ET Ve ne nn PEN 5 7 we - 5 Ei er 2 : ehe und Teutin a U RE tree , G . jr Fr ne auge: a ne rer n Bu . 2 RN TERN AN a enden De miese RAN EN VE MR N BEER N en TE TE TR BITTE TEN, ALTEN BR alt ne Du TE NT an mh ha en PTR Mt De r 2 1 . \ Bere FEIERN Rn I harten namen Dre aParra hehe taihe . ERBETEN p % x : 4 = » ET N een « ne ’ n e EEE RAR FERN nn nn men R gerne ner ei e : ee an - 5 a 2 7 n R ra Ra ee RÄT CR m dan Serena an ch Nr Matte N Mae innen, SEE - 7 € G ar . h De N TEN NN ZA ER Aha Inne Track in peter nn a are a nat hm ne ET LET. Fr ; Share j Seren ; 5 ee ee EN een ET een Te En et te RS Ze ee SE N EEE Zee we n Err-4. ERST SÄMDRREERETN In» Buchst nn Sinne MER ed = TEE TE ERDE SENT TE A une Dakar Aufn rn Beta Lak an ke man ne ne De NE NEN ERW RE NARe Vntnih ün Bm 5 “ a ET TEE TA ae pe men trlare vn Er N a « mt r ENTE Ta arm ne ER ST Men) B Be SE tn Tr An N tt Fr en Da Rn Tre a KL ann Be TE sp ger anerern NEN “ ci & Ne ns tee nett een ten Diner dene “ nn B 5 Die a SORTE TEEN Bath ee udn ee ne ET Tr a ET un “ u NEE RENT N RE N Re a a nt a me apart namen EN en EEE nn ENT ET Tr Ta tt ET eh Te TH he u en 5 ae er rnan ah - TE ÄST Matrn 2 N rn An te nel £ EN nn RN a ne N ET TE lb ” N a BE I San ER on RER Tan ann dad N Te NEN FR naeann a Knaur I Meta as NEE en EEE EN Vu nenn tee nn Atmen And Mn ne EL TE ER NE ut wein bare nd. ee TE EB . TEEN TEE N td ET 1 TE EN EEE ER 2 EA A TI EN wet Seelen P Ri Audas HARVARD UNIVERSITY T Library of the Museum of Comparative Zoology 5-£5.s Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde aus dem Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart Stuttgart 5. Juli 1967 Nr. 175 MUS: RY, Neue Acalyptratae aus dem Baltischen Bernstein (Diptera: Cyclorrhapha) JUL 9) 1969 Von Willi Hennig, Stuttgart Mit 39 Abbildungen HARVARD In meiner zusammenfassenden Übersicht über die Acalyptil NIVER a Bernsteins (1965) sprach ich die Vermutung aus, „daß wir noch lange nicht am Ende - unserer Kenntnis von den Acalyptraten des Bernsteins angekommen sind“. In der kurzen Zeit, die seit dem Abschluß meiner Arbeit vergangen ist, habe ich bereits eine Anzahl weiterer Exemplare erhalten — durchweg aus den Sammlungen, auf deren Material sich meine früheren Untersuchungen stützten. Es handelt sich zum Teil um Neueingänge, zum Teil aber auch um Stücke, deren bisherige unzulängliche Bestim- mung ihre Zugehörigkeit zu den Acalyptratae nicht vermuten ließ. Am wichtigsten sind die Exemplare, die im folgenden unter den Namen Pallopte- rites electrica, Morgea mcalpinei, Glaesolonchaea electrica und Phyllomyza jaegeri beschrieben sind; denn sie gehören zu Familien, die im Baltischen Bernstein bisher noch nicht nachgewiesen sind. Ich führe jedoch, außer einer weiteren neuen Art, auch einige Exemplare an, die zu schon beschriebenen Arten gehören; denn bei der relativ großen Seltenheit der Acalyptratae im Bernstein kann bei späteren Revisionen unter Umständen jedes einzelne Exemplar von Bedeutung sein. Die angegebenen Seiten- zahlen beziehen sich auf meine umfassende Arbeit von 1965. 1. Electrobata spec. (zu p. 41 sequ.; Fam. Calobatidae) Von Herrn Dr. Sv. G. Larsson (Universitetets Zoolog. Museum, Kopenhagen) erhielt ich am 29. 11. 1965 ein weiteres Exemplar aus der Gattung Electrobata. Das Geschlecht ist nicht festzustellen, da die hintere Hälfte des Abdomens fehlt. Auch sonst ist das Exemplar beschädigt und durch weißliche Trübungen zum Teil verhüllt. Es scheint aber in einigen Merkmalen von allen anderen mir bekannten Exemplaren der Gattung abzuweichen: Vor allem ist auf der linken Körperseite vor der Quernaht eine deutliche dc vor- handen. An Kopfborsten sind vorhanden: pvt, vti, vte, 1 kräftige ors und weit davor wahrscheinlich 2 orsa. Rechts scheint die hintere, etwas längere dieser beiden orsa, links die vordere, sehr kleine erhalten zu sein. Thorax hinter der Quernaht mit 2 dc, von denen die vordere kaum kürzer ist als die hintere. Vor der Ouernaht, wie gesagt, links 1 dc, die ein wenig kürzer ist als die postsuturalen dc. Es sind 1 sa und 2 pa vorhanden. Von den pa ist die äußere nur knapp halb so lang wie die innere. Die sa ist so lang und so kräftig wie die innere pa. = 2 sc sind vorhanden: das apikale Paar. Von den lateralen sc ist keine Spur zu sehen. Flügel sehr schlecht erhalten, offenbar wie in Abb. 24 (bei Hennıc 1965; Exem- plar Nr. 484.0) dargestellt: Axillarlappen gut entwickelt; tb vorhanden, wenn auch schwach; cu, * 1a mehrmals so lang wie cu,n; die Mündungen von 1,,, und m, liegen nahe beieinander. Hinterschenkelzeichnung wie in Abb. 30 (bei Hennıc 1965; Exemplar Nr. 1215 der coll. ScheeLe, Hamburg) dargestellt. Von der Zeichnung der anderen Schenkel ist "nichts zu erkennen. Dörnchen auf der Hinterseite der t, sind nicht zu erkennen. 2 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175, 2. Electrochyliza succini Hennig (zu p. 69; Fam. Psilidae) 2 weitere ?? im Institut für Paläontologie und Museum der Humboldt-Universität, Berlin, und 1 2 (Nr. Z 3161) in der Königsberger Bernsteinsammlung (bisher als’ „Eimpidae“ bezeichnet). 3. Prophaeomyia loewi Hennig (zu p. 87; Fam. Sciomyzidae) Ein weiteres ö im Institut für Paläontologie und Museum der Humboldt- Univeräl sität, Berlin. 4. Palaeoheteromyza curticornis Hennig (zu p. 99; Fam. Sciomyzidae) Ein weiteres Exemplar (Geschlecht nicht erkennbar) im Institut für Paläontologie und Museum der Humboldt-Universität, Berlin. Leider sind mehrere Merkmale nicht zu erkennen, so daß eine völlig sichere Bestimmung nicht möglich ist. Das Exemplar | liegt in einem Bernsteinblock zusammen mit 1 $ von Rhagio spec. Familie Pallopteridae | Unter den Familiengruppen („Superfamilien“) der Acalyptratae sind die PallopieHl | roidea und Otitoidea die einzigen, die bisher noch nicht im Baltischen Bernstein nach- gewiesen werden konnten. Es ist daher von beträchtlichem Interesse, daß ne Exemplare gefunden wurden, die mit Sicherheit zu einer dieser beiden Gruppe (Pallopteroidea: Familien Pallopteridae und Lonchaeidae) gehören. Das nachstehend beschriebene Weibchen besitzt die diagnostischen Merkmale der) rezenten Pallopteridae. Da jedoch die äußeren Merkmale, in denen sich die Pallo- pteridae von den Lonchaeidae unterscheiden, ausschließlich (soweit man sie beurteilen’ kann) plesiomorph sind, steht zunächst nur fest, daß unser Bernstein-Fossil in die Verwandtschaftsgruppe gehört, die außer ihm nur die rezenten Pallopteridae und Lonchaeidae umfaßt. Wenn meine Annahme (1958, Fig. 166) richtig ist, daß die Pallopteroidea eine monophyletische Gruppe sind, und daß in dieser 2 monophyletische Schwestergruppen (Pallopteridae + Lonchaeidae einerseits, Piophilidae + Thyreo-' phoridae + Neottiophilidae andererseits) zu unterscheiden sind, dann beweist der Fund eines Bernstein-Fossils, das mit Sicherheit in eine dieser beiden Gruppen (die zuerst genannte) gehört, allerdings, daß zur Bernsteinzeit auch die andere (Piophilidae' + Thyreophoridae + Neottiophilidae), wenigstens mit ihrer Stammgruppe ebenfalls’ bereits gelebt haben muß, wenn sie auch im Bernstein bisher noch nicht gefunden wurde. | Leider läßt sich bisher nicht sicher entscheiden, ob zwischen den Pallopteridae und den Lonchaeidae ein Schwestergruppenverhältnis besteht, oder ob einige Gattungen der rezenten „Pallopteridae“ mit den Lonchaeidae näher verwandt sind als andere. Es’ gibt allerdings 2 Merkmale, mit deren Hilfe sich diese Frage vielleicht entscheiden‘ ließe: Das eine ist die Zahl der Spermatheken. Bei Palloptera parallela Loew habe ich nur 2 Spermatheken gefunden: ein zweifellos abgeleitetes Merkmal. Die Lonchaeidae dagegen besitzen 3 Spermatheken. Wenn sich herausstellen sollte, daß alle rezenten' Pallopteridae tatsächlich nur 2 Spermatheken besitzen, dann wäre das ein deutlicher‘ Hinweis darauf, daß wir diese Familie als monophyletisch betrachten dürfen und daß’ zwischen ihr und den Lonchaeidae nur ein Schwestergruppenverhältnis bestehen kann. Das andere Merkmal betrifft die proximale Apophyse des 6. weiblichen Abdominal- sternites: „Sehr charakteristisch ist es auch, daß bei den Lonchaeidae das 6. Sternit proximal in eine Spitze ausgezogen ist. Genau dasselbe ist bei den Lonchaeidae der Fall, bei denen eine ähnliche Apophyse außerdem am 5. Sternit vorkommt. Etwas Ähnliches habe ich bisher bei keiner anderen Familie der Schizophora gefunden. Es scheint also, daß die Lonchaeidae und Pallopteridae hierin ein synapomorphes Merk- mal von besonderer Beweiskraft besitzen“ (Hennıc 1958). Da Morce (1963, p. 232) dieses Merkmal auch erwähnt, nehme ich an, daß er es bei den von ihm untersuchten ' Lonchaeidae überall gefunden hat. Leider ist nicht bekannt, wie weit es bei den Pallo- | | | | 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175 /3 Abb. 1. Pallopterites electrica n. sp. Holotypus (9), Habitus. pteridae verbreitet ist. Wenn sich z.B. zeigen sollte, daß die Apophyse des 6. Abdo- minalsternites weder bei der neuseeländischen Gattung noch bei der im südlichen Süd- amerika verbreiteten Gattungsgruppe, sondern nur bei den holarktischen Pallopteridae vorhanden ist, dann könnte das dafür sprechen, daß diese mit den Lonchaeidae näher "verwandt sind als die Gattungen der Südhemisphäre, zumal wenn sich die Zahl der ' Spermatheken bei den „Pallopteridae“ als nicht einheitlich erweisen sollte. | Als weitere abgeleitete Merkmale der Pallopteridae nennt Morce (l.c., p. 232) die " Reduktion und asymmetrische Verlagerung des 6. Abdominalsternites und die