\ "| \ )A Ä Ar‘ ANYANENCONTY IN Il 1538888 7 u oO INN 3 1761 0 UNIVERSITY IN UNTO IhRT nn nn LIBRARY FACULTY OF FORESTRY UNIVERSITY OF TORONTO Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from University of Toronto http://www.archive.org/details/studienberdieg0Owapp Studien über die Grundbegriffe und die Systematik der Forstwissenschaft. Von Dr. Lorenz Wappes, Königl. Bayer. Regierungs- und Forstrat. ® BERLIN. / VERLAGSBUCHHANDLUNG PAUL PAREY. Alle Rechte — auch das der Übersetzung — vorbehalten, a Se Be ] n Del ’ ut Mau. , ING nn N ee ee NEE Die Entstehung der Arbeit; — Die Ziele; — Notwendigkeit theoretischer Untersuchung; Zusammenhang des Fortschritts von Technik und Wirtschaft mit der wissenschaftlichen Er- kenntnis. . Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. ...... 2.2... RÄDER BE;. . in wi er Die Begriffsbildung als Ziel wissenschaftlicher Erkenntnis und Ausgang der Ausscheidung der Wissenschaften. — Forst- wissenschaft als Untersuchung von Beziehungen zwischen Wald und menschlichem Leben. DE RR RED SEE SBE THESEN LENR 20 ORTE REIN ED TERR 1. Das Objekt der Forstwissenschaft, die Forstwirtschaft. — Definition von Wald. — Abgrenzung des Begriffs Posskwicischufk: i% 20.21 20:02 N RAR re A. Die Entstehung und die formalen Eigenschaften des _ wirtschaftlichen Unternehmens. — Ich, Wille, Tat. B. Die Lebenstätigkeit des wirtschaftlichen Unter- nehmens. — Technik, Ökonomik, Wirtschaft, 2. Das Prinzip der Forstwissenschaft. . .... “22.0. Abscheidung der Forstwissenschaft von der technischen Wissenschaft und der Nationalökonomie. 3. Die Methoden der Forstwissenschaft — Methode des Vor- gehens — Tiefe der Erkenntnis — Verfahren, Methode, BE 30) ET a ke ai a 4. Kritik der bisherigen Auffassungen (Fachlehre, Fach- wissenschaft). — Hundeshagen. — L. v. Stein .... . Il. Das organische System der forstlichen Disziplinen .. .... . wuelegunE - 2 Ar N A ER Das Prinzip der’l'eilung der Wissenschaft nach Forschungs- gebieten. — Beispiel. 1 * 13 13 21 21 29 sl 38 42 42 4 Inhalt. Seite b) Ausführung. Die einzelnen Gebiete forstwissen- schaftliceher Forschung... „ir... 2 kN een 46 1. Das erste Gebiet (geographische und systemisierende Morsehune) ‘u. lu lan sa AR a La Me ee A 46 2. Das zweite Gebiet (morphologische und anatomische Borschung) „un. u a a ln ee 48 3. Das dritte Gebiet (physiologische und biologische Korschung) . nn... 2 0 we en ee 49 A. Die Physiologie der Wirtschaft .......... 49 I. Die Mechanik der Wirtschaft (formale Gliederung) 50 1. Ordnung und Leitung .. ... ... » ers Sl DIWOUEDE\ 2: N ee een nl ol a) Die allgemeinen Arbeiten. ........ Sl b) Die eigentlichen Betriebsarbeiten ... . . 52 II. Die Dynamik der Wirtschaft (Wertbewegung) . . 92 B.:Die Biologie der Wirtschaft, ...... =... «Israun te ac 53 c) Würdigung des Hundeshagenschen Systems... 58 Ill. Die Forstwirtschaft und der Staat (das Forstwesen). .... . . 58 MW Grundiesunp . ... 28 Henne nl De 58 Die Forstwirtschaft als Objekt und gestaltende Kraft des Staatslebens. — Systematischer Charakter der Forstpolitik. b) Die Forstverwaltung und die einzelnen Gebiete derstaafsverwaltung. . un... 20. vol ee 63 j. Forstwirtschaft und Staatswirtschaft . . .. .. 2... 6 2. Forstwirtschaft und Rechtspflege . . . .. 2...» 65 3. Die Forstwirtschaft und die innere Verwaltung . . . . 66 A. Allgemeine Gesichtspunkte. . ... 20... . 66 Die Verwaltung und der Wald. — Die Verwaltung und die Forstwirtschaft. — Förderung, Einschränkung. B.'Die Forstwirtschaftspohtik . . . . ..... nie nee 69 I. Die allgemeinen Maßregeln....... 2... 69 U. Forstwirtschaftspflege im engeren Sinn .... . 71 St 1 WR, REAL N a 73 Einleitung. Das nonum prematur in annum hat die vorliegende Arbeit reichlich eingehalten; denn es sind etwa 20 Jahre, daß ich sie begonnen habe, und 15 Jahre, daß sie beendigt, in der Hauptsache mit der heutigen Fassung, im Schreibtisch liegt. Zwei Gründe hielten mich von der Veröffentlichung ab: die Erkenntnis, daß es mir bei einzelnen Teilen nicht gelungen sei, zur vollen Klarheit durchzudringen, und ein Gefühl der Entmutigung, daß eine Vorarbeit, die den gleichen Stoff be- handelte und gewissermaßen als Einleitung dienen sollte!, auf so vollständige Gleichgültigkeit bei den verehrten Fach- genossen gestoßen war. „Die Keimruhe neuer Gedanken beträgt bei uns 20 Jahre“, sagte einmal Weise. Mir scheint, er hat recht, und so muß vielleicht auch die jetzige Arbeit noch einige Jahre warten, bis man erkennt, daß auch bei uns solche — ich möchte sagen „erkenntnistheoretische* — Untersuchungen notwendig und nützlich sind. Um diesen Keimungsprozeß aber doch etwas zu be- schleunigen, halte ich es für angemessen, an dieser Stelle dar- zulegen, aus welchen Erwägungen und mit welchen Zielen meine Studien entstanden sind und welche Bedeutung sie nach ı „Das Verhältnis der technischen Wissenschaften zu den Natur- wissenschaften.“ Forstlich - naturwissenschaftliche Zeitschrift 1893, Dezemberheft. 6 Einleitung. meiner Auffassung haben sollen und müssen. — Schadet nicht, wenn darüber das Vorwort etwas lang ausfällt. Zunächst also die Entstehung der Arbeit! Die erste Anregung dazu erhielt ich durch einen Zweifel über die Stellung der Forstästhetik im System der Forst- wissenschaft, darüber nämlich, ob die Forstästhetik wirklich, wie von Salisch in seiner damals gerade erschienenen Schrift es auffaßte, als eine Disziplin der Forstwissenschaft zu be- trachten sei!. Weiteren Einfluß auf dfe Richtung meines Denkens hatte das Studium des Handbuchs der Verwaltungs- lehre von Lorenz von Stein, auf dessen Werke ich in der Bibliothek der forstlichen Hochschule aufmerksam geworden war. Ich suchte mir klar zu werden über den Anschluß und die Stellung meines Faches in dem Gesamtorganismus des Staates und der Staatsverwaltung, deren Entstehung und Funktion von Stein in so geistvoller und großzügiger Weise behandelt ist, wie ich sonst noch nirgends gefunden habe. Nach meiner Ernennung zum Dozenten der Hochschule kam ich bei dem vielfachen Verkehr mit den Vertretern der natur- wissenschaftlichen und mathematischen Fächer nicht selten zu Gesprächen und Disputen über das Verhältnis der Forstwirt- schaft und Forstwissenschaft zu den Naturwissenschaften. Das Streben, das ganze Problem einmal durchzudenken und systema- tisch darzustellen, führte mich zu einem Referat über diesen Gegenstand in dem oben erwähnten Verein; den Hauptinhalt dieses Vortrags habe ich in dem bereits zitierten Artikel niedergelegt. An der Vollendung der Studien über das System der Forstwissenschaft hinderte mich mein 1893 erfolgter Rück- tritt in die forstliche Praxis und der damit verbundene Mangel 1 Ich kam zu dieser Frage durch ein im naturwissenschaftlichen Verein Aschaffenburg erstattetes Referat und habe sie dann in meiner aus diesem Vortrag herausgewachsenen literarischen Erstlingsschrift näher berührt. (Forstwissenschaftliches Zentralblatt 1897, S. 329 „Über die Asthetik des Waldes“.) Einleitung. 7 an Zeit sowie die Schwierigkeit der Beschaffung literarischer Hilfsmittel, aber auch, wie schon erwähnt, das Gefühl, daß sich niemand für diese Dinge interessiere. So kam ich jahrelang nicht über den Stand von 1893 hinaus, bis mich ein glücklicher Zufall mit Herrn Dr. Dorn, Privatdozent für Nationalökonomie an der technischen Hoch- schule zu München, bekannt machte und unser Gespräch auf die systematische Stellung der technischen Wissenschaften führte. Herr Dr. Dorn hat sich für meine Arbeit interessiert, in liebenswürdigster Weise die Probleme mit mir durch- gesprochen und mir die Kenntnis der neueren Literatur ver- mittelt, wofür ihm auch an dieser Stelle der herzlichste Dank ausgesprochen sei. Ich bin durch das neuerliche Ein- arbeiten in diese Richtung zu der Auffassung gekommen, daß meine damaligen Studien den Fachgenossen immer noch manches von Interesse bieten könnten und darum einer Veröffentlichung nicht unwert sind, daß es mir aber bei meiner dermaligen und auf absehbare Zeit bleibenden anderweitigen Beanspruchung nicht möglich sein werde, die mir selbst nötig erscheinende, jedoch nur auf Grund eingehender Literaturstudien durch- führbare Umarbeitung vorzunehmen. Und so komme ich dazu etwas zu geben, dessen Unvollkommenheit ich selbst vielleicht am meisten empfinde; aber ich gebe es in der Hoffnung, daß das Gute, was darin ist, seine Wirkung, wenn nicht gleich, so doch in einiger Zeit ausüben wird und daß um eben dieses Guten willen die vielen Mängel entschuldigt werden. Was ich mir als Ziel meiner Studien vorgesteckt hatte, habe ich oben schon angedeutet, und ich möchte nur mit einigen Sätzen darlegen, daß dieses Ziel auch heute noch erstrebenswert und die Erreichung desselben — das natürlich relativ gefaßt, wie alles Streben — notwendig ist, wenn wir überhaupt zu einer wissenschaftlichen Auffassung und Be- gründung unseres Faches und zu der damit verbundenen Wertschätzung und äußeren Förderung gelangen wollen. 8 Einleitung. Ich bin der Meinung, daß das, was wir heute Forstwissenschaft nennen, weder nach seinem Inhalt noch nach seiner systematischen Fassung auf diese Bezeichnung Anspruch machen kann. Den Beweis dafür zu erbringen ist eine der Aufgaben, die ich mir in der Arbeit selbst gesteckt habe. Für die Frage aber, ob es überhaupt nötig sei, für ein praktisches Fach derartige rein theoretische Untersuchungen vorzunehmen, kann ich die Beweisführung zum Muster nehmen, die L. v. Stein in der Vorrede zur zweiten Auflage seiner Verwaltungslehre in ähnlicher Situation für diese gibt, und namentlich sein Wort anführen, daß die Weihe des „Praktischen* und einzelnen doch zuletzt nur aus der Tiefe steigt, in der sich der reine Gedanke bewegt, und daß nur die Wissenschaft es vermag, unsere Staatsdiener über die Trivialität ihrer mühevollen Tagesarbeit zu erheben und in dem Bewußtsein, sie berufs- freudig und stark zu machen, „daß es in dem Leben des Staates, dem sie sich gewidmet, nichts Kleines gibt; daß sie aber, um diese ihre Mission zu erfüllen, die eine Hand zu dem ewigen Grundbegriffe unseres Daseins reichen und mit der anderen im Namen desselben mitten in der Täglichkeit und dem ewigen Wechsel das Recht des ewigen Fortschritts ver- treten und tragen müssen“. Und wenn Stein an anderer Stelle klagt, daß unsere heutige Jurisprudenz vollkommen unfähig sei, Männer des öffentlichen Lebens, deutsche Staatsmänner zu erzeugen, „nicht weil wir gelehrt, sondern weil wir auf einem verkehrten Punkte gelehrt sind“, so ist es wohl nicht allzu verwegen, wenn ich auch das auf unser Fach übertrage und behaupte, daß unser heutiger forstlicher Unterricht — diese Aufgabe im weiteren Sinne genommen, also einschließ- lich der Vorbildungsjahre bis zur Fachprüfung — nicht im- stande sei, dem angehenden Praktiker die Grundlage für eine großzügige und zielbewußte, wirtschaftlich - administrative Geschäftsführung zu geben. Und der innerste Grund für diese Einleitung. 9 Erscheinung ist, daß wir eben noch keine Fachwissenschaft haben, sondern bestenfalls eine mit anderwärts erholter Wissen- schaft umkleideteFachlehre. Gewißistin den Vorschriften für unsere Vorbildung zum Ausdruck gebracht, nach welchen Richtungen das Fachstudium zu erfolgen hat. Der junge Forst- mann muß die naturwissenschaftlich-mathematischen Disziplinen ebenso wie die finanz- und volkswirtschaftlichen hören und zugleich Einblick bekommen in die Rechts- und Staatswissen- schaften; ‚aber was fehlt ist nach meinem Dafürhalten das Wichtigste, die Aufklärung über den Zusammenhang dieser Richtungen, über das Prinzipielle ihrer Beziehung zum Fach. Die Fachwissenschaft ist nicht hinreichend systematisch durchgearbeitet, und darum geht ihr Prinzip nicht als gewaltige Dominante durch das Chaos der Grund- und Hilfswissenschaften; man lernt und wird gelehrt, und schließ- lich weiß man mit aller Gelehrsamkeit nichts anzufangen, sondern fängt draußen in der Praxis an, schön handwerksmäßig zu ı probieren, und wenn man die paar Griffe los hat, wirft man alle Wissenschaft über Bord — sie nutzt nichts „für die Praxis“ !. Und weil wir keine wissenschaftliche Praxis haben, kommen wir in der Wissenschaft selbst auch nicht vorwärts. Ich frage: Was wissen wir eigentlich von dem technischen Prozeß der Forstwirtschaft, wieweit sind unsere Verfahren und Methoden versuchsmäßig ausgeprobt und wissenschaftlich begründet? Um darüber klar zu werden, brauchen wir uns nur zu vergegenwärtigen, mit welcher Sicherheit und Exaktheit anderwärts in der Technik der Erfolg sich nicht nur voraus- sehen, sondern sogar vorausberechnen läßt, welch tiefen Ein- blick man in die Gesetze alles Geschehens und Entwickelns hat; ich nenne nur die chemische Industrie, die Maschinen- technik, auch den Feldbau, die Gärtnerei. Und wodurch ist man dort soweit gekommen? Durch ı Ähnliches klagt auch H. Mayr in seinem „Waldbau“, 10 Einleitung. die Theorie!! Dadurch, daß die Theorie aus der Empirie der Praxis die allgemeinen Gesetze gefunden und daß, gestützt auf zuverlässige Gesetze und die daraus gewonnenen Ab- leitungen, die Praxis neue Wege beschreiten, neue Methoden erdenken konnte, aus der dann wiederum die Theorie neue Gesetze fand und so fort. Was können wir all diesen Er- rungenschaften der modernen Technik gegenüberstellen ? Höchstens, daß wir für den sicheren Erfolg einer Fichten- pflanzung garantieren können — bis zum Stangenholzalter, wo sie der Schnee zusammenzudrücken pflegt. e Was wissen wir von der ökonomischen Seite unseres Betriebes? Wir wissen so wenig, daß wir nicht einmal über die Massen- geschweige denn über die Wertbildung eines ge- mischten Bestandes ins klare zu kommen vermögen, weil es zurzeit noch keine verlässige Methode für die Zuwachs- ermittlung solcher Bestände gibt — vom Umtrieb und schwierigeren Dingen gar nicht zu reden! ! Ich nehme hier nur Bezug auf einige Äußerungen: Vortrag, gehalten von Geheimrat Professor Klein-Göttingen bei der Jahresfeier des Deutschen Museums in München (Internationale Wochen- schrift vom 17. Oktober 1908): „Nichts ist erfreulicher für den Ver- treter der Wissenschaft, als eine der großen Arbeitsstätten zu durch- wandern, welche die chemische Industrie sich geschaffen. Den An- forderungen der immer fortschreitenden Praxis wird hier in der Weise begegnet, daß Hunderte gelehrter Chemiker nach den verschiedensten Richtungen hin mit rein theoretischen Untersuchungen beschäftigt werden.“ Vortrag von Öchelhäuser, gehalten bei der 50jährigen Feier des Vereins deutscher Ingenieure (Beil. zur Allg. Zeitung 1906, Nr. 133): „Für die heutige Arbeitsweise gilt allgemein und mit vollstem Rechte die steigende Durchdringung der Technik mit der Wissenschaft und wissenschaftlichen Methoden als eine der Hauptursachen ihrer Erfolge.“ Werner Sombart, Die deutsche Volkswirtschaft im neunzehnten Jahr- hundert, S8. 157: „War früher gearbeitet worden nach Regeln, so voll- zieht sich jetzt de Tätigkeit nach Gesetzen .... Die Technik tritt damit in eine bedingungslose Abhängigkeit von der theoretischen Natur- wissenschaft, deren Fortschritte allein noch über das Ausmaß ihrer eigenen Teistunpufäkigkeik entscheiden.“ Einleitung. 11 Was wissen wir ferner von der betriebsorganisa- torischen Seite der Forstwirtschaft, d.h. von deren Möglichkeiten in bezug auf Formen des Besitzes, Bildung und wirtschaftlichem Charakter des Unternehmens, Kapital- bewegung, Geschäftsformen der kaufmännisch-technischen Dis- position und Kontrolle? Lauter Dinge, über die wir uns mit dem einseitigen Blick auf die heimischen Verhältnisse, auf den Staatsbesitz und mit der Nachahmung der hierarchischen Einrichtungen des Staates hinweghelfen. Wie endlich soll die Gesetzgebung in ke und Steuerwesen sich fortschrittlich entwickeln, wenn ihrdasFach kein klares System und keine scharf bestimmten Grundbegriffe entwickelt hat? Gerade weil der forstliche Unterricht — vielleicht mit Ausnahme von Österreich — hauptsächlich Staatsbeamte er- zieht und der öffentliche Forstbesitz nach seiner Bedeutung und Leistung den anderen weit überwiegt, müssen wir darauf hinwirken, daß in Lehre und Wissenschaft die prin- zipiellen Gesichtspunkte, die Scheidung des privatwirtschaft- lichen und des administrativen Momentes auf das genaueste geklärt und das schärfste betont wird; gerade die notwendige Vielseitigkeit der Vorbildung verlangt als Korrelat, daß man sich darüber klar wird, was ist Fach-, was ist Grund- oder Hilfswissenschaft, in welchem Zusammenhang stehen die Richtungen, nach welchen die Ausbildung erfolgt. Wenn bei der Verwaltung des Forstwesens die mehrfach, besonders auch in Bayern so glücklich angebahnte Verbindung technisch-wirtschaftlicher mit administrativer Tätigkeit noch weitere Fortschritte macht, wenn — was wir ja wünschen müssen — der Forsttechniker noch mehr Träger der staat- lichen Gewalt werden und die Forstwirtschaft des Staates administrative Aufgaben in umfasseuder Weise erfüllen soll, dann muß derjenige, der so verschiedenartige Funktionen in sich vereinigen, bei seinen Handlungen die Resultante aus 12 Einleitung. so verschieden wirkenden Kräften ziehen soll, sich vor allem über das Wesen dieser Aufgaben und Kräfte klar sein. Daß man mit dem, was unsere Fachliteratur dermalen enthält, hier nicht zurecht kommt, wird sofort zum Bewußt- sein kommen, wenn man in dem letzten großen Werk, das zusammenfassend einen Überblick über das ganze Gebiet forst- lichen Wissens bieten will und wirklich bietet, das Lorey- Stötzersche Handbuch der Forstwissenschaft, nach Definitionen und systematischen Darstellungen sucht. Diese Seite ist fast ganz außer acht gelassen, es ist nicht einmal der Versuch gemacht, eine prinzipielle Abgrenzung des Stoffes zu geben oder die vorgenommene Abgrenzung desselben irgendwie zu begründen. Ähnlich ist es auch in den vorwiegend für Nationalökonomen und andere Nichtfachleute geschriebenen Artikeln „Forsten“ von Handwörterbüchern (Jentsch im Hand- buch der Wirtschaftskunde Deutschlands, 2 Bd. und in Elsters Wörterbuch der Volkswirtschaft 1 Bd., 1. Aufl., Endres im Handwörterbuch der Staatswissenschaften 2. Aufl., Bd. 3). Und so hoffe ich denn, daß meine Studien, so sehr sie noch der Vertiefung und Ergänzung bedürfen, dem einen oder anderen der älteren Fachgenossen Anregung zum Nachdenken geben, den jüngeren aber als — vielleicht etwas langweiliger, aber doch manchmal willkommener — Führer im Dickicht der Fach- und anderen Disziplinen dienen werden. I. Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. a) Grundlegung. Der Gedankengang, aus welchem im nachfolgenden Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft abgeleitet werden, ist kurz folgender: Eine Wissenschaft entsteht dann, wenn Erscheinungen realer oder idealer Natur nach ihrem kausalen Zusammenhang erforscht und begrifflich erfaßt werden !. Nicht die Gegenstände an und für sich können Ausgangs- punkt einer wissenschaftlichen Einteilung bzw. Ausscheidung sein, sondern die Begriffe, zu deren Bildung sie Anlaß geben’. Ein und derselbe Gegenstand kann deshalb Objekt mehrerer Wissenschaften werden, je nach dem Gesichtspunkt, von dem er betrachtet wird. Jede Wissenschaft charakterisiert sich einerseits durch ihr Objekt, andererseits durch den Gesichtspunkt, von dem aus sie ihr Objekt begrifflich erfaßt. ı „Die Wissenschaft als Bildungsgut ist die im Denken und Er- kennen sich vollziehende Besitzergreifung alles Seins und Lebens nach der allgemeinen Seite.“ (Ahrens in Holzendorffs Rechtsenzyklopädie S. 38.) 2 Wundt, System der Philosophie 1889, 1. Aufl., S. 26. Friedrich Gottl, „Zur sozialwissenschaftlichen Begriffsbildung“ im Archiv für Sozialwissenschaft Bd. 23, S. 403 ff. und Bd. 24, S. 265: Die Begriffs- bildung ist abhängig von dem Ziele der Erkenntnis. 14 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. Forstwirtschaft entsteht, wenn die in der Vegetations- form „Wald“ vorhandenen natürlichen Kräfte und Stoffe Gegenstand wirtschaftlicher Tätigkeit werden. Die Forstwissenschaft hat als Aufgabe die Er- forschung, als Inhalt die Erkenntnis des Wesens der Forstwirtschaft. Da die Forstwirtschaft, wie jede andere wirtschaftliche Tätigkeit, durch eine Beziehung des Menschen zum Stoff entsteht, sohin ein Teil des geistigen Lebens (im weiteren Sinne) ist, so ist die Forstwissenschaft den Geisteswissen- schaften! zuzurechnen, Es ist eines der größten Hindernisse für die Erfassung des Wesens unserer Wissenschaft, wenn bei der Definition derselben als Ausgangspunkt der Wald und nicht die Wald- 1 Geisteswissenschaften im weiteren Sinne dieses Wortes, als Gegensatz zu Naturwissenschaften; man gebraucht dafür auch die Bezeichnung „Kulturwissenschaften“ (vergl. Schönberg, Handbuch der Polit. Ökonomie, 1. Aufl., 1 Bd., S. 69), um die Bezeichnung Geistes- wissenschaften für die Erforschung rein geistiger Vorgänge (Philologie, Philosophie) zu reservieren. Üblich ist ferner der Ausdruck „Gesellschaftswissenschaften* — vergl. G. v. Mayr, Begriff und Gliederung der Staatswissenschaften, 3. Aufl., 8. 5: „Der Mensch kann naturwissenschaftliches Be- obachtungsobjekt sein, wenn er nach der Ausgestaltung seiner Zu- gehörigkeit zur Natur erforscht wird. Der Mensch kann aber auch geisteswissenschaftliches Beobachtungsobjekt sein, wenn er — im Gegen- satz zu dem Rest der ihn umgebenden Natur — in der Besonderheit der durch seine geistige EntwickInng bedingten Gestaltungen und Erscheinungen erfaßt wird.“ v. Mayr teilt die Gesellschaftswissenschaften folgendermaßen ein (2.2.0, 8.15): 1. Die allgemeinen Gesellschaftswissenschaften Statistik, Sozial- lehre und Soziologie. 3. Die Wissenschaft vom Wirtschaftsleben. 3. Die Wissenschaft vom Staat. 4. Die Rechtswissenschaft. (Daselbst auch ausführliche Literaturnachweise.) Grundlegung. 15 wirtschaft genommen wird. Schon Th. Hartig! hat sehr nachdrücklich auf diesen Fehler hingewiesen; trotzdem wurde er auch für die Folge in unserer Literatur nicht immer ver- mieden, und ich vermute, daß auch heute noch in diesem Punkte nicht überall völlige Klarheit herrscht. Der Wald an sich ist eine Naturerscheinung. Die wissen- schaftliche Erforschung seiner Eigenschaften nach dieser Richtung ist Gegenstand der Naturwissenschaften. Diese Be- trachtungsweise, darüber besteht wohl kein Zweifel, kann nicht auch Aufgabe der Forstwissenschaft sein, sonst müßte diese ja sich mit Botanik decken. Die von der Naturwissenschaft abweichende Beobachtungs- weise der Forstwissenschaft findet ihr Prinzip in den Be- ziehungen zwischen Wald und Mensch, also in geistigen Vorgängen °. Diese Verhältnisse glaube ich durch den im Vorwort er- wähnten Artikel hinreichend beleuchtet zu haben und wieder- hole aus demselben, da er dem Leser wohl nicht ohne weiteres‘ erreichbar sein wird, die grundlegenden Sätze, um so mehr, da sie auch für die übrige Darstellung manches in anderer Entwicklung geben und dadurch vielleicht verständlicher machen. „Das Wesen der Naturwissenschaft besteht darin, alle Er- scheinungen durch ihre Beobachtung und Messung auf eine ein- heitliche natürliche Kraft zurückzuführen und das Leben der ganzen Natur einheitlich nnd kausal aus dieser Kraft zu erklären. Die Natur ist das Objekt der Naturwissenschaft. ! System und Anleitung zum Studium der Forstwirtschaftslehre — Einleitung. 2 Eine analoge Darstellung für die Nationalökonomie mit weit ausführlicherer erkenntnistheoretischer Deduktion findet sich in der sehr scharfsinnigen, allerdings — wenigstens für Nichtfachleute — schwer faßbaren Abhandlung von Dr. Ottmar Spann in Heft 1 der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 1908 (Herausgeber Professor Bücher): „Der logische Aufbau der Nationalökonomie und ihr Verhältnis zur Psychologie und zu den Naturwissenschaften.“ 16 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. Nach den oben gegebenen Ausführungen ist die Wirtschaft ein Teil des geistigen Lebens; sie hat ihren Ausgangspunkt in der Per- sönlichkeit des Menschen, in den durch die Gedankenwelt bedingten Erscheinungen. Wird sie nun Objekt wissenschaftlicher Forschung, so sind also geistige Vorgänge, die Methoden und Verfahrungsweisen der technischen Arbeit, nicht die Naturkräfte selbst, welche durch die Arbeit überwunden oder ausgenützt werden sollen, Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung, und alle technischen Wissenschaften sind deshalb im Gegensatz zu den Naturwissenschaften Geistes- wissenschaften. Es ist also, um ein naheliegendes Beispiel zu nehmen, nicht der Wald Gegenstand der Forstwissenschaft, sondern die wirt- schaftliche Arbeit, welche den Wald zum Gegenstand hat, die Formen, unter welchen diese erfolgt, die Arten der Pflanzung, die Methoden der Hiebsführung, die Technik der Betriebsleitung und Ertragsregelung — kurz die Forstwirtschaft. Bei Vergleichung der Beziehungen von Natur zu Naturwissen- schaft und Technik zu technischer Wissenschaft ergibt sich deshalb als leitender Satz: Die Wirtschaft (d.h. Technik und Ökonomik) steht zu den technischen Wissenschaften in demselben Verhältnis wie die Natur zu den Naturwissenschaften. Dagegen steht die Natur zur Wirtschaft (und zwar zur Technik) in einer ganz anders gearteten Beziehung. Die Natur ist in ihren Erscheinungen und Kräften auch ein Faktor der menschlichen Tätigkeit und im besonderen der wirtschaftlichen Arbeit. Auch hier ist allerdings Bedingung die Erkenntnis, jedoch ist der Denk- prozeß nicht wie bei der wissenschaftlichen Betrachtungsweise darauf gerichtet, beobachtete Tatsachen auf höhere allgemeine Gesetze zurückzuführen, sondern darauf, Schlüsse zu ziehen, wie bei den ge- gebenen natürlichen Verhältnissen die technische Aktion am besten anzusetzen sei. Die technische Reflexion steht also im direkten Gegensatz zur wissenschaftlichen. Die Technik bzw. Wirtschaft be- ruht auf der Kombination der gegebenen Verhältnisse mit den zu Gebote stehenden Mitteln, die Naturwissenschaft auf einer begrif- lichen Erfassung, auf Sonderung und Zusammenfassung des Gleich- artigen. Der Forstwirt z. B. betrachtet den Wald von dem Stand- punkt, wie er die natürliche Wuchskraft der Bäume unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen (Geldmittel, Arbeits- kräfte, Absatz) am vorteilhaftesten ausnützen kann; die Natur- wissenschaft betrachtet den Wald an sich, nur als eine Er- scheinung der Pflanzenwelt, nach den Gesetzen des Wachstums, seines Einflusses auf Klima, Fauna und Flora usw. Grundlegung. 17 In welchem Verhältnis stehen nun die technischen Wissen- schaften zu den Naturwissenschaften? Die Antwort muß lauten: direkt in gar keinem, denn sie haben verschiedene Objekte als Gegenstand ihrer Forschung. Sie stehen jedoch dadurch indirekt in Beziehung, daß die Wirtschaft sich auf die Ergebnisse der Natur- wissenschaft stützt, die durch dieselbe gewonnenen Kenntnisse an- wendet. — Es ist klar, daß dies nur beim technischen Vorgang der Fall ist (während die Ökonomik der Wirtschaft hier außer Be- tracht bleibt). Denn dieser hat die Aufgabe, die Naturkräfte so zu leiten und zu benützen, daß der technische Zweck erreicht wird. Je genauer die Kenntnis des Wesens dieser Kräfte ist, desto leichter wird sich diese Arbeit gestalten, desto reicher die Auswahl der an- zuwendenden Mittel sein, desto sicherer der angestrebte Erfolg eintreten. Die Technik kann nun diese Grundlagen ihrer Arbeit in lediglich empirischer Weise ermitteln, oder sie kann die durch die Naturwissen- schaft errungenen Kenntnisse benützen bzw. mittels naturwissenschaft- lieber Methoden in systematischer Weise die für den Vorgang wichtigen Verhältnisse erforschen; sie kann ferner ihre Arbeit ohne Kenntnis der hierbei stattfindenden natürlichen Vorgänge auf Grund einfacher Beobachtung oder Erfahrung durchführen oder in genau berechneter Weise und im Bewußtsein des Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung die technische Aktion ins Werk setzen; im einen Fall werden wir ihre Tätigkeit eine empirische, im andern Fall eine wissenschaftliche, d. h. mit wissenschaftlichen Hilfs- mitteln technisch arbeitende, nennen. Wisssenschaft wird jedoch dadurch die Technik nicht, denn beide sind ja zwei völlig verschiedene Gebiete des menschlichen Lebens, die eine in ihrem Denkprozeß einen realen Zweck, die Er- reichung des technischen Effektes verfolgend, die andere das Wissen um seiner selbst willen erstrebend, die eine beschränkt auf die für einen bestimmten Zweck nötigen Momente, die andere alles um- fassend, die begriffliche Erfassung der Erscheinungen nach ihrer all- gemeinen Seite. Nicht die Methode oder die Summe von Scharfsinn, welche bei einer Operation des Verstandes aufgewandt wird, bedingt den Charakter ob wissenschaitlich oder technisch, sondern nur der Zweck, zu dem die Operation unternommen wurde. „Der Zweck der Wissenschaft ist, unseren Wissensdrang zu befriedigen, der Zweck der Kunst (im weiteren Sinne des Wortes = Können) ist: dıejenigen Gegenstände herzustellen oder denjenigen Zustand herbeizuführen, die oder den wir wünschen.“ ! ı Kleinwächter, Die Nationalökonomie als Wissenschaft und ihre Stellung zu den übrigen Disziplinen, S. 14. Wappes, Studien. 2 18 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. Das Verwirrende bei der ganzen Frage ist von den Zweigen der Kunstausübung ausgegangen, welche ihre Technik hoch ent- wickelten und deren Vertreter zum Rüstzeug der Naturwissenschaften griffen, um ihrer Technik eine genügende Grundlage zu verschaffen; ist ja doch die Wissenschaft ursprünglich überall nur entstanden und ausgebildet worden, um einen technischen Zweck in vollkommenerer Weise als bisher zu erreichen. Die Astronomie wurde ausgebildet, um die Orts- und Zeitbestimmung genauer durchführen zu können, die erste Anregung zur Botanik gab der Landbau, zur Chemie und Zoologie die Heilkunde, und heute noch ist es schwer, die Grenz- linie zu ziehen, wo z. B. die zoologische Forschung aufhört und die medizinische beginnt. Auf allen Gebieten arbeiten die Techniker an dem Aufbau der Naturwissenschaften mit, indem sie neue Tatsachen finden und so der einen Richtung wissenschaftlicher Forschung, der sog. empirischen, Bausteine liefern. Hier arbeitet eben der Techniker als wissenschaftlicher Forscher; denn die positive Erkenntnis, die er bei Ausübung eines technischen Zieles erringt, gehört deshalb noch nicht zu der betreffenden techni- schen Wissenschaft, weil sie ein Techniker gefunden hat, sondern über die Zugehörigkeit entscheidet der Inhalt des Gefundenen. Die vorstehenden allgemeinen Darlegungen ergeben in der An- wendung auf die Forstwissenschaft nachstehende Sätze: A. Wald und Forstwirtschaft. Der Wald als Produktivmittel ist Objekt wirtschaftlicher Tätig- keit — der Forstwirtschaft. B. Wald und Naturwissenschaft. Der Wald als Naturerscheinung ist Objekt der wissenschaftlichen Forschung — der Naturwissenschaften. Als pflanzliche Erscheinung ist er Gegenstand botanischer, als Faktor des Tierlebens Gegenstand zoologischer Forschung, als Faktor atmosphärischer Vorgänge Gegen- stand der Meteorologie usw. C. Die Forstwirtschaft als Objekt der Wissenschaft. Die Forstwirtschaft hat als wirtschaftliche Erscheinung wie jede Äußerung menschlichen Lebens eine rechtliche, soziale und staatliche Seite; als wirtschaftliche Tätigkeit ist sie eine Kunst- ausübung und hat als solche eine technische und eine ökonomische Seite. 1. Die Betrachtung der rechtlichen, sozialen, staatlichen (ad- ministrativen) Seite der Forstwirtschaft ist Inhalt der betreffenden Wissenschaften. Grundlegung. 19 2. Die Forstwissenschaft entsteht durch die wissenschaftliche Betrachtung der Forstwirtschaft als wirtschaftlicher Organismus. Aufgabe ihrer Forschung ist; 1. die wirtschaftlichen Formen, welche sich im Laufe der Zeit gebildet haben, in ihrer Gestaltung und ge- schichtlichen Entwicklung zu verfolgen; 2. die Systeme, Methoden und Verfahren des Vorgehens, durch welche die verschiedenen forst- wirtschaftlichen Unternehmungen unter den verschiedenen natürlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ihr wirtschaftliches Ziel erstreben, zu erforschen und auf ihre Grundgesetze zurückzuführen. — Gegen- stand ihrer Forschung ist nieht: 1. die Kausalität der natürlichen Vorgänge, welche bei der Technik zur Verwendung kommen, z. B. die Gesetze des Baumwachstums, die Bodenzersetzung, der durch den Wald bedingten klimatischen Vorgänge usw.; 2. die Theorie der in der Wirtschaft angewandten technischen und ökonomischen Hilfsmittel (Maschinen, Geräte, Wegbautechnik); 3. die Gesetze des Wertes, der Preisbewegung der Waldprodukte; 4. Die Rechts- und administrativen Verhältnisse der Forstwirtschaft. 3. Die Zurückführung der von der Forsttechnik angewandten Methoden auf allgemeine technische Gesetze (Funktion, Aktion, Sicherung, Präzision usw.; vergl. die oben angeführte Schrift von E. Herrmann) ist Gegenstand der allgemeinen Wissenschaft der Technik, die Zurückführung der ökonomischen Prozesse der Forstwirtschaft auf die allgemeinen wirtschaftlichen Gesetze von Gut, Wert, Preis usw. ist Gegenstand der politischen Ökonomie. D. Forstwirtschaft und Naturwissenschaft!, Die Forstwirtschaft benützt die Ergebnisse der Naturwissen- schaft (Botanik, Zoologie, Chemie, Meteorologie usw.), um die Natur des Waldes besser erkennen und auf diese Erkenntnis bessere Me- thoden technischen Vorgehens gründen zu können. E. Forstwissenschaft und Naturwissenschaft. Indem die Forsttechnik alle Momente in den Kreis ihrer Forschung zieht, welche auf die Entwicklung der Forstwirtschaft Einfluß hatten oder haben, ist auch die Naturwissenschaft, jedoch nur indirekt, Gegenstand ihrer Betrachtung, indem die Wirkung ihrer Erkenntnisse und Ergebnisse auf den Fortschritt der Forsttechnik und damit der Forstwirtschaft untersucht werden.“ Wenn wir nun die Forstwissenschaft als Geisteswissen- schaft auffassen, so entsteht zunächst die Frage: Welche Be- ı Die Beziehungen zwischen Technik und grundlegenden Natur- wissenschaften sind sehr gut behandelt von Geheimrat Riedler, in einer Rektoratsrede (Intern. Wochenschrift vom 29. Juni 1907). 23 20 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. ziehung zwischen Wald und menschlichem Leben ist Gegenstand ihrer begrifflichen Bearbeitung? Der Wald steht in mannigfacher Beziehung zum mensch- lichen Leben. Er ist ein Faktor für fast alle Hauptgebiete desselben; er ist durch seine hygienische Wirkung ein Faktor des physischen Lebens, seine Erscheinung wirkt durch ihre Schönheit auf den seelischen Zustand, bereitet ästhetischen Genuß, geistige Erfrischung und wirkt sittlich erhebend (sogar im religiösen Leben hat der Wald — gerade bei den Deutschen am meisten — eine Rolle gespielt); seine Hauptfunktion liegt jedoch auf wirtschaftlichem Gebiete: im Hervorbringen von Stoffen, welche der Befriedigung von Bedürfnissen dienen. Indem er so ein Faktor des gesamten Kulturlebens ist, wird er auch zu einem Faktor des Staatslebens und dadurch direkt oder indirekt Objekt der verwaltenden Tätigkeit des Staates. Es ist nun weiter kein Zweifel, daß die Beziehungen des Waldes zum physischen Leben Gegenstand der Heilkunde, die zum geistigen (Seelen-) Leben Gegenstand der Psychologie bzw. Ästhetik und Ethik sind!. ! DieTätigkeit, welche durch Waldbehandlung nach ästhetischen Grundsätzen eine Verschönerung von Landschaften erstrebt, ist Land- schaftsgärtnerei. Es handelt sich hier um eine von der Forstwirtschaft verschiedene Technik, deren Grundsätze jedoch bei der Forsttechnik bis zu gewissem Grade beobachtet werden können. Die Betrachtung oder Untersuchung der ästhetischen Maßnahmen bzw. Beeiuflussung an sich ist aber nicht forstwissenschaftlicher Natur; es gibt deshalb auch keine Forstästhetik in dem Sinne, wie sie v. Salisch in seinem diese Materie belıandelnden Werke definiert hat, als Disziplin der Forstwissenschaft. Es kann und muß dagegen sehr wohl Gegenstand der Forstwissenschaft sein, zu untersuchen, welche Momente neben den wirtschaftlichen Erwägungen bei der Waldbehandlung maßgebend sind, waren und vielleicht sein werden, und ich erkenne vollkommen den Wert des Strebens an, ein derartiges Nebenmoment durch alle forst- lichen Tätigkeitsakte bzw. alle forstwissenschaftlichen Disziplinen bin- durch zu verfolgen und einheitlich darzustellen. Ich habe bereits im Vorwort der oben erwähnten Abhandlung versucht, diese Frage klar- zustellen, Herleitung. 