VERLEGTE EEE BEREITEN er Harvard College Librarv BOUGHT WITH INCOME FROM THE BEQUEST OF HENRY LILLIE PIERCE, . OF BOSTON. Under a vote of the President and Fellows, October 24, 1898. Y en EN % re . > Eh "en Ken rr vr 5 \ ‘ 5 ” sn f a BR Be BAR Le 2 r # Ei . f - STUDIEN ÜBER HIRSCHE =. En AN PR ge ER | F 5. FBaAeh 7, Ez IN iR A ILL ge ir 5 { j RN ® r\ v ..e N} wanN f aha 7: 4 r % Bez l rn TERN? = W ne] - 11 4:72 l 4 4 vo 14 hi D STUDIEN ÜBER HIRSCHE (GATTUNG CERVUS IM WEITESTEN SINNE) VON DR. HINRICH NITSCHE PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER FORSTAKADEMIE THARANDT la UNTERSUCHUNGEN ÜBER MEHRSTANGIGE GEWEIHE UND DIE MORPHOLOGIE DER HUFTHIERHÖRNER IM ALLGEMEINEN MIT 11 LICHTDRUCKTAFELN, 1 BUNTDRUCKTAFEL UND 12 ABBILDUNGEN IM TEXT LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1898. UNTERSUCHUNGEN MEHRSIANGIGE GEWEIHE MORPHOLOGIE DER HUFTHIERHÖRNER IM ALLGEMEINEN VON DR. HINRICH NITSCHE PROFESSOR DER ZOOLOGIE AN DER FORSTAKADEMIE THARANDT. Dr De MIT 11 LICHTDRUCKTAFELN, 1 BUNTDRUCKTAFEL UND 12 ABBILDUNGEN IM TEXT LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1898. SI ARD MN JUL 28 1900. SEINER MAJESTÄT DEM KÖNIGE ALBERT von SACHSEN IN TIEFSTER EHRFURCHT, VEREHRUNG UND DANKBARKEIT ZUGEEIGNET. Als ich im Jahre 1876 auf den an der Tharandter Forstakademie neu gegründeten Lehrstuhl für Zoologie berufen wurde und die Verwaltung der zoologischen Sammlung übernahm, musste ich letztere zunächst als Lehrsammlung den Bedürfnissen der damals erweiterten zoolo- gischen Vorlesungen anpassen. An die Begründung eines grösseren, das gesammte Thierreich umfassenden wissenschaft- lichen Museums durfte ich dagegen aus nahe liegenden Gründen nicht denken. Die Schaffung eines solchen hätte reichere Mittel, grössere Räume und auch mehr Arbeitskraft erfordert als mir zu Gebote standen. Doch drängte sich mir bald der Wunsch auf, wenigstens in einem Specialgebiete mit meiner Sammlerthätigkeit über den beschränkten Rahmen der nöthigen Lehrmittel hinauszu- _ gehen und reicheres Material zu vereinigen, das wissenschaftlichen Forschungen als Grund- lage dienen könnte. Als solches Specialgebiet wählte ich die europäischen Säugethiere. Von diesen und besonders von den einheimischen bemühte ich mich, soweit Platz und Mittel es gestatteten, mög- lichst vollständige Reihen von Bälgen, Skeletten und Schädeln in allen Entwickelungsstufen zusammenzubringen und zwar zunächst durch eigenes Sammeln und durch Tausch, erst in zweiter Linie durch Kauf. Hierbei kam mir namentlich für die Jagdthiere die freundliche Beihilfe der königlich sächsischen Revierverwaltungen und die reichliche Unterstützung meiner allmählich in die Praxis übertretenden Schüler aus den verschiedensten Ländern zu Gute. Auch gelang es mir, manche auswärtige Forstleute und Weidmänner, die bei gelegentlichen Besuchen die sich allmählich erweiternde und bekannter werdende Sammlung in Augenschein genommen hatten, für meine Zwecke zu gewinnen, so dass sie unserer Akademie zahlreiche, auf andere Weise gar nicht zu erhaltende, werthvolle Objekte zuwendeten. Alle diese zahlreichen freundlichen Helfer hier namhaft zu machen, ist unthunlich, und ich muss mich daher begnügen, denselben an dieser X VORWORT. Stelle im Allgemeinen den wärmsten Dank auszusprechen, während ich im Texte jeden Förderer meiner Zwecke an geeigneter Stelle ausdrücklich erwähne und auch in den folgenden Heften erwähnen werde. Nur durch ihre uneigennützige Unterstützung ist es mir möglich geworden, mit verhältnissmässig geringen Mitteln eine jetzt wissenschaftlich genau catalogisirte Sammlung europäischer Säugethiere zu schaffen, die in Betreff mancher wichtiger Arten reichhaltiger ist als selbst grössere auswärtige Museen. Ganz besondere Sorgtalt wendete ich aber von Anfang an den hirschartigen Thieren, der Familie der Cerviden, zu, und bei ihr überschritt ich sogar weit die mir selbst m Betreff der übrigen Säugethiere gesteckte Grenze, das europäische Faunengebiet. Der günstige Umstand, dass jetzt auch in deutschen Thiergärten hier und da ausländische Hirscharten gehalten werden, kam mir hierbei besonders zu Gute, desgleichen die Hilfe weitgereister Gelehrter und Weid- männer, sowie der Direetoren verschiedener zoologischer Gärten, die unserer Sammlung auch in der Ferne freundlich gedachten. Mit dieser ausgedehnteren Sammelthätigkeit verbanden sich natürlich eingehendere Studien über die Oerviden, welche ich nach Kräften auch in auswärtigen sowohl öffentlichen Museen als auch Privatsammlungen fortsetzte. Die so gewonnenen reicheren Erfahrungen mussten nun aber auch für meine Schüler fruchtbar gemacht werden. Da dies in dem nothgedrungen beschränkten Rahmen meiner Vorlesungen über Wirbelthier- kunde unmöglich war, so versuchte ich im Wintersemester 1891/92 Specialvorlesungen über die Naturgeschichte der europäischen Hirscharten zu halten, denen ich als Ein- leitung Betrachtungen über die Hufthiere und die Familie der Öerviden im Allgememen voran- schickte. Der Versuch gelang, und ich habe seither jedes zweite Wintersemester diese Vorles- ungen wiederholen können. Die durch die Vorbereitungen zu denselben bedingte Vertiefung meiner eigenen Studien rief aber ferner den Wunsch wach, die Ergebnisse memer Forschungen auch dem grossen wissenschaftlichen und weidmännischen Publieum in abgerundeterer Form und mit reicheren Abbildungen vorzulegen als das bisher in den kleimeren Aufsätzen geschehen konnte, die ich von Zeit zu Zeit in jagdlichen und forstlichen Zeitschriften und im „Zoologischen Anzeiger“ veröffentlicht hatte. Allerdings durfte ich nicht an eine allgemeine Bearbeitung der Cerviden denken; zu einer solchen ist mein Studienmaterial doch nicht ausreichend. Wohl aber schien es möglich, abgerundete specielle Kapitel aus der Naturgeschichte der hirschartigen Thieren in zwanglosen Heften unter dem Titel „Studien über Hirsche* erschemen zu lassen. Nach endlicher, 1895 erfolgter Vollendung der in Verbindung mit meinem zu früh ver- storbenen Freunde Jupeıch unternommenen Herausgabe der umfangreichen „Mitteleuropäischen Forstinsektenkunde“* konnte ich 1896 an diese neue Arbeit gehen, von der mich leider alsbald schwere häusliche Sorgen ablenkten. Aber auch die 1897 endlich begonnene Aus- arbeitung des ersten Heftes gelangte nur langsam zum Abschlusse. Die Verzögerung wurde VORWORT. X] diesmal jedoch durch erfreuliche Umstände veranlasst, dadurch nämlich, dass mir im Verlaufe der Bearbeitung von den verschiedensten Seiten leih- oder geschenkweise immer wieder neues, bis dahin unbekanntes Material zufloss.. Diese Fülle des Stoffes führte schliesslich zu einer Erweiterung des ursprünglichen Themas. Sie veranlasste mich, der anfänglich allein beabsich- tigten Beschreibung und Gruppirung der verschiedenen Typen monströser Hirschgeweihe mit mehr als zwei Stangen allgemeine Betrachtungen über die Morphologie der Huf- thierhörner anzuschliessen. Aus diesen ergab sich wieder eine kritische Würdigung der augenblicklichen Anschauungen über die Systematik der recenten, Hörner tragenden Wiederkäuer. Die ebengeschilderte Entstehungsart der nunmehr abgeschlossenen Arbeit machte natür- lich mehrfache Umarbeitungen der anfänglichen Niederschrift nothwendig, und eine nach Drucklegung des Textes unternommene grössere Reise bedingte auch noch die Anfügung verschiedener Zusätze. Hatten doch die von mir besuchten grösseren Museen des Auslandes Gelegenheit zu neuen Beobachtungen geboten und weitere Bestätigungen früher ausgesprochener Ansichten geliefert. Nicht umarbeiten konnte ich dagegen die nach den durchweg von mir selbst aufgenom- menen Negativen bereits fertig gestellten, von Römuter und Joxsas mit dankenswerther Sorgfalt und verständnissvollem Eingehen auf meine Absichten hergestellten Lichtdrucktafeln. In diesen sind daher die Abbildungen leider nicht in so systematischer Folge aneinander gereiht als dies möglich gewesen wäre, wenn mir das abzubildende Material gleich bei Beginn der Arbeit vollständig vorgelegen hätte. Aber auch in dieser jetzigen Form dürften die Tafeln viel Belehrung gewähren. Die Beigabe so zahlreicher Abbildungen wäre aber überhaupt unthunlich gewesen, wenn nicht das königlich sächsische Ministerium der Finanzen aus den für wissenschaftliche forstliche Versuche bestimmten Mitteln die Kosten der Herstellung der Liehtdrucktafeln gedeckt hätte, eine Freigebigkeit, für die ich hier meinen ehrerbietigsten Dank auszusprechen nicht ver- fehle. Ich thue dies um so freudiger, als mir auch für die Herausgabe weiterer Hefte eine ähnliche Unterstützung zugesichert worden ist. Die Herstellung der Buntdrucktafel und der Textabbildungen hat dagegen die Verlags- buchhandlung von Wırnerm Engermann übernommen, der ich auch für die gediegene Aus- stattung Dank schulde. Zum Schluss muss ich noch dankbar zwei Herren erwähnen, die mich bei Abfassung und Drucklegung der Arbeit kräftig unterstützten. Herr Baron Unmkistorm von BIEDERMANN hat seine reiche jagdliche Bibliothek, deren Benützung mir namentlich bei Feststellung der französischen und englischen Terminologie sehr förderlich war, zu meiner Verfügung gestellt, und Herr Forstassesor Beck hat die zweite Correctur gelesen. Tharandt, den 14. November 1898. H. Nitsche. A. Einleitung und Feststellung der angewendeten Terminolosie. Alle harten, an der Oberseite des Kopfes der Hufthiere stehenden, oft nur den Männchen zukommenden, und meist als Waffe dienenden Hervorragungen bezeichnet man im allgemein wissenschaftlichem Sinne als Hörner. Sie stellen theils unpaare, theils paarige Gebilde dar. Unpaare, der Mittellinie des Kopfes aufsitzende Hörner sind zunächst die der Rhino- ceroten, der einzigen Hörner besitzenden Gruppe der Unpaarhufer. Ferner gehört hierher das mittlere, dritte Horn der Girafte. Zu den paarigen Hörnern gehören die beiden Seitenhörner der Giraffe und sämmtliche Hörner und Geweihe der Cavicornier und Cerviden. Die paarigen Hörner können in einem oder in mehreren Paaren vorhanden sein. Mehrere Paare von Hörnern kommen normaler Weise nur einigen fossilen Hufthieren, z. B. Sivatherium, und unter den recenten Formen nur den Männchen der indischen Antilopengattung Tetraceros zu. Als abnorme Bildung treten dagegen mehrere Hornpaare bei domestieirten Ziegen oder Schafen auf und scheinen in manchen Ländern und Rassen besonders häufig zu sein, so z. D. die mehrhörnigen Schafe in Sardinien, Südrussland, Syrien [27] und in den Herden der Navajo- Indianern in Neu-Mexico [71]. Dagegen scheinen solche Abnormitäten bei den wildlebenden, normaler Weise zwei- hörnigen Cavicorniern vollständig zu fehlen. Die wiederholten Angaben, es kämen Gemsen mit 4 bis 6 Krikeln vor, die sogar in die wissenschaftliche Literatur |1] übergingen und scheinbar durch schädelechte, d. h. auf Knochenzapfen des Stirnbeines aufsitzende „mehrkriklige*“ Gemsgehörne unterstützt werden, sind bekanntlich Fälschungen. Dieselben werden von gewimn- süchtigen Händlern dadurch erzeugt, dass Schädeldecken mehrhörmiger Schafe oder Ziegen ihrer Hornscheiden beraubt und die passend zugefeilten Knochenzapfen künstlich mit Hom- scheiden von Gemskrikeln bekleidet werden. Die Art dieses Betruges wurde zuerst durch v. Mater aufgedeckt und durch Fraxz v. Koserr [35, S. 176 u. 177] veröffentlicht. Noch genauer hat neuerdings E. Scnärr [64] eme Nitsche, Studien üb. Hirsche. 1. l 2 EINLEITUNG UND FESTSTELLUNG DER TERMINOLOGIE. solche Fälschung geschildert. Es ist vielleicht nicht überflüssig diese Literaturnotiz hier ein- zuschalten, da sich beide Mittheilungen in nicht streng wissenschaftlichen Publikationen verstecken. Die bei der Gemse allerdings vorkommenden, ‚reine Epidermoidalbildungen darstellenden und nicht auf den Kopf beschränkten Hauthörner, gehören nicht in dieses Kapitel. Wer sich für dieselben interessirt, möge die interessanten Mittheilungen von Josern [34, S. 158, Abbildung S. 157] nachlesen. Hirsche mit mehr als emem Paar Geweihe kommen normaler Weise nicht vor. Dagegen sind Hirsche mit mehr als 2 Stangen als Abnormitäten nicht so gar selten. Der Beschreibung einer Reihe solcher mehrstangiger Geweihe sind die folgenden Seiten gewidmet. Es leitet mich aber hierbei keineswegs der Wunsch blos Curiositäten zu schildern. Auch bin ich weit entfernt davon, alle mir aus der Literatur bekannt gewordenen Mittheilungen über solche Missbildungen zusammenzustellen. Ich habe vielmehr lediglich eine Reihe lehrreicher Fälle ausgewählt, die ich selbst genau untersuchen konnte und welche mir geeignet scheinen, Licht zu verbreiten über einige meiner Ansicht nach noch nicht hinreichend gewürdigte Eigenthümlichkeiten der Geweihe, die das Verständniss der Geweihbildung im Allgemeinen zu vertiefen vermögen. Nicht alle Hörner sind homologe, also gleichwerthige Bildungen. Sie müssen vielmehr nach ihrer histologischen und morphologischen Beschaftenheit m scharf gesonderte Abtheilungen gebracht werden. Für diese längst erkannten Abtheilungen besitzen aber weder die volksthim- liche Sprache, noch die wirklich gebräuchliche wissenschaftliche Nomenklatur allgemein aner- kannte Bezeichnungen. Die Wissenschaft macht z. B. gewöhnlich sprachlich kemen Unter- schied zwischen den des Knochenkernes entbehrenden Waften der Nashörner und den einen solchen umschliessenden der Hohlhörner oder Rinder im weiteren Sinne. Dagegen nennt sie schon längst alle im reifen Zustande ausschliesslich aus Knochensubstanz bestehenden und all- jährlich gewechselten Hörner der Öerviden Geweihe. Der alte, stärker specialisirende weid- männische Sprachgebrauch, die Jägersprache, unterscheidet aber theils nach der Gestalt, mit einiger Berechtigung, die Geweihe von Elch und Damhirsch als Schaufeln, theils ganz ungerecht- fertigter Weise, das Geweih des Rehbockes als Gehörn, ein Ausdruck, den der Weidmann andererseits regelmässig auch für die morphologisch durchaus verschieden gebauten Hörner des Steinbockes und des Mufflons verwendet, während er die den letzteren morphologisch ganz gleichwerthigen Hörner der Gemse als „Krikeln“ abtrennt. Auch für mich liegt zunächst, d. h. in einer Arbeit, welche sich speciell nur mit den Waffen der Cervidae, der hirschartigen Thiere, beschäftigt, kein Grund vor, Vorschläge zu einer rationellen sprachlichen Trennung der verschiedenen Hornarten zu machen. Am Schlusse werde ich allerdings auf solche Vor- schläge zurückzukommen haben. Dagegen werde ich in den folgenden Auseinandersetzungen, die auch für wissenschaftlich denkende Jäger bestimmt sind, dem weidmännischen Sprach- gebrauche im Allgememen folgen, aber nur in soweit, als dadurch keine Unklarheiten für den wissenschaftlichen Leser entstehen. Namentlich werde ich zur Bezeichnung der einzelnen Geweih- theile durchweg die weidmännischen Ausdrücke gebrauchen, da nur auf diese Weise eine kurze und schnelle Verständigung möglich ist. Völlig emancipire ich mich aber von den vielen, ganz willkürlichen Vorschriften der zinftigen Weidmannssprache, z.B. von dem Verbote die Bezeichnung „gross“ für ein Stick Wild oder seine einzelnen Theile zu gebrauchen und ähnlichen. Ebenso nenne ich alle Hörner der Cerviden einfach Geweihe, wie dies manche wissenschaftliche Jagd- schriftsteller, z. B. Josern, schon längst thun. 'TERMINOLOGIE. 3 Da aber die rationellen Bezeichnungen der Weidmannssprache durchaus noch nicht ji vollständie in die wissenschaftliche Terminologie übergegangen sind und mitunter noch sanz 8 5 g falsch angewendet werden, so beginne ich im Interesse des speciell zoologischen Leserkreises mit einer kurzen Erläuterung der einschlagenden deutschen Jacdausdrücke, denen ich, soweit | 5 ; , als thunlich, die entsprechenden französischen und englischen zufügen werde. Letztere sind nämlich den deutschen Gelehrten vielfach völlig unbekannt, und es entstehen daher bei An- führungen der ausländischen Literatur mitunter Verwechselungen. Dies kommt namentlich daher, dass der französische und enelische Jäger bei der Beschreibung der Geweihe von I oO oO {o) mancherlei anderen Voraussetzungen ausceht, als der deutsche, und daher anscheinend sleiche oO fo) I I > Ausdriicke nicht immer einfach übersetzt werden dürfen. Der Kopfschmuck der hirschartigen Thiere heisst im Allgemeinen und Ganzen das Geweih, französisch: le bois, la tete, englisch: the horns, the head. Dem deutschen Jagd- gebrauche, die Geweihe des Rehbockes nur Gehörne zu nennen, folge ich nicht. Auch im Deutschen kann man übrigens in manchen Verbindungen den Ausdruck „Kopf“ für Geweih gebrauchen, wenngleich nicht so unbedingt, wie im Französischen und Englischen. Allerdings darf man nicht einfach anstatt starkes Geweih „starker Kopf“ sagen, wohl aber sind die Bezeichnungen „ein Hirsch vom 1., 2., 3. Kopfe* durchaus gebräuchlich, um damit auszudrücken, dass der betreffende Hirsch sein erstes, zweites oder drittes Geweih trägt. Diese Bezeichnung ist namentlich dann bequem, wenn es sich darum handelt, festzustellen, dass die Geweihbildung bei einem bestimmten Hirsche oder Bocke dem Alter vorausgeeilt, stärker ist, als sie dem Durchschnitt nach sein sollte. Angenommen, ein Hirsch hätte regelmässig nach emander Spiesse, Gabeln, 6, 8 und 10 Enden aufgesetzt, so wäre er als Zehnender ein Hirsch vom 5. Kopfe. Dagegen ist ein Zehnender, der sein Geweih von 10 Enden bereits direkt nach dem Abwurf der Spiesse, also zu zweit, gebildet hat, ein Zehnender vom 2. Kopfe. Dass solche Frühreife oft, namentlich bei reichlich genährten, in enger Gefangenschaft gehaltenen Stücken vorkommt, ist eine der-Jägerwelt wohlbekannte Thatsache. Unsere Sammlung besitzt z. B. durch die Güte des leider kürzlich verstorbenen Herrn Oberforstmeister SCHEREL eme Suite von drei aufeinanderfolgenden Jahrgängen des Geweihes eines Rothhirsches, die aus einem Spiess, einem ungeraden und einem geraden Zehnergeweih bestehen. Ihr Träger, ein in Moritzburg gehaltener und schliesslich seiner Bösartigkeit halber abgeschossener Hirsch, war also als Hirsch vom 2. Kopfe ein ungerader, als Hirsch vom 3. Kopfe ein gerader Zehnender. Hier ist auch der geeignete Ort darauf hinzuweisen, dass das Geweih eines Hirsches oder Bockes auch weniger Enden aufweisen kann als er normaler Weise, seinem Alter entsprechend haben sollte, oder als er bereits in früheren Jahrgängen getragen hat. In letzterem Falle sagt man: der Hirsch hat zurückgesetzt. Im Französischen sagt man hierfür diminuer: la töte diminue; englisch: the horns deeline [Minxars 46, S. 210). Ob in einem bestimmten Falle ein Hirsch zurückgesetzt hat, ist, wenn der Hirsch dem Jäger nicht aus den Vorjahren persönlich bekannt ist, an und für sich sehr schwer zu entscheiden. Im Allgemeinen nimmt man dies an, wenn die Eindenzahl des Geweihes weder seinem Gewichte noch der Stärke und Höhe seiner Rosenstöcke entspricht. Bekanntlich nimmt im Allgemeinen mit zunehmendem Alter der Durchmesser der Rosenstöcke zu, ihre Höhe aber ab. Uebrigens setzen die Hirsche durchaus nicht immer bloss in Folge seniler Degeneration, sondern auch in Folge von Verletzungen, z. B. von Anschüssen, zurück. Es sind dann „Kümmerer“. 1° 4 TERMINOLOGIE. Die soliden Knochenzapfen, die sich von der Hirnschale, französisch: le test oder tet, (gesprochen 7, nicht zu verwechseln mit /a töte) erheben, also die dauernd von behaartem Integument bedeckten Basen der eigentlichen Geweihe, heissen die Rosenstöcke; französisch: les pivots; englisch: the stalks, the pedicles. Die obere Fortsetzung des Rosenstockes, soweit sie nach Reifung des Geweihes von dem behaarten Integumente befreit wird, heisst im Gegensatz zu jenem die Stange, französisch: la perche. Ein englischer Specialausdruck ist mir hierfür nicht bekannt. Bei dem Erstlingsgeweihe der meisten Hirscharten geht die Knochensubstanz des Rosenstockes ohne plastische Abgrenzung direkt in die Stange über. Bei diesem drückt sich an dem präparirten Schädel die Grenze der gefegten, der Regel nach unverästelten Erstlings- stange gegen den im Leben mit Integument bedeckten Rosenstock nur durch den Gegensatz der braunen Färbung der Stange gegen die weisse Färbung des Rosenstockes aus. Am besten kann man dies in unserer Sammlung an zwei jungen Schädeln des javanischen Cervus (Rusa) hippelaphus aus freier Wildbahn sehen, die wir der Güte von Herrn v. BüLrzınesLöwen verdanken. NEUEN, ) Wird ein völlig ausgebildetes, aber noch nicht gefegtes Erstlingsgeweih künstlich vom Integumente befreit, so geht bei den meisten Hirscharten Stange und Rosenstock ohne jede Abgrenzung in I fe) g einander über. Bei dem Rothhirsch, Cervus elaphus, zeigt die Basıs der Stange des Erstlings- geweihes allerdings wulstige Verdiekungen, die, meist durch furchenähnliche Zwischenräume getrennt, oft einige Öentimeter weit an der Stange hinaufreichen (Taf. II Fig. 2). Am stärksten, fast knotenförmig, sind diese Verdickungen der Erstlingsgeweihbasen aber beim Damhirsch, 4 ki 2» 6 7 IE ] N N 1 sl N f 7 3; D B$ ä Ri re] _ Cervus dama. Auch hier lassen sie sich scharf von den echten Rosen der späteren Geweih Jahrgänge unterscheiden. Als Rose, franz.: la meule; engl.: the burr, the coronet, bezeichnet man nämlich den, schon bei den Geweihen vom 2. Kopfe und allen späteren Jahrgängen der Regel nach auf- tretenden, ringartigen, schmalen Wulst, der die Basis der Stange scharf gegen den Rosen- stock abgrenzt. Die Rose ist also nur ein Theil der Stange und wird alljährlich im Zu- sammenhange mit der Stangenachse abgeworfen. Die Ausbildung der Rose wechselt nach Art und Rasse. Am schwächsten bleibt sie stets beim Ren, Rangifer tarandus, am stärksten, oft fast krausenartig, wird sie beim Rehbock, Capreolus capreolus. Die einzelnen knopf- oder kornartigen Vorsprünge, aus denen sich die Rose zusammen- setzt, heissen Perlen, franz.: pierrures; engl.: pearls. Mit den gleichen Namen bezeichnet man im Deutschen und Englischen auch die an Stangen und Enden mehr oder weniger regelmässig auftretenden körnigen Skulpturen. Im Französischen werden letztere aber als perlures von den pierrures unterschieden. Die bei vielen Geweihen auftretenden und die Perlen von einander trennenden Längs- rinnen in der Geweihsubstanz, welche oft sehr weit an den Stangen hinaufreichen und auch auf die Enden übergehen, werden in der deutschen Weidmannssprache nicht besonders bezeichnet. Wissenschaftlich nennt man sie Gefässfurchen, weil sie dem Verlauf der Blutgefässe in dem Intesument des noch weichen Geweihes entsprechen. Der französische Jäger nennt sie gozuttieres, der englische gutters. Die Stangen der Erstlingsgeweihe aller Hirscharten sind der Regel nach unverästelte und, wie bereits bemerkt, rosenlose Fortsetzungen des Rosenstockes. Man nennt sie Spiesse TERMINOLOGIE. 5 und ihre Träger Spiesser und wohl auch Spiesshirsche oder Spiessböcke. Im Französischen stimmen hiermit die Bezeichnungen les dagues, un daguet. In der englischen Weidmannssprache giebt es keine so einheitlichen Bezeichnungen. Die Spiesse des Rothwildes heissen broaches, ihr Träger broacher. Die entsprechende Bezeichnung beim Damwild ist pricket und gilt hier sowohl für den Spiess, wie für seinen Träger. Für den Spiesser beim Rehwild giebt es keine besondere Bezeichnung. Ausnahmsweise kann einerseits ein Erstlingsgeweih auch schon Verästelungen zeigen, andererseits ein späteres Geweih bloss Spiesse darstellen. Wir haben in der Tharandter Samm- lung gegabelte Erstlingsgeweihe vom Rothhirsch und vom Wapiti. Stets fehlt aber solchen Abnormitäten die Rose, während einem späteren Geweihjahrgange angehörende Spiessgeweihe stets durch das Vorhandensein der Rose als solche gekennzeichnet sind. Die Spiesserstufe wird bei der kleinen siüidamerikanischen, zur Gattung Cariacus gehörenden Untergattung Coassus auch in dem späteren Leben niemals überschritten. Bei den meisten anderen Hirscharten treten an den späteren Geweihjahrgängen Verästelungen auf, Zacken, die man im Allgemeinen Enden oder Sprossen nennt. Letzterer Ausdruck wird besonders dann gewählt, wenn in Zusammen- setzungen, wie z. B. Augsprosse, die speciellere Bezeichnung einzelner Enden beabsichtigt ist. Im Französischen heisst Ende im Allgemeinen andowiller oder chevillure, auch cors, letzteres Wort meist nur im Plural gebraucht. Im Englischen werden gewöhnlich abwechselnd die Ausdrücke antler, tine, branch, beim Rehbock wohl auch spur gebraucht, bei Mirrars [46] neuer- dings aber stets point. Flacht sich im höheren Alter, wie z. B. beim Damhirsch, Riesenhirsch und Elche, die Spitze der Stange ab, so nennt man sie Schaufel, im Französischen empaumure, im Englischen palmation. Die Schaufel trägt auch Enden. Die an den Schaufeln auftretenden Enden, wie dies die deutsche Weidmannssprache mitunter thut, als Zacken zu unterscheiden, dafür liest vom Standpunkte des Zoologen kein Grund vor. Auch wird letzterer stets bei der Beschreibung eines Schaufelgeweihes die Enden zählen, während der Weidmann dies häufig unterlässt und nur von starken oder kapitalen Schaufeln spricht. Wenn es sich darum handelt, den Gegensatz der Enden gegen den eigentlichen Stamm des Geweihes, von dem sie entspringen, auszudrücken, benütze ich im Folgenden den Ausdruck Stangenachse. Germ wäre ich der von J. H. Brasıus [10, S. 445] eingeführten Sitte, diesen Theil des Geweihes als „Hauptstange“ zu bezeichnen, gefolgt, und ich habe dies im Manuseript anfänglich auch gethan. Im Verfolg meiner Darlegungen fand ich mich aber genöthigt, den Ausdruck Hauptstange für die normalen Geweihhälften mit sammt den Enden zu reser- viren und ihn in Gegensatz zu stellen zu den abnormen, überzählig auftretenden Neben- stangen, deren specielle Behandlung das Thema dieser Arbeit bildet. Den Ausdruck Haupt- stange in dem Sinne, in dem ich ihn wirklich gebraucht, einfach durch „normale Stangen“ zu ersetzen, ging nicht an, weil eben die paarigen, normal auftretenden Stangen auch abnorm sein können. Die das Erstlingsgeweih jeder Hirschart bildenden Spiesse stellen die Anlage der Stangenachse dar. Bei mehrendigen Geweihen wird stets die Spitze der Stangenachse auch als Ende gezählt. Ich hatte aber oft Veranlassung diese Spitze ausdrücklich als solche zu bezeichnen und in Gegensatz zu den übrigen Enden zu stellen. Im Französischen und Eng- lischen bestehen für den Ausdruck Stangenachse feste althergebrachte Bezeichnungen: le merrain und the beam. 6 TIERMINOLOGIE. Das zunächst über der Rose nach vorn vorragende Ende heisst die Augsprosse. Ein Geweih, das nur aus Augsprosse und Hauptstange besteht, heisst eine Gabel und ein Hirsch, der Gabeln trägt, Gabelhirsch oder Gabler. Auf dieser Stufe bleibt dauernd stehen die aus den Hoch-Anden stammende Untergattung Zurcifer der Gattung Cariacus. Im Französischen heisst Augsprosse maitre-andouiller oder kurzweg andoniller im Besonderen. Für Gabelhirsch fehlt der Ausdruck, da „töte enfourchee“ nicht eime Gabel im deutschen Sinne bedeutet, sondern ein Geweih, das an der Spitze gegabelt ist. Es trägt also z. B. der Hirsch von 8 Enden eine solche töte enfourchde. Im Englischen bedeutet antler schlechtweg oder brow-tine, oder brow-point, oder brow allein Augsprosse Der Rothwild-Gabler heisst spayad. Die Augsprosse zeigt bei den verschiedenen Hirscharten mancherlei Eigenthümlichkeiten. Bei der Gattung Cervus im engeren Sinne stelıt sie der Rose nahe und zwar um so näher und in um so grösserem Winkel gegen die Stangenachse, je älter der Hirsch ist. Bei der indischen Untergattung Rucerrus kann sie wieder Nebenenden tragen, ein Verhältniss, das ich weiter unten nochmals erwähnen werde. Bei den Gattungen Capreolus und Cariacus ist sie stets hoch angesetzt. Bei dem Ren ist sie häufig, wenigstens einseitig, schaufelartig ausgebildet. Tritt ungefähr m der Mitte zwischen der Augsprosse und der Spitze der Stangenachse ein weiteres Ende auf, so heisst dieses Mittelsprosse, englisch royal tine, wenigstens in der alten Jägersprache, z. B. bei Wırrıan Twıcı, dem Jägermeister von Eduard U., aber auch nur an den stärkeren Geweihen, wenn sie über der gleich zu besprechenden Eissprosse steht. MrrLars braucht neuerdings für sie den Ausdruck iray. Im Französischen wird mitunter chevillure schlechtweg hierfür gesagt. Ein Hirsch mit einem Geweih, das aus Augsprosse, Mittelsprosse und Spitze der Stangenachse besteht, heisst ein Hirsch von 6 Enden oder Sechser. Auf dieser Stufe bleiben normaler Weise die Arten der indischen Untergattung Rusa, zu Cervus gehörig, stehen. Kurze Bezeichnungen für Sechser giebt es im Französischen und Englischen nicht. Dieser Begriff muss vielmehr mit cerf portant siw andowillers und stag bearing six points in his head umschrieben werden. Neuerdings sagt man allerdings in England auch 6-pointer, 12-pointer u. s.f. Das Gleiche gilt, wie wir schon hier vorgreifend bemerken wollen, für alle später zu erwähnenden weiteren Bezeichnungen Achter, Zehner, Vierzehner u. s. f. In der alt- französischen Jägerei, deren Sprache lange auch für England Geltung hatte, spricht man nämlich den Hirsch eigentlich nur nach der Stärke an, nicht nach der Zahl der Enden, denn nur auf die Stärke des Hirsches kommt es bei der damals allein gebräuchlichen und auch heute noch vorzugsweise in Frankreich betriebenen Parforcejagd an, und die Stärke, die besonders durch das Alter bedingt ist, wird besser nach der Fährte als nach dem Geweih angesprochen. Die 3 bis 5 Jahr alten Hirsche, d. h. also bei ganz regelmässiger Entwickelung des Geweihes die Gabler, Sechser und Achter, werden daher bezeichnet als jeunes cerfs. Der sechsjährige Hirsch, der bei regelmässiger Entwickelung 10 Enden trägt, heisst cerf de dix cors jeunement. Die Bezeichnung cerf de die cors schlechthin bleibt ihm auch in den nächsten Jahren, mag er auch 12 oder 14 Enden tragen, und entspricht nicht der deutschen Benennung „Zehner“, muss viel- mehr mit „jagdbarer Hirsch* übersetzt werden, ebenso wie cerf de die cors jeunement mit „angehend jagdbarer Hirsch‘. Ein ganz alter Hirsch heisst vieux cerf, was mit „Kapitalhirsch* zu übersetzen ist und ungefähr dem englischen „a royal head“ entspricht. Die auf den Sechser folgende Stufe des Rothhirschgeweihes ist die des Achters oder Hirsches von 8 Enden. Sie entsteht normaler Weise dadurch, dass sich hier noch die "TERMINOLOGIE. 7 Spitze der Stangenachse gabelt, sodass also jederseits Augsprosse, Mittelsprosse und Endgabel vorhanden sind. Auf dieser Stufe bleibt von anderen Hirschen normaler Weise z. B. der japanische Hirsch, Cervus (Pseudawis) sika, stehen. Tritt zwischen Augsprosse und Mittelsprosse, und zwar gewöhnlich dicht über der Aug- sprosse, ein weiteres, also, die Spitze der Stangenachse mitgerechnet, fünftes Ende auf, so heisst dies die Eissprosse, franz.: sur-andowiller; engl.: sur-antler, neuerdings aber bay-tine oder bay schlechtweg, und man nennt den Hirsch nunmehr einen Hirsch von 10 Enden oder Zehner. Die Eissprosse ist die unbeständigste der normalen Enden des Rothhirschgeweihes. Es giebt Geweihe, bei denen sie schon vorhanden ist, ehe die Gabelung der Stangenspitze eintritt. Solche Hirsche von 8 Enden bezeichnet man als Eissprossen-Achter. Andererseits kann sie fehlen, trotzdem bereits die aus 3 Enden bestehende Krone — siehe unten — gebildet ist. Solche Hirsche von 10 Enden bezeichnet man als Kronen-Zehner. Beim Damhirsch ist die Eis- sprosse eine Seltenheit, die nur bei ganz starken Geweihen vorkommt. Die Eissprosse ist das letzte normal auftretende Ende des Rothhirsches, das in der deutschen Jägersprache einer besonderen Bezeichnung gewürdigt wird. Die französische Jägerei geht aber weiter und hat noch den Ausdruck trochure für ein unterhalb der eigentlichen, gleich zu besprechenden Krone, aber doch von ihr etwas getrennt stehendes Ende, das im Englischen früher wohl auch sur-royal antler genannt wurde. Die trochure ist aber eigentlich schon eine unregelmässige Bildung, denn alle über der Mittelsprosse stehenden Enden treten bei dem Roth- hirsch und seinen nächsten Verwandten normaler Weise nur an der Spitze der Stangenachse auf. Die Vereinigung von drei oder mehr Enden an der Spitze der Stangenachse nennt man auf deutsch Krone, englisch: the cup, die bei dem ganz normal gebildeten Rothhirschgeweih erst bei der Stufe des Hirsches von 12 Enden oder Zwölfers auftritt, und dann jeder- seits noch von Aug-, Eis- und Mittelsprosse begleitet ist. Treten in der Krone mehr als 3 Enden auf, so entstehen die Stufen des Hirsches von 14, 16, 18 oder mehr Enden, die man auch kurz als Vierzehner, Sechzehner, Achtzehner u. s. f. bezeichnet. Eine völlige Regelmässigkeit in der Stellung der Kronenenden, wie sie J. H. Brasıus [10, S. 449] zu construiren versuchte, besteht in Wahrheit nicht, es gehören vielmehr die von ihm als normal gezeichneten Formen des Rotlihirschgeweihes von 14 und mehr Enden zu den Seltenheiten, wie denn überhaupt dessen typische Entwickelungsform meiner Ansicht nach bereits vom Zwölfender erreicht wird. Die verschiedenen Abänderungen in der Stellung der Kronenenden haben ihren Ausdruck m verschiedenen speciellen Weidmannsausdriücken gefunden, wie Becherkrone, Schaufelkrone u. s. f. Eine weitere Bedeutung haben sie für die wissenschaftliche Nomenklatur nicht, ebensowenig wie die ähnlichen französischen Bezeichnungen couronnure, empaumure und andere. Die Kronen- Enden als solche haben aber im Französischen und im alten Englischen besondere Bezeich- nungen: les epois, the croches. Im Allgemeinen sind die beiden Stangen eines Geweihes symmetrisch ausgebildet, haben also die gleiche Endenzahl. Es können aber auch an einer Stange weniger Enden stehen als an der anderen. Weidmännisch nennt man aber ein Geweih, das rechts 6, links dagegen nur 5 Enden trägt, nicht ein Geweih von 11 Enden, sondern spricht dasselbe nach der Endenzahl der stärker entwickelten Stange an, also als ein „Zwölfergeweih“ mit dem Zusatze „ungerade“. Wieviel Enden der schwächer entwickelten Stange fehlen, darauf kommt es nicht an, und ein abnormes Geweih, das z.B. links 6 Enden, rechts nur einen, alsdann gewöhnlich sehr langen 8 TERMINOLOGIE. Spiess trägt, wird darum doch weidmännisch als ungerader Zwölfer bezeichnet. Auch im Französischen und Englischen wird die Endenzahl eines Geweihes nach der doppelten Enden- zahl der stärkeren Stange angesprochen. Die deutschen Ausdrücke gerade und ungerade werden französisch durch bien seme, mal seme wiedergegeben. Man sagt also für ungerades Zwölfer- geweih tete de cerf a douze andouillers mal semes. Die altenglischen Ausdrücke hierfür sind of the greater und of the less. A hart bearing 16 of the greater ist also ein gerader, a hart bearingy 16 of the less dagegen ein ungerader Sechzehnender. Ich entnehme dies der Dryvev’schen Ausgabe des Wırrıam Twict Neuerdings scheint sich die Jagdsprache aber in England von diesen Regeln zu emaneipiren. Mirras [46] spricht z. B. ruhig von einem 11-pointer, 19-pointer u. s. f. Ausser den eben kurz charakterisirten normalen Enden können nun aber weitere Enden von der Hauptstange selbständig, an sonst gewöhnlich bei der betrefienden Art kein Ende tragenden Stellen der Stangenachse entspringen oder durch weitere Theilungen normaler Enden entstehen. Der Weidmann zählt jedes solche abnorme Ende, sowie dasselbe so lang ist, dass man einen leichten Gegenstand, als Hornfessel oder Handschuh, daran aufhängen kann. Der Zoologe wird dagegen passend ein solches Geweih mit überzähligen Enden der normalen Geweihstufe einreihen, der es am nächsten verwandt ist, und die Art und Stellung der über- zähligen Sprossen genauer bezeichnen, also z. B. von einem 12endigen Geweih mit abnorm gegabelten Augsprossen sprechen, während der Weidmann dasselbe Geweih kurzweg als ein Vierzehnergeweih ansprechen würde. Kommt ein normales oder abnormes Ende nicht völlig zur Ausbildung, sondern erscheint dasselbe bloss als eine Verdickung, so bezeichnet man es weidmännisch mitunter als „blendendes Ende“. Ich werde einfach von angedeuteten Enden sprechen. Im strengsten Sinne des Wortes sind alle Stangen, die überzählige Enden tragen, als abnorm zu bezeichnen. Für meine Zwecke scheint es mir aber geeigneter, nur dann von einer abnormen Stange zu sprechen, wenn durch solche Zusatzbildungen der ursprüngliche Charakter der Stange verwischt ist, ein Verhältniss, das der deutsche Jäger häufig auch als „widersinnig“ bezeichnet. Der französische Jäger spricht in solchem Falle von einer föte bizzarre, töte contrefaite oder tete irreguilliöre. In ihrer Anlage normale Stangen, die aber über- zählige Enden tragen, werde ich dagegen überbildete Stangen nennen. Allerdings gebe ich gern zu, dass die Grenze zwischen Ueberbildung und Widersinnigkeit scharf nicht zu ziehen ist. Enden sind, wie aus meiner bisherigen Auseinandersetzung hervorgeht, im Allgemeinen — mit Ausnahme des oben besprochenen Falles, dass ja auch die Spitze der Hauptstange als Ende angesprochen wird -— im Verhältniss zur Stangenachse, Verzweigungen I. Ordnung. Durch Gabelung der Enden selbst entstehende, überzählige Enden sind dagegen Verzweigungen II. Ordnung. Solche normaler Weise bei unseren einheimischen Formen, speciell bei dem uns als Paradigma dienenden Rothhirschgeweih nicht vorkommenden Enden II. Ordnung sind aber an den starken Geweihen mancher ausländischer Hirsche durchaus Regel, z. B. beim Ren, den indischen Arten der Untergattungen Rucervus und Elaphurus, also z. B. bei Cervus duvauceli und (©. davidianus. Eine allgemeine Schwierigkeit in der Feststellung des Begriffes „Ende“ wird übrigens in manchen Fällen noch durch die schon oben erwähnte Perlung der Stangen veranlasst. TERMINOLOGIE. 1) Gute oder schlechte Perlung ist zwar ıneist eme Eigenthümlichkeit des Individuums, der Familie oder der Lokalrasse, die in letzterem Falle mitunter durch die schlechte oder gute Aesung bedingt wird. Bei einzelnen Arten, z. B. bei der sibirischen Form des Rehes, die wir hier ohne weitere Kritik als getrennte Art, als (apreolus pygargus, bezeichnen wollen, und bei Cariacus virginianus tritt diese Perlung oft so stark auf, dass einzelne, besonders grosse Perlen durchaus der jagd- gemässen Definition des Ausdruckes Ende entsprechen: man kann häufig an ihnen einen leichten Gegenstand aufhängen. Trotzdem diese starken Perlen mitunter besondere Stellen des Gehörnes bevorzugen und, z. B. beim Virginischen Hirsche, sehr häufig an der Basis, bei den sibirischen Rehen an der hinteren Seite der Stangenachse auftreten, wird man doch Anstand nehmen müssen, sie als Enden zu bezeichnen. Aber auch hier ist eine scharfe Grenze nicht zu ziehen, Auf die Homologisirung der einzelnen Enden bei den Cerviden im Allgemeinen kann ich hier nicht eingehen, möchte aber darauf hinweisen, dass über dieselbe noch keine einheit- liche Auffassung erlangt wurde. So weichen z. B. Brooxe |16] und Rörıs [58] wesentlich von einander ab. Auch über die Terminologie der Vorgänge und Gebilde, die mit dem Wechsel der Geweihe zusammenhängen, ist eine Verständigung wünschenswerth. Die Anlage des Erstlingsgeweihes besteht anfänglich aus kleinen, von den Stirn- beinen ausgehenden und zunächst von dem gewöhnlichen, behaarten Integumente der Schädel- decke überzogenen Knöpfen, franz.: bosses; engl.: knobs. Bei den Hirscharten, die stärkere Erstlingsgeweihe erhalten, wird aber das Integument der wachsenden Erstlingsgeweihe so stark ausgedehnt, dass es einen besonderen Charakter erhält und nun, ebenso wie das Integument aller später entstehenden, nach Abwurf eines früheren Geweihjahrganges sich bildenden, neuen Geweihe auch mit einem besonderen Ausdrucke, als Bast, franz.: le velu, la velue; engl.: the velvet, the moss, bezeichnet wird. Dieser Bast zeichnet sich durch das Vorherrschen oder aus- schliessliche Vorkommen der Grundwolle, bei theilweisem oder völligem Fehlen der Grannen- haare aus. Auch fehlen dem Baste die Schweissdrüsen, während die Talgdrüsen der Haare bestehen bleiben. Der Bildungsvorgang des Geweihes wird als Aufsetzen oder Wıiederaufsetzen bezeichnet. Französisch sagt man: le cerf fait ou refait son bois ou sa tete. Eine Stange, die unter dem Baste noch nicht völlig ausgebildet ist, heisst Kolben, franz.: le boston, oder, wenn es sich um einen späteren Jahrgang, also um eine nach Abwurt eines früheren Geweihes entstehende Neubildung, handelt, le refait. Den Vorgang, durch den ein Geweih unter dem Schutze der Basthülle seine völlige Aus- bildung erlangt und namentlich feste, auch an den Spitzen völlig verknöcherte Enden erhält, bezeichnet man als das Verecken. Die mitunter gebräuchliche Variante, das Verrecken, halte ich für unpassend, wenngleich sie dem französischen Jagdausdrucke allonger son bois gewissermassen analog ist. Verrecken hat im Deutschen bekanntlich eine andere, unedle Bedeutung. Ein Geweih kann bereits vereckt, aber doch noch von Bast bekleidet sein. Das vereckte, oder auch das krankhafter Weise in abnormen Fällen an den äussersten Spitzen überhaupt nicht vereckende Geweih wird von dem Hirsch durch Reiben an jüngeren oder älteren Stämmchen von dem allmählig absterbenden Baste befreit, es wird getegt. Seine auf diese Weise blossgelegte Knochensubstanz verliert alsdann ihre helle Farbe: Nitsche, Studien üb. Hirsche, I. 2 10 TEERMINOLOGIE. das Geweih bräunt sich. Die französischen Ausdrücke frayer und brunir und die englischen to /ray und to burnish entsprechen genau den deutschen. Englisch sagt man neuerdings auch für: der Hirsch hat gefegt, the stag is clean. Beiläufig sei hier bemerkt, dass es ausnahmsweise vorkommen kann, dass das Fegen eines Geweihes nicht vollendet wird und Fetzen des Bastes dauernd an ihm hängen bleiben, wie dies z. B. an dem auf Tafel VIII Fig. 1 und 2 abgebildeten der Fall ist. Ja, es kann sogar vorkommen, dass ungefeste Stangen abgeworfen werden. Ein solcher Fall ist durch die Gite Sr. Durchlaucht des Herzocs v. Rarıgor zu meiner Kenntniss gekommen. Er betrifit einen Rothhirsch-Spiess, der noch, völlig von dem Integumente bedeckt, im Mai 1889 im Parke des Grafen von BREUNNER-ENKEVORTH zu Grafenegg an der Donau abgeworfen gefunden wurde. Der Bast war aber völlig eingetrocknet. Hieraus geht hervor, dass nicht die Entblössung vom Baste, sondern nur das Absterben desselben Vorbedingung für das Abwerfen eines Geweihes ist. Schliesslich wird normaler Weise jedes Geweih abgeworfen. Der Vorgang des Ab- werfens wird französisch als /a mue bezeichnet, während man sonst sagt: le cerf met bas oder le bois tombe. Englisch heisst abwerfen to mew oder to drop oder to shed the horns. Nach den gewöhnlichen Behauptungen des Jagdpersonals sollte man glauben, dass Geweihe recht häufig nicht abgeworfen würden. Dies ist aber ein Iırthum, der dadurch. veranlasst wird, dass manche Geweihe an den Spitzen nicht völlig verecken (vgl. das Spiessgeweih eines Rothhirsches Taf. II Fig. 2) und dann fälschlich als mehrere Jahre hindurch getragen angesprochen werden. Ebenso unrichtig ist die gewöhnliche, bereits aus dem Alterthume herstammende Mei- nung, ein castrirter Hirsch würfe nicht mehr ab. Das Gegentheil ist, wie Gaskom und ÜATon längst nachgewiesen haben, wahr. Jeder Hirsch, der zu der Zeit castrirt wird, wo er ein verecktes und gefegtes Geweih trägt, wirft binnen wenigen Wochen ab, mag auch die normale Abwurfzeit noch nicht gekommen sein. Ich kann dies aus reicher, eigener Erfahrung bestätigen. Erst das nun neu aufgesetzte Geweih, das niemals gefegt wird, dauernd weiter wuchert und sich zu einem sogenannten Perrückengeweih ausbildet, wird nicht mehr abgeworfen. Die einzige Ausnahme von dieser Regel macht, wie schon Liwx# klar ausspricht |40, S. 67], der Renhirsch, bei dem das alljährliche Abwerfen der Geweihe auch nach der Castration fortdauert. Auch die weiter unten zu erwähnende Erscheinung der „Doppelköpfigkeit* bei den Hirschen gehört in das Kapitel des Nicht-Abwerfens, ist aber ein durchaus abnormer Vorgang. Die von dem Hirsche während seines Lebens abgeworfenen Stangen nennt man Abwürfe. Abwiürfe, die zum Zimmerschmuck auf künstliche Schädel aufgemacht werden, bezeichnet man als nicht schädelechte Geweihe, im Gegensatz zu den noch auf der Hirnschale festsitzenden schädel- echten erlegter Hirsche. Was die Eintheilung der Familie der Cerviden betrifft, so folge ich wesentlich Brooke [16] und Frower und Lyverker 25]. Doch habe ich das kürzlich erschienene grosse Specialwerk des letztgenannten Autors: The deer of all lands, nicht mehr benützen können. B. Allgemeine Betrachtungen über mehrstangige Geweihe und ähnliche Missbildungen, Zunächst muss ich nun feststellen, was im Folgenden als mehrstangiges Geweih oder kurz gesagt Mehrstangigkeit bezeichnet werden soll, da über die Bedeutung dieser Ausdrücke völliges Einverständniss der verschiedenen Schriftsteller noch nicht herrscht. Ich werde ferner diejenigen Missbildungen kennzeichnen, die zu Verwechselungen Anlass geboten haben. I. Die wirklich mehrstangigen Geweihe, mit echten, getrennt bleibenden oder mit der Hauptstange verwachsenden Nebenstangen. Mehrstangige Geweihe nenne ich zunächst solche, bei denen ausser den beiden gewöhn- lichen, auf den hinteren und äusseren Ecken der Stirnbeine stehenden Hauptstangen ein oder mehrere getrennte überzählige Stangen, also Nebenstangen, vorhanden und so gestellt sind, dass sie für sich, getrennt von den Hauptstangen, abgeworfen werden. Eine echte Nebenstange hat, soweit sie nicht einem Erstlingsgeweihe angehört, stets eine besondere Rose für sich. Es entstehen also beim Abwerfen eines solchen Geweihes, je nachdem die überzählige Bildung nur einseitig oder beiderseits vorhanden ist, 3 oder 4 getrennte Wundflächen an dem Kopfe des Hirsches. Hierbei ist nach meiner Auffassung das Stärkenverhältniss von Haupt- und Nebenstange völlig belanglos. Auch dann spreche ich von einer Nebenstange, wenn die überzählige, getrennt abzuwerfende Bildung ganz klein bleibt und nur eine Art Knopf darstellt, wie z. B. in Fie. 6 auf Tafel IV. Dies ist um so gerechtfertigter, als ja auch eine Hauptstange derartig reducirt sein kann, dass sie kaum aus etwas mehr als der Rose besteht. Einen solchen, im Besitz der Tharandter Sammlung, befindlichen, einseitigen Fall habe ich auf Taf. III Fig. 6 u. 7 abgebildet. Hier erheben sich linkerseits über die Rose nur zwei ganz rudimentäre kleine Geweihspitzchen. Die rechte Stange dieses Geweihes ist, wie beiläufig zum besseren Verständniss der Abbildung bemerkt sein mag, abgekämpft. 