schlauch- " förmige Verlängerung des Aedeagus beim Männchen. Beide Merkmale kommen zwar "auch bei abgeleiteten Lonchaeidae vor; sie gehören aber noch nicht zum Grundplan "dieser Familie. Da es aus Mangel an Material wohl noch lange unmöglich sein wird, diese und andere Merkmale bei den Gattungen der Südhemisphäre zu untersuchen, und da selbst "die holarktischen Gattungen noch unzureichend bekannt sind, ist es leider nicht mög- lich, die Verwandtschaftsbeziehungen von Pallopterites electrica genauer zu bestim- men. Das einzige vorhandene Exemplar ist offenbar erst post mortem im Bernstein- harz eingebettet worden und stark mazeriert. Infolgedessen ist es an verschiedenen ‚Stellen ganz durchsichtig, und es müßte daher möglich sein, die Spermatheken und "eventuell auch die proximale Apophyse des 6. Sternites im Abdomen zu erkennen. "Leider sind Kopf, Thorax und Abdomen von großen Luftblasen erfüllt, die ein Er- "kennen von Einzelheiten im Innern des Körpers verhindern. ) Das Vorhandensein nur je eines Paares von Vertikal- und Scutellarborsten schließt ‚die Möglichkeit aus, irgendeine bekannte rezente Art oder Artengruppe von Pallo- I ‚pterites electrica abzuleiten. Diese Art ist zweifellos ausgestorben, ohne Nachkommen ‚zu hinterlassen. Das schließt aber die Möglichkeit nicht aus, daß sie in die Stamm- 'zruppe der Pallopteridae -+ Lonchaeidae (oder die Stammgruppe der holarktischen ‚Pallopteridae + Lonchaeidae?) gehört. - Der Fund zweier Lonchaeidae im Baltischen Bernstein (siehe unten, S. 6) macht " diese Möglichkeit weitgehend uninteressant. Er beweist mittelbar, daß auch die Pallo- ‚oteridae, sei es als Schwestergruppe der Lonchaeidae oder als paraphyletische Gruppe, zur Bernsteinzeit bereits existiert haben müssen, gleichgültig, ob nun Pallopterites | 4 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 vte ? Abb. 2—5. Pallopterites electrica n. sp. Holotypus (9). Kopf, von verschiedenen Seiten gesehen. wirklich zu den Pallopteridae (wie ich das für wahrscheinlich halte) oder (als über- ‘ lebender Seitenzweig) in die Stammgruppe der Pallopteridae + Lonchaeidae gehört. Aus der Familie Pallopteridae sind nur etwa 50 rezente Arten beschrieben. Es handelt sich bei ihnen also um eine der verhältnismäßig zahlreichen Gruppen, in denen seit der Bernsteinzeit nur eine recht bescheidene Zahl von Arten entstanden sein kann (über dieses Problem siehe Hennıc 1965 a). Leider ist über die Lebensweise der Pallopteridae bisher nur wenig bekannt. MorGE (1956) fand, daß die Larven von Palloptera usta Meig. und P. ustulata Fall. räuberisch unter Baumrinde leben. Ähnliches gilt für viele Lonchaeidae. Es ist daher ziemlich wahrscheinlich, daß dies auch die Lebensweise der Larven von Pallopterites electrica gewesen ist. 5. Pallopterites electrica novum genus, nova spec. (Abb. 1—9) Holotypus:1 9 im Institut für Paläontologie und Museum der Humboldt-Universität, Berlin. Als diagnostisches Merkmal der Gattung Pallopterites kann formal das Vorhan- densein von nur 1 Paar Scutellarborsten (sc) gelten. Kopf wie in Abb. 2—5 dar- gestellt. Augen nackt, vertikal-elliptisch. Wangen und Backen schmal. Eigentliche Vibrissen sind nicht vorhanden. Die Fühler sind nickend; ihr 3. Glied ist verhältnis- 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175 /5 \ Abb. 6-8. Pallopterites electrica n. sp. Holotypus (9). Thorax (6), Abdomen und Beine, Ventralansicht (7), Vorderrand des Flügels im Bereiche der Mündungen von sc und rı (8). GE Abb. 9, Pallopterites electrica n. sp. Holotypus (9). Linker Flügel. Der Flügel liegt nicht ganz in einer Ebene. ‚mäßig lang. Fühlerborste, besonders in der Distalhälfte, lang pubeszent. Stirn nicht behaart. Es sind nur 1 ors, oc, divergierende pvt und 1 Paar Vertikalborsten vorhan- den. Die Deutung dieser Vertikalborsten ist schwierig. Nach ihrer Stellung und der Richtung, in der sie gebogen sind, sollte man sie für vte halten. Demnach würden die vti fehlen. Sie gleichen also etwa denen der rezenten Lonchaeidae und Pallopteridae und nicht etwa denen der Piophilidae, Thyreophoridae und Neottiophilidae. Der Rüssel ist ganz durch weißliche Trübungen verhüllt. Auf dem Thorax (Abb. 6) sind 1 h, 1 prs, 2 n, 1 sa, 2 pa, 4 dc (1 davon prae- sutural), 1 prsc und 1 sc vorhanden. Rezente Lonchaeidae oder Pallopteridae mit nur 1 Paar sc sind mir nicht bekannt. Meso- und Sternopleura (Abb. 1) sind sehr fein und spärlich behaart. Am Hinterrande der Mesopleura sind keine langen und kräftigen Borsten vorhanden. Dagegen ist 1 lange und kräftige Sternopleuralborste vorhanden. ‚Je eine winzige Propleural- und Stigmatikalborste glaube ich zu erkennen. 6 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 Der Flügel (Abb. 8, 9) ist am Vorderrande nicht gedörnelt. Eine Bruchstelle an der Mündung von sc ist vorhanden (Abb. 8). Die Analzelle weicht in der Form nicht wesentlich von der Analzelle der rezenten Pallopteridae ab. Die Analader (cu; + 1a) erreicht den Flügelrand. Im linken Flügel (Abb. 9; der rechte ist nicht deutlich zu er- kennen) ist die ta verdoppelt (Anomalie). Im Abdomen (Abb. 1, 7) ist das 7. Segment zu einer Legrohrscheide umgebildet wie bei den rezenten Pallopteridae und Lonchaeidae. Auch das Legrohr selbst stimmt mit dem rezenter Arten überein. Die verschmolzenen Cerci bilden keine scharfe Spitze. Beine (Abb. 7) kurz und kräftig. An den f sind einige starke Borsten vorhanden, wie in Abb. 7 dargestellt. Praeapikalborsten fehlen an allen Tibien. Nur die t, besitzen 1 Paar kräftige Endsporne. Körperlänge (ohne Legrohr) etwa 4 mm. Familie Lonchaeidae Fossile Arten sind aus dieser Familie bisher noch nicht bekannt geworden. Die von SCUDDER (1877) aus dem Tertiär von British Columbia beschriebene Lonchaea senescens gehört nach J. F. McArrine (1962), der den Typus untersuchen konnte, eher zu den Lauxaniidae als zu den Lonchaeidae. Auch im Baltischen Bernstein ist bisher keine Lonchaeide gefunden worden. Die von Morce (1963, p. 312) ausgesprochene Hoft- nung, daß in absehbarer Zeit hier auch eine Art aus dieser Familie entdeckt werden könnte, hat sich vor kurzem überraschenderweise erfüllt; denn unter einer relativ kleinen Zahl von neuerworbenen Bernsteineinschlüssen des Univ. Zoolog. Museums in Kopenhagen, die mir von Herrn Dr. Sv. G. Larsson zur Untersuchung zugeschickt wurden, befanden sich 2 Weibchen, die ohne Zweifel zu den Lonchaeidae gehören. Leider werfen diese ersten aus der Familie bekannt gewordenen Fossilien mehr Fragen auf als sie beantworten. Nach McAırine (1962) sind zur Zeit (bzw. waren 1962) 424 rezente Arten be- kannt. Dieser Autor vermutet aber, daß noch mindestens halb so viele weitere Arten auf die Entdeckung warten. McAıPpine gibt in seiner Arbeit eine Tabelle von 67 bei allen Lonchaeidae vorhan- denen Merkmalen, von denen die meisten allerdings auch bei anderen Familien vor- kommen. Nur 8 werden als „derivitive (= apomorphic) characters of the family Lon- chaeidae“ bezeichnet. Mindestens eines dieser Merkmale (die Reduktion der Front- orbitalborste auf 1) teilen die Lonchaeidae mit den Pallopteridae, die von Morce (1963) ebenso wie von mir (1958), nicht aber von McArpine, als ihre Schwestergruppe angesehen werden. Dieses Merkmal kann also, wenn die von Morce und mir vertretene Ansicht richtig ist, nicht als abgeleitetes Grundplanmerkmal der Lonchaeidae angesehen werden. Nicht alle von McAırine angeführten Merkmale lassen sich bei den Bernstein- formen feststellen, zum Teil, weil sie nur bei den Larven oder den Männchen vorhanden sind, zum Teil, weil sie sich auf Besonderheiten der inneren Organe des Weibchens beziehen, die (Merkmale) bei den Fossilien nicht hinreichend deutlich sind. Mit Sicherheit läßt sich aber feststellen, daß die eine Art im Baltischen Bernstein (Morgea mcalpinei) mindestens in einem Merkmal von allen rezenten Lonchaeidae ab- weicht: im Fehlen kräftiger Mesopleuralborsten am Hinterrande der Mesopleura. Auf Grund dieses Merkmales bezeichne ich sie im folgenden als Vertreter einer besonderen Gattung Morgea. Möglicherweise ist Morgea im Fehlen kräftiger Mesopleuralborsten ursprünglicher als alle rezenten Lonchaeidae. Aber diese Deutung ist nicht sicher. Leider sind auch 2 andere Merkmale problematisch: die hellen Halteren und die wenig aus- geprägte Lunula. Alle rezenten Lonchaeidae haben einen schwärzlichen Halterenknopf, und das ist ohne Zweifel ein abgeleitetes Grundplanmerkmal der Familie. Bei Morgea 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175 /7 ist keine Spur davon zu erkennen. Möglicherweise ist aber das dunkle Pigment im Bernsteinharz zersetzt worden. Die gleichmäßig hellgelben Halteren von Morgea müß- ten dann als Fossilifikationsartefakt angesehen werden. Bei den rezenten Lonchaeidae ist die Lunula groß und freiliegend. Das gilt mit Recht als abgeleitetes Grundplanmerkmal der Familie. McAırıne (1962) und Morce (1963) schreiben der Lunula im Grundplan der Lonchaeidae auch eine schwache Be- haarung zu. Bei Morgea ist die Lunula nur schwer zu erkennen. Spuren von Behaarung kann ich auch bei starker Vergrößerung nicht entdecken. Leider kommt dem allem kein großes Gewicht zu, da die Lunula bei Morgea durch Schrumpfung des Vorderkopfes sekundär unter den Vorderrand der Stirn geraten sein kann. Immerhin ist bei den rezenten Lonchaeidae die Stirn am Vorderrande über der Lunula stark ausgerandet. Davon ist bei Morgea nichts zu erkennen. Hier (Abb. 12) ist der Vorderrand der Stirn nur sehr wenig konkav. Er gleicht