2] In wirtschaftlicher Hinsicht ist dies Verhältnis nicht so einfach ; je nachdem der Wald als Kapital oder als Produktions- mittel! benützt wird, ist er verschiedenen Arten wirtschaft- lichen Lebens zuzuteilen. Forstwirtschaft ist jene menschliche Tätigkeit zu nennen, welche den Wald als Pro- duktionsmittel benützt; sie entsteht, wenn die in der pflanzlichen Erscheinung des Waldes wirkenden Natur- kräfte und Stoffe Gegenstand wirtschaftlicher Arbeit werden. Ins Alltägliche könnte man das Bisherige folgendermaßen übersetzen: Wo der Blick des Botanikers Pflanzen sieht, sieht der Forstmann Wald; wo der Blick des Spaziergängers Bäume sieht, erschaut das geistige Auge des Forstmannes forstliche Me- thoden und Systeme, der Baum ist dem Forst- mann nicht Pflanze, sondern Apparat zur Holz- erzeugung, der Wald nicht Erscheinung, sondern Mittel zueinem wirtschaftlichen Zweck, dasHolz nicht Stoff, sondern Produkt. b) Herleitung. 1. Das Objekt der Forstwissenschaft, die Forstwirtschaft. Die zunächst herantretende Aufgabe wäre nun, den Begriff „Forstwirtschaft“ genauer festzustellen. Es kann sich hierbei nicht um Aufstellung einer allgemein gültigen Definition, sondern um Darstellung der Momente und Gesichtspunkte handeln, welche hier in Betracht zu ziehen 1 Diese Unterscheidung zwischen der Benützung des Waldes als Kapital und als Produktionsmittel muß erfolgen, weil sonst in die Definition der Handel mit Waldgütern auch eingeschlossen würde, was doch zweifellos nicht als Forstwirtschaft zu betrachten ist, da beim Handel der Wald nur als Kapital behandelt wird. — Lehr sagt auch („Forstpolitik“ in Loreys „Handbuch der Forstwissenschaft“ $ 1): „Als Forstwirtschaft bezeichne ich diejenige auf Befriediguug von Bedürf- nissen gerichtete schaffende Tätigkeit, deren Gegenstand der Wald ist.“ 29 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. sind!; denn es kommt hier nicht die Herleitung aus all- gemeinen Begriffen in Frage, sondern umgekehrt die Erfassung des Einheitlichen und Gemeinschaftlichen aus einer Vielheit realer Erscheinungen. Schon das Objekt der Forstwirtschaft, der Wald, ist nur schwer durch eine Definition zu fassen; die Naturwissen- schaft, die Statistik, die Verwaltung, die Volkswirtschaft werden unter Umständen ein und dieselbe Vegetationsform je nach ihrem Standpunkt bald als Wald, bald als landwirt- schaftliches Objekt, als Ödung, Weide usw. erklären. Eine vollkommen gelungene junge Fichtenpflanzung z. B., die jeder Forstwirt unbedingt als Wald erklären wird, ist in ihren natür- lichen Wirkungen (für Klima usw.) zunächst entschieden kein Wald, sondern je nach ihrem Zustand Grasland, Heidefläche, Blöße, während ein mit Kiefernbüschen weitständig bedeckter Berghang klimatisch vielleicht sehr wohl als Wald wirken kann, forstwirtschaftlich aber als solcher nicht zu betrachten ist, auch wenn etwa der bäuerliche Besitzer seine Streu darauf gewinnt. In ähnlicher Weise wird auch die wirtschaftliche Tätig- keıt, welche den Wald zum Gegenstand hat, nicht immer hin- sichtlich ihres wirtschaftlichen Charakters völlig zweifelfrei zu bestimmen sein. ı Als Beispiel, wie oft ungeahnt theoretische Untersuchungen praktische Bedeutung bekommen können, möge dienen, daß die Be- stimmung des Begriffes Forstwirtschaft für die soziale Gesetzgebung von großer Bedeutung geworden ist. Ich verweise hier auf mehrfache Abhandlungen unserer Literatur, sowie Entscheidungen des Reichs- versicherungsamtes und des Bayrischen Landesversicherungsamtes über die Zugehörigkeit von Transportunternehmungen, Gewinnung von Neben- nutzungen zum forstlichen Betriebe, über Haupt- und Nebenbetriebe usw. Es stehen sich hier verschiedene Auffassungen gegenüber, die der Unternehmung, für welche die Forstwirtschaft endet, sobald der Be- sitzer des Waldes nicht mehr an den Aktionen beteiligt ist, die der Volkswirtschaft, welche von dem Standpunkte der Holzversorgung aus- geht, die des Staates, welche die rechtlich-sozialen Gesichtspunkte voranstellt. Herleitung. 23 Buchenberger! läßt erst dann das landwirtschaftliche Gewerbe beginnen, „wenn die in der Erde wirksamen Natur’ kräfte mit bewußter Absichtlichkeit genötigt werden, pflanz- liche Stoffe ganz bestimmter Art hervorzubringen“. Diese Definition würde einerseits die Bodenkultur im weiteren Um- fange — Land- und Forstwirtschaft — umfassen, hinsichtlich der letzteren aber doch wieder nicht weit genug sein; denn es gibt eine Menge forstlicher Unternehmungen, die sich nur auf das Okkupieren beschränken, aber doch sicher als „Forst- wirtschaft“ anzusehen sind, ja es muß unter Umständen das Unterlassen jeder technischen Maßregel, z. B. das einfache Erhalten von Schutzwald, als eine Art Waldbehandlung auf- gefaßt werden. Auch noch nach anderer Richtung kann über den Umfang der Forstwirtschaft Zweifel bestehen. Die Produkte des Waldes sind meist so, wie sie die Natur liefert, noch nicht fertige Gebrauchsgegenstände, sondern bedürfen noch weiterer Um- formung oder doch Zurichtung. Nun ist die Trennung, wo der Begriff Forstwirtschaft aufhört und Verarbeitung und Transportgewerbe anfängt, nicht so einfach; denn das hängt mit den allgemeinen und örtlichen Wirtschaftsverhältnissen sowie der historischen Entwicklung eng zusammen. In Frank- reich ist es gebräuchlich, daß der Waldbesitzer nur Holzzucht treibt, während die Gewinnung der Produkte der Handel über- nimmt. Die entgegengesetzte Form ist in Österreich sehr häufig, wo mit der Waldwirtschaft die Umformung der Pro- dukte zum Halb- oder oft selbst Ganzfabrikat verbunden ist. Deutschland steht der Hauptsache nach in der Mitte, wenigstens bezüglich der von Staatsorganen geleiteten Betriebe und des großen Besitzes. ı „Lehr- und Handbuch der politischen Ökonomie“, herausgegeben von Ad. Wagner, III, Hauptabteil. 1. Band, S.4. Die gleiche Definition hat das „Handbuch der gesamten Landwirtschaft“, Abhandl. von Krämer, 1. Band, S. 51. 24 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. Aber auch hier kann es manchmal fraglich sein, ob die Gewinnung mancher Nebenprodukte, z. B. Harz, und die Ab- fuhr und Aufstapelung (Holzgärten) Forstwirtschaft sei. Die eben behandelte Frage drehte sich um die Beteiligung verschiedener Gewerbe an ein und demselben Produkt; es gibt aber auch Fälle, wo ein Zweifel über die Zuteilung eines ganzen Unternehmens entstehen kann, nämlich bei den Boden- kulturformen, bei welchen Land- und Forstwirtschaft eng in- einander greifen, z. B. bei Mischung oder Abwechslung von Wald- und Feldbau (Hackwald, Röderwald usw.) oder bei Vegetationsformen und Wirtschaften, wo über den Charakter des Produktes Unsicherheit herrscht (tropische Produkte, Kastanienwald, Weidenheeger usw.). Trotz der eben vorgeführten mehrfachen Unsicherheiten ist doch zweifellos die Fortswirtschaft im ganzen genommen als eine besondere und selbständige Wirtschaftsform von der Landwirtschaft, der anderen Bodenkulturform, abzuscheiden. Jede Wirtschaftsform wird gegeben einerseits durch die besondere Art des Stoffes, den ihre Arbeit zum Erzeugnis machen soll, andererseits durch die besondere Art der Produk- tion. Die pflanzliche Erscheinung des Waldes hat ungeachtet mancher strittig erscheinendenen Übergänge einen so aus- gesprochen vegetativen Charakter, daß fast überall eine räum- liche Trennung von Wald und Feld erfolgte und schon nach dem äußeren Anblick ein Zweifel gar nicht obwalten kann, daß man es bei Forst- und Landwirtschaft mit zwei ganz ver- schiedenen Kulturformen zu tun hat; dazu kommt noch die Verschiedenheit der Produkte und die durch den Wachstums- gang der Waldgewächse bedingte Verschiedenheit des zeit- lichen Momentes!. ! Weber in Loreys „Handbuch der Forstwissenschaft“: „Die Summierung von Kraft aus zeitlich weit auseinander liegenden Perioden ist charakteristisch für den Produktionsgang der Waldwirtschaft.“ Vgl. auch Roscher, Nationalökonomik des Ackerbaues (13. Aufl.; heraus- Herleitung. 25 Diese Besonderheit des Objektes hat eine besondere Art wirtschaftlichen Vorgehens, eine eigene Art des Betriebes, der agronomischen Statik, der Unternehmungsformen, der historischen Entwicklung des Besitzes und schließlich der Rechtsbildung hervorgerufen, und so müssen wir, wenn wir das Ganze zusammenfassen, von der Forst- und von der Land- wirtschaft als zwei verschiedenen Wirtschaftszweigen sprechen. Mit der bisher vorgenommenen Abgrenzung und Begriffs- bestimmung ist jedoch der wissenschaftlichen Untersuchung des Objektes noch keine hinreichende Grundlage geschaffen. Soll die Wissenschaft einen Inhalt bekommen, so muß sie vom wirklichen Leben ausgehen und sich auf und aus der Be- trachtung der einzelnen Elemente ihres Objektes aufbauen. Wir können nun „die Forstwirtschaft“ betrachten als die Gesamtheit der forstlichen Unternehmungen; die wissen- schaftliche Untersuchung muß darum ausgehen von den for- malen Eigenschaften und der Lebensbetätigung der forstlichen Unternehmung. Es erscheint nötig, hier zunächst allgemeine Entwicklungen einzufügen ; die Anwendung für das Fach, die Fachwissenschaft, ergibt sich sehr leicht, sobald das Prinzipielle anerkannt ist. A. Die Entstehungunddieformalen Eigenschaften des wirtschaftlichen Unternehmens. Das Unternehmen beginnt dann, wenn eine Persönlich- keit eine äußere Erscheinung (in unserem Falle den Wald) zu ihrem Lebensinhalt macht, wenn sie ihren Willen dieser gegen- über entwickelt. In dieser Entwicklung entsteht nun zunächst das, was wir das Ich des Unternehmens nennen können, das Organ, welches die Wirtschaft leitet und nach dem Willen der Persönlichkeit führt. gegeben von Dade), S. 817: „Eigentümlichkeiten der Forstwirtschaft im allgemeinen“. ID or) Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. Indem das Ich der äußeren Erscheinung gegenübertritt, bestimmt es das Ziel der Wirtschaft und den Weg, auf dem dasselbe anzustreben ist: den Plan. Die Tat des Unternehmens entsteht, wenn durch tech- nische Arbeit in Verbindung mit ökonomischer Überlegung die natürlichen Verhältnisse des Wirtschaftsobjektes so benützt, geleitet und geändert werden, daß sie den Zwecken des Unter- nehmens und im weiteren jenen der Persönlichkeit dienen. Ich, Wille und Tat sind, wie L. v. Stein in seinem „Handbuch der Verwaltungslehre“ entwickelt, auch in der Tätigkeit der gedachten Per- sönlichkeit — sei es nun Staat oder wirtschaftliches Unternehmen — enthalten. Da der Grundgedanke des ganzen von mir entwickelten Systems darauf beruht, daß das forstwirtschaftliche Unternehmen als Persönlichkeit, als Organismus aufgefaßt wird, in ähnlicher Weise wie dies L. v. Stein für Staat und Staatsverwaltung aufgefaßt hat, so möchte ich mir gestatten, die Hauptsätze dieser Entwicklung Steins nach- stehend zu geben: Der Staat ist die als persönlich gedachte Gemein- schaft aller, er ist eine höhere Entwicklung des persönlichen Lebens. Die einzelnen Momente dieses letzteren, welche in uns unklar unter- einander verbunden und verschmolzen sind, werden in der höheren Form unseres Daseins, im Staate, selbständig. Bei dem Ich beginnt der Prozeß des Lebens, er erscheint zunächst als der Akt, durch welchen das Ich der äußeren Erscheinung seine Selbstbestimmung gegenüber- setzt, im Willen; der Prozeß aber, durch welchen die äußeren Er- scheinungen zum Inhalt des persönlichen Daseins gemacht werden, ist die Tat. Im Staat erscheinen nun diese Kategorien des persönlichen Lebens als besondere Organe. Das Ich ist das Staatsoberhaupt; der Gesamtwille, aus dem Einzelwillen zum persönlichen allgemeinen Willen organisiert, ist die gesetzgebende Gewalt; der Organismus, durch den jenes allgemeine Wollen zum persönlichen Willen wird, ist die Ver- fassung; die Verwirklichung dieses Willens alsdann, die Gesamtkraft aller einzelnen, ist die vollziehende Gewalt (Verwaltung). Es würde nun die Aufgabe erwachsen, diese Momente auch für die Forstwirtschaft zur Klärung zu bringen. Ich verzichte hier auf weitere Ausführungen über diese Frage, die ja nicht für die Forstwissenschaft allein, sondern in allgemeiner Weise für alle Wirtschaftswissenschaften gelöst werden muß. Für den Zweck der vorliegenden Arbeit genügt wohl das Bisherige. Herleitung. 27 B. Die Lebenstätigkeit des wirtschaftlichen Unternehmens. Den Inhalt der wirtschaftlichen Arbeit bildet die Lösung der praktischen Aufgaben, deren Erfüllung zur Erreichung des Wirtschaftszieles nötig ist. Wir nennen das den Wirt- schaftsprozeß. Bei der Forstwirtschaft gleichwie bei den übrigen Wirtschaftszweigen kann man hierbei unterscheiden: einerseits die Einleitung, die Sicherung und die Beendigung des Prozesses, andererseits die wirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sinn, den unmittelbaren Vollzug der Arbeit und die Organisation, d. i. die Leitung und die Kontrolle der Arbeit. Der wirtschaftliche Prozeß ist jedoch, wie schon mehrfach angedeutet, kein einfacher Vorgang. Jede praktische Aufgabe läßt verschiedenartige Lösungen zu. Es können zweierlei Wege eingeschlagen werden: der en ökonomische und der spezifisch technische. Unter ersterem ist die Erreichung eines Zweckes durch rein dispositive Maßnahmen (Vergrößerung des Aufwandes, Kostenersparnis), unter letzterem die Bewältigung der Arbeits- aufgabe durch Kunsteinrichtungen und -vorkehrungen zu ver- stehen. So würde z. B. die Anzucht von Starkhölzern durch ledigliches Erhöhen des Umtriebes die Lösung auf ersterem, die Anzucht durch waldbautechnische (wir sagen im Forst- fach fälschlich „wirtschaftliche“) Maßregeln wie Durchforstung, Lichtung, Bodenbesserung dieselbe auf letzterem Wege er- reichen; die Erhöhung einer Waldrente durch Wegnahme schlechtwüchsiger Bestände ist eine ökonomische, die Erhöhung derselben durch Mehrung des Zuwachses mittels Durchforstung, Düngung, Astung usw. ist eine technische Operation. 1 Näheres E. Herrmann, Technische Fragen und Probleme der modernen Volkswirtschaft S. 23. Herrmann gebraucht die beiden Ausdrücke „ökonomisch, und „wirtschaftlich“ als synonym. Mir schien es aber rät- lich, ökonomisch als Gegensatz zu technisch, dagegen wirtschaftlich als erwerbende Tätigkeit im Sinne der Verbindung beider Momente zu brauchen. 28 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. Ökonomik und Technik wirken jedoch nicht neben- bzw. nacheinander, sondern sind eng verbunden. Sie unterscheiden sich jedoch in den Zielen. Die Technik strebt möglichste Vollkommenheit in der Verwirklichung des Gedankens an, ihr Ziel ist absolute Vollendung, die Ökonomik fordert größte Gewinne bei kleinstem Aufwand, sie ist eigentlich nichts als eine kritische Methode, eine fortlaufende Denkarbeit, welche die Arten und Größen der natürlichen Vorgänge auf ihren Wert für die Unternehmung prüft und abwägt!. Technik und Ökonomik bedingen und beschränken sich gegenseitig, die höchste Leistung ist nur durch inniges Zusammenwirken (durch eine Symbiose, wie sich Herrmann a. a. O. S. 54 ausdrückt) möglich. Es wäre nicht uninteressant, die Entwicklung dieser beiden Mo- mente bei der Forstwirtschaft geschichtlich zu verfolgen. Auf der untersten Stufe des Forstwesens herrschte jedenfalls die Ökonomik vor. Bei der bloßen Ausnützung des Waldes bestand die Technik lediglich in einer Forstbenutzung einfachster Art. Mit der Ausbildung eines Berufes stieg dann die Technik derart, daß sie die ökonomische Seite der Unternehmungsart fast überwucherte. Diese Entwicklung ergab sich bei uns einerseits aus der Besitzform, dem Großgrundbesitz, namentlich des Staates und dem dadurch bedingten Berufsbeamtentum, welchem die technische Vervollkommnung naturgemäß mehr am Herzen lag, da kein Korrektiv der Konkurrenz und keine Verpflichtung zu klarer Rechnungstellung da war, anderseits aus der Schwierigkeit einer Anwendung kaufmännischer Rechnung wegen der Eigenart der Wirt- schaft (rechnerischer Charakter des Vorrates, der schr schwierige Faktor Zeit), Erst verhältnismäßig spät ist in bewußter Weise bei der Forst- wirtschaft der Versuch gemacht worden, auch der Ökonomik zu ihrem Rechte zu verhelfen, und der Streit über das richtige Verhältnis beider ist noch immer nicht beendet, trotz des vielen Guten, was gerade in letzter Zeit von H. Weber, v. Guttenberg, Martin, Schiffel geschrieben wurde. Eine eigentliche kapitalistische Organisation, wie sie in anderen Wirtschaftszweigen geradezu selbstverständlich ist, findet sich bei forst- lichen Unternehmungen selten. Wir hängen immer noch zu sehr an der Technik, am Stoff. Jedenfalls wären wir weiter, wenn das Prinzipielle ‚ der Frage besser in das Fach eingedrungen wäre?, 1 Herrmann a. a. O. S. 45—47. ®2 Mit den bisher behandelten Methoden der Lösung von praktischen Aufgaben sind nicht zu verwechseln die Triebfedern, u Herleitung. 