ÜBER ÖLFARBE

UND CONSERVIRUNG

DER GEMÄLDE-GALERIEN

DURCH DAS

REGENERATIONS-VERFAHREN

Von

MAX v. PETTENKOFER

ZWEITE AUFLAGE

BRAUNSCHWEIG

DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN

19 0 2

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UBER ÖLFARBE

UND CONSERVIRUNG

DER G E M Ä L D E - G A L E R I E N

DURCH DAS

REGENERATIONS-VERFAHREN

UBER ÖLFARBE

UND CONSERVIRUNG

DER GEMÄLDE-GALERIEN

DURCH DAS

REGENERATIONS-VERFAHREN

MAX v. PETTENKOFER

ZWEITE AUFLAGE

BRAUNSCHWEIG

DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN

19 0 2

f

Alle Rechte, namentlich dasjenige der Uebersetzung in fremde Sprachen , Vorbehalten

THE 6ETTY UBRÄfiY

An die Künstler Münchens.

Hochgeehrte Herren!

Gestatten Sie mir, dass ich diese kleine Schrift über Conservirung der Oelgemälde Ihnen zueigne. Diese Bitte entspringt aus der Dankbarkeit, die ich Ihnen in meinem Herzen zolle. Es sind jetzt fast fünf Jahre verflossen, seit Sie mich im Kampfe um dieselbe Sache durch Ihren vielstimmigen Zuruf ermun- tert, geehrt und gestärkt haben. Mögen die einfachen Gedanken und Vorschläge, welche ich in dieser Schrift niedergelegt habe, nun bald überall die segensreiche Wirksamkeit entfalten, deren sie nach meiner vollen Ueberzeugung fähig sind.

München, im Mai 1870.

Max v. Pettenkofer.

Xnhaltsverzeichniss.

Seite

Zueignung an die Künstler Münchens V

Erster Abschnitt: Das Regenerationsverfahren und seine

Begründung l

Zweiter Abschnitt: Die gegen das Regenerationsverfahren

gemachten Einwürfe 77

Dritter Abschnitt: Das Verhältnis des Regenerationsver- fahrens zur Gemälderestauration 106

Vierter Abschnitt: Die Erwerbung des Regenerationsver- fahrens für die Gemäldesammlungen des bairischen Staates 125

Beilage A: Schlussbericht der königlichen Commission zur Ueberwachung der Gemälde-Restauration über das Petten- kofer’sche Regenerationsverfahren 144

Beilage B: Moderne Restaurationsmethoden und das Petten-

kofer’sche Verfahren ' 166

Erster Abschnitt.

Das Regenerationsverfahren und seine Begründung.

Allgemein hört man die Klage, dass der Stoff, woraus der Maler seine Kunstwerke bildet, so ver- gänglicher Natur ist, dass ihm gegenüber der Bild- hauer um den Marmor zu beneiden wäre, wodurch wohl Werke von Phidias, aber keines von Zeuxis und Apelles auf unsere Zeit gekommen.

Das ist allerdings eine Thatsache, aber keine, welche nothwendig oder unvermeidlich erfolgen musste. Gleichwie die meisten Marmor- Kunstwerke des Alterthums trotz ihres dauerhaften Materials doch völlig vernichtet, und nur wenige erhalten worden sind, könnten Oelgemälde auf uns gekommen sein, wenn es damals schon Oelgemälde gegeben, und wenn man sie gehörig conservirt hätte. Gewöhnlich glaubt man, die Unmöglichkeit, der Oelmalerei die Dauer des Marmors zu geben, sei naturnothwendig darin begründet, dass ein grosser Theil der stofflichen Grundlage dieser Kunst aus dem Reiche der organi- schen Natur stamme, deren Erzeugnisse wenn auch

Pettenkofer, Regenerations verfahren. j

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langsamer und schneller zuletzt doch immer und unvermeidlich von Luft und Licht verzehrt werden.

Dem lässt sich entgegenhalten, dass wir die Be- standteile der Oelmalerei einzeln oft ziemlich unver- sehrt noch aus den ältesten Zeiten stammend vor uns haben. Die mit Cedernharz getränkten Baumwoll- gewebe der ägyptischen Mumien sind älter, als die Marmorwerke des Phidias. Das Bernsteinharz und manchmal in ihm unversehrt eingeschlossene Insekten und Pflanzentheile sind sogar älter, als jede Kunst des Menschen. Die ägyptischen Gräber zeigen uns ferner, dass auch viele Farben auf hölzernen Särgen und Papyrus dieselbe Dauer besitzen. Es handelt sich also gewiss nur darum, zu wissen, unter welchen Umständen Oelgemälde auf Leinwand oder Holz aus- dauern, unter welchen sie zu Grunde gehen, und die ersteren Umstände zur Grundlage ihrer Conservirung zu machen.

Auf die Frage der Conservirung der Oelgemälde wurde ich das erstemal in meinem Leben hingewiesen, als das königl. bayr. Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schul- Angelegenheiten in Folge sehr einschneidender Artikel von Friedrich Pecht in der Süddeutschen Zeitung No. 415, 417 und 420 im August 1861 über den Zustand der Gemälde in der alten Pinakothek und in der Gallerie zu Schleissheim durch Entschliessung vom 10. April 1863 aus den Professoren der Akademie der Künste Johann v. Schrau- dolph, Carl v. Piloty, Eduard Schleich, Dr. Carriere und dem Generalconservator Dr. J. v. Hefner-Alteneck zur Untersuchung des Sachverhalts eine Commission zusammensetzte , welcher als naturwissenschaftliche

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Experten Professor Dr. Radlkofer und ich beigegeben wurden, ersterer für mikroskopische Untersuchungen namentlich auf Pilze und Schimmel, welche organische Gebilde man bei den Verwüstungen der Feuchtigkeit in den Gemäldegallerien für wesentlich betheiligt und wirksam erachtete, und ich für etwaige Fragen über chemische Veränderungen des Materials der Gemälde oder über die Einflüsse der Lokalitäten, in denen sie aufbewahrt werden.

Ich hielt mich anfangs für ein ganz überflüssiges Mitglied dieser Commission, und Hess mich zum Ein- tritt in dieselbe nur durch das Zureden des damaligen Referenten für Kunstsammlungen, Ministerialrath Volk, bestimmen; denn ganz unbekannt mit der Technik der Oelmalerei und der Conservirung und Restauration von Oelgemälden dachte ich mir, die Jahrhunderte alte Praxis müsste längst festgestellt haben, was in einer mir scheinbar so einfachen Sache überhaupt festzustellen ist.

Die ersten Schritte der Commission überzeugten mich übrigens bald, dass die gesammte hier in Be- tracht kommende Technik auf roher Empirie und viel- fach auf falschen Voraussetzungen beruhte. Was z. B. allgemein als Schimmel bezeichnet worden war, davon wiesen die Untersuchungen von Prof. Radlkofer gar bald nach, dass die Erscheinung nicht im geringsten mit der Bildung organisirter Produkte zusammenhing, und ich fand in trüb gewordenen, verkommenen, ab- gestorbenen Gemälden des Depots keine andern Sub- stanzen, als in solchen, welche ganz klar geblieben und gut erhalten waren. Ich stand vorerst ohne jeden wissenschaftlichen Gesichtspunkt, rathlos den

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Erscheinungen gegenüber, und wenn ich mich fragend an Künstler und Restauratoren wandte, warum diess oder jenes so sei, erhielt ich Antworten, die mich gleichfalls nicht aufzuklären vermochten. Ich suchte mir daher auf Grund wissenschaftlich feststehender Thatsachen eine Vorstellung über das Wesen der Technik der Oelmalerei zu bilden, die ich voraus- schicken werde, um dann bei Beschreibung meines Verfahrens zur Conservirung der Oelgemälde leichter verständlich zu sein.

Was ist die Oelfarbe? Farbestoffe, d. i. Stoffe, welche das auf sie fallende weisse Licht zerlegen, da- durch, dass sie einen Theil absorbiren, den anderen als entsprechend gefärbtes Licht zurückwerfen oder reflek- tiren, werden in feines Pulver verwandelt und mit einem fetten Oele zu einem gleichmässigen Brei ge- rieben, der mit dem Pinsel als Farbe auf eine präpa- rirte Fläche gestrichen unter dem Einflüsse von Luft und Licht so fest wird oder trocknet, dass er nicht mehr verwischt oder verschoben werden kann.

Das Oel, obwohl es keine Farbe verleiht, da es selbst fast farblos, und für alle möglichen Farben wesentlich immer dasselbe ist, gehört ganz noth- wendig zur optischen Wirkung der Farbe; denn die pulverförmigen P'arbstoffe erscheinen unserm Auge ganz anders ohne, als mit Oel. Man drückt es ge- wöhnlich so aus, dass man sagt, die Farben werden durch Oel feuriger und tiefer, überhaupt lebhafter. Der eigentliche Grund, warum die pulverförmigen Farbstoffe ohne Oel optisch ganz anders wirken, liegt in der grossen Verschiedenheit der optischen Eigen- schaften von Luft und Oel. Ehe das Oel in die

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Farbe dringt, sind die farbigen Pulvertheilchen nur von Luft durchdrungen oder umgeben, welche die Zwischenräume erfüllt , durch welche die Pulver- theilchen von einander getrennt sind. Sobald nun das Oel an die Stelle der Luft tritt und diese aus der porösen Farbe verdrängt, so erscheint der Ton der Farbe um so viel verändert, als das Oel nun das auf den Farbstoff fallende und von ihm reflektirte Licht anders bricht, zerstreut und zurückwirft, als die Luft, die vorher an der Stelle des Oeles war.

Das von der Sonne ausgehende Licht, was auf ein Oelgemälde fällt, trifft also nicht unmittelbar den eigentlichen Farbstoff, und wird auch von diesem nicht unmittelbar als zerlegtes (farbiges) Licht ins Auge des' Beobachters zurückgeworfen, sondern es muss, um zum färbenden Stoffe zu gelangen, zuerst eine Oelhülle durchdringen, und auch das vom Farb- stoff zerlegte (farbige) Licht kann nur wieder durch diese Hülle hindurch gesehen werden.

Das Oel ist daher gleichsam ein optischer Appa- rat, ein Mittel oder Medium, dessen wir uns zur Be- trachtung, zum Anschauen gepulverter Farbstoffe bedienen, und es ist selbstverständlich, dass auch un- veränderliche Farben nur so lange unverändert er- scheinen können, als auch dieser Apparat oder dieses Medium seine optischen Eigenschaften unverändert beibehält. Wenn daher von Veränderungen ge- sprochen werden will, welche die Farben der Oel- gemälde mit der Zeit erleiden, so ist immer zu fragen, ob sich der Farbstoff selbst oder das Medium verändert hat, durch welches wir den Farbstoff sehen.

Aehnlich, wenn auch nicht gleich, wie Oel wirken

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alle durchsichtigen Flüssigkeiten, wenn man farbige Pulver damit befeuchtet, also auch Wasser. Jeder- mann weiss, dass fast jede solche Farbe, mit Aus- nahme von Weiss, an Kraft zunimmt, wenn sie feucht wird, wenn man sie mit Wasser nass macht. In dem Maasse, als das Wasser wieder an der Luft verdunstet, verliert die Farbe des Pulvers auch wieder an Kraft.

Das Bindemittel, mit dem die Farben aufgetragen werden, ist daher ein ganz wesentlicher Theil der Malerei. Alle Malarten, welche auf der Anwendung wasserhaltiger Farben oder Bindemittel oder solcher Stoffe beruhen, die gleich dem Wasser an der Luft flüchtig sind, müssen coloristisch unvollkommener sein, als die Oelmalerei, welche darauf beruht, dass die Farbstoffe auch nach Vollendung des ' Gemäldes ganz so vom Bindemittel durchdrungen sind und er- füllt bleiben, wie sie aufgetragen werden, dass der Künstler während seines Schaffens keine wesentliche nothwendig nachfolgende Veränderung des Tones mit in Rechnung zu ziehen hat, wie es z. B. bei der Fresko- und Aquarell -Malerei unvermeidlich der Fall ist. Der Fresko- und Aquarell-Maler muss den Ton seiner Farbe empirisch errathen, der Oelmaler kann ihn sofort bestimmen und festsetzen, der erstere schätzt mit einem mehr oder minder geübten Augen- maasse, der letztere misst mit einem unveränderlichen exakten Maassstabe. Das coloristische Element in der Malerei hat sich daher auch erst seit Erfindung der Oeltechnik als einer neuen materiellen Grundlage höher zu entwickeln vermocht, und gewisse P"ächer, wie z. B. die Landschaftsmalerei, konnten sich gewiss erst auf Grund dieser Technik ausbilden, welche eine

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viel grössere Farbensicherheit gewährt und viel feinere Farbenstimmungen möglich macht, als alle früheren Methoden. Darin liegt auch der Grund, dass uns ein schlechtes Oelgemälde stets viel schlechter, als das schlechteste Fresko oder Aquarell erscheint, weil, wie beim grossen Meister die ganze Kunst vor den Augen des Beschauers stehen bleibt, so auch am Werk des Stümpers der Natur von nachträglich nichts mehr ge- ändert wird.