12 WIRKLICHE MEHRSTANGIGE GEWEIHE. Ich weiss wohl, dass im der jagdlichen Literatur solche kleine überzählige Gebilde nicht als Nebenstangen, sondern als „überzählige Rosen“ angesprochen werden |K. Braxpr 13]. Auch ist nicht zu leugnen, dass dieselben in vielen Fällen wirklich nur aus einem Aequivalent der Rose und einem ganz kleinen mittleren Stangenrudimente bestehen. Sie sind aber, wie wir sehen werden, durch so viele Uebergänge mit den auch jagdlich sicher als Nebenstangen anzu- sprechenden Gebilden verbunden, dass eine Trennung unmöglich erscheint. Auch ist zu bedenken, dass man als Rose, wie oben auf S. 4 auseinandergesetzt wurde, nur den die Basis der Stange umgebenden Perlenkranz bezeichnet, also einen Theil der Stange, welcher für sich überhaupt nicht abgeworfen werden kann. Das gegen meine obige Definition etwa mögliche Bedenken, die ganz kleinen, rudimen- tären Stangen würden wohl überhaupt nicht abgeworfen, kann ich durch den Hinweis auf zwei im Folgenden beschriebene und abgebildete Fälle entkräften. Es sind dies wirklich abgewortene, kümmerliche Gebilde, von denen das eine, schüsselförmige (Taf. IX Fig. 3 u. 4) der Haupt- stange, das zweite, westenknopfförmige (Taf. X Fig. 7—9) der Nebenstange eines Rehgeweihes entspricht. Die eben gegebene Definition des Begriffes Mehrstangigkeit bedarf aber noch einer Ein- schränkung. Ist das Abwerfen eines mehrstangigen Geweihes vollendet, so liegt, wie sich eigentlich von selbst versteht, ich es aber auch direkt an einem lebenden Stücke, an dem später genau zu behandelnden Wapiti des dresdener zoologischen Gartens, beobachtete, zwischen den durch den Verlust der Haupt- und Nebenstange entstandenen Wundflächen ein behaarter Haut- streifen. Auch die beiden Neubildungen bleiben zunächst durch diesen Hautstreifen getrennt. Seine frühere Lage ist an dem präparirten Schädel eines erlesten mehrstangigen Hirsches durch die weisse Färbung des von ihm bedeckt gewesenen Schädel- und Rosenstocktheiles gekennzeichnet (vergl. Taf. Il Fig. 3 und 4). Nun ist aber sicher bekannt, dass im Laufe der aufeinander folgenden Jahre nicht nur die Geweihstangen selbst stärker werden, sondern, meist unter gleichzeitiger Verkürzung, auch die Rosenstöcke selbst an Durchmesser zunehmen. Ich könnte hierfür zahlreiche Angaben von Jagdschriftstellern und Zoologen anführen, besnüge mich aber mit einem Hinweis auf die genauen Messungen Cosno’s [20]. Von der Stärke der Rosenstöcke hängt aber wieder die Grösse der beim Abwerfen entstehenden Wundflächen ab. Es müssen sich daher im Laufe der Jahre auch die Wundflächen am Kopfe vergrössern, und sich also bei mehrstangigen Geweihen die normale und die überzählige Wundfläche nähern, unter gleichzeitiger Verschmälerung des sie trennenden Hautstreifens, desgleichen die Basen der selbst immer stärker werdenden Haupt- und Nebenstangen. Schliesslich muss es daher einmal, hinreichend lange Lebensdauer des Hirsches vorausgesetzt, zu einer Berührung der am weitesten gegen einander vorspringenden Theile dieser Geweihbasen, d.h. der Rosen, kommen. Es tritt alsdann, wie die Beobachtung zeigt, eine Verschmelzung der beiden Rosen ein, während unter ihrer Verschmelzungsstelle die Trennung der Rosenstöcke noch bestehen bleibt und der mehrfach erwähnte, trennende Integumentstreifen von den verschmolzenen Rosen brückenartig überwölbt wird. Ob, wie K. Branor [5| nachzuweisen sucht, stets eine Verletzung der ein- ander zugewendeten Rosentheile während der Bastzeit unerlässliche Vorbedingung für eine solche Rosenverschmelzung ist, das wage ich nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Ich neige mich aber mehr der Bejahung, wie der Verneimung dieser Frage zu. Sobald die Rosenver- wachsung eingetreten ist, können aber Haupt- und Nebenstange nicht mehr getrennt abgeworfen GEWEIHE MIT VERWACHSENEN HAUPTSTANGEN, 13 werden, bleiben vielmehr auch als Abwürfe vereinigt. Ein Präparat, das deutlich diesen Zustand zeigt, ein hehbocksabwurf, bei dem Haupt- und Nebenstange an den Rosen verwachsen, die Abwurfflächen aber vollständig getrennt sind, habe ich auf Taf. X Fig. 4 und 3 abgebildet. In den Folgejahren kann die Verschmelzung von Haupt- und Nebenstange aber noch inniger werden, indem bei weiterem Dickenwachsthume der Rosenstöcke die unter der Ver- wachsungsstelle der Rosen hinlaufende Hautbrücke in Folge des auf sie geübten Druckes atrophirt, beim nächsten Abwerfen also die beiden Wundflächen mit einander in Berührung treten. Bei der nun folgenden Neubildung sind alsdann auch die unterhalb der Rosen liegenden untersten Theile der Neubildung einheitlich gestaltet und am nächsten Abwurfe nieht nur die Rosen, sondern auch die Abwurfflächen der Haupt- und Nebenstangen miteinander verbunden. Sind übrigens die Rosen schwach, so kann die Verschmelzung der Abwurfflächen früher ein- treten als die Verschmelzung der Rosen wie dies bei dem Wapiti der Fall war, dessen mehr- stangige Geweihe ich weiter unten beschreibe und abbilde (vergl. Taf. VII Fig. 2). Es ergiebt sich also klar, dass auch in den zuletzt geschilderten beiden Fällen, in denen schliesslich, im Gegensatze zu meiner obigen vorläufigen Definition, das überzählige Gebilde im Zusammenhange mit der Hauptstange abgeworfen wird, eime echte Nebenstange Grundlage der abnormen Bildung ist. Solche Fälle müssen daher im Zusammenhange mit den typisch mehr- stangigen Geweihen behandelt werden: sind sie doch nur weitere Entwickelungsstufen derselben. Ich bezeichne in Uebereinstimmung mit K. Branpr [13] solche Abnormitäten als Verwachs- ungen von Haupt- und Nebenstange. Von ähnlichen, aber anders entstandenen Gebilden sind sie stets durch die ungewöhnliche, nicht kreisförmige Gestalt der Rose und in vielen Fällen auch durch die abnorme Stärke und Gestalt des Rosenstockes zu unterscheiden. Als mehr- stangige@Geweihe bezeichne ich also solche, bei denen die überzählige Bildung, ohne Verbindung mit der Hauptstange entstanden, entweder wirklich völlig getrennt von dieser bleibt oder derartig mit ihr verbunden ist, dass der Vor- gang einer nachträglichen Verwachsung an der abnormen Gestalt von Rose oder Rosenstock deutlich erkennbar ist. II. Anmerkung über solche Fälle, in denen die beiden Hauptstangen eines Geweihes in der Medianebene verwachsen. Da ich vorstehend das Thema der Verwachsung ursprünglich getrennter Stangen berühren musste, will ich bei dieser Gelegenheit kurz auf andere, eigentlich nicht mit meinem speciellen Thema in Verbindung stehende Fälle von Geweihverwachsungen hinweisen, die zwar in Jagd- zeitungen öfters behandelt und abgebildet werden, in eimer rein wissenschaftlichen Zeitschrift meines Wissens aber nur einmal Erwähnung gefunden haben, nämlich durch Grar vox SCHELER [65, S. 159—161], und daher vielen Zoologen noch fremd sein dürften. Es handelt sich um die Verwachsung der beiden Hauptstangen eines Geweihes. Es giebt nicht nur mehrstangige, sondern auch einstangige Geweihe. Bei weitem die meisten Exemplare einer solchen Missbildung stellen den extremsten Fall des „ungeraden Geweihes“ dar (vergl. S. 7). Bei ihnen ist einfach die eine Geweihhälfte nicht ausgebildet, 14 (EWEIHE MIT VERWACHSENEN HAUPTSTANGEN. und zwar fehlt, im häufigeren Falle, nur die Stange, mitunter ist aber auch der Rosenstock in Wegfall gekommen. DBehält hierbei die übrig gebliebene Stange ihren normalen Platz, so kann über die richtige Deutung dieser „Einstangigkeit“ kein Zweifel bestehen. Schwieriger wird diese Deutung, namentlich an dem frisch erlegten Stücke oder an dem ausgestopften Kopfe, wenn schon der Rosenstock der allein übrig gebliebenen Stange etwas nach der Mittel- ebene zu gebogen ist und die Stange selbst steil steht. Ich habe neulich [54] einen solchen Fall beim Rehbock genauer beschrieben, m welchem die linke, völlig normal ausgebildete Stange von drei Enden direct auf der Mittelebene des Kopfes zu stehen schien. Die rechte Seite des Schädels war übrigens, beiläufig gesagt, nicht nur durch den vollständigen Mangel von Rosenstock und Stange abnorm, sondern sie zeigte auch eine Hemmungsbildung am Scheitel- beine, dessen rechte Hälfte mit der linken und dem Zwischenscheitelbeine nur durch eine Naht verbunden, nicht völlig verwachsen war). Andere und zwar sehr seltene Fälle von Einstangigkeit beruhen aber auf Verwachsungen der beiden seitlichen Hauptstangen zu einem mittleren, unpaaren Gebilde. Am seltensten kommt eine Verwachsung der beiden Hauptstangen bei völlig getrennten Rosen und Rosen- stöcken vor. Ich kenne aus eigener Anschauung diese Abnormität nicht, finde aber Exemplare in der Literatur erwähnt. Einmal führt Grar v. Scherer |65, S. 160] ein. solches Rehbocks- geweih aus der gräflich Arco-Zinxegere’schen Sammlung im München an, andererseits beschreibt und zeichnet K. Braxpr [14, S. 586] em solches im Besitze von Herrn Oberforstmeister BoRGGREVE befindliches. Etwas häufiger, aber immer noch sehr selten, sind die Fälle, in denen die beiden seit- lichen Rosenstöcke und daher auch die auf ihnen stehenden Stangen in der Mittellinie mehr oder weniger weit miteinander verwachsen sind, sodass ihr Querschnitt im Basaltheil oval erscheint, während weiter oben die beiden Stangenenden getrennt bleiben. In den Jagdzeitungen sind solche Fälle öfters, aber meines Wissens immer nur vom Rehbock abgebildet, wie z. B. GRAF v. ScHELer |65, S. 160] zusammenstellt. Viel genauer behandelt und durch zahlreiche Abbildungen erläutert finden wir dies Thema durch Kart Branpr [14]. Hier liegt nach meiner Ansicht ein dem oben kurz erläuterten Verwachsen von Haupt- und Nebenstangen völlig analoger Vorgang vor. Bei von Anfang an sehr schmal gestellten Rehbockgehörnen nehmen im Laufe der Jahre die Rosenstöcke an Stärke derartig zu, dass sie schliesslich aneinander stossen, und ihre Abwurfflächen miteinander ebenso verschmelzen, wie dies bei der vorstehend bereits erwähnten, weiter unten aber genauer zu beschreibenden Ver- wachsung von Haupt- und Nebenstange des dresdener Wapiti’s. Erleichtert wird diese Ver- schmelzung wohl noch in vielen Fällen durch die bei alten Rehböcken vorkommende, sehr starke Erniedrigung des Rosenstockes. lch habe, um diese interessante Verwachsung auch im zoologischen Kreisen bekannt zu machen, auf Taf. IX zwei Exemplare derselben abgebildet. Die Darleihung des in Fig. 5 1) Wenn übrigens K. Braxpr [14, S. 587 u. 588, Fig. 2] meine in diesem Aufsatze gemachte Aeusserung, es könne auf der Stirnbeinnaht eine Exostose wie das Gehörn das Rehbockes nicht entstehen, bemängelt und durch Beschreibung eines schwachen Rehbockgeweihes, auf dessen Stirnnaht wirklich kleine Exostosen stehen, widerlegen will, so hätte er bedenken sollen, dass diese Aeusserung zunächst mit Beziehung auf die völlig normal ausgebildete Stange des beschriebenen Rehgeweihes geschah. Aehnliche kleine Exostosen in der Mittelebene des Schädels, wie er sie an der genannten Stelle beschreibt, sind übrigens auch sonst bekannt z. B. durch v. Mossısovics [47, S. 80. Fig. 2], bei einem starken ungarischen Hirsche. u a GEWEIHE MIT STANGENTHEILUNG. 15 abgebildeten Rehbocksgeweihes verdanke ich der Freundlichkeit von Herrn Professor Dr. R. Harrıc in München. Es zählt ungerade sechs Enden. Seine grösste Höhe beträgt 21 cm, die Länge der verwachsenen Theile 9,7 cm, der Querdurchmesser der verwachsenen Rosen 6 em. Die Vorderseite der verwachsenen Stangen ist im Allgemeinen abgeflacht, doch steht in der Ver- wachsungsebene ein schmaler, vorspringender, mit einer Art Dorn endender Kamm. Die Rück- seite der Verwachsungsstelle ist in der Mitte rinnenartig vertieft. Ueber die Beschaffenheit des Rosenstockes lässt sich, da derselbe vom Schädel abgesägt, oder der Rosenstockrest vielleicht auch mechanisch eingeebnet ist, an diesem Stücke nichts aussagen. Wohl aber ist dies möglich nach der erhaltenen Abwurffläche des zweiten, im Besitze von Herrn Oberförster Hermann Krurzsch in Hohnstein in der sächsischen Schweiz befindlichen Seitenstückes (Taf. IX, Fig. 6—8). Es ist ein gerades Sechsergeweih mit sehr schwach ent- wickelter linker Vordersprosse. Seine grösste Höhe beträgt gleichfalls 21 cm, der Spitzen- abstand 10,5 cm, die Länge des verwachsenen Theiles 11 cm, seine Breite unter der Spaltung 4,5 cm und der grösseste Querdurchmesser der Rose 7,5 cm. Die sehr starke Rose ist auf der Vorderseite völlig fortlaufend und zwar durch Vermittelung eines vorn in der Mittellinie (Fig. 6 u. 7x) nach unten vorstehenden, lappenartigen Anwuchses, während die eigentlichen Rosen durch eine Spalte getrennt bleiben. Auf der Rückseite (Fig. 7 u. Sy) bleiben sie über- haupt ganz getrennt. Der auf der Abwurffläche (Fig. 8) vorspringende Rosenstockrest von 5,2 :2,3 cm Durchmesser hat eine mit einigen Einsenkungen versehene, ovale Gestalt, sodass kein Zweifel dariiber bestehen kann, dass auch die Rosenstöcke vollständig in der Mittellinie miteinander verschmolzen waren. Nur eine schwache Einbiegung vorn und hinten zeigt die Stelle der Verwachsung. Die Vorderseite des verwachsenen Basaltheiles ist in der Mitte zu einer seichten Längsfurche vertieft (Fig. 6) und in ihrer ganzen Länge durch Gefässeindrücke canellirt. Die im Alloemeinen flache Rückseite zeigt eine starke Perlung (Fig. 7). III. Geweihe mit Stangentheilung. Kehren wir nach dieser Abschweifung wieder auf unser eigentliches Thema zurück, so ist darauf hinzuweisen, dass mitunter auch andere, nicht in das Gebiet der oben charak- terisirten, eigentlichen Mehrstangigskeit gehörende Geweih-Abnormitäten fälschlich als mehr- stangige Geweihe bezeichnet werden. Zunächst gehören hierher die Abnormitäten, die ich Stangentheilungen nennen möchte. Im Allgemeinen ist bei jedem Geweihe die Stangenachse den von ihr entspringenden Enden gegenüber durch ihre bedeutenderen Dimensionen ausgezeichnet. Es kann nun aber vorkommen, dass ein Ende, und zwar meist ein überzähliges oder an ungewöhnlicher Stelle auftretendes, an Länge und Stärke derartig zunimmt, wohl auch selbst wieder Enden, d. h. in diesem Falle also Verzweigungen zweiter Ordnung trägt, dass es an Grösse und Gestalt dem über ihm stehenden Rest der betreffenden Geweihhälfte nahe kommt und daher dem eiligen Beschauer das Bild einer echten Nebenstange vortäuscht. Man spricht dann richtiger von einer Theilung der Stange in Aeste. Während aber bei echten Nebenstangen das Grössen- verhältniss zwischen Haupt- und Nebenstangen ein sehr wechselndes sein kann, ist es für die Stangentheilung Bedingung, dass die abnorme Bildung dem Reste der Stange annähernd gleiche 16 GEWEIHE MIT STANGENTHEILUNG. Dimensionen erreiche. Bleibt sie klein, so kann man eben nur von einem abnormen Ende sprechen, nicht von einem Aste. Doch wird es in den meisten Fällen noch möglich sein, den Hauptast von dem Nebenaste deutlich zu unterscheiden. Zu beiden Aesten gehört aber stets eine einzige und zwar meist völlig normale Rose, beide Aeste werden daher stets gemeinsam abgeworfen und stets ist der Rosenstockrest, der unter der Rose an dem Abwurfe zurückbleibt, kreisrund. Hierdurch ist die scharfe Trennung zwischen echter Mehrstangigkeit und Stangen- theilung gegeben. (Vergl. auch Zusatz 1 am Ende des Textes.) Ich erläutere letzteren Begriff durch einige Beispiele und beginne mit einem solchen, in dem der Nebenast noch deutlich als abnorm langes Ende erkannt werden kann. Dies ist der Fall bei dem, Herım Forstreferendar Arzert Untmans gehörigen, in Fig. 1 auf Taf. IV abgebildeten Rehgeweih. Dieses, auch durch die ungewöhnlich weit heraufreichende und sogar auf die Enden übergehende Perlung und einen abnormen, 4 cm über der rechten Rose stehenden Perlenwulst (x) ausgezeichnete Gehörn ist richtig als abnormes ungerades Sechsergeweih anzu- sprechen. Es hat nämlich rechterseits an der Stangenachse a’ nur ein kurzes vorderes Ende 5‘, während an der linken, im Ganzen 15 cm hohen Stange a, ausser einem ähnlichen, aber längeren Ende 5, 4 cm über der Rose noch ein abnormes, 13 cm langes Ende c, der Nebenast, entspringt. Trotz ihrer bedeutenden Länge ist diese Bildung nur ein Ende, keine Nebenstange, da es deutlich eine Verzweigung der Hauptstange darstellt und mit ihr dieselbe Rose hat. 5 Ein weiteres, geradezu typisches Beispiel von Stangen- theilung zeigt ein starkes Hirschgeweih, das im Königl. Jagd- schloss zu Moritzburg bei Dresden im Vorsaal des Mittelbaues zu ebener Erde an einem Pfeiler hängt. Seine linke Stange zeigt die normalen sieben Enden des Vierzehner-Geweihes, die rechte Stange (Fig. 1), die eine sehr lange Augsprosse (a), eine normale Eissprosse (b) und eine Krone von drei Enden (e) trägt, erscheint da- Fig, 1, gegen getheilt, indem die tiefstehende Mittelsprosse (cc) auf gemeinsamem Stiele zwei weitere Enden (d) trägt. Die Stange ist also oberhalb der Eissprosse in zwei Aeste zu je drei Enden gespalten. Ganz ähnliche Bildungen sind an noch viel stärkeren Geweihen auch aus der Literatur bekannt. Ich führe als Beispiel an zwei von Sröruer [73] auf Taf. VII u. X wiedergegebene Kapitalgeweihe der gräflich Ersacn-Ersacn'schen Geweihsammlung. Bei beiden scheint, wie bei dem eben erwähnten Moritzburger Geweih die überbildete und sehr tief stehende Mittel- sprosse die Theilung der Hauptstange zu veranlassen. Noch ganz deutlich sieht man dies auf Taf. VII bei dem Geweih von 28 Enden, dessen rechtsseitige, sehr tief herabgerückte Mittel- sprosse sich oben nur gabelt. Noch tiefer, direkt iiber der Eissprosse, entspringt der in eine vier- oder, wenn man lieber will, vielleicht fünfendige Krone ausgehende, gleichfalls rechts- seitige Stangenast bei dem auf Taf. X abgebildeten 30-Ender. Hier liegt wirklich die Ver- suchung nahe, von einer Dreistangigkeit zu sprechen. Indessen sieht man in der prächtigen photographischen Wiedergabe sehr deutlich, dass Rosenstock und Rose völlig normal sind, und GEWEIHE MIT STANGENTHEILUNG. 17 es ist auch im der kurzen, von Erxsr von Donseowsky herrührenden Tafelerklärung correeter Weise davon Abstand genommen worden, bei ihnen von Mehrstangigkeit zu sprechen. Es sind eben Geweihe mit einseitiger Stangentheilung. Schwieriger gestaltet sich die Beurtheilung, wenn der Nebenast ganz tief, also dicht über der Rose, entspringt und an seiner Basis noch aug- oder eissprossenähnliche Enden zweiter Ordnung trägt. Ich beschreibe zwei solche Fälle. Das erste Geweih (Taf. II Fig. 4 u. 5), Eigenthum der Thharandter Sammlung, ist schädelecht und von unbekannter Herkunft. Die rechte Stange ist eine völlig normale, 47 cm lange Sechserstange. Linksseitig entspringt zunächst von dem völlig normalen Rosenstocke ein gleichfalls 3 Enden zeigender kürzerer, nur 37 cm langer Hauptast, der an seiner Basis eine ganz rudimentäre Augsprosse (Fig. 52) und 13 cm unterhalb der Spitze eine 10 cm lange Mittelsprosse trägt (Fig. 4c). Nach aussen und hinten entspringt aber dicht iiber der auch hier völlig ausgebildeten und kreisförmig geschlossenen Rose ein ganz starker, dem Hauptaste an Länge gleichkommender, oben schlecht vereckter Nebenast d, der fast parallel mit jenem nach oben verläuft und an seiner Basis wieder selbst ein kurzes Ende (Fig. 4 u. 5e) trägt, also ein Ende zweiter Ordnung, da ja der Nebenast als abnormes Ende erster Ordnung anzusehen ist. Wäre der Nebenast wirklich eine Nebenstange, so würde dies Ende e sicher als Augsprosse anzusprechen sein. Vermehrt wird das widersinnige Aussehen dieser linksseitigen Geweihhälfte noch dadurch, dass der Hauptast « und der Nebenast d am Grunde um ungefähr 90° gegen ein- ander gedreht sind, sodass der ursprünglich nach aussen über der Rose sich abzweigende Nebenast in seinem weiteren Verlaufe nach hinten und innen von dem Hauptaste zu stehen kommt. Ausserdem ist sein, eine zweite Augsprosse vortäuschendes Ende (Fig. 5e) mit der Basis des Hauptastes dicht verlöthet, sodass bloss aussen und oberwärts eine nur in Fig. 5 erkennbare Rinne anzeigt, dass es nicht zum Haupt- sondern zum Nebenaste gehört. Ein Seitenstück hierzu bildet der rechte Abwurf eines starken Hirsches vom Tharandter Walde (Taf. II Fig. 1—3), Eigenthum von Herım Forstassessor Tuomas in Niederschöna bei Freiberg. Er besteht aus einem starken, gut vereckten und gebräunten, einfachen, 73 cm langen Hauptaste « mit 25 cm langer Augsprosse d, an deren Basis ein nur 1,5 cm langes, rudimen- täres Ende c steht, das man zur Noth als Eissprosse ansprechen könnte, das aber hierzu eigentlich etwas zu weit auf die Augsprosse hinauf gerückt ist und vielleicht besser als abnormes Ende zweiter Ordnung anzusehen ist. Der Abwurffläche sitzt ein deutlich kreisrundes, ungefähr 5 mm langes Stück des Rosenstockes auf (Fig. 3, und Fig. 2), das von der grossen, gut geperlten Rose umgeben wird, die nur aussen aut eine Strecke von ungefähr 2,5 cm schwindet, dort nämlich, wo mit einem beutelförmig nach unten gewölbten Anfange (x) nach aussen an der Basis des Hauptastes ein starker, 42 cm langer, steil nach oben und aussen gerichteter Neben- ast d entspringt. Aehnlich wie der Nebenast des letztbeschriebenen Geweihes trägt auch dieser Nebenast an seiner Basis ein secundäres Ende (Fig. 1 u. 2e), das sich aber nicht wie bei jenem an die Hauptstange anlehnt, sondern frei nach vorn vorragt, eine gewisse Aehnlichkeit mit einer Augsprosse hat und dadurch dem Ende d scheinbar den Charakter einer überzähligen Stange giebt. Einige stärkere Geweihe mit ähnlicher Stangentheilung habe ich im der berühmten gräflich Arco-Zissegere’schen Geweihsammlung zu München gefunden, doch kann ich näher auf dieselben hier nicht eingehen. Nitsche, Studien üb. Hirsche. I. = 18 STANGENTHEILUNG UND DOPPELKÖPFIGKEIT. Das stärkste und merkwürdigste aber hängt im „Weissen Saale“ zu Moritzburg über der links vom eintretenden Besucher in der Fensterecke stehenden Uhr. Sein Träger wurde von Kurrürst Avcust erlegt, wie aus einem gleichfalls im Moritzburg befindlichen, verschiedene Jagdbeuten dieses Herrschers darstellenden Gemälde hervorgeht. Ort und Datum der Erlesung sind unbekannt. Abgebildet ist dasselbe von A.B. Meyer [45, Taf. XVII], aber irrthümlicher Weise im Text als dreistangig bezeichnet, weil eine Andeutung einer zweiten Rose sichtbar sei, eine Auffassung, der ich mich nicht anschliessen kann, da das so gedeutete Gebilde lediglich Oo) die Stelle anzeigt, an der das gleich zu beschreibende äussere, von der Basis der überzähligen jildung entspringende Ende zweiter Ordnung mit der Hauptstange verlöthet ist. Die gespaltene linke Stange hat eine völlig normale, kreisförmige Rose. Der vordere Stangenast trägt eine normale Augsprosse, über der letzteren mehr nach innen zwei kurze, abnorme Enden, ferner eine hoch angesetzte Mittelsprosse und eine Krone von drei schwachen Enden. Dicht über der Rose geht nun nach hinten, ähnlich wie bei dem auf Taf. III Fig. 3 abgebildeten Geweih, ein zweiter starker Stangenast ab. Aus seiner Basis entspringen drei Enden. Das eine zwischen dem vorderen und hinteren Stangenast gelegene, ist sehr kurz. Die beiden anderen sind aber augsprossenähnlich ausgebildet und umfassen beiderseitig die Basis des vorderen Stangenastes. Weiter nach oben trägt der hintere Stangenast eine sehr hoch angesetzte, abnorm gegabelte Mittelsprosse und geht in eine dreiendige Krone aus. Uebrigens liesse sich auch die Ansicht vertheidigen, dass die hier als gegabelte Mittelsprosse bezeichnete Bildung noch zur Krone zu rechnen, letztere also, wie A. B. Meyer will, fünfendig sei. IV. Die als „Doppelköpfigkeit“ bezeichnete Missbildung. Um künftighin solche Verwechselungen auszuschliessen, wie sie in einer neueren Publication [41] begangen wurden, empfiehlt es sich ferner hervorzuheben, dass Mehrstangigkeit und Stangen- theilung durchaus nichts zu thun haben mit derjenigen Missbildung, die Arrun sehr gut Doppelköpfigkeit nennt. Um diese Bezeichnung verständlich zu machen, weise ich auf die S. 3 bereits hervorgehobene Thatsache hin, dass in der Jägersprache der Ausdruck „Kopf“ in manchen Verbindungen für Geweih und besonders im Sinne von Geweihjahrgang ge- braucht wird. Einen Doppelkopf hägt also ein Hirsch oder Bock, der einseitig oder beider- seitig übereinander zwei Köpte, d. h. zwei aufeinanderfolgende Jahrgänge seines Geweihes trägt. Autumn |7, 8. 368] drückt sich hierüber folgendermassen aus. „Em Doppelkopf ist vorhanden, wenn eine Stange vor Ausbildung der neuen nicht abgeworfen wird, sodass zwei Stangenbildungen verschiedenen Alters auf- bezw. nebeneinander stehen.“ In den meisten Fällen besteht der jüngere Jahrgang lediglich aus einer Hachen, von dem Aequivalent der Rose umgebenen Scheibe, es kann aber, und dies will Avrun mit „nebeneinander“ ausdrücken, auch aus dieser Scheibe ein neben der alten Stange aufstrebendes, wirkliches Stangenrudiment ent- stehen. Diese Bildung bleibt aber meist schwach. Unsere Sammlung besitzt zwei Doppelköpfe vom Damhirsch, darunter einen, wo diese Bildung an beiden Stangen vorkommt, einen von einem (ariacus, sowie eine solche ganz besonders abnorme Bildung vom Rehbock. Ein mir früher durch einen Händler zur Ansicht geschicktes Rothhirschgeweih mit Doppelkopf schien mir darum besonders merkwürdig, weil die Stange, unter der die Neubildung entstanden war, ©) 52,5 cm maass, normale vier Fnden und Andeutung einer Eissprosse trug. Aus dem Besitze Seiner Durchlaucht des Herzocs von Rarıor ist mir ein Damhirschgeweih bekannt, das drei a ei u Meer ie DoPPELKÖPFIGKEIT. 19 Köpfe übereinander getragen hat. Fine eingehende Behandlung dieser Abnormität in der jetzigen Arbeit würde mich zu weit führen. Da die Erscheinung der Doppelköpfigkeit aber eine wesentliche Stütze für meme in der Schlussabtheilung darzulegende Auffassung des morphologischen Werthes der Geweihe bildet, so will ich wenigstens ein Beispiel genauer beschreiben, das mir auch ausserdem als Beweis für das Abwerfen ganz flacher Geweihrudimente von Wichtigkeit ist, nämlich das oben S. 12 erwähnte und auf Taf.I X Fig. 1—4 abgebildete doppelköpfige Rehbocksgeweih, welches als Geschenk des jetzigen Forstreferendars Herrn Mörrzer unsere Sammlung ziert. Der Träger, ein starker, unverletzter Bock, wurde auf dem königlich sächsischen Staatsforstreviere Okrilla im Februar 1893 frisch verendet aufgefunden. Von der Hirnschale, deren rauhe, fast erodirte Beschaftenheit auf hohes Alter schliessen lässt, erheben sich zwei starke, ungefähr kreisrunde, 21 mn Durchmesser haltende, aber nur ungefähr 7 mm über die zwischenliegende Schädeldecke vorragende Rosenstöcke. Die obere Fläche derselben ist schüssel- förmig vertieft und ihr Aussenrand in solide, lappig ausgebuchtete, knopfartige Vorsprünge ausgezogen, deren weisse Färbung deutlich zeigt, dass sie bei Auffindung des Bockes noch von dem Intesument bedeckt waren. Sie umschliessen wallförmig die eigentlichen Stangen, denn so muss man, trotz ihrer geradezu wunderbaren Reduction, die beiden Rudimente nennen, die, völlig gefest und gut gebräunt, die Rosenstöcke krönen. Die linke, auf Fig. 2 durch einen braunen Farbenton deutlich hervorgehobene, trägt nach der Mittellimie zu einen halbkreisförmigen Ausschnitt und ist so flach, dass sie in der Ansicht von vorm, durch den lappigen Rosenstock- rand völlig verdeckt, auf Fig. 1 nicht sichtbar ist. Die rechte „Stange“ hat sich dagegen bei, der Präparation des Geweihes vom Rosenstock gelöst (Fig. 3 u. 4). Sie ist ein ovales, schüssel- förıniges Gebilde, das 20 : 22 mm Durchmesser hält. Ihr äusserer Rand ist auf einer Länge von 22 mm verdickt und 2 mm breit völlig glatt und glänzend gefest, ihr Vorder- und Hinter- rand schwach geperlt, der Innenrand dagegen fast zu einer Schneide verdünnt. In der Mitte ist sie vertieft und hat hier nur 2 mm Dicke. Auf der Oberseite ist sie gebräunt, desgleichen in schmalstem Rande am Umkreise der weissen, die bekannte rauhe Beschaffenheit einer Ab- wurffläche zeigenden, ursprünglich mit der Oberseite des Rosenstockes verbundenen Unterseite. Legt man dieses Schüsselchen wieder in seme anfängliche Lage, so kann man es bei der Ansicht von vorn zum Theil wahrnehmen (vergl. Fig. 1). Ich kann diesen Befund nur so deuten, dass der uralte, zuriücksetzende Bock im Jahre 1891/92 zwar nur die eben geschilderten flachen Stangenrudimente erzeugen, sie aber doch noch völlig fegen und bräunen konnte. Dass damals der lappig vorspringende Rand des Rosenstockes noch nicht vorhanden war, geht mit Sicherheit aus dem Umstande hervor, dass die Rudimente wirklich gefegst und am Aussenrande geglättet sind. Die Knochenlappen hätten dies unmöglich gemacht. Im Herbst 1892 begann zwar die Trennung der Knochensubstanz von Rosenstöcken und Stangen, zu einem wirklichen Abwerfen konnte es aber nicht kommen, weil das Gewicht der Stangen zu gering war, um die Verklebung ihrer Ränder mit dem Integumente zu lösen, und ihre flache Gestalt ein Abstossen bei Berührung mit Gegenständen der Aussenwelt verhinderte. Wohl aber begann trotzdem die Regeneration der Stange unter- halb des Integumentes. Die Neubildung konnte aber nur am Rande sozusagen hervorquellen und lediglich als Aequivalent der Rosen sichtbar werden. Das Fegen dieser Neubildung wurde durch das vorzeitige Eingehen des Bockes verhindert. (Vergl. Zusatz 2.) C. Die verschiedenen Typen der echten Nebenstangen. Auch die echten Nebenstangen in dem auf S. 13 gekennzeichneten Sinne können noch sehr verschieden sein, nicht nur in Bezug auf ihre Stellung am Schädel, sondern auch nach ihrem morphologischen Werthe. Zwar sind sie stets, wie die Hauptstangen, Abkömmlinge des Stirnbeines, sie können aber zu diesem und den von ihm entspringenden Rosenstöcken in sehr verschiedenen Beziehungen stehen. Die mir bekannt gewordenen Fälle lassen sich in folgende Abtheilungen bringen: 1. Die Nebenstangen treten im kemerlei Beziehung zu den Rosenstöcken der Haupt- stangen, entspringen vielmehr von einem normaler Weise überhaupt kein Geweih erzeugenden Theile des Stirnbeines. 2. Ein Rosenstock, der eigentlich nur eine Stange tragen sollte, spaltet sich mehr weniger tief und trägt auf jedem seiner Aeste eine Stange, im Ganzen also zwei Stangen, von denen die eine sich mehr weniger deutlich als Nebenstange charakterisirt. 3. Ein Rosenstock bleibt normal und trägt eine normale Stange, die Hauptstange; es bildet sich aber auf seiner Seitenfläche, auf emem mehr weniger deutlichen Nebenrosenstocke, eine Nebenstange. 4. Alle eben gekennzeichneten Fälle haben das mitemander gemein, dass die Neben- stange bei ihrer Entstehung keinerlei Beziehungen zur Hauptstange hat und auf deren Gestalt und Bildung keinerlei Einfluss übt, es sei denn, dass sie sich durch nachträgliche Verwachs- ung mit der Hauptstange vereinige. Die Hauptstange, neben der die überzählige Bildung ent- steht, bleibt also wenigstens annähernd normal und ist für sich allein dieser und der Haupt- stange der anderen Seite gleichwerthig. Andererseits kann es aber vorkommen, dass die Hauptstange derjenigen Schädelhälfte, auf der eine Nebenstange entsteht, nicht zu ihrer völligen Ausbildung kommt, vielmehr eines normaler Weise an ihrer Basis auftretenden Endes entbehrt, und die Nebenstange diesen Mangel ergänzt, sodass erst Hauptstange und Nebenstange zusammen der Hauptstange der anderen Seite entsprechen. Dennoch sind Haupt- und Nebenstange völlig getrennt und werden getrennt abgeworten. nt DT A a a DU WENGSWEVWEUTE DEE TUE UE Pe ETUI DE EcutE NEBENSTANGEN. 21 Uebersichtlich können wir diese Verschiedenheiten folgendermassen darstellen: A. Die Nebenstange ist einer ganzen Hauptstange zwar meist nicht gleich, aber gleichwerthig. l. Die Nebenstange hat keinerlei Beziehungen zu einem der Daaeigenehosenstockeru 2a u. ne. tr Typus. 2. Die Nebenstange hat Beziehungen zu einem der paarigen Rosenstöcke. a) Ein paariger Rosenstock wird abnorm, spaltet sich und trägt auf jedem seiner Aeste eine Stange . . . . . Typus I. b) Ein paariger Rosenstock bleibt zwar normal und trägt eine normale Hauptstange, bildet aber aus seiner Seiten- fläche einen Nebenrosenstock mit Nebenstange . . . Typus II. B. Die Nebenstange entspricht einem der Hauptstange fehlenden Ende. Erst Haupt- und Nebenstange zusammen sind einer normalen Stange ER Da a ee ee er ee Dyrpas IV, Tritt nur einseitig eine Nebenstange auf, so entsteht ein dreistangiges Geweih. Dies ist der häufigere Fall. Ist beiderseits eine überzählige Stange vorhanden, so entsteht ein vier- stangiges Geweih. Dieser Fall ist meines Wissens nur bei dem Typus III in Wirklichkeit beobachtet. Doch liegt kein Grund vor, die Möglichkeit des Verkommens vierstangiger, nach den Typen I, II und IV gebildeter Geweihe in Abrede zu stellen. Echte Nebenstangen sind mir bisher bekannt geworden bei Reh, Rothwild, Wapiti, einer südasiatischen Rausa-Art, dem Virginischen Hirsche und dem Renthier. Doch ist nicht einzusehen, warum eine solche Bildung nicht auch gelegentlich bei den anderen geweihtragenden Cerviden vorkommen sollte. (Vergl. Zusatz 3.) I. Typus. Die überzählige Stange entspringt nicht von einem der normalen Rosenstöcke, sondern von einem anderen, gewöhnlich kein Geweih erzeugenden Theile des Stirnbeines. Von diesem morpholoegisch ganz besonders wichtigen Typus steht mir, abgesehen von dem im Absehnitt E. zu besprechenden Falle, nur ein Exemplar zur Verfügung. Es ist ein starkes Geweih des Virginischen Hirsches, Cariaens virginianus, Eigenthum von Herrn Dr. L. Hex, Directors des berliner zoologischen Gartens (Taf. V- Fig. 1--3). Es kann jagdlich als Geweih von 10 Enden angesprochen werden, wenn man das der Spitze der Hauptstange beiderseits zunächst stehende, nur angedeutete kleine Ende, e und e‘, mitzählt, dagegen die drei starken, euden- 29 EcutE NEBENSTANGEN vom Typus 1. ähnlichen, dieht über der rechten Rose befindlichen Perlen vernachlässigt (vergl. S. 8 u. 9). Seine grösste Spannweite, zwischen dem Grunde der Enden d und d’ gelegen, beträgt 45 cm, die rechte Augsprosse 5 misst 11,5 cm, die linke b/ 13 cm. Es entspricht durchaus dem gewöhn- lichen Geweihtypus der Art. Dagegen steht nach vorn und unten von der linken Stange und von derselben durch eine ungefähr 2 cm lange Lücke getrennt (Fig. 2) auf der Oberfläche des Stirnbeins, dort, wo dasselbe den äusseren Rand der Augenhöhlendecke bildet, eine monströse Stange mit fünf langen Enden (I—-V), zu denen noch drei ganz kurze hinzukommen, die man aber wohl besser als starke Perlen auffasst, entsprechend den erwähnten Perlen an der Basis der rechten Stange. Sie sind jedoch immerhin so klein, dass sie in den Abbildungen nicht deutlich hervortreten. Das längste der Enden (I) steht steil nach oben und hinten, ziemlich parallel mit der linken Augsprosse. Es misst 18 cm und sendet von seiner Basis einen von oben nach unten abgeflachten Ast ab, der den vier weiteren, sich seitlich über das linke Auge herabkrümmenden : Enden der Nebenstange als gemeinsame Grundlage dient. Die untere, gewölbte Fläche des erwähnten Astes geht glatt in die obere und innere Wand der Augen- höhle über (Fig. 3). Die hier sichtbare, gezackte Linie x entspricht lediglich einem beim Herausschlagen des Geweihes entstandenen Sprunge. An der Basis des Astes stehen, nach oben gerichtet, die drei erwähnten starken Perlen, zwei davon auf gemeinsamem Stumpfe. Nach aussen von diesem Perlenpaar krümmt sich das zweitstärkste Ende (II) nach aussen und unten. Sein freier Theil misst 10 cm. An seiner hinteren Seite geht ziemlich wagerecht ein kurzes, am besten in Fig. 2 sichtbares, aber hier nicht mit einer Zahl bezeichnetes Ende nach hinten. Dagegen konnte auf Fig. 3 seine Bezeichnung (III) angebracht werden. Es tritt aber hier nicht frei hervor, sondern wird theilweise von dem Ende V gedeckt. Unterhalb des Endes II ent- springen von dem äusseren Rande des nach unten gebogenen, abgeflachten Astes zwei weitere Enden, das eine kürzere (IV), ungefähr 4 em lang, schräg nach unten und vorn, das andere (V) 8 em lang, in entgegengesetzter Richtung nach hinten und oben bis unter die Basis der linken Hauptstange reichend. Die freien Enden von IV und V stehen 14 em von einander ab. Ein ausgebildeter Rosenstock fehlt, dagegen ist die ganz unregelmässige Basis dieser über- zähligen Stange nach innen und oben gegen das Stirmnbein dureh einen rosenähnlichen Perlen- wulst abgegrenzt, während in der Augenhöhle, an der Augenhöhlendecke, eine solche Abgrenzung völlig fehlt (Fig. 3 nach links von &). Der nicht gefegte Theil der Basis ist porös und über- wölbt brückenartig den Imken sulcus supraorbitalis derartig, dass derselbe hinten nur durch eine feine Spalte geöffnet ist, während er vorn einen runden Ausgang erhält, und das doppelte Foramen supraorbitale (Fig. 3 y) nur von unten in der oberen Decke der Augenhöhle sichtbar bleibt. Der Anfangstheil des durch das foramen supraorbitale durchtretenden nervus frontalis, der gewöhnlich im suleus supraorbitalis frei m den Weichtheilen verläuft, lag also hier in einem ungefähr 18 mm langen Knochenkanale. Namentlich dieser letztere Unterschied zeigt deutlich, dass die überzählige Stange sich vom Augenhöhlentheile des Stirnbeins aus entwickelt hat und erst im Laufe ihres Wachsthumes weiter nach der Mitte zu hinübergewuchert ist. Es ist mir aus der Literatur noch ein weiterer Fall bekannt, in dem sich der Augen- höhlentheil des Stirnbeines an der Bildung einer abnormen Stange betheiligt hat. Derselbe hat aber mit „Mehrstangigkeit“ nichts zu schaften. Er betrifft eine einseitig stark gehörnte Ricke, d. h. em weibliches Stick Rehwild, dessen Schädel sich im Braunschweiger natur- historischen Museum befindet und von W. Brasıus in einer vorläufigen Mittheilung [11] beschrieben wurde. „Auf der rechten Seite des Schädels findet sich, von dem oberen Rande der EcHtE NEBENSTANGEN vom Typus Tv. I. 23 Augenhöhle ausgehend und auf der äusseren und vorderen Hälfte der bezeichneten, in der Form etwas veränderten Knochenvorwölbung (d. h. des bei alten Rieken regelmässig vorkommenden Rosenstockrudimentes //. N.) ruhend, ein... . . Auswuchs, der grosse Aehn- lichkeit mit einer Rehgehörnstange und eine Länge von....9,8 cm... besitzt.“ Ich füge naclı eigener Anschauung, die mir die freundliche Zusendung des interessanten Objeetes durch Herrn Professor Dr. W. Brasıus ermöglichte, diesem Citate lediglich hinzu, dass die abnorıme Stange ihrem Ursprung nach viel weiter nach vorn gerückt ist, als eine normale Rehbockstange, und dass ihre theilweise Entstehung aus dem Augenhöhlentheile des Stirnbeines unzweifelhaft ist. Ich werde weiter unten bei Erörterung der Frage nach den Ursachen der Entstehung abnormer Stangen auf diesen interessanten Fall zurückzukommen haben. Es ist vielleicht nicht überflüssig, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass zwar weder bei der Gattung Capreolıs, noch bei Cariacus der Augenhöhlentheil des Stirnbeines an der Bildung der Rosenstöcke betheiligt ist, dagegen beim Schweinshirsch, Cereus (Hyelaplus) poreinus, und noch mehr bei allen Muntjac’s, Gattung Cervulus, die Basis des RRosenstockes sich sogar noch über den Augenhöhlenrand nach vorn fortsetzt. I. Typus: Einer der paarigen Rosenstöcke, an seiner gewöhnlichen Stelle stehend, wird abnorm, spaltet sich in zwei Aeste, und jeder Ast trägt eine gesonderte Stange. Die nach diesem Typus gebildete Mehrstangigkeit tritt stets sehr früh im Leben des Individuums auf. Wenigstens sind drei von den mir zur Beschreibung vorliegenden Fällen Erstlingsgeweihe. Das schwächste dieser Präparate (Taf. IV Fig. 2) stammt von einem ungefähr sechs Monate alten, aufgebrochen 10,5 Ay wiegenden, im November 1887 ım Grossherzogthum Baden aus Versehen erlesten Kitzbocke, dessen Schädeldecke als Schenkung von Herrn Hasexrrarz in Dösgingen in unsere Sammlung kam, Linkerseits trägt das Stirmbein einen völlig normalen Rosenstock von 22 nm Höhe und 8 mm unterem Durchmesser. Rechterseits ist der Rosenstock dagegen an seiner Basis seitlich auf 15 mm verbreitert und spaltet sich dicht über der Stelle, an der er von der Schädeldecke frei wird, in zwei 12 und 14 mm messende Aeste. Eine wirkliche Geweihbildung ist noch nicht vorhanden. Nicht minder interessant ist ein anderes, kürzlich von mir für die Tharandter Sammlung erworbenes Eıstlingsgeweih eines Rothhirsches (Taf. II Fig. 1), besonders, da es hier zur Aus- bildung von wirklichen Stangen gekommen ist. Das aus dem Erzgebirge stammende Stück ist als „Knopfspiesser“ anzusprechen, d. h. die eigentliche Geweihbildung ist sehr kurz. Dass der „Knopfspiesser“ übrigens nicht etwa, wie früher gelehrt wurde, eine besondere, dem an- geblich stets mit stärkeren Stangen versehenen Stadium des „Schmalspiessers“ vorangehende, regelmässige Entwickelungsstufe des Rothhirschgeweihes ist, beweist eine in unserer Samım- lung befindliche, grössere Reihe von Spiesserschädeln mit Erlegungsdatum, aus deren Zahn- bildung deutlich hervorgeht, dass es nur eine normale Spiesserstufe beim Rothwild giebt. 24 ECHTE NEBENSTANGEN vom Typus 11. Die häufig vorkommenden, ‚sehr bedeutenden Unterschiede in der Stärke der Rosenstöcke und der Länge der Spiesse beruhen lediglich auf individuellen Verschiedenheiten. Kiümmernde Hirschkälber minder gut genährter Rassen werden eben zu Knopfspiessern, während solche, die gut bei Wildpret smd und von kräftigen Eltern abstammen, sich zu „Schmalspiessern“ entwickeln. Der hier in Frage kommende Knopfspiesser hat rechterseits einen ganz normalen, aber schwachen, fast drehrunden Rosenstock von 4 em Höhe, der dieht unter dem gleichfalls nur 4 cm langen Spiesse sowohl in der Richtung von vorn nach hinten, wie von rechts nach links l cm Durchmesser hat. Der linke Rosenstock ist dagegen bei seinem Ursprunge aus der Schädeldecke seitlich zusammengedrückt, sodass er in der Querrichtung 1,1 cm, in der Längs- richtung dagegen 3,1 cm misst. 3 cm oberhalb der Schädeldecke gabelt sich dieser Rosenstock nun in 2 Aeste, von denen der vordere, stärkere einen abnorm nach vorn gekrümmten, 5 em langen Spiess, der hintere dagegen ein viel schwächeres, kaum 1 cm langes, knopfartiges Stangenrudiment trägt. Seine geringe Entwickelung charakterisirt letzteres deutlich als die Nebenstange, während der auf dem vorderen Aste sitzende, gekrümmte Spiess als Hauptstange anzusprechen ist. Die angebliche, vorhin erwähnte Schmalspiesserstufe wird sehr gut versinnlicht dureh ein anderes, auf Taf. II Fig. 1 abgebildetes Erstlingsgeweih eines Rothhirsches mit gleichfalls einseitiger Verdoppelung der Stangen. Es ist im Besitze von Herrn Oberförster Friepxıch zu Brunndöbra im Erzgebirge, auf dessen Revier der Träger am 24. Februar 1896 erlegt wurde, also im Alter von ungefähr 21 Monaten. Er wog aufgebrochen nur 50,5 kg. Letzterer Umstand dürfte es erklären, dass das an und für sich ziemlich starke Geweih nicht völlig vereckt wurde, sondern wenigstens an den beiden vorderen Spiessen abgestumpfte, schwammige Spitzen besitzt. Bis auf letzteren Mangel ist aber die rechte Stange völlig normal gestaltet, gut gefegt und völlig gebräunt. Sie steht auf einem Rosenstocke von 5 cm Höhe und 2,3 cm Durchmesser und ist 22,5 em lang. Der linke Rosenstock ist dagegen bereits dort, wo er sich aus der Schädeldecke erhebt, in der Richtung von vorn nach hinten auf 3 cm Durchmesser verbreitert. Diese Verbreiterung wächst allmählig nach oben, und 3,5 cm über seiner Basis theilt sich der Rosenstock in zwei sehr kurze Aeste, deren äusserste, noch von der Haut bedeckte Punkte 6,7 cm von einander abstehen. Der vorderste dieser Aeste trägt einen etwas ungewöhnlich geschwungenen, sonst aber normalen, 16 cm langen, in seinem oberen Theile gleichmässig drehrunden, dem rechtsseitigen gegenüber aber etwas schmächtigeren Spiess. Der hintere Ast geht dagegen in einen allmählig sich zuspitzenden, nur 11 cm langen Spiess über. Dass beide bedeutend kürzer sind als der rechtsseitige, ist in Folge perspectivischer Verkürzung auf Fig. 2 nicht deutlich erkennbar. Es tritt dagegen der Gegensatz der gefegten und gebräunten Spiesse gegen den weissen Rosenstock hervor und lässt die Stelle erkennen, wo die beiden linksseitigen Spiesse durch eine behaarte Hautbrücke getrennt waren. Auch in diesem Falle dürfte der hintere Spiess als Nebenstange, der vordere als Hauptstange aufzufassen sein. Alle drei soeben beschriebenen Fälle betreffen, wie bereits gesagt, Erstlingsgeweihe. Es liegt daher die Frage nahe, wie sich denn im Verlaufe der weiteren Entwiekelung und in den folgenden Jahrgängen diese Abnormitäten gestaltet haben würden. EcutE NEBENSTANGEN vom Typus 1. 