). Diese und solche Ueber die weichen u-, o- und //-Silin'!) im Altbölnnischen. oQu Abweichungen, die seit der zweiten Hälfte des XIV. Jahr- hunderts je weiter desto häufiger werden, bestätigen es, dass diese Silben weich gelautet haben, letal und nicht letal u. s. w., und sind Beweise — nicht einer vollzogenen Sprachverände- rung, letyal in Pror. 3a hat ebenso gelautet , wie letal in 2 Wittb. 117, nämlich lefal, sondern — einer neuen Recht- schreibung, deren Aufkommen mit dem Schicksal der weichen e-Silben zusammenhängt und also zu erklären ist: der alte lautliche Unterschied zwischen e und e wurde in der Schrift durch e und ie, ye bezeichnet, z. B. pro nezto zahanbenie, propter quod Pass. 297, d. i. pro nezto asl. ne-, und pro nyezto hfiechy, propter quos Modi. 93a, d. i. pro nezto asl. ne; hierin bedeutet das geschriebene n den Laut h, und ye den Laut e, also n-ye- = n-e-; mit der Zeit ging die Aussprache ne- ver- loren und das geschriebene nye- wurde ne ausgesprochen; war aber geschriebenes nye = he, so hat man ny- als eine den Laut n bezeichnende Buchstabenverbiudung aufgefasst und so lag es an der Hand, auch sonst ny-, dy-, ty- oder ni-, di-, ti- für n, d, t zu schreiben und überhaupt die Jotation zur schrift- lichen Andeutung der weichen Aussprache gewisser Consonan- ten zu verwenden: lefal geschrieben left/al, rozwodnaly geschr. rozwod/i?/aly, und ebenso oh/wvy geschr. oh>/?/owy (im Pass. vom ,T. 1379), stäse geschr. stas«e Kat. 14 und st&sye eb. 156, ze geschr. zie NRada 40, sfedrost geschr. ssftedrost 56 u. s. w. II. o, ö. Für die weichen o-Silben ist in den Handschriften die- selbe Regel zu linden, wie für die a-Silben, mit der Verein- fachung, dass es keinen altböhmischen Diphthongen io gegeben hat und dass demnach in der Schrift ein praejotiertes o (-io oder -yo) unberechtigt ist. Auch der Beweis soll hier in der- selben Weise wie bei den a-Silben durchgeführt werden. 1. Dat. Loc. sing, der ß- Stämme: ke kralowi Pass. 354, d. i. krälovi, unjotiert, ebenso wie otczowi Pass. 418, ciesa- rzowi 296, papezowi 325, merau towarzissowi 457. 2. Nom. Voc. plur. derselben Stämme: kdyz konowe mnozstvie vozov potrhli Pass. 484, d. i. koiiove, vsichni ohnowe 310 Gel' au p r. X potuchu Kat. 40, d. i. ohnove, vsickni kralowe Z Klein. 80b u. ö., unjotiert, ebenso wie biczowe eb. 24a u. a. 3. Gen. plur. derselben Stämme: kmen kralow slovütaych Pass. 328, d. i. krälpv u. ö., tech wieznow posilije 372, d. i. veziiöv, jeden z wieznow vece 390, zami'itil si hlavy sannow Z Klein. 57a, d. i. sanöv, zlue sannow 130% dievky tu konow podpechu Dal C. 13, d. i. konöv, mälo srssnow mnoho much zapüzie 44, d. i. srsiiöv, ebenso wie mych rzetyezow Pass. 393, sest miesieczow 344, p£t rityerzow 300, od muzow 299, towarzissow 425, kliczow 390 u. s. w. Für sannow, Z Klem. 57 a und 130a wird in Jungmann's Wörterbuch ein «-Stamm angenommen, sing. Nom. san Gen. sana, so dass nicht sanöv, sondern sanöv zu lesen wäre. Diese Annahme hat ihren Grund in der Meinung, dass weiches n in der Schrift durch ny- oder ni- hätte bezeichnet sein sollen; eine solche Schreibregel gilt zwar, wie oben gezeigt wurde, in den späteren Handschriften, in den älteren aber und namentlich für dieses Beispiel des Z Klem. gilt sie nicht. Mir ist es im Gegentheile wahrscheinlich, dass der Schreiber durch die Gemination nn die weiche Aussprache angedeutet habe, denn sonst wüsste ich nicht, was für einen Zweck die Doppelung hätte, und andererseits ist es bekannt, dass die altböhmischen Schreiber auch zu diesem Mittel ge- griffen haben, um die weiche Aussprache anzudeuten, z. B. ten jezto slova waazzyy Pror. 24a, d. i. van, naäwraft pocet sveho vlädanie CEvang. 22, d. i. navraf, uvefichu weenn eb. 34, d. i. ve-ft. 4. Dat. plur.: konom tvym Z Wittb. cant. Habak., d. i. konöm, sladka dasnom mym mluva tvä eb. 118, d. i. däsiiöm, cestu udinil si konom tvym ZKlem. 127b, jazyk möj pfidrzi se dasnom mym 14a (in einem späteren Psalter vom J. 1487 steht hier: k dasnium mym, Jungm. sub däsne), kako sladke su dasnom mym mluvy tve 102b, pfisvedni jazyk möj k dasnom mym 1 lo", wyeznom Pass. 54, d. i. veznöm, dfeve nez kuonö dospechu DalC. 13, d. i. kuonöm u. s. w., — unjotiert, wie in dem gleichen Falle in nasim penyezom Pass. 368, nyemczom Dal. C. 34, rityerzom Pass. 333 , ctyf em muzom 349 , d. i. muzöm, k svym towarzyssom 365. Für dasnom Z Wittb. und ZKlem. wird in Jungmann's Wörterbuch der im Slovakischen vorkommende hartstämmige Nominativ däsno supponiert, wohl i*i IYIht ,ii,> wi'irlicn »-, "- uml /. silbeu im Altböhmisclien ,'!1 aus dem gleichen Grunde, wie sa?i statt sau für den eben be- sprochenen Genitiv plur. sannow; der Grund ist aber irrig und für den gegenwärtigen Fall wenigstens nicht verlässlich, wo- gegen das im Psalter vom J. 1487 geschriebene k-dasnium für die weiche Aussprache dasuom spricht. 5. Vocativ sing, des ja-Stammes hdid: batlio, jäz tobe vzdy räd slüzu Dal H. 30, bato DalC. eb.; d. i. bäfo; bato, meho nechaj DalC. 28; jäz tu, bato, dobre vede 36, 53; bato, tfeba mi s tebu mluviti 63; bato, proc se druhem nekäzes eb.; bato, nemozes bez Nemcov byti, bef se, bato, na Ryn s nimi eb. 6. Im dialektischen Local der pronominalen Declination: v nomzto nebude chud Hrad. 115% d. i. v iiomzto statt v nemzto. 7. Im Infinitivstamme der VI. Classe: vecne kralowanyc Pass. 322 u. ö., d. i. kralovänie, rozkosnä vöne povetfie naplno- wasse Pass. 402, d. i. naplnoväse, ebenso wie potwrzowaty Pass. 299, mnozi se wraczowachu 312, aby ukrzyzowali 305, d. i. ukfizovali, v nüzi utyessowal 468, kfesfanskü vieru poce doliczowati 352, d. i. dolicovati, u. s. w. 8. In der Suffixsilbe anderer Stämme auf -ov-: na kralowem dvofe Pass. 329, d. i. krälovem, kräl skralowu 459, biese kralowna 353, obraz svate kralowny 324, nebeskeho kralowstwie 324 u. ö., do kralowstwa uebeskeho Modi. 2b, ty s' kralowna svych sluh 143b, ohnowj^mi fetezi Pass. 458, d. i. ohnovymi, ohnowata mluva L Gloss. 236, pec ohnowu Z Wittb. 20, uhle ohnowo 17, uhle ohnowe eb., ot obliöeje ohnowa 67, ohnowa mluva 118, ty si zetfel hlavy sannowe Z Klein. 57a, — durch- gehends unjotiert, ebenso wie hlava vmrlczowa Pass. 296, z cyesarzoweho rodu 323, ti jisti oraczowiczi kniezata jsü 3S7, d. i. oräöovici u. s. w. 9. In clonovadz und ponovndz: donowadz nezajde mesioc Z Klein. 54a, ponowadz si räcil däti Modi. 63:i, ponowadz ne- smiemy se ukäzati 151b u. ö. Es wurden also die weichen o-Silben — und zwar nicht nur die eben eigens betrachteten mit den Consonanten ii, d, f, l, sondern auch alle übrigen, also alle überhaupt - ohne instehende Praejotation geschrieben und ohne inlautende Prae- jotation ausgesprochen. Ausnahmen von dieser Regel gibt es so gut wie keine. In Z Wittb., Z Klein., Dal. C, Pass., Modi., Kat. und in vielen anderen Handschriften ist keine 312 G ebaner. einzige zu finden; Abweichungen aber, wie buogyowe im jün- geren Theile des Pass. 47, statt bojove, ohnyowymy retezi im Passionale vom J. 1379 statt des entsprechenden ohnowymi fetezi im ältesten Pass. 458, ratagyowe CEvang. 23, k rata- giom 23 st. ratajöm, ku plawisstvom 31 st. plavisföm u. ä. be- einträchtigen unsere Regel nicht im Mindesten , da sie aus Handschriften stammen, die schon starke Spuren der späteren (oben erklärten) Schreibweise an sich tragen und die Jotation oft zu einer bloss graphischen Andeutung der weichen Aus- sprache des Consonanten anwenden; auffallend sind mir nur zwei Ausnahmen in Hrad., die mit den in diesem Codex häufig vorkommenden Schwankungen zwischen o und e (ciesarovi — ciesafevi) zusammenhangen dürften: da to miesto nyemcziom, otkads jinym czuzozemcziom Hrad. 20 (neben nyemczom eb. 25a. 26b u. a.). Hier soll auch der Umstand zur Rede gebracht werden, dass die böhmische Sprache weiche o-Silben überhaupt besitzt, denn diese sind im Slavischen eigentlich eine Anomalie; statt ihrer kommen in der Regel e-Silben vor, deren e durch Assi- milation des ursprünglichen o entstanden ist. Vergl. asl. selo und morje, loze, lice, synove und zmijeve, togo und mojego u. s. w.: Miklosich, Altsloven. Lautlehre3 17. Diesen im Altslovenischen regelmässig auftretenden e-Silben entsprechen aber im Böh- mischen theils e-, theils o-Silben, letztere namentlich in Zu- sammensetzungen wie licomerny asl. licemen>ni>, und in den Verbindungen -ov, -om: Dat. Loc. sing, oräcovi, Dat. Instr. du. oräcoma, Nom. Voc. pl. oräcove, Gen. oräco'v, Dat. oräco'm, plavisföm (CEvang. 31), Loc. sing, v nom, ve vsom (dialek- tisch statt des grammatischen v nein, vsem), kralovati, krälo'v, krälova, krälovna, krälovstvie u. s. w. Auf die Frage, wie es denn komme, dass dem ursprüng- lichen (jjo im Altslovenischen e, im Böhmischen aber theils e, theils o entspricht, antwortet man, dass es auch im Böhmischen einstens nur assimilierte e-Silben gegeben habe, dass aber die Assimilation in gewissen Fällen mit der Zeit aufgehoben wurde und o-Silben neu eingeführt erscheinen. Die causa movens war hiebei die Analogie, die assimilierten Formen Nom. pl. krä- leve, Inf. krälevati u. ä. haben unter dem Einflüsse der analogen Ueber die weichen a-, o- und (/-Silben im Altböbmiscben. ,'i I ."> hartstämmigen o-Formen panove, panovati . . . ihr e aufge- geben und o angenommen. Zu dieser Antwort stimmt der Umstand, dass die gemeine Sprache in dieser Richtung weiter vorgeschritten ist, als die conservative Schriftsprache, indem man auch v iiom, ve vsotn, v com, Vysohrad u. ä. zu hören bekommt, und dass alte Sprach- denkmäler ziemlich oft eine weiche e-Silbe statt der späteren o-Silbe bieten. Aber das muss hiebei auffallen, dass in strengen Handschriften der Vocal dieser Silbe sehr selten e (k svym wogem AlxH. lb, d. i. vojem, Dat. plur.), in der Regel aber ie oder ye geschrieben erscheint. Ich finde dies am häufigsten in den Haudschriften Ilrad. und Modi, und lasse ihre Beispiele hier folgen. Sing. Dat. Loc: o diediczyewi slovenskem Hrad. 1% co chemy sdieti gieziusiewi 74% a kdyz biese giezissiewi jatu byti 75% gieziusiewi 90a, gieziussiewi 85b, iudassiewi 77% cziessa- rziewi 86b. Du. Dat. Instr. : mezi dvema zlodiegiema Hrad. 90a. Plur. Nom. Voc. : vsichni leycherziewe Hrad. 16b. Plur. Gen.: devet miessieeziew Hrad. 63% svych r'ytie- rziew 93% slechticziew mnoho 100% paterziew nerad peji 110% osmi krossiew 112% osm krossiew 113% siiatek zlodiegiew 114% zlodiegiew mnoho 115% oraeziew take neminu 114% padesät kolacziew 137% tech kolacziew 137a (2); — vsech zwolenczyew Modi. 37% myesyeczyew 59% wyeznyew nezprostil 119% do kragyew 128a. Plur. Dat.: to miesto dachu czuzozemcziem Hrad. 25% kakym czuzozemcziem 25% sv. Prokop tem nyemczyem poro- koväse 25% posle (misu) rytierziem svym 106b, ti zlodiegiem hotuji kliöe 115% aby koval konyem nezajimaje 132b, — otczyem svym Modi. 116% wyeznyem sprosczenye I28a, — at se zeny k svym mnziem navrätie Pass. 43 (jüngerer Th.), poviera zenciem CEvang. 12. Plur. Dat. : aby byl sladek naäim srdczyem Modi. lb. In der Suffixsilbe: gieziusiew uöennik Hrad. 84a (2), gieziusiewo telo 92b, gieziusiewa slova 85a, cziessarziewy milosti Hrad. 86b, cziessarziewy skodv eb., slovo oteziewo 47b, v kay- fassyewie dorne 74% sto kygiewych ran 100a ; pnyewie kopäse 5a; za skopcziewynu 135b; smutne utiessieAvasse 8% besy 314 Üebuuor. othonyewal 18b, jenz wzbranyewal 31b, bicziewali 52a, ukrzi- ziewati 83b, tancziewati 96b, öbän poöe se pobrziziewati 130b. Ein Beispiel mit blossem e ist in Hrad. und Modi, nicht zu finden, ausser krälevstvie; hiebei ist aber nicht ausser Acht zu lassen, dass die altböhm. Silbe le sowohl le als auch le vertritt (s. Sitzungsber. LXXXIX, 325). Im älteren, musterhaften Theile des Pass. kommen solche e-Formen nicht vor. Die Handschriften Hrad. und Modi, sind aber in Betreff der weichen e-Silben beinahe ebenso streng regelmässig, wie das Pass., ihr geschriebenes ie, ye darf nicht = e oder e, sondern muss = e oder ie gelesen werden, nicht ciesafevi, koile'm, srdcem, sondern ciesarevi, komem, srdciem u. s. w. Der Vocal dieser e-Silben ist aber nicht identisch mit dem durch Assimilation aus o entstandenen asl. und auch böhmischen e, srdcz?/em ist nicht = asl. snbdLcemi>, der Vocal ist ein anderer, als der, der in naseho, nasernu, nasem (abge- sehen von der Quantität) sich findet, und es fragt sich, wie diese Abweichung zu erklären ist. In einigen Fällen ist sie wohl durch Analogie verursacht worden. Z. B. im Dat. plur. koniem und srdciem, aby koval konyem nezajimaje Hrad. 132b und aby byl sladek nasim srdczyem Modi. lb; diese Formen haben einst konem, srdce'm (die Länge mag in Hinblick auf hadom, komm ... als wahr- scheinlich angenommen werden) gelautet, mit e und nicht mit ie, ebenso wie der Gen. sing, nasßho neben toho und das asl.- konjemt, d. i. konemi, und sri>d&cemr& e und nicht e u. s. w. bieten; daneben bestand aber der Dat. plur. hfebi'em (asl. -ijemi.), sboziem (asl. -ijemi>), paniem (asl. -ijamt); unter dem Einflüsse dieser Dativformen haben dann auch die p- und jo- Stämme die Endung -iem angenommen, was um so leichter geschehen konnte, da die gehörige Endung -em durch das Schwanken der Sprache (konem — konom) nicht genug fest sass. — Auf dieselbe Weise kann auch der Dat. Instr. du., rnezi dvema zlodiegiema Hrad. 90a, d. i. zlodejerna statt zlo- dejema erklärt werden. — Die a-Stämme haben im Slavischen überhaupt die Declination der übrigen Stämme sehr beeinflusst: russ. rabami), rabachi, rabami, selami, selachi., selami, kostjami, kostjachi., kostjami, imenami., imenach^; imenami, pol. chlopach, chlopami, nböhm. dial. pänama, oknama u. s. w., die Entstehung TJeber die weichen a , o- and »-Silben im Altböhmischen. 315 der abweichenden Formen koniem, zlodejenia nach dem Vor- bilde der y«-Formen dusiem, dusema stände nicht beispiel- los da. Schwieriger ist die Erklärung- des e in den Fällen, wo ein Vorbild zur Nachahmung und Anlass zur Abweichung von der Regelmässigkeit nicht vorlag, z. B. Dat. sing. ciesarevi statt ciesafevi, Nom. plur. lejchefeve statt lejchefeve u. s. \v. Sicherlich haben aber auch hier die Schwankungen der Sprache (ciesafevi — ciesarovi) das Aufkommen des unrogelmässigen e (ciesafevi) erleichtert. III. u, ü, ju, in. Zum Behufe der Untersuchung der weichen w-Silben schicke ich eine kleine Sammlung von Beispielen voraus und bemerke zu ihr Folgendes: 1. Für die weichen e-Silben hat ein einziges Denkmal, das Pass., zum Nachweis einer allgemein geltenden Regel ge- nügt, für die weichen ?(-Silben mussten recht viele untersucht werden (darunter namentlich beinahe und nach Möglichkeit alle die, in denen die Assimilation u-i den neuböhmischen Grad noch nicht erreicht hat). Der Grund liegt in der ver- schiedenen Natur der beiden Regeln: die Regel der weichen e-Silben ist eine etymologische Consequenz, die der weichen «-Silben ist die Geschichte von zur Regel gewordenen Ab- weichungen und Veränderungen. Es ist nicht möglich, aus Einem Sprachdenkmale durch eine Statistik der Belege eine allgemein geltende zt-Regel zu finden; folglich war es geboten, sollte für die vorzunehmende Erforschung einer solchen Regel hinreichendes Material gewonnen werden, möglichst viele Denk- mäler zu untersuchen. Hiedurch möge auch die Menge der Beispiele gerechtfertigt erscheinen. 2. Die Beispiele sind insgesammt aus Denkmälern ge- nommen, die die in Betreff der weichen e-, a- und o-Silben geltende Regel entweder genau befolgen oder wenigstens in dem Sinne beobachten, dass sie die Jotation nicht als bloss graphisches Zeichen zur Andeutung der weichen Aussprache eines Consonanten anwenden, also aus Denkmälern, von denen 316 Gebauer. zu hoffen ist, dass sie auch in der Schreibung der weichen ^-Silben nicht willkürlich sind, sondern sich nach irgend einer berechtigten Regel richten. 3. Aus Pass., Modi., Boh. und aus den Fragmenten AlxH., DalH. und Dal ETr. sind (einige Wiederholungen ab- gerechnet) alle Belege in die Sammlung aufgenommen, die sich vorfinden; aus ZWittb., ZKlem., DalC. und Hrad. ist die Auswahl von Beispielen eine solche, dass sie ihre Gesammt- heit vertritt und alle Fälle berücksichtigt. Letzteres könnte, glaube ich, allgemein von der ganzen Sammlung gesagt werden und ich erwähne es, um nicht immer und wiederum bemerken zu müssen, dass es ausser den angeführten Bei- spielen eines Denkmals in demselben auch noch andere oder noch viele andere gibt. 4. Die Belege sind übersichtshalber nicht nur nach gram- matischen Kategorien, sondern auch nach den Consonanten der weichen w-Silbe (m} b, p, v, z, s, c, z, s, c, r, l, ü, d, t, j) geordnet. — 1. Declination der jVStämme. Sing. Dat. Loc. m: k iherusalemiu Jid. 33; — z: kto da zdravie wityeziu Z Klem. 8a, memu knyezyu Dal. C. 21 . . . neben: proti knhiezu DalH. 42, päni se knhiezu pokofichu 31, knhiezu 31, 42; c: rovny otczyu ZWittb. Äthan., na stolczyu 106, modliti se ritciu ZKlem. 87a, ci se stalo gda dyedycziu AlxBM. 2b, miezziecziu se uda vzniti 2b, tworcziu svemu An S., na svem stolczyu Dal C. 29 . . . neben : wtanczu in choro ZGloss. 250, dci otczu otpovede Dal Hr. 9, eine otezu zalosf Mast. 5a, bohu otczu Hrad. 92a; — z: muziu vidüciemu ZKlem. 84b, na krsiziu 145a, estnemu musiu AlxBM. 2aLchtela muzyu se posmievati DalC. 20, rozpat na krsisiu Ap. S. 333, nakrzizyu Jif. 35; — s: u boze iezyussiu mem ZKlem. 127, . . . neben: v kossu ZWittb. 80; — c: u meezyu Z Wittb. 78, v meeziu svem ZKlem. 32a, bylo by nelze oraezyu chleba kupovati DalC. 5 . . . neben: k metzu d. i. mecu AlxB. 79; — v zaltarzyu pejte jemu ZWittb. 32, wsaltarsiu ZKlem. 21b, komorniky zaltarzyu zucil biese DalC. 27, k ciesarzyu 58, na orzyu 21, pfi hlüpem zwiersiu ApD. 104 . . . neben: südem obdrzal na fararzu Boh. 350; I: v spasitelyu ZWittb. 12, v spasytelyu 20, spassiteliu nasemu ZKlem. 76a, wisraheliu L'eber die weichen a-, o- und rj-Silben im Altböhmisohen. 317 64b, kraliu svemu AlxB. 80, Svatopluk da s6 kralyu poznati Dal C. 24, o kralyu Väclavovi 83, k czylyu sipy stfieleti 34 . . . neben kralu svemu Z Wittb, cant. Annae, v spasitelu eb. 105, aby kazdy svemu czylu sluzil Boh. 340; — n: dal zbozie jich ohnyu Z Wittb. 78, v stynyu smrtedlnem 87, v stieniu kridlü tvu Z Klein. 41b, v stienyu smrti 131a, poddal jmenie jich ohnyu 61b, k svemu konyu Dal C. 54, po konyu 21; — j : ku pokoyu Z Wittb. 121, na pokoyu 35, ku boyu 17, u boyu 23, obli- cziegiu tvemu ZKlem. 9b, ku bogiu lll>, u pokogiu 2b, po kra- giu sveta 12a, u pokoyu vstanes Pass. 337, v takem kroyu 411, v Dunayu utopen 484, v tom boyu 484, k boyu Alx. H. lb, kdyz se" bylo boyu sniti AlxB. 79, k bogyu DalC. 13, u bogyu 10, v hagyu 11, pfi nepocogiu Ap D. 105. Sing. Voc. s: svaty Thomassiu ZKlem. 137b . . . neben blahajte ananyassu, azariassu hospodinu ZW'ittb. cant. puer., towarzysu pfemudrujes se Boh. 342; — r: vstan zaltarzyu Z Wittb. 56, 107, svaty Rzehorziu ZKlem. 137b, dobry rytyerzyu Dal. C. 44 . . . neben: dobry pastirzu Sequ. 362; — l: boze möj kralyu Z Wittb. 144, boze spasytelyu näs 64, pomocniku a wykupiteliu möj 18, boze möj kraliu ZKlem. 119*, boze spassiteliu näs 63a, wikupytelyu möj 12b, kralyu inilv AlxBM. 2a, kralyu rac slyseti DalC. 48, kralyu chces mne poslüchati Jif. 35 . . . neben: zaslonitelu möj Z Wittb. 58, boze spasitelu näs 78, andelsky kralu Mast. 4a; — j: nevgrny zlodyeyu Jid. 137. Dual. Gen. Loc. z : ze dvü penyezyu Dal C. 76. 2. Declination der ^/ö-Stämme. Sing. Dat. Loc. f: k svatemu Gyurzyu DalC. 32. 3. Declination der ^'o-Stämme. Sing. Dat. Loc. b: vzdvihna k nebyu ruku nn'i Z Wittb. cant. Deuter., na nebyu 118, wnebiu stolice jeho ZKlem. 6a, na nebiu 95*; — c: v sirdczyu Z Wittb. 39, v srdciu svem ZKlem. 6a, v slunciu 12a, zzluncziu (se uda) sniti AlxB. M. 2b, v srydczyu LA1. 421, v zzyrdcziu Pil., v smutnem licziu AlxBM. 2b, po jeho licziu Ap.S. 334 . . . neben: fekli v sirdczu svem Z Wittb. 73, zirdczu svemu AlxH 2b, v zirdczu eb., po tvem lyczu Mast; 6a, nemoc v liczu Hrad. 143a; — ^ S: by byli lepssiu chtiece AlxB. 90;— c: v lucziscziu mein ZKlem. 32a; — r-: u morzyu Z Wittb. 88, na morziu ZKlem. 71a . . . 318 Genauer. neben: u morzu cesta tvä ZWittb. 76; — l: na polyu eb. 77 und na polu ZGloss. 242 (dieselbe Stelle); — t': v nasadistiu ZKlem. 56b, na bogystyu Dal C. 74. Dual. Gen. Loc. c: na pleciu svu ZKlem. 128b. 4. Declination der t/o-Stärnme. Sing. Dat. Loc. b: u wyrbyu in salicibus ZGloss. 239; — v: u bohatstwyu jeho ZWittb. 36; u mnozstwyu pokoje 36, u mnozstwyu 48, na vstawiczenstwyu 103, v zebraczstwyu 106, prawedlenstwyu tvemu 118, k swiedeczstwyu tvemu 118, k lakomstwyu 118, v zdrawiu tvem ZKlem. 12b, u mnostwiu sbozi svych 35b, tomu kralowstwiu Hrad. 63a, v tom czlowiecz- stwiu 57a, kralowstwyu nebeskemu DalC. 30, v nabozenstwyu 36 . . . neben: prawedlenstwu tvemu ZWittb. 118, v obistwu 77, ve mnozstwu 68, ku kralowstw nebeskemu DalH. 30; diese letzteren Beispiele können aber auch o-Stämme sein, sing. Nom. -stvo; — z: tvemu zbosiu AlxB. 87, poygho zzbosiu, d. i. po j'ho (jeho) sboziu Pil., v. zzbosiu Jid. 126, o sbozyu DalC. 18; — c: v tom hussczyu DalC. 24; — r: na perzyu vötrovem ZWittb. 17, u powietrsiu ZKlem. 108a; — l: u weselyu ZWittb. 44, u wesselyu 125, v usylyu 72, u podolyu 103, u weseliu ZKlem. 34a, v usilyu ljudskem 55a; — h: k giedenyu Z Wittb. 58, k giedeniu 78, wpokolenyu 77, v obraczenyu 125, ve wzdi- chanyu mem ZKlern. 3a, v uzdrawenyu 7a, po przirozenyu AlxH. 2a, ke branyu AlxB. 79, v czielowanyu ApS. 331, u boziem ulozenyu Hrad. 62b, skonczyenyu takemu DalC. 18, po trubenyu 34, k swazanyu ZGloss. 254 u. s. w. in überaus zahlreichen Beispielen; dagegen: v swieczenu ohiiem, d. i. svecenü ZWittb. 77, v zamuczenu 94, k radowanu 105, k chwalenu 118, hrad na ztracenhu biese DalH. 39, kskonczienhu 41, na skoncienu ZGloss. 255, ku posluchanu ad audiendum 243; — d: u milosirdyu tvem ZWittb. 118 und cant. Moys., u bezwodyu 105, u milosrdiu ZKlem. 74b; — t: k bytyu ZWittb. cant. Deuter., na bezczistyu, d. i. bezcestiu 62, u bezcziestyu 106, k jehoz przistyu, d. i. pfistiu Äthan., wystyu d. i. u-vy stiu in excessu 67, 143, wystiu 113, u wistyu 104, v za- hinutyu ZKlem. 5a, ku prolitiu krvi 7b, przistiu jejie se raduje Hrad. 65b, Vlasta jim da w pityu smieru DalHr. .9 . . . neben: k zabitu occisionis ZGloss. 251. üeber die weichen «-, o- Und «-Silben im AltbÖumischen. 319 5. Declination der ^"a-Stämme. Sing. Acc. m; kirmyu chlebovü £ Wittb. 52, dal si kir- myu 73, vsicku kirmyu 106, jenz davä kirmyu 146, v dodinu pfijmu zemyu 36, aby ujal zemyu 46, ve vsju zemiu ZKlem. 12a, vsjucku krmiu 89% v tuze zemiu Jid. 34, padl na zemyu LA1. 421, vsucku zemiv südiese Dal Hr. 3, nasu zemiv zena südi eb., zäkovstvo v zemyu navräti DalC. 27 . . . neben: oni obdirzye zemu ZWittb. 36, zalozil jsi zemu 118 (in ZWittb. ist die unjotierte Accusativendung -rau nur in diesen zwei Fällen vorhanden), pod zemu sniti AlxBM. 2b, ciesaf zemu v dan porobi DalH. 31, padech na zemu Boh. 340, az pade na zemu eb.; — z: mezyu si polozil ZWittb. 103, polozil si twirzyu 88, v pustotu a v zieziu ZKlem. 90a . . . neben: vdovu a przichozu zabili Z Wittb. 95, v ziezu in sitim 106, mezu v termmum ZGloss. 246, o mezu dva se svadista Dal Hr. 3; — c: vedes owczyu ZWittb. 79, vzvysil jsi prawyczyu 88, stoliciu svu ZKlem. 5a, v studniciu 41a, kto da studnyczyu LA1. 423, na onu studnyczyu DalC. 19, na hubczyu ljuda moravskeho 46, polozichu trubyczyu 13, na tute- stolyczyu Mast. la . . . neben: tagemnyczu svü Z Klein. 10a (ausser diesem Beispiele hat der ZKlem. im Accusativ der ja-Stämme immer jotiertes u), jednu zemiezu AlxH. la, jakzto kadezu maje hlavu AlxB. 84, necheu tebe za sudezu jmieti Dal Hr. 3, podlazniy tu swyetlnyczu cihlami Boh. 348, svü zenu holyczu Mast. la, za jednu hnylyczu 6b; — z: ostavil sein iistöm inyra strazyu ZWittb. 38, v strazyu 78, zprostfev kozyu 103, ulozil sem üstom myra straziu ZKlem. 28 a, vizju strazyu sveho L AI. 422, ze strazyu meli DalC. 36, jako rozyu 89; — s: pokoriech dussyu mü Z Wittb. 34, boh vyküpi dussyu inti 48, cziessyu spasenie pfijmu 115, za wzwyssyu a za hfiech 39, na wyssyu mü cant. Habak., vyprav dussiu mü ZKlem. 3a, dussiu pustiv Jid. 104, dal dussiu bohu Ap. S. 333, svatü mssiu pöti 331, dokonöav tu mssiu eb., mssyu chtiese slüziti Pass. 453, mssyu eta eb. (u ist zur Hälfte ausradiert), zena dussyu befe DalC. 20, svü dussyu 30, mssyu svü slüziese 23," tu czyessyu on mieniese 30 . . . neben: dussu mü ZWittb. 68, zprosti dussu svü 88, svü dusu u bozi ruce porüciese DalH. 30, svatu dusu s telem rozdelichu 30, tu cziesu 30 (2), kdyz pfed lubussu pfijidu Dal. Hr. 3; — c; pfivedl je u pusezyu ZWittb. 77, 320 Gebauer jdiese inimo pusczyu 67, na pusczyu 94, pechziu bych jmela AnS., u pusschziu eb., chcmy o tobe peczyu mieti Pass. 284, o pokoji peczyu inejiese DalC. 58 . . . neben: pfes pusczu ZWittb. 138 (sonst immer -czyu), pfes puszczu ZGloss. 245, majüc pechzu o komofe AlxH. lb, jmä petzu AlxB. 79, kazdy- jmej peczu o sobe Dal Hr. 9, mej na nie peczu Boh. 343; — f: ty jsi stvofil zorzyu ZWittb. 73, ustavil burziu jich ZKlem. 89b, pro bursiu Ap.S. 333 . . . neben: kakü mäs przu Boh. 349, mäs dobrü przu 353; — l: vsicku posteliu jeho ZWittb. 40, abych videl wolyu hospodinovu 26, u wolyu 20, wolyu ucini 144, posteliu mü ZKlem. 3% abych videl woliu boziu 17b, woliu maje Pilv zpominas na onu chwiliu Jid. 165, na tu chwiliu Ap.S. 334, v nedyeliu 330, by trhu v nedyelyu nedieli DalC. 32, svatü nedyelyu ctiti Jif. 35 . . . neben: v chwielu AlxH. 2a; — h: jäz oblaöiech se v zinyu ZKlem. 24a, maje zztrsiepnyu Jid. 57, drahü wonyu Hrad. 46b, nyemkynyu za zenu mieti DalC. 41 . . . neben: opirznyl ysy swatynu jeho ZWittb. 88, ustavil swatynu svü 77, swatynu bozi 88 (niemals jotiert), inhed ju za knhienhu poje DalH. 41, suknu tunicam Boh. 355; — f: vyvedl je na pustiu ZKlem. 86b, skrze pustyu 112b; — j: nadiej^yu svü ZWittb. 77, nadiegiu mü ZKlem. 56a, nadieg-iu svü 59b, mohlo tu byti v rsiugiu Pil., stagyu inievächu DalC. 11, tepiechu jej v sygyu jeho L AI. 423; budu jmieti uadiegu ZWittb. 70, mel nadiegu LA1. 421; jmel nadieyu ZWittb. 51, jmiechu nadieyu eb. cant. Deuter. Sing. Instr. m: nad zemiu ZKlem. 6b, nad nebem i zemyu 122a, svü zemyu DalC. 10; c: plakänim hi tsschzicziu ApS. 334, Durink defätku bradatyczyu hlavu ste DalC. 21; - s; pfed swietlonossiu urodil sein te ZKlem. 93a, smiluj se nad nie panie dussyu Pass. 339; — l: tof jest jeho woliu bylo Hrad. 57b, s wolyu DalC. 95; — ä: vlädneme swatinyu boziu ZKlem. 66a; • - j: s pfevelikü zbroyu AlxH. 2a, aby vypsäny byly (feci) v knihäch ratigyu zeleznü ZKlem. I45a. Dual. Gen. Loc. I: vse po najü wolu bude Mast. 2b. 6. Declination der t/a-Stämme. Sing. Acc. r: pro bratrsiu mü ZKlem. 107% bratrsiu i sestry nase I40a, na bratrzyu DalC. 36, bratrzyu poznali 15; — h: tu panyu mniec näboznicku Hrad. 103b. Ueber die weichen »-. o- und «-Silben im Altböhmischen, 321 7. DeclinatioD der '.-Stumme. Sing. Instr. v: opoju stfely nie krwyu ZKlem. 130'', svü krwiu ApS. 332; c: myslil jsem noczyu Z Wittb. 70, fcj vladnes moczyu morskü 88, opasali se moczyu cant. Annae, mociu morskü ZKJem. 70a, se v§iu mociu 112b, vsiu wieeziü Jid. 09, svü wietziu AlxB. 86, jeho pomoczin ApS. 333, moczyu diablovü ITrad. 103b, moczyu Dal C. 9 . . . neben: opasän moczu ZWittb. 64, s moczu cum potentia 88, moczu Z Gloss. (Psalm 88), vSü wieezu AlxH. la, vsu moczu lb, dnem i noczu 2b, uinfel nahli'i smezezu Boh. 349 (so statt smrcü, wo c dialektisch für t') ; — c: rzieczyu nenavistivü obklicili mh ZWittb. 108, tu rsiechziu AnS. . . . neben: rzeezu sermonibus Z Gloss. 249, tato me uzdravila svü rzeezu Boh. 340, kterü rzeezu 343, rzeezu 348; — r: krasny twarzyu nad syny elove- eimi ZWittb. 44, nad materzyu svü 130, twarzyu biese tak nebeskü L AI. 423 (kann auch als Gen. du. aufgefasst werden), dei matersiu jest neskryta AlxB. 88; — l: myslyu sveho srdc£, rozpräsil pysne mysliu ZKlem. 133b, myzzliü jinamo chylil Jid. 150, ana mysliu vzdy pri tobe Hrad. 41b . . . neben: zblüdi se myzlu AlxH. 2a, —- n: s piesnyu ZWittb. G8, se tfesiechu baznyu ZKlem. 8a . . . neben: pred sienhu sve klejnoty besta schovala DalH. 39; — d: s synoma a s czele- dyu Pass. 292; — f: obklicil si me radostyu Z Wittb. 29, tukem a tucznostyu G2, nelytustyu svü 72, s nahlostyu 77, nenawistyu nenavidel jsem jich 138, czstiu koronoval si jej ZKlem. 4b, nenawistyu zlostnü IG1', s velikü zadostyu Pass. 415, pred svü zzmyrtyiu ApS. 333, s velikü chzctyu eb., poztatyu AlxBM. la, s miloztyu eb., chutoztyu AlxB. 85, smrtiu tvrdü Hrad. 51b, milostiu 40a, tu mastyu Mast. 3b, svü mylostyu Jir. •'!.">. pyetyu pramenöv bude kvisti DalC. G, ktoz sü byli vinni tu smrtyu 30, s velikü cztyu 29, lstyu 11, zalostyu 15. Dual. Gen. Loc. s: v sluchu usiu posliichal mne ZKlem. llb, ze vssyu nejmejiese DalC. 20; — c: v oeziu nasiu ZWittb. 117, v obezfeniu oeziu jeho ZKlem. 10b, v nasiu oeziu 97b, oczyu mü LAl. 422, nemoc v oeziu Hrad. 1 !■"> . 8. Declination des Pronomen personale. Dual. Gen. Loc. j: nayu vina jest velika AlxBM. la, nauc nayu Pass. 3G2, vse po nayu wolu bude Mast. 2b. Sitzungsher. d. phil.-hist. 01. XCIII. Bd. II. Hft. -'I 322 Gebauer. 9. Pronominale Declination. Sing. Acc. fem. s: chei väm noc syu Jezise jieti Hracl. 78b; — s: na hlavu nassyu ZWittb. 65, ve wssyu zemi vsel zwuk jich 18, nade wssyu zemju 46, nade wssyu zemi 56, nade wssyu chvälu 70, ve wssiu zemju Z Klein. 12a, wsiuczknu postelju 30a, tys nassyu prosbu potupil Pass. 453 (das u in nassyu ist zum Theil ausradiert), na nassiu cesf AlxBM. 2a, wssiu hrözu la, wssiu noc 2% wssiu moc AlxB 88, pro wassiu cesf 79, wssyuchnu podob jmel anjelskü L AI. 423, wssyu zemju DalC. 7, wassyu biedu 19 . . . neben: v tu wssu vlast AlxH. 1% wsuczku (öiosu) DalH. 30, wsuczku zemju sudiese Dal Hr. 3, nassu zemju zena südi 3; — ü: upadli sü v niu ZKlem. 42a, pro nyuz (vec) Hrad. 40a, na nyu (Ludmilu) Dal C. 26 . . . neben: upadl v im (jamu) AlxH. 2b, radejie v nu (sinrf) upadnu AlxBM. lb, kniezata se za nhu (ciesafovnu) pfimlu- vichu DalH. 39, pusfte vodu na nu (na h'iku) Boh. 354; — j: na eeste, yuz vyvolil ZWittb. 21, yuz (sif) skryl 34, duse, yuz si vyküpil 70, reo moyu Alx B M. la, boli yu zzyrdcze Jid. 153, &e yu kazal rozfezati ApD. 104, yusto (zradu) skutil ApÖ. 331, obdirzie yu acquirent eam ZGloss. 235, iuhed iu za knienu poje DalH. 41, kaza yu v zaläf vsaditi Pass. 319, kaza yu obnaziti 322, jizto by yu vzyvali eb. . . . zapojil jsi gyn ZWitlh. i>4, tys swirchowal gyn perfecisti eam (!7, gyu 68, by giu otnesli Z Klein. 3()a, popadni gyu 3b, v jämu, giuzto jest ucinil 4a, obuv mogiu 44 , giuzto (piesii) jest slozila Hrad. lili1', aby gyu zadavila (Ludmilu) DalC. 25. Sing. Instr. fem. s: se wsiu mociu ZKlem. 112b, vlada wssiü komorü Jid. 5G, wssiü veciu G9, wssiu postatiu AlxBM. la, wsyu trojici Hrad. 63a, jemuz byti wassyu hospodu DalC. 4 . . . neben: wssu mocu AlxH. lb, wssu vecü la; — n: jenz se s nyu stiece Pil., s nyu byti Hrad. 48b, s nyu DalC. 13 . . . neben: aby pod nu horkost stydla AlxH. I1' (pod orlici); — j: öesf, giuz se st}7die Hrad. 97a, bych gyu fpilu) vse zeleza ldmal 131 \ Dual. Gen. Loc. §: diela ruku nassyu ZWittb. 89, v ociu nassyu 117, dielo ruku nassiu ZKlem. 73a, v nassiu ociu 97b; — n: z nyus (feky a potoka) m&stojmene dobylo Pil., ot nyuz (ruku) Hrad. 41 a . . . neben- clovöky oba bohatä, v nus se lieber ilio weichen »-, o- and u-Silben im Miböhmiscken. 323 sta velikä zträta AlxB. 83; — j: slovem ieyü Pil., na geyu obü ramenü Pass. 337, Lubuse je so iu süditi Dal Hr. 3 . . . Libuse je se gyn süditi DalC. 3, kazdy gyn ITrad. 61 b, gegiu sik AlxB. 83. 10. Zusammengesetzte Declination (mit Einschluss (\<-v jenigen Adjectiva, die aus der yVDeclination herübergenom- men sind). Sing. Aec. fem. s: psu müchu Z Gloss. 244; — c: obSt hlassonossiuciu ZKlem. 17b; — z: chvalu boziu £ Klein. 12% na horu boziu 15% bosiu chvalu svD. 56; — §: krev näsle- chetnyeissiu ZKlem. 128b, naykrassyu ladu DalC. 13 . . . neben: horssu vnadu AlxH. 2a: — l: mejiese cesf welyu DalC. 72; — n: polnucznyu stranu ZWittb. 88, pozzlednyu radu ApS. 331, uzrev zornyu hvezdu AlxBM. la. Sing. Instr. fem. z: vlädneme svatyniu boziu ZKlem. G6a; — s: s lepssiu pficinü AlxBM. I1'. Dual. Gen. Loc. <■: diela rukü ezlowieeziu ZKlem. 95a. 11. In der Endung der 1. Pers. sing. I, 7. j: jaz znayu ZWittb. 50, wzpieyu 56, kak vy znayu AlxBM. lb, tohof znayu Pass. 325, znayu se v tom 4G7, j.'if znayu 352, hospodina'na se se hnevajice neczyyu 465, ja znayu (n ausradiert) 452, . . . skrygyu oblieej möj ZWittb. cant. Deuter., umygiu ruce moji ZKlem. 17a, hofem neczugyu sebe Mast. 41' . . .; zusammengezogen: jaz zabyu ZWittb. cant. Deuter., ja zabyu a ja ziva uczynyu ZKlem. 130b, wiliu modlitvu mü 117a, nepotupi ani zabyu jazyka sveho DalC. 63, d. i. zabiu, vyliu; die Länge der zweiten Silbe ist als eine Folge der Zusammenziehung zu gewärtigen und ebenso berech- tigt, wie in den übrigen Personen, z. B. ty nie zabyess Pror. 88b, nezabyemy tebe 89a, dokad nezabiete Pass. 273 u. ä., wo sie durch die später eingetretene Verengung (zab/s setzt langes zab?'es voraus) bestätigt wird. III, 1. j: donudz nezemdlegyu ZWittb. 57. urozumyegiu ZKlem. 55b, ufaje neomdlegiu 17a, ... ae zlacznieyu 2Wittb. 49, zemdleyu i zabynu ZKlem. 4b. III, 2. p: nasil (sie) trpyu ZWittb. cant. Ezech., näsile trpiu ZKlem. 124a; — z: nezastyzyu se ZWittb. 34, jehoä se rt'-ci nezzthyziu AlxBM. 2a, juz to wiziu eb., <'<>/. viziu Pil., 21« 324 Gebauor. z' newiziu AnS., juz vyzyu LA1. 422, juz wyzyu DalC. 21, . . . neben: wyzuth syna Mast. 4% jakz ce wyzu Bok. 353; — c: chcziu privesti Jid. 43, chcziu tomu ApD. 1047 ze je chczyu vzkriesiti Jir. 35, chczyu se biti DalC. 18 . . . neben: tu smrf chczu pfijieti DalH. 30, radeji se chczu smieti 41, nechczu ziva byti 39, nechczu tebe za sx'idcu jniieti Dal Hr. 3, jaz nechczu inluviti 3, chczu f toho häjiti Hrad. 104a, chczu tvöj byti Mast. la, chczu reci 5a; — z: jaz byezu Mast la; — s: uslissiu jej ZKlem. 74a, zzlyssiu Pil., jakz slyssiu AlxßM. lb . . . neben: zlyssu AlxH. la; c: mylchziu o jinem Pil., krzyczyu LA1. 424; - - r: nevzrzyu cloveka Z Wittb. cant. Ezech., urzsiu nebesa Z Klein. 4b, kdyz prozrsiu 98a, vzrzyu syna LA1. 422; — d: boze k tobe bdyu ad te vigilo ZKlem. 45b (statt bzju, das assimiliert im Pass. zu finden ist: ez se hfiesna pobzy 451); — j: jehoz se boyu Z Wittb. 2G, proc se wzboyu 49, snad toho nedoztoyu AlxBM. la, boiv se zleho DalHr. 8, jaf stoyu Pass. 276, ja jenz tuto stoyu 458, proto se smrti boyu 310, velmi se boyu 359, . . . nezbogiu se jeho ZKlem. 15b, kdez jaz stogyu Mast. 4a, ted pred tobü stogyu Jir. 35. IV. b: sliubiu se bohu ZKlem. 52a, chvaliti budu a vzbel- biu (sie) 52a; — p: jaz potupyu nepfätely me Z Wittb. 117, prsiestupiu zecT ZKlem. lla, uchopiu lla; — v: wyprawyu Z Wittb. 54, ja zgiewiu se ZKlem. 9b, wslawiu jmeni tvumu 4b, ja ustawiu 71a, postawyu aediiieabo ZGloss. 243, tohoz se nezbawiu ApD. 105, co vem prawiu 105, eoz se neopraw in, v tom se sve esti zbawiu AlxBM. 2b, jaz te zbawyu zivota tveho DalC. 40, eoz prawyu Mast. lb, . . . neben: jaz te zbaw (w = vu) zivota tveho DalH. 40; — z: proö smuten chozyu Z Wittb. 42, ani uskozyu nocebo 88, wzbuzyu cant. Deuter., af so prochlazyu 38, proc smuten choziu ZKlem. 31b, nepostiziu se 20b, shlaziu je ll1', utwrziu 21'', razyu DalC. 10, jaz se hozyu Mast. la . . . neben: possazu ponam Z Wittb. 131, posazu ZGloss. 243, af se prochlazu eb. Psalm 38, razu Hrad. 126% jaz chozu Mast. 4a; — c: obeti, jez wraezyu Z Wittb. 55, wraezyu tobe 65, bell jeho obraezyu 88, otplaczyu jim 40, sljuby me nawraciu ZKlem. 141', obraciu se lla, nasiciu se 9b, oplacziu 3b . . . neben: sluby me wraezu Z Wittb. 115, obraezu 67 (2), nebo se muezu 68, öso zaplaczu 115, wraezu pomstu mü a otplaczu cant. Deuter., kyjeni v tobe kosti zmlaczu nebo te Ueber die weichen «-. o- uml «-Silben im AHböhmischen. 321 » prewraczu Mast. 6b ; — z: jaz przylozyu ZWittb. 70, uloziu rady v dusi ZKlem. 7a, poloziu 71a, jme mu zzlosiu Pil., jäzt so blisiu ApS. 333, jaz tobe sluzyu DalC. 30 . . . neben: newi- stiezu se non emigrabo ZWittb. 61, donudz nepolozu 109, obnazu evaginabo ZGloss. 234, jaz tobe räd sluzu takto ti posluzu DalH. 30; — s: uslys modlitvu mii kdyz prossyu ZWittb. 63, u boha meho wzprossyu 29, milosrdie mclio nerozprassyu 88, jaz wzwyssyu mylosirdye tve 58, ohlassyu divy tve 70, prossyu tebe hospodine ZKlem. 143a, powissiu tebe 19a, prossiu ApS. 333, musiu feci ApD. 104, pro nezto väs prossyu Pass. 331, prossyu tebe Mast. 41', zalovati musyu LA1. 421, juz mussyu viseti DalC. 21; — c: popy jeho zoblaczyu spasenim ZWittb. 131, zprosczyu te 49 (Infin. zpro- stiti, also eigentlich zproscju, aber sc g-clit in solchen Fällen schon im Altböhinischen in sc über), obkliucziu oltäf tvoj ZKlem. 17a, naucziu vy 23a, jaz te uleczyu Mast. 5a, . . . neben: zuby zviefecie upusczu v ne ZWittb. cant. Deuter. (Int*, upustiti); — r: podole rozmierziu ZKlem. 90b, wierziu videti 18a, ae sam sobe wiersiu ApD. 104; — l: jaz chwalyu pravdu tvü ZWittb. 70, vzchwalyu jme tve 144, wzbidlyu v stauu tvem (30, wzdielyu 59 (Inf. wzdeliti), wzwesclyu sc i rozdielyu 107, jaz pomyslyu za hriech moj 37, wzmislyu jako holubice cant. Ezech., wzweseliu se k tobe ZKlem. 4b, k tobe wzmodliu se 2b, pomysliu o mein hfiese 28a, bidliu incola ego sum ZGloss. 241, ze sc tobe nie nemiliu Jid. L63, (jaz) sc nedycliu ApS. 330, co ja nynie myslyu Pass. 295, . . . neben: wzwcselu se exultabo ZGloss. 240, v tom chwalu muze toho veka DalC. 11 (wohl ein Schreibfehler); — il: rtöm mym nebranyu ZWittb. 39, zabranyu protegam 90, napilnyu je 80, ani opirznyu 88, jaz vczinyu ZKlem. 124a, obranyu jej 74a, otvof üsta tva a naplniu je 65a; — d: shromazdyu na ne zle ZWittb. cant. Deuter., ja rozdrazdiu je ZKlem. 129a; t: mutyu se ZKlem. 51b, wiprostiu jej 74a, opustyu 141a (wobei jedoch bemerkt werden muss, dass in dieser Hand- schrift t und c schwer zu unterscheiden sind); — j: iia- pogyu sipy nie ZWittb. cant. Deut., opogiu stfely me krviu ZKlem. 130b. V. 1. j: wzpowiedayu se i wzczakayu ZWittb. 51, k tobe wolayu 29, v hospodina vfFayu 10, oblieeje tvcho wzhledayu 326 G e l) a u e r. 26, zachowayu se ZKlem. 10b, wzdobiwayu exquiram ZGloss. 241, prolewayu effundam 244, dawayu Jid. 97, ze k väin douphayu AlxBM. lb, na zivot ti otpoviedaiu i o dcefif nies netbaiu DalH. 39, toho wzywayu Pass. 314, v tom smysl väs wystrziehayu eb. 315, af jeko ohledayu 326, hledayu 339, hledayu diabla358, ja svöj zivot dokonayu 363, dawayu jim lenost416, za- i klinayu väs 418, eoz poenu to skonayu 452, na vase dary netbayu, : ale otplaty od ineho Jezukrista czakayu 455, netoliko neza- | dayu, ale yuz na to nie netbayu, a yuz svetske clivaly nehle- dayu, pfed nieimz nebiebayu 467 (im Citat aus den Soliloquia des hl. Augustinus), bohu väs poruezyeyu 315, jakz brzo skon- j ezyeyu 316, poruezieyu 339, tuto pokussieyu 417 . . . k tobe wolayyu ZWittb. 27 . . . wolagyu pres den ZWittb. 21, kdyz wzwolagiu ZKlem. 2a, wzpowiedagiu se tobe llb, vfagyu u i meho boha Jif. 35, na zivot otpowyedagyu i o deefi nie net- bagyu DalC. 39. V. 2. z: pfidu i pokazyu se Z Wittb. 41, jamz pukazyu i jemu 49, pfestati kazyu cant. Deuter., ukaziu jemu zdravie ZKlem. 371', 74 a, ae selziu 71b, pokladyf ukazyu Pass. 429, jäz te mazyu a kazyu Mast. 5a, to vem kazyu DalC. 7 . . . neben: ae selzu si mentiar ZGloss. 254; — £: wzdysyu LA1. I 421 ; — c: placziu LA1. 421, toho pyczyu 423; — l: zuby | zviefeeie wessliu vne Z Klim. 129b, jäz slyu andela Pass. 277. I V. 4. j: newzlagyu tobe ZWittb. 49 (2), ani s§ posmiegiu I ZKlem. 16a, jäz przyegyu DalC. 49, przyegyu smrti pohanöm i 27 . . . nadyeyu se Pass. 359. VI. j: jäz zwiestuyu ZWittb. 74, ja se nestrachuyu Pass. 320 (u ist etwas radiert), jäf obietuyu 347 ... ja slubugu Boh. 346 . . . zwiestügyu ZWittb. 37, tobe obietugyu 115,; wzradugiu se ZKlem. 4b, podiekugiu hospodinu 8 , dyekugyu tobe Mast. 5a, dyekugyu tvej milosti DalC. 30. 12. In der Endung der 3. Person plur. I. 7. j: nepoznayu vsickni ZWittb. 13, af nedieyu v srdeich svych 34, vzbojie se i dieyu 41, ti znayü svD., dyeyü Pil., kam se peniezi dyeyü Jid. 138, jiejzto (fece) Mozella ! dyeyu Pass. 330, kako tobe dyeyu 383, jizto nezzdyeyu AlxB. 90 . . . af nedyegyu ZWittb. 113, poznagin vsickni ZKlem. 8a, (Jebei die weichen <■, ■ und i ! üben in Lltböhmisclion. Jobius mi dyegyu Jif. 35, klasteru Zabor dyegyu DalC. 24, ac znagyu Hrad. II,")1'. III. 1. j: chrziepy mayu ZWittb. 113, pohanstvo za to gmayu AlxII. la, . . . magu jemu däci Boh. 354, . . . lista magyu ZWittb. 113, zapolegiu sc ZKlem. 3b, nektefi öäku gmagyu DalC. 35. V. 1. j: lüde wzpowiedayu sc tobe ZWittb. 44, jiz vffayn v tc oO, mnozi rzickayu mne 4, lilcdayu duüsö me 39, vsickni, jiz przisaliayu 62, ustrzieleyu a nevzbojic se" 63, ti Iudie uevmierayu AlxH. la, z jich rodu nemoci gmieuaiu, druzi se wzthiekaiu DalH. 30, z chlapov slechtici biuaiu ;i slechtici syny chlapy gmieuaiu 41, jemuzto rzickayu Troja l'ass. 328 . . . kdyz lamagyu se kosti ZWittb. 41, kdyz dielagyu nespravedl- nost 53, jiz vffagiu a se chlubic 48, jizto vfagiu ZKlem. 3a, jizto dyelagiu zlust 8a, vrabata (vz)dwihagiu se AnS., vole zplcskagyu Mast. 3a, hnyewagyu se bozi DalC 19, sevci przii- bywagyu, lagyu Hrad. 124a. V. 2. c: jiz sobii aiecziu a vsady lecziu xVlxBM. 2a . . . kosti se troskoczu Hrad. 143a; - z: selziu tobe nepfietele tvroji ZKlem. 47b, a' ni slovo buzic kazyu Pass. 407, kazyu DalC. 9; — s: radostiu se skäly opassyu ZWittb. 64, skaly opassiu sc ZKlem. 471', feky wzplessiu 78b; — c: placzyut mnoho v Kirne LA1. 423; /: klepani mlyni lepe mclyu DalC. 72. V. 4. j: wzsmiegiu se ZKlem. 38b, jemuz sc bläzni smye- gyu DalC. 19 . . . jizto tobe prsieyu AlxBM. 2a. VI. j: dsta m;i zwiestuyu ZWittb. 70, . . . jako zkussygu sti'iebra cb. (35 . . . jiz obraczygyu eb. 84, jiz se wzdalygyu ot tebe 72, jiz sc otchylugyu 118, jiz milugiu jiiie tve ZKlem. 3a, jizto zamucziugiu nie 9b, nebesa wyprawugyu 12a, zwiestugyu Hrad. 62a. 13. Im Participium praes. act. I, 7. j: scenci lvovc rziugiucz ZKlem. 83b . . . v zalosti sebe neezyguez Pass. 287, wyguezi rukama piakäse Boh. 342, neznagucze tebe 35."). III, 1. j: magyuczy DalC. 92, gmagiueze AlxS. 338 . . . maguez pecu Boli. lb. o28 Gebauer. III, 2. Viele Participia dieser und der folgenden Classe haben in der Endung des Stammes statt und neben dem ver- langten ie (asl. ■ jsi nepromyenugyczy Modi. (jla, sv\ Mari aaplnuge svet vesele Sequ. 360; — d: shromazdyuge /Klein. 28b, hospodin dowo- dyuge du pekla ;t otwodyuge 124b; — t: neopustyuy mne ZKlem. 18a, neopustiuy mne 98a, 116a, opustyugiucie 100a, wiprostiugiu se (1. sing.) lla, pomstiuge 79a; — j: boyugie ZAVittb. 55, boyuyyczym cant. Habak., boyuyucim ZGloss. 241, boyugete Hrad. 94b . . . muz bogiugiuci ZKlem. 125a, wibogiuy wibogiugiucie 23b. 15. Endlich bringe icli für Wurzel- und andere bisher nicht besprochene Silben des Wertes folgende Belege: Bruch, brjuch: brzuch moj ZWittb. 30, z brzucha matefe me 21, brauch Boh. 40 ... z brziucha ZK lern. 14a, plod brziucha 108b, vbrziusse (sie) ApD. 104. Cudny: czudny pasec Hrad. 99a. Cuzij cjuzi: u boziech czuzich ZWittb. cant. Deuter., euzi extraneus ZGloss. 256, czuzeho sbozie Pass. 397, lidem czuzyin 315, jesto rädi befete czuzie Hrad. 16b, czuze usile 107a, . . . synov czyuzych ZWittb. 143 (2), czyuzi vstali proti mne 53, eiuzi ueiiien sein Z Klein. 51a, synöv ciuzich 118b, cziuzich krajov sv. D., czyuzy knez DalC. 34, czyuzy nepfistupajte 85. Cuzoloznik, cjuz- : s ciuzoloznyki ZKlem. 37a. (uzozemec, cjuz-: jinyrn czuzozemczioni Hrad. 20a, ka- kyms czuzozemcziem 25a . . . mne sü eiuzozemcy poddani ZKlem. 441'. Celust, celjusf: czelust Boh. 40, czeliusti lvove ZKlem. 42b. Cüi, cius: to chzusto Pil., ten chzuss jenz Jid. 118, chzusto AlxBM. la, zda by toszus ueinil AlxB. 80, jemu bylo pfiti (prijiti), chzus kozlu eb. 87, chte szuss se pobiti Alxll. 21', to czus Hrad. 35a . . . sve zrade povolil, tej chziuss zradö, juzto skutil ApS. 331, ot poroda nevelmi davneho, ot tri le1 czius tricäteho Hrad. 58b, bohdaj bychom töz d°ali, chyalili czius hospodina 66a. Dieses Adverbium ist wahrscheinlich ans cujes, Infin. cüti entstanden. Ctiti, Sinti: na tobe to chzugem AlxBM. 2a, hofem oeezu- gyu sehe Mast. 4b7 neezugiesse Hrad. 30b, tak czug sentiat 9QO 00_ Gebauer. Z Wittb. symb. Äthan. . . . chziuyu to po tvem vzdy- ehani, ze se tobe nie nemilju Jid. 162, had se plodem sbozen ehziuge An IS. Donudz, donjudz: donudz nevendu Z Wittb. 72, donudz neurodila eb. cant. Annae . . . donyudz DalC. 32. Jesuf, jesjuf: vsecka giessut Z Wittb. 38, v giessuty svej 517 inilujete giessuti 4, gessuti niluvili süf 11, nenavideli ekovajucich giessuty 30 . . . aby nejinenoval jmene jeho v giessiut Hrad. 118b. Jesutenstvie, -sju-: giessiutenstwie Z Wittb. 118. Jesutnosf, -sju-: giessutnosti Hrad. 49a . . . milujete giessiu- tnost Z Klein. 2a. JesuUiy, -sju-: gesutna pomoc Z Wittb. 59, v snatku ge- sutnem 25, pro gessutnu chvälu Pass. 384 . . . giessiutne jest zdravie cloveeie ZKlem. 91 a, ot giessiutne clivaly 188b, giessiutnye boha vzyva Hrad. 95b. Jezus, -zius: v iezussi mein Z Wittb. cant. Ilabak., giezus Hrad. 421', giezusye se domnis eb., . . . u boze iezyussiu rnem ZKlem. 127b, giezius Hrad. 421', gieziusie s' zadala 4311. Juda: yuda kral moj Z Wittb. 59, pokolenie iudowo 77. Judas: yudas Jid. 44, losem yudy miesto vzaty ApS. 331, iudas Hrad. 74b . . . giudas Hrad. 75a. Junoch: yunochu DalC. 72. Junose: dve ste yunoss AlxH. lb, pfede vsömi yuno- ssiemi eb. Junosice: Benjamin yunossyczie Z Wittb. 67. Junolstvo: v yunosszztwie AnS. Juri: svaty Jurzi Jif. 34, skrze sv. Jurzie diela 35, okolo sv. yurzye DalC. 45 ... k svatemu gyurzyu DalC. 32, u sv. gyurzy 45. Juika: Jutka DalH. 42 . . . knez Gyutku z klästera vy- vede DalC. 42. Jutrni: vystie yutrznye Z Wittb. 64, ot sträze yutrznye 129 . . . giutrsnie ZKlem. 19a. Jutro: z yutra Z Wittb. 48, k yutru 29, jak iutrzie bude räno AlxH. lb . . . ot gyutra DalC. 20, za gyutra 92. Uebi?r die (reichen a-, o- and /»Silben im Altlj»hminelien. 333 Juze, juz: jakz jest iuse vsady zvösto Pil., gdyzto inst- v ten dol stupi ApS. 331, iuz sein byl ziv dosti DalH. 30, yuz vstanu ZWittb. 11, yuz patnäete let Pass. 319, yus Mast. 2a, yuz vizju LA1. 422, yuzt Hrad. 53b, guz 2\ guz se mosim väzici Boh. 354 . . . gyuzt Mast. 5a, gyuz Hrad. 53c, gyuz vizju DalC. 21. Kluc, kliuÖ: kluez Boh. 49. Lubiti, liubiti, boh chlüby nelyuby DalC. 18, mestisfe se mu lyubyesse 46. Evbosf, ljubost: w lubost ZWittb. 72 . . . dobrä liubost bude jemu Z Klein. 121a, neda liubosti 35b. Lubme, Ljubuse: Lubussie je se süditi Dal Hr. 3. L'uby, ljuby: co lubeho AlxB. 85, tato vec bud väm luba 90 . . . liubo jest hospodiuu Z Klein. 121a, novina liubssi jest Jid. 70, eoz knilovi lyubo DalC. 83. Eud, ljud: nad ludern svym ZWittb. 3 (nie jotiert in ZWittb.), lud populus Boh. 47, aby lüde slyseli 340, svöj lud AlxBM. 2b, z chudych ludy lb, Inda seho AlxH. lb, s maleni luda AlxB. 8G, ludu svemu DalH. 41, je se na ludhi volati 30, temi ludmi AlxBM. 2a . . . sbor liuda ZKlem. 4a (nie unjotiert in ZKlem.), liud AlxS. 337, liudye 339, svym lindem toho popfieti 340, liud se svinu ApS. ."»31, mnoho liudy 332, lindem hrozen ApD. 105, mnoho lyuda LA1. 422, k lyudem 424, vesken lyud Pass. 391, k svym liudepm Pil^ svym liudecm Jid. 18, vedie liudye 28, po liudech sv D., kaky lyud DalC. 18, jö se lyudy dobyvati 22, lyudy vsecky 19, lyudmy 18. Iiudmila, Ljudmila: svata Lyudmylo ZKlem. 1381', sv. lyudmylla DalC. 20. Lndsky, Ijvdshy: sbor ludsky ZWittb. 7, synove ludsezy 4, ludska ruka ZGloss. 248, ludzky dävce AlxH. 2a . . . syny V V liudske ZKlem. 7a, liudzke viny ApS. 332, liudzke föci AnS. Ltiticv, Uu- : Vlasta lyutycze Dal C. 15. Lvtost, Im-: nad lutost ZWittb. 51, lutosty tvö 24. Lutosiiv, Uu-'. ty lutosty w byls ZWittb. 98. Etitostny, Uu-: lutostne milosrdie ZWittb. 68. 334 Gebauer. Eutovati, lju-: z' neliutowal ApD. 104. Luiy, liu-: luthi Boleslav DalH. 31, luthi 32, z lutheho 32 ... v duchu. liutem ZKlem. 35a, liuteho pohanstva ApS. 332, liute zvefi ApD. 104, Boleslav lyuty CalC. 32. Malucky, -lju-; zviefata maliuczka Z Klim. 83b. Neklud, -kljud: mnoho necluda AlxB. 86. Ohklüciti, -liu-: sbor obkluczy te ZWittb. 7, okluczili sü me ZKlem. 14a . . . neprietele okliuczili sü ZKlem. 9a, sbor okliuczi te 4a, obkliuczili sü 9b. Obklucovati, -lju- : noc obkluczuge ju Z Wittb. 54. öbMbiti, -liu-: obliubis obeti ZKlem. 38b. Ohtubovati, -lju-, jako bratr oblyubowach ZWittb. 34. Okfnciti s. ohklAciti. Phlti, pliu-: plyugyucz tvar na jeho LA1. 423. Pohrüzen, -Hu- in: polirziussen sem u bahne ZKlem. 50'' statt fohi"uzen, Iniin. pohrüziti asl. pograziti. Die Form ist unreffelmässig und durch Einfluss des Intransitivum u-hfiezti, u-hfaz-nüti asl. greznati entstanden; neuböhm. pohfizen neben pohrouzen. Pokluditi, -lju-: zle se pokludi AlxH. 2b. PoMbiti, -liu-: polyubywsi jej LA1. 423. Prelutfj, -liu-: prsielute zvefi AlxB. 85, prsieliutym po- hanem Ap S. 330. Procutiti, -du-: proczutyw Pass. 382, knezna proczutywssy 336 (2), ta pani je smi proczutywssy 340, ti svöti ze sna pro- czutywsse 366. Refucha, -rju-: sieme vlaske rzierziuchy cardamomum Rostl. 392. Rozlutiti, -liu-: ot rozliucenye ZKlem. 31', v rozliucenyu tvem 3a. Ruje, riuje: mohlo to byti v rsiugiu Pil. JRüti, rin-: jezto (zvef) rsula AlxB. 85, rzugiech ot sto- nanie srdce meho ZWittb. 37 . . . scenci lvove rziugiucz ZKlem. 83*, Vlasta wzrzyu zalostiu jako nedvedice, d. i. vzfju, aor. DalC. 15. SMuditi, sklju-: chte se zkludyty AlxH. 21'. Hoher .lio weichen a-, o- und u-SiVben im Altbölimiscl 335 Slnl>, sljub: sluby ine ZWittb. 60, sluby me vraeu 115, v slubu mem 55 . . . sliubi me navräcju ZKlem. 14'', slyuby •velike einiechu DalC. 43. Slubiti, diu-: pak sobe vieru slubichu Dalllr. 9, ze se nevestkäm slubyty zädäs Mast. 6a, sluby se jemu DalC. :>1 ... ze se sliubio 3. pl. ZKlem. 12b, dievku zzliubil Pik, oba sobö se zzliubista, d. i. sliubista Jid. 54, ta dva slyubysta to uöiniti DalC. 25, co ta dva jiej slynbyla 26, kn&z slyuby ueiniti 18. Sluhovati, slju-x ja slubugu Boh. 346 (2) . . . sliubowach se ZKlem. 24a. Slutovati, slju-: ty se sliutuges ZKlem. 47a. V v Sumenie, sju-: ssyumenye feky ZKlem. 34a. Tistic, -siuc: tysuczow lidi ZWittb. 3, tissuci millia ZGloss. 250, nad tisucie eb., po tissuczy Hrad. 8a, i9b, dvadceci czizuczow AlxH. la, lh, czizucz 2b (2) . . . deset tyssiuczow ZKlem. 49b. locus s. cus. Uh'äi, -ein-: by uczyuli a urozumeli ZKlem. 129b. Vimtf, -nju-: eso wnutrz mne jest Z Wittb. 102, vne a wnutrz cant. Deuter., wewnutrz jeho 108 . . . ze vna a wnyutrz ZKlem. 129b. Viinz, vnjuz oder vniuz: wnus by se trasl svet AlxII. la, wnus ten jenz lb, 2b, wnus by byl z zeleza skovan AlxB. 82, wnus les neb haj porubeny 83. . . wnyus ten Jid. 83, wnyus po plene Pik, wnyus AnS. (diese Form spricht für langes vniuz), wnyuz ptäk Hrad. llb, wnyuz zuiavsi 30a, Polene* wnyuz ua zemi udeficlm DalC. 71. Vsudy, -sju-: wssudy bojove, wssudy nepfietele Modi. I3b, se vsech stran a wssudy 106a. Zajutrie: na zayutrzie Hrad. 83a. Zdruj, -rjuj: zarzwy September Boh. 27. Wessen uns diese Beispiele auf den ersten Anblick be- lehren, ist die Thatsache, dass der Vocal der weichen u-Silbeo ungleich geschrieben erscheint, bald u, bald in oder //», seihst in solchen Handschriften, die sonst (bei c a} >•< die gehörige 336 Gel) au er. Regel entweder genau oder wenigstens in dem Sinne befolgen, dass sie die Jotation nicht als bloss graphisches Erweichungs- zeichen anwenden; morphologisch identische Formen werden in verschiedenen Handschriften, ja manchmal in derselben Handschrift verschieden geschrieben, z. B. der Acc. sing. asl. dusa: dusu DalH. 30 und dussyu DalC. eb., dussyu ZWittb. 48 und dussu eb. 88. Auf die Frage, wie diese Ungleichheit zu erklären ist, kann auf zweifache Weise geantwortet werden : die Jotation, d. h. das in -iu, -yu geschriebene i, y hat entweder phone- tische Geltung und geschriebenes -iu, -yu wurde -ju (in kurzen) oder -iu (diphthongisch, in langen Silben) ausgesprochen, oder | die Jotation hat keine phonetische, sondern bloss graphische Geltung, sie gehört zu dem vorhergehenden palatalen Conso- I nanten und deutet dessen weiche Aussprache dem Auge an. | Nach der ersten Erklärung wäre geschriebenes dussu = 6.nsu, i geschriebenes dussyu = duSju auszusprechen und der Unter- | schied wäre lautlich; nach der anderen sollte dussyu ebenso wie dussu = dusu ausgesprochen werden und der Unterschied wäre bloss in der Schrift, indem der Laut § das erste Mal durch ss, das andere Mal durch ssy dargestellt wäre. Zwischen j diesen beiden extremen Erklärungsweisen liegen alle übrigen, namentlich auch die, wornach die Jotation einen höheren Grad des Palatalismus anzudeuten hätte und dussu — du£u mit einem | härteren, dagegen dussyu = dus'u mit einem weicheren § aus- j zusprechen wäre. Zur Würdigung und Prüfung dieser Erklärungsweisen ist j es nothwendig, diejenigen Momente in Betracht zu nehmen, welche für die eine oder andere Erklärung angeführt werden oder angeführt werden können, und ihr Zeugniss abzuwägen. a) Der Name des Apostels Judas wird Hrad. 74b ?wdas j und auf der folgenden Seite Giuä&s geschrieben. Sollte im zweiten Falle -iu = -ju sein, so wäre es schwer begreiflich, wie die ganze erste Silbe giu- zu lauten hätte, denn der erste | Buchstabe g- bezeichnet auch einen jf-Laut. Plausibler er- scheint die Erklärung, die ganze erste Silbe sei in beiden Fällen ju- zu lesen und der Schreiber habe im zweiten Falle i die Jotation als graphisches Mittel angewendet, damit der I Leser unjotiertes gu- nicht nach lateinischer Art ausspreche Ueber die weichen a , o- und »Silben im Alfbölimischen. 3.'»< (au/y»stus); dafür könnte auch der Umstand sprechen, dass die Jotation in der jVSilbe nur in dem Falle zu rinden ist, wenn zur Bezeichnung ihres Consonanten der Buchstabe g verwendet ist, also nur in giu-, gyu- (mir ist eine einzige Ausnahme be- kannt, vielleicht ein Schreibfehler, wolavvu ZWittb. 87). Es könnte noch eine andere Erklärung gegebeu werden, die unten (unter X) zur Sprache kommen wird und wornaeh -in in giud&s einen dem späteren -i in Jj'däs sich nähernden Laut bezeich- nen würde. Mag nun die eine oder die andere Erklärung richtig sein, so viel scheint mir gewiss, dass die Jotation in Gmdas (neben iudas ) und ebenso in gy/utka Dal C. 42 (neben iutka DalH. eb.), g^urzy DalG. 45 (neben yurzye eb.), gyuz Hrad. 53b (neben yuz eb. und guz 21'), wolag//u Z VVittb. 21 (neben wzwolayu 29, 1. sing.) und überhaupt in kurzen ju- Silben einen besonderen Laut j nicht bezeichnet. ß) Dieses in Betreff des geschriebenen giu, gyu gemachte Zugeständniss dehnt man auf alle weichen w-Silben aus und will die bloss graphische Geltung ihrer Jotation dadurch be- weisen oder wenigstens wahrscheinlich machen, dass man auf die Armuth des den altböhmischen Schreibern zur Verfügung- stehenden lateinischen Alphabets hinweist, dessen Buchstaben zur Bezeichnung der böhmischen Laute nicht ausreichten; in dieser Noth griffen die Schreiber zu verschiedenen Mitteln, namentlich auch zu dem, dass sie zur Bezeichnung gewisser Laute Verbindungen von Buchstaben anwendeten, z. B. die Buchstabenverbindung rz für den Consonanten r, chz für c u. dgl.; zu solchen Complexionen sei auch der Buchstabe i und y verwendet worden, z. B. in zy für z, so dass przyloz?/u ZWittb. 70 = pfiloiu, und nicht = pfilo.s/u, u. s. w. Dieser ganze Analogieschluss wird aber als unrichtig erkannt, wenn man bedenkt: 1. dass jotierte u-Silben auch in cyrillischen und glagolitischen Handschriften vorkommen, wo die Schreiber nicht in der Nothlage waren, sich durch Buchstabenverbindun- gen aushelfen zu müssen; 2. dass in altböhmischen Hand- schriften die Jotation auch bei solchen Consonanten vorkömmt, welche eine ihnen eigene graphische Bezeiehnung bereits hatten und für die es also nicht nothwendig war, neue Com- plexionen zu bilden, z. B. bei r im Acc. zorzyu ZWittb. <•"> asl. zorja, bei c in chziuyu Jid. 1G2 asl. cuja und cjuja; und Sitzungsber. d. pbil.-hist. Cl. XCIII. Bd. II. Hft. 22 338 Getaner. 3. dass die erwähnte Buchstabennoth nicht nur vor dem Vocal u, sondern in demselben Grade auch vor e, a, o hat fühlbar sein müssen, und dass also die zu Hilfe genommenen Com- plexionen in der Schrift auch vor e (= asl. e oder &, oder euphonischer Einschub), a und o zu finden sein sollten; dies ist aber in Handschriften, aus denen unsere Belege für die ««-Silben genommen sind, nicht der Fall. Y) Im Gegentheil befleissen sich die Schreiber der von mir benutzten Handschriften einer offenbaren Genauigkeit in dem Sinne, dass sie die Vocale e, a, o nicht praejotieren, wenn die Jotation nicht lautlich berechtigt ist, und dieser Um- stand macht es zum Mindesten sehr wahrscheinlich, dass sie auch bei u die Praejotation nur dann anwendeten, wenn in der Aussprache ein Grund dazu vorlag. Wenn man bedenkt, dass z. B. im £\Vittb. die Jotation vor e, a (für o gibt es kein Beispiel) regelmässig nur in solchen Fällen sich geschrieben findet, wo sie auch in der Aussprache vorhanden war, so wird man kaum die Meinung für richtig halten, dass in derselben Handschrift die Jotation vor u ein blosses Erweichungszeichen ohne lautlichen Werth sei; es ist nicht denkbar, dass der Schreiber, welcher regelmässig uczynen d. i. uöinen 17, scze- nata d. i. scenata 103, uhle ohnowo d. i. ohiiovo 17 u. s. w. schreibt und nicht das Bedürfniss empfindet, den Palatalis- mus des Consonanten n durch angehängte Jotation anzudeuten und uczym/en oder uczymen u. s. w. zu schreiben, dass der Schreiber, der den Grundsatz hat, die Jotation bei e} a, o nie als blosses Erweichungszeichen anzuwenden, bei u sich das Gegentheil zum Grundsatze gemacht, die Jotation als blosses Erweichungszeichen gebraucht und dussyu statt des gehörten dusw u. s. w. geschrieben hätte. S) Es könnte die Möglichkeit, dusu und du.sj« u. s. w. in der Aussprache deutlich zu unterscheiden, bezweifelt oder in Abrede gestellt und hieraus ein Grund gegen die phone- tische und für die bloss graphische Geltung der Jotation ge- schöpft werden. Dies wäre aber unrichtig. Die altböhmische Aussprache unterschied ganz deutlich re und re (rzek\ Pass. 280 und ?*^'eka 312), ze und ze (kaze praedicat 292 und kazie praedicans 411), se und se (pisse scribit 275 und piss«/e scri- bens 486), ce und ce (plac-e plorat 374 und placke plorans Ueher die weichen a-, o- und «-Silben im Altböhmischen. 339 309), üe und üe (pro nezto zahanbenie propter quod 429 und pro nyezto sc. hriechy propter quos Modi. 93a), de und de (shroniazefcnye Modi. 42a und zblecfyel 54a), t'e und te (czten DalC. 76 und ztratye 4); war aber diese feine Unterscheidung in der altbühmischen Aussprache möglich, so war eine deut- liche Unterscheidung zwischen fu und rju, zu und zju u. s. w. nicht unmöglich. e) Weiche «-Silben mit inlautender Praejotation sind nicht nur in altböhmischen, sondern auch in altrussischen und alt- slovenischen Handschriften zu finden; s. Miklosich, Vergl. Gramm. I. 108, III2 19, Altslovenische Lautlehre 3 283, 291 u. a.; Leskien, Beiträge 6. 161—164. Sie sollten, nach der Schrift zu urtheilen, auch im Russischen und Kleinrussischen vor- kommen, nach Potebnja, Zametki o malorusskoini» narecii 9 und Archiv für slav. Philologie 3. 366, ist aber eine solche Deutung der geschriebenen Form unrichtig und es soll die Jotation , nicht einen selbstständigen Laut, sondern die palatale Natur des vorhergehenden Consonanten' bezeichnen. Die Rich- tigkeit dieser Beobachtung wird hier nicht in Zweifel gezogen, insofern sie sich auf russische Dialekte bezieht; auf das •Altböhmische aber kann ihre Deutung nach meinem Dafür- halten nicht angewendet werden, der oben unter v angeführte Grund macht sie unzulässig: wenn musterhafte Schreiber die Jotation bei e, a, o nicht als blosses Erweichungszeichen an- wenden, selbst nicht in Fällen, wie shromazc/enye d. i. shro- mäzcfenie Modi. 42a, dyefatko d. i. detdiko Pass. 278, unle" nh/iowo d. i. oh^ovo ZWittb. 17 u. ä., wo die Noth wendig- keit, die palatale Natur des Consonanten anzudeuten, offenbar vorliegt, so ist es nicht glaublich, dass sie diesem Grundsatz«' zuwider die Jotation bei u nur als ein blosses Erweichungs- zeichen anwenden sollten, öfters ganz überflüssig, wie z. B. in Fällen wie prossyu Pass. 331 asl. prosa, zorzyu Acc. ZWittb. 73 asl. zorja, avo die Coinplexionen ss, rz zur Darstellung der palatalen Consonanten 8, r hätten hinreichen sollen. Mir scheint dagegen für die Werthschätzung der hier betrachteten Praejotation der u- Silben der Umstand besonders wichtig zu sein, dass altböhmische, altrussische und altslovenische Schreiber in diesem Punkte übereinstimmen, trotz der Verschiedenh» ii des Ortes, der Sprache und des Alphabets. Zugegeben, dass 340 Gebaüer. sie durch die z. B. in der Silbe Sju- geschriebene Jotation nur die palatale Natur des Consonanten s, und zwar im Gegensätze zu su- gleichsam einen höheren Grad von Palatalismus hätten andeuten wollen, so muss gefragt werden, wie es denn ge- kommen ist, dass sie zum Zweck einer solchen Andeutung alle zu demselben Mittel der Praejotation gegriffen haben? An eine Verabredung ist nicht zu denken. Eine Beeinflussung und Nachahmung konnte nur stellenweise stattgefunden haben ; sicherlich hat z. B. der altböhmische Schreiber, welcher zuerst den Dat. sing, otc/u schrieb, vom altslovenischen ot&c/u nichts gewusst. Auch war es nicht so nahe gelegen und selbstver- ständlich, zur Bezeichnung des Palatalismus eben die Jotation zu verwenden, wenigstens für altböhmische Schreiber nicht; die Entwickelungsgeschiehte der böhmischen Orthographie bietet einen für mich unwiderlegbaren Beweis, dass unter den alten Mitteln zur Bezeichnung der palatalen Natur eines Con- sonanten die Jotation sich nicht befand, dass diese erst mit der Zeit (seit der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh.) zu einem solchen wurde, und zwar nicht durch Speculation der Schreiber, sondern durch den oben angedeuteten Sprachverfall: geschriebenes nyemy asl. nem'B mutus wurde noch im XIV. Jahrh. iiemy ausgesprochen, die Aussprache änderte sich aber in nemy um, das geschriebene ny- wurde als eine Complexion für h und die Jotierung als ein Mittel zur Andeutung der palatalen Aus- sprache aufgefasst. Kann aber die in Rede stehende Ueber- einstimmung der altböhmischen , altrussischen und altslove- nischen Schreiber weder durch Verabredung, noch durch Beein- flussung und Nachahmung, noch auch dadurch erklärt werden, dass unter den graphischen Mitteln, die palatale Natur eines Consonanten anzudeuten, die Jotierung am nächsten liegen und sich gleichsam von selbst verstehen sollte, so weiss ich keine andere Erklärung als die, dass die betreffenden Schreiber in der wirklichen Aussprache ihrer Landsleute und Zeit- genossen Anlass gefunden haben, weiche w-Silben zu prae- jotieren, dass für sie eine in den weichen «-Silben inlautende Praejotation hörbar war. Ist dies richtig, so hat diese Jota- tion auch in den hier berücksichtigten altböhmischen Hand- schriften selbstständigen lautlichen Werth und nicht eine bloss orthographische Bestimmung. Ueber die weichen a-, o- und «-Silben im Allböhnüsehen. ,! 1 I 'Q Unter den jotierten weichen it-Silben der altböhmischen Handschriften g-ibt es auch viele solche, die durch Zusammen- ziehung entstanden sind und deren Jotation aus der uncon- trahierten Form herstammt, folglich etymologisch und lautlich berechtigt ist. Z. B. im Dat. sing, k svatemu Gyurzyu DalC. 32 ist die Endung aus älterem -iju entstanden, Jufiju nach asl. Juriju; aus -Hju hat durch Zusammenziehung sowohl -hl als auch -riu (oder -rjü) entstehen können ; rindet sich aber -rzyu geschrieben, so wird wohl Niemand behaupten, es sei ■ hl zu lesen, vielmehr wird man die Jotation in -rzyu als sicheres Zeugniss für die Aussprache -riu (oder rjü) gelten lassen. Dasselbe gilt vom Dat. Loc. sing, zzboslu Jid. 156, d. i. sboli« asl. -iju, Acc. sing, tu panyu Hrad. 103b, d. i. pamw asl. -ija, Instr. sing, piesnyu Z Wittb. 68, d. i. pies»/» asl. -ija, Gen. Loc. du. ussyu nejmejiese Dal.C. 20, d.i. uHu asl. -iju, Acc. sing, mejiese cesf welyu DalC. 72, d. i. veliu asl. -ija, jäz zabyu rZ Wittb. cant. Deuter., d. i. zabm statt zabiju u. s. w. Nun machen aber selbst die genauesten Schreiber keinen Unterschied zwischen diesen Silben mit einem etymologisch berechtigten /-Laut einerseits und anderen weichen »-Silben andererseits, sie schreiben z. B. ciesarz?/*« Dal C. 58 ebenso wie Gy nrzyu 32, was sie wohl nicht gethan hätten, wenn sie in der Aussprache einen so durchschlagenden Unter- schied bemerkt hätten, wie er zwischen -ru und -riu u. s. w. offenbar besteht. Die gleiche Schreibung wird erklärlich, wenn wir annehmen, dass auch in cies&rzyu . . . praejotiertes u gesprochen wurde. y]) Hier liegt die Einwendung nahe, dass die etymolo- gische Berechtigung und folglich auch die phonetische Geltung des i in Fällen wie Dat. Jxxfiu, Dat. Loc. sbozm, Instr. piesnw u. s. w. zweifelhaft ist, indem sich auch unjotierte Beispiele vorfinden, wie na ztracenhu Dal H. 39, d. i. na ztracetf» statt -niit, k skonczienhu 42, d. i. k skoncetf« statt -niu, na skoncienu ZGloss. 255, k radowanu 2 Wittb. 105, vsü moczu AlxH. lb, d. i. mocü statt moeiu, k odpustzenu im Fragmentum concionatorium (aus der zweiten Hälfte des XV. Jahrb., Archiv für slav. Philol. 1.618), d. i. kodpsce/m st. -niu, radostzu (eb. 619), d. i. sradoscti st. -du u. ä. Diese Beispiele sind freilich kein Zeugniss für das lautliche Vorhandensein eines i und folglich auch nicht für den 342 Gebauer. etymologischen Ursprung- dieses Lautes, aber sie sind auch kein hinreichendes Zeugniss dagegen. Sie kommen verhältniss- mässig sehr selten vor und die Mehrzahl von ihnen ist theils durch die abweichende Aussprache zu rechtfertigen, theils durch unvollkommene Orthographie zu erklären. Von den Abweichungen der Aussprache wird weiter unten die Rede sein. Was aber die Orthographie betrifft, so darf man nicht übersehen, dass ihre Mittel bis gegen das Ende des XIII. Jahrh. sehr ungenügend waren, dass sie sich erst mit der Zeit ent- wickelten und vervollkommneten, und dass in Folge dessen auch die Jotierung, selbst wo sie etymologisch berechtigt ist, in der Schrift erst dann gehörig durchgeführt werden konnte, als die orthographische Kunst schon genügend entwickelt war. Es gilt hier dasselbe, was von den weichen e-Silben; z. B. in hrziessyl Pass. 397, d. i. hfesil asl. gresilfc, hat sich das e sicherlich nicht erst um das Jahr 1300 entwickelt, es war hier sicher lange vorher und gewiss schon im XIII. Jahrh., und doch liest man in einem Liede aus dem Ende dieses Jahr- hunderts blosses e: Evino zressenie statt zhfesenie (Cas. Cesk. Mus. 1878, 293). 6) Es liegt ferner auch die Einwendung nahe, dass in der Mehrzahl der Fälle die Jotation ohne etymologische Be- rechtigung ist. In Fällen wie Dat. sing, sbozw aus sboz?)w, zabü« aus zabiju u. dgl. ist die Jotation aus der uncontrahier- ten Form herübergekommen und demnach berechtigt; dies ist aber nicht der Fall im Acc. me,^«, 1. sing, prosw u. s. w.; zwar ist auch hier einst ein etymologisches j gewesen, indem diese Formen aus *medju, *pros/u ... zu erklären sind, das j ist aber in den erfolgten Lautveränderungen dj-z, sj-s . . . aufgegangen und bietet keine Berechtigung zur Jotation im altböhm. mezju, pros/w . . . Die Einwendung fragt also nach dem Ursprünge des j in mezj«, proS/w . . .; sie bestreitet, dass er etymologisch wäre, und erklärt darauf hin diese Jota- tion für ein bloss graphisches Zeichen ohne selbstständigen lautlichen Werth. Dieser Schluss ist aber unrichtig. Selbst wenn man zugibt, dass die hier besprochene Jotation un- organisch ist, so ist deswegen ihr lautliches Dasein doch nicht in Abrede zu stellen, denn sie hat, was wahrscheinlich ist (Schmidt, Beiträge 6. 131 ff., Miklosich, Altsloven. lautlehre 3 Ueber die weichen a-, o- und «-Silben im Altböhmischen. 343 292), als Parasit aufkommen und sich festsetzen können. In manchen Fällen hat falsche Analogie mitgeholfen. So konnte z. ß. tfasiMci, öini zemju trzassiuciu ZKlem. 84a (falls es nicht ein Schreibfehler ist), als Nachahmung des Participium nosiuci oder nosiuci, obef hlassonossiuciu eb. 171', entstanden sein; so hat man für asl. pograzeni> nböhm. pohrowzen, daneben aber auch pohr/zen und aböhm. polinuzen, pohrziussen sem u bahne ZKlem. 50b, letzteres gebildet unter dem unberechtigten Ein- flüsse des intransitiven pohmzen asl. pogrezeni> Infin. po- greznati demergi; und so könnte auch tisic aböhm. tisiuc neben tisüc asl. tysasta erklärt werden, wenn sich die vermittelnde, dem asl. tysesta und russ. tysjaca entsprechende altböhm. Form *tisiec nachweisen Hesse. Für parasitischen Ursprung des j-Lautes in den hier gemeinten Silben kann auch der Umstand angeführt werden, dass in den Handschriften jotierte und unjotierte weiche w-Silben neben einander vorkommen, z. B. Accus, sing, dussyu ZWittb. 34 und dussu eb. 88, pusczyu 94 und pusczu 138, tuto stolyczyu Mast. la und hny- lyczu 6b, smuczyugess me 41 und zamuczuges 64, smyliuy se 2 Klein. 107a und smyluy se 140a u. s. w. Diese Ungleichheiten können zum Theil von inconsequenten Schreibern verschuldet sein, die gehörtes dusju einmal richtig dussyu, ein anderes Mal aber unrichtig dussu geschrieben haben; in der Mehrzahl der Fälle darf aber angenommen werden, dass den Ungleich- heiten der Schrift Schwankungen der Sprache zu Grunde liegen, und diese letzteren wird man selbstverständlich finden, wenn man annimmt, dass die Jotation parasitisch ist; der Parasit tritt Anfangs nur in einzelnen Fällen auf, verbreitet sich dann mit der Zeit und allmählich, und diese Phase seiner allmählichen Verbreitung ist für die Sprache eine Phase von Schwankungen. -.) Der Vocal der weichen «-Silben geht im Böhmischen durch Assimilation in i, i über; z. B. Acc. sing. du$i für älteres dusju und äuSu, Instr, dust' für älteres dusiu und dus«t. Ein ähnlicher Lautwandel ist auch im Altslovenischen und Bulgarischen zu finden, indem inlautendes ju in i übergeht, z. B. asl. plyunati — ph'nati spuere, kl/«vati — kltvati rostro tundere, -ly'wbo — -h'bo -libet, *vju- — r/kati rugire, *gju- — zijastiiuri. mandentibus, bulg. kljuv — kl/c clavis, ljubh — 344 Getaner. h'bi> amo, pl/wji — phji> spuo; s. Miklosich, Gramm. I 25 und 266, Asl. lautl. 3 167. Der Unterschied zwischen der Assi- milation im Böhmischen und der ähnlichen Lautverwandluns: im Altslovenischen und Bulgarischen ist nur quantitativ, was dort als Regel gilt, ist hier auf wenige Fälle beschränkt; qualitativ ist es offenbar dieselbe Veränderung, böhm. \jitho — h*bo = asl. 1/ubo — h'bo = bulg. \jubh — ltbb. Ist diese Gleichstellung richtig, so folgt daraus für unseren Zweck, dass auch das böhmische assimilierte i eine jotierte «-Silbe voraus- setzt, dass z. B. dusi aus dusju entstanden ist, und dass daher die in dussyu ZWittb. 34, dussiu ApS. 333 u. s. w. geschrie- bene Jotation lautlichen Werth hat. v.) Das assimilierte i setzt also ju voraus und die Assi- milation ist die Wirkung des ^"-Lautes; s. Miklosich, Altslov. lautl. 3 167, und Schmidt, Beiträge 6. 133 ff. und 137. Dies schliesst auch den Satz in sich, dass die Assimilation nur in jotierten Silben habe zu Stande kommen können, nicht auch in unjotierten, und dass in nicht assimilierten Silben das Aus- bleiben der Assimilation durch den Abgang des j-Lautes wird erklärt werden können: dus/?< ging durch die Wirkung des j in dusi über, dusw aber blieb unverändert, weil das die Ver- änderung bewirkende j fehlte. In der heutigen Sprache finden wir assimilierte und nicht assimilierte Silben neben einander, pisi neben pis//, dusi neben povyswje . . ., und es kann zur Bewahrheitung des obigen Satzes gefordert werden, dass man nachweise, dass die Thatsachen der heutigen Sprache dem Postulate des Satzes entsprechen, dass die heutigen nicht assi- milierten weichen «-Silben mit den alten nicht jotierten, da- gegen die heutigen assimilierten /-Silben mit den ehemaligen jotirten ?(-Silben wirklich zusammen gehören, dass z. B. das heutige nicht assimilierte dusi« Nachfolger des alten nicht jotierten dus?«, dagegen das heutige assimilierte dusi Nachfolger des ehemaligen jotierten dus/« ist. Eine solche Zusammen- gehörigkeit lässt sich auch wirklich nachweisen oder wenigstens sehr wahrscheinlich machen, wenngleich nicht für jedes ein- zelne Beispiel, so doch im Allgemeinen und für gewisse sehr wichtige Fälle. Folgende Auseinandersetzung soll die Sache deutlicher zeigen. Ueber die weichen a-, o- und «-Silben im Altböhmischen. 31;) 1. Die heutige böhmische Sprache (im weitesten Sinne) spaltet sich bezüglich der in Rede stehenden Assimilation in zwei Dialekte, den «-Dialekt (dusz, in Böhmen) und den u- Dialekt (dusi(; Mähren, Schlesien und Slowakei). Im Sinne des obigen Satzes ist der heutige {-Dialekt eine Umwandlung des ehemaligen ^'«(-Dialekts (dusy», altböhmisch im engeren Sinne) und es ist daher zu gewärtigen, dass altmährische, altschlesische und altslovakische Handschriften (wenn sich welche vorfinden) unjotiertes, altböhmische dagegen jotiertes u bieten werden. Dieses theoretische Postulat wird durch die Denkmäler Boh. und das freilich ausserhalb unseres Beobachtungskreises lie- gende Fragmentum concionatorium (Archiv für slav. Philol. 1. 617 — 620) thatsächlich bestätigt. Diese Denkmäler, denen vielleicht auch das Fragment AlxH. beizuzählen ist, beweisen es anderweitig, dass sie mährischen oder mährisch-schlesischen dialektischen Ursprunges sind — nämlich durch häufiges dz und c für d und f: dwadczieczi czizuczow AlxH. la und lb, d. i. dvadceci cisücöv statt dvaceri dsiucöv, czizucz 2b (2), d. i. cisüc statt dsiuc, rnämf dzyekowaczi Boh. 354, d. i. cZzekovaci statt c/ekovati, podle ludzy 352, d. i. ludzi statt ljuctt, hfechy odpustziczy Frag. conc. 620, d. i. odpuscici statt odpusriri u. ä. — und sie entsprechen auch unserem Postulate, indem sie regelmässig unjotiertes u haben: Boh. bietet es ohne Aus- nahme, AlxH. hat eine einzige Ausnahme in po przirozenyu 2b, d. i. po prirozem», also in einem Falle, wo die Jotation etymologisch berechtigt ist (-iu aus -iju) , und das Fragm. concion. hat wiederum nur unjotiertes und kein jotiertes it. Z. B. na fararzu Boh. 351, swyetlnyczu Accus. 348, peczu 343, d. i. pecu, przu 353, na zemu 340, rzeczu Instr. 340, d. i. fecü, wyzu 1. sing. 353, lud 347, zirdczu svemu AlxH. 2b, jednu zemiczu la, majüc pechzu lb, wssu moczu lb, hor- ssu vnadu 2a, zlyssu la, k odpustzenu Frag, concion. im Archiv 1. 618, d. i. k odpusce/7«, za dussu 619, wassu modlidbu 618, s radostzu 619, obcczu spowet 620 . . ., wogegen z. B. DalC. na orzyu 21, skonczyenyu takemu 18, na onu studnyczyu 19, o pokoji peczyu mejiese 58, v nedyelyu 32, kdezto moczyn nedoteku 9, wassyu biedu 19, wassyu hospodü 4, wyzyu 21, lyud 23 u. s. w. hat. — Das Fragm. concion. hat freilich auch assimilierte Formen, z. B. k milemu spasitely 618, d. i. spasi- 346 Gebauer. teh', kteriz praczugy eb., d. i. pracuj/ u. ä. ; diese sind dadurch entstanden, dass der Schreiber bemüht war, in der böhmischen Schriftsprache zu schreiben, wie dies auch seine Correcturen verrathen: daty 618, d. i. däti corrigiert aus daczy, bogicz 619 corrigiert aus bogucz. Dasselbe ist auch in anderen Denk- mälern der Fall. Dieses i statt u ist aber keine Ausnahme von der hier betrachteten Regelmässigkeit; ihr würde nur das widersprechen, wenn eine Handschrift, die sich durch andere Zeichen für mährisch - dialektisch ausgibt, weiche «-Silben regelmässig jotieren würde, und dieses findet sich in keiner der hier benutzten dialektischen Quellen. Dagegen finden sich jotierte «-Silben als Regel in solchen Texten, die keine Spuren dialektischen Ursprunges tragen und die wir also für böhmisch (im engeren Sinne) halten können. Sie bilden unter den alten Handschriften die bei weitem grössere Mehrzahl, was man als natürlich erkennen wird, indem das geistige Leben und schriftstellerische Wirken seit jeher in Böhmen reger war, als sonst auf dem böhmischen Sprachgebiete, und weil auch ausserböhmische Schreiber es sich angelegen sein Hessen, sich der Formen der Schriftsprache zu bedienen. 2. Es gibt aber auch im Bereiche des eigentlichen böh- mischen {-Dialekts Fälle, wo die Assimilation unterblieben ist, und der oben ausgesprochene Satz soll sich auch hier bewahr- heiten: es soll sich zeigen, dass in den Fällen, wo der neu- böhmische /-Dialekt unassimilierte Formen hat oder assimilierte neben nicht assimilierten gebraucht, auch die altböhmische Sprache nach dem Zeugnisse der Handschriften ausnahmsweise unjotierte neben regelmässig jotierten it-Silben gehabt oder zwischen beiden geschwankt habe. Das zeigt sich auch in der That. Es gehört hieher namentlich — abgesehen von einigen einzelnen Beispielen, wie nböhm. vsudy aböhm. v§udy, wssudy Modi. 13b . . . — das u der weichstämmigen Verba der VI. Classe, povyswje . . ., und die Endung der 1. Person sing, und 3. plur., pisw, piso« . . . a) In der Suffixsilbe der VI. Classe povysttje ... hat das Neuböhmische nie Assimilation, weder im Dialekt, noch in der Schriftsprache. Hiemit stimmt auch das Altböhmische in- sofern überein, als es nach dem Zeugnisse der Handschriften theils zwischen jotierten und nicht jotierten (povys/»je und Ueber die weichen a-, o- und ?<-Silben im Altböhmischen. ö4 i povyswje, im 2j\Vittb. und 2 Klein.), theils zwischen assimi- lierten und nicht assimilierten Formen (povysije und povys«je, Pass., Hrad. und Modi.) schwankt. Die Schwankungen nahmen um das Jahr 1400 ein Ende, als sich die Schriftsteller für die nicht assimilierten Formen entschieden und die assimilierten, bis dahin nur zum Theil und vielleicht nur in der Bücher- sprache beliebten Formen vollständig aufgegeben haben. Merk- würdig ist für diesen Fall das Passional dadurch, dass es in dieser Silbe (für neuböhmisches nicht assimiliertes u) nie jotiertes u hat, während es sonst (für nböhm. assimiliertes i) regelmässig jotiertes u bietet (ausgenommen cuzi, proc^titi und die Silbe ju : znaju . . .), z. B. su = nböhm. su in okrassuy 467, potrussugycz 363, rozhriessugy 417 neben sju- = nböhm. si- in mssyu slüziti 453, mssyu öta 453, nassyu prosbu 453, ca = nböhm. Su- in vieci me se zraczugy 431 neben Sju- ■== nböhm. Si- chciny o tobe peezyu mieti 284, lu = nböhm. lu- in kraluge na veky 383, newzdaluy se 381 neben lju = nböhm. li- in jäz slyu andela 277, zu- = nböhm. zu- in protoz se kazdy wzhrozuge 322 neben zju- = nböhm. zi- in pokladyf ukazyu 429 u. ä. b) Die Endungen der 1. Pers. sing, und 3. plur., die im Altböhmischen mit einer weichen w-Silbe ausgelautet haben, sind im Neuböhmischen, insoferne nicht andere Veränderungen eingetreten sind, in der Umgangssprache ohne Assimilation, in der Schriftsprache dagegen assimiliert: z. B. 1. sing. pis?t — pisi, 3. plur. piso« — pisY, und ebenso m&zu — mazi, mazou — rnaz7, pläc» — pläci, pläco« — pläcz, stürm — stünt, stüiicm — stum. Dieser Unterschied kann sich nur mit der Zeit ent- wickelt und festgesetzt haben; es darf angenommen werden, dass die Sprache zu einer gewissen Zeit beide Formen zu- gleich gehabt und als gleichberechtigt gebraucht habe, pisw und (da pisi aus pisju erklärt wird) pisju, wovon die erstere in der Umgangssprache sich festgesetzt hat, während die letz- tere in der Schriftsprache beliebt geworden ist. Diese An- nahme aber, die an sich wenigstens nicht unwahrscheinlich ist, erhält durch die Schwankungen der Handschriften that- sächliche Bestätigung: so wie die gegenwärtige Sprache zwischen pis» und pis« . . . schwankt, so hat auch die alte Sprache geschwankt, wie es die Beispiele wyzu Mast. 4a neben 348 Gebauer. wyzyu DalC. 21, wraczu ZWittb. 115 neben wraczyu 65, nepolozu 109 und przylozyu 70, zoblaczyu 131 und upusczu mittam cant. Deuter, u. s. w. beweisen. Die Verschiedenheit der Verbalclasse ist hier ganz gleichgültig, es gilt von pijrt — pijt, pijtt — pij£, slysw — slysi, chozw — chozt, kazw — kazt . . . immer dasselbe. Auf diese Weise wäre es also wenn nicht nachgewiesen, so doch sehr wahrscheinlich gemacht, dass die böhmische Assimilation u — i eine Wirkung des ^'-Lautes ist, dus/u — dusi, und wären auch die unassimiliert gebliebenen «-Silben durch den Abgang der Jotation erklärt. Aus allem dem folgt aber wiederum, dass die in altböhmischen Handschriften ge- schriebene Jotation lautlichen Werth gehabt haben müsse. Wer diese Wahrscheinlichkeit und die aus ihr fliessende Folgerung bestreiten wollte, müsste im Staude sein, die von uns theoretisch postulierte und durch Thatsachen bestätigte Uebereinstimmung zwischen dem unjotierten u des Böhmischen und des unassimilierten u des heutigen mährischen Dialekts, und ferner zwischen den Schwankungen der altböhmischen Handschriften und den entsprechenden Schwankungen der neuböhmischen Sprache anders zu erklären, als durch Zufall, und anders als es oben geschehen ist. X) Es ist noch der eigentümliche Fall zur Sprache zu bringen, wo jotiertes oder auch unjotiertes u statt eines ur- sprünglichen i oder i geschrieben vorkömmt. Ich finde dies, was hervorzuheben ist, am häufigsten im Passional, seltener in anderen Handschriften, und führe hier alle Beispiele an, die mir bekannt sind; die im Pass., ZWittb., ZKlem. und Hrad. vorkommenden trachtete ich alle in dieses Verzeichnis zu be- kommen. Vsech svatych lidyu Pass. 277 statt lid«, netahle sta se przitulityu 278 statt pritulito', poce otci radytyu 282 (u ist radiert), tähl do te wlastyu 282, zle duchy z lidyu vyhäniese 283, almuznu käza datyu 284, chcmy o tobe pecu myetyu 284, käza ju po lici bityu 285, jejie syny käza vseckny zbityu 285, käza jemu hlavu styetyu 295, od zlych lidyu 302, 315, to jich zivota pamatovänie czynyu näm v srdci velike zahanbenie 318 statt cinz, tenf jest jesto mezi dvefmi sedyu 324 statt sed£, clivi se tomu mysl czlowieczyu 320, od hladu a zyznu 336, Ueber die weichen a-, o- nnd ü-Silben im Aitböhmischen .'! I '. I (Mari Magdalena) cloveka newidyewssyu 1542, kdyz inu jcho wodyucz povtkle 343 statt vodü'c tak se bohove moyu rozhne- vali 345 statt moji, an yuch fec uslysav 354 statt jich, yuch jazyka 361, osmaötyficeti buskupow 376, moyu (u ist etwas radiert) nepfietele 381, vsichni jini hrziessyu 397 statt hfes/, komu ste sluzuli 413 statt sh'iziii, oczyu jako plamen biesta 413 statt ocV, ctyfie z nas vmrzietyu maji 414 statt umriet/, tohu buoh ytyessyu 420 statt utes£, tryzn ma trpietyu 421, aby mini pomohl swityezytyu 435, kdys to budete hledatyu 457, poce s velikü radosti clityetyn tomu slovn rozumietyu 469; — ot tech yuz vstavajü na nie Z Wittb. 17, zvestuj to vsiej zeinyu eb. cant. Isa., otpustyu mi 38 statt otpusti (Imperat., wohl kaum statt otpuscjuj, VI. Cl.)7 newzweselyu se nepfietel moj nad me 40 statt nevzveseh' non gaudebit, na postelyu mej 62, czyzyu uciiien jsem bratri mej 68, pfizfi k dussyu mej 68, v zemyu egipskey 77, nad tussyczie 83, tyusicz a deset tyusicz- 90, slova jez rozkazal v tisic pokolenyu 104, slova snamenyu svych 104 statt znamen/, otczyu nasi nerozumeli divöv tvych 105, jenz, ucinil divy v zemyu Kamove 105 statt v zemi, bydlny jsem jäz na zemyu 118, abychom jednoho boba v troyuezy a troyuczy v jednote cstili symb. Äthan, statt troj/ci, k öineniu prawedlenstwyu tvych 118 statt pravedlenstv«; — telo me odpocine v nadieyu ZKlem. 8b statt nadej/ (in spe), den dnyu vyfehuje slovo 12a, prawiuciu svii 78a statt pravt'cju, nad tiussiuce zlata 101a, tyussiucz 129b (2) und am häufigsten im sing. Dat. Loc. gmenyu tvemu 12% 95a, 114a, 110a, 117e (neben gmeny tvemu 4b), gmenyu svatemu 81a, 120a, ve gmenyu boha 12b, ve gmenyu tvem 32a (2), 45b, ve gmenyu svatem 84a, ve imenyu boziem 97a, ve ymenyu boziem 971' u. ä. (neben ve ymeny boziem 109a), v ramenyu 112b; minder wahrscheinlich wäre die Erklärung, dass dies Casus von yo-Stämmen wären, wie pojmenie (poymenye feci Hrad. 46a), nböhm. pfijmeni, und wie semenie (bez muzskeho syemenye Modi. 155a) 5 — ausser- dem : tyusycz by nalezl takych AlxV. 164a statt U'sic, tyusycz se jich febfie chvati 163'', v nuzyu nie lepsieho nenie DalC. 19 statt v nüzi, odpustisli mi, hrzessyuss 37 statt hfesis, mistr jeji prziezaduczyu Hrad. 47a statt pfezädüc«, jakz wnyude bozie mäti 65a, tfie kräli inhed s svych konyu ssedechu 68b statt kon/, kdyz posluchaji zlych piesnyu 1 • T :i statt piesnl. 350 G e b a u e r. Diese Erscheinung kann auf mannigfache Art erklärt werden. 1. Sie ist vielleicht ein rein mechanischer, aber beliebt gewordener Schreibfehler: das ältere dusjn war in dusi über- gegangen, die in älteren Handschriften dussyu, dussm, dussu geschriebene Form wurde der neueren Sprache entsprechend dusi gelesen und hieraus wurde gefolgert, dass jedes beliebige, selbst auch das ursprüngliche i in der Schrift durch yu, iu, u bezeichnet werden könne, dass man auch wo&yucz Pass. 343 statt vod/c, praw/uciu ZKlern. 78a statt pravicju, twssyczie ZWittb. 83 statt t/sice u. s. w. schreiben könne. Ohne Beispiel wäre dieser Fehlschluss im Altböhmischen nicht. Zur Zeit der Laut- wandlungen uo—u, au — ou, aj — ej, ie — i hat man auch z. B. celuo ves Accus, sing, statt ce\ü, dcmfati statt doufati aus do-ufati, no/sem statt ne/sem aus ne-jsem, recenych dedictvie statt dedictv/ pl. Gen. u. s. w. geschrieben und glaubte sicher- lich dies mit demselben Rechte thun zu dürfen, wie wenn kitoh, saud, pa/cha, vtera statt des gehörten kun, soitd, pe/cha, v/ra geschrieben wurde; vergl. Listy filologicke 1874, 50 — 51. Allein für die hier betrachteten Handschriften und namentlich für den in sonstiger Beziehung so genauen Schreiber des Pass. scheint mir die Annahme eines so plumpen Schreibfehlers un- billig und ungerechtfertigt. 2. Es verdient offenbar die Erklärung den Vorzug, die die Ursache dieser abnormalen Schreibung in der Aussprache sucht. Im Sinne einer solchen Erklärung könnte man an- nehmen, ursprüngliches i sei auch im Altböhmischen manch- mal in ju oder u übergegangen, wie dies nach Miklosich, Gramm. 1. 266, im bulgarischen sjurok neben sirok latus, z/uveji. neben ziveji. vivo der Fall ist. Bedenkt man aber, wie vereinzelt diese Beispiele dastehen, und dass sie der vom Ende des XIII. bis zur Mitte des XIV. Jahrh. sich allgemein vollziehenden Assimilation (duä/w — dusi) gerade entgegen- gesetzt sind, so wird man diese Annahme kaum wahrscheinlich finden. Dann bleibt aber nichts Anderes übrig, als anzunehmen, das in diesen Fällen geschriebene yu, iu, u bedeute weder den ursprünglichen jotierten oder unjotierten Vocal u, noch den nach vollzogener Assimilation ihn vertretenden Laut i, sondern irgend eine Uebergangsstufe zwischen (jju und i, analog üeber die weichen «-, o- und «-Silben im Altböhmisuhen. .').)1 dem von Schmidt, Beiträge 6. 137, angenommenen ^-ähnlichen ju; welches in Entlehnungen das griechische u vertritt, y.jpto? — kjuri,, und dem von Miklosich, Altsloven. lautlehre 3 167, in Fällen wie \juho — h*bo als Mittelglied zwischen asl. ju und i angesetzten fo. Aehnliches findet sich auch für den Uebergang a-e, dusa duse; das z. B. in Teslaene (Erben, Regesta, in einer Urkunde vom Jahre 1228), Mesea (eb., Urk. 1184) u. a. geschriebene ae (oder e) und ea darf wohl als die beiläufige Darstellung eines zwischen a und e liegenden Ueber- gangslautes betrachtet werden. Ein ähnlicher Uebergangslaut hat, nehmen wir an, die Assimilation ju-i vermittelt, und da es zweckmässig erscheint, ihn in der Schrift durch einen ein- fachen Buchstaben andeuten zu können, so wählen wir hiezu das Zeichen y. Nach dieser Auffassung würde wodywcz Pass. 343 statt vodic u. ä. nicht aufhören ein Schreibfehler zu sein, aber das Fehlerhafte an ihm wäre bedeutend gemildert. Eine solche Milderung stimmt aber ganz gut zu dem ganzen Cha- rakter des Pass., das unbedingt zu den musterhaftesten Denk- mälern der böhmischen Sprache zu zählen ist und dennoch diesen Fehler so häufig bietet, und seine also gemilderten Fehler sind wiederum ein Zeugniss für den einstigen Bestand des angenommenen Mittellautes y. Als weitere Zeugnisse könnten die Reime \yud& : vida LA1. 422, prziezaducz^N : vse- mohücj Hrad. 47a und folgende Imperative des ZWittb. an- geführt werden: nezatraczyu duse me 25 statt nezatracjö//, nezatraczyu mne 27, neotwraczyu obliöeje tveho ote rane 101, ni s6 ukroczyu neque compescaris 82, obkluczyumy oblicej jeho 94 statt obkhxcjujmj und nenaweselyute so 34. Bei hart- stämmigen Verben dieser Classe ist mir eine solche Imperativ- form nicht vorgekommen, etwa radw statt r&ditj, raditte statt radw/te; dagegen werden die altböhmischen Imperative I. 7 pij, pijte . . . gewöhnlich nur so geschrieben, als ob sie pi, pite . . . lauteten; es ist demnach anzunehmen, dass dem Schreiber des ZWittb. der Imperativ der Aveichstämmigen Verba der VI. Classe nicht mit einem solchen -uj lautete, wie es im harten r&Auj, radw/te gehört wird, sondern mit einer Silbe, die wir mit -yj bezeichnen und die eine solche Zusam- menziehung zuliess und an die Hand bot, wie wenn p(/ in pi zusammengezogen wird; es wäre aber nicht richtig, wenn man 352 üeb auer. meinen würde, y sei von dem aus -ju- durch Assimilation her- vorgegangenen i nicht verschieden und -yj- habe hier ganz so gelautet, wie -ij- in py-, denn es wäre in diesem Falle der Um- stand unerklärlich, dass diese Silbe im ZWittb. nur einmal mit i geschrieben erscheint, zkuss?/gu stfiebra 65. Ist die Annahme des Mittellautes y richtig, so könnten auch die gyu, giu geschriebenen Silben (s. oben a) als jy ge- deutet werden. \i) Endlich könnte unter Hinweisung auf den eben be- sprochenen Schreibfehler auch die Einwendung vorkommen, dass geschriebenes dussyu und dussi'n = dusi zu lesen sei, dass das geschriebene yu, iu immer und überall den Vocal i oder i bedeute, und dass es weiche «-Silben mit inlautender Praejotation nicht gegeben habe. Sollte aber diese Einwendung richtig sein, so wäre es unbegreiflich, warum dieses geschrie- bene yu, iu tausende Mal dasjenige i oder i bezeichnet, welches ein älteres u vertritt, und dagegen nur ausnahmsweise ein ur- sprüngliches 4 oder i; mir sind ausser den oben angeführten beiläufig achtzig Beispielen sonst keine vorgekommen. Die Einwendung muss also fallen. Wohl aber bleibt unentschieden, wann geschriebenes -iu, -yu = -ju oder -iu, und wann darunter der Uebergangslaut y zu verstehen ist. Wenn ich alle eben zur Sprache gebrachten Momente zusammenfasse, so glaube ich mir das Verhältniss und die Ge- schichte der böhmischen weichen u-Silben also vorstellen zu dürfen : 1. Die altböhmische Sprache hat weiche »/-Silben ohne und mit inlautender Praejotation gehabt, letztere nur mit orga- nischer, d. h. aus der älteren Form des Wortes herübergekom- mener und etymologisch berechtigter Praejotation; dus«, sbozn« (aus sbozyw). 2. Mit der Zeit ist auch in ursprünglich unjotierten Silben eine parasitische Jotation aufgekommen: dusju neben dus«; und ist umgekehrt die organische Jotation geschwunden: sbozt« neben sboz4*u. 3. Diese also verschiedenen Formen waren theils Merk- male zweier verschiedener Dialekte : des »/-Dialekts (dusw, sbozM, in Mähren u. s. w.) und des /««-Dialekts (dusju, sbozm, Ueber die weichen a-, o- nrul u-Silben im Mtböbmiscben. .1 >.'i in Böhmen): theils bestanden sie auf demselben Dialektgebiete in gewissen Füllen gleichberechtigt neben einander, und zwar bestanden »-Formen im Bereiche des ^'w-Dialekts: povyswje neben povys/wje, posl« n. posl/u, poslti n. posl/», pis« n. pis/«, ciije n. c/»je, vswdy n. vsjudy u. s. w. 4. Die jotierte Form dus/w, sbozYw . . . ging- durch die vom /-Laute bewirkte Assimilation in i über, aus dem ju -Dia- lekt wurde ein /-Dialekt: dusi, sboz* . . . 5. Der Uebergang von -ju zu -/. dus/ti — dus/, war aber nicht unmittelbar, sondern durch einen Uebergangslaut ver- mittelt, der fehlerhafte Schreibungen wie wod^wcz Pass. 343 statt vodiö möglich gemacht hat. G. Die unjotierte Form dus», sboz» . . . dagegen ist un- verändert geblieben, weil sie den die Veränderung bewirkenden jf-Laut nicht hatte; sie besteht als charakteristisches Merkmal des neuböhmischen «-Dialekts (in Mähren u. s. w.) und li.it sich auch im /-Dialekt (im eigentlich Böhmischen) in gewissen Füllen erhalten, theils alleinig geltend, theils in der Umgangs- sprache gebräuchlich anstatt der assimilierten Form der Schrill spräche, und zwar in denselben Füllen, in denen auch schon der alte /»-Dialekt zwischen u- und ^M-Formen schwankte: povys?/je (nicht povysije), posl« neben veraltetem posh", pis« neben grammatischem pisi, pisow neben pisi, c»/» neben et']/, c»ch neben eich u. ü. — Zum Schlüsse noch eine Bemerkung über den Werth der durch die Untersuchung der weichen, e-, a-, o- und »-Silben gewonnenen Resultate. Er ist in doppelter Hinsieht zu schätzen: für die Geschichte der böhmischen Sprache und für die alt- böhmischen Handschriften. Für die Geschichte der Sprache hat die Betrachtung der e-Silben ergeben, dass im Altböhmischen zwischen e und e (lang e und ie) ein etymologischer Unterschied bestanden habe. und dass in dieser Hinsicht die organischen Wechselbeziehun- gen zwischen der böhmischen Sprache des XIII. und XI V. Jahr- hunderts einerseits und den übrigen Slavinen, namentlich aber dem Altslo venischen andererseits viel deutlicher und lebendige] waren, als man geahnt hat. Ferner hat die Betrachtung der "-Silben die Spaltung der böhmischen Sprache in den heutigen Sitzungsber. d. pbil.-hist. Cl. Will. Bd. IT. Hft. 23 oÖ4 Gebauer. üeber -lie weichen a-, o- und //-Silben im Altböhraisciien. u- und i-Dialekt beleuchtet. Ausserdem ist die lautliche Gel- tung1 der gehörig angewendeten Jotation constatiert. Was aber die altböhmischen Handschriften, namentlich die .strengen* aus dem Ende des XIII. und der ersten Hälfte des XIV. Jahrb. betrifft, so ergibt sich aus unseren Unter- suchungen, dass sie in der Wiedergabe des Lautes über die Erwartung genau sind, und dass ihr Zeugniss für die böhmische Grammatik alle Berücksichtigung verdient. Pctschenig. Beil - ar Textkritik der Scriptores liistoriac Angustae. 355 Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Augusta«1. Von Dr. Michael Petsehenig, Professor am k. k. zweiten Staatsgymnasram in ßra Seitdem Jordan -Evssenhardt und Peter das handschrift- liehe Material zu den Scriptores historiae Angustae gesammelt und in ihren Ausgaben niedergelegt, sowie durch zahlreiche Emendationen den Text berichtigt haben, wurde diesen sprach- lich wie geschichtlich gleich wichtigen Schriftdenkmälern des Alterthums ein reges Interesse zugewendet, von welchem die stattliche Reihe der bisher vorliegenden Einzelschriften auf dem Gebiete der Geschichts- und Quellenforschung, der höheren und niederen Kritik, der Lexikographie und Grammatik Zeug- niss ablegt. So sind nur für die Wortkritik allein, mit welcher sich auch die folgenden Blätter beschäftigen sollen, die Arbeiten von Oberdick (Zeitsch. f. d. Ost. Gyuin. 1865, 1868, 1873), Vielhaber (ebend. 1867), Bährens (Jahrb. f. class. Philol. 1871 I, Kellerbauer (ebend. 1878), Madvig (Advers. critic. II, p. 630 — 651), ferner die Programmarbeiten von Gemoll (Wohlan 1876 und Golisch (Schweidnitz 1870 und 1877) zu erwähnen, nicht zu gedenken der kleineren in Zeitschriften zerstreuten Beiträge. So erheblich nun auch die Förderung sein mag, welche der Text durch diese vielseitige kritische Behandlung erfahren hat, so gilt doch noch heute der Satz, welchen Kellerbauer an die Spitze seines oben erwähnten Aufsatzes gestellt hat: ? Wer sich auch nur oberflächlich mit den sogenannten scriptores historiae Angustae beschäftigt hat, wird zugeben müssen, dass auch nach Eyssenhardt, Jordan, Mommsen, Peter, Bährens für die Kritik noch manches zu thun übrigbleibt.' Der Grund hievon liegt vor Allem in der Beschaffenheit des handschriftlichen 356 Pet schonig. Materials selbst. Die zwei besten und allein massgebenden Codices, der Bambergensis und Palatinus, ' ersterer aus dem neunten, letzterer aus dem zehnten oder elften Jahrhundert stammend, gehen nämlich auf einen bereits lückenhaften und an vielfachen Schäden und Verderbnissen leidenden Archetypus zurück. Kaum geringer sind die Schwierigkeiten, welche durch den Charakter und die innerliche Beschaffenheit der Schrift- werke veranlasst werden. Diese sind stil- und regellos in der stark verderbten Sprache der Diocletianischen und Constanti- nischen Epoche ahgefasst und bilden somit ein wichtiges Denk- mal des Vulgärlateins. Wie weit aber die Freiheiten dieser Sprache in Wortbildung1 und Satzfügung reichen, welche De- clinations- und Conjugationsformen ihr erlaubt oder eigen- thümlich sind, welche Veränderungen bis zu jener Zeit die Wortbedeutung erlitten hat, dafür fehlt noch vielfach der siehere .Massstab. Als Vorarbeiten sind zu betrachten: C. Paucker's Schrift De latinitate scriptorum historiae Augustae meletemata, 1 >orpat 1870, und J. Plew's Inaugural-Dissertation De diversi- tate auetorum historiae Augustae, Königsberg 1801). Allein Paucker beschränkt sich auf das lexikalische Gebiet, Plew gibt nur eine dürftige Skizze der wichtigsten formellen und syntaktischen Eigentümlichkeiten. So lange dalier das Sprach- material nicht in erschöpfender Vollständigkeit gesichtet vor- liegt, sind wir darauf angewiesen, uns in zweifelhaften Fällen mit der üeb erlief erung der Handschriften zu bescheiden und eine befriedigende Lösung von eingehenderen Studien zu er- warten. Dass dieses Verfahren seine volle Berechtigung hat, soll zunächst an einer Reihe von Beispielen gezeigt werden. Den Anfang mache eine Aufzählung solcher Fälle, wo man die Wortbedeutung nicht erkannte und daher irrthüm- licher Weise zu Conjecturen die Zuflucht nahm. Hadr. 2, 10 ist überliefert: denique statim suffragante tiiua ad amidtiam Traiani pleniorem redit. Für statim schrieb Peter privatim; Bährens wollte af/alim, Oberdick instanter. Allein die Ueber- lieferung- ist vollkommen richtig. Denn wenn Peter (Exercit. 1 Im Folgenden bezeichnet B den Bambergerisis, P den Palatinus, ß' oder P1 die manus prima u. s. w. Die Citate sind nach- Peter's Ausgabe gegeben. Beiträgt zui ivwkuiik dei Suriptoreu bistoriai iugustai .'!,)< eritic. p. 1 — 2) erklärt ^neminem fugtet . . . non passe conciliari uerba ,denique' et ,statim'; aut enim III nd aut hoc dicendum fuit'} so ist dagegen zu bemerken, dass denique an unserer Stelle keineswegs im temporalen Sinne zu fassen ist, sondern als copulative Partikel, wie sane, bloss zur Anknüpfung des Satzes dient, ganz dem deutschen ,nuir entsprechend. Vergl. Marc. 14, 6, Seuer. 15, 2, Albin. 3, 2, Trig. 24, 3, Claud. 6, 4, Aurel. 23, 5. ' Peter's zweites Argument, statim könne schon deshalb nicht richtig sein, weil sich Traian erst nach einiger Zeit mit Hadrian werde ausgesöhnt haben, ist eben so leicht zu widerlegen} statim hat nicht die Bedeutung ^sofort', sondern wird hier wie an anderen Stellen synonym mit mox, non multo post, dwn.de, postea gebraucht. Belehrend ist in dieser Hinsicht Marc. 16, 1 : Jam in suos tanta fuit benignitate Marcus ut cum in omnes pro- pinquos euneta konorum ornamenta coutulerit, turn in filium et quidem scelestum atque inpurum cito nomen Caesaris et mox sacerdotium statimque (= et deinde) nomen invperatoris. Man vergleiche ferner lladr. 23, 13: quem praetura honorauit «c statim (= deinde) Pannoniis. inposuit. Did. Jul. 2, 3: statim (=. paulo post) enim mors Pertinacis secuta est. 'Seuer. 3, 9 : \hXorem petit, Juliam scilicet . . . ex qua statim (■=. breui) pater factus est. Seuer. 19, 5: eiusdemque etiam ianuae in Transti- !>• rina regione ad portam nominis sui, quarum forma intereidens statim (— mox) usum publicum Inuidit. Maximin. 21, 4: exarsit exercitus et odium tacitum in tempus distulit, qupd loco suo statim (= postea) prodid.lt. Ferner ist nicht zu übersehen, dass statim und denique auch sonst verbunden erscheinen, lladr. 13, 6: denique cum post Africam Romam redisset, statim ad orienti m profectus. Macrin. 5, 1: Statim denique arrvpuit Imperium. Maximin. 5, 5: statim denique illum . . . in haec uerba prouexit. lladr. 13, 5 bieten die Handschriften: nee quisquam fer< prineipum tantum terra r um tantum celeriter peragrauit, während die Ausgaben tarn celeriter lesen. Wenn auch zuzugeben ist, dass tantum möglicher Weise durch das vorangehende tantum terrarum veranlasst wurde, so ist dies doch kein hinreichender 1 Zink, Der Mytholog Fulgentius, S. 58 : ,Deniqut s'tehl (bei Fulgentius) mit ziemlich abgeschwächter Bedeutung als copulative Conjunotion zur Satz- verknüpfung oft schon /.u Anfang des zweiten Satzes einer Mythendeutung'. 358 Petschenig. Grund, um von der Autorität der Handschriften abzugehen, da tantum für tarn, quantum für quam sich auch sonst nach- weisen lassen. Heliog. 2, 1: Hie tantum Symiamirae matri deditus fuit. Porph. ad Horat. Od. III, 9, 15 : quantum carum habeat Calain. Augustin. epist. ad Honorat. (bei Possid. uit. Augustin. c. 30) c. 10: nam quantum necessarium fuerit ecclesiae quan- tumque profuerit, quod uir ille mansit in carne. Fulgent. Myth. 11, 13 : tantum stultus. Gallien. 3, 1 liest man jetzt: Turbata Interim re p. totoque penitus orbe terrarum. In BP ist vollkommen richtig toto über- liefert; denn diesen Schriftstellern sind Imperium Romanum und orbis terrarum identische Begriffe; für sie ist es kein Wider- spruch, wenn sie sagen ,auf dem ganzen Erdkreise gerieth der Staat in Verwirrung'. Zum Beweise dienen folgende Stellen: Valer. 5, 1 : imperator fieret . . . iure meritorum et quasi ex totius orbis una sententia. Gallien. 5, 6 : ex diuersis partibus pesti- lentia orbem Romanum uastaret. ibid. 6, 7: sie denique de Om- nibus partibus mundi, cum eas amitteret . . . iocabatur. Trig. 12, 6 : ut fe Romanus orbis factum prineipem gaudeat. ibid. 12, 8: iuuenes aliqui sunt quaerendi . . . qui ex diuersis partibus orbis humani rem p. restituant. Aurel. 32, 4: prineeps igitur totius orbis Aurelianus. Florian. 3, 6 : orbemque terrarum paca- tissimum gubernauit. ibid.: qui si diutius f wisset, orbis terrae barbaros non haberet. Trig. 1, 2 liest man: in unum eos libellian contidi et qui- dem breuem. In BP fehlt et. Wenn die Partikel nothwendig ergänzt werden muss und man nicht gelten lassen will, dass quidem für et quidem steht, warum schreibt man dann cap. 12, 16: Ego, p. c, bellum Persicum gerens Macriano totam rem p. credidi quidem a parte militari! Trig. H7 5: Extat etiam nunc epigramma Graecum in hanc formam. BP haben extitit, welches die Berliner Heraus- geber mit Recht beibehielten; denn die Perfectform von Com- positis des Verbums stare findet sich auch sonst in der Prae- sensbedeutung gesetzt. Vergl. Porph. ad Horat. Od. III, 19, 1: de Inachi autem uirtutibus nulla extitit historia. Lactant. de ira dei 11, 1: quoniam constitit (so Bünemann's Handschriften bis auf eine, welche constat liest) de prouidentia, sequitur ut doceamus, utrumne multorwm esse credenda sit. Beiträge zur Textkritik dei Scriptorea historiae Air.;« tai 359 Trig. 18, 10: quae omnia sunt Balli&tae eonsilia, ([iii ex quaque prouincia unam tantum speciem praeberi iussit, quod ea redundaret, atque ab ea milites submoueri. Heber den Sinn der Stelle kann kein Zweifel sein. Nach Ballista's Rath sollte, damit keine Provinz zu sehr belastet würde, jede für die Be- dürfnisse des Heeres gerade den Artikel liefern, welchen sie hauptsächlich producirte. Ist somit der Begriff des quaque hier am Platze, so entsteht nur die Frage, was mit dem hand- schriftlichen quadam anzufangen sei. Denn quadam einfach in quaque zu ändern, ist ein gewaltsames Verfahren. Dass i/ui- dam auch die Bedeutung Jeder* haben könne, dafür weiss ich allerdings nur Ein Beispiel beizubringen. Bei Victor Vitensis de persecut. Vandal. IV, 2 werden Bestimmungen gegen die Ketzer angeführt, unter welchen auch diese sich findet, die Ketzer sollten nee ecclesias aut in urbibus aut in quibusdam paruissimis locis penitus obtinere neque construere. Hier steht quibusdam für quibuslibet. Aurel. 29, 2— o. Vopiscus erzählt, der Perserkönig habe dem Aurelianus einen Purpurmantel von himmlischem Glänze, welchen er aus dem Inneren Indiens erhalten, zum Geschenke gemacht: hoc munus rex Permrum ab Iridis interioribus sumptum Aureliano dedisse per-hibetur, scribens: ,Sume purpuram, qualis apud nos est'. . . . nam postea diligentissime et Aurelianus et Probus et proxime Diocletianus missis diligentissimis confectoribus requisiuerunt tale genus pürpurae nee tarnen in um Ire potuerunt. Die durch Punkte bezeichnete Lücke, welche Eyssenhardt und Peter vor nam annehmen, wurde in den älteren Ausgaben nach einer Ergänzung des Egnatius durch die Worte sed hoc falsum fuit ausgefüllt, Hätten die Herausgeber sich im Vo- piscus genauer umgesehen, so würden sie bei ihm einen eigen- thümlichen Gebrauch der Partikel nam gefunden haben. Wenn derselbe im Leben Aurelian's cap. 35, nachdem er erzählt hat, dass Aurelian Weizenbrode in Kranzform austheilen Hess, fort- fährt: nam idem Aurelianus et porcinam carnem p. E. disti-ibuit, so liegt es auf der Hand, dass nam an dieser Stelle nicht be- gründend ist, sondern wie das griechische ci, das lateinische 'intern oder sed zur blossen Anknüpfung dient. Dasselbe ist cap. 27, 1 der Fall, wo Peter nam eingeklammert hat: Hoc epistida aeeepta ZenoUa superUus insolentiwque rescripsit quam 360 Petschenig. eius fortuna poscebat, credo ad terrorem. nam eius quoque epi- stulae exemplum indidi. In dieser Weise nun, bald zur blossen Satzverknüpfung wie autem, bald mit leichtem Gegensatze wie sed oder uero, rindet sieh nam bei vielen Schriftstellern der späteren und spätesten Zeit verwendet, so bei Commodianus, Draeontius, Anthimus, sehr häutig bei Victor von Vita. Ist demnach an unserer Stelle nam postea gleichbedeutend mit postea autem oder sed postea, su entfällt jeder Grund zur An- nahme einer Lücke. In des Vopiscus Citrus 8, 5 lesen wir: tanti turbinis subito exorta tempestas est ut caligarent omnia, neque alter cdterum nosceret. In BP steht alterutrum, eine Form, für welche nach dem mir vorliegenden Material keine Emendation, sondern nur eine Erklärung nöthig ist. Es gab in der Volkssprache ein Adverbium alterutrum, welches neben inuicem zum Ersätze des griechischen kXXtqXiöv und des classisch-lateinischen alter-alterius, -altert, -alter um, -altera diente. So findet es sich in der Vul- gata etwa zwanzigmal iu mannigfachen Casusverhältnissen ver- wendet. Gen. 13, 11: diuisique sunt alterutrum (= alter ab altera) a fratre suo. I Reg. 20, 41: et osculantes se alterutrum (= alter alterum), ßeuerunt pari/r): Jtid. 5, 26: dicentes ad alterutrum (— alter ad alter um). Sap. IS, 23: super alterutrum. Marc. 4, 40: dicebant ad alterutrum (eXe-fw r.p'zz «XXtqXouc); 8, 16: ad alterutrum dicentes j 15, 31: ad alterutrum dicebant. Act. 7, 26: utquid nocetis alterutrum (tva v. y.z'.v.zl-i xX?vVjXpuc). Rom. 15, 5: in alterutrum (£v x/.Xr(X;t:); 15, 14: ut possitis alterutrum monere (gcXXiqXou«; vouOsTeiv). / Thess. 5, 11: consolamini inuicem et aedißcate alterutrum (r.y.zy.y.yj.zl-.z aXXvjXoui; v.y.l z\v.zoo[j.z\iz t\c tov eva). Jac. 4, 11: nolite detrahere alterutrum (jjirj /.ataXaXetTS xXXvjXwv) 5 5, 9: ingemiscere in alterutrum (xoct' aXXqXwv); 5, 16: confitemini ergo alterutrum \ yjj:r~kv.z) peccata uestra. I Petr. 4, 10: in alterutrum (v.z iau-rej;). I Joan. 3, 11: ut diligatis al- terutrum; 3, 23: et diligamus alterutrum; 4, 11: nos debemus alterutrum diligere. II Joan. 5: ut diligamus alterutrum. Ferner erscheint es bei Lactant. de ira dei 13, 14 pleonastisch neben inuicem: Inuicem sibi alterutrum (= alterum alteri) conexa sunt. Zu dieser Stelle citirt Bünemanu aus Tertull. de resurrect. carn. ,membra alterutrum (= alter alterius) sumus', aus Cyprian ,alterutrum onera sustinete', aus Isidor ,uelut canes alterutrum Beiträge zur Textkritik 4er Scriptores historiai üigu fcai 361 se latrant'. Dcsgleiclion rindet es sich bei Fulgentius; vgl. Ziuk 8. 