Das Besondere der Oelmalerei besteht also nicht in den Farben oder Farbstoffen, die grösstentheils die nämlichen sind, wie bei Fresko und Aquarell, sondern im Bindemittel. Als Bindemittel dient eine bestimmte Gattung von Oelen. Es sind die so- genannten trocknenden Oele (Leinöl, Mohnöl, Nuss- öl u. s. w.), welche zur Bereitung der Oelfarben ver- wendet werden; wesentlich Leinöl.

Leinöl ist ein Gemenge von Fetten; man kann annehmen,

ioo Theile enthalten:

IO Theile Myristin und Palmitin, io Elain,

80 Linolein.

ioo Theile Mohnöl bestehen beiläufig aus:

25 Theilen Myristin und Laurin,

75 Linolein.

100 Theile Nussöl aus:

33 Theilen Myristin und Laurin und 67 Linolein.

Der wesentliche Bestandtheil der trocknenden Oele, der allein sie zur Herstellung von Oelfarben befähigt, ist das Linolein. Leinöl und Mohnöl werden vorwaltend verwendet, ja es wäre vielleicht ein Vor-

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theil, aus dem Leinöle das Linolein rein abzuscheiden und nur reines Linolein in der Oelmalerei zu ver- wenden, — wofür die Chemie aber bisher noch keinen Weg gefunden hat.

Das Linolein im Leinöl hat die merkwürdige Eigenschaft, an der Luft seinen flüssigen Zustand zu verlieren, fest oder trocken zu werden, ohne wie eine Gummi- oder Leimlösung dabei zu schwinden, an Körper zu verlieren, sein Volum zu verkleinern; es scheint im Gegentheil etwas grösser zu werden, denn Leinöl nimmt bei diesem Trocknungsprocess an der Luft an Gewicht nicht ab, sondern sogar um io bis 12 Proc. zu. Es nimmt unter Umständen schneller und langsamer Sauerstoff aus der Luft auf, indem es zugleich etwas Kohlensäure und Essigsäure und Ameisensäure (Mulder) an die Luft abgiebt, und das Linolein verwandelt sich in eine zähe, kautschukartige, durchsichtige Masse, welche die Farben und die übrigen Fette des Leinöls einschliesst und bindet. Erhärtete Oelfarbe vermag auf Papier keinen Fett- fleck mehr hervorzubringen. Das getrocknete Lino- lein ist in Wasser, Weingeist, Aether, Terpentinöl und in anderen ätherischen und fetten Oelen unlös- lich. Die Consistenz des erhärteten Leinöls bleibt innerhalb der gewöhnlichen Lufttemperaturen dieselbe, ist im Winter nicht merklich spröder, als im Sommer.

Ueber die das Trocknen, d. i. die Sauerstoffauf- nahme des Leinöls beschleunigenden Umstände werde ich gleich später sprechen bei den sogenannten Trockenmitteln.

Die Umwandlung von Linolein an der Luft in die nicht mehr flüssige Sauerstoffverbindung, die man

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mit Mulder Linoxyn nennen kann, gewährt Vortheile, welche meines Wissens kein anderer Stoff gewähren könnte. Das Volum und die optischen Eigenschaften der nassen und der getrockneten Farbe sind sich nahezu ganz gleich; die Farbe gewinnt durch Sauer- stoffaufnahme aus der Luft eine hinreichende Consi- stenz, welche innerhalb der Temperaturschwankungen der Luft sehr unverändert bleibt; die Farbetheilchen sind nach dem Trocknen nicht mehr verschiebbar, auch durch Fette und ätherische Oele und Firnisse nicht mehr verwischbar, was bei anderen optisch ähn- lich wirkenden Stoffen, z. B. bei Harzen, alles nicht in diesem Maasse der Fall wäre.

Auf das raschere oder langsamere Trockenwerden des Linoleins haben verschiedene Dinge Einfluss: Wärme, Licht, namentlich direktes Sonnenlicht, vor- ausgegangenes Kochen des Leinöls, namentlich Kochen unter Zusatz von Bleiglätte (Seiler- Firniss), von Mennig und Braunstein (Siccatif de Courtrais), Zusatz von Harzen (Siccatif de Harlem) und viele andere Trockenmittel, unter die namentlich auch öfteres Abwaschen mit Wasser und Wiedertrocken- werdenlassen an der Luft gehört. Alle Trocken- mittel wirken inducirend, d. h. die Sauerstoffaufnahme des Linoleins aus der Luft einleitend und be- schleunigend. Die wirksamsten Trockenmittel sind mit Mennig und Braunstein zu einer Art Pflaster gekochte trocknende Oele, welche in Terpentinöl aufgelöst das von den Malern in München gegenwärtig so sehr geliebte Siccatif de Courtrais liefern, welches Mittel aber auch oft andere Namen führt. Ich habe mich einmal mit der chemischen Untersuchung einer

IO

Reihe von Trockenmitteln beschäftigt und war nicht wenig erstaunt , sowohl ein und dieselbe Substanz unter verschiedenen Namen, als auch ein und den- selben Namen auf verschiedene Substanzen angewendet zu finden, wodurch mir die widersprechenden Er- fahrungen und Angaben der Künstler über die Wir- kung der einzelnen Mittel theilweis erklärlich wurden. Es herrscht da eine Verwirrung und eine Charlatanerie von Seiten der Fabrikanten und Händler, der im Interesse der Künstler und ihrer Technik ein baldiges Ende zu wünschen wäre.

Die getrocknete Oelfarbe geht nun weitere Ver- änderungen ein, die für den optischen Bestand des Kunstwerkes von grösster Bedeutung sind. Man drückt es allgemein gewöhnlich damit aus, dass man sagt, die Oelfarben verändern sich mit der Zeit an der Luft, die einen mehr, die anderen weniger, sie schlagen ein, sie dunkeln nach, sie springen und reissen u. s. w. Es ist selbstverständlich, dass man auch hier scharf auseinander halten muss, welche Veränderungen von den pulverförmigen Farbstoffen, welche von den angewandten Bindemitteln herrühren, und was durch chemische und was durch physikalische Veränderungen bewirkt wird.

Die gewöhnliche Betrachtung begeht auch hier allgemein den Fehler, dass sie sich die Oelfarben, wie man sie in Blasen oder Zinnröhren kauft, wesentlich nur durch ihre färbenden Stoffe verschieden vorstellt, und ihr verschiedenes Verhalten beim Trocknen und überhaupt an der Luft immer nur auf die verschiedenen Farbstoffe und ihre chemische Natur zu beziehen sucht. Wenn diesen auch immerhin ein gewisser

Einfluss zukommt, so wird er doch weit überschätzt, es geht gewöhnlich viel mehr Einfluss von dem Oele und den sonstigen Bindemitteln, als von den Farb- stoffen aus. Noch kein Künstler konnte mir die ge- wiss höchst einfache und technisch ohne Zweifel doch wichtige Frage beantworten, wie viel Oel die einzel- nen Farben enthalten, wie man sie präparirt kauft und anwendet. Ich wandte mich deshalb an einen er- fahrenen und zuverlässigen Farbenbereiter, Herrn Wurm dahier, mit der Bitte, mir einstweilen nur im allge- meinen zu einer richtigen Vorstellung hierüber zu verhelfen. Er war so freundlich, mir mitzutheilen, wie viel Oel gleiche Gewichte der nachfolgenden Farben durchschnittlich bedürfen, um für die Künstler brauchbare Farben zu geben.

ioo Gewichtstheile

Gewichtstheile Oel

Kremserweiss

bedürfen

12

Zinkweiss

14

Chromgrün

77

i5

Chromgelb

77

i9

Berg-Zinnober

25

Eisenoxyd (Caput mortuum)

3i

Krapplack (dunkelroth) . .

62

Goldocker

71

66

Lichtocker (naturell) . . .

71

75

Casslerbraun

75

Manganbraun

n

87

Grüne Erde (naturell) . .

IOO

Pariserblau

77

106

Gebrannte grüne Erde . .

71

1 12

Berlinerblau

77

112

Beinschwarz

77

112

Cobaltblau

n

125

Florentinerbraun

77

150

Terra de Siena (gebrannt)

77

181

Terra de Siena (naturell) .

240

12

Der Unterschied in der Oelmenge, die ein Pfund Kremserweiss und ein Pfund Terra de Siena bedarf, ist sonach gerade das Verhältniss von i zu 20, und darin wird wohl auch der Grund liegen, warum Blei- weiss eine so vortreffliche Deckfarbe, und Terra de Siena eine so ausgezeichnete Lasurfarbe ist. Der Unterschied in der Oelmenge bei den einzelnen Farben ist so unerwartet gross, dass mancher zweifeln möchte, ob denn die Angaben genau sind, die mir gemacht wurden. Um jeden Zweifel zu beseitigen, habe ich der Controle halber in einer Handlung drei Sorten solcher Farben gekauft, um sie auf ihre Mengen Farbstoff und Oel zu untersuchen: eine vom angeblich kleinsten, dann eine von mittlerem und eine vom höchsten Oelgehalte, nämlich Bleiweiss, Gold- ocker und Terra de Siena, in den jetzt üblichen Zinn- kapseln eingeschlossen. Aus einer gewogenen Menge Farbe wurde mit Aether das Oel ausgezogen, der rückständige Farbstoff auf ein Filter gebracht, mit Aether ausgewaschen, dann getrocknet und gewogen. Nach diesen Untersuchungen waren in den drei Sorten

auf 100 Theile Bleiweiss .... 14 Theile Oel

Goldocker ... 73

Terra de Siena .183

Die Resultate stimmten also sehr annähernd mit den Angaben des Herrn Wurm überein.

Man könnte glauben, dass diese grossen Unter- schiede wesentlich durch die Verschiedenheit des specifischen Gewichts bedingt sein könnten, welche zwischen den einzelnen Farben besteht, dass specifisch schwere Farben einen kleineren Raum einnehmen, und deshalb auch weniger Oel schlucken können, als

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leichtere; diese Ansicht muss man aber sofort fallen lassen, wenn man die einzelnen Farben auf diesen Gesichtspunkt hin näher miteinander vergleicht. Das specifische Gewicht des Berg-Zinnobers ist viel grösser, als das vom Kremserweiss , und doch bedarf er mehr als noch einmal so viel Oel. Das specifische Gewicht vom Zinkweiss ist dem vom Manganbraun nahezu gleich, und doch bedarf die erstere Farbe nur 14, die zweite 87 Proc. Oel. Dasselbe ergiebt sich, wenn man die beiden Endglieder der obigen Reihe mit- einander vergleicht, das specifische Gewicht des Kremserweiss ist nicht dreimal grösser, als das von Terra de Siena, aber die Oelmenge für gleiche Ge- wichte differirt um das Zwanzigfache.

Es wäre gewiss höchst interessant, die Ursachen dieses verschiedenen Verhaltens der Farbstoffe genau zu ermitteln und wissenschaftlich festzustellen, aber auch ohne nähere Einsicht dürfen wir mit aller Be- stimmtheit annehmen, dass die verschiedenen Ver- änderungen, welche die einzelnen Oelfarben im Laufe der Zeit erleiden, auch wesentlich von der so ver- schiedenen Menge Oel bedingt sind, welche sie ent- halten. Die Erfahrung lehrt, dass zwar nicht immer, aber durchschnittlich die Farben, welche die geringste Menge Oel enthalten, sich in der Oelmalerei am un- verändertsten halten, und auch am wenigsten reissen und springen. Die zukünftige Wissenschaft der Tech- nik der Oelmalerei wird sich daher eingehend mit dem Verhalten der trocknenden Oele und anderer Bindemittel an der Luft zu beschäftigen haben, auch ohne sie mit den farbigen Pulvern, die das Oel zu Oelfarbe machen, zu mischen.

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Mehrere Thatsachen übrigens, welche von Be- deutung sind, kennt man schon jetzt. So wenig das Oel der Farbe während des Trocknens, wenn es nicht vor dem Trocknen vom Grunde oder darunter liegen- der Farbe mehr als von der eigentlichen Farbe an- gezogen und eingesogen wird, sein Volumen ver- ringert, ebenso unvermeidlich tritt eine Verringerung des Volums, ein allmähliches Schwinden nach dem Trocknen ein. Der Sauerstoff der Luft scheint zu- nächst die nicht trocknenden Fette, welche die trocknenden Oele neben Linolein enthalten (Palmitin, Myristin, Elain), in flüchtige Sauerstoffverbindungen zu verwandeln. Diese sind in dem festgewordenen Linolein und den Farbepulvern ebenso vertheilt, wie z. B. Baumöl in Gespinnstfasern , welches bei feiner Vertheilung bekanntlich rasch oxydirt wird, so zwar, dass in Fabriken, wo gefettete Lumpen oder Werg hie und da in Haufen aufbewahrt werden, schon Selbstentzündungen, und in Folge davon Feuersbrünste entstanden sind. Aber auch das getrocknete Linolein bleibt nicht unverändert. Dieses ist im frischen Zu- stande, so wie es (im Leinöl) beim Trocknen entsteht, eine elastische, kautschukähnliche Substanz, wenn man ihm auch durch Aether und ätherische Oele alle übrigen nicht trocknenden Fette entzieht; aber all- mählich wird es an der Luft spröde und hart, und in diesem Zustande verlieren seine Theile, seine Mole- küle leicht ihren physikalischen Zusammenhang*).