daher eher dem der Pallopteridae als dem der rezenten Lonchaeidae (vgl. Fig. 169 mit Fig. 172 bei Hennıc 1958). Von Bedeutung sind wahrscheinlich auch die Palpen. Nach McAırine (1962) sind diese bei den rezenten Lonchaeidae immer abgeplattet. Das scheint mir bei Morgea (Abb. 11) mit Sicherheit nicht der Fall zu sein. Die Möglichkeit, daß Morgea in die Stammgruppe der Lonchaeidae gehört, ist also nicht von der Hand zu weisen. Wie in jedem solchen Falle muß man auch bei dieser Familie annehmen, daß der Komplex abgeleiteter Merkmale, durch den sich die rezen- ten Arten auszeichnen, nicht auf einmal entstanden ist. Wenn wir von den Merkmalen absehen, in denen die Lonchaeidae mit den Pallopteridae, ihrer mutmaßlichen Schwe- stergruppe, übereinstimmen und von denen man daher annehmen muß, daß sie (wie z.B. Legebohrer, die Reduktion der ors auf eine) bereits vor der Trennung der beiden Familien, in ihrer gemeinsamen Stammgruppe entstanden sind, dann spricht einiges dafür, daß Morgea einen Entwicklungsstand in der Phylogenese der Lonchaeidae dar- stellt, auf dem einige abgeleitete Merkmale (die Verkleinerung der Postvertikalborsten, der „hemisphärische“ Kopf, die Verbreiterung der Flügelbasis, die tiefschwarze Kör- perfärbung, die allgemein kurze und gedrungene Körperform) schon, andere (die Abplattung der Palpen, ? Vergrößerung der Lunula, ? Differenzierung der Mesopleural- borsten, ?Schwärzung des Halterenknopfes) aber noch nicht entstanden waren. Wenn bei einem Fossil nicht alle Merkmale eindeutig erkennbar sind, die man auf Grund intensiver Untersuchungen der rezenten Arten dem Grundplan einer Gruppe zuschreiben muß, ist es immer zweckmäßig, die Frage zu prüfen, ob das betreffende Fossil nicht in eine bestimmte monophyletische Teilgruppe gehören kann. Nicht selten sind nämlich einzelne, durch auffällige, eigenartige und sonst in weitem Um- kreise nicht vorhandene Sondermerkmale ausgezeichnete Teilgruppen etwa einer Fami- lie leichter zu erkennen als diese selbst. Vor kurzem haben McAıpıne (1962) und Morcke (1963) etwa gleichzeitig und mit in allen wesentlichen Punkten übereinstimmendem Ergebnis die Merkmalsentwicklung und die phylogenetisch-systematische Gliederung der Lonchaeidae dargestellt. Beide Autoren unterscheiden in der Familie 3 Entwicklungslinien („phylogenetic lines“: McAıpine), die der eine (McAıpine) als Dasiops line, Earomyiine line und Lonchaeine line, der andere (Morce) als Unterfamilien Dasiopinae, Earomyiinae und Lonchaeinae bezeichnet. Nach der Auffassung beider Autoren sind die Earomyiinae (Earomyiine ‚line) und Lonchaeinae (Lonchaeine line) näher miteinander verwandt: Zwischen den Dasiopinae (Dasiops line) auf der einen und den Earomyiinae + Lonchaeinae auf der anderen Seite wird ein Schwestergruppenverhältnis angenommen. Die Unterscheidung dreier „gleichwertiger“ Gruppen (Unterfamilien bei Morce) ' drückt diese Erkenntnisse also nicht falsch, aber unvollständig aus: MorcE hat mit 8 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 seiner Untergliederung der Lonchaeidae in 3 Unterfamilien kein falsches, aber ein unvollständiges System dieser Familie geschaffen, Vollständiger müßte die Gliederung so aussehen (vgl. auch Abb. 17): Familie Lonchaeidae A. Unterfamilie Dasiopinae B. Unterfamilie Lonchaeinae 1. Tribus Earomyiini 2. Tribus Lonchaeini Die Frage des Ranges dieser Gruppen ist dabei zunächst von sekundärer Bedeutung (siehe dazu Genaueres in meinen Arbeiten 1966 und 1967). Im folgenden sollen die Gruppen mit den oben angegebenen Namen und Rang bezeichnet werden: Wenn von den Lonchaeinae gesprochen wird, sind also nicht die „Lonchaeinae“ im Sinne von Morce, sondern die Lonchaeinae + Earomyiinae dieses Autors genannt. Von den Lonchaeini spreche ich, wenn die Lonchaeinae sensu MorGE gemeint sind. Zunächst wäre die Frage zu prüfen, ob zwischen den Dasiopinae und Lonchaeinae wirklich ein Schwestergruppenverhältnis besteht, wie McAırpıne und Morce annehmen, und ob Morgea zu einer dieser beiden Schwestergruppen gehören könnte. In den Stammbaumentwürfen beider Autoren sind die Merkmale angegeben, in denen sich die einzelnen Stammbaumzweige („Schwestergruppen“) voneinander unter- scheiden. Auf den ersten Blick sieht das so aus, als ob damit die Bedingungen erfüllt wären, auf denen ich mein „Argumentierungsschema der phylogenetischen Systematik“ (Hennıc 1957, 1965) aufgebaut habe. Das ist aber nicht der Fall. Während nämlich in meinem Argumentierungsschema zur Begründung von Schwestergruppenverhält- nissen zwischen monophyletischen Einheiten nur abgeleitete (apomorphe) Merkmale zugelassen sind, werden sowohl bei McArrıne wie bei Morce dagegen die diagnosti- schen (neben apomorphen also auch plesiomorphe) Merkmale angegeben. Auch das sieht wie ein belangloser Unterschied in der Darstellungsweise aus: Die Begründung von Schwestergruppenverhältnissen auf Grund der Heterobathmie von Merkmalen besagt doch, daß jede Gruppe neben apomorphen auch plesiomorphe Merkmale be- sitzen muß; denn diese sind es ja, die bei ihrer Schwestergruppe in apomorpher Aus- prägungsstufe vorhanden sind. Aber für die Dasiopinae (= Dasiops line) sind bei beiden Autoren nur ursprüngliche (plesiomorphe) Merkmale angegeben. Diese Gruppe hätte nach beiden Autoren die Merkmale der gemeinsamen Vorfahren („V“ bei More, „P“ bei McAırine) zunächst unverändert übernommen. Morce (p. 172) bezeichnet es zwar als „auffällig“, „daß die zweifellos plesiomorphe Unterfamilie Dasiopinae bei gleichzeitiger Erhaltung praktisch aller primitiven Merkmale der genannten Familie eine größere Zahl ausgesprochener apomorpher Kennzeichen aufweist“. Er hat dabei aber offenbar einzelne Arten oder Artengruppen und nicht den Grundplan der Dasio- pinae im Auge; denn für diesen führt er keine „ausgesprochen apomorphe Kenn- zeichen“ an. Weder bei Morce noch bei McAıpine sind also die Dasiopinae (bzw. die Dasiops line) als monophyletische Gruppe gut begründet. Die Übereinstimmung der in ihr zu- | sammengefaßten Arten beruht nach der Deutung beider Autoren auf Symplesio- morphie. Der Verdacht, daß es sich bei den Dasiopinae um eine paraphyletische Gruppe handelt, wird weder von MorcGE noch von McArpine entkräftet und vielleicht über- haupt nicht erkannt. Wir müssen daher untersuchen, ob es berechtigt ist, die Dasiopinae den Lonchaeinae als monophyletische Schwestergruppe gegenüberzustellen. Wirklich ursprünglich ist im Grundplan der Dasiopinae wahrscheinlich die Ausbildung des 6. Sternites im Ab- domen der Männchen. Nur hier ist dieses Sternit frei, relativ groß, symmetrisch und . vollständig behaart. 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175 /9 Bei den Lonchaeinae dagegen ist nach McAırme das 6. Sternit stark reduziert, asymmetrisch nach links verschoben und mit dem 7. Sternit und 7. + 8. Tergit zu einem „proterandrialen Syntergosternum“ verschmolzen. Dieser liegt als „Proterand- rialring“ zwischen dem Praeabdomen (dem auch das 6. Tergit mehr oder weniger deut- lich angegliedert ist) und dem Hypopygium („Andrium“ nach McArpıne). Da keinerlei Anzeichen dafür vorliegen, daß dieses zweifellos abgeleitete Merkmal bei den Lon- chaeidae mehrmals unabhängig entstanden ist, darf die Monophylie der Lonchaeinae bis zum Beweis des Gegenteiles als gut begründet gelten. Leider sind die Segmentie- rungsverhältnisse im männlichen Abdomen von Morgea nicht bekannt, so daß nicht festgestellt werden kann, ob sie mit denen der rezenten Lonchaeinae übereinstimmen. Das wäre wichtig, denn wenn andere Merkmalsdeutungen von McArpıne und MorGE richtig sind, dann bestünden Übereinstimmungen zwischen Morgea und den Lon- chaeinae auch in der „Reduktion“ der Poststigmatikalborsten. Ich halte die Annahme, daß die Poststigmatikalborsten zum Grundplan der Lonchaeidae gehören und bei den Dasiopinae erhalten geblieben, bei den Lonchaeinae aber zurückgebildet sind, für höchst problematisch. Diese Borsten sind bei Acalyptraten ein sehr ungewöhnliches Merkmal. Ich halte es für wahrscheinlich, daß sie bei den Dasiopinae, und nur bei diesen, durch die Differenzierung der Körperbehaarung entstanden sind. Als abge- leitetes Grundmerkmal dieser Gruppe können sie vielleicht die Begründung für die Monophylie der Dasiopinae liefern, die uns McArpıne und Morce schuldig geblieben ‚ sind. | Beide Autoren schreiben dem Grundplan der Lonchaeidae eine lange und dichte Körperbehaarung zu: „In general, the main trend is a change from an abundantly ‚ hairy or setulose condition to an apparenty simpler condition of differentiated or ‚reduced bristling or both“ (McArrine, p. 56). „Eine lange, dichte, meist aber zarte \ Behaarung, bei der auch die ansonsten stärkeren Borsten nur haarartig ausgeprägt sind, erweist sich als der primitive Zustand. Apomorph sind die üblichen Borsten stark entwickelt, die übrige Behaarung aber ist schütter und kurz“ (Morce#, p. 167). Gerade diese Formulierung Morces läßt mich an der Richtigkeit der Deutung beider Autoren zweifeln. Man muß doch im Auge behalien, daß eine bestimmte feste Garnitur von kräftigen Macrochaeten offenbar zum Grundplan der Schizophora gehört. Eine Ver- längerung und Verdichtung der Grundbehaarung sowie eine Verwischung des Unter- schiedes zwischen dieser und den Macrochaeten ist immer und überall ein abgeleitetes ‚Merkmal, das manchmal deutlich auf Besonderheiten der Lebensweise (bei Gebirgs- tieren oder Arten, die in kalten Gebieten oder frühzeitig im Jahre auftreten) zurück- geführt werden kann. Es