41 , der es mit Unrecht unter den jFulgentianischen' Adverbien aufzählt. Ist soniit alterutrum an der Stelle des Vopiscus unanfechtbar, so erübrigt nur noch die Erledigung eines Punktes. Es ist nämlich fraglich, ob der Singular nosceret richtig' ist, während an allen bisher angeführten Belegstellen der Plural steht. Hierüber geben drei sehr merkwürdige Stellen bei Porphyrion Aufschluss. Ich schicke voraus, dass ich die- selben so citire, wie sie im Codex Monacensis stehen, nicht wie sie in den Ausgaben corrigirt erscheinen. Wir lesen also zu Ep. I, 8, 41 (gratia sie fratrum): dum alterutrwm sequitur studium; ibid. u. 61: tamdiu nomina simulata seruantur, donec (nee Cod. Monac.) cdterutrum uincat ; Ep. II, 1, 59 (uincere Caecilius grauitate Terentius arte): utrum alterutrwm uincit an ceteros uniuersos? — Plat man da ein Recht anzunehmen, dass utrum einmal für alterum, ein zweites Mal für uter und ein drittes Mal wieder für alterum verschrieben sei? Die Antwort kann nur verneinend lauten. Man wird vielmehr im Hinblick auf die so merkwürdige Uebercinstimmung der Stelle des Vo- piscus mit den soeben aus Porphyrion citirten mit vollem Rechte den Schluss ziehen, dass, nachdem einmal das ursprüng- liche alter alterum in alterutrum übergegangen war, zunächst noch der SubjcctsbegrifT alter überwog und demnach das Ver- bum in den Singular gesetzt werden konnte; später erstarrte die Form vollständig zu der Bedeutung , einander, gegenseitig'. Somit ist die handschriftliche lleberliet'erung ,neque alterutrum nosceret' vollkommen richtig. Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass die Beachtung der Wortbedeutung für die Kritik der Kaiser- geschichtschreiber nicht unwesentlich ist. Wir wenden uns nun zu einem anderen der in den Einleitungsworten berührten Punkte, um einige von den Handschriften überlieferte Formen mit Hinweis auf Analogien bei anderen Schriftstellern der späten Zeit zu vertheidigen. Ilndr. 5, 6: quamuis Crassum postea procurator . . . iniussu eins oeeiderit. Das in BP überlieferte iniusso ist durch analoge Bildungen hinlänglich geschützt. Vgl. Commod. 3, 6 curro = curru, ibid. 3, '•' fieretque '■mit.-nijiii) f= contemptui); iusso Theoderici steht beim Anonymus Valesii 56 (Cod. Meermann. saec. IX). Zahlreiche Beispiele sind 362 Petsclienig. angefühlt von Rönsch, Itala und Vulgata, 2. Aufl., S. 2GO — 262, und von Schuchardt, Der Vocalismus des Vulgärlateins, IL Bd., S. 188. Plus 10, 4 liest man bei Peter: facilius fv.it Apottonio a Calchide JRomam uenire quam a domo sua in palatium. Hier bietet B chalchida, P calchida. Zweifellos haben wir es da mit der bekannten Form der Heteroklisie zu thun, nach welcher griechische Substantiva der dritten Declination im Lateinischen in die erste umlauten; Beispiele findet man zur Genüge bei Neue, Formenlehre, I. Bd. S. 329 ff. Zu schreiben ist also Calchida, desgleichen Gallien. 1, 1 mit BP Persida. Für letz- teres fand ich folgende Beispiele : Commodian. carm. apolog. 925 : de Persida homo immortalem esse se dicit. Porph. ad Horat. Od. II, 2, 17: a rege Cyro, qui primus in Persida (so Cod. Monac.) regnauit. Comment. Bernens. in Lucan. III, 256: Tigris et Eufrates oriuntur in Persida. — Hadr. 12, 4 bietet B tarraconatn, P tarraconem, aber die beiden letzten Buch- staben in Rasur, wonach die Lesart des Archetypus unzweifel- haft Tarraconam war. Sehr wahrscheinlich ist auch Maximin. 8, 5 nach BP" zu schreiben : alii Scironam . . . multi Tyfonam uel Gitjantam, obwohl griechische Masculinformen seltener umlauten. Doch findet sich Fulgent. Myth. III, 2 Perdica (nom. propr. ) für Perdix, Hygin. f. 155 Arcada für Areas. — Marc. 25, 12 bieten BP alexandre, was jedenfalls auf die Form Alexandreaß führt. Gord. 2, 4: ipse post consulatum . . . ad proeönsulatum Africae missus est. Statt ipse post überliefern die Handschriften ipsos. Kellerbauer hält dafür, dies sei aus Versehen für post geschrieben worden; ich glaube vielmehr, dass es durch Buch- stabenversetzung aus is pos entstanden ist. pos ist in Hand- schriften so häufig statt post überliefert, dass es unbedenklich als berechtigte Nebenform gelten kann. Vgl. Schuchardt, Vo- calismus I, S. 122, Rönsch, It. u. Vulg.- S. 470 und 525. Wir haben es im Vorstehenden versucht, eine Anzahl von Wortformen durch Analogien zu stützen und zu vertheidigen. Es wäre jedoch keineswegs gerechtfertiget, wollte man das Princip der Analogie auf alle Stellen ausdehnen, an denen un- gewöhnliche Formen überliefert sind. Manche Vulgarismen, welche man als solche erkennen wollte und zu registriren nicht Beiträge zur Textkritik der Scriplores liistoriae Augusfcae. 363 versäumte, verdanken ihr Entstehen einzig und allein einer Verderbnis» des Textes. Auch hieven ein paar Beispiele. Commod. 11, (3: deorum templa poHutus stupris et humano san- guine. Trotz vielfacher Analogien, welche dafür sprechen, dass pottutus = polluit sein könne, erweckt diese Form hier einiges Bedenken. Man erwäge doch nur, wie leicht pollutusstapris ans pottutastupris in den Handschriften der Seriptores entstehen konnte, in welchen die Zahl der Dittographien Legion, die Verwechslung von a und u häufig genug ist. Der einzige Grund, hier ein Deponens polluor anzunehmen, kann nur auf dem Umstände basiren, dass in allen übrigen Sätzen dieses Capitels ,Commodm' als Subject erseheint. Warum hat man dann aber Pius 10, 9 Edita munera nicht geändert, ' obwol in jenem Capitel genau derselbe Fall vorliegt, wie hier, wenn polluta an die Stelle von pollutus tritt'? Ein weiteres Beispiel des rasehen und unerwarteten Subjects-Wechsels steht G<>vl. 29, 4 — 5: sed Philippus etiam hoc addidit ut minorem per müites spargeret, adirfescentem esse Gordianum, imperiwm non posse regere, melius esse, illum imperare qui m'ditem gubemare, qui rem publicam sciret. corrupit praeterea etiam principe?, ef- fectumque, ut palam Philippus ad Imperium posceretur. Ist somit der Subjectswechsel nicht auffallend, so wird man sieh schwerlich mehr bedenken, eine Monstrosität zu entfernen, deren Entstehung so leicht zu erklären ist. Diadum. 7, 4: ut scirent omnes, Antoninos phiris fuisse quam deos ac trium prineipum amore, qnos sapientia bonitas pietas consecrata sit: in Antonino pietas, in Vero bonitas, in Marco sapientia. So Peter mit den Handschriften. Sehen wir von «c ab, welches Jordan treffend in ab verbesserte, so interessirt uns hier vor Allem die Anmerkung des Salmasius, auf dessen Autorität hin an dieser Stelle ein Deponens consecror erscheint. Er bemerkt nämlich zu der früheren Lesart quo . . . consecrata sit: ,Uitiosa lectio, cuius hie est uitiosus svnsus: per amorem illorum prineipum sapientiam, bonitatem, pietatem consecratam esse, quod qidd uelit non satis intellego. nam potius uidetur tres illos prineipes pr.opter sapientiam, bonitatem, pietatem fuisse con- secrata.^. Vielleicht an keiner Stelle hat Salmasius mit Sehein- 1 Mommseu wollte «illerdiugs edidit für edita. 364 Petsclienig. gründen in solcher Weise und mit solchem Erfolge gekämpft wie hier. Denn — und dies hat Salmasius nicht geahnt, Jordan aber recht wohl gesehen — erkennt man die Lesart quo* . . . consecrata sif als die richtige an, so sind die folgenden Wort'' unhaltbar, ausser man hält folgenden Gedanken für möglich: in Antonino pietas Antoninum . consecrauit, in Uero bonitas Ueram et rel. Das einzige Wörtchen quos hat also nicht bloss ein uner- hörtes Deponens consecror erzeugt, sondern auch Veranlassung- gegeben, eine ganze Zeile des Textes als unhaltbar zu ver- werfen. Ist aber die Lesart quo in der That so verkehrt, wie Salmasius und mit ihm die neuesten Herausgeber annehmen? Ich meine, der Gedanke, dass die Liebe des Volkes drei Fürsten und mit denselben zugleich ihre hervorragendsten Eigenschaften vergöttert habe, sei gar nicht unpassend, sondern im Gegentheile sehr schön und würdig und zeuge von einer höheren, philosophischen Auffassung der Kaiser-Consecration. Also nicht die Frömmigkeit, Güte und Weisheit hat den An- tonin us, Veras und Marcus vergöttert, sondern das Volk in seiner Liebe vergötterte diese drei und in ihnen ihre Tugenden. Nicht selten kommt es vor, dass der ungewöhnliche Ge- brauch einzelner Kedetheile, die Anwendung seltener oder seltsamer Structuren angefochten und durch Conjectur beseitigt wird, während gerade hier die grösste Vorsicht geboten ist. Denn wir sind über kein Gebiet des Lateins so wenig unterrichtet wie über die Syntax der Vulgärsprache. Rechnet man dazu noch die Licenzen, welche der Eigenart des Schrift- stellers ihren Ursprung verdanken und die oft nur durch sorg- faltiges Studium als solche erkannt werden können, so wird man geneigt sein, der Ueberlieferung ein grösseres Gewicht beizulegen, als dies bisher der Fall war. Das Ungewöhnliche einer Construction beweist noch nicht entfernt, dass dieselbe nicht thatsächlieh gewagt wurde. So lesen wir z. B. Hadr. 22, 6 in den Ausgaben : sederi equos in ciuitatibus nun siuit. Kellerbauer, der dies für unmöglich hält, will in equis lesen und führt zum Belege für seine Vermuthung fünf Stellen aus den Scriptores an. Dennoch ist die Emendation nichts weniger als richtig, da sich sedere oft genug als Verbum transitivum gebraucht findet. Vgl. Hygin. f. Gl: quadrigam sedens. Anth. Lat. I, 350, 4 (Riese): sederat umbra uiam. Optat. Mileuit. Roitrüge zur Textkritik 'lor Scriptores historiae \ n t? > i 365 de schism. Donatist. I. 15: cuius t>t cathedram sedes. Desarl. II, 2; II, 3. Fulgent. Myth. III, 1 : qvalem eqwim sedet. Victor Vit. II, 3: uf suum nequaquam sederet thronum. An einer ganzen Reihe von Stellen, wo sich hi oder his mit darauf folgendem Relativ findet, hat Peter theils zuerst. theils nach dem Vorgange Anderer für hi entweder i oder ii, für his aber is geschrieben.1 Untersucht man aber die Ueberlieferung an diesen Stellen genauer, so wird man die Berechtigung zu diesen Aenderungen entschieden Iäugnen müssen. In der Mehr- zahl der Fälle, nämlich ülmal, 2 überliefern die Handschriften hi oder Ms; an fünf Stellen '■'■ haben B und P, an zwei Stellen ' hat B allein hii, was aber eben so gut für hi als für ii ver- schrieben sein kann; ausserdem steht Heliog. 1'.', 9 in B bis statt his. Während also die Schreibung hi und his durch mehr als sechzig Stellen gesichert ist, steht is nur Heliog. 0, li und 10, 1,"' wobei wiederum zu bemerken ist, dass dies eben so gut für his als für iis gesetzt sein kann. Ausserdem hat Peter sein Princip an drei Stellen11 nicht zur Anwendung gebracht und his stehen gelassen. Die handschriftliche Ueberlieferung spricht also dafür, dass statt ii und iis vor einem Relativum die entsprechenden Formen von hie in Anwendung gekommen sind. Vereinzelte Beispiele hievon finden sich schon bei <\>-\\ Classikern; häutiger wird dieser Gebrauch im silbernen Zeitalter, und ist in der späten Latinität ganz allgemein. So findet sich 1 Vorsichtiger verfuhren die Berliner Heransgeber; vgl. Jordan's Praef. 1>. XXV: communi consilio retinuimus illa ,h> . Pert. 5, I. 7. 8. 7,9. 12, 8. Niq. 7, 8. 9, 5. Carac. 2, 5. Gef.. 7. 1. Heliog. 1. ::. 14, 1. 15, 1. 27, 4, 30, 8. 35, 7. AI. Seuer. 4, :!. 31, 1. 37, 7. 39, 3. 13, 7. Kl, 2. 51, 6. •".."», 3. ".7. .;. 58, 2 (zweimal). 59,6. Maximin. 2,5. L5, 5. Gallien. 3, 2. 9, :;. 20, !. Trig. 18, 9.31, 8. 33, :;. Claud. II,:.. 11.7. Aurel. 13, 2. 31, 6. 36, ■', (zweimal). "-7. 1. 10, 2. II. 2. 11. 5. Prob. 14, 1. Firm. 6, 3. Satumin. 11, 3. Procul. 12, 1. 3 Pf,/. 10, 3. Commod. 14. 1. 11. 6. Gord. 11. 3. Trig. 30, 9. 1 Seuer. 14, 9. Pert. 11. ■>. '■ An der erstgenannten Stelle schreibt I'eter is, Jordan-Eyssenhardi his, aber ohne dass man von einem der Herausgeber erfährt, was die Hand- schriften bieten. ■ Auid Cass. ?,, 1. Did. Jul. '■>. 8. J>i<")>n„. 5, 1. büß P c t s c h p n i g. in des Pacatus Panegyricus auf Theoclosius his mit folgendem Relativ elfmal, hi . . quibus einmal, in des Mamert. grat. act. c. 1 his . . quibus, c. 14 his qui, in des Nazar. Paneg. in Con- stantin. his qui zweimal. Aehnliches gilt von der Medicina des sogenannten Plinius und von des Gargilius Martialis Meclicinae, wo freilich Rose gegen die Autorität der besten Handschriften dasselbe Verfahren wie Peter in Anwendung brachte. Zahl- reiche Beispiele bieten die Schriften der Kirchenväter. Vinc. Lirin. Commonit. c. 2: si ab his sensibus nullatenus recedamus, quos sanetos maiores . . . celebrasse manifestum est; c. 11: hi ifisi qui rodebautur ; c. 12: horum quos supra memoraui; c. 14: hi qui agunt. Ambros. de poenit. I, 2, 5: sed negant his opor- tere reddi communionem qui praeuaricatione lapsi sunt; 5, 21 : si his quibus fuerit iratus ignoscat; 5, 24: his . . qui; ibid. his . . quos; 5, 26: hi qui. Vgl. ferner Pacat. paneg. c. 22: hae . . quas; Garg. Mart. 36: haec quae; Capitolin. Clod. Alb. 1, 5: hoc quod; Garg. Mart. 34: hoc quod; Vinc. Lirin. 14: quod agebat, hoc etiam esset; Cyprian. de lapsis 5: hoc omne quod gestum est; Tertull. de poenit. 1: hoc genus hominum quod et ipsi retro fuimus. Dagegen findet sich im Singular meist is qui (Macrin. 3, 4; Maximin. 25, 2; Plin. See. meclic. L 5; Pacat. paneg. c. 16; Mamert. grat. act. c. 2, c. 18, c. 29), ebenso eos qui (Commod. 9, 6; Pert. 10, 8; Pacat. paneg. c. 1; Mamert. grat. act. c. 14). Bisher haben wir nur das vorausweisende Demonstrativum ins Auge gefasst. Zurückverweisend finden sich is und hie neben einander an folgenden Stellen: Diadum. 8, 5: sperans eos nel amiciores tibi futuros, si his (Peter: is, Jordan-Eyssenhardt: iis) parceres. Aurel. 19, 2: eos (libros fatales) semper inspectos, neque prius mala publica esse finita quam ex his (Peter: is) sacrificiorum processit auetoritas. Firm. 3, 5: sed eosdem dentes postea Carinus mulieri . . . dedit, quae lectum ex his (Peter: is, Jordan-Eyssenhardt: eis) fecisse narratur. — hie allein steht im rückweisenden Sinne Aurel. 48, 2: Etruriae per Aureliam . . . ingentis agri sunt hique (Peter: ique) fertiles ac siluosi. Wenn an den früher citirten Stellen wegen des unmittelbar vorausgehenden eos noch einiger Grund zur Aenderung des darauf folgenden his vorhanden war, so entfällt dieser hier gänzlich. Vgl. Au id. Cass. 9; 1: cum primo Antiochensibus Beiträge zui Textkritik der Seriptores historiae Augustae. '.\h i gvauiter iratus esset hisque spectacula susttdisset. Gallien. 20, 3: nam cum cingula sua plerique militantivm . . . ponerent . . . Saloninus . . . his . . . balteos rapuisse perhibetur. Trig. 1, 2: sed quoniam tanta obscuritas cor um hominum fuit, '/' gelesen werden muss: Dici ui.r potest, quanta laetilia fnerit, oGS Petsclien ig. cum Romam per Italiam caput Maximini f er tu r. — AI. Sexer. 14, 4: et primum quidem sortibus . . . intettectum est, quod inter diuos etiam referretur. BP bieten referetur, welches nicht zu ändern ist. Denn da quod den Accus, c. Inf. vertritt, in dieser Construction aber nothwendig relatum, iri stellen müsste, ist das Futurum gerade am Platze. Maximin. 14, 4 bieten BP: inde per Carthaginem uenit (Gordinnus) cum pompa regali et protectoribus et fascibus lau- reatis. Fast dasselbe steht Gord. 9, 6: Post hoc Carthaginem. uentum cum pompa regaü . . . ev r/r^.yr.'. töv v.yr.y. tvjv T(Ö;j.y;v Zop^zuv Trpo'iovttöv y'i -i päfcßSoi ily.~rrr^ipyy/. Ist nun per corrupt, oder ist per Carthaginem die Uebersetzung des griechischen sr Kap/r;- iz-rjy. Es ist unbedingt das letztere anzunehmen. Vgl. Maximin. 23, 3: rniserat pi'aeterea (senatus) ]><->' omnes ciuitates praetorios et qnaestorios täros. Max. et J!«U>. 10, 1: senatus per omnes regiones consulares . . . uiros misit. Die Bibelstclle Luc. 10, ■ Y2: '()\).'J.Mz i'z x,oct AEjirr,;, -(V/i[j.fn: y.y-y. t'sv -öt.zv (— cum ad cum locum uenissct) gibt die Vulgata mit der Uebersetzung wieder: Similiter et Leuita, cum esset secus locum; der Codex Vercel- lensis dagegen bietet: cum transiret per eodem loco. In des Dracontjus Mcdea heisst es V. 194 — f>: sie fata per aras Uirgo cruenta molam perfert; d. h. Medea trägt das Opferkorn zum Altare. Gleich darauf (V. 199) heisst es von Jason, der im Tempel der Diana seinen Tod erwartet: Forte oculos per teeta leuat, uidet ecce uolantem Atque salutantem pueruni. Dies kann nur den Sinn haben: ,er erhebt die Augen nach oben zur Decke und sieht Amor herabfliegen'. Ungemein häufig ist die Ellipse einzelner Formen von esse; namentlich fehlt est gerne im Perfectum. Vgl. Iladr. 2, 2—3; Pert. 4, 10. Um so mehr fällt es auf, dass die Heraus- geber Pert. 3, 1 quare etiam dictis popularibus lacessitus ein est vor lacessitus einschieben. Auch erat wird manchmal weg- gelassen; z. B. Commod. 10, 4: in iocis quoque perniciosus. Da- nach ist Maxim, et Balh. 1, 0 zu berichtigen, wo man jetzt liest: uini eibi Ueneriae auidus, uestitu eultus, nee quiequam defuit qnorl illum )>opvl<> non commendahifem redderet. Für non Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Auffustae. 369 verrnuthete Kellerbauer Rom(ano). Indessen Hesse sich die Negation vielleicht durch die Analogie mit nihil abest quin schützen; allein defuit, welches offenbar Kellerbauer's Bedenken hervorgerufen hat, steht nicht von erster Hand in BP, und es ist nicht einzusehen, weshalb man diese Ergänzung eines Cor- rectors aufnehmen sollte, so lange der ursprüngliche Text sich halten lässt. Dies unterliegt, sobald man die Ellipse eines erat annimmt, keiner Schwierigkeit. Aurel. 26, 5 schreiben die Herausgeber mit Salmasius: sed credo adiuturos Romanam rem p. ueros deos. Allein das statt ueros in den Handschriften stehende uir ist sicher aus ziere verderbt, welches im adjectivischen Sinne gebraucht ist. Vergl. Carus 2, 2, wo nach Gemoll's treffender Emendation zu schreiben ist: ut a Romulo incipiam, ziere patre rimum fuisse, ut . . . Pes- cennium Nigrum et Clodium Albinum sibi subsumieret, sed postea et filiis tarn maiusculis stzidens et, Albini amori inziidens sen- tentiam mzdasse (Uebergang von Accus, c. Inf. zum Nom. c. Inf. |. — Ildiog. 23, 2: serpentes per Mar&icae gentis sacerdotes colle- Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. II. Hft. 24 370 RetBchenig. gisse fertur, eosque subito 'inte lucem . . . effudisse, mul- tosque adflictos morsu et fuga (Uebergang vom Nom. zum Acc. c. Inf.). — Prob. 22, 1: Conferenti mihi cum aliis impe- ratoribus principem Probum . . . intelleg o hunc nimm aut parem fuisse et rel. Während an der letzteren Stelle Jordan- Eyssenhardt den Handschriften folgen, änderte Peter die An- fangsworte in conferens ego. Die erste Stelle (Hei. 7, 5) ist sonderbarer Weise keinem der Herausgeber aufgefallen; erst Plew (p. 36) sah ein; dass dort ein Anakoluth vorliege. In der That wird Jeder, der die Stelle aufmerksam betrachtet, gewahr werden, dass satisfaciens dem Sinne nach nur zu den Worten mihi propositum fuit exponer e gehören könne, nicht aber zu non tacui. Ist nun an diesen beiden Stellen die Ueber- lieferung richtig oder verderbt? Diese Frage werden die fol- genden Beispiele bis zur Evidenz entscheiden, indem sie zeigen, dass das Anakoluth in Schriftwerken des vierten und fünften Jahrhunderts schon ganz gewöhnlich geworden ist. Porph. ad Horat. Od. IV, 4, 18 : hi Vindelici sedibus ab Amazonibus eiecti et ex Thracia in exilium se contulisse Alpiumque loca insedisse dicuntur et, quod potentissima in se tela secures Amazonum ex- perti fuissent, ipsos quoque usian earum in bello accepisse; vgl. ad Od. IV, 12, 7. - Optat, Mileuit. de schism. Donatist. II, 4: Interea Victor Garbensis, ut hinc prior mitter etur — non dico lapis in fontem, quia nee ualuit puritatem catliolicae multitudinis perturbare — sed quia quibusdam Afris urbica pla- cuerat commoratio et hinc a uobis profecti uidebantur, ipsi petierunt, ut aliquis hinc, qui illos colligeret, mitter etur. missus est igitur Victor. ibid.YI, 3: denique cum ducenta et quinquaginta turibula, quae sacrilegorum et peccatormn manibns portabantur, cum eosdem peccatores ahsorberet terra, remanserunt de manibus eorum excussa turibula. et dum dubi- taret Aaron et rel. (Regelrecht: denique cum d. e. q. turibula remansissent . . . excussa, Aaron, dum dubitaret et rel.); vgl. VI, 6 fin. — Possid. vit. Augustin. c. 18: Et Uli diuinitus condonatum est ut de laborum suorttm fruetu . . . g andere proue- nisset, prius quidem in Hipponensi ecclesia . . . pace perfecta, deinde in aliis Africae partibus . . . multiplicatam fuisse domini ecclesiam peruidens; ibid. c. 28: sed altius et profundius ea con- siderans et . . . praeuidens . . . fuerunt ei lacrimae panes; Beiträge zur Textkritik der Scriptores bistoriae Aogustae. ?>11 vgl. c. 14, c. L}4. — Ein bisher noch gar nicht gewürdigtes Beispiel der Nicht- Congruenz des attributiven Particips findet sich bei Porph. ad Horat. Od. I, 5: Pyrrham meretricem adlo- quitur, cuius calliditatem ignorans ait se quoque in amorem eins inplicitwn. Die Richtigkeit dieser Ueberlieferung ist nach den eben angeführten Beispielen nicht mehr zu bezweifeln und findet ausserdem ihre schlagende Bestätigung durch eine ganz ähnliche Stelle bei Victor Vit. II, 16: Laetum . . . incendio concremauit, aestimans tali exemplo timorem ineutiens reliquos elisurum; vgl. auch V, 16, fin.: Sed neque Antonium haec res ab insania potuit renocarr, sciens se magis imperio regis . . . posse placere. Dergleichen Licenzen, in längeren und ver- wickelten Perioden noch erklärbar und zu entschuldigen, gehen sehr bald in den Barbarismus des Nominativus absolutus über und die Regellosigkeit wird geradezu zur Regel, bis in Schriften wie sie die zweite Hälfte des sogenannten Anonymus Valesii repräsentirt, die vollständige Auflösung der Schriftsprache zum Durchbruche kommt. Einzelne Beispiele liefert schon Possidius,1 sehr zahlreiche Eulgentius - und dessen Zeitgenosse Victor von Vita, bei welchem sich Sätze finden wie folgender (I, 1): trans- iens igitur quantitas uniuersa, calliditate Geiserici ducis, ut famam sitae terribilem faceret gentis, ilico statuit omnem miätituJinem numerari (Regelrecht: cum igitur q. x. transiisset, GeisericiLS dux qua erat calliditate . . . ilico statuit et rel.). In den Scriptores h. A. lässt sich gleichfalls ein Beispiel dieser absoluten Participial-Construction nachweisen. In des Lampridius AI. Seuer. 28, 7 lesen wir: uolebat uideri ori- ginem de Romanorum gente trällere, quia eum pudebat Syrum dici, maxime quod quodam tempore festo, ut solent, Antiochenses Ae- gyptii Alexandrini lacessiuerant conuiciolis, et Syrum archisynetr gogum eum uocantes et archiereum. In den Handschriften fehlt das letzte et, was wegen der vorausgehenden Silbe es leicht erklärlich ist. Statt lacessiuerant aber steht in BP laces- situs erat. Zu der Annahme, dass dies aus dem ersteren ent- standen sein sollte, liegt nicht der geringste Grund vor. Wir 1 Vit. Augustin. c. 1 : protinusque ipxe in fide catholica con/irmatua, ■pvoßciendi in religione eidem cimoris ardor innatvs ext. °- Vgl. Zink S. 49. •2-4* 372 Petschenig. haben überhaupt kein Recht uns einem übereifrigen Purismus hinzugeben, am allerwenigsten bei Autoren von dem Kaliber unserer Scriptores, denen man doch sonst alle möglichen Soloe- cismen und Barbarismen nachzusehen pflegt. Warum sollten also die Handschriften nicht Recht haben? Warum sollte Lam- pridius nicht haben schreiben können quod quodam tempore frustra,* ut solent Antiochenses Aegyptii Alexandrini, lacessitns erat conuiciolis, et Syrum archisynagogum eum uocantes et archiercum, während man Aehnliches bei Anderen in Hülle und Fülle iindet? Vgl. Fulgent. Myth. III, 5: mater deum dicta est, illud nihilominus ostendere uolentes. Victor Vit. 1,1: et sie eadem atque iterum tali crudelitate furentes, ab eorum conta- gione malus remansit locus immunis; ibid. II, 14: cognoscentes igitur qui aderamus simulque legentes, contritum est extemplo cor nostrum; ibid. V, 2: Qui . . . dum . . . pender et, nunc in sublime tollentes, ictu celeri dimissis . . . cannabinis super silices platearum . . . conruebat. Für eine Anzahl von Stellen, an denen die Ueberlieferung zu belassen ist, kann man keine bestimmten Gesichtspunkte aufstellen; sie sollen daher nach der Reihenfolge der Vitae behandelt werden. Marc. 19, 9: dos autem quid habebatur nisi imperium, quod ille ab socero uolente Hadriano adoptatus acce- perat. nisi fehlt in BP. Es dürfte daher einfach ein Frage- zeichen nach habebatur zu setzen und der folgende Satz als Antwort aufzufassen sein, wodurch die Stelle zugleich eine leb- hafte rhetorische Färbung erhielte. Marc. 28, 10: fertur filium mori uoluisse, cum eum talem uideret futurum, qualis extitit post eius mortem. BP: quitalis. Dies lässt sich im Hinblicke auf andere Stellen halten, an denen gleichfalls ein und dasselbe Wort, welches hervorge- hoben werden soll, sich wiederholt. Vgl. Uer. 6, 3 — 4: nam et Uolucri equo . . simulacrum fecerat . . cui quidem passas uuas . . in praesepe ponebat, quem sagis . . coopertum . . adduci iubebat, cui mortuo sepulchrum . . fecit. Tacit. 16, 6: Nunc 1 In den Handschriften steht nämlich frusta, eine ganz gewöhnliche Ver- schreibung für frustra, die sich auch noch Maximin. 22, 1 und Aurel. 21, 7 findet. Da nun frustra auch den Sinn von temere oder jj.aT7jv haben kann, ist jede Aenderung der handschriftlichen Lesart überflüssig. Beitrüge zur Textkritik der Scriptures historiae Augustae. 373 nobis adgrediendus est Probus, uir domi foris (so BP; forisquß Edd.) conspicuuSj uir Aureliano . . praeferendus. Seuer. 9, 4: Antiochensibus iratior fuit, quod et administrantem se in orientem riserant et Nigrum etiam uictu iuuerant. Mit Recht haben die Berliner Herausgeber das handschriftliche uictum stehen gelassen. Denn es ist sicher, dass Niger's Sache auch nach seiner Niederlage von seinen Anhängern längere Zeit vertheidigt wurde. Vgl. §. 5: Neapolitanis etiam Palaesti- nensibus ius ciuitatis tulit, quod pro Nigro diu in armis fue- funt. Ebenso wird noch c. 15, 4 der reliquiae Pescennianae Er- wähnung gethan : inter haec Pescennianas reliquias Plautiano auctore persequebatur . Derselbe Fall trat nach dem Siege über Albinus ein; vgl. 12, 5: multi sane post Albinum fidem ei ser- uantes bello a Seuero superati sunt. Für uictum spricht auch Dio's Bericht. Nachdem er 74, 7 die für Niger verderbliche Sehlacht bei Issus geschildert, fährt er im achten Capitel fort: txkoüzr^ os rrtc ÄVTio^eiaq oü t.oaXm uctspv (nach jener Hauptschlacht) Ipu-fe ij.sv ä^' tj-t,: wc Kpcc tov E:jspar/;v b Nr;pcc,. Gallien. 2, 3: Piso igitur in Thessaliam se recepit. ubi missis a Ualente militibus compluribus (quam plurimis Eyssenh.) interfectus est. Ich sehe nicht ein, was gegen cum plurimis, wie BP lesen, sprechen sollte. Zu militibus ist compluribus oder quam plurimis ein ganz müssiger Zusatz. Auch Trig. 21, 2, wo von derselben Sache gesprochen wird, heisst es nur: Ualens, qui ad eum percussores misisse perhibetur. Dagegen ist es recht wol denkbar, dass Manche mit ihm umkamen, die- jenigen nämlich, von denen Trig. 21, 1 gesagt wird, dass sie seine Partei ergriffen: atque illic paucis sibi consentientibus snmpsit Imperium. Natürlich ist an unserer Stelle plurimi = multi, worüber Rönsch, Ital. u. Vulg.2 S. 417 zu vergleichen ist. Trig. 30, 13: uixit regali pompa. more magis Persico ad- orata est. Da in BP pompae steht, ist e more zu schreiben. Claud. 5, 2: his accedit quod rogantem Aureolum et foedus petentem imperator grauis et serius non audiuit, responso tali repudiatum: ,Haec a Gallieno petenda fuerant, qui consentiret moribus; poterat et timere1. Alles ist richtig bis auf die Inter- punction. Nach fuerant ist ein Kolon zu setzen und dann fortzufahren: qui consentiret moribus, poterat et timere. 374: Petschenig Aurel. 11, 1: Interest epistolas nosse Aureliano scriptas et ipsam adrogationem. Sonderbarer Weise hat man hier das hand- schriftliche de vor Aureliano, welches allein richtig ist, ganz ignorirt. Vopiscus theilt zwei Briefe mit, von denen der erste allerdings an Aurelian, der zweite aber an den praefectus aerarii Aelius Xifidius gerichtet ist. Beide aber betreffen den Aurelian. An manchen Stellen, wo der Bambergensis und Palatinus verschiedene Lesarten darbieten, ist es schwer die richtige herauszufinden. Ich lasse einige Fälle folgen, in welchen mir die Herausgeber geirrt zu haben scheinen. Hadr. 5, 1 schreiben Jordan und Peter mit B operam intendit, während P impendit hat. Letzteres halte ich mit Salmasius für das Richtige. Vgl. Marc. 3, 7 : tantumque operis et laboris studiis inpendit. Trig. 15, 7: capiendis leonibus et pardis ursis ceterisque siluestribus animalibus sudorem officii idrilis inpendit. Lactant. diuin. instit. I, 1, 1 : quidquid laboris poterat impendi. Hadr. 21, 9: a militibus propter curam exercitus nimie multum amatus est, simul quod in eos liberalissimus fuit. B hat nimiae, P nimiam. Die letztere Lesart ist entschieden vorzu- ziehen, da curam eines hervorhebenden Attributes kaum ent- behren kann, während multum bei amatus vollkommen hinreicht. Vgl. Get. 4, 4: Jus accedebat Bassiani fratris nimia crudßlitas. Natürlich ist nimius im Sinne der späten Latinität gleichbe- deutend mit magnus. Heliog. 5, 1 : Ergo cum hibernasset Nicomediae atque omnia sordide ageret inireturque a uiris et subaret. BP2: subigeret. Obwohl bereits Jordan-Eyssenhardt die richtige Lesart auf- genommen haben, dürfte doch eine Verweisung auf Dio 79, 2 nicht überflüssig sein: x#t -;y.z r^cpi'Cßzo (subigebat) xai eOyjXöveto (inibafur)' v.yj. sTiparrs v.y.\ ir.-j.zyv/ sxäxepa acz'K^iaxa.Tx. Eine zahllose Menge von Fehlern in BP ist auf die Ver- wechslung und Verschreibung einzelner Buchstaben zurückzu- führen. Hei. 4, 5: nunc tarnen cum eum consolaretur. Statt nunc ist sicher tunc zu schreiben; vgl. Did. Jul. 3, 1. 7, 1. 7, 11. Seuer. 3, 4. 10, 7. Plus 5, 5: Alanos molientes saepe refr^nauit. Von einer mehrmaligen Bekämpfung der Alanen unter Antoninus Pius kann wol kaum die Rede sein; vielmehr dürfte statt saepe zu schreiben sein; saeue. Beiträge zur Textkritik der Scriptores bistoriae Augustae. oi.) Pius 7, 3 : a quo conscios requiri uetuit. In BP ist von erster Hand conscio überliefert. Setzt man das folgende r = s, so erhält man consciosequiri, wonach ursprünglich wol conscios exquiri gestanden haben mag. Häufig sind a und u verwechselt. Pius 8, 9 bieten BP: sed Repentinus famosa percussus est, wofür Peter famosis p. e. schrieb. Das Richtige ist ohne Zweifel fama superfusus. Indem man su = sa las und zum vorhergehenden Worte zog, ent- stand durch eine gleichfalls nicht seltene Verwechslung von o und a famosa aus famasa, und aus per f usus ward percussus. Vgl. Liv. 45, 9: fama superfundit deinde se in Asiam. Ein ganz ähnliches Versehen scheint Pius 12, 5 vorzu- liegen : Marco Antonino rem publicam . . . commendauit For- tunamque auream . . . transferri ad eum iussit, signum tribuno aequanimitatis dedit et rel. Hier steht in BP signatum, welches ich mir aus signum tum entstanden denke, indem in signütum der Strich nicht beachtet und a für u gelesen wurde. Vgl. Marc. 7, 3, wo dasselbe berichtet wird : signo aequanimitatis tribuno dato. Die Berliner Herausgeber schreiben signa tum; aber der Plural lässt sich hier nicht rechtfertigen. Commod. 2, 9: aurigae habitu currus rexit, gladiatoribus conuixit. Das letzte Wort rührt von P3 her, während in BP coniusit überliefert ist. Das heisst doch wol conlusit. Dass ludere von Gladiatoren gesagt werden könne, beweist Auid. Cass. 6, 3 : exercitium septimi diei fuit omnium militum, ita ut et sagittas mitterent et armis luder ent. Pert. 1, 1: qui filio nomen ex continuatione lignariae ne- gotiationis, quod pertinaciter eam rem gereret, inposuisse fate- tur. fatetur kann, wenn die Ueberlieferung richtig ist, mü- den Sinn des griechischen b\}.z\o^v.™., des lateinischen probater haben. Da aber in B fateatur steht, dürfte vielleicht putatur zu schreiben sein; pu konnte sehr leicht als fa gelesen werden; war dies einmal geschehen, so ergab sich die Aenderung von a in e von selbst. Pert. 7, 1 : delatores convictos grauiter jmniri iussit et tarnen mollius quam priores imperatores, nnicuique dignitati, si dela- tionis crimen ineurreret, poenam statuens. Da Pertinax für I er- sonen jedes Standes und Ranges, wenn sie sich der delatio schuldig machten, eine bestimmte Strafe festsetzte, ist statt 376 Petschenig. des handschriftlichen delatores idnctos wahrscheinlich delatores cunctos zu schreiben. Seaer. 5, 3 : delnde ßrmatis quas post tergum relinquebat prouinciis Romam iter coniendit. Ob sonst iter contendere vor- kommt (tetend.it deinde iter Prob. 16, S), ist mir unbekannt. Jedenfalls wäre diese Verbindung nicht zu vergleichen mit Cicero's tantum itineris contendere (pro Rose. Amer. 34, 97). Uebrigens ist in BP nicht iter, sondern item überliefert, wo- nach ich idem vermuthe (t = d). Beispiele dieses eigen- thümlichen Gebrauches von idem, welches im Spätlatein ganz tonlos zur blossen Andeutung des Subjectes steht, sind Nig. 11, 1 : Idem in omni expeditione ante omnes militarem eibum sumpsit ; ibid. §. 3 : idem in contione iurauit. Daher hat Bährens auch Nig. 8, 4, wo man bei Peter liest item, cum quae- situm esset, qnis Uli successurus esset, respondisse itidem Graeco versu dicitur, mit gutem Grunde idem vermuthet. Seuer. 7, 3 : fuitque ingressus Seueri odiosus atque terri- bilis, cum milites inempta diriperent. Die sonderbare Wendung inempta diripere, welche den Gedanken involvirt, als ob man auch gekaufte Gegenstände rauben könne, ist schwerlich richtig und wahrscheinlich inempto zu schreiben. Vgl. Heliog. 25, 4 simidato, 17, 4 adfeetato, ferner inäebito, indubitato, insperato bei Paucker p. 69, Anm. Seuer. 14, 6 : Palaestinis poenam remisit quam ob cau- sam Nigri meruerant. BP: nigro, wol entstanden aus Nigri (e) meruerant. Seuer. 21, 7: qui nouercam suam — et quid nouercaml matrem quin immo . . . uxorem duxit. Sollte hier nicht ecquid am Platze sein? Nig. 4, 1 : haec de Pescennio Seuerus Augustus. De hoc adhuc milite Marcus Antoninus ad Cornelium Balbum. Hier sind die Worte de hoc von Peter ergänzt. Es fehlt jedoch kein Wörtchen, denn adhuc ist entstanden aus addehoc = at de hoc. Wie durch Verwechslung von at und ad Fehler in den Hand- schriften entstehen konnten, zeigt auch Aurel. 41, 7: respirare certe post infelicitatern Ualeriani, post Gallieni mala imperante Claudio cotperat nostra res p., ad eadem reddita fuerat Aureliano toto penitus orbe uincente. Hier ist ganz einfach ad = at, wie schon die alten Herausgeber erkannten, und Conjecturen Beiträge zur Textkritik der Scriptores liistoriiie Augustae. 377 wie uita denuo (Peter) oder ea demum (Bähreus) sind un- nöthig. Macrin. 14, 1 : Sed cum eins uilitatem homines antiquam cogitarent, crudelitatem morum uiderent. BP haben mirum. Wenn auch Salmasius bemerkt ,quiuis uideat legendum : crudelitatem morum', so ist diese Schreibung doch nicht über jeden Zweifel erhaben; denn wenn mir am (u = a) sich halten lässt, ist kein Grund zu weiterer Aenderung vorhanden. Nun wird mirus nicht selten synonym mit magnus oder sumnms gebraucht, z. B. bei Porph. ad Horat. Serin. I. 5, 73 : mira energia hie sensus explicitus est. Heliog. 17, 5: appellatus est post mortem Tiber inus et Tractatitius et Inpurus et multa, si quando ea erant designanda quae sub eo facta uidebantur. Der Ausdruck miäta . . appel- latus est statt midtis nominibus ist gerade nicht gewöhnlich. Doch finde ich nicht, dass er den Gelehrten der älteren und neueren Zeit sonderlich aufgefallen wäre ; nur Casaubonus erwähnt mit der Bemerkung ,non displiceat' eine Conjectur LoisePs, welcher multa in midier ändern wollte. In der That erwartet man statt multa einen bestimmten Namen, analog den vorher genannten. Diesen finde ich, ohne dass eine Aenderung nöthig ist (u = a), in Malta, welche Bezeichnung auf Helio- gabalus passt Avie kaum eine zweite. Vgl. Porph. ad Horat. Serm. I. 2, 25 (Malthinus tunicis demissis). sub Malthini no- mine quidam Maecenatem suspicantur signißcari . ab re tarnen nomen finxit . maltha enim malacos dicitur. Non. 37, 7: maltas ueteres molles adpellari uoluerunt, a Graeco quasi [luoik- ÜOMOvq. Lucilius lib. XXVII insanum uocant, quem malt am ac feminam dici uident (Lucil. fr. XXVII, 30 Müller). Nebenbei sei bemerkt, dass die Lesart malacus = [JweXaxoi?, welche alle Handschriften des Nonius bieten, durch die Stelle des Por- phyrion ihre volle Bestätigung findet. Heliog. 18, 4: ea prodenda censui quae ad luxuriam per- tinebant, quorum aliqua priuatus, aliqua iam imperator fecisse perhibetur, cum ipse priuatus diceret, se Apicium, imperator Neronem Othonem et Uitellium imitari. BP: imperatorem uero othonem. Danach ist mit eben so leichter als sicherer Aen- derung zu schreiben: cum ipse (e) priuatis diceret se Apicium, imperator um uero Othonem et Uitellium imitari. 3/8 Petschenig. Heliog, 30, 4 : celebrauit item tale conuiuium ut apud amicos singulos singuli missus appararenttir, et, cum alter maueret in Capitolio, alter in Palatio, alter super aggerem, alter in Caelio, alter trans Tiberim, et ut quisque mansisset, tarnen per ordinem in eorum domibus singula fercula ederentur. Da appararentur und ederentur durch das vor cum stehende et verbunden sind, ist et vor ut pleonastisch ; ich schreibe daher utut quisque mansisset (Mommsen tilgte das erstere et). AI. Seuer. 10, 5: Antoninus item primus Mar cum et item Verum iure adoptionis uocauit. In BP steht Antoninus idem sepius, woraus die Vulgata idem Plus entstand; item rührt von Ursinus her, primus ist Peter's Conjectur. Dem Richtigen ist Mommsen auf der Spur gewesen, dessen Conjectur Antoninos de se Pins von den Berliner Herausgebern aufgenommen wurde. Ich möchte jedoch das handschriftliche idem = item nicht missen und nehme nur den Ausfall eines u = a hinter item an, wo- nach die Stelle lautet: Antoninus item (a) se Pius Marcum et item Verum i. a. uocauit. Ueber uocare a se mach sich benennen'', brauche ich wohl Nichts weiter zu bemerken. Mommsen's Antoninos ist zwar sehr passend, aber doch nicht unbedingt nothwendig. AI. Seuer. 15,5: tribunos, qui per stellaturas militibus ali- quid tulissent, capitali poena adfecit. Da per in BP fehlt, ist stellaturis zu schreiben. So ist Marc. 6, 1 in BP baias statt baiis überliefert, und Peter selbst hat Pert. 3, 5 litteris für das handschriftliche litteras geschrieben. AI. Seuer. 37, 10: pomis uehementer indulsit, ita ut secunda mensa Uli saepius ponerentur, unde etiam iocus exstitit, non secuudam mensam Alexandrum habere sed secundum. Gemoll hat mit seiner Bemerkung Recht, dass es ein frostiger Witz sei, wenn man sage, Alexander habe keinen Nachtisch, son- dern tafle zum zweiten Male. Allein seine Conjectur ,non nisi secundam mensam Alexandrum habere secundum' finde ich auch nicht witziger. Oder ist es ein Witz, zu sagen, der zweite Alexander habe nur einen zweiten Tisch? Noch weniger ein- leuchtend ist Mommsen's Vorschlag ,non secundam mensam Alexandrum habere secundum'. Vielleicht ist sed, fecund am zu schreiben; die Stelle gäbe dann den Sinn, Alexander habe nicht einen Nachtisch, sondern einen Obsttisch, d. h. einen Beitrage zur Textkritik der Scriptores historiae Augutstae. oTv Tisch, aus dem förmlich Obst wie von einem Baume heraus- wachse. Gord. 24, 2 : per illos qui umici tibi uidebantur (erant autem uehementes inimici) , omnia uendebantur. Es ist wol üehementer zu schreiben (s = r). Gord. 25, 2 hat P1 cohostibus statt cohortibus, Gord. 32, 8 bieten BP hostis statt hortis. Trig. 30, 19: in ministerio eunnchos grauioris aetatis Jidbuit, puellas nimis raras. BP: rara, d. i. raro. Auch Trig. 18, 8 überliefern die Handschriften frumenta statt frumento. Aurel. 9, 6 : salis sextarium nimm, herbarum holerum quantum sat est. Das handschriftliche kerbas ist wohl aus herbae ent- standen. Aurel. 23, 5 : diuitem hominem negare non possum, sed eius bona eius liberis reddidi, ne quis me causa peeuniae locupletem hominem oeeidi passum esse criminaretur. Statt des ersten eins steht in BP cuius. Ohne Zweifel muss es heissen : . . . possum. sed huius bona et ius liberis reddidi. Vgl. cap. 14, 7: iube igitur, ut lege agatur, sitque Aurelianus heres sacrorum nominis et bonorum totiusque iuris Ulpio Crinito. Aurel. 28, 5. Als Aurelianus nach dem Siege über Zenobia den Orient zu seinen Füssen sah, benahm er sich auch den Persern, Armeniern und Saracenen gegenüber herrisch und anmassend. tunc allatae uestes quas in templo Solis uidemus consertae gemmis, tunc Persici dracones et tiarae, tunc genus purpurae, quod postea nee ulla gens detulit, nee Romanus orbis uidit. Da in BP illae statt allatae steht, lese man: hinc Mae uestes . . . hinc . . . tiarae, hinc genus purpurae. Claud.lljo: ut eum facias a Grata et Herenniano placari, nescientibus hoc militibus Daciscianis, qui iam saeuiunt, ne grauiter res erumpat. ipse et rel. Statt res erumpat, wie Salmasius schrieb, steht in BP reserum. Schwerlich ist hier ein Anlass zu der An- nahme, dass die Silbe pat ausgefallen sei. Setzt man f = f, um = ant, so ergibt sich aus referum die leichte Aenderung rem f erant. Carus 2, 5: adoleuit deinde usque ad tempora Gallicani belli, sed quasi quodani mersa naufragio capta praeter arcem nvbe plus prope mali sensit quam habuerat boni. In BP steht tumebat statt habuerat ; Gruterus vermuthete tum habebat. Sollte nicht tum erat genügen? 380 Petschenig. Ein in Handschriften häufig vorkommendes Versehen ist die Auslassung von Silben und ganzen Wörtern, indem sich der Abschreiber durch einen unmittelbar vorhergehenden oder nachfolgenden gleichen oder ähnlichen Buchstabencomplex täuschen Hess. Auch für diese Art von Verderbniss liefern die Scriptores zahlreiche Belege. Marc. 1, 6: cuius familia in originem recurrens a Numa probatur sanguinem trahere, ut Marius Maximus docet; item a rege Sallentino Malemnio. Der Umstand, dass hier die Abkunft von Königen betont werden soll, sowie das Unbestimmte des Ausdruckes in originem re- currens machen es sehr wahrscheinlich, dass hinter originem das Attribut regiam durch einen in diesem Falle leicht er- klärlichen Irrthum ausgefallen ist. In ganz ähnlicher Weise ist Uer. 7, 3 zu verbessern, wo man liest: egit . . . Uerns hiemem Laodiciae, aestatem apud Dafnen, reliquam partem Antiochiae. Es ist nämlich anni vor dem folgenden anthi (BP bieten anthiociae) ausgefallen. Uer. 3, 2 : mediusque inter Pium et Marcum idem resedit. BP: se resedit, woraus wol idem (ip)se resedit zu machen ist. Auid. Cass. 2, 1: Epistulam tu am legi, sollicitam potius quam inrperatoriam et non nostri temporis. quam fehlt in BP und ist von P3 ergänzt. x Es ist jedoch nicht quam, sondern non vor der Silbe im ausgefallen. Vgl. Lactant. diuin. instit. I, 11, 17: Itaque illa potius ficta sunt, quae tamquam de diis, non illa, quae tamquam de hominibus locuti sunt. ibid. V, 20, 11: bono potius adducendi homines ad bonum fuerant , non malo. Zu letzterer Stelle citirt Bünemann Augustin. de ein. dei I, 10: ut Christum potius diligere discerent ... non aurum et argentum. Auid. Cass. 2, 6 : eins autem exemplum ponere malui quam Domitiani, qui hoc primus dixisse fertur. Tyrannorum enim etiam bona dieta non habent tan tum auetoritatis quantum debent. Das in BP fehlende malui ist wieder von P3 ergänzt, wahrschein- lich so wenig richtig wie quam an der eben behandelten Stelle. 1 Es ist auffallend, wie oft Peter diesem Corrector selbst gegen seine bessere Ueberzeugung folgt; denn er sagt über denselben (praef. p. VII): tertia denique manus seculi tertii deeimi uel quarti deeimi fP^J ex exemplo aliquo deterioris familiae multas scripluras, quae prorsus nullius sunt preti, adscripsit saepe uel erania primae manus litteris. Beiträge zur Textkritik der Scriptores hiatoriae Augnstae. 38 I Ich vermuthe, dass ursprünglich geschrieben stand: ponere e re quam. Die Auslassung von magis ist hier um so weniger auffallend, da in der Phrase e re est schon ein Comparativ- begriff liegt. Andere Beispiele der Ellipse von magis gibt Dräger, Hist. Synt. II, S. 618 f. Did.Iul.6}d: ipse autem lulianus praetorianos in campum deduci iubet, muniri turres. Das schwerfällige Asyndeton ist ohne Zweifel durch den Ausfall des et hinter iubet ent- standen. Vgl. Clod. Alb. 14, 2, wo mit Casaubonus zu schreiben ist: ita ut nonnulli etiam Pertinaci auctores fuerint, ut eum sibi socium adscisceret, (et) apud lulianum de occidendo Pertinace ipsius plurimum auctoritas ualuerit. Nig. 3, 9: Miserum est, ut imitari eius disciplinam mili- tarem non possimus quem per bellum uicimus. BP bieten den Indicativ possumus, welcher unbedenklich zu belassen ist. Der Indicativ in indirecten Fragen hat im späten Latein eine solche Ausdehnung, dass es hier genügt, ein Beispiel aus Spartianus zu geben. Uer. 9, 9: quid per duces nostros gestum est, in Marci vita plenissime disputatum est. Statt per bellum steht in BP bloss bellum, wonach weder bello mit B2} noch per bellum mit P- zu schreiben, sondern der Ausfall eines in nach quem anzunehmen ist. in mit dem Accusativ statt mit dem Ablativ findet sich bei den Scriptores nicht selten. Seuer. 12, 8: Com- modum in senatum et contionem laudauit; Nig. 5, 3: nee tarnen in senatum quiequam de Nigro Seuerus dixit. Vgl. Gallien. 4, 9; Trig. 12, 12; Claud. 15, 2. Eine reiche Beispielsammlung, die sich aber beliebig vermehren Hesse, gibt Rönsch, Ital. und Vulg.2 S. 410 ff. iWg. 3, 10: saltant bibunt cantant et mensuras conuiuiorwm uocant Uli hoc sine mensura potare. — Uli schrieb Peter für das handschriftliche cum; Kellerbauer vermuthete uocant, cum hoc (sit) sine, Jordan tilgte cum mit Salmasius. Wenn man an- nimmt, dass uocant cum aus einem ursprünglichen uocant (tan)tum entstanden ist, und nach hoc ein Komma setzt, so ist Alles in schönster Ordnung. Nig. 5, 3: cum iam audisset de eius imperio, ipse autem proficisceretur ad conponendum orientis statum tantum. sane illud, fecit proficiscens ut legiones ad Africam mitteret et rel. Die früheren Ausgaben zogen tantum zum folgenden Satze. 382 retsclienifj. Indessen ist auch mit der neuen Interpunction, die man Momrnsen verdankt, tantum noch nicht völlig klar. Ich ver- muthe daher statum (nu) tantem. Vgl. Max. et Balb. 17, 9: ita ego precor, ut in eo statu nobis rem p. seruent in quo eam uos adhuc nutantem coUocaritis. Gallien. 1, 1: nutante re p. 1, 2: cum Romanum in Oriente nutaret Imperium. Oberdick hatte dem Sinne nach richtig, aber paläographisch unwahr- scheinlich turbatum vermuthet. Nig. 11, 5: Scribe laudes Marii uel Annibalis uel alius dticis optimi uita functi. Statt uel alius, wie Jordan und Peter schreiben, steht in BP bloss cuius. Wenn man erwägt, wie leicht nach der Silbe ins ein uis ausfallen konnte, dürfte man sich begnügen, zu schreiben: laudes Marii uel Annibalis, cuiusuis ducis optimi. Vgl. Clod. Alb. 12, 9: ab hoc speratis cuiusuis magistratus insignia. Carac. 1,1: Ex duobus liberis, quos Septimius Seuerus reliquid Getam et Bassianum Antoninos, quorum unum exercitus alterum pater dixit, Geta hostis est iudicatus, Bassianus autem optinuit Imperium. In BP fehlt Antoninos und am Schlüsse steht bassianum autem optinuit se Imperium. Prüfen wir die Versuche, die zur Entfernung der vorliegenden Schwierig- keiten gemacht wurden, so zeigt es sich zunächst, dass das von Richter ergänzte Antoninos dem Sinne nach nothwendig ist. Gewaltsamer ist das von Golisch eingeschlagene Ver- fahren, welcher durch Aenderung von quorum in Caesarem der Stelle aufhelfen will. Indem ich also mit Richter in der Sache einverstanden bin, will mir nur der Ausfall des Wortes Antoninos zwischen Bassianum und quorum nicht recht ein- leuchten. Nimmt man aber an, dass Antoninum hinter quorum unum weggelassen wurde, so wird der Ausfall erklärl icher. — Noch weiter auseinander gehen die Versuche, den Schluss der Stelle zu emendiren. Während die alten Ausgaben den Spuren der Handschriften folgten und, indem sie Bassianum autem ob- tinuisse imperium schrieben, nach dem letzten Worte constat einschoben, Jordan und Peter dagegen den mitgetheilten Text bieten, vermuthete letzterer ausserdem noch Bassianus autem optinuit rei p. imperium; Mommsen wollte Bassianus autem optinuit s(enatus) c(onsulto) imperium , Bährens optinuit Seueri imperium. Ich sehe jedoch, um das handschriftliche bassianum Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae \u| Bstao 383 und optinnit se zu retten, kein anderes Mittel ausser der An- nahme, dass autem ans notum verderbt ist. Die Stelle würde demnach lauten: Ex duobus liberis, quos Septimius Sexierus reliquid Getam et Bassianum, quorum nnum (Antoninum) exer- citus alterum pater dixit, Geta hostis est iudicatus, Bassianum notum optinuisse Imperium. Carac. 3, 5: multos, qui caedis eins conscii fuerant, inter- emit. eum qui imaginem eius honorauit *** post hoc fratrem patruelem Afrum, cui pvidie partes de cena miserat, iussit occidi. Ich schliesse mich hier ganz der Meinung des Salmasius an, welcher eum zu interemit zieht; denn er bemerkt mit Recht ,et haec fuerit uarietas morum in Antonino, ut modo conscios fraternae necis occideret, modo fautores eius(. Vgl. Geta 7, 6: uarietas autem tarda fuit Antonini Bassiani, immo tanta sitis caedis, ut modo fautores Getae, modo inimicos occideret, quos fors obtulisset. Nur erscheint mir die Setzung eines et oder auch eines blossen Komma nach interemit nicht ausreichend, da doch ein gewisser Gegensatz zwischen multos qui . . . con- scii fuerant und eum qui ... honorauit obwaltet. Ich nehme daher den Ausfall von item zwischen — it und eum an und schreibe: midtos . . . interemit,' (item) eum, qui . . . honorauit. Carac. 5, 5: Deorum sane se nominibus appellari uetuit, quod Commodus fecerat, cum Uli eum, quod leonem aliasque feras occidisset, Herculem dicerent. quod fehlt in BP. Wie Jordan richtig gesehen hat, ist nach dem vorhergehenden uetuit einfach ut ausgefallen; im Folgenden aber ist sicher zu schreiben : cum (iionn)ulli eum. Diadum. 5, 5: mulier quaedam propinqua dicitxir excla- masse ,Antoninus uocetui'', sed Macrinus timu/'sse, quod nullus ex eius genere hoc nomine censeretvr, abstinuisseque nomine impera- torio. Da que nicht in den Handschriften steht, vermuthete Peter timens . . . abstinuisse. Es ist jedoch zu schreiben: timuisse et, ... abstinuisse. Heliog. 19, 2: dtinde aestiua conuiuia coloribus exhibuit, ut hodie prasinum, tdtreum alia die, uenetum deinceps exhiberet. BP: et deinceps. Dieses et lässt sich nur erklären, wenn man annimmt; dass zwischen die und uenetum ein dein ausgefallen ist. Demnach ist zu emendiren: uitreum alia die, (dein) uene- tum et deinceps. 384 P e t b c h e n i g. AI. Seuer. 6, 1 : quam priusquam praeferam, inseram etiam adclamationes senatus. Das in den Handschriften fehlende inseram hat Jordan ergänzt. Kellerbauer glaubte in etiam die Spuren eines ursprünglichen intexam oder innectam zu finden. Ich meine, dass nach praeferam oder proferam (so Jordan) nur referam ausgefallen sein könne. Maximin. 14, 1 : hie per rusticanam plebem, deinde et quosdam milites interemptus est f per eos qui rationalem in honorem Maximini defendebant. Diese Stelle hat zahlreiche Conjecturen veranlasst. Casaubonus wollte inter eos, Gruterus propter (= prope, iuxta), Peter pxdsis statt per eos, Bährens praeter. Die meiste Wahrscheinlichkeit hat wol super für sich, da die Silbe su hinter est leicht ausfallen konnte. Natür- lich ist super in dem Sinne von praeter (,ausser, nebst') zu nehmen. Maximin. 27, 7 : arrae regiae, quae totes (ut Iunius Cordus loquitur, harum rerum persecutor) fuisse dieuntur. In BP steht persecutores. Dies kann ich mir nur in der Weise erklären, dass nach loquitur ein ut, und das t der Copula est vor dem folgenden fuisse ausfiel-, ich lese demnach ut harum rerum persecutor est. Ganz ähnlich ist Aurel. 4, 7 in BP idem auetores statt idem auetor ,est überliefert. Gord. 11, 1: Interest, ut senatus constdtum, quo Gordiani imperatores appellati sunt et Maximinus hostis, litteris propa- getur. quo fehlt in BP. Man hat daher auch nicht dieses Wort zu ergänzen, sondern den Ausfall von cum hinter con- sultum anzunehmen. Diese Construction beruht allerdings auf einer Ellipse, indem etwa folgender Gedanke vorschwebt: ut senatus consultum, (quod factum est,) cum et rel. Allein etwas Aehnliches lesen wir auch in des Pollio Claud. 17, 1 : Item epistola Gallieni (ergänze : quam scripsit), cum nuntiatum esset . . Claudium irasci. Gallien. 2, 5: Et Macrianus . . . Asiam primum uenit Illyricumque petit. Da BP illyricum bieten, ist offenbar uenit et zu schreiben. Gallien. 12, 6 : Scytliae . . . cum praeda in solum proprium reuerterunt, quamuis multi naufragio perierint [nauali hello superati sintj. Die Schlussworte hat Peter eingeklammert, Beiträge zur Textkritik '1fr Scriptores historiae Angi ' .">s~> während die älteren Ausgaben sint wegliessen, Jordan — Eyssen- hardt dagegen nach Salmasius multi vor nauali einsclioben. Peter hat nun allerdings. Recht, wenn er (exerc. crit. p. 19) darauf hinweist, dass diese Expedition mit der im nächsten Capitel erzählten nicht identisch ist. Auch das ist richtig, dass dieser Zug glücklieh endete. Trotz alledem lässt es sich recht gut annehmen, dass ein Seetreffen stattfand; nur darf man den Ausdruck superati sint nicht zu stark betonen. Alan weiss ja, was von sehr vielen römischen ,Siegen' über die Barbaren zu halten ist. Es ist daher recht wol denkbar, dass ursprünglich im Texte stand: perierint aut nauali hello superati sint. Uebrigens vergleiche man Claud. 9, 4: multi naufragio perierunt, plerique capti reges, captae diuersarum gentium nobiles feminae. Trig. 30, 20: filios Latine loqui iusserat, ita at Graece uel difficile uel raro loquerentur. Für ita haben BP id. Es muss daher geschrieben werden: iusserat (ad) id, ut et r rei bei Uene- riae, Tri;/. 10, 8 re bei militari (uir in militari semper pro- batus), Macrin. 2, 1 res bei priuatas (qui antea priuatas curarat), Tarif. 10,2 domo bei in QuintiliorumS Diese Analogien bieten eine bedeutende Stütze für die Möglichkeit der Ellipse von uita. Unter der Voraussetzung, dass die Handschriften an unserer Stelle das Richtige bieten, lässt sich auch die Ueber- lieferung im Leben des Geta cap. 1, 1 — 2 halten. Dort heisst es: de cuius (Getae) priusquam uel uita uel nece dicam, disse- ram, cm et ipsi Antonina a Seuero patre sit nomen adpositum neque enim multa in eins (so BT; in eius uita Edd.; in cum Golisch) dici possunt, qui prius rebus humanis exemptus est, quam cum fratre teneret Imperium. Von etwas anderer Art ist die häutig vorkommende Aus- lassung des Participiums factus in der Phrase iam Imperator ,als er schon Kaiser war'; der Ausdruck erscheint nicht nur im Nominativ (Seuer. 3, 7; Nig. 3, 8; Heliog. 18, 4; 27, 2), sondern auch in den übrigen Casus. Auid. Cass. 14, 1: extat spistula eins . . . iam imperatoHs. Diarium. 1, 3: id ubi Ma- crino iam imperatori nuntiatum est. Pert. 13, G: qui ad eum confluxerant iam imperatorem. Ann/. 16, 2: ah imperaton iam Aureliano. Darnach könnte man auch den umgekehrten Fall, dass nämlich imperator bei factus fehlt, für denkbar halten. Trig. 33, 2 lautet nämlich nach BP: Tost omnes tarnen honoris Die liier aufgezählten Beispiele fehlen hei Dräger, Hist. Synt. I, S 47—51, uikI siinl auch von Plew, der p. 22 — L'.'i achtzehn weitere Beispiele der Ellipse des Substantivs aus den Scriptores h. A. anführt^ mit Ausnahme zweier Stellen ( Maximin. 25, 2 ; taril. 16,2) nicht berücksichtig! worden. Beitrüge zur Pextkritik dei Scriptoree liistoriuc kv .'J^T cum in agro suo degeret senex atque uno pede claudicans uulnere, quod hello Persico Ualeriani temporibus acceperat, f actus et (est BP) scurrarum ioco Claudius PetscUenig. AI. Setter. 15, o: wwe iurando deinde se constrinxit, ue quem adscriptum, id est uacantiuum, haberet. Es ist nicht glaublich, dass Lampridius den in der Militärsprache gewiss sehr geläufigen oder vielmehr (wie adscriptieius, adscHptiuus) ol'riciellen Ausdruck adscriptus durch einen mindestens nicht geläufigeren erklärt haben sollte. Die Worte id est uacantiuum sind ohne Zweifel interpolirt und zu streichen. Vgl. Trig. 18, 11, wo mit J. J. Cornelissen ' zu schreiben ist: Est et alia eins epistola qua gratias Ballistae ait, in qua docet , sibi praeeepta gubernandae rei p. ah eodem data, gaudens, quod eins consilio nulluni adscripticium [id est uacantemj haberet [et] tribunum, nulluni stipatorem qui mm uere aliquid ageret, nulluni militem qui nun uere puguaret.'1 Zum Schlüsse lasse ich eine Reihe von Emendationen und Vermuthungen folgen, welche aus verschiedenen Gründen nicht in den Rahmen einer systematischen Behandlung ein- gefügt werden konnten. Hadr. 11,1: reditus sollerter explorans, ut, si alieubi quip- jiiam deesset, expleret. si fehlt in BiPl und ist erst von dritter Hand beigefügt. Vielleicht stand ursprünglich ut ilico} ubi. Hadr. 11, o: Septicio ... et Suetoido . . . multisque aliis, quod apud Sabinam n. cort m iniussu eins familiarius sc tunc egerant quam reuerentia domüs aulicae postulabat, successorc* dedit, uxoreni etiam ut morosam et asperam dimissurus. Mit Recht bemerkt Peter zu iniussu: ,mihi suspectum'. Denn es ist entschieden widersinnig, zu sagen, man habe gegen die Kaiserin .ohne einen Befehl' des Kaisers einen zu vertraulichen Ton au- geschlagen, da der Kaiser ja einen solchen die kaiserliche Würde herabsetzenden Befehl überhaupt nicht hätte geben können. Zudem steht auch nicht iniussu in BP, sondern uni- ussu. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich annehme, dass darin die Worte nimio usu stecken. So erhalten wir einen vortrefflichen Erklärungsgrund zu den Worten familiarius se 1 Coniectanea latina, Daventriae 1870, p. 65. - Die Bezeichnungen nacans und uacantiuus scheinen einer späteren Zeit anzugehören; sie finden sieh erst bei Ammianus, Vegetius und .Synesius (ßazavxtßoi) ; vgl. Marquardt, Rom". Staatsverw. II. Ud., S. 147. Beiträge zur Textkritik der Scriptore: histoiiai Vu/u ta< >'.'! tuuc egerant. Der häufige (nimius — magnus) Verkehr mit Sabina erzeugte unwillkürlich einen vertrauteren Ton, als schicklich war. Die Begriffe usus und familiaritas werden überhaupt gerne verbunden. Cie. ad fam. XIII, 23, ;>2: con- ianetus magno usu familiaritatis. Liu. 40, 21: insinuaret se in quam maxime familiärem usum. Hadr. 22, 5: diligentia iudicis sumptus conuiuii constituit et ad anticum modum redegit. Es ist hier von der Sorgfalt « l i t • Rede, mit welcher der Kaiser die Ausgaben für seine Tafel controlirte und die Spartianus auch an einer anderen Stolle erwähnt; 17, 4: ad deprehendendas obsonatorum fraudes, cum plurimis simmatibus pasceret, fercula de aliis mensis etiam ultimis quibusque adponit. Was hat nun mit der Sorgfalt eines guten Rechenmeisters und Hauswirthes die Gewissenhaftigkeit eines Richters zu schaffen? Dass iudicis unpassend sei, scheint auch Mommsen gefühlt zu haben, da er summa (aus dem vorher- gehenden summissa) diligentia in 'lies vermuthete. In den Handschriften steht iudices, welches, wenn man das durch Dittographie aus dem folgenden sumptus entstandene s weg- lasst, recht wol uindice gelesen werden kann. Damit wäre die Achtsamkeit des haushälterischen Kaisers, der, um die Ehrlichkeit seiner Köche zu prüfen, selbst kleine Mittelellen nicht verschmähte, ganz treffend charakterisirt. Bezüglich des adjeetivischen Gebrauches von uindex verweise ich auf Kühner, Ausführl. Gramm. I. Bd., S. 357, wo drei Beispiele aus Dichtern angeführt sind. Dass diese Verwendung aber auch der späten Prosa nicht fremd war, ergibt sich aus Optat. Mileuit. de schism. Donatist. II, 19: nam üdem canes . . . ipsos dominos suos . . . dente uindice . . . laniau&runt. Marc. 1, 2: auus Annius Uerus Herum consul. Da dies mit der Angabe des Dio (69, 21 Ävvt'ou Bvfaou, tcu -y.z uraxTcucavioc v.x\ r.zu.y.zyr^x-r.zt) nicht stimmt, vermuthete Peter ter. D<-i Ueberlieferung näher liegt tertium, welches nach dem Sprach gebrauche der Scriptores in dem Sinne von ter stehen kann : vgl. Paucker p. 89 ff. Marc. 13, 4: tunc autem Antonini leges sepeliendi sepul- chrorumqu-e ajsperrimas sanxerunt, quando quidem caueruni m quisquis uellet fabricaretur sepulchrum. Jil': ne quis uelle ab- fabricaretur sepulchrum. Zu dieser Stelle bemerkt Madvig, 392 Petschen-ig. Advers. critic. II. Bd., p. 032: ,Scrvptum fuisse opinor: „ne quis uillae applicaret sepulchrum" ; nisi quis „adfabricaretur" retinere audet'. Da ich gleichfalls uillae adfabricaretur ver- muthet hatte, erachte ich es auch nach Madvig nicht für über- flüssig, eine Begründung dieser Schreibung zu geben. Dieselbe empfiehlt sich zunächst aus sachlichen Gründen. Bekanntlich war es ein ganz gewöhnlicher Gebrauch, die Grabdenkmäler neben den Villen anzulegen; ein Verbot, dieses zu thun, ist daher zur Zeit einer heftigen Epidemie etwas so Natürliches, dass darüber weiter kein Wort zu verlieren ist. Der Umstand ferner, dass adfabricari vielleicht ein y.-y.'z =!pr)[jtivov ist, kann nicht gegen diese Emendation sprechen. In den »Scriptores finden sich weit über hundert y.r.yz Xe* /ojjieva, darunter (nach Plew p. 27 f.) dreizehn Verba. Die Bildung eines Deponens adfabricor in dem Sinne von ,dazu-' oder , anbauen' ist aber um so weniger auffallend, da das einfache Verbum auch bei Vopiscus als Deponens erscheint. Prob. 20, 6: orbis terrarum non arma fabricabitur. Uebrigens ist wenigstens ein Participium affabricatus (von affabricare) nachgewiesen, und zwar bei Augustin. de mus. 6, 7: consuetudo quasi secunda et quasi affabricata natura dicitur. Marc. 16, 3 — 4: Post Ueri obitum Marcus Antoninus solus rem publicam tenuit, midto melior et feracior ad uirtutes, quippe qui nullis Ueri iam impediretur aut simidatis callidae seueritatis, qua ille ingenito uitio laborabat, erroribus aut his qui praecipue displicebant Marco Antonino iam inde a primo aetatis sitae tempore uel institutis mentis prauae uel moribus. Dass dem Verus nicht mit Unrecht der Vorwurf der Härte gemacht wird, zeigt die Charakteristik des Victor, der ihn ingenii asperi nennt, wie des Eutropius, der von ihm sagt (VIII, 10): uir ingenii purum ciuilis, reuerentia tarnen fratris nihil unquam atrox ausus. Was aber eine seueritas callida sei, darauf vermag ich mit Sal- masius keine Antwort zu geben. Vielhaber vermuthete dis- simulatis callide, nicht besonders glücklich; denn wenn Verus die Fehler seiner angeborenen Rauhheit zu verhehlen wusste, so waren sie nicht mehr erkennbar und bildeten demnach für Marcus kein Hinderniss. Ist simulatis richtig, so muss es seinen Gegensatz haben; dieser findet sich, wenn wir lesen: qui nullis ueris iam impediretur mit simidatis callide seueritatis ... Beiträge zur Textkritik 1er Scriptorea historiae Augustae. 393 erroribus. Demnach würde unterschieden zwischen Fällen wirk- licher Strenge des Veras und zwischen solchen, wo er sich derselben in schlauer Weise nur als einer Maske bediente, offenbar zu dem Zwecke, um gegenüber der übergrossen und vielfach getadelten Milde des Marcus in einem anderen Lichte zu erscheinen. Haupt vermuthete cumulatis calidae ueritatis, quo. Ich glaube jedoch, dass die ueritas, selbst wenn man das Wort mit , Grobheit' übersetzt, keinesfalls unter die uitia gerechnet werden könne. Marc. 16, 2: quo quidem tempore ipse imperator filio u<( triumphahm currum in circo pedes cueurrit. — ipse, wie Peter nach Obrecht schreibt, wie des Salmasius Conjectur senex können nur als zweifelhafte Nothbehelfe für das handschrift- liche sine dienen. Ich erkenne in diesem die unseren Scriptores so geläufige Partikel sane, welche, wie Plew p. 35 treffend bemerkt, ,sine certa ulla noÜone' bloss zur Satzverknüpi'unt;' verwendet wird. Was ihre Stellung im Satze betrifft, so findet sie sich selten zu Anfang desselben, meist an zweiter oder dritter Stelle. Vgl. Marc. 18, 5: et parum *ane fuit; 23, 9: fama fuit sane; Commod. 10, 3: si quis sane; Trig. 3,8; Aurel. 18, 3: aeeepta est sane. Marc. 18, 4: Hie sane uir tantus et talis ac diis uita et morte coniunetus filium. Commodum dereliquit; qui, si felix f lasset, filium iiou reliquisset. Wenn man diese ^ orte liest, fühlt man sofort, dass das logische Verhältniss zwischen Be- dingung und Bedingtheit geradezu umgekehrt ist. Es i-t daher wahrscheinlich zu emendiren: qui sie felix f<> si) filium non reliquisset. Marc. 25, 1 : felicto ergo Sarmatico Marcomannicoque ■ Die Lesart der Handschriften relecto führt eher auf reiecto. Auid. Cass. 1, 1: Auidius Cassius, ut quidam uolunt, ex familia Cassiorum fuisse dicitur per matrem, homine w>i"> genitas Auidio Seuero, qui ordines duxerat et post ad summas dignitates - ptruenerat. Mit diesen Angaben steht Dio's Bericht in voll- ständigem Widerspruche; 71, 22: 5 zi Byj Ky.zz:zz S6po? |asv vi. ~rtz KJp:j v. KV7jp zi y.z'.z-.zz v;i-/izz . . . rJir-i v.y.'i zzvi eHX'.o8wpoj zv/zz, y:;y.r:r-.C,)Z dz ttjv vrtq \:.-;j"Zj ■'r-[V).Zi'.y:i i'z iy-.z:z:.y.z zr-.zz:/:rtz -zzyoz^zy/zzz, r.';: vjv. Während also nach Vulcatius der \ ater des Avidius den Namen Avidius Severus führte und nach einer 394 Petschenig. militärischen Laufbahn zu hohen Würden gelangte, nennt Dio denselben Heliodorus und deutet mit den Worten il ijxzeipCac pvjTopixvjc eine ganz andere Laufbahn des Mannes an; aueh sein y'^y-r^biz stimmt schlecht zu des Vnlcatius summas dignitates. Ein solcher Widerspruch lässt sich nicht einfach dadurch lösen, dass man annimmt, derselbe habe mit seinem vollen Namen Avidius Cassius Heliodorus geheissen, oder dass man die Berichte des Dio und Vulcatius auf verschiedene Quellen zurückführt. Dio verdient schon an und für sich entschieden mehr Glauben als der späte Vulcatius-, für ihn spricht auch, dass ein Sohn des Cassius (ohne Zweifel der älteste und des- halb auch gefährlichste, da er allein von allen Kindern des Tassius deportirt wurde) Heliodorus hiess; vgl. Marc. 26, 11. Zudem beruht der mitgetheilte Text der Stelle des Vulcatius nur auf Conjectur, während die Handschriften bieten: per marem tarnen nouo genitus. Man hat daher statt nouo schon frühzeitig auo vermuthet, was sich trotz des entschiedenen Widerspruches des Salmasius recht gut halten lässt. Zwei Arguniente sind es hauptsächlich, auf welche sich dieser Ge- lehrte stützt. Zunächst bestreitet er, dass man sagen könne : auo genitus. Darauf ist zu erwidern, dass genitus von den Scripteros h. A. manchmal im Sinne unseres ,abstaniniend' oder ,herstammeii(l' auch mit Länder- und Städtenamen ver- bunden gebraucht wird. Vgl. AI. Seuer. 1, 2: urbe Arcena genitus; Aurel.3,2: Moesia genitum. Ferner meint Salmasius, dass man zunächst nicht den Namen des Gross vators, sondern des Vaters erwarte, da es die Gewohnheit dieser Geschichtschreiber sei, vor Allem über die Eltern der Regenten Aufschluss zu geben. Auf diesen Einwand kann mar; erwidern, dass die Scriptores h. A. dort, wo ihnen das Material vorlag, alle Verwandten zu nennen pflegen, wobei der Grossvater fast niemals fehlt, dass aber auch Fälle vorkommen, in welchen die Eltern nicht genannt werden, entweder weil sie nicht bekannt waren, oder weil dies un- wesentlich schien. Manchmal scheint aber hierbei aueh die reine Willkür oder der Zufall gewaltet zu haben. So nennt Capitolinus den Vater des Maximus, obwohl derselbe aus der Plebs war, den des vernehmen Balbinus aber nicht, sondern nur dessen Ahnherrn Baibus Cornelius Theophaues. Von noch geringerem Gewichte ist die Behauptung des Salmasius, dass Beiträge zur Textkritik ■!< i Scriptoretj historiac iugusta uyO Avidius Severus, wenn er der Grossvater dos Cassius war. unter Marcus schwerlich mehr am Leben war; denn dies kennte in dem Falle, als er des Cassius Grossvater von mütterlicher Seite war, doch leielit möglich sein. Um nun wieder auf die Stelle des Vuleatius zurückzu- kommen, so aeeeptire ich die Vermuthung auo für nouo und schreibe mit einer weiteren leichten Aenderung: ex familia Cassiorum fuisse dicitur per matrem tantum, auo genitus Äuidio Seuero. So erklärt sieh auch der Name Avidius Cassius. Den ersteren führte er naeh seinem Grossvater, den andern nach der gens, von der er mütterlieher Seits abstammte oder ab- stammen sollte. Aaid. Cass. 14, 3: Marcus homo sane optimus, qui dum clemens dici cupit. In BP steht dementes, was offenbar aus dementem se (clementese) entstanden ist; vgl. Perl. 15, nibus de pa/nnis et linteis quasi dracones degererentur. Die Berliner Herausgeber lesen naeh einer Vermuthung Monunsen's: quasi in dracones redigerentur. Naeh Dio's Bericht (72, 20): r.i-r.y.z xohq -wv koowv ev -.ft t.z'kz: j-b vöcou rt ixipaq Tivbq zj'j.zzzxz iz-.izr^.i-izjz aOpoiuac Spcaövcuv ~.i T'.va j:jzz\z iirr, r.tzl ra *;zvy.-y. xepti%'k£C>e ist ohne Zweifel tegerentur zu sehreiben. Uebor de = Abi. instrum. vergleiche man die reiche Sammlung bei Rönsch, Ital. und Vulg.2, S. 393 — 395, wo diese Stelle gleichfalls eitirt ist. Cornmod. 10, 4: nam eum quem uidisset albescentes tnter nigros capillos quasi uermiculos habere, sturno adposito, qui se uermes seetari crederet, capite suppuratum reddebat obtunsionibus. Das letzte Wort ist durch Conjectur von Casaubonus her- gestellt, während in BP obtunsioneris sieht. Dass dies nur obtunsione oris (,durch die Stösse des Schnabels') gelesen werden könne, ist an und für sieh kaum zweifelhaft und wird ausserdem durch, Cornmod. 9,6 bestätiget: cum Anubim portaret} capita Isiacorum grauiter obtundebat <>r<- simulacri. Cornmod. 14, 1: Per haue autem neglegentiam, '"»' et an- nonam uastarent hl qui tunc rem publicam gerebant, etiam inopia 396 Petachenig. ingens Romae exorta est, cum fruges non deessent. Dass trotz des Vorhandenseins von Getreidevorräthen eine Noth entstehen konnte, ist jedenfalls seltsam und erweckt den Verdacht, dass der Text nicht richtig- ist. Herodianus schiebt zwar die Hungers- noth einzig- und allein dem Kleandros in die Schuhe (1,12,4). Allein bei Dio lesen wir von einem thatsächlichen Getreide- mane-el, der nur durch das ranke volle Gebahren des Getreide- praefecten Papirius Dionysius noch gesteigert wurde. Er be- richtet nämlich 72, 13: svsvsto jiiv yap xal äV/uoc Izyjpy. aftxo- z-J.y, ir.\ reXeiarov V autrjv lly.r.iz'.zz Acovüaio^ i%\ tou uttou izi^(\jÄ^oq £ZY]u^yj; yl-.'.Cr.y.-.y) y:j~.ftz xbv KXsavopcv . . . xat [xiai^awaiv oi cPh>(ji.aiot /.al SiaeOsipwat. Da somit der Mangel an Lebensmitteln, gleichviel ob durch das Verschulden des Praefecten oder aus anderen Ursachen, ein wirklicher und thatsächlicher war, müssen die Worte cum fruges non deessent unrichtig sein. Zudem bieten BP cum fruges et non deessent. Ich vermuthe, dass zu schreiben ist: cum fruges emendae essent (tri = m} o = e). Pert. 6, 3: sane iam postero kalendarum die cum statuae Commodi deicerentur, gemuerunt milites. Für iam, wie Peter schrieb, steht in BP cum. — sane cum dürfte wohl aus sane- quam entstanden sein. Did. Jul. 2, 3 : et semper ab eo collega est et successor appellatus, maxime eo die cum filiam suam Iulianus despondens adßni suo ad Pertinacem uenisset idque intimasset. dixit : * * que debita reuerentia, quin collega et successor meus est. Zu dieser Stelle bemerkt Casaubonus: deest aliquid manifest issime sup- plendum in lianc sententiam: ,dixit tum iuueni Pertinax, Hunc tu obserua debita reuerentia, quia c.1 Allerdings drückt sich Capitolinus Pert. 14, 4 deutlicher aus: nam cum ei Didius Iulianus fratris filium obtulisset, cui despondebat filiam suam, adhortatus est iuuenem ad patrui obseruationem et adiecit: Ob- serua collegam et successorem meum. Indessen dürfte es doch möglich sein, dass in que der Ueberrest des Imperativus pro- sequere zu suchen ist. Dann wäre nach appellatus ein Punkt, nach intimasset ein Komma zu setzen und darauf fortzufahren dixit: P rosequere debita reuerentia. Vgl. Lactant. diuin. instit. VI, 9, 24: hie est sapientiae gradus primus, ut sciamus, quis sit nobis uerus pater, eumque solum pietate debita prosequamur: Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Augustae 39 < VII, 5, 5: is uerum patrem suum debita ueneratione pro- sequitur. Seutr. 14, 4: rumore deinde belli Parthici extincti patri matri auo et uxori priori per se statuas conlocauit. Der erste Tlieil dieses Satzes kann nicht richtig sein, da wir im §. 1 1 desselben Capitels lesen profectus dehinc ad bellum Parthicum est, und da auch im Weiteren nur von den Vorbereitungen und der Abreise zu diesem bereits ausgebrochenen Kriege die Rede ist. Vgl. 15, 1 : Erat sane in sermone uolgari, Parthicum bellum adfeetare Septimium Seuerum gloriae cupiditate, non ali- qua necessitate deduetum (necessitate [de] duetum?). iraiecto denique exercitu a Brundisio continuato itinere uenit in Syriam Parthosque summouit. Zwar hatte Severus auch schon nach dem Siege über Niger mit den Parthern gekämpft, aber da- mals hatte der Krieg mit ihrer Niederlage geendet, cap. 9, 9 : deinde circa Arabiam plura gessit, Parthis etiam in dicionem redactis. Von diesen Worten an ist bis zu unserer Stelle von den Parthern nicht mehr die Rede, so dass man durch die Worte rumore belli Parthici extincti förmlich überrascht wird. Nach Dii; (75, 9) hatten die Parther, während Severus den Albmus bekämpfte, Mesopotamien erobert und Nisibis be- lagert. Der Krieg war also thatsächlich ausgebrochen, bevor Severus zur Bekämpfung der Feinde in den Orient zog. Man erwartet daher an unserer Stelle das gerade Gegentheil des Gesagten; nicht das Gerücht von der Beendigung des Krieges, der kaum erst angefangen hatte, sondern nur das Gerücht vom Ausbruche desselben konnte sich damals verbreiten. Es muss daher die Stelle nach Bl\ wo extiti statt extincti überliefert ist, so geschrieben werden: rumor deinde belli Parthici ex- titit. patri matri et rel. Seuer. 19, 8: legumiuis patrii auidus. Ob in Afrika und speciell in der Tripolis Hülsenfrüchte von besonders guter Qualität gediehen oder ob mit legumen patrium eine bestimmte Hülsenfrucht bezeichnet werden soll, ist ungewiss. Ich zweifle an der Richtigkeit der Lesart und vermuthe leguminis porri auidus. Xi(j."d,l\: emenda igitui- primum tribnnos, deinde militem. quem quamdiu non timueris, tamdiu timeberis. sed scias idque * temptauit senatus. So Peter; aber in dieser Fassung ist die Stelle ganz unver- ständlich. Nimmt man an — und dies ist das natürlichste • dass der Nachsatz zu dem conditionalen Vordersatze mit den Worten non ad Uitelllos beginnt, so ergibt sich die zweifache Unzuköinmlichkeit, dass in dem Satze in irnperio... Postumio- rum die Ellipse von essent anzunehmen ist. und dass dieser Satz nicht in den Zusammenhang passt. Denn der Gedanke: ,\venn der Senat, nicht aber Einer herrschen würde, so wäre ein Vitellius und Nero unmöglich gewesen und unsere alten Geschlechter wären im Besitze der consularischen Gewalt' entbehrt aller Logik, da die Nachsätze nicht zusammenpassen. Daher hatten die früheren Herausgeber Recht, wenn sie nach uenissent stark interpungirten. Freilich bleibt auch so die harte Ellipse stehen, und das folgende de qnibus . . . didicerunt ist vollkommen sinnlos, ausser man schreibt mit Obrechi didi- derunt. Ich glaube den Schwierigkeiten auf eine andere Weise abhelfen zu können. Liest man nämlich adiecerunt für didit runt, und nimmt man an, . dass dieses Verbum zu gentes gehört, so fehlt zwar das Verbum in dem Satze de quibus patres uestri ; allein aus dem Zusammenhange lässt sich leicht ein dixerunt oder locuti .sauf ergänzen und diese Ellipse mit Beispielen ver- wandter Art belegen.1 Die ganze Stelle aber wird so voll- kommen verständlich: in imperio considari nostrae illae gentes Ceioniorum Albinorum Postumiorum , de quibus patres uestri (locuti sunt), qui et ipsi <■//< auis suis audierant, multa ad iecerunt: et arte Africam Romano imperio senatus adiunxit, Galliam senatus subegit et Hispanias et rel. Der Sinn ist: ,Wenn der Senat herrschen würde, so würden niehl so verächt- liche Menschen, wir ein Vitellius. ein Nero, ein Domitian, die 1 Vgl. Tri;;. 8, 4: seil de hoc nimis multa (erg. dixi), dt quo illud ad didisse satis est. Tri;/. 32, 1: Docet Dexippus, nee Herodianus tacet omn '/>/<■ i/ni talia legenda posteris tradiderunt (erg. dienni). Claud.1,1: uentum est ad prineipem Claudium, '/>ii nobis intnitu Constanti Caesaris <»>» cura in litferas digerendus t "" ajo ideirco recusart non pntui (erg. minus in HÜeras digererem). Mehr bei Plew p. ;'>•'>. 400 P i- 1, sc hcnig. Macht besitzen. Ferner verdankt das Reich seine Erweiterung auch nur den senatorischen Familien. Jene haben Vieles hinzugewonnen. Der Senat war es, der Afrika dem römischen Reiche einverleibte, der Senat hat Gallien und Hispanien unterworfen' u. s. w. Carac. 2, 5: dixit praeterea in castris, fratrem sibi uenenum parasse, mafri eum inreuerentem fuisse. Hier dürfte wol etiam für eum zu schreiben sein. Carac. 5, 8: naufragii periculum adit antemna ff acta, ita ut in scafam cum protectoribus uix descenderet. Statt uix steht in BP ita, wofür Golisch cito wollte. Vielleicht ist uitae zu schreiben. Carac. 8, 8: et fertur quidem Papinianus, cum raptus a militibus ad Palatium traheretur occidendus, praediuinasse dicens, stidtissimum fore qui in sunm subrogaretur locum, nisi adpetitam crudeliter praefecturam uindicaret. BP haben dicentem, die älteren Ausgaben Papinianum . . . dicentem. Ich vermuthe dicens eum. Geta b, 1: fuit in litteris assequendis tenax ueterum scripto- rum. Da in BP et tenax steht, ist offenbar zu schreiben: in litteris assequens et tenax. Macrin. 3, 9: alii uero tauf um desiderium nominis huius fuisse dicunt) ut, nisi populus et milites Antonini nomen audirent, imperatorium non putarent. Für imperatorium ist wahrschein- lich imperatorem eum (Diadumenum) zu schreiben. Macrin. 4, 4: donatum a ufern anulis aureis, patrocinante sibi conliberto suo Festo, aduocatum fisci factum sub Uero Anto- nino. Der Name Uerus hat den Kritikern viel zu schaffen gemacht. Peter, welcher sid; Caracallo Antonino vermuthete, hat insoferne Recht, dass, nachdem im §. 3 davon die Rede war, dass Macrinus von Severus nach Afrika verwiesen wurde, hier kein Kaiser gemeint sein könne, der vor Severus regierte, sondern nur dieser oder Caracallus. Die Möglichkeit aber, dass aus Caracallo ein Uero geworden sei, muss trotz aller compendia scripturae denn doch bezweifelt werden. Casau- bonus, welcher sub Seuero uel Antonino vermuthete, war auf der richtigen Spur. Nur ist uel überflüssig und einfach sub Seuero Antonino zu schreiben. Vgl. cap. 3, G: inde est quod se et Seuerus Antoninum uocauit, ut plurimi ferunt. Heliog. Beiträge zur Textkritik der Sciiptores historiao Augustae. I' M 17, 8: lauacrum in uico Sulpicio, quod Antonini (so BP; Antoninus Edd.) Seuer i filius coeperat. Dass Severus sich nach Pertinax, weil er ihn verehrte, nennen Hess, wird aus- drücklich bezeugt; Seuer. 7, 9: se quoque Pertinacem uocari iussit; vgl. cap. 14, 13. Wenn man nun erwägt, wie sehr er den Kaiser Marcus Antoninus verehrte, nach welchem er ja seine Söhne benannte, in dessen Familie er adoptirt sein wollte,1 iu dessen Grabmal er beigesetzt wurde,2 wenn ferner von einem Traumgesichte erzählt wird, in welchem sich Severus in den Olymp unter die Antonine versetzt sah (Seuer. 22, 2), so ist wol an der Richtigkeit der Nachricht , dass er sich Antoninus nannte, nicht zu zweifeln. Ueberdies ist die Schreibung sub Seuero Antonino auch deshalb unanfechtbar, weil Macrinus schon unter diesem Kaiser wieder zu Gnaden aufgenommen wurde, wie Dio bezeugt (78, 11): öto tou KtAor/;: iz>y.'.xrtzy.]j.v)0'j auxbv cwöel; %pbq jj.ev ioiq tou ^sß^pcu oyr(1u.aa'. tsT; v.y~x Macrin. 5, 9: Ad senatum dein litteras misit de morte Atitonini diuum illum appellans excusansque se et iurans , quod de caede illius nescierit. ita sceleri suo more hominum perditorum iunxit periurium [a quo incipere decuit hominem improbumj , cum ad senatum scriberet. Peter hält die eingeklammerten Worte für ein fremdes Einschiebsel. Sie lassen sich jedoch halten, wenn man decuit' in dedecuit ändert und die Stelle so versteht: ,So fügte er zu seinem Verbrechen einen Meineid, mit welchem der ruchlose Mann sein Schreiben an den Senat anständiger Weise nicht hätte beginnen sollen'. Es ist also enge zu verbinden a quo, cum ad senatum scriberet, incipere dedecuit. So erhalten wir eine moralische Bemerkung, die hier ganz am Platze ist und sich den vielen ähnlichen Gemein- plätzen in dieser Vita würdig anreiht. Macrin. 8,1: Appettatm igitur Imperator f suseeptos coutr.i Parthos profectus est magno apparatu, studens sordes generis et 1 Seuer. 10, 6: ideirco illum Antoninum appeüatum, s> in Marci familiam transire uoluerit. 2 Seuer. 19, 3: inlatus sepulcft.ro Marci Antonini, tem ex omnibus impera- loribtts tantum co/uit, ut et Commodum in diuos referrel. Sitzungsber. d. phil.-hist. Li. XC1II. Bd. II. Hit. 26 402 Petschenig. prioris uitae infamiam uictoriae magnitudine abolere. — susceptos lesen die Handschriften, nur ist das schliessende s in P aus- radirt. Die älteren Ausgaben begnügten sich, mit der Ed. princ. suscepto hello zu schreiben, immerhin mit mehr Wahrscheinlich- keit, als den Conjecturen suspectus (Bährens), infestos (Peter) oder gar senatus consulto (Kellerbauer) zugesprochen werden kann. Vielleicht lässt sich die Stelle durch Vergleichung mit Max. et Balb. 12, 7 emendiren. Dort heisst es: exercitu igitur suscepto Maximini ad urbem cum ingenti pompa et multitudine Maximus uenit ; d. h.: , nachdem Maximus das Heer des Maximinus an sich gezogen hatte , kam er nach Rom'. Kann nun suscipere exercitum gesagt werden, so dürfte auch suscepto . . . magno apparatu zulässig sein, da ja magno apparatu von magno exercitu im Wesentlichen nicht verschieden ist. Vgl. AI. Seuer. 55, 1 : Magno igitur apparatu inde in Persas profectus ; 61, 8: sed omnis apparatus militaris, qui postea est ductus in Germaniam a Maximino, Alexandri fuit et potentissi- mus quidem per Armenios et Osdroenos et Parthos et omnis gener is hominum. Diadum. 7, 7: ut et ille Antonini meritum efßngat, et ego, qui sum pater Antonini, dignus omnibus uidear. Man sagt wol virtutes efßngere, ,die Tugenden eines Anderen in sich nach- bilden oder nachahmen', man kann aber nicht Jemandes Ver- dienst nachbilden, sondern ihm nur nahekommen oder es er- reichen. Ich schreibe daher attingat. Diadum. 8, 4: nam cum quidam defectionis suspicionem incurrissent, et eos Macrinus saeuissime punisset filio forte ab- seilte, atque hie audisset. auetores quidem defectionis occisos, tarnen qui eorum dux Armeniae erat et item legatus Asiae atque Arabiae ob antiquam familiaritatem dimissos, his litter is con- uenisse patrem dicitur. — qui eorum schrieb Salmasius nach dem handschriftlichen quorum; ich halte qui tum für wahr- scheinlicher. Ferner lässt sich legatus kaum halten, da man ergänzen muss et item qui legatus Asiae atque is qui legatus Arabiae erat, was mehr als hart ist. Mit Recht haben daher die älteren Ausgaben legatos geschrieben. Heliog. 3, 2: erat praeterea etiam rumor, qui nouis post tyrannos solet donari prineipibus , qui nisi ex summis uirtutibus non pernna.net. Für exsummis vermuthe ich eximiis. u Beiträge zur Textkritik der Scriptorea liistoriae Augustae. 403 Heliog. 6, 7 : cumque seriam quasi ueram rapuisset, quin ei irgo maxima falsam monstrau&rat. — quia ei uirgo ist des Salmasius Emendation für das handschriftliche quamquisgo. Ich möchte verbinden: quasi ueram . . . quamque uirgo. Heliog. 9, 1: dictum est a quibusdam, per Chaldaeos et magos Antoninum Marcum id egisse, ut Marcomanni p. IL semper deuoti essent atque amici, idque factum carminibus. et consecrationem cum quaereret, quae illa esset uel ubi esset, sup- pressum est. Im letzten Satze ist entweder consecrationem oder illa nicht richtig; denn man erwartet entweder et consecrationem cum quaereret, quae esset, oder cum quaereret, quae illa con- secratio esset. Ich halte daher den Text der Berliner Ausgabe: amici, idque f actis carminibus et consecratione. <:in>iiarcissis ac sie deambulauit. Ich schreibe deque für idque. Heliog. 25, 7: gladiatores ante conuiuium pugnantes sibi et pietas frequenter exhibuit. Da das letzte Wort in V>V fehlt, vermuthete Peter uidit für sibi. Es dürfte jedoch zu schreiben sein: pugnare siuit. Heliog. 26, 5: et cum ad meretrices muliebri ornatu ]>r>t- cessisset papilla eieeta, ad exoletos habitu puerorum qui 26* 404 Petschenig. stituuntur, post contionem pronuntiauit his quasi militibus ternos aureos donatiuum petitque ab his ut a dis peterent, tit alios haberet ipsis commendandos. Ich gestehe, dass mir die letzten Worte völlig- unklar sind. Bezieht sich alios auf exoletos und meretrices, so wird die Stelle geradezu sinnlos; denn wie sollte Heliogabalus exoletos und meretrices einander empfehlen? Und dann der Ausdruck commendare im Munde des immerhin als Kaiser sich fühlenden Heliogabal gegenüber Leuten der niedriüaten Classe ! Bezieht man alios aber auf aureos, so ist commendandos nicht richtig und man wird dann wol mit Geinoll zur Aenderung commodandos = dandos geneigt sein. Nur entsteht dann die neue Schwierigkeit, wie Heliogabal diesen Menschen gegenüber sich auf einmal so arm stellen konnte, dass er sie auffordert, die Götter zu bitten, ihm so viel zu geben, dass er Jedem nochmals drei Goldstücke schenken könne. Alle -Schwierigkeiten haben jedoch ein Ende, wenn man schreibt: ut alios haberent ipsi (ipse B*) commen- dandos. Heliogabal fordert sie auf, recht viel Proselyten zu machen, damit er möglichst viele Streiter seiner Art habe und beschenke. Jeder, der des Lampridius Vita oder Dio's Darstellung gelesen hat, wird zugeben, dass dies der Art jenes verworfenen Menschen vollkommen entspricht. Heliog. 29, 7 : si ins autem displicuisset, iubebat, ut semper id comesset , quamdiu tarnen melius inueniret. Hier ist wol quamdiu tan dem zu schreiben. Heliog. 29, 9: amabat sibi pretia maiora dici earum verum quae mensae parabantur. BP: pretia verum maiora. Es ist un- richtig, dieses verum als irrthümliche Wiederholung des folgen- den aufzufassen; es ist vielmehr aus uerofm] maiora ent- standen (pretia maiora uero pvetio). AI. Seuer. 5, 1: Alexandvi nomen accepit, quod in templo dicato apud Avcenam uvbem Alexandvo magno natus esset, cum casu illuc die festo Alexandvi cum uxore pater eins sollemnitatis inplendae causa uenisset. uenisset fehlt in den Handschriften und statt pater eius bieten dieselben patris. Emendirt man dieses Wort in pater isset, so ist Alles in Ordnung. AI. /Seuer. 9, 4: cum per populi et honestorum Coronas una vox esset, hunc inepte Antoninum dici. inepte ist Peter's Ver- muthung für das handschriftliche inte; die älteren Ausgaben Beiträge zur Textkritik iler Scviptoros liiKtnria« Aügnstae 40f) bieten nnn rite, Bährens wollte iniuste. Am nächsten kommt der Ueberlieferung inpie. AI. Seuer. 9, 5: uicisti uitia, uicisti crimina, uicisti de- decora. Antonini. normen ornabis. Da uicisti an dritter Stelle in BP fehlt und die Handschriften omauisti bieten , schrieb Jordan: uicisti crimina, dedecom , Antonini nomen ornauisti. Derselbe vermuthete ausserdem noch decore Antonini n. o. Ich halte gleichfalls dedecora für corrupt und schreibe: uicisti crimina dedecorosa (0.9 ist nach or ausgefallen). AI. Seuer. 41, 7: palumborum, quos hainässe ut ad XX milia dicitur. Trotz der Bemerkung des Salmasius .sie Graeci loquuntur: (o; y.'/y. v:/.zz<. y'/,'.y.cy.zl dürfte es doch bedenklich sein, diesen Graecis- mus ohne weiters zu statuiren. Gernoll wollte usque, was von der Ueberlieferung zu weit abliegt. Ich glaube in dem ut ein steigern- des uel zu erkennen. AI. Seuer. 42, 3: medicus sub eo unus pa.latinus sala.rium aeeepit, ceterique omnes usque ad sex fuerunt, qui annonas binas auf ternas aeeipiebant, ita ut mundas singulas consequerentur, alias aliter. iudices et rel. BP bieten alter, B mundus; aliter emendirte Oasaubonus ,obsequutus Politiani libro'. Ob der Aus- druck mundete annonae, der nur an unserer Stelle vorzukommen scheint, auch richtig ist, möchte ich bezweifeln. Nimmt man an, dass in mundus (B) das schliessende s durch Dittographie des folgenden entstanden, dagegen ein i nach alter wegen des folgenden iudices abgefallen ist, so erhält man die einen vor- trefflichen Sinn gebende Schreibung: ita ut mundi (seil. panis) singulas consequerentur, alias alt er i (= sequentis). Vgl. 37, 3: panis mundi pondo triginta, panis sequentis ad donandurn pondo quinquaginta. Ueber die Heteroklis'ie der Pronominal-Adjectiva handelt Kühner, Ausf. Gramm. I, S. 408 ff. Ein Beispiel aus den Scriptores ist der Dativ eodem Nig. 4, 7. AI. Seuer. 45, 3: tarn enim inde tacebatur, et omnes <>,,, bidabant, ne dispositionem Romawim barbari soirent. Dass am- bulabant keinen Sinn gibt, fühlten Alle, welche sich mit der Kritik der Scriptores beschäftigten. Unter den mannigfachen Emendationsversuchen ist aber nur das von Golisch vor- geschlagene elaborabant erwähnenswerth. Ich dachte einmal an omnes (s)imulabant , welches wenigstens den Sehritt/.ügen der Ueberlieferung ziemlich nahe kommt. 406 P e ts che ii i g. AI. Seuer. 50, 5: quos falangarios uocari iusserat et cum quibus multum fecit in Perside. BP: inter Perside. Darnach dürfte vielleicht in terra Perside zu schreiben sein: vfirl. cap. 56, 7 : ut eum terra Persarum fugientem uideret. ' AI. Seuer. 51, 4: Ulpianum. . . . quem saepe a militum ira obiectu purpurae suae defendit. In BP ist summae überliefert, welches Casaubonus und Gruterus vergebens zu schützen suchen. Zu schreiben aber ist ohne Zweifel summe, als Ad- verbium zu defendit. Maximin. 2, 2: ferus moribus, asper superbus contemptor, saepe tarnen iustus. Dass Capitolinus blosse Anwandlungen von Gerechtigkeitsgefühl den schlimmeren Eigenschaften Maximin's gegenüber hervorgehoben haben sollte, ist nicht recht glaub- lich 5 er schrieb wol: semper tarnen iustus. Maximin. 6, 2 — 3: quinta quaque die iubebat milites de-- currere, in se simulacra bellorum agere, gladios loricas galeas scuta tunicas et omnia arma illorum cottidie circumspicere ; calcia- menta quin etiam prospiciebat, proi'sus antem ut patrem militibus praeberet. Für in se vermuthete Madvig inter se. Ich möchte jedoch lieber hinter decurrere stark interpungiren und dann fortfahren: ipse simulacra bellorum agere; vgl. §. 5: exercebat cum militibus ipse luctamina. bellorum ist natürlich im Sinne von pugnarum oder proeliorum zu fassen, worüber man Paucker p. 137 vergleichen möge. — Im Folgenden bieten BP ut autem; letzteres ist wahrscheinlich aus amantem entstanden. Vgl. AI. Seuer. 50, 3: iam uero ipsi milites iuuenem imperatorem sie amabant ut fratrem ut filium ut par entern. Maximin. 13, 1 : fuerunt et alia sub eo bella plurima ac proelia. ac ist von Peter ergänzt; Andere tilgen mit Salmasius proelia als Glosse zu bella. Die Sache verhält sich jedoch ganz anders. Nicht in proelia, sondern in bella liegt das Ver- derbniss, und zu schreiben ist sub ea belua. So nennt näm- lich der Senat selbst den Maximinus; cap. 15, 6: a tristissima belua; ibid. §.8: ad illam beluam atque illius amicos per- sequendos. Ausserdem vergleiche man Maximin. 5, 4; 9, 2; 10, 1; 11, 6; 17, 1; AI. Seuer. 53, 6; 56, 6. 1 Caes. B. G. I, 30, 2: terrae Galliae; B. Afr. c. 3: terra Africa; Liu. 25, 7: terra Italia. Beiträge zur Textkritik der Scriptores liistoriae Augustae. 40 1 Maximin. 24, 3: post hoc ingens ex Aquileia comrneatus in castra, quae laborabant fame, propere traductus refectisque militibus alia die ad contionem uentum est, et omnes in Maximi et Balbini uerba iurarunt, Gordianos priores diuos appdlantes. Statt propere steht in BP p; ich glaube, dass dies einfach ein Versehen für p ist und schreibe demnach perl raductus, eine Bildung-, welche durch das im Spätlatein häufige pertransire geschützt ist. Auch für refectisque bieten die Handschriften andere Lesarten, B fectisque, P fecistisque; die älteren Aus- gaben lesen fessisque. Ich halte im Hinblick auf die Huldigung allein festisque für richtig. Zum Ausdrucke vgl. man Tac. Ann. II, 69: festam Antiochensium plebem per lictores proturbat. Maximin. 25, 1 : Interest scire, quäle senatus consultum fuerit uel qui dies urbis, cum est nuntiatus interemptus Maximinus. Die Worte qui dies urbis sind schwerlich richtig; denn der Sinn: ,welch' ein Festtag für die Stadt', welchen sie doch haben müssten, lässt sich nur errathen. Ich schreibe mit Rücksicht auf §. 3, wo es heisst: et forte dies ludorum erat, die Stelle so : uel qui dies, urbi cum est. nuntiatus i. M. Maximin. tun. 2, 10: quod idcirco indidi, ne qui Cordum legeret me praetermisisse crederet aliquid quod ad rem pertineret. Das in BP überlieferte quis ist nicht einfach als Verschreibung für qui zu betrachten, sondern es ist zu emendiren: ne quis, si Cordum, legeret. Vgl. cap. 7, 4 : quod ideo iestatum posui, ne quis . . . crederet. Gord. 21, 3: Haec de Gordiano iuniore digna memorains comperimus. B hat memoratus, in P ist s wegradirt. Bekannt- lich findet sich dignus nicht selten mit dem Genetiv verbunden. Besieht man jedoch die übrigen Stellen der Scriptores, an denen sich dieselbe Wendung findet, so wird man memoratus ebensowenig für richtig halten als Prob. 24, »i den Dativ memoratui. Es erscheint nämlich sonst überall nur die Form memoratu: dignum memoratu Trig. 2, 4; memorai» dignum Trig. 4, 2; memoratu digna Macrin. 1, 1; digna memoratu Diadum. 6, 1, Heliog. 18, 4, Aurel. 1, 9, Tac. 16, 5, Firm. 6, 1, Proc^. 13, 6. Fasst man nun Stellen in's Auge wie Valer. 5, 1 digna cognitu, oder Gallien. 20, 5 digna et memoratu uidehantur et cognitu, so kann man sich der Erkenntniss nicht verschliessen, dass memoratu und cognitu nicht Substantiva, sondern Sapina 408 Petschenig. sind. Wird nun dignus an diesen zwei Stellen mit dem Supinum verbunden, so ist nicht einzusehen, warum anderswo dieselbe Form anders aufzufassen sein sollte, warum diese Schriftsteller in einer ganz feststehenden Phrase einmal das Supinum, ein zweites Mal den Ablativ eines problematischen Substantivums, ein drittes Mal den Genetiv, ein viertes Mal den Dativ dieses Substantivums gesetzt haben sollten. Gord. 26, 5: illic frequentibus proeliis pugnauit et uicit Sapore Persarum rege summoto. In BP steht aesapore, wonach a se Sapore zu emendiren ist. Gord. 30, 8 : uerum cum secum ipse (Philippus) cogitaret amorem populi R. et senatus circa Gordianum et totius Africae ac Syriae totiusque nrbis Romani, cum et nobilis esset et nepos ac fiüus imperatorum et bellis grauibus infam rem, p. liberasset, posse fieri, ut ßexa quandocumque militum uoluntate Gordinno redderetur Imperium repetenti, cum in Gordianum irae militum famis causa uehementes essent, clamantem e conspectu duci iussit ac dispoliari et occidi. Diese Stelle leidet an mehreren Ge- brechen. Zunächst fällt die kleine Inconcinnität auf, dass von cogitaret zuerst amorem, dann posse fieri abhängt, wo man posseque oder eine andere Wendung erwartet. Es dürfte daher zu schreiben sein: cogitaret, amore popidi posse fieri. — fiexa ist Peter's Conjectur statt des in BP überlieferten ficta, wofür Salmasius reficta schreiben wollte. Wenn man ficta = fida setzt und den Ausfall von in nach ut annimmt (infida), so ist dem Sinne wie der Ueberlieferung Genüge geleistet, quandocumque ist natürlich mit infida zu verbinden : ,es könne der Fall sein, dass bei irgend einmal eintretender Unzuverlässigkeit der Soldaten Gordianus wieder zum Throne gelange'. Endlich ist noch Peter's Vermuthung repetenti als verfehlt zu bezeichnen. Denn da in B[ ganz deutlich rerecenti steht, während in P recenti, aber mit einer Rasur vor dem Worte, überliefert ist, so kann kein Zweifel obwalten, dass re recenti (= statim) zu schreiben ist. Gord. 31. 1: Imperauit Gordianus annis sex. Atque dum haec agerentur, Argunt Scytharum rex finitimorum regna uastabat. Statt atque bieten BP asne; ich vermuthe Asiae. Wie auf die Frage wohin? Ländernamen im blossen Accusativ stehen (Plew p. 37), so kommt auf die Frage wo? auch der Genetiv Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Augu«tae. 4ll'.t vor; Aurel. 48, 2: Etruriae per Aureliam usque ad Alpes mari- timas ingentis agri sunt. Max. et Balb. 4, 4: praefecfura urbi in Sahiwan conlata est, uirurn grauem, et Maximi moribus congruentem. In BP1 ist maximum überliefert, was sich allerdings auch aus der Ditto- graphie des m erklären lässt, eben so gut aber aus einem ursprünglichen Maxim o in moribus entstanden sein kann. Max. et, Balb. 5, 10: post haec (Maximus) praefectus urbi prudentissinius ingeniosissimus et seuerissimus adprobatus est. quare f ueluti senatus ei, homini, quocl non licebat, nouae familiae Imperium tarnen detulit. Casaubonus vermuthete uelui dixi, Peter uel cunctus, Eyssenhardt gar rei p. saluti. Ansprechender ist Madvig's Aenderung: quare uitanti senatus ei omne, quod non licebat nouae familiae. Ich möchte am ehesten uel iure für passend halten. Max. et Balb. 12, 5—6: ex quo qtu'dem Balbinus subiratus est, dicens, Maximum minus quam se laborasse, cum ipse domi tanta bella compressisset , ille autem otiosus apicd Rauennam sedisset. sed tantum ualuit uette, ut Maximo, quia profectus est contra Maximinum, etiam uictoria decerneretur, quam impletam ille nesciuit. Der Sinn der Stelle ist klar: der blosse Zug des Maximus gegen Maximinus, der schon zu Ravenna in's Stocken kam, genügte, um dem Maximus den Sieg zuzuerkennen, an dem er keinen Antheil hatte. Aber nesciuit lässt sich schwer- lich halten, da ja bekanntlich Maximus durch einen Eilboten von dem Tode Maximin's und der Unterwerfung seines Heeres in Kenntniss gesetzt wurde; vgl. Maximin. 25, 2. Berück- sichtigt man ferner cap. 16, 7 : cum . . . ne Maximus quidem contra Maximinum pugnasse doceatur, sed resedisse apud Rauennam atque illic patratam audisse uicforiam, so bleibt kein Zweifel mehr, dass entsprechend den Worten illic patratam audisse uictoriam zu schreiben ist: quam impletam illic resciuit, d. h. von dessen Zustandekommen er erst nachträglich in Ravenna Kenntniss erhielt. Gallien. 5, 6: occupatis Thraciis Macedoniam uastauerunt, Thessalonicam obsederunt, neque usquam spes mediocriter salutis ostentata est. In BP ist überliefert: neque usquam qiäes medio- criter salutem ostentare est. Hiernach ist wahrscheinlich zu schreiben: ne qua usquam quies m. s. ostentaret. 410 Petschenig. Gallien. 13, 4: Gallienus sane uhi ei nuntiatum, Odenatum interemptum, bellum Persis ad seram nimis uindictam patris parauit. B hat gallienos und ei, P gallieno und ubi enuntiatum. Da gallienos in B ohne Zweifel aus gallienofs] sane entstanden ist, ist an der Schreibung von P festzuhalten , nach welcher es heissen muss: Gallieno sane ubi est nuntiatum. Trig. 22, 2 : saepe illic ob neglectas salutationes, locum in balneis non concessum, carnem et olera sequestrata, calciamenta sendlia et cetera talia usque ad summum rei p. pericidum sedi- tiones, ita ut armarentur contra eas exercitus, peruenerunt. Wenn man nicht peruenerunt in dem Sinne von euenerunt fasst, ergibt diese Schreibung den schiefen Sinn: ,Die Aufstände in Aegypten erreichten aus geringfügigen Ursachen den höchsten Grad von Gefährlichkeit', während offenbar gesagt werden sollte : ,In Aegypten brachen oft aus geringfügigen Ursachen die gefähr- lichsten Aufstände aus'. Peter hätte daher auch peruenerunt in prouenerunt ändern sollen. Es ist aber vielmehr das hand- schriftliche Uli sowie eos festzuhalten T.nd nur in nach pericu- lum einzuschieben: saepe Uli . . . usque ad, summum rei p. peri- culum. (iii) seditiones . . . peruenerunt. Trig. 22, 11—12. Pollio berührt die merkwürdige That- sache, dass den römischen Fasces der Eintritt in Aegypten verwehrt war, und fährt fort: cuins rei etiam Ciceronem, cum contra Gabinium loquitur, meminisse satis nouimus. denique non extat memoria, rei frequentatae. quare scire oportet Herennium Celsum, nestrum parentem, cum considatum cupit, hoc quod cle- siderat non Heere. Der Satz denique . . . frequentatae ist nicht verständlich. Wenn man mit Closs übersetzt: ,Ueberhaupt findet sich kein Beispiel in der Geschichte, dass solches (d. i. das Betreten Aegyptens mit Fasces) jemals geschehen wäre', so thut man dem Wortlaute Gewalt an. frequentare ist nicht facere, sondern saepe facere. Ferner hätte in diesem Falle res jedesmal eine andere Bedeutung. Das erste Mal heisst es: ,der Umstand, dass den Fasces der Eintritt in Aegypten ver- boten war' (§. 10 : fasces consulares ingredi Alexandriam non Heere); an der zweiten Stelle aber müsste es den Sinn haben: ,das Betreten Aegyptens mit Fasces'. Allen diesen Schwierig- keiten wird durch Verwandlung von non in nunc ein Ende gemacht, denique nunc extat memoria, rei frequentatae heisst Beiträge zur Testkritik der Scriptores historiae Angnstae. 41 1 nämlich: ,Demgemäss hat sich die Erinnerung an eine so vielfach besprochene und allgemein bekannte Sache bis zur Gegenwart erhalten'. Und eben deshalb, fährt Pollio fort, sollte Herennius Celsus wissen, dass er Unstatthaftes verlange, wenn er als Statthalter Aegyptens das Consulat und somit die Fasces zu erhalten wünsche. Zu frequentatae vgl. Trig. 33, 5: extat eins familia, Censorinorum nomine frequentata, d. h.: , all- gemein bekannt unter dem Namen der Censorini'. Trig. 32, 7: Longius mihi uideor processisse quam res postulabat. sed quid faciam ? scientia naturae facilitate uerbosa est. Was hier unter naturae facilitate zu verstehen sei, vermag ich nicht zu erkennen. Vielleicht lässt sich durch die Schreibung natura et facultate ein befriedigender Sinn herstellen. Das Wissen ist wortreich vermöge seiner Natur, indem es eine Ueberfülle von Gedanken zum Ausdrucke zu bringen hat, dann auch ver- möge seiner Fähigkeit, sich über alle Materien leicht und un- gezwungen auszudrücken (facultas = dicendi facultas). Claud. 4, 4: ,Claudi Auguste, tu nos ab Aureolo uindiea1. dictum quinquies. ,Claudi Auguste, tu nos a Palmyrenis uindica', dictum quinquies. ,Claudi Auguste, tu nos a Zenobia et a Uittuuia libera1. dictum septies. ,Claudi Auguste, Tetricus nihil fec it.1 . dictum septi.es. Nach des Salmasius Vorgang erklärt man nihil fecit mit nihil commisit und erblickt darin eine leise Mahnung des Senates, den Tetricus auch fernerhin in der Regierung seiner Provinzen zu belassen. Doch hievon kann in diesem Zusammenhange nicht entfernt die Rede sein. Der Senat musste vielmehr schon der Natur der Sache nach die Wiedervereinigung aller getrennten Glieder des Reiches wünschen und konnte ausserdem den Kaiser, der eben den Thron bestiegen, nicht dadurch vor den Kopf stossen, dass er ihm einen Nebenbuhler geradezu zu erhalten wünschte. Ohne Zweifel muss daher der Schluss der Adclamatio ursprünglich einen ähnlichen Sinn gehabt haben, wie die voran- gehenden Zurufe. Dies hat auch Mommsen eingesehen und dem- nach nihil egit vermuthet. Ich möchte schreiben : Claudi Auguste, Tetricus nihil faciet, d. h. Tetricus wird Nichts ausrichten, dir nicht Stand halten. Claud. 12, 1: Fuerunt per ea tempora et apud Cretam Scythae et Cyprum nastare tempfabant , sed ubique morbo atque fame exercitu Labor ante superati sunt. Das in den Handschriften A\2 Pe tschen i g. fehlende fame ist von Salmasius ergänzt. Aber cap. 11, 3, wo davon die Rede ist, dass eine Barbarenschaar in Thracien fame ac pestilentia laborauit, ist noch kein Beweis, dass anch hier fame ausgefallen ist. Ich schreibe: sed ubique morbo utique exercitu laborante swperati sunt. Anrel. 1, 9. Nachdem Vopiscus sein Gespräch mit Junius Tiberianns und dessen Aufforderung, die Geschichte Aurelians zu schreiben, erzählt hat, fährt fr nach BP fort: parrumipiane praecepfis . accepi Ubros Graecos et omnia mihi necessaria in manum sumpsi. Das monströse Anfangswort suchte man auf verschiedene Weise zu emendiren. Die älteren Aasgaben lesen pnmi ipse quidem, Salmasius wollte parui Valeriani oder par>ii, mi Piane; Eyssenhardt schrieb parui eis sane, Peter parui Tiberiani nach einem Laurentianus sec. XV, in welchem parui tiberiane steht. Wahrscheinlich ist einfach zu schreiben : parui plane praeceptis. Vgl. Trig. 15, 7: ille plane cum uxore Zrmobia. non sohtm orientem . . . sed et omnes omnino totius orbis partes reformass/'.t. Aurel. 11, 1 — 2: Si esset, Aureliane iucundissime, qui JJlpii Criniti uicem posset implere, tecum de eius uirtute ac sedulitate conferrem, hunc tecum requirere potuissem suscipe bellum a parte Nicopolis, ne nobis aegritndo Criniti obsit. Die Ansichten über diese Stelle gehen weit auseinander. Während nämlich Casaubonus bemerkt: ,locus est mutilus', erwidert Gi'uterus : ,Locus minime defectuosus. Dicit enim, quamuis licuisset conferre cum Aureliano de successore digno uirtutibus Criniti, nnllum tarnen inueniundum qui ei praeferretur'. Wir wären in der That sehr dankbar, wenn das, was Gruterus will, hier wirklich gesagt wäre. Allein wo steht etwas davon, dass es dem Valerianus möglich gewesen wäre, den Aurelianus zu Rathe zu ziehen? Wo ist ferner der vor Allem nothwendige Uebergang zwischen potuissem und suscipe zu suchen? - Auch Salmasius hält das Verderbniss nicht für sehr arg und will schreiben : ,Si esset alius (so vulgo), A. i., q. U. C. u. possit (?) implere, tecum. . . . conferrem : hunc tecum requirere potuissem. Aber auch bei dieser Lesung ist der Uebergang zu suscipe ein ganz unvermittelter, da Salmasius selbst folgenden Gedanken ergänzen muss : ,non est autem alius qui possit. igitur ipse sxiscipe1. Madvig vermuthete, ansprechend wie immer, aber mit zu gewaltsamer Aenderung Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Augustae. 413 der Ueberlieferung conferre nee te requirere potuissem. Viel- leicht lässt sich die Stelle dadurch emendiren, dass man nach conferrem stark interpungirt und dann fortfährt: nunc tu, cum requirere (non) potuissem, suseipe bellum. Der Gedankengang* ist folgender : , Wenn ich Jemanden wüsste, der den Posten des Ulpius Crinitus übernehmen könnte, so würde ich dich über seine Befähigung und Thatkraft zu Käthe ziehen. Nun aber, da ich keine Erkundigungen hinsichtlich eines solchen Mannes einziehen konnte, übernimm du den Oberbefehl bei Nicopolis*. Aurel. 14, 6 : hoc igitur, quod Cocceius Nerua in Traiano adoptando, quod Ulpius Traianus in Hadriano, quod Hadrianus in Antonino et ceteri deineeps proposita suggestione fecerunt, in adrogando Aureliano, quem mihi uicarium iudieii tili auetoritate fecisti, censui esse referendum. Ich vermuthe repetendum. Aurel. 32, 3 : nam Aegyptum statim reeepit atque, ut erat ferox animi, cogitatione multus, uehementer irascens . . . oeeiden- tem petit atque ipso Tetrico exercitum suum prodente . . . legiones optinuit. Salmasius suchte in der Note z. d. St. zu beweisen, dass nullius hier synonym sei mit seuerus und tetricus ; allein die Stellen, die er beibringt, sind ganz anderer Art und nicht im entferntesten beweiskräftig. Die Phrase cogitatione multus könnte vielmehr weder für sich allein, noch in diesem Zu- sammenhange anders gefasst werden als in dem Sinne ,viel und gerne nachdenkend'. Dass dies weder zu ferox animi und uehementer irascens, noch zum Charakter Aurelians über- haupt passt, ist einleuchtend. Daher wollte Oberdick cogita- tione non multus schreiben ; Eyssenhardt setzte cogitatiou< m ultus in den Text und nahm eine Lücke an. Ich glaube jedoch, dass cogitatione aus concitai ione verderbt ist; coneiia- tione multus aber heisst , heftig, aufbrausend, leicht erregbar'. Vgl. Gallien. 14, 8, wo Bährens treffend couciUüis militibus statt des überlieferten cogitatis m. schrieb. Aurel. 41, 8 : ille nobis Gallias dedit, ille Italiam liberauit, ille Uindelicis iugum barbaricae seruitutis amouit. Da in 1'>1' ille inde Uindelicis steht, ist wohl ille de Uindelicis zu schreibeu. Tacit. 16, 1 : Tacitus congiarium p. IL intra sex menses uix dedit. Eyssenhardt schrieb sexies (VI); vermutlich ist aber das handschriftliche uix aus bis entstanden, indem u für b geschrieben und dann uis als uix gelesen wurde. 414 Petschenig. Numerian. 117 2: nam et cum Olympio Nemesiano con- tendit, qui aXteimxa xovrjYeTtxa et vaimxa scripsit inque omnibus colonis inlustratus emicuit. Ich halte das handschriftliche colonis mit Casaubonus für verderbt. Denn was soll hier der Hinweis auf die Colonien? War Nemesianus blos in diesen berühmt? Ich glaube aber nicht, dass des Casaubonus Vermuthung coronis das Richtige trifft, sondern dass hier coloribus am Platze ist. Vopiscus will sagen, dass Nemesianus sich in allen Gattungen des poetischen Stiles auszeichnete. Endlich muss mit den Handschriften (quinque BP, quique P2) und den früheren Aus- gaben quique statt inque gelesen werden. Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Augustae. 4ir> Verzeichniss der behandelten Stellen. Seite Hadrianus 2, 10 356 4, 6 367 5, 1 374 5, 6 361 11, 1 390 11, 3 „ 12, 4 362 „ 13, 5 357 21, 9 374 22, 5 391 „ 22, 6 364 Helius 4, 5 374 Pius 2, 10 386 „ 5, 5 374 „ 7, 3 375 , 8, 9 — „ 10, 4 362 „ 12, 5 375 Marcus 1, 2 391 1, 6 380 „ 11, 7 387 „ 13, 4 391 16, 2 393 16, 3—4 392 „ 18, 4 393 „ 19, 9 372 „ 25, 1 393 „ 25, 12 362 „ 28, 10 372 Verus 3, 2 380 „ 7, 3 Avidius Cassins 1,1 393 2, 1 380 2, 6 „ 14, 3 395 Commödus 2, 9 375 „ 9, 6 395 10, 4 „ 11, 6 363 11, 13 367 14, 1 395 Seite Pertinax 1,1 375 3, L 368 6, 3 396 7, 1 375 Didius Juliauus 2, 3 396 „ 5, 9 381 Severus 4, 5 — 6 388 5, 3 376 7, 3 - 9, 4 373 9, 6 389 „ 14, 4 397 14, 6 376 „ 15, 1 397 , 19, 8 - „ 21, 7 376 Niger 3, 9 381 » 3, 10 ; „ 3, 11 397 „ 4, 1 37(J „ 5, 3 381 „ 11, 5 382 Albinus 2, 5 398 » 13, 1 13, 5 — 6 Caracallus 1,1 382 2. 5 100 3, 5 383 » ö» 5 — 5, 8 400 8, 8 - Geta 1,1 — 2 386 „ 5, 1 WO Macrinua 3, 9 — 4, 4 - „ •">, 9 lul 8, 1 - 14, l :;77 Diadutnenus 5, 5 3.s:i „ 7. 4 363 7, 7 402 416 Petschenig. Seite Diadumenus 8, 4 402 Heliogabalus 3, 2 — 5, 1 374 6, 7 403 9, 1 - 10, 2 - 17, 5 377 18, 4 - 19, 2 383 19, 7 403 25, 7 - 26, 5 - 29, 7 404 29, 9 „ 30, 4 378 Alexander Severus 5, 1. . . . 404 6, 1. ... 384 9, 4. . . . 404 „ 9, 5. ... 405 „ 10, 5. ... 378 „ 14, 4. . . . 368 15, 3. . . . 390 „ 15, 5. ... 378 28, 7. . . . 371 „ 37, 10. . . . 378 „ 41, 7. . . . 405 42, 3. . . . - 45, 3. . . . 50, 5. . . . 406 51, 4. . . . - „ 55, 1. ... 389 Maximini duo 2, 2 406 6, 2—3 . . . . — 6, 4 367 8, 5 362 „ 13, 1 406 14, 1 384 14, 4 368 24, 3 407 „ 24, 4 367 25, 1 407 27, 7 384 28,10 407 Gordiani tres 2, 4 362 „ 11, 1 384 Seite Gordiani tres 21, 3 407 24, 2 379 26, 5 408 30, 8 — 31, 1 - Maximus et Balbinus 4, 4. . . 409 „ „ „ 5, 10. . . „ „ 7, 6. . . 368 12, 5-6 . 409 Gallieni duo 1,1 362 „ 2, 3 373 2, 5 384 3, 1 358 5, 6 409 11, 3 389 12, 6 384 13, 4 410 Trigiuta tyranni 1, 2 358 11, 5 18, 10 359 22, 2 410 22, 11-12 . . . 30, 13 373 30, 19 379 30, 20 385 32, 7 411 33, 2 386 Claudius 4, 4 411 5, 2 373 7, 4 385 , 12, 1 «1 „ 17, 3 379 Aurelianus 1, 9 412 6, 3 369 9, 6 379 11, 1 ^4 11, 1—2 412 14, 6 413 23, 5 379 „ 24, 3 369 26, 5 - 27, 1 359 „ 28, 5 379 29, 2-3 359 32, 3. . i 413 Beitrage zur Textkritik der Scriptorea historiae Augustae. 417 Seite Aurelianus 41, 7 376 ■41, 8 413 Tacitus 16, 1 — Satuminus 7, 4— 5 385 Carus 2, 5 379 „ 8, 5 360 Numeriamis 11, 2 414 Seite Numeriairas 13, 3 385 13, 5 - Porphyrion ad Borat. Od. 1,5,1 371 „ , Ep. 1,8,41 361 „ „ Ep. 1,8,61 — Ep.11,1,59 - Nonius 37, 7 377 Grammatischer Index. adfabricari, verb. act ad id = usque eo Alexandrea alteri = alterius (?) alterutrum, adv., steht für alter — alterius u. s. w. (äXXi^Xwv) . . Anakoluth „ d. attrib. Participiums Anaphora a se uocare aliquem Asiae = in Asia assequens in lüteris belua, Maximums Calchida = Calchis concitatione multus conludere gladiatoribus consecror, kein Deponens. . . . constitif = constat cum tempor. mit dem Ind. Praes. de = Abi. instrum deambulare rosa denique dient zur blossen Ver- knüpfung- der Sätze . . . . dignus mit dem Supinum auf -u . diligentia uindice. ecquid Ellipse des Substantivums . . . Sitznngsfcer. d. phi!.-hi?t. Cl. XCIII Seite 392 385 362 105 360 389 369 372 378 408 400 406 362 413 375 364 358 367 395 403 357 407 391 376 386 . Bd. II Seite Ellipse einer attrib. Bestimmung vor einem Temporal- satze 384 „ eines verbnm dicendi . . 399 „ von erat 368 von est — „ von /actus 386 „ von Imperator bei creatus 387 „ vonimperatorheif actus {>) 386 n von magis 381 emerere poenam 376 e more 373 e re extitit = extaf, 358 frustra = temere 372 Genitivus von Ländernamen auf die Frage wo? 408 genitus = oriundus Gigantam = Giganta 362 hie, steht häufig- für is 365 idem, ist tonlos und dient zur blossen Andeutung des Sub- jeets 376 impendere operam 374 in mit dem Accusativ = in mit dem Ablativ ~ I in moribus congruens I"'1 Hft. 27 418 Petschenig. Beiträge zur Textkritik der Scriptores historiae Augustae. Seite Indicativus in indirecter Frage. 381 inempto 376 iniusso = iniussu 3(31 malta = [xaXax.o; 377 mirus = magnus — nam = sed, autem 359 nimius = magnus 374 Nominativus absolutus 371 obtunsione oris 395 orbis terrarum — Imperium Ro- manum 358 per = ad (sc) 368 Persida — Persis 362 pertraducere 4i>7 plurimi = multi 373 pollutus, steht nicht für polluit . 363 pos = post 362 potius — non 380 priuatim, adjectivisch 369 quantum = quam 358 quidam = quilibet 359 Seite quidem = et quidem 358 quintum iduum August, diem . . 367 quod c. Ind. fut. = Acc. c. Inf. fut. 368 re recenti = statim 408 sane, dient zur blossen Anknüpfung 393 sanequam 396 Scironam = Scirona 362 sedere, verb. trans 364 statim = mox, paulo post . . . 357 subiectus teils 389 summe defendere 406 super, ausser, nebst 384 superfusus fama 375 suscipere apparatum ...... 402 tantum = tarn 358 Tarracona = Tarraco ..... 362 terra Persis 406 tertium = ter 391 Tyfonam — Tyfona 362 uehementer inlmici .'J79 uere, adjectivisch 369 SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CJ > A SS K. XCIII. BAND III, HEFT. JAHRGANG 1879. — MÄRZ. SitzungBber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. III. litt. 28 Ausgegeben am 26. Juni 1879. VI. SITZUNG VOM 5. MÄRZ 1879. Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht über- mittelt die von der spanischen Regierung herausgegebenen und der kais. Akademie gewidmeten ,Cartas de Indias*. Von dem Bürgermeister der Haupt- und Residenzstadt Wien wird ein Exemplar des zweiten Bandes der im Auftrage des Gemeinderathes herausgegebenen ,Wiener Geschichtsquellen' übersendet ; endlich schickt Herr Dr. Friedländer in Kanitz ein Exemplar seines Werkes : Geschichtsbilder aus der Zeit der Tannaiten und Auioräer' für die akademische Bibliothek ein. Herr Dr. Kohut in Fünfkirchen erstattet den Dank für die ihm bewilligte Subvention zur Drucklegung des zweiten Bandes des ,Aruch-Lexikons'. --• 422 Die Central-Direction des kais. deutschen archäologischen Institutes zeigt das am 21. April d. J. in Rom stattfindende Jubiläum der Anstalt an. Das w. M. Dr. Pfizmaier legt eine für die Denkschriften bestimmte Abhandlung: , Darlegung der chinesischen Aemter' vor. Das c. M. Herr Prof. Dr. Krön es in Graz übersendet eine Abhandlung des Herrn Gymnasialprofessor Dr. Arthur Steinwenter zu Graz, welche betitelt ist: , Beiträge zur Geschichte der Leopoldiner' und um deren Aufnahme in das Archiv der Verfasser ersucht. Herr Gymnasial-Professor Dr. K. F. Kummer in Wien hält einen Vortrag über ,das Ministerialengeschlecht von Wil- donie' und ersucht um Aufnahme der Abhandlung in das Archiv. Das Preisgericht der Grillparzerstiftung für das Triennium 1878 — 1881 besteht aus den Herren: Moriz Carriere in München, Franz Freih. v. Dingelstedt in Wien, Hermann Hettner in Dresden, Johannes Nordmann und Robert Zimmermann in Wien. 423 An Druckschriften wurden vorgelegt Akademie der Wissenschaften, königl. Preussische, zu Berlin: Monats- bericht. November 1878. Berlin, 1879; 8°. — der Wissenschaften, königl. Bayerische, zu München: Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und historischen Classe. 1878. Band II. Heft 1. München, 1878; 8°. Akademija, Jugoslavenska znanosti i umjetnosti: Rad. Knjiga XL V. U Za- grebu, 1878; 8°. — Starine. Knjiga X. U Zagrebu, 1878; 8°. — Stari pisci hrvatski. Knjiga X. U Zagrebu, 1878; 8°. Ateneo di Brescia: Commentari per 1'anno 1878. Brescia, 1878; 8°. Friedländer, M. H. Dr.: Geschichtsbilder aus der Zeit der Tanaiten und Amoräer. Brunn, 1879; 8°. Gesellschaft, k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band. XXII. (N. F. XII.) Nr. 1. Wien, 1879; 1". Ministe rio de Fomento : Cartas de Indias. Madrid, 1S77; Fol. Observatory Dudley : Annual Report of the Director for 1878. Albany, 1879;' 8°. — Remarks on the Dudley Observatory, observations of the Transit of Mercury, May 6, 1878. Albany, 187«; 8 .Revue politique et litteraire' et ,Revue scientifique de la France et de l'Etranger*. VHP Annee, 2e Serie. Nros. 33, oi et 35. Paris, 1879; I". Societä italiana di Antropologia, Etnologia et Psicologia comparata : Archivio. VIII° Volume, fascicolo 3 e 4. Firenze, 1878; 8°. Verein von Alterthumsfreunden im Rheinlande: Jahrbücher. I. — LIX. Heft. Bonn, 1842—1876; 8° und 4°. — Das Siegeskreuz der byzantinischen Kaiser Constantinus VII., Porphyrogenitus und Romanus II. und der Hirtenstab des Apostels Petrus, von Ernst aus'm Weerth. Bonn, 1866; fol. — Die römische Villa zu Mennig und ihr Mosaik, von Domcapitnlar von W ilmowsky. Bonn, 1865; fol. - Der Mosaikhoden in St. Gereon zu Cöln, von Ernst aus'm Weerth. Bonn, is7.!; fol. — Kunstarchaeo- logische Betrachtungen über das Portal zu Remagem, Festprogramm zu Winkelmann's Geburtstage, 9. Decemher 1859. Bonn, 1859; 4°. — Das Portal zu Remagem. Programm zu F. G. Welcker's fünfzigjährigem Jubelfeste, am 16. October 1859. Bonn. 1859; 1". -- Zur Geschichte der Thebaischen Legion, von J.W. J. Braun. Bonn, 1855; 4". — Apollon, der Heilspender. Bonn, 1848; 4". -- Der Eildesheimer Silberfund. Bonn, 1868; 4IJ. — Der Grabfund von Wald-Algesheim. Bonn. 1*7'»-, 1'. — 424 Vicus Avrelii oder Oehringen zur Zeit der Römer. Bonn, 1871 ; 4°. — Das Medusenhaupt von Blariacum. Bonn, 1874; 4°. — Die mittelalter- liche Kunst in Soest. Bonn, 1875 ; 4n. — Die Burg-Kapelle zu Iben. Bonn, 1869; 4°. — Der Wüstenroder Leopard, ein römisches Cohorten- zeichen. Bonn, 1857; 4°. — Erklärung eines antiken Sarkophags zu Trier. Bonn, 1850; 4». — Jupiter Dolichenus. Bonn, 1852; 4Ü — Das Judenbad zu Andernach. Bonn, 1853 ; 4°. — Die Externsteine. Bonn, 1858; 4n. — Die Trojaner am Rheine. Bonn, 1856; 4°. — Die Grips- walder Matronen- und Mercuriussteine. Bonn, 1863; 4°. — Die Lauers- forter Phalerae. Bonn, 1860; 4°. — Das Bad der römischen Villa bei Allenz. Bonn, 1861;' 4°. Horawitz. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von 1521- 1533. 425 Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Vou 1521 — 1538. Von Adalbert Horawitz. t) uristenbriefe sind es, die ich im Folgenden mittheile. Durch A. Ri vi er 's Claude Chansonette (Juriseonsuite Messin et ses lettres inedites, Bruxelles 1878. Extrait du tome XXIX des Memoires couronnes et autres Memoires publies par l'Academie royale de Belgique) neuerdings auf Claudius Can- tiuncula aufmerksam gemacht, fand ich in meinen Excerpten über J. Faber, J. A. Brassicanus, Camers und Cantiuncula auch Briefe des genannten Juristen und drei Schreiben des Ulrich Zasius verzeichnet, die ich nach der Durchsicht voll- ständig zu ediren beschloss. ' Denn nicht blos die Schreiber dieser Briefe sind berühmt genug, um ihrem Nachlass Beachtung zu sichern, auch der Inhalt des Vorliegenden schien meist so bedeutend, dass er als Ergänzung für Rivier's Werk und Kiegger's Sammlung der Zasius-Briefe wohl eine Edition verlohnen mag:. Im Ganzen sind es sechszehn Stücke, die hier mit- getheilt werden; dreizehn Briefe des Cantiuncula an J. A. Brassicanus, Joh. Faber, Heinrich von Idßtetten, Joh. Brotephus, den Secretär von Strassburg, drei von Ulrich Zasius an J. Faber. Die Briefe sind aus den Jahren 1521 — 1533 und stammen also aus einer Zeit voll der grössten Wandlungen und Er- schütterungen 5 jene Epoche war es ja, in der sich Humanisten 1 Die Originale befinden sieh in den Codices 9735, 9737 g and 8987 der k. k. Hofbibliothek zu Wien. 426 Horawitz. und Reformatoren schieden, die im Anfange der gewaltigen geistigen Bewegungen zusammengingen. Jene Epoche war es ja, die Erasnius und seinen Kreis den Wittenbergern entfremdete; das Jahr 1525 wird gewöhnlich als das Scheidejahr beider früher geeinten Richtungen angenommen. Ueber dem Dräuen der , Schwann- und Rottengeister', dem , höllischen Wüthen* der Bauern, den Wiedertäufer-Gräueln und alle dein zogen sich die Aengstlicheren, Weicheren, Feineren unter den Männern der neuen Bildung zurück; tief verstimmt war vornehmlich der Basler Gelehrtenkreis, begann ja daselbst eine förmliche Aus- wanderung vor dem Eindringen reformatorischer Gedanken, als dieselben in die Wirklichkeit übersetzt wurden. In mehreren früheren Schriften habe ich auf den psycho- logischen Prozess in der Entwicklung unserer grossen Philo- logen hingewiesen, Manchem kostete es schwere Mühe, ihn durchzumachen, keiner wohl hat mehr davon zu leiden gehabt als der Grösste unter ihnen Erasmus. Andere fanden sich leichter mit ihm ab, sie blickten einfach auf ihr grosses Vor- bild und ahmten es nach, so z. B. Michael Hummelberger. In den vorliegenden Briefen der zwei grossen Juristen gewahrt man keine Anstrengung Seelenbewegungen zu meistern, in dem Bildungsgange und den persönlichen Verhältnissen — ich will nicht sagen, in der Betrachtungsweise des Rechtsgelehrten — lag es wohl, dass sie conservativ wie sie waren, lieber beim Alten, bei den seit Jahrhunderten anerkannten festen Gewalten in Kirche und Staat verblieben. Die Auffassung des Romanen — denn als solchen müssen wir Cantiuncula fassen, auch sein Latein trägt Spuren davon ' — wie des Schweizers ist in dem Einen gleich : sie stehen noch vielfach auf mittelalterlichem Boden, der Humanismus ist für sie nur ein wissenschaftliches Element, dem sie nicht allzu viel Einfluss auf das Leben, nur den formalen auf die Sprache und Anlage ihrer Briefe und Schriften gestatten. So zeigt sich denn auch in diesen Briefen festes Halten an eben angegriffenen Institutionen, ein vor- sichtiges Vermeiden jener Gesprächsstoffe, die doch alle Welt beschäftigten und selbst in Klosterzellen und Gelehrtenstuben Aufregung, Begeisterung oder Zorn erzeugten. 1 betac z. B. ist doch gewiss kein guter lateinischer Ausdruck. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von l.">21 — 1533. 1 1' I Doch bevor der Inhalt des Mitgetheilten einer kurzen Besprechung unterzogen wird, einige Worte über den ersten der genannten Juristen, über Claudius Cantiuncula. Ich kann mich dabei um so kürzer lassen, als sich das oben ge- nannte neue Werk über ihn ausführlich und mit dankeswerther Genauigkeit verbreitet. Freilich mehr liess sich über seine Geburt auch dort nicht feststellen, als dass Cantiuncula in den letzten Jahren des fünf- zehnten Jahrhunderts zu Metz geboren ward, wo sein Vater Notar gewesen. Er studirte in Löwen, kam dann lf)17 nach Basel, wo er 1521 Professor (Ordinarius legum) wurde. Aus den Biographien des Erasmus, Beatus Rhenanus u. A. wTeiss man, wras Basel damals für die Pflege der gelehrten »Studien bedeutete, die berühmtesten Gelehrten trafen sich hier, die Officinen Amerbach's und Froben's versorgten die gelehrte Welt mit zahlreichen und werthvollen Novitäten. Begreiflich, dass sich Cantiuncula's Talent hier bald entfaltete, dass der junge Jurist in rege Beziehungen zu L. Bär, Glarean, Boniläcius Amerbach u. A., ja selbst zu dem grossen Erasmus trat. Das Urtheil des Erasmus ist für ihn ausserordentlich ehrenvoll. In seinem ,Ciceronianus' sagt er: l Nosti Claudium Cantiunculam Metensem Cantiuncula ut est ingenio festiuo, in quouis argumento tractando suauissime canit, praesertim oratione prosa, quantum ualeat carmine nescio, nee infeliciter properat ad exemplar Ciceronis. Fluxum, perspieuitatem, copiam ac iueunditatem M. Tullii propemodum assequutus est, sed iam- pridem in Principum legationibus fabulam agit motoriam, quam hoc negocium altissimam quietem desideret et tarnen ita quo- tidie seipsum uincit, quasi per terras mariaque uolitans, Musas omnes secum ducat comites. Habet hoc eximium, quod Juris prudentiam ac Philosephiae cognitionem eloquentiae coneiliauit. In der Vorrede zu J. Chrysostomus Enarratio in epistolam ad Galatas (1527), die dem Cardinal Johann von Lothringen ge- widmet ist,2 erwähnt er, dass ihn Cantiuncula zu dieser Ueber- setzung gebracht habe: Ut tale quid auderem, crebro mecum egit Claudius Cantiuncula, minimumque abfuit, quin perpulerit. 1 Opera I, 1012 A. 2 Opera VIII, -2(36. 428 Hör »witz. Quid eniin est oinnino, quod ille non facile cuiuis persuadeat, uir tali praeditus ingenio, tarn non uulgari tum philosophiae cognitione, tum utriusque iuris prudentia, tum bonarum etiam litterarum peritia praeditus: adde his omnibus, praeter eam dicendi facultatem, quam rhetorum praeceptiones conferunt, naturalem quandem facundiam, ut optimo iure, si non unicum (nam id fortasse dictu inuidiosum) certe rarissimum uestrae Lotharingiae exemplum et ornamentum dici possit, nee sine causa tibi talium dotium perspicacissimo iudici praeeipue carum habeatur. ' Aber auch zu Ferneren trat er in Beziehungen, so zu Wilhelm Bude, der ihn einen ,Homo eximius' nennt, zu Ulrich Zasius, dessen Beistand und werthvoller Rath ihn bei seinen 1520 erschienenen ,Topica' unterstützten, der dem jüngeren Freunde einen Theil seiner Lucubrationes widmete und ihm stets gewogen blieb.'2 Eben die ,Topica' waren es aber, die Cantiuncula einen Namen gaben und ihm den Ruf des be- deutenden Juristen verschafften. In dieser Zeit wohl knüpfte sich seine Verbindung mit dem Tübinger Humanisten Johannes Alexander Brassicanus, von der die anliegenden Briefe (Nr. I, II, III, IV, V, VI, IX, X) Zeugniss geben. So viele Erfolge er aber auch aufzuweisen hatte, so viel Glück er genoss, es litt ihn doch nicht länger in Basel, wo die Sache der Re- formation solche Fortschritte machte. Er war nur noch bemüht, seinem Freunde Bonifacius Amerbach 3 seine Stelle als Professor zu verschaffen und begab sich sodann in die Dienste Ferdinand I. In den Jahren 1525 — 1531 hielt er sich zumeist in Vic auf, jedoch brachte es sein Beruf mit sich, dass er viel auf Am- bassaden auswärts war. In den Jahren 1535 — 1541 fungirt er dem Namen nach als Professor an der juridischen Facultät in Wien, war aber auch von hier aus in Gesandtschaften ver- wendet. Im Elsass, in Tirol, in Sachsen und Preussen, in Böhmen, Frankreich und in Spanien erscheint der überaus thä- tige Mann, der trotz aller Gesandtschaften, Sitzungen und Rechts- gutachten noch Zeit genug fand, die Bibliotheken zu durch- 1 Vgl. auch in den Briefen III, 332 B, C. 962, A. D. 963 A. 2 Cf. darüber Stintzing a. a. O. 202 ff. Urtheil über die Topica 205 f. 3 Die Correspondenz mit diesem Iheilt Kivier 1. c. p. 32 ff. mit. Briefe des Claudius Cantiuncula und ülricli Zasiu6. Von 1521 — 1533. \ "_?',' forschen, eine Reihe von Werken ' herauszugeben und mit seinen Funden den Gelehrten zu dienen. Seine Paraphrasen der Institutionen (1533 ff.) machten aufs Neue Aufsehen in der gelehrten Welt, um 1542 gewahren wir ihn an der Spitze der k. Kanzlei zu Ensisheim, 1543 auf dem Tage zu Speier, 1546 auf dem zu Regensburg, 1547 auf dem zu Augsburg; über seinen Ausgang ist Nichts überliefert, auch sein Todesjahr lässt sich nur annähernd bestimmen — Rivier setzt es vor 1561 oder 1562 an. — Jedesfalls war Cantiuncula ein Mann von grosser Vielseitigkeit des Wissens und ausgezeichneter Formvollendung — man vergleicht ihn in dieser Hinsicht mit Muretus — es gereicht wohl zu seinem Ruhme, da ss ihn so grosse Männer hochhielten und von ihm nur lobend sprachen. Die von Rivier, sowie die von mir mitgetheilten Schreiben, zeigen ihn aber auch als einen sehr artigen und urbanen Mann, der im Umgange mit den Grossen sich an entgegenkommenden Meinungsausdruck gewöhnt hatte. Der Codex Pal. Vindob. 8987 enthält eine Reihe von Aufschreibungen, die sich auf Cantiuncula beziehen. Es sind diess : von Fol. la — 6 a ein mit C. Cantiuncula Juris consultus unterzeichnetes ,Responsum ad quaestionem, in qua specie flo- renorum facienda sit redemtio arcis et oppidi Kulsen quam Theodoricus archiepiscopus Moguntinus cum pacto reluitionis Johanni a Witstat uendiderat et archiepiscopus Albertus a. 1533 redimere cupiebat.'2 Diesem Responsum folgen dann verschiedene Aufzeichnungen, ein Brieffragment (fol. 6 b) das sub XIV er- scheint, und endlich ein Gutachten über den Friedensbruch Franz von Sickingen (Sicinius) (von fol. 7 — 18 a), der dem Kurfürsten absagte. In diesem weitläufigen, frisch geschriebenen, reichlich mit Allegationen versehenen Rechtsgutachten, 3 das nach Sickingens Tod verfasst ward, erklärt sich Cantiuncula für die Rechte und Forderungen der Kinder jenes Ritters und 1 Rivier gibt ein Verzeichniss derselben S. 28. 2 Tabulae Codicum Mss. Bibl. Pal. Vindob. V, 317. 3 Ulmann, Franz von Sickingen, Leipzig, Hirzel, kennt das Schriftstück nicht, das wohl edirt werden sollte. 430 Horawitz. kommt zu dem Schlüsse : ,Cum itaque Sicinius neque contra rempublicam Romanam neque contra principem Romanum hostili fuerit animo, certum est; eum non recte neque iure per- duellionis insiinulari.' Ganz am Ende rechtfertigt er den Land- friedensbruch gewissermassen aus dem Usus, der in Deutschland bestehe. ,Alioqui', sagt er, ,quis recensere possit numerum hos- tium et perduellionum inter Germanos atque adeo in ipsis Ger- maniae uisceribus? Nam ut late Germania patet, sie complureis habet, quos palam est etiam iniussu Principis Romani fuisse in quasdam Germaniae ciuitates offenso ac plane hostili animo.4 Fol. 19 — 20 enthält eine Aeusserung, die mit den Worten: Quaesitum est a nie, ubi in iure probetur eum, cui quotidie honor sit exhibendus, non postulare debere, ut tanta diligentia ei honor exhibeatur quanta cui raro impenditur ' überschrieben ist. Fol. 22 — 30 folgt Claudii Cantiunculae Interpretatio Tituli de Regulis Juris. Am Rande findet sich von anderer Hand — vielleicht von der des Brassicanus — folgende interessante Notiz, die von seiner Thätigkeit in Vic Zeugniss gibt: Hanc interpretationem legit ipse Cantiuncula in Vico Austrasiae qui- busdam sacerdotibus uti ab ipso audiui idiotis et ignauis, sie tandem etiam ipsis fere desperantibus et plus uentri et potatio- nibus inuigilantibus, tandem deseruit lectionem, et aliam scri- bendi materiam ineepit in Titulum de officio Judicis, quam etiam in lucem uti Paraphrases dabit. - Auf fol. 32a— 35b folgen die Epistolae aliquot seu Missiuae Cl. Cantiunculae, von denen die erste an Bonifacius Amerbach bei Rivier S. 35 abgedruckt ist::i die anderen vier werden unter Nr. VIII, XI, XII, XIII mitgetheilt. Fol. 35 b — 37 a enthält einen bisher ungedruckten Brief des Erasmus an König Franz I. von Frankreich, — den ich mit anderen Erasmianis später publiciren werde — sammt der französischen Uebersetzung desselben durch Claudius Cantiuncula. 1 Unterschrieben: Haec obiter et celeriter in gratiam optima uiri Magistri Johannis leser conscripsit Cl. Cantiuncula. '-' Erschien löio in Basel, löst in Venedig-. 3 Der Wiener Codex variirt von dem Basler im Einzelnen z. B. statt doc- tisshne W.C. optime, de quo sane nihil ambigo; statt hanc uacationem W. C : nunc, statt alterius W. C: alterum, statt exscribatur W. C. exeubatur u. a. Briefe des Claudius Cantinncnla uud Ulrich Z.isius. Von 1521—1533. 4 .'51 Auf fol. 38a — 56b folgen verschiedene juridische Excerpte, z. B. ad Institutiones, ad Topica Cantiunculae, Zusammen- stellungen von Worten und Phrasen, die sich keiner guten La- tinität erfreuen, von den Juristen aber doch gebraucht werden, wie pistrinarius, teque certiorauero, ad ratiunculam meam proue- nisse, inaedificare, regimenturu, praebitio u. A., sodann die Folge der in den Pandekten vorkommenden Kaiser u. s. w. Dass die fünf Gedichte auf Karl von Bourbon (fol. 57 a — 58 a) und die Conuentiones Pacis sanctissimae promulgatae inter inuictissi- mum Caesarem Carolum et Franciscum Christianissimum Galliae Regem auch aus Cantiuncula's Feder herrühren, kann man wohl nicht annehmen. Die folgenden Briefe Cantiuncula's richten sich in ihrer grossen Mehrzahl an den Tübinger Humanisten Johannes Ale- xander Brassicanus (geboren 1500), den Sohn des bekannten Philologen J. Brassicanus, der sich später ganz der Jurisprudenz widmete und zu Wien 1524 Lehrer derselben wurde, ' wo er auch 1539 (27. November) starb. Er schrieb eine Reihe von Originalwerken, von denen die Commentare zu Politians Lamia, der Dialog in diuum Carolum (Aug. Vind. 1519), die Epigrammata in obitum Casp. Ursini Velii (Vienn. Panon. 1539), Üav-Omnis (Francof. ad Moenum 1519), de re rustica (1539), Proverbiorum . . . symmieta (Viennae 1529), In Gallum nuper profligatum (Viennae 1525), Hymnus in Apollinem, Argentorati (1523), de uanis mortalium studiis (Norimb. 1523), Caesar Augustus (1519) genannt werden mögen. Ausserdem veranstaltete er Ausgaben von Calpurnius ludi literarii (Hagenoae 1519), Eucherius: Lucubrationes (Hasileae 1531), Gennadius Scholar. Dialogus de uia salutis hunianae (Viennae 1530), Lucianus, libellus de lougaeuis (Tubingae 152.")» desselben aliquot lucubrationes (Vienuae 1527) und Tragoediae: Podagra et Ocypes (Viennae 1527), Potho de statu domus dei (Hagenoae 1532) Saluianus de uero iudicio dei (Basileae 1 ;>">»> auch Paris 1575), Salonii dialogi duo (Hagenoae 1532). Juri- 1 Er hätte auch die Lehrkanzel der Rhetorik erhalten sollen. Cf. Kink, Geschichte der Wiener Universitär. Beilage II, 139. 432 Horawitz. dische Werke hatte Brassicanus ebenfalls im Sinne, um 1522 schrieb er an Michael Hummelberger : ,Habebis olim e iureperitis non infimum professorem tuum Brassicanum. Sic enim subinde cristas erigit, tametsi nihil tale merito Cl. mens Cantiuncula nostri saeculi iure consultorum primas. Ad quem nuper gustum ali- quem dedi mearum epiphyllidum in quosdam Pandectarum locos, incitatus huc et a Budaeo et ab Alciato nostris Papinianis, aut si quod magis excelsum ac aeque honoriticum in illos dici potest. Illorum si non exprirno, tarnen uestigia semper adoro/ ' Brassicanus galt bei Cantiuncula sehr viel, dagegen wünschte Brassicanus sehr7 dass Cantiuncula ein Compendium abfassen solle, eine Bitte, die derselbe auf mannigfache Weise ablehnt. Er möge — meint er wohl (in unserem Briefe I) — das lieber von Zasius oder Alciat, den Papinianen des Zeitalters, erwarten, seit Cicero könnte dies ja Niemand leisten als die Genannten. Cantiuncula weigert sich übrigens nicht zu jener Arbeit bei- zutragen, doch habe er weder Zeit noch Kraft, jene Aufgabe zu leisten, für die Zasius die richtige Persönlichkeit sei. Auch in anderen der mitgetheilten Briefe wehrt sich Cantiuncula auf das Entschiedenste gegen Brassicanus wiederholte Bitten, sich an die Abfassung des Compendiums zu machen, er entschuldigt sich mit seiner geringen Kenntniss der lateinischen Sprache — was gewiss allzu bescheiden ist — und dem Mangel einer Kenntniss des Griechischen, klagt über seine Ueberbürdung, schildert die Schwierigkeit der Aufgabe und geht so weit zu sagen : Desine rogare et si me amas hac de re deinceps ne uerbum quidem ad me scripseris ! Dagegen will Cantiuncula durch Brassicanus , Nachlesen' (racemationes nennt er sie, Brassi- canus spricht von epiphyllides) zu den Pandekten, von denen er gehört, belehrt werden, auf die langweiligen Buchhändler will er nicht warten, dringlich erbittet er die üebersendung jener, für deren Sicherheit er sich verbürgt (Nr. III). Diese Bitte wiederholt er auch an anderen Orten (Nr. IV), wo er von literarischen Erscheinungen, dem Briefe des Erasmus an Brassicanus und der Erkrankung des ersteren spricht, wo er Frobenius lobt und die ,Paraphrasis in Matthaeum' ,Christiano 1 Cf. meine Analecten zur Geschichte der Reformation und des Humanismus in Schwaben. Wien 1878, S. 69 (161). Briefe des Claudius CaotinDoala und Ulrich Zasiu9. Von 1521 — 1533. 433 spiritu pleuissimam' nennt. Endlich erhielt Cantiuncula das erste Capitel der ersehnten Racemationes, ,dici non potest, sagt er, quam arrideat (sc. primum caput)', er wünscht Brassicanus ganz und gar bei der Jurisprudenz zu sehen, denn er ver- spricht sich sehr viel von ihm. In dem früheren Schreiben frug Cantiuncula auch um Privatverhältnisse des Brassicanus, ob neinlich dieser verheirathet sei, in diesem Briefe gratulirt er ihm zur neuen Ehe, wodurch wir über Brassicanus Familien- beziehungen eine bisher nicht bekannte Notiz erhalten. Cantiuncula äussert in diesem Schreiben die grösste Anhäng- lichkeit an den jungen Freund und malt in heiterer Phantasie das Glück eines innigen Zusammenlebens und Zusammen- wirkens aus. Nach der Fortsetzung der Racemationen begehrt er auch jetzt wieder. Damals (1522) scheint sich Cantiuncula der Hoffnung hingegeben zu haben, Brassicanus in Basel sehen zu können, wohin er dann zum Verdrusse des Zasius, Bonifaz Amerbach brachte. Die gelehrten Anmerkungen lobt er auch in einem anderen Briefe (Nr. VI): quae tales sunt, ut umbram esse cognoscam quicquid conati sumus, si ad tua conferatur. Er muntert ihn auch neuerdings auf, bei der Jurisprudenz zu verbleiben, um die er sich so verdient gemacht, in eingehen- der Weise bespricht er die zwei Capitel, die ihm Brassicanus geschickt. Viel habe er sich von ihm versprochen, aber er habe alle seine Erwartungen weitaus übertroffen, was ihn sowohl in seinem, als im Interesse der Gesammtheit innig freue. Er bittet ihn endlich, in Tübingen zu bleiben, damit sie sieh näher seien. Fort und fort feuert er den Freund an, sich nicht länger mehr bei den Vorspielen aufzuhalten, sondern adgredere nunc iustam, quae tibi dudum in legibus decreta est, prouin- ciarn. Er billigt allerdings des Brassicanus Adagien, doch wünscht er nicht, dass diese Beschäftigungen das eigentliche Hauptwerk verzögern (ep. IX). Und stets mahnt er dazu, die Schrifterklärung den Theologen, die Grammatik und Rhetorik den dazu angestellten Lehrern zu überlassen und sich ganz der Rechtsgelehrsamkeit zu widmen. Diess sei sein Gebiet, viel Rühmenswerthes finde er an den Adagien, aber seine Schoben seien ihm doch viel angenehmer, ihnen sehe er es an, dass die Jurisprudenz dem Brassicanus einst so viel verdanken werde, wie jetzt dem Budaeus, Alciat oder Zasius. 434 Horawitz. Bemerkenswerth ist es; dass der Briefwechsel zwischen Brassicanus und Cantiuncula durch einige Jahre völlig- unter- brochen war, 1531 wurde er wiederaufgenommen; leider aber konnte ich keine weiteren Beweise für den brieflichen Verkehr beider Männer vorfinden. Die übrigen hier mitgetheilten Briefe an Johannes Faber (VII), Ludwig Bär, der ihm ein Geschenk gemacht, an seinen Verwandten Heinrich von Jetstetten, dem er vieles über seine Familie mittheilt und dem gegenüber er sich treffend über das Hofleben ausspricht, sowie endlich die Briefe an den Metzer Brotephus, den er mit Lobsprüchen überhäuft, und den Stadtschreiber von Strassburg, enthalten über Cantiuncula's Ver- hältniss zu Brassicanus nichts mehr. A. Briefe Cantiuncula's. I. Claudius Cantiuncula an J. Alex. Brassicanus. Basel, 23. Mai 1521. II. Claudius Cantiuncula an J. Alex. Brassicanus. Basel, 11. Juni 1521. III. Claudius Cantiuncula an J. Alex. Brassicanus. Basel, 11. November 1521. IV. Claudius Cantiuncula an J. Alex. Brassicanus. Basel, November 1521. V. Claudius Cantiuncula an J. Alex. Brassicanus. Basel, 24. Januar 1522. VI. Claudius Cantiuncula an J. Alex. Brassicanus. Basel, 28. Juni 1522. VII. Claudius Cantiuncula an Job. Faber. Basel, 27. Januar 1524. VIII. Claudius Cantiuncula an Ludovicus Berus. Vic, 31. Mai 1526 (?). - IX. Claudius Cantiuncula an J. Alex. Brassicanus. Homburg, 11. Januar 1531. X. Claudius Cantiuncula an J. Alex. Brassicanus. (?) 20. Juni 1531. XI. Claudius Cantiuncula an Heinrich von Iedstetteu. Nikolashafen, 12. Ja- nuar 1532. XII. Claudius Cantiuncula an Johannes Brotephus. (?) 7. Januar 1533. XIII. Claudius Cantiuncula an den Secretär von Strassburg-. Vic, 12. April 1533. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von 152] 1"':'.:'.. 435 Basel. I. 23. Mai L521. Claudius Cantiuncula Joanni Alex. Brassicano S. D. Crede mihi mi Brassicane (iam enim nos amicitia alterum alterius facere coepit) non uulgariter iucundae grataeque fuerunt literae, quas ad nie (quae tua est singularis comitas) etiam ultro misisti. Quo uno symbolo ita nie tibi auctoratum reddidisti, ut totus esse tuus gestiam. Porro quas in nie laudes tarn libera- liter congeris, a te -«ei in Zäsium uel quemlibet alium suminae doctrinae uirum conferri potuissent; nihil ego liorum in me agnosco, quae tu admiraris. Et ut uoluntas mea pro communi utilitate prona sit, ingenii certe doctrinaeque uiribus destituitur. Quapropter de scribendo iurisprudentiae compendio per omnem amicitiam rogatus, ne me admoneas ; equidem ei prouinciae nimis quam sum impar etiamsi belle omnem excusandi ansam praecipere pares sie enim scribis: »Scio, dices: in hoc cämpo dudum sudarunt alii. Dico sane, idque me tanto magis ab omni talis aleae conatu deiieit. Egone quod tanti uiri prae- stare nequiuerunt praesertim doeta hac aetate, exhibere queam? Non ita me parum noui doctissime Brassicane; haec prouincia Zasios uel Alciatos • nostrae tempestatis Papinianos2 postulal. Istiusmodi enim quippiam Cicero cogitabat olim, uidelicet ut iuris ciuilis diseiplinam in artis rationem formamque redigeret; quod quidem si per turbulentissimae reipublicae fata lieuisset, non dubito quin effecisset. Quid enim (ut ille ait) non expli- care potuisset illa uis ingenii? Quid non illustrare ille orationis splendor? Quid denique non enarrare exuberans illa reruin omnium praesertim politicarum copia? Caeterum ( 'icerone mortuo a nemine id officii iure sperabitur; nisi ab iis, quos paulo ante dicebam. Non ignoro quam Zasio nostro sis in- 1 Ueber AIciafc, den grossen Reclitslelirer, cf. Stintzing U. Zasios 211. 2 Naheliegender Vergleich, cf. Grynäus an Pichard 8. •1'».'! in Stintzing's oben genanntem Werke. Erasmns vergleicht Zasius mit Politian. Erasmi Epp. familiäres. Bas. 1779, p. 7 und im ersten Briefe an Zasius. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. III. FIt't. 29 4.JU Horawitz. sinuatus, tanturn satagito, ut eum ad honestissimain illarn pro- uinciam alacriter subeundarn perinoueas. Si uelit, poterit, uolet autem, ut spero, si tu caeterique amici rogauerint. Ego si quid succenturiari potero, non suffuratas (quod petis) sed legitimas studiorum horas conferam ; nisi id iure uereamur, ut quod alio- qui futurum erat opus aureuui totum admixtione mearum oper- ularum aes Corinthium reddatur. Atque "adeo longe satius est, uni Zasio negotium mandari. Is enim haue curam honeste sortiri potest, quando nee humerorum meorum tantum onus est, nee otii. Sed quando nugarum satis habes! Vale, tibique per- suade, Claudiura sie esse tuuin, ut ab eo nihil frustra sis postula- turus, quod ex bono et aequo praestare ualeat. Iterum uale eruditissime Brassicane. Basileae (sed ut uides percelere) X. Kai. Junias. Ann. MDXXI. Rogo inter nos firma sponsio interueniat ultro citroque mittendarum epistolarum ; nam candor ille tuus in literis tuis relucens mihi uehementissime placet et indicat ingenuitatem auimi singularem. Eximio bonarum literarum adsertori, domino Joanni Alexand. Brassicano suo candidissimo Tubingae. Von Tengnagel's Hand : Claud. Cantiuncula le (iur. cons.) celeberrimus Basil. 1521. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9735, fol. 1. rBasel. I[# ii. Juni iö21. Claudius Cantiuncula an J. A. Brassieanus. S. Video sane Alexander humanissime quo artificio, quo duetu, quibus etiam euniculis me petas adgrediarisque, dum id quod musicorum est in me torquere uideris. Ii enim ut ille ait nunquam indueunt animum cantare rogati. ' Simile quod- dam tibi persuades, ut scilicet diu rogatus facturus sim tandem quod primum tantopere detreetauerim. Nain ut epistolae tuae uerba referam: hunc campum (inquis) tibi subeundum etiamnum censeo; nisi tu credas oecultam musicam plus prodesse quam apertam. Sed uides, quam toto coelo erres. Prioribus literis 1 Hör. Sat. I. 3. 2. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von 1521-1533. 437 respondi, id oneris non esse meorum humeroruiii. Eins responsi tantuin abest ut nie poeniteat ut si etiam poenituisset, grauem et meritam essem acturus poeuiteutiam poenitentis. Die mihi per amicitiam nostram, si ,nauem agere ignarus nauis tiraet; Abrotanum ' aegro non audet nisi qui didicit dare/ tune mihi auetor, tune suasor sis, ut ingens hoc saxum uiribus destitutus uoluere moliar? Egone tarn sinuosas legum sanetiones, senatus consulta, edictorum interpretamenta, horno parum latine, graece nihil doctus compendio explicare ualcam? Egon' omnia nunc uaga et sparsa ac nulla certae artis ratione circumscripta ratis fixisque iustae artis praeeeptis, praesertim tanta mole negotiorum obrutus, concludere possim? Desine rogare et si me amas hac de re deineeps ne uerbum quidem ad me scripseris; nisi tibi eo numero sum, quem libere citraque personam ridere consti- tueris nonnihil tale etiam fortasse meritum, qui Topicorum - simias inauspicatius doeta hac aetate emiserim. Quid enim aliud suspicari licebit, si isthac in re nos denuo urgere pergas? qui id genus negotii ei mandes, cui deest praestandi facultas, quique obeundae prouinciae neutiquam idoneus est, perinde ac si exeubias nudo mandares. Memineris mi Brassicane, eam quoque amicitiae legem esse, ne quid petamus, quod ex bono et aequo negari ualeat. Caeterum elegantissimi tui Elegi :i dici non potest ut nie delectarint. Habeo et ago ingentem gratiam, nam pari moneta referre non est in meis facultatibus. Dn. Symlerum Tubingae uestrae columen4 maximumque ornamentum etiam atque etiam meo 1 Abrotanum = dßpoTovov. Stabwurz (Artemisia Abrot.), Kraut von ange- nehmem Gerüche als Gewürz und Arznei gebraucht. Cf. Hör. ep. 2. 1. 114. 2 Es sind die Topica Claudii Cantiunculae juris consulti in Basili Academia legum professoris. Ex inelyta Basileae Academia 127 S. fol. Am Ende Basileae apud Andream Cratandrum Mense Junio anno MDXX. Das Vorbild dazu waren Cicero's Topica, deren Ein th eilung beibehalten ist. Cf. Stintzing Ulrich Zasius S. 205. 3 Sind damit die Gedichte in divum Carolum gemeint? 4 Georg Simler aus Pforzheim, Philolog und Jurist, Lehrer Melanclith.ni <. Franz Irenicus u. v. A., wurde nach den Univeivütätsacten von Tübingen 1522 als Professor auf Lebenszeit in der juridischen Pacultät angestellt, seine Kenntnisse im Griechischen standen in besonders gutem Rufe, cf. Geiger's Reuchlin, S. 185; Melanchthon bei Krafft, Documente 177. Gesner Bibliotheca u. A. Ausführliches über seine Werke, besonders 29* 438 Horawitz. nomine salutabis. Uale et saepius scribe, nee te uilis papyri iactura uellicet. Basileae III. eid. Junias MDXXI. Ex animo tuus Claudius Cantiuncula. Eminentis Doctrinae uiro Du. Joanni Alex. Brassicano Musarum (sacerdo) ti atque amico suo antesignano. Tubingae. Tengnagel's Hand: Claud. Cantiuncula ,1. C. celeb. Aus dem Cod. pal. Vindob. nr. 9735, fol. 2. Basel. III. 11- November 1521. Claudius Cantiuncula Brassicano S. Si quid loci meis preeibus apud te est Brassicane dul- cissiine rogo unum a te irapetrem. Est enim quod bona fide mihi credere possis et ego pari uelim aeeipere. Quid autem rei est inquam? Vidi quae ad Cratandrum scripsisti, inter caetera parasse te quasdam racemationes seu annotamenta in quosdarn Pandectarum locos. ' Qua de re dici non potfest quam sim gauisus, quam tibi gratulatus, qui rem te dignatn egregie meditaris; tantum id dolui quod ea de re nihil in tuis ad nie literis erat. Rogo des ad me proximo tabellario exemplum earundem annotationum tuarum. Equidem calcographorum moras praestolari, mors quaedam mihi foret. Proinde, si me amas, amas autem fac7 ut quamprimum habeam. Integra fide spondeo me nulli 2 e meis manibus traditurum 3 sed curaturum, ne quid in ea re detrimenti patiaris. Si id apud te impetro (impetrare uero plane confido), tu tuo quodam in me iure non- nihil audentius exigere poteris. Bene uale animae meae plus quam semis et cura ne hae meae preces repulsam apud te patiantur. Basileae sed ut uides celerrime. Die Martini festo anno 1521. Rescribe ocius ac soles. Parce literis! Tengnagel : Cantiuncula. über seine Stellung zum griechischen Unterricht habe ich in meinen griechischen Studien' gebracht, die in einiger Zeit erscheinen werden. 1 Wohl nur handschriftliche Notizen, eine Ausgabe dieser Annotamenta konnte ich nicht erhalten. Sie sind wahrscheinlich nicht gedruckt, vgl. die Stelle in meinen Analecten. S. 69. 2 Ein Wort gestrichen. 3 Ein Buchstabe gestrichen. Briefe des Claudius Cautiuncula und Ulrich Zasius. Von 1521 — 1533. 4.')',) Legalis prudentiae omniumqiie bonaruin disciplinarum studiosissimo Dn. Joanni Alexaudro Brassicano (am)ieo suo incomparabili Tubingae. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9735, fol. 3. Basel. IV. November 1521. Claudius Cantiuneula Dn. Joanni Alexandro Brassicano in- comparabili amico suo. Quando in id genus asistati l incidimus , Brassicane doctissime (quod rhetores aequale nominant) ut paribus locis et accuset alter et alter se tueatur missa controuersia, eam inter nos ainicitiain agnoscamus, quae nee uerborum accessione ful- ciatur, nee eisdeni deiieientibus minuatur, sed uirtute coepta, animorum coniunetione firmata, quibus initiis, quo progressu constiterit, ita maneat. Asperiusculas a me literas (id quod ingenue fateor) aeeepisti, at hunianissiine rescripsisti nihilque in tuis literis est, quod non prudentiam, doctrinarn et modestiam prae se ferat. Verum bene habuit mea qualiscunque obiurga- tiuncula. Prinium quae elegantem illam tuam epistolam exten- siorem solito extorsit; quippe tuis literis dum sunt uel foliatae nimium quam delector; deinde quod eum comperior amicum, quicum uel in tenebris micem -, ut qui tantopere te in re modi- cula expurges, tantopere uerearis te quasi lineam transiisse. Noli noli amicissime Brassicane angi, noli laborare; nihil in te uel umbrae inuenio quo in amicitiae leges peccasse uideare ! Tantum id postulabam atque etiamnum postulo, ne rogare pergas, quae me negare oporteat. Consultius huiusmodi eunatum in dominum Symlerum Tubingensis Academiae prinium decus reiieeretur. Is enim securus opinionum uariantium sensa ueriora, doctrinas fundatiores egregie posset exhibere. Quod si factum intellexerimus, nos ut succedanei qua licebit opella sequemur. Tua etiam apud me obtinebit human itas, bona quidem ex parte, quod rhetorico lenocinio impetrare nequisti. At uide, ut magis sis mutus quam piscis. Dominum Symlerum ineo nomine 1 asistati vom Griechischen i^'^-.x-o;, nicht zu einem Ganzen vereinigt oder sich vereinigend. Rhetorischer Terminus ; vgl. Fortunatiani art. rliet. 1. •_'. (Rhetores latini minores ed. C. Halm. p. 82.) 2 cf. Cicero de off. III. 19. TT. 440 Horawitz. saluuni esse jubebis , cui etiam nisi defuisset argumentum scripsissemus. Caeteram qua de re ad me scripseras, sie habet. Tumultus ii bellici hactenus omnia uersarunt atque adeo de studiis instaurandis nihildum apud nos consuli potuit. Video autem futurum propediem ut ad gymnasia et nostra et alia conquisitis undique angulis uiros doctos uocari oporteat, praesertim qui iuuentutem melius ac solet instituant. Haec censeo coniectura diuinationeque non improbabili. Confide igitur et aliquamdiu perge tua statione contentus esse. Si quid oecurrerit quod tibi commodaturum existimem, curabo quam- primum rescias. Interea significa quo statu sis reliquo, uxorine an sacris alligatus, an uero liberam sortem retinuei'is. Non frustra peto; redde me certiorem. Vale. Basileae nescio quota Novembris. Anno MDXXI. Tengnagel : Cantiuncula. Viro moribus ac literis humanissimo Dn. Joanni Alexandro Brassicano P(oetae) laureato bene merito (amicoVj suo antesignano Tubingae. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9735 fol. 4. Basel. V. 24. Januar 1522. Cantiuncula an J. A. Brassicanus. S. Agnosco mi Brassicane probum te alieni aeris adser- uatorem, qui non sortem modo sed etiam foenus ipsum egregie reponas ; adeo tuam hanc morulam (quae tarnen nonnihil me sollicitum reddidit) ex composito tua purgarunt epistola, car- mina, racemationumque prima foetura. Plenam fateor ansam fusius ad te scribendi praebuisti, uerum ita negotiorum procellis agitor, ut nonnisi summatim ad te scribere ualeam iustam propediem epistolam aeeepturum. Illud primum quod te maxime scribis exoptare soluam. Dn. Erasmo urbis nostrae summo decori tuas reddidi literas, aegro sane ac pituita non uulgariter laboranti ; mihi enim et paucis ad eum liberior est aditus. Im- petraui tandem has ad te atque alium literas ' idque preeibus propemodum importunis, quandoquidem ea morbi sors erat, ut 1 Leider konnte ich diesen Brief nirgends rinden. Briefe des Claudius Cantiuncula and Ulrich Zasius. Von 1521—1533. -1-11 fragiles inter digytulos non satis calamus haereret. Iccirco uon ut mihi, sed ut tibi quam quam et mihi quoque gratuni faceret, schedulas istas, hoc est, quantum licuit aut potuit, scripsit. ' Tu boni spero consules, ego magni lacerem rerum conditione pensata. Frobenio redditae sunt literae tuae, Cratandro similiter, an rescribat nescio, neque etiam uacat explorare; nam senatui studendum est. Farrago quae plurimum aucta sub prelo est nondum absoluta; Alciati opera nondum impressit Cratander, imo ne orsus quidem est. Dn. Erasmus (ut in agro Christiano assiduus est Evangelista) paraphrasim scripsit in Mattheum, Christiano spiritu plenissimam. Res est profecto, quae omnem possit inuidiam superare. Videbis propediem miraberisque maturam prudentiam ; iam imprimitur. Quod ad me attinet, nihil rei literariae tracto, ita rebus praesentibus hoc est Martialibus agitor. Scis autern, durum esse Musis inter gladios sica rios 2 uersari etc. Expectanda porro est fortuna prosperior qua liceat se dignum aliquid promere. Utinam fata con- cessissent aut uero concederent olim (quod etiam spero) ut una simus. Magnam de te in adiuuandis studiis spem concepi, mutuis operis inuicem adiutaremur. Racemationum tuarum primum caput dici non potest quam arrideat, atque etiam si dici ualeat nolo, ne amicum et consacraneum incompositis laudibus onerarc uelle uidear. Hoc unum aperio, posse me ex bis unguibus non tenebricosum Accur(sium) 3 sed leonem ualeutissimum ac diligentissimum aestimare, qui ungues fidenter nee minus pru- denter 4 soleat in pensitandis restituendisque Pandectarum 5 locis admouere, neque illarum Scabies aduenticia contagium habet. Vides quae miscellanea scribam, neque enim otium datur6 istud caput carissime ignis et aquae obseruatione pleno ore meritisque praeconiis efferre. Hoc propediem uel cum iudicio fiet. Hoc tan- tum rogo, si me amas, amas autem '• de bonis praesertim legalibus studiis macte uirtute uir perge bene mereri; nihil te dignius aut 1 Ad margineni : Superscriptionem non scripsit Erasmus, sed illius amanuensis. 2 Die Hs. hat glad. sie. 3 Fr. Accursius, der bekannte Jurist aus Bologna. 4 et docte gestrichen. 5 Im Codex: Abkürzung für pandectarum: II. 6 tuum gestrichen. 7 Die Hs. hat aut. 442 Horawitz. horum candidatis acceptius potes efficere. Nouo coniugio fausta ornnia precor et auguror, ea tarnen lege, ut si quando ad nos eas1 Ulpiani decretum obserues,2 quod ille procos. praescripsit.3 Quando nobis nihil his ministeriis (sie enim alio loco Ulpianus uocat) opus est. Ludere me putas? Serio loquor, quod si mihi parum habeas fidei quem ad me tuis numeris obduetum genium dedisti subscribet ipse iudex uel intra parietes arbiter esto. Tabellarium tuum domi meae non lieuit habere, quando fors alios obtulerat hospites antiqua mihi tessera iuratisshnos ; at illum in diuersorium praeclarum duci praeeepi, idque meis expensis, ne nihil ex his, quae me rogaueras, praeterirem. Tuus enim sum, speroque futurum, ut meus aliquando fias ut de nobis uel inuidi canant : Vixere unanimes, unis in aedibus, idem Census, amor, studium, uita duobus erat. 4 Sed quando nugarum satis! peluim fortasse (quod aiunt) postulas. Certe mi Brassicane scribo, nee tarnen scribere licet, quandoquidem uel aliud agens scribo 5 neque satis scio, quando nuntius ad te dabitur. Proinde etiam atque etiam oro et per nostram amicitiam obtestor, 6 (uide, ne me fallas) ut reliquorum capitum in Fl exemplar ad me des. Probe apud me asserua- buntur nee iniussu tuo nunquam communicabuntur. At hoc impetratum uolo, ne in mensein alterum differas rem, sed priuio tabellario ad me dato. Brassicane mi, cessare nequeo, ita gestit animus dies integros et noctes tecum fabularier. Equidem uidere uideor, si una essemus, studia nostra unum speetatura scopum. Quam ob rem tuam (oro) mentem semel aperi, an ad me uocatus uenturus sis necne; neque enim ascisci te uolo, nisi in rem (ut arbitrabor) tuam. Vale et literis parce. Basileae Vigilia Conuersionis Pauli; sed ut uides percelere. Anno MDXXII a partu Virginis. Scriptum in Senatu. Candide tuus Claudius Cantiuncula, Juris consultus. 1 P. g. gestrichen. 2 L. obseruare ff. de off. procos. et leg. (ad margiuem). 3 i. e. proconsuli cf. Digest. I. tit. 16. t. 4 Ad marginem: non sensus, qui in te (dono deorum) maior est. 5 Proinde gestrichen. 6 Auf diese Worte wird durch eine Hand ad marginem hingedeutet. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von 1521—1533. 44b Nisi statim reliqua racemationurn capita mittas, dieani tibi uiolatae aniicitiae grandein impingani.1 Cum tuas uel literas uel lucubrationes praesertim race- mationes ad nie dabis, si forte non sim Basileae (ut frequenter contingit) cura, ut Frobenio reddantur literae et quicquid mi- seris; est enim tibi et mihi amicissimus, cui nihil earum reruni non credi possit. Cantiuncula. Omnium bonarum disciplinarum studiosissimo et coadser- tori candidissimo, Dn . . Alex. Brassicano, poetae (l)aureato amico incomparabili Tubingae. Tengnagel : Claud. Cantiunculae literae. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9735, f. 5 und G. Basel. VI. 28. Juni 1522. Claudius Cantiuncula an J. A. Brassicanus. Tu quoque feliciter perage, optime Brassicane; si me energia numeri tantuin permoueri credideras, non qnaternario sed quinario fidendum erat. Quamuis enim suo quaternario Pythagorei nihil non tribuerint, prodituin tarnen a ueteribus accepimus, quinarii numeri uim tanto haberi quaternario au- gustiorem, quantu animatum inanimato praecellentius creditur. Verum huiusmodi uerborum aucupiis inter nos sat sit usum. Non est ea arte uel concilianda uel retinenda uera amicitia, ut artificio rhetorico semper egeat. Causaris, nie nihil ad ternas tuas respondisse, causor ego tabellariurum nescio quorum impro- bitatem, qui sese depositum non reddentes mandataque suscepta non implentes infamiae alligarunt. Scripsi semel, bis atque iterum, praesertim quod ad tuas eruditissimas annotationes ad- tinebat, certe quae tales sunt, ut umbram esse cognoscam quic- quid conati suiniis, si ad tua conferatur. Perge rogo de legali prudentia bene mereri. Video equidem, ni fallor iudicio, geniuin in hanc rem tibi patrocinari omniaque scitu digna sufricere; ego abs te tamdiu rogatus et plane exoratus utcunque succen- turiabo. Restitutus sum studiis, quae me relegarunt annum integrum, aut ego illa. Eo quippe anno multas scripsi, sed illiteratissimas literas, ita ut iam uel rubigo ipsa dictionis (ip.se i Cf. Terent. Phormio II. 3. 92. 444 Horawitz. iudicare potes) menm habeat occupatum calamum. Mutatam esse conditionem in calce literarum intelliges; nactus suin diu multumque desideratam, qua früaf, donec parens reuocarit ad se ipsum ; id enim nihilque praeterea uereor , quaniuis esse molestum nou oporteat uolenti secundum naturam parentibus debitum referre pelargycum.1 Sed ad tuas annotationes redeo. Duo capita ad me dedisti, prius ignis et aquae mysteria docet, in alter o mihi alter es Apelles. Prioris capitis dictio (ut omnes tuae epistolae) prae se fert beatissimam facilitatem fluitque genuina ubertate luxurians ; contra alterius character pressior concinniorque et ex breuitate laconica concludens astrictius. Quae capita ubi confero, uideris mihi uirtute diuersa laudem parem consecutus fidemque fecisti amplissimarn, eiusdem artificis esse (quod diuus Erasmus docuit) breuiter et copiose dicere. Vis tarnen libere loquar? Nescio illud unde, sed prioris capitis irnitatio mihi magis est cordi. In altero floridus, brems et succulentus sed aliquanto subobscurior; prior dulcem, candidam et copiosam, a qua tarnen demi nihil possit, orationem et quem- dam non iniucundum gustum prae se fert. Verum ego egregie ineptus sim, dum haec nugor; nempe quod dici solet: sus Mi- neruam. Res ipsas, 2 hoc est iudicium illud tuum acerrimum, nunquam satis laudauero. Crede mihi, mi Brassicane, multa mihi de te spoponderam, sed meam expectationem ualde quam superas, quo nomine et mea et publica causa maxime laetor, mea, qui te ainicum tarn sincerum tamque candidum habeam, publica, quod tantae spei, animi et diligentiae uirum legalis disciplina meruerit adsertorem. Vide ne cesses aut talentum a deo creditum in terram condas, qui sanctissimo feruore illud excolere coeperis. Facito denique, ut cum primum ad me scribas, reliquas etiam tuas annotationes ad me des, quicquid miseris bona fiele nee sine tuo honore seruaturum. Dedi Erasmo nostro tuas literas; quid respondeat uidebis. Quantum iudico, tibi optime vult omniaque fausta et iueunda pro tua uirtute precatur et nee imprudens augur ominatur. Si preces meae nonnihil apud te possent, rogarem Tubingae maneres, quo frequentiores tu a me et abs te ego de mutuis nostris studiis literas aeeiperemus. 1 cf. Schol. Aristoph. Aves 1354. Hesych. u. Suidas u. jteX-äpyixat vo'[j.oi. 2 Die Handschrift hat res ipsa. Briefe deB Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von l.r»21 — 1533. I I ■ I Commentariolura Buschii in Persium ex officina Frobenii nulluni prodiit. Si quid reliquum sit, quod desidercs et ego praestare possim, iube et meis ut lubet operis utere. Vale basilice mi Brassicane tibique persuade Claudium tarn esse tuum, quam ullius docti hominis. Rursus uale; sed ut uides percelere. IV. Kalendas Julias Anno MDXXII. Tabellarius liaesit hie dimidiam diem. Rogo frequentior sis apud me tuarum cruditissimarum litterarum ministerio. Claudius Cantiuncula legum professor Ordinarius et aduo- catus ciuitatis Basileae tuus ex animo. Eruditissimae doctrinae uiro D. Joan. Alexandro Brassicano, poetae laureato et equiti aurato benemerenti amicorum suoriiin antesignano Tubingae. Tengnagel: Cl. Cantiunculae epistula. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9735, fol. 7 b und 8. Basel. VII. 27. Januar 1524. Claudius Canthmcula an Johannes Faber.1 Clarissime doctor! Habeo gratiam, quod per tot oecu- pationes publicas ac priuatas rescribere libuit. Agnosco tui in me candorem animi, cui nisi mutuum affectum rependam omnium fuerini ingratissimus. Quare si quid est in quo praestantiae tuae ualeam subseruire, meis ut lubet operis utatur. Deinceps non ero Basileae sed Metis apud patrem 5 huc si quid seribere uoles ad me literas consignabis, quod quidem pergratum fuerit qui gestiam tanto uiro, quoad licuerit, gerere morem. Farce festinanti calamo; nam eodem i'ere momento, quo dominus Jodocus (?) equum conscendebat abiturus7 hoc tumultuanter exaraui. Boni consules; alias longior ero. Basileae die Antonii. Anno 1524. Excellentiae tuae tuus Claudius Cantiuncula. 1 Johannes Fabri oder Faber wurde 1478 in Leutkirch in Schwaben ge- boren, 1518 war er Generalvicar des Pabstes, er starb als Bischof von Wien 1541. Cf. Kettner dissertatio de J. Fabri uita et scriptis. Leipzig 1735 und meine Analecten zur Geschichte der Reformation und des Humanismus in Schwaben S. 27. 446 Horawitz. Clarissimo uiro domino doctori Joanni Fabri, Serenissimi principis et domini d. Ferdinandi Archiducis Austriae etc. Con- siliario domino et praeceptori suo obseruantissimo. Tengnagel: Cl. Cantiuncula J. C. Faber: D. Claudius Brieff. Aus dem Cod. pal. Viudob. 9737 g, fol. 16. Vic. VIII. 31. Mai 1526. (?) i Claudius Cantiuncula an Ludovicus Berus. S. Semper ego acceptor ero? nunquamne reponam?'2 Adeo nie frequentibus muneribus et ornas et oneras, ut meae nie tenuitatis admodum pudeat. Quando enim cessasti esse in nie officiosus? ubi unquam apud te repulsam passae sunt meae preces? non quoties libitum fuit, tua usus sum ac prope dixerim abusus beneuolentia? Qua profecto tanto molestius uti debueram, quanto eam nusquam non plenissimam expertus sum. Et quod maximum est tuae in me beneficentiae auctarium,3 nullum est quod proferre queam pelargycou, nulla liberalitatis tuae pensatio, quanquam lioc sanctissime contestari 4 possim, nusquam defuisse animi huius in te mei propensionem; defuisse uires. Nam quod semel me patrono usus es, exigua sane fuit opera, si ad tarn adsidua munificentiae tuae officia conferatur. Ita enim (an in alios pari sis animo nescio) ratio liberalitatis demum constare tibi uidetur, si de me nunquam desinas bene mereri, quasi Pliniana sententia5 tibi passim ob oculos obuersetur:6 Natura (inquit) comparatum est, ut antiqua beneficia subuertas, nisi illa posterioribus cumules et quamlibet de liomine bene 1 Die Datirung dieses Briefes ist nicht genau möglich, er kann in die Jahre 1525 — 1531 fallen, da in dieser Zeit Vic der Aufenthaltsort Cantiuncula's ist; an inneren Anhaltspunkten lässt sich nichts gewinnen. Bär, Ordinarius der Basler theologischen Facultät, starb erst nach 1536. Ueber ihn cf. Vischer, Geschichte der Universität Basel S. 227 ff. und meine Analecten zur Geschichte der Reformation und des Humanismus in Schwaben 20. Der Brief des Erasmus an Cantiuncula III, 062 f. legt den Gedanken nahe, dass er aus dem Jahre 1526 herrühre. 2 Cf. Iuuenal I. 1. 3 Hs. auctorium. 4 Die Hs. hat constari. 5 cf. Plin. epist. III. 4. 6. 6 Hs. hat obtersetur. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von 1021—1533. 447 meritus, si quid unum neges, id solura meniinerit, quod negatum est. Ex quo rerum genere ut me aliquando eximam. Agnosco ueterem unum in nie candorem, non modo multa me praeter meritum accepisse. Exosculor amicissimi pectoris constantiam, fateor (ut uno uerbo dicara) multa me tibi debere. De quibua omnibus et peculiariter de munere nunc accepto habeo gratiam deuoueoque tibi quidquid id esse potest, quo domino Ludouico Bero Claudius inseruire queat. Utere jure tuo ! Saluta meo nomine D. Cos. Miltiuger, * affinem nieum. Dominum Erasmum per alias litteras salutaui. Sed quid uetat sexcenties saluum esse iubere? itaque eum meis uerbis iterum atque iterum salutato. Vale. Ex Vico Austrasiae oppido, prid. Calend. Junias. Aus dem Cod. pal. Vindob. 8987, fol. 32 b. Homburg. X. H- Januar 1531. Claudius Cantiuncula an Johann Alexander Brassicanus. S. Quia uereor, Brassicane clarissime, ne tabellarius, cui Augusta discedens literas meas ad te fratre tum nusquam reperto credidi, fluxae fidei sit, uolui tibi nunc rursus. per occasionem eorum quac tum fusius scribebam capita recensere. Agebam gratias tibi ingenteis et de amica congratulatione et de munere lepidissimo. Kogabam ut qua coepisti pergeres studiis ubique resurgentibus doctam tuam porrigere manum. Suadebam, ut maiorum gentium theelogis sacrarum literarum interpreta- tionem remitteres, rei grammaticae atque etiam rhetoricae tractationem peculiaribus professoribus relinqueres, teque totuni illustrando iuri ciuili adparares. Eam tibi creditam esse spartam, qua derelicta dubitarem an aliena tractans decoro satisfaceres. Quo enim nomine censendum putas eum, qui ducis sui relictis castris uersatur atque etiam militat in alienis? Valde mihi placet Adagiorum tuorum spicilegium et eo libello cum dili- gentiam tuam singularem, tum in utraque lingua peritiam ac iudicium tuum comprobasti. Sed mihi (fateor) aliquanto magis arridebat scholiorum tuorum ad me ante annos aliquot missorum speciraen et indicatura. Et ex eorum gustu sperabam atque etiamnum ualde spero futurum, ut iuris ciuilis sapientia, in 1 Heinrich Meltinger wird auch um 1528 von Cantiuncula in dessen Briefe au Amerbach erwähnt (cf. Rivier 39). 448 Horawitz. cuius uerba iuratus es, tuae iudustriae non minus olim sit debi- tura, quam nunc uel Budaeo l uel Alciato uel Zasio debere possit. Nihil enim tibi eorum omnium deesse scimus, quae ad rei istius bene et cum laude gerendae 2 sunt necessaria. Habes superioris epistolae argumentum. Huius autem est : ut in mei gratiam commendatum habeas negotium Joannis ab Helmstat, uiri non imaginibus modo priscis sed et animi generoso can- dore clarissimi, quem hac aestate Viennae uidisti et cuius tabellarius3 has tibi reddidit. Plurimum enim in hunc officii isthic conferre potes idque sine tuo detrimento. Aduoeatum ac procuratorem illius cohortari in loco potes , ut pergant, ut necubi dormitent, ut ne qua in re uel metu uel precibus uel diuersae partis adnotatione frangantur neue Demostlienico morbo laborent atque, ut uno uerbo dicam, ut bonam in rebus omnibus agnoscant fidem. Horum quaedam si ei tuapte uelut sponte praestiteris, (nam si rogatus facias, suspicionis inuidiam excitabis) non dubito eum in te futurum, qualem esse decet uirum accepti beneficii non immemorem. Vale Brassicane doctissime. Quum ad me scribere uoles, cura ut literae tuae Spirae reddantur in manus doctoris Friderici Reyffecks, camerae imperialis aduocati. Is ad me porro perferendas procurabit. Ceterum constitui mecum, nisi tu intercesseris, coeptam olim inter nos, nunc autem annos aliquot intermissam literarum mittendarum uicissitudinem in usum reuocare. Tu quid eo nomine factum uelis scribe ac rursum uale. Ex arce Homburgensi III. Eid. Januarias, Anno a Christo nato MDXXXI. Parce lituris, quas puer amanuensis annos p. m. XIII natus admisit. Toto pectore tuus Claudius Cantiuncula D. Clarissimo uiro D. Joanni Alexandro Brassicano L. L. doctori, amicorum suorum candidissimo. Viennae. Brassicanus Schrift : Claudius Cantiuncula. Accepi ann. 1531, Martii die 22. Tengnagel: Cl. Cantiuncula J.C. nobil. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9735, fol. 2G. 1 lieber Guillaume Bude, den berühmten Philologen und Alterthumsforscher, cf. Rebitte, G. Bude und Egger l'Hellenisme en France. 2 Ein Wort offenbar ausgefallen. 3 gestrichen: secretarius. Briefe des Claudius Cantiuncula und Dlrich Zasius. Von 1021—1". 449 ? IX. 20. Juni 1531. Claudius Cantiuncula an J. A. Brassicanus. S. Quamquam nunc tandem profligata barbarie studiisque melioribus in suam possessionem reuersis magnnin est inter tot ac tantos rei praeclare gestae gerendaeque duces uel graminea Corona donari ac tantum non in postremis consistere, ampliorem tarnen orbis spem de te concepit splendidiusque ingenii tui specimen attulisti, quam ut in tertiis aut quartis tibi, quod ais, consistendum sit. Qui enim, quod tu magna cum laude tua fecisti, transmarinae Veneris ornamenta latinis studiis adiunxit, qui iuris ciuilis ita Studiosus est, ut simul poetarum lusus ac aenigmata, superioris aetatis historias, philosophorum sententias et paradoxa cognita habeat perspectaque, tum in rebus quoque theologicis haud uulgariter uersatus est atque ita (ut uno uelut fasce omnia complectar) encyclopaediam absoluit, ab hoc certe nihil non excellens ac numeris omnibus absolutum praesertim in principe sibi facultate expectari par est. Itaque uanus. est mi Brassicane metus ille tuus, ne praestare id quod a te petitur possis. Tantum adnitare; succedet. Satis diu in prolusoriis haesisti; adgredere nunc iustam, quae tibi dudum in legibus decreta est, prouinciam. Neque enim aliter tuam nobis fidem liberaueris. Adagiis tarnen tuis ' quominus tres illae centuriae adiiciantur, tum de praenominibus antiquis libellus praemittatur, haudquaquam intercedo, sed nolim id genus lucubrationes, quantumlibet doctas et elegantes, operi iusto moram adferre. Ego cuius conatus, si ad studia tua conferantur, umbra sunt, nihil aeque in uotis habeo, atque olim posse quo frueris otio literato frui, hac tantum fini, ut pro mea uirili symbolam ali- quam studiis nostris [operam] conferre queam. quin et sufiuratis 1 Es sind Brassicanus Adagien gemeint, die er unter dem Titel: Tr. - uerbiorum symmicta . . . Pythagorae symbola etc. Viennae 1529 herausgab. Cf. des Erasmus Unheil darüber in dessen Briefe an Brassicairaa [Opera III, 1289], der wegen seiner Kenntniss in beiden Literaturen gerühmt und zur Nacheiferung augeregt wird. 1533 füllte Erasmus freilich ein sehr wegwerfendes Urtheil über dessen Prouerbien und Briefe deren Aus- bleiben er leicht ertragen könne [cf. Opera III, 1757], 450 Horawitz. ac subsiciuis horis meditor quiddam non omnino aspernandi incoepti et in eo sum etiam aliquo usque progressus. Verum de his alias. Tu qua nunc coepisti perge et annotationes tuas ut cumulatissime locupletatas propediera habeamus effice. In re D. ab Helmstat quod tarn officiosus es habeo tibi gratiam quam possum maxi m am, eamque tuam in illum propensionem non secus ac in me collatam tibi fero acceptam. Simul etiam rogo ac pro nostrae amicitiae iure, si poteris, exigo, eures quantum potes ; potes autem plurimum, ut ei quod isthic nego- tium per procuratores illos agit, saluum atque integrum sit. Nihil mihi unquam usquam gratius facere potes. Caeterum uana meo iudicio futilisque est illa super mandato diseeptatio. Scio ego oppidum saneti Naboris proprio tum sigillo caruisse, cum scriptum mandatum est; idque ego fide bona uobis attestor. Sed etsi proprium sigillum habuisset, quid uetat alterius sigilli usum reeipere? praesertim sub comite notioris nominis apud Germanos quam sit S. Naboris oppidum? ' Hoc igitur negotium non ut unum quodlibet e multis, sed diligentissime tibi commendo. Ego uicissim dabo operam, ne in hominem ingratus et officiosus fuisse uideare. De literarum uicissitudine redintegranda quae adfers perplacent; sed prolixiores peto. Nam ut aliae res sie epistola bona quo maior melior est. Et ego epistolas tuas lubens lectitare consueui atque identidem in manus quasi nouas sumere. Itaque tu si gratum mihi facere uis et fusissimas et frequentissime scribe. Vale. E Vico ad XII. Calendas Julias MDXXXI. Claudius Cantiuncula. Reuerendissimo domino praesuli uestro ut me quam poteris diligentissime commendes oro, uiro sane felici atque beato. Beatum enim Lysander appellabat, cuius uirtuti coniuneta for- tuna esset etc. Clarissimo eloquentissimoque iureconsulto D. Joanni Ale- xandro Brassicano, amieo selectissimo. (Julii die 8 aeeepi anno 1531, von Brassicanus Hand) Viennae Austriae. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9735, fol. 23. 1 St. Nabor das jetzige St. Avo in Lothringen. Briefe des Claudius Cautiuncula und Ulrich Zasiuts. Von 1521 — 1533. | ft 1 Nikolashafen. XI. 12. Januar 1532. Claudius Cantiuncula an Heinrich von Jetstetten. D. Henrico ab Jetstetten, affini sno S. Video satis, quo praetextu silentii istius diuturnitatem tegere omnernque in nie culpam reiicere pares, adfinis longe omnium charissime. Nenipe quod Argentorati spem fecerim tibi, futurum ut e Christianis castris reuertens ad uos disgrederer, spem quidem fecisse haud infitior, nam nee ego diuorsum speraueram; uerum quum stipulatio tua non ultra spei limites progressa sit, fraudi mihi esse non debet, si rerum necessitate adactus nostrae utriusque expeetationi respondere nequiuerim. Aio equidem atque affirucio, impossibile per prineipis mei negotia fuisse mihi, uel tum, uel ab eo tempore, uel etiamnum ad uos ire. Cuius modi causam aliquam subesse, quae me sponsionum alioqui non negligentissimum alio raperet etiam reluctantem, cum diuinare potueris, iam non uideo, quam iustus esse queat prae- textus ille fictus, quem ex incerto euentu ceu firmum reeepisti; siquidem tarnen ita reeepisti ac non potius amici absentis obli- uioni imputandum est hoc tuum silentium. Quur enim, quum ad uos non ueni, non peculiarera ad me tabellarium uel im- pensis meis (ita enim aliquando inter nos conuenerat) ultro misisti? Quur, si non placitis non satisfecisse putabas, non per litteras expostulabas? Aut numquid non1 fuit quo de me certiorem faceres, uel rerum tuarum uel aui uel matria uel sororis? Fuere profecto complura scribendi argumenta, sed hoc ego pridem infortunio exerceri consueui, ut a selectioribus amicis rarissimus aeeipiam. Itaque decreueram ipse proprium nuncium breui ad uos transmittere, cum alius affinis hie meus, consobrinus tuus Joannes Leo a Brinningen,2 peropportune ob- latus est, qui nostras ad uos tuto deferret, quibus lectis oro mox nos de rebus omnibus et per singula capita copiose facias certiorem. Tabellarium tuum quanti locaueris scribe. Eius aueto- ramentum ego mea fide esse iubeo. Soror tua ualde praegnans ' Die Hs. hat nun quid nam. 2 Johannes Leon, von ,Bynnigen' wird um 1529 als Verwandter Cantiuncula's von diesem genannt (Brief an Bon. Amerbach bei Rivier 1. c. 4.3. . Sitzungsber d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. III. Hft. 30 452 Ho rawitz. domi est et me has scripsisse ignorat; caeterum bene habet, et Caspar restituitur. Aegrotauit enim peregrina quadarn uale- tudine, sed quae nulluni habeat contagium. Satis mirari nequeo quod neque ab auo materno, neque ab auunculo uxoris quic- quam litterarum acceperim, salteni de puero aulae pueris ad- scripto. Huius enim maxime intererat, ut ipse arctius auito iussu contineretur. Est in aula ut alii quamplures, nulli sin- gulariter inseruiens uagatur, cursitat, nihil facit et tarnen nihil non facit eorum, quae hi facere et possunt et solent, qui ea aetate nullis habenis7 nullo nietu cohibentur. Haec tu pru- denter auunculo tuo, Martine- Stör, (ad quem etiam ea de re scribo) uerborum tuorum ornamentis describere potes, meque illi et strenuo eius patri, auo obseruantissimo diligenter commendare uelis. Reliquum est, ut priusquain tabellarium ad nos mittas, Spirerio nostro,1 qui in Altkirch agit, litteras hasce meas reddi eures, ut et ego responsum qua de re scribo aeeipiam. Vale ac per otium dum in Altkirch itur et in Einsisheym rescribe lon- gissimas. E portu Nicolaitano pridie Eid. Januarias Anno 1532. Aus dem Cod. pal. Vindob. 8987, fol. 34 f. ? XII. 7- Januar 1533. Claudius Cantiuncula an Johannes Brotephus. S. P. Quanquam subuereor ego, uir clarissime, ne de hoc meo ineepto ualde quam sis initio miraturus, aut etiam fortasse id quidquid est audaciae uix boni consulturus, qui non satis habita ratione ingentis istius publicorum molis negotiorum, quibus tantummodo obrueris in palmae instar contra pondus resurgens,2 sustineam tibi meis neniis obstrepere. Aequius enim multo fuerat, si quid tibi subsiciui temporis uelut a rebus seriis ferianti superesset, id ipsum istius animi tui redintegrandae inten- tioni, quam nostris nugis legendis impertiri. 3 Attamen si quo argumento huc impulsus sum expenderis, spero mihi hunc meum ausum apud te nee fraudi futurum et te cogitationis istius pro- pensionem aequi bonique facturum. Nulluni enim aliud fuit argumentum, quam ex eo, quod a graecis sumptum latine dicitur: 1 Ueber Johann Spirer cf. Rivier 1. c. 35. 2 cf. Gell. n. a. III. 6. Die Hs. hat resurgeres. 3 Die Hs. impartiri. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich ZashiF Von lf)21 — 1533 l.i.'i Amicorum omnia esse comnmnia. Sed ut amicitiae nexus non tarn utilitatum gratia quam animorum coniunctione constat, sie ea reruin omnium communitas non externis sed ueris illis in- geniorum atque animi bonis metienda est; tum uero si omnium societatum uix ulla firmior quam eorum, qui et similium stu- diorum sacris et sanguinis aut adfinitatis iure coniuneti sunt, non uolui, nee si uoluissem potui, nee si potuissem debui subli- mem istam tamque latissime patentem nominis tui celebri- tatem non obuiis quod aiunt ulnis suseipere. Nam si gaudere so- leo, ubi, quod mihi deest, amicis etiam uulgaribus uideo superesse; quem fuisse atque etiamnuin esse par est aurium oculorumque meorum sensum, cum sentio adfinem esse me ei uiro, qui cum summa iuris prudentia summam adiunxerit eloquentiam, adeo ut quod de Ser. Sulpicio l aeeepimus id tuo de te merito dici oporteat: ,Eloquentium est iureconsultissimus, iureconsultoruin eloquentissimus' — uerum hie memet retineo equidem et satis intellexi impatientem esse te laudum tuarum auditorem. Nam et hac esse modestia solent, qui sunt laude maxima dignissimi, nee meis aut aliorum calculis uiritim corrogatis eges , cui pridem theatrum plaudit uniuersum. Mihi tarnen imperare nequiui. quin effusiore gaudio ac laetitia gestiens propemodum exilierim, cum nuper aliquot tibi deuinetissimi magno silentio libentesque referentem audiremus, quanta cum gloria idibus Novembribus 2 prox. superioribus in frequentissima amplissiini ordinis totiusque populi corona de rebus grauissimis horis tribus continuis copiosissime sapientissimeque dixisti atque ita dixisti, ut uno omnium ore uel eorum etiam, quibus dicam impegeras grandem in coelum usque laudibus ac uotis tollerere. Nee dubito quin si suus, ut oliin, esset uirtuti bonos, tibi isthic ex S. C. ob rem in ciuili militia praeclare gestam statua dicata esset. Adderem et alia quaedam ex uero, nisi religio esset, committere ut quisquam credatur laudibus oneratus. In prae- sentia mearum partium esse putaui, te isti Mineruae,3 quo fun- geris et illud tibi gratulari. Comperio enim non modo uerum esse quod paroemia dicitur, ,magistratua uirum indicat' quin et 1 Ueber Ser. Sulpicius cf. Cicero Brut. II. 42 u. s. w. 2 Die Hs. Nouembris. 3 So die Hs. sicher mit Unrecht, es wird entweder raunen "der ministerio zu lesen sein. 30* 454 Horawitz. 7illudf uir magistratum. Macte igitur uirtute uir perge qua coepisti, neque cessato partim te reipublicae, partim amicis tuis; quod Plato docuit, esse natum contestari, norninisque istius tui famam ad trinepotes propagare. Quod ad me attinet, si qua in re tibi subseruire queo, nihil es unquam usquam ' a me postulaturus, quod ab addictissimo gentili clienteque debeat expectari. Vale uir eminentissime. Datum VII. Eid. Januarias. Anno 1533. Aus dem Cod. pal. Vindob. 8987, fol. 33 f. Vic. XIII. 12. April 1533. Claudius Cantiuncula Domino Secretario Argentinensi. 2 S. Hoc momento absolui, quod mitto, nocturnis horis (cum per Reuerendissimi domini Cardinalis aduentum interdiu non liceret) meditatura , dispositum scriptumque responsum in negotio recusationis ad me transmissae3 etc. Tu sicubi lapsus sim coudonatum iri mihi pro nostra amicitia procurabis. Equi- dem subsiciuis ac suffuratis horis, qua fieri potuit fide diligen- tiaque congestum est. Tabellarium nullum uulgarem nancisci potui. Hie ut reuerendissimo domino Argentinensi inseruiret ac mihi gratificaretur id oneris equo mutato udus4 subiit. Responso meo non subieci nomen meum hac ratione motus quod dominus praeconsultus suo se non subscripserat. Saluta clarissimum dominum cancellarium atque ex eo sed ueluti sponte tua pereunetator, quemadmodum probauerit uel impro- bauerit aliud responsum super praescriptione iuris offerendi uel ut quidam appellant prothymiseos.5 Vale mi frater et amice eonstantissime. Si quid certi habeas de dominis commissariis Spiram aduenturis an et quando uenturi sint; fac sciam. E Vico Austrasiae, die resurrectionis dominicae. Anno 1533. Aus dem Cod. pal. Vindob. 8987, fol. 35. 1 Der Sinn erfordert frustra. 2 Nach freundlicher Mittheilung des Prof. Dr. L. Spach in Strassburg hiess derselbe Johann Meyer genannt Motzbach von Esslingen. 3 So emendire ich den sinnlosen Text ire negotio .... transmisissem. 4 Hs. hat udeus. 5 Die Hs. hat prothomiseos. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasius. Von 1521—1583. 455 B. Briefe von Ulrich Zasius. 1. (XIV.) Ulrich Zasius an J. Faber. Freiburg, 22. October 1520. 2. (XV.) Ulrich Zasius an J. Faber. Freiburg, 30. Januar 1521. 3. (XVI.) Ulrich Zasius an J. Faber. Freiburg, 27. October 1527. Ueber Zasius' Leben ist nach Stintzing's musterhafter Arbeit hier wohl nichts zu sagen, nur sein Verhältniss zu J. Faber mag besprechen werden. Zasius' Beziehungen zu Faber waren sehr rege, er nennt ihn seinen mächtigen Patron, seinen Mercur; er rühmt ihn, wie er 1525 zu Freiburg vor zahlreicher Versammlung zwei Predigten gehalten. Vir est dignus aeternitate ! ruft er da begeistert aus. ' Faber war auch sein Vermittler am königlichen Hofe Ferdinands, dem er Zasius' »Schriften übergeben soll 2 und bei dem er viele Gunst- bezeigungen für den Gelehrten erlangte.3 Zasius rühmt Faber in seiner Dedicationsepistel an König Ferdinand zusammen mit Spiegel : Atque adeo meliorum literarum cognitione undecunque doctissimus Joannes Faber, Jacobus Spiegel, ambo iuris pro- fessores famigerati, quorum hie a consiliis, ille a libellis tuae inseruiunt Maiestati ambo eruditione insignes, rei latinae ele- gantia inter selectos numerandi, humanitate, tide, amicitia, integritate omnibus numeris absoluti, ut Interim alios taceant.1 1532 dedicirte er ihm die zweite Auflage seiner mit Rücksicht auf die Haloandrische Pandektenausgabe durchgesehenen In- tellectus iuris ciuilis singulares (Apud inelytum Germaniae oppidum Friburgum Brisgoicum per Joannem Fabrum Kmmeum Juliacensem anno MDXXXII). Das Dedicationsschreiben bittet — ausser den üblichen Phrasen — den nunmehr zum Bischof von Wien Gewordenen um seine Verwendung beim Könige 1 Briefsamnilung des Zasius ed. Riegger 127, 128. Er will durchaus nicht, dass Faber Geld für ihn auslege. 2 Cf. die Briefe 127, 129, 131, 133, 144. S. Intellectus singulares. Basel 1526, ist Ferdinand gewidmet cf. 421. 3 Cf. 145. 4 p. 423. 456 Horawitz. (meos hosce labores et cominendares diuo Principi — quod et antehac magna cum beneuolentia fecisti) und rühmt seine Thätigkeit für die Beschirmung- des katholischen Bekenntnisses. Diese erhebt er noch mehr in dem unter Nr. XVI abge- druckten Schreiben, in welchem er Faber mit Paulus vergleicht, weil er keiner Mühsal ausweichend, Reisen und deren Gefahren nicht scheue, um das wankende katholische Christenthum zu stützen. Gewiss, sein Name sei sinnreich gewählt, denn mit dem Hammer seiner Rede und seiner Schriften gehe er dem Wahnsinn der Ketzer an den Leib. Nach ihm sehnt er sich wie nach Keinem — nur der König macht eine Ausnahme — um 1527 spricht er seine Hoffnung aus, ihn und den Fürsten nochmals vor seinem Ende sehen zu können. Durch ihn sucht er Erleichterungen für sein Alter zu gewinnen, bei ihm tritt er für die im Villinger Streite arg bedrängte Universität ein, bei ihm verwendet er sich endlich für seinen Beichtvater. — Auch ausser dem Verhältnisse zwischen Zasius und Faber, für das bisher nur jene Dedicationsepistel an Faber und einige gelegentliche Bemerkungen in verschiedenen Briefen vorlagen, bieten die drei Schreiben des gelehrten Romanisten Manches Interessante. Die erste Nummer zeigt ihn uns noch in jener halbgünstigen Stimmung für Luther, dessen gerades kerniges Wesen dem ebenfalls oft derb dreinfahrenden Zasius so gut gefiel, wie er dessen Zurückgehen auf die Quellen selbst nur billigen konnte. So spricht er denn hier noch kein verwerfendes Urtheil über den Wittenberger Reformator aus. Er wünscht von Faber eine Aeusserung über seinen Brief an Luther — (die Annahme der Echtheit dieses Schriftstückes wird durch diese Erwähnung noch plausibler gemacht) — dessen Einfluss er hoch anschlägt. Freilich fürchtet er, es sei nunmehr von Luther die Gnade gewichen. — Er unterrichtet uns auch über seine Collegien, deren er täglich zwei abhält, und wie es ihm schwer falle, Studien und Unterricht zu verbinden; kurz auch aus diesen drei Briefen gewinnen wir Neues, auch aus ihnen blickt des Romanisten wohlbekannte Art. Ich lasse nunmehr den Text derselben folgen. Briefe des Claudius Cantiuncuhi und Ulrich Zasius. Von 1521—1533 4;>< Freiburg. XIV. --• October 1520. Udalricus Zasms Joanni Fabri : sese commendat. Hoc uelut moinento; praestantissime et pater et frater, se procinxit itineri Geruasius Souferus, ' com- pater meus, uir cum sincera doctrina sincerus, istuc profecturus, qui negauit abire, nisi literis ad te comitibus. Uelim uenera- tissime pater hominem doctum, ut soles in onineis humaniter excipito, et si quid poteris officii praestato. Nostrae uniuersi- tatis a secretis uel ut uulgo notarius est, uir nobis et obseruatus et dilectus.2 Ceterum quid super epistola mea3 ad Lutherum scripta (hanc enim commonstrabit Geruasius) sentias, pande. Desciui ab nomine, ubi uenena mala miscet, antehac admiratus, ' ubi bona uenena temperauit. Deum immortalem, quam fragilis, quam nichili res est homo sine gratia adiuuante ! Quid non potuit Lutherus cum gratia; nunc abeunte, ut uereor, gratia, quid non confundit? Vale! Deum timere, nolle altum sapere Pauli sententia est tarn aurea quam uera. Patrono meo Botz- hemo 5 omnia mea plenis offerto 6 cophinis, ei tarnen scribere non licebat. Iterum uale; uado ad consulares angustias. Ex Fry- burgo XI. Kalendis Nouembris. Anno etc. XX. 1 Gervasius Soupherus aus Breisach (am 16. November 1505 in Freiburg immatriculirt), 1521 Notar der Universität, musste der Reaction weichen. 2 Tengnagel ad marginem: Epl. Zasii ad Lutberum. 3 Es ist der bekannte, vielfach zustimmende Brief (bei Riegger S. 304 ff.) gemeint, den dieser wohl ohne Grund (cf. Stintzing 1. c. 320) bezweifelt. Durch die Erwähnung des Briefes in einem sieher von Zasius herrühren- den Schreiben ist das Factum, dass sogar der strenge Katholik an den Wittenberger schrieb, zweifellos constatirt; freilich bei dem Mangel an der Provenienz nicht möglich den Nachweis zu führen, dass Nichts interpolirt worden sei. Vgl. übrigens Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation I, 443. 4 Zwei Worte gestrichen. 5 Ueber Johann Botzhemus (Abstemius) Doctor und Canonicus zu Costnitz, cf. meine Änalekten zur Geschichte des Humanismus und der Refor- mation 99, 100, 123, 134, 135, 170, 171, 176. Luthers Briefwechsel von Burckhardt gibt ein Schreiben des Botzheim vom 3. März 1520 an. Cf. J. G. Schelhorn's kleine Schrift über B. Memmingen (Meyer) 1769. 6 Ein Wort gestrichen. 4:58 Horawitz. Thomam Blaurer, l nisi migrauit, meo nomine saluto. Tuus Zasius (Tengnagel: Udalricii Zasii epistola de Luthero). Venera- bili et praestantissimo uiro domino Johanni Fabri J. U. doctori reuerendissimi domini mei Constant[iensis] uicario uiro unde- cunque doctissimo patrono suo selectissirno. Autograph aus dem Cod. pal. Vindob. 9737 g fol. 4. Freiburg. XV. 30. Januar 1521. Ulrich Zasius an Joannes Faber. S. P. D. Qui ad te patronum et amicum meum selectissimum debebam literis esse frequentissimus, rarissime scribo et nee id, nisi efflagitanti negotio, quod non leuis esse criminis praestan- tissime patrone non infitior, ut sie habeas (quod in coutrouersiis expetitur) coniitentem reum, sitqite haec causa eo nomine asystata, quod defensionem uel non reeipit prorsus, uel difricile reeipit.2 Ergo ad assumptiuam Status speciein (si saltem status est, quod multi negant) niteris et ueniam precor et noxiam deprecor, quorum si neutrum impetrauero 3 poenae subiicio, sed quae et temperetur ex uenia et a noxia recedat; sunt etenim; quae ad ueniam respiciant: lectionum, quas duas per diem obeo, grauis moles, item facilis ex labore (ut in nomine sene) defectio, si fori interim negotia tacuero. Sed quorsum haecV Nempe ne te uirum ingenii amoenissimi importunus adisse uidear culpa non excusata. Proficiscitur ad te homo integer et ad assem probus Joannes praesentium exhibitor, ex quatuor illis, qui a cura sunt nostrae ecclesiae pastori; confessor (ut uocant) meus ; sacerdotio prouisus est ßrisaci a ciue, qui se pro patrono et gerit et j uste gerit. Verum antehac non praesentauit, quippe 4 1 lieber Thomas Blaurer, den Bruder des Reformators Ambrosius Blaurer, der bei Zasius studirte, sich dann nach Wittenberg begab, von wo er durch Luthers Schriften seinen Bruder für die Reformation gewann, cf. Pres sei, Ambrosius Blaurer und meine Analekten 96, 99, 100, 136, 137, 147, 165. 2 cf. Aurel. August, de rhetor. I. 16. (Rhetores lat. minores ed. Halm p. 146. 24. ss.) 3 Ein Wort gestrichen. 4 Dies quippe ist von Zasius ad marginem geschrieben. Briefe des Claudius Cantinncula und Ulrich Zasius. Von 1521—1533. 451) homo iuuenis, qui improuida illa minorum aetate iura sua securabat, id est non curabat, ut interea, quacdam ut uocant fraternitas semel praesentarit, sed nullo iure, quod euidenter patet. Cardo in hoc est, ut confessor mens ad praesentationeni sine proscriptione, quam vos proclamationeni nominatis, insti- tuatur; ut sie et consequatur possessionis praerogata et con- sequatur ex titulo, ne non, si proscriptum seu proclamatum fuerit, aduersariis comparentibus bonus uir iuris sui iuipediatur, eique praecurrat aduersariorum euieuimodi sit possessio, quae tarnen nescio an sit possessio nominanda, quae euidenter uel ipsis ultro confitentibus titulo caret, sed quando nostrae pro- fessionis scita etiarn praedonis possessioneui ' tuentur,'2 vereor, ut bonus uir, quod aborninor, in lite suecumbat, si non iam titulus suus institutione ordinaria fultus fuerit. Nisi forte cum hac causa petitorium patroni cum possessorio retinendae coneurrat,3 sententia quidem umbratilis pro possessore detur, ceterum in exequendo praeferatur petitor, quod aequitatem haberet et ex corde meo 4 dilectus dominus candidatus prope 5 fundari posse uideretur maxime ubi patroni ius et patet euidenter et possessoris ruina sit manifesta. In qua tarnen re obiiei mihi uideo, quod in causa mea(?)4 olim ibidem in dorsum pugnari posse intelligitur. Isthaec concertationis pericula euitari possent, si ad praesentationeni institutio sequeretur, qui mos, dum prima ego aetate in foro tuo uersarer, obtinuerat. Tu patrone prae- stantissime, quiequid ofticii cum iustitia conferre in hominem optimum possis, ex animo peto, conferas, siquidem mihi ipsi collatum putabo, ne amicus meus fori insuetus paci et orationi- bus assuetior litigare cogatur. Me si unquam tuus fui, nova domini causa tibi asseres, ut sie quod mirabile sit, quod ultro tuuin est iam magis tuum esse ineipiat. Vale asylum literatorum, ornamentum 6 doctrinarum omnisque et rarum et uerum bene- ficentiae exemplum. Alexandrum Brassicanum, humanissimum uirum, ex me saluum ornatis uerbis uelis. Ex modicis etiam, 1 tuemur gestrichen. 2 Von Zasius Hand ist ,tuentur' ad marginem geschrieben. 3 Aus ,concurratur' von Zasius emendirt. 4 Die Handschrift hat c. m. 5 Die Hs. hat d'. cän pp. 6 litterarum gestrichen. 4-ßO Ho ra witz. quae ad nie scripsit, tanquam ex linea ducta pictor melioris doctrinae iustam effingo iraaginem et uelut ex plantae uestigio (ut olirn in Hercule) totum hominem dirnetior. Vale ex Fri- burgo 3to Kaien. Februarias l anno etc. XXI. Von Zasius eigener Hand: Tuus Huldarhicus Zasius legum et doctor et Ordinarius Fryburgensis. Quae praeterea in Lutheri re ad te scribenda ueniunt cum succedaneo Episcopo, quem suffraganeum nominant, uiro humanissimo scribam. Egregio et praestantissimo uiro, domino Joh. Fabri, utrius- que iuris doctori, reuerendissimi domini mei Const(antiensis) uicario, uiro in melioribus doctrinis et omni suauitate expoli- tissimo, meo selectissimo patrono. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9737 g (61. 5, 6. Freiburg. XVI. 27. October 1527. Udalricus Zasius Joanni Fabri sese commendat. Saluum te a remotissimo terrarum tractu ad serenissimam regiam maiestatem; splendidissime et amplissime uir, patrone selectissime, rediisse merito omnes, qui tibi cupiui- mus, qui a tua salute pendemus, ex animo laetamur speramus- que fore, ut et ad nos aliquando feliciori postliminio sis redi- turus. Fabri nomen multum in ore, multum in praeconiis nostris uersatur. Nee enim in consessu ullo praestantium uirorum et uel maxime doctoris Jacobi Spiegel/2 uiri ad assem docti, qui nobiscum agit, de uiris eminentibus fit mentio, in quo tu non primas feras et id quidem iure et debito, qui unus labori nullo parcis, uiarum discrimina, maris et terrae pericula uelut alter Paulus subire non dubitas, ut nutanti propemodum fidei domino adiuuante opem praestes subsidiariam. Fabri nomen fato quodam aeeepisti, ai'gumentoque tarn insignis nominis doces uerum esse, quod olim Apollinaris ex Piatone uel Plato ipse doeuit, nomina non temere sed fatali indi solere prouidentia. 1 Hs. Februarii. 2 Jacob Spiegel aus Schlettstadt, kaiserlicher Rath, Freund der meisten elsässischen und schwäbischen Gelehrten. Briefe des Claudius Cantiuncula und Ulrich Zasins. V.in 1521- 1533. l'il Quid enim aliud quam et uocis et scriptorum tuorum malleo haereticorum pertundis insaniam? Dii igitur te sauum et pro- sperum uelint, te tueantur, te dirigant, ut nostris adesse rebus, sanctissimaeque tidei causam indefecto uigore adfouere possis. Equidem te tarn desideranter expecto, ut praeter serenissimum et felicissimum regem et principem nostrum a deo nobis datum non sit ullus in orbe homo, quem uidere cupidius optem. Senem Zäsium prope iam septuagenarium naturam tum felicius solu- turum credito, si et principem meum, quo meliorem orbis uni- uersus non gerit, et te patronum selectissimum ante mortem uidere contigerit. Pro honore magni principis et commodo studiosorum laboramus quantum possumus, ut in futurum annum ingenii mei non poenitendam foeturam edam in publicum. Quies eam in rem ' necessaria admodum foret, quam diui principis indulgentia praestare posset; lectioni enim incumbere et studia adiuuare, utraque haec seni perquam sunt difficilia. Ceterum patrone praestantissime nostra uniuersitas ab oppido Vilingen misere af'nigitur, qui non contenti suis nostra quoque appetere alimenta, diuorum principum largitiones usurpare pergunt.- Eamque in rem decreta seu iussa aliqua a serenissimo principe nostro, dum in tanta festinatione in terras remotas plenam in- formationem dare non potuimus obtinuerant.3 Quo nomine damno non modico et tantum non intolerabili af'fligimur et nisi sere- nissima regia maiestas reducto duriori hoc calculo urbi solita subueniat dementia nostrique et necessitatum nostrarum rationem benigniorem habeat7 de rebus et commodis nostris studiique tarn excellentis uigore actum esse ueremur. ' Siquidem non solum alimenta, quibus uiuimus, hoc turbido 4 negotio pertur- bantur, 5 sed et ceteri eontines uicini, a quibus ex diuorum prin- cipum et fundatorum nostrorum largitate decimas percipimus, Vilingensium exemplum secuti nostras obuentiones, alimentaque nostra simili machinatione resecturi et diminuturi esse redduntur, 1 admodum gestrichen. 2 Ueber die Villinger Streitigkeiten liat Riegger in seinen Analecta academi.n Friburgensis ein eigenes Capitel ,de rebus Villingauis' p. 106 — III. Vgl. Ferdinand's I. Entscheidungen darüber (ib. S. 136). 3 Von Zasius Hand ad marginem: obtinuerant. 4 seculo gestrichen. 5 Die Handschrift hat perputantur. 462 Horawitz. Briefe des Claudius Cantiuucula und Ulrich Zasius. Von 1521 — 1533 sicuti haec et alia in instructione nostra ad dominum Joannem Maium data latius cognosces. Rogo ego, cliens tuus deuotissimus quam possum instantissime, nos patrone adiuues, nee ulla occa- sione permittas, ut tarn gloriosa uniuersitas (quam et honorificam tuae praestantiae nutritiam fuisse gloriamur) laicorum insolentiae exponatur et obuentionibus deplumata tandem in interitum sit uersura, hactenus non dedecori laudatissimae domui Austriae, dum diuis prineipibus tot annos eonsiliis publicis et priuatis adsumus, totque praestantes uiros in laudem totius Germaniae peperimus. Hanc tarn laudatam Uniuersitatem a diuis prin- eipibus tarn paterne institutam tanta prouidentia fundatam et semper ex animis complexam Maximus Ferdinandus prineeps inuictissimus subuerti non patiatur. Vale o et praesidium et dulce decus nostrum. Ex Fryburgo sexto Kai. novembris Anno etc. XXVII. Von Zasius Hand: Tuae R. P. subieetissimus Udalricus Zasius, legum et doctor et Ordinarius Fryburgensis. Reuerendo insigni et amplissimo uiro, domino Johanni Fabri, iuris pontific. doctori Basilien(si) et Constan(tiensi), eccle- siarum canonico, diui regis nostri consiliario inter primos prae- rogato domino obseruatissimo. Tengnagel : Udalricus Zasius. Aus dem Cod. pal. Vindob. 9737 g fol. 23—24. VII. SITZUNG VOM 12. MÄRZ 1879. Herr Dr. Joh. Jarnik, Docent der rumänischen Philo- logie an der Wiener Universität, ersucht um eine Subvention zu einer Reise nach Rumänien behufs des Studiums der dortigen Volkssprache und Volksliteratur. Herr Dr. Franz Martin Mayer in Graz übersendet eine Abhandlung unter dem Titel : ;Ueber die Verordnungsbücher der Stadt Eger' (1352 — 1482) und ersucht um Aufnahme der- selben in die akademischen Schriften. An Druckschriften wurden vorgelegt: Academia real de la Historia : Boletin. Tomo. I. Guaderno III. Pebrero 1879. Madrid, 1879; 8°. Academie imperiale des Sciences de St.-Petersbourg: Tome XX V. (Feuilles 15—20). St.-Petersbourg, 1879; 4°. — royale des Sciences, des Lettres et des Boaux-Arts de Belgique. Bulletin 47e Annee, 2e Serie, Tome 46. Nr. 12. Bruxelles, 1878; 8°. -- Annuaire. 1879. 45e Annee. Bruxelles, 1879; 12°. Accademia Reale delle Scienze di Torino: Atti. Vol. XIV. Disp. la (Novem- bre-Dicembre 1878). Torino, 1878; 8n. Akademie der Wissenschaften, königl. Schwedische: Oefversigt of Pör- handlingar. 35. Jahrgang. Nr. 6, 7 und 8. Stockholm, 1878; 8°. — der Wissenschaften in Krakau: Monumenta Poloniae historica. Tom III. Lwöw, 1878; 4°. — Acta historica res gestas Poloniae illustrantia. Tomus I. W Krakowic, 1878; 4°. — Starodawne Prawa Polskiego 464 Pomniki. Tom V. czesc I. Cracoviae, 1878; 4°. — Archiwum do Dziejow literatury i oswiaty w Polsce. Tome I. w Krakowie, 1878; 4°. — Roz- prawy i Sprawozdania z posiedzeii wydzialu historiczno-filozoficznego. Tom. IX. W Krakowie, 1878; 8°. — Rozprawy i Sprawozdania z posie- dzeii wydzialu filologicznego. Tom VI. W Krakowie, 1878; 8°. — Po Ucieczce Henryka dzieje bezkr61ewia 1574—1575 przez Wincentego Zakrzewskiego. W Krakowie, 1878; 8°. Central-Commission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das Jahr 1876. V. und VIII. Heft. Wien, 1879; 4°. — Nachrichten über In- dustrie, Handel und Verkehr. XV. Band. III. Heft. Statistik des öster- reichischen Postwesens im Jahre 1877. Wien, 1878 ; 4°. — k. k. zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denk- male: Mittheilungen. V. Band. 1. Heft. Wien, 1879; gr. 4°. Littre, E: Conservation, Revolution et Positivisme. Paris, 1879; 12°. Mittheilungen aus Justus Perthes' geographischer Anstalt von Dr. A. Petermann. 25. Band, 1879. II. Gotha, 1879; 4°. Ossolinski'sche Bibliothek: Pamietnik Zbigniewa Ossoliriskiego Wojewody Sandomierskiego f 1623. We Lwowie, 1879; 8°. Revue politique et litteraire, et Revue scientifique de la France et de l'Etranger. VIIIe Annee, 2e Serie. Nr. 36. Paris, 1879; 4n. Schuchardt Hugo: Liinba Romiinä Vorbitä intre 1550 — 1600. Tomulu I. Bucuresci, 1878; 8°. — Ueber B. P. Hasdeu's „Altrumänische Texte und Glossen. Bukarest, 1878; 4°. Verein, historischer für das Grossherzogthum Hessen: Die vormaligen geist- lichen Stifte im Grossherzogthum Hessen, von G. J. Wilhelm Wagner. II. Band. Provinz Rheinhessen. Darmstadt, 1878; 8°. VJII. SITZUNG VOM 19. MÄRZ 1879. Die Commission der Teplitzer Gewerbe- und Industrie- Ausstellung- ladet zur Theilnahine ein. Herr Regierungsrath Dr. Constant Ritter von Wurzbach übersendet den 38. Theil des ,Biographischen Lexikon des Kaiserthums Oesterreich' mit dem Ersuchen um Bewilligung des üblichen Druckkostenbeitrages. Das w. M. Herr Professor Dr. Werner legt eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung vor, welche den Titel führt: ,Die Psychologie, Erkennt niss- und Wissenschaftslehre des Roger Baeo'. An Druckschriften wurden vorgelegt: Gesellschaft, k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XXII. (N. F. XII.) Nr. 2. Wien, 1879; 4°. Königsberg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften. 1878'.». Acht- zehn Stücke 4° und 8°. Mittheilungen aus Justus Perthes' geographischer Anstalt von Dr. A. Petermann. Ergänzungsheft Nr. 57.. Gotha, 1879; 4". ,Revue politique et litteraire' et ,Revue scientifique de Ia France et de l'Etranger". VIIIe Annee, 2e Serie. Nr. 37. Paris, 1879; 4°. Society, the American geographica!: Bulletin. Nr. 2, 3 und 4. 1878. New- York; 4°. —'the Asiatic, of Bengal: Bibliotheea indJca. Fasciculi V, VI. Calcutta, 1878; 8°. 466 Society, the royal geographical : Proceedings and monthly Record of Geo- graphy. Vol. I. Nr. 3. March 1879. London; 8fl. — the royal, of Victoria: Transactions and Proceedings. Vol. XIII and XIV. Melbourne, 1878; 8°. Verein, militär-wissenschaftlicher, in Wien: Organ. XVIII. Band. 2. Heft. 1879, Wien; 8°. — croatisch- archäologischer: Viestnik. Godina I. — BR. 1. U Zagrebu, 1879; 8°. Wissenschaftlicher Club: Jahresbericht 1878/79. III. Vereinsjahr. Wien, 1879; 8°. Werner. Die Psychologie, Erkenntniss- u. Wissenschaf tslehrc d. Roger Baco. 46 t Die Psychologie. Erkenntniss- und Wissenschafts- lehre des Roger Baco. Von Dr. Karl Werner, wirkl. Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften. xioger Baco hat einen bleibenden Namen in der Ge- schichte der Wissenschaften als ein Mann von außergewöhn- licher Begabung, welcher in einem von Auctoritäten und Ueberlieferungen abhängigen Zeitalter in mehr als einer Be- ziehung seine eigenen Wege zu gehen versuchte, und seinen Zeitgenossen namentlich auf dem Gebiete der Naturkunde neue Einblicke zu erschliessen bemüht war. Ohne die Wissenschaft durch Ermittelung neuer Methoden fruchtbringender Forschung zu bereichern, wendete er doch allem erfahrungsmässigen Wissen das lebhafteste Interesse zu, und wies mit Energie und Nachdruck auf den Werth und die eminente culturelle Bedeutung der experimentalen Forschung hin; von Irrthümern und Vorurtheilen nicht frei, griff er ahnungsvoll über seine Zeit hinaus, und schaute die folgen- reichsten Entdeckungen und Erfindungen der neueren Natur- kunde mit prophetischem Blicke voraus. Von dieser Seite betrachtet wäre vor Allem eine Dar- stellung seiner physikalischen Weltlehre von Interesse. Diese lässt sich jedoch nicht im Zusammenhange wiedergeben, ohne dass auf seine allgemeinen methodologischen Vorschläge und erkenntnisstheoretischen Anschauungen zurückgegangen wird, die ihrerseits wieder mit den ihm eigenthümlichen Anschauungen über Wesen, Begabung und kosmische Stellung des Menschen auf's Engste zusammenhängen. Eine geordnete Uebersicht der kosmologisch-physikalischen Lehren Baco's lässt sich sonach nur Sitzungsber. d. phil.-hist. Gl. XCIII Bd. III. Hft. 31 468 Werner. auf Grund seiner psychologischen und erkenntnisstheoretischen Lehren und Anschauungen bieten. Wir beschränken uns in dieser Abhandlung- vorläufig auf den fundamentalen Theil der betreffenden Aufgabe, nämlich auf die Darlegung der Psycho- logie und Erkenntnisstheorie Baco's, welche letztere, in eine encyklopädische Skizzirung des Inhaltes aller Wissensfächer auslaufend, zugleich auch Gelegenheit bietet, das Wesentlichste aus seiner physikalischen Weltlehre beizubringen. Eine Dar- stellung der Psychologie und Erkenntnisslehre Baco's hat nebstdem ihre Berechtigung als Aufweisung einer der mannig- fachen speciellen Modifikationen der scholastischen Behandlungs- art der beiden Disciplinen angehörigen Fragen und Probleme, und fügt sich der Gesammtgeschichte der scholastischen Seelen- und Erkenntnisslehre als ergänzender Beitrag ein. ' Anknüpfend an den metaphysischen Satz, dass dem all- gemeinsten Genus des logischen Denkens ein allgemeinstes, in allem Geschaffenen sich findendes Substrat des determinirten und formirten geschöpf liehen Seins entsprechen müsse,2 geht Baco in seiner Psychologie von dem Satze aus, dass die 1 Wir benützen für unsere Darstellung die gedruckten Schriften Baco's in den Ausgaben von Jebb und Brewer; das von Jebb edirte Opus majus (London, 1733) citiren wir nach dem zweiten zu Venedig (1750) ver- anstalteten Abdrucke desselben. Die in Brewers Publication (Fr. Rogeri Bacon opera quaedam hactenus inedita. London, 1859) aufgenommenen Schriften Bacons sind: Opus tertium, Opus minus, Compendium philo- sophiae sammt einem Wiederabdrucke der Epistola de secretis operibus artis et naturae. Die von Brewer unter dem Titel Opus tertium edirte Schrift citiren wir unter demselben Titel, obschon der von Brewer edirte Text derselben ausreichende Indicien dafür bietet, dass er nicht dem wirklichen Opus tertium Baco's angehören könne; vgl. Op. tert, c. 40, woselbst der Autor mit ausdrücklichen Worten auf sein Opus tertium ver- weist, ferner c. 75, woselbst Brewer (p. 304, Anm. 1) bemerkt, dass von den Worten: in hoc tertio opere, in einer der von ihm zu Rathe ge- zogenen Handschriften das Wort ,hoc' fehle. Umständliche Nachweisungen über das vor der Hand noch ungedruckte wirkliche Opus tertium bei Charles : Roger Bacon, sa vie, ses ouvrages, ses doctrines (Paris, 1861), p. 82 sqq., ebenso Auszüge aus demselben, p. 358 sqq. Eine Abtheilung des wirklichen Opus tertium bilden die in einem Pariser Codex (Cod. Nr. 127 der Bibliotheque Mazarine) enthaltenen Communia Naturalium Fratris Rogeri Bacon (vgl. Charles p. 65, 73, 358 sqq.), deren Ver- werthung für die vorliegende Abhandlung mir gütigst verstattet worden ist. 2 Op. tert., c. 38. üie Psychologie, Erkenntniss- nml Wissenscliaftslehre iles Koger Baco. 469 Seele ein aus Materie und Form zusammengesetztes Wesen sei. l Damit soll nicht ihre Geistigkeit in Abrede gestellt werden; im Gegentheile ergibt sich als erste Grundtheilung des geschöpflichen Seins die Unterscheidung zwischen un- körperlicher und körperlicher Substanz.- Die körperliche Sub- stanz wird weiter in die himmlische und in die elementarischen getheilt, aus welchen letzteren die mannigfaltigen irdischen Körper zusammengesetzt sind. Die geschaffenen Substanzen sind wesentlich geformte Substanzen; das göttliche Wesen allein ist rein nur Form, als das durch nichts determinirte 3 all- determinirende Wesen. Mit diesem letzterem Satze bekundet sich Baco als ächter Schüler seines vielgepriesenen Lehrers Robert von Lincoln, welcher Gott als Forma prima und Forma omnium bezeichnet.4 Wir werden am Schlüsse dieser 1 Teneo pro certo, quod anima est composita ex niateria et forma sicut angeli; eadem enim est quaestio de angelis et de animalibus rationalibus .... Omne, quod non est accidens, et fit verum subjectum accidentia, est substantia Vera . . . Sed angelus et anima non sunt accidentia et substant accidentibus ut scientiae et virtuti et lmjusmodi; ergo oportet, quod sint verae substantiae, et ideo oportet, quod sint in praedicamento substantiae. Sed non sunt in eo sicut principia ut materia et forma ; ergo sicut principiata et species. Quare componuntur ex materia et forma. Item: Angelus et anima sunt in potentia de natura sua ad multa, et possunt recipere et pati multa; et ex alia parte sunt in actu multiplici et operatione. Sed actus et agere debetur rei ratione formae, et potentia et pati et recipere ratione materiae, sicut vult Aristoteles in libro de generatione .... Quod autem aliquae auctoritates philosophicae ex- ponunt, quod sint substantiae simplices et separatae a materia, omnes in- telligendae sunt de materia sensibili et corporali. Commun. Natur. Lib. I., Pars 4, fol. 82 et 83. 2 Si substantia spiritualis non sit species substantiae, tunc non fiet divisio generalissimi in species; nam contra substantiam corporalem non cadit aliquid in divisionem, nisi substantia spiritualis. Ceterum sie idem esset substantia in communi et corpus; et tunc corpus est genus generalissimum in praedicamento substantiae, quod est absurdum et contra Aristotelem et omnes. 1. c. fol. 83. 3 Als durch nichts determinirtes Wesen steht Gott ausserhalb aller Kate- gorie: Creator non est subjeetmn aeeidentis, et ideo nee substantia, nisi aequivoce dicatur substantia. Ibid. * Vgl. Roberti Grosseteste Epistolae (London, 1861, ed. Luard) Ep. 1: Forma est, qua res potest esse id quod est, velut humanitaa qua homo est homo, forma hominis est. Deus autem seipso est id quod est; seipso enim Deus est, quia Deitate Deus est et Deitas Deus est ... . Item, 31* 470 Werner. Abhandlung sehen, wie Baco's höchstes Denkideal ganz und gar mit dieser Auffassung des göttlichen Wesens verwachsen ist. Uni den Unterschied zwischen geistigen und körperlichen Sub- stanzen aufrecht zu halten, muss Baco natürlich die Lehre von der Einheit der Materie alles Geschaffenen verwerfen, wie er denn in der That diese Lehre als den schlimmsten und bösesten aller philosophischen Irrthümer bezeichnet. Wir wissen sonach, dass wir uns unter der Seelenmaterie etwas von der Materie der körperlichen Substanzen durchaus Ver- schiedenes zu denken haben. ' Er macht aber die Unter- scheidung verschiedener Materien auch im Gebiete der Körper- welt geltend, auf den Satz sich stützend, dass jede Form ihre besondere Materie , wie umgekehrt jede besondere Materie ihre besondere Form haben müsse.2 Ausser dem allgemeinen metaphysischen Grunde für die Notwendigkeit eines Zusammengesetztseins der Seele aus Materie und Form führt Baco auch einen anthropologischen Grund an. Die menschliche Seele ist das höchste Complement des ihr eignenden Leibes; der Leib ist aber aus Materie und Form zusammengesetzt, und bedarf desshalb eines Complementes von gleicher Zusammensetzung, auf dass sowohl die Materie als auch die Form des Leibes durch eine höhere Materie und Form vollkommen gemacht werde. 3 Diese Bemerkung zielt quis non concedet, Deum formosum et speciosum esse? Ergo ipse forma et species est, cum niliil sir in ipso, quod ipse non sit .... Item, quid est forma nisi completio rei sive perfectio? Dens autem est completio incompletibilis, perfectio imperfectibilis, et ideo forma non formabilis, quia penitus sine defeetu et incommutabilis. Deus igitur est perfectio per- fectissima, forma formosissima et species speciosissima. 1 De anima vulgariter loquimur et eam nescimus, quia spiritualis materia nobis est occulta. Commun. Natur., fol. 83. 2 Si materia est una numero et forma appropriat sibi materiam, ut Aristo- teles dicit (et certum est quod materia propria requirit propriam formam et e converso, nam materia asini non potest capere animam rationalem nee materia hominis animam asini) — et ideo, si materia est eadem in Omni- bus seeundum essentiam, et forma erit eadem in omnibus. Et ita omnia erunt unum etidem-, et angelus sie erit lapis, et homo asinus, et coelum terra, et quidlibet erit quidlibet. Op. tert., c. 38. 3 Subjectum generationis est compositum, et ideo compositum generatur et non forma tantum : itaque subjectum generationis vadit semper per gradus oppositos acquirendo semper esse compositum plus et plus perfectum, Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschiiftslehre des Roger Baco. 471 offenbar auf die Baco eigenthümliche Erklärungsart des Zu- standekommens des seelischen Erkenntnissactes ab, wie wir weiter unten des Näheren sehen werden; auch bei Duns Scotus hat die Unterscheidung zwischen Materie und Form des Seelenwesens eine erkenntnisstheoretische Bedeutung, nur in anderer Weise als bei Baco. Beide aber haben die ihnen gemeinsame Auffassung der metaphysischen Beschaffenheit des Seelenwesens aus Avicebron geschöpft, und Duns Scotus mag durch seinen Landsmann und Ordensgenossen Baco auf diesen ihnen Beiden gemeinsamen Ausgangspunkt ihrer psychologischen Grundanschauungen hingeführt worden sein. Der Unterschied zwischen Baco und Duns Scotus tritt so- fort in der verschiedenen Art und Weise hervor, wie Beide das Yerhältniss der drei Beseelungsprincipien: Anima vege- tative, sensitiva, intellectiva zu einander sich denken. Baco o-eht von dem Satze aus, dass bloss die Anima intellectiva unmittelbar von Gott geschaffen, die Anima vegetativa und sensitiva aber durch den Zeugungsact der Eltern causirt werden. { Er stimmt hierin mit Thomas Aquinas und dessen Schülern überein, welche als christliche Aristoteliker dasselbe lehren.2 Er widerspricht ihnen aber, wenn sie die niedere Seele in der nachfolgenden höheren, die vegetative in der ani- malischen, und beide in der zuletzt eintretenden intellectiven usque ultimus gradus complementi veniet, qui erit compositum sicut ceteri. Sed hie ultimus gradus in aliquibus fit per Operationen! naturae, in aliis per opus super naturara ut in hominibus. Cum ergo anima rationalis sit ultimum complementum embryonis humani, quod est compositum, patet quod haee anima sit composita, ut ejus forma perficiat formam embrymN et ejus materia compleat materiam embryonis. Commun. Natur., fol. 83. 1 Commun. Natur. I., Pars 4, fol. 79. - Anders wurde die Sache von Albertus Magnus gefasst (siehe unsere Ab- handlung über den Entwicklungsgang der mittelalterlichen Psychologie in den Denkschriften der phil.-hist. (1. XXV. Bd., S. 120 und 1 ^ f.; Separatabdr. S. 52 und 57 f.). Die Irrung Alberte scheint also Baco vor- nehmlich im Auge zu haben, wenn er ausruft: Tota philosophia clamat, quod solus intellectus creetur; et omnes theologi alieujus valoris et philo- sophantes ante viginti annos, et adhuc omnes Anglicani, qui sanetitatis ante alios homiues sunt et fuerunt studiosi. ( >. c, fol. 80. — Eben-" fol. 79: Omnes ante viginti annos posueruut, quod sola anima intellectiva detnr, et quod vegetativa et sensitiva in nomine prodneantur de jw.tentia matris per viam naturae. 472 Werner. Seele als einziger Wesensform des sensiblen Leibesgebildes unter- gehen lassen. Die Thomisten lassen sich hierin durch den Ge- danken bestimmen, dass das werdende und das gewordene sinn- liche Leibesgebilde stets nur Eine Form habe. Das werdende Gebilde existirt zuerst als pflanzenhaftes, dann bei weiter- schreitender Entwicklung als animalisches Gebilde; wenn letzt- lich die auf dem Wege des Naturprocesses vor sich gehende Gestaltung des Körpers so weit gediehen ist; dass er die intellective Seele in sich aufnehmen kann, ist diese unmittelbar durch sich selber Wesensform des formirten sensiblen Leibes- gebildes. In dieser Auffassung liegt nun allerdings etwas, was den Gedanken nicht zur Befriedigung gelangen lässt. Für Thomas Aquinas, welcher sich die terrestrischen Lebens- processe durch die siderischen Einflüsse dirigirt dachte, hatte allerdings das Untergehen und Verschwinden der niederen Form nach Eintritt der höheren nichts Störendes, weil nach seiner Anschauung der einmal ins Werk gesetzte sinnliche Lebens- process unter dem Einfiuss der siderischen Causalitäten auch nach Verschwinden jener Formen fortdauernd gedacht werden konnte. Vom Standpunkte der mittelalterlichen Welt- und Naturlehre liess sich also gegen diese Anschauungsweise im Wesentlichen nichts einwenden. Die Frage war nur, wie man sich die Kräfte der vegetativen und sensitiven Seele in der nachfolgenden intellectiven Seele aufgehoben denken sollte. Baco meint, es würde hiebei angenommen, dass der Mensch nach dem Untergange der auf natürlichem Wege erzeugten Anima vegetativa und sensitiva zwei neue, zugleich mit der intellectiven Seele geschaffene Seelen erhalte; diese müssten nach ihrer Trennung vom Leibe als Intellectus in actu gedacht werden ' und gleich der Anima intellectiva unvergängliche Dauer haben. Diese Folgerungen sind, wie sich unschwer zeigen lässt, nicht zutreffend, oder wenigstens nicht denkn'othwendig; vom thomistischen Standpunkt aus liess sich immerhin als allgemein giltige kosmologische Wahrheit der Satz geltend 1 Si separentur cum intellectiva, ut dicunt, et natae sunt habere esse sepa- ratem sicut intellectiva, tunc de proprietate earum est, quod sint sub- stantiae separatae sicut intellectiva. Et omnis substantia separata a materia est in actu intellectus; et Aristoteles vult in 11 Metaph., quod habent necessario virtutem intellectivam. O. c, fol. 80. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaftslehre Jos Koger Baco. I < .", machen, dass jode höhere Wesensform die Kräfte der ihr unterstellten niederen Formen in sich aufgehoben trage, dass ferner das Wesen der intellectiven Seele nicht in ihren intellec- tiven Functionen aufgehe, sondern auch das Vermögen anderer bewusster und unbewusster Acte in sich schliesse, wie denn in der That schon das natürliche unmittelbare Selbstbewusstsein des Menschen sich gegen die Trennung der Seele in einen in- tellectiven und empfindenden Theil derselben sträubt, während unbewusste Actionen des in verborgenes Dunkel gesenkten Lebensgrundes eben um dieser seiner, der bewussten Wahr- nehmung sich entziehenden Verborgenheit willen nicht in Ab- rede gestellt werden können. Das Bewusstsein von der substanziellen Einheit des Seelen- wesens hat denn auch in der peripatetischen Scholastik so entschieden durchgegriffen, dass Duns Scotus, welcher mit Baco dem Leibe eine von der intellectiven Seele verschiedene Wesensform zutheilt, die sensitive Seele zugleich mit der in- tellectiven von Gott geschaffen, und erstere zusammt dem vege- tativen Principe wurzelhaft in der intellectiven Seele enthalten sein lässt. l Nebstdem geht er auf eine ausdrückliche Wider- legung der von Baco vertretenen Anschauungsweise ein,2 welcher gemäss die drei Seelen Partes integrantes des aus ihnen con- stituirten Einen Seelen wesens sein sollen.3 Ein Totum inte- grale — bemerkt Scotus — hört auf zu sein, wenn ein Theil desselben zu Grunde geht. Nun sind aber der erwähnten An- sicht zufolge die Anima sensitiva und vegetativa generable, somit auch corruptible Theile des Totum integrale der Menschen- 1 Vgl. unsere Abhandlung über die Psychologie und Erkenntnisslehre des Duns Scotus in den Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXVI. Bd., S. 351 (Separatabdr. S. 9). 2 Rer. princip. qu. 11, art. 2. 3 Si quaeritur cujusmodi, partes sint — heisst es Commun. Natur., fol. 84 — dicendum, quod viituales, ut dicit Boetius .... Omnis pars vel est subjectiva vel integralis, et haec duplex, quia aut in corporalibus, et sie vocantur partes quantitativae, aut in spiritualibus et sie vocantur virtuales. Diese Begriffsbestimmung berührt sich mit jener des von Baco bekämpften Albert, welcher die Vegetativa, Sensitiva, Iutellectiva als Partes pote- stativas der menschlichen Seele bezeichnet; vgl. unsere in der obigen Anmerkung citirte Abhandlung: Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXV. Hd., S. 350; Separatabdr. S. 56. 474 Werner. seele; daraus würde also folgen, dass mit der Corraption der beiden genannten corruptiblen Theile die Menschenseele selber zu sein aufhören müsste. Duns Scotus beruft sich zur Be- stätigung seiner Widerlegung auf das von ihm für Augustins Werk gehaltene Buch de Spiritu et Anima, dessen Auctorität aber freilich Baco, dem die Unächtheit desselben bereits be- kannt war, nicht gelten lassen mag, ' und eben so wenig jene des gleichfalls nicht von Augustinus herrührenden Liber de dogmatibus ecclesiasticis. Man finde in diesen beiden Büchern allerdings den Satz ausgesprochen, dass die drei Principien, das Intellectiv-, Sensations- und Vegetativprincip auf einmal ge- schaffen werden; aber selbst wenn dieser Ausspruch von einem Kirchenlehrer herrühren sollte — wer weiss nicht, dass die altchristlichen Lehrer gewisse Gegenstände nur obenhin und in populärer Sprechweise berühren, ohne über die philoso- phische Natur derselben etwas entscheiden zu wollen. So spricht Papst Gregor in einer seiner Homilien den Pflanzen die Be- seelung ab,2 und die Kirche verleiht seinem Ausspruche durch die feierliche Verlesung jener Homilie beim Gottesdienste ge- wisser Maassen eine perpetuirliche Dauer.3 Und doch wissen alle Theologen und Philosophen, dass die Pflanzen eine Seele haben, und zwar im Unterschiede von den Thieren eine bloss vegetative, während den Thieren zugleich eine sensitive Seele zukommt. Die Verrichtungen beider Seelen sind im Menschen dieselben, wie bei Pflanze und Thier; cliess spricht dafür, dass die vegetative und sensitive Seele im Menschen derselben Natur seien, wie bei Pflanze und Thier, und dass sie auf demselben Wege, wie beim Thiere erzeugt werden. Man sieht, Baco weiss ! Auch Thomas wusste bereits um die Unächtheit dieser Schrift. Vgl. Sum. 1 qu. 77, art. 8. 2 Gregor spricht mit der Bibel bloss von Seelen der Menschen und Thiere : Potest per animam omnis viventis jumentorum vita signari. Omnipotens Deus jumentorum animam usque ad corporeos sensus vivificat, hominum vero spiritum usque ad spiritualem intellectum tendit. In Job, Lib. XI, c. 5 (ad. Job 12, 10). 3 Baco citirt als Worte Gregors den Ausspruch: Plantae non habent ani- mam sed viriditatem. Den Pflanzen eine Seele abzuerkennen, entspreche der volksmässigen Anschauung: Imo vulgus laicorum in multis regionibus adhuc credit, quod soli homines animas habeant. Unde derident clericos, qui dicunt; canes et cetera bruta habere animas. Commun. Natur., fol. 80. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaftsichre des Roger Baco. 17") sich in das überthierische Wesen des Menschen nicht zu finden, und weiss den an sich richtigen Gedanken der Naturlebendig- keit des sinnlich-leiblichen Körpergebildes des Menschen mit dem Wesensbegriffe der menschlichen Seele nicht zu vermitteln. Auch vermag er die von ihm behauptete Substanzeinheit oder metaphysische Einfachheit der Seele nicht zu erhärten. ' Wenn die beiden generirten Seelen das Product eines physikalischen Processes sind, so sind sie etwas dem Wesen nach von der gott- geschaffenen intellectiven Seele Verschiedenes;2 wie können sie mit dieser in Eine Substanz zusammengehen, und wie soll diese Eine Substanz als eine nicht zusammengesetzte gelten können? Baco behauptet, jene beiden Seelen seien keine Körper, daher ihre Zusammensetzung keine körperliche Zusammen- setzung, welche ein räumliches Aussereinandersein involvire; somit bleibe die Einfachheit und Geistigkeit der Seele gewahrt. ! Daraus ergibt sich indess nur, dass Baco vom Wesen des Geistigen einen rein negativen Begriff, jenen der Unräumlich- keit und Unkörperlichkeit hat. Wenn er ferner die von ihm angenommene Zusammengesetztheit der Seele analogisch durch die Zusammengesetztheit des seiner Substanz nach Einen orga- nischen Menschenleibes zu erläutern versucht, so berührt er 1 Seine Polemik gegen die Behauptung, dass die Potenzen der Seele blosse Aceidenzen der Seele seien, treibt ihn zur Annahme einer Substanzmehrlieit innerhalb der Einen Menschenseele: Vegetativum et sensitivum indueuntur in esse per generationem; ergo earum substantia prius introducitur, quam substantia cujus intellectivum est potentia. Ergo non sunt potentiae ejus- dem substantiae. Sed ^iropter hoc ponuntur aeeidentia, quia in eadem substantia ponuntur. O. c, fol. 84. 2 Diess wird von Baco auch ausdrücklich behauptet: Concordat cum fiele, ut sola imado Dei creetur, et haec est anima intellectiva. O.. c, fol. 79. 3 Cum autem arguunt, quod tunc erunt multae substantiae in anima, cum tarnen auetores dicant, quod est uua substantia, dicendum, quod esl uua substantia composita ex pluribus partibus sicut corpus, cujus partes sunt diversae per essentiam sicut partes corporis, tarnen unum per essentiam ex eis; et hoc est verum unum. Quia sicut in corpore resultat una forma copulans omnes partes in unitate essentiali, sie est a parte animae, cujus una natura substantialis resultat ex partibus pluribus, in qua haben! uni- tatem essentialem. Et ex hac unitate patet, quod non potentiae anin aeeidentia ejusdem substantiae, ut ponit opinio damnabilis Parisius; et similiter alia, quae ponit medium inter substantiam et aeeidens, destruitur per hoc idem. O. c, fol. 84. 476 Werner. zwar eine an sich richtige und fruchtbare Idee, deren wahren Gehalt er indess nicht erfasst. Das dem organisch gegliederten Leibe entsprechende psychische Gebilde ist der vollentwickelte ausgewachsene innere Seelenmensch, dessen Gliederung sonach das Resultat eines, aus einem anfän glich unentwickelten Real- prineipe heraus erfolgten Entwickelungsprocesses ist. Dieses Gebilde des gewordenen inneren Seelenmenschen, welches sich in der entwickelten Leibesgestalt plastisch abdrückt und aus- drückt, hat mit der von Baco hervorgehobenen Dreitheilung der Seele nichts gemein. Baco äussert sich wiederholt tadelnd über die Einmengung der Imagination in die Gedanken von rein geistigen Dingen, bleibt aber in Auffassung dieser Dinge bei einem abstracten Spiritualismus stehen, weil er die im speculativen Vernunft- erkennen zu Tage tretende innigste Einheit der Verstandes- und Phantasiethätigkeit nicht kennt, also das Wesen der den- kenden Seele nicht in der Tiefe seiner concreten Lebendigkeit zu fassen vermag. Der abstracte Spiritualismus seiner meta- physischen Ratiocination hat seinen Grund in der ungerecht- fertigten Abtrennung der intellectiven, Seele von demjenigen, was er mit den Scholastikern die Anima sensitiva und vege- tativa nennt ; er weiss, mit einem Worte, das Wesen der Seele nicht voll zu fassen. Diess zeigt sich auch in seinen Angaben über den Modus der Präsenz der intellectiven Seele im mensch- lichen Leibe. Er bleibt bei der Behauptung der Illocalität der Seele stehen, um daraus zu folgern, dass die Seele nicht in einem bestimmten örtlichen Punkte des Leibes, sondern im ganzen Körper substanziell gegenwärtig sei;1 denn es gebe kein 1 Op. tert., c. 49. — Vgl. hiemit die in der oben (S. 469, Anm. 4) citirten Epistola Roberts von Lincoln enthaltenen Ausführungen gleichen Inhaltes: Anima tota essentialiter ubique est in corpore quod vivificat .... Qui dieunt eam virtute sola per totum corpus diffusam, imaginantur eam sicut punctum lucis situm in corde vel in cerebro, undique a se per totum corpus radios diffuudentis. Haec imaginatio vana est; non enim ipsa situalis est, cum sit pure incorporea Solet tarnen anima dici esse vel situm habere in illa parte corporis, ubi inchoat motiones suas corpo- reas quibus utitur in regimine corporis, utpote in corde, quia illinc inchoat motiones corporeas, quibus utitur in vivificando corpore, vel in cerebro, quia illinc inchoat motiones corporeas , quibus utitur in sentiendo vel corpus suum localiter movendo. Die Psychologie, Erkenntniss- und WiBSenschaftelehre des Roger Baco. 477 Proportionsverhältniss des Geistes zum Körper oder zu irgend etwas vom Körperlichen, also auch nicht zur räumlichen Loca- lität. ' Das vorherrschend mathematisch-physikalisch geschulte Denken Baco's vermag sich in das positive Verhältniss des Geistigen zum Leiblichen nicht zu rinden. Die intellective Seele als Form des Menschenwesens ist wohl dessen Vollendung und Abschluss, aber nicht der lebendige Umschluss desselben; sie ist wohl über den vom Leibe ausgefüllten Kaum hinaus- gerückt, aber der Leib nicht in die Seele als seinen Locus proprius hineingerückt. So wenig als Baco im Leibesgebilde eine in die Seele als ihren Locus proprius hineingenummene Stoffbildung erkennt, eben so wenig erfasst er den Leib als ein von der Seele aus sich herausgestelltes Gebilde; daher er auch keinen Unterschied des mehr oder weniger Herausgestellt- seins der einzelnen Theile der organischen Bildung erlassen kann, sondern die Seele gleichmässig in Kopf und Herz, Hand und Fuss gegenwärtig sein lässt. 2 Aus der Illocalität der Seele folgert Baco, dass sie während ihres Seins im Leibe ohne örtliche Bewegung in den Himmel entrückt werden könne, wie die Seele des Apostels Paulus oder des verzückten Proto- martyrs Stephanus;3 er folgert weiter, dass die beim Sterben vom Leibe sich trennende Seele ohne örtliche Bewegung sofort im Himmel, im Purgatorium oder im Infernus sich befinde. Er bezeichnet indess das Sein der Seele in den nach der Tren- nung vom Leibe eintretenden Zuständigkeiten doch auch als ein Alibi esse,4 woraus unbestreitbar folgt, dass Seele und 1 Vgl. biezu die entsprechende Aeusserung Roberts (siebe vorige Aura.) : Si anima esset situalis, posset a puncto extra situm ipsius sumto duci linea ad ipsani, et mensurari et deterniinari certis niensuris spatium inter ipsam et punctum signatum. Quod magis impossibile est, quam lineam posse duci a puncto signato in corpore ad ejus sanitatem vel elementorum commensuratiouem et proportionem. 2 Anima est ubique in corpore et in singulis partibus, sed tarnen nou localiter . . . non habet situm in toto corpore, nee in aliqua parte, nee oecupat totum nee partem localiter. Licet praesens cordi non abest capiti nee pedi, nee distat ab eis; quia nulla est distautia corporalis spiritus aunotanda. Op. tert., c. 19. 3 Op. tert., c. 50. 4 In morte animam esse in coelo vel in purgatorio vel in inferno non est per motum localem, sed absolvitur a nexu corporis quod rexit, et operatur vel patitur vel glorificatur alibi sine suo motu locali, quia distantia localis nulla est respectu illius. 1. c. 478 Werner, Raum in einem wesentlichen Verhältniss zu einander stehen. Die Seele ist, wenn schon nicht selber räumlich ausgedehnt, doch wesentlich raumfassend, und ihre Einrückung in den himmlischen Vollendungsstand wird wohl nichts anderes als die vollkommene Actuirung ihres geistigen Raumfassungsvermögens bedeuten, während umgekehrt die jenseitigen Zustände des Leidens und der Pein neben der inneren Zerrissenheit wohl auch Coarctationen durch die Macht und Wucht der kosmischen "Wirklichkeit, zu welcher der von der Idee seiner selbst ab- gefallene Mensch in ein unwahres Verhältniss gerathen ist, zu bedeuten haben werden. Aus dem Gesagten ergibt sich die Nothwendigkeit einer Vergeistigung des RaumbegrifTes. Nur darum, weil Baco bei der sinnlichen Raumanschauung stehen bleibt, kann er die Ausserräumlichkeit der geistigen Existenzen behaupten, während in Wahrheit eben die geistigen Mächte, die in der kosmischen Wirklichkeit waltenden Bildungsmächte die wirklichen realen Raumbegriffe und lebendigen Raumfassungen sind, und zwar so, dass Gott die absolute Fassung der Dinge, die Geister und Seelen aber die lebendigen Fassungen der von ihnen beherrschten kosmischen Wirklichkeit sind, welche für sie durch die derselben immanenten Gestaltungsmächte fassbar gemacht wird. Es ist demzufolge unrichtig, wenn Baco sagt, dass die geistm-eri Existenzen weder eines Locus salvans noch eines Locus continens, die elementare Natur aber nur eines Locus salvans und keines Locus continens bedürfe. Alles Ge- schaffene hat seinen Locus proprius salvans et continens, indem jedes Niedere nebstdem, dass es in sich selber befasst ist, auch in einem ihm übergeordneten Höheren, zuhöchst aber in Gott als Locus salvans et continens befasst ist. Da alles Generable corruptibel ist, so ergibt sich bei Baco als selbstverständlich der Satz, dass nur die intellective Seele unsterblich ist, während die durch Generation entstandene Anima vegetativa und Anima sensitiva ihrer Natur nach sterb- lich sind. Die intellective Seele ist wesentlich eine denkende und wollende, und als solche Geist; also nur die Geister sind unsterblich, die Seelen als solche sterblich. Baco zieht diese Consequenz nicht förmlich, weil er das intellective Denk- und Willensprincip als Wesensform des Menschen nimmt; er unter- scheidet ferner die menschliche Intellectivseele wesentlich von Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaftslehre des Roger Baco. 4-79 den leiblosen Geistern, ' wenn er ihr bloss einen Intellectus possibilis zuerkennt, den Intellectus agens aber abspricht.2 Den Grund dessen hat man wohl in der Verbindung der in- tellectiven Seele mit der Sensitiva und Vegetativa zu suchen; da nun diese Verbindung offenbar eine Verkürzung des der intellectiven Seele an sich eignenden Intellectivvermögens in- volvirt, so erscheint die Einsenkung des Intollectivprincipes oder Geistes in die sinnliche Leiblichkeit als eine Art Degra- dation desselben, woraus aber nur neuerdings diess hervorgeht, dass Baco das specifische Wesen der Menschenseele als solcher nicht erfasst hat. In der Beschreibung und Erklärung der verschiedenartigen Seelenthätigkeiten im Besonderen und Einzelnen hat Baco natürlich die Functionen jedes einzelnen der im dreitheiligen menschlichen Seelenwesen geeinigten Thätigkeitsprincipien zu berücksichtigen. Der vegetativen Seele theilt er nach gemein- giltiger peripatetischer Lehre die Functionen der Nutrition, Augmentation und Generation zu. In Bezug auf die Erklärung der beiden ersteren Vorgänge bekämpft Baco die Herbeiziehung der Vorstellung vom Vadium, die ein leeres Figment sei, so wie die Annahme bestimmter besonderer Kräfte: Virtus attrac- tiva, retentiva, expulsiva, zur Erklärung des Alimentations- processes. 3 Die Zuhilfenahme der Vorstellung vom Vacuum zu bekämpfen, findet er sich veranlasst,4 weil Aristoteles diesen Punkt genügend zu erledigen sowohl in seinen Büchern über die Physik, "' als auch in seinen Schriften de generatione et 1 Baco charakterisirt das Verhältnis-? der menschlichen Seele zu den leib- losen Intelligenzen in folgender Weise: Deus respectu animae est sicut sol respectu oculi corporalis, et angeli sicut stellae. Op. tert., c. 23. 2 Der Intellectus agens bedeutet nach Baco überhaupt nicht ein Geist- Vermögen sondern eine höhere Intelligenz, welcher die menschliche Seele ihre Erleuchtungen verdankt: Intellectus agens sccunduin majores philo- sophos non est pars animae, sed est substantia intellectiva alia et separ.it.-i per essentiam ab intellectu possibili (Op. maj., p. 20). — Intellectus agens est Deus principaliter, et seeundario Angeli, qui illuminant nos (Op. tert., c. 23). 3 Conimun. Natur. I, Pars 4, c. 6. 4 Op. tert., cap. 43. 44. 5 Siehe Aristo! Physic. IV, p. 213 a. lin. 21 ff. 480 Werner. corruptione1 und de anirna2 unterlassen habe. Wenn er schon durch seine Bemerkung1, es lasse sich die Herbeiziehung der Vorstellung vorn Vadium zu einem Argumente geg-en die Ver- theidiger des Vacunm formen, seine Ansicht deutlich zu er- kennen gebe, so hat er doch nirgends gezeigt, dass die richtige Erklärung des Nutritionsprocesses die Annahme eines Vacuum geradezu ausschliesse; daher komme es, dass unter den La- teinern, d. h. unter den zeitgenössischen Commentatoren des Aristoteles, die verschiedensten und widersprechendsten An- sichten zu Tage treten. Aristoteles sagte: Wenn das Aliment, weil es als Körper nicht in die festen Theile des zu nährenden Körpers eindringen könne, in den leeren Poren sich in Fleisch, Knochen, Nerven u. s. w. soll verwandeln müssen, dann sei es nicht Nahrung und Mehrung- der genannten Theile des nahrungsbedürftigen Körpers, sondern Erzeugung von Fleisch, Knochen, Nerven ausser den schon vorhandenen bezüglichen festen Körpertheilen, während doch diese die Nahrung und Mehrung in sich selber als Ersatz für das Abgegebene und Verlorene aufnehmen sollen. Dieser Bemängelung glaubten Einige unter Anschluss an eine übel verstandene Aeusserung des Avicenna aus dem Wege zu gehen, wenn sie den leeren Poren, in welche nach Aristoteles die Nahrung nicht auf- genommen werden kann, mit einer subtilen Flüssigkeit gefüllte Poren substituirten, in welchen sich die Wandlung des Alimentes in Fleisch, Knochen, Nerven u. s. w. vollziehe. Aber diesen gegenüber bleibt die aristotelische Forderung einer Nutrition und Mehrung der lebendigen Substanz von Innen heraus bestehen; nur die Mineralien können sich durch Anbildung von Aussen vergrössern. Andere sagen, das Aliment werde durch seine Ver- arbeitung entstofft und dringe als unkörperliches Nahrungselement in die zu ernährenden und zu augmentirenden festen Körper- theile ein. Aristoteles weist indess eine derartige Umwandlung des Nahrungsstoffes entschieden ab, wie schwierig es auch sein mag-, den w7ahren Sinn des an der betreffenden Stelle augen- scheinlich corrupten Textes zu ermitteln. Die Nutrition in- volvirt als Ersatz und Mehrung des verbrauchten Körperstoffes 1 Siehe Arist. Gen. et. Corr. I, p. 325, 326. 2 Aristot. An. II, p. 416. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaftslehre des Roger Baco. 481 eine quantitative Mehrung und Ergänzung desselben; alles Quantitative aber ist körperlich, also muss die Nahrung sub- stanziell in die zu nährenden Theile eindringen. Ein leichtes Spiel ist es Baco; die Ansicht zu widerlegen, dass das Ali- mente statt substanziell einzudringen, als Species auf die zu nährenden Theile wirke; Aristoteles lehrt und die Natur der Sache bringt es mit sich, dass das Aliment durch seine Wand- lung in die zu nährende Substanz seines Speciescharakters beraubt werde, also statt zu wirken vielmehr passiv sich ver- halte, und eine Aenderung erfahre, mittelst welcher es der zu nährenden Substanz assimilirt wird. Die Assimilation oder Conversion des Nahrungsstoffes in die Substanz des zu näh- renden Leibes vollzieht sich unter Obmacht der im Nährungs- processe wirkenden Seele, welche das Aliment durch Verwand- lung desselben in die Substanz des Leibes an sich zieht. Die Verwandlung macht aus den zwei differenten Substanzen des Leibes und des Alimentes Einen Körper, so dass die Frage, wie ein Körper in den anderen eindringen könne, damit von selber entfällt. Damit ist nun freilich die physikalische Seite des Problems, die den Ausgangspunkt der Erörterung bildete, ungelöst bei Seite geschoben. Die an sich vollkommen richtige Bemerkung, dass das Aliment potenziell selber schon die Sub- stanz des zu nährenden Leibes sei, bezieht sich auf die phy- siologische Seite der Frage; bezüglich der rein physikalischen Seite derselben begnügt sich Baco mit der Auskunft, dass nicht etwa zwei Quantitates Eine Quantität, sondern bloss aus zwei Quantis ein Quantum geworden sei. l So muss die ab- stract formale Ratiocination die logische Denkbarkeit des sach- lich nicht Begriffenen darthun. An die Stelle der sogenannten Vires occultae, nämlich der Virtus attractiva, retentiva, expul- siva lässt Baco unmittelbar die Virtus der Anima vegetativa treten; wenn nun nach seinen ausdrücklichen Erklärungen die Anima vegetativa mit den beiden anderen Seelen, der Sensi- 1 Nee ideo quantitas potest convertere quantitatem in se, sed corpus quantum convertit corpus quantum. Conversio enini est actio quaedam, quae non debetur quantitati nee materiae, sed formae et composito mediante forma. Et ideo caro quanta convertit in se alimentum quantum; non tarnen quantitas convertit quantitatem, sed substantia quanta convertit snbstantiam quantam. Op. tert., c. 44. 482 Werner. tiva und Intellectiva ein Ganzes constituirt und vom Körper als solchem verschieden ist, so ist hiemit der Stoff als etwas an sich Todtes erklärt und die natürliche Lebendigkeit der sinnlichen Leiblichkeit verkannt, in deren Wesen es liegt, auf die der Idee ihres stofflichen Gebildes gemässe Weise thätig zu sein. Jene von Baco verworfenen Vires occultae involviren immerhin eine wenigstens relative Anerkennung der organischen Lebendigkeit, und waren daher nicht schlechthin als wesenlose Figmente zu bezeichnen, wenn schon die Namen dieser Vires einfach nur bestimmte empirisch wahrgenommene Vorgänge aus- drücken. Die Rangstufen der drei in Einem Seelenwesen geeinigten Seelen entsprechen der Rangordnung der drei Haupttheile des menschlichen Leibes: Unterleib, Brust, Kopf, welche die drei specifi sehen Wirkungsbereiche der dreigetheilten menschlichen Seele sind. Wenn die speeifische Wirkungssphäre der mensch- lichen Seele der Unterleib als Stätte des Verdauungs- und Ge- nerationssystems ist, ' so hat die Anima sensitiva, deren radi- cale Basis das Herz ist, speciell die mittlere Region des Leibes zu ihrem speeifischen Wirkungsbei'eiche, obwohl sie ihre co- gnoscitiven Apperceptionen mittelst der Gehirnnerven empfängt, die aber gleichfalls grundhaft aus der Herzgegend entspringen.2 Baco unterscheidet niedere und höhere, primäre und abgeleitete Sensationen. Die niederen Sensationen sind die rein sinnlichen 1 Bezüglich der generativen Thätigkeit liebt Baco einen speciellen Contro- verspunkt seines Zeitalters hervor: Propter consangnineitatem et cogna- tionem volunt multi, quod seinen, ex quo proles producitur, non sit de nutrimento sed de substantia corporis. Sed hoc est penitus contra Aristotelem et Avicennam in suis libris de animalibus. Nam evidenter et patenter docent, quod hoc esse non potest, et quod semen sit residuum nutrimenti optime digesti, quo non indiget corpus ad restaurandum derperditum nee ad augmentum. Quoniam post conversionem nutrimenti in corpus non potest separari aliquid a corpore sine dolore et poena . . . sed decisio semiuis non est cum dolore etc. Commun. Natur. I, Pars 4, c. 7. 2 Baco behandelt die Lehre von den Functionen der Anima sensitiva am ausführlichsten in seiner dem Opus majus einverleibten Perspectiva, auf welche er in Commun. Natur. I, Pars 4, fol. 85 ausdrücklich zurück- weist: Partes vero sensitivae virtutis ego posui cum omni diligentia in primo perspectivae. Quod caput est unum, in quo totum vulgus erat medi- corum, naturalium et theologorum, et est unum de difficilioribus capitulis, quia imprimis continens sapientiae potestatem. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaftslehre «los Roger Baco. 483 Sensationen, welche sich mittelst der besonderen Sinne theils unmittelbar, theils unter Hinzutritt des die Aussagen der be- sonderen Sinne ergänzenden Sensus communis vollziehen. Baco zählt neunundzwanzig primäre oder unmittelbare Sensationsob- jecte (Sensibilia per se) der niederen sinnlichen Wahrnehmung auf, von welchen neun den besonderen Sinnen als solchen angehören, die übrigen zwanzig aber unter Vermittelung der besonderen Sinne durch den Sensus communis appereipirt werden. ' Die speci- fischen Objecte des Gesichtssinnes sind Licht und Farbe, jene des Getastes das Calidum, Frigidum, Siccum, Humidum; das Gehör appereipirt die Töne, das Riechbare und das Schmeckbare ge- hören den nach ihnen benannten Sinnen an. Die übrigen zwanzig Sensibilia sind: Remotio, Situs, Corporeitas, Figura, Magnitudo, Continuatio, Discretio, Numerus, Motus, Quies, Asperitas, Le- nitas, Diaphaneitas, Spissitudo, Umbra, Obscuritas, Pulchritudo, Turpitudo, Similitudo, Diversitas. Die Sensibilia per se höherer Gattung sind die Fornaae insensatae, d. h. diejenigen Beschaffen- heiten der sinnlich appereipirten Objecte, welche nicht Gegen- stand der unmittelbaren leiblichen Sinneswahrnehmung sind, sondern durch das angeborne Gefühl der Convenienz oder Disconvenienz des appereipirten Objectes mit dem subjeetiven Sein des Wahrnehmenden appereipirt werden. So flieht das Lamm vor dem Wolfe, läuft aber anderen Lämmern zu. Diese Handlungen des Thieres werden durch unmittelbare Empfin- dungen der Furcht und der Zuneigung hervorgerufen, welche in der Contrarietät oder Aehnlichkeit der Complexion desselben mit der Complexion des schreckenden oder anziehenden Objectes gegründet sind. Diese Complexionen oder die in ihnen sieh darstellenden substanziellen Naturen wirken auf ein Vermögen der Anima sensitiva, welches durch die Apperceptionen der leiblichen Sinne als solcher nicht excitirt wird, und sonach ein Vermögen höheren Ranges ist. Man nennt es die Virtus aestimativa. Ausser und über diesen ist aber der thicrischen Seele noch ein anderes Vermögen eigen, aus welchem die Kunstfertigkeiten bestimmter Thiere, der Spinne, Biene u. s. w. erklärt werden müssen. Diess ist die Virtus cogitativa, das höchste unter den Vermögen der Anima sensitiva, welches im 1 Op. maj., p. 193. Sitzungsber. d. phil.-bist. Ol. XCIII. Bd. III. Hft. 484 Werner. Thiere die Stelle der menschlichen Ratio vertritt. Aber auch der Mensch entbehrt dieses Vermögen nicht, welchem alle anderen Vermögen der sensiblen Seele dienstbar sind; es be- thätiget sich besonders in der menschlichen Traumthätigkeit. Die von Aussen in das sensible Leibesgebilde eintretende Anima intellectiva verbindet sich unmittelbarst mit der Cogitativa der Anima sensitiva, und bedient sich derselben als ihres Instru- mentes; daher, wenn dieses durch Schädigung des Gehirnes verletzt ist, auch die menschliche Denkthätigkeit gestört ist. Die Cogitativa ist im mittleren Gehirne locirt, während der Sensus communis zusammt den Nervenendigungen der beson- deren Sinne im Vordergehirne, die Aestimativa aber in der hinteren Gehirnkammer ihren Sitz hat. Sowohl dem rein sinn- lichen Apperceptionsvermögen als auch der Aestimativa muss eine besondere Virtus retentiva zur Seite gehen, um die von jenen beiden Vermögen appercipirten Species festzuhalten. Das dem rein sinnlichen Apperceptionsvermögen entsprechende Re- tentionsvermögen ist die Imaginativa (Einbildungskraft), das der Aestimativa entsprechende Retention svermögen die Virtus memorativa. Die Notwendigkeit der Imaginativa neben dem Sensus communis begründet Baco physiologisch aus der über- grossen Weichheit desjenigen Theiles des Vordergehirnes, in welchem der Sensus communis locirt ist; obschon die Imagina- tiva gleichfalls im Vordergehirne locirt ist, hat sie doch ein anderes unmittelbares materielles Substrat, welches wegen der richtigen Mitte zwischen Weichheit und Härte die retentive Function ermöglichet. Der Sensus communis und die Imagina- tiva werden gemeinhin unter dem Namen Phantasia (sinnliches Vorstellungsvermögen) zusammengefasst. Die Memorativa ist gleichfalls mit der Aestimativa im Hintergehirne räumlich ver- gesellschaftet; für diese beiden aber hat Baco keine gemein- same Bezeichnung. Die Cogitativa ist im Mittelgehirne locirt, um sowohl die Species der Phantasia als auch jene der Aesti- mativa oder Memorativa in ihren Bereich emporheben und denkhaft verarbeiten zu können. Baco hat seine, die Anima sensitiva betreffende psycho- logische Terminologie aus Avicenna entlehnt, welcher ihm als der beste Ausleger des Aristoteles und als der. bedeutendste Philosoph nach demselben gilt. Er beschwert sich, in den Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaftslelire des Roger Bacn. ! S i cursirenden lateinischen Uebersetzungen des Aristoteles eine so ungenaue Wiedergabe der aristotelischen Eintheilung der Seelenvermögen gefunden zu haben. Es sei da nur von drei Vermögen die Rede: Sensus communis, Imaginativa, Memoria. Auch auf die Uebersetzer der Schriften Avicenna's könne man sich nicht unbedingt verlassen. So heisse es in der Ueber- setzung der Schrift Avicenna's de animalibus, dass bei den Thieren die Aestimativa die Stelle der menschlichen Ratio ver- trete; man dürfe wohl zweifeln, ob Avicenna in dem genannten Buche sich wirklich so ausgedrückt habe. Wenigstens sage er anders in seinem Werke de anima, welches auch die bestüber- setzte seiner Schriften sei, weil es den Uebersetzern weniger Schwierigkeiten bot als seine übrigen Werke. Jedenfalls habe man sich an diejenige Eintheilung und Benennung der Seelen- vermögen zu halten, welche Avicenna in diesem letzteren Werke feststellte, weil er in demselben ex professo seine Theorie der Seelenvermögen entwickele. Baco setzt also voraus, dass in diesem Werke Avicenna's die richtigste und genaueste Wieder- gabe der aristotelischen Lehre von den Seelenvermögen zu finden sei. Ob indess Avicenna's Interpretation mit dem Texte der aristotelischen Schriften sich decke, ist immerhin noch die Frage. Avicenna brachte die Theorie der sensitiven Seelen- vermögen mit der von dea griechischen und arabischen Aerzten ausgebildeten Lehre vom dreitheiligen Gehirn als Sitz der ein- zelnen sensitiven Vermögen in Verbindung, und konnte dem- nach nicht umhin, statt des Einen Gedächtnisses der sensitiven Seele ein doppeltes anzunehmen, deren eines im Vordergehirne, das andere im Hintergehirne locirt sei. Aristoteles l aber sprichl nur von Einem der Sinnenseele eignenden Gedächtniss, neben welchem er nur sehr bedingter Weise, gleichsam accidentell, allenfalls auch noch ein intellectives Gedächtniss zulassen will, sofern nämlich auch intellectuelle Dinge, aber freilich nicht ohne das Mittel sinnlicher Vorstellung Gegenstand der Er- innerung sein können, die als solche ausschliesslich der Sinnen- seele angehöre. Es wird wohl dieses zweite von Aristoteles zugelassene Gedächtniss gewesen sein, welches Avicenna als besonderes Vermögen fixirte und der Aestimativa coordinirte. 1 Vgl. Aristot. Memor. et Reminisc, p. 450. 486 Werner. Mit Recht konnte übrigens Baco, weniger vielleicht die ihm vorliegenden ungenügenden Uebersetzungen des Aristoteles, l als vielmehr die derselben sich bedienenden Interpreten des Aristoteles tadeln, wenn sie neben der Imaginatio und Memoria nicht auch die Aestimativa und Cogitativa als Vermögen der Anima sensitiva hervorhoben. Denn in der That ist in der eben zuvor citirten Stelle des Aristoteles auch von einer ozzy. und fpcvYjcru; der höher begabten Thiere die Rede, und zwar im Zusammenhange mit der Erörterung über das accidentell auch dem Intellecte zum Gebrauche dienende Gedächtniss der Anima sensitiva.2 In seinem Werke über die Seele3 nennt Aristoteles das den Thieren (£ü)05<;) eignende Unterscheidungs- vermögen (xpixnwv) ein Werk oder Resultat der Stavotot und vl- d)rtz\:. schreibt also indirect den höher entwickelten sinnlichen Lebewesen eine Art Denkvermögen zu. Nur lässt sich nicht strenge erweisen, dass er dasselbe als besonderes Vermögen vom sinnlichen Vorstellungsvermögeo (Phantasia) habe unter- scheiden wollen, da es bei Aristoteles an Aeusserungen nicht fehlt, welche eine solche Unterscheidung geradezu auszu- schliessen scheinen.4 1 Dass die Interpreten mitunter mit Unrecht getadelt wurden, würde sich vielleicht durch manches Beispiel belegen lassen. So vermuthet z. B. Albert d. Gr., welcher correetere Uebersetzungen der aristotelischen Schriften vor sich hatte als Baco, einen Übersetzungsfehler in der ihm vorliegenden lateinischen Uebertragung der Stelle, Anim. III, p. 428 a, lin. 10: Videtur Aristoteles dicere formicas et apes non habere phantasiam, quod omnino falsum est; cum talin animalia artificiose operentur casas et provideant in futurum sibi et operentur in commune. Puto autem non ex vitio esse philo- sophi, sed ex vitio translationis, quia translator non intellexit, nullum ani- malium quae dixit Aristoteles phantasiam habere, et loco eorum transtulit formicas et apes, et corrumpit veritatem ex mala translatione. Albert, de Anima Lib. III, Tract. 1, c. 7. 2 'H 03 ;j-v^u.7] x.ai r( rtiSv vot]t£v ouz kveu oxvraau.aTÖ; iuriv. wctte. tou yooufiivou y.x-'x crup.ßeß7)zbs av enj, aaO1 kuto 8e tou npwTOu aiaörjrtxou. Stb xai irspois Tidiv u-ap/:i Ttov Lwtov, x.ai oü u.ovov KV0p 'irro1.: xai tot; Ejrouffi So^av J) opov/jaiv. Mem. et Reminisc, p. 450 a, lin. 12 ff. 3 De anima III, p. 432 a, lin. 16. 4 Vgl. Anim. III, p. 433 a, lin. 9 ff.: $aiV£Tat os ys oJo txÜtx xivouvtoc, $ o;:;'.; ?, vouc, :'■! ~:; rijv ^avtaaiav TtOsir) w« vo7jaiv nva • rcoXXa yäp -apä T»jv Iniat^fj^v a-/.oXou6ouat TaT': oavTaaiaig, ;cai iv rot; aXXoi? £eobt$ ou vojjo-i? ou8e XoftajJLo; eüT'.v, aXXa «oavTafffoc. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaftslehre des Roger Baco. höi Vergleichen wir die von Baco im Anschlüsse an Avicenna festgestellte Zahl und Denomination der Vermögen der Anima sensitiva mit jener bei Albert d. Gr. und Thomas Aq., so er- sehen wir, dass auch Albert gleich Baco eine Fünfzahl der Sensus interiores zu gewinnen bestrebt ist: Sensus communis, Imaginatio, Aestimativa, Phantasia, Memoria;1 zugleich aber bemerken wir, dass hier die Cogitativa ausfallt, und die von Baco als Zusammenfassung der besonderen Sinne, des Sensus communis und der Imaginatio genommene Phantasia als be- sonderes Vermögen gezählt wird. Thomas Aq.- reproducirt aus Avicenna's Werke de Anima die Fünfzahl: Sensus com- munis, Phantasia, Imaginativa, Aestimativa, Memorativa, er- klärt jedoch die Phantasia als identisch mit der Imaginativa, daher ihm nur eine Vierzahl innerer Sensitivpotenzen verbleibt, die er übrigens ganz in der von Avicenna und Baco ihnen gegebenen Bedeutung versteht; denn er fasst die Imaginativa als das dem Sensus communis, die Memorativa als das der Aestimativa entsprechende Retentions vermögen. Die von Baco als fünftes Vermögen aufgeführte Cogitativa spricht Thomas der Thierseele ab, und erklärt sie als ein im Menschen an die Stelle der thierischen Aestimativa naturalis tretendes rationales Vermögen, welches auf vergleichenden Zusammenhalt sinnlicher Einzelvorstellungen beschränkt, dem Menschen den Instinct des Thieres ersetze und Ratio particularis heisse.:! Diese Differenz zwischen Thomas und Baco hat eine tiefer greifende Bedeutung, die sich in der beiderseitigen Lehre vom Intellectus agens vollkommen aufschliesst. Indem Baco diesen der menschlichen Seele abspricht, stellt er sich grund- sätzlich auf den Boden eines psychischen Sensismus unter neben- hergehender vollwuchtiger Betonung des reflexiven Erfahrungs- denkens, in welchem er den eigentlichen Erzeuger der dem Menschen in dessen irdischen Zeitleben erreichbaren Erkennt- nisse und Ansichten sieht. Als Vertreter des j.svchischen Sen- sismus konnte er sich mit Grund auf die Auctorität des Pariser 1 De anima III, Tract. 1. c. 0. 2 1 qu. 7s, art. 4. 3 Est enim collativa intcntioimm individnaliuin. sieuf ratio intellectivs collativa intentionum nniversalium. 1. c. 488 Werner. Bischofes Wilhelm von Auvergne berufen, ' welchen Baco zwei- mal in einer feierlichen Versammlung der Pariser Doctoren die Annahme eines der menschlichen Seele eignenden Intellectus agens siegreich bestreiten hörte. 2 Als Vertreter des psychischen Sensismus haben wir Baco zu bezeichnen, weil er alle cognosci- tiven Thätigkeiten der menschlichen Seele als Apperceptionen des in der sinnlichen oder übersinnlichen Wirklichkeit Ge- gebenen fasst. Durch die cognoscitiven Thätigkeiten der Anima sensitiva appercipiren wir die sichtbaren Erscheinungen der sinnlichen Wirklichkeit, durch die cognoscitive Thätigkeit der intellectiven Seele die unsinnliche, unsichtbare Wirklichkeit, die uns im Lichte der ewigen Wahrheit gezeigt wird. Daher leitet Baco alle Philosophie aus Offenbarung und Erleuchtung ab; ehe es Philosophen unter den Heidenvölkern gab, hat Gott alle Weisheit der Philosophie bereits den Patriarchen und Pro- pheten geoffenbart, 3 und von diesen haben sie die heidnischen Philosophen überkommen, wie Aristoteles, der grösste unter ihnen, in seinem Liber Secretorum ausdrücklich bekenne.4 Aber nicht bloss auf dem Wege der Ueberlieferung, sondern auch durch besondere Erleuchtungen sind dieselben zur Erkenntniss der philosophischen Weisheit gelangt; solche Erleuchtungen sind ihnen vielleicht noch mehr wegen uns Christen, als um ihrer selbst willen zu Theil geworden. Demzufolge muss wohl auch die richtig verstandene Lehre des Aristoteles vom Intellectus agens auf göttliche Erleuchtung zurückgeführt werden. Die richtig verstandene Lehre des Ari- stoteles aber, die zugleich auch vollkommen wahr ist, ist diese, dass man zwar zwischen Intellectus possibilis und Intellectus 1 Op. tert., c. 23. - Vgl. unsere Abhandlung' über die Psychologie des Wilhelm von Auvergne. Sitzungsber. LXXIII. Bd., S. 305 (Separatabdr. S. 49). 3 Op. tert., c. 24. 4 Im Opus maj. (p. 29) lässt Baco den Avicenna die alttestamentliche Bibel citiren und bemerkt gemeinhin: Omnes philosophi fuerunt post patriarchas et prophetas, et legerunt libros prophetarum et patriarcharum qui sunt in sacro textu, et similiter alios libros, quos fecerunt tangentes Christi mysteria ut in libro Enoch et in Testamento Patriarcharum, in libro Esdrae 3, 4, 5, et in multis aliis libris Philosophi curiosi et diligentes in studio sapientiae peragrarunt regiones diversas ut sapientiam inquirerent et libros Sanctorum perlegerunt et didicerunt ab Hebraeis. Die Psychologie, Erkenntuiss- und Wissenschaftslehre des Roger Baco. ls! ' agens zu unterscheiden habe; letzterer aber nicht ein Theil oder Vermögen der Seele sei, sondern von Aussen her auf den menschlichen Intellect wirke und die Umbildung der sinn- lichen Vorstellungen in Intellectivgedanken erwirke. In der That haben auch — fährt Baco weiter — bis auf unser Jahr- hundert herab alle Philosophen und Theologen Gott für den Intellectus agens genommen; und auch dann, als bereits die gegentheilige Ansicht um sich griff, welche den Intellectus agens zu einem der menschlichen Seele eignenden Vermögen machen wollte, traten die zwei bedeutendsten Gelehrten ihrer Zeit, Robert von Lincoln und Adam de Marisco (Marsh) noch für die einzig richtige Ansicht ein. • Dass man jetzt so hart- näckig das Gegentheil behauptet, kann nur in einer falschen Interpretation des Aristoteles seinen Grund haben, und wider- legt sich aus dem Gesammtinhalte seiner Lehre.2 Der In- es tellectus agens und Intellectus possibilis verhalten sich zu einander, wie sich gemeinhin die Causa efticiens zur Materia recipiens actionem efficientis verhält. Nun aber lautet eine der Grundlehren des Aristoteles, dass die Causa efficiens mit dem Stoffe, an welchem sie sich bethätiget, niemals eine Sub- stanz ausmachen, nicht mit dem bearbeiteten Stoffe ein Idem secundum numerum et speciem sein könne. Somit können auch der Intellectus agens und possibilis nicht Theile oder Con- stituenten des menschlichen Intellectes sein. Wenn nun eine Stelle im dritten Buche des aristotelischen Werkes de Anima so übersetzt wird, dass es den Anschein hat, als ob das Agens und Patiens, welche beide, wie allenthalben, so auch im mensch- lichen Intellecte vereiniget sind, in ihrem Zusammensein gleich- sam die Natur des menschlichen Intellectes ausmachen, :i so ist 1 Baco erzählt (Op. tert., c. 23) von seinem Ordensgenossen Adam von Marsh: Quando per tentationem et derisiouem aliqui Minores praesum- tuosi quaesiverunt a fratre Adam: Quid est intellectus agens? respoudit: Corvus Eliae, volens per hoc dicere, quod fuit Deus vel Angelus. Op. tert., c. 23. Statt .Corvus Eliae' lautet eine andere Leseart oder Version dieses Spruches Adams: ,Currus Eliae', die vielleicht auch die richtigere sein dürfte. 2 Op. maj., p. 20; Op. tert., c. 24. 3 Baco führt (Op. tert., c. 24) den Wortlaut der nach seiner Ueberzeugung unrichtigen Uebersetzung an: Quoniam auteni in omni natura est aliquid quod agat, et aliquid quod patiatur, ita erit in auima. Die entsprechenden 490 Werner. die Uebersetzung sicher unrichtig- oder doch ungenau, obschon bei näherem Zusehen diese Ungenauigkeit nicht so gross er- scheint, dass die wahre Meinung des Aristoteles völlig unkennt- lich gemacht wäre. Denn offenbar ist in der bezüglichen Stelle — fährt Baco weiter — nicht vom Wesen der Seele, sondern von ihrer Thätigkeit die Rede; von dieser heisst es, dass sie so vor sich gehe, wie wenn der Künstler einen Stoff gestaltet oder die Sonne die Farben der Objecte sichtbar macht. Da nun der Künstler gewiss von dem zu bearbeitenden Stoffe, und die Sonne von den zu beleuchtenden Objecten dem Sein und der Substanz nach verschieden ist, so muss auch der Intel- lectus agens, der die im Intellectus possibilis vorhandenen sinn- lichen Vorstellungen in Intellectivgedanken umsetzt, vom Intel- lectus possibilis oder von der Seele, welche als Recipientin und Bewahrerin der in Intellectivgedanken umzubildenden sinn- lichen Species Intellectus possibilis ist, von diesem dem Sein und Wesen nach verschieden, ein. ausser und über demselben Seiendes sein. Diess ergibt sich auch aus dem weiteren Ver- laufe des Contextes, indem der Intellectus agens als ein vom Intellectus possibilis nach Sein und Wesen getrennter bezeichnet wird, der immer actu ist, was von keiner Creatur, sondern einzig von Gott gilt. Für zwingend kann man diese Beweisführung Baco's nicht erachten. Wenn er sich für die Erhärtung des Satzes, dass die Causa efficiens von dem Gegenstande, welcher ihr als Stoff ihrer Bethätigung dient, stets substanziell verschieden sei, auf das Anfangscapitel des zweiten Buches der Physik des Aristoteles beruft, so muss wohl bemerkt werden, dass daselbst zwischen äusseren und zwischen inneren dem gestalteten und belebten Stoffe immanenten Wirkungsprincipien unterschieden werde; und die Frage ist dann, ob Aristoteles auch den In- tellectus agens zu den äusseren auf den Intellectus possibilis wirkenden Agentien rechne, oder ob er jene Leuchtthätigkeit Worte des griechischen Textes, De anima III, p. 430 a, Im. 10 ff., lauten: K-£t o ?-ip vi xr.idT] -f] yj73i l rcoietv navra, otov r) x(yyi\ Tzpbq ri)v 'j).rjv -c't;ovOcV, j.-,•."::, ä-aOr,;, y.'vy^z ertheilt, so folgt hieraus strenge genommen nur seine Erhabenheit über die Unvollkommenheiten des in die Zuständlichkeiten der sensitiven Seele mehr oder weniger hin- eingezogenen Intellectus possibilis, der eben desshalb auch passibilis heisst; und die peripatetisch geschulten speculativen Scholastiker möchten nicht unrecht gehabt haben, wenn sie in der von Aristoteles an der betreffenden Stelle vorgetragenen Lehre über den Nouxford studirt hatte, wirkte als Lehrer in Paris, und starb als Kanzler der Kirche in Lincoln. Ob und wo Baco zu ihm in nähere Beziehungen trat, lässt sich aus Baco's Aeusserungen nicht ermitteln; im Opus tertium wird er noch als lebend vorausgesetzt, - und mit ita quod totaliter dimiserunt vias antiquorum sapientum. Comp. stud. tlieol., 5. — Unter dem Terminus a quo der erwähnten vierzig Jahre versteht Baco augenscheinlich jene Zeit, zu welcher die Mendicanten in den Besitz von Lehrstühlen der Theologie an der Pariser Universität gelangten. Vgl. meine Schrift über Thomas v. Aquino I, S. 106. 1 Baco stellt diese seine beiden Lehrer den berühmtesten Weisen aller Zeiten zur Seite: Pauci sapientissimi fuerunt in perfectione philosopliiae, ut primi compositores et Salomon et deinde Aristoteles pro tempore buo; et postea Avicenna et in diebus uostris dominus Kobertus episcopus nuper Lincolnensis et fiater Adam de Marisco, qnia lii fuerunt perfecti in omni sapientia et nunquam fuerunt plures perfecti in philosophia. üp. tert., c. 2-2. 2 Daraus erhellt, dass a. 1249 nicht, wie es herkömmlich geschieht und bei JPrantl Gesch. d. Logik III, S. 10, Anm. 29 reproducirt wird, Wilhelms Todesjahr sein könne. Scribat sapientia vestra — schreibt Baco Op. tert. c. 2 an Tapst Clemens IV. — eis (d. i. den anmittelbar voraus- 502 Werner. Albertus Magnus zusammengenannt, jedoch so, dass er über diesen gestellt, ja sogar als der bedeutendste unter den christ- lichen Philosophen der Gegenwart bezeichnet wird.' Einer der Gründe, aus welchen Baco Albert dem Grossen keine vollffiltige wissenschaftliche Auctorität zuerkennen wollte, war wohl dieser, dass Albert kein Sprachenkundiger, und dem- zufolge in seinen philosophischen und naturwissenschaftlichen Arbeiten auf die Benützung der nach Baco's Dafürhalten un- crenüorenden Uebersetzuno-en der aristotelischen Schriften an- gewiesen war. Nach Baco kann es weder dem Philosophen noch dem Theologen erlassen werden, die Quellenschriften seiner Wissenschaft im Urtexte zu lesen und zu verstehen.2 Er nennt die Sprachen, deren Kenntniss für den Betrieb theologischer und philosophischer Studien nothwendig ist, die Gelehrtensprachen, deren er vier aufzählt: Griechisch, Hebräisch, Arabisch, Chal- däisch. 3 Wie ohne Kenntniss des Hebräischen und Chaldäischen kein correctes und erudites Verständniss der Bibel möglich ist, so ohne Kenntniss des Griechischen und Arabischen kein cor- rectes und irrthumsfreies Verständniss der Autoren, welche in jenen Sprachen schreibend Leuchten und Auctoritäten gött- licher Wissenschaft für alle nachfolgenden Zeiten geworden sind. Baco nennt die erwähnten vier Sprachen Linguas sapien- tiales; denn alle Weisheit, in welcher unmittelbar oder mittelbar göttliche Wahrheit niedergelegt ist, hat ihre schriftlichen Zeug- erwähnten beiden Gelehrten Albertus Magnus und Wilhelm Shyreswood) articulos operum quae misi et quae tangam in hac tertia scriptura, et videbitis, quod transibunt deeem anni, quam ipsi mittant vobis ea, quae scripsi. 1 Non est mirum, si distuli in tractando. Quod probare potestis (siehe vorige Anm.) per sapientes famosiores inter christianos, quorum unus est frater Albertus de ordine Praedicatorum, alias est magister Gulielmus de Shyrwode, thesaurarius Lincolniensis ecclesiae in Anglia, longe sapientior Alberto. Nam in philosophia communi nullus major est eo. 1. c. 2 Vocabula infinita ponuntur in textibus theologiae et philosophiae de alienis Unguis, quae non possunt scribi nee proferri nee intelligi nisi per eos, qui linguas sciunt. Et necesse fuit hoc fieri propter hoe, quod scientiae fuerunt compositae in lingua propria, et translatoi'es non inve- nerunt in lingua latina sufficientia vocabula. Op. tert., c. 25. 3 Prima igitur est scientia linguarum sapientialium, a quibus tota Latinorum sapientia translata est, cujusmodi sunt Graecum, Hebraeum, Arabicum et Chaldaeum. Comp. stud. philos c. 0. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaftslohre des Roger Baco. ")()."> nisse und Bekundungen in jenen vier Sprachen erhalten. ' Die Lateiner haben aus sich nur die geistliche und weltliche Juris- prudenz hervorgebracht. Das geistliche Recht ist jedoch einfach aus der Bibel des A. T. und N. T. und aus Aussprüchen heiliger Lehrer geschöpft, bietet somit nichts, was nicht aus den Quellen des geistlichen Rechtes ohnehin schon bekannt wäre. Die weltliche Jurisprudenz aber, unter welcher Baco das zu Bo- logna gelehrte römische Recht meint, ist eine entgeistete, ihrer philosophischen Quelle völlig unbewusste* Unterweisung in der Fertigkeit, die Verhältnisse des bürgerlichen Lebens zu ordnen und zu regeln.2 Die natürliche Folgerung aus dem Gesagten ist, dass der lateinische oder occidentalische Geist nur insoweit als er in jenen des Orients eingeht, sich Weisheit aneignen könne; das nothwendige Mittel hiezu aber ist die Erlernung der orientalischen Sprachen und des Griechischen, welches in der Bibel sowohl und in den griechischen Kirchenvätern als auch in Aristoteles3 ganz von der Weisheit des Orients durch- tränkt ist. Diese Aeusserungen Baco's stehen in vollkommenem Ein- klänge mit seiner schon oben erwähnten Anschauung, dass alle Weisheit auf Offenbarung beruhe, und die Wissenschaft der Gegenwart auf dem Grunde der aus der grauen Vorzeit auf die nachfolgenden Geschlechter vererbten Weisheitsüberlieferung 1 Latini nullum textura composuerunt, seil, neque theologiae neque philo- sophiae. Omnes textus facti sunt primo in Hebraeo bis, tertio in Graeco, quarto in Arabico. Op. c, c. 8. 2 Omnia, quae sunt in usu laicorum, sunt mechanica respectu pliilosophiae .... Quapropter ars juris civilis laicorum est mechanica respectu juris civilis philosophiae et non est pars philosophiae .... Cum mechanici omnes procedunt et negotiantur sicut bruta et sicut inanimata et sine causarum et rationum cognitione, ut Aristoteles dicit, manifestum est, quod juristae civiles laici, cum sint mechanici respectu philosopbautium, sunt respectu eorum bruta animalia et sicut inanimata, causas et rationes legum radicales ignorantes. Op. c, c. I . 3 Aristoteles in omni re constituit prineipium, medium et finem, sed in Creatore patrem et paternam mentem et amorem utriusque mutuum unam substantiam, deitatem indivisam in essentia, sed trinam in personis, sicut a Piatone magistro suo didicit, sed perfectius a libris Hebraeo nun et ab Hebraeis sui temporis, apud quos viguit lex Dei, et a quibus omnem sapientiam habuit, sicut ipsemet in libro de regimine regnorum asserjt evidenter. Op. c, c. 4. 504 Werner. stehe. Zugleich nimmt er aber liievon Anlass, Stellung zu nehmen gegenüber dem allgemeinen Bildungsstancle der abend- ländischen Kirche seiner Zeit, von welchem er ein höchst un- günstiges Bild entwirft. Dass hieran sein Widersatz gegen den in der Theologie zur Herrschaft gelangten logistischen Peripatetismus sehr grossen Antheil hat, ist nicht zu verkennen-, dieser Widersatz ist aber nicht zum geringsten Theile Ausfluss des Unabhängigkeitsgeistes der englischen Kirche, als deren preiswürdigsten Repräsentanten Baco Robert von Lincoln ver- ehrt. Das diesem Manne gezollte Lob schliesst schon an sich die Kritik der Zustände des Zeitalters Baco's in sich, und ist mit derselben bei ihm aufs Engste verwoben, so dass wir aus dem, was er zum Lobe Roberts sagt, zugleich auch schon ent- nehmen können, was er an den Zuständen der abendländischen Kirche seiner Zeit als Mangel und Gebrechen zu rügen hat. Er preist Robert als einen moralisch vollkommen selbstständigen Mann heiligmässigen Andenkens, ' als mustergiltigen Typus eines christlichen Weisen, als Repräsentanten einer leider unter- gegangenen besseren Zeit. Er steht nicht an, ihn den ersten Gelehrten seiner Zeit zu nennen;2 Robert habe alle Kenntnisse vereiniget, deren Besitz nothwendig ist, um sowohl die alten Weisen verstehen, als auch mit Erfolg die überlieferte Weisheit der Alten weiterbilden zu können.3 Allerdings gelangte er erst in vorgerückten Lebensjahren dazu, selbstständig grie- chische Bücher ins Lateinische übertragen zu können; indess wusste er der Wissenschaft auch in der früheren Periode seines Lebens zu nützen. Da ihn nämlich die schlechten Ueber- setzungen des Aristoteles an der Möglichkeit denselben richtig zu verstehen verzweifeln Hessen, wusste er durch selbsteigene 1 Possumus exemplum ponere in domino Roberto episcopo Lincolnensi et sanetissimae memoriae, cujus vitam pauci praelati imitantur, et cujus Studium ordines studentes et saeculares penitus neglexerunt. Compend. stud. philos., c. 5. 2 Solus unus seivit scientias, ut Liucolnensis episcopus. Op. tert., c. 10. — Nullus seivit scientias sicut dominus Robertus episcopus Lincolnensis per longitudincm vitae et experientiae, et studiositatem ac diligentiam. Op. tert., c. 25. Aehnlich lautende Stellen aus anderen Werken Baco's weiter unten. 3 Quia seivit mathematicam et perspectivam, et potuit omnia scire ; simul cum hoc, quod tautum seivit de unguis, quod potuit intelligere sanetos et philosophos et antiquos sapientes. Op. c, c. 25. Die Psychologie, Krkenntniss- und Wi»sonscaafts!ehre des Itoger liaco. , >l ). > Forschung* und durch Benützung anderer Autoren mehr als hinlänglich das zu ersetzen, was aus Aristoteles zu gewinnen war. ' In den letzteren Jahren seines Lebens berief er des Griechischen kundige Männer aus Süd-Italien nach England, und Hess Werke über die griechische Grammatik allwärts auf- kaufen; er veranstaltete Uebersetzungen der Schriften des Dio- nysius, Johannes von Damask und anderer griechischer Lehrer. Damit war freilich nur ein geringer Theil dessen geleistet, was die Lateiner bis jetzt zu leisten versäumten;'-' denn unzählige Schriften der griechischen Lehrer und Exegeten harren noch ihres Uebersetzers. Aehnlich steht es um die Schriften des Aristoteles, von welchen der weitaus grösste Theil bisher noch unübersetzt geblieben ist. Diese letztere Bemerkung lässt wohl erkennen, dass Baco in seinen Klagen über die verderbten Zustände der abend- ländischen Kirche seiner Zeit sich von Uebertreibungen nicht ferne zu halten weiss, welche zum Theile auch auf Rechnung einer unrichtigen und entstellenden Auffassung der gegebenen Sachlage gehen. Aus der Lebensbeschreibung des Aristoteles3 wissen wir — bemerkt Baco4 — dass Aristoteles gegen tausend Schriften (Volumina) verfasst habe; wir aber besitzen nur drei Volumina von erklecklichem Umfange, nämlich die Logicalia, Naturalia und Metaphysicalia. Nun lag es nicht allzuferne, zu vermuthen, dass die ungefähr tausend Volumina etwa dann sich ergäben, w*enn bei den von Diogenes Laertius und Anderen aufgezählten Schriften des Aristoteles die einzelnen 1 Dominus Robertus .... per propriara experientiam et auetores alios et per alias scientias negotiatus est in sapieutialibus Aristotelis ; et melius centies millesies seivit et scripsit illa, de quibus libri Aristotelis loquuntur, quam in ipsius perversis translationibus capipossunt. Comp. stud. pbil., c. 8. - Mirum est de negligentia ecclesiae; quia a tempore Damasi papae non fuit aliquis summus pontifex, nee aliquis alius inferior, qui sollieitus fuit de promotione acclesiae per translatioues nisi dominus praefactus epis- copus gloriosus. 1. c. Diese Klage gilt namentlich auch dem Umstände, dass seit Papst Damasus die Uebersetzung der Bibel aus dem hebräischen und griechischen Urtexte völlig vernachlässiget worden sei. 3 Diese hat zu ihrem Verfasser einen vom Verfasser des Almagest ver- schiedenen Philosophen Ptolomäus, der seine Angabe über die Zahl der Aristotelischen Schriften aus Audronicus schöpfte. Vgl. über ihn die Notizen in der Berliner Ausgabe der Opp. Aristo t., Tom. V, p. 1469. 4 Comp. stud. phil., c. 8. 506 Werner. Bücher oder Theile verschiedener Schriften als besondere Volumina gezählt werden; derngemäss konnte der bereits er- rungene Besitz der Logicalia; Naturalia und Metaphysicalia schon in quantitativer Beziehung in keinem so nachtheiligen Verhältniss zu den übrigen noch nicht erworbenen Schriften des Aristoteles stehen, als Baco es scheinen machen will. ] Freilich vermisst Baco unter den Logicalien die zwei nach seiner An- sicht wichtigsten Werke des Aristoteles, die Poetik und Rhe- torik, von welchen Hermannus Alemannus, der beide im ara- bischen Texte kannte, das eine wegen der ihm entgegentretenden unüberwindlichen Schwierigkeiten gar nicht zu übersetzen wagte, 2 das andere aber so schlecht übersetzte, dass seine Arbeit völlig unbrauchbar ist. Auch, die Metaphysik des Aristoteles besitzen die Lateiner nur unvollständig in zehn Büchern, da deren doch weit mehr seien. 3 Die Thiergeschichte des Aristoteles besteht, wie Baco aus Plinius4 zu erhärten sucht, aus fünfzig Büchern, welche Baco in der That im griechischen Texte gesehen haben will, während die Lateiner deren nur neunzehn, und diese in elender Uebertragung besässen. Da der heutige Text des Ari- stoteles nur zehn Bücher Thiergeschichte aufweist, so ist die Zahl von neunzehn Büchern wohl nur aus Theilungen der einzelnen Bücher entstanden; wenn Aehnliches mit den übrigen zoologischen Schriften des Aristoteles geschah, so mag die Zahl von fünfzig Büchern sich ergeben haben, welche aber nicht ausschliesslich Bücher der Thiergeschichte sein konnten. Auch 1 Gemässigter drückt sich Baco im Opus majus p. 14 aus: Nee aclhuc medietatem, nee partem meliorem (seil, librorum Aristotelis) habemus. 2 Librum Aristotelis de poetico argumento non ausus fuit interpres Her- mauus transferre in latinum propter rnetrorum difficultatem, quam non intellexit, ut ipse dicit in prologo commentarii Averrois super illum librum. Op. maj., p. 44. 3 De metaphysica non legunt Latini, nisi quod habent de decem libellis, cum multi alii sint, et de illis decem deficiunt in translatione, quam legunt, multa capitula, et quasi lineae infinitae. Comp. stud. phil, c. 8. 4 Siehe Plin. Hist. Natur. VIII, 17: Alexandro Magno rege inflammato cupidine animalium naturas noscendi delegataque hac commentatione Aristoteli summo in omni doctrina viro, aliquot millia hominum in totius Asiae Graeciaeque tractu parere jussa, omnium quos venatus, aueupia piscatusque alebant quibusque vivaria, armenta, alvearia, piscinae, aviaria in cura erant, ne quid usquam genitum ignoraretur ab eo; quos pereunetando quinquaginta ferme volumina illa praeclara de animalibus composuit. Die Psychologie, Erkenntni.-s- und Wissenschaftslehre des Roger Baco. .">! >7 in Bezug auf die Zahl der Bücher der Metaphysik zeigt sich Baco unrichtig informirt, wenn er neben den bereits vorhandenen zehn noch ,multos alios' voraussetzt. ' Auch fällt einigermassen auf, dass Baco die im Opus rnajus ausgesprochenen Klagen noch in seinen darauf folgenden Werken wiederholt, da er doch mittlerweile zur Kenntniss dessen hätte gelangen können, was in der That sowohl für die Erweiterung und relative Ver- vollständigung der Kenntniss der aristotelischen Schriften als auch für die Verbesserung des lateinischen Textes derselben, und endlich, namentlich durch Thomas Aq. für die Erklärung des Aristoteles geschehen war. Wir müssen die Einschränkungen, die seinem literarischen Verkehre durch die ihm missininstigen Ordensoberen sowie durch die nachfolgende zehnjährige Haft auferlegt wurden, als Erklärungs- und Entschuldigungsgrund gelten lassen. Baco bemängelt nicht bloss die ungenügende Kenntniss der aristotelischen Schriften in der Gegenwart, sondern be- klagt, dass sie von jeher in der lateinischen Kirche unbeachtet geblieben und vernachlässiget worden wären. 2 Einen Haupt- grund dessen will er darin finden, dass sie in Ermangelung einer lateinischen Uebersetzung den lateinischen Lehrern fremd bleiben mussten, w-ährend die Schriften Plato's, weil sie über- setzt vorlagen, in den Händen Aller gewesen wären. Er kann sich indess doch nicht verhehlen, dass auch die griechischen Lehrer der altchristlichen Zeit, welchen kein sprachliches Hin- derniss das Studium des Aristoteles wehrte, denselben mit ent- schiedener Ungunst behandelten, während umgekehrt Plato sichtlich der Gunst derselben sich erfreute. Er erklärt sich diese unverkennbare Thatsache daraus, dass die Polemik des Aristoteles gegen Plato sie im voraus gegen ersteren einnahm und vom Studium seiner Schriften abhielt;'5 hätten sie diese 1 Wie Baco die Zahl der bis dahin bekannt gewordenen Schriften des Aristoteles bei weitem nicht genügte, so schien er selbst die Zahl der kanonischen biblischen Bücher einer Mehrung fällig zuhalten: Vidi duos libros Macbabaeorum in graeco, videlicet tertium et quartum, et Scriptura facit mentionem de libris Samuel et Nathan et Gad Videntis et aliorum, quos non babemus. Op. maj., p. 34. 2 Op. maj., p. 14. 3 Quia intellexeruut, quod Aristoteles persecutus est sententias Platonicas, Aristotelem in multis reprobant et dieunt rationem haereses congregasse, 508 Werner. gekannt, so hätten sie auch ersehen müssen, um wie viel Ari- stoteles den Plato überrage, l und würden nicht um des Wenigen willen, was aus Plato zu gewinnen wTar, den unermesslichen Reichthum der geistigen Schätze, welche die aristotelischen Schriften in sich bergen, bei Seite haben liegen lassen. Baco hält die pseudoaugustinische Schrift de Categoriis für eine Arbeit Augustins und fragt, wie Augustinus, der schon dieser kleinen Schrift des Aristoteles so hohes Lob zollte, über denselben hätte urtheilen müssen, wenn er seine Leistungen in dem Um- fange, wie die gegenwärtige Zeit sie überschaut, kennen ge- lernt hätte! Indess beschränkten sich die altchristlichen Lehrer mit einer gewissen Absichtlichkeit auf die das Denken und die Sprache bildenden Seiten des philosophischen Studiums,2 und Hessen die eigentliche Realphilosophie bei Seite liegen, oder mahnten direct von der Pflege derselben ab, wie Ambrosius3 und Hieronyrnus 4 an gewissen Stellen ihrer Schriftcommentare. sicut Augustinus dicit in libro de civitate Dei (VIII, 12) ipsura adhuc magistro suo Piatone vivente multos in haeresin suam congregasse. Op. maj., p. 14. 1 Omnium philosophantium testimonio Plato nullam comparationem respectu Aristotelis noscitur habuisse. 1. c. - Sancti grammaticalia, logica et rhetorica et communia metaphysicae multum efferunt et abundanter in sacris utuntur .... sed de aliis parum et raro loquuntur, imo multum negligunt et negligi docent aliquando. 1. c. 3 Baco verweist auf einen der fälschlich dem Ambrosius zugeschriebenen Commentare über die Paulinischen Briefe, und hat hier die Glosse des Pseudo-Ambrosius zu Kol. 1, 3 im Auge: Omnem incredulum latet, in Christo esse omnem sapientiam et scientiam, quia non legunt in Evan- geliis astrologiam, non in Apostolo geometriam, non in Prophetis arithme- ticam nee musicam ; quae ideirco despeeta sunt a nostris, quia ad salutem non pertinent, sed magis mittunt in errorem et avocant a Deo, ut dum bis student ratiocinationum dispututionibus, animae suae curam non agant. Quae enim tarn vera sapientia, quam cognovisse quod prosit, et despexisse quod obsit? 4 In dem von Baco citirten Commentar des Hieronyrnus zum Paulinischen Briefe an Titus finden sich ein paar stellen, die sich hieher beziehen lassen. Baco, welcher Divination und Magie hoch hielt, konnte sicli durch die Bemerkungen des Hieronyrnus zu Tit. 1, 12 über Epimenides und den ihm zugeschriebenen Liber oraculorum nicht wohl angemuthet fühlen. Die Glosse des Hieronyrnus zu Tit. 3, 9 betrifft den Aristoteles als Dia- lektiker: Dialectici, quoruin prineeps Aristoteles est, solent argumen- tationum retia tendere, et vagam rhetoricae libertatem in syllogismorum Die Psychologie, Erkenntniss- uml Wissenscliaftslelire des Roger Baco, ;")<)!• Der Grund der Abneigung war der Widerstand, welchen das Heidenthum eben mit seiner natürlichen Vernunft- und Welt- weisheit dem neuerstandenen Christenthura allenthalben ent- gegenstellte. So kam es, dass die Kirche von der Welt- und Naturkunde einzig nur für unumgänglich nothwendige praktisch- kirchliche Zwecke Gebrauch machte; die Regelung des Kirchen- kalenders machte die Pflege astronomischer Studien nothwendig, zur Regelung und Ausbildung des Kirchengesanges bedurfte man der Musikkunde. Obschon Baco unverhohlen zu verstehen gibt, dass die alt- christlichen Lehrer die Philosophie nur von ihrer mindest wesent- lichen Seite gekannt hätten und in ihren eigentlichen Geistgehalt gar nicht eingedrungen wären, so will er doch nicht, dass man ihn des Mangels schuldiger Verehrung gegen sie, oder un- gebührlicher Unterschätzung ihrer preiswürdigen Leistungen zeihe.1 Er gibt ihnen vielmehr das Zeugniss, dass sie von dem, was sie aus der Philosophie sich aneigneten, den treff- lichsten Gebrauch machten, und dass sie, wenn sie heute lebten, die seither erschlossene Kenntniss der aristotelischen Philosophie ganz anders zu fördern und zu verwerthen bestrebt sein würden, als das gegenwärtige Geschlecht. Es war providentielle gött- liche Fügung, dass sie die Scientias majores der Philosophie nicht kannten; denn die Ueberzeugung von der heiligen Wahr- heit des Christenthums sollte sich nicht durch die Mittel mensch- licher Einsicht und Wissenschaft, sondern durch die Macht des Glaubens begründen. Die vom ungläubigen Heidenthum im Bunde mit der Philosophie gegen das Christenthum auf- gebotene Macht magischer Künste sollte durch göttliche Wunder- spineta concludere. Hi ergo, qui in eo totas dies et noctes ternnt, ut vel interrogent vel respondeant, vel dent propositionem, vel aeeipiant, assu- mant, confirment atque concludant, quosdam contentiosos vocant, qui ut libet non ratione sed storaacho disputent litigantium. Si igitur illi hoc faciimt, quid debet facere christianus, nisi omniuin fugere contentionem? Si saneti babuissent usum scientiarum philosophiae magnarum, aunquam cinercs philosophieos in tantum extulissent et ad sacros usus convertissenl ; quanto enim saneti meliores sunt et majores, tanto ad sacros usus aptiores. Sed quia ad mauus eorum non devenerunt libri nisi grammatici, 1 rhetorici et de conmiunibus philosophiae, ideo bis se juverunt secmidum gratiam eis datam; et quiequid poterant de bis landabiliter extrahere converterunt copiosius ad laudein Dei. Op. maj., p. l">. 510 Werner. thaten bewältiget, die der göttlichen Wahrheit widerstrebende natürliche menschliche Weisheit durch die Zeugnisse und Offen- barungen der göttlichen Weisheit überwunden werden. Sie Aviderstrebt aber nicht ihrer Natur nach Gott, gleichwie auch die natürliche Magie nicht ihrer Natur nach etwas Gottwidriges ist; Philosophie und Magie sind vielmehr ihrer Natur und Be- stimmung gemäss höchsten, heiligsten Zwecken dienstbar, und hatten demnach nach Ueberwindung des gottwidrigen Heiden- thums zum Heile der menschlichen Gesellschaft und zur För- derung der göttlichen Ehre in ihre angestammten Rechte ein- zutreten. Die Einsetzung der Philosophie in ihre natürlichen Rechte wurde indess durch die Saumseligkeit in der Ueber- tragung ihrer Quellenschriften nur allzusehr verzögert. Die späteren Lehrer, ein Gratianus, ein Petrus Lombardus, ein Hugo und Richard a Sancto Victore hatten eben so wenig als die altchristlichen Lehrer von jenen Quellenschriften Kenntniss, und vernachlässigten daher die Realphilosophie, legten sogar die vorurtheilsvollste Eingenommenheit gegen dieselbe an den Tag. Mit Recht hat man sich darüber zu wundern, dass das Widerstreben gegen sie auch jetzt noch fortdauert, wo von einem Nichtwissen um das Vorhandensein ihrer classischen Ur- kunden und Quellenschriften nicht mehr die Rede sein kann. An diesem Umstände tragen zum nicht geringsten Theile unstreitig die schlechten Uebersetzungen Schuld, die in der ungebührlichen Vernachlässigung solider grammatischer Studien oder sonstiger Unzulänglichkeit der Uebersetzer ihren Grund haben. l Zwar haben Gerard von Cremona, Michael Scotus, Alfred der Engländer, Hermann der Deutsche, Wilhelm der Vlamländer2 eine Masse Uebersetzungen von Werken aus allen 1 Op. tert., c. 25; Comp. stud. phil., c. 8. 2 Gulielmus Flemingus. Dieser Benennung wird Op. tert., c. 25 die Be- zeichnung substituirt: Translator Meinfredi nuper a domino rege Carolo devicti. Beidemale ist der Dominicaner Wilhelm von Moerbeka gemeint, der sich lange im Orient aufhielt und a. 1280 Erzbischof von Korinth wurde. Er gilt gemeinhin als der Verfasser der auf den Wunsch des Thomas Aq. angefertigten Uebersetzungen des Aristoteles aus dem grie- chischen Texte, übertrug aber auch sonst Vieles, Schriften des Galenus und Hippokrates, den Commentar des Simplicins über die Bücher de Coelo, und mehrere Werke des Proklus, deren Urtext seitdem verloren ging, ins Lateinische. Die Psychologie, Erkcnutniss- und Wissenscliaftsleurc des lloger Paco. 51 1 Wissenschaften geliefert; den Werth derselben glaubt jedoch Baco nicht tief genug stellen zu können. Schon der Umstand, dass die genannten Männer mehr oder weniger der Gegenwart angehören, ist für Baco ein Grund, über sie den Stab zu brechen. Er hält diese Zeitangehörigkeit auch bezüglich Ger- hards von Cremona fest, welcher laut Angabe des italienischen Chronisten Pipini a. 1187 starb, nach Baco jedoch noch von einigen seiner Zeitgenossen in deren Jugend gekannt worden sein soll. Dem Gerhard war der noch lebende Hermannus Alemannus befreundet, welcher Baco gestanden haben soll, dass er gewisse Bücher über die Logik aus dem Arabischen zu übersetzen nicht wagte, weil er sich auf Logik nicht verstehe. ' Hermannus habe aber, fügt Baco bei, auch das Arabische nicht verstanden, und sei seinem eigenen Bekenntniss zufolge mehr Gehilfe beim Uebersetzungsgeschäfte, als wirklicher Uebersetzer gewesen. An den Uebersetzungen, deren Verdienst Michael Scotus sich zuschrieb, gebühre, wie allbekannt, der Hauptantheil dem Juden Andreas. Wilhelm der Vlamländer will Ueber- setzungen aus dem Griechischen liefern; alle Pariser Gelehrten wissen, dass ihm jene Kenntniss des Griechischen, welche er sich selber beilegt, abgeht, daher er Alles falsch übersetzt und die Ursache unzähliger Missverständnisse wird. Allerdings hat er versprochen, seine Uebersetzungsarbeiten zu verbessern und neue zu veranstalten; Baco will sich aber durch Besichtigung der verbesserten und neuen Arbeiten überzeugt haben, dass Wilhelm sein Versprechen schlecht gehalten habe, und dasselbe zu erfüllen überhaupt nicht im Stande sei. Es fehle ihm an zureichenden Sprach- und Sachkenntnissen.2 Dieser Vorwurf gilt allgemein der gesammten zeitgenössischen lateinischen Gelehrtenwelt. Das lateinische Abendland hat nur einen einzigen sprachkundigen Uebersetzer aufzuweisen, den Boethius; und 1 Comp. stud. phil., c. 8. Ueber die etwas anders lautende Version dieser Erzählung im Opus majus p. 44 siehe Oben S. 50G, Anm. _. — Hermann der Deutsehe ist eine noch nicht hinlänglich aufgeklärte Persönlichkeit. In der eben angezeigten Stelle des Comp. stud. phil. wird er zum Biscl gemacht: Pleremannus Alemannus adhuc vivit episcopus. 2 Dieses Urtheil ist relativ noch immerhin milder, als jenes über Wilhelms Vorgänger, von deren jedem es bei Baco einfach heisst : Nee seivit scientias, neque linguas. 512 Werner. nur einen einzigen wahrhaft tüchtigen sachkundigen Gelehrten, den Robert von Lincoln. * Baco macht zur Erhärtung des Urtheiles, welches er auch noch über die letzten Uebersetzungsarbeiten des Vlamländers Wilhelm aussprechen zu müssen glaubte, den Umstand geltend, dass es für die Lateiner ungemein schwierig sei, von Arabern, Juden und Griechen als Feinden der Christen oder des latei- nischen Kirchenthums correcte und unverfälschte Texte zu er- halten; und wer zudem auch wegen Mangel an sprachlichen Kenntnissen von ihnen abhängig sei, sei überdiess noch der Gefahr ausgesetzt, in der Interpretation correcter Texte durch falsche Erklärungen getäuscht zu werden. Hier fällt Baco sichtlich wieder in den Ton der Uebertreibung. Man sieht nicht ein, welches Interesse die Griechen haben konnten, Wilhelm durch gefälschte Texte oder unrichtige Interpreta- tionen des Aristoteles zu täuschen; auch lässt sich an dem einen oder anderem von Baco angeführten Beispiele von Text- corruption oder ungeschickter Uebersetzung zeigen, dass er eine Textcorruption irrig voraussetzt, oder dem Uebersetzer unbilligen Tadel widerfahren lässt.'- Richtig ist, dass, so lange nur arabische Texte benützt werden konnten, die lateini- 1 Solus Boethius primus interpres novit plenarie potestatem linguarum. Et solus dominus Robertus novit seien tias. Op. maj., p. 34. — Aelinlicli Comp. stud. pbil., c. 8. 2 Baco glaubt (Op. tert., c. 8), die Aeusserung des Aristoteles in Meteor, lib. III (p. 372. a, lin. 26), dass eine Iris in den Mondstrahlen nur etwa zweimal in fünfzig Jahren erscheinen möge, aus einer Entstellung durch Textcorruption erklären zu müssen ; und doch steht diese Aeusserung auch in dem heutigen, durch genaueste Prüfung der Textüberlieferung fest- gestellten Texte. In der aristotelischen Schrift de Plantis lib. II (p. 821. a, lin. 32 ff.) ist vom ßeX^vtov die Rede. Die in Spanien aus einem arabischen Texte angefertigte Uebersetzung setzte für das angeführte griechische Wort das Wort belenum (spanisch: beleno). Baco (1. c.) bemerkt dazu: Belenus est hispanicum, et nullus Parisius aut in Anglia potest per illam translationein scire, quid est belenum ; cum tarnen diligenter quae* sivi, inveni, quod est jusquiamus (französ. jusquiame = hyoseyamos) seu semen cassilaginis. In Op. maj., p. 34, woselbst er dieselbe Bemängelung beibringt, fügt er weiter noch bei: Quae sicut multa alia prius ab Hispanis scholaribus derisus, cum non intelligebam, quod legebam, ipsis vocabula linguae maternae scientibus, tandem didici ab eisdem. ■i Die Psychologie, Erkenntniss- uml Wisscnschaftslelire des Roger 15.ico. 513 sehen Uebersetzungen derselben viele Wortcorruptionen, Corrup- tionen der Personennamen und völlig unverständliche Be- zeichnungen sachlicher Objecto aufwiesen. Die Schwierigkeiten der Arbeit und die Gefahren des Irrens in derselben waren eben für diejenigen, welche sie zuerst in Augriff nahmen, zu gross, als dass das zweifelsohne mit vielem Aufwand von Mühe und Anstrengung unternommene Werk sofort hätte gelingen können. Den auf stoffliche Mehrung der Erfahrungs- kenntniss gerichteten Sinn des Baco mussten allerdings die in jenen Uebersetzungen enthaltenen Verstösse und Irrungen auf das Unangenehmste und Peinlichste berühren; daneben war aber nicht zu übersehen, dass das Vcrständniss der philosophischen Gedanken des Aristoteles, sofern sich dieses durch eigenes Nachdenken ermitteln Hess, von der Beschaffenheit jener Uebersetzungen nicht abhängig war, und zudem nicht die Ermittelung der richtigen Meinung des Aristoteles, sondern die Anregung des selbsteigenen Denkens durch seine Schriften, und insgemein die Erweiterung des geistigen Gesichtskreises durch die in seinen Werken dargebotene Encvklopädie des menschlichen Gesammtwissens die Hauptsache war. Uebrigens wurde auch im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts für die Sammlung und Mehrung des stofflichen Wissens sachlich so viel geleistet, dass es einigermassen befremdet, Baco von der im Laufe eben dieses Jahrhunderts eingerissenen Verschlechterung der literarischen Zustände des lateinischen Abendlandes reden zu hören. Die Herabdrückung Alberts d. Gr. auf Kosten Roberts von Lincoln und anderer demselben näherstehender Männer beruht auf einseitiger Voreingenommenheit, die man nur dadurch ent- schuldigen kann, dass Baco etwas suchte und anstrebte, was weit über sein Zeitalter hinausgreifend von ihm selber nur unklar und dunkel, nicht so sehr gedacht als vielmehr geahnt wurde. Es muss ausdrücklich gesagt werden, dass Baco im Irrthuni war, wenn er glaubte, dass das ihm vorschwebende Ideal tiefer Natur- weisheit durch eine möglichst erschöpfende Ausbeutung der Erkenntnissquellen der alten Weisheit des Orients verwirklicht werden könne. Wir begreifen übrigens, dass ihn bei einer derartigen Richtung seines Denkens die zeitgenössische Gegen- wart unbefriediget lassen musste, und der in schwunghaft'' Aufnahme gekommene logistische Peripatetismus ihm als eine 514 Werner. bedauerliche Ablenkung von den Wegen und Zielen wahrer und ächter Weisheit erschien. Baco besteht darauf, dass Philologie und Sprachenkunde der Schlüssel zur Eröffnung der Erkenntnissquellen der wahren Weisheit sei. Die unentbehrliche Unterlage philologischer Ge- lehrsamkeit und aller gründlichen wissenschaftlichen Bildung insgemein ist eine solide Kenntniss der lateinischen Grammatik, * welche indess, wie aus Donat und Priscian zu ersehen, ohne Kenntniss des Griechischen gar nicht denkbar ist.2 Baco hat keine klare Vorstellung über das genealogische Verhältniss der Linguae sapientiales zu einander, in welchen die gesammte Culturtradition der Menschheit hinterlegt ist; er ist aber jeden- falls der Meinung, dass der tiefere Einblick in den Zusammen- hang der Linguae sapientiales zur Aufdeckung von Erkennt- nissen und Wahrheiten führen müsse, welche dem auf die blosse Kenntniss der lateinischen Sprache Beschränkten abgehen. Er entwirft kein schmeichelhaftes Bild von den zu seiner Zeit geltenden Auctoritäten auf dem Gebiete der lateinischen Gram- matik: Papias, Hugutio, Alexander Neckam, Brito; er wirft ihnen vor, und weist an einer Reihe von Beispielen nach, dass sie in der etymologischen Ableitung und Erklärung verschie- dener häufigst vorkommender Wörter, über deren Abkunft jeder wissenschaftlich Gebildete sollte Rechenschaft geben können, die crassesten Irrthümer sich zu Schulden kommen lassen, dass sie urlateinische Wörter aus dem Griechischen oder gar He- bräischen herleiten, umgekehrt aber an anderen Wörtern die griechische Abkunft oder Herübernahme aus dem Hebräischen nicht erkennen. Allerdings ist auch Baco selber über das Ver- hältniss des Lateinischen zum Griechischen nicht im Klaren, 1 Nara illa est mater omnium scientiarum, cujus potestas descendit in omnes scientias. Comp. stud. phil., c. 8. 2 Baco versuchte sich in Abfassung einer griechischen Grammatik, von welcher ein Bruchstück sich in Brewers Edition des Compend. stud. phil. (cap. 9 — 11 und Fragment des cap. 12) mitgetheilt findet. Nach Charles (Roger Bacon p. 358) befasste da3 Opus tertium als ersten Theil einen Tratactus de grammatica, welchem als besonderer Abschnitt eine grie- chische Grammatik angehörte; ein Bruchstück derselben fand Charles an drei Orten, in Douai, London und Oxford auf. Vgl. die Notizen über diese drei Codices bei Charles p. 66, 68, 76, sowie die Angaben über den Inhalt derselben, p. 358 — SGI). l)ie Psychologie, Erfcenntniss- und Wissenschaftslehre ilcs Roger Eaco. 515 da er von der für beide Sprachen vorauszusetzenden Ursprache noch keine Ahnung' hat; er missbilliget daher z. B. nicht die Ableitung- des lateinischen Dens vom griechischen 0::;, sondern nur die verfehlte Erklärung der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes/ welcher er die bessere durch Johannes Damascenus2 überlieferte zur Seite stellt. Der Mangel an gründlicher philologischer Bildung übt, wie Baco des Weitern nachzuweisen sich bemüht, auch eine nachtheilige Rückwirkung auf das Verständniss der Bibel. Ab- gesehen davon, dass die lateinische Bibelübersetzung manche hebräische Worte enthält, deren einige selbst in die liturgischen Formeln der Kirche übergegangen sind, und natürlich nur von den des Hebräischen Kundigen nach ihrer etymologischen Be- deutung verstanden werden können, abgesehen ferner davon, dass, wo der Text der lateinischen Uebersetzung an Corrup- tionen leidet, auf den Urtext zurückgegangen werden muss, um die richtige Emendation corrupter Stellen zu ermitteln, kommen in der lateinischen Bibelübersetzung Benennungen sachlicher Objecte vor, deren richtiger Sinn nur ermittelt werden kann, wenn man Sinn und Bedeutung des entsprechenden hebräischen Ausdruckes kennt. So verhält es sich insbesondere mit den biblischen Pflanzen- und Thiernamen. Es werden z. B. unter den unreinen Thieren aufgezählt: Chirogryllus, Nycticorax, Pelli- canus, Porphyrio, Onocrotalus. Bei dem Worte Chirogryllus 3 bemängelt Baco, dass dem des Griechischen unkundigen Vulgus theologorum sowohl die richtige Schreibung des Wortes, als auch der damit zu verbindende Realbegriff unbekannt sei. Das dem Griechischen entlehnte Wort bestehe aus fünf Sylben und beginne nicht mit c (man schrieb cirogryllus), sondern mit ch; bei den Griechen bedeute aber dieses Wort das Kaninchen, 1 Brito errat in priucipali expositionq vocabuli Theos, cum dical illud significare metum ; et sie dicit Eugutio et Papias, et quod doleo, Isidorus libro septimo (Etym. VII, 1). 1. c. 2 Joann. Damasc. De S. Trin. I, 5. 3 XoipoypuXXio?, die aus LXX in die Vulgata herübergenommene Ueber- setzung des hebräischen jS'i' in 3 Mos. 11, 5; 5 Mos. 30, 26. In Psalm 103, 18 übersetzt die Vulgata dasselbe Wort durch Erinaceus, in Sprichw. 30, 26 durch Lepus. Heute wird das hebräische }Zt gemeinhin auf den Hyrax Syriacus, Klippdachs, bezogen. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. III. Uli. 31 516 Werner. und auch die Hebräer haben es in den biblischen Stellen, welche von den unreinen Thieren handeln, so verstanden. Da das entsprechende hebräische Wort mehrdeutig- ist, so konnten in die Glossas interlineares der Bibel andere Thiernamen ein- dringen, welche jedoch ungehörig- sind;1 in Sprichw. 30, 26 aber hat bereits der älteste lateinische Uebersetzer geirrt, wenn er statt Cuniculns das Wort Erinaceus setzte. Eher Hesse sich an der genannten Stelle die gleichfalls unpassende Uebersetzung der LXX, welche dem Hieronymus zufolge einen den Hasen bezeichnenden Ausdruck setzte, entschuldigen.2 In Bezug auf die Deutung der vier übrigen Thiernamen muss, da die übrigen Baco zu Gebote stehenden Auctoritäten und exegetischen Mittel nicht vollkommen ausreichen, Plinius den entscheidenden Aus- schlag geben, und Baco's Deutung gegen jene des vielgetadelten Brito erhärten. Dein Nycticorax der LXX hat im Lateini- schen Bubo zu entsprechen,3 nicht Noctua, wie Brito will; der biblische Text nenne ausdrücklich die Noctua neben dem Nycti- corax, und Plinius4 kenne nur zwei Nachtvögel: Bubo und Noctua, daher Nycticorax mit Bubo indentisch sein müsse. In Bezug auf den Pelicanus wird Brito von Baco beschuldiget, denselben unter fälschlicher Berufung auf die LXX mit dem Porphyrio zu identificiren, während die LXX ausdrücklich beide Vögel neben einander nennen;5 richtig sei nur die Identification beider in den Interlinearglossen. Wohl aber müsse der Peli- canus als identisch mit dem Onocrotalus genommen werden, weil die Vulgata dort, wo im Griechischen der Porphyrio und 1 Als solche ungehörige Bezeichnungen macht Baco namhaft: Erinaceus und die Glosse: Animal spinosum majus erinaceo. Dieses Thier wäre, bemerkt Baco, eigentlich das Stachelschwein (Strix, soll heissen Hystrix). Er gibt von demselben folgende Beschreibung: Animal mediocris quanti- tatis, habens spinas longas aliquantulum, et cum irascitur, emittit eas et sagittat hominem infestantem. Comp. stud. phil., c. 8. 2 Secundum Pliuium (H. N. VIII, 81) nomen leporis est commune et habet diversa genera, quorum cuniculus unus est. 1. c. 3 In der That weist der revidirte Vulgatatext 3 Mos. 11, 17 Bubo auf. Das entsprechende hebräische D13 ist von den neueren Exegeteu und Lexikographen auf mehrfache Art übersetzt worden. 4 Plin. Hist. Nat. X, IG. 5 5 Mos. 14, 17. Die Psychologie, Erkenntniss- un vöGSv waauToo?, x.av y.r\ r.ooh'i vor;, -JMi-.x: rcpo? o;j;j.aTa>v r.ovöv, vost o' oOy ft t.'jqvi. - O'jx. i-ioi/z-xi vo^Tv o-jo=v aveu toi ^jv;/oj:, oö8' xveu vjjovou ~.x ;;.':■/ h / . ö/Ta. 1. c. p. 450 a, lin. 8. 3 Per viam argumentationis et admirationis eorporalium et quantorum iuvestigamus renim incorporalium notitiam, sicut dieit Aristoteles in •J Metaph. Op. maj., p. 47. 520 Werner. gefasst wissen, und erklärt sich im Geiste des psychischen Sen- sismus, der eine Abscheidung der Seelenkräfte vom Wesen der Seele verwirft, für ein innigstes Ineinandersein aller Kräfte der cognoscitiven Seele, der Imagination, des Intellectes und Willens.1 Demnach ist der Zweck aller Erkenntniss wesentlich ein ope- rativer Zweck, und zielt auf die Bethätigung des dem Menschen von Gott verliehenen Machtvermögens ab. Das höchste Macht- vermögen des Menschen ruht in seinem Worte,2 welches aus der Tiefe der Seele geschöpft und mit weihevoller Intention gesprochen, Wirkungen zu setzen vermag, welche den Wir- kungen der Seele auf den ihr eignenden Leib analog sind, und das menschliche Wort dem göttlichen Schöpferworte verähn- lichen.3 Wie in der Seele, liegt auch in dem aus der Tiefe der Seele geschöpften Worte eine magische Kraft, die dem Weisen zu Gebote steht. Der Weise ist wesentlich ein Magus, ein Könnender;4 im engeren Sinne schliesst der Begriff des Magus jenen des Naturkundigen in sich. Wir ersehen hier nun, wie sich die beiden von Baco empfohlenen und nrgirten Hauptinstrumente der menschlichen Erkenntniss und Wissen- schaft: Sprachkunde und Mathematik aus seinem Weisheits- ideale erklären, welches in die graue Vorzeit des Orients, nach Chaldäa und Babvlon zurückweist, und ihn als eine Art Neu- 1 Una est substantia, habens diversas operationes et diversa nomina, quoniam primo cognoscit et eadem appetit cognita, sicut Aristoteles vult, quod intellectus speculativus per extensionem fit practicus; quia quod theologi vocant rationem et voluntatem vel intellectum et affeetum, philosophus vocat intellectum speculativum et practicum Omnes operationes quicunque vel quantumcunque divisae fiunt ab eadem potentia agente, dummodo hae operationes sint ad invicem ordinatae, ut lucere et calefacere. ... In vanum potentia animae cognosceret veritatem, nisi posset eam amare. Comrrmn. Natur. I, Pars 4, fol. 85. 2 Opus animae rationalis praecipuum est verburn, et in quo maxime delec- tatur. Et ideo cum verba proferuntur profunda cogitatione et magno desiderio et recta intentione et cum forti confidentia, habent magnam virtutem. Nam cum baec quatuor contingunt, excitatur substantia animae rationalis ad faciendain suam speciem et virtutem a se in corpus suum et res extra et in opera sua et maxime in verba, quae ab intrinsecus formantur, et ideo plus de virtute recipiunt. Op. tert,, c. 26. 3 Verba habent maximam potestatem; et omnia miracula facta a principio mundi fere facta sunt per verba. 1. c. ♦ Per verba potest sapiens sapienter operari, et magicus magice. 1. c, Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenschaft^lchre des Roger Baco. 521 pythagoräer neben den mit Plato und Aristoteles sich ausein- andersetzenden peripatetischen Scholastikern erscheinen lässt. In dem Weisheitsideale Baco's spricht sich offenbar auch ein Ungenügen an den durch seine Zeit ihm dargebotenen Bildungs- elementen aus; ein unruhiger Drang erfüllt sein ganzes Wesen, er ist voll Klagen über die degenerirten Zustände der Gegenwart, ohne dass ihm, der doch selbst ganz innerhalb seiner Zeit stand, der tiefste innere Grund seiner Unzufriedenheit hätte klar werden können. Wir fühlen im Lichte der neuzeitlichen Weltbildung den Bann von uns hinweggenommen, dessen Druck auf Baco's xtnklarem Sehnen lastete. Wir haben als den wunderthätigen Magus den Zauberstab der Poesie kennen gelernt, welche als nationale Dichtung an die Stelle der in den mittelalterlichen Schulen als versificatorische Sprachkunst betriebenen latei- nischen Poesie trat, und der antiken Ueberlieferung den leben- digen Springborn der in heimisches Denken und Empfinden getauchten, in den Lauten der ureigenen heimischen Sprache sich austönenden poetischen Erfindung substituirte. Aus den wechselreichen Phasen der nachscholastischen neueuropäischen Philosophie hat sich der speculative Gedanke als das die gegebene Wirklichkeit in deren innerem verborgenem Wesen ergreifende und geistig beherrschende Weisheitswort der Seele herausgesetzt, welches in der Erfassung der im Bereiche des gegebenen Wirklichen sich offenbarenden göttlichen Ideen dieselben schöpferisch reproducirt, und das menschliche Denken den weltschöpferischen göttlichen Gedanken conformirt. Was Baco von der Macht des mit der Imagination geeinigten rationalen Gedankens sagte, ' war eine ins physiologische Gebiet abirrende Ahnung von der Macht des geistiges Ver- nunftgedankens, in dessen Macht sich der Mensch als gei- stiger Beherrscher der Welt, in die er gesetzt ist, bekundet. Baco kannte das vernunftbegabte menschliche Seelenwesen nicht als die lebendige Macht der tiefsten geistigen Innerung, 1 Secundum quod Avicenna docet octavo de animalibus, natura ohedit cogitationibus animae ; ut docet in exemplo de gallina, CTÜ ex gloria victoriae galli crevit cornu ex crure. Ex hoc igitur cognovimus, quod natura obedit cogitationibus animae sensitivae, ut ait ; sed longe magis obedit cogitationibus animae intellectivae, quae est dignior creatmarum praeter angelos. 1. c. 522 Werner. und wusste die ideal dtirchgeistete Phantasie nicht von der sinnlichen Einbildungskraft zu unterscheiden, weil er zu seinem eigenen Schaden sich von Plato völlig lostrennend wesentlich Empirist war. Daher kam es7 dass er der Magie des phantasievollen Geistdenkens die magische Praxis einer mystischen Naturweisheit substituirte, und in dem wahrhaft Naturkundigen eine Art Zauberkünstler sah, der mit den durch seine Einsicht ihm dienstbar gewordenen geheimnissvollen Natur- kräften operirt. Das specifische Object des menschlichen Erkennens ist nach Baco das körperliche Quantum als solches, dessen Dimen- sionen und Gestaltungen specifisch durch den Gesichtssinn appercipirt werden. Demzufolge bildet die Theorie des sinn- lichen Sehens die Unterlage seiner Erkenntnisstheorie, und diess um so mehr, da er das geistige Sehen und dessen verschie- dene Arten ganz nach Analogie des sinnlichen Sehens erläutert. Er nennt die zur Unterlage seiner Erkenntnisslehre gewählte Theorie des sinnlichen Sehens die Scientia perspectiva, als deren classische Gewährsmänner ihm Claudius Ptolomäus, der Spanier Alhazen, ' in Bezug auf die anatomisch -physiologische Be- schreibung des Auges auch der Mönch Constantinus und end- lich Avicenna gelten. Der Mittler der Apperceptionen des Gesichtsinnes ist der Sehnerv, der aus beiden Abtheilungen des Vordergehirns, der rechten und der linken, von der die- selben bedeckenden Pia mater in zwei Strängen ausgeht, und zwar so, dass der von der rechten Höhlung des Vordergehirns herkommende Nerv ins linke Auge, der von der linken Höhlung kommende Nerv ins rechte Auge gelangt. Baco lässt die beiden Nerven sich im sogenannten Selmervenloche des Schädelbeines kreuzen, wreil die auf Thierkörper beschränkte Anatomie seiner Zeit den wahren, noch innerhalb der Hirnschale gelegenen Ort der Kreuzung nicht kannte.'2 Den Grund der Leitung des 1 Alhazen (c. a. 1100), Verfasser einer Optik iu sieben Bücbern und einer Scbrift über die Strahlenbrechung, in welcber er das nach ihm benannte Problem: ,Auf welche Stelle hei krummen Linien der Strahl von einem Gegenstande fallen müsse, um zu dem an einem bestimmten Orte locirten Auge reflectirt zu werden' zu lösen versuchte. 2 Baco weiss überhaupt nicht um die Unterschiede zwischen dem Menschen- auge und jenem gewisser Säugethiere, an deren ausgeschnittenen Augen Die P.-.ychologie, Erkenntniss- und Wisscnschaftslehif des Roger Baco. 'l'.'i rechten Nervs ins linke Auge, des linken Nervs ins rechte Auge findet Baco darin, dass die Linie des Sehens eine gerade sein muss; desshalb dürfen die an ihrem Kreujzungspunkte zu- sammentreffenden Nerven nicht von der ursprünglichen Richtung abbeugen. l Der Sehnerv besteht aus drei übereinander ge- legten coneaven Hüllen, deren innerste von der Mater pia, die mittlere von der Mater dura ausgeht, während die dritte äussere Umhüllung von der Cutis cranii herrührt. Aus diesen drei Hüllen bilden sich die drei Hüllen des Auges, deren mau auch sechs zählen kann, wenn der rückseitige und der nach der Vorderseite sich erstreckende Theil derselben Hülle von ein- ander unterschieden werden. Von der äusseren Hülle des Auges verbindet sich der rückseitige Theil mit dem Augenbein, und heisst wegen seiner Härte die Sclerotica; der andere Theil, die Conjunctiva oder Consolidativa (Bindehaut) dehnt sich nach vorne bis zur Cornea oder der durchsichtigen Vorderseite der mittleren Hülle aus. Die Cornea ist der zweite vordere Theil der mittleren Hülle, deren rückseitiger Theil, Seeundina ge- nannt, aus Venen, Nerven und Arterien zusammengesetzt ist (Aderhaut, Choroidea). Mit Venen, Arterien und feinen Nerven ist auch der rückseitige Theil der inneren Hülle versehen, der sieh wie ein Hohlnctz ausbreitet (Retina), während der andere dichtere Theil sich sphärisch bis zur Vorderseite des Auges ausbreitet, aber in der Mitte der Vorderseite das Sehloch offen lässt. Er erlangt damit die Gestalt einer von ihrem Stengel abgerissenen Traubenbeere, woher sie auch den Namen Uvea hat. Von der Vorderseite der Uvea geht ein kleines zartes Netz einem Spinnengewebe ähnlieh aus, in welches der Krystall- körper gefasst ist (corpus glaciale, erystallinuni vel grandino- sum). Dieser besteht aus zwei Theilen; der innere rückseitige Theil, mit dem Nervenende sich berührend, gleicht geschmol- er seine Studien über die Beschaffenheit des Auges machte. Vgl. Op. maj., p. 202: Completa ostensio esset in corpore figurata ad niodum oculi .... Exemplum ad hoc potest esse oculus bovis et aliorum ani- malium, si quis vult experiri. 1 Si ille uervus, qui venit a dextera parte anterioris cerebri, iret ad dexterum oeulum, jain fieret angulus in nervo communi, ubi coneurrunt, et fieret nervus curvus et non recte extensus ad oeulum. Sed hoc impediret visum, quia visus semper eligit lineas reetas, quautum potest. < >p. maj., p. 197. 524 Werner. zenem Glase, und heisst desshalb Humor vitreus. Der vordere Theil, dem Eise, Krystalle oder Hagelkorne an Farbe gleichend, heisst Anterior glacialis, ohne besonderen Eigennamen. Ausser- halb der Spinnwebhaut erfüllt eine dem Albumen ovi ähnliche Flüssigkeit die vordere Concavhöhlung der Uvea, und berührt nach der einen Seite die Anterior glacialis, nach der anderen Seite in convexer Rundung die durchsichtige Cornea; diese Flüssigkeit heisst Humor albugineus. Das Auge hat sonach, wie drei Hüllen, so auch drei Humores, und die Bilder der Aussendinge werden durch diese drei Medien zur Endigung des Sehnervs, durch diesen aber dem Gehirne zugeleitet. Der Humor albugineus und Anterior glacialis sind heute als Ein Körper erkannt, welcher die Glasfeuchtigkeit heisst;' die von Baco's Gewährsmännern vorgenommene Dreitheilung der Hu- mores ist wohl aus den Bestreben einer harmonisirenden Gleich- ordnung der Dreizahl der Humores und der Hüllen des Auges zu erklären.2 Der Humor crystallinus heisst Pupille, in welcher die Virtus visiva zwar nicht grundhaft, aber doch initialiter enthalten ist; das Organum radicale ist der Nervus communis, d. h. der schon erwähnte Knotenpunkt der beiden vom Vorder- gehirne ausgehenden Sehnerven. Das Auge ist gemäss seiner Bestimmung, das Weltbild in sich aufzunehmen,3 ein sphärisch geformter Körper, dessen Gestaltung auch die Hüllen und Humores des Auges sich con- formiren. Der Humor vitreus und der Glacialis anterior sind 1 Der zwischen die Iris und die Cornea gefasste Humor aqueus wird in der von Baco gegebenen Beschreibung des Auges nicht als besonderer Humor erwähnt, sondern als der die Cornea berührende Theil des Humor albugineus genommen. Vgl. die mit der Beschreibung Baco's grössten- theils zusammenstimmende Abbildung des Auges nach Alhazen in den historischen Tafeln zur Anatomie des Auges von Dr. Hugo Magnus (Rostock, 1877), Tafel IV. 2 Der Humor vitreus wird nach Avicenna durch das Blut ernährt, der Humor crystallinus durch den Humor vitreus, der Humor albugineus ist ein Ueberschuss des Humor crystallinus. Op. maj., p. 199. 3 Cum oculus videt magna corpora ut fere quartam coeli uno aspectu, manifestum est, quod non potest esse planae figurae, nee alieujus nisi sphaericae, quoniam super sphaeram parvam possunt cadere perpendi- culares infinitae, quae a magno corpore veniunt et tendunt in centrum sphaerae, et sie magnum corpus potest ab oculo parvo videri. Op. maj., p. 206. Die Psychologie, Erkcnntniss- und Wissenschaftslehre des Roger Baco. 525 blosse Sphärensegmente, und zwar Segmente zweier von ein- ander verschiedener Sphären, wie sie auch zwei von einander verschiedene Körper sind. Die Convexität des Vitreus ist gegen den Glacialis anterior gekehrt, daher das Centrum seiner Sphäre gegen die Vorderseite des Auges fällt, während das Centrum der Sphäre des Anterior glacialis nach rückwärts in den Mittel- punkt des Augenkörpers fällt, welcher auch der Mittelpunkt der Cornea und des Humor albugineus ist. Das Centrum der Uvea fällt zwischen jenes des Humor vitreus und des Auges. Alle diese Centra liegen jedoch in derselben geraden Linie, welche von der Oeffnung der Uvea bis zu dem Punkte reicht, wo das Auge des Sehnervs sich in die Retina entfaltet; der Endpunkt des hohlen Sehnervs wird von Alhazen als das dem Sehloche entsprechende rückseitige Foramen bezeichnet, durch welches der in's Auge eingedrungene Strahl bis zum Gehirne geleitet werden soll. Der Anterior glacialis muss wie die Cornea und der Humor albugineus den Mittelpunkt des Auges zu seinem eigenen Mittelpunkte haben, weil er so zu sagen das Auge im Augenkörper ist, und die Cornea und der Humor albugineus zu- folge ihrer Diaphaneität die ihm unmittelbar dienenden Mittler der Licht- und Farbenapperception sind. In das Centrum des Auges kann aber nur der perpendiculär eindringende Licht- und Farbenstrahl gelangen, d. h. derjenige Strahl, welcher die Axe des Kegels constituirt, der durch die von den Endpunkten des Anschauungsobjectes ausgehenden und convergirend ins Auge einfallenden Strahlen, d. h. durch den kubischen Sehwinkel, gebildet wird. Alle übrigen vom Objecte ausgehenden Strahlen fallen schief ein, und müssten sich im Centrum des Auges kreuzen, so dass der von der linken und von der unteren Seite des Gegenstandes ausgehende Strahl im Auge nach rechts und nach oben die Richtung nähme, und umgekehrt der von der oberen und von der rechten Seite des Objectes kommende Strahl die Richtung nach links und nach unten, wenn nicht alle diese seitlich kommenden Strahlen im Humor vitreus derart gebrochen würden, so dass sie von ihrer ursprünglichen Richtung abgelenkt mit dem perpendiculären Hauptstrahle erst im Nervus communis zusammentreffen.1 Daraus erklärt sich nunmehr auch, wesshalb Op. maj., p. 215. 526 Werner. der Humor vitreus dichter sein, und die sphärische Krümmung desselben eine andere als jene des Glacialis anterior sein muss, weil er nur unter diesen Bedingungen den bis zum Anterior glacialis vorgedrungenen schief einfallenden Strahl brechen, ' und zwar so brechen kann/2 dass derselbe an dem bezeichneten Punkte mit der Axe des vorerwähnten Kegels zusammentrifft. Baco hält die durch den Eintritt des Strahles in den Humor vitreus veranlasste Brechung des Strahles für die einzige, welche der zum Auge gelangte Strahl erleidet, und fügt weiter noch bei, dass er keine andere als diese einzige erleiden könne, weil der hohle Sehnerv ganz vom Humor vitreus erfüllt sei, also das dem Auge zugemittelte Bild des Dinges in dem- selben Medium bis dorthin bewegt werde, wo es Gegenstand der Apperception für die Seele wird.3 Das Auge verhält sich im Sehacte zugleich activ und passiv;4 passiv in der Reception der Farben- und Lichtein- drücke, activ in der Ausstrahlung seiner Sehkraft, wodurch die ans Auge herandringenden Licht- und Farbenbilder zur Reception in dasselbe zubereitet werden sollen. Denn das Auge ist ein edlerer Körper als die sinnlichen Objecte, deren Species es in sich aufnehmen soll; von der Seele durch wirkt hat es 1 Humor vitreus est spissior anteriori glacialis, quoniarn oportet, quod species, quae non est perpendicularis, frangatur in eo inter perpendi- culareni ducendam a loco fractionis et inter incessum rectum. Op. maj., p. 205. 2 Est portio minoris sphaerae, quatenus centrum sphaerae ejus sit diversum a centro anterioris glacialis, quoniarn hoc necesse est propter fractionem praenotatam. 1. c. 3 Et in hoc est miranda potestas virtutis animae — fügt Baco bei — quod facit speciem sequi tortuositatem nervi, ut secundum lineain fluat tortuo- sam, non secundum rectam, sicut facit in corporibus animatis. Dum enim est in medio inanimato, semper vadit secundum vias rectas; sed propter necessitatem et' nobilitatem operum animae species in medio animato tenet incessum medii, et derelinquit leges communes multiplicationum naturalium, gaudens privilegio animae speciali. Op. c, p. 215. 4 Aristoteles, qui voluit certificare de singulis secundum possibilitatem sui temporis, reprobavit utramque opinionem de visu, seil. Stoicorum, qui posuerunt eum esse tantum passivum, et Platonicorum, qui voluerunt esse tantum vel principaliter activum et erronee. Sed unam seil. Stoicorum libro de animalibus destruit, aliam Platonicorum libro de anima. Op. maj., p. 216. Die Psychologie, Erkenutniss- uiul Wissenschaftslehre dos Roger Baco. 527 gewisser Massen auch etwas von der Natur der Sude an sich, es ist nicht ein roher, sondern ein seelenhaft durchgeisteter Körper. Licht und Farbe sind zwar nothwendige Bedingungen der Sichtbarkeit der zu sehenden Körper, stellen aber zum eigentlichen Ziele des Sehactcs, welches in der Apperception der Fornmmrisse und der Gestaltung des quantitativen Objectes besteht, in einem rein werkzeuglichen Verhältnisse. Daher hat denn auch der Humor glacialis, obschon der Farbe und des Lichtes nicht entbehrend, von beiden nicht mehr eigen, als dem Gesichtssinne zur Apperception der durch das Licht sichtbar gemachten Körper nothwendig ist;.1 und würde im entgegen- gesetzten Falle von Licht und Farbe überwältiget gar nichts appercipiren. 2 Er muss vielmehr durch die von ihm ausgestrahlte Sehkraft die an das Auge von allen Punkten des gesehenen Objectes herandringenden Licht- und Farbestrahlen so weit durchgeisten, dass sie eine Apperception der Formen des durch sie dem Auge nahegebrachten Objectes zulassen. Wie von jedem Punkte des beleuchteten Objectes Farbenstrahlen ausgehen, unter welchen diejenigen, die in der Richtung zum Auge hin sich bewegen, von diesem recipirt werden, so gehen umgekehrt von I der Oberfläche des Humor glacialis unzählige Sehstrahlen aus, so dass dem in das Auge von Aussen eindringenden Strahlen | kegel ein vom Auge ausgestrahlter Strahlenkegel begegnet, 1 Medium et sensua non debent habere natura s sensibilium, quorum speciea debent suscipere, ut judicent de sensibilibus per eas; unde humor gla- cialis non habet naturam aliquam lucis vel coloris sub illo gradu, quem habent res visibiles extra. Nam licet oculus habet lucem, hoc est respectu coloris videndi, non respectu lucis, quia patiens non habet actu, seil in potentia, quo assimilatur agenti; nee habet glacialis anterior aliquem gradum coloris, quo assimiletur vere coloratis extra, de quibus habet judicare, licet habeat oculus in suis humoribus et tunicis quoddam esse coloris debile, per quod colores phantastici aliquando appareanl sed bene habet figuram et quantitatem et corporeitateiu et alia sensibilia communia, quae ei competunt, et ideo nee est natum reeipere species horum, nee ipsa sunt activa. Op. c, p. 228. 229. 2 Quamvis Aristoteles dicat in seeundo de anima, quod ultima perfectio omnis sensus est, quod ejus instruinentum est medium sensibilium, tarnen ille gradus medietatis non invenitur in rebus sensibilibus, quia si inveni- retur et fieret ejus species in sensum, non judicaret sensus de Lila medie- tate; et ideo visus non potest species rerum reeipere, ut judicet per eas de rebus, quarum naturae siiniles sunt in visu. i»p. ,-.. p. l'-J'J. 528 Werner. welcher jene zubereitende Vergeistigung der ins Auge ein- dringenden Licht- und Farbestrahlen bewirkt.1 Baco nennt diese vom Auge ausgehende Strahlung die Species visus, und lässt von jedem Punkte der Oberfläche des Humor glacialis unzählige Strahlen ausgehen, jedoch so, dass derjenige Strahlenkegel, dessen Axe in der Hauptlinie des Auges, d. h. der Centra der sphärischen Krümmungen des Augenkörpers und seiner Haupt- bestandteile liegt, die Hauptstrahlung ist, mittelst deren die Action des Sehens eigentlich zu Stande kommt.2 Das Sehen ist ein judicativer Act, welcher aber Art- und Gradunterschiede seiner Vollkommenheit zulässt. Das Sehen ist entweder ein Erkennen solo sensu, oder ein Erkennen per scientiam, oder endlich ein Erkennen per sollogismum.3 Bei der Cognitio solo sensu handelt es sich lediglich um ein rich- tiges Sehen und Erkennen des Dass oder des thatsächlichen Vorhandenseins oder Statthabens von irgend etwas ; die Cognitio per scientiam lehrt uns das Was eines Dinges oder das Sein desselben im Unterschiede von anderen Dingen erkennen; die Cognitio per syllogismum endlich ist die allseitig vermittelte Erkenntniss des Dinges. Alle diese Arten des Erkennens können beim physischen Sehacte statthaben, weil physisches und geistiges Sehen beim Menschen aufs innigste ineinander verschlungen sind, und das eine aus der Idee des anderen sich verdeutlichet, und umgekehrt. Bezüglich des physischen Sehens ist der Unter- schied jener drei Arten der Erkenntniss von der Art und Form 1 Species rerum mundi non sunt notae statim de se agere ad plenam actionem in visu propter ejus ignobilitatem. Unde oportet quod juventur et excitentur per speciem oculi, quae incedat in loco pyramidis visualis, et alteret medium ac nobilitet, et reddat ipsum proportionale visui, et sie praeparat incessum speciei ipsius rei visibilis, et insuper eam nobilitat, ut omnino sit conformis et proportionalis nobilitati corporis animati, quod est oculus. Op. maj., p. 217. 2 Quamvis species oculi jaceat in forma pyramidis, cujus conus est in oculo, et basis stat super omnes partes rei visae, tarnen a superficie glacialis fiunt pyramides infinitae, quarnm omnium una basis est, et earum coni cadunt in singula puneta rei visae, ut sie videantur omnes partes visibilis in ea fortitudine, qna fieri potest. Et tarnen una pyrami3 est principalis, seil, illa, cujus axis est linea transiens per centrum omnium partium oculi, quae est axis totius ocnli; nam illa certificat omnia. 1. c. 3 Op. maj.. p. 329 ff. Die Psychologie, Erkenntniss- uml Wissenschaftslehro des Roger Baco. 1529 der mit dem Sehacte verbundenen judieativen Thätigkeit ab- hängig, welche entweder eine blosse Thätigkeit des Sinnes, l oder ein Act der den Sinneseindruck verdeutlichenden und er- klärenden Denkthätigkeit ist. Eine Cognitio per scientiam und per syllogismum kann nach Baco auch dem Thiere nicht ab- gesprochen werden, und ist demselben zufolge der Virtus cogi- tativa eigen, von welcher wir oben vernahmen, dass sie der Anima sensitiva als solcher zukomme. Allerdinus bemerkt Baco ausdrücklich, dass nur jene Cognitio per scientiam et syllo- gismum, welche beim judieativen Acte des Sehens statthabe, dem Thiere zugeschrieben werden könne, nicht aber diejenige, welche in den Functionen des logischen und mathematischen Denkens oder des physikalischen Erkennens sich bethätige, 2 so dass also das rationale Erkennen als solches doch immer ausschliesslich dem Menschen allein vorbehalten bleibt. Wenn aber dieses durch Urtheil und Schluss vermittelt wird, so sucht Baco zu erhärten, dass auch bei den Thieren eine den Thätig-- keiten des menschlichen Urtheilens und Schliessens auffallend ähnliche Thätigkeit hervortrete, welche von jener des Menschen sich dadurch unterscheide, dass sie nicht aus freier Deliberation, sondern aus der natürlichen Strebethätigkeit des Thieres her- vorgehe.3 Der Unterschied zwischen Mensch und Thier be- steht also wesentlich nur darin, dass der Mensch die geistige 1 Der Sinn orientirt sich an den perpendiculär einfallenden Licht- und Farbenstrahlen : Nam oculus aut non judicat aut male per solas lineas non perpendiculares propter debilitatem speciei venientis per illas, quam vis tarnen illae coneurentes cum particularibus abundantius operentur ad cogni- tionem visibilis. Op. maj., p. 209. 2 Op. maj., p. 252. 3 In Bezug auf das dem Thiere eigene Analogem des menschlichen Ratioci- nations- und Schlussvermögens bemerkt Baco : Videmus simias oft'ensas parare insidias hominibus, et multa ordinäre ad hoc, ut sequantur vin- dietam, et ideo colligunt unum, quod intendunt, ex multis. Videmus etiam araneas ordinäre telam, et non quoeunque modo, sed per variaa texturas geometricas, ut muscae involvantur de facili. Et lupus devorat terrain ut sit ponderosior, quando capit equum vel taurum vel cervuin per nares, ut vi ponderis terrestris facilius deprimat animal atque detineat. Atque vidi murilegum, qui desideravit pisces natautes in magno vase lapideo, et cum non potuit propter aquam deprehendere eos, abstraxit clepsydram et deduxit aquam, donec vas siccabatur, ut sie in sicco pisces caperet; plura ergo opera hie coneepit, ut finem intentum haberet. Op. c, p. 253. 530 Werner. Realität sieht, welche das mit einer blossen Sinnenseele begabte Tliier nicht zu appercipiren vermag-. Aber wie appercipirt der Mensch die geistige Realität? Wir hörten schon oben, dass Baco die Unterschiede zwischen Visio recta, fracta und reflexa des Sinnenauges auch auf das geistige Erkennen überträgt, und dem Menschen im Unterschiede von Gott und den Engeln bloss eine Visio reflexa der geistigen Dinge zuerkennt. Die durch die Visio reflexa vermittelte Intellectiverkenntniss ist aber keine andere als die durch die sinnliche Erfahrung vermittelte Erkenntniss, ' rücksichtlich deren nur zu fragen wäre, welche Bedeutung den aus der sinnlichen Erfahrung geschöpften All- gemeinbegriffen beizulegen sei. Denn Baco spricht auch den Thieren die Apperception von Allgemeinbegriffen nicht ab,2 welchen also nur, wie wir ergänzend beizufügen haben, das Bewusstsein um das Innehaben solcher Allgemeinbegriffe ab- gehen würde. Hierauf indess reflectirte Baco nicht, und so konnte er nur bei der vorerwähnten Frage stehen bleiben, auf die er uns schon die Antwort andeutet, wenn er bemerkt, dass auch beim geistigen Sehen das durch die sinnliche Em- pirie ermittelte Resultat des Sehens ein sehr geringes sei, und menschlicher Unterricht und göttliche Erleuchtung nachhelfen müsse, um die auf dem Wege der Erfahrung angebahnte In- tellectiverkenntniss zu dem für den Zeitmenschen erreichbaren Vollkommenheitsgrade zu erheben.3 Gehen die Modi des gei- stigen Sehens jenen des physischen Sehens parallel, so muss 1 Sicut speeulum cooperatur ad visionem propter suara aptitudinem, et dat speciei occasionem multiplicandi se in oculum, ut fiat visio, sie corpus animatum anirna sensitiva ex sua proprietate et idoneitate adjuvat animam intellectivam in sua cognitione, et dat ei Cognitionen) a parte ista, quam intellectus ex sensu corporali depreliendet , et ideo cognitio hominis, quantaeunque sit perfecta, est debilior angelica ex hac causa, et merito potest dici specularis propter dietam similitudinem. Op. c, p. 2G8. 2 Bestiae multae .... cognoseunt unum universale ab alio,- ut hominem a cane vel ligno, et individua ejusderu speciei distinguunt. Op. c, p. 252. 3 Cum triplex est visio, seil, solo sensu, scientia et sylloglsmo, necesse est homini, ut triplicem habeat visionem. Nam solo sensu pauca cognoseimus et parum .... Similiter aeeidit in visione spirituali; nam quod homo seit solo sensu, modicum est, quoniam iudiget duplici cognitione praeter istam, seil, per doctores a juventute usque ad Senium .... et tertia cognitione indigemus, quae est per divinam illumiuationem. Op. c, p. 268. Die Psychologie. Erkenntaiss- und Wisseiischaftslehre des Roger Baco. 531 der mit dem physischen Sehen verbundenen Cognitio per scien- tiam die göttliche Erleuchtung, der in der Cog-nitio per syllo- gismuni vermittelten Sehapperception der allseitig orientirende menschliche Unterricht entsprechen. Ist der menschliche Geist- gedanke des Dinges ein Werk der göttlichen Erleuchtung, so gehört er nicht der Seele als solcher an; er ist nur ein durch das Sinnesobject vermittelter Reflex des göttlichen Gedankens von dem Dinge in unserer Seele, aber ein Reflex, zu dessen Erzeugung in uns unmittelbar Gott selber concurrirt, und uns so den in ihm präsenten Wahrgedanken des Dinges schauen macht. Diese Anschauung geht dem Thiere ab; das Thier appercipirt wohl die Gleichartigkeit der unter eine bestimmte Species fallenden Sonderobjecte, es fehlt ihm aber das Organ für die Wahrnehmung dieser Gleichartigkeit als solcher und unabhängig von der individuirten sinnlichen Erscheinung — es fehlt ihm mit anderen Worten das geistige Auge, dessen Sehstrahlen das im individuellen Sonderdinge ausgedrückte spe- cifische Wesen aufzugreifen haben, so wie in ihm auch der Ort fehlt, in welchem das geistig aufgegriffene Wesen des Sonder- dinges hinterlegt werden könnte. Dieser Ort ist der Intellectus possibilis; die aus dem menschlichen Intellecte auf das speci- fische Wesen des Dinges fallende Geiststrahlung aber ist die Lichtstrahlung des Intellectus agens oder des göttlichen Logos, der, wie er das Ding wirkt, so auch den Gedanken desselben in unserem Geiste hervorbringt. Von diesem Gesichtspunkte aus haben wir nunmehr die von Baco gegebene Kritik der conceptualistischen Universalien- lehre zu verstehen, auf welche die speculative Scholastik sich stützte. Baco verwirft nicht die metaphysische Wahrheit des Allgemeingedankens, ' die ja selbst von der thierischen Seele dunkel appercipirt wird; aber die wesenhafte Realität desselben fällt ihm mit jener des göttlichen Denkens zusammen, so dass für sie ausserhalb dieses kein Ort bleibt. Die Gleichartigkeit eines 1 Falsa est propositio: Quicquid est in singulari, est singulare. Nam Ar teles in quarto Physicorum distinguit modos octo essendi in, et unu? est, sicut singulare in universali, et alius sicut universale in singulari; ergo contradieunt Äristoteli .... Item seeundum hoc essent sola individua sub genere et nulla species, ergo tolleretur unum de universalibus famosis, quod esse non potest. Commuu. Natur. I. Pars 2, I>i.'!.» auch in die höhere Region der übernatürlichen Glaubenswelt zu werfen. Diese letzteren Aufschlüsse sind nun allerdings nicht so belangreich, als Baco sie hinstellt;1 sie beschränken sich in den von Baco gegebenen Proben auf einige analogische Erläuterungen der höheren übernatürlichen Glaubens weit und der allgemeinen kosmischen Ordnung, so weit diese das Ver- hältniss der sichtbaren natürlichen Wirklichkeit zur unsicht- baren geistigen Welt, und alles Geschaffenen insgemein zum göttlichen Sein und Wirken betrifft. Die wesentlichsten, aus der mathematisch-physikalischen Optik Baco's geschöpften Er- läuterungen dieser höheren allgemeinen Verhältnisse sind schon im Vorausgehenden beigebracht worden; sie beweisen, dass Baco dem Piatonismus, welchen er auf erkenntnisstheoretischem Gebiete abwies, gleich seinem Lehrer Robert auf dem Gebiete der philosophischen Weltlehre die volle Berechtigung einräumte; freilich ist es nicht der von Aristoteles bekämpfte Plato, sondern der Neuplatonismus in der theils von Augustinus, theils von den Arabern adoptirten Fassung, an welchen er sich anlehnt. Die ihm mit Robert von Lincoln gemeinsame Anschauung vom Intellectus agens als Erleuchter der Seelen bringt ihn auch in ein näheres Verhältniss zu Wilhelm von Auvergne, welchem er aber freilich wieder nach einer anderen Beziehung zufolge seiner exclusiven Bevorzugung der Mathematik fast antithetisch gegenübersteht.- Die ihm mit Robert und Wilhelm gemein- samen Aeusserungen über die Schwäche des menschlichen In- tellectes, welche der speculativen Logik des Conceptualismus gelten, zielen bei ihm auf die Empfehlung der Mathematik als des wahrhaften, eigentlichen Denkinstrumentes ab, und dienen nebstbei seiner Betonung der Bedeutung der individuellen Sin- gularität als des eigentlich Seienden. In beiderlei Beziehungen steht er auch seinem Ordensgenossen Johannes Bonaventura 1 In scriptura nihil tantum multiplicatur sicut ea, quae pertinenl ad oculum et visiouem, ut manifestum est perlegenti; et ideo nihil magis necessarium est sensui naturali et spirituali, sicut scientiae perspectivae certitudo. Op. maj., p. -66. 2 Vgl. uns. Abhandlung über Wilhelms v. Auvergne Verhältniss zu den Platouikern des zwölften Jahrhunderts. Sitzungsber. LXXIV. Bd., S. 124 ff. (Separatabdr. S. 6. ff.; 536 Werner. nicht allzuferne, ' sofern dieser unter Verwerfung einer Plura- lität der Ideen in Gott dem göttlichen Denken eine directe und unmittelbare Beziehung auf das Einzelne als Solches gibt, und die rhythmisch-musikalischen Verhältnisse des Weltganzen als eines polysymphonischen Nachhalles der absoluten Harmonie des Einen und Einigen göttlichen Seins zum Inhalte des gött- lichen Weltgedankens macht. Duns Scotus, der seine Abkunft aus der Oxforder Schule deutlich zu erkennen gibt, weist eben desshalb, wie wTir bereits mehrfach hervorhoben, unverkennbar auf Baco zurück; significante Kennzeichen der gemeinsamen Schule sind das Interesse des Duns Scotus an der Grammatik und seine mathematische Schulung; nur steht bei ihm das Interesse an der Grammatik im engsten Zusammenhange mit jenem an der Logik, und das Interesse an der Mathematik ordnet sich jenem an der Ontologie und Metaphysik unter. Für ihn ist nicht, wie für Baco, das quantitative Sein oder die Quantität als solche, sondern das Sein als solches das dem menschlichen Intellecte' adäquate Denkobject; wohl aber tritt in seinen Eintheilungen des Seienden die Quantität als die erste aller Accidenzkategorien und als die Mensur derselben in den Vordergrund.2 Daneben hebt nun freilich Duns Scotus auch den relativen Vorzug der Qualitätskategorie vor der Quan- titätskategorie hervor, :i während Baco die Qualitätskategorie in den beiden Kategorien der Substanzialität und Quantität aufgehen zu lassen sich gewillt zeigt. 1 Vgl. uns. Abhandlung über die Psychologie und Erkenntnisslehre des Joh. Bonaventura. Sitzungsber. LXXXII. Bd., S. 152 ff. (Separatabdr. S. 48 ff.). 2 Ens dividitur prima sui divisione in ens, quod non est nisi esse purum, et in ens, cui convenit esse seu quod habet esse .... Sicut autem ens, cui convenit esse, est unum genus metaphysicum. ad decem praedicamenta, sie aeeidens universaliter aeeeptum est genus metaphysicum ad novem praedicamenta aeeidentium; et hoc. genus dividitur sicut alia duo jam dieta in aeeidens, quod est alicujus simpliciter absque alio addrto, et hoc est quantitas, et in aeeidens, quod est alicujus per aliud et sie per ad- ditum, ut sunt omnia alia aeeidentia a quantitate, quae non insunt sub- stantiae nisi per quantitatem. Rer. prineip. qu. 1!», art. 1. 3 Substantia et est subjeetum aeeidentium, et est perfectius eis, quia causa efficiens. Quoad primum est in potentia, quoad seeundum actu. Secun- dum primum quantitas est immediatior, et seeundum seeundum qualitas. Theorem. 7. Die Psychologie. Erkenntniss- und Wissensehaftslehre des Boger Baeo. Die absolute Bevorzugung der Quanti: allen übrigen Accidenzkat« _ ien hängt bei Baco mil - Bestreben zusammen, die mathematische Schulung als die Fun- damentalbedingung aller • schaftlichen Bild .._ erhärten. Zu dem Ende sucht er alle übrigen A _ n auf die Quantitätski _ - znrückzufühj da nun letzl • ohne Mathematik nicht verstanden werden kann, so folgt 5, dass auch alles unter die übrigen Accidenzkategorien Fallende ohne Mathematik nicht verstanden werden könne. Der g ss I .eil der unter die f^ualitätskategorie fallenden Auss g _ »rt der Quantitätskategorie an:: die Kai _ /'. it und 5 Ortes sind Annexe der Quantitätskategorie, nicht miuder tragen alle nennenswerthen Relationsaussagen den Charakter von Quan- titätsbestimmungen an sich." In unserem natürlich ,ien Erkennen muss die Quantitätskategorie - _ 3 M im für die geistige Erfassung des der Substanzk tegori Seins darbieten: denn wir erkennen die geistigen Substanzen nur nach Analogie der körperlichen, letztere aber fallen als solche unter das Grundmaass der quantitativen Besrirumtke: Hieraus ergeben sich nun eigentümliche V gerung betreffs der Werthbestimmung der Log in deren Bereich die Kategorienlehre gehört. Die ganze aristotelische Logik si auf die Kategorienlehre als deren ontologische Voraussetzuj _ 1 Op. iuaj., p. 4."). - Major pars praedicamenti qualitatäs eontinet passiones el tates quantitatum. qnia omnia, quae sunt in qnarl _ nere qnalita: - -.mir qualitates iu quantitatibus. et omnes passiones eamm. qua - lote debentur eis, sunt quah'tates. de quibus magna pars geometr :ith- meticae constitanntar, sieut sunt rectum et eurvum et cetera qnae lineae debentur. et triangulatio e: oir.r.is reliqua figural eorpori assisruantur. et primuru iueompositum iu nunieris Aristoteles •"> Metaph. et ceterae passiones uumerorum absolntae. 1. e. 3 Quiequid dignum est consideratione iu praedicament - - pro- prietas quantitatis. ut sunt proportiones et proportional tates ei tates ometricae er aritlunetieae et musieae. et apecies n et minoris. I. c 4 Snbstantiae spiritaales oon cognoacuntar per philosophiam nisi p. rales. et inaxime supercoelestes, secundum quod doeet A nee inferiora cognoacuntar nisi per superiora, qui; inferiornm, sed coelestia neu cognoscnntar nisi per qo sicnt patet 1 \ astronomia. 1. e. 538 Werner. gebaut und mit Rücksicht auf die Bestimmungen derselben ent- wickelt und ausgeführt; wenn nun die Kategorienlehre ohne Mathematik nicht verstanden werden kann, so ergibt sich hieraus mit unabweislicher Notwendigkeit, dass die Logik ohne Mathe- matik nicht verstanden werden könne und . die Beweiskraft des logischen Verfahrens von der Evidenz und Beweiskraft des mathematischen Denkverfahrens abhängig sei.1 In ein ähn- liches Verhältniss wie die Logik, wird von Baco auch die Grammatik zur Mathematik gestellt. Denn die Sprache weist sowohl in der gebundenen als auch in der ungebundenen Rede, in Vers und Prosa, in Wort und Ton, Rede und Geberden lauter musikalische Verhältnisse auf, 2 deren Verständniss mathe- matische Bildung voraussetzt. Da der Eindruck und die Ueber- zeugungskraft der menschlichen Rede von den durch die Poetik und Rhetorik ihr gelieferten Mitteln abhängt, so steht auch die Logik, welche ihren Jüngern das Geschick überzeugender Rede zuwenden soll, in einem teleologischen Verhältniss zur Musik- kunst als Vollenderin der Logik.3 Obschon Baco Grammatik und Logik zur Philosophie rechnet, bezeichnet er sie dennoch nur als Partes accidentales 1 Virtus tota logicae pendet ex mathematica. 1. c. 2 Grammatica pueris ministrat ea, quae vocis sunt, et proprietates ejus in prosa et metro et rhythmo .... per viam narrationis, non per causas, nee per rationes. Kam alterius scieutiae est- dare causas horura, seil, illius, quae vocum naturam plenarie habet considerare, et haec est sola musica, cujus species et partes multae sunt. Nam una est prosaica et altera est metrica, et tertia est rhythmica et quarta est melica in cantu. Et praeter haec habet plures. Et prosaica docet causas omnium eleva- tionum vocum in prosa seeundum aeeentuum difi'erentias et seeundum cola et commata et periodos et hujusmodi. Et metrica docet omnes rationes et causas pedum et metrorum. Et rhythmica de omni modulatione et proportione suavi rhythmorum docet, quia omnia ista sunt quaedam genera cantus, licet non sie ut in cantu usuali. Op. maj., p. 44. 3 Finis logicae est compositio argumentorum, quae movent intellectum practicum ad fidem et amorem virtutis et felicitatis f'uturae. . . . Sed haec argumenta debent esse in fine pulchritudinis, ut rapiatur animus hominis ad salutiferas veritates subito et sine praevisione . . . . Et ideo tota utilitas logicae nascitur ex comparatione logicalium omnium ad hujus- modi argumenta, et ideo, cum dependeant ex musicalibus, necesse est, logicam mendicare potestatem nmsicae. Op. maj., p. 44. Die Psychologie, Erkenntnisa- and Wissenschaftslehre des Roger Baco. .>.!!• derselben; wesentliche Theile der Philosophie sind nur die philosophischen Realdisciplinen. Er fasst dieselben unter die drei Hauptkategorien der Mathematica, Physiealia, Moialia. Die Metaphysik wird von ihm als allgemeine Wissenschaft gefasst, welche die Principien aller übrigen Wissenschaften in sich schliesse, aber doch zugleich wieder in ein näheres Ver- hältniss zu den physikalischen Wissenschaften gesetzt, sofern sie speciell die Principien in sich schliesst. ' Das Gebiet der Metaphysik verengert sich schon dadurch, dass sie bloss theo- retische Wissenschaft ist, und demzufolge einer bestimmten Hauptclasse der Wissenschaften , nämlich der theoretischen, sich eingliedert, während dieser Hauptclasse eine andere, jene der praktischen Wissenschaften nicht bloss gleichberechtiget gegenübersteht, sondern zufolge des Vorranges der operativen Thätigkeit vor der rein theoretischen sogar übergeordnet ist. Uebrigens unterscheidet Baco weiter noch zwischen rein prak- tischen Wissenschaften, und zwischen anderen, welche nach der einen Seite theoretische, nach der anderen aber praktische Wissensfächer sind. Solche doppelseitige Fächer sind die vier mathematischen Disciplinen: Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik, welche in ihrer Doppelseitigkeit acht Disciplinen ergeben. Unter den Naturwissenschaften erscheinen die Al- chymie und Medizin unter diesem doppelseitigen Charakter. In höchstem und vornehmstem Sinne praktische Wissenschaften sind die Moralphilosophie mit Einschluss des Civilrechtes und die Theologie mit Einschluss des kaiionischen Rechtes, welche beide auf die höchsten, absoluten Zwecke unseres Erdendaseins sich beziehen.2 1 Exposui grosso modo scientias octo naturales, de quarum natura et pro- prietatibus et aliarum scientiarum composui traetatum de metaphysica, cujus proprium est distinguere omnes scientias, et dare rationem univer- salem de omnibus, quia est communis omuibus rebus et scientiis specia- libus, et in omnes suam infinit potestatem. Commun. Natur. I, Pars 1. dist. 1, c. 2. 2 Specialiter et autonomatice vocantur practicae, quae ( siderant opera virtutum et vitii, poenam et gloriam, cujusmodi sunt fcheologia cum jure canonico et moralis philosophia cum suo jure civili. Omnes aliae dieuntur speculativae in comparatione istarum, quia opera prineipalia, quae valenl bomini, sunt ista quae ipsum ordinant in vitam aeternani et retrahunt ab irjferno. Comp. stud. phil., c. 1. 540 Werner. Den tragenden Unterbau des gesammten Gebäudes der menschlichen Realerkeuntniss constituiren die mathematischen Disciplinen, welche nicht bloss eine unentbehrliche Vorschule für die physikalischen Wissenschaften und für die Metaphysik sind, sondern ein Guttheil derselben bereits in sich fassen, und bestimmend und ergänzend in dieselben hinübergreifen. Baco arbeitete ein Volumen verae mathematicae in sechs Büchern aus, ' von welchen vorläufig das erste Buch, die Communia Mathematicae enthaltend, handschriftlich aufgefunden worden ist,2 und manche erwünschte Ergänzung zu den in den ge- druckten Werken Baco's enthaltenen Bemerkungen über die mathematischen Disciplinen enthält. Der von Baco gewählte Titel seines Werkes über die Mathematik zeigt eine apologe- tische Tendenz seiner Arbeit an; sie hat die Bestimmung, die Würde und Unentbehrlichkeit der Mathematik gegen ihre Ver- ächter zu erhärten. Denn der Teufel, der Urheber der schwarzen Kunst, die gleichfalls eine Mathematik, aber schlechtester Art in sich fasst, 3 hat es zu Stande gebracht, dass auch die den 1 Charles (Roger Baco p. 84 f.) sieht es als ein Bestandstück des aus einer Sammlung mehrerer Werke bestehenden Opus tertium an. Sowohl Charles als auch Brewer kennen bloss das erste Buch jenes Volumen verae mathematicae. Brewer stiess auf dasselbe erst nach Vollendung seiner Druckausgabe Baconischer Werke, und hält es für ein Bestand- stück eines von Baco unter dem Titel Compendium Philosophiae geplanten encyklopädischen Werkes (siehe Brewer p. L sqq.). Er theilt am Schlüsse der Prolegomena seiner Textpublication den Eingang jenes Bestandstückes mit (p. C) ; Charles gibt Textstiicke und Auszüge aus dem ersten Buche des Volumen verae mathematicae (p. 361 — 368). 2 Die übrigen fünf Bücher behandeln laut den im ersten Buche enthaltenen Angaben (siehe Charles p. 363) die vier mathematischen Wissenschaften in der oben schon angegebenen Aufeinanderfolge, und zwar so, dass je ein Buch eine der vier Disciplinen umfasst, mit Ausnahme der Astronomie, welcher zwei Bücher, das vierte und fünfte, gewidmet sind. s Mathematica est duplex .... Una derivatur a p.a6eai, et haec est pars philosophiae, quae in nullo potest reprehendi. Alia derivatur a [aaT^asi vel a [Actvti? vel a [j.avt£'!a secundum Hieronymum. Et haec est secunda species artis magicae, quae sunt hae: [uivtlxi], [j.aOr)[j.a-rt/.rj, maleficium, praestigium, sortilegium, quarum quaelibet habet species multas. Et haec sola damnatur a sanctis et philosophis similiter, non alia mathematica. Nara haec sola imponit necessitatem libero arbitrio et docet hominem fingere mores suos in coelo, et de Omnibus nititur certum dare Judicium; et haec est maledicta. Op. tert., c. 65. Die Psychologie, Erkenntniss- uml Wissejiscluif'tslehre des Roger Baco. f)fl höchsten und edelsten Zwecken der Wissenschaft und mensch- lichen Wohlfahrt hilfreichst dienende ächte Mathematik in ihrem Werthe verkannt und mit Missachtung- bei Seite geschoben wird. Unter den vier Disciplinen der mathematischen Wissenschaft ist die Geometrie zwar die mindeste; allein bereits an dieser lässt sich die hohe Bedeutung der mathematischen Erkenntniss für die Lösung der höchsten und wichtigsten Fragen aller gött- lichen und menschlichen Wissenschaft, für die Förderung ihr Cultur, Wohlfahrt und Wohlordnung der menschlichen Gesell- schaft schlagendst aufzeigen. Freilich mischt sich in Baco's Ueberzeugung von dem hohen Werthe der Geometrie als gei- stigen Bildungsmittels das Bedauern, dass zunächst die theore- tische Geometrie unter den Lateinern von jeher so sehr vernach- lässiget worden sei. Aber er hofft von der Zukunft Besseres, und hat aus selbsteigener Erfahrung die wirksame Hilfe er- probt, welche ihm das geometrisch geschulte Denken für die Lösung der schwierigsten kosmologischen und metaphysischen Fragen leistete. Mit Hilfe der Geometrie wurde ihm klar, dass die Actionskraft eines wirkenden Dinges aus der Materie desselben educirt werde,1 dass sie von einem bestimmten Punkte aus geradlinig nach allen Richtungen ausstrahle,- und ihre intensivste Wirkung in den nicht durch Brechung oder Reflexion abgeschwächten Strahlen entfalte;5 mit Hilfe der Geo- metrie vermochte er die Falschheit der Annahme einer nume- rischen Einheit der Materie alles Geschaffenen aufzuzeigen.1 Mit Hilfe der Geometrie machte er sich die potenziell ins Unendliche gehende Theilbarkeit des Körperlichen"' und die denknothwendigen Grundgestaltungen desselben1' klar, nicht minder die Lehren von der Einheit und Begrenztheit der Well ; : mit Hilfe der Geometrie ergab sich ihm die Unmöglichkeit eines Vacu.um in der Natur8 und die Nothwendigkeit des 1 Probavi certitudinaliter, quod haec virtus educitur de potentia materiae, sicut aliae res naturaliter generatae. <»|>. tert., c. 31. 2 Op. c, c. 32. 3 Op. c, c. 30. 4 Op. c, g. 38. 5 Op. c, c. 39. 6 Op. c, c lo. 7 Op. c, c. 41. 8 Op. c, c. 43. 542 Werner. Gebundenseins der Bewegung- alles Körperlichen an die Zeit. l Auch die Beantwortung rein metaphysischer Fragen, welche dem Gebiete der Pneumatologie angehören, wie jene über das Verhältniss der leiblosen Geister zu Zeit und Raum, fordert ein mathematisch gebildetes, an der Geometrie orientirtes Denken. Nur dieses ist weiter befähiget, die in der Bibel dargelegten Maassverhältnisse der Arche Noä, der Stiftshütte, des Salomo- nischen, Ezechielischen und nachexilischen Tempels und ins- gemein die Symbolik der biblischen Maass- und Zahlenver- hältnisse nach ihrer wahren Bedeutung zu würdigen.2 Der Werth und Nutzen der praktischen Geometrie beweist sich durch ihre Leistungen, deren Mehrung und Steigerung von der eifrigen Pflege dieses Wissensfaches abhängt. Sie zerfällt in zwei Theile, deren ersterern Baco alles auf die geordnete Leitung und den rationellen Betrieb privater und öffentlicher Gesellschaftsinteressen Bezügliche einordnet, während er dem zweiten Theile die Anfertigung der verschiedenen mathema- tischen Instrumente und Geräthschaften zuweist. Er nennt den ersten Theil die Lehre von der Agricultur, 3 wohin er die Feld- messkunst, das Planzeichnen aller Art, die Construction von Modellen, die Anleitung zur Anfertigung kunstreicher Instru- mente und Maschinen behufs Erzielung ganz aussergewühnlicher Wirkungen rechnet. Baco spricht von Fluginstrumenten, von Vorrichtungen, mittelst welcher Wagen ohne Zugthiere mit unglaublicher Schnelligkeit fortgetrieben, und Schiffe schneller als mittelst der Ruder fortbewegt werden können. Um nicht als Phantast oder Grosssprecher zu erscheinen, beruft er sich auf thatsächliche mit Erfolg ins Werk gesetzte Versuche solcher Art.4 Baco sagt uns nicht, ob diese Erfolge ausschliesslich durch mechanische Constructionen, oder etwa unter nebenher- gehender Anwendung des Druckes comprimirter Luft oder in 1 Op. c, c. 42. 2 Nähere Ausführung dessen im Op. maj., p. 98 — 102. 3 Geometriae practicae plurima pars pertinet ad scientiam reg'eudi familias et civitates, quae vocatur Agricultura Licet Agricultura deno- minetur ab una particulari occupatione, extendit se ad ordinaodum, quae pertinent ad regimen domuum et civitatum, et in his multa de practicis Geometriae requirit. Ver. Mathem. I, dist. 3. Siehe Charles p. 366 f. 4 Haec facta sunt in diebus nostriB, ne aliquis subrideat aut obstupescat. 1. c. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wiasenschaftslehre des Roger llaco. 543 Dunst verwandelten Wassers erzielt worden seien; auch lilsst er uns im Ungewissen darüber, ob er nicht etwa bloss embryo- nische Versuche im Kleinen meine, welche in ihm und seinen Freunden die freudige Hoffnung erweckten, dass dergleichen dereinst auch im Grossen gelingen werde;. Er spricht ferner von Vorrichtungen, mittelst welcher schwerste Lasten durch eine geringste Kraftanwendung in die Höhe gehohen werden könnten; diess würde eben nicht überraschen, wenn er nicht zugleich auch beifügte, dass der Mensch mittelst solcher Vor- kehrungen sich selbst in die Höhe heben, aus einem Kerker befreien, aus Höhen beliebig sich herablassen könne. ' Dass Baco auch an Kriegsmaschinen denkt, ist selbstverständlich; er bleibt indess hier nicht bei Werken der mechanischen Kunst stehen, sondern zieht auch die von der Ars perspectiv«, ge- botenen Mittel herbei.'2 Durch Strahlenbrechung und Strahlen- reflexion kann das Bild eines Gegenstandes vervielfältiget werden; dieses Mittels könne man sich zur Täuschung und Erschreckung des Feindes bedienen; dasselbe Mittel könne zur Ausforschung des fremden Kriegslagers, der Bewegungen und Unternehmungen des Feindes verwendet werden, wie Julius Cäsar an der gallischen Küste mittelst riesiger Spiegel die Lage der Städte und die kriegerischen Dispositionen seiner Feinde auf der britischen Küste beobachtet haben soll.3 1 Ceterum — fügt er bei — docet artem trahendi orane resistens ad quem- eunque locum volumus in piano, ita quod uuus homo trahil mille contra sensmn eorum et. eonsimilia, quae etiam nostris temporibus sunt peraeta. Fast wörtlich dasselbe, wie das im Vorausgehenden aus dem Vol. rer. Mathem. Ausgehobene findet sich in der von Baco dem Pariser Bischof Wilhelm von Auvergne gewidmeten Schrift de secretis operibus artis et naturae c. 4, woselbst auch von der Möglichkeit, aui dem Wasser zu gehen und sich ungefährdet auf den Grund des .Meeres hinabzulassen, die Rede ist. Alexander der Grosse habe durch Leute, welche mil den uöthigen Vorrichtungen hiezu versehen waren, den Meeresgrund erforschen lassen; auch heute zu Tage werde dergleichen versucht, wie er sicher erfahren habe. Nur die Flugmaschine habe er nicht gesellen, und kenne auch niemand, der sie gesehen hätte, wohl aber einen Naturkundigen, der ihre Construction ausgedacht habe. 2 Op. maj., p. 269; Secret. op. nat., c. •">. 3 Baco vergisst natürlich nicht auf die Brennspiegel des Archimedes. Von Socrates weiss er nach glaubhaften Erzählungen, da<- d. ->--=.- 1 1 >** mitreist 544 Werner. Wie die Geometrie die unterste, so ist die Astronomie die oberste der mathematischen Disciplinen. In die Astronomie als Himmelskunde wird von Baco auch die astronomische Erd- kunde und die Zeitkunde einbezogen ; er unterscheidet ferner zwischen mathematischer und physikalischer Astronomie, so dass die Astronomie ein integrirendes Glied sowohl der mathe- matischen als auch der physikalischen Wissenschaften bildet. Die mathematische Astronomie zerfällt ihm in die theoretische und praktische Astronomie ; die physikalische Astronomie führt er unter dem Titel Astronomia judiciaria ein. Die Aufgabe der theoretischen Astronomie l ist, die Zahl und Gestalt der Himmelskreise und Sterne festzustellen, ihre Grössen, Ent- fernungen von der Erde und Dichtigkeiten zu bestimmen, Auf- und Niedergang, Bewegungen und Eklipsen der Gestirne genau anzugeben, die Grösse und Gestaltung der Erde zu bestimmen, die durch ihr Verhältniss zur Himmelswelt bedingten klima- tischen Unterschiede der Erdoberfläche, und die durch dasselbe Verhältniss bedingten irdischen Zeiten auseinander zu setzen. Der praktischen Astronomie gehört die Anleitung zur Ver- fertigung der für die Functionen der theoretischen Astronomie nöthigen Instrumente, die Anfertigung der astronomischen Tafeln und Verzeichnisse, die Kenntniss der Regeln der astronomischen Praxis an. Die Astronomia judiciaria2 erforscht die natürlichen Kräfte der Himmelskreise und Gestirne, und deren Einwirkungen auf die tellurische Welt; soweit sie zu einer praktischen Ver- werthung der Kenntniss dieser Einflüsse anleitet, heisst sie Astronomia operativa, die in ihrer Weise eben so hochbedeut- sam ist, als die praktische Geometrie in ihrer Anleitung zu sinnreichen und Staunen erregenden Erfindungen. Baco hebt zuvörderst die Würde und Hoheit der astronomischen Wissen- schaft im Allgemeinen hervor, und sucht sodann die Not- wendigkeit und hohe Wichtigkeit ihrer einzelnen Abtheilungen zu erweisen. Er fordert die Weithschätzung der Astronomie im Namen der christlichen Religiosität, welche die menschlichen optischer Vorkehrungen einen in Klüften verborgenen Drachen, dessen Pesthauch Thiere und Menschen tödtete, entdeckt habe. 1 Oi». tert., c. 30. 2 Coininuii. Natur. I, Pars 1, dist. 1, c. 2. Die Psychologie, Erkenntniss- uml Wisscnschaftslehre de* Roger Bico. '.) \.) Gedanken himmelwärts zu erheben gebietet, ' und die himmli- schen Regionen als die wahre Heimat der Seele ansehen lehrt. Er fordert sie ferner im Interesse der philosophischen und der christlichen Erkenntniss, da die irdischen Dinge aus dem himm- lischen verstanden werden müssen, 2 und. die Grösse Gottes erst in der Erkenntniss des Sternhimmels sich unseren Ge- danken vollkommen erschliesst. Mit Recht sage Avicenna, dass dasjenige, was unter der Mondsphäre sich befindet, im Vergleiche mit dem, was oberhalb derselben ist, wie zu einem Nichts zusammenschwinde. Die Erde ist das Centrum, der Himmel die Peripherie ; die vom Centrum nach der Peripherie gezogenen Linien gehen um so weiter auseinander, je weiter die Peripherie vom Centrum entfernt ist; daraus mag auf die Weite des unermesslich hohen Himmels, dessen Umkreis von einem Fixsterne trotz dessen unglaublicher Schnelligkeit erst in sechsuuddreissigtausend Jahren durchmessen wird, so wie auf das Verhältniss des Raumumfanges der aus den Himmels- sphären uns leuchtenden Sterne zu jenem der Erde geschlossen werden. 3 Ohne astronomische Kenntniss muss das Verständniss der Bibel mangelhaft bleiben, welche so vielfach Gegenstände der Himmelskunde und der mit ihr aufs engste zusammen- hängenden astronomischen Erd- und Ortskunde berührt. ' Die 1 Op. maj., p. 84. 2 Duplex enim allatio solis sub obliquo cireulo cum aspectibus planetanun est causa omnium, quae fiunt hie inferius. 1. c. 3 Minima stellarum visu notabilium, ut dicit Alfragairas in prineipio libri sui, est major terra .... Et cum ex 8 Alinag. et ex Alfragano pateant sex stellarum fixarum magnitudines, quaelibet illarum, quae sunt in prima magnitudine, est aequalis terrae circiter centies et septies. Et illarum quaelibet, quae sunt in sexta magnitudine, est aequalis terrae deeies octies. Et sol est centies septuagies t'ere major tota terra, sicut probat Ptolo- maeus (juinto Almagesti. 1. c. 4 Auf die astronomische Erdkunde legt Baco das allergrösste Gewicht: Forte nihil utilius de philosophia poterit inveniri, qumiiam qui ignorat loca mundi, ei multoties nun sapit eortex historiae per infinite [oca et maxime propter falsitatem multiplicem bibliarum novarnm; atque per consequens ad intellectus spirituales impeditur ascendere et nonnisi im- jierfecte poterit eos explicare. Qui vero imaginationein honam I nun habuerit, et situm eorum et distantiam et altitudinem et longitudinem, latitudinem et profundum cognoverit, nee non diveraiteterja eorum in cali- ditate et siccitate, frigiditate et humiditete. calore et sapore, odore ei 546 Werner. biblische Zeitenkunde und der kirchliche Festkalender ist ganz und gar auf mathematische Astronomie gegründet. Die mit der astronomischen Erdkunde aufs engste zusammenhängende Länder- und Völkerkunde dient den allerwichtigsten praktischen Interessen der Kirche. ' Nicht minder aber als Religion, Theo- logie und Kirche sind die weltlichen Wissenschaften an der Pflege der Astronomie interessirt, und von derselben abhängig; es gibt keine Naturwissenschaft ohne astronomische Begründung. Diess gilt speciell von der Medizin, welche die mathematische und physikalische Astronomie zu ihrer unentbehrlichen Voraus- setzung und Unterlage hat, 2 so dass, wie die geistige Wohl- fahrt der menschlichen Gesellschaft und das Heil der Kirche, so auch das Heil der Leiber durch den Betrieb der Astronomie bedingt ist. Die innige Verwachsenheit der Astronomie mit der Ge- sammtheit der physikalischen Wissenschaften leitet uns von selber auf das Gebiet der letzteren hinüber, welche Baco in Gemässheit des von ihm aufgefassten Zusammenhanges der- selben also aufeinander folgen lässt:3 Perspectiva, Astronomia judiciaria et operativa, Scientia ponderuin, Alchymia, Agricultura, Medicina, Scientia experimentalis. Baco beklagt, dass in den gemeinhin benützten naturwissenschaftlichen Werken des Aristo- teles sich so Weniges über die speciellen Zweige der Naturwissen- schaft finde.4 Von den physikalischen Specialschriften seien nur pulcliritudine, turpitudine, amoenitate, fertilitate, sterilitate et aliis con- ditionibus expertus fuerit, et optime placebit ei historia literalis, et de facili atque magnifice poterit ingredi ad intelligentiam sensuura spiritualium. Non enim est dubium, quin viae corporales significent vias spirituales, et loca corporalia significent terminos viaruni spiritualium et convenientiam locorum spiritualium, quoniam locus habet proprietatem terminandi motum localem et, rationem continentiae. Op. c, p. 85. 1 Und zwar: Propter infidelium conversionem et propter negotia diversa cum divcrsitate gentium tractanda ac propter utilitates ecclesiae contra furorem Antichristi et eorum. qui tempora ejus praevenire creduntur. Op. maj., p. 145. 2 Medici hujus temporis pauci sciunt astronomiam, et ideo nee auetores snos multi iDtelligunt nee possunt intelligere, et ideo negligunt meliorem partem medicinae. Op. c, p. 118. 3 Commun. Natur. I, Pars 1, dist. 1, c. •_'. 4 Omnia sunt communia, quae determinat in libris naturälibus vulgatis, quuin ut notum est omnibus, de communibus naturalium traetat in libro Die Psychologie, Erkenntniss- und Wisscnscliaf'tsleure des Roger 1 ."> |", einzelne im lateinischen Abendlande bekannt, und eine der- selben, nämlich jene de impressionibus, ' bloss dem Namen nach; die uns überlieferten Schriften des Aristoteles lassen somit eine empfindliche Lücke in Bezug" auf den wichtigsten Theil der speciellen Naturlehre fühlen, als welchen Baco, wie wir bereits wissen, die Astronomia judiciaria ansieht. 2 Dieser muss jedoch als erste Abtheilung der speciellen Physik die Perspectiva vor- ausgehen, weil wir die Unterschiede der Dinge durch den Gesichtssinn wahrnehmen, und auf die durch das Gesicht wahr- genommenen Unterscheidungen der Dinge alle weiteren spe- ciellen Erkenntnisse der Natur gebaut sind. Da die ersten Differenzen der sichtbaren Dinge in der Gestirnwelt sich aufthun, und durch die Gestirnwelt alle Mannigfaltigkeiten der irdischen Dinge causirt sind, so hat auf die Perspectiva selbstverständlich die physikalische Astronomie zu folgen, auf diese aber die Lehre von den Elementen, in welcher sich die Grunddifferenzen der sublunarischen Welt aufthun, und welche zufolge der in den Elementen grundhaft hervortretenden Unterschiede des Schweren und des Leichten zur Scientia de ponderibus sich gestaltet. :i Physicorum, et de prineipiis et motu, et infiuito et loco et vacuo et tempore et de aliis similibus; atque in aliis omnibus libris fere in sua philosopbia vulgata tradit et communis .... Et praeterea etiam adhuc quaedam necessaria, quae communia sunt, traetantur imperfecte. 1. c. 1 Baco weiss von dieser Schrift nur aus Averroes (2do rerum mundi) so wie aus dem Liber novem judiciorum und ein paar anderen Gewährsmännern. I. c. 2 Ueber diese sei in den libris vulgatis des Aristoteles nichts zu finden: Nihil docet in particulari de naturis substantialibus coelorum et stellarum, neque de virtutibus, quibus agunt in haec inferiora. Wir seien indess für diesen Mangel entschädiget durch andere Schriften, unter welchen Baco deu Liber pulchrorum judiciorum rühmend hervorhebt. 3 Unter den Gewährsmännern für diese Abtheilung der speciellen Physik hebt Baco den Euklid und Thebit, einen zum Christenthum bekehrten Juden des zwölften Jahrhunderts hervor, der ihm im Opus maj. p. 186 auch classischer Vertreter der Astronomia judiciaria gilt, und daselbst als der bedeutendste christliche Gelehrte (inter omnes christiauos summus philo- sophus) gepriesen wird. Als Schriften desselben werden angeführt: De significatione planetarum. De capite et canda Draconis. De motu sphaerae. Demonstrationes in Almagestum. Additiones in sphaeram M nelai. De difinitionibus. De imaginibus. De magia naturali. Schon die Titel dieser Schriften zeigen an, dass er unter die von Baco vorzugs- weise benützten Autoren gehörte. Sitznngsber. d. phil.-hist. Cl. XCUI. Bd. III. Hft. oG 548 Werner. An die Lehre von den Elementarkörpern schliesst sich die Lehre von den aus ihnen zusammengesetzten unbeseelten und beseelten tellurischen Gebilden an. Die Lehre von den un- beseelten tellurischen Gebilden heisst Alchymie ; Aufgabe der- selben ist; alle denkbaren elementaren Zusammensetzungen der tellurischen Stofflichkeit kennen zu lernen, deren es hundert- fünfundvierzig gibt; ferner die Erzeugung der Humores, Spi- ritus und festen Gebilde, auch jene der pflanzlichen und ani- malischen Körper miteingerechnet. ' Aristoteles behandelt die Alchymie zwar nicht in den libris vulgatis seiner Naturlehre; er hat ihr aber mehrere Specialschriften gewidmet, unter welche seine Schrift de rebus inanimalis und sein Liber secretorum gehören. Der Alchymie reiht Baco die Agricultura als physi- kalische Speciallehre vom Irdisch-Lebendigen : Pflanzen und Thieren an; er glaubt nämlich den gesammten Specialinhalt der Botanik und Zoologie mit Beziehung auf die vierfache Ein- theilung des Erdreiches in Feldgründe, Waldgründe, Weide- und Wüstenland, Gartengründe erschöpfend behandeln zu können, und setzt die specielle Botanik und Zoologie als praktische Wissenschaft der generellen Behandlung beider entgegen. Die generelle Lehre sei in dem im lateinischen Abendlande be- kannten aristotelischen Werke de plantis et animalibus enthal- ten, sei aber jedenfalls ungenügend; das aristotelische Special- werk über die Thierkunde in fünfzig Büchern fehle gegenwärtig, auf die specielle Botanik scheine er sich überhaupt nicht ein- gelassen zu haben. Wir seien indess in dieser Hinsicht durch die Naturgeschichte des Plinius und das Werk des Palladius de Agricultura entschädiget. Wie die specielle Biologie ins- gemein, so wird im Besonderen auch die anthropologische Bio- logie von Baco als vornehmlich praktische Disciplin und Wissen- schaft aufgefasst und behandelt; diess ist die Medicin. 2 1 Medicina mirabilis, quae docet mundare raetalla viliora, ut fiat aurum, argentuni, extrahitur de spiritu occultato in partibus aniinalium et plan- tarvuii, praecipue hominum, sicut Aristoteles et Avicenna edocent vehe- menter. Commun. Natur. I, Pars 1, dist. 1, c. 2. — Ein Bruchstück der alchymistischen Lehre Baco's in seinem unvollständig edirten Op. minus: Bacon. Op. ed. Brewer p. 375-389. 2 Septima scientia est de anima rationali, seil, de nomine,- et praecipue de sanitate et infirmitate ejus, et ileo de ejus compositione et generatione Die Psychologie, Erkenntniss- und RTiasenschaftslehre des Kngor Baco. 549 Die letzte der naturwissenschaftlichen Specialdisciplinen ist die Scientia experimentalis. in welcher die gesammtcNaturweisheit gipfelt, indem sie nicht nur die Wahrheit aller übrigen Disciplinen der Naturwissenschaft auf die für den Verstand des Zeitinenschen überzeugendste Art nachweist und erhärtet, sondern auch die höchsten praktischen Erfolge derselben erzielen lehrt. ' Sie wird in ihren höchsten Strebungen und P>folgen gleich der Astronom ia judiciaria durch sich selber zur Geheimwissenschaft, da der ge- meine Haufen sie nur anzustaunen, aber nicht zu fassen ver- mag, 2 und sie entweder aus Vorurtheil anfeindet oder umgekehrt hin und wider auch in verruchter Gottlosigkeit zu missbrauchen geneigt sein dürfte. Die dem Vorurtheile des Unverstandes so wie der Gefahr eines gottlosen Missbrauches ausgesetzten Geheim Wissenschaften sind die Astrologie als Astronomia operativa und die Magie. Den Verächtern der Magie gibt Baco zunächst zu bedenken, dass eine geschickte Benützung der Kräfte und Eigenschaften bestimmter Stoffe und Körper Wirkungen zu erzielen vermöge, die allbekannt sind, und von niemand in Zweifel gezogen werden; sie werden freilich nicht durch Magie zu Stande ge- bracht, sondern verdanken einem glücklichen oder ingeniösen Finden ihr Dasein, sind aber in ihrer Art so überraschend, dass sie demjenigen, der nie von ihnen hörte, unglaublich dünken möchten. Baco führt das griechische Feuer, den Pulver- knall und anderes Aehnliche als Beispiel an, und meint, dass bereits Gedeon3 in seinem Kampfe gegen die Midianiter explo- dirende An griff swaffen verwendet haben möge. i Er weist weiter illius, sine quibus sanitas et infirmitas ejus non possunt intelligi nee do- ceri. Constat vero quod homo est res naturalis, et ideo scientia de ejus naturalibus constituta inter naturales erit comprehensa. 1. e. 1 Abriss der Scientia experimentalis in Op. maj., p. 336 — 360. 2 Speculativae scientiae tradi possunt cuilibet, ut grammatica seeundum quatuor artes ... et logica et naturalis philosophia vulgata et metha- pbysica et scientia alehymiae speculativa et quatuor mathematicae specu- lativae et perspectiva speculativa e< naturalis philosophia et multae aliae; sed ubi sunt arcaua naturae et artium magnalia, non deberenl tradi multi- tudini, quae nescit uti talibus, sed magis omnia pervertit. Op. tert., c. I«. Vgl. auch Secret. op. nat., c. 8. 3 Vgl. Riebt. 7, 19. 4 Secr. op. nat., c. G. 36* 550 Werner. auf verschiedene Analoga magischer Wirkungen hin, welche sich in den Eigenschaften und Wirkungsweisen von Pflanzen und Thieren, ja auch des Menschenkörpers finden. Aristoteles erwähne, dass die Früchte weiblicher Palmen durch den Duft der männlichen Palmen zur Reife gebracht würden; nach Solinus sei der Hund, auf welchen der Schatten einer Hyäne fällt, am Bellen verhindert; ein Basilisk vermöge durch seinen blossen Blick zu tödten u. s. w. Vieles Andere ungleich Wunderbarere werde im Liber Secretorum mitgetheilt. In seinem Buche de Somno et vigilia sage Aristoteles, dass ein menstruirendes Weib durch seinen Blick den Spiegel inficire und in demselben eine blutigrothe Wolke erscheinen mache; in Scythien gibt es nach Solinus Frauen, welche in einem Auge zwei Pupillen haben, und im Zorne tödtende Blicke versenden. Wir wissen aus Erfahrung, dass gewisse Krankheiten contagiös sind, und umgekehrt ge- sunde wohlcomplexionirte Menschen jüngeren Alters auf andere Menschen einen nicht bloss seelisch erquickenden sondern auch leiblich stärkenden Eindruck machen. Schlechtcomplexionirte oder mit gewissen Krankheiten behaftete Menschen vermögen durch die Energie eines boshaften Willens die von ihnen gehassten Menschen zu inficiren. Es gibt also verborgene Ausströmungen des Körpers, deren Wirkung durch die Macht des Willens gesteigert werden kann. Damit werden nun auch gewisse durch das menschliche Wort erzeugte Machtwirkungen denkbar und glaublich, welche aber, wie Baco ausdrücklich hervorhebt, als rein natürliche Wirkungen anzusehen sind. * Wie der Mensch zufolge der Unterordnung der natürlichen Wirkungskräfte seines Wesens unter den Willen seiner Seele durch die Macht seines Wortes geheimnissvolle Wirkungen zu setzen vermag, die aber ganz natürlicher Art sind, so vermag der Kundige, der einen tieferen Blick in die verborgenen Kräfte der Natur gethan, dieselben zu Wirkungsweisen zu veranlassen, welche der ge- meine Haufen als Zauberei verschreit und ungläubige Spötter als Trug und Täuschung beargwöhnen. Der Magnet beweist, dass es sympathische Wechselbeziehungen der Kräfte und Körper gebe; wer diese erforscht hat, dürfte wohl auch die Verwandlung 1 Non immerito dicitur, quod vox magnam habet virtutern (siehe oben S. 520); non quia illara habeat virtutern, quam magici fingunt .... sed secundum quod natura ordinavil. Op. c., c. 3. Die Psychologie, Erkeuntniss- und Wisseuschaftslehre des lioger Baco. . >. > 1 unedler Metalle in edle zu Stande bringen. Hirsche, Adler, Schlangen und andere Thiere vermögen durch die Kräfte gn wisser Kräuter und Steine sich zu verjüngen; was im Vermögen der ihrer nach sterblichen Thiere liegt, kann dem Menschen, welchem in seinem Anfangsstadium das Posse non mori zukam, nicht versagt sein. Es handelt sich eben nur darum, die verbor- genen Heilskräfte der Natur kennen zu lernen, aus welchen das Lebensverlängerungselixir zu bereiten wäre; Artefius, welcher die verborgenen Kräfte der Thiere, Pflanzen und Steine erforscht hatte, brachte es zu einem Alter über tausend Jahre. Baco spricht von einer Lebenstinctur, ' deren Bereitung schon im Alterthum angestrebt wurde,2 und seither wirklich entdeckt worden zu sein scheine.3 Die verborgenen Kräfte der Erdstoffe werden durch die Einflüsse der Gestirne auf die Erdwelt erzeugt: demzufolge leitet die Magie durch sich selbst auf die physikalische Astronomie zurück, deren fundamentale Bedeutung für die physikalische Wissenschaft wir Baco schon oben hervorheben hörten. Wie die Gestirne jene verborgenen Kräfte des Erdstoffes erzeugen, deren Wirksamkeiten den Operationen des Alchymisten dienstbar werden und der Ars medica die heilskräftigsten Media darbieten, so wirken sie auch unmittelbar auf den Menschen selber ein, und beeinflussen die physische und psychische Constitution desselben, daher die Kenntniss und Beurtheilung der siderischen Einflüsse auf den Menschen nicht bloss für die Arzneikunde sondern für die Menschenkunde in universellstem Sinne von höchstem und 1 Vgl. über das Lebenselixir und die Goldmacherkunst Op. minus (Op. ed. Brewer) p. 313 ff. 2 Er reproducirt (Secr. op. nat, c. 7) die Erzählung des Plinius Bist. Nat. XXII, 2-4 (53) über Pollio Eomilus, der gleich Anderen durch den Ge- brauch gewisser Mittel sein Leben aussergewöhnlich verlängert haben soll. 3 Rusticus effodiens in campis cum aratro invenit vas aurum cum liquore, et existimans rorern coeli lavit faciem et bibit; et spiritu et corpore et bonitate sapientiae renovatus de bubulco factus est bajulus regis Sicili quod accidit tempore regis Wilhelmi. Et probatum est testimonio [iterarom papalium, quod Almannus quidam captivus inter Saracenos recepit medi- cinam, qua usque ad quingentos annos vitam suam prolongavit. Domina de Nemore in Britania majori quaerens cervam albam invenit unguentum, quo custos nemoris se perunxerat in toto corpore praeterquam in plant i-; vixit trecentis annis sine corruptione exceptis pedum passionibus. 1. c. 552 Werner. umfassendsten Belange ist. Aus der richtig aufgefassten und be- urtheilten Wirkung der siderischen Einflüsse auf den Menschen lässt sich mit psychologischer Wahrscheinlichkeit die Handlungs- weise des Menschen wenigstens im Ganzen und Allgemeinen vorausbestimmen. Sofern die solcher Art vorausbestimmten Handlungsweisen gewisser Menschen zufolge der einflussreichen und hervorragenden Stellung derselben von weitergreifender Bedeutung sind, lassen sich weiter auch Schlüsse auf muth- maasslich bevorstehende Ereignisse in der Geschichte der Völker, Länder und Reiche ziehen; ja die Gesammtgestaltimg des mensch- lichen Zeitdaseins kann unter das Richtmaass einer derartigen, auf höchste kosmische Influenzen recurrirenden Betrachtungs- weise gestellt werden. ' Man hat diese als irreligiösen und frei- heitsmörderischen Fatalismus zu brandmarken versucht; dieses Verdammungsurtheil beruht indess auf Missverstand und Un- kunde der wahren Beschaffenheit der Astronomia judiciaria. Schon Augustinus hat der Gestirnkunde das Vermögen, über Gegenwärtiges, Vergangenes und Zukünftiges zu informiren, zuerkannt.2 Die classischen Vertreter der Astronomia judiciaria aber verwahren sich ausdrücklich dagegen, dass sie mit unfehl- barer Gewissheit alle irdischen Vorgänge im Besonderen und Einzelnen aus ihrer Wissenschaft zu erklären gedächten. Ptolo- mäus sagt im Eingange seines Centilogiums ausdrücklich, dass die Judicia astronomica in dieser Richtung nur in ganz all- gemeiner Weise zu verstehen seien, und die Mitte zwischen dem Notwendigen und Unmöglichen einhalten. Sein Commen- 1 Op. maj., p. 112—126. 2 Vgl. Augustin. doctr. christ. II, c. 29, n. 46. Die bezüglichen Worte Augustins lassen indess nicht zu, ihren Sinn in der von Baco versuchten Art zu erweitern und zu verallgemeinern. Augustinus spricht bloss von der Sicherheit der astronomischen Daten, aus welchen sich einstmals gewesene und zukünftige Facta rein astronomischer Natur durch Berechnung eruiren lassen: Siderum cognoscendorum non narratio sed demonstratio est ... . Habet autem praeter demonstrationern praesentium etiam prae- teritorum uarratioai simile aliquid, quod a praesenti positione motuque siderum et in praeterita eoruni vestigia regulariter licet recurrere. Habet etiam futurorum reguläres conjecturas, non suspiciosas et ominosas, sed ratas et certas; non ut ex eis aliquid trahere in nostra facta et eventa tentemus, qualia genethliacorurn deliramenta sunt, sed quantum ad ipsa pertinet sidera. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wisbenachaltslchi«.' des Roger Uueo. 553 tator Hali ' erläutert au einem Beispiele, wie das in seiner All- gemeinheit richtige Judicium astronomicum durch zufällige irdische Sonderursachen, unter welche auch der freie mensch- liche Wille gehöre, seiuer Anwendbarkeit auf einen bestimmten concreten Fall beraubt werden könne. - Avicenna, der Er- gänzer der Arbeiten des Ptolomäus, hebt hervor, dass das unstäte Wesen der den Processen eines stetigen Werdens uud Vergehens unterworfenen irdischen Körperlichkeit eine durch- greifende absolut bestimmende Wirksamkeit der siderischen Potenzen nicht zulasse. Messehalak3 beleuchtet die Bedeutung 1 Aboazen Hali, ein spanischer Astrolog, dem dreizehnten Jahrhundert un- gehörig, classischer Repräsentant der Astrologie, Verfasser des Werkes de jndieiis astrorum. — Ausser diesem Hali gab es mehrere arabische Aerzte mit dem Namen Hali oder Ali, deren zwei Baeo gekannt haben konnte. Der eine derselben, Ali Ebn Abbas (f 994), Leibarzt des Chalifen von Bagdad, ist der Verfasser eines Almaleci betitelten Werkes, welches von Stephanns Antiochenns ins Lateinische übersetzt wurde, und unter dem Titel: Regalis dispositionis theoreticae et practicae libri XX, auch gedruckt erschien (Venedig 119:.' fol., Leyden 1523, 4.). Ein zweiter, nach seiner Vaterstadt Tripolis benannter Hali: Hali al Tarabulsi (c. a. 1219), hinterliess ein medicinisch-chemisches Werk: Zinal al hachiin (Zierde des Weisen), welches in vier Abtheilungen von den Mineralien and deren Zubereitung für Zwecke der Heilkunde, vom Nutzen der Theile des Körpers nach den Ansichten des Galenus, vom .Steine der Weisen und ähnlichen Dingen handelt. Von daher möchte Baco Secret. op. nat., capp. 10 u. 11 entlehnt sein, die sich offen als Entlehnungen aus den Schriften eines moslimischen Verfassers zu erkennen gehen. 2 Hali .... addit exemplum, quod patre suo se abscondente cum aliis a facie imperatoris astrologus visitaus eum quotidie praecepil poni concham maximam aeneam pleuam aqua, supra quam poneretur scabellum, consu- luitque ei, ut desuper sederet in majore parte diei; et hoc ideo praeeepit, ut faceret errare astrologos imperatoris in existentia abscönditomm. Diserunt enim, quod esset in medio maris propter .similitudinem aquae conchae, cui superinsederat. Distinguere enim inter hoc et illud non poterant propter continentis et contenti similitudinem. Aqua enim undique continebatur, et vasis coneavitas aivei marini coneavitatem expressit. Op. maj., p. 114. 3 Messehala oder Macha-AUali, jüdischer Astrolog, der zweiten Bälfte des neunten Jahrhunderts angehörig. Von seinen Schriften wurden im fünf- zehnten und sechzehnten Jahrhundert gedruckt: De reeeptionibus plane- tarum i. e. de interpretationibus. De revolutionibus annorum mundi. D scientia orbis motus. De elemcntis et orbibus coeli. Ausserdem sind handschriftlich vorhanden: Astrolabium. De natura orbiuni. De judieiia astrorum. Problemata astrologica. Themata geuetliliaca. Planetarum con- junetiones etc. 554 Werner. dieses Umstandes durch das Beispiel vom Magnet, welcher seine Anziehungskraft nur in der gehörigen Distanz und unter anderen nicht jederzeit zutreffenden Bedingungen ausüben könne. Im Uebrigen sprechen diese classischen Vertreter der Astro- nomia judiciaria ausdrücklich aus, dass die Wirksamkeit der siderischen Potenzen absolut dem göttlichen Willen unterthan sei, ' und nebstdem auch durch den Menschen selber modificirt und paraljsirt werden könne. Die Aufgabe der Heilkunde besteht ja, wie der Arzt Isaak in seiner Schrift de Febribus hervorhebt, unter Anderem auch darin, den durch siderische Einflüsse verursachten Seuchen zu begegnen. Damit glaubt Baco die Astronomia judiciaria von dem Vorwurfe eines irreligiösen und widersittlichen Fatalismus ent- lastet zu haben. Es handelt sich nun aber weiter auch um den Nachweis der Wahrheit und Berechtigung dieser hochwichtigen Disciplin. Diese ergibt sich zunächst schon daraus, dass die nach Verschiedenheit der Breitengrade verschiedene körperliche und psychische Artung ' der Menschen einzig aus dem Ver- hältniss des Erdkörpers zur siderischen Welt erklärt werden kann.2 Auch der Unterschied der Längengrade kommt in Betracht, obschon er sich wegen seines mehr verborgenen Ein- flusses nicht so leicht ersichtlich machen lässt. Die nach Ver- schiedenheit der Breiten- und Längengrade diversificirten side- rischen Einflüsse sind freilich nur generelle Wirkungen, und reichen demnach auch nur zur Beurtheilung und Erkenntniss genereller Unterschiede aus, durch welche Menschencomplexe ganzer Länder, Provinzen und grösserer Städte sich von ein- ander unterscheiden; indess gibt auch schon eine solche gene- relle Erkenntniss bedeutsame Momente für die Beurtheilung der 1 Sciunt, quod ordinatio divina potest omnia mutare secundurn sui volun- tatem, et propter hoc adjungunt semper in suis sententiis in fine, quod sie erit, si Deus voluerit. Op. maj., p. 115. 2 Ad omne punctum terrae ineidit conus unius pyramidis a toto coelo, et coni isti sunt diversi in natura, et pyrarnides similiter, quia diversas habent bases propter diversitatem horizontum; quoniam quilibet punetus terrae est centrum propra horizontis. Et ideo oportet omnium rerum diversitatem magnam ex hac causa oriri, etiam quantumeunque propinqui sint, ut gemelli in eodem utero; et sie de omnibus prout videmus, quod a duobus punetis terrae proxiniis oriuntur herbae diversae secundurn speciem. Op. maj., p. 118. Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissensckat'tslehre des Roger Baco. ö5ö Volkscharaktere, sowie für die Prognosticirung wichtiger Er- eignisse, politischer Entwickelungen, Kämpfe und Kriege an die Hand. Es würde aber bei sorgfältiger Beobachtung der in Betracht kommenden Momente auch möglich sein, Einzel- personen in ihrem individuellen psychisch-physischen Wesen grundhaft zu fassen und ihnen Zukunftsprognostika zu stellen. ' Am schönsten aber und in wahrhaft erhebender Weise bewahr- heitet sich der Werth und die Würde der Astronomia judiciaria in ihrem Verhältniss zu Religion und Theologie. Es mag über- raschen zu vernehmen, dass sie berufen ist, ein hochbedeutsames Zeugniss für die Wahrheit des Christenthums zu liefern; dem Kundigen erscheint dieses Zeugniss als selbstverständlich und in der Natur gelegen, da die gesammte kosmische Ordnung auf den Nachweis unserer heiligsten Ueberzeugungen angelegt sein, und derselbe primär in dem höheren, vornehmeren, das gesammte zeitliche Erdendasein normirenden Theile der sicht- baren Schöpfung hervortreten ruuss. Der Sternhimmel wird durch den Meridiankreis und durch fünf andere in Abständen von je 30 Graden den Aequator schneidende Längenkreise in zwölf Abschnitte getheilt, welche die zwölf Häuser- des Himmels heissen. In diesen Häusern herrschen die sieben Planeten, und zwar so, dass im ersten Hause der höchststehende der Planeten Saturnus, im zweiten der nächstfolgende Planet Jupiter, im dritten Mars u. s. w. herrschen, und im achten Hause abermals Saturn, im neunten wieder Jupiter der Herrscher ist. Wie Saturn und Mars schlimme unheilbringende Planeten sind, so Jupiter und Venus wohlwollende, glückspendende Planeten, mit 1 Si velit considerare diligenter et sine errore horas conceptionum et nati- vitatum singularium personarum, ut sciatur dominium coelestis virtutis ad horas illas, et diligenter consideret quando ad eas dispositiones venient coelestia secundum singulas partes aetatis cujuslibet, potest de omuibus naturalibus, sicut de infirmitatibus et sanitate et hujusmodi judicare sufficienter, quandocunque debent occidere et qualiter terminari, secundum quod auctores non solum astronomiae, sed medicinae ut Hippocrates, Galenus, Hali, Isaac et omnes auctores determinant. 1. c. 2 Und zwar Domus accidentales (im Unterschiede von den Domus essen- tiales, auf welche im Folgenden die Rede kommen wird). Dicuntur acci- dentales, quia divisio earum est accidentalis , et non manent sectiones in eodem loco coeli, quia non sequuntur motum coeli, et ideo mutantur eorum loca in circulo seu coelo in omni hora. Op. maj., p. 122. 556 Werner. dem Unterschiede, dass die Gaben der Venus sich auf irdisches zeitliches Glück, jene des Jupiter hingegen auf die geistigen ewigen Güter beziehen. Jedes Haus hat seinen eigenen Namen und seine eigene Bedeutung. Das erste Haus heisst Domus vitae, das zweite Domus substantiae u. s. w., das neunte Haus ist die Domus peregrinationum atque itinerum, fidei et digni- tatis et religionis, ac domus culturae Dei, sapientiae, librorum, epistolarum et legatorum, narrationum ac rumorum ac som- niorum — also alles dessen, was auf die Religion sich bezieht oder mit ihr in Verbindung steht. Wie jeder Planet, tritt auch Jupiter in seinem Hause in Conjunction mit den übrigen Pla- neten. Die sechs möglichen Conjunctionen des im neunten Hause herrschenden Jupiter mit den sechs übrigen Planeten erschöpfen die sechs möglichen Formen und Gestaltungen des religiösen Gedankens in der zeitlich-irdischen Menschenwelt. Die Conjunction des Jupiter mit dem Saturn, dem obersten und gleichsam ältesten der Planeten bedeutet die jüdische Religion, die älteste der Völkerreligionen, auf welche sich alle anderen Religionen in irgend einer Weise zurückbeziehen. Die Con- junction des Jupiter mit Mars bedeutet die Religion der feuer- anbetenden Chaldäer, die Conjunction mit der Sonne die Re- ligion der Aegypter, Avelche das von der Sonne beherrschte Himmelsheer adorirten, die Conjunction mit der Venus den Muhamedanismus , der übrigens der Sache nach schon vor Muhamed bestand, l die Conjunction mit dem Mercur die christ- liche Religion, die Conjunction mit dem Monde aber die Re- ligion des Antichrist.'2 Die Lex Mercurialis gilt Baco als das 1 Unde in libro, qui adseribitur Ovidio de vitae suae mutatione, cum loqueretur de secta venerea, quam hominibus sui temporis legem dixit esse, dicit in metro suo : In qua, si libeat, quodcunque licere putatur, Scripta licet super hoc irondum lex inveniatur. Op. maj., p. 121. 2 Si Jupiter coinplectatur Lunae, dicunt domini astronomiae, erit lex Lunae et ultima, quia circulus Lunae est ultimus, et haec erit lex corruptionis et foeda, quae violabit omnes alias leges et suspendet eas, etiam Mer- curialem ad tempus. Luna enim, ut dicunt, significat super nigromantiam et mendacium, et ideo lex Lunae erit nigromantica et magica et mendosa. Et propter corruptionem lunaris motus et figurationum lunarium signi- ficat super corruptionem istius legis, quae erit in se corrupta et alias Die 1'syehologie, Erkenntuiss- uud Wissenschuftslelire des Kogcr Baco. . >. 1 1 christliche Religionsgesetz, weil der mythologische Charakter des Mercur auf Prophetie, Glaube und Gebet Bezug- hat, so wie die verschlungene schwer zu entwirrende Bewegung- des Planeten Mercur auf die den menschlichen Intellect transscen dirende Tiefe des Lchrgehaltes der christlichen Religion; als Brineer der Schrift und der durch die Schrift vermittelten Weisheit deutet er auf den in der heiligen Schrift und in der Philosophie hinterlegten Weisheitsgehalt hin, an welchem zu- sammt den erleuchteten Christen alle Weisen der Völker vor Christus participirt haben, und auch nach Christus unter den noch nicht zum christlichen Glauben bekehrten Völkern parti- cipiren. Denn sie stehen innerhalb des Bereiches der göttlichen Offenbarung, weil sie auf dem Grunde der in den alttestam ent- lichen Büchern niedergelegten Zeugnisse des göttlichen Wahr- heitsgeistes stehen, der die Himmelskundigen erleuchtet hat, dass sie sogar das Mysterium der Geburt des Gottessohnes aus der Jungfrau in den Sternen ausgedrückt fanden, ' und die Zeit seiner Geburt in den Sternen lasen. Der Hervorgang des grossen Propheten aus der Jungfrau steht in einer inneren Be- ziehung zur Lex Mercurialis, entsprechend der Mythologie und der Beziehung des Mercurplaneten zum Sternbild der Jung- frau.2 Denn der Mercur hat alle seine wesentlichen und principalen Potestates im Sternbild der Jungfrau, welches seine Domus essentialis oder naturalis,3 und zwar seine Domus corrumpens. Non tarnen multum durabit, ut dieuut, quia luna velociter mutatur .... Et hoc, ut dieuut, statuetur ab aliquo magno et potente, (|iii praevalebit aliis, et aestiinant astronomi fideles tarn moderni quam autiqui, quod haee est lex Antichriati, qiüa ille ultimo in fine mundi adveniet etc. Op. c, p. 123. 1 Omnes antiqui Indi, Chaldaei, Babylonii docuerunt, quod in prima facie Virginia ascendit virgo mundissima nutritura puerum in terrae Hebraeo- rum, cui nomen Jesus Christus, ut dicit Albumasar in majori intro- duetorio Astronomiae. Op. c, p. 121. 2 Creatus enim fuit in Virgine, et dignitates seu potestates seu virtutes seu for- titudines quinque, quae debentur planetis ratione signurum, habet Mercurius in Virgine, ut sunt seil, domus, exaltatio, triplicitas, terminua, facies. 1. c. 3 Essentiales et naturales domus sunt duodeeim signa, quorum divisio naturalis est (siehe Oben S. 555, Anm. 2), quia aectionea Zodiaci ei coeli manent in suis locis de circulo coelesti b. e. de firmamento, quam divisionem signorum faciunt sex circuli sese interaecantea in polia Zodiaci et dividunt totum coelum et mundum in duodeeim partes aequales. 1. c, 558 Werner. principalis • constituirt, den Ort seiner Aufsteigung, 2 seine Tri- plicitas,3 seinen Terminus4 und seine Facies5 in sich fasst. Abu- masar lehrt mit allen übrigen Astronomen, dass es drei Con- junctionen des Jupiter mit Saturn gebe, die Conjunction magna, major und maxima. Die Conjunctio magna tritt in jedem zwanzigsten Jahre ein, weil Jupiter, der seinen Umlauf in zwölf Jahren vollendet, mit dem Saturn,, der denselben in dreissig Jahren vollendet, innerhalb der Periode von sechzig Jahren drei- mal in irgend einem Zeichen zusammentrifft. Nach viermaliger 1 Principalis domus planetae est, in qua creatus fuit, ixt Leo est doraus Solis, Cancer Lunae, Virgo Mercurii, Libra Veneris, Aries Martis secundum quosdam, secundum alios Scorpius, Sagittarius Jovis, Capricornus Sa- turni. Op. c, p. 122. 2 Exaltationes sunt hae: Sol exaltatur in Ariete, Lima in Tauro, Saturnus in Libra, Jupiter in Cancro, Mars in Capricorno, Venus in Piscibus, Mercurius in Virgine. 1. c. 3 Triplicitas plauetae dicitur, cum sit in signo, in quo creatus est, vel in aliquo ejusdem naturae cum signo, in quo creatus est. Unde sciendum, quod quatuor sunt triplicitates signorum. Una est calida et sicca, quae continet tria signa calida et sicca, cujusmodi sunt Aries, Leo, Sagittarius. Unde cum sol est in aliquo eorum, dicitur esse in sua triplicitate. Et alia est triplicitas secunda ex Tauro, Virgine et Capricorno, et haec est frigida et sicca; et Mercurius, quando est in aliquo istorum, est in tripli- citate sua. Quia licet domina istius triplicitatis in die primo sit Venus, deinde Luna et in nocte primo Luna, postea Venus, et eorum particeps in nocte et die sit Mars, tarnen Mercurius participatur eis in Virgine proprie, ut dicunt Astronomi, et ideo triplicitatem habet in Virgine proprie sicut exaltationem et domum. Tertia triplicitas est ex Geminis, Libra, Aquario, quae est calida et humida. Et quarta est in Cancro, Scorpione et Pisce, quae est frigida et humida. 1. c. 4 Famosiores termini sunt Aegyptiorum. Jupiter habet sex primos gradus Arietis, Venus sex sequentes, Mercurius octo, Mars quinque, Saturnus quinque, Venus adhuc octo primos Tauri, Mercurius sex sequenter, ita quod Mercurius habeat septem primos gradus Virginis pro termino, non solum secundum Aegyptios, sed secundum Ptolomaeum, et hoc est quod nunc quaecimus. 1. c. 5 Facies signorum accipiuntur per divisionem cujuslibet signi in tres partes aequales, et unaquaeque constat ex decem gradibus, quae vocantur facies et alio modo decani. Quarum facierum initium est a primo gradu Arietis et terminatur in decimo gradu ejusdem et dicitur facies Martis. Secunda usque in vicesimum, et dicitur facies Solis, quia Sol succedit ei in ordine circulorum. Tertia est in finem Arietis et dicitur facies Veneris, et sie de ceteris secundum ordinem, ut patet in tabula facierum, ita quod Mercurius habeat decem gradus Virginus Ultimos pro facie. 1. c. Die Psychologie, Erkenntnis?- und Wissenschaftslehre «los Roger Baco. 559 Wiederholung dieser sechzigjärigen Epoche tritt die Conjunctio major, nach deren abermaliger Vervierfachung die Conjunctio maxima ein. Jede dieser Conjunctionen kündiget inhaltsschwere Ereignisse an, ' die Conjunctio maxima die allerbedeutungs- vollsten. Eine solche (maxima oder major) hatte statt im vier- undzwanzigsten Jahre des Kaisers Augustus, welche zugleich den Eintritt des Lex Mercurialis verkündete. Von dieser Conjunctio maxima spricht Ovidius in seinem Carmen de Vetula, und gibt an, dass sechs Jahre nach derselben der Prophet aus der Jung- frau geboren werden sollte. 2 Hienach wäre das dreissigste Regierungsjahr des Kaisers Augustus das Geburtsjahr Christi. Während der sechs Jahre vor Christi Geburt hatte eine Con- junetion des Jupiter und Saturn im Zeichen des Jupiter statt; wenn sie ganz nahe am Kopfe desselben stattgehabt haben sollte, so war es eine Conjunctio maxima. Die Bedeutsamkeit der mit Christus beginnenden Aera lernen wir aus Abumasar kennen, welcher lehrt, dass die Vollendung in zehn Saturnumläufen mit dem Untergange von Reichen und mit der Entstehung und dem Untergange von Religionen zusammenhänge. Eine solche kritische Epoche fiel in die Tage des von Alexander des Grossen besiegten Perserkönigs Darius. Nach zehn weiteren Saturnumläufen erschien Christus; von Christus bis Mani, und von Mani bis Mahomed verliefen gleichfalls solche Epochen von zehn Saturnusjahren. Aus Abumasar schöpft Baco die 1 Magna conjunctio dicitur signifieare planes super sublimationem regum et potentum et super gravitatem annouae et super ortus prophetarum .... Conjunctio major significat super seetam et nratationem «jus in quibusdam regionibus .... Conjunctio maxima significat super muta- tiones imperiorum et regnorum et super impressiones ignitas in aere et super diluvium et super terrae motum et gravitatem annonae. Op. c, p. 124. 2 Loquens Ovidius de conjunetione majore et fere maxima dick in metro suo hoc modo : Una quidem talis fatali tempore nuper Caesaris Augusti fuit anno bis duodeno A regni novitate sui, quae signifieavit Post annum sextum nasci debere Prophetam Absque maris coitu de virgine, cujus habetni Typus, uti plus Mercurii vis multiplicatur. Cujus erat Concors complexio prima futurae Sectae .... 560 Werner. beruhigende Zuversicht, dass der Untergang des Muhamedanis- raus nahe sei; Abumasar sage im zweiten Buche seines Werkes über die Conjunctionen, dass die Lex Mahoineti nicht länger als 693 Jahre dauern könne, von welchen gegenwärtig 665 Jahre schon abgelaufen seien. Von da aus eröffnen sich Baco auch Aussichten auf die Möglichkeit einer genaueren Bestimmung der Zeit des Antichrist; denn vorausgesetzt, dass es den bereits aus den Caspischen Thoren hervorgebrochenen Tartaren beschieden sein sollte, das Gesetz Muhameds zu stürzen, so möchte wohl aus ihnen jener Mächtige hervorgehen, welcher nach biblischer und astronomischer Vorhersagung jenen schändlichen Cult voll verruchter Zauberei, die Religion des Antichrist aufrichten wird. Ethicus ' sagt in seiner Kosmographie ausdrücklich, dass der Antichrist einem aus den Caspischen Thoren hervorbrechenden Volke sich beigesellen und von demselben sich als Gott der Götter ehren lassen werde. Es wäre zu wünschen, dass die Kirche eine Nachforschung in der Bibel und in den Weissagungen der Sibylle, des Aquila,2 des Merlin, Sestio, Joachim und vieler Anderer, so wie in den Historien und in den Büchern der Philosophen veranlassen, und mit den Ergebnissen dieser Nach- forschungen auch die astronomischen Indicien vergleichen lassen möchte, um zur Gewissheit oder doch zu zuverlässigen Muth- massungen über die Zeit des Antichrist zu gelangen. An diese Desiderien, deren Inhalt uns zufolge der oben aus- einandergesetzten erkenntnisstheoretischen Anschauungen Baco's nicht überraschen darf, aber auch, wie z. B. bei Albumasar, auf christliche Alterationen des übersetzten Textes arabischer Schriften aufmerksam macht, schliessen sich Baco's Klagen 1 Die unter dem Namen des Ethicus Ister gehende Kosmographie wurde bereits von Isidorus Hispalensis benützt. Der in ihr citirte Bischof Ayitus Alcimus wird auch von Baco (Op. maj., p. 125) mit Ethicus in Verbindung gebracht als Zeuge für die astronomische Vorauskündigung der Geburt des Gottessohnes aus der Jungfrau. 2 Damit ist der jüdische Proselyt und griechische Uebersetzer der hebräischen Bibel Aquila aus Sinope gemeint, welcher nach einer apokryphischen Nachricht bei Epiphanius (Pond. et mensur. c. 14) früher Christ gewesen, aber wegen Neigung zur Nativitätsstellerei und anderen ähnlichen Künsten aus der Christengemeinschaft ausgestossen worden sein soll. In Baco's Auffassung tritt an Acpaila der Charakter eines abtrünnigen Christen nicht mehr hervor. Die Psychologie, Erkenntniss- nml WisKcnsclmftslehro dos 1; i l'.aco. 501 über die Mängel und Fehler des üblichen Kalenders an. ' Ein erster Fehler ist, dass die Dauer des Jahres zu 3G51/., Tagen angenommen wird, während sie in Wahrheit kürzer sei, so dass in 130 Jahren bereits um einen ganzen Tag geirrt wird.2 Ein zweites damit zusammenhängendes Gebrechen ist das Ueber- sehen des Vorrückens der Nachtglcichen, und die falsche An- gabe der Zeit der Nachtgleichen und Solstitien. In der alt- christlichen Zeit hat man auf die Auctorität des Hippokrates hin die beiden Solstitien des Sonnenjahres auf VIII Kai. Jan. und VIII Kai. JuL, die beiden Aequinoctien auf VIII Kai. April, und VIII Kai. Octobr. verlegt; seit Beda aber hält man con- stant XII Kai. April, als Zeitpunkt des Frühlingsäquinoctiums fest. Diese Angabe ist eben so unrichtig, als die altchristliche Annahme, an deren Stelle sie trat. Ptolomäus hat in seinem Abnagest für das Jahr 140 p. Chr. XI Kai. April, als Zeit- punkt des Frühlingsäquinoctiums und XI Kai. Jan. als Zeit des Wintersolstitiums aufgewiesen; seit Ptolomäus sind eilf Jahr- hunderte verflossen, in deren Verlaufe das Frühlingsäquinoctium alle 125 Jahre um je einen Tag rückwärts gegangen ist, so dass es gegenwärtig3 auf III Idus Mart. fällt, das Wintersolstitium mit Idus Dec, das Sommersolstitium mit XVII Kai. Jul., die Herbstnachtgleiche mit XVI Kai. Oct. zusammenfällt. Aus der Ptolomäischen Angabe über das Wintersolstiz folgt aber weiter, dass der Geburtstag Christi, als welchen die Kirche VIII Kai. Jan. festhält, nicht mit dem Wintersolstiz zusammengefallen sein könne, da dieses 140 Jahre vor dem durch Ptolomäus astronomisch normirten Jahre mit X Kai. Jan. zusammen- gefallen sein muss. Aus dem Gesagten lässt sich ein dritter Uebelstand des kirchlichen Kalenders ersichtlich machen. Da das Frühlingsäquinoctium gegenwärtig auf III Idus Mart. fällt, und dieser Tag im vierzehnten Jahre des neunzehn jährigen Mondzirkels mit dem Vollmonde der Frühlingsnachtgleiche zu- sammenfallen kann, so musste der Ostersonntag auf XIII Kai. April, fallen können, während der gegenwärtige Kalender XI Kai. April, als frühesten Ostertag gestattet. Dasselbe gilt 1 Op. maj., p. 126 — 134; Op. tert. cap. Solches als das wahrhaft Seiende und desshalb Wirkungsfahige erklärt. Die Materie ist ihm nicht reine Passivität, sondern Strebe- verlangen (Conatus), welches durch die Formation der Materie activ gemacht und seiner ursprünglichen Unbestimmtheit entrissen zu einem Streben bestimmter Art gemacht wird. Dieses Streben bestimmter Art entspricht der bestimmten Natur des Individuums d. h. des Compositums aus einer bestimmten Form und aus einer bestimmten Art der Materie, welche letztere nirgends in ihrer unbestimmten Allgemeinheit, sondern allüberall als eine indi- viduell bestimmte existirt, obschon man wegen des Zusammen- treffens vieler Individuen in einer gemeinsamen Form auch be- stimmte Arten der den verschiedenen Formen entsprechenden Materien anzunehmen hat. Der Denkzusammenhang der Welt- lehre Baco's nöthiget uns, zwischen ursprünglichen und abge- leiteten Arten der Materie zu unterscheiden, d. h. zwi.sehen solchen Arten, die zugleich mit den Formen, in welche jede derselben hineingebildet ist, durch einen ursprünglichen Cr« tionsact gesetzt sind, und zwischen Materien, welche, wie jene der irdischen Sonderwesen durch Superformationen der schon vorhandenen sublunaren und irdischen Stofflichkeit gebildet worden sind. Denn wir wrissen bereits, dass für jede besondere Wesensspecies auch eine besondere Art der Materie vorhanden sein muss. Aus dem Gesagten folgt, dass die Engel, die himm- lischen Körper und die Elementarkörper der sublunaren Well un- mittelbar durch Gott geschaffen sein müssen, während bezüglich der verschiedenen Arten der tellurischen Sonderdinge ange- nommen werden könnte, dass sie durch die Einwirkungen der siderischen Welt aus der elementarischen sublunarischen Stofflich- keit educirt worden seien, wenn nicht die Bedeutung, welch«' Ba der Singularität als solcher beilegt, es nothwendig machen würde, für alles Individuelle und Singulare, was die tellurische Sphäre in sich fasst, gleichfalls eine primitive Creation durch Gotl anzunehmen,1 und nur die Propagation der durch den göttlichen Willen primitiv gesetzten Typen der verschiedenen WesenB- 1 Prima individua animalium et plantarum non fuerunt generata sed vel creata vel plasmata. Dp. maj., p. 292, 566 Werner. species den Einwirkungen der siderischen Potenzen anheim- zugeben. Baco steht, soweit er an diesem Verhältniss zwischen himmlischer und sublunarischer Welt festhält, unter dem Ein- flüsse der antiken Kosmologie und Physik, während sich in seiner Betonung der Bedeutung des Individuellen und Singu- lären der christliche Gedanke geltend macht. Dieses Ge- dankenmotiv scheidet seinen Individualismus von dem empi- ristischen Singularismus der Nominalisten ab, welcher auf die Verwerfung der von Baco wenigstens relativ anerkannten meta- physischen Bedeutung des Allgemeingedankens gegründet war. Aber sowohl Baco als auch die mittelalterlichen Nominalisten halten an der antiken Auffassung des Verhältnisses zwischen himmlischer und irdischer Welt fest, und stehen daher in einem ihnen Beiden gemeinsamen Gegensatze zu Nikolaus von Cusa, welcher durch die speculative Begründung, die er seinem In- dividualismus gab, die Schranken der antiken Kosmologie durch- brach, und bereits auch die physikalische Unrichtigkeit des geocentrischen Weltsystems andeutete. Baco blieb durch sein Festhalten am Geocentrismus innerhalb die Gränzen der mittel- alterlichen Weltanschauung gebannt, während der Cusaner durch seinen speculativen Individualismus . den ersten Schritt über dieselbe hinausthat. Baco's Individualismus ist nicht jener des speculativen Gedankens, sondern einfach nur jener des christ- lich-religiösen Creationsgedankens unter Verzicht auf den noch ausserhalb seines Denkbereiches liegenden Versuch einer Ver- mittelung der generischen Allgemeinheit mit der individuellen Besonderheit in einem über beide hinausliegenden höheren Denkelemente, in welches sich Nikolaus von Cusa durch seinen speculativen Individualismus aufschwang, ohne freilich über eine ontologisch abstracte Fassung und Lösung des von ihm aufgegriffenen philosophischen Denkproblems hinauszugelangen. Baco begnügte sich zufolge seines grundsätzlichen Empirismus mit einem physikalischen Dynamismus, der ihm die unmittelbare Gewährschaft für die Richtigkeit seines Individualismus bot, und ihm auch die orientirenden Gesichtspunkte für die Er- mittelung des richtigen Verhältnisses zwischen Stoff und Form als den grundhaften Componenten alles geschöpflichen Daseins darbot. Denn alle Kraftwirkung geht von einem bestimmten Centrum aus, welches als solches einen bestimmten Ort ein- Die Psychologie, Erkenntniss- timl Wissenschaftslehre des Roger 1 567 nimmt, und ein individuelles Dasein als Sitz und Hort der Kraftwirkung involvirt. Eben hieraus folgt aber zugleich auch, dass nur innerräumliche oder physische Existenzen Gegenstand unserer geistigen Erforschung sein können, während die über- räumlichen, illocalen geistigen Existenzen nur in dem Grade, als sie sich durch ihre Wirksamkeiten vernehmbar machen, und nach den denknothwendigen Analogien ihres Seins und Wesens mit jenem der sinnlichen Existenzen erkennbar sind. Dass wir diess von ihnen wissen, verdanken wir nach Baco schliesslich nur der Offenbarung in der oben schon auseinandergesetzten Weise. Gleichwohl stehen wir als willensfreie moralische Wesen ganz und gar im Bereiche jener übersinnlichen Ordnung, deren Organisation und Gesetze wir im Lichte der inneren und der historischen äusseren Offenbarung, so wie der aus dem Alter- thum überlieferten Weisheitslehren zu erkennen haben. Die Erkenntniss dieser Ordnung ruht, soweit sie rationale Er kenntniss ist, auf der Metaphysik; diese geht für Baco, soweit sie über die Metaphysik der Körperwelt hinausreicht, ganz und gar in Theologie und Moral auf. ' Baco gibt in einem Traetate über Moralphilosophie, welcher die Schlusspartie seines Opus tertium bilden sollte,2 die der Moral mit der Metaphysik ge- meinsamen Lehren an,3 welche die Unterlage der Moralphilo- sophie als Rechts- und Pflichtenlehre zu bilden haben. Diese Lehren sind lauter Lehren derjenigen Wissenschaft, welche man heute zu Tage die natürliche Theologie nennen würde, nämlich die Lehren von Gottes Wesen, von Gott als Welturheber und Weltregenten, von den Engeln und Menschenseelen, von der sittlichen Ordnung- im menschlichen Zeitdasein und von der ewigen Vergeltung in einem zukünftigen Leben, von den pflichtgemässen sittlichen Beziehungen des Menschen zu Gott, zu sich und zum Nächsten, von der Notwendigkeit eines öffent- lichen und gemeinsamen Cultes. Wie dieser Cult beschaffen sein müsse, kann man nach Baco nur aus der Offenbarung 1 Vgl. hiezu die oben S. 519 ff. eingegebenen, hierüber orientirenden Bemi r- kungen Baco's über das Verhältniss zwischen Vernunft und Wille. Intel- lectus speculativus und Intellectua practicus. 2 In Baco's handschriftlich vorhandenem Werke de philosophia murali. Siehe Charles p. 09 und 245—260. 3 De philosophia morali, c. 1. Aushebung dieser Sätze bei Charles p. 250 568 Werne*. wissen; Mittler der wahren und richtigen Erkenntniss des In- haltes der Offenbarung ist der Papst als Oberhaupt der Kirche und unmittelbarer Stellvertreter Gottes auf Erden. ' Baco spricht in diesem Satze aus dem unmittelbaren Bewusstsein seiner Zeit heraus, deren Anschauungen, Aveil und soweit er in ihnen lebt, für ihn die Geltung unmittelbarer rationaler Evidenz haben; es ist ihm undenkbar, wie die nun einmal factisch bestehende sittliche Ordnung auf Erden, die in der christlichen Gesellschaft repräsentirt ist, ohne ihre centrale Zusammenfassung in einem höchsten menschlichen Haupte Bestand haben könnte. Auch hier berührt sich Baco merkwürdiger Weise mit einem Ge- danken, welchen Nikolaus Cusanus in seiner späteren, auf das Basler Concil folgenden Entwickelungsepoche seiner kirchlichen Anschauungen entwickelte. In einer während des Frankfurter Fürstentages a. 1442 abgefassten Schrift2 fasst er das Verhältniss des Papstes zur Kirche nach Analogie des Verhältnisses Adams zum menschlichen Geschlechte, Gottes zur Welt. Wie die Kraft der Einheit der menschlichen Natur aus dem das ganze Menschengeschlecht umfassenden Adam sich auswickelte, und Gottes Schöpferkraft in den Geschöpfen sich entfaltet, so die verschiedenen Abstufungen der kirchlichen Gewalt aus ihrer ursprünglichen ungeschiedenen Einigung in Petrus, dem gott- bestellten Haupte der Kirche, welches aber, indem es die ver- schieden abgestuften besonderen Gewalten aus sich entlässt, die höchste und universale Gewalt ungeschwächt zu behaupten fortfährt, und die aus ihm emittirten besonderen, ihrer Natur nach beschränkteren Gewalten der Patriarchen, Metropoliten, Bischöfe und Priester umschliessend in sich fasst, so dass es im Grunde keine Gewalt ausser jener dieses Ersten (des Petrus und seiner Nachfolger) gibt. 1 Der letzte der siebzehn, aus der Metaphysik zum Unterbau der Moral entlehnten Sätze lautet: Quod uni tan tum fieri debet revelatio, quod iste debeat esse mediator Dei et hominum et vicarius Dei in terra, cui sub- jiciatur totnm genus hominum, et cui credere debeat sine contradictione .... et iste est legislator et summus sacerdos, qui in spiritualibus et temporalibus habet plenitudinem potestatis tanquam Deus humanus, ut dicit Avicenna in 10 Metaph., quem licet adorare post Deum. De philos. nior., c. 1. 2 Ad Rodericum de Trevino Arch'diaconum. •A Die Psychologie, KrVenntniss- urnl Wissenschaftslehre des Roger Baco. ;>t'p'.' Baco gliedert die Philosophia moralis in sechs Theile, von welchen indess bis jetzt nur die drei ersten handschriftlich aufgefunden worden sind. In diesen behandelt der erste Theil die Principienlehre, der zweite die Gesellschaftslehre, der dritte die moralischen Verpflichtungen jedes Einzelnen als solchen. ' Nach seiner eigenen Angabe verhalten sich diese drei Theile zu einander, wie Cultus Dei, Bonum commune, Bonum privatum; hiedurch ist auch die Rangordnung in ihrer Aufeinanderfolge bestimmt. In der Gesellschaftslehre2 entwickelt Baco unter häufiger Verweisung auf Avicenna seine Theorie vom Staate und dessen fundamentalen Einrichtungen, von den Gesetzen, durch welche die eheliche Gemeinschaft, das Verhältniss zwischen Obrigkeiten und Untergebenen, Herren und Dienern, Haus- vätern und Familiengenossen, Lehrern und Schülern zu regeln ist. Als die drei nothwendigen Factoren zur Feststellung und Herhaltung der rechtlichen Ordnung im bürgerlichen Gemein- wesen bezeichnet er die Lenker, die Hilfsorgane der Leitgewalt und die Gesetzeskundigen. Unnütze, arbeitsscheue Glieder der bürgerlichen Gesellschaft sollen nicht geduldet, sondern aus- gewiesen und unter besondere Aufsicht gestellt werden. Der Staatsschatz, dessen Einkünfte in gesetzlich festgestellten Ab- gaben, Strafgeldern und Kriegsbeute bestehen, soll neben der Bestreitung der übrigen für das Gemeinwohl nöthigen Ausgaben auch den Alten und Gebrechlichen zu Gute kommen; auch die Lehrer des Gesetzes müssen durch denselben sustentirt werden. Baco verbreitet sich weiter über Erbschaftsrecht und Testamente, Verträge und Processsachen; keine Art unsolider Schwindelei soll geduldet, Glückspiele und andere auf Aus- beutung und Corrumpirung der bürgerlichen Gesellschaft ab- zielende Unternehmungen sollen verpönt sein. Auch auf die Straf- justiz und das Kriegswesen wirft er einen flüchtigen Blick. Für die Succession in der Herrschaft soll Sorge getragen sein; Baco erklärt sich für die durch Wahl zu bestimmende Suc- cession. Der Staatslenker heisst bei ihm stets Legislator; er 1 Auch im Opus tertium (c. 14) scheidet Baco die Moralphilosophie in sechs Theile. Der Inhalt des vierten und fünften Theiles bezieht sich auf die Ekklesiastik; der sechste Theil handelt de causis ventilandis coram judice inter partes, ut fiat justitia. 2 Philos. mor., c. 7. Vgl. die Auszüge bei Charles p. 344 — 34 7. 570 Werner. fasst also die Herrscher der Staaten in einer seiner Auffassung der päpstlichen Würde analogen Weise auf. Die Freiheit der Untergebenen wird bei dieser Auffassungsart durch das ihnen eingeräumte Wahlrecht gewahrt, dessen Entscheidung er als Gottes Urtheil ansieht; er räumt überdiess dem Volke das Recht ein, einen als unfähig und unwürdig Erkannten abzu- setzen und anstatt desselben einen Anderen zu wählen. Die bürgerlichen Einrichtungen der Staaten und Reiche können durch natürliche Ursachen, durch die Philosophie und endlich unmittelbar durch das christliche Gesetz normirt sein. ' Als natürliche Ursachen bezeichnet Baco die durch die siderischen Einflüsse bedingten klimatologischen Zustände und psychisch- physischen Dispositionen der Völker; die philosophische Ge- setzesweisheit sucht Baco vornehmlich bei den alten Griechen, unter welchen Plato und Aristoteles als philosophische Gesetzes- lehrer hervorragen. Aristoteles habe 2 die sechs möglichen Formen der socialen Ordnung vom ethischen Standpunkte eruirt. Es komme nämlich darauf an, was als oberster Zweck und höchstes Gut der Societät angesehen werde. .Ist es die zukünftige jen- seitige Seligkeit, so ergibt sich hieraus die Idee der christlichen Societät, welche auch von Aristoteles und anderen richtig Philosophirenden, wenn schon nur unvollkommen, erfasst worden ist. Gilt zeitlich -irdische Wohlfahrt als höchster Zweck, so können Wohlleben, Reichthum, Herrschaft, Unterjochung der Völker, Ruhm als Objecte des Begehrens des Volksgeistes die mannigfaltigen Formen des bürgerlichen Gemein- und Staats- wesens bestimmen. Indem Aristoteles die Verderblichkeit dieser Formen zeige und zugleich die Wege zur Abwendung derselben und der mit ihnen verbundenen Schäden des Gemeinwohles aufweise, habe er sich als einen ächten Gesetzesweisen bekundet,3 und biete auf wenigen Blättern mehr als das gesammte Corpus 1 Comp. stud. pliil., c. 4. 2 Baco bezieht sich hier auf Aristot. Pol. VII, c. 1 ff. 3 Aristoteles et ejus discipulus Theophrastus omnia compleverunt, ut dioit M. Tullius quinto Academicorum libro (vielleicht Versehen statt Fin. V, 4), et ah his habuerunt omnes Latini omnes leges prineipaliter; quamquani Leges XII Tab. fuerunt transscriptae ex dictis Solonis Atheniensis. Sed dolendum, quod haec pars philosnphiae non est apud Latinos usu nisi lai- caliter, secundum qimd imperatores et reges statuerunt Op. tert., c. 14. ■A Die Psychologie, Erkenntniss- und Wisscnschai'tslehre des Roger Baco. 57 1 Juris Romani. Auch im dritten Theile der Philosophia moralis, in der Lehre von der Privatmoral, ist Baco's Hauptführer Ari- stoteles, welchem die Lehre von den Tugenden entlehnt ist; neben Aristoteles werden vornehmlich die moralischen Schriften Cicero's und Seneca's als unerschöpflich reich an moralischer Belehrung- empfohlen.1 Die aristotelischen Schriften über Ethik, Politik und Rhetorik unter Hinzunahme eines dem Aristoteles beigelegten Liber de regimine regnorum gelten Baco als der vollständige Inbegriff aller sechs Theile der Philosophia Moralis; er findet bei Aristoteles die christlich-theologische Begründung der Philosophia moralis durch die Lehre vom dreieinigen Gotte, welche Aristoteles theils von seinem Lehrer Plato, nach Aussage des Liber de regimine regnorum noch vollkommener aus he- bräischen Schriften und in persönlichem Verkehre mit den He- bräern kennen gelernt habe. Seinen Charakter als Lehrer er- habener Weisheit habe er nicht bloss durch Wort und Schrift, sondern auch durch die That bewährt, indem er am Abend seines Lebens mit seinen erlesensten Schülern Besitz und Heimath verliess, um ausschliesslich der meditativen Beschauung, der Er- wägung der göttlichen, ewigen Dinge und der jenseitigen zu- künftigen Welt zu leben. Baco denkt, wie wir oben 2 hörten, nichts weniger als vortheilhaft vom römischen Rechte ; er bezeichnet es gleich den in den meisten Ländern und Reichen bestehenden beson- deren Gesetzgebungen als ein unphilosophisches Laienrecht, welches rein natürlichen, und so weit es in den Erlässen der Regenten begründet ist, zufälligen Ursprunges sei, und auch in seiner Exsequirung auf eine rein mechanische, d. i. handwerks- mässige Weise gehandhabt werde. Er stösst sich desshalb :! an dem Umstände, dass das römische Recht durch Kleriker gelehrt 1 Legantur decem libri Ethicorum Aristotelis et inmuncrabiles Senecae et Tullii et aliorum, et inveniemus, quod sumus iu abysso vitiorum, ut dicamus: Gratia Uei salvavit nos. Sumraus enira zelus castitatis et man- suetudinis et patientiae et constantiae et omnium virtutum fuit apud philosophos. Nam non est homo in aliquo vitio ita absorptus, quin si legeret diligenter libros lins, illud Vitium dimitteret; quoniam ita potenter allegant pro qualibet virtute, et contra quollibet Vitium quod aon est finis. Op. tert., c. 14. 2 Siehe oben S. 503, Anin. 2. 3 Comp. stud. pliil., e. 14. 572 Werner. werde, oder dass die völlig weltlich lebenden Lehrer desselben als Kleriker gelten wollen. Den Klerikern zieme es, sich dem allgemein giltigen kirchlichen Rechte zu widmen, über dessen Verhältniss zum weltlichen Rechte uns Baco freilich einiger- maassen im Unklaren lässt. Wenn er ' sagt, dass ein Reich, welches gute Gesetze habe, nach Erkenntniss des besten Rechtes, welches eben das christliche Recht ist, schuldig sei, dasselbe mit Aufgebung des bisherigen anzunehmen, so möchte man daraus folgern, dass den weltlichen Gesetzgebungen schlechthin das geist- liche Recht der Kirche substituirt werden solle, oder wenigstens erstere in absoluter Unterordnung unter das allgemeine kirchliche Gesetz nur so weit fortbestehen dürfen, als die besonderen Landes- verhältnisse eine speciell modificirte Application desselben noth- wendig erscheinen lassen. Baco scheint hier seinem philosophischen Individualismus untreu werden zu wollen, und hat jedenfalls noch keine Ahnung von der Herausbildung der besonderen Staaten und Reiche als selbstständiger Individualitäten aus der allgemeinen christlichen Völkerfamilie. Ihm ist, wie seiner Zeit, die Idee des Culturstaates noch völlig fremd, weil alle Cultur dazumal wesentlich noch die ausschliesslich kirchliche war; er kennt noch keine Ablösung der Rechtsidee von der Sittlich- keitsidee und beider von der religiösen Idee, und hat also auch noch keine Ahnung von der weltgeschichtlichen Bewegung, deren Verlauf ein relatives Auseinandertreten der von jenen drei Ideen umfassten Gebiete herbeiführen sollte, um eine in der Idee des Menschenwesens vermittelte Einigung derselben anzubahnen. Daher seine Glorification des allerdings in seinem Jahrhundert im Zenith seiner Machthoheit stehenden Papst- thums; das Papstthum ist ihm nicht nur wie jedem Katholiken für immer und alle Zeit die höchste Würde auf Erden, sondern der Papst zugleich auch der oberste Weltherrscher und Regent der Reiche. 2 1 Pilos. mor., c. 7 : Si aliqua civitas vel regnum bonarum sit constitutionuin et legis, hoc non adversatur ei, quin debeat recipere aliam legem, cujus institutio quam optima est, quare dilatanda est per totum orbem, et in hoc verbo lex christiana innuitur. 2 Sapientia humana ordinat hominem in vitam aeternam secundum possibili- tatem philosophiae, et probat, quod lex debet a solo Deo revelari, et uni legislatori perfecto, qui est vicarius ejus in terra, et qui habet toti mundo Die Psychologie, Erkenntniss- und Wissenscbaftslehre des Itoger Baco. ;><.'! Die dem Papstthum dargebrachte Huldigung stallt bei Baco in engster Verbindung mit seinen Plänen und Bemühungen um Verwirklichung seines Wissenschaftsideales, die er einzig mit Hilfe des weltmächtigen allgebietenden Papstthum durch- führbar erachtete. Er spricht diess in dem Uebersichtsplane der vierten Abtheilung seiner Philosophia moralis aus. ' Sein Wissen- schaftsideal ist die Aufnahme der gesammten Menschenweisheit in die christliche Theologie, welche hiedurch zu einem Tempel der irotterleuchteten Gesammtwissenschaft werden, und auf das Fundament einer allumfassenden Weltkunde gestellt werden soll. Da nämlich die geistigen Dinge nach Analogie der sinn- lichen, die himmlischen nach Analogie der irdischen zu ver- stehen sind, so muss ein in successiver Erweiterung und Ver- tiefung beo-riffener Betrieb der Weltkunde durch sich selbst zu einer stets vollkommeneren Aufhellung der christlichen Er- kenntniss und ihrer Mysterien führen, und damit der Sieg des Christenthums auf Erden über alle von ihm abweichenden Völkerreligionen angebahnt werden. Baco muthete der Kirche die Aufgabe zu, das von ihr im Beginne des Mittelalters über- nommene grundlegende Werk des Unterrichtes und der geisti- gen Bildung; der Nationen durch sich allein mit den ihr un- mittelbar zu Gebote stehenden geistlichen Kräften fortzuführen und zu vollenden. Die Geschichte hat gelehrt, dass die Ange- legenheiten des Unterrichtes und der Bildung, wenn die Volker durch den erziehenden Einfluss der Religion bis zu einer ge- wissen Stufe emporgehoben worden sind, selbsteigene Ange- legenheit der christlichen Gesellschaft werden und das Laien- thum die specifische Vertretung aller weltlichen Wissenszweige zu übernehmen hat. Und diess musste allüberall da eintreten, wo an die Stelle und auf Grund der von der Kirche über- lieferten antiken Bildung eine nationale Bildung trat, deren Entwickelung mit der Erstarkung des Selbstbewusstseins des Laienthums, und des mit dem geistig geweckten Nationalbe- wusstsein engst verwachsenen Staatsgedankens zusammenhing. dominari et omnia regna disponere; et hie habet legem promulgare et ordinäre de suo successore. quem philosophi vocant summum sacerdotem. Op. tert., c. 14. 1 L. c. 574 Werner. Die fünfte Abtlieilung der Philosophia Moralis hat es mit der geistigen Einflussnahme der Kirche auf das gläubige Laien- thuin zu thun. Auch hier zeigt sich wieder, dass Baco nur das geistig noch unentwickelte Laienthum seines Zeitalters im Auge hat, welches die Kirche nach seiner Ansicht durch die mündliche Predigt zu leiten und geistig zu beherrschen hat. ' Baco hatte noch keine Ahnung von der durch die Erfindung der Buchdruckerkunst zu bewirkenden geistigen Umwälzung in der civilisirten Gesellschaft; er konnte also auch nicht von ferne daran denken, wie viele andere Mittel geistiger Beein- flussung und Leitung der religiös-sittlichen Ueberzeugungen der kirchlichen Predigt an die Seite zu treten hätten, um der kirchlichen Predigt den von ihm beabsichtigten Einfluss zu sichern und denselben zu unterstützen. Er zeigt sich übrigens von der Predigtweise seiner Zeit durchaus nicht befriedigt, 2 nennt sie unphilosophisch, geziert, der Erkenntniss des wahren Wesens der ächten Rhetorik entbehrend, und demzufolge auch ohne Kenntniss der Mittel, den Menschen innerlich zu fassen und durch die Macht des lebendigen Wortes zu beherrschen. Er macht nur zu Gunsten einzelner geistlicher Redner eine Ausnahme, unter welcher er den Berthold von Regensburg mit Namen hervorhebt. Baco unterscheidet zwischen der Rhetorica docens und utens; die erstere weist er der Logik, letztere der Musik zu, und sieht in der Musikkunst, diese im weitesten Sinne ver- standen, ein Hauptmittel der Kirche in ihrer Wirksamkeit auf Sinn, Gemüth und Ueberzeugung der Gläubigen.3 Baco gibt sich den weitestgehenden und höchstgesteigerten Erwartungen über die Macht und Wirkung einer vollkommen ausgebildeten Musikkunst hin, und scheint die poetisirenden Erzählungen 1 Op. tert., cap. 15 et 75. 2 Principalis intentio ecclesiae et ultirnus finis est opus praedicationis, ut infideles ad fidem convertantur et fideles in fide et moribus conserventur. Sed quia utrumque modum vulgus ignorat, convertit se ad summam et infinitam curiositatem, seil, per divisiones Porphyrianas et per conso- nantias ineptas verborum et clausularum, et per concordantias vocales, in quibus est sola vanitas verbosa, omni carens ornatu rhetorico et virtute persuadeudi. Op. c, c. 75. 3 Op. tert., cap. 72 — 74. Die Psychologie, Krkenntniss- und Wissenschaftslehre des Koger Baco. 575 des Altertimms hierüber als beglaubigte Geschichte nehmen zu wollen; er traut der Musik die Eigenschaft zu, nicht bloss die Leidenschaften der Menschen zu besänftigen, sondern auch die Bestien zu zähmen; sie soll ein Mittel sein, lasterhaften Hand- lungen Einhalt zu thun, die Uebung des Gesanges eines der vorzüglichsten Gesundheitsmittel sein. Er hofft von einem zu- künftigen tiefsten Eindringen in die Geheimnisse der Musik- kunde und von der Erfindung der solchen Einblicken ent- sprechenden Musikinstrumente Erfolge, in welchen geradezu die Zustände der verlorenen Paradieseswelt wiederhergestellt er- scheinen würden. ' Baco fasst übrigens Poesie und Musik in unzertrennlicher Einheit, und erkennt nur in demjenigen einen wahrhaften Musiker, welcher sich zugleich exaet auf die Gesetze der Metrik und Rhythmik versteht. Daneben verlauten wieder die üblichen Klagen über den in letzterer Zeit eingerissenen Verfall der kirchlichen Poesie und Musik; die Kenntniss der Gesetze der Metrik und Rhythmik sei den heutigen Hymnologen und kirchlichen Dichtern unbekannt, an die Stelle der aus der Kirche überkommenen Harmonia enharmonica, welche die schöne Mitte zwischen der rauhen, abgerissenen Harmonia diatonica und der verweichlichten schnörkelhaften Harmonia chromatica einhalte, sei das ungeordnete Gefallen an letzterer getreten, der Gesang werde durch geschmacklose Künsteleien zur Unnatur verzerrt, man vernehme widerliche Falsetstimmen. Auch hierin sei also der kirchlichen Reformarbeit reichlicher Stoff geboten. Baco lässt alle höheren geistigen Bestrebungen in der Musik als 'schlechthin Höchstem gipfeln, welches über alles mensch- liche Denken und Selbstthun hinausgreifend2 den Menschen mit göttlicher Gewalt ergreife und über sich selbst erhebe, um ihn der Macht des Göttlichen vollkommen dienstbar zu machen. 1 Certe raperentur bruta in omnem voluntatem nostram . . . similiter animi in quemlibet gradum devotionis raperentur, et in plenum eujuslibet vir- tutis amorem excitarentur et in omnem sanitatem et vigorem. Op. tert., c. 73. 2 Mira musicae super omnes scientias speetanda potestas. Nani, ut ait Boetius, aliae scientiae veritatis investigatione laborant; haec vero oon solummodo speculatioui sed moralitati conjuneta est, et naturam permatat universani. 1. c. 3 Sic beatus Fauciscus jussit fratri cytharistae ut dulcius j)ersonaret, qua- teuus mens excitaretur ad harmoniaa coelestes, quas pluries audivit. 1. c. 576 Werner. Die Psychologie, Erkenntniss- u. Wissenschaftslehre d. Roger Baco. Diese Auffassung steht in vollkommenem Einklänge mit Baco's philosophischer Gesamrntanschauung, mit seiner Vorliebe für die Mathematik, mit seiner Betonung der moralisch-praktischen Zwecke aller Bildung und Cultur, mit seiner Ansicht von der gleichsam theoleptischen Natur alles höheren Denkens und Erkennens, und seiner Abneigung gegen die auf die meta- physische Wahrheit und Geltung des Allgemeingedankens ge- gründete Vernunftwissenschaft der Scholastik. An die Stelle der geistigen Apprehension der göttlichen Allgemeingedanken als des wesenhaften Geistgehaltes der Dinge, tritt bei ihm die Apperception von Harmonien, deren tönende Componenten die singulären Dinge als solche sind, und gemäss der göttlichen Weltconception zu einem planvoll gedachten Ganzen sich zu- sammenfügend eine wundervolle Tonschöpfung, ein Gedicht ewiger göttlicher Gedanken darstellen. Baco entdeckte jedoch nicht den Zauberstab, der die wirklichen Dinge geistig berührend in Offenbarungen schöpferischer göttlicher Gedanken sich ver- wandeln macht; für ihn, den grundsätzlichen Empiristen blieb jene wundervolle Harmonie ein blosses Postulat, eine blosse Denkahnung, die erst dem ideal durchgei steten Vernunftdenken sich in eine lebendige Denkerfahrung, in eine wirkliche Appre- hension der dem sichtbaren Weltganzen und der gesammten Schöpfung eingegeisteten göttlichen Harmonien umzusetzen ver- mag. Ihm fallen göttliche Inspiration und menschliche Ti/vr, unvermittelt auseinander ; und so kam es gewissermaassen von selbst, dass sein geistiges Beginnen, so gross es angelegt war, von der auf die Selbstmacht des scholastischen Vernunftdenkens sich stützenden Albert'schen Schule zurückgedrängt wurde, in uinem späteren Jahrhundert aber, wo die von ihm anticipirten Gedanken mächtig wieder auflebten, bereits von der vorge- schrittenen Zeitrichtung überholt erschien. An Bewunderern und an Gläubigen hat es ihm in den auf das Mittelalter nächst- folgenden Jahrhunderten nicht gefehlt; das wahrhafte und bleibende Interesse an ihm kann jedoch nur das historische sein, welchem gemäss seine geschichtliche Erscheinung aus den Zuständen des Zeitlebens seines Jahrhunderts verstanden wird. SITZUNGSBERICHTE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. XCIII. BAND, IV. HEFT. JAHRGANG 1879. — APRIL. Am 680 Das w. M. Herr Hofrath Dr. Sickel legt eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung unter dem Titel: ,Bei- träge zur Diplomatik VII; Kanzler und Recognoscenten bis zum Jahre 953 ' vor. Das w. M. Herr Professor Dr. Hartel legt eine für die Denkschriften bestimmte Abhandlung des c. M. Herrn Professor Kviöala in Prag vor, welche betitelt ist: , Studien zu Euripides mit einem Anhang Sopliokleischer Analecta'. An Druckschriften wurden vorgelegt: AcadSmie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique: Bulletin. 48e Annee, 2e Serie, Tome 47. Nros. 1 et 2. Brnxelles, 1879; 8°. — des Inscriptions et Belles-Lettres: Comptes rendus des Seances de l'Annee 1878. IVe Serie. Tome VI. Bulletin d'Octobre ä Decembre. Paris, 1879; 8». Akademie, königl. Preussische, der Wissenschaften zu Berlin: Monatsbericht. December 1878. Berlin 1879; 8°. - - Politische Correspondenz Friedrichs des Grossen. I. Band. Berlin 1879 ; 4°. - - Ueber die Anfänge des Axumi- tischen Reiches; von A. Dillmann. Berlin, 1879; 4°. — Einiges zur Japanischen Dicht- und Verskunst von W. Schott. Berlin, 1878; 4". Becker, M. A. : Topographie von Niederösterreich. II. Band. 5. Heft. Wien, 1879; 40. Bureau, k. statistisch-topographisches: Beschreibung des Oberarats Tutt- lingen. Stuttgart, 1879; 8°. Geschichts- und Alterthums-Verein zu Leisnig: Mittheilungen. V. Heft. Leisnig, 1878; 8°. Gesellschaft, Deutsche morgenländische: Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. VII. Band. Nr. 1. Leipzig, 1879; 8°. — historische, in Basel: Finanzverhältnisse der Stadt Basel im XIV. und XV. Jahrhundert von Dr. Gustav Schönberg. Tübingen, 1879; 8°. - für Salzburger Landeskunde: Mittheilungen. XVIII. Vereinsjahr 1878. Salzburg; 8». Mittheilungen aus Justus Perthes' geographischer Anstalt von Dr. A. Petermann. XXV. Band, 1879. III. Gotha; 4°. Oppert, Gustav, Ph. D.: On the Classification of Languages. Madras, London, 1879 ; 8". ,Revue politique et litteraire' et ,Revue scientifique de la France et de l'Etranger'. VHP Annde, 2e Serie. Nros. 38 et 39. Paris, 1879; 4». Kremer. Ibn Chaldun und neine Cnltnrgeschichte der islamischen Reiche. f)S j Um Chaldun und seine Cnlturgesehichte der islamischen Reiche. Von A. von Kremer, wirklichem Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften. I. Leben und Werke. U/s ist eine beachtenswerthe Erscheinung' im orientalischen Mittelalter, zu einer Zeit, wo die grosse Geistestliätigkeit des arabischen Volkes schon ihren Gipfelpunkt überschritten hatte und von allen Seiten die Anzeichen des Verfalles sich be- merkbar machen, einen kühnen, selbstständigen Denker auf- treten zu sehen, der, den Entwicklungsgang der Civilisation beobachtend, eine für jene Zeit ebenso originelle als grossartige Geschichtsauffassung sich zu bilden verstand. Ibn Chaldun ist der Name des hervorragenden Mannes, der unter den Historikern des Morgenlandes unbestritten die erste Stelle behauptet, weil er nicht nur die Geschichte der islamischen Völker nach einem ganz neuen und selbstständigen Plane schrieb, sondern auch der Cultnrgeschichte seine be- sondere Aufmerksamkeit widmete, und, wie er nicht ohne Selbstgefühl hervorhebt, sie eigentlich erfand und begründete. Die bewegte Zeit, in der er lebte, die einflussreiche Rolle, welche er als Staatsmann und Gelehrter spielte, mögen viel dazu beigetragen haben, seinem Geiste diese Richtung zu geben. Geboren in Tunis im Jahre 1332 und einer der ange- sehensten Familien von Sevilla entsprossen, nahm er schon in seinem zwanzigsten Lebensjahre die Stelle eines Secretärs bei dem über Tunis damals wenigstens dem Namen nach die Herrschaft ausübenden Sultan Abu Ishak TL aus der Dynastie der Hafsiden ein. Bald aber verliess er diese Stellung und begab sich nach Fez, der Hauptstadt der Sultane aus dem 38* 582 Kremer. Geschlechte der Meryniden. Hier erhielt er eine Stelle im Secretariate des Sultans Abu 'Inän, fiel aber bald in Ungnade, ward in den Kerker geworfen und erlangte die Freiheit erst nach dem Tode des Sultans im Jahre 1358, worauf er wieder eine nicht unwichtige politische Rolle spielte und schliesslich von dem neuen Herrscher zu seinem Geheimsecretär ernannt ward. Ein Aufstand stürzte den Sultan und unter dem neuen Gewalthaber gerieth Ibn Chaldun in eine schwierige Stellung. Er wandte sich (1362) nach Spanien, wo Ibn Ahinar, der König von Granada, dem er früher wichtige Dienste geleistet hatte, ihn mit offenen Armen empfing. Ein Jahr später begab er sich als Gesandter seines neuen Herrn nach Sevilla, der Stadt seiner Ahnen, zu Peter dem Grausamen, König von Castilien, bei dem er die zuvorkommendste Aufnahme fand. Der König machte ihm den Antrag, an seinem Hofe zu bleiben und wollte ihm sogar die in Sevilla gelegenen früheren Besitz- thümer seiner Familie zurückerstatten. Nach Granada zurückgekehrt, lebte er in den angenehm- sten Verhältnissen, bis eine Verstimmung zwischen ihm und dem Wezyr Ibn Chatyb ihn veranlasste, wieder nach Afrika zurückzukehren (1365). Er Hess sich in Bigäja (Bougie) nieder, wohin ihn der Hafsiden-Prinz Abu Abdallah eingeladen hatte. Doch auch hier währte seine Ruhe nicht lange, denn, ein benachbarter Machthaber, der Fürst von Constantine, eroberte die Stadt. Nur kurz verblieb Ibn Chaldun unter dem neuen Fürsten und wandte seine Schritte nun nach Telmesän (Tlemsen), wo er von dem Gebieter dieser Stadt, dem Prinzen Abu Hammu, aus der Familie der Abd-alwäd, zum Secretär gewählt ward. Im Jahre 1370, als sich eben ein Krieg zwischen seinem Herrn und dem Sultan von Westafrika aus der Dynastie der Mery- niden voi'bereitete, erbat er sich die Erlaubniss, nach Spanien zu reisen und erhielt sie auch. Aber im Augenblicke seiner Ein- schiffung ward er auf Befehl des Meryniden-Sultans Abdal'azyz verhaftet, erlangte nach kurzem Verhöre die Freiheit, kam schnell in Gnaden und trat nun in die Dienste dieses Fürsten, der sich des grossen Einflusses gerne versicherte, den Ibn Chaldun auf die arabischen Nomadenstämme ausübte, die da- mals ein sehr wichtiges politisches Element bildeten. Als der Sultan Abdal'azyz starb, blirb er im Dienste seines Sohnes Ibn Chaldun and seine Culturgeschichte der islamischen Reiche. 583 Abu Bakr Sa'yd, der jedoch nur unter Bevormundung des Grosswezyrs die Herrschaft führte. Unterdessen erfolgte seitens des Königs von Granada eine Einmischung in die innern Angelegenheiten des Meryniden- Staates, indem er gegen den unmündigen Sultan sich erklärte und einen Kronprätendenten aufstellte; es entbrannte der Krieg zwischen Granada und den Meryniden. Der Kampf endete damit, dass Abu Bakr Sa'yd der Herrschaft entsetzt ward und an seiner Stelle ein anderer Prinz desselben Hauses den Thron bestieg. Unter diesen Verhältnissen erbat sich Ibn Chaldun die Erlaubniss zur Rückkehr nach Spanien (1374), erlitt aber das Missgeschick, auf Befehl seines früheren Gönners, des Königs von Granada, ausgewiesen zu werden. In Afrika angekommen, befand er sich in einer misslichen Lage. Die Staaten der Meryniden wollte er nicht betreten und im Gebiete des Sultans von Telmesän, den er früher ziemlich schnöde verlassen hatte, fühlte er sich nicht ganz sicher. Zwar fügte er sich dem Rufe des Sultans und begab sich nach Telmesän, suchte aber dort in einem Derwischkloster Sicherheit und benützte die erste Gelegenheit, sich dem Machtbereiche des Sultans zu entziehen. Er Hess sich mit seiner Familie in Kalat Ibn Saläma nieder, einem abgelegenen Städtchen der heutigen Provinz Oran. Hier blieb er vier Jahre in dem alten Schlosse, dessen Ruinen noch jetzt sichtbar sind, und hier vollendete er seine Culturgeschichte. Um Quellenstudien für seine allgemeine Geschichte zu machen, begab er sich gegen Ende 1378 nach Tunis, wo damals unter der Herrschaft der Hafsiden ein reges wissenschaftliches Leben herrschte und in den Moscheen und Lehranstalten reiche Büchersammlungen angehäuft waren. Der Sultan Abul- 'Abbäs selbst nahm lebhaften Antheil an dem Zustandekommen seines Geschichtswerkes. Er vollendete hier auch den Th.il desselben, welcher die Berberen und die Zenäta-Stämmc dann die beiden Dynastien der Omajjaden und Abbasiden, die vor- islamische Geschichte behandelt und überreichte ein Exemplar der Bibliothek des Sultans. Nach vierjährigem Aufenthalte musste er aber wieder scheiden: um einer bei dem Sultan gegen ihn eingeleiteten Intrigue auszuweichen, erbat er sich die Erlaubniss zur Pilgerfahrt nach Mekka und segelte, seine 584 Krämer. Angehörigen zurücklassend, auf einem gerade im Hafen zur Abfahrt sich bereit machenden Schiffe nach Alexandrien (1382), von wo er nach Kairo ging und bald zum Oberrichter (Kädy) nach malikitischem Ritus daselbst ernannt ward (1384). Er entwickelte in dieser Stellung grosse Strenge in Beseitigung zahlloser Missbräuche, ging gegen die Dywansbeamten, sowie gegen die Rechtsgelehrten und professionellen Juristen, gegen die Bewohner der Derwischzellen, die sich unter dem Scheine der grössten Frömmigkeit in alle weltlichen Geschäfte ein- mengten, mit grösster Energie zu Werke. Aber er machte sich auf diese Art zahllose Feinde, die ihn bei dem Sultan anschwärzten ; dazu traf ihn ein schweres Unglück, indem seine Familie, die er zu Schiffe von Tunis kommen Hess, in einem Sturme unterging. In dieser Lage sehnte er sich nach Erlösung und erhielt endlich die erbetene Enthebung von seinem Posten. Seine ganze Zeit widmete er nun wieder dem Studium und der wissenschaftlichen Arbeit, die nur durch die Pilgerfahrt nach Mekka unterbrochen ward. Im Jahre 1400 begleitete er den Beherrscher Aegyptens nach Syrien auf seinem Feldzuge gegen Tamerlan (Tymurlenk), gerieth hiebei in dessen Gefangenschaft, erlangte aber bald die Freiheit, kehrte nach Kairo zurück, wo er noch mehrmals das Richteramt bekleidete und am 15. März 1406 im Alter von 74 Jahren starb. — Den wechselvollen Lebenslauf des Mannes inuss man kenneu, um seine Geistesrichtung und seine wissenschaftliche Thätigkeit zu verstehen. Er lebte in der Zeit des allgemeinen Zusammenbruches der alten arabischen Welt. An die Stelle des Chalifenreiches waren schon geraume Zeit vorher zahl- reiche Sultanate und Feudalherrschaften getreten, die fast fort- während mit einander in Fehde lagen und die allgemeine Zersetzung des Bestehenden beförderten. Die Nationalitätsidee trat schon stark in den Kämpfen der Berberen gegen die Ai'aber hervor und machte ihre Kraft als staatenbildender Factor ziemlich deutlich bemerkbar. Auf die Beobachtung solcher Vorgänge sich stützend, stellte Ibn Chaldun seine Ansichten auf von dem Entstehen und dem Verfalle der Staaten und von dem Einflüsse des nomadischen oder sesshaften Volkselementes; hierauf begründete Ibn Chaldun und seine Culturgeschiebte der islamischen Reiche. 585 er seine Auffassung der Geschichte, nicht als Darstellung- des Aufeinanderfolgens der politischen Ereignisse und des Lebens- laufes der sich ablösenden Dynastien, sondern der geistigen und materiellen Entwicklung der Völker. ,Die Geschichte hat den Zweck, Nachricht zu geben von der socialen Gruppirung der Menschheit, das ist: der Gesell- schaft, sowie von den verschiedenen Zuständen, welchen im naturgemässen Wege die Gesellschaft ausgesetzt ist, als: dem wilden Leben, der Verfeinerung der Sitten, dem Gemeinsinn der Familie und des Stammes, den verschiedenen Arten von Ueberlegenheit, welche die Völker gegen einander erwerben und woraus die Reiche und Dynastien entstehen u. s. w. end- lich aber von allen Veränderungen, welche die Natur der Dinge im Charakter dieser Gesellschaft bewirken kann.' ' An diese Definition dessen, was er für die Hauptaufgabe der Geschichte hält, knüpft er seine Ansichten über die histo- rische Kritik. Er bezeichnet als die letzte, aber nicht un- wichtigste Ursache der vielfachen Irrthümer der Geschichts- schreiber das mangelhafte Verständniss der Geschichte, die Unkenntniss der Natur der durch die Gesellschaft geschaffenen Verhältnisse. 2 Denselben Gedanken entwickelt er weiter , wie folgt : .Unter so bewandten Umständen ist die Regel, welche man anwenden muss, um in den Erzählungen die Wahrheit von dem Irrthum zu unterscheiden und die sich auf die Unterscheidung des an und für sich Möglichen von dem an und für sich Un- möglichen gründet, das Studium der menschlichen Gesellschaft, das ist der Civilisation ; dann die Unterscheidung einerseits dessen, was in ihrem Wesen und in ihrer Natur begründet ist, anderseits aber dessen, was accidentell und nicht weiter zu be- rücksichtigen ist; endlich die Erkenntniss dessen, was von vorne her ausgeschlossen ist/ 3 Mit einer allerdings etwas kindlichen Zuversicht, die je- doch in der lebendigen Einbildung des Arabers ihre Erklärung 1 I, 71 (56). Die erste Zahl bezeichnet Band und Seite der in >!' Mohammedaner der Religion, als wichtigem culturgeschicht- lichem Elemente, in seinem Plane keinen Platz einräumt und im Verlaufe des Werkes zwar deren Bedeutung als politisches Element anerkennt, aber die metaphysische, transcendentale Seite gänzlich unberücksichtigt lässt. Auch in diesem Punkte ist Ibn Chaldun der erste Vertreter einer Geistesrichtung, die im Abendlande erst ein halbes Jahrtausend später sich Geltung errungen hat. 11. Einwirkung von Klima und Ernährung auf die körperliche und geistige Entwicklung. Nach den Ausführungen des arabischen Culturhistorikers ist mit Sicherheit zu erkennen, dass er den materiellen Vorbedingungen des Lebens einen grossen und nachhaltigen Einfluss auf die Ausbildung des Rassentypus, der geistigen und körperlichen Befähigung der Völker zuschreibt. Diese in unserer Zeit neuestens vielseitig beleuchtete Frage ist also schon vor fünfhundert Jahren von Ibn Chaldun besprochen worden. Allerdings ward derselbe Gedanke noch früher, aber auch in unbeholfenerer Weise von dem bekannten Schriftsteller Gähiz zum Ausdrucke gebracht, der in einer seiner Schriften, gelegentlich der im Koran erwähnten plötzlichen Verwandlung von Menschen in Thiere, sich hierüber in längere Erörterungen einlässt. Er fasst die Meinuugen der Philosophen (dohrijjah I zusammen, wovon besonders die hervorzuheben ist, dass, wenn auch eine plötzliche Umwandlung (mash) unmöglich erscheine, doch eine allmälige Umgestaltung durch analoge Erscheinungen in der Natur sich erklären lasse. Es wird darauf hingewiesen, dass Luft und Wasser in der Länge der Zeiten in der Thal einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der Menschen ausüben müssen, wie man dies am besten an den Negern (zing und den Slaven (sakälibah), sowie an den Bewohnern der Länder von Jägug und Mägug (der Tartarei) beobachten könne. — Wir sehen, fügt derselbe Autor hinzu, ähnliehe Erscheinungen an den arabischen Colonisten, die sich in Chorasan ansiedelten, 590 Kreraer. ebenso beobachten wir die eigentümlichen Verhältnisse der hochasiatischen Länder und wie die Kameele, die Saumthiere und all' ihre zahmen oder wilden Thiere sich in ihrer Natur jenen Verhältnissen anpassen; so sehen wir alle auf Gemüsen oder Blumen lebenden Insecten grün gefärbt, obgleich sie unter andern Verhältnissen diese Farbe nicht haben; so sehen wir in dem vulkanischen Landstriche (harrah) des Stammes Solaim alles schwarz gefärbt, sowohl Menschen als Thiere. Von vielen Personen hören wir erzählen, dass sie Menschen von den naba- täischen Bewohnern der Landschaft Mesene (maisän) gesehen hätten, die geschwänzt gewesen seien : wenn auch nicht gerade so wie das Krokodil oder wie das Pferd, noch wie die Schild- kröte und der Maulwurf (gardän), so hätten sie doch so ent- wickelte Steissknochen gehabt, dass sie wie Schwänze aussahen. — Oft sahen wir auch, fügt Gähiz hinzu, nabatäische Matrosen auf den Tigrisschiffen, die wahre Affen schienen, und nicht selten kann man Leute aus Westafrika zu Gesicht bekommen, zwischen denen und den Thieren nur ein geringer Unterschied bemerkbar ist. Es ist natürlich dies den Einwirkungen der verdorbenen Luft und des schlechten Wassers, sowie des un- gesunden Bodens zuzuschreiben, wo denn die Bewohner eines solchen Landstriches, welche aus Anhänglichkeit an ihre Wohn- sitze den Ort nicht verlassen, unter dem langjährigen Einflüsse dieser äusseren Ursachen so sich umgestalten, dass sie solchen Haarwuchs, solche rothbraune Färbung und solche affenähnliche Gestalten bekommen. l Ibn Chalduns Ansicht von dem Einflüsse der localen Verhältnisse auf die Menschen und ihre Cultur ist zwar nicht ganz so kindlich, stimmt aber im Grunde vollständig hiemit überein. Er folgt den arabischen Geographen, welche die bewohnte Erde vom Aequator gegen den Nordpol hinauf in sieben aufeinander folgende Zonen eintheilen, von welchen die zwei ersten vom Aequator nordwärts liegenden den Ein- wirkungen der Sonnenstrahlen und der Hitze in hohem Grade ausgesetzt sind, und deren Bewohner sich durch dunkle Haut- farbe auszeichnen, während die zwei letzten, dem Pole zunächst 1 Gähiz : Kitäb alhaiwän fol. 195—196 der Handschrift der Wiener Hof- bibliothek. Der Text dieser Stellen folgt im Anhange I. Ibn Chaldun und seine Cnltnrgeschichte 3er islamischen Reiche. :>!'l liegenden sich durch ihre Kulte und die weisse Hautfarbe der Bewohner unterscheiden. Die Bewohner der mittleren Zonen, der dritten, vierten und fünften zeichnen sich sowohl in ihren körperlichen als geistigen Anlagen durch das richtige Maass aus. Dies zeigt sich auch in ihrer Civilisation, ihrer Lebensweise, ihren Wohnungen, den Künsten, Wissenschaften und Staatseinrichtungen. Sie haben Propheten gehabt, bei ihnen hat sich das Königthum entwickelt, sowie Dynastien, Gesetze, Wissenschaften, Städte u. s. w. — Die Völker, welche diesen Himmelsstrich inne haben, sind die Araber, die Römer, Perser, Israeliten und Griechen, sowie die Bewohner Indiens und Chinas. l Um diese Ansicht zu rechtfertigen, führt Ibn Chaldun den heiteren, sorglosen, zum Uebermuthe geneigten Charakter der Neger an, den er aus der heissen Temperatur ihres Landes erklärt. Der Charakter der Bewohner der Küste Nordafrikas nähere sich deshalb auffallend dem der Neger, namentlich finde man ganz ähnliche Charakterzüge in dem Landstriche Biledul- gerid (Biläd algaryd), der bekanntlich ausserordentlich heiss ist, und auch bei den Aegyptern, deren Heimat in derselben Breite mit der eben genannten Gegend liege, könne man diese heitere Gemüthsstimmung, dieselbe Leichtlebigkeit und Sorg- losigkeit beobachten. Hingegen haben die Bewohner von Fez in Westafrika (Marokko) ganz entgegengesetzte Eigenschaften ; umgeben von rauhen Hochebenen, sind die Einwohner von Fez das gerade Gegentheil der Aegypter : sie sind ernst, voll Vorsicht und Fürsorge; während in Aegypten Niemand daran denkt, für längere Zeit Vorräthe einzulegen, sondern Jeder für seine täglichen Lebensbedürfnisse sich einfach auf den Markt verlässt, gehen die Fezaner so weit, oft für ein Jahr Vorräthe aufzuspeichern. 2 Wer in der Lage war, die genannten Länder und deren Bewohner näher kennen zu lernen, wird Ibn Chalduns Beobach- tungen nur bestätigen können, denn hinsichtlich des Volks- charakters der Aegypter, die ich durch langjährigen Aufenthalt kennen gelernt habe, muss ich vollständig dem oben Gesagten 1 I, 173 (153). 2 I, 176 (156). 592 Kremer. beistimmen. So elend stets dieses Volk regiert worden ist, so schwer der Steuerdruck auch ist, der von jeher auf ihm lastet, so besitzt es doch einen unverwüstlichen Vorrath von gutem Humor und heiterer Lebenslust, die über alle Bedrängnisse des Lebens obsiegen. Die Leichtigkeit der Befriedigung der unent- behrlichsten Lebensbedürfnisse und das milde Klima tragen hiezu gewiss das Meiste bei. Wie lange aber solche Verhält- nisse fortwirken, zeigt der Vergleich der heutigen Zustände mit jenen der Zeit Ibn Chalduns: obgleich zwischen beiden Zeitpunkten ein halbes Jahrtausend liegt, hat sich hierin keine wesentliche Aenderung vollzogen. ' Die Nahrungsfrage ist die nächste, mit welcher sich Ibn Chaldun befasst. Vor allem hebt er die Thatsache hervor, dass die Wr.nderstärnme, welche für ihren Lebensunterhalt fast nur auf die Milch ihrer Heerden und das Fleisch derselben angewiesen sind, die fast gar keine Cerealien geniessen, in ihren körperlichen und geistigen Eigenschaften weit überlegen seien den Bewohnern des Culturlandes, die in verhältnissmässig viel günstigeren Bedingungen leben. Erstere zeichnen sich durch gesündere äussere Erscheinung, durch kräftigere und besser geformte Körper aus, sie haben einen festeren Charakter und besitzen eine raschere Auffassung. 2 An einer anderen Stelle sagt er im Gegensatze hiezu von den Städtern : ,Sie tragen die Schamlosigkeit offen zur Schau und führen unanständige Reden, ohne sich durch die Gegenwart ihrer Verwandten oder ihrer Frauen abhalten zu lassen. Ganz anders ist es im Nomadenleben, wo die den Frauen entgegengebrachte Achtung es verhindert, dass auch nur ein unanständiges Wort vor ihnen ausgesprochen werde'. 3 Aehnliche Gegensätze zeigen sich auch zwischen den freien Thieren der Wüste und den zahmen Hausthieren, welche die fetten Weidegründe bewohnen. Welcher Unterschied zwischen Gazellen, Antilopen, Straussen, Giraffen, wilden Eseln und den 1 Der in den ersten Jahrhunderten in Aegypten stark hervortretende Hang für ascetische Lebensweise, ist nach meiner Ansicht eine Folge der da- mals durch das Christenthum besonders empfohlenen Enthaltung von dem Familienleben. 2 I, 178 (158). 3 II, 303 (258). Vgl. meine Culturgeschichte des Orienfs II, 269. Ihn Chaldun rnul seine Cnllttrge6chichte der islamischen deiche. : >{).'! zahmen Thieren, die ihnen am nächsten verwandt sind! Die Gazelle ist die Schwester der Ziege, die Giraffe des Kameeies, der wilde Esel und die wilde Kuh entsprechen den zahmen Thieren desselben Namens, aber wie gänzlich anders sind nicht beide, sei es hinsichtlich der Glätte des Felles, des Glanzes der Haarbekleidung-, der Körperformen, der Intelligenz?1 Denn die Art der Ernährung wirkt auch auf die physischen und moralischen Eigenschaften. In den Gegenden, wo Ueber- fluss herrscht, empfinden das religiöse Gefühl und die Frömmig- keit die Einwirkung dieser äusseren Verhältnisse. Unter den Landleuten, sowie den Städtern sind Jene, die ein frugales Leben führen, die gewohnt sind den Hunger zu ertragen und der Genüsse sich zu enthalten, viel religiöser gestimmt und geneigter, sich einem frommen Leben zu ergeben, als die Reichen und an den Luxus Gewöhnten. Deshalb enthalten die grossen Städte wenig religiöse Leute, weil man daselbst zu üppig lebt, sich dem Genüsse des Fleisches, der Fette und des Mehles ergibt, während auf dem Lande, wo man sich auf frugalste Art ernährt, das Gegentheil der Fall ist. 2 Dieser Gegensatz der Einfachheit des nomadischen Lebens und der Verfeinerung, der Genusssucht, die unter den Ver- hältnissen des Lebens in festen Wohnsitzen, namentlich in den Städten sich zeigt, ist nach Ihn Chalduns Auffassung die treibende Kraft im allgemeinen geschichtlichen Entwicklungs- gange der Menschheit. Auf der einfachen Lebensweise der Hirtenvölker beruhen der kriegerische Sinn, die Unternehmungs- lust, während im sesshaften Leben, namentlich in den Städten, diese Eigenschaften verloren gehen. Die Nomadenstämme aber schreiten allmälig von ihrem primitiven Zustande der Sitten- einfalt zu grösserer Verfeinerung vor, sie werden sesshaft und bilden nun für sich selbst eine staatliche Gemeinschaft, oder sie bemächtigen sich durch die Gewalt einer solchen schon bestehenden und werfen sich zu Herrschern über dieselbe aut, indem sie hiemit auch dem Nomadenleben entsagen. 3 Unter 1 I, 178 (159). 2 I, 180 (160). 3 Von den zahlreichen orientalischen Dynastie«, welche aut' diese Art ge- gründet wurden, genügt es hier auf die jüngste, nämlich die der Kat- scharen zu weisen, die Persien beherrscht. 594 Krem er. der Einwirkung der sesshaften Lebensweise, des Luxus und der hieraus entspringenden Sitten verderbniss verlieren sie die Eigenschaften, durch welche sie zur Eroberung und Herrschaft befähigt wurden, und fallen selbst nun demselben Processe zum Opfer. Diese Auffassung des Verlaufes der Geschichte ist offenbar einseitig, denn nur in den besonderen Verhältnissen des Orients, bei gering entwickelten Culturzuständen findet sie ihre An- wendung, wenngleich wir nicht werden umhin können, Ibn Chalduns Princip mit solchen Einschränkungen als richtig anzuerkennen. III. Die idealen Grundlagen des Volkslebens. Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Geschichts- auffassung Ibn Chalduns, dass er den moralischen Kräften, den idealen Grundlagen des Volkslebens eine nicht geringere Wichtigkeit zuerkennt, als den materiellen. Unter dem alles nivellirenden Einfluss der mohammedanischen Weltanschauung, welche sprachliche und intellectuelle Verschiedenheit der unter das Joch des Islams geschmiedeten Völker so vollkommen zu missachten geeignet ist, muss es um so mehr überraschen, dass er das trennende und abstossende Element, welches in der Rassenverschiedenheit liegt, so scharf aufzufassen und so klar zu beurtheilen verstand. Ausser allen materiellen Gegensätzen, wie sie sich schon aus der Gliederung der Gesellschaft in das sesshafte, städtische und das ländliche, dem Ackerbau obliegende oder das noma- dische Element ergeben, findet er eine rein ideale Kraft, welche die einzelnen Menschengruppen zusammenhält und diese be- zeichnet er mit einem Ausdrucke , der am besten durch Gemeinsinn übersetzt wird und diesen lässt er aus dem Nomadenleben hervorgehen, in welchem er am wirksamsten und deutlichsten zum Ausdrucke kommt. ' 1 Das Wort 'asabijjah, welches hier durch Gemeinsinn übersetzt wird, gibt de Slane durch esprit de cprps wieder und es entspricht in vielen Fällen fast ganz dem modernen Ausdrucke ,Nationalitätsidee'. Das Wort selbst, Ibn Chaldun und seine CullurRe-cliichte der islamischen Reiche. f^Qf\ Versetzen wir uns in die primitive Epoche des Nomaden- lebens, wo die einzelnen Mensehengriippen, jede für sich ihr unstätes Leben führten, stets besorgend angegriffen zu werden und desshalb auch stets bereit Gut und Habe, Weiber und Kinder, die Heerden und das Gesinde gegen feindliche Ueber- fälle zu vertheidigen. Das Bewusstsein der Zusammengehörio-- keit wirkt unter solchen Umständen um so stärker und um so kräftiger, da die meisten Mitglieder eines Stammes von Nomaden in verwandtschaftlichen Beziehungen stehen. Jeder fühlt sich als Theil des Ganzen und für einen stehen alle ein. Solche Gefühle bilden sich am kräftigsten bei den Wanderstämmen der Wüste aus und desshalb sind diese auch so stark und so furchtbar, denn jeder einzelne Krieger eines Stammes hat nur einen Gedanken, nämlich den, seinen Stamm und seine Ange- hörigen zu schützen und zu vertheidigen ; wer ohne verläss- liche Helfer und Gefährten dasteht, muss unterliegen im Kampfe des Lebens ! [ Da der Gemeinsinn, die Bereitwilligkeit zu gegenseitiger Hilfeleistung und Unterstützung wesentlich eine Wirkung der Familienbande, der Verwandtschaft und des Bewusstseins der gemeinsamen Abstammung sind, so ergibt es sich von selbst, dass die Heiligkeit der verwandtschaftlichen Beziehungen hoch gehalten ward, dass man dieselben bis in die entferntesten Ver- zweigungen verfolgte, denn hiedurch gewann ja der Stamm, dem man angehörte, Ansehen, Einfluss und Macht. Clienten und Sclaven galten als Familienglieder und betrachteten sich selbst als solche, indem sie an allen diesbezüglichen Rechten und Pflichten theilnahmen. In diesem Sinne wird man nun wohl auch den Ausspruch des Propheten zu würdigen verstehen, welcher lautet: , Lernet eure Genealogien, um zu wissen, wer eure nächsten Verwandten sind'. obwohl von Ibn Chaldun zuerst in dieser Bedeutung gebraucht, findet sich bei Ibn Färis (f 390 H.) dem Verfasser des Mogmal, noch nicht. Hingegen hat es Gauhary im Sahäh in der Bedeutung von: Parteinahme. Es ist von 'asabah abgeleitet, das die Verwandten von väterlich* r 81 bezeichnet und dieses Wort geht auf 'a sab zurück, das die Muskelbänder bezeichnet. Die Grundbedeutung der Wurzel 'asb ist: binden, zusammen- halten. 1 I, 269 (234). Sitznngsber d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. IV. Hft. 39 59ß Kremer. Die grosse Bedeutung-, die man im arabischen Alterthume nach übereinstimmenden Berichten der Kenntniss der Genea- logien beilegte, wird hiedurch begreiflich; der Nachweis der gleichen Abstammung konnte dem Stamme, so wie dem Ein- zelnen Verbündete und Helfer in der Stunde der Gefahr ver- schaffen. ' Eine andere Folge der vom Verkehr mit den Fremden o-änzlich abgeschnittenen Lebensweise der Wüstenstämme ist es, dass sie meist nur unter sich heirathen und daher die Rein- heit der Rasse bewahren ; nimmt die Vermischung mit Fremden überhand, so verliert der Stamm dadurch die Eigenart, den Sinn für die verwandtschaftlichen Beziehungen, es schwächt sich der Gemeinsinn (das Nationalitätsgefühl) ab und allmälig geht der Stamm seinem Verfalle entgegen. 2 Auf dieser durch die Schilderung der Stammesorganisation gewonnenen Grundlage entwickelt Ibn Chaldun seine Theorie über das Entstehen, die Ausbildung und den Verfall der Reiche und Nationen. Der wichtigste Factor ist hier, wie bereits bei dem Stamme nachgewiesen wurde, der Gemeinsinn oder wie wir in der modernen Ausdrucksweise sagen würden, die Nationalitätsidee. Keine Herrschaft oder Dynastie, sagt Ibn Chaldun, kann be- gründet werden ohne Unterstützung der Stammesangehörigen (des Volkes) und des Gemeinsinnes (d. i. ohne einen starken nationalen Gedanken). 3 Dieser Gemeinsinn ist es, der allein über die Lebens- kraft und Dauer der Reiche entscheidet, denn er bildet ge- wissermassen den belebenden Geist des Staates, je stärker ei- lst;, desto stärker ist der Staat und desto länger ist sein Bestand gesichert. Am besten aber entwickelt sich dieser Gemeinsinn unter den grossen Massen. 4 Der nächste ebenso wichtige staatenbildende Factor ist nach Ibn Chaldun, der hierin getreulich die Erfahrungen der morgenländischen Geschichte seit dem Auftreten des Islams sich gegenwärtig hält, die Religion. » I, 270 (234). 2 I, 273 (238). 3 I, 318 (277). 4 I, 335 (294). Ibn Chaldun und seine L'ultur'/eschichte der islamischen Reiche. : i! I t Durch die Eroberung, sagt er, werden die Reiche ge- gründet $ um Eroberungen zu machen, braucht der Führer der Unternehmung eine starke Stütze und eine ergebene, von dem- selben Gemeinsinne belebte Masse von Anhängern. Nun ist aber die Religion das kräftigste Mittel, die Einstimmigkeit der Gefühle und Ueberzeugungen herzustellen, besonders die Eifer- süchteleien zwischen den einzelnen Stämmen eines von einem starken Gemeinsinn belebten Volkes verschwinden zu machen. Bekommt ein solches Volk, geeinigt durch eine religiöse Ueber- zeugung den Anstoss nach einer bestimmten Richtung hin, so kann ihm nichts widerstehen. Die Bevölkerung des Reichs, dessen Eroberung bezweckt wird, mag noch so zahlreich sein, getrennt durch ihre Interessen, ohne einigende Idee, muss sie jenem unterliegen. An einer andern Stelle sagt er: ,Bei den Kriegen hängt der Erfolg gewöhnlich von moralischen Ursachen ab, die auf den Geist und die Einbildung wirken; die grössere Truppenzahl, die Vorzüglichkeit der Waffen und die Uner- schrockenheit des Angriffes genügen zwar manchmal, um den Sieg zu sichern, aber diese Hebel sind minder wirksam als die moralischen Eindrücke'. ' Besiegt, verschwindet das unterworfene Volk ausserordent- lich rasch in Folge der verweichlichten Sitten und der Ent- artung. 2 Es wird zu dieser Darstellung allerdings nicht unbemerkt bleiben dürfen, dass, wenn er den Gemeinsinn und die Religion als die maassgebendsten und die wirkungsvollsten Elemente der Staatenbildung kennzeichnet, er doch sich vollkommen Rechenschaft davon gab, dass zwischen beiden ein grosser Unterschied hinsichtlich der zeitlichen Reihenfolge ihres Auf- tretens und Einwirkens besteht. Denn während er die Ent- stehung des primitivsten Staatswesens ausschliesslich aus dem Gemeinsinne der Stammesmitglieder und dem Bedürfnisse des gegenseitigen Schutzes ableitet und den Gemeinsinn als den ersten Kitt dieser ältesten Gesellschaft anerkennt, weiss er sehr Avohl, dass in jener Urzeit von Religion keine Rede sein konnte, dass also die Wirkung der Religion, als staatenbildenden ' II, 133 (120). 2 I, 307 (268). 598 Kremer. Elementes, zeitlich weit später eintritt. Er bemerkt deshalb auch an einer anderen Stelle seines Werkes : ,Diejenigen Völker, welche eine Offenbarung besitzen und den Vorschriften der verschiedenen Propheten folgen, sind wenig zahlreich im Ver- gleiche zu den Heiden, die keine Offenbarung besitzen. Diese bilden den überwiegenden Theil der Bevölkerung der Erde und trotzdem hatten sie ihre Dynastien und haben Denkmäler ihrer Macht zurückgelassen'. 1 Er zeigt hiemit, dass, so. wichtig auch ihm als gläubigem Muselmann und als Kenner der Geschichte der mohammedani- schen Staaten die Religion für die Entstehung und den Bestand der Staaten erscheinen musste, er doch vollkommen von deren untergeordneter Bedeutung als staatenbildendes Element gegen- über der ISlationalitätsidee überzeugt war. IV. Die Formen der Gesellschaft. Unter den im Oriente gegebenen geographischen Ver- hältnissen, die auch in den der arabischen Herrschaft unter- worfenen Landstrichen Nordafrikas dieselben sind wie in Asien, zeigt sich uns die Gesellschaft in zwei wesentlich verschiedenen Erscheinungsformen: in dem nomadischen Zustande und im sesshaften Leben. Beide sind die nothwendige Folge der äusseren Bedingungen, unter welchen dort die Gesellschaft sich ausbildete. Ein Blick auf jenes Ländergebiet, welches der Herrschaft des Islams unterworfen ist, überzeugt uns, dass überall grosse Strecken wüsten und culturunfähigen Bodens sich zwischen das bebaute Land einschieben. Ganz abgesehen von Arabien, dessen Culturgebiete fast wie Oasen in der sie umgebenden Wüste erscheinen, zieht sich eine nicht minder ausgedehnte, dem grössten Theile nach nur für Viehzucht verwendbare Hochebene zwischen Syrien und dem Euphratgebiete hin. Aegypten ist zu beiden Seiten des Nilthals von weiten, dem Ackerbau unzugänglichen, theils steinigen, theils sanderfüllten 1 I, 90 (72). Ibn Chaldun und seine Culturgesehichte der islamischen Reiche. 599 Einöden eingeschlossen. Selbst Persien wird, trotzdem es im Altertimme nächst Babylonien zu den bestcultivirten Ländern gehörte, von weiten unbewohnten und dürren Landstrichen durchzogen. Seit den ältesten Zeiten der geschichtlichen Ueberliefernng ist daher dieses vorderasiatische Ländergebiet, ebenso wie das nordafrikanische Küstenland, der Sitz eines eigcnthümlichen Nomadenlebens gewesen, das sich von den Tagen der biblischen Patriarchen, durch alle Jahrhunderte hindurch bis in die Gegen- wart mehr oder weniger unverändert erhalten hat, während auf dem eulturfähigen Gebiete, oft in unmittelbarer Berührum; mit dem Nomadenthum und theils aus demselben hervor«e- gangen, uralte Städte und bürgerliche Gemeinwesen sich bil- deten, die in ihrem Gebiete und so weit sie Schutz gegen die Eingriffe der Nomaden gewähren konnten, auch sesshafte Land- bebauer beherbergten. Dieser in das höchste Alterthum zurückreichende Zu- sammenhans: und Wechselverkehr zwischen dem Nomaden- element und den grossen Städten, sowie den sesshaften Gemein- wesen, hatte auch die Folge, dass sich die höhere Cultur dieser den wandernden Hirtenstämmen in gewissem Grade mittheilte und unter ihnen ein regeres Culturleben sich zu entwickeln begann, das schon in den ältesten Urkunden des hebräischen Volkes deutlich zu erkennen ist und später bei den Arabern einen ziemlich hohen Grad der Verfeinerung erreichte. Es ist nach dem Gesagten leicht zu begreifen, wie es kommt, dass der arabische Culturhistoriker die Erscheinungs- formen des Volkslebens in die zwei grossen Classen des No- madenthums und des sesshaften Lebens scheidet, ' von denen er ersteres natürlich als die ältere bezeichnet. Er macht hiebei einen Unterschied zwischen den ver- schiedenen, der ersten Classe angehörigen Völkerstämmen und stützt sich auf seine eigenen Wahrnehmungen, denn zu seiner Zeit bestand, sowie noch heutzutage, das Nomadenthum in Nordafrika und Vorderasien unverändert fort. Die einen züchten Schafe, Rinder oder Ziegen und brauchen für ihre Weideplätze saftige Gründe, aus welcher Ursache sie i I, 254 (220). 500 Krem er. nicht weit in die Wüste vordringen. Unter diese Classe rechnet Ibn Chaldun die Berberen, die Slaven, Türken und die diesen verwandten Turkomanen. Ganz anders aber verhält es sich mit jenen Stämmen, die sich vorzüglich der Zucht der Kameele widmen. Diese sind gezwungen, tief hinein in die Wüsten sich zu begeben, denn das Kameel bedarf der Wüstenpflanzen zur Nahrung, es muss das brackige Wasser der Wüste trinken und sich in diesen Strichen im Winter aufhalten, wo es nicht nur eine laue, trockene Luft findet, sondern auch jene mit feinem Sande bedeckten Stellen benützen kann, um die Jungen zu werfen. Man weiss, dass das junge Kameel von der Geburt an bis zum Augenblicke seiner Entwöhnung ausserordentlich schwer zu erziehen ist und vor allem der Wärme bedarf. Diese mit der Kameelzucht beschäftigten Nomadenstämme halten sich also vorzüglich in der Wüste auf, welche sie nach allen Rich- tungen durchwandern. Von den Grenzen des Culturlaudes zurückgewiesen, wo man sie fürchtet und hasst, sind sie fast gänzlich auf das Leben in der Wüste beschränkt und gelten deshalb bei den Städtern als wild, unbezähmbar und raub- süchtig. Zu dieser Classe gehören die arabischen Nomaden- stämme, dann die nomadischen Berberen in Afrika, die Kurden und einige turkomanische und türkische Stämme im Oriente. Am meisten aber von allen sind die Araber an das Wander- leben der Wüste gewöhnt, weil sie fast ganz der Kameelzucht obliegen, während jene ausserdem auch Schafe und Rinder züchten. ' Diese Scheidung des Volkslebens in das nomadische und das sesshafte ist von grosser Wichtigkeit für die Erkenntniss jener Länder und es darf hiebei nicht vergessen werden, der Unterabtheilung in Ganznomaden und Halbnomaden Rechnung zu tragen, welch letztere die Uebergangsstufe zur sesshaften Bevölkerung bilden, aus welcher das Städtewesen hervorge- gangen ist. Es wird sich nämlich später zeigen, von welchem Einflüsse auf die politische Geschichte der einzelnen Länder des Orients es war, 'welches von diesen verschiedenen Volks- elementen in jedem derselben die Oberhand hatte. Die Stabi- 1 I. -_>57 (223). Ibn Chaldun und seine Culturgeschichte der islamischen Keiche. 601 lität der politischen Einrichtungen des Orients stand nämlich in directem Verhältnisse zu dem Ueberwiegen des Ackerbau treibenden und städtischen Elementes über das nomadische. V. Entstehung und Verfall der Staaten. Haben wir im Vorhergehenden gesehen, dass der arabische Geschichtsphilosoph den Bestand der Keiche auf den Gemein- sinn und die Religion gründet, so kann es uns nicht überraschen und wir werden es nur als logische Folge dieses Vordersatzes erkennen, wenn er weiters die Ansicht vertritt, dass in Ländern, die von zahlreichen Stämmen und verschiedenen Völkerschaften bewohnt sind, schwer ein Reich entstehen könne. Er begründet diese Behauptung auch damit, dass eben in einem solchen Lande eine Menge verschiedener Bestrebungen und Denkarten herrschen, deren jede ihre Anhänger und Verthcidiger besitze, aus diesem Grunde seien Aufstände gegen die bestehenden Behörden äusserst häutig und wenn auch die Regierung sich auf die Ergebenheit ihrer Partei stütze, so sei es doch vergeblich, denn die unter ihrer Herrschaft stehenden Stämme besitzen jeder für sich seinen besonderen Gemeinsinn (Nationalität) und jeder hält sich für stark genug, um selbstständig sein zu wollen. Als Beleg für diese Behauptung werden die Ereignisse angeführt, die in Nordafrika vom Beginne des Islams bis in die Zeiten Ibn Chalduns sich abspielten. ,Die Bevölkerung jener Gegenden besteht aus Berberell, die in zahlreiche Stämme sich scheiden, wovon jeder von einem lebhaften Gemeinsinne beseelt ist. Als die Araber sie mit dem Schwerte unterworfen und zum Islam bekehrt hatten, benützten sie jeden Anlass sich zu erheben und den aufgedrungenen Glauben abzuschwören. Nicht wenig trug hiezu der Umstand bei, dass die Berberell nomadisch lebten und in Stämmen organisirt waren, wodurch sich der Gemeinsinn der Familie und des Stammes äusserst lebhaft erhielt/ ' 1 I, 337 (296). 602 Kremer. ,Ganz anders verhält es sich hingegen in jenen Ländern, wo der Gemeinsinn und die Stammesverbrüderung nicht be- steht; dort hat der Machthaber keinen Aufstand zu besorgen, denn Erhebungen sind dort äusserst selten. So ist es', fährt Ibn Chaldun fort, ,in unseren Tagen in Syrien und Aegypten, denn daselbst ist das Volk nicht in Stämme gegliedert. Vor- züglich gilt dies aber von Aegypten: der Beherrscher dieses Landes ist vollkommen sicher gegen Aufstände und Unbot- mässigkeit. Es gibt daselbst nur zwei Parteien : den Macht- haber (mit seinem Anhange) und an blinden Gehorsam gewöhnte Unterthanen. Die Regierung, geleitet von einem Fürsten tür- kischer Abkunft und von Schaaren von verlässlichen Anhängern derselben Nationalität unterstützt, geht von einem Machthaber auf den andern über/ l — ,Ein ähnlicher Zustand der Dinge besteht jetzt in Spanien, wo gegenwärtig Ibn Ahmar herrscht. Als die Dynastie dieses Fürsteh zuerst auftrat, war sie ziem- lich schwach und hatte wenig Truppen. Sie entsprang aus einer arabischen Familie, die im Dienste der Ommajjaden gestanden war und von- der nur mehr eine kleine Anzahl sich erhalten hatte. Als die arabische Oberherrschaft gestürzt und durch die ber- berischen Dynastien der Almoraviden und der Almohaden ver- drängt ward, wurde die arabische Bevölkerung Spaniens durch die siegreichen Berberen so hart und gewaltthätig behandelt, dass sie gegen ihre neuen Beherrscher bald von Ingrimm und Erbitterung erfüllt war. Als nun die Almohaden-Macht allmälig ihrem Ende sich näherte, traten die Prinzen dieses Hauses dem christlichen Könige von Castilien eine grosse Anzahl von festen Plätzen ab in der Hoffnung von ihm Unterstützung zu erhalten, um Marocco (die Hauptstadt des Almohaden-Reiches) zurückerobern zu können (welche Stadt seitdem in die Gewalt der Meryniden gekommen war). Diesen Anlass benützten alle alten arabischen Familien, die noch in Spanien geblieben waren und ihren nationalen Geist bewahrt hatten, um sich zu ver- einigen. Ihrem Ursprünge getreu hatten sie wenig Neigung sich in den Städten niederzulassen und feste Wohnsitze zu wählen, sondern blieben dem Kriegshandwerke zugethan. Ibn Hud (der Fürst von Saragossa), Ibn Ahmar (Fürst von Granada) 1 I, 338 (297). Um Chalduu und seine Cultiir<:esrhichte der islamischen Reiche. • >(►)> und Ibn Mardanysh (HeiTscher von Ostandalusien) entstammten solchen arabischen Familien. Der erste riss die Führung an sich, Hess in Spanien die geistliche Oberhoheit der Abbasiden- Chalifen proclamiren, rief das Volk zum Kampfe gegen die Almohaden auf und trieb sie aus dem Lande. Bald aber suchte der Fürst von Granada sich der höchsten Gewalt zu bemächtigen und da er die geistliche Oberhoheit der Chalifen nicht anerkennen wollte, so Hess er Ibn Aby Hafs, den Führer der Almohaden in Afrika, König von Tunis, als Souverän proclamiren und für ihn, als solchen, das öffentliche Gebet verrichten. Es genügte ihm, um sich der Herrschaft zu be- mächtigen, ein ziemlich schwacher Anhang grösstentheils aus den Mitgliedern seiner eigenen Verwandtschaft bestehend; er brauchte keine stärkere Macht, da der Stammgeist kaum mehr unter der Bevölkerung dieses Landes bestand. Es gab daselbst nur Herrscher und Unterthanen.' 1 Diese Bemerkungen über den Unterschied zwischen Ländern, wo der Stammgeist fortbesteht und solchen, wo er bereits geschwunden ist, lassen sich noch in anderer Richtung vervollständigen. Vor allem inüsste auf Arabien selbst hin- gewiesen werden, wo die Stammesorganisation in voller Kraft sich erhalten hat, und aus diesem Grunde auch nie eine feste Regierung sich für längere Zeit behaupten konnte. Aber selbst auf andere Gebiete lässt sich derselbe Grundsatz anwenden, denn worin sonst als in der Zersplitterung in einzelne mit starkem Selbstgefühl ausgestattete Stämme, deren jeder seine Eigenart wahrte, liegt die Ursache der politischen und kriegeri- schen Ohnmacht Griechenlands gegenüber den Römern? Und derselbe Grund findet im vollstem Maasse auf die ganze mittel- alterliche Geschichte Deutschlands im Vergleiche mit jener Frankreichs seine Anwendung: hier starke Königsmacht und eine geeignete Nation, denn in Gallien hatten schon die Römer alle Stammesunterschiede verwischt und mit Blut und Eisen die Nation zu einer compacten Masse zusammengeknetet, während in Deutschland die uralte Stammesgliederung mit mehr oder weniger stark ausgeprägter Individualität sich fast bis in die Gegenwart erhalten hat und erst jetzt zu schwinden > I, 340 (298). 604 Kr ein er. beginnt, nachdem die kriegerischen und politischen Erfolge der neuesten Zeit die Nationalitätsidee zur stärkeren Geltung gebracht haben. Es ist gut von Zeit zu Zeit sich solche Rücklicke zu gestatten und hiedurch die Ueberzeugung aufzufrischen, dass Verhältnisse, die vor tausenden von Jahren bestanden, auf die Gestaltung der Gegenwart noch die entschiedenste Nachwirkung ausüben und dass die ganze Culturentwicklung der Völker das Ergebniss eines nach unendlichen Jahresreihen zählenden Processes ist, dessen Anfang wir nur errathen, über dessen Schluss aber wir in vollster Unwissenheit sind und auch bleiben. Kehren wir nach diesen Bemerkungen wieder zurück zu unserem Geschichtsphilosophen und folgen wir ihm weiter in der Entwicklung seiner Ideen, so ist seine Ansicht über den Verlauf der Geschichte zunächst der Gegenstand, welcher unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen muss. Der natürliche Entwicklungsgang ist nach Ibn Chaldun folgender: , Entstehung der Gesellschaft in Folge des dem Menschen angebornen Geselligkeitstriebes — Stammesbildung — vorherrschender Einfluss eines Stammes und Entstehung des Königthums — Ausbildung des Königthums, Uebergang vom nomadischen Leben zum sesshaften — Entstehung der Städte — Zunahme des Luxus mit zunehmender Civilisa- tion — Verfall der Macht und endlich Untergang des Reiches, an dessen Stelle ein jüngeres, deshalb aber kräftigeres und lebensfähigeres tritt. — Dieser Process wiederholt sich ins Unendliche'. An verschiedenen Stellen spricht sich Ibn Chaldun in diesem Sinne aus und deren Inhalt fasse ich hier zusammen : ,Die natürliche Lebensdauer des Menschen ist nach den Aerzten und Astronomen von hundert und zwanzig Jahren und zwar von jenen, welche die Astronomen grosse Mondjahre nennen. Aber diese Lebensdauer ist nicht gleich bei den verschiedenen Rassen, indem deren Länge bestimmt wird durch die Gestirn- conjuncturen. Oefters überschreitet sie diese Jahreszahl und manchmal erreicht sie dieselbe nicht. So leben manche, die unter besonderen Gestirnconjuncturen geboren sind, bis hundert Jahre, andere bis fünfzig und wieder andere bis achtzig oder neunzig. Für die gegenwärtige Menschenrasse ist die Lebens- Ibn Chaldun und seine Culturgeschichte der islamischen Reiche. l)0o dauer von sechzig- bis siebzig Jahren, wie dies auch in einem Ausspruche des Propheten bestätigt wird'. ,Auch die Dauer der Reiche wechselt nach den Conjunc- turen der Gestirne, überschreitet aber in der Regel nicht drei Generationen. Das Leben einer Generation hat die Länge der mittleren Lebensdauer des Menschen, nämlich vierzig Jahre/ ,Die Dauer eines Reiches erstreckt sich nun gewöhnlich nicht über drei Generationen. In der That, die erste Gene- ration bewahrt ihren Charakter als Nomadenvolk, die rauhen Gewohnheiten des wilden Lebens, die Massigkeit, Tapferkeit, Raublust und die Gewohnheit der Theilung der obersten Gewalt. Auf diese Art bleibt der Stammessinn dieser Generation in voller Kraft, ihr Schwert ist immer schneidig, die Nachbar- schaft eines solchen Stammes ist gefürchtet und die fremden Stämme lassen sich von ihm besiegen. Der Besitz der Herr- schaft und das daraus entspringende Wohlbefinden wirken auf den Charakter der zweiten Generation : bei ihr werden die Sitten und Gewohnheiten des nomadischen Lebens verdrängt durch die des sesshaften Lebens, die Noth hat sich in Wohl- stand verwandelt und die Theilung der Herrschaft in Auto- kratie. Ein Einziger übt alle Autorität aus, das Volk, zu lässig um den Versuch zu machen dieselbe wieder zu erobern, tauscht die Herrschlust aus gegen die Erniedrigung und ()!' entnehmen, dass ancli Ibn Sab'yn, der seiner Zeit hoch- berühmte Philosoph, an welchen Kaiser Friedrich II. eine An- zahl philosophischer Fragen richtete, in einem seiner Werke, welches vorwiegend die Ansichten des unter dem Namen des Sufismus bekannten morgenländischen Mysticismus zu vertreten scheint, sich in ähnlichem Sinne geäussert haben soll. Auch ist uns eine Stelle aus dem Werke eines seiner Schüler er- halten, die besagt, dass durch Vermittlung der Prophetie die Wahrheit und die Wegeleitung nach der Blindheit und der Verirrung sich offenbare, auf sie folge das Chalifat (die ver- einigte geistliche und weltliche Souveränität), dann das weltliche Königthum, das in Despotismus, in Stolz und Selbstüberhebung ausartet. In übereinstimmender Weise behaupten die Sufys, dass es im Plane Gottes liege, alles wieder zum Anbeginne zurück- zuführen, so müssten die Prophetie und Wahrheit wieder auf- leben durch Vermittlung der Walys (der Heiligen), hierauf folge das Chalifat, darauf die Herrschaft des Antichrists (Dag- gäl), statt des Königthums und der Souveränität. Nach Ab- lauf dieses Cyklus kehre alles wieder zum Unglauben zurück, wie vor der Prophetie. ' Man wird jedoch bei dieser Lehre der Mystiker wohl darauf achten, dass darin das religiöse Element, nämlich die Wiederkehr des Prophetenthums, allerdings nur in der abge- schwächten Form der Wiläjah, d. i. der Führung der Mensch- heit durch die Heiligen, eine Hauptrolle spielt, während Ibn Chaldun die religiöse Frage gänzlich bei Seite lässt und aus schliesslich seine Theorie auf den politischen und socialen Entwicklungsprocess gründet. Einen gewissen Einfluss auf seine Theorie scheint aber die Lehre des orientalischen Mysti- cismus über die Rückkehr zum Anbeginn (alma'ädo 'ilä-lmabda') immerhin ausgeübt zu haben, obgleich in dem Gedankengange der Sufys es sich hiebei um den Ursprung und die Wieder- auflösung aller Dinge aus und in der Gottheit handelt. Die Civilisation, oder richtiger die städtische Civilisation, ist in der Ansicht Ibn Chalduns die höchste Entwicklungsstufe der Gesellschaft, welche, sobald sie bis zu derselben vorge- i II, 192 (165). 610 Kremer. schritten ist, zurückzuschreiten und zu entarten beginnt, wie dies mit dem animalischen Leben bei Erreichung einer gewissen Altersstufe der Fall ist. ' Der Verfall der Reiche ist ein natürlicher Process, der vollständige Analogie mit dem Verfall aus Altersschwäche bietet. 2 Allerdings entwickelt manchmal ein Staat, der schon in der letzten Periode des Verfalles steht, noch hinreichende Kraft um glauben zu machen, dass sein Verfall zum Stillstand gekommen sei: es ist dies aber wie das letzte Aufflackern einer Lampe. 3 Es sind gewisse Anzeichen, die nach Ibn Chalduu den Verfall begleiten und kennzeichnen; wir lassen ihm selbst das Wort: , Wisse, dass der Bau des Staates auf zwei Fundamenten beruht, die durchaus nicht zu entbehren sind : das erste ist : die materielle Gewalt und der Gemeinsinn und dies findet seinen Ausdruck in der Kriegsmacht — das zweite ist die Finanzwirt h schaft, durch welche das Heer besteht und die Bedürfnisse des Reichs in den verschiedenen Lagen bestritten werden. Beginnt nun für den Staat der Verfall, so macht er sich in diesen beiden Fundamenten (zuerst) bemerkbar. Wir wollen zuerst den Eintritt des Verfalles in der materiellen Macht und dem Gemeinsinne besprechen, dann aber denselben in Bezug auf die Finanzen und die Steuereinhebung. So wisse denn, dass die Befestigung des Reiches und dessen Begründung, wie wir sagten, in dem Gemeinsinne beruht und dass unbedingt ein höherer Gemeinsinn unentbehrlich ist, der die einzelnen (niedereren) Gemeinbestrebungen in eine einzige zusammenfasst: dies ist der Gedanke der Parteinahme für den Besitzer der höchsten Gewalt seitens seiner Anhänger und Stammesange- hörigen. Stellt sich nun bei der Regierung die Gewohnheit der (unumschränkten) Gewalt, der Verweichlichung, der Nieder- werfung der einzelnen Parteien ein, so sind die Ersten, welche niedergeworfen werden, die Parteigänger und Stammesver- wandten des Herrschers, welche mit ihm die Herrschaft theileu wollen. Er wirft sie stärker nieder als die Fremden, aber 1 II, 306 (260). 2 II, 120 (106). 3 II, 121 (108). Ihn Chaldun and seine Culturgeschiclite der islamischen Reiche. lil 1 auch die Verweichlichung (der Luxus) beherrscht sie stärker als Andere, wegen ihrer nahen Beziehungen zum Throne, wegen ihres Stolzes und ihrer hervorragenden Stellung. So stehen sie unter dem Einiluss zweier Elemente der Zerstörung: und diese sind : die Verweichlichung (der Luxus) und die Gewalt. Zuletzt kommt es in der Anwendung der Gewalt zur Hinrichtung, indem ihre Stimmung gegen den Inhaber der höchsten Gewalt sich immer mehr verbittert, je mehr sich seine Herrschaft befestigt. Es verwandelt sich die Eifersucht des Herrschers gegen sie allmälig in Furcht für seinen Thron : er geht mit Hininchtungen, mit Demüthigungen, mit Entziehung der Habe und des Luxus, an den sie sich gewöhnt haben, gegen sie vor. Sie gehen zu Grunde oder werden getödtet und ihre Ergebenheit für den Machthaber schwindet; dies ist aber die einigende Idee, welche die einzelnen Gemeiubestre- bune-en zusammenhielt und leitete. Es löst sich nun dieses Band, es schwächt sich dieser Halt. Der Herrscher aber wählt statt ihrer Knechte seiner Gnaden und Creaturen seiner Gunst : aus ihnen bildet er sich eine neue Partei, nur ist sie nicht so stark wie jene, weil das Band der Verwandtschaft und die von Gott hineingelegte Kraft fehlt. Der Herrscher verliert auf diese Art seine Parteigänger und Hilfsgenossen sammt ihrem naturgemässen Opfermuthe. Dies bleibt von den andern Parteien nicht unbemerkt, sie werden kühner 'gegen ihn und seine Günstlinge. Der Sultan vernichtet sie, verfolgt sie von Fall zu Fall mit der Todesstrafe und ernennt an ihrer Stelle andere in Amt und Würden, ausserdem aber macht die Verweichlichung auf sie ihre Einwirkung geltend, wie wir schon oben bemerkten. So überwältigt sie die Vernichtung theils durch die Verweichlichung, theils durch das Schwert, bis sie das Gefühl der Parteinahme (für ihren Fürsten) gänzlich ein- gebüsst, deren Kraft und Schwung gänzlich vergessen haben. Sie werden nun einfach. Söldlinge zum Schutze (des Staates), ihre Zahl nimmt ab und es vermindert sich also die Zahl der Vertheidieer der Provinzen und Grenzlandschaften. Die unter- worfenen Stämme fassen Muth, um sich in den Provinzen gegen die Regierung zu erheben, Kronprätendenten und andere Aufrührer eilen herbei, in der Hoffnung das Ziel ihrer Wünsche zu erreichen, indem sich die Bewohner der Gegenden ihnen Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. IV. Hft. I" 612 Kiemer. anschliessen und sie sicher sind von den Truppen nicht erreicht zu werden. Ununterbrochen dauert dieser Zustand fort, wäh- rend die Machtsphäre der Regierung sich verengt, bis die Aufständischen selbst in der nächsten Nähe der Hauptstadt sich festsetzen. Oft zerfällt in solchen Umständen der Staat in zwei Staaten oder in drei nach Maassgabe seiner ursprüng- lichen Kraft, wie wir schon gesagt haben, und es übernimmt deren Führung eine andere Partei, die aber doch immer sich der früher allein herrschenden Partei und ihrem natürlichen Einflüsse fügen muss.' — — ' ,Hinsichtlich des Verfalles in finanzieller Beziehung aber, sei dir kundgethan, dass jeder Staat im Anfange dem Nomaden- zustande entspringt, wie schon früher bemerkt; der Charakter der Regierung ist daher milde Behandlung der Unterthanen, Maasshalten in den Ausgaben, Achtung vor dem Privateigen- thum. Eine solche Regierung enthält sich der Strenge in der Steuereintreibung, der Erpressung und Gewaltmaassregeln bei Einhebung der Gelder und bei der Abrechnung mit den Re- gierungsbeamten. Es besteht kein Anlass zu (grossen) Aus- gaben und die Regierung braucht kein grosses Einkommen. Aber später kommt die Vergewaltigung, das Königthum wird gross und mächtig und verleitet zur Verweichlichung; hiedurch vermehren sich die Ausgaben; die Ausgaben des Sultans und der Staatsbeamten im Allgemeinen wachsen an und auch auf die Bewohner der Hauptstadt erstreckt sich dies : hiedurch stellt sich die Nothwendigkeit ein, die Löhnung der Truppen, die Gehalte der Beamten zu erhöhen, denn das Volk folgt der Regierung im Glauben und in den Sitten. Der Sultan muss also Marktsteuern von den Verkaufspreisen auf den Bazaren ein- führen, um die Einnahmsquellen reichlicher fliessen zu machen, indem er einerseits hiebei die Verweichlichung der Stadt, die den Beweis ihrer Wohlhabenheit liefert, im Auge hat, ander- seits aber die Nothwendigkeit für die Auslagen der Regierung und der Truppen Vorsorge zu treffen. Allmälig nehmen aber die Gewohnheiten der Verweichlichung immer mehr zu, die Marktsteuern reichen nicht mehr aus; die Regierung wird nun gewaltthätig gegen ihre Unterthanen, sie treibt Gelder ein von 1 II, 1-23 (110). IImi Cliahlun und soine Culturgeschichto der islamischen Reiche 613 dem Vermögen der Unterthanen, sei es durch Marktsteuern oder Monopole ' oder in gewissen Fällen auch durch Uebergriffe mit oder ohne (berechtigten) Vorwand. Die Soldtruppen über- nehmen sich, da sie die Regierung so geschwächt und des nationalen Gedankens beraubt sehen; indem man dies von ihnen befürchtet, sucht man diese Gefahr zu bekämpfen durch Löhnungserhöhung und Vermehrung der Auslagen für sie und man findet kein Mittel sich anders zu helfen. Die Steuer- einnehmer unter einer solchen Regierung werden in dieser Periode sehr reich in Folge der Grösse der Steuereinnahmen und der Verfügung über die Gelder in ihren Händen, oft über- schreitet deshalb ihr Glanz das Maass und sie werden der Gegenstand von Verdächtigungen wegen Unterschlagung von Steuergeldern; aus Eifersucht und Neid verleumden sie sich gegenseitig; die Folge davon ist, dass sie einer nach dem andern (vom Sultan) mit Strafe und Vermögensconfiscationen heimgesucht werden, bis ihr Reichthum erschöpft und ihn' Lage gänzlich zum Nachtheil geändert ist. Aber auch die Regierung büsst den Pomp und die Herrlichkeit ein, welche jene ihr verliehen. Nachdem die Hilfsquellen dieser Classe erschöpft sind, geht die Regierung auf die anderen wohlhabenden Privaten über. Aber in dieser Periode hat gewöhnlich schon der Verfall auch auf die materielle Macht seine Wirkung aus- geübt. Die Regierung hat nicht mehr die Kraft für Ueber- griffe und Gewaltmaassregeln. Die Politik des Sultans be- steht nun in der Einflussnahme durch das Geld, er hält dies für nützlicher als die Anwendung des Schwertes, dessen un- zureichende Wirkung er kennt. Es steigert sich denn sein Be- darf an Geld, ausser dem was er für die regelmässigen Ausgaben und die Löhnung der Truppen braucht und es reichen seine Mittel nicht aus. Die Altersschwäche des Staates nimmt nun zu, es treten die Bewohner der Provinzen kühner (der Regierung) entgegen. Die Bande des Staatswesens lösen sieh in jeder dieser Perioden mehr und mehr bis zum schli esslichen Unter gange, bis sich jeder der Prätendenten bereit macht der obersten 1 Es ist hiezu die Bemerkung zu machen, dass nach den Theorien der mohammedanischen Theologen und Juristen Marktsteucrn und Monopole für ungesetzlich erklärt wurden. in' (314 Kretnet. Gewalt sich zu bemächtigen. Macht sich einer aber ernstlich daran, so entreisst er die Regierung den früheren Machthaber^ wo nicht, so bleibt sie im Zustande der Auflösung, bis sie von selbst zu Grunde geht, wie der Docht in der Lampe, wenn das Oel zu Ende ging und die Flamme erlischt. Gott dessen Name gepriesen sei, ist der Inhaber der Dinge und der Ordner der Erscheinungen; keine Gottheit ist ausser ihm!" Jedes Reich muss eine gewisse Anzahl von Provinzen haben, aber auch nicht mehr als bis zu einer gewissen Grenze. Für diese muss es eine genügende Anzahl von Truppen be- sitzen, um sie besetzen zu können. Hat die Regierung auf diese Art über ihre Truppen verfügt, so bildet die von ihnen besetzte Linie die Grenze. Dies gilt aber nur so lange das Reich noch die urwüchsige Kraft des Nomadenthums bewahrt. All- mälig erreicht es aber den Gipfelpunkt des Glanzes, die Einkünfte fliessen reichlich, der Luxus nimmt zu und die städtische Civilisation macht grosse Fortschritte, die Sitten der Krieger verweichlichen, sie gemessen das Leben und gerathen hiedurch in Verweichlichung, das städtische Leben entnervt sie. Die weitere Folge ist das Erwachen des Ehrgeizes, der sie anspornt, um den Vorrang zu streiten. Der Sultan macht dem ein Ende durch Anwendung von Gewaltmaassregeln, die Emire und Grossen gehen zu Grunde, es vermehrt sich die Zahl der Untergebenen und Unselbstständigen. Diese Ereignisse aber schwächen die Widerstandskraft des Staates. So erhält ei- serne erste Schwächung in seiner Kriegsmacht. Hiezu kommen noch die maasslosen Ausgaben des Sultans, die Einnahmen des Landes genügen nicht mehr für die Ausgaben und so er- leidet das Reich eine zweite Schwächung in den Finanzen; dies zusammen mit der ersten führt Entkräftung und Verfall herbei. Manchmal entsteht auch zwischen den hervorragenden Anführern Streit, obgleich sie bereits unfähig sind gegen die benachbarten Völker, die auf den Verfall des Reiches sinnen, anzukämpfen; auch die Bewohner der Grenzlandschaften be- nützen die Schwäche der Regierung, um sich in ihren Gebieten unabhängig zu machen. Der Sultan aber hat nicht mehr die 1 II, 127 (113). Ibn Chaldnn und seine Ctiltursreß.chichte der islamischen Keiche. lilo Macht sie zurecht zu weisen. In diesem Zeitpunkte beginnt die allmälige Einengung der Grenzen, die das Reich in seiner ersten Machtperiode erreicht hatte. Man zieht eine neue Grenze innerhalb der alten, aber die Schwäche der Truppen, ihre Fahrlässigkeit, der Geldmangel und der Rückgang der Ein- nahmen haben auf diese neue Grenze dieselbe Einwirkung, welche schon das erste Mal die Reichsgrenze eino-een^t hat. Der Sultan beginnt die bisher für die Heeresverwaltung. BOwie für die Finanzen und Provinzialverwaltung bestehenden Gesetze zu ändern, um das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzustellen, die Kosten für das Heer und die Provinzen zu bestreiten, die Steuern zur Bezahlung der Gehalte zu vertheilen und in allem sich genau nach dem zu richten, was in der ersten Periode des Staates Geltung hatte. Aber ungeachtet dieser Aenderungen bestehen die Ursachen des Ver- derbens fort. In dieser Periode wiederfährt dem Reiche dasselbe, was ihm schon in der ersten Periode zugestossen war und der Fürst ist gezwungen gegen dieselben Schwierigkeiten anzu- kämpfen, die schon früher sich gezeigt haben. Er wendet die schon früher gebrauchten Mittel au und hofft so ein Uebel bezwingen zu können, das immer wieder erscheint. Er zieht eine neue, engere Grenze hinter der ersten, aber dieselben Erscheinungen, die früher schon zur Verengung der Grenzen geführt hatten, zeigen sich auch diesmal. ' Gewöhnlich bezeichnet Uebervölkerung die letzte Periode der Existenz eines Reiches, es treten Hungersnoth und Epi- demien sehr häufig auf. 2 Neuentstandene Regierungen müssen nothwendiger Weise mit Milde und Mässigung vorgehen. Ist das Reich aus religiösen Gefühlen hervorgegangen, so verdankt es diese Eigenschaften der Religion, sonst leitet es diese edlen Gesinnungen aus dem Nomadenleben ab. Unter einer milden und gerechten Regierung verbreitet sich Zufriedenheit und Wohlbehagen; das Volk gehl mit Eifer seiner Arbeit nach, die Bevölkerung vermehrl sich aber es macht sich diese Zunahme nur nach einer Generation oder mindestens nach zweien bemerkbar. Mit Beginn der dritten ■ II, 127 ff. (114). 2 II, 138 (124). (316 Kremer. Generation nähert sich das Reich seiner Vollendung- und die Bevölkerung- erreicht ihre höchste Zahl. Hungersnoth und Epidemien treten häufiger auf, wenn das Reich in der letzten Periode sich befindet, denn Hungers- noth ist die nothwendige Folge des Unterbleibens der Ackerbau- arbeiten. Das Volk will aber nicht mehr den Boden bebauen, weil die Steuern und Auflagen zu drückend geworden sind, oder wegen der Ruhestörungen und Aufstände, die sich dann häufig zeigen in Folge der (zunehmenden) Schwäche der Regierung. ' VI. Rückblick. Kaum hat ein Religionssystem auf die Denkart, den bürgerlichen Charakter, die politische und geschichtliche Ent- wicklung der Völker einen so gewaltigen und dauernden Ein- fluss ausgeübt, wie der Islam. Er drückte allen Völkern, die ihm sich ergaben, seinen Stempel auf und die Jahrhunderte zogen wirkungslos darüber hin. Es konnte deshalb auch eine vom religiösen Standpunkte unabhängige Geschichtsauffassung sich nur schwer Geltung verschaffen. Beherrschte ja doch in Europa der theologische Gedanken die geschichtlichen Arbeiten bis in das spätere Mittelalter herauf. Dennoch macht sich zwischen dem Entwicklungsgange des von den Fesseln des religiösen Systems mehr und mehr sich losringenden Denkens im Abendlande und im Morgen- lande ein sehr wesentlicher Unterschied bemerkbar. Während hier rasch und ganz besonders in den Ländern arabischer Zunge eine überaus reiche und mannigfaltige weltliche Lite- ratur sich entfaltete, die in der grossen Masse der gebildeten Classen der Nation eifrige Aufnahme fand, blieb im Abend- lande die Schriftstellerei durch die erste Hälfte des Mittelalters fast ganz das Eigenthum der Klöster und ihrer düsteren In- wohner. Im Reiche der Chalifen ward die Literatur Gemeingut aller Gebildeten, wozu Jeder, der Beruf und Lust hatte, sein 1 II, 139 (125). lbn Chaldun and seine Cnlturgeschichto der islamischen Reiche (>1 i Schärflein beisteuerte. Im Occidente blieb sie «las Vorrecht einer Kaste, welche die ihr anerzogenen Vorurtheile und Lehr- meinungen in die schriftstellerische Arbeit hineintrug und gegen jede neue, selbststäudige Geistesrichtung von vorne her abweh- rend und feindlich sich verhielt. Das arabische Volk hatte daher schon sehr früh sein eigenes weltliches Schriftthum, während in Europa noch lange die ausschliesslich religiöse Richtung vorherrschend blieb. Erst das grosse Völkerdrama der Kreuz- züge, das im Orient eine allgemeine Reaction des Fanatismus und der Intoleranz hervorrief, bewirkte in Europa durch die hiedurch gegebene Anregung eine lebhaftere geistige Arbeits- lust auch in weltlicher Richtung. So kam es, dass lange bevor in den Klöstern der euro- päischen Länder man daran dachte sich Rechenschaft zu geben über den allgemeinen Verlauf des Stromes der Völkergeschichte, schon von verschiedenen Denkern des Islams das grosse Räthsel des Lebens und des Menschendaseins zum Gegenstande ernster und selbstständiger Betrachtung gewählt worden war. Die Entwicklung der arabischen Geschichtschreibung trug viel hiezu bei, erhielt aber gleichzeitig auch ihrerseits durch die philo- sophische Geistesrichtung nachhaltige Förderung; denn schon im dritten Jahrhunderte der Hegira schrieb man in arabischer Sprache universalhistorische Werke, worin man nicht nur die Geschichte der mohammedanischen Völker, sondern auch die der wichtigeren fremden, wie der Hebräer, der Griechen, Perser, Indier und Byzantiner behandelte. Das Studium der in Ueb< i Setzungen schnell verbreiteten griechischen, persischen und indischen Schriften brachte, trotz der Exclusivität des Islams, den Arabern die Ueberzeugung von der hohen Cultur auch der fremden, nichtmohammedanischen Völker. Und je mehr man fremde Gesittung und fremde < lultur schätzen und achten lernte, desto lebhafter griff der Drang um sich, das Getriebe des Völkerlebens in seinem Zusammenhange kennen zu lernen und desto tiefer empfand man die Sehnsucht in dem anscheinend planlos und verworren von Jahrhundert zu Jahrhundert sich fortschleppenden Laufe der Geschichte den Plan, den Zweck, das Gesetz und das Endziel erfassen und verstehen zu lernen. Der Islam hatte zwar auf dieses, wie auf alles andere, seine entscheidende Antwort: ,Was Gott will, geschieht, die 618 Kremer. einen macht er selig und die andern verdammt er, das irdische Leben ist eitel und vergänglich, nur das jenseitige hat Werth und ist von ewiger Dauer'. So lange der Islam noch in seinem Heroenzeitalter sich befand, beschäftigte die Eroberung und Verwaltung der Länder das herrschende Volk in solchem Maasse, dass man wenig Müsse und auch wenig Lust hatte, über ernstere Fragen nach- zusinnen. Man lebte frisch mitten in dem Thatendrange einer Zeit voll nationalen Schwunges und bekümmerte sich nicht um die Zukunft, denn die Beobachtung der äusserlichen Religions- pflichten, des Gebetes, des Fastens u. s. w., sowie die Bekenntniss des mohammedanischen GlaubeDS genügte den Eintritt in das Paradies zu sichern. Allein kaum war die Zeit der ersten Heldenkämpfe vor- über und kaum war der Stillstand der Entwicklung eingetreten, so machte der Islam seine durch die Ausnahmezustände des ersten Jahrhunderts nicht allgemein zur Wirkung gekommenen Rechte auf die Gemüther geltend. Die Lebensanschauung, die er in normalen Verhältnissen hervorrufen muss, ist eine düstere, unbefriedigende, denn er legt alles Gewicht auf das Ausser- weltliche, Ueberirdische und man findet bei ihm keine wie immer genügende Antwort auf die Frage nach Werth und Ziel des irdischen Lebens in seinem Gesammtverlaufe. Denn dies alles erscheint als etwas ganz nebensächliches und werthloses. So ist denn der Einfluss der islamischen Lebensanschauung ein düsterer und leitet in letzter Folge zur ascetischen Ver- achtung der irdischen Dinge. Daher kommt es, dass in den Werken mohammedanischer Theologen und, unter ihrer Einwirkung, auch bei den Poeten und Literaten durch alle Jahrhunderte das Thema von der Verächtlichkeit der Welt, der Nichtigkeit des Erdenlebens wiederkehrt. Es ist in den arabischen Gedichtsammlungen nicht selten einer eigenen Classe von Gedichten zu be- gegnen, die unter der Aufschrift: ,Zum Tadel der Welt' (fy dämm ildonjä) zusammengefasst werden. Je trostloser sich die politischen Zustände des arabischen Weltreiches gestal- teten, desto mehr Berechtigung fand diese pessimistische Welt- auffassung. Ihn Chaldun und seine Colturgeschichte der islamischen Reiche. I i 1 '. I Mit dem Verlaufe der Jahrhunderte befand man sich aber auf einer solchen Höhe der Zeiten, dass man einen weiteren Ueberblick des bisher zurückgelegten Stück Weges auf der Bahn der Geschichte gewonnen hatte. Es waren historisch gesicherte Zeiten, über die man sich ein Urtheil bilden konnte, aber das Ergebniss war selbst für die ersten zwei Jahrhunderte der arabischen Weltherrschaft nicht besonders tröstlich oder befriedigend. Allerdings hatte sich eine hohe, bewundernswerthe Cultur in vollster Eigentümlichkeit des orientalischen Vor- lebens entwickelt; weit hinaus nach Ost und West, nach Süd und Nord hatte das siegreiche Araberthuin seine Eroberungen ausgedehnt; von den Säulen des Herkules und dem grossen Ocean des Westens bis zu dem fabelhaften Meere der Finster- niss im fernsten Osten, wie die Araber den indischen Ocean nannten, dehnte sich der von ihnen theils unterjochte, theils doch erforschte Theil der Erde aus, aber trotzdem war der geschichtliche Ueberblick nicht erfreulich. Das, was fehlte, war die politische Stabilität. Das Chalifenreich war schon im zweiten Jahrhunderte seines Bestandes in langsamer, aber un- aufhaltbarer Zersetzung begriffen, aus den Provinzialstatthaltern bildeten sich rasch halbsouveräne, zum Theil auch ganz unab- hängige Dynastien. Die Alyiden bemächtigten sich in ein- zelnen Landestheilen der Herrschaft, kühne Empörer, Secten- streite, selbst communistische Bewegungen erschütterten das Reich und rissen hie und da Stücke ab. Auch die unterjochten Nationalitäten fingen an sich zu regen und aus ihnen ^in»-en allmälie: verschiedene herrschende Familien hervor 'linken, Perser, Berberen). Solche Fremdherrschaft, die der Araber sehr schwer empfand, blieb seitdem im arabischen Oriente mit wenigen Ausnahmen (Arabien) der normale Zustand. So ist, um nur ein Beispiel anzuführen, Aegypten seit 868 < Jh. (Ernennung des Ahmed Ibn Tulun zum Statthalter), und mit alleinigem Ausschlüsse der Periode der Fatimiden (969— 1171), bis heute unter der Herrschaft türkischer Familien ge- blieben. Eine flüchtige Rundschau über diese Verhältnisse zeigt, dass der Verfall des alten arabischen Reiches unaufhaltsam sich vollzog und das, was an dessen Stelle trat, war weder dauerhafter noch für das arabische Volksgefühl genugthuender. 620 Kiemer. Kann es uns überraschen, dass bei solcher Sachlage schon in dem ersten arabischen Denker von Bedeutung, der über die grosse Frage des Menschgeschickes, des Lebenszweckes und Geschichtsverlaufes nachsann, der Pessimismus in seiner schwärzesten Form auftritt, dass seine Philosophie nichts anderes ist, als eine Philosophie der Verzweiflung, die mit dem Ende auch die ersehnte Erlösung zu finden hofft? Für ihn ist das Wirrsal des Lebens ein grosses Räthsel, das kein Weiser zu lösen gewagt hat. Den theologischen Standpunkt des Islams hat er längst verlassen, aber er fand keinen Ersatz dafür, der ihn nur an- nähernd befriedigt hätte. Nichts hat Bestand, alles ist bestimmt zu vergehen, auch selbst die Religion des Islams: ,Es lehrte Moses und ging dahin, worauf Christus erstund — dann kam Mohammed, und machte die fünf Gebete kund — ein neuer Glauben soll später kommen, der diesen ersetzt — die Menschheit wird so zwischen Gestern und Morgen zu Tode gehetzt'. l Allerdings scheint er auch der Lehre von der Rückkehr des All zum Urzustände gehuldigt zu haben, denn an einer andern Stelle desselben Gedichtes sagt er von der irdischen Welt: ,Was immer dir in der Welt für ein Schicksal tagt, — es bleiben dir Sonne und Mond doch immerhin unversagt — ihr Ende soll dem Anfang gleichen, so ist es beschieden, — denn Morgen und Abend bringen der Wunder viele hienieden.' 2 Auch glaubte er an eine gewisse aufsteigende Veredlung des Menschen, die ihn zu einem höheren Wesen umgestaltet, wenigstens finden wir eine Stelle, welche diese Vermuthung bestätigt: ,Drei sind die Stufen der Creaturen: erhabene Geister, Menschen und unverständig Gethier, — - übt der Mensch die Tugend, so steigt er empor zur Natur der reinen Geister (Engel), zieht ihn aber die Leidenschaft herab, so sinkt er zur Stufe des Viehes hernieder und das ist wahrlich die tiefste Stufe!'3 Das grosse Drama der Weltgeschichte sieht schon er als ein endloses an, worin aber stets neue Combinationen 1 Ma'arry : Lozumijjät. 2 Der Text des ganzen Gedichtes sammt Uebersetzung folgt im Anhange II. 3 Der Text folgt im Anhang III. Ibu Chaldun und .seine Culturgeschickte der islamischen Reiche. I>1?1 eintreten und nie das einmal Dagewesene in identischen Formen sich wiederholt. So wenigstens fasse ich die folgende Stelle auf: Die Zeit, die ewig dahin rollt, ist wie ein Gedicht, Aber denselben Keim wiederholt der Dichter nicht.1 Wenn es gestattet ist aus solchen Stellen, die eben dadurch, dass er ausschliesslich der poetischen Form sich be- dient, immer etwas unbestimmt bleiben, einen Schluss zu ziehen, so kann man daraus entnehmen, dass Ma'arry's Weltauffassung die folgende war: die Erdenwelt ist vergänglich und ihr Ende wird dem Anfange gleichen, dem Gesetze des Entstehens und Vergehens ist alles unterworfen, endlos strömt die Zeit dahin, stets neues bringend, aber der Mensch kann durch Uebung der Tugend sich veredeln und auf die Stufe höherer geistiger Wesen sich emporschwingen. Diese Anschauung ist mehr poetisch als philosophisch und sie verdient nur deshalb besonders hervorgehoben zu werden, weil der theologische Standpunkt hiemit gänzlich- ver- lassen ist. Es erhellt übrigens aus vielen anderen Stellen der philosophischen Gedichte Ma'arry's, dass er einen Cultus der Sittenreinheit mit the'istischer Grundlage lehrte, der deutliche Einwirkungen des Buddhismus mit seiner reinen Moral und seiner Sehnsucht nach dem Nirväna aufweist. Die folgende Stelle eines längeren Gedichtes, worin er sein religions-philo- sophisches Glaubensbekenntniss niederlegt, ist hietür ent- scheidend: , Siech bin ich an Verstand und Glauben, doch höre von mir die Kunde der Wahrheit! — Verzehre nicht in Rohheit, was das Wasser ausgeworfen, und wähle nicht zur Kost das, was geschlachtet worden, — auch nicht die Eier der Brut- henne, deren Dotter ihr soll die Küchlein nähren, nicht aber die schönen Frauen: — überliste nicht die Vögel, die nicht hüten können ihre Brut, denn die Gewaltthat ist die ärgste der Missethaten ; - lass auch unberührt die Waben der Bienen, 1 Den Text des Gedichtes sammt Uebersetzuug habe ich in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft B. XXX S. IT ver- öffentlicht. 622 Kremer. die sie emsig füllten aus duftigem ßlumenseim ; — nicht haben sie dies aufgespart für Fremde und nicht sammelten sie es für Geschenke und Freundschaftsgaben. — Von all' dem wasche ich meine Hand, ach! hätte ich doch früher mich besonnen, bevor die Schläfen erbleichten! — O Zeitgenossen, kennt ihr die Geheimnisse, die ich weiss? aber ich gebe sie nicht kund! — Ihr wandelt im Irrthume, ach warum lasset ihr euch nicht leiten durch die Verkündungen der erleuchteten Männer! — So oft der Herold der Verblendung ruft, wie kommt es, dass ihr willig folget in dem,, was sie da vorspiegelt, jedem Rufer! — Würden euch enthüllt die Wahrheiten eurer Religion , so würdet ihr entdecken den schmählichsten Missbrauch. — Seid ihr wohlberathen, so färbt nicht die Schwerter mit Blut und senkt nicht die Sonden (d. i. die Lanzen) in die Tiefe der Wunden. — Wohl gefällt mir die Sitte jener, die als Mönche leben, nur nicht dass sie verzehren, was andere mit Mühsal erwerben. — Besser fristen jene ihr Leben, die redlichem Erwerbe nachgehen zu allen Stunden'. * — Zeigt sich, wie aus obigem Bruchstücke erhellt, der Dichter als unabhängig von der theologischen Denkart des Islams, so bleibt er ihr doch darin treu, dass er dem irdischen Leben keinen Werth zuerkennt und die Erlösung daraus als eine Befreiung begrüsst, zu deren Herbeiführung er selbst das heroische Mittel der Nichtfortpflanzung anempfiehlt. Auch hierin kann man buddhistischen Einfluss erblicken. Einsam steht Ma'arry mitten im grossen Kreise seiner Zeitgenossen, wenige waren die Männer, welche solche Ueber- zeugungen hegten und keiner ausser ihm wagte sie so unum- wunden zu bekennen. Er mag jene Verse zwischen 403 — 413 H., also 1012 — 1022 Ch., geschrieben haben, und starb ungeachtet seiner entschieden freigeisterischen Richtung unbehelligt, während zur selben Zeit in Europa der blutige Vernichtungskrieg gegen die Albigenser sich vollzog. Jedenfalls liefern Ma'arry's Schriften den Beweis, wie wenig die altislamische Weltauffassung dem Drange nach Er- kenntniss des grossen Räthsels entsprach, wie wenig sie die 1 Den Text des Gedichtes, dessen Schluss zum richtigen Verständniss eines Commentars bedarf, lasse ich in Anhange IV folgen. Ibn Chaldun und eeine Cultuvgeschichte der islamischen Keicbe. lil'.i Zweifel zu lösen vermochte, sobald einmal der blinde Glauben geschwunden war. So pessimistisch nun auch seine Philosophie ist, so hatte er doch noch lange nicht die schlechtesten Zeiten erlebt. Der Verfall der mohammedanischen Staaten führte noch weit grössere Erschütterungen herbei und für den • frommen, seinem Glauben ergebenen Muslim musste jene Zeit noch weit unglücklicher sein, wo der Islam durch die erstarkende Macht der christlichen Völker langsam, aber unaufhaltsam zu- rückgedrängt ward. Allmälig machte sich dies immer deutlicher bemerkbar und besonders in Spanien: eine Stadt nach der andern ward den Mauren entrissen, Toledo (1085), Huesca (1096), Tudela (1114), Saragossa (1118), Cordova (1236), Sevilla (1248); Sicilien, Sardinien, die Balearen gingen für sie verloren, während im Osten die Heere der Kreuzfahrer im Herzen des Orients selbst die christliche Herrschaft begründeten. Diese Vorgänge mussten auf die denkenden Männer den grössten Eindruck hervorbringen, denn trotz aller inneren Zerrüttung hatte man sich daran gewöhnt die Araber und den Islam als unter der besonderen Huld und Fürsorge Gottes stehend zu betrachten; man wiegte sich gerne in der Ueber- zeugung von dem Vorrange und der höheren Cultur der mohammedanischen Völker, man hatte sich nie ernst mit dem Gedanken befasst, dass der Augenblick nahen könnte, wo die fremden Völker, die nach dem Wortlaut des Korans unter dem Schwerte der Rechtgläubigen gedemüthigt werden sollten, die Stärkeren sein und ihrerseits den Islam demüthigen würden. Um so grösser war der Eindruck, als dies wirklich geschah. In demselben Maasse als das Christenthuin in Spanien das ihm so lange entrissene Gebiet wieder zurückgewann, wichen die Araber zurück und wer konnte, wanderte aus. entweder nach den südlichen Theilen der Halbinsel oder, als man auch dort sich nicht mehr sicher fühlte, nach der gegen- über liegenden afrikanischen Küste. In den grösseren Städten Nordafrikas entstanden auf diese Art zahlreiche Ansammlungen maurischer Flüchtlinge, welche noch lange hier die Erinnerung an die schöne andalusische Heimath bewahrten und den Verfall der maurischen Herrschaft in Spanien, der sie in die Fremde getrieben hatte, tief beklagten. 024 Krem er. Einer solchen spanischen Flüchtlingsfamilie gehört Ibn Chaldun an und wenn auch schon ungefähr achtzig Jahre vor seiner Geburt Sevilla, die Vaterstadt seiner Familie, von den Christen eingenommen worden war, so hatte sich die Fami- lientradition doch noch in recht frischer Erinnerung erhalten und die aus Spanien nach Afrika gelangenden Nachrichten, welche stets neue Erfolge der christlichen Waffen meldeten, waren wohl geeignet stets aufs neue die Aufmerksamkeit der mohammedanischen Welt, besonders in Nordafrika, auf jene Vorgänge zu lenken. Unter solchen Umständen ward Ibn Chaldun geboren und unter solchen Eindrücken wuchs er auf. Früh in das Ge- triebe des politischen Lebens gezogen, hatte er Gelegenheit das Hofleben und die Politik aus eigener Erfahrung kennen zu lernen. Durch seine Beziehungen zu den Herrschern der ver- schiedenen Sultanate und Fürstenthümer des arabischen Theiles von Spanien und Nordafrika lernte er die tiefen Gebrechen kennen, an denen das mohammedanische Staatswesen schon damals dahinsiechte, während er andererseits durch seine uni- versalhistorischen Studien den Blick sich genügend schärfte, um einen Vergleich anzustellen zwischen Einst und Jetzt. Die Schlüsse, welche er hieraus ziehen musste, führten ihn zur Aufstellung seiner Theorie von dem Verfalle der Staaten nach ihren Altersstufen. Andererseits aber musste ihn die Wahrnehmung, wie rasch überall neue, allerdings meistens nicht dauerhaftere, politische Gebilde entstanden, zur weiteren Annahme von dem steten und regelmässig erfolgenden Wechsel zwischen dem Verfall und der Neubildung der Staaten zwingen. Aus solchen Beobachtungen und überall auf die Vorgänge der Wirklichkeit sich stützend, entstand Ibn Chalduns Theorie des geschichtlichen Processes. Sie ist also rein auf realer Grundlage emporge- wachsen. Zur Uebersicht fassen wir hier die charakteristischen Sätze zusammen. I. Der Geselligkeitstrieb ist die erste Ursache der Vereinigung der Menschen. II. Daraus entwickelt sich die Familie und aus dieser die Gemeinde und der Stamm. Ibn Chaldnn und seine Cnltnrgeschichte a der < lemeio besondei - bei den Wüst» nb kr&f- tigsten aicri erhält, eben hierauf besonder« die moralische and intellectuelh l 5 enüber der s< Bshaffc d B< \ ölk hochpreist Steta im Kampfe mit der Noth, in zurückzuweisen, gewöhnt an das eil Hirtenleben, bildel ßich in den \\ der mathige, ausdauernde und Herrschaft über die durch den 1. »poti- scher Regierungen verkommenen Städl Denn di wenngleich ursprünglich vielleicht a den- 1 I, 380 (338 . 2 I, 341 (300). 3 I, 263, 264 - I jr und seine Cultmgescliiehte der islamischen Reiche. 627 leben hervorg n, entarten äusserst schnell, sobald sie unter festen K< irungsformen leben. Eine despotische Regierung entnervt < und bricht dessen Energie. ' Nicht wenig trägt hiezu auh das System der Erziehung bei, die Unter- würfigkeit und (Selbstständigkeit wird förmlich anerzogen.2 Aus ähnlichen Grünen geht auch ein besiegtes Volk schnell seinem Verfall • :; Den Zustad eines solchen schildert er uns mit ergreifender Wahrheit. Allrdings passt seine Schilderung nur auf das orientalisch'- lalter, aber man sieht, dass er als genauer Beobachter t, der noch lebendig den Eindruck vor den Augen hat. ,Wenn ei Volk', sagt er, ,seinc Unabhängigkeit verloren hat, so geht Imell zu Grunde. Die Ursache hierfür liegt in der Nie«! ilagenheit, welche sich der Geister bemächtigt, wenn es b< worden, durch die Knechtung ein Werkzeug in der Hand mes anderen Volkes und von diesem abhängig geworden ist; ie Hoffnung schwindet und ermattet, ebenso die Fortpflanzung nd das Wachsthiun der Bevölkerung. Denn diese hängen in der Schwungkraft der Hoffnung und der hiedurch h< rufenen Lebensfrische der körperlichen Kräfte ab. Schwindel an die Hoffnung in Folge der Niedergeschlagen- heit, und seh iden die hiedurch bedingten Anlagen, ebenso wie der G um in Folge der über sie ergangenen Macht der Sieg< bt, so nimmt auch die Lebensdauer des be- siegten Volke b, seine Erwerbsquellen versiegen ebenso wie die Erwerbslu - kann sich nicht mehr vertheidigen, nachdem seine Kraft euch die Niederlage gebrochen worden ist, es unterliegt j Feinde, es ist eine Beute für jeden der danach begehrt. Es ädert nichts daran, ob nun dieses Volk früher seine Herrsch;, (einen Staat i gegründet hatte oder nicht. Es ist aber hieb, noch ein anderes Princip zu beachten und dies ist folgeries: Der Mensch ist in Folge seiner Natur be- rufen Herr seier Handlungen zusein, indem er gewissermaassen zum Regentei über die Natur (von Gott) bestellt worden ist. Der Gebiet ber, der seiner Herrschaft beraubt, und seines 1 i I 21 ■ 3 I. 31 i , Siuungsber. d. pl.-hist. Cl. XCIII. Bd. IV. Hft. -±1 y}J ö Kreruer. Ansehens entkleidet wird, ermattet, so dass er selbst den Hunger und Durst zu befriedigen vernachlässigt. Dies ist in der Natur der Menschen begründet. Und selbst bei den Raub- thieren soll etwas ähnliches sich beobachten lassen, indem sie in der Gefangenschaft sich nicht begatten. Dergestalt tritt bei dem besiegten Volk eine Abnahme der Kräfte und Auf- lösung ein, bis es der Vernichtung anheim fällt.' ' Nicht minder zutreffend sind die Bemerkungen über die allgemein bei unterworfenen Völkern hervortretende Neigung die Sieger in Haltung und Tracht, ja selbst in den Meinungen und Gewohnheiten nachzuahmen. Er hebt hervor, dass dieses Streben der Besiegten sich den Siegern anzuschmiegen überall sich beobachten lässt. Aber selbst bei den nur benachbarten (von einander ganz unabhängigen) Völkern zeigt es sich, dass jenes Volk, welches die Ueberlegenheit des andern gefühlt hat, dessen Sitten und Gebräuche nachzuahmen sich bestrebt. Ibn Chaldun führt hiezu ein sehr merkwürdiges Beispiel an. Er spricht nämlich von der arabischen Bevölkerung Spaniens und ihren Beziehungen zu den christlichen Bewohnern der Königreiche Leon und Castilien (galalikah) und fügt bei: ,Du wirst in der That finden, dass jene diesen in Kleidung und äusserer Erscheinung zu ähneln suchen, und auch in Sitten und Verhalten, selbst in der Gewohnheit die Wände mit Menschengestalten zu bemalen, in den Schlössern und Wohn- häusern. Wer mit denkendem Blicke diese Erscheinungen be- obachtet, der sieht hierin das Zeichen der Ueberwältigung (der im Verfalle begriffenen Nation)'. 2 Es ist eine natürliche Folge der empirischen Methode Ibn Chalduns, dass er auch Sätze aufstellt, wie die folgenden: Halbcivilisirte Völker sind zu Eroberungen mehr geeignet als solche, die bereits eine höhere Stufe der Gesittung ein- nehmen. 3 Denn eben hiefür bietet die Geschichte des Orients mehrere Beispiele, deren verschiedene Ibn Chaldun besonders nahe lagen (Eroberungen der Araber, der Berberen, der Kurden, Turkomanen u. s. w.). i I, 307, 308 (268). 2 1,307 (267). 3 I, 290 (251), 303 (263). lt>n Chaldun und seine Culturgeschichte >ler islamischen Reii 621' V. Als zweites Bindemittel auch verschiedener Stämme und deshalb als wesentlicher Factor bei der Bildung und dem Fortbestande der Staaten ist die Religion anzuerkennen. Bei Aufstelluno- dieser Maxime war für Ibn Chaldun der historische Vorgang der Begründung des arabischen Weltreichs durch die unter dem Banner des Islams und durch die Religion geeinigten arabischen Stämme maassgebend. Dieses Princip formulirt er sogar noch weit schärfer in der Art, dass die arabischen Wanderstämme unfähig seien ein Reich zu gründen, es sei denn unter der Leitung eines Propheten oder eines religiösen Anführers. ' Diese Bemerkung entspricht vollkommen dem geschicht- lichen Verlaufe, denn, nachdem die Araber das Chalifat ge gründet hatten und sich die Scheidung des arabischen Volkes in das städtische, nunmehr zur Herrschaft gelangte und das nomadische Element vollzogen hatte, kehrte letzteres sehr rasch in die alte Ungebundenheit des Beduinenlebens zurück und wirkte nur mehr zerstörend und zersetzend.2 Wenn weiters Ibn Chaldun behauptet, jedes von den arabischen Wanderstämmen eroberte Land sei in kürzeste] Zeit verwüstet, :i sie seien deshalb unter allen Völkern am wenigsten befähigt ein Reich zu beherrschen, ' so wird man keinen Augenblick zögern dieses Urtheil dem noch frischen Eindrucke zuzuschreiben, den die Verwüstungen der arabischen Beduinen in Nordafrika daselbst zurückgelassen hatten. Es handelt sich um den Einbruch arabischer Horden, der von Aegypten her im Anbeginn des fünften Jahrhunderts der Hegira stattfand und eine furchtbare Verwüstung jener Landstriche zur Folge hatte. ' VI. Im Nomadenleben erhält sich die staaten- bildende Kraft des Volksgeistes; im städtischen Leben und bei zunehmender Cultur schwindet sie: die Dauer 1 I, 313 (273). 2 Näheres hierüber in meiner Geschichte der herrschenden [deen des [slams p. 401 ff. 3 I, 310 (270). J I, 313 (273). I. 312 (272). Vgl. Geschichte der herrschenden Ideen p. l''t. tr Hungi i- und I mr.ste der X.itiü hi !I1 ll«*l bei dem lösi allgeim die - u in II und Gewöhn Streben (251). 3 Rocholl. in seiner Philosophie der Geschichte (Göttingen, 1878), nennt nicht einmal Ibn Chaldun und weiss über die Leistungen der orientalischen Denker so put wie nichts zu sagen. 634 Krem er. blieben seitdem das angesehenste Handbuch der Staatsweisheit, welches kein türkischer Staatsmann ungelesen lassen durfte. Dass sie aber keinen Nutzen daraus zu ziehen verstanden, beweisen am besten die Regierungen der letzten Sultane, unter welchen alle von Ibn Chaldun als Symptome des Verfalles be- zeichneten Erscheinungen in der unverkennbarsten Weise in Stambul zu Tage traten, allein vergeblich : denn es war wie im Koran geschrieben steht: ,Ihr Gleichniss ist das desjenigen, ,der ein Feuer anzündete und als es erleuchtete die Umgebung, ,da nahm Gott ihr Feuer hinweg und liess sie iu der Finsterniss, ,so dass sie nichts sehen : taub, stumm und blind sind sie und ,kehren nicht wieder zurück (zum Heile)'. 1- i Koran II, 16 (17). Ibn Chaldnn und seine Cnlturgeschichte der islamischen Reiche. li!».") ANHANG. I. Gähiz : Buch der Thiere Fol. 195 v". |**}$ J)^M^ ■-*■ ****■! J*äli IM Lc ^lf \y2»l o*-wJ Jb*. cb*yJ! aLgÄ- ^y: &L<-^ ^ ^->b ,jje x.x^b £ &'^§-^ J^Axi *_gjüö tX*«.ÄJ'« (?jb >.*-'' Lok t\i". _.^b^ _^s>.b J>^o pbic. ma« ,j.x> jv^JCjUöL/o «a+t>« ^f«jJf« cM^'f /*~fl-' l-*i^ oJjjJI LgjftXj^^ ^x^bJ!^ JväaJI oLi> ^fvj« *-§Ji3bic ^c «-»^s§-55 (Jwd-O^M ^AXiJf (jjwIn ^ b^ljj« r\öyjj %.A,öJ! (3«.a«^I UjLaJ! (j*k (Jfjj^M lU4"I ^j^' £ ia+^t lt^ 3 ^'^ ^bdAJ vX^Jt J«*2.i ^b ^Iv+cs. Lffljö S*.^.b v^-ydÜ (j^K 3 ojK tj*b »J.Ä. ^*ö Jö« v*-^»} L>^-o t-H"? iv^° *-bCci Ljxi vL^ xjLö_=» >2Lta« x»a^ > /V^J i^bwif {^yc ü^-b o^l^JOil b. *-yb« jj Hl jj.xi .^a-> "3 ^yo byAi» tXs M<3.-«/ Lg-b' b>lw»Lr s^^co». yljö! |Vh§J^ ijb*-oo Ja^i _j.^ -b»N 1*5^1 t>i> *-$jl u^b-1' 636 Kremer. vb3K St. Ju=Ltj yüJfj ju^!5 ^s-UJt vb^^ c^ ^ (Fol. 196) Jf^is v>!?LC |*-8-' ij^ ^ U^/^J v-ia.iLJ! auuo tXsi ^Ls ov*i«JI ^jo J^-v-M LoK L*j>« OväJ( xa.cö &=>• c-^lyc xäx3 ^ LwLj Jbi>vil jojjJI. öou^ilf cL+Jf . JuwLäJI 3. ül&JI ^IJ^I ^JULs 3. ob^l dUb 3^ «yt&JI vdJb j, II. Ma'arry : Philosophische Gedichte — uuLyo.ü. ^«.♦-b uMJLs i_ft^S.J! XJcXJ <«-♦-=•' r»'«~»^' rV-SV-^ ^j(5 ^xm^ tXe ^aj g^Lu! ^5^«U 'J^° vxi r>r?^ ^t?-^ <-^3 ". r*' 1= — u " ' r.° -"' 1 ® -* ' ~ iT ^ ' ** ! 1 „ -• "«- I ' »I 1, " • ' ° '- s -: 1 " »cf 1 -' T (C-^*-5^ l—^-o L_^sv.c ^ ^s^aj'a <3L_a_a_^ä- l_^.J.I 3 L_s>j._i^!. "" \ l ' - \ "• ' ••"" • \ ' 1 -? ' ' ' ^jaa/0^ J«._A_^^ J>a_X) S^SXiÄ. v_->wjyC0 J^^sj j._£l._^3| f»« 3 (J-H-J' cM*J ^5;'^ Lx Klo äJJ! Lscli c5*i^e o^Aicl ^AÄ^Jf c>.AjJ jj^ t5^V° c>,*i; Jbssw-t oJl* 131 t» Ibn Cfaaldnn und seine Cnltnrgescnichte dei islamischen Reiclie. i't'.n Uebersetzuno Blind scheint mir der Sterndeuter dieser Gemeinde zu sein, Denn er liest die beschriebenen Rollen durch Betastung allein. Lange währt seine Mühe, ach wie lange müht er sich ab! Mit Zügen der Schrift, deren Schreiber längst schon ruhet im Grab! Es lehrte Moses und ging. worauf Christus erstund. Dann kam Mohammed, der machte die fünf Gebete kund. Ein neuer Glauben soll später kommen, der diesen ersetzt: Die Menschheit wird so zwischen gestern und morgen zu Tode gehetzt. Ach dass doch aufs neue der Glauben seine Verjüngung erlange Und der Büsser vom Durste sich labe, nachdem er gedurstet so lange! Was immer in dieser Welt für ein Schicksal dir tagt, Dir lässt es Sonne und Mond immerdar unversagt. Ihr Ende soll ihrem Anfang gleichen, so ist es beschieden: Morgen und Abend bringen der Wunder viele hienieden: Der Kinder fröhliche Ankunft, das letzte Scheiden der Greise, Der Abschied vom häuslichen Heerd und die letzte Grabesreise! Pfui dieser Erdenwelt, wie sie täuscht und besticht, Mit Mitteln der List, wie im Streite man gern sie dazwischen Sicht! Drum auch, spreche ich Unwahres, so lass ich die Stimme dröhnen. Doch sag ich die Wahrheit zumal, so sprech' ich in leisen Tönen! 638 Kremer. III. ^l v-yc ö^=^j \j^"-^ij £~*5) ^-^ v-^r* £>^-J ^li* ..liL *iJJpUJ! (jJU JJ JUS l^i c5£Lff J^i jjli V ^ IV. ^-3ÜJJ! uoj^i ^* iSy ^ Slj ÜLib i\J\ _y>! Lo J^U ^.JjlwoJI ^tyu! (j^^ ^-^^J ^y-^ i««>y cjL_/o! üö-4-? » r « s ^—3!li cui *Üc\l ^x v^J^ xJ o»Xj ^fjJI J.säJI Vt-^ £ ^4^^' v4-^ J^^ (5^^-! °^' csÄ^ 'ä* Sr ü"? ^^ °^ ^s_jLj j-xi. l-4-j IS**~} c^*Xc 'H'r*u' 0.7"**" ■*»*■? <># (5-^*) 1 >s_j>tlÜüt ^l_AiCo IXJ'jAi* L_4.j jv-Ä-JtX^0' ^— $-* (5^ J^ f»^ ^JjLdiüt uyL-jyis? Jy-t *JCjL£,Xj* 1XJL>0 (JjLJb. ^..c Iaä.w.5 Lo t ^_j|l=Ll 1im< jLwe^f! tjxidb ^1. ^3^ ^>y^l l^x^äsi ^M. » 1 •" 1 ® I " "' "* ° *H '-■-» ^ -^ •• w ? ^ °**c ES .. 9 ** J ü ^. f o ^ *" -- SI^äJ! r»lA£!l; ts^^1 ;M* r«4*2J UtH^' \J^=^ j" \$*$ Einige Bemerkungen sind zum richtigen Verständnisse des Gedichtes erforderlich. Bis Vers 13 bleibt es vorwiegend didac- tisch. Plötzlich aber tritt nun die subjective Richtung hervor. V. 16 schildert der Dichter in abschreckender Art sein eigenes Ende. Unter dem Ausdrucke ^-jf.J! xj>S ist wol die Hyäne oder der Geier zu verstehen, der seinen Leichnam verzehrt. Hieran schliesst sich der nächste Vers mit dem Bilde der ver- modernden Gebeine. V. 18 tadelt die Sitte durch Klageweiber den Todten beweinen zu lassen. V. 19, 20 und 21 enthalten ein I kurzes Selbstbekenntniss. V. 22 und 23 aber beschliessen das Gedicht mit einem schlecht verhehlten Hohn auf jene, welche an eine Fortdauer nach dem Tode glauben, oder die, nach einer l>"i den Mohammedanern ziemlich allgemeinen Ansicht, meinten, dass nach dem Tode die Seele für einige Zeit bei dem Körper im Grabe verweile. Es genügt hier auf das zu verweisen, was ich hierüber in meiner Geschichte der herrschenden Ideen de> 6-iU Kremer. Ibn Chaldun und seine Cultnrgeschichte der islamischen Reiche. Islams S. 273 und 274 bemerkt habe. Diesen Aberglauben bespottet der Dichter, indem er sagt: Was frommt es dem Todten, dass die Wolken ihren erfrischenden Regen nieder- senden, wenn er einmal unter der Steinplatte liegt: wäre die Nähe des Wassers erwünscht, so würden die Menschen sich um Grabstätten im Sumpflande (batäi'h) streiten. Mit einer solchen Dissonanz schliesst Ma'arry gerne. Denn eine solche ist auch der Schluss des unter Nr. IL gegebenen Gedichtes, wo er sich rühmt die Wahrheit nur mit leiser Stimme zu verkünden ; er will hiemit nur sagen, dass er die Welt derselben nicht würdig erachtet; sie verdiene es nicht, dass man ihr Wahrheit gewähre. Sickel. Beiträge zur Diplomatik VII. (Hl Beiträge zur Diplomatik 711, Von Dr. Th. Sickel, wirklichem Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Kauzler und Recognoscenten bis zum Jahre 953. oeit mehr denn zwei Jahrhunderten ist die Geschichte der Kanzlei in Frankreich und Deutschland, denen in den An- fängen auch diese Institution 'gemeinsam war, Gegenstand zahl- reicher Untersuchungen und Darstellungen gewesen. Und doch ist es seit Delanoüe und Mallinckrot, welche da den Reigen eröffnet haben, kaum versucht worden, geschweige denn ge lungen, das eine Capitel dieser Geschichte zu schreiben, nämlich das Capitel über die Geschäftsführung durch die Kanzlei. Gewiss eine sehr dunkle und schwer aulzuklärende Partie, zumal was die ersten Jahrhunderte anbetrifft. Doch davon ab- gesehen, ist die Vernachlässigung derselben vielleicht noch mehr darauf zurückzuführen, dass die ursprüngliche und eigent- liche Thätigkeit der Kanzler sehr bald durch eine anderweitige in den Schatten gedrängt worden ist. Anfänglich waren diese lediglich dazu bestellt, die EntSchliessungen der Könige in die rechte schriftliche Form zu bringen. Doch das schon war ein Vertrauensamt, das nicht den schlechtesten Männern übertragen wurde. Dass solche in der nächsten Umgebung des Königs weilten, hob sie dann hoher und höher. Zugleich wurde aber durch bedeutende Persönlichkeiten auch das Amt gehoben und mit der Zeit geradezu umgebildet: die Kanzler wurden nach und nach die Rathgeber in den öffentlichen wie in den privaten 042 Siekel. Angelegenheiten, ja selbst die Leiter derselben. ' Mögen nun einzelne Kanzler sich auch später noch um die eigentliche Geschäftsführung oder wenigstens um die Zusammensetzung des zur Arbeit berufenen Personals gekümmert haben, oder mögen bei Hufe neben den Kanzlern neue Beamte zur Be- sorgung des Urkundenwesens bestellt worden sein, so hat sich zu jeder Zeit letzteres Geschäft fast im Verborgenen abgespielt und hat sich den Augen der Zeitgenossen entzogen. Daher begegnen uns in den erzählenden Quellen nur wenige und ver- einzelte diesbezügliche Bemerkungen. Selbst Hincmar in seiner Schrift über die Pfalzordnung geht auf das Wirken der Kanzlei nach dieser Seite nicht ein. So ist denn auch von den späteren Geschichtschreibern die Geschäftsgebahrung als minder glänzend und als minder bekannt so gut wie gar nicht berücksichtigt worden oder doch erst von der Zeit an, wo sie sich etwa an der Hand noch erhaltener Kanzleiordnungen darlegen Hess. Indem ich in diesen Beiträgen mich auf das Zeitalter der Karolinger und der Ottonen beschränken werde, will ich an zwei neueren denselben Jahrhunderten gewidmeten Werken zeigen, was für Geschichte der Kanzler und der Kanzlei bisher geleistet worden ist und was noch zu leisten ist. In den Jahr- büchern des ostfränkischen Reiches und in denen Otto I. hat Dümmler sehr eingehend von den damaligen Erzkanzlern, Kanzlern und Notaren gehandelt. Alle Notizen, welche das gesammte Quellenmaterial bietet, sind von ihm, man kann sagen zu Biographien zusammengestellt worden. Jedem dieser Männer ist der Platz angewiesen, den er in der Kanzlei, bei Hofe, in Staat und Kirche, in der Gelehrtenwelt seiner Zeit eingenommen hat. Aber welchen Einfluss auf oder welchen Antheil an den Geschäften dieser oder jener Kanzler, dieser oder jener Notar gehabt hat, das wird nicht einmal berührt Das gleiche Interesse für den Gegenstand hat Waitz be- kundet. Nachdem er schon in den Ranke'schen Jahrbüchern - 1 Das hat Lorenz recht anschaulich gemacht in dem allerdings nicht streng wissenschaftlichen und deshalb mit Vorsicht zu benutzenden Aufsatze: Reichskanzler und Reichskanzlei in Deutschland (Preussische Jahrbücher, 29. Band, wiederholt in Drei Bücher Geschichte und Politik 1, 52— 86). 2 Otto I. in den Jahren 051-973, bearbeitet von Dönniges; aber Excurs 16, S. 228 ff. von Waitz. ige /.ui- Diplomatie VII. 643 die Ergebnisse selbsteigener Forschung veröffentlicht hatte, hat er in der Verfassungsgeschichte mit Benutzung' aller ein- schlägigen Arbeiten diu Entwicklung des Amts zu schildern gesucht. Die allmähliche Furtbildung desselben und die Organisation in ihren Phasen stehen da natürlich im Vorder- gründe. Daneben hat allerdings auch die formale Behandlung der Geschäfte in einigen Bemerkungen Berücksichtigung ge- funden, doch zu einer eigentlichen zusammenhängenden Dar- stellung derselben hat es auch Waitz nicht bringen können, da ihm fast noch gar nicht vorgearbeitet war. Indem ich somit eine diesen Autoren nicht zur Last fallende Lücke in dun be- treffenden Abschnitten ihrer Werke constatire , bemerke ich zugleich, dass ihre und Anderer Arbeiten mir es wesentlich erleichtert haben, die Lücke auszufüllen. Die Kanzlei in ihrer eigentlichen Berufsarbeit zu beob- achten, das war und ist noch heute Aufgabe, derer, welche sich speciell mit den Diplomen als den Denkmälern der Thätig- keit der Kanzler und ihrer Untergebenen befassen. Und welchen Weg wir dabei einzuschlagen haben, das hat uns wiederum der Meister Mabillon gelehrt. Denn er zuerst ver- suchte eine Geschichte des Amtes und der Amtstätigkeit zu schreiben und verwerthete zu dem Behufe nicht allein die Namen und Titel in den Urkunden, sondern auch deren directe Aussagen über die Functionen und was sich aus den ver- schiedenen Formen der Vollziehung der Diplome folgern lässt. Jede seiner Wahrnehmungen oder Bemerkungen über die iussio regis, über dietare, scribere, offerre, recognoscere, subscribere, sigillare u. s. w. bekundet den angebornen und in langer Detailforschung entwickelten Scharfblick, und gelang es Ma- billon trotzdem nicht, zu vollem Verständniss der Dinge vor- zudringen, so hatte das seinen Grund lediglich darin, dass die wenigen ihm zu Gebote stehenden Daten noch nicht genügen konnten, die verschiedenen Phasen der Entwicklung und den Gang derselben durch viele Jahrhunderte hindurch erkennen zu lassen. Dann aber, als das Material reichlicher floss, würde eine geraume Zeit der Vorgang Mabillon's kaum beachtet und noch weniger nachgeahmt. So wrollen wir Diplomatiker in Deutsehland in seine hi 3- tapfen zu treten suchen. Sind wir doch mit der urkundlichen 3il an ! i d. phil.-hi I III. Bd. IV litt. I- 644 Sickel. Forschung an einem Punkte angelangt, an dem wir uns jede nach dem Umfang; und der Beschaffenheit des Materials mög- liehe Aufklärung über den Gang der Arbeit in der Kanzlei zu verschaffen streben müssen. Es bezeichnet einen wesentlichen Fortschritt in unserer Disciplin, dass wir auch das Werden der Urkunden in die Untersuchung einzubeziehen begonnen haben. Hat sich da Ficker die besondere Aufgabe gestellt, den Spuren allmählicher Entstehung nachzugehen, so sind Stumpf-Brentano und ich, als wir zu gleicher Zeit uns dem Studium der Diplo- matik zuwandten, unabhängig von einander auf den Gedanken gekommen, dass, um die Mannigfaltigkeit und die Fortbildung des Urkundenwesens zu begreifen, auch- die Einflussnahme einzelner Persönlichkeiten in Anschlag zu bringen sei. ' Aber in den Ergebnissen unserer Untersuchungen zweiten wir von Anbeginn an und zweien wir noch. Auf Grund der Bearbeitung der Diplome Ludwig des Deutschen nach streng induetiver Methode hatte ich in den Beiträgen zur Diplomatik I. die Recognoscenten, die zumeist auch Schreiber der Urkunden gewesen waren, als diejenigen bezeichnet, welche damals innerhalb des durch die allgemeinen Verhältnisse und durch die Tradition gezogenen Rahmens die Variationen der Urkundenformen herbeigeführt hatten, also für die Besonderheiten massgebend gewesen waren. Dagegen er- hob mein Fachgenosse sofort entschiedene Einsprache.- Er 1 Auf die Fragen, die ich hier zu berühren habe, sind andere Fach genossen noch wenig eingegangen. Deshalb möge es mir gestattet sein, nur unserer beider Arbeiten liier zu erwähnen. Bios eine Ausnahme fühle ich mich gedrungen zu machen, indem ich Huber's Verdienst betone. So weit es bei der Beschränkung auf gedrucktes Material oder auf innere Merkmale der Diplome möglich war, hat Huber in der Einleitung zu den Regesten Karl IV. nicht allein alles, was sich auf die Organisation und den Per- sonalstatus der damaligen Kanzlei bezieht, zusammengestellt, sondern auch alles gesammelt, was die Urkunden über die Functionen der ein- zelnen Personen besagen. Er hat damit den Beweis geliefert, dass auch ohne das nicht jedem mögliche Zurückgreifen auf die Originale ein grosser Theil der betreffenden Arbeit vollbracht werden kann und zwar der, welcher gethan sein soll, ehe man an die Ausbeute aus den Kanzlei- ausfertigungen geht. 2 In der Wiener Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches Leben n° 8 vom 22. März 1862 Ich eehe liier nicht auf die Details Beiträge zur Diplomatie VII. 645 bezeichnete meine Behauptungen in einem Punkte als geradezu dem objectiven Sachverhalte widerstreitend. Er erklärte, indem er sich auf umfassendere Untersuchungen berief, erkannt zu haben, dass ,alle wesentlichen Aenderungen und Abweichungen in den diplomatischen Formen nicht von den untergebenen Schreibern, sondern von den Erznotaren abhängig seien', dass somit ,das ganze Urkundenwesen richtiger und zweckmässiger nach Erznotar-, denn nach Schreiberperioden zu ordnen' sei, weiter, dass sich ,die Feststellung der Kanzleiperioden als das hier massgebende Kriterium für die Beurtheilung wie als der richtigste Schlüssel zur Lösung aller Zweifel'' ergebe. Als zwei Jahre später Stumpf die ersten Bogen der Reichskanzler I. ausgeben Hess, constatirte er in dem Vorwort nochmals, dass wir beide ganz verschiedenartige Wege eingeschlagen. Von den mehreren Stellen dieses Buches, in denen er seine Ansicht über den Sachverhalt bis in das zwölfte Jahrhundert hinein ausspricht, wird es genügen, die eine (S. 12) anzuführen: ,')d(lv> dieser Privilegien wurde von dem Kanzler durchgesehen und durchgemustert (recognovit) . . . Fast über jede scheinba Zufälligkeit und Unregelmässigkeit in den Urkunden können wir den zuverlässigsten Aufschluss zunächst durch die Urheb derselben, d. i. die Kanzler und damit zugleich einen höchst willkommenen Beitrag wieder zur Geschichte dieser erhalten.' Als ich zur Prüfung der Urkunden der ersten Karolinger überging, fand ich sie in mancher Beziehung anders beschallen als die des ersten ostfränkischen Königs, und indem ich wiederum von den Erscheinungen als den Wirkungen auf den ü Ursachen zurückschloss, legte ich gewisse Bestimmungen über das Urkundenwesen jener Periode den Kanzlern und andere den Recognoscenten bei. Damit und insoweit ich später auch bezüg- lich des zehnten Jahrhunderts zugab, ' dass gewisse Neuerungen als von den Kanzlern ausgehend betrachtet werden könnten, näherte ich mich wohl den Ansichten meines Fachgenossen, aber ohne denselben die für sie beanspruchte allgemeine Gell zuzuerkennen. Ja es drängte sich mir ebenso wie Ficker die dieser ausführlichen Anzeige ein, sondern I mich, die Baupt- differenz darzulegen. 1 Beiträge zur Diplomatik 6, I 646 Sickel. Anschauung von dem Gang der Entwicklung vom achten bis zehnten Jahrhundert auf, dass sich die Kanzler mehr und mehr von der Arbeit zurückgezogen und diese den Notaren über- lassen haben. Andererseits hält Stumpf an seinen Ansichten fest. Noch in seiner letzten Publication erklärt er: , Allerdings vindicire ich den jeweiligen Kanzlern (freilich nicht gleichmässig allen) neben anderweitiger Thätigkeit auch einen directen Einfluss auf das gesammte Urkundenwesen, vor allem in unserer Epoche', womit das zehnte und eilfte Jahrhundert gemeint ist. l Indem ich nun wieder, soweit es sich um die Diplome der Ottonen handelt, die ich in den letzten Jahren unter den allergünstig- sten Umständen und in eingehendster Weise geprüft habe, zu widersprechen genöthigt bin, ist die Differenz zwischen uns heute mindestens eben so gross als vor sechzehn Jahren. Ist das Problem, das wir uns beide gestellt haben, wirklich zu lösen? Wenn das der Fall ist, haben die Kanzler in dem Grade, den Stumpf annimmt, oder in der von mir vertretenen Beschränkung das Urkundenwesen bestimmt? Lassen sich zeit- liche Abschnitte machen in dieser innerhalb der Kanzlei sich abspielenden Geschichte? Lassen sich die Grenzen erkennen, bis zu denen sich in den einzelnen Perioden die Einflussnahme der Kanzler erstreckt hat und über die hinaus andere Personen den Ausschlag gegeben haben? Diese und andere Fragen müssen wir einmal zu beantworten suchen. Sollte es uns nicht gelingen, wenigstens annähernd den Geschäftsgang und die Arbeitstheilung in der Kanzlei festzustellen, so müssten wir auf manches Kriterium Verzicht leisten, von dem wir mit ziem- licher Zuversicht Gebrauch gemacht haben, ja auf den An- spruch der Vorzüglichkeit unserer Disciplin. - Jo mehr also auf dem Spiele steht und je schwieriger unsere Aufgabe zu lösen ist, desto mehr halte ich an meinem bisherigen Vorgange fest: 1 Wirzburger Immunitäten l', 63. Derselbe Gedanke wird sehr oft in fliesen beiden Abhandlungen wiederholt. 2 Ich täusche mich nicht darüber, dass noch mancher Historiker von der Diplomatik eine geringe Meinung hegt. Selbst Böhmer scheint nach seinem iJriefe vom 4. April 1863 (Leben 3, 403) keine' grossen Erwar- tungen an Stumpfs und meine Forschungen geknüpft zu haben. ßeitnigi .■in l' lik VII l', | ( ohne vorgefasste Meinung-, auch ohne mich durch die auf anderem Gebiete liegende Thätigkeit der Kanzln- beeinflussen zu lassen, suche ich aus den Urkunden zu entwickeln, worin ihre eigentliche Berufsarbeit bestand* n hal und inwieweit sie dieselbe in Person oder durch Stellvertreter verrichtet haben, und zwar prüfe ich zu dem Behufe Gruppe für Gruppe der Urkunden. Obgleich ich noch nicht alle Theile des Materials gleich eingehend zu untersuchen in der Lage war, so hoffe ich doch, dass man die von mir bereits gewonnenen positiven Daten über Erwarten zahlreich finden wird. Trotzdem bin ich weit entfernt, deren Gesammtwerth zu überschätzen, her Bau der Institutionen der Vergangenheit liegt in Trümmern. Nur ein Theil der Bausteine ist erhalten und ein noch kleinerer Bruchtheil ist es, welcher die einstige Verwendung zu und in dem ganzen Gefüge erkennen lässt. Bier muss also nach erfolgter Feststellung vereinzelter Thatsachen die synthetische Arbeit des Historikers einsetzen, hier müssen wir, wollen wir ein anschauliches Gesammtbild erhalten, wohl oder übel reconstruiren. Ich sage gleich, welche Grund- anschauung von dem Wesen der Institutionen der betreifenden Zeiten mich dabei geleitet und mir als Prüfstein gedient hat: die, dass man dazumal so gut wie nichts organi- satorisch, nach durchdachtem Plan noch in der Form fester Satzungen geschaffen hat, dass man aber allüberall unter dem Naturgesetz der historischen Entwicklung gestanden hat, und dass alle Fortbildung herausgewachsen ist aus gegebenen Vorstellungen und Vorbedingungen, dass sie durch die je weilige Sachlage und durch einzelne massgebende Persönlich- keiten bestimmt worden ist, dass sie bestimmten Bedürfnissen und den Geboten der Zweckmässigkeit gedient haben muss. Nach diesen Erklärungen kann ich dazu übergehen, das Thema, das ich mir jetzt gestellt habe, zu entwickeln, die Wahl desselben durch einige weitere Hinweise auf den jetzigen Stand der Forschung zu begründen und über die Behandlung in diesen und weiteren Beiträgen zur Diplom atik einige Vorbemerkungen zu machen. Es ist aus den Kanzlerreihen, welche Stumpf den Ver- zeichnissen der Diplome der einzelnen Könige vorausschickt. 648 Sickel. ersichtlich und es ist zuletzt von Fickcr ' hervorgehoben worden, dass das Jahr 953 einen wesentlichen Abschnitt in der Ge- schichte der Recognition bildet. Seit dieser Zeit werden nämlich regelmässig die Kanzler als Recognoscenten genannt, während früher, und zwar gilt das auch von der Periode der Karolinger, in gewissen Zeiträumen abwechselnd Kanzler und Notare, in andern ausschliesslich die Notare als Recognoscenten erscheinen. Doch damit sind die Modalitäten noch nicht erschöpft. An- fänglich sind Recognoscenten und Subscribenten identisch ge- wesen. Dann aber haben für die Recognoscenten, mögen es Kanzler oder Notare gewesen sein, häufig andere Männer, zu- meist die gewöhnlichen Urkundenschreiber, unterfertigt. Folg- lich werden bis 953 eventuell Kanzler, Recognoscenten und Subscribenten auseinanderzuhalten sein und wir werden erst feststellen müssen, ob wir es in einem Einzelfalle mit einem, mit zwei oder gar mit drei Individuen zu thun haben, ehe wir die Autorschaft für diese oder jene Neuerung oder Eigenthüm- lichkeit einer bestimmten Person zuschreiben dürfen. Einen Anlauf dazu nimmt wohl auch Stumpf, wo sich ihm gelegent- lich einer Wahrnehmung die Nöthigung aufdrängt: so z. B. in Wirzburger Immunitäten 1, 33 Anm. 58; aber er weicht einer scharfen Scheidung sofort wieder aus, indem er sich mit dem in diesem Falle sehr bedenklichen Ausdrucke ,die recognosci- rende Kanzlei' behilft. Doch auf Stumpfs Aussprüche komme ich ohnedies zurück und so will ich lieber hier an meinen eigenen Arbeiten zeigen, wie wenig wir bisher über den Arbeitsantheil der Mitglieder der Kanzlei unterrichtet gewesen sind. In dem von mir vor zwei Jahren veröffentlichten Programme2 habe ich noch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass ein Kanzler Heinrich I. und Otto I. selbst Reinschriften von Urkunden angefertigt habe-, ob das überhaupt für die Zeit nachweisbar ist oder nicht, muss einmal entschieden werden. Ebenda wusste ich noch nicht zu erklären, weshalb seit Arnulf bald die Kanzler, bald die Notare als Recognoscenten genannt werden. Ferner war ich damals noch der Meinung, dass in der Regel der Scriptor 1 Beiträge zur Urkundenlehre •_', 171. - Neues Archiv 1, 460. Beiti i Diplomutik VII 649 auch der Concipient der Urkunden gewesen; ersl die Einwürfe von Ficker1 haben mich zu nochmaliger Prüfung der Diplome auf diese Frage hin veranlasst, der ich nun in etwas neue Er- gebnisse verdanke. Kurz es ist erst eine ganze Reihe von Punkten aufzuklären, ehe wir sagen können, auf wessen Rech- nung dieses oder jenes Moment zu setzen ist und wie in den einzelnen Perioden die Arbeit in der Kanzlei auf die Individuen vertheilt und deren Zusammenwirken geregelt wurden ist. In manchen Fällen habe auch ich noch keine Entscheidung treffen können und muss dahingestellt sein lassen, ob Andere nach mir srlücklicher sein werden. Indem ich aber in der Mehrzahl der Fälle zu sicherem Ergebniss gelangt bin und Kanzler, Recognoscenten, Subscribenteu, Scriptoren und Dictatoren zu unterscheiden gelernt habe, kann ich jetzt daran gehen, jenes Capitel, das ich in den bisherigen Geschichten der Kanzlei vermisse, zunächst bis zum Jahre 953 und etwas darüber hinaus zu schreiben. In erster Linie ist die Lösung dieser Aufgabe allerdings dadurch bedingt, dass uns Material in grösserem Umfange und in entsprechender Beschaffenheit zu Gebote steht. Schon aus den abschriftlichen oder gedruckten Urkunden lässt sich manches herauslesen. Aber den rechten Schlüssel bieten doch nur die Originale. In Folge dieses Umstandes hat mein Ver- such, den Geschäftsgang in der Kanzlei von dem Jahre 751 bis zum Jahre 953 zu ergründen, verschieden ausfallen müssen. Ich habe nämlich fast sämmtliche Archetypa der Perioden 751 — 876 und 911—953 selbst untersucht,'- dagegen aus dem dazwischen liegenden Zeitraum nicht so viele, dass ich da ) schon das letzte Wort zu sagen mich getrauen möchte. Immer- hin glaube ich die Hauptmomente der Entwicklung auch in den Jahren 876—911 richtig erkannt zu haben. Bei diesem Stand meiner Vorarbeiten werde ich mich auch nicht scheuen, die einzelnen Zeitabschnitte verschieden zu behandeln. l'> i ' Beiträge zur Urkundenlehre 2, 27. 2 Hier begründet es noch einen Unterschied, dass ich einen Theil dii Diplome vor vielen Jahren, einen andern in den letzten unter den Händen gehabt habe, denn erst mit der Zeit habe ich auf die Merkmale achl gelernt, mit denen ich jetzt operire. 650 ekel. dem ersten (bis 876) kann ich mich kürzer fassen, da ieh z. B. was wir von der Organisation und dem Personalstatus der Kanzlei wissen, schon an anderen Orten geboten habe. Fin- den zweiten Abschnitt (bis 911) habe ich das hier erst so weit nachholen müssen, als es der Zusammenhang erforderte; da- gegen habe ich hier einige Fragen nur formulirt und nicht be- antwortet, weil ich zu letzterem Behüte umfassende Prüfung der Originale hätte vornehmen müssen. Am eingehendsten habe ich die Zeit von 911 — 953 behandelt. Ich kann den Stoff in dieser einen Abhandlung nicht er- schöpfen. Sie soll nur handeln von den Kanzlern ' und Re- cognoscenten bis zum Jahre 953. Zunächst werde ich einen Ueberblick geben über die Phasen der Organisation der Kanzlei und über deren Personal^tatus bis zum Ausgang des neunten Jahrhunderts. Dann schalte ieh eine Untersuchung über die ursprüngliche Bedeutung der Recognition ein. Endlich führe ich die lange Reihe der unter und neben den Kanzlern fun- girenden Recognoscenten und Subscribenten bis 953 vor. Vor- behalten bleibt für die Fortsetzungen das Capitel von den Dicta- toren und Scriptoren sowie das von den Erzkapellanen, wenn ich auch hier schon mehrfach die Ergebnisse der nachfolgenden Untersuchungen herbeizuziehen und zu verwerteten genöthigt war. Im Uebrigen werde ich mich in dem zuletzt genannten Abschnitt nicht an die Zeitgrenze von 953 binden. Erst wenn wir alle zur Kanzlei im weitesten Sinne zählenden Personen, ihre Beziehungen zu einander und ihre Functionen kennen ge- lernt haben, wird sich die Summe ziehen, d. h. die Geschäfts- führung in ihren mannigfaltigen Phasen darlegen lassen. Ich mache den Versuch als Piplomatiker und für die Zwecke der 1 Wie in alter Zeit demselben Beamten verschiedene Titel beigelegt worden sind, so dann auch von den Historikern. So hat man die Vorsteher der Kanzlei der ersten Karolinger wohl Erznotare genannt und hat dann für deren Nachfolger vielfach die Bezeichnung Vicekanzler gebraucht. Um jedem Missverständnisse vorzubeugen, bemerke ich, dass ich (und so jetzt auch Stumpf) unter Kanzlern Ins zum Jahre 8öi die Vorsteher der Kanzlei verstehe (s. Acta Karol. 1, 76), von da an aber die Leiter der Kanzlei, obwohl sie fortan den Erzkapellanen, die eventuell auch Erz- kanzler heissen, untergeordnet sind. — Vgl. übrigens, was ich S. 661 über wirkliche Kanzler und Titularkanzler sage. Beil i ägc im Dip omatil \ II ( i,") | Diplomatik. Aber indem ich ein Stück von der Geschichte des Regiments bieten werde, glaube ich auch den Historikern einen Dienst zu erweisen. Von einer Geschichte der Kanzlei, wie ich sie zuvor ge- fordert habe, wird allerdings die Zeit der Merovinger aus- geschlossen bleiben müssen. Wir können da nur, wie es zuletzl Stumpf-Brentano gethan hat,1 Listen der Männer aufstellen, welche uns in den Diplomen oder auch von den Geschicht- schreibern als mit der Besorgung des Urkundengesehäfts betraut bezeiehnet wurden. Wir können ferner einige Aussagen der Diplome über den Arbeitsantheil der einzelnen Personen in bestimmten Fällen insoweit verwerthen, dass wir gewisse Ge- brauche der späteren Jahrhunderte als bis in graue Vorzeil zurückreichend nachweisen. Aber dabei wird es sein Bewenden haben müssen, da auch die Gesammtheit der vorliegenden No- tizen nicht genügt, aus ihnen ein zusammenhängendes Bild von der Einrichtung und von der etwaigen Fortbildung der Kanzlei unter den Merovingern zu combiniren. Ueberdies, scheint mir, bedürfen wir auch einer genauen Kenntniss der damaligen Insti- tution nicht, um, was aus ihr in der Karolingerperiode geworden ist, in das rechte Licht zu stellen. Denn um dieselbe Zeit. da die Herrschaft im Frankeiireich an ein neues Geschleelit übergegangen ist, ist, wie ich aus dem Unterschiede der Eschato- kolle der Diplome vor und nach dem Jahre 751 folgere, auch die Stellung der Kanzlei eine andere geworden. Gehen wir von der ältesten noch in Original erhaltenen Urkunde Chlothar IL vom Jahre 625 2 aus, welche wir als Typus der vorherrschenden Kategorie damalige]- Diplome be- trachten dürfen.3 Das Schlussprotokoll entspricht hier genau den Worten, welche die Vollziehung des Diploms ankündigen: manus nostre subscribsionebus subter earn decrevemus roborari. 1 Ueber die Merovinger-Diplome in der Ausgabe der Mon. Germ, lii-t. •_'■"> 27. 2 DD. Merov. n° 10, wie ich liier die Stücke der vod K. Pertz besorgten Ausgabe citiren will. 3 Der Typus kehrt noch wieder in Dl). Merov. n° '.».". vom Jahr.' T-_'7. - I. ist hier nicht der Ort, darzuthun, dass viele nur abschriftlich erhalt Urkunden der gleichen Gattung- gerade im Eschatokoll eine Rlodernisirung erfahren haben. 652 Biokel Zunächst wird in der Form eines Referats gesagt: Syggolenus optolit, d. h. dass ein gewisser Schreiber das, wie es später heisst, auf Weisung (iussus) geschriebene Präcept dem Könige zur Unterzeichnung unterbreitet hat. l Dann redet der König wieder wie im Context in der ersten Person: Chlothacharius (M.) in Christi nomine rex hanc preeeptionem subscripsi. Dem- gemäss wird endlich das Jahr der Ausstellung mit anno XLI regni nostri bezeichnet. Mit einem Worte: auch im Eschatokoll tritt der König selbstredend auf.2 Anders verhält es sich mit dem Eschatokoll der Karo- lingerurkunden. Freilich kündigt sich der Gegensatz zunächst nur in dem einen wesentlichsten Punkte an und wird aus nahe- liegenden Gründen erst mit der Zeit durchgeführt. Indem nämlich die Notare Pippins und seiner Söhne nach alten Formeln arbeiten und diese nur so weit, als absolut nöthig ist, abwandeln, begegnen uns noch zahlreiche Wendungen, welche ihre ur- sprüngliche Bedeutung bereits eingebüsst haben. Das gilt unter anderem von den letzten Worten der Corroborationsformel, die erst allmählich durch neue, den neuen Bräuchen entsprechende verdrängt werden;3 der, wie wir gleich sehen werden, von den Karolingern in der Regel beobachtete Vorgang findet seinen adä- quaten Ausdruck in den Worten : manu propria subter firmavimus (richtig, so lange der Vollziehungsstrich im Haudmal von den Königen eigenhändig gemacht wurde) et anuli nostri impressione signare iussimus. Das gilt desgleichen von der Datirungs- formel: die anni regni nostri weichen noch langsamer den anni regni domni regis illius oder der Participialconstruction: regnante d. nostro rege illo. l Und das findet seine Erklärung 1 Erst mit der Zeit werden die beiden Unterfertigungen in die umgekehrte Reihenfolge gebracht. - Nur .kurz will ich darauf hinweisen, dass auch in den der königlichen Unterschrift entbehrenden Placita und Mandata die gleiche Vorstellung festgehalten wird: s. die Placita in DD. Merov. n° 34, 49 u. s. w. oder die Mandata n° 61, 82. — Natürlich kann die Form der Urkunden zur Charakteristik des Regiments nur der Zeit dienen, in welcher die Form aufgekommen ist, und dass noch die letzten Sprösslinge des ersten Königsgeschlechtes in den Urkunden als Selbstherrscher auftreten, ist für die Feststellung der geschichtlichen Wirklichkeit ohne allen Werth. :i A. Karol. 1, in:;. 4 A. Karol. 1, 218, 261, 281. Beiträge /m Dipl atih VII I .. >. ', darin, dass die Angaben über Zeit und Ort, ganz abgesehen von der speciellen Beziehung auf diesen oder jenen Act, zu der im Context gebotenen Erzählung gehören, wie denn auch in der Uebergangszeit häufig Context und letzte Zeile von gleieher Hand stammen und vor der Unterfertigung geschrieben sind, die Datirung somit als Fortsetzung der vom König selbst in erster Person gegebenen Darstellung erscheint. Schliesslich dringen doch auch hier die anni regni d. regis illius durch, d. h. auch die Formel XII wird gleich den andern Theilen des Schlussprotokolls behandelt. Den Ausschlug für dessen Umbildung gab, dass die ersten Herrscher aus dem neuen Geschlecht nicht lesen noch sehreiben konnten. Daher wird gleich in der ersten Urkunde Pippins die bisher eigenhändige Unterfertigung des Königs ersetzt durch deren Ankündigung, durch signum f domno nostro Pippino gloriosissimo rege (P. 8). Obschon der Anlass zu dieser Aenderung nur ein vorüber- gehender war, so wurde diese nicht allein bei der einen Formel beibehalten, sondern erstreckte sieh nach und nach auf das ganze Schlussprotokoll. Es ist fortan ein Mitglied der Kanzlei, welches uns verkündet: das ist das Handmal unseres Herrn und Königs. Zunächst und zumeist ist es derselbe Beamte, welcher uns in directer Rede mit recognovi, relegi, subscripsi die Urkunde ihrem ganzen Inhalte nach bezeugt. Mit der neuen Datirungsformel vollzieht sich endlich die Umbildung des ganzen Eschatokolls. Ich möchte dieses von der Zeit an, um mich eines technischen Ausdruckes der späteren päpstlichen Kanzlei zu bedienen, ein Certificat nennen. Es leuchtet ein, dass dem Personal der Kanzlei seit 751 ganz andere Obliegenheiten und eine weit höhere Verantwortung auferlegt werden denn früher. Versieht der König der Vorzeit seine Urkunde mit eigener Unterschrift, drückt er selbst ihr den Stempel der Unanfechtbarkeit auf, so hat die Wahl des Schreibers und des Offerenten, möge es sich da um dieselbe oder um zwei Personen handeln, wenig zu besagen. Dagegen sind es, da Pippin und seine Söhne nicht persönlich dafür ein- stehen können, dass das mit ihrem Handmal und ihrem Siegel geschmückte Präcept in allen seinen Theilen der von ihnen mündlich abgegebenen Willensäusseruug entspricht, fortan die Recognoscenten, welche dem Könige wie dem Empfänger für cl i * - Sickel. Wahrheit des Inhalts, die über allem Zweifel erhaben sein soll, zu haften haben. Schon dadurch allein, dass die Recoguition an Umfang und Bedeutung- gewann, wurde auch die Stellung der Kanzlei, welcher sie oblag, eine andere. Es würde sich so, meine ich, genügend erklären, wenn der Kanzlei erst von diesem Wendepunkt an eine bestimmtere Gestalt und festere Normen für ihre Functionen verliehen sein sollten. Dabei mag die Einsicht in die neue Lage der Dinge und in deren Nöthi- gung erst mit der Zeit gekommen und daher die wesentliche Neuerung nur allmählich durchgedrungen sein. Als solche be- trachte ich, dass die Geschäfte der Kanzlei in eine leitende Hand gelegt Avorden sind. Bekanntlich traten zuvor mehrere Referendare zu gleicher Zeit auf. ' Dasselbe Verhältniss scheint noch in den ersten Jahren Pippins fortbestanden zu haben. "2 Aber im Laufe seiner Regierung oder spätestens bei dem Re- gierungsantritt seiner Söhne hat eine Reformation der könig- lichen Kanzlei stattgefunden. Seitdem gab es nur je einen Kanzler: daran ist nicht allein im Gesammtreich festgehalten worden, sondern auch im ostfränkischen oder deutschen Reiche bis zu der Zeit, da für Nebenreiche auch besondere Kanzler bestellt werden mussten. Berufen auf den Posten wurden blos Freigeborne, angesehene Männer, die sich der Gunst und des Vertrauens des Königs erfreuten, die überdies die nöthigen Geschäftskenntnisse be- sassen. Die eigentliche Arbeitslast jedoch und insbesondere die Besorgung der Reinschriften (litterae grossaej wälzten schon die ersten Kanzler Karl des Grossen auf ihre Unter- gebenen ab, die von Anfang an zahlreich und verschieden gestellt gewesen zu sein scheinen. Unter diesen Schreibern oder Notaren der Kanzlei finden wir allerdings hie und da Männer, welche mit der Zeit es zum Kanzler bringen oder sonst zu hoher Stellung und Einfluss gelangen. Aber die Mehr- zahl derselben ist unbekannt geblieben. 3 Auch bei der Ver- 1 Waitz Verfassungsgeschichte 2, 411. 2 Acta Karol. 1, 76. 3 Es gilt von ihnen, was Hirschfeld Untersuchungen 1, 203 von den unter den römischen Kaisern nach Claudius mit der cura epistolarum betrauten Personen sagt: kein einziger Name, der im höheren Sinne des Wortes historisch zu nennen wäre, begegnet später in diesen Aemtern. in Diplomatie 711. 655 wendung in der Kanzlei erscheinen die einen den andern be- vorzugt. Vielen ist nur das gewöhnliche Schreibgeschäfl über- tragen worden: sie sind für uns namenlos. Erfahren wir von anderen, wie sie hiessen, so danken wir es zumeist eben dem Umstände, dass ihnen auch die Recognition und Subscription anvertraut worden ist. Indem erst durch die Recognition oder durch die eigen- händige Subscription, welche damals als Erforderniss der Re- cognition galt, eine Urkunde vollzogen wurde, gehörte dieser Act zu den Avichtigsten der Beurkundung. Ihn vorzunehmen war in erster Linie der Kanzler bestellt. Indem aber dieser als der Vertrauensmann des Königs auch zu anderen Geschäften bei Hofe oder auch in der Ferne verwendet wurde, ' musste im Verhinderungsfälle für Stellvertreter gesorgt werden, d. h. auch die Notare wurden berufen, als Recognoscenten zu fun- giren. Und dass diese Uebertragung solchen Mandats von den Kanzlern auf deren Untergebene immer häufiger wurde, be- kunden zwei Umstände. Fast von jedem Kanzler lässt sich nachweisen, dass er im Beginne seiner Amtsführung diese wesentlichste Function beinahe ausnahmslos selbst versehen und erst im weiteren Verlauf darin nachgelassen hat. Des weitern erscheint in der Reihenfolge der Kanzler so ziemlich jeder in dieser Hinsicht fleissiger denn seine Nachfolger. Und doch besteht Jahrhunderte hindurch ein wesentlicher Unter- schied zwischen der Recognition durch den Kanzler und der durch einen der Notare. Erklären und begründen kann ieh denselben erst in anderem Zusammenhange; aber in der Haupt- sache muss ich. ihn bereits hier betonen. Der Kanzler allein ist berufen und ermächtigt, mit seinem Namen die Bürgschaft für Inhalt und Form der Königsurkunde zu übernehmen, welche unter anderem mit der Recognition bezweckt wurde. Dagegen verlieh den Notaren ihr Amt, wenn von einem solchen überhaupt die Rede sein kann, noch nicht die fides publica im vollen Umfange des Wortes und sie mussten in jedem einzelnen Falle auch den Namen des Kanzlers, von dem sie delegirt worden waren, als den ihres Gewährsmannes anführen. Also entweder 1 Vgl. was ich in Acta Karol. 1, 77 und 95 über Hitheriua and Thi bemerkt habe. 656 Sickel. hiess es : ille (d. h. der Kanzler) recognovi, oder es hiess : ille (notarius) advicem illius (cancellarii) recognovi. ' Seit im Jahre 819 Fridugis die Leitung der Kanzlei über- nommen hatte, wurde nur noch die letztere Form der Recognition beliebt. Es wurde nämlich damals noch als Erforderniss fest- gehalten, dass die Recognition in der Reinschrift als eigen- händige erscheinen müsse, und zugleich an dem Brauch, die betreffende Zeile in verlängerten Buchstaben zu schreiben. Mag nun dem Fridugis die Fertigkeit so zu schreiben abge- gangen sein oder mag er die Mühe gescheut haben, kurz, er und nach seinem Vorgange eine lange Reihe von Nachfolgern nahmen gar keinen für uns erkennbaren Antheil mehr an der Herstellung der litterae grossae. In Folge davon gab es fortan nur die eine Form der Recognition an des Kanzlers Statt, indem der Notar sich nach wie vor auf den Kanzler als auf seinen Gewährsmann zu berufen hatte. 2 Kanzler und Recognos- cent fallen also seit der Zeit auseinander. Indem für Ludwig den Deutschen als König in Baiern eine Kanzlei nach dem Muster der kaiserlichen eingerichtet wurde, versah auch diese die Geschäfte in hergebrachter Weise und unterfertigte gleichfalls die Diplome nach der seit 819 ausschliesslich angewandten Formel : notarius advicem cancel- larii.3 Erst mit dem Jahre 854 trat, indem die oberste Leitung der Kanzlei mit der der königlichen Kapelle verbunden wurde, ' 1 In Merovingerzeit hat nur selten und zwar nur in Gerichtsurkunden der Könige, nämlich in Nr. 70, 78, 79, 94, solche Stellvertretung Platz gegriffen. — Ueber die Stellvertretung unter den ersten Karolingern s. Acta Karol. 1, 72 ff. 2 Was ich in Acta Karol. 1, 92 über die Stellung der Kanzler seit. 819 bemerkt habe, hat Lorenz a. a. O. missverstanden. Dass der Kanzler schon damals die politische Leitung übernommen, sage ich mit nichten, ja ich erkläre mich ibid. 102 sehr bestimmt gegen derartige Auffassuno-. 3 Um jeder Missdeutung vorzubeugen, bemerke ich auch hier, dass diese Titel erst später gebräuchlich geworden sind. Deshalb wird man sich ihrer doch bedienen dürfen, wo es gilt, liier für ein bestimmtes Verhältni.ss einen kurzen Ausdruck aufzustellen. Ich kürze dann obige Worte noch ab: N. adv. C. 4 Beiträge zur Diplomatik 2, 152. — Dümmler Ostfränkisches Reich 1, 871. - Waitz Verf. Gesch. <>, 284. — Mühlbacher die Urkunden Karls III. Reit rüge zw Diplomatie VII. (>;)< eine Aenderung von grosser Tragweite ein. Sic bekundet sich zunächst darin, dass neben der bisherigen Recognitionsformel eine zweite auftaucht: N(otarius) advicem A(rchicapellani). Ja die frühere begegnet seitdem nur noch vereinzelt, ' so dass die Frage aufgeworfen worden ist, ob es nach 854 einen zwischen den Notaren und dem Erzkapellan stellenden Kanzler gegeben habe oder nicht. Habe ich diese Frage auch schon früher bejaht, so glaube ich doch wieder auf sie eingehen zu müssen, um einem Ein- wände zu begegnen und um das Verhältniss in Hinblick auf spätere Zeiten klar zu stellen. Dümmler bezeichnete nämlich meine Annahme, dass Baldricus und Witgarius als Kanzler dem Erzkapellan untergeordnet gewesen seien, als die ein- fachste, meinte jedoch, dass erst dann jeder Zweifel behoben sein würde, wenn sich z. B. ein von Witgar anstatt Grimolds unterfertigtes Präcept nachweisen liesse. Es liegt auf der Hand, dass Dümmler den seit 819 aufgekommenen Brauch nicht ge- kannt und nicht in Anschlag gebracht, hat. Die von ihm er- wartete Subscription war, so lange jener Brauch fortbestand, geradezu ausgeschlossen. Dass statt dessen nur vorkommt N. advicem Baldrici oder Witgarii spricht, sobald wir die seit Karl dem Grossen bestehende Ordnung in Betracht ziehen, gerade dafür, dass beide Männer den Kauzlerposten bekleidet haben. Für Witgar ist des weitern bezeichnend, dass an seiner in Wiener S. B. 92, 844 ff. — Diese meine Beiträge VII waren zur Hälfte geschrieben, ehe Dr. Mühlbacher seine Arbeil in Angriff nahm. Als ich nach langer Unterbrechung an die Fortsetzung gehen konnte und meine Abhandlung fast beendet hatte, ging mir die meines Collegen bereits gedruckt zu. Da habe ich allerdings allerlei Streichungen vor- genommen, musste aber um des Zusammenhanges willen gewisse Stellen stehen lassen, auch wenn wir beide zu ganz gleichen Ergebnissen gelangt waren. Im übrigen hatte Dr. Mühlbacher (s. S. 349 X. 3) mir in vielen Frasren nicht vorgreifen wollen, so dass sich unsere beiden Arl gegenseitig ergänzen. Aus der in den Beitr. zur Dipl. 2, 169 abgedruckten List.- hebe ich her- vor: Böhmer RK. 768 vom 22. Mai 854 (über die Datirunj he ich S. 663 N. 1) mit Hadebertus subdiaconus advicem Baldrici abbatis; BRK. 112 vom 20. März 855 mit gleicher Unterschrift; BRK. 786 vom •_'. Februar 858 mit Liutbrandus advicem Witgarii cancellarii ; dann eine Reihe von 13 Diplomen vom 12. April 858 h\< 8. Juli 860 voi schiedenen Nutann advicem Witgarii cancellarii unterfertigt. 658 Sickel. Statt Liutbrandus, Hadebertus, Comeatus, Waldo und Hebar- hardus subscribiren, denn — das lehrt gleichfalls die Geschichte der Kanzlei bis zu der Zeit — nur einem Kanzler kann eine Vielheit von Notaren unterstehen. Wodurch dann in jener Zeit die Wahl der einen Recognitionsforniel N. adv. C. oder der anderen N. adv. A. bestimmt worden ist, ' wird später seine Erklärung- finden. Allerdings beginnt schon mit dem Jahre 868 eine lange Reihe von Urkunden mit der unzweifelhaft eigenhändigen Re- cognition: Hebarhardus cancellarius advicem Grimoldi arehi- capellani, oder seit 870 adv. Liutberti arehicapellani. Wollten wir uns da lediglich auf den Titel stützend Hebarhard als Nachfolger von Witgar betrachten, so müssten wir annehmen, dass von dem seit 819 beobachteten Brauche wieder abge- wichen sei und dass sich der Kanzler Hebarhard wieder zur Subscription herbeigelassen habe. Aber es liegt eine andere Erklärung des Sachverhaltes näher. Mit den Titulaturen des neunten und zehnten Jahrhunderts hat es seine eigene Be- wandtniss. Sie sind sicher in gewissen Fällen nicht ohne Ab- sicht gewählt und festgehalten, und doch ist andererseits oft genug von dem regelrechten Gebrauch abgewichen worden: zuweilen mag Titelsucht dazu geführt haben, einem Manne einen höheren als den ihm zukommenden Titel beizulegen: hier und da ist aber auch ein minderer Titel beliebt worden. Während wir daher im Allgemeinen berechtigt sind, aus den Titeln auf die Stellung zu schliessen, dürfen wir uns durch vereinzelte Irregularitäten nicht irre machen lassen. 2 Vollends wenn man cancellarius in seiner mannigfachen Anwendung verfolgt, darf man dessen Vorkommen nicht hoch anschlagen. 1 Die Reihenfolge der Diplome BEK. 785 — 788 weist folgende Unter- schriften auf: Hadebertus subd. adv. Grimoldi arehicapellani, Liutbran- dus adv. Witgarii C, Comeatus N. adv. Grimoldi A., Hadeb. subd. adv. Witgarii C. 2 Auf den schwankenden Gebrauch hat auch Waitz Verf. Gesch. G, 277 hingewiesen. Nur geht er meines Erachtens zu weit, wenn er aus dem Umstände, dass dieselbe Person bald Notar bald Kanzler genannt wird, folgert, dass eine bestimmte Scheidung der Functionen jedenfalls nicht stattgefunden habe. -- Was Hebarhard anbetrifft, so hat Dümmler 1, 874 richtig bemerkt, dass er Witgar nicht gleichgestellt erscheint. Öeitr&ge tut Diplomatik VII. li.V. t Seit alter Zeit ist das eine Bezeichnung für alle Arten von Schreibern. ' Deshalb bedienen sich die Kanzler Lothar IL, als sie überhaupt die Titulatur m die Recognitionszeile ein- führen, des auszeichnenden Titels: regiae dignitatis cancella- rius. 2 Das einfache cancellarius des llebarhard besagt also nicht viel. Und wir haben nebenbei auf alles andere zu achten, was als Kennzeichen für die Stellung gelten kann. Da komme ich zunächst auf Hebarhards Arbeitsantheil zurück. Dass er wieder die Recognitionszeile selbst geschrieben, Hesse sich wohl als mit der Kanzlerwürde verträglich hinnehmen, aber nicht so, dass er in fast allen Fällen die Reinschriften besorgt hat und als Ingrossist selbst noch unter Karl III. thätig gewesen ist. :i Es ist ferner zu beachten, dass es nicht ein Mal heisst N. advicem Hebarhardi. Müssen wir schon aus diesen Gründen ihn ungeachtet jener Titulatur dem niederen Kanzleipersonal 1 Vgl. z. B. Sohm Reichsverfassimg 1, 529. 2 Ich brauche hier auf das erste Vorkommen des Kanzlertitels in den Recognitiouen in den verschiedenen Theilreichen nicht näher einzugehen, da jetzt Mühlbacher a. a. O. 346 alle diesbezüglichen Thatsachen bereits gesammelt hat. Auf Einzelheiten bin ich erst durch ihn aufmerksam gemacht worden, so auf das S. 349 Anm. 2 hervorgehobene und mit Recht auf individuelles Belieben zurückgeführte Vorgehen Hebarhards. Dass der neue Titel gleichzeitig in den Urkunden Ludwig des Deutschen und Lothar IL Eingang fand, mag man immerhin mit Mühlbacher eigen- tümlich nennen. Stumpf in der S. 644 A. 2 erwähnten Anzeige ging weiter und wollte es nicht als Zufall gelten lassen, dass der neue Titel zu gleicher Zeit in den verschiedenen Reichen aufkommt. Dagegen musa ich mich entschieden aussprechen and insbesondere kann ich eine Nach- ahmung von Seiten Witgars nicht gelten lassen, da dieser, wenn er sich durch den Vorgang in der Kanzlei Lothar II. hätte bestimmen lasseu, wohl auch den bezeichnenden Zusatz regiae dignitatis adoptirt hätte. — Jene Zusammenstellung Mühlbachers bedarf nur noch der einen < rectur, welche er mir ausdrücklich (S. 349 Anm. 3) vorbehalten hat, d. h. wenn mau, wie ich es hier bezüglich der .ins der ostfränkischen Kanzlei li ervorgegangenen Diplome durchführe, zwischen denen, die an anderer Statt recognoscirt haben (wie Hebarhard) und zwischen denen, an deren Statt recognoscirt worden ist (wie Witgar) unterscheidet, er- scheinen alle diese Dinge doch in einem anderen Lichte. 3 Beitr. zur Dipl. 2, 108. 114. — Seit Veröffentlichung dieser Abhandlang habe ich eine noch grössere Anzahl Originale von Hebarhards Hand kennen geler ut. — Die Bezeichnung Ingrossist entnehme ich den deut- schen Kauzleiordnuugen des späteren Mittelalters. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. IV. Hft. 13 (iljl) Sickel. zuzählen, so kommt uns dabei noch ein weiteres, schon zuvor angedeutetes Kriterium zu Hülfe. Für die Mitglieder der Kanzlei von Ludwig dem Deutschen an bis auf Otto I. liegt, wie ich schon sagte, das biographische Material so vollständig als möglich vor. Ueberblicken wir das- selbe, so zeigt sich, dass wir über gewisse Männer gut oder doch leidlich unterrichtet sind, über andere dagegen gar nichts in Erfahrung bringen können. Mag nun auch das eine und das andere Mal der Zufall walten, wie dass der eine Mann gestorben ist, ehe er zu gewissem Rufe gelangen konnte, oder dass die Aufzeichnungen über einen anderen verloren gegangen sind, so wird doch die Scheidung der Angehörigen der Kanzlei in historisch bekannte und in historisch unbekannte Persönlich- keiten um su mehr zu beachten sein, da jene regelmässig als durch analoge Lebensschicksale bekannt erscheinen. Dem geist- lichen Stande, welcher allein die erforderliche Bildung besass, gehörten sie alle seit Karl dem Grossen an, und so haben wir nur zu fragen, ob dieser oder jener uns in den Urkunden- unterfertigungen begegnende Mann auch zu höheren kirchlichen Würden emporgestiegen ist, um einen Schlüssel für Definition seiner Stellung in der Kanzlei zu erhalten. Alle Männer, die unzweifelhaft Kanzler gewesen sind, sehen wir früher oder später zu Bischöfen oder zu Inhabern der angesehensten Klöster be- fördert. Von einem Hebarhard dagegen, den wir als durch 22 Jahre hindurch in der Kanzlei beschäftigt und als einen guten Arbeiter kennen, wird uns nicht berichtet, woher er gekommen noch wohin er gegangen ist. Die Erklärung für diese Erscheinungen liegt nahe genug: die Kanzler sollten zum Theil dieselben Eigenschaften besitzen wie die Bischöfe und Reichsäbte, und wie für diese insbesondere edle Ab- kunft erfordert wurde, so auch für die Kanzler, und zwar vor allem deshalb, weil, worauf ich zurückkomme, nur voll- freie Männer die mit der Recognition bezweckte Bürgschaft leisten konnten. Die wenigen Ausnahmen von solcher für das höhere geistliche und für das Kanzleramt geltenden Regel vermögen diese um so weniger umzustossen, da bei den be- treffenden Männern, wie bei Liutward unter Karl III. und bei Willigis unter Otto I. immer ausdrücklich erwähnt wird, dass sie trotz geringer Abkunft zu hohen Würden gelangt Beiträge zur Diplomatik VII. lilii sind. ' Auch die folgenden Jahrhunderte, in denen der Reichs kanzler zu den Fürsten gerechnet wurde, aber nicht so der Protonotar und noch weniger die Notare des Reiches, - bestä- tigen, dass ein Standesunterschied zwischen dem Kanzler und zwischen den ihm untergebenen Notaren und Schreibern be- standen hat. Allerdings haben auch (Glieder der angesehensten Geschlechter in der Kapelle oder in der Kanzlei von unten auf gedient. Aber wer niederer Geburt war, vermochte nur vermittelst hervorragender Eigenschaften und unter besonders günstigen Umständen von den unteren Stufen des Kanzlei- dienstes zu den höheren emporzusteigen. Nicht so streng ist es dabei mit der Führung von Titeln genommen, wofür ich noch allerlei Belege beizubringen haben werde. Wir werden also gut thun, da es für unsere Untersuchungen auf genaue Scheidung ankommt, und sind dazu auch berechtigt, von wirk- lichen und von Titular-Kanzlern zu reden. Um nun auf die Männer zurückzukommen, welche von 854 bis 876 in der Kanzlei Ludwigs gedient haben, su treffen bei Baldrich und Witgar alle die Kennzeichen ein, die wirk- lichen Kanzlern eigen sind, aber nicht bei TIebai liaid. Ich folgere daraus, dass nach dem 8. Juli 860 3 eine Vacanz des Kanzleramts eingetreten ist. Will man dem eine Bedeutung beilegen, dass sich Hebarhard seit 868 regelmässig cancellarius nennt, so wird er doch nur als Titularkanzler zu betrachten sein. Zumal wenn die Kanzlei zeitweise keinen eigentlichen Vorstand hatte und ihre Geschäfte unter der Oberaufsicht des Erzkapellans von einem wohl geschulten Notar besorgt wurden, mag diesem eine Auszeichnung in der Benennung gestattet gewesen sein. 4 Gleich hier will ich darauf hinweisen, dass auch unter Ludwig III., dann in den ersten Jahren Heinrich I. der Kauz! posten nicht besetzt war. Wir werden später sehen, wie man sich damals beholfen hat. Nach Jahrhunderten wird, was die 1 Rettberg 2, 560. — Dümmler Formelbuch des B. Salome Waitz Verfassungs-Gesch. 6, 269. 2 Pieker Reichsfürstenstand 7 1 . 3 Datum der letzten Urkunde mit Witgars Namen in der Recognition. 4 Vgl. was icli in Acta Karol. 1, 96 über den Magister Hirminmarifl merkt habe. I.v (j(j2 Sickel. Formel cancellario nullu besagt, immer häufiger und herrscht geradezu vor. Während der Regierung Lothar III. hat es keinen Kanzler gegeben. ' Kürzere Vacanzen unter Konrad III. und Friedrich I. lernen wir aus Stumpfs Regesten kennen. Friedrich II. hat durch viele Jahre hindurch das Kanzleramt in Deutschland wie in Italien unbesetzt gelassen. '2 Die Ge- schäfte haben deshalb nie stillgestanden. Ist nun auch jedes Mal nach der speciellen Sachlage Vorsorge getroffen worden, dass die Obliegenheiten des Kanzlers von einem anderen Be- amten versehen worden sind, so hatte man doch zunächst nur die Wahl zwischen den zwei Modalitäten, dass entweder der höher stehende Erzkapellan oder Erzkauzler oder dass einer der untergeordneten Beamten den Kanzler ersetzte. So finden wir im Jahre 1155 unmittelbar nebeneinander in Stumpf R. 3729, dass der Notar Heinrich anstatt des Erzkanzlers unterfertigt und so für den Kanzler eintritt, und in Stumpf R. 3730: ego Arnoldus Moguntinae sedis archiepiscopus et archicancellarius recognovi. Während der Vacanz unter Ludwig dem Deutschen ist nach Ausweis der auf uns gekommenen Diplome nur jene erstere Art beliebt, d. h. es ist ausschliesslich die Recognitions- formel N. advicem A. angewendet worden. Die Unterordnung des arbeitenden Personals unter den Erzkapellan im Reiche Ludwig des Deutschen hat zunächst den üblen Folgen vorgebeugt, welche die Nichtbesetzung des Kanzleramtes z. B. im Reiche des Kaisers Ludwig nach sich zog. Mit ihr beginnt überdies für Deutschland eine Einrichtung, welche, abgesehen von einmaliger Unterbrechung unter Karl III. (S. 28) Jahrhunderte lang fortbestanden hat. 3 Da lohnt es sich also soweit als möglich zu erforschen, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen die Neuerung zuerst eingeführt worden ist, woran sich später die Untersuchung anknüpfen lässt, ob in der Folge die gleichen oder andere Verhältnisse Anlass geboten haben, an dieser Organisation festzuhalten. Allerdings werden wir dabei gern oder ungern auch zu Vermuthungen unsere ' Ficker Beitr. 2, 318. — Vgl. auch Delisle Actes de Phil. Aug. Intro- duetion 85. 2 Huillard-Breholles Introduction 118. 3 Selbst als unter Heinrich IV. der Titel eines Erzkapellans verschwindet, wird an der Unterordnung des Kanzlers unter den Erzkauzler festgehalten. Beiträge zur Diplomatik VII. lili.", Zuflucht nclnnen müssen, denn Berichte über die Vorgänge im Jahre 854 und über deren Motive liegen uns gar nicht vor und auch die positiven Daten, von denen wir ausgehen können, beschränken sich auf das Vorkommen gewisser Namen und Titel in wenigen Urkunden. ' Vor Allem ist hier in Anschlag zu bringen, dass der Kreis, aus dem die Kanzler erwählt werden konnten, ein sehr beschränkter war. Denn von den Geistlichen mit den schon erwähnten ^Eigenschaften waren Anfangs auch die Bischöfe ausgeschlossen, mit deren Residenzpflicht sich nicht vereinbaren Hess, dass der Kanzler dauernd am Hofe Aufenthalt nehmen sollte. Hatte doch einst Karl vom Papst und von einer Synode erst die Einwilligung eingeholt, bevor er die Erzbischöfe Angilram und Hildebold zu Erzkapellanen bestellt halt«', von denen wTohl selbst damals nicht gefordert wurde, stets bei ITofe zu verweilen. Es entspricht dem ganz, dass unter Karl. Ludwig dem Fmmmen und Ludwig dem Deutschen nur Aebte als Kanzler erscheinen. Erst unter Karl III. und mit Liutward, der über- haupt eine Ausnahmestellung einnimmt, beginnt die Reihe der Kanzler-Bischöfe. Denkbar ist also, dass nach dem Rücktritt des Ratleic Ludwig Mühe gehabt haben wird, den rechten Nachfolger für diesen zu finden. Der dazu ausersehene Abt Baldric wird keine hervorragende Persönlichkeit gewesen sein, denn ausser in den wenigen an seiner .Statt unterfertigten Diplomen 2 wird er gar nicht genannt. Sollte ihm nun etwa zur vollen Qualification die nöthige Geschäftskenntniss ge- mangelt haben, so war unter den erprobten Vertrauten gewiss niemand so geeignet eine Oberaufsicht über die Kanzlei zu übernehmen, als der Abt Grimold, welcher bis zum Jahre 837 selbst Kanzler gewesen war, inzwischen zu der hohen Würde eines Erzkapellans emporgestiegen war und als solcher ohne- dies allen bei Hofe weilenden Geistlichen, also auch den in 1 Siehe das Verzeichniss in Beitr. zur Dipl. 2, 168. — Das erste in B - tracht kommende Diplom Böhmer RK. 768 will allerdings der neu Herausgeber, Wilmans in KaiserurUnnden 7on Westfalen 1. 119 and 129, zum 22. Mai 853 einreihen, wohin die in zwei Copien übereinstimmenden .Jahresmerkmale hinweisen. Aber um der Recognition willen wird d an 854 festzuhalten sein. 2 Ausser Böhmer RK. 768, 772 wird auch noch 774 herbeizuziehen sein. 664 Sickel. der Kanzlei dienenden vorgesetzt war. Diesem ersten Schritte zu einer Neuerung wird bald ein zweiter gefolgt sein, als, wir wissen nicht warum, Raldric schon im Jahre 855 vom Schau- platze abtrat und in Folge davon die Schwierigkeit den Kanzler- posten zu besetzen sich wiederholte. Ein den König stets be- gleitender Kanzler wird gerade damals leichter zu entbehren gewesen sein, da die Notare nicht allein die Dictamina und das Schreibgeschäft besorgten, sondern auch die Vollziehung durch Subscription, und da andererseits der häufige Aufenthalt des Erzkapellans Grimold am königlichen Hoflager ihm er- möglicht haben wird, die nöthigen Anordnungen für regel- mässige Geschäftsführung zu treffen und die erforderliche Controle auszuüben. So mag das zweite Stadium der Neuerung eingetreten sein, dass der Posten des Kanzlers unbesetzt blieb und alle Leitung, deren die Notare bedurften, dem Erzkapellan zufiel. Allerdings fand sich dann in den Jahren 858 — 860 in Witgar wieder ein geeigneter Kanzler. Bei seinem baldigen Rücktritt ' wird die schon gemachte Erfahrung wesentlich dazu beigetragen haben, sich ohne neuen Kanzler zu behelfen. Die Neuerung, die wir vom Jahre 854 zu datiren pflegen, erscheint mir somit nicht als eine förmlich geplante und sofort wie sie gedacht ausgeführte, sondern ich meine, sie hat sich allmählich aus der Sachlage entwickelt und hat sich unter den obwalten- den Umständen bewährt und eingebürgert. Besonders wird dabei die Persönlichkeit Grimolds eingewirkt haben. Zunächst konnte er als Erzkapellan sowohl vacante cancellaria als auch, wenn der jeweilige Kanzler umgangen war, für die Recognition ein- stehen, wofür die Namen Hadebertus, Hebarhardus u. s. w. nicht genügten. Er wird es auch verstanden haben, für die correcte Erledigung der Geschäfte durch die Notare zu sorgen, ohne dass er, worauf ich zurückkomme, dauernd in der Um- gebung des Königs weilte. Daher hat man, als 870 das Erz- kapellanat an Liutbert von Mainz überging, auch diesem die Kanzlei ohne Kanzler untergeordnet. Und obschon Liutbert sich längere Zeit hindurch fern vom Hofe befunden hat, 2 haben die Geschäfte, soweit wir nach den Diplomen zu ur- theilen vermögen, darunter nicht gelitten. 1 Wir wissen leider nicht, ob er .«chon 860 Bischof von Augsburg wurde. 2 Beitr. zur Dipl. 2, 154. Beiträge zur Diplomatie VII. tili;") Die Theilung des Reiches Ludwig- des Deutschen unter seine drei Söhne ist insofern für die weitere Geschichte der Kanzlei bedeutsam geworden, als in jedem der drei Reiche ein Erzkapellan auftauchte. Der Mainzer Erzbischof bekleidet' diese Würde unter Ludwig III. Im Ostreiche Karlomanns kam sie an den Erzbischof von Salzburg. Sicher in den Anfangen Karl III. diente ihm in gleicher Eigenschaft der Augsburger Bischof Witgar, welcher unter dem Vater Kanzler gewesen war. Es entsprangen daraus, als die Theile wieder zu einem Ganzen verschmolzen, widerstreitende Ansprüche und Bestre- bungen, deren Verlauf ich an anderem Orte darstellen werde. Im übrigen gestalteten sich die Kanzleiverhältnisse nach 876 mannigfaltig. Daraus dass im Reiche Ludwig III. Liutbert von Mainz an der Spitze blieb, erklärt es sich, dass die Kanzlei nach wie vor 876 gegliedert und besetzt war: cancellario nullo versahen Notare oder Titularkanzler die Geschäfte, wie es bis- her Hebarhardus gethan hatte. ' Ein anderes Ergebniss liefern die Diplome Karlomanns, ein so abweichendes, dass ich mir die Darlegung und Erklärung des Thatbestandes für später (.siehe S. 671) vorbehalten muss. Dagegen habe ich gleich hier näher auf die Kanzlei Karl III. einzugehen. In den ersten Urkunden dieses Fürsten stossen wir auf die mannigfaltigsten Recognitionen. Es wird gut sein, einen vollständigen Ueberblick über sie zu bieten, wobei ich jedoch als für unsere Untersuchung irrelevant die Namen der Notare auslassen kann. Böhmer RK. 897 und 900: Liutwardua can- cellarius advicem Witgarii archicappellani. Diplom vom 22. Mai 877: notarius adv. Liutwardi. BRK. 899: Liutuardus can- cellarius (ohne advicem etc.). BRK. 898: N. adv. Liutwardi archicancellarii. Urkunde vom 13. Januar 878, ferner BUK. 901 und 904: N. adv. Liutwardi cancellarii. Die Formel von BRK. 898 kehrt schon im Jahre 878 zwei Mal wieder und wird seit dem Jahre 879 bis zum Sturze Liutwards im Sommer 1 Es wird regelmässig advicem Lintberti unterfertigt. Reeognoso nl war bis in den März 880 Wolfherius cancellarius (nur in einer Copie notarius; dass er identisch sei mit dem späteren Bischof von Minden, lässt sich nicht erweisen), dann der ganz unbekannte Arnolfus cancellarius. Indem Beide nicht allein unterzeichnen, sondern die ganzen Urkunden BCbreil stehen sie auf durchaus gleicher Stufe mit Hebarh TW ^^M US }'.i* wach u sM&agfidfie Sduraskea wird das* Lincwsrd W; :~.v. i '.-•-•-,-_ . — - .:;- -- /. - • • _ - i zdbat Jahre kag' aoHgesbt k& r Hxer de: •* : ";h IC n A.-.-^r. i die» »fr Bezrag aaaf MOV i '. " l -. r. * r.r/ - eSae Ton 125 Dipfomea mm *> a* . : l konrr. • ! X L a ■ - s a ■ 1 ä > ■ mir um - - 'lfm ■:• _ führt wj- - . . Grimold und Li kanzler bezeichn I .■ xmen A in denen Ludwig IV. i nur BD hA nun -eben dem einen und _ • ■ kaum ^laubli' von den ihm ur>: _ rnend» ei wa; • mehr alt ihm gebü] Ich zweifle ah- Würde de? Er: • nur daran, d - . ■rden - ■ zua _ ... rkapellan. Tritt d. . . - d auch von keil . j Dafür, da n von ■ Fall Li r Ludwig III., nnl w ■ ■ ■ . 668 Sickel. vom Jahre 887 tritt er lediglich als Erzbischof auf. l So ist möglicher Weise von einer förmlichen Ernennung Liutwards zum Erzkapellan schon, deshalb Abstand genommen worden, weil der Erzkapellan Witgar noch am Leben war. Dann erklärt sich auch, dass Liutbert, als er Liutward als oberster Chef der Kanzlei folgte, 2 noch eine Zeit lang archicancellarius hiess. 3 Er hat vermuthlich diesen Titel mit dem eines Erz- kapellans erst nach dem Tode Witgars vertauschen können. Ist aber, wie nach alle dem anzunehmen ist, Liutward nicht allgemein anerkannter archicapellanus gewesen, so ist die seit 854 bestandene Verbindung der Kanzlei mit dem Erz- kapellanat unter Karl III. nochmals gelöst worden. Und das betrachte ich als Liutwards Werk. Zuerst hat allerdings die unter Ludwig dem Deutschen eingeführte Ordnung fortbe- standen und auch Liutward hat als Kanzler sich dem zum Erzkapellan erhobenen Bischof Witgar untergeordnet (BRK. 897 und 900). 4 Aber diese Stellung, mit der doch eine ge- wisse Abhängigkeit verbunden war, wird seinem Ehrgeize und seiner Herrschbegierde nicht genügt haben. Er versuchte also (BRK. 899) in der Weise zu recognosciren, wie es einst unter Karl dem Grossen Rado und zuletzt unter Ludwig dem Frommen Helisachar gethan hatte. Und wie hier, so ignorirte er auch ferner in der Recognitionsformel der Diplome den Erz- kapellan und wählte eine Formel, welche die bisherigen Be- ziehungen der Kanzlei zum Erzkapellanat aufgehoben erscheinen lässt. Indem er seit BRK. 901 regelmässig an seiner Statt unterfertigen Hess , vertauschte er zugleich den Titel eines 1 Von Theotmar von Salzburg, welcher ja gleichfalls unter Karlomann Erz- kapellan gewesen war, ist mir ebenso wenig bekannt, dass ihm unter Karl je dieser Titel beigelegt worden sei. - Dümmler 2, 284, wo jedoch in Anm. 66 fälschlich Böhmer RK. 1020 vom 24. Juli 887 als noch advicem Liutwardi recognoscirt, angeführt wird: dies ist die erste anstatt Liutberts unterfertigte Urkunde; s. auch Mühlbacher a. a. O. 345. 3 So auch im Context von Böhmer R. K. 1020; ferner in den Unterschriften von B. 1021, 1022 und von dem hier einzureihenden B. 1015. 4 Er steht zu Witgar in demselben Verhältniss, wie Witgar in den Jahren 858 — 860 zu Grimold. Nur begründet es , worauf ich zurückkomme, einen Unterschied, dass der Kanzler Liutward hier selbst recognoscirt. Beiträge zur Diploraatik VII. 669 Kanzlers mit dem eines Erzkanzlers. ' So war ja der wirk- liche Vorsteher der Kanzlei schon anter Ludwig dem Frommen und unter Ludwig- dem Dentschen vor 85-1 und desgleichen in den anderen karolingischen Reichen genannt worden. 2 Und neu war nur, dass sich Liutward, wohl weil sich Grimold, Liut bert und Theotmar in den Unterschriften den ihnen gebühren- den Titel archicapellanus hatten beilegen lassen, auch seinerseits in den Recognitionen regelmässig archicancellarius betiteln liess. Unter dem Erzkanzler Liutward kommen zahlreiche Re- cognoscenten vor, 3 von denen es hier genügen wird, die zu erwähnen, welche am häufigsten beschäftigt worden sind, so wie diejenigen, welche uns noch in der Folge begegnen. In- quirinus, stets notarius, findet sich in der ersten advicem Liutwardi unterzeichneten Urkunde und hat wohl, da er bis 30. Mai 887 nachweisbar ist, so lange als Liutward am Ruder blieb, gedient. Fast ebenso früh als ihn, aber nicht gerade häufig, treffen wir Ernustus an; erst unter Arnulf und dessen Sohne entfaltete er grössere Thätigkeit in der Kanzlei. Unter Karl pflegt er Notar genannt zu werden; cancellarius heis-t er nur in Böhmer RK. 918 vom Jahre 880 4 und in der letzten von ihm unterfertigten Urkunde Karls vom 11. Januar 885. Weitere Diplome Karls sind recognoscirt von Waldo oder Walto, 5 bald notarius, bald cancellarius betitelt, welcher nach dem Sturze Liutwards nicht mehr als Recognoscent vorkommt. Dagegen hat Amalbertus, Anfangs häufiger notarius. dann zumeist cancellarius, der Kanzlei auch noch unter Liutberl angehört. Ich will endlich noch, weil er zu höherer Stellung 1 Auf Böhmer RK. 905 folgen nur noch vier Diplome in denen Liutward blos Kanzler heisst, alle vier nur aus incorrecten Abschriften bekannt und daher minder zu beachten. - Ich denke an die Bezeichnungen in den Cnntexten (Acta Karol. 1, 98 und in den tironischen Noten, welche letztere besonders in den Diplomen Lothars und Karl des Kahlen in Betracht kommen. Unter Liutward wird dann selbst die Steigerung summus archicancellarius beliebt: si Mühlbacher in Wiener S. B. 92. 354. 3 Mühlbacher a. a. 0. 359 ff. ^ Ueber diese von Dümmler 2, 111 Anm. 75 beanstandete Urkunde (in der Tabelle Mühlbachers n° 26) spreche icl. mich S. 694, Anm. 1 aus. s Den Bemerkungen von Mühlbacher a. a. 0. 360 Anm. gegen meine früher ausgesprochenen Vermuthungen stimme ich selbst bei. , 670 Sickel. berufen war, Waldos Bruder Salomon anführen, welcher zuerst in Böhmer R. K. 982 vom 15. April 882 als Notar, bereits am 16. Juni desselben Jahres als Kanzler, ' dann bis 8. September 885 abwechselnd als Notar und Kanzler recognoscirt. Es ist also fast allen Recognoscenten dieser Zeit gemeinsam, dass sie den einen wie den andern Titel führen. Auch hier, meine ich, wird sich trotzdem Einblick in die Gliederung der Kanzlei gewinnen und die Stellung der einzelnen Personen genau bestimmen lassen, wenn die Ergeb- nisse umfassender Prüfung der Originale vorliegen. Was mir bisher bekannt geworden ist, reicht dazu nicht aus. Dagegen habe ich durch Einsichtnahme von Originalen etwas anderes feststellen können, eine Thatsache, welche für die Geschichte der Kanzlei wichtig ist. Nach altem Brauch ist der Recognoscent zugleich der Subscribent. Ihn hat man sicher seit Karl III. mehr und mehr fallen lassen. 2 Es wird hier also noch ein Schritt weiter 1 Urkunde in Plancher Hist. de Bourgogne 1, preuves 13, welche Diiramler 2, 294 und Meyer von Knonau Ekkeh. casus 7, N. 25 übersehen haben (= Mühlbacher n° 123). — Zu Salomons Jugendgeschiclite vgl. Heide- mann in Forschungen 7, Vi',. 2 Darauf machte ich schon in Beiträge zur Diplomatik 2, 113 aufmerksam. Wenn ich aber dort Böhmer RK. 784 die Originalität abgesprochen habe, so bin ich wohl zu weit gegangen. Wiederholte Prüfung dieses Schriftstücks hat mich darin bestärkt, dass es zeit- und kanzleigemäss ist bis auf den einen Punkt, dass der Recognoscent Hadebertus die Re- cognitionszeile nicht selbst geschrieben hat. Wurde aber seit 876 von der autographen Subscription abgesehen, so mag das auch schon zwanzig Jahre früher vereinzelt und unter besonderen Umstünden geschehen sein. Entbehrten doch auch schon früher gewisse Urkundenarten der eigenhän- digen Unterschrift der Recognoscenten, so die Exemplaria (s. Acta Karo] . 1, 405) und das Placitum K. 46 (ibid. 364), in welchem die eigentliche Unterschriftszeile von der Hand des Textschreibers stammt und höchstens die tironischen Zusätze: recognovi et sigillavi dem Recognoscenten bei- zulegen sind. — Auch was ich in dem Programm vom Jahre 1876 (Neues Archiv 1, 455) über die betreffende Neuerung gesagt habe, sehe ich mich jetzt veranlasst in etwas zu berichtigen. Es gilt hier drei Phasen zu unterscheiden: 1. N. ist zugleich Recognoscent und Unterfertiger der Urkunde; 2. N. ist thatsächlich Recognoscent, lässt aber die betreffende Beglaubigungsformel von einem Andern schreiben; 3. N. wird in dieser Zeile als Recognoscent genannt, hat aber (s. später S. 704) in Wirklich- keit die Recognition nicht selbst vorgenommen. Beiträge zur Diplomatie VII. Ii7 1 gegangen in der Uebertragung der Schreibgeschäfte, zunächst insoweit es sich um die littera grossa handelt,1 auf die unteren Beamten der Kanzlei: hatte seit 819 der Kanzler nicht mehr eigenhändig subscribirt, so Hessen nun auch die mit der Re- cognition beauftragten Notare die Zeile, welche den Recognos- centen namhaft machte, durch Andere schreiben. Allerdings hat der alte Hebarhardus Böhmer RK. 929 - nach seiner Gewohnheit noch ganz geschrieben. Und dass auch andere recognoscirende Notare unter Karl sich noch an der Herstellung der Reinschrift in grösserem oder geringerem Umfange be- theiligt haben, bezweifle ich um so weniger, da, wie wir sehen werden, noch im Laufe des zehnten Jahrhunderts viele Kanzlei- angehörige zugleich Recognoscenten und Subscribenten, ja even- tuell Schreiber der ganzen Urkunden gewesen sind. Das ändert nichts an der Hauptsache, dass was bis 876 Regel war, all- mählich zur Ausnahme wurde. Es wird genügen, hier noch einige Belege dafür nachzutragen. Böhmer R. K. 951 und 1001 z. B. sind in allen Theilen von derselben Hand geschrieben, obgleich jenes Diplom Waldo und dieses Amalbertus als Ke- cognoscenten nennt; für letzteren Notar unterfertigen dann mindestens noch zwei andere Schreiber. Mit diesem neuen Brauche hängt ein anderer zusammen. Seit die eigene Unterschrift des Recognoscenten nicht mehr als Erforderniss gilt, nehmen auch die wirklichen Kanzler wieder Antheil an der Recoimition. Ob letzteres unter Karl III. der Fall war, muss ich dahingestellt sein lassen, da ich noch nicht weiss, wer etwa von den Untergebenen des Erzkanzlers Liut- ward als wirklicher Kanzler fungirt hat und da ich auch die Handschriften der einzelnen Personen noch nicht feststellen kennte. 3 Dagegen bekunden die Formeln der Urkunden Karl- manns solche Betheiligung der Kanzler. Auf zwei Stücke mit der Recognition: Madalwinus notarius advieem Baldonis can- cellarii folgt nämlich eine Reihe, in der es bald lnisst : Baldo cancellarius advieem Diotnuui archieapellani, bald: Madalwinus notarius advieem D. archieapellani. Sicher tritt hier zum ersten 1 Ich drücke mich so aus mit Rücksicht auf die von Picker Beitr. •_'. 168 aufgestellte Erklärung'. 2 Vgl. Mühlbacher a. a. O. 359. 3 Ueber Liutward selbst als Recognoscenten s. 8. GGS. 672 Sickei. Male seit 819 der Kanzler wieder als Recognoscent ein. Sollte nun der Schriftbefund ergeben, dass die Recognitionszeilen von gleicher Hand, ob nun Baldo oder Madalwin als Recognoscent erscheinen, so wäre auch hier die von mir gegebene Erklärung als richtig erwiesen. Auch das Hesse sich dafür geltend machen, dass beide correspondirende Neuerungen schon in der Kanzlei Karlmanns aufgekommen sind, dass derselbe Theotmar von Salzburg als Erzkapellan der Kanzlei Karlmanns und der Arnulfs vorstand, in welcher wir nun ganz durchgeführt finden, was theils im Jahre 854, theils während Karlmanns Regierung an- gebahnt worden war. Indem die Unterordnung der Kanzlei unter den Erz- kapellan schon 887 wieder hergestellt war (S. 28), trat nach der Erhebung Arnulfs nur insofern ein Wechsel ein, dass statt Liutberts der Erzbischof Theotmar von Salzburg als Erzkapellan fungirte. Es war offenbar die politische Situation, welche diesem wiederum zu der schon unter Karlmann bekleideten Würde verhalf und ihm und seinem Nachfolger die Behauptung in derselben ermöglichte. Vom Anbeginn Arnulfs an ist nun die Recognition advicem Th. archicapellani so die Regel, dass nur fünf Ausnahmen vorkommen. An diese fünf Fälle will ich gleich anknüpfen, um die damalige Organisation der Kanzlei darzu- legen. Sie bieten uns nämlich die Recognitionsformel N. ad- vicem C. und lehren somit (S. 657), dass die beiden Männer, an deren Statt hier recognoscirt wird, Aspertus und Wichingus, wirkliche Kanzler waren. Dies wird durch noch andere Um- stände bezeugt. Aspertus, um mit diesem zu beginnen, war zuerst Diaconus in Regensburg und wTurde 891 Bischof da- selbst; noch in dieser Eigenschaft (das von Liutward gegebene Beispiel fand also bald Nachahmung) diente er bis Ausgang des Jahres 892 in der Kanzlei fort. In den Diplomen wird er regelmässig cancellarius genannt, in drei Diplomen sogar archicancellarius. x Zu beachten ist es endlich, in welchem Verhältniss die Recognition durch Aspertus selbst zu der 1 Zu den von Dümmler 2, 480, Anm. 62 schon angeführten Böhmer EK. 1068 (Text) und 1095 (Recognition) kommen noch zwei Urkunden vom 25. April 892 in Tabouillot 4, 48. 49 mit: Engilpero notarius advicem Asperti archicancellarii. — Auf das vereinzelte A. notarius in dem nur aus Abschrift bekannten Böhmer 1041 lege ich keinen Werth. Beiträge zur Diplomatie VII. Q73 Recognition durch andere Personen nach der Formel N. adv. A. steht. Von den etwa hundert Diplomen der Kanzleiperiode Asperts sind nämlich ungefähr zwei Drittel von Aspert selbsl recognoscirt, die übrigen von Ernustus oder Engilpero; dabei herrscht bis 890 die Recognition durch Aspert vor, wird aber seit 891 immer seltener. Ich ziehe daraus folgende Schlüsse. Aspertus nahm in den Anfängen persönlich einen lebhaften Antheil an den Geschäften, d. h. er besorgte unter andern) die Recognition, Hess dagegen nach dem neuen Brauch von An- deren subscribiren 5 später jedoch, wobei wohl seine Beförde rung zum Bischof mitgewirkt hat, ist auch die Recognition häufiger den ihm untergebenen Ernustus und Engilpero über- lassen worden. Als Nachfolger Asperts in dem Kanzleramt ist der ihm durchaus gleich gestellte Wiching zu betrachten. In Böhmer RK. 1109, 1148, 1149 lautet die Subscription : Engilpero notarius advicem Wichingi archicancellarii ; ja selbst als Re- cognoscent wird er in Böhmer 1110 und 1111 und in einem Diplom vom 27. Februar 896 Erzkanzler betitelt. »Sonst heisst er regelmässig Kanzler. Schon vor dem Eintritt in die Kanzlei war er Bischof. Auch er fungirt in den ersten Jahren häufiger denn später als Recognoscent. Es ist mir noch kein verbürgter Fall aus diesen Jahr- hunderten bekannt, dass in einer ungetheilten Kanzlei zu ei Kauzler zugleich bestellt worden wären. Da nun A speit und Wiching wirkliche Kanzler gewesen sind, so wäre für einen dritten Kanzler höchstens zwischen dem 7. December 892 (letztes Vorkommen von Aspert) und zwischen dem 2. Septem- ber 893 (erstes Auftreten von Wiching) Platz. In diesen Mo naten recognosciren Ernustus und Engilpero. Aber keiner von beiden kann dazumal Kanzler gewesen sein, denn sie sind durch alle Jahre hindurch erst mit Aspert, dann mit Wiching in der Kanzlei angestellt gewesen, sie haben unter Arnult neben einander in wesentlich gleicher Stellung gedient, w nur bei Notaren, nicht bei Kanzlern der Fall sein kann. Sie sind also nur Notare oder im günstigsten Falle Titularkanzler und als solche Aspert und Wiching untergeordnet gewesen. Dem entspricht es, dass Engilpero, der sich von 887 bfc 90*3 als Recognoscent nachweisen lässt, regelmässig notarius genannt 674 Sickel. wird. ' Dagegen sind die Daten, welche uns über Ernustus zur Verfügung stehen, nicht so leicht mit obigem Ergebniss in Einklang zu bringen. Wie er unter Karl III. betitelt wurde, sagte ich schon (S. 669). Unter Arnolf wird er bis zum Mai 895 fast immer notarius, von da ab fast immer cancellarius genannt. 2 Da nun dazumal meines Wissens im Personalstand der Kanzlei oder in den Beziehungen der Personen unter einander kein Wechsel stattgefunden hat, so dreht es sich offenbar wiederum nur um eine Titelfrage, d. h. Ernustus wird 895 Titularkanzler geworden sein, was nicht ausschliesst, dass er unter Ludwig IV. zum wirklichen Kanzler avancirt zu sein scheint. 3 Somit ist die Kanzlei Arnolfs genau so gegliedert ge- wesen, wie die seines Grossvaters seit dem Jahre 854. Obenan steht der Erzkapellan, und ein ihm untergeordneter Kanzler, eventuell auch Erzkanzler genannt, besorgt die Geschäfte mit Hilfe einiger Notare, denen etwa auch der Titel Kanzler zu führen gestattet ist. Nur von ungefähr und vorübergehend besteht ein Unterschied : unter Ludwig dem Deutschen blieb der Posten des wirklichen Kanzlers durch viele Jahre unbesetzt, während unter Arnolf auf den Kanzler Aspert sofort oder doch sehr bald der Kanzler Wiching folgte. Trotz gleicher Beamten- hierarchie ist aber zu den zwei seit 854 und bis zum Eintritt der Vacanz im Jahre 868 angewandten Recognitionsformen (N. adv. C. und N. adv. A.) unter Arnolf oder genauer gesagt seitdem der Recognoscent nicht mehr eigenhändig zu unter- fertigen braucht, die dritte Form (C. adv. A.) getreten. 4 Indem 1 Ausgenommen sind mir, um gleich die Diplome Ludwig IV. zu berück- sichtigen, Böhmer RK. 1180 und die Urkunde vom 12. August 903, beide aus dem nicht sehr zuverlässigen Passauer Chartular. 2 Einzige Ausnahme vor dem Zeitpunkt bildet ein Diplom vom 28. Juni 888 mit cancellarius und einzige Ausnahme nach demselben das Diplom vom 13. August 896 mit notarius. Zu beachten ist noch, dass Ernustus im Context der ihm am 17. Februar 895 gemachten Schenkung Kanzler, in der Recognition jedoch Notar heisst. 3 Siehe S. 698 und was ich S. 694 über Böhmer RK. 918 bemerke. 4 Eventuell gilt dies auch schon von der Kanzlei Karloinanns: sie hat sicher bereits die drei Formen angewandt und nur das bleibt offene Frage, ob damals Recognoscenten und Subscribenteu von einander ver- schieden sind. Beiträge zur Diplomatik Vit. 675 es nun einen Erzkapellan, einen Kanzler und für die Einzel- urkunde nur einen Notar gibt, und indem andererseits das Herkommen die Namhaftmachung von je zwei Personen in der Subscription fordert, sind in jenen drei Formen alle mög- lichen Combinationen erschöpft. Mit diesem Herkommen hat es folgende Bewandtniss. Wir sahen weshalb dem Namen des recognoscirenden Notars von Alters her der des vorgesetzten Kanzlers oder unter Ludwig dem Deutschen in Ermangelung eines Kanzlers der des Erz- kapellans beigefügt werden musste. Indem nun in den Jahren 819- 876 regelmässig Notare recognoscirten, also bis 854 stets die Formel N. adv. C. und dann bald diese, bald die andere N. adv. A. Platz griffen, bürgerte sich die Erwähnung zweier Namen in der Unterfertigung so ein, dass sie nach 876, auch wenn der ursprüngliche Grund entfiel, doch beibehalten wurde, d. h. die fortan in gewissen Fällen wieder recognoscirenden Kanzler machten gleichfalls an dieser Stelle den ihnen vor- gesetzten Erzkapellan namhaft. Dass es sich dabei um eine blosse Form handele, ' ist jedenfalls für die folgenden Jahr- hunderte richtig. Aber zu Ausgang des neunten Jahrhunderts ist die Sachlage doch wohl eine andere. Der erste wirkliche Kanzler, welcher advicem archicapellani recognoscirt, ist Liut- ward, nämlich in Böhmer HK. 897 und 900 vom 15. April und vom 18. August 877. Doch sein Vorgehen, durch beson- dere Umstände oder Absichten veranlasst und überdies ver- einzelt, hat wohl kaum Nachahmung gefunden. Und indem last zu gleicher Zeit Karlomanns Kanzler Baldo in dem Diplom für Kremsmünster vom 28. Juni 877 und dann wiederholt iu solcher Weise recognoscirt, wird vielmehr das von ihm ge- gebene Beispiel von der Kanzlei Arnolfs befolgt worden sein. Bot diese in ihrer Organisation nichts neues, so war doch die Besetzung der Stellen eine besondere. Dass Baiein das Land war, von dem die Herrschaft Arnolfs ausging und auf das sie sich vornehmlich stützte, verhalf auch dem Metropoliten von Baiern zu einem Ansehen im Reich, das kein anderer Geistliche erreichen und bestreiten konnte, das ihm das Erz- kapellanat einbrachte und durch dasselbe noch gesteigert wurde. 1 Waitz Verf. Gesell. G, 287. Sitznngsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. F.d. IV. TIft. 1 1 (376 Sickel. Nehmen wir nun dazu, dass der erste damals bestellte Kanzler Aspert der Salzburger Erzdiöcese angehörte, so wird es sehr wahrscheinlich, dass gerade Theotmar grösseren Einfluss auf Einrichtung und Leitung der Kanzlei nehmen konnte. l Dem würde entsprechen dass, obwohl der freigeborne Kanzler dessen nicht bedurfte, Aspert, respective Baldo als Recognoscenten sich zuerst dazu bequemt, gleich dem sonst recognoscirenclen Notare advicem Theotmari archicapellani zu unterfertigen oder unterfertigen zu lassen. Und dadurch bürgerte sich im ost- fränkischen, später deutschen Reiche die Nennung von je zwei Personen in der Recognition so ein, dass an ihr, auch als die Erzkapellane an Ansehen und an Einfluss auf die Kanzlei ein- büssten, durch Jahrhunderte hindurch festgehalten und von ihr nur im Nothfall, d. h. wenn das eine oder das andere Amt vacant war, abgewichen wurde. Mit der Zweitheilung der Kanzlei, welche zu Beginn des zehnten Jahrhunderts mit Rücksicht auf Lothringen vorüber- gehend und in beschränkter Weise noth wendig befunden, dann in der zweiten Hälfte desselben dauernd und im vollsten Masse durchgeführt wurde, kommt ein neues Moment für die Einrichtung der Kanzlei in Betracht. Aber auch für die erweiterte und getheilte Kanzlei der Folgezeit wird die Gliederung der Kanzlei, wie sie unter Arnolf beliebt worden ist, massgebend. Desgleichen sind die Modalitäten und Bräuche der Recognition, wie sie sich der Beamtenhierarchie entsprechend unter Arnolf entwickelt und ein- gebürgert haben, in der Hauptsache bis in die ersten Jahre Otto I. festgehalten worden, wenn auch eine Neuerung bereits unter Ludwig IV. beginnt, um sich unter Otto in der Kanzleiperiode ßruns festzusetzen und damit hinüberzuleiten zu den vom Jahre 953 datirenden Einrichtungen. Es ist meine Absicht, auch das im einzelnen darzulegen und zu begründen. Aber zunächst mache ich in der bisherigen Darstellung Halt. Mehr denn zuvor wirken nämlich seit 900 mannigfaltige politische Verhältnisse und nicht minder persönliche Einflüsse auf die jeweilige Gestaltung, 1 Auch von der Zeit, da Theotmar unter Karlomann Erzkapellan war, wird das gleiche gelten. — Zwischen Theotmar und dem Aspert nachfolgenden Kanzler Wiching bestand (s. Dümmler 2, 463) kein gutes Einvernehmen. Das könnte gerade darin seine Erklärung finden, dass letzterer sich und die Kanzlei vom Erzkapellan zu emaneipiren gestrebt haben mag. Beiträge zur Diplomatie VII. ii( t Besetzung und Uebungen der Kanzlei ein, was die Erkenntniss des Sachverhalts erschwert. Allerdings kommt mir dabei zu statten, dass ich wenigstens vom Jahre 911 an den ganzen Yorrath von Originaldiplomen prüfen konnte und in der Con- statirung der Handschriften aller an der Anfertigung der Prä- eepte betheiligten Personen ein sicheres Mittel gefunden habe, in einer Reihe sonst fraglicher Punkte eine Entscheidung zu treffen. Ich werde also fortan auch andere Weo-e einzuschlagen haben, um den Sachverhalt darzulegen. Da empfiehlt es sich, bevor der Ueberblick durch Herbeiziehung -weiterer wenn auch analoger Daten erschwert wird, einige bisher nur aufgeworfene Fragen zu beantworten. Nur insoweit es für die Feststellum; des Personal status der Kanzlei und für die allmählich gebotene Unterscheidung von Kanzlern, Recognoscenten und Subscri- benten nothwendig war, berücksichtigte ich auch schon die wechselnden Arten der Recognition. Es bedarf aber noch der Erklärung, weshalb in den einzelnen Perioden, selbst abge- sehen von verschiedenartiger Besetzung der Kanzlei, die eine oder die andere Recognitionsformel angewandt worden ist und weshalb unter den gleichzeitig zur Recognition berufenen Kanz- lern und Notaren bald dieser bald jener ausgewählt worden ist. Wir haben zu diesem Behufe zu untersuchen, welches die ur sprüngliche Bedeutung der Recognition gewesen ist und inwie fern dieselbe festgehalten oder modificirt worden ist. So früh und häufig in römischen Schriftstellern von Re- Cognition literarischer Werke die Rede ist, ' so spät and selten wird Recognition von Urkunden erwähnt. Indem nämlich die Römer die moderne Beglaubigung der Urkunden durch Namens- unterschrift in älterer Zeit gar nicht gekannt und auch in der Folge nur vereinzelt angewandt haben, konnte in den < >riui- nalen der früheren Zeit so wenig wie eine Subscription des Ausstellers eine Unterfertigung durch Kanzleibeamten Platz greifen; erst die im sechsten Jahrhundert auftauchende anno- tatio quaestoris kann als solche betrachtet werden. - Dagegi d 1 Ueber recognovi in Handschriften des Mittelalters s. Wattenbach Schrift- wesen (zweite Auflage) "27-!. 2 Brnns, die Unterschriften in den römischen Rechtsurkunden (PhiloL-hiat Abhandlungen der Berliner Akademie 1876 S. 41 — 133). Als ältestes und G78 Sickel. wird in Copien oft gesagt, dass sie recognoscirt worden sind. Das Edictum de tollendo collegio funeratico vom Jahre 167 ganz vereinzeltes Beispiel einer kaiserlichen Verfügung mit rescripsi, recognovi wird dort Corpus I. L 3, 78 n° 411 aus dem Jahre 139 an- geführt. Ueber die Quästorenunterschrift ibid. 84. — Da wo Bruns die Bräuche des Mittelalters berührt, kann ich ihm nicht beistimmen. Nach ihm soll selbst in der Uebergangszeit von altrömischer Urkunde zu der späteren unter anderem durch die Subscription gekennzeichneten Urkunde noch der formale Unterschied bestehen, dass römisch stets unterfertigt wurde: ego N. N. legi consensi subscripsi, jetzt dagegen: gelesen geneh- migt unterschrieben N. N. (S. 138). Einfache Namensunterschrift der Kaiser finde sich zuerst in einem Gesetze des Kaisers Romanus senior vom Jahre 924. Wie diese Form entstanden, lasse sicli nicht mehr nach- weisen. Wahrscheinlich sei sie vom Occident herübergekommen, denn bei den fränkischen Königen finde sich die Namensunterschrift schon sehr früh, jedenfalls bei den Merovingern des sechsten und siebenten Jahr- hunderts. Zur Erklärung wird dann noch S. 129 auf die germanische Sitte der manufirmatio im Gegensatz zu der römischen stipulatio ver- wiesen. — Gegen diese Sätze habe ich mehrfachen Einwand zu erheben. Was Bruns als modernes Princip bezeichnet und in Byzanz bereits 924 nachweist, ist keineswegs identisch mit dem Brauch der fränkischen Könige noch mit der manufirmatio, so dass die Grenze zwischen römi- schem und jetzigem Princip ganz anders zu ziehen ist als Bruns will. Ich begnüge mich, das au Königsurkunden auszuführen. Die Form der Unterfertignng derselben (s. zuvor S. 652 und hier im Texte) steht ge- radezu auf gleicher Linie mit der in spätrömischer Zeit nachweisbaren, so dass auch in diesem Punkte die fränkische Königsurkunde nach dem Muster der römischen Urkunde gestaltet erscheint. Und wird auch in der Folge die Subscriptionsformel angekündigt, so schrumpft sie doch nicht zu blosser Namensunterschrift zusammen. Gerade die Einleitung der Zeile, in welche das Handmal der Karolinger eingeschaltet wird, durch das Wort signum ist ein Beleg dafür, dass der Name allein nicht gebräuchlich gewesen ist. Es kommen hier auch noch andere verein- zelte Erscheinungen in Betracht. Die Grussformel der kaiserlichen Ge- setze und Kescripta (Bruns S. 81) hat sich ja bis in die Anfänge Karl des Grossen (Acta Karol. 1, 256) erhalten. Noch mehr schliessen sich die Briefe der Karolinger (ibid. 402) an alte Form an und sie entbehren regelmässig der Namensunterschrift. Und dass an solcher Form noch die literae clausae Friedrich II. festhalten und dass überhaupt für die grosse Mehrzahl der schriftlichen Verfügungen der Könige das Siegel das einzige Beglaubigungsmittel gewesen ist, widerspricht vollends der Annahme Bruns, dass das moderne Princip frühzeitig im Occident auf- gekommen sei. Ich will noch hinzufügen, dass auch die Papstbriefe genau so wie die Urkunden der spätrömischen Zeit subscribirt worden sind. Soweit ich das Material überblicke, wird die moderne Unterschrift Beitrage zur Diplomatie VII. (379 beginnt: descriptum et recognitum factum ex libello . . . in quo scriptum erat id quod infra scriptum est. ' Es besagt hier ganz wie in literarischen Werken, dass die UebereinstimmuMi-' des exemplar mit dem archetypus nach vorgenommener Ver- gleichung beglaubigt wird.2 Eine analoge Bedeutung hat das Wort, wo es in den regel- mässig mit gewissen Subscriptionen versehenen Meroviuger- diplomen gebraucht wird. Man könnte hier etwa daran denken wollen, dass durch die Recognition der Originalausfertigung bezeugt werden solle, dass diese einem zuvor aufgesetzten Concepte gleichlautend sei. Aber dem steht der sich gegen- seitig ausschliessende Gebrauch von ofterre und recognoscere in den ältesten Diplomen im Wege. 3 Hatte der des Lesens kundige König sich überzeugt, dass die ihm vorgelegte Rein- schrift seine Willensäusserung enthielt und hatte er dies durch eigenhändige Unterschrift bezeugt, 4 so bedurfte es anderer Beglaubigung nicht mehr, ja diese wäre als Missachtung der königlichen Autorität erschienen, •'■ und nur wo des Königs Autorität nicht direct eingetreten war, fand die Beglaubigung durch einen Recognoscenten statt. Damals also nur subsidiär angewandt, musste dieselbe, wie wir S. 653 sahen, unter den Karolingern zur Regel werden. Schon dieser Sachverhalt, meine ich, lässt für die Re- cognition nur die eine Deutung zu, dass sie in erster Linie die Uebereinstimmung des schriftlichen Präcepts mit dein vom König mündlich ertheilten und auch die Beurkundung in sich zuerst in italischen Notariatsacten und da geradezu in Ausehluss au spätröniische Form angewandt worden sein. Erst von da geht sie /.. 15. in Venedig in den Kanzleigebraueh über. 1 Corpus I. L. 3, 925 n° 1. — Weitere Beispiele in Brunfi S. 7", und in Dirksen Manuale s. v. recognoscere. 2 Daher wird die Recognitionsformel in Codices wohl auch ganz so ge- schrieben wie in Urkunden und selbst mit einem Recoguitionszeichen versehen. Ein Beispiel der Art führt Bordier an in Etudes pal. et bist. sur des papyrus du 6e siecle pag. 126. 3 Acta Karol. 1, 216 und 363. 4 Ein einziges Mal, in DD. Merov. n° 30 (alte Copie) geschieht dies mit den Worten: Childericus rex recognovit. 5 Vgl. was Ficker Reitr. 1, 227 über die Anführung von Zeugen in Di- plomen bemerkt. 680 Sickel. begreifenden Befehls verbürgen sollte. ' Und für diesen Zu- sammenhang der Recognition mit der iussio regis stehen uns zahlreiche directe Beweisstellen aus älterer Zeit zu Gebote, denen nur erst vorausgeschickt werden muss, welche Bewandt- niss es bis in das neunte Jahrhundert hinein mit dem Beurkun- dungsbefehl in den Urkunden hat. Es ist zweifelsohne ein fruchtbarer Gedanke, welchen Ficker angeregt und an gewissen Partien des Urkunden- vorrathes durchgeführt hat, mehrere Stufen der Beurkundung auseinanderzuhalten. Doch hat Ficker selbst 2 die Anwendbar- keit desselben davon abhängig gemacht, dass alle Theile des Materials erst genau darauf hin geprüft werden, ob überhaupt und in welchem Grade eine derartige Scheidung des Urkunden- geschäfts thatsächlich stattgefunden habe. So will ich hier ein- gehender untersuchen, inwieweit die Diplome der ersten Jahr- hunderte einen oder eventuell mehrere solche Befehle enthalten.3 Habe ich früher dargethan, dass sich die Diplome der Merovinger von denen der Karolinger durch das Eschatokoll unterscheiden und dass in jenen die Könige möglichst selbst- handelnd und selbstredend auftreten, so habe ich in diesem Zusammenhange noch nachzutragen, dass sich auch aus den Contexten der einen und der anderen Gruppe die gleichen Ergebnisse gewinnen lassen. Allerdings wird auch in den späteren, erst unter den Karolingern aufgekommenen Fassun- gen dem König noch regelmässig in den Mund gelegt: volumus, 1 Die Recognition in Gerichtsurkunden der Merovinger, wie z. B. in DD. n° 49, kann eine doppelte Bedeutung haben: einerseits bezeugt der Recognoscent das von ihm in die Kanzleiausfertigung aufgenommene, also von ihm copirte Referat des Pfalzgrafen (s. Brunner, Gerichts- zeugniss 170), andererseits aber aucli das die Urkunde abschliessende praeceptum regis: propteria iobimus etc. — Mit der ursprünglichen und durch Jahrhunderte festgehaltenen Bedeutung des Wortes recognoscere verträgt sich auch die von Ficker Beiträge 1, 241 angeführte Verstär- kung der Recognition in Stumpf Reg. 2934. — Ich verweise endlich noch auf recognitio als Bezeichnung gewisser septimanischer Urkunden (s. Sohm Reichs- und Gerichtsverfassung 1, 528), die sich in gleicher Weise erklären lässt. 2 Insbesondere in seinen Beitr. 2, 20 und 60. 3 Ich werde mich dabei von vorhinein auf den Nachweis von Beurkundungs- und Vollziehungsbefehl beschränken, da der nach Ficker dazwischen liegende Fertigungsbefehl hier gar nicht in Betracht kommt. Beiträge zur Diplomatik VIL (iSj praeeipimus, iubemus. Aber entschieden stärker betonen die älteren Dictate, entsprechend der Gestaltung des Schlussproto- kolls, den persönlichen und unmittelbaren Befehl des Königs, der insbesondere auch durch die directe Anrede des Königs an seine Getreuen anschaulich gemacht wird. Es heisst z. B. in DD. Mer. n° 69 vom Jahre (390 : quod nos . . . concessisse vel pristetisse seo confirmasse cognuscite; adeo per presente preeeptum ex hoc decernimus ordenandum quod in perpetuo volemus mansurum . . . et ut haec preeeptio firmior sit, manus nostri subscripeionibus supter eam decrevimus roborare. Und so mannigfaltige Dictamina auch damals angewandt werden mögen, so haben sie doch alle gemein, dass der König un- mittelbar befiehlt und das geschriebene Präcept selbst voll- ziehen zu wollen erklärt. Natürlich versieht die Kanzlei auch damals das ihr obliegende Geschäft des Concipirens und Mun- direns und besorgt schliesslich die zur Vollziehung gehörige Besieglung. Aber sie bleibt so sehr im Hintergrunde, dass der ihr geltende Befehl zu Urkunden und zu vollziehen nicht im Context zum Ausdruck kommt, sondern nur in der einen Formel des Eschatokolls oder in den etwa beigefügten tironi- schen Noten erwähnt wird. y Ehe ich an den Formeln und Diplomen der Karolinger- periode die allmähliche Umbildung der betreffenden Sätze ver- folge, glaube ich auf die allgemeine Entwicklung der Verhält nisse verweisen zu müssen. Ganz unabhängig davon, dass der Kanzlei seit Pippin eine andere Stellung bereitet worden war, war das Anwachsen der Agenden der Kanzlei im Laufe der Jahrhunderte und die gleichen Schritt haltende Vermehrung des Personals. Schon in Folge davon wurde der Geschäfts- gang complicirter und erforderte mehr Zeit. Des weitern wirkte später ein, dass man sich auch am königlichen Hofe nach dem Vorbilde der päpstlichen Curie einer besseren Behandlung der ' Wir erhalten auf diese Weise ein vorzügliches Kriterium Fälschung wie DD. Mer. n° 19, 20, 48 u. s. w. verrathen sich anter anderem durch die Worte: hoc. nostrae auetoritatis praeeeptum fieri decrevimus . . . illnd anulorurn nostrorum impressionibus signari inssimns. Ein Theil der 1 r- kunden für Le Mans enthält den Beurkundungsbefehl, ein andern- da- gegen (ibid. n° 81, 84) nicht, was bei der Scheidung der Diplome dieser Herkunftsgruppe in echte und unechte wohl zu beachten ist. 682 Sickel. Geschäfte befleissigte. Das allmähliche Eintreten dieser und anderer Ursachen prägt sich auch in den Elaboraten der Kanzlei aus. Sind nun demzufolge die Urkunden etwa des dreizehnten Jahrhunderts mit zahlreichen Merkmalen stufenweiser Ent- stehung behaftet, so sind wir zur Annahme eines auch nur annähernd gleichen Vorgangs in früherer Zeit doch nur in- soweit berechtigt, als deren urkundliche Denkmale sich von gleicher Beschaffenheit erweisen. Indem dies, abgesehen von vereinzelten Beispielen, blos in beschränktem Sinne der Fall ist, wird für die Periode, von der ich hier handle, als Regel zu betrachten sein, dass das ganze Urkundengeschäft einen einfacheren und kürzeren Verlauf genommen und sich so zu sagen nach dem Princip der Einheit von Ort und Zeit abge- wickelt hat. Diese Auffassung hat auch Ficker zugelassen.1 Aber in welchem Grade und Umfange oder bis zu welcher Zeit die Richtigkeit solcher Annahme durch die Urkunden bezeugt wird, das bedarf noch der näheren Darlegung. Indem sofort beim Eintreten des neuen Königsgeschlechts das Eschatokoll umgestaltet wurde (S. 011), erklärt es sich, dass die Corroborationsformel am frühesten anders stilisirt wurde, nämlich so, dass der Vollziehungsbefehl zum Ausdruck kam. ' Nun tritt allerdings gleich hier die Erscheinung zu Tage, dass die Fortbildung der Fassungen in den Diplomen und in den Formeln hinter den thatsächlichen Wandlungen des Vor- gangs meist um etwas zurückgeblieben ist. 2 Aber aus dem allmählichen Durchdringen der neuen Stilisirung lässt sich folgern, dass die Erwähnung eines Befehls an die Kanzlei an dieser Stelle beabsichtigt worden ist. Betreffs des Beurkundungsbefehls gilt von der grossen Mehrzahl der einst von Marculf gesammelten Dictamina, dass sie ihn so wenig kennen als die Merovingerdiplome. Im Grunde macht nur Marculf 1, 30 = Roziere n° 298 eine Ausnahme 3 mit dem Satze: quapropter hunc praeceptum . . . fieri decre- vimus. Dagegen liegt eine in mehr als einer Beziehung neue 1 Wie in P. 11: firmavimus et de anulo nostro inpressione signare iussimus. 2 Acta Karol. 1, 193. 3 Allenfalls Hesse sich nämlich noch Roziere n° 575 als Uebergangsform anführen; es heisst da und so auch in dem gleich stilisirten DD. Mer. n° 15 : praeceptionem vigoris nosiri placuit propolare. Beitrüge zur Diplomutik VII. Fassung- in dem ersten uns von Karl erhaltenen Diplome vor. ' Auf die Worte: propterea hanc pracceptionein nostram . . . eon- scribere iussimus folgt die karolingischeCorroborationsforrael: manu propria subter deerevimus roborare et de anulo nostro sigillare iussimus, also Beurkundungs- und dann Vollzie- hungsbefehl. Noch eine andere Abweichung von der herkömm- lichen Stilisirung weist zuerst K. 1 auf. Das zuvor citirte DD. Mer. n° 69 zeigt uns die Hauptbestandteile des Contexts in folgender Gliederung. Der König thut zuerst seine Ent- schliessung in kurzen Worten (quod nos — cognuscite) kund: es folgen dann, eingeleitet durch adeo — decernimus, die ausführ- lichen Bestimmungen.'2 Dagegen reiht sich in K. 1 die eigent- liche Disposition (Schenkung mit detaillirten Bestimmungen) gleich an die Publicationsformel an; dann folgt als Conclusi'n (propterea) der königlichen EntSchliessung der Beurkundung.s- befehl, in welchem die Verfügung nur recapitulirt wird, um deren Beständigkeit und Rechtswirkungen zu betonen, woran sich die Corroborationsformel mit dem Vollziehungsbefehl an- schliesst. Dieses neue Schema hat dazumal offenbar wenig xVnklang gefunden. 3 Und auch die Erwähnung des Beurkun- dungsbefehls ist sehr langsam durchgedrungen. Sie ist selbst in neu stilisirten Diplomen Karls noch selten. Höchstens in die Hälfte der im Martinskloster zu Tours gesammelten For- meln hat dann dieser Befehl Eingang gefunden. ' Und da die älteren Schemata ohne Beurkundungsbefehl bei der häufigen 1 Dass es sich um K. 1 handelt, betrachte ich als Zufall: aber wir sind durch K. 1 zur Annahme berechtigt, dass im Beginn der Regiernni:' Karls der Versuch zu einer sachgemässen Umarbeitung der Formeln gemacht worden ist. 2 Die gleiche Disposition z. B. noch in Urkunde Ludwig des Deutschen Böhmer Reg. Kar. 760 vom Jahre 853, wenn auch der Erklärung des Königs: ita nos illi concessisse . . . omnium fidelium nostrorum cognoscat magnitudo eine lange Erzählung vorausgeschickt, und wenn auch andrer- seits die eigentliche Verfügung durch den Beurkundungsbefehl: propterea hos apices . . . fieri deerevimus per quos praeeipimns etc. eingeleitet wird. 3 In der Geschichte der Formeln für Diplome spielt die Gliederung des Contextes und die zum Theil parallel laufende Behandlung von Be- urkundungs- und Vollziehungsbefehl eine grosse Rolle. Ich werde darauf in einer der nächsten Abhandlungen bei Besprechung der Dictamina zehnten Jahrhunderts zurückkommen. 4 Und zwar wird in ihnen regelmässig fieri, noch nicht conscribere gebraucht. 684 Sickel. einfachen Wiederholung früherer Verleihungen sich dem Ge- dächtniss der Dictatoren einprägten, hat sich das neuere etwa erst unter Arnulf eingebürgert, unter dem das Formelwesen überhaupt einer ziemlich durchgreifenden Umarbeitung unter- zogen worden ist. ' So lange aber der Beurkundungsbefehl nicht regelmässig zu bestimmtem Ausdruck gekommen ist, kann auch nicht von scharfer Scheidung zwischen ihm und dem in der Corrobora- tionsformel enthaltenen Befehl die Rede sein. Kurz die Männer des neunten Jahrhunderts, deren Auffassung und Behandlung der Dinge ich hier zu ergründen suche, haben schwerlich so strict wie es später geschehen ist die eine iussio regis von der anderen gesondert. Damit verträgt sich wohl, dass dann und wann auch damals schon eine Kanzleiausfertigung, wie noch wir aus allerlei Merkmalen entnehmen können, allmählich ent- standen ist, mag dabei lediglich unberechenbarer Zufall ge- waltet haben oder mag unter Umständen nach Ueberlegung und mit Absicht Schritt für Schritt vorgegangen worden sein. Als Ausnahmsfall der letzteren Art betrachte ich noch immer den oft besprochenen Fall vom Jahre 854: die Entstehung der Urkunde, durch welche Ludwig der Deutsche den alten Streit zwischen Konstanz und S. Gallen zu schlichten suchte. 2 Kehren wir nun zu den ältesten fränkischen Königs- urkunden zurück, so finden wir den einen die ganze Beurkun- dung umfassenden Befehl wenigstens in einem Theile der Di- plome erwähnt, jedoch nicht, wie ich schon sagte, im Context, sondern in der einen Formel des Schlussprotokolls. Die Refe- rendare sagen nämlich entweder : N. iussus obtulit, oder : N. iussus recognovit :! und ihrem Beispiele folgen auch noch mehrere Notare Pippins. 4 Dies iussus bezieht sich nicht auf 1 Hier begnüge ich mich einige spätere Beispiele von Fassungen ohne Beurkundungsbefehl anzuführen : Ludwig der Deutsche Böhmer Reg. Kar. 725, 7-27, 732, 792, 801, 848, 858; Karl III. B. 950, 955, 992, 999; Arnulf B. 1051, 1052. 2 Böhmer Reg. Kar. 771 und dazu Ficker 2, 23. 3 Jenes in DD. Merov. n° 38, 47, 57, 67, 71 u. s. w., dieses in n° 61, 70, 77. — Es wird also erst um das Jahr 700 häufiger des Befehls zu gedenken. 4 Acta Karol. 1, 93. Vgl. P. 3, 8, 9, 11, 15, 16. Beitrage zur Diplomatik VII. 685 die Recognition allein, mit der das Präcept perl'ect wird, son- dern auf das ganze von der Kanzlei auf Geheiss des Königs besorgte Geschäft. Das wird ersichtlich aus den mit der Zeit häufiger werdenden tironischen Noten. In Merovingerdiplomen nur spärlich gebraucht, besagen sie allerdings meist nicht mein' als was zuvor schon in der gewöhnlichen Buchstabenschrift bemerkt ist. Aber in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts werden die Zusätze in Noten nicht allein häufiger, sondern auch ausführlicher, gehen in allerlei Details der geschäftlichen Behandlung ein und bieten uns insbesondere Aufschlüsse über die Befehle und über die Recognition. Ich stelle deshalb die betreffenden Angaben hier so vollständig als mir möglich ist zusammen. ' Wo ausdrücklich der Befehle Erwähnung geschieht, werden unterschiedslos die Worte iubere, praeeipere, ordinäre gebraucht. Befohlen wird: fieri (preeeptum) in K. 182, L. 319, 322, 348, 3il', 380; scribere in L. 83, 150, 196, 245, 253, 304; recognoscere in K. 39, 48, 60, 68, 108, L. 165, 178; firmare in L. 179, 267; sigillare in K. 70, L. 165; fieri et firmare in L. 348; scribere et firmare in L. 172, 312, 315, 366; scribere et sigillare in K. 63. Ich bemerke dazu, dass es nicht allein nur gewisse Urkundenschreiber sind, welche dergleichen erwähnen, sondern dass auch so ziemlich ein jeder sich in seiner Weise ausdrückt. Spricht dieser Umstand bereits dafür, dass eine genauere Unter- scheidung etwa zwischen fieri und firmare damals nicht beab- sichtigt worden ist, so noch mehr die Erwägung, dass die weitaus vorherrschenden Worte fieri, scribere, recognoscere in diesem Zusammenhange als synonym erscheinen, oder dass sie sich, indem sie stets von dem zuletzt thätigen Schreiber gebraucht werden, auf das gesammte Schreibgeschäft mit Ein- schluss der Unterfertigung beziehen. Andererseits will ich 1 Seit Veröffentlichung der Acta Karolinorum habe ich noch mehrere mir früher unbekannt oder unzugänglich gebliebene Originale einsehen können, wodurch sich mein Vorrath an Bemerkungen in tironischen Noten ver- mehrt hat. Die Untersuchungen Ficker's haben mich dann v.-raul diese Notizen wiederholt und nach neuen Gesichtspunkten zu prüfen. Soweit sie sich auf die oben erörterten Fragen beziehen, fcheile ich hier die Ergebnisse mit. Ergebnisse anderer Art wie bezüglich der Ambascia- toren, Dictatoren und dergleichen werde ich an anderm Orte verwerthen. 686 Sickel. nicht in Abrede stellen, dass in den tironischen Bemerkungen ebenso wie in den Dictaten für die Contexte unter Umständen die zwei Hauptphasen der Beurkundung-, nämlich Anfertigung und Vollziehung der Präcepte, auseinander gehalten werden ; einen Beleg dafür werde ich noch beizubringen haben. Für meine Zwecke ist es wichtiger, diese Vermerke noch von anderen Gesichtspunkten aus zu betrachten. Von wem und wem sind die betreffenden Befehle ertheilt worden? Das letzte wird nicht ausdrücklich gesagt. Aber überwiegend finden sich diese Angaben im Recognitionszeichen und in Verbindung mit der in Noten wiederholten Erklärung des Recognoscenten : sie stammen also von ihm und was sie melden bezieht sich auf ihn. Erst seit Ludwig dem Frommen kommt der Brauch auf, etwa auch an die Buchstabenschrift der Corroborations- formel tironische Noten anzureihen. Da nun damals zumeist Grossator und Recognoscent identisch sind, werden wir dem letztern auch diese Zusätze beilegen dürfen, zumal wenn die Noten an der einen und an der andern Stelle den gleichen Schriftcharakter zeigen. Kurz in allen von mir bisher geprüften Karolingerdiplomen betrachte ich den Recognoscenten auch den Noten nach als iussus, wie in Merovingerdiplomen vielfach in Buchstaben ausgeschrieben steht und wie uns gleiches in Diplomen der späteren italienischen oder westfränkischen Herrscher (s. S. 692) begegnet. Es fragt sich zweitens, von wem die Befehle ausgingen und ob sie den Recognoscenten unmittelbar oder mittelbar zu- gingen. Unter Karl herrscht vor, dass nur seine directe Weisung erwähnt wird. Doch wird vereinzelt auch eine Mittelsperson g3nannt: es heisst z. B. in der alten Oopie von K. 108: ordi- nante domno rege per . . . 1 Und dem recognoscirenden Notar 1 Von diesem Namen lassen sich nur die Endsilben virtum mit Sicherheit entziffern (Kopp Palaeogr. crit. 1, 384). Ebenso vermag ich aus K. 63 nur die letzten Noten aufzulösen: ordiuante (oder ordinavit) scribere et sigillare, nicht die erste die den Namen birgt; doch passt diese Note weder zu rex noch zu Karolus und der Kanzler Eado kann deshalb nicht gemeint sein, da er sich in gewöhnlicher und in tironischer Schrift als Recognoscent und als iussus bezeichnet. — Obigem Vermerk will ich gleich hier einen analogen aus dem Registrum Friderici II zur Seite stellen : mandante d. imperatore per Petrum de Vinea. Beiträge zur Diplomatik VII. ii> , wurde des Königs Befehl wohl am häufigsten durch den Kanzler überbracht: das wird z. B. in K. 68 ausgedrückt mit Optatus invicem Radoni ordinantis recognovi, oder in dein von Wigbald unterfertigten K. 70 mit Rado praecepit sigillare. In Hinblick auf die verschiedenen Recognitionsarten um 900 constatire ich noch ausdrücklich, dass schon unter Karl die Notare bald auf unmittelbares Geheiss des Königs, bald auf dessen durch den Kanzler oder auch durch andere Personen überbrachte Weisung fungiren, und dass desgleichen die Kanzler auf directen oder indirecten Befehl des Königs Urkunden. Ferner tritt der Notar an des Kanzlers Statt auch in dessen Anwesenheit: so wenn der Kanzler den Befehl überbringt oder wenn er an einem der Acte der Beurkundung in Person betheiligt erscheint, wie in dem schon citirten K. 70 oder wie in K. 84, 87, 88, welche von Widolaicus advicem Radoni unterfertigt sind mit dem tiro- nischen Vermerk: Rado obtulit regi. An Rado praecepit sigillare in K. 70 knüpfe ich noch- mals an. Möglicher Weise hat an anderer Stelle dieses etwa^ beschädigten Diploms, nur uns nicht mehr sichtbar, gestanden : ordinante domno rege. Aber auch wenn dem nicht so war, wird Niemand annehmen wollen, dass Rado in diesem Falle ohne Wissen seines Königs gehandelt habe: es wird eben nur die Erwähnung des Königs unterblieben sein. Das werden wir dann gleichfalls gelten lassen müssen für die Beurtheilung des Sachverhalts, wie ich ihn für die Zeit Ludwigs bereits er- schöpfend dargelegt habe: ' indem dieser Fürst mehr und mehr unselbständig und lässig wurde, hat er auch nur noch selten den Ausführungsorganen directe Befehle ertheilt. wird aber trotzdem Kenntniss von den in seinem Namen erlassenen Praecepten gehabt haben. Bezeichnend für Ludwig bleibt trotzdem, dass in seinen Urkunden so oft Ambasciatoren und überdies diese und jene Weisungen ertheilende Personen g nannt werden. So erfahren wir auch aus seinen Diplomen häutiger als aus denen Karls dass, wie die Befehle zweitheilig sein und sich etwa auf scribere und auf firmare beziehen konnten, sie auch von verschiedenen Personen ausgegangen sind. So heisst es in L. 165: Gundulfus . . . iubente domno 1 Acta Karol. 1, 94; dazu Simson Ludwig der Fromme 1, II. 688 sickei. nostro subscripsi, dann nach Aufführung der Ambasciatoren : magister (d. i. Fridugisus) sigillari iussit. Oder es handelt sich auch um Wiederholung der Befehle durch verschiedene Männer, wie in L. 348 von Daniel unterfertigt: Adalaardus siniscalcus ambasciavit et fieri iussit, Hirminmaris fieri et firmare iussit, oder in dem von Bartholomeus recognoscirten L. 366 : magister Hugo scribere et firmare praecepit, Hirminmaris dictavit et scribere iussit et firmare rogavit. Damit habe ich zugleich die Beispiele angeführt, welche am meisten für complicirtere und insofern auch mehr Zeit erfordernde Geschäftsführung zeugen. Da sie jedoch ziemlich vereinzelt dastehen und sich auch aus den Zuständen am Hofe Ludwigs genügend erklären, berech- tigen sie noch nicht zur Annahme, dass die Beurkundung regelmässig gleich abgetheilte Stadien durchlaufen habe. Als besondere Gruppe trage ich die gleichartigen Notizen aus den Diplomen Ludwig des Deutschen erst hier nach. ' In ihnen ist nämlich nur noch von fieri oder scribere die Rede, so dass sicher das ganze Geschäft der Beurkundung als ein- heitlich aufgefasst worden ist. In der ersten Periode heisst es bald: ipse domnus rex fieri (scribere) iussit, bald: magister (eventuell Radleicus) fieri (scribere) iussit; in der zweiten ge- wöhnlich : domnus rex sapientissimus fieri iussit et magister Radleicus (später Grimaldus abbas) scribere praecepit. Die Verschiedenheit des Ausdrucks begründet jedoch kaum einen sachlichen Unterschied. Die beiden ersten Formeln wendet nämlich der erste Notar Ludwigs Adalleodus an, während sein Nachfolger Comeatus sich die dritte angewöhnt hatte. Beiden ist die Berufung auf einen Befehl gemein, gleichgültig ob dieser direct vom Könige ertheilt worden war oder indirect durch den Magister. Dass diese Erwähnungen in demselben Jahre aufhören, in dem die Kanzlei dem Erzkapellan unterstellt wird, ist lediglich Zufall. Noch in dem ersten Diplom, das den letzteren in der Recognition erwähnt (Böhmer RK. 771), wird von Comeatus in Noten hinzugefügt: d. Ludowicus rex fieri iussit et Grimaldus abbas scribere praecepit. 2 Von diesem 1 Von 33 Originalen bis zum Jahre 854, die ich bisher geprüft habe, tragen 17 solche Bemerkungen. 2 Es ist dieselbe Urkunde, über deren Entstehung Ratpert in M. G. SS. 2, 69 so ausführlich berichtet. Sagt er dabei: tunc demum (rex) eaneellario Beiträge zur Diplomatie VII. 689 Notar liegt dann nur noch ein Original aus dem Jahre 858 vor, ' und seine Aintsgenossen und Nachfolger verstanden sich zu wenig auf die Notenschrift, um noch derartige Bemerkungen in ihr zu bieten. - Ist damit der Zusammenhang der iussio regis mit der recognitio erwiesen, so erklärt sich dieser auch durch die Rolle, welche dem königlichen Präcept zufiel, falls es etwa als Beweismittel dienen sollte. Wir gehen dabei am füglichsten von den Bestimmungen der Lex Rib. LVIII (de tabulariis) aus, welche betreffs gewisser bischöflicher Urkunden verfügt: episcopus archidiaconum iubeat, ut ei (tabulario) tabulas . . . scribat .... quod si quis tabulas episcoporum manibus seu clericorum roboratas inrumpere voluerit, tunc archidiaconus cum testibus qui tabulas roboraverunt ante episcopum vel regem accedat, ut testes quod sciunt dicant. ;! Bei Schelte der Frei- lassungsurkunde hat der Archidiaconus, welcher damals Kanzler des Bischofs ist und als solcher auf Specialbefehl die Urkunde geschrieben hat, in erster Linie als wissender Zeuge Gewähr- schaft für die Handlung und für die Beurkundung zu leisten. Von solchem Verfahren kann allerdings bei der unanfechtbaren Kouigsurkunde nicht die Rede sein. Aber eben um dieser Eigenschaft willen muss sie als wirklich vom König herrührend praeeepit in legitimus ca'rtis conseribere praefati pacti confirmationem, so drängt sich die Frage auf, ob er mit cancellarius den damaligen Kanzler Baldricus oder dessen Vorgesetzten Grimoldus bezeichnen will. Da die Noten auch von Grimold aussagen dass er zu schreiben befohlen habe, sollte man wohl an B. denken. Aber Verlass darauf ist docli nicht. 1 Nr. 71 der Liste in den Beiträgen der Diplomatik 2, 170. Ich habe mich seitdem überzeugt, dass das Stück von Comeatua selbst unterfertig! ist, aber er fügte nur wenige tironische Noten bei. 2 Obgleich der Noten noch kundig, haben die ersten Notare Lothars der Befehle nicht Erwähnung gethan. Es geschieht das erst und auch nur vereinzelt von Seiten des Ercamboldus und des Hrodmundua, «reiche Lothar in seinen letzten Jahren und dann auch Lothar II. dienten. Beide berufen sich bald auf des Herrschers, bald auf des Meisters Weisung; dazu kommt in B. 697: ipse sigillator iussit. Es wird befohlen fieri oder firmare oder beides. Ganz das gleiche Ergebniss bieten die mir be- kannten Originale des westfränkischen Karl. 3 Erläutert von Brunner Schwurgerichte Gl und von Sohms Frank. K. Verf. 1, 62. Auf die Differenz zwischen Brunner und Löning Ursprung der Strafklauseln -17 kommt es hier nicht au. 690 Sickel. durch Handmal, Siegel und Recognition befestigt sein. Und die Recognition fällt dabei besonders ins Gewicht, denn die Unanfechtbarkeit bezog sich nur auf die Wahrheit des Inhalts und neben ihr bestand die Anfechtbarkeit der Echtheit des Diploms, welche vorkommenden Falls eben vom Recognoscenten zu erweisen war. ' So führt uns auch diese Betrachtung darauf zurück, dass der Kanzler mit seiner Unterschrift für die Aus- führung des königlichen Befehls überhaupt und in entsprechen- der Form bürgen sollte. 2 Der Kanzler war dazu auch Manns genug: als Vollfreier vermochte er die Sache gegen jedermann zu verfechten. Zu seinen persönlichen Eigenschaften wird aber noch die ihm vom König übertragene Amtsbefugniss hinzugekommen sein. Aller- dings liegt ein Bestallungsbrief der Art aus alter Zeit nicht vor. 3 Aber in erzählenden Quellen wird unzählige Mal die Ernennung von Kanzlern durch die Könige berichtet. 4 Anders steht es mit den Männern, die bis 854, um zunächst bei diesem einfachen Verhältnisse zu verweilen, advicem cancellarii unter- fertigen. Wir sahen, dass viele derselben minderen Standes waren. Ueberdies erscheinen sie nicht so sehr als Notare des Königs oder als Beamte der Kanzlei, denn als Schreiber im Dienste des jeweiligen Kanzlers: mochte der ihnen ein sehr weit gehendes Vertrauen schenken, so hatten sie deshalb noch kein Anrecht auf aller Welt Vertrauen. Darum müssen die Notare, mögen sie im einzelnen Falle vom Kanzler selbst Auftrag erhalten haben oder nicht, regelmässig advicem can- cellarii recognosciren und so muss der Kanzler für alle an seiner Statt unterschriebenen Urkunden haften. Zu der dem Kanzler übertragenen, eventuell aber von seinem Stellvertreter ausgeübten Amtsbefugniss kommt nun in jedem Einzelfalle der 1 Brunner Zeugenbeweis in Wiener S. B. 51, 384; dazu Acta Karol. 1, 322. 2 So auch Fieker Beitr. 2, 161. Inwiefern dabei auch die Prüfung der Urkunde als Erforderniss galt, werde ich bei anderer Gelegenheit erörtern. 3 Dergleichen Documente haben sich überhaupt nicht erhalten. Dafür jedoch, dass Ernennungen zu Aemtern und Ehrenstellen durch den König schriftlich erfolgt sind, zeugen die Formeln Ma.-culfs bei Roziere n° 7 (carta de ducato etc.) und n° 8 (de regibus antrustionem). 4 Einige Belegstellen in Acta Karol. 1, 92, weitere in Waitz Verf. Ge- schichte 2, 409-411; G, 279—290. — Auch an die S. 659 erwähnte Titulatur regiae dignitatis cancellarius ist dabei zu erinnern. Beitrage zur Diplouiatik VII. li'.ll besondere Beurkundungsbefehl hinzu, so dass der Recognoscent kraft seines Amtes oder seiner Stellung und Kraft speciellen Mandats sein Geschäft versieht. Er übernahm damit sowohl dem Könige als dem Empfänger gegenüber die Verantwortung dafür, dass er dem ihm ertheilten Befehle in rechter Weise nachgekommen war. Wenn er, was in seinem Belieben stand, ausdrücklich anführte, dass ihm die Weisung des Königs so oder so zugegangen war, so mochte ihm das vorkommenden Falles zur Deckung dienen. Ich betone nochmals, dass solche Vermerke in tironischen Noten auch bis 854 durchaus nicht in allen Diplomen begegnen, sondern dass da stets nur die Gewohnheit des Recognoscenten den Ausschlag gegeben hat. Helisachar z. B. beruft sich nicht ein Mal auf den Befehl seines Herrn. Danach haben wir es auch zu beurtheilen, dass seit 854 diese Zusätze für immer aus den Präcepten der deutschen Könige verschwinden. Der Brauch hörte auf, ohne dass die Verhältnisse andere geworden waren. Allerdings traten, da der Erzkapellan oberster Chef der Kanzlei wurde, zunächst aber das Kanzleramt noch besetzt blieb, eventuell zwei Mittelpersonen zwischen den König und den recognoscirenden Notar. Das fanden wir jedoch ebenso bereits unter den Vorgängern, besonders in L. 348 und 366. Und weder an der Haftbarkeit des Notars noch an seinem Interesse sich auf seinen Gewährsmann zu berufen, war damit etwas geändert. Dasselbe gilt aber auch von der Zeit, in der weitere Neuerungen Platz griffen, wie die, dass nicht mehr die autographe Unterschrift des Recognoscenten erfordert wurde und dass in Folge davon im weitern Verlaufe drei Recognitions- arten neben einander aufkamen. Beurkundungsbefehl und Re- cognition und auch der Zusammenhang zwischen beiden haben nach wie vor bestanden. Auffallen muss es freilich, dass es in Deutschland ganz von der Erwähnung des Befehls durch die Recognoscenten in den Diplomen abgekommen ist, zumal wenn man erwägt, dass man bei mangelnder Kenntniss der Notenschrift zu gewöhn- licher Schrift seine Zuflucht nehmen konnte. War doch dieser, wie wir S. 684 sahen, alte Brauch mit gewissen Modifikationen in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts in den andern Karolingerreichen wieder aufgenommen wurden. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. IV. Hft. 45 692 Sickel. Unter Kaiser Ludwig- II. hatte sich die Kanzlei allmählich aufgelöst. Die Recognition in Stellvertretung hörte fast ganz auf, da es keine Kanzler gab. Es unterfertigten Hofkapellane oder beliebige Notare. Da wurde schliesslich das advicem illius ziemlich regelmässig durch die wenigstens auf das Special- mandat hinweisenden Worte : iussu imperatoris ersetzt. ' Aus den Urkunden der späteren Beherrscher Italiens hebe ich noch hervor, dass unter Wido bei verhältnissmässig geregelter Kanzlei wieder häufig des Befehls gedacht wird 2, und dass unter Be- rengar und seinen Nachfolgern von gewissen Recognoscenten oft statt auf die Stellvertretung auf die iussio regis hingewiesen wird. Dazu füge ich noch ein lehrreiches Beispiel aus den Diplomen Karlomanns von Westfrancien. Auf eine Reihe von Präcepten mit der Recognition: Norbertus notarius advicem Vulfardi rec. et subscr. folgt ein Präcept, 3 das unterfertigt ist: Norbertus notarius post obitum magistri sui Vulfardi iussione regis Karlomanni rec. et subscripsi. Hier scheint die Regel gewesen zu sein, dass der Kanzler dem Notar den Befehl des Königs übermittelte, was aber als regulär nicht bemerkt worden ist, während nach dem Tode des Kanzlers die Berufung auf den directen Befehl des Königs für nothwendig erachtet wurde. Mag man nun im ostfränkischen Reiche auf diese Ge- pflogenheiten bei den Nachbarn gar nicht geachtet oder mag man Anstand genommen haben, an der herkömmlichen eigent- lichen Subscriptionsformel Aenderungen vorzunehmen : der Hin- weis auf die iussio regis ist hier entfallen. 4 Sicher bekundet das ebenso wie das Aufgeben der Unterschrift manu propria ein Nachlassen in der strengen Auffassung und Handhabung der Recognition. Aber damit ist noch keineswegs ausgeschlossen, dass der schlechtweg genannte Recognoscent doch, abgesehen von einzelnen Fällen, thatsächlich die Weisung des Königs 1 Siehe Böhmer RK. 668 seqq. 2 Böhmer RK. 1277: Rinipertus advicem Helbunchi archicancellarii iubente domno imperatore Widone recog-novi et subscripsi: B. 1278: Helbuncus archicancellarius iubente d. Widone imperatore recognovi et subscripsi. 3 Forschungen 9, 431. 4 Ich habe mir nur eine Ausnahme vermerkt: das Diplom Karlomanns Böhmer RK. 873 für einen Geistlichen aus Parma ist unterfertigt von Baldo cancellarius iussu regis, statt des sonst damals gebräuchlichen B. c. advicem Theotmari archicapellani. Beiträge zur Diplomutik VII. (593 erhalten hat und für deren Ausführung hat haften sollen, ' noch dass die einfache Namhaftmachung des Recognoseenten zumal mit Zuhilfenahme anderer Mittel hinreichende Bürgschaft darbot. Und so liefert uns der durch die einstigen tironischen Zusätze belegte Zusammenhang zwischen dem Beurkundungsbefehl und der Recognition auch den Schlüssel zu dem später vorkommen- den Wechsel zwischen den Arten der Recognition, die ich zuvor mit N. advicem A., C. adv. A., N. adv. C. bezeichnet habe. Den Erzkapellan, welcher seit 854 in Betracht kommt, haben wir uns nicht als ständigen Begleiter des Königs zu denken, also auch nicht als regelmässig bei der Erledigung der Geschäfte betheiligt. In den meisten Fällen wird der König seine Befehle dem in seinem Gefolge weilenden Kanzler oder dessen Notaren ertheilt haben. Geschah das letztere, so wurde unterfertigt N. advicem A., da einerseits der Kanzlei- umgangen war und andererseits der speciell beauftragte Notar nach altem Herkommen nur als Stellvertreter und zwar hier als der des Erzkapellans fungiren konnte. Wurde dagegen der Kanzler mit der Beurkundung betraut, so konnte, so lange eigenhändige Unterschrift verlangt, vom Kanzler aber nicht beliebt wurde, nur der von ihm delegirte Notar nach der Formel N. adv. C. unterzeichnen. Dagegen ergaben sich, seitdem die Kanzler sich wieder an der Recognition betheiligten, ohne subscribiren zu müssen, zwei Möglichkeiten: der Kanzler besorgte das Geschält in eigener Person oder er Hess es durch einen seiner Notare verrichten. In jenem Falle hiess es zwar nieht mehr wie einst: cancellarius recognovi, sondern da sich die Stellvertretung ganz eingebürgert hatte: C. adv. A.; in diesem Falle berief sich der Notar mit N. adv. C. auf seinen Auftraggeber. - 1 Ficker 2, 163. 2 Vom Erzkapellan müssen wir natürlich zur Zeit Karl des Grossen abseilen. Im übrigen entspricht N. adv. A. der Recognition von K. 60: in Bach- staben Wigbaldus advicem Radonis (der hier statl des ersl später ein- tretenden Erzkapellans genannt wird) und in Noten domno rege ordi- nante Wigbaldus recognovi. N. adv. C. = Optatus invicem Radoni ordinantis recognovi in K. 68. Endlich C. adv. A. — K. 63 von Rado recognoscirt, der als Kanzler damals keinen Vorgesetzten über sieh hat, den Befehl des Königs aber, wie S. 6SD, Anm. 1 bemerkt, durch \. erhält. — Als Beispiel der Uebertragung der Recognition vom Kanzler auf den Notar auch in älterer Zeit führe ich noch K. 75 Wigbaldus advicem 45* 694 Sickel. War aber in der Weise bei vollständiger Besetzung der Kanzleistellen, wie sie unter Arnulf sicher beglaubigt ist, die Vollziehung auf Specialbefehl geregelt, so ergaben sich auch vacante cancellaria oder als unter Karl III. der Erzkapellan ausser Beziehung zur Kanzlei stand, die einzelnen Modalitäten des Vorgangs und die entsprechenden Formeln. In den Jahren 860 — 876 konnte (s. S. 661) nur N. advicern A. unterfertigt wer- den, mochte der Notar vom König oder vom Erzkapellan Ordre erhalten haben. Dass unter Karl III. durch viele Jahre hin- durch ausschliesslich N. adv. C. oder genauer N. adv. Liut- wardi archicancellarii vorkommt, besagt, dass die Notare nur dem Könige oder Liutward zu gehorchen hatten. x Radoni) an, von gleichem Tage wie das von Rado selbst unterfertigte K. 76. Ebenso verhalten sich zu einander Diplom Otto I. vom 7. April 940 (Notker not. advicem Popponis archicancellarii) und D. vom 8. April (Poppo canc. adv. Friderici archicancellarii). 1 Hier will ich nachtragen, dass aus der Zeit, da Liutward Erzkanzler war, eine einzige Urkunde mit anderer Recognitiou bekannt ist. Es ist Böhmer RK. 918 unterfertigt: Gaidulfus diaconus advicem Ernusti cancellarii. Ehe ich eine Erklärung zu geben versuche, muss ich die von dem neuesten Herausgeber der Urkunde , Porro im Cod. dipl. Longob. 1, 501 n° 295 der Urkunde gegebene Deutung zurückweisen, die man etwa auch für die absonderliche Recognition geltend machen könnte. Porro meint nämlich, dass in B. 918 vom 30. März 880 nur bezüglich einer der Besitzungen, welche am 21. März in B. 915 be- stätigt waren, ein Specialmandat ertheilt worden sei. Dem ist aber nicht so. B. 915 spricht nur von casales II, unum in Meliniaco, alterum in villa que dicitur Clepiate, während in B. 918 alles geschenkt wird in Meliniaco et in villa Clepiate quae pertinent de comitatu Mediolanensi. B. 918 ist somit durchaus neues Präcept. Die Form der Recognition ist auch nur für diese Zeit auffallend. Unter den früheren Herrschern war sie geradezu die gewöhnliche, und auch in den Anfängen Karls begegnet sie ein Mal (S. 665). Was Ernustus anbetrifft, so wird er, der später zum Kanzler emporstieg (s. S. 669), die für dies Amt geforderten persönlichen Eigenschaften besessen haben. Mag nun gerade Liutward nicht leicht eine Function, die er aus guten Gründen sich vorbehalten hatte, durch einen Untergebenen haben ausüben lassen, so wird doch auch er besonderen Umständen, wie sie gerade auf einem Römerzuge eintreten mochten, ein Mal Rechnung getragen haben. Kurz ich glaube, dass diese Recognition nicht zu beanstanden ist (wahrscheinlich ihretwegen hat Dümmler 2, 111, Anm. 75 die Urkunde bemängelt) und dass die eine Ausnahme auch nicht umstösst, was ich früher von Liutwards Regiment gesagt habe. Beiträge zur Diplom;itik VII. 695 Indem ich die Geschichte der Kanzlei wieder aufnehme, beschränke ich mich nicht wie im ersten Abschnitt auf Feststellung- des Personalstatus und der Gliederung, sondern suche zugleich darzulegen, wie je nach der Besetzung der Stellen und je nach dem Charakter des Regiments und der massgebenden Persönlichkeiten die Recognition gehandhabt worden ist. Unter Ludwig IV. tritt zum ersten Male bei einem deut- schen Könige ein, dass eine zweitheilige Kanzlei nothwendig wurde. Die Regenten des unmündigen Königs fanden nämlich in Lothringen Verhältnisse vor, denen Rechnung getragen werden musste. Bei der Einsetzung Zwentibolds zum König von Lothringen im Jahre 895 wurde auch dort die Kanzlei nach ostfränkischem Muster gestaltet, aber mit Landesange- hörigen besetzt. Der Erzkapellan Hermann von Köln erscheint, indem zum Theil an seiner Statt recognoscirt wird, als oberster Chef der Kanzlei. Unter ihm stand der Trierer Erzbischof Ratbod mit dem Titel archicancellarius. Abgesehen von Böhmer RK. 1161, welches Egilbertus als cancellarius unterfertigt, führen die Recognoscenten nur den Notartitel. Diese lothrin- gische Kanzlei blieb nun bestehen, als die Grossen von Zwen- tibold abfielen und Ludwig huldigten. Nur das verdient Be- achtung, dass unter Ludwig nicht ein Diplom mehr advicem Herimanni archicapellani unterzeichnet wird und dass ihm auch in dem einzigen ihn erwähnenden Diplom (Böhmer RK. 1218 dieser Titel nicht mehr beigelegt wird. Es spricht auch das wieder dafür, dass das Erzkapellanat damals als untheilbar gedacht wurde (s. S. 667). Dennoch wurden drei Abstufungen für das Personal beibehalten. Obenan steht Ratpod von Trier als Erzkanzler, an dessen Statt regelmässig recognoscirt wurde. Ihm zunächst untergeordnet sind Suitgarius und Ernuldüs als Kanzler, dann Albricus und Theodulphus als Notare. ' Die 1 Suitgarius nur in Böhmer RK. 1186; Ernuldüs (und nicht, wie Dümmler 2, 557 Anm. 38 angibt, Enrastus) am 26. October 907 und in B. 1218; Albricus am 22. März 900 und in B. 1178; Theodulphus vom 9 October 902 bis 15. October 910 (B. 1188—1231). Obgleich die Recognition N. adv. C. nicht vorkommt (wovon später), erscheinen die erstgenam als Kanzler, Albricus und Theodulphus dagegen als ihnen subordinirte Notare. — Vgl. Beitr. zur Dipl. 6, 378. 696 Sickel. Zweitheilung der Kanzlei ist hier bis zu den Notaren und bis zu den namenlosen Schreibern durchgeführt, was nicht zu allen Zeiten der Fall gewesen ist. Die deutsche Kanzlei Ludwigs blieb so wie unter seinem Vater organisirt. Nach dem Tode Theotmars von Salzburg trat sein Nachfolger dort Piligrim auch das Amt des Erzkapellans an. Die sämmtlichen Diplome bieten : advicem Theotmari (dann Piligrimi) archicappellani. Dass ersterer im Originalpräcept vom 3. August 904 Erzkanzler heisst, bezeichnete ich schon zuvor (S. 667) als vereinzelte und irrelevante Ausnahme. Unter dem recognoscirenden Personal finden wir die schon unter Arnulf dienenden Engilpero (bis zum 17. Juni 907) und Er- nustus (bis zum 5. October 908), ferner Salomon, der schon unter Karl III. in der Kanzlei diente, seit 20. Januar 909 (Böhmer RK. 1225), endlich als neues Mitglied der Kanzlei Odalfridus seit Böhmer RK. 1217. Es ist mit Hinblick auf die Gestaltung der Verhältnisse unter Konrad nothwendig, die Rangordnung unter diesen vier Männern möglichst genau festzustellen. Von Engilpero berichtete ich schon (S. 673), dass er nur in zwei in gleichem Chartular überlieferten und daher wohl kaum massgebenden Stücken Kanzler heisst, also nach der regelmässigen Titulatur und nach der Stellung in den Recog- nitionen der Arnulfmischen Diplome als Notar betrachtet wer- den muss. Nun lässt sich allerdings seit 900 die Subscriptions- form : Engilpero advicem cancellarii nicht mehr nachweisen. Aber das nöthigt noch nicht zu der Folgerung, dass Engilpero selbst zum wirklichen Kanzler aufgestiegen sei, sondern lässt noch andere Erklärungen zu. Cancellario nullo entfiel die For- mel N. advicem C. Und andererseits wenn der Kanzlerposten besetzt war, so trat diese Formel in demselben Grade in den Hintergrund, als der Kanzler sich persönlich an den Geschäften betheiligte oder doch betheiligt erscheinen wollte. Das eine oder das andere ist nun in den ersten Jahren Ludwig IV. der Fall gewesen und es liegt somit kein zwingender Grund vor, für Engilpero ein Avancement anzunehmen. Nicht so sicher lässt sich die Stellung des Ernustus unter Ludwig definiren. Die Urkunden dieses Königs, eine einzige Beiträge zur Diplomatie VII. li'.lT ausgenommen, l bezeichnen ihn als Kanzler, so dass er mög- licher Weise wirklicher Kanzler geworden und als solcher dem Engilpero vorgesetzt war. Das könnte dann auch über die Stellung von Odalfridus und Salomon Aufschi uss geben. Für jenen ist unter Ludwig das eine Mal cancellarius und das andere Mal notarius gebraucht. Von den später in seinem Namen unterfertigten Diplomen Konrads bezeichnen ihn drei als notarius und zwei als cancellarius. Indem er zum Bischof von Eichstädt erhoben worden ist, ist nicht zu bezweifeln, dass er die Eigenschaften besessen haben wird, die von einem wirklichen Kanzler gefordert wurden. Salomon endlich recog- noscirt unter Ludwig IV. acht Stücke regelmässig als Kanzler und weiter unter Konrad eine Reihe von Präcepten, in denen er wiederum, nur einen Fall ausgenommen, 2 so heisst. Dass er, der schon Bischof von Konstanz und bei Hofe angesehen war, wirklicher Kanzler gewesen ist, steht fest. Somit liegt die Sache für die Regierungszeit Ludwigs und noch mehr für die Konrads, in welcher die Urkunden mit der Unterfertigung Salomons und die mit der Udalfrids miteinander abwechseln, so dass wir entweder, was unerhört ist, zwei wirkliche Kanzler zu gleicher Zeit erhalten oder dass wir dem Kanzler Salomon Odalfridus als Notar oder Titularkanzler unterordnen müssen. Allenfalls lässt sich eine Entscheidung aus den Urkunden Ludwig IV. gewinnen. Halten wir uns nämlich an die von Böhmer gebotene Reihenfolge, 3 so würde Odalfridus als 1 Original B. 1179 hat Hernustus notarius. Der Name ist somit anders als sonst geschrieben, so dass wohl auch die abweichende Titulatur auf Unkenntniss des betreffenden Schreibers hinausläuft. 2 D. Konrads 17, von Diimmler 2, 616 übersehen. Waitz •',, l>77 Anm. 5 Hess sich nur durch diese Urkunde abhalten, sich für die Unterordnung Udalfrids unter Salomon auszusprechen. — Ich bemerke noch ausdrück- lich, dass nach Ausweis der Originaldiplome Konrads ein und derselbe Dictator und Scriptor bei Odalfridus bald diesen bald jenen Titel an- wendet. Desgleichen hat derselbe Schreiber in der Recognition von DK. U Salomon cancellarius und in der von DK. 17 Salon notarius gesetzt. Dabei kann er im letzten Falle auch nicht durch 'ine Vor- urkunde beeinflusst worden sein, da DK. 17 frei stilisirt erscheint. 3 Ergänzt würde sie lauten: JJ. L215" (Mon. Boica 31, 176 vom 17. .Juni 907 mit Engilpero notarius, B. 1216 vom •_'•-'. October '.'"7 mit Ernustua cancellarius (folgen lTrkundeii für Lothringen, die hier nichl in Betracht kommen), B. 1217 vom 17. December 907 mil Odalfridus cancellarius, 698 Sickel. Nachfolger des Engilpero und Salomon als der des Ernustus er- scheinen, wornach wir füglich Odalfridus wie Engilpero als Notare und andererseits Salomon wie Ernustus als wirkliche Kanzler bezeichnen dürfen. Doch ich darf nicht verschweigen, dass es fraglich ist, ob Böhmer 1217 mit den chronologischen Merkmalen: 908, ind. 11, anno regni 8 ' zu 907 und nicht vielleicht zu Aus- gang des Jahres 908 einzureihen ist. Zwar lässt sich auch in letzterem Falle noch der Wechsel irii Kanzleipersonal, so wie ich es vorschlage, auffassen und es ist nur der in den Zeit- verhältnissen liegende und fast zwingende Grund entfallen; so halte ich, bis etwa weitere den Sachverhalt modificirende Momente bekannt werden, an obiger Lösung der Schwierigkeiten fest. 2 Unter König Konrad ist die Kanzlei folgendermassen be- setzt. Sein erstes Diplom ist advicem Hathonis archiepiscopi summique cappellani unterzeichnet. Wie das kam und wie es sofort davon wieder abkam und dann doch dem Salzburger Erzbischof die seit 887 von seinem Vorgänger bekleidete Stelle eines Erzkapellans bis 918 belassen wurde: darüber lassen sich nur Vermuthungen äussern. Es ist denkbar, dass Piligrim zur Wahl in Forchheim nicht erschienen war, dass unbekannt war, wie er sich zu dem neuen König stellen würde, dass Hatto von Mainz, der alte Freund Konrads, der ihn wahr- scheinlich auch gesalbt hat, :i eingedenk der von seinem Vor- gänger Liutbert zuletzt im Jahre 887 (S. 668) eingenommenen Stellung für sich selbst diese begehrte, dann aber sofort auf die Erzkapellanswürde verzichtete, als es galt, den in Baiern so einflussreichen Salzburger Erzbischof an die Sache des neuen Königs zu fesseln. War doch überdies durch Salomon als Kanz- ler die Führung der Geschäfte im Sinne Hattos gesichert. B. 1218» (Mon. Boica 31, 178) vom 5. Februar 908 mit Ernustus can- cellarius, B. 1220 vom 8. Juni, B. 1221 vom 9. Juli und B. 1223 vom 5. October mit derselben Subscription, B. 1224 vom 7. Januar 909 mit Odalfridus notarius, B. 1225 vom 20. Januar 909 mit Salomon cancellarius. 1 So nämlich in Buat Orig. Boic, welcher ex autographo zu schöpfen behauptet. 2 Für die hervorragende Stellung, die Salomon einnahm, lässt sich noch geltend machen, dass er seit Beginn der Regierung wiederholt als Inter- venier erscheint (zuerst in Böhmer RK. 1183), während Ernustus, En- gilpero und Udalfrid nie interveniren. 3 Dümmler 2, 573, Anm. 6. Beiträge zur Diplomatik VII. 699 Dass ich Saloraon als Kanzler betrachte, sagte ich schon; dass er gleich vom Anbeginn der neuen Regierung dies Amt bekleidet, wird durch die Subscription des ersten, unmittelbar nach der Thronbesteigung Konrads ertheilten Diploms im Namen des Notars Udalfrid nicht ausgeschlossen. Ieh sage mit Ab- sicht: im Namen des Notars subscribirt; denn seit die K<'- cognoscenten nicht mehr verpflichtet waren, eigenhändig zu unterfertigen, entschlugen sie sich, sowohl Kanzler als Notare, mehr und mehr dieser Mühe. Vermochte ich nun noch nicht festzustellen, wie es die einzelnen Recognoscenten bis zum Jahre 911 damit gehalten haben, so bin ich fortan Dank der Prüfung sämmtlicher uns erhaltener Originalausfertigungen in der Lage, den Thatbestand genau anzugeben und für weitere Fragen zu verwerthen. ' Von Udalfrid recognoscirt sind K. 1, 6, 1, 9, 10. In K. 1, 10 wird er cancellarius, sonst notarius betitelt. Seinen Austritt aus der Kanzlei und seine Erhebung zum Bischof von Eichstädt werden wir füglich nach dem 23. August 912 (Datum von K. 10) ansetzen. 2 Gleichzeitig mit ihm (K. 2) und dann bis Ende Konrads wird Salomon als Recognoscent genannt. Dass nun weder der eine noch der andere eigenhändig unter- fertigt hat, folgere ich daraus, dass sämmtliche Originalprä- cepte in den Subscriptionen die Handschrift anderer Männer aufweisen. Ehe ich dies ausführe, muss ich von einem Brauche reden, der wenigstens bis in die Zeit Ludwig IV. zurückreicht. 3 Ziemlich die Hälfte der Diplome lässt erkennen, dass die Voll- ziehung in mehreren Absätzen erfolgt ist. Zunächst ist nämlich die notarielle Unterschrift nur so weit sie in Buchstaben ge- schrieben wurde, d. h. bis recognovi oder recognovit, gesetzt 1 Ich citire die Diplome Konrad I. und Heinrich I. nach der neuen Aus- gabe in den Monumenta Germaniae. Was ich dort theils in den Ein- leitungen, theils in den Vorbemerkungen zu einzelnen Urkunden als die Hauptergebnisse meiner Untersuchungen mitgetheilt habe, will icli hier ausführlicher darlegen und begründen, wie denn überhaupt diese uml die folgenden Beiträge einen Commentar zu jener Edition, d. b. sowohl für den schon erschienenen Theil wie. für die Fortsetzung, bilden -<>llen. Wiederholungen sind dabei allerdings unvermeidlich. 2 Dümmler 2, 615. 3 Kopp Palaeogr. critica 1, 414. 700 Sickel. worden. In einem zweiten Stadium wurde et und das Re- cognitionszeichen, beide graphisch verbunden, hinzugefügt; wahrscheinlich geschah dies im Augenblicke der Besiegelung. Ganz unverkennbar wird dieser allmähliche Vorgang, wenn wie in K. 28 das Zeichen nicht auf gleiche Linie mit der in Buchstaben geschriebenen Formel gesetzt worden ist, oder wenn verschiedene Tinte angewandt worden ist. Damit hängt des weitern zusammen, dass in K. 9, 28, 29 das signum re- cognitionis von anderer Hand stammt als die zuvor geschrie- benen Worte. Natürlich kann das ganze Geschäft auch in einem Tage versehen worden sein und wird dann regelmässig von derselben Person, d. h. dem Subscribenten, besorgt worden sein. Aber in andern Fällen ist, wie gesagt, die Unterfertigung erst etwas später, wohl gelegentlich der Besiegelung, vervoll- ständigt worden und da mag, wenn der Subscribent nicht zur Stelle war, ein anderer Beamter, vielleicht der sigillator, das Recognitionszeichen nachgetragen haben. Im allgemeinen sind damals Subscribenten und Ingrossisten identisch. K. 2 und 12 für St. Gallen sind 1 wahrscheinlich von zwei dortigen Mönchen geschrieben und unterschrieben. Die siebzehn übrigen Archetypa vertheilen sich auf drei Schreiber, die ich, da sie unter dem Kanzler Salomon dienen, SA., SB., SC. bezeichne ; den Namen des ersten, Simon, erfahren wir aus den Diplomen des folgenden Königs. Nur von SC. liegt keine Subscription vor. Dagegen sind von SA. vollständig unter- fertigt K. 1, 6—8, 11, 30 und von SB. K. 14—17, 20, 22, 34—36. Für K. 9 lieferte SB. die Unterschriftszeile, der ältere und geübtere SA. das ergänzende Zeichen. In K. 28, 29 endlich schrieb SB. die Formel, eine andere Hand fügte das signum hinzu. Bei diesem Schriftbefund bleibt kein Stück, dessen Unterzeichnung dem Notar und Recognoscenten Udalfrid bei- gelegt werden könnte. Desgleichen könnte von Salomon höch- stens das in K. 28 und 29 nachgetragene Zeichen stammen, was mir jedoch unwahrscheinlich ist, da ich im übrigen gar keine Spur von Betheiligung des Kanzlers am Schreibgeschäft entdecken konnte. Folglich sind in dieser Zeit die als Recognos- centen genannten und die Subscribenten auseinander zu halten. 1 Sickel Kaiserurkunden in der Schweiz 10 — 14. Beitrüge zur Diploinutik VII. 701 Im ersten Jahre Konrads sind nun wie unter Ludwig IV. nur die zwei Arten der Recognition nachzuweisen : N. (Udal- frid) adv. A. und C. (Salomon) adv. A. Dass die dritte damals ausser Brauch kam und auch später nur noch vorübergehend auftauchte, wird nicht Zufall gewesen sein. Im Hinblick auf die völlige Ausschliessung der Notare von der Recognition seit 958 muss man geradezu erwarten, dass schon früher die Ten- denz dahin gegangen ist, Einfluss und Verantwortung, Ehre und Nutzen und was sonst noch mit der Recognition verbunden gewesen sein mag, möglichst den Kanzlern vorzubehalten. Und wie überhaupt die Erhöhung des Kanzleramtes in umgekehrtem Verhältniss zu der Betheiligung an der Arbeit stand, so mochte, seitdem die Kanzler als iussi nach und nach so ziemlich alle Obliegenheiten des Recognoscenten auf die Schultern der Unter- gebenen abgewälzt hatten, das Verhältniss der Delegation, das sich in N. adv. C. ausspricht, nicht mehr der Erwähnung werth erscheinen. Aber zum vollen Ausschluss der Notare kam es bis 953 noch nicht. Noch mögen die alten Vorstellungen und das Postulat, dass der iussus auch Recognoscent sei oder minde- stens als solcher genannt werde, zu mächtig gewesen sein, als dass der Name des Notars, auch falls dieser in Abwesenheit des Kanzlers den Befehl erhalten, hätte verschwiegen bleiben dürfen. Ja auf die Nennung des jeweiligen Recognoscenten wurde gerade unter Konrad und zum Theil auch unter seinen Nachfolgern noch besonderer Werth gelegt. Dafür zeugt ein weiterer Brauch, den ich zuerst bei Salomon A. oder bei Simon, dann aber auch noch bei vielen der nachfolgenden Subscri- benten constatirte. So oft nämlich Simon unterfertigte oder wenigstens zur Subscription eines seiner Genossen das Re- cognitionszeichen hinzufügte, wiederholte er in typischen und daher noch entzifferbaren Noten den zuvor in Buchstaben aus- geschriebenen Namen des Recognoscenten, eine Wiederholung, die noch dadurch an Bedeutung gewinnt, dass sie, wie ich zuvor bemerkte, wohl mit der Besiegelung zusammenfiel. Unter diesen Umständen verdient auch bei Konrads ersten Diplomen der Wechsel zwischen N. (damals Odalfridus) adv. A. und zwischen C. (damals Salomon) adv. A. noch Beachtung. Es fragt sich, ob wir wenigstens in einzelnen Fällen eine Ab- wesenheit des Kanzlers vom Hofe als Grund dafür nachweisen 702 Sickel. können, dass nicht er, sondern Udalfrid als iussus und als recognoscens erscheint. Gerade bei dem dominirenden Einfluss, den allen Berichten zufolge Salomon ausgeübt haben soll — in mehr als einer Beziehung lässt sich seine Stellung mit der Liutwards unter Karl III. vergleichen, so verschieden auch die Charaktere der betreffenden Regenten und ihrer Rathgeber waren und. so verschieden des einen und andern Günstlings Einfluss wirkte und von den Zeitgenossen beurtheilt wurde ' — und um den rechten Massstab zur Beurtheilung der auch durch die späteren Urkunden bezeugten Ausnahmsstellung Salo- mons zu gewinnen, ist es nicht unwichtig darin klar zu sehen. Der reiche Schatz von S. Galler Urkunden kommt uns dabei zu statten, den einen oder andern Punkt im Itinerar Salomons festzustellen und mit dem des Königs zu vergleichen. Für solchen Zweck ist die Urkunde bei Wartmann n° 768 verwendbar, laut der sich Salomon am 5. April 912 in seinem Kloster befand. Damit verträgt sich recht wohl, dass nach K. 5 (Bestätigung der Immunität für S. Gallen) Salomon am 14. März mit Konrad in Strassburg gewesen sein und dieses Präcept erbeten und dann selbst recognoscirt haben soll. Als aber vom König am 12. April in Fulda (K. 6 und 7) geur- kundet wurde, kann füglich Udalfrid deshalb als Recognoscent eingetreten sein, weil der Abt von S. Gallen durch das Oster- fest in seinem Stifte aufgehalten schwerlich schon an den Hof zurückgekehrt sein wird. 2 Nachdem Udalfrid aus der Kanzlei ausgeschieden war, ist nach Ausweis unserer Diplome kein anderer Notar ermächtigt worden, als Recognoscent an des Kanzlers Statt zu fungiren, so dass sämmtliche mit Eschatokoll versehene Urkunden die Re- cognitionsformel C. adv. A. aufweisen. Haben wir uns deshalb 1 Vgl. Diimmler 2, 283 und 616. 2 Ausführlich berichtet Ekkehart über einen Aufenthalt Salomons in S. Gallen zur Osterzeit. Durch die Worte in Casus cap. 25: vir domini videns se aetate iam gravescere etc. liess sich Meyer von Kuonau in seiner Ausgabe des Ekkehart 102 zu der Annahme bestimmen, dass der Chronist an Vorgänge vom Jahre 919 gedacht habe. Ekkehart könnte aber auch Kunde von Salomons Anwesenheit im Kloster zu Ostern 912 gehabt haben, und es würden dann wenigstens einige Widersprüche, an denen seine Erzählung so reich ist, entfallen. Beitrage zur Diplomatik VII. ,"((.', den als Recognoscenten genannten Kanzler als in jedem Einzel- falle am Hofe weilend zu denken oder nieht? Schon vor Jahren hatte ich bei der Bearbeitung der Di- plome Ludwig des Deutschen eine ähnliche Frage aufgeworfen, nämlich ob wir den Erzkapellan Grimold als bei der Ausfer- tigung der an seiner Statt unterfertigten Präcepte gegenwärtig zu betrachten haben oder nicht und ob wir für diesen Erz- kapellan etwa aus den zahlreichen Urkunden seines Klosters ein Itinerar anzufertigen in der Lage sind. ' Für die Zeit Gri- molds und insbesondere für die Jahre, in denen vacante can- cellaria stets N. advicem A. unterfertigt wurde, behalten diese Untersuchungen auch gewissen Werth. Der Nachweis des Alibi für den Erzkapellan bestätigt nämlich, dass die Beru- fung des Recognoscenten auf seinen Vorgesetzten unabhängig von dessen Wissen und Genehmigung im Einzelfalle war und in allgemeinen Vorstellungen und Bräuchen, wie wir sie früher kennen gelernt haben, seine Begründung findet. Doch auch ohne solchen speciellen Nachweis wird man behaupten dürfen, dass, wenn je und insbesondere cancellario nullo eine active Betheiligung des Erzkapellans an dem Geschäft der Beurkun- dung stattgefunden hat, dieselbe sicher bald ganz aufgehört haben wird. 2 Und so bin ich jetzt zu der Ansicht gelangt, dass, um Einblick in die Bedeutung der Recognition und in die allmähliche Abschwächung derselben zu gewinnen, es mehr auf den jeweiligen Aufenthalt des Kanzlers als auf den des Erzkapellans ankommt; denn der Kanzler, das kann als Regel betrachtet werden, sollte in der Umgebung des Königs weilen und das Geschäft in Person besorgen. :! Aus Wartmann U. B. n° 775 erfahren wir nun, dass Salomon am 23. Mai 914 zu Elgg im Kanton Zürich in Person einen Tausch vollzogen hat: folglich kann er nicht am 24. und 25. Mai zu Forchheim gewesen sein und kann nicht factisch 1 Beiträge zur Diplomatik 2. 120. — Nach Erscheinen des Wartmann- schen Urkundenbuclis hat Meyer von Knonan (ßatpert .">7 Note 95) alle bezüglichen Daten zusammengestellt. Danach fallt der längste and am besten bezeugte Aufenthalt Grimoltls in 8t. Gallen genau in ihn Anfang der Zeit, da advicem Witgarii cancellarii recognoscirt worden ist. 2 Vgl. was ich in Beitr. zur Dipl. 2, 154 über Liutli.rt U'inerke. 3 Waitz Verf. Gesch. G, 282. 704 Sickel. die Diplome K. 20 und 22 recognoscirt haben, in denen der Subscribent Salomon B. ihn als Recognoscenten anführt. ' Es ist dies der erste Fall von Nennung eines am Ausstellungstage ab- wesenden Recognoscenten, der bisher nachgewiesen worden ist. - Wahrscheinlich hat er gerade unter Konrad nicht vereinzelt dagestanden. Ich erinnere an die Gefangennehmung Salomons durch Erchanger, die ihn eine Zeit lang vom Hofe fern gehalten haben muss s, und an des Kanzlers vom König gutgeheissene, dann aber vereitelte Absicht nach Rom zu pilgern. 4 Es liegt nahe die Frage aufzuwerfen, ob etwa die Er- wähnung des Kanzlers in den Urkunden ausser in der Unter- schriftzeile, z. B. als Fürbitter, weitere Aufschlüsse zu bieten vermag. Und obgleich derartige Notizen für Aufenthalts- bestimmungen nur mit aller Vorsicht verwerthet werden kön- nen, ß will ich hier die auf Salomon bezüglichen zusammen- tragen. Verglich ich zuvor seine Stellung mit der Liutwards, so muss ich jetzt bemerken, dass er von diesem darin vor- teilhaft absticht, dass er sich in den Urkunden seines Königs nur selten als Rathgeber oder Intervenient nennen Hess, nämlich 1 Und zwar hat SB. sowohl die betreffende Zeile geschrieben als auch das Recognitionszeichen geliefert. — Ich übergehe hier K. 21, weil es nur in Abschrift und ohne Unterfertigung vorliegt; aber sicher verhielt es sich mit der Recognition dieses Diploms ebenso. 2 In Acta Karol. 1, 93 wies ich für den Kanzler Theoto ein Alibi nach; aber damals ist der Kauzler nicht Recognoscent (s. S. 656), sondern steht den späteren Erzkapellanen Grimold u. s. w. gleich. — Auf das Alibi Salomons hat zuerst Meyer von Knonau im Ekkehaid 75 A. 262 aufmerksam gemacht. Das ist Ficker entgangen, welcher in den Bei- trägen 2, 175 ff. die anderen bisher constatirten Fälle gleicher Art ge- sammelt und besprochen hat. Ficker kam dort zu dem Ergebniss, dass Liutolf der erste Kanzler sei, unter dem Nennung des abwesenden Re- cognoscenten stattgefunden habe, und brachte das gewiss mit Recht in Zusammenhang mit der Neuerung vom Jahre 953. 3 Dümmler 2, 591 und Meyer von Knonau im Ekkehart 69 ff. Doch scheint mir noch nicht erwiesen, was Dümmler annimmt, dass Konrads Zug nach Schwaben zu Anfang des Jahres 914 stattgefunden habe, noch was Meyer von Knonau im genauesten Anschluss an die Annales Alamann. annimmt, dass der Angriff auf Salomon nach Eintreffen des Königs in Schwaben erfolgt sei. 4 Wartmann U. B. n° 778. 5 Ficker Beiträge 1, 150. Beitrage zur Diplomatik VII. T1 >5 nur in K. 2, 3, 11, 17 und da regelmässig mit einer beträcht- lichen Anzahl anderer einflussreicher Personen, ' während doch sonst unter Konrad fast regelmässig Fürbitter angeführt werden. 2 Wollten wir nun in den letzteren so zahlreichen Fällen aus der Nichterwähnung yon Salomon auf dessen Ab- wesenheit schliessen, so würde er geradezu als seltener Gast des Hofes erscheinen, was sich nicht mit anderen Nachrichten und am wenigsten mit dem reimen würde, was ihm in K. 5 nachgerühmt wird: frequens famulatus et palatina servitus. :t Mit kluger Zurückhaltung, die wir darin erblicken dürfen, vertrug es sich wohl, dass der Kanzler Salomon in Anbetracht der politischen Verhältnisse nicht einen Augenblick das Heft aus den Händen geben und selbst wo er> momentan nicht mit- wirken konnte, doch als an der Vollziehung der Präcepte be- theiligt erscheinen wollte. Ich werde später zeigen, dass durch dieses Ausschliessen der Notare von der Recognition auch das Verhältniss des Erzkapellans zur Kanzlei berührt wurde. Es ist offenbar der Ausnahmszustand, in dem sich die königliche Autorität befand, 4 welcher auch zu einer Ausnahmsmassregel führte, als welche wir die Nennung des abwesenden Kanzlers als Recognoscenten betrachten müssen. Denn von einer schon damals beginnenden Neuerung in der Art die Geschäfte zu besorgen kann nicht die Rede sein, wenn man erwägt, dass auch in den folgenden Jahrzehnten die Recognition in der Hauptsache so geregelt blieb und so gehandhabt wurde, wie es seit Arnolf herkömmlich geworden war. Es war also auch unter Konrad, was die Subscriptionszeile besagt, noch nicht zur bedeutungslosen Phrase herabgesunken. 3 1 In K. 2 handelt es sich obendrein um eine Schenkung für S. Gallen und in K. 11 um eine Rechtsfrage, in der gerade Salonion competent war mitzureden. 2 Sie fehlen natürlich in den Urkunden über unbedeutende Handlangem wie in den Tauschbestätigungen K. 20, 21, ferner in Diplomen kürzerer Fassung wie K. 14, 15. Dagegen finden sie sich ausser in den Bchoo angeführten Stücken noch in K. ö, 8, 9, 10, 16, 23, 24, 27 -31, 35, 36. 3 Desgleichen heisst es in K. 12 (Schenkung an den Kanzler): per nmlti- modae servitutis sedulitatem shnulque magnae caritatis suae eonletenus accensum ardorem. 4 Dämmler 2, 016. 5 Aehnlich Ficker Beiträge •_', 169. 706 Sickel. Ich komme nochmals auf die Unterfertigung von K. 20, 22 durch S B. zurück. ' Dieser S B. hat damals, wie seine sonstige Betheiligung an der Arbeit zeigt, in der Kanzlei eine unter- geordnete Stellung bekleidet und hat namentlich seinem altern Genossen Simon nachgestanden. Wenn er trotzdem berufen gewesen ist, den abwesenden Kanzler zu vertreten, so wird er dazu wohl einer besonderen Vollmacht bedurft haben. An eine solche denke ich dann auch bei K. 28 und 29 vom Mai und Juni 916, indem in diesen Diplomen das Recognitionszeichen von einer mir sonst nicht begegneten Hand beigefügt worden ist. Im übrigen ist es denkbar, dass wenn der Kanzler Salomon als abwesend keine Art von Controle hat ausüben können, der König in eigener Person sich in der damals noch üblichen Weise an der Vollziehung der Präcepte betheiligt hat. Zur Ergänzung dessen, was Ficker2 über die Eigenhändigkeit des betreffenden Striches in den Urkunden Konrads bemerkt hat, trage ich hier nach, was wir schliesslich gefunden haben : 1 In K. 20 ist die Zeile der königlichen Unterschrift und wahrscheinlich auch die der Kanzlerunterschrift früher geschrieben als der Context; von der letzteren getrennt ist das Recognitionszeichen. Das alles kann aber nicht mit der damaligen Abwesenheit, des Kanzlers zusammenhängen, denn in dem unter gleichen Umständen ausgefertigten K. 22 ist, soweit sich erkennen lässt, alles in der gewöhnlichen Reihenfolge geschrieben und ist auch das Recognitionszeichen an die betreffenden Worte ange- hängt. So folgere ich aus der Beschaffenheit von K. 20 nur, dass auch damals die Schreiber zuweilen Pergament mit Unterschriften in Bereit- schaft gehalten haben und dass die Unterschriften für sich allein, d. h. ohne das signum und ohne das Siegel noch nicht als Vollziehung galten. — Dass im Originaldiplome K. 20 .vor zwei Namen die Sigle N. vor- kommt, veranlasst mich eine diesbezügliche Bemerkung von Stumpf- Brentano in Wirzb. Immunitäten 2, 48 Anm. zurückzuweisen, um so mehr, da dieselbe auch Ficker Beitr. 1, 268 irre geführt hat. Ich habe diese Sigle nie für etwas anderes gehalten oder erklärt als für nomine: sie ist in Formeln durchaus synonym dem Pronomen ille und will be- sagen, dass hier der betreffende Eigenname einzusetzen ist, vertritt somit da denselben. Wenn ein Schreiber dies N. aus einer Formel in ein Diplom in der Weise herübernimmt, dass er sie vor dem Namen be- stehen lässt, so ist das also zum Uebernuss; aber das Versehen lag um so näher, da auch in den Urkunden Personen sehr häufig mit nomine A, nuncupatus A und dergleichen in allen Buchstaben ausgeschrieben ein- geführt wurden. 2 Beiträge 2, 70. Beiträge zur Diplomatik VII. 7< ) I unter zwanzig Originaldiplorncn weisen nämlich achtzehn Mo- nogramme auf, in denen der Vollziehungsstrich deutlich wahr- zunehmen ist. ' Und dafür, dass noch in dieser Zeit die Haupt- figur zuerst ohne den dem König vorbehaltenen Schriftzug gezeichnet wurde, zeugt K. 36: hier ist nämlich unterhalb der jetzigen Zeile der königlichen Subscription ein derartiges un- vollendetes Handmal sichtbar, welches wegen nicht passem ler Stellung ausradirt worden ist. 2 Persönliches Eingreifen des Königs konnte aber um so mehr als Ersatz für Betheiligung des als Recognoscenten genannten Kanzlers gelten, da dieser sonst die iussio regis auszuführen und zu verbürgen berufen war. Ich gehe zur Kanzlei Heinrich I. über. Wiederum gab die politische Situation 3 den Ausschlag dafür, dass damals die Erzkapellanwürde von Salzburg an Mainz überging. Vielleicht ist das nicht ohne Bedenken und Anstände geschehen. In H. 1 ist nämlich, obgleich dasselbe erst vom 3. April 920 datirt, von dem Subscribenten Herigeri archiepiscopi erst eingeschoben worden zwischen die früher geschriebenen Worte Symon nota- rius advicem und recognovi, so dass bei der Ausstellung noch fraglich gewesen sein muss, wer hier genannt werden sollte. Ferner fällt mir auf, dass Simon, der unter Konrad an dieser Stelle regelmässig vom Erzkapellan spricht, bei Nennung He- rigers anfangs schwankt. In H. 1, 2, 4, 11 bezeichnet er ihn nur als archiepiscopus und als archicapellanus erst in H. 3, 6, 9 u. s. w. 4 Dagegen wird für seinen Nachfolger Hiltibertus 5 gleich in dem ersten Diplom die Titulatur archicappellanus angewandt, die nur in H. 18 durch archiepiscopus prineepsque cappellanus ersetzt wird. Dass in H. 31 und 41 der Name ohne Titel gesetzt wird, hängt mit der Gewohnheit des be- treffenden Subscribenten zusammen. Für die lothringischen 1 Nicht so in K. 2, 16, was aber noch nicht ausschlieft, dass auch hier der Strich vom König eigenhändig zugefügt worden ist. 2 Der'Fall steht also dem in Acta Karol. 1, 318 besprochenen durch gleich. 3 Waitz Jahrbücher H. I S. 40. 4 Dazwischen schreibt er in H. 5 und 7 archiepiscopus summusque <:i|> pellanus. 5 Heriger zuletzt in H. 14 vom 18. October '.il'7. Er Btarb am 1. De- cember 927 (Waitz IT. I. 120). Hiltibertus zuersl in II tfi v --'7. De- cember *.i_'7. Sitzungsber. d, phü.-hist. Cl. KCT1I. Bd. IV Hit. 16 :> - ■ ühtttt id. - _T~ "■ - _ - I eine eeiLie -r. - _ i <€fl£ ~"TI-<"j '_ - EEMHt ------ : - ---. - - la . j J • « Et fi ! Bexsr " - - - : : seTr - , - - . beänfic - 9» Wiken Arcbt ■ öderer X&me V:-. :.:: : nnoen ■ - ■: : .. : > ..>::.: •-. c-t ■: m ue: : - - - - s.ir~: :n rii ■n : - - . - an • *: - 710 Sickel. den Satz um, dass gerade während der Vacanz des Kanzler- amtes die Recognition möglichst einem einzigen, besonders geschäftskundigen und erprobten Notar anvertraut worden sein wird. Denn Simon, den ich als Ingrossisten bereits im Jahre 906 nachweise, wird 930 schon ziemlich bejahrt gewesen sein, und wie er ersichtlicher Weise seit 929 die Arbeit mehr und mehr andern Männern überlässt, könnte er wohl, kurz bevor er ganz vom Schauplatz verschwindet, auch behindert gewesen sein, die ihm sonst obliegende Recognition zu besorgen, so dass Folcmar nur zeitweise ihn vertreten habe. Jedoch ehe ich diese Frage erledige, muss ich von einer andern handeln. — Stumpf hält diesen Folcmar für dieselbe Person, welche von H. 28 an sämmtliche Diplome recognoscirt, oder er setzt Folcmar gleich dem spätem Kanzler Poppo. l Er knüpft da offenbar an eine Aeusserung von Waitz in Mon. Germ. SS. 4, 350 an, welcher nachweist, dass mehrere Männer des zehnten Jahrhunderts bei den Zeitgenossen die beiden Namen Folcmar und Poppo führen 2 und darauf hin beide Namen für so gleichbedeutend erklärt, als es Liudolf und Dudo seien. Ich bin von der Richtigkeit dieser Annahme noch nicht überzeugt. Was zunächst die Pa- rallelisirung mit Liudolf- Dudo und anderen solchen Doppel- namen betrifft, so ist ja Dudo Kosename zu Liudolf und ist mit diesem auch lautlich verwandt, Beziehungen die meines Wissens zwischen Folcmar und Poppo nicht bestehen. 3 Dann scheint mir aus dem Umstände, dass gewisse Personen mit dem zwie- fachen Namen bezeichnet werden, doch noch nicht solche Iden- tität von Folcmar und Poppo gefolgert werden zu dürfen, dass wir jeden Folcmar = Poppo setzen müssen und umgekehrt.1 Um nun insbesondere von dem Kanzler Heinrichs und Ottos Poppo, dem späteren Bischof von Wirzburg, zu reden, so wird dieser so oft in den Quellen angeführt, aber nie Folcmar 1 So auch Waitz Verfassungs-Gesch. 6, 277. 2 Bestätigt von Dümmler Otto I. 466, Aum. 4. 3 Stark in Wiener Sitzungs-Berichten 52, 282 und 286 handelt von Poppo und von Folcmar, jedoch ohne irgend ein Verhältniss zwischen ihnen zu berühren. 4 Offenbar zwei verschiedene Personen sind auch in der Kölner Urkunde vom Jahre 964 in Lacomblet 1, n° 106 gemeint mit: domnu quoque Poppone, Folcmaro etc. Beiträge zur Diplomatie VII 71 1 benannt.1 Ferner weise ieh darauf hin, dass unter den Grafen von Henneberg, zu deren Geschlecht auch der Wirzburger Poppo gehört haben soll, 2 der Name Poppo sehr häufig ist, aber nicht ein Mal der Name Folcmar vorkommt. Es kann demnach meines Erachtens nur als Vermuthung hingestellt werden, dass der Folcmar in II. 25 identisch sei mit dem spätem Kanzler Poppo. Doch auch das zugegeben, kann ich der Meinung von Stumpf nicht beipflichten, dass wiederholt der nachfolgende Kanzler seine Functionen bereits unter dem Vorgänger begonnen und durch diesen gleichsam in die Ge- schäftsleitung eingeführt worden sei, eine Meinung, welche Stumpf unter anderen auf das zwischen Folcmar und Poppo bestehende Verhältniss stützt; ferner darauf, dass sich des weitern zwischen Poppo und Brun keine feste Grenze ziehen lasse. Letzteres erörtere ich an seinem Orte (S. 718). Der Vorgang unter Heinrich lässt auch unter Annahme der Identität noch eine andere Deutung zu: der Mann, welcher den Notar Simon ein oder mehrere Male zu vertreten berufen wurde, d. h. des Königs Befehl erhielt und ausführte, mag dann nach Simons Rücktritt oder Tod zum Kanzler ernannt worden sein ; aber dass er bereits einige Monate früher recognoscirt hat, besagt nicht, dass er schon damals Kanzler gewesen. 1 Erwähnen muss ich doch noch die Recognition: Folcmarus cancellariua vice Hildeberti archicapellani in einer angeblich von Otto I. für Müssen ausgestellten Urkunde (Stumpf 154), im zwölften Jahrhundert ge- schrieben, jetzt im Dresdener Archiv. Für diese Fälschung ist sicherlich ein Diplom Heinrichs mit gleicher oder fast gleicher Unterschrift benutzt worden. Aber wohin sollen wir letztere setzen, vor oder nach IL 28? Für den zweiten Ansatz könnte man den Kanzlertitel geltend machen und dann folgern, dass auch der Kanzler gewordene Poppo in Sub- scriptionen noch Folcmar genannt worden wäre. Aber das hiesse doch nur Möglichkeit auf Möglichkeit aufbauen. Und mit gleichem Rechte Hesse sich dann die häufige Verwechslung von notarras und cancellariua geltend machen und die andere Möglichkeit betonen, dass es einen von Poppo verschiedenen Mann Folcmar gegeben, welcher vor EL 28 eine Urkunde als Notar und eine andere als Kanzler recognoscirt hätte. Kurz aus St. 154 glaube ich nicht mehr folgern zu dürfen, als dass H. •_'") als von Folcmar recognoscirt nicht allein gestanden hat, womit sich noch immer die obige Erklärung durch zeitweise Verhinderung Simons ver- tragen würde. 2 Oegg Korographie von Würzburg 1, --'73. 712 Siekel. Den Uebergang von Simon zu Poppo begleiten noch andere Umstände. Das letzte von Simon recognoscirte Stück ist H. 26 vom 23. Februar 931. ' Als erstes Diplom aus der Kanzlei- periode Poppos gilt mir sonach H. 28 vom 14. April 931. Dass ich für die Echtheit, ja Originalität dieser Urkunde ein- trete, obgleich ich anerkenne, dass die Fassung eine ganz ungewöhnliche2 und die Schrift sehr unbeholfen ist, glaube ich hier weiter ausführen zu müssen. Bei jedem Wechsel im Kanzleramt wird wohl zu beachten sein, ob der neue Kanzler das bislang amtirende Personal ganz oder doch zum Theil beibehalten oder ob er etwa dasselbe vollständig erneuert hat, denn auf die Stetigkeit in der Behandlung der Urkunden muss der eine öder andere Fall verschieden eingewirkt haben. Nun steht fest, dass Poppo nicht einen der bis 931 nachweisbaren Ingrossisten mehr verwendet hat. Und gleiches gilt wahr- scheinlich von den Dictatoren. 3 Trat also damals ein Wechsel des gesammten Personals ein, so wird der im März oder im April zum Vorstand der Kanzlei bestellte Poppo sein Bureau erst haben bilden müssen und am 14. April wird er sich, als es galt H. 28 auszustellen, mit dem ersten besten Dictator und Scriptor haben behelfen müssen. In die Nothlage wäre aber Poppo schwerlich gekommen, wenn er schon einige Zeit als designirter Kanzler an den Geschäften theilgehabt hätte. Des weitern scheint mir unter solchen Umständen auch die Identität von Poppo und Folcmar auf schwachen Füssen zu stehen. Mit Fug und Recht kann man bei Poppo von einer durch ihn bestimmten Kanzleiperiode reden, d. h. Poppo hat zwei Regenten in gleicher Weise als Kanzler gedient und hat unter beiden seine Obliegenheiten in wesentlich gleicher Weise ver- sehen. Wieweit sich diese Periode nach vorwärts erstreckt hat, lässt sich wiederum nicht mit einem Worte sagen. 4 Der nächste 1 S. die Vorbemerkung zu dieser Urkunde in den Kaiserurkuuden. - Das gilt auch von der Datirungsformel, deren Unregelmässigkeit unter den oben dargelegten Umständen nickt weiter auffallen kann und daher der von Ficker Beiträge 2, 292 vorgeschlagenen Erkläruno- nicht bedarf. 3 S. Kaiserurkunden 38. 4 Ich habe von hier an auch Diplome Otto I. anzuführen und sehe mich da veranlasst, sie nach den Nummern des Stumpf'schen Verzeichnisses Beiträge zni Diplomatie VII < I .'} Kanzler Brun tritt zum ersten Male am 25. September 940 auf (Stumpf 92). Nachdem einige Urkunden in seinem Namen recognoscirt worden waren, lautet dann nochmals in Stumpf'.».) vom 23. April 941 die Unterfertigung: Poppo etc. Ich werde später auf die Beschaffenheit letzterer Urkunde näher eingehen und zeigen, dass es sich um eine seit langem vom Könige dem damaligen Kanzler Poppo befohlene, dann aber verzögerte Beurkundung handelte: daher hat ein Untergebener Poppo's das Präcept geschrieben und mit einer Poppo als Recognos- centen nennenden Unterschrift vollzogen. Nur in diesem Sinne, dass ein Kanzler, auch nachdem ihm bereits ein Nachfolger gegeben war, doch noch die ihm übertragenen Geschäfte ab- zuwickeln hatte, kann ich nach Ergebniss der von mir bisher angestellten Untersuchungen der Annahme von Stumpf bei- pflichten, dass zuweilen zwei Kanzler nebeneinander fungirt haben sollen. Fassen wir zunächst wieder ins Auge, wer in dieser Reihe von Urkunden als Recognoscent genannt wird. In der Haupt- sache wiederholt sich auch hier, dass der Kanzler in seinen Anfängen lebhaft und dann minder lebhaft an der Recognition betheiligt erscheint. Genauer gesagt, war Poppo unter Heinrich I. regelmässig Recognoscent, wechselte dann aber unter Otto I. mit mehreren Notaren ab und zwar so, dass vorübergehend wieder die drei Formen der Recognition in Anwendung kamen. Das darzuthun und überhaupt Einrichtung der Kanzlei und Besetzung der Stellen zu jener Zeit in das rechte Licht zu stellen, muss ich auf die Subscribenten zurückgreifen. Als solche kommen bis 936 in Betracht Poppo A., PB., PC Zu ihnen gesellen sich unter Otto I. als weitere Subscribenten zu citiren, obschon ich mehrfach in der chronologischen Einreihung von Stumpf abweiche. Ich habe nämlich noch nicht die sämmtlichen Ur- kunden Otto I. nach allen Gesichtspunkten hin prüfen können und nehme deshalb Anstand, eine neue Zählung anzuwenden, welche evi rituell noch durch eine dritte ersetzt werden müsste. Insoweit ich einige Stücke anders als Stumpf datirc, werde ich dies durch Hinzufügung des von mir gewonnenen Datums zu der Regestennuinmer bemerklich machen, und insoweit eine nähere Begründung meiner Datirung schon hier er- forderlich sein sollte, werde ich sie an geeignetem Orte einschalten. 1 Diese Bezeichnung der drei Subscribenten weicht von der im N. Archiv 1, 459 ff. gewählten ab. Indem ich im Jahre 1876 noch nicht alle 714 Sickel und eventuell Recognoscenten Adaltag, Notker und wohl ein Cleriker des Adaltag*. Und zwar vertheilen sich die Subscrip- tionen der Diplome folgendermassen auf sie. ' PA. unterfertigte H. 29, 31, 41, St. 59, 67, 68, 70, 71, 73, 74, 82, 95; PB. H. 32, St. 80, 87, 90 ß. (wo wir seinen Namen Adalman kennen lernen); PC. H. 37, 40, St. 77, 78, 81, 86, 88, 89. 2 Adaltag subscribirte wahrscheinlich St. 56 R. selbst, während ich die Unterschrift der gleichfalls von ihm recognos- cirten St. 57, 58 einem in seinem Dienste stehenden Cleriker beilege. Endlich ist Notker Subscribent von St. 83, 84, und zugleich Recognoscent von St. 83. Auch in dieser Zeit noch verdienen die eventuell in die Recognitionszeichen gesetzten Noten Beachtung. :5 In der Regel deckt sich noch, wie in den von Simon subscribirten Diplomen, der in Buchstaben ausgeschriebene Name des Recognoscenten mit dem im Zeichen durch die erste Note angedeuteten. Wie zumeist Poppo als Recognoscent genannt wird, so wird auch die Note für diesen Namen von den drei Schreibern PA, PB, PC. fast jedesmal wiederholt. Aber auch wo PB. oder Adalman sich selbst als Recognoscenten anführt, bedient er sich der Note Originale dieser Zeit kannte, konnte ich noch nicht definitiv angehen, in welcher zeitlichen Reihenfolge diese drei Männer als Unterfertiger der Originalpräcepte auftauchen. Indem ich jetzt diese Reihenfolge, nach der am fiiglichsten die Siglen gewählt werden, definitiv festgestellt hahe, nenne ich fortan Poppo A den früher mit PB. bezeichneten Schreiber und PC. den früher PA. bezeichneten; zwischen beiden reihe ich jetzt Adalman als PB. ein. 1 Durch Beifügung eines R. zu den Nummern hebe ich die Stücke hervor, welche von den betreffenden Unterfertigern zugleich recognoscirt sind. Die nicht mit R. versehenen Diplome sind also die, in welchen der Kanzler selbst als Recognoscent genannt wird. — Den nicht wieder vorkommenden Schreiber von H. 28 übergehe ich in dieser Aufzählung. 2 Nachzeichnungen der Hand von PC. liegen überdies vor in St. 64 und 69. Es ist nicht unmöglich, dass PC. einen Gehülfen gehabt hat, welcher seiue Schrift nachzuahmen versucht hat; in diesem Falle könnten beide Stücke Kanzleiausfertigungen sein. Aber es ist auch Entstehung dieser Schriftstücke ausserhalb der Kanzlei und ohne deren Wissen denkbar und ich ziehe daher vor, dieselben als Diplome fraglicher Originalität zu bezeichnen. 3 Ausführlich handle ich von denselben in den nächsten Beiträgen, ver- werthe aber die Ergebnisse schon hier. Beiträge zur Diplomatik VII. 715 für Poppo. Umgekehrt macht es Notker, indem er sowohl in St. 83, das er selbst recognoscirt, als in St. 84, dessen Re- cognition auf Poppo's Namen lautet, die gleiche Note bildet, welche nur Sigle für Notker sein kann. Wieder anders steht es mit den von Adaltag recognoscirten Diplomen, denn St. 57 und 58 weisen an den betreffenden Stellen eine Schlangenlinie auf, mit der möglicher Weise Adaltag bezeichnet werden soll, während auf Adaltag als Recognoscent von St. 56 im Zeichen die für Poppo gebräuchliche Note folgt. Vielleicht haben die be- treffenden Subscribenten oder Zeichner des signum recognitionis die von Simon befolgte Regel nicht gekannt oder nicht anerkannt. Aber da in St. 56 und 84 das Zeichen von der Schriftzeile ab- getrennt und wohl nachträglich gemacht worden ist, könnte der Hinweis dort auf Poppo und hier auf Notker auch besagen, dass diese im Augenblick der Besieglung anwesend gewesen sind. Lässt sich da nicht klar sehen, so scheint mir die Er- wähnung von Poppo neben Adaltag in St. 56 geeignet, in einer Frage den Ausschlag zu geben, die ich bisher nicht be- rührt habe. Ich habe nämlich Poppo als Kanzler von 931 — 940 bezeichnet und habe, wie ich überhaupt je nur einen Kanzler annehme, Adaltag als einen der Poppo untergeordneten Notare hingestellt. Anders fasst Stumpf ' das Verhältniss auf: er reiht Adaltag unter die Kanzler ein und lässt ihn zu gleicher Zeit mit Poppo fungiren. ? Verfolgen wir zunächst Poppo allein durch alle Urkunden dieser Jahre hindurch. Unter Heinrich wird ihm in der Recogni- tion nur vier Mal der Titel cancellarius beigelegt, dagegen sieben Mal der Titel notarius : jenes geschieht in H. 28, dann in H. 36 von PA. und in H. 37, 40 von PC. unterfertigt; Notar dagegen nennt ihn PA. in H. 29, 31, 41 und regelmässig PB. :i 1 Reichskanzler 2, 8. 2 Vorsichtig drücken sich sowohl Dümmler Otto 67 und 544, als Waitz Verf. Gesch. 6, 278 aus. Doch neigt auch letzterer der Ansicht zu, dass die Kanzlei erst mit der Zeit eine festere Gestalt angenommen habe und dass erst seit Otto III. es im deutschen Reiche regelmässig nur einen Kanzler gegeben habe. 3 Die Titulaturen in den Noten kommen deshalb nicht in Betracht, weil vor wie nach Poppo eine Note für cancellarius nicht bekannt gewesen ist, sondern von allen Schreibern ohne Ausnahme nur das Zeichen tür notarius gesetzt wird. 716 Sickel. Folglich , wollte man sich lediglich an die Titulaturen halten, so könnte man Poppo bis zum Jahre 936 als Simon gleich gestellt betrachten und die Vacanz des Kanzlerpostens noch fortdauern lassen. Aber dies hiesse das eine Moment weit überschätzen. Dass auch ein wirklicher Kanzler ver- einzelt Notar genannt wurde, sahen wir schon bei Salomon. Dass es in den Jahren 931 — 936 häufiger geschah, könnte allenfalls damit zusammenhängen, dass man sich unter Simon mehr an den Notartitel gewöhnt hatte. Den Ausschlag gibt doch, was wir sonst von Poppo und seiner Stellung in der Kanzlei wissen. Gleich nach seinem Eintritt ist er ganz im Gegensatz zu Simon vorgegangen. Die vielen auf H. 28 fol- genden Diplome, die noch als Archetype vorliegen, weise ich sämmtlich, wie schon gesagt, bestimmten Personen zu, mit deren keiner der Kanzler identisch sein kann. Also muss ich jetzt noch entschiedener als früher ' die Annahme, dass Poppo sich am Schreibgeschäft betheiligt habe, zurückweisen. Höch- stens könnte das erste von ihm recognoscirte Diplom H. 28 ihm als Schreiber beigelegt werden, Avas bei dessen Beschaffen- heit (S. 712) erst recht beweisen würde, dass gerade dem Chef der Kanzlei nicht allein die Fertigkeit zu schreiben abgegangen, sondern auch die Vertrautheit mit den herkömmlichen Formeln. Nicht so bestimmt kann ich in Abrede stellen, dass Poppo an der Conceptarbeit theilgenommen, weil sich in dieser Hinsicht überhaupt ein stricter Beweis nicht führen lässt. Aber auch hier kann sein Antheil ein nur geringer gewesen sein. Er- scheint er somit fast nur als Leiter der Geschäfte, so folgere ich daraus, dass er schon unter Heinrich dieselbe Stellung eingenommen hat wie unter Otto. Unter diesem wird Poppo nie mehr Notar genannt. PA. der überhaupt mit Absicht die Titel vermeidet, 2 legt in den letzten Jahren auch dem Re- cognoscenten Poppo keinen Titel bei. Früher aber nennt er ihn cancellarius, wie das PB. und PC. seit 936 regelmässig thun. Ja in den an seiner Statt recognoscirten St. 83 und 90 wird er zum archi cancellarius gemacht. Und dass überhaupt zwei verschiedene Notare advicem Popponis recognosciren, gibt 1 Neues Archiv 1, 459. 2 Auch die Erzkapellane führt er zumeist nur mit den Namen ein. Beiträge rar Diplomatie VII. 71 < vollends den Ausschlag und behebt jeden Zweifel an der Kanzlerschaft des späteren Bisehofs von Wirzburg. Mit Adaltag dagegen steht es so. Seinem Geburtsstandr nach konnte er unzweifelhaft zum Kanzler emporsteigen. Aber dass ihm das gelung*en sei, lässt sich nicht erweisen. Kr heisst allerdings in St. 56 und 63 cancellarius, dagegen in St. 57, 58, 62 (und damit sind die Erwähnungen desselben in den Recognitionen erschöpft) notarius. Dass nicht ein Mal an seiner Statt recognoscirt worden ist, will ich nicht betonen, da er nur so kurze Zeit der Kanzlei angehört hat. Dagegen ist zu be- achten, dass zwischen den angeführten Präcepten wiederum zwei (St. 59 und 60) mit Poppo als Recognosccnten stehen. Fanden wir nun bisher eigentliche Coordination nur bei No- taren, ist die aber dadurch ausgeschlossen, dass Poppo un- zweifelhaft Kanzler war, so können wir Adaltag nur als Titular- kanzler oder Notar, d. h. als dem Kanzler Poppo subordinirt betrachten. Und das scheint mir durch die wenn auch nur auf einem Versehen beruhende Nennung von Poppo in den Noten von St. 56 vollends erwiesen: Adaltag- recognoscirt und, wie ich glaube, unterfertigt auch selbst; aber als es zur letzten Vollziehung des Diploms kommt, ist Poppo entweder anwesend oder es wird seiner doch gedacht. Ein Günstling des Hofes ■ mag Adaltag in den ersten Monaten am häufigsten direct den Befehl zur Beurkundung erhalten haben und nach früherem, hier zum letzten Male wiederkehrenden Brauche Hess er dann die Präcepte unterfertigen mit Adeltag advicem llildiperti (oder Rotperti); der Kanzler Poppo blieb dabei, den einen Fall aus- genommen, aus dem Spiele, wurde aber auch nicht in Beinen Rechten gekränkt. So erklärt fügen sich auch diese Sub- scriptionen in die Normen, welche, wie ich gezeigt zu halten meine, sich aus den Verhältnissen entwickelt und lange 1' stand hatten, während wir, sobald wir Adaltag zum Kanzler neben Poppo machen, ohne zwingenden Grund eine Abweichung von einer sicher erkennbaren und überdies sehr verständig« n Ordnung der Dinge annehmen würden. Es erübrigt mir die Grenze zwischen Poppo und seinem Nachfolger Bruno genau und mit Rücksicht auf einzelne 1 Dümmler Otto f>7. 718 Sickel. Urkunden festzustellen. Während des Zuges Ottos nach dem Westen des Reiches ' wird Brun von Utrecht aus, wo er er- zogen worden war, zu den Seinen zurückgekehrt sein. Dazu passt, dass er als Recognoscent zuerst in dem am 25. Sep- tember 940 in Corvei ausgestellten Diplom St. 92 genannt wird. Meiner Berechnung nach schliessen sich die nächsten Präcepte in folgender Reihe an: St. 102 ist am 7. Januar 941 zu Dalheim ertheilt, St. 95 am 23. April 941 (Magdeburg), St. 96 am 30. Mai 941 zu Ingelheim, und damit beginnt die ununterbrochene Reihe der in Bruns Namen unterfertigten Urkunden. 2 Hat also Brun nach St. 92 das Kanzleramt bereits im Herbst 940 angetreten, 3 so ist doch noch die eine Urkunde St. 95, deren sämmtliche Zeitmerkmale den 23. April 941 er- geben, von dem Vorgänger Poppo recognoscirt worden. So auffallend das erscheint, so wird uns doch durch die äusseren Merkmale des Originaldiploms St. 95 eine genügende Erklärung geboten. Die Urkunde erweist sich nämlich als in mindestens drei Absätzen entstanden. Zuerst war das Pergament mit der Unterschrift des Königs und mit dem Namen des Recognos- centen Poppo versehen worden. In zweiter Linie wurde der Context geschrieben. Weiter wurde zu Poppo hinzugefügt ad- viceni Friderici recognovi nebst dem Recognitionszeichen und zugleich gesiegelt. Nicht so sicher lässt sich erkennen, wann die Datirungszeile geschrieben ist und ob das in einem Tage geschehen ist oder nicht. Untere Ausläufer des Recognitions- zeichens liegen auf Buchstaben der letzten Zeile auf, sind also später gezeichnet. Das entscheidet aber noch nicht über den Moment der Eintragung der Zahlzeichen. Von diesen sind augenscheinlich XIII (nämlich für die Indiction) und V (für die anni regni) gleichzeitig mit den Worten der ganzen For- mel geschrieben, und so wird man das gleiche wohl auch für 1 Dümmler 105. 2 St. 93 kommt als Fälschung nicht in Betracht. St. 94 versetze ich zum 10. Januar 942. Im übrigen ordne ich die Diplome ebenso wie Stumpf. :< An sich wäre allerdings durch den Zusatz cancellarius in St. 92 und 94 noch nicht ausgeschlossen, dass Brun in beiden Fällen nach der zuletzt von Adaltag gebrauchten Formel N. adv. A. recognoscirt hätte; aber eine Unterordnung des königlichen Prinzen als Notar unter den Kanzler Poppo scheint mir undenkbar. licitrii^'o zur Diplomatie VII. < 11) DCCCCXLI annehmen dürfen, obgleich hier eine Correctur stattgefunden hat, indem der Schreiber ursprünglich nach den Hunderten XXX gesetzt hat und erst durch Correctur das richtige XLI erzielt hat. Ich glaube diesem Schriftbefunde fol- gende Deutung geben zu müssen. Iussus war in diesem Falle Poppo und dem entsprechend nahm sein Amanuensis Poppo A ein Pergamentblatt, auf dem unter andern der Name des Recognos- centen schon vorgeschrieben war. Der Name des Erzkapellans war dabei noch nicht genannt, so dass je nach den Umständen auch Rodbertus statt Fridericus gesetzt werden konnte, über- halb der unteren zuerst entstandenen Schriftzeilen wurde der Context mundirt und zwar offenbar zu einer Zeit, da, wovon ich gleich noch reden werde, bereits ein neuer Dictator in die Kanzlei eingetreten war. ' Dann mag aus irgend welchen Gründen die Unterfertigung sich noch hinausgezogen haben, kurz diese erfolgte erst im April 941, aber notwendiger Weise im Namen und nach der Art des schon vorher genannten Recognoscenten, daher auch durch dessen Schreiber. Denn auch nachdem Brun an die Stelle von Poppo getreten war, lag diesem die Voll- ziehung der Stücke ob, welche er anzufertigen den Befehl erhalten und auch bereits begonnen hatte. Natürlich drängt sich nun die Frage auf, wie sich unter solchen Umständen actum und datum zu einander verhalten. Die Handlung wird in Magdeburg, wir erfahren nicht wann? stattgefunden haben. Die Zeitangaben werden nur auf die Ausfertigung bezogen werden dürfen. Damit wird auch das Bedenken behoben, das sich Dümmler (S. 118) aufgedrängt hatte. Was Widukind 2. .".1 von der Bestrafung der in Quedlinburg entlarvten Verschwörer erzählt, braucht nicht nach Magdeburg verlegt zu werden, sondern kann sich noch in Quedlinburg abgespielt haben. Zur Geschichte Poppos erhalten wir somit folgende Aufschlüs Er hat das Kanzleramt an den Bruder des Königs abtreten müssen, ehe ihm ein Bischofsstuhl angewiesen wurde; aber dass er bereits die bischöflichen Weihen empfangen, nachdem ihm das erledigte Bisthum Würzburg verliehen worden war, - 1 PA. hat also das Stück nach einem Concept geschrieben, aber wir «las damals häufig war, nach einem unvollständigen Concepte, das er ersl durch die ihm eigenthümliche Corroborationsformel ergän - Ich halte mich an die Daten in Dümmler 111t, Anm. .">. 720 Sickel. hat nicht der Abwicklung- der Kanzleigeschäfte durch ihn im Wege gestanden. Uebrigens war das niedere Personal der Kanzlei, noch ehe diese Brun übertragen wurde, zum Theil erneuert worden. Schon in St. 70 und 71 vom 21. September 937 taucht ein neuer Dictator auf. Von letzterer Urkunde sind zwei Original- ausfertigungen auf uns gekommen: die eine jetzt in Berlin von Poppo A geschrieben, die andere dagegen jetzt in Magde- burg von der Hand eines gewissen Hoholt, eines Notars welcher unter Brun sehr häufig begegnet. Dieses Hoholt Handschrift lässt sich allerdings heutzutage, abgesehen von St. 71, erst in einem Originaldiplom vom Jahre 943 (St. 110) nachweisen. Aber wer mit seinen stilistischen Besonderheiten vertraut ist, wird mehr als ein jetzt nur in Copie vorliegendes Präcept der unmittelbar vorausgehenden Jahre ihm als Schreiber beilegen müssen, so schon das erste von Brun recognoscirte St. 92. Somit könnte er auch bereits 937 in der Kanzlei an St. 71 mitgearbeitet haben; nur lässt sich nicht erweisen, dass das zweite Exemplar von St. 71 zu gleicher Zeit mit dem ersten angefertigt worden ist. Lassen sich nun über Hoholts Herkunft höchstens Vermuthungen aufstellen, so hat unzweifelhaft der Dictator von St. 70 und 71 nähere Beziehungen zu Magdeburg und zu St. Maximin in Trier gehabt. Damit hängt zusammen, dass auch St. 88 für letztgenanntes Kloster und zwar noch von Poppo unterfertigt sehr verwandter Fassung ist, so dass also schon unter diesem Kanzler neue Dictatoren aus Lothringen und in Hoholt vielleicht auch ein neuer Ingrossist in das Amt eingetreten sind, und zwar Männer, welche dann unter Brun fortdienen, während das Personal, welches einst durch Poppo herangezogen worden war, mit ihm von der Bühne verschwindet. Drängt sich hier die Frage auf, ob wir die weiteren Per- sonalveränderungen in der Kanzlei dem neuen Vorsteher zu- schreiben sollen oder nicht, so müssen wir uns darüber klar zu werden suchen, weshalb er selbst zum Kanzler eingesetzt worden sein mag. Vor allem wird der Umstand beachtet werden müssen, dass Bruno damals höchstens sechzehn Jahre alt war und überdies fern vom Hofe gelebt hatte. Wie hoch man also seine Begabung und die Bildung, welche er sich bis dahin angeeignet hatte, anschlagen möge, soll ein so junger Herr wohl Beiträge znr Diplomutik VII. i'J\ berufen erachtet und berufen gewesen sein, einen besonderen und, wie mau gemeint hat, reformirenden Einfluss auf die Besetzung der Stellen und auf die Führung der Geschäfte der Kanzlei auszuüben? Die Ernennung Bruns zum Kanzler lässt sich besser erklären. Dem Prinzen geistlichen Standes liess sich kaum eine passendere Stellung als diese bei Hofe be- reiten. Um dem Amte in der Weise vorzustehen, wie es Salomon und Poppo gethan hatten, bedurfte es keiner be- sondern Vorkenntnisse und Fertigkeiten. Es kam vielmehr darauf an, dem Könige volle Bürgschaft zu bieten und sein Vertrauen zu gemessen. Endlich mochte dem König durch die damalige Haltung der Erzkapcllane, auf die ich noch zu sprechen komme, nahe gelegt sein, das Kanzleramt den Händen einer besonders hochgeborenen und angesehenen Person anzuver- trauen. In all diesen Beziehungen war des Königs Bruder wie kein anderer zu dem Posten geeignet. Wenn aber Brun selbst um seiner Jugend und seines Vorlebens wegen erst in die Geschäfte eingeführt werden musste, so wird nicht er das neue Bureau zusammengesetzt haben, sondern wohl die, welche be- reits im Laufe des Jahres 940 neue Arbeitskräfte herangezogen hatten, d. h. momentan bei Hofe massgebende Persönlich- keiten, die möglicher Weise auch auf die Ernennung Bruna eingewirkt hatten. Die Kanzleiperiode Bruns zerfällt gleich der des Vor- gängers Poppo in zwei Abschnitte. Bis zum Aufbruch Ottos nach Italien im Jahre 951 wird nämlich Brun in allen Di- plomen als Recognoscent genannt und zwar mit dem Titel cancellarius. > Einzelne Subscribenten führen ihn nach altem Brauch durch die Sigle B auch im Unterschriftszeichen noch- mals als Recognoscenten an. Indem er so ganz ausschliesslich für die Vollziehung der Befehle des Königs einsteht, müssen wir fragen, ob er durch eilf Jahre hindurch ununterbrochen in der Umgebung des Königs geweilt oder ob er gleich Salomon auch in Fällen der Abwesenheit seinen Kamen zur Recognitioii Dass die Recognitioii von St. '.i i nicht so lautet, wie in den bisherigen Drucken angegeben war, auf die sich noch Waitz Verf. Gesch. 6, 285 stützen musste, hat bereits Stampf Wirzb. Immunitäten 1. 11 bemerkt Dass die obiger Annahme im Wege stehenden St. 153, 178, 191 in spätere Jalire zu versetzen sind, wird Bich ans dem Folgenden ergeben. 722 Sickel. hergegeben hat. Letzteres wäre ziemlich erwiesen, wenn wir mit Stumpf eine zu Frankfurt ausgestellte Urkunde für Reichenau (St. 152) zum 28. November 947 setzen müssten, denn Brun wird uns ausdrücklich als Theilnehmer einer am 17. November 947 zu Verdun eröffneten Synode genannt. 1 Aber in der Da- tirung ist das Incarnationsjahr mit 947 offenbar, wie auch damals schon in einigen andern Diplomen, falsch angesetzt und nach dem eilften Regierungsjahre ist das Stück in den November 946 einzureihen. 2 Und da andere hier verwerthbare Daten nicht zu Gebote stehen, muss jene Frage unbeantwortet bleiben. Was den zweiten Abschnitt der Kanzleiperiode charakte- risirt, will ich hier nur vorläufig angeben. Seit dem Aufenthalt in Italien wechselt die Art der Recognition C. adv. A. noch- mals mit der andern N. adv. C. ab, so dass wir wiederum von dem einen und andern mit der Recognition betrauten Notar den Namen kennen lernen. Sich selbst bezeichnen diese Re- cognoscenten nach 951 bald mit notarius, bald mit cancella- rius. Letzterem entsprechend legen sie Brun in den Fällen der Anwendung von N. adv. C. den Titel archicancellarius oder selbst archicapellanus bei. Um dieser Unterschiede willen thun wir gut, .uns auch bei der näheren Betrachtung der Subscriptionen zunächst auf die Zeit bis 951 zu beschränken. In ganz auffallender Weise mehrt sich hier die Zahl der mit der Unterfertigung betrauten Männer. Dass sich Brun selbst dazu herabgelassen habe, glaube ich von vorhinein als durchaus unwahrscheinlich ausschliessen zu dürfen, nachdem wir gesehen haben, dass seine beiden Vorgänger im Kanzleramt, ja selbst Notare wie Udalfrid, es regelmässig den Ingrossisten überliessen, Recognitionsformel und Zeichen zu liefern. Ich lege also sämmtliche Subscriptionen den Untergebenen des Kanzlers bei, und da vermag ich als zu diesem Geschäft häufiger verwendet von 941 bis 951 sieben Personen zu unterscheiden. Das erste Vorkommen von Brun A 1 Dümmler 158. 2 St. 152 liegt noch in zwei von Hoholt geschriebenen Ausfertigungen vor, deren eine mit Siegel versehen ist, die andere aber nie gesiegelt war. In beiden lautet die Datirung durchaus gleich und zwar unvollständig, indem die Indiction nicht angegeben ist. Beiträge zur Diplomatik VII. }>po gleichfalls vorübergehend, d. h. in St. 83 als Recognoscent und Subscribent und in St. 84 als Subscribent auftritt. Aber Bchon 1 l'eber die Datiruug s. Beitr. zur Diplomatik 6, 137. Sitzungsber. .1. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. IV. Hit. IT 724 Sickel. das begründet einen Unterschied, dass der Fall unter Poppo vereinzelt dasteht, während unter Bruno durch einige Jahre hindurch fast das ganze Geschäft solchen nichtständigen No- taren überlassen wurde. Ferner, während Notker sich auf die ihm anvertraute Arbeit so gut wie die anderen damals in der Kanzlei thätigen Notare verstand, lassen die Leistungen jener unter Bruno auftretenden Männer sehr viel zu wünschen übrig. Man mag die Schrift der betreffenden Originaldiplome ins Auge fassen oder die Dictamina oder die Protokollformeln oder die Zählungsweise der Jahresmerkmale, so muss man zweifeln, ob diese Männer gelernte und geschulte Notare sind, ob sie mit der Tradition vertraut sind und sich an das Her- kommen binden wollen. Durch sie ist das Urkundenwesen geradezu in Unordnung gebracht worden. Indem einige von ihnen unter Liudolf wieder auftreten, indem dann Männer gleichen Schlages zur Kanzleiarbeit zugezogen werden, reisst immer grössere Willkür und Nachlässigkeit ein, wie ich das schon an anderem Orte gezeigt habe. ' So verhält es sich in Wirklichkeit mit den angeblichen Verdiensten Bruns um die Kanzlei. Unter all den seit 948 von Brun bestellten Notaren macht nur Otbert eine vortheilhafte Ausnahme. Von seinem ersten Auftreten an legte er Proben seiner Kenntnisse und Fertigkeiten ab, und das mag man wenigstens noch zu schätzen gewusst haben, indem man ihn später zum ständigen Mitglied der Kanzlei machte. Ich habe schon früher 2 Otbert und seine Genossen unter Liudolf als Lothringer bezeichnet. Hier trage ich nach, dass ich auch Brun C, D, E, F demselben Kreise zurechne. Dass sie unter einander in Verbindung stehen, geht schon daraus hervor, dass mehrfach je zwei derselben, wie obige Zusammenstellung lehrt, an demselben Präcept gearbeitet haben. Es werden Mönche gewesen sein, die entweder aus Lothringen nach Magdeburg gekommen waren oder doch in das S. Morizkloster eingetreten, dort ge- lernt hatten, Mönche die dem Könige aufwarteten, wenn er in die Nähe von Magdeburg kam, und ihm dann etwa auch einmal bis nach Franken oder Westfalen folgten, aber immer 1 In den Beitr. zur Dipl. 0. 2 Beitr. zur Dipl. 6, 367 ff. Beitrüge zur Diplomatik VII. 725 nur nach Gelegenheit zu den Kanzleigeschäfterr herbeigezogen wurden. Hier sei des weiteren bemerkt, dass auch für die Zeit bis 951 mit den sieben zuvor aufgezählten Männern die Zahl der Subscribenten nicht einmal erschöpft ist. Denn neben den wenn auch kleinen Urkundengruppen, welche je einem bestimmten Schreiber zuzuweisen sind, gibt es noch mehrere Urkunden, welche alle Merkmale der Originalität an sich tragen, aber von Händen geschrieben sind, die sich in dem Vorratb der auf uns gekommenen Schriftstücke nicht ein zweites Mal fiuden. Steht nun fest, dass man sich unter Brun und seinen nächsten Nachfolgern, ohne die Befähigung zu prüfen, der ersten besten Schreiber bedient und ihnen auch die Unterfertigung überlassen hat, so entfällt jeder Grund, Urkunden von unzweifelhaft zeit- gemässer Schrift nur deshalb die Genuinität abzusprechen, weil sich die specielle Handschrift nicht durch zweite Exemplare belegen lässt. In dieser Hinsicht will ich besonders auf das in Wallhausen am 28. Juli 951, also unmittelbar vor dem Aufbruch des Königs ausgestellte St. 194 verweisen, das den graphischen Kennzeichen nach vereinzelt dasteht und doch unanfechtbar ist: auch hier wird ein gerade anwesender Mann mit dem Schreiben und Unterfertigen betraut worden sein. ' Mit dem Aufbruch des Königs nach Italien beginnt der zweite Abschnitt der Kanzleiperiode Bruns. Bezeichnend für ihn ist eine Thatsache, die sich aus der näheren Betrachtung der aus zwölf Monaten vorliegenden Urkunden ergibt. Weder 1 Unmittelbar an St. 194 ist die echte Vorlage einzureihen, welche dem allerdings interpolirten St. 214 zu Grunde liegt. K< ist bezeichnend für die bisherige Art Diplome zu beurtheilen, dass mau am des Namens Walpert Löwenberger willen und ohne sich der Blühe weiterer Unter suchung zu unterziehen, diese Urkunde verworfen hat. Sic wird einer- seits durch ihre Uebereinstimmung mit St. 194 und andererseits durch die Abweichungen von St. 194 gestützt. Bestände nur die erstere, so könnte man eine Benutzung von St. 194 für die Fälschung St. 214 an- nehmen. Aber dass St. 214 daneben Kennzeichen besonderer Art trägt, welche St. 194 abgehen, dagegen in anderen Diplomen dieser Zeil vor- kommen, lässt sich, wenn man nicht den Fälschern die Ehre anthuu will, sie als perfecte Diplomatiker zu betrachten, nicht anders erklären als dass das jetzt verunstaltete St. 214 auf eine echte Kanzleiansferti- gung zurückzuführen ist. 47* 726 Sickel. Hoholt noch Otbert, welche wir als die einzigen geschulten und ständigen Mitglieder der Kanzlei im Jahre 951 kennen lernten, können sich im Gefolge des Königs und Kanzlers befunden haben ; wenigstens verräth nicht eine der zwischen dem August 951 und dem August 952 ausgestellten Urkunden den geringsten Arbeitsantheil dieser beiden Männer. Dagegen muss der eine und andere der übrigen zuvor angeführten Männer mit über die Alpen gezogen und für die Kanzleiarbeit verwendet worden sein. Allerdings vermag ich keinen derselben als Ingrossisten oder Subscribenten in den noch erhaltenen Ori- ginaldiplonicn nachzuweisen. Aber möglicher Weise haben sie vereinzelt als 1-Jecugnosccnten fungirt. Und sicher haben sie auf die Abfassung einiger Stücke Einfluss genommen. Es ist, das darzuthun und überhaupt eine rechte Vorstellung von der damaligen Geschäftsführung und dem häufigen Wechsel in derselben zu geben, unumgänglich, sämmtliche Diplome dieser Zeit aufzuzählen und im einzelnen zu kennzeichnen. Die Thatsache selbst legt uns aber ihre Deutung nahe. Indem der König auf Widerstand gefasst war und sich zum Kriege gerüstet hatte, ' mag man der Kanzlei entbehren zu können ge- meint haben; desungeachtet konnten sich Magdeburger Mönche im Gefolge Bruns befinden. Da es dann doch Arbeit für die Kanzlei gab, wurden in erster Linie sie verwendet, wurden aber zugleich, wie wir sehen werden, an Ort und Stelle neue Kräfte gewonnen. In Pavia wurde am 23. September 951 einem Vasallen des Herzogs Heinrich St. 195 ertheilt. In der auf uns ge- kommenen Copie ist die Subscription unterdrückt worden. Für den Context ist eine damals sehr verbreitete Formel verwerthet worden. 2 Anomal lautet dagegen die Datirung. Aber gerade diese Besonderheit wiederholt sich in mehreren Diplomen des- selben Jahres, und wenn wir nun beachten, dass mehrere der neben Hoholt, Brun B und Otbert begegnenden Subscribenten das Protokoll ziemlich frei behandeln und dass unter anderen Brun C die Datirungsformel fast in jedem Präcept anders 1 Dümmler 194. 2 Charakteristisch ist nur der Schlusssatz: iussimus quoque hoc preeeptum inde scribi subtusque manu propria roboratum bulla nostra sigillari. Höchstens bulla lässt da auf italischen Einfluss schliessen. Beiträge zur Diplomatilc vn. 727 gestaltet, so würde eben die Anwesenheit des einen und andern dieser Notare die wiederholten Abweichungen von den strengen Kanzleinormen genügend erklären. Ich schalte hier ein, dass von einer Zweitheilung der Kanzlei, je nachdem für das Reich im bisherigen Umfange oder für das eben eroberte italienische Gebiet zu Urkunden war, damals noch nicht ernstlich die Rede gewesen sein kann. ' Doch lag es nahe, besonders wenn der Kanzler seine stündigen Notare nicht zur Hand hatte, auch Wälsche zur Arbeit heran- zuziehen, und zumal da, wo für Angehörige Italiens Präcepte auszustellen und dortige Verhältnisse und Bräuche etwa zu berücksichtigen waren. So ist man offenbar bei Anfertigung von St. 196 für einen Geistlichen in Vercelli vorgegangen. Es wurde nicht allein advicem Bruningi '-' recognoscirt, welcher in den letzten fünf Jahren das Erzkanzleramt in Italien bekleidet hatte, 3 sondern es wurde auch als Schreiber und Subscribent ein Mann verwendet, der gleichfalls der Kanzlei der einheimi- schen Könige angehört hatte. 4 Ja Brun hat gleich darauf einen Italiener zum ständigen Mitglied der Kanzlei gemacht, nämlich Wigfrid, von dem die Originalurkunden St. 199, 200, 203, 208 — 210 geschrieben sind, dessen Einwirkung auf die uns abschriftlich überlieferten St. 198, 202, 204—207 unverkennbar ist, dem die Recognition von St. 200, 202— 20G, 208—210 über- lassen wurde.5 Schrift, Sprache und Orthographie verrathen den Wälschen. fi Auch an Uebung hat es ihm nicht gefehlt, so dass wir ihn als im Kanzleidienst aufgewachsen betrachten müssen. Brun ist also, da man sich beim Aufbruch nach Italien nicht genügend vorgesehen hatte, darauf bedacht gewesen, für 1 Vgl. Stampf Wirzb. Immunitäten 1, 33, Anm. 56. — Ich werde später den im Jahre 951 beobachteten Vorgang mit dem des Jahres 962 ver- gleichen. 2 Vollständig- lautet die Unterschrift: Brun cancellarius advicem Brunigigi episcopi et archicancellarii. 3 Dümmler 140. 1 Unter andern ist das Diplom vom 13. November 943 für 'Ins Kloster rlea h. Eusebius (Original in Vercelli, gedruckt in Hist. patriae Mon., DD. 1. 152 n° 91) von gleicher Hand wie St. 196. 5 In St. \'.*s. 199, 2<>7 ist Brun als Recognoscenl genannt. p Die Ausführung behalte ich mir für die nächste Abhandlung vor, in der ich dann auch näher auf die Herkunft dieses Notais eingehen werde. 728 Sickel. mehr normale Besorgung der Geschäfte einen geschäftskundigen Mann zu gewinnen. Demselben wurde aber erst mit der Zeit freie Hand gelassen. Auf das Protokoll und die Fassung von St. 198 nämlich, das ebenfalls der Sprachformen wegen Wigfrid beigelegt werden muss, haben ersichtlicher Weise die deutschen Begleiter des Kanzlers noch Einfluss genommen, insbesondere wohl Brun F; dessen Elaborat St. 180 manches Kennzeichen mit St. 198 gemein hat. Desgleichen ist Wigfrid für St. 202 das Concept geliefert, wahrscheinlich ganz vollständig, da die Datirung wiederum an St. 195 erinnert. Die übrigen Diplome dagegen sind, wenn auch das eine und andere sich an Vor- urkunden anschliesst, von Anfang bis Ende Wigfrids Werk. Indem Wigfrid den König zwar nach Deutschland be- gleitete, aber bald in seine Heimath zurückkehrte, wo wir ihn nach vielen Jahren nochmals als Subscribenten von St. 346 antreffen, fehlte es der Kanzlei wieder an den rechten Arbeits- kräften. Das wird ganz klar, wenn man die nächstfolgenden Präcepte überblickt und so weit als möglich die Dictatoren, Subscribenten und Recognoscenten derselben feststellt, nämlich, wie ich sie anordne, St. 224, 212, 225, 226, 213, 178, 216. In einer einzigen Urkunde dieser Reihe, in St. 213, ' wird der Kanzler selbst als Recognoscent genannt. Dagegen hat an seiner Statt jener Liudolf, der dem königlichen Hause verwandt war, einige Male als Hofkapellan genannt wird, später Bruno als Kanzler nachfolgte, St. 224, 225, 226 recognoscirt. Gleich- falls an Bruns Statt beglaubigte Abraham notarius St. 212, Enno notarius St. 178, endlich Haolt cancellarius St. 216. 2 1 Inhaltlich allerdings eine Fälschung-, für welche aber eine entschieden echte Urkunde benutzt worden ist: dieser ist nicht allein das Protokoll entnommen, sondern auch der Satz : quocirca — succedentium, welcher mit St. 178 übereinstimmt. 2 Dass ich St. 224, 225, 226 abweichend von Stumpf zum Jahre 952 ein- reihe, vermag ich liier nicht zu begründen, da ich sonst auf alle Fragen der Datirung eingehen miisste. Dagegen kann ich über die Datirung von St. 178 (nämlich zu 952 Juli 4) gleich Rechenschaft geben. Um der Art der Recognition willen setze ich dies Stück nach dem Jahre 951 und, da gerade annus regni XVI am besten bezeugt ist, zu 952. — Ficker Beiträge 2, 170 hält Haolt in St. 216 für identisch mit Hoholt und nimmt an, dass der Notar Hoholt das Concept unterfertigt habe und demzufolge auch in der Reinschrift, wenn auch in anderer Namensform angeführt . Beitrage zur Diplomatie VII. 729 Also ein fast ununterbrochener Wechsel. ' Ebenso wechseln in diesen Monaten, soweit wir nach den Originalen artheilen können, - die Schreiber, deren ich mindestens drei zu unter- scheiden vermag. Des weitern sind die Contexte dieser sieben Urkunden sehr mannigfaltig ausgefallen und auch die Proto- kolle weisen allerlei Abweichungen von den Normen auf. Dabei erinnert die Ungebundenheit in Bezug auf die Titulatur des Königs und betreffs der Datirung wiederum an die Männer, welche vor 951 neben Hoholt und Brun B dann und wann an der Kanzleiarbeit theilnahmen, und insbesondere wiederholt sich in St. 212 und 178 die gleiche Umstellung der Zeitmerk- male wie in St. 195, 202 oder wie in den von Brun F subscribirten Urkunden. Kurz, bis in den Augusl 952 hinein vermisse ich (von Wigfrid abgesehen) das ordentliche und ge- schulte Personal der Kanzlei, die Stetigkeit in der Anfertigung der Diplome und in der Vollziehung derselben durch Kecogni- tion, die Kenntniss oder doch die Beobachtung der herkömm- lichen Normen. Und daraus folgere ich, dass das ständige Personal der Kanzlei, wie es im Herbst 951 daheim geblieben ist, sich auch nicht sofort nach der Rückkehr des Königs auf deutschen Boden wieder bei Hofe eingefunden hat. Erst indem Otbert und Hoholt von neuem zur Arbeit herangezogen wurden, kam wieder Ordnung in die Geschäfts- führung. Jener schrieb St. 217 — 219 und recognoscirte im eigenen Namen St. 217 und 21!», während er das dritte Diplom für Brun als Recognoscenten unterfertigte. Es folgen darauf St. 232, 153, 191, an deren Entstehung Hoholt mehrfach wurden sei. Aber an sich ist, worauf ich hei anderer Gelegenheit zurück- kommen werde. Fickers Hypothese von der Unterfertigung der Com-, durch die Recognoscenten nicht baltbar. Andererseits erklärt gerad. der oben dargelegte Sachverhalt zur Geniige, dass in dieser Zeit gewi Recognoscenten nur ein Mal vorkommen. 1 Nur etwas besser würde es mit der Besetzum; der Kanzlei stehen, wenn etwa, worüber bei der Beschaffenheit des Materials keine Gewissheit zu erzielen ist, in Abraham, Enno, Haolt die Namen der Männer stecken sollten, die ich zuvor mit Brun C u. s. w. bezeichnen musste. '-' Indem der modernen Copie von St 213 ein Facsimile des angeblichen Originals beigefügt ist, kann ich auch von letztem) sagen, dass bei An- fertigung desselben ein Präcept von der Hand des lngrossiaten von St. _'_'! als Schreibverlage gedient haben muss. 730 - Sickel. betheiligt ist, denn St. 153 und 191 hat er selbst recognoscirt und St. 232, von Brun recognoscirt, hat er in Gemeinschaft mit Brun C geschrieben. l Endlich schliessen sich St. 221 — 223 an, in denen wiederum der Kanzler selbst als Recognoscent auftritt. Indem die Schrift von St. 221 an die von St. 226 und die Schrift von St. 223 an die von 224 erinnert, ersehen wir, dass neben oder unter Otbert und Hoholt auch Schreiber, die sich im Jahre 952 nachweisen lassen, in Thätigkeit ge- blieben sind. Ich habe bisher St. 222 vom 21. April 953 (denn St. 223 ist ohne Tages- und Monatsbezeichnung, wird aber um des ge- meinsamen Ausstellungsortes Quedlinburg willen an St. 222 anzureihen sein) als das letzte Diplom aus der Kanzleiperiode Bruns aufgeführt, der es als von Brun cancellarius advicem Rothberti archicapellani recognoscirt sicher noch angehört. Ob wir diese Periode noch weiter zu erstrecken haben oder nicht, lässt sich erst entscheiden, wenn wir den relativen Werth der damals üblichen Titulaturen festgestellt haben. Wir sahen schon, dass Brun in den Jahren 941 — 951 alle Diplome in seinem Namen unterfertigen Hess. Es geschah aber regelmässig advicem illius, d. h. anstatt eines der Erz- bischöfe von Mainz, Trier, Köln oder Salzburg, als der Nach- folger der Männer, welche in vergangenen Zeiten oberste Leiter der Kanzlei gewesen waren. Gleiche Ehre wurde, als für Italien geurkundet wurde, erst dem Bischof Bruning von Asti in St. 196 (archicancellarius) zu Theil, dann dem Erzbischof Mannasse von Mailand (in St. 199 archicapellanus, in St. 207 archicancellarius) ; daneben steht aber auch das Diplom für die Veroneser Geistlichkeit St. 198 mit advicem Frithurici archicapellani. Zwischen Erzkanzler und Erzkapellan ist offen- bar mit der Zeit nicht mehr geschieden worden oder besser 1 Das Original von St. 153 ist datirt: kal. ian. anno domini DCCCCLVIII, ind. VI, regnante pio rege Ottone anno XVII; actum Franconefurt etc. Hier ist DCCCCLVIII verschrieben statt DCCCCLIII. Die unrichtige Indiction kehrt in mehreren Diplomen dieser Zeit wieder. Richtig ist nur das Regierungsjahr. — Für St. 191 bieten die mehrfachen Ueber- lieferungen sehr verschiedene Zeitmerkmale, so dass ich es nur aus Wahrscheinlichkeitsgründen zum 13. Januar 953 einreihe. — Zu St. 232 vgl. meine Beitr. zur Diplomatik 6, 408 und Ficker Beiträge 2, 507. Beiträge zur Diplom atik VII. 7M1 gesagt: der erstere Titel ist von dem zweiten fast verdräng! worden. Wie wir sahen, begann dies schon unter Heinrich I. (H. 40). Unter Otto I. wurde der Trierer Erzbiseh.it' nur noch in St. 88 und der Kölner nur noch in St. 99 als arehieancel- larius aufgeführt. Dagegen wird auffallender \Y"ise Friedrich von Mainz, welcher früher fast ausnahmslos archicapellanus heisst, in sieben Diplomen Erzkanzler genannt. ' Trotzdem werden wir den Erzkapellan-Titel als damals vorherrschend bezeichnen dürfen. Danach werden wir auch die dem Kanzler Brun seit dem Jahre 951 beigelegten Bezeichnungen zu beurtheilcn haben. Von 29 Diplomen zwischen dem September 951 und dem April 953 weisen nämlich 19 die Recognitionsformel auf, welch, ich N. advicem C. nenne. In jedem dieser 19 Fälle wird nun, wie wir das schon zu Zeiten des Aspert und des Poppo fanden. Brun ein höherer als der Kanzlertitel gegeben: fünf Mal der eines Erzkanzlers und dreizehn Mal der eines Erzkapellans. 2 Dass kein besonderer Werth auf die eine oder die andere Benennung gelegt wurde, lehren die von demselben Wigfrid subscribirten Stücke. Dennoch würde, da von Liutward alt- gesehen noch gar kein Präcedenzfall vorlag, Brun wohl kaum so häufig Erzkapellan genannt worden sein, wenn sich dieser Titel nicht schon bei Erwähnung der Erzbischöfe so ein- gebürgert hätte. Wurde aber der Kanzler bei Unterfertigung Dach der Formel N. adv. C. regelmässig Erzkanzler oder Erzkapellan genannt, so konnten die wieder häutiger recognoscirenden No tare, denen zu jeder Zeit gelegentlich auch der Titel cancel- larius zugestanden war. sich desselben gleichfalls wieder be- dienen. Dies thaten jedesmal Wigfrid, Liudolf, Hoholt, Otbert und Haolt, so dass sich dazumal nur Abraham und Enno mit dem Titel notarius beschieden. Lautet demnach in St. 224, 1 Wahrscheinlich hing auch das ganz vom Beliehen des jeweiligen Schreibers ab. Unter den betreffenden Präcepten sind eines vom 17. November 942 (ineditum), sowie St. L16 und 150 von Brun B unter- schrieben und St. 130, 131 von Brun D. Dazu kommen St. 92 (viel- leicht von Hoholt geschrieben) und St. ltl Eingang von Brun 1'.. da- gegen das Eschatokoll ausserhalb der Kanzlei entstand 2 Ohne Titel in St. 210. 732 Sickel. "22b, 226 vom Jahre 952 die Recognition Liutuliüs cancellarius advicem Brunonis archicappellani, so unterscheidet sich die- selbe in keiner Weise von der in St. 228, 229 u. s. w., d. h. in Urkunden aus der Zeit da Liudolf zum wirklichen Kanzler und Bruno zum wirklichen Erzkapellan emporgestieg-en waren. Darin liegt die Schwierigkeit, die rechte Grenze zwischen der Kanzleiperiode Bruns und der Liudolfs zu ziehen. Dennoch haben bereits Stumpf und Dümmler ' das richtige getroffen. Indem Brun im Context von St. 227 vom 11. August 953 nur als dilectus frater noster bezeichnet wird, dagegen im Eingang von St. 228 vom 20. August als venerabilis archiepiscopus, haben wir seine Erhebung auf den Kölner Stuhl zwischen diese zwei Zeitpunkte zu setzen. Aller Wahrscheinlichkeit nach fällt aber mit dieser auch seine Erhebung zum Erzkapellan und die Bestallung Liudolfs als wirklichen Kanzlers zusammen, so dass St. 227 noch zur Kanzleipcriode Bruns zu rechnen und die des Nachfolgers Liudolf mit St. 228 zu beginnen ist. ■- egi Unmittelbar vor seinem Austritt aus der Kanzlei hat Brun für dieselbe noch eine neue Kraft gewonnen. Bekannt- lich wurde Brun in Köln gewählt, während sein Bruder Mainz belagerte. Von dort aus stattete er den Kölnern einen kurzen Besuch ab, um nochmals in das Lager von Mainz zurückzu- kehren. 2 Damals wird ihm in Köln ein gewisser Adalbertus bekannt geworden sein, welcher im Jahre 950 eine Urkunde des Erzbischofs Wicfrid von Köln vollzog, d. h. die Zeugen- reihe schrieb und dann in verlängerten Buchstaben hinzu- fügte: ego Adalbertus advicem Meinheri cancellarii recognovit. 3 Derselbe muss sich sofort Brun angeschlossen haben. Von dem- selben Notar sind nämlich St. 228 für Oeren und ein Theil von St. 229 für S. Maximin in Trier, beide vom 20. August 953, geschrieben, d. h. die ersten von dem neuen Kanzler Liudolf recognoscirten Urkunden. 4 Aber auch das nur ab- schriftlich erhaltene St. 227 hat mehrere Merkmale mit St. 228 1 Jahrbücher Otto I. 220. 2 Dümmler 220. 3 Original im Kölner Stadtarchiv, gedruckt in Ennen Quellen der Stadt Köln 1, 464 n° 2. 4 Deshalb habe ich ihn in Beitr. zur Dipl. 6, 362—370 mit Liutolf A bezeichnet. Beitrage zur Diplomatik VII. 733 und 229 gemein, so dass Adalbert auch an dessen Ausfertigung betheiligt erscheint. Ist das richtig, so trat er schon unter Brun in die Kanzlei ein. Blicken wir hier nochmals auf den Wechsel in den Arten der Recognition seit 919 zurück. Vacante cancellaria konnte in den Jahren 919 bis 930 nur nach der Formel N. adv. A. unterfertigt werden. Für 930 bis 936 wird man aus der ste- henden Art C. adv. A. schliessen dürfen, dass I'oppo stets bei dem König geweilt und dessen Befehle in Empfang ge- nommen hat, dass er sie dann zwar durch die Notare aus- führen Hess, aber diese gleich seinen Vorgängern nicht mehr als Recognoscenten fungiren lassen wollte. Wo möglich hat auch dieser Kanzler alle Verantwortung auf sich nehmen wollen. Aber unter Otto vermochte er das nicht durchzuführen. Zu Gunsten Adaltags wird noch einmal die Recognition N. adv. A. aufgenommen, um dann auf immer zu verschwinden. Doch auch N. adv. C. taucht vereinzelt, nämlich in St. 83 und 90, wieder auf. Da Poppo nach St. 84 vom 8. April 940 als bei Eofe an- wesend erscheint, kann die Recognition der Tags zuvor aus- gestellten Urkunde für S. Gallen durch Notker als blosse Ausnahme, als ein Notker oder seinem Kloster gemachtes Zu- geständniss betrachtet werden. Ob ähnliche besondere Um- stände die Unterfertigung von St. 90 durch Adalman bestimmt haben, lässt sich nicht ergründen. Immerhin stossen diese zwei Fälle die Annahme nicht um, dass Poppo nach wie vor 936 die Notare von der Recognition auszuschliessen gestrebt habe. Die gleiche Absicht wird man dem Kanzler Brun zuschreiben dürfen. Wenn nun doch zu Ausgang des Jahres 95] Wigfrid und im weiteren Verlauf mehrere Notare advicem Brunonis recognosciren, so ist das gewiss eine eigentümliche Erschei- nung, und es muss ganz besondere Gründe gehabt haben, von einem Verfahren abzuweichen, das man schon in den Jahren 900 — 918, 930—936, 941 — 951 consequent, ferner auch in den Jahren 936 — 940 nach Thunlichkeit befolgt hatte und das man im Jahre 953 zur alleinigen Regel erhob. Wenn Ficker ' zu der Annahme hinneigt, dass An- oder Abwesenheit des Kanzlers dabei den Ausschlag gegeben habt Q, B0 wird diese 1 Beiträge 2, 169. 734 Sickel. Erklärung- gerade für das Jahr 952 kaum am Platze sein. Dass Brun in fremdem und zum Theil feindlichem Lande sich anderswo als in der Nähe seines Bruders aufgehalten habe, ist doch an sich unwahrscheinlich. Ferner wird Brun wenigstens in drei von den Notaren recognoscirten Diplomen (St. 206, 210, 191) als Intervenient genannt, so dass es geradezu Wun- der nehmen muss, dass der von ihm erwirkte Beurkundungs- befehl nicht ihm ertheilt sein soll. Wichtiger ist der andere Umstand : wenn ein ganzes Jahr hindurch fast regelmässig die Notare iussi und als solche Recognoscenten waren, warum haben sie nicht nach altem und noch 936 — 937 nachweis- barem Brauche advicem A. subscribirt? Den besten Aufschluss darüber, glaube ich, bietet uns die Geschichte des Erzkapellanats. Ich habe früher (S. 675) bemerkt, dass die politische Situation unter Arnolf dessen Erzkapellan Theotmar von Salzburg zu statten kommen musste. Die Sachlage wurde aber sehr bald eine andere. Bereits unter Ludwig IV. lag der Schwerpunkt nicht mehr im Osten des Reiches, und unter Konrad begann Baiern eine Sonderstellung einzu- nehmen. Schon dadurch musste Pilgrim von Salzburg, obwohl er sich noch im Erzkapellanate behauptete, an Autorität ein- büssen. Dazu kam, dass der von ihm ganz unabhängige Salomon der eigentliche Leiter der Kanzlei wurde. So wurde schon damals die Kanzlei der Beeinflussung durch den Erzkapellan entrückt. Und wenn auch Heriger und Hiltibert von Mamz als Erz- kapellane Heinrichs und in Ermanglung eines Kanzlers viel- leicht wieder mehr auf die Besetzung der Kanzlei und die Führung der Geschäfte einzuwirken in die Lage gekommen sein mögen, so ist das Erzkapellanat offenbar seit den An- fängen Ottos im Niedergang begriffen gewesen. Als zum ersten Male im ostfränkischen Reich im Jahre 870 das Erzkapellanat einem Erzbischof, nämlich Liutbert von Mainz, übertragen wurde, ist wohl noch nicht daran gedacht worden, jene Würde an ein bestimmtes Erzbisthum zu knüpfen. ' Und wie wir sahen, blieb Liutbert Erzkapellan nur bis zum Jahre 882 und wurde dann nur noch vorübergehend zu Ende Karl III. als solcher anerkannt. Glücklicher waren in der 1 Vgl. Mühlbacher in Wiener S. B. 92, 316. )'.pilr;i._'o zur Diplomatik \ II. , .",.", Beziehung die Erzbischöfe von Salzburg. Denn nachdem Theotruar schon unter Karlmann diese Würde bekleidet hatte war sie ihm unbestritten unter Arnulf und Ludwig IV. bis zu seinem Tode im Jahre 907. Und indem sich auch sein Nach- folger Pilgrim bis zum Ende Konrads als Erzkapellan be- hauptet hatte, konnte in Salzburg am ehesten die Vorstellung entstehen, dass der dortige Metropolil ein Anrecht auf das Erzkapellanat habe. Aber erst unter Otto fand der dritte Nachfolger Pilgrims, d.h. Erzbischof Herold Gelegenheit, sein Recht geltend zu machen. Indessen hatten die Erzbischöfe von Mainz ein wo möglich besseres Anrecht erworben, das nur wieder eingeschränkt wurde durch ähnliche Ansprüche von Trier und Köln. Ja die Mainzer strebten nach der ausschliess- lichen Würde für das ganze Reich, während Salzburg, Trier und Köln nur auf kleineren Gebieten anerkannt sein wollten. Sollte es sich nun auch blos um Ehrenrechte gehandelt haben, was kaum anzunehmen ist, so musste schon diese, ( oneurrenz dem Erzkapellanate abträglich werden. Noch mehr aber scha- dete dem Ansehen der vier Erzkapellane, dass sie sich den Plänen des Königs Otto widersetzten und doch schliesslich unterlagen. Die Opposition der vier Erzbischöfe läuft ziemlich parallel mit der der Herzoge und berührt sich mit derselben in mehr als einem Punkte. Offenbar hat auch ihnen gegenüber Otto begründete Ansprüche anerkennen, aber zugleich seine königliche Autorität geltend machen wollen. Wie schwer ihm das gemacht wurde, zeigen die Vorgänge des Jahres 939. Friedrich von Mainz hatte sich offen der Empörung ange- schlossen und musste endlich in Haft genommen werden. Aber als Erzkapellan wie als Erzbischof unabsetzbar musste er nach wie vor, so mächtig war doch das Herkommen, in den Präcepten des Königs genannt werden, genoss also auch als Rebell die mit der Würde verbundenen Vortheile. Ich deutete schon an, dass bei der Erhebung Bruns zum Kanzler wohl die Absicht mitgewirkt haben wird, die Kanzlei vmi allen anderen Einflüssen frei und zum unbedingten Werkzeuge des Königthums zu machen. Nun aber schloss sich auch in den folgenden Jahren bald dieser bald jener der vier Erzbischöfe wiederholt der Opposition an und gerade der .Main/er ging in ihr am weitesten. Noch als Otto seinen Zug über die Alpen 736 Sickel. antrat, hatte er Friedrich volles Vertrauen geschenkt und be- auftragt, mit dem Bischof Hartbert von Chur in Rom über die Aufnahme dort und über die Kaiserkrönung zu "unterhandeln. Als die Gesandten heimkehrten, blieb nur Hartbert bei dem König in der Lombardei, während der Mainzer mit Liudolf nach Deutschland eilte und bereits zu Weihnachten 951 in Saalfeld mit anderen Missvergnügten zusammentraf. Was den König und den Erzbischof damals entzweite, wissen wir nicht. Aber wann der Bruch erfolgt sein mag, lässt sich annähernd aus den Urkunden berechnen. Dass Friedrich in der Recogni- tion von St. 198 am 9. October genannt wird, besagt nicht, dass er damals anwesend gewesen sei. ' Dagegen glaube ich aus St. 200 vom 15. October entnehmen zu können, dass Hart- bert in Pavia beim König weilte und mit Zustimmung von Liudolf die fiscalischen Einkünfte der Churer Grafschaft ge- schenkt erhielt; wenn damit die dem Könige eben geleisteten Dienste haben belohnt werden sollen, würde Hartbert bereits von Rom zurückgekehrt sein. Somit könnte die Missstimmung gegen Friedrich auch bis in diese Tage zurückreichen und könnte sich erklären, dass mit St. 200 eine Neuerung betreffs der Recognition beginnt. Dass zehn Jahre früher Anstand ge- nommen war, den abtrünnigen Erzkapellan des Rechtes zu entkleiden, das er auf Nennung in den Königsurkunden hatte, schliesst nicht aus, dass man bei wiederholter Auflehnung einen Schritt weiter gegangen ist. So nehme ich an, dass die Nennung von Friedrich mit Absicht unterblieben ist. Unseres Wissens ist Friedrich zuerst im August 952 auf dem Reichs- tag zu Augsburg wieder vor dem Könige erschienen. Doch selbst da (St. 216) und im nächsten Monat (St. 217) nahm die Kanzlei von ihm nicht Notiz, sondern erst am 15. October (St. 218) wurde von neuem an seiner Statt recognoscirt. Dies alles bestätigt meine obige Annahme. Nun mag es damit auch zusammenhängen, dass Bruno gerade zuerst in St. 200 der Titil eines Erzkapellans beigelegt wurde. Von einer eigent- lichen Erhebung zu der Würde war jedoch noch nicht die Rede, wenigstens erscheint es mir mit solcher unverträglich, 1 Wie auch Dümmler 199 richtig' bemerkt. Von ihm weiche ich nur in der Deutung von St. 200 ab. Beitrage zur Diplomatik VII. <.'»< dass Bruno doch auch in der Zwischenzeit (St. 207) als Kanzler fungirt und als solcher im October 952 sich auch dem wieder zu Gnaden aufgenommenen Friedrich und desgleichen Rotbert von Trier (St. 222) unterordnet. Aber die Absicht den Re- bellen Friedrich nicht in den Urkunden zu nennen, erklärt endlich auch, dass man unter so ausserordentlichen Verhält- nissen noch einmal zu der seit lange möglichst vermiedenen Art der Recognition N. adv. 0. zurückgriff, nämlich um nicht, wenn der Notar iussus und deshalb Recognoscent war, den Erz- kapellan als seinen Gewähren anführen zu müssen. l Anders stand es, sobald Brun Erzkapellan geworden war: nun kennte die lange angebahnte Neuerung für alle Folgezeit durchgeführt werden, in allen Fällen mit Ausschluss der Notare die jeweili- gen Kanzler als Recognoscenten anzuführen, auch wenn sie weder den königlichen Befehl erhalten noch zu seiner Aus- führung persönlich mitgewirkt hatten, ja selbst wenn sie mo- mentan fern vom Hofe weilten. Wahrscheinlich ist mir, wenn ich auch aus dieser Zeit keinen Nachweis beibringen kann, dass auch mit der Recognition in althergebrachter Weise Miss- bräuche verbunden gewesen sind, dass die Absicht ihnen vor- zubeugen mit dazu beigetragen hat, neue Bestimmungen zu treffen. Die Art aber, wie im Jahre 953 die Recognition ge- regelt wurde, beweist, dass die alten Vorstellungen mit der Zeit dahin geschwunden waren. Wie man in der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts aufgehört hatte, die eigenhändige Unter- schrift des Recognoscenten als Erforderniss zu betrachten, so legte man im zehnten Jahrhundert auch keinen Werth mehr darauf, dass der recognoscirende Kanzler im strengen Sinne des Wortes wissender Zeuge sei. Die Bezeugung von Amts wegen im Namen des Kanzlers in Verbindung mit dem Voll- ziehungsstrich und der Besiegelung galt geraume Zeit hindurch als genügende Bürgschaft, wenn auch vorübergehend wie unter Heinrich III. durch Einführung des Beizeichens- der Versuch 1 Mit Absieht habe ich hier von den erzählenden Quellen (Ruotgeri Vita Brun., Vita Math. u. s. w.) keinen Gebrauch gemacht, weil ihre dies- bezüglichen Angaben alle zu allgemein gehalten sind, um für die Ge- schichte der Kanzlei verwerthet werden zu können. - Kicker Beiträge 2, 65 ft'. 738 Sickel. Beiträge znr Diplomatik VII. gemacht wurde, die königlichen Präcepte als solche durch weitere sichtbare Kennzeichen zu beglaubigen. Wie Otto den Widerstand der Herzoge durch Ueber- tragung der erledigten Ducate an die nächsten Anverwandten zu beseitigen strebte, so suchte er in ganz ähnlicher Weise das Erzkapellanat unschädlich zu machen. Der Tod Wigfrids von Köln gab Gelegenheit, Brun als Nachfolger in Köln zum wirklichen Erzkapellan zu machen. Neben diesem war von Rodbert von Trier als Erzkapellan oder Ehzkanzler nicht mehr die Rede. Nur nocli in zwei Diplomen aus dem November und December 953 (St. 230, 231) wird der Salzburger Herold in der Recognition genannt, aber nicht einmal mehr als Erz- kapellan bezeichnet. »Sein Nachfolger Friedrich musste auf diese Würde verzichten. Als aber Ottos Sohn Wilhelm 956 Erzbischof von Mainz wurde, trat dieser seinem Oheim Brun nochmals mit Ansprüchen entgegen, so dass erst der Tod Bruns den Streit und zwar zu Gunsten von Mainz beendete. So bildet erst das Jahr 965 einen Abschnitt in der Geschichte des Erz- kapellanats, in welche überdies die definitive Theilung der Kanzlei in eine deutsche und in eine italienische hineinspielt. Dies darzulegen und, als nothwendige' Ergänzung der Ge- schichte jener Würde, die Rechte der Erzkapellane und deren Begrenzung, soweit es möglich ist, festzustellen, behalte ich mir vor, da ich hier nur die Entwicklung des Kanzleramtes bis zu dem insbesondere für die Recognition wichtigen Wendepunkte des Jahres 953 zu schildern die Absicht hatte. X. SITZUNG VOM 16. APRIL 1879. Der Vicepräsident Herr Hofrath Dr. Alfred Ritter von Arneth übermittelt den zehnten und letzten Band seiner ^Geschichte Maria TheresiaV. Von dem c. M. Herrn Professor Dr. Heinrich Ritter von Zeissberg wird ein Promemoria, betreffend die Fortsetzung des Vivenot'schen Werkes, vorgelegt. Herr Dr. Jakob Minor, d. Z. in Wien, ersucht um Bewilligung einer Subvention zur Drucklegung seines im Manuscripte vorgelegten Werkes: , Christian Weisse und seine Beziehungen zur deutschen Literatur'. Das w. M. Herr Professor Dr. Harte 1 legt eine Ab- handlung des Herrn Professor J. Müller in Innsbruck vor, welche betitelt ist: ,Emendatiunen zur Naturalis Historia des Plinius IIP und um deren Aufnahme in die Sitzungsberichte der Verfasser ersucht. An Druckschriften wurden vorgelegt : Accadernia reale delle Seien ze di Torino : Atti vol. XIV. Diap. "2" (Gennaio 1879). Torino; 80. Akademie, koninklijke, van Wetenschappen te Amsterdam: Jaarboek voor 1877. Amsterdam; 8°. — Verslagen eu Mededeelingen Afdeeling Letter- Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. XCIII. Bd. IV. Htt. I> 740 künde. Tweede Reeks VII. Decl. Amsterdam, 1878; 8°. — Idyllia aliaque poemata Francisci Pavesi. Amstelodami, 1878; 8°. Akademija, jugoslavenska znanosti i umjetnosti: Monumenta spectantia historiam Slavorum meridionalium. Volumen IX. U Zagrebu. 1878; 8°. — Rad. Knjiga XLVI. U Zagrebu, 1879; 8». Bibliotheque de l'Ecole des Chartes: Revue d'erudition. XLe Annee, 1879, lre Livraison. Paris; 8°. Gesellschaft, königliche, der Wissenschaften zu Göttingen. Abhandlungen. XXIII. Band vom Jahre 1878. Göttingen; 4°. — Nachrichten von der k. Gesellschaft der Wissenschaften und der Georg Augusts-Universität aus dem Jahre 1878. Göttingen, 1878; 12°. — Göttingische gelehrte Anzeigen. 1878. I. und II. Band. Göttingen, 1878; 12°. — k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XXII. (N. F. XII.) Nr. 3. Wien, 1879; 8°. Krones, F. Dr.: Zur Geschichte der ältesten, insbesondere deutschen An- siedlung des steier märkischen Oberlandes mit nebenlänfiger Rück- sicht auf ganz Steiermark. Graz, 1879; 8°. Museum, germanisches: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. XXV. Band. Nr. 1—12 nebst XXIV. Jahresbericht. Nürnberg, 1878; 4°. Prantl, Carolus : Aristotelis Physica. Lipsiae, 1879; 12°. ,Revue politique et litteraire' et ,Revue scientifique de la France et de l'Etranger'. VIIIe Annee, 2« Serie. Nros. 40 et 41. Paris, 1879; 4°. Society, the royal geographical: Proceedings and monthly Record of Geo- graphy. Vol. I. Nr. 4. April 1879. London; 8°. Strassburg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften pro 1877s. 62 Stücke 8° und 4°. Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde: Jahrbücher und Jahresbericht. XXIII. Jahrgang. Schwerin, 1878; 8°. — Meklen- bingisches Urkundenbuch. XI. Band. Orts- und Personen-Register zu Band V— X. Schwerin, 1878; 4". — historischer, für Niedersachsen: Zeitschrift. Jahrgang 1878 und 40. Nach- richt über den historischen Verein in Niedersachsen. Hannover, 1878; 8°. $: T4<» a-T knnde. T VII. DecL Ai 1878; 8 Idylli.i aliaqne poematn Piuci - - Akademija, iti i nn ' ipectantu historiam Slavorumneridionalium. Volumen IX. V Z 1878; - i. Knjiga XI. VI I' Bibliotheque lition. XI.' Ann- ••. 1 >7'.". I II schaft, köi M>li.'iinllii! XXIII. Bai ' brichten von der k. Gesellscl • • rsität aus dem Jahn (J - l lehrte Ai 187« I id II — k. k. ' ' \ . i N. 1 . XII. Nr. Kr ones, I". I »r Y.nr An- ■ Museui ' N 1'. XXV. Band '. \\\ 1878 Pr antl, < nrol politiqu i I ■ t de VIII t 41. IV-. 1879; I - iety, tlir i iphy. Vol. I. v Stra pro 1877/8. Verein für thtuukund und Jahresl burj Urkundebach. XI. Band, ..1 P< r*.>nl Band V— X. 8 — historischer, für Nim« rieht über den hisl li . \ ' ■ . • ■' '■■■■■ ...-....; -. , • !"=><- • • , . ■ •: .. , . ■ r% ' v 1 * . ' . - . H