*) Ich werde im Laufe dieser Abhandlung oft von dem Ver- lust der Cohäsion der Firnisse und getrockneten Oele sprechen und von der Wiederherstellung dieser Cohäsion. Ich werde dabei immer den Ausdruck molekulare Trennung und molekularer

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Jedermann ist bekannt, dass im Freien keine Oel- farbe länger als einige Jahre aushält, gleichviel, ob sie auf Holz oder Eisen oder auf Glas aufgestrichen ist; sie lässt sich zuletzt immer als Pulver abreiben. Gewöhnlich meint man nun, das Oel habe sich ver- flüchtigt, — was aber nur theilweise und zwar zum geringsten Theile wahr ist. Wenn man einen Oel- anstrich mit einer ganz mineralischen Farbe (Zink- oder Bleiweiss, Eisenoxyd, Ultramarin), der im Freien sich so verändert hat, dass er als Pulver abfällt oder abgerieben werden kann, untersucht, so findet man neben der mineralischen Substanz noch eine so grosse Menge organischer Substanz, dass sie nicht viel weniger beträgt, als das Oel, was der frischen Farbe zugesetzt worden war; aber dieses erhärtete Oel ver- mag die Farbtheilchen nicht mehr zu binden, weil es seinen eigenen molekularen Zusammenhang ver- loren hat.

Durch nichts verliert das an der Luft veränderte und erhärtete Oel seinen molekularen Zusammenhang schneller, als durch öfteres Nass- und Trockenwerden. Eine im Freien stehende, mit Oelfarbe angestrichene Stange oder Mast verliert deshalb auf der Wetter- seite zuerst die Farbe. Oelanstriche im Freien, aber

Zusammenhang gebrauchen, obschon es sich nicht um Moleküle im Sinne des Chemikers oder Physikers handelt. Nur insofern die Cohäsion eines Stoffes und deren Verlust auch von Molekular- Eigenschaften herrührt, spreche ich von molekularem Zusammenhang und Trennung, und verstehe unter molekularem Zusammenhang, dass in einer bemalten Fläche die Moleküle der Bindemittel ohne Unter- brechung durch optisch störende Stoffe aneinander gelagert sind, und unter molekularer Trennung, dass dieser Zusammenhang durch Luft oder durch Moleküle anderer Stoffe getrennt ist , welche sich gegen das Licht wesentlich anders verhalten, als diese Bindemittel.

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unter Dach halten sich ungleich länger, wenn auch sonst die Luft von allen Seiten freien Zutritt hat, und Oelanstriche in geschlossenen Zimmern haben wieder eine viel längere Dauer, als solche unter Dach im Freien.

Aber auch in geschlossenen Räumen, in Sälen und Zimmern verlieren die Oelanstriche allmählich ihren molekularen Zusammenhang, und zwar ganz aus denselben Ursachen, wie in der freien Luft, wo es nur schneller geht, in dem Maasse, als im Freien die Einflüsse häufiger wirken und stärker sind. Gleichwie z. B. hölzerne Geräthe auch in Zimmern stets an Gewicht ab- und zunehmen, je nachdem sie unter verschiedenen Wärme- und Feuchtigkeitsver- hältnissen der Luft Wasser abgeben oder wieder auf- nehmen, so erfolgt das ebenso bei Gemälden; selbst diese, wenn sie auch vor Regen vollständig geschützt sind, nehmen aus der Luft Wasser auf und geben es unter anderen Umständen wieder ab, und dieser, wenn auch noch so geringe Wechsel im Feucht- und Trockenwerden, obschon viel geringer als im Freien, hat doch naturnothwendig dieselben Folgen. Die Oelgemälde in den Gallerien gehen ebenso zu Grunde, wie Oelanstriche im Freien. Die Zeit, in welcher beide zu Grunde gehen, hängt nicht von qualitativen, sondern nur von quantitativen Unterschieden ab. Der Untergang der Oelgemälde ist daher nur eine Frage der Zeit, wenn nichts geschieht oder geschehen kann, diese Einflüsse der xWmosphäre zu beseitigen oder sie unschädlich zu machen.

Materiell betrachtet sind Oelgemälde von Raphael, Tizian, Rubens und anderen unsterblichen Meistern

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nichts anderes, als mit Oelfarbe angestrichene Lein- wand oder Holz, was jeder Tüncher auch thut. Es ist der einzige Unterschied , dass , wenn uns das Wetter oder der Zahn der Zeit die Farbe eines Gartenzauns , eines Stuhles oder Thürgerüstes ver- wüstet hat, wir auf seine Erhaltung im Original- zustande keine so ängstliche Sorgfalt zu verwenden haben, da wir leicht wieder einen hinlänglich ge- schickten Mann finden, der die Malerei restaurirt, d. h. die Gegenstände abkratzt, putzt und wieder frisch anstreicht, so zu sagen eine neue Copie auf der alten Unterlage wieder herstellt. Unter den Bilder- restauratoren aber werden die Raphaels, Rubens etc. aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach immer sehr selten sein, obschon sich gegebenen Falles jeder unbedenklich dafür hält und von Galleriedirektoren, Gemäldebesitzern, Kunstfreunden, Kunstgelehrten und Kunstbeschützern erfahrungsgemäss auch dafür ge- halten wird. Aber selbst wenn der Restaurator ein zweiter Tizian wäre, so ist sein Anstrich doch kein Original des ersten Tizian mehr.

Fragen wir uns daher, was bisher geschehen ist und ferner geschehen kann, um die vom Künstler selbst aufgetragene Farbe in ihrer ganzen Originalität und optischen Wirkung zu erhalten?

Die erste Restauration eines fertigen getrockneten Oelbildes nimmt fast immer der Künstler selbst vor, indem er sein Werk firnisst oder firnissen lässt. Ohne Firniss wäre es der Oelmalerei unmöglich, ihrer ersten principiellen Aufgabe zu genügen , die ihrer Technik zu Grunde liegt, nämlich die Farben wesent-

Pettenkofer, Regenerationsverfahren. 2

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lieh stets in der gleichen optischen Potenz erscheinen zu lassen, wie sie aufgetragen werden. Jede Oelfarbe verändert ihr Ansehen während des Trocknens und darnach etwas, die eine mehr, die andere weniger, was man Einschlagen heisst. Der optische Zweck des Firnisses ist nicht eine glasartige Decke oder eine glänzende Oberfläche auf dem Bilde herzustellen, was nur Nebenwirkungen, und noch dazu sehr unan- genehme und unter Umständen selbst schädliche sind, sondern man firnisst nur, um die Continuität des Bindemittels der Farben, so weit sie beim Trocknen und darnach gelitten hat, wieder herzustellen. Der Firniss hat also nicht eine neue Oberfläche zu bilden, sondern er hat nur in die vorhandene Oberfläche ein- zudringen, den Platz auszufüllen, der während des Malens vom Oel eingenommen war. Was mehr Fir- niss auf ein Oelbild kommt, ist überflüssig, ja in mancher Hinsicht sogar nachtheilig und schädlich. Die Firnisse werden ganz gleichmässig über das ganze Bild gestrichen. In so fern die Farben ungleich ein- schlagen, wird es unvermeidlich, denjenigen Stellen eines Bildes, welche weniger eingeschlagen sind, mehr, als nothwendig wäre, Firniss zu geben, denn sonst haben die andern mehr eingeschlagenen Stellen nicht genug. Gewöhnlich werden Harzfirnisse, Auflösungen von Harzen in Terpentinöl verwendet, hie und da auch Oelfirnisse, Auflösungen von Harzen oder Pflasterarten in fetten trocknenden Oelen, die man aber nie verwenden sollte, aus Gründen, die ich später erörtern werde.

Nach einiger Zeit wird ein gefirnisstes Oelgemälde wieder trüb, denn der Firniss stirbt (nach Umständen

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bälder oder später) wieder ab, verändert sich, wird schimmlig, taub, blind, oder wie man sonst die Er- scheinung nennt. Streicht man wieder einen Firniss darüber, so wird das Bild meist wieder für längere Zeit klar. Der Firniss ist gleichfalls ein optisches Mittel zur Betrachtung der Farben, dessen Wirkung nach einiger Zeit immer wieder nachlässt, und das zuletzt seine Dienste ganz versagt, denn wenn man ein schon öfter gefirnisstes und wieder sehr schimmlig gewordenes Bild auch reichlich mit Firniss bestreicht, so wird es zuletzt doch nicht mehr klar.

Ist dieser Zeitpunkt eingetreten, so müssen die alten Firnisse abgenommen werden, und zwar, wie die meisten Restauratoren sagen, gründlich; das gereinigte Bild wird dann, wenn die Farbe sehr spröde geworden ist, häufig mit frischem Oel genährt, um den Farben wieder neues Leben zu geben, dann nach längerer Zeit, wenn das neu hinzugefügte Oel gut getrocknet ist, neuerdings gefirnisst. Wenn nach dem Abnehmen des Firnisses, es mag das nun durch vor- sichtiges Abreiben oder durch noch vorsichtigeres Auflösen geschehen, und nach der Nährung mit frischem Oel der Restaurator findet, dass einige Farben nicht ganz so erscheinen, wie er oder andere Kenner meinen oder wünschen, dass sie erscheinen sollten, dann nimmt er Pinsel und Palette und macht sie so, wie man meint oder wünscht, dass z. B. Tizian oder Rubens gemalt hätten. Darnach wird behauptet, durch diese Operationen sei der Originalzustand des Gemäldes wieder hergestellt worden, das Gemälde sei restaurirt. Man darf nicht daran denken, wie viele Originale auf diese Art schon theilweise vernichtet

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und jedenfalls unwiederbringlich in Meinungs- und Willkür- Copien verwandelt worden sind.

Dass Firnissabnehmen eine gefährliche Operation sei, gestehen alle Restauratoren sehr gern zu; um ein Bild nicht zu verputzen, gehören sehr erfahrene, fast geweihte Hände dazu. Ich fragte einst drei renom- mirte Restauratoren, jeden einzeln, welches zuver- lässige objektive Kennzeichen sie hätten, wenn sie Firniss abnehmen, wo dieser aufhöre, und wo die Farbe oder das Gemälde anfange. Alle sagten mir, dass es, um diese Grenze richtig zu finden und ein- zuhalten, keinen exakten Maassstab gebe, bei jedem Gemälde sei es wieder etwas anderes; was hier ent- scheiden müsse, sei ein auf viele Erfahrung gegründeter praktischer Blick, der wieder wesentlich Gefühlssache sei. Jeder einzelne versicherte mir, er besitze die nöthige Erfahrung und das richtige Gefühl, aber die andern hätten leider schon viele Gemälde zu Grunde gerichtet, weil sie diese Eigenschaft nicht im nöthigen Grade besässen. Im Inter/ssse der Kunstwerke wäre es daher gewiss sehr zu wünschen, entweder einen Firniss zu besitzen, der ewig wirkt, oder das Ab- nehmen der Firnisse zu umgehen, oder sie ganz ent- behrlich zu machen.

Nicht so bekannt, wie die Schäden, welche von den Firnissen veranlasst werden, sind die Nachtheile des Nährens der Gemälde mit frischem Oel, was die meisten nicht nur für unschädlich, sondern sogar für zuträglich und heilsam erachten, während es weniger ein Mittel zur Herrichtung als zur Hinrichtung von Oelgemälden ist. Ich zweifle nicht, dass, wenn man ein gutes Gemälde in jedem Jahrhundert ein paarmal

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mit Oel nährt, nach ein paar Jahrhunderten man wenig mehr davon sehen wird, wie viel coloristisches Talent der Künstler daran verschwendet hat. Alles wird in einen allgemeinen, schweren, unklaren, speckigen Ton eingehüllt sein, und das erfolgt nothwendig und aus sehr einfachen Gründen. Es wurde bereits oben darauf hingewiesen, dass eine Farbe sich durch- schnittlich um so besser hält, je weniger Oel sie braucht, und viele Künstler haben mir schon mit- getheilt, dass es in der Klarheit des Tons nach dem Trocknen der Farbe merklich ist, ob man während des Malens die zu dicke Oelfarbe mit Mohn- und Leinöl, oder mit Firniss oder Copaivabalsam vermischt aufgetragen hat. In den erste ren Fällen vermag nach dem Trocknen auch ein darübergestrichener Fir- niss den Mangel an Klarheit nicht mehr so ganz zu ersetzen. Doch darüber steht mir als Nichtkünstler kein Urtheil zu. Ich weiss nur, dass auf einer Glas- fläche erhärtetes reines Leinöl nach einiger Zeit stets trüb wird, und dass kein Mittel bekannt ist, diese Trübung wieder vollständig zum Verschwinden zu bringen, was bei trüb gewordenen Harzüberzügen so leicht gelingt. Das frische Oel , was zum Nähren eines alten Bildes gebraucht wird, geht selbstverständ- lich mit der Zeit die nämlichen Veränderungen ein, welche das schon ursprünglich in der Farbe enthaltene durchgemacht hat. In der Farbe ist eine gewisse Menge der trocknenden Oele unentbehrlich, aus Gründen, die ich oben bereits angegeben habe, aber wenn die Farbe so viel Oel hat, dass sie gerade noch trocknet und dadurch unlöslich in Fetten und ätheri- schen Oelen wird, so hat sie genug; was man einem

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Bilde mehr giebt, geschieht auf Kosten der Klarheit der Farben in der zukünftigen Zeit.