wäre höchst verwunderlich, wenn die Entwicklung bei den Lonchaeidae umgekehrt verlaufen wäre. Meine Bedenken beziehen sich übrigens nur auf bestimmte Gruppen der Kopf- und Thorakalborsten. Für die vibrissenartigen "Borsten, die bei manchen Lonchaeidae vorkommen, für die starken Borsten am vorde- ren Dorsal- und am Hinterrande der Mesopleura, aber,auch für die Poststigmatikal- und einige Sternopleuralborstien bin ich durchaus der Ansicht, daß sie bei den Lon- chaeidae durch Differenzierung aus der Grundbehaarung entstanden sind. Ich glaube ‚auch mit MorcEe und McArpine, daß die besonders spärliche Behaarung bei manchen rezenten Arten (nach McAırıne besonders Lamprolonchaea) eine sekundäre Erschei- ‚nung ist, besonders dann, wenn sie mit metallischer Körperfärbung verbunden ist. Aber ich bin nicht der Ansicht, daß man die Behaarung im Grundplan der Lonchaeidae ‚so lang, so dicht und so undifferenziert annehmen muß, wie es die beiden genannten Autoren tun. Es scheint mir, daß beide in der Deutung einiger sehr einfacher Merk- ‚male (Proportionsverschiedenheiten, Färbung der Tarsen und Schüppchen usw.) um »inen Grad zu optimistisch sind und die Möglichkeit von Rückentwicklungen zu wenig n Rechnung stellen. Die Ermittlung von „main trends“ (McAırine) in der Merkmals- \ | \ 10 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 entwicklung einer Gruppe ist zwar sehr wichtig, sie hilft uns aber dort, wo wir bei sehr einfachen Merkmalen mit Parallel- oder Rückentwicklung rechnen müssen, oft nicht weiter. Für die Beurteilung von Morgea bedeutet das die Aufforderung zu größter Vor- sicht. Die Gattung besitzt mehrere Merkmale in der Beborstung und Behaarung (siehe unten die Beschreibung), die als abgeleitet angesehen werden müßten und für ihre Zugehörigkeit zu den Lonchaeinae sprechen würden, wenn Morces und McAırınes Deutung der Merkmalsentwicklung uneingeschränkt richtig wäre, andererseits aber spricht manches dafür, daß einige ihrer Merkmale ursprünglicher sind als bei allen rezenten Lonchaeidae. Die ursprünglichsten Arten der Lonchaeinae, namentlich obscura Walker (nach McA1ırınE Species typica der Gattung Protearomyia; nach MorGE Species typica von Priscoearomyia), unterscheiden sich nur wenig von den Dasiopinae. Namentlich gilt das für die Ausbildung des 6. Tergites im männlichen Abdomen, das nur hier noch er- halten, bei allen übrigen Lonchaeinae (wie übrigens auch bei manchen Dasiopinae) voll- ständig reduziert bzw. mit dem 5. Tergit verschmolzen ist. Die Surstyli sind bei dieser Form noch frei und klauenförmig. Wahrscheinlich ist McArpıne im Recht, wenn er da- | zu neigt (p.55), die Ausbildung des Aedeagus bei Protearomyia noch als etwas ur- sprünglicher anzusehen als bei den Dasiopinae. Sicherlich ist die starke Verlängerung | dieses Organs bei den meisten Lonchaeinae ein abgeleitetes Merkmal, denn diese Ent- wicklung verläuft offenbar parallel mit anderen Merkmalen des Hypopygiums. Es ist ; aber nicht wahrscheinlich, daß der Aedeagus bei den Lonchaeidae ursprünglich nur aus ' den Basiphallus, wie das bei den Dasiopinae der Fall sein soll, bestand. | P. obscura Walker (eine Art aus dem südlichen Südamerika) wird von McArpıne und Morce (sinngemäß; siehe oben) mit mehreren anderen Arten zu den Earomyiini gestellt. Zwischen diesen und den Lonchaeini wird ein Schwestergruppenverhältnis an- genommen. Als abgeleitete Merkmale nennen beide Autoren für die Earomyiini nur die unbehaarte Lunula, für die Lonchaeini das stärker verlängerte 3. Fühlerglied, die lamellenförmigen und in das Innere des Hypopygiums verlagerten Surstyli und (nur Morce) die schmalen Backen und Wangen. Alle diese Merkmale kommen aber auch bei den Earomyiini, wenn auch nicht bei allen Arten, vor! Sie müssen also, wenn Earomyiini und Lonchaeini wirklich monophyletische Gruppen sind, bei beiden unabhängig (auf dem Wege der Parallelentwicklung) entstanden sein! Stellt man diese Tatsache in Rech- nung, dann lohnt es sich, mindestens versuchsweise die Annahme zu machen, daß die‘ | | | unbehaarte Lunula kein abgeleitetes, sondern ein ursprüngliches Merkmal ist. Dann ı müßte die Behaarung allerdings bei den Dasiopinae und Lonchaeini durch Konvergenz entstanden sein. Das ist kaum schwerer vorstellbar als die Verlängerung des 3. Fühler- gliedes und die Entstehung der lamellenförmigen und in das Innere verlagerten Sur-; styli bei den Lonchaeini und einigen Earomyiini. Nehmen wir dazu die oben angestell- ı ten Überlegungen über die mutmaßliche Entwicklung der Behaarung und Beborstung, bei den Lonchaeidae, dann würde sich eine bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen. Protearomyia — Priscoearomyia und der Bernsteingattung Morgea ergeben: Nach More ist für „Priscoearomyia“ der Verlust der Behaarung des Scutellums, die Reduk- tion der Körpergröße und Augenbehaarung und die Verschmälerung der Backen und Wangen charakteristisch. Alle diese Merkmale deutet er als abgeleitet. Deuten wir, sie als relativ ursprünglich wie die Ausbildung der hinteren männlichen Abdomi-, nalsegmente und die der Surstyli, dann verschwinden einige Schwierigkeiten, die der Deutung von Morgea sonst entgegenstehen. Wir könnten annehmen, daß die Lonchaei- dae ursprünglich, d.h. bald nach der Trennung von ihrer Schwestergruppe, verhältnis- mäßig kleine Arten mit sehr spärlicher Grundbehaarung, aber deutlich von dieser ver-, schiedenen Macrochaeten waren. Einige dieser Merkmale hätten sich vor allem bei, Protearomyia- (Priscoearomyia-) Arten, andere bei Dasiops- (oder Silvestrodasiops-) Arten erhalten. Aber auch diese rezenten Arten wären in der Länge und Dichte deı 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175/11 Körperbehaarung, in der Größe der Lunula (?), der Abplattung der Palpen, vielleicht auch in der Verdunkelung des Halterenknopfes, vor allem aber in der Entwicklung starker Borsten am Hinterrande der Mesopleura stärker abgeleitet als Morgea aus dem Baltischen Bernstein. Leider werden alle diese Überlegungen dadurch stark entwertet, daß wir über den Bau des männlichen Abdomens von Morgea nichts wissen. Auf jeden Fall aber zwingt Morgea dazu, die von McArrıne und Morce entwickelte Deutung einer Entwicklung einiger Merkmale der rezenten Lonchaeidae zu überprüfen. Da sich Morgea nicht mit Sicherheit in eine der Teilgruppen der rezenten Lonchaei- dae einordnen läßt, gibt die Gattung auch keinen Aufschluß über das Alter der Familie und ihrer Gliederung. Selbst wenn wir Morgea mit Sicherheit der Stammgruppe der Lonchaeidae zuweisen könnten, würde das nicht ausschließen, daß die Familie zur Bernsteinzeit in mehrere ihrer Teilgruppen aufgespalten war. Wenn die Annahme eines Schwestergruppenverhältnisses zwischen Pallopteridae und Lonchaeidae richtig ist, dann würde das für ein verhältnismäßig hohes Alter bei- der Familien sprechen; denn mindestens die Vorkommen einer Gattung der Pallopteri- dae in Neuseeland (Neomaorina) deutet darauf hin, daß diese Familie spätestens in der obersten Kreide schon existierte. Für ihre Schwestergruppe, die Lonchaeidae, müßte dann natürlich dasselbe gelten. Aber wir wären dadurch nicht gezwungen, die Existenz ‚ der letzten gemeinsamen Stammart aller rezenten Lonchaeidae schon in so früher Zeit anzunehmen. Das Verbreitungsbild der rezenten Lonchaeidae wäre durchaus mit einem jüngeren Alter verträglich. Wenn nicht ein Fossil gefunden wird, das bereits mit Sicher- heit einer Teilgruppe der Lonchaeidae zugeordnet werden kann, wird sich die Frage nach dem Gliederungsalter dieser Familie kaum beantworten lassen. Leider gibt uns auch die zweite im Baltischen Bernstein gefundene Lonchaeide (Glaesolonchaea electrica, siehe S. 15) darüber keinen Aufschluß. Sie stimmt zwar in einigen Merkmalen mit den rezenten Lonchaeidae besser überein als Morgea; aber sie kann nicht mit einiger Sicherheit einer bestimmten Teilgruppe zugeordnet werden. Morgea mcalpinei novum genus, nova spec. (Abb. 10—16) Holotypus: 1 Q mit den Angaben „C. V. Hennıncsen, 1 — 7 — 1966 Tysk Rav“ in Universitetets Zoologiske Museum, Kobenhavn. Als diagnostisches Merkmal der Gattung mag das völlige Fehlen der starken Bor- sten am Hinterrande der Mesopleura gelten, das sie von allen anderen bekannten ‚ Lonchaeidae unterscheidet. | Artmerkmale für mcalpinei angeben zu wollen, wäre sinnlos, denn es gibt keine Merkmale, die a priori als Art- oder Gattungsmerkmale anzusehen sind. Wir müssen uns daher damit begnügen, die Merkmale zu nennen, die bei den rezenten Lonchaeidae von diagnostischer Bedeutung sind, natürlich nur, soweit sie bei dem vorliegenden ‚ Fossil festgestellt werden können. Dabei lege ich McAırine’s Tabellen 3 („Important Characters that Vary within the Family Lonchaeidae ...“) und 4 („Primitive vs. Deri- vitive Alternatives of Important Characters of Lonchaeidae) zugrunde: ?: Augen (vollkommen nackt) und Kopf im Profil vertikal elliptisch, mit sehr schmalen Wangen und Backen. Hierzu muß ich bemerken, daß ich den von McAırıne abgebildeten Kopf von Earomyia lonchaeoides Zetterstedt im Gegensatz zu diesem Autor keineswegs für sehr ursprünglich halte. Der sehr stark nach oben gezogene Mundrand und die sichelförmig nach oben gekrümmten Palpen erwecken vielmehr den ‚Eindruck, daß die Backen und Wangen hier sekundär verbreitert worden sind. Die Stirn ist bei Morgea mcalpinei flach, ohne Vertiefungen oder Runzeln, sehr kurz und spär- lich behaart. Über der einzigen Frontorbitalborste keine kürzeren Härchen. Lunula und ı Gesicht (Praefrons) sind, wie schon gesagt, nur schwer zu erkennen. Der Vorderrand ı der Stirn scheint aber in der Mitte nicht konkav ausgeschnitten zu sein wie bei den ; tezenten Arten. Lunula daher wahrscheinlich nicht so groß und freiliegend wie bei 12 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 03mm Abb. 12. Morgea mcalpinei n. sp. Kopf und Thorax des Weibchens (Holotypus) von links oben her gesehen. diesen; eine Behaarung ist nicht zu erkennen. Das 2. Fühlerglied ist ausgeschnitten wie bei den rezenten Arten, das 3. Glied nicht 2mal so lang wie breit. Fühlerborste mikro- skopisch pubeszent. Vibrissenartige Borsten sind nicht entwickelt. Palpen nicht abge- plattet und nicht vergrößert. Grundbehaarung des Thorax kurz und anliegend. An Macrochaeten sind vorhan- den: 1 h, 1 prs, 2 n, 2 (postsuturale) dc, 1 (Paar) prsc, 1 sa, 2 pa, 2 (Paar) sc. Das Scutellum ist anscheinend vollkommen nackt. Nur vor der lateralen sc ist am Rande jederseits ein kurzes Börstchen zu erkennen. Meso- und Sternopleura sind sehr fein und schwer erkennbar behaart. Pteropleura weder am vorderen Ober- noch am Hinter- rande mit kräftigen Borsten. Auch Poststigmatikalborsten sind nicht vorhanden. Sterno- pleura nur mit einer langen und kräftigen Sternopleuralborste. Prosternum nicht er- 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175 / 13 kennbar. Auch die Pleuren sind zum Teil durch Fremdkörper verdeckt. Auf der rechten Körperseite sind aber je 1 Propleural- und 1 Stigmatikalborste deutlich zu erkennen. Mehr Borsten sind ziemlich sicher nicht vorhanden. Die Halteren sind ganz gelb (siehe dazu oben). Auch die Schüppchen s'nd hell, an den Rändern ohne längere oder dunk- lere Haare. Keiner der beiden Flügel liegt so, daß er im ganzen gezeichnet werden könnte; der rechte ist hinter der Mitte abgeschliffen. Die erkennbaren Einzelheiten des Geäders sind in Abb. 14 dargestellt. il! N; SER GG x 124 EL) “1: N wugo Abb. 14. Morgea mcalpinei n. sp. (Weibchen, Holotypus). Flügel: Basis des rechten und Spitze des linken Flügels. Das Abdomen ist kurz und gedrungen, zweifellos post mortem aufgetrieben. Die weißlichen Trübungen, die zunächst Legrohrscheide (7. Segment) und Legrohrspitze verhüllten (Abb. 13), sind bei der Einbettung in Caedax ganz durchsichtig geworden, so daß die ausgestreckte Legrohrspitze mit allen Härchen jetzt vollkommen deutlich er- kennbar ist (Abb. 16). Morce betrachtet ein Legrohr mit scharfer, fest angegliederter Spitze als Grundplanmerkmal der Lonchaeidae. Da aber die Spitze aus den verschmol- zenen Cerci hervorgegangen ist, muß man annehmen, daß ein Legrohr mit weichem, lappenförmigem (wenn auch einheitlichem), etwas beweglichem Endabschnitt auch bei den Lonchaeiden den ursprünglichen Zustand darstellt. Das Abdomen ist, wie der ganze übrige Körper, tief schwarz, etwas glänzend. Die 3 Endglieder beider Vorderbeine sind etwas aufgehellt. Es kann aber nicht mit völliger Sicherheit behauptet werden, daß dies auch beim lebenden Tier so gewesen ist. Die Körperlänge ist wegen der Lage des Tieres nicht genau festzustellen. Sie hat ‚ aber sicherlich 2,5 mm nicht übertroffen. Das en'spricht der Länge der kleinsten be- | "kannten rezenten Lonchaeidae. 14 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 D TE eo 7 Tr BERGE Abb. 15—16. Morgea mcalpinei n. sp. (Weibchen, Holotypus). Pleuren (15) und Spitze des Legerohres (16). © ° a v Ki) ® r: „S Q r- > JS © En) ds [8) E @ ® = ® E = ® 5 0) N) o (6) Z & a © 0) ° ° = - © © Q ° o = ) fat > © 2 © o [1] Oo = S = c u) [o) E So = = = Rn © ° er 7 [8] 9 u © [e) So) [2] [D) ° m) Q E a © (ai un [e) in) Q 2a © [ei © u [S [1] ® = ® ° 1) fun c & 0 = © ° [=] {a8 (@) In) aD = =ı {m} a © u on zZ = Bernstein- G zeit Dasiopinae Lonchaeinae A B Abb. 17. Stammbaum der Lonchaeidae nach McAırıne 1962. Die beiden Teilfiguren sollen zeigen, zu welchen Folgerungen über das Mindestalter verschiedener Teilgruppen der Familie uns die Einordnung von Glaesolonchaea electrica (G) aus dem Baltischen Bernstein in die rezente Gattung Protearomyia (Teilfig. A) oder Lonchaea (Teilfig. B) zwingen würde. 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175 / 15 Morce vermutet, daß die Larven der ursprünglichsten Lonchaeidae saprophag hin- ter Baumrinde lebten. Ich stimme ihm darin zu. Offenbar haben verhältnismäßig viele der aus dem Baltischen Bernstein bekannten Acalyptratae diese Lebensweise geführt. Auch für die Larven von Morgea mcalpinei dürfte das anzunehmen sein. Glaesolonchaea electrica novum genus, nova spec. (Abb. 18—24) Holotypus:1Q „C. V. Honninssen 1 — 12 — 1966“ Universitetets Zoolog. Museum, Kopenhagen. Die vorliegende Arbeit war bereits abgeschlossen, als ich aus dem Zoologischen Museum Kopenhagen eine zweite Lonchaeide erhielt, die ganz sicher nicht mit Morgea mcalpinei identisch ist. Sie stimmt in mancher Hinsicht besser mit den rezenten Lon- chaeidae überein: Am Hinterrande der Mesopleura ist eine kräftige und lange Meso- pleuralborste vorhanden, und der Halterenknopf ist schwarz. Rein formal kann das Vorhandensein einer Mesopleuralborste als diagnostisches Merkmal der Gattung Glaesolonchaea gelten; denn bei Morgea fehlt die Mesopleural- borste, während bei den rezenten Lonchaeidae nach McArpine (1962) mindestens zwei vorhanden sind. Dieses diagnostische Merkmal ist freilich so geringfügig, daß man fragen kann, ob es richtig ist, daraufhin eine neue Gattung zu begründen. Die Gründe, die mich da- zu veranlassen, müssen daher ausführlicher angegeben werden. Nach den Bestimmungstabellen von McArrıme (1962) und Morcz (1963) könnte Glaesolonchaea entweder zu den Lonchaeini oder zu den Earomyiini gehören. Als ein- ziges Unterscheidungsmerkmal dieser beiden Tribus (sinngemäß) geben beide Autoren nur das Vorhandensein oder Fehlen der Behaarung auf der Lunula an. Dieses Merk- mal ist bei Glaesolonchaea nicht erkennbar, weil die Lunula durch weißliche Trübungen verschleiert ist. Die Unterschiede im männlichen Kopulationsapparat, die nach Mc- Arpıne und MorceE außerdem zwischen den beiden Tribus bestehen, müssen ebenfalls ‚ außer Betracht bleiben, weil das einzige vorliegende Exemplar von Glaesolonchaea ein Weibchen ist. Eine Verschiedenheit in der Länge des 3. Fühlergliedes (McArpine, p. 74, Dendrogram 2) besteht tatsächlich im Grundplan nicht, denn sowohl bei den Lonchaeini wie bei den Earomyiini gibt es Arten, bei denen das 3. Fühlerglied nicht mehr als 1V/2- mal so lang ist wie breit. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als in beiden Triben nach Gattungen zu suchen, zu denen Glaesolonchaea gehören könnte. Protearomyia (Earomyiini) scheint . als einzige rezente Gattung der Lonchaeidae ein nacktes Scutellum zu besitzen wie Glaesolonchaea. Aber die Bedeutung dieses Merkmales (ursprünglich oder abgeleitet?) ist unklar. Außerdem hat Protearomyia im Gegensatz zu Glaesolonchaea 3 Mesopleu- ralborsten und mehr als 2 Dorsozentralborsten. Unter den Lonchaeini ist offenbar Lonchaea diejenige Gattung, mit der Glaesolon- chaea am besten übereinstimmt; aber auch hier bestehen Unterschiede. Es ist also nicht möglich festzustellen, daß Glaesolonchaea mit einer bestimmten rezenten Gattung oder Gattungsgruppe besser übereinstimmt als mit anderen. Aber selbst wenn das möglich sein sollte, würde man aus dem Grade der Ähnlichkeit noch ‚nicht auf nähere Verwandtschaft schließen dürfen. Daher bleibt nichts anderes übrig, ‚als von der Einordnung von Glaesolonchaea in eine rezente Teilgruppe der Lonchaeidae "abzusehen, weil dies zu ganz unzulässigen Folgerungen zwingen würde: Wenn Stammbäume, wie sie McArpıne und Morce (beide Autoren praktisch über- " einstimmend) entworfen haben (vgl. Abb. 17), nicht reine Spielerei sein, sondern einen ‚ wissenschaftlichen Sinn haben sollen, dann kann dieser Sinn nur darin liegen, eine be- "gründete Hypothese über die genealogischen Beziehungen der rezenten Arten (bzw. Artengruppen) vorzulegen. Die Bedeutung von Fossilienfunden liegt dann vor allem ‚darin, daß sie den begründeten Stammbaumentwurf ergänzen durch begründete Aus- ‚sagen über die Zeit, in der bestimmte Verzweigungen des angenommenen Stamm- baumes spätestens entstanden sind. | 16 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 Wollte man Glaesolonchaea electrica nun einfach in diejenige rezente Gattung ein- ordnen, mit der sie in allen erkennbaren Merkmalen am besten übereinstimmt, so kämen dafür entweder die Gattung Protearomyia (= Priscoearomyia) oder Lonchaea in Frage. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten kann nicht entschieden werden, weil, wie gesagt, wichtige Merkmale bei dem Bernsteinfossil nicht erkennbar sind. Wie Abb. 17 zeigt, würde uns aber sowohl die Einordnung bei Lonchaea wie die bei Protearomyia zu der Folgerung zwingen, daß zur Bernsteinzeit bereits 4 oder 5, Teilgruppen der Lonchaeidae existiert haben. Diese Folgerungen würden aber weit über das hinaus- gehen, was man aus dem Bernsteinfunde tatsächlich ablesen kann. Die Einordnung von Glaesolonchaea electrica in eine der rezenten Gattungen würde die von McA1ırınE und Morce vorgelegten (praktisch identischen) Stammbaumentwürfe (bzw. ganz allgemein: die phylogenetischen Erkenntnisse dieser beiden Autoren) nicht ergänzen, sondern verfälschen. Daher ist sie unstatthaft. Abb. 18—-19. Kopf des Holotypus (9) von Glaesolonchaea electrica n. sp. Profil- (18) und Seitenansicht (19). Die Möglichkeit, daß Glaesolonchaea wie Morgea in die Stammgruppe der Lon- chaeidae gehört, kann also nicht ausgeschlossen werden, weil die Zugehörigkeit dieser Bernsteinform zu einer Teilgruppe der Lonchaeidae nicht mit guten Gründen wahr- scheinlich gemacht werden kann. Das bedeutet: Weder Glaesolonchaea noch Morgea schließen die Möglichkeit aus, daß zur Bernsteinzeit die Lonchaeidae bereits in Teil- gruppen (zum mindesten in die beiden Unterfamilien Dasiopinae und Lonchaeinae) aufgespalten waren, aber weder mit dem einen noch mit dem anderen Fossil wäre eine solche Annahme tatsächlich zu begründen. Die Tatsache, daß Glaesolonchaea in einigen wahrscheinlich abgeleiteten Merk- malen (zum mindesten im Vorhandensein einer Mesopleuralborste; wahrscheinlich auch in der Schwarzfärbung des Halterenknopfes; vielleicht in der Ausbildung der Lunula und in der Form der Palpen) genauer mit den rezenten Lonchaeidae übereinstimmt als Morgea, beruht vielleicht darauf, daß die zuletzt genannte Gattung einer älteren BE 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175 / 17 „Schicht“ der Stammgruppe angehört, die mit Morgea wenigstens bis zur Bernsteinzeit überlebt hat und damals neben jüngeren und engeren Verwandten der rezenten Lon- chaeidae (d.h. mit Glaesolonchaea) auftrat. Daß wir — wenigstens vorläufig — diese verschiedene Stellung von Morgea und Glaesolonchaea nicht zum Ausdruck bringen und beide als Vertreter „der Stammgruppe“ der Lonchaeidae betrachten, liegt in dem Begriff der „Stammgruppe“ begründet, der ein Zugeständnis an die begrenzten Mög- lichkeiten der Paläontologie darstellt. Bei Bedarf könnte dieses Zugeständnis aber ohne Schwierigkeiten eingeschränkt werden (vgl. Hrnnıc 1965 a). Abgesehen davon sind beide Funde, Morgea und Glaesolonchaea, von erheblicher Bedeutung für die Vorstel- lungen, die wir uns von der Merkmalsentwicklung bei den Lonchaeidae machen müssen. Der Holotypus von Glaesolonchaea electrica läßt die folgenden Merkmale erken- nen, bei denen natürlich nicht entschieden werden kann, inwieweit es sich um „Art-“ oder „Gattungsmerkmale“ handelt: Mesopleura Abb. 20—21. Holotypus (9) von Glaesolonchaea electrica n.sp. Meso- und Sternopleura (20); Thoraxrücken (21). 2: Kopf und Augen im Profil vertikal elliptisch (Abb. 18), mit sehr schmalen Wan- gen und Backen wie bei Morgea. Der Kopf ist aber weitgehend durch weißliche Trü- bungen verschleiert, so daß die genauen Grenzen der Augen (namentlich Vorder- und Unterrand) nicht erkennbar sind. Deutlich sichtbar ist die freiliegende Lunula (Abb. 19). Ob diese aber nackt oder behaart ist, läßt sich nicht feststellen. Auf keinen Fall ist eine längere Behaarung vorhanden. Am Unterrande der Backen eine einfache Reihe ver- hältnismäßig langer Börstchen. Differenzierte Vibrissen sind jedoch nicht vorhanden. Augen ohne jede Spur von Behaarung. Das 3. Fühlerglied ist nur wenig länger als breit, die Fühlerborste kurz pubeszent. Stirn wie bei Morgea flach, ohne Vertiefungen oder Runzeln, mit kurzen und zerstreuten Härchen (Abb. 19). Die Färbung des Körpers ist schwarz, erscheint jedoch fast überall etwas milchig ‚ blauweiß infolge eines fast geschlossenen feinen Luftüberzuges. Behaarung des Tho- rax anliegend, etwas gröber und anscheinend weniger dicht als bei Morgea. An Macro- chaeten sind vorhanden (Abb. 21): 1 h, 1 prs, 2 n, 2 dc, 1 prsc, 1 sa, 2 pa und 2 (Paar) sc. Von einer zweiten h ist keine Spur zu erkennen; sa und pa sind ziemlich ge- nau gleich lang und gleich kräftig. Auch die beiden sc unterscheiden sich nicht merk- lich voneinander. Außer ihnen sind weder am Rande noch auf der Dorsalseite des Scu- tellums Haare zu erkennen. Propleura und Prosternum sind durch weißliche Trübun- : gen verhüllt. Auf der rechten Körperseite sind aber eine deutliche, ziemlich lange Pro- -" pleuralborste und der Schatten einer einzelnen Stigmatikalborste zu erkennen (Abb. 24). 18 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 Mesopleura (Abb. 20) spärlich behaart. Poststigmatikalborsten fehlen. Am Hinterrande der Mesopleura ist auf der linken Körperseite nur eine lange und kräftige Mesopleural- borste vorhanden. Rechts (Abb. 20) steht unter dieser aber noch eine weitere, allerdings wesentlich kürzere und schwächere Borste. Anterodorsale Mesopleuralborsten sind nicht differenziert. Die Sternopleura (Abb. 20) trägt nur vereinzelte Härchen und in der Nähe des hinteren Oberrandes eine lange und kräftige Sternopleuralborste. Vor dieser sind aber noch 3 weitere Borsten von abnehmender Länge und Stärke vorhanden. 23 Abb. 22—23. Holotypus (2) von Glaesolonchaea electrica n. sp. Legrohr (22: Seitenansicht) und Flügel (23). Abb. 24. Habitus von Glaesolonchaea electrica n. sp. (Q, Holotypus). 1} 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175/19 Im Flügel (Abb. 23) steht die hintere Querader (tp) dem Hinterrande etwas näher als bei Morgea. Während sie dort etwas kürzer ist als der Endabschnitt von cu,, ist sie bei Glaesolonchaea deutlich etwas länger. Halterenknopf schwarz, Stiel gelblich. Schüpp- chen braun mit noch stärker verdunkeltem Rande, der einen Saum ebenfalls dunkler Härchen trägt. Ein differenzierter Wimpernbüschel ist nicht vorhanden. Vorderschenkel (Abb. 24) in der Distalhälfte mit 2 kräftigeren Posteroventralbors:en, an die sich nach der Spitze hin noch 2 kürzere und schwächere anschließen. Auch in der Proximalhälfte sind die Posteroventralborsten nur etwa halb so lang. Eine Differenzierung der Bein- färbung ist nicht zu erkennen. Ob eine leichte Aufhellung der Endglieder der Tarsen schon im Leben vorhanden war oder erst bei der Einbettung im Bernsteinharz entstan- den ist, läßt sich nicht entscheiden. Das Abdomen (Abb. 24) ist nur sehr spärlich und anliegend behaart. Etwas längere Marginalborsten sind aber an den Rändern der Tergite vorhanden. Das Legrohr ist ziemlich weit ausgestreckt. Seine leicht abgesetzte, aber nicht abgeknickte Spitze trägt ‚nur 3 Paar verlängerte Härchen (Abb. 22). Körperlänge (bis zum Ende der Legrohrscheide) etwa 2,75 mm; also geringfügig mehr als bei Morgea. Für die mutmaßliche Lebensweise der Larven (hinter Baumrinde) gilt, was schon bei Morgea darüber gesagt wurde (S. 15). Familie Anthomyzidae (Anthomyzoidea) 6. Anthoclusia gephyrea Hennig (zu p. 165) In der Königsberger Bernsteinsammlung befindet sich ein zweites Exemplar (2), das zusammen mit einem Weibchen von Rhagio spec. in einem Bernsteinstück (Nr. IIB 666) eingeschlossen ist. Bei diesem zweiten Exemplar (2) sind die vti deutlich kürzer und schwächer als beim Holotypus (Ö), mit den Spitzen aber ebenfalls gekreuzt. Die Lage der Frontorbi- talborsten ist weniger gestört als beim Holotypus: Es sind deutlich 2 obere, nach oben gebogene, und 2 untere, nach innen gebogene Frontorbitalborsten vorhanden. Die Be- haarung des 3. Fühlergliedes ist am Vorderrande zu erkennen: Sie scheint ziemlich lang zu sein. Propleura und Prosternum sind auch beim $ durch weißliche Trübungen verhüllt. Links glaube ich aber eine Propleuralborste zu erkennen. Die Endsegmente des Ab- domens werden beim ® fortlaufend kleiner. Sie sind weitgehend durch weißliche Trü- bungen verhüllt. Es ist zu erkennen, daß sie teleskopartig eingezogen werden können und auch teilweise eingezogen sind. Im ganzen sind die Endsegmente denen des Weib- chens von Xenanthomyza larssoni n. sp. (Abb. 25) sehr ähnlich. In der Beborstung der Beine und in anderen Merkmalen unterscheidet sich das ® nicht vom &. Offenbar besteht kein Sexualdimorphismus. In der Beschreibung der Art (Hrnnıc 1965, p. 165) befindet sich ein Fehler. Es muß dort heißen: „Auch der geringe Abstand, der zwi- schen den Mündungen von r;,, und r,,; liegt (Abb. 250), kommt bei den Anthomy- zidae, nicht aber bei den Clusiidae vor.“ 7. Xenanthomyza larssoni novum genus, nov. spec. (Abb. 25—32) Holotypus: 1 Q mit der Angabe „C. V. Henninssen 3 — 1 - 1956“ in Universitetets Zoolog. Museum, Kopenhagen. Die nachstehend beschriebene Art ist eine der Bernsteinformen, die den Bearbeiter zur Verzweiflung bringen können, weil es die vorhandenen Merkmale nicht gestatten, ihre Beziehungen zu rezenten Artengruppen mit hinreichender Sicherheit festzustellen. Für das vorliegende Exemplar kommt allerdings nur die Zugehörigkeit zu den - Clusiidae oder zu den Anthomyzidae in Frage. Sorgfältige Erwägungen machen die 20 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 Annahme am wahrscheinlichsten, daß die Art zu den Anthomyzidae gehört. Leider gehören diese zu den am schlechtesten bekannten Acalyptratenfamilien. Aus dem Bal- tischen Bernstein sind bereits 2 Arten beschrieben worden (Hennıc 1965: Anthoclusia gephyrea und Protanthomyza collarti), die ebenso wie die vorliegende in mancher Be- ziehung von den rezenten Formen abweichen. Xenanthomyza stimmt mit Anthoclusia im Fehlen der Mesopleuralborsten (die bei Protanthomyza vorhanden sind) und in gewissem Umfange anscheinend auch in der Fühlerbildung überein. Sie weicht aber unter anderem durch die nur kurz behaarte Fühlerborste ab. Die Tatsache, daß alle 3 nunmehr aus dem Bernstein bekannten Arten (vor allem aber Anthoclusia gephyrea und Xenanthomyza larssoni) gewisse Übereinstimmungen mit den Clusiidae aufweisen, spricht wohl dafür, daß zwischen dieser Familie und den Anthomyzidae wirklich engere Verwandtschaftsbeziehungen bestehen, wie HEnDEL schon früher annahm. IM m MN: i Abb. 25. Xenanthomyza larssoni n. sp. Holotypus (9), Habitus. Der Erhaltungszustand des Holotypus ist nicht vollkommen befriedigend. Es sieht aus, als läge das Tier auf einer ebenen Fläche milchigweißer Trübungen, die die Unter- seite vor allem des Kopfes und des Thorax verhüllen. Auch die Oberseite des Kopfes ist von einem dünnen Schleier von Trübungen bedeckt, die z.B. ein sicheres Erkennen der Augenränder, der Ozellen und die Einlenkungsstelle einiger Borsten verhindern. Auch die hintere Begrenzung der Augen, die Palpen und der Rüssel sind nicht zu er- kennen. Aus den gleichen Gründen läßt sich auch nicht feststellen, ob Vibrissen vor- handen sind oder nicht. Auf der linken Seite glaube ich unter den Trübungen eine starke Vibrisse zu erkennen. An Kopfborsten sind vorhanden: vte, vti, divergierende pvt, kurze oc, die auf dem Wege der Reduktion zu sein scheinen, und jederseits 4 Frontorbitalborsten. Die Grenzen des Ozellenflecks sind nicht zu erkennen, doch erlaubt die Stellung der oc die Feststellung, daß er nicht ganz hoch an der Scheitelkante liegt. Dies, die sehr kurzen oc, die divergierenden pvt, die Form des 3. Fühlergliedes und vielleicht auch noch andere Merkmale, lassen die Frage auftauchen, ob Xenanthomyza nicht mit der rezenten Gattung Stenomicra verwandt sein könnte. Das ist aber höchst unsicher. Der Hinterkopf ist stark konkav „ausgehöhlt“. Die Stirn ist flach und in der Mitte eher etwas vertieft. Die Einlenkung der Fühler und deren Grundglieder sind nicht genau zu erkennen. Auch die genaue Form des 3. Fühlergliedes ist nur schwer festzustellen. Auffällig ist die Stellung der Fühlerborste in der Mitte des Vorderrandes, der wohl dem Dorsalrande des nach unten gerichteten 3. Fühlergliedes entspricht. Die Fühler- borste ist kurz behaart. Thorax (Abb. 28, 29) mit 1h, 2n, 1 sa, 1 pa, 2 postsuturalen dc, 1 prsc, 2 (Paar) sc. Die vordere dc ist nur etwa halb so lang wie die hintere. Laterale sc kürzer als die apikalen. Nicht mit Sicherheit ist festzustellen, ob wirklich nur 1 pa vorhanden 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175/21 27 Abb. 26—29. Xenanthomyza larssoni n. sp. Holotypus (P). Kopf (26, 27) und Thorax (28: Dorsalansicht, 29: Seitenansicht). . ist. Wenn eine 2., innere, vorhanden sein sollte, könnte sie nur als sehr feines Härchen \ ausgebildet sein. Eine prs ist nicht zu erkennen. Die Cerci des weiblichen Legrohres sind getrennt (Abb. 32). Flügelgeäder wie in Abb. 30 dargestellt. Costabruchstellen sind nicht zu erkennen. Die wenig kräftigen Haarbörstchen am Vorderrande der Costa gehen ohne Uhnter- brechung über die Stellen hinweg, an der sich die Costabruchstellen befinden müßten, ' wenn sie vorhanden wären (Abb. 30, 31). Die Mündung von r,,, liegt wie bei vielen zezenten Anthomyzidae verhältnismäßig nahe bei der Mündung von r,,;. Die hintere Querader (tp) liegt vom Flügelrande entfernt: Sie ist kürzer als der Endabschnitt von my. Basalquerader (tb) vorhanden. Der genaue Verlauf des Flügelhinterrandes ist nicht ' deutlich zu erkennen, da beide Flügel hier dicht an das Abdomen gepreßt sind. Eine Alula ist vorhanden, aber nicht sehr breit. Auch die Form der Analzelle und der Ver- - lauf der Analader (cu, + 1a) sind nur sehr schwer zu erkennen. Insbesondere ist nicht mit Sicherheit auszumachen, ob und gegebenenfalls in welcher Form die Anal- '\ader den Hinterrand des Flügels erreicht. | | 22 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 Abb. 30—32. Xenanthomyza larssoni n.sp. Holotypus (9). Flügel (30), Vorderrand des Flügels im Bereiche der Mündungen von sc und r; (31) und Endsegmente des Abdomens (32: Dorsalansicht). Beine (Abb. 25) ohne Besonderheiten. Mittelschiene (t;) mit deutlichem Endsporn. Dorsale Praeapikalborsten sind an keiner der 3 Tibien vorhanden. Vorderschenkel auf der Unterseite ohne bemerkenswerte Bedornung oder Behaarung. Körperlänge knapp 3 mm. Die Art ist Herrn Dr. Sv. G. Larsson, Kopenhagen, gewidmet, dem ich die Kennt- nis dieser und anderer Dipteren aus dem Baltischen Bernstein verdanke. Familie Milichiidae (Milichioidea) Der Nachweis einer ohne jeden Zweifel zu den Milichiidae gehörenden Art im Baltischen Bernstein beweist, daß nicht nur diese, sondern auch die anderen Familien der Milichioidea (siehe Hennıc 1958, p. 649) bereits mindestens im Eozän entstanden sein müssen, denn keine von diesen kann von Vorfahren mit den Merkmalen der Milichioidea abgeleitet werden. Unsicher bleibt das nur für die sehr problematischen Braulidae. Zu den Milichiidae stellte ich früher (1958) auch die Carnidae, die wohl richtiger als eigene Familie angesehen werden müssen. Sie sind im Baltischen Bernstein bereits nachgewiesen (Hennıc 1965). Vor 30 Jahren (1937) gab ich als Zahl der bei den Milichiidae bekannten Arten 170 an. In diese Zahl waren aber die Carnidae mit etwa 25 Arten eingeschlossen. - Andererseits sind neue Arten beschrieben worden, die aber doch so wenig zahlreich sind, daß die Zahl der heute bekannten Arten der Milichiidae 200 nicht übersteigen dürfte. Leider ist es zur Zeit noch nicht möglich, die genaue Stellung der im Bernstein gefundenen Art anzugeben. Ich habe früher (1937) im Anschluß an andere Autoren 2 Unterfamilien, Milichiinae und Madizinae, unterschieden. Von diesen sind die Mili- chiinae (1937: 89 Arten) als monophyletische Gruppe gut begründet. Nicht so die Madizinae (1937: 56 Arten). Die Madizinae besitzen alle die abgeleiteten Merkmale der Milichiinae in ursprünglicherem Ausprägungszustande. Gemeinsame abgeleitete Merkmale sind bisher für sie nicht angegeben worden. Es besteht also die Möglichkeit, daß einige Gattungen der „Madizinae“ mit den Milichiidae näher verwandt sind als andere, und bei Fossilien mit den diagnostischen Merkmalen der rezenten Madizinae läßt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, daß sie in Wirklichkeit in die Stamm- gruppe aller Milichiidae gehören. Das gilt auch für die nachstehend beschriebene Art aus dem Baltischen Bernstein. Trotzdem glaube ich, ohne meine Vermutung allerdings anders als durch einen ganz allgemeinen Hinweis auf Erfahrungen mit anderen Bernstein-Dipteren begründen zu 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175/23 können, nicht, daß „Phyllomyza“ jaegeri in die Stammgruppe aller Milichiidae gehört. Vielmehr dürfte die Art, wie es dem Augenschein entspricht, wirklich mit einer rezen- ten Gattung oder Gattungsgruppe der „Madizinae“ am nächsten verwandt sein. Welche das ist, läßt sich allerdings nicht entscheiden. Die Art aus dem Bernstein besitzt die diagnostischen Merkmale der rezenten Gattung Phyllomyza und stimmt darin mit einer Art (Phyllomyza hurdi) überein, die SaBrosky (1963) kürzlich aus dem miozänen Bern- stein von Mexiko beschrieben hat. Aber für die Gattung Phyllomyza gilt vielleicht im besonderen, was über die Madizinae im allgemeinen eben gesagt wurde: Es ist nicht ausgeschlossen, daß die diagnostischen Merkmale dieser rezenten Gattung die ur- sprünglichsten der ganzen Familie sind, d.h., es ist möglich, daß wir diese Merkmale auch bei der Stammgruppe der ganzen Milichiidae voraussetzen müssen. Das ist frei- lich bisher noch nicht klar herausgearbeitet worden. Eine systematische Revision der Milichiidae, insbesondere der Madizinae, nach den Grundsätzen der phylogenetischen Systematik wäre dringend erwünscht und Voraussetzung für alle weiteren Erörte- rungen. Solange sie nicht vorliegt, bleibt die Stellung der Bernsteinarten ebenso un- bestimmt wie die aller Fossilien mit ausschließlich oder vorwiegend ursprünglichen Merkmalen, und es bleibt ebenso unbestimmt, was es bedeutet, daß die Bernsteinarten sich von den rezenten Arten der Gattung Phyllomyza nicht stärker unterscheiden als diese untereinander. Abb. 33. „Phyllomyza“ jaegeri n. sp. Holotypus, Habitus. ‚8. „Phyllomyza“ jaegeri nova spec. (Abb. 33—39) Holotypus und Paratypus: 2 Exemplare (1 &, 1 9°) im gleichen Bernsteinblock. Institut für | Paläontologie und Museum der Humboldt-Universität, Berlin. Bei beiden Exemplaren ist vor allem die Unterseite des Körpers durch große Luft- blasen verdeckt. Auch andere Teile des Körpers sind, namentlich beim Paratypus, von | 24 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 feinen Luftschichten überzogen, so daß nicht einmal das Geschlecht mit Sicherheit an- gegeben werden kann. Die Einordnung der Art in die rezente Gattung Phyllomyza kann aus den oben angegebenen Gründen nur als provisorisch angesehen werden. Kopf (Abb. 34—36) ähnlich wie bei manchen rezenten Arten der Gattung Phylio- myza: Wangen linienartig schmal, nicht deutlich sichtbar. Backen nicht sehr breit, mit einer Reihe von Borsten und jederseits 2 langen und kräftigen Vibrissen. An Kopf- borsten sind vorhanden: konvergierende (gekreuzte) pvt, oc, vte, vti, jederseits 3 nach außen, über die Augenränder gebogene ors, jederseits 3 nach innen gebogene ori und 2 Reihen von Interfrontalborsten. Diese stehen nicht, wie es nach den Abbildungen scheinen könnte, auf deutlichen Chitinstreifen (wie etwa bei Desmometopa). Der Hin- terkopf ist flach ausgerandet. Der Rüssel ist nicht lang, aber wie bei allen Milichiidae 34 vte vti 373% Abb. 34—37. „Phyllomyza“ jaegeri n. sp. Kopf (34-36: von verschiedenen Seiten gesehen; 34: Paratypus; 35, 36: Holotypus) und Flügel (37: Holotypus). I} N) deutlich gekniet: Labellen schmal und verlängert. Ob in der Ausbildung der Palpen ein Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht, läßt sich nicht sagen. Verhältnis- mäßig deutlich erkennbar sind die Palpen nur beim Paratypus (??; Abb. 34). Sie sind! hier nicht besonders lang. Ähnliches gilt für die Fühler. Beim Paratypus ist das ganze Untergesicht mit den Fühlern tief eingesunken, so daß sich Form und Größe des | | 5 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175/25 3. Fühlergliedes nicht genau erkennen lassen. Beim Holotypus sind die Fühler wie der ganze Vorderkopf mit einer feinen Luftschicht überzogen, so daß ihre Form und Größe nicht mit völliger Sicherheit erkennbar sind. Das 3. Glied ist aber ziemlich groß. Ob der Einschnitt am Distalrande und die etwas beträchtl'chere Größe des linken Füh- lers (bzw. seines 3. Gliedes) auf einer Anomalie beruht oder ob es sich um eine durch einen Fremdkörper verursachte Deformation handelt, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Fühlerborste nicht lang, aber deutlich behaart. Thorax (Abb. 39) mit 1 h, 1 prs, 2 n, 1 sa, 2 pa, 2 postsuturalen dc, 1 prsc, 2 sc (Spitzen des apikalen Paares gekreuzt). Außerdem scheint vor der sa eine deutlich verlängerte pra vorhanden zu sein. Die vordere der beiden dc ist nur etwa halb so lang wie die hintere. Ob die Mesopleura nackt oder behaart ist, läßt sich nicht mit völliger Deutlichkeit erkennen. Auf jeden Fall sind an ihrem Hinterrande keine kräftigen Borsten (Mesopleuralborsten) vorhanden. Sternopleura mit 1 langen und kräftigen Borste in der Nähe des hinteren Oberrandes. Vor dieser stehen 2 kurze Börstchen. Ähnliche kurze Börsichen scheinen vereinzelt auch sonst auf der Sternopleura vor- handen zu sein. Im übrigen sind die Pleuren bei beiden Exemplaren besonders schlecht zu erkennen. Abb. 38—39. „Phyllomyza“ jaegeri n. sp. Holotypus. Beine (38: von vorn gesehen) und Thorax (39: Dorsalansicht). Flügel (Abb. 37) breit wie bei den rezenten Arten. Insbesondere fällt wie bei diesen die breite Basis auf. Die Flügel sind nur beim Holotypus in allen Einzelheiten deutlich zu erkennen. Aber auch hier sind beide Flügel in einer Linie, die etwa die Mündung von h mit dem Einschnitt am Distalrande der Alula verbindet, scharf umgeknickt. Die Basalregion ist nur beim rechten Flügel deutlich zu erkennen. Hier hat die Analzelle die in Abb. 37 dargestellte Form. Die Analader (cu, + 1a) ist als kurzer Stumpf zu erkennen. Einzelheiten des Geäders wie in Abb. 37 dargestellt. Vom Abdomen ist wenig zu erkennen (Abb. 33). - Körperlänge knapp 1,5 mm. \ 4 I 26 STUTTGARTER BEITRÄGE ZUR NATURKUNDE Nr. 175 Beine (Abb. 38) im ganzen ohne Besonderheiten. Mittelschiene mit einem langen und kräftigen Endsporn. Beim Holotypus (6?; Abb. 38) fallen die namentlich an der Basis außerordentlich verbreiterten f, auf. Sie sind mit Luft gefüllt, und es ist nicht völlig ausgeschlossen, daß sie dadurch etwas deformiert sind. Verbreitert ist beim Holo- typus auch der linke (nicht der rechte) f,, der ebenfalls mit Luft gefüllt ist. Er ist aber auf der Unterseite aufgerissen, während das bei den f, nicht der Fall ist. Beim Para- typus (2?) sind alle Schenkel normal, nicht verbreitert. Vielleicht besteht in der Aus- bildung der f, also ein Sexualdimorphismus (?). Es ist nicht ausgeschlossen, daß das Vorhandensein von 3 (statt 2) ori, die bessere Ausbildung der Analzelle (?), das Vorhandensein eines kurzen Analader-Stumpfes und die Verbreiterung der f, beim ö (?) die Möglichkeit bieten, die vorliegende Art als besondere Gattung von Phyllomyza abzutrennen. Da aber die angegebenen Merkmale unsicher sind und die formale Errichtung einer neuen Gattung nichts an der Beurtei- lung der phylogenetischen Stellung der Bernstein-Art (siehe oben) ändern würde, ver- zichte ich darauf. | Die Art benenne ich zu Ehren von Herrn Prof. Dr. Hermann JAEGER, Berlin, der mir stets großzügig und hilfsbereit Material aus der von ihm verwalteten Bernstein-Samm- lung zur Verfügung stellt. | Über die Lebensweise der Milichiidae ist verhältnismäßig wenig bekannt (das Wesentliche siehe Hennıc 1937 zusammengestellt). Die Larven scheinen alle saprophag zu sein. Einige sind auch in Ameisennestern gefunden worden. Familie Diastatidae (Drosophiloidea) 9. Pareuthychaeta electrica Hennig (zu p, 191) Wahrscheinlich zu dieser Art gehören mehrere Exemplare (d6 und ??), die in 2 Bernsteinstücken des Zoolog. Museums Kopenhagen eingeschlossen sind. Beide Bern- ' steinstücke sind von unregelmäßiger Form und nicht mehr als 1,5 cm lang. Das eine Stück enthält 3 Exemplare, das andere 4 vollständige und Teile von wahrscheinlich 3 weiteren Individuen. Bestimmungstabelle (Ergänzungen) Durch die neugefundenen Arten ergeben sich die folgenden Ergänzungen der von mir 1965a gegebenen Tabelle zur Bestimmung der bisher aus dem Bernstein bekannten Acalyptratae: | 12 (13) Hinter der Quernaht sind nur 3 Dorsozentralborsten (dc) vorhanden. 12a(12b) Jederseits 2 reklinate und 1 nach innen gebogene Frontorbitalborste (ors) ' vorhanden. Je 2 Paar Vertikalborsten (vte und vti) und Scutellarborsten (sc) vorhanden. Kleinere Art (2,5 mm). Protodinia electrica Hennig 12b (12a) Jederseits nur 1 Frontorbitalborste (ors) und nur je 1 Paar Vertikalborsten ' (vte?) und Scutellarborsten (apikale sc) vorhanden. Größere Art (4 mm). Pallopterites electrica n.sp. 13 (12) Hinter der Quernaht 4 dc usw. 34 (41) Mesopleura am Hinterrande mit einer oder mit mehreren langen und kräf- tigen Borsten. ( 34a (34b) Jederseits nur 1 Frontorbitalborste vorhanden (Abb. 19 der No Arbeit). Glaesolonchaea electrica n.sp. 34b (34a) Jederseits 3 oder mehr Frontorbitalborsten vorhanden. 35 (36) Bleibt unverändert. 41 (34) Mesopleura am Hinterrande ohne verlängerte kräftige Borsten. | 1967 HENNIG, ACALYPTRATAE DES BALTISCHEN BERNSTEINS Nr. 175/27 41a(41b) Jederseits nur 1 Frontorbitalborste vorhanden (Abb. 10 der vorliegenden Arbeit). Morgea mcalpinei n.sp. 41b(41a) Jederseits mindestens 2 Frontorbitalborsten vorhanden. 42 (47) Eine oder mehrere vordere Frontorbitalborsten nach innen gebogen. 42a(42b) Postvertikalborsten (pvt) konvergierend (gekreuzt). „Phyllomyza“ jaegeri n.sp. 42b (42a) Postvertikalborsten (pvt) fehlend oder divergierend. 43 (44) Es sind nur 2 Frontorbitalborsten vorhanden usw. 57 (58) Jederseits 4 Frontorbitalborsten. 57a(57b) Hintere Querader (tp) länger als der letzte Abschnitt von m,. Fühlerborste | lang gefiedert. Vorderschenkel unterseits kräftig bedornt. Anthoclusia gephyrea Hennig ‚57b(57a) Hintere Querader kürzer als der letzte Abschnitt von m,. Fühlerborste kurz behaart. Vorderschenkel unterseits nicht bedornt. Xenanthomyza larssoni n.sp. 1 | ‚58 (57) Jederseits nur 2 Frontorbitalborsten usw. Bei dem Gegensatzpaar 65/66 sind die Angaben über die Praescutellarborsten \ (prsc) zu streichen. Es muß also heißen: , 65/66 Mesopleura behaart. Endabschnitte von r,,, und m, parallel bis leicht konvergierend. Palaeoheteromyza curticornis Hennig ‚66 (5) Mesopleura nackt. Endabschnitte von r,., und m, nach dem Flügelrande stark konvergierend. Palaeotimia l’'hoesti Meunier Literaturverzeichnis ‚ Hennıc, W.: 60a. Milichiidae et Carnidae in E. Linpner, Die Fliegen der paläarktischen Region, VI, 1, Stuttgart 1937. — Systematik und Phylogenese. — Ber. Hundertjahrfeier dtsch. ent. Ges. Berlin (1956), p. 50—71, 1957. " — Die Familien der Diptera Schizophora und ihre phylogenetischen Verwandtschaftsbeziehungen. | — Beitr. Ent. 8, p. 505—688, 1958. — Die Acalyptratae des Baltischen Bernsteins und ihre Bedeutung für die Erforschung der phylo- genetischen Entwicklung dieser Dipteren-Gruppe. — Stuttgart. Beitr. Naturk. 145, p. 1—215, 1965 a. — Phylogenetic Systematics. — Ann. Rey. Ent. 10, p. 97”—116, 1965 b. " __ Dixidae aus dem Baltischen Bsrnstein, mit Bemerkungen über einige andere fossile Arten aus | der Gruppe Culicoidea. — Stuttgart. Beitr. Naturk. 153, p. 1—16, 1966. f - — Die sogenannten „niederen Brachycera“ im Baltischen Bernstein. — Stuttgart. Beitr. Naturk. 174, L p. 1-51, 1967. 1 McAırine, D. K.: A new genus and species of Pallopteridae from Papua. — Proc. Linn. Soc. N. S. Wales 89, p. 217—220, 1964. h Auen. J. F.: The Evolution of the Lonchaeidae. University of Illinois, Thesis, Ph. D., Zoology, F 1962. - More, G.: Über Morphologie und Lebensweise der bisher unbekannten Larven von Palloptera usta 1 Meigen, Palloptera ustulata Fallen und Stegana coleoptrata Scopoli. — Beitr. Ent. 6, p. 124— 137, 1956. - — Die Lonchaeidae und Pallopteridae Österreichs und der angrenzenden Gebiete, 1. Teil: Die D Lonchaeidae. — Naturkundl. Jahrb. Stadt Linz 1963, p. 123—312, 1963. > Saprosky, C. W.: A new Acalyptrate Fly from the Teriary Amber of Mexico. — Journ. Paleont. 37, p. 119120, 1963. b 4 : 4 Anschrift des Verfassers: Professor Dr. Willi Hennig, Staatliches Museum für Naturkunde in Stuttgart, Zweigstelle, 714 Ludwigsburg, Arsenalplatz 3 ru no an Fo B7. ir h | oc ung ei < I h Bu Tr Me} Em, re oo rise . r j 1% Kirn: rs yrıdl ab 2 Kr A m r x , MR Eur 2 ) : 4 FR CR j re ö L Ka 7 j ri cl f kei oe M. h a hrarn MEEaCH ARM el" er | f bis su Eh N jr . # nu 1, Nacht ee una I uiurge BETT ’ wurd # B 9 Yes It gt “ 9 Anıx a; ’ x ET Ihalt ds! IRNT ' 07 N 1 i DR une iz ev: wih EN Ener? a AL, iu ag a A ai uw c rlard BRETT 27 00007 7 >. 2 MCZ ERNST MAYR LIBRARY Due Due JUAN 635 200 en nn ee een Bez ULEE TE reBEngE en ne ren en ER En kn man © an rin ST ae ee $ Tun BT TE ah AR © an TEE u ET OLE Safasmers, Wrekemrerinu ee sure ne Senn = ee en ne ne wen rg em Be Herse, ee TA E nn gan nn gerne ne gen, ven rer enge eh a het arena eg de edel Kahn Br el ee Der ren rn Armin. an Et ee nt urn wir ne wem Km 20 er “- we en a a re ra EEE De War gerne er na ler be rat ee er - ’ E br ae nr er R . ’ » ER 5 B a ser wer rk Fun 5 Be ee RAR Be a en, en nn an 00 "ran Na te ie