29 2. Das Prinzip der Forstwissenschaft. Durch die bisherigen Ausführungen ist der Beweis ver- sucht worden, daß die Forstwirtschaft eine eigenartige und deshalb selbständig zu behandelnde Erscheinung des wirt- schaftlichen Lebens sei; es erwächst nun zuerst die Aufgabe, zu untersuchen: nach welcher Richtung hin die begriff- liche Erforschung ihrer Verhältnisse möglich ist und welchen Wissenschaften diese Er- kenntnisse angehören. Zwei Wissenschaften sind es nun vor allem, welche den Prozeß der Kapitalbildung einer- seits, den der technischen Arbeit andererseits in den Kreis ihrer Forschung ziehen: die Nationalökonomie und die tech- nische Wissenschaft. Erstere untersucht die allgemeinen Gesetze, welche der ökonomischen Seite, letztere jene, welche der technischen Seite des forstlichen Produktionsprozesses zu- grunde liegen. Beide Wissenschaften, wie man auch ihren Inhalt und ihre Aufgabe nehmen mag, vermögen jedoch die wissenschaftliche Erforschung dieses Prozesses nicht ganz zu erschöpfen. Die Nationalökonomie hat für das Technische desselben keinen Raum, sie weist sogar den Wirtschafısbetrieb der einzelnen Privatwirtschaft als solchen zurück!; die reine Technik, die als Wissenschaft kaum existiert und erst neuer- welche auf das wirtschaftliche Handeln Einfluß haben. Es ist eine heute allgemein anerkannte Anschauung, daß neben dem Trieb der Wahrung des eigenen (wirtschaftlichen) Vorteils noch andere Trieb- federn, sittliche Motive, auf die wirtschaftliche Tätigkeit Einfluß haben (S. Schönberg, Handb. der Pol. Ökonomik Bd. 1, 8. 8). — Bei der Forstwirtschaft ist ein derartiger Einfluß sehr häufig: Konservatismus, Freude am ererbten Besitz, geschlossenen Komplex, ästhetische und soziale Rücksichten. Auch administrative Rücksichten (Staatsforstwirt- schaft) sind hierher zu rechnen. — Diese Motive haben jedoch mehr Einfluß auf die Festsetzung des allgemeinen Zieles als auf einzelne Maßnahmen, sie sind kein durchgreifendes, organisches Moment der Wirtschaft. ! Vgl. Schönberg, Handb. der polit. Ökonomie, 2. A., 1. Bd., 8. 5/6, Anmerkung 5; Ad. Wagner, Lehr- und Handbuch der polit. Ökonomie I, S. 257, ähnlich viele andere. Vgl. namentlich auch OÖ. Spann a. a. 0.8.3. 30 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. dings sich entwickelt!, läßt das ökonomische außerhalb ihrer Betrachtung; die begrifilichen Bearbeitungen dieser Wissen- schaften betrachten je ein Moment (Ökonomik oder Technik) der Forstwirtschaft, aber sie nehmen sie nicht als Ganzes, und wo sie dieselbe als Ganzes nehmen, erforschen sie nicht ihr Wesen nach seiner Bedingtheit durch die Art des Objektes, sondern nur ihre Gesamterscheinung und Wirkung. Wird nun die Forstwirtschaft als eine einheitliche Er- scheinung des wirtschaftlichen Lebens betrachtet, erscheint jedes Einzelunternehmen als ein wirtschaftliches Individuum mit eigenartigem Bau und Leben nach der Art, wie es unter den gegebenen natürlichen, ökonomischen, sozialen, rechtlichen Verhältnissen in eigenartiger historischer Entwicklung mit besonderen Methoden und nach seinem spezifischen System das Objekt seiner Tätigkeit seinem Zwecke dienstbar macht, so muß oder kann es doch eine Wissenschaft geben, welche von diesem Standpunkt die Gesetze dieser Tätigkeit erfaßt und dadurch einen selbständigen, eigenartigen Erkenntniskreis bildet: die Fachwissenschaft. Aus vorstehenden Sätzen ergibt sich von selbst, daß die Forstwirtschaft micht angewandte Nationalökonomie, sondern angewandte Forstwissenschaft ist. Die Forst- wissenschaft aber ist niemals „angewandte“ Wissen- schaft. Eine solche gibt es überhaupt nicht: das zu behaupten ist eine contradictio in adjecto. Ich sage also zusammenfassend: Die Aufgabe der forstwissenschaftlichen Forschung ist die Erforschung der Forstwirt- schaft nach ihren inneren Gesetzen als einheit- 1 Vgl. das mehrfach genannte Werk von E. Herrmann, worin der Versuch gemacht ist in ähnlicher Weise, wie von der National- ökonomie die Begriffe Gut, Wert, Preis, die allgemeinen Gesetze der Ökonomik entwickelt und erforscht wurden, die der technischen Arbeit zugrunde liegenden Gesetze zu erfassen. Herleitung. 31 licher wirtschaftlicher Organismus, als ein durch menschliche Kräfte für menschliche Zwecke geordneter Produktionsprozeß der natürlichen Kräfte des Waldes, ihr Ziel dieZurückführung der hier vorkommenden Erscheinungen, d. i der Systeme, Methoden und Verfahren, sowie der wirkenden Kräfte auf allgemeine Gesetze, ihr Inhalt die Gesamtheit der auf diesem Wege er- rungenen Erkenntnisse. Der Forstwissenschaft ist das Erzeugnis der Forstwirt- schaft Produkt, der (allgemeinen) Wirtschaftswissenschaft Gut, der (allgemeinen) technischen Wissenschaft Stoff (der Naturwissenschaft Naturkörper). Aus den bisherigen Ausführungen geht auch hervor, daß die wissenschaftliche Untersuchung der in der Forstwirtschaft angewandten Hilfsmittel und Hilfstechniken — Geräte, In- strumente, Transportmittel und -anstalten (also Maschinen-, Vermessungs- und Wegebautechnik usw.) — nicht zum Gebiet forstwissenschaftlicher Forschung gehört; für diese handelt es sich nur um Art und Effekt der Anwendung, nicht um das Wesen des Vorganges und seine inneren Gesetze. 3. Die Methoden der Forstwissenschaft. Die Frage, ob die unter dem Namen Forstwissenschaft zusammenzufassenden Erkenntnisse eine Wissenschaft seien, ist noch nicht gelöst, wenn nachgewiesen wird, daß ein bestimmtes Objekt und eine besondere Seite wissenschaft- licher (d. h. begrifllicher) Betrachtung vorhanden sei. Zu diesen objektiven Momenten gehört auch noch ein subjektives: das Vorhandensein einergewissen Menge positiver Erkenntnis, sowohl was den Umfang der Erkenntnis hin- sichtlich der erforschten Tatsachen und Erscheinungen anlangt, 33 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. als die Tiefe der Erkenntnis in der Zurückführung derselben auf allgemeine Typen und Gesetze!, Nicht jedes Wissen, nicht jede Summe von Kenntnissen, die wir über einen bestimmten Gegenstand haben, kann hier- nach Wissenschaft genannt werden, sonst wäre jede Hand- werkslehre eine solche. Das, was zunächst ein Kriterium der Wissenschaft ge- nannt werden muß, ist die Methode des Vorgehens in der Untersuchung des Objektes der Wissenschaft. Wundt sagt in seinem „System der Philosophie“ ?, Wissenschaftlichkeit sei einer Behandlungsweise nur dann zuzusprechen, wenn sie sich wissenschaftlicher Methode bediene und wissenschaftliche Zwecke verfolge. Diese Methode ist durch den Gegenstand vorgezeichnet, und jede Wissenschaft entwickelt ihr eigenes System logischen Vorgehens. | Im höchsten Sinn wissenschaftlich wird aber eine solche Methode erst dann, wenn sie überhaupt auf die einfachsten und letzten Grundlagen menschlichen Denkens und Erkennens zurückgeht, wenn sie die Eigenschaften ihres Objektes begriff- lich erfaßt. Die Tiefe der Erkenntnis ist darum das zweite Kriterium der Wissenschaft. Der Empiriker kennt nur die ı Kant hat in der Einleitung zur Abhandlung über eine ebenfalls hinsichtlich ihrer Existenz umstrittene Wissenschaft (Prolegomena, S. 23) die Sätze aufgestellt: „Wenn man eine Erkenntnis als Wissenschaft darstellen will, so muß man zuvor das Unterscheidende, was sie mit keiner anderen gemein hat, und was ihr also eigentümlich ist, genau bestimmen können, widrigenfalls die Grenzen aller Wissenschaften ineinanderlaufen und keine derselben ihrer inneren Natur nach gründlich abgehandelt werden kann. Dieses Eigentümliche mag nun in dem Unterschiede des Objektes oder der Erkenntnisquellen oder auch der Er- kenntnisart oder einiger, wo nicht aller dieser Stücke zusammen bestehen, so beruht darauf zuerst die Idee der möglichen Wissenschaft und ihres Territoriums.“ 2 Wundt, System der Philosophie, 1. Aufl., 1889, S. 22. Herleitung. 33 für alle sichtbaren, nach außen tretenden Tatsachen, die augen- fälligen Bogenteile am großen Kreislauf des natürlichen und geistigen Lebens. Wenn die Empirie, hiermit nicht zufrieden, auch die dazwischen liegenden Glieder von Ursache und Wirkung zu entdecken sucht, welche den Kreis schließen, so nähert sie sich um so mehr der wissenschaftlichen Erklärung der gewöhnlichen Beobachtung, je mehr es ihr gelingt, die Zwischenglieder aufzufinden und ihre Aufeinanderfolge zu be- stimmen. Aus diesen Erklärungen, ihrer Zusammenstellung, Vergleichung und Zurückführung auf allgemeinere Gesetze entsteht der Inhalt einer Wissenschaft !. Es ist klar, daß im Wesen die Methoden forstwissen- schaftlicher Forschung sich nicht von denen verwandter Wissen- schaften unterscheiden werden. Jede Wissenschaft hat die Aufgabe, Tatsachen zu sammeln, zu ordnen, zu erklären und daraus Schlüsse zu ziehen ?. ı Kleinwächter, Die Nationalökonomie als Wissenschaft und ihre ‘ Stellung zu den übrigen Disziplinen (Sammlung wissenschaftlicher Vor- träge von Virchow und Holtzendorff, Heft 408), definiert S. 10: „Wissen- schaft ist: die Kenntnis der betreffenden Tatsachen, Erscheinungen, Dinge; die Kenntnis der Gesetze, welche die Vielheit dieser Tatsachen, Erscheinungen und Dinge beherrschen (beziehentlich der leitenden Ideen, welche in der Vielheit zur Erscheinung gelangen); die Kenntnis des Entwicklungsganges dieser Tatsachen, Erscheinungen, Dinge und die Kenntnis der Gründe und Gesetze, welche diesen Entwicklungs- gang beeinflußt haben beziehentlich beherrschen.“ Für den, der tiefer in diesen Gegenstand eindringen will, verweise ich auf die oben zitierten Abhandlungen von Prof. Friedr. Gottl, aus denen nur noch ein Satz hier Platz finden soll (Bd. 24, S. 266): „Drückt sich im ‚Stoffe‘ zunächst eine grundsätzlich bestimmte Denkweise aus, so kennzeichnet der bestimmte ‚Stoff‘ doch auch eine bestimmte Wissenschaft. Denn eine Einheit dieser Art, eine Wissenschaft, gestaltet sich gewiß nur so heraus, daß alle ihre Teile von dergrund- sätzlich gleichen Denkweise getragen sind. Nun hat natürlich nicht jede Wissenschaft ihren ‚Stoff‘ für sich allein. So teilt gleich die Sozialwissenschaftihren ‚Stoff‘ mit derGeschichte; bloß die Behandlung des gemeinsamen ‚Stoffes‘ ist da und dort eine verschiedene.“ 2 A. Marshall, Handbuch der Volkswirtschaftslehre, 1. Bd., S. 75. Wappes, Studien. 3 34 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. Beobachten und Beschreiben, Definieren und Klassifizieren sind die vorbereitenden Tätigkeiten. Was wir aber damit erreichen wollen, ist die Erkenntnis des Zusammenhanges der volkswirtschaftlichen Erscheinungen: Wie der rechte und linke Fuß zum Gehen, so gehören Induktion und Deduktion gleichmäßig zum wissenschaftlichen Denken!. Wenn wir aber das Objekt unserer Forschung, die forst- liche Unternehmung, wie oben dargelegt als geistigen Einzel- organismus auffassen, so müssen wir die gleichen Methoden an- wenden können, wie die Naturwissenschaft den körperlichen Organismen gegenüber. In der Naturwissenschaft haben sich nun verschiedene Methoden der Forschung entwickelt, die, je nachdem die eine oder die andere mehrtonangebend war, verschiedene Forschungs- perioden bezeichnen. F. Dreyer”? unterscheidet drei Methoden: 1. die deskriptiv-registrierende (Linne), welche die vorhandenen Erscheinungen als fest annimmt und sie beschreibt (entspricht der empirischen Paul du Bois-Reymonds)®; 2. die historisch-morphologische (Darwin), welche das Ver- ständnis der Formen durch Verfolgung ihrer Entstehung und Entwicklung anstrebt, und 3. die ätiologisch-mechani- sche (gegenwärtige Richtung), welche die Aufgabe hat, die inneren treibenden Kräfte zu erforschen. Diese Unterscheidung Dreyers dürfte auch bei der forst- wissenschaftlichen Forschung anzunehmen sein. Es darf hier- 1 Schmoller, Art. Volkswirtschaft im Handbuch der Staatswissen- schaften. 2 Ziele und Wege biologischer Forschung, Jena 1892. 3 Paul du Bois-Reymond „Über die Grundlagen der Erkenntnis in den exakten Wissenschaften 1890“ unterscheidet die empirische Methode, welche sichtet und zusammenfaßt, die mechanische, welche die Erscheinungen durch Zergliederung und Vereinigung des Gleichartigen auf möglichst wenig Grundformen zurückzuführen und die Erscheinungen mechanisch zu konstruieren sucht, und die meta- mechanische, die Untersuchung des Wesens der Materie. Herleitung. 35 bei jedoch nicht die Auffassung Platz greifen, als ob die erste und zweite Methode ein überwundener Standpunkt sei. Die drei Methoden müssen vielmehr nebeneinander angewendet werden und ergeben durch ihre Anwendung den Inhalt der Forstwissenschaft. Hierbei ist jedoch eines zu beachten: Darin unter- scheidet sich die Forstwissenschaft von den Naturwissen- schaften, daß sie nicht wie diese ein sicher reagierendes Ob- jekt, die Naturkörper, hat, sondern ebenso wie die National- ökonomie, die Geschichtswissenschaften usw. mit psychischen Effekten rechnen muß; es gibt bei ihr nur Gesetze der Wahrscheinlichkeit. An dieser Stelle mögen noch einige allgemeine Bemerkungen über die Begriffsbildung in den technischen Wissenschaften eingefügt werden. Die Begriffe Wirtschafts- oder Betriebsart, Betriebssystem, Betriebsform, Wirtschaftsverfahren, Betriebs- oder Wirtschafts- methoden sind in unserer Lehre schwankend. Man wendet Betriebsart an hauptsächlich auf Hoch-, Mittel- und Nieder- wald, Betriebssystem auf die Methode der Ertragsregelung bzw. -berechnung. Betriebsart wird gewöhnlich als ein wald- baulicher Begriff betrachtet, und zwar deshalb, weil die Art der Verjüngung — ob Samenholz oder Ausschlag — als das Entscheidende angesehen wird. Zweifellos tragen zu dieser Ausscheidung aber auch Momente betriebstechnischer Natur z. B. Umtrieb (Höhe desselben, Mischung von Umtrieben im Mittelwald), Art der Abnutzung, sowie ökonomische Unter- schiede (Kapitalintensität) wesentlich bei. Was dagegen die Landwirtschaft unter Betriebssystemen versteht, hat in der Forstwissenschaft kein Analogon. Man versteht dort darunter! „diejenigen Grundsätze und Regeln, nach denen 1 Krämer, Handbuch der ges. Landwirtschaft von Fhr. v.d. Goltz, Bd. 1, S. 350 und mit ihm Buchenberger in A. Wagner, Lehr- und Handbuch der politischen Ökonomie, III. Hauptabteil. S. 24. 3% 36 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. innerhalb einer Wirtschaft bei der Erzeugung von pflanzlichen und tierischen Stoffen verfahren wird in ihrer Gesamtheit“. Unter gleichen Verhältnissen pflegen die Landwirte dasselbe Betriebs- (Wirtschafts-) System, das man wohl auch das „Gesetzbuch des Wirtschaftsbetriebes“ genannt hat, einzu- halten. Die Forstwissenschaft hat, wie gesagt, dieser Seite des wirtschaftlichen Lebens, die ja überall und immer vorhanden sein muß, ihre Aufmerksamkeit nur in geringem Maße zugewandt, die Forstpraxis hat jedoch schon öfter ihr Gesetzbuch kodifiziertt. Denn die Wirtschaftsregeln, welche in den forstlichen Mitteilungen über die Bewirtschaftung der Staatswaldungen Bayerns, nach Waldgebieten ausgeschieden, erschienen, sind nichts anderes als eine solche Aufstellung. Tatsächlich erfolgt ja auch bei jeder Forsteinrichtung die Aufstellung eines Systems; nur weist man (mit Ausnahme von Grebe) diese wichtigste Arbeit in Praxis und Lehre den „Vor- arbeiten“ zu. Ich will deshalb versuchen, einige allgemeine Gesichts- punkte aufzustellen. Zunächst ein Beispiel: Wenn ich Holzhauer einen Baum im Walde schlagen sehe, so kann ich zunächst aus diesem Akt nur sehen, welches Verfahren sie anwenden, um den Baum zu werfen (ob Axt und Säge, nur Axt, Keil usw.); erst durch Kombination und Beobachtung mehrerer solcher Akte kann ich dazu kommen, zu erkennen, zu welchem wirt- schaftlichen Zwecke der Baum gefällt wird, welche Methode der Verjüngung besteht, um gerade diesen Baum zum Hieb zu bestimmen (ob Femelschlag, Blendersaumschlag, Kahlschlag usw.); gar nicht oder nur aus längerer eingehender Beobachtung des ganzen Waldbetriebes kann ich erkennen, welcher Umtrieb, welches Wirtschaftsziel besteht, d. h. welches System der Forstwirtschaft seinen letzten Ausdruck in dem Akte der Fällung gefunden hat. Das wirkliche Leben, die wirtschaftliche Tätigkeit, erscheint zunächst dem forschenden Beobachter als eine unendliche Menge einzelner Arbeitsakte. Die nächstliegende Aufgabe ist nun, diese Vorgänge nach ihrer Entstehung, ihrer Entwicklung und Veränderung zu untersuchen, sodann aber das Gemeinsame, Herleitung. 