Wo Gemälde, über denen noch etwas Harzfirniss liegt, mit Oel oder einem ölhaltigen Firniss (z. B. Malbutter, Robersons Medium u. s. w.) eingerieben werden, was namentlich oft stellenweise geschieht, wenn man schnell einen Theil eines Gemäldes klarer sehen will, dort entsteht mit der Zeit ein trüber Schleier über der Farbe, der, einmal entstanden, allen Mitteln der vollständigen Wiederaufhellung trotzt, und dessen Entfernung nicht gelingt, ohne darnach mit Farbe nachzuhelfen , d. h. ohne die Originalität der Stelle zu opfern.

Ferner trägt das Oel auch zum Gelb- und Dunkel- werden der Oelgemälde mit der Zeit überhaupt wesentlich bei, und soll daher auch aus diesem Grunde seine Verwendung auf das allernothwendigste be- schränkt bleiben.

Die Firnisse verlieren an der Luft aus ganz den- selben Gründen ihre Durchsichtigkeit und Festigkeit, wie die Oelfarben, nämlich durch die Einwirkung des Sauerstoffes und durch die Aufnahme und Abgabe von Wasser in der Luft, auch ihr Undurchsichtig- werden und Ablösen stammt vom Verlust ihres mole- kularen Zusammenhangs, fortwährende molekulare Bewegungen verwandeln sie, wenn sie einmal spröde geworden sind, zuletzt gleichsam in Pulver.

Worauf beruht denn eigentlich das allmähliche Undurchsichtigwerden der Oel- und Harzfirnisse an der Luft? Als ich in die Commission für Restauration der Gemälde eingetreten war, richtete ich diese Frage an Künstler und Restauratoren; die ersteren erwiderten,

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das wünschten sie von mir beantwortet zu hören, die letzteren gaben mir Erklärungen, die mir unverständ- lich waren, z. B. weil sie immer mehr austrocknen, ihre Dehnbarkeit verlieren, sich zusammenziehen, ver- härten, absterben u. s. w.

Wenn man Firnisse anstatt auf Gemälde auf Glas oder werthlose Oelanstriche aufträgt und trocknen lässt, so kann man ihr Verhalten an der Luft durch Versuche und Beobachtungen verfolgen. Wenn sie ganz ausgetrocknet wiederholt mit Wasser befeuchtet und darauf in der Luft wieder trocken werden, so trüben sie sich allmählich alle. Die bleihaltigen Oel- firnisse werden mit Wasser sofort weiss und undurch- sichtig, aber an der Luft anfangs immer wieder durch- sichtig, ähnlich wie sich Wachstuch verhält, auf dem längere Zeit Wasser stehen geblieben ist, zuletzt werden sie aber auch an der Luft bleibend trüb. Harzfirnisse bleiben anfangs mit Wasser klar, werden aber bei hinreichend oftem Wiederholen der Benetzung und Verdunstung an der Luft auch ganz undurch- sichtig. Anfangs geht das Trübwerden kaum sicht- lich vorwärts, wenn es aber einmal einen bestimmten Grad erreicht hat, macht es sehr rasche Fortschritte. Häufig entstehen nebenbei Risse und Sprünge. Ich dachte anfangs, das Weiss- und Undurchsichtigwerden des Harzes könnte von einer chemischen Veränderung herrühren, in Folge deren das durchsichtige Harz unter dem Einflüsse des Wassers und des Sauerstoffs der Luft in einen weissen und undurchsichtigen Körper verwandelt würde, da mir aus den Versuchen von Schönbein bekannt war, dass in der Luft verdunsten- des Wasser den Sauerstoff zu polarisiren (ozonisiren)

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im Stande ist; aber einige Versuche überzeugten mich sofort, dass das trübe Harz chemisch genau derselbe Körper ist, wie das klare.

Wie kann es kommen, dass ein und dieselbe Substanz durchsichtig und undurchsichtig erscheinen kann? Das durchsichtigste Fensterglas wird schon theilweise undurchsichtig, wenn man seine Oberfläche nur etwas rauh und uneben macht, dadurch, dass man es anschleift; es wird zu einem undurchsichtigen weissen Mehl, wenn man es gar in Pulver verwandelt. Reines Wasser ist für sich ein ganz durchsichtiger Körper, sowie es aber schäumt oder als Wolke oder Nebel in der Luft schwebt, d. h. sobald es innig mit Luft gemischt wird, ist es undurchsichtig wie ge- stossenes Glas. Oel für sich ist ebenso durchsichtig wie Wasser, wenn man aber diese beiden durchsichtigen Körper, die sich gegenseitig nicht lösen, in einem Glase durch fortgesetztes Schütteln recht innig mengt, so erhält man eine weisse undurchsichtige Milch. Sobald das Glaspulver, der Wasserschaum und das fein vertheilte Oel sich wieder in zusammenhängende Schichten vereinigen, sind sie wieder durchsichtig. Was sie undurchsichtig macht, ist die Zerstreuung des Lichts beim Durchgang durch eine Reihe von zwei oder mehreren das Licht sehr ungleich brechenden Medien. Das Glaspulver oder der Wasserschaum sind Gemenge aus Glas- oder Wassertheilchen, mit Luft, fein vertheilte , das Licht verhältnissmässig stark brechende Körper (Glas und Wasser), gemischt mit einem Körper, der das Licht viel weniger bricht (Luft); die Milch ist ein Gemenge aus Fett- und Wassertheilchen, von denen die ersteren das Licht

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stärker, anders brechen, als die letzteren. Diese Trübung ruht also nicht auf einer chemischen, sondern auf einer physikalischen Veränderung der Substanz, auf der Unterbrechung des molekularen Zusammen- hangs.

Wenn man einen trüb gewordenen Firniss oder eingeschlagene Oelfarben mit einem nassen Schwamme überfährt, so werden sie vorübergehend klarer, aus dem einfachen Grunde, weil in die Zwischenräume, welche eine Anzahl Harz- oder Oeltheilchen von ein- ander trennen, und die vorher mit Luft erfüllt waren, sich Wasser setzt. Um was nun das Wasser das Licht mehr und ähnlicher dem Harz und Oel bricht und reflektirt, als die Luft, um das erscheint der Fir- niss oder die Farbe, so lange sie nass sind, wieder klarer. Wenn sie wieder trocknen, wenn an die Stelle des Wassers wieder die Luft tritt, kehrt die alte Trübung wieder, weil die Luft ein so geringes und von dem des Oels so abweichendes differentes Brechungsvermögen besitzt.

An Oelfirnissen , die noch nicht ganz hart ge- worden sind, lassen sich Erscheinungen hervorrufen, die für die in solchen Massen vor sich gehenden Molekularbewegungen höchst lehrreich sind, in so fern man fast alle Erscheinungen der Trübung, des Reissens und Springens willkürlich hervorrufen kann. Am besten sind mir solche Experimente immer mit dem Siccatif de Courtrais gelungen, welches eigentlich ein sehr viel Blei und Mangan haltender Oelfirniss in Terpentinöl gelöst ist, und welches auf einer Glas- platte aufgestrichen an der Luft zu einer sehr klaren,

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durchsichtigen, schwach bräunlichgelben Schichte auf- trocknet, die sich unter gewöhnlichen Umständen lange unverändert erhält. Deckt man eine solche Glasplatte mit der aufgestrichenen Schichte, so lange sie noch etwas weich ist, über ein Kelch- oder Becher- glas, auf dessen Grund man einen flüchtigen Stoff gegossen hat, der auf das Blei im Firniss chemisch wirkt (z. B. Schwefelwasserstofifwasser, Schwefel- ammonium, Ammoniak, mit schwefliger Säure ge- sättigtes Wasser), so sieht man unter seinen Augen die gefirnisste Fläche zuerst sich trüben, dann bei längerer Einwirkung sich zusammenziehen, springen und reissen. Es lassen sich auf diese Weise alle Continuitätsstörungen hervorrufen, geradeso wie man sie mit der Zeit auch auf Oelgemälden und sonstigen Oelanstrichen entstehen sieht. Die dadurch hervor- gerufenen chemischen Veränderungen sind von einem minimalen Betrage, durch die Wage kaum nachweis- bar , aber sie geben zu Störungen der Cohäsions- verhältnisse der ganzen Masse Veranlassung, deren Grösse in gar keinem Verhältnisse zu der chemischen Einwirkung zu stehen scheint. Ich habe auf diese Art mit Luft, die nur geringe Mengen gewisser Gase enthielt, namentlich bei Anwendung von schwefliger Säure, binnen wenigen Minuten Risse erzeugt, die mehrere Millimeter massen.

Bringt man auf eine solche Oelfirnissfläche , die ganz durchsichtig, glasartig aufgetrocknet ist, einen Tropfen destillirtes Wasser, und lässt diesen ver- dunsten, so gewahrt man in der Regel schon das erstemal eine leichte Trübung im Firniss, genau von der Ausdehnung des Wassertropfens. Benetzt man

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dieselbe Stelle wiederholt immer wieder, wenn das Wasser verdunstet ist, so hat man zuletzt einen kreideweissen, undurchsichtigen Fleck von der Aus- dehnung des Wassers in der sonst ganz klar und durchsichtig gebliebenen Firnissfläche. Die Er-

scheinung ist so auffallend, dass jeder, der nicht weiss, wie der Fleck entstanden ist, darauf schwören würde, es sei hier eine weisse Farbe angewendet worden. Ein solcher Fleck lässt sich mit Oel oder Firniss (durch blosses Austränken) nur mehr unvollständig zum Verschwinden bringen. Auch dieses Weiss- und Undurchsichtigwerden beruht nur auf einer moleku- laren Trennung und lässt sich durch Mittel, welche den molekularen Zusammenhang wieder hersteilen und die ich später besprechen werde, wieder voll- ständig aufheben.

Diese Beobachtungen verdienen gewiss weiter verfolgt zu werden, einstweilen genügt es mir, auf Thatsachen aufmerksam gemacht zu haben, die bei der Conservirung der Oelgemälde unzweifelhaft eine wichtige Rolle spielen. Ich bin weit entfernt zu glauben, als hätte ich durch das wenige, was ich hier mitgetheilt habe, eine wissenschaftliche Begründung der Technik der Oelmalerei geliefert, aber vielleicht ist es mir gelungen, andere zu einer solchen anzu- regen. Jedenfalls setzten mich diese Thatsachen, welche von fundamentaler Bedeutung sind, schon in den Stand, meiner Aufgabe bei der Commission besser zu genügen, als ich es anfangs vermochte, und sie brachten mich zuletzt auf eigene praktische Vor- schläge zur Conservirung der Oelgemälde, die sich nun in einer Reihe von Jahren und in einer grossen

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Anzahl von einzelnen Fällen in der alten und neuen Pinakothek in München als gut bewährt haben.

Die erste Anregung zu der eben vorgetragenen Auffassung des Gegenstandes erhielt ich schon bei dem ersten Zusammentritt der Commission in der Gallerie zu Schleissheim, wo mir auffiel, wie ver- schieden sich die Gemälde in verschiedenen Räumen conservirten ; namentlich fiel mir und anderen Com- missionsmitgliedern auf, dass in einem ganz mit Holz getäfelten Gemache die Gemälde sich im ganzen ungleich besser als in benachbarten nicht getäfelten, sonst gleich beschaffenen erhalten hatten; in anderen Sälen glaubte ich ziemlich bestimmte Unterschiede wahrnehmen zu können, selbst je nachdem die Bilder einem Fenster näher oder ferner hingen. Manche der Bilder zeigten weisse Flecken in Form von Wasser- tropfen. Alles machte auf mich sofort den Eindruck, dass irgend ein atmosphärischer Vorgang hier wesent- lich im Spiel sein müsse , der nicht überall gleich- mässig statthat. Damit war die Untersuchung schon in eine bestimmte Richtung gebracht, man konnte sich fragen , was an verschiedenen Stellen des Ge- bäudes oder selbst eines Zimmers ungleich ist. Der chemische Einfluss der Luft überhaupt konnte nicht Ursache sein, denn ihre Zusammensetzung ist sich wesentlich überall gleich. Zunächst konnte man an Licht und Wärme denken, welche in einem Gebäude die meiste Verschiedenheit zeigen und bekanntlich sehr ungleich vertheilt sein können. Da das Schloss in Schleissheim, welches die Gemäldesammlung ent- hält, nicht geheizt wird, so gehen dort Licht, und Wärme Hand in Hand mit der Sonne, welche aut