5 N Was zunächst den Kitzbock betrifft (Taf. IV Fig. 2), so liegt, bei annähernder Gleich- artigkeit der beiden Rosenstockäste, die Vermuthung nahe, dass beide auch annähernd gleich- werthige kleine Stangen geschoben haben würden, das Erstlingsgeweih dieses Kitzböckchens also dem von mir in dem dritten Falle beschriebenen und Taf. II Fig. 2 abgebildeten Spiesser- geweihe homolog geworden wäre, soweit eben das Erstlingsgeweih eines Rehbockes dem eines Rothhirsches überhaupt ähnlich werden kann. In Betreff des anderen, zu zweit beschriebenen, ganz schwachen Spiessers (Taf. II, Fig. 1) steht bei der Verschiedenheit der beiden linksseitigen Bildungen zu vermuthen, dass sich nach Abwurf der Erstlingsstangen, bei dem folgenden Geweihe vom zweiten Kopfe rechterseits zwei neue, an Stärke verschiedene Stangen gebildet hätten, während für den dritten Fall des stärkeren Spiessers (Taf. II, Fig. 2) aus der grösseren Aehnlichkeit der beiden linksseitigen Stangen zu schliessen ist, dass die Geweihbildung vom zweiten Kopfe wahrscheinlich aus zwei annähernd gleichen, von der Basis an völlig getrennten Stangen bestanden haben würde. Erinnern wir uns aber an meine frühere Darlegung (S. 12), dass im Verlaufe der Jahre die Rosenstöcke allmählich stärker und meist auch kürzer werden, so liegt für den letztbeschriebenen Fall des starken Rothspiessers die Vermuthung nahe, dass in den weiteren Jahrgängen der Zwischenraum zwischen den beiden sich vergrössernden Abwurf- flächen der beiden linksseitigen Stangen immer kleiner geworden wäre, bis beide miteinander zu einer, den Umriss einer 8 zeigenden, einheitlichen Abwurffläche verschmolzen wären, die nun zwei nicht mehr getrennte, sondern am Grunde durch eine Knochenbrücke verbundene Stangen von annähernd gleicher Stärke getragen hätte. Ziehen wir ferner in Betracht, dass, wie aus Taf. I, Fig. 2 deutlich zu ersehen ist, die Grenzen der beiden Spiesse gegen die Rosenstockäste in einer und derselben Ebene gelegen sind, so ergiebt sich ferner die Wahrscheimlichkeit, dass auch bei den folgenden Jahrgängen die Rosen der beiden linksseitigen Stangen annähernd in einer und derselben Ebene gelegen haben würden. Dass ein solcher Fall, wie ich ihn eben theoretisch abgeleitet habe, in Wirklichkeit vorkommen kaun, beweist mir eine Abwurfstange, ursprünglich im Besitze von Herm Ober- förster Scueiee in Marienberg, deren merkwürdige Bildung ich mir nur auf die eben dargelegte Weise entstanden denken kann. Sie ist kürzlich, d. h. im Frühjahr 1897, auf Marienberger Revier im Erzgebirge gefunden worden, und der Hirsch, der sie trug, lebt wahrscheinlich heute noch. Der Abwurf, auf Taf. X, Fig. 1 abgebildet, ist ein rechtsseitiger und stammt, wie die verhältnissmässig hoch über der Rose entspringenden Augsprossen wahrscheinlich machen, von einem jüngeren Hirsche. Er zeigt deutlich zwei getrennte, nur durch eine schmale Knochen- brücke an der Basis verwachsene Stangen, a u. @°. Die stärkere, als Hauptstange anzu- sprechende (a), steht innen und hinten. Sie kann am besten beschrieben werden als eine abnorm entwickelte Achterstange mit fehlender Mittelsprosse, deren nur angedeutete Aug- sprosse b 7,5 cm über der Rose entspringt, während oberwärts eine 11 cm spannende Gabel ac steht. Auf der Aussenseite steht ferner, ungefähr halbwegs zwischen Rose und Augsprossen- rudiment, ein kleines, auf der Tafel nicht besonders bezeichnetes, perlenähnliches Nebenende. Nach aussen und vorn von dieser Hauptstange steht eine nur wenig schwächere Nebenstange «’, die eine gut vereckte, normale Gabel von 41,5 cm Höhe darstellt, deren etwas wellig geschwungene Stangenachse a’ ungefähr 5,5 cm über der Rose eme 11,5 cm lange Augsprosse b’ trägt. Beide Staneen haben deutliche Rosen, die aber bei x an den einander zugewendeten, hier kaum 5 mm Nitscehe, Studien üb. Hirsche. I. + 26 Echte NEBENSTANGEN vom Typus II. von einander entfernten Seiten der Stangenbasen verstreichen. Da von einem ungeschickten Handwerker dieser Abwurf auf einem künstlichen Holzschädel so fest aufgemacht war, dass die Abwurffläche nicht ohne einige Verletzung von ihrer Anheftung getrennt werden konnte, und ausserdem noch die Stangenbasen zur Aufnahme von fingerstarken Holzpflöcken ausgebohrt sind, kann man über die Beschaffenheit der Abwurffläche nur soviel sagen, dass sie eine nur wenig eingeschnürte, biscuitförmige Gestalt hat und annähernd eben ist. Die Knochenbriücke, welche bei x beide Stangenbasen verbindet, ist 21 mm breit, also nur wenig schmäler, als der quere Durchmesser der beiden je 26 mm Durchmesser haltenden, unter den Rosen sitzenden Rosenstockreste, die zusammen 65 mm messen. Ihre Dicke beträgt nur 11 mm. Der Rosen- stock, von dem diese Stangen abfielen, muss also ebenfalls eine biscuitförmige Abwurffläche gehabt und daher oberwärts ähnlich verbreitert gewesen sein, wie der linke Rosenstock des starken, vorhin beschriebenen Spiessers (Taf. II Fig. 2). Mehrere Monate nach Niederschrift der vorstehenden Bemerkungen lieferte ein glück- licher Zufall den Beweis, dass wirklich der Hirsch, der die letztbeschriebenen Stangen trug, wie ver- muthet, noch auf Marienberger Revier lebt. Im Frühjahr 1898 wurde daselbst wieder ein rechtsseitiger Abwurf gefunden, der mit Sicher- heit als demselben Hirsche angehörig betrachtet werden kann. Die grosse graduelle Verschieden- heit der Verwachsung von Haupt- und Neben- stauge bei beiden Abwürfen kann keinen Grund abgeben, die unmittelbare Aufeinanderfolge der- selben in zwei Jahrgängen zu leugnen. Sind doch die Unterschiede zwischen den beiden linken Geweihhälften des später genauer zu besprechenden dresdener Wapitis, die sicher den Jahrgängen 1894 (Taf. VII Fig. 1) und 1895 (Taf. VI Fig. 1) angeliören, noch viel bedeutender. Das grosse wissenschaftliche Interesse, welches ein sicherer Nachweis der Entwickelung einer solchen Abnormität bietet, veranlasste nunmehr zu meiner grössten Freude Herrn Oberförster Scneige, beide Stangen der Tharandter Sammlung zu verehren. Da es mir nicht mehr möglich war, die Abbildung des zweiten Abwurfes der bereits fertigen Lichtdrucktafel X einzuverleiben, gebe ich wenigstens als Textfigur 2 einen Vergleich beider Abwürfe in Umrisszeichnung nach einer gleichzeitig von beiden auf eine Platte aufgenommenen Photographie. Ich habe auf letzterer dem ersten Abwurfe, dessen Zusammensetzung aus zwei bis tief herab getrennten Stangen schon auf Taf. X Fig. 1 hinreichend deutlich erscheimt, eine etwas andere Stellung gegeben, sodass die Trennung semer beiden Stangen unteı wärts zwar verdeckt wird, dagegen die Homologie beider Abwürfe möglichst deutlich hervortritt. Bei dem.1898er Abwurfe ist nämlich die Verwachsung der beiden ursprünglich getrennten Stangen, die, nach der geringen Stärke der sie verbindenden Knochenbricke an dem 1897 er Abwurfe zu schliessen, zuerst beim Aufsetzen im Frühjahr 1896 auftrat, soweit vorgeschritten, dass scheinbar eine einfache, nur x Fig. 2. EcHTE NEBENSTANGEN vom Typus II uno II. ri wenig monströse Achter-Stange vorliegt. Nur die noch immer deutlich biseuitförmige Gestalt der Abwurffläche zeigt die Entstehungsweise an. Die Abwurffläche ist wieder 65 mm lang, während sie an Breite zugenommen hat. Sie ist annähernd eben, mit geringer Vorwölbung der schmälsten Stelle. Die Querdurchmesser der beiden Aussentheile messen je 30 mm, die sie verbindende Einschnürung nur 27 mm. Die Rosen selbst, die ungefähr 7 mm über der Abwurfs- fläche ansetzen, sind noch völlig getrennt und stehen innen bei x 6, aussen 17 mm auseinander. Die beiden Stangen selbst sind aber so vollständig miteinander veıschmolzen, dass nur eine zwischen den beiden Rosen auf der Innenseite verlaufende Furche die Grenze der beiden früher getrennten Bildungen anzeigt. Die der Augsprosse der früheren Nebenstange ent- sprechende Bildung 5° hat völlig ihren vorjährigen Charakter beibehalten, ist aber zur Aug- sprosse der nunmehr einheitlichen Neubildung geworden und hat sich zugleich auf 15 em verlängert. Die schon im Abwurfe 1897 nur angedeutete Augsprosse D der Hauptstange erscheint nur noch als ein kleiner Auswuchs der Innenseite der von hinten nach vorn stark verbreiterten, von rechts nach links aber abgeplatteten Stangenbasis, dicht über der Ursprungs- stelle der eben geschilderten Augsprosse. Die Achse der vorderen Nebenstange ist aber der- artig mit der Stangenachse der Hauptstange verwachsen, dass sie dieselbe bis zu der Stelle, wo sie, nunmehr stark winklis nach vorn vortretend, eine richtige, aber tief angesetzte Mittel- sprosse a’ vortäuscht, stark verbreitert. Dicht darüber nimmt die Hauptstange die gewöhnliche, fast drehrunde Gestalt an und gabelt sich an der Spitze genau, wie bei dem 1897 er Abwurfe, nur ist das hintere und innere Ende der Gabel, d. h. die Spitze der Stangenachse, bedeutend verlängert. Von hohem Interesse scheint mir hierbei die Wahrnehmung zu sein, wie die Natur bestrebt ist, eime monströse Bildung sobald als möglich wieder dem normalen Typus zu nähern, ein Bestreben, das wir, wenngleich in etwas schwächerem Maasse bei der bald zu beschreibenden Geweihbildung des dresdener Wapitis wiederfinden werden. Dies Bestreben ist im vorliegenden Falle so gelungen, dass die blosse Betrachtung der beiden kleinen Umrisszeiehnungen bei manchem Leser noch Zweifel an der Zusammengehörigkeit beider Bildungen zurücklassen dürfte. Doch bei der Untersuchung der Stangen selbst ist die Uebereinstimmung in der Gestalt der Rosen, der Abwurfsflächen und der bekanntlich sehr charakteristischen Oberflächenstructur so in die Augen springend, dass jeder Zweifel schwinden muss. Ill. Typus. Die überzählige Stange steht auf der Seitenfläche des sonst normal gebildeten Rosenstockes einer Hauptstange. Solche Fälle kennen wir bei Reh, Rothwild, Wapiti und einer Rusa-Art, doch beschreibe ich in diesem Abschnitte das fragliche Wapitigeweih nicht, verspare dessen Besprechung viel- mehr auf den nächsten Hauptabschnitt, da hier nicht nur einer oder wenige Jahrgänge dieser Geweihbildung, sondern eine langjährige Reihenfolge derselben zu schildern ist. a) Rehbock. Am häufigsten sind überzählige Stangen dieses Typus beim Rehbock, und es giebt wohl keine grössere Sammlung, in der nieht ein oder das andere Beispiel einer solchen Abnormität 4* 28 ECHTE NEBENSTANGEN vom Typus 111. sich vorfände. Auch sind solche Geweihe in den Jagdzeitungen bereits häufig abgebildet. Ich führe hier nur beispielsweise eine sehr lehrreiche ältere Arbeit von Herrn Karı Branpr [13] und eine neuere von Herrn Oberförster Lommarzsch in Wermsdorf [41] an. Da in rein zoo- logischen Kreisen diese Bildungen aber vielfach nicht bekannt sein dürften, gebe ich immerhin einige Abbildungen und Beschreibungen, beschränke mich aber auf wenige typische Fälle, die zugleich verschiedene Ausbildungsstufen dieser Abnormität darstellen. Der erste, noch von der Haut verdeckte Anfang einer vom Rosenstocke seitlich ent- springenden Stange findet sich an dem Geweih eines sehr starken Gabelbockes, der von dem jetzigen Oberförster zu Wildenthal, Herın P. Schseiver, auf Tharandter Revier erlegt wurde (Taf. IV, Fig. 3). Es ist im Besitz dieses Herın. An diesem Geweih steht am rechten, sehr starken Rosenstocke 1 cm unter der Rose eine nach vorn und unten nur 8 mm vorragende, gerundete, etwas poröse Exostose (a). An ihrer oberen Basis ist sie durch eine seichte Furche von dem eigentlichen Rosenstocke abgegrenzt. An dem frisch erlegten Stücke war dieselbe natürlich vollständig von der Haut verdeckt. Dass solche kleine Exostosen zu wirklich gefegten, also aus den Weichtheilen frei her- vortretenden rudimentären Stangen werden können, zeigt das Geweih eines Sechserbockes mit sehr schlanken, 24 cm langen Stangen im Besitze von Herrn Oberförster Leumann zu Elterlein im Erzgebirge (Taf. IV, Fig. 4). Hier entspringt von dem an und für sich völlig regelmässig gebildeten rechten Rosenstocke, dicht unter der eigentlichen Rose, rechtwinkelig nach aussen ein 5 mm langer Knochenfortsatz (a), der mit einem von oben nach unten 4,5 mm, von vorn nach hinten aber nur 3 mm starken Stiele beginnt, den man als rudimentären secundären Rosenstock bezeichnen muss. Dass dieser dauernd von der Haut bedeckt war, ergiebt sich aus der weissen Färbung. An seinem Ende erweitert er sich aber zu einer 6 mm breiten und 8 mm hohen, geperlten Scheibe, deren natürliche Bräunung deutlich erkennen lässt, dass sie gefegt aus der Haut vorragte. Eine entsprechende Bildung (5) an dem linken Rosenstocke haben wir erst später zu erwähnen. In dem eben beschriebenen Falle steht die rudimentäre Nebenstange auf der Aussenseite des Hauptrosenstockes, und dies ist, wie wir im Folgenden sehen werden, die gewöhnliche Stellung der Nebenstangen dieses Typus. Doch auch auf der Innen- und Hinterseite der eigentlichen Rosenstöcke kommen solche Bildungen vor. Auf Tafel X, Fig. 2 habe ich als Beispiel die Basis eines im Besitz von Herrn Oberförster Scmaan zu Lohmen befindlichen, drei- stangigen Rehgeweihes abgebildet, dessen Träger am 13. August 1897 auf Lohmener Revier erlegt wurde. Es war ein alter und für die dortigen Verhältnisse auch starker Bock, obgleich er aufgebrochen nur 12 ky wog. Die etwas vergrösserte Photographie ist von rückwärts auf- genommen. Das Geweih ist auch, abgesehen von der Nebenstange, nicht ganz normal. Die rechte Stange «a ist allerdings eine ganz regelrechte Sechserstange von 17,5 cm Gesammthöhe, kurzen Enden und starker Rose d, die einem ungefähr 18 mm Durchmesser haltenden Rosen- stocke aufsitzt. Die linke Stange a’ ist dagegen nur 15,6 cm, hoch, und ihre drei Enden sind noch kürzer als bei der rechten. Ihre Rose 57 bildet aber gegen die Längsachse einen Winkel von ungefähr 45°, ist ziemlich niedrig und medianwärts nur wenig ausgebildet, während sie nach aussen plattenartig verbreitert ist. Ihr Rosenstock ist etwas nach aussen geneigt, schwächer, als der rechte und von vorn nach hinten etwas zusammengedrückt, also nicht drehrund. Von seiner medianen Fläche entspringt ungefähr 7 mm unter der Rose ein 3,5 mm starker Neben- EcurtE NEBENSTANGEN vom Typus III. 29 rosenstock, der sich in der Höhe von 3 mm plötzlich verdickt und in einen 5,5 mm holen, von hinten nach vorn 10,6 mm, von rechts nach links aber nur 7,8 mn Durehmesser haltenden, oben gut geperlten Knopf (c) übergeht, dessen obere Hälfte deutlich gebräunt, also regelrecht gefegt ist. In gleicher Höhe mit der unteren Grenze des Nebenrosenstockes läuft um den ganzen Hauptrosenstock die Andeutung einer Furche, die aber erst in der Gegend des Neben- Yosenstockes deutlich wird und einen gezackten Rand zeigt. Auf der Riickseite erhält sie einen vorspringenden oberen Rand, der eine frei vorspringende, flache Spitze d trägt und im weiteren Verlaufe noch einige kleine Erhöhungen zeigt. Diese Furche scheint auf eine Verletzung hin- zuweisen. Noch stärker ist die Nebenstange an einem guten, an und für sich völlig normalen Sechsergeweih von 20 cm Stangenlänge, Eigenthum von Herrn Schxorr v. CAroLsrenp in Leipzig, dessen Träger der Besitzer 1884 auf Nassauer Revier im Erzgebirge erlegte. Es ist auf Taf. IV, Fig. 6 ganz abgebildet. Ungefähr 13 mm unter der linken Rose entspringt von der Vorder- und Aussenfläche des Rosenstockes, dort, wo er bereits in das eigentliche Stimmbein übergeht, ein secundärer, abgeflachter Rosenstock, der von oben nach unten 16 mm, von vorn nach hinten aber nur 9 mm Durchmesser hat. Auf diesem, im Querschnitt also ovalen Rosenstocke, sitzt eine gefegte, ganz kurz kegelförmige Stange mit gut ausgebildeter Rose. Die Rose ist gleichfalls oval. Sie hat von oben nach unten 30 mm, von innen nach aussen 22 mm Durchmesser, über- ragt also kragenförmig den Rosenstock ringsherum um ungefähr 7 mm. Die eigentliche, nur 12 mm lange Stange steht schräg nach aussen und geht in zwei Spitzchen aus. Der absoluten Grösse nach etwas schwächer, immerhin aber weiter ausgebildet, als die eben beschriebene, ist die überzählige Stange an dem Geweihe eines schwächeren, aber alten Gabelbockes vom Tharandter Revier (Taf. IV, Fig. 5), eines Vermächtnisses von Herrn Ober- forstmeister Weısswange an unsere Sammlung. Es hat nur 17 cm Stangenlänge, aber 22 mm starke Rosenstöcke. Am rechten Rosenstocke entspringt hier nach vorn und aussen ein secundärer, abgeplatteter Rosenstock, der von oben nach unten 13 mm, von rechts nach links aber nur 9 mm Durchmesser hat. Dieser wird nach unten und an den Seiten überragt von einer etwas unregelmässig geperlten Rose, die ungefähr 22 mm Durchmesser hat. Von ihr geht nach oben und aussen eine ganz kurz kegelförmige, aber wie man in Fig. 5 bei «a sieht, deutlich nach oben und aussen gerichtete, gut gefegte und gebräunte, rudimentäre Stange ab. In allen hier beschriebenen Fällen ist die iberzählige Stange so klein geblieben, dass, wie schon oben erwähnt, mancher Jäger Bedenken tragen dürfte, sie als „Nebenstange“ an- zusprechen, doch sind auch diese schwachen Bildungen morphologisch den wirklichen Stangen sovöllig gleichwertlig, dass vom rein wissenschaftlichen Standpunkte diese Gleichstellung durchaus berechtigt erscheint. Auch sind in der jagdlichen Literatur sehr viele Fälle bekannt, die Zwischen- stufen zwischen den beschriebenen ganz kurzen und grossen, zweifellos als Stangen anzusprechenden, überzähligen Bildungen darstellen. Es ist ein reiner Zufall, dass mir solche stärkere Bildungen gerade vom Rehbock nicht zur Verfügung stehen. Alle eben beschriebenen Nebenstangen dieses ersten Typus stellen völlig von der Hauptstange, an deren Rosenstock sie auftreten, getrennte Bildungen vor. Sie werden daher auch für sich abgeworfen. Fast noch häufiger treten aber beim Rehbock überzählige Bildungen auf, die zwar im Allgemeinen jenen entsprechen, sich aber dadurch von ihnen unterscheiden, dass sie nicht völlig frei stehen, sondern an ihrer Rose mit der Rose der Hauptstange ver- 30 Echte NEBENSTANGEN vom Typus III. wachsen sind. Solehe Bildungen müssen also mit der Hauptstange zugleich abgeworfen werden. Ich bezeichne sie, wie bereits auf S. 13 erwähnt, mit Branpr [13, S. 208] als verwachsene Nebenstangen. Ich führe hier zunächst nur zwei Fälle auf. Der erste findet sich an dem linken Rosenstocke des oben (S. 28) kurz charakterisirten Sechsergeweihes im Besitze von Herrn Oberförster Lenumans, an dessen rechtem Rosenstocke die schwächste der beschriebenen gefegten Nebenstangen steht (Taf. IV, Fig. 4). Hier sitzt bei b eine viel grössere, knopf- odeı scheibenförmige, gefegte und geperlte Stange von ungefähr 18 »ım Durchmesser, unterhalb der normalen Rose an der Aussenseite des Rosenstockes. Auch sie entspringt von einem ganz kurzen, secundären Rosenstocke, den sie mit ihren Rändern überragt. Aber weder dieser Knochenstiel noch auch sie selbst ist völlig frei. Der obere Rand der Rose ist auf eine Strecke von 7 mm fest mit der Rose der Hauptstange verwachsen, und, wenn auch eine Nadel beiderseits ziemlich weit zwischen dem Hauptrosenstocke und dem sceceundären vorgeschoben werden kann, so gelingt es doch nicht, einen Draht ganz durchzuführen. Das zweite Beispiel betrifft ein mässig starkes Rehgeweih von ungerade sechs Enden und 16,5 cm Stangenhöhe im Besitze von Herrn Oberamtmann Lomsrarp in Wilsdruff (Taf. IV, Fig. 7) Bei ilım steht auf der vorderen Fläche des rechten Rosenstockes, dicht unterhalb der Rose der Hauptstange, eine iberzählige, schräg nach oben gerichtete, einfache Nebenstange von 7,5 cm Länge (a). Sie hat eine deutliche Rose, die aber gleichfalls nicht ringsherum frei ist, sondern oberwärts mit der Rose der Hauptstange fest verwachsen ist und daher gleich- falls mit der Hauptstange zusammen abgeworfen worden wäre. An den bisher beschriebenen Rehgeweihen, deren Stangen fest auf den Rosenstöcken sitzen, ist meine Behauptung, dass auch die ganz kleinen, nur knopfartigen Nebenstangen wirklich ebensogut abgeworfen werdeı wie jede gewöhnliche Stange, und dass solche Nebenstangen, deren Rose mit der Rose der Hauptstange auch nur wenig verwachsen sind, beim Arbwerfen mit letzterer in Verbindung bleiben, nicht direkt zu beweisen. Wohl aber ist dies möglich an einem vierstangigen Rehgeweih (Taf. X, Fig. 3—9), das ursprünglich Herrn Oberförster LEenmann gehörte, durch seine gütige Schenkung aber unserer Sammlung einverleibt wurde. Als der Bock, der aufgebrochen 14,5 4y wog, also stark war, auf dem Revier Elterlein am 12. November 1897 erlegt wurde, hatte er die linke Hauptstange schon längere Zeit abgeworfen, wie die bereits völlig überwallte Abwurffläche bewies. Unterhalb derselben sass aber noch eine kleine knopfartige Nebenstange, die einem sie befühlenden Schützen alsbald abgelöst zwischen den Fingern verblieb. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich ferner, dass die rechte Stange nicht einfach, sondern mit einer kurz kegelförmigen, gleichfalls unter ihrer Rose stehenden Nebenstange verwachsen war. Die rechte Haupt- und Nebenstange lösten sich beim Aussügen der Hirmschale im Zusammenhange von dem Rosenstocke. Es ist also dieses Geweih ein Gegenstück zu dem gleichfalls im Besitze von Herrn Oberförster Lemmann befindlichen, auf Taf. IV, Fig. 4 abgebildeten, vierstangigen. Der Vorgang der herbstlichen Ablösung der Stangen vom Rosenstocke war aber bereits so weit fortgeschritten, dass auch die bei der Erlegung des Stiickes noch festsitzenden drei Stangen sich alsbald von selbst ablösten. Das Präparat besteht also zunächst aus einer Schädeldecke (Taf. X, Fig. 3), deren sehr bedeutende Stärke und rauhe Oberflächenbeschaffenheit auf ein hohes Alter des Bockes hinweisen. Die Pfeilnaht zwischen den beiden Stirnbeinen erhebt sich als ungefähr 4 mn hoher, gerundeter Längswulst zwischen EcutE NEBENSTANGEN vom Typus II. 31 den beiden Rosenstöcken, und die auf dem Scheitelben nach der Schuppe des Hinterhaupts- beines convergirenden Anheftungslinien des Schläfenmuskels sind gleichfalls wulstig vorgewölbt, während dort, wo sie sich einander mehr nähern, die Scheitelbeinoberfläche rauh vertiefte Gruben zeigt. Die kurzen, starken Rosenstöcke (x u. #°), die sich nur ungefähr 1 em über die zwischen ihnen liegende Stiinbeinoberfläche erheben, haben von hinten nach vorn langgestreckte, ovale, etwas vertiefte Abwurfflächen, deren Durchmesser 2:2,5 cm betragen. Ungefähr 9 mm unterhalb der linken Abwurffläche a’ erhebt sich an der Uebergangsstelle zwischen vorderer und äusserer Seitenfläche des Rosenstockes ein kleiner, flacher, kreisrunder, 4,5 mm im Durch- messer haltender Nebenrosenstock 9’ mit etwas gewölbter Abwurffläche, unter dem eime auf frühere Verletzung deutende, flache Vertiefung liegt. An der Vorderfläche des rechten Rosen- stockes findet sich, nur 2 mm unterhalb des Randes der Abwurffläche der Hauptstange x, gleich- falls eine unregelmässig ovale, 10:7 mm messende zweite Abwurffläche y, die aber im Niveau der Rosenstockfläche selbst liegt, also keinem Nebenrosenstocke aufsitzt. Für Vermuthungen über die Beschaffenheit der verloren gegangenen linken Hauptstange liegen keine Anhaltspunkte vor. Die losgelöste, aber glücklicher Weise erhaltene linke Nebenstange gleicht dagegen täuschend einem sehr kleinen, ziemlich runden Hirschhorn-Westenknopfe von ungefähr 15 mım Durchmesser und 7 mm Dicke (Taf. X, Fig. 9). Die kleine Abwurffläche in der Mitte ihrer Unterseite ist kreisrund und ziemlich flach (Fig. 7). Die Oberseite ist völlig gefegt und gut gebräunt und am Rande von einem Kranze guter Perlen umgeben, während ihre Mitte ver- tieft ist (Fig. 8). Der Abwurf der rechten Seite (Taf. X, Fig. 4) setzt sich zusammen aus einer Haupt- stange a und einer mit dieser verwachsenen Nebenstange b, deren Abwurfflächen mit einander ungefähr einen rechten Winkel bilden, wie aus der Seitenansicht Fig. 6 deutlich erhellt. Die Hauptstange ist abnorm, und ihre Beschaffenheit scheint darauf hinzudeuten, dass der Bock bereits stark zurückgesetzt hatte. Sie ist ein 13,5 cm langer, völlig vereckter, gefegter und gut gebräunter, nach hinten und aussen gekrümmter, in der unteren Hälfte leidlich geperlter, oben glatter Spiess, der aber nicht senkrecht über seiner Rose steht, sondern gewissermassen nur der hinteren Hälfte derselben aufsitzt, sodass direkt über dem Rosenstock nur eine rauhe, in der Mitte vertiefte, am Rande geperlte, ungefähr 15 mm dicke Platte von Geweihsubstanz stand (Fig. 6 bei a). Der Vorderrand dieser Platte, ihre Rose, steht auf 15 mm Länge in fester Verbindung mit der Nebenstange b, die in ihrer Ausbildung fast vollständig derjenigen gleicht, die ich auf Taf. IV, Fig. 5 abgebildet habe. Ihre geperlte Rose ist oval und hat 30:22 mm Durchmesser, und das gleichfalls gut geperlte Spiesschen ragt aus ihr schräg nach oben vor. Die Abwurfflächen beider Stangen (Fig. 5v u. w), die, wie schon oben bemerkt und in Fig. 6 deutlich sichtbar, ungefähr um 90° gegen einander geneigt sind, entsprechen in ihrer Aus- dehnung natürlich genau den oben gegebenen Maassen der Abwurfflächen an der Schädeldecke (v=u.y in Fig.3). Auch kann man deutlich sehen, und zwar an dem Präparate selbst besser als auf der in Fig. 6 wiedergegebenen Photographie, dass zwischen der grösseren Abwurffläche v der Hauptstange und der kleineren w der Nebenstange in der Richtung e d ein Integument- streifen unter der durch die Rosenverwachsung entstandenen Knochenbrücke hindurehliet: die Epidermisschuppen, deren weisslicher Glanz die Deutlichkeit der Abbildung beeinträchtigt hat, sind an dieser Stelle noch vollständig erhalten. 32 Echte NEBENSTANGEN vom Typus II. » b) Cervus (Rusa) niyricans V. Brooke (?) Die nächststärkere Hirschart, von der mir ein Fall überzähliger Stangenbildung vom Typus III bekannt wurde, ist ein Vertreter der südasiatischen Untergattung Rusa. Welcher Art-Name ihr gebührt, ist schwer zu sagen, da über die Herkunft der Stange (Taf. V, Fig. 4) nichts weiter bekannt ist, als dass sie von dem jetzigen Eigenthümer, Herrn Oberförster Leumann in Elterlein, unter einem Haufen zu technischer Verarbeitung bestimmter, exotischer Geweihe entdeckt und so gerettet wurde. Auf jeden Fall gehört sie zu der von V. Brooxe [16] auf- gestellten Abtheilung £ dieser Gattung, da an ihr, um die ursprüngliche Definition zu gebrauchen, wirklich „das äussere Ende länger ist, als das innere“. Man kann dies für deutsche Leser verständlicher mit den Worten ausdrücken: Die mit der Spitze der Stangenachse a die End- gabel bildende, kurze Mittelsprosse ce geht nach hinten von der Stangenachse aus!). Für ein Geweih der in dieser Gruppe typischen Art, nämlich Cervus equinus, ist mir die Stange im Verhältniss zu ihrer Länge zu dick. Früher schien sie mir, nach der von ScrAter gegebenen Abbildung [70, TA. 39] zu urtheilen, ein Geweih von Cervus (Rusa) Swinhoei SCLATER aus Formosa zu sein. Nach Vergleichung der Exemplare des British Museum bin ich aber mehr geneigt, sie zu (. (Rusa) nigricans von den Philippinen zu bringen.. Die sehr stark geperlte, gerade gemessen 36 cm lange Stange mit 19 cm langer Aug- sprosse (b), einem Rosenumfange. von 20 cm und einem queren Rosenstockdurchmesser von 4,5 cm ist sehr schlecht abgeschlagen. Die beiden hinteren Drittel des Rosenstockes sind bei e dicht unter der Rose entfernt. Nur sein vorderes Drittel (/) ist erhalten. 2,2 cm unterhalb der Rose entspringt von diesem Rosenstockreste ein secundärer, von oben nach unten abgeflachter Rosenstock, der in senkrechter Richtung nur 1,8 cm, von rechts nach links dagegen 2,7 em Durchmesser hat. Dieser trägt eine gleichfalls unten abgeplattete und sehr gut geperlte Neben- stange (d) in Form einer kurzen Gabel, deren inneres und unteres Ende nur 6,1 cm, das äussere und obere dagegen 7,4 cm misst. Die Spitzen beider Enden stehen 7,3 en von einander ab. Oberwärts und seitlich hat die Nebenstange eime deutliche Rose. Diese setzt sich aber nur gegen 1) Die anderen beiden Broorr’schen Abtheilungen würden dann zu definiren sein: a) Das mit der Spitze der Stangenachse die Endgabel bildende Mittelende steht so hoch, dass es jener an Länge gleichkommt, und nicht entschieden werden kann, welcher von den beiden Theilen der Endgabel als Spitze der Geweihachse anzusehen ist. Typus: €. (Rusa) aristotelis Ouv. y) Die mit der Spitze der Stangenachse die Endgabel bildende, kurze Mittel- sprosse geht nach vorn von der Stangenachse ab. Typus: Cervus (Rusa) hippelaphus. Cuv. Dass diese Gruppen an und für sich glückliche sind, scheint mir zweifellos. Dass trotzdem Uebergänge vorkommen und daher z. B. die Trennung von C aristotelis Cuv. und ©. equinus Cuv. vielleicht nicht aufrecht zu erhalten ist, hat schon Brooke selbst betont. Was die Abtheilungen $# und y betrifft so möchte ich mittheilen, dass unsere Sammlung als Geschenk den Schädel eines jungen Hirsches besitzt, der als Uebergang zwischen beiden angesehen werden kann. Er wurde von Herrn von Bürrzınes.öwen auf Java in freier Wildbahn erlest und ist, seinem Vaterlande nach, also als €. (Rusa) hippelaphus anzusprechen. Trotzdem ist, wie die beistehende Textfigur 3 zeigt seine rechte Stange nach dem Typus 2, die linke nach dem Typus y gebaut. EcHTE NEBENSTANGEN vom Typus II. 33 den Rosenstock, nicht gegen die Stange scharf ab, weil letztere in ihrer ganzen Länge dicht mit Perlen besetzt ıst. Die Verhältnisse der Unterseite kann man nicht mehr erkennen, da beim Abschlagen der Stange die Rose mit verloren ging. Dass hier eine Verwachsung der Stangen noch nicht eingetreten ist, trotzdem die Nebenstange wahrschemlich schon mehrere Jahre bestand, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Diekenzuwachs des Nebenrosen- stockes hier mehr in die Breite, wie in die Höhe gegangen ist. c) Rothhirsch. Bei dieser Art kommen überzählige Stangen verhältnissmässig selten vor, doch bin ich in der angenehmen Lage, einige sehr charakteristische Stücke zu beschreiben. Ich beginne wieder mit den mir bekannt gewordenen Fällen, in denen die überzählige Bildung zunächst nur als kleine, von der Haut verdeckte Exostose auftritt. Die erste Stufe einer solchen Bildung fand ich an dem auch sonst monströsen Geweihe eines Rothhirsches von ungerade 10 Enden, den der verstorbene Herr Oberforstmeister Heısrıcn vox Öorra 1891 auf Georgengrüner Revier im Voigtlande erlegte. Das Geweih ist jetzt im Besitze semer Wittwe. An der Vorderseite des linken, sehr kurzen, aber 4,7 cm Durchmesser haltenden Rosenstockes steht ein auf der Oberfläche gefurchter, nur schwach vorgewölbter, ovaler Knochenwulst von 22 mm Länge und 17 mm Breite. Etwas weiter entwickelt ist eine solche Bildung bei einem sehr starken Hirsche von 12 Enden, den Se. Majestät der Könıt ALBERT von Sacusen am 18. August 1894 auf dem Spechtshäuser Fig. 4. Reviere des Tharandter Waldes erlesten. Aber auch sie war am frischen Stücke nicht sichtbar. Erst als die Haut von der Schädeldecke entfernt wurde, fand sich an dem 18 cm im Umfange messenden rechten Rosenstocke ein ovaler, 32 mm nach aussen und oben vorspringender Knochenzapfen von 16 mm Breite und 12 mm Dicke, der unten an seiner vorderen Kante ein kleines, rundes, vertieftes Loch von 3 mm Durchmesser zeigte. Leider ist die von mir aufgenommene Photographie dieser Missbildung zur direeten Wiedergabe durch Lichtdruck nicht geeignet. Ich musste sie deshalb in die beistehende Textfigur 4 durch Zeichnung übersetzen. Rothhirschgeweihe, an deren Rosenstöcken eine so schwache, wirklich gefegte, über- zählige Stange aufträte, wie sie bei Rehböcken vielfach beobachtet und von mir auf Taf. I\ in Fig. 4, 5 u. 6 abgebildet wurde, kenne ich nicht. Die geringste Entwickelung einer solchen, wirklich am lebenden Stücke sichtbaren Neben- stange finde ich bei einem im Besitze von Herrn Scuxork von ÜAROLSFELD ZU Leipzig befind- lichen schädelechten Geweihe eines schwachen Hirsches von ungerade 10 Enden, das aber bis auf den Mangel der linken Eissprosse durchaus regelrecht gebaut ist. Von der hinteren und inneren Fläche seines linken Rosenstockes entspringt 2 mm unterhalb der Rose der Hauptstange auf einem kurzen, drehrunden, secundären Rosenstocke von 16 mm Durchmesser eine, gerade gemessen, 7 em lange, die nur 5 cm lange rechte Eissprosse also übertreffende, wagerecht Nitsche, Studien üb. Hirsche. 1. 5) 34 EcHTE NEBENSTANGEN vom Typus II. über das Stirnbein hinweg nach dem rechten Rosenstocke zu gerichtete Nebenstange. Sie ist gut geperlt, hat eine deutliche, aber schwache, ringsherum völlig freie Rose und eine mit der Concavität nach vorn gerichtete Krümmung. In ihrer ganzen Länge steht sie nur ungefähr l cm von der Schädeldecke ab, muss daher im Leben den Weichtheilen dicht angelegen und die Scheitelhaare niedergedrückt haben. Sie ist aber sehr gut vereckt. Dass sie bei der Er- legung wirklich gefegt gewesen sei, wage ich trotz ihrer tiefen Bräunung nicht zu behaupten. Es macht das Geweih nämlich im Ganzen den Eindruck, als ob es im Bast erlegt, nach- träglich gefegt und künstlich gebräunt worden sei. Beachtenswerth ist das Präparat auch als Beispiel für den nicht gerade häufigen Fall, dass die Nebenstange von der Innenseite des Rosenstockes entspringt, also von einer Verletzungen weniger ausgesetzten Stelle. Etwas kürzer als die eben beschriebene, aber doch eine weitere Entwickelungsstufe dar- stellend, ist die Nebenstange, die an einem ganz kapitalen, 6,7 kg wiegenden Rothhirschgeweih unbekannter Herkunft steht, das mit 11 anderen ähnlich starken, ja noch stärkeren, der Akademie Tharandt im Jahre 1849 als hervorragende Zierde des damals bezogenen Neubaues aus den Vorräthen des Jagdschlosses Moritzburg überwiesen wurde. Dieses nunmehr in unserem grossen Hörsaale aufgehängte Geweih ist, abgesehen von der Nebenstange, jagdlich anzusprechen als das eines 22-Enders. Aug-, Eis- und Mittelsprosse sind jederseits herrlich ausgebildet. Am Grunde jeder Eissprosse steht noch ein kurzes, angedeutetes Ende. Die wundervoll entwickelte, becher- förmige Krone hat rechtsseitig 8, linksseitig 6 Enden. Die Aus- lage des Geweihes beträgt 94 cm, die Stangenlänge 80 cm. An der Aussenseite des rechten Rosenstockes steht nun noch eine aufwärts gekrümmte, mit deutlicher Rose versehene, nur 6 cm lange, überzählige Stange. Ihre Rose ist oberwärts mit der Rose der Hauptstange in einer Länge von 18 mm fest verwachsen. Dagegen ist der sie tragende, recht- winklig von dem Hauptrosenstocke abgehende, secundäre Rosenstock ringsherum frei, sodass ınan unter der Verwachsungsstelle beider Rosen (Fig. 5x) einen starken Draht bequem durch- führen kann. Es stellt also die rechte Geweihhälfte dieses Kapitalhirsches ein Seitenstück dar zu dem Rehbocksabwurfe mit verwachsener Nebenstange, den ich auf Taf. X Fig. 3—6 abgebildet habe. Fig. 5. Das interessanteste Rothhirschgeweih mit Nebenstangen, das ich beschreiben kann, ist aber ein vierstangiges, dessen Träger. am 30. September 1890 von Sr. Durch- laucht dem damaligen Erbprinzen, jetzigem Hrrzoce Victor v. Rarızor am Pilisgebirge in freier Wildbahn bei der Frühpürsche gestreckt wurde. Das Pilisgebirge ist ein isolirter, kleiner Gebirgs- stock nordwestlich von Budapest am rechten Donauufer. Es liest in dem Winkel, den die von Komorn bis Waitzen von West nach Ost fliessende Donau bei letzterer Stadt durch eine plötz- liche Umbiegung nach Süden macht. Der reiche Rothwildstand seiner Wälder ist durch besondere Stärke ausgezeichnet. Der Hirsch wog aufgebrochen, d. h. ohne die Eingeweide, die man weid- männisch als Aufbruch- bezeichnet, 158 kg. Er hatte also wenigstens ein Lebendgewicht von rund 4 Öentnern. Das Geweih (Taf. I Fig. 1--5), das jetzt in einem Vorsaale des sogen. kleinen Palais in Rauden in Oberschlesien hängt, steht auf dem völlig erhaltenen Schädel. Nur der Unterkiefer fehlt. Die Basilarlänge des Schädels (Entfernung des vorderen Randes EcHte NEBENSTANGEN vom Typus II. 35 des Hinterhauptsloches von der Spitze des Zwischenkiefers) beträgt 39,5 em, seine grösste Breite (über die hinteren Augenhöhlenränder gemessen) 17,6 cm. Das Geweih ist aber nicht vollständig, da die rechte Stange abgekämpft wurde. Die Geweihbildung der rechten Seite (Taf. I Fig. 1 und 5). Auf einem 3,5 em hohen Rosenstocke, der dicht unter dem Geweih selbst 13,5 cm Umfang hat, steht eine gut geperlte, normale Rose (Fig. 5r) von 21 cm Umfang. Dicht über ihr, wie dies meist bei alten Hirschen der Fall ist, entspringt die durchaus normale, aber etwas stärker als gewöhnlich auf- gerichtete, 24 cm lange Augsprosse (Fig. 1 u. 55), und unmittelbar nach aussen von dieser die 20 cm lange Eissprosse (Fig. 1 u. 5c). Dicht über ihrem Ansatz beginnt alsdann die nach hinten und innen gerichtete, 13,5 cm lauge Bruchstelle der Stangenachse (a). Für die Annahme, der verloren gegangene Endtheil der Stange sei etwa abnorm gewesen, fehlt jeder Anhaltspunkt. Ungefähr 1 cm unterhalb der Rose steht nun auf der äusseren Fläche des Hauptrosenstockes ein secundärer, starker, aber ganz kurzer Nebenrosenstock, der eine monströse Nebenstange trägt. Sie besteht aus einer nur 8 cm langen, starken, völlig vereckten und gebräunten, mit tiefen Gefässfurchen versehenen Stangenachse (Fig. 1 u. 5e) mit unregelmässig kolbig abge- stutztem Endstücke und einem von ihr entspringenden, nach unten gekrümmten Ende (/). Die Nebenstange besitzt eine ausgesprochene, aber unvollständige und unregelmässige Rose. Diese beginnt vorn und unten mit einer deutlichen, nach innen auf die Vorderfläche des Rosenstockes der Hauptstange verlaufenden Perlenreihe, biegt dann rechtwinkelig nach aussen und oben um (Fig. 1) und geht schliesslich bei s in Figur 5 auf die Rückseite des Nebenrosenstockes über, um in der Mitte derselben, in Figur 5 bei ? zu enden. An der ganzen Unterseite des Nebenrosenstockes fehlt die Rose, und die Grenze der Nebenstange ist auch rickwärts auf der Strecke von t bis u gegen den ganz weissen Rosenstock nur durch die braune Färbung der Stange angedeutet. Die Grenze der Nebenstange gegen den Rosenstock entspricht also hier nicht wie gewöhnlich einer ebenen Kreisfläche, sondern bildet den Rand zweier sich ungefähr unter einem Winkel von 45° schneidenden Ebenen. Es würde sich also die Abwurf- fläche dieser Stange keilförmig gestaltet und eine ausspringende Kante gebildet haben. Die Wundfläche des Nebenrosenstockes hätte dagegen eine einspringende Kante besessen. Die Geweihbildung der linken Seite (Taf. I Fig. 1—4). Auch hier findet sich eine Haupt- und eine Nebenstange. Das ganze Geweih ist also vierstangig. Die Haupt- stange ist aber nicht abgekämpft, sondern abnorm und mit der Nebenstange verwachsen. Am besten übersieht man diese Verhältnisse in der Profilansicht Fig. 2. Bei ihrer photographischen Aufnahme wurde zur Erlangung grösserer Klarheit die rechte Geweihhälfte verdeckt. Die Hauptstange hat nur vier Enden, kann aber dem Weidmanne am einfachsten beschrieben werden als abnorme Zehnerstange mit fehlender Mittelsprosse. Von der Stangenachse (a’‘) entspringt, etwas höher über der Rose als rechts, eine ungewöhnlich steil aufgerichtete, nur 21 cm lange Augsprosse (5). Etwas über ihrer Basis steht eine ganz ungewöhnlich entwickelte, steilst aufgerichtete, 42 cm lange Eissprosse (c‘). Die von jetzt ab verhältnissmässig schwache, oben seitlich zusammengedriückte Stangenachse (a) misst von der Basis der Eissprosse bis zur Spitze 64 cm und trägt keine Mittelsprosse, sondern nur ein 19 cm unter ihrer Spitze nach hinten abgehendes, 12 cm langes, gleichfalls zusammengedrücktes Ende d’/, das mit der Spitze eine Gabel von 23 cm Spannweite bildet. Aussen und unten an ihrem Rosenstocke entspringt eine überzählige Bildung, die offenbar ein Aequivalent der rechten überzähligen Stange dar- 5* 36 Echte NEBENSTANGEN vom Typus Ill. stellt (Fig. 1. u. 2). Doch ist die Stangenachse (e‘) noch stärker verktirzt als rechterseits, das hier gleichfalls vorhandene, nach aussen und unten gekrümmte Ende (/”) dagegen stärker entwickelt. Die Sehne seiner Krümmung misst 15 cm. Auch bleibt es nicht frei, sondern seine convexe Seite ist mit der Eissprosse der Hauptstange auf eine Strecke von ungefähr 9 cm durch eine dünne, kaum 1 cm starke Knochenbrücke verbunden, die in den Fig. 1, 3 u. 4 deutlich hervortritt. Es verhalten sich also die beiderseitigen Nebenstangen dieses Geweihes ähnlich zu einander, wie die beiden rudimentären Nebenstangen des auf Taf. IV, Fig. 4 abgebildeten Rehgeweihes. Es sind zwei verschiedene Stufen einer und derselben Bildung. Durch die Ver- wachsung der Nebenstange mit der Hauptstange wird auch die Gestalt der Rosen wesentlich beeinflusst. Die Rose der Hauptstange (Fig. 3 u.4 v) entspricht vorn, innen und hinten genau einer gewöhnlichen Rose. Sie hört aber hinten (Fig. 4 bei z) plötzlich auf, während sie vorn, dort, wo die Nebenstange mit der Hauptstange verwächst, in die Rose der Nebenstange über- geht und mit ihr einen einspringenden Winkel (Fig. 3 w) macht. Die Rose der Nebenstange bildet hingegen, ebenso wie rechtsseitig, einen ausspringenden Winkel (Fig. 3wxy), geht aber auf die Unter- und Rückseite der Stange nicht über, hört vielmehr hier bei y auf, sodass von z bis y (Fig. 4) das Geweih gegen den weissen Rosenstock nur durch seine Bräunung abgesetzt ist. Wäre daher die linksseitige Geweihhälfte abgeworfen worden, so hätte der Abwurf eine einspringende, die Wundfläche des Rosenstockes dagegen eine ausspringende Kante erhalten, ähnlich wie dies ja auch bei dem auf Taf. X, Fig. 3—6 abgebildeten Rehbocksgeweih zu sehen ist, wo allerdings die beiden Schädelwundflächen noch getrennt sind. Dass bei dem Abwerfen monströser, aus verwachsener Haupt- und Nebenstange be- stehender Rothhirschgeweihe, sofern die Nebenstange aus der Seitenfläche des Rosenstockes hervorging, die Abwurffläche des Geweihes eine einspringende Kante bildet, kann ich auch direct beweisen. Eine solche findet sich nämlich an dem Abwurfe eimes Rothhirsches aus der Sammlung des verstorbenen Herın Oberforstmeisters H. v. Corra zu Auerbach, jetzt im Besitze seiner Wittwe (Taf. V, Fig. 5 u. 6). Die 60 cm lange Hauptstange trägt an ihrer Achse (a) eine normale Mittelsprosse (c) und eine nur 6 cm lange Augsprosse (b). Unter letzterer steht aber noch ein weiteres, grösseres, 19 cm langes Ende (d). Dasselbe wäre unbedenklich als die eigentliche Augsprosse und das von mir als solche bezeichnete Ende db als Eissprosse anzusprechen, wenn nicht die Abwurffläche aus zwei im Winkel gegeneinander stehenden Abschnitten bestände, von denen die rückwärts von dem Ende d befindliche eine der Wölbung der Seitenfläche des Rosenstockes entsprechende Concavität zeigte. Das „Ende* d ist also kein wirkliches, von der Stangenachse entspringendes Ende, muss vielmehr als über- zählige, mit der Hauptstange verwachsene Nebenstange angesehen werden. Hierfür spricht auch die Bildung der Rose. Gut entwickelt an der hinteren Peripherie der Basis der Hauptstange, geht sie an der Innenseite (Fig. 5e) im rechten, an der Aussenseite (Fig. 6e) in spitzem Winkel in die Rose der Nebenstange über. Letztere ist aber nur an den absteigenden Schenkeln der beiden einspringenden Winkel entwickelt. Am unteren Rande der Nebenstange fehlt sie dagegen, und der Rand der, wie gesagt, hier concaven Abwurffläche ist ganz scharf, ohne Perlen. Auch in dieser Beziehung ist also der Abwurf ein Gegenstück zu der linken Geweihhälfte des eben beschriebenen ungarischen Hirsches. ECHTE NEBENSTANGEN vVoM Typus IV, E wu =] IV, Typus. Ein abnorm verstärkter und tief gespaltener Rosenstock trägt auf seinem hinteren Ast eine monströse Hauptstange ohne Augsprosse, auf dem vorderen dagegen als Nebenstange die jener fehlende Augsprosse, sodass erst Haupt- und Nebenstange zusammen einer normalen Hauptstange entsprechen. Nebenstangen, die nach diesem Typus gebaut sind, kann ich in zwei Exemplaren beschreiben. Das eine ist ein Rothhirschgeweih, das andere em Rengeweih. Bei beiden ist die Nebenstangenbildung nur einseitig. Das Rothhirschgeweih (Taf. II Fig. 3—6), auf Brunndöbraer Revier im Erzgebirge, also auf demselben Revier erbeutet, dem das auf Taf. II Fig. 2 abgebildete, dreistangige Spiesser- geweih entstammt, und gleichfalls im Besitze von Hermm Oberförster Friepricn befindlich, kann man zur Noth jagdlich als widersinniges Geweih an ungeraden 6 Enden bezeichnen. Beide Stangen sind abnorm. Die rechte Stange, die zwar für unsere Zwecke nicht in Frage kommt, aber doch hier mitbeschrieben werden mag, ist eine starke Gabel mit abnormer Rose. Ihr Rosenstock (Fig. 4) ist von rechts nach links auf 4,5 cm, also sehr bedeutend, verbreitert, während er von hinten nach vorn nur 3 cm Durchmesser hat. An seiner Rückseite fehlt die Rose vollständig, und es grenzt sich hier die Stange gegen den Rosenstock nur durch die Färbung ab, wie man dies an dem oberen Umriss der Fig. 6 bei v gut erkennen kann. Vorn dagegen verläuft die klar ausgesprochene Rose zunächst in der Quere (Fig. 4 u. 5xy), steigt dann aber mit deutlicher Perlung auf der Innen- und Aussenseite des Rosenstockes fast rechtwinklig bis zur Basis desselben herab (Fig. 5yz und zw), um hier bei z und ır plötzlich zu enden. Während also sonst die Rose einen in sich geschlossenen Perlenkranz bildet, ist sie hier nur auf der Vorderseite entwickelt und zeigt zwei winkelige, unten weit auseinander stehende Schenkel. Auch die Stange ist ganz abnorm. Sie zeigt eine einfache, von dem Ursprung der Augsprosse an 39 cm lange Stangenachse (a). Die ungewöhnlich steil gestellte Augsprosse (P) misst 23 cm Dicht über ihrer Basis entspringt noch als angedeutetes Ende das Rudiment einer Eissprosse (c), das in den Figuren 3—6 theils als kleine Hervorragung, theils als heller Fleck erscheint. Jedoch ist die ganze rechte Stange gut vereckt, geperlt, gefegt und gebräunt. Die Stangenverdoppelung, um die es sich hier eigentlich handelt, kommt dagegen an der linken Geweihhälfte vor. Diese kann man am besten beschreiben als die Stange eines Sechsenders, von der sich die Augsprosse (5) durch tiefe Spaltung des Rosenstockes als selbst- ständige Stange abgezweigt hat, während an der nunmehr isolirten Hauptstange (a) nur die ziemlich hochstehende Mittelsprosse (d‘) zurückgeblieben ist und mit der Spitze der Haupt- stange (a) eine Gabel bildet. Die Hauptstange ist gut vereckt und gebräunt, 47 cm lang, die 10 cm lange Mittelsprosse steht 21 cm unter der Spitze. Es fehlt aber jede Spur einer Rose, ‘ > - 38 EcutE NEBENSTANGEN Vom Typus IV. und die I lauptstange grenzt sich nur durch ihre Färbung und eine unbedeutende Zunahme, in der Stärke gegen den, in F olge seiner Bedeckung durch die Kopfhaut weiss gebliebenen, hinteren Ast des Rosenstockes ab. Das von dem, unregelmässige Wulstungen zeigenden, nach vorn dicht über der Stirn hingehenden, vorderen Aste des Rosenstockes entspringende Aequivalent der Aug- sprosse (b‘) ist nur 6,5 cm lang und am Ende kolbig abgestumpft. Es hat eine durchaus normale Rose und zeigt tiefe Gefässfurchen, gute Perlung und starke Bräunung. Nicht unerwähnt mag bleiben, dass bereits in der Literatur ein vollständiges Seitenstück zu dem eben beschriebenen Geweih geschildert und abgebildet wurde [37]. Es ist dies ein monströser Zehnender, der von Herın Oberförster Lanrreent in dem Revier Seelzerthurm am Solling erlegt wurde. Doch ist hier die rechte Geweihhälfte verdoppelt, und die linke Stange an vier Enden zeigt keinerlei Missbildung der Rose, ist vielmehr eine völlig normale Achter- stange. Ich verdanke den Hinweis auf diese Literaturnotiz Herın Dr. Ecxsreı zu Eberswalde. In beiden Fällen ist die selbständig gewordene Augsprosse nicht normal entwickelt. Wohl ist dies aber der Fall bei dem nunmehr zu beschreibenden Geweih eines schwachen Renes, Rangifer tarandus, (Taf. II, Fig. 7 u. 8), das durch Herrn Oberförster Pau SchxEipEr unserer Sammlung geschenkt wurde. Seine Herkunft ist unbekannt, dem ganzen Habitus nach scheint es aber von einem domestieirten, weiblichen Rene herzurühren. Um die rechtsseitig an ihm auftretende Missbildung richtig zu würdigen, müssen wir uns zunächst die typische Form des Rengeweihes in das Gedächtniss rufen. Bei diesem erhebt sich von den kurzen Rosenstöcken in nach vorn geöffnetem Bogen jederseits eine gekrümmte Stangenachse. Ungefähr in der Mitte der Krümmung geht nach hinten ein gewöhnlich recht kurzes, öfters aber auch, wie gerade bei dem vorliegenden Geweih, ziemlich langes, hinteres Ende ab, während von der oft schaufelartig verbreiterten Stangenspitze eine unbestimmte Anzahl mitunter weiter verzweigter Enden nach oben und hinten abgehen und eine Art Krone bilden. Dicht über der Rose entspringt und läuft nach vorn über den Nasenrücken hinweg die Augsprosse, die häufig nur einseitig entwickelt ist und, je nach der Stärke des Geweihes, entweder nur einen ganz kurzen Vorsprung oder ein langes, schlankes Ende oder gar eine mehr weniger verästelte Schaufel darstellt. Etwas über den Augsprossen entspringen dann die Aequivalente der Eissprossen, die meist verästelte Schaufen bilden und entweder beider- seits gut entwickelt sind oder ebenfalls nur ein- oder beiderseits ein einfaches Ende darstellen oder gar ganz fehlen können. Dieses typische Verhalten kann man an der linken Stange des hier in Frage kommenden Geweihes deutlich erkennen (Fig. 7). Die Augsprosse (d) ist nur als Andeutung entwickelt. Die ungefähr 5 cm über der schmalen Rose ansitzende Eissprosse (ec) oder, wenn man so sagen will, Eisschaufel ist breit und platt und geht in drei Enden aus. Die hintere Mittelsprosse (d), die ungefähr 18 cm über der Rose entspringt, ist ungewöhnlich lang, nämlich 17 cm. Von der Spitze der Hauptstange geht nur ein 17 cm langes, hinteres Ende (e) ab, das 19 cm unter der Spitze der Hauptstange (a) steht. Von der Spitze zur Rose misst die Sehne der Stangenkrümmung 47 cm. Der Habitus der rechtsseitigen Geweihhälfte, deren Enden ich mit den gleichen Buchstaben bezeichnet habe wie die entsprechenden der linken Stange, entspricht im Allgemeinen völlig dem der linken. Nur ist die hintere Mittelsprosse d’ noch viel länger, 23 cm, und die Augschaufel # hat 5 Enden, von denen das von der Basis aus zweite (Fig. 8 2) abgebrochen ist. Das erste wird nur in Fig. 8 sichtbar und ist dort mit Ecute NEBENSTANGEN vom Tyrus IV. 39 y bezeichnet. Die Eissprosse (Fig. 7c‘) ist nur als kleine, knopfförmige Andeutung vorhanden. Ein kleiner, abnormer Vorsprung, der nach hinten von der Rose der Hauptstange entspringt und bei x in Fig. 8 sichtbar wird, scheint mir am besten als stark entwickelte Rosenperle aufgefasst werden zu sollen. Die eben geschilderten, bis auf den letzterwähnten kleinen Vor- sprung an und für sich völlig normalen Componenten der rechten Geweihhälfte stehen nun aber nicht auf einem eiuheitlichen Gebilde, sondern auf zwei Rosenstöcken oder Rosenstockästen, die durch Gabelung des ursprünglichen Rosenstockes entstanden und sehr kurz sind. Die Stangenachse a‘, mit ausgebildeter Rose, hinterer Mittelsprosse d’ und Endgabel a‘ e, sowie mit dem kleinen Eissprossenrudimente c/, entspringt von dem hinteren, die gleichfalls mit eigener Rose versehene Augschaufel d° dagegen von dem vorderen Rosenstockaste. Auch hier ist also der Gesammtbestand der normalen Theile der rechten Stange auf zwei Roscnstöcke vertheilt und wäre in zwei Stücken abgeworfen worden. D. Die wirklich beobachteten Vorgänge bei der Entstehung einer Nebenstange an einem starken Wapitigeweihe, Alle vorstehenden Auseinandersetzungen beruhen lediglich auf der Deutung, die ich den Befunden an einer grösseren Anzahl mehrstangiger Geweihe, schädelechten Stücken oder Ab- würfen, geben zu können glaube. Umso angenehmer ist es mir daher, wenigstens einen Fall beschreiben zu können, in dem die Bildung emer Nebenstange wirklich direct beobachtet wurde und ihre Formwandelungen im Laufe einer längeren Reihe von Jahren mit Sicherheit nachweisbar sind. Diese Beobachtungen beziehen sich auf einen unter dem Namen „Robert“ bekannt gewordenen, ganz starken Wapiti, Cervus canadensis, der im Februar 1882, angeblich als fünf Jahre alter Hirsch, von dem dresdener Zoologischen Garten erworben wurde und bis zu seinem, im Januar 1895 erfolgten Verenden dessen Zierde war. In Folge freundlichen Entgegen- kommens von Herrn Direetor Scnörr konnte der Uadaver für die Tharandter Sammlung erworben werden, welche jetzt das zerlegte Skelett bewahrt. Dem genannten Herren verdanke ich ferner die Möglichkeit, die Abwürfe der früheren Jahrgänge beschreiben zu können. Die nachstehenden Mittheilungen, die sich auf einen Zeitraum von 14 Jahren beziehen, sind übrigens nicht durchweg neu. Die Abwürfe aus den Jahren 1884, 1885 u. 1886 sind von Scuörr selbst bereits in der zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des Gartens veröffentlichten Festschrift beschrieben‘). [68 S. 20 u. 21.] Die Geschichte der Geweihbildung dieses Wapitis ist kurz folgende. Der durch Herrn Kart Hagesgeck aus Amerika herübergebrachte Hirsch kam mit abgesägtem Geweihe in Dresden an. Er warf nach wenigen Wochen, Anfang März 1882, die Stümpfe ab und setzte alsbald ein normales Geweih auf, das er im März 1883 wieder abwarf. Bei der nun folgenden Neubildung entstand aber ausser den beiden Hauptstangen linkerseits eine Nebenstange, die !) Auf der jener Schrift beigefügten Lichtdrucktafel ist übrigens ein Irrthum in der Datirung vorgekommen, welchen hier zu berichtigen mich Herr Scnörr bittet: Sämmtliche Daten müssen um ein Jahr erhöht werden. GEWEIHBILDUNG DES DRESDENER WarıTis. 41 im März 1884, einen Tag früher als die Hauptstangen, abgeworfen wurde. Diese Neubildung wurde von nun an jährlich, bei allmählicher Vergrösserung, ebenso wiederersetzt, wie die beiden Hauptstangen und alljährlich auch gesondert, ziemlich zu der gleichen Zeit wie die Haupt- stangen, nämlich Anfang März, abgeworfen. Bei dem zwölften, im Frühjahr 1894 erfolgten Ab- werfen änderte sich dieses Verhältniss insofern, als diesmal die Nebenstange, die man, solange der Hirsch sie trug, wieder als selbständige Bildung betrachtet hatte, an der Rose durch eine ganz schwache Knochenbrücke mit der Hauptstange fest verbunden war (Taf. VII Fig. 1). Das nunmehr gebildete neue Geweih liess sofort erkennen, dass diesmal die Verwachsung von Haupt- und Nebenstange viel weiter gediehen war und die linke Geweihhälfte daher eine völlig abnorme Gestalt erhalten hatte (Taf. VI Fig. 2). Bevor dieses Geweih abgeworfen werden konnte, verendete der Hirsch. Ich bezeichne in der nun folgenden Auseinandersetzung der Einzelheiten, um eine Doppelzahl zu vermeiden, die Geweihjahrgänge einfach mit der Zahl des Jahres, in dem das Abwerfen erfolgte, also den 1882 gebildeten und 1883 abgeworfenen mit 1883. Es ergiebt sich hierbei auch für die Bezeichnung des letzten, nicht mehr abgeworfenen Geweihjahrganges keine Schwierigkeit, da der Hirsch noch bis zum Januar des Jahres lebte, in dem er denselben abgeworfen haben würde. Da sich an der langen Reihe dieser Abwürfe sehr gut der Unterschied zwischen der zoologischen Würdigung einer Geweihform (vergl. S. 8) und der weidgerechten Bezeichnung ihrer Endenzahl erläutern und zugleich zeigen lässt, dass der gleichen weidmännischen Be- zeichnung durchaus nicht immer die gleiche wirkliche Bildung entspricht, so gehe ich zunächst auf die Form der Hauptstangen ein. Die richtige weidmännische Bezeiehnung der einzelnen Jahrgänge steigt vom geraden Zwölfender (1883) bis zum ungeraden Sechzehnender (1888). Wollte man auch die nur mehr weniger stark angedeuteten Enden mitzählen, so könnte man noch höher kommen. Trotzdem ist der zoologische Charakter aller Jahrgänge, den letzten ausgenommen, durchaus einheitlich. Er entspricht dem geraden Zwölfer und ist ausserdem durchweg durch sehr lange untere Sprossen ausgezeichnet, die allerdings in Folge häufigen Anstossens an Zaun und Stallthür oft wunderliche Verkrümmungen zeigen. Auch ist, da dem Hirsch in seiner Einfriedigung die Gelegenheit fehlte, an berindeten Bäumen zu fegen, die Färbung der Stangen eine unscheinbar weissliche. Alle 12 wirklichen Abwürfe bestehen also jederseits, ebenso wie die rechte Stange des letzten Geweihes (Taf. VI Fig. 1), aus Augsprosse (b), Rissprosse (ce), Mittelsprosse (d) und drei mehr weniger genau in einer der Mittelebene des Leibes parallel stehenden Ebene liegenden -Kronenenden, die von zwei vorderen wirklichen Enden (e u. f) und der obersten Spitze der Stangenachse (a) gebildet werden. Beiläufig sei bemerkt, dass diese Lage der Kronenenden in einer Ebene ein wesentliches Kennzeichen der Art darstellt. In Folge davon lässt em normales Wapitigeweih, direct von vom gesehen, die Kronenbildung viel weniger scharf hervortreten als das eines Rothhirsches, dessen Kronenenden seitlich gespreizter stehen. Der Wapiti theilt diese Eigenthümlichkeit nur mit den nordasiatischen Formen der Untergattung Cervus, deren artliche Selbständigkeit für mich zum Theil sehr zweifelhaft ıst. Die Nothwendigkeit, vom weidmännischen Standpunkte aus viele der Jahrgänge mit einer höheren Endenzahl anzusprechen, beruht lediglich darauf, dass bei ihnen die Augsprosse secundäre Enden trägt, deren Zahl in einem Falle, an der linken Stange des Jahrganges 1535, Nitsehe, Studien üb. Hirsche. 1. 6 42 GEWEIHBILDUNG DES DRESDENER WAPITIS. Beschreibung der Hauptstangen. Zoologische Charakterisirung Endenzahl Weidner Jahrgang Rechte Stange Linke Stange R. L. Bezeichnung 1883 | Einfache 12°” Stange. | Einfache 12° Stange. 6 6 | Gerader 12-Ender. 1884 | Ueberbildete 12 Stange. Aug- Ueberbildete 12° Stange. Aug- 7 8 | Ungerader 16-Ender. spross mit basalem Nebenende. spross mit basalem Nebenende und gegabelter Spitze. 1885 Einfache 12° Stange. Ueberbildete 12% Stange. Aug- | 6 8 | Ungerader 16-Ender, | spross mit 2 basalen Neben- | enden. 1886 | Ueberbildete 12er Stange. Aug- _ Ueberbildete 12° Stange. Aug- | 7 7 | Gerader 14-Ender. spross mit einem basalen deut- spross mit einem basalen deut- | (8) | (9) | (Ungerader 18-Ender.) lichen und einem angedeuteten | lichen und zwei angedeuteten Nebenende. Nebenenden. 1887 Ueberbildete 12° Stange. Aug- | Ueberbildete 12° Stange Aug- 7 8 | Ungerader 16-Ender. spross mit einem deutlichen _spross mit einem basalen starken Nebenende. und einem mittleren schwachen Nebenende. 1888 | Ueberbildete 12° Stange. Aug- | Ueberbildete 12° Stange. Aug- | 8 8 | Gerader 16-Ender. spross mit einem basalen schwa- spross mit einem starken ba- (10) | (Ungerader 20-Ender.) chen und einem mittleren star- salen, zwei angedeuteten mitt- ken Nebenende. leren Nebenenden und tiefer Gabelung der Spitze. 1889 Ueberbildete 12% Stange. Aug- | Ueberbildete 12% Stange. Aug- 7 6 | Ungerader 14-Ender. spross mit kleinem abgewetztem spross mit zwei angedeuteten (8) | (Ungerader 16-Ender.) Nebenende. Nebenenden. 1890 | Ueberbildete 12° Stange. Aug- | Ueberbildete 12° Stange. Aug- | 8 7 | Ungerader 16-Ender. | spross mit einem basalen und spross mit einem basalen Neben- | einem mittleren Nebenende. ende. 1891 | Einfache 12° Stange. Augspross | Einfache 12° Stange. Augspross | 6 6 | Gerader 12-Ender. ' mit angedeutetem Nebenende. mit angedeutetem Nebenende. | (7) | (7) | (Gerader 14-Ender.) 1892 _ _Ueberbildete 12% Stange. Aug- | Einfache 12° Stange. Augspross | 7 6.) Ungerader 14-Ender. . ' spross mit schwachem basalem mit angedeutetem Nebenende. (7) | (Gerader 14-Ender.) \ Nebenende. | 1893 | Einfache 12% Stange. Augspross | Einfache 12°" Stange. Augspross 6 6 | Gerader 12-Ender, mit angedeutetem basalem Ne- mitangedeutetem basalem Neben- | (7) | (7) | (Gerader 14-Ender.) benende. ende. | GEWEIHBILDUNG DES DRESDENER W APITıs. 43 die angedeuteten Enden mitgercehnet, bis vier steigt. Das Auftieten von kleinen Nebenenden an der Augspiosse ist auch sonst an staıken Wapitigeweihen nicht gerade selten. Die bei dem dresdener Exemplare einigemale vorkommende Gabelung der Spitze der Augsprosse ist aber wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass diese Enden stets sehr lang vorgestreckt und daher mechanischen, zur Theilung anregenden Reizen melr ausgesetzt waren als die anderen Enden. Die Charakterisirung des zuletzt von dem Hirsche abgewortenen Geweihes (1894) lasse ich, da hier die linke Stange nicht getrennt von der Nebenstange behandelt werden kann, vorläufig 1893 tabellarisch Dagegen berücksichtige ich diesen letzten Abwurf mit Nebenstange bei der Fest- bei Seite, stelle dagegen auf 8. 42 die Einzelbeschreibung der Abwiirfe 1883 zusammen. stellung des Gewichtes der Abwürfe, das zwar mit dem vorliegenden Thema nicht in Beziehung steht, aber doch allgemeines Interesse hat, da es zeigt, welch riesige Menge Knochensubstanz alljährlich neu erzeugt wird. Das Gewicht der Abwürfe 1887, 1888 u. 1889 kann ieh allerdings nicht angeben, da sie früher nicht gewogen wurden und jetzt, auf kiinst- lichen Schädeln und Brettchen an der Wand hängend, hinreichend genau nicht mehr zu wägen sind. Die Gewichte der Jahrgänge 1584—86 gebe ich nach Scuörr’s Mitheilungen [68, S. 20 u. 21], das der übrigen habe ich selbst bestimmt. Gewicht der Abwürfe in Grammen. Jahrgang Rechte Stange Linke Stange Nebenstange Summe 1884 3930 3870 300 8100 1885 3880 3750 220 7850 1886 5250 5200 370 10820 1890 4880 4890 560 10330 1891 4500 4850 630 9980 1892 4550 4750 1210 10510 1893 4400 4210 1170 9780 1894 4450 5500 9950 Es betrug also die jährliche durehschnittliche Abstossung und Wiedererzeugung von Knochensubstanz für die Jahre 1884—1886 8,923 Kq, für die Jahre 1890—1894 10,110 /y und für alle acht Jahre 9,665 Ag. Für das Geweih, das der Hirsch bei seinem Eingehen trug, lässt sich keine genaue Gewichtszahl gewinnen, da die Stangen noch auf dem Schädel sitzen und ausserdem die 6 44 GEWEIHBILDUNG DES DRESDENER W APITIS. Gewichte von Abwürfen und schädelechten Stangen, auch wenn letztere abgesägt würden, nicht ohne Weiteres vergleichbar sind. Immerhin will ich anführen, dass der Schädel mit Gere aber ohne Unterkiefer, 10390 g wiegt. Der Schädel eines ae Rothhirsches nach Abw uf der Stangen ist aber, wie ich mich dnceh Wägungen an zwei passend ausgewählten Schädeln unserer Sammlung überzeugte, ungefähr 10%, schwerer als der eines starken Altthieres. Nun wiegt der Schädel unseres stär a Wapiti-T'hieres ohne Unterkiefer fast genau 1000 g. Nimmt man dasselbe Gewichtsverhältniss auch beim Wapiti als bestehend an, so hätte man, um das Gewicht der Geweihe selbst zu erhalten, 1100 4 von dem ea von 10,390 g ab- zuziehen. Das letzte Geweih ist ohne Schädel also auf 9290 y zu schätzen. Die allmähliche Fortbildung der Neben- stange, solange sie ein selbständiges Gebilde dar- stellt (Text-Fig. 6 und Taf. VII Fig. 3—7), ist folgende: IT 1884 HU 1885 a a N q u N Bei ihrem erstmaligen Auftreten, Jahr gang IV 1887 I, 1884, stellt sie einen doppelt geschwungenen, ehlaake oben zugespitzten Spiess dar, der vom linken Rosenstocke zwischen Aug- und Eis- sprosse der Hauptstange ziemlich steil aufstrebt. Man muss denselben als Achse der Nebenstange ansprechen. Im Jahrgang O, 1885, bleibt die ähnlich gestaltete und gerichtete Achse a etwas kürzer, entsendet aber in ihrem unteren Drittel nach aussen fast unter rechtem Winkel ein stumpf abgerundetes Ende d. Die Nebenstange wird hierdurch zur Gabel, an der noch, beiläufig gesagt, ein ganz kurzes und bedeutungsloses accessorisches Ende auftritt, das in den folgenden k X 1893 y% Jahrgängen wieder verloren geht. 73 h ; 2 ip In den Jahrgängen III, IV u. V, 1886 2 4 bis 1888, bleibt im Allgemeinen diese Gabel- a form bestehen, doch wird das Ende d allmählich Lv ee stärker als es stangenachse a. Im Jahrgang IV, ie, 6. 1887, gabelt es sich sogar wieder selbst, 5/ 54, Vom Jahrgang VI, 1889, an überwiegt wieder der Stärke nach die Stangenachse a, deren Spitze a’ sich von nun an, mehr weniger deutlich hakenartig ausgebildet, über die Augsprosse der Hauptstange der Medianebene des Schädels zukriimmt. Beim ersten Auftreten dieser Krümmung, Jahrgang VI, 1889, spaltet sich gleichzeitig die Spitze der Stangenachse. Ihr äusserer Nebenast, «‘, schwindet wieder in den Jahrgängen VII u. VIII, 1890 u. 1891, tritt aber andeutungsweise von Neuem in den Jahrgängen IX u. X, 1892 u. 1893, auf. Auch das abwärts gekrümmte äussere Ende b entwickelt sich nicht gleichmässig. Im Jahrgang VI, 1889, stark ausgebildet und doppelt gekrümmt, verkümmert es im Jahrgang VI, GEWEIHBILDUNG DES DRESDENER W APITIS, 45 1890, unter Spaltung in zwei unregelmässige Aeste b’ u. 5 und bleibt im Jahrgang VIII, 1891, kurz. Erst in den Jahrgängen IX u. X, 1892 u. 1893, wird es wieder stärker, bleibt aber trotz schwacher Gabelung b’ 5b“ im Jahrgang X, 1893, in seinen Dimensionen hinter der Stangenachse zurück. Die Basis der Nebenstange zeigt eine gleichmässige Weiterbildung. In den Jahrgängen 1, II u. III fehlt jede Spur einer Rose. Der Umfang der ovalen Abwurffläche, die in scharfe Ränder ausgeht, ist etwas geringer, als der Stangenumfang dicht oberhalb. Im Jalır- gang 1V, 1887, treten dicht über der Abwurffläche zwei kleine vereinzelte Perlen auf. In Jahr- gang V, 1888, haben sich diese Perlen vermehrt und zur Andeutung einer Rose geordnet. In allen folgenden Jahrgängen VI—IX, 1889—1893, ist eine deutliche, geschlossene Rose vor- handen, welche die Abwurffläche gegen die Stangenbasis bestimmt abgrenzt. Gleichzeitig nimmt die Abwurffläche, die anfänglich etwas concav war, eine convexe Kriimmung an, sodass sie dem Ausschnitte einer Cylinderfläche entspricht (Taf. VI Fig. 3-7). Diese Convexität ist besonders gut m Fig. 6 zu erkennen. Die Dimensionen der Nebenstangen ergeben sich aus den in der folgenden Tabelle in em angeführten Maassen: I Ir 1081 IV V VI VIL VII TR RX XI Jahrgang N | ’ 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1390 1891 1892 1893 1894 Stangenumfang | 10 11 15 13 14 16,5 16 16,5 17,5 18 18 Länge der | | Stangenachse a| 29 195 22,5 27 30 35 20 21 30 | 28 24,5 Abstand der beiden Gabel- | spitzen _ 20 31 40 45 50 27 31 40 54 | 48 Der Stangenumfang, bei den früheren Jahrgängen 1 cm über der Basis, bei den späteren dicht über der Rose gemessen, nimmt also fast stetig zu. Viel weniger gleichmässig gestaltet sich das Wachsthum der Stangenachse, gerade gemessen von dem Rande der Abwurffläche oder der Rose bis zur äussersten Spitze. Hierzu trägt allerdings der Umstand bei, dass bei den gekrümmten Stangen eben nur die Sehne der Krümmung angegeben ist. Das Gleiche gilt von der Spannweite der Gabel. Im Allgemeinen kann man aber sagen, dass die gleichmässige Weiterentwickelung der Nebenstange zweimal eine Unterbrechung erleidet. Einmal verkürzt sich die Stangenachse im Jahrgang I, um erst im Jahrgang V wieder die Länge des ersten Spiesses zu erreichen. Alsdann tritt, wie aus der Textfigur 6 hervorgeht, in den Jahrgängen VII u. VIII eine Reduetion der Nebenstange ein. Beiden Rückschritten entspricht, wie aus der allerdings leider nicht ganz vollständigen Tabelle auf S. 43 hervorgeht, eine Gewichtsabnahme. 46 GEWEIHBILDUNG DES DRESDENER W APITIS. Von 1854—1893 wurde nun, wie schon bemerkt, die Nebenstange annähernd gleich- zeitig mit den beiden Hanptstangen abgeworfen, und zwar als ein völlig von ihnen getrenntes Gebilde. Demgemäss entstanden auch an dem Kopfe drei getrennte Abwurfflächen, zwei grosse, als gerade Abstutzungen der Hauptrosenstöcke, die dritte, kleinere, seitlich auf der Aussen- und Vorderfläche des linken Rosenstockes. Letztere stand, wie ich nach Abwurf der ersten Nebenstange am 9. März 1884 direet beobachtete, 2 cm unter der Hauptabwurffläche, und es hatte am 20. März bereits die völlig regelrechte Ueberwallung aller drei Wundflächen be- gonnen, sodass ein dunkelgrauer, halbevlindrischer Wulst ihre schorfig eingetrocknete Mitte kreisförınig umgab. Zwischen der Abwurffläche der Nebenstange und der der Imken Haupt- stange war die behaarte Kopfhaut völlig normal. In den folgenden Jahren wurde, wie ich zwar nicht direet aufgezeichnet, wohl aber gesehen habe, und wie sich auch mit Sicherheit aus dem in der Tabelle auf S. 45 verzeichneten Wachsthums des Umfanges der Nebenstange ergiebt, dieser, die Haupt- und Nebenabwurffläche trennende, normale Kopfhantstreifen immer schmäler, und nach dem Abwurfe des Jahrganges X im März 1893 stiessen beide Wundflächen Iinkerseits fast vollständig zusammen, wie die beiden Hälften einer 8. Nur insofern hinkt dieser Vergleich, als natürlich beide Abwurfflächen mit einander einen Winkel von ungefähr 90° bildeten. Dies ist nicht direct beobachtet worden. Wohl ist aber die Richtigkeit der eben gegebenen Beschreibung mit völliger Sicherheit zu ersehen aus der Gestalt, welche der nunmehr folgende Abwurf Jahrgang XI, 1894, zeigt (Taf. VII Fig. 1 u. 2). An ihm sind die Nebenstange und die noch völlig normal nach dem Typus des Zwölfenders gebaute linke Hauptstange nicht mehr getrennt, vielmehr durch eine feste, aber poröse Knochenbrücke (Fig. 2) von 22 mm Breite vereinigt. Diese Knochenbrücke verbindet aber nur die Abwurftlächen, die halbeylindrisch gewölbte der Nebenstange und die ebene, ja sogar etwas vertiefte der Hauptstange. Die Rosen beider Stangen gehen hingegen nicht in- einander über, sind vielmehr jede für sich völlig geschlossen. An Gestalt entspricht die nun mehr verwachsene Nebenstange ungefähr der letzt vorhergehenden, bleibt aber, wie aus der letzten Spalte der Tabelle auf S. 45 ersichtlich, in den Dimensionen hinter ihr etwas zurück. Ihre Stellung gegen die Hauptstange ist in Taf. VII Fig. 1 deutlich zu erkennen, nur tritt die Neigung der Abwurfflächen gegen einander nicht in ihrer ganzen Stärke hervor. Die Wundfläche, die beim Abwerfen dieser zum ersten Male vereinigten Stangen im Frühjahr 1894 entstand, habe ich gleichfalls nicht direct beobachtet. Aus dem letzten Geweihjahrgange, den „Robert“ getragen hat, mit dem er im Januar 1895 einging, und welcher nun mit dem Schädel in der Akademie in meinem Arbeitszimmer hängt, kann man aber deutlich ersehen, dass die Ver- schmelzung beider Wundflächen bedeutend weiter ging als bisher. Auf ihnen hat sich nämlich eine monströse Geweihhälfte aufgebaut (Taf. VI Fig. 1 u. 2), in der die auch im vorigen Jahrgange XI, 1894, noch immer als selbständige Bildung erkennbare Nebenstange völlig mit der Hauptstange verwachsen ist. Nur die Gestaltung von Rosenstock und Rosen (Taf. VI Fig. 3 u. 4) lässt erkennen, dass hier eine Vereinigung ursprünglich gesondert entstandener Bildungen vorliegt, die zur linken Geweihhälfte des vierstangigen ungarischen Hirsches (Taf. I Fig. 1 u. 2) ein herrliches Seitenstiick bildet. Während bei letzterem rechterseits die Ausbildung einer getrennten Nebenstange, soweit man aus der Stellung der allein erhaltenen Aug- und Eissprosse schliessen kann, ebensowenig Einfluss auf die Gesammtform der Hauptstange hatte, wie bei den früher von mir beschriebenen mehrstangigen Geweihen desselben Typus, ist linkerseits in Folge der Verwachsung der Nebenstange die Hauptstange abnorm geworden. GEWEIHBILDUNG DES DRESDENER W aPırıs. 47 Diese Abnormität zeigt sich, wie bereits dargelegt, besonders in Bezug auf Eissprosse und Mittelsprosse. Erstere (Taf. 1 Fig. 1 u. 2 ce‘) ist ganz ungewöhnlich stark und steil auf- gerichtet, letztere fehlt dagegen. Ganz ähnliche Verhältnisse kann man an dem Wapitigeweihe bemerken, wenn man sich vergegenwärtigt, dass seine Entwickelung im Jahrgang XI, 1893, (laf. VII Fig. 1) der rechten, im Jahrgang XII, 1895, (Taf. VI) dagegen der linken Geweihhälfte des ungarischen Hirsches entspricht. Bis 1893 hat die Entwickelung der getrennten Neben- stange und 1894 sogar der Anfang ihrer Verwachsung kemeilei Einfluss auf die Bildung der Hauptstange. Die am Jahrgange XII eingetretene Verwachsung hat dagegen die Hauptstange auf das stärkste beeinflusst. Die Augsprosse ist am wenigsten verändert. Die Gabelung an ihrer Spitze, veranlasst durch das Auftreten des korkzieherartig gekrümmten Nebenendes 4 (Taf. VI Fig. ] u. 2), kann nicht auf Rechnung der Verwachsung gesetzt werden. Eine der- artige Gabelung fanden wir bereits in den Jahrgängen I u. V, 1884 u. 1888. Dagegen ist die Eissprosse c’ zu einem mächtigen Gebilde geworden, das in seiner unteren Hälfte auf eine Strecke von 26 cm mit der Hauptstange eng verschmolzen ist und eine ganz bedeutende Ver- stärkung ihrer Stangenachse bedingt. Ihr freies Ende ist ganz steil nach oben gerichtet, läuft der Stangenachse fast parallel und ragt an ihr noch weiter hinauf, wie rechterseits die Mittel- sprosse d. Die linke Mittelsprosse d‘ ist wenig stark und soweit nach oben gerückt, dass man sie ohne Vergleich mit den vorhergehenden Jahrgängen als einen Bestandtheil der Krone ansprechen würde. Sie hat sich ausserdem durch die Neubildung eines Nebenendes d’ gegabelt. Die Nebenstange hat bei dieser Verwachsung ihren früheren Charakter so sehr verändert, dass ein Vergleich mit ihren früheren Jahrgängen recht schwierig ist. Am wahrscheinlichsten ist mir, dass das auf Taf. VI Fig. 1 u. 2 mit I bezeichnete schlanke Ende der früheren Stangen- achse entspricht, die in der Textfigur 6 auf S. 44 immer mit «a bezeichnet ist, das abgerundete, lange, nach aussen stehende Ende II dem in der Textfigur mit D bezeichneten Ende gleichzu- setzen, das fast parallel mit der Augsprosse verlaufende kürzere, schlanke Ende III aber als eine völlige Neubildung anzusehen ist. Die Verhältnisse des Rosenstockes und der Rosen (Taf. VI Fig. 3 u. 4) ähneln gleich- falls ganz ungemein den an der linken Geweihhälfte des ungarischen Hirsches wahrnehmbaren. Nur sind die Rosen bei dem Wapiti noch besser ausgebildet. Sie stellen um den nunmehr durch Verschmelzung von Haupt- und Nebenrosenstock entstandenen starken Stirnbeinauswuchs einen völlig geschlossenen Kranz vwa@yzv dar. An den Stellen, wo die Rosen von Haupt- und Neben- stange in einander übergehen, bilden sie sowohl vorn (Fig. 3) wie hinten (Fig. 4) spitz ein- springende Winkel, sodass bei dem — durch den Tod des Hirsches verhinderten — Abwerfen die Abwurflläche der vereinigten Stangen wahrscheinlich eme ähnliche Bildung gezeigt hätte, wie dies die auf Taf. V Fig. 5 u. 6 abgebildete Rothhirschstange wirklich thut. Die Reihenfolge der Wapitiabwürfe gewährt also eine überraschend klare Erläuterung der Vorgänge, welche zur Bildung des vierstangigen ungarischen Hirschgeweihes geführt haben. Zum Schlusse fügen wir auf S. 48, um einen Begriff von der Mächtigkeit des Haupt- schmuckes des dresdener Wapitis zu geben, die Maasse seines letzten Geweihes ausführlich bei. Die verkleinerte Abbildung genügt hierzu nicht. Auch ist immer noch zu bedenken, dass die richtige Messung eines so abnormen Geweihes mancherlei Schwierigkeiten bietet, besonders durch die widersinnige Krümmung der Enden. 48 GEWEIHBILDUNG DES DRESDENER WAPITIS. Maasse des letzten Geweihes des dresdener Wapitis. Basilarlänge des Schädels . . . N A Ar rail Grösste Schädelbreite über die Ansenköhlenndee u Abstand der Spitzen der Pan FE de Na: “ der ‚ersten‘ .Kronenenden’e& „02 a SD 5 der zweiten Kronenenden ff. 2. vu Er Länge der reehten Augsprosse;b- ©. 1a ss er ra ». .. der’ Iinken! Auesprosse 'D2 2 „2 me ee „ Ihres Nebenendes 5’ „ der rechten Eissprose ce . De a Array nk 5 6 VOR B „ des freien Theiles der linken ee ER BEN: 5 ihres mit der Staneenachse verwachsenen Basaltheiles 9 5 ».,. der ‚rechten, Mittelsprosse..d.r 2 2 pe 2 re ‚„. der'‚linken Mittelsprosse, d@ Ela u 2 BE ee „ „ihres hinteren Nebenendes dl. SS me en a EEE „ des rechten Kronenendes e „. des linken Kronenendes « ;s.. des rechten, Kronenendes ).. 2. na ra „ des linken Kronenendes f7 „ des Endes I der Nebenstange ..,.ı dessEindes Il der Nebenstanze 27 A Zr rer „ des Endes III der Ne i : BI „ seines mit der linken ne verwachsenen Bahn Umfang des rechten" Rosenstockes 77 Te es i der: verwachsenen lmken"Rosenstöcke, ME Er 4; der: echten "Rose. HE. EZ EM N EEE # der verwachsenen linken Rosen , n mm... 2 na. r: der rechten Stange oberhalb der Eissprosse En der linken Stange oberhalb des NebenendsI . . . . . 2... al 23 E. Die Ursachen der Entstehung mehrstangiger Geweihe. Haben wir gleich in dem vorhergehenden Abschnitte die Veränderungen einer Neben- stange von ihrem ersten Auftreten an bis zum Eingehen ihres Thägers verfolgen können, so ergiebt sich hieraus doch zunächst noch keinerlei Aufklärung über die Ursachen, die dem Auf- treten einer solchen Bildung zu Grunde liegen. Diese müssen wir vielmehr theoretisch zu erschliessen suchen. Zunächst müssen wir festhalten, dass die Fähigkeit, Exostosen zu erzeugen, allen Knochen oder, besser gesagt, deren Knochenhaut, ihrem Periost, zukommt. Denn für den vorliegenden Fall kommen eben nur die periostalen Exostosen in Frage. Dafür, dass die beschriebenen abnormen Neubildungen etwa parosteale, frei im Bindegewebe entstehende und erst nachträglich dem Knochen anwachsende Exostosen wären, dafür haben meine Untersuchungen auch nicht den geringsten Anhaltspunkt ergeben. Ursprünglich knorpelig präformirte Exostösen können sie ferner nicht sein, da das sie erzeugende Stirnbein selbst nicht knorpelig präformirt, sondern ein Deckknochen ist. Die pathologische Literatur, besonders die auf den Menschen bezügliche, bietet zahlreiche Beispiele solcher periostalen Exostosen |vergl. Marcnann 42]. Es ist ferner sicher, dass die Fähigkeit, Exostosen zu bilden, in hohem Grade den Stirn- beinen der Cerviden zukommt und bei den meisten Arten, d.h. allen mit Ausnahme der Gatt- ungen Joschus und Hydrepotes, zur Geweihbildung führt. Dass diese Disposition am stärksten bei den Stirnbeinen der Männchen vorhanden ist und daher meist nur diese Geweihe bilden, ist ebenso bekannt. Dass sie aber keine specifische Eigenthümlichkeit der letzteren darstellt, geht schon daraus hervor, dass diese Fähigkeit auch bei manchen männlichen Individuen sonst geweihtragender Arten beschränkt sein kann: ich erinnere an die bekannten Plattkopfhirsche, d. h. jene geschlechtlich völlig potenten Hirsche, die trotzdem des eigentlichen Geweihes ent- behren. Anderseits giebt es aber auch Arten, bei denen die Weibchen gleichfalls regelmässig Geweihe oder Geweihrudimente bilden. Regelmässig trägt wirkliche Geweihe bekanntlich das weibliche Ren, Rangifer tarandus. Rudimentäre Geweihbildung. ist dagegen beim weiblichen Reh, Capreolus capreolus, so häufig, dass Rürmever |61, S. 42] sagen konnte: „Spuren von Rosen- stockbildung fehlen beim weiblichen Rehe nie und erlangen oft recht ansehnliche Stärke.“ Ich selbst habe die Richtigkeit dieses Ausspruches bereits vor längerer Zeit eingehend begründet Nitsche, Studien üb. Hirsche. I. 50 URSACHEN DER [ENTSTEHUNG MEHRSTANGIGER GEWEIHE, 51, S. 118] und durch Abbildungen erläutert. Auch habe ich bei dieser Gelegenheit nach- gewiesen, dass durchaus nicht etwa nur gelte Ricken Geweihrudimente bilden, das Auftreten der letzteren vielmehr unabhängig ist von der senilen Fortpflanzungsunfähigkeit, die ja in anderen Fällen, z. B. bei den hahnenfedrigen Fasanenhennen, die gewöhnliche Vorbedingung für die Annahme männlicher Charaktere abgiebt. Dass auch im anderen Arten gelegentlich rudimentäre (Geweihbildung bei weiblichen Stücken vorkommt, ist gleichfalls bekannt, z. B. bei Rothwild und Virgmischem Hirsche [19, S. 233]. Besonders stark ist diese Neigung zur Exostosen- bildung an demjenigen Theile des Stirnbeines, der sich von dessen äusserem und hinterem Winkel nach dem processus orbitalis hinzieht. Hier treten denn auch stets die normalen Rosen- stöcke auf, die, wie wir sahen, selbst wieder am häufigsten secundäre Exostosen bilden. Dass aber auch andere Theile des Stirnbeines der Cerviden Exostosen bezw. Geweihe bilden können, das hat uns der auf S. 21-—23 beschriebene und auf Taf. V Fig. 1—3 abgebildete Fall bei Cariacus virginianus gelehrt. Mit diesen Uonstatirungen hören aber unsere wirklichen Kenntnisse auf. Warum gerade bei den Cerviden und gerade an deren Stirnbeinen diese Neigung zur Exostosenbildung so stark auftritt, dass die aus solchen Exostosen hervorgehenden Geweihe Attribute der meisten Vertreter dieser Familie darstellen und für die Lebensführung der Art, meist als Waffen, eine hervor- ragende Bedeutung gewinnen, wissen wir einfach nicht und werden wir auch wohl kaum je ergründen. Eine allgemeine Eigenschaft des Stirnbeines der Wiederkäuer ist diese Neigung nicht, da, wie wir im Abschnitte F sehen werden, die Stirnzapfen der Cavicornier den Rosen- stöcken nicht homolog sind. Dagegen erscheint eine Untersuchung ‚der Frage, welche Reize es denn sind, auf welche die gewöhnlich keine Geweihe erzeugenden Theile der normalen Rosenstöcke oder des Stirnbeines überhaupt mit der Bildung von Exostosen, Nebenrosenstöcken oder Nebenstangen antworten, keineswegs aussichtslos. Die Anstösse, die im Allgemeinen zur Bildung von Exostosen führen, sind, abgesehen von erblicher, bei knorpelig präformirten Exostosen allerdings eine Rolle spielender Prädisposition, für die periostalen Exostosen Entzündung oder mechanische Beeinflussung der Knochenhaut. Dieser heiz kann entweder in einer dauernden oder wenigstens wiederholt auftretenden Zug- wirkung der Muskulatur oder in eimer einmaligen, traumatischen, wieder eine Entzündung ver- anlassenden Beeinflussung, z. B. Quetschung oder Verletzung, bestehen. Das bekannteste Beispiel für Exostosenbildang ist, bei Zugwirkung, das Auftreten von Knochenvorsprüngen und -kämmen an den Ansatzpunkten stark funktionirender Muskeln, bei Verletzung, die Callusbildung. Zur Bildung von Stirnbeinexostosen oder Nebenstangen schemen mir nun bei den Hirschen meist Verletzungen der Knochenhaut den Anstoss zu geben. Für diese Annahme spricht zunächst der Umstand, dass solche Neubildungen, wenngleich nicht ausschliesslich, so doch am häufigsten an solchen Stellen entstehen, die bei den Kämpfen der Hirsche den Stössen des gegnerischen Geweihes stark ausgesetzt sind. Sahen wir doch, dass meist gerade die Vorder- und Aussenseite der Rosenstöcke solche Nebenstangen trägt, während die beim Kampfe geschütztere, wenngleich nicht immune Hinter- und Innenseite derselben seltener solche Bild- ungen aufweist (vergl. übrigens S. 28 u. 8. 33). Dass aber auch in diesen Fällen eine Ver- letzung der Grund der Nebenstangenbildung ist, dafür spricht die auf Taf. X Fig. 2d abgebildete URSACHEN DER ENTSTEHUNG MEHRSTANGIGER GEWEIHE. 51 und auf 8. 29 beschriebene abnorme Furche, die an dem linken Rosenstocke des Lohmener Rehgeweihes sichtbar ist. Dass der durch eine einmalige Verletzung angeregte Vorgang dann mit der einmaligen Bildung nieht beendigt ist, sondern durch Jahre fortdauert, und die Exo- stose hierbei zu einer wirklich gefesten und späterhin natürlich auch abgeworfenen und wieder ergänzten Nebenstange wird, das ist als eine specielle Figenthimlichkeit des Stirnbeines der Cerviden zu betrachten, die wir, wie ich oben auseinandergesetzt, einfach als gegeben hin- nehmen missen. Ob in dem Falle der Nebenstangenbildung bei dem Wapiti des dresdener zoologischen Gartens eine Verletzung des linken Rosenstockes wirklich stattgefunden hat, ist mit Sicherheit nicht zu ermitteln. Wohl aber hat diese Annahme eine grosse Wahrscheinlichkeit für sich, da der Hirsch mit abgesägtem Geweihe in den Garten kam, und eine solehe Operation reichliche Gelegenheit zu Verletzungen giebt. Dass das Auftreten der Nebenstange nicht gleich bei dem ersten, auf das Abwerfen der Stangenstümpfe folgenden Aufsetzen bemerkbar war, spricht kemeswegs gegen diese Annahme, da ja die erste Anlage der Neubildung sehr wahr- scheinlich auch hier zunächst eine kleine, von der Haut verdeckte Exostose war, wie z. B. bei dem auf 8. 33 in der Textfigur 4 abgebildeten, starken Rothhirschgeweih, und sehr wohl angenommen werden kann, dass dieselbe erst in der zweiten, auf diese Verletzung folgenden Wucherungsperiode des Stirnbeines zu einer eigentlichen Stange heranwuchs. Es wäre dies — hierauf machte mich Herr Medieinalrath Professor Dr. Jose in Dresden aufmerksam — ein Analogon zu dem öfters beobachteten Falle, dass pathologische Neubildungen der Uterus- wandung gerade zur Zeit der Menstruation, also in den Perioden stärkerer Hyperämie, ein sehr viel stärkeres Wachsthum zeigen als in den zwischenliegenden Zeiträumen. Ich erinnere ferner daran, dass Wiruerm Brasıus [11] einen Fall beschrieben hat, in welchem die mechanische Verletzung, welche die abnorme Stangenbildung verursachte, nach- weisbar war. Allerdings hat dieser Fall keine direkte Beziehung zur Bildung von Neben- stangen. Es handelt sich vielmehr um eine längere Zeit in Böhmen gefangen gehaltene, rechts- seitig geweihte, durchaus normale Geschlechtstheile zeigende Ricke, die schliesslich in den Berrrans’schen Thiergarten zu Braunschweig kam und dort verendete. Die abnorme Stellung der eine rosenlose Gabel darstellenden Stange habe ich bereits auf 8. 22 u. 23 erwähnt. Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass „von hinten her an der Basis der Stange in die Substanz der- selben ein Fensterglassplitter!) von etwa rhombischer Form in senkrechter Stellung etwa zur Hälfte eingewachsen erscheint, von dem ein dreieckiges Stück von 1,2—1,3 em grossen Seiten etwa 1,1 cm weit nach hinten frei vorragt. Dieser Glassplitter liegt unmittelbar über dem den Stirnzapfen vertretenden Knochenwulste des rechten Stirnbeins und über den vorderen Theilen des rechten Scheitelbeines, in welchem die Spitze des Glases sogar durch den Druck eine kleine Vertiefung verursacht zu haben scheint. Bei diesem Befunde erscheint es dem Vortragenden (W. Brasıus) wahrschemlich dass, ..... . die Gehörnstange als das Produkt des von dem Glas- splitter in der Knochenhaut hervorgerufenen Reizes, mithin als ein Knochenauswuchs (Exostose) 1) Beiläufig sei hier bemerkt, dass ich einen Vorgang kenne, der als Analogon herbeigezogen werden könnte, wenn es sich um Beantwortung der Frage handelt, wie denn der Fensterglassplitter in die Kopfhaut der zahmen Ricke gelangte. Ein mir persönlich bekannter, noch jetzt in einer sächsischen Oberförsterei gehaltener Rehbock, der zwar, solange er sein Geweih trägt, wegen seiner Bösartigkeit in einem Zwinger eingeschlossen bleibt, nach dem Abwerfen aber alljährlich auf einige Monate zum zahmen Hausgenossen wird, sprang vor einigen Jahren von der Küche aus durch die splitternden Scheiben des geschlossenen Fensters und Doppelfensters in den Hof hinaus und zwar ohne wesentliche Verletzung. 52 URSACHEN DER ENTSTEHUNG MEHRSTANGIGER GEWEIHE. anzusehen ist, der nur deshalb das Bild der Gehörnstange angenommen hat, weil der Reiz ungefähr an derselben Stelle stattfand, wo beim Rehbock die Gehörne sich zu entwickeln pflegen“. Wenigstens zur Erklärung des Auftretens von Nebenstangen des Typus III, nämlich an der Seitenfläche eines normal bleibenden Rosenstockes, scheint mir bereits die Annahme kleinerer, localer Verletzungen der Beinhaut, wie sie im Freien beim Kämpfen vorkommen, völlig zu genügen. Dagegen dürften stärkere Verletzungen nothwendig sein, um das Auftreten von Nebenstangen der drei übrigen Typen zu veranlassen. Die Fälle, in welchen bereits beim Erstlingsgeweihe der Rosenstoek sich in zwei Aeste spaltet und nun zwei gleichwerthige Stangen statt einer trägt, dürften mit Sicherheit auf starke, in früher Jugend stattgefundene, mechanische Beeinflussungen der Rosenstockanlange zurück- zuführen sein, da ja in allen auch der Rosenstock selbst abnorm ist. Noch stärkere Verletzungen muss man aber annehmen, um die Erscheinung zu erklären, dass eine Stange sich derartig in zwei Theile spaltet, dass der hintere der Stangenachse nebst oberen Enden, der vordere dagegen der Augsprosse entspricht, wie dies bei den Nebenstangen des Typus IV der Fall ist. Hierbei muss man im Auge behalten, dass bei allen Hirschen mit tiefstehender Augsprosse, also besonders beim Rothhirsch, schon von der zweiten Geweihbildung an eine Neigung zur Gabelbildung besteht, die sich zunächst in dem Auftreten der Augsprosse äussert. Die Neubildung, die von nun an alljährlich auf der runden Abwurflläche entsteht, ist also in ihrer vorderen Hälfte zur Erzeugung der Augsprosse, in ihrer hinteren Hälfte zur ürzeugung der Stangenachse disponirt. Diese Disposition führt denn auch bekanntlich stets sehr bald dazu, dass die Neubildung sich m der Richtung von vorn nach hinten verlängert, wie dies z. B. Sömnmeriıne [72, Taf. II, untere Figur] abbildet. Eine Verletzung, welche zu diesem Zeitpunkte die vordere Hälfte des Kolbens von der hinteren tief abspaltet, kann daher, wie mir scheint, schr wohl veranlassen, dass in den Folgejahren die vordere und die hintere Hälfte des Rosenstockes getrennte Bildungen erzeugen. Ich bin also geneigt, die Entstehung der Nebenstangen des Typus IV auf Verletzungen zurückzuführen, die verhältnissmässig spät im Leben des Einzelindividuums, auf jeden Fall nach dem Abwurf des Erstlingsgeweihes erfolgen. Anhaltspunkte zu Vermuthungen, wie die auf S. 21 u. 22 beschriebene und auf Taf. V abgebildete, auf dem Augenhöhlenrande stehende Nebenstange vom Virgimischen Hirsche ent- standen sei, fehlen mir. Doch dürfte auch hier eine Verletzung den Anstoss gegeben haben. Dagegen ist mir ein anderer Fall bekannt, in welchem an einem eigentlich nicht zur Geweihbildung regelmässig prädisponirten Theile des Stirnbeins rudimentäre Nebenstangen sicher in Folge von Verletzungen entstanden. Dass ich die Beschreibung desselben nicht sofort der Beschreibung des eben erwähnten Geweihes des Virginischen Hirsches anschloss, kommt daher, dass die Schilderung dieses Geweihes ohne gleichzeitiges Eingehen auf seine Entstehungs- ursache unmöglich ist und daher besser erst jetzt erfolgt. Das fragliche Objekt ist ein starkes Rothhirschgeweih mit monströser rechter Stange im Besitze von Herrn Oberforstmeister Zscumner in Zschopau. Der Träger dieses Geweihes, das ohne Holzplatte, in dem jetzigen ausgetrockneten Zustande 2,65 Ay wiegt, wurde im Monat Januar 1895 auf dem damals von lHerrn Zsennmer verwalteten königl. sächsischen Staats- forstreviere Königstein erlegt. Er war gut bei Wildpret und wog aufgebrochen ungefähr zwei WN! Das KÖNIGSTEINER HiRSCcHGEWEI. 