37 das Typische in ihnen zu ermitteln und dann die einzelnen Akte nach ihrem Zweck, ihrer Bedeutung für die spezielle Funktion im wirtschaftlichen Prozeß zu ordnen. Aus diesen einzelnen Akten werden sich zunächst Typen ableiten lassen, wie die verschiedenen wirtschaftlichen Aufgaben in verschiedener Weise gelöst werden: die Verfahren (für uns z. B. Arten des Pflanzens, der Holzfällung, der Ästung, der Messung). Die Verfahren sind nun die letzte außen sichtbare Funk- tion des Organismus. Die Forschung darf aber hier nicht stehen bleiben; sie muß ermitteln, welches Prinzip der Anordnung diesen verschiedenen Verfahren zugrunde liegt; sie muß untersuchen, in welcher Weise Komplexe von Einzel- vorgängen ineinandergreifen, d. h. welche Methoden der Arbeitsanordnung in den verschiedenen Gebieten der Wirt- schaft angewandt werden, welche Verhältnisse auf die An- wendung der einen oder anderen von Einfluß sind. Derartige Methoden sind z. B. durch das Vorgehen bei der Verjüngung (bedingt durch Form, Stärke und Richtung der Hiebseingriffe, Wahl der Holzart, Art der Mischung), bei der Bestands- behandlung bei der Nutzung und Betriebsordnung (Nachhalt, Umtrieb, Etatsberechnung, Hiebsfolge, Verkaufs- und Ver- wertungsform) gegeben. Aber auch mit der Methode ist die Erfassung der Lebens- äußerungen noch nicht abgeschlossen; es ist nötig, aus diesen ein höheres Ganze, ein Prinzip zu finden, welche ihr In- einandergreifen beherrscht, ein Zentrum, welche für sie alle der gemeinsame Ausgangspunkt ist. Wir nennen dies zweck- mäßig das System, die Ordnung, durch welche alle Fäden des ganzen Prozesses so geleitet werden, daß in der sichersten und vorteilhaftesten Weise das Ziel erreicht wird. Auch das System entsteht natürlich nur aus einer Vereinigung der Zwecke des Unternehmens mit den äußeren Verhältnissen. Als solche Systeme sind z. B. zu betrachten die Buchen- und Eichenwirtschaft des Spessart, die Nadelstarkholzzucht gewisser 38 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. Gebiete des Schwarzwaldes, die Fichtenwirtschaft in Sachsen, die Schälwaldwirtschaft am Rhein, im Odenwald, der Wald- feldbau in Hessen usw. Ich weiß nicht, ob die vorstehend versuchte Begriffsfest- stellung von System, Methode und Verfahren das Richtige trifft; jedenfalls wäre es nötig, daß die Wissenschaft über das Prinzip für die Bildung und den Gebrauch solcher Ausdrücke sich klar bzw. einig wird. . Am zweckmäßigsten und dem Sprachgebrauch am meisten entsprechend erscheint es, unter Verfahren zu verstehen die Akte der physischen Arbeit, die Vorgänge, bei denen die Arbeitskraft zur mechanischen Bewegung wird; unter Methoden die geistige Tätigkeit bei Anordnung eines Komplexes von Verfahren, die Art des Vorgehens zur Erreichung einer wirtschaftlichen Aufgabe, die Arbeit eines Organs der Wirtschaft, unter System die Anordnung, wie die Organe in- einanderzugreifen haben mit Rücksicht auf den Gesamtzweck. Das System ist die Kombination der Methoden, die Methode die Kombination der Verfahren. Es läge nahe, daß man in diesen Fragen zunächst den Anschluß bzw. den Ausgangspunkt bei den von der Nationalökonomie aufgestellten Begriffen sucht. Allein ein sicherer Anhalt ist dort zurzeit noch nicht zu finden. Um das zu belegen, möchte ich nur erwähnen, daß in der oben schon genannten Nationalökonomik des Ackerbaues von Roscher die Bezeichnung System gebraucht ist (S. 820—823): 1. für die Unter- scheidung nach der verhältnismäßigen Größe und Sorgfalt der Arbeit(?) (A. Plenter- oder Femelwirtschaft, B. Schlagwirtschaft, C. Holzgärtnerei); 2. für die Unterscheidung nach der Länge der Umtriebszeit (A. Hoch- wald, B. Niederwald, C. Mittelwald); 3. für die Unterscheidung von höchstem Massenertrag und höchstem Geldreinertrag. 4. Kritik der bisherigen Auffassungen. (Fachlehre — Fach- wissenschaft). Der $ 1 der Hundeshagenschen „Enzyklopädie der Forst- wissenschaft“ (4. Aufl.) lautet: „Jede mit wilden Holzarten bewachsene Fläche nennt Herleitung 39 man Wald oder Waldung (Holzung), in besonderen, für die Verwaltung desselben festgesetzten Grenzen aber Forste. Sie allein machen den eigentlichen Gegenstand der Forst- wissenschaft (Wissenschaft von den Wäldern) aus, und letztere begreift: die wissenschaftlich geordneten Grundsätze zu einer den zeitlichen und örtlichen Zwecken der Menschen möglichst angemessenen Behand- lung der Wälder.“ Der Gegensatz dieser Definition zu meinen bisherigen Ausführungen ist klar. Bei mir ist von der Wirtschaft, nicht vom Wald ausgegangen — die Forstwissenschaft als objektiver Erkenntniskreis genommen; hier ist sieZweck, Wirtschafts- lehre. Die Auffassung Hundeshagens, dessen System im übrigen für seine Zeit eine gewaltige Errungenschaft bedeutete, ist bis heute in unserer Literatur herrschend geblieben!, und man hat dementsprechend die Forstwissenschaft als eine ‚an- gewandte Wissenschaft“ charakterisiert, obwohl die. Zusammenstellung der beiden Begriffe in diesem Sinne, wie oben schon betont, einen unlösbaren Widerspruch in sich birgt. Selbst L. v. Stein teilt die Auffassung. In seiner Ver- waltungslehre unterzieht er Hochschulen und Universitäten in ihrem Verhältnis zur wirtschaftlichen Verwaltung einer näheren Betrachtung und stellt hierbei die Fachwissenschaften, welche er den Hochschulen zuweist, den Staatswissenschaften gegenüber: „Der ersten praktischen Richtung gehören nun die- jenigen Arbeiten an, in denen es sich grundsätzlich nicht mehr 1 Sehr stark betont ist der Charakter der Lehre von Forstmeister Zeising (Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1892, S. 63): „Die Forst- wissenschaft fassen wir auf als die Gesamtheit der auf die forstliche Berufsbildung bezüglichen Lehren.“ 2 Vgl. dessen Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Aufl., 590—592 und 3. Aufl., 2. Bd., S. 617 ff. Das Zitat ist 3. Aufl, S. 618 und 619. 40 Begriff und Inhalt der Forstwissenschaft. um die Erkenntnis jener Kräfte an und für sich, sondern um ihr Verhältnis zu den menschlichen Zwecken handelt, und in diesem Sinne nennen wir sie angewandte Wissenschaften. Wir sagen daher, daß innerhalb der Lehre von jenen Gebieten — Urproduktion, Landwirtschaft usw. — die wissenschaftliche Erkenntnis der an sich vorhandenen Kräfte und Gesetze der Natur durch den bestimmten Zweck gegeben und mithin auch begrenzt werde, um dessen willen man sie studiert. In diesem Sinne sprechen wir z.B. für die Urproduktion von einer angewandten Geologie, in der Forstwissenschaft und Landbauwissenschaft von einer angewandten Physiologie und Botanik, in der Mechanik von einer angewandten Lehre von den mathematischen Gesetzen, in dem Gewerbe und der In- dustrie von einer angewandten Mechanik und Chemie, im Handel von einer angewandten Geographie und Ethnographie, in der geistigen Produktion von einer angewandten Ästhetik und so fort.“ „Faßt man alle diese selbständigen Einzelgebiete zu- . sammen, indem man sie auf ihr Verhältnis zu den Kategorien von Gut, Wert, Kapitalbildung zurückführt, so sprechen wir von der angewandten Nationalökonomie.“ Auch neuere Volkswirtschafts- und Staatsrechtslehrer stehen auf diesem Standpunkte. So entwickelt z. B. Roscher in seinem System der Volkswirtschaftslehre, die Gewerbs- wissenschaften seien weder „reine“ noch „einfache“ Wissen- schaften. Ad. Wagner! betrachtet die Privatökonomik nicht als eigentliche (?) Wissenschaft, auch nicht als sog. prakti- sche: „nicht bloß, weil es sich darin großenteils nur um eine Zusammenstellung von Sätzen verschiedener anderer Wissen- schaften, auch nicht, weil es sich um Lehren für den Zweck des praktischen Könnens handelt, sondern weil diese Lehren, zunächst wenigstens, überhaupt nur diesem Zweck, d.h. ı Lehr- und Handbuch der Politischen Ökonomie, 1. Bd. (Grund- legung) 3. Aufl., S. 256. Herleitung. 41 dem Wissen vom Können, nur um dieses letzteren behufs Verfolgung privater wirtschaftlicher Interessen — die freilich auch volkswirtschaftlich werden können —, nicht dem Wissen vom Können um des Wissens willen dienen.“ Da bekanntlich alteingelebte Meinungen sich nur schwer beseitigen lassen, ist es wohl nicht überflüssig, die Unter- schiede, obwohl sie schon aus der Entwicklung hervorgehen, nochmals besonders zu betonen. Lehre und Wissenschaft können auch bei den Fächern nicht als gleich betrachtet werden, wo die Wissenschaft aus der Lehre, aus der systematischen Zusammenstellung von Er- fahrungsregeln des praktischen Lebens hervorgegangen ist. Denn Fachwissenschaft und Fachlehre stehen auf ver- schiedenem Boden, haben verschiedene Ziele und bis zu ge- wissem Grade verschiedenen Inhalt. Erstere ist objektiv (Selbstzweck), ihr Ziel ist die Erkenntnis, ihr Inhalt das Gesetz, letztere ist subjektiv, ihr Ziel die Lehre, ihr Inhalt die Regel. Die Fachlehre steht nicht über der Wirtschaft, sonder in der Wirtschaft; sie ist nicht selbst Wissenschaft, sondern kann nur ihren Stoff in wissenschaftlicher Weise behandeln, d. h. sie kann das, was sie lehrt, systematisch ordnen und wissenschaftlich begründen!. Die Fachlehre arbeitet direkt für das wirkliche Leben, während die Wissenschaft es zunächst nur verstehen und erst dadurch führen will. Und so erklärt es sich auch, daß die ! Ebenso wie die Wirtschaft (die Kunst) ihre Tätigkeit auf wissen- schaftliche Prinzipien gründen kann, aber in dieser Tätigkeit selbst nicht Wissenschaft ist. Daran ändert die Tatsache nichts, daß der Techniker so tief als möglich in die Geheimnisse der Entstehung der Effekte eindringt, das Kausalitätsverhältnis zwischen allen Faktoren zu ergründen sucht und außerdem noch neue Kausalverbindungen schafft, um den Effekt seinen Zielen gemäß zu gestalten (vgl. Herrmann 2.2. 0.S. 66). Auch die höchste Leistung des Chirurgen ist nicht Wissenschaft, sondern Kunst. 43 Das organische System der forstlichen Disziplinen. Fachlehre in ihrem Rahmen Raum hat für die sog. vor- bereitenden Wissenschaften, daß sie die Naturwissenschaft, um einen anderweit gebrauchten Ausdruck anzuwenden, „mit dem Forstmesser“ durchschneidet, während die Wissenschaft aus ihrem System alles ausscheiden muß, was nach strenger Logik nicht hereingehört. Vom Standpunkt der Lehre kann man auch nie zu einem formalen Abschluß einer Wissenschaft kommen, weil ja von außen in den logischen Gedanken das Moment der Berufs- bildung, also eine praktische Ermessensfrage hereingetragen wird. Zeising ist a. a. OÖ. auch konsequenterweise dazu ge- kommen, zu sagen, daß „die Gesamtheit der forstwissen- schaftlichen Disziplinen kein einheitliches Wissensgebiet dar- stellt, daß die Forstwissenschaft vielmehr ausschließlich durch die Bedürfnisse der forstlichen Berufsbildung geschaffen wird.“ Auf das Bedenkliche und Unzulängliche einer solchen Auffassung für einen höheren Unterricht habe ich im Vorwort schon hingewiesen. Etwas anderes ist es, wenn man, wie es Jugoviz tut!, bewußt Lehre, Forschung und Wissenschaft scheidet. Auf einiges Weitere komme ich in Abschnitt III zu sprechen. ll. Das organische System der forstlichen Disziplinen. a) Grundlegung. Wenn oben als Ausgangspunkt für die Abscheidung der Forstwissenschaft von den übrigen das gleiche Objekt, die Forstwirtschaft, behandelnden Wissensgebieten ein rein logi- sches Prinzip, nämlich die Betrachtung der Forstwirt- ı Zentralblatt für das ges. Forstwesen 1908, $. 321ff. Auf die Bemerkungen Martins über die Stellung der Statik (Forstw. Zentralbl. 1909, S. 21 u. 22) kann ich leider nicht mehr eingehen. Grundlegung. 43 schaft als ein Gesellschaftsbegriff, als eine Ge- samtheit wirtschaftlicher Unternehmungen auf- gestellt wurde, so muß nun die weitere Teilung der Wissen- schaft selbst ihr Prinzip in den durch das Wesen des Ob- jektes bedingten Gebieten der Forschung finden. Das Wesen der forstlichen Unternehmung ist in ihrer Eigenschaft als einheitlicher wirtschaftlicher Organismus zu suchen. Alle Wissenschaften nun, deren Aufgabe die Erforschung von Organismen, deren Inhalt die Erkenntnis ihres Vorkommens, ihrer Beschaffenheit und ihrer Lebensäußerungen ist, finden ihre Einteilung darin, daß sie ihr Objekt mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden nach den drei ebengenannten Richtungen hin erforschen und die dadurch gewonnenen Er- kenntnisse nach diesem Gesichtspunkt zusammenfassen. Die Zoologie betrachtet die Tierwelt, die Botanik die Pflanzenwelt: 1. geographisch nach Vorkommen und Ausbreitung der Tier- bzw. Pflanzenformen und systematisch nach der gegenseitigen Stellung der einzelnen Individuen, Arten und Gattungen im Gesamtgebiet (dem würde analog bei der Forst- wirtschaft bzw. -wissenschaft entsprechen die Wirtschafts- geographie mit den durch die Statistik als registrierende und als vergleichende Methode gewonnenen Resultaten); 2. nach der äußeren und inneren Gestaltung der einzelnen Individuen, Arten und Gattungen, wobei die weitere Trennung dieses Forschungsgebietes nach dem Gesichts- punkt erfolgt, ob die Gestalt und die Teile des Tier- oder Pflanzenkörpers nur nach ihrer Form, nach den gegenseitigen Stellungsverhältnissen, Ort und Art ihrer Entstehung usw. (d. h. als Glieder) betrachtet werden — Morphologie, oder nach ihrer Funktion im Leben des Organismus (d. h. als Organe) — Anatomie (Morphologie und Anatomie werden zusammengefaßt unter den Namen Organographie); 3. nach den Lebensäußerungen. Hier trennt sich die Untersuchung noch weiter in die Erforschung der Mechanik 44 Das organische System der forstlichen Disziplinen. der inneren Lebensvorgänge: Physiologie, und in die der Entwicklung nach den äußeren Lebensverhältnissen der Or- ganismen: Biologiel!. Nun wird man geneigt sein, zu sagen, daß eine Über- tragung dieser Richtungen auf eine Ausscheidung der Diszi- plinen bei Wissenschaften, welche sich zwar mit realen aber nicht körperlichen Objekten beschäftigen, nicht zulässig, daß hier höchstens von einem mehr oder minder passenden Vergleich, aber nicht von einer Analogie die Rede sein könne. Ich verweise deshalb hier nochmals auf die Anwendung dieses Prinzips bei einer Wissenschaft, welche ebenfalls ein unkörperlic''es Objekt hat, auf die Staatswissenschaft, welche die Staatengebilde auch nach diesen drei Richtungen erforscht und insbesondere in der Scheidung von Verfassung und Ver- waltung bei ersterer die Staatengebilde an sich, bei letzterer dieselben in ihren Lebensäußerungen untersucht’. Zweck, Inhalt und Umfang des ersten Forschungsgebietes dürfte unbestritten sein. Schwieriger scheint es mir, klarzulegen, daß auch die Ausscheidung der beiden anderen innerlich berechtigt ist. Es trägt vielleicht besser als theoretische Darlegungen zum Verständnis meiner Auffassung bei, wenn ich dafür ein Beispiel bringe und soll hierzu ein ganz einfacher Akt forstwirtschaftlicher Tätigkeit, sagen wir das Setzen einer Pflanze, dienen. Ich kann dieses Setzen zunächst rein äußerlich betrachten und fragen: „Wer setzt die Pflanze?“ zweifellos der Arbeiter; ebenso zweifel- 1 J. Wiesner, Elemente der wissenschaftlichen Botanik, Teil III, Biologie der Pflanzen, nennt Biologie die Lehre von der Lebensweise, der Erblichkeit, Veränderlichkeit, Anpassung und natürlichen Ver- breitung der Gewächse. ® L. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 3. Aufl., 1. Bd., S. 26: „So nun scheidet sich der organische Begriff der Verwaltung als das Gebiet der inneren Arbeit der tätigen Kraft des Staates, welches das wirkliche Leben und seine Kräfte in sich aufnimmt, von der Verfassung, in welcher als der freien Willensbestimmung der selbständigen Staatspersönlichkeit der Staat nur noch sich selber zum Objekt eines Willens hat.“ (Noch weiter gehen in der Aufstellung derartiger Analogien: Schäffle, Bau und Leben des sozialen Körpers, und P. v. Lilienfeld, Die menschliche Gesellschaft als realer Organismus.) Grundlegung. 45 os ist aber auch, daß es der Arbeiter nicht allein ist, denn er hat nicht ohne Anstoß gearbeitet; vorher hat es ihm der Förster an- befohlen und dieser wieder den Auftrag seines Oberförsters ausgeführt ; der aber handelte auf Grund der Anordnungen des Taxationswerkes, welches nach den Direktiven der leitenden Stelle aufgestellt wurde. Hier wird also der Vorgang rein äußerlich erfaßt nach den Organen, die hierbei in Aktion treten; man kann aber auch die Frage — immer noch hinsichtlich der in Funktion tretenden Organe — in anderer Art aufwerfen. Bis es zum Setzen der Pflanze kommt, müssen alle Organe des Unternehmens, jedes in seiner Weise, in Bewegung gesetzt werden: es mußte das Ziel der ganzen Wirtschaft festgestellt sein, die Pläne entworfen und im einzelnen ausgearbeitet sein; denn bis ich eine Pflanze im Wald setzen kann, müssen alle Organe da sein, muß Holz- und Betriebsart, Umtrieb, Hiebsfolge feststehen; es müssen ferner die Arbeiter bestellt, Pflanzen und Gerätschaften bereit sein usw. — wir haben also hier anatomische Forschung. Die bisherige Betrachtung ging vom äußerlichen Gesichtspunkt der Leitung und Ausführung aus. Ich kann aber auch nach dem „Wie“, nach der Art fragen, in welcher der Akt ausgeführt wurde; ich kann fragen: „Welches Verfahren der Pflanzung wird angewendet, ist es Herbst- oder Frühjahrspflanzung, welche Form der Verjüngung, der Be- triebsführung liegt zugrunde, daß gerade diese Holzart hierher kommt, in welcher Beziehung steht der Akt zur Führung der Wirtschaft, in, welcher zur Erreichung des Zieles der Wirtschaft?“ Ich kann ferner die Frage des „Wie“ noch in anderer Weise stellen und die Pflanze einerseits als Stoff, anderseits als Wert betrachten, kann einerseits mich fragen: „In welcher Weise erfolgt hier durch die Pflanzung die Er- zeugung. des Holzes, in welcher die des Holzwertes?“ also einerseits: „Wie wird der technische Akt eingeleitet?“ anderseits: „Welche ökonomische Erwägungen sind dabei im Spiel gewesen?“ (physio- logische Forschung). Es kann aber zum Schluß die Frage in noch tieferer Weise erfaßt und nach dem „Warum“ geforscht werden, indem die äußeren natürlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse untersucht und aus ihrer Entwicklung die bei der physiologischen Forschung lediglich als Tatsache betrachteten wirtschaftlichen Systeme, Methoden und Ver- fahren erklärt werden (biologische Forschung); diese wird also im vorliegenden Fall zu ergründen suchen, wie Boden, Jahreszeit, Absatz, Arbeiterverhältnisse usw. jetzt und früher eingewirkt haben, daß sich das beim Arbeitsakt der Pflanzung angewendete Verfahren gerade so entwickelt hat, wie wir es vor uns entstehen sahen. 46 Das organische System der forstlichen Disziplinen. b) Ausführung. Die einzelnen Gebiete der forstwissenschaftlichen Forschung. 1. Das erste Gebiet (geographische und systemi- sierende Forschung). Aufgabe und damit Umfang und Inhalt dieses Gebietes wurden oben schon angedeutet. Es handelt sich einerseits um die äußerliche Erforschung der Wirtschaftsformen der Forstwirtschaft nachihrem geographischen Vorkommen, anderseits um die Charakterisierungund Bestimmung der Formen sowie die Einreihung jedes einzelnen Unternehmens in eine Gruppe und Zusammenfassung der Gruppen zu höheren Ordnungen. Das Gebiet würde sich also dadurch in zwei Teile scheiden: die wirtschaftliche Geographie und die wirtschaftliche Systematik. Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn ich sage, daß die Forstwissenschaft diese beiden hier theoretisch bestimmte. Forschungsaufgaben noch nicht kennt, und daß eine einheitliche Auffassung und Bearbeitung des bis jetzt erforschten bzw. bekannten Materials noch nicht vorliegt. Es muß genügen, hier diese Aufgaben lediglich anzudeuten. Zu der ersteren würde gehören: die Untersuchung der Formen des Besitzes an Wald, und dadurch bedingt die Unter- nehmerformen nach Art und Umfang der Forstwirtschaft und ihrer Verbindung mit anderen Gewerbsbetrieben; die Rechts- formen der wirtschaftlichen Persönlichkeit (nach gewissen Richtungen untersucht durch Oberförster Dr. Heck, Das Genossenschaftswesen in der Forstwirtschaft); das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital in der Forstwirtschaft; die Be- ziehungen zwischen den Formen des Besitzes und der Wirt- schaftsführung, Wirtschaftsziel usw. Ich erinnere nur an die eigenartigen Verhältnisse, welche entstehen bei Stiftungen, Gemeinden, auch mittleren und größeren Privatbesitzen, wenn Ausführung. 47 die Wirtschaft nicht einheitlich geführt wird, sondern eine Trennung des technischen und ökonomischen (kauf- männischen) Betriebes stattfindet; ebenso ist die Frage der Verbindung verschiedener Unternehmungsarten mit der Forst- wirtschaft weder statistisch noch prinzipiell genügend erforscht, z. B. die Formen, bei denen es sich um eine Verbindung der Betriebe handelt (Waldfeldbau, Nebennutzungsbetriebe, Parkwirtschaft, Jagd), und solche, bei denen eine weitere Be- handlung der Produkte stattfindet (Umformung zu Halb- und Ganzfabrikaten, Transportunternehmungen). Wo die Frage der Existenz und des Umfanges der Formen, also die Aufgabe der empirischen Forschung noch nicht er- ledigt ist, steht natürlich die darauf sich gründende sytema- tische Bearbeitung, die Sichtung des Materials noch mehr zurück, und es läßt sich nicht verkennen, daß hier der wissen- schaftlichen Arbeit noch ein weites Feld offen steht. Eine solche Systematik hätte die vorhandenen Formen der forstlichen Unternehmungen unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Intensitätsgrades (Okkupation, einfache Holzzucht, Verbindung mit landwirtschafslicherZwischennutzung, Vorherrschen des Holzkapitals oder der Arbeit), der Kultur- stufen (roher Plenterbetrieb, schablonenmäßiger Betrieb von Hochwald, feinere Wirtschaft wie geregelter Plenterbetrieb usw.) und ähnlicher Gesichtspunkte, ferner nach wirtschaftlichen Systemen (Hauberge, Eichenstarkholzzucht, Nadelholz- betriebe, Handelsbetriebe, Lokalbetriebe — nur für den ört- lichen oder den eigenen Konsum arbeitend —, reine Forst- wirtschaft, Forstwirtschaft im landwirtschaftlichen oder gewerb- lichen Nebenbetrieb, Staatswald, sonstiger gebundener Wald- besitz, Privatwald) zu gliedern und zu klassifizieren. Es hat keinen Zweck, an dieser Stelle die Sache weiter zu verfolgen, nachdem das Prinzipielle derselben klar ist. 48 Das organische System der forstlichen Disziplinen. 2. Das zweite Gebiet (morphologische und ana- tomische Forschung). Hat das erste Gebiet der Forschung die forstwirtschaft- lichen Unternehmungen als Ganzes, also gleichsam als Körper betrachtet, so ist es nun Aufgabe der folgenden Gebiete, die auf diese Art äußerlich bestimmten und umgrenzten Objekte auf das Grundsätzliche und Gleichartige ihrer Gestaltung und ihrer Lebensäußerungen zu prüfen. Die Untersuchung und Erforschung des ersteren ist das zweite große Gebiet der Forschung. Es erscheint notwendig, hier zunächst noch eine allgemeine Betrachtung vorauszusenden. Der Gedankenprozeß, welcher die Arbeit der natürlichen Persönlichkeit bedingt, jedem einzelnen Arbeitsakt vorausgeht, ihn begleitet und ihm nachfolgt, ist nur schwer in allen seinen Stadien zu verfolgen, weil diese geistigen Vorgänge ohne äußeres Kennzeichen und rasch ineinander übergehen. Stets ist erforderlich das Erfassen und Erkennen der Aufgabe, die vergleichende Überlegung über die beste Art der Ausführung und nach der Arbeit die Prüfung des Geschehenen, die Klar- stellung von Aufwand und Erfolg. In dem vielgliedrigen Organismus des größeren Unternehmens wird nun jeder dieser Denk- und Tätigkeitsakte zur gesonderten Arbeit, zur Aufgabe eines besonderen Organs. (Bei den forstlichen Unternehmungen ist sogar gewöhnlich eine sehr weitgehende Teilung ausgebildet infolge der großen räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Betriebes und der Masse des dabei bewegten bzw. behandelten Stoffes.) Wir können nun diese Organe, wie oben schon unter a) angedeutet, einerseits morphologisch, d. h. nach ihrer Gestaltung und in ihrer Eigenschaft als Teile des Gesamt- organismus in ihrem Verhältnis zu diesem und unter sich, anderseits anatomisch, d. h. in ihrer Eigenschaft als Ausführung. 49 tätige Glieder, in ihrer Bedeutung für den Verlauf des wirt- schaftlichen Prozesses betrachten. Es entspricht also dieses zweite Gebiet der Forschung etwa dem, was in unserer Literatur als Forstverwaltung, Forsthaushaltungskunde be- handelt ist, und auch die weitere Teilung in Diensteinrichtung (Morphologie) und Geschäftsbehandlung (Anatomie), wie sie Schwappach und Heß (Enzyklopädie III. Teil) durchgeführt haben, ist systematisch gerechtfertigt. 3. Das dritte Gebiet (physiologische und bio- logische Forschung). Dem zweiten, den Organismus als solchen, d. h. in seiner Gestaltung untersuchenden Forschungsgebiete gegenüber ist es Aufgabe des dritten, den Organismus in seiner Arbeit zu untersuchen, die Arbeit als Erscheinung oder „Erlebung“, wie neuere Nationalökonomen sagen, aufzufassen und sie dann als Resultante der Einwirkung äußerer Kräfte zu erklären. Die Auflösung dieses Prozesses in seine einzelnen Momente, die Beschreibung der verschiedenen Systeme, Methoden und Ver- fahren, die Bestimmung der Gesetze, welche den Bewegungen zugrunde liegen, wir können sagen, die Physiologie der wirtschaftlichen Arbeit! ist der eine Teil, die Untersuchung der Entstehung und des Verlaufs der Lebensvorgänge in ihrer Bedingtheit durch die Verhältnisse des Wirtschaftsobjektes, die Biologie, ist der andere Teil dieses Gebietes. A. Die Physiologie der Wirtschaft. Zwei Richtungen sind es, nach denen durchgreifend der ganze Prozeß der Wirtschaft betrachtet werden kann: die eine geht aus vom Prinzip des äußeren Verlaufs, indem die einzelnen Akte nach ihrer Bedeutung für die Gesamtaktion 1 Professor Klein sagt (Lorey-Stötzer, „Handbuch der Forstwissen- schaft“, S. 23) direkt: „Die Arbeitsleistung des Baumes (Physiologie)“. Wappes, Studien. 4 50 Das organische System der forstlichen Disziplinen. des wirtschaftlichen Prozesses erfaßt werden, die andere geht aus von dem Prinzip der im Vorgang enthaltenen inneren Motive; erstere gibt die Erklärung, wie die Arbeitsakte entstehen, letztere, wozu sie erfolgen; erstere gibt die Lehre von den Systemen, Methoden und Verfahren, letztere analy- siert die treibenden Kräfte und kommt damit gegenüber der Stoffbewegung zur Wertbewegung der Forstwirtschaft; man kann darum auch sagen, erstere gibt die Mechanik, letztere die Dynamik der wirtschaftlichen Arbeit. I. Die Mechanik der Wirtschaft (formale Gliederung). Der Inhalt der Disziplin wird zunächst darin bestehen, darzustellen, welche Wirtschaftsziele! bei den verschiedenen forstwirtschaftlichen Unternehmungen vorhanden sind, und welche Systeme sich entwickelt haben, um dieselben zu er- reichen. Werden sodann die Systeme darauf untersucht, welche Methoden sie zur Erreichung des Zieles anwenden und die Methoden, welcher Verfahren sie sich bedienen, so ist klar, daß hierbei die Forschung zu erfolgen hat nach den Arbeits- gebieten des Betriebes. ‚s Vergl. hierüber Borggreve, „Forstabschätzung“, S .115. Die hier in Frage kommenden Begriffe sind in unserer Literatur durchans nicht klargestellt; ich möchte hier nur einige Momente anführen, um für das Ganze der Arbeit verständlich zu sein. Das Wirtschaftsziel dürfte besonders abhängen von dem Moment des Nachhaltes (aussetzen- der, jährlicher Betrieb, kaufmännische oder andere Gesichtspunkte für den Einschlag in bezug auf Masse oder Wert), der Wirtschaftlich- keit (Prinzip für die Festsetzung des Wirschaftsprozentes, d. h. Geld- bzw. Kreditwirtschaft oder Streben nach Erziehung höchster Masse, gewisser Sortimente usw.) und Rücksichten allgemeiner, aus dem Charakter der wirtschaftlichen Persönlichkeit hervorgehehender Natur z. B. administrative Zwecke bei Staatswald, Rücksichten der Ästhetik, Ethik usw. Ausführung. 51 Zwei Arten von Arbeit scheiden sich nun da zunächst aus: einerseits die Ordnung und Leitung, anderseits der Voll- zug der Arbeiten. 1. Ordnung und Leitung erscheinen hier als die erste Funktion der oben besprochenen Organe; es handelt sich also um die Methoden, nach denen der Tatbestand des Wirtschaftsobjektes, der Wald, erfaßt wird (in seiner Eigen- schaft als Fläche, Boden und Bestand) und nach denen auf Grund der so gewonnenen Erkenntnis Ziel und Plan der wirtschaftlichen Arbeit festgelegt wird. 2. Für den Vollzug kommt in Betracht, daß die eigent- liche wirtschaftende Tätigkeit nicht unmittelbar mit ihren Kräften das Objekt erfassen kann, sondern vorher gewisse Bedingungen und Voraussetzungen zu erfüllen hat. Wir müssen daher unterscheiden die allgemeinen Arbeiten und die eigentliche Betriebsarbeit. a) Die allgemeinen Arbeiten. Wenn man die Tätigkeit einer ein wirtschaftliches Unter- nehmen beginnenden Persönlichkeit betrachtet, so wird sich zeigen, daß sie zunächst danach streben wird und muß, die allgemeinen Bedingungen für die Existenz des Unternehmens zu beschaffen. Diese sind zum Teil zwar schon vom Staat gegeben, dessen Aufgabe es ist, für die Wirtschaft jene Be- dingungen ihres Gedeihens zu bieten, welche sie sich nicht aus eigener Kraft zu schaffen vermag (Rechtsschutz, Verkehrs- einrichtungen und -anstalten, ferner auch direkte und indirekte Unterstützung, wie z. B. durch Zölle); allein es hat auch das Einzelunternehmen (unter Umständen im Verein mit anderen Unternehmungen des gleichen Wirtschaftszweiges) noch eine vielseitige Tätigkeit auszuüben, bevor und damit der eigentliche Betrieb möglich ist. Es ist das vor allem die Durchführung der Arbeitsorganisation, sodann die Sorge für die rechtlichen Grundlagen (beim Wald z. B. Grenzsicherung, 4* 593 Das organische System der forstlichen Disziplinen. Abwehr von Angriffen auf die Substanz des Waldes oder von Eingriffen in die Betriebsführung durch Überschreitung oder Anmaßung von Rechten) und die Beschaffung der Verkehrs- mittel. | b) Die eigentlichen Betriebsarbeiten. Hier nun kommt erst das vor die Forschung, worin das Wirtschaftssystem als Erscheinung nach außen tritt: die Stoff- bewegung, das was die Forstwirtschaftslehre, wenn auch teil- weise mit anderem Inhalt, unter der Bezeichnung Produktions- lehre behandelt hat. Wir können hier drei Momente unterscheiden: die Er- zeugung, die Abgabe und die Buchhaltung (die Abgleichung zwischen Erzeugung und Abgabe). Bei der Stofferzeugung sind drei Gruppen von Aktionen zu unterscheiden: 1. die Anordnung und Erhaltung des Produktionsprozesses (Waldbau), 2. die Sicherung desselben, d. h. die Fernhaltung der dem Gang dieses Prozesses schädlichen Kräfte (Forstschutz, der jedoch nach mancher Richtung etwas weiter zu- fassen ist, da ja in der Forsteinrichtung, Hiebsführung usw. auch schützende Momente liegen), 3. die Unterbrechung des Prozesses (einschließlich weiterer Behandlung der Produkte bis zur Abgabe, Forstbenutzung — allerdingsin engerem, als dem gewöhnlich gebrauchten Sinne). HU. Die Dynamik der Wirtschaft (Wertbewegung). Auf das Wesen der beiden in jeder Wirtschaft enthaltenen Momente, der Technik und Ökonomik, einzugehen, ist nach den Darstellungen des I. Abschnittes nicht mehr nötig. Es ist nur noch zu untersuchen, ob diese letztere Richtung einen Zweig der fachwissenschaftlichen Forschung und im besonderen Ausführung. 53 der physiologischen Forschung bilden muß. Daß sich dieses Untersuchungsgebiet von der eben behandelten formalen Be- trachtung scharf trennt und mit ihr nicht vereinigt werden kann, geht eben daraus hervor, daß die Wirtschaft kein ein- heitliches Geschehen ist. Was die Technik als Stoff betrachtet, erscheint der Ökonomik als Gut (Wert); die Aufgabe der Forschung, welche die Ökonomik der Forstwirtschaft untersucht, ist also, in der Stoffbewegung die Gesetze der Wertbewegung zu suchen, den ganzen Wirtschaftsprozeß vom Standpunkt der Kapitalbildung zu untersuchen. Die Stofferzeugung wird hier Ausgabe (Aufwand von Kapital), die Stoffabgabe Einnahme, die Abwägung zwischen Ausgabe und Einnahme fällt deshalb auch nicht ganz zusammen mit der Abgleichung der Stoff- produktion. Mit vorstehenden Darlegungen glaube ich die Behandlung derin Frage stehenden Probleme nach ihrer prinzipiellen Seite in einem dem Zweck der Arbeit genügenden Grade gefördert _ zu haben. Auf das Detail der Sache einzugehen, ginge über den gesteckten Rahmen hinaus, wiewohl ich nicht verkenne, daß hierbei noch manche Schwierigkeit zu überwinden ist. B. Die Biologie der Wirtschaft. Die Charakterisierung dieses Forschungsgebietes wurde oben schon gegeben. Es sollen hier nur noch einige Er- klärungen gegeben und einige Schlußfolgerungen gezogen werden. In der Naturwissenschaft muß die Biologie als die wich- tigste von ällen Disziplinen angesehen werden; mit ihr erfaßt die Wissenschaft das Leben in seiner ganzen Tiefe und in all seiner Vielseitigkeit. Während die Organographie den Organismus als etwas Festes, Gegebenes ansieht und ihn lediglich nach seiner Form untersucht, während die Physio- logie die Lebensäußerung als Erscheinung theoretisch in die Momente auflöst, durch deren Zusammenwirken sie erst ent- steht, faßt die Biologie die Naturkörper als Ganzes und als 54 Das organische System der forstlichen Disziplinen. Stadium einer Entwicklung auf. Ihr Ausgangspunkt ist das Leben, wie es sich als Ergebnis einer Gegenwirkung der verschiedenen äußeren Einflüsse einerseits und der inneren Kräfte des Organismus anderseits bisher entwickelt hat und noch fortwährend entwickelt. Das Schwergewicht der Unter- suchung liegt nicht auf dem Objekt selbst, sondern auf dem Medium, in dem es lebt, von dem es beeinflußt wird, und auf das es Einfluß ausübt. In der Übertragung dieses Stand- punktes auf die Betrachtung wirtschaftlicher Erscheinungen und Organisationen sind diese noch folgenden Gesichtspunkte zu untersuchen: 1. die natürlichen Verhältnisse des Wirtschaftsobjektes als Ausgang von rechtlichen und sozialen Beziehungen, 2. die Einwirkung dieser Beziehungen auf den Gang und die Entwicklung der Wirtschaft, 3. die die Rückwirkung der Wirtschaft auf eben diese Beziehungen. Wenn man auf das oben angeführte Beispiel zurückgreift, so muß man sagen: Halte ich mich nicht lediglich an das, was mir beim Pflanzensetzen erscheint, sondern gehe ich auf die Verhältnisse zurück, als deren Entwicklung der Akt zu betrachten ist, frage ich also im tiefsten Sinne nach dem „Warum“, so befinde ich mich auf dem Gebiete der biologischen Forschung. Ich müßte also z. B. die Wahl der Holzart in Beziehung bringen zu den technischen Eigenschaften des Holzes, zu den Anforderungen, welche die Bautechnik an das Holz stellt, zu dem Einfluß, den umgekehrt das Holz als Baumaterial auf die Technik ausübt usw. Ihre Stoffeinteilung müßte darum die Darstellung der Ergebnisse dieses Forschungszweiges finden entweder gleich der Physiologie in den Arbeitsgebieten des Betriebes oder aber in den Kategorien des Mediums. Für den Zweck der vorliegenden Arbeit genügt es mir, das Grundsätzliche ab- geleitet zu haben. Ich behalte mir vor, bei anderer Gelegen- Würdigung des Hundeshagenschen Systems. 55 heit vielleicht darauf zurückzukommen. Wer bis hierher meiner Darlegung gefolgt ist und das Bestreben hat, sich vorzustellen, wie man eine derartige Forschung im einzelnen weiter aus- bauen müßte, dem empfehle ich, eines der neueren national- ökonomischen Werke zu studieren und dabei stets im Auge zu behalten: Wie verhält sich das Fach zu diesem allgemeinen Erkenntnissen? Ich denke hier an das eingangs schon zitierte Werk von Werner Sombart: „Die deutsche Volkswirtschaft im neunzehnten Jahrhundert,“ von dem ich nur die Überschriften des zweiten Buches: „Die Elemente des neuen Wirtschafts- lebens“ anführen will: Die treibenden Kräfte, Das Land, Das Volk, Die Technik. c) Würdigung des Hundeshagenschen Systems. Wer über das Thema schreiben will, das ich mir in vor- liegender Arbeit gestellt habe, muß auf Hundeshagens „Enzy- klopädie der Forstwissenschaft“ zurückgehen: erstens, weil nirgends die einschlägigen Fragen so ausführlich behandelt worden sind, und zweitens, weil Hundeshagen in seinem System, obwohl es eigentlich der erste Versuch war, bis heute in Um- fang und Folgerichtigkeit nicht übertroffen wurde. Man muß im Gegenteil sagen, daß das, was dieser Schriftsteller — 18211 — errungen hat, noch bis in die modernsten Werke herein nicht hinreichend beachtet wurde, so daß die heutige Literatur, was systematische Klarheit und Erkenntnis anlangt, eher hinter ihm zurücksteht, als über ihn hinausgekommen ist)!. Wie bereits in Abschnitt I Ziffer 4 erwähnt, begeht Hundeshagen mit seiner Definition der Forstwissenschaft den Fehler, daß er als solche alles Wissen in bezug auf den Wald betrachtet. Die forstwissenschaftliche Theorie in ihrem ganzen Umfang begreift demnach bei ihm: ı Zu erwähnen ist hier fast nur Th. Hartig, v. Wedekind und Kraft in einer größeren Abhandlung (Kritische Blätter Bd. 51, H. 2 und Bd. 52, H. 2). 