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den südlichen Theil viel mehr wirken muss, als auf den nördlichen, es zeigten sich aber zwischen den Sälen nach Süden und denen nach Norden keine so wesentlichen Unterschiede, wie zwischen den getäfelten und nicht getäfelten Sälen. Ferner war mir aufge- fallen, dass viele Bilder unmittelbar da, wo der Gold- rahmen anfängt, häufig einen schmalen Saum zeigten, der viel weniger verändert war, als der übrige Theil des Gemäldes, und als mehrere Bilder zu näherer Besichtigung und zur Verbringung nach München aus dem Rahmen genommen wurden, fiel mir sofort auf, dass der unter dem Falz des Holzrahmens liegende Theil der Gemälde meist ganz gut erhalten, fast wie neu war, wenn ihre übrigen Theile auch bis zur Un- kenntlichkeit getrübt waren. Das beobachtete man sowohl an Bildern auf Leinwand, als auf Holz und Kupfer. An einigen grösseren Bildern auf Leinwand war es ferner sehr auffallend , dass die hölzernen Querleisten oder Kreuze der Blindrahmen, auf denen die Leinwand gespannt ist, sich auf der Vorderseite des Gemäldes als scharf umgrenzte, besser conservirte Streifen förmlich abgebildet zeigten. Ausserdem zeigten sich an einigen Bildern auf Leinwand sehr scharf umschriebene viereckige gut conservirte Stellen mitten in einer ganz schimmligen Fläche, und diese viereckigen, klaren Stellen entsprachen regelmässig auf der Rückseite aufgeklebten Papierzetteln, auf denen die Katalognummer u. s. w. geschrieben war, die sonst gewöhnlich auf den Blindrahmen geklebt werden. Herr Conservator Ignatz Frey, damals an der alten Pinakothek, der aber früher als Conservator in Schleissheim war, erwähnte endlich, dass zur Zeit, als

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er noch in Schleissheim amtirte, die Gemälde sich besser conservirt hätten, und zwar, wie er überzeugt sei, deshalb, weil er jedes Jahr mit Beginn der kalten Jahreszeit (November) alle mit Ausnahme der ganz grossen abhängen, in ein paar Zimmern zu- sammenstellen und erst in besserer Jahreszeit (April) wieder aufhängen liess, er hätte die Erfahrung ge- macht, dass sich in einigen Sälen die Gemälde gegen Ende des Winters hie und da förmlich mit Eiskrusten bedeckt hätten.

Alle diese Thatsachen zusammen veranlassten mich nach reiflichem Nachdenken, zu glauben, dass hier die Condensation von Wasser aus der Atmo- spähre auf die Bilder und das darauf folgende Ver- dunsten des Wassers in die Luft und die häufige Wiederholung dieser Vorgänge das auffallend schlechte Aussehen der meisten Gemälde wesentlich hervorrufe, und dass das Wesen des Uebels im Verluste des molekularen Zusammenhanges der Firnisse und der Bindemittel der Farben bestehe. Um diese Schluss- folgerung zur Gewissheit zu machen, stand mir der Weg des Versuches offen. Ich wählte dazu wohl getrocknete und schon vor längerer Zeit gefirnisste Oelgemälde. Herr Benno Adam, unser ausgezeichneter Thiermaler, überliess mir zwei seiner über 20 Jahre alten Studien, eine war der Kopf eines Fanghundes in natürlicher Grösse, die andere ein Luchs in kleinerem Maassstabe. Ich stellte in ein Zimmer bei einer Luft- temperatur von io° R. eine grössere Schüssel mit Wasser, welches 60 bis 7 warm war, so dass es eben an der Luft etwas sichtbar dampfte, und hielt die Gemälde darüber, dass sie sich durch Wasser-

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condensation etwas beschlugen, und stellte sie dann in ein wärmeres Zimmer, um sie wieder zu trocknen. In dem Maasse, als sie trockneten, zeigte sich bereits eine merkliche Zunahme der Trübung, und als ich die Operation einigemal wiederholte, waren die Gemälde so trübe, als wären sie schon lange in einer schlecht conservirten Gallerie aufbewahrt ge- wesen. —

Ich zeigte dieses Resultat meiner Versuche nicht ohne einen gewissen Grad von innerer Befriedigung in der nächsten Commissionssitzung vor, indem ich glaubte, hiermit meine Aufgabe als naturwissenschaft- liches Mitglied der Commission gelöst zu haben und nun mit Ehren wieder aus ihrem Kreise scheiden zu können: ich hatte eine fundamentale Thatsache con- statirt, auf der die Praxis sicher fortbauen konnte, um zu einer besseren Conservirung zu gelangen. Es ist mir noch lebhaft in der Erinnerung, obwohl sieben Jahre seitdem verflossen sind, wie wenig ich mein Gefühl innerer Befriedigung damals den übrigen Com- missionsmitgliedern mitzutheilen vermochte. Die Mehrzahl der Künstler erblickte in meinem Experi- mente nichts, als was ohnehin schon viel öfter, als einem lieb sein konnte, von selbst sich ereignet hatte, und zu einem Urtheil über den Rest meines Vor- trags über Wassercondensation aus der Atmosphäre, Verdunstung, molekulare Trennung, optische Stö- rungen u. s. w. hielten sie sich nicht für competent. Ich wurde aufgefordert, die Richtigkeit meiner Theorie vom Verluste des molekularen Zusammenhanges und von seinen Folgen praktisch dadurch zu beweisen, dass ich die Gemälde, die ich trüb gemacht hatte,

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auch wieder klar machte , ohne etwas anderes mit ihnen vorzunehmen, als den molekularen Zusammen- hang wiederherzustellen, ohne von der Substanz der Gemälde etwas wegzunehmen oder hinzuzufügen. Einerseits hätte ich dieses Verdienst gern in der Technik der Oelmalerei erfahrenen Künstlern oder Restauratoren überlassen, da ich einsehen musste, die Lösung einer derartigen Aufgabe würde mich viel Zeit kosten und mich weit von anderen Zielen ab- lenken: anderseits lag aber doch auch wieder ein grosser Reiz darin, ein mir bisher ganz fremdes Ge- biet zu betreten, und einiges darauf zu versuchen.

Für einen Restaurator wäre der vorliegende Fall allerdings ein sehr einfacher und leicht zu behandeln- der gewesen , er hätte den trüben Harzfirniss vor- sichtig abgenommen, die Oberfläche des Gemäldes vielleicht mit etwas frischem Oel eingerieben, dieses trocknen lassen, und danach frisch gefirnisst, und die Gemälde wären wieder wie neu gewesen. Aber so durfte ich nicht verfahren, da ich damit die Richtigkeit meiner theoretischen Anschauung nicht bewiesen hätte. Ebenso wenig durfte ich frischen Firniss aufstreichen oder andere Flüssigkeiten verwenden; es musste jede mechanische Berührung vermieden werden, weil das Gemälde gerade so, wie es sich selbst getrübt hatte, sich auch selbst wieder klar machen sollte: meine Aufgabe war, dem Bilde nur die Bedingungen zur Wiederherstellung des molekularen Zusammenhanges zu schaffen, die eigentliche Arbeit aber ihm selbst zu überlassen.

Da mir bei diesen Erscheinungen auf der Ober- fläche zunächst nur der Firniss betheiligt schien, so

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versuchte ich in der angedeuteten Richtung auf ihn zu wirken. Ich goss in eine Reagensröhre etwas Alkohol , die Luft im Rohre über dem Weingeist musste sich mit einer der Temperatur der Luft und der Tension des Alkoholdampfes entsprechenden Weingeistmenge sättigen und das Harz des Firnisses, wenn ich die Oefifnung des Glases mit der Bildfläche bedeckte, aus dieser weingeisthaltigen Luft einen be- stimmten Theil absorbiren, und darin, wenn auch nicht gerade sich auflösen, aber doch aufquellen, so dass diese Quellung vielleicht hinreichend sein würde, die molekularen Zwischenräume der getrennten Harz- theilchen wieder auszufüllen, und diese wieder eine continuirliche Verbindung unter sich und mit der darunter liegenden Oelfarbe gewinnen könnten und siehe da, etwa in zwei Minuten waren alle diese Vor- aussetzungen in Erfüllung gegangen. Ich hatte einen kreisrunden Fleck vom Umfang der Glasröhre voll- kommen klar, und die Farbe erschien sogar viel lebhafter, als sie zuvor gewesen war, ehe ich das Gemälde den trübenden Wasserdämpfen ausgesetzt hatte. Dieser regenerirte Kreis fühlte sich anfangs etwas weich an , war aber nach wenigen Minuten so hart, wie seine trübe Umgebung, und blieb voll- kommen klar.

Ich machte nun an verschiedenen Stellen eine Anzahl solcher klarer Kreise in das trübe Gemälde, und zeigte sie der Commission, ohne ihr vorläufig von dem Verfahren mehr mitzutheilen, als dass ich das Resultat erzielt hätte, ohne der Substanz des Bildes etwas hinzuzufügen oder zu nehmen, ohne das Ge- wicht des Bildes zu ändern. Das machte nun schon

Pettenkofer, Regenerationsverfahren. o

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viel mehr Aufsehen, als dass ich das Bild schimmlig gemacht hatte, theils wegen des überraschenden Er- folges, theils wahrscheinlich auch wegen des Geheim- nisses, in welches ich die Procedur noch gehüllt Hess. Ich erbot mich der Commission, dasselbe an einigen werthlosen trüben Bildern der Schleissheimer Gallerie weiter zu erproben, und zu versuchen, ob es mir gelingen würde, auf das Princip der Wiederherstellung des verlorenen molekularen Zusammenhangs eine Methode zu gründen. Ich fühlte mich um so mehr dazu angespornt, als ich bereits hinlänglich überzeugt war, dass der Verlust des molekularen Zusammen- hangs bei der Conservirung der Oelgemälde eine ganz allgemeine wichtige Rolle spiele , dass er ein allgemeines, wenn auch durchaus nicht das einzige Uebel sei, und dass die Aufgabe vorliege, dagegen auch ein Mittel zu suchen, welches einer ebenso all- gemeinen Anwendung fähig sein würde, als das Uebel ein allgemeines ist. Ich betonte gleich anfangs, dass es mir nicht in den Sinn kommen könnte, ein Uni- versalmittel gegen alle möglichen Uebel zu suchen, sondern dass ich nur ein ganz bestimmt wirkendes Mittel gegen ein ganz bestimmtes, aber mehr oder weniger bei jedem Oelgemälde auftretendes, mithin universales Uebel suche.

Ich betrachtete es als einen wichtigen Vorver- such, zu bestimmen, wieviel Alkohol die Harze, welche gewöhnlich zu Firnissen verwendet werden (Mastix und Dammar), bei gewöhnlicher Zimmertemperatur (i4°R.) aus einer mit Weingeist gesättigten Luft zu condensiren vermöchten. Ich stellte auf eine ge- schliffene Glasplatte eine Schale mit Weingeist, dar-

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über einen Drahtfuss , auf diesen ein Uhrglas mit einer geringen Menge Harzpulver, und stürzte eine auf die Glasplatte luftdicht aufgeschliffene Glasglocke darüber mit andern Worten, ich benutzte dazu den Recipienten einer Luftpumpe. Man sah das Harzpulver allmählich zusammensintern und zuletzt eine homogene durchsichtige Schichte im Uhrglase bilden. Das Harz nahm allmählich die Consistenz eines dicken Firnisses an, der weiter keinen Wein- geist aus der Luft mehr zu condensiren vermochte. Nach zweimal 24 Stunden hatte das Harz 70 bis 80 Proc. seines Gewichts Alkohol aus der Luft der Glocke condensirt, den es an der freien Luft wieder in kürzester Zeit verlor, während es als durchsichtige feste Masse auf dem Glase zurückblieb.

Der Umstand ist wichtig, dass die Harze von selbst aufhören, Alkohol aus der Luft zu condensiren, wenn sie eine bestimmte Menge einmal aufgenommen haben, d. h. dass sie einen natürlichen Sättigungspunkt haben. Damit fallen von selbst alle Uebelstände und Gefahren weg, die sonst ein Ueberschreiten der hin- reichenden Dauer der Einwirkung mit sich bringen könnte, und die sich nun lediglich auf den Umstand beschränken, wieviel von dem erweichten Harz in einer gewissen Zeit etwa von dem Gemälde eingesogen wird, falls auch die Farbe ihren molekularen Zusammen- hang verloren hat, was übrigens insofern kein Nach- theil, sondern nur ein Vortheil ist, als dadurch auch der molekulare Zusammenhang der Farbschicht, so- weit das geschieht, wiederhergestellt wird.

Die auf einem Bilde schon befindlichen, auf diese Art durch ihre eigene Thätigkeit nur erweichten Harze

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können die Farben und Lasuren eines Bildes natur- gemäss und selbstverständlich viel weniger angreifen, chemisch oder physikalisch verändern, als wenn frischer Firniss mit einem Pinsel darauf gestrichen wird, in welchem Falle der Firniss nicht nur flüssiger ist, sondern wo auch noch die mechanische Reibung mit dem Pinsel Ortsveränderungen der eigentlichen Farb- körper eher bewirken müsste.

Soweit ein Bild kein Harz enthält, condensirt es auch keinen Weingeist aus der Luft, und immer nur so viel, als der Harzmenge entspricht. Ich habe vielfach nach flüchtigen Stoffen gesucht, welche vom getrockneten Leinöl ebenso aus der Luft condensirt würden, wie der Alkohol von den Harzen, aber bis- her vergeblich; es würde das ein bedeutender Fortschritt in der Methode sein, den molekularen Zusammenhang von Oelgemälden durch einfache Quellung wiederherzustellen , einstweilen dienen uns nur flüssige oder flüssig gemachte Harze dazu, die im erhärteten Oel entstandenen Zwischenräume aus- zufüllen.