5: Centner. Nach Entfernung der Haut zeigte sich an dem ausgeschlagenen Schädel, vor der rechten Stange auf der in Fig. 3 auf Taf. VIII mit emem Stern bezeichneten Stelle ein starkes, in das Stirnbein eingewachsenes Schrotkorn. Hieraus kann man folgern, dass längere Zeit vor dem Anschuss, in Folge dessen er schliesslich erlegt wurde, ein Schrotschuss von unberufener Hand auf das Haupt dieses Hirsches abgegeben wurde, der zwar nicht tödtlich war, wohl aber einen Absturz veranlasste, bei dem, wie die abnorme Stellung der rechten Stange zeigt, der Rosenstock ausbrach. Zu solchem Absturz bietet das sehr felsige Terrain des Königsteiner Revieres reichlich Gelegenheit. Trotzdem kam, so muss man annehmen, der Hirsch wieder hoch, heilte die Verletzung aus, warf ab und setzte von nun am rechtsseitig monströs auf'). Dass das bei der endlichen Erlesung getragene Geweih dasselbe sei, das er bei Empfang des Schrotschusses trug, ist mir unwahrscheinlich. Ich glaube vielmehr vermuthen zu dürfen, dass zwischen diesem Unfall und der Erlegung wenigstens ein einmaliger Geweihwechsel liegt. Die Gestalt der monströsen rechten Stange weist nämlich deutlich darauf hin, dass diese sich erst dann bildete, als ihr Rosenstock bereits in der abnorm horizontalen Stellung, in die er durch das Herausbrechen kam, festgewachsen war. Auch wäre sie sonst nicht so gut vereckt und geperlt, und der Hirsch würde schliesslich nicht so gut bei Wildpret gewesen sein. Auch scheint mir die Annahme ausgeschlossen, dass der Unfall etwa stattgefunden habe, als der Hirsch noch weiche Kolben trug. Dann wäre die Stange, aber nicht der Rosenstock gebrochen. Jagdlich ist der Hirsch anzusprechen als ein starker, ungerader Achtender. Die linke Stange (Taf.VIII, Fig.1) trägt vier Enden. Von einem normal gestellten, sehr starken und ziemlich kurzen Rosenstocke, der dieht unter der gut geperlten Rose 18 cm Umfang hat, erhebt sich eine der Anlage nach völlig normale, 78 cm lange Stange mit starker, 17 cm langer, sehr gut geperlter, an der Spitze aber etwas abgekämpfter Augsprosse «a, über der als sogen. „blendendes Ende“ die Andeutung einer Eissprosse d steht, die aber zu kurz ist, als dass sie jJagdlich als besonderes Ende gezählt werden könnte, ferner eine normale Mittelsprosse ce von 15 cm Länge. Bis zu deren Ansatze ist die Stange gut geperlt. Auf der Oberseite der Mittelsprosse und auf dem nun folgenden Endabschnitte der Stangenachse fehlt jede Perlung. Die Geweihsubstanz ist hier zwar völlig gefegt und tief gebräunt, hat aber eine mehr poröse Struktur, und die Gabel, in welche das Ende der Stangenachse, wie bei jeder normalen Achterstange, ausläuft, ist zwar auch gebräunt, aber gleichfalls porös. Das vordere, die Fortsetzung der Stangenachse darstellende Ende ist ein unvereckter Stummel und zeigt daher eine etwas vertiefte abgestutzte Endfläche. Das hintere nur 4 cm lange Ende / der Gabel, das, in Fig. 1 völlig verdeckt, nur in Fig. 2 deutlich erscheint, ist gleichfalls unvereckt und an ihm hängen noch grosse Fetzen vertrockneten Bastes (g). Diese unfertige Beschaffenheit der oberen Hälfte der Stange, die keimeswegs auf vorzeitige Erlesung zurückgeführt werden kann, deutet auf ein noch bei der Erlesung fortdauerndes, mässiges Kiimmern des Hirsches. Die rechte Stange ist dagegen völlig abnorm. Zunächst hat ihr Rosenstock nicht die normale Stellung, sondern ragt mehr, wie der Rosenstock eines Elchgeweihes, nach aussen und !) Einen ähnlichen Fall von Rosenstockbruch, durch den die Stange in eine horizontal nach aussen gerichtete Stellung gerieth, beschreibt übrigens M. Schmipr, [66, S. 102]. Dass es hier allerdings nicht zur Bildung einer Monstrosität kam, ist da- durch erklärt, dass der Patient, ein Schweinshirsch, Cervus (Hyelaphus) poreinus, des zoologischen Gartens zu Frankfurt a, M., gleich in Behandlung genommen und die Stange mit Draht derartig an die der anderen Seite befestigt wurde, dass sie nach rasch verlaufender Heilung wieder andauernd normal stand. H4 Das KÖNIGSTEINER HirscHhsEwEim. biegt sich schliesslich sogar etwas nach unten (Fig. 1). Er ist nach der Rose zu etwas erweitert und hat unter derselben 18 cm Umfang. Von ihm geht nach unten eine kurze, 9 cm lange, ‚abwärts gerichtete und in einen gewissermassen beutelförmig herabhängenden Stumpf endende Stange ab, die sehr gut geperlt, völlig vereckt, gefegt und gebräunt ist (Fig. 1: u. Fig. 5«c) und eim bei horizontaler Stellung der Kopfachse senkrecht emporstehendes, leicht ge- schwungenes, sehr gut verecktes, gebräuntes, gut geperltes und an der Spitze weiss gefegtes, also völlig reifes Ende trägt (Fig. 1% u. Fig. 5d). Es misst nicht weniger als 55 cm und muss seiner ganzen Gestaltung nach als Ersatz der Augsprosse angesehen werden. Der ganze an den Rosenstock nach Innen angrenzende "Theil der Oberfläche des rechten Stirnbeins, der in Fig. 3 durch die Buchstaben a, b, c, d, e bezeichnet ist, erscheint als die Fläche eines ver- heilten Knochenbruches, aus der wohl, wie ich schon sagte, durch einen Sturz die rechte Stange mit breiter, splitteriger Basis ausgebrochen ist. Durch diesen Bruch ist der normale Rosen- stock sammt Stange in eine nach aussen geneigte Lage gebracht worden und in dieser Lage verheilt. Dies zeigt sich namentlich auch bei der Betrachtung des Geweihes von hinten (Fig. 5) und unten (Fig. 6). Hier erscheint zwischen dem Rosenstocke und dem Schädeldache eine tiefe Spalte mit zackigen Bruchrändern (Fig. 5e und Fig. 6a), da hier wegen der vorliegenden Mus- kulatur die nach unten verschobene Basis des abgebrochenen Rosenstockes nicht mit dem Scheitelbeine verheilen konnte. Dass auch weitere pathologische Processe eintraten, zeigt sich ferner bei Betrachtung der Schädelhöhle, deren Wandung (auf Fig. 6 unter der durch 5 bezeichneten Stelle hindurch) von einem fingerstarken Loche perforirt wird, das an dem macerirten Schädel mit der oben erwähnten Spalte (Fig. 5eu. Fig. 6a) im Verbindung steht, im Leben aber wohl wahrscheinlich mit mehr weniger festem Narbengewebe erfüllt war. Sowohl auf der Oberseite wie auf der Unterseite sieht man deutliche Spuren der Bruchheilung als vertiefte Furchen (Fig. 39, Fig. 6c). Von besonderer Wichtigkeit für meine Betrachtungen sind aber Neubildungen auf der Oberfläche des Schädels. Nach aussen von der vernarbten Bruchtläche (Fig. 3a bc de) stehen zwei höckerige Erhabenheiten, A und D, in Fig. 4 in natür- licher Grösse abgebildet, welche durch eme Furche x von einander getrennt sind. 4 stellt einen flachen, von dem Ursprunge des Rosenstockes nach oben und hinten verlaufenden, 10 mm dicken Vorsprung dar, der von « bis y 22 mm misst. Der in der Fig. 4 farbig angelegte Theil desselben ist glatt und auf seinem oberen Ende gebräunt, d. h. wirklich gefegt. Die . zweite Erhabenheit 3 erscheint als ein flacher, mit abgerundeten Knoten bedeckter Knopf, der von ® bis z 30 mm, von v» bis ww 20 mm misst und bei v» einen ungefähr 3 mm über die Basis nach aussen vorstehenden Rand besitzt. Dieser Knopf zeigt gleichfalls eine Oberflächen- beschaffenheit, die deutlich ein Fegen erkennen lässt. Auch diese Erscheinung wird durch die oben als wahrschemlich bezeichnete Annahme erklärt, die ganze Missbildung sei durch einen Rosenstockbruch verursacht, der die rechte Stange mit breiter splitteriger Basis von der Schädeldecke abgehoben hat. Beim Herunterbrechen der rechten Stange nach aussen musste der mediale Rand der breit abgespaltenen Rosenstockbasis die Stirmhaut emporheben und wahrscheinlich in einer der Strecke y 2 auf Fig. 4 entsprechenden Wunde durchbrechen. Der so frei zu Tage liegende Knochenrand verhinderte aber zunächst die Verheilung dieser Verletzung der Weichtheile. Heilung konnte erst erfolgen, als durch einen nekrotischen Process die vor- stehenden Knochensplitter abgestossen oder in Folge einer granulirenden Ostitis resorbirt waren. Wiire ein ähnlicher Bruch und eine ähnliche Heilung an irgend einem anderen Knochen ent- standen, so wäre hiermit sehr wahrscheinlich der ganze Vorgang abgeschlossen gewesen. Das Dis NATHVERBINDUNGEN DES HirscHhscHÄDELS. 55 Stirnbein der Hirsche hat aber, wie oben gezeigt wurde, eine Prädisposition, auf Verletzungen durch Bildung von Exostosen zu antworten, und das letztere bedeckende Integument besitzt die Neigung spitzenwärts abzusterben und zu vertrocknen. Daher erscheint erklärlich, dass diese Prädisposition hier auch an der Heilungsstelle des Bruches auftrat und zur Bildung zweier ganz flacher Nebenstangen führte, die alsbald auch gefegt wurden. Sie würden dann wahr- scheinlich auch gleichzeitig mit den Hauptstangen abgeworfen worden sein, ja, sind vielleicht schon früher ein- oder mehrmal abgeworfen. Dass so flache Stangenrudimente wirklich auch abgeworfen werden können, haben wir bereits oben (S. 19 und 31) gezeigt, und verweise ich hier nochmals auf die beiden auf Taf. IX Fig. 3 u. 4 und Taf. X Fig. 7—9 abgebildeten, ähnlich rudimentären Abwürfe. Endlich möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass die Art und Weise, wie die Stirnbeine der Hirsche mit den umgebenden Kopfkuochen verbunden sind, sehr dafür spricht, dass wirklich, bei gewaltsamen Stössen auf die Basis einer vereckten Stange, unter Umständen der Rosenstock mit breiter Bruchfläche aus der Schädeldecke herausgehoben werden kann. 3etrachten wir zu diesem Zwecke die Nahtverbindungen des Stirnbeines an emem in der Medianebene durchge- schnittenen Schädel. Zunächst fällt die grosse Verschiedenheit auf, welche zwi- schen der äusseren und inneren Begrenz- ung der einzelnen Knochen besteht. Um hier genaue Resultate zu erlangen, muss man den Verlauf der Innenlinien auf die Aussenfläche projieiren. Es ist dies leicht möglich, wenn man die Haupt- punkte der Innengrenzen mittelst feiner Bohrlöcher auf der Aussenfläche kenntlich macht und diese Hauptpunkte dann durch farbige Linien verbindet, wie dies in Fig. 7 wiedergegeben ist. Doch erreicht man hierdurch den Zweck noch nicht vollkommen, da ein Theil des Stirnbeines weder auf der Innen- noch auf der Aussenfläche des Schädels sichtbar wird, vielmehr in oder zwischen andere Knochen Big. 7. eingekeilt ist. Es muss also noch die Betrachtung eines gesprengten Schädels hinzutreten. Die Sprengung ist übrigens nur an einem jungen und noch dazu sehr lange und stark mace- rirten Schädel, dessen Nahtknorpel dureh die Fäulniss gelöst wurden, möglich und gelingt auch bei diesen meist nur unvollständig. In der Profilansicht auf Fig. 7 wird äusserlich das linke Stirnbein begrenzt durch die starke schwarze Linie abedefghikla. Die punktirten Flächen A und B bezeichnen die @Querschnitte des Rosenstockes und des behufs Klarlegung des Keil- beinflügelumrisses abgeschnitten gedachten processus zygomatieus. Die Linie ede fg stellt die sutura coronalis dar, in der sich äusserlich das Stirnben mit dem Scheitelbeine verbindet. Diese Linie ist aber von der Schädelhöhle aus nicht sichtbar. Auf der Innenseite wird die Grenze zwischen Stirnbein und Scheitelbein vielmehr nur gebildet von der roth eingezeich- neten Linie cf. Die wahre, erst am herausgesprengten Stimmbein erkennbare Ausdehnung des- selben nach hinten, deckt sich aber mit keiner dieser beiden Linien, wird vielmehr dargestellt durch die zum Theil punktirte Linie cedeomg. Dies wird erklärlich, wenn wir die äusseren und 56 Die NAHTVERBINDUNGEN DES HirscHscHÄDELS. inneren Umrisse der linken Scheitelbeinhälfte und den inneren Umriss des Augenhöhlenflügels des Keilbeincs betrachten. Der äussere Umriss der linken Scheitelbeinhälfte wird begrenzt durch die schwarze Linie cdefgnpgrec, wobei rc eben keine wirkliche Grenze, sondern die Profillinie der Scheitelbemkrümmung oder die ursprünglich vorhandene, aber sehr bald ver- wachsende sutura sagittalis darstellt. Der innere Umriss der linken Scheitelbeinhälfte wird dagegen dargestellt durch die rothe Linie rpsnm fe. Hieraus folgt, dass der äusserlich sicht- bare, unregelmässig dreieckige, durch die Linie ede fc begrenzte Theil des Stirnbemes innerlich unterlagert wird von einem gleich grossen Theile des vorderen Scheitelbeinrandes, dagegen sein weder von aussen noch innen sichtbarer, in der Abbildung senkrecht schraftirte Theil eomfe zwischen ein äusseres und ein inneres Blatt des vorderen Scheitelbeintheiles eingekeilt ist. Der Umriss des vorderen Keilbeinflügels erscheint auf der Aussenseite der Augen- und Schläfen- höhle in unserer Zeichnung lediglich nach unten von der Linie !kihgt. Auf der Innenfläche der Schädelhöhle wird er dagegen begrenzt von der rothen Linie ivofmnst. Der Keilbein- flügel wird daher nach aussen durch das Stirnbein überlagert auf dem durch die Linie vuv fyhi begrenzten Theile. Ausserdem schiebt sich aber über den überlagernden Theil des Stirnbeins mg, noch der entsprechende, am weitesten nach vorn reichende, seitliche Lappen des Scheitel- beines vor, sodass auf dieser, in der Zeichnung horizontal schraffirten Stelle das Stirnbein nach innen von dem Keilbeinflügel unterlagert, nach aussen von dem Scheitelbein überlagert wird. Es überlagert ferner die Schläfenbeinschuppe, die auf der Aussenfläche nach vorn und oben durch die Linie tgnpg begrenzt wird, auf der Strecke ynstg den Keilbeinflügel, auf der Strecke npsn das Scheitelbein. Wir sehen also, dass durch die eben geschilderten Ueberlagerungen und Einkeilungen eine ganz besonders starke und feste Verbindung der Stirnbeinränder nach hinten und aussen erreicht ist, die speciell die untere Tafel des Stirnbeines betriftt. Der Rosenstock ist dagegen eine direkte Fortsetzung der oberen Tafel des Stirnbeines. Trifft daher ein Stoss den Rosenstock so, dass er nicht selbst durehbrieht, sondern in seiner Basis erschüttert wird, so ist zu vermuthen, dass zunächst die aus schwammiger Knochensubstanz gebildete Diplo@ nachgeben und splittern wird, während die obere Tafel mit der Rosenstockbasis, die untere Tafel mit dem übrigen Schädeldache vereinigt bleibt. Dass übrigens durchaus nicht etwa immer das Abbrechen einer Stange in der eben eschilderten Weise erfolgen muss, ist wohl bekannt. Denn einerseits gehören Stangenbrüche gar nicht zu den Seltenheiten, — ich erinnere an die beiden auf Taf. I Fig. 5 und Tat. III Fig. 6 abgebildeten abgekämpften Stangen — andererseits sind Rosenstockbrüche, die dann mitunter, bei Heilung mit falschem Gelenke, zur Bildung der bekannten beweglichen Stangen führen, öfters beobachtet. Schliesslich kenne ich noch emen Fall, in welchem die eine Stange mit einem Stück Stirnbein in seimer ganzen Dicke so herausgebrochen wurde, dass das Gehirn zu Tage lag. Letztere Art des Abbrechens ist aber gewiss die seltenste, und sie scheint bei dem betreffenden zahmen Perrückenbocke nur deshalb erfolgt zu sein, weil er m Folge ungenügender Kalkzufuhr überhaupt an einer Art Osteomalacie litt. Die geschilderte teste Verbindung des Stirnbeines der Hirsche mit den anderen Schädel- knochen scheint mir übrigens, um mit Wırnern Rovx zu reden, als functionelle Anpass- ung aufgefasst werden zu missen, also als das Ergebniss „einer zweckmässig gestaltenden Wirkungsweise der Funktion auf das sie vollziehende Subtrat“ [59, S. VII]. Denn diese Ueber- x -1 ERBLICHKEIT ABNORNER GEWEIHFORMEN. 4, lagerung der Schädelknochen über und Einkeilung in einander scheint eime Eigenthümlich- keit der Cerviden zu sein, deren meist verhältnissmässig lange Geweihe gegen deren distale Theile geführte Stösse durch Hebelwirkung verstärkt auf die Schädeldecke übertragen. Auch ist bekannt, dass die Sprossen der Geweihe sich beim Kämpfen oft so stark in einander einhängen, dass bei den stürmischen Versuchen der Kämpfer, wieder ausemander zu kommen, langdanernde und sehr heftige Zugwirkungen auf die Geweihbasen und die sie tragenden Stirnbeine ausgeiibt werden. Ob ähnlich starke Schädelknochenverbindungen auch bei den sehr lang gehörnten Anti- lopenarten vorkommen, darüber kann ich leider keine Auskunft geben. Doch glaube ich dies kaum, da ja der Mangel der Sprossenbildung Verkämpfungen der Antilopenhörner verhindeit. Aus eigener Anschauung kann ich aber aussagen, dass bei der Gemse, deren gebogene Krikel- spitzen unter Umständen wenigstens eine gelegentliche Zugwirkung auf die Krikeln des Kampf- gegners möglich erscheinen lassen, eine ähnliche Festigkeit der Schädelconstruction nicht besteht. Bei der Gemse deckt sich der Nahtverlauf an der Aussenseite des Schädels fast voll- ständig mit dem auf seiner Innenseite sichtbaren. Interessant wäre es auch, beiläufig bemerkt, zu untersuchen, wie sich die Fügung des Schädeldaches bei den Wildschafen verhält, deren oft geradezu riesige Hornbildungen wieder in ganz anderer Weise, nämlich als gewaltigste Stosswaften, beim Kämpfen verwendet werden. Beachtenswerth ist ferner die Thatsache, dass die feste Fügung des Schädeldaches bei den Cerviden, welche, insoweit sie sich in der hohen Stellung der Grenze zwischen Schläfen- schuppe und Scheitelbem ausdrückt, von V. Brooke |16, S. 885] geradezu als specifisches Merk- mal des Cervidenschädels dem Bovidenschädel gegenüber in Anspruch genommen wird, dureh- aus nicht etwa auf die männlichen Stücke beschränkt ist, von denen sie doch auf dem Wege funetioneller Anpassung allein erworben sein kann. Die Eigenschaft ist also auf erblichem Wege auf die Familie in ihrer Gesammtheit übergangen. Es empfiehlt sich daher noch kurz zu untersuchen, ob bei dem Vorkommen mehrstangiger Hirsche die Vererbung eine Rolle spielt. Im Allgemeinen ist allerdings nicht zu leugnen, dass die Entstehung der normalen Geweihe auch bei den Einzelindividuen auf eine vererbte Disposition zurückgeführt werden muss. Es geht dies daraus hervor, dass in manchen Fällen ein Einfluss des Vaters auf die Geweihbildung wirklich nachweisbar ist. Ich erwähnte schon oben die in gut besetzten Wildbahnen und namentlich m Thiergärten leider mitunter auftretenden Plattkopfhirsche. Es sind dies gewöhnlich starke Rothhirsche, bei denen die Geweihbildung auf schwache Rosen- stockrudimente beschränkt ist. Mit ihrer geschlechtlichen Entwickelung hängt dieser Mangel in keiner Weise zusammen, denn sie sind leider durchaus fortpflanzungsfähig, treten trotz des Mangels eines Geweihes häufig als Platzhirsche'!) auf und vererben, wie vielfache jagdliche Erfahrungen gezeigt haben, die Geweihlosigkeit öfters auf ihre Nachkommen. Desgleichen kann die Thatsache, dass mitunter in ein und demselben Reviere dauernd nebeneinander ver- schiedene Geweihformen vorkommen, z. B. im Revier Rehefeld im Erzgebirge breit und schmal ausgelegte Rothhirschgeweihe, nur auf Vererbung zurückgeführt werden. Ob aber die uns hier speciell beschäftigende Abnormität, das Auftreten mehrstangiger Geweihe, wenigstens in einzelnen Fällen auf vererbter Disposition beruht, ist noch völlig unklar. !) Unter Platzhirsch versteht man den stärksten Hirsch eines Reviertheiles, der auf [dem dort gelegenen Brunftplatze keinen Nebenbuhler duldet. Der Platzhirsch ist also der Vater der meisten auf diesem Brunftplatze gezeugten Kälber. Nitsche, Studien üb. Hirsche. I. (>) 58 EERBLICHKEIT ABNORMER GEWEIHFORMEN. Wirklich beobachtet ist ein Fall solcher Vererbung noch nicht und könnte auch wohl nur bei in enger Gefangenschaft gehaltenen Exemplaren beobachtet werden, da bereits in Thiergärten die sichere Feststellung des Vaters eines bestimmten Kalbes kaum möglich ist. Erwähnens- werth ist daher, dass meines Wissens unter den zahlreichen Nachkommen, die „Robert“ im zoologischen Garten zu Dresden zeugte, keiner die Mehrstangigkeit des Vaters geerbt hat. Ferner könnte man in dem Falle an eine Vererbung denken, wenn die Duplicität der An- lage gleich beim Kalbe auftritt, z. B. bei dem Bockkalbe aus Baden, dessen Schädeldecke ich auf Tatel IV, Fig. 2 abgebildet und auf S. 23 beschrieben habe. Wir müssen hierbei im Auge behalten, dass der Nachweis einer etwa schon beim Embryo vorhandenen Disposition zur Duplieität des- halb nicht möglich ist, weil die Geweihbildung sogar in ihren ersten Anfängen im Allgemeinen erst sehr spät im Leben des Einzelindividuums auftritt, z. B. beim Reh im 5ten und beim Rothhirsch durchschnittlich sogar erst im 10ten Lebensmonate. Ob hierin, wie R. v. Dongrowsky [22, S. 72] angiebt, das Ren wirklich insofern eme Ausnahme macht, als die Andeutungen der Rosenstöcke schon beim neu gesetzten Kalbe vorhanden sind, kann ich augenblicklich nicht entscheiden. Was die anderen hier beschriebenen Fälle von Mehrstangigkeit betriftt, so ist zu bemerken, dass möglicher Weise die von mir auf Taf. II Fig. 2 abgebildete Duplieität der linken Geweih- hälfte bei dem am 24. Februar 1896 auf Brunndöbraer Revier erlegten Spiesser auf Vererbung zurückgeführt werden könnte. Es ist nämlich denkbar, dass dieser Spiesser der Nachkomme des anderen mehrstangigen Hirsches vom Brunndöbraer Reviere wäre, dessen Geweih ich auf Taf. I Fig. 3 abgebildet habe, trotzdem letzterer am 8. August 1895, also früher als der Spiesser, erlegt wurde. Dieser Spiesser ist nämlich, wie sein typisches Erstlingsgeweih sicher beweist, im Frühjahr 1894 gesetzt. Seine Mutter wurde daher im Herbst 1893 beschlagen, also zu emer Zeit, als der monströse Sechsender noch am Leben war. Gegen diese Vermuthung der Vaterschaft spricht allerdings nicht nur der Umstand, dass der stärkere Hirsch im einem von dem Erlegungsorte des Spiessers 4 Kilometer weit entfernten Reviertheile stand und nach Ansicht des Herım Oberförsters Frreprıcn erst kurz vor seiner Erlegung in das Revier ein- gewechselt sein soll, sondern auch die 'Thatsache, dass die Duplieität der Stangen bei dem stärkeren Hirsche einem anderen Typus angehört, als die bei dem Spiesser. Etwas walrrschemlicher noch ist eme verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Trägern der beiden vom Elterleiner Revier im Erzeebirge stammenden, vierstangigen Rehgeweihe, die ich auf Taf. IV, Fig. 4 und Taf. X, Fig. 3—9 abgebildet habe. Beide wurden in einem Zwischen- raume von 8 Jahren in zwei benachbarten Abtheilungen erbeutet, zwischen denen das Reh- wild herüber und hinüber wechselt. Dagegen wechseln nach Mittheilung von Herrn Ober- förster Lemmann nur selten fremde Rehe ein. Der sehr alte, im vorigen Herbst erlegte Bock kann also ganz gut ein Nachkomme des S Jahre früher geschossenen sein F. Allgemein morphologische Vergleiehung der Hörner bei den verschiedenen Gruppen der ITufthiere, I. Die Geweihe der Cerviden. In der ganzen vorhergehenden Darstellung habe ich stets die überzähligen Stangen, die entweder primäre Auswüchse der Stirnbeine oder secundäre Auswiüchse der selbst wieder primäre "Auswüchse jener darstellenden Rosenstöcke sind, als den normalen Geweihen völlig homologe Bildungen aufgefasst. Es ist mir aber sehr wohl bewusst, dass ich mich hierdurch in Wider- spruch setze zu der gegenwärtig, besonders in der continentalen Literatur, als schulgerecht angesehenen, morphologischen Auffassung der Geweihe, die erst neuerdings wieder einmal ganz besonders scharf, aber leider ohne Beibringung neuer, thatsächlicher Beweise von F. Larasre [39] ausgesprochen wurde. Nach dieser sind nämlich die Geweihe Hautknochen. Entspräche diese Annahme der Wirklichkeit, so dürfte man natürlich die als direkte Aus- wüchse der Stirnbeine, als Apophysen oder Exostosen entstehenden überzähligen Stangen nicht als Aequivalente der wirklichen Geweihe ansehen. W. Brasıus handelt daher von diesem Stand- punkte aus völlig logisch, wenn er Hal I. 12] die oben bereits mehrfach erwähnte (S. 22 u. 51), durch eine mechanische Verletzung des Stirnbeines hervorgerufene abnorme Geweihbildung einer Ricke nicht als wirkliches Geweih, sondern als emen Knochenauswuchs ansieht, der „nur deshalb das Bild der Gehörnstange angenommen hat, weil der Reiz ungefähr an derselben Stelle stattfand, wo beim Rehbock die Gehörne sich zu entwickeln pflegen“. Ich muss also darlegen, warum ich diese gewöhnliche Auffassung der normalen Geweihbildung nicht annehmen kann. Als Hautknochen kann man meiner Ansicht nach nur solche Knochengebilde auffassen, die von einem im Integumente und zwar in der Cutis liegenden Össificationspunkte entspringen und, wenn überhaupt, erst secundär mit echten Skelettknochen verschmelzen. Diese Entstehungs- weise habe ich aber bisher bei dem Geweih niemals nachweisen können. Betrachten wir z. B. das Erstlingsgeweih des Rehbockes, so entsteht dieses stets als eine einfache Erhebung des Stirnbeines, die auch in ihren allerersten Anfängen auf Sägeschnitten Sx 60 MORPHOLOGIE DER CERVIDEN-GEWEIHE. keinerlei Abgrenzung gegen die äussere Tafel des Stiinbemes zeigt, sondern in dieselbe ohne Grenze übergeht. Die äussere Tafel des Stirnbeines wird vielmehr gewissermassen durch Ver- stärkung der Diplo@ vorgewölbt, die sehr bald eine grössere Festigkeit und geringere Poro- sität erhält und so das bildet, was man anfänglich die Knöpfe und späterhin die Rosenstöcke nennt. Auf Taf. XI, Fig. 4 ist ein mittlerer Zustand dieser Rosenstockbildung bei einem noch das vollständige Milchgebiss besitzenden, am 16. Oktober erlegten Bockkalbe auf dem Schnitte dargestellt, und zwar zur besseren Erkennung des Details etwas vergrössert. Das wirkliche, später gefegte Erstlingsgeweih entsteht ferner keineswegs aus einem, diesem Rosenstocke fremden, erst später sich ihm angliedernden und mit ihm verwachsenden, besonderen Össificationspunkte, ist vielmehr lediglich der apicale Abschnitt des Rosenstockes selbst, der erst dann ein besonderes Gebilde vortäuscht, wenn er sich nach Vertroeknung und Abstossung seines Integumentüber- zuges bräunt. Dies ist besonders gut bei den telemetacarpen oder, wie ich lieber sage, lang- balligen Hirschen [53, Anm. 2; vergl. auch 23], am besten bei dem Ren zu sehen, deren Erstlings- seweih, entsprechend ihrer schnelleren Entwickelung in der Jugend, auch schneller vereckt, dafür aber auch ganz glatt, ohne jede plastische Abgrenzung in den Rosenstock übergeht. Aber auch bei vielen plesiometacarpen oder, wie ich lieber sage, kurzballigen Hirschen ist dies deutlich zu sehen, am besten in unserer Sammlung wieder bei den bereits oben erwähnten (S. 4) zwei javanischen Spiessern von Üervus (Rusa) hippelaphus. An der T'hatsache, dass das Erstlings- geweih einfach die Spitze des Rosenstockes darstellt, wird auch dann nichts geändert, wenn, wie dies bereits mitunter beim Reh vorkommt, die Oberflächenstructur dieses Spitzentheiles von der des Rosenstockes durch Bildung von kleinen Erhabenheiten (beim Rothhirsch Taf. II Fig. 2) oder gar durch ‚unregelmässige Auftreibung, wie beim Damhirsche, verschieden wird. Eine innere Abgrenzung des dauernd vom Integument bedeckt bleibenden Rosenstockes von dem Erstlingsgeweih tritt erst dann ein, wenn sich der Vorgang des Abwerfens vorbereitet. Erst dann beginnt sich, wie dies nach Husrer und Lieserkunn am ausführlichsten Körnıker 36, S. 60], allerdings nicht gerade an Erstlingsgeweihen, nachwies, die „Demarcationslinie“ zu bilden, d. h. es entstehen in einer Querebene des Rosenstockes Erweiterungen der Haversischen Kanäle, die sich mit Osteoclasten füllen und in die Breite wachsend mit einander zu dem Resorptionssinus verschmelzen (Taf. XI, Fig. 2 u. 3a), der schliesslich unter Entgegenkommen einer ringförmigen, gleichfalls mit Osteoclastenbildung von dem Periost aus entstehenden, äusseren Furche am Rosenstocke schliesslich die Continuität der Stange dem Rosenstocke gegenüber so beschränkt, dass das Abwerfen bei geringer äusserer mechanischer Einwirkung eintritt. Auf die falsche Deutung dieser Demarcationslinie und des Resorptionssinus als Vereinigungsstelle zwischen Rosenstock und Stange sind meiner Ansicht nach alle jene Angaben zurückzuführen, in denen der Beobachter eme primäre, später angeblich verschwindende Nahtverbindung zwischen Stange und Rosenstock gesehen haben will. So sagt z. B. Burrox [17, 8.107]: „Apres avoir scib longitudinalement des dagues de chevrewil naissantes et le prolongement de los du front, jai separe los et la daque avec peu d’effort et jai vu de part et d’autre les dents et les cavites de la suture*. Der gegen diese meine Annahme nahe liegende Einwand, dass doch unmöglich Burrox ein vor dem Abfallen stehendes Erstlingsgeweih des Rehes mit einem eben entstehenden, mit einer „dague naissante“ verwechselt haben könnte, fällt völlig im sich zusammen, wenn man die früher über den Zeitpunkt des Abwerfens des Erstlingsgeweihes herrschenden Ansichten in Betracht zieht und bedenkt, dass sogar noch heute in wissenschaftlichen und weidmännischen Schriften die Angaben über den Zeitpunkt, in dem gerade der junge Rehbock sein Erstlingsgeweih abwirtt, u u nn A MORPHOLOGIE DER ÜERVIDEN-GEWEIHE. 61 nicht immer correct sind. Noch manchmal kann man die alte Anschauung wiedergegeben finden, dass das Erstlingsgeweih des Bockes erst m dem Herbst des auf das Geburtsjahr folgenden Jahres, also ungefähr im 15. Lebensmonate abgeworfen wiirde, während doch bereits seit längerer Zeit feststeht [vgl. C. A. Joseru 33 und H. Nrrscue 49 u 50], dass normaler Weise die meist äusserst kleinen, rosenlosen Erstlingsspiesse (Taf. XI Fig. 3) bereits am Anfange des zweiten Kalenderjahres, also ungefähr im 10. Lebensmonate abgeworfen werden, während die früher als Erstlingsgeweih betrachteten, mit einer deutlichen Rose versehenen, erst am Ende des zweiten Jahres abgeworfenen, stärkeren Spiesse eben bereits Bildungen vom zweiten Kopfe sind. Es konnte daher früher leicht das kleine Januar- oder Februar-Geweih eines starken, erst 10 Monate alten Böckchens für eine in der Entstehung begriffene Bildung angesehen werden, während es in Wahrheit bereits reif war und kurz vor dem Abfallen stand. Auch bei der nun folgenden Neubildung entsteht die Knochensubstanz des jungen Geweihes nicht etwa von einem gesonderten, erst später mit dem persistirenden Roren- stocke verwachsenden Össificationskern, geht vielmehr von dem Perioste des Rosenstockes aus, dessen Wundfläche zunächst durch eme von dem bereits während der letzten Stadien stärker anschwellenden oberen Rande des Rosenstockmtegumentes ausgehende Wucherung oder, um mich eines ursprünglich botanischen Ausdruckes zu bedienen, durch Ueberwallung geschlossen wird. Das Wiederaufsetzen des Geweihes ist also ein Regenerationsvorgang der Knochensubstanz, der nur deshalb vom Integumente auszugehen scheint, weil der Verschluss der entstandenen Wundfläche durch die zusammenwachsenden Integumentränder der Wundfläche die Bedingung dieser Regene- Oo ration ist. In Wahrheit ist es aber die Knochenhaut des Rosenstockes, von der aus die Neu- bildung des Knochens stattfindet, wie dies namentlich von L. Lasvors [38], sowie von Rozın und Herrmann [57] ganz deutlich festgestellt wurde Am klarsten tritt diese Unabhängigkeit der Neubildung des Geweihes von einem hypothetisch der Rosenstockwundfläche sich auflagernden und erst später mit ihr verwachsenden Hautknochen m Erscheinung bei der oben von mir kurz geschilderten Doppelköpfigkeit, d. h. in denjenigen Fällen, in denen die Neubildung beginnt, ohne dass iiberhaupt ein regelrechter Abwurf stattgefunden hätte. Hier geht der gewöhnlich nur zur Entstehung einer unterhalb der alten Rose liegenden, rosenartigen Neubildung führende Process auf das deutlichste vom Periost des obersten, dauernd von dem Integument bedeckten Rosenstockabschnittes aus, ist also eine periostale Exostose (vergl. S. 19 u. Taf. IX Fig. 1 u. 2), die gewissermassen unter der alten Stange hervorquillt und auch dann nicht eine secundäre Aut- lagerung eines Hautknochens an die Rosenstockperipherie erkennen lässt oder irgend eine Absrenzung gegen den ursprünglichen Rosenstock zeigt, wenn die alte Stange noch ganz fest sitzt. Ich sage noch, denn, wenn auch zweifelsohne bei vielen Fällen der Doppelköpfigkeit die Bildung der neuen Rose schon beginnt, wenn noch keine Spur des Resorptionssinus beim alten Geweili vorhanden ist, wie ich mich an zwei Längsschnitten solcher Bildungen überzeugt habe, so ist doch auch dann die Bildung dieses Resorptionssinus gewiss nicht auf die Dauer aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Es kann ja, wie aus dem Folgenden erhellt, überhaupt aus allgemeinen Gründen nicht angenommen werden, dass eine alte gefeste Stange dauernd von einem Hirsche oder Bocke getragen wird. Ferner kann ich in dem neuesten, zu meiner Kenntniss gekommenen Falle der Doppelköptiskeit bei einem Damhirsche direkt beweisen, dass auch wirklich die Bildung der neuen Rose unterhalb der alten gleich- zeitig mit der Entstehung eines Resorptionssinus stattfinden kann. Dieser Fall betrifft einen Damschaufler, der zu Rauden in Oberschlesien am 1. Juli 1898 von Sr. Durchlaucht dem 62 MORPHOLOGIE DER ÜERVIDEN-GEWEIHE. Herzoc v. Rarızor erlegt wurde. Dieser Hirsch hatte zwar sein vorjähriges Geweih, das normaler Weise schon längst hätte abgeworfen sein müssen, noch auf, und es quoll unter demselben beiderseits nur die noch völlig mit jungem Baste bedeckte neue Rose hervor. Nichtsdestoweniger war der Resorptionssinus zwischen der alten und neuen Bildung bereits soweit ausgebildet, dass, als der Schaufler beim Sturz nach dem Anschuss gegen einen Zaun stiess, die rechte Geweihhälfte sich emfach löste. Dass dies aber kein gewaltsames Abbrechen vom Rosenstocke war, sondern nur eine auf Grund bereits eingetretener Resorption der Knochensubstanz durch den Sturz bewirkte Ablösung, die wenige Tage später sicher von selbst eingetreten wäre, geht aus der Beschaffen- heit der beiden Abwurfflächen hervor, die beide deutlich die Howsmm’schen Lacunen zeigen. Die einfache Betrachtung der abgebrochenen Stange giebt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich dieselbe unter einigermassen abnormen Umständen loslöste. Bei meiner eben dargelegten Auffassung des morphologischen Werthes des Geweihes der Cerviden und des physiologischen Vorganges der Neubildung desselben kann ich natürlich auch nicht die Anschauung theilen, die, wenngleich meist unausgesprochen, sicher der land- läufigen Auffassung des Vorganges des Geweihwechsels zu Grunde liegt und darauf hinaus- läuft, dass der regelmässige, jährliche Verlust der Stangen gewissermassen en Ausdruck der Thatsache sei, dass das Geweih eben eim ursprünglich dem Kopfskelett fremder, erst nach- träglich mit ihm in Verbindung tretender und daher leicht wieder von ihm gelöster Theil sei. Diese Anschauung ist bereits sehr alt. Schon Gessser [eitirt nach Berruorw 9, S. 50] sagt: „Die andere (Ursache des Abwerfens) ist der Ort, dieweil sie (die Geweihe) nicht auf der Hirn- schale, gleichwie bei anderen hörmnichten Thieren, sondern allein aus der Haut herauswachsen*. Noch viel weiter geht Burrox [17, S. 89], wenn er bemerkt: „Le bois, dans le cerf, n’est done quune partie accessoire et pour ainsi dire, etrangere dı son corps, ume production qui m’est regardve comme partie animale que parce qwelle eroit sur un animal, mais qui est vraiment vegetale, puisqwelle retient les caracteres du vegetal, dont elle tire sa premiere origine.“ Dass heutzutage wohl kein Forscher diese letztere Anschauung theilt, hindert nicht, dass der ihr zu Grunde liegende Gedanke noch immer in moderner Form heimlich fortwirkt. Bevor ich nun aber zur Darlesung meiner eigenen Auffassung des Vorganges des Ab- werfens der Geweihe übergehe oder, um emen anderen Ausdruck zu gebrauchen, zu seiner „Er- klärung“ schreite, muss ich zunächst darauf hinweisen, was ich unter „Erklärung emes Natur- vorganges“ verstehe. Es kann eine solche rationeller Weise nur darin bestehen, dass man den fraglichen Vorgang als einer höheren, umfassenderen Kategorie von Erscheinungen zu- gehörig nachweist, z. B. den Sturz des Apfels vom Baume als einen Specialfall der nach dem Gravitationsgesetze vor sieh gehenden Massenbewegnngen. Allerdings darf man hierbei wieder „Gesetz“ nicht im gewöhnlichen Sinne als einen die nach ihm sich abspielenden Vorgänge beherrschenden Zwang auffassen, sondern lediglich als den kürzesten Ausdruck der emer gewissen Summe von Einzelvorgängen gemeinsamen Züge. Unerklärbar in diesem Sinne erscheint mir die Thatsache der alljährlich wiederkehrenden Eintrocknung und Abstossung des Intesumentes der eigentlichen Stange, d.h. also der Vorgang des Fegens. Ihm homologe andere Vorgänge, d. h. solche, bei denen regelmässig Mesoderm- gebilde freigelegt werden, kenne ich nicht im Bereiche der Wirbelthiere, und alle hierüber angestellte, mehr weniger teleologische Betrachtungen kann ich als wirkliche Erklärungen nicht ansehen. Ebensowenig kann ich der von verschiedenen älteren Autoren, z. B. v. SANDIFORT MOoRPHOLOGIE DER ÜERVIDEN-GEWEIHE. 63 [63, S. 90], aufgestellten Eıklärung zustimmen, der Bast vertrockene deshalb, weil die ilm anfänglich ernährenden, den Gefässfurchen auf der Geweihoberfläche folgenden Blutgefässe bei Entstehung der Rosenstockperlen m ihren Zwischenräumen und bei nachfolgender allmäh- licher Annäherung derselben zunächst ecomprimirt und schliesslich gewisseımassen unterbunden würden, sodass der Bast aus Mangel au Blutzufuhr vertrocknen müsse. Wäre dies richtig, so wäre die Bildung einer geschlossenen Rose aus dicht an einander schliessenden Perlen die uncerlässliche Vorbedingung für den Abwurf jedes Geweihes. Hingegen werden nicht nur die Erstlmgsgeweihe, die noch keime Spur einer Rose zeigen, genau ebenso abgeworfen wie die späteren rosentragenden Geweihjahrgänge, sondern man findet auch bei letzteren normal, 2. B. beim Ren, Bungifer tarandıs, oder imdividuell so schlecht entwickelte Rosen, dass diese grobmechanische Unterbindungstheorie völlig haltlos erscheint. Eine physiologisch so naive Anschauung, wie die gleichfalls hier und da geäusserte, die Geweihe seien soweit vom Herzen entfernte Organe, dass der Blutkreislauf, namentlich bei dem durch die Brunft erschöpften Hirsche, deren dauernde Ernährung nicht mehr zu bewältigen vermöge, braucht man wohl überhaupt nicht ernst zu nehmen. Wir müssen daher die 'That- sache, dass alljährlich das Integument der fertig ausgereiften Geweihe vertrocknet und verloren gcht, einfach als gegeben hinnehmen. Der ganze spätere Vorgang, das Abwerfen selbst, lässt sich aber sehr einfach als Specialfall einer höheren Kategorie von Erscheinungen nachweisen, also in unserem Sinne erklären. Wir haben uns hierbei zu erinnern, dass die gefegte Stange aus Knochensubstanz besteht, d. h. aus einem Derivate des Mesoderms. Nun steht aber fest, dass jedes Mesoderm- derivat, das von der Ectodermbekleidung, unter der es ursprimglich entstand, entkleidet wird, der allmählichen Zerstörung anheimfällt, z. B. der des Schmelzes beraubte Zahn durch Abnutzung oder Caries, das bei einem Knochenbruche durch die Weichtheile vorspiessende Knochen- ende durch Nekrose, der der Haut beim Fangen beraubte Schwanz einer Maus durch Eintrocknung und Abfall von Schwanzmuskulatur und Schwanzwirbeln. Nur dann kann eme wirkliche Schliessung der Wunde eintreten, wenn nach Abfall des vorstehenden Mesodermgebildes das Integument und speciell sem Ectodermtheil wieder ergänzt wurde. Die Bildung der Demar- cationslinie und des Resorptionssinus unter der abfallenden Stange ist also nur ein Specialtall der oben angedeuteten pathologischen Vorgänge, und ich habe also durch diese Constatirung das Abwerfen nach meiner Ansicht völlig „erklärt“. Als besondere Eigenthümlichkeit bleibt nur bestehen, dass ein Vorgang, der bei seinem ersten Auftreten gewiss rem pathologisch war, im Laufe der plhylogenetischen Entwickelung der Cerviden zu einem normalen, regelmässig wiederkehrenden und der Lebensökonomie derselben als nützlich angepassten geworden ist. Zur besseren Erläuterung dieser meiner eben weitläufiger dargelegten Ansicht habe ich die verschiedenen Stufen des Vorganges der Geweihbildung, des Abwerfens und der Regeneration des Geweihes auf Tafel XII in den Fig. 2—12 schematisch dargestellt. In Worten lässt sich der Inhalt dieser Ansicht ungefähr folgendermassen zusammenfassen : Die Geweihe der Oerviden sind bei ihrer erstmaligen Entstehung vom behaarten Integumente verhüllte Apophysen des Stirnbemes (Fig. 2 u. 3), deren späterhin von dem vertrocknenden Integumente (Fig. 4) entblösster und daher absterbender, apicaler Abschnitt (Fig. 5) sich durch Nekrose von der persistirenden Apophysenbasis, dem Rosenstocke, löst (Fig. 6) und schliesslich abfällt (Fig. 7). Der 64 MORPHOLOGIE DER GIRAFFEN-GEHÖRNE. so verloren gegangene apieale Abschnitt, das Erstlingsgeweih (Fig. 7 2), wird nun unter Ueberwallung der so entstandenen Wundfläche vom Integumente aus (Fig. 8) durch einen vom Periost des Rosenstockes ausgehenden Regenerationsprocess (Fig. 9) unter Zufügung der bisher fehlenden Rose (Fig 10) und meist auch unter Zufügung neuer Enden (Fig. 11) in hypertropher Weise ergänzt. Auch diese Neubildung wird nach Vertrocknung und Abstossung des Integumentes (Fig. 12) durch Nekrose vom Rosenstocke gelöst und sofort wieder regenerirt: ein Wechsel, der rhythmisch durch das ganze Leben des Hirsches fortdauert. N. Die Gehörne der Giraffe. Die hirschartigen Thiere, die Cerviden, sind es aber nicht allen, denen gegenwärtig ein Geweih zugesprochen wird. Viele Forscher betrachten auch die Giraffe als einen Geweihträger. Ist doch dieser Wiederkäuer wegen der äusseren Aehnlichkeit seiner dauernd mit behaartem Integument bedeekten Gehörne mit den Kolben, d. h. den in der Entwickelung begriftenen Geweihen, bereits durch Lisx£ [40, S. 66] in sein Genus Cereus eingereiht worden, obgleich die in dessen Diagnose gegebene Beschreibung der Geweihe: „cornua solida, tenera, corio hirto tecta, apice crescentia, denudata, annua“ nach unseren heutigen Kenntnissen wenigstens in Bezug auf die letzten beiden Punkte für die Girafte nicht stimmt. Diese Ansicht wurde noch besonders befestigt, als d’Arrox im Jahre 1823 [2, S. 6] fest- stellte, dass der Giraffe „die Hömer nur als Ansätze eigen sind, die .erst in höherem Alter des Thieres mit den Stirmbeinen verwachsen“, eime Thatsache, die wenigstens für die paarigen Hörner bald allgemeine Bestätigung fand. Man parallelisirte nämlich alsbald die m der Jugend dem Giraftenschädel sich amgliedernden, knöchernen Epiphysen mit den alljährlich auf dem Rosenstocke sich erneuernden Geweihstangen der Hirsche. Namentlich ist es Rürt- MEYER gewesen, der mit semer Auffassung der Giraffenhörner „als bleibender und unverästelter Geweihe ohne unterliegende Hornzapfen, in der an Hirschen üblichen Terminologie als Spiesse 3 ohne Rosenstock* [60, S. 29] Schule gemacht hat. Eine kurze Betrachtung der Bildungsgeschichte der paarigen Giraftenhörner dürfte daher zur kritischen Würdigung dieser Theorie am Platze sein, Wie wir durch R. Owen wissen |56, S. 26], sind die paarigen Hörner der männlichen Giraffe schon bei der Geburt angelegt und zwar als ungefähr 7,5 cn hohe, durchweg behaarte und oben noch mit einem schwarzen Haarbüschel besetzte Fortsätze, während sie bei der über- haupt meist schwächer gehörmten, weiblichen Giraffe erst später erscheinen und anfänglich nur schwarze Haarbüschel ihre spätere Stellung angeben (Fırzineer 24, S. 346). Die Grundlage der Hörner stellt zunächst em der Oberfläche des Stirnbeines nahe an seinem Hinterrande bew eg- lich aufsitzender, ungefähr 2,5 cm langer Knorpel(?)fortsatz dar, an dessen oberer Peripherie die Verknöcherung beginnt. Bei weiterem Wachsthum schreitet die Verknöcherung vor, und es stelltnun der Knochenkern einen sehr porösen, mit dem Schädelnur durch Bindegewebe verbundenen Cutisknochen, ene Epiphyse dar (Taf. XII Fig. 14). Bei weiterem Stärkenwachsthum schieben sich die Epiphysen rückwärts über die Kranznaht vor, sodass sie nun sowohl dem Stirnbem, wie dem Scheitelbein aufruhen (Taf. XII Fig. 15). Diese Verschiebung ist ein deutlicher Beweis für ihre Entstehung innerhalb des Integumentes. Periostale Wucherungen sind stets von Anfang MORPHOLOGIE DES GIRAFFEN-GEHÖRNES. 65 an dem ursprünglichen Knochen fest angeheftet. Die Stellen, auf denen die Epiphysen ruhen, wölben sich num als flache Hügel vor, indem die bei dem Schädel des neugeborenen Thieres noch durch Diplo& verbundenen beiden Tafeln des Stirn- und Scheitelbeines von einander abgehoben werden (Taf. XII Fig. 15 a). Hierdurch entsteht die erste Anlage jener grossen Lufthöhlen, die, beim erwachsenen Thiere von der Nasenregion bis zum Hinterhauptsbein reichend, eine besondere Eigenthimlichkeit des Giraffenschädels bilden. Aber noch lange bleiben diese Cutis- knochen von dem Schädel (Taf. XII, Fig. 14 u. 15c) durch weiches Bindegewebe, welches bei der Maceration verloren geht, getrennt. Taf. XI, Fig. 7 zeigt uns z. B. nach einem in dem Museum der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz aufbewahrten Exemplare bei b den nach er- folgter Loslösung wieder aufgeklebten Knochenkern, während bei «a die durch die Kranznaht getheilte Auftreibung der Schädelknochen sichtbar ist. Die Basis der Epiphyse ist zu dieser Fig- 8. A Lingsss'initt des paarigen Hornknochens einer jungen Giraffe. B. Untere Ansicht des entsprechenden Knochens der anderen Seite. C und D. Seiten und Unteransicht des unpaaren mittleren Hornknochens der alten weiblichen Giraffe, die ausgestopft im königl. Naturhistorischen Museum zu Berlin steht. Zeit ausgehöhlt, wie auf den Textfiguren 8A u. 8B deutlich zu sehen ist. Letztere sind nach zwei von Herrn Custos Dr. Torsızrr angefertigten und zusammen mit den weiter unten zu erwähnenden, durch Herrn Geheimrath Prof. Dr. Mozsıus mir freundlich zur Benutzung über- lassenen Präparaten der Berliner Schausammlung hergestellt. Sie zeigen zugleich deutlich die lockere Structur des Hornkernes. Erst später verwachsen die Epiphysen mit den Schädel- knochen, aber auch dann noch kann man eine Zeit lang, wie auf Taf. XII Fig. 16 bei c gleich- falls nach einem Präparate des berliner zoologischen Museums deutlich, aber nur schematisch dargestellt ist, stellenweis noch die Grenze der oberen Tafel der Schädelknochen gegen die Epiphyse als Spalte erkennen. Die Gehörne, und zwar, um dies gleich hier zu bemerken, auch das unpaare dritte, sind dauernd von der behaarten Kopfhaut bedeckt, deren Haare nur an der Spitze der paarigen verdiekt und zu einem Haarbüschel verlängert sind. Wie es sich mit der wohl von Sunvirorr [63, 8. 82] zuerst erwähnten, zwischen dem Haarbüschel befindlichen Schwiele verhält, ob diese eine einfache Epidermisverdickung oder der Anfang Nitsche, Studien üb. Hirsche. I. ) 66 MOoRPHOLOGIE DES GIRAFFEN-GEHÖRNES. einer echten Hornbildung ist, kann ich aus Mangel an eigenen Untersuchungen vorläufig nicht entscheiden. Nach einer freundlichen Mittheilung von Herrn Dr. Hamrorn findet sich dieselbe bei der Giraffe des berliner zoologischen Gartens, deren Gehörne auch zeitweilig — ob m regelmässigen Perioden? — ihre Haare wechseln. (Vergl. Zusatz 4.) ? Ein Vergleich der Entstehungsgeschichte der paarigen Giraffenhörner mit derjenigen der Geweihe ergiebt also klar, dass hier zwei morphologisch ganz verschiedene Bildungen vor- liegen, und ich daher die Deutung des Giraftenhornes als Geweih vollständig ablehnen muss. Weder ist die hohle, auf Pneumaticität der Schädelknochen beruhende Vorwölbung von Stirn- und Scheitelbein em Homologon des eine feste Knochenapophyse des Stirnbeines darstellenden Rosenstockes, noch kann der als Verknöcherung der Outis entstehende, poröse Knochenkern einer alljährlich als Neubildung, durch Regeneration vom Periost aus entstehenden, soliden Geweihstange gleichgesetzt werden. Noch weniger kann man aber — und dies müsste der Fall sein, wenn Rürmeyer Recht hätte — die Stange des Erstlingsgeweihes, die, wie gezeigt, in direktem Zusammenhang mit dem KRosenstocke entsteht und erst später nach eıfolgtem Fegen durch Resorption von ihm gelöst wird, als dem Knochenkern des Giraftenhornes gleichwerthig ansehen. Auch das dritte, unpaare, mediane Horn der Giraffe erfordert hier eine genauere Betrachtung, da dessen Deutung noch so wenig geklärt ist, dass neuerdings A. Branpr [12, S. 413] im einer tabellarischen Uebersicht der Hornformen der Hufthiere, die auch von Lecnz 115, 8. 980] angenommen wurde, dasselbe als eine den paarigen Hörnern ungleichwerthige Bildung anspricht und so zu dem Ergebnisse kommt, dass die Girafte zwei verschiedene Hornarten besässe. Er schliesst sich hierbei offenbar der Ansicht R. Owe’s an, dass dieses Horn lediglich aus emer Auftreibung der Stirn- und Nasenbeine bestände und kein besonderer Hautknochen in seme Bildung einginge [55, S. 235]. Da ist denn darauf hinzuweisen, dass diese Angabe Owen’s oftenbar darauf beruht, dass er nur ganz alte Giraffenschädel in dieser Beziehung untersucht hat, bei denen die Ver- wachsung der auch dem mittleren Horn zukommenden Cutisknochenanlage mit den Nasen- und Stirnbeinen soweit vorgeschritten war, dass die Verwachsungslinie verschwand. Aber schon früher hat Ovvirr deutlich ausgesprochen, dass auch das mittlere Horn einen ge- sonderten, erst später mit der Schädeldecke verwachsenden Knochenkern darstellt, und diese Angabe ist späterhin durch Lavocar [32, 8. 63 Anm.] und Jäger bestätigt worden. Immerhin hat man bisher meist der Ansicht gehuldigt, dass dieses dritte Horn lediglich dem männlichen Geschlechte zukäme. Dies nimmt z. B. Rürmeyer an [61, S. 66]. Aber auch dies ist nicht haltbar. Ich bin im Stande in den Textfiguren SCu.8D auf 8. 65 den noch völlig gesonderten Knochenkern des dritten unpaaren Hornes emer weiblichen Girafte abzubilden, deren Balg in der Schausammlung des berliner zoologischen Museum ausgestopft steht. Auch dieses Präparat ist von Herrn Oustos Dr. Torsıer angefertigt und im einem Glaskasten der berliner Schausammlung der allgemeinen Betrachtung zugänglich. Käme aber selbst der Fall vor, dass der unpaaren medianen Erhebung der Stirn- und Nasenbeine einer schwach gehörnten Giraften- rasse sich ein besonderer Outisknochen nicht angliederte, so wäre auch für diese die Anschau- ung A. Braspr’s unhaltbar. Auch dann dürfte man nicht behaupten, dass das mittlere Horn von den paarigen Hörnern verschieden sei, sondern man müsste einfach sagen, dass diesen Exem- plaren das mittlerere Horn eben fehlt. Denn eine einfache, beulenförmige Auftreibung der Schädeldeekknochen, die auf Sinusbildung in deren Innerem beruht, ist ebensowenig als Horn MOoRPHOLOGIE DES GIRAFFEN-GEHÖRNES. 67 aufzufassen wie z. B. die mitunter auf diese Weise stark aufgetriebenen. arcus superciliares oder tubera frontalia des Menschenschädels. (Vergl. Zusatz 5.) Bei dieser Gelegenheit ist vielleicht ein Hinweis darauf angebracht, dass nicht nur die Rürmever’sche Gleichsetzung der Knochenkerne der Giraffenhörner mit den Hirschgeweihen sondern auch andere Parallelen, die er zwischen Giraffe und Elch zieht, entschieden zurück- gewiesen werden müssen. Dahin gehört sein Versuch, beim Elch Spuren des mittleren Nasen- höckers der Giraffe nachzuweisen. Er sagt [60, S. 31]: „Derselbe fehlt allerdings bei dem Elen- thier gänzlich. Doch ist es bemerkenswerth, dass bei ihm an derselben Stelle, auf der Grenze zwischen Nasenbeinen ein Zwickelbein, d. h. eine Verknöcherung des sonst knorpeligen Theils der Nasenscheidewand an die Schädeloberfläche tritt. Es scheint mir nicht ohne Bedeutung zu sein, dass Rürrerr bei einer weiblichen Giraffe an derselben Stelle ein Zwickel- bein vorfand und dass, wie Jäger gezeigt hat, an jungen Thieren hier eine Fontanelle vor- handen ist, welche der Anheftung des septum narium entspricht.“ Er fügt in emer Anmerkung hinzu: „Nach Rürrern wird dieses Zwickelbein, das bei der weiblichen Giraffe lediglich zum Verschluss der embryonalen Fontanelle zwischen Nasenbeinen und Stirnbein dient, bei dem männlichen Thiere zu dem 3 Zoll hohen Horne, wodurch es sich von dem weiblichen unter- scheidet. Owen beschreibt dies, Rürrerı, vermuthet, dass auch die hinteren oder paarigen Hörner aus Zwickelbeinen über den paarigen Fontanellen der sutura coronalis entstehen, zu welcher sich das Geweih, falls es zu dieser Zeit schon und vom Periost aus angelegt würde, ebenfalls wie ein Zwickelbein verhalten würde. Es dürfte sich somit sogar fragen, ob an jungen Elen- hirschen nicht noch Spuren solcher paarigen Zwickelbeine zu finden seien.“ Wenngleich dieses Glied seines Nachweises der nahen Verwandtschaft von Elch und Giraffe später von kürmeyer selbst [61, S. 64 Anmerkung] als weniger gewichtig bezeichnet wird, so thut er dies doch nur deshalb, weil ihm inzwischen „schwerer wiegende Parallelen zwischen Giraffe und Elenthier“ bekannt wurden. An der Sache selbst hält er aber fest. Eine genauere Betrach- tung der wirklichen Verhältnisse bestätigt nun keine der vorstehend wiedergegebenen Aus- führungen. Was zunächst das Zwickelbein zwischen den Nasenbeinen des Elches betrifft, das von Rürmsyer ganz im Allgemeinen als eine Eigenthümlichkeit des Elchschädels bezeichnet wird, so kommt dasselbe nur gelegentlich als abnorme Bildung vor. Unter den 26 zur Unter- suchung dieser Frage brauchbaren Elchschädeln beiderlei Geschlechtes und des verschiedensten Alters in der Tharandter Sammlung finden sich solche Zwickelbeine nur bei 4 Stück, nämlich: bei einem Spiesser vom 1. Kopfe (105 Nr. 6 des wissenschaftlichen Kataloges) und zwar als abgegliederter, medialer Theil des rechten Nasenbeines; bei einem älteren Spiesser (105 Nr. 82), der wenigstens vom 3. Kopfe ist, als unpaare Einschiebung zwischen den beiden Nasenbeinen ; bei dem älteren Hirsche (105 Nr. 15) mit starkem Stangengeweih von 8 Enden als doppelte Einschiebung zwischen den beiden Nasenbeinen ; bei einem Altthier (105 Nr. 12) als einfache, aber an der Basis den Anfang einer Längs- trennung in zwei Theile zeigenden Einschiebung. Nehmen wir hinzu, dass, wie die weitere Betrachtung der erwähnten 26 Schädel unserer Sammlung zeigt, die Nasenbeine wohl die veränderlichsten Knochen des ganzen Elchschädels sind, und was sowohl die Länge und Breite als die Zusammenführung mit den Stirnbeinen und y* 68 MorPHoLOoGIE DES GIRAFFEN-GEHÖRNES. untereinander betrifft, so stark variiren, dass nicht zwei Schädel völlig gleiche Gestalt der Nasenbeine besitzen, so leuchtet die gänzliche Grundlosigkeit der Rürmerer’schen Behauptung em. Auch sind diese Zwickelbeine durchaus nicht verknöcherte Theile der sonst knorpeligen Nasenscheidewand, sondern abgegliederte Theile der Nasenbeine selbst. Dies geht schon daraus hervor, dass auch andere Theile des Nasenbeines als abgegliederte Stücke auftreten können, z. B. die Spitze desselben, wie man dies an dem Schädel eines geraden Elchgablers (105 Nr. 3 unserer Sammlung) rechtsseitig deutlich sehen kann. Aber selbst, wenn wirklich das Zwickelbein beim Elche eine normale regelmässige Bildung wäre, so könnte es doch dem Stirnhöcker der Giraffe nicht gleichgesetzt werden, da dieser ja, wie oben gezeigt, nicht durch Einschiebung eines Schaltknochens zu Stande kommt, sondern durch Anfügung einer Epiphyse- Die Rürrerr -Rürmever’sche Vermuthung, es könnten auch die paarigen Geweihe des Elches vielleicht aus Zwickelbeinen entstehen, ist gleichfalls völlig haltlos. Allerdings besitzt die Tharandter Sammlung durch die Freundlichkeit von Herrn Oberförster KrLorrer in Primkenau den Schädel eines ungefähr 9 Monate alten Elchkalbes (105 Nr. 21), an welchem zwischen dem rechten Stirnbein und dem Scheitelbein ein an Grösse ungefähr einem Markstiicke gleich- kommendes Zwickelbein vorhanden ist. Aber gerade dieses Präparat lässt deutlich erkennen, dass es sich hier um einen einfachen Schaltknochen handelt, der als Abgliederung von dem Scheitelbeine aufzufassen ist und mit der eventuell später an dem processus jugalis des Stirn- beines auftretenden Rosenstockanlage in keinerlei Beziehung gestanden hätte. Die wirklichen morphologischen Verhältnisse der Giraffengehörne, zu deren Erklärung ch die schematischen Figuren 14—16 auf Taf. XII gezeichnet habe, lassen sich kurz folgender- massen beschreiben: Die knöchernen Grundlagen aller drei Gehörne der Giraffe, der beiden paarigen sowohl wie des unpaaren, entstehen als primär von dem Schädelknochen völlig gesonderte Cutisverknöcherungen, die erst in vorgerückterem Lebensalter mit dem Kopfskelett secundär verschmelzen und also nieht Apophysen, sondern Epi- physen desselben darstellen. Die Anlagen der paarigen Gehörme liegen anfänglich nur den Stirnbeinen auf (Fig. 14), rücken aber bald nach hinten auf die Grenze von Stirn- und Scheitelbein (Fig. 15), wo ihnen durch Sinusbildung innerhalb der Schädel- knochen entstehende Auftreibungen der Schädeldecke entgegenkommen, mit denen sie verwachsen (Fig. 16). Das unpaare mittlere Horn entsteht über der Verbindungs- stelle von Stirn- und Nasenbeinen und verwächst gleichfalls mit einer Auftreibung der betreffenden Schädelknochen. Alle drei Gehörne bleiben dauernd von der Kopf- haut bedeckt, deren Haare auch hier dem Haarwechsel unterliegen. 1ll. Die Gehörne der eigentlichen Hohlhörner, der Boviden. Durch die vorstehende Auseinandersetzung ist hoffentlich die Parallelisivung von Geweih und Giraffengehörn endgültig beseitigt. Es entsteht aber nunmehr die weitere Frage, ob das Giraffengehörn überhaupt als eine eigenartige Bildung zu betrachten ist, oder doch vielleicht, trotz der grossen Differenzen im äusseren Habitus, bisher verkannte Beziehungen zu den Hör- MorPHoLoGiE DES BoVIDEN-GEHÖRNES 69 nern der Boviden besitzt. Es sei mir gestattet, hier gleich vorgreifend zu bemerken, dass solche tiefere morphologische Beziehungen allerdings zu bestehen scheinen. Dieselben treten aber erst dann hervor, wenn man mit den gewöhnlichen, von dem fertigen Horne ausgehenden Anschauungen über den morphologischen Werth des Bovidenhornes brieht und auf seine Ent- stehung zurückgeht. Diesen Weg hat unter den neueren Forschern Anexanver Drasor [12] eingeschlagen, indem er mit Glück auf die älteren Anschauungen von Sasvırorr |63, S. 76] zurückgriff und dieselben durch neue Beweise stützte. Gehen wir zunächst auf den Befund ein, den die Untersuchung der Hörner irgend eines Boviden erkennen lässt, allerdings mit Ausschluss der Gabelantilope, Antilocapra americana, die wir besonders zu betracht:n haben werden. Die Grundlage jedes Bovidenhornes bildet bei dem erwachsenen Thiere ein Knochenkern, der Stirnzapfen, welcher ohne Abgrenzung aus dem Stirnbein entspringt. Seine Basis ist bedeckt von dem gewöhnlichen, behaarten Kopfintegument. Der bei weitem grössere Endabschnitt wird dagegen durch eime Verschmelzung von Periost und Outis bekleidet, die Papillen trägt, von denen aus eine so reichliche Ernährung der Epi- dermis stattfindet, dass diese sich zu einer festen Hornscheide ausbildet, die dauernd den Stirn- zapfen bekleidet, im Laufe der Jahre an Mächtigkeit und Länge zunimmt und das ganze Horn zu einer kräftigen Waffe gestaltet. Es werden daher gewöhnlich die Stirnzapfen der Hohl- hörner den Rosenstöcken der Hirsche verglichen und die Hornscheide nebst ihrer Matrix als perennirender Bast derselben angesehen. Den kürzesten Ausdruck für diese Anschauungsweise hat O. Schumr gegeben, welcher [67, S. 154] das gegenseitige Verhältniss der drei bisher besprochenen Hornarten so charakterisirt: „Es besitzen die Hohlhörner — Stirnzapfen ohne ” } Geweih, die Hirsche — Stirnzapfen mit Geweih, die Giraffe — Geweih ohne Zapfen.“ Diese Anschauung kann ich auch ohne Rücksicht auf die Genesis des Bovidenhornes m ihrer All- semeinheit nicht annehmen; denn ebenso wie ich die Parallelisirung der hohlen, auf Stirn- höhlenbildung beruhenden Schädelvorsprünge der Giraffe. mit dem soliden Rosenstocke der Cerviden zurückweisen musste, so kann ich auch schon a priori die Stirnzapfen der grösseren Mehrzahl der Boviden, in welche gleichermassen die Stirmhöhlen mehr weniger weit hinein ragen, nicht den soliden Rosenstöcken gleichstellen. Ganz unmöglich wird aber diese Paral- lelisirung, nachdem Arrxanver Branor [12] die lange angezweifelte Richtigkeit der Angaben SAnpIrorr’s, der Knochenkern des Rinderhornes entstehe aus einem gesonderten, erst später mit dem Stirnbein verwachsenden Knochenkerne, auch für das Schaf bestätigt hat. Der Stirnzapfen der Boviden entsteht also, ganz wie der der Giraffe, durch Verschmelzung eines Cutisknochen mit einer beulenartigen, durch Sinusbildung in den Stirnbeimen erzeugten Auftreibung der Schädeldeeke, und der Unterschied zwischen beiden besteht nur darin, dass bei den Boviden die Stirnbeule nur von den Stirnbeinen geliefert wird und der Cutisknochen sich bei seiner im Gegensatze zur Girafte sehr frühzeitigen Verschmelzung mit dem Stirnbein nicht rückwärts über die Kranznaht schiebt, vielmehr auf dem Stirnbein stehen bleibt. Das Bovidenhorn ist also, was seine Knochengrundlage betrifft, ein Homologon des Giraffenhornes, und die scheinbar fundamentale Verschiedenheit in der Integumentbedeckung von Giraffen- und Bovidenhorn verliert dadurch sehr an Werth, dass, wie ich gleich zeigen werde, zwischen dem behaarten, keine feste Hormbildungen erzeugenden Integumente des Giraffen- und dem eine verhornte, hypertrophe Epidermisscheide absondernden Bovidenhorne durch das Integument der Hornzapfen von Antilocapra ein direkter, aber bisher nicht richtig gewürdigter Uebergang geboten ist. 70 MOoRPHOLOGIE DES BOVIDEN-GEHÖRNES. Ich bin auch im Stande, die an und für sich mir schon genügend erscheinenden, von SANDIFORT und ALEXANDER Dranpr gebrachten Beweise für die Hautknochen-Natur des Bovidenstirnzapfen durch einen neuen Befund zu verstärken, und zwar an einem wild lebenden, nicht domestieirten Wiederkäuer, an der Gemse, Capella rupicapra. Ein Längsschnitt durch das eine nur 2 cm lange Hornscheide tragende Gehörn eines ganz jungen Gemskitzes, welches unsere Sammlung der Freundlichkeit von Herrn Oberförster v. Cuam in Wildalpen verdankt, zeigt (Taf. XI Fig. 5) deutlich, dass auf eine durch Aufblähung des sinus frontalis entstandene Stirnbembeule a ein an seiner Basis gehöhlter, poröser Knochenkegel b aufgesetzt und von ihr durch eine weiche Bindegewebsschieht e, die eine deutliche eoncentrische Schiehtung zeigt, getrennt ist. Der Fund ist übrigens ein grosser Glücksfall, denn auch bei der Gemse schemt, wie bei den Hausthieren, die Verwachsung von Hautknochen und Schädeldecke sehr zeitig zu geschehen. So junge Stücke, wie das hier in Frage kommende, sind in den Sammlungen sehr selten. Bereits im Herbste, zur Zeit der gewöhnlichen grossen Jagden, ist der Cutis- knochen mit dem Stirmbein so fest verwachsen, dass die ursprüngliche Trennung völlig ver- schwunden ist. Ich entnehme dies der Betrachtung eines Längsschnittes durch den Stirnzapfen eines am 11. November 1882 in Wildalpen auf Veranlassung des Jagdherrn, Sr. Excellenz des Herrn Graren Hans Wirzecr, eigens für unsere Sammlung erlegten, weiblichen Gemskitzes, dessen Hornscheidenlänge nur 4,5 cm beträgt. Bei ausgewachsenen Gemsschädeln scheint es aller- dings, als wenn die m der Basis des Stirnzapfens liegenden, mitunter weit über die untere Grenze der Hornscheide aufsteigenden Lufthöhlen (Taf. XI, Fig. 6a) sich in dem Knochenkern selbst gebildet hätten, bei Vergleichung jüngerer Stadien (Taf. XII, Fig. 18) erhellt aber deutlich, dass es sich hier um eine durch Resorption bedingte, allmähliche, spätere Einwucherung dieser Höhlen in den ursprünglich ungehöhlten, nur porösen Hautknochen handelt. Schliesslich muss ich übrigens darauf hinweisen, dass die vorstehende Homologisirung der Hörner der Boviden mit denen der Giraffe sich vorläufig nur auf jene Gruppe bezieht, die Rürmever |60, S. 69], unter Umprägung der gewöhnlichen Bedeutung dieses Ausdruckes, wegen der Aushöhlung der Basis des Stirnzapfen als „Hohlhörner“ im engeren Sinne bezeichnet, während sonst bekanntlich im Allgemeinen jedes Bovidenhorn als Hohlhorn gilt, wegen der Aushöhlung der den Knochenzapfen umschliessenden Hornscheide. Jenen „Hohlhörmern“ stellt Rürmerer eine Minderzahl von Bovidenhörner aus der Gruppe der eigentlichen Gazellen als „Spiesshörner“ entgegen, weil bei diesen der Knochenkern ebenso solide ist wie bei den Hirschen. Ob auch bei diesen der Knochenkern des Hornes, der Stirnzapfen, als Hautknochen entsteht, wissen wir nun überhaupt nicht. Bei der grossen Aehnlichkeit, welche die Hornbildungen der Boviden unter einander zeigen, glaube ich dies aber, bis zur Erbringung eines Gegenbeweises, als wahr- scheinlich annehmen zu dürfen. Ich glaube daher die wichtigsten Verhältnisse der Gehörne der gewöhnlichen Boviden — mit Ausnahme der Gabelantilope — zu deren Erläuterung ich die schematischen Figuren 17—18 auf Taf. XII gezeichnet habe, in folgende Sätze zusammenfassen zu können: Die Gehörne der Boviden entstehen, was ihre knöcherne Grundlage betrifft, als poröse, ursprünglich dem Stirnbein völlig fremde Cutisknochen (Fig. 17), die aber bereits sehr zeitig mit «den entweder solide bleibenden oder durch grosse sinus frontales beulenartig vorgewölbten Auftreibungen des Stirnbeines verschmelzen (Fig. 15) und späterhin meist durch Einwucherung dieser sinus frontales in ihrem MOoRPHOLOGIE DES GABELANTILOPEN-GEHÖRNES. ZoR Basaltheile noch weiter ausgehöhlt werden (Fig. 19). Es sind also die Stirnzapfen Epiphysen, nicht Apophysen des Stirnbeines. Sie bleiben dauernd von dem D |: Intesumente bedeckt, dessen Epidermoidaltheil, durch starke Cutispapillen hypertroph 5 ) ) P&f yı | ernährt, zu einer perennirenden und allmählich wachsenden Hornscheide wird. IV. Die Gehörne der amerikanischen Gabelantilope. Es bleibt nun noch die Hornbildung der Gabelantilope zu besprechen. Bekanntlich ist die Thatsache, dass die llörner des älteren Bockes nach vorn einen Gabelzinken absenden schon sehr früh im Sinne einer Verwandtschaft mit den Cerviden gedeutet oder wenigstens als Annäherung an dieselben aufgefasst worden, und diese Ansicht wurde später scheinbar noch gestützt durch die Entdeckung, dass die Gehörne „abgeworfen“ werden. Auch die unzweifelhaft festgestellte 'Thatsache, dass der Hornwechsel lediglich auf eimer jährlichen Abstossung und Neubildung der Hornscheide beruht, durch welche die dauernd bestehen bleibenden und niemals wirklich vom Integument ganz entblössten Stirnzapfen in keiner Weise betroffen werden, hat diese Anschauung nicht völlig zu beseitigen vermocht. Sie hat vielmehr sogar ganz ernste Forscher zu wunderbaren Behauptungen veranlasst. So vereinigt z. B. Rürmeyer [60, S. 69] die Gattung Antilocapra oder, wie er sie mit Vernachlässigung des Prioritätsgesetzes in der Nomenclatur bezeichnet, die Gattung Dieranoceros mit dem recenten Muntjac, Gattung Cervulus, und der fossilen, noch ungenügend bekannten Gattung Procervulus zu der Gruppe der Wiederkäuer mit „Geweihhörnern“, die er als Zwischenstufe zwischen die Hirsche, als Wiederkäuer mit Geweihen, und die eben (8. 70) erwähnten Antilopenformen mit soliden, keine Hohlräume umschliessenden Stirnzapfen, die sogenannten Wiederkäuer mit Spiesshörnern, einschiebt. Diese Anschauung ist mir völlig unbegreiflich, da seine Gruppe der Geweihhörner sicher durchaus heterogene Formen umschliesst. Was zunächst den Kopfschmuck von Cervulus betrifit, so ist er eben einfach ein Geweih im strengsten morphologischen und histologischen Sinne des Wortes, das von dem der übrigen Hirsche lediglich durch die grössere Länge des Rosenstockes abweicht, ein Verhältniss, in dem es sich andererseits dem des bekannten indischen Schweinshirsches, Cervus (Hyelaplus) poreinus, nähert, dessen rechtmässige Zurechnung zu den echten Geweihträgern noch von Niemandem angezweifelt wurde. Auch wirft Cervulus ganz ebenso ab wie die übrigen Hirsche. Unsere Sammlung besitzt z. B. durch die Freundlichkeit von Herrn Direktor Hrcx zwei Paar solche Abwürfe von verschiedener Stärke. Worauf sich die von Gaupry [29, S. 89 Anm.] geäusserte Vermuthung gründet, dass Cervulus seltener abwürfe, kann also wohl nicht alljährlich ich augenblicklich nieht ausfindig machen. Die gesonderte Stellung in der Familie der Üer- viden, die dem Muntjae oft zugewiesen wird, ist nicht in emer Differenz der Geweihbildung begründet, beruht bekanntlich vielmehr auf Abweichungen des Extremitätenskelettes. Ueber Procervulus ist aber nach den in der Literatur mir zugänglichen Angaben nur soviel auszusagen, dass die rosenlosen, aber verästelten Stirnbeinfortsätze |Rürmever 61, Tat. 1 Fig. 2-5 und Gauper, 29, Fig. 100 auf 8. 87], deren Träger man so getauft hat, wahr- scheinlich mehr weniger abnorme Erstlingsgeweihe waren, die trotz des Mangels der Rose, wie alle Erstlingsgeweihe, gefegt und abgeworfen wurden. Ihre Verästelung spricht nicht gegen 72 MOoRPHOLOGIE DES GABELANTILOPEN-GEHÖRNES. diese Annahme. Ich kenne selbst abnorm verästelte echte Erstlingsgehörne bei Rothhirsch, Wapiti und Rehbock. Die Gattung Procervulus wäre dann einfach zu streichen und als Jugend- form zu Dicroceras zu ziehen, wie dies Zırreu [75, 8. 398] bereits gethan hat. Was letzteren Forscher aber veranlasste, an derselben Stelle diese Erstlingsgeweihe als „persistent“ zu bezeichnen, was doch wohl „nicht abwerfbar“ bezeichnen soll, bleibt mir unverständlich. Wie hätte man sich dann die Entstehung der späteren, rosentragenden Geweihjahrgänge der älteren Stücke zu denken? Für einen Gelehrten, der sich dieser Ansicht nicht anschlösse, läge der einzig mögliche Ausweg in der Annahme, dass die sogenannten Procervulus- Geweihe einer Hörnergruppe angehörten, die bei den recenten Formen nicht mehr vorkommt. Sie wären dann als den Rosenstöcken der Hirsche homologe, aber dauernd mit Integument bedeckte Apophysen, die daher auch niemals abgeworfen wurden, zu betrachten. Man mag aber über den Stirnschmuck von Procervulus denken, wie man will jeden- falls hat er mit dem dritten Bestandtheile der Rürmever’schen Gruppe der „Geweihhörner*, mit den Gehörnen von Antilocapra, nicht das Geringste gemein. Es kann nicht scharf genug betont werden, dass die Gabelung des Gabelantilopenhornes ausschliesslich von der Hornscheide ausgeht und sich am Knochenzapfen in keiner Weise ausdrückt. Es würde daher aus einem fossilen Antilocapra-Schädel die Thatsache dieser Gabelung überhaupt nicht erschlossen werden können. Die Parallele, die Corz zwischen Antilocapra und dem fossilen Cosoryx mit gegabelten und nach der Abbildung wohl auch rosentragenden Geweihen zieht, ist daher meiner Ansicht nach wenigstens in Bezug auf den Stirnschmuck hinfällig. Auch scheint es mir sehr gewagt, letztere Gattung, die ja gut entwickelte Seitenzehen gehabt haben soll, als direkten Vorfahren eines Thieres hinzustellen, dem jede Spur der letzteren fehlt |vgl. Zruren 75, S. 398 u. 417]. Dagegen hat das Gehörn von Antilocapra, das aus einem soliden, dauernd mit Integument 5°5 PN D 5 bedeckten Stimmzapfen und einer diesem aufsitzenden Hormscheide besteht, ganz unzweifelhaft Beziehungen zu den Hörnern der eigentlichen Boviden. Es kann aber trotzdem nicht als ein Homologon derselben, als morphologisch mit jenen durchaus gleichwerthig angesehen werden, da der epidermoidale Theil seines Integumentes nicht persistent ist, vielmehr alljährlich gewechselt wird. Erläutern wir dies etwas näher. Die Hörner der Gabelantilope bestehen aus einem richtigen Stirnzapfen (Taf. XII Fig. 20— 245), der dicht über den Augenhöhlen vom Stirnbein entspringt und von rechts nach links stark abgeplattet ist. Im Profil gesehen, laufen sein Vorder- und Hinterrand vom Grunde aus zunächst ziemlich parallel, dann biegt in der Mitte der Höhe der Vorderrand schräg nach hinten um und veremigt sich schliesslich unter allmähliger Verschmälerung des Zapfens mit dem stets annähernd in ein und derselben Richtung aufstrebenden Hinterrande zur Spitze. Die, wie wir oben sahen, sehr wichtige Frage, ob der Stirnzapfen bei der Gabelantilope, ebenso wie bei der Gemse und dem Schafe als Epiphyse, als ursprünglicher Cutisknochen entsteht und erst nachträglich mit dem Stirnbein verwächst, muss ich leider aus Mangel an Untersuchungs- material dahingestellt sein lassen. Doch spricht die Angabe von Carox |19, S. 28], dass der Hornansatz sich bei jungen Thieren gegen den Schädel verschieben lasse, einigermassen dafür, dass auch hier, wie bei den wenigen anderen hierauf untersuchten Boviden, eine Epiphysen- bildung vorliegt. Allerdings könnte diese Beweglichkeit auch lediglich die Hornscheide MOoRPHOLOGIE DES GABELANTILOPEN-GEHÖRNES. m iD betreffen, wie dies z. B. von Forses für ältere, in der Neubildung der tdlornscheide begriffene Böcke ausdrücklich festgestellt ist |26]. Eime Spaltung des Stinzapfens, die dem vorderen Zacken der Hornscheide entspräche, ist, wie längst bekannt, nieht vorhanden. Bei dem Horm eines alten Bockes (Taf. XI Fig. 8) reicht der Stirnzapfen ungefähr bis in den ersten Anfang der nach hinten und innen gewendeten und gemskrickelartig gekrümmten, ziemlich drehrunden, eigentlichen Hornspitze d, während der vordere, stark seitlich zusammengedrückte und nach innen gebogene Zacken ce der nach hinten umgebogenen vorderen Kante des Stirnzapfens aufsitzt (Taf. XII Fig. 237). Bemerkens- werth ist ferner, dass gewöhnlich, nicht ausnahmsweise, wie Ponzic [43, S. 104 Anm.| angiebt, auch das letzte, ungefähr 3 cm lange Ende der Hornspitze (Taf. XI Fig. 8a), das wieder nach unten gerichtet ist, seitlich zusammengedrückt erscheint und sich also gewissermassen durch eine Einknickung gegen den ziemlich drehrunden, die Wölbung der Hornbiegung bildenden, anstossenden Hormtheil absetzt. Ich habe dieses, wie wir später sehen werden, für das Ver- ständniss der Hornbildung wichtige Verhältniss bei 6 von 7 ım Ganzen untersuchten Hörner- paaren gefunden, und auch bei dem T7ten war eme deutliche, plötzliche Verschmälerung der Hornspitze wahrnehmbar, nur war hier der verschmälerte Theil viel kürzer. Bei der Profil- ansicht ist diese Verschmälerung, die ungefähr durchschnittlich 3 mm beträgt, bei den von mir untersuchten Stücken nicht sichtbar. Die schematischen Abbildungen auf Taf. XII, welche dieselbe zeigen, sind daher in diesem Punkte unrichtig. Es kam mir aber darauf an, den primären Theil der Hornscheide deutlich zu markiren, und das konnte ich nicht gut anders erreichen. Auch weist eine von Bartrerr |8; S. 124] gegebene Abbildung darauf hin, dass die Ver- wischung dieser Verschmälerung in der Seitenansicht vielleicht erst durch spätere Abnutzung eintritt. Hornscheiden, die noch einen hinteren Zacken tragen oder einen zweiten vorderen, wie wir sie in der Literatur abgebildet finden [Hzex 31, S. 896 und Marsmarn 43, 8. 107], habe ich selbst nicht untersucht. Auch die Sculptur der Hormscheide ist, wie dies namentlich Marsmarz [43] recht gut darstellt, in deren verschiedenen Theilen sehr verschieden. Die oberhalb der Gabelungsstelle stehenden Theile, sowohl der Hornspitze wie des Zackens, sind ziemlich glatt, zeigen aber an der Oberfläche feine Längsrisse, die besonders au der Innenseite des Zackens, dort, wo der- selbe weniger abgenutzt wird, stets deutlich sind (Taf. XI Fig. 8). Der untere, ungegabelte Theil d der Hornscheide zeigt dagegen eine viel gröbere Längsfurchung und zugleich knotige Auswüchse, die meist ziemlich flach und in der Längsrichtung gestreckt sind, mitunter aber zu stumpf kegelförmigen Gebilden anschwellen. Aus der hornartigen Substanz der Hornscheide treten hier weisse oder bräunliche Haare deutlich hervor, deren Spitzen an stärker abgenutzten Theilen der Gehörne abgerieben sind, während sie dicht über der Basis noch aus der Horn- substanz (Taf. XI Fig. 9a) lang vorragen. An abgelösten Hornscheiden sieht man diese Haare noch viel deutlicher an der Innenseite, da sie m die Höhlung des Hornes und an dem unteren Rande der freien Hornscheide deutlich mit ihren Basaltheilen hervortreten, besonders an Bruch- stellen (Taf. XI Fig. 95). Untersucht man nun die Hornsubstanz der verschiedenen Abschnitte der Hornscheide auf feinen Quer- und Längssehnitten, so findet man, dass der verschiedenen Obertlächenstruetur auch ein einigermassen verschiedener histologischer Bau entspricht. Der ungetheilte und knotig längsgefurchte Grundtheil der Hornscheide besteht aus echter Hornsubstanz mit feinen, flach gedrückten Hornröhrchen, die gegen die Längsrichtung des Hornes schräg von unten und Nitsche, Studien üb. Hirsche. I. 10 74 MORPHOLOGIE DES (GABELANTILOPEN-GEHÖRNES. innen nach aussen und oben gerichtet sind, aber im Allgemeinen mit der Oberfläche des Hornes einen sehr spitzen Winkel bilden. (Textfigur 9/.) Diese Grundsubstanz ist nun von ähnlich gerich- teten gröberen Kanälen durchzogen, in die deutliche Haare von ovalem Querschnitt ein- gelagert sind (Textfigur 9a und Taf. XI Fig. 10 u. 11). Diese Haare werden von der Horn- substanz aber nur locker umschlossen und sind mit derselben nicht fest verbunden, lassen sich vielmehr leicht aus den Kanälen herausziehen. An nicht ganz dünnen Querschnitten fallen die Haarabschnitte sogar öfters um (Fig. 9e u. Taf. XI Fig. 11c) und liegen quer in dem Lumen der Kanäle, sodass man dann den Abschnitt von der Seite sieht und deutlich die äussere, aus schuppigen Haarzellen bestehende Unuticularschicht des Haares, .die solide Rinden- substanz und die Markschicht erkennt. An richtig liegenden sieht man nur die dunkele Mark- substanz und die glashelle Rindenschicht auf dem @Querschnitte (Fig. 9a). Die Hornzellen an der inneren Wand der Haarkanäle sind gewöhnlich locker geschichtet und bilden .keime glatte, sondern eine schuppige Grenzschicht, die sich hier und da an die Haare anlegt und so ver- hindert, dass auf den Schnitten regelmässig der Haar- abschnitt aus dem Kanale herausfällt, was trotzdem aber oft der Fall ist (Fig. 9d u. Taf. XI Fig. 1165). Mitunter liegen in einem Kanale zwei Haare neben eim- ander (Fig. 95), und namentlich da, wo er Haarspitzen umschliesst, erweitert sich der Kanal wohl auch zu einer ansehnlicheren Höhle, die man aber nur auf Längs- schnitten erkennt. An der Peripherie der Hornsubstanz liegen die Haare mitunter streckenweise nur im einer nicht völlig geschlossenen Rinne (Fig. 99). Da die Haare übereinander aus der Lederhaut entspringen und sehr schräg nach oben gerichtet sind, sieht man in der äusseren Hälfte der Hornscheidendicke meist nur die Querschnitte der Haarspitzen, die nur eine ganz feine Markschicht zeigen oder nur aus Rindenschicht bestehen (Fig. 9e), während in der inneren Schicht der Hormscheide der Querschnitt meist nur die mittleren Theile der Haare mit deutlicher, starker Markschicht trifft. 3ei der Untersuchung der ersten von mir gemachten, noch ungefärbten Querschnitte waren die Hornröhrehen der Grundsubstanz nicht deutlich erkennbar, und ich gab mich daher eine Zeit lang der Täuschung hin, die Haare entsprächen in diesem Falle den Hormröhrchen der iibrigen Hohlhörner und die Grundsubstanz der Hormscheide sei also lediglich dem sogenannten Zwischenhorn der übrigen Hohlhörner homolog. Spätere, mit Carmin und Haema- toxylin gefärbte Präparate liessen aber die Hornröhrchen der Grundsubstanz hervortreten. Auch zeigte sich bald, dass das untere Ende der frei m die Höhlung des Horms vorragenden Haare deutlich in eine richtige „Haarzwiebel“ ausgeht, also sicher in der Tiefe der Lederhaut des Hornzapfens seinen Ursprung hat, wie jedes andere Haar, was auch Carox [19, S. 31] ausdrücklich angiebt. Wären dagegen die Haare als modificirte selbständig gebliebene Horn- röhrchen entstanden, so hätten dieselben auf langen, über die Oberfläche der Lederhaut vor- springenden Papillen sitzen und ihr Basaltheil hätte einen, die Spitze dieser Papillen umschlies- senden Hohlkegel bilden müssen, von dessen Ende eine breite Markschicht emporgeragt hätte. In Wirklichkeit ist aber die Markschicht an dem unteren, verengten Haarende dünner und MOoRPHOLOGIE DES GABELANTILOPEN-GEHÖRNES, 75 nimmt erst später an Querschnitt zu, um in der Spitze des Haares wieder allmählig zu ver- streichen. Anders sind die oberhalb der Gabelungsstelle des Hornes gelegenen T'heile der Horn- scheide gebaut. Die äusserste, eingeschnürte Spitze des Hornes (Taf. XI Fig. 8a) hat, wie zuerst Forses [26] entdeckte und ich nach Querschnitten bestätigen kann, in ihrer Mitte eine mehrtheilige, weiche Bindegewebspapille (Taf. XII Fig. 20—25), um wejche herum concentrisch auf dem Quer- schnitte deutliche Hornröhrchen stehen, welch letztere wiederum coneentrisch von den Hornzellen des Zwischenhornes umgeben sind. Nur ganz vereinzelte Haarkanälchen mit Haaren finden sich hier und zwar mehr an der äusseren Peripherie des Querschnittes. Die Längsrisse der Oberfläche erschemen als flache Furchen. In dem plötzlich erweiterten, anstossenden Theile der Hornscheide (Taf. XI Fig. 85), der im Alleememen ähnlich gebaut ist, sind an der Peripherie etwas zahlreichere, aber nur Haarspitzen einschliessende Haarkanälchen vorhanden. Ganz ähnlich ist, wie ich bei der Untersuchung des Splitters einer einzelnen Hornscheide aus |dem berliner Naturhistorischen Museum, den ich Herrn Custos Marscnm verdanke, fand, die Textur der Spitze des vorderen Zackens. Doch fehlt hier die centrale Papille, und die besonders an der Peripherie vorhandenen Haarkanälchen enthalten meist nicht einmal Haarspitzen, sondern nur lockere Epidermiszellen: die Kanäle haben sich zwar weiter unten um Haare herum gebildet, das Wachsthum der Hornsubstanz ist aber dem der Haare vorausgeeilt. Die Hornscheide der Gabelantilope besteht also nicht einfach aus Hornsubstanz, wie die der übrigen Hohlhörner. Sie ist auch nicht, wie Grar [30, S. 326] will, nur aus verfilzten Haaren gebildet und daher auch keineswegs den verfilzten, zusammenhängenden Massen der Winterhaare vergleichbar, die, wie man leicht in den zoologischen Gärten sieht, alljährlich von Bison und Wisent im Sommer abgestossen werden. Sie entspricht aber noch viel weniger, wie dies MArsmarn annimmt [44, S. 25], dem verklebten und verschmolzenen Baste der Hirsche. Es liest dieser letzteren Auffassung offenbar eine missbräuchliche Anwendung des Wortes „Bast“ zu Grunde. Bast heisst durchaus nicht bloss der epidermoidale Theil des Integumentes des sprossenden Hirschgeweihes, sondern dessen gesammte aus Periost, Cutis und Epidermis nebst Haaren gebildete, weiche Bedeckung. Es sei hier überhaupt darauf hingewiesen, dass die eben eitirte kurze Mittheilung von Marsmarn seiner ersten ausführlicheren Arbeit gegen- über [43] soviel Unklarheiten enthält, dass ich sie als ein aus fremder Feder geflossenes Referat über einen viel klareren Vortrag ansehen möchte: wenigstens ist mir z. B. der Satz: „Bei der Antilocapra trägt der Knochenzapfen anfangs Haare, dann bildet sich an der Spitze ein Haarhornknoten, ein anderer ein Stück darunter; der Reiz erzeugt stärkere Ernährung unter den Knoten, es entsteht Knochen‘ zumal in seinem letzten Theile absolut unverständ- lich. Knochenneubildung kommt bei der Entstehung der neuen Hormscheide gar nicht vor, am wenigsten aber Neubildung mehrerer Knochenkerne, wie dies Heck |31, 8.896] nach einer von ilım selbst jetzt nicht mehr nachweisbaren Literaturnotiz zweifelnd angiebt. Die Hornscheide ist vielmehr durchweg eine epidermoidale Bildung, die aus Haaren und diese verbindender Hornsubstanz besteht, welche, wie dies, soviel ich weiss, Scrarer |69, S. 402] am deut- lichsten aussprach, nachträglich die früher gebildeten Haare einschliesst. Auch ist diese Hornsubstanz ihrer histologischen Structur nach echte Hornsubstanz, wie z.B. die der Horn- scheide von Rind, Schaf und Gemse, d. h. sie besteht durchaus nicht, wie dies Carox nach den Untersuchungen von Lester Curtis [19, S. 30 ff.] angiebt, aus einfach angehäuften, innen noch 10* 76 MOoRPHOLOGIE DES GABELANTILOPEN-GEHÖRNES, saftigen und nach aussen vertrocknenden und verhornenden Epidermiszellen. Ihre Epidermis- zellen sind vielmehr in genau derselben Weise zu Hornröhrehen geordnet, wie in den Horn- scheiden der Boviden, und man kann auch hier interpapilläre und suprapapilläre Theile unter- scheiden, welch letztere sich auf den unregelmässigen, starken Cutispapillen bilden, die Lesrer Curris für die @abelantilope nachgewiesen hat |19, S. 32 Fig. 1]. Es ist daher die Hornscheide der Gabelantilope auch nicht vollständig vergleichbar jenen merkwürdigen, den Veterinär-Patho- losen wohlbekannten Epidermordalbildungen, die bei der Ichthyosis oder Fischschuppenkrank- heit der Kälber dadurch entstehen, dass die zwischen den Haaren liegenden Theile des stratum Malpighü übermässig wuchern und eine hypertrophe, verhärtende und die Haare einschliessende Epidermismasse erzeugen. Hier fehlt eben jene regelmässige Anordnung der Hornzellen, die den Charakter des echten Hornes ausmacht und auf stärkerer Ausbildung des Papillarkörpers der Outis beruht. Immerhm sind die letzterwähnten pathologischen Bildungen, deren Kenntniss ich den Herren Geheimen Medicinalrath Dr. Sıepanerorzky und Medicinalrath Dr. Jomse zu Dresden verdanke, noch die nächsten Analoga der Hornscheide von Anti- locapra, die ich als eine Anhäufung von durch intercrinale Hornsubstanz — es sei die Schaffung dieses Ausdruckes gestattet — verbundenenHaaren bezeichnen muss. Nur diese Auffassung lässt sich auch mit den Angaben vereinigen, die uns Barrrerr [8]; Caxriern [18], Carox [19] und Forses [26] über das Abwerfen und die Neubildung der Gehörne der Gabelantilope machen. Der Stirnzapfen (Taf. XII Fig. 20) ist nach Abstossung der alten Hornscheide von lang behaarter Haut bedeckt und trägt nur auf seiner Spitze ein kleines, kurzes, aus wirklicher Hornsubstanz bestehendes Hörnchen, das sich als ein verengter Kegel (Taf. XII Fig. 200) gegen den breiteren, behaarten Stirnzapfen absetzt. Dieses bereits unter dem Schutze der alten Hornscheide entstandene Gebilde ist offenbar der oben geschilderte, an jeder gut ausgebildeten Hornscheide beobachtbare Spitzentheil (Taf. XI Fig. 8a), der, eben weil er eingezwängt in der Spitze der Höhlung der alten Hornscheide entstand, eingeschnürt erscheint gegenüber dem basalwärts an ihn anstossenden Horntheil, der erst später frei entsteht. Er wächst und vergrössert sich unter gleichzeitiger Verlängerung der Papille, deren Ende, wie uns Forses lehrt, mit der alten Hornscheide abgeworfen wurde, in derselben Weise wie jedes Horn, wobei sich aber auch die in ihm eingeschlossenen Haare verlängern. Seme Krümmung (Taf. XII Fig. 22) entsteht dadurch, dass, wie beim Horn der Gemse, sein Wachs- thum an der vorderen Peripherie lebhafter ist als an der hinteren. Hierbei hebt sich sein distaler Theil immer weiter iiber die Spitze des Stirnzapfens. Gleichzeitig beginnt aber eine neue Thätigkeitsperiode m dem vorläufig nur Haare tragenden Theile des Stirnzapfenintegu- mentes. Wie sich aus der, von Carox und Forses durch das Gefühl am lebenden Stücke wahrgenommenen, deutlichen Temperaturzunahme schliessen lässt, strömt der Cutis und dem Papillarkörper des Stirnzapfenintegumentes reichlich Blut zu. Infolge dieser stärkeren Ernähr- ung wachsen einmal die Haare, andererseits beginnt aber in dem zwischen den Haaren liegenden Papillarkörper der Outis eine regere Thätigkeit, die m emer Wucherung der den- selben überlagernden Epidermis ihren Ausdruck findet. Es entsteht zwischen den Haaren neue und also intererinale Homsubstanz, welche zwischen den bereits vorhandenen und wachsenden Haaren emporwuchernd diese umschliesst, sodass dieselben gewissermassen in der Hornsubstanz untertauchen, wenn ihr Wachsthum mit dem der Hornmasse nicht gleichen Schritt hält. Diese Bildung intererinaler Hornsubstanz beginnt zunächst an einer von der oberen Hornkappe des Stirnzapfens völlig getrennten Stelle (Taf. XII Fig. 21y). Es entsteht u | en | MoRPHOLOGIE DES GABELANTILOPEN-GEHÖRNES. die Anlage des vorderen Zackens. Bald beginnt aber die intererinale Hornbildung auch an einer unterhalb der nach oben wachsenden Hornkappe gelegenen und derselben sich anschliessenden ringförmigen Zone. Die hier gebildete neue imtererinale Hornsubstanz setzt sich an die obere Hornkappe nach unten an und verlängert sie nach abwärts, sodass der nur behaarte, freie Theil Pl 8 ) ) des Stirnzapfens allmählig beschränkt wird. Immer neue, ringförmige, unter der ersten liegende Zonen werden allmählig von «lieser erhöhten Thätigkeit ergriffen, sodass die mtererinale Horn- oO oO I produetion bald bis zu der Stelle herabreicht, wo anfänglich die getrennte Anlage des vorderen Zackens entstand. Letztere verschmilzt daher mit der übrigen Hornscheide (Taf. XII Fig. 22). ie) g ) Allmählige wird auch der unterhalb der Zackenanlage befindliche Theil des Stirnzapfenintegu- mentes in diese erhöhte Thätigkeit einbezogen, und der bei weitem grösste Theil des Zapfens, fast bis auf die Stirnbeine herab, wird von einer, die ursprünglich auf ihm stehenden Haare einschliessenden Hornscheide bedeckt, welche nunmehr, kurz vor dem Beginn der Brunftzeit, dem Stirnzapfen fest aufsitzt und eine brauchbare Waffe im Kampfe um das Weibchen abgiebt (Taf. XII Fig. 23). Das Abwerfen, das mehr der durch Mewxs, Post und Sterser (vergl. 74, S. 47) nachgewiesenen Schnabelscheiden- und Nagelmauser bei den Tetraoniden ähnelt als dem Abwerfen eines Hirschgeweihes, wird wahrscheinlich zunächst eingeleitet durch eine Unter- brechung der Production des interermalen Hornes in der Brunftzeit, während der alle überschüssigen Nahrungsstofte des Blutes von den Fortpflanzungsorganen beansprucht werden. Hierdurch wird die Verbindung der alten Hornschicht mit dem stratum Malpighiüi unter- brochen und das fernere Wachsthum der Haare sistirt. Tritt nun nach Abschluss der Brunft wieder eine reichliche Blutzufuhr zu dem Integument der Stimzapfen ein, so beginnt die 8 } D 8 intererinale Hornproduction zunächst an der Spitze des Stirnzapfens, hebt allmählich die alte Hornscheide in die Höhe und reisst bei weiterem Fortschritte die fester in derselben steckenden Haare ab oder aus, während die nur locker in der Hornmasse sitzenden, auf ? ) dem Integument verbleiben. Letzteres unterliegt also sicher wenigstens theilweise einem Haarwechsel, dem, wie bei dem gewöhnlichen Haarwechsel, eine Bildung von Ersatzhaaren folgt, die bereits fertig sind, wenn schliesslich die neue Hornscheidenspitze die alte Horn- scheide soweit gehoben hat, dass sie wirklich abfällt. Möglich wäre es übrigens auch, dass stets sämmtliche Haare des Stirnzapfenintegumentes zum Zeitpunkt der Abhebung der Hornscheide mit abgeworfen und durch Neubildungen ersetzt würden. Wir können daher, unter nothgedrungener Vernachlässigung der Frage nach der Epi- physen- oder Apophysennatur des Stirnzapfens, die Vorgänge bei Bildung, Abwerfen und Neu- bildung des Gabelantilopengehörnes (vergl. Taf. XII Fig. 20 bis 25) kurz folgendermassen zusammenfassen: Die Gabelantilope hat einen mit behaartem Integumente bedeckten Stirn- zapfen, dessen eine Outispapille tragende Spitze ein kleines Käppehen von Hornsubstanz bildet (Fig. 20), das wachsend sich zu der krickelartig gebogenen Hormspitze ausbildet, während zugleich em zweites, auf der vorderen Kante des Stirnzapfens entspringendes Hörnchen die getrennte Anlage des Gabelzackens bildet (Fig.21). Dieser entsteht aber auf einer bereits von Haaren besetzten Stelle des Integumentes in der Art, dass nach- träglich unter dem Einfluss eines stärkeren Blutandranges das zwischen den Haaren liegende stratum Malpighei zu wachsen beginnt und nun wahre Hornsubstanz erzeugt, -1 = ‘) MoRrPHOLOGIE DES GABELANTILOPEN-GEHÖRNES UND DES RHINOCEROS-HOoRrNnES. welche, zwischen den Haaren aufsteigend, diese völlig einschliesst. Die gleiche inter- erimale Hormbildung beginnt aber schliesslich auf dem ganzen behaarten Integumente des Stirmzapfens, verbindet zunächst die ursprünglich getrennte Anlage des Zackens mit der auf der Stirnzapfenspitze wuchernden Hornspitze zu einem Ganzen (Fig. 22) und bildet schliesslich, weiter abwärts steigend, den hohlen Basaltheil der Horm- scheide (Fig. 23). Die so entstandene aus Haar und intererimaler Hornsubstanz bestehende Hornscheide sondert sich nach der Brunft von den persistirenden unteren Schichten des Integumentes (Fig. 24), von denen alsbald eine Neubildung der abge- lösten Theile ausgeht, die schliesslich zur wirklichen Abhebung und Abstossung der alten Hornscheide (Fig. 25) und zur Bildung einer neuen führt. Aus dem eben Gesagten ergiebt sich klar, dass das Gehörn der Gabelantilope zwar keineswegs ein Mittelding zwischen Geweih und Bovidengehörn, wohl aber, was seinen integumentalen Theil betrifft, ein Uebergang von dem Gehörn der Giraffe zu dem der Boviden ist. Das Giraftengehörn hat ein nur behaartes, die Gabelantilope ein behaartes und behorntes (sit venia verbo!), das Bovidengehörn ein nur behorntes Integument. Die Mittelstellung der Gabelantilope zwischen Giraffe und Boviden wird vielleicht noch deutlicher werden, wenn einmal die Natur der Hormspitzenschwiele der Giraffe und der primären Bildung des Stirnzapfens der Gabelantilope genauer untersucht sein wird. In letzterer Beziehung ist mir wahrscheinlich, dass auch der Stirnzapfen der Gabelantilope sich als eine Cutisbildung und Epiphyse herausstellen dürfte. V. Das Horn des Rhinoceros. Der Vollständigkeit halber sei schliesslich noch kurz das Horn des Rhinoceros charak- terisirtt. Dass dieses Organ, abgesehen von den rauhen Erhabenheiten des Nasen- oder Stirn- beines, die mitunter semen Standort an der Schädeloberfläche kennzeichnen, nur dem Integument angehört und ein reines Epidermoidalgebilde darstellt, ist bekannt. Die alte z. B. von Saxpırortr vertretene Anschauung dagegen, es entspräche dieses Horn histologisch einem Büschel ver- klebter Haare, ist nicht aufrecht zu erhalten. Als Haare kann man ja nur jene Epidermoidal- gebilde bezeichnen, die als fadentörmige Anhäufung concentrisch geordneter, verhornter Epider- miszellen auf einer in die Tiefe der Cutis versenkten Papille entstehen. Die Unter- suchung der Basalfläche eines abgelösten Rhinoceroshornes lässt jedoch an deren wabigem Bau erkennen, dass das Gebilde auf langgestreckten Papillen entstand, die frei von der Uutis entspringen, genau wie die Papillen des Kronenwulstes, welche die Röhrchen- oder Schutz- schicht der Hornwand des Pferdehufes bilden. Dieser Hornwand ist daher auch die Horn- substanz des Rhinoceroshornes vollständig gleichwerthig. Sie besteht aus sehr langen Horn- röhrchen mit deutlich unterscheidbarer, centraler Mark- und peripherer Rindenschicht, welche durch Zwischenhorn verbunden sind. Nur scheinen mir die Epidermiszellen der Rindenschicht glatter und fester zu sein als derjenigen des Pferdehufes, und es setzen sich daher die Horn- röhrehen hier schärfer gegen das Zwischenhorn ab als beim Pferde. Es kann also kein Ver- gleich gezogen werden zwichen der Hornscheide von Antilocapra und dem Rhinoceros- horn. Die Hornsubstanz des letzteren entspricht lediglich der die Haare des Hornzapfen- ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE. 79 integumentes nachträglich einschliessenden, echten Hornsubstanz bei Antilocapra. Gebilde, die wirklichen Haaren entsprächen, gehen nicht in die Bildung des Rhimoceroshornes ein. Kurz zusammengefasst können wir also das Horn des Rhinoceros (Taf. XII, Fig. 13) bezeichnen als eine reine Integumentbildung ohne Knochenkernm, deren Epidermoidaltheil histologisch der Hufwand des Pferdehufes entspricht, soweit diese von den Papillen des Kronenwulstes gebildet wird. Vl. Zusammenfassung der Ergebnisse. Aus den Ergebnissen der vorstehenden, ausführlichen Untersuchung scheint mir hervor- ? fe) zugehen, dass die neueren Eintheilungen der Hormbildungen bei den Hufthieren einer ein- sehenderen Kritik nicht Stand halten. Besonders die Rürmeyer’sche Eintheilung erscheint als eine völlig künstliche, aber auch die neueste von ALEXANDER Branpr gegebene ist nicht durchweg stichhaltig.. Dagegen decken sich die Abtheilungen in den Hornbildungen der Wiederkäuer, die ich als natürlich begründete nachzuweisen suchte, völlig mit den 1866 von J. E. Grar [30] aufgestellten, trotzdem die Gründe, die mich zur Annahme dieser Gruppen bewegen, in einzelnen Punkten andere sind, als die von Gray hervorgehobenen. So ist es mir denn auch zweifelhaft, ob die von letzterem Forscher vorgeschlagenen wissenschaftlichen Bezeichnungen seiner einzelnen Abtheilungen künftighin weitere Verbreitung finden werden. Immerhin dürften sie zu internationaler, wissenschaftlicher Verständieune sehr „eeionet sein. ö ) oO oO [o) < Er nennt die Geweihe der Cerviden epochocera, die Gehörne der Giraffe dermocera, die der 1 ) Gabelantilope komecera und die der Boviden coelocera. Natürlich würde es sich empfehlen, bei ihrem wirklichen Gebrauche die allen diesen Namen gemeinsame, sprachwidrige Endung -cera, durch die grammatikalisch richtige -cerata zu ersetzen. Wollen wir aber in wissenschaftlichen deutschen Werken in Zukunft die Hornbildungen der Hufthiere im Allgemeinen ihrem morphologischen Werthe nach unterscheiden, so scheinen mir folgende Bezeichnungen empfehlenswerth. Für die Waffen der Cerviden besitzen wir bereits einen vollkommen genügenden Aus- druck, der natürlich auch beibehalten werden muss: die Cerviden tragen Geweihe. Dagegen wäre der ebenfalls bereits eingebürgerte Ausdruck Gehörn auf diejenigen Waffen zu beschränken, die aus einem dauernd von Integumentgebilden bedeckt bleibenden Knochenzapfen bestehen. Als Hörner schlechtweg wären dagegen passender Weise nur die reine Epidermoidal- bildungen darstellenden Waffen der Rhinoceroten zu bezeichnen, da deren Substanz eben auch im histologischen Sinne ausschliesslich aus „Horm“ besteht. Unterabtheilungen der Geweihe im vorstehenden Sinne lassen sich nur nach der äusseren Gestalt. nach Endenzahl, Endenstellune, Verbreiterung der Stangen zu Schaufeln u. s. f. bilden. , ) D 8 8 Die Hörner der Rhinoceroten stellen eine noch viel oleichartiger eebaute Gruppe dar. Daweeen 8 ger 8 Pl ge: zerfallen die „Gehörne‘“ in solche mit nur behaartem (Giraffe), in solche mit behaartem und gleichzeitig behorntem (Gabelantilope) und in solche mit nur behorntem Integumente (Boviden). s0 EINTHEILUNG DER HÖRNERFORMEN DER HUFTHIERE. Eme ganz sichere Eintheilung der verschiedenen Hornbildungen nach der Natur ihrer knöchernen Grundlage, je nachdem sie eine Apophyse oder eine Epiphyse der Schädelknochen darstellt, ist bei dem gänzlichen Mangel an Untersuchungen über die primäre Entstehung des Stirnzapfens bei der Gabelantilope und den Antilopen mit solidem Stirnzapfen augen- blicklich nicht möglich, doch ist meiner Ansicht nach vorläufig die folgende übersichtliche Eimtheilung der Hornbildung der Hufthiere die wissenschaftlich am besten begründete. A. Hörner ohne Knochenkerne, die reine Integumentgebilde und zwar Epidermoidalgebilde darstellen, d h. echte Hörner. . . . . Rhinoceros. B. Hörner, in deren Bildung Knochensubstanz eingeht. 1. Die knöcherne Grundlage ist ein erst secundär mit dem Schädel verwachsender Cutisknochen, der also eine Epiphyse dar- stellt, die dauernd vom Integument bedeckt bleibt. Es sind Gehörne. a) Ihr Integument ist behornt und die Hornscheide perennirt Bovidae. b) Ihr Integument ist behaart, und zugleich behornt, und die Hornscheide wird alljährlich gewechselt . . . . . . Antilocapra. c) Ihr Integument ist nur behaart, und nur die Haare unter- liegen: dem Wechsel‘. - .. „I ar. De re 2. Die knöcherne Grundlage des Hornes ist eine unter dem Schutze des behaarten Integumentes entstehende Stirnbein- apophyse, deren Endtheil nach Eintrocknung und Ab- stossung des Integumentes durch Nekrose verloren geht und alljährlich durch Regeneration ersetzt wird. Es sind Geweihe Üervidae. (r. Systematische Betrachtungen. Die vorstehenden Darlegungen schemen mir auch zur Klärung der augenblicklich noch ausemandergehenden Ansichten über die verwandtschaftlichen Beziehungen der Wiederkäuer beitragen zu können. Die Verschiedenheiten derselben werden am besten erläutert durch Vergleichung der in zwei neuen, ziemlich gleichzeitig erschienenen Lehrbichern angenommenen Systeme: in Frower und Lvperker's Einleitung in das Studium der Säuger [25] und Zimmers Palaeozoologie |75], einem Vergleiche, bei dem ich die ausgestorbenen, für meinen nächsten Zweck weniger wichtigen Gruppen unberücksichtigt lasse. Die englischen Forscher fassen alle gehörnten Wiederkäuer in die Gruppe der Pecora zusammen und trennen diese in die vier Familien der Cervidae, Girafjidae, Antilocapridae und Dovidae. Zivren hingegen trennt sie in zwei Familien, in die Cervicornia und die Cavi- cornta und theilt jede wieder in Unterfamilien, die Üervicornia in die Moschinae, Cervulinae, Cervinae und Giraffinae, die Cavicornia in die Antilopinae, Ovinae und bovinae, wobei Antilocapra einfach in den Antilopinae verschwindet. Es werden also in dem einen Falle die so wunderbaren Formen der Givrafte und Gabel- antilope als Vertreter kleiner besonderer Gruppen angesehen, die Mittelglieder bilden zwischen der grossen Gruppe der auch Moschusthier und Muntjac umfassenden hirschartigen Thiere und den Hohlhörnern. In dem anderen wird dagegen die Giraffe in engere Verbindung mit den Hirschen gebracht, während die Gabelantilope einfach mit den übrigen Hohlhörnern ver- einigt wird. Die hier beabsichtigte Untersuchung spitzt sich daher einfach in zwei Fragen zu: 1. Ist die Giraffe näher mit den Hirschen oder mit den Hohlhörnern verwandt? 2. Ist der Unterschied zwischen Gabelantilope und den übrigen typischen Boviden so gering, dass sie letzteren ohne weiteres eingereiht werden darf? Wenn die Rürmeyer-Zirrer’sche Anschauung über die Verwandtschaft der Giraffe richtig ist, so muss man nachweisen können, dass sich dieselbe nach der Mehrheit ihrer körperlichen Merkmale den Hirschen nähert. Ob dem wirklich so sei, werden wir am schnellsten erkennen, Nitsche, Studien üb, Hirsche. I. 11 32 DiE STELLUNG DER GIRAFFE IM SYSsTEn. wenn wir die von V. Brooxe |16, 8. 884 und 885] nach Frower gebrachte Gegenüberstellung der Merkmale des Cerviden- und Bovidenbaues benützen. Ich fasse aber die von ihm m 12 Punkte vertheilten Unterschiede der beiden Gruppen übersichtlicher zusammen und ergänze sie in verschiedenen, von Broorz nicht betonten Beziehungen. In Punkt 1 hebt V. Brooke zunächst die altbekannten Unterschiede in der Hörmer- bildung beider Gruppen hervor. Aus memen früheren Darstellungen ergiebt sich nun sofort, dass sich das Giraffengehörn keinem der beiden Haupttypen vollkommen anschliesst, dass dasselbe aber, weil sein Knochenkern als Epiphyse entsteht, dem Bovidengehörn weit näher ver- wandt ist als dem Öervidengeweih. Die Aehnlichkeit, die zwischen dem Hirschgeweihe und dem Giraffengehörn in sofern besteht, als ersteres während der Entwickelung, letzteres dauernd mit behaartem Integeument bedeckt ist, fällt darum weniger in das Gewicht, weil die wesentliche Eigenthümlichkeit der Geweihe, ihr periodischer Abwurf und ihre Erneuerung, nicht auf der Behaarung des Integwnentes beruht, sondern auf dessen alljährlichem Ver- luste, aus dem sich der Verlust der Stangen selbst leicht ableiten lässt. Der Besitz eines solchen behaarten Integumentes nähert die Gehörnbildungen von Hirsch und Girafte emander also nach meiner Ansicht im geringerem Maasse als die verschiedene Dauer dieser Integument- bedeckung sie trennt. Die übrigen Unterschiede des Cerviden- und Bovidenschädels stellt V. Broor£ in den Punkten 2, 3, 4 und 9 zusammen. Es sind dies a) Die stete Verdoppelung der Oeffnung des Thränenganges bei den Cerviden gegenüber der bei den meisten Boviden einfach bleibenden Thränenöffnung. b) Das regelmässige Vorkommen der das T'hränenbein einnehmenden Thränengrube bei den Hirschen, einer Emsenkung, die nur bei wenigen Gazellen vorkommt. c) Das regelmässige Vorkommen der sogenannten Ethmoidallücken auf der Gesichtstläche des Hirschschädels und das fast regelmässige Fehlen derselben bei den Boviden. d) Die Hinaufrückung der Grenze zwischen Scheitel- und Schlätenbein bei den Uerviden, gegenüber deren tieferer Lage bei den Boviden. e) Als fünften Punkt möchte ich hinzufügen die Solidität der Schädelknochen bei den Cerviden, gegenüber ihrer Aufblähung durch Ausdehnung der Stirnhöhlen bei den meisten Boviden. Betrachten wir zunächst letzteren Unterschied, so erhellt aus dem früher (S. 65) Gesagten, dass gerade bei der Giraffe diese hier bis in das Hinterhauptbein reichende Aufblähung ihre höchste intwickelung findet und die Girafte den Boviden näher stellt als den Üerviden. Auch in Betreff des Punktes d scheint sich mir die Giraffe den Boviden näher anzu- schliessen als den Uerviden, indem auch bei ihr die Scheitel-Schläfenbeim-Naht ziemlich tief sitzt, wie ich aus Abbildungen und Photographien ersehe. Da, wie ich zu zeigen suchte (vergl. S. 56), die hohe Stellung dieser Naht bei den Hirschen ihren Grund darin hat, dass die Schläfenbeinschuppe entsprechend der festeren Fügung der Schädelkapsel weiter über das Scheitelbein übergreift als z. B. bei der Gemse, so ist auch diese scheinbar recht unwichtige Einzelheit nicht zu übersehen, ZAHNWECHSEL DER CERVIDEN UND BOvIpEn. 83 Was den Thränengang, die Thränengrube und die Ethmoidallücke betrifft, so schliesst sich auch in Betreff ihrer die Giraffe den Boviden näher an als den Cerviden, da bei ihr die Thränenöffnung im Alter auf einen verschwindend kleinen Punkt redueirt ist [Rürmerer 61, S. 15], die Thränengrube fehlt, und die in der Jugend allerdings vorhandene Ethmordallücke sich in vorgerückterem Alter schliesst [61, S. 65]. In den Punkten 5 und 6 behandelt Broorz die Gebissunterschiede zwischen Üerviden und Boviden und stellt zunächst fest, dass die echten Backzähne (molares) der Hirsche brachyodont oder, um mit Rürmeyer zu reden, knospenförmig sind, die der Boviden hingegen hypsodont oder säulenförmig. In dieser Beziehung schliesst sieh nun, wie dies Rürmever ausführlich nachwies, die Giraffe entschieden den Hirschen und zwar besonders dem Elch an [62, S. 35—-37]. Die systematische Wichtigkeit dieser Hirschähnlichkeit wird aber nach meiner Ansicht wesentlich herabgesetzt durch den Umstand, dass eben nur die Form hirschähnlich ist, die Reihen- tolge des Zahnwechsels sich aber den Verhältnissen bei den Boviden anschliesst. Ich muss nämlich hier darauf aufmerksam machen, dass der Unterschied im Gebiss zwischen Öerviden und Boviden noch durchaus nicht erschöpfend bezeichnet ist, wenn man sagt, die Cerviden hätten ein mehr brachyodontes, die Boviden ein mehr hypsodontes. Ein ganz wesentlicher, zwar den Vertretern der angewandten Zoologie, d. h. in diesem Falle den Jaedzoologen einerseits und den Veterinäranatomen andererseits längst bekannter, aber meines Wissens noch niemals systematisch zur Abgrenzung der Uerviden und Boviden herbeigezogener Unterschied, den ich selbst allerdings bereits 1837 und 1891 in zwei klemen Aufsätzen deut- lieh hervorgehoben habe [52 u. 53], besteht in der Verschiedenheit der Reihenfolge im Zahnwechsel bei beiden Gruppen. Nehmen wir als Typus der Cerviden das Reh, als solchen der Boviden die Gemse, so ist die Zahnformel des Milch- und Dauergebisses bei beiden absolut die gleiche, nämlich 9 2 Tillleh es. 0 I De; Bo Re 45,043 4 0 Br) Dauergebiss VERER EN p- Bang : N) 6 4 0 6) b) ;emerkt sei zu diesen Zahnformeln, dass ich bei völliger Anerkennung der Homologie des äussersten Schneidezahnes dieser Thiere mit dem unteren Eekzahne der Kameele es doch in prazxi vorziehe, ihn als Schneidezahn zu zählen, da diese Zählung eben die wirklich sichtbaren Verhältnisse besser ausdrückt als die jetzt mehr gebräuchliche, lediglich die phvlo- Dep) = eo N) 3 3 genetischen Beziehungen desselben betonende 1.5 © 1 pe DNS {9} {9} {9} Der Eekzahn ist eben in Wirklichkeit in einen Schneidezahn verwandelt. Auch erleichtert diese Zählung, zumal wenn man von der Trennung der Backzähne in Prämolaren und Molaren absieht, die Darstellung der Zahnwechselfolge bedeutend. Zu letzterem Zwecke muss man aber natürlich jeden Zahn einzeln bezeichnen und zwar am besten, wie ich dies bereits seit 1879 als 34 ZAHNWECHSEL DER CERVIDEN UND BOViDEn. stets thue [48], die Milchzähne mit arabischen, die definitiven Zähne mit römischen Zahlen. Zugleich ist es passend, durch Linien und beigeschriebene Zahlen die Jahrgänge, in denen die verschiedenen Uebergangsstufen zwischen Milch- und Dauergebiss auftreten, in der Weise zu bezeichnen, wie ich dies in der folgenden Tabelle thue. Nur dann tritt der durchgreifende Unterschied im Tempo des Zahnwechsels deutlich hervor. Milchgebiss: Rel bee), Ba IE 1 2 AL [3 [P N Kalen- nn ee =. SeMBe Kalen- derjahr Y Y derjahr | Eee BEER Pain - ij 208, 2 7 | Bor a 1 9,3: A. 0 1 os Kl. INN BEE, n 712 3a SSH V 172.8.) ee KEN En ME WW vH = DER 37 2 U SE SU AN ee: Ida mmYT a . erreleRTNER III Tann 2 | Ks LA AENNNETZEN v Tem TI was NN 1. IE DIV | SER Von | St 4 teh a \ 1. IE. IH. IV EISEN Dauergebiss. ZAHNWECHSEL DER GIRAFFE. 35 Wollen wir den Inhalt der vorstehenden Tabelle in Worte fassen, so könnten wir sagen: Bei dem Reh und, nach meinen persönlichen Erfahrungen, bei den Verviden im Allgemeinen werden zunächst die Milchschneidezahnpaare, vom mittelsten anfangend, kurz hintereinander gewechselt, und es machen dann in einer zweiten, ebenfalls ziemlich kurzen Periode die Milchbackzähne den Ersatzzähnen Platz. Bei der&emse und denBoviden im Allgemeinen vertheilt sich dagegen der Wechsel der Milchschneidezahnpaare derartig, dass vom 2ten Kalenderjahre des Lebens an zwischen dem Wechsel jedes Schneidezahnpaares eine Pause von fast einem Jahre liegt. Der Back- zahnwechsel fällt aber früher als die Vollendung des Schneidezahnwechsels, tritt nämlich bereits nach dem Wechsel des zweiten Schneidezahnpaares ein. Ein noch gemischt aus Mileh- und Ersatzzähnen bestehendes Gebiss, in welchem alle Backzähne schon gewechselt sind, die äusseren Schneidezähne aber noch dem Milchgebiss angehören, kann daher nur bei den Boviden, niemals bei Oerviden gefunden werden. Es genügen nun die bisher sehr spärlichen Beobachtungen über den Zahmwechsel der Giraffe nach meiner Ansicht immerhin, um zu zeigen, dass derselbe dem Bovidentypus folgt. Stellen wir zunächst die zerstreuten Angaben von R. Owen [55, S. 245 und 246 und 56, S. 27] zusammen, so erhalten wir folgendes Bild. Bei dem im londoner Zoologischen Garten 1841 geborenen Giraffenkalbe war im 5ten Lebensmonate das Milchgebiss vollständig und durch den ersten Dauerbackzahn ergänzt. Der Zahnwechsel wurde an der Mutter dieses Kalbes beobachtet. Nehmen wir an, die durch- schnittliche, normale Setzzeit der Girafte sei der 1.. Juni — das londoner Weibchen selbst hat seine beiden Kälber, das erste am 19. Juni 1839, das zweite am 26. Mai 1541 gesetzt — so war das im Frühjahr 1835 in Kordofan als Jährling gefangene Thier bei semer Ankunft im Zoologischen Garten am 25. Mai 1836 ungefähr bereits 24 Monate alt. Doch gehörten, wie Owen ausdrücklich angiebt, noch die sämmtlichen Schneidezähne und die vorderen Backzähne dem Milchgebiss an. Der Wechsel begann erst im März 1838 mit dem mittelsten Schneidezahnpaare, das also in seiner definitiven Gestalt im 46ten Lebensmonate auftrat. Nun folgte im Juli desselben Jahres, also im 50ten Monate, das zweite Ersatz-Schneidezahnpaar und im October, November und December, also vom 53ten bis 55ten Monate, wurden die beiden vorderen Paare der Milchbackzähne gewechselt. Ueber den Wechsel der 3ten Milchbackzähne und das Auftreten der beiden hinteren Paare der Dauerbackzähne fehlt jede Angabe, dagegen trat der Wechsel des äusseren 4ten zweilappigen Milchschneidezahnes erst gleichzeitig mit der Geburt des zweiten Kalbes ein, also nach meiner Rechnung im 82. Lebensmonate der Mutter. Ergänzt wird diese Reihe durch die Zahnformel eines jüngeren Giraffenschädels, den ich im Frühjahre 1898 im zoologischen Museum der Universität Parma sah und mit freundlicher Erlaubniss von Herrn Professor Dr. Neerısı untersuchen konnte. Er gehört zu dem im Hauptsaal aufgestellten Skelette. Bei diesem Schädel gehörten die beiden mittelsten Schneidezahnpaare dem ürsatzgebiss an, das Ste Paar fehlte, indem der Milchzahn verloren gegangen, der Ersatzzahn aber noch nicht durchgebrochen war, während das 4te Schneidezahnpaar dem Milchgebiss angehörte. Dagegen waren alle Milchbackzähne bereits verloren, die beiden vordersten Ersatz- paare aber eben erst im Durchbruche begriften, während das 3te Paar Ersatzbackzähne bereits etwas in Thätigkeit gewesen war. Der Wechsel des ten Milchbackzahnes fällt also ungefähr in dieselbe Periode wie der der beiden ersten. 36 DiE STELLUNG DER GIRAFFE IM SYSTEM. Wir haben also bei der Giraffe das typische Bild des Bovidenzahnwechsels: schr lange Dauer der Wechselperiode, hier sogar bis in das 7te Lebensjahr. Der Wechsel der einzelnen Schneidezahnpaare ist durch sehr lange Pausen getrennt, während der Backzahn- wechsel, auf eine verhältnissmässig kürzere Periode zusammeneedrängt, der Vollendung des Schneidezahnwechsels voraus eilt. (Vergl. Zusatz 6). Zur Abschwächung des Werthes, den ich auf die Verhältnisse des Zahnwechsels lege, könnte man nun darauf hinweisen, dass die Abkürzung des Oervidenzahnwechsels und seine Zusammendrängung in zwei aufeinander folgende kürzere Perioden, die Periode des Schneide- zahnwechsels und die des Backzahnwechels, doch nur ein Correlat zu der bei den Hirschen iiberhaupt sehr auffallenden und am besten durch den regelmässigen jährlichen Geweihwechsel charakterisirten Rhythmik der Lebenserscheinungen sei. Dem wäre Folgendes zu erwidern. Ein Zusammenhang von Zahnwechsel und Geweihbildung ist allerdings nicht zu verkennen. Ich habe selbst des öfteren darauf hingewiesen, dass zunächst bei den deutschen Hirschen der Schneidezahnwechsel mit der Periode des Erstlingsgeweihes, der Backzahnwechsel mit der des zweiten Geweihes zusammenfällt und habe diese Regel späterhin auch ausnahmslos bei allen ausländischen, von mir daraufhin untersuchten Cerviden gefunden. Es wäre daher von diesem Standpunkte aus nicht eben unwahrscheinlich, dass das Tempo des Zahnwechsels nicht die Andentung emer phylogenetischen Verwandtschaft, sondern die Folge ähnlicher biologischer Lebenserscheinungen darstellt, der Giraffe also nur deshalb der langhingedehnte Zahnwechsel zukomme, weil ihr, bei dauerndem Besitze der Gehörne, jene Rhythmik der Lebenserscheinungen fehle, die sich bei den Hirschen in dem Geweihwechsel ausspricht. Dennoch muss diese Vermuthung zurückgewiesen werden, denn der einzige andere Wiederkäuer, der ähnliche, zwar nicht homologe, aber doch analoge, rhythmische Erscheinungen an seinen Gehörmnmen zeigt wie die Hirsche, nämlich dieG@abelantilope, besitzt trotzdem das lanchingedehnte Zahnwechseltempo der Boviden. Dies lehrt mich ein Antilocapra-Schädel in der Sammlung der landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin, dessen Untersuchung mir Herr Professor Dr. Nenkıng freundlich gestattete. Der Backzahnwechsel ist hier vollständig vollendet, während der vierte Schneidezahn noch dem Milchgebiss angehört. (Vergl. Zusatz 7). Nehmen wir ferner hinzu, dass in Betreff der Schneidezähne die Giraffe völlig vereinzelt unter den Wiederkäuern durch die zweilappige Gestalt des äusseren Schneidezahnes dasteht, so kann von einer wirklichen, vollständigen Uebereinstimmung von Oerviden- und Giraften- gebiss nicht die Rede sein und zwar um so weniger, als in Betreff des von Broorz aufgestellten Punktes 6: Vorhandensein oberer Eckzähne in beiden Geschlechtern bei den meisten Hirschen und fast vollständiges Fehlen derselben bei den Boviden, die ganz eckzahnlose Giraffe wiederum sich den Boviden nähert. Die Punkte 7, 8 und 10 beziehen sich auf die Unterschiede im Bau der Extremitäten, die ich allerdings etwas anders und weiter fassen möchte als Brooke. Mir scheinen dieselben am schärfsten dadurch ausgeprägt, dass bei den Hirschen die Zehen II und V, welche die socenannten Afterklauen tragen, besser entwickelt sind als bei den Boviden und zwar einmal schon äusserlich insofern, als die Horndecken derselben, die Geäfter, bei den Hirschen ausnahmslos vorhanden sind, während sie unter den Boviden einieen kleinen Antilopen, z. B. Nesotragus und Nanotragus, fehlen, besonders aber innerlich, da alle Hirsche, mit alleiniger Ausnahme von Cervulus, an allen vier Läufen alle drei Phalangen an den Aussenzehen ent- Dis STELLUNG DER GIRAFFE IM SYSTEM. 87 wickelt haben, während bei den Boviden (und bei Cervulus) höchstens em hudiment des 3ten Zehengliedes vorhanden ist. Dieser besseıen Entwickelung des Zehenskeleties bei den Hirschen entspricht auch, wenigstens bei vielen, die bessere Entwickelun II und V, deren untere Abschnitte sich bei den telemetacarpen oder langballigen Foımen zu & der Mittelhandknochen langen, die Phalangen tragenden Griffelbeinen entwickeln, während bei den kurzballigen oder plesiometacarpen Formen ein ähnliches Verhältniss besteht wie bei den Boviden, denen höchstens ıdimen er oberen Abschnitte dieser Metacarpalia zukommen. Rudimente d b \bschnitte d Metacarpal 1 Den Bau der Fusswurzel, den Punkt 10 behandelt, glaube ich übergehen zu dürfen. Dagegen möchte ich als weiteren bedeutenden, von V. Brooxz zwar völlig gewiürdigten, aber doch nicht in seine Uebersicht aufgenommenen Unterschied im äusseren Bau der Extremitäten das ast ausn slose Vorhandensein von auf drüsiger Grundlage ruhenden Haarbiüscheln an den fast ausnahmslose Vorhand f drüsiger Grundlag henden Haarbischel | Iinterläufen der Hirsche und das Fehlen solcher Gebilde bei den Boviden hinweisen. Hinterläufen der Hirsel l das F Vürdigen wir nun in diesen Beziehungen die Extremitäten der Giraffe, so fehlt der- Würdig l Beziehungen die Ext täten der ( h selben nicht nur jede innere wie äussere Andeutung der seitlichen Zehen II und V an beiden Paaren, und zwar einschliesslich der Metacarpal-Knochen, sondern es ist auch keine Spur von Fussbürsten vorhanden, weder in der Form von Fersenbürsten, wie sie vielen laneballigen irschen zukommen, noch in Gestalt der Laufbürsten, welche den meisten Cerviden eiren- Hirschen zul I Gestalt der Laufbürst Iche d ten ( thümlich sind. Auch in Betreff der Extremitäten ıst also die Annäherung der Giraffe an die Boviden unverkennbar. Brooxe’s Punkt 11 bezieht sich auf den Bau der Eihäute. Bei den Cerviden besteht die Placenta aus einer geringen, bei den Boviden aus einer grossen Zahl von Cotyledonen. Nach den Untersuchungen von R. Owen [56, S. 25] schliesst sich die Giraffe in dieser oO ) ziehung gleichfalls eng den Boviden an und nach Frower und Lyverker |25, S. 331] ist die gleiche Annäherung auch in Betreft der männlichen Geschlechtsorgane zu bemerken. Punkt 12 betrifft die Gallenblase, die bekanntlich den Cerviden durchgehends fehlt, während sie bei den Boviden fast ausnahmslos vorhanden ist. Die Giraffe scheint sich nun in dieser Beziehung nicht immer constant zu verhalten, indem Gorvox |verel. 32, S. 57] bei seinem Exemplare eine Gallenblase fand, und Owen [55, S. 228] bei einem Weibchen sogar eine am Grunde getheilte beschreibt, während er sie bei zwei Männchen vermisste und dieselbe auch dem von Jory und Lavocar untersuchten Weibchen fehlte. Desgleichen fehlte die Gallenblase der jüngst im zoologischen Garten zu Dresden gestorbenen alten Giraffe, wie mir aus dem pathologischen Institute der dortigen thierärztlichen Hochschule, wo deren Section vorgenommen wurde, freundlicher Weise mitgetheilt wird. In dieser Beziehung scheint sich also die Girafte durchschnittlich den Cerviden zu nähern. Nach allem Dargelesten ergiebt sich trotzdem klar, dass ich den von R. Owex aller- dings hauptsächlich auf Grund des Vergleiches der übrigen inneren Organe aufgestellten Satz, die Giraffe sei ein „modrfied deer* |55, 8. 242], nicht unterschreiben kann, dieselbe vielmehr ‚als den Boviden näher verwandt betrachten muss. Wenn ich es also einerseits ablehne, dieselbe mit Rürmeyer und Zirrer mit den Hirschen in eine grosse Gruppe, in die (ervicornia, zu vereinigen, so scheinen mir andererseits ihre Unterschiede von den Boviden hinreichend gross, um sie auch von diesen systematisch zu trennen und als eigene Familie zwischen die Cerviden und Boviden zu stellen, wie dies ja z. B. von Frower und Lyverker bereits längst nach dem Vorgang von’ Gray geschehen ist. Ss Die STELLUNG DER GABELANTILOPE IM SYSTEM. In Betreff der zweiten auf S. 81 gestellten Frage: Ist der Unterschied zwischen Gabelantilope und den übrigen typischen Boviden so gering, dass sie letzteren ohne weiteres eingereiht werden darf? kaun ich mich glücklicher Weise kürzer fassen. Aus allen bisherigen Untersuchungen über den Bau der Gabelantilope scheint sich mir klar zu ergeben, dass sämmtliche Züge ihrer Anatomie auf eine sehr nahe Verwandtschaft mit den Boviden hinweisen. Ich habe diese Anschauung auch noch durch dem Nachweis eines dem Bovidentypus entsprechenden Zahnwechsels stützen können. Die frühere Annahme einiger Forscher, dass ihr Hornbau und Gehörnwechsel irgend welche morphologische Bezieh- ungen zu den Öerviden begründe, dürfte gleichfalls durch meine vorstehenden Auseinander- setzungen endgültig beseitigt sein. Es besteht vielmehr nur insofern eine physiologische Ana- logie zwischen den Lebenserscheinungen der Gabelantilope und denen der meisten Cerviden, als bei beiden Gruppen ein rhythmischer, offenbar mit den Brunftperioden zusammenhängender Verlust der morphologisch durchaus verschiedenen Waften der Männchen und eine ebenso rhythmische Erneuerung derselben besteht. Diese Rhythmik der Lebenserscheinungen der Antilocapra, verbunden mit der durchaus eigenthümlichen Structur und der Entstehungsweise ihrer Hornscheiden, scheint es mir anderer- seits aber durchaus zu verbieten, sie ohne weiteres den Boviden oder gar einer Unterabtheilung derselben, den Antilopinae, anzuschliessen. Diese Eigenthümlichkeiten müssen vielmehr nach meiner Ansicht auch in der systematischen Eimreihung dadurch Ausdruck finden, dass man dieses Thier in eine kleine besondere Familie bringt. Auch in dieser Beziehung scheint mir die von den englischen Forschern seit Grar [30] gewählte Anordnung die einzig richtige zu sein, und zwar um so mehr, als, wie ich zeigte, die Gabelantilope in ihrer Gehörnbildung ein Mittelding zwischen Giraffe und den übrigen Boviden darstellt. Die recenten horntragenden Wiederkäuer werden also mit Gray am besten in vier Familien getheilt, die sich folgendermassen aneinander reihen: Cervidae, Girafjidae, Antilocapridae, Bovidae. Will man aber eine Zweitheilung einführen, so muss man die Cereidae für sich allein den drei übrigen, viel näher mit einander verbundenen Familien gegenüberstellen. Auf die wohlfeile Aufstellung eines diese meine Ansicht darstellenden Stammbaumes verzichte ich. Abgeschlossen am 19. August 1898. H. Zusätze. Die folgenden Seiten enthalten eine Reihe von Beobachtungen, die ich auf einer unmittel- bar nach Ablieferung des Manuscriptes der Hauptarbeit unternommenen Reise machen konnte. Dieselben nachträclich an seeioneter Stelle einzuschalten erwies sich als unthunlich, da bei ) fe) o meiner Rückkehr die Drucklegung bereits weit fortgeschritten war. Zusatz I zu. S. 16. Bei Niederschrift des Abschnittes B. III „Geweihe mit Stangentheilung“ war mir diese Abnormität nur bei Hirscharten mit drehrunden Stanugenachsen bekannt. Dass sie auch bei Hirschen mit Schaufelgeweihen vorkommen könne, alınte ich nicht. Denn wenn auch m der Literatur sehr oft von einer Theilung der Schaufeln des Elches, Alces alces, die Rede ist, so wird doch unter dieser Bezeichnung durchaus keine Abnormität verstanden. Es ist nämlich sehr oft die normale Elchschaufel am Aussenrande durch einen besonders tiefen Ausschnitt derartig eimgebuchtet, dass ein vorderer Abschnitt ihrer Fläche mit einer beschränkten Anzahl von Enden gegen einen hinteren, die grössere Endenzahl tragenden, deutlich abgesetzt erscheint. Diese zuerst von J. H. Brasıus |10, S. 437] hervorgehobene, später aber von Arrun besonders scharf betonte Eigenthümlichkeit ist lediglich der Ausdruck der Thatsache, dass die bereits auf der Gablerstufe auftretende Spaltung des distalen 'Theiles des Elchgeweihes in ein vorderes und ein hinteres Ende gewöhnlich auch alle folgenien Geweihstufen beherrscht. J. H. Brasıus unterscheidet diese beiden Schaufelabschnitte als Basal- und Endschaufel, Arrum nennt sie Vorderschaufel und Hinter- oder Hauptschaufel. Ich wähle die Ausdrücke Vorder- und Hinterschaufel. Man darf aber nicht vergessen, dass manche Elche niemals Schaufeln tragen, sondern auch als sehr starke Hirsche dauernd Geweihe mit dreh- runden Stangen aufsetzen. Bei diesen wird dann die Vorderschaufel meist nur durch ein ein- faches Ende dargestellt. Ferner kann auch bei wirklichen Schaufelgeweihen diese Theilung undeutlich werden und zwar, wie es scheint, öfters bei den europäischen wie bei den amerikanischen Exemplaren. Mag nun aber diese Theilung in Vorder- und Hinterschaufel stärker oder schwächer entwickelt sein, immer kommt sie dadurch zu Stande, dass zwischen zwei dem äusseren Schaufel- rande ansitzenden Enden die Schaufelfläche tiefer ausgeschnitten ist als zwischen den vor und hinter diesem Ausschnitte entspringenden. Nitscehe, Studien üb. Hirsche. 1. 12 70) ELCHGEWEIHE MIT ABNORMER SCHAUFELTHEILUNG. Kürzlich leınte ich aber bei dem Elche eine andere Thertlungsart der Schaufeln kennen, die ebenso abnorm ist wie em jeder der Fälle von Stangentheilungen, welche ich auf S. 15—18 an Rothhirschgeweihen beschrieben habe. Während nämlich bei der vorerwähnten normalen Schaufeltheilung die ideelle 'Theilungsebene ungefähr senkrecht gegen die Schaufelfläche steht, und die beiden Schaufelabschnitte, ein vorderer und eim hinterer, einander ihre Kanten zuwenden, theilt sich bei dieser abnormen der verbreiterte Endabschnitt der Stange im Sinne einer der Schaufellläche. parallel gedachten Theilungsebene. Hierdurch zerfällt die Schaufel nach aussen von der drehrunden Stangenbasis in zwei übereinander liegende und mit ihren Flächen einander zugewendete Blätter, im ein oberes und in ein unteres. Es entsteht also zunächst der Eindruck, dass jederseits zwei Schaufeln vorhanden sind, das Geweih also vierschaufelig ist. Indessen sitzen die beiden „Schaufeln‘ jeder Seite einem gemeinsamen drehrunden Basal- theile an, haben sicher eme gemeinsame, normale Rose, und kein Anzeichen spricht dafür, ddass hier ein Fall nachträglicher Verwachsung zweier in früheren Jahrgängen noch getrennter Gebilde vorliegt. Man kann daher nicht von emem mehrschaufeligen Geweihe sprechen, sondern nur von eimem solchen mit abnormer Schaufeltheilung. Auch darf man die beiden übereinander liegenden Schaufelabschnitte nicht als wirkliche Schaufeln bezeichnen, sondern, da hier nicht wohl wie bei den Hirschgeweihen von Aesten geredet werden kann, als übereimanderliegende Blätter einer und derselben Schaufel. Diese wohl zu den grössten Seltenheiten zählende Abnormität bemerkte ich an zwei kapi- talen, offenbar zusammengehörigen, aber ungeschickt, mit Verletzung der Rosen, vom Schädel abgeschlagenen amerikanischen Elchschaufeln, die der englische Anatom Sır Jous Hunter zu Ende des vorigen Jahrhunderts erwarb. Sie gingen mit seinen gesammten Präparaten in den Besitz des Royal College of Surgeons zu London über. Im gedruckten Katalog dieser Sammlung tragen sie die Nummer 1634 und sind jetzt an dem Geländer emer der unteren Gallerien mit Draht befestigt. Da an dieser Stelle eine genauere Besichtigung unthunlich war, wurde das (eweih auf meine Bitte sofort herabgenommen, sodass ich es zeichnen und messen konnte. Für diese grosse Freundlichkeit verfehle ich nicht, hier herzlich zu danken. In der Text- Figur 10 Au. B gebe ich die Ausführung der von mir in London aufgenommenen Skizze, die das Geweih, wenn man es sich in natürlicher Stellung auf dem Haupte des Elchhirsches denkt, in der Ansicht von vorm und oben darstellt. Ich beginne mit der Betrachtung der rechten Geweihhälfte, Fig. 10 A, welche im Ganzen 17 Enden zählt. Diese sind aber nicht auf dem Rande einer einfachen Schaufel ver- heilt, vielmehr stehen die Enden 1—11l auf emem oberen, die Enden II—VI dagegen auf einem unteren Blatte, die beide der gemeinsamen horizontalen und drehrunden Geweihbasis 2 y ansitzen und sich theilweise deeken. Schembar beginnt, nach der Abbildung zu urtheilen, die Spaltung in zwei Blätter bereits bei y. In Wahrheit nimmt dieselbe aber erst oberhalb von «ihren Anfang. Doch bildet zwischen x und y oberwärts das obere, zwischen » und y das untere Blatt starke, gegen die entsprechenden Randtheile des anderen abgesetzte Falten. In dem durch die Buchstaben 0 x y bezeichneten Dreiecke sind also beide Blätter imnig mit emander verlöthet und werden erst auf ihren in der Figur nach oben von der Linie w x gelegenen Endabschnitten wirklich von einander frei. Hier erst stehen die untere Fläche des oberen Blattes und die obere Fläche des unteren Blattes mehrere cm von einander ab. An dem oberen Blatte bilden die 3 Enden 1-—-3 die Vorderschaufel im Sinne Avrun’s, die Enden 4—11 ELCHGEWEIHE MIT ABNORMER SCHAUFELTHEILUNG. 9] dagegen die Hinterschaufel. Das untere Blatt, welches die fünf Enden II—VI trägt, hat dagegen keine deutlich ausgesprochene Vorderschaufel.e. Doch kann man ein sehr starkes und langes Ende, das an der Grenze der drehrunden Geweihbasis nach unten aus der Schaufel- fläche heraustritt und hier dem faltenartigen Beginn des unteren Blattes beiy recht nahe steht, gewissermassen als unvollständige Vorderschaufel dem unteren Blatte zurechnen. Ich habe dasselbe daher mit I bezeichnet. Seimen basalen Abschnitt, sowie die Form des eigentlichen unteren Blattes habe ich, soweit das obere diese Bildungen verdeckt, in der Abbildung durch punktirte Linien angegeben. Noch verwickelter sind die Verhältnisse der linken Geweihhälfte, Textfigur 10 DB. Auch hier sitzen der gemeinsamen, fast drehrunden Geweihbasis z y ein oberes und ein unteres Blatt an. Das obere Blatt hat aber nur 8 Enden, 1--8, und es ist, umgekehrt wie bei der rechtsseitigen eweihhälfte, sein vorderer Abschnittt bedeutend breiter entwickelt als sein hinterer, die aus den Enden 1—3 bestehende Vorderschaufel also viel breiter als die die Enden 4—S tragende Hinterschaufel. Das untere Blatt hat dagegen nur eine sehr rudimentäre Vorderschautfel, die blos aus dem nach unten vortretenden, zwar dicken aber kurzen, in der Ansicht von oben gar nicht sichtbaren und daher in der Abbildung nur dureh eine punktirte Linie angedeuteten Ende I besteht. Dagegen ragen die Enden II—VI, welche von dem Aussenrande des Haupt- theiles des unteren Blattes entspringen, nach aussen weit unter dem oberen vor. Auf der Strecke x y gehen das obere und das untere Blatt in ziemlich scharfer Umbiegung in einander über, sind aber weiter nach aussen von der Linie x y durch einen weiteren Zwischenraum von einander getrennt. Völle, d. h. sowohl innen als aussen, von einander abgespalten sind sie aber nur auf der in der Figur nach oben von x gelegenen Strecke, auf der das obere Blatt die Enden 7 und 8, das untere die Enden V und VI trägt. Die Linie # y bildet aber 12* 92 ELCHGEWEIHE MIT ABNORMER SCHAUFELTHEILUNG, nicht die innere Grenze beider hier faltenartig in einander übergehenden Schaufelblätter. Hier tritt vielmehr noch ein von der Vorderschaufel abgesetzter, aus der drehrunden Geweihbasis entspringender Innenrand hinzu, der sich schliesslich in der Mitte seines Verlaufes sowohl von dem oberen wie von dem unteren Blatte absondert und spitzenwärts in zwei getrennte, von mir mit a und 5 bezeichnete Enden ausgeht. Es ist also gewissermassen eine Dreitheilung der linksseitigen Geweihhälfte vorhanden. Im Ganzen trägt letztere aber nur 16 Enden. Man muss das Geweih daher nach der doppelten Anzahl der Enden der rechtsseitigen Hälfte als ungeraden 34FEinder bezeichnen. Ebenso merkwürdig wie seine abnorme Bildung ist auch seine Stärke. Rechtsseitig ist die Spitze des äussersten Endes 11 von der abgeschlagenen Geweihbasis z 76 cm, von der Spitze des Endes 5 dagegen 46 cm entfernt. Linksseitig steht die Spitze des Endes b von der hier noch erhaltenen Rose z 83 cm, von der Spitze des Endes 2 dagegen 72 cm ab. Um weitere Messungen oder gar Wägungen vorzunehmen, fehlte es mir leider an Zeit. Doch ist auch das Gewicht meiner Schätzung nach ein ganz ungewöhnlich hohes. Die verwickelteren Fälle von Stangentheilungen bei Rothhirschgeweihen konnte ich aus einfacheren Bildungen ableiten. Stangentheilung ist überall da vorhanden, wo ein hypertrophes Ende 1. Ordnung überzählige Enden 2. Ordnung trägt und so lang wird, dass seine Dimen- sionen sich denen des über ihm stehenden Spitzenabschnittes der Stange nähern. Für die eben beschriebene widersimnige Schaufeltheilung ist eime solche Ableitung schwieriger. Doch kann ich wenigstens einige Analoga anführen. Zunächst muss ich darauf hinweisen, dass ich bereits früher [53, S. 187] zwei Elch- geweihe bekannt gemacht habe, bei welchen aus der unteren Schaufelfläche selbstständige Enden nach unten und aussen abgehen, die man also gar nicht sieht, wenn man das an der Wand hängende Geweih von vorn betrachtet. Es sind diese Enden völlig vergleichbar den ähnlich gestellten beiden Enden I, die ich an dem Londoner Elchgeweih fand und vorstehend als Rudimente der Vorderschaufel des unteren Schaufelblattes deutete. Eines der damals erwähnten Elchgeweihe, das sich im Besitz des Tharandter Corps Huserrra befindet, ‚liegt mir augenblick- ich noch zur Vergleichung vor, und ich finde, dass bei demselben das überzählige, untere Ende seiner linken Schaufel, welches an seiner Spitze noch zwei schwache Andeutungen secundärer Enden trägt, derartig aus der Unterfläche der Schaufel entspringt, dass es sich sowohl nach vorn wie nach hinten in eine schwache Falte der Unterfläche fortsetzt, die bei stärkerer Aus- bildung wohl als Andeutung eines unteren Blattes aufgefasst werden könnte. Die Notizen und Skizzen, die ich von dem ähnliche untere Enden zeigenden ungeraden Vierzigender der gräflich Ergach-Ersacn’schen Sammlung gemacht habe, genügen leider nicht zu genaueren Vergleichen. Ausserdem habe ich aber auf meiner Reise noch zwei sehr starke Elchgeweihe gesehen und zeichnen können, die ebenfalls Vergleiehspunkte mit dem londoner Exemplare bieten. Das erste ist ein Geweih von ungerade 22 Enden, das in der „great hall“ des könig- lichen Schlosses Hamptoncourt bei London hängt und zwar an der dem Eingang gegenüber- liegenden Wand, rechts neben der Mittelthüre. Ich bilde nach eimer an Ort und Stelle auf- genommenen Skizze die rechte, stärkere, 11 Enden tragende Hälfte desselben in der Textfigur 11 ab. Dieselbe zerfällt in eine Vordersehaufel von 3 Enden, 1- 3, und in eine Hinterschaufel. Letztere trägt an ihrem Aussen- und Hinterrande 6 normale Enden 4—9. Ausserdem ent- ELCHGEWEIHE MIT ANFÄNGEN VON SCHAUFELTHRILUNG, 95 springen aber an denselben Stellen des Aussenrandes, von denen die Enden 4 und 5 abgehen, zwei weitere, bei der Ansicht des aufgehängten Geweihes nach hinten, in Wahrheit aber bei der natürlichen Stellung desselben auf dem Haupte des Elchhirsches nach unten und aussen ab- gehende Enden 4 und 5°. Es sind also gewissermassen die beiden Enden 4 und 5 in eine obere und eine untere Hälfte gespalten. Hörte diese Spaltung nicht, wie dies wirklich der Fall ist, an dem eigentlichen Schaufelrande auf, sondern beträfe auch noch seinen zwischen den Ursprungstellen der Enden 4 und 5 gelegenen Theil, so könnte man auch hier von dem Anfange einer Spaltung in ein oberes und ein unteres Blatt sprechen. Die linke Geweihhälfte trägt blos 10 Enden, indem die Vorderschaufel nur 2 Enden hat. Das unterste Ende ihrer Haupt- schaufel wäre also mit 3 zu bezeichnen, entspricht aber in seiner Stellung am Schaufelrande durchaus dem rechtsseitigen Ende 4. Auch ist dasselbe genau wie letzteres gleichfalls in 2 Enden 3 und 3° gespalten. jS Fig. 12. Das andere mir zum Vergleich anführungswerth erscheinende Elchgeweih steht im Musee d’histoire naturelle im Jardin des plantes zu Paris auf einem Schranke eines Nebensaales. Nach der Etiquette stammt es aus Schweden, ähnelt aber in seinem allgemeinen Habitus den amerikanischen Geweihen. Seine rechte Hälfte, die ich in der Textfigur 12 von unten oder, wenn man lieber will, von hinten gesehen abbilde, hat 14 Enden. Die äusserst scharf von der Hauptschaufel abgesetzte Vorderschaufel hat nur 2, die Hinterschaufel dagegen 12 Enden, 3—14. Die Hinterschaufel macht nun an der Stelle, an der an ihrem Hinterrande die beiden Enden 11 und 12 entspringen, eine deutliche Falte. Hätte sich diese Faltung stärker ausgebildet, so wäre der die Enden 11-14 tragende, innere Schaufelrand in ganz ähnlicher Weise über dem die Enden 3 - 10 tragenden Schaufelabschnitt nach oben umgeschlagen, wie bei der in der Textfigur 10 B auf 8. 91 abgebildeten Geweihhälfte des londoner Elchgeweihes, da an dieser der die Enden 5—8 tragende hintere Abschnitt des oberen Schaufelblattes über das untere, in die Enden II—VI ausgehende übergefaltet ist. 94 Eın DoppELKoPpr. WEITERE FÄLLE VON ECHTEN NEBENSTANGEN. Dass die eben beschriebenen überbildeten drei Elehgeweihe wirklich schwache Andeut- ungen des Anfanges einer Schaufeltheilung zeigen, scheint mir sicher. Leider lässt sich aber aus ihrer Betrachtung ein einheitlicher Gesichtspunkt für die morphologische Deutung der merkwürdigen Bildungen bei dem londoner Exemplar nicht gewinnen. Es sind jedoch monströse Elchgeweihe im Allgememen so selten, dass schon deshalb die Beschreibung dieser Miss- bildungen gerechtfertigt erscheint. Auch hofte ich, dass meine Mittheilungen andere Forscher veranlassen werden, ähnliche, gewiss noch hier und da in öffentlichen oder privaten Samm- lungen versteckte Abnormitäten zu beschreiben. Zusatz 2 zu 8. 