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Ferdinand Raimund's fänmtlihe Werke.

Nach den Original- und Theater-Manuferipten nebft Nachlaß und Biographie

herausgegeben von

Dr. Earl Gloſſy um Dr. Auguſt Saner.

Mit Raimund’s Porträt nad) dem Original-Gemälde von Lampi, radiert von 2. Michael,

Dritter Band.

/

Wien, 1881.

Berlag von Carl Konegen (Franz Leo & Comp.), Opernring 3.

rn. m se Jarı. —— UNBSSATVYAXN

8* #[O 3.

2.0. JUN. 1942 5 NN OF Oral *

Se 7,

8. 8. Hoſbuchdruckerei Fr. Winiker & Schickardt, Brünn.

Inhalt. |

Die unheilbringende Krone Der Berjchmwender . Nachlafs: I. Gedichte. Stammbuchblatter I, Pläne . III. Repetitionsftropgen . IV. Einlagen in fremde Stüde V. Xheaterreden v VI Brief . . . j VD. Selbftbiographie

unheilbringende Krone,

oder:

König ohne Reich, Held ohne Muth, Schöndeit ohne Jugend.

Original⸗tragiſch⸗komiſches Zauberſpiel in zwei Aufzügen.

Zum erſtenmale aufgeführt im Theater in der Leopoldſtadt am 4. December 1829.

Raimund, Dram. Werke. III. 1

Derfonen: Inrina, Schutzgöttin von Agrigent. | Sermedins, fein erſter Minifter.

Gades, Fürſt der Unterwelt.

Thaunales, Genius des Todes.

Suln,

Faufr, Genien.

Tiſphene,

Megäre, Furien.

Alecie,

Kreen, König von Igrigent.

Fhalarins, Feldherr.

Autregãus, Unterfeldherr.

Autrokles, Hauptleute des

Glitenins, Jhalarius.

Ortiarian, ein Landmann.

Ein Iüger, von des Phalarins Gefolge.

Simplicins Zitternedel, ein armer Dorfichneider.

Ewald, ein Dichter.

Kiegelfam, ein Weinhänbdler.

Chefins, ein edler Mafanier.

Arete, feine Nichte.

Adrefs, erfter Diener des Tem- pels.

Eyaminsndas,

Syemeben,

Arges,

Silins,

Eine Iren von Maſang.

Ein diener des Theſtius.

Jdardenins, Fürſt von Kallidalus.

Aaſſanier.

Oliner,

Aftrathan, Bewohner von Abukar, Kallidalus. Yimelst,

Alse.

Aritie, ihre Nichte.

Exker |

Imweiter , Geift des Orkus.

Seraklins, Fürft von WMafane. | Jritter

Genien. Geifter. Erſcheinungen. Edle und Krieger von Agrigent. Zagdgefolge. Boll von Maſſana. Krieger, Höflinge und Volk von Kallivalus. Priefterinnen im Venustempel.

Erfter Aufzug.

Erfie Scene.

(Kinftrer Wal. Im SHintergrunde links ein gigantifcher Fels, mit einer durch ein ehernes Thor gefchlofjenen Höhle. Neben der Pforte ſtehen mit Yadel und Dolch bewaffnet die zwei Eumeniden Tiſiphone und Alecto, aus Stein gehauen. Megära, die dritte, ift über derfelben in figender Stellung angebradit. Die Pforte ift mit Schlangen geziert, vor ihr ein fteinerner Opferaltar. In der Tiefe der Bühne ein See, von rauhen, mit Bäumen bewachjenen Felſen um⸗ fchloffen. Im Bordergrunde vechts ein Gebüſche. Donner murmelt durch den in weiter Yerne erfchallenden)

Subeldyor. Wie des Adlers Kraftgefieder Seinen Leib zur Sonne trägt, Fliegen aufwärts unfre Lieder, Durch der Freude Schwung bewegt. Südlich, wie in Himmelszonen, Bon der Erde Leid getrennt, Stolz die ew’gen Götter thronen, Herrſch' Kreon in Agrigent!

Phalarius (tritt mit wild zurückſchauenden Blicken haſtig ein, er trägt ein Pantherfell über dem Rücken und iſt mit Bogen und Pfeil bewaffnet.)

Bin ich nicht weit genug gezogen, Berrätherifche Stadt, die mich betrogen? 1*

4

- Wird auch des Waldes düft’re Einjamfeit

Durch Deines Jubels frechen Schall entweiht ? (Wieder Klingen die letzten Worte: „Herrſch' Kreon |)

Herrſch' nur Kreon, Volk, jauchz‘ die Kehle wund,

Ihr zwingt das Glück zu feinem ew’gen Bund.

Prahlt mit der Kron’, die ic erkämpft,

' Da nur mein Muth des Krieges Glut gedämpft.

Mid) lafst aus Undank meinen Purpur weben, Ihn färben mit dem ausgeftrömten Leben,

Das ic, vergendet am erfiegten Strand,

Den Lorbeer brechend mit der blut'gen Hand. Glaubt ihr, ich Hab’ für Agrigent geftritten, Damit der Rath, nad) ungeredhten Sitten,

Das Reich verſchenkt an den unmünd’gen Knaben, - Auf das nur id) ein wahrhaft Recht Tann haben? Denn ift er aud) dem Thron verwandt durch Blut, Din ich e8 würd’ger noch durch Heldenmuth.

Ich glaub’ nicht, was des Tempels Diener jagten, Als jchlau fie Jupiters Orakel fragten,

Ob mir, ob wohl Kreon das Reich gehört;

Es Hab’ der Gott fi donnernd d'rob empört, Daſs ich's gewagt, ald meiner Siege Lohn,

Zu fordern Agrigentens gold’nen Thron,

Und ausgejprocdhen unter ew’gen Bliten:

„Ich dürfe nie ein Reich der Welt befigen,

„Und Agrigent kann dann nur Glüd erringen, „Wird auf dem Thron Kreon das Scepter ſchwingen.“ So Iogen fie, als ich zurückgekehrt,

Aus blut'ger Schlacht zum heißerfämpften Herd, So logen fie, von aller Scham entwöhnt:

5

Als Siegesdank fand ich Kreon gekrönt. Da außen ich des Landes Feind bekriegt, Hat eigner mich im Innern hier beſiegt. D'rum will ich flieh'n aus Dir, verhafstes Land, Doch nimm den Schwur als dräuend Unterpfand: Dafs ic) noch einmal zu Dir wiederlehre, Zu rächen meine truggeraubte Ehre. (WIN ab und erblickt entfet der Rachefurien Höhle.) Ha, welch ein Pfad hat mic) zu Euch geleitet, Blutloſe Schweftern, die Ihr ftetS bereitet, Als der Vergeltung grauenvolle Bürgen, Gewalt'ge Sünder diefer Welt zu würgen. Euch fordr’ ich auf, an Euch will id) mich wenden, Sprengt auf das Thor mit den entfleifchten Händen, Reicht mir ein Schwert, mic) an der Welt zu rächen, Die mic) verhöhnt, und ihren Bau zu breden. (Furchterlicher Donnerfchlag, der verrollt; die Pforte dröhnt und erzittert ; dann leuchten ſchwache Blitze auf das Gebüfche rechts, das fich in der Mitte

auseinander theilt. Man erblidt darin Hade8, in Lumpen gehüllt, mit bleichem Antlig auf einem Steine figen, er hat einen Sad über den Rücken bangen.)

Bweite Scene.

Phalarius und Hades. (Habdes grinst Bhalarius an, der ihn mit Entſetzen betrachtet.)

Dhalarins. Welch efliche Geftalt, wer bift Du?

Öndes (mit etwas hohler Stimme, lauernd und gezogen.)

IH?

—6

Phalarins. Biſt Du der Rachefurien eine? (Start) Sprich!

Ändes (langjam aufftehend, er geht gebeugt und ſpricht langjam; nie wird er in Wort oder Bewegung raſch, nur einmal ift Nachdrud der Nede angezeigt, doc das Auge ift Träftig Tauernd.)

Bin keine von den Rachefurien,

Kann felbft kaum mehr auf morfchen Knochen ſteh'n; Bin nicht Tiſiphone, Megär', Alecto,

Nein, nein, ich bin, vergib, mich ſchauert ſo.

Phalarius. Du kannſt nicht ganz der Erde angehören, Du könnteſt ſonſt den ſchönen Glauben ſtören, Daſs nach dem hohen Götterbild des Zeus Der Menſch geformet ſei durch Prometheus.

Ündes. Nicht ganz ift mehr die Erd’ mein Vaterland, Tief unten ruft e8 mic) am ftyg’fchen Strand; Harpyen, die wie Nachtigallen Klagen, Berfünden, daſs die Yurien um mid) fragen.

Phalarius. Haſt Du ſo bös gehaust in dieſer Welt, Daſs Dir im Enden jeder Troſt nun fehlt? Biſt Du fo arm, dafs Dich Verzweiflung fafst, Und Haft wohl einft im Übermuth geprafst?

Hades. So iſt es, Du haſt furchtbar wahr geſprochen, Doch jetzt iſt meines Glückes Stab gebrochen;

—7

Biel Hab’ ich einft auf diefer Erd’ beſeſſen, Geliebt ward ich, ic) werd’ es nie vergeffen, Doch jet bin ich gehafst, bin unbeweibt, (weinend.) So arm, dafs mir nichts mehr, als eine Krone bleibt.

Dhalarins (nad) einer Pauſe des Erftaunens.)

Was ſprichſt Du, eine Kron’? Wahnwitzig' Thier!

Hades. Willſt Du ſie ſeh'n? Ich trage ſie mit mir. (Mit ſtärkerer Stimme.) Ich ſchenk' ſie Dir; willſt Du's mit ihr verſuchen? Ich hörte Dich vorher um eine Krone fluchen. Doch trägſt Du ſie, legſt Du ſie nimmer ab, Sie bleibt dem Haupte treu bis an das Grab.

Phalarius. Was nützt die Krone mich, nenn' mir ihr Reich.

| Hades (Rart.) - Die Welt! Haft Du genug? Was wirft Du bleich ?

Phalarius. Soll ich's nicht werden? Mich befällt ein Grauen, Wer kann in ſolchen Rieſenhimmel ſchauen? Die Erd', ſo weit ſie reicht, unendlich Bild, Hat nie die Neugier eines Aug's geſtillt. Entflieh', verlaſſ' mich, trügeriſcher Geiſt, Der Hölle gibt, da er zum Himmel weiſt. Zeig’ her die Kron’, wenn Du mid) nicht genedt.

8

Andes. In meinem Bettelfad ift fie verftedt; Dem Drachen gleich, der in der Höhle Fauert, Auf fette Bent’ mit gift'gem Zahne lauert.

Phalarius. Ein Diadem in eines Bettlers Taſche?

Hades.

In ſchlichter Urn’ ruht königliche Aſche. Durch diefe Kron’, prangt fie auf einem Haupt, Wird dem, der fie erblidt, des Muthes Kraft geraubt. Ya, ihr Befiger darf nur leife winken, Wer fi) ihm naht, muſs in den Staub hinfinfen. Es wird der Baum mit üppig grünen Zweigen, Sein duftend” Haupt vor diefer Krone neigen; Des Waldes Thiere werden bang erzittern Und heulend fie in weiter Ferne wittern. Was er befiehlt, muſs ſtreng vollzogen werben, Und feiner Tebt, der fie entwenden kann auf Erden. Selbft wenn er jchläft, die ſorgſam ftille Nacht, Geſchloſſ'nen Aug’s, ihr Eigenthum bewacht. Kein Speer, fein Dolch, fein Pfeil kann Dich erreichen, Der Krone Macht wird nur dem Mondlicht weichen ; So lang fie dies beftraglt, bift Du verloren, Und jedes Feindes Schwert kann Did) durchbohren. Solch Glück bringt diefer Reif und folches Bangen; Nun ſprich, trägt Deine Herrſchſucht noch nad ihm

Berlangen ?

Bhnlarins.

Den Sturm verföhn’ durch eines Schiffes Wrad, Gollondas Schatz verbirg im Bettelfad,

9

Dem Pfeil befiehl, er ſoll den Rückweg nehmen, Des Ana Glut verhind're auszuſtrömen,

Nur mich bered' nicht, von der Kron' zu laſſen, Gib ſie heraus, ſie muſs das Haupt umfaſſen.

Bades. Wohlan, ſchau' nicht zum Himmel, blid’ zur Erde, Sie fleht Did) an mit janımernder Geberde;

(Er nimmt die goldne Krone aus dem Sade, aus dem euer flrömt; . ferner Donner.)

Dod hör’ ihr Wimmern nicht, veih’ mir die Stirn’, Bleib’ ftark, bewahr! vor Wahnfinn Dein Gehirn !

(Er jet ihm die Krone auf, fürdhterlicher Donnerichlag, kurze Mufil. Die Erde zittert, die Bäume beugen ihre Zweige, fo daſs fie eine grüne Kuppel über Bhalarius Haupt bilden und fi im See fpiegeln.)

Ändes. So, fo, der Wald bebt vor dem Königshaupt, Es huld'gen Dir die Stämme reichbelaubt.

Phalarius. Iſt's Wirklichkeit? Welch' unnennbar Entzücken!

Hades (Seifeite.) Sie wird die Stirn' noch heiß genug Dir drücken.

Phalarius. Ha! Nun iſt mein der höchſte Schatz hienieden, Sprich, Wurm, was kann zum Lohn ich dafür bieten?

Hades. Brauch' nichts dafür, trag' ſie nur glücklich fort, Wir treffen uns ſchon am Vergeltungsort,

10

Wenn weit geöffnet Deines Wahnes Grab, Und Du einft fprichft, wie id) geſprochen hab’: (XBeinend.) Ich bin jo arm, mir bleibt nichts als die Krone, (Grimmig.) Den Augenblick allein bewahr' ich mir zum Lohne. (Schleiht ab, den Sad über den Rüden.)

Dritte Scene.

Bhalarins (anein.) Geh’, Tügengeift, nie werde ich fo fprechen, Sp denten nur, wär’ an dem Glück Verbrechen. Nun fort, Phalarius, aus diefem Wald, Damit Dein Ruhm Sicilien durhfchallt. Doch kann ich bau'n auf diefer Krone Maht? Hollah, wer fchreitet durch die Nacht ?

Bierfe Scene.

Voriger. Antrogäns (mit tönigligen Soldaten, welche mit Langen bewaffnet find.)

Antıogäus (von innen.) 's ift Antrogäus und des Königs Wache.

Phalarius. Willkommen, Speere, dienet meiner Rache! Du Antrogäus ſollſt der erſte ſein, Den ich dem langverhalt'nen Haſs will weih'n. (Alle eilen auf Phalarius zu.)

11

Chor. Du ſollſt nad) Hofe kehr'n, Phalar’, Der König will’ (Die Kron’ erblidend und erichroden zurückweichend.) Ha, welch' ein Stern, Den ic auf Deiner Stirn’ gewahr’ ? Er hält mid) drohend von Dir fern. Wie kann fein Anblid doc) erjchüttern, Mid) reißt's zur Erd’ mit bangem Zittern, Die Angft erprefst den Ausruf mir: Sei gnädig, Fürft, wir huld’gen Dir! (Aue finten bebend auf die Knie.)

Phalarius «wit tagen, Ha, ha, was läſst mir wohl Kreon befehlen ?

Antrogäns.

Blid’ mild auf uns, Dein Auge kann entfeelen. Es jendete Kreon nad) Dir uns aus,

(Spricht mit beffemmter Bruft.) Di heimzuleiten nad) dem TFürftenhaus, Wo fich die Freude wälzt, Bachanten winken, Dort jolft Du reuig an die Bruft ihm finten Und Abfchied Deinem büftern Grolle geben, Dafür wird er zu neuer Würd’ Dich heben.

Phalarius. Verflucht ſei der, der mir von Reue ſpricht! (Zieht ſein Schwert und verwundet ihn.) Bereue Du, wenn Dir das Auge bricht! (Antrogäus wird in's Gebüſch geführt.)

13

Berwahrt die Bruft, mein durft’ger Stahl will trinten, Er wird noch oft in Purpurfcheide finken. Nun rafft Eud) auf und horcht auf mein Befehlen! Ich will der Stadt ein Märlein dort erzählen: Bon einem Siegesfeft, wo die Mänaden wüthen, Der Sieger nur allein muſs drauf’ im Walde brüten. Bon mächtig ftrahl'nder Kron’, die ihm der Orkus fchentt, Bon wüth’gem Rachgefühl, das feinen Arm dann Ienkt, Bon güldenem Palaft am diamant’nen See, Wo reudentaumel herrfcht, nicht ahmend bald’ges Weh'. Bom Brand, der ihn ergreift, vom graufen Angftgefchrei, Bon Kreons letter Stumd’, verzweiflungsvoller New. Bon Feinden waffenlos, die froh im Tanze jchweifen, Bon Kriegern roh und wild, die fie wie Schergen greifen. Bom glühenden Ballon, von dem man auf mein Winken Sie wild frohlodend ftürzt, dafs fie im See ertrinfen ; - Dies Märchen wollen wir der Stadt zum beften geben, Und wenn fie d’rob erbleicht, fol Frohſinn uns beleben. Dann wird aus des Palaftes fchwarzgebrannten Trümmern Der glänzende Pokal wie Sonnenaufgang ſchimmern, Und unfre Fabel geb’ zum Schlufs der Welt die Lehre: Daſs unbewachtes Glück auf Erd’ nicht ange währe. (Für fih, mit unterdrüdter Wuth.) Ich will da8 meine wahr’n, mich fehe feiner fallen, Und müſst' e8 auch gefcheh'n, mein Ruhm kann nie verhallen. Ich ringe mit der Zeit, e8 muſs nach taufend Jahren Die Sage von der Kron’ die Nachwelt noch erfahren.

(Alle ab, die Bäume biegen fidh abwärts.) (Mufik.)

13

Sünfte Scene.

£ucina (fintt Schnell auf Roſenſchleiern, die auf weißen Wollen ruhen, auf die Erde nieder, Angft beflügelt ihre Worte.)

Was Hört’ ich für Flüche im Hain hier ertönen, Es beben die Lüfte, die Felſen erdröhnen,

Hin brauſet der Frevler durch waldige Nacht, Zu liefern die gräfsliche Höllenfchlacht.

So muſste auf Erde ein Böfewicht reifen,

Der’8 wagt, nad) der fehredlichen Krone zu greifen. Agrigent ift verloren, es janımert die Welt,

Wenn ihn nicht die Macht der Erinnyen fällt. Was fol ich beginnen, ihr blutigen Stunden,

Zu ftrafen den Frevel, zu heilen die Wunden ? Er muſs ja die graufige That erft vollitreden, Will ich Hier die rächenden Furien wecken.

Nur Tod fprengt des Fatums gewaltige Ketten, D’rum mußſs ich das Leben des Königs erretten. Schon rennt durd) die Straßen der gierige Troſs, Es werde die Wolfe zum flüchtigen Roſs!

(Die Wolle verwandelt fih in ein ſchwarzes Nofs mit goldnem Zaum Lucina fett fich fchnell auf felbes.) _

Nun, Rappe, nun magft du die Lüfte durchjchnauben, Wir wollen den Mörder der Beute berauben. (Das Rofs fliegt pfeilſchnell ab.)

-- 14

Sehste Scene.

Hades

(als Fürſt der Unterwelt, ſchwarz griechiſch gekleidet, eine ſchwarze Krone auf dem Haupte, eine Fackel in der Hand mit rother Flamme, die er in den Opferaltar der Eumeniden ſteckt.)

Sp, nun laff die Jagd erjchallen Und die Yäger nicht ermatten, Daſs mir viele Scharen wallen Nach dem eich der dunklen chatten ; Denn id) hab's beim Styr gefchworen, Zu entvöllern diefe Erd', D’rum hab’ ich Phalar’ erforen, Er ift diefes Auftrags wert. Bald wird aud) Mafjana fallen, Wo ich Unglüd hingebannt, Inftig wird der Orkus hallen, - Wenn verfinkt das ftolze Land. Bon der Eallidalichen Inſel, Wo mein rief’ger Eber haust, Hör’ ich jammerndes Gewinfel, Das das Meer nicht überbraust. Doch jchon röthet fi der Himmel, (Man fieht Brandröthe.) Rauch wallt auf, die Zinne kracht. Im Palaſte wogt Getümmel, Schnell hat er die That vollbradit.

(88 raſſelt donnernd die Pforte der Eumenidenhöhle, Blige dringen durch die Offnungen.)

Halt, die Eumeniden raffeln Auf von ihrem Rächerthron,

15

Wie fie donnernd näher praffeln, Ihre Dolche zuden ſchon. Ha, ihr ſollt mir nicht zerſtören Meines Witzes Heldenthum, Ihr mögt feine Thaten Hören, Eure Race bleibe ftumm.

(Die Yadel ergreifend.) Durch die Macht, die mir geworden, Seit Saturn die Welt umflügelt, Dleiben diefe Schauerpforten Ihren Furien verfiegelt.

Er ſtoßt die Fackel dreimal gegen die Pforte, zeigen fich drei feurige Siegel.) Durch dies Schredensthor allein Können nad) der Erd’ fie dringen, Darum jol’s verſchloſſen fein.

Mit dem Schickſal muſs er ringen,

Iſt, was ich gewollt, vollbracht,

Send’ ich felber ihn der Nadıt. Muſilk.

Schreckliches Geprafiel und Geheul inner der Pforte, der See wird hellroth und wogt fürchterlich.)

Ha, wie fie empört nun heulen

Und den See hier blutig färben ; Bleibt gefangen, gift’ge Eulen,

Nur durch's Mondlicht Tann er fterben. Doc) ich ſeh' Kreon befreit

Mit Lucina niederjchweben,

Er war Schon dem Tod geweiht,

Sie betrügt mich um fein Leben. (Er tritt zurüd.)

16

Siebente Scene, Horiger. Cucina und Kreon (auf Wolken nieverfintend.) Kreon

(beugt ſein Knie vor Lucina.) Cucina. Du biſt gerettet, holder Fürſt, Du lebſt durch mich, Des Landes Schutzgeiſt war's, der niemals von Dir wich.

Kreon.

Es dankt mein klopfend Herz, mein Sinn vermag's

noch nicht, Da vor Erſtaunen mir Erinn'rung faſt gebricht. Wer bringt mein treulos Glück, ich ſtraf' den Hochverrath, Den es an mir und meinem Volk begangen hat. O gleißneriſche Zeit, wer ſollt' es von Dir glauben, Durch Einen Augenblick kannſt Du uns alles rauben. Minuten wiſſen's kaum, daſs mich das Elend fand. War's denn Phalarius, der drohend vor mir ſtand? Woher die Schreckenskron', mit der er frech geprahlt ? Und die mit mag’fchem Schein den Brand noch überftrahlt ? Woher die Meuterei, wer herrfchet nun im Land ? O Götter, ftärket mid), es wanket mein Verſtand, Bor ihm bin ich gefniet, vor diefem Böſewicht!

Kurinn. Dein Rafen ift umfonft, die Götter hören's nicht, Sichft Du dort den Altar, auf ihn leg’ Deine Klagen, Die Nimmerruhenden magft Du um Rath befragen.

Areon. So hört mich denn, ihr mächt'gen Eumenibden! (Schlägt an die Pforte, die erbrößnt.)

17

Mades (tritt vor.) Vergebens rufft Du fie, Du ftörft nur ihren Frieden.

Rreon. Wer fpricht hier Worte aus, die Wahnfinn müſst' bereuen ?

Cucina (vebt zurüd.) Erfennft Du Hades nicht, den felbft die Götter fehenen ?

Kreon (Gebt auch zurüd.) Du, Hades, biſt's? Hades. Bin's ſelbſt, der dieſes Thor bewacht.

Lucina (m Kreon leiſe. Er hat Dich um Dein Reich und um Dein Volk gebracht.

Kreon. ‚Sind die Erinnyen taub, dafs fie ſich noch nicht zeigen?

Hades. Erfennt die Siegel hier, der Orkus heißt fie ſchweigen.

Luring Gammernd zu Lreon.)

D armer Fürſt, Unmöglichkeit heißt Dein Gebiet, Aus dem die Hoffnung felbft mit banger Furcht entflicht. (3u Hades.)

Ja, Du verdienft, dafs Götter Di und Menfchen haffen, Die Glut des ew’gen Pfuhls mufs neben Dir erblaffen. Doch jener blut’ge See bleib’ Zeuge Deiner Wuth! Lucinas Göttermadht bewahret feine Gut,

Bis ſich einft Jopis Bild in feinen Wellen ſpiegelt, Und ſein allmächt'ger Blitz die Pforte dort entriegelt.

Raimund, Dram. Werke. III. 2

18

Hades (mit Hohn.) D Göttin, Hold und ſchön, wie magft Du doch fo wüthen, Sieh‘, Deine Wunderthat treibt neue Todesblüthen, Mich jchredt nicht Zeus, d’rum fei Dein See verfludjt ! Und wer durd) feine Fluth den Durft zu ftillen fucht, Der wird von diefer Stund’ die Menjchenbrut verachten, Und einem Tiger gleich nach ihrem Leben trachten ; Doch nur fo lang, bis er fo vieles Blut vergieft, Als aus dem Wunderjee fein durft’ger Mund genießt.

kurina.

Halt’ ein, das geht zur weit, Du nächtlich' Ungeheuer, Iſt Dir denn nichts auf diefer fehönen Erde theuer ? Greif’ an den Himmel hin und raub’ ihm feine Sterne, Die Götter felbft verjag’ nach Lichtberaubter Ferne, Bernicht’ auch mic), verſuch's, raub' mir Unfterblichkeit, Beginn’ den Kampf, fal’ aus, ich bin dazu bereit.

(Sie ftellt fi ihm mit majeftätifcher Miene gegenüber.)

Kreon. | Was Hagft Du Erde noch, ift doc) von böfen Streit Der weite Orkus nicht, nicht der Olymp befreit.

Hades (kalt und gleichgiltig.) Du nennft unfterblid Did), durch Schmähung fannit Du’s fein, Ich laſſe mic, mit Dir in feinen Zweifampf ein. Du bift ein Götterweib, mehr braucht's nicht zu eriwiedern, (Mit vornehmer Nichtachtung.) Das heißt, Du bift ein Weib und, kannſt mich nicht erniedern.

19

CTucina (mit Hödfter Würde.) Ich bin’s, und weil ich's bin, bebt ftolzer mir die Bruſt; Ich bin ein Weib! Des kräft'gen Erdballs höchſte Luft! Ein Weib! Um das der Brand von Troja hat gelenchtet. Ein Weib! Um das des Donn'rers Aug’ fich mild be- feuchtet ; Ein Weib! Bor dem fid) tief ganz Perfien gebeugt; Ein Weib! Das einft ein Gott aus feinem Haupt gezeugt; Ein Weib! Das durch die Welt der Tiebe Scepter ſchwingt, Der Lieb’, die auch zu Deinem Telfenherzen dringt. Ein Weib! Das Deinen Arm durch einen Kufs Tann lähmen ; Das heißt: Du bift ein Mann, und kannft mich nicht befchämen. Hades. In ſchönen Worten kannſt Du leicht den Preis gewinnen, Doch nur durch Mannesgeiſt gelingt ein groß' Be— ginnen. Cucina. Wohlan, ſo laſſ' uns nicht durch Elemente ſtreiten, Durch Flammen, Wogen, Sturm, Verderben uns be- reiten, Gebrauchen wir des Wites feingefchliff'ne Klinge, Nielleiht gelingt mir’8 doch, dafs ich, den Sieg erringe.

Hades. Was quält Dich doch die Luſt, den Orkus zu bekämpfen? Wie leicht wär's meinem Witz, den Übermuth zu dämpfen. ge

20

Kuring (ialau.)

Wenn dies Dein Geift vermag, warum will er’8 ver— meiden ?

Die Götter müfsten Di) um Deinen Wit beneiden.

Glaub’ nicht, dafs im Geheim die Himmlifchen Did) achten,

Sie ſchmäh'n auf Deinen Geift, den fie jchon oft ver= lachten.

Ündes (mit gereiztem Ehrgeiz.) So will ich Dir und den Olymp’fchen Göttern zeigen, | Daſs meine Schlauheit nicht ſich ihrer Liſt muſs beugen. Es fol Dir möglic) fein, die Furchtbaren zu weden, Doch was id) Dir befehl’, mujst Du genau vollfireden. Du kannſt zu feinem Sturz die Eumeniden brauden, Läfst Du auf dem Altar ein dreifach” Opfer rauchen : Erft eine Kron’, die eines Königs Haupt geziert, Der nie ein Reich befaß, noch eins befigen wird. Dann einen Lorbeerfranz von eines Helden Stirn’, Der, wenn der Lorbeer rauscht, den Muth ſchon Tann

verlier’n,

. Und doch verübt ſolch' ungehen’re Herkulsthat, Daſs ihm der Krieger Schar den Kranz geflochten hat. Nun kömmt das Dritte noch, es ift ein Diadem, Der Eitelkeit Triumph, dafs es felbft Juno nähm'. Dies fei aus Myrtenblüt' mit LTilienfchnee verwebt, Und ruh' auf einem Haupt, das ſechzig Jahre Lebt. Ein hochbetagtes Weib, mit reichverfchlung’nen Falten, Mufs es für ihren Reiz als Schönheitspreis erhalten. Doh Männer nicht allein, die Mitleid kann verfühnen, Es müſſen Weiber fie mit neid'ſchen Blicken Frönen.

1-—.

Dies find die felt'nen Ding’, die ich von Dir begehre, Und findeft Du fie auf, dann glaub’, dafs id) Did) ehre ! Bring’ fie zum Opfer hier, dann fchmelzen jene Siegel, Die Pforte donnert auf, gefprengt find ihre Riegel, Die Eumeniden frei, Phalarius kann fallen,

Und Hör’ ich fein Geftöhn am Acheron erfchallen, Dann nehm’ die Kron’ ich felbft von feiner blaffen Stirn’ Und weiche Dir befehämt, verachtend mein Gehirn.

Kurina. Beim Zeus, ich bin erftaunt!

Kreon. Sei nicht ſo grauſam doch, Daſs Du die Möglichkeit belegſt mit ſolchem Joch! Du willſt den Flug und ketteſt unſre Flügel, Du ſpornſt den Gaul und engeſt ſeine Zügel.

Hades. Sie hat's gewollt, ich ändre meinen Ausſpruch nie, Glaubt Ihr, der Hölle Süd zeugt keine Phantaſie? Haſt Du vielleicht gewähnt, Unſterblichſte der Nymphen, Es laſſe Hades ſich ſo ungerächt beſchimpfen? Ich bin, was Du ſo ſchlau gefordert, eingegangen, Doch bleibet unerfüllt mein dreifaches Verlangen, So ſei's bei des Cocytus Trauerlauf geſchworen, Du wirſt des Orkus Spott, und Kreon iſt verloren.

| (Geht mit Würde ab.)

9

Achte Scene. Norige ohne Hades.

| Kreon. | Berloren bin ich ja, mein Sturz war ſchon vollendet, AS fich fein Furienblid nach meinem Reich gewendet. Das Räthſel ift nun Mar, ich weiß wie es gefchah, Mein Unglüd fteht entlarot und frech entkleidet da. Was ift da8 Leben doch? Wie wär’ ich zu bedauern, Wenn ich nicht ſterblich wär’ und müfste ewig trauern.

Cucina. O trau're nicht zu früh, mein Geiſt gebärt Gedanken, Die ihn mit Hoffnungen wie Epheu grün umranken. Die Götter dulden's nicht, daſs ſolch' ein Reich vergeht, Wo ein ſo edles Volk für ſeinen König fleht. (Nachdenkend.) Maſſana's Fürſt iſt krank und wird nicht mehr geneſen, Das Unglück haust zu arg, es muſs das Land verweſen; Dann hier der blut'ge See, das kallidal'ſche Schwein, Mein Wundermittel wirkt, es kann nicht anders ſein. (Der Wolkenwagen ſinkt wieder herab.) D’rum eile jegt mit mir nach meinem Luftgefilde, Veitauſch' den Anblid hier mit einem fchönern Bilde. Id will durd) mag'ſche Kunft en SZauberlicht bereiten, Dann ſuch' durch Fremdlinge den Zrug id) einzuleiten; Du aber fannft hier nichts zu Deiner Rettung helfen, D'rum harreft Du auf mid) im Kreife meiner Elfen.

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LRreon. So gern Du Göttin magſt nach Deiner Heimat zieh'n, So ſchmerzlich fällt es mir, die meinige zu flieh'n. (Mit tiefer Rührung.)

D Du mein theures Reich, id) muſs mid) von Dir

trennen, Den rauhen Telfen nur kann meine Onal id nennen. Wo lebt ein König wohl, der folches Leid getragen, Daſs feinem Volke er fein Lebewohl darf fagen. D Echo, deren Schall in allen Bergen tönt, Berfünd’ das Trauerwort: Leb' wohl, mein Agrigent! Nun folg’ ih Göttin Dir ins traumbeglüdte Land, Berlaff‘ mein wirkliches, aus dem man mich verbannt; Doch wenn die Wollen mir mein treues Volk verhüllen, Wird fi) des Königs Aug’ mit heißen Thränen füllen. Magſt Du den Schmerz als Heinlich aud) betrachten, Er ift ein heiliges Weh’, Du darfſt ihn nicht verachten !

(Er niet vor ihr.)

Kurina | (gerührt die Hand auf jein Haupt legend.) Ic ehre tief Dein Leid, es führt Dich einft zum Lohne, Der Schmerz gehört der Welt, d’rum trägt ihn aud)

die Krone. (Hebt ihn auf.)

Erhebe Did, mein Fürft. (Lafst ihn in den Wolkenwagen fteigen.) Ein Thron fol Dich umrauſchen! - (Die Wolke ſchlägt fi) auf und bildet einen Thronhinmel um Kreon's Haupt.) It mir Fortuna Hold, folft Du ihn bald vertaufchen! (Unter zart Hagender Mufit ſchwingen fi) Beide langſam fort.)

nn

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Qeunte Scene.

Verwandlung in eine romantifhe Gegend. (Borne links ein Heines Häuschen mit einem Schilde, worauf eine goldene Schere gentalt ift. Diefem gegenüber eine natürliche Raſenbank, von einem Baum überſchattet. Die Mufit geht nad) der Verwandlung in Simplicius’ Ariette über.) Simplirins. ; Ariette. 's gibt wenig, die fo glüdlic find, Wie ic) auf diefer Welt, Ich Hab’ Fein Weib und hab’ Fein Kind, Und Hab’ fein’ Kreuzer Geld. Wenn ich auch Feine Schulden hätt’, Ic) wüſst' vor Freud’ nit, was ich thät'.

Ich will im voraus nicht ftolzier'n,

Mein Glück fangt erft recht an,

Mir fcheint, id} werd’ mein G'werb verliern, Dann bin id) prädtig d’ran;

Und ’8 Überrafchendfte wird fein,

Wenn |’ kommen werd’n und fperr'n mic ein.

Dann fchau’ ih um ein’ Freund mid um, Der in der Noth mid) tröft,

Der macht, dafs ich auf d'Feſtung kumm',

Da fit’ ich erft recht feſt;

Und wenn ſ' mich dort vielleicht noch ſchlagv n, Das wär ein Glüd nit zum Ertrag'n.

Ia, ja, mandher, der mid, fo reden hörte, würd’ fagen: O je, da kommt ſchon wieder einer daher, der

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lamentiert, daſs er kein Geld hat und voller Schulden iſt, und dafs er ſoll eing'ſperrt werd'n. DO Jemine, das iſt eine alte G'ſchichte. (Sochdeutſch) Ja, wenn's aber nicht anders iſt, was ſoll man denn machen? Es iſt einmal ſo, ich hab' einmal kein Geld und ſie ſperren mich einmal ein, vielleicht auch zweimal, und wenn das ſo ſortgeht, ſo komm' ich aus dem Einſperren gar nicht mehr heraus. Von was ſoll ich denn zahlen? Ich bin der angeſehenſte Schneider hier im Ort, aber ich hab' nur eine einzige Kundſchaft, und das iſt mein Gläubiger, ein Weinhandler, der weint um feine fünfhundert Thaler, fo oft er mid anſchaut. Jetzt bin ich ihm das Geld fchon fieben Jahr’ ſchuldig, er ift aber ſchon lang gezahlt, denn ftatt den Intereſſen hat er mit mir ausgemacht, daſs ich ihm alles umſonſt arbeiten müfst’, was in feinem Haus ang’schafft . wird. Da fommen aber die Leut' vom ganzen Dorf in fein Haus, laſſen ſich das Maß nehmen, ich muſs ihnen umfonft . arbeiten, und er lafst fich zahlen dafür. Da hab’ ich jetzt einen Zimmerheren d’rin (deutet anf fein Haus, geheimnisvol.) der zahlt auch nichts. Iſt ein Dichter, fchreibt Theaterſtück'. Auf die Let bringt er mich noch in ein Stud hinein, denn ich hör’, jett Können ſ' gar fein Stud mehr auf- ‚führen, wo f’ nicht was von einem Schneider d’rin haben, :- und er gar, er fchreibt eins, das heißt „die getrennten Brüder“, das wird doch aufs zuſam'nahen hinausgehen. Er erwartet immer das Geld von der Poft, und jegt ift ein jo ein fchlechter Weg, da bleibt’8 Halt ſtecken. (Auft zum Fenſter hinein.) Guten Morgen, Monftenr Ewald, ſchon wieder fleißig? Scribendum!

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Zehnte Scene. Voriger. Ewald.

Ewald

(ſchlägt von innen auf den Tiſch.)

So ſtören Sie mich doch nicht mit Ihrem unſinnigen Geſchwätz. (Kommt heraus, mit einem Manuſcript, Tinte und Weber.) Es ift nicht möglich, dafs id) einen vernünftigen Gedanken faſſen kann, wenn Sie in meiner Nähe find. Gehen Sie doc) hinein, ich will hier fchreiben. E

| Simplirins. Schreiben Sie, wo Sie wollen und an wen Sie wollen, aber fein Sie nicht unartig mit mir.

Ewald. Lieber Hausherr, nehmen Sie meine Heftigfeit nicht ‚fo auf, Sie fehen, ih bin ein Dichter, ein begeifterter Menſch. Wenn man in Iamben arbeitet, Sie verftehen das nicht jo, es find fünffüßige Verfe.

Simplirins.

Ia, das ift ja eben das Unglüd, wenn die Verſ' eine Menge Füß' haben und feinen Kopf. Das tragt nichts ein, ich wollt’, ich hätt’ fo viel Füß' als Ihre Schlampen!) oder Iamben, was Sic da jchreiben, ich war’ ſchon lang davon’ gloffen, auf meine kann ich mid) nicht mehr verlaffen.

1) Begriff des Schlaffen, nahläffig Hangenden in der Kleidung.

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Ewald. Sie ſprechen dummes Zeugs, laſſen Ste mich un- geſtört. (Er fett ſich auf die Raſenbank und überlegt.) Der letzte Act, mir fehlt’8 an Stoff.

Simplirins.

Mir au, wenn ich fo ein paar Hundert Ellen Gros de Napel hätt’, ich wollt! Ihnen Ihre Getrennten ihon Herausftaffier'n.

Ewald.

Nun Hab’ ic) aufhören müſſen, jetzt ift der ganze Dialog zerrifien.

Simplirins.

Ich wollt‘, es wär’ alles zerrifien, jo krieget' ic) doch eine Arbeit. |

Ewald (aufipringenv.)

Aber lieber Meifter, wenn Sie einen Rod zufchnei-

den, jo wünfchen Sie doch ungeftört zu fein.

Simplicius.

Nun, Sie werden doch erlauben, daſs das ein' and're Aufgab' iſt, wenn ich ein' Rock zuſchneid', als wenn Sie da eine halbe Stund' nachdenken, und hernach fallt Ihnen erſt nichts ein. Wenn Sie einen Vers um ein paar Ellen zu lang machen, jo ſtreichen Sie |’ halt weg, aber wenn ich einen Ärmel um eine halbe Ellen zu kurz mad’, (er fireift feinen Rodärmel Hinauf.) was g’jchieht denn hernad) ?

Ewald (fampft mit dem Fuße.) Zum legtenmale vath’ ic) e8 Ihnen, mich ungeftört zu laffen,: oder Sie werden mid, wüthend machen.

Simpliring (erisroden.)

Nu, nu, nur nicht fo heftig, nıeine [wachen Nerven bitt’ ich zu verfchonen. Überhaupt zwingen mic verhält- nislofe Umftände, mit Ihnen tragisch zu reden. Ic kann zwar nichts gegen Sie jagen, Sie find ein ordentlicher Mann, Sie bleiben mir meinen Zins fchuldig, wie e8 fich gehört. Aber Sie find ein Dichter, der jehr fchöne Ideen hat, warum kommt Ihnen nicht auch die Idee, mich zu bezahlen ?

Ewald. Sie follen Ihr Geld erhalten. Simplicius. Ja wann? Ich werd' heut' noch eing'ſperrt. | Ewald. . Warum ? Simplirius.

Weil ich bleffiert bin und nicht ausruden kann. (Deutet auf's Zahlen.) Wenn aber das gefchieht, wenn fie mic) einfperren, Herr von Ewald Sie find mir fchuldig, id) gebrauch' mein Recht, Sie müfjen zu mir hinein. . Wir find Männer, wir werden unfer Schidfal zu ertragen

wiſſen. (Geht gravitätii ab in's Haus.)

Elfte Scene.

Ewald (alein.) Ha, ba, ha, ein gutmüthiger Menſch, wenn er nur nicht fo unerträglich einfältig wäre. Mich dauert feine mifsliche Lage. Morgen erhalt’ ich die Hälfte meines

Honorars, davon will ich ihn unterftügen. Doch jett ſei wirkſam Geift! (Distend.)

Sechzehnte Scene, Gefängnis, Arthur allein. Warum mufs ich im finftern Thurm hier haufen, Um den des Meers gejchäft'ge Wellen braufen; Ad), während Liebe ftillt ihr froh’ Verlangen, Hält mich der Hafs Hier trauervoll gefangen.

O Schutgeift, der Du meinem Traum Did) zeigft, Und fanft Dein Haupt zu mir herniederneigft, Leit’ mich aus meines Kerkers düfterm Bann, Dafs ich, ftatt nutlos finnen, Handeln kann.

(Während dem fintt unter jehr Leiien, fanften Tönen Lucina auf Wollen nieder. Ein Genins trägt die Rofenfaderl.)

Bwölfte Scene. Voriger. Turinn.

Cucina. Wenn Du willſt des Gedichtes Sinn auf Dich bezieh'n, So kann ich Deines Wunſches regen Drang erfüllen, Du kannſt mit mir nach weit entfernten Landen zieh'n, Und des Verlangens Glut im Thatenſtrome kühlen. Zu hohem Wirken hab' ich Deinen Muth erkoren, Weil ich Dein Herz und Deinen Geiſt als rein erſeh'n.

Ewald. O glanzentzücktes Aug', zu ſelt'nem Glück geboren, Daſs Du ſo holder Göttin Reize darfſt erſpäh'n. Incina. Erſtaune nicht, entwirf kein Bild von meinen Reizen, Du biſt zur Rettung eines mächt'gen Reichs erwählt,

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Der Auftrag jet genug, um mit der Zeit zu geizen, D’rum werd’ Dir aud) von mir das Nöth’ge nur erzählt. Di jollen Wolfen nad) Maſſana's Strande tragen, Ein Land, in welchen Unglüd heult in jedem Haus, Und das vom Meer verfchlungen wird in wenig Tagen, Dort gibft Du Did für einen Weifen aus, Entftammend aus Ägyptens heil’gen Pyramiden,

Der nad) Maffana kommt, um dieſes Land zu retten. Und wenn der König enden will den Lauf hHienieden, Bergoldeft Du des Todes fürchterliche Ketten,

Und forderft erft für diefen Dienft des Reiches Krone.

Ewald. Wodurch ich dies vollbring', kann ich noch nicht ergründen.

Cucina.

Nimm dieſe Fackel hier, ſie flammt in jeder Zone, Wenn Du ſie kräftig ſchwingſt, wird fie ſich felbft entzünden, Der Gegenſtand, auf den Du ihren Strahl willſt leiten, Wird zephyrleicht in ihrem Zauberlicht verrinnen, Narkot'ſche Wohlgerüche um ſich her verbreiten, Und die Geſtalt, die Du ihm leihen willſt, gewinnen. Er wird im wundervollſten Roſenglanz ſich zeigen, Wie ihn die zart'ſte Phantaſie nur könnte malen, Daſs ſich die Herzen alle liebend vor ihm beugen, Und ſanfte Rührung wird aus jedem Auge ſtrahlen.

(Gibt ihm die Fackel.) Verwahr' ſie wohl, Du wirſt ſie einſt noch dankbar preiſen, Wenn tröſtet Dich ihr welterfreu'nder Wunderſchein, Doch nicht allein darfſt Du die Rettungsbahn durchreiſen, Dein kühnen Muth muſs bange Furcht zur Seite fein.

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Du wirft wohl ſelbſt wo einen feigen Dümmling fennen, Den eine Sperlings leifes Rauſchen ſchon erfchredt.

Ewald. Da kann ih Dir, o Göttin, feinen befjern nennen, Als jenen Mann, der fich vor Deinem Anblid ſcheu verftedt.

(Deutet auf Simplicius in's Lau.)

Kurina. Nun wohl, Du magft mit ihm die Sache felbft verhandeln.

Ewald. | Er ift mir ſchon gewiſs, ich weiß, was ihn bewegt.

Cucina (zeigt auf einen Wels.) Die Fackel wird den Stein in leichten Nebel wandeln, Der Euch im fchnellen Flug durch blaue Lüfte trägt. Du übft, wie ich’& befahl?

Ewald. | Dies Tann ich hoch betheuern.

Cucina. Wohlan, ich will voraus hin nach Maſſana ſteuern. (Fliegt ab.)

Dreizehnte Scene.

Ewald (altein.) Dies ift ein Auftrag doch, der eines Dichters würdig, Weil echte Poeſie nad) einer Krone ftrebt, Selbft Göttern ift durch hohen Schwung fie ebenbürtig, Der über Sonnen fie zu Yovis Thron erhebt.

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Mein Geiſt iſt klein, mein Wirken nur ein ungeweihter Traum. D'rum wird die Kron', die ich heut' wage zu begehren, In nichts zerfließen, wie der Woge flücht'ger Schaum, Nur dafs ich fie gewollt, wird mir noch Lohn gewähren. Und wer wird nicht mit Luft von gold’nen Dingen träumen, Kann er darüber arme Wirkflichfeit verfäumen. (Ab in's Haus.)

Bierzeßufe Hcene.

(Berwandlung. Kurzes Zimmer mit ſchlechten Möbeln, ein Tiſch mit Echreib- geräthe, an der Wand hängen einige ſchlechte Kleidungsftüde, Maß und ein paar abgeihabte Bilder, Rechts eine Eeitenthür, links ein kleines Fenſter zum Öffnen.) Simplirins.

Jetzt wird’8 nicht mehr lang dauern, fo wird die achtzigpfündige Kanon’ meines Unglüds losgeh'n. Bor Angft Frieg’ ich) noch das gelbe Fieber, das ſchwarze hab’ ih jo in allen Taſchen fon. Wie jpät wird's denn ihon fein? Ich könnt's gleich wiffen, ich dürft’ nur auf die Uhr fchauen, die ich vor zwei Jahren verjegt hab’. Um Halb zwölf Uhr kommt der Weinhandler, der wird mic anzapfen um fein Geld, und wenn id ihn nicht zahlen kann, jo Heißt es: Marſch nad) Kamtfchatla !

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Sünfzeßnte Scene. Voriger. Ewald.

Ewald. Freude, Freude, lieber Simpficius!

Simplirins. Sa, ja, da8 wird eine mordionifche Freud’ werben, bei Waſſer und Brot.

Ewald. Nein, lieber Simplicins, wir wollen fort von bier, in ein fernes Neid).

Simplirins. In's Reich hinaus? Da war ich fo Schon, im Nürn- bergijchen. Ewald.

Nicht doc, eine veizende Göttin hat mic und Sie zur Rettung eines Königreich8 beftimmt.

Simplirius.

Mich ?

Ewald.

Ya Sie. Goldgefäumte Wolfen werden und dem gemeinen Leben bier entrüden und uns in ein herrlich' Land hintragen. Laffen Sie Ihren Gläubiger hier rafen, ec hat ja ohnehin nichts mehr zu fordern. Machen Sie ſich reifefertig, Sie find zu großen Dingen heftimmt.

Simplirins. Zu was für ein? Raimund, Dram. Werke III. 5

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Ewald. Das weiß ich nicht, ich weiß nur, dafs es eine Krone gilt. Simplirins. Und die fol ich errettien? Nun, das wird gut aus- fallen. Sie verfennt mid).

Ewald. Nein, fie Hat Ste ja gejehen und Ihren Muth belobt. Simplicius. Die Göttin? Ah, das iſt göttlich! Aber weiß ſie denn, daſs ich Ewald. Was? Simplicius. Pu. Macht die Pantomime des Nähens.)

Ewald. Ei, verſteht ſich, alles weiß ſie. Kommen Sie nur!

Simplicius.

Ich ſoll ein Land erretten? Ich kann mir's gar nicht anders vorſtellen, als daſs das Land durch Unruhen zer⸗ riſſen iſt, und ich muſs's zufanmenfliden. Oder fie fürch— ten ſich, das Land erfriert, und ich muſs ihm einen Pauvre!) machen. Und auf einer Wolken ſitzen wir, da fallen wir ja durch.

Ewald. Bewahre, ſorgen Sie ſich nicht!

J 1) überrock.

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Simplirins. Nun Ste, wenn wir heut’ durchfalleten, das wär’ weiter feine Schand’. Mir ift jest fehon, als wenn ich aus den Wolken g’fallen wär’.

Ewald. Ich fteh’ Ihnen für alles.

Simplicius. O Sie ſind ein gutes Haus! Was haben S' denn da für eine vergoſſene Kerzen?

Ewald.

Das iſt eben unſre Wunderfackel. Was ich durch ſie beſtrahlt wiſſen will, erſcheint nach meinem Wunſche in der herrlichſten Geſtalt, und roſ'ger Nebel wird das Auge eines jeden lieblich täuſchen.

Simplirins.

Was fie jest alles erfinden, um die Leut' hinter's Licht zu führen, das geht über alles, Na wegen meiner, ich bin dabei, ich fig’ doch Lieber auf einer Wolfen als im Arreft. Alſo gehen mir. (Sieht durch's Fenfter.) Um's Him- melswillen dort fommt der Weinhandler, und zwei Schuß- geifter hat er bei ihm, mit Hafterlange Spieß’.

Ewald, Fatale Sache, was beginn’ ich jet? Simplirins,

Monftenr Ewald, mir fallt aus Angft etwas ein. Probieren wir die Fadel, richten wir das Zimmer prächtig ein, tapezieren wir's aus. Vielleicht. befommt der Wein-

3%

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handler einen Reſpect und glaubt, er kriegt fein Geld. :. Warten Sie, ich ſperr' die Thür indefien zu, dafs er nicht gleich herein Tann. Thut es) Wenn er nur unter deffen abführ’, bi8 wir ihm ganz abfahren.

Ewald, Kein übler Gedanke, doch das geht nicht fo leicht, er wird fragen, wo wir die fchönen Möbel her haben. * Dann wird ihm die Yadel auffallen. Still!

Riegelfam (ropft von außen.) Nur aufgemacht! Ich weiß, daſs wer zu Haufe ift.

Simplicius. Gleich, gleich. (Seimlich. Was thun wir denn?

Ewald (esenio.) Geben Sie mid) für einen Engländer aus, dem die Möbel gehören, und der für Sie zahlen will.

Riegelſam. Ich ſchlage die Thür ein, wenn Er nicht aufmacht.

Simplicins. Richtig, fangen Sie nur zum möblieren an] (uft.) Nur warten! Riegelfam. | Warten? Du verdammter Burfche, wart Du auf meinen Stod, wenn id) Hineinfomme!

Ewald

(hat indeffen die Fackel geſchwungen, die fich jelbft entzündet.)

Muſik. (Auf einen Schlag verwandelt ſich das ſchmutzige Zimmer in ein herrlich gemaltes nnd reich möbliertes. Große Gemälde mit goldenen Rahmen, nebſt

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einer ſchönen Wanduhr präſentieren ſich. So verwandeln ſich auch die Thüren, das Fenſter, Tiſch und Stühle. Das Ganze zeigt ſich jedoch im bleichen Roſenlichte. Dieſe Berwandluug darf nicht durch Hinaufrollen der Courtine geſchehen, ſowohl die Courtine als die Couliſſen müſſen auf ihrem Platze bleiben, und nur die

Hälfte der Hinterwand mußſs ſchnell herabfallen und die Couliſſen umklappen, fo daſs die Berwandlung kaum das Auge belauſchen Tann.)

Simplirins (eriäriet.) Mich trifft der Schlag, das wird doch ein fhöner . Betrug fein. Ich glüdlicher Menſch, das g'hört alles nicht mein. Ewald

(ſtect die Fackel in die Couliſſe, wo der Schreibtiſch ſteht, fetzt ſich ſchnell dazu und ſtützt das Haupt auf die Hand.)

Nun öffnen Sie! Sagen Sie, ich dichte, und wollte ungeſtört bleiben; Sie hätten geſchlafen.

Riegelſam. Brecht das Schloſs auf! (Cie ſchlagen an die Thür.)

Simplirins (öffnet ſchnell.) Iſt Schon offen.

yo

Sechszehnte Hcene. Borige. Riegelſam (ein ſehr dicbeleibter Mann von Heftigem Tem-

perament.)

Riegelfam (not in der Thür.)

Aufmachen kann er nicht, aber Schuldenmachen kann er. Wart’, Du ver (er tritt herein und ſteht erflarrt; zwei Gerichtödiener halten an der Thür Wade) . Was ift das für eine malizidfe Pracht. Ich erftaune. Wem gehört das Amen: blement?

Ewald (eaſqh aufipringend.)

Mir!

Riegelfam, Ihnen? Ah, allen Reſpect!

Ewald. Alfo fchliegen Sie Ihren Mund! (Sest fi nieder und qreibt fort.) Riegelfam. Was Mundfchliegen? Um fünfhundert Thaler kann man den Mund gar nicht weit genug aufmachen.

Simplicins. Wenn er nur die Mundſperre befüm’, dafs er ihn gar nicht mehr zubrächt'!

Riegelfam. Nichts wird g’fchloflfen, al8 der (auf Simplicius deutend.) ber wird g’fchloffen freuzweis. Wie fteht’s, liederlicher Patron, wird gezahlt oder nicht?

Simplirins. Ta, e8 wird gezahlt.

Riegellam. Wer zahlt?

Simplirins. Ich nicht.

Riegelfam. Gerichtsdiener! (Sie treten vor.)

Ewald.

Halt! (Springt auf) Ich bezahle. (Setzt fih wieder und fchreibt.)

Riegelfam. Wirklich? Allen Reſpect! Wer ift diefer Herr ?

.—- 39

Simplicius. Ein vacierender Lord. Riegelſam. Und wohnt in dem miſerablen Haus? Simplicins. Spleen. Riegelſam.

Warum ſchreibt Er denn bei einer Fackel am hell⸗ lichten Tag?

Simplicius. Spleen. Riegelſam. Und was krieg' ich denn für meine Schuld? Simplicius. Spleen. Riegelſam.

Geh” Er zum Henker mit feinem Spleen. (Beifeite.) Wenn ich nur die Schönen Möbel haben könnt’, ich bin ganz verliebt in fie. (Laut.) Alfo was ſoll's fein? Entweder meine fünfhundert Thaler, oder ich laſſ da8 Zimmer ausräumen.

Simplirins. Da kriegt er auch was Recht's.

Ewald (eitig Herr, unterftehen Sie ſich nicht, fi meines Eigen- thums zu bemädhtigen. In diefem Zimmer bin ich Herr, weil ich e8 gemietet habe, und wenn Sie e8 nicht auf der Stelle verlafien, fo werd’ ich mein Hausrecht gebrauchen und Sie zum Fenfter hinauswerfen.

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Riegelſam. Welch' eine Behandlung? Was ſoll das ſein? (Sieht Simplicius fragend an.) Simplicius (cleichgiltig.) Spleen. Riegelſam. Halt' Er ſein Manl mit ſeinem verflixten Spleen. Sie haben ſich angeboten zu bezahlen, thun Sie es, ih bin bereit. Ewald. IH noch nicht, in einer Stunde follen Sie Ihr Geld erhalten, ich erwarte die Poft. Entfernen Sie ſich jest, und kommen Sie in einer Stunde wieder.

Riegelſam. Hat auch kein Geld, nichts als Spleen. Aber die ſchönen Möbel, dieſe herrlichen Möbel. Gut, ich geh', aber die Wache bleibt hier.

Simplicius. Ich ſeh' mich ſchon im Loch.

Ewald. Impertinent, den Augenblick mit der Wache fort, oder Sie bekommen keinen Heller von Ihrer Schuld.

Riegelſam. Nicht? So laſſ' ich ihm einſperren. (Auf Simplictus zeigend.) Ewald.

Nur fort mit ihm, das iſt das Beſte, was Sie thun können.

Simplirins (erihroden.) So iſt's recht, das wäre ſchon das Befte bei ihm.

Riegelfam (beifeite.) Es ift ihm nicht beizufommen, ic, möchte rafend

werden. Aber die jchönen Möbel, diefe Möbel allein tönnten mid) verführen.

Simplirins. Ab, wenn Sie f' erft im rechten Kicht fehen werden, denn fein’ Tadel blend’t einen ja.

Riegelfam. Sind Sie da noch ſchöner?

Simplirins., D da kann man fie gar nicht fehen vor lauter Schönheit. Riegelfam. Gut, die Wache fol ſich entfernen unter der Be- dingung, daſs Sie mir diefe Möbel verfchreiben.

Simplirins (eimlich erfreut.) Beißt ſchon an!

Riegelſam.

Wenn ich in einer Stunde mein Geld nicht erhalte, gehören ſie mir.

Simplirins (eimlich freudig.) Haben ihn ſchon!

Ewald. Mein Wort darauf.

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Riegelfam. Nichts, das mufs fchriftlich fein, nur auffegen, Alles ſchriftlich.

Simplirins (eimlich. G'hört Schon uns!

Ewald (ihreist.) Alfo Alles, was fi in diefem Zimmer befindet

Simplirius. Bis auf uns, denn er wär im Stand, er nehmet” uns aud) dazu. Das ift gar ein Feiner.

Riegelfam. So ein miferables Möbel, wie Er ift, kann ich nicht brauchen. Still! Eure Hoheit belieben zu unterfchreiben.

Ewald- (töut es.)

Hier. Riegelſam. Auch der Schneider!

Simplirins cthut es; für fich.) Du wirſt Dich ſchneiden.

Riegelſam (rohlocend.) Bravo, jetzt bin ich in Ordnung.

Simplicius. Das iſt ein glücklicher Kerl, hat der einen Fang g'macht! Riegelſam (sr Wade.) Ihr könnt nad) Haufe gehen. (Wade ab.)

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Simplirins. AH, weil nur die Garnierung von der Thür weg ift.

Ewald. Nun gehen Sie aud)!

Riegelfam. Ih? Was fällt Ihnen ein, ich bleibe hier, bis das Geld anfümmt. Ewald. Welch eine Eigenmächtigkeit? Ich mufs fort, das Geld zu holen, ich habe Eile. Simplirins. Freilich, bei uns geht’8 auf der Poſt. (Für fi, Wir fahren ja ab. Riegelſam. Das können Sie machen wie Sie wollen. (Segt ſich in einen Stuhl.) Mich bringt einmal niemand aus diefem

Zimmer fort. Ic muſs meine Möbel bewachen, fein Stüd darf mir davon mwegfommen. Tauſend Element!

Ewald au Simplicius heimlich.) Das ift eine fchöne Gefchichte, was thun wir jett?

Simplicins.

So laſſen Sie ihn ſitzen, wir nehmen unfre Fackel, gehen hinaus, fperren ihn ein, und er ſoll feine Möbel bewachen.

Ewald.

Ein delicater Einfall! (Er nimmt die Facel von der Coutiffe.)

Nun wohl, bleiben Sie hier, und haften Sie mir für Alles!

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Simplicius. Und geben Sie acht, daſs Ihnen nichts wegkommt, ſonſt müſſen Sie's zahlen. (Ewald und Simplicius gehen ſchnell hinaus und ſperren die Thür zu.

Wie die Fackel aus dem Zimmer iſt, verwandelt ſich die Decoration im Nu wieder in die arme Stube.)

Riegelſam

(ſpringt auf und ſagt im höchſten Erſtaunen.) Blitz und Donner, was iſt das für eine Beſcherung? Bin ih in eine Zauberhöhle geratien? Wo find bie Möbel hingekommen? Die fchöne Uhr, die herrlichen Gemälde. Alles ift fort, Teen find da, (Zerreißt die Kleider.) Nichts als Fetzen find da und die Lumpen find fort. IH muſs ihnen nad. Die Thür ift verriegelt, ich kann nicht hinaus, ich erftide vor Wut. Meine fünf- hundert Thaler. (Sintt in den Stuhl.) | Simplirius (fieht zu dem Heinen Fenſter herein.) Freund, die find verloren.

Riegelfam. O Du Herenmeifter, wirft Du hereinfommen! Schaff’ mir meine Möbel ber!

Simplirins. Wollen Sie |’ nochmal jehen? (Hätt die Facel zum Fenſter herein.) Da find fie! (Das Zimmer wird wie vorher.)

Riegelfam

(ftürzt mit ausgebreiteten Armen darauf bin.)

Halt, jetzt laſſ' ich fie nicht mehr aus.

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Simplicius (ieht die Hader gucke.) (Schnelle Verwandlung.) Riegelfam (fährt betroffen zurück.) Simplirius. Halten Sie T fe. So rädt fid) Simplicius, der Verſchuldete.

Sießzeßnte Scene. Riegelfam

(fährt wüthend auf das Fenfter, welches Simplicius ihm vor der Nafe zufchlägt.)

Spitbuben, Gefindel! Räuber! Mörder! Diebe! (Schlägt die Fenſterſcheiben ein.) Ich zerplage vor Zorn. Ich mufs ihnen nad). (Wit zum Fenſter hinaus und bleibt ſtecken.) Ich kann nicht durch, ich bin zu did, ich erftid’! Was feh' ih! O Höllifche Zauberei, fie fliegen auf einer Wolfe davon. Die prächtigen Kleider, der Schneider ftroßt vor Silber, wenn id) ihm's nur herabreißen könnt! Meine fünfhundert Thaler! Ic werd’ unfinnig, ich fpreng’ mic) in die Luft. (Sieht in die Kammer.) Ha! Dort ift ein größeres Senfter, ich fpring’ bei dem hinaus. (Läuft in die Kammer und ſchreit noch drinnen.) Hilfe! Hilfe! Räuber! Diebe! Wache! (Ab.)

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Achtzehnte Scene.

(Berwandlung. Großer Plas in Mafjana. Seitwärts der königliche Palaſt im griechiſchen Stil erbaut. Stufen führen aufwärts, auf welchen der grie- hifhe Tod, ein bleiher Jüngling mit der umgelehrten ausgelöfchten Fackel, geihloffenen Augen und mit geſenktem Haupte fittt. Viele Berfonen in Trauer,

viele nicht, gehen händeringend über die Straße.)

Kurzer Chor.

Jammer, fag’, wann wirft du fcheiden

Bon Maffana’3 Unglüdsflur;

Große Götter, hemmt die Leiden,

Eure Macht vermag es nur.

(Sehen trauervoli ab.)

Meunzehnte Hcene.

Cucina (kommt und betrachtet mit Wehmuth den Palaſt.) Genins des Todes.

(Die ganze Scene mufs von beiden Seiten langſam und feierlich gefprochen werden.)

Kurina. Mich erfafst ein widrig Schauern, Blick' ic) auf dies Trauerſchloſs. Schon ſeh' ich den Jüngling lauern, Armer Fürft, Dein Leid ift groß.

(Mit erhobener Stimme.)

Du, des Todes Genius, Magft durch Antwort mich beglüden; Wirſt Du heut’ den eif’gen Kufs Auf Maflana’s Tippen drüden?

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Genius des Todes

(hebt fein Haupt, ftets bleibt die Fackel gefentt. Spricht kalt und ernſt im tiefen Zone.)

Wenn die Nacht den Tag verjagt So heiſcht's Hades’ Rachefinn, Hat Maffana ausgeflagt,

(Kurze Baufe.) Rauſcht das Meer darüber hin.

Incinn.

Und wie wird der König enden, Wirſt Du freundlih ihn umfah'n?

Genius des Todes.

Hades kann nur Schreden fenden, Düfter wird fein Ende nah’n.

Cncina.

Wehmuth ſeufzt aus Deiner Kunde Und doch frommt ſie meinem Plan, Mich beglückt die Unglücksſtunde, Wenn ich Dich erweichen kann. Schenk' das Leben mir von Zweien, Die nicht Hades' Fluch getroffen, Die nicht an die Zahl ſich reihen, Die Erbarmen nicht zu hoffen.

Genius des Todes. Nimm das Leben hin von Zweien, Du entziehft mir's dennoch nidt.

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Aurina. Möchteſt Du mir noch verleihen, Daſs Heraflius’ Auge bricht, Eh’ des Landes Feſten beben.

Genins des Todes. Eh den Thurm noch küſst die Well’, Lifcht des Franken Königs Leben.

Kurina. Doch Maffana mufs dann fchnell, Eh’ die Zeit Secunden raubt, In dem Augenblid verfinten, Wo auf einem fremden Haupt Wird des Königs Krone blinken.

Genius des Todes. (läfst das Haupt finten und fagt dumpf und langfant.)

Wird verſinken.

(Baufe, dann noch mit geienktem Haupte.)

Laff mich Taufchen. |

Cucina. | Iſt Dein Aug’ zum Schlaf erlahmt? |

(Gejammer in der Scene, mehrere Stimmen: Hilf, er flirbtl)

OGenins des Todes, Hörft Du's raufchen ? (Hebt das Haupt.) Dorthin ruft mein eifern’ Amt.

(Er ſteht auf, fein Haupt ift etwas gebeugt, die rechte Hand firedit er gegen

den Ort aus, wo der Schall hertönt, als zeigte er hin, die inte hängt, die um«

geftürzte Fackel haltend, gerade herab, fo eilt er gemeſſenen Schrittes in bie Eouliffe, doch auf die entgegengejette Seite des Palaſtes.)

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Änrinn Glidctt gegen Himmel.) Götter, die Ihr gnädig waltet, Und doch unbegreiflich fchaltet! (Seht langſam auf die entgegengeſetzte Seite ab.)

Zwanzigſte Scene. Theſtius, Epaminondas (mehrere Einwohner von Maffana

tommen bon der Seite, wo der Genius abgeichritten ifl.) Theflins. Iſt aus mit: ihm, ift ſtumm; die Götter haben feinen Mund gejchlofien.

Epaminondas.

Ein ſonſt ſo ſanftes Roſs, und ſchleudert ihn herab, daſs von dem Fall die Erde donnert. (Die Weiber weinen.) So heult doch nicht, feid Ihr's nicht ſchon gewohnt? Seit fieben vollen Yahren hat Unglüd hier im Lande fih gelagert und über diefe Stadt fein fchwarzes Zelt gefpannt. Ich bin fchon ftumpf gemacht, mich kann's nicht rühren mehr, wenn meines Nachbars Dad auf feinen Schädel ftürzt. Nur Weiber können ſich an fo was

nicht gewöhnen. Theſtins.

O Hades, ungerechter Fürſt der Unterwelt, der Du aus Rache, weil Maſſana nicht den König bat gewählt, den Du durch Deine unterirdifchen Orafel ihm beftimmen ließeſt, da8 arme Reich mit Übel aller Art verfolgft; fo dafs wir wie auf nie betret’nem Eis- geffüft nicht einen Schritt auf breiter Straße thun, wo nicht Gefahr des Lebens mit verbunden ift.

Raimund, Dram. Werke III. 4

50

. Epaminsndas. Seht, was läuft das Volk zufammen? Zwei Fremde bringen fie. Theſtius. Die ſind ſo ſelten jetzt im Land, als ob ſich Kometen zeigten. Hypomedon führt ſie.

Einundzwanzigſte Scene. Vorige. Hypomedon. Ewald. Simplirins.

Aypomedon.

Endlich Haben wir wieder da8 Glück, zwei Fremdlinge in unjrer Stadt zu jehen. Staunt, aus Aegypten kommen diefe Leute gar, um bei und Verachtung des Lebens zu lernen.

Ewald.

Sei gegrüßt, Volk von Mafjana, ic, habe Wichtiges

in Deinem Reiche zu verhandeln.

Simplirins. Zu verhandeln, fagt er, auf die Lest halten |’ ung für Juden. Theſtius. Seid uns gegrüßt, wir bedauern Euch.

Simplirins (mast große Augen.) Der bedauert uns.

Theflins. Euch haben böfe Sterne in dies Land geleitet.

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Simplirins. Ah warum nicht gar, wic ind ja beim helllichten Tag ankommen.

Ewald (nimmt ihn auf die Seite.) Sei nicht fo gemein, thu vornehm, fei Elug, befcheiden und drüde Dich in beffern Worten aus.

Simplirins. Das müflen Sie mir fchriftlich geben, denn jo kann ic) mir das nicht merken.

Ewald,

Glaubt nicht, dafs ich der Pyramiden geheimnis⸗ vollen Aufenthalt umfonft verließ, Ihr werdet die Geftirne hoch verehren, die nach Mafjana mir geleuchtet, denn fromme Götter haben mid) zu Euch gefendet.

Theſtius.

So preiſen Deine Sendung wir. Dein Aug' iſt ſanft' und edel Deine Haltung, Dein Antlitz flößt Ver⸗ trauen ein, und Deine kühn gewölbte Stirne mag wohl ein Thron der höchſten Weisheit fein.

Simplirins.

Nein, was j’ an dem alles bemerken, das wär’ mir nit in Schlaf eing’fallen. Einen Thron bat er auf der Stirn‘, und da fit die Weisheit d’rauf. (Macht die Pantomime des Niederfigens.) et, was werden |’ erft auf meiner Stirn alles fiten fehen?

Theflins. Willſt Du mein Unglüdshaus zur Wohnung Dir erwählen, jo folge meinem ſcheuen Zritt, doch laſſ' die | 3

52 -—

Borficht emfig prüfen Deinen Pfad, und Beforgnis über Deine Schultern ſchau'n. (Er verbeugt fich tief.)

Ewald.

Mein Dank grüßt Deines Hauſes Schwelle, mit frohem Hoffnungsgrün wird Dir der Gaſt die Hallen ſchmücken. Simplicius, folge bald! (Geht mit Anſtand ab, Theftius folgt.)

Bweinndzwanzigfie Scene. Vorige, ohne Ewald un Theſtius.

Simplirins (fieht ihm erſtaunt nad.)

Ich empfehl' mich Ihnen. Ah, was die Weisheit für eine langweilige Sach' ift, das Hätt’ ich in meinem Leben nicht gedacht. Ich will einmal Iuftig fein. (hut nobel; zu Epaminondas) Sagen Sie mir, mein edelfter Maſſanier, was gibt e8 denn für Spaziergänge hier?

Epaminondas. Der betretenfte Weg führt in’s Elend.

Simplirius. So? Das mufs eine ſchöne Promenade fein.

Äypomedon. Du wirft fie ſchon noch ſehen.

Simplicins. Ich freu’ mich ſchon darauf. Haben Sie auch ein Theater ?

5

Epaminondas. D ja. (Senken) Maſſana heißt der Schauplatz. Simplirius. Was wird denn da aufgeführt? Hypomedon. Ein großes Trauerſpiel. Simplicius. Von wem? Epaminondas.

Ein Werk des Orkus' iſt's.

Simplicius. Den Dichter kenn' ich nicht, muſs ein Ausländer ſein.

Aypomedon. Es währt ſchon fieben Jahre.

Simplirins, D Spectafel, da muſs einer ja zweimal auf die Welt tommen, bis er eins ſeh'n kann. Wer fpielt denn mit?

Epaminondas. Das ganze Volk. Simplicins. Alſo ein Volkstheater. Und wer ſchaut denn zu? Epaminondas. Die Hölle. Simplicius.

Da mußs ja eine Hitz' im Theater fein, die nicht zum Aushalten ift. Überhaupt fcheinen die Let’ hier

A

nicht ausgelafjen luftig zu fein. Warum weinen denn die

Frauen da? Eine Fran. Wir beweinen Euer Scidjal. Simplicius.

Unſer Schickſal? Was haben denn wir für ein

Schickſal? Wen tragen |’ denn da? (Man trägt eine mit grünem Tuch bededte Trag' jchnell über das Xheater.)

Aypomedon. 's ift nur einer, den ein Roſs erjchlagen hat.

Simplirins. Erſchlagen hat's ihn nur? D da reigt er fid) ſchon noch heraus, hier ift eine gefunde Luft. Wer wohnt denn in dem großen Haus.

Hypomedon. Das ſteht leider leer; die Leute find alle heraus— geftorben. | Simplirius. Warum nicht gar? Was hat ihnen denn g’fehlt?

Epaminondas. Neu, e8 ift eine eigene Krankheit, es ift nicht gerade ein gelbes Fieber Simplirins. Nu, wenn es nur eine Farbe hat, ich bin mit allem z’frieden. (Eine ebenfolche Trag’ von der entgegengefekten Seite ſchnell über das Theater.) Sie, da tragen ſ' ja ſchon wieder Einen?

Epaminondas. Das geht den ganzen Morgen ſo; heut' iſt ein gefährlicher Tag, Ihr dürft Euch in Acht nehmen.

55 Simplirins. In Acht nehmen ? Ja, haben Sie denn etwa die Peft ?

Epaminondns. Nu, jetst nicht mehr fo fehr.

Simplicius. Nicht mehr ſo ſehr? Hören Sie auf, mir wird völlig Angſt. Ich bitt' Sie, mein lieber wie heißen Sie?

Epaminondas.

Epaminondas.

Simplicius.

Epaminondas? Das iſt auch ein ſo ein gefährlicher Nam'. Alſo, mein lieber Epaminondas, haben Sie die Güte und führen Sie mich wohin, dafs ic eine Aus- heiterung hab’, denn ich bin fehr miferabel.

Epaminsudas. Ich will Did) an einen Ort führen, wo Du vielleicht Bekannte findeft.

Simplirins. Ah, das wär’ prächtig. Wohin denn? Epaminsndas. | Auf den Fremden-Kirchhof. Simplirius. Wohin ? Epaminsndas.

Auf den Fremden-Kirchhof; dort liegen alle Fremden begraben, die jeit fieben Jahren in unfere Stadt ge- fommen find.

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Simplicius. Alle, ohne Ausnahm'?

Epaminsndas.

Sa, ja, alle; Du fannft Div gleich dort einen Platz beftellen. _

Simplirins.

Einen Pla ſoll ich mir beftellen, wie auf einem Sfellfchaftswagen ? Sie wahnfinniger Menſch, was fällt Ihnen denn ein? Was ift denn das für ein Yand ? Das ift eine wahre Marderfallen, wo man nicht mehr hinaus fann. Und das erzählen Sie einem noch, Sie abſcheul wie heißen S’? Ich habe Ihnen fchon wieder vergefjen.

Epaminondas (wi.) Epaminondas.

Simplirins. Der Nam’ bringt einen allein fchon un, So wider- rufen Sie doch, Epaminondas, wenn Sie nicht wollen, daſs mic, die Angft verzehrt.

Dreinndzwanzigfle Scene. Voxrige. Billing (eitig.) Sillins. Helft, Helft, e& fteht ein Haus in Flammen!

Alles (auft av.) Hilfe, rettet, fort!

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Epaminondas (lası.) Ha, ha, die Thoren löſchen dort und jammern ſich bei fremdem Unglüd krank. Ic lache nur, ich bin ein Stoifer, wer raubt mein Glück?

>

Biernndzwanzigfle Scene. Porige. Argos (eitigft.)

Argos. Du folft nach Haufe kehr'n, Epaminond’, Dein Sohn ift todt.

Epaminondas (die Hände jammernd ringend.) Mein. Sohn! Mein Sohn! D unglüdjel’ger Tag! Das überleb’ ich nicht! (Stürzt mit Argos ab.)

Sünfundzwanzigfie Scene.

Simplirins (allein, dann ein Diener des Theftins aus dem Haufe.)

Simplirins (sittert am ganzen Leib.)

Schrecklich, ſchrecklich! Stivbt fchon wieder eine Familie aus. Der Stoifer ift g’ftraft für feinen Über- muth. Mich fangt eine Ohnmacht ab. (Sekt ſich auf die Stufen des Palaſtes. Wo werden ſ' da Hofmannifche Tropfen haben? Hilfe, Ohnmacht, Hilfe! |

Miener (aus dem Haufe) Du möchteft hinaufkommen, Sremdling, Dich zu laben.

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Simplicius (matt.) | Laben? Das ift die höchfte Zeit, daſs fie mid) laben. Ich komm’ ſchon, nur voraus!

Diener.

Doh nimm Di wohl in Acht, die Treppe ift fehr fteil, e8 haben ſich drei Hausgenoſſen ſchon das Bein gebrochen.

Simpliring (in Höchfter Angft.)

Um Himmelswillen, das nimmt ja gar fein End’. (Die Knie ſchnappen ihm zufammen.) Ich trau’ mich gar nicht auf⸗ zutreten mehr. Führt's mich hinein. (Der Diener führt ihn unter dem Arın, er fpricht unter dem Abführen:) O fchlechtes Volk! Ein’ Fremden-Kirchhof haben ’, das gelbe Fieber, etwas Peft, Epaminondas ein’ Beinbruch auch. O Angft, warn ih bier ftirb’, mein Leben feh'n ©’ mid, nimmermehr. (Schleppi fi ab, von dem Diener geführt.)

Sechsundzwanzigſte Scene. (Kurzes Gemach in Theftin 8’ Haufe, mit zwei Seitenthüren.)

Theflins. Ewald.

Theflins.

Du bift gemeldet bei dem König, weifer Fremdling, als unfres Landes wunderbarer Retter. Seit frühem Morgen find ſchon die Minifter al’ um ihn verfammelt. An unheilbarem Übel Tiegt der Herrliche darnieder, und wie der Menſch durch höhern Schmerz den minderen nicht fühlt, fo klagt das Volk mit edler Xieb’ bei feines Königs hohem Leid, dafs es ob dem Geſtohn' das eigene groß vergiſst.

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Ewald. D wie entzüdend ift es, fo geliebt zu fein.

Theſtius.

So liebt der König auch ſein treubewährtes Volk, und gleichen Sieg erringt ſein edles Herz. Wie glücklich wär' dies Land, wenn nicht der unbarmherz'ge Fürſt der unterird'ſchen Schatten

Siebenundzwanzigſte Scene. Vorige. Harmodius (eitig und beſtürzt.)

Harmodius. Wo iſt der Weiſe aus Aegyptens Zauberlande, der Rettung bietet dem beſtürzten Volk?

Theſtius. Du ſiehſt ihn hier voll ſanfter Würde ſtehen.

Harmodins.

Beweifen magft Du nun, dafs gute Götter Dich mit wunderbarer Zauberfraft begabt; Du mufst zum König fchnell, e8 will fein Geift Elyfium erfämpfen, dod) ſendet Hades fchauervolle Bilder, mit Schredensnacdht fein Auge zu umgarnen, und Yurien, furchtbar anzuschauen, mit Schlangen reich) ummunden, auf faulen Dünften fchwebend, durchraufchen das Gemach. Nun ſprich: kannſt Du des Orkus Nacht durch Eos Strahl erhellen?

Ewald. Ich kann es nicht, den Göttern iſt es möglich, und was ich bin, ich bin es nur durch ſie.

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Öarmodius. So eil’ mit mir, es ift die höchfte Zeit.

Ewald (umarmt Theſtius mit Rührung.)

Mein Theftins, leb' wohl, Ofiris möge Dich für Deine Güte lohnen. (Für fi mit Schmerz.) Ich feh’ ihn nimmermehr. Nun komm', geleite mich, mir winkt ein großer Augenblid.

| Theflins.

Kehr' bald zurüd, mein Herz erwartet Did).

(Ewald und Harmodius zur Seite ab, Theſtius zur entgegengejettten Seite ab.)

Achtundzwanzigſte Scene. Simpliring und Argte (teten ein.)

Arete. Ach Du armer Menſch, komm' doch herein, warum willſt Du denn keine Speiſe nehmen?

Simplicius. Ich kann nicht, ich kann keinen Biſſen trinken und keinen Tropfen eſſen. Ich verhungere noch vor Angſt.

Arete. Pfui, ſchäm' Dich doch, biſt Du ein Mann?

Simplicins Geiſeite.) Ich weiß ſelbſt nicht mehr, was ich bin. (Laut.) Ver⸗ muthlich. Arete. Betrachte mich; ich bin ein Mädchen. Wir haben zwar große Urſache uns zu fürchten, man hat heute

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Nacht Erdſtöße verfpürt, daſs die Stadtmauern erzittert haben. Simplirins. Jetzt, wenn die Stadtmauern ſchon zum Zittern anfangen, was ſoll denn unfer einer thun?

Arete. Warum biſt Du denn aber eigentlich nach Maſſana gekommen? Simplicius Gitternd.) Weil ich das Land erretten muſs.

Arete. Du? Ach ihr guten Götter, wenn Du Dich nur nicht vorher zu Tode zitterſt.

Simplicius. Glaubſt? Das wär' ſehr fatal.

Arete. Armer Narr, Du dauerſt mich.

Simplicius. Ich dank' ergebenſt. Das Mädel wär' ſo hübſch; wenn mir nur nicht die Knie zuſamm'ſchnappeten, ich fanget' aus lauter Angſt eine Amour an.

Arete. Warum blickſt Du mich ſo forſchend an, was wünſcheſt Du? Simplirins für fs.) Wann fie nur in der Gejchwindigfeit eine Leiden⸗ ſchaft zu mir faſſet', fo könnten wir heut! Vormittag noch durchgehen, und ich käm' doch auf gute Art aus

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dem verdammten Land. ag’ mir, liebes Kind, was fühlft Du eigentlich für mid)? Arete. Mitleid, inniges Mitleid! | Simplirins. Inniges Mitleid? Aha, fie ift nicht ohne Antipathie für mid. Könnteft Du Di wohl entfchliegen

Arete. Wozu? Simplicius. Die Meinige zu werden. Arete.

Arete die Deinige?

Simplicius. Ja, Arete, Du haſt mein Herz arretiert.

Arete (ehr ſtolz.) | Wer bift Du, der Du es wagft, um die Hand einer edlen Maflanierin anzuhalten.

Simplirins (Beifeite.) Soll ic ihr meinen Stand entdeden? Nein,

Ein myſtiſches Dunkel muſs darüber walten. (Zaut.)

Ich bin nicht was ich fcheine, und fcheine auch nicht wag ich bin,

Und wenn ic) das wäre, was ich fein möchte,

So würd’ ich nicht fcheinen, was ich nicht bin.

Arete. Ich verftehe Dich.

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Simplirins. Da g’hört ein Geift dazu, ich verfteh' mid, felber nicht.

Arete. Du möchteſt gern ſcheinen, was Du nicht biſt, Und biſt doch fo ſehr, was Du auch ſcheinſt.

Sinplicinus. Hat's ſchon errathen, es iſt unglaubbar. Sag' mir Mädchen, hätteſt Du wohl den Muth mich zu entführen.

Axete. Dich? Simplicius. Oder umgekehrt. Arete.

Das heißt, ich) ſoll mit Dir mein Vaterland ver- laſſen? Ich verftehe Dich wohl.

Simplirins. Hat mid) ſchon wieder veritanden.

Arete.

Damit Du mich aber auch verſteheſt, ſo will ich Dir ſagen, wofür ich Dich halte: Du biſt ein unverſchämter erbärmlicher Menſch, der es wagt, ſeine vor Todesfurcht bebenden Lippen zu einer Liebeserklärung zu öffnen, und einem edlen Mädchen von Maſſana ſeine krüppelhafte Geſtalt anzutragen. Entferne Dich, mit Dir zu reden iſt Verbrechen an der Zeit, und wenn Du künftig wieder ein Mädchenherz erobern willſt, fo ſtähle das Deinige erſt mit Muth; muthige Männer werden geliebt,

\ muthlofe verachtet man.

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Simplirins. Da g’hört ein Stoifer dazu, um das zu ertragen. Leb’ wohl, Du wirft zu fpät erfahren, wen Du beleidigt haft. Ha, jett kann Maffana fallen, ich heb's gewifs nicht auf. Arete. Halt, weile noch, erkläre Dich, damit ich erfahre, weilen Antrag mic) entwürdigt hat.

Duett. Arete. Mer bift Du wohl? Schnell fag’ es an! Simplirins. Sch hab's ſchon g’jagt, ich bin ein Mann. Arete. Ein Mann biſt Du, doch was für einer? Simplicius. Ein beff’rer bin ich doch als keiner. Axete. Wie heißeſt Du, biſt Du vom Adel? Simplicius. Ich heiß' Simplicius Zitternadel. Arete. Der Name klingt mir ſehr gemein. Simplicius. Es kann nicht alles nobel ſein. Arete.

Wie kannſt Du ſolchen Unſinn ſagen?

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Simplirins. Das wollt’ ich Dich foeben fragen.

Arete. Dein Äuß'res iſt mir ſchon zuwider.

Simplirins. Das ſchlagt mein Inn'res ſehr darnieder.

Arete. So häſslich iſt kein Dann hienieden.

Simplicius. Die Guſto ſind zum Glück verſchieden.

Arete. Wie abgeſchmackt der Schnitt der Kleider!

Simplicius (aufpraufend.) Das iſt nicht wahr, ich bin (aſst fi und ſagt ge— lafſen) nur weiter!

Arete. Nun hätteft Du Dich bald verrathen.

Simplirins. Ja meiner Seel’, jet hat's mir g’rathen.

Arete. Du mufst mir ſagen, wer Du biſt?

Simplirins. Ich bin ein Held, wie's feiner ift. Raimund, Dram. Werke. III. 5

Beide zugleich).

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Arete (ipöttiih.) | Dein Muth ift in der Schlacht wohl groß?

Simplicins. Sch ftech” oft ganze Tag’ d’rauf los.

Arete. Umſonſt verſchlingſt Du ſchlau den Faden.

Simplicius. Mir ſcheint, die Feine riecht den Braten.

Arete.

Mein Argwohn läfst ſich nicht mehr trennen.

Simplicius. Test braucht ſ' nur noch die Scher! zu nennen.

Arete. Du bift kein Prinz, gefteh' e8 mir!

Simplirins (sornig,) Ic bin ein Kleideringenier!

Arete.

Ha! Ihr Götter, was hör' ich, mein Auge wird trübe, Ein ſolcher Plebejer ſpricht zu mir von Liebe,

Welch eine Glut

Brennet im Blut;

Wüthender Schmerz

Flammet im Herz.

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Schnell flieh’ ich) von Hinnen, verberge mic) jcheu, D, folternde Hölle, beſchämende Reu'!

Simplirins. Was fol ich e8 leugnen, es ift feine Schand’, Denn Achtung verdienet mein nüßlicher Stand. Ich ſag' es g’rad’, Ich g'hör zur Lad'; Und meine Scher' F Schwing’ id mit Ehr’. Ich ſchrei's in die Welt hinaus, 's ift meine Pflicht, Ich bin ja kein Pfufcher, d'rum ſchäm' ich mic) nicht}

(Beide ab.)

piojont ag

Hennnndzwanzigfle Scene.

(Berwandlung. Königliches Gemach. Die Hintermand hat einen großen offenen Bogen, Hinter ihm hängt eine Couliſſe weit entfernt eine Hinterwand von dunklen Wollen, durch welche man wie im Rebel eine riefige, bronzeartige, geflügelte Furiengeftalt, mit Teuchtenden Augen, Iauernd ruhen fieht. Das Ganze ift auf die Rückwand gemalt und durch bläulichen Schein magiſch ers leuchtet. Larven grinjen hie und da aus den fie umgebenden Wollen hervor. Zwiſchen diefer Wand und ber Öffnung des Bogens fieht man vier dunkle Schatten bei einem offnen Grabe (große Verſenkung) beſchäftigt, aus welchem ein erſt darein verfenkter, vergoldeter Sarg noch etwas hervorfteht. Das Ganze bildet ein impofantes Tableau. Das Gemach ift dunkel, der Donner rollt. In einem goldnen Armflubl ruht Heraklius, um ihn trauerndb die Großen des Reiches und Diener des Tempels. Neben ihm, auf einem Marmortiſch, die Krone. An der Couliſſe, dem Arnftuhl des Königs gegenüber, ein auf drei Stufen erhabener einfader Sit.)

Seraklins, Ewald, Harmodins.

Rurzer Chor der Furien. Wo der Frevler mag auch weilen, Trifft ihn doc) des Orkus Rache, 5%

68

Und ihr Dolch wird ihn ereilen Selbſt im gold'nen Prunkgemache.

Heraklius (in matter Unruhe.)

Hinmweg, hinweg, Du ſcheußlicher Vampyr, Der frommes Hoffen aus der Seele faugt.

Äarmodins (u Ewald.) Du ſiehſt des guten Königs Leiden hier, Ein Bild, das nicht für menjchlich” Auge taugt.

Heraklius. Wer ſtöret meine Pein?

Harmodius. Dein Retter, Herr!

Heraklius. Umſonſt, umſonſt, wer bringt die Höll' zum Weichen ? D Qual, wenn ich doch nicht geboren wär’ !

Ewald. Ih Tann, mein Fürft, den Anblid Dir verfcheuchen.

Heraklins. Wenn Du's vermagft, ein Fürſtenthum zum Lohne,

Ewald, So hoch ſchwebt auch der Preis, den ich beftimm’, Ic ford’re viel, ich ford’re Deine Krone.

Heraklins. Sie war mein Stolz! Borbei! Verſcheuch'! -— Nimm! Nimm!

Ewald (u den Edlen.) Ihr Habt’8 gehört, ſeid Ihr damit zufrieden ?

Alle (dumpf und halblant.) Wenn Did) der König wählt, wählt Dich) das Reid).

Ewald. So will ich über diefes Schauerthum gebieten, Dei Iſis' Donner, Truggewölk' entfleuch!

(Donnerfchlag, er ſchwingt die Yadel, die Hinterwand entmweicht, Grab und Schatten verfchwinden, ein tiefes Wolkentheater zeigt fich, es ftellt ein prakti⸗ Lables Wollengebirge vor. Oben quer vor der Hintercourtine eine goldne Mauer und ein goldnes Thor. Hinter diefem ftrahlet, auf der Courtine gemalt, heller Sonnenglanz, der fi im Blau des Himmels verliert, das mit transparenten Sternen bejäet ift. Am Fuße dieſes Gebirges beim Aufgange fit auf einem goldenen Piedeſtal Thanatos wie in der früheren Scene, doch mit ber brennenden Fackel. Sphärenmufit ertönt. Heratlius’ Geftalt wird von Senien mit Rofenletten Über den Woltenberg geleitet, bis zu dem goldenen Thor, dort fintt fie nieder. Die Mufil währt fehr Leife fort.)

Heraklins. O füßer Seelentranf aus himmlischen Gefäß, D Luft, gefühlt durch neu erſchaff'nen Sinn, Wenn ich auch taufend Kronen noch beſäß', Ich gäb’ fie gern für diefen Anblid Hin. D krönt ihn noch an meinem Sterbebette, Er wird mein fluchzerrüttet’ Land beglüden. (Run öffnet fi das goldene Thor, eine glänzende Göttergeftalt tritt heraus.) Mir ift fo Leicht, es ſchmilzt die ird'ſche Kette, Mein Geift entflieht, o un nennbar’ -— Entzüden!

(Thanatos ftürzt mildlähelnd die Fackel um, die verliſcht; zugleich drückt die Göttergeftalt den König an die Bruft. Genien bilden eine Gruppe.

70 0 4 .

\)

Heraklius' Haupt fintt fanft auf feinen Bufen, und der das Gemach fchliegende

Borhang raufcht Langfam und Leife herab, die Muſik ift verhallt. Feierliche Pauſe, Rührung in jeder Miene.)

Harmodius.

Es iſt vorbei er muſste von uns ſcheiden. Ein königliches End', durch Ruhm verklärt. Wer ſo beglückt vergeht, iſt zu beneiden, Beim Zeus, ſo iſt der Tod ein Leben wert!

(Man bedeckt Heraklius mit einem ſeidenen Mantel.) Nun lafst fein let’ Gebot uns fchnell benügen, Denn ohne König kann das Land nicht fein.

Adraſto

(nimmt die Krone und ſtellt ſich vor Ewald hir.) Wie Götter Dich, fo wirft Du uns befhügen, Drum nimm den Platz auf jenen Stufen ein! (Ewald befteigt die Stufen, auf welden der Sit ift.)

| Ewald tür fh.) Es bebt mein Herz, mich faffet Todesfchreden.

(Er kniet nieder.)

Alle. Wir huld'gen Div als Herrfcher ehrfurchtsvoll. (Knien.) Adraflo.

So mag die Kron' Dein weiſes Haupt bededen,

Sei König herrſch'! (Bei dem legten Worte hat er ihm die Krone auf'8 Haupt gefekt; doch ohne die geringfte Paufe ſtürzt unter ſchrecklichem Gekrache der Saal zufammen. Der Bogen und die Eouliffen bilden Berge von Schutt, weiche die Spielenden dem Auge des Publicums entziehen. Im Hintergrunde zeigt fich das Meer, das zwifchen die Schuttberge des Saales hereindringt und aus dem in der Ferne die verfuntenen Thürme von Maſſana hervorragen. Die Stufen, wo Ewald

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s

tniet, verwandeln fi in Wollen, worauf er bis in die Mitte des Theaters ihwebt und wehmüthig ausruft:

Mafjana, lebe wohl!

Er ſchwingt feine Fadel, um den traurigen Anblid zu verihönern, und fährt

fort. Die aus dem Meer hervorragenden Trümmer und der Schutt des Saales

verwandeln fic in zarte Nofenhügel. Die Luft wird rein und das Ganze erftrahlt im lieblichften Rofalichte.)

(Der Borhang fällt Langfam.)

(Ende deserften Aufzuges$.)

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Zweiter Aufzug.

Erſte Scene.

In Agrigent. (Ein anderer Theil des Waldes am rothen See, welcher praktikabel tft.)

Antrokles, Clitonius, mehrere Yäger

(treten mit Wurfipießen bewaffnet auf.) Jagdchor.

Jägersluſt müſst' bald erſchlaffen,

Gält' die Jagd nur feigen Affen;

Doch wenn durch der Wälder Stille

Mächtig tönt des Leus Gebrülle,

Hier die grauſame Hyäne

Fletſcht die mörderiſchen Zähne,

Dort, eh’ man den Wurſſpieß ſchwingt,

Aus dem Buſch der Tiger fpringt,

Dann beginnt des Waldes Krieg.

Halle, Jäger, oder fieg'!

Antrokles (u den Jäger. Bertheilt Euch, wie Ihr wollt! Der König jagt allein, Ihr mögt Euch hüten, feinem Feuerblick zu nahen, der

zornigflammend durch des Yorftes Dunkel bliget. (Ate bi8 auf Clitonius und Antrofles ab.)

Sweite Scene. Antrokles um Clitonius.

Antrokles. D mein Clitonius, was mufsten wir erleben! Die hohen Götter find aus Agrigent gewichen.

Clitonius. Wo mag wohl unfer edler König weilen, den ſeines Hauſes Laren treu gerettet haben. Könnt' er doch ſehen, wie ſich ſein armes Volk betrübt.

Antrokles.

Wer freut fih nun in Agrigent? Der Wahnfinn lacht allein, gefundes Hirn muſs trauern. Iſt doc) Phalarius jelbft, ſeitdem die Höllenfron’ auf feinem Haupte brennt, als hätt! des Unmuths Dolch, fein faljches Herz durchbohrt. Weißt Du, warum die Jagd nun tobt?

Aſpaſia ift nicht mehr.

Glitonins. Alpafia? Die Schweiter unfers theuern Ringe Kreon? Die herrliche Prinzeſs Ajpafia ?

Antrokles.

Sie war's allein, der Phalariu8 an dem ver- hängnisvollen Tage des fehauerlichen Überfalls das Leben ließ, weil er als Weldherr ſchon für fie in fünd’ge Lieb’ entbrannt. Seit er das Reich befitzt, beftürmt er fie mit Bitten und mit Drohungen, fie möchte ihre Hand ihm reichen, er wolle ihr dafür drei Königreiche bieten; doc

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wie fie ihn und feine Kron' erblicdt, da finkt fie zitternd vor ihm nieder und krümmt den edlen Leib zu dieſes Wiüth’richs Füßen, beſchwört mit Thränen ihn, von ihr zu laſſen, es gäb’ für feine Kron’ auf Erden feine Liebe. Docd er reißt fie mit Ungeftüm an feine Eberbruft und will dem feufchen Mund den erften Kuſs entreißen; da wandeln fi) der Lippen glühende Korallen in bleiche Perlen um, des Auges Glanz erftirbt, des Todes Schauer faffen ihre Glieder, die Angft, dafs fie der Kron' ſo nah', bricht ihr das Herz, kalt und entfeelt hält fie Phalarius, vor Schred erbleichend, in den Armen.

Clitonius. Entſetzlich' Glück, ſich ſo gekrönt zu wiſſen.

Antrokles.

Da faſst ihn eine Wuth, er tobt, daſs des Gemaches Säulen beben: Zur Jagd! ruft er, hetzt mir des Waldes Tiger all' auf mich, die Erd' wühlt auf, daſs Ungeheuer ihr entkriechen, die ſich noch nie an's Sonnenlicht gewagt, gebt Nahrung meinen Pfeil, damit mein Haſs umarmen fann, weil Lieb’ mein Herz jo unbarmherzig flieht. So ftürzt er fort zur Yagd, und zitternd beugt vor ihm der ſchwarze Forſt fein fonft fo drohend’ Haupt.

Clitonius. Da wird uns wohl der Morgenſtrahl im Wald begrüßen. | Antrokles. Der Abend kaum, denn eh’ der Mond fid) nod) auf des Palaſtes Zinnen fpiegelt, verbirgt er fih in ein Gemach, aus Marmor feit gewölbt, ganz öffnungslos,

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damit kein Strahl des Mondes kann ſein Haupt erreichen, weil ſeine Kron', ſo ſagt Dianens weiſer Diener, die Kraft verliert, ſo laug des Mondes Licht auf ihren Zacken ruht. Und weil in dieſer Zeit ſein Leben nicht geſichert iſt, verriegelt er voll Angſt die Thür aus feſtem Ebenholz; doch ohne Mondenglanz kann nie ein Pfeil ihn tödten, und kraftlos ſinken ſie zu ſeinen Füßen nieder.

Clitonius. Sprich nicht ſo laut, es rauſcht dort im Gebüſch.

Antrokles (Gcwingt den Wurffpieß.) Ein Tiger iſt's. Clitonius. Nein, nein es iſt Phalarius, Dich teuſcht ſein Pantherfell. Weh' uns, wir ſind verloren.

Antrokles.

Schweig' ſtill, er raſet dort hinüber dem Löwen nach, der ängſtlich vor ihm flüchtet. Komm, laſſ' uns auch vor dieſem Königstiger flieh'n; wenn Löwen weichen, dürfen Menſchen ſich der Flucht nicht ſchämen.

(Beide ängſtlich ab.)

Driffe Scene.

(Mufit. Lulu und Fanfu, geflügelte Genien, bringen Zitternadel in einem großen Shawl, welchen fie an beiden Zipfen halten, als trügen fie etwas in einem Tuche, durch die Luft. Sie ftehen auf Wollen und der Shawl ift ein Flugwagen und fo gemalt, daſs Zitternadel gefrünmt wie ein Kind darin Liegt und kaum fichtbar ift. Er ruht auf der Erde.) Kulm. So fteig’ nur heraus, Du tapferes Hafenherz, hier find wir ſchon in Sicherheit.

l

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Fanfn. Nun, Schnede, ftred’ den Kopf heraus !

Bitternadel (fest den Kopf Heraus.) | Wo find wir denn? Ich mufs erft meine Glied⸗ maßen alle zufamm’fuchen. (Steigt aus, die Genien helfen.) So, ih dan unterthänigft, das find halt Kinderl, wie die Zauberl. Au weh’, fo ein Erdbeben möcht’ ich mir bald wieder ausbitten. Ich ſchau' beim Fenſter Hinaus in meiner Schuldlofität, auf einmal fangt's zum krachen an, als wenn die ganze Welt ein Schubladfaften wär’, der in der Mitten voneinander fpringt, und ich flürz über den fiebenten Stod Hinunter, die zwei Kinder! fangen mid) aber auf und fliegen mit mir davon. Kaum find wir in der Höh', macht e8 einen Plumpfer, und die ganze Stadt rutfht aus und fällt ins Wafler hinein. O unglüdfel'ger Tag! Der arme Ewald hat ſich eingetunft mit feiner Weisheit. Weil nur ich nicht in’s Waſſer gfallen bin, die Schneiderfifcheln hätten's ge- trieben. Überhaupt, wenn die Fifch’ die Zimmer unterm Waſſer ſeh'n, die werden fi) commod machen, Wenn fo ein Walſiſch unter einem Himmelbett fchlaft, der wird Augen mahen. Zwar daſs ein Stockfiſch auf einem Ganapee liegen kann, das hab’ ic) an mir felber fchon bemertt. Wenn nur feiner in eine Bibliothek Hinein- ſchwimmt, denn da kennt fi jo ein Vieh nicht aus. D Du lieber Himmel, ich werd’ noch felbft ein Fiſch aus lauter Durft. (niet nieder.) Liebe Kinderl, ſeid's barm- berzig, laſst mir etwas zufließen, jonft muſs ich ver- durften.

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Kuln. Dein Durft ift uns recht lieb, wir Haben Di darum hierhergebracht, um Dich zu wäflern.

Simplirins. So wäſſert's mich einmal, ich kann's fchon nicht erwarten. Kuln. | Trin? dort aus jenem See! Hier haft Du eine Muſchel. (Holt eine vom Geſtade.) |

Simplirius. Der rothlöpfige See ? Aus dem trau’ ich mich nicht zu trinfen.

Kulu und Fanfu (reng.) Du mujst.

Simplirins (aut auf die Knie.)

D meine lieben Kinderl, ſeid nur nicht böfe, ich will ja alles thun aus Dankbarkeit. Ich ſauf' wegen meiner das ganze rothe Meer aus, und das fchwarze auch dazu.

Fulu (reiht ihm eine Muſchel vol Wafler.) Trink', es fcheint nur roth zu fein, es ift doch reiner als Kryftall.

Simplirius. So gib nur her! (Er zittert mit der Mufchel.) Sch zitter” wie ein Hundertjähriger Greis. (Zrintt.) Ah, das ift ein Higiges Getränk, wie ein Banili-Rofoglio.

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Ront die Augen.) Was geht denn mit mir vor! Potz Himmel taufend Schwerenoth!

Lulu au Fanfu.) Siehft Du, e8 wirkt, er wird gleich eine andre Sprache führen. (Beide nähern ſich ihm fanft) Was ift Dir, lieber Zitternadel?

Simplirins win.) | Still, nichts reden auf mid, Ihr Bagatellen! Ich begreif' nicht, was das ift, ich Trieg’ einen Zorn wie ein falefutifcher Hahn und weiß nicht wegen was. Wenn ich ihn nur an jemand auslaſſen könnt'! Bringt mir einen Stod, ich wir’ mich felbft herum, (Die Genien laden heimlich.)

Simplirius. Ya, was ift denn da8? Ihr feid ja zwei gottlofe Buben übereinander, Ihr feid ja in die Haut nichts nutz, Euch fol man ja hauen, jo oft man Euch anjchaut. Das

ſeh' ich ja jett erft.

Die Genien (nayen fich bittend.) Aber Fieber Zitternadel!

Simplirins (reißt einen Baumaft ab.) Kommt mir nicht in meine Nähe, oder ich mafjacrier’ Euch alle zwei.

kuln. So hör’ uns doch; Du mufst nad) Kallivalos fliegen, dort findeft Du den Dichter, Deinen Freund.

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Simplirins,

Nu der fol mir trau'n, den hau' ich in Jamben, dafs die Füß' herumkugeln. Yet macht fort und fchafft mir ein koleriſches Pferd, dafs ich duch die Luft reiten fann!

Culu. Ein koleriſches Pferd? das wirft Dich ja herab.

Simplicius. So bringt's mir einen Auerſtier, der wirft mich wieder hinauf. Culn. Nu, wie Du willſt. (Er winkt, ein wilder, geſattelter Auerſtier erſcheint in den Wolken.) xt ſchon da.

Simplicius. Ha, da iſt mein Araber. Jetzt wird galoppiert. Setzt Euch hinauf, auf die zwei Hörndel.

Kulm. Ah, wir getrauen uns nicht. Reit’ nur voraus, wir fommen Dir fehon nad). Caufen ab.)

Simplicius.

Ha, feige Brut! (Steigt auf.) Da bin ic) ein anderer Kerl. Jetzt Tann das Rindfleifch theurer werden, ich bin verforgt. Hotto Schimmel! Das verfteht er nicht. Bruaho! (Der Stier fliegt ab.) Jetzt geht's los.

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Bierfe Scene.

(Berwandlung. Tiefere Felfengegend, in der Yerne Wald, auf der Seite eine Waldhütte. Ju der Mitte, mit einem goldenen WWurfipieß bewaffnet, fteht Phalarius, vor ihm Liegt ein Löwe zitternd.)

Phalarius. Was zitterſt Du entnervt, verachtungswürd'ger Leu, Und beugſt den Nacken feig vor meiner Krone Glanz? Mich ekelt Demuth an, weil ich den Kampf nicht ſcheu', Nie ſchände meine Stirn' ſolch' welker Siegeskranz. Wofür hat Jupiter ſo reichlich dich begabt? Wozu ward dir die Mähn', das Sinnbild hoher Kraft? Der ſtolze Gliederbau, an dem das Aug' ſich labt? Das drohende Gebiſs, vor dem Gewalt erſchlafft? Der Donner des Gebrülls, der Panzer deiner Haut? Erhieltſt du al’ die Macht, um mächt'ger zu erbeben? Schäm’ dich, Natur, die du ihm folchen Thron erbaut, Da liegt dein Herrfcher nun und zittert für fein Leben. (Heftiger.) Du haft mit Schlangen, Luch8 und Pantherihier geftritten ; So reg’ dich doch, und droh' auch mir mit mädht’ger | Klar’ ! Du edelmüth’ges Thier, fo laſſ' dich doch erbitten, Bertheid’ge dich, damit ich Widerftand erſchau'! Wie kann ein König noch zu einem andern ſprechen, Mach’ mich nicht rafend, dent’, dur bift zum Streit geboren, Noch nicht? Wohlan! So will id Euch, Ihr Götter, rächen. Er ehrt fein Dafein nicht, d'rum fer’s für ihn verloren ! (Er tödtet ihn, ftoßt in’® Horn, Jäger erſcheinen und beugen ſich erichroden.)

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Bringt mir den Löwen fort, ich kann ihn nicht mehr fehen. (Der Löwe wird fortgebracht; mit verjchlungenen Armen nachdenkend. Wozu nügt mir Gewalt, wenn fie mich fo erhebt? Könnt’ ich die Erde Leicht gleich einer Spindel drehen, Es wäre fein Triumph, weil fie nicht widerftrebt. Alpafia todt, durd) meiner Krone Dolch entfeelt. Abſcheul'ge Hölle, jo erfüllft du mein Begehren? Wer war nod) glüdlich je, dem Liebe hat gefehlt? Die größte Luft iſt Ruhm, doc) Lieb' kann fie vermehren. Doch meine Lieb’ heit Tod, wer mid) umarmt erblafst. Unſel'ges Diadem, daf8 du mein Aug’ entzücteft, Liefquälendes Geſchenk, ſchon wirft du mir verhafst, Ich war nod) glüdlicher, als du mich nicht beglüdteft! O Üolus, der oft die Majeftät der Eichen bricht, Und fo am Haupt des Walds zum Kronenräuber wird, Sag’! Warum fendeft du die geile Windsbraut nicht, Dafs fie die Kron’ als glüh’nden Bräutigam entführt, (Die Jäger Tommen zuriüd, er fegt fi) auf einen Fels.) Ich wünſchte mich mit etwas Traubenfaft zu laben, Der eigennüg’ge Leib will auch befriedigt fein.

Erfler Jüger.

Den kannſt Du, hoher Fürft, aus jener Hütte haben, (Hopft an.) He Alter, fomm’ heraus und bringe Wein.

Phalarius. Was iſt der Mann, der hier ſo tief im Walde wohnt?

Erſter Jäüger.

Ein Feldherr war er einſt, nun lebt er als ein Bauer. Raimund, Dram. Werke. III. 6

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Phalarius. Welche Erniedrigung, wer hat ſo ſchimpflich ihn belohnt?

Sünfte Scene.

Vorige. Der alte Octavian (rögtih aus der Hütte, einen Becher Wein tragend.)

Ortavian. Komm’ ſchon, cin froh’ Gemüth ift immer auf der Lauer. (Erblidt die Kron' und finft nieder.) Ha, welch' ein Blid umfchlängelt feurig meine Augen ? Es krachet mein Gebein und finfet in den Staub.

Phalarius. Lafſ' ſehen, ob Dein Wein wird meinem Durſte taugen. (Will trinten.)

Doc) fprich’, warum verbirgft Du Dich fo tief im Laub?

Ortavian. Gewähr’, daſs ich den Blid von Deiner Krone wende, Wenn Du wilft Wahrheit hör'n, und fie Dein Ohr erfreut.

' Dhalarins. Sch haſſe den Betrug, fteh’ auf und ſprich behende!

Ortavian (fteht auf, do ohne Phalarius anzuſehen; fröhlich.)

Mic freut der grüne Wald, beglüdt die Einſamkeit, Ich hab’ fie jelbft gewählt, Lieb’ fie wie einen Sohn. Ih bin nicht unbeweibt, mein Herz fchlägt lebenswarm, Glüh' für mein Vaterland, ſprech' feinen Feinden Hohn,

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Und wenn es mein bedarf, weih' ich ihm Kopf und Arm, Sonſt bau' ich froh mein Feld, ein zweiter Cinncinat.

Phalarins. Ein kluger Lebensplan, wenn Du bloß Landmann wärſt, Dann bau' nur Deine Flur, ſo dienſt Du treu dem Staat. Als Feldherr hoff' ich, daſs zu herrſchen Du begehrſt. Octavian. Ich herrſche ja, wer ſagt, daſs ich nur Diener bin? Weißt Du denn nicht, daſs jedes Ding der Welt ein Herrſcher ift? Die Götter herrſchen im Olymp mit hohem Sinn, Die Könige auf Erd’, fo weit ihr Land nur miſst, Der ganze Staat, wie e8 Geſetz und Fürft befiehlt, Ein jeder dient und hat doch auch fein Fein’ Gebiet. Und fo wird eines jeden Diener Luſt geftilt. Der Sänger herrſcht, durd) edlen Geift in feinem Lied, Der Liebende in der Geliebten ſchwachem Herzen; Der Bater wacht im Haus für feiner Kinder Heil; Der Arzt beberrfcht der Krankheit widerfpenft’ge Schmerzen ; Der Fiſcher feinen Kahn, der Jäger feinen Pfeil: Kurz, jeder hat fein Reich, wo feine Krone blikt, Der Sclave felbft an Algiers Strand, der ärmfte Mann, Der nichts auf Erd’, als feine Dual befigt, Hat einen Thron, weil er fich felbft beherrſchen kann.

Phalarius (der während der Rede mit Erſtaunen gekämpft, ſchleudert den Becher fort.)

Genug, ich trinke nicht den wortvergällten Wein, Nicht Labung reicht. Du mir, Du tränfeft mich mit Gift, Du wärft vergnügt und berricheft nit? Es kann nicht fein ! r 6*

Ortavian. Das bin ich, Herr, jelbft dann, wenn mich Dein Zorn | auch trifft. Phalarius.

Unmöglich, widerruf', daſs Du Dich glücklich fühlſt, Es gibt bei ſolcher Kraft nicht ſolchen Seelenfrieden, Du weißt nicht, wie Du tief mein Inneres durchwühlſt. D Götter, welche Bein erlebe ich hienieden,

Das ich nicht froh fein fann und Frohfinn Schauen muſs.

Sefteh’, Du bift fein Held, Haft nie auf Ruhm gebettet, Du warft nie Feldherr, nein, regierteft ſtets den Pflug.

Ortavian. . | Ein Knabe wart Du kaum, als ic) das Reich errettet. Ich bin Octavian. Phalarius. Der einſt die Perſer ſchlug?

Octavian. So iſt's. Phalarius (entſetzt, wie aus einem Traum erwachend.)

Aus meinem Land, verhaſstes Meteor!

Daſs meines Ruhmes Licht vor Deinem nicht erliſcht. Du kömmſt mir wie ein liſt'ger Rachedämon vor,

Der aus der Roſe Schoß als gift'ge Schlange ziſcht. Entfleuch, Du biſt verbannt, gehörſt dem Land nicht an. Dein Glück iſt Heuchelei, es kann ſich nicht bewähren, Hinweg aus meinem Reich mit ſolch' verrücktem Wahn, Du darfft nicht glücklich fein, ſonſt müfst’ ich Dich verehren.

(Ab, die Jäger folgen fcheu.)

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Sechste Scene.

Ortavian (allein.) Da geht er hin, unglücklicher als der, den er verjagt. Du biſt verbannt, wie leicht ſich doch die Worte ſprechen; So fröhlich erſt, und nun ſo bitter zu beklagen, Doch nein, ich bin ein Mann, Du ſollſt mein Herz nicht brechen! (In die Hütte ab.)

Siebente Scene.

(Berwandlung. Romantiſche Gegend auf Kallidalos. Die eine Hälfte der Couliſſen ftellen Häufer vor, die andere Wald. Lucina und Emald, die Krone auf dem Haupte, treten auf.)

Cucina. Ewald.

Cucina. Du biſt hier auf der kallidal'ſchen Inſel, erhole Dich von Deinem Schreck! Ewald. Vergib, daſs meine Nerven ängftlich zucken, noch iſt die Greuelsſcene nicht aus meinem Hirn entwichen, und nimmer möcht' ich ſolchen Anblick mehr erleben.

Lurina.

Hier wirft Du leichteren Kampf befteh'n, mein armer König ohne Reich! Nun horch’ auf mich: Auf diefer Inſel herrfcht die feine Sitte, dafs fich der König und die Edelſten des Volkes am erften Trühlingstag im Benustempel dort verfammeln; von allen Mädchen diefes Reichs, die zartgepußt dem füniglichen Aug’ fich zeigen, ernennet er die Schönfte als des Feſtes Herrfcherin umd

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ſchmückt das wunderholde Haupt mit einer Rofentrone. Dann wählet er aus rüſt'ger Jünglingsſchar den Tapferften, der fich nicht weigern darf, und fchenkt ihm ihre Hand, nachdem er ihn zuvor zu einem Amt erhebt. Das Braut» paar wird fogleih an Cyprias Altar vermählt, jo endet fih das Welt und diejes Tages Jubel. Du forgft, dafs diefe Kron' auf einen Haupte ruht, das ſechzig Jahre ſchon des Lebens Müh' getragen. Doch dürfen es nicht Roſen zieren, ein Myrtendiadem muſs auf der Stirne prangen, durch Weiber aufgedrüdt, die neidiſch nach der Krone bliden, nach der fie felbft vergebens ringen. Wodurch Du dies bezwedft, wirft Du wohl leicht errathen, die Deine leg’ nun ab, ich will fie felbft verwahren. (Ewald Iniet fich nieder, zwei Genien erjcheinen aus der Verſenkung, fie nimmt ihm die Krone ab.) Sie ziemt nicht Deiner Stirn’, (Gibt die Krone den Genien) Bewahrt fie wohl; beherricht fie auch fein Reich, wird fie doch viele Reiche retten. (Die Genien verfinten damit.) Haft Du nun einen Wunfch, jo jprich ihn aus!

Ewald. Ob mein Begleiter Iebt, dies wünfch’ ich wohl zu willen, auch) feiner Sendung Zwec ift mir ein Räthjel noch.

Cncina.

Er lebt. Wozu ich ihn beſtimmt, wird ſich noch heut' enthüllen, bald ſiehſt Du ihn, doch magſt Du nicht ob der Veränd'rung ſtaunen, die ſein Gemüth erlitten hat, ſie währet nur ſo lang, bis ſo viel Blut durch ſeine Hand entſtrömt, als Waſſer er aus meinem Zauber⸗ ſee getrunken.

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Ewald. Wie, einen Mörder werde ich in ihm erblicken?

Kurina.

Sei ruhig nur, ich lenke feinen Arm, befolge Du nur mein Geheiß, und fordre dann den Lohn. Für alles andre lafje nur die Götter forgen, die oft durch weife Wahl gemeine Mittel adeln, dafs fie zu hohen Sweden dienen. (96.)

Achte Scene.

Ewald (attein.)

Dies ſcheinen mir die letzten Häuſer einer großen Stadt zu ſein. Ich will an eine dieſer Pforten pochen, vielleicht erſcheint ein altes Weib, deren Geſchwätzigkeit mir ſchnellen Aufſchluſs gibt, und die ich gleich zu meinem Plan verwenden kann. (Er klopft an das Thor des erften Hauſes.)

Atritin cfieht zum Fenſter herab.) Wer pocht fo ungeftüm? Weißt Du nod) nicht, daſs dieje8 Thor fich keinem Manne öffnet?

Ewald (für fich.) Himmel, welch ein Tiebenswürdiger Mädchentopf !

Atritie.

Dein Staunen ift umfonft.

Ewald (für fg.) Sanftmuth laufcht in ihrem Auge Atritia. Teuſche Dich nicht!

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Emald (ur fit) Und zeigt den Weg zu ihrem Herzen.

Atritin. Es ift zu feft verfchloffen.

| Ewald (für fih.) Ich muſs mein Glück benügen.

Atritin. Du fommft mir nicht herein, das fag’ ic Dir.

Ewald. Schönes Mädchen, eröffne doch die Pforte, ich will fo leife über ihre Schwelle gleiten, als fchlich’ ein Seufzer über Deine füßen Lippen.

Atritia. Er iſt ein feiner Mann, und hat mich ſüß genannt, nun kann ich ihm denn doch nichts Bittres ſagen. Gern ließ' ich Dich herein, doch darf ich nicht.

Ewald. Wer hat es Dir verboten?

Atritia.

Meine Muhme, ſie ſagt: Du laſſeſt keinen Mann mir über dieſe Schwelle treten! Es iſt ein hart' Gebot, doch muſs ich es befolgen, ſonſt würd' ich gern in Deiner Nähe ſein, denn Du gefällſt mir wohl.

Ewald. Nun gut, ſo komm' zu mir heraus. Hat ſie Dir

denn geſagt, Du darfſt zu keinem Manne über dieſe Schwelle treten?

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Atritin (unihutdig.) Das hat fie nicht gefagt. Jetzt bin ich ſchon zufrieden und komm’ zu Dir hinaus,

Reunute Scene. Ewald um Atritia.

Ewald. Noch nie hat mich der Anblid eines Mädchens fo entzüdt. Atritin (süpft Heraus.) Alfo hier bin ich, was Haft Du mich zu fragen?

Ewald. Ob Du mid) liebſt?

Atritia. Wie kann ich Dich denn lieben, ich weiß ja noch nicht, ob Du liebenswürdig biſt.

Ewald. Ja, wenn ich Dir das erſt erklären ſoll, dann haſt Du mir die Antwort ſchon gegeben.

Atritia. Biſt Du vor allem treu? Bekleideſt Du ein Amt? Biſt Du vielleicht ein Held? ſo geh' hinaus und kämpfe mit dem Eber, und haſt Du ihn erlegt, ſo kehr' zurück und wirb um meine Hand!

Ewald. Ein Eber iſt hier zu bekämpfen?

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Atritia. . Ein mächtig großer noch dazu. So groß faft wie ein Haus, jo hat mir meine Angft ihn wenigftens gemalt.

Ewald. Haft Du ihn fchon gejeh'n ? Atritia. Ei freilich wohl, er nähert ſich der Stadt, verwüſtet alle Fluren, und hat ein Mädchen erſt zerriſſen, die heute als die Schönfte wär’ gewiſs erwählt worden.

Ewald.

Iſt Heute diefes Welt?

Atritia.

Ja, heute ſoll es ſein, der Tempel iſt ſchon reich geſchmückt, und alle Mädchen dort verſammelt, doch als der König eben ſich dahin begeben wollte, im feierlichen Zug der hellpolierten Krieger, da kam die Nachricht ſchnell, dafs fich der Eher zeigt und auf den Feldern wüthet. Da ließ der König alles, was nur Waffen trug, zum blut’gen Kampfe gen den Eber zieh'n. D’rum findeft Du die Straßen leer. | Ewald.

Dann ift die höchſte Zeit, dafs ich zu Werke fchreite, Ih bin ein Mann von Ehre und Deiner Liebe wert; doch ſag' mir, holdes Kind, wo find’ ich wohl ein altes Weib mit fechzig Jahren, das noch fo eitel ift, daſs fie für ſchön fich Hält?

Atritin.

Wo finde ich fie nicht, jo follteft Du mid) fragen, die gibt’8 wohl überall, das hab’ ich oft gelefen. Obwohl

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die Frage nicht fehr artig ift, jo wirft Du gar nicht lange fuchen dürfen, wenn Du noch eine Weile mit mir fpricäft, denn meine Muhme wird bald nad) Haufe fommen und Did von ihrer Thür verjagen.

Emald, Iſt fie jo böfe?

Atritia.

Leider ja. Als meine Mutter ſtarb, ward ich ihr übergeben und vieles Geld dazu, Sie muſste mich er⸗ ziehen, das that fie auch, doc) von dem Gold, was ihr die Mutter Hat für mid) zum Heiratsgut vertraut, da will fie gar nichts wiſſen. Sie jchlägt mich auch, wenn fie oft Langeweile Hat, erſt geftern noch, weil ich mich zu dem Weite fchmüden wollte, da8 gab fie denn nicht zu, fie jagt, mich braucht fein Dann zu fehen. Das bat mich fehr gefchmerzt, ich wünjche mir doc) einen Dann, und wie foll ich denn einen heiraten, wenn mich nie einer ſieht?

Ewald. Da ſprichſt Du wahr, doch Einer hat Dich ja gejehen.

Atritia. Und das biſt Du. Doch wann wirſt Du mich wiederſehen? Ewald. Iſt es Dein Wunſch?

Atritia. Ei frag' doch nicht, glaubſt Du, ich wär' zu Dir herabgekommen, wenn Du mir nicht gefallen hätteſt, Du ſtünd'ſt noch lang vor der verſchloſſ'nen Thür, wenn

Du durch Deinen Blick mein Herz nicht früher aufge: ſchloſſen hätteſt. Doc jett leb' wohl und den? darum nicht arg don mir, weil id) Dir ſag', daſs ih Did

liebenswürdig finde. Dafür werd’ ich’8 auch feinem andern fagen mehr und hab’ es feinem noch gejagt.

Ewald, Bezauberndes Gefchöpf, willſt Du mich ſchon ver- laſſen? Atritia.

Ich muſs, ſuch' Deine Alte nur, hörſt Du und haſt Du fie gefunden, (roht ſchalthaft mit dem Finger.) vergiſs nicht auf die Junge! (Läuft in's Haus.)

Zehnte Scene. Ewald atein, dann Simplicius.

Ewald. Da läuft ſie hin; Lucina, wenn ich Lohn von Dir begehr', ſo iſt es dieſes Mädchens reizender Beſitz.

Simplicius (ruft in der Luft.) Bruado! Ewald, Wer galoppiert da durch die Luft? Das ift Sim- plicins! Auf einem Stier!

Simplirins (finkt nieder.) Halt! Er an! (Steigt ab.) So, da find wir alle zwei. Nur wieder nad) Haufe ins Bureau! (Der Stier fliegt fort, Simplicius ruft ihm nad.) Meine Empfehlung an die Andern.

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Ewald. Simplicius, wo nehmen Sie den Muth her, ſich ſo durch die Luft zu wagen?

Simplicius.

Geht Ihnen das etwas an? Haben Sie ſich darum zu bekümmern? Kann ich nicht reiten, auf was ich will? Glauben Sie, weil Sie vielleicht auf einer flanellenen Schlafhauben herübergeritten ſind, ſo ſoll ich meine Herkulesnatur verleugnen? Ah, da hat es Zeit bei den Preußen!

Ewald.

Welch ein Betragen!

Simplicius. Was Betragen, wer wird ſich gegen Sie betragen? Ich betrage mich gar nicht, um keinen Preis.

Ewald. Aber mit welchem Rechte?

Simplicius.

Was, mit mir reden Sie von einem Recht, da kommen Sie an den Unrechten. Recht? Wollen Sie vielleicht einen Proceſs anfangen? Glauben Sie, ich bin ein Rechtsgelehrter, der ſich links hinüber drehen läſst? Da irren Sie ſich!

Ewald (verägttig.)

Gemeiner Wicht!

Simplicius. Keine Beleidigungen, junger Menſch, wenn ich nicht vergeſſen ſoll, wer ich bin.

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Ewald (ost heftig.) Das ift zum Todtſchießen.

Simplirins.

Vom Todtſchießen reden Sie? Wollen Sie fid) duellieren mit mir auf congrevifche Raketen, oder find Ihnen die vielleicht zu Mein, jo gehen Sie her, nehmen wir ein jeder ein Haus und werfen wir’s einer dem andern zum Kopf, damit die Sache ein Gewicht hat. Wollen Sie?

Ewald.

Beim Himmel, wern mid) Yucine nicht gewarnt

hätte, ich müfste ihn züchtigen.

Simplirins. Züchtigen? Ha, beim Zeus, jett gibt’8 Prügel. (Bricht mit dem Yuß einen Baumaſt entzwmei und gibt ibm die Hälfte.) Nehmen Sie einen, die andern kommen nad).

Ewald. Was wollen Site denn?

Simplicins. Satisfaction will ic), Reimfchmied! (Er padt ihn an der Bruft.) Ewald. Welch eine Kraft! Laffen Sie mich los, Sie wüthen- der Menſch. (Er entipringt.)

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Elfte Scene.

Simplicius (auein.)

Wart', Du kommſt mir ſchon unter die Hände! Es iſt ſchrecklich, ich kann mir nicht helfen, wie ich nur einen Menſchen jeh’, fo möcht’ ich ihn ſchon in der Mitte voneinander reißen. Wenn ich nur einen Degen hätt’ oder ein GStiffilet, oder wenn id) wo unter der Hand billige Kanonen‘ zu kaufen befäm’, ic) erſchießet' die ganze Stadt, und die Borftadt aud) dazu. Da kommen einige, die follen ſich freu'n.

Swölfte Scene. Doriger. Olinar uw Aſtrachan.

Olinar (ein fetter Mann.) Wer lärmt denn hier jo auf der Straße? Das ift ja ein ganz fremder Menſch.

Simplirins. Die Flachſen zieht's mir ordentlich zZ’jammen, wenn einer red't auf mic). Olinar. Der ſieht ja wie ein Straßenräuber aus, der Kerl hat nichts Gutes im Sinne.

Simplicins. Ich muſs mich noch zurückhalten, bis ich Waffen hab'. Ich werd' mir's erſt ſondier'n.

Aſtrachan (caus.) Was tobft Du fo an dieſem feierlichen Tag? Pad Di von hier, Du feder Burfche!

Simplirins (auernd.) Wie reden Sie mit mir? Ich frag’ Sie nit umfonft!

Aſtrachan. Das brauchſt Du nicht, weil ich die Antwort Dir nicht ſchuldig bleibe und ſie auf Deinen Rücken legen werde.

Simplicins (erſtaunt.) So, nur gleich? (Für fi.) Iſt ſchon gut unterdeſſen. Der wird ſchon umgebradjt, das ift der Erfte, den ich erpebier’. Ich muſs mir nur einen Knopf in's Schnupf- tuch machen, damit ich's nicht vergeſſ'. (Zyut es.)

Aſtrachan.

Haft Du 's gehört, Du ſollſt die Straße reinigen. Mach’ Dich fort!

Simplirins.

Ih foll die Straße Hier reinigen? Er mufs mid für einen Gaſſenkehrer halten. Das hat mir niemand zu befehlen, ich bleib’ Hier. (Er ſetzt fi auf einen Stein.) Und wer nur einen Laut von fich gibt, der geht nicht g'ſund mehr von dem Pla da weg.

Aſtrachan win auf ion zu.) Was?

Olinar mitt ihn ad; furchtſam.) Behutfam, Freund, er hat ja einen Prügel in der Hand,

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Aſtrachan. Was kümmert's mich, Du wirſt Dich doch nicht fürchten?

Ei bewahre!

Olinar.

Aſtrachan. Schäme Dich als eine Gerichtsperſon! Gleich geh' hin und beweiſe Deinen Muth!

Olinar sittert.) Wer? Wer, ich? Ja, was ſoll ich denn thun?

Aſtrachan.

Ihn von hinnen jagen.

Olinar. Ja, wenn er ſich nur jagen läſst, aber Du wirſt ſeh'n Aſtrachan. Red' ihn ſcharf an!

Olinar.

Hochzuverehrender Freund! Simplicins (vringt zornig auf.) Was gibt es? Olinar (erſchrict heftig.) Da haſt Du es jetzt, ich hab's ja gleich geſagt. Simplicius.

Was will der Herr?

Aſtrachan (er Olinar halt.) Muth, Muth, ich helfe Dir ſchon.

Raimund, Dram. Werke. III. 7

98 Olinar.

Ja, laſſ' mid) nur nicht ſtecken. (Nimmt ſich zuſammen laut. Er ungezog'ner Menſch

Aſtrachan. Nur zu, ſo iſt's ſchon recht.

Olinar. Wenn Er's noch einmal wagt, in ſolchem Ton zu ſprechen Aſtrachan cheimlich.) Vortrefflich! Siehſt Du, wie er zittert!

Olinar.

Du irrſt Dich, Freund, das bin ja ih. (Zu Simpli— eine) So werd’ ich Ihm (Bu Aſtrachan.) a, was werd’ ich geſchwind?

Aſtrachan (geimtic.) Die Kehle fchnüren, dafs Er an mid) denken fol!

Olinar. Die Kehle ſchnüren, daſs Er an mich denken ſoll! (Wijcht ſich den Schweiß ab.) Ha, das war viel gewagt.

Simplirins. Die Kehle fhnüren? Das ift ein Schnürmadher. Nu, den können wir ja auch mitnehmen. (Mat einen Knopf.) Detto! (Macht die Bewegung des Erdolchens.)

Aſtrachan. Du Haft Dich gut gehalten, jetzt laſſ' mich reden! Hör' Kerl, wenn Du jetzt nicht augenblicklich gehſt und Dich in unſerer Stadt noch einmal blicken laſſeſt, ſo

99 wirſt Du ſehen, was unſere Gerechtigkeit an einem ſolchen Lumpenhund für ein Exempel ſtatuiert.

Simplicius.

AH, das iſt ein hantiger.!) Der muſs viermal nach⸗

einander fterben. Aſtrachan. Ha, gut, dort kommen Abukar und Nimelot.

Olinar. Das ſind zwei rüſtige Burſche.

Simplicius. Zwei Burſche? Da mach' ich gleich in voraus Knöpf'. (Madit fie.)

Dreizehnte Scene. Vorige. Abukar un Nimelot (vewafinet.)

Abukar. Was Haft Du, Aſtrachan? Du lärmſt ja ganz ent- ſetzlich. Aſtrachan.

Wir haben unſern Spaſs mit dieſem Burſchen da, das iſt der dreiſteſte Kerl, den ich noch geſehen habe.

Olinar (ec Ja, ja, das iſt ein abgefeimter Schurke. (Für fic.) Jetzt find wir umfer vier, jeßt fol er mir nur trauen.

Simplirins.

7*

100 Abukar um NWimelst

(ftellen fid) neben Simplicius und Hopfen ihn auf die Schulter und Tachen.)

Abukar. Ha, ba, Ha, der fieht ja wie ein Drangutang aus.

Nimelot (asend.) Die aufgefchlitte Nafe, und der breite Mund!

Simplirius.

Bravo, nur zu, find fchon vorgemerkt. (Deutet auf fein Tuch.) Merden ſchon Erecution halten, bleibt nicht aus. (Alle lachen.)

Olinar (Gehaglich.) Jetzt fängt die Sache erſt an luſtig zu werden. Jetzt freut's mich erſt, daſs ich ſo muthig war.

Simplicius cheimlich.) Na wart' nur! Olinar. Da kommen noch vier. Simplicius. Noch vier?

(Bier Bewohner treten ein.)

Simplirins. Jetzt kommen mir ſchon zu viel! Knöpf’ zufammen. Ich weiß fchon, was ich thu, ic; mad’ Einen großen, der gilt für vier. Das wird ein Mafjacre werd’n, wie ich die zufammenendeln!) werd’.

1) „endeln“ übernähen.

101

Abukar. Seht ihn nur an, das tft ja die einfältigfte Miene, die mir noch vorgekommen ift.

Simplirius.

Ab, jebt mufs ich doch Rebell fchlagen. Caut.) Was glauben denn Sie fo? Glauben Sie, ich bin Ihr Narr, dajs Sie ſich über meine Phyfiognomie luſtig machen ? Was fehlt denn meinem Gefiht? Die Häfslichkeit viel- leicht? Die ift nirgends mehr zu finden, weil fie ſ' alle auf den Ihrigen haben.

Alle (tasıen.) Ein drolliger Kerl!

Simplirins.

Nu da haben wir’s, nicht einmal ordentlich Lachen fönnen ſ' mit dem Gficht, da lach’ ich mit dem Linken Ellbogen befler, als die mit dem Maul. Sagen Sie mir, wer hat Ihnen denn die Beleidigung angethan, eine folche Phyfiognomie aufzubinden? Die Natur viel- leicht? Die ſetz' ich ab, wenn fie mir noch einmal foldhe G'ſichter macht, das find Kedheiten von ihr, ich brauch' fie nicht, wenn fie fo fchleuderifch arbeitet. Was brauchen wir eine Natur, die Welt ift lang genug unnatürlich gewejen, fie kann's noch fein.

Abukar. Der Burſche muſs Hofnarr werden, der macht mid) ſchrecklich Lachen. Simplirius. Hofnarr? Das ift eine Beleidigung! Satisfaction!

102

Olinar. Er hat Muth wie ein Löwe.

Simplicius. | Löwe? Das ift gar eine viehifche Beleidigung. | Doppelte Satisfaction !

Afradan.

Der Kerl ift über einen Spartaner.

Simplirins. Spartaner? Das wird wieder ein andre Bich fein. Ich Kenn’ mich gar nicht mehr vor Zorn. Heraus, der Muth Hat! Einen mufs ich ſpießen. Gaſet Olinar.) Was iſt's mit Ihnen, wollen Sie fih mit mir fchlagen oder wollen Sie fich ſchlagen Laffen?

Olinar. Hilfe! Hilfe! Abukar

(padt Simplicius am Genide und beutelt ihn.) Nun haft Du Zeit, Bube

Aſtrachan. In's Gefängnis, fort mit ihm!

Simplicius (reißt dem Olinar den Säbel aus der Scheide.)

Jetzt reißt mir die Geduld. (Er Haut auf Abukar ein, der ihm die Lanze entgegen hält, welche er ihm ans der Hand fhlägt.) Ihr verdammten allibalianer! Jezt wird’ Leben mohlfeil

werden. (Er lämpft mit allen und jagt fie in die Flucht, einige verlieren ihre Waffen, einer den Helm.)

103

Hlinar tim Abtaufen.) Ich hab's voraus gefagt, Ihr Götter feid ung gnädig!

Bierzeßnte Scene.

Simplirins (atein.)

Ha, Pompea ift erobert, Sieg über die Kalmuken! Da gibt’8 Waffen. (Er jetst fi den Helm auf.) Her da mit dem Helm ! (Nimmt das Schwert, ſteckt es in die Binde und hebt den Spieß auf.) Das ganze Zeughaus häng’ ich um. So, jet ift der Stefan Fädinger!) fertig. Rache, Rache! Alles mufs bluten. Einen Haſs hab’ ih; ich glaub’, es dürft mich einer ſpießen, mir wär's nicht möglich ihn zu küſſen. Die ganze Welt ift mir zuwider,

Lieb. Wenn |’ mir die Welt zu faufen gäben,

Ich weiß nicht, ob ich |’ nimm;

Da müfst’ man ein’ Berdrufs erleben,

Es würd’ ein’ völlig ſchlimm.

Und ließ' man’s wieder licitier’n,

Was könnt' man da viel profitier'n?

Vor's Erfte iſt's ein alt's Gebäu', Wer weiß wie lang's noch ſteht,

Das ſieht man an Maſſana glei,

Daſs ſſicher untergeht.

Und fällt ein' ſo a Welt in's Meer, Wo nimmt man g'ſchwind a andre her?

1) „Stefan Fädinger“ von Joſef Schuſter zum erſtenmale

aufgeführt im Theater in der Leopoldſtadt am 22. Juni 1816.

104

Die Völker fteh’n mir auch nicht an, D'Kalmuken, d' Hugenotten, Und wen ich gar nicht leiden kann, Das ſind die Hottentotten. Da möcht' ich g'rad vor Wuth vergeh'n, Und ich hab' nicht einmal ein' g'ſeh'n.

Auch iſt's ein Elend mit den Thieren, A bloße Fopperei, Was Friechen ſ' denn auf allen PVieren, Ich geh’ ja auch auf zmei. Die Meiften können und nur quälen, Am Tiebften find mir die Sardellen.

Die Sonn’, die ift ſchon lang mein Tod Mit ihrer öden Pracht, Der Mondfchein macht ſich's gar commod, Der fcheint nur bei der Nadıt; Und dann die mijerablen Stern’, Die weiß man gar nicht zu was |’ g'hör'n.

Und jegt komm’ ich auf's Geld zu fprechen, Da hab’ ich d’ größte Rad)’; Da thun fie ſich die Köpf’ zerbrechen, Ein’ überflüß’ge Sad’; Denn, wenn ein’ Menfchen fo nichts fehlt, Was braucht er denn das dumme Geld!

105

Sünfzehnte Scene. Ewald und Aloe. Alse

(muß von einer jugendlihen Schaufpielerin dargeftelit werden, mit grauen Haaren; fie bat den Kopf in ein Tuch eingewidelt wie eine griechiſche Matrone und geht etwas gebüdt.)

Nein, nein, mein lieber, ſchmucker Herr, das geht nicht fo gejchwinde, das Mädchen ift zu jung, fie braucht noch feinen Freier. Ah, Du keuſche Göttin Diana, faum bin ich eine Stunde aus dem Haufe, um die tapferen Männer zu bewundern, fo füngt das Mädchen Xiebes- händel an. Wo Habt Ihr denn das ungerath’'ne Kind geiprochen ?

Ewald.

Am Fenſter ſprach id) fie.

Aloe.

Seht doch, und glaubt IHr denn, man heiratet bei uns die Mädchen gleih vom Fenfter nur herunter, wie man Eitronen pflüdt? Lafst Euch den Wunſch vergehen! Sch fehe fünfzig Jahre ſchon zum Fenſter heraus und hab’ mir feinen Mann erfchaut, fo lange kann fie auch nod) warten. Ich kenn' Euch nicht einmal, wer feid Ihr denn?

Ewald. Ein Fremder bin id).

Aloe. Ei, das ſeh' ich, denn unſere Männer kenn' ich alle. Doch was beſitzt Ihr in der Fremde?

106

Ewald. Ein Gut, das mir fein Unfall rauben kann, ein treu’ Gemüth und kräftigen Berftand,

Aloe. Wer fagt Euch, dafs Berftand ein ſich'res Erbtheil jet, wie könnt’ es denn fo viele Narren geben ?

Ewnld. Und eine Kunſt, die alle Künfte übertrifft.

Bielleicht die Kunft, mich Hinter’s Licht zu führen ?

Ewald. Im Gegentheil, id) möchte Eure Schönheit gern im Höchften Glanz erjcheinen laſſen.

Aloe.

Ich hör's nicht gern, wenn man von meinen Reizen fpricht, es ift mir nicht mehr neu; Gewohnheit tödtet unfre Ihönften Freuden. Doch weiter nun, ad), mein Gedächtnis ift fo ſchwach, wovon habt Ihr zulegt gefprochen ?

| Ewald. Bon Eurer Schönheit war die Rede, ja.

Aloe. Ja, ja, das war's, was ich nicht Hören mochte. Ihr wolltet fie erhöh'n?

Ewald. Zum Venusrang, wenn Ihr mir Eurer Nichte Hand gelobt.

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Aloe. Was füllt Euch ein, Atritia ift ein unbemittelt’ Kind, um feinen Preis!

Ewald, Auch nicht um den, den heut im Tempel dort der König veicht ? Aloe (erihroden.) Seid Ihr von Sinnen? Bin ich erfchroden doc, als hätt! mic, Amors Pfeil getroffen. Ich bin fehon eine ausgeblühte Roſe, die nicht im Frühlingsjchein mehr glänzt.

Ewald,

Ich will durch meine Kunft Euch diefen Glanz verleih’n. Bor allen Töchtern dieſes Reichs follt Ihr den Schönheitspreis erringen; doch Eure Nichte ift dann mein, ich führ’ fie mit mir fort.

Aloe.

Ihr könntet das, ein Sterblicher, bewirken, wofür ih mich dem Cerberus hab’ ſchon verfchrieben, wenn er’s vermögen fünnte?

Ewald.

Ic) geb’ Euch d’rauf mein Wort, und bredj' ich

8, braudyt Ihr das Eure nicht zu halten.

Aloe. Macht mid) nicht wahnfinnig. Ihr wolltet Aloe berjüngen ? Ewald. Warum denn niht? Wenn Aloe, die Frucht, mit hundert Yahren neue Blumen treibt, warum foll Aloe, das Weib, mit ſechzig nicht erblühen ?

108

Aloe.

Mit jechzig, ja, da Habt Ihr Recht, das ift die wahre Blütenzeit. Mir ift, als blüht’ ich ſchon, ich fang’ ihon an zu duften. O Hinmel, welch ein Glück, id; fühle mid) ſchon jung, mich hindern bloß die Jahre.

Emald.

So mäßigt Euch, es ift ja noch nicht Zeit. Erwartet mid im Haus, ich muſs mich erft dem König zeigen. Geht nur hinein und fagt Atritien, daſs fie mein Weib ſoll werden.

Aloe.

Ja, ja, Ihr ſollt Atritien Haben, ich ſchenk' fie Euch. Ah, wenn ich eine Herde folder Mädchen hätte, Ihr könntet alle fie nach Eurem Lande treiben. Nur fort damit, nur fort, die Schönfte bleibt zutüd. Die Schönfte, eine Welt von Wonne liegt in diefem Namen. Und bin die Schönfte ich, wird mir der fchönfte Dann. Der Ihönfte Mann! Ach wie viel Welten fommen da zufammen! (Gegen das Haus.) Atritia, Atritia, wir kriegen beide

Männer! O Götter, fteht mir bei, das koftet den Verftand. (Eilt freudig ab.)

Sechszehnte Scene.

Ewald (atein.) Die fühlt der Jüngling doppelt holder Liebe Wert, Wenn er das Alter den Verluſt betrauern hört.

Geſchrei (von Innen.) Der Eber iſt erlegt. Es leb' der große Held!

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Ewald. Der Eber ift erlegt, des Landes borft’ge Plage. Da kömmt Simplicius, und voll Angſt. Iſt ſeine Wuth verdampft?

Siebzehnte Scene. Voriger. Simplicius (väter) Aloe (am Fenſter.)

Simplicius (athemlos.) Sein Sie da?

Ewald. Was bringen Sie mir, Simplicius? Simplicius. $ Stellen Sie ſich vor, ich hab’ den Eber umgebracht. Ewald. Sie? Nicht möglich, Simplicius. Nu, fie jagen 's alle. Ewald. Alle? wer? Simplirins. Die Bölkerfchaften, die mir zugefchaut haben. Emald.

Das ift ja ein ungeheu'res Schwein.

Simplirius. Berfteht fi, ein größers als wir alle zwei.

110 —-

Ewald, Das haben Sie nicht allein erlegt, da muf8 Ihnen wer geholfen haben.

Simplirius. Jetzt iſt's recht, wenn einem einmal was geräth’, fo fagen Sie, e8 muſs einem Einer g’holfen haben. Er hat ja nur Einen Stich, das kann man doch glei) fehen.

Ewald. Wie gieng c8 aber zu?

Simplicius.

Ganz kurz, denn wer wird ſich mit einem Eber in einen langen Discurs einlaſſen. Sie wiſſen, daſs heut' große Jagd auf ihn veranſtaltet war. Alles war verſammelt drauß' beim grünen Baum, da kommt der Eber alle Tag zum Frühſtück hin. Alle Krieger waren voll Feuer, und in mir hat's gar ſchon gekocht. Auf einmal wird einer todtenblaſs und ruft: Der Eber kommt, jetzt rauft, rauft! Aber das Wort rauft mußs in der hieſigen Sprach' eine andere Bedeutung haben und muſs heißen lauft; denn faum war das Wort heraus, find alle davon gelaufen. Ein Hafenfuß nad) dem andern, ih war der legte auf dem Plat. Kaum waren ſ' fort, wer fommt? Der Eber. Ich erſeh' ihn kaum, erfafst mic, eine Wuth, ic) ſtürz' mich auf ihn los und ftih’ ihm auf der unrechten Seiten hinein und auf der rechten wieder heraus.

Ewald. Unerhört, und wie er fiel, was dann?

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Simplirins.

Dann bin id) aud) davon g’loffen. Was weiter g'ſcheh'n ift, weiß ich nicht, vermuthlich Haben fie eine Schwein aufgehoben.

Ewald. Alfo nad) der That Haben Sie den Muth verloren ?

Simplirius.

Berfteht fich, das ift ja eben da8 Großartige; vorher its feine Kunſt. Kaum ift der Eber in feinem Blut dagelegen, ift er mir noch zwanzigmal jo groß vorkommen als vorher, jo dafs ich zum zittern ang’fangt hab’, und hab’ ihn nicht anfeh’n können mehr. Alles hat zwar gfchrien: halt, verweil Du großer Held! Aber ich hab’ mir gedacht, fehreit Ihr zu, fo lang Ihr wollt, ich bin nicht der erfte Held, und werd’ auch nicht der Iegte fein, der davon gelaufen ift und bin fort.

Geſchrei (von Innen.) Heil dem größten aller Helden!

Simplicius. Hören S', ſie ſchreien ſchon wieder. Gibt kein' Ruh, das Volk. Ewald. Simplicius, Sie werden reichen Lohn erhalten.

Simplicius. Glauben S', daſs was herausſchaut? Ich werd' ihnen ſchon einen rechten Conto machen, was ich an Eberarbeit geliefert hab’. Oder fie ſollen mich nad) dem Pfund

112

zahlen. Ich laſs ihn beim Wildprethandler wiegen, was er wiegt, das wiegt er. Punktum! (Atoe zeigt fih am Benfter.) Doc) jagen Sie mir, wenn werden wir denn einmal das Reich erretten, wenn immer etwas dazwifchen kommt? Bald ein Erdbeben, bald ein ber.

Ewald. Dafür laffen Sie die Göttin forgen, wir gehorchen nur. Sehen Sie dod) nach jenem Wenfter!

Simplirius. AH da Schau’ ich nicht hinauf.

Ewald. Warum denn nicht?

Simplicius. Weil eine Alte herunterſchaut.

Ewald. Freund, das iſt mein Ideal, die muſs mir heut' noch als die größte Schönheit glänzen.

Simplirins. Die da? Nun, da dürfen ©’ fchön politier’'n, bis die zum glanzen anfangt.

Ewald,

Das wird die Tadel thun. Der König mufs den Preis ihr reihen; d’rum ftellen Sie als Ihren Freund mich bei ihm vor, damit er mir Gehör verftattet. Sehen

113

Sie nur, dort nahen ſich die Krieger im feierlichen Marfch, man fuchet Sie,

Simplirins. Ab, fie follen marjchieren, wohin fie wollen, id) brauch’ fie nicht.

Achtzehnte Scene.

Vorige. Dardonius. Höflinge. Dezu Nimelot. Abukar. Aſtrachan. Olinar. Chor (von Kriegern, welche auf die Bühne ziehen.) Danf dem Helden, den die Götter Mit des Löwen Muth geftählt, Und den zu des Landes Retter Gnädig waltend fie erwäßlt. (Sie Hilden einen Kreis.)

Mardonins (in freudiger Begeifterung.) Wo, jagt, wo ift meines Landes wunderbarer Retter?

Ein Höfing. Hier ift der edle Yüngling, hoher Fürft.

Simplirins (für fie.) Meint der mich?

Olinar. Hat der den Eber erlegt?

Abukar. Wer hätte das gedacht?

Raimund, Dram. Werke. II, 8

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Dardonius.

Laſſ' Dich umarmen, Fremdling. (Umarmt ihn.) Nimmt des Königs Dank!

Simplicius.

Ich bitt' recht ſehr, machen Sie kein ſolches Auf⸗ ſehen, es iſt ja gar nicht der Müh' wert, wegen der Kleinigkeit da.

Dardonins cihn anſtaunend.)

Alſo Du haſt dieſen Eber erlegt?

Simplicius. So ſchmeichel' ich mir.

Krieger. Wir alle waren Zeugen.

Dardonius. Heldenmüth'ger Mann, ſieh' hier des Dankes Thränen in den Augen meines Volkes. (Die Höflinge weinen.) Simplicius Geijeite.) Jetzt weinen die gar wegen einem Schwein, das iſt mir unbegreiflich. Dardonins. Götter, wie können in fo ſchwach gebautem Körper ſolche Riefenkräfte wohnen. Simplirins. Ja, das ift eben das Hazardfpiel der Natur, dafs ein Elephant in einer Nufs Logiert.

Dardonius. Sprich, wie kann ich Dich belohnen?

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Simplirins. Ja, ich müfst’ da erſt einen Überfchlag machen, das dauert zu lang, id) überlafl’ das ganz der Indiscretion Ener Majeſtät, wir werden feinen Richter brauchen,

Dardonius (für fd.) Dieſes Mannes Ausdrüde verfteh’ ich nicht. Caut.) Ihr Krieger, deren oft bewieſ'ner Muth der Heldenftärke diefes Jünglings weichen muſs, jagt jelbft, verdient die That, dafs fie ein Lorbeer lohnt?

All. Ya, fie verdient es.

Simplicins. Sapperment, einen Xorbeer geben ſi mir gar dafür, da wär’ mir fchon eine Halbe Ofner lieber.

Dardonius. Wohlan, fo ſchmücket ihn damit. (Die Krieger brechen Lorbeerzweige von den Bäumen und winden einen Kranz.) Simplirins au Eweard.) Sie, Freund, ſoll ich denn das Gefträuchwerf an⸗ nehmen? Das ift ja nicht zwei Groſchen wert.

Ewald. Was für ein Gefträud) ? Simplirius. Ein’ Lorbeer wollen mir geben, da wär’ mir ein Spenat noch lieber. Mir fcheint, fie wollen mid) prellen, was? 8*

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Ewald. Was fällt Ihnen denn ein! Ein Lorbeer ift die höchfte Auszeichnung, nad) der die größten Männer aller Zeiten ja gerungen haben.

Simplirius. Nach dem Lorbeer? Nu, ber mufs ſchön herunter- fommen jein, jet nehmen fie ihn fchon gar zum Yungenbratel.

Ewald. Laffen Sie fi) doch belehren. Sie rauben ja der Menfchheit ihren Adel. Simplirins. Iſt denn die Menfchheit von Adel, das hab’ ich auch nicht gewuſst. Ewald. D DBernunft, wie erhöht der Umgang mit den Thieren deinen Wert.

Dardonius. Habt Ihr ihn bereitet?

Erſter Gsfling.

Hier ift er. (Bringt den Kranz auf einem Schilde.) Simplirins. So iſt's recht, nicht einmal in einer Sauce.

Dardonins. Nun beug’ Deine Knie, ich felber will Dich Frönen.

Simplirins (tmiet.) Das find Umftänd’!

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Olinar. Ein unbarmherz'ges Glück.

VDardonius. In meinem und des ganzen Reiches Namen um⸗ wind' ich Deine Heldenſtirn' mit dieſem Ehrenkranz.

Simplicius. Jetzt bin ich verſorgt auf mein Lebtag. Dardonins. Wie heißeſt Du? Simplicius. Simplicius. Dardonins.

Das ganze Heer lobpreife diefen Namen!

Alle Rrieger. Hoc) leb' Simplicius, der Netter unfres Landes!

Dardonius, Steh’ auf, der Kranz ift Dein.

Simplirins (fest auf.) Die haben mic, ſchön erwifcht, das ift ein undanf- bares Bolt! Ich muſs ausfeh'n wie ein Felberbaum. (Bentelt den Kopf.) Wenigftens gehen mir die Fliegen nicht zu.

Dardonius, Und damit Du meines höchſten Dankes Wert erkennt, fo ſollſt Du Unterfeldherr ſein.

118 Simplirins. O Spectafel, jet nehmen j’ mich gar zum Militär, Unterfeldſcherer werd’ ich.

Ewald. Der Menjch bringt mid) zur Raſerei.

Olinar. Das iſt ein äußerſt dummer Menſch.

Alle. Heil Dir, Simplicius!

Höfing. Man bringt den Eber, hoher Fürft!

Simplirius. | Was? Nun, den thät’ ich mir noch ausbitten, da teifft mich gleich der Schlag.

Mennzefnte Scene.

Vorige. Sechs Krieger (bringen einen ungehenzen Eher auf einer Trage, melde fie in die Mitte der Bühne feßen.)

Ewald. Ein jehenswertes Thier.

Simplicins. Ih ſchau ihn gewiſs nicht an.

Dardonius. Bewund're Deine Rieſenthat!

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Simplicius. Ah, das iſt ſchrecklich, er iſt ſchon wieder g'wachſen. (Zu Ewald.) Das Thier nimmt gar kein End’, ſchauen Sie ihn nur an, mir feheint, er rührt ſich noch, er ift nicht todt. Dardonins. Ergöge Di) an Deinem Sieg!

Simplirins (Gu Ewald.) Sie, halten S' mich, mir wird nicht gut. Ich verlier’ meinen Lorbeer nod) aus Angft. Der padt mich an, er hat ein Aug’ auf mid, fehen Sie ihn nur an!

Ewald. So faflen Sie fi doch!

Simplirius. Reden S’ nur nicht vom Faffen, fonft ift er gleich da. Ich halt's nicht aus. (Schreit. Euer Majeftät, tragen Euer Majeftät den Eber fort.

Mehrere Höflinge Der König? | Simplirins. Das ift mir alles eins, wegen meiner die Königin.

Nur fort mit ihm, e8 g’fchieht ein Unglüd fonft.

Dardonius. Was bebft Du fo?

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Simplicins.

Aus lauter Kraft, das ift der überflüff'ge Muth. Eine Lanze! (Man reiht ihm eine; leiſe) Daſs ich mich halten kann, fonft fall’ ich zufamm’. (zaut.) Fort mit ihm, nur fort, ich ftech’ ihn nod) einmal z'ſammen, den Sapperment, ich Fern’ mich nicht vor Wuth (eeiſeite) und vor Angſt.

Vardonius. So bringt den Eber fort. (Fir ih) Der Mann iſt mir ein Räthjel. Olinar. Sprit fo der Muth fi) aus, dann bin ich auch ein Held. Dardonins, Ihr feid gewifs, daf8 er, nur er, den Eber hat erlegt ? Die Rrieger. Wir find’s. Dardonins. Das ift mir unbegreiflidh.

Simplirins (ur na) Mir jchon lang.

Höfing (leife zum König.) Er ift verftandlos und -gemein.

Dardoning,

Gleichviel. Sp lohnen wir die That, nicht den, der fie begangen hat. Erhebet ihn und tragt ihn im Triumphe nach dem Tempel, dort ſchmückt ihn, wie die Sitte es erheifcht! Leb' wohl, mein Held, ich folge bald.

(Die Krieger bilden mit ihren Schildern eine Treppe.)

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Simplirins. Nein, was fie mir für Ehren anthun, zuerft tragen f den Eber und nachher mid. Da hinauf? Ah, das wird ein Triumph werden, wenn fie mid) da

herunterwerfen, da werd’ ich auf meinen Lorbeern ruh'n. (Steigt Hinauf.) , Krieger. Es lebe Simplicius!

Simplicius.

Jetzt heben |’ mich auf einen Schild. Da heißt's beim grünen Kranz. Eine fchöne Ausficht Hat man da heroben. Nur Obacht geben! (Der Marid beginnt, man will ihn forttragen, er frei.) He, Sapperment, ich hab’ noch was ver= gefien. Halt, Halt, die ganze Armee fol halten! (Wan Hätt.) Euer Majeftät, ich bitt' auf ein Wort.

Mardonins (tritt näher.) Was verlangft Du?

Simplirins (u Ewald.)

Ste, kommen © ein biſſel her. Euer Majeſtät er- lauben, dafs ich Euer Majeftät bei meinem Freund aufführ’, er wünſcht Dero Belanntfchaft zu machen, und aus lauter Triumph hätt’ ich bald vergeffen. Ha, ha, ha! Empfehl' mich. (Bu den Kriegen.) Nur vorwärts mit dem Zug!

Chor (ver Krieger.) Danf dem Helden, den die Götter Mit des Löwen Muth geftäglt, Und den zn des Landes Retter

Gnädig waltend fie erwählt. (Alled ab, bis auf:)

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Zwanzigſte Scene. Dardonius. Höflinge. Ewald. Aloe (entiernt ſich vom Fenſter.)

Höflinge. Ein jonderbarer Mann, ganz unmert folder Ehre.

Dardonius. Du biſt des tapfern Mannes Freund?

Emald Geiſeite.) Was ſag' ich ihm? (Laut) Das bin ich, edler Fürſt! (Für fc.) Die Schande drüdt mich faft zu Boden.

Dardonins. Er ift ein Held, wie mir noch feiner vorgelommen ift, und Hat dem Lande Wichtiges geleiftet, d’rum magft auh Du auf die Gewährung eines Wunjches rechnen.

Ewald.

Es ift ein Wunſch, der ſich mit diefes Landes Ehre wohl verträgt. Ich will Dein Aug’ auf Deines Reiches höchfte Schönheit lenken, die nur bis jegt in ſtiller Ab⸗ gefchiedenheit gelebt. | Dardonins,

Bring’ fie zum Felt, verdienet fie den Preis, ſoll er ihr nicht entgehen, doch ungerecht darf ich nicht handeln. Ewald.

So fühn ift meine Bitte nicht. Nur magft Du fie nicht felbft mit einem Kranz von Rofen ſchmücken, es müßten edle Frauen Deines Landes ein Myrtendiadem auf ihren Scheitel drüden.

123

Dardonins.

Es ſoll gefchehen, find’ Dich nur bald im Tempel ein, denn eh’ noch Phöbus’ Roſſe aus Poſeidons Fluten trinfen, muſs unfer Feſt beendet fein; damit die Nadıt, die aller Schönheit Glanz verduntelt, dem ruhmbeglüdten Tag nicht feinen Sieg entreifit. (Seht ab, die Höflinge folgen.)

Ewald (atein.)

Es kränkt mein Herz, dafs ich Dich, edler König, teufchen muſs, weil Dir ein fühner Augenblid erfchütternd zeigen wird, wie fechzig unbarmherz’ge Jahre der holden Schönheit Bild in Häfslichkeit verwandeln. (Geht ab in Aloes Haus.)

Einundzwanzigfie Scene.

Verwandlung. Vorhalle in Aloe Wohnung.

(Im Hintergrunde ftütt ein breiter praftitabler Pfeiler mitten das Gewölbe,

fo dafs fich dadurch zwei ffnungen bilden, wovon der Eingang in die rechter

Hand durch eine drei Schuh hohe Balluftrade, welche von der Eouliffe bis

zum Mittelpfeiler reicht, geichlofien ift. In diefer Halle, welche im Duntel

gemalt ift, führt eine Geitenthür nah Atritien’® Zimmer. Die Halle Linie ift Licht, weil fih auf diefer Seite ein Fenfter befindet.)

Aloe (aus Atritien’d Gemach fommend und in dasſelbe zurüdrufend.) Bleib’ Du nur im Gemache, (fie verſchließt die Thür) er darf Dich nicht früher fprechen, bis ich mit meinen Reizen ganz in Ordnung bin. Vielleicht verliebt er fich dann wie Pygmalion in fein eignes Werk und gibt Dir einen Korb. Hier ift er fchon, der holde Mann !

124

Bweinndswanzigfie Scene. Borige. Ewald, Später Atritia.

Ewald. Nun Hier bin ih. Wir Haben feine Zeit zu ver⸗ lieren. Bereitet Euch, um fchön zu werben!

Aloe,

Der wäre dazır nicht bereitet, Erwartung ſpannet jede Faſer, und Ungeduld zerjprengt mir noch das Herz.

Ewald. Kniet nieder, fleht die Götter an!

Aloe (niet.)

Götter, die ihr taufend Himmel ausgeſchmückt mit Schönheit habt, öffnet eure Vorrathskammern und das Füllhorn ew'ger Yugend gießet auf mein Haupt herab! Alles will ich gern erdulden: Werft mich in des Atna Krater, fpeit er mich nur fchön Heraus; laſst mid) tief im Meere verfhmachten, bi8 ich mid in Schaum auflöfe und als Benus neu erfteh’ ; fchenkt mir Millionen Mufcheln, wo nur Eine birgt die Schönheit und ich will fie alle öffnen, bis ich auf die rechte fomme. Götter, lafst Euch

doch erbitten; denn ich ftehe nicht mehr auf. (Breitet die Hände aus.)

Ewald. u Gewährt ift Euer Burſch Steht auf, jetzt ſeid Ihr ſchön.

125

Aloe (Reht ſchnell auf.)

Iſt es Wahrheit, doch ich feh’ ja nicht bie mindefte Deränderung an mir.

Ewald.

Weil es Hier zu dunkel iſt, laſst mich erſt die Leuchte ſchwingen. (Er ſchwingt die Fade) und fledt fie in einen Ring bes Pfeilers, doc fo, dafs die Halle links beleuchtet wird, die andere dunkel bleibt. Augenblicklich verwandelt fih Aloe in ein junges, reizendes, weiß gefleidetes, griechiſches Mädchen.) Nun befeht Euch in dem Spiegel. (er hätt ihr einen Handſpiegel vor, der auf einem Tiſchchen liegt.)

Aloe. Nein, unmöglich, Benus blidt aus diefem Glaſe. Schwört mir, dafs ich's felber bin.

Ewald. Ja, Ihr feid’s, mein Haupt dafür!

Aloe (tögtie fol.)

Nun Ihr Weiber, die die Welt, blind genug, für ſchön erklärt, wagt e8, Euch mit mir zu mefjen, Bettlerinnen jeid ihr nun! Imdier, Perſier, Andalufier, felbft die uns entdeckten Bölfer müfjen fi zu Tode ſchmachten, wenn fie meine Reize ſehen.

Ewald.

Sie gefällt mir ſelbſt beinah', doch mich kann ſie nicht verführen; denn will ich meine Triebe dämpfen, ſo löſch' ich nur die Fackel aus.

Aloe (ir na.)

Ha, er jcheint fich zu verlieben, doch er ift mir jegt

zu wenig; nun mußſs ein König fommen, wenn ich meine

Hand verfchente.

126

Ewald. Bald ftraft ſich Dein Übermuth. (Gezogen. Hört mid), Tchöne Aloe! Ale (entzüdt.) Nachtigallgeſang! Ewald. Ihr müfst Euer Wort auch halten, weil das meine ich erfüllt. Folgt mir zu dem Feſte nun, doch erft laſst wid Atritien iprechen! Rufet fie!

Aloe. Ich Hab’ fie gut verfchloffen. Wartet nur ein Weilhen bier! Ha, die wird vor Galle berften, wenn fie meine Schönheit fieht.

(Sie geht dur die Lichte Öffnung des Bogens. Wie fie hinter den Pfeiler

tritt, bleibt fie flehen und eine andere von gleiher Größe, gekleidet wie Aloe

als Alte war, geht ohne Pauſe ftatt ihr zur Settenthür in der dunklen Halle, fließt fie auf umd geht hinein. Wie fie die Thür aufſchließt, ſpricht)

Ewald (acqhend.) Sa, ha, nun ift fie wieder alt, weil fie die Tadel nicht befcheint. Aloe

(flürzt aus dem Gemache, wie fie zu dem Pfeiler kommt, wechjeln die Gefialten.) Wie geht das zu, daſs mich Atritia nicht bewundert ?

Ewald (ur fit.) Das glaub’ ich gern. Laut.) Ihr irrt Euch ja. (Muft.) Atritia, fomm’ doch heraus!

Atritia

(au8 dem Gemach, eilt auf Ewald zu, ohne auf Aloe zu aditen.) . Ih komme, Es ift feine Stimme, fag, Fremdling, iſt e8 wahr, foll ich Dein Weibchen werben?

127

Ewald. So iſt's, doch ſieh' Did) um!

Atritia. Ah Himmel, was erblick ih! Das iſt die Göttin Venus felbft. (Fäult auf die Knie) Nein, folhe Schönheit bab’ ich nie erblidt.

Aloe (triumpgierend.) O Labſal, Honig für den Stolz. Da fniet fie jetzt, die mich fo oft verlacht.

Alritin (sätt die Hände zufammen.) Große Göttin, fteh’ uns bei!

Ewald. Steh' auf, es iſt nur Deine Muhme.

Atritia. Was ſprichſt Du da? Die Muhme?

Ewald. Sie iſt's, ich hab’ fie fo verfchönert.

Atritin cent auf.) Die alte, häfsliche Aloe? Nicht möglich !

Aloe (Gricht 108.) Du ungezogenes Kind, Dur wagft e8, mein ehemaliges Ich Häfslich zu nennen? Geh’ mir aus den Augen oder ich vergreife mich an Dir. Der Ärger bringt mid) um.

128

Atritia.

Ja, Du haſt ſchon recht, ſie iſt's; ſo ſpricht die Göttin Venus nicht. DO ſag', wirft Du mich auch ver⸗ ſchönern?

Ewald.

Du biſt mir ſchön genug. Atritia.

Dann will ich auch nicht ſchöner ſein. Ewald.

Doch nun leb' wohl! (Eüſet fie) Kehr' ic) zurück, wirſt Du mein Weib und folgſt mir in mein Vaterland. Lucina, weih' ihr Deinen Schutz!

Aloe (noch immer zornig.) Mih alt zu nennen, Du abjcheuliches Geſchöpf! (Droht mit der Fauft.) Ewald.

Vest mäßigt Euch, der Zorn vermindert Eure Schönheit. Folgt in den Tempel mir!

Aloe (nimmt fit zufammen.)

Ya, ich will mid) mäßigen, denn meine Schönheit geht mir über alles. ch folge Euch. Wieder auffafirend.) Aber wenn ich zurüdlomme (Zu Ewald.) Geht nur voraus, ich bin die Sanftmuth ſelbſt. (Wieder auffahrend.) Gottlofes Kind, ich (fait fih) nein, Du ſollſt mich nicht um meine Schönheit bringen. Geht nur voraus, ich folge

fanft, ganz fanft. (Trippelt ſteif und wirft einen wüthenden Geiten- blick auf Atritien) Mich alt zu nennen! Zittre, wenn

ich wiederfomme! Ganz fanft ganz janft! (Geht ab.)

129

Dreiundzwanzigfle Scene. Atritia, dann Lulu.

Atritin (attein.) Ach, mein Geliebter ift ein Zauberer. (Wolken fallen vor, Lulu aus der Berfentung.)

Kulm. Und wilft Du ihn darum verlafien ?

Atritia. Das thu ich nicht, er Hat auch mich bezaubert.

£uln. So folge mir, ic) will Dich ihm bewahren. (Berfintt mit ibr.)

Bierundzwanzigfie Scene. Verwandlung. Tempel der Venus.

(An jeder Seite ein Thron und in der Mitte des Hintergrundes das Bild der

Söttin, auf Wollen fchwebend, vor dieſem einige Stufen. Dardoniuß,

Olinar, Aſtrachan, Abular, Nimelot, Priefterinnen der Venus.

Edle Herren und Frauen von Eallidalos find im Tempel verjammelt, der König befteigt den Thron rechts.)

Rurzer Chor. Seht, die Göttin ift uns Hold, Lieblich ftrahlt der Locken Gold, Und ihr anmuthsreicher Blick Kündet unferm Lande Glüd,

Naimund, Dram. Werte III. 9

130

Dardonius. Die Göttin ift uns hold, fie nahm die Opfer gnädig auf. Nun führt den Helden dieſes wicht’gen Tags vor meinen Thron.

Fünfundzwanzigflie Scene.

Vorige. Simplirins (mit einem goldenen griehifhen Panzer ge= ſchmückt und die große Eberhaut umhängen, wird von Edlen hereingeführt.)

Simplirins. Was |’ mit mir alles treiben, jetzt nähen f’ mich mitten im Sommer in eine Cberhaut ein, da möcht’ einer doc aus der Haut fahren!

Dardonius. Edle Herren und rauen von Callivalos, hier fteht der fühnfte Jäger feiner Zeit.

Simplicius. Ich wollt', ich wär's, ich jaget' Euch alle davon.

Dardonius.

Ihm ward das Glück, das Unthier zu beſiegen, das unſer Land verwüſtet hat. Nun könnt Ihr kühn den Wald durchſtreifen und Eurer Felder Saaten ſind durch ihn gerettet.

Simplicius. Aha, d'rum haben ſ' mic zum Feldſcherer gemacht.

Dardonius. Schon ruht auf ſeiner Stirn' das Zeichen höchſten Ruhmes, und ſeine Schultern deckt des Thieres rauher Panzer. Nichts gleichet ſeinem Muth.

131

Simplirins (für fe.) Mir fteigen ſchon alle Ängſten auf, ich ſchwitz' mich no) zu Tod. Dardonius. Darum ift meines ganzen Volles Hoffnung nur anf Dich gerichtet. Simplirins (für fih.) Nun, ich gratuliere. '

Dardonius. Bald wird der Krieg mit Agrigent beginnen und das Schlachtfeld fi mit Kriegern füllen. Befteige jenen Thron und künde felbft, wozu ich Did ernannt.

Simplirins.

O verflirt, mir verfchlagt’8 die Ned’, und ich foll eine halten. Ab was, ich red’ Halt einen unzuſammen⸗ hängenden Zufammenhang. (Steigt auf den Thron und feufzt.) Aljo ! Bolt über alle Völker hinüber, der König hat mich unter’s Militär gegeben, und obwohl ich nicht das rechte Map babe, fo fühle ich mich doch über alle Maßen gerührt und fo ergriffen, dafs ich mich auf meinen Thron hier niederlaffen muſs, um alles zu verjchweigen, was mir meine Befcheidenheit nicht zu fagen erlaubt. (Sest fiq.)

Dardonins. Ih hab’ zum Unterfeldherrn ihn ernannt. Du bift ein größerer Held, als Du ein Redner bift. Nun reicht den rauen das Myrtendiadem und lajst die Mädchen

um den Rang der Anmuth buhlen!

(Schmelzende Zanzmufil. Zwölf Mädchen, jo gelleidet wie Aloe nad ihrer Berwandlung, beginnen anmuthige Gruppierungen vor dem Thron des Königs. Endlih bildet die Gruppe ein Tableau, das in feiner Mitte einen Raum

9*

132

Läfst, in welchen Aloe tritt, bie während der Bewegungen von Ewald mit dr Fadel hereingeführt wurde und die Gruppe fliegt. Ein Mann bringt den Frauen die Myrtentrone auf einem Kiffen.) Dardonius (mit Entzüden,)

Jene iſt's, die einer diamantnen Roſe gleich die zarten Perlen überfchinmert. (Er feigt vom Thron und führt Aloe vor.) Ihr rauen, krönet fie, nur ihr gebürt der Preis.

Simplirius (rür fc.) Die Alte hat ſich ausgewachſen, jest lauft man’s ‚für eine Junge. Dardonius. Sagt felbft, welch’ Land hat fold) ein Mädchen aufzuzeigen ? Die Männer.

Erftaunen fefjelt unfre Sinne.

Simplirins (für fies.) Das ift der fchönfte Betrug, der mir noch vor— kommen iſt. Dardonius. Warum zögert Ihr, geehrte Frauen, ift fie nicht Eurer Krone wert? Bauie) Antwortet doch!

Die Frauen. Sa, fie ift uns Dardonius. Was iſt ſie Euch? Simplicius. Zu ſchön iſt ſie ihnen, das iſt die ganze G'ſchicht'.

Vie Frauen. Sie iſt uns an Schönheit überlegen.

133

Simplirins. Das Hat was braucht, die haben einen Born. Morgen find |’ alle krank.

Die Frauen (etzen ihr das Diadem auf.) | Du, ſchöner als wir alle, fei des. Feſtes Königin.

Simplirins. Fett kriegt die auch einen Kranz! Der feet’ id) was anders auf.

(Die Frauen führen Aloe in den Hintergrund auf die Thronftufen und reihen fi) zu beiden Seiten.)

All. Heil der Königin des Feftes! Simplirius, Was die heut’ Schreien, das ganze Volk wird Heif’rig noch. Dardonius. Simplicius, jest kann ich erſt nad) Würde Dich belohnen; nimm dieſes Mädchens Hand, fie fei Dein Weib!

Simplirins. Dos alte Weib? Jetzt wär’ ich bald vor Schreden über den Thron hinunter g’fallen. Die nehm’ ich nicht.

Vardonius.

Biſt Du verwirrt, dies hinreißende Geſchöpf? Simplirius.

Mich reißt fie nicht Hin, ich hab ſ' in ihrer Negligee

ſchon g’jehen. Dardonins. Du musst fie nehmen, wenn Du nidt Dein Amt verlieren willſt.

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Simplirius. Wegen meiner ſchon. (Steigt vom Thron für fi.) ICH will doch Lieber die Feldfchereret verlieren, als die Schererei mit der Alten haben.

Dardoning. Wie, Du wagft e8, dem Gefeß zu mwiderfprechen ?

Ewald (eije.) So nehmen Sie fie doch. Berrathen Sie nur nichts, ich leih’ Ihnen die Tadel.

Simplirins. Hören Sie auf, ih will ein Weib haben, die auch in der Finfter ſchön ift, nicht eine, die man erft illuminieren mufs. (Laut) Ich nehm’ fie nicht. Will ſ' vielleicht ein

andrer nehmen ? Die Männer. Wir alle find bereitet, fie zu freien.

Simplicius. Nu aljo, rveigender geht’8 weg. Das Weibsbild foppt das ganze Land.

Dardonins.

Noch nicht genug. Um zu beweifen, wie man in Callidalos Schönheit ehrt, erwähl' ich felbft zu meiner Gattin fie.

Alles.

Es lebe unfere Königin!

Simplirins. Jet wird f’ gar Königin! Das wird ein Jubel fein, wann die regiert.

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Dardonins. Und augenblicklich laſſ' ic) mich vermählen.

Aloe (macht Zeichen des Entzückens.)

Simplirins. Der König treibt’8. (Bu Ewald.) So löſchen S’ doch die Fackel aus, er Heirat’ ja die Kap’ im Sad.

Ewald. Entſetzliche Verlegenheit, was ſoll ich nun beginnen ?

(Donnerichlag, das Bild der Benus füllt herab. Lucina if flatt ihr in einer Wollenglorie fichtbar.)

Furinn.

Die Teuſchung geht zu weit, legt ab die Kränze, die Euch nicht gebüren. (Sie nimmt der unter ihr ſtehenden Aloe den Kranz ab, und Simpliciuß Lorbeer fliegt ihr in die Sand.) Nun fort nad) Agrigent!

(Ewald und Simplicius verfhwinden. Wie die Fackel unfihtbar wird, verwandelt fi) Aloe in ihre wahre Geftalt. Das Bild der Benus ericheint wieder an der alten Stelle.)

Alle. Was ift gefchehen ?

Dardonius, Die Fremden find verſchwunden? Wo ift die Braut, die ich erwählt ? Aloe (auf den Stufen.) Hier bin ich, edelfter Gemahl.

Dardonius. Welch' häſslich' Weib? Wie kömmſt Du in den Tempel?

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Aloe. Ih bin ja Aloe, die Du erwählt. Ic ſchwör's bei meiner Jugend.

Alle.

Dardonius. Zauberei! Peitſcht aus dem Tempel ſie! O Scham, vernichte mich! (Stürzt ab.) (Van reißt Aloe von ten Stufen.)

Chor. Hinaus, hinaus, Du Ungethüm, Entmweih’ den Tempel nicht, Erzitt've vor des Königs Grimm, Auf, fchleppt fie vor's Gericht |

(Sie wird hinausgejagt.)

Betrug !

Sehsnndzwanzigfle Scene.

(Berwandlung. Der Wald mit der ‘Pforte der Erinnyen, auf welcher die Drei Siegel glühen. Nadıt, Mondlidht.)

Lucinn (mit den Kranzen.) Rreon.

Lncina. | Komm’, mein Kreon, der Sieg ift uns gelungen.

Kreon. So hätteft Du Unmögliches errungen ?

Karina. Bald wird Dein Leid die höchſte Freude lohnen, Der Orkus ift beſchämt, Hier find die Kronen.

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Rreon. Hell leuchten fie, drei Sonnen, durd) die Nacht, Wie ſchnell flieht Schmerz, wenn uns die Hoffnung lacht.

Cucina.

Nun knie' Dich Hin und ſenk' Dein Aug’ zur Erd,

Dafs e8 der grauf’ge Anblid nicht verfehrt.

Denn Rhea ächzet, und die Sterne wimmern,

Seh'n fie den Dolch der Eumeniden ſchimmern.

(Kreon kniet und beugt fein Haupt, fie legt die Kränze anf den Opferftein.)

Drei Kronen ruhen auf dem falten Stein!

Ich opfre fie

(Eine Flamme entbrennt auf dem Altar und verzehrt ſcheinbar die Kränze.) Nun, Flamme, fchließ’ fie ein! -

Schmelzt Siegel! Pforte, öffne deinen Rachen!

Die Siegel verſchwinden, die Pforte ſpringt unter ſchrecklichem Gekrache auf.)

Herauf, herauf, ihr rachedurſt'gen Drachen,

(Das Heulen des Windes.)

Blick ja nicht auf, es koſtet Dich das Leben.

Die Eumeniden nah'n, ſelbſt mid) ergreift ein Beben.

(Zie beugt ihren Leib gegen die Erde. Klagende Sturmmuſil. Ein blauer Blitz fährt aus der Höhle.)

Siedenundzwanzigfle Scene. Vorige. Tifiphone, Megäre, Alerto (sans grun getleidete

Furien, das Haupt mit Bipern ummunden, eilen, bläuliche Fackeln und blintende Dolce ſchwingend, aus der Pforte.)

Ale Brei

(bliden auf den Mond und ſchwingen ihre Dolce.) De Mond, der Mond, er fjcheint zur rechten Stunde,

Wacht auf, wacht auf, dic Rache hält die Runde, (Sie gehen gemefjnen Schrittes über bie Bühne.)

138

Cucina. Es iſt geſcheh'n, bald iſt Dein Feind gerichtet, Und ſo der Streit mit banger Welt geſchlichtet. Nun folg', es harren Dein, auf mein Geheiß, Die Edlen all' im liebverſchlung'nen Kreis. Von tauſend Lampen ſchimmert Dein Palaſt,

Der kaum den Jubel ſeiner Gäſte faſst. (Beide ab.)

Achtundzwanzigſte Scene.

(Berwandlung. Die goldgezierte, runde Marmorhalle, da8 Schlafgemad)

Bhalarius’, dur zwei Terzenreihe Candelaber erleuchtet. An der Eeite

fein Lager, neben diejem brennt auf einem Poftamente eine Lampe. Gegenüber eine Pforte von Ebenholz.)

Phalarius (tritt auf, Hinter ihm) Antrokles (tier gebengt.)

Phalnrius. Lafst feh'n, wie lang mein ftolzer Nachbar fich noch brüftet, Wo find die Feldherrn? Ift mein ganzes Heer gerüftet?

Antrokles. Es Harret muthentbrannt der Krieger rüft’ge Schar.

Dhnlarins (achend.) Bergebens glüht der Muth, vermeidet ihn Gefahr. Nun löſch' die Lichter aus, lafj’ Dunkelheit herein, Entfern’ Did) dann, (beifeite, mit Grimm) und überlafj’ mich meiner Bein !

Antrotles löſcht die Lichter aus bis auf die Campe, beugt fich tief und geht bangend ab. Das Gemad) wird finfter.

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Mennundzwanzigfle Scene.

Dhnlarius (anein.) Ein Huger Hauswirt ſchließt des Nachts die Thür, Ich ahm' es nach. (Saließt.) So, nun bin ich allein mit mir. Erſchrickt.) Allein? Ein falſches Wort, wer kann das von ſich ſagen. Schickt nicht die Einſamkeit Gedanken, die uns plagen? Was ſind Gedanken, die im Unmuth ſich verſammeln, Das Hirn bedroh'n und der Vernunft das Thor ver⸗ rammeln ? Gemeiner Troſs iſt's, auf den man nicht achten muſs, Der König der Gedanken ift nur der Entjchlufs. D’rum hab’ ich es auch feft mit Marmorfinn befchloffen: Wie Phöbns, groß und hehr, mit fenerfprüh’nden Roſſen, Des Himmels Reich durchzieht, auf gold'nem Strahlen wagen, So will ih durd die Erb’ das Nicht der Krone tragen. Die Sonn’ am faphirblauen Zelt glänz’ nicht allein, Ich will die Zweite auf fmaragd’'nem Grunde fein. Bon Äthiopiens Sand, wo glüh'nder Samum haufet, Bis an des Nordpols Eis, wo Boreas erbraufet, Mufs mein Panier mit weithinſchau'ndem Stolze prangen. Poch' ruhiger, mein Herz, geftillt wird dein Berlangen.

(Er legt di: Pantherhaut und feine Waffen ab, doch die Krone nicht, und firedit fi auf’8 Lager.)

Beſuch' mich, falfcher Schlaf, der felten mein gedentt, Und ſich nur gern auf kummerloſe Augen fentt.

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Verliſch, o Lampe, liſcht doch einft die Sonne aus, Dann wird es finfter fein im großen Weltenhaus.

(Er löſcht die Lampe aus, augenblicklich fieht man bei feinem Haupte drei

hochrothe Geifter ſitzen, welche unverwandt nach feiner Krone bliden; fie fird

früher hinter dem Ruhebette verborgen und heben erſt jetzt zugleih ihre Häupter.)

Wie eflich ſtill! Was wär’ das Leben ohne Streit?

Die Scheide ohne Schwert (areit auf.) Wer da? (Erblidt die Geifter.)

Ha Ihr, auch heut’? Die drei Geiſter

(zugleidy, eintönig und hohl.) Wir bewachen die Krone mit Uhnsblid, Schlaf’ ruhig, ſchlaf' ruhig, nichts flöre Dein Glück!

Phalarins (aut auflachend.

Mein Glück! Wie bin ich doch ſo glücklich nun durch Euch,

Der Wunſch verarmt, iſt die Erfüllung überreich.

D Wahn, der über Leides Abgrund Brüden baut,

Weh' dem, der ihren luft'gen Bogen keck vertraut.

Berzweiflungspolles Glüd, das felber fich entleibt,

Du machſt mic) arm, dafs mir nichts als die Krone bleibt.

Die Kon’? Beim Styr, ich will fie fürchterlich benügen,

Berberben foll von ihren glüh’nden Zaden bligen,

Ich räche meine Qual, wer will mic) daran hindern?

(Es pocht an der Pforte.)

| Alerts (amp) Der Eumeniden Dold).

Megäre. Bernichtung allen Sündern.

141 —-

Die drei Geifler. , Die Eumeniden nah'n, der Orkus Hat geendet. (Berihiwinden.)

Phalarius (vringt auf.) Wer pocht ſo frech, ſag an, wer Dich ſo ſpät noch ſendet? (eiſes Pochen.)

Alle Drei. Mach' auf, fein Königlein, wir wünſchen Dich zu ſprechen.

Phalarius. Was wollt Ihr mir?

(Die Thür ſpringt mit einem Donnerſchlage auf; alle Drei treten zuglei ein.)

Ale Brei. Wir ftrafen Dein Berbrecdhen.

Phalarius (entiegt.) Ha, die Erinnyen! Alle Brei. Bereu’, Du mufst erbleichen.

Phalarius. Die furchtbar Rächenden!

Alle Vrei. Die jede That erreichen.

Phalarius. Zurück, ihr bleichen Furien, mich ſchützt die Kron'.

Alecto. Sie ſchützt Dich nicht, dev Orkus ſchweigt; den?’ an Kreon!

142

Phalarius. Ich haſſe ihn, wie Euch.

Tiſiphone. Den? an Aſpaſien!

Megäre. An’ Brand von Agrigent!

Alerts, Gedenk', Du mufst vergeh'n! (Ste drängen iyn auf’8 Lager.)

Phalarius. Ich denke nichts als Blut.

Alecto. So denke an den See!

(Ein Theil der Kuppel ſtürzt ein, fo „dafs fi ein rund ausgebroch'nes Loch zeigt, durch welches der Vollmond auf's Lager fcheint.)

Phalarius. Weh' mir, des Mondes Strahl! (Die Erinnyen fenten ihre Dolche in feine Bruſt.)

Alle Drei. Bergeh’! Vergeh'! Vergeh'! Der Mond, der Mond, erſchien zur rechten Stunde, Ihr Sünder bebt, die Rache hält die Runde. (Sehen gemeſſ'nen Schrittes ab.)

t2tiu—

143

Dreißigſte Scene. Hades (aus der Verſenkuug, naht ſich langſam dem Lager Phalarius'.) Gib mir zurüd die Kron', du bleiches Heldenhaupt. (Er nimmt fie ihm ab.) Da liegt der ftolzge Baum, zerfplittert und entlaubt. Hell glänzt die Krom’, nun will die gierige Welt ich fragen:

Wo ift der Kühne wohl, der fie nad) ihm will tragen? (Berfintt.)

Einunddreißigfie Scene.

Verwandlung. Reichverzierter, beleuchteter Thronſaal.

(Der Thron befindet ſich in der Mitte des Hintergrundes. Durch die Säulen

des Saales fieht man in einen reizenden, ebenjo beleuchteten Garten, Kreon

auf dem Thron. Alle Edlen feines Reiches umgeben ihn jubelnd. Im Vorder⸗

grunde auf der einen Seite Ewald mit der Fadel, und Simplicius,

Zucina, Atritia und zwei Genien, die auf einem Kiffen eine Krone tragen, auf der entgegengejetten Seite. Triumphmufif.)

Ale. Dank den Göttern! Ew'ges Glüd unferm theuern König Kreon! Kreon. Heil meinen edlen Freunden, es ſtürmt mein Herz, mein Auge perlt Freude! Nehmt Eures Königs frohen

Dank, der ſich in Eurer Mitte überglücklich fühlt. (Alle knien in ſchönen Gruppen um den Thron.)

Alle.

Heil unferm guten König!

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Ewald. Arme Fadel, Deine Macht ift übertroffen; an diefem Anblid kannſt Du nichts verfchönern.

Simplirins. Das ift mir der liebſte König von allen, die ich heut noch g’fehen Hab’. Kreon. Doch, nun lafst uns der hohen Göttin danken, die Thron und Reid) gerettet hat.

Ale. Der hehren Göttin Dank!

£urina. Sei glüdlich, mein Kreon, Phalarius ift nicht mehr. (Rimmt den Myrtenkranz.) Nimm diefe Kron’, von liebgepaarten Myrten, Lafl Dir die edle Stine zart umgürten! Durch fie wird Dein Gemüth nie Leid betrüben, Und ſtets wird Did) Dein Volt mit Treue lieben.

rest. Berzeih’, Lucin', ic) darf die Kron’ nicht nehmen, Nimm fie zurüd, fie würde mich befchämen. Es fol aud) ohne Zauber mir gelingen, Die Liebe meines Volles zu erringen. Und drüdt e8 Leid in unglüdsvollen Tagen, Iſt es des Königs Pflicht, mit ihm zu Hagen.

Iurinna (zu Ewald, weldem fie Atritien zuführt.)

Nimm fie zum Lohn, Atritiens Hand und Herz fei Dein, Benütze Hug der Wunderfadel roj’gen Schein,

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145 --

Du kannſt von Deinem Glück nicht Höheres erheifchen, Die Eine liebt Did) wahr, die Andre wird Dich teufchen.

Simplirins. Wenn's nicht etwa umgekehrt ausfallt.

Kurinn. Und nun zu Dir, Simplicius,

Simplirius. Jetzt kommt |’ auch über mid).

Kurina. Du warft ein willig’ Werkzeug meiner Macht. Did) wird der König hier auch nad) Verdienſt belohnen.

Simplirius. Auf d' Lebt ſetzen |’ mir nod) einen Lorbeer auf.

Kreon. Man zahl' ihm tauſend Goldſtücke aus!

Simplirins (Geijeite.)

Ich hab's ja gleich g'ſagt, daſs mir das der Liebſte iſt. Eaut) Ich küſſ' die Hand, Eure Majeſtät. (Beifeite.) Jetzt richt ich eine Schneiderwerfftatt auf und heirat' die Göttin, das wird ein himmliſches Leben werden.

Rreon (zu Ewald.) Did, Fremdling, werde ich ftet8 an meinem Hofe ehren und durch ein Amt belohnen.

Ewald. Mein großer König, Danf!

Raimund, Dram. Werte. III. 10

146

£uring, Mögt Ihr doch lange noch verdientes Glück befiten, Lucina wird Eud) ftetS mit Huld und Lieb’ befchügen.

(Ein rofiges Wollenlager fenkt fi) nieder, von Genien umflogen. Zucina

legt fi in zarter Stellung auf dasjelbe und ſchwebt in die Luft. Kreon

befteigt den Thron, alles gruppiert fi. . Griechiſche Tänzer und Tänzerinnen führen Gruppen aus, von folgendem Chor begleitet.)

Chor. Schmückt mit Freude diefe Hallen, Laſst des Jubels Auf erfchallen, Heil Lucina! Heil Kreon! Tugend findet froh den Lohn.

(Der Borhang fällt.)

Ende

Der Verfhwender.

DOriginal-Zaubermärden in drei Aufzügen.

Zum erftienmale aufgeführt im Theater in ber Joſefſtadt am 20. Februar 1834.

10*

Derfonen des erftien Aufzuges.

Zee herikene.

Aur, ihr dienftbarer Geift.

Inline vw. Flottuel, ein reicher Edelmann. Wolf, jein Kammerdiener.

Yalentin, fein Bedienter.

Kofa, Kammermädchen, deffen Geliebte. Cheralier Bumsnt,

Herr v. Jralling, lottwell's

Betr u. Selm, Tlottwell’8 Freunde. Zerr v. Walter,

Fer Baumeifter,

Frin, os: chem, | Bediente.

Dienerſchaft. Zäger. Syiphiden. Waldgötter. Genien. Säfte in Flottwell’s Schlofs.

Erfter Aufzug.

Erfie Scene.

Borfaal in Flottwell's Schlofs, mit Mittel» und vier Seitenthüren, vorne ein Fenſter. Dienerichaft in reicher Livree ift im Saale befchäftigt. Einige teagen auf filbernen Taſſen Kaffee, Thee, Champagner, ausgebürftete Kleider nach den Gemächern der Säfte Fritz und Johann ordnen an. Ein Paar Jäger pußen Gewehre.) . Chor. Hurtig! Hurtig! Macht doch weiter, Holt Champagner, Kaffe, Rum! Bringt den Gäften ihre Kleider, Zummelt Euch ein wenig um! Alles fer Hier vornehm, groß, In des reichen Flottwell's Schlofs ! (Alle ab bis auf)

Fritz und Iohaun (welche an's Fenſter treten.) (Im Hofe ertönen Yagdhörner.)

Fritz. Ja, blast nur zul Da könnt Ihr noch lange blaſen, die Herrfchaften find erft aufgeftanden. Heute wird es eine jpäte Jagd geben.

150

Johann. Das Spiel hat ja bis zwei Uhr gedauert?

Fritz. Ja, wenn ſie nach dem Souper zu ſpielen anfangen, da iſt kein Ende. Johann (aqend.) Aber heute Nacht haben ſie den Herrn ſchön gerupft.

Fritz.

Ich kann mich ärgern, dafs er fo viel verſpielt.

Iohann. Warum denn? Er will’s ja nicht anders. Die reichen Leute müflen immer die lange Weile bezahlen, die fie andern verurſachen.

Fritz.

Ah! über den gnäd'gen Herrn iſt nichts zu ſagen, das iſt ein wahrhaft nobler Mann und er thut nicht nur ſeinen Freunden Gutes, er unterſtützt die ganze Welt. Die Bauern, hör' ich, zahlen ja faſt niemals eine Abgabe.

Johann.

Er hat mir nur zu heftige Leidenſchaften. Wart' nur, bis Du ihn einmal in Wuth erblickſt! Da ſchont er weder ſein, noch eines andern Glück. Da kann alles zu Grunde gehen.

Fritz.

Aber wenn er ſich beſinnt, erſetzt er's ſicher drei⸗ fach wieder. Johnann (achielzudend.) Ja, wenn's nur immer ſo fortgeht!

151

Fritz. Wer iſt denn der junge Mann, der geſtern ange⸗ kommen iſt? Ein charmanter Menſch!

Johann. Das weiß ich nicht, das wird ſich ſchon noch zeigen. Für mich gibt es nur zweierlei Menſchen: Menſchen, die Trinkgeld geben, und Menſchen, die keines geben. Das beſtimmt meine Dienſtfertigkeit.

Fritz. Er iſt ſehr höflich.

Johann.

Da wird er vermuthlich ſehr wenig geben. Wer mich mit Höflichkeit beſchenkt, macht mich melancholiſch; aber wenn mir einer einen Ducaten hinwirft und zuruft: Schlingel, heb' ihn auf! da denk' ich mir: Ha! welch eine Luſt iſt es, ein Schlingel zu ſein!

Zweite Sceue.

Pralling (tritt einen Schritt aus ſeinem Cabinet und ruft.)

He! Bediente!

Beide (ehen fich um.) Ja! Befehlen? Pralling. Ich habe ſchon zweimal geläutet. Wollen Sie fo gefällig fein, mir Rum zu bringen?

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Johann Wornehm nidend.) Sogleich, mein Herr! (Bu Fritz) Haft Du den gehört? Der hat mir in fechs Wochen nod) feinen Pfennig Trink⸗ geld gegeben, und ein ſolcher Mann hat bei mir feinen Anſpruch auf Ruhm zu machen; den laſs id) warten. 4

Fritz. O, auf den acht' ich auch nicht. Der Herr hält ja nicht viel auf ihn. Johann. Das iſt's, auf was man ſehen muſs. Auch der Kammerdiener mag ihn nicht

Srih. Nun, wenn ihn der nicht mag, da kann er fid) bald aus dem Schlofje trollen; der wird ihm ſchon gehörig zu verleumden fuchen.

Iohann.

Ja der reitet auf der Gunft des gnäd’gen Herrn,

und niemand Tann ihn aus dem Sattel werfen. Fritz.

Du kennſt ſeinen Wahlſpruch: Alles für den Nutzen meines guäd'gen Herrn, und dabei ftopft er ſich die Taſchen voll.

Johann.

Das wird aber auch eine ſchöne Wäſche geben, wenn dem ſeine Betrügereien einmal an's Tag'slicht kommen. Ich kenne keinen raffinierteren Schurken, da iſt ja unſer Einer gerade nichts dagegen.

153

Dritte Scene.

Vorige. Wolf (aus dem Cabinete rechts.) Wolf.

(Sein Betragen ift gegen Diener ſehr nobel, ftolz, gegen Höhere fehr demüthig. Hört die letzten Worte.)

Schon wieder Conferenz? Bon wen war hier die Rede?

Iohann. Bon einem guten Freund.

Wolf. Nu, Ihr ſeid folcher Freundfchaft wert! Iſt alles beforgt ? Die Gäfte bedient?

Iohann. Auf das pünktlichfte !

Wolf. Der gnäd’ge Herr läfst Euch verbieten, von den Gäften Geſchenke anzunehmen. Ihr habt fie von feiner Freigebigkeit zu fordern.

Beide. Dann haben wir dadurch gewonnen.

Wolf. Seid uneigennüßig, das ift eine große Jugend.

Iohann. Aber eine fehr ſchwere. Nicht wahr, Herr Kam- merdiener ?

154

Wolf. Wo ift der Balentin? Hat er die Duittung von der Sängerin gebracht?

Frith. Er iſt noch nicht zurück, obwohl der gnädige Herr befohlen hat, er müfste bei der Jagd erſcheinen, damit die Herren auf der Jagd etwas zu lachen hätten.

Wolf (achelnd.) Ein wahrhaft unfchädlicher Burſche.

Iohann.

Da follten doch der Herr Kammerdiener ein Werk der Barmherzigkeit ausüben und den gemeinen Kerl aus dem Haufe bringen.

Wolf.

Gott bewahre mid) vor folcher Ungerechtigkeit! Das wäre gegen die Gefinnung meiner gnädigen Herrfchaft. Der Burſche ift zwar plump und roh, doch gutmüthig und treu. Dann fteht er in der Gunft des Herrn, ber feine Diener alle liebt, wie eigne Kinder. Ja, das ift wohl ein feltner Mann, der in der Welt nicht feines- gleichen findet. Und wollte man fein Lob in Büchern fchreiben, man würde nie damit zu Ende kommen. D’rum danft dem Himmel, der Euch in dies Haus geführt, denn wer ihm treu-dient, der hat fich wahrlich felbft gedient. Das Frühftüd für den gnäd’gen Herrn!

Fritz.

Sogleich! (Geht ab.)

155

Johann (m Abgehen.) Die Moralität diefes Menſchen wird mich nod) unter die Erde bringen. (9b.)

' Wolf. Das find ein Paar feine durchgetriebene Schufte, die mufs ic) mir vom Halje Ichaffen.

Bierte Scene. Poriger. Banmeifter Gründling. Gründling.

Guten Morgen, Herr Kammerdiener! Kann ich die Ehre haben, Herrn v. Flottwell meine Aufwartung zu

machen? Wolf.

Herr Baumeiſter, ich muſs um Verzeihung bitten, aber Seiner Gnaden haben mir ſoeben befohlen, Sie bei jedermann zu entſchuldigen, denn Sie machen heute eine Jagdpartie.

Gründling.

Wiſſen Sie nicht, Herr Kammerdiener, ob Herr v. Flottwell meinen Plan zu dem Bau des neuen Schloſſes für gut befunden hat?

Wolf.

Er Hat ihm fehr gefallen. Nur hat fich der Umſtand ereignet, dafs ihm auch ein anderer Baumeifter einen ähnlichen Plan vorgelegt hat und fich erbietet, das Schloſs in derfelben Größe um zehntaufend Gulden wohlfeiler zu bauen.

156

Gründling.

Das thut mir leid, aber als ehrlicher Mann Tann ich e8 nach feinen Anforderungen nicht wohlfeiler bauen. Ic übernehme diefen Bau überhaupt mehr aus Ehrgeiz, als aus Gewinnſucht. Hat aber Herr v. Flottwell einen Künftler gefunden, von dem er fi) Schöneres oder Beſſeres verfpricht, fo werd’ ich mich zu befcheiden wiffen.

Wolf. Das heißt, es ift Ihnen nichts daran gelegen.

Gründling. |

Im Gegentheil, es ift meiner Ehre fehr viel daran gelegen.

Wolf.

Ja, dann müflen Sie Ihrer Ehre auch ein Meines Opfer bringen.

Gründling.

Es wäre ſehr traurig für die Kunſt, wenn es ſchon ſo weit gekommen wäre, daſs die Künſtler Opfer bringen müſsten, um Gelegenheit zu finden, ein Kunft- werf hervorzubringen. Die Kunft zu unterftügen, ift ja der Stolz der Großen, und eine ölonomifche Äußerung wäre an dem geldberühmten Herren v. Wlotiwell etwas Unerbörtes,

Wolf. Sie verftehen mich nicht, Herr Baumeifter.

Gründling. Genug! Morgen will ich mit Herrn v. Flottwell ſelbſt darüber ſprechen. Glauben Sie aber nicht, Herr Kammerdiener, daſs ich ein Mann bin, der nicht zu

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leben verfteht! Sollten Sie fi für die Sache bei dem gnäd’gen Herrn glüdlich verwenden, fo werde ich mid) fehr geehrt fühlen, wenn Sie ein Gefchenf von Hundert Ducaten nicht verfchmähen wollen.

Wolf. Sie verfennen mich. Eigennuß ift nicht nteine Sache, ih ſpreche nur zum Bortheil meines gnäd’gen Herrn!

Gründling. Den werden Sie durch mid befjer bezweden, als wenn das Schlof8 von einem andern gebaut wird.

Woif.

Nun gut! Ich will verſuchen, was mein geringer Einfluf8 zu Gunften eines fo großen Künftlers vermag; und gelingt es mir, jo werde ich Ihr Geſchenk nur unter der Bedingung annehmen, dafs Sie mir erlauben, e8 auf eine wohlthätige Weife für andere zu verwenden.

Sründling. Ganz nad) Ihrem Belieben. (Beifeit.) Die Kunft mag mir diefe Herabwürdigung verzeihen. (Laut) Morgen erwarte ich einen günftigen Befcheid. (Win ab.)

Wolf Gliet zum Senfter hinaus.)

Teufel! der andere. (Schnell) Wollen Sie nicht fo gefällig fein, fi) über die Nebentreppe zu bemühen, weil die Bedienten auf der großen Möbel transportieren? Ich empfehle mid) ergebenft. (Läfst ihn duch eine Seitenthür hinaus gehen; allein) Dieſe Citrone gibt wenig Saft, jegt wollen wir die andere preflen.

158

Sünfte Scene. Ooriger. Baumeifler Sorkel.

Sotkel.

Guten Morgen, Herr von Wolf! Sie haben mich rufen laſſen, ich wäre ſchon geſtern gekommen, aber ich hab' ein Haus ſtützen müſſen, was ich vor zwei Jahren erſt gebaut hab'. Verſtanden? Ich ſag' Ihnen's, man möcht' jetzt lieber Holz hacken, als Häuſer bauen. Erſtens brennen f Ziegel, wenn man einem nur ein unbefchaffenes') Wort gibt, fo fallt er ſchon voneinander. Nachher wollen |’ immer ein Million Zins einnehmen, lauter Zimmer, keine Mauern! Berftanden? Drum find mande moderne Häufer aud) jo dünn, al8 wenn ſ' bloße Futteral über die alten wären. Hernad) hat Halt ein Baumeifter vor Zeiten auf jolide Einwohner rechnen können, aber jetst zieht fi) ja manchmal ein Volf hinein, das nichts als rauft und fchlagt, Tifh” und Stühl’ umwirft und das Unterfte zu oberft kehrt. Ja, wo fol denn da ein Haus die Geduld hernehmen? Da wird’8 halt fpringgiftig,?) und endlich fallt’8_ vor Zorn zufamm’. Verſtanden?

Wolf.

Das tft alles ganz recht, aber jet lafjen Sie und vernünftig reden.

Sorkel. Erlauben Sie aber meine Reden find ein wahrer Triumph der Vernunft! Verftanden ?

1) Unfreundlid. 2) Wild erregt.

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Wolf. Ich Habe Ihnen die unangenehme Nachricht zu fagen, dafs Sie den Bau des Schloffes nicht bekommen werben.

Sorkel. Hören Sie auf, oder ih flürz’ zufamm’ wie eine alte Gartenmauer! Das ift ja nad) unferer Verabredung nicht möglich. Berftanden ?

Wolf. Der gnäd’ge Herr will den Baumeifter Gründling nehmen.

Ein Bedienter @er Flottwell das Frühftüd gebracht hat, kommt zurüd.)

Sorkel. Aber es war ja ſchon alles richtig ? Ich Hab’ Ihnen ja taufend G— Wolf (raſch auf den Bedienten blidend.) Nun ja, Sie haben mir taufend Gründe gefagt, die

Sockel. Nein, ich habe Ihnen verſprochen

Wolf.

Ja, (ſtampft unwillig mit dem Buße.) Sie haben verſprochen, gute Materialien zu nehmen. Franz, dort hat jemand geläutet. (Der Bediente geht in ein Eabinet ab.) Aber ich Tann nicht dafür, dafs ein anderer gekommen ift, der noch größere Verſprechungen gemadjt hat und das Schloſs um zehntaufend Gulden wohlfeiler baut.

160 -—

Sockel.

Aber das iſt ja ein elender Menſch, der gar nicht zu bauen verſteht ein hergelaufener Maurerpolier!), ein Pfuſcher und ich bin ein Mann auf dem Platz! Verſtanden?

Wolf.

Es macht Ihnen jehr viel Ehre, dafs Sie fo über Ihren Collegen ſchimpfen, aber das kann die Sache nur verſchlimmern. | Sorkel.

Aber Sie bringen Einen ja zur Verzweiflung. (Beifeite.) Ich kann den Bau nicht auslafjen, er trägt mir zu viel ein, (Macht gegen das Publicum die Bantomime des Geldzählens.) Berftanden ? (aut) Liebſter Herr Kammerdiener, ich weiß, e8 hängt nur von Ihnen ab. Der gnäd’ge Herr befümmert fih nit darum, er ift zu leichtfinnig, Ic geb’ Ihnen taufend Gulden Conv. Münze.

Wolf. Herr! Was unterfangen Sie fi)

Sorkel. Ich unterfange mich, Ihnen noch fünfhundert Gulden zu bieten.

Wolf. Sie häufen ja Beleidigung auf Beleidigung Sorkel. Freilich, ic) bin der brutalfte Kerl auf der Welt. Aber jest bin ich ſchon in meiner Grobheit d'rin, ich muſs Ihnen noch fünfhundert Gulden antragen.

. 1) Bauauffeher, Altgefell bei dem Maurergewerbe, dem bie Beauffihtigung bei einem Baue obliegt.

» P_IM -

161

Wolf. Halten Sie ein! Sie empören mid) mit folchen unmoralifchen Zumuthungen !

Sorkel (öeifeite.) Ah, da möcht’ man fich felber köpfen!

Wolf. Ich fehe ein, dafs Ihre Ehre

Sorkel.

Ab, was Ehre! Es ift Einem gerade feine Schande, wenn man ein Schlof8 baut, aber in Teuer laſſen f’ Einen auch nicht vergolden deswegen. (Beifeite) Nur das Geld ift verloren.

Wolf.

Man wird Sie ausladıen. Sorkel.

Freilich, e8 hat's die ganze Stadt erfahren. Wolf.

Wie war das möglid) ? Sorkel.

Weil ich's meiner Frau gejagt hab’. Wolf.

Ja, find Sie denn verheiratet? Sorkel.

Leider! Berftanden ? Raimund, Dram. Werke. III. 11

162

Wolf (augſtlich.) Haben vielleiht Kinder ?

Sorkel. Ia wohl! Wolf. Ach, das ift ja fehr traurig! Wie viele?

Sorkel. Mein Gott, fo viel’ Ste wollen, verfchaffen Sie mir nur den Bau!

Wolf. Sa, das mufs ich willen.

Sorkel. Alfo fünf! Und zwei noch zu erwarten! Ver— ftanden ? Wolf. Entjeglih! Das rührt mic)!

Sockel. Laſſen Sie ſich erweichen! Nehmen Sie die zwei- taufend Gulden.

Wolf (mit Bedauern.) Sie find Familienvater! Sie haben fünf Kinder! Warum haben Sie das nicht gleich gefagt? Und der andere Baumeiſter hat vielleicht feine Kinder !

Sorkel.

Kein einziges.

163

Wolf. Ah, da müffen Sie ja den Bau erhalten! Das wäre ja die höchfte Ungerechtigkeit

Sorkel, D, Sie edelmüth'ger Mann!

Wolf.

Jetzt kann ich Ihr Gefchent annehmen. Aber Sie müſſen mir verfprechen, ein Meeifterftüd für die Ewigkeit binzuftellen.

Sorkel.

Zehn Jahre feine Reparatur.

Wolf. Denn der Bortheil meiner gnäd'gen Herrſchaft geht mir über alles. Sorkel (weinenv.) Große Seele!

(Beide in Flottwells Cabinet ab.)

Sedhste Scene.

Onlentin. Lied.

Heiffa! Iuftig ohne Sorgen Leb’ ich in den Tag hinein, Niemand braucht mir was zu borgen, Schön ift’8, ein Bedienter z’fein. Erſtens bin id) zart gewachſen, Wie der fhönfte Diann der Welt;

11*

164

Alle Säck' Hab’ ich voll Maren, !) Mas den Mädchen fo gefällt.

Zweitens fann ich viel ertragen, Hab’ ein’ Tampelfrommen Sinn; Vom Berftand will ich nichts jagen, Weil ich zu bejcheiden bin! Drittens kann ich prächtig fingen, Meine Stimme gibt fo aus:

Denn kaum laſs ich ſie erklingen, Laufen |’ alle gleich hinaus.

Biertens kann ich fchreiben, leſen, Hab’ vom Rechnen eine Spur, Bin ein Tiſchlerg'ſell geweſen Und ein Mann von Politur. Fünftens, fechstens, fieb’ntens, achtens Fallt mir wirklich nichts mehr ein; Darum muſs meines Erachtens Auch das Lied zu Ende fein.

AH! Heut’ kann ich einmal mit Recht fagen : Morgen⸗ ftund’ tragt Gold im Mund’. Hat mir die Sängerin, die neulich bei unferm Concert eine chinefifche Arie gefungen bat, für das Honorar, was ich ihr von dem gnädigen Herrn überbracht hab’, zwei blanfe Ducaten geſchenkt. Der gnädige Herr hat ihr aber auch für eine einzige Arie fünfzig Ducaten bezahlen müſſen. Das ift ein ſchönes Geld. Aber das ift doch nichts gegen Engeland! Da fingen f’ gar nad) dem Gewicht. Da

1) Geld.

165

fommt eine von den großen Noten auf ein ganzes Pfund, drum heißt man f’ auch die Pfundnoten. Da verdient fid) eine an einem einzigen Abend einige Centen. Die müflen immer ein Paar Pferd’ halten, dafs fie ihnen das Honorar nachführen. Aber e8 war auch etwas Gött- liches um diefe Sängerin! Ic verfteh” doch auch etwas von der Mufil, weil ich in meiner Jugend öfter nad) den Noten geprügelt worden bin, aber im Distonieren fommt ihr Teine gleih. Ich hab’ die ganze Arie nicht hören können, weil ih im Hof unten war und die Jagdhund' befänftigt Hab’, damit ſ' nicht fo ftarf drein- geheult Haben; aber einmal Hat fie einen Schrei heraus- gelaffen Nein, ic) hab’ ſchon verjchiedene Frauen» zimmer fchreien g’hört, doc) diefer Ton hat mein Innerftes erjhüttert! Wenn ich ein Theaterdirector wär’, die enga- gieret’ ich unter den fchönften Bedingungen.

——

Siedente Scene. Yoriger. Roſa (oehleicht fich herein, tritt langſam vor und ſteht bei den

legten Worten mit verichlungenen Armen neben ihm. Valentin.

Aber der ſchönſte Wohlklang war doch, wie fie die zwei Ducaten auf den Tiſch geworfen hat: das macht fie unfterblid. Und gelädjelt Hat fie auf mid, gelächelt hat fie

Roſa.

Nun, und wie hat fie denn gelächelt. (Lädelt boehaft.)

Wie denn? Hat fie fo gelächelt jo?

166

Onlentin. Ah, das ift ja nur eine Traveſtie auf ihr Lächeln. Du wirft Dir doch nicht einbilden, dafs Du das auch im Stand bift?

Roſa. Warum? Warum foll ſie beſſer Lachen können, als ich ?

Valentin. Nun, eine Perſon, die für eine Arie fünfzig Ducaten kriegt, die wird doch curios lachen können?

Roſa.

Ja, aber wer zuletzt lacht, lacht am beſten, und die werd' ich ſein! Ich brauch' keinen ſolchen Liebhaber, der in die Stadt hineinlauft und den Theaterprinzeſſinnen die Cour macht.

valentin. Ich muſs thun, was mir mein Herr befiehlt. Punktum !

Roſa.

Du und Dein Herr iſt einer wie der andere.

Valentin.

Pu, das wär’ mir ſchon recht, da wär’ ich aud) ein Millionär wie er.

Rofa.

Und wie fchauft denn wieder aus? Den ganzen Tag hat man zu corrigier'n an Ihm! Iſt denn das ein Hals⸗ tuch gebunden, Du loderer Menfh? Geh’ her! (Bindet ihm das Halstuch.)

167

Palentin. So hör’ auf Du erwürgft mid) ja, ſchnür' mic) nicht jo zufamm’. Roſa. Das mußs ſein. Valentin. Nein, das Schnüren iſt ſehr ung'ſund. Es wird jetzt ganz aus der Mod' kommen. Du ſollſt Dich auch nicht jo zufamm’radeln!).

Rofa. Das geht feinen Menjchen was an!

Yalentin. Aber wohl! Das Schnüren?) hätt’ ſollen gerichtlich verboten werden, aber die Wirt’ find dagegen eingekommen.

Roln. Wegen meiner! Ja apropos! Du ftehft ja da, als warn ein Feiertag Heut’ wär’: Wirft gleich geh’n und Dich anzieh'n auf die Jagd?

Palentin. Set muſs ich wieder auf die verdammte Jagd!

Roſa. Ya, wer kann dafür, daſs Du fo ein guter Jäger biſt?

Valentin.

Ah, ich jag' ja nicht, ich werd' ja gejagt! Sie behandeln mich ja gar nicht wie einen Jäger. Ich g'hör'

1) Ein knappes Mieder tragen. 2) über's Ohr hauen, Prellen.

168

ja unter's Wildpret. Das letztemal hat der gnädige Herr eine Wildenten gefchoflen, und weil fein Jagdhund bei der Hand war, jo hab’ ich fie müflen aus dem Waffer apportieren; und wie ich mitten drin war, haben fie mich) nimmer herauslaffen.

Rofa. Und das lajst Du Dir fo alles g’fallen ?

Valentin. Sa, weil ich halt für meinen Herrn in's euer geh‘, fo geh’ ich Halt auch für ihn in's Waſſer.

Roſa. Nu, ſo tummel' Dich, es wird gleich losgehen.

Palentin. Die verflirte Iagd! Wann man nur nicht jo hungrig würd’! Aber ich verfichere Dih: Ein Jäger und ein Hund frifst alle BViertelftund’.

Roſa. Schäm' Dich doch!

Balentin.

Du glaubft nicht, was man auszuftehen hat, was Einem die Gäſt' alles anthun. Meiner Seel’, wenn mir nicht wegen dem gnädigen Herrn wär’, ih prügelt’ fie alle zufamm’.

Roſa.

So red' doch nicht immer vom Prügeln in einem vornehmen Haus! Da ſieht man gleich, daſs Du unter'm Holz aufg'wachſen biſt.

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Valentin. Wirf mir nicht immer meinen Tiichlerftand vor

Roſa. Weil Du gar ſo pfoſtenmäßig biſt.

Valentin. Schimpf' nicht über mein Metier

Roſa. Laſs mich geh'n! Ich nehme mir einen andern. Ich weiß ſchon, wen ich heirat'.

Duett.

Roſa. Ein Schloſſer iſt mein' ſchwache Seit', Das iſt der erſte Mann, Der ſorgt für unſre Sicherheit Und ſchlagt die Schlöffer an.

Valentin. Mein Kind, da bift Du fchlecht bericht”, Der Tiſchler geht zuvor, Der Sclofjer ift der erfte nicht, Der Tiſchler macht das Thor.

Roſa. Ein Schloſſer iſt zu ſchwarz für mich Und ſeine Lieb' zu heiß.

Valentin. Verliebt ſich ein Friſeur in Dich, Der macht Dir nur was weiß.

170

Roſa. Nein! Nein! Ein Drechsler! O, wie ſchön! Der iſt für mich gemacht.

Valentin. Der kann Dir eine Naſen dreh'n, Da nimm Du Dich in Acht.

Roſa. Ein Bäd!), der iſt mir zu ſolid, Ich fürcht', dafs ich mich härm'.

Valentin. So nimm Dir einen Kupferſchmied, Der ſchlagt ein' rechten Lärm.

Roſa. Mit einem Schneider in der That, Da käm' ich prächtig d'raus.

Palentin. Doch wenn er feine Kunden hat, So geht der Zwirn?) ihm aus.

Rofa. Ein Klampf’rer?) ift ein ſichrer Mann, Dem fehlt e8 nie an Blech.

Valentin. IH rathet' Dir ein’ Schuſter an Es ift halt weg'nem Pech.

') Bäder. 2) Lokaler Ausdruck für Gelb. 3) Klempner.

171

Rofa. Ein Hut’rer wär’ wohl nicht riskiert, Der hat ein fichres Gut.

Dalentin. Ia, wenn die Welt den Kopf verliert, Da braudt fein Menſch ein' Hut.

Roſa. Ein Speculant, o welche Pracht Doch hätt' ich kaum den Muth.

Dalentin. Ah, wenn er pfiffig Crida macht, Da geht’8 ihm erft recht gut.

Roſa. Kurzum, ich wend' im Kreis herum Vergebens meinen Blick; Drum kehr' ich zu dem Tiſchler um, Er iſt mein einzig' Glück.

Valentin. Verlaſſ' Dich auf den Tiſchlerjung', Der macht Dir keinen Gram, Und kriegt das Glück einmal ein' Sprung, Der Tiſchler leimt's zuſamm'.

Beide. Ein ſchöner Stand ift doch, auf Ehr’, Ein wack'rer Handwerksmann. Sei's Schneider, Schuſter, ſei's Friſeur, Ich ſtoß' auf jeden an.

(Beide ab.)

172

Achte Scene.

Helm (im Jagdkleide.) Dralling (teitt ans feinem Cabinet.) Wolf (aus Flottwell's Zimmer.)

Helm, Nun, wie ſteht's, Herr Kanımerdiener, geht’3 bald los?

Wolf (eehr geihäftig.)

Ja wohl, der gnäd’ge Herr wird gleich erjcheinen. (Räuft zum Fenſter. Heda, Jäger, lafst Euch hören! Bagen, führt die Pferde vor! Büchfenfpanner, ſchnell herauf!

(Man hört Fagdhörner.)

helm. Hola, hola, Hurtig, meine Herren! Kommt heraus, der Tanz gebt an. (Mehrere Säfte kommen theils zur Mitte, theils aus den Seitenthlren, auch Pralling. Alle find jagdmäßig gekleidet.) Pralling. Guten Morgen allerſeits!

Alles (gesenfeitig). Guten Morgen! Gut gefchlafen?

Helm. Potz Donnerwetter, war das eine fchlechte Nacht!

Bralling. Mein Schlaf ift wie ein Tiederlicher Diener, wenn ih ihn rufe, kommt er nicht.

173 Helm.

Er ift ein freier Mann und lommt nur, wenn er will.

Walter. Eine Kofette ift er, die fich ziert, bevor fie ung umarmt.

RNeuute Scene.

Porige, Chevalier Dumont (in elegantem Iagdanzugs ine ein- fahe Lorgnette, mit der er durch ein Auge blidt. Er fpricht gebrochen deutſch.)

Dumont. Ah bon jour, mes amis! Wie aben Sie geſchlafen?

Alle. Ah, unſer Naturfreund.

Dumont.

Ja, Messieurs, der Natur ſein groß. Ick aben wieder geſchwelgt in ihren Reizen. Der ganzen Nacht bin ick am Fenſter gelegen, um der Gegend zu betrachten. O charmant!

Zehnte Scene. Vorige. Flottwell. Sockel.

Flottwell. Guten Morgen, edle Freunde!

Alle. Guten Morgen!

(Einige ſchütteln ihm die Hand.)

174

Flottwell.

Wir kommen ſpät zur Jagd. Ich hoffe, daſs die Herren, die heut' zum erſtenmal in meinem Schloſs geruht, mit der Bedienung ſo zufrieden waren, als ich nur immer eifrig wünſchen kann. Gern hätt' ich Ihren Schlaf mit ſüßen Träumen auch bewirtet, doch leider ſteh'n die nicht in meinem Sold.

Ein Gaſt. Mir hat von Lilien geträumt.

Helm. Und mir von einer wilden Sau, der ich den Fang gegeben hab’. Walter. Mich Hat die Gaftfreundfchaft begrüßt, und deutfcher Lorbeer hat ihr Haupt gefhmüdt.

Dralling. Ih habe all mein Glück auf die Coeur-Dame geſetzt, und als ich es verloren hatte, bin ich aufgewacht.

Flottwell. Und was hat Dir geträumt, Freund Valentin?

valentin. Mir hat geträumt, Euer Gnaden hätten mir vier Ducaten geſchenkt.

Flottwell (achend.) Das iſt ein eigennütz'ger Traum, doch will ich ihn erfüllen.

15

Balentin. Ih küſſ' die Hand, Euer Gnaden.

Flottwell.

Was mir geträumt hat, kann ich Euch noch nicht entdecken. Es war ein ſüßer Traum, dienſtfertig meinem höchſten Wunſch, er hat mir meines Lebens Zukunft roſig abgejpiegelt.

Helm.

Dir hat gewifs von einem Rendezvous geträumt. Spisbub! Was? Bon Augen wie Rubin und folchem dummen Zeug.

Flottwell casend.)

Du kannſt etwas errathen haben, Herzensbruder. Es foll ein Rendezvous für’8 ganze Leben werden. Doch fitll davon, mein Herz ift übermüthig heut’, es könnte fid) verrathen.

Pralling.

Wir kennen Ihre Schliche ſchon, Sie haben andre

Jagd im Sinn als wir.

Siottwell. So iſt es aud. Jagt Euren Freuden nad, um mid, braucht Ihr Euch nicht zu kümmern. Wir haben jeder andre Leidenfchaft.

Dralling. Ic) leide an der Gicht.

Helm. Ih bin ein paffionierter Jäger.

Walter. Sch fpreche dem Champagner zu.

176

Dumont. Und ick bewund're der Natur.

Helm. Das befremdet mich, Chevalier. Sie find ja kurzfichtig.

Dumont. Das ſind der Menſchen alle.

Pralling. | Und wenn Sie fahren, jchlafen Sie im Wagen.

Dumont. Das macken nichts, Ein wahrer Naturfreund müſſen IHrer Schönheit aud) im Schlaf bewundern fönnen.

Helm. Das kann id) nit. Mein Liebling ift die Jagd.

Mottwell. Heda! Bringt uns Bordeaur, die Herren ſollen ſich begeiſtern. Dumont. Mackt mir der Fenſter auf, dafs id der Landſchaft betrachten kann. (Sieht durch's Glas.)

Wolf. Hier ift Bordeaur.

(Er ordnet die Diener, welde ſchon bereitet flanden und ihn in gefüllten Stengelgläfern auf filbernen Taſſen präfentieren.)

Walter cutt.) Herrliher Wein!

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Aumont (am Senfter entzüdt rufend.) Himmlifcher Waſſerfall!

Flottwell (qwingt das Glas.) Auf ew'ge Freundſchaft und auf langes Leben, meine

Herren! Alle. Der reiche Flottwell lebe lang! Aumont

(wie vorher, ohne ein Glas genommen zu haben.)

Ha! Der Kirchhof miaden ſich dort gut.

Mottwell.

O wär’ id) überreich! Ich wünſchte es nur zu fein, um meine Schäße mit der Welt zu theilen. Was ift der Mammon auch! Das Geld ift viel zu fehr geachtet. D’rum iſt's fo ſtolz. Es will nie in des armen Mannes Taſche bleiben und firömt nur ſtets dem Reichen wieder zu.

Pralling (enthufiasmiert.) Wer ift jo gut, wie unfer edler Flottwell hier?

Walter. Ich kenne fein Gemüth, das feinem gleicht. Alle. Ja wohl! Dumont. Un enfant gâté de la nature. Flottwell.

O lobt mich nicht ſo viel. Ich habe kein Verdienſt als meines Vaters Gold. Will mir's die Welt verzeih'n, iſts wohl und gut, und thut ſie's nicht, mag ſie ſich

Raimund, Dram. Werke. III. 12

178

jelbft mit ihrem Neid abfinden; ich kämpfe nicht mit ihm. Mein Glück ift kühn, es fordert mich Heraus; ich will mein Dafein großartig genießen; und jucht mid) Sorge, laſſ' ich mich verleugnen. Die Welt ift gut und Lieb’ und Freundfchaft unſres Lebens fchönfte Sterne! Düftern Philoſophen glaub’ ich nicht.

Sockel.

Ein Göttermann! Ein wahrer Göttermann! Ber: ftanden ?

Flottwell.

Gebt doch ein Glas auch unſerm wackern Bau—⸗ meiſter. O das iſt auch ein Mann hier, meine Herren, der hochzuachten iſt, der wird ein neues Schloſs auf⸗ führen und dieſe Hallen wollen wir der Zeit nicht länger vorenthalten. Flottwell's Haus ſoll's heißen. Noch ein Glas auf dieſes Ehrenmannes Werk! (zu Soaer.) Trinken Sie!

Sorkel (erſchrickt, dafs er das Glas fallen Läfet.) Berftanden ?

Alle (ftogen aı.) Flottwell's Haus! Lang ſoll's beiteh’n!

Flottwell (fürs ein Glas hinein.)

Und nun zur Jagd, Ihr Herren! Werft die Gläſer hin und nehmt 's Gewehr zur Hand! Der Wald iſt Euer Eigenthum und all mein Wild. Doch heizt mir's nicht zu fehr, ich kann's nicht leiden, der Hirſch weint wie ein Menſch, wenn er zu Tod gepeinigt wird. Und feit ich dieſes Schaufpiel jah, hab’ ich die Fägergraufamleit ver- loren: Nun Glück zur Jagd! Der Abend führt uns

179

wieder hier zufammen, dann wollen wir beim vollen Glas

befprechen, wer eines edlern Sieges ſich zu freuen hat? Ihr! Der ich! we.)

(Hörner tönen.)

Alle, Hola, zur Jagd! (Me ab.)

Dumont (verweilt noch am Fenſter, bis die andern alle zur Thür hinaus ſind; dann ruft er:)

Himmliſche Natur! (und folgt.)

(Dann unter raufchender Mufit Berwandlung in eine goldene Feenhalle, im Innern eines Felſens, rüdwärts der Eingang mit der Ausficht in eine reizende Berggegend, doch fo, als flünde die Höhle auf einer Anhöhe. In der Mitte der Halle fleigt ein goldner Altar mit einer Opferihale auf Stufen empor, Eheris- ftane, in ein lichtblaues faltiges Gewand gehüllt, welches mit Zauber- characteren geziert ift, und das Haupt mit einer goldnen Krone geſchmückt, Tommt von der Seite, ein goldnes Buch und einen Zauberfiab tragend.)

Elfte Scene.

Cheriflane catein.)

Der Kampf ift aus, ich Habe mich befiegt. Beichloffen ift’s, ich fcheide von der Erde, Denn auch mein Herz dem Kummer unterliegt, Ich leide nur, daſs er gerettet werde.

(Sie nimmt von dem mittleren Zaden ihrer Krone eine blaue Perle.) Komm’, theure Berle, die den Geift umfchliekt, Den Letten, der fich beugt vor meiner Macht, Die bald für ihn in eitles Nichts zerfliekt; Sch opfre dich im dieſem goldnen Schacht. (Sie wirft die Perle in die goldene Schale. Eine blaue Flamme entzündet

fih in ihr, der Donner rollt. Kurze pafjende Muſik. Eine Rauchwolke fteigt aus der Erde hinter dem Altar auf.)

12*

180

Nun zeig” Dein Haupt umfränzt mit Edelftein, Und blid’ mid, an mit holden Demantaugen ! Erſchein'! Es fol Azur Dein Name fein!

Laff Hoffnung mid) aus Deinen Worten faugen!

(Diufit, fürchterlider Donnerichlag. Die Bühne verfinftert fi, die Wolke

theilt fi und über dem Altar ericheint Azur, in Silberdod egyptiſch gefleidet,

das Haupt umbüllt, die halbentblößten Urme und das Antlig mit blauer

Folie überzogen, flatt der Augen leuchten zwei glänzende Steine. Magiſche Beleuchtung.)

Zwölfte Scene. Vorige. Azur.

Azur. Du! Die Du mich durch Zaubermacht geboren, Gebieteſt Du mir Segen oder Fluch?

Cheriſtane. Zu Flottwell's Schutzgeiſt hab' ich Dich erkoren.

Azur. Darf ich das fein? Blick' in des Schickſals Bud! (Zitternde Mufil darunter.) „Kein Fatum herrſch' auf feinen Lebenswegen, „Er felber bring’ ſich Unheil oder Segen. „Er felbft vermag fich nur allein zu warnen, „Mit Unglüf kann er felbft fih nur umgarnen, „Und da er frei von allen Schidfalsfetten, „Kann ihn fein Ich auch nur von Schmad) erretten.“

Cheriflane. Mir iſt befannt des Schickſals firenger Spruch, Der, mich zu ftrafen, tief erfonnen ift.

131

Empfange Hier mein goldne8 Zauberbud),

Es wird Did) lehren, welche jchlaue Liſt

Mein Tiebgequälter Geift erfunden Hat,

Doc ich muſs machtberaubt von Hinnen flieh'n. Darum vollziehe Du ftatt mir die That

Und laſſ' mich troftlos nicht nach meiner Heimat zieh'n.

Azur (nimmt das Buch.) Zieh’ ruhig Heim, treu will ich für Dich Handeln, Als Retter ſollſt Du wieder mid erbliden. (Die Wolke ſchließt fih. Mufit.)

Cheriſtane. O hätt' ich's nie gewagt auf Erd' zu wandeln, Zu bitter ſtraft ſich dieſer Luſt Entzücken! (Sie ſinkt aufs Knie und beugt ihr Haupt kummervoll vor dem Altar, unter

Hagender Mufit Verwandlung in einen kurzen Wald. An der Seite ein Hügel mit niederm Geſträuche.)

Dreizehnte Scene.

Jagdchor. (Jäger ziehen Über die Bühne.) Gilt's die Wälder zu durchftreifen,

Hebet freier ſich die Bruft;

Kühn den Eber anzugreifen,

Iſt des Jägers höchſte Luft.

Holla ho

Weidgeſellen froh!

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It die Fährte aufgefunden, Wälzt er fich im ſchwarzen Blut, Spiegelt fi in feinen Wunden Noch des Abends Tette Glut. Holla ho

Jägerburſch ift froh!

Zieht man heim nach Jägerſitte, Winkt die- Naht uns traut zur Ruh'; Sudt man feines Liebchens Hütte, Schließt das Pförtlein leife zu. Hola ho Jägersbraut ift froh! (Alle ab.)

Bierzeßnte Scene. Valentin

(der im Geſträuch verſteckt war, kommt hervor.) Wegen meiner jagt Ihr fort, ſo lang Ihr wollt. Ich werd' mich da ſo wildſchweinmäßig behandeln laſſen! Ich - fchießet alle zufammen, die Sappermenter, wenn id nur einen Hahn auf der Ylinten hätt. Ich kann gar nicht begreifen, was denn die vornehmen Leut' mit der verdammten Jagd immer Haben.

Lied.

Wie ſich doch die reichen Herren Selbft das Leben fo erfchweren; Damit FıBieh und Menfchen plagen, Müſſen ſ' alle Wochen jagen.

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Gott, verzeih’ mir meine Sünden,

Sch begreif nicht, was ſ' d’ran finden ; Dieſes Kriechen in den Schluchten: Dieſes Riechen von den Juchten.

Kurz in allem Ernſt geſagt,

's gibt nichts dummers als die Jagd.

Schon um drei Uhr iſt die Stund', Für die Leut' und für die Hund'; Jeder kommt mit ſeinem Stutzen,

Und da fangen | an zum putzen. Nachher rennen ſ' wie beſeſſen, Ohne einen Biſſen z’effen

Ganze Tage durd) die Waldung, Und das ift a Unterhaltung ?

Ah da wird ein’ Gott bewahren, D’ Jäger find ja alle Narren.

Kurz, das Tagen laſſ' ich bleiben, Was die Jägerburſchen treiben, Wie ſ' mich Heut? hab'n ’rumgeftoßen, Bald hätt! ich mich felbft erſchoſſen. Über Hunderttaufend Wurzeln Laſſen ein’ die Kerls purzeln; Und kaum liegt man auf der Najen, Fangen |’ alle an zu blafen; Und das heißen ſ' eine Jagd! Ad, dem Himmel ſei's geklagt.

Müd', als wie ein g’hetter Haſ', Sett man fi in’s fühle Gras,

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Glaubt, man ift da ganz allein, Kommt ein ungeheures Schwein. Und indem man fid) will wehren, Kommen rüdwärts ein paar Bären; Auf der Seiten ein paar Tiger, Und weiß Gott noch was für Biecher, Und da ftcht man mitten drin; Dafür hab’ ich Halt Fein’ Sinn.

(Käuft ab.)

(Berwandlung. ine reizende Gegend, im Hintergrunde ein Harer See, von

lieblichen Gebirgen eingefchloffen. Rechts ein Fels, über ihn der Eingang in

Cheriſtane's Feljenhöhle, vor welcher fie in ihrem früheren Coftüm, doch ohne Krone fteht und in die Ferne bYidt.)

Fünßzehnte Scene.

Cheriſtane.

Nun hat er bald die ſteile Höh' erklommen und wird den ſüßen Blick nach Minna's Hütte ſenden, von der er wähnt, daſs ſie ſein Liebſtes ſtets umſchirmt. So mag er denn zum letztenmal ſich ihres Anblicks freuen.

(Kurze Muſik. Sie verwandelt ſich in ein liebliches Bauernmädchen, im

italienifhen Geſchmacke zart gefleidet, und finkt raich in den Feld, welder zu

einer freundlichen Hütte wird, von Reben und Blumen umrankt, aus Deren

Thür fie Schnell Überrafchend tritt. Zugleich verwandeln fid) die Couliſſen in

orientalifhe hohe Blumen und goldgefäumte Palmen, die noch vpraktikabel in

die Mitte der Bühne reichen. Nachdentend fett fie fi im Bordergrunde auf eine mit Blumen behangene Rafjenbank.)

Selber darf er fi) nur warnen,

Mit Glück und Unglüd felbft umgarnen; Und da er frei von allen Schidjalsketten, Kann er nur felbft von Schmach ſich retten.

185

O trüber Schickſalsſpruch, der einen Kinde Flügel leihet und ſie ſeinem Engel raubt.

Sechszehnte Scene. Vorige. Flottwell.

Flottwell.

Heitern Tag, mein theures Mädchen, ſei nicht böfe, daſs ich ſelbſt ſo ſpät erſcheine, denn meine Sehnſucht iſt ſchon lang bei Dir. Doch ſag', was iſt Dir, Du biſt traurig! Wer hat Dir was zu Leid gethan? Quält Dich die Eiferſucht? Biſt Du erkrankt? Betrübt? Sprich! Oder willſt Du mich betrüben ?

Cheriflane cent bewegt auf.)

Dig? Mein Julius! Nein, das will ich nicht! (Schlingt ihre Arme um feinen Hals und legt ihr Haupt an feine Bruft.)

Flottwell.

So biſt Du halb nur die, die mich ſonſt ganz beglückt, die frohere Hälfte fehlt, und nur die trübe ruht an meiner Bruſt. Komm', laſſ' uns Frieden ſchließen trautes Kind. Du ahneſt nicht, was mich ſo freudig ſtimmt. Du ſollſt nicht länger hier in Deiner Hütte weilen, Du mufst mir morgen ſchon nach meinem Schloſſe folgen, zu lange ſchmückt der Brautfranz Deine feidnen Loden, er könnte fonft auf Deiner Stirne welfen. Die Welt mufs als mein treues Weib Dich grüßen, Du darfft durchaus nicht länger wibderftreben !

186 .

Cheriftane.

O mehr’ mein Leid nicht! Zieh’ mich nicht auf dieſe Höhe, fie zeigt ein Paradies mir, das ich nie betreten darf. Ich Habe Dich geteufcht! Ich bin nicht das Geſchöpf, das Du in diefem Augenblid nod) in mir ſuchſt.

Flottwell,

Sei, was Du willft! Hör’ nur nicht auf die Tiebens- würdigfeit zu fein. Drei Jahre find cs, als ich auf der Jagd mid) bis hieher verirrt und Did) zum erftenmal erblidte. Befremdend glänzte Deine Schönheit in der niedern Hütte, wie ein Edelftein in eines Bettlers Hand. Du weihteft mir Dein Herz, doch durft’ ich niemals forfchen, woher Du famft und wer Du feift. Und ſieh', ich war fo folgfam wie ein Kind, nie haft Du eine andre rag’ gehört, als ob Du mich aud) immer Lieben wirft. Du haft die Gegend in ein Eden hier verwandelt und pflanzteft Blumen wunderhold, wie fie des Indierd Träume ſchmücken. Ich Hab’ Dich nie befragt, woher Dir ſolche Macht ge- worden ift, mir war's genug, daſs Du's für mid) gethan.

Cheriſtane.

Dir waren ſie geweiht, doch blühten ſie umſonſt. Sie ſollten Dein Gemüth in ihre duft'gen Kreiſe zieh'n und Did) den wahren Wert des Glückes lehren. Ich hab’ es nicht erreicht. Zu wild ift Deine Phantafie, zu Hod= begehrend. Du wilft, Dein Leben foll ein fchimmernd’ Saftmahl fein, und ziehft die Welt an Deine goldne Tafel. Ad) möchte fie Dir's einft mit Xiebe danken!

Slottwell.

Sie wird e8 thun, zeig” nicht jo düftern Sinn!

Komm’, folg’ mir gleich, Du bift durd) Einfamteit erkrankt.

-- 187

Cheriftane. Umfonft. Zu ſpät! Du lannft mich länger nicht befigen, umarmft mich heut’ zum lettenmal.

Flottwell (wird und Heftig.) | Es darf nicht fein! Wer wagt den Raub an meinem liebften Gut?

Cheriſtane. Das Schickſal!

Flottwell.

Glaub' es nicht! Mein Glück hat Muth, ſo ſchnell läfst es ſich nicht beſiegen. (Umiclingt fie) Ich laſſ' Dich nicht aus meinem Arm, felbft wenn Du treulos bift, ich will Did) lieben, bi8 Du zu mir wiederfehrft.

(Mufik. In diefem Augenblid fliegt ein rotber Adler mit einer goldnen Krone auf dem Haupte über den See.)

Cheriflane (ur fg) Hinweg von mir, ſchon fühl ich meiner Macht Ver⸗ gehen. Siehft Du den purpurrothen Aar, der fein befiedert’ Haupt mit einer Kron’ gefhmüdt?

Flottwell. Was ſprichſt Du da? Kein Vogel regt ſich hier!

(Muſik. Eine Gruppe von Geſtalten, wie aus Nebelduft gewoben, die ſich in Schleier eingehüllt und deren Auge drohend auf Cheriſtane gerichtet iſt, fliegen über den See.)

Cheriſtane. Auch nicht die drohenden Geſtalten, die mich an meine Heimkehr mahnen? Zieht nur voraus, ich folge bald, GBlickt ftarr nad.)

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Flottwell.

Mein theures Kind, wie biſt Du ſchwer erkrankt. Sag' an: was ſind das für Geſtalten, und wer iſt der gefrönte Aar?

Cheriſtane (eäftig.)

Illmaha, die Feenkönigin. (Sie finkt nieder und beugt ihr Haupt.) Wiffe denn: Kein menſchlich' Weſen haft Du an Dein Herz gedrüdt, Cheriftane ift mein Name, ich bin aus dem Feengeſchlechte und meine Heimat find die Wolfen, die auf mag'ſchen Himmeldbahnen um Berfien und Arabien ziehen.

Flottwell. Iſt in den Wolken Lieb' Verbrechen? Straft ſie dort des Schickſals Fluch? Dann wär' ja die Erd' ein Himmel, und die Ewigkeit Exil!

Cheriſtane. |

D höre mich, bevor Du läfterfi! Schon dreimal find es fieben Jahre, dafs ich Euren Stern betrat. Um Wohlthat auf der Erd’ zu üben, fandte mid) die Königin. Sie drüdte eine Perlentrone auf mein ewig junges Haupt und ſprach: Sn jeder diefer Perlen ift ein Zauber ein- geſchloſſen, welchen Du benützen kannſt, in jeglicher Ge- ftalt. Verwende fie mit Weisheit zu der Menſchen Heil. Denn Du die legte Perle haft geopfert, ift auch Dein Neid) zu Ende und Du fehrft zurüd, um Strafe oder Kohn vor meinem Throne zu empfangen. Weh’ Dir, wenn Du Unwürdige beglüdft und fo den edlen Schag dem Dürfti- gen entziehjt! (Baufe, in der fie Julius wehmüthig und bedeutungs-

189

voll anblidt.) Ob ich's gethan, wird mir die Zukunft zeigen. Ich Hatte viele Perlen noch, als ic) vor Deines Vaters Schloſs den fiebenjähr’gen Julius erblidtee Du warft jo hold wie Frühlingszeit, und ich vermochte nicht mein liebgereizte8 Aug” von Dir zu wenden. Von diejem Augenblick Hatt’ ich Dein Glüd in mir befchloffen und viele Perlen löste ic) von meiner Krone ab und freute fie auf Deines Vaters Haupt; daher der unermefine Reichthum, den er fi in kurzer Zeit erwarb. DO, hätt’ ich's nicht gethan! Er ftarb. Vom Undank nicht beweint, von Dir allein. Nun fonnt’ ich dem Herzen länger nicht gebieten; ich führte Dich Hieher und hab’ feit diefer Zeit mein höchftes Glück in Deiner Lieb’ gefunden. Nun ift der Traum vorüber, meine Perlen find ver- ſchwendet, und die lette musst’ ich heut’ noch Deinem Wohle opfern. Einft hab’ ich nicht bedacht, daſs fie das Sinn⸗ bild bittrer Thränen werden könnte.

Siottwell. D, Cheriftane! Was haft Du gethan ? Ich laſſ' Dich niht und werfe alles Hin, wenn Du mir bleibft, und ziehft Du fort, nimm auch mein Leben mit!

Cheriflane.

D, Du bift freigebig mit allem wie ein König. Du fönnteft eine Welt verfchenten, um einer Mücke Dafein zu erhalten, doc ich will Deine Großmuth nicht mifSbrauchen : Schenk' mir ein Jahr aus Deinem Leben nur, ein Jahr, das ich mir wählen darf, auf das Du nie mehr einen Anſpruch machſt.

190

Fo ttwell. O, nimm es hin! Nimm alles hin! Nimm Dir das glücklichſte, das einzige, das die nichtswürdige Seligkeit umfängt, die ich noch ohne Dich genießen kann.

Cheriſtane.

Ich danke Dir, ich werde Dich nicht hart berauben, und nun bin ich gefaſst, fall' ab, Du ird'ſcher Tand! Nur dieſer Fels mag ein geheimnisvoller Zeuge ſein, dafs Cheriſtane einſt auf Erden hat geliebt. (Wehmüthige Muſik. Sie verwandelt fi in die Geſtalt einer reizenden Nymphe. Zugleich

verwandelt ſich die Hütte in einen Fels, der mit Blumen umwunden iſt, von Palmen gleich Trauerweiden überſchattet wird, und in welchem der Name

Cheriſtane eingegraben if.) Die Sonne ſinkt, die Blumen neigen ihre Häupter, und meine Genien weinen ftill, weil fie mit mir die ſchöne Erde meiden müſſen. Mufir. Aus den Blumen heben fi Genien und ſinken trauernd zu Cheriftanen’s

Wüßen nieder.) Fott well (ſtürzt bewegt zu ihren Füßen.) D Cheriftane, tödte mid)!

Cherifiane.

Leb’ wohl, mein theurer Erdenfreund! O tonnt ich meine Lieb' zu Dir in aller Menſchen Herzen gießen, ih würde reich getröftet von Dir zieh'n! Was mid) be— trübt, ich darf es Dir nicht fagen, doch Fönnteft Du des Donners Sprahe und des Sturmes Geheul verftehen, Du würdeft Cheriftane um Dich Tagen hören. (Sie geht in die Couliſſen. Die Genien folgen ihr, Muſik beginnt. Cheriftane fliegt auf Rofenfchleiern, die ein malerifches Segel formen, von Geniengruppen, welche zart gemalt find, fo dafs das Ganze ein Ichönes Bild bietet, umgeben,

Yangfam aus der Couliſſe über den See, in welchem fich plötzlich die ganze Gruppe abfpiegelt. In diefem Augenblid blickt fie noch einmal wehmuthsevoll

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auf Flottwell und ruft.; Julius! Gedenke mein! (Dann vergänt fie fih ſchnell in den dunklen Schleier ihres Hauptes, das fie trauernd beugt, und plößlich verwandeln fich die rofigen Segelichleier in Zrauerflöre, jowie die Gruppe der Genien, nun in abeudlicher Beleuchtung gemalt, wie durch einen Zauberichlag erjcheint, der rofige Himmel umwölkt fich violett und nur aus einem unbemwöllten Feld ſchimmern ihr noch rof’ge Geifter nad. Das Ganze ftellt nun ein Abendbild dar und indem Cheriftane in die entgegen- (gejetste Couliſſe ſchwebt und)

Siottwell

auf den Felſen fintt und ausruft:) D Gott! Laſſ' mich in meinem ram vergeh'n! (Fätt der Borbang Tangfam.)

Ende des eriten Aufzuge®.)

Derfonen des zweiten Aufzuges. Inlins v. Flottwell.

Chevalier Yument. Walter,

Mehrere Gülle. Präfident v. Klugheim. Amalie, feine Tochter. Baron Flilterfein. Welf, Kammerdiener. Balentin.

Rofe.

Ein Saushefmeißer. Ein Iuwelier.

Ein Arzt.

Setti, Rammermäbchen. Ein Biener.

Ein Kellermeißer.

@in Betller.

Ein altes Weib. ers, h Schiffer.

Tänzer, Tänzerinnen, Gäfte. (Die Handlung fpielt um drei Jahre fpäter.)

weiter Aufzug.

(Morgen. Im Hintergrunde die Hauptfronte von Klottwells neuerbautem Schloſſe. An dem Fuße der breiten Stufen, welche zu dem palaftartigen Portale führen, fitt ein Bettler. Abgetragne Kleider, doch nicht zerlumpt. Banderftab. Sein Haar ift grau und tiefer Gram malt fi in feinen Zügen. Die Morgenfonne beleuchtet ihn. Seitwärts ift ein Gitterthor, durch welches man in den Schloſsgarten fieht. Im der Ferne erblidt man auf einem Hügel das früher bewohnte Schlofs Flottwel 18. Die Fenſter des neuen Schlofjes find geöffnet, in dem großen Saale brennen noch Lichter. Flottwell und einige Säfte lehnen am Fenfter.)

Chor (im Tafelſaale.)

Lafst braufen im Becher den perlenden Wein, Wer fchlafen kann, ift ein erbärmlicher Wicht, Und gudt-aud) der Morgen zum Fenſter herein, Ein rüftiger Zecher lacht ihm in's Geſicht.

Ha! ha! ha! hal

(Schallendes Gelächter.)

Der Bettler (sugleih mit dem Chor.) D hört des armen Mannes Bitte Und reiht ihm einen Bilfen Brot; Der Reichthum thront in Eurer Mitte, Mich drückt des Mangels bittre Noth. (Das Gelächter beantwortet gleihfam fein Lied.)

Chor. Die düfteren Sorgen werft al’ über Bord, Ein Thor, der die Freude nicht mächtig erfafst; Raimund, Dram. Werte. III. 13

194 --

Das Leben hält ja nur dem Fröhlichen Wort, Wer niemals genofs, hat fich felber gehafst. Ha! ha! Ha! Hal Bettler.

O laſst mich nicht vergebens Klagen, Seid nicht zu ſtolz auf Eure Pracht; Ic ſprach wie Ihr in goldnen Tagen, D’rum ftraft mic jet des Kummers Nacht.

(Er ſenkt fein Haupt.)

Erſte Scene. Yalentin und Roſa (kommen aus dem Garten.)

Palentin.

Ic hab’ Dir ſchon Hundertmal gejagt, daſs Du mit dem Kammerdiener nicht fo grob fein ſollſt. Du weißt, was er für ein boshafter Menſch ift, am End’ verfchwärzt er uns beim Herrn.

Roſa.

Still ſei und red' nicht, wenn Du nichts weißt.

Ich muſs grob fein, weil id eine tugendhafte Perſon bir.

Onlentin. Ah, das ift ja feine Confequenz. Da müſsten ja die Sefleltrager die tugendhafteften Menjchen fein.

Roſa. Biſt Du denn gar ſo einfältig? Merkſt Du denn noch nicht, daſs mir der Kammerdiener überall nach⸗ fchleicht, dafs ich nicht einmal in der Kuchel a Ruh’ Hab’.

195

Valentin. Ja, was will er denn von Dir?

Roſa.

Er will mich zu ſeiner Kammerdienerin machen.

Palentin. In der Kuchel draug? Er foll in feiner Kammer bleiben, wenn er ein ordentlicher Kammerdiener ift. Du gibft ihm doch Fein G'hör?

Roſa.

Du willſt ja nicht, daſs ich ihm meine Meinung ſagen ſoll.

Vvalentin.

Aber wohl! Das Hab’ ich ja nicht g’wufst. Wirf ihm Deine Jugend nur an’ Kopf. Es ſchad't ihm nicht. Übrigens ift das fehr ſchon von Dir, daſs Du mir das ſagſt.

Roſa.

Nun, warum ſoll ich's denn nicht ſagen? Ich mag

ihn ja nicht, wenn er mir g'fallet', ſo ſaget' ich nichts.

Onlentin.

Bravo! Das find tugendhafte Grundfäte. Aber der duckmauſeriſche Kammerdiener, der geht mir gar nicht aus dem Kopf.

Roſa.

Es iſt nicht mehr zum Aushalten mit ihm. Alles will

er dirigieren. Um die dümmſten Sachen bekümmert er ſich. 13*

196

Yalentin. Jetzt lauft er gar Dir nad).

Roſa.

Überall muſs er dabei ſein.

valentin.

Neu, neulich haben |’ Stockfiſche gebracht, da war er auch dabei; wenn nur mit unferm gnäd’gen Herrn etwas zu reden wär’, aber der ift feit einiger Zeit verflimmt, als wie ein alts Klavier.

Roſa. Weil nichts aus ſeiner Heirat wird. Der Herr Präſident von Klugheim gibt ihm ſeine Tochter nicht. Er kann ihn gar nicht leiden.

Valentin. Wie ſoll er ihn denn nicht leiden können? Er kommt ja heut' zur Tafel.

Roſa. Ja, wenn ſich die Leute alle leiden könnten, die miteinander an einer Tafel ſitzen, da wär' die ganze Welt gut Freund. Was da in unſer Haus hergeht, das heißt man Tafelfreunde. Das ſind nur Freunde von der Tafel und nicht von dem, der Tafel gibt.

valentin. Das hätt' ich nicht vom Präſidenten glaubt.

Roſa. Bei dem iſt's ganz ein andrer Fall, das iſt ein Ehrenmann, der hält ein’ beſſere Ordnung in fein?

197

Haus, als unfer Herr. Ich bin fehr gut befannt dort, denn das Stubenmädel ift meine gute Freundin.

Dalentin.

Sch auch. Der Kutfcher hätt mich ungemein und der führt das ganze Haus,

Rofa.

Ich Hör’ faft jedes Wort. Der Präfident mag unjern Herrn nur darum nicht, weil er jo großen Aufwand macht, er fürcht’ ſich halt, er geht zu Grund. Der Baron Flitterftein ift ganz ein anderer Mann, und faft fo reich wie unfer Herr. Den muſs das gnäd’ge Träulein heiraten.

Valentin.

Das darf nicht ſein. Da muſs ich mit dem Kutſcher d'rüber reden. Einen beſſern kann ſie gar nicht kriegen als unſern Herrn. Er iſt ſo wohlthätig, ſo gut.

Roſa.

Zu gut iſt auch ein Fehler. Ich bin viel zu gut mit Dir; und kurz und gut, der Präſident gibt's halt nicht zu.

Valentin.

Sie ift ja wahnfinnig in ihn verliebt. Sie lafst

ihn nicht. | Roſa.

Sie muſs. Da hat's ſchon viele Auftritt' geben. Sie kommen immer heimlich zuſammen; der Präſident darf's gar nicht wiſſen. Daſs Du nur niemand etwas fagft.

198

Yalentin. Ich werd’ doch nicht meinen Herrn verrathen. Uber warum ladet er denn den Baron Flitterftein heut’ ein? Er fteht ja auf der Lifte.

Rofa.

Weil er mufs. Der Präfident wär’ ja nidjt ge fommen ohne ihn. D’rum war fchon geftern große Tafel, weil heut’ der Fräulein Amalie ihr Geburtstag ift. Aber geftern find fie nicht gelommen. Da war der gnäd'ge Herr desperat, hat einen langmächtigen Brief gejchrieben an den Herrn Präfidenten. Der Kammerdiener ift damit in die Stadt g’ritten, ift ganz erhitt nach Haus gefommen und hat die Nachricht gebracht, daſs fie heut” erjcheinen werden; aber der Baron fommt mit.

Yalentin. Nein, das ift doch erjchredlich, was fie mit dem Herrn treiben. Wann ich nur wüſst', was da zu thun iſt. Soll fi) denn diefe Sad’ gar nicht auspugen laſſen?

Rofa. Put’ Du Deine Kleider und Stiefel aus und kümmere Did) nicht um Sachen, die fi) nicht für Dich fchiden.

Valentin.

Ich fürcht' nur, wenn ihm ſ' der Baron wegheirat”, er thut fi ein Leid an. Am End’ wird's noch das Beſte fein, dafs ich felber mit dem Herren Präfidenten ver» nünftig darüber red’.

199

Rofa.

Du? Nu das wird ein jchöner Discurd werden. Unterfteh” Di, das wär ja eine Beleidigung ohne Gleichen.

Onlentin.

Ja e8 ift nur, dafs man ſich hernach feine Vorwürf'

zu machen hat, wenn heut’ oder morgen ein folches Unglüd

paffiert. Roſa. Nu geh' nur, geh', Du einfältiger Menſch!

Vvalentin. Ja, man kann nicht vorſichtig genug ſein. (Beide ab.)

weite Scene.

Flottwell un ſein Hanshofmeifter (aus dem Schloſſe.)

Flottwell. Wie ſteht's mit uns, mein alter Haushofmeiſter? Iſt alles ſo, wie ich's befohlen habe? Ich will an Glanz durchaus nicht übertroffen werden und für Amalien's Freude iſt kein Opfer mir zu groß.

Haushofmeiſter.

Ja wohl, ein Opfer, gnäd'ger Herr. Da ſich das Gaſtmahl heute glänzender noch wiederholt, ſo wird die Rechnung ziemlich ſtark ausfallen.

Flottwell.

D'rum iſt's ein Glück, daſs Er fie nicht zu zahlen

braudht. Der reiche Ylottwell wird doch feinen Heller

200

ſchuldig bleiben? Wie ift e8 mit dem Schmud, den id) beftellt, hat ihn der Juwelier noch nicht gebracht?

Haushofmeifter. Noch weiß ich nichte.

| Flottwell (auffahrend.) Den Augenblick ſchickt nach der Stadt! Es iſt die höchſte Zeit, er ſollte ſchon die vor'ge Woche fertig ſein.

Haushofmeiſter.

Hätten Euer Gnaden ihn bei dem braven Mann beſtellt, den ich Euer Gnaden empfohlen habe, ſo würden Sie ihn ſchon beſitzen. Er würde ſchön und billig aus- gefallen fein. Allein der Kammerdiener hat

Flottwelil. Mir einen beſſern anempfohlen. Iſt's nicht ſo?

Haushofmeiſter. Das glaub' ich kaum.

Flottwelil. Die Meinung ſteht Ihm frei. Doch lieb' ich's nicht, wenn meine Diener mir als Lehrer dienen wollen; dies für die Zukunft! Nun den Juwelier! (Wendet ſich von ihm.)

Haushofmeifter ic fi. gekrantt.) D Treue! Was bift Du für ein armer Hund, daſs Undank Di mit Füßen treten darf! Me.)

201

Dritte Scene. Slottwell. Der Bettler.

Flottwell.

Ein altes Möbel aus des Vaters Nachlaſs. Der Mann iſt immer unzufrieden mit allem, was ich thue. Die alten Leute ſind doch gar zu wunderlich. Ich bin ſo ſchlecht gelaunt! Heut' wird ein heißer Tag auf Flottwell's Schloſs, ein großentſcheidender. Ich kann Amalie nicht verlieren, ſie nicht in eines andern Arm erblicken, ich hab' es ihr geſchworen; und gelingt es mir nicht, ihren Vater zu gewinnen, läfst er nicht ab, fein Kind dem Starrfinn aufzuopfern, jo müfste ich zu einem böfen Mittel greifen. Schon geftern hab’ ich einen Brief erwartet. Gott! Wenn fie wanfen könnte! (Exblidt den Bettler, der nachdenkend mit feinem Stabe in den Sand ſchreibt. Was macht der Bettler dort! Ich Hab’ ihn Heut’ vom Tenfter fchon bemerkt, und fein Geſang hat mic) ganz fonderbar ergriffen. Mir war's, als hätt’ ich ihn ſchon irgendwo gefeh'n, und als wollt’ er meiner Luſt ein Grablied fingen. Mid; wundert's, daſs ihn meine Dienerfchaft hier fiten läjst. Was fchreibft Du in den Sand mit Deinem Bettelftab ?

Bettler. Die Summen Goldes, die ich einft beſaß.

Flottwell. So warſt Du reich?

Bettler (eufzend.)

Siottwell. Dafs Du Berluft betrauerft, zeigt die Thrän’ in Deinem Auge.

Ich war's!

Bettler. Was ich betrau’re, fpiegelt fid) in meiner Thräne! Ein Palaſt. Slotimwell (öetroffen.) Oho! Was warft Du, und wie heißeft Du?

Bettler.

Es ift die legte Aufgabe meines Lebens, beides zu vergefien. Das einz’ge Mittel, da8 mid) vor Verzweiflung retten Tann.

Zlotimell,

Sonderbar! (Wirft ihm ein Golbftüd in den Hut.) Hier nimm

dies Goldſtück! (Will nad) dem Garten gehen.)

Bettler (fpringt auf und flürzt zu feinen Füßen, ohne ihn jedoch zu berühren.) D gnäd’ger Herr, ſchenken Sie mir mehr, fchenten Sie mir eine Summe, welche Ihrer weltberühmten Groß- muth angemeffen ift. Slottwell. Bift Du beweibt? Haft Du fo viele Kinder?

Bettler. Ich bin allein, nur Gram begleitet mid).

Slottwell (wirft ihm noch ein Goldftüd Hin.) So fätt’ge Did) und jag’ ihn fort!

203

Bettler.

Er läſst ſich nicht fo leicht verjagen, als das Glüd. Slottwell,

Er ift nur Wirkung, heb die Urſach' auf. Bettler.

Bermögen Sie die Urſach' Ihrer Lieb’ zu tilgen? Slottwell.

Wer jagt Dir, dafs ich Liebe? Bettler.

Wer denfet groß und Tiebet nicht?

Flottwell.

Willſt Du mir ſchmeicheln, Bettler? Schäme Dich!

Bettler.

Soll Schmeichelei nur allein ein Vorrecht der Palläſte ſein? Sie ſtammt von Bettlern ab, weil ſie von Geiſtesarmut zeugt.

Flottwell.

Ich frag' Dich nicht, um Deines Miſsmuths Spott zu hören. Du kannſt mit dem Geſchenk zufrieden ſein. GBeiſeite) Mir iſt jo bang in dieſes Mannes Nähe. (Will gehen.)

Bettler (lchend.) Ä

Nein, gnäd’ger Herr! Ich bin es nicht, ich darf’s nicht fein! Erbarmen Sie fi) meiner Noth! Nicht Habgier iſt's. Nicht Bettlerlift. Befchenfen Sie mich reich, ich werde dankbar fein.

204 Flottwell.

So nenn mir Deinen frühern Stand!

Bettler.

Sch nenn’ ihn nicht. Der Armut Roft hat meinen Schild zernagt, wer frägt darnach, was ihn einft für ein Wappen zierte. Ich weiß es, ich begehre viel, und meine Forderung kann mich in Verdacht des Wahnfinns bringen. Doc ift er fern von meinem Geiſt; und werd’ ich nod) jo reich bedacht, fo Hab’ ich einft viel größere Summen jelbft gegeben.

Ziottwell,

D, ſchäm' Dich, jo um Geld zu jammern, es ift das Niedrigfte, was wir beweinen können. Du haft genug für heut’, ein andermal komm’ wieder !

. Bettler. Ih bin ein Bettler und gehorche. Gerbeugt ſich und geht langſam fort.)

Bierte Scene. Siottwell. Ein Diener (eitig mit einem Brief.)

Diener. Gnäd’ger Herr ! Ein Brief. (Übergibt ihn und geht wieder fort.)

Flottwell cent die Auficeift.) Bon Amalien, von meiner himmlischen Amalie! @iest:) „Mein theurer Yulius! „Verzeih, dafs ich Dir geftern nicht gefchrieben habe, „allein der große Kampf in meinem Herzen musste erſt

205

„entiehieden fein. Doch num gelob’ ich Dir, Dich niemals „zu verlafjen. Ich willige nicht in meines Vaters firenge „Horderung, und Tann kein Flehen fein ſonſt jo edles „Herz erweichen, fo mag gefchehen, was wir bejchloffen „haben. —“

Amalie mein! DO, könnt’ ich doch die Welt umarmen | He, Du! (Der Diner kommt.) Auf’? mir den Bettler dort zurüd, der eben fich in jene Taube jet.

Biener. Ich fehe feinen Bettler, gnäd’ger Herr!

Flottwell. Biſt Du denn blind? Geh’ fort! (Biener ab, ruft.) He, Alter, komm'!

Bettler. Was befehlen Sie, mein gnädiger Herr?

Flottwell.

Ich habe eine frohe Botſchaft hier erhalten und Flottwell kann ſich nicht allein erfreu'n. Verzeih', ich habe Dich zu karg behandelt. Nimm dieſen Beutel hier, auch dieſen noch. Girft fie ihm in den Hut.) Nimm alles, mas ih bei mir habe. Was ich verfchenten Tann, hat eines Sandkorns Wert, gen den unendlichen Gewinn, der mir duch diefen Brief geworden ift. (Mac dem Garten ab.)

Bettler (altein.) D Mitleid in des Menſchen Bruft! Wie bift Du oft fo kränkelnder Natur, als hätte Dich ein weinend’

206

Kind gezeugt. Begeift’rung iſt's, die alles Edle ſchnell gebiert, fie hat mit des Verſchwenders Gold des Bettlers Hut gefüllt. 6.)

———

Sünfte, Scene. Dumont (elegant gekleidet, Tommt aus dem Schloſs.)

AH wie fein ich doch vergnügt! Ein ganzer Jahr hab’ ich der Gegend nicht gefehen. Die Nacht war mir zu lang. Ich Hatte fünfzig Ducaten auf eine Karte geſetzt, hatt’ fie gewonnen, da jchlug der Nachtigall, ic lief davon, der Geld blieb fteh'n nnd war perdu. Doc was fein Ducatenglanz gegen Morgenroth. BPrächtiger Tag! Die Natur legen heut’ aller ihrer Reize zur Schau. GBlickt durch die Lorgnette in die Scene.) Da fommt ein altes Weib!

Sedste Scene. Yoriger. Ein altes, zahnloſes Mütterchen, (zerriſſen gefleidet, auf dem Rücken einen großen Bündel Reifig.)

Dumont, Bon jour, Madame! Wo tragen Du hin das Holzen?

Weib, Nach Haus. Gleich in's Gebirg, nad) Blunzendorf. Aunont.

Blonfendorf? O fchöner Nam’! Du mohnen wohl fehr gerne im Gebirge?

207

Weib. AH ja, 's Gebirge wär’ Schon ſchön, wenn nur die Berg’ nicht wären. Man fteigt |’ fo hart.

Dumont. Das find der Figuren, die der Landſchaft beleben, D mir gefallen das Weib jehr. |

Meib (beiſeite.)

Ic g’fall’ ihm, fagt er. Ya, einmal hätt’ ich ihm ihon befier g’fallen.

Dumont.

Sie ſein ſo maleriſch verlumpt. Ich kann ſie nicht genug betrachten. (Er fieht durch die einfache Lorgnette und drückt das linke Auge zu.)

Weib.

Er hat im Ernſt ein Aug' auf mich; aber 's andre druckt er zu.

Dumont.

Du ſeien wohl verheiratet ?

Weib. Schon über dreißig Jahr’.

Dument. Und befümmern fi Dein Mann doch nod) um Dich ? Weib. Ah ja. Er ſchlagt mich fleißig noch.

Dumont. Er Schlagen Did? O! Das fein nid ſchön von ihm.

204 Flottwell.

So nenn mir Deinen frühern Stand!

Bettler.

Ich nenn' ihn nicht. Der Armut Roſt hat meinen Schild zernagt, wer frägt darnach, was ihn einſt für ein Wappen zierte. Ich weiß es, ich begehre viel, und meine Forderung kann mich in Verdacht des Wahnſinns bringen. Doch iſt er fern von meinem Geiſt; und werd' ich noch jo reich bedacht, fo hab' ich einft viel größere Summen jelbft gegeben.

Flottwell.

O, ſchäm' Dich, ſo um Geld zu jammern, es iſt das Niedrigſte, was wir beweinen können. Du haſt genug für heut', ein andermal komm' wieder!

. Bettler. Ih bin ein Bettler und gehorche. Gerbeugt fih und geht langſam fort.)

Bierte Scene. Flottwell. Ein Miener (eilig mit einem Brief.)

Diener. - Gnäbd’ger Herr ! Ein Brief. (übergibt ihn und geht wieder fort,

Flottwell (hebt die Aufiheift.) Bon Amalien, von meiner himmlifchen Amalie! Riest:) „Mein theurer Yulius! „Verzeih, dafs ich Dir geftern nicht gefchrieben habe, „allein der große Kampf in meinem Herzen mufste erft

205

„entjchieden fein. Doch nun gelob’ ich Dir, Dich niemals „zu verlaffen. Ich willige nicht in meines Vaters ftrenge „Horderung, und kann fein leben fein fonft jo edles „Herz erweichen, jo mag gefchehen, was wir bejchlofien „haben. —“

Amalie mein! D, könnt’ ich doch die Welt umarmen | He, Du! (Der Diener kommt.) Ruf mir den Bettler dort zurüd, der eben fich in jene Laube jet.

Biener. Ic fehe feinen Bettler, gnäd’ger Herr!

Flottwell. Biſt Du denn blind? Geh’ fort! (Diener ab, ruft.) He, Alter, komm'!

Bettler. Was befehlen Sie, mein gnädiger Herr?

Flottwell.

Ich habe eine frohe Botſchaft hier erhalten und Flottwell kann ſich nicht allein erfreu'n. Verzeih', ich habe Dich zu karg behandelt. Nimm dieſen Beutel hier, auch dieſen noch. Girft fie ihm in den Hut.) Nimm alles, was ich bei mir habe. Was ich verfchenten kann, hat eines Sandlornd Wert, gen den unendlichen Gewinn, der mir durch dieſen Brief geworden ift. (Mad dem Garten ab.)

Bettler (etein.) D Mitleid in des Menschen Bruft! Wie bift Du oft jo kränkelnder Natur, als hätte Dich ein weinend’

206

Kind gezeugt. Begeift’rung ift’s, die alles Edle ſchnell gebiert, fie hat mit des Verſchwenders Gold des Bettlers Hut gefüllt. 6.)

SZünfte Scene

Dnmont (elegant gefleidet, fommt aus dem Schlojs.)

Ach mie fein ic) doc) vergnügt! Ein ganzer Jahr hab’ ich der Gegend nicht gejehen. Die Nacht war mir zu lang. Ic Hatte fünfzig Ducaten auf eine Karte gefettt, hatt’ fie gewonnen, da fchlug der Nachtigall, ich lief davon, der Geld blieb fteh'n nnd war perdu. Doc was fein Ducatenglanz gegen Morgenroth. Praächtiger Zag! Die Natur legen heut’ aller ihrer Reize zur Schau. GBlickt durch die Lorgnette in die Scene) Da kommt ein altes Weib!

Sedste Scene. Voriger. Ein altes, zahnloſes Mütterchen, Gerrifien gekleidet, auf dem Nüden einen großen Bündel Reiſig.)

Dument, Bon jour, Madame! Wo tragen Du hin das Holgen?

Weib. Nah Haus. Gleich in's Gebirg, nad) Blunzendorf.

Dumont, Blonfendorf? O ſchöner Nam’! Du wohnen wohl fehr gerne im Gebirge ?

207

Weib, Ah ja, 's Gebirge wär’ Schon ſchön, wenn nur die Berg’ nicht wären. Dan fteigt |’ fo hart.

Dumont. Das ſind der Figuren, die der Landſchaft beleben. O mir gefallen das Weib ſehr. |

Weib (beiſeite.)

Ich g'fall' ihm, ſagt er. Ja, einmal hätt' ich ihm ſchon beſſer g'fallen.

Dumont.

Sie ſein ſo maleriſch verlumpt. Ich kann ſie nicht genug betrachten. (Er fieht durch die einfache Lorgnette und drüdt das linte Auge zu.)

Weib.

Er Hat im Ernſt ein Aug’ auf mid); aber 's andre druckt er zu.

Dumont.

Du ſeien wohl verheiratet?

Weib. Schon über dreißig Jahr'.

Dument. Und befümmern fi Dein Mann dod) nod) um Dich ?

Weib. Ah ja. Er ſchlagt mid) fleißig nod).

Dumont. Er ſchlagen Dich? O! Das ſein nick ſchön von ihm.

208

Weib.

Ah, es 18 ſchon jchön von ihm. Das ift halt im Gebirg bei und der Brauch. Ein fchlechter Haushalt, wo f nit raufen thun.

Bumont.

Unjchuldige Freuden der Natur! Bon diefer Seit muſs ſich das Bild noch Schöner machen. Stell’ Did) dort bin. Ich will Dich gans von ferne fehen.

Weib.

Hören S’ auf! Was fehen S’ denn jet an mir? Hätten S’ mid) vor vierzig Jahren ang’fchaut. Jetzt bin ich fchon ein altes Weib.

Dumont. Das machen Deiner Schönheit eben aus. Du fein vortrefflich alt. Au contraire, Du follten noch mehr

Falten haben. Weib.

Warum nicht gar. Mein’ Dann fein die fchon zu viel.

Dumont. Du fein wahrhaft aus der niederländischen Schule?

Weib. Ah beleib. Ich bin ja gar nie in die Schul’ gegangen.

Dumont. Id hab’ einer ganzer Sammlung ſolcher alter

Weiber zu Haus. Weib.

Jetzt iſt's recht. Der fammelt fi) die alten Weiber, und die andern wären froh, wenn fie f’ Losbringeten.

209

Dumont (nimmt einen runden, kleinen, ſchwarzen Spiegel ans der Taſche, dreht ſich um und läfst die Gegend abipiegeln.)

O quel contrast! Das Schloſs, der Wald, der Weib, der Ochſen auf der Flur! O Natur, Natur! Du fein groß ohne H’Ende.

Weib.

Der Menſch muſs narriſch fein. Jetzt fehaut er ſich

in Spiegel und ſieht Ochſen drin.

Dumont. Hier haft Du einen Ducaten. Jetzt hab’ ih “Dich genug gefeh'n. (Gibt ihr ein Goldftuck)

Weib (rafend erfreut.)

Ah Spectafel! Ah Spectafel! Jetzt ſchenkt er mir gar ein’ Ducaten. Euer Gnaden, das ift ja z’viel, ich trau’ mir ihn gar nidht zu nehmen. Für was denn? Sagen &’ mir’ nur. |

Dumsnt. Dein Anblid hat mir fehr viel Vergnügen verjchafft.

Weib.

Kein, das hätt’ ih in meinem Leben nicht glaubt, dafs ich mich in meinen alten Tagen ſollt' noch ums Geld ſeh'n lafien. Ich dank vieltanfendmal. (Küfst ihm die Hand.) Euer Gnaden verzeihen S'. Ich bit! Ihnen hab’ ich Ihnen denn wirklich g’fallen ?

Mrmont (muis taten.) D Du gefallen mir außerordentlich). Raimund, Dram. Werke, III. 14

210

Weib (verihänt.)

Hören S’ auf, Sie fönnten ein altes Weib völlig verruct machen. Nein, wenn das mein Mann erfahrt, der erfchlagt mich heut’ aus lauter Freud. Ich ſag's Halt, wenn man einmal recht ſchön war und man wird nod jo alt, e8 bleibt doch allweil noch a biffel was übrig. (Zrippelt ab.)

Duntont (feht ihr nach.)

Ha! Wie fte ſchwankt, wie ein alter Schwan. Ic

fein fo aufgeregt, dafs mir jeder Gegenftand gefallen.

Siebente Scene. Boriger. Rofa (will mit einem Kaffeegeſchirr nach dem Garten.)

Dumont. A ma helle Rosa!

Roſa. Guten Morgen, Herr Chevalier!

Dumont (ait fie auf.) O, Sie kommen nicht fo ſchnell von mich. Der Alt fein charmant, aber der Yung’ gefallen mir doch nod) beffer. Das fein Malerei für der Aug’, das fein Malerei

für der Herz. Roſa.

Herr Chevalier, ich hab’ keine Zeit, der gnäd'ge Herr wünſcht nod) Kaffee zu trinken.

Dumont (umfafst fie zärtlich.) Schöne Rof!

211

Mofa (windet fi 108.) Ah was generos, was hab’ id) von Ihrer Generofität, ih muſs in’ Garten hinaus.

Dumont.

D, Sie dürfen nicht, ich fein zu enchante. Diefer Wangen, diefer Augen, diefer Augenbliden! D Natur! was haben du da gejchaffen, ic fanın mid nicht enthalten, ih mufjen fie embrasser.

Roſa. Herr Chevalier, laſſen Sie mich los, oder ich ſchrei'. Dumont. Ih will den Mond verfiegeln. (Eüjſet fie, fe ſchreit und laſet das Kaffeegeihirr fallen.)

Achte Scene. Borige. Flottwell und Wolf (aus dem Garten.)

Flottwell. He! he! Herr Chevalier! Was machen Sie denn da?

Dumont. Ich bewunder' der Natur!

Flottwell. Bravo! Sie dehnen Ihre Liebe zur Natur auf die höchſten und auf die gemeinſten Gegenſtände aus.

Wolf. Schön oder häſslich, das gilt dem Herrn Chevalier

ganz gleich. u⸗⸗

212

Aument,

Was jagen Sie da von Häfslichket? Die Natur fein der höchfter Poefie, und wahre Poeſie kann nie ge mein noch häſslich fein. Sch wollen mich für Ihrer Schönheit fehlagen und fchlagen laſſen; und fallen id, fo fchreiben der Welt auf mein Grab:

Es Schlafen unter diefem Stein, Chevalier Dumont hier ganz allein. Er haben nur gemacht der Cour Auf Erd’ der himmlischen Natur! Nun feien todt, welch glüdlid Los! Er ruh'n in der Geliebten Schoß. Und wird, Tehrt er im Himmel ein, Naturellement willflommen fein. (Seht ſtolz ab in's Schlofs.)

Roſa (nimmt das Geſchirr zuſammen.)

Abſcheulich! Allen Zudringlichkeiten iſt man ausgeſetzt

in dieſem Haus. | Flottwell.

Weich' Sie den Gäſten aus, wenn ſie Champagner getrunken haben. Ich bin ſehr unzufrieden mit Ihr; Herr Wolf hat ſich auch beklagt, daſs Sie ſehr unartig mit ihm iſt und ohne Achtung von mir ſpricht.

Roſa. Der gnädige Herr Kammerdiener? Ah, jetzt muſs ich reden Wolf (ein.) Das ſoll Sie nicht, mein Kind, Sie ſoll nur Ihren Dienſt verſehen.

213

Ron. Ich ftehe bei dem gnäd’gen Herrn in Dienften und nicht bei gewiffen Leuten.

Wolf, Schweig Sie nur

Roſa. Nein, nichts will ich verſchweigen, alles muſs heraus. Wolf. Welche Bosheit! Flottwell. Stil! Die Sache wird zu ernfthaft.

Roſa.

Wiſſen Euer Gnaden, was der Kammerdiener

geſagt hat? | Flottwell. Was hat er geſagt?

Roſa. Er hat geſagt

AReunte Scene. Vorige. Valentin dénen, darauh Mer Juwelier. Valentin. | Der Juwelier ift da!

Flottwell. Ab, Bravo! Nur gefchwinde auf mein Zimmer]! (Seht ſchnell ab.)

214

Der Juwelier (tritt von der Seite ein, und)

Wolf

(führt ihn ins Schlofs, vorher jagt er zu Rofa.) Wir fprecden uns, Mamſell! (b.)

Behnte Scene. Valentin um Rofa.

Rofn. Da ſteh' ich jegt! Palentin. Da fteht fie jet.

Mofa (fteht wie verfteinert.) An wen fol ic) nun meinen Zorn auslaſſen?

Valentin. Wart', ich beſorg' Dir wen. (in fort.) Roſa.

Du bleibſt! An Dir will ich mich rächen, Du ver⸗ hängnisvoller Menfch! (Geht auf ihn 108.)

Valentin. An mir? Das gieng' mir ab. Ich hab' ja gar nichts geſagt, als: Der Juwelier iſt da! Roſa.

Still ſei! oder (eibt auf und will ihm eine Ohrfeige geben, wird aber plötzlich jhwah.) Weh' mir! Mich trifft der Schlag!

215

Valentin. Das ift ein Glüd, fonft hätt! er mich getroffen.

Roſa (vringt.) Der Juwelier ſoll hingeh'n, wo der Pfeffer wächst!

Valentin. Das kannſt ihm ſelber ſagen.

Roſa. Schweig! Ich weiß mich nicht zu faſſen!

Valentin. Nu ſchimpf' nur recht zu, der Juwelier wird Dich

ſchon faſſen. Roſa.

Gleich gehft mir aus den Augen! (Chut, als wollt' fie. ihm die Augen austragen.) Du bift an allem ſchuld!

Balentin. Ich hab’ ja gar nichts g’jagt, ald: Der Juwelier ift dal Roſa. Das iſt ja Dein Verbrechen eben, Du hätteſt gar nichts ſagen ſollen, wenn Du ſiehſt, daſs meine Tugend auf dem Punkt ſteht, ihre Rechte zu vertheidigen. (Ab.

Palentin. Das ift fchredlih! Da darf ja eine noch fo viele Untugenden haben, fo fann man nicht foviel Verdruſs haben, al8 wegen derer ihrer unglüdfeligen Tugend.

216

Elfte Scene.

(Berwandlung. Kurzes Sabinet Flottwells Durch die Fenfter fieht man eine Colonnade und durch dieſe in's Freie.

Flottwell und der Juwelier (treten ein.) Flottwell (ehr fröhlich.) Wo haben Sie den Schmuck? Geben Sie! Ich

freue mich ſchon wie ein Kind! Wie wird ſich erſt Amalie freuen!

Hier iſt er.

Flottwell (eſieht ihn und wird ernſt.) Himmel! Was haben Sie denn gemacht?

Juwelier.

Iumselier.

Flottwell. So kann ich ihn nicht brauchen.

Wie ſo?

Iuwelier. Er ift nad) Ihrer Angabe, gnäd’ger Herr!

Siottwell (wird immer heftiger.) Nein, nein! Das ift er nicht.

Iuwelier. Ganz nad) der Zeichnung, ich verfichere Sie.

Flottwell. Nein, nein, nein, nein! Mismuthig) Er iſt zu alt: modifch, auch find e8 nicht die Steine, die ich ausgewählt.

217

Juwelier. Herr von Flottwell! Das betrifft ja meine Eee

Flottwell. Die meine auch, ich kann den Schmuck nicht brauchen.

Juwelier. Ich nehm' ihn nicht zurück.

Flottweill. Das müſſen Sie!

Iumelier. Ih will ihn ändern.

Flottwell. Zu ſpät! Er iſt ja ein Geſchenk zum heut'gen Feſt. Sie haben meine ſchönſte Freude mir gemordet durch Ihre Ungeſchicklichkeit.

Juwelier (etwas beleidigt.) Herr von Flottwell (aſst fi.) Ich verſichere Sie, es iſt nur eine ©rille.

Siottwell. Berfichern Sie mic nicht, der Schmud ift fchlecht.

Juwelier. Betrachten Sie ihn nur!

Flottwell. Nein! Er iſt mir ſo zuwider, daſs ich ihn zum Fenſter hinaus werfen könnte.

218

Inwelier. Das werden Sie wohl bleiben laſſen, den id).

Flottwell.

Das werd’ ich nicht! Da liegt er. (Schlendert ihn zum

Tenfter hinaus.) Iuwelier (erſchrocen.)

Um’s Himmelswillen! Der Schmuck beträgt zwei-

taufend Thaler. Flottwell (ſtolz.)

Iſt Ihnen bange? Lumpengeld! Sie ſollen es erhalten,

warten Sie! (Er eilt in’s Cabinet.)

Iuwelier.

Das ift ein Wahnfinn, der mir noch nicht vors gelommen ift. Ich hol’ den Schmud herein, (Läuft ab.) (Mau fieht den Bettler vor dem Tenfter, welcher den Schmud aufgehoben

bat, ihn gegen Simmel hält und fingt.): Bettler.

Habt Dank! Habt Dank! Ihr guten Leute,

Dafs Ihr fo reichlicd mid) befchentt.

Mein Herz ift ja des Kummers Beute,

Durch eigne Schuld bin ich gekränkt.

(Er entfernt fi) durch die Säulen und wiederholt noch die leisten Worte in der Ferne.) Inwelier (temmt beſtürzt zurüd.) Der Schmud ift fort, ich find’ ihn nicht.

Flottwell

(aus dem Cabinet. Er hat fich Beſinnung geholt und fein Betragen zeigt, daſe er feine Heftigteit bereut und fich ihrer jchämt. Er trägt Rollen Gold.)

Siottwell (edet freundtig,.) Hier haben Sie Ihr Geld, mein Herr!

219

Iumelier (artig.) Herr von Ylottwell, ich bedaure ſehr

Flottwell.

Bedauern Sie nichts! An mir iſt das Bedauern meiner unverzeihlichen Heftigkeit. Mein Blut ſpielt mir manch' tollen Streich. Ich muſs zur Ader laſſen nächſter Tage.

Juwelier. Ein gütig Wort macht alles wieder gut.

Flottwell

(drückt ihm gutmüthig die Hand.)

Nicht wahr, Sie nehmen es nicht übel, lieber Freund und Sie vergeſſen es Sie ſprechen auch nicht mehr davon? Ich wünſchte nicht, daſs Sie es irgendwo erzählen möchten.

Juwelier. Ich geb’ mein Ehrenwort -—

Slottwell.

Ja, ja, ich weiß, ich kann mid) ganz auf Sie ver- lafien. Auch werd’ ich Ihre Kunft gewifs fehr bald in Anſpruch wieder nehmen. Gewifs, gewifs, ich werde bald etwas beftellen Lafjen. Sehr bald; und nun Adieu, mein Freund, und keinen Groll!

Iumelier

(mit einer tiefen Verbeugung.) Wie könnt’ ic) das, ich bin fo tief gerührt. (Im Abgehen. Wenn er doch nur bald wieder etwas machen ließe! (Ab.)

220 --

Bmwölfte Scene.

Slottwell (atein.) Ein fturmbewegter Tag! Wär’ er doch ſchon vor: über! (MWirft fi, vor fi Hinftarrend, in einen Stuhl. In der Ferne Klingen die letzten Berſe von des Bettlers Gejang.)

Bettler. ° Mein Herz ift ftetS des Kummers Beute, Durch eigne Schuld bin ich gekränkt.

Flottwell (oringt auf.) Welch Geſang

Dreizehnte Scene. Voriger. Wolf (tritt ein.)

Wolf.

Ach liebſter gnäd'ger Herr! Wie hat der Juwelier doch ſeine Sache ſchlecht gemacht, ich hab' ihn eben aus⸗ gezankt, doch ſtellen Sie ſich vor, der Schmuck iſt weg, und niemand will ihn aufgehoben haben.

Flottwell.

Das wäre mir ſehr unlieb denn er koſtet viel.

Wolf.

Er mufs ſich finden, ic) ſah ihn aus dem Fenſter fliegen. Niemand gewahrt’ ich in der Nähe als das Kammer: mädchen Roſa. Ich eilt’ fogleich herab, da war fie fort, und als ich fie befragte, wollt’ fie nichts gefehen haben.

221

Flottwell. Das kann ich doch nicht von ihr glauben.

Wolf. Man mußs die Sache unterſuchen laſſen.

Flottwell. Nur heute nicht, das macht zu großes Aufſehen; und dann wer weiß, iſt's wahr.

Wolf. Gewiſs, ich hab' es ja beinahe geſehen.

Flottwell.

Wenn es wahr iſt, muſs fie fort, ſonſt wünſch' ich

keine Strafe. Wolf.

Wie der Himmel doch die Menſchen oft verläfst. Es ift Schon alles zu dem Feſte bereitet, die Säfte find im Gartenfaal verfammelt. Ic habe die ſchöne Ausficht nad) dem Schal mit Draperien verhängen laſſen. Wir wollen warten, bis die Sonne untergeht, und wenn fie plötzlich ſchwinden, wird es einen impofanten Anblid geben.

Siottwell. Sind die Tänzer fchon bereitet ? Wolf. Ja! Der Herr Präfident ift auch ſchon hier. Flottwell.

Amalie hier! Was ſagſt Du das erſt jetzt?

222

Wolf. Ich habe fie in das blaue Zimmer geführt, der Baron ift aber nad) dem Garten gegangen.

Siottwell (auffahrend.) Der Baron? Schändlich! dafs ich meinen Neben- buhler noch zu Gafte bitten muſs. Was foll ich nun Amalien verehren, der Schmud ift fort.

Wolf.

Schenken Sie ihr die foftbare Vaſe, die Sie erft gefauft Haben, das ift doch ein Geſchenk, das eine Millionär würdig if.

Flottwell.

Sie iſt von großem Wert, doch eben recht; der

Präſident iſt ſparſam; vielleicht gewinnt ihn das.

Wolf (für fc.) Da irft Du Did.

Siottwell. Laff fie mit Blumen ſchmücken, kurz, beforge alles. Ich muſs zu ihre, zu ihr. (Beide ab.)

—— o

Bierzehute Scene.

(Berwandlung in ein nobles Gemad.)

Der Präfivent von Klugheim un Amalie.

Alugheim. Beruhige Dich doch, meine Tochter und laſſ' mid nicht bereuen, daſs ich fo ſchwach war, Deinen Bitten nachzugeben.

223

Amnlie digen Schmerz befämpfend.) Ya, mein Bater, ich will ruhig fein.

Klugheim. Nun ſeh' ich erſt, Du haſt mich durch erzwungne Fröhlichkeit geteuſcht; Du ſollteſt ihn nicht wieder ſehen.

Amalie. Im Gegentheil, mein Vater, es wird auf lange Zeit mich ſtärken, meine Leiden zu ertragen.

Alugheim. Vergiſs nicht, daſs wir in Geſellſchaft ſind und daſs Dich der Baron mehr als ſein Leben liebt.

Sünfzeßute Scene. Vorige. Flottwell.

Flottwell (mit Herzlichteit. | Mein verehrungswürdiger Herr Präfident! Die höchſte Gunft, die ich vom Glück erlangen konnte, ift die Ehre, Sie auf meinem Scloffe zu begrüßen. Mein holdes Fräulein! Flottwell wird es nie vergefien, dafs Ihr edles Herz es nicht verfchmähte, feines Heinen Feſtes Königin zu fein. Anınlie (fh verbeugend.) Herr von Tlottwell

Aingheim. Genug der Geremonie, e8 kommt der Yreund zum Freunde.

224

Flottwell. Iſt dem wirklich ſo, Herr Präſident?

Klugheim. Zweifeln Sie daran? Dann wär' es nur zur

Hälfte fo. Flottwell.

Ach, wie ſehnlich wünſcht' ich, daſs es ganz ſo wäre,

daſs ich Sie Klugheim (ein.

Herr von Flottwell, jeder Ausfall auf frühere Ver⸗ hältniffe ift gegen die Bedingung, unter welcher ich Ihre heutige Einladung angenommen habe,

Amalie. Beſter Bater, laſſen Sie ſich doch erweichen!

Klugheim. Was ſoll das ſein? Iſt ein Complot gegen mich im Werke? Hat man mich hierher geladen, um eine Sache zu erneuern, die ich für beendet hielt?

Flottwell. Sie irren ſich, Herr Präſident! Ihr Fräulein Tochter Klugheim. Iſt eine Schwärmerin! Ihres Lebens Glück iſt mir von Gott vertraut, und niemand kann es mir verargen, wenn ich ſie nicht in ihres Unglücks Arme führe.

Flottwell. Herr Präſident! Sie verkennen mich zu ſehr.

225

Klugheim. Ich ſehe klar, was Ihnen erſt die Zukunft einft enthüllen wird, Flottwell. Ich bin verleumdet!

Klugheim.

Durch niemand. GSlitterſtein öffnet die Thür.)

Flottwell. Durch den hinterliſt'gen Baron Flitterſtein

Sechszehute Scene. vorige. Baron Aitterſtein (mit Erſtaunen, ohne ven Anſtand zu

verlegen.)

Flitterſtein. Iſt hier von mir die Rede?

Slottwell (rappiert.) Nein. Flitterſtein (rast fi und lächelt fein.) AH fo, alſo von einem Verwandten von mir? Das wollte ich als Cavalier nur wifjen.

Siottwell Werlegen.) Herr Baron! Ich bin erfreut

Slitterflein ciwneu.) Ich verftehe, meine TFreundichaft zu dem Herrn Bräfidenten Raimund, Dram. Werke. III. 15

224

Flottwell. Iſt dem wirklich ſo, Herr Präſident?

Klugheim. Zweifeln Sie daran? Dann wär' es nur zur

Halfte ſo. Flottwell.

Ach, wie ſehnlich wünſcht' ich, daſs es ganz ſo wäre,

daſs ich Sie Klugheim (ein.)

Herr von Flottwell, jeder Ausfall auf frühere Ver— hältnifje ift gegen die Bedingung, unter welcher ich Ihre heutige Einladung angenommen habe.

Amalie. Befter Vater, laffen Sie fi doch erweichen!

Rlugheim. Was foll das fein? Iſt ein Complot gegen mich im Werfe? Hat man mid) hierher geladen, um eine Sache zu erneuern, die ich für beendet hielt?

Siottwell. Sie irren fih, Herr Präfident! Ihr Fräulein Tochter Klugheim. Iſt eine Schwärmerin! Ihres Lebens Glück iſt mir von Gott vertraut, und niemand kann es mir verargen, wenn ich ſie nicht in ihres Unglücks Arme führe.

Flottwell. Herr Präſident! Sie verkennen mich zu ſehr.

225

Riugheim. Ich jehe Klar, was Ihnen erft die Zukunft einft enthüllen wird. Flottwell. Ich bin verleumdet!

Klugheim.

Durch niemand. Glitterſtein öffnet die Thür.)

Flottwell. Durch den hinterliſt'gen Baron Flitterſtein

Sechszehnte Scene. Vorige. Baron Flitterſtein (mit Exftaunen, ohne den Anſtand zu

verlegen.)

Flitterſtein. Iſt hier von mir die Rede?

Flottwell (ſrappiert.)

Nein.

Flitterflein (aſst fin and lächelt fein.) AH jo, alfo von einem Berwandten von mir? Das wollte ich als Gavalier nur wiſſen.

Flottwell (wertegen.) Herr Baron! Ich bin erfreut

Flitterſtein (chneu.) Ich verſtehe, meine Freundſchaft zu dem Herrn Praäſidenten Raimund, Dram. Werte. III. 15

226

Flottwell.

Iſt die Urſache, dafs Sie mir die Ehre Ihres Be- fuches ſchenken. Ich bin von allem unterrichtet. Gach einer Baufe, in welcher ſich die Verlegenheit aller antündigt.) ft e8 nun gefällig, ſich zur Gefellfchaft zu begeben ?

Flitterflein.

Nach Belieben!

Flottwell (weist Amalien den Arm.) Mein Fräulein! (Führt fie fort.)

Slitterflein Colgt.) Klugheim. Ich fürchte, wir haben den Frohſinn gerufen und dem Miſsmuth unſre Thore geöffnet. me.)

Siebzehnte Scene.

(Berwandluug. Herrlich mit Gold und Blumen geſchmückter Gartenſaal. Die

Hinterwand geſchmackvoll draperiert. Alle Gäfte find verſammelt. Dumont,

Walter. Während des Chores treten der Bräfident, Flitterftein, Flottwell und Amalie ein und fegen fih. Wolf.)

Aurzer Chor. Froh entzüdte Gäfte wallen Durch die reich geſchmückten Hallen; Will fich Luft mit Glanz vermählen, Mußs fie Flottwell's Schlofs fich wählen, Nur in feinen Säden prangt, Was das trunfne Herz verlangt.

(Zänzer und Tänzerinnen im fpaniichen Coſtüme führen einen veizenden Tanz

aus, und am Ende bildet fi eine impofante Gruppe, bei welder Kinder in

demfelben Coftiime die Base, mit Blumen geſchmückt, auf ein rundes Poftament in der Mitte des Theaters ftellen.)

227

Flottwell ir in) 5 Was Hat dod) Wolf gemacht, jetzt follte Sie fie

nicht erhalten. Rlugheim.

Sehen Sie doch, Baron, hier die berühmte Bafe, welche ein Franzoſe dem Minifter um zwanzigtanfend Francs anbot. .

Flitterflein.

Wahrhaftig ja, fie ift e8.

Mehrere Hüfte (vetramten fie.) Wirklich ſchön! Walter. Seh'n Sie doch hier, Chevalier, die Vaſe aus Paris.

Dumont (in einen Stuhl hingeworfen, ohne Kinzufehen.)

O charmant! Sie fein ganz auferordentlid.

Walter. Sie haben fie ja gar nicht angefehen.

Dumont,

IA brauchen fie gar nid zu fehen, id brauchen nur zu hören de Paris, fann gar nid anders fein, als magnific.

Flitterflein.

Fürwahr, Sie find um diefes Kunſtwerk zu beneiden,

Herr von Flottwell.

Flotiwell (ur in.)

Nun Tann ich nicht zurüd. Sant) Es ift nicht mehr mein Eigentfum. Ein unbedeutendes Geſchenk, das ich der Königin des Feſtes weihe.

15*

228

. Amalie (erfeeut.) Ad), Bater! Wie erfreut mic) das!

Klugheim. Nicht doch, mein Kind! Verzeihen Sie, Herr von Flottwell, das geb' ich nicht zu, das Geſchenk hier iſt durchaus zu koſtbar, um es anzunehmen.

Slitterflein, Ja, ja, e8 ift zu koſtbar.

Flottwell. Das iſt es nicht, mein Herr Baron, die Welt erfreut ſich keines Edelſteines, der zu koſtbar wäre, ihn dieſem Fräulein zum Geſchenk zu bieten.

Klugheim. Auch weiß ich nicht, wie wir zu ſolcher Ehre kommen.

Flitterflein Galblaut. Die mehr beleidigend, als

Flottwell (ängt es auf.) Beleidigend? Slitterflein. Ich nehm’ es nicht zurüd.

Slottwell (versifien.) Wie kömmt e8 denn, mein Herr Baron, dafs Sie das Wort fo eifrig für des Fräuleins Ehre führen ?

Klugheim. Er ſpricht im Namen ſeiner künft'gen Braut.

229 Einige Säfte.

Da gratulieren wir.

Flotiwell ernichtet.) Dann hab’ ich nicht8 mehr zu erwidern.

| Klugheim. Nehmen Sie die Vaſe hier zurück, ſo beſchenkt ein Fürſt, fein Edelmann. .

Flottwell ot.)

Ich befchenke jo! Ich bin der König meines Eigen- thums. Dieſes Kunſtwerk hatte feinen höchften Wert von dem Gedanken nur geborgt, daſs diefe fehöne Hand es einft als ein erfreuend’ Eigenthum berühren werde. Es ſoll nicht fein! Sch acht” es nicht. Wolf, nimm fie Hin! Ich ſchenke dieſe Vaſe meinem Kammerdiener. (Wolf macht eine Haldverlegene VBerbeugung. “Die Bafe behalten die Kinder

noch, und fie wird erft durch Wolf während des Chors weggebracht.) Flitterflein. Welch ein Tollfinn!

Riugheim. Unbegreiflich !

Dumont. Der Mann fein ganz verrüdt.

Anınlie. Wie kann er fi) nur jo vergefien.

Die Gäfte ratiken.) Bravo! So rädt fi) ein Millionär.

230 -—

Flottwell.

Dies ſoll unfere Freude nicht verderben. Da Frank⸗ reichs Kunft fo fchlechten Sieg errungen hat, will id) vor Ihrem Auge nun ein deutfches Bild entrollen, deſſen Schönheit Sie gewifs nicht ftreitig machen werden. Sie follen fehen, was ich für eine bortreffliche Ausficht habe.

(lacht in die Hand)

Mufit. Der Vorhang Ihwindet und Über die ganze Breite des Theaters zeigt fich eine große, breite Offnung, durch deren Rahmen man eine herrliche Gegend perfpectivisch gemalt erblidt. Ein Liebliches Thal, hie und da mit Dörfern bejäet, von einem Flufs durchſtrömt, nnd in der Ferne von blauen Bergen begrenzt, erfirahlt im Abendroth; die Bafis des Rahmens bildet eine niedere Balluftrade. Im Bordergrunde links von dem Zuſchauer fit wie eine geheimnisvolle Eriheinung unter dunklem Gefträudh, von der untergehenden Sonne vorne beleuchtet, der Bettler mit unbebedtem Haupte und gegen Himmel gewandtem Blick in maleriſcher Stellung, fo dafs das Ganze ein ergreifendes Bild bietet.)

Achtzehnte Scene. Vorige. Der Bettler.

Flottwell (ohne genau hinzuſehen.) Gibt es eine ſchönere Ausſicht? (Erſchrict, als er den Bettler ſieht. Ha! welch ein Bild! Ein fonderbarer Zufall! (Diefe Worte fpriht Flottwell fon unter der Ieife beginnenden Deufit.)

Rurzer Chor von Gäften

(für welche ſämmtlich der Bettler nicht fihtbar ift.) O feht doch diefes ſchöne Thal, Wo prangt die Erd’ durch höhern Reiz? ‚1 Dem Kenner bleibt bier feine Wahl, 3) Der Anblid übertrifft die Schweiz. *

Bettler. Nicht Sternenglanz, nicht Sonnenſchein, Kann eines Bettlers Aug' erfreu'n.

231

Der Reihthum ift ein trenlos Out, | agleich Das Glück flieht vor dem übermuth. zugleich Flottwell (welcher immer nad) dem Bilde hingeſtarrt Hat, zu Wolf.) Sagt doch den Bettler fort, warum lafst Ihr ihn bier fo nah’ beim Schloſs verweilen ? Der Bettler

(fteht auf und geht an der Seite, wo er fitt, über den Hügel durch das niedere Gefträude in die Scene.)

Meunzeßnte Scene. Vorige ohne Bptller.

Wolf. Welch einen Bettler? Wir bemerken keinen.

Flottwell.

Da geht er Hin! Etarrt ihm nach.)

Wolf. Er ſpricht verwirrt.

Amalie (wird unwohl.)

Rlugheim. Gott im Himmel! Meine Tochter! Slottwell.

Amalie? Was ift ihr?

Alle Güſte (in Bewegung.)

Klugheim. Sie erbleicht!

232

Flottwell (rürzt zu ihren Süßen.) Amalie! theures Mädchen! Höre Deines Yulius’ Stimme!

Flitterſtein

(ſchleudert ihn entrüſtet von ihr,) Zurück, Verführer! Nun entlarvſt Du Dich.

Flottwell

(ergreift ergrimmt ſeine Hand.) Genugthuung, mein Herr! Das geht zu weit.

Flitterſtein. Iſt's gefällig? (Zeigt nach dem Garten.) Flottwell.

(Beide links ab.)

Mehrere Güſte.

Haltet! Golgen ihnen nach.) Klugheim.

Folgen Sie!

Holt den Arzt! (Bediente ab.)

Wolf.

Mehrere. So endet dieſes Feſt.

(Die andere Hälfte geht mit Klugheim und Wolf, welche Amalie

nad dem Cabinet rechts führen, ab. Nur Dumont, welcher fi während

der Verwirrung an das Fenſter begeben bat und durch das Gewühl der @äfte

verdedt war, bleibt zurüd. Er hat ſich in der Mitte des Fenſters in einen

Stuhl geworfen, fpringt, wenn alles fort ift, auf, lehnt fi auf bie Fenſter⸗ brüftung, fieht durch die Lorgnette und ruft begeiſtert:)

In's Cabinet!

Dumont. Göttliche Natur!

233.

Zwanzigſte Scene. (Kurzes Cabinet fällt vor.) Bnlentin um Rofn,

Dalentin, So laſſ' mid) aus, ich muſs ja fehen, was gefchehen ift. Alles lauft davon, und die Fräulein Amalie, fagen ſ', iſt umgefallen wie ein Stüdel Holz. Sie hat Confufionen friegt. Roſa. Da bleibſt! Mein Schickſal iſt's, um das Du Dich zu kümmern Haft. (Meint bitterlich) Ich bin Die ge⸗ kränkteſte Perfon in dieſem Haus.

Onlentin. Was haben fie Dir denn fehon wieder gethan ?

Roſa. Aber nur Geduld! Morgen geh' ich zu Gericht, alles wird arretiert, der gnäd'ge Herr, der Kammerdiener, alle Gäſt', das ganze Schloſs und Du.

Vvalentin. Mich läſst's nicht aus. Was hat's denn gegeben?

Roſa. Ohrfeigen hätt's bald gegeben. Valentin. Ah, da bin ich froh, daſs ich nicht dabei war.

Roſa. Der Kammerdiener hat mir Ohrfeigen angetragen, hat mich eine Diebin g'heißen, hat einen Schmuck von

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| mir verlangt, und im Namen bed gnäd’gen Herrn den Dienft aufgelündigt und hat mich wollen durd) die Bedienten hinauswerfen Lafjen.

Dalentin. Das ift ja eine ganze Weltgefchichte. Wann ift denn das alles gefchehen ? Roſa. Vor einer Viertelſtund', wie ſie die Vaſen im Saal oben geholt haben. Valentin. Das ift fchredlich ! Rofa. Der Menſch glaubt ja, man hat feine Ehr’ und Reputation geftohlen. Valentin. Und den Schmud auch dazu. Nein, das kann man nicht fo hingeh'n laſſen. Roſa. Du mußſst Dich annehmen. Ich bin em Weib, ich bin zu ſchwach. Bnlentin.

Auf alle FA, Du bift zu ſchwach.

Roſa. Du biſt ein Mann, Dir iſt die Kraft gegeben.

Valentin. Ja, mir ift die Kraft gegeben.

Roſa. Was wirſt denn thun?

235

Daleutin. Nichts! Ich werd’ mir's erft noch überlegen. Roſa. Ich geh' einmal noch heut', und morgen klag' ich. Valentin. Und ich geh’ morgen, und klag' Heut’! Und wo? Beim gnäd’gen Herrn. Roſa.

Jetzt lafl’ mich aus mit Deinem gnäd'gen Herrn. Juſt mit dem ift e8 gar nicht zum Ausfommen.

Dalentin.

Nein, ich verfichere Dich, wenn es lauter gnädige Herren auf der Welt gäbet’ das wär’ ein Leben. Übrigens ist das eine Beichuldigung, die man nicht auf fich laſſen darf.

Rola (mweinend.)

Nicht wahr, Du glaubt. e8 nicht, dafs ich die

Diamanten genommen hab’? Palentin.

Nein! Du biſt zu tugendhaft, Du gehft nur auf

die Augen los, nicht auf die Diamanten,

Roſa.

Doch jetzt mach' Dich auf, wir packen zuſamm' und gehen.

Valentin.

Die Livree bleibt da, die gehört dem Herrn. Mir g'hört mein Tiſchlerrock, den ich mit hergebracht hab', die andere Bagage brauch' ich nicht, ich bin mit Dir allein zufrieden.

Roſa.

Wir bringen uns ſchon fort.

236

Balentin. Ic geh’ zu meiner Tifchlerei zurüd, aber vorher will ich mein Meifterftüd noch machen.

Rofa. Was wirft denn thun?

Dalentin. Den Kammerdiener werd’ ich in die Arbeit nehmen. Ah, der ift zu ungehobelt, über ihn muſs ein Zifchler

fommen. Roſa. Nimm Dich zuſamm'.

Valentin.

O, Du kennſt mich nicht, ich bin der beſte Menſch, aber wenn es ſich um Ehr' und Reputation handelt, ſo kann ich in eine Wuth kommen wie der rollende Raſand. Ich will dem Kammerdiener zeigen

Einundzwanzigſte Scene.

Der Rellermeifter ceit über die Bühne) Vorige. Valentin.

Herr Kellermeifter, wo geh'n Sie hin?

Rellermeifter. Mir ift am großen Faſs ein Reif abgefprungen, ih muſs den Wein abziehen.

Dalentin.

Ha! Das ift ein Wink des Schidfals!. Mann! Ich folge Dir. (Geht tragiſch mit dem Keltermeifter ab.)

2337

Roſa.

Ah Spectafel! Jetzt muſs ſich der ein Spigel!) antrinten, wenn er eine Courage friegen will! Nein! Was das für miferable Mannsbilder fein bei der jegigen Zeit, das ift nimmermehr zum Aushalten. m.)

Zweinndzwanzigſte Scene.

(Berwandlung. Ein anderes Cabinet.) Amalie, Der Arzt. Präfivent v. Klugheim.

Arzt. Fühlen Sie ſich leichter, Träulein ?

Riugheim. Wie ıft Dir, liebes Kind?

Amalie. | Ä Ganz wohl, mein Bater! Es ift ſchon vorüber.

Rlugheim. Ein Unftern hat uns in dies Haus geführt.

Dreinndzwanzigfle Scene. Vorige. Betti.

Betti. Zu Hilfe! Ach Herr Doctor, der Baron iſt ſchwer verwundet, man ſuchet Sie!

1) Räuſchchen.

238

Rlugheim. Heil’ger Gott! Mein Freund! Bleib’ Sie bei meiner Tochter hier! Kommen Sie, Herr Doctor! Ad, ich bin an allem jchuld. Eilt mit dem Doctor a6.)

Amalie. Was ift vorgegangen ?

Betti. Sie haben ſich duelliert! Der gnäd'ge Herr und der Baron. Amalie. Iſt Julius auch verwundet?

Bierundzwanzigfie Scene.

Vorige. Flottwell ceitt aus einer Tapetenthür. Cr iſt bleich und ſpricht halblaut und fchnell.)

Fottwell. Nein! Er iſt es nicht! (Zu Berti) Geh’ auf die Lauer!

Betti (geht vor die Thür.)

Amalie. Gott! Wie ſiehſt Du aus!

Flottwell.

Wie ein Mann, der ſeinem Schickſal trotzt. Doch noch iſt nicht mein Glück von mir gewichen, weil ich Dich nur ſprechen kann, jede Minute droht, Du mufst mit mir noch diefe Nacht entflieh’n.

239

Amalie. Unmöglih! Nein! Ich kann den Vater nicht ver- laſſen. Flottwell. Du haſt 's geſchworen, denk' an Deinen Eid!

Amalie. Doch heute, und ſo plötzlich

Flottwell.

Heute oder nie! Schon lang iſt Deine Dienerſchaft von mir gewonnen. Nimm Laura mit und nichts von Deinem Eigenthum. Dein Vater iſt erſchöpft, er wird ſich bald zur Ruhe legen, und wenn auch nicht, verbotne Liebe iſt erfinderiſch. Ich harr' auf Dich nah' an der Stadt, bei der verfallenen Kapelle, wo wir uns oft getroffen haben.

Amalie. Wird ſich mein Vater je verſöhnen?

Flottwell. Er wird's. Das weite Meer, das ſeiner Rache trotzt, wird ſeinem Stolz gebieten. Entſchließe Dich!

Amalie. O, könnt' ich leben ohne Dich

Flottwell. Wenn Du's nicht kannſt, ſo ſind wir ja ſchon einig.

Amalie. Und doch

240

Sinttwell. Ja, oder nein! Nein ift ein Dolch, den Du in’s Herz mir drüdft, ja eine Sonne, die und nach England

leuchtet. Amalie. Nur eine Frage noch!

Betti (chnell.)

Der Präſident! ttwell.

Sprich ſchnell!

Erwarte mich!

Amalie.

Zünfundzwanzigſte Scene. Vorige. Präſident Klugheim.

Klugheim (trenge.) Was wollen Sie bei meiner Tochter hier?

Flottwell. Ich war beſorgt. Klugheim (nimmt Amalie auf die linke Seite, kummervoll.)

Sie find zu gütig gegen mein Haus. Komm’, meine Tochter, der Wagen wartet, dann geleit’ ich den Baron. Mein Herr! Sie haben uns zu einem Feſt geladen, (mit Wehmuth,) und wir danken Ihnen mit gebrochenem Herzen für die großen Treuden, die Sie uns bereitet haben. (Bührt feine Tochter ab. Betti folgt.)

t—

41

Sehsundzwanzigfte Scene.

Flottwell (atein.) D Starrfinn eined alten Mannes, was rufft Du doch für Unglück auf fo vieler Menjchen Haupt!

i

Siebennndzwanzigſte Scene. Voriger. Wolf ctritt ein.)

Flottwell.

Ha! Wolf! Gut, daſs Du kommſt! Der Augenblic iſt da, wo Du mir's danken kannſt, daſs ich Dir mehr ein Freund als Herr geweſen bin. Ich will in dieſer Nacht noch mit Amalien nach England fliehen, es ſteht Dir frei, ob Du uns auf der Flucht begleiten willſt.

| Wolf.

D, mein güt’ger Herr! Mein Wille ift an Ihren Wunſch gefettet; und wo Sie hinzieh'n, find’ ich meine Heimat.

Flottwell.

Ich habe große Summen in der engliſchen Bank liegen. Was ich von Gold und Koſtbarkeiten retten kann, will ich jetzt zu mir nehmen. Was ich in meinem Pulte zurück noch laſſe, vertheiſſt Du unter meine Diener, doch ohne etwas zu verrathen. Ich wünſche, daſs ſie einen Herrn finden mögen, der es ſo gut mit ihnen meint, als ich. Die beiden Schiffer an dem See, die ich für dieſen Fall ſeit längerer Zeit gedungen habe, ſollen ſich bereit halten.

Raimund, Dram. Werte. IIL 16

242

In einer Stunde längſtens mufs alles geordnet fein. Dann erwart’ ich Dich bei der alten Kapelle. Vergiſs nur Deine Bafe nicht, ihr Wert ift Dir befannt. Set vorfihtig, ic) baue ganz auf Deine Treue. Mb.)

Adtundzwanzigfie Scene.

Wolf cauein.)

Du ſchiffſt nad) England, günftgen Wind! Ich bleibe bier und will mein Schifflein in den Hafen lenken. Wie doc die Sonne auf und nieder geht! Wer ift nun zu beneiden? Er? Der ftolze, der gepriefene Mäcenat, der feines Glückes Nefte mit zerfallenem Gemüth dem ungetreuen Meer vertrauen muf8? oder ich, der fanfte, der bejcheidene Kammerdiener, der fein ftill erworbnes Schäfchen demüthig in's Trodne bringen kann; und wem verdanf’ ich diefen Sieg? (Schlägt fih an die Stirne.) Dir, Klugheit! vielfeitigfte der Göttinnen! Die Natur hat mir nur eine ftarfe Gallenblafe gegeben, die nicht zerplagt ift bei all dem Unfinn, den ich in dieſem Haus Hab’ fehen müfjen; aber die Klugheit bat mid) lächeln gelehrt. D es ift eine große Sache um das Lächeln! Wie viele Menfchen Haben fich ihr Glüd erlächelt, und ein Dummkopf kann eine Minute lang für einen vernünftigen Mann gelten, wenn er mit Anftand zu lächeln weiß. Darum will ich lächeln über die Er- bärmlichkeit, jo lang ich noch zu leben habe, und ift’s am Ende, ſchlag' id) eine laute Lache auf auf welche Grabesftille folgt. a6.)

Als er ſchon in der Couliſſe ift, drängt ihn Balentin zurüd. Er Hat feinen Ziichlercaputrod an und einen wachsleinwandenen Hut auf. Ein Paraplui

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und einen Spazierflod zufammengebunden unter dem Arm und ein Tleines Felleiſen auf dem Rüden, aus dem Sad fteht ihm das kurze Tabakrohr feiner eingeſteckten Pfeife. Er ift benebelt.)

Hennunndswanzigfle Scene. Dalentin. Wolf.

Valentin.

Halt! Barbar! Wo willft Du Hin? Du kommſt nicht von der Stel. Wie kannſt Du Dich unterftehen, meine Geliebte zu verleumden? Was hat fie Dir gethan? Sie hat Deine Liebesanträge nicht angenommen, weil Du ihr zu häfslih bift. Kann ed eine größere Tugend geben? Sie ift meine PVerlobte, und Du haft geglaubt, ih bin der G'foppte?!) Sie foll einen Schmud geftohlen haben, dieſe fchmudlofe Perfon? Pfui, ſchäme Dich!

Wolf. Jetzt Haft Du die höchfte Zeit, aus dem Haufe zu gehen, Du Trunkenbold!

Palentin.

O ih Hab’ Zeit genug! Ich Hab’ eigentlich gar nichts mehr zu thun auf diefer Welt, als Ihnen meine Meinung zu fagen. Glauben Sie mir, Herr von Kammer- diener Sie find ein niederträchtiger Menfh. Sie haben zwei arme Dienftboten aus dem Haus gebracht, die von ihrer Herrfchaft treu und redlich bedient worden find, (Weint Heftig) Aber der Himmel wird Sie dafür betrafen.

1) Geprellte.

16*

2144

Dreißigfle Scene.

Dorige. Hofa (aus zum Fortwandern gerüftet mit einigen Bünbeln, einem Sonnenfhirm.) Rofa. Was thuft denn, Valentin? So laſſ' ihn geh’n! Ich hab’ ja g’hört, Du bift betrunken?

Oalentin. Wer hat Dir das entdedt? Gott! Ich bin verrathen.

Wolf. Jetzt padt Euch! Beide!

Valentin. | Sollen wir ung jelber paden? Nein, wir paden ihn.

Roſa. Schäm' Dich doch!

Wolf. He! Bediente!

Bediente (oınmen.)

Wolf. Sagt diefes Tumpenpad bier aus dem Haus! Ich befehl’ es Euch im Namen unferd gnädigen Herrn. (Geht ab.)

Dalentin (geht auf einen Bedienten Los, welcher mit dem Kammerdiener ühn⸗ lichkeit in der Kleidung haben muſs.)

Was? Hinauswerfen wilft Du uns lafien? Du ſchändlicher Verräther!

-— 245

Noſa. Was treibſt denn da?

Valentin. Laſſ' mich geh’n, der Kammerbiener hier mufs unter meinen Händen fterben. Roſa.

Es iſt ja nicht der Kammerdiener!

Valentin. Niht? Das macht nichts. Es wird ſchon ein anderer Spigbub fein.

Bediente (achen.)

Aofa (win ihn fortziehin.) So gehe doch nur!

Palentin. Er ſoll fi) nicht für den Kammerdiener ausgeben, diefer Menſch, der in die Kammer gar nicht hinein darf.

Bediente. Jetzt fort! Wir haben mehr zu thun.

Cher. Hort! Nur fort! Packt Euch hinaus!

Ihr gehört nicht in dies Haus. Denn das heikt man zu viel wagen, So gemein ſich zu. betragen.

Sp zu trinken

Dis zum Sinten.

Tort hinaus

Aus dem Haus!

2146

Roſa.

Daſs ein wenig Saft der Trauben Einen Menſchen, ſanft wie Tauben, Des Verſtandes kann berauben,

Um ihn ſo hinauf zu ſchrauben,

Daſs er'n Hut nicht von der Hauben Kann mehr auseinanderklauben,

Das iſt ſtark doch, wenn S' erlauben.

valentin. Glaubt mir doch, Ihr lieben Leutel, Auf der Welt iſt alles eitel, Denn kaum trinkt man vierzehn Seitel, Hat man ſchon kein Geld im Beutel. | Schnappt vom Fuß bis zu dem Scheitel Z'ſamm als wie ein Tafchenfeitel,') Alles eitel, noch ein Geitel!

Chor. Ei was nüßt denn dieſes Gaffen, Fort mit Euch, Ihr dummen Laffen!

Aofa. Geh und leg Dich Lieber ſchlafen! Valentin. Ich hab' einen ſchönen Affen.?)

Chor. Macht uns nicht ſo viel zu ſchaffen, Ihr müſst Euch zuſammenraffen;

1) Taſchenmeſſer. 2) Rauſch.

247

Denn das wird uns fchon zu kraus, Hort mit Euch zum Schloſs hinaus! (Führen fie hinaus.)

——

Ginunddreißigfie Scene.

(Mufit. Verwandlung. Das Innere einer ganz verfallenen gothiihen Kapelle.

Es ftehen nur die Mauern no. Der Mond leuchtet am bewöllten Himmel,

und fein Licht ftrablt gerade durch das Eingangsthor, fo dafs der Bettler, wenn er die letzte Rede fpricht, von ihm beleuchtet wird.)

Ber Kettler (fit an der Ede der Hinterwand im Dunkeln auf einem niedern Etein.)

Flottwell

(in einen Radmantel gehüllt, tritt ein.)

Die Naht ift fühl. Auch zieht im Weiten ein Gewitter auf. Wenn es nur bald vorübergebt! Was raufht? Bin ich hier nicht allein? Wer kauert in der Ede dort? Hervor!

Ber Bettler cent auf.) Ich bin’s, mein gnädiger Herr, und habe Sie ſchon lang erwartet. | Flottwell. Was tritt mir dieſer Bettler heut' zum drittenmal entgegen? Ber Bettler

(thut einen Schritt vor, nun befcheint ihn der Mond.)

Slottwell. Ha! Wie der Mond fein Antlig graſs beleuchtet. Was wilft Du Hier von mir, Du grauenhaftes Bild des ſelbſtgeſchaffnen Jammers?

248

Bettler (niet.)

Ad, das verzweiflungsvolle Los meines geheimnis- vollen Elends und meine Herzensangft, daj8 Sie dies Land verlaffen, zwingen mich, den morfchen Leib auf's Neue in den Staub zu werfen. Sie find der Einzige in diefer unbarmherz’gen Welt, auf defien Großmuth ich noch bauen kann.

Flottwell.

Hinweg von mir! Je länger ich Dich ſchaue, je greulicher kommt mir Dein Anblick vor. Dring' ihn nicht auf, ich will Dich nie mehr ſehen.

Bettler.

Es fteht bei Ihnen, gnäd'ger Herr, mich gänzlic) zu verfcheuchen. Doch müfsten Sie dafür ein großes Opfer bringen. O, geben Sie die Hälfte diefes Schaßes nur, den Sie auf Ihrer Bruſt verbergen, und niemals hören Sie mid) mehr zu Ihren Füßen wimmern.

Flottwell.

Habgieriges Geſpenſt! Hat Satan Dich verflucht, daſs Du der Erde Gold ſollſt nach der Hölle ſchleppen? So ein Begehren kann ja Wahnſinn kaum erfinden. Ein Bettler, der um Millionen flehet. |

Bettler. Erlaubter iſt's, fie zu begehren, als fie wie Du bergeuden. Flottwell. Wie, wagſt Du's, mich zur Rechenſchaft zu ziehen? Du undankbarer Molch, den ich ſo reich beſchenkt!

249

Bettler. Nie wird ein Bettler müd’, den Reichen zu beneiden. Siottwell.

Wie Hundgeflaffe bei des Diebs Erſcheinen, fo ſchallt fein Heulen durch die Nacht.

Kettler (gegen den Eingang rufend.) D Hör’ es, Welt! O Hört es, Mienjchen alle, der überreihe Mann läfst einen Bettler darben.

Flottwell (gatbtaut.)

Dies gräfsliche Gejchrei wird mid) am End’ ver- rathen. Schweig’ doch und nimm dies Gold, um Deine Gier zu ftilen! (Cr wirft ihm einen Beutel hin.)

(Ferner Donner.)

Bettler

(hebt ihn auf, laut jammernd.) Zu wenig iſt's für mich, mein Elend ift zu groß. IH laſſ' nicht ab, der Welt mein Leid zu Hagen (wiſchen dem Eingang.) und ruf’ die Menſchheit zwifchen uns zum Richter auf. Flottwell. Verſtummſt Du nicht durch Gold, ſo mach' Dich dieſer Stahl verſtummen. CDurchſticht ihn.)

Bettler Gleibt ſtehen.)

Dein Wüthen iſt umſonſt. Du haſt mich nicht ver⸗ wundet. Was ich begehrt, kann mich allein verföhnen nur. (Nochmal bittend.) D möchteft Du doch jest in meine Bitte will’gen!

Flottwell (Hartnäsig.)

Du willft mid) zwingen ? Nie!

250

Beltler (halblaut rufend.) So flieh’, Verſchwender! flieh’! Doch mir entfliehft Du nicht, und an der Theme ſehen wir uns wieder. (Ab.)

(Der Mond verbirgt fi Hinter den Wollen, man hört den Wind braufen, Blitze Leuchten.)

Flottwell.

Als ich ihm hier im Mondlicht in das bleiche Antlitz ſtarrte, ergriff es mich, als ſäh' ich meines Vaters Geift. Die Naht wird ftürmifh. Halt! Ein Schatten fliegt daher !

Zwei unddreißigſte Hcene.

Voxriger. Amalie (in einen Mantel gehüllt, den Kopf mit einem Männerhut bedeckt, tritt athemlos ein.)

Flottwell. Biſt Du es, Wolf?

Amalie (ftürzt erichöpft in feine Arme.)

Nein! Ich bin es, mein Julius!

Flottwell (entzüet.) Amalie! Theures Mädchen! Kommft Du fo allein?

Amalie.

Ich konnte feine meiner Dienerinnen bewegen, das ungewiffe Los mit ber Gebieterin zu theilen. Mein Bater wacht bei dem Baron; d’rum laſſ' uns ſchnell ent⸗ fliehen; wenn er nad) Haufe kommt, fo wird er mich zu ſprechen wünſchen.

251

Flottwell. Es thut mir weh, den treuen Wolf zurückzulaſſen, doch drängt uns die Gefahr. Wenn wir nur das Gewitter nicht zu fürchten hätten. (Beide ab. Donner.)

Dreinnddreißigfie Scene.

(Verwandlung. Das Geftade ded See’. Auf einem Felſen eine Schifferhütte.

Mar und Thomas. Zwei Schiffer ziehen einen Kahn mit einem Segel au's

Wer. Die Wellen des See's gehen hoch. Es ift nicht gänzlich finfter, fondern falbes Licht.)

Thomas. Mar. Thomas (fteht auf dem Wels und zieht das Schiff.) Mar! zieh’ das Segel ein, der Wind zerreift es fonft.

Mar cthut es.) Das Hundemetter hat auch kommen müfjen, um armer Leut' Verdienft zu fchmälern.

Thomas. Wenn man am Morgen gleich ein altes Weib erblict, die brummt, da führt der Henfer ſtets ein Wetter her.

Mar.

Fluch’ nur nicht fo, fonft geht die See noch immer

höher.

vierunddreitzigſte Scene. Dorige. Sinttwell. Amalie,

Flottwell. Ha! ſeid Ihr da? Nun laſst uns ſchnell von hinnen!

252

Thomas. Was fällt Euch ein, wer wird in ſolchem Wetter fahren! Flottwell. Wir müſſen fort! Ich hab' Euch ja gedungen!

Max. Zum Überſchiffen ja. Allein, was zahlt Ihr uns denn für's Ertrinfen ? Thomas. Der Sturm ſchmeißt uns den leichten Kahn ja

zehnmal um, Mar. Wir jegeln nidt.

Flottwell (verzweiflungsvoll.) Ihr müſst! Thomas und Mar. Wir wollen nicht.

Amalie (ur nd.) O Gott! Du ſtrafſt mich ſchon in dieſer Stunde.

Flottwell. Ich brenn' Dir dieſe Kugel durch den Kopf! (Galt

ihm ein Xerzerol vor.)

Thomas | (ſchlägt ihm das Piſtol mit den Ruder aus der Hand.)

Lafst doch das dumme Zeug, das Wetter wird fchon knallen laſſen. Mae.

Da müfst Ihr und auf eine andre Weife zwingen.

253

Flottwell. Wohlan! Ich gebe Euch zweihundert Louisd'or, wenn wir den See im Rücken haben.

Thomas. Das iſt ein Wort! (Zu Mar.) Willſt Du Dein Leben wagen ? Mar.

Warum nicht? Wenn ich Hin bin, bin ich's nicht allein.

Thomas (ichlägt in Flottwell's Hand.)

Pos Sturm und Klippen denn, e8 gilt. Doch hört mid) an, Ihr feid ein großer Herr und habt wohl viel Delanntichaft oben; wenn wir erfaufen follten, mäfst Ihr im Himmel Euch für uns verwenden, ſonſt geht's

uns ſchlecht. Flottwell. Nun, auf gut Glück!

(Sie gehen alle vier nach dem Schiffe. Muſik beginnt. Nach einigem Herum⸗ werfen des Kahns ſteuern ſie fort. Das Gewitter wüthet. Es ſchlägt ein. Dies drückt die Muſik aus. Doch plötzlich Täfst der Sturm nad, die Wogen gehen niedrer, der Mond wird zur Hälfte zwiſchen den Wollen fichtbar und wirft feinen Schein auf den Bettler, welcher auf einem kleinen kaum bemerk⸗ baren Kahn, gebeugt fitend, fachte vorlberfährt. Die Muſik fpielt die Melodie feines Bettlerliedes. Wenn er fort ift, vermehrt fi) der Sturm, und die Cour- tine fällt.)

(Ende des zweiten Aufzuges.)

Perſonen des dritten Aufzuges. Fee Cheriſtaue. Amr, ihr dienſtbarer Geiſt. Jalins v. Flettuell. Herr v. Relf. VJalentin Felzwurn, ein Tiſchlermeiſter. Befa, ſein Weib. Siefe, Mithel, Zauſel, ſeine Kinder. gieſel,

bei Ein Gärtner. Ein Bedienter. Bediente, Nachbarsleute, Bauern, Senner, Sennerinnen.

(Die Handlung fpielt um zwanzig Jahre fpäter.)

Dritter Aufzug.

(Flottwelles Schlofs, wie zum Anfang des zweiten Actes, nur das Stamm⸗

ſchloſs in der Ferne ift zur Ruine verfallen. Flott well, ganz ausjehend wie

der Bettler, fittt beim Aufgehen der Courtine an demſelben Plat, wo der

Bettler ſaß. Wenn die Eingangsmufil, welche bei Eröffnung der Bühne noch mehrere Tacte fortdauert, geendet ift, fteht er auf.)

Erſte Scene.

Flottwell (auein.)

So ſeh' ich dich nach zwanzig Jahren wieder, du ſtolzer Freudentempel meines ſommerlichen Lebens. Du ſtehſt ſo ernſt und ſinnend da, gleich einem Monument in's Grab geſunkener Glückſeligkeit, die alte Fröhlichkeit ſcheint auch aus dir gewichen. Einſt ſchallte Jubel aus den Fenſtern dieſes Marmorſaales, ſilberne Würfel kollerten noch auf dem grünen Tiſch, berauſchte Spieler ſtürzten auf mein Wohl die goldnen Becher aus, und übermüth'ge Freude fehwang die riefgen Flügel. Nun ift es ſtumm und fill geworden, der Morgen Hat ſchon lang jein frohes Lied gefungen, und jene Pforte ift noch immer feft verfchloffen; oder blidft du nur in diefem Augen- lie fo ernft, weil dein Begründer fo dich wieder grüßt? Seit ic dich nicht gefehen, hat fi mein Schidjal fehr geändert. Ic habe Gattin, Kind und al mein Gut

256

durch eigne Schuld verloren. Verfolgung hab’ ich Hier wohl nimmermehr zu fürchten, denn Ylitterftein, mein größter Feind, ift in der Schlacht gefallen. Doch wo foll ic in diefer Lage nun um Beiftand flehen? Der eble Präfident er hat uns ja vor feinem Tode noch ver— zieh’n ift lang hinüber. An einige Freunde hab’ ich fchon gejchrieben, doch niemand will den armen Julius fennen. D’rum will ich noch das legte wagen, ich will nad) Bettlerweife einem Fremden mid) vertrauen, will dem Befiter diefes Schloſſes jagen, dafs ich der Erfte war, befjen Aug’ mit Herrenblid in diefem holden Eigen=- thum gefchwelgt, und dafs ich num nichts mein zu nennen hab’, als diefen Bettlerſtab; vielleicht dafs ihn die Größe meines Unglüds rührt. Hier fommt der Gärtner auf mich zu, den will ic) doch befragen.

Zweite Scene.

Boriger. Gärtner (mit einer Gießkanne. Er ift phlegmatifh, und etwas roh.)

Flottwell.

Guten Morgen!

Gürtner (ſieht ihn verdächtig an.)

Guten Morgen. (Für ſich) Muſs doch den großen Hund von der Kette Loslaffen, weil gar fo viel Geſindel immer fomnıt.

Slottwell.

Mein lieber Freund, wollt Ihr fo gut fein, mir zu fagen, wie Euer gnäd’ger Herr wohl heift und wie lang er dieſes Schlojs beſitzt?

257

Gürtner. Ihr wollt ihn wohl um etwas bitten?

Flottwell. Ich wünſche ihn zu ſprechen.

Gärtner Mic fa Scheint doch nicht, daſs er etwas ftehlen will. (Zaut.)

E83 mag jett ungefähr zwölf Jahre fein. (Rechnet nad.) Der Flottwell hat's gebaut, der wifht nad) England durd), da kauft's ein Graf, der ftarb, und dann nahm's unjer Herr, und der wird's wohl aud) bi8 an feinen Tod behalten.

Flottwell. Seid Ihr ſchon lang in ſeinem Dienſt?

Gärtner. Ziemlich lang, aber geftern hat er mich felbft abgedantt.

Flottwell. Wie tituliert man ihn?

Gärtner (unbedeutend.) Herr von Wolf. Flottwell. Bon Wolf? Bon der Familie Hab’ ich nie gehört.

Gärtner. Ja mit der Familie iſt's auch nicht weit her. Er

war des Flottwell's Kammerdiener.

Flottwell car.) Mein Kammerdiener? (Taist fit.) Nicht doch

Raimund, Dram. Werke. IIT. 17

258

Gärtner (uaqt große Augen.)

Was fällt Euch) ein? (Für fit.) Der Mann muſs nicht in Ordnung fein? (Deutet auf das Hirn.) Set will der Lump gar einen Kammerdiener haben. Laut.) Bei Flottwell, ſagt' ich, der in Amerika geftorben ift.

Flottwell.

Da hat Euer Herr vermuthlich eine ſehr große Erbſchaft gemacht?

Gürtner.

Nichts hat er gemacht, den Flottwell hat er tüchtig über's Ohr gehauen, da kommt ſein Reichthum her, der war ſo dumm und hat ihn noch dafür beſchenkt. Hat ihn gehätſchelt, und Unſerer hat ihn dann brav ausgelacht und ſagt ihm noch im Tod nichts Gutes nach. So geht's den jungen Herren, die nur verthun, und nichts verdienen können. Da hängen ſie den Schmeichlern alles an, die andern Leute ſind nicht ihresgleichen, und wenn ſie in die Noth dann kommen, lacht ſie alles aus. Gibt ihm Tabak.) Wollt Ihr eine Priſe nehmen ?

Fottwell. Ich danke! Nah einigem Nachdenken) Ich will ihn dennoch fprechen ! Gärtner. Nun, wenn Ihr ihn in guter Taune findet, vielleicht ſchenkt er Euch etwas. (Greift in ven Sad.) Ich will Euch auch auf ein Glas Branntwein geben.

Flottwell (wörtig.) Ihr feid zu gut. Ich bin Euch fehr verbunden.

259 Gärtner.

Ei feht einmal, wenn man ein armer Teufel ift, da muſs man jeden Grofchen nehmen. Doch Ihr werdet wohl am beften wiſſen, wie Ihr mit Eurer Caſſa fleht!

Slottwell (Geufzend.)

Ich dan? Euch fehr für Euren Unterricht. Mich wundert aber, daf8 Ihr das fo alles ungejchent von Eurem Heren erzählt.

Gärtner.

Früher hätt’ ich nichts gejagt. Jetzt geh’ ich aber

fo in einigen Tagen fort, da liegt mir nichts mehr d’ran.

Flottwell. Sagt mir nur Eins noch: Iſt Herr von Wolf im Beſitze dieſes ungerechten Gutes glücklich ? (Das Thor öffnet fich.)

Gärtner, Db der wohl glüdlih ift? Da fchaut ihn an und überzeugt Euch jelbft.

Dritte Scene.

Borige. Wolf. (Er iſt ſehr gealtert, ſieht ſehr krank aus, iſt in Pelz gekleidet und geht an einem Stock. Drei Bediente führen ihn.)

Flottwell (hrt zurüd.) Himmel! Ich hätt' ihn nicht erkannt.

Wolf

(ſein Betragen iſt ſehr düſter und finnend.) Ich habe eine üble Nacht gehabt, die Sonne kommt

mir heut' ſo trübe vor. 17*

260

Gärtner. Gnäbd’ger Herr! Es will ein armer Mann Sie fprechen. Sioitwell. Du lügft, ich bin's nicht mehr. (Fur fi.) In folcher Nähe macht mid) mein Bewuſstſein reich.

Wolf. Er kann nicht ärmer fein als ich. Wo ift er.

Siottwell «eitt vor.) Flottwell nennt er fich.

Wolf (fahrt zufammen.)

Flottwell ? (Fühlt in die Seite) Das hat mir einen Stich gegeben. Die böſe Gicht ift doch noch unbarm⸗ berziger, als es die Menſchen find. (Für fit) Er lebt noch und kommt fo zurüd? So ftraft der Himmel feine Sünder.

Gärtner.

Das ift der reiche Ylottwell? Gute Nacht, da will

ich Lieber Gärtner fein. (Geht ab.)

Bierte Scene. Vorige (ohne Gärtner.)

Wolf. Herr von Flottwell! ich fühle mich fehr geehrt, dafs Sie fi) Ihres alten Diener noch erinnern, und bedauere nur, dafs meine Krankheit, die mich fchon feit vielen Fahren quält, mir nicht erlaubt, meine Freude über

-- 261

Ihre Ankunft fo glanzvol an den Tag zu legen, als Sie von mir es fordern fünnten.

Flottwell.

Ich habe nichts zu fordern, gar nichts mehr. Was ic) mit Recht zu fordern hatte, iſt mir durch einen Höheren (Glickt gegen Himmel.) ſchon geworden. Ich wollte nur den Befiger meines Schloffes fehen.

Wolf (acheind.)

Ja es ift ein ganz befondrer Zufall. Ich Habe dadurd) eine wahre Anhänglichfeit an Ihr Haus bewiefen. Der Himmel hat mid) mit Gewinn gefegnet, aber ich habe jett große Berlufte erlitten. Verzeihen Sie, der Arzt erlaubt mir nicht fo viel zu fprechen, ich weiß die Ehre Ihres Befuches fehr zu ſchätzen. (Zu den Bedienten.) Geleitet mic) zu jener Ausficht Hin. Doch nein! In's Schlofs zurüd. Auch das nicht! Nach dem Garten. Der Garten ift fo ſchön, nur Schade, dafs die Rofen fchon verwelfen. (Wird nachdenkend.) Wie oft werd’ ich fie wohl noch blühen fehen ? (Schauert.) Heut’ ift ein Talter Tag.

Flottwell. Mir ſcheint die Sonne warm.

Wolf.

Mich friert. Geht doch hinab in's Dorf und ruft den frommen Mann, den ich ſo gern jetzt um mich habe, daſs er mir ein moraliſches Buch vorliest. Ich hör' ſo gern moral'ſche Bücher leſen; die Welt iſt gar ſo ſchlecht, und man kann ſeinen Troſt nur in der Zukunft ſuchen. (Wird in den Garten geführt.)

2362 Flottwell

(zu dem letzten der Diener.)

Der Herr iſt ſchwer erkrankt! Iſt er geliebt? Wünſcht man ihm langes Leben?

Diener (ichättelt den Kopf und fagt gleichgiltig.)

Er ift ein geiziger Filz, den niemand leiden kann; und in einigen Wochen wird 8 wohl mit ihm zu Ende geh’n. Adien! (Seht nad in den Garten.)

Siottwell (fieht gegen Himmel und ſchlägt die Hände zuſammen.)

D, Flottwell's Schlojs, was beherbergft Du für Menfchen jet! Was ſoll ich nun beginnen? Die wenigen Thaler, die ic) noch beſaß, Hab’ ich auf meiner monden⸗ langen Wanderung verzehrt. Ich Hab’ gefpart und trocknes Brot gegeflen, und doc) befige ic) nicht einen Pfennig mehr. Dort mein altes Schlofs! (Sieht nad ber Ruine in der Gerne) Es ift zum Sinnbild meines jeg’gen Glückes zufamm’geftürzt. (Er haut mit verfhräntten Armen hin.)

Sünfte Scene.

Voriger .Valentin (in bürgerliger Tracht als Tiſchlermeiſter, einen Hobel im Sad, kommt trillernd. Er hat ſchon dunkelgraues Haar.) Balentin.

Wenn ein ZTifchler früh auffteht,

Trala, Ia, la. (Sieht Flottwell.) Schau’, ſchau', das ift ein armer Mann, ich mus ihm doch was fchenfen, (Er nimmt einen Groſchen aus dem Sack und will ihn Flottwell reichen, doch flugt er, als er ihn erblidt.) He! Alter!

263

Flottwell (cehrt fh gegen ihn.)

Was ıft

Valentin.

Ich weiß nicht, diefes G'ſicht das G'ſſicht ift mir befannt. Vest trau’ ich mir ihm faft den Grofchen gar nicht zu geben

Flottwell.

Was wollt Ihr denn?

Balentin (noch gereizter.)

Die Stimm’ das wird doch nicht ? (Ersittert.)

Sie hören S' das wär’ entſetzlich bitt’ um DVerzei- hung! Sie, kennen Sie das Sclojs?

Flottwell (gerührt.) Ob ich es kenne, Freund? Es war ja einſt mein Eigenthum! Valentin (areit zaic.) Mein gnäd'ger Herr! Mein gnäd'ger Herr!

Flottwell. Wer biſt Du, Freund?

Valentin.

Der Valentin. Kennen mich Euer Gnaden denn nimmermehr, der Tiſchlerg'ſell, der einmal bei Ihnen gearbeitet hat, und den Sie als Bedienten aufgenommen haben, weil er Ihnen ſo gut g'fallen hat.

Flottwell (autmũthig.) Valentin? Der gute, ehrliche Valentin? Und Du

erinnerſt Dich meiner?

264

Balenlin.

Ob ich mich erinnere? O Gott! Euer Gnaden waren ja fo gut mit mir, und haben mir ja fo viel gefchentt. Einen Ducaten hab’ ich mir noch aufgehoben, (gutmüthig.) aber die andern hab’ ic alle ausgegeben.

Siottwell. Und geht e8 Dir gut?

Valentin.

Nu mein. Wie's halt einem armen Tiſchler geh'n kann. Auf dem Land iſt ja nicht viel zu machen. Ich bin zufrieden.

Flo ttwell.

Dann biſt Du glücklich!

Valentin. Nu, man nimmi's halt mit, fo lang als Gott will. Aber Euer Gnaden fcheinen mir gar nicht zufrieden zu fein.

Flottwell. Nicht wahr! Ich Hab’ mich ſehr geändert?

Valentin (verlegen.) Ah nein! nein! Euer Gnaden fchauen gut aus gut recht gut. A Bilfel ftrapaziert, aber (beifeite.) das fann man ja einem folchen Herrn nicht jagen.

Flottwell. Mein guter Valentin, nun kann ich Dich nicht mehr bejchenten ! Dnlentin. Beichenten? Euer Gnaden werden mich doc jett nicht mehr befchenten wollen? Da müfst ih Euer Gnaden

265

richtig völlige Grobheiten anthun. (Faist fit.) Bitt' um Berzeihung! Ich red’ manchmal, als wenn ich Hobel- ichatten!) im Kopf hätt. Seit ic) wieder Tifchler bin, hab’ ich meine ganze Politur verloren.

Flottwell (für fie.) Soll ih mich ihm entdeden ?

Valentin (ur fg.) Ich trau' mir ihn gar nicht zu fragen, mir ſcheint, er iſt voll Hunger. Flottwell. Gehſt Du nach Hauſe?

Valentin.

Nein! Ich ſoll im Wirtshaus drüben die Thür zuſamm'nageln, weil ſ' geſtern einen hinausgeworfen haben, und da iſt er ihnen angekommen an die Thür, und da bat f einen Sprung kriegt. Und dann Hab’ ich der Schulmeifterin eine neue Linier?) machen müffen, fie bat ſ' an ihrem Mann abgefchlagen, weil fie ihn manchmal liniert.

Flottwell

(kämpft mit ſich, ſeufzt, greift fich an die Stirne und fagt dann) Nun! So leb' wohl! (Will gehen.)

Valentin (sätt ihn auf.)

Wo wollen denn Euer Gnaden hin? Euer Gnaden werden mir doc) nicht wieder davonlaufen? Jetzt hab’ ich ja erft die Ehr’ gehabt zu fehen, Geiſeite) Wann id) nur wüfste, wie ich das Ding anjtellen ſoll?

i) Hobelſpäne. 2) Lineal.

2366

Mottwell (euft.) Was willſt Du denn noch?

Balentin,

Euer Gnaden verzeihen! Aber fagen mir Euer Gnaden aufrihtig, fein Euer Gnaden heut’ ſchon ein- geladen ?

Flottwell (achelt.)

Nein! Lieber Mann!

Valentin. Dürft' ich wohl fo frei fein und dürft’ mir die Ehr’ ausbitten auf eine alte Hausmannskoſt.

Flottwell (gerührt) Ic dankte Dir! Nechtichaffener Menſch! Ich komme.

Palentin.

Nichts kommen. Ah, beleib’. Ich lafl’ Euer Gnaden nimmer aus. Die follen ſich ihre Thür felbft zuſammen⸗ nageln. Ich muſs mit meinem gnädigen Herrn nad) Haug geh’n jett.

| Slottwell.

So komm’!

Valentin.

Aber das fag’ ich gleich, jo geht's bei mir nicht zu, wie’8 einmal bei uns da (aufs Schlofs deutend.) zugegangen ft AH (qhlagt ih aufs Maul.) Schon wieder fo ein Hobelfchattendiscurs.

Siottwell. Ich werde mit allem zufrieden fein.

2367

Valentin,

Nichts! nein! Wird nicht fo fchlecht ausfallen. Der alte Valentin läſst fich nicht |potten. Ah, wir werden ſchon was zufamm’fochen, ich und meine Alte. Wird fi ſchon wo ein übertragens Geflügelwerf finden. So lang der Ba- lentin wa8 hat, werden Euer Gnaden nicht zu Grund gehen. Jetzt werden wir unfern Einzug halten. AH, jo kann's nicht ablaufen, Euer Gnaden müſſen eine Auszeichnung haben. Ich geh’ voraus und Euer Gnaden kommen nad); und alle meine Kinder müſſen Spalier machen, und wie Euer Gnaden eintreten, müſſen ſ' fehreien, dafs ihnen die Bruft zerfpringen möcht’: Vivat! Unfern Batern fein gnädiger Herr ſoll leben!

Siottwell,

Suter Valentin. (Geht Arm in Arm mit ihm ab.)

Valentin. Das ift ein Leben in der Welt!

Geste Scene.

(Berwandlung. Zifchlerftube. Eine Hobelbank. Tifchlerwerkzeuge hängen an der Wand. Tiih und Stühle Links ein Fenfter, recht? eine Seitenthür. Liefe jagt den Michel, der eine Pudelmütze auf Hat und Bücher mit einem Riemen zufammengefchnürt, aus dem Gabinet heraus. Hiejel fägt bei der Hobelbant.)

Kiefe. Michel. Hiefel. Hanfel wäre Pepi.

Kiefe. Dart’ Du Spisbub, wann die Mutter nad) Haus kommt! Sch werd’ Dir nafchen lernen. Kaum kommt er nad) Haus, fo hat man fchon wieder Gall'.

268

Michel (weinend.) Die Mutter hat mir's erlaubt.

Kiefe (reißt dem Hiefel die Säge aus der Hand.) Steh'n laſſ', ſag' ich, wenn Du den Vatern was ruiniert.

Hieſel. Ich arbeit’ ſchon fo gut als der Vater. (Sämmert.)

(will aus dem Cabinet herausgeh'n, fällt aber nieder und weint.)

Liefe.

Den Buben hebt’8 auf! (Sie Hebt ihn auf, er hat noch das

Kinderrödien an, und ſtellt ihn auf den Tiſch) Jetzt tft er noch nicht angezogen. (Sie zieht ihm fein Camiſol an.)

Michel (supft fie am Kleid.) Den Schlüffel gib mir, daſs ich meine Schulbücher aufheben Tann. | Kiefe.

Laff mich geh’n, ich muſs den Buben anzieh’n. Wann die Mutter kommt! Es ift fchon elf Uhr.

Hanfel. . Hiefel, komm' heraus! Wir fteigen in’ Taubenfobel!) hinauf. Tiefe. Nein, wenn die Buben aus der Schul’ zu Haus fommen, iſt's nicht zum Aushalten. Hiefel (Himmert.)

1) Taubenfchlag.

269

Kiel. Hörft nicht zum Hammern auf?

Midyel (deutet nad) dem Wusgang.) Das Fleiſch geht über. (Eine Gans lauft herein und feifst.)

Cieſe

(ſetzt den Kleinen Buben mitten ins Zimmer, der ſchreit.) Auf den Heinen Buben gebt’8 acht! (Käuft hinaus.)

Hanſel cuft.) Hiefel! Auſſa!) geh’! (Geht vom Benfter.)

Siebente Scene. Voxrige. Valentin. Flottwell. Valentin. |

Spazieren Euer Gnaden nur herein! allen Euer Gnaden nicht über den Buben, Wer hat ihn denn ba mitten in's Zimmer hergefettt? Ich bitt! um Verzeihung ! Es ift alles in Unordnung. Einen faubern Seffel heraus!

Michel

(läuft ins Cabinet und bringt einen hölzernen Stuhl.)

Valentin. Jagt's die Gans hinaus! Die Hobelſchatten weg!

Hieſel cthut ee.)

Valentin au Miqel.) Einen Polſter bring'!

N Heraus.

270 Micyel (läuft fort und ftotpert.)

Valentin. Jetzt wirft er das Leimpfandel um; wie g'fallt Euer Gnaden denn die Wirtſchaft?

Michel (bringt einen Bettpolſter.)

Valentin, Was treibft Du denn, hätteft gar eine Tuchet gebracht. (Sagt ihn fort bamit; zu Flottwell.) Ich bitt’, Pla zu nehmen. Lieferl, wo bift Du denn ? Komm doc) herein. Alle Kinder! (Liefje, alle Kinder, bis auf Hans.)

valentin. Wo iſt denn der Hanſel?

Cieſe. Der iſt ſchon wieder draußen.

Balentin (wirft einen Blick durch's Fenſter.)

Da hab' ich die Ehre, meine Familie aufzuführen. Eins, zwei, drei, vier und der fünfte ſitzt auf dem Tanbenkobel oben. Mein Weib wird gleich nach Haus kommen, die wird ein Vergnügen haben. Hanſel, g'ſchwind herein!

Hanſel (uft) Ich kann ja nicht ſo g'ſchwind herunterſteigen.

Valentin. So fall' herunter. Jetzt, da geht's her, Kinder, da ſtellt Euch im Kreis herum!

171 Hanfel kommt.)

Valentin.

Da ſchaut's den Herrn an, das iſt mein lieber, guter, gnädiger Herr, von dem ich Euch ſo viel erzählt hab', der hat Eurem Vatern und viel hundert Menſchen Gutes gethan. Geht's hin und küſst ihm alle die Hand.

(Die Kinder thun es, unterdeſſen ſagt)

Hanſel. Vater! der ſieht ja gar nicht aus wie ein gnädiger

Herr. Valentin. Biſt ſtill, Du biſt kein Kenner, was verſtehſt denn Du davon! Hanſel (nut es aus.)

Depi. Euer Gnaden? Pepi aud) Hand Füffen.

Dalentin. Das jüngfte Kind meiner Laune, Euer Gnaden.

Cieſe (vertegen.) Euer Gnaden! Unfer Herr Vater hat uns halt fo viel Gutes, Liebes und Schönes von Euer Gnaden gefagt, dafs wir uns recht freuen, Euer Gnaden kennen zu lernen.

Flottwell.

Gott! (Sinkt von Schmerz und Scham überwältigt in den Stuhl und verhüllt mit beiden Händen das Geſicht.)

Kiefe (eiſe. Vater! Der Herr bedauert mich recht, dem muſs's ja gar ſchlecht geh'n!

272

Valentin (evenio.) Thut's nichts dergleichen, wir werben fchon darüber reden. Kiefe (geht ab.)

Dalentin. Geht's jetzt, Kinder, geht’8 ein wenig in den Hof hinaus. (Bu Hiefer) Du ſchau' Dich) drauf’ um die fettefte Enten um, (m Miger) und Du fudft Dein’ Mutter

auf. Sie foll glei) nad, Haus kommen! (Kinder ab.)

Achte Scene. Valentin um Slottwell.

Valentin.

Mein Gott! Die Kinder, die wiſſen noch nichts von ber Welt. (Seufzt. Ja, ja! Sein Euer Gnaden nicht jo betrübt. Ich Hab’ felbft nicht zu viel, aber Euer Gnaden dürfen mir nicht zu Grunde gehen. Aber erzählen mir Euer Gnaden doch einmal, wie ift denn das Unglüd fo gekommen?

Slottwell.

Ich lebte durch acht Jahre mit meiner edlen Gemahlin, die mir in London einen Sohn geboren Hatte, ganz glücklich. Jedoch auf einer Reife nad) Südamerifa, von welcher fie mich vergebens abzuhalten fuchte, als hätte fie mein Unglüd geahnet, entriſs mir der Tod beide. Ich gieng nad London zurüd, fuchte Zerſtreuung. Mein Aufwand ftieg! Ich ließ mic) in großartige Speculationen ein, die mir nur Ruhm, aber feinen Gewinn bringen

--- 273

fonnten; und nach mehreren Jahren jah ic) mein Ber- mögen bis auf einen Heinen Reſt gejchmolzen. Nun ward mir bange, ich bejchlofs, nad) meinem Vaterland zurüd- zufehren, mit dem feſten Vorſatz, mich in jeder Hinficht einzufchränken. Ich fam nad) Deutfchland, ein unglüclicher Gedanke hieß mid) Wiesbaden beſuchen. Hier war bie Grenze meines Leichtfinns. Nach zwanzig Jahren fpielte ich wieder einmal in der Hoffnung mein Vermögen zu vermehren, ich gewann, fpielte fort und verlor alles, alles, mufste meine Garderobe zurüdlaffen und mit zwanzig Thalern die weite Reiſe nach meiner geliebten Heimat, wohin es mich mit unmiderftehlicher Gewalt zog, zu Fuße machen, und fo bin ich zum Bettler nun verarmt.

Valentin.

Das ift freilich eine traurige Gefchichte, aber es ift halt nothwendig, dafs man's erfahrt. Aber verzeihen mir Euer Gnaden, Euer Gnaden fein doc) ein bifjel felber ſchuld. Es ſchickt fi) nicht, dafs ich das ſag'. Aber ein Herr, der fo dageftanden ift, wie Euer Gnaden, e8 ift zum Todtärgern. Ich kann mir nicht helfen, ich red’ halt, wie ich's denke.

Flottwell.

Du haſt recht. O jetzt erſt treten alle Warnungen vor meine Seele, die ich aus Stolz und Übermuth ver- fchmähte. Cheriftane und das grauenvolle Bild des geheimnisvollen Bettlers, der mich jo lange Zeit verfolgt und defien Abkunft ich wohl nie enträthfeln werde.

Valentin. Nun fein Ener Gnaden nur beruhigt. Wie ic) g’jagt

hab’: Alles, was in meinen Kräften fteht. Haben Euer Raimnnd, Dram. Werte, II. 18

174

Gnaden nur die Gnad' ımd gehen Euer Gnaden derweil allergnädigft in das andere Zimmer hinein, daſs wir da ein wenig zufammenräumen können. Es fehaut gar fo innobel aus. Schauen fi Euer Gnaden ein wenig um d’rinnen, da werden Euer Gnaden etwas darin jehen, was Euer Gnaden gewiſs erfreuen wird.

(Ex geleitet ihn bis au die Thür.)

Flottwell. O Diener-Treu, Du gleichſt dem Mond; wir ſehen Did) erſt, wenn unſere Sonne untergeht. (Ab.)

Palentin. Das ift eine fchöne Rede, aber ich hab’ fie nicht verftanden. Lieft, Kinder, geht's herein!

| Deunte Scene. Voriger. Die drei Rinder, Tiefe, Hieſel. Hanfel.

Liefe. Was befiehlt der Vater?

Valentin. Habt Ihr Euren Batern gern? | Ale Drei. Ta! Valentin. | Wollt Ihr ihm eine Freude machen ? Alle Brei.

Ya, lieber Vater!

275

Valentin.

Berdrufs habt Ihr mir ſchon genug gemacht. Seid mit dem Herrn da d’rin recht gut und höflich. Er wird bet uns im Haus bleiben. Ic laſſ' ihn nimmer fort; und redet der Mutter auch zu, fie ift eine gute Frau, aber mandymal ein wenig gäh.

Michel.

Wir wiffen8 am beften, wir haben genug aud- zuftehen mit ihr.

Onlentin.

So? Ja was die Eltern jeßt den Kindern für Kummer und Sorgen verurſachen, das ift außerordentlid). Alfo geht Hinein zu ihm. Ich komm’ gleich wieder, id) muſs die Thür im Wirtshaus machen, und vergefst nicht, was ich gejagt hab’. Er ift unglüdlih. Mit un- glüdlihen Menſchen muſs man fubtil umgehen, die glüdlichen fünnen fchon eher einen Puff aushalten,

(Kinder ab in's Cabinet,)

Zehnte Hcene.

Valentin Catein.)

Nein, wenn man foldye Sachen erlebt, da wird man am. Glüd völlig irre. Was nutzt das alles! Der Menſch denkt, der Himmel Ienft.

Lied. Da ftreiten fi) die Leut' herum

Dft um den Wert des Glüds,

Der eine heißt den andern dumm,

18*

2776

Am End’ weiß feiner nir.

Das ift der allerärmfte Mann, Der andre viel zu reich,

Das Schickſal fest den Hobel an Und Hobelt | beide gleich.

Die Jugend will halt ſtets mit G’walt In allem glücklich fein, Doch wird man nur ein biffel alt, Da find’t man ſich ſchon d’rein. Oft zankt mein Weib mit mir, o raus! Das bringt mich nicht in Wuth, Da Hopf’ ic) meinen Hobel aus Und den, Du brummft mir gut.

Zeigt fi) der Tod einft mit Berlaub Und zupft mich: Brüderl kumm, Da ftell’ ich mid) in Anfang taub, Und fchau’ mid) gar nicht um. Doc) fagt er: Lieber Balentin, Mad’ feine Umftänd’, geh’! Da leg id) meinen Hobel hin, Und fag der Welt Adje! (Ab.)

Elfte Scene.

Flottwell mit einem Bilde in der Hand, fein Bild in jungen Jahren vo rftelfend.) Fiefe. Hanfel. Hiefel.

Flottwell. Wie freut mich das, mein Bild in Eurem Haus zu finden. Ich könnt' es nicht in beſſern Händen wiſſen. Wie iſt es an Euren Vater gekommen?

277

Cieſe. Der Vater hat uns erzählt, er hat's im Schloſs gekauft, wie alles gerichtlich licitiert iſt worden.

Flottwell ceutst.) Ja ſo! Hanfel. Und e8 hat nicht viel gefoftet. Es hat fein Menfch was geben wollen dafür,

Flottwell (ür fie.) Schändlich! Kiefe (Heimtig.) Biſt ftill, weißt Du nicht, was der Vater gejagt hat? Hirfel (deutet an den Rand des Bildes.) Da fteht der Datum, wenn Euer Gnaden geboren fein.

Cieſe (fieht nam.) Den legten Julius. GFreudig.) Da ift ja heute Ihr Geburtstag ? Ah! das ift ſchön! Gerade fünfzig Jahr'.

Alle drei. Wir gratulieren ! Liefe (täuft fort.)

Flottwell. Als die Sonne ſank, ward ich geboren. Wenn ſie wieder ſinken wird, wo werd’ ich fein? (Berfintt in Nachdenken.)

| Hieſel au San.) Da bin ic) vergnügter, wenn mein Geburtstag ift.

278 ---

Snnfel. Ja, er ift ja ſchon fünfzigmal geboren, da g’wöhnt man’ balt. Kiefe (führt Pepi herein, der jekt als Knäbchen veinlich gekleidet ift und einen großen Blumenftrauß trägt.)

Da bring’ ich noch einen Gratulanten.

Hanuſel (fieht zum Fenſter hinaus.)

Juſt kommt die Mutter! (Läuft hinaus.)

Kiefe (erzlich. Möchten Euer Gnaden nocd viele folde Blumen auf Ihrem Weg erblüben! Das wünfcdhen wir Ihnen alle von ganzem Herzen.

FSlottwell

(nimmt tief ergriffen den Blumenſtrauß, fagt:) Ich dank' Eud), Liebe Kinder! (und tegt ihn auf den Tiſch.) Ad, warum kann ich Euch nur mit Worten danfen!

Swölfte Scene.

Borige. Rofa (ſchlicht bürgerlich gekleidet, gealtert; fie trägt einen bededten Korb. Hanfel und Michel mit ihr.)

Roſa (emient zu Hanfel.)

Was, dableiben, erhalten, ein’ fremden Menjchen, wenn man jo viel’ Kinder zu ernähren hat? Iſt Dein Bater närriſch? Das gieng’ noch ab! (Exrblidt Flottwell.) Da ift er ja! (tr fig) Nu, der fieht fauber aus!

79 Flottwell

(der am Tiſche ſaß und auf Roſas Reden nicht horchte, fteht auf.) Guten Tag, liebe Frau!

Roſa (boshaft grüßend.)

Guten Tag, Herr von Flottwell! Freut uns, daſs Sie Ihre alte Dienerſchaft aufgeſucht haben, ſo können Sie ſich doch wenigſtens überzeugen, daſs wir arme, aber ehrliche Leute ſein. In unſerm Hauſe hat nie ein Schmuck exiſtiert, wir haben uns, wie Sie ſehen, auch in Ihrem Dienſt nicht ſo viel erwirtſchaften können, als wie gewiſſe Perſonen, die ſich ein Schloſs davon gekauft haben. Ich glaub', Sie werden mich verſtanden haben.

Flottwell.

Ich verſtehe Sie nicht ganz, liebe Frau. Ich erinnere mich nicht genau an alle Ereigniſſe meines Hauſes. Nur das weiß ich gewiſs, daſs keinem meiner Diener mit meinem Willen eine Ungerechtigkeit widerfahren iſt.

Roſa (ein.)

Nu! Verhältniſſe beſtimmen ja auch ſelbſt die Äußerungen ſolcher Herren. Ich kann Ihnen gar nichts ſagen, Herr von Flottwell, als: Sehen Sie ſich bei uns um! Können Sie von uns fordern, daſs wir in unſerer ein- gefchränkten Lage noch einen Mann erhalten, dem wir nicht8 zu danken haben, als unfern richtigen Lohn, jo fteht e8 Ihnen frei, bei uns zu bleiben. Mein Mann ift ein guter Lapp, der läſst fid) zu allem überreden, der nehmet' die ganze Welt in's Haus, aber ich bin die Hausfrau, ich hab’ zu entjcheiden, ic) kenn' unfere Verhältnifie, unfere Ausgaben und unfere Einnahmen. Ich muſs für

-— 280

meine Kinder jorgen, wenn fie nichts zu efjen haben, und ih kann meine Einwilligung nicht geben. Es wird uns freuen, wenn Sie uns heut’ auf Mittag beehren wollen, wir werden und nicht fpotten laſſen. Aber für immer? Berzeihen S’! Das kann ic) nicht zugeben. Heut’ in meinen Haus und nimmer!

Flottwell

(mit empörtem Erſtaunen.)

Nein! Ich hab' es nicht gehört! Es war ein Traum! So ſprach ſie nicht zu Julius von Flottwell, ihrem einſt'gen Herrn. Zu jenem Flottwell, der im gold- umftarrten Saale hundert Schmeichler an der Tafel jah, zu dem gepriefenen Vater feiner Diener, zum Cdelften der Tsreunde, zum Beten, Schönften, geift- und gold- beglüdteften der Menfchen, und wie die Lügen alle heißen, die ihre Süßigkeit an’8 volle Glas hinſchrieb. So ſprach fie nicht zu mir, den diefer Blumenftrauß fchon zu fo beil’ger Dankbarkeit entflammen konnte, als Hätte ihn ein Engel in des Baradiefes Schoß gepflüdt? O Weib! Könnt’ ich den zehnten Theil meines verlornen Glücks zurüdbeihwören und zehnfach' Elend auf Dein altes Haupt Hinfchmettern, da8 Did) zu meinen Füßen führen müfste; dann follte meine Großmuth Dich belehren: wie ungeredht Du warft, dafs Du in meinem Unglüd mic) jo bitter Haft gefränft. (Geht ab.)

Kiefe (vetrübt.) Das hätt! die Mutter aber doch nicht thun jollen.

Roſa Gomig,) Still jei! und marſch in die Kuchel hinaus! Eieſe geht ab, zu den Buben.) Nu, habt Ihr nichts zu thun?

281

Hanfel (qhluchzt.)

Das fag’ ich dem Batern, warn er zu Haus kommt. (Seht ab mit den andern.)

Roſa (attein.)

Das wär’ eine ſchöne Wirtfchaft! Und wie der Menſch fcehreit in einen fremden Zimmer! Und er hat ja was von einem alten Haupt g’fagt. Hab’ denn id) ein altes Haupt? Der Menfch muſs gar feine Augen im Kopf haben. Das nugt einmal alles nichts, reden muſs man um feine Sad)’. Wer 's Maul nicht aufmadıt, muſs den Beutel aufmachen. Ah, da kommt mein Mann nad) Haus, dem werd’ ich meine Meinung fagen.

Dreizehnte Scene. Bnrige. Yalentin.

Dalentin, So! Vest ift die Thür aud) wieder in der Ordnung. AH bift Schon zu Haus, Liebes Weib? Das ift g’jcheit.

Rofa. Ia, zum Glüd bin ich noch zur rechten Zeit zu Haus gefommen, um Deine voreiligen Streiche wieder gut zu

machen. Onlentin.

Was denn für Streich’? Wo ift denn der gnädige Herr?

Roſa. Wo wird er ſein? Wo es ihm beliebt!

Dalentin. Was? Was Haft g’fagt? Iſt er nicht in der Kammer d’rin?

282

Roſa. Such' ihn! Valentin (chaut hinein.) Wo iſt er denn? (Heftiger) Wo iſt er denn?

Roſa. Was geht's denn mich an? Was kümmern mich denn fremde Leut'? Balentin. Fremde Leut’? Haft denn nicht gefprochen mit ihm?

Roſa (unwilig.)

Valentin. Was iſt denn da vorgegangen? Kinder! kommt alle her!

Ah was!

Vierzehnte Scene. Borige. Tiefe. Hanſel. Hieſel. Michel (ver den Vepi führt.) Valentin. Wo iſt der gnädige Herr?

Cieſe (verlegen.)

Ja ich Roſa ca.)

Nun was ſtockſt? Fort iſt er. Was iſt's weiter? Valentin.

Fort ift er? Wegen was ift er fort? Wann iſt er fort? Wie ift er fort? Um wie viel Uhr ift er fort?

Fiele. Ja die Mutter

283

Valentin. Heraus damit! Roſa. Nu ſag's nur, was fürchteſt Dich denn? Cieſe.

| Die Mutter Hat zu ihm g’fagt: Sie behalt ihn nicht im Haus.

Hanſel (mweinend.) Und der Bater machet' lauter jo dumme Sachen.

Onlentin. Das halt Du gejagt?

Hieſel.

D'rauf iſt er fortgelaufen und hat geweint.

Valentin (bricht in ein ironiſches Lachen aus.) Ha! ha! (Elatjcht in die Hände.)

Roſa. Nu, was ſein das für Sachen? Valentin. Still ſei! Kinder, geht's hinaus.

Roſa.

Warum nicht gar

Valentin. Still ſei da ſetz' Dich nieder!

284 Roſa. Balentin

(drängt fie auf den Stuhl.) Nieder je’ Dich! Kinder geht's hinaus. (Kinder gehen ab.)

Du!

Hanſel Lim Abgehen.) Nein, wie's in unſerm Haus zugeht, das iſt ſchrecklich. cap.)

Sünfzehnte Scene. Roſa. Valentin. Ohne Kinder.)

Roſa (vringt auf.) Jetzt was ſoll's ſein?

Valentin.

Nur Geduld! Ich hab' Dich nicht vor den Kindern beſchämen wollen, wie Du mich. Was iſt Dir jetzt lieber, willſt Du meinen gnädigen Herrn im Haus behalten, oder ich geh' auch fort.

Roſa.

Was? Was willſt Du für Geſchichten anfangen,

wegen einem fremden Menſchen.

Onlentin. ' IH er Dir fremd? Mir nit. Einem Menichen, dem ich Dank fchuldig bin! Der kann mir gar nidjt fremd werden.

Rofa. Du bift Vater, Du mufst auf Deine Kinder ſchauen.

2385 Yalentin.

Er ift auch mein Kind, ich hab’ ihn angenommen.

Roſa. Nu, das iſt ein junges Kind.

Dalentin. Ja, fo jung als Du ift er freilich nicht, denn Du betragft Dich, ald ob Du vier Jahr’ alt wärft.

Rofa. Kurz und gut, ich leid’ ihn einmal nicht im Haus.

Dalentin. Du leideft ihn nicht? Kinder, kommt's herein.

Sechszehnte Hcene. Dorige. Alle Rinder. Alle Rinder. Was befiehlt der Vater?

Dalentin. Zieht's Euch an, Ihr geht mit mir.

Hieſel. Wohin denn, Vater ?

Valentin. Das werdt's ſchon ſehen, auf die Schleifen!) geh'n wir nicht. Nehmt's alles mit. Eure Studien, das Namen⸗

1) Eisbahn.

286

büchel, die ganze Bibliothet, den Hobel, daS ganze Arbeitszeug, alles! Roſa.

Ah, das iſt mir ja noch gar nicht vorgekommen!

Yalentin. Set? O es gibt Sadjen, wovon ſich unfere Philo- ſophie nichts träumen lafst.

Hanfel. Aber Heut! nimmt ſich der Vater zufammen, das iſt g'ſcheit. Roſa

(flemmt die Hände in die Seite.) Du willft die Kinder aus dem Haus nehmen?

Valentin.

Ich bin die Urſach', dafs fie in's Haus gekommen find, folglih Tann ich f auch aus dem Haus nehmen. Tiefe.

Aber Vater, was foll denn das werden ? Das wär’ ja ganz entſetzlich! Valentin (m Lieſe.) Willſt Dir bei Deiner Mutter bleiben ?

Cieſe. Ja, das iſt meine Schuldigkeit.

Dalentin.

Sp geh’ zu ihr! Eieſe geht Hin) Buben, geht's Her zu mir! (Die Buben treten auf feine Seite.) Das find Die Stüßen meines Reiches, die g’hören mir zu. Macht's Euch fertig !

(Die Buben nehmen alles.)

287

Hiefel. Was fol denn ich noch nehmen?

Valentin. Den Zirkel, runder Kerl.

Rofa.

Er macht wirklich Ernft, das hätt! ich meinem

Leben nicht geglaubt. Kiefe. Liebe Mutter, gib die Mutter nad).

Balentin.

So, jest ift der Auszug fertig. Jetzt gebt's acht, jest werd’ ic) commandieren: Nechtsum, ehrt Euch,

marſch! (it fort.)

Roſa (ruft ihm reumüthig nad.) Du Mann, halt!

Valentin.

Roſa. Ich muſs Dir noch was ſagen!

Was gibt's?

Valentin (fur fd.)

Aha! Jetzt fangen die Unterhandlungen an.

Nur kurz! Das ſag' ich gleich.

Roſa (eiſe.) Laſſ' die Kinder hinaus geh'n.

Valentin, Kinder, geht's hinaus!

(2aut.)

288

Cieſe tür fa.) Nu, Gott fei Dank!

Hanfel. Mir ſcheint, die Mutter gibt doch nach. Fa, warn wir Männer einmal anfangen, da mufs es brechen oder geh’n. (Die Kinder ab.)

Siebzehnte Scene. Vorige (ohne Kinder.)

Valentin.

Alfo was willft Du jett? Roſa (sutmüthig.) Schau’, überleg” Div doch, Du wirft Dich über» zeugen, ich hab’ recht.

Valentin.

Still fei, fag’ ich, oder ich ruf die Kinder herein. Rofa.

So laſſ' f doch drauf’, fie zerreißen ja zu viel’

Schuh’, wenn fie immer hin und wider laufen,

Valentin. Das nutzt Dir alles nichts! aut, aut, oder, entweder

Roſa. Gut, ich will mir's überlegen.

289

Bnlentin. Nichts überlegen, heut’ muſs er noch in's Haus und eine Mahlzeit muſs hergerichtet werden, daſs wir acht Tag' daran zu effen haben.

Rofa.

Nu mir ift e8 recht, aber er verdient’8 um uns nicht.

Dalentin.

Was fagft Du? Er verdient’8 nicht? Wer ift denn ſchuld, dafs wir fo glüdlich verheirat’ fein, dafs ich hab’ Meifter werden können, und das Häufel da gebaut hab’, als die zweihundert Ducaten, die ich fo nad) und nad) von ihm zu ſchenken gefriegt hab’. Wem haben wir alfo unfer biffel zu verdanken?

Roſa.

Mich hat er aber nie mögen?

Valentin. Iſt nicht wahr! Der Kammerdiener hat Dich nur verſchwärzt bei ihm, ſonſt wären wir noch in ſeinem Haus.

Roſa.

Ja, wenn er eines hätte.

Valentin. Ja ſo, da hab' ich ganz vergeſſen d'rauf.

Roſa. Er hat mich bei jeder Gelegenheit heruntergeſetzt, einmal hat er ſogar vor einer ganzen Geſellſchaft geſagt Raimund, Dram. Werke III. 19

2)

Valentin. Was hat er denn gefagt?

Roſa. Das ſag' ich nicht.

Dalentin. Geh, fag’ mir's, liebe Alte, geh’, wer weiß, ift'8 wahr.

Rofn. Ya, e8 ift auch nicht wahr. Er bat gejagt: ih bin ‚ausgewachien. | Valentin. Das hat er g’jagt? und das haft Du Dir feit zwanzig Fahr noch gemerkt? Ä Roſa.

O! So was vergiſst ein Frauenzimmer nie!

Valentin. Nu, das muſst ihm halt verzeihen. Mein Himmel! Ein junger Menſch! Er Hat Halt damals lauter jo fchiefe Anfichten gehabt, dann iſt's ja auch nicht wahr, Du bift ja gebaut, wie eine egyptifche Pyramiden, wer könnt’ denn Dir in Deiner Geftalt etwas nachſagen, das wär’ ja wirflich eine Verleumdung erfter Gattung.

Rofa. Nu, der Meinung bin id) auch.

Yalentin.

Gelt, Alte; ja, wir behalten ihn da im Haus, Du wirft e8 fehen, ich werd’ recht fleißig arbeiten, e8 fchad’t uns nichts. Im Gegentheil, ’8 geht mir alles befjer von der Hand.

291

Roſa (nach einem kurzen Kampf.) Nu, meinetwegen, ſo ſoll's denn ſein.

Valentin (vpringt vor Freude.) Bravo, Roſel! Das hab' ich auch von Dir erwartet. Ich hätt' Dich nicht verlaſſen, wenn ich auch heut' fort⸗ gegangen wär', o, morgen auf den Abend wär' ich ſchon wieder gekommen. Jetzt iſt aber alles in Ordnung. Kinder, kommt's herein, zum letztenmal.

Achtzehnte Scene. Voxrige. Alle Kinder.

Valentin.

Kinder, legt alles wieder hin, wir ziehen nicht aus. Ich hab' mit der Hausfrau da einen neuen Contract abg'ſchloſſen, Vater und Mutter find verföhnt, der gnä⸗ dige Herr kommt in's Haus.

Alle Binder (freudig) Das ift g’fcheit, das iſt g'ſcheit!

Palentin.

D’rum lauft, was Ihr könnt. Kein Menfc darf zu Haus bleiben. Ic nehm’ den feinen Buben mit. (Er nimmt Wepi auf den Arm.) Geht zu allen Nachbarn, fragt, ob fie ihm nicht gefehen haben. Sie follen Euch fuchen helfen, und wenn Ihr ihn findet, fo bringt ihn ber.

Roſa. | Der Mann wird närrifch vor lauter Freuden. 19*

292

Rinder. Dravo! Jetzt geht's Iuftig zu. (m6.)

Hanfel. Bater, verlaſſ' fich der Vater auf mich, wenn ich ihn pad’, mir fommt er nimmer aus. Geht ftolz ab.)

Dalentin.

Der Bub Tann einmal ein großer Mann werben, wenn er fo fortwachst. Weib, jest fomm’, Du haft mir viel Verdruſs Heut” g’macht, aber jet ift Dir wieder alles verziehen. Kein Menſch ift ohne Tehler, wenn einem nur zur rechten Zeit der Knopf aufgeht. Wer weiß, wer's noch vergilt, und ich den?’ mir Halt, wenn ich einmal recht alt werd’, fo möcht’ ich doch auch andere Erinnerungen aufzumweifen Haben, als dafs ich einen Stuhlfuß geleimt hab’ und einen Schubladfaften gemacht. Jetzt komm!' (Beide ab.)

Vennzehute Stene.

(Berwandlung. Die Ruine des alten Schloſſes Flottwell. Zerfallne Gemächer

und Thürme, auf Felſen gebaut, zeigen ſich rechts. Links die Ausſicht gleichſam

von der Höhe des Schlofſsberges auf entferntere gegenüberſtehende Berge, hinter welchen die Sonne untergeht.)

Flottwell

(klettert Über einen der Felſen, als käme er aus dem Thal.)

Flottwell. Ich bin herauf! ich habe ſie erreicht, Die letzte Höhe, die in dieſer Welt Für mich noch zu erklimmen war. Ich ſteh' auf meiner Ahnen Wieg' und Sarg,

293

Auf Flottwell’8 altem edlen Herrenfchlofs. Wir find zugleich verhängnispoll geftürzt, Hätt ich Dich nicht verlaffen, ftündeft Du Und id. Zu Spät!

(Wirft den Hut und Bettelftab von fidh.)

Berfaule, Bettelftab,

Mein Elend braucht nun feine Stüße mehr. Ich kehre nie zu Eurer Welt zurüd, Denn mein Verbrechen ſchließt mic) aus dem eich Des Eigennuges aus. Ich habe mich Berfündigt an der Übermacht des Goldes, Sch habe nicht bedacht, daſs dies Metall Sid eine Herrfchaft angemaßt, vor der Ic hätt’ erbeben follen, weil e8 auch Mit Schlauheit, die bewund’rungswürdig. ift, Das Edle felbft in feinen Kreis gezogen. Wer fühlt fich glücklich, der durcd) Wohlthun einft Ein Arzt der Menfchheit war, und dem ed nun Verſagt, weil ihm die güldene Arznei Gebricht, wodurd) die franfe Welt genest. Ich ftand auf diefer ſegensvollen Höh’, Ich konnte mich erfreu'n an andrer Glüd, Wenn freudenleer mein eigner Buſen war. Sch Hab’ mich ſelbſt von diefem Heil’gen Thron Geftürzt. Dies Einz'ge iſt's, was ic) mit Recht Beweinen darf, fonft nichts. Zum Kinderſpott, Zum Hohngeläcdhter des gemeinen Pöbels Darf nie das Edle werden, d’rum fahr’ Hin, Mein Leben, deffen Pulsfchlag Ehre war. Ich könnte mich in jenen Abgrund ftürzen; Doch nein! Des letten Flottwells Haupt, e8 beug’

294

Sid) nicht fo tief. Mein Leben ift ja nod)

Das einz'ge Gut, das mir Verfchwendung Tief,

Mit dem allein will ich nun fparfam fein,

Der Hunger fol mid langſam tödten hier.

Aus Straf, weil ich die undankbare Welt

Zu viel gemäftet hab’. D Tod! Du bift

Mein einz’ger Troft. Ich hab’ ja feinen Freund!

(Ein Stein weicht zurüd, und dev Bettler, ohne Hut und Stab, fteht vor ihm.)

Bwanzigfle Scene. Bettler. Fiottwell.

Bettler. Als mich!

Flottwell (eisriet.)

Als wen? Ha, fchredliche Geftalt! Die id) ſeit zwanzig Jahren nicht gejehen Und die ih nun für meine erft erkenn', Weil mich die Zeit auf gleiche Stufe ftellt, Und ih wie Du in jeder Hinfiht nun Bejammernswert und elend bin. | Weh’ mir! Nun wird mirs Har, Du follteft mir Ein jchauervolles Bild der Warnung fein.

Bettler. Dies war mein Zwed. Du haft mich nicht erkannt, Weil Leidenſchaft nie ihre Fehler fieht. Erfenne mid) nun ganz, ich bin ein Jahr Aus Deinem viel zu rafch verzehrten Leben,

295

Und zwar Dein fünfzigftes, das heute noch Berrinnen wird, wenn jene Sonne fintt.

Du haft an Cheriftanen einft ein Jahr Verſchenkt, und dieſe edle Tee, die ſich

Für Dich geopfert Hat, fah in dem Bud

Der Zukunft, dafs, wenn Du zurüd nicht kehrſt, Bon der Berfchwendung Bahn, das fünfzigfte Fahr, Deines Lebens, Dir den Bettelftab

Als Lohn für Deinen Leichtfinn veichen wird. Glaub’ nicht, dafs Du geendet hätteft hier; Wer jo wie Du geftanden einft und auf

So nied’re Stufe fteigt, finkt tiefer noch

Als Einer, der im Schlamm geboren ift.

Zu warnen warft Du nicht, d'rum konnte ich Did nur von Deinem tiefften Sturz erretten. Bis jebt hat niemand nod) Dir eine Gab’ Gereicht. Ich Hab’ für Dich bei Dir gebettelt. Ein Jahr lang hab’ ich den Tribut durch Kift Und fchaudervolle Angft von Dir erprefst.

Die legte Stunde hab’ ich aufbewahrt,

Sie fchlief in diefem Stein und fpriht zu Dir:

(Ein Stein theilt fi), und ein Haufen Gold und der Schmud zeigt fi in einem filbernen Käftchen.)

Nimm bier Dein Eigenthum, das Du mir gabft,

Zuräd; Du wirft e8 befjer fchägen nun,

Weil Du die Welt an Deinem Schidjal Haft

Erkannt. Was Du dem Armen gabft, Du haft’s

Im vollen Sinne felber Dir gegeben.

Leb' wohl! Ich Hab’ vollendet meine Sendung. (Berfintt.) i

296

Flottwell. Iſt's Traum, iſt's Wahrheit, was ich ſah und hörte? Woher die überirdiſche Erſcheinung?

(Sanfıe Muſik. Die Ruinen verwandeln ſich in eine Wollengruppe mit vielen ©enien. Cheriftane in reizender Feenkleidung in deren Mitte auf einem Blumenthron,)

Einundzwanzigfle Scene. Cheriſtane. Siottwell.

Cheriſtane (anft. Mein Julius! Es war der treue Geiſt Der letzten Perle, die ich einſt für Dich So freudig hingeopfert hab', als ich Die ſüße Lieb' zu Dir mit bitterer Verbannung büßen muſste. Ach! Mir war's ja Vom Schickſal nicht gegönnt, Dich zu erretten, Er hat für mich erfüllt, was meine Treu' Dir einſt gelobt. Flottwell (riet.) O Cheriſtane! Dich Erblicke ich auf dieſer Erde wieder, Du Himmelsbild aus meiner Roſenzeit, Kaum wagt mein welkes Aug' den Blick zu heben Zur Morgenröthe Deiner ew'gen Jugend, O zieh' nicht fort, verweile noch. Sieh', wie Die Wehmuth um vergang'ne Zeit mich tödtet. Cheriſtane. Verzweifle nicht, mein theurer Julius, Und dulde noch Dein kurzes Erdenlos. Wir werden und gewiſs einſt wiederſehen

297

Dort! in der Liebe grenzenlofem Neid), Wo alle Geifter fich begegnen dürfen. (Fliegt unter Hagender Mufit ab, die Ruinen zeigen fish wieder.)

Flottwell (fieht Cheriſtane nach.)

Zweinndzwanzigſte Scene.

Voriger, Dann Valentin, Rofa, Lieſe und vie Rinder. Nachbarslente. Bauern.

Cieſe (iſt die erſte auf der Scene.) Vater! Vater! Nur herauf, da iſt der gnädige Herr, ganz geſund und wohlbehalten noch.

Flottwell. Wer ſucht mich hier? ESchließt das Käſtchen.)

Valentin. Wir alle, gnädiger Herr, das ganze Dorf iſt in

der Höh’. Flottwell. Was willſt Du, guter Valentin?

Valentin. Was ich will? Mein Wort will ich Euer Gnaden halten und um Verzeihung bitten für mein ungeſchliffnes Weib. Gehſt her, Verbrecherin, und knieſt Dich nieder da.

Roſa (erzlich.

Lieber gnädiger Herr! Ich hab' mich ſehr vergeſſen heut', doch mach' ich meinen Fehler wieder gut. Sie dürfen nimmermehr aus unſerm Haus, ich werd' Sie g'wiſs wie eine Tochter pflegen.

298

Die Rinder. Berzeihen S' ihr, gnädiger Herr!

Pepi (tniet nieder.) Lieber Herr, fei wieder gut, Die Mutter weiß nicht, was fie thut.

Valentin (weint.) Das Hab’ ich gedichtet, Euer Gnaden.

Flottwell.

Steht auf, Ihr guten Leute, ich Habe ſchon ver— ziehen und freue mich, dafs ich Eure Treue nun vergelten fann. Ich bin fein Bettler mehr. Unter diefen Mauern hab’ ich einen Heinen Schag gefunden, den mein Vater hier für mich bewahrte.

Yalentin. Ab, das ift ein Malheur, und ich hab’ mich fchon gefreut, dafs Euer Gnaden nichts haben, damit ich Euer Gnaden unterftügen Tann.

Flottwell.

So iſt es beſſer, lieber Valentin, Du kannſt Dein Leben nun in Ruh' genießen. Ich nehme Dich und Deine Frau nun in mein Haus und will für die Erziehung Deiner Kinder ſorgen.

Roſa, Tiefe (erfreut. Wir danken herzlich, gnäd'ger Herr.

Hanſel au den Kindern.) Buben, jegt werden wir lauter gnädige Herren.

299

Valentin.

Ich werd' der Haustiſchler bei Euer Gnaden. Ich wir’, ich politier” das ganze Haus. Aber eins muſs ich no jagen: Eine Menge meiner alten Nachbarn haben ſich auch Hier angetragen, Euer Gnaden zu unterftügen und freuen fi), ihren vorigen Gutsherrn wieder zu fehen. Euer Gnaden haben ja fo vielen Gut’8 gethan, und einen guten Herrn vergifst man nicht fo leicht.

Alle. Bivat! der gnädige Herr foll leben!

Schluſs⸗Geſang.

Valentin.

Wie ſind wir doch glücklich, wir ſteh'n auf dem Berg, Jetzt zeigt ſich der Kummer ſo klein wie ein Zwerg, Und kommt er uns wirklich auch nochmal in's Haus, Der Valentin jagt ihn zum Tempel hinaus.

Der Chor

(wiederholt die zwei letzten Verſe.)

(Auf den Bergen ſieht man, wie in der Ferne die Senner und Sennerinnen die Kühe von den Alpen treiben und fie fingen wie Echo :)

Dudeldide dudeldide, die Küh’ treibt’8 von der Alm.

Valentin. Die Küh' treib’n die Senn'rinnen juft von der Alm, Genügſamkeit bleibt doch die Föftlichfte Salm!), Der Reiche Liegt fchlaflos im goldenen Saal, Doc fummerlos fchlummert die Kuh in dem Stall.

9— Salbe.

30 Chor (wieerhott.)

Senner und Sennerinnen (in der Ferne.) Dudeldide, Dudeldide. Wie freut die Kuh der Stall!

Balentin. Sept geh’n wir zur Tafel, die macht erft den Schlufs, Tür Heut’ ift beendet ein jeder Verdruſs, Doch heb’ ich bei Tiſche den Ehrenplatz auf, Vielleicht jest fi) Ihre Zufriedenheit d’rauf.

Chor (wiederholt .)

Senner um Sennerinnen. Dudeldide, Dudeldide. Zufrieden mufs man fein!

(Der Borhang fällt.)

Ende

Darianten.

Die unheilbringende Krone.

M: Raimund's Originalmanuſcript 82 Seiten Großfolio. Auf der erſten Seite: „Begonnen den 25. Auguſt 1829, Weidling am Bache“; am Schluſſe des erſten Actes: „Vollendet am 8. Sept. auf der Ruine im Brühl“; am Schluſſe des Stückes: „Ende am 2. October 1829 zu Haufe in der Klauſe“. Das Manufcript ift nur ftellenweije ftarf corrigiert.

T: Xheatermanufcript 144 Seiten. Auf dem Schmukblatte ein Gedidht an Raimund. Einige Änderungen jcheint Raimund eigenhändig eingetragen zu haben.

Der Titel hieß in M zuerft „die glühende Krone”, Lucina zuerft Latona; Hades zuerft Erebus, Fürft der Finfternis. In T ericheint Thanatos als Genius des ewigen Schlafes und Harmodius als Hermodius.

Seite. Zeile. 4. 14. verſchenkt ] verfauft M (zuerft.) 17. würd’ger ] kräft'ger M (zweite Lesart.) 8. 21. Di) ] ihn T. 23. bift Du ] ift ee T. 24. Di) ] ihn T. 11. 11. ic) huld’ge Dir T., 2%. 6. nad) „zweimal“: zu gut find |’ nicht dazu, wenn fie in einem guten Humor find. M (geftrichen.) 18. nad) „dafür“: Ich Hab’ einmal ein’ Vatern g’habt, ja, ja, ohne weiters, der hat mich immer g’warnt, ich joll nur ſchau'n, dafs ich nicht zu glücklich werd’, denn das

302

Seite. Zeile. wär’ das größte Unglüd. Nun ich geb’ mir alle mögliche Mühe. M (geftrichen.)

25. 20. Dichter ] Schmied. Ein Reimjchmied T (über der Zeile; wie e8 jcheint von Raimund's Hand geändert.)

24f. und der gar, der jchreibt die Beftalinnen, die müſſen doch

was anzulegen haben, die können doch nicht jo herum- geh’n. M (zuerft.)

N.nah 2. 8. Ewalb.

Es ift nicht möglich, daſs ich dichten Tann. Wenn ich nur diefe Schneiderfchere nicht vor mir jehen dürft. Nehmen Sie mir doc wenigſtens dieſes Attribut Ihres projaifden Gewerbes weg!

Simplicius.

Die Schere? Ah, da werden Sie ſich ſchneiden, wenn

Sie das glauben. Auf die Letzt wufsten die Leut' nicht,

ob da ein Schneidermeifter logiert ober ein Bandel⸗

framer.!) Und bis ich die Scher’ herumterbrädht” das wär’ eine ſchöne Schererei.

Ewald. So ſchweigen Sie wenigftens! M (geftrichen.) 33. nad) 8. 4. Simplicius

(ohne ihn zu ſehen, erichroden.) Um des Himmels Willen, er ift ſchon da.

Ewald. Wer? Simplicius, Ab, find Sie e8?

1) Eine echte Wiener Straßenfigur, in jüngfter Zeit nur noch vereinzelt auf Marktplägen fihtbar. Aus der Gegend von Zwettl in Nieder-Ofterreih (im Bollsmund deshalb das Bandeltramerland genannt) zogen die „Bandelframer“ von Haus zu Haus mit dem Ausruf „Bandeln-Zwirnstaufts!" Das Iocale Idiom Hat durch fie eine Bereicherung erfahren; die Ausbrüde: „Bandlerei, Unbandeln“ find auf den Verkehr mit dieſer Claſſe der Haufterer zurück⸗ zuführen.

303

Seite. Zeile.

Ewald. Wofür haben Sie mich denn angeſeh'n? Simplieius. Für den Grundwadter.!) M (geftrichen.)

. im Nürnbergifchen und in Bunzlau (fpäter: Leitomiſchel)

M (geftrichen.)

. Ei, ] fehlt T.

. bleiben und Sie T.

. g’hört ſchon uns! ] Iſt ſchon gebügelt! M (zuerft.) . belieben ] geruben T.

. jetst hat er feinen TM (zuerft.)

. wenn ich's ihm's nur herabreißgen fönnt’! M.

. Kometen ] goldne Raben M (zuerft.)

„in ] fehlt M.

. D das ift prächtig. T.

Wohin denn? ] In's Kaffeehaus? M (zuerft.)

. Was ift denn für ein Land? M. . Marderfallen ] Ratenfallen M (zuerft.) . nad) „ann“: Die Pelt haben S', und die friegt man

nur fo unter der Hand. M (geftrichen.)

. nach „um“: bis man ſich ihn merkt. M (geftrichen.) . Da lad’ ih nur T. . Ich bin überflüffig fatt, mir liegt das ganze Land im

Magen. Sch verhungre noch vor Angſt. T.

. und fäm’ ih M; ba fäm’ id T. .. lauten zuerfi in M:

Simplicius.

Inniges Mitleid? Iſt ſchon da die Leidenſchaft; denn daſs ein Frauenzimmer von einem Manne etwas leidet, und wenn's aud die größten Impertinenzen find, das ift nichts Neues. Aber bis eine einmal mit ihm leidet, da g’hört eine curiofe Leidenfchaft dazu.

ı) Gemeindediener.

304

Seite. Zeile. j Und ein inniges Mitleid hat fie, alfo leidet ſ' auch inwendig. Ab, ift ja gar fein Zmeifel mehr.

Arete, Was überlegft Du lange, wo denkſt Du hin. Das ift nicht artig, wenn man mit einem Mädchen fpricht.

Simplicius (für fid.)

Aha, fie eifert Thon. (Laut.) Sch vergefl’ aus Freud’ anf meine ganze Angft. Liebes Mädchen, ich fehe, daſs Du nicht ohne Antipathie für mich bift. Sei aufrichtig könnteſt Du Dich wohl entſchließen

Arete. Wozu? Simplicin®. Mit mir heimlich Arete.

Was heimlich?

Simplicius (madt die Pantomime des Durchgehens.) Oder, wie man auf egyptiich jagt, abzupafchen.!)

69. 32. (an die Bruft, fein Mleid verſchwindet und er fleht im weißen Schleiergewande da, weldes rofig beftrahlt wird.) T.

70. 7. So flirbt ein Fürft, von feinem Volk geehrt! (M zuerft.)

72. 8. Yägerluft T.

75. 13. Du irrft und irrſt doch nicht; es ift Phalarius, wir find verloren, wenn er uns gehört. T.

17. flüchtet ] flieht T.

76. 6f. Das find gute Kinder. Wenn ic) einmal Heirat’, muſs mein Weib lauter Genien auf die Welt bringen, das wird eine himmlische Ehe werden. (M geftrichen.)

9. in meiner Schuldlofität ] in meinen dummen Gedanken (M zuerft.)

195. lauten in M (zuerſt): Die Fisch’ werben’s treiben in der Stadt, die werden ihre Commodität pflegen in

entfliehen.

305

Seite. Zeile.

76. 25. 77. 11.

16. 26.

den Zimmern. Das ift zwar nichts Neues, dafs ein Stodfiih auf einem Canapee liegt, das hab’ ih in mein’ eignem Zimmer ſchon erlebt. Wenn nur nicht etwa einer auf die hohe Schul’ hineinſchwimmt, das wär’ eine verflirte G'ſchicht.. Die Salbing’ werden ſich in einer Apothefen aufhalten. Die Goldfiſch' werden im Münzhaus herumſchwimmen und auf der Börf’ wird’s Hechten geben, daſs 's ein Spectafel ift. Ad), du lieber Himmel, ich werd’ felber noch ein Hecht, wenn ich nicht bald was zu trinken befomm’. (Kniet nieder.) Meine lieben Paradiespogerl, ich bitt‘ Euch, laſst mir aus Barm- berzigfeit was zufließen; mein Hals ift jo troden wie eine afrifanifche Wüſte.

nicht aus, da g’hört ſchon ein Hecht Hinein, und das ein pfiffiger M (geftrichen.)

Der See mit feiner rothen Livree, der fieht ja aus, fr wenn fie einen Turniſel darin gefotten hätten. M (ge. rigen)

Kinder! ] Zaunfchlupfer M (zuerft.)

wie ein Greis von taufendzweihundertundfiebenzig Jahren M (zuerft.)

Nach 3. 26. Sanfı.

Er trinkt, nun wird er bintdurftig werden. T.

. ja ] fehlt T.

Araber ] Pegafus (M zuerft.)

. theurer ] theuer T.

.O üvolus ] Kol T.

. Octavian, fomm’ dod) heraus M (zuerft.)

. ein zweiter Kincinnat ] und freu’ mich goldner Saat

T (von Raimund’8 Hand, wie e8 ſcheint, geändert.)

. jein Reih ] ein Rei T. . (entfett, wie aus einem Traume erwachend, auffchreiend.) T. . Herricherin; ſchnell ſchmücken ihr des Landes edle Frauen

das wunberholde Haupt mit einer Miyrtenfrone, mit Lilien durchwebt. Der König wählt fodann aus rüfl’ger Jünglingsſchar M.

Raimund, Dram. Werke. III. 20

306

Seite. Zeile.

86. 4. nachdem er ihn zuvor zu einem Amt erhebt. T. 7. diefe Kron' ] diefer Preis T. 8. Dod) dürfen 11 ringen ] fehlt M. 13. die Deine ] Die Krone M.

87. 14. die ] das T.

88. 20. Muhme ] Ziehichwefter MT (zuerft und fo immer.)

89. 7. Noch nie hat der Anblic eines Mädchens einen ſolchen Eindrud auf mid gemadjt. T

92. 25. Nur fort, fein Trinkgeld hat er fhon! M (geftrichen.)

25. in’8 Bureau ] in’ Wolkenſtall T.

93. nah 3. 6. Sch bin mein eigner Herr, und wenn ich auf meiner eignen Perſon herumreit’, fo geht es kein’ Menſchen etwas an. M (geftrichen.)

9. Herfulesnatur ] Goliathnatur T. 10. Ah, da bat e8 Zeit bei den Preußen! ] fehlt T. 205. O, wenn ic) aud) fein Nechtsgelehrter bin, ich laff' mich doch nicht links Hinüberdrehen. T. 94. 5. auf Windbüchjen oder auf M (geftrichen.) 9%. 2. fo ] fehlt T. 5. mit ] fehlt M. 15. und 18. die Straße ] den Plat hier T. 19. Gaffenfehrer ] Zimmerpuger T 97. 7. als eine Gerichtsperfon ] fehlt T 101. 5. Rebell fchlagen ] andere Saiten aufziehen M (zuerft.) 9. Die ift ja nirgends T.

102. 22. (reißt) ] (entreißt) MT.

103. 5. Ha! Pompeja ift erobert. Ohne Pulver hab’ ich’8 ge- iprengt. Das ift eine Niederlag’, daſs man fi) vor lauter Lachen niederlegen möcht'. M (zuerft.)

13. Das Lied lautet in M (zueift):

Pot Himmeltaufend ſchwere Noth Ich weiß mich nicht zu fallen. Schlüg' mid) aus Freundſchaft einer tobt, Ich müſst' ihn dennoch hafjen.

307

Seite. Zeile. Ich glaub’, es dürft’ mich einer fpießen, Mir wär’s nicht möglich, ihn zu küſſen.

Ich haſſ' Europa, Afien, Das ganze Kopenhagen, Und müjst’ nach Afrika ich geh’n, Das könnt’ ich nicht ertragen; Denn komm’ ich einmal über d’ Mohren, So reif’ ich's tüchtig bei deu Ohren.

Mir fteh’n die Völker al’ nicht an, D’ Kalmuken, d’ Hugenotten, Und wen id) gar nicht leiden Tann, Das find die Hottentotten. Da möcht' man g’rad vor Gall’ vergeh'n, Und ih hab’ noch niemals ein’ g’jeh’n. Die letteren zwei Berje au in anderer Fafſung: Ich bin ſchon jett als wie ein Vieh, Yet, wann ich erft einmal ein’ ſieh'. Zu diefer Strophe findet ſich noch folgende intereffante Barallelftrophe: Dann find mir auch die Leut' verhafst, Sch Tann mid) nicht vertragen, Und wie fi) einer bliden ‘lafst, Nehm' ich ihn ſchon beim Kragen. Da ringen ſ' alle nad 'nem Ziel: Am End’ weiß keiner, was er will.

Die Thiere fol’n ſich gar nicht wehren, Die hau’ ich gleich zu Schanden, Bor allen zürnen mid) die Bären Und aud) die Elephanten. Die Flöhe, weil fie mich fo quälen, Ich Hafie felbft aud) die Sarbellen.

Die Elemente, wie man |’ nennt, Die hab’ ich bie daher. (Deutet bis zum Mund.)

20*

308

Seite, Zeile.

106. 25.

110. 25.

112.

2

Das Feuer haſſ' ih, weil’s mich brennt, Und 's Waffer noch weit mehr,

Zu ſchimpfen über Luft und Erd’,

Das wär’ ja gar nicht ber Müh' wert.

Kurzum, ic) haff’ die ganze Welt, Im Sommer wie im Winter, Mir liegt jogar nichts an dem Geld, Es ift nicht viel dahinter, Ein? einz’gen Menſchen nur allein (deutet auf fich.) Wüſst' ich, dem ich noch gut könnt' fein. Die letzte Strophe fteht auch in T. Die Repetitions- firophen aus MT folgen im Nachlaſſe. Nichte ] Schwefter M (zuerft und fo immer.) nad) „heraus“: Da ift er gelegen und die Geſchichte war aus. M (geftrichen.) wieder ] fehlt T. - bezahlen T.

. bald ein Eber ] bald wieder eine andre Schweinerei.

M (zuerft.)

114. 8. wegen dem bifjel Eber T (Zuſatz von Raimund.)

11.

13. 19.

25f. 115. 14.

So ſchmeichel' ih mir ] So Heißt es allgemein M (wef.) .

Wir waren alle Zeugen T.

Wie man wegen einer Wildſchwein weinen kaun T (von Raimund geändert.)

dafs Iogiert ] fehlt T.

Dfner ] Heuriger T.

22—3. 26. lieber. ] fehlt T

116. 9. . Das ift ja nicht einmal ein Lorbeer T.

. Auf die Legt Frönen ſ' mic gar mit Hetichepetih. T. . Das ift ein Undanf T.

. Wie ein Felberbaum ] wie eine Kranzeljungfer; wie

Sie rauben 3. 13. ] fehlt T.

der König Lear als Narr M (zuerft.)

.muſs ich werden T.

309

Seite. Zeile.

119,

120. 121.

122.

123.

123.

124.

125.

4.

15.

26. 8.

5. 10.

23.

T. 24.

24. 26.

4. 12.

er rührt fi) noch ] fehlt T tragen ] ſchaffen T. begieng T. den Eber ] die Wildſau T berunterwerfen ] berunterfalfen lafien T. Set 3. 11 Kranz. ] Helft mir hinauf T. hätt’ ich bald darauf vergeflen. T. Was foll ich jagen? T. nad) „bin“ fügt T das Gebet ©. 124, 3.12, 3. 21 „erbitten” mit folgenden Varianten ein: ©. 124 3. 15 Vorrathskammer.

16 ew'ger ] zarter.

gießet auf mein Haupt herab ] fehlt. 19 fann ih nur aus feinem Schaume, hold wie Venus neu erfteh’n.

Bielleiht 3. 26 Korb ] fehlt T. Hier iſt er ſchon, der holde Mann! ] Halt, der Fremde naht fi ſchon T. Wir haben keine Zeit zu verlieren ] fchnell zu Wert T. Kniet Euch nieder T. Steht die Götter an J fehlt T.

13—3. 22. ] Nun id) fnie. T.

24.

2. 20.

Gewährt ift Euer Wunſch ] fehlt T.

Steht wieder auf T.

Wollt Ihr mid) zur Närrin machen, ich jeh’ ja nichts T. nun ] alle T.

Indier 3. 22 fehen. ] Ha, fo groß ift meine Freude, dafs ih Dich umarmen muſs (Küist ihn.) T.

25. Triebe ] Liebe T.

denn ich kenn' das Original. M (zuerft.)

27—©. 126 3. 2. Übermuth ] fehlt T. 126. 5. Nachtigallgeſang! ] Was verlangft Du holder Mann? T.

7.

11.

Haltet nun Euer Wort, weil ich meines hab’ erfüllt. Laſst Atritien mic) fprechen. Ruft fie mir! T. Wartet nur, ich hab’ fie feft verichloffen. Na, die T.

310

Seite. Zeile.

127. 6.

131. 2.

erblict ] gefehen T.

. Du wagft es, häſslich mid) zu nennen? T.

. Der Ärger koſtet mich das Xeben. T.

. (einige Stufen) ] (enge Stufen) MT. _ .

. Der kurze Chor fehlt in M bis auf die Überfchrift;

es ift aber Raum dafür gelafien. In T Hat ihn Raimund felbft hineingeichrieben.

. drum ] deswegen T. . Nichts gleichet feinem Muth ] fehlt T. "Mir auf, |] Wenn ih nur die Haut wegbrädt’, T.

131. 3—3. 10, füllen, ] fehlt T.

15.

16. 135. 4. 4.

Ah was, ich red' halt Verſchiedenes, ein’ rechten Unſinn, das macht oft mehr Aufiehen als was G'ſcheits. M (zuerft); das g’fallt oft beifer, als was G'ſcheits T. Alſo ] fehlt T.

über alle Völker hinüber ] über alle Völkerſchaften T. einen fchönen Zorn T; fchönen M (geftrichen.)

Der fetet’ ich was anders auf ] Heut’ ift ein wahrer Krönungstag M (zuerft.)

nah „Ich nehm’ fie nicht“: (u Ewald.) Und wenn ſ' mi toll madjen, jo bla’ id) Ihnen die Fackel aus, dann werden ihre Reize gleich ein anders Gficht machen. M (geftridjen.)

. grauf’ge ] grauje T. . Unmuth ] Aufruhr M (geftrichen) T.

nah'n ] hier T.

311

Der Verſchwender.

M: Raimund’3 Original-Manufeript 80 Seiten Großfolio. Ziemlich rein gefchrieben, mit wenig Correcturen. Bor Anfang des 1. Actes: „Am 17. October 1833”; am Schluf8 des 1. Actes: „den 28. October“. Bor Anfang des zweiten: „Begonnen den 18. November“; am Schluſs des zweiten: „Gaden am 27. Novem- ber”; am Schluſs des dritten: „Raimund, Gaden den 2. De- cember”. Der Titel Iantet: „Bilder aus dem Leben eines Ber- Ichwenders”.

T: Theater-Manufcript aus dem Theater in der Leopold- ftadt mit dem Imprimatur vom 25. November 1834. Außerdem liegt noch) ein zmeites Manufcript aus dem Nachlaffe des Schau- ſpielers J. B. Lang, des Freundes und Zeitgenoffen Raimund's, por, welches von ihm während feines Peſter Gaftipieles ver- wendet wurde und mit dem Imprimatur ans dem November 1836 verſehen ift.

Cheriftane heißt in M zuerft Luilane, Flottwell zuerft Flitterftein, jpäter Flottbed, Valentin zuerft Kilian, Rofa früher Lendhen und Babette; unter den Freunden erfchienen noch ein Herr von Füllhorn und ein Herr von Fieberhain. Auch eine arme Witwe ift im Perjonenverzeichnis zum erften Act auf- genommen, aber geftrichen.

Seite, Zeile. 150. 12. Die Herren laſſen fi) die lange Weile bezahlen, die fie auf feinem Schloffe haben T. 16. und —3. 17 Gute® ] er bewirtet nicht nur feine Freunde T. 19. Wart', bis ] T. 151. 12. Ich finde, dafs er fehr höflich iſt. T. 152. 2. geläutet ] geklingelt T. 153. 6. war ] ift M (zuerft) T. 154. 5. Erift nod) nicht zurüd, obwohl ] Er zieht foeben feine Narrenjade an, weil T. 156. 17. {don ] mit ihr T.

312

Seite. Zeile.

157. 10.

159. 23. 160. 13. 161. 5. 162. 13.

163. 19.

bon einem andern wohlfeiler und jchlechter gebaut wird. T.

Franz ] Frig T.

(Macht Eeldzählens) Berftanden? ] fehlt T.

töpfen ] obrfeigen M (zuerft.)

Alfo ] fehlt T.

und zwei noch zu erwarten ] fehlt T.

Balentin (in komiſchem SIagdanzug, eine Pelzhaube, juchterne Stiefel, das Jägerkleid ift ihm etwas zu weit.) M (geftrichei.)

164. 27. In London, da T.

165. 15. Wenn ich Bedingungen. ] fehlt T; wenn id) eine vornehme, ftarfe Stimm’ hätt’, zum Beijpiel. einen Generalbajs, die müſst' mich zum Theater abrichten M (zuerft); den jchönften ] curiofen M (geftrichen.)

21. Aber deu ſchönſten Wohlklang hat fie doch erft gezeigt T. 22. hingeworfen T. 237. gelächelt hat fie ] fehlt T. 166. 2. Ah, hör auf! T. 22—167. 3. 9: Rofa.

Du haft Deine Amouren in der Stadt und er hat |’ im Wald drauf’. Und wie ſchauſt denn wieder aus? Iſt denn das ein Anzug? Und die Mafche in biefer Un—

ordnung ! Dalentin.

So hör’ doch auf, das ift ja mein’ fchönfte Livree. Da hau’ einmal, was ich für einen pfiffigen Hut auf: hab’. (Sett den Hut auf.)

Roſa. Ah, was nützt ein pfiffiger Hut auf einem dummen

Kopf. Valentin.

Jetzt wird's mir aber ſchon zu ſtark, jetzt werd' gleich ich zum Corrigier'n anfangen! Roſa. Nu, Du wirſt doch an mir nichts auszuſetzen haben?

313

Seite. Zeile. Balentim. Ich Hab’ Dir ſchon zweimal verboten, daſs Du Did nicht fo ſtark ſchnüren jollft.

Roſa. Warum? Valentin. Weil das ſehr ſchädlich iſt. Roſa.

Woher weißt Du das?

Valentin (nobel.) Weil ich das Pfennigmagazin halt', und da ſteht's d'rin. M (zuerft.) 167. 16. Wegen meiner ] fehlt T. nad: „Wegen meiner”: Haft Du mir das Waffer bejorgt, was die alte Gräfin für ihre Sommeriprofien

braucht ? Balentin. . Ah, eine alte Gräfin kann ja keine Sommerfproffen haben. Roſa. Warum denn nicht? Valentin. Weil ſ' Winterſproſſen hat. Du kriegſt es ſchon! M

(geſtrichen.) 168. 1. „nach Wildpret“: Roſa.

Unter was denn für eine Gattung, wenn man fragen darf.

Valentin.

Unter die nicht, unter die Du mich gern zählen möchteſt. Das wird ein ſchöner Yur wieder werben. M (geftrichen.) | .

6. Rofa.

Da hätt” ich Halt nicht g’fragt und wär’ heraus»

gegangen.

314

Seite. Zeile. Balentin.

Iſt nicht genug gewefen, dafs ich bi® daher im Waffer war, fo fol ich durch's euer auch noch gehen, wenn j’ alle mit die Gewehr’ da ftehen, da müſst' ich ja ein zweiter Tamino jein.

Roſa.

Nein, das iſt ſchrecklich, früher hab' ich nur einen

Narren g'habt, jetzt iſt er gar ein Hofnarr g'worden! Valentin.

Aber, Schatz, das tragt was ein. Da fliegen die Ducaten nachher.

Roſa.

Ja richtig, die zwei Ducaten! Die gibſt Du mir, ich heb' Dir ſ' auf.

Valentin. Nein, die geb' ich nicht her! Die ſind von der Sängerin! Roſa.

Du muſst! Willſt auch ſo ein Verſchwender werden, wie unſer Herr!

Valentin. Du, über unſern Gnäd'gen, da ſagſt mir nichts, das leid' ich einmal nicht. Und wenn er's hinein hört.

Roſa. Er ſoll's nur hören. Der hat ſchon lang ausdient bei mir. Der ſoll Gott danken, daſs er ſo viel Geld hat. Die Ducaten her!

Valentin. Ich geb’ |’ nicht her (fampft mit dem Fuß.) Potz fap- perment | Rofa

(plötzlich fanft bittend, die Hände zufammenhaltend.)

Geh’ Lieber Valentin, ich heb’ Dir f’ auf. Du gibft ſ' ja aus. Geh’ fchöner Valentin! Die legen wir zurüd, die g’hören auf unſer Kindelmahl.

315

Seite. Zeile. Balentin. Das ift ein faljches Krofodil, die kennt meine ſchwa chen Seiten ganz. Da haft Du ſ'; aber (Er legt fie auf die Hand und will fie betrachten. Roſa huſcht fie weg ımd ftedt fie ein.) Sit hat ſ' ſchon. Auf’s Geld geht ſ' wie ein Rabe.

Roſa. Und Du gehſt auf die Jagd? Valentin. Die verdammte Jagd! Leb' wohl, Roſa. (Er weint.) Roſa. So ſchäm' Dich doch! 169. 8f. Ich weiß ſchon, wen id) heirat' ] fehlt T. 12—15. Ich nehme einen Scloffer mir, Das ift der erfte Mann, Der ſchlägt an Kaflen, Thor und Thür Die fihern Schlöffer an. T. 170, 8. Aud) richt er nach der Germ. M (zuerft.) 18. Geht ihm der Faden aus, T. 171. 7—12. fehlen T. Sch biet? das Glas ihm an. T. Das ed war im M zuerft für die erſte Scene bes zweiten Aufzuges beftimmmt, die ſpäter geändert wurde; ‚hier ftand zuerft folgendes Lied:

Duett.

Balentin. Alfo mujs ich wirklich gehen In den finftern Wald, Wenn ih Dich fol nicht mehr jehen, Schreib’ mir nur recht bald!

Rofa.

Ad, wie bin ich zu beflagen, Diejer feige Tropf Will nicht das Geringfte wagen, Furt hält ihn am Schopf.

316

Seite. Zeile. . Balentin.

Wie Du doch ſo kindiſch bift, Grad wie ein Hannswurft, Del im Wald Fein Wirtshans ift, Fürcht’ ich Halt den Durft. Roſa.

Immer trinken

Valentin. Doch nur winken

Roſa. Muis der Eſel!

Balentim. Sold’ne Reiel! Zuerft Balentin. allein, Darfſt Du mir nnd ich bin froh! dann u Roſa. ty er ift jo dumm wie Stroh.

Beide Doh was will ich (fie) machen, ich (fie) muſs es ertragen, Es wollen die wenigften Männer was wagen. Der weiß, zu was mir (ihr) feine (meine) Sauftmuth no frommt, Wenn nit (mir) bie Eourage im Ehftand erft (nicht) | fommt. Balentin. O ih kann auch tüchtig fireiten, Halt' mich für kein Lamm. Kann ich die Gefahr nicht meiden, Brenn’ ich alles z'ſamm'. Rofa. Bravo, lieber Jägersmann, Ehr' den Weibmannsrod,

35317

Seite, Zeile.

Aber ftell’ es pfiffig an, Schieß' mir feinen Bod! Balentim. Sa, da Schon’ ich Fein’ Belannten ; Bin ih einmal d’rin, Naben, Tiger, Elephanten, Alles ſinkt dahin. Balentin. Wie ein Ritter Rofa. Ach ich zitter'. Valentin. Auf dem Schimmel Roſa Gott im Himmel! Zuerſt Valentin. allein, Spreng' ic in den Wald hinein.

Roſa. Er kann doch recht tapfer ſein. Beide.

Wahrhaftig, es läſst ſich nichts Närriſchers träumen, Man fieht ihn auf einmal vor Wuth völlig ſchäumen. Er ſtellt ſich zur Wehre, er räumt nicht das Feld, Am End' iſt der Valentin gar noch ein Held. ich's T.

. Ich hab' die Gaſtfreundſchaft an einem goldnen Tiſch

geſehen und T.

. Das befrembet mid), ] Das nimmt mid) Wunder T. . kann betrachten T,

Mein Süd iſt fühn, es fordert mid, heraus; darum will ich mein Dafein großartig genießen und wollen Sorgen mid) befuchen, laſſ' ich mich verleugnen. Düftern Philofophen glaub’ ich nicht. Nicht wahr, Freund Helm, man muſs da8 Leben von der fchönern Seite faflen ?

3l8

Seite, Zeile.

178. 12.

2. 19. 184. 6.

Der Himmel ift fein herrlichſtes Symbol. Die glüh'nde Sonne gleicht dem heißen Brand ber Liebe, der mild- gefinnte Mond der innigen Freunbichaft. Die reiche Saat der Sterne ift ein Bid der Millionen Freuden, die im Leben keimen. Die ernften Wollen find zwar fummervolle Tage; doch Frohbftun ift ein flücht’ger Wind, der fie verjagt. T.

D das ift gar ein widht'ger Mann, meine Herren, ber wird ein neues Schloſs uns bauen T.

. Trinken Sie! ] fehlt T.

. Denn der Hirſch T.

. mit Ehdelftein ] vom Zauberſchein T.

. nad „behandeln lafſſen“: Da geben ſ' mir ein verroft’tes

Gewehr, das muſs noch von der türkiſchen Belagerung her fein, mir fcheint, es ift ein halber Mondichein d’rauf. Der gnädige Herr hat mir freilich befohlen, ich ſoll auf den Abend im Diebswaldel auf ihn warten mit dem Pferd und foll die Gäſt' recht zu erheitern ſuchen. Aber das fein ja keine Menſchen, das find ja völlige Walbd- teufel. Wenn ich nur den gnädigen Herrn zu finden wüſst'; aber der ift ſchon wieder bei feiner unbegreiflichen Amour am See. Aus der wird auch fein Menſch Hug. Sie foll von jehr hoher Abkunft fein, fie ift, glaub’ ich, aus der Luft herunterg’fallen und logiert in einer Hütten, die man manchmal gar. nicht fehen kann. Übrigens geht mid) die ganze G'ſchicht' nichts au. M (geftrichen).

. Ich kann's durchaus nicht ergründen T.

Ich ] Und T. Wie ſ' mich hab'n herumgeftoßen T. Und nod) hundert andre Biecher T.

nad) 3. 8 folgt in M nod folgende durchftrichene Strophe:

Und dem Lucifer fein Better

Bringt auf d’ Letst noch gar ein Metter, Daſs der gnäd’ge Herr voll Launen

Das wär gar nicht zum erflaunen

3819

Seite. Zeile.

Wollt’ am End’ da übernachten,

Denn er Tann fi) [nicht] g’nug ſchmachten In der eſelsdummen Hütten,

Die ein’ Sprung hat in der Mitten.

Ya, das Halt ich nimmer aus,

Ich lauf’ kerzengrad nad) Haus:

184. 18. umſchließt T. 27. Ad jelber T. 185. 17. Veglüdte T. 186. 17. wunderhold ] fehlt T. wie fie nur das T. 27, danken ] lohnen T. 9. aus dem Feyengeichlechte M. 188.10f. Die in ew’gen Zauberfreifen über Berften und Arabien zieh’n. 24. au ] fehlt T. 189. 8. auf Dein und Deines Baters Haupt; M (zuerfi) T. 11. nad) „allein“: Du warft der Güter Herr, und nun erkannt’ ich erft, daſs Alles, was ich für Dein Wohl zu thun gedachte, durch Deine Leidenichaft Dir einft zum Unglüd werden kann. Ic) konnte meinem Herzen T. 23. mit allen ] fehlt T. König ] Monarch T. 190. 21. Leb’ wohl, ] Hab’ Dank für Deine ſüße Treu, T. 24. nad) „lagen“: Darf Dir nicht unfer künftig’ Los ent« hüllen. T. 194. 22. nad) „Menſchen“: auf ber Welt M (geftrichen) T. 1%. 6. Er verfolgt mich mit Liebesanträgen. T.

. Inder Kuchel drauf. Das ift ja eine Fronterie ohne-

gleichen. Er joll in feiner Kammer bleiben, wenn er ein ordentlicher Kammerdiener ift, nicht in ber Kuchel herumcharmieren, ſonſt könnt’ ihm einmal ein Stüdel Holz auf den Buckel fallen. Du gibft ihm doch fein Gehör? M (zuerfi).

. Sn der Kuchel brauß ] fehlt T.

* % x .

320

Seite, Zeile.

19 9.

13,

185. 15f,

1%. 6.

nad „ift”: Was hat er denn im der Kuchel zu thun. T. Das hab’ ih ja nicht g’wufst. | Ich Hab’ mich nur verfprochen. M (zuerft).

Wirf Kopf. ] fehlt T.

mir’8 das M; mir’s T.

nah „haben |“: Für unfern Koch M (geftrichen) T.

. Das glaubt ] Und der Herr Präfident? T. . gute ] befte T.

7. Der Herr Präfident T (und fo immer.) 14. Da muſs ih mit dem Kuticher d’rüber reden. ] fehlt T. 277. nur Du T. 19. 3. ohnegleihen. ] Für einen foldhen Herrn. T. 12. nah „fein“: weil das eine große Verantwortung wär”. T, 200. 1. fchulden T. 203. 14. nur allein ] denn nur T.

23.

. ber Paläſte ] goldner Säle M (zweite Lesart); reicher

Menſchen T.

. Wappen ] Sinnbild T.

. Natur ] fehlt T

.in ] fehlt MT. .

. ein ] fehlt M

. nach „Sagen“: ich weiß nit, wo er wadet M

(geftrichen) T.

Du bift an allem ſchuld. ] Dur bift ein jeiger, erbärm- licher Wicht, der nicht den Muth hat, für die Tugend feiner Geliebten einen Handſchuh hinzumerfen und eine Lanze zu brechen. M (zuerft.)

Das ift ſchrecklich. Setzt fol ich wiſſen, auf was für einem Punkt als ihre Tugend fteht und ob fie ſich rechts oder links vertheidigt. Da darf ja eine noch fo viele Untugenden haben, jo fann man nicht ſoviel Verdruſs haben als wegen derer ihrer unglüdjeligen Tugend. Und ich weiß mid) gar nichts ſchuldig. Ich muſs nur grad das Geſetzbuch aufichlagen laſſen, um zu erfahren, was

321

Seite. Zeile. denn das für ein Berbrechen ifl, wenn einer fagt: Der $umelier ift da. M (zuerft.) 219. 21. in Anſpruch nehmen. Gewifs, id) werde T. 222, 14. ſparſam ] ein Freund der Künfte T. 224. 13. nad) „ermweichen“: wenn Ihnen das Leben Ihres Kindes etwas gilt. T. 225. 18. AH fo ] Sie fchmeigen? T. 19. Cavalier. ] Edelmann T. 23. Herrn ] fehlt M. | 226. 19. Der kurze Chor fehlt M. Es ift aber im Manufcripte Pla dafür gelaffen. _ 232. 16. (Bolgen ihnen nad.) ] fehlt MT. 234. 22. Auf alle Fäll’ ] Freilich T. 26. 3a ] Freilich T. 23. Was wirft denn thun? ] fehlt T. 235. 2. Nichts überlegen. ] D’rum werd’ ich mir’s aud) überlegen. 6. heut’ ] heut’ nodh! T, 9. Seht 3. 13. Leben ] fehlt T. 9f. Übrigens ift das ] Denn das iſt T. 236. 13. nad) „Menſch“: Ich lafſ' mich zufamm’mwideln wie ein Wachsſtöckel. M (geftrichen.) 15, wie der rollende Raſand ] wie ein Leopard T. 16. wills T. 238. 2. Heil'ger Gott! ] Himmel! T. 8. fi} ] fehlt MT. 1 Gott! ] Himmel! T. 239. 5. ’8 ] fehlt T. 8 verbot’ne ] geheime T. 242. 2. Bergiis ihr ] Dein Geſchenk bring' in Sicherheit, ſein P. 10. Mäcenat] Mäcen T. 18. Den ich feit fünf Iahren in diefem Haus T. 22. Dummlopf ] Schwadlopf T. 25. und dann eine Lache aufſchlagen T. Raimund, Dram. Werke. III. 24

-- 322

Seite. Zeile. 243. 15. Pfui, Ihäme Did), Kammerdiener T. - 21. Herr von Kammerdiener IH verfi’re Sie, Sie find T. 23. Zwei arme ] mid) einen armen T. 245. 19.—S. 247. 3. 2. ] fehlen T. 246. 16. Ia da hilft ein’ gar kein Kräutel M (zuerft.) 247. 26. Mond ] Blik T. 248. 24. Srlaubter ] Bernünftiger T. 249. 4. fo ] fehlt T. 23. Mörder! Dein Wüthen T. 25. nur T. | 253.12. Doc hört, daj8 uns das Frauenzimmer da nicht etwa ichreit. Die See ift wie mein böfes Weib; wenn man fi fürchtet, treibt fie’8 immer ärger, doch fchlägt man mit dem Ruder tüdjtig fie aufs Maul, da gibt fie nad. Nun fommt! T., Am Schluſs des zweiten Actes: NB. Der Bettler erfcheint nie mit bededtem Haupt. MT. 256, 12. nichts mehr mein T. 257. 4. wünidte T. 15. felbft ] perjönlid. T. 258 4. Der Tump ] der arme Teufel T. 13. und ] fehlt T. 261. 24. frommgefinnten T. 263. 5. ich mir ] fehlt M; mir ] fehlt T.

16. Balentim (fchreit raſch.) Mein gnäb’ger Herr! (Eine Miſchung von Freunde, Wehmuth und Erftaunen macht ihn erzittern, er weiß ſich nicht gu faffen. Ruft noch einmal:) Mein gnäd’ger Herr ! (Die Thräuen treten ihm in die Augen; er küfst ihm finmm die Hand, Ylottwell weint.) AM (geftrichen.) 264. 3. mir fo viel T. 265. 15. ihnen ] fehlt T. 16. Und dann 3. 18. lintert, ] fehlt T. 266. 11. alte ] fchlechte T.

323

Seite. Zeile. 267. 1f. Nichts! Nein! Wird nicht fo Tchlecht ausfallen. Ich koch’ ja felber. Ah, wir werden uns ſchon zufamm’nehmen, ih und meine Alte. T. nah 3. 6: Slottwell (legt die Hand zutraulich auf feine Achſel.) O Dienertrew, du gleihft dem Mond. Wir jehen dich erft, wenn unfere Sonne untergeht.

Balentin.

Das ift eine ſchöne Red', Euer Gnaden; aber id) verfteh’ fie nicht. Ich Hab’ mir gar nichts gemerkt, als was der Schufmeifter g’fagt hat: Mit dem Maß, als Du ausmiffeft, wird Dir wieder eingemeffen werben. (Am Rande: Das heit, glaub? ich, auf italienisch, Wurft wider Wurft.) Euer Gnaden haben mir Gutes gethan. Alfo Detto (mit Obers.) M (geftrichen.)

269. Sagt's die Gans hinaus! ] fehlt T. 271. Gott! ] Himmel! T. 273. 25. verfolgte T. 276. 3. viel ] oft T. 9. find't ] gibt T. 277. 9. Flottwell (für ſich.) Schändlich! ] fehlt T. 26. Du, da bin ich vergnügter T. 279. 7. wenigftens ] fehlt T. 9, wie Sie jehen ] fehlt T. 19. Ah was! Berhältniffe beftimmen die Äußerungen ber Menſchen. T. 381. 17. liebe Alte M (zuerft.) 233. 4. Did ] Du T. 7. nicht länger im Haus T. 26. 14—16. fehlen T. 37. 2. noch ] fehlt T. | 11. der Auszug aus Egypten M (geftrichen.) 288. 2. Nu, Gott ] dem Himmel T.

«

21*

324

Seite. Zeile. 289. 2f. dafs die ganze Menfchheit die Händ’ über den Kopf

T.

z'ſammen ſchlagt M (geftrichen) ; daſs die Menſchheit die Händ’ über den Kopf zufammen fchlagen fol, T,

. daj8 wir fo glüdlich verheirat’ fein ] daſs wir fo

friedlich miteinander leben. T.

. hin ] nieder T

. berlaist T.

. Der Bub 3. 8 fortwachst. ] fehlt T.

. Wohlthun ] Wohlthat T.

. das Edle ] ein Edler M (zuerfi) T

. verrinnen ] beginnen M,

. Es war Azur, der Geift T.

. nach „Haus“: und wenn ich nichts mehr find’, dann

wie’ ich meine Buben. M (geftrihen.) jo vielen ] allen T.

23—26. fehlen T.

24.

köſtliche M

--

Nadlafs.

LLLLLLLLLL SL

I.

Gedichte. Stammbuchblätter. | | Aphorismen.

An die Dunkelheit. Mid, drängt’s mit Macht die Leier zu erfaflen, Di zu beweinen, arme Dunkelheit; Es will mein Geift Dein trübes Reich umfliegen, Und aus der Seele ſchwebt der Führer auf. . Mein düſt'rer Sinn iſt's, der mit Dir verwandt, Sic ſelbſt in Deine Zauberfreife bannt.

So fing’ id) Did) denn, melanchol'ſche Tochter Des Lichtes und der alten Finfternis, Die Du den Anblid Deiner Eltern flieheft, Did) chen verbirgft in Grotten und in Hainen, Wenn Freude raufcht im leicht befränzten Saal, In düffrer Kammer weilft mit herber Qual,

Wohin der Bater oft Dir tröftend folgt, Mit ſanftem Strahlenblid bedauernd Did) Belaufht und Tiebreih Deine Spur erhellt. Nur fie, die Finfternis, das ftolze Weib,

Die oft das Schönfte, was der Tag uns gab, Gefühllos tauchte in ihr fchwarzes Grab;

328

Die von der Ewigkeit gezeugt, die Welt Gebären fah, und fie verfchlingen wird, Nur fie verfolgt Di), arme Dunkelheit. Don ihr vertrieben mit dem Speer der Nadjt, Wirſt Du zum Spiel der heimatlofen Zeit, Die, treulos ftets, Veränd’rung nur uns beut.

Die ewig altert und doch ewig blüht, Auch als Erinn’rung noch wie Hoffnung grünt, Und doch ſich Hafst, verdränget und verjagt, Bis fie verrinnt in der ÄAonen Strom. Doc eben weil des Schickſals Graufamteit So ſchuldlos Dich zur Unglüdsprieft'rin weiht,

Liebft Du das Heer armfel’ger Brüderfchaft, Die durd) des Glückes Fluch verwandt, nimmſt fie In Deine ftillen Hallen auf, die oft Das Elend ſucht, und vor dem Aug’ der Welt Berbirgft Du mitleidsvoll das wehmuthsreiche Los Des heigbethränten Blicks in Deinem dunflen Scof.

So ſuch' au ich Dich, freudenarmes Kind Des Strahlengottes, der die Welt entzück, Wenn unter dichtbelaubten Bäumen Du Dein finnend Haupt Iehnft an des Waldes Grün; Und fällt auf mic, Dein heil'ger Schattenblid Im frommen Traum, umjchwebt mid Friedensglüd,

Wohl denen, die in Deinem ftillen Tempel Des goldnen Friedens fanfter Hauch ummeht. Nur Reinheit darf fich Hoffnungsvol Dir nah’n, Doch den Berbrecher fchredft Du, Dunkelheit,

329

Und ſcheuchſt ihn fort aus Deinem Heiligthum, Wo ftil nur thront verfannter Tugend Ruhm.

In Scleiern tief verhüllt, den ſtarren Blid Dem Zraumgott zugewandt, beglüdft Du dod) Sp mild die Welt, entnervſt der Ahndung Kraft, Wenn ihr prophet’fcher Geift die Parze fchaut, Und Hältft mit weifer Hand den Nebeljchild Unwifjenheit vor graufer Zukunft Bild.

Sp aud das Glüd, wenn e8 von fern fi) naht, Und leif ertönen läfst fein klingend Spiel, Um nad) und nad) al8 Sieger uns zu grüßen, Umſchlingſt Du e8 mit dichtgewebten Flor, Und plöglich fteht’8 vor dem erftaunten Blick Und glänzet doppelt ſchön, das jchnellgeborne Glück.

Und edel fliehft Du, holde Träumerin ! Damit man Dein vergifst im wilden Rauſch; Du weißt e8 jchon, der Menſch in feinem Wahn Iſt ftetS des Undanks übermüth’ger Sohn, Der ſelbſt den Wert des höchften Glücks nicht ehrt, Bis ihn die Dual erft des Verluſts belehrt.

Es ift fein alter Brauch im irren Hoffnungswahn, Daſs durd) Begierd’ entflanmımt, er ftetS die Gunft Des Glücks nur fieht und undanfbar auf den Bergifst, der fie ihm liebend hat gejandt;

D'rum eilft zurüd Du in die Einſamkeit, Die dem Bedauern diefer Welt geweiht.

Und fo fließt ftil Dein krankes Leben bin, Und Dein Geliebter ift der fanfte Abend,

330

Der, wenn der Tag die Blide abwärts fentt, Mit leifem Tritt fucht der Geliebten Spur

Und weinend dann auf Fluren ſtiller Au’, An's Herz Dich drüdt, daher der Abendthau.

An Ontenflein.')

Am 1. Mai 1827. Auf der Höhe des Mariahilfer-Berger. So ſchau' ich Di) im Frühlingsſchein, Du mein geliebte8 Outenftein, Und durch bedeutungsvolle Zahl Begrüß' ih) Di nun fiebenmal?). Die Welt, fo alt fie immer fei, An Trug und Teuſchung bleibt fie neu, Und edle Wahrheit thronet nur Im Herzen Träftiger Natur. Bertrauen ift ein muntrer Wandersmann, Oft Mimmt er froh den Berg hinan, Und frägt: Iſt Hier die fefte Burg der Treue? Da tönt’8 zurüd: „Hier findeft Du die Reue!“ Weil mein Gemüth num auch zu ſolchem Los geboren,

1) Reizender Marktfleden in Nieder-Ofterreed), im oberen Pieſtingthal mit einer Wallfartsfircdhe auf dem nahen Mariahilfer- Berge. Auf dem Echlofsberge die Ruine einer Burg, melde 1220 vom Herzog Leopold VII. erbaut wurde, Dort ftarb 1330 Friedrich) der Schöne. Auf dem wegen feines Echos vielbefuchten Moriabilferberge fteht das 1685 geftiftete Servitenkloſter. Die Bewohner diefes Marktes treiben einen ziemlich bedentenden Handel mit Bau- und Brennholz und Holzkohlen. Über Raimund’s Auf- enthalt in Gutenftein und feine Auheftätte auf dem dortigen Sriedhofe, fiehe den biographiichen Theil im IV. Bande. 2) Siebenter Ausflug nah Gutenftein,

m

331

So hab’ ih Dich zu meiner Braut erforen, Du mein geliebte Gutenftein.

Hier will ich oft des Beifall Rauſchen Mit der beſcheidnen Stille taufchen

In des Thales dunklem Hain.

Hier will ich all mein Glutverlangen Kühlen an den blüh’nden Wangen Deiner üpp’gen Flur;

Und an Deinem holden Bufen

Suchen dann der flüht'gen Mufen Kunftgeweihte Spur.

Hoch auf des Klofterberges Gipfel, Wo unter dunkler Tannen Wipfel Die heil'ge Wallfahrtskirche fteht; Wo der Sturm gebiet’rifch weht, Dafs mit ehrfurchtspollen Schweigen Si die ftolzgen Tannen neigen Bor dem hehren Gnadenbilde, Das dort ftrahlt in Himmelsmilde; Wo, noch immer nicht des eif’gen Diadems beraubt, Der Schneeberg kühn fein königliches Haupt Hod) über Oſtreichs Berge ftredt; Wo al dies Hohe zur Begeift’rung wedt: Dort will ich finnen über Erdenfrenden, WIN fchnell den Traum in Worte leiden. Bunten Wechfel in des Menſchen Leben, Leiden, Dulden, Widerftreben, Des Geſchickes Zauberwalten Will zum Werke ich geftalten, Und wenn, was ich auf Deinen Bergen fang,

332

Der Städter heitre Gunft errang,

Sind alle Blümchen, die ihr Lob mir ftreut,

Dir, meiner füßen Braut, geweiht.

Auf Deine Höhn will all mein Glüd ich tragen,

Nur Deinen Klüften will ic mein Geheimnis fagen,

In Deine Bäche will ich meine Thränen weinen,

Mit ihren Wellen meinen Sram vereinen.

So halt’ ich feſt an meiner frommen Xiebe;

Des Neids, der Eiferfucht gemeine Triebe

Können niemals diefes Bündnis enden;

Denn buhlft Du auch mit Elementen,

Wie darf ih Erdenwurm ed wagen,

Der Schöpfung Xriebe anzuflagen !

Darf ich rechten mit dem DBlig, der aus Donnerwolten züdt,

Und den glüh’uden Kufs auf Deine Felſenlippen drüdt ?

Darf ich wohl den Strom beneiden, dafs er Deine Adern

fühlt,

Oder mit dem Weftwind grollen, der ym Deinen Naden

| jpielt ?

Mit den Hirtenliedern, die auf Deinen Alpen klingen,

Mit den Nachtigallen, ‚die in Deinen Wäldern fingen?

Mit dem Morgen, weil er Dir jo freundlich lacht,

Mit dem Abend, weil er Dich erröthen macht ?

Mit der Sonn’, weil fie ins Aug’ Dir ſchaut mit Liebes- glut?

Mit dein Mondlicht, weil e8 Nachts in Deinen Armen ruht ?

Mit dem Echo, weil’s in Deinen Bergen haust ?

Mit dem Sturm, weil er in Deinen Loden braust ?

333

Und fol ich endlich die Natur beneiden,

"Die reiche Quelle aller Lebensfreuden,

Weil fie als trener Gatte Dich beglüdt,

Und mit Dir zeugt, was mid) entzüdt?

Nein, danken mufs ich diefer Himmelskraft,

Womit fie fo viel Herrliches erjchafft.

So will, geliebte Braut, ich's mit der Treue halten,

Di) laſſ' ich mit Natur, Du mit der Kunft mich ſchalten;

Euch beiden weih' ich Xieb’, all meinen Freunden Dank⸗ barkeit,

Dem Himmel meinen Geift, und meinen Leib der Zeit.

Und fchließt die Kunft mid) einft aus ihrem Tempel aus,

Berbirg mein graue® Haupt in Deinem grünen Haus!

Dann mag fid) meine Lebensfonne neigen,

Dann will ic) in Dein Fühles Brautbett fteigen,

In Deinem Schoß ruh' mein Gebein,

Mein Grabmahl fei in Gutenftein!

mn

An Outenflein.') Darf ich den Bliden trau'n? Unmöglich! Nein! Iſt dies das Holde Thal von Gutenftein,

1) Das Anſchwellen der Gebirgswäfler Hatte wiederholt furchtbare Verheerungen in Gutenftein und Umgebung angerichtet. Sn der Naht vom 21. auf den 22. September 1833 vermwüftete das entfefjelte Element das pitoresfe Gebirgsthal und raubte den fleißigen Bewohnern ihre mühfam erworbene Habe. Im Verein mit Molf Bäuerle fuhte Raimund dem Elend einigermaffen abzuhelfen. In füänmtlichen Wiener Vergnügungslocalitäten wurden Wolthätigkeitsconcerte veranftaltet. Scherzer, der Eigenthüimer bes Sperl, Gerike und Wagner, die Erbauer bes Tivoli, eröffneten ihre Stabliffements zu diefem Zwecke. Obiges Gedicht erjchien

—- 334

Das die Natur zum Landihaftsfaal erwählte; Wo fie die wilderhabenften Gemälde,

Die marmorfeft in Felfenrahmen prangen,

An japhirblauen Wänden aufgehangen ?

Wo find die Bilder, die jo rein beglüden? Auf altem Punkt doch immer neu entzüden ? Die grüne Wiefe, rund vom Wald begrenzt, Die wie Smaragd auf ſchwarzem Grund erglänzt ? Die Felſen, deren Haupt geweiht den Sternen, Und Ausficht bieten in die weit’ften Fernen, Wo Thäler, um Bewund'rung zu cvringen,

In reizender Verwirrung ſich verjchlingen,

Wo bift Da, Walfahrtsort der müden Dulder, Du Berg, der janft auf moosbededter Schulter In Demuth trägt die ftillen Klofterhallen,

Aus denen frommer Mönche Lieder fchallen? Wo feid ihr Wälder, die als dunkle Brüden Der Blid befchreitet, nach des Schneebergs Rüden? Wo bift Du felber, Rieſe Fühner Art,

Mit weißem Haupt und eisbehangůem Bart? Umfonft! Dies alles ift dem Aug’ entzogen, Es blidt durch Nacht auf wilde Wafjerwogen ! Die Flut, die fchonungslos der Wolf’ entquillt, Hat Berg und Thal mit Nebel dicht umhüllt, Und was der Menſch ſich mühenoll gefchaffen, Verheert Natur mit fürdhterlichen Waffen.

damals im Einzelndrud. Das Erträgnis der ganzen Auflage, welche in wenigen Tagen vergriffen mar, verwendete Naimuud zur Unterftüung der ſchwer betroffenen Bewohner „bes Thales ber guten Leute,“ wie der Dichter Gutenftein zu bezeichnen pflegte.

335

Drei Bäche!), Har, bis auf den Grund zu ſchauen, (Den Herzen gleich, auf deren Treu' zu bauen,) Die aus entfernten Bergen hier erfcheinen,

Um fih im Thale brüderlich zu einen

Sie find empört! der unheilvslle Regen

Mufst’ endlich zur Verzweiflung fie bewegen;

Und wie der Menſch, den die Vernunft verlaffen, Sich nimmer weiß in toller Wuth zu fallen,

So bäumen fich die aufgereizten Wellen,

Bis fie zum furchtbar wilden Strom erjchwellen. Es trieft der Berg, und feine Waſſer raufchen, Die bange Höh' mit Thalesſchlucht zu taufchen. Dies mehrt die Flut. Der Elemente Bund

Wird auch im finftern Schoß der Erde fund,

Es dringen Duellen, die bis jet noch fchliefen, Mit wilder Neugier aus des Thales Tiefen.

Nun drängt der Schwall fich frei in die Gemächer, Es flühten Arme fih auf morjche Dächer; ' Bom Hohen Kichthurm tönt ein fehaurig Läuten Und mehrt der Scene furdhtbares Bedeuten.

Bald wird der Strom die höchſte Wuth erreichen, Schon bringt er losgeriſſner Bäume Leichen.

Die Hütte wankt fie ftürzt; die Brüde Fracht! Ein Angftgefchrei dringt an das Ohr der Nacht, Die, aufgejchreeit durch folchen Jammerton,

Nun felbft erbebt auf ihrem jchwarzen Thron, Und nicht vermag, die Urkraft zu verlegen,

Die nur zerftört nad) ewigen Geſetzen.

Der Zag bricht an, der Regen hat geendet,

1) Der Kaltegang, die Längapiefting, die Steinapiefting.

336

Und ihre erften gold’nen Strahlen fendet

Nach langer Zeit die Sonne auf ein Bild, Das fie bewegt, dafs fie fi) neu verhüllt.

Ein breiter See ift nur die weite Flur,

Und tiefbeſchämt erblict ſich die Natur.

Noch lagern Wolken auf des Schneebergse Haupt, Das Rand betrachtend, das fie fo beraubt.

Der Landmann fehaut aus feines Daches Kammer Mit tiefem Leid auf allgemeinen Jammer.

Die Hütte, die er erft geftügt, ift Hin,

Das Feld zerftört, und Noth ift fein Gewinn; ' Sieht man des ranhen Köhlere Thränen fließen, Kann man fein Herz dem Mitleid nicht verfchließen. Schon zweimal hat dies Unglüd ihn befucht, Doch er hat, gottesfürchtig, nicht verflucht

Der Elemente bösgefinnte® Toben

Und fendet gläubig feinen Blick nach oben.

So find’ ih Did nach Tieblich Heitern Stunden Mein Gutenftein, von trüben Leid ummunden, Und alle, die fi) zu ergößen kamen,

Und fah’n Dein Glüd vor ihrem Aug’ erlahmen: Berliegen Dich) mit nichtigem Bedauern, Heimfehrend nad) der Städte ftolgen lauern; Doch ich bin Dir kein eigennüß’ger Freund,

Der Did) nur fucht, wen Deine Sonne fcheint, Der mit Dir jauchzt, wenn Deine Tafel voll, Und Deinem Kummer fagt ein Lebewohl.

Ich weile noch, wenn frohe Gäfte flieh’n,

Weil um die Berge düft’re Nebel zieh'n.

Mag man mich immer einen Träumer nennen,

337

D dürft! ich nie von meinem Traum mid) trennen! Wohl dem, der feine Träume lange Liebt!

Traum fchenft noch Glück, wenn Wirklichkeit zerftiebt. Was Du mir bift, bift Du nicht jedem wohl:

Des tiefen menfchlichen Gemüths Symbol,

Denn Alles, was wir Schönes in uns preifen, Hat die Natur im großen aufzuweifen. .. Dies ift’s, was unmwillfürlich meinen Schritt Magnetifch ftets nad) Deinen Bergen zieht. Die Welt hat viele Gegenden auf Erden, Die ſich gewiſs noch reizender geberden; Doc) jeder liebt das Land, das ihn geboren, Und einen Punkt den er fich auserforen. Ich habe Dich gewählt, wildfchönes Thal, Und tauſend Klüg’re theilen meine Wahl. Doch wie fi) wahre Lieb’ dadurch bewährt,

Daſs fie den Gegenftand auch reizlos ehrt,

So würde ich Dich dennoch Lieb behalten,

Wollt’ fi) Dein Leib auf ewig mijsgeftalten. Doch Deinen Reizen droht nod) feine Nacht,

Der Menſch ift e8, den Alter elend macht,

Du fchlummerft bloß, Dein Winter ift nur Schein; Ein füßer Schlaf, um doppelt jung zu fein.

Bon Dir find ferne nod) des Todes Pforten;

Dir ift fein ſchnell vergänglich Los geworden, Dafs, einmal well, Du nimmer Tannft erblüh'n. Auf Deine Fluren wird der Frühling zieh'n;

Mit Stolz wird fi Dein grünes Haupt erheben, Durch Deine Adern firömet neues Leben,

Und wenn Did) wieder grüßt mein heiß Berlangen,

Raimund, Dram. Werte III 22

338

Wirft Du mit ſüßem Lächeln mid empfangen, Wie einen thenern, langerfehnten Freund, Der’s treu und redlich in der Noth gemeint.

An den Hofſchauſpieler Ludwig Löwe. Wer lebte einft, und ift noch jetzt geehrt? Wer lebt noch jekt, und wird es einftens fen, Der's wirklich) auch verdient, dafs ſich's die Welt Erzählt, dafs er gelebt? Gewifs nur der: Der unermüdet ſtets nad) Wahrheit ftrebt In jeglichem Gefchäft; der forfchend, Fühn, Des Lebens große Fragen an fie ftellt Und nicht erbebt, wenn fie ihr Götterhaupt Bei mancher Hoffnung, die er glühend nährt, Offt mmerbittlich ftreng verneinend fchüttelt! Der alles Schöne, Edle ganz vollbringt, Und nicht erglänzt, Bollbringung nur erheuchelnd, Dis ihn die Welt auf dem Betrug ertappt! Dies ift ein Mann! Ein Künftler! Was es fei! Wert! daſs das Leben ihn willlommen heiße, Und fo bift Du! So hab’ id) Dich erkannt! Im Glanz der mächt'gen Wahrheit bift Du mir Erſchienen. Wahrhaft Edles haft Du mir Vor's Aug’ gerüdt. D’rum ehr’ ich wahrhaft Did)

Und bring’ Dir Dank für fo viel fhöne Stunden,

Die ih im Anblid meiner Göttin hab’ Durchſchwelgt. D möchte Dir das Leben aud) Des wahren Glüdes Friedenspalme reichen, Du haſt's verdient, Du förderft feinen Ruhm, Weil echte Kunft das Leben ftets verſchönert; /

339

Und glaube mir, es ift nicht undanfbar!

Die Kunft hat bei dem Leben viel voraus,

Sie ſolhl nicht wahr fein bloß, fie darf es auch! Wie oft hat Wahrheit Hafs nicht im Gefolge, Der Künftler nur wird ſtets durch fie geliebt!

In das Fremdenbuch des Thalhofes u Reidyenan.') Berführerifches Thal von Reichenau!

Großart'ge Phryne! riefig Schön und aud)

Vielleicht darum fo häſslich ungetren,

Dafs Du den holder Leib, vom Mai gejchwängert,

Des zarten Frühlings ehlich' Eigenthum,

Dem ärmften Wand’rer zum Genuffe bieteft,

Und aud nad) mir wollüft’ge Blicke jendeft,

Für immer mid an Deinen Reiz zu feſſeln;

Leicht könnt' e8 Dir gelingen, käm' ich nicht

Erft aus den Armen meines ſüßen Lieb

(Dem ftill befcheidnen, frommen Gutenftein)

Noch in Erinn’rung fchwelgend zu Dir ber.

Zwar kann ih Dir Bewund’rung nicht verjagen,

Du fordert fie mit ftolzent Ungeftüm.

Nicht ohne Recht. Wer wollte fich erfühnen,

Verachtungsvoll den Blid von Dir zu wenden,

Belauſcht er unverfchleiert Deinen Reiz,

Und fieht, wie felbft mit gierigem Verlangen,

Gleich) Greifen, die durch Jugendreiz entflammt,

Des Schneebergs?) und des Scheibwalds Blide auf

1) Ort in Niederöfterreih an der Schwarza, eine halbe Stunde von der Südbahnftation Payerbad entfernt. 2) Höchſter Gipfel der niederöfterreichifchen Alpengruppe (2070 Metr.)

| 22*

340

Dich niederftieren? Nein! Verehrung zoll'

IH Dir, Du üpp’ge, anmuthsreiche Schöne!

Doch eben, weil Dein Stolz mir Lieb’ gebietet, Jauchzt mein Verftand, mein Herz zieht kalt von Dir; Nie läſst ſich wahre Lieb! gebieterifch erringen, Beicheidenheit allein kann uns zur Liebe zwingen. Thalhof, am 14. Mai 18%.

An Schillers Nachruhm.

(1835.) . Sm ftiler Nacht, beim düftern Lampenjcheine, Haft Du oft tief Dein finnend Haupt gefentt; Hoc) wiegt Dein Nachruhm nun mit Stolz das Seine, Weil mit dem Höchſten Du die Kunft befchentt. In fremden Sprachen Deinen Geift verfündend, Fragt er die Welt: ob je ein Dichter fang, Der feinen Ruf durch Höh’res Recht begründen, .. Die Liebe feiner Nation errang?

Dir iſt des Ruhmes ſeltner Doppelorden:

Bewunderung und Lieb', zugleich geworden!

Wer hat wie Du für's deutſche Volk geſchrieben? Hat Jüngling, Mann und Greis gleich hoch entzückt? Wer Völker lehrt, verdient, daſs ſie ihn lieben,

Wer Glück bereitet, ſei auch ſelbſt beglückt.

Warſt Du es auch? und konnteſt Du es werden? Ragt Sehnſucht nicht aus Deinem Lied empor? Lebt ein Gemüth, das rein beglückt auf Erden? Der Weiſe lügt es oft, es wähnt's der Thor; Doch was das Leben auch an Dir verbrochen, Du haſt Dich durch Unſterblichkeit gerochen!

341

Dein Name lebt, dem frechen Tod zum Hohe, Der ftets der Welt zu früh das Beſſ're vaubt. Schon rüftet Deutfchland fi, die Marmorfrone Zu drüden auf Dein ew’ges Dichterhaupt.

Ein Monument fol einft der Nachwelt lehren, (Nicht wie Du fchriebft, dies kündet nur Dein Lied) Daſs Deutjchland feltne Männer weiß zu ehren, Und für der Dichtkunſt Hoheit nod) entglüht.

Der Himmel kann Dir höhern Lohn nod) bieten, Die Erde that, was fie vermag hienieden !

An Herren Gerſtel. Mit Treundlichkeit Haft Du mich aufgenommen, Des Gaftes Vorrecht haft Du anerkannt; Aus Herzensgrunde riefeft Du: Willfommen ! Und reichteft mir zum Gruß die Künftlechand. Es wollte Unmuth nie Dein Herz erfaflen, Geweckt durch niedrer Leidenfchaft Gewalt, Und niemals fah ich neidifch Dich erblafien, Weil heller mich des Glückes Schein beftrahlt. So nimm dafür auch meinen veichften Segen, Er folge treulih Dir, von Land zu Land. Es ftröm’ auf Dich) des Beifalls Jubelregen, Und nirgends werde Dein Verdienſt verfannt. Der ift des höchſten Glüdes Krone wert,

Der fie auf eines andern Haupt verehrt! Münden, am 31. October 1835.

An **, Wie oft zwei Schiffe flüchtig ſich begrüßen, Die nad) verſchiednem Ziel die See durchfteuern,

342 —.

Und da fie fich erkannt, faum Zeit gewinnen, Die holde Freundfchaftsflagge aufzufteden ;

So haben wir in Hamburg uns gefunden,

Bloß um uns gegenfeitig Glück zu wünfcen

Zur fernern Reife, die Sie über’ Meer

Nach Shakſpear's ernftem Heimatland, und mid) Zurüd nad) Oſtreich's munt’rer Hauptftadt führt; Und une die Hoffnung kann mic freundlich tröften, Daſs Sie einft auch den Lauf nah Süden richten Und dort Ihr Schifflein ftil vor Anker legen, Damit ich Ste nad alter Seemannsfitte

Am Bord der Auftria kann froh bewirten. Hamburg, am 7. April 1836.

Fragment.

Die Poeſie iſt jener goldgewebte Traum, Der nur vor das geweihte Aug' des doppelt Wachen tritt. Sie iſt der Seele edelſte und reinſte Schwärmerei, Weil ſie den Schwärmer nicht allein, Weil ſie durch ihn die Welt erfreuen kann, Weil ſie ein Traum iſt, der ſich ſchriftverkörpern läſst. Noch keiner war, der ſich auf's Moos hinſtrecken durft', Den Schlaf beſchwörend durch der Flüche Donner, Und zu dem Traume kühn gebiet'riſch rufen:

„Ich will, daſs Du mir Deine Bilder zeigſt.“

So auch die Poeſie, der götterhohe Traum,

Den keine Formel bannt in unſrer Wünſche Kreis. Vergebens ſpricht des Sängers Mund, ich will Erſinnen jetzt ein Lied voll edler Glut.

343

Monolog. Könnt' vollführen ich den Plan, Ausgedacht in Haſſes Wahn, Wo die Welt verwandelt wär' In ein ungeheures Meer, Von ſo ſchreckensvoller Tiefe, Daſs man ſelbſt Gefahr noch liefe Obwohl Aſiens Himmalayen, Deren Höh'n den Wolken dräuen, Ließ man ſie als Senkblei nieder, Sich dem Auge zeigten wieder; Und aus dieſem Höllengrunde Mit Unmöglichkeit im Bunde, GStredte kahl und unbelaubt Kühn ein Fels fein trogig Haupt, Und auf ihm fo jhöner Traum, Ständ’ ein ungeheurer Baum, Der fo ewig feft verzweiget, Daſs die Wind’sbraut ihn nie beuget. An den Äften fruchtbehangen, Müſste ftolz die Menfchheit prangen, Und befeelt von Nachefeuer, Als ein riefig Ungeheuer, Möcht ic folder Welt zum Beben Zwiſchen Meer und Himmel fchweben. Dann mit ftahlbenervten Armen Würde ic) ohn' al’ Erbarmen Diefen Baum mit Macht erihüttern, - Bis dafs fielen all’ die bittern, AM die faulen Früchte ab,

344

Und das Weltmeer würd’ ihr Grab, Nur die Edlen glänzten oben,

Um des Baumes Saft zu loben, Der bloß kern'ge Frucht beſitzt, Und verlor, was ihm nicht nützt. Plötzlich bräch' dann eine Sonne Zu des Auges höchſter Wonne, Aus dem finſt'rern Wolkenflor Herrlich ſtrahlend raſch hervor,

Und nun ſähe man im Glanze

In des Baum's ſmaragd'nem Kranze Alles Große dieſer Welt

Von der Wahrheit Licht umhellt, Und mit Myriaden Augen

Wollt ich dieſen Anblick ſaugen. Doch wo biſt du, eitler Traum? Luftveronnen iſt der Baum, Ausgelöſcht der Sonne Licht,

Auch den Fels erblick ich nicht, Dunkel iſt es um mich her

Und vertrocknet iſt das Meer. Darum ſchleich' ich zum Kamin, Setze mich an's Feuer hin.

Leg' die Hände in den Schooß Schau den Rauch gedankenlos.

Ob man anders mich als einſam ſieht. Stammbuchblatt. Einſam bin ich ſelber in der Menge, Streb' ich gleich zu ſein, wo Menſchen weilen, Einſam ſelbſt im wildeſten Gedränge,

345

Wer ſoll Luſt, wer Freuden mit mir theilen? Fremd ſind die bekannteſten Geſtalten

Mir geworden, und ſeit Du mir fern,

Schmerz allein und Grab und Trübſinn walten, Weil ich ſtets ſie pflege, bei mir gern.

Sie umſchmeicheln mich, doch ach! ſie haben Meine Ruh' auf immer untergraben:

Schlaue Diener, zwingen ſie den Herrn.

Dich vergeſſen! könnt' ich's! Nicht erinnern, Wie Du alles, alles mir geweſen,

Muſs ich nicht in meinem trüben Innern Wie im aufgefchlagnen Buche leſen?

Leb’ ich nicht allein in jenen Tagen,

Wo Du mein warft, ich vor allen Dein; Als ich nie geglaubt, dafs Leid und Plagen Könnten auf der Erde möglich fein.

Frage nicht mehr, wie ich Dich beſeſſen Für das Leben nie kann ich's vergefjen: So in Deinen Himmeln, denfe mein!

Wenn ic) nicht der Linden Rauſchen höre, Nicht des Graſes LKifpeln durch den Wind, Wenn der Heinen Sänger Freudendöre Längft verftummet meinem Ohre find;

Wirft Du dann bei Lefung diefer Zeilen,

Die hier aufgezeichnet Freundeshand,

Sanft gerührt ein wenig nur verweilen

Sprechend: Ach! auch diefen hab’ ich einft gefannt!?? Reiſen Sie glüdlih, vielleicht finden Sie dort, was

ih bier vergebens ſuche...... Ruhe.

Wien, den 12. März 1814. |

346 Gruß und Abfıhied.

In's Stammbuch des Klaviervirtuofen I. E. Keſſler. Glaube nicht, weil dem Jocus ich diene, Fehle mir Ernſt in der männlichen Bruſt. Ach, vor Melpomenens düſterer Miene Floh nur zu oft mir im Leben die Luſt. Wie mich das eine tröſtend erhebet, Zieht ſchon das andre mich kränkend herab; Wo mir ein freudiger Augenblick lebet, Wird ſchon der zweite des erſteren Grab. Fühlend bewährt ſich dies jetzt auch im Herzen, Da ich Dir, Freund! meine Rechte hier reich'; Denn es durchſtrömen mich Freude und Schmerzen, Sie gelten dem Gruß und dem Abſchied zugleich.

Breslau, den 26. März 1832.

Stammbuchblatt.

Ich blätt're lange in dem Bilderbuch der Welt, hab' viel Verkehr getrieben auf des Lebens buntbewegtem Markte, hab' ſchlechte Ware theuer oft bezahlt, und mancher Mäkler hat mich bös geteuſcht, drum iſt ein kluger Kaufherr auch aus mir geworden, der nicht bei jedem Handel einzuſchlagen wagt, und jedem reich' ich nicht die Hand zum Freundfchaftsbunde hin. Doch Dich, Du edler junger Mann, der Du die Kunft anbeteft und \ Freundſchaft glaubft, der Du nad) Höherem ringeft,

emeines ftill, verachteft, Dich will ich treu verfichern, dafs ich wahrhaft bin . Dein Freund.

347

Aphorismen. Ein tief Gemüth beftimmt fich felbjt zum Leid.

Keine Liebe ift des Herzens Poefie.

Zeit, o laff? mir diefe einz’ge Stunde von Dir faufen, ein Jahr der Zukunft geb’ ic) dafür hin. Doc Du bift ja fo unbeftechbar, als Du flüchtig bift. Bekümmerſt Did nicht, wie der Menſch, um kleinliche Erhaltung. Die jeß’ge Stunde kränkt ſich um die vor’ge nicht und harrt nicht ängftlich auf die fommende; in ewig gleichem Schritt geht fie an uns vorüber, maht uns glücklich, macht uns elend und läſst nicht zu fich fprechen, weil der nächfte Augenbli nicht mehr der vorige ift.

Wenn man froh ift, muſs man nie fragen, warum. Die Freude ift ein Dieb, der vergnügte Stunden ftiehlt. Ruft man fie an, läuft fie davon.

Weiblich ift die Freude, weil des Mannes freudigftes Entzüden im Befiz des Weibes liegt. Männlich ift der Kummer, weil die Weiber feinen Kummer hätten, wenn nicht die Männer wären. Männlich ift die Freude, weil fie Kraft verräth, und der Kummer weiblich, weil er

von Furcht ſich nährt.

Auf die Advocaten. | Wenn die Advocaten auch vor. Gericht ftreiten und fi) ſchmähen, fie thun doc) einander nichts. Das kömmt mir vor wie eine Schere; die beiden Klingen zwiden immer gegeneinander, aber es geht eine über die andere,

348

e8 ſchaut nur fo fürchterlich aus, es geniert eine die andere nicht, nur das, was dazwiſchenkommt, dem geht's ſchlecht.

Das Concursmachen ift eine Tafel, welche von dem übriggebliebenen Vermögen des Concursmachers gegeben wird ; an der Tafel figen die Räthe oder Advocaten und effen mit großen Vorleglöffeln; rüdwärts ftehen die Gläubiger und fchlürfen das, was über bleibt, mit KaffeelöfferIn.

Einmal, wenn einer Crida gemacht hat, fo hat er fih faft zu Tod gefränft darüber; jest ift ein Concurs grad’ wie ein Katarrh: ein paar Tag’ zu Haus bleiben, iſt's wieder gut.

II. Dläne. wu.

Dan zum Mädchen nus der Seenwelt.

Die Tee Lacrimofa, welche ſich gegen die Geſetze der Teenwelt auf der Erde mit einem Sterblichen vermählte und nad) dem Tode diefes Gemahles ihr aus diefer Ehe entfprungenes Kind, ein zweijähriges Mädchen, um Mitter- nacht geboren, mit zurüd in das Feenreih nahm, um es im glänzenden Reichthum zu erziehen und den ftolzen Plan auszuführen, diefes Mädchen einft mit dem Sohne der Geifterfönigin zu verbinden, wird von diefer mit folgendem Ausſpruch beftraft: „Sie mufs dieſes Mädchen (Lottchen) auf die Erde zurüdbringen und fi) dann machtlos auf ihr Wolfenfchloj8 zurüd- ziehen. Und nur wenn ihre Tochter, in Tugend und Armut erzogen, allen Reichtum Hafjet und fih in ihrem 18. Jahre mit einem ebenjo armen und tugend- haften Yüngling vermählt, ift der Bann ihrer Mutter gelöst und die Stunde diefer VBermählung die von Lacri- moſens Befreiung.”

Lacrimoſa finft mit ihrem Kinde auf die Erde nieder und übergibt es, in der Geftalt eines alten Weibes, dem armen Waldbauer Fortunatus Wurzel, mit der Bitte,

350

die erwähnten Bedingnifje zu erfüllen und reichen Lohn zu erwarten. Dann fchwebt fie weinend an den Ort ihrer Berbannung zurüd.

Der ‚Bauer erfüllt nun fein Verſprechen durch 14 Jahre redlich, und Lottchen ſoll binnen einem Jahre mit einem armen Fischer (Karl Schilf) verbunden werden.

Zu diefer Zeit aber verfchaffen die mifsgünftigen .

Gefinnungen unter Lacrimofens Dienerfchaft dem Neid Eintritt in ihr Ertl. Er entbrennt in Begierde und wirbt um ihre Hand. Doch da fie ihn verfchmäht, Läjst er aus Rache den Bauer einen großen Scat finden, befiehlt ihm, mit dem Mädchen nad) der Stadt zu ziehen, ihren Geliebten aus dem Haufe zu verbannen und fic fhnell mit einem reihen Manne zu vermählen. Doch verbietet er ihm, feine Glüdsgüter zu verwünfchen und fih in feinen Bauernftand zurüdzufehnen, weil fein Wunſch fonft augenblidlih in bittere Erfüllung gehen müſste.

Der Bauer befolgt alles genau, wird zum reichen Praſſer und will Lottchen, die mit frommer Sehnſucht an ihrem Geliebten und an dem geräuſchloſen Landleben hängt, zwingen, einem Millionär ihre Hand zu reichen.

In dieſer Gefahr beſchwört nun Lacrimoſa alle Geiſter, die ſich in der Nähe ihres Feengebietes befinden, ſchriftlich, ihr Beiſtand zu leiſten, doch da ſich unweit ihres Zauberreiches das Hoflager der Geifterfönigin befindet, wagen fie es nicht.

acrimoſens Angft fteigt num auf den höchſten Grad, und erft drei Nächte vor dem Ausgange des 18. Früh- lings ihrer Tochter gelingt es ihr, heimlich Geifter aus

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fernen Gegenden in ihrem Woltenfchloffe zu verfammeln. Unter dieſen befindet fich ihr Better, der Magier Ajarerle aus Donau-Eſchingen, dienftfertiger, aber furchtſamer Natur, Buftorins, Zauberer aus Warasdin, mit reblichem, muthigem Charakter, Geifter aller Art, die Nacht, der Morgen und viele allegorifierte Mächte, jelbft die dur Amor und HHymen perfonificierte Liebe und Ehe. Diefen trägt Lacrimoſa ihre Unglüdsgefchichte vor, und alle geloben ihr, dafs bis zur dritten Miitter- nachtöftunde die Vermählung ihrer Tochter vor fich gehen werde. Sie wählen daher zu ihrem Hauptquartier einen hohen Berg, der Seifterfchedel genannt, welcher ſich in der Nähe der Stadt befindet, in welcher der Bauer feinen Wohnſitz aufgejchlagen hat. In einer Stunde bejchliegen fie fich dort zu verfammeln, die Nacht wählen fie zur Begleiterin, damit fie in ihrem Dunkel un- entdedt handeln können. So geht die Berfammlung aus— einander, und Lacrimoſens Better, Ajarerle, den fie zum Kundfchafter gewählt, begibt fich, als Schnedenhändler verkleidet, nad) dem Markte der Stadt, findet dort den Sicher und führt ihn unter dem Vorwande, dafs Lottchen ihn gejendet, während Wurzel außer Haufe ift, zu feiner Geliebten. Sid) von der Treue der Liebenden überzeugend, verfpricht er ihnen Beiftand und befiehlt Karln nad feiner Fifcherhütte zu eilen, welche fich zwei Stunden außer der Stadt und eine Strede weit von dem Dorfe befindet, an welchen Wurzel einfame Waldhütte fteht, und dort feiner zu harren. Unter diefem Gefpräcd hören fie Wurzel nad) Haufe fommen, und der Magier verftect den Fiſcher in einen Kaften, um fi) mit dem Bauer

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einen Spaſs zu machen. Dieſer erfcheint, und Ajazerle, der fi) für Karls Better ausgibt, hält für ihn um Lottchens Hand an. Der Bauer entbrennt darüber in den heftigften Zorn und ſpricht den Schwur aus:

„Daſs er die Verbindung nicht früher zugeben wolle, bis ihn das Alter fo entnervt,. daſs er (ie ein gemeines Sprihwort fagt) auf den Ajchenmarft hinausgehöre.“

Diefen Schwur läſst Ajarerle in dem Augenblid, als Wurzel ihn ausfpricht, durd) einen Satyr auf eine fteinerne Tafel fehreiben und fendet ihn den Geiftern zur Erfüllung. Dann verläfst er unter heftigen Drohungen den Bauer, welcher ihn mit Schmähmworten bis auf die Straße verfolgt.

Während diefes gefchieht, ſprengt der Fiſcher, durch) die Befchimpfungen, die Wurzel gegen feine Ehre aus- geftogen, in Wuth verjegt, den Kaften und verläfst feine Geliebte unter der Verſicherung: „Er wolle reich oder nie wieder vor ihr erfcheinen.“ Doch auf Lottchens Bitte, ihre Ehre zu fchonen und dem Vater auf der Xreppe nit in die Hände zu laufen, fpringt er in feinem gereizten Zuftande über das Tsenfter des erften Stod- werfs und fällt auf Wurzel, weldyer fi) noch vor feinem Haufe befindet. Diefer ergreift ihn, macht Lärm, Ihicdt um die Wache, der Fischer rafft fih auf und ent⸗ ſpringt. Lottchen, die Karls Fall fah und ängftlich herab- cilte, um ihrem Geliebten beizuftehen, wird von Wurzel mit Schmähungen aus dem Haufe verwiefen und das Hausthor vor ihr verfchloffen. Mit Thränen wendet fie fi) an die gaffenden Zeugen dieſes Auftrittes, und da fie diefe ſpottend verlaffen, befchwört fie die Nacht, ihre

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Schande zu verhüllen. Dieſe Fürſtin der Finſterniſſe, welche ſich unter den verſammelten Geiſtern auf dem Berge Scheckel befindet, vernimmt ihren Ruf und der Geiſterrath beſchließt in Blitzesſchnelle: „Die Nacht ſoll Lottchens Bitte erfüllen und ſie zum Schutz ihrer Tugend durch ihren Genius in das ſtille unbekannte Thal der Zufriedenheit geleiten laſſen.“ Die Nacht befolgt es, ihre Schatten umkreiſen Wurzels Haus und ſprechen über ihn den Fluch ihrer Königin aus. Zugleich ſenden die Geiſter ihren Briefboten, Illi, mit einem Schreiben an die Zufriedenheit, berichten ihr darin Lottchens Ankunft, erſuchen fie, dieſe ſo lange in ihrer Strohhütte zu ver- bergen, bis der Magier Ajarerle ericheint, beide nad) dem Geifterfchedel abholt, wo durch Hymen die Liebenden verbutnden werden.

In dem Augenblide, als dies gefchieht, Feucht Ajarerle den Geifterfchedel herauf und berichtet das freche Betragen des Bauern. Die Geifter enden ihn aber ſchnell ing Feenreich hinüber, um eine geflügelte Kutjche zu beftellen, mit der er noch heute Abends die beiden Weiber aus ihrer Wohnung nad) dem Schedel erpedieren fol. Ajarerle beforgt dies und eilt dann, von Zorn, Bejorgnis und dem Herumlaufen ermüdet, nad) dem Heren-Gafthof, in dem alle fremden Geifter bei ihrer Ankunft abgeftiegen, legt fi) nieder, um fi zu ftärken, und fchläft ein. Den Nachmittag verwenden die Geifter, um ſich an dem Bauer zu rächen, und nachdem Wurzels Zechbrüder ſich beurlaubt, jenden fie ihm allegorifch feine Iugend, um ſatyriſch von ihm Abfchied zu nehmen, und da fie ihn verlaffen, erfcheint das hohe Alter und raubt ihm noc) die legten

Raimund, Dram. Werte. IIT. 23

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Kräfte. So erfüllen fie de8 Bauers Schwur und erzweden zugleich, dafs Wurzel durch diefe ſchreckliche Metamorphoſe in Berzweiflung geräth, den Neid als den Urheber feines Unglüds verfluht und fi) die Gefundheit und die Thätigfeit feines Bauernftandes zurüdwünjcht. In diejem Augenblid verjchwindet fein Reichthum, und er fieht ſich in die Nähe feiner verfallenen Hütte, am Fuße eines Gletfchers, mitten unter eine dort weidende Herde von Ochſen verjegt. Er und fein Diener (Xorenz), welcher jest Kammerdiener und früher Kuhhirte bei ihm war, ftehen Halbentblößt al8 arme Bauern da. Der Diener verläfst ihn als ein Bild des gemeinen Undanks. Nun tritt ihm der Neid mit feinem Milcdhbruder, dem Hass, entgegen und vollendet durch Hohn feine Kränkung ; Wurzel entfernt fich heulend.

Beide haben von Lacrimofens Rettung Wink erhalten und Zophan, des Haſſes Kammerdiener, erjcheint und berichtet ihm den ganzen Plan der Geifter, welchen er eben durch feine Geliebte erfahren, die ald Kammerjungfer in Dienften einer mit den Geiftern verbundenen Tee ift. Zugleihh aber fügt er die Bemerkung Hinzu, dafs es bereit8 Abend wäre und der Magier den Fiſcher nod) nicht abgeholt hätte, da dieſer vor feiner Hütte ihn ängftlich erwartet.

. Nun jchöpfen die Beiden Hoffnung zur Rache, und da den Neid ein Künftlerftreit nach England ruft, über- nimmt der Hafs feine Sache. Doch eine fo heftige Liebe, wie die des Fiſchers, kann feine Macht .niht in Hajs verfehren, darum wählt er die Lift. Er hat nämlich von dem böfen Geifte, der die Welt verfolgt, die Zauberkraft

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erhalten, zur Verführung der Menfchheit zu jeder Stunde, an jedem Ort. einen Zaubergarten erjcheinen zu lafien, in welchem neun Furien in einem Tuftgebäube einen Brillant-Ring bewachen, der, folange man ihn am Singer trägt, unermeſſnen Reichthum gewährt.

Um diefen Ring zu gewinnen, befindet ſich vor dem Luſtgebäude eine goldene Kegelbahn und die Büften der 9 Furien find als Segel aufgeftellt; wer dieſe 9 Kegel auf einen Wurf trifft, ftürzt dadurch die 9 Furien, welche ihm als Sclaven dienftbar bleiben, und wird der Herr des Zauberringes. Trifft er jedoch weniger, ver- fhlingt ihn die Erde. Der Befiter des Ringes aber wird nad) neun Tagen des Befites von einem wüthenden Menfchenhafs ergriffen und ruht nicht, bis er alle feine Umgebungen und endlich fich jelbft vernichtet, nur wenn er ihn vor diefer Zeit freiwillig von fich wirft, ift er gerettet und fein Glück verfchwindet, doc) feine fremde Macht ift im Stande, ihm denjelben zu rauben.

Darauf baut nun der Haſs feinen Plan. Er läjst den Garten auf dem See erfcheinen und lodt den Fiſcher nad) der Kegelbahn, doch von der Hoffnung begeiftert, feine Geliebte durch Reichthum zu erringen, trifft er die Kegel, und der Hafs und alle feine Geifter ftehen nun duch neun Tage unter feinen Befehlen. Er befiehlt aud) einem Theil der Furien nod) in der Nacht einen herrlichen Palaft zu erbauen, damit er morgen fein theueres Lottchen als Braut einführen könne.

Am Morgen des kommenden Tages begibt er fid) mit feinen erften Geiftern nad) der Stadt, um im höchften Slanze um fein Mädchen zu werben; der Haſs begleitet

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ihn. Als fein Haushofmeifter verkleidet, jucht er. ſich nun gleich feine® Vertrauens zu bemächtigen, denn da ihm der Anfchlag auf des Fiſchers Leben mifslungen, bleibt ihm nichts übrig, als bis zur eintretenden Mitternacht, (der Stunde, in welcher Lottchen ihr 18. Jahr erreicht) den Einflufs ‘der verbündeten Geifter auf den Fifcher abzuhalten, damit fich diefer entweder im Beſitze des Ringes mit ihr vermählt, oder die Verbindung ganz zu hindern. Der Fiſcher Läfst fi nun in der Stadt eine glänzende Caroſſe anfaufen, mit 6 Rappen befpannen und fährt, von feiner ganzen Dienerfchaft begleitet, vor das Haus des ftolzen Bauers, doch mit Erftaunen fieht er an deſſen Stelle einen leeren Plag, und man berichtet ihn, der Bauer ſei plötzlich fammt dem Haufe verjchwunden.

Während nun dies in der Stadt vor fich geht, erwacht der Magier Ajaxerle erft aus feinem Erholungs- ſchlafe und fieht mit Entſetzen, daſs bereitS die zweite Sonne ihren Lauf begonnen, welche Lacrimojens Rettung ſchon befcheinen fol. In der entfeglichiten Angft eilt er nun nad) der Hütte des Fiſchers, welchen er geftern Abend fammt feiner Braut und der Zufriedenheit abzuholen vergefien hatte, und findet ftatt des arınfeligen Haufes einen hellrothen Marmorpalaft; einige ſcheu vorüber- ziehende Bauern erzählen ihm, daſs der Fiſcher mit dem böjen Feinde einen Bund gejchloffen habe und mit ihm nad) der Stadt gezogen wäre, um Wurzeld Lottchen mit Gewalt zu entführen.

Dies ift Ajarerle genug und er läuft fchnell nach dem Geifterfchedel, wo die auf ihn harrende Geiftermaffe, dur) Boten, welche fie nach allen Gegenden ausgefendet,

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bereit8 von allem unterrichtet, ſchon an der Ausführung eines neuen Planes arbeitet. Die Geifter wagen es nicht, vereint gegen ‘den Haſs anzurüden, um den Fiſcher mit Gewalt zu befreien; fie fürchten, wenn diefer Dämon der Zwietracht unter fie träte, würden fie fich untereinander felbft entzweien und fo ftatt Lacrimojens Rettung einen Geifterkrieg herbeiführen. Sie wählen darum die Zu- friedenheit, welche dem Haffe unbelannt ift, berichten ihr in einem Briefe alle Umftände, fie möchte mit Lottchen nad) dem Palafte des Fifchers eilen, ſich für feine Ber- wandte ausgeben und ihn zur Entfagung feines Reichthums zu bewegen fuchen. Einem ihrer muthigften Geiſter aber wollen fie eine Perlenſchnur übergeben, durch welche die Zufriedenheit im Tall der höchſten Noth 12 mächtige Geiſter unter einer ſolchen Geftalt zu Hilfe rufen kann, daſs fie den Hafs nicht zu fürchten haben. Doch da Ajarerle, als Berwandter der Lacrimofa, fic) das Recht, diefe Perlenfchnur der Zufriedenheit zu überbringen, nicht zauben laffen will, um fein Berfchlafen wieder gut zu machen, fo übergeben fie ihm diefe, befehlen ihm, am Eingange vor des Fiſchers Palaft auf die Zufriedenheit zu warten, feßen dies in ihren Brief und fenden ihr diefen durch den Liftigen Liebesgott, welcher überhaupt in diefer Geſchichte eine Hauptrolle fpielt. Ajaxerle begibt fi) nach dem Palafte und Buftorius hüllt fi) in eine Knaſterwolke und eilt nad) der Stadt, un den Fiſcher fhnell zur Nüdreife zu beftimmen. Er erfcheint ihm gerade in dem Uugenblide, als diefer erftaunt auf den leeren Fleck Hinftarrt, wo Wurzeld Haus verſchwunden. Dem Hafs und feiner Dienerfchaft unfichtbar, beſiehlt

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er ihm, fchnell nach Haufe zu eilen, weil jein Lottchen

ihn in feinem Palaſte erwartet, um fein Weib zu werden.

Dann verfchwindet er.

Der Fiſcher läſst fogleich aufbrechen, hält fih nur

noch auf, um für fein Xottchen den fchönften Brautſchmuck einzuhandeln, und fendet den Haf voraus, um auf das ichnellfte alles zur Vermählung zu bereiten. Der Haſs muſs feinen Befehlen gehorchen; doch bietet er feinen Geiftern auf, fein Auge von ihm und dem Ringe zu wenden. Bald nad, der Ankunft des Hafjes erjcheinen Amor, die Zufriedenheit und Lottchen im Palafte, und da fie Ajarerle nicht gleich gewahr werden, fucht ihn Amor, - auf feine Furchtſamkeit rechnend, hinter den Blumenheden auf. Die beiden Mädchen, welche in Bauerntracht find, laffen fi) bei dem Haſſe melden und verlangen als feine Berwandten dem Fiſcher vorgeftellt zu werden. “Der Hafs ſchöpft Argwohn und will fie durch feine Diener ergreifen lafjen; doch Amor ſpringt fchnell aus der Hede und verwundet ihn mit feinem Liebespfeil. Neun entfteht em Kampf in des Haſſes Bruft, der feine Glut in mildes Wohlwollen verwandelt, und er laſst d die Mädchen nach den Domeſtikenzimmern führen.

Jetzt erſcheint im Hofraum des Palaſtes Ajaxerle, welcher aus Furcht vor den wachhabenden Furien am Eingange verborgen war und die Zufriedenheit überjah ; doc) ein donnerndes „Wer da!" bringt ihn neuerdings außer Faſſung, er fpringt über die Haupttreppe des Palaftes, und da er fi) von einer Furie verfolgt fieht, verftect er fich in den Dfen des Vorſaales.

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Nun ruft eine Heifere Stimme „Aſche!“ und Wurzel wankt als Afchenmann herein; er hatte fich, nachdem er den Neid verließ, nach dem nächften Dorfe gejchleppt, um das Mitleid feiner ehemaligen Kameraden anzuflehen; doc) niemand will an feiner ausgezehrten Geftalt den vormaligen rüftigen Bauer Wurzel erkennen, und jeder fchließt vor ihm die Thür; nur eine halbvermoderte Hütte findet er unbemwohnt, weil den Tag vorher der alte Ajchenmann de8 Dorfes daraus geftorben war. Er übernachtet darin und am Morgen madjt er fich felbft zum Erben diefes armen Schluders, zieht feine hinter- lafjenen Lumpen an, ergreift feine Aſchenkrücke, geht von Haus zu Haus, „Aſche!“ rufend. So kommt er denn gegen Abend auch zu bes Fiſchers Palaft, von deffen Erbauung man ihm im Dorfe erzählte. Auf feinen Auf tritt die Zufriedenheit aus der Thür, welche in ihm den Magier in Berfleidung vermuthete, und da Wurzel, nachdem er mit Neue feine Unglüdsgefchichte erzählt, an einem noch umverzauberten Baume den Platz erfennt, auf welchem über die chemalige Fifcherhütte ein Roſenberg gezaubert ift, jo befiehlt ihm die Zufriedenheit, ſich auf die Spige diefes Hügels zu fegen und dort die Ent- Iheidung feines Schickſals abzuwarten, Wurzel fchleicht nad) dem Hügel und die Zufriedenheit begibt fi) nad) dem Borfaale des Schlofjes, findet dort Ajarerle, welcher ihr die Perlenſchnur übergibt und ihr aufbietet, den Fiſcher dahin zu bringen, daſs er den verderblichen Ring von fich fchleudere, und ſich dann furchtſam entfernt. Nun ftürzt Lottchen freudig zur Thür herein und meldet ihres Geliebten Ankunft im Palafte; fie öffnet das Fenfter

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und ruft ihm entgegen, doch die Zufriedenheit zieht fie zurüd und verbirgt ſich mit ihr hinter einem Vorhange. Raſch tritt der Fiſcher mit dem Haffe ein, er hat Lottchen am Tenfter erkannt, und da er fie nicht findet, jendet er den Haſs fort, fie aufzufuchen, ohne ihm ihren Namen zu nennen, und der Haſs mufs gehorchen. Nachdem er fi) entfernt, tritt die Zufriedenheit mit Lottchen aus dem Borhange und erklärt dem Fiſcher, dafs er fie nur erhalten Fönne, wenn er den Zauberring von fid) werfe. Karl, welcher durch den Beſitz des Ringes ſchon etwas von des Hafjes Natur angenommen bat, auch nur durd) Reichthum Lottchen zu erhalten wähnt, weigert fi) Hart- nädig, und da er die Zufriedenheit als eine böfe ee erklärt und fie durch feine Furien will gefangen nehmen Laffen, zerreißt fie die Perlenfchnur, und Buftorins erfcheint mit einer Windbüchfe, in welcher 12 Geifter eingeladen find und welche er den Furien an den Kopf zu fchießen droht; doch da Karl der Zufriedenheit Lottchen mit Gewalt entreißen will, ergreift fie den Zauberftab des Buſtorius, berührt damit Lottchens Herz und bezaubert fie, dafs fie durch ihr ganzes Leben einen unmiderftehlichen Hafs gegen jeden Dann empfinden mufs, der einen Edelſtein ‚befitt, und beim Anblid. eines jeden Brillantes in Ohnmacht ſinkt. Dies geht aud) glei in Erfüllung, als fie den Ring des Fiſchers ficht. Nun kommt der Hafs zurüd: doch wie er der Zufriedenheit gewaltdrohend entgegentritt, gibt fie fich vafch zu erkennen, und als der Hafs, durch ihren Muth in augenblicliche Verlegenheit geſetzt, über- raſcht zurüdtritt, benüßt fie die Gelegenheit, den Fiſcher auf diefe Probe ihrer Macht aufmerkfam zu madjen, und

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er ſchleudert, als einen Beweis ſeiner treuen Anhänglichkeit, den Ring von ſich. Fluchend verſinket der Haſs und in Nebel zerfließet ſein Zauberpalaſt. Karl ſteht als armer Fiſcher da; Wurzel ſitzt ſtatt auf der Spitze des Blumen⸗ hügels auf dem Dache der ehemaligen Fiſcherhütte und ruft über den Schwur der Liebenden „Aſche!“ Hymen erſcheint, verbindet Karl und Lottchen. Buſtorius ſchießt aus ſeiner Windbüchſe die zwölf Geiſter, Lacrimoſa ſinkt auf einem Wolkenſchleier nieder, dankt den Verbündeten für ihre Erlöſung und umarmt ihre Tochter. Wurzeln aber ſchenkt ſie ſeine Jugendkraft wieder, und der Magier Ajarerle löſcht den erfüllten Schwur von der Tafel des Satyrs. Lacrimoſa verfegt die Liebenden nach dem Aus- fpruch der Feenkönigin durd) das Gefchent eines freund- lichen Fifchergutes in mäßigen Wohlftand, und die Zufriedenheit verehrt ihnen ein Brünnlein der Bergejjenheit des Üblen. Wurzel füllt die Becher und befingt zum Schluſſe das Lob reiner Zufriedenheit.

Programm zu dem Bauberfpiele Moiſaſurs Zanberfluch.

Alzinde, Fürſtin eines fabelhaften Diamantenreichs in Indien, in dem man nebſt dem Sonnendienſte auch den böſen Dämon Moiſafur, aus Furcht vor feiner finftern Macht, mit Opfern überhäuft, hält, während ihr Gemahl Hoanghu außer feinem Reiche kriegt, mit den Sonnendienern Rath und bejchlieft, Moiſaſurs Tempel einzuftürzen und an feiner Stelle einen Tugendtempel aufzubauen. Das Stück beginnt mit der Weihe diefes Tempels und in dem Augenblide, als Alzinde, von der

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beglüdenden Nachricht entzüdt, dafs ihr Gemahl den Trieden erfämpft und den nächſten Morgen mit feinem Heere über die Grenze feines Neiches ziehen wird, der Sonne dankt, erfcheint Moiſaſur, verfteinert ihr Reich, ihr Volt und beftimmt diefe Berfteinerung jedem, der es wagt, die Grenze dieſes Landes zu betreten. Sie felbft verwandelt er in ein altes Weib und läſst ihrem ver- unftalteten Körper alle Kraft und Empfindung der Jugend.

Um fie in habfüchtiger Menfchen Hände fallen zu lafien, läjst er fie diamantne Thränen weinen, und beftimmt, dafs fich diefer Zauber nur dann Löfen könne, wenn fie im Arme de8 Todes Treudenthränen weint. Dann läfst er fie auf den Flügeln des Nordwinds nad) Europa tragen und fie auf den Rüden einer Alpe aus- jegen. Dort verjagt fie der reiche geizige Bauer Gfut- bahn, vor deifen Hütte fie Hilfe jucht, und da fie der Berzweiflung nahe ift, nehmen fie die eben nach Haufe eilenden Nachbarsleute Gluthahns, Hans und Mirka, zwei arme Steinbrecher, freundlicd) auf, tröften fie über ihr unglückliches Scidjal, welches fie ihnen mittheilt, und führen fie in ihre Hütte, um an ihre Arbeit in den Steinbruch zu eilen. Alzinde verfchliegt die Hütte, Glut⸗ hahn, welcher das Geſpräch belaufchte und fah, wie Alzinde diamantne Thränen in Hanfens Hut geweint, beſchließt, die alte Bettlerin, wofür er fie hält, zu ent- führen und fie an einen Juwelier, welcher ein Landgut in Alpenmarkt, eine Stunde weit von feinem Haufe, befigt und fich ebenda aufhält, zu verhandeln. Er lodt fie durch Lift aus der Hütte, fett fie auf einen Wagen

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und fährt mit ihr davon. Sein Weib, durch das Gebell des Hundes in Hanfens Hütte aufmerkfam gemacht, fieht ihn fahren und eilt in den Steinbruch, um ihre Nachbars⸗ leute Hans und Mirka aufzufordern, ihrem Mann nach⸗ zueilen, von dem fie Böfes ahnt. Krank ohnehin und von dem Schred ergriffen, endet fie, vom Schlag gerührt, in den Armen diefer Beiden, welche fie dem Arzt übers geben und ihrem Mann nacheilen, der gegen Alpenmarft fuhr. Während dies vorgeht, hat der Genius der Tugend vor dem Thron der Sonne Alzindens Rettung erfleht und die Macht erhalten, allen Geiftern der Erbe und der Luft, ja felbft dem Genius des Todes zu befehlen, um diefe edelmüthige Fürftin, welche nur zur Prüfung ihrer hohen Tugend diefes Schickſal trägt, von dem Fluche Moifafurs zu befreien. Er erwählt zu Alzindens Netter ihren tugendhaften, fie mit edler Leidenfchaft Liebenden Gemahl Hoanghu, welcher an der Grenze feines Reiches mit feinem Heere ruht, um morgen fieggefrönt in Alzin- dens Arme zurüdzufehren. Durch einen Zraum erzählt er ihm Alzindens Trauergeſchick und will ihn zugleich dadurd) prüfen. Hoanghu donnert fein Heer aus dem Schlafe und befiehlt ihm, zu Alzindens Rettung zu eilen, alles will über die Grenze nad) der Hauptitadt; Hoanghu an der Spike wird von einem Krieger, deſſen Weib vorauseilt und bei Betretung des bezauberten Bodens des Diamantenreiches duch Moifafurs Fluch ver- fteinert ward, gewarnt, zurüdzubleiben; doc da er Alzin- den höher achtet als fein Leben, will er über die Grenze; der Genius der Tugend, durch diefe Prüfung freudig überzeugt, tritt ihm entgegen und weiht ihn zu Alzindens

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Rettung ein, indem er ihm zugleich befiehlt, in feinem Lager feiner zu harten. Er aber tauchet nieder in das Reich der Bergänglichkeit und fordert deſſen Genius durch die Macht der Sonne auf, zu Alzindens Nettung mitzuwirken. Unterdeffen fam Gluthahn mit Alzinden im Haufe des Juweliers an und machte ihm den erwähnten Antrag, und um ihm einen Beweis der diamantenen Thränen zu geben, kränkt und mifshandelt er Alzinde duch Schmähmworte und Drohungen; der Yumelier, dur) die Schändlichkeit feines Charakters empört, läſst beide nad) dent Gerichtshofe bringen und begibt fich felbft zu den Amtmann. Hans und Mirka find unterdefjen in Alpenmarft angelommen und zeugen gegen Gluthahn, welcher von dem Amtmann zur Gefängnisftrafe ver- urtheilt wird. Mlzinde wird vorgefordert, Gluthahn hat fie für eme alte Bettlerin und für. wahnfinnig aus= gegeben. Da fie nun von ihrem Reiche ſchwärmi, von Moiſaſurs böfem Geifte, hält man fie für eine Here und fchidt fie nach dem Gefängnifje zurüd, um von höherem Richterſitze ihr Urtheil fällen zu laffen. Sie fügt fi) mit Erhabenheit in ihr Schidfal und entläfst Die beiden gutmüthigen Steinbrecher mit Äußerungen der vührendften Dankbarkeit. Nachdem fie nun im Kerker fich mit tugendhafter Refignation von allen Hoffnungen dieſer Welt Losjagt, ihr. Voll, ihren Gemahl für verfteinert hält, erjcheint ihr der Genius der Bergänglichfeit als ein alter ehrwürd’gr Mann, ftellt ihr die Nichtigkeit bes Irdiſchen vor und die Reize des ewigen Geinß, schließt fie in feinen Arm und will fie nad) feinem Reiche führen. Alzinde folget ihn mit froher Hoffnung.

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In diefem Moment erfcheint Hoanghu, geleitet von dent Genius der Tugend, welcher auf eilenden Wolfen ihn aus feinem Lager im fehon voraus beſtimmten . Augen- blick bieher bringt, und ruft Alzinde zurück; bei feinem Anblid erwacht Alzindens Lebensluft, und mit Begei- fterung erflärt fie dem Genius der Bergänglichkeit, dafs fie ihm nun nicht folgen werde und ihrem Gemahl, den fie in feinem Reiche zu finden hoffte, wieder angehöre. Diefer läfst fie nicht. Hoanghu, der Moifafurs Flud- bedingung nicht kennt, wird dur) das Unglück feiner Gattin fo Hingeriffen, daſs er nad) einem vergeblichen Verſuch, fie dem Genius zu entreißen, die Hälfte [eines Lebens für das ihrige anbietet, und endlich in Thränen ausbrechend, bittend zu feinen Füßen ſinkt. Alzinde, durch den Edelmuth und die Liebe ihres Gemahls auf den höchften Grad der froheften Empfindfamfeit gefteigert, bricht im Arm des Todes in Freudenthränen aus, und des Dämons lud) ift erfüllt. Der Repräfentant der Bergänglichkeit verſchwindet, Alzinde befindet fic in ihrem Reiche und finft unter dem Jubelrufe ihres entfteinerten Bolkes in Hoanghus Arme. Mit Donnergebraufe zieht Moifafur aus ihrem Neiche, und der Genius der Tugend reicht ihr feine Lilienkrone.

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Plan zum Alpenkönig.

Herr von Rappelkopf, ein ſehr wohlhabender Buch⸗ händler, verläfst aus hvpochondriſcher Menſchenfeindlichkeit die Stadt und zieht fich mit feiner Yamilie und einem Theile feiner Dienerfhhaft auf ein einfames Landgut zurüd. Hier verfällt er nun in einen gänzlichen Menfchenhafs, quält feine gutmüthige Frau Antonie und feine wohl— erzogene Tochter Amalie durch Fränfendes Mifstrauen, mifshandelt feine Dienerfchaft, und während er andere verfolgt, ift er in dem Wahn, er fei der Betrogene, Berfolgte, Gehafste. Seine heftige Gemüthsart und rohes Betragen find die Urfachen, weswegen ihn jeder flieht und fürdhtet, und darin wähnt fein Mifstrauen fid) von Menſchen umgeben, die ihn haffen und Hintergehen wollen.

In diefer Tage fchreibt nun Antonie an ihren Bruder, Kaufmann in Venedig, der mit ihrem Manne früher in inniger Freundſchaft lebte, er folle zu feiner Belehrung erfcheinen, indem er der einzige wäre, auf deifen Einflufs fie noch Hoffnung feste. Zu gleicher Zeit kehrt von einer Kunſtreiſe aus Italien Amaliens Geliebter, Auguft Dorn, ein junger Maler, zurüd, gegen defjen Verbindung mit Amalien Rappellopf rast.

Die beiden Liebenden treffen fi) mit Erlaubnis der Mutter, welche diefe alte Liebe begünftiget, an dem Orte ihres Scheidens unweit des Landgutes in einem reizenden Alpenthale. Dort Hagen fie ſich ihre LXiebesleiden und befeufzen die Menſchenfeindlichkeit des hartherzigen Vaters. Aftragalus, der Beherrfcher der Alpenfette, behorcht fie und gelobt ihnen Schuß und die Belehrung von Amaliens Bater.

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Hofferd trennen fich die Liebenden. Rappelkopf, welcher durch die Nachricht von Auguſts Ankunft und durch die Furcht, um fein Vermögen betrogen zu fein, von welchen er feine Interefjen erhält und das er auf Anrathen feines Schwagers einem Handlungshaufe in Benedig anvertraut, bis zum höchſten Menfchenhafs gereizt wird, geräth durch Mifstrauen in den Wahn, feine rau wolle ihn durch einen Diener, in deſſen Hand er zu unſchuldigem Gebrauch ein Meſſer erblidte, ermorden laſſen. Nachdem er vorher feine Wuth an den Möbeln feines Gemaches ausläfst, verläfst er fein Haus, eilt in den Wald und kauft eine einfame Hütte, deren Bewohner er augenblidlid, fortjagt. Dort erfcheint ihm Aftragalus, ſucht ihn durd) vernünftige Vorftellungen zu überzeugen, daj8 der Grund feines Menfchenhaffes mehr in feinem ungezügelten Temperamente, ungegründeten Mifstrauen, fchiefen Anfichten, kurz, mehr in feinen eigenen Fehlern als in den Fehlern anderer liege, und verfpricht ihm Überzeugung. Doch da Rappelkopf hartnädig, wie bei allem, auf ſeinem gefajsten Vorſatze befteht und ausruft: „Er wolle nicht einwilligen, bis ihm das Wafler an den Hals gehe,“ jo erfüllt Aftragalus durch feine Macht dieſe Worte, läſst ihm feine drei hnerftorbenen und von ihm gefürchteten Weiber erfcheinen, zerftört durch Teuer feine Hütte und läſst einen Wolkenbruch niederftürzen, bis die Flut Rappelkopf, welcher fich auf einen Baum flüchtet, bi8 an die Kehle wallt. Nun erft gibt diefer feine Ein- willigung zu einem Verſuch feiner Befehrung, und Aftra- galus führt ihn auf Wolken in feinen, auf der Höhe eines Gletſchers "erbauten Fryftallenen Palaſt. Da Rappeltopf

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einen widerwärtigen, doc) feiten Charakter befitt, jo hofft Aftragalus, ihn zu befehren, wenn er ihm all’ feine Fehler in einem Seelenfpiegel erbliden läſst. Er verwandelt daher Rappelkopf in die Geftalt feines Schwagers, der nur eine Meile von Rappelkopfs Landfig mehr entfernt ift. Diefen läſst er durch einen Alpengeift, als Poſtillon verfleidet,,. mit feinem Reiſewagen auf die Spite eines Velfen führen, von dem er nicht herabgelangen Tann, bis Rappeltopfs Belehrung vollendet ift. Rappelfopf aber jendet er in einer Poftlalefche nad) feinem Landgute, wo ihn alles für Antoniens Bruder hält. leid) bei feiner Ankunft findet er Gelegenheit, die edlen Gefinnungen feiner Familie fennen zu lernen, auch den Charakter des von ihm gehafsten Maler8 Dorn in einem bejjeren Lichte zu erbliden, da jedes den Berluft des verlornen Baters betrauert. Nachdem er auf diefe Weife zwar nicht im geringften überzeugt, doch vorbereitet ift, erfcheint Aftragalus als Rappelkopf, und nun erblidt er an Aftragalus feine eigenen Fehler in einem noch vergrößerten Bilde. Da nun Ajtragalus zur Bedingnis geſetzt, daſs Rappelkopfs Geſundheit und Leben ganz mit dem MWohlfein und dem Leben des Doppelgängers in genauer Verbindung ſei und beide zugleich fterben müfjen, fo zittert er jeden Augenblid für diefen Pfendo-Rappelkopf, und nachdem er duch die Vorfpiegelung aller feiner früheren Excen⸗ triettäten fich felbft haſſen und feine Familie lieben gelernt, beftraft ihn Aftragalus durd) die Nachricht, dafs fein Bermögen durch den wirklich vorgefallnen Sturz des italienifchen Handlungshaufes verloren fei, und preist ihm den Schwur zu feiner Beljerung dadurch aus, dafs er

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durch obige Nachricht in Verzweiflung geräth und fich in den nahen Waldftrom ftürzt. Rappelkopf fällt bei diefem Anblid ohnmächtig in die Arme feiner Gattin, und bei feinem Erwachen befindet er ſich durch Aftragalus’ Zauber im Tempel der Erkenntnis im Kreiſe feiner Familie in feiner wahren Geftalt mit einem gebefferten Herzen. Er gibt feine Einwilligung zu Amaliens Verbindung mit Auguft, und nun erfcheint der echte Schwager, der Rappel- fopfs Bermögen noch vor dem Sturze des Handlungs- hauſes gerettet Hatte und ihm dasfelbe freudig übergibt.

öV

Raimund, Dram. Werke. III. 24

III. ARepetitionsftrophen.

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Das Mädthen aus der Feenwelt. Aſchenlieder. |

1. (In Münden 1831.) Vom alten Sfterland Zieht ſtill zum Yfarftrand Der Afchenmann von Wien Gedankenvoll dahin. Wie er Baierns Töchter fieht, Berftummt fein Afchenlied, Sie lächeln Hold ihn an D Du armer Alchenmann. (Auf fein graues Haupt zeigend.) Ein’ Aſchen! Sp wandert er durch Auen, Fett winterlic zu fchauen, Gelangt an eine Maut, Wo alles wird befchaut. Da wol’n f ihn gleich plombier’n, Dod wie f ihn vifitier'n, Zeigt er fein’ Butten her Und jagt: „Herr Commiffär, Ein’ Aſchen!“

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Nun fchleiht von Ort zu Ort Ganz unbemerkt er fort, Ein Menſch, dem alles fehlt, Geht fiher durd) die Welt. Ermübdet ruht er kaum, Umſchließt ihn goldner Traum, Den nie erfüllt er fieht. Er weint fein Schwanenlied:

Ein’ Aſchen!

Des Tages Gut erbleicht, Als München er erreicht; Thaliens Tempel glänzt, Vom Abendgold bekränzt. Da wankt der Aſchenmann Die Marmortrepp' hinan, Blickt auf zur Sternennacht, Fragt, ob ſein Glück hier wacht:

Nur kein' Aſchen!

Da donnert auf die Pfort', Drin tönt das holde Wort: „Komm', Fremdling, nur herein, Du ſollſt willkommen ſein!“ Das freut den alten Mann, Daſs er kaum ſprechen kann: „Wie rührt mich dieſe Gnad', Hoch leb' die Münchner Stadt! Kein' Aſchen!“

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2. (In München 1831.) Der Sommer ift dahin, Der Herbft will auch ſchon zieh’n, Der Winter rüdt heran, Mit ihm der Aſchenmann. Hin ift die fchöne Zeit, Wo alles fich erfreut, Jetzt fürchtet jeder ja Die dumme Cholera. Ein’ Aſchen! Dean Tiest an jedem Ort Das abgejchmadte Wort, Und theurer als Juwel Verkaufen ſ' den Flanell. Ein’ Choleramann haben ſ' auch, Da hält man ſich den Bauch, Der Witz' ich ſteh' dafür Iſt ſicher von Saphir. Ein' Aſchen!

Den Aſchenmann ſogar Haben ſ' räuchern woll'n fürwahr, Doch lacht er zu dem Spaſs, Zeigt ſeinen G'ſundheitspaſs, Sagt: Bitt', ihn zu viſier'n, Ich möcht' mich gern ſtiſier'n,!) Denn hier iſt nicht mein Platz, Ich fürcht' die Contumaz.

Ein' Aſchen!

1) Sich aus dem Staub machen.

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Drauf eilt er von der Grenz' Zur ſchönen Reſidenz, Käm' gerne als Prophet, Daſs es ihr wohlergeht. Frau Cholera verzicht', Nach München darfſt Du nicht! Dich jagt der Aſchenmann Mit ſeiner Krück' davon. Ein' Aſchen! (Zweite Repetition.) O überglüdlicd) Los, Ihr Beifall ift zu groß, Wir kommen vor Applaus, Bor zmwölfe gar nicht z'Haus. Da heißt e8 dann o weh, So fpät erft das Souper: Geh’ Lennerl, richt! g'ſchwind an! Der dumme Aſchenmann! Ein’ Ajchen !

Der Beifall wär’ ſchon recht, Allein mir gehts ſchon fchlecht, Ich ſoll noch witzig fein,

Und 's fallt mir nichts mehr ein. Und dent: ich aud) noch nad), Mein Kopf ift Schon zu fchwach, Drum küf ich bloß die Hand, Das ift a ſchöne Schand’!

Ein’ Aſchen!

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3. (In Wien 1882.) Es ift Halt fo beftimmt, Wie e8 der Menfc auch nimmt, ‚Die Welt könnt nicht befteh’n, Wer kommt, muſs wieder geh'n. Bringt uns die Zeit aud) Glück, Sie nimmt 's gewiſs zurüd, Drum fing’ ich ganz timid Halt auch mein Abfchiedslied. Ein’ Aſchen! Ic hab’ im Lieben Wien, So oft ich auch erſchien, Stet8 Gutes nur erlebt, Das freudig mich erhebt! Mein Zweck war zwar nicht groß, Bergnügen wollt ich bloß, Doch manchmal iſt's nicht Leicht, Hätt' ich ihn doch erreicht! Nur kein' Aſchen! Dann klagt' ich weiter nicht. Nach ſüß erfüllter Pflicht, Läſſst man die Wimpel weh'n, Es winkt ein Wiederſeh'n. Drum ſchleicht der Aſchenmann Ganz ſtill vergnügt davon, Blickt fich noch dankbar um, Ruft: Heil dem Publicum! Kein' Aſchen!

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4. (In Münden 1832.) Es ift Halt fo beftimmt, Wie e8 der Menſch auch nimmt, Die Welt könnt’ nicht befteh’n, Wer kommt, muſs wieder geh'n. Drum fchleich’ ich langſam vor, Ich trag’ zwar feinen Flor, Doc ſchwarz ift mein Gemüth, Ic fing’ mein Abfchiedslied. Ein’ Aſchen!

Zweimal in diefer Stadt, Die mid umfchirmet Hat, Hab’ Gutes ich erlebt, Das freudig mid) erhebt! Mein Zwed war zwar nicht groß, Vergnügen wollt’ ich bloß, Doch manchmal iſt's nicht leicht. Hätt' ich ihn doch erreicht!

Nur kein' Aſchen!

Wenn man ins Leben tritt, Bringt man den Wunſch ſtets mit, Ach, könnteſt Du vor all'n Doch jedermann gefall'n.

Da ſpricht das Schickſal: Nein! Mein Freund, das kann nicht ſein. Liebt alles Einen Mann, Was blieb den andern dann?

Ein' Aſchen!

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Drum weil die Welt gewiſs Jetzt äußerſt nobel is, Könnt mancher wenden ein, Das Ding ſei zu gemein. Doch blickt' er in mein Herz, Fänd' harmlos er den Scherz, Wie manches iſt gemein, Und trägt des Edlen Schein!

Ein' Aſchen!

Drum zieht der Aſchenmann Ganz ſtill vergnügt davon, Mit allem ausgeſoöhnt,

Bon keinem noch verhöhnt. Beglüdt durch Ihr'n Applaus, Scleicht er zum Thor hinaus, Sieht fi) noch dankbar um. Ruft: Heil dem Publicum! Kein’ Afchen!

5. (In Berlin 1832.) Vom alten Sfterland

Zieht ſtill zum Spreeftrand Der Aſchenmann von Wien Gedankenvoll dahın. Wie er Deutjchlands Töchter fieht Berftummt fein Ajchenlied. Sie lächeln Hold ihn an. D Du armer Ajchenmann:

Ein’ Aſchen!

377.

Er zieht dur) Wald und Feld, Bon Froft und Hit’ gequält, Gelangt an einen Zoll,

Wo er vermauten fol. Da woll'n ſ' ihn gleich plombier'n; Doch wie ſ' ihn vifitier'n, Zeigt er fein’ Butten ber Und fagt: „Herr Commiſſär, Ein’ Aſchen!“

Nun fchleiht von Ort zu Dirt

Ganz unbemerkt er fort.

Ein Menſch, dem Alles fehlt, Zieht ficher durd) die Welt; Ermüdet, ruht er kaum,

Umfließt ihn goldner Traum, Den nie erfüllt er fieht,

Er weint fein Schwanenlied: Ein’ Aſchen!

Des Tages Glut erbleicht, Als er Berlin erreicht, Thaliens Tempel glänzt Vom Abendſtrahl bekränzt. Da bebt der Aſchenmann Im ſüßen Hoffnungswahn, Blickt auf zur Sternennacht, Frägt, ob ſein Glück hier wacht.

Nur kein' Aſchen!

Da donnert auf die Pfort'. Drin tönt das holde Wort:

378

„Komm', Fremdling, nur herein, Du folft willlommen fein!“ Das freut den alten Mann, Daſs er kaum fprechen Tann: „Wie rührt mi Ihre Gnad’! Hoc lebe diefe Stabt!

Ein’ Aſchen!“

6. (In Hamburg 1882.) Ein Jahr ift e8 beinah’,!) Stand ich am Abend da; Am Morgen tönt das Wort: Der Alchenmann ift fort! Da lachte Jedermann, Ich war nicht ſchuld daran, Ich liebte dieſen Platz, Doch nicht die Contumaz. Ein' Aſchen!

O miſsvergnügte Zeit, Wo niemand ſich erfreut. Den Aſchenmann ſogar Hab'n ſ' räuchern woll'n fürwahr. Der Flieder, 's war doch ſtark, Stieg's Loth auf ſechzehn Mark, Und theurer als Juwel Verkauften ſ' den Flanell.

Ein' Aſchen! 1) Anfangs October 1831 wurde auch Hamburg von der Cholera überrafcht. Raimund reifte nad) wenigen Borftellungen ab.

379

Doch nun ift Hamburg frei, Die Segel jchwellen neu; Ein Scifflein kommt heran, Drin fist der Aſchenmann. Er kommt auf gutes Glüd Mit frohem Muth zurüd, Steigt hoffnungsvoll ans Land. Sein Lied ift ja befamnt:

Ein’ Ajchen !

Und weil er mufste fort, Ganz ohne Abfchiedswort, So zahlt er Ihrer Huld Bor allem feine Schuld.

Die Butten bier ganz voll Und frei von jedem Zoll Bringt reichlichen Gewinn, Denn Dankbarkeit ift drin.

Kein’ Aſchen!

T. (Rad) Raimund's Rücklehr aus Deutichland 1833.) Es zieht auf ftiller Heid’, Ganz winterlich bejchneit, Das Heimatland im Sinn, Ein grauer Wand’rer hin. Mer mag e8 denn wohl fein? Er wandert fo allein, Kein Mädchen blidt ihn an, Ad, 's ift der Aſchenmann! Ein’ Aſchen!

-- 380

Er eilt von Ort zu Ort Ganz unbefümmert fort Und dentt:- Wem alles fehlt, Seht ficher durch die Welt. Ein Räuber fällt ihn an, Das freut den Ajchenmann; Er leert die Butten aus, Sein Reichthum fällt heraus: Ein’ Ajchen !

Er. ruht am Waldes Saum, Da teufcht ihn goldner Traum, Die Jugend kehrt zurüd,

Es krönt ihn neu das Glück,

Doch kaum ift er erwacht,

Dedt ihn die alte Nacht.

Da treibt’8 ihn durch den Wald,

Sein Schwanenlied erfihallt: Ein’ Aſchen!

Doch plöglich Hält er an, Es endet feine Bahn, Er fieht das holde Wien Im Meorgenftrahl erglüh'n. So nahe feinem Ziel, Erfafst ihn das Gefühl: Die Stadt, fo reich befchentt, Ob fie noch Dein gedenft ?

Nur kein’ Aſchen!

Doc kaum tritt er hinein, Erkennt ihn groß und Hein,

381

Und mancher ruft ihn an:

Willlommen Ajchenmann !

Erinn’rung, die nie fchlief,

Ergreifet ihn nun tief.

Er jauchzt mit trunk'nem Sinn:

Hoc) leb' mein theures Wien! Kein’ Aſchen!

Nepetition.

Mid macht fein Beifall müd', Ich wiederhol’ mein Xied, Wenn ich dadurch gefall', Wohl fiebzehnhunderimal: Wenn’s Ihnen Freude macht, Sing’ ich die ganze Nadıt, Und bricht der Morgen an, Kräh’ ich noch ftatt dem Hahn:

Ein’ Aſchen!

8.

Mach dem plötlichen Tode der Die. Bertoni, genannt Falkhhe im, welde - im Fofefftädter Theater die Rolle der Zufriedenheit gab, 1888. ')

Hier ftand vor kurzer Zeit Noch als Zufriedenheit Ein Mädchen, gut und wert, Dafs jedermann es ehrt;

1) Bertoni, eine fehr talentierte Schaufpielerin, fpielte noch vier Tage vor ihrem Ableben im Mädchen aus der Feenwelt. Ein typhöfes Fieber vaffte die allbeliebte Schaufpielerin dahin. Bei der Reprife vom 27. Fänner 1833 fang Raimund tief ergriffen die beiden Strophen.

382

O eitler Lebenstraum,

Betrügeriſcher Schaum!

Bier Sonnen find hinab,

Das Mädchen dedt das Grab! Ein’ Afchen!

Es nahm fich meiner an. Drum weiht der Afchenmann Mit dankbarem Gemüth Ihm noch das legte Lied, Was e8 hier kunſtvoll jchien, Ift nun dem Geift verlieh’n ; Die Erde lebt vom Streit, Dort ift Zufriedenheit

Kein’ Aſchen!

9.

Ich komm' auf Ihren Wink Ganz langſam und doch flink Mit meiner Butten 'raus, Bedank' mich für'n Applaus. Weil ich den Guſto weiß,

So ſing' ich halt was neu's,

Sonſt ruft mir rund herum

Statt meiner 's Publicum: Ein' Aſchen!

Seit die Giraff' iſt todt,!) Sind d' Schleifen in der Mod',

1) Anſpielung auf die 1828 und 1829 herrſchende Mode à la Giraffe. Im Auguſt 1828 wurde die erſte Giraffe, ein

383

Sechs Schleifen auf dem But, Es wird ein’ faft nicht gut. Und auf den Hals, verdammt, Ein’ Schleife gar von Sammt. Dft führt f ein junger Herr, Der auch zu jchleifen wär’. Ein’ Aſchen!

Und jett Hör’ ich, dafs | tragen Bon Felber einen Kragen. Und d' Ärmeln find fo weit, 's gibt jeder noch ein Kleid. Den Kopf ganz einfach nur, A la Sappho die Frifur, Und d' Ohrring’, 's wird eim’ bang, Sind vierzehn Ellen lang. Ein’ Afchen!

——

10.

Wenn eines was verſpricht, Das halt 's darum noch nicht, Manch' arme gute Haut Hat bloß zu viel vertraut, Oft baut man auf die Treu', Als ob ſ' von Marmor ſei.

Geſchenk des Vicekönigs von Ägypten an ben Kaijer, nah Schön- brunn gebracht. Sie war der Gegenftand allgemeinen Staunens und bald Hatte ſich ihrer die Mode und die Localdidhtung be= mädhtiget. Adolf Bäuerle chrieb ein Gelegenheitsftüd: „Die Giraffe in Wien,“ welches jedoch tumultuarifch ausgepocht wurde, Schon am 20. Iuni 1829 endete das vielbewunderte Thier fein Dafein.

3584

Auf einmal fieht man's ein, Da ſteht man ganz allein. Ein’ Afchen !

Nicht jeder, der es fcheint, It auch ein guter Freund, Es gibt ja weit und breit Entjeglich falſche Leut'. Wenn mancher oft aus Liſt Recht freundſchaftlich ein' küſst, Da ſtell' ich mich ſo hin Und denk' in meinem Sinn: Ein' Aſchen! Wie groß iſt nur mein Glück In meinem Miſsgeſchick; Bin nur ein Aſchenmann Und alles nimmt ſich an! Und was das Schönfte gar, Ihr Großmuth ift jo wahr, D’rum ſchwing' ich) meinen Hut Und ruf mit frohem Muth: Kein’ Aſchen!

11. Ein Stuter fpriht ganz ſchwach: Mir lauft ein’ jede nad), Ich weiß, dafs alle Frau'n Nach) mir allein nur fchau’n. Geh’ bild’ Dir das nicht ein, Das könnt’ ja gar nit fein,

385 --

Liebt alles Einen Mann, Was blieb den andern dann? Ein’ Afchen !

Nicht jeder, der es Scheint, It aucd ein guter Freund, Es gibt ja weit und breit Entjeglich falfche Leut'. Wenn einer fo aus Lift Den andern zärtlich küſst, Da fchaw ih nur fo Hin Und den?’ in meinem Sinn: Ein’ Aſchen! (Rad dem Herborrufen.) Wie groß ift doch mein Glüd In meinem Mifsgeihid; Bin nur ein Afchenmann Und jeder nimmt fi) an! Sie find e8 noch nicht müd', Das alte Ajchenlied, D’rum ſchwing' ich meinen Hut Und fing’ mit frohem Muth: Kein’ Afchen !

12. Nenjahrätert. Dem alten Jahr geht's ſchlimm, Kein Menſch Tpricht mehr von ihm. Ein news ift an der Tour, Dem macht man jett die Cour. Raimund, Dram. Werke. IIT. 25

386 —:

Dean jubelt und tractiert,

Und alles gratuliert,

Der Alchenmann jogar

Wünſcht auch das neue Jahr! Kein’ Aſchen!

Er kaufte ſich nicht los, Der Zulauf war nicht groß. Ihm wünſcht fein Domeſtik Zum neuen Jahr mehr Glüd. Es ſchaut ja nichts heraus, Da bleibt ein jeder aus, Denn käm' aud, einer her, Was kriegt er zum Douceur ? Ein’ Aſchen!

Ja ſchwänd' der Armut Nacht, Beglüdt ihn Zaubermacht, Dann ſchmückt' er jedes Haus Mit goldnen Blumen aus. Schenkt' jedem Herzen Luft,

Den Trieden jeder Bruft!

Es gäbe feinen Feind,

Sp weit die Sonne fcheint. Kein’ Afchen |

Doc dies ift eitler Schaum, Des Wunfches leerer Traum, Er ift ein armer Dann,

Der wenig bieten Tann. Er bringt zum neuen Jahr Sein eines Liedehen dar,

387

Blickt fich Hier dankbar um, Ruft: Heil dem Publicum!. Kein’ Ajchen !

Nepetition des Schluſsliedes.

Hoch leb' der Vergeſſenheit Liebliche Quelle, Sie netzt mir die Lippe Mit magiſcher Welle Und all meine Sorge Vergeſſe ich rein, Mir winkt nur die Luſt, Nicht vergeſſen zu ſein. Will mir einſt die Zeit Die Erinn'rung verwehren, Vergeſſenheit all’ Meine Freude verzehren, Bewahr' ich doch Eine Als dankbare Pflicht: Ihre heutige Güte Vergeſſe ich nicht.

Ich wünſchte doch fürcht' ich,

Mein Wunſch iſt vermeſſen Sie möchten den heutigen Abend vergeſſen;

Dann kämen Sie morgen Auf's neue herein,

Und würden ſich wieder

Zum erſtenmal freu'n.

25*

388

Die gefeffelte Phantaſie. Lieder des Harfeniften in der Wirtähansfcene. 1. Der Heurige ift ja ein Göttergetränf, Er wirft oft die fchönften Leut' unter die BänP, Und wer bei der Nacht will die Sonn’ fcheinen jeh'n, Der darf nur recht fpät noch zum Heurigen geh’n, D’rum, Brüdern, ich rath’ eng’8,) ein’ Heurigen trinkt's!

Der Heurige gibt einem Menſchen erſt Luft, Er ftärkt ihm die Leber und frifst ihm die Bruft, Er bringt die Leut' früher in Himmel hinein, Denn mancher, der'n trunfen hat, wird fchon dort fein. D’rum, Brüderln, id) rath' eng’s, ein’ Heurigen trinkt's! Der Heurige kennt fein’ Parteilichkeit nicht, Er laſst fi) nicht fpiden?), er thut feine Pflicht, Sei's Graf oder Bettler, da fehütt gar fein Nam’, Der Heurige padt ihn und reißt ihn zuſamm'. D’rum, Brüderln, ich rath’ eng's, ein’ Heurigen trinkt's!

Und wollt's nicht viel zahlen, jo macht e8 nur fein Und duſelt's?) den Wirt an mit heurigem Wein. Im Rauſch fieht er doppelt, da zahlt's ihn g'ſchwind aus, So fchlupft’8 bei der Zech' mit der Hälfte hinaus. D’rum, Brüderln, ich rath’ eng's, ein’ Heurigen trinkt's!

2. Ic bin ein armer ZTifchlerg’fell, Hab’ Tag und Nacht fa Ruh’,

1) Euch. 2) Beitehen. 3) In Trunkenheit verfegen.

389

Der Meifter geht nit von der Stell’, Ich arbeit’ fleißig zu.

Nur alle Sonntag geh’ ich aus,

Da ift mir was paifiert,

Da hat vorm Kärntnerthor!) fi d’rauf A Köchin attachiert.

Sie jagt, wie ich f’ beim Stand?) fieh’ fteh'n, „Sut’n Morgen, Muffie Hanfel!“ Ih fag’ zu ihr: „Was kaufen S' denn ?* Sagt fie: „IH kauf a Ganfel.“ A Sanfel laufen S’? O darmant! Das fieht ja aus wie g’malen! „Ra, führen S’ mid) Nachmittag auf's Land, Sp können S' mir ein's zahlen!“

Aha! dent’ ich, die möcht’ zum Tanz, Und war etwas frappiert; Ich ſchau' bald fie an, bald die Gans, Dann frag’ ich ſ', wo ſ' Iogiert.

1) Name zweier Stabtthore in Wien, welche der Stabdt- erweiterung zum Opfer fielen. Das alte Kärntnerthor, durch welches man aus der innern Stadt in die Vorſtadt Wieden gelangte, wurde 1859 demoliert. In der Nähe des neuen Kärntnerthors (and) Franzensthor genannt, abgetragen 1861) ftand das Opernhaus, welches der Magiftrat im Jahre 1708 errichtet Hatte. Am 3. Nov. 1761 brannte dieſes Schaufpielhaus ab, worauf Maria Therefia im Jahre 1763 ein neues Theater erbauen Tiejs. Auf demfelben Plate, auf welchem einft Hanswurft feine tollen Poſſen trieb, erhob fid die Mufteranftalt der deutfchen Geſangskunſt. Das alte Opernhaus wurde im Jahre 1873 demoliert. Bier Jahre vorher, am 25. Mai 1869 fand die Eröffnung der neuen Oper ftatt. 2) Marftitand.

390

„Beim Winterfenfter heißt das Haus, Ein Kind kann's Ihnen nennen, Und rüdwärts fchaut ein Aff' Heraus, Sie werd’n fich gleich erkennen.“

„But, Köchin”, fag’ ich, „'s bleibt dabei, Ich führ’ Sie heut! noch aus, Erwarten S' mich um halber drei, Ih lauf nur g'ſchwind nach Haus.“ Z'Haus zieh’ ich mein’ Caputrod an Und mein’ Manchefterhofen, - Mein Ulmerkopf mit Quaſteln d’ran, Und auf der Bruft a Rofen.

D’rauf Schau’ ich in mein Eaffa 'nein, Ich hab’ nicht viel zu eigen: D’rum fted ich nur zwei Gulden ein Und fieben nimm’ ich z’leichen. !) Ich hol’ ſ', da hat fie fich juft g'ſchminkt. Ih frag’ f: „Wo fahr'n mir 'naus? Da fagt’ |, indem fie zärtlich winft: „D führen S’ mid doch zum Strauß !*

„zum Strauß”, fag’ ich, „das koſt' nicht viel, Da fahren wir auf Schönbrunn, ?) Da fieht man Straußen, wenn man will, Allein was thun wir nun?“ Da lacht fie jchredlich über mi Und fagt: „Sein & nit fo dumm,

1)J zu leihen. 2) Kaiferliches Luſtſchloſs in der Nähe von Wien, mit berrlihem Park und einer großen Menagerie.

391

.Der Strauß!) fpielt ja in Zivoli,?) Das bringt ein’ völlig um!“

„Der Strauß ift gar ein g'ſchickter Mann, Der alles unterhalt, Und der in Wien hier jedermann Mit feinen Tänzen g’fallt.“ Ich nimm ein’ Wag’n, wir fteigen ein, Der Fiaker fchreit: Hi! Er haut in feine Röffel ’nein, Wir fahren nad Zivoli.

Das ift a Garten nad) der Mod', Bor Freuden war ich b’fefien, Der Strauß hat geigent wie a Gott?) Und d'Leut' hab'n prächtig geffen, Wir ſeh'n ein’ Wag’n, der war leer, Ein’ nagelneue Kutſchen; Da fagt fie zu mir: „Lieber cher, Der Wag’n, der thut rutjchen.“

1) Johann Straufs, der Walzerfönig, geb. in Wien am 14. März 1804, geft. daſelbſt am 24. September 1849. Siehe über denjelben Prof. Dr. Hansliks geiftvollen Ausſpruch in jeinem Werke „Aus dem Concertſaale“ Wien 1870 Braumüller. . 2) Beluftigungsort der Wiener in der unmittelbaren Nähe von Schönbrunn, nad) dem Muſter des Pariler Tivoli 1828 auf dem fogenannten Grünberg von Gerife und Wagner eröffnet. Die herrliche Ausſicht über Wien, die verlodenden Klänge der Strauſs'ſchen Capelle und eine Reihe anderer Vergnügungen, worunter haupt- fählih eine Rutſchbahn, machten diefen Ort zum Rendezvous der Wiener an Sonntagsnachmittagen. Gegenwärtig befindet ſich dajelbft eine Meierei. 3) Für diefen Vergnügungsort fehrieb Strauſs: „Wiener Tivoli-Mufit“ Op. 36, „Wiener Rutſchwagen“ Op. 39 und „Tivoli-Freudenfeft-Tänze“ Op. 45.

Wir figen ein, das war a Graus, . Sie ſchreit: „Mir wird nicht gut!“ Aus Furcht bleibt ihr der Athen aus, Und ich verlier’ den Hut. Wie ſ' außfteigt, weint ſſ als wie a Kind, Mein’ Angft wird immer größer, Ich zahl’ a Halbe Ofner!) g’ichwind, Drauf wird ihr etwas befler. |

Ich führ f’ nad) Haus aufn Zeifelmag’n?), Und Hab’ nur mehr zwei Grofchen, Die Schand’, was wird der Kutſcher fag’n, Die Leut' hab'n oft fa’ Goſchen?). Ich küſſ' ihr d'Hand, das war a Pracht, Wie kann ein Kuſs doch laben, Auf einmal Hör’ ich, daſs was Tracht, Und alles liegt im Graben.

Heut’ fein wir im Malheur fchon d'rin, Bol Schmuß fein alle Kleider, Den Hut verlor'n, die Pfeifen Hin, Sie ſchimpft als wie a Keiter. Ic gib’ ihr d’ Hand, will zärtlich fein, Und liſpl': Liebe Reſel!

1) Ungarifcher Rothwein. ?) Lohnwagen der wohlfeilften Art, ein ganz gewöhnlicher Leiterwagen mit Querbrettern zum Sitzen und einer fehr primitiven Bedachung. In Wien hatten diefe Fuhrwerke außerhalb der Linien ihren Standplatz, weshalb fie auch „Linien-Zeifel“ genannt wurden. Noch heute ift bei den Einfpännerfuhrwerfen vor den Linien, neben der Wagennummer die Bezeihnung (8. 3.) angebracht. 3) verächtliche Bezeichnung fir Mund.

393

Da fchlagt ſ' mi feſt in’s G'ſicht hinein

Und fagt: „Marſchier'n S’, Sie Ejel.“ Beim Hausthor endlich) küſst |’ mich nod)

Und fagt: „Mir war's a Ehr'!“

Ic den? mir, geh’ zum Zeirel!) doch,

Du fiehft mich nimmermehr.

So renn’ ich voller Gall nad Haus,

Bin giftig über mi,

Mich bringt fein Zeirel mehr hinaus,

Berflirtes?) Tivoli!

Nachtigall's Lied. 2. Act, 8. Scene. Daſs 's Glück mit mir abjcheulid) ift,

Weiß ich nicht erſt feit Heut’, 's thut grad’, als g'hört' ein Harfenift Faſt gar nicht unter d'Leut'. Das Heiraten nugt auch nicht viel, Das Alter ift nicht weit, Wenn id ein Madel küſſen will, So fagt ſ', fie hat fein’ Zeit.

Auch macht's mir oft fehr viele Dual, Daſs ic) Fein’ Stimm’ nicht hab’, Was nutzt's mich, ich Heiß Nachtigall, Und fing’ als wie ein Rab’. Mein Aug’, das ift a wahre Plag”, Iſt's ſchlecht'ſte auf der Welt, Denn ſchau' ich noch fo tief in Sad, Ich ſeh' Halt nie a Gelb.

2) Teufel. 2) Verfluchtes.

394

Mir ift au) um die Ohren bang, Es ift kein’ Heine Sad’ Mir Scheint, fie find etwas zu Lang, Und ’8 Trommelfell zu fchwad) ; Denn fragt mid) einer: „Lump, wie fteht’8? Bift Du zu zahlen capabel? —“ Verſteh' ich immer: „Freund, wie geht's?“ Und fag’: „Ich danf, pafjabel!”

Im Spiel wird 's Unglüd mir fchon z’viel, Test könnt' 's mich bald verfchonen; Nur wenn ic um den Beifall ſpiel', Hab’ ich ſchon manchmal g’wonnen. D’rum werd’ die Frau Fortun' durch mic Nicht länger perfifliert: Denn lafst das Glück mich Heut’ im Stich, So bin id) ganz ruiniert.

(Nach dem Hervorrufen.) Wie ſchön Klingt doc, des Beifalls Schall, Mein Glück ift unermeflen, Sch ſeh's, der alte Nachtigall Iſt doch nicht ganz vergefien; Ich Habe an der Donau!) d'raus Nicht nur mein Glück gefunden, Es ift aud) an der Wien!) nicht aus, Mir winken frohe Stunden!

Doh nun muſs ich zur Königin, Gequält von Liebesſchmerzen,

1) Anſpielung auf die beiden Vorſtadtbühnen, auf welchen Raimund wirkte.

395

Das macht, dafs ich verlegen bin, Jetzt brauchet” ich zwei Herzen.

Mein Herz ift Ihnen nur bejchert, So wie mein ganzes Leben,

Und wenn fie nun mein Herz begehrt, Sp kann ich ihr's nicht geben.

Doc weiß ich fchon, was ich beginn’, Ih gräm' mich nicht zu Tod, Ic ſchließ' mit meiner Königin Ein Eh’band nad) der Mod’, Ih kümm're mic) um fie nicht viel, Laff’ fie mit andern fcherzen, So thut ein jedes, was ed will, Da braudt man feine Herzen.

Die unheilbringende Krone. Repetition zum Lied des Simplicius. 2. Act, 15. Scene. Das ift ein fonderbarer Spafs, Was denn das wohl bedeut’ ? Verſchwunden ift mein ganzer Hafs, Jetzt Tieb’ ich alle Leut'. | Mein Herz will immer mehr ‚erwarmen, Ich wollt‘, ich dürfte al’8 umarmen.

Sollt’ ich mich vorher ärgern nicht? Das konnt’ ich ja nicht Loben, Die Leut' belachen mein Geficht Und ftehen da heroben.

396

Ah, wenn ich unten lachen Hör’, Hernach iſt's mir die größte Ehr'.

Auch 's Geld Hab’ ich vorher veracht', Ic unerfahr'nes Bübel, Jetzt Hab’ ich's nochmal überdacht, 's ift doch nicht gar fo übel. Und wenn ich eine Einnahm hätt, Ich glaub’, dafs ich fie nehmen thät'.

Der Verſchwender. Jagdlied.

Nein, die Sach' muſs ich bedenken, D' Jäger kann ich nicht fo kränken, Denn, wenn keine Jäger wären, Fräßen uns am End' die Bären, 's Wildpret will man doch genießen, Folglich muſs doch Einer ſchießen. Brat'ne Schnepfen, Haſelhühner, Gott! wie ſchätzen die die Wiener! Und ich ſtimm' mit ihnen ein: Jagd und Wildpret müſſen ſein.

Alles jagt auf dieſer Welt, Der nach Mädchen, der nach Geld, Dichtern iſt es aufgetragen, Üble Laune zu verjagen. Darum möcht’ ich gerne hoffen, Daſs ich hätt! das Wild getroffen, Denn Ihr Beifall ift ein Braten, Dian kann alle andern g'vathen, !)

1) Entbehren.

397

Und mich freut die Jagd nur bloß, Geht die Bravobüchfen Los,

Tiſchlerlied. 1. Ein Tiſchler, wenn ſein' War' gefällt,

Hat manche frohe Stund', Das Glück iſt doch nicht in der Welt Mit Reichthum bloß im Bund’, Seh’ ih fo viel zufriednen Sinn, So ſchwindet alles Weh', Da leg’ ich nicht den. Hobel Hin, Sag’ nicht der Kunft Adje.

2.

Ein’ Tischler, der viel War’ verfchleißt, Dem wird e8 auch zur Pflicht, Daſs er die Gunft der Kunden preist Und feinen Dank entricht'. D'rum läſst der Balentin den Scherz, Es mahnt ihn feine Shuld Er drüdt den Hobel an fein Herz Und dankt für Ihre Huld.

3.

Ein’ Tischler, der fein’ War anbringt, Geht dH’Arbeit von der Hand. Kein Wunder, wenn er fröhlich fingt: Hoch leb' der Tiſchlerſtand!

Kommt auch ein überfluger Dann Und fagt: „Die War’ ift dumm,“

398

Er jett doch keinen Hobel an, G'fallt 's nur dem Publicum.

4.

(Bei der letzten Borftellung des Verfchwenders im Joſefſtädter Theater am 27. April 1834!) und am Schluſs der Gaftvorftellungen in dem ftäbtifchen Theater zu Prag 1836.)

Ein’ Tifchler, der fein’ Werkftatt jchliekt, Dem wird e8 auch zur Pflicht, Dass er die Kunden freundlichft grüßt, Und feinen Dan’ entricht'. Nun ift auch die Verfchwendung aus Durch Laune des Geſchicks Der Hobel ruht jet fanft zu Haus Als Sinnbild meines Glüds.

1) Zugleich auch die letzte Borftellung unter Stögers Direction.

IV. Einlagen in fremde Stüde.

A.

Das Geſpenſt auf der Bafei. Eine Pofje mit Gefang in zwei Aufzügen, von Karl Meist. 2)

Erfier Aufzug.

6. Auftritt. (Die Baftei. Mehrere Spaziergänger. Es wird dumtel.)

Chor der jungen Herren. Schöne Madeln Sapperlot! Saubre G'ſichter ftraf’ mid Sort pr! pft!

Chor der Madden. Wie fie muftern, wie fie gaffen Und dort feht den alten Laffen Der geht auch noch, 's ift ein Graus Hieher auf Eroberung aus. (Der Geiſt, ganz weiß, altmodiich gekleidet, mit einem diden Bauche und einer Perücke. Ein paar Mädchen gehen an ihm vorüber und lachen ihn an.) 1) Näheres hierüber im Anhange. 2) Volksdichter, geb. 30. Suni 1775 zu Laibach, geft. am 8. October 1853 zu Wien. Seine Theaterftüde find gefammelt unter dem Titel „Theatraliſches Quodlibet, oder fämmtliche dramatiſche Beiträge für die Leopold- ſtädter Schaubühne, 1820 bei Hartleben in Pet erichienen.

-- 400

Geift.

Nein, was ed heut für ſchöne Mädeln im englischen Garten!) gibt, das ift Herrlich! Da hab’ ich vorher eine ftehen jehen beim Harmlofen,?) das war ein Mordmäbel. Was ich mich oft zürn' über alle die Rendezvous, die ich nicht mit- machen kann, das ift jchredlih. Da geht’ luſtig zu. (Er nimmt ein Kind und tanzt.) Mu weh, jegt werd’ ich halt den Mondfchein anzünden. Es gieng mich eigentlich nichts an, aber fie haben mich angred’t oben, ich weiß nicht, was fie zu thun Haben, ich glaub’ ausputen oder mas. Und heut darf ich's gar nicht verfäumen, weil Mondſchein im Kalender fteht. (Ex ſchlägt Feuer) Was die Leut' für fchlechte Teuerfteine machen, das ift fchredlich. (Bündet an) So, jetst werd’ ich meine gewöhnliche Promenade machen, durch den Hofgarten ?) auf den Rindermarkt, ?) wo ich eigentlich hin— g’Hör’, und dann werd’ ich wieder auf den Schwanen- plag geh'n in vierten Stod hinauf und werd’ zum Klopfen anfangen. Da Halt’ ich ſ' Halt eine Weil’ für ein’ Narren und hab’ mein’ Spas, fonft Hab’ ich feine Unterhaltung. Nachher geh’ ich in die Münz' Hinüber und feufze. Da verwundern fie ſich immer, wenn f’ feufzen hören in der Münz'. Jetzt möcht! ich wiſſen, was einer anders thun fol, wenn man in emer Münz’ herumgehen muſs und darf nichts einfteden. Ab, da fommen a paar Kindsmädeln.

1) Herrlicher Bart in Münden, von dem Eisbach und Schneebirgerbach durchfchnitten, vom Hofgarten und der Künigs- firafje zugänglid. 2) Eine Marmorftatue von Zav. Schwan thaler, fo benannt uad) dem Beginne der Infchrift. 3) 1614 von dem Churfürften Marimiliau I. angelegt, berühmt wegen der von

Ludwig I. mit hiftorifchen und landwirthſchaftlichen Fresken ges ihmücdten Arkaden. *) Das Münzgebäude, Hafgraben 1.

401

Erite Dienſtmagd. Grüß Did) Gott, Naunerl! Iſt das heut ein prächtiger Tag!

Zweite Dienſtmagd. Und was e8 für hübſche Leute da gibt und wie freundlic) die jungen Herren auch mit unfer einem find.

Erite Dienſtmagd.

Ya, das ift wahr herablafjend find fie meiſtens gar feinen Stolz haben ſ' mander Hat mir’s ſchon g’jagt, dafe ich ihm lieber, als eine Fräule bin.

(Hier kommt das Geſpenſt im Kaput zurüd.)

Geiſt. Iſt ja nichts dran.

Zweite Dienſtmagd.

Ein ſauberer Dienſtbot' kann auf jeden Fall in Wien ſein Glück machen wie ſ' ein’ anſchauen wie freundlich fie ein’ bei der Hand nehmen, und wie g'ſchwind ſie unſerein's beſuchen wollen. Das find't man halt doch auf'm Land nicht. Nur d' Frauen find nicht fo gut; die rutſchen gleich mit einem Trampel!) oder mit jo was heraus.

Erſte Dienſtmagd. Wo find denn die Kinder von Deiner Herrſchaft?

Zweite Dienſtmagd. Ich hab’ ſ' dort Hinten auf'n Waſen?) g'ſetzt; die Fratzen

ſollen ſpielen. Erſte Dienſtmagd.

Mein junger Herr iſt mir davon g'loffen. Er wird ſchon wieder kommen, wenn er will. Wenn wir nach Haus geh'n, ſo kauf' ich ihm um 3 Kreuzer was Süßes, ſo ſagt er kein Wort, daſs ich ihn allein gelaſſen habe.

1) Ungeſchickte, plumpe Perſon. ?) Grasplatz. Raimund, Dram. Werke. III. 26

402

Zweite Dienitmagd. Jetzt komm', vielleicht find’ ich mein’ Chapeau!) von geftern. Das ift ein Bürjchel von faum 15 Jahren, aber g’jcheit, g’jcheit, als wenn er ſchon den ftärkften Bart hätte er hat mir geftern in einem Glafel was G’frornes g’zahlt. Du, das ift gut, wenn's nur nicht fo kalt wär’ (gehen ab).

8. Auftritt. Der Geift (attein.)

Ah, das ift entfeglich, jetzt muſs ein folcher Trampel ein Gefror'n's eflen! Was das für ein Lurus ift, ob |’ nicht warten fünnen bis auf den Winter, wo's Eiszapfen gibt. Wenn man 200 folcdhe Weibsbilder zuſamm'ſpannt, fo effen |’ einen Eisftoß auf. Und ſolchen Figuren vertrauen die Eltern ihre Kinder an, da wär's immer nothmwendig, dafs einer mit einem Ochſenzehn?) im englifchen Garten herumgieng'.

11. Auftritt. Krips, Kraps (zwei Diebe.) Krips.

So lauf doch nicht ſo, ſonſt wird man ja aufmerkſam auf uns.

Kraps.

Ich hab' keine Ruhe, bis wir nicht mit dem Geſtohlenen in Sicherheit ſind.

Krips.

Da ſieht man, daſs Du noch ein Neuling bil, Du weißt DiH gar nicht zu benehmen.

Geiſt (orcht:) Nun per se der, das ift ſchon ein alter Dieb.

1) Liebhaber. 2) Ochjenziemer.

403 Krips.

Mad nicht viel Umſtände, wir theilen. gleich (RNimmt ein Schmudtäfthen heraus.) Du nimmft die Ringe und ih

Geift. Und er kriegt gar nichts warum ift er ein Dieb geworden, der fi) mit jo Kleinigkeiten abgibt.

Krips. Was unterſtehen Sie ſich ſo keck zu ſein? Sind Sie unſersgleichen?

Kraps. | Der Schmud gehört uns, wilfen Sie, wer wir find? Geiſt.

Hallunken ſeid's! Fort von hier, ich werd' Euch ſtehlen lernen. Kennt Ihr mich? Ihr Schufte. Ich bin der Geiſt vom engliſchen Garten. (Sagt die Diebe fort.) Das iſt ja abſcheulich, was die Kerls treiben, ftehlen unter meinen Augen. Und ich fol auf alles acht geben, ınir wird von meiner Geiftergage abzogen, wenn jo was g’schieht. Nenlich bricht fich einer einen Fuß, muſs ic) einen halben Gulden zahlen. Set mufs ich aber auffchreiben, denn ich vergijs alles. Erftens: Ein gutes Werk gethan, den 19. diefes Monats, zwifchen zwei Dieb’ einen dritten gemacht, und das Geftohlene für mid) behalten, um e8 zurüdzuftellen. Zweitens: Einen Yabricanten gerettet, dadurd), dafs ich ihm zwei Compagnons verfchafft hab’, einen Yäger und einen Schufter. Der Jäger hat ihm einen Vorſchuſs gegeben und der Schufter hat ihm einen Abfag gemacht, und jo ift die Fabrik wieder in Flor gelommen. Punktum. Alfo da ift der Schmud. Was das Zeugs für Geld Foftet!

26*

404

13. Auftritt.

Geift (atein.)

Endlich werd’ ich doch erlöst vielleicht. Wenn ich aber auch noch fo viel auszuftehen hab’ als Geift, Die Bemerkung hab’ ich doc, gemacht, dafs in München ein fidele8 Leben ift. Was? Wenn ic) nicht zum Herumgeh’n verdammt wär’ und ich wär’ ein Geift, der von feinen weißen Capitalien lebet’ gleich nad) München ohneweiters.

Lied. Ich lob' die Stadt München Mit freudigem Sinn. Da lebt alles luſtig Und fröhlich darin,

- Wer '8 lang nicht hat g’fehen, Und weiß nicht, was g’fchehen, Der kann ſich nicht fallen. Die prächtigen Straßen, Reſidenz, Glyptothek,

Da iſt man ganz weg. Das Fahren, das Reiten, Das macht einen G'ſcheiten [: Einen Alten confus. :]

Kurz alles, kurz alles, Wer's lang nicht hat g’fehen, Das ift ein Schiedunter Geg’n eh’, jetzt fo ſchön. Beim Hirſch und beim Hahn st man wie ein Gourmand,

405

Und dann der famoft

Kaffee beim Tamboſi.!)

Die herrlichen Fahrten

Im englifchen Garten;

Man geht jo vertraut

Und oft fieht man a Braut, [: Die ein’ Bräutigam fucht. :]

Auch d' Mod’ ift nicht d’ alte, Mit Wudeln und Zöpf, Mit Stödeln an Schuhen, Bon Dünntud die Schöpf.. Kein’ Zopf im Perödel,

Kein’ Frau tragt ein Stödel, Kein’ Puder im Haar, Das alles ift gar. Mit Pantalonhofen, Die Hüt’ voller Rofen, Die Taille Schön g'ſchnürt Und rüdwärts watirt, [: 3a, jo muſs e8 fein. :]

Nepetition. Das Wechfeln der Mode, Das macht ein’ marode, Es ift nicht zum fagen, Man ftedt bis am Kragen In Wafferfall Binden Kein Kopf ift d’rin zfinden.

1) Safe unter den Arkaden.

406

Dft fieht man a Schnur,

Man glaubt, |’ g’hört zur Uhr, Doch ſchaut man 's g’nau an, : Ein Zwiebel hängt d’ran. :]

19. Auftritt. (Straße. Spring, Walter, dann Heinrich.)

Spring.

Alles vergebens. Nirgends ift ein Geld aufzutreiben. O ich bin fo Iuftig, wie die Fleiſchhacker in der Falten, wie die Fiſcher im Faſching, wie ein Komödiant, der feine Einnahme hat, wenn's . am Abend regnet, wie ein I4jähriges Madel, wenn ſ' den lebten Liebhaber verliert.

Walter.

Ja uns geht's ſchlecht. Wir gehören gewijs zu den miſe— rabelften Sujets, die's geben kann; ich fenn’ überhaupt nur drei Weſen in der Welt, denen nie etwas fehlt. Das ift ein Fleilch- haderhund, die Kat’ von einer Köchin, die Henne von einem Müller, die fien immer, wie der Bogel im Hanflamen.

Spring. Meine einzige Hoffnung beruht jet auf einem Rendez⸗vous, was mir um 1/, 7 Uhr abends auf der Baftet gegeben ift.

Walter. Um 7 Uhr hab’ ic) auch ein's mer weiß ob's nicht gelingt. Seit e8 Frauenzimmer gibt, die mehrere Liebhaber

auf einmal fo vor einander bringen fünnen, daf8 einer von dem andern nir merkt, fo wird oft den Ärmeren das angehängt, was die Neicheren hergeben. Spring. Da kommt der Bruder Heinrih. Der ift ja ganz frohen Muthes.

407

Heinrich.

Find’ ih Euch endlich einmal? Ihr ſcheint ja jo matt zu

jein, wie die Fliegen im Winter, da feht mich einmal an, id) habe den Stein der Weifen gefunden.

Walter. Spring.

Bruber! jetzt Hilf; denn wir wiſſen zwar nicht mehr, von was wir leben, fterben wir aber, fo ift e8 vor Hunger. Heinrich. Euch ſoll geholfen werden. Stellt Euch jeder in eine andere Ecke und haltet Euch ruhig.

(Beide thun es, Heinrich nimmt ſeine Ratſchen hervor und ratſcht. Kurze Muſik. Der Geiſt kommt aus der Verſenkung in Schlafrock und Mütze.)

Geiſt. | So ift denn fein’ Augenblid Ruhe. Kaum hab’ ich mich ein wenig fchlafen gelegt, fo ift der Teufel ſchon wieder los. Was gibt’8 denn ſchon wieder ?

Heinrid). Urähn'l! Ich brauch' ein Geld! Geiſt. | Ja jo! Da wird halt der Urähn'l alleweil herhalten müſſen. Wieviel braucht Er denn?

Heinrid). Eine Kleinigkeit 100 fl.

Geiſt. 100 fl.! Was fallt Ihm denn ein? Ich hab’ 30 fi. alle Monat’ und Ihm gib ich hundert davon. Heinrich.

Na nur keine Umſtände.

Haſt Du Geld?

408 Seit.

Das ift ja fchredlich. Ich Hab’ ja mein’ Schufterconto noch nicht ’zahlt, und jetzt kommt's neue Jahr auch noch. Heinrich.

Nu, wenn der Ähn'l lang G'ſchichten macht, ſo kann ihn erlöſen, wer will.

Geiſt.

Nu, ſo bleib' Er da und mach' Er keine Dumm— heiten. Na, mit Ihm hab' ich ſchon was Schönes ang'fangt, das ift a gute Paſtetten. Da gehe Er her! (Zählt ihm Geld auf.) Sehne!

(Heinrich gibt den Zettel dem Spring, welder ihn in die Taſche ftedt.)

Geiſt. Zwanzig! Heinrid). Was zwanzig! Es find ja nur zehn. Geiſt. Nu, ich hab' Ihm ja ſchon 10 fl. gegeben. | Heinrid). Wann? Geiſt. Erſt den Augenblick. Heinrich. Wie können Sie ſich unterſtehen das zu ſagen? Geiſt. Ja, es haben's ja alle Leut g'ſehen. Heinrich.

Wer hat's gefehen ? Fragen Sie dieſen Herren da! (Bu Spring.) Haben Sie gefehen, dafs er mir etwas gegeben hat ?

409

Spring.

Ic Hab’ fein Wort gejehen.

Geiſt.

Na, der ſoll ſich rühren dort, der Schneider! Den werd' ich einmal ausbügeln bei der Nacht. Ah, das iſt eine Bagage. Iſt's nicht genug, daſs Ihr die Menſchen hinter's Licht führt, wollt's die Geiſter auch noch be— trügen. Halt Er auf! 20. Pfui Teufel! 30. Das iſt eine Schande! 40. Auf die Hand muſs man ihm ſchauen 50. Pfui Teixel und 50 find 100. Jetzt marſchier' Er. In einer Viertelſtund' hol' ich Ihn zum Ball ab. Das iſt . ein Lumpacius! Gerſinkt.)

Heinrich (atſcht.

Geiſt (eriseint.) Na, was gibt's denn noch?

Heinrich.

Wie viel Uhr iſt's denn?

Geiſt.

Ich glaub' gar Er macht einen Spaſs mit mir. Glaubt Er, ich bin eine Stockuhr oder ich werd' mich wegen ſeiner da immer auf und ab radeln laſſen? Halber ſiebzehne iſt's. Er kecker Burſch. Da hat Er meine Uhr. Uber verjeg Er mir ſ' etwa, ift a Pariſerwerk. (Berfitt.)

410

Zweiter Aufzug.

1. Auftritt.

Das Kaffeehaus der Geifter,

(Alles ift weiß, Tiiche, Stühle, Billarde, alle Behältniffe zu Getränten. Die Geifter find alle in einem Zableau gruppiert, das ſich unter folgendem Chore auflöst :)

Chorus,

Da fiten d’ Bachfimperin!) beifammen

"Und warten, bis |’ einer erlöst.

Eriter Geiſt.

Ein Glas Bavaroife!

Zweiter Geiſt.

Mir die Augsburger Zeitung! Ich warte ſchon eine Stunde darauf. Wie lang wird |’ denn der andere noch buchftabieren, der ſ' fchon zwei Stund’ in der Hand hat? Wer nicht leſen Tann, fol gar feine Zeitung in die Hand nehmen.

Dritter Geiſt. Ich möchte felber wiffen, was es Neues auf der Welt gibt!

2. Auftritt. Borige. Der Geift und Heinrid).

Geiſt.

Da bin ich z' Haus. Ich hab' Dich mitgenommen, weil wir juſt ein wenig Zeit haben, damit Du unſer Geiſterreich ein wenig in der Nähe beſchanen und hernach einmal eine ordentliche Geiſterkomödie ſchreiben kannſt.

Heinrich. Wenn weiß immer die Farbe der Unſchuld wäre ſo ſollte man glauben, hier unter lauter Unſchuldigen zu ſein aber

1) Einfaltspinſel.

411

Sapperment! Dort find ja aud) einige, die halbſchwarz und halbweiß find wer find denn die Figuren? Geiſt.

Die ſind halb gebeſſert. Ihre Nachkommen hätten ſchuldlos bleiben ſollen, bis ihre Erlöfung vollbracht worden wäre aber mitten im Werk ſind ſie ausg'rutſcht, weil's auf der Welt ſo viel Glatteis gibt, und die armen Narren müſſen jetzt, wer weiß wie lang’, wie Halb-Tag und Halb⸗Nacht herumgehen. Ich glaub’ immer, mir wird mit Dir aud) fo etwas arrivieren.

Heinrich. Der Herr Urähn'l Hat einen fchlechten Glauben auf meine

Unſchuld. Geiſt.

Sieht Er den dicken Geiſt dort. Der iſt erſt g'ſtorben. Das war ein Wirt. Der hat einen ſchrecklichen Tod genommen.

Heinrich.

Was hat ihm denn g'fehlt?

Geiſt.

Er hat die Gewohnheit gehabt, vor dem Schlafen- geh’n immer eine Maß guten Wein zu trinfen und da erwifcht er Halt unglüdjeligerweife einmal den Wein, der für die Gäft’ g’hört hat, und weil er 'n nicht g’wohnt war, fo friegt er die Kolik und ftirbt elendiglich.

Heinrich. Wer iſt denn der? Geiſt. Das iſt der Geiſt von einem Maurerpolier. Heinrich. Und der?

412

Geift. Das ift ein Tapezierer-G'ſell'. Zwei Schalen Chocolade !

Heinrich. Wer weiß, was das für ein Schwefeltrank'l fein wird. (Man bringt die Ehocolade.) Eine weiße Chocolade?

Geiſt. | Muſs denn die Chocolade juft fchwarz fein? Bei uns ift alles weiß. Es ift die Nationalfarb’ der Geifter, zum Unterſchied' von der Welt, wo die Univerjalfarbe Heutzutage ſchwarz ift.

Heinrich.

Mir ſchmeckt fein Biffen; denn wer kann die Ingredienzien diefer weißen Chocolade kennen? Überhaupt möcht’ ich ſchon wieder lieber bei meinesgleichen fein. Es will mir in biefem meißen Reiche nicht recht gefallen. Die Leute fchauen ja alle aus, als wenn fie die Bleichfucht hätten. (88 entfteht ein Lärm hinten und man hört rufen.) Halt’8 ihn auf! Halt’s ihm auf! (Allgemeine Bewegung.) Was gibt’8 denn da?

Geift.

Mas wird's denn fein? Der Geift eines Menfchen, der auh auf der Welt nichts anders als ein Streichmacher war, bat Haft hier wieder unmenjchlich gezecht und hat abfahren wollen; da haben ſ' ihn halt beim Zwiefachel erwiſcht: Xebendig gewohnt, todter gethan, heißt's halt da. Was der Menſch gelernt, vergiist

der Geift nicht. Heinrid). Da heißt's wohl, partout, comme chez nous,

Geiſt.

Oui, oui. Parlez vous francais?

Heinrid).

Oui, un peu. Et vous?

413 Geift.

Ancore un peu. Jetzt breden wir wieder auf. Ich habe heute noch eine Menge Gefchäften auf der Baſtei. Dann will ich jet Seinen Nebenbuhler ein wenig fefieren, er kann die Dichter nicht leiden und da werd’ ich ihm meine Aufwartung machen. He, a biffel eine Bürfte! (Margueur bringt eine. Die Geifter Huften.) Na, was huftet Ihr denn? Wenn Ihr nicht g’fund feid, fo geht in's Geifterfpital hinüber.

| Erſter Geift.

Bring mir ein Pfund Gallicier!) mit.

Zweiter Geift. Gib mir diefen Brief auf die kleine Poft.?) Dritter Geift. Wenn Du mein zurüdgelafienes Weib fiehft, jo tröfte fie.

Geiſt (u dem Borigen.)

Du, geh her da! Dir muſs ich was jagen. Du führft Did) ſchön auf. Da geht Ihr unten um und wenn unfer- einer nachkommt, jo hat man Verdrufs. Zahlen folft! Beim Brantweiner in der... . ftraßen das ift ja eine Schand’ fteht auf der Tafel aufgefchrieben:: „ein Geift 8 Groſchen.“

Heinrich. Herr Urähn'l der Fiaker iſt da!

| Geift. Ich komm' gleich! (Ab.)

Alle Geiſter.

A revoir.

) Schnupftabakſorte. 2) In Wien errichtet im Jahre 1772. Sie hieſs auch die Klapperpoſt, weil die Briefboten beim Einſammeln der Briefe ſich eines klappernden Inſtrumentes be- dienten, womit fie das Publicum aufmerkſam machten.

414

10. Auftritt. Heinrich. Der Geiſt. Heinrich.

Tauſendelement! Jetzt wär' ich bald untreu geworden, wenn mir nicht zum Glück der arme Urähnl eing'fallen wär'; aber wie ich ſie küſſen wollte, ſo war's, als wenn eine unſichtbare Hand mich beim Kakadu genommen hätte. Wenn er mich nur nicht etwa belauſcht hat.

Der Geiſt

(aus der Verſenkung, mit einem Ochſenzehn.)

Er iſt ein ſchöner Kampel! Da kann ich noch 500 Jahr' herumgehen, wenn er ſo auf d' Madeln losgeht. Soll ich dreinſchlagen? Ich hau' ihn, daſs die Schwarten krachen.

Heinrich. Ich hab' nur ein wenig friſche Luft geſchöpft. Geiſt.

Ja, eine neue Luft, zur Abwechslung If das Deine Treuheit? Nicht einmal bis zu meiner Erlöjung bat man’s über’8 Herz bringen können, bei Einer zu bleiben. Da möcht’ einer fich zu todt weinen. (Nimmt das Schnupftuch heraus.)

Heinrid).

Warum bat aber auch der Better feinen gefcheiteren Con- tract mit dem Schidjal gemacht? Wer wird denn Heutzutag auf die Treue eines Mannes feine Erlöfung bauen ?

Geift. Sch ziehe meine Hand von Dir ab. Sie follen Dich ein-

ſperren. .. Heinrich. Und den Herrn kann erlöfen wer will,

415

17. und letzter Auftritt.

(Es jenten fich Geifter herab. Im Hintergrund ein Bild, auf dem der Mann wiegt und das Weib mit dem Liebhaber zum Fenſter Hinausliebelt.)

Geiſt. Alle die Du da ſiehſt, waren Simand’In.!) Sei's auch! Willſt Du Dein Weib für Dein Oberhaupt erfennen?

Heinrid). Das ift eine Schand’! Nein!

Die Geilter. Wir haben's auch gethan.

Heinrid). Geift.

Nie fragen, wo bein Weib hingeht, den Mops Tpazieren führen. Kurz und gut, Alles thun, was fie will.

Heinrid). Das ift zu viel begehrt, das thu’ ich nicht. Die Geifter. Wir hab'ns auch gethan. Geiſt. Und ſollteſt Du von Deinem Weib' einen Buckel voll Schläg bekommen, ſo mach' Dir nichts d'raus und ſchau Dich nicht um, denn ein vernünftiger Menſch

Wegen meiner!

1) Simandl, Simon, für Sie Mann = Pantoffelheld. Wolfgang Schmelzl gebraucht dieſe Bezeichnung bereits in einer Komödie aus dem Jahre 1543:

„Wenn alle Mender Symon wern Das ſehen die weyber von hertza gern; Soß aber wölln herrman ſein,

Schlecht gar oft plitz und hagel ein.“

416

befümmert fi) nie um das, was hinter feinem Nücken vorgeht und fomit häng ic) Dir den allerälteften Orden um. (Er hängt ihm einen Pantoffel um den Hals.)

einrich. Einen Pantoffel! ® Die Geiſter.

Den haben wir aud) getragen.

Geift. Das ift der Orden, den unfihtbar die Männer aller Na- tionen tragen. Jetzt nehme ic) Abſchied und ſchwinge mich in

mein Reid) empor. Schluſschor. So leben Sie wohl und ſchreiben Sie bald. Wie's Ihnen dort oben im Geiſterreich g'fallt.

Geiſt (im Emporſteigen.) Ich bin froh, daſs ich von der Bagage weg komm'. Ende.

B. Hamlet,

Eine Caricatur in drei Aufzügen mit Gefang in Knittelreimen von Joachim Perinet, 2. Act. 7. Auftritt.

Hamlet. Ophelia. Hamlet, Wer Luft hat ein Weib ſich zu nehmen, Der dumme, der dumme Tropf, Der feet, er follte fich fchämen, Die Hörner, die Hörner fi) auf den Kopf.

417

Da Hilft ihm Fein Pfnotten,

Kein Lachen, fein Spotten,

Kein Stoßen, fein Schlagen,

Kein Nägel abnagen,

Da treibt er den Teufel Schon nimmermehr aus; Ic kann nicht mehr reden, ich bring’ nichts heraus,

Anfangs ift fie falſch, wie die Katzen, die fehmeicheln,

die fchmeicheln,

Bis dafs Du ihr traueft, den Bart Dir zu flreicheln, zu ftreicheln,

Da machen die Herren

Bifiten in Ehren,

Da heißt e8 fpazieren,

Da heißt e8 tractieren,

Doch in ein paar Monat, ein paar Monat,

Da zeigt fi) die Frucht von dem Schmauß; |

Ich kann nicht mehr reden, id) bring’ nichts heraus.

Bei all dem Cuinieren und Quälen und KRuranzen

Sol man ihnen Schön nad) der Pfeife noch tanzen ZTralala Tralala

Man fol fi nicht rühren la la la la la, Dian foll apportieren la la la la la, Sonft wird fie ganz wüthend, Sonft jagt fie den Ehmann zum Haufe, zum Haufe hinaus; Ich kann nicht mehr reden, ich bring’ nichts heraus.

Bei all dem Tractieren Und all dem Cuinieren Sol man fi nicht rühren, Man fol apportieren, Raimund, Dram. Werke. III. 237

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Sonft jagt fie den Ehmann zum Haufe hinaus, Ich kann nicht mehr reden, ih bring’ nichts heraus. (96.) Nepetition. Wer zweimal die nämliche Arie jol fingen, Dem muf8 e8 zulegt mijerabel gelingen Und ſollt' aud) das ehrfame Publicum zanken, So fehlt e8 zuletzt doch an neuen Gedanken Und wenn ich mich ängft’ge und wenn ich aud) pfnauf’ , Es kommt mir doch immer das Alte heraus.

Die Weiber verdienen, daſs man fie aud) lobt, Wenn auch ein’ un d’ andre uns manchmal foppt. Denn jagt, meine Herrn, wenn die Frauen nicht wären Man müfst vor dem Leben Ja völlig erbeben.

Was tft nicht ihr Kufs für ein göttliher Schmaus! Schau, ſchau, fommt auf einmal was anders heraus.

Ihr Männer, Ihr werdet zulett mich noch zwingen, Dem Weibergejchlechte den Preis zu erringen! Ja ja ja ja, Drum hört mich gelaffen! Ja ja ja ja!

Doch mögt Ihr Euch faffen! Ja ja ja ja! Das näcjfte, das nächftemal ſag' ic) es ehrlich voraus, Kommt über die Männer was Garſtig's heraus!

Dann mögt Ihr aud) hauſen und fieder und braufen Und heulen und pfnaufen und kochen und faufen, So kommt mir fein anderes Wörtel mehr 'raus, Na ich kann nimmer reden, es bleibt Euch nicht aus.

419

O.

Was die Weibsbilder für ein Geſchrei machen und es regnet gar nicht. Ah da g'fallt's mir nicht, was brauch' ich mich denn in der Stadt zum Narren halten zu laſſen, das kann ich ja auf dem Land auch thun. Die Leut' bilden ſich in der Stadt da auf ihre Dummheiten was ein und fo dumm als fie find, kann ich auch fein, vielleicht nod) dummer, wenn ich mid) zufamm’ nehm’. Id) mad” mir aus dem Foppen nichts daraus. Wen ich jest Heirat’, mufs ic) mich ohnehin daran gewöhnen, da Hat ſich Fein Menſch darum zu befümmern als id).

Lied.

Werd' ich ein verheirath’ter Mann, So bin id) im Korb doch der Hahn, Zwar wird mich mein Weiberl cuinieren, Ich darf mic) vielleicht gar nicht rühren, Doc) das geht fein’ Menfchen was an.

Und komm’ id) in's Wirtshaus zum Schwan, Da geht dann der Spafs erft recht an, Da thun ſſ mir ich will nicht prahlen, Ein’ Schnurrbart in's G'ſicht hinein malen Und das geht fein’ Menfchen was an.

Was hat mir die Wirtin gethan, Das Weib kriegt mic) nimmermehr dran, Ich ſpaſſel' mit ihr und will ſ' haſchen, Und fie gibt mir zwei tüchtige Flaſchen Und das geht Fein’ Menſchen was an. 27*

420

Ic fiel’ mic ins Winkel und zahn',!) Da kommt gleich der Flegel, ihr Mann, Der Menſch hat a Hand wie a Bratichen, Der gibt mir nod) einige Watjchen.

Aber das geht Fein’ Menjchen was an.

Repetition. Ich bin ganz ein ruhiger Mann, 's Politifche geht mid) nichts an, Doch bin ich politifch vor allen Und ſuch' hübſch dem Publicum z’g’fallen: Denn 's Publicum geht mich was an.

Wenn 's Ihnen nur Freud' machen kann, So fang’ ich noch Hundertmal an. Ich fing’ zwar nur einfült’ge Lieder,

Doch Ihnen find fie nicht z’wider

Und fonft geht’3 Tein’ Menjchen was an.

D.

Ih bin gar ein guter Mann Für d’ verliebte Leut'.

Wenn ich Ihne helfe Tann,

Dös iſcht ſchon mein' Freud'.

Denn die Lieb’, dös iſcht a Sad’ Wer kann ſ' exrpliciren,

's Beſte ifcht, man fragt nit nad Und thut’8 gleich probiren. "

i) weinen,

421

Und die Treu’ iſcht gar fo ſchön, Wenn man | nur fönnt’ halten, Thut man lang mit einer geh'n, Kriegt fie eben Yalten. Doch dös ifcht ganz einerlet, 's iſcht einmal die Pflicht, 's iſcht die fchönfte Sach', die Treu’ Unterhaltlich nicht.

Zwar in unſrer Feenwelt

Macht man nicht viel Schnacken, Wenn ein' eine nicht mehr g'fällt, Kann ſie ſich gleich packen.

D'rum wird d'nächſte Woch' auch gleich 's Küſſen ſchrecklich theuer.

's kommt in unſerm Geiſterreich

A verliebte Steuer.

Unfer Geifterfammer fagt, Wenn Sie fid) woll’'n prahlen, Dafs die Lieb’ Sie gar fo plagt, Solle Sie aud) zahlen.

Doch ift auch a Straf’ darauf Auf a jedes Schmätzle,

's Küffen geb’ ic) doc) nicht auf, Ic zahl’ meine Pätzle.

4122

E

Mer verwunfdene Prinz.

Locale Parodie mit Zauberei und Gefang in 2 Acten von

Adolf Käuerle!) 1. Act, 4. Scene.

Sandelholz. Life. Fanny (eine beiden Töchter.)

Sandelholz.

Und Ihr nehnıt Euch zufammen, Ihr müſst einmal ein’ verzauberten Waldteufel Heiraten, der von feinen verwunfchenen Intereffen lebt. Ein anderer kann Euch ja nicht brauchen, Ihr könnt ja nichts, was man in’s Haus braucht. Da geht's her einmal und gebt's Antwort.

Terzett. 1. Sandelholz. Könnt Ihr ſticken? Beide. Nein! Sandelholz. Stricken? Beide. Nein! Sandelholz. Nähen, waſchen, plätten, kochen? Beide.

Nein! Nein! Nein! Nein!

1) Zum erſtenmale aufgeführt im Theater in der Leopoldſtadt am 3. März 1818, gedrudt in Belt 1321.

423

| Sandelholz. Nein? Doch auf Eure Schönheit pochen, Hrumfpaziren d’ganze Wochen, O, das könnt Ihr wohl perfect!

Beide. Ya! Ja! Ja! Ya! Sandelholz. Ah, was doch hinter Euch nicht ſteckt! | 2. Sandelholz. Könnt Ihr märken? Beide. Nein! Sandelholz. Könnt Ihr ſtärken? Beide. Nein! Sandelholz. Hauben heften, Kleider machen? Beide. Nein! Nein! Nein! Nein! Sandelholz.

Aber andre Leut' auslachen, Schimpfen über fremde Sachen, O, das könnt Ihr wohl perfect?

Beide. Ja! Ja! Ja! Ja!

424

Sandelholz. Ah, was doch Hinter Euch nicht ſteckt!

3. Sandelholz. Könnt Ihr ſchlingen? Beide. Nein! Sandelholz. Könnt Ihr netzen? Beide. Nein! Sandelholz. Häckeln, falteln, tambouriren ? Beide, Nein! Nein! Nein! Nein! Sandelholz.

Doch die Männer brav veriren, Tanzen, ſpielen, 's Geld verlieren, O, das könnt Ihr wohl perfect?

Beide. Ja! Ja! Ya! Ja!

Sandelholz.

Ah, was doch hinter Euch nicht ſteckt. (Alle ab.)

2. Act, 4. Scene.

Sandelholz (attein.) Nun, der Prinz darf ſich g'freuen. Was ich den Mädeln hab' alles g'ſchafft, dieſe Kleider, wie ich |’ her- geputst hab’ oft, wo ich ſ' überall hingefchleppt Hab’, auf

4

alle Säl’, was ſ' in dem Tivoli Herumgerutfcht find, hat alles nichts genügt. War ihren noch zu wenig! Ja! bei der Zeit ein Bater zu fein, da g’Hört was dazu. G’horjamer Diener |

| Lied.

Ein Vater z'ſein bei jetz'ger Zeit, Das braucht ein' guten Magen, Man muſs Verdruſs und Bitterkeit Im Überflufs ertragen.

Die Buben find ein ſchlecht's Gepad In Dörfern wie in Stadeln;

Doch noch a zehnmal ärg’re Plag’ Erlebt man an den Madeln.

Ic ſeh's an meinen Töchtern flar, Die laſſen 's Geld nicht voften; Was nur der Schneider alle Jahr' Und d’ Marchand de Modes wird koſten: Die Madeln wol’n all's dutzendweis Bis h'rab zum Schnürriemftiftel, Und ich, der ich der Herr doch heiß’, Hab’ nur ein einzig’ Klüftel. !)

Sie ſchau'n fi) nur um d' Moden um Und gebw's erfchredlich nobel, Heut’ rennen f in ein’ Wickler um Und in ein’ Pelz von Zobel, Morg'n wol’n f' ein Kleid hab'n fpinnwebfein, Bon Tull anglais und Spigen, Und id, ic) kann jahraus, jahrein Im Molton-Gehrod fchwigen.

. 1) Anzug.

-— 426

Sie möchten Hüt' von Baſt Spartrie Und Stroh von allen Arten, Bald aufgepugt mit Hollerblüh’, Bald mit ein’ Rofengarten, Mit Marabouts und breitem Band, Von Sammt und Gros de Napel, Und ich als Bater, 's ift ein Schand‘, Geh’ in ein’ ledern’ Kappel.

Repetition.

Sie wünfchen es, ich bin bereit Und will nun repetiren, Wie d’ Töchter ein’ aus Eitelkeit

Durd) ihren Putz ruiniren; Denn gieng e8 ganz nad) ihrem Wunfch, So leben |’ als wie die Praffer, Sie faufeten ein’ Eimer Punſch, Und mir geb’n |’ nichts als Wafler.

's Spazirengeh’n, das war’ aud) mein Kreuz Auf allen Promenaden, Da reden |’ gar fein Wort, fein’ g'ſcheidt's, Nir ale vom Put, die Faden! Da rennen |’ um d' Bafter wie toll, Hort über Stein und Stoppel, Ich keuch' hint'nach mitm Parafol, Auf jedem Arm ein Moppel.

Und wär'n ſ' noch blieben bei der Stadt, Sp wollt' ich auch nichts fagen, Doch 's Land, das macht ein’ erſt fehachmatt, Da heißt's: Geh’n S', hol'n S' ein Wagen!

Und dafs mir feine frank ward nie, So that ich's halt geduldig:

Bin von der letzten Landpartie Auch noch den Fuhrlohn fchuldig.

Dann möchten |’ bloß zur Tändelei An jeder Hand Braceletten, Und eine Uhr von Nummern Drei Mit Bijout'rien und Ketten. Und mit dem Stecher, welch' ein Pfiff, ') Da koketier'n f a bifiel Und ich Hab’ ftatt ein Perſpectiv Nichts als ein’ Zimmerfchlüffel. Ab.)

1) Kniff.

. un ri X

V.

Theaterreden.

1. Einladung zur Einnahme. (Raab.!) Mir geht es, wie Herr Wieland fpridht, Ic ſeh' den Wald vor lauter Bäumen nicht, Doch will ich mit hoher Zuverficht es wagen, Den Gönnern hier die laute Bitte vorzutragen: Das übermorgige Luſtſpiel; „Der Wirt ꝛc.“ genannt, Iſt mir von der Direction als Einnahme zuerkannt. Übermorgen ift mir erlaubt, hier Hausherr zu fein, Ic lade Sie aljo alle als meine Inwohner ein; Meine Gewohnheit ift nicht, wie die der Hausherren, meine Parteien zu fteigern, Aber wider's Mehrgeben werd’ ich mich nicht weigern, Und weil mir denn erlaubt ift, übermorgen Haus-Infpector zu fein, So bin ih fo frei und nimm beim Thor drauß’ den u Hausmeifter-Srojchen ein ;?)

1) Letztes Provinzengagement. 2) Eine‘ früher übliche Sitte der Provinzichaufpieler, am Benefizabende die Function des Caffiers zu übernehmen, um das Publicum für Überzahfungen geneigter zu machen.

429

Zwar darf ich nicht auf eigenes DVerdienft vertrauen,

Doch will ich Hoffnungsvoll auf Ihre Nachficht bauen.

Ich weiß, wenn Phöbus feinen Wagen in das Meer will fenfen,

So werden gütig Sie den Schritt nach dieſem Tempel lenten:

D würd’ e8 wahr! Dann follt! mir nichts den Freudentag verhungen,

Dann, ihr neun Mufen ihr, freſst's Leberwürſt' und Blunzen!

Fest werd’ ich jo frei fein, mic) zu bequemen,

Bon den Gönnern meinen unterthänigen Abſchied zu nehmen,

Ich wünſche Ihnen allerfeits eine ruhige, glüdliche Nacht,

So glüdlich, als Ihr Beſuch übermorgen die meinige madht.

2. Epilog.

Zum letztenmal erfcheinen wir in Ihrer Mitte, die ung jo theuer ift und ewig unvergejslich bleibt. Hier, wo Sie oft der fcherzenden, der ernften Maske Spiel fo willig Aug’ und Ohr geliehen, wo Sie im Trauerfpiel die weiche Seele hingegeben, im Luftfpiel ganz dem Scherze fi) geweiht, wo Sie nicht ftreng und ernft, nur nach⸗ ſichtsvoll uns ſtets gerichtet, wenn oft die ſchwäch're Kraft dem hohen Willen unterlag; bier fteh'n wir nun zum legtenmal und mit geengter Bruft in dieſem theuern Kaum, und Worte fehlen uns, die fchön den Dank be- (eben, den gefühlvoll unfre Herzen Ihrer Güte weihen. Zum zweitenmal bat und das Schidjal nun in diefe

430

Stadt!) geführt und jedesmal trat uns ein guter Geift entgegen, freundlich nahmen Sie uns auf und winkten Schuß uns zu; gefichert waren wir in Ihrer Mitte, gefichert wie im ftürmefreien Port. Doch dreifach ift der Schritt der Zeit, zögernd kommt die Zukunft hergezogen, pfeilfchnell ift das Jetzt entflohen, ewig ſtill fteht die Dergangenheit, Der Mime ift ein ewiger Wandergott und nirgends Läfst er feine Priefter weilen, und Leſſings Wort: „Die Kunft, fie geht nad) Brot,“ mufs jeder fich auf feine Pforte fchreiben. Auch an uns erläfst er jett fein Gebot, aus dem geliebten Kreife uns zu treiben. Und darum ſprech' ih nun im Namen aller, die Ihre Gunſt geſucht, auf mondenlang ein Lebewohl; denn wenn die Zeit 6 Monden?) vor fich Hingerollt, jo werden wieder wir des Haufes Pforten öffnen. D, möchte diefes Raumes Würde dann, fowie jett, die Würdigften in unfre Mitte ziehen und eine Hoffnung, die wir lang gehegt, ſich uns in glänzender Erfüllung zeigen! OD, möchten Sie, wenn wir mit ftärfrer Kraft und reichen Willen wiederfehren, nie unvergnügt das Schaufpielhaus verlaffen! Dann ift der fchönfte Wunfch erreicht, dann find wir hochbelohnt und unvergefslich bleibt uns Ihre Großmuth.

1) Openburg. 2) Saifondauer der Provinztheater. Die Geſellſchaft des Directors Kunz fpielte in der einen Jahreshälfte in Raab, in der andern in Obenburg.

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3.

Einladung zur Einnahms-Vorftelung: „Die ſchwarze Redoute.“!) (Raab).

Wer wagt, der gewinnt,

Wer fuchet, der find’t,

Wer nicht fieht, der ift blind. D’rrum will ih auch mit hoher Zuverfiht e8 wagen, In Knittelverfen meine Bitten vorzutragen, Empfehle mid) alfo in Dero Gnade und Huld Und bitte für meine Predigt um eine Heine Geduld; Denn ich nehme jet zufammen meines Verftandes Trog Und Halte an die Gönner einen famofen Prolog. Mittwoch haben wir die Ehre, eine fomifche Oper: „Die

ſchwarze Redoute,“ aufzuführen, Ich bin alfo fo frei, Sie auf diefem Mastenball als Säfte zu invitieren. Mein Gafthaus Heißt: Beim luſtig lebendig, Denn wenn id) 'was traurig’8 machen fol, fo geht's mir elendig; Kurz, übermorgen ift mir erlaubt, Hier der Hausherr zu fein,

Ich lade Sie alfo alle als meine Inwohner ein. Um die Ordnung im Haus dürfen Sie unbefümmert fein, Denn ich bin jelbft beim Thor und nimm den Haus- meifter-Örofchen ein; Sch wollte Ihnen mit Fleiß etwas Luſtiges verehren,

1) Poſſe von Kriegfteiner, Mufif von Wenzel Müller. Be: liebtes Repertoirſtück des Leopoldftädter Theaters und der Provinz-

bühnen. Erſte Aufführung auf der erftgenannten Bühne am 16. Zänner 1804.

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Denn traurige Sachen kann man ohnedem g’nug hören,

Und wenn man ins Theater geht, jo möchte man gern lachen,

Tinft’re Gefihhter Tann man zu Haus genug machen.

Beehren Sie mid aljo mit Ihrer werten Gegenwart,

Denn wenn ich da8 Haus leer fähe, jo geſchähe mir Hart:

Doch nein, fo etwas kann mid gar nicht fchreden,

Ich kenn' die Gönner ja, wer auf fie baut, den laffen fie nicht fteden.

Und ich weiß, wenn Helios den Wagen in das Meer will ſenken,

So werden Sie wieder den Schritt nad) diefem Tempel Ienten,

Und feh’ ich dann durch der Courtine Riten,

Sie alle hier im Schaufpielhaufe figen,

Dann wird in mir ein neuer Muth geboren,

Denn meiner alten Gönner Gunft hab’ ich dann nicht verloren.

gun

d.

| Abdankung nad der Borftellung: „Der Dorfbarbier.“!) (September 1819.)

Sch habe Heute jehr oft gefagt: Das war gut! Allein was nüßte e8, wenn id) es hundertmal fagte, und Sie ſprächen nur ein einzigesmal: Das war jchlecht! Ich fpiele eigentlich ein Spiel, da8 dem rouge et noir

1) von Weidmann, Muſik von Schenf, zum erftenmale im Leopoldftädter Theater am 8. Mai 1811 aufgeführt. Reprife vom 21. September 1819. Raimund jpielte den Adam, eine Slanzrolle des Friebrih Baumann, der in biefer fehr befiebten Operette mehr als 200 Male theils im Leopoldſtädter Theater, theil8 auf der Hofbühne auftrat.

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ähnlich iſt; nur ift das meine nicht verboten und heift: „Das war gut das war jchlechtl” Sie, VBerehrungs- würdigfte, find die Bantiers, ich bin der Pointeur und habe ein eigenes Glück bei meinem Spiele, welches ich jedoh nur der Nachficht meiner Bankier zuzufchreiben habe. Komme ich auch manchmal mit meinem Ga zwifchen gut und fchlecht zu ftehen, fo ruft Ihre Grade: „Das war gut!“ und ic) verliere nicht. So will ich denn auf diefe glückliche Karte fort einfegen; Ihre Gnade ift ja eine Bank, die nie gefprengt werden fann, und das ift wahrlich gut.

5.

Abdankung. (Den 24. November 1819.)

Der Hölle Zaubergaben !) haben ſich Heute durch Ihre Huld für mid) in Göttergaben verwandelt. Ich bin jo voll von taufenderlei Gefühlen, daſs ich unmöglich allein dafür danken kaun. Alle Perſonen, welche geftern für mich ein Vorwort eingelegt haben, müfjen mir helfen; der Waderlmacher?) aus dem „Verwunfchenen Prinzen“ mufs mir Wind machen, dafs mir vor Vergnügen nicht übel wird; der Hausmeifter ?) muſs alle Thore aufmachen, dafs die Freude ihren Einzug halten kann; der Nachtwachter *) muſs die ganze Nacht den Dank ausfchreien, daſs fein Menſch einfchlafen kann, und wenn Ihnen ein Gefpenft

1) von Joſef Alois Gleich. An dieſem Tage zum Vortheile Raimunds zur erften Aufführung gebracht. ?) Fächermader. 3) Aus dem „Nenfonntagsfind“ von Perinet. *) Aus der Meist’ichen: Poſſe „Der Kirchtag in Petersdorf.“

Raimund, Dram. Werke. III. 28

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von der Baſtei erfcheint, fo denfen Sie nur, id) bin vor Freuden geftorben und komme aus der anderen Welt noch einmal zurüd, um Ihnen meine Dankbarkeit zu bezeugen. Den Iuftigen Tri!) laſſe ich einfperren, wenn er noch einmal fingt: „Es ift mir alles eins, ob ich ein Geld hab’ oder keins.“

6

Abdankung, geiprochen nach dem Stüde „Ydor.“?)

Jemand, der es jehr gut mit mir meint, hat mir ein Räthſel aufgegeben, und ich hab's gleich errathen. Er Hat gefagt: „Was ift das? Es Hat nichts Körper- liches und macht den angenehmften Lärm von der Welt ? Es lafst fi) nicht erfaufen und erbitten, es laſst fich nur dur) Fleiß und Anftrengung erwerben; es ift das Höcfte, was Du Dir wünfchen kannſt, und wenn man's einmal befitt, fo ift’8 feft wie Eifen, und niemand kann's ftehlen, wenn man nicht ſelbſt fic) deſſen unwürdig macht. Mfo was ift das?“ Ic) gleid) rozumi: Das ift der Beifall und die Liebe meines gnädigften Publicums, dem ich nie genug dankbar für feine Gnade fein Tann.

1) Eine Glanzrolle Raimunds in Meisl's Märchen „Der Iuftige Fritz.“ 2) Zauberfpiel von Joſef Alois Gleich, zum erftenmale aufgeführt am 19. Februar 1820 zum Vortheile des Johann Sartory,

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7

Raimunds Einladung zu ſeinem Benefice am 2. December 1820 nach der Vorſtellung: „Das Geſpenſt auf der Baſtei.“

Ich war ſchon in den höheren Regionen,!) was man bei uns aud) den Schnürboden heißt, als e8 meinem erlösten Körper plöglich einfiel, dafs ihn eine eiferne Nothmwendigfeit oder eine pecuniäre Pflicht in diefen Dunſtkreis zurüctufe; daher komme ich auf meinen gei⸗ ftigen Zehen gefchlichen und wage e8, Ihnen ein Geheimnis anzuvertrauen. Morgen wird hier nämlich in aller Stille unter Trompeten und Pauken und verjchiedenen Donner- wettern und anderen Spectafeln ein neues Stüd auf- geführt unter dem Xitel: „Adler, Fiſch und Bär,“ Volksmärchen mit Gefang und Tanz in 2 Aufzügen, von Gleich, Mufit von apellmeifter Müller, Tänze von Rainoldi. Die vier wirklich darin vorlommenden neuen Decorationen, worauf ich ebenfalls auch ſchwören fönnte, von Dolliner ?), nebft einer ganz neuen Mafchine, welche einen Stuhl vorftellt, wo ein Fuß davon zum Herausnehmen ft. Da diefe Borftellung zu meiner Einnahme be= ftimmt ift, fo ift e8 wohl fehr natürlich, dafs man die Sache fo geheim als möglich zu halten fucht. Ich Habe auch deswegen die Vorficht gebraucht, die Anzeige hievon in den „Beobachter,“ ?) „Zheaterzeitung“ *) und andere ge=

1) Siehe die Schlufsfcene, Seite 415. 2?) Dolliner, feit 1800 als Decorationsmaler im Leopoldftädter Theater engagiert. 3) Gegründet 1810. Der erfte Nedacteur war Friedrich) von Schlegel, fein Nachfolger im Jahre 1811, der Negierungsrath von Pilat. *) Gegründet 1806 von Adolf Bäuerle, 28*

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lefene Blätter zu bringen und an allen Eden der Stadt anſchlagen zu laſſen und bitte Sie daher, Sie möchten morgen bie Gnade haben, ohngefähr fo um 7 Uhr mir die Ehre zu geben und ganz leife herausfpazieren, vielleicht auch nod) einige Hundert gute Freunde und Freundinnen mit heraus zu animieren, aber nur niemand etwas davon jagen; ich möchte doch nicht, dafs das Ding fo laut- mäulig würde. Dann werde ich mid) ganz incognito , meined Glüdes freuen, und nur das Pochen meines Herzens und mein lautes Dankgefühl werden die Stille des morgigen Abends unterbrechen.

8.

Raimunds Abdankung Tags darauf nad) der Poſſe: „Adler, Fiſch und Bär.“

Ic war ſchon öfter fo glüdlidh, in diefem Haufe einen Hausmeifter zur Zufriedenheit aller Inwohner vor= zuftellen; doch heute hat ein günftiger Stern es gefügt, . dafs ich als Hausherr hier auftreten konnte. Und mas für ein Hausherr!! Was für ein Hausherr! wie bisher feiner noch exiftiert hat, denn mit welch fehredlichem Neid müflen alle anderen Hausherren auf mich fehen, da ich der einzige bin, der ſich rühmen Tann, Parteien zu befiten, welche fich felbft gefteigert haben. Daher will ich auch, ganz gegen die Gewohnheit der anderen Hausherren, auf das innigfte mich bedanken für den fchredlichen Zins, den Sie mir heute für die Heinwinzigen Wohnungen bezahlt Haben, und bebauere nur, dafs mir das Glüd, Site in meinem Haufe wohnen zu fehen, nur auf einige

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Stunden zu Theil geworden. Denn um 7 Uhr war Georgi, da find Sie eingezogen, und um 9 Uhr ift ſchon Michaeli, da ziehen Sie ſchon wieder hinaus; doc) würde ich mid) ganz felig preifen können, wenn ich überzeugt wäre, daſs Sie fein anderes Eigenthum mit fi fortnehmen, als die Überzeugung, dafs Sie fi in meinem Haufe nidt ennupirten, und den Vorſatz, dem Hausherren in Zukunft ebenjo gewogen zu bleiben wie biöher.

9. Abdankung

nad) der Vorſtellung: „Der Cheteufel auf Reifen.“ 1) Dafs ic mit dem Heiraten nicht glüdlich bin, habe ich Heute neuerdings bewieſen. Ich will e8 daher wagen, um eine geiftige Mariage anzuhalten. Laflen Sie mid Ihre unfhägbare Huld als Braut nad) Haufe führen, heben Sie die Kinder meiner Laune, welche aus diejer Ehe enttehen, durd) Ihre Zufriedenheit aus der Taufe, geben Sie ihnen Ihren gütigen Applaus als Pathen- gejchent mit, und Sie machen mic zu dem glüdlichten Gatten und Bater, den je die Erde gelragen hat.

10. Abdankung bei der VBorftellung: „Ydor, der Wanderer aus dem Wafferreiche.“ Nach dem Act: Daſs mein Corpus in's Waſſer gefallen ift, Hat nichts zu bedeuten, denn meine dienftbaren Geifter haben

1) Zauberjpiel von Gleich. Zum erftenmale aufgeführt am 9. März 1821 zum Bortheile des Johann Sartory.

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mich gerettet; daſs ich aber mit meiner Darftelung nicht in's Waſſer gefallen bin, verdanfe ih nur Ihrer Güte und Nachſicht.

"Am Sclufje:

Ich bin eigentlich nicht der Wanderer aus dem Waflerreiche, denn ich bin über’8 Wafler zu Ihnen hieher gewandert.!) Sie nahmen den Infulaner gütig auf und gaben ihm auf jeder Station die Erguidung Ihres gnädigen Wohlwollens. Am Waſſer war ic immer glüdlih, fowohl an der Donau ald an der Wien. Schenken Sie mir ferner Ihre Gnade, fo bin ih das glüdlichfte Wafferkind auf der Welt.

11. Abdankung. Das Spiel hat nun geendet, Der Teufel ausgekriegt, Kühn hat e8 fich gewendet, Die Tugend hat gefiegt. Ich wurde derb gewäflert, Dft ſchwebt' ich in Gefahr, Warum ich mich gebeflert, Iſt freilich nicht recht klar.

Drum hegt fo mancher Zweifel, Den? er, bevor er grollt, Es war ein armer Teufel, Der bloß vergnügen wollt’. Konnt’ er auch nichts beweifen, - Der Teufel war zu dumm! 1) Bom | Theater iu der Leopoldftadt ins Theater an ber Wien.

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Man ladjt und läſst ihn reifen, Kein Teufel jchert ſich drum.

Die Luft ift augenblidlich, Der Scherz fucht feinen Ruhm, Oft iſt man ja nur glüdlid), Weil man nicht frägt warum. Doch warum wir uns mühen, Dies wiffen wir zu gut,

Daſs Ihre Huld fol blühen Und ftärken unfern Muth,

-—_—

12.

Einladung für Herrn Wille, den 30. März 1821.

Morgen haben wir die Ehre, aufzuführen: Der Drade der Langeweile.

Ein Quodlibet in 2 Aufzügen, vom Berfaffer des „Gefpenft auf der Baftei.” Muſik vom Herrn Kapellmeifter Volkert. Tänze und Tableaur find von Herrn KRainoldi.

Da diefe Vorſtellung zum Vortheile des Herrn Wille beftimmt ift, jo gibt er fich durch mid) die Ehre, dem verehrungswürdigen Publicum anzuzeigen, daj8 er morgen um 7 Uhr abends diefen Drachen wird fteigen laſſen, und wagt es, Sie zu diefer Luftfahrt Höflichft einzuladen. Es ift heuer wieder ein fehr fruchtbares Jahr an Ein- nahmen; fie gerathen ulle Jahr mehr, und da verzeiht es da8 verehrungswürdige Publicum fchon, wenn man feine Bitte verdoppelt und quafi mit Sracturworten ein= ladet. . Sie dürfen fid) durch das Wort Drache und

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Langeweile nicht abjchreden laffen, denn das Wort Drache oder Ungeheuer ift nur ‚eine Anfpielung, daſs fi) Herr Wille, fowie jeder Schaufpieler, eine ungeheure Einnahme wünſcht, und das gähnende Unthier Langeweile ift nicht dazu beftimmt, Sie zu vertreiben, fondern wird im Kampfe mit der Komik durch die Lanzenftiche des Wiges unter den poffierlichften Zudungen fein unnüßliches Leben aus- hauchen. Sollten Sie alfo fo gütig fein, dies Schaufpiel mit anfehen zu wollen, fo wird der grenzenlofe Dank des Herrn Wille auf die furzweiligfte Art von feinen Lippen fprudeln und lange, lange, lange Weile in feinem Herzen leben.

13. Einladung | zur Einnahme für Herrn Schadekkfy !) zur Borftellung der

Pantomime: „Der Zauberfranz,“ den 2. Mai 1822.

Ic) erfcheine Hier als Bittfteller im Namen des Herrn Schadetfy, welcher fich wirklich ſehr unpäjslid) und in einem befonderen Krankheitözuftande befindet. So oft nämlich Herr Schadetzky fpringt, fo fühlt er an ge— wiffen Orten, wo gewöhnlich die Säd’ fich befinden, wo man das Geld Hineinftedt, eine außerordentliche Mattigfeit ; man hat ihm daher, dem Übel abzuhelfen, einen Geift zum Stärken angerathen, welchen er fich bejonders hier, wo die Brieftafche fteckt, recht einreiben ſoll, und-diefer Geift heißt: Spiritus consumtionis, oder Ihre gnädige Unter- ftüßung, ein Geiſt, der in feiner anderen Apothefe für ihn zu befommen ift, al8 in der Apotheke in der Jäger⸗

1) Vortreffliher Pierrot in der Pantomime, Mitglied des Leopoldftädter Theaters feit 9. Detober 1819.

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zeile,') wo die Patienten fic die Medicin für die Hypo⸗ chondrie felbft abholen; er bietet nun als einen kleinen Erfag für diefes Nadicalmittel einen Hund des Aubri, einen pantomimifchen Zauberfranz und ein ewig dank⸗ bares Herz. Da aber ſolche Krankheiten ſich mit jedem Augenblid verfchlimmern, fo ift der Tag der Operation ſchon auf morgen feitgefegt; der Doctor hat gejagt, er könnte morgen nicht genug einnehmen, und das verehrte Publicum wird gebeten, mit allen möglichen Operations- inftrumenten dazu zu erfcheinen; von halb 6 Uhr bis 7 Uhr ift die Krifis bei der Caſſe; doch kommt er glüdlich davon, fo macht er aus Freuden einen Salto mortale _ bis an den Plafond, dreht fih in der Luft dreimal herum und fällt dann dankbar zu Ihren Füßen herab.

14. Einladung zur Benefice-Borftellung des Herrn Swoboda den 24. Mai 182°.

Morgen Haben wir die Ehre, zum fünfhundert- taujendftenmale oder wie viel „Die Teufelsmühle am Wienerberge“ aufzuführen. Ein Volksmärchen in drei Aufzügen?), Muſik von Wenzel Müller.

Da dad Klappern diefer Mühle morgen zum Bor- teile des Heren Swoboda beftimmt ift, fo hat er mir den Auftrag gegeben, Sie in feinem Namen um Ihren gütigen Zufprud) zu bitten. Ganz neu ift diefes Stüd nicht, doc es war ſchon oft ein freundlicher Stern am u 1) Das Leopoldftädter Theater. 2 von Hensler. Erite

Aufführung am 12. November 1799; am 25. Mai 1822 die 151. Borftellung.

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Gaffahorizont, und wenn aud die Näder dur) den öfteren Gebrauch ein wenig ins Stoden gefommen find, der Nahdrud Ihrer Gnade wird fie fchon morgen in Bewegung feßen und die Teufelsmühle für ihn in eine Engelsmühle verwandeln. Herr Raimund, ein junger, angehender Schaufpieler, wird die Ehre haben, in der Rolle des Kafperl aufzutreten und empfiehlt ſich Ihrer gütigen Nachſicht. Morgen können Sie im Ernſt fagen, heut’ gehen wir zum Kafperl,'!) oder denken Sie fi, Sie fahren nach Baden, da müfjen Sie ja aud) bei der Zeufels- mühle vorbei; aber machen Sie's nicht, al8 wenn j’ im Ernft nad) Baden fahreten, denn da fahren. j’ bei der ZTeufelsmühl’ vorüber, bei uns müfjen ſ' aber hereingehen ; Herr Smwoboda wird dafür ewig dankbar fein, denn nur Ihre Gnade ift das fchönfte Waffer auf feine Mühl'.

15. Einladung zur Beneftce-Vorftellung des Herrn Joſef Schufter?) den ‚24, October 1822, Morgen haben wir die Ehre, zum Vortheile des Herrn Joſef Schufter aufzuführen: Die alte Frau am Schneeberge. Ein Feenmärchen mit Gefang und Tanz in 3 Aufzügen, verfaist von dem Beneficianten, mit Mufif von Banorer.

Herr Joſef Schufter läjst das verehrungswürdige Publicum durch mih um Nachſicht bitten, dafs er jegt quafi der fchönen Witterung ſchon den Krieg anfündiget

1) Über die komiſchen Figuren der Wiener Bühnen, fiehe die Einleitung im IV. Bande. ?) Mitglied des Leopoldftädter Theaters jeit 1805, im Jahre 1822 Regiſſeur diefer Bühne.

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und mit einem Schneegebirg angeftochen kommt; er hat es nur in ber Überzeugung gethan, dafs auch die Wirkung eines Eismeeres nicht im Stande fein würde, Ihrer Gnade eine Kolik beizubringen. Er bittet daher, Sie möchten morgen feine kalte Behaufung durd) Ihren gütigen Zufprud) in einer Schwitfaften verwandeln. Der eigents lihe Gefrierpunft befindet fi aber vor Anfang des Stüdes in der Theatercaffe, und diefe eifige Rinde Tann nur durch Ihre Großmuth erwärmt und gefchmolzgen werden. Die Heizung gefchieht aber nicht von unten hinauf, fondern von oben hinunter; warn da einmal ein rechter Dunft heransgeht und das Thermometer Ihrer Zufriedenheit im Theater auf Schöne Witterung zeigt, dann verwandeln ſich die Eisberge für ihn in das Vorgebirg der guten Hoffnung; ftatt mit Schneeballen wirft er mit Scheinen herum, und in feinem Herzen wird die Flamme der Dankbarkeit fo ftark brennen, dafs alle Schneegeftöber von Kamtſchatka nicht im Stande find, fie auszulöfchen.

16.

Einladung zur Benefice-Vorftellung des Herrn Brinfe!) als Bims?), gefprocdhen den 7. November 1822.

Morgen haben wir die Ehre, zum Vortheile des Herrn Brinke aufzuführen: „Die Damenhüte im Theater, “?) dann folgt eine neue Pantomime: „Die Perlenmufchel, oder: Columbinens Rettung aus der Yeuersbrunft,* in 2 Aufzügen von Rainoldi, Mufit von Volkert.

1) Einer der beften Harlefins in der Pantomime, ?) in dem BZauberfpiel: „Altne” von Bäuerle. 3) Pofle von Meist.

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Verehrungswürdigfte! Ich bin jo frei, Sie in jeinem Namen um Ihren gütigen Zufprud) zu bitten; denn wenn ich auch noch fo ftarf bin, fo ift es doc) eine Unmöglichkeit, das verehrungswürdigfte Publicum in’8 Theater zu blafen, wenn Sie nicht jelbft hereingehen wollen. Alles, was ich thun kann, wenn es fo voll würde, daſs e8 zu Klein wäre, ift, dafs ich von dem Theater an der Wien einen vierten Stod zu leihen nehme und ihn da herübertrage und das Theater auseinander- treibe. Das Henslerifhe Haus!) ftellt man halt unterdefien auf die Seiten oder man gibt's im Prater unten auf- zubeben, Herr Brinfe wird morgen alle möglichen Pantomimen machen, bis auf die einzige, daſs er mit der Hand nicht in den Sad greift; das, Berehrungs- würdige, möcht‘ er halt gern Ihnen überlafjen. Kurz, da Herr Brinfe morgen die Columbine aus dem Feuer rettet, fo hofft er, Ihre Gnade wird ihn retten, dafs er mit feiner Pantomime nicht in's Waffer fallt. Sein Dank wird ohne Grenzen fein, und obwohl in der Pantomime nicht gefprochen werden darf, fo wird er doch am Schluffe ausrufen: Ja nur a Kaiferftadt, ja nur a Wien !?) Duett.

1) Das unmittelbar an das Theatergebäude von dem ehemaligen Pächter und Dichter der Leopoldftäbterbühne erbaute breiftödige Haus mit der heutigen Orientierungsnummer 1. Weintraubengafle. 2) Aus Bäuerles „Aline, oder Wien in einem anderen Welt- theil,“ eine Parodie der Oper von Berton, Der Refrain, fpäter von Holtei in „Die Wiener in Paris“ benützt, ift keineswegs Bäuerles Alleineigenthbum, er findet ſich bereits in einer 1784 erihienenen ſatyriſchen Broſchüre, betitelt: „Schwachheiten der Wiener.” Das zweite Kapitel ift dafelbit iiberfchrieben: „Es gibt nur ein Wien.“

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- Einladung zur Benefice-Borftellung: „Die große Reife von der Zägerzeil in die Roffau”!) und „Die Heirat durch die Pferde-Komöpdie“ 2) den 27. November 1822. Berehrungswürdigfte !

Ich bin fo frei, ehe ich da von Golconda Abjchied nehme;?) Sie in dem Wien, meinem andern Welttheile, wo fie auch ein Leopoldftädter Theater haben, zu einer Benefice gehorfamft einzuladen, Ein gewiſſer Yerdinand Raimund nämlich, ich weiß nicht, ob Sie den edlen Mann fennen, der hat mich gebeten, in feinem Namen an Sie zu ſprechen. Er Hat morgen einen gar wohlthätigen Zwed; er gibt nämlid) zum Bortheile einer ſehr bedrüdten Familie, die aus ihm jelbft befteht, eine Vorftellung im Leopoldftädter Theater, und da wünſchte er, dafs Sie folche gütigft mit Ihrem Huldvollften Befuche beehren möchten. Die Stüde heißen: „Die große Reife von der Jägerzeile in die Roſſau,“ Iocale Poffe in einem Aufzuge ; wenn das aus ift, kommt: „Die Heirat durch die Pferde- Komödie, oder: Die Räuber in den Abruzzen,” locale Pofje mit Gefang und einer damit verbundenen Spectafel- Pantomime in einem Aufzuge, die Muſik vom Herrn Kapellmeifter Volkert, die Bantomime neu in die Scene gefett von PB. Rainoldi, die neuen Decorationen der Abruzzen von Herren Dollinger. Wie Sie fehen, reist er alfo von der Jägerzeil in die Roſſau und braucht daher einen Reiſepfennig. Endlich ift eine Heirat durd)

1) Locale Boffe nach Kurländers Luſtſpiel: „Die Reiſe nach Dieppe. 2) von Herzenskron. 3) Scene aus Aline.

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eine Pferde-Romödie; da meint er denn, dafs Sie (eutet auf Geld) den Habern mitbringen möchten. Im übrigen geht alles auf's befte vor; auf der Reiſe wird niemand angepadt, weil die Räuber erft im zweiten Stud vor=- fommen. Die Räuber felbft find galant, denn fie laſſen dem Raimund das Geld und begehren höchſtens von Ihnen den gütigen Beifall oder Pardon. Übrigens fpielt morgen der Yerdinand Raimund einen Zetteltrager, und da hat er mir folgende Komöddienzettel mitgegeben: Auf dem Theater wird gegeben: „Ein Schelm thut mehr, als er kann.“ Im den Logen wird aufgeführt: „Großmuth und Liebe,” im Parterre, wenn's recht voll ift: „Die Zufchauer in der Klemme,“ auf den gefperrten Sitzen: „Die unruhige Nachbarſchaft,“ auf der zweiten Galerie: „Hier ift das mittlere Stockwerk zu vermieten,“ und ganz oben, auf'm letten Play: „Das Incognito, oder: Um 18 Kreuzer ift’8 auch recht hübſch.“ Wozu feine gehorjamfte Eimladung macht Dero pflichtſchutdigſter Ferdinand Raimund.

—18.

Einladung zur Benefice⸗Vorſtellung des Herrn Schadetzky den 22. Nov. 1823. Morgen haben wir die Ehre, aufzuführen zum Vor— theile des Herin Schadetzky zum drittenmale: „Die ſchlimme Liefel,“ 1) Luſtſpiel in einen Aufzuge von H. Bäuerle; dann folgt zum erftenmale: „Die Zauberfchere, oder: Der Raub der Columbine.* |

1) Erfte Aufführung am 18. November 1823, eine Glanz⸗ rolle der Die. Huber, genannt die Schröder der Localbühne.

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Dir find beide herummandelnde Geifter, ich bin weiß und er ift ſchwarz. Sie werden wiſſen, was ich damit fagen will. Ich bin. verurtheilt, als Geift folange auf der Baftei herumzugehen, bis ich alle meine Spaff' angebracht habe, und er ift verurtheilt, folange im der Stadt herumzulaufen, bi8 er alle Logen angebracht hat. Und weil Sie fo gütig waren, ihm für feinen Fleiß einen gefperrten Sig in Ihrem Herzen anzumeifen, fo hofft er, dajs ihm die im Parterre nicht Teer bleiben werden. Ic ſelbſt Habe als Geift eine unfichtbare Loge genommen. Beehren Sie ihn daher mit Ihrem gütigen Zufprud) wenn’s auch noch fo entfeglich voll wird, es ſchad't ihm nichts au contrair, ic) gebe Ihnen mein Ehrenwort, bei der Eafje wird alles angenommen, wenn’s auch noch jo viel if. Das wird doch ſchön von ihm fein! Die ganze Gefellfchaft. wird alles aufbieten, Ihnen einen vergnügten Abend zu verfchaffen, und fein Herz wird zum Schluſſe die Ehre Haben, vor Ihren erftaunten Augen einige dankbare Pirouettes zu fchlagen.

19, Einladung

zum „Barometermacher auf der Zauberinfel“ den 17. Dec. 1823.

Ic Habe heute nachts einen fonderbaren Traum gehabt. Mir Hat geträumt, ic) wär’ wieder beim Theater gewejen und da Hätte follen der „Millionär“ aufgeführt werden; weil ich aber plöglid) unpäfslic, geworden bin, haben j’ ftatt deffen „Armut und Edelfinn“ geben müffen, denn ich hab’ eine jolche Mattigkeit in mir g’habt, und wenn id) in den Sad gegriffen hab’, fo Habe ich gefun-

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den, daj8 ich jehr ohnmädtig war. Da hat denn nun der Director zu mir gefagt: „Lieber Freund, Sie müffen ſchauen, daſs Sie wieder zu Kräften kommen,“ und bat mir eine Einnahme verfchrieben. Da bin ich denn nun heraus⸗ gefommen und habe das verehrungswürdigfte Publicam dazu ergebenft eingeladen und habe gefagt: Verehrungs- würdigfte! Morgen haben wir die Ehre, zum erfienmale aufzuführen: „Der Barometermadjer auf der Zauberinfel, Zauberpoffe mit Gefang in 2 Aufzügen. Die Muſik ift von Herrn Wenzel Müller, die Tableaur und Gruppierungen von Herrn Rainoldi, die Decorationen von Herrn Dolliner und Inftitoris, die nicht darin vortlommenden Mafchinen von Herren Winterhalter und das übrige ift auch von jemand, 1)

Berehrungswürdigftel Da nun diefe Einnahme zu meiner Beſſerung beftimmt ift, fo wage ich e8, Sie gehor- famft dazu einzuladen; ich habe fchon fo viele Beweife Ihrer Gnade und Huld in meinem Stammbud) ftehen, dafs ich e8 zu hoffen wage, Sie werden auch das morgige Blatt nicht unbefchrieben laſſen, mein Dank wird dafür gewifs in meinem Herzen mit Fracturbuchſtaben trans- parent zu fehen fein. Den andern Tag darauf, hat's mir geträumt, hab’ ic) die Einnahme gehabt. Hören Sie, das war eine Völle, das kann ich Ihnen nicht fagen; in den vierten Stod hat gar fein Menjd) hinauf- fünnen; der dritte war fo voll, daj8 er ſich auf den erften hinaufgelehnt hat, daſs man den zweiten gar nicht gejehen hat, und ich hab’ mich mit dem vielen Geldzählen fo ruiniert, daf8 ich den Arm 6 Wochen in der Schlingen

1) Erſt bei der dritten Aufführung wurde Raimund auf dem Tcheaterzettel al8 Autor genannt.

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getragen hab’. Darauf bin id) munter geworden ; wie ed meiten gegangen ift wegen dem Stüd, das weiß ich nicht, das wird mir vielleicht morgen träumen, Man fagt: das Glück kommt im Schlaf, darum will ich Halt in Gottes Namen fortträumen und morgen beim Erwachen werden wir fchon jehen, wie das Ding auegegangen iſt.

20. Einladung zur Benefice-Vorftellung des Herrn Landner !) den 29. Zänn. 1824.

Morgen Haben wir die Ehre, aufzuführen: „Der Barometermacher auf der Zauberinfel.” 2)

Da die Einnahme des morgigen Abends zum Bor- theile des Herrn Landner beftimmt ift, jo mage id) es, in feinem Namen Sie, Berehrtefte, ergebenft dazu ein- zuladen. Das Barometer des Glückes zeigt heute, im vollen Berftande feines Wortes, auf Negen, das beweifen die verfchiedenen Parapluies, die Sie bei der Caſſa haben auf- zuheben gegeben. Aber das Sprichwort jagt: Nach Regen folgt Sonnenfhein, darum machen Sie e8 wahr und lafien Sie morgen die Sonne Ihrer Huld über diefe Zauberinfel aufgehen. Und wenn’d auch draußen regnet, fo Halten Sie halt da8 Parapluie Ihrer Gnade über ihn und laſſen Sie's herinn wenigftens tröpfeln; wenn einmal ein paar taufend Tropfen in der Caſſa find, fo ſchwabt?) fi doch was zufammen. Kurz, er bittet halt, dafs er mit feiner Einnahme niht in's Wafjer kommt. Sein Dant wird ohne Grenzen fein.

1) Darfteller derbtomiſcher Rollen. 2) 18. Aufführung. 3) ſchwemmt.

Raimund, Dram. Werke. III, "99

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21.

Einladung zur Benefice-Borftellung des Herrn Anton Schufter den 30. Mai 1824.

Morgen haben wir die Ehre, aufzuführen zum hundertftenmale: | Die falfde Primadonna!)

Obwohl das Stüd: „Die falfche Primadonna“ Ihon eine alte Berfon ift, jo Hat fie ſich doch, durch die Baleriana Ihres Beifalls geftärkt, bis auf den heutigen Augenblid recht gejund und frifch erhalten, und da fie morgen ihre zweite goldene Hochzeit feiert, jo wag’ ich es, Ste im Namen des Herrn Anton Schufter als Beiftände einzuladen. Er ift morgen ein Schulmeifter und Hat fo viele Kinder zu verforgen, und da fann er halt nicht Baten genug austheilen. Darum ift der morgige Tag für ihn eine Öffentliche Prüfung, an dem er gerne Ihre Huld als Prämium davontragen möchte; verlaffen Sie

1) Poſſe von Adolf Bäuerle, Mufit von Ignaz Schufter. Beliebtes Repertoirſtück des Leopoldftädter Theaters und Anfangs der Zmwanzigerjahre wiederholt auf verfchiedenen Bühnen Deutfd)- lands zur Anfführung gebradt. Bäuerle geifelt in diefer Pofie in fatgrifcher Weife den Catalani-Enthufiasmus. Ignaz Schufter copierte die regina del canto jo vorzüglich, daj8 die Katalanı im Jahre 1820 von Brünn aus ein Schreiben an den Director Huber richtete, er möge nad) ihrer bald erfolgenden Ankunft in Wien, gewifs „die falſche Katalani“ aufführen. Die Sängerin machte dem Komiker Schufter Complimente über fein Imitatione- talent und wiederholt erzählte die einft Gefeierte an den gefelligen Abenden in ihrer Billa bei Florenz, welche fie nach harten Schid- falsichlägen, als Möme. Balabregue bezogen hatte, von ihrem Doppelgänger Ignaz Schufter.

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ihn alfo nicht, er wird als dankbarer Schufter feinen Fleiß verdoppeln und fein einziger Zwed wird Ihre Zufriedenheit fein.

22.

- Einladung

zur Benefice-Borftellung des Herrn Rainoldi !) den 29. April 1825.

Morgen haben wir die Ehre, darzuftellen zum erften- male: „Der Perüdenmacher,“ Luſtſpiel in einem Aufzuge, nad) den ranzöfifchen des Scribe. Dann folgt eine große neue Pantomime unter dem Titel: „Der Zauber- Kudud, oder: Die Probe der Treue,“ Die Muſik vom Kapellmeifter Müller, die Gruppierungen, Tänze und Gefechte vom Pantomimenmeifter Rainoldi, Decorationen von Dolliner und Inftitoris, Mafchinen von Winterhalter.

Der Betrag diefer Einnahme ift zum Vortheile des Herrn Rainoldi beftinnmt. Er legt daher durch mid). das Gewicht feiner Bitte in die Wagfchale Ihrer Großmuth, das wird morgen der Anfchlagzettel wiederholen, denn der Anſchlag ift einmal gemacht, den Ausſchlag erwarten wir von dem Frühling Ihrer Huld. Bon mir iſt er überzeugt, daj8 ich meine Zettel morgens pünktlich austrage,?) e8 handelt ſich jegt nur darum, daſs Sie die

Güte haben, abends wieder andere dafür Hereinzutragen, .

denn ein Zettelträger zu fein, ift eine ſchöne Sad)’, und der Herr Rainoldi wird morgen nad) dem Theater ein curiofer Zetteltrager fein, ic) traget |’ gleich ftatt ihm

1) Balletmeifter des Leopoldftädter Theaters. 2) Naimund fpielte an diefem Abend den Zettelträger Papp, in dem Quodlibet: „Die beiden Spadifankerin.”

29*

Ph

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nach Haufe. Übernehmen Sie alfo diefes edle Gefchäft. Er wird das Kapital Ihrer Gnade treufich bewahren, und feine Dankbarkeit wird nie aufhören, die fchönften Zinfen an Sie abzutragen. 23. Epilog

als Florian im „Diamant des Geifterfönigs” den 30. Mai 1825. ')

Weil ich durch das viele Reifen fo zufammengeriffen bin, daſs mir die Krankheit aus allen Knopflöchern herausfchaut, fo hat mir der Arzt gerathen, ich möchte in das Salzkammergut reifen und dort ein Eifen- oder Slasjcherbenbad gebrauchen. Nehmen Sie daher meinen herzlichften Dank für Ihren gnädigen Beifall, und wenn der Florian auch noch fo fern ift, jo wird feine Dant- barkeit fich doch nie aus diefen Mauern entfernen. Kann ic auch nicht die unzähligen Beweife Ihrer Huld alle auf meine Reife mitnehmen, fo erlauben Sie werig- ftens, dafs ich Ihren heutigen Beifall in eine Chatoutille einpaden darf, um alle Abende am Fuße der Gletſcher einige Klatfcher davon einzunehmen. Denn wenn mir diefe mid) fo langjährig ftärfende Arznei plötzlich ganz entzogen würde, fo müfst ich zu Grunde gehen, und wenn ich auch da8 ganze Salzburg auf einmal einnehmet. Ich will alfo die Hälfte mit auf die Keife nehmen, möchte mir doc) Ihre Huld die andere Hälfte aufbewahren, wenn ic) glüdlich wiederfehren follte.

1) Fünfzigſte Aufführung.

——

453

21.

Epilog beſprochen am 7. October 1825 nad) dem Stücke: „Alle find verheiratet” 1) ale Hausfnedht.

Ich befinde mich jet wieder auf dem Plage, an dem ich vor vier Monaten von meinen unendlich gütigen Herrfchaften mit ebenfo großer Trauer Abfchied nahm, als ich jegt mit Freude wieder in Ihre Dienfte trete. Das Sprichwort fagt: Zu viel ift ungefund; bin ich auch nur ein armer Hausfnecht in der Kunft, der das Holz bloß trägt zum Opferherd der Mufen, fo brand)’ ih doch auch dazu Kraft, und wenn man den Parnaſs zu oft auf- und abfteigt und jedesmal eine ganze Klafter auf einmal hinaufjchleppt, fo kann e8 aud) einen Haus- Inecht umbringen. Als nun eben vor 4 Monaten nad) einem Miufenfefte, bei dem ic) fehr viel zu thun hatte?), meine hausknechtifchen Nerven plößlich nachließen, verfiel ich in einen fchweren Traum: Es war mir, als befände ich mich plöglich auf einem großen Zurnierplage, von ſchroffen Felfen umgeben, wovon nur einen nod) die untergehende Sonne beleuchtete. Auf einem hohen Balkon ftand eine fehr erhabene Perfon und ringe um die Schranken waren viele Hunderte der fchönften Herren und Damen verfammelt. ch aber war dem Balkon gegenüber auf einem Poftamente angefchmiedet, und auf meinem Rücken bieng eine fchwere bleierne Figur, von

1) von Korntheuer. Raimund's erſtes Auftreten nach einer

viermonatlihen Krankheit, in der Rolle des Hausfnechtes Adam.

2) Nah der Aufführung des Stüdes: „Der Diamant des Geifterfönigs.“

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welcher ich nachher erfuhr, dafs fie die Unthätigfeit, ſei. Ich wuſste nicht, was das alles heißen ſollte, doch plötzlich trat ein holder, blonder Knabe mit Schmetter- ingsflügeln zu mir, der fi) anbietet, mir alles zu erflä- ven. „Erftens mufst Du wiffen,“ fprad) er, „alles, was hier vorgehen wird, gefchieht um Deinetwillen. Es wird jogleich ein großer Zweikampf ftattfinden, welcher über Deine ganze Zukunft entjcheiden fol. Die ftattliche Perfon auf der Höhe des Balkons ift das Schidfal, es wird den Ausfpruc, thun über Dein Fünftiges Sein oder Nichtſein.“ Wem fehr curiog geworben ift, weil ihm die Worte aus dem „Hamlet“ befannt find, das war ih. „Aber,“ frage ich, „wer find denn die fchönen Herren und Damen, die alle außer den Schranken ver- fammelt find?“ „Das find,” antwortete er, „lauter verehrte Gäfte aus dem Einfehrhaufe, in welchem Du 8 Yahre als Hausknecht angeftellt warft, und weil Du Dich immer bemüht Haft, Deine Pflicht zu erfüllen, fo. find. fie verfammelt, Zeugen de8 Kampfes und feines Ausganges zu fein. Während id) mich verwundern will, gejchieht ein Trompetenſtoß und es tritt in die Schranken ein rofenfarbener Ritter mit blauem Auge und purpurrothen Lippen, ein leichtes Schwert, doc; Helm und Schild von weißem Kiefelftein;: der fieht mich an und fenfzt und ftellet fich zum Kampf; ich ftuge; da bemerkt mein vedender Papillon: „Dies ift Dein guter Genius, das heißt: Dein günftiges Geſchick.“ „Hör auf,” fag’ ih, Trompetenftog. Ein anderer Ritter kommt, das Antlig bleich, ein matte® Auge, die Rüſtung fchierlingsfarb erglänzt, weil fie mit Galle gefir-

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niſst war, Nabenfedern auf dem Helm und in der Hand ein breites Schwert, in’s Gift der Krankheit ein- getaucht; der fieht ergrimmt auf mich und fällt den Roſenrothen an. „Dies ift Dein böfer Genius!” ruft jchnell der Knabe, „Dein Miſsgeſchick!“ Nun begann der Kampf. Der Rofenrothe weicht, er finkt, und mit der größten Wuth haut jegt der grünliche Geſell mit feinem gift’gen Schwert auf meines Genius’ Kiejelhelnt, daj8 helle Funken davon fprühen und alle Herren und Damen ängftlich darnad) jehen. „Erfreue Did,“ jagt froh mein kleiner Freund, „denn dies find Funken Der Erkenntnis Deines höchften Glücks!“ Und während id) dies nicht begreifen Tann, vermehren fich die Funken jo, dafs fie über den ganzen KRampfplag einen brillanten Regenbogen bilden, welcher die Worte enthält: „Lie— bender Antheil des Publicums.“ Mein guter Genius, durch den Anblick diefer Worte neugeftärkt, rafft fi) auf, dringt vor und ruft das Schidfal an um Hilf. Das Schidjal winkt, und es fprengt auf einem weißen - Schimmel ein Ritter vom lichten Fels!) herab, ftürzt auf den böfen Dämon los und windet ihm mit gewandter Kraft das Schwert der Krankheit ans der gift’gen Fauſt. Diefer ftürzt zu Boden, mein günftiges Geſchick jet ihm den Fuß auf den Naden; es erfchmettern Trompeten und Pauken, ich erichred® und nieß', das Schickſal jagt: „Zur Gefundheit!“ und der Traum it aus. Alles ift verfchwunden, die Unthätigfeit von

N) Rudolf Kitter von Lichtenfels, praftifcher Arzt in Wien, Derfaffer mehrerer medicinifcher Abhandlungen, Freund und Hausarzt Raimund's.

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meinem Rüden fort; doch das gütige Publicum und die ftrahlenden Worte feiner Liebe ftehen in diefem Augenblicke nod) lebhaft vor meinen Sinnen, und nie kann mein, dem höchften Dank geweihtes Herz diefen unſchatzbaren, alle Leiden erſetzenden Anblick vergeſſen.

25. Abdankung,

geſprochen nad) der Benefice-VBorftellung „Der Diamant des Geifter- königs“, aufgeführt zum öÖlftenmal den 30. November 1825.

E83 war einmal ein Bauer und eine Bäuerin, die hatten einen Sohn, der hieß Florian; der gieng einmal im Walde fpazieren und fand einen großen falfchen Stein; im Zaumel der Freude hält er ihn für echt und wollte damit nad) der Stadt, um durd) ihn fein Glüd zu gründen; doch auf dem Wege begegnet ihm die Wahrheit als ein alter Bettler und entdedt ihm feinen Irrthum. Weil aber der geteufchte Florian darüber ganz entſetzlich jammert, jpricht die Wahrheit Yolgendes zu ihm: „Nie wird diefer „Stein vor dem Auge eines ftrengen Juweliers für echt „erkannt werden; doc, weil Du jelbft es fühlft und es „Dich fo betrübt, will ih Dir einen guten Nath nun „geben: Geh’ mit diefem Stein nad) jener großen Stadt „und frage nach dem Haufe, wo die Nachſicht wohnt, „dort trag’ ihn Hin und lafs ihn fehen.” Vol Freuden prang er fort, erfragte bald das Haus, trug Zettel aus, und zeigte feinen Stein; und fiehe da, alles drängte fich, den Stein zu fehen, belachte ihn und rief: es fei ein Diamant, der wahrhaft fomifche Farben fpielt! Und fünfzigmal ward jo das Haus der Nachficht angefüllt,

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ja, zum einundfünfzigftenmal reichten jogar die Beſucher diefes Hauſes dem glüdlichen Florian zum Geſchenke einen unſchätzbaren Brillant ihrer Huld. Da fteht nun der gute Florian und blicdt befhämt an einer fteilen Wand hinauf, die fein Bewufstfein aufführt, zwifchen der Größe feines Glückes und der Armfeligkeit feines Verdienſtes; er fteht und kann vor Dankbarkeit nicht reden, und weil’s wie Dlei an feinen Füßen hängt, nimmt er ein Stüd davon herab und fchreibt damit an die Wand: Berehrungswürdige! So lang ich eb’, werd’ all mein Wirken, Streben und Gefühl id) nur an Ihre Wine heften, und nie wird diefer Brillant durch feinen Glanz nein Aug’ zum Stolz verblenden, nein, jo oft der arme Florian ihn fehaut, wird fich fein Aug’ ſtets dankbarlich befeuchten! Dies fehreibt er Hin, verfucht nod) mehr zu fagen, kann es nicht; verbeugt fich ftumm und geht gerührt fort. Mach dem abermaligen Aufen:) _

Er kommt zurüd, verfucht’3 zum zweitenmal, kann's wieder nicht, verbeugt noch ftummer fi) und geht nod) gerührter fort.

26.

| Einladung jur Benefice-Borftellung für Herrn Schadetzky den 10. Jänner 1827.

Morgen haben wir die Ehre, zum Bortheil des Herren Schadetzky zum erftenmal aufzuführen: Walter Scott, Schwank in 1 Act von Bäuerle; dann folgt Harlefin : al8 Zafchenfpieler, große Zauberpantomime in 2 Acten von Bäuerle ꝛc.

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Und nun wage ich's im Namen des Herrn Schadetzky, die Verehrten auf das ergebenfte einzuladen. Möchte do) der morgige Abend Sie durch feinen freundlichen Genius an das Thor diefes Tempels geleiten, Fortuna die Caſſe befhirmen, und fröhliche Jugend und fröhliches Alter dies Haus fo füllen, dafs Haſs und Neid erbittert vor der Schwelle bleiben müfjen; und wenn fo jeder Raum ſich angefüllt, dann möge der Borhang aufraufchen und Focus fo lange feine fröhlichen Sprünge verſuchen, bis Ihre Herzen ſich öffnen, die Zufriedenheit ihren Triumph- Einzug bält und Ihre Hände in beifällige Bewegung fegt, dann ift da8 Ziel erreicht, das Spiel am Ende, Jedes eilt vergnügt nad) Haufe; ihn begleitet da8 Glück und Sie das Bewufstfein Ihrer Huldvollen Güte.

27.

Einladung zur Benefice-Vorftellung des Herrn Kapellmeifters Müller, den 30. März 1827.

Der Herr Rapellmeifter Müller hat morgen darin feine freie Einnahme, das heißt: es ift ihm freigeftellt, ein Geld einzunehmen, oder nicht.

Um das erftere zu bewirken, bat er fich Hinter die Protection der Damen geftellt. Da Ihnen die weiße und die fchwarze Frau jo gut gefallen haben, fo ift er auf den Gedanken gekommen, zwei auf einmal auf die Bühne zu bringen,!) damit Sie dod) etwas zum Ausfuchen 1) Die ſchwarzen Frauen. Poſſe in 2 Aufzügen nad La dame blanche von Scribe, frei bearbeitet von Gleih. Zur felben Zeit ſchrieb auch Meist eine gleichbetitelte Parodie, zum Bor- theile des Komiker Scholz, welche im Sofefftädter Theater zur Aufführung gebracht wurde.

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haben. Er denft, wenn Sie ſich mit der einen nicht vertragen, jo kann doch vielleicht die andere Ihren Beifall erringen. Es find zwei fehr befcheidene Frauen, die fich bloß durch Anmuth und Scherz recommandieren wollen ; ihre Abficht ift nicht, ein große® Haus zu machen, aber ein volles; beide find gut muſikaliſch: die eine fingt Discant, die andere Baſs; die eine ift jung, die andere alt, das Hätt’ ich fehon nicht fagen follen, eine hat jeßt fchon verloren, aber da8 macht nichts: went Sie fie fehen werden, werden Ste finden, dafs Ihr gütiger Befall ſchon lang eine Amour mit ihr hat. Kurz, von den beiden Frauen hat Herr KRapellmeifter Müller die thätigfte Unterftügung zu erwarten. Er ftellt nun die unterthänige Frage: was er wohl von Ihrer Ge— wogenheit zu erwarten habe? Und hofft, daſs morgen Ihre befannte Großmuth darauf antworten wird.

28.

Einladung sur Benefice-Borftellung „Die Benefice-Borftellung“,!) für Herrn Ignaz Schuſter, den 6. April 1827.

Herr Ignaz Scufter ift der doppelte Benefictant diefes Abends und hat mir die Ehre überlaffen,. das verehrungswürdige Publicum dazıı ergebenft einzuladen. Er hat in diefem Stüde die Rolle des Souffleurs Lifpler übernommen, welcher für langjährige Verdienſte eine Einnahme erhält. Eine geheime Stimme lifpelt ihm zu, dafs er ſich dabei Ihres Beiftandes erfreuen dürfe. Alle

1) Boffe von Meist.

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Rollen find befegt, nur die Hauptrolle, welche bet jedent Benefice ein gütiges, zahlreich verfammeltes Publicum jpielt, ift nod) unbefegt. Ich wage e8 daher in feinem Namen, Sie um die Ausführung diefer großmüthigen Möcenaten-Rolle zu bitten, und glaube durdy Ihre oft erprobte Güte überzeugt zu fein, dafs Sie diefelbe nicht zurüdjenden werben.

29.

Einladung zur Benefice-Vorftellung „Fee Sanftmuth und Fee Gallfuht“!) für Dem. Ennöfl, den 20, April 1827.

Die Dem. Ennöfl wagt. es, als Fee Sanftmuth ihre unterthänigfte Einladung zu machen. Das verehrungs- würdige Publicum wird vielleicht erwiedern: Wir begreifen nicht, wie eine Tee, und wenn fie aud) nod) fo fanft ift, zu einer Einnahme kommt? Eine gefunde Tee Hat doch nicht nothwendig, etwas einzunehmen. Da fid) aber Dem. Ennöll in ihren verfchiedenen Veen von jeher bemüht bat, als ein einnehmendes Weſen zu erjcheinen, fo fchmeichelt fie fich, das verehrungswürdige Publicum wäre fo für fie eingenommen, dafs es bei ihrer Einnahme eine Ausnahme machen wird. Die feeifche Caſſe wird daher un 4 Uhr eröffnet; dieſer magifche Tempel wird im argantifchen Lichte prangen, Wohlgerüche aller Art werden fich verbreiten und fein Wunfc wird übrig bleiben, als dafs der Zauber Ihrer Gegenwart da8 Ganze zu dem herrlichſten Feſte geftaltet.

1) Allegorifches Märchen von Meisl, eine mifslungene Nach- ahmung des „Mädchen aus der Feenwelt.“

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30.

. Einladung für Herrn Rainoldi, den 29. April 1827.

Herr Rainoldi hat mich zum Nepräfentanten feines Geſuches ernannt, und id) gebe mir die Ehre, das ver- ehrungswüsdige Publicum für die morgige Vorftellung !) um feinen gütigen Beſuch zu bitten. Meine Einbildungs» fraft hat fi) zu Gunften des Herrn Rainoldi, deſſen einziges Beftreben Ihre Zufriedenheit ift, ein Heines allegorifches Bild. entworfen, und nur von Ihrer Gnade hängt es ab, dafs diefer angenehme Traum fih in Wirklichkeit verwandelt. Ic ftelle mir vor, daſs am morgigen Abend vor Eröffnung der Cafe das Haus ganz leer ift; das Orcheſter fpielt Teife das Afchenlied, und die Erwartung gudt von Zeit zu Zeit forjchend aus den Logen. Zwei weiblid)e Gladiatoren: die Hoffnung und die Furcht, erfcheinen auf der Bühne und beginnen einen heftigen Kampf; doc, das Vertrauen auf die Gnade des Publicums tritt zwifchen fie und fehlichtet ihren Streit. Plöglich ertönt der Marjc aus der Oper: Titus der Gütige, und das verehrungswürdige Publicum zieht ſcharenweis herein; augenbliclich verändert fich die Scene: ftatt dem Afchenlied fpielt das Orchefter die Millionär⸗Deutſchen?) und Herr Rainoldi tanzt aus Dankbarkeit über das Herrliche Thema: „Hoc lebe das Publicum!“ die gemüthlichften Bariationen,

1) Die wunderbare Flaſche des Herrn von Windhaufen, Pantomime von NRainoldi. 2) Walzer von Diabelli, die bes liebteften Lieder aus dem Bauer als Milionär enthaltend.

462 31. Einladung für Herrn Fermier, den 9. Mat 18271),

Wir haben im Schlufsgefange ein Haus auf Ihre Huld gebaut, und id) wage e8, Sie mit der inneren Eimichtung bekannt zu machen. Mein Herr Schwieger- john Hat morgen eine Einnahme; er gibt „den Diamant des Geifterfönigs. “?)

Berehrungswürdige! Sie fünnen morgen eine ganze Bamilie dur) Ihre Liebe von der Kabale des Geld— mangels befreien. Mein Schwiegerjohn hofft, weil er heute zu Ihrem Vergnügen durchgefallen ift, dafs bei der Ein- nahme morgen das Gegentheil davon gejchieht, und weil er mich alten Greis meines jungen Kindes wegen fo fehr unterftütt, fo ift e8 die Schuld meiner Schulden, dafs ich meine Schuldigkeit beobachte und Sie, Berehrungs- würdige, in aller Unſchuld fchuldigft einzuladen wage. Ich mache Ste daher aufmerkſam auf das Wort: Einnahme. Es ift eigentlich nur ein Name, welchen die Sache fo lange führt, bi8 Ihre Großmuth fie erft zu einem Dinge wacht, welches man nehmen und in den Sad ſchieben kann. Es iſt ein leerer Wechfel, an Ihre Freigebigkeit adreffiert, auf welchen Sie erft die Summe jchreiben, was er gelten joll. Ich überlaffe e8 daher ganz Ihrer Weisheit, was in diefer - verwidelten Sache zu thun iſt. Mein Schwiegerfohn kann nichts thun, als alles einnehmen, was ihm-Ihre Huld eingibt, und ſich ausgeben für Ihren ewig dankbaren Fermier.

1) nach der Borftellung der Parodie „Kabale und Liebe“ von Bäuerle. 2) zum 78ftenmale.

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32.

Epilog nad) der erften Aufführung des Zauberjpiels: „Moifajurs Zauber- flach” im Theater an der Wien am 25. September 1827.1) So hat das Glück mid) dennoch heut begrüßt, So hör’ ich auch im fremden Haufe hier Des Beifals Ruf ſo liebevoll ertönen, Als ich ihn dankergriffen oft In meines Wirkens Heimat?) hab’ gehört, So hab’ ih thätig, freundlich unterftütt Bon allen, die im heut’gen Spiele ſich bewegt, Ein Ziel errungen, das Ich zu erringen nie geträumt, Und das ich nur erreicht, Weil Ihre Liebe mir’s So nahe hat gerüdt. Was Sie an meinem Bild, Das ein fo großer Rahmen ziert, Defriedigt hat, e8 ift Ihr eignes Werk. Denn, hab’ ich heut’ die Saiten kräft'ger angefchlagen, Hab’ ich's gewagt, im düftren Trauermantel zu erjcheinen, Der .mit des Scherzes Flittergold nur leicht verbrämt, So hab’ ich diefen Muth | Ja Ihrer Güte nur zu danken, Die ihn fo großgezogen hat, | Daſs er ſchon frei fich zu bewegen wagt. Und darum leg’ ich meinen tiefgefühlten Dank 1) Unter der Direction Carl, der die Rolle des Gluthahn zuerft interpretierte. Raimund ſprach den Epilog nach) dem fünften Hervorrufe. 2) Das Leopoldftädter Theater.

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An diefe8 Tempeld Stufen nieder,

Und tret’ zurüd in meinen vor'gen Kreis,

Um wieder dort des Frohfinns Sahne leicht zu ſchwingen Und Ihres Beifall Kranz durch Scherze zu erringen.

33. Einladung

zur Benefice-Borftelung: „Die Kunft, fein Glück zu machen“)

für Herrn Director Sartory den 27. November 1827.

Die Kunft, fein Glück zu machen, ift nicht jo leicht, als man glaubt, weil man oft etwas für ein Glüd hält, was, wenn man es befitt, fi in ein Unglüd ver- wandelt; dafür ift Herr Sartory nun ſicher. Sein Glück ift morgen ein volles Haus, und die Kunft, es zu füllen, hängt ab von Ihrer Gunft und Ihrem Willen. Darum wendet er ſich durch mich gleih an den rechten Mann, an Sie jelbft, Verehrungswürdigfte, und hofft, Sie werden ihm diefe Bitte nicht verfagen. Die Tendenz des Stüdes fol beweifen, welch eine große Kunft es fei, fein Glück zu machen, und daſs nichts über die Weiber geht; und Herr Sartory wird in feiner Dankrede den Beweis führen, dafs es hei Ihrer Güte feine Kunft fei, fein Glück zu machen, und daſs nichts über das gütige Publicum geht.

N) von Bäuerle.

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34.

Abdankung, geſprochen nad) der erften Vorftellung des Bauberfpiees: „Die gefeffelte Phantaſie,“ am 8. Jänner 1828. Ganz trunfen, doc -von Wonne nur, Erfcheinet der Minſtrell; Die Stirne trägt der Freude Spur, Das Aug’ erglänzt ihm hell; Denn wenn das Lied beendet ift, Des Beifalls Fittich raufcht, Sp weiß man, dafs ein Harfenift Mit feinem König taufdt. Ic bin zwar, wies im Spottwort heißt, Nur noch ein Dichterwurm, Und wenn's mic auch nach Höh’rem reißt, Iſt's nur ein flücht'ger Sturm. Ich ſtellte ja nichts Neues auf, Ich armer Leiersmann, Die Phantaſie hemmt' ich im Lauf Und feſſelte ſie an. Da iſt doch wohl nichts Neu's darin, Daſs Phantaſie verſagt, u Und dafs voll Unmuth fleiß’ger Sinn Begeifterung verklagt. . Dafür geht’8 mir vielleicht noch ſchlecht, Die Zeit fchleicht lauernd nad), Wo einft die Phantafte ſich rächt Für ihre heut'ge Schmach. Biel ſelt'ner ift, was Sie vollbradht, Biel Höher fteht es auch,

Raimund, Dram. Werke. III. | 30

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Weil e8 gemüthlich reicher macht | Und lehrt moralfchen Braud).

Nur Ihnen fei der Preis geweiht, D edle Sclaverei! | Sie fefjelten die Dankbarkeit | Und nie wünſcht fie fich frei!

35.

Abdankung nad) der erften Aufführung des Zauberjpieles: „Der Alpenfönig und der Menichenfeind,“ den 17. October 1828. Dft Hat das Glück mir freundlid) Hold gelacht, Mit mancher Gunft mic, Tiebend ſchon bedadjt ; Dod) feit ic) mich dem Jocus-Dienſt geweiht, Hat mid) Fortun’ fo ſeltſam nicht erfreut: Denn wunderbar ift es mir heut’ gelungen, Daſs ih durch Hafs mir Liebe Hab’ errungen; Wenn ic) den Menjchenfeind zu nratt gejchildert, "Und feinen Groll oft ſchwankend hab’ gemildert, Sp war e8 nicht allein des Autors Schuld, Den größten Theil davon trägt Ihre Huld. - Ih Hab’ der Menjchenlieb’ zu viel zu danken, Dies zog um meine Phantafie die Schranken, Daſs ic zum Menfchenhafs nicht konnt‘ gelangen, Weil Ihre Lieb’ die meine hielt gefangen. Doch was für Fehler auch mein Werk umſchließt, Ic hab’ durch mandje Dual fie abgebüßt; Und gern leg’ ich die Heut’ge Rolle nieder, Gleichwie ein Hirsch) die mattgehegten Glieder;

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Denn alles Üble, was ich ſchwer empfunden,

Iſt mit ihr leicht aus dem Gemüth entfhwunden. Verachtung, Zorn, mifstrauifches Erbeben,

Der Rache Wuth, die Unluft zu dem eben, Beſchämung, Neu’, kurz Leiden unermefjen,

Des Dichters Angft nun ja nicht zu vergefien; AU dies ift wie ein. Zaubertraum erblichen,

Die Leidenjchaften find der Bruſt entwichen:

Nur ein Gefühl ift, das fic in ihr regt

Und laut verfündet: fie ſei dankbewegt!

36. Einladung zur Benefice-Vorftellung für Dem. Krones!), den 12. Novem-

ber 1828. Zum dreiundjechzigftenmale: „Sylphide.“ 2)

Demoifelle Krones wagt e8, durd) mid) das ver- ehbrungswürdige Publicum mit Ergebenheit einzuladen und um gütigen Zuſpruch zu bitten. Deutfchlands hoher Dichter Sprit:

Ernſt ift das Leben, Heiter ift die Kunſt.

Doc) doppelt ernft ift eines Mimen LXeben, wenn er verhindert ift, fich feiner Kunft zu weihen; dies ift das 208 derjenigen, für die ich meine Worte nun an Ihre Güte richte. Hätt' ihre Laune eine Doppelgängerin, fo 1) während ihrer Krankheit. 2) Sylphide, da8 Seefräulein, zum erftenmale am 25. Februar 1828 im Leopoldftäbtertheater aufgeführt zum Vortheile der Krones, die der Theaterzettel als

Berfafferin bezeichnete. Joſef Krones ift der Autor diejes damals beifällig aufgenommenen Stüdes.

30*

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würden Ste fie morgen nicht vermiffen. Doch da ein | folder Zauber nur in Phantafie fich zeigt, o, fo ent- ſchuldigen Sie die unangenehme Wirklichkeit und ſchenken Sie ihr für ein altes Verdienſt neue Huld und Freundlichfeit. | M Abdankung nach der Benefice- und 50. Borftellung: „Der Alpenfönig“ den 24. Mär; 1829.

Das Spiel ift aus, der Zauber ift verfchwunden, '

Bon Traumesfeffeln ift da8 Aug’. entbunden;

Als Wirklichkeit, welch unſchätzbares Glück!

Bleibt Ihre hohe Gegenwart zurück.

Wie kann ich je die ſelt'ne Gunſt erſetzen,

Daſs Sie ſo tugendhaft das Alter ſchätzen,

Und da mein Alpenkdonig fünfzig zählt,

Ihn Ihre Luft fi dennoch hat ermwählt.

D’rum, was id) hab’ feit fo viel fchönen Jahren

Beglüdendes durch Ihre Gunft erfahren,

Ich ſeh' e8 jet mit. doppelt wachen Sinnen

Vor's Auge treten und Geftalt gewinnen;

Ein Zauberſchatz' prangt e8 vor meinen Blicden,

Es bebt mein Herz in dankbarem Entzüden ;

Wie Brüder fih in holder Eintracht küffen,

Wie Grazien fi) anmuthsreich umfchließen,

Sp: fühl’ ich, daſs mit wonnevollem Ringen,

Sic, Lieb’ und Dank in meiner Bruft umſchlingen.

D, möchten Sie die Stunden nicht gereuen,

Die Sie mir heut’ voll holder Nachſicht weihen;

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Ach! diefer Wunſch, er könnte fi) nur Frönen, Hört’ ih aus Ihrem Mund die Worte tönen: „So leb' denn wohl, Du fröhlich” Haus, Wir zieh’n vergnügt aus Dir hinaus!“

38.

| Abdankung nach der Benefice-Vorſtellung: „Die unheilbringende Zauberkrone,“

den 4. December 1829. Ein armer Kleidermadjer!) muſst' e8 heute wagen, "Ihre Geduld mit Kronen aller Art zu plagen. Ein Schneider auf dein Dorf, wer ihn nur fieht, will lachen, Exdreiftet fi) gar, einen Hermelin zu mahen? Und doc) mufst’ e8 geſcheh'n, ich durft' es nicht vermeiden, Aus Burpurftoff konnt' ich doch keinen Schlafrod ſchneiden? Was war zu thun? Ich nahm mit Zittern meine Schere, Und dacht', ſchneid' zu, jest gilt e8 Deine Ehre! Mir blieb noch goldner Zeug, den braucht' ich nicht zu ſchonen,

D’rum ſchnitt zum Überfluſs ich ſchnell noch ein'ge Kronen; Als alles fertig war, ließ öffentlich ich's ſehen, Das rothe Zeug, das Gold, die Leute blieben ſtehen; Es kamen immer mehr, der ganze Platz war voll,

Und jeder rief: „Schaut her! Der Schneider iſt ja toll!“ Doch während Sie den Purpur ernfthaft fo betrachten, Dacht' ich, e8 wär’ doch gut, wenn Sie dabei auch lachten; Drum ſteckt' ich durch den Hermelin manchmal den Kopf,

1) Raimund jpielte die Nolle des Schneiders Simplicius Zitternabel.

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Da lachten Sie und fchrien: „Seht doch den närr'ſchen

Tropf!“ —. Nun war mein Zwed erreicht; man weint und mufste

| laden,

Was Tann man auf der Welt denn fonft nod) viel mehr mahen?

Der erfte Tag bracht' Glück! Nun will ih nur noch ſeh'n,

Wie es mir fünftig wird mit meiner Kron' ergeh’n?

Sei's wie e8 jei! Vergeht auch Purpur, Kron’ und Glück:

So Weib’ doc) ich und meine Dankbarkeit zurück!

39.

Abdankung | nad) der: „gefeflelten Phantafie,” am erften Abend der Gaft- darftellungen im Theater an der Wien, den 28. October 1830.

Berehrungswürdige!

Der heutige Abend ift in vielfadher Hinſicht einer der wichtigften meines theatralifchen Lebens. Er gewährt mir das Glüd, neuerdings vor dem gütigen Publicum von Wien zu erfcheinen, welches mich durch 13 Jahre in dem Theater der Leopoldftadt mit fo großer Aus- zeichnung beehrte, daſs ich diefelbe nie ganz zu verdienen im Stande war, und das mid) bei meinem heutigen MWiederauftritt mit eben folder Huld empfängt, als es mich vor einigen Monaten gütig entlaffen bat. Und jo fordert mic) Bergangenheit und Gegenwart zum feier⸗ lichſten Danke auf. Ich gleiche einem Wandrer, der aus einem jchönen Lande, in dem er Ehr’ und Lieb’ geerntet, in ein neues zieht, und der, weil es ihm nicht

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gegönnt war, an der Grenze preifend niederzufinten, aus dent fremden Reiche noch dankend zurädruft nach der goldenen Wiege feines Glücks! Darum, Berehrungs«- würdigfte! nehmen Sie die innigfte Verficherung, dafs ic) tief empfinde, wie ſehr ich all mein Glück Ihrer Güte nur zu danken habe, und dafs, wenn mid) auch nad Beendigung meiner Gaftrollen Verbindungen auf einige Zeit von Wien entfernen, ich doch nie aufhören werde; nad) der Huld meiner Baterftadt zu ringen und fie als mein höchftes Gut zu achten.

10.

Abdankung nad) der Benefice-Borftelung: „Der Diamant des Geifterfönigs“ im Theater an der Wien, ben 27. November 1830.

Berehrtefte! Der Florian hat feine jährliche dranıa- tische Zahlung an das hochverehrtefte Publicum zu ent- richten gehabt, und weil es ihm an Mitteln dazu gefehlt bat, jo ift ihm nichts übrig geblieben, als feinen alten Diamant unterdefjen bei demfelben zu verpfänden. Bol Angft Hat er ihn alfo zu feinem fonft fo nachſichts⸗ vollen Schätmeifter Hingetragen und bang erwartet, ob er etwas darauf geben wird; diefer hat aber die Sonne feiner Huld aufgehen lafjen und da hat der halbverroſtete Diamant wieder neuerdings zum glänzen angefangen und der Florian hat zehnmal mehr dafür befommen, als der ganze abgenügte Stein wert war. Dadurd) war ber Florian nun fo gerührt, dafs er auf alle feine Schmerzen vergeffen hat, denn fagt er: „Wenn das verehrungs®

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würdige Bublicum ſich jo um Did) reift, warum ſollſt Du Dich nicht für das verehrungswürdige Bublicum reißen laſſen?“ ) Und wenn das verehrungswürdige Publicum jo großmüthig wie ein Löwe ift, jo wäre e8 eine Schande, wenn Du nicht wenigftens fo treu wie ein Pudel?) wärft. Und das wird der Florian auch thun, er wird. feinen verjegten Diamant bald wieder durch einen neuen Wechſel einzulöfen fuchen, und bittet das ver- ehrungswürdige Publicum, fein innigftes Dantgefühl als Intereffe antieipando gütigft anzunehmen.

al. Abdankung

nad; der letzten Gaftvorftellung im Theater an der Wien am 13. Januar 1831.

Verehrungswürdigſte! Die heutige Darſtellung iſt der Schluſspunkt meiner geringen Leiſtungen. Die Spiel- uhr meiner Gaftrollen ift abgelaufen und der Zeiger weifet betrübt auf Abjchied hin. Ihre Gnade hat fie ohnehin jo Huldreich aufgezogen, daſs fie durch vierzig Abende unermüdet gegangen ift und alle Stüdeln, die fie gefpielt hat, haben Sie Ihres Beifalls würdig gefunden.

Ic Habe nicht ohne Abficht zur letzten Rolle den Wurzel gewählt, weil ich glaube, daſs er einige Schuld daran trägt, daſs ic) fo glüdlih war, in Ihrer Gunft fo fefte Wurzel zu faffen, und weil der alte Afchenmann ſich auch nicht wollte abhalten Lafjen, feinen hohen Gönnern

1) II. ct, 11. Scene. 2) I. Act, Schlujscene,

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noch einmal ein danfbarcs Lebewohl zugurufen. Denn, jagt er, dafs das verehrungswürdige Publicum an der Jugend fo großes Wohlgefallen findet, das ift vecht ſchön, denn die Jugend und befonders die weibliche Jugend macht überall ihr Glück aber dafs das verehrte Publicum auch den alten Aſchenmann mit fo vieler Gnade überhäuft, der Ihnen doch Feine ungetrübte Luft zu verſchaffen im Stande war, zeigt von feinem edlen und uneigennüßigen Herzen. Und weil der alte Mann aud) mit auf die Reife mufs, und alte Leute ängftlic) find, fo fürchtet er ſich, Ihre Liebe zu ihm möchte unter- defien zu Afchen werden, und er wollte noch einmal an Ihren Augen dankbar vorüber wallen. Kräftiger ale feines ift mein Gemüth, e8 gibt feinen Endpunft, um den nicht eine Hoffnungsfonne ftrahlt, die meine heißt MWiederfehen! Sie wird mir einen neuen goldenen Tag gebären, wenn auch fein Abend früher erfolgt, als der meines erften Künftlerlebens in meiner ewig theuren Baterftadt!! |

42. Abdankung.

nad) der Gaftderftellung in: „Doctor Kramperl“ und „Die Damen- hüte im Theater,“ als Benefice für Karl Ludolph, im Theater in der Sojefftadt, ven 29. Jänner 1831. Berehrungswürdige! AS ic) nad) Wien fam, hatte id) das Glück, auf der Fofefftädter Bühne mid) durch A Yahre!) Ihres Beifalld zu erfreuen, und Ihre gütige Aufnahme Hat

N) 1814—1817.

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mich heute überzeugt, daſs meine geringen Leiftungen noch nicht ganz aus Ihrem Gedächtniſſe entſchwunden find. Nehmen Sie, Berehrungswürdige, dafür die Ber- fiherung, dafs das Andenken jener jchönen Zeit und Ihrer heutigen Güte nie in meinem Herzen erlöfchen wird.

43.

Abdankung nad) der Testen Gaftdarftellung!) in Miinchen, den 6. Mai 1831.

Berehrungswürdige!

Heute wird mir zum legtenmal das Glüd, mid) Ihres güt’gen Beifalls zu erfreuen. Sch habe diefe Reſidenz mit banger Ungewifsheit betreten und ich fcheide von ihr mit frohem und zufriebenem Gemüthe, denn Ihre hohe Güte Hat mir die fremde Stadt zur. Heimat umgewandelt. Doch der Mime ift ein Wandergott, der feine Priefter nirgend ruhen läfst und der auch mid) aus dem geliebten Kreife treibt. Ich verlaffe das hehre München, den Strand der kühnen far, aber ic) ver- Laffe ihn mit freudigen Empfindungen, denn ihre Wellen haben einem Glüdlichen geraufcht. Möchten Sie, Ver⸗ ehrungswürdige, meinem Namen in Ihrem Gedächtnifie doc ein Heines Plätschen der Erinnerung gönnen, bis ich eine Stadt wieder begrüße, welche meinem dankbaren Herzen ewig. unvergefslich bleiben wird.

1) im Cheteufel auf Reiſen.

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44.

Abdankung nach der erſten Gaſtrolle in Hamburg, am 6. September 1831.1)

Verehrungswürdige! Bei meinem Gaſtſpiele habe ich nicht die Abſicht, mich mit dem vortrefflich hier Be— ſtehenden zu meſſen, es iſt nur ein Verſuch, die Volks⸗ ſitten und Sprache meines füdlichen Vaterlandes im Norden hier zu zeigen. Ich bin ein Fremdling in jeder Hinſicht und fühle tief, wie ſehr ich für Ihre milde, gaſtfreundliche Aufnahme zu danken habe. Iſt es mir aber durch meine heutige Darſtellung, bei der Befangenheit mich noch hinderte, wirklich gelungen, Ihnen einiges Vergnügen zu verurſachen, ſo hoffe ich erſt durch künftige Leiſtungen mir Ihre Zufriedenheit ganz zu verdienen.

45.

Abdankung nach der letzten Gaſtdarſtellung in Berlin im Jahre 1832.

Verehrungswürdige! Lange war es mein Wunſch, mein geringes Talent in dieſer erhabenen Königsſtadt zu verſuchen; ich habe es gewagt, und Ihre Güte hat mir die fremde Stadt zur Heimat umgewandelt. Doch der Mime iſt ein ewiger Wandergott, der ſeine Prieſter nirgends ruhen läſst; fo verfolgt auch mich die Zeit, weil ich die Stunden zu verfürzen trachte, und treibt mic) fort aus dem’ geliebten Kreis, Ich verlafie das

1) Als Wurzel im „Mädchen aus der Feenwelt.“

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tunftfinnige Berlin, aber ich verlafje es mit freudigen Empfindungen und die Wellen der Spree Haben einem GSlüdlichen geraufht! Möchten Sie, Berehrungsmwürdige, mir doch in Ihrem Gedächtniſſe nur ein Heines Bläschen der Erinnerung gönnen, wenn ich ſchon ferne bin von

einer Stadt, welche meinem dankbaren Herzen ewig unvergefslich bleiben wird.

NIT INT N

v1 Briefe.

1. Aufforderung.

Da man fich bemüht, das falfche Gerücht zu ver- breiten, dafs ich nicht allein der Verfaffer meiner Stüde wäre, fo fehe ich mich gezwungen, dieſe gemeine Ver⸗ leumdung zu widerlegen.

Ich behaupte daher öffentlich, daſs alles, was bisher unter meinem Namen erfchienen, e8 mag nun gemeinere oder höhere Ideen, Iocale oder hochdeutſche Worte, Proſa oder Verſe enthalten, ausfchlieglih durch mid) allein, ohne der geringften Beihilfe eines andern, dem von mir fo hochverehrten Bublicum von Wien geboten wurde und ftelle die öffentliche Frage: „Ob ſich jemand findet, der das Gegentheil behaupten fanın? ? ?“

Übrigens bin ich weit entfernt von dem ftrafbaren Wahn, daſs eine meiner geringen Leiftungen wert wäre, ihr Eigenthumsrecht auf eine jo eclatante Weife zu ver⸗ theidigen, und nur bie hohe Achtung vor dem unjcdäg- baren Vertrauen, welches mir das gütige Publicum durch fo viele Jahre ſchenkt, beftimmt mich, meine Ehre vor

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derlei neidiſchen Erfindungen für immer zu bewahren. Darum laffe ich diefe Aufforderung auh für jedes meiner künftigen Producte gelten, weil ich das fichere Bewuſstſein in mir trage, daſs ich e8 nie wagen werde, meinen Namen fremden Erzeugniffen beizulegen und dem verehrten Publicnm ftet8 nur das wenige bieten werbe, was ich jelbft vermag.

[Wien 1823.] Terdinand Raimund, Regiſſeur des Theaters der Leopoldſtadt.

2. Nothgedrungene Erklärung.

Der „Gefellichafter”!) vom 2. Februar d. 9. ent- hält eine Correſpondenz⸗-Nachricht aus Wien mit der Bemerkung: „Ein neues Zugftüd mit einer brillanten Rolle für den Komiker Raimund ift: „Der Barometer- macher auf der Zauberinjel,* nad) einem Märchen Wielands, bearbeitet von Meist; von Raimund mit Späſſen ausgeftattet, und von Müller mit guter, Mufit verjehen.“ Da diefe Anzeige nur durd) eine fälfchliche Ausſtreuung entftanden fein kann und ich durch folche bejchuldigt werden könnte, als Hätte ich meinen Namen einer Sache beigegeben, die nicht mein Wert ift, fo fehe ic) mich genöthigt, meine Ehre folgenderweife zu ver- theidigen. Herr Meisl hat zu meiner Einnahme wirklich da8 Märchen „Prinz Tutu“ nad) unſern gemein- ſchaftlichen Ideen zu bearbeiten angefangen und mir einen Act diefes Zauberfpieles, welches den Titel: „Horn,

1) Eine_in Berlin erjchienene Zeitjehrift. (Sahrgang 1824.)

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Beutel und Kappe“ führen follte, übergeben. Geſchäfte verhinderten ihn an der Fortjegung, und da die Direction die Zeit meiner Einnahme ſchon feſtgeſetzt Hatte, jo über- nahm ich mit der Einwilligung des Herrn Meist felbft die Bearbeitung dieſes Märchens. Es befindet fich dem- nad) in meinem Stücke nichts aus dem mir überlieferten erften Act, als die Eingangsfcene der Nymphen mit dem darauf folgenden Ariettchen und die fünfte Scene, welche das erfte Erfeheinen des Tutu und der Zoraide in fid) fajst. Alles übrige, was diefe Pofje enthält, e8 jet nun mehr oder weniger tadelnswert, ift von mir ohne der Beihilfe irgendeines andern verfafst; auch ift in der zweiten Hälfte des erften Actes nicht nur ein anderer Dialog, fondern aucd ein anderer Gang der Handlung. Das verehrungswürdige Publicum nahm die Pofje mit Nachficht auf, wofür ich bei diefer Gelegenheit meinen innigften Dank abftatte. Dies find ungefähr die Urjachen, warum ich es wagte, meinen Namen bei der 3. Vor⸗ ftellung auf den Zettel druden zu laſſen. Herrn Meisl's Berdienfte nm die Bühne find übrigens zu befannt, als dafs er es nöthig hätte, feinen Namen fremden Stüden beigelegt zu jehen. Doc) follte der mir unbefannte Ein jender oberwähnter Notiz im „©efellichafter“ einen eben ſo großen Zweifel in die Beweiſe der Wahrheit meiner Vertheidigung feßen, als er in die Beurtheilungen der Wiener Blätter über diefe Pofle, in welcher ich als Verfaſſer genannt bin, zu ſetzen fcheint, jo fteht ihm die Durchleſung beider Manuferipte, welche fich in meinen Händen befinden, jeden Augenblid zu Dienften. Mir aber bleibt nun nichts mehr übrig, als die verehrten

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Lefer diefer Zeitung aufmerffam zu machen, daj8 mich nur eine, meiner Ehre fo nadjtheilige Aufforderung beftimmen konnte, eine Leiftung fo breit zu befprechen, von der id) vollfommen überzeugt bin, daſs fie zu geringfügig ift, als dafs fie in irgendeinem andern Valle einer ſolchen Auseinanderfegung wert wäre. Yerdinand Raimund.

3. Au Antonin Wagner. Liebe, theuere Toni!

Nimm bei der Feier Deines Holden Namensfeftes auch nıeine liebevollen Wünfche freundlich an. Ich vereinige die Sehnſucht, Dich glüclich zu fehen, mit dem innigften Danfgefühle für Deine zärtliche Liebe, Deine unwandel— bare Anhänglichkeit und die Liebevolle Geduld, mit welcher Du meine für Di manchmal fo unangenehmen Launen ertrageft. Sei überzeugt, dafs, wenn ich es auch nicht jage, ich doch gewiſs fühle, was Du mir bift und zu . fein verdienft. Darum quäle Dein Herz nicht mit Zweifeln, die Deine Phantafie um glüdliche Gedanken berauben. Ih bin Dir, was ich Dir immer war und was ih Dir heute wiederholt gelobe, ewig zu fein.

Du weißt, wie wenig wahre Freuden mir das Leben bringt, weil mein Gemüth zum Leid geboren ift. Doc hat die Trauer befferer Menjchen einen tröftenden Begleiter: Höheres Bemufstfein. Und dafs fich fo viel Ähnlichkeit in unferen Seelen findet, kann Dir verbürgen, daſs Du meinem Herzen theuer bift, weil ein tieferes Gemüth fo feltne Ware ift, die fich durch gegenfeitige Empfindung nur erlaufen Täfst. Darum vertraue auf

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den, der Dir fo viele Jahre treulich Wort gehalten hat. Du fiehft, ich bin ein Gegner ungetreuer Zeit, die mid) durch ihren Wechfel nicht befiegt. Lebe wohl, nimm meine Worte freundlich auf, ich fende fie voraus und folge ihnen auf dem Fuße nad, um Div mündlich zu wiederholen, was Dir mein Brief fo gerne fagt: dafs Dih niemand fo verehrt und Tiebt, wie Dein Ferdinand.

4. An dieſelbe.

Liebe theure Toni!

Du wirft wohl ungehalten auf mich fein, dafs Du mich nicht vorbeigehen fiehft, doch, fei es nicht, denn ich fige feit 4 Tagen und fehreibe immer an meinem Stüd; die Früchte davon, fie mögen nun füß oder bitter fein, wirft Du bald’ zu leſen befommen. Die üble Witterung hat mich geftern wieder um das Glück gebracht, Dich zu unarmen, obwohl Du fpäter hätteft vielleicht doch ausgehen fünnen, wie der Regen nachgelafjen hat, ich habe gewartet bi8 nach 12 Uhr. Wie geht e8 Dir denn, mein theures Mädchen, liebſt Du Deinen Verdinand ebenfo, wie er Di) ewig lieben wird und muſs? Ich höre, daſs Dein Bater Frank ift, und es thut mir innig weh, wenn id) - weiß, dafs jemand leidet, der meiner Toni jo nahe fteht. Dafs Du alles thuſt, was eine gute Tochter in folchen Fällen nur thun kann, bin ich überzeugt von Deinem Ihönen Herzen. Wenn ic) mir damit Deine Gegenwart erfaufen könnte, jo wollte ich gern einige Zeit krank fein, um Di immer an meinem Bette zu fehen. Laſſe es nur gut fein, liebe Toni, das Schidfal wird endlich

Raimund, Dran. Werke. III. 3l

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ermüden, unjere Herzen zu verfolgen, und einen deſto Ichöneren Sieg werden fie dann feiern. Ich Hoffte, Du würdeft neulich in dem „Berggeift“ !) fein, und ich habe mir fo viele Mühe gegeben, doch Du warſt nicht. Bleibe nur, meine liebe, gute Toni, und verliere nicht Dein Bertrauen zu meinen fchon erprobten Herzen, und wenn Du mich Tiebft, fo fuche doch diefe Woche einmal aus— zugehen, denn, Dich fo lange nicht zu fehen, wird mir wirklich unerträglid. Tragft Du meine Haare? Lebe wohl, denfe recht oft an mid). Ich Fülle Dich 10000mal und bin mit unendlicher Liebe ewig Dein Ferdinand.

5. An »iefelbe. Liebe, gute Toni!

Du haft heute früh wohl ſchon einen Brief erwartet; fei nicht böfe, dafs Du ihn jett erſt erhaltet, denn mein Herz ift doch zu jeder Stunde bei Dir. Wenn Du Did) diefe beiden Tage nicht mifsvergnügt Haft in meinen Haufe, fo bin ich vecht glücklich. Auch ich danke Dir für die rende, die Du mir dadurch bereitet haft, daj8 Du famft. Das Bild?) ift mir fehr erfreulich und fieht am Tage noch viel Hübfcher aus, als beim Licht, und obwohl ich diefer verwirflichten Erinnerung an mein Dir zuge- ſchwornes Wort nicht bedürfte, jo ift e8 mir doch ehr

1) Einam12. Juni 1819 zum erftenmal aufgeführtes Zauberfpiel bon Gleich, in welchem Raimund die Rolle des Herrn v. Miſsmuth jpielte. Bis zum Jahre 1830, in welchem Raimund das Leopold: ftädter Theater verließ, erlebte diefes Stüd 51 Aufführungen. 2) PBartie in der Nähe von Weibling am Bad; im Vordergrund eine Denkſäule.

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angenehm, den Ort jeden Augenblid vor meinen Augen zu haben, an dem das angebetete Herz meiner Toni fo wahr und treu an dem meinigen geflopft. Sei nicht traurig, liebe Toni, Du warft e8 wenigftens den- leßten Abend fehr, und ich habe im Theater felbft Dir nod) lange, lange nachgedacht. Du weißt, daj8 Du mein ein- ziges Verlangen auf diefer Welt bift und dafs ich gewiſs nie undankbar für jo viel Liebe fein werde, als in Deinem Herzen bisher jo uneigennügig für mid) gewohnt hat. Ic freue mich ſchon wieder auf die Zeit, wo wir dieſe Säule wieder grüßen werden, um uns neuerdings ewige Bereinigung zu geloben, eine Feierlichfeit, die mein Herz nicht oft genug begehren kann. Du haft Dein Bild zwar noch nicht begehren laſſen, Du denkſt, e8 ift gut aufgehoben, nicht wahr?

Lebe wohl! Ich Füffe Dich 10000mal, und in ber Hoffnung, Did) Sonntags zärtlich und froh zu finden, bin ich mit inniger Liebe ewig Dein Ferdinand.

6. An dieſelbe. Donnerstag um 6 Uhr Abends. Grätz. Liebe theure Toni!

Ich komme ſoeben von einem Ausfluge nach der herrlichen Riegersburg!) zurüd, welche 6 Meilen von Gräß entfernt if. Ich fam Dienstag mittags in Grätz an, beftieg 6 Ritterburgen auf der Herreife und habe, um die großartigfte zu jehen, 2 Tage dazu verwendet. Wie ich die Poſt vorüberfahre, fteige ich aus, frage, ob fein

1) Eine Burgfeſte in Mittelſteiermark mit fehr alten Prunk— gemächern.

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Brief an mich gelommen und empfange Dein theures Schreiben, traurigen Inhalts zwar, doch, dafs Du um mich trauerft, ift mir ein Beweis, dafs ich Dir nicht gleihgritig bin und beftimmt mid, Dir augenblidlich ‚zu antworten, daj8 Du mir fehr unrecht thuftl, wenn Du glaubeft, dafs Du mir e8 bift, dafs Du e8 mir je werden fannft. Nein, meine Toni, ich liebe Did) gewifs, und habe Dich einft verehrt, wie ich noch niemanden in diefer Welt verehrte, al mein Hoffer habe ich unter allen am längften auf Dich gefett und id muſs aufrichtig befennen, in einer Hinficht haft Du mein Vertrauen fehr erfüllt doch in vieler Hinficht nicht, und ich ſchreibe dieg mehr Deinen Berhältniffen und der verführenden Schlange Gelegenheit zu, als dem Willen Deines für mich fo edel gefinnten Herzens. Doc, wenn die Ver— fiherung, dafs außer Dir fein weibliches Gefchöpf Lebt, die id) meiner Liebe und der geringften Aufopferung wert Halte, Dich mit Deinem Vertrauen auf Deinen Ferdinand ausföhnen kann, fo glaube ihr, und nimm das Geftändnis, dafs Dich mein Herz unendlich liebt, meine Eiferfucht aber haſst. Vernichte die legte, gib ihr keine Nahrung, Hungre fie aus in ihrer Burg des Miſs— trauens, und haft Du diefen Feind getödtet, jo haft Du Div ein Herz erobert, rein mit Liebe und Vertrauen angefült. Warum mufs ih Dir dies ſchreiben, warum fann ich e8 Dir nicht jagen, und die Antwort von Deinen Lippen küſſen? Warum Tann ich nicht theilen nit Dir den entzüdenden Anblid der fchon Halb im Frühlingsfleide prangenden himmlischen Steiermarf? Wie oft Hab’ ich dies nicht auf diefer Reiſe gewünfcht,

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wie oft mid) mit trüben, wie oft mit hHeitern Gedanten an Dich befchäftigt! Da Did) mein Befinden fo edel interefftert, fo fann ich Dir die fröhliche Nachricht fchreiben,

dafs ich mich recht über alle Erwartung wohl befinde,

und daſs die günftige Witterung, welche die Berge fchon mit Frühlingsveilchen ſchmückt, mir Gelegenheit verfchafft, eine fehr vergnügte Woche an dem treuen Bufen ber Natur zu verjubeln. Ich bin zwar nicht ausgelafjen luftig, doch bin ich fo inniglich froh bei dem Anblid meiner lieben, mit immer grünenden Tannen gefrönten Berge, dafs ich nach kanger Zeit wieder fühle, daſs ich ein Herz befige, das fähig ift, die Welt mit Leidenfchaft zu lieben, und dafs die Heilige Natur fähig ift, uns nit den Beleidigungen auszuföhnen, womit ihre ab- trünnigen Söhne, das fchlichte, arglofe Gemüth ihrer befjeren Brüder fo graufam zu verlegen und zu verderben fuchen. Morgen bleibe ich nod) in Gräß, um in den Umgebungen umberzuftreifen, Sonntag Nachts werde ich in Wien eintreffen und Hoffe Did) Montag zu fehen, um Dir zu jagen, dafs fein aufrichtigeres und Dich Tiebenderes Herz befigeft als das Deines Terdinands.

7. An dieſelbe.

..... mein Contract iſt jetzt aus, wenn der Director, Crida macht!), und ich bin frei und kann hin, wo ih will; kann ic) das? Bin ih frei? Nein, ic) bin es nicht, ih will's nicht fein; meine

1) Am 12. Mai 1821 wurde der Concurs über das Ber-

mögen des TIheater- Directors Leopold Huber eröffnet und Dr. Joſef v. Manquet als Adminiftrator beftellt.

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Heimat ift dort, wo meine Tont ift. In Deinem Herzen ift mein Vaterland, wo Deiner Liebe Sterne glänzen, will ich den Abend meines Lebens erwarten, in Deiner Liebe nur lebt meine Ruhe, außer ihr meine Qual. D, meine Toni, wüfste ich, dafs Du mid aufhören kannſt fo zu Lieben, wie Du mid) jet Liebeit, dafs Du einen andern lieben fönnteft, jet wär’ e8 noch Zeit zu fliehen mein höchfte8 Unglüd, Deinen Berluft. Tröfte mich, fchreibe Deinem Ferdinand.