Diese in der Natur der Sache selbst liegende Sicherheit war es, die mir den Muth gab, bald auch mit werth vollen Gemälden Versuche zu machen, worüber anfangs alle, welche die Methode nicht näher kannten, nicht nur staunten , sondern sich manchmal sogar entsetzten. Ich wusste, es giebt Fälle, wo die alkoholhaltige Luft nichts nutzen kann, aber, eine horizontale Lage des Bildes vorausgesetzt, keine, wo sie mehr schaden könnte, als der Firniss geschadet hat, der sich bereits auf dem Gemälde befand. Im schlimmsten Falle konnte ich nur nichts besser machen.

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Mich wundert es daher nicht gleich anderen, dass mir nie ein Unglück begegnet ist.

Um sich zu überzeugen, ob und wie ein Gemälde auf die alkoholhaltige Luft reagirt , thut man am besten, zuerst eine kleine Stelle ihr auszusetzen. Eine runde leichte Papp- oder Holzschachtel von i bis 2 Zoll Durchmesser wird inwendig mit warmem Tischlerleim ausgestrichen und am Boden ein rundes Stück Zeug (Flanell, Tuch, Baumwolle u. s. w.) fest- geleimt. Wenn der Leim vollständig getrocknet ist, befeuchtet man das Zeug mit etwas 80 procentigem Weingeist, dreht die Schachtel um, dass der Boden nach oben sieht, und wenn das Zeug nicht mehr Wein- geist erhalten hat , als es binden kann , dass kein Tropfen abwärts fliesst, kann man die Schachtel ohne Furcht auf jedes von Staub und sonst gereinigte Oel- gemälde legen. Nach einigen Minuten hebt man die Schachtel auf und beobachtet die Wirkung, legt sie auf dieselbe Stelle wieder auf und wartet die weitere Wirkung ab. Trübe Gemälde, die auf diese Art an der behandelten Stelle klar werden, kann man dann im Ganzen behandeln. Die zuerst klargemachte Stelle bildet dann bei Vornahme der gleichen Operation an dem ganzen Gemälde einen guten Anzeiger für den Fortgang derselben, denn diese Stelle wird ihrer Um- gebung in allen Veränderungen immer etwas voraus sein, und man kann die Operation für beendet halten, sobald sich die zuerst behandelte Stelle nicht mehr von ihrer Umgebung unterscheidet.

Um grössere Bilder oder mehrere kleine auf ein- mal behandeln zu können, lässt man eine Holzkiste etwa von 4 und 6 Fuss im Gevierte und etwa 4 Zoll

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hoch mit einem in Angeln beweglichen gut schliessen- den Deckel machen. Der Boden wird mit Tuch be- legt und die Gemälde mit Flügelschrauben auf der Innenseite des Deckels befestigt. Das Tuch wird dann mit Weingeist besprengt der Deckel umgelegt und die Kiste dadurch geschlossen. Man öffnet sie zeitweise, um den Fortgang der Operation zu beob- achten.

Man kann auch kleinere leichte Kisten verwenden, und diese ähnlich wie die kleine Schachtel über auf einen Tisch gelegte Gemälde stürzen. Aehnlich ver- fährt man auch, wenn man ein Bild nur stellenweise behandeln will.

Wird ein trübes Gemälde durch alkoholhaltige Luft nicht klarer oder überhaupt gar nicht verändert, oder sogar trüber, was auch Vorkommen kann und was man alles bereits bei der Vorprobe mit dem kleinen Apparate sieht, so eignet es sich nicht für diese einfachste Behandlung, und ich werde später angeben, was in diesen Fällen zur Herstellung des molekularen Zusammenhangs geschehen muss.

Obwohl einem Gemälde, was verdorben und ver- kommen aussieht, alles mögliche fehlen kann und ein Verderben von tausend verschiedenerlei Ursachen ausgehen kann, so erwies sich doch fast bei allen Gemälden in der Gallerie in Schleissheim und in der Pinakothek in München dasjenige, was die Aufmerk- samkeit der Künstler und Kunstfreunde erregt hatte, fast ausschliesslich immer als ein und derselbe Uebel- stand, nämlich als Verlust des molekularen Zusammen- hangs, und dieser wieder vorwaltend nur in den Fir- nissen. Soweit die Firnisse Harzfirnisse waren, waren

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die Gemälde durch alkoholhaltige Luft mit Leichtig- keit, ohne jede Substanz Veränderung und ohne jede Gefahr wieder herzustellen. Bei jenen Gemälden, wo die molekulare Trennung auch in der Farbenschichte fortgeschritten war, während sie im Firnisse vor sich ging, wo also ein Theil des erweichten Harzes in die Zwischenräume des erhärteten Bindemittels der Farbe eintrat, gelang durch höchst einfache Mittel die Her- stellung einer optisch gleichmässig wirkenden Ober- fläche wieder sehr leicht.

Wirkliche chemische Veränderungen der Farben durch die Zeit konnten in einer grossen Anzahl von Fällen nicht eine constatirt werden, selbst da nicht, wo man sie vor der Wiederherstellung des moleku- laren Zusammenhangs ganz sicher angenommen und erwartet hatte. Einer der überraschendsten Fälle war eine Landschaft von van der Velde (No. 472) in der Pinakothek. Die Staffage-Figuren waren noch gut erhalten, aber alles Grün der Landschaft erschien missfarbig blau und grau. Weder Terpentinöl noch Firniss konnte auch nur vorübergehend die Er- scheinung der Farben zum Bessern ändern. Alle glaubten, das ursprüngliche Grün sei mit Blau und Gelb gemischt gewesen und das Gelb vielleicht ein organischer Farbstoff sei verschwunden. Längere Zeit und wiederholt der weingeisthaltigen Luft ausgesetzt, erschien das ursprüngliche Grün der Landschaft allmählich vollständig wieder. Es konnte somit nur eine optische Störung gewesen sein, welche das Grün blau erscheinen liess, und diese Störung kann in nichts anderem als in dem Verluste des molekularen Zusammenhangs ihren Grund gehabt

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haben, denn sie war beseitigt, sobald nur Mittel in Anwendung gekommen waren, die keine andere Wir- kung als die Aufhebung der molekularen Trennung haben konnten. Zuvor hatten zwei anerkannte Restau- ratoren von Fach ihre Ansicht bestimmt dahin aus- gesprochen, dass in diesem Falle die Farbe chemisch verändert sei und nur eine Retouche helfen könne.

Ein angeblicher Rembrandt, Bildniss eines jungen Mannes (Inv.-No. 766 in Schleissheim), liess mit Aus- nahme des Gesichts wenig mehr unterscheiden, und auch dieser Theil schien stellenweise verputzt zu sein. Zuletzt zeigte es sich, wie vortrefflich sich die Farben conservirt hatten, und wie nicht nur überflüssig, son- dern verfehlt jede Nachhilfe mit Farbe gewesen wäre.

Eine Skizze von Arthur v. d. Neer, Landschaft mit aufgehendem Monde (Inv.-No. 799 in Schleissheim), liess es an mehreren Stellen zweifelhaft, ob sie ver- putzt oder übermalt sei. Die vollständige Wieder- herstellung des molekularen Zusammenhangs, die ich der Kürze wegen Regeneration nennen will , zeigte zuletzt, dass keines von beiden der Fall war. Solche Beispiele ergaben sich zu Dutzenden in sehr kurzer Zeit an sehr verkommen aussehenden Gemälden. Diese Thatsachen machten auf mich und die meisten Com- missionsmitglieder einen sehr beruhigenden, tröstlichen Eindruck, wir freuten uns, dass jedenfalls in der grossen Mehrzahl der Fälle die eigentlichen Farben sich vortrefflich erhalten hatten, dass die Verände- rungen durch Zeit und Umstände sich wesentlich auf die Stoffe beschränkten , in welche die Farben ein- gehüllt sind , durch welche hindurch der eigentliche Farbstoff gesehen werden muss, und dass auch diese

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Veränderungen wesentlich nur in einer Unterbrechung des molekularen Zusammenhangs bestehen, deren Wir- kung sich ohne Gefährdung des Originaltones wieder beseitigen lässt.

Am 23. Oktober 1863 bereits hatte ich den Commissionsmitgliedern und ausser diesen einer Anzahl von Künstlern und Naturforschern meine damalige Methode mitgetheilt , die fast bei allen dasselbe Zu- trauen , wie bei mir selbst , erweckte. Die Zahl der Versuche vermehrte sich nun sehr rasch, und fast durchgehends mit gleich günstigem Erfolge. Allmählich erkannte ich , dass zur vollen Begründung einer all- gemein anwendbaren Methode der Wiederherstellung des verlorenen molekularen Zusammenhangs der Oel- gemälde , oder der Regeneration derselben noch fol- gende Fragen einer bestimmten Beantwortung be- durften :

1) Was ist zu thun, wenn die Quellung der bereits auf einem Bilde befindlichen Harzmasse nicht aus- reichend ist, um alle vorhandenen optisch störenden Zwischenräume auszufüllen?

2) Was ist zu thun, wenn die auf einem Bilde be- findliche Harzmasse zu gross oder qualitativ zu verändert ist, um ohne Störung belassen werden zu können?

3) Was ist zu thun, wenn ein in Folge molekularer Trennung trüb gewordenes Oelgemälde kein Harz oder keinen Harzfirniss hat?

4) Was geschieht, wenn auf einem Bilde Harz- und Oelfirnisse übereinandergestrichen sind , die sich gegen die alkoholhaltige Luft verschieden ver- halten ?

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5) Was kann geschehen , um das erneute Eintreten der molekularen Trennung in regenerirten Gemälden möglichst zu verzögern ?

Bei Beantwortung dieser fünf Fragen werde ich nöthig haben , von einem Stoffe zu sprechen , dessen ich bisher noch nicht erwähnt habe, und das ist der Copaivabalsam. Der Copaivabalsam ist ein natürlich vorkommender, äusserst langsam trocknender Harz- firniss. Er stammt von mehreren Arten des Geschlechts Copaifera , eines im tropischen Amerika wachsen- den Baumes aus der Familie der Leguminosae. Man macht tiefe Einschnitte in den Stamm , aus denen der Balsam ausfliesst, wie bei uns das Terpentin aus Föhrenstämmen. Er besteht aus festen Harzen und aus ätherischen Oelen hat also eine analoge Zusammensetzung , wie unsere Harzfirnisse , die eine Auflösung von (Mastix- oder Dammar ) Harz in Ter- pentinöl sind. Aechter Copaivabalsam hat wohl die Consistenz eines fetten Oeles, enthält aber keines, und darf für die Zwecke der Malerei und der Conservirung auch keines enthalten. Für diese Zwecke darf er daher auch nicht mit fetten Oelen, andern Harzen und Terpentinöl verfälscht sein. Er soll in einem Porzel- lanschälchen über einer Flamme erhitzt und abgedampft keinen Terpentingeruch von sich geben und ein nach dem Erkalten durchsichtiges, sprödes Harz hinterlassen. Aechter Copaivabalsam reagirt sauer; mit einem Drittel seines Volums Aetzammoniak *) gemischt muss er eine klare Lösung geben. Mit seinem gleichen

*) Liquor ammonii caustici von 0,96 specifischem Gewicht in 100 Theilen bestehend aus 90 Wasser und 10 Ammoniak.

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Volum ganz wasserfreien Weingeistes (Alcohol abso- lutum) muss er gleichfalls zu einer fast klaren Flüssig- keit mischbar sein, die nur wenig opalesciren darf. Es kommen zwei Sorten Copaivabalsam im Handel vor, eine dünnflüssigere (Para) und eine dickflüssigere (Maracaibo), die sich nur durch ihren verschiedenen Gehalt an ätherischen Oelen unterscheiden. Der dünn- flüssigere Para enthält nahezu gleiche Theile Harz und ätherisches Oel,’der dickflüssigere Maracaibo mehr Harz und weniger ätherisches Oel. Durch längeres Stehen an der Luft, oder schneller durch Kochen mit Wasser kann man Para in Maracaibo verwandeln. Was für die ge- nannten Zwecke den Copaivabalsam von dem natürlichen Terpentin oder von den gewöhnlichen Harzfirnissen (z. B. Auflösungen von Mastix- oder Dammarharz in Terpentinöl) unterscheidet, ist eine Eigenschaft seines ätherischen Oeles, dessen grösster Theil an der Luft bei gewöhnlicher Temperatur wenig flüchtig ist, oder wie man das in der wissenschaftlichen Sprache bezeichnet eine äusserst geringe Tension besitzt, während die Tension, das Bestreben zu verdampfen, beim Terpentinöl und andern ätherischen Oelen un- gleich grösser ist. Copaivabalsam mit Wasser in einer Retorte tagelang gekocht, behält nach dem Er- kalten noch immer eine ölige Consistenz, während die gewöhnlichen Harzfirnisse oder Terpentin unter diesen Umständen nach dem Erkalten zu einer undurchsich- tigen Masse erstarren. Im weiteren Verlaufe meiner Darstellung wird sich zeigen, dass diese Eigenschaft dem Copaivabalsam für die Zwecke der Conservirung der Oelgemälde eine ebenso bevorzugte Stellung an- weist und ihn ebenso unersetzlich macht, wie Lein-

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und Mohnöl wegen der Eigenschaft des Trocknens für die Herstellung der Oelfarbe ist.