19. Da ich in dem vorstehenden Abschnitte alle in der Tharandter Sammlung befindlichen „Doppelköpfe‘ aufgezählt habe, verfehle ich nicht nachzutragen, dass uns inzwischen durch die Gnade Sr. Majestät des Könıss ALgert ein neues, sehr interessantes Exemplar dieser Missbildung überwiesen wurde. Es ist dies das Geweih eines Hirsches vom 2. Kopfe, der am 10. September 1898 von Sr. Majestät auf dem Spechtshäuser Reviere des Tharandter Waldes erlegt wurde. Derselbe wog aufgebrochen 69 Ag. Die rechte Geweihhälfte ist ein natürlich mit Rose ver- sehener, einfacher Spiess von 38 cm Höhe. Auf seiner Vorderseite beginnt da, wo eigentlich die Augsprosse sich ansetzen sollte, als Andeutung derselben eine weissgefegte Kante, die 22 cm weit nach oben zu verfolgen ist. Die linke Geweihhälfte stellt einen ähnlichen, 35 cm langen Spiess dar, der sich aber an der Spitze in zwei eigentlich nur angedeutete Enden theilt. Derselbe zeigt ferner an seiner Basis eine geringe Krümmung nach hinten. Er ist nämlich nicht wie der rechtsseitige Spiess auf einer normalen Abwurffläche entstanden, vielmehr unter dem nieht abgeworfenen Erstlingsgeweih hervorgequollen, das er mit seiner Basis fest umfasst. Dieses linksseitige Erstlingsgeweih ist ein Knopfspiess von 4 cm Höhe. Das Stück ist deshalb besonders merkwürdig, weil die unter dem nicht abgeworfenen Knopf- spiess entstandene Stange der anderen, in normaler Weise entstandenen sehr ähnlich ist und ihr auch an Länge kaum nachsteht. | Zusatz 3 zus ak Nachträglich habe ich echte Nebenstangen- noch bei drei weiteren Hirscharten kennen gelernt. Der erste Fall betrifft ein Geweih vom Axishirsch, Cervus azwis, das unter No. 382 in der pathologischen Sammlung des Royal College of Surgeons zu London steht. Die rechte Stange war ursprünglich wohl normal, ihre Achse ist aber abgekämpft. Die abnorme Bildung findet sich an der linken Geweihhälfte. Die Hauptstange derselben ist ein ganz widersinniges Gebilde, welches aus emem 18 cm langen Spiesse besteht, dessen Basis stark verdiekt und von einigen kleinen iberzähligen Enden umgeben ist. Von der Aussenfläche ihres Rosen- stockes geht ein ziemlich langer Nebenrosenstock ab, der eine Gabel trägt, welche der Form nach ungefähr mit der auf 8. 44 abgebildeten Nebenstange des dresdener Wapitis aus dem Jahrgang V, 1888, verglichen werden kann, aber natürlich viel schwächer ist. Ihre Spann- DıE ENDSCHWIELE DES GIRAFFENGEHÖRNES. 95 weite misst nur 22 cm. Das längere Gabelende steht nach unten und innen, das kürzere fast wagrecht nach aussen. | Der zweite Fall findet sich an einem bereits vor Jahren [53, S. 187] von mir erwähnten abnormen Elchgeweih, das sich im Besitze des Corps Huserrra in Tharandt befindet. Als ich dasselbe kürzlich (vergl. S. 92) von Neuem untersuchte, entdeckte ich eine bisher über- sehene, sehr kleine, mit der Rose der linken Hauptstange verwachsene, knopfähnliche Neben- stange, die der Vorderseite des Rosenstockes aufgesessen hat. Ihre Abwurffläche — das Geweih ist nicht schädelecht — steht senkrecht gegen die Abwurffläche der Hauptstange. Ihr DRS Durchmesser beträgt 3,5:4,5 cm, ihre Höhe nur 2,5 cm. Der dritte Fall betrifft ein schwaches mittelamerikanisches (ariacus-Geweih von der Moskitoküste, dessen linke Geweihhälfte an der Vorderseite des Rosenstockes eine ganz flache, fast kreisrunde, 18—20 mm Durchmesser haltende Nebenstange trägt, die m dem oberen Drittel ihres Umfanges fest mit der hose der Hauptstange verwachsen ist. oO oO Alle drei vorstehend beschriebenen Nebenstangen sind also nach Typus III entstanden. Zusatz Ar zu 82 066: Seitdem ich den Satz über die Endschwiele auf der Spitze der paarigen Giraffengehörne schrieb, habe ich Gelegenheit gehabt, das in der Schausammlung des British Museum gesondert aufgestellte Gehörnintegument emer starken Giraffe zu untersuchen und zwar nicht nur makroskopisch, sondern in einem kleinen, mir durch die Freundlichkeit von Herrn Orvrızrn Tuomas überlassenen Stückchen auch mikroskopisch. Bis dieht unter die Spitze ist die die paarigen Gehörne überziehende Haut mit roth- gelben, feinen Haaren bedeckt, zwischen denen zahlreiche weisse eingesprengt stehen. Die etwas abgestutzte Spitze selbst ist aber mit einer schwieligen, schwärzlichen Hautkappe iber- zogen, aus der spärliche, tiefschwarze, die Haare des übrigen Integumentes an Stärke über- trefftende Haare hervorragen. Die unbehaarten Zwischenräume zwischen diesen ziemlich steifen und langen Haaren sind rauh und sehen ungefähr wie Haifischhaut aus. Wie die mikroskopische Untersuchung feiner Schnitte zeigt, ist hier der Papillarkörper der Cutis stark entwickelt und trägt sehr viele, theils einfach conische, theils unterwärts eylindrische, aber nach oben in unregelmässige, kleinere Kegelchen auslaufende Papillen. Letztere sind also als secundär getheilt anzusehen. Ganz kleine kegelförmige Papillen kommen auch in den Zwischenräumen zwischen den grösseren vor. Die diesen Papillen aufgelagerte Epidermis folet nun als dünne Schicht genau der Oberfläche derselben, sodass jeder Cutispapille, den primären sowohl als den secundären, eine ähnlich geformte Epidermiserhebung entspricht. Die Epidermis ist am dicksten, bis 0,2 mm, in der Tiefe der zwischen den Papillen gelegenen Einsenkungen. Nach den Papillenenden zu wird sie allmählich etwas schwächer, sodass die einzelnen Epidermiserhebungen in ziemlich schlanke Spitzchen auslaufen. Hierdurch kommt die eben geschilderte Rauhigkeit der End- schwiele zu Stande. In den tieferen Schichten sind die einzelnen Epidermiszellen fast eylindrisch, haben im Verhältniss zu ihrer Höhe einen ziemlich geringen Querschnitt und enthalten viele braune Pigmentkörner. In den etwas höher liegenden Zellschichten sind sie grösser, nähern 96 BEMERKUNGEN ÜBER DAS GIRAFFENGEHÖRN. sich mehr der Kugelform, und das Pigment tritt allmählich zurück. Die Zellen der äussersten Schichten sind ganz hyalin und abgeplattet. Ihre Flächen schmiegen sich der Papillenober- fläche an. Eine deutliche Trennung der Epidermis in die bekannten, gewöhnlich an der Säugethierhaut vorkommenden Schichten ist nicht wahrzunehmen. Auch zeigt sich nirgends eine der Structur der echten Hornsubstanz entsprechende Anordnung der Epidermiszellen. Die Endschwiele des Giraffengehörnes ist also als eine intercrinale Erhärtung der Epidermis anzusprechen, bei der es aber, entsprechend ihrer geringen Stärke, nicht zur Bildung echter Hornsubstanz kommt. Doch hat dieses Gebilde eme von der der gewöhnlichen haartragenden Epidermis der Säuger so verschiedene Structur, dass man es morphologisch vielleicht als einen Uebergang von letzterer zur Hornscheide des Gabelanti- lopengehörnes ansehen könnte. Immerhin scheint mir diese Frage noch weiterer Untersuchung zu bedürfen. Denn nicht alle Endschwielen scheinen eine ganz gleiche Structur zu besitzen. So schreibt mir Herr Dr. Heck, Director des zoologischen Gartens zu Berlin, der auf meine Bitte hin die Spitzen der Gehörne der beiden dort befindlichen, lebenden Giraften untersuchte, Folgendes: „Die Spitze bildet eine abgeplattete, kreisförmig umgrenzte Endfläche. Sie ist völlig unbehaart. Nur von der Seite ragen die Haare etwas über die Spitze weg. Die Endfläche ist mit einer hellen, dünnen, glatten Haut bedeckt und nur nach den Seiten hin wird diese Haut etwas dunkler und schorfig.“ Zusatz 5 zu 5.06%: Eine neuerliche, wegen Zeitmangels allerdings leider nur oberflächliche Betrachtung des im den Londoner und Pariser Museen und in der Göttmger Universitäts- Sammlung betindlichen Materiales hat mich zu der Ueberzeugung gebracht, dass es wirklich auch blos zweihörnige Giraffenschädel mittleren Alters giebt, bei denen nur eine Beule die Stelle andeutet, an der bei anderen das unpaare mittlere Gehörn sitzt. Da, wie aus meinen früheren Auseinandersetzungen auf S. 66 und den Textfiguren 8 (' u. D hervorgeht, der Mangel des dritten unpaaren Hornes kein durchgreifender secundärer Geschlechtsunterschied der Weibchen ist, so bleiben zur Erklärung dieses Vorkommnisses folgende Möglichkeiten often: a) Die Verwachsung des Knochenkernes des mittleren Gehörmes mit den Schädel- knochen erfolgt so spät, dass er sogar bei Stücken mittleren Alters, und zwar wohl meist bei Weibchen, beim Abbalgen leicht verloren geht, ohne Spuren seiner Anwesenheit am Schädel zu hinterlassen. b) Der Mangel des dritten Gehörnes ist einer schwächeren Giraffenrasse oder -art eigenthümlich oder kommt derselben wenigstens als secundärer Geschleehtscharakter der Weibchen zu. Die grossen Unterschiede welche man auch an erwachsenen Exemplaren in Bezug aut Stärke des Gehörnes und Statur wahrnehmen kann, scheinen mir nämlich dafür zu sprechen, dass man wirklich zwei Giraffenformen unterscheiden kann, eine schwächere, den Capländern ZAHNWECHSEL DER GIRAFFE. 97 angehörige und eine stärkere, aus Centralafrika stammende. Ob diese Formen als gesonderte Arten oder blos als Varietäten anzusprechen sind, zu dieser Entscheidung fehlen mir vorläufig genügende Unterlagen. Zusatz 6 zu 8. 67. Obgleich bereits die von R. Owen an lebenden Exemplaren gemachten, von mir auf S. 85 übersichtlich zusammengestellten Beobachtungen meiner Ansicht nach sicher beweisen, dass der Zahnwechsel der Giraffe dem Bovidentypus folgt, so scheint es mir doch nicht über- flüssig, darauf hinzuweisen, dass nicht nur das Museum der Universität Parma, sondern auch andere Sammlungen Beweisstücke hierfür enthalten. Ein solches Beweisstück ist zunächst ein Schädel in den Vorräthen des British Museum zu London, der die Oatalogbezeichnung 671, d. 55. 12. 26. 142 trägt. Seine Zahnformel ist Bor Be NN] 2 INA 1 1 d. h. von den Schneidezähnen sind erst die beiden mittleren Paare gewechselt, während die drei vorderen Backzahnpaare, dem Milchgebiss angehörig, bei dem Tode des Stückes gerade gewechselt werden sollten und der dritte untere Milchbackzahn bereits durch den unter ihm hervortretenden Ersatzzahn abgestossen ist. Die drei hinteren Backzahnpaare, dem Dauergebiss angehörig, sind bereits vorhanden, von dem letzten Paare im Unterkiefer ist aber nur das erste Halbmondpaar wirklich durchgebrochen. Dass die beiden inneren Schneidezahnpaare dem Ersatz-, die beiden äusseren dem Milchgebiss angehörten, kann man, da sie verloren gegangen, allerdings nur aus der Grössendifferenz ihrer Alveolen erschliessen. Dieser Schädel ist also etwas jünger als der in Parma befindliche. Auch in der Sammlung des Royal College of Surgeons zu London befindet sich, wahr- scheinlich zu der Oatalognummer 1438 gehörig, ein Giraffenunterkiefer, der für meine An- schauungen spricht. Alle sechs Backzahnpaare gehören dem Dauergebiss an, dagegen ist das äussere Schneidezahnpaar IV erst im Durchbrechen begriffen. Das Stück, dem dieser Unter- - kiefer angehörte, war also viel älter als die bisher beschriebenen. Man kann deutlich an ihm erkennen, dass auch hier die Vollendung des Backzahnwechsels dem Schneidezahnwechsel weit vorausgeeilt ist. Das bei weitem schönste Beweisstück ıst aber der mit der Nummer 386 versehene Giraftenschädel des Göttinger Universitätsmuseums. Seime Zahnformel ist Korean IN NV Xu Bern vv u d. h. simmtliche Backzähne „ehören der definitiven Reihe an und sind vollständie durch- oO gebrochen, während die beiden äusseren Schneidezahnpaare noch Milchzähne sind. Dieser Schädel steht dem Alter nach zwischen den beiden zuletzt beschriebenen. Nitsche, Studien üb. Hirsche. 1. 13 98 ZAHNWECHSEL DES SAMOTHERIUM UND DER (GABELANTILOPE. Die eben weitläufiger besprochene Eigenthümlichkeit des Zahnwechsels der recenten Girafte kann ich auch bei einem fossilen Verwandten derselben, bei Samotherium boissieri aus dem oberen Miocän von Samos, nachweisen. Diese interessante Art konnte ich, dank der Freundlichkeit der Herren Dr. Woopwarn und Forsyru Masor, in der palaeontologischen Abtheilung des British Museums untersuchen. Hierbei fand ich, dass an dem Unterkiefer, der die Bezeichnung M 4224 u. M 4234 trägt, die Backzähne durchweg dem definitiven Gebisse angehören, die drei ersten Paare, die Ersatzbackzähne aber noch kaum abgenützt sind. Die beiden mittleren Paare der Schneidezähne gehören, ebenso wie das dritte, gleichfalls dem Ersatzgebiss an, doch liegt letzteres noch im Kiefer, in der Alveole. Das äusserste Paar ist, soweit mir erinnerlich, verloren gegangen. Zusatz 7 zu 8. 86. Man könnte einwenden, die Thatsache, dass ich an einem einzigen Schädel der Gabel- antilope, an dem erwähnten berliner, eine Entwickelungsstufe des Gebisses fand, die für einen nach dem Bovidentypus vor sich gehenden Zahnwechsel spricht, genüge noch nicht, um zu beweisen, dass wirklich der Zahnwechsel der Art stets in dieser Weise vor sich gehe. Ich habe daher während meiner Reise nach weiteren Beweisstücken gesucht. Ich fand solche in zwei in dem zoologischen Museum der Universität Cambridge in England aufbewahrten Schädeln, deren Träger im Jahre 1871 durch Lord Warsmenam in den Ebenen östlich von dem Cascadengebirge bei dem oberen Klamathsee im Staate Oregon erlegt wurden. An dem stärksten, mit 21 cm langen Gehörnen versehenen Schädel gehören bereits sämmtliche Backzähne dem definitiven Gebisse an, während die beiden äusseren Schneidezahn- paare noch Milchzähne sind. Die beiden inneren Paare sind bereits Ersatzzähne, das zweite Paar ist aber erst im Durchbrechen. Bei dem anderen Schädel mit nur wenig schwächeren Gehörnen sind die Zahnver- hältnisse fast die gleichen. Nur ist hier das zweite Ersatzschneidezahnpaar bereits an seiner bleibenden Stelle, und von den beiden äusseren, noch dem Milchgebiss angehörigen Schneide- zahnpaaren ist das vierte abhanden gekommen. (Abgeschlossen am 5. November 1898.) RS ee 13. 14. 16. 17. 18. 19. Quellennachweis. Arston, E. R, On a four-horned chamois. Proceedings of the Zoological Society of London 1879, S. 802—-803. . d’Arron, E., Die Skelette der Wiederkäuer. Quer-Fol. Bonn 1823. . Arvum, B., Rothspiesser mit Doppelgeweih. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen IX, 1878, S. 534—536. . — Auffallende Geweihbildung beim Rothhirsch. Daselbst XIII, 1881, S. 28. — Rehbockdoppelkopf. Daselbst XIV, 1882, S. 117 u. 118, — Abnormes Rehbockgehörn. Daselbst XV, 1883, S. 681—683. — Die Doppelköpfigkeit beim Wilde. Daselbst XXVIII, 1896, S. 365— 571. . Bartıert, A. D., Remarks upon the affinities of the prongbuck (Antilocapra americana). Proceedings of the Zoolog. Society of London. 1865, S. 718— 724. . BERTHOLD, A. A., Ueber das Wachsthum, den Abfall und die Wiedererzeugung der Hirschgeweihe. Beiträge zur Anatomie, Zoologie und Physiologie. 8. Göttingen 1831, S. 32—96. Brasıus, J. H., Naturgeschichte der Säugethiere Deutschlands u. s. f. 8. Braunschweig, F. Vieweg u. Sohn, 1857. Brasıus, W., (Ueber den Schädel einer gehörnten Ricke.) Jahresberichte des Vereins f. Naturwiss. zu Braunschweig IX, 1894— 95, Sitzungsberichte S. 11—13. . Branptr, A, Ueber Hörner und Geweihe. Festschrift zum siebenzigsten Geburtstage Rudolf Leuckarts. Fol. Leipzig, W. Engelmann, 1892, S. 407—413. Braxpt, K., Die „dritte“ Rose und Stange beim Rehgehörn und ihre Beziehungen zum normalen Rosenstock, Ilustrirte Jagdzeitung, Organ für Jagd, Fischerei und Naturkunde, IX, 1882, S. 185—188, 197 — 200 u. 207— 209. — Rehbocksgehörne mit verwachsenen Stangen. Zwinger und Feld, Illustrirte Wochenschrift für Jägerei, 1897, S. 584—593. . Broxn, H. C., Klassen und Ordnungen des Thierreiches VI, Abth. 5. Säugethiere von C. G. Giebel, fortgesetzt von W. Leche. BRoOKE, V., On the classification of the Cervidae, with a synopsis of the existing species. Proceedings of the Zoological Society XXIII, 1878, S. 883—929. (Burron und DAußEnTon.), Histoire naturelle generale et particuliere, avec la description du cabinet du roi IV, Paris, imprimerie royale. 1756, 4. CanrFIELD, ©. A., On the habits of the prongbuck (Antilocapra americana) and the periodical shedding of ıts horns« Proceedings of the Zoolog. Society of London 1866, S. 105—110. Caron, J. D., The antelope and deer of America. 8. New-York, Hurd and Houghton, 1877. 15 100 20. 21. 43. (JUELLENNACHWEIS. CocHo, Ueber die Veränderungen der Rosenstöcke beim Geweihwechsel der Edelhirsche. 8. Leipzig, Paul Wolff, 1886. Cuvier, G., Vorlesungen über vergleichende Anatomie, übersetzt von Froriep und Meckel. I. Leipzig 1809. 8. Dongrowski, R. v., Die Geweihbildung der europäischen Hirscharten. 4. Wien ©. Gerold’s Sohn, (1884). Eger, A., Beiträge zur Morphologie des Hufes bei Paar- und Unpaarzehern. Leipziger Inaugural-Dissertation. 8. Merseburg 1895. Frrzinger, L. J., Einige Bemerkungen über die Fortpflanzung der Giraffe. Sitzungsbericht der mathem.-naturw. Classe der Kais. Akad. d. Wissenschaften zu Wien XXXI, No. 20, 1858, S. 344—546. . Frower, W. H. and Lypekker, R, An introduction to the study of mammals living and extinet. 8. London, A. and Ch. Black, 1891. Forges, W. A., (Bemerkungen über Antilocapra americana ohne besonderen Titel). Proceedings of the Zoological Society of London 1880, S. 540—543. . Gapeav de KervitLe, H., Les moutons & cornes bifurquees. Le Naturaliste, no. d. 14. Mai 1894. . Gaskomm, J. S, On some defects in the growth of the antlers and some results of castration in the Cervidae, Proceedings of the Zoologieal Society of London XXIV, 1856, S. 151. . GaupRY, A., Les enchainements du monde animal. 8. Paris, F. Sovy, 1878. GrAY, J. E., Notes on the Pronghorn buck (Antilocapra) and its position in the system. Annals and Magazine of natural history XVIII, third series, 1866, S. 323-326 und Zusatz S. 468. Heck und Genossen, Das Thierreich. 8. Neudamm 1897. 2 Bände. . JoLy, N. et LavocAT, A., Recherches sur la Giraffe. Me&moires de la societ® d’histoire naturelle de Strasbourg ers OD AS, 0 le Mel, JosEPH, C. A., Die Gehörnbildung des Rehbockes. Monatsschrift für Forst- und Jagdwesen XIX, 1875, S. 304 bis 313. — Wildkunde. VII. Kapitel in Corneli, Die Jagd und ihre Wandelungen in Wort und Bild. Fol. Amsterdam, Ellermann, Harms u. Co., 1884. v. KoperL, F., Wildanger. Skizzen aus dem Gebiete der Jagd und ihrer Geschichte. 8. Stuttgart, Cotta, 1859, 491 S. ). KörLiker, A., Die normale Resorption des Knochengewebes und ihre Bedeutung für die Entstehung der typischen Knochenformen. 4. Leipzig 1873. . LAMPRECHT, Abnormitäten von Hirschgeweihen. Der Weidmann, Blätter für Jäger und Jagdfreunde XXIII, 1892, No: 1,8. 3.u. 4. . Lanpois, L., Ueber die Ossification der Geweihe. Centralblatt für die medieinischen Wissenschaften 1865, No. 16, S. 241—243. . LATASTE, F., Les cornes des Mammiferes dans leur axe osseux aussi bien que dans leur rev6tement corn& sont des produetions ceutanees. Actes de la societe scientifique du Chili. Santiago, IV, 1894/95. S. 288—312. . LinnaEus, ©., Systema naturae. Regnum animale 8 Ed. X, 1758. Neudruck hrsg. von der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1894. . LOMMATzZscH, W., Ueber Doppelkopfbildung beim Rehbock. Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen XXIX, 1897, S. 306— 308. . MarcHanD, Artikel „Exostosis“ in: Real-Encyelopaedie der gesammten Heilkunde von A. Eulenburg VI, 1886, S. 660—670. MarsHAıı, W. (u. Pont, H.), Die amerikanische Gabelantilope. Der zoologische Garten XXXH, 1891, S. 97 bis 108 und 161—171. 44. > = 49. 59. 60 61. 62. 63 64. 65. 66 67 68 (JUELLENNACHWEIS. 101 MARSHALL, W., (Ueber die Geweihbildung der Antilocapra). Sitzungsberichte der naturforschenden Gesellschaft zu Leipzig XVII u. XVIII, 1891 u. 1892, S. 24 u. 25. Meyer, A. B, Die Hirschgeweihsammlung im Königl. Schlosse zu Moritzburg bei Dresden. Dresden, W. Hoff- mann. 1883. 8. Kleine Ausgabe. 30 Tafeln. Mırraıs, J. G., British deer and their horns. Fol. London, 1897 fIenry Sotheran and Co. Mossisovics, A. v., Biologische und faunistische Beobachtungen über Vögel und Säugethiere Südungarns und Slavoniens. 8. Graz, Verlag d. naturw. Vereines f. Steiermark, 1886. Nırsche, H., Der Zahnwechsel des Rothwildes. Judeich’s Forst- und Jagdkalender. 1879, I. Theil. —— Ueber die Altersbestimmung bei Roth-, Dam- und Rehwild. Daselkst. 1881, II. Theil, S. 1—17. — Beiträge zur Naturgeschichte des Reh-, Roth- und Damwildes. Tharander forstliches Jahrbuch XXXII, 1883, S. 56—87. — Ueber einige vom descendenztheoretischen Standpunkte interessante Abnormitäten des Rehwildes. Daselbst XXXIIl, 1883, S. 117—151. -— Die Altersbestimmung des Schwarz- und Gemswildes nach dem Gebiss. Deutsche Jägerzeitung IX, 1887 S. 567—565, 573—580, 589—596, 605—612. — Studien über das Elchwild. Zoologischer Anzeiger XIV, 1891, S. 181—191. — Ein Rehbock mit nur einer, scheinbar in der Mittellinie des Kopfes stehenden Stange. Das Weidwerk in Wort und Bild VI, 15. Mai 1897, S. 201—204. Owen, R., Notes on the anatomy of the Nubian Giraffe. Transaetions of the Zoological Society of London II, S. 217—248, Taf. 40—46. — Notes on the birth of the Giraffe at the Zoological Society’s Gardens u. s. f. Daselbst III, S. 21—28, War. 1 u. 2. Ropın, Ch. et HERRMANN, Memoire sur la generation et la rög@neration de l’os des cornes caduques et persistentes des Ruminants. Journal d’anatomie et de physiologie 1882, S. 205—265. Rörıc, G., Die Geweihsammlung der königl. landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. 8. Neudamm, G. Neu- mann, 1896. Roux, W., Gesammelte Abhandlungen über Entwickelungsmechanik der Organismen. I, 8. Leipzig, Wilh. Engel- mann, 1895. RürmEver, L., Die Rinder der Tertiär-Epoche nebst Vorstudien zu einer natürlichen Geschichte der Antilopen. 4. Zürich, 1877 u. 78, — Beiträge zu einer natürlichen Geschichte der Hirsche I. Abhandlungen der schweizerischen palaeontologischen Gesellschaft VIIL, 1881. — Beiträge zu einer natürlichen Geschichte der Hirsche II. Daselbst 1883. SANDIFORT, G., Over de vorming en ontwikkeling der horens van zogende dieren u. s. f. Nieuwe Verhandelingen der 1. Klasse v. h. Koninkl. Nederlandsche Instituut van Wetenschappen II, 1829, S. 67—106 mit 7 Tafeln. ScHÄFF, E., Vierhörnige Gemsen. Der Weidmann, Blätter für Jäger und Jagdfreunde XXI, 1890, S. 147 u. 148. SCHELER, G. GRAF von, Ueber die Ursachen abnormer Geweihbildung, insbesondere die Bildung von mehr als zwei Geweihstangen. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 1892, S. 135 bis 178, Taf. III— VI. ScHaipt, M., Nachrichten aus dem zoologischen Garten in Frankfurt a. M. Der zoologische Garten VI, 1865, 58-101 u. 102. ScHMiDT, O., Die Säugethiere in ihrem Verhältniss zur Vorwelt. 8. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1884. ScHöpr, A., 1861—1886. Gedenkblätter zum fünfundzwanzigsten Stiftungsfeste des zoologischen Gartens zu Dresden. 4. Dresden, Warnatz Lehmann, 36 S. mit 6 Tafeln. 102 QUELLENNACHWEIS. 69. Scrarer, P. L., On the systematie position of the pronghorn (Antilocapra americana). Annals and Magazine of natural history XVIII, third series, 1866, S. 401—404. 70. — On certain species of deer now or lately living in the Society’s Menagerie. Transactions of the Zoological Society of London VII, 1872 (gelesen am 24. Februar 1870), S. 333 — 352, Taf. XXVHI—XXXIX. 71. Smurenpr, R. W., Notes on horned mammals with some observations upon polycerate or multiple-horned sheep, The Journal of comparative medicine and surgery. Januar 1889. 712. SOEMMERING, W., Wechsel und Wachsthum des Geweihes des Edelhirsches. Der zoologische Garten VII, 1866, S. 41—47 mit 6 Tafeln. 73. Störmer, E., Selecta der Hirschgeweih- und Rehgehörn-Sammlung Sr. Erlaucht des regierenden Grafen Georg Albrecht zu Erbach-Erbach. 30 Tafeln. Fol. Leipzig 1891. 74. Wurm, W., Das Auerwild, dessen Naturgeschichte, Jagd und Hege. gr. 8. Wien, 1885. 75. Zırıeı, K. A., Palaeozoologie. IV, Vertebrata, Mammalia, gr. 8°. München, 1891— 1893. Inhalt. A. Einleitung und Feststellung der angewendeten Terminologie B. Allgemeine Betrachtungen über mehrstangige Geweihe und ähnliche Missbildungen 18 IE 1008 RV. Die wirklich mehrstangigen Geweihe mit echten, getrennt bleibenden oder mit der Hauptstange el ouideneN ebenstangene a. ee en Anmerkung über solche Fälle, in denen die beiden Hauptstangen eines Geweihes in der Medianebene verwachsen ° . 2.2. W802. Geweih mit Stangenthallung . » 2. 2. 02... Die als „Doppelköpfigkeit“ bezeichnete Missbildung . . . . C. Die verschiedenen Typen der echten Nebenstangen ie 108 III. DV. Typus. Die überzählige Stange entspringt nicht von einem der normalen Rosenstöcke, sondern von einem anderen, gewöhnlich kein Geweih erzeugenden Theile des Stirnbemes . . . Typus. Einer der paarigen Rosenstöcke, an seiner gewöhnlichen Stelle stehend, wird abnorm, spaltet sich in zwei Aeste, und jeder Ast trägt eine gesonderte Stange . . . 2.2... Typus. "Die überzählige Stange steht auf der Seitenfläche des sonst normal gebildeten Rosen- stockes einer Hauptstange . . . . 2... a) elek, Gral we ee b). Oervus nigracans . » » - » c) Rothhirsch Typus. Ein abnorm verstärkter und tief gespaltener Rosenstock trägt auf seinem hinteren Aste eine monströse Hauptstange ohne Augsprosse, auf dem vorderen dagegen als Nebenstange die jener fehlende Augsprosse, so dass erst Haupt- und Nebenstange zusammen einer normalen ERinpi-Farpegentsprechen 0 0. ee ee ee D. Die wirklich beobachteten Vorgänge bei der Entstehung einer Nebenstange an einem ankenWapsingeweihe . .... . n.2 222 00. BreDie Ursachen der Entstehung mehrstangiger Geweihe . . 2. . 2 2. 2 2 2 2 2. F. Allgemeine morphologische Vergleichung der Hörner bei den verschiedenen Gruppen demeklufulkeren ee an \. De (Gerelecorttaanlen se er IE &chormer den Girakten 200 u nr ee III. Die Gehörne der eigentlichen Hohlhörner, der Boviden . . 2 2 2 2 20... IV. Die Gehörne der amerikanischen Gabelantilope . . . NaeeWasshlorne deserihınacerose 2 22. en VE Zusammenfassung der Ergebnisse . 2 2. 2 2... 00. Ben ematische Betrachtungen. . 2 n u nn ua nu nam mn nn. 2 ANNE a Or Br er i Sr s Benennachweis |. 2 2: mtr. 0 ann Seite 40 49 Tafel I. Schädel und vierstangiges Geweih eines starken Rothhirsches, Cervus elaphus. Die Nebenstangen sind nach Typus III gebildet und die linksseitige ist mit der Hauptstange verwachsen. Beschreibung S. 34—36. «ı abgekämpfte Achse der rechten Hauptstange; b deren Augsprosse; c deren Eissprosse; e Achse der selbst- ständig gebliebenen Nebenstange; f an derselben stehendes Ende. «’ Achse der linken Hauptstange; 4’ deren Augsprosse; c’ deren Eissprosse; «d’ hinteres Ende; e’ Achse der verwachsenen Nebenstange; f” an derselben stehendes Ende. Die auf die Gestalt der Rosen bezüglichen Buchstaben r—z sind im Texte erklärt. Fig. 1. Gesammtansicht des Geweihes von vorn und oben. Fig. 2. Gesammtansicht der linken Geweihhälfte von aussen. Bei der photographischen Aufnahme wurde «ler Deutlichkeit halber die rechte Geweihhälfte verdeckt. Fig. 3. Basis der linken Geweihhälfte von vorn und oben. Fig. 4. Basis der linken Geweihhälfte von hinten und unten. Fig. 5. Basis der rechten Geweihhälfte von hinten. I H-NITSCHE, Studien über Hirsche I Vv Photogr. von H. Nitsche, Lichtdruck von Römmler & ‚Jonas, Dresden Zn u» %® 2 u u «- = IR Be 3 Bir Br x Ta u r j TafellI Tafel I. a Fig. 1—6 Rothhirsch, Cervus elaphus. Fig. 1. Dreistangiges Geweih nach Typus II. Schwaches Erstlingsgeweih, sogenannter Knopfspiesser. Beschreibung S. 23 u. 24. | Fig. 2. Dreistangiges Geweih nach Typus II. Starkes Erstlingsgeweih, sogenannter Schmalspiesser. Be- schreibung Seite 24. Fig. 3—6. Stärkeres dreistangiges Geweih nach Typus IV. Beschreibung S. 37 u. 38. a Achse der rechten Hauptstange; b deren Augsprosse; ce Andeutung der Eissprosse. a Achse der linken Hauptstange; 4 die abnorme auf gesondertem Rosenstocke stehende, eine Nebenstange | bildende Augsprosse; «d’ linke Mittelsprosse. Die auf die Bildung der rechtsseitigen Rose bezüglichen Buchstaben —z sind im Texte erklärt. | 1} Fig. 3. Gesammtansicht des Geweihes von vorn und oben. | Fig. 4. Schädeldecke mit den Basaltheilen der Stangen von vorn und oben. Fig. 5. Rosenstock, abnorme Rose und Stangenbasis der rechten Geweihhälfte von aussen gesehen. Fig. 6. Dieselben Theile von innen gesehen. Fig. 7 und 8. Schwaches dreistangiges Geweih eines wahrscheinlich weiblichen Renes, Rungifer larandus, nach Typus IV. Beschreibung S. 38 u. 39. a Achse der linken Hauptstange; b deren Augsprossenrudiment; ce deren Eisschaufel; d hintere Mittel- sprosse; e Kronenende. a’ Achse der rechten Hauptstange; 4 die abnorme auf gesondertem Rosenstocke stehende, eine Neben stange bildende Augsprosse; «’ rechtes Eissprossenrudiment; d’ hintere Mittelsprosse; e’ Kronenende x y z kleine perlenartige Enden der rechten Geweihhälfte. Fig. 7. Gesammtansicht des Geweihes von vorn und oben. Fig. 8. Basis der rechten Geweihhälfte von innen gesehen. Ma 2 H. NITSCHE, Studien über Hirsche I Darll: Photogr. von II. Nitsche. Lichtdruck von Römmiler & Jonas, Dresdeıi Tafel I. Rothhirsch, Oervus elaphus. Fig. 1—3. Getheilte rechte Stange eines starken Hirsches. Abwurf. Beschreibung S. 17. « Hauptast; b dessen Augsprosse; c dessen rudimentäre Eissprosse; «l abnormes, einen Nebenast dar- stellendes Ende; e kurzes an ihm stehendes Ende 2ter Ordnung; x beutelförmig angeschwollene Basis des Nebenastes; y Rosenstockrest auf der Abwurffläche. Fig. 1. Gesammtansicht des Abwurfes von aussen. Fig. 2. Basis desselben von unten und aussen gesehen. Fig. 3. Basis desselben von hinten gesehen. Fig. 4 u. 5. Schädelechtes Geweih eines schwachen Hirsches mit getheilter linker Stange. Beschreib. S. 17. a Linksseitiger Hauptast; b dessen rudimentäre Augsprosse; c dessen Mittelsprosse; d abnormes, einen Nebenast darstellendes Ende; e kurzes an ihm stehendes Ende 2ter Ordnung. a‘, b’, c* Stangenachse, Augsprosse und Mittelsprosse der rechtsseitigen, normalen Stange. Fig. 4. Gesammtansicht des Geweihes von vorn und oben. Fig. 5. Basis der linken Geweihhälfte von aussen gesehen. Fig. 6 u. 7. Schädelechtes Geweih eines mässig starken Hirsches. Beschreibung S. 11. a abgekämpfte rechtsseitige Stangenachse; b Augsprosse; c linksseitige Geweihhälfte in zwei Spitzen @ u. 7, ausgehend. Fig. 6. Gesammtansicht von vorn. Fig. 7. Linke rudimentäre Stange von vorn gesehen. H. NITSCHE, Studien über Hirsche 1 l:hotoer. von H. Nitsche, Lichtdruck von Römmlen « Jonas Dresd Elder = 4 6 * n EL E A 7 1 r ARE N Eh aa SERURHN Er "ec For; Tafel IV. Rehbock, Capreolus capreolus. Fig. 1. Abnormes Rehgeweih von 6 Enden mit Andeutung einer linksseitigen Stangentheilung. Beschreibung Seite 16. a linksseitige Stangenachse ; b vorderes Ende; c abnormes, einen Nebenast darstellendes Ende, «a’ rechtsseitige Stangenachse; b’ vorderes Ende; x Perlenwulst. Fig. 2. Schädeldecke eines Bockkalbes mit Spaltung des rechten Rosenstockes, also mit Anfang einer Neben- stangenbildung nach Typus II. Beschreibung S. 23. Fig. 3. Schädeldecke und Stangenbasis der rechten Geweihhälfte eines sehr starken Gabelbockes mit Anfang einer Nebenstangenbildung « nach Typus III. Beschreibung S. 28. Fig. 4. Schädeldecke und Stangenbasen eines starken Sechserbockes mit zwei Nebenstangen nach Typus III, einer kleinen, freien « und einer stärkeren, verwachsenen b. Beschreibung S. 28 u. 30. Fig. 5. Schädeldecke und Stangenbasis der rechten Geweihhälfte eines Gabelbockes mit freistehender Neben- stange «a nach Typus III. Beschreibung S. 29. Fig. 6. Gesammtansicht des Geweihes eines starken Sechserbockes mit linksseitiger, freier Nebenstange @, nach Typus III. Beschreibung S. 29. Fig. 7. Gesammtansicht des Geweihes eines ungeraden Sechserbockes mit rechtsseitiger, verwachsener Neben- stange «a nach Typus III. Beschreibung S. 30. HM. NITSCHE, Studien über Hirsche IL jnmler & Jonas, Dresden von Ri Lichtdruck Photogr. von H. Nitsche. ee Tafel \. Fig. 1—3. Starkes dreistangiges Geweih eines Virginischen Hirsches, Cariacus virginianus, mit linksseitiger Nebenstange nach Typus I. Beschreibung S. 21 u. 22. a, a’ Stangenachsen der normalen Hauptstangen; b, b‘ Augsprossen derselben; e, ce’ u. «d, d’ starke hintere Enden; e, e’ kleine angedeutete obere Enden. I—V. Enden der abnormen Nebenstange. Fig. 1. Gesammtansicht des Geweihes von vorn und oben, Fig. 2. Linksseitige Geweihhälfte mit der normalen Haupt- und der abnormen, vom Augenhöhlenrande entspringenden Nebenstange. Fig. 3. Die Schädeldecke mit den Basen der Hauptstangen und der Nebenstange von unten gesehen. x postmortal entstandener Sprung; y foramen supraorbilale. Ausgeschlagene linke Hälfte des Geweihes von Cervus (Rusa) nigricans (?) mit Nebenstange nach Typus III. Beschreibung S. 32. a Stangenachse; b Augsprosse; c hinteres Mittelende; d die gegabelte Nebenstange; Rosenstock bei e abgeschlagen, bei f noch erhalten. 6. Linker Abwurf eines schwachen Rothhirsches, Cervus eluphus, mit verwachsener Nebenstange nach Typus III. Beschreibung S. 36. a Stangenachse; b Augsprosse; c Mittelsprosse; «d verwachsene Nebenstange; e der von den Rosen der Haupt- und Nebenstange gebildete einspringende Winkel. Fig. 5. Gesammtansicht des Abwurfes von innen gesehen. Fig. 6. Basis desselben von aussen gesehen. ERNITESCHTE, Siudıen über Hirsche 1 Photogr. von H. Nitsche. Lichtdruck von Römı m Na, Fr EN, nz d Ar 5 ; * > 64 Tafel VI. Schädelechtes Geweih eines sehr starken Wapiti’s, Cervus canadensis, mit linksseitiger, verwachsener Nebenstange nach Typus III. Beschreibung S. 40—48, a, a’ Achsen der Hauptstangen ; b, b’ Augsprossen; b’‘ abnormes von der linken Augsprosse entspringendes Ende 2ter Ordnung; c, c‘ Eissprossen; d, d’ Mittelsprossen ; d‘ abnormes, von der linken Mittelsprosse entspringendes Ende 2ter Ordnung; e, e’ erstes f, f‘ zweites Kronenende; I Achse, II u. III Enden der verwachsenen Nebenstange. Die Buchstaben c—z beziehen sich auf die Bildung der Rosen der linksseitigen Geweihhälfte und sind im Texte erklärt. Fig. 1. Gesammtansicht des Geweihes von links und vorn. Fig. 2. Ansicht der linken Geweihhälfte von oben. Fig. 3. Basis der linken Geweihhälfte von vorn gesehen. Fig. 4. Dieselbe von hinten gesehen. H. NITSCHE, Studien über Hirsche 1. Taf VE Fig. 1. "Jo n. G. Bier 3. in. Gr. Photogr. v. H. Nitsche. Lichtdruck von Römmler & Jonas, Dresder ar v a BE 2ER; . ' ’ an Mi ’ > Nee ” ' v \ Er rn I © £ DE ee) us - 7 ? = > er er Tafel VI. Abwürfe desselben starken, dreistangigen Wapiti’s, Cervus canadensis, dessen letztes Geweih auf Tafel VI abgebildet ist. Beschreibung S. 40—48. a’ Achse der linken Hauptstange; b‘ deren Augsprosse; c* deren Eissprosse; d’ Mittelsprosse; «* erstes; f‘ zweites Kronenende. I Stangenachse, ]/ Ende der Nebenstange. Fig. 1. Gesammtansicht der linken Geweihhälfte des Jahrganges 1894 von aussen gesehen, Fig. 2. Basis derselben von unten gesehen. Fig. 3. Nebenstange des Jahrganges 1890 von innen gesehen. Fig. 4. Nebenstange des Jahrganges 1891 von innen gesehen. Fig. 5. Nebenstange des Jahrganges 1892 von innen gesehen. Fig. 6. Dieselbe von aussen gesehen. Die Convexität ihrer Abwurffläche ist deutlich. Fig. 7. Nebenstange des Jahrganges 1893 von innen gesehen. ZENITSCEIE, Stüdien über Firsche 1 Taf. Fig. 1. Us n. Gr. R ei Photogr, von H. Nitsche. Lichtdruck von Römmler & Jon T ee an Pr 2 E y + TE Fer] Te Ber 3 4 = h “ r f e 4 2 r” \ ‘ A j Ye - I a 3. > r Tafel VII. Monströses Geweih eines starken Rothhirsches, Cervus elaphus, mit zwei rechtsseitigen, flachen Nebenstangenrudi- menten nach Typus I. Beschreibung S. 52—54. Fig. 1. Gesammtansicht des Geweihes von vorn und aussen. a Augsprosse der linken Hauptstange; b ihre rudimentäre Eissprosse; c Mittelsprosse; d oberer Theil der Stangenachse; g Bastfetzen; Ah horizontal nach aussen gerichteter Rosenstock der rechten Hauptstange; i beutelförmiges Ende ihrer kurzen Stangenachse; ik abnorm aufgerichtete Augsprosse; / Stelle an der die Nebenstangen stehen. ‘ig. 2. Oberer Theil der linken Stange von aussen gesehen. d Stangenachse; e deren schlecht vereckte Spitze; f rudimentäres hinteres Ende an dem Bastfetzen, 9, zurück- geblieben sind. Fig. 3. Schädeldecke und Stangenbasen von oben gesehen. A u. B die beiden flachen Nebenstangen; a, b, c, d, e Grenze der verheilten Bruchfläche; g Knochen- narbe. * Stelle, an der ein Schrotkorn eingewachsen ist. Fig. 4. Rechter Rosenstock mit der Stangenbasis und den beiden flachen Nebenstangen A u. B. Fig. 5. Schädeldecke, Rosenstöcke und Stangenbasen von hinten gesehen. a normaler linker Rosenstock; b pathologisch veränderter rechter Rosenstock; ce Achse der rechten Haupt- stange; «d abnorm aufgerichtete Augsprosse; e Spalte, die den unteren Theil des rechten Rosenstockes von dem Schädeldache trennt. Fig. 6. Schädeldecke, Rosenstöcke und Stangenbasen von unten gesehen. a Spalte die den unteren Theil des pathologisch veränderten rechten Rosenstockes von dem Schädeldache trennt; b Stelle der Schädelwand, unter der ein Loch sie durehbohrt; e Knochennarbe. H. NITSCHE, Studien über Hirsche I Taf al. Fig. 3. on. Gr. Photogr. von H. Nitsche. Lichtdruck von Römmler & Jonas a Be y a EROIR EREN 19, Ni Tafel IX. Rehbock, Oapreolus capreolus. Fig. 1—4. Schädeldeeke, Rosenstöcke und rudimentäre Stangen mit Doppelkopfbildung von einem alten Rehbocke, der zurück gesetzt hatte. Beschreibung S. 19. 3 Fig. 1. Gesammtansicht von vorn. Fig. 2. Gesammtansicht von oben nach Entfernung des rechtsseitigen, schüsselförmigen Stangenrudimentes. Fig. 5. Schüsselförmiges, rechtsseitiges Stangenrudiment von hinten gesehen. Fig. 4. Dasselbe von oben gesehen. Fig. 5. Rehgeweih mit in der Medianebene theilweise verwachsenen Stangen von vorn gesehen. Beschreib. S. 14 u. 15. Fig. 6—8. Abwurf eines Rehbockes mit in der Medianebene theilweise verwachsenen Stangen. Beschreibung S. 15. Die Buchstaben x u. y sind im Texte erklärt. Fig. 6. Gesammtansicht von vorn. Fig. 7. Gesammtansicht von hinten. Fig. 8. Seine Abwurffläche von unten gesehen, H. NITSCHE, Studien über Hirsche I Photogr. von H. Nitsche. Lichtdruck von Römmiler & Fig Tafel X. 1. Rechtsseitiger Abwurf eines schwachen Rothhirsches, Cervus elaphus, mit Nebenstange nach Typus H. Beschreibung S. 25 —27. a Achse der Hauptstange; b deren Augsprossenrudiment; c das die Endgabel bildende Ende; a’ Achse der Nebenstange; b’ deren Augsprosse; x die die Basen von Haupt- und Nebenstangen verbindende Knochenbrücke. 2. Schädeldecke und Stangenbasen eines dreistangigen Rehgeweihes mit kleiner Nebenstange nach Typus III, von hinten gesehen. Beschreibung S. 28 u. 29. a, a’ Achsen der Hauptstangen; b, 4 Rosen der Hauptstangen; ce Nebenstange; d Vernarbte Spuren einer früheren Verletzung. . 3—9. Schädeldecke und losgelöste Stangen eines vierstangigen Rehgeweihes mit linksseitiger freier und rechts- seitiger verwachsener Nebenstange nach Typus III. Die linke Hauptstange ist verloren gegangen. Beschreibung Seite 30 u. 31. Fig. 3. Die Schädeldecke mit den Rosenstöcken. x, x’ die Abwurfflächen der Hauptstangen, %, y‘ die Abwurfflächen der Nebenstange. Fig. 4. Gesammtansicht der losgelösten rechten Geweihhälfte mit der Hauptstange a und der mit ihr verwachsenen kurzen Nebenstange b. Fig. 5. Basis der rechten Geweihhälfte von unten und hinten gesehen. c d Verwachsungsstelle der Rose der Hauptstange « mit derjenigen der Nebenstange b; v u. ıw die getrennt gebliebenen Abwurfflächen von Haupt- und Nebenstange. Fig. 6. Basis der rechten Geweihhälfte von innen gesehen. Fig. 7, 8 u. 9. Linke knopfförmige, freie Nebenstange von unten, von oben und von der Seite gesehen. - H. NITSCHE, Studien über Hirsche 1. Photogr. von H. Nitsche, Lichtdruck von Römmler & Jonas, Dresden. Tafel XI. Fig. 1—4. Rehbock, Capreolus capreolus. Diese Abbildungen erläutern die Ausführungen auf S. 59—61. Der Buchstabe a steht in Fig. 2 u. 3 unterhalb des Resorptionssinus; b Kranznaht. Fig. 1. Sagittalschnitt durch Schädeldecke, Rosenstock und Stangenbasis eines starken Sechserbockes, der vereckt aber noch nicht gefegt hat. 4% Fig. 2. Derselbe Schnitt durch das vereckte und gefegte Geweih eines starken Bockes, der binnen kurzem abgeworfen hätte. Fig. 3. Derselbe Schnitt durch das vereckte und gefegte Erstlingsgeweih eines am 2. Januar erlegten Kitz- bockes, der dieht vor dem Abwerfen stand, Fig. 4. Derselbe Schnitt durch die Rosenstockanlage eines am 16. Oktober erlegten Bockkalbes. Fig. 5 u. 6. Gemse, Capella rupicapra. | Diese Abbildungen erläutern die Ausführungen auf S. 70. | a Sinus fronlalis, d. h. die lufthaltige Höhlung, welche das Stirnbein zur Stirnbeule vorwölbt; b der als Hautknochen entstehende Stirnzapfen; c das Stirnbeule und Stirnzapfenanlage anfänglich trennende, weiche Bindegewebe. Fig. 5. Sagittalschnitt durch Schädeldecke und Gehörn eines ganz jungen Gemskitzes. Fig. 6. Derselbe Schnitt durch das Gehörn eines alten Bockes. Fig. 7. Hinterer Theil des Schädels einer jungen Giraffe, Giraffa camelopardalis, mit fehlendem rechtem Stirnzapfen, von oben gesehen. Beschreibung S. 65. « die von der Kranznaht durchsetzte Stirnbeule; 5 der Stirnzapfen; c die Stirnnaht. Fig. S—11. Gabelantilope, Antilocapra americana. Diese Abbildungen erläutern die Ausführungen auf S. 71—78. Fig. 8. Linke Hornscheide eines starken Bockes. a primäre Hornspitze; b sekundäre Hornspitze; c vorderer Zacken; d Basaltheil der Hornscheide. Fig. 9. WVergrösserte Ansicht des unteren Randes der abgelösten Hornscheide eines starken Bockes. a die aus der intererinalen Hornsubstanz vorragenden Spitzen der Haare des Stirnzapfenintegumentes; b deren Basaltheile. Fig. 10. Mikroskopischer Querschnitt durch die Wand des Basaltheiles der Hornscheide eines starken Bockes. x Die natürliche äussere Begrenzung der Hornsubstanz. Fig. 11. Theil eines ähnlichen Präparates, stärker vergrössert. « Querschnitte der von der intererinalen Hornsubstanz eingeschlossenen Haare; 5b leere Hawukanäle, aus denen die Haarabschnitte herausgefallen sind; c geräumiger Haarkanal, in dem der eingeschlossene Haarabschnitt umgefallen, also von der Seite sichtbar ist. rs] H. NITSCHE, Studien über Hirsche I. Taf. X. Photogr. von H. Nitsche. Lichtdruck von Römmler & Jonas, Dresden. pr ee «D) a Tafel X. Morphologische Vergleichung der Hörner der Hufthiere dargestellt auf schematischen Längsschnitten, welche in der Mittelebene des Kopfes oder ihr parallel liegend gedacht sind. Die Derivate des Ectoderms sind blau, die Derivate des Mesoderms gelblich gehalten. Die echte Hornsubstanz ist dunkelblau, die Knochensubstanz punktirt angelegt. Fig. 1. Schema der Kopfdecke. a Epidermis mit Haaren; b Cutis; ce Knochen. Das Periost ist nicht gesondert dargestellt. Fig. 2—12. Das Geweih der Cerviden. Vergl. S. 63 u. 64. dd Grenze von Stirn- und Scheitelbein, die Kranznaht. Fig. 2—5. Die Entstehung des Erstlingsgeweihes als Apophyse des Stirnbeines. Fig. 6. Das Erstlingsgeweih kurz vor dem Abwerfen. Der Resorptionssinus " ist gebildet. Fig. . Au. DB. Das Abwerfen des Erstlingsgeweihes. Fig. 8—12. Die Entstehung des zweiten Geweihes. Fig. 13. Das Horn des Rhinoceros. Vergl. S. 79. - Fig. 14—16. Entstehung und Wachsthum des Gehörnes der Giraffe. Vergl. S. 68. a Lufthaltige Höhlen in Stirn- und Scheitelbein; b der als Outisverknöcherung entstandene, eine Epiphyse der Schädeldecke darstellende Stirnzapfen; c weiches, die Epiphyse den Kopfknochen anfügendes Binde- gewebe; d Grenze von Stirn- und Scheitelbein, die Kranznaht. Fig. 14. Erstes Jugendstadium in dem die Stirnzapfenanlage noch vor der Kranznaht steht und die luft- haltigen Höhlen der Schädeldecke fehlen. Fig. 15. Späteres Jugendstadium in dem der Stirnzapfen bereits über die Kranznaht gerückt und (lie Anlage der lufthaltigen Stirnhöhlen in der Schädeldecke vorhanden ist. Fig. 16. Fertiger Zustand, in dem der Stirnzapfen mit der Schädeldecke verwachsen und der definitive Zustand der lufthaltigen Höhlen ausgebildet ist. Fig. 17—19. Entstehung und Wachsthum des Gehörnes der Gemseals Typus des Bovidengehörnes. Vergl. Ser llakeerale a Lufthaltige Stirnbeinhöhlen ; b der als Cutisverknöcherung entstandene, eine Epiphyse des Stirnbeines darstellende Stirnzapfen; ce weiches, die Epiphyse anfänglich von dem Stirnbein trennendes Bindegewebe; «d Grenze von Stirn- und Scheitelbein, die Kranznaht. Fig. 17. Gehörn eines ganz jungen Geniskitzes bei dem der Stirnzapfen noch nicht mit der durch die Stirnbeinhöhle gebildeten Stirnbeimbeule verwachsen ist. Fig. 18 u. 19. Aelteres und sehr altes Gemsengehörn bei denen Stirnzapfen und Stirnbeinbeulen schon völlig verwachsen und die Stirnbeinhöhlen in die Stirnzapfenbasen vorgedrungen sind. Fig. 20—25. Neubildung, Wachsthum und Abwurf der Hornscheide bei einem alten Bocke der Gabel- antilope. Vergl. S. 77 u. 78. v primäre Hornspitze; © sekundäre Hornspitze; y vorderer Zacken; = Basis der Hornscheide; 5b solider Stirnzapfen, Fig. 20. Gehörn kurz nach dem Abwerfen der alten Hornscheide. Stirnzapfenintegument behaart, nur die primäre Hornspitze angelegt. Fig. 21. Etwas späteres Stadium. Die secundäre Hornspitze und die gesonderte Anlage des vorderen Zackens beginnen sich zu bilden. Fig. 22. Noch späteres Stadium. Die Anlage des vorderen Zackens ist mit der seeundären Hornspitze verschmolzen. Fig. 23. Fertiges Gehörn. Die Hornscheide hüllt die Stirnzapfenhaare vollständig ein. Fig. 24. Unter der alten, von ihrer Matrix gelösten Hornscheide ist bereits das neue Haarkleid des Stirnzapfenintegumentes und die neue primäre Hornspitze angelegt. Fig. 25. Die alte Hornscheide, der „Abwurf“, —— — Taf.XIL H. NITSCHE, Studien über Hirsche 1. Schema der Kopfdecke. Ad EN KERER A DON Lith.Anst.Julius Klinkkardt, Leipzig. Veras wWilhelm Engelmann, N | | Zeichn. von H. Nitsche. ET 380 RR "rs Sl. w- s hl er] te ' ı AR A N N ’ ' WR 4 W m. + td . 14 u,