56 Das organische System der forstlichen Disziplinen. A. die Vorbereitungs- oder Hilfswissenschaften (mathe- matische, naturwissenschaftliche, rechtliche Wissen- schaften und Staatswissenschaft), B. die Haupt- oder eigentliche Forstwissenschaft Hundeshagen fährt dann weiter!: „Die Hauptwissenschaft selbst zerfällt in zwei wesentliche, besondere Teile, nämlich: in die Forstwirtschaftslehre und in die Forstpolizeilehre. Die Forstwirtschaftslehre umfaßt diejenigen Kenntnisse, wodurch der Zweck und Gegenstand der Forstwissenschaft ($ I) durch den einzelnen, also durch eine vollkommen kunstgerechte und wirtschaftliche Behandlung des Holzlandes, oder unmittelbar — erreicht werden kann; wogegen die Forstpolizeilehre von den besonderen Maßregeln handelt, wodurch die oberste Staatsgewalt jenen Zweck auch noch mittelbar zu befördern hat. Das ganze System der Forstwissenschaft läßt sich in folgender Weise schematisch darstellen: Forstwissenschaft. Il. Forstwirtschaftslehre. A. Produktionslehre. 1. Allgemeine Forstbotanik. 2. Boden- und Gebirgskunde. 3. Klimatologie und Pflanzengeographie. 4. Besondere Forstbotanik. 1. Waldbau. b) Angewandter Teil. . | 2. Forstbenutzung. a) Vorbereitender Teil 3. Forstschutz. B. Gewerbslehre. | 1. Forstvermessung. Forstwirtschaftsbestand . ne or rennen 2. Forsbeschreibung. b) Forststatik. : 1. Betriebssysteme. h N een | 2. Forsteinrichtung. 1. Naturalabschätzung. . 2. Geldertragsberechnung. e) Haushaltskunde . . . . Geschäftseinrichtung und Führung. d) Forstabschätzung 1 Enzyklopädie, 4. Aufl, S. 11. Würdigung des Hundeshagenschen Systems. ai II. Forstpolizeilehre. Vorkenntnisse aus der allgemeinen Staatswissenschaft, aus der A. Vorbereitender Teil . Staatswirtschaftinsbesondere, so- wie aus der Polizei- und Rechts- wissenschaft. 1. Allgemeine Polizeimaßregeln. 2. Besondere Polizeimaßregeln. Die Gründe für die beiden Hauptteile dieses Systems (I. und II.) sind bereits angegeben. Denn die Forstwirtschaft kann vorweg einmal, wie jedes andere Gewerbe, für sich und ohne alle Beziehung auf den Staat — betrachtet werden. In jedem ähnlichen Gewerbe unterscheidet man aber wieder zwischen der Kunst des Erzeugens und der des Gewerbshaushalts.“ B. Angewandter Teil. . | Es ist nun vor allem von Interesse, daß hier Hundes- hagen sich durch seine mehrfach erwähnte Definition durch- aus nicht dazu hat verführen lassen, die Beziehungen zwischen Staat, Forstwirtschaft und Wald unrichtig aufzufassen. Es geht das auch aus nachfolgender Anmerkung zu $1 des dritten Hauptteils (Forstpolizei) hervor: „Die Stellung der Polizei im allgemeinen, sowie der. Forstpolizei insbesondere wird sich nun aus dem Begriff und und den Teilen der Staatswissenschaft ergeben“. (Die hieran anschließende Auseinandersetzung des Begriffs Staatswissen- schaft zeigt, wie sehr überall nach den großen Zusammen- hängen gesucht ist.) Was oben von Hundeshagen als „Forstwirtschaftslehre“ gefaßt ist, deckt sich nach seinem Umfang mit meiner Defini- tion der Forstwissenschaft. In dieser Lehre wird nun weiter die Produktionslehre der Gewerbslehre gegenübergestellt. Die erstere ist aufgefaßt (S. 13) als „die forstliche Erzeugung im engeren Sinne“, die letztere als die Lehre von den Kenntnissen und Hilfsmitteln, „womit man das Gewerbe als bürgerliche Be- schäftigung, als Erwerbs- und Unterhaltsgegenstand zu betreiben imstande ist“. Nun ist es klar, daß zum Erwerb auch die Produktion 58 Das organische System der forstlichen Disziplinen. gehört; aber auch wenn man diese Abscheidung auf das rein Technische beschränken wollte, so bleiben doch für das, was unter Gewerbslehre zusammengefaßt ist, so viele unter sich verschiedenartige Momente, daß die Zusammenfassung in eine Klammer nicht möglich ist. Denn die Forstvermessung und Forstbeschreibung haben innerlich nichts gemein mit der Statik und diese nichts mit der Haushaltskunde. Die Hundes- hagensche Bildung der Disziplinen darf man daher nicht auf- fassen als ein System, sondern man muß sie charakterisieren als Einteilung, hervorgegangen aus dem Bedürfnis der Lehre für den Vollzug der Geschäfte. Ill. Die Forstwirtschaft und der Staat (das Forstwesen). a) Grundlegung. Im bisherigen wurde die Forstwirtschaft als etwas Selb- ständiges aufgefaßt. Jedes Unternehmen hat aber neben der privatwirtschaftlichen noch eine zweite Seite, den Punkt, wo es einerseits mit den gleichartigen Unternehmungen eines größeren politischen Kreises — Gemeinde, Bezirk, Staat — ein Ganzes bildet, wo es anderseits als Faktor des Staats- lebens auftritt, Gegenstand der Staatstätigkeit und eine ge- staltende Kraft für die Rechtsbildung wird. Die wissenschaftliche Behandlung des Verhältnisses, in dem die Forstwirtschaft zum Staate steht, die begriffliche Er- fassung der Beziehungen, die daraus entstehen, daß die Forstwirtschaft Objekt der verwaltenden Tätigkeit des Staates ist, kann, das geht schon aus dem Wesen der Sache hervor, nicht einen Teil der Forstwissenchaft bilden, denn diese geht von einem völlig verschiedenen Standpunkt aus. Die Er- Grundlegung. 59 forschung dieser Beziehungen erfolgt vielmehr vom gleichen Standpunkt, von dem die übrigen Beziehungen zwischen dem Staat und den Objekten seiner Tätigkeit behandelt werden, sie gehört also zum Kreise der Staatswissenschaften. Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß dieses Ver- hältnis auch heute noch nicht genügend erkannt wird; man kann das daraus erklären: erstlich, daß von jeher und in großer Ausdehnung die Forstwirtschaft als staatlicher Betrieb geführt wurde und infolgedessen administrative Gesichts- punkte stets weitgehende Berücksichtigung fanden, und dann, daß es bei der Ausbildung der Forstbeamten notwendig erschien, in weitgehender Weise die Aufgaben der Forst- wirtschaft vom staatlichen Gesichtspunkt zu behandeln. Lehre und Wissenschaft wurden nicht auseinandergehalten. Es ist eben, wenn man nicht auf die tiefsten Grundlagen zurückgeht, nicht leicht, die Forstwirtschaft dem Staate gegenüberzustellen. Aber gerade in diesem Verhältnisse legt die Aufforderung zur wissenschaftlich - systematischen Untersuchung; vor allem auch daraus, daß für die innere Verwaltung des Forstwesens und für den Staatsforstbetrieb — wenigstens bei uns in Deutschland — dieselben Behörden in Aktion treten, ergibt sich die Notwendigkeit, theoretiseli auszuscheiden, was an deren Wirken administrativ und was wirtschaftlich-fiskalisch ist. Aus dem Bisherigen geht hervor, daß man die Forstpolitik nicht dem Kreise der forstwissenschaftlichen Disziplinen zurechnen darf, wie dies bis in die neuesten Werke herein geschehen ist; so namentlich auch bei Lehr. Dieser! faßt die Forstpolitik als Wissenschaft auf als die wissenschaftliche Behandlung der wirtschaftlichen Stellung, welche Wald und Forstwirtschaft im Staat und Volkswirtschaft ein- nehmen. Aus dem nächsten Satz geht aber hervor, daß dieser Wissens- t Lorey, Handb. d. Forstwissenschaft, 1. Aufl., 2. Bd., S. 406; Endres hat in der 2. Aufl. (4. Bd., S. 310) hieran nichts geändert und stellt sich in der Einleitung zu seiner Forstpolitik auf den gleichen Standpunkt, 60 Die Forstwirtschaft und der Staat. zweig zu den forstlichen gerechnet wird. Damit steht im Wider- spruch, daß dann weiterhin die Forstpolitik „als Kunst“ definiert wird, als derjenige Teil der öffentlich wirtschaftlichen, insbesondere der staats- wirtschaftlichen Tätigkeit, welcher sich auf das Forstwesen bezieht. Die nachfolgenden Darlegungen sollen nun dazu dienen, die nähere Ausführung obiger Begriffsbestimmungen zu geben. Zwei Kräfte sind es, die in ihrer Wechselwirkung das Recht erzeugen: der Staat und die einzelne Persönlichkeit (in unserem Falle die wirtschaftliche Unternehmung). Zwischen beiden herrscht ein steter Kampf, in dem der Staat das In- teresse der Allgemeinheit vertritt, während die einzelne Wirt- schaft und die Gesamtheit gleichartiger Wirtschaften die öffentliche Gewalt so zu leiten versuchen, daß ihre privaten Bestrebungen möglichst gefördert werden. Für die auf das Wohl aller und damit auch jedes einzelnen gerichtete Tätig- keit des Staates ist es jedoch von Wert, von allen Einzel- bestrebungen Kenntnis zu erhalten, ihre Berechtigung und ihre Stärke beurteilen zu können. Indem zu diesem Zwecke der Staat die Vertretung der Einzelinteressen organisiert, entsteht die Selbstverwaltung entweder durch Zusammenschluß nach historischen Körperschaften (Landschaften, Zünfte, Innungen) oder nach persönlichen Interessen (alle Formen von Gesell- schaften und Vereinen) oder durch eine Verbindung zwischen Staat und Selbstverwaltung (Verwaltungsgemeinden, Genossen- schaften). Bei der Forstwirtschaft ist nun eigenartig, 1., daß in fast allen Kulturstaaten der Staat und in zweiter Linie sonstige Verwaltungskörper (Gemeinden, Stiftungen) die bedeutendsten Waldeigentümer sind, so daß eine geschlossene Vereinigung von Interessenten nicht durchführbar ist, 2., daß da, wo ' die Forstwirtschaft von Privaten geführt wird, gewöhnlich eine Verbindung verschiedener Erwerbszweige vorhanden ist | (meist Landwirtschaft), wobei die Forstwirtschaft zurückstehen muß und schließlich, 3., daß sich infolge der eben er- Grundlegung. 61 erwähnten Verhältnisse zwar ein Berufsbeamtentum entwickeln konnte, aber kein eigentlicher Stand von Waldwirten der das Interesse des Eigentümers und den Impuls zum fachlichen Fortschritt vereinigt. Auf der anderen Seite ist es durch eben diese Verhält- nisse bedingt, daß die Einwirkung des Staates auf anderem Wege als bei anderen Gewerben erfolgen kann. Es ist nicht uninteressant, zu vergleichen, wie diese Funktionen nach Land und Betrieb verschieden wirken. Bei der Forstwirtschaft entscheidet für die Art, wie der Staat seine verwaltende Arbeit be- tätigt und die Selbstverwaltungskörper ihr Interesse wahren, haupt- sächlich Besitzesform (Staat, Gemeinde, Private), Besitzesgröße (Groß- und Kleinbesitz) und Besitzesart (Verbindung mit Landwirtschaft, Berg- bau, Handel. Wo viel Staatswald und unter staatlichen Organen stehender Wald ist, ist Vereins- und Genossenschaftswesen nur wenig entwickelt. Das sogenannte forstliche Vereinswesen ist dann mehr wissenschaftlicher als wirtschaftlicher Natur und den wirtschafts- politischen Forderungen und Bestrebungen solcher Vereine liegen stets mehr allgemeine Staatszwecke als Sonderinteressen zugrunde, so z. B. in Deutschland auch jetzt noch, wo der Deutsche Forstverein sich eine mehr auf Standes- und Berufsinteresse gehende Organisation gegeben hat; wo Großgrundbesitz von Privaten (wie in Österreich, namentlich ‘ in Böhmen und Mähren) vorwiegt, hat sich das Vereinswesen besonders und eigenartig entwickelt; in den genannten Ländern unterhalten sogar die Vereine die höheren forstlichen Bildungsanstalten, was sonst stets | als Staatsaufgabe betrachtet wird; wo Kleinbesitz in Verbindung mit Landwirtschaft herrscht, muß die Verwaltung sogar gegen den Willen der Besitzer die Forstwirtschaft halten und fördern. Die weitere Behandlung des Stoffes ergibt sich aus folgen- den Darlegungen: In drei große Gebiete scheidet sich das innere Leben des Staates; nach diesen drei Gebieten erfaßt derselbe die Lebens- verhältnisse jeder Persönlichkeit und sind umgekehrt deren Lebensäußerungen sein Inhalt!: Das erste Gebiet ist das Güterleben des Staates: die Staatswirtschaft (im engeren Sinn), ! Ich folge hier aus Gründen, deren Darlegung zu weit führen würde, der Ausscheidung L. v. Steins, obwohl mir bekannt ist, daß die neueren staatswissenschaftlichen Schriftsteller anders einteilen. 62 Die Forstwirtschaft und der Staat. das zweite das Verhältnis der einzelnen Persönlich- keiten zu einander, deren Selbständigkeit durch das Recht aufrecht erhalten wird: die Rechtspflege, das dritte ist das Bedürfnis nach der Entwicklung der Persönlichkeit, insofern dasselbe durch die Gemein- schaft bedingt wird. Diese Entwicklung des physischen, geistigen und wirtschaftlichen Lebens der Persönlichkeit durch den Staat ist die innere Verwaltung, Das nun, was das Ganze der Forstwirtschaft eines Staates ausmacht, einerseits die Gesamtheit der einzelnen forstwirt- schaftlichen Unternehmungen nach ihrer staatlichen Seite, anderseits die Einrichtungen des Staates gegenüber dieser Gesamtheit dürfte am besten mit Forstwesen zu bezeichnen sein. Forstwesen würde also einen politischen Zustand, der sich in Rechtsverhältnissen äußert, bezeichnen. Die obige Begriffsbestimmung schließt sich an L. v. Stein an, der in seiner Verwaltungslehre (2. Aufl., S. 614, 3. Aufl., II, 633) de- finiert: „Die Verbindung des Einzel- und öffentlichen Rechtes (das bürgerliche Recht des einzelnen und die im Interesse der Gesamtheit erfolgende Beschränkung des privaten wirtschaftlichen Interesses) bildet das, was wir das Forstwesen und sein Verwaltungsrecht nennen.“ Nichts dürfte ein besserer Beweis dafür sein, wie sehr eine Diskussion über die Grundbegriffe unserer Wirtschaft am Platze ist, als wenn man einige Definitionen vom „Forstwesen“ zusammenstellt; fast alle vereinigen tatsächliche Zustände, politische Erscheinungen und begriffliche Vorstellungen (Rechtsverhältnisse, Wirtschaft und Wissenschaft) unter ein und derselben Benennung. Eine Begründung oder Herleitung ist nirgends versucht. Cotta, Waldbau, S. 1: „Forstwesen ist der Inbegriff alles dessen, was zur Lehre und zur Anwendung gehört.“ Hundeshagen, Enzykl. der Forstw. I, 8. 2: „So durch wirt- schaftliche Behandlung der Wälder entstehen also Forste (Wald- wirtschaftsbezirke) und neben dem Ackerbau (Landwirtschaft) auch eine Forstwirtschaft; oder auch das Forstwesen als Inbegriff aller auf die Waldbenutzung Bezug habender Gegenstände.“ Grunert, Forstlehre, $. 1: „Eine Vereinigung der Forstwissen- schaft und der Forstwirtschaft pflegt man als Forstwesen zu bezeichnen. Stumpf, Waldbau, 1. Aufl., S. 24, 2. Aufl., 8.1: „Unter Forst- wesen versteht man den Inbegriff alles dessen, was zur Lehre und Anwendung gehört, die gesamte Forstverwaltung.“ Grundlegung. 63 Hartig-Borggreve, Lehrbuch für Förster, 2. Aufl., S. 4: „Alles, was zur Forstwirtschaft, Forstwissenschaft und Forstleuten in einer näheren oder besonders fördernden Beziehung steht, gehört zum Forstwesen.“ v. Wedekind, Neue Jahrbücher der Forstkunde, 33. Heft, S. 106: „Wald- und Forstwesen ist der Inbegriff aller für gehörige Be- wirtschaftung und Verwaltung der Wälder und Forste bestehen- den und vorhandenen Einrichtungen, Anstalten, Zustände und Geschäfte“ Gwinner, Waldbau, definiert nicht, spricht aber gelegentlich von der systematischen Entwicklung des Forstwesens, (2. Aufl., S. 3) also gleichbedeutend mit Forstwissenschaft; Hess, Enzykl. der Forstw., S. 9: „Forstwesen ist der Inbegriff alles dessen, was sowohl zur Forstwirtschaft als Forstwissenschaft gehört. Es ist also hiermit Theorie und Praxis gemeint.“ Zeising, Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen 1892, S. 63: „* . . Die Forsten und die in ihnen betriebene Wirtschaft — das Forstwesen — .. .“ Karl Roth benennt sein Geschichtswerk: Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland. „Forstwesen“ findet sich nicht unter den Schlagwörtern des Fürstschen und des Dombrowskischen Lexikons, ebenso konnte ich keine Erwähnung finden in Loreys Handbuch der Forstwissenschaft, Fischbach, Lehrbuch der Forstwissenschaft und in Krafts Abhandlung ' über die Systematik der Forstwissenschaft. Der gewöhnliche Sprachgebrauch versteht unter Forstwesen bald das Fach, das Studium der Forstwissenschaft, bald die Staats- forstverwaltung (als Dienstessparte). b) Die Forstverwaltung und die einzelnen Gebiete der Staatsverwaltung. 1. Forstwirtschaft und Staatswirtschaft. Die Forstwirtschaft kommt bezüglich des ersten der oben genannten Gebiete nach zwei Richtungen in Betracht: einmal hinsichtlich der Besteuerung und dann da, wo sie vom Staat selbst betrieben wird und je nach der Ausdehnung des Staats- waldbesitzes einen mehr oder minder einflußreichen Faktor des Staatshaushaltes bildet. Die erstere Richtung dürfte, so schwierig die Fragen im 64 Die Forstwirtschaft und der Staat. einzelnen sind, in ihrer Stellung gegenüber dem Staat klar sein; weniger ist das der Fall bezüglich der anderen. Die ältere Finanzwissenschaft war darüber nicht im Zweifel, daß die Verwaltung der Staatsforsten dem Gebiet der Staatsgüter, der gewerblichen Unternehmungen und speziell der Domänen zuzuweisen sei. Bei manchen Staaten dürfte diese Anschauung auch heute noch vollkommen berechtigt sein. In vielen Fällen wird auch der anderen Ansicht Raum gegeben werden müssen, welche die Staatsgüter und besonders den Wald in erster Linie weder als Erwerbsquelle bzw. als ertragsfähiges Kapital noch als Fundierung des Staatskredites betrachtet, weil gerade dann, wenn der Kredit schwankt, ein Verkauf derselben un- möglich ist (vgl. Stein, Finanzwissenschaft, 3. Aufl., S. 189), sondern dieselben als Mittel für höhere Kulturzwecke auffaßt. Darin findet auch eine noch weiter gehende Ansicht eine gewisse Begründung: nämlich, daß die Staatsforstverwaltung zwar ein wirtschaftliches Unternehmen des Staates, ihre Be- triebsführung aber derart sei, daß man die Geldeinnahme weniger als freien Kauf wie als Gebühr betrachten müsse (Gewährung gewisser Nutzungen, z. B. Streuabgaben, bei denen jene aus Beständen meist nur in diesem Sinne betrachtet und gebilligt werden, Rücksicht auf Gewerbe und Landwirtschaft, hohe Umtriebe, Erziehung besonderer Sortimente wie Eichen- starkholz; vgl. den Art. 2 und 3 des bayerischen Forstgesetzes, der diese Rücksicht gesetzlich festlegt). Es ist in vielen Fällen nicht entfernt möglich, einen nach kaufmännischen Grundsätzen berechneten Ersatz für den Auf- wand zu erhalten. Da aber der Wald aus anderen Gründen nötig ist, erreicht der Staat durch seine Wirtschaft, daß auch der Privatwaldbesitzz — namentlich bei großem Besitz — nach gleichen Prinzipien wirtschaftet bzw. wirtschaften muß ! 