Der Copaivabalsam ist den Malern längst bekannt und von vielen geschätzt gewesen, aber nicht wegen der Eigenschaften und Zwecke, die ich eben hervor- gehoben habe, sondern nur so im allgemeinen und neben- bei wegen seiner Consistenz, wegen seiner Geschmeidig- keit u. s. w. Wie wenig Maler, die selber Anwen- dung vom Copaivabalsam gemacht ha’ben , über seine eigentliche Bestimmung klar waren, geht aus einer Abhandlung von F. X. Fernbach*) hervor, in welcher der Copaivabalsam zum Anfeuchten während des Malens anstatt Mohn- oder Nussöl empfohlen wird, »weil er sich, wenn er rein ist, bis auf einen unbedeutenden, für Gemälde und Farben unschädlichen Harzantheil verflüchtigt«. Ebenso erwähnt Dr. Lucanus in seiner sehr verbreiteten und viel geschätzten Abhandlung über Restauration u. s. w. den Copaivabalsam, stellt ihn aber auch mit den trocknenden Oelen noch in gleiche Kategorie, indem er sagt**), man könne Lu- canus’ Retouchirfirniss herstellen , sowohl aus Dam- marharz in Mohnölfirniss , als auch in Copaivabalsam gelöst. An einer andern Stelle ***) giebt er eine Vorschrift, »Dammarfirniss entweder durch ein Gemisch aus gleichen Theilen Mohn- und Terpentinöl oder noch besser durch Copaivabalsam zu erweichen, und dann mit Terpentinöl völlig abzunehmen«. Auch bei

*) Ueber Ivenntniss und Behandlung der Oehl-Farben. Mün- chen 1834. A. Weber’ sehe Buchhandlung. Seite 10.

**) Vollständige Anleitung zur Erhaltung , Reinigung und Wiederherstellung der Gemälde. Halberstadt 1856. Seite 38.

***) A. a. O. Seite 65.

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der Zusammensetzung des Putzwassers *) unterscheidet Lucanus nicht wesentlich zwischen Oel und Copaiva- balsam, indem er sagt: »Um die auflösende Wirkung

zu mildern, nimmt man auch wohl etwas mehr Terpen- tinöl, oder noch einen kleinen Zusatz von Mohnöl oder Copaivabalsam. «

Man hat auch hier und da schon einmal Gemälde oder Gemäldegründe anstatt mit Oel mit Copaiva- balsam genährt; bekannt ist wenigstens, dass bei der Raphael’schen Madonna in Dresden die Leinwand von hinten mit Copaivabalsam getränkt worden ist: aber nie wusste man, dass mit Copaivabalsam Zwecke zu erfüllen sind, wozu man selbst das beste Oel nicht gebrauchen darf. Nie hat man zwischen Copaiva und Oel einen principiellen Unterschied gemacht, so wenig, als zwischen Harz- und Oelfirnissen, bei deren Wahl man sich auch von ganz anderen zufälligen Gesichts- punkten leiten liess, als ich jetzt aufgestellt habe. Die Gesichtspunkte, welche der Anwendung des Copaivabalsams für gewisse Zwecke eine universale Stellung anweisen, waren erst eine Frucht der Er- kenntnis von den optischen Folgen des Verlustes des molekularen Zusammenhanges und von den Hinder- nissen, welche die trocknenden Oele seiner Wieder- herstellung, dem Regenerationsverfahren, naturnoth- wendig bereiten. Der Copaivabalsam hat deshalb auch erst seit der Aufstellung dieser Gesichtspunkte in den bairischen Staatsgemäldesammlungen eine methodische Anwendung gefunden. Früher hielt ihn Niemand für etwas von andern Mitteln wesentlich Verschiedenes, man hat deshalb auch nur einen sehr

*) A. a. O. Seite 54.

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beschränkten, meist nur vorübergehenden, zufälligen Ge- brauch davon gemacht, während man jetzt thatsächlich nachweisen kann, dass er wenigstens zur Conservirung der Oelgemälde unentbehrlich und unersetzlich ist.

Kehren wir nun zur ersten Frage zurück, was zu thun ist, wenn die Quellung der bereits auf einem Bilde befindlichen Harzmasse nicht ausreichend ist. Bei der Regeneration bloss durch alkoholhaltige Luft zeigten sich mehrere Gemälde aus der Gallerie in Schleissheim darnach an einigen Stellen rauh, trüb und eingeschlagen, was allerdings durch Ueberstreichen mit Dammarfirniss meist zu beseitigen war. Da aber die gewöhnlichen Harzfirnisse nicht stellenweise an- gewendet werden können, sondern gleichmässig über das ganze Bild gestrichen werden müssen, weil man sonst Ansätze sieht, so wäre man gezwungen, auch jene Stellen der Oberfläche mit frischem Firniss zu überziehen , die dessen zu ihrer optischen Wirkung nicht bedurft hätten. Dieser Umstand, dass gewisse Veränderungen an einzelnen Stellen der Gemälde- oberflächen früher als an den übrigen sich zeigen, ist gewiss die häufigste Veranlassung gewesen, immer neuen Firniss über den alten zu streichen und all- mählich so dicke Firnisskrusten zu erzeugen, dass die Farben zuletzt wie unter einer Glasdecke erscheinen. Ich sah mich dadurch genöthigt, nach einem Stoff zu suchen, der die optische Bestimmung der gewöhn- lichen Harzfirnisse zu erfüllen im Stande war, der aber ganz nach Bedürfniss eine stellenweise Anwendung gestattete. Fette Oele oder solche enthaltende Prä- parate, wie Malbutter oder Retouchirfirnisse, die sich mit dem Pinsel oder mit der Hand einreiben und,

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ohne einen Ansatz erkennen zu lassen, mit der Um- gebung verbinden Hessen, musste ich aus den oben mitgetheilten Gründen, wegen der unvermeidlich nachfolgenden Veränderungen der Oele von vorn- herein ausschliessen. Diese Betrachtung führte mich auf die Anwendung des Copaivabalsams. Neben den chemischen Gründen, die für diese Wahl maassgebend waren, bestimmten mich dazu wesentlich auch die Erfahrungen, welche der leider zu früh verstorbene Landschaftsmaler August Löffler mir auf meine Ver- anlassung hin mittheilte. Dieser ausgezeichnete Künstler hatte seit zwanzig Jahren eine ausgedehnte Anwendung des Copaivabalsams bei seinen Gemälden gemacht, und nur gute Resultate davon gesehen. Er zeigte mir Oelskizzen, die, viele Jahre lang in Mappen auf bewahrt, nicht im mindesten nachgedunkelt oder gelb oder spröde geworden oder gesprungen oder überhaupt verändert waren, er zeigte mir farbige Gemälde, die in mehr als io Jahren noch nicht ge- firnisst worden und dennoch ganz klar geblieben waren. Die Erfahrungen Löfflers beruhigten mich vollständig über das Verhalten des Copaivabalsams mit der Zeit. Ich fing nun an, die Wirkungen des- selben auf die molekulare Trennung der Firnisse und der Bindemittel der Farben in grösserm Umfang zu prüfen. Er bewährte sich ganz ausgezeichnet, und ich sah bald ein, dass er im Stande sei, ganz allge- meinen Bedürfnissen zu entsprechen, besser als alle ähnlich wirkenden Mittel.

Was den Copaivabalsam ganz wesentlich z. B. von Mastix- oder Dammarfirniss unterscheidet, ist die Zeit des Beweglichbleibens auf und in der Substanz

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des Gemäldes. Diese Firnisse erlangen an der Luft bald eine Consistenz, dass sie der Attraktion oder Anziehung der darunter liegenden, molekular ge- trennten und daher fein porösen Theile des Gemäldes nicht mehr folgen können, sondern dieser Anziehung Widerstand leisten, und die molekulare Trennung unbehindert fortschreiten lassen, während der Copaiva- balsam die hierzu ausreichende Beweglichkeit ungleich länger behält , und in dem Maasse selbst bei fort- schreitender molekularer Trennung lange Zeit sofort regenerirend zu wirken im Stande ist. Firniss wird da- her nie so tief eindringen und die molekulare Trennung nie so lange verzögern können, wie Copaivabalsam.

Um so viel Firniss auf ein Bild zu bringen, dass auch nach dem Verdunsten der flüchtigen Theile noch so viel übrig bleibt, als zur richtigen optischen Wir- kung der Farben nothwendig ist, ist stets eine viel grössere Menge erforderlich, als von Copaivabalsam. Der optische Zweck des Firnisses ist, in die Farbe einzudringen, wie man sagt, sie zu sättigen, nicht aber eine Schichte über dem Gemälde zu bilden. Nach dem Aufstreichen des Firnisses würden die Farben ihre volle Geltung behaupten, wenn man auch allen , der nicht eingedrungen ist, wieder ab* wischen könnte , ähnlich wie die Transparenz von Papier nur durch jenen Theil des dazu verwendeten Oeles, welcher eingedrungen ist, bewirkt und durch einen Ueberschuss nicht mehr erhöht wird. Jede Firnissschichte über den Farben ist nur ein optisches Hinderniss, aber kein optisches Hilfsmittel zur Be- trachtung der eigentlichen Farbe mehr; nur die vor- handenen Zwischenräume zwischen den Farbtheilchen

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auszufüllen, ist seine Bestimmung, und dazu ist äusserst wenig erforderlich. Bei der unvermeidlichen Schwin- dung des getrockneten Oeles in der Farbe vermehren sich allerdings die Zwischenräume mit der Zeit, und ein Oelgemälde wird nach und nach immer mehr im Firniss gelöstes Harz in sich aufnehmen, aber immer braucht ihm nur jene Menge von Zeit zu Zeit zuge- führt zu werden, welche es in sich aufnehmen kann; was darüber haften bleibt, erfüllt kein principielles Bedürfniss mehr, ist ein Ueberfluss, von dem man höchstens sagen kann, dass er nicht schadet, wenn er gewisse Gränzen nicht übersteigt.

Die den Farben im Laufe der Zeit nothwendig werdende Firnissmenge waren wir bisher gewohnt denselben nur von der Oberfläche aus beizubringen, was bei Gemälden auf Holz und Metallplatten auch künftig wird geschehen müssen , was aber bei Ge- mälden auf Leinwand nicht nothwendig ist, die auch theilweise von hinten damit getränkt werden können. Bei Gemälden auf Leinwand hat man s\ch bisher aus Unkenntniss des eigentlichen Sachverhaltes eines grossen Vortheils nicht bedient, den das Material darbietet, und welcher geeignet ist, diesem Material künftig einen grossen Vorzug vor allen übrigen zu sichern. Was man Nahrung eines Oelgemäldes nennt, hat man bisher fast ausschliesslich durch die Oberfläche einzuführen gesucht , während man so leicht den Grund und Boden des Gemäldes, wenn es auf Leinwand ist, damit versehen kann. Der Copaiva- balsam enthält alles, was ein Oelgemälde zu seiner Nahrung bedarf, und der Copaivabalsam bleibt zu- gleich am längsten in dem Zustande, in welchem er

Pettenkofer, Regenerationsverfahren. .

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dem Gemälde als Nahrung dienen kann. Ein gehörig genährtes Oelgemälde vermag daher auch allen Ein- flüssen der Atmosphäre am besten zu widerstehen, und je vollständiger alle Poren, alle Zwischenräume mit solchem Nahrungsmittel ausgefüllt sind , um so weniger Zutritt hat die Luft zu der ganzen Substanz des Gemäldes, um so besser wird es sich conser- viren. Darin ist der wesentliche Grund zu suchen, warum Gemälde eine Zeit lang, viele Jahre lang dem Einfluss der Atmosphäre in bestimmten Räumlich- keiten widerstehen, und warum sie von einer gewissen Zeit an denselben Einflüssen gegenüber sich dann so sehr und schnell verändern. In dem Maasse, als sich die molekulare Trennung vermehrt, in demselben Maasse vermehren sich auch die Angriffspunkte für die Atmosphäre und ihre Einflüsse, unter denen die Wirkungen des Sauerstoffes und der Wassernieder- schläge die wirksamsten sind.

Aus diesen Gründen habe ich von einer gewissen Zeit an in allen Fällen, wo die blosse Behandlung mit alkoholhaltiger Luft nicht mehr vollständig den molekularen Zusammenhang herzustellen vermochte, fast nie mehr frischen Firniss, sondern nur Copaiva- balsam verwendet.