8. An dieſelbe. Liebe, arme Patientin!

Mit unendlichem Leid habe ich es ſoeben erfahren, daſs Du unpäſslich biſt, liebe Toni, ich habe mich ſo geſehnt, und nun kann ich Dich nicht ſehen. Das Schickſal hört nicht auf, mich zu verfolgen; ſiehſt Du, warum haſt Du getanzt; ich bin zu Hauſe geblieben, darum befinde ich mich heute recht gut, und nur ein Gedanke, daſs es Dir nicht wohl geht, kann mich betrüben, liebe Toni, ich habe mir vorgenommen, unbedingtes Vertrauen in Dich zu ſetzen und darum etwas heiterer zu werden, denn ich fühle es, daſs meine Leiden einen großen Einfluſs auf meine Geſundheit haben. Meine Toni wird mir ſo heilig bleiben, wie ich ihr, und dieſer Gedanke ſoll mich in Zukunft ſtärken. Doctor Manquet hat ſich gegen jemand geäußert, daſs er mich unendlich hochſchätzt, daſs ich nicht nur ein vorzüglicher Künſtler, ſondern auch ein vorzüglicher Menſch ſei, und daſs die Maſſe in alle meine Forderungen mit Freuden eingehen will, wenn ich nur bleibe. Das hat mich erfreut.

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Ad, warum fünnen fie mir Dich nicht verfchaffen, das wäre mein höchſtes Bedingnis. Korntheuer!) ift Fein böjer, aber ein gewöhnlicher Menfch, die Lotti?) wird Div erzählen. Ic habe den Manquet erfuchen lafien, er möchte meine Frau von der Bühne abgehen laffen. ?) Beſſer ift beſſer, obwohl fie mir ganz gleichgiltig ift. Halte Did) nur gut, um Halb 2 Uhr geh’ ich vorbei. Ic bitte Dich, mache, dafs. ich Dich bald ehe, fonft fomm ich Hinauf zu Dir als Doctor verkleidet. Ich habe die Lotte heute vielfundertmal gefüfst, fie kann Dir fchon etwas davon abgeben, es bleibt ihr noch genug id) weiß nicht es kann gefährlich werden. Leb' wohl, ich) bin ewig Dein Ä Verdinand.

9. An dieſelbe. Liebe gute Toni!

Wo ſoll ich Worte des Dankes auffinden, um Dir einen kleinen Beweis zu liefern, wie tief ich die Schönheit Deiner zarten Aufmerkſamkeit in meinem Innern empfinde | Ja, meine gute Toni, nichts in diefer Welt ſoll uns mehr trennen, und ich glaube auch, daſs Du in manchen billigen Augenbliden einfiehft, wie ganz das Herz Deines Terdinands Dir unausſchließlich angehört. Sollte id) Dir durch meine Eiferfucht einige unangenehme Augenblide berurfacht haben, jo vergib mir, aber ſpreche ja nie den

1) Beliebter Komiker des Leopoldftädter Theaters. Mitglied diefer Bühne jeit 29. Auguft 1821 bis 1. Jänner 1829, geft. am 27. Juni 1829. ?) Toni's Schwefter. ?) Louife Raimund

verließ am 7. Febr. 1823 die Leopoldſtädter Bühne, an welcher fie jeit dem 24. Sept. 1819 wirfte.

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Wunſch aus, dafs ich es fein möchte, denn Du kennſt mic) in diefer Leidenschaft noch nicht; denn wenn ich das Unglüd habe, von ihr ergriffen zu werden, welches gewöhnlich erſt dann gefchieht, wenn eine halbe Über- zeugung die Bande meines fchwärmerifchen Vertrauens mit Gewalt zerreißt, dann gibt es für mein Herz auch feine wahre Ruhe mehr, bis das Gebäude meiner Liebe gänzlich zerftört. Ich glaube und Hoffe von dem Herzen meiner guten Zoni, dajs.fie mich weder duch Wirklichkeit noch durch Schein auf die unglüdliche Bahn eines meine Geſundheit und unfere beiderfeitige Ruhe zerftörenden Zieles wird kommen lafjen. Ich Habe ja niemand im

diefer Welt, dem ich die Hand durch dieſes arme Leben

reichen möchte, als Dich, meine Toni, und wenn id) oft

einſam figend fäue an den Hülfen meiner ſüßen und meiner

bitteren Träume, die durch dieſes Leben mic) befallen,

da ftehen mir die gemüthlichen Stunden unferer Liebe

vor allem Mar und diamantenhell vor meinen nafjen

Blicken und trodnen mit himmliſcher Glut mir die Thräne

von der Wange. Die Traurigkeit meiner Seele hat fi)

heute morgens um ein großes vermehrt, als ich die trüben

Wolfen am Himmel und die naffen Zinnen des mir

gegenüberftehenden Haufes jah, und ein Engel vom Himmel

war mir der Glanz der Sonne, der mir das Glück ver-

fündete, Di), mein größtes Kleinod, heute fehen zu

können. Nimm nod) einmal meinen innigften Dank für

Dein liebes Geſchenk und fer überzeugt, dafs niemand in

diefev Melt lebt, der den Wert Deiner Liebe und die

ſchöne Größe Deiner Aufopferung jo dankbar empfindet,

als Dein Dich ewig Tiebender ' Ferdinand,

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10. An diefelbe.

Liebe theure Toni!

Kaum hab’ ich meine Reiſe begonnen, fo beeile ich mid fchon, Dich von ihrem Erfolg zu benachrichtigen. Wir fuhren den erften Tag: bis Lilienfeld, doc) machten wir einen ziemlichen Theil des Weges zu Fuß, beftiegen den Pankratiusberg bei Neftern und aßen zu Mittag auf dem Hafnerberg. Meine Gefundheit war den erften Tag nicht die befte. Heute fuhren wir um 5 Uhr von Lilienfeld ab und trafen nachmittags um 3 Uhr in Zell ein. Ach liebe Toni, welch ein Anblid! Die wenigften Häufer find noch in bemwohnbaren Stand gejeßt. Dach⸗ ftühle find zwar bei den meiften fertig, doc) das Teuer hat hier fo gemüthet, dafs e8 die Gemächer bis auf den Grund ausbrannte, und ich begreife gar nicht, wo diefe armen Menfchen Obdach finden: Ich habe Dir hier ein fleines Andenken von Maria Zell gefendet, verjchenfe es, denn es foll nur fprechen: Einen fehönen Gruß von ° Maria Zell. Heute befinde ich mich beffer und ich Hoffe, die Alpenluft wird wieder reparieren, was die Verfaſſung meines Alpenkönigs faft zugrunde gerichtet hätte. Heute machten wir einen Spaziergang nad) dem Erlaf-See und morgen 5 Uhr brechen wir auf und gehen über den MWeichjelboden nad) Wildalpen und von da nad dem Ciftercienferftift Admont. Der Weg ift unbefahrbar, darum jenden wir den Wagen über Brud dahin. Dir aber ſende ich die Verſicherung meiner zärtlicften Liebe und meiner underänderlichen Treue. Verzeih' mir, daſs ich Dich in

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übler Laune verließ, die Urfache ift Dir ja befannt.!) Nie konnt’ ich eine große Neife mit freudigem, ungetrübtem Herzen antreten, und es fcheint, al® wolle mir mein Schidjal diefe unjchuldige Freude durchaus nicht gönnen. Doch e8 hat mich durch feine ewigen Nedereien ſchon fo abgehärtet, dafs ich fo manches mit Muth ertrage, das mich früher zur Verzweiflung gebradyt hätte. Sch fülfe Di) 10000mal, wünfche Deinem Herzen Friede und Freude, und bin überzeugt, Du wirft im Genufle beider meiner nicht vergeffen. Meinen dankbarften Hand- kuſs an Deine gütige Mutter und viele Grüße an Deine lieben Schweftern. Auch die Mecko?) grüße und wenn fie feine unfreundliche Miene zum Abfchied fehen will, fo möchte fie mich in Zukunft mit ihren Handküffen verfchonen. Ih kann es nicht leiden, wenn ſich der Menſch zu fehr erniedrigt. Lebe wohl, fchreibe mir bald und vergifs nicht

auf Deinen Ferdinand.

Mittwoch um 9 Uhr nachts, Maria Zell.)

An Träufein Antonie

Wagner, abzugeben in der Leopoldftadt, nächſt der Schlagbrüde im Wagnerifchen Kaffeehaufe, im 2. Stod, in Wien.

N) Zerwürfnis mit dem Eigenthümer des Leopoldftädter Theaters. Siehe Anmerkung zu Brief Nr. 12. 2) Raimunds Haushälterin. 3) befommen ben 7. Juli 1828. Anm. von Toni's Hand.

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11. An diefelbe. ‚Am 8. Julius.')

Liebe theure Toni!

Ich ſchreibe Dir aus dem reizenden Ländchen Berchtes— gaden. Ich wünjchte, Dein holdes Auge fünnte fi an den erhabenen Schönheiten diefer herrlichen Gegend meiden, denn es läſst fich nicht erzählen, wie ſchön fich hier die Welt geftaltet. Doch ih will Dich aud mit meinen früheren Abenteuern befannt machen, und erzähle Dir, dafs wir Maria Zell (von dem leider mein Brief an Did erft Samstag abgieng) unter tüchtigen Regengüffen verließen und über den wildromantifchen Weichjelboden und die graufigen Gebirge der Wildalpen nad) Keifling fuhren, weil wir hörten, dafs e8 doc) eine Möglichkeit wäre, mit dent Wagen fortzulommen. Doch legten wir der lieben Gebirge wegen den meiften Weg zu Fuße zurück. Die Luft ift hier äußerſt rauh, die Thäler ein> jam und düfter, von himmelhohen Bergen umfchlofjen. Oft dachte ih an Did, oft wünjchte ih) Di an meine Seite, denn Du bift ja die einzige Gefährtin, die fo Tiebreich ' mit mir wandelt durch Luft und Leid. Wir übernachteten in Drefchau, weil wir den Weg nad) Reifling bei dem Dorfe Palſau verfehlten. Hier war ein abgelegenes Wirtshaus, ganz einer Räuber: herberge ähnlich. Figingern?) überfiel eine Angft und ex wollte wieder fort, doch die Nacht war hereingebrochen und ich jah, dafs die unartige Weife des MWirtes mehr Rauſch und Roheit ale Spigbüberei war. Am andern

1) Belommen am 12. Juli 1828. Anm. von Tonis Hand.

2) Franz Fitinger, geb. zu Wien 1800, befannt als Epigrammen= dichter, ein Freund Raimunds.

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Morgen gieng es nad) Neifling unter fortwährendem Negen, von da fegdeten wir den Wagen über St. Gallen nad) Admont und giengen zu Fuße dahin. Du hätteft mich fehen follen mit meinem wachstaftnen Regenmantel, der mir das Waſſer auf die Knie Hinableitet, weil "er zu kurz ift, und meinen fehweren juchtenen Stiefeln, wie ich durch did und dünn dahin wate Wir giengen von Keifling über das Gebirg nah Hieflau 2 Stunden. Dort aßen wir zu Mittag und nad) Zifche brachen wir auf, nachdem Fitzinger vorher fi) einer gebratenen Ente von Drefchau entleerte, die ihm Migräne ver- urfachte und’ giengen durch das Geſäuſe (eine Gegend wie beim todten Weib) einen fehr befchwerlichen Weg, auf dem man kaum eine Duelle findet, 4 Stunden nad) Admont. Welch ein entzücdender lohnender Anblid war diefes Thal, in defien Mitte das Kiftercienferftift ad Montes!) prangt. Ringsum von ungeheuren bejchneiten Alpen umgeben, umlränzen e8 doc) näher die ange- nehmften grünenden Berge und fruchtbare Hügel. Wir übernachteten in einem fehr reinlichen Gafthaufe zum Friedel genannt, befuchten den nächſten Morgen das Klofter, in dem ſich eine herrliche Bibliothek befindet in einem marmornen Saale in großartigem Stil Die Kirche befittt eine Orgel, deren Töne mir Thränen ent- lodten, da der Organiſt einige ergreifende Muſikſtücke unferes unfterblichen Mozart vortrug, in deſſen Vaterſtadt, (Salzburg) ich mich jet befinde. Ich fafste den Entſchluſs mit Fißinger den in Norden von Admont gelegenen hoben

1) Admont, Benedictiner-Abtei, geftiftet 1074 vom Erzbiſchof von Salzburg.

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Berg Natterriegel zu erfteigen. Mean hält hier feine Befteigung an einigen Orten für fehr gefährlich, doch ich ließ mich nicht abhalten, und es tft auch nicht wahr. Wir giengen nachmittags um 4 Uhr, mit langen Alpen= ftöcden verfehen, von Admont mit unferm Führer, einen fehr fteilen Weg 3 Stunden. body bid zur Alpenhütte; nahmen unfer mitgenommenes Nachtmahl ein, und legten ung um 9 Uhr unter dem Dad) der Sennhütte ins Heu. Um 3 Uhr wedte uns der herrlichfte Morgen, wir tranken Milch und beftiegen nun den fteinigten Gipfel der Alpe, den wir in anderthalb Stunden erreichten, eine herrliche Ausſicht genoffen und eine etwas falte, aber Träftige Bergluft einathmeten. 2 Stunden blieben wir auf dem Gipfel, von welchem man die höchſten Berge Salzburgs und einen ganzen Theil von Böhmen erblidt. Dann ftiegen wir nad) Admont zurüd, das wir nachmittags um 4 Uhr verließen. Die Hite war unerträglich, in Gröbming um 10 Uhr Nachts fchlugen wir unfer Nacht⸗ guartier auf. Ein fürdhterliche8 Donnerwetter wedte uns auf, doch der Morgen war ſchön und wir fuhren diefen Tag bis Werfen, beftiegen Abends das Schlof8 Hohen werfen und heute morgens lenkten wir den Marjch nad) Berchtesgaden, beftiegen am Morgen die unbedeutende Tropffteinhöhle Scheukofen, die Felfenfchluchten (Öfen genannt) von Golling, giengen von Golling nad) dem herrlichen Wafferfal Schwarzbach, von da nad) Rudel, aßen dort Knödel mit Zimmt beftreut, fuhren nad Hallein, giengen über den Salzberg über die bairifche Örenze nach dem reizenden Berchtesgaden, von wo ich Dir bei gutem Wohlfein taufend Küffe und diefe Kleinig- -

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keiten, ein Werk der hieſigen gutmüthigen Bewohner, zuſende. Auch Alpenblumen hab' ich Dir geſammelt und in einem Buche aufbewahrt. Mit Sehnſucht erwarte ich einen Brief von Dir, mein theures Leben, den ich in Innsbruck zu finden hoffe. Indem ich Dich meiner aufrichtigen iunigen Liebe verſichere, bleibe ich ewig

Dein Ferdinand.

Grüße mir alles. Meinen Hanoͤkuſs an die Mama und Papa. Wie geht e8 Korntheuern ?

12. An diefelbe, Am 17 Julius [1828?] Meine theure Toni!

Zwei Briefe wirft Du bereit8 von mir erhalten haben. Einen von Mariazell und den zweiten von Berchtesgaden in Baiern. Eine Schadtel mit Berchtes- gadner Arbeiten mufste id) Dir auf anderm Wege als mit der Poſt jenden, und wünſche, daſs fie an Dich gelangt fein mögen. Heute den 16ten traf ich über Gaſtein, wo ich mid) einen Tag aufhielt, in Innsbrud ein. Meine Reife hatte bis jett große Bejchwerlichkeiten, mitunter auch Gefahren, weil ic) Wege befuhr, deren Befahrung mit 2 Pferden man bi jest für unmöglich Hielt; z. 2. über die wilde Gerlos Wand nad) Zell im Zillerthale, 11 Stunden einen fehändlihen Weg über fteile Berg- Elippen unter heftigem Negen. Ich mufste diefen Weg nicht nur zu Fuße machen, was mid) auch nicht ermüdete, jondern den Wagen oft vierteljtundenlang zurüdhalten,

daſs er nicht über die Felſen wegftürzte, Zäune aus- veißen, wo der Weg zu ſchmal war, einen großen Baum,

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den der Wind quer über den Weg geworfen hatte, über denfelben Hinabjchaffen und fo gelangten wir doc glücklich in Zell an, wo man uns nicht glauben wollte, daſs es wahr fei, dafs wir allein herübergefonmen wären. In Innsbruck erhielt ich deinen Lieben Brief, den ich mit großer Sehnſucht erbrach, und deſſen erfter Theil mid) innig beglüdte. Die Nachfchrift, welche zwar von Deiner heitern Laune zeigt, konnte mich jedoch nicht erfreuen, weil ich bis jeßt auf der ganzen Reife von allem, mas ih in Wien zurückließ, nur. Di) allein in liebender Erinnerung behielt. Doc) ein Brief, in dem man mir die Abdankfung einer großen Anzahl Mitglieder berichtet, welchen Herr Steinfeller!) gleich nad) meiner Abreife den Zaufpafs jehrieb, muſs mich nieht nur fränfen, fondern empdren, da er meine Ehre als Director fo herabjett, indem die Gefellichaft glauben mufs, ich hätte diefe unfinnige Anordnung vor meiner Abreife mit ihm aus— gekocht, und mic, durch meine Entfernung ihren Klagen entziehen wollen. Auf der andern Seite verhöhnt er meinen Rath, und thut gegen meinen Willen was er will, fo daj8 wir am Ende mit der Befegung der Stüde in die größte DVerlegenheit gerathen werden. Diefe Nachricht hatte einen fehr ungünftigen Einflufs auf mein Gemüth, dod) ich bin gewohnt, mit meinem widerlih glüdlichen Schickſal in die Schranken zu treten, und will es bis

1) Rudolf Steinfeller, Eigenthümer des Theaters in ber Leopoldftadt. Nachdem die Huber’iche Concursmaffe im Jahre 1828 die Pachtſumme nicht mehr beftreiten konnte, übernahm Steinfeller die ökonomiſche Direction und Ferdinand Raimund die artiftifche Leitung. Über Raimund als Director und defjen Verhältnis zu Steinfeller, Ausführliches im IV. Bande.

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zum letzten Augenblick. Ich habe dieſe Welt bis zum Ekel durchſchaut, und ſie iſt mir viel zu erbärmlich, als daſs ich mir einen längern Aufenthalt auf ihr wünſchen ſollte. Darum kann ich alles wagen, weil ich nichts mehr zu verlieren habe. Doch ich will Dir nicht zumuthen, jo viele Klagen i in Deinem Herzen aufzunehmen, denn meine Abficht ift nicht Dich zu betrüben, und Doch feg’ ich Trübfeliges in Deinen Bufen nieder. Darum glaube nicht, meine Toni, daj8 mein Herz Die) weniger liebt, weil ich zum Haſs gezwungen werde gegen andere. Du ftehft um fo viel höher in meiner Achtung, weil ich an Dir nur finde, was ich an jo Vielen fo bitterlich vermifje. Xeb’ wohl, e8 grüßen Dich die Berge von Tirol und taufenbmal füfst Did) Dein Did) ewig Liebender Ferdinand.

Meine Reife geht morgen nad) Grätz, willft Du mir dahin fehreiben,, jo wird es mic unendlich erfreuen. Bald werb’ ih Dich dann wieder in meine Arme fchließen, bis dahin fei Gott und die Treue mit Dir.

15. An diefelbe. Meine theure Toni!

Wie gerne und jchnell ergreife ich die Yeder, Deinen zwar kurzen aber herzlichen Brief zu beantworten. Geftern den 24. kam id) in Graz an, wo ich Catharin’s!) Antwort, doc) feine Zeile von Dir fand; dafs es mich betrübte, kannſt Du wohl denen.

Ich ſchrieb an Catharin einen 6 Seiten langen Brief, trug ihn nad) der Poft und taufche ihn für Dein

1) Secretär des Leopoldſtädter Theaters.

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theures Schreiben aus. Glaube nicht, dafs die Reife nicht zu meinem Vortheile fer, ic) wünfchte, ich könnte an Deiner Seite diefe beruhigende Bejchwerlichkeit noch einen Monat genießen. Denn was erwarten mid aufer Dir und dem gegen mich fo gütigen Publicum für Freunde und für Freuden. Du weißt, was ich) mir für Mühe gab, die Phantafie fo in die Scene zu bringen, num danft er bem Ludolf ab, der eine jo geringe Gage hat, und ſich zu allem verwenden läſst. Der arme Schadetzky et cetera. Es ift mir, als wär’ ich ein Fremdling in Wien, fo wenig interefjiert mich von nun an das Wohl feiner Bühne.

Überhaupt Habe ich Hier wieder Gelegenheit, die Semeinheit des Theaterweſens mit Efel zu betrachten, ih fomme mir unter diefen egoiftifchen, nur ihre gemeinen Freuden liebenden Menfchen vor, wie ein Wefen aus einer andern Welt, das nicht begreifen kann, wie Leuten zu Muthe ift, die auf diefer geboren find. Doc was kümmert mic) die Argheit der Welt, fo lange ih Did) befite, Du holder Chryfolith, in deffen Glanz ich meine Thränen fpiegeln kann. Bift Du doch fo forgjältig gegen mid) gefinnt, daf8 Du Did) mit, gütiger VBorficht hüteft, den Ichönen Traum von Lieb und Treue zu zerftören, der meine beglückte Phantafie fo Lieblich täufchend umfangen hält. Hab’ ich doch das ſchöne tröftende Bewuſstſein, daſs ich es ftet8 fo aufrichtig gegen Dich gemeint, wie der Mai die Blumen liebt und die Sonne ihren Himmel.

Darum, wenn meine Liebe zu Dir einen Theil Deines Glückes ausmacht, fo bift Du diefes Theiles gewifs, und es iſt meine höchſte Freude, in Dir ein Gemüth gefunden zu Haben, das mich zu fo großem

Raimund, Dram. Werke II. 52

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Danke verpflichtet. Wenn Entfernung die Liebe prüft, fo befteht die meine rein auf diefer martervollen Probe, denn ich habe feine Stunde durdjlebt, in der ih Did) nicht an meine Seite wünfchte, die Freude des fchönen Anblids mit mir zu theilen oder meine trüben Ahnungen zu verjcheuchen.

Du gibft mir zwar feine Rechenſchaft, wie Du Deine Zeit verwendeft, doch will ih von Dir das befjere glauben, weil e8 mein Bortheil fo nothwendig erheifcht. Auch fehe ich aus Deinem Brief, dafs meine Freude mit den Fünftlich gearbeiteten Kleinigkeiten aus Berchtesgaden, welche-Du jchon erhalten haben müfsteft, verdorben iſt. Wahrfcheinlich find fie verloren. Am 30. werde ich über Neuftadt in Wien eintreffen. Bis dahin Füffe ih Dich 10000mal als Lufigebild, bis ich Dich) wieder felbft an mein Dich ewig liebendes Her; drüden Tann. Dein Ferdinand.

Am 25. Julius 1828.

Meinen Handkufs an die Mama und taufend Grüße an die Schmweftern. Auch die Mecko grüße und den Joſef Schuiter. |

14. An diefelbe. Maria Zell am wie vielten weiß ich nicht, Mittwod) morgens um 7 Uhr. !) Liebe gute Toni! Nimm vor allem den innigften Dank meine gerührten Herzens für Dein liebevolles Betragen bei unferem Scheiben.

t) in der Charwoche 1829. Annı. von Toni Sand.

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Sei verfichert, daſs ich die zarten Beweiſe Deiner Liebe und Freundſchaft in ihrem ganzen hohen Werte zu Thäßen weiß und nie aufhören werde, das Ideal meiner jugendlich-romantifhen Träume, das ich (foweit e8 in diefer Welt voll moralifher Unvolltommenheit möglich ift) in Dir gefunden habe, mit aufrichtiger Liebe und danfbarer Ergebenheit zu verehren. Da Du mein Herz und feine Gefühle im jahrelangen BVerhältniffen genau fennen gelernt haft, fo wirft Du Dir Überzeugung genug verfchafft haben, dafs es bei all feiner kränklichen Reizbarkeit doch mit unerfchütterlicher Treue an Grund- fügen und Gegenftänden hängt, die edler Gefühle würdig find, und darum fannft auch Du in dem Bewuſstſein Deines feltenen Wertes ganz auf meine erprobte Beftän- digfeit bauen.

Ic ſchreibe Dir diefe Betheuerungen in dem gehei- Ligten Bergkeſſel von Maria Zell, in welchem ich mid) feit geftern Abends 7 Uhr befinde, und zwar in bem wiederhergejtellten Poſthauſe, deſſen Mauern auch Did), meine theure Zoni, auf Deinem erften Wallfahrtszuge 2 nad diefem Gnadenorte umſchloſſen. Eine gütige, freund-

iche Sonne leuchtet uns durd) die noch oft mit Schnee gefüllten Thäler der herrlichen Steiermarf, als fchattenlofe Riefengeifter fchauen die beeisten Alpen über die düfteren Föhrenmwälder herab und gewähren einen erhabenen Anblid.

. Doch nicht den gewöhnlichen Weg wählte ich nad) ve Zell; wir fuhren nad meinem Lieben Gutenftein, wo wir nad) Befteigung der Bergrüden in Gefellfchaft des Herrn

Berwalters!) und Oberjägers joupierten. “Der erftere

ger Ei uf“ 1) namens Krüdl. E 32*

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verficherte mich mit Tiebenswürdiger Freundlichkeit, dafs mein Gediht an Outenftein dem Orte vielen Nuten gebracht hätte, und erjuchte mich um die Erlaubnis, es auf feine Koften druden laffen zu dürfen, um e8 allgemein zu verbreiten. Auch war er ganz entzüct über die Wahrheit der Scene in der Alpenhütte, deren Original fi) in der ganzen Gegend Hundertfach vorfände. Das Lob dieſes unparteiifhen Mannes hat mid) fehr erfreut. Den andern Tag fuhren wir über Rohr nad) Hohenberg auf einem ſehr fchlehten Weg über zwei bejchmwerlich zu befahrende Berge, von Hohenberg den dritten Morgen über Türnitz hieher; ich wollte dem Kemetner!) den Laffingfall zeigen, deffen Zugang jedoch noch verfchneit ift, doch wir bahnten ung Weg und waren heuer die erften, welche den herr— lihen Fall bewunderten. Bon da nad Zell, wo die Hänfer beinahe alle hergeftellt find, wenigftens von außen, doch die Kirche nod) in dem alten Zuftande fi) befindet, da fie erft die Erlaubnis von Wien abwarten mufg, bauen zu dürfen. Schwerlich werden wir nad) Gräß fahren, da mic) das Hochgebirge mehr erfreut, als das lächelnde Hügelland, darum ſage mir in Wien, was id) jo gern von Dir lefen möchte und woran mic) die Unbeftimmtheit meiner Reiſe verhindert, Mit meiner Gefundheit bin ich zufrieden und ich Hoffe, e8 wird aud)

meiner guten Toni nichts fehlen als einft Tonnt’ id) e8 wohl träumen, ihr fie ewig liebender Ferdinand.

1) Schaufpieler des Leopoldftädter Theaters, den Raimund auch zum Kopiren feiner Stüde verwendete.

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15. An dieſelbe. Meine Liebe theure gute Toni!

Wie ſoll ich doch die Freude fchildern, welche mid) bei dem Empfang Deines theuern Briefe durchbebte, nach) dem ich mich fett meiner Abreife gefehnt habe. Sehr gerne hätte ih Dir eines der früher von mir bereisten Orte beftimmt, doc) ich würde Deinen Brief nicht empfangen haben, da mein Aufenthalt, meiner Eile wegen, oft faum eine Stunde währt. Es kann fein größeres Glück für mic) geben, al8 Beweiſe und PVerficherungen Deiner Treue und Liebe zu erhalten, wie Du fie in Deinen mir zugefendeten Zeilen fo innig ausfprichft. Nie werde ih aufhören, meiner Toni zu fein, was ich ihr fo heilig gelobte und ein Augenblid der Überzeugung ihrer Xiebe belohnt mid) für die fortgefegte jahrelange Reihe meines fehnfüchtigen Leides. Wie geht e8 der Mama, Papa und Deinen werten Schweftern. Grüße fie alle herzlich. Auch bitte die Louiſe, fie möchte fo gütig fein, mir die Herren Collet, Meist et cetera alle freundlich zu grüßen. Bald, meine theure Toni, werde ich Did) wiederfehen. Geftern bei Sonnenuntergang erreichten wir die Mauern von Innsbrud. Mein erfter Weg war die Poſt, ich fand und erbrach Deinen lieben Brief, welcher mich nach jo langer Erwartung doppelt erfreute. Von Lienz, wo id) Dir fehrieb, reisten wir in einem Tage nad) Bruneggen, einem Marfte mit einem fchönen Schloſſe in einem reizenden Thale. Viel höre ich da von Räube— reien, die im diefer Gegend von einem berüchtigten Tiroler Lahner verübt werden, und ſolche Erzählungen verbittern immer einen Theil der Annehmlichkeit der herrlichen

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Gegend, welche von foldhen Ungehenern durchftrichen wird. Doc) noch habe ich meine Piftolen nicht gebraucht, und hoffe fie aud) in ihrer Unſchuld nah) Wien zurüd- zubringen. Wir befuchten das Nitterfchloj8 am Morgen und fuhren dann nad) Bozen, welches wir 9 Uhr Abends erreichten. Ein ſtarker Marſch für die Pferde, denn Die Hige ift ſchon von Brixen angefangen jchredlich, in der ganzen Gegend baut man nichts als Wein, die Neben bilden aber hier die hHerrlichften Lauben, durch welche man fährt wie unter einem Dache, kurz das Gafthaus, alles ift Hier fchon im welfchen Geſchmacke. Man fagt, die Hite fei größer als in Italien felbft, indem weder der Morgen noch der Abend Linderung bringt, und die nobleren Einwohner alle auf die nahen Berge flüchten, wo ſich ganze Dörfer von Landhäufern befinden, welche fie die Sommerfrifche heißen. Wir verweilten einen Tag, befuchten die Bergcolonie und fuhren am andern Morgen zum Wormſer Joch, 8000 Fuß hoch führt die Straße nad) Italien an einem Eisberg vorüber, ein herrlicher Anblid. Doc) ift hier feine andere Ausficht als auf die Spiten der Gletfcher. Von Hier giengen wir des andern Tages durch den fchauerlichen Paſs bei Finftermünz, wo man der Schweiz fo nahe ift, daſs man mit Steinen hinüberwerfen kann, nad) Landeck. Hier gewährte die Sonne bei ihrem Untergange ein großartiges, die Allmacht Gottes verfündendes Schaufpiel, das ich nie vergeflen werde. Bon Lande geftern nad) Innsbrud, wo ic Briefe von Dir, Catharin und Kemetner erhielt, die ich Heute Bormittags beantworte. Nachmittag werde ich die Martins⸗ wand befteigen und morgen unter Hahnengefrähe Inns⸗

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bruck verlaffen, um meiner geliebten Toni entgegen zu eilen, und fie fobald als möglih in die Arme zu Schließen. Vielleicht fahren wir auf der Donau von Linz nad Wien, um eher anzufommen und die langweilige, nichts bietende Landreife zu vermeiden. Bis dahin lebe glücklich und erfreue mit einem freundlichen Willkomm

Deinen Did) bald umarmenden

Ferdinand. Am 20. Julius 1829.

Innsbruck in Tirol!)

16. An diefelbe. Klagenfurt, am 6. Juli 1830.) Liebe theure Toni!

Du wirft wohl ungehalten fein, dafs Du erft nad) acht Tagen den erften Brief von mir erhältft; dod) vielleicht machen einige Tage Verzögerung Dir meinen Brief in dem Grade werter, als Du ihn fehon mit Ungeduld erwartet. Denn daſs Dir Dein Yerdinand fo gleichgiltig geworden ift, dafs Du die Zeit feiner monat= langen Abwefenheit ganz fehnjuchtslos durchlebft, kann ic, jo wenig glauben, als Du von mir glauben wirft, dafs ich je aufhören werde, Dich als das einzige, meinen Herzen echt verwandte Weſen zu lieben und zu verehrten. Meine theure Toni, noch war e8 der bösgefinnten Zeit unmöglid), die Grumdpfeiler unferer reinen Liebe zu erſchüttern; unfer Gemüth hat eine moralische Tiefe und darum fteht der Tempel unferer Seelenvereinigung feit,

1) Wien, am 25. Julius 1829 befommen. Anm. von Tonis Sand. 2) hbefommen am 10. Suli 1830. Annı. von Tonis Hand.

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und wenn auch unvermeidliche Zebensftürme feine Außen- feite ihres jugendlichen Glanzes beraubt, fo wird doch die durch) edle, unverfiegbare Liebe genährte Flamme der zärtlichften Freundſchaft auf feinen Altare nie erlöfchen. Darum vertraue Deinem Terdinand, er wird und Tann Did nie verlaffen, und der jchönfte Triumph meiner Beftändigfeit ift der mich beglückende Bund unferer Herzen.

So unruhig die letten Tage vor meiner Reife, jo beruhigend und freundlich ift ihr Anfang, Wir [peisten zu Mittag in Neuftadt, famen Abends nad) Schottwien, beftiegen die Feſte Klamm und dann unfere Betten. Des anderen Zages hielten wir Mittags in Mürzhof, wo Seine Majeftät unjer guter Kaifer eben Poftpferde wech- felte; er fieht vecht wohl aus, war freundlich) mit den Beamten des Drtes, und die Kaiferin befchenkte eine alte Bettlerin mit einer Banknote. Abends in Leoben. Den andern Tag gieng e8 nad) Kärnten über das reizende Eichsfeld nah) Judenburg, Abends in Obdach einen von rauhen Bergen umfcloffenen Markt. Den vierten Tag durch einen 3 Stunden langen düfteren Graben nad) dem himmliſch⸗-ſchönen Lavantthal, wo wir in der Kleinen Stadt Wolfsberg Halt machten. Wir befuchten die Gebrüder Rofthorn, die jegigen Befiger der reichen Herrſchaft Wolfs- berg, und wurden auf ihrem Schloſs, welches früher der Sit der Bambergiſchen Bifchöfe war, mit großer Höflichkeit aufgenommen. Sie führten uns auf ihre großartigen Eifenhänmer, und den zweiten Tag beſtiegen wir die 7000 Fuß Hohe Korvalpe, auf welcher man eine uner- meſſene Ausficht genießt. Heute fuhren wir nach Klagenfurt, um morgen einige merkwürdige Umgebungen zu bejuchen

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und dann unfere Reife nad) Tirol zu wenden. Ich befinde mid) wohl und Habe meine Unannehmlichkeiten in Wien unterdefien aus dem Gedächtniſſe gejagt, ich denfe nur an mein XTheuerftes, an Di und wenn Du aud) meiner nicht vergefjen Haft, jo ſchreibe mir viel und Ungenehmes gleih nad) SIunsbrud, von wo aus Du meinen zweiten Brief erhalten wirft. Lebe wohl und glücklich, bis Dich wieder grüßt Dein Did) ewigliebender Ferdinand.

Meinen Handfufs an Mama und Papa und taufend

Grüße an Deine guten Schweitern und Deinen Bruder.

17. An dieſelbe. München, am... Juli [1830.]') Liebe theure Toni!

Ich habe Deinen lieben Brief in Innsbrud erhalten, und obwohl Du mir grolft, Hat er mir doch die größte Yreude bereitet. Was Du mir Hinfichtlic) des rachebrütenden Steinkeller fchriebfl, Hat mid) wohl Anfangs ſehr geärgert, doch vermuthlich hat er meine gerichtliche Abdanfung erhalten und begint fehon vor meiner Ankunft die Reife von Nedereien, welche ich durd) das Finale meines Contractes werde erdulden müffen. Gleichviel weiß ich von wen. Ich befinde mich gegen- wärfig, nad) der glüdlichen Erfteigung des Alpeiner Sletfehers, in der Hauptftadt Baierns: München, und bin noch ganz überrafcht von der ausgezeichneten Weife,

1) Bekommen am 23. Juli 1830. Anm. von Tonis Hand.

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mit welcher man mid) hier von Seite der Hoftheaters Direction und von Geite des Bublicums aufnimmt. Mit der größten Auszeichnung empfieng mid) der Intendant Baron Poifel, die Regie, bei welcher ic) morgen ein= geladen bin, Herr Baron Hormayer, Geheimer Rath, welcher mich morgen bei dem Minifter Schenk, Berfaffer des Belifar, aufführen wird. Mit dem Tebhaftelten Vergnügen trug man mir an, gleich) zu fpielen, und war ſehr erfreut, als ich verſprach, künftigen Februar zu kommen, wo aud) der König zugegen fein wird, der ſchon öfter den Wunſch äußerte, mid) fpielen zu jehen. As ih von dem Honorar fpradh, antwortete Baron Poifel, e8 wäre ihm fein Preis zu hoch für einen wahren Künftler, wie er fo artig war, mich zu nennen. So glüdlid) ftehen unterdeffen die Dinge in München, und fie tröften mich ſehr über die undankbare Behandlung Steinfellers. So ſehr e8 mir in diefer und manch anderer Beziehung in München gefällt, fo kann ich feinen Vergleich mit meiner lieben Vaterftadt, mit meinem guten Oſterreich machen, deffen Wert man erft wahrhaft kennen lernt, wenn man reifet. Ich fende Dir nebenbei ein Zeitungsblatt, welches erft vor einigen Tagen in München über unfer Theater erfchienen ift, der Auffag ift von einem bairischen Hauptmann, welcher 3 Monate in Wien war. Du kannſt es auch Kemetner, den ic) herzlich grüßen laſſe, zu Iefen geben, aber verliere es nicht. Ad wie fehr würde mid) ein Brief von Dir erfreuen, aber leider werde ich wohl feinen mehr erhalten können. Noch bleiben wir 2 Zage in München, um deſſen Kunſtſchätze, die fehr bedeutend find, zu bewundern, und dann werden

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wir über Gmunden, Sfchl fo fchnell als möglich nad) Wien zurückkehren, wo Du Dich wieder überzeugen wirft, wie unveränderlich ich war und bin

Dein ewig liebender Ferdinand.

18. An Tonis Mutter, Sambnrg, den 3. October 1832. Berehrtefte Frau von Wagner!

Mit innigem Gefühle ergreife ich die Gelegenheit Ihres mir fo werten Namensfeftes, Ihnen die aufrichtigften Wünfche für Ihr und Ihres Haufes Wohl mit treu= ergebenem Herzen darzubringen. Alle frommen Wünſche für Ihr Glück und langes Leben, welche in dem treuen Gemüthe Ihrer dankbaren Kinder leben, dürfen Sie aud) in dem meinigen ſuchen. Ihr edle8 Herz und die fchöne Theilnahme, welche Sie bei dem Schieffale anderer zeigen, verdient die kindliche Dankbarkeit, welche ih) Ihnen Ihuldig bin, ganz abgerechnet allein jchon die Huldigung eines jeden gleichfühlenden Gemüthes. Wie groß auch der Schmerz ift, den fich edle Seelen dur ihre une eigennüßige Menfchenliebe oft bereiten, fo lohnen fie doch Augenblicke des Entzüdens dafür, welche dem Himmel gleichen, der den Unmürdigen verfchloffen bleibt.

Ih und Antonia befinden uns beide wohl und gefund und grüßen alle lieben Gefchwifter, von benen wir hoffen, dafs fie fich einer ebenfo glüdlichen Gefundheit erfreuen. Der Toni gefällt Hamburg jehr wohl, befonders da8 Fremdartige der reichen Segeljchiffe, welche die majeftätifche Elbe wie großartige Schwäne durchziehen.

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Ich habe bereits fiebenmal bei vollem Haufe und guter Aufnahme gefpielt. Ob wir von hier gleih nah Wien zurückkommen, wo uns unfere Herzen binziehen, ift noch nieht beftimmt. Sie werden wohl mit mir fehr unzufrieden fein, dafs ich Sie fo lange der mütterlichen Yreude beraube, Ihre Tochter in dem Kreis ihrer Gefchwifter zu erbliden, aber zürnen Sie nicht, Liebe Frau von Wagner, fie ift in guten Händen und ihr Schiedjal iſt einem reblihen Manne anvertraut. Ste hat auf unferer Reife viel Neues und Schönes gefehen, und ſich befonders in der ſächſiſchen Schweiz erfreut. Die Nachricht, daſs Ihr Herr Gemahl einen großen Bau im Plane führt,') ift uns der ficherfte Bürge für feine Gefundheit, welche fi) am längften dur) Thätigkeit erhält. So find wir dur) die letzte fchriftliche VBerficherung, daſs fih in unjerem Haufe alles fo froh und wohl bewegt, wie es vor unferer Abreife der Fall war, unterdefjen beruhigt und wenn Sie am XTherefientage mittags die Gläſer auf da8 Wohl der theuren Mutter Elingen hören, fo denfen Site freundlich und Liebend auch der entfernten Kinder, deren Herzen Ihnen doc) ebenfo nahe find, wenn fie auch ihr Beruf bis an den falten Strand der Nordjee hinausgedrängt bat: Nun leben Sie herzlid) wohl, Tiebe Mutter, empfehlen Sie mid) innig Ihrem verehrten

Herrn Gemahl, grüßen Sie alle Freunde, Meiffel,

Rollet, Gfchlad ꝛc. und laſſen Sie bald durd einige freundliche Zeilen erfreuen Ihren danfbar ergebenen Terd. Raimund.“

1) Die Herftellung des zweiten Kaffeehaujes im k. k. Prater.

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19. An Sl. Thereſe ITenflamm. (München, Herbft 1831.) Berehrungswürdiges Fräulein !

Berzeihen Sie, dafs mich meine vermehrten Gefchäfte verhinderten, Ihren werten und fo traurig wichtigen Brief fogleih zu beantworten. Ach, wie betrübte mid) die unglüdliche Nachricht von dem fchnellen Tode meines edlen und geliebten Herrn v. Piquot. Wie überglüdlich müfste doch das Reben fein, wenn e8 uns für die Graufamfeit des Todes entfchädigen wollte. Innig betrau're id) den Tod dieſes vortrefflihen Mannes und den gerechten Schmerz feiner zurücdgelaffenen Lieben. Könnte ich doch) nur eine Stunde in Ihrer Mitte fein, um Ihnen einen dankbaren Beweis meiner ungeheuchelten Theilnahme zu geben. Doc, ic) Hoffe, Sie nach meinen Gaftrollen in München wenigftens auf furze Zeit wieder zu fehen. Wenn die Cholera fo unſchädlich ift, wie mir von allen Seiten berichtet wird, fo kann ich die Gelegenheit nicht unbenüßt laſſen, alles, was ich liebe und verehre, wieder zu umarmen und mic) dadurd) leider für neue Trennung Tau ftärfen. Daſs mir meine Reifen Geld tragen und das ; einzige und ficherfte Mittel find, mein Alter vor Mangel zu fehüten, iſt gewiſs. Daſs ic) aber erft in Auslande | wie unmöglich e8 mir wäre, mein Vaterland auf

immer zu verlaffen, ift ebenfo wahr. Darum ift mir ein Briefwechjel mit Perfonen, nach denen fid) mein Herz fo aufrichtig fehnt, die höchſte Nothwendigkeit für die Er- haltung meiner frohen Laune, und id) kann Ihnen, wertes Fräulein, und Ihrem von mir hochverehrten Herrn Bruder nicht genug für die fchnelle und freundfchaftliche Beant-

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wortung meiner Briefe danken. In dem nämlichen Grade, als mich diefe liebevolle Aufmerkſamkeit von Ihnen erfreut, betrübt mich aber das Tieblofe Schweigen meiner Antonie, welche mir auf zwei meiner Briefe von Frankfurt und Münden, deren Inhalt fie Ihnen fleigig mitgetheilt, auch mit feiner Zeile geantwortet bat. Ich würde feine Erwähnung mehr davon machen und zu vergeflen fuchen, was meiner nicht würdig ift, wenn id) nicht gerade in diefem, freilich etwas boshaften Schweigen einen Beweis ihrer Sehnſucht nad) mir fände, und da fie erwartete, mid Schon nach meinen Gaſtſpiele in Hamburg zu fehen und wie gerne ich ihren Wunfch erfüllt hätte, wenn es die Cholera zugelafjen hätte, weiß fie nur zu gut. Dieſer nämliche Fall ift bei München. Würde die Cholera in Wien noch immer bedeutend herrichen, jo würde ich der Contumaz und Sicherheit wegen befjer thun, gleich nad) Frankfurt zu gehen, obwohl diefes Theater feiner unordent⸗ lichen Berfaffung wegen nicht jehr fröhlichen Aufenthalt verſpricht, auch nicht im Stande ift, ein Honorar wie München oder Hamburg zu bezahlen. Da ic) aber meines guten Aufes wegen überall aufgefordert werde, zu gaftteren, und mir alle Bühnen Deutjchlands offen ftehen, jo brauche ih gar nicht beforgt zu fein. Schreiben werde ich alfo on Zoni in feinem Yal, wenn fie nicht zuerſt an mid jchreibt, und wird fie e8 nicht thun, jo wird fie mir während meiner Anmwejenheit in Wien fo fremd bleiben, als fie e8 durch ihr Benehmen gegen mich zu fein wünſcht. Ihr Herr Bruder war fo gütig, mir einen Antrag hins ſichtlich meines Wechſels zu thun; da ich aber lieber von dem bis jetzt erfparten Gelbe, welches, wenn mich die

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Cholera hier gehörig fortjpielen läſst, doc) vielleicht 4000 fl. EM. ausmachen Fönnte, einen Hausfag zu haben wünſchte, fo wollte ich ihn bitten, ſich auf dieſe Weiſe für mic) zu intereffieren. Doch läfst ſich dies ja noch brieflich befprechen und er wird mir gewiſs bejier rathen, als ich es ſelbſt kann. Das Geld kann ich jeden Augenblid fenden. Mein Empfang war hier ohngefähr jo, al8 wie ich zum erftenmale im Theater an der-Wien auftrat. Das Afchenlied Hat Furore gemacht. Seitdem habe ich im Quodlibet gefpielt und heute ift „Der Diamant.” Ich bin nirgends Lieber zu Haufe ald in Münden und kann die Briefe meiner Heimat nicht er- warten. Außer Ihnen bin ich aber diefesmal nicht fehr glüdlich darin. Denn es finden e8 nicht einmal Perfonen, welche mir doch bedeutend zugethan fein könnten, der Mühe wert, mir zu fchreiben, und ic) erhalte mehr Briefe aus dem Auslande als von Wien. Zum Glüd find mir die Ihrigen und die von der Wagnerifchen Familie die theuerften und entjchädigen mid) für alle andern. Was die Welt im ganzen betrifft, jo wird fie mir mit ihrer Wuth zu politiſieren und dabei alle Moral zu verachten, immer eflicher, und ich fehne mid nach einem Kleinen Kreiſe, in dein ich noch Gemüth und Treue finde. Möchte Sie doch der Himmel alle gefund erhalten und die Zeit ihr Vergehen an Ihren edlen Herzen bald durch beglüdende Stunden fühnen, wie Sie e8 alle im höchften Grade verdienen. Schoner!) wird wohl durch jene Nachricht ſehr in Trauer verjunfen fein. ft er noch nit in Wien? Wie befindet ſich mein verehrter Lieber Herr Rath

1) Raimunds Freund und Bermögensverwalter,

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von Strobel und fein Fräulein Tochter? Die Betti Schröder ift vor drei Tagen getraut worden. So weit erftreden fich meine gejammelten Neuigkeiten, und nun, mein Yräulein, erlauben Sie, dafs ich Sie bitte, Ihre verehrungswürdige gnädige Frau Schweiter und Ihren werteften Herrn Bruder auf das innigfte und achtungsvollſte zu grüßen und mid; mit dankbarer Ver—

ehrung nenne Ihren treu ergebenen Raimund.

20. An den Schauſpieler Kang. MWerter Freund !

Wie ſehr war ich erfreut, bei Eröffnung des Packetes Ihre Liebreichen Zeilen zu entdeden. Mein Gewiffen necdt mich ohnehin fchon durch) längere Zeit, dafs ich Ihren Brief noch nicht beantwortet habe, und ich benüte daher Ihre neue fcehmeichelhafte Aufforderung, meine Saum- feligfeit auf eine honette Weife wieder zu reparieren, und gebe Ihnen die Berficherung, dafs, wenn Sie aud) Feine fchriftlichen Äußerungen über meine wahrhaft freund- Ichaftlihen Gefinnungen erhielten, fie Ihnen mein Herz doch treulich aufbewahrt Hat.

Ic befünmmere mid) fleifig um Bäuerle's Theater- zeitung, weil ich darin ausführliche Berichte über die theatralifchen Angelegenheiten meiner guten Vaterſtadt Iefe, aber im höchften Grade hat mich der Artikel über ihr Engagement, Debut und Aufnahme in dem Theater der Leopoldftadt erfreut. Es ift der fchönfte Triumph für Ihre damalige ungerechte Entfernung, die mir fo vielen

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Berdrufs verurfachte und mein Hauptmotiv für die Nieder- legung meiner Direction war.

Es gibt nichts Poetifcheres als die Entfernung von dem, was wir wahrhaft Lieben, fie ſchmückt die theuren Segenftände mit dem Kranze unverwelflicher Erinnerung, und reizt unfere Phantafie, dafs fie mit glühender Sehn- ſucht daran haften mufs. Auch mir ift alles Liebe doppelt lieb, und meine angenehmften Augenblide kann mir nur eine fiebevolle Nachricht aus Wien bereiten. Ich freue mid) fehr, dafs ich) im Ausland gefalle, aber ich habe Wien gewiſs nur darum verlaflen, um durch erworbenen Beifall im Auslande bei meinen Landsleuten zu gewinnen, und mir foviel zu erwerben, dafs ic, im Alter vor Mangel geihütt bin. Dann will ic) forglo8 meiner Baterftadt

ſolange meine Kräfte weihen, bis Leiſtung und Beifall ergrauen, bis der goldene Ehrentraum vorüber iſt, und

ſich mein Blick von dem welken Beifallskranze nach dem letzten Troſte einer höheren Beſtimmung wendet. Sie, mein werter Freund, haben noch eine ſchöne Bahn zu wandeln, Sie werden noch durch reizende Thäler ziehen, und hoffnungsbeſonnte Hügel werden Ihrem wahrheits- forfchenden Auge noch lange den betrübenden Anblid der freudenleeren Wüfte des höheren Alters entziehen. Darum wader vorwärts! Sie ziehen jet auf breiter Straße, und hat man einmal die Liebe der Wiener ganz gewonnen, fo laſſen fie feinen finfen. Wenn aud), wie bei Schuiter und wie e8 auch bei mir fein mufs, die glänzende Rinde nad) und nad) verwittert, da8 Marf der Gunft Täfst doch den Baum nicht ganz zu Grunde gehen. Ich habe dem Leopoldftädter Theater gewiſs alles Gute gewünſcht, Raimund, Dram. Werke, III. 33

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und meine Wünſche verdoppeln fich, da es jet wieder einen jo redlichen Befiger!) hat. Zu Grunde gehen wird es nie, ob aber zu dem früheren Glanze nicht auch die frühere Sonne glüdlicher dramatifcher Verhältniffe gehört, weiß ich nicht. Keine Bühne in Deutjchland ift beffer geworden, überall tft weniger Zuſpruch und weniger Antheil am Theater wie früher. Doch auf trübe Tage folgt ja Sonnenglanz. Ich freue mic) fchon recht fehr, Sie auftreten zu fehen, wenn id) nad) Wien fomme, und indem id) Ihnen für Ihre liebevolle Erinnerung und den aufrichtigen fchriftlichen Ergufs Ihres Herzens innig danfe, bin ich mit wahrer Hochachtung und Freundſchaft Ihr ergebener

Raimund. München, am 29. November 1831.

21. An einen Scyanfpieler in Münden. [1834 oder 35.]

ALS ich in dem fchönen München das unvermuthete Bergnügen hatte Sie zu begrüßen, waren Sie fo gütig, - mir Ihre Verwendung bei der Intendanz Ihres Theaters zur endlichen Erlangung meines feit beinahe ſechs Jahren ausftändigen Honorard von 16 Ducaten für mein nun bereit8 aufgeführtes Märchen Der Alpenkönig freund- ſchaftlich zu verfprechen.

Ic bin alfo jo frei, Sie an diefes gütige Verfprechen zu mahnen und Hoffe, die Intendanz wird ſich durch Verweigerung desfelben nicht der unvermeidlichen Un-

1) Franz Edler von Marinelli, Sohn bes Erbauers bes Leopoldftädter Theaters, Karl Edler von Marinelli,

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annehmlichkeit ausfegen wollen, daſs ich mit Erzählung ihres Verfahrens e8 in einem öffentlichen Blatte fordere,

Ihre Anftelung an dem Münchner Hoftheater und den Preis, den Ihr herrliches Talent vor fo vielen aus⸗ gezeichneten Bewerbern in meiner lieben Baterftadt er- rungen hat, haben mich in hohem Grabe erfreut und nur meine Dankbarkeit gegen das liebe München gönnt Ihm das Glück Ihres Beſitzes, welches ich jonft gewifs nur vorzugsweiſe meiner Baterftadt wünfchen müſste.

Möchte ih auf meinen Reiſen doch bald wieder das Vergnügen haben, Sie perfünlich verfichern zu können, wie fehr Sie ſchätzt und liebt Ihr ergebener

oe oo 8 eo 0

22. An Sran Anna Gunz in paris.!) Wien, den 30. Juli 1830. Ihr wertes Schreiben ddo. 8. d. M. erhielt id) bei meiner Rückkehr von einer Reife am 20. d. M. und

1) Der Brief der Dame hat fid) erhalten und lautet:

Paris, am 8. Juli 1830. Hochgeehrter Herr!

Sie habe ich in’ Wien öfters bewundert, aber nie die Ehre ‘gehabt zu ſprechen; auch bin ich Ihnen ganz unbekannt. So babe ich denn auch vor allem Sie zu bitten, meine Dreiftigfeit, Ihnen zu jchreiben, gütigft zu entfchuldigen. Die Beranlaffung meiner mir genommenen Freiheit find Ihre vortrefflichen, geift- reichen Werke, um welche ich Ste angelegentlich erfuchen möchte, als: „Der Barometermacher auf ber Zauberinfel,” „Der Diamant bes Geifterfönigs” u. |. w. Wenn Sie, hochgeehrtefter Herr, geneigt. wären, mir Ihre vortrefjlihen Theaterftücde zufommen zu laſſen und nad) Paris mir herzufchiden, fo bitte ich Sie inftändigft mir biejes baldmöglichſt wiſſen zu Yaffen, auch zugleich, wie viel

33%

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fand nach ˖ Durcdjlefung desfelben, dafs Ihr Anerbieten für mic) zwar ehrenvoll, aber für den Augenblid nicht mit Beftimmtheit anzunehmen ift, denn Sie hatten die Seite nicht berührt, zu welchem Zmede Sie meine dra⸗ matiſchen Erzeugniffe zu benüten gedenten?

Ich muſs daher bitten, mir über einige Fragen gefälligft Auskunft zu geben, und zwar vor Allem ob meine Stüde beftimmt find, auf irgendeinem Theater in Paris und in weldher Sprade aufgeführt zu erden, und wer in dem Falle einer Überfegung diefe Arbeit auf fi) genommen hat? Diefe ift meine geiftige Sorge für da8 Wohl meiner Erzeugniffe, die mir fehr am Herzen liegt.

Sind meine Stüde, 7 an der Zahl, nämlid) „Der Barometermacher auf der Zauberinfel,*” „Der Diamant des Geifterfönigs," „Das Mädchen aus der Feenwelt,“ „Die gefeflelte Phantafie,” „Moiſaſurs Zauberfluch,“ „Der Alpenkönig und der Menfchenfeind“ und „Die unheilbringende Zauberfrone” beftimmt, vor das Forum des Publicums in Paris durch die Darftellung gebracht zu werden, fei e8 num in deutſcher oder franzöfijcher Sprade, fo kann ich in der Hinficht des Honorare Teinen andern Vertrag mit dem Unternehmer eingehen, ald den, die in Frankreich feftgefeßten Procent-Erträgniffe für den

ich dafür zu erlegen hätte, und in welchem Handlungshauſe in Wien Sie das Geld angewiejen zu haben wünſchten. In ber ihmeichelhaften Hoffnung, in jedem Falle mich bald mit Ihrer werten Antwort beehrt zu fehen, habe ich die Ehre mich zu nennen, hochgeehrtefter Herr, Ihre Sie hochichätende Dienerin Anna Gunz. Paris, Rue du Faubourg Montmartre Nr. 23.

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Autor nad), jedesmaliger Production eines Stüdes mit ihm zu theilen.

Sollte nun meine jehr fchätenswerte Eorrefpondentin mir gefälligft obige ragen baldigft zu beantworten gejonnen fein, und die Beitimmung meine® Honorare auf die von mir ausgefprochene Art billigen und ein- gehen, fo wird es mich ungemein erfreuen, hierüber Ihre Gefinnung im nädjften Briefe zu vernehmen.

Mit ausgezeichneter Achtung verharre ich Ihr er- gebener Diener . Raimund.

23. An den Shufikalienhändler Ferd. Hekel in Mannheim.

In Erwiderung Ihres freundfchaftlichen Zuſchreibens vom 7. d. M. habe ich die Ehre, Ihnen befanntzumachen, daſs niemand bei mir für Sie mein DriginalsZauberfpiel: „Der Alpenkönig und der Menfchenfeind“ beftellte, und wenn es auch gefchehen wäre, ich doch Feine Notiz davon genommen hätte, da ich bei derlei Gefchäften immer ‚den directen Weg für den beften achte und mein Werk nur dem Betreffenden felbft einhändige.

Sie werden e8 daher auch nicht ungütig nehmen, wenn ich e8 gegenwärtig felbft Ihnen nicht überfende, da ich e8 wohl an Theater-Directionen, aber an fein fonftiges, damit Handel treibendes Gefchäft verkaufe. -— Sollte, wie Sie gütigft in- Ihrem Schreiben zu bemerfen beliebten, die großherz. Hoftheater-Intendanz fi) an Sie gewendet haben, um mein Werk zu erhalten, jo bitte ich bloß die löbl. Intendanz, im directen Wege an mich zu adreffiren, und Sie werden mid) fehr verbinden. Übrigens hat

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fit) ſchon vor einiger Zeit der dortige Schaufpieler Herr Nitter um dieſes Stück an mic gewendet und, ohne es noch erhalten zu haben, fchon dem Herin v. Cerf, Theaterunternehmer zu Berlin, um eine geringere Summe, als ich es zu fenden vermag, angetragen. Ste fehen alfo, dafs Erfahrung mifstrauifc macht, wiewohl e8 gegen Sie in feinem Falle ift Ihr ergebener Raimund.

24. An einen polnifden Schauſpieler. Euer Wohlgeboren |

Sie wünſchen mein ODriginal- Zauberfpiel: „Das Mädchen aus der Teenwelt” oder „Der Bauer als Millionär” zu Ihrem Benefice auf der polnifchen Bühne zu geben, deren Mitglied Sie find, und damit ein Haus zu machen. Ich nehme auch feinen Anftand, Ihnen hiezu die Bewilligung zu ertheilen, nur wünfche ich, dafs Sie dabei aud) auf meine Ehre denken und eine, ordentliche richtige Überfegung davon beforgen, auch die fcenifche Ausftattung nicht vernachläffigen. Jedoch ift dieſe meine Bewilligung, die nur -Ihren Nuten berüdfichtigt, auch bloß für den Abend Ihres Benefices giltig; .ſollte die polnische Bühne mein Werk öfter zu geben gefonnen fein, fo müfste fie fi) auch billigerweife wegen des Honorars mit mir abfinden.

Dies erſuche ih Sie, auch Ihrer Direction zu melden und Ihren Entfchlufs dieferwegen mir mitzutheilen.

Übrigens freut e8 mic, Ihnen dienen zu können,

und bin mit Achtung Kaimund.

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25. Au den Regiffenr Pauly in Dresden. (Fragment.) 15. Januar 1830.

Auch wurde bei der ebenfalls unter Ihrer Leitung ftehenden Schaubühne zu Leipzig mein „Mädchen aus der Feenwelt“ gegeben, ohne dafs Buch und Muſik diefes Zauberfpiel® von mir bezogen worden wären. Ich erfuche Sie daher freundfchaftlich, mich gefälligft zu benachrichtigen, auf welchen Wege, ohne e8 zu bezahlen, felbes bezogen wurde.

26. Au Cuſtelli. Lieber Bruder!

Die Zufendung diefer Rolle wird Dich wahrjcheinlicd) ebenfo angenehm überrafchen, als mid) ein Beſuch, den ich geftern Nachmittags von dem Pfarrer und Richter der Leopoldftadt erhielt, weldye mid; um meine Mit- wirkung bei einem Benefice für den Armenfond erfuchten, das am Spivefterabend in unferem Theater flattfinden fol. Die Unmöglichkeit einer Weigerung fiehft Du wohl recht gut ein; doch die Frau Baronin Fönnte vielleicht ungehalten werden, darum bitte ich Dich, mid) zu ent= Ichuldigen und fie zu verfichern, dafs ich durch dieſen Zufall eines weit größeren Vergnügens beraubt werde, ale ih im Stande geweien wäre, ihr durh mein Erſcheinen zu bereiten. Du aber, lieber Bruder, nimm meinen Dank für die Ehre, welche Du mir zudachteft, mit Dir verreint zur Unterhaltung eines fo edlen Zirkels

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beizutragen. Unpäfslichkeit hält mich) im Haufe, fobald ich es verlaffen darf, befuche ich Dich. Mit Achtung und Liebe Dein Freund Raimund.

Str. Hochmohlgeboren Herrn Herren von Gaftelli. Eigenhändig.

nn

27. An ein Shentercomits. Wien, den 3. Juni 1825. Hochlöbliches Comite.

Auf Ihre fchmeichelgafte Zufchrift Habe ich die Ehre zu erwidern, daſs ich Ihnen mein SZauberjpiel: „Der Diamant des Geifterfönigs,” gegen ein Honorar von 20 Ducaten für Buch und Muſik anbiete, und infolge Ihrer Zufchrift das Bud) ſogleich beiliegend überfende.

In Betreff der fcenifchen Darftelung läſst fich mandes, ohne dem Zotaleffect bedeutend zu Jchaden, auf eine leichtere Art einrichten. So Tann 2 B. am Schlufie de8 1. Actes die vorgefchriebene Anzahl der Pudel aud) vermindert werden; die Decoration des Feuerberges in 2. Act kann entweder ganz megbleiben, oder wenigftens nur die 2. Decoration des Blumenberges dargeftellt werden. Sümmtlihe Tänze können füglich ganz weg- bleiben.

Noch nehme ich) mir die Freiheit, Sie auf die Maske des Pudels aufmerkjam zu machen, der dur einen Heinen Knaben dargeftellt werden muſs. Sollten Sie es vielleicht bequem finden, ſelbe ſchon ganz fertig und fehr gut gemacht zu erhalten, jo übernehme ich mit

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Bergnügen die Beftelung derfelben und überjende fie Ihnen auf Ihr beliebiges Verlangen um den Preis von 40 fl. Sme. Schein. Ich unterzeichne mich mit der VBerficherung innigfter Hochachtung einem hochlöbl. Comite ergebenfter Ferdinand Raimund.

VII. Selbſtbiographie.

Ich bin der Sohn eines Kunſtdrechslers in Wien und wurde im Jahre 17911) geboren. Die Neigung zur Schauſpielkunſt, durch den Beſuch des ka k. Hofburgtheaters geweckt, erwachte ſchon ſehr früh und mit ſolcher Heftigkeit in mir, daſs ich ſchon als Knabe beſchloſs, nie einen anderen Stand zu wählen; doch war mein Sinn vorzugs⸗ weife dem Trauerfpiele zugewandt, das Luſtſpiel begeifterte mic weniger, die Poſſe war mir gleichgiltig. Als ich faum 15 Iahre alt, war, entrif8 mir der Tod meine Eltern, und meine unbemittelte Schwefter, welche mid) zu fid) nahm, Konnte nicht fortfeßen, was jene für meine Bildung begonnen hatten. Man wollte mic) zwingen, einen anderen Stand zu wählen, als den eines Künftlers, aber ich konnte von meinen romantifchen Träumen nicht laffen, und wollte lieber hungern, als meinem Entfchluffe entfagen; ein Schidjal, welches mir im Anfange meiner Laufbahn reichlich zu Theil geworden ift. Ich machte nun durch einige Jahre vergeblihe Verſuche, an eine der Wiener Bühnen zu gelangen, bi8 mich endlich, da alle andern Hoffnungen fcheiterten, ein herumziehender Director mit nad) Ungarn nahm. Doch diefe Art von Kunftleben

1) Aus dem Zaufbuche der Pfarre Mariahilf ift zu erfehen, dajs Raimund am 1. Juni 1790 geboren und auch am jelben Tage getauft worden ift.

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contraftirte jo fehr mit dem Ideale, das in meinem Innern lebte, daſs es beinahe meinen Entfchlufs zum Wanken gebracht Hätte, wenn mich nicht ein glücklicher Zufall in das Engagement des fehr rechtlichen Directors Kunz gebracht hätte, wo ih durch A Jahre das Fach der Intriguants und komiſchen Alten bekleidete. Im Jahre 1813 erhielt ich einen Auf an das Theater in der Joſef⸗ ftadt in Wien, dem ich auch folgte und in den Rollen des Franz Moor und Pächters Feldkümmel debutierte.") Hier muſste ich mich hHauptfächlic dem Localfache widmen, und die erfte Rolle, in welcher ich das Glück Hatte die allgemeine Aufmerkjamkeit des Wiener Publicums zu erregen, war der eiferfüchtige Mufilant Adam Kratzerl in einer Rocalpofje von Gleich, von welcher fünf Theile gejchrieben wurden. Im Jahre 1817 wurde ic) endlich) bei dem Theater in der Teopoldftadt angeftellt. 1820 ver- heiratete ich mic) mit der Schaufpielerin Louiſe Gleich. Eine nicht glüdliche Ehe, der eine baldige Trennung folgte. Im Jahre 1823 machte ich als Autor den erften Verſuch mit der Bearbeitung des Märchens: „Die Prinzeffin mit der langen Naſe“ ich nannte e8: „Der Barometermacher auf der Zauberinfel.” .. Der glüdliche Erfolg diefer Zauberpofje munterte mid) auf, einen zweiten zu wagen, ic) fuchte aber die Urſache des Gefallens in dem glüdlicd) gewählten Kindermärchen, welches fich fo jehr zur dramatifchen Bearbeitung eignet, und war um einen ähnlichen Stoff verlegen. Ich durchlas die Märchen

) Raimund ift bezüglich feines Wiener Engagements im Irrthum, er betrat am 15. April 1814 als Franz Moor zum erftenmale bie Bühne in der Joſefſtadt.

524

„Tauſend und eine Nacht“ (denn Gozzis Werke find mir erft feit drei Yahren befannt) und unter allen fchien mir nur das mit der rofenrothen Statue zur Bearbeitung geeignet, obwohl der Stoff fehr einfach) war. Nun follte aber damals in dem Theater der Leopoldſtadt in ſolchen Stüden fein ernftes Xiebesverhältnis mehr ftattfinden, weil man in jeder Scene lachen wollte und der Gejchmad des Publicums war in diefer Hinſicht zu fürdhten. Ich wollte aber meinem Märchen feine findliche moralifche Bedeutung nicht rauben, daher bemühte ich mich es jo viel als möglich mit komischen Scenen zu durchflechten. Als dieſes Stück fo glücklichen Erfolg hatte, wie e8 ihn gewiſs nicht verdient Hat, wurde ich ſchon Fühner und erfand mir felbft einen Stoff, und fo entftand der „Bauer als Millionär,“ in dem ſich viele läppifche Kleinigkeiten befinden, welche ich nur angebracht habe, weil ich fürchtete, das Publicum möchte ihn zu ernfthaft finden. Durch die fortwährende geiftige und phyſiſche Anftrengung und Kränfungen im Leben verfiel ich im Jahre 1824 in eine bebeutende Nervenfrankheit, welche mid) der Aus— zehrung nahe brachte und fünf Monate von der Bühne entfernt hielt.

Ich wurde durd) homdopathiſche Curen ganz her⸗ geſtellt und danke dieſe Rettung meinem Freunde, dem Dr. Lichtenfels. Das Publicum nahm den gütigſten Antheil an meiner Krankheit und nachdem ich die Bühne wieder betreten hatte, beehrten mich mehrere Gönner mit einer Gedächtnismünze, welche ſie mir nebſt einem Schreiben zum Andenken überſchickten. Dieſe Krankheit verzögerte die Aufführung des Bauern als Millionär um ein ganzes

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Jahr. Ber feinem Erfcheinen hatte er das Glück, fo fehr zu gefallen, dafs mich meine Neider gar nicht als den Berfaffer wollten gelten lafien. Da id) nun in biejer Hinfiht mit der gemifjenhafteften Strenge verfuhr, ja jelbft bei Verfaſſung vieler Lieder gleich die Melodien hinfchrieb, !) fo kränkte und ärgerte mich diefe Ungerechtigkeit fo fehr, dafs fie mich auf die dee „der gefeflelten Phantafie” brachte, durch welche ich beweiſen wollte, dafs man, auch ohne ein Gelehrter zu fein, ein unfchuldiges Gedicht erfinnen könne. Diefes Stüd wurde zwar belobt, fonnte fich aber Feines folchen Zulaufs erfreuen wie die früheren. Was ich fchon früher befürchtete, traf hier ein. Es war dem Bublicum nicht komiſch genug und die dee nicht populär. Diefem folgte ein tragifches Original⸗ Märchen „Moifafurs Zauberfluch,“ welches nod) ernfter war, aber einen größeren Zulauf hatte, weil ich die Borficht gebrauchte, e8 in dem Theater an der Wien aufführen zu laſſen, wo man den Ernft gelten ließ. Im Sahre 1828 übernahm ic) die technifche Leitung des Leopoldftäbter Theaters, nad) der ich aber niemals ftrebte, ‚weil mir nur um die Ehre des Theaters, nicht um einen Titel zu thun war, wozu die frühere beinahe unum— ſchränkte Negie genug Gelegenheit bot. In diefer Zeit fchrieb ich den „Alpenkönig“ und „Die unbeilbringende Krone.” Als im Jahre 1830 mein Contract, der 10 Jahre gedauert hatte, zu Ende gieng, begab ic) mich auf Gaft- rollen nad) Berlin, Hamburg und München.

) Der Nahlafs enthält cinige Notenblätter von Rai— mund’8 Hand. ——

Anmerfungen und Darianten.

I. Gedichte, Aphorismen, Stammbuchblütter.

Das Fragment auf ©. 342, fowie dad Stammbudjblatt auf ©. 346 und die Aphorismen find bisher ungedrudt. Bon den übrigen poetifchen Producten find nur einige in der Vogl'ſchen Ausgabe erichienen. Die meiften derfelben waren in verſchiedenen Zeitjchriften zerftrent und find hier gefammelt. Ein Gedicht „Ins Stammbuch meinem Jugendfreunde F. X. T. (Told)“ konnte ich leider nicht aufbringen. Die Wiener Bibliothefen befiten fein Exemplar des Taſchenbuches „Thalia“ für das Jahr 1838, in welchem nad) ben Aufzeichnungen des Herrn Silas, eines Zeitgenoffen und Berehrers Raimund's, auf Seite 82 das vor⸗ erwähnte Gedicht ftehen fol. Vieleicht gelingt es mir, dasfelbe im biographijchen Theile nachtragen zu können. Im einundzwanzig- ſten Jahrgange des Tafchenbuches für das k. k. priv. Theater in ber LXeopoldftadt, begründet von dem Schaufpieler Ziegelhaufer, fortgefetst von Karl Meisl und Auguft Schmidt, ift in der Lifte der Mitarbeiter an diefem Unternehmen aud) Raimund an- geführt. Ich konnte in den mir vorliegenden 25 Sahrgängen weder einen poetifchen noch einen profaiichen Beitrag Raimund’ finden ; e8 jcheint demnach bei Zufammenftellung der Lifte ein Irrthum obmwaltet zu haben, vielleicht veranlafst durch einige Gedichte an Raimund, welde in biefem Taſchenbuche zum Abbrude ge- bracht wurden. "

Unter den vorhandenen Manufcripten befindet fih auch ein arg devaftiertes Skizzenheft. Bon demfelben ift nur ein Bogen (Sroßfolio) erhalten, doch laſſen die abgerifenen, zum Theil be-

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ſchriebenen Papiertheile fchließen, daſs dasſelbe aus fünf Bogen beftanden hat. Vielleicht Hat ſich dort auch die Skizze zu jenem Stüde befunden, welches Raimund „Eine Naht auf dem Hima- laya“ betiteln wollte. Nach dem Zugeftändniffe der Hinterbliebenen Schweſtern bes Frl. Wagner wurden diefe Blätter erfi im Sommer 1879 in voller Unkenntnis des Inhaltes verbrannt. Der Zufall rettete nicht nur den noch vorhandenen Bogen biefes Heftes, ſon⸗ dern auch die Original-Manufcripte vom gleichen Loſe. Am Ende der zweiten Seite dieſes Bogens ift Nachftehendes ſtizzirt: Refle— rion über die Zahlen 1: Kindheit, entftehende Unſchuld. 2: Paaren. 3: Triumvirat Allianz. Böfe 7. 12 Mittag, Mitternadit. 30, 9: dreimal bringend die rüftigen dreißig Greis, jo nah an 100 wie an 1 Kinbheit.

Seite. Zeile.

327. An bie Dunkelheit. M: Manufcript gegenwärtig in ber reichhaltigen und ſehr intereffanten Autographen fammlung des SKapellmeifters Adolf Müller, ber basjelbe zur Vergleihung mit dem bei Vogl gedrudten Terte bereitwilligft überließ. Auf der Rückſeite des einen Bogen ſtarken Manuſcriptes, folgende Bemerkung von Adolf Bäuerle's Hand: „Die Redaction des Notizen- blattes darf wohl hoffen, daſs diefer erfte lyriſche Verſuch unferes alibeliebten Raimund, der von einer fchweren Krankheit genejen, morgen der Bühne wieder geſchenkt wird, auf gütige Theilnahme und Nachſicht Anſpruch machen dürfe.”

Am unteren Rande fieht: „6 Exemplare in die Traube.” (Raimund’s Wohnhaus in der Leopoldftadt). Bogl IV. ©. 313. 14. leiht befränzten ] Zerpfichorens M (zuerft.) 338. 8 Schön als Erinnerung, wie als Hoffnung grünt M (zuerft.) 17. wehmutbsreiche ] fummerreihe M (geftrichen.) 19. frendenarmes ] trauervolles M (geftricdhen.) 329. 2. Indem nur thront der Tugend hoher Ruhm M (geftrichen.) 8. den ftarren Blid ] die Sinne ftets. M (zuerft.) 10. Ieif’ ] ſchon M (geftrichen.) _

528

Seite. Zeile.

330, 1.

Ein Süngling mild mit veildhenblauem Aug M (zuerft) und V.

An Gutenftein. M: Manufceript mit Bleiſtift geichrieben. Raimund's Handſchrift. V: Vogl IV, Seite 303—306.

. Zeufhung ] Arglift M (zuerft.)

. findeft bu ] wohnet nur M (znerft.)

. Gemüth ] Vertrauen M (zuerft.)

. mein geliebtes ] liebes treue® M (zuerft.)

. de8 ] deines V. -

. dunkler Tannen ] hoher Bänme V.

. die heil'ge Wallfahrtsficche fteht ] das guadenreiche

Bildnis prangt M (zuerft.)

. Wo feiner eil’gen Kron noch nicht beraubt V.

24. Erdenfreuden ] ird'ſche Freuden M (zuerft.)

25. . Will ich Schnell zum Werk geftalten M (zuerft.)

. all mein ] alles M (zuerft.)

. Und meinen Sram mit ihren Wellen einen M (zuerft.) . frommen ] ewig feufhen M (zuerft.)

. Können ] Sollen M (zuerft) Sie fünnen V.

Will ] fehlt V.

biefer ] ihrer M (zuerft.)

. beiden ] fehlt bei V; all meinen ] den M (zuerft.)

An Gutenftein. Zuerft abgedrudt in Nr. 201 der Theaterzeitung vom 7. October 1833. Bon dem Separat- abdrude Liegt mir der Eorrecturbogen vor. Vogl IV. Seite 299-303.

. Selbft machtlos bebt ] num felbft erbebt (Correctur.)

An den Hoffhanfpieler Ludwig Löwe M Manı- jeript. V: Vogl IV. Seite 307—308,

. alles Schöne Edle ] feines Schickſals Auftrag V.

Zn das FGremdenbuh des Thalhofes zu Reihenan.

Mitgetheilt von Auguft Schmidt in ber Thalia 1846. An Schillers Nachruhm. Manufeript Raimund’s mit dem Imprimatur ber k. E. Cenfurbofftele vom 10. Juli 1838.

529

Seite. Zeile.

341. An Herrn Gerftel. Bogl IV. ©, 306307.

An... Bogl IV, Seite 306.

342. Fragment. Manuſeript bisher ungedrudt.

343. Monolog: Eine Bariante zum Monolog Rappelfopfs

im Alpenfönig und Menfchenfeind. Zuerft abgedrudt in Nr. 131 der allgemeinen Theaterzeitung vom Jahre 1828.

314. Ob man mid anders als einjam fieht. „Der Salon.” Wochenfchrift, herausgegeben von Johannes Nordmann. März 1834.

346. Gruß und Abſchied. Theaterzeitung 1855, Nr. 37. Stammbudblatt. Manufeript bisher ungedrudt. Aphorismen.

347. 13. Auf einem Kleinen Zettel auch folgende Faſſung: „Frag’ nie, warum Du Dich erfreueft. Die Freude ift ein Dieb, der Stunden ftiehlt; rufft Du: Wer da, entflieht fie ſchnell. Raimund.“ Auf der Außenfeite: „Leihen Sie mir 10 fl. und vergefien Sie mid.“

U. Pläne. |

349. Plan zum Mädchen aus der Feenwelt. All« gemeine Theaterzeitung 1826, Nr. 145, ©. 5%W-—592. Manufeript (3 Blätter), nad) welchem der Abdrud der Theaterzeitung von Seite 357, Zeile 7, in unjerer Ausgabe gebefjert wurde.

361. Programm zu dem Zauberfpiel Moifafurs Zauberflud. Manufeript (bisher ungedrudt.)

366- Plan zum Alpenfünig. Manufeript.

UI. Repetitionsftirophen.

370. Aſchenlieder 1. Manufeript.

371. 3-4. Wer nichts verlieren kann

Iſt ſtets der frei’fte Mann M (zuerft.)

Raimund, Dram. Werte. IIT. 34

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Seite. Zeile. 371. 14-17. Da denkt der Aſchenmann, Staunt er dies Prachtwert an, Wenns PBublicum nur nicht Bei deinem Anblick fpricht M (zuerft.) 372. Aſchenlieder 2. Manufcript. 374. Aſchenlieder 3. Manuſeript. 375. Aſchenlieder 4. Vogl IV. S. 330 332. 376. Aſchenlieder 5. Manuſcript. 377. 13. ſicher ] ruhig M (zuerft.) 378, Aſchenlieder 6 M Manufeript Vogl IV. ©, 337. Hieher gehören 2 Varianten ber Iehten Strophe. 379. 10u.f. Auf meiner Wanderichaft Lernt’ ich des Handels Kraft, Und Handle nun fogar Mit unfihtbarer War Die Butten bier ganz voll 2c, zc.

Es ift der Aſchenmann Nicht gar fo Ihlimm daran Sein Herz fchlägt lebenswarm Auch ift er nicht jo arm Sein Handel nährt ihn wohl Die Butten hier ganz voll zc. 19. Aſchenlieder 7. M: Manufcript zuerft abgedrudt im Wiener Gejellichafter von Schuhmadjer 1833. 2. Heft. Bogl IV. Seite 337. 24. e8 denn ] denn das M (zuerft.) 27. Ah 's ift ] G'wiſs iſt's M. (geftr.) 380. 3. Und dentt: Wem ] Ein Mann, dem M (zuerft.) 11. Da ] Schnell M (zuerft.) 19. plötzlich ] endlih M (zuerft.) 21. holde ] theure M (zuerft.) 24. Erfajst ] Ergreift M (zuerft.) 381. Aſchenlieder 8. Manufeript. Theaterzeitung Nr. 32 vom Sabre 1833. 26. Jahrgang. Vogl IV. &. 336. 382. Aſchenlieder 9. Vogl IV. &. 335.

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Seite. Zeile. 383. Aſchenlieder 10. Manuicript. 18. darum ] deswegen M (zuerft.) | 384.1-2. Dan glaubt, 'skönnt gar nicht fein Am End fteht man allein. M (zuerft.) 7. Entſetzlich ] Kuriofe M (zuerft.) 16. Und ] doch. | Aſchenlieder 11. Manufeript und Vogl IV.©.334 385. Aſchenlieder 12. Manufeript und Vogl IV. ©. 328. 24-27. Das alte Jahr ift todt, Das neue fommt in d’Mod; Bol Stolz tritt e8 hervor, Man öffnet ihm das Thor. M (ziterft.) 386. 19. Schenft ] Gäb M (zuerft.) 22. Dann wär die Welt vereint M (zuerft.) 24-25. Doch er ift ganz befreit, Ihn Schütt jein Bettlerfleid M (zuerft.) 387. 4. Repetition des Schlufsliedes. Manuſeript mit dem Imprimatur der k. k. Cenfurhofftelle vom 13. Dec. 1832. 388. Lieder des Harfeniften 1. Vogl IV. ©. 325 ff. 388. Lieder des Harfeniften 2. Theatermanufeript und Bogl IV. ©. 326. 393. Nachtigalls Lied (Theatermanujcript.) 395. RepetitionsſtrophezumLieddes Simplicius. Originalmanuſeript der unheilbringenden Krone und Bogl IV. ©. 329 f. 396.7-8. Und jchenft mir wer a Million, Sch wär’ im Stand und nehmet’ ſ' an. M (andere Lesart.) 9. Zagdlied. Manufcript und Vogl IV. ©. 340 ff. 16. Einer ] wer M (geftr.) 397, 1. Und mid freut ] Mid) erfreut M. 3. Zifchlerlied. Manufeript und Vogl IV. 9. So ſchwindet ] So flieht mi) M (andere Lesart.) 12. Tiſchlerlied 2. Manufeript und Bogl IV. ©. 341. 20. Tifchlerlied 3. Manufcript mit Bleiſtift gejchrieben. 34*

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Seite. Zeile.

398.

399.

Auf der zweiten Hälfte des Blattes nachftehendes Bruch- ftüd einer Anrede. „Sie haben heute fo viel Gunft an mich verjchwenbet, daſs ich mich glüdtich ſchätze, Ihr danfbarfter Diener zu fein. Denn, wer würde nicht gerne einer jo gütigen Herrſchaft dienen, die unbedeutende Dienfte fo überreich belohnt.“

Tifchlerlied 4. Manufeript und Bogl IV. ©. 32.

IV. Einlagen in fremde Stücke.

Raimund hatte bereits während feiner fchaufpielerifchen Thätigfeit im Sofefftädter- Theater (1814— 1817) wieder- holt Einlagen in die dafelbft aufgeführten Stüde ge— fchrieben, von welchen jedoch Feine erhalten if. Im Sabre 1817 wurde er als bereits beliebter Komiker für das Leopoldftäbter-Theater engagiert, für welches Damals die Pofjendichter Gleich, Meist und Bäuerle zugfräftige Stüde fehrieben. Seine erfte Arbeit als dramatijcher Dichter an diefer Bühne mar die Berfaffung eines dritten Actes zn der Kramer’ichen Bofje: „Die Schredens- naht im Henftadl;” eine Parodie der „Schredensnadt im Schlojse Paluzzi,“ welche am 21. November 1818 zur erften Aufführung gelangte, jedoch miſsfiel. Das Manuſeript fonnte im Archiv des Carltheaters nicht auf- gefunden werden. In den feit 1820 häufig aufgeführten Duodlibets hat Raimund viele Scenen theils neu geſchrie⸗ ben, theils tertlich geändert; auch diefe Anfänge feiner dichteriichen Productivität find uns verloren. Erhalten find außer ein paar Liedern: Eine Scene aus dem traveftierten Hamlet von Perinet, zwei Scenen aus Bäuerles Zauber- ipiel: „Der verwunjchene Prinz“ und die Überarbeitung der Meispichen Pofle: „Das Gefpenft auf ber Baſtei.“ Außerdem ift Raimund’8 Hand in vielen noch erhaltenen Souffleurbücdhern jener Stüde fihtbar, welche in ber Periode 1820—1830 im Leopoldftädter- Theater zur Dar-

Geite. Zeile.

399.

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ftellung gelangten. Sie |prechen für den regen Pflicht- eifer, den Raimund als Regifjeur diefer Bühne bethätigte und beweiſen auch fein Streben, die Zote aus dem Bolksftüde zu bannen. Er mar in diefer Hinficht ftrenger als die Sedlnitzky'ſche Cenſur.

A) Das Geſpenſt auf der Baftei, Manufeript Meist’8 mit der Erledigung der Bolizei- hofitelle vom 20. Februar 1819: „Die Aufführung wird om. dd. cor. cor. mit der Bemerkung geftattet, dafs der Herr Probe-Infpections-Commtifjär die darin allen- falls noch vorfommenden Anftößigfeiten zu befeitigen habe,” In diefem Manufcripte finden ſich bereits einige Änderungen von Raimunds Hand, weldhe von ihm in der fpäteren für München unternommenen Überarbei- tung (M) ebenfalle Aufnahme gefunden haben. Den Schauplag hat Raimund in den engliſchen Garten ver- legt, weshalb auch das Stüd „Das Gejpenft im eng- liſchen Garten“ betitelt wurde. Raimunds Manuſeript ift nicht vollftändig und enthält nur die im Terte ab- gedrucdten Scenen. Zur Vervollftändigung mufste aud) Meisl benütt werden. Die betreffenden Stellen find mit Petitichrift angegeben, die fcenifhen Anordnungen in Nonpareille. Zum beſſeren BVerftändniffe diefer Einlage theilen wir in Kürze die Fabel diefes Stüdes und bie Beranlafjung desfelben mit.

Als Meist diefe Poſſe jchrieb, war der Kentralpunft des gefellichaftlichen Lebens in Wien auf dem Stabtwall, den die Wiener allgemein Baſtei bezeichneten.

Auf der Baftei, auf der Baſtei

Sieht man fo mandherlei Hang ber Refrain eines fehr populären Liedes. Der Stoff für ein Localftüd lag aljo jehr nahe und Meist bat denjelben mit glüdliher Hand zu einer luftigen Poſſe geftaltet. Die Titelrolle von Raimund dar- geftellt, bürgte für den Erfolg des zum erftenmale am

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Seite. Zeile.

20. October 1819 aufgeführten Stüdes. In Form und Inhalt ſchließt fich dasfelbe den übrigen im zweiten Decennium aufgeführten Geifterlomöbien an, ift aber eine der gelungenften Parodien der Schidjaltragödien. Das Gefpenft, ein gemüthlicher didbäuchiger von rheuma= tifhen Schmerzen geplagter Philifter, wandelt in ben hellen Nachmittagsftunden auf der belebten Baftei, be= lauft dort Xiebespaare, Fritifiert die Gejpräche der Paffanten, wird jogar von der Polizei für einen ent- jprungenen Langfinger gehalten und trot der Vorweiſung jeines Geifterpafjes in den Arreft geführt.

Beim bereinbrechenden Abend zündet das Geipenft den Mond an, weil Mondſchein im Kalender fteht, geht hierauf ins Kaffeehaus Zeitung lefen und jchließlich ins Theater, um zu fehen, ob nicht juft eine Geifterfomödie gefpielt wird. Diejer Geift ift der „Urähn'l“ Heinrich Unglüd’e, eines ftets in Geldverlegenheit ſchwebenden jungen Mannes, deffen Geliebte Marie, die Tochter des alten Rentiers Stern, nah dem Wunſche ihres Vaters einen alten Wucherer ehelichen fol. Mit Hilfe des Ge- ipenftes erhält Heinrich jchlieklid) die Hand Mariens und erlöst hiedurch zugleich jeinen Urähn'l, der ver- dammt war, fo lange auf der Baſtei zu wandeln, bie der letzte Sproffe aus dem Hanje Unglüd eine Stern heiratet und dadurch die. Familie Unglüdsftern, deren Untergang Tobias Unglüd „der bürgerl. Geift „ın der

Mölkerbaſtei“ verjchuldet Hatte, wieder hHergeftellt fei. Noch vor der Erlöjung beihmwört Heinrich feinen Ur- großvater wiederholt zur Rettung aus finanziellen Röthen, wobei er fich ftetS einer Ratſche bedient, worauf der Geift einmal fogar im Sclafrod und mit der Zipfelmüge erfcheint und aus einer weißen Brieftafche Geld gibt. Noch Mitte der Vierziger-Jahre wurde dieſe Pofle im Leopoldftädter- Theater wiederholt aufgeführt. Nach Rai- mund hat Johann Baptift Lang die Holle des Geifte® von Heinrichs Urgroßvater dargeftellt.

555

Seite, Zeile.

402. 9.

als wenn's nicht auf d’ Eiszapfen warten könnt (m).

404, 10-14. Drum fag ic) Halt immer

416. B)

419-421.

Und weiß, ich hab Ned,

In München, in Minden

Zebt man gar nicht ſchlecht (andere Lesart).

Hamlet, Prinz von TZandelmarft. Erfte Auf-

führung im Leopoldftädter-Theater am 5. November 1807. Die Muſik jchrieb Ignaz Schufter. Hamlet war eine Lieblingsrofle Raimund’s, die er aud) in Duodlibets und einigemale auch im Sperl bei Wohlthätigkeitsafademien darftellte. Ein bei Geiftinger erjchienenes Bild Raimuud's in diefer Rolle befindet fi) aud) in dem Nachlaſs. C&D) Trotz aller Forſchung ift e8 den Herausgebern nit gelungen, die Stüde, für welche diefe Einlagen gefchrieben wurden, beftimmen zu können. Älteren Theaterfundigen: dem SKapellmeifter Adolf Müller, dem Schaufpieler Johann Jungwirth 2c. find dieſe Lieder

- unbefannt.

42. E)

Der verwunſchene Prinz. Im alten Leopoldftädter- theater 77mal aufgeführt. Mufif von Wenzel Müller. Ein Prinz, der im feiner Jugend viele Mädchen ver- führte, wird deshalb von einer Fee in ein wildes Thier verwandelt. In diefer Geftalt muſs er folange umberwandeln,: bis fih ein jchönes Mädchen findet, das ihn troß feines abfcheufichen Äußern liebt und heiraten will. Schon viele Mädchen haben den Berfud) gewagt, den Prinzen vom Banne zu erlöfen, aber feine fonnte fich entichließen, dem Ungeheuer Herz und Hand zu bieten. Das traurige Los des „Verwunſchenen“ er- fährt auch Sandelholz, ein abgewirtichafteter Fächer- mader in Wien und Bater dreier, ſchon manchen Faſching fitengebliebener Töchter. Seine prefäre Lage reift in ihm den Entihlujs, mit feinen 3 Töchtern (Zemire, Tiefe und Fanny) den Bringen aufzufuchen, um wenigftens eines der Mädchen an den Mann zu

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Seite. Zeile.

424. 25.

428.

“ingen. Nach mancherlei Abenteuern gelingt es endlich Smiren ihre Abſcheu vor dem Prinzen zu bewältigen und ihn zu lieben. Der Prinz erhält feine vorige Geftalt wieder und heiratet Zemiren. Zum Schluſse finden fih auch für die Schweftern Männer und felbft Sandel- holz muſs auf Befehl des Prinzen eine Gattin wählen;

er bittet, „eine Alte” nehmen zu dürfen, weil er „ohnehin

einen Dienftboten“ braucht. Bei Bäuerle lautet diefe Scene ;

Ich Heiraten? Ah, ich möcht ja nicht. Heiraten, ja das konnt' ich alle Tag; ich hab’ weiter feine Revolu⸗ tion unter den Madeln ang’fangt auf mich haben’s weiter feine fchlechten Abfichten g’habt; aber ich war aud) eine Schönheit, ui! Das war ein Spektakel, wie fchön id) war. Wenn ich auf der Gaſſe g’gangen bin, find mir die Buben nachgelaufen, jo jchön war ih. Wegen meiner! wenn ich lieber meine Mädeln an- brächt; es will halt feiner anbeifen, aber ich weiß ſchon warum? Sie fangen halt ſchon an zum alteln. Wann ein Frauenzimmer einmal über die zwanzig geht, fallt fchon der Cours pfundweis, über die dreißig ver- lieren fie ſchon fünfzig Procent und fommt’s auf bie vierzig da wird die Börſ' gar zug’fperrt.

V. Theaterreden.

Das Annoncieren nach jeder Vorſtellung vertrat in Wien urſprünglich den Theaterzettel. Zur Zeit der Haupt⸗ und Staatsactionen beſorgte dieſes Amt die luſtige Per⸗ fon, der Hannswurſt.

Die Ansprache begann ftet8 mit den Worten: „Morgen werden wir die Ehre haben aufzuführen,“ worauf Titel und Inhalt des am künftigen Tage aufzuführenden Stüdes und das Perjonen-Verzeihnis befanntgegeben

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Seite.

wurde. Der Schlufs enthielt ftets das Verſprechen, das verehrungswürdige Publicum durch „Inftigen Humor” angenehm zu überrajchen.

Ungezwungenheit und fernige Ausdrudmeife herrſcht in den meiften der uns noch erhaltenen Anreden, welche die Schaufpieler der Leopoldftädter Bühne an das Publicum zu richten pflegten. Sie hatten nicht wenig beigetragen den familiären Contact zwifchen Bühne und Zujeherraum zu erhalten und zu fördern. Noch bis zum October 1832 wurde, troß der gedrudten Affichen, von den Hauptdarftellern, das für den nädhften Abend be- ſtimmte Stüd in ver altherkömmlichen Form angekündigt und bei Benefice-Einladungen die Verdienfte der Collegen dem Publicum befonder® ans Herz gelegt. So ſprachen: Ignaz Scufter, Friedrich Korntheuer und auch Fer- dinand Raimund, deffen Anſprachen der Schaufpieler Kemeter gejammelt hat. Wahrhaft poetifchen Wertes find nur die Epiloge zu des Dichters Zaubermärdjen; die übrigen Theaterreden bilden einen intereffanten Beitrag zur Geſchichte des Leopoldftädter Theaters und find infoferne von Bedeutung, al8 fie uns den Schau- jpieler Raimund näher führen.

VI Briefe.

ATT. 1. Aufforderung. O (Original) bisher ungebrudt.

ATS. 2. Nothgedrungene Erflärung. Sammler 1824, Nr. 22.

480-506. 3-17. An Antonie Wagner. O. im Befite der

Herausgeber.

507. 18. An Frau Thereje Wagner. (Tonis Mutter.) O. im Befite des Heren Fried. Pernett.

509. 19. An Frl. Thereſe Iſenflamm. O. im Befite des Herrn Benj. Schier.

Geite. 512.

514. 515.

517. 518. 519.

520.

622-525.

20.

26.

27.

538

Anden Schauſpieler Lang. Zuerſt gedruckt bei Vogl IV. S. 322—324.

. An einen Schauſpieler in München. Concept. ‚An Frau Anna Gunz in Paris. O. im Beſitze

des Herrn Benj. Schier.

. Anden Muſikalienhändler Ferd. Hekel in

Mannheim. O. im Befſitze des Vorbenannten.

. An einen polnifhen Schaufpieler. O. bisher

ungedrudt.

. An den Regifjeur Pauly. O. im Beſitze des

Herrn Beni. Schier.

An Eaftelli. O. in der Handfchriftenfammlung ber k. k. Hofbibliothef.

An ein Theatercomité. O. in der Handſchriften⸗ ſammlung der k. k. Hofbibliothek.

VII. Selbſtbiographie.

Zuerſt gedruckt in Nr. 186 der Allg. Theaterzeitung vom 15. September 1836, mit einer Vorbemerkung von F. C. Weidmann.

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