1 Daß die regelrechte Waldwirtschaft gegenüber der Zerschlagung und dem Raubbau in den meisten Fällen bezüglich des Geldgewinnes zurücksteht, ist vielfach nachgewiesen. (Vgl. namentlich Ney: „Über Die Forstverwaltung und die einzelnen Gebiete usw. 65 Für diese Stellung des Staatsforstbesitzes wäre nament- lich als Grund anzuführen: 1. daß die Prinzipien der Ver- waltung mehr hervortreten wie bei anderen Staatsgütern, 2. daß es die Eigenart der forstlichen Technik und Ökonomik unmöglich macht, für das Produkt den Aufwand zu berechnen, den es verursacht hat. Es wäre also dann die Staatsforst- verwaltung mehr eine Staatsanstalt (ähnlich den Ver- kehrsanstalten, vgl. L. v. Stein, Lehrbuch der Finanz- wissenschaft, 3. Aufl., S. 212 und derselbe, Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Aufl., S. 633, 3. Aufl., II, S. 642), und sie gehörte nur hinsichtlich ihrer Einnahmen zur staats- wirtschaftlichen bzw. Finanzverwaltung, ihr Prinzip und System aber zum allgemeinen Teil der wirtschaftlichen Verwaltung. 2. Forstwirtschaft und Rechtspflege. Das zweite Gebiet wäre unerschöpflich, wenn wir das Recht als das betrachten wollten, was es ist: als die Er- scheinung der rechtsbildenden Kräfte. Denn jedes Lebens- verhältnis erzeugt sein eigenes Rechtsverhältnis (L. v. Stein, Verwaltungslehre I, S. 358; s. auch Ahrens in Holtzendorffs „Enzyklopädie der Rechtswissenschaft“, S. 3). Für das Folgende genügt es, das Recht aufzufassen als die Norm, welche das Verhältnis der einzelnen wirtschaftlichen Persönlichkeiten (Unternehmungen) gegeneinander regelt. Der Prozeß, durch welchen die Verwirklichung des im geltenden Recht (Gesetz) enthaltenen Staatswillens gegenüber der Einzelpersönlichkeit erfolgt, ist die Rechtspflege. Sie schafft das negative Element der Selbständigkeit des einzelnen gegenüber dem einzelnen, während die innere Verwaltung die positiven Bedingungen der Entwicklung bietet. Die Rechtspflege erfaßt durch ihren den Widerstreit von Einzel- und Gesamtinteresse in der Forstwirtschaft“ (S. 23 und ff.), der auch die Konsequenz zieht und erachtet, daß zur Lösung des Konfliktes die Verstaatlichung des ganzen Waldbesitzes nötig sei (daselbst S. 38). Wappes, Studien. v 66 Die Forstwirtschaft und der Staat. Organismus (Gerichtswesen) und ihre Tätigkeit die Persön- lichkeit nach den drei Kategorien der Verfassung, des bürger- lichen (Straf- und Privatrechtes) und Verwaltungsrechtes, während die Rechtsver waltung den Prozeß der Rechtsbildung zu leiten hat. Bei keiner anderen Besitzart dürften widerrechtliche Ein- griffe — sei es durch direkte Entwendung, sei es durch Über- schreitung von Rechten — so häufig, aber auch bei dem gegenwärtigen Stand von Gesetzgebung und Sicherheitspolizei so leicht sein als gerade bei der Forstwirtschaft. Wenig andere Lebens- bzw. Wirtschaftszweige dürften deshalb auch in dieser Hinsicht an einer Ausbildung des Rechtes in gleichem Maße interessiert sein; auf der anderen Seite erleidet aber auch die Freiheit der wirtschaftlichen Entwicklung manche Einschränkungen, so daß auch hier die Forstwirtschaft und Rechtspflege in naher Beziehung stehen. Eine besondere Eigentümlichkeit zeigt das Forstwesen auch bezüglich des Strafprozesses in der Anteilnahme der Staatsforstbehörden an der Vertretung der Staatsgewalt beim Strafverfahren gegen Forstvergehungen, 3. Die Forstwirtschaft und die innere Verwaltung. A. Allgemeine Gesichtspunkte. Die Tätigkeit des Staates in der inneren Verwaltung geht von dem Prinzip aus, daß die Entwicklung des einzelnen die Bedingung der Entwicklung aller anderen und damit des Staates selbst ist (Stein, Verwaltungslehre, 3. Aufl., I, 407). 1 Auch hier ist die Auffassung und das System Steins bei den neueren Schriftstellern des Verwaltungsrechts und der Verwaltungs- lehre nicht unbestritten. Es ist nicht möglich und nicht nötig, an dieser Stelle das alles zu würdigen. Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit, die nur auf die prinzipielle Scheidung hinausgeht, schien es mir vorteilhaft, von dem Werk auszugehen, als dessen Vorzug Ein- heitlichkeit und Geschlossenheit auch heute noch anerkannt wird. Die Forstverwaltung und die einzelnen Gebiete usw. 67 Insofern diese Bedingungen im Wesen des rein persönlichen Daseins gegeben sind muß sich der einzelne dieselben durch eigene Kraft gewinnen (der Prozeß, durch den dies erfolgt, ist Gegenstand der Güterlehre); da jedoch, wo dies nicht der Fall ist, tritt der Staat mit seiner eigenen Arbeit ein und ordnet das individuelle Leben mit seiner Selbständigkeit dem allgemeinen Zwecke der Gesamtheit unter. Die Gebiete der Verwaltung sind die Lebensgebiete ihres Objektes, der Einzel- persönlichkeit, und danach teilt sich die innere Verwaltung in das Gebiet der persönlichen (physischen), geistigen, wirt- schaftlichen und sozialen Verwaltung. Die Tätigkeit der Verwaltung umfaßt nun einerseits die unbelebte Natur, anderseits das menschliche Leben. Wir müssen daher von ihrem Standpunkt zweierlei be- sprechen: 1. die Verwaltung und der Wald als Naturerscheinung in seinem Einflusse auf das menschliche Leben; 2. die Verwaltung und die wirtschaftliche Tätigkeit, deren ' Objekt der Wald ist — die Forstwirtschaft —, in ihren Wirkungen auf den Wald selbst und in ihren Be- ziehungen als Glied der Volkswirtschaft und des ge- samten Staatslebens. Zu 1. Die Rolle, welche der Wald im Haushalte der Natur in bezug auf Klima, Luft Feuchtigkeit und damit in hygienischer Hinsicht spielt (mag auch vieles davon noch ungeklärt sein), ferner seine wasserwirtschaftliche Bedeutung sowie seine ästhetische und ethische Wirkung dürfen hier als bekannt vorausgesetetzt werden. Es besteht nun kein Zweifel, daß, nachdem diese Funktionen durch eine lediglich vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkt aus geleitete Wald- behandlung wesentlich beeinträchtigt zu werden vermögen, hier ein Öffentliches Interesse gegeben ist. Alles, was hier direkt durch unmittelbaren Eingriff oder indirekt durch Ver- i 5*+ 68 Die Forstwirtschaft und der Staat. mittlung der Arbeit des staatlichen Forstbetriebes erfolgt, ist demnach administrative, nicht forstliche Tätigkeit. Zu 2. Die Forstwirtschaft, soweit sie als solche Gegen- stand administrativer Tätigkeit wird, gehört dem Gebiete der wirtschaftlichen Verwaltung an. Diese Tätigkeit des Staates erfolgt auf zweierlei Art: fördernd und hemmend. Sie wird ausgelöst, wenn die Funktion der Wirtschaft im Gesamtleben der Gemeinschaft als Gegenstand allgemeinen Interesses er- kannt wird, entweder, wenn sie zu ihrem als notwendig er- kannten Gedeihen gewisser Voraussetzungen oder der Unter- stützung bedarf oder wenn die Einzelwirtschaften zur Ent- wicklung gegenseitig einer Einschränkung bedürfen, oder endlich, wenn andere Interessen eine Einschränkung ver- langen. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Aufl., $8. 596: „Die Aufgabe dieser Verwaltungspolitik geht aus dem Wesen des Staates selber hervor. Sie beruht auf den zwei Sätzen, daß erstlich die Ent- wicklung jedes einzelnen Teiles jener Wirtschaftsgebiete ewig die materielle Entwicklung des Staates selber ist, zweitens aber darauf, daß schließlich jede einzelne Wirtschaftsart wieder zur Bedingung des Fortschrittes und der Blüte der anderen wird. Der In- halt der Verwaltungspolitik erscheint damit als das harmonische Verhältnis des Interesses der einen Wirtschaftsart an der Entwicklung der anderen. Demgemäß hat nun jede Verwaltungspolitik zwei Aufgaben. Die erste ist die, jedes jener selbständigen Gebiete mit allen Kräften des Staates in seiner vollsten und selbständigen Entwicklung zu fördern; die zweite ist die, in dieser Förderung stets die Linie innezuhalten und das Maß und die Form zu finden, innerhalb deren das eine Interesse nicht zum Opfer des anderen wird, sondern jedes einzelne zugleich die Bedingung aller anderen bleibt, so daß der Fortschritt des Ganzen in dem harmonischen Zusammenwirken seiner Teile bestehe.“ Es hieße längst und oft Gesagtes wiederholen, wollte ich hier alle die Momente aufgezählen, welche auf eine administrative Behandlung der Forstwirtschaft hinweisen; denn in dem Augenblick, wo der Kampf gegen den Wald zu Ende ist, beginnt der Kampf für den Wald unter Hinweis auf seine öffentliche Funktion. Der Staats- und Gemeinde- Die Forstverwaltung und die einzelnen Gebiete usw. 69 besitz hat von jeher die Betätigung praktischer administra- tiver Gesichtspunkte in dieser Hinsicht gefördert; aber dieser Umstand war auch ein Hindernis der theoretischen Aus- scheidung öffentlich - rechtlicher und privater Funktionen bei der Wirtschaft des Staates und der Gemeinden, wie dies bei starkem Vorwiegen des Privatbesitzes nötig geworden wäre. Selbst vom rein volkswirtschaftlichen Standpunkt betrachtet ist die Funktion, welche die Forstwirtschaft bei Verfolgung ihres Privatinteresses für den Gesamtorganismus erfüllen soll, keine einfache. Weder die Waldrente als Einkommensquelle noch die einstweilen und wohl für längere Zeit noch, ins- besondere örtlich, bestehende Unersetzlichkeit ihres Haupt- produktes, des Holzes, erschöpft die Bedeutung des Waldes für die Volkswirtschaft; ihre Wichtigkeit beruht namentlich auch in dem Ausgleich, den die Beschäftigung im Wald für die landwirtschaftlichen Arbeiter zu einer Zeit bietet, wo andere Arbeit ruhen muß, in dem wirtschaftlichen Rückhalt, den der Waldbesitz besonders für bäuerliche Wirtschaften bietet, in der Ausnützung von Gelände, das sonst ertraglos wäre. Diese Funktionen des Waldes im Volkshaushalt sind die Grundlage der staatlichen Tätigkeit gegenüber der Forst- wirtschaft. B. Forstwirtschaftspolitik. I. Die allgemeinen Maßregeln. Die Aufgabe jeder wirtschaftlichen Verwaltung des Staates besteht in der Entwicklung der Kapitalbildung. Diese Aufgabe erfüllt der Staat zunächst, indem er die allgemeinen Bedingungen jeder Kapitalbildung, die natür- lichen, persönlichen, rechtlichen und Verkehrselemente schafft (vgl. v. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre, 2. Aufl., S. 276 und 3. Aufl., II, S. 262), sodann durch die Verwaltung jedes einzelnen Wirtschaftszweiges. 70 Die Forstwirtschaft und der Staat. Im nachfolgenden sollen nur einige Hauptgesichtspunkte erwähnt werden. Stein teilt die allgemeinen Bedingungen der Kapitalbildung in nachstehende Gebiete: | 1. Die Verwaltung und die wirtschaftliche Persönlichkeit (das Gesellschaftswesen). Bei der Forstwirtschaft ist hier im allgemeinen wenig Anlaß zu staatlichem Eingriff gegeben, da die Eigentümlichkeit dieses Gewerbes sowohl wie der Besitz- form die Anwendung der meisten Unternehmungsformen aus- schließt (des Näheren nachgewiesen in dem oben genannten Werk von Heck). 2. Die Verwaltung und die Elemente. Der Staat erachtet es als seine Aufgabe, durch die Ordnung und die Tätigkeit der Gemeinschaft die elementaren Kräfte des Feuers und des Wassers usw. so zu beherrschen, daß sie nicht mehr störend oder vernichtend in das Einzelleben eingreifen können oder, falls ein Schaden erfolgte, durch Organisierung des Ver- sicherungswesens den Ersatz des Schadens zu ermöglichen. So sehr die Forstwirtschaft dem Schaden durch Feuer aus- gesetzt ist, so schwierig ist hier sowohl der Schutz als die Regulierung der Versicherung. Bei dem Gebiet des Wasser- wesens ist dagegen ein Schaden für die Forstwirtschaft weniger zu fürchten, sondern es wird im Gegenteil der Wald als einer der wichtigsten Regulatoren der Wasserwirtschaft, als Faktor der Verwaltungstätigkeit benutzt. Vom Standpunkt der Forstwirtschaft wirkt hier der Staat meist nur negativ, beschränkend. 3. Das Verkehrswesen. Auch das Verkehrswesen ist, so gewaltig seine Bedeutung und Ausbildung im gesamten wirt- schaftlichen Leben dasteht, für die Forstwirtschaft direkt nicht von der Bedeutung wie bei anderen Erwerbszweigen, namentlich dann nicht, wenn man mit L. v. Stein das Ver- kehrswesen nicht bloß auf die Mittel und Anstalten für die räumliche Bewegung von Personen und Gütern beschränkt, Die Forstverwaltung und die einzelnen Gebiete usw. 71 sondern auch das Umlaufswesen (Maß und Gewicht, Wert- umlauf und Zahlungswesen, Kredit) und die Entwährungslehre dazu rechnet. Erst seit durch die Bahnen untergeordneter Bedeutung die Verkehrsadern mehr und mehr in das Herz größerer Waldgebiete geführt werden, kommen die Forst- produkte zu größerer Berücksichtigung im Kalkul für die vom Staate neuzuschaffenden Verkehrsmittel und -anstalten. Die ganze Entwicklung des Wert- und Geldumlaufs hat infolge der eigenartigen Besitzverhältnisse für die Forstverwaltung geringere Bedeutung ; auch die Betriebsführung hindert wegen der Schwer- fälligkeit des Objekts und des ganzen Produktionsprozesses im allgemeinen die Ausbildung bzw. Benutzung der Formen, durch welche der Staat Geld- und Wertumlauf, insbesondere aber auch das Kreditwesen ordnet. Größere Bedeutung hat dagegen in den meisten deutschen Ländern noch die Ent- währung. Die Rechte, welche auf den Waldungen lasten, sind zum großen Teil als gemeinschädlich zu betrachten, gemeinschädlich sowohl durch die Hemmnisse, die sie dem rationellen Betrieb bereiten, als durch die Minderung der Produktionskraft des Waldes, vielfach auch dadurch, daß sie den Berechtigten selbst ein Vorwand sind, jeden Fortschritt abzuweisen. Die letzten Dezennien haben in dieser Hinsicht wenig Entwicklung gebracht und die gesetzgeberische und administrative Tätigkeit ruht, nachdem sie in den 50er und 60er Jahren lebhaft und meist zugunsten der Waldwirtschaft gewirkt hatte. II. Forstwirtschaftspflege im engeren Sinn. Das sogenannte Manschestertum hielt mit der Schaffung der allgemeinen Produktionsbedingungen die Aufgabe des Staates in der wirtschaftlichen Verwaltung für beendet; es war das Prinzip der Negation aller Verwaltung für die indi- viduelle Kapitalbildung. Nach der Entwicklung, welche die Verwaltung in Wissenschaft und Praxis genommen hat, steht 72 Die Forstwirtschaft und der Staat. die Neuzeit auf entgegengesetztem Standpunkt. Daß die Ver- waltung in den besonderen Zweigen wirtschaftlichen Lebens ein reiches Feld wichtiger Tätigkeit habe, ist. sicher, die Schwierigkeit ist nur, den Punkt zu finden, auf welchem der Zweig mit dem Ganzen in Verbindung treten soll. Es wurde eben schon erwähnt, daß bei der Bekämpfung elementarer Schäden der Wald als Hilfsmittel von der Verwal- tung benutzt und deshalb ein beschränkender Einfluß auf dieForst- wirtschaft und den Übergang aus derselben zu anderer Boden- benützung ausgeübt wird. Aber auch bei der eigentlichen Forstwirtschaftspflege greift oft die Verwaltung beschränkend ein, indem sie den einzelnen Unternehmer hemmt, Maßregeln zu ergreifen, welche ihm zwar ein Vorteil, anderen gleich- gearteten Unternehmungen aber ein unverhältnismäßiger Nachteil sind, oder indem sie ihn zwingt, Gefahren, welche nicht nur ihm, sondern im weiteren Verlaufe auch dem Nachbar schäd- lich sein können, zu bekämpfen (z. B. Insekten). In anderer, direkt fördernder Weise zeigt sich bei der Forstwirtschaft die Tätigkeit des Staates, wenn auch aus den oben mehrfach schon erwähnten Gründen (Besitzverhältnisse usw.) nicht in dem Maße wie bei dem nächstverwandten Zweige der Urproduktion, der Landwirtschaft. Es gehört hierher: 1. die administrative Tätigkeit der Organe des Staates (der inneren Verwaltung wie der Staatsforstverwaltung), welche auf Hebung des Betriebes direkt abzielen, sei es durch Belehrung, sei es durch persönliche Leistung bei der Ein- richtung und Führung des Betriebes; 2. die Fürsorge für das sich von selbst entwickelnde oder durch Staatsorgane hervorgerufene Vereinswesen, das sich meist an das landwirtschaftliche angliedert; 3. der Einfluß der Bewirtschaftung des Staatsforstbesitzes, der einerseits als Muster dienen kann, anderseits durch eine entsprechende Finanzpolitik die schädlichen Einflüsse über- Die Forstverwaltung und die einzelnen Gebiete usw. 73 mäßig günstiger oder ungünstiger Verhältnisse auf Erhaltung des Waldstandes zu mildern vermag; 4. das Bildungswesen. Daß diese Frage hierher gehört, könnte auf den ersten Augenblick auffallend scheinen. Es ändert aber nichts am Prinzip, wenn in Deutschland die forst- liche Fachbildung fast nur dazu dient, Staatsforstbeamte zu erziehen. Denn der Zweck der forstlichen Bildungsanstalten st prinzipiell der, durch Förderung fachlichen Unterrichts und ler Fachwissenschaft indirekt zur Hebung des betreffenden Wirtschaftszweiges beizutragen. Ein weiteres wichtiges Moment ist die Berücksichtigung, welche die Forstwirtschaft in der gesamten Wirtschaftspolitik les Staates (Zollpolitik) findet. — Im Vorstehenden bin ich auf das Materielle der Sache mehr eingegangen als in anderen Teilen der Arbeit; es ist lies geschehen, in der Auffassung, daß sich aus dem Detail ückwirkend ein Beweis für die allgemeine Herleitung ergibt. Damit bin ich an den Schluß meiner Ausführungen ge- angt. Zurückverweisend auf das eingangs Gesagte möchte ch nochmals betonen, daß es sich mir hierbei mehr um Problemstellung als um Lösungder Aufgabe handelte. (ch glaube, daß wir in diesen Dingen erst am Anfang stehen, ‚laube aber gleichzeitig, daß wir bald vorwärts kommen ınd das um so mehr, als die prinzipiellen Erkenntnisse ja iicht für unser Fach und unsere Wissenschaft allein gelten, sondern für alle anderen von technisch-wirtschaftlichem Cha- 'akter; und ich glaube weiter, daß die Lösungen darum auch ron anderen gesucht werden und wir vom Fortschritt anderer Wissenschaften und insbesondere auch von dem der National- )jkonomie unseren Anteil erhoffen können. 2 FOUR pi f ER i Altenburg Pierersche Hofbuchdruckerei F NEE j Stephan Geibel & Co. ’ 1. RN NN N AT Bi br x Lu H m , ’ I DR h ee | A" ne Ele ee Di MIR ar, a. vr sur), “« RE ame x v- @ ’ u ur BAT #5) os D ® %- RR AP Sr [3 17 Br > u, a LIBRARY FACULTY OF FORESTRY UNIVERSITY OF TORONTO Wappes, Lorenz Studien über die Grund- begriffe und die Systematik der Forstwissenschaft rm 0 N St 01 6€ 9 W3ll SOd J1HS AVg 39NV4 Q M3IASNMOG IV I1LN