Manche Fälle von molekularer Trennung wider- stehen sehr lange und hartnäckig dem Regenerations verfahren. Unter diese gehört namentlich die soge- nannte Ultramarinkrankheit. Es ist bekannt, dass mit Ultramarin gemalte Gewänder und Draperien hier und da alle Modelirung verlieren und wie graublau ange- strichene Flächen erscheinen. Ueberstreicht man solche Flächen mit frischem Oel, Firniss oder Copaiva-

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balsam, so werden sie auf der Oberfläche allerdings glänzend, aber doch tritt ihre Farbe nicht mehr her- vor. Solche Stellen hat man bisher gewöhnlich auf die Art restaurirt, wie man nie restauriren sollte, man hat sie neu übermalt. Auf meine Veranlassung hin versuchte Herr Conservator Frey ein Bild von Malbodius, Inv. -No. 38, die Danae im Goldregen sitzend darstellend, durch das Regenerationsverfahren zu behandeln. Eine kreisrunde Stelle eines blauen, ultramarinkranken Mantels wurde mit Copaivabalsam eingerieben und seine Wirkung abgewartet. Nach einigen Tagen zeigte sich die Oberfläche dieser Stelle wohl glänzend, aber in der Farbe war keine Aenderung wahrzunehmen. Es wurde nun eine runde Schachtel mit weingeisthaltiger Luft aufgelegt. Als diese nach einiger Zeit wieder abgenommen wurde, hatte die Oberfläche wieder allen Glanz verloren, war sogar matter als die ganze Umgebung geworden, ohne an Farbe etwas gewonnen zu haben. Wäre dieser Versuch in einer früheren Zeit angestellt worden, so hätte vielleicht ich selbst aus dem Resultat den Schluss gezogen, dass in diesem Falle das Regene- rationsverfahren nichts zu ändern vermöge; da ich und Frey aber schon öfter erfahren hatten, dass man nicht vorschnell den Versuch aufgeben dürfe, wurde die Stelle abermals mit Copaivabalsam eingerieben, und da glaubte Frey schon eine geringe Zunahme der Färbung gegenüber der Umgebung wahrzunehmen. Der alkoholhaltigen Luft darnach ausgesetzt, wurde die Stelle wieder matt. Bei dem darauffolgenden Einreiben mit Copaivabalsam war es nun schon un- verkennbar, dass die blaue Färbung zunahm. Viel-

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leicht dreissigmal abwechselnd auf diese Art be- handelt, wurde diese runde Stelle im blauen Mantel wieder zu voller Intensität gebracht und hat sich seit fünf Jahren unverändert erhalten. Dieser Fall ist in so fern lehrreich, als er zeigt, wie nur eine oft wieder- holte Quellung allmählich die molekulare Trennung aufzuheben vermag, und dass weder die alkoholhaltige Luft, noch der Copaivabalsam für sich allein zum Ziele führen. Die Wirkung dieses abwechselnden An- und Abschwellens scheint mir ähnlich zu wirken, wie oft ein gelindes Schütteln, Rütteln oder Klopfen wirkt, wodurch man durch häufige Wiederholung eines geringen Anstosses Bewegungen erzielt, die auf einmal durch die grösste Kraft nicht zu erzielen sind.

Aehnliche Erscheinungen wie das Ultramarin ver- ursacht nicht selten auf Oelgemälden die Grüne Erde, überhaupt alle sehr thonerdehaltigen oder sonstigen Farben aus sehr hygroskopischen Stoffen, welche die Wassercondensation aus der Atmosphäre mehr als andere begünstigen. Der obenerwähnte Fall mit der Landschaft von van der Velde gehört ohne Zweifel auch zu dieser Art, von der ich noch mehrere an- führen könnte.

Viele Fälle kamen vor, dass die weingeisthaltige Luft einen Firniss zwar wieder durchsichtig machte, aber zahllose kleine Risse sich zeigten, die zwar nicht von der Regeneration herrührten, sondern schon vor derselben vorhanden waren, aber früher viel weniger sichtbar und wegen der vorherrschenden Trübe der ganzen Oberfläche kaum bemerkbar waren. Um diese, wenn sie gewisse Dimensionen nicht über- schritten, zum Verschwinden zu bringen, genügte in

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der Regel, die gefirnisste Oberfläche mit einer äusserst geringen Menge Copaivabalsam einzureiben, nur mit so viel , als eindrang und nicht mehr abgewischt werden konnte. Setzte man ein so behandeltes Ge- mälde neuerdings der alkoholhaltigen Luft aus, so verschwanden alle Continuitätsstörungen und erhöhte sich die Klarheit des Tones noch sehr beträchtlich.

Die zweite Frage, was zu thun ist, wenn die auf einem Bilde befindliche Harz- Firnissmasse zu gross oder qualitativ zu verändert ist, um ohne Störung belassen werden zu können, vermag ich weniger be- stimmt zu beantworten. Diese Frage führt auf das leidige Kapitel des Firnissabnehmens und des Putzens, was das Regenerationsverfahren eben für alle Zukunft vermeiden und entbehrlich machen soll. Wenn aber nach dem Regeneriren der Firniss sehr dick und im Tone zu gelb erscheint, so ist doch der Wunsch gerechtfertigt , die Masse desselben so weit zu ver- ringern und theilweise zu entfernen, als es ohne Ver- letzung der Originalität der Farbe geschehen kann.

Es frägt sich zunächst, ob man einen solchen Harzfirniss abnehmen soll vor oder nach dessen Regene- ration. — - Nach meiner Ansicht unzweifelhaft nach der Regeneration, schon weil man während der ganzen Operation dann die Farben immer deutlich sehen kann und sie schon deshalb weniger verletzen wird. Nebstdem erlangt der Firniss durch die Regeneration eine viel gleichmässigere Consistenz, als er zuvor hatte, wird sich daher bei jeder Art des Abnehmens gleichmässiger verhalten.

Das Abnehmen des Firnisses kann nie ein voll- ständiges sein, ohne die Originalität der Farbe zu

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verletzen, man wird sich daher stets etwas vom alten Firnisse auf dem Gemälde gefallen lassen müssen, nur Charlatane können behaupten, dass sich ein Harzfirniss vollständig abnehmen Hesse , ohne die Farben oder Lasuren zu verletzen, denn der Harzfirniss wird ja schon deshalb angewendet, weil er in die Farbe ein- dringt und nicht bloss über ihr liegt. Um sicher zu gehen, wird man deshalb mit dem Abnehmen der Harzfirnisse immer schon viel früher einzuhalten haben, ehe man an die noch vom Künstler herrührende Farbenschichte gelangt, es mag das Abnehmen nun auf sogenanntem trockenem oder nassem Wege ge- schehen. Der trockene Weg ist vorsichtiges Abreiben mit den Fingerspitzen, nachdem man sie zuvor mit etwas Harzpulver bestreut hat; der nasse Weg ist allmähliches Auflösen des Harzes mit dazu geeigneten Mitteln und Abwischen mit weichen Leinwandlappen. Unter diesen Mitteln richtet das sogenannte Putz- wasser, ein Gemenge aus Weingeist und Terpentinöl, leicht den grössten Schaden an und ist daher ganz zu vermeiden. Viel langsamer, aber sicherer kommt man mit Terpentinöl oder Copaivabalsam zum Ziele, womit die Firnissfläche überstrichen und dann eine Zeit lang der Ruhe überlassen wird, um darnach ab- gewischt und wiederholt auf gleiche Art behandelt zu werden. Gemenge von fetten Oelen mit Terpen- tinöl oder Copaivabalsam zu diesem Zwecke sind ganz zu vermeiden, aus Gründen, die ich oben bereits angegeben habe. Durchschnittlich ist es der trockene Weg, welcher bei gehöriger Vorsicht am schnellsten und sichersten zum Ziele führt. Am besten werden solche Operationen stets einem Restaurator über-

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tragen, der gehörige Uebung darin hat, aber unter den ausdrücklichen Bedingungen, dass er den Firniss nicht ganz abnehme und kein Putzwasser und keine fetten Oele dazu verwende.

Was ist zu thun, wenn ein in Folge molekularer Trennung trüb gewordenes Oelgemälde kein Harz oder keinen Harzfirniss enthält? Die Antwort liegt bereits im Vorhergehenden und in der Natur der Sache. Einem solchen Gemälde muss man eben so viel Harz oder Harzfirniss zuführen , als nöthig ist, die molekularen Zwischenräume auszufüllen. Nach- dem man mit Wasser und darnach mit Terpentinöl zufällig anhaftenden Schmutz möglichst zu entfernen gesucht hat , nährt man ein solches Gemälde mit Harzfirniss oder Copaivabalsam. Bisher hat man in solchen Fällen sehr häufig frisches Oel zum soge- nannten Austränken der Farben angewendet, weil man von der Vorstellung ausging, dass das trockene Aussehen der Farben wesentlich von einer Ver- flüchtigung des Oeles herrühre. Das Oel dringt nur sehr allmählich in die Zwischenräume ein; was auf diesen Wegen bereits erhärtet, versperrt dem nachfolgenden dauernd den Weg, aber auch das ein- gedrungene verliert, abgesehen davon, nach längerer Zeit gleichfalls seine Cohäsion, wird dadurch selbst trüb, und es ist bereits gesagt worden, dass es stets nur mehr unvollständig gelingt, erhärtetes und trüb gewordenes Leinöl oder Mohnöl wieder klar zu machen. Zum Austränken bereits erhärteter Oel- farben eignen sich daher die trocknenden Oele nicht, sondern nur Harze oder Copaivabalsam.

Aber auch diese vermögen in den allermeisten

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derartigen Fällen nur sehr allmählich zu wirken, ähn- lich , wie ich es vorhin bei der sogenannten Ultra- marinkrankheit nachgewiesen habe. Wenn man auf ein solches trübes Gemälde, auf welches die alkohol- haltige Luft keine Wirkung äussert, Firniss streicht, so wird seine Oberfläche allerdings glänzend, aber in der Regel gewinnt die Farbe nur wenig an Kraft. Ist der Firniss ganz getrocknet und setzt man das Gemälde eine Zeit lang dem Einflüsse der alkohol- haltigen Luft aus, so wird man meist damit über- rascht, dass beim Herausnehmen aus dem Apparate aller Firniss wieder verschwunden, die vorher stark- glänzende Oberfläche wieder ganz matt geworden ist. Bringt man nun wieder Firniss oder Copaivabalsam auf ein so behandeltes Bild, so sieht man die Farbe schon viel kräftiger erscheinen, als das erstemal. Dieses abwechselnde Einsaugen von Firniss oder Copaivabalsam, dann das darauffolgende Aufquellen des Eingesogenen in der alkoholhaltigen Luft, be- fördert das Austränken oder Sättigen der Farbe wie kein anderes Mittel. Erst wenn die Farben ausge- tränkt sind, d. h. die molekulare Trennung aufgehoben und der Zusammenhang wieder hergestellt ist, kann man urtheilen, was an Farbe auf dem Bilde noch zu sehen ist. Vorher kann man nicht sicher darüber urtheilen, was verputzt, verwaschen, übermalt oder nachgedunkelt ist. Eines der merkwürdigsten Bei- spiele dieser Art lieferte eine Landschaft von C. Huys- mann (Inv. - No. 735) , in welcher die molekulare Trennung in Verbindung mit feinen Rissen eine der- artige optische Störung hervorrief, dass es täuschend so aussah, als wäre Boden und Weg im Vordergründe

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mit grauem Grase bedeckt, während dieser Theil sich allmählich zu mit warmen Tönen gemalten Flächen aufklärte.

Was geschieht, wenn auf einem Bilde verschiedene Harz- und Oelfirnisse übereinander oder Gemenge von solchen gestrichen sind, die sich gegen die alkohol- haltige Luft verschieden verhalten? Ein solches Ge- menge von Harz- und Oelfirniss ist z. B. die gewöhn- liche Malbutter. Aus einer alkoholhaltigen Luft condensiren nur die Harztheile Weingeist und er- weichen, nicht die Oeltheile; die dadurch beweglich gewordenen Harztheile machen den Firniss anfangs klarer, dauert die Einwirkung aber länger, und hat auch die darunter liegende Farbe ihren molekularen Zusammenhang verloren, so zieht sich etwas Harz in die Farben, während das Oel liegen bleibt, und die Oberfläche matt, rauh und selbst runzlig erscheinen lässt. Man sieht das schon immer bei den Vorproben, die man mit kleinen auf die Gemälde aufgelegten Apparaten anstellt. Bei solchen Gemälden versucht man, wie weit man dem Firnisse mit Umgehung der Anwendung der alkoholhaltigen Luft durch blosses Einreiben von Copaivabalsam seinen molekularen Zu- sammenhang und damit seine Klarheit wieder zu geben vermag. Bei zwei Gemälden aus neuerer Zeit ist es mir vorgekommen , dass durch längere Ein- wirkung der alkoholhaltigen Luft einzelne Stellen der Farbe runzlig sich zusammenzogen; wahrscheinlich waren das Stellen, die unter Anwendung von einer grossem Menge Malbutter öfter übermalt waren und deren Oel noch nicht hinlänglich erhärtet war. Auf älteren Bildern ist mir diese Erscheinung in der

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grossen Anzahl von Fällen, die bereits auf diese Art behandelt worden sind . nicht ein einzigesmal vorge- kommen. Diese runzlig aufgezogenen Farbstellen Hessen sich aber durch öfteres Einreiben mit Copaiva- balsam und Beschweren wieder vollständig glätten und niederlegen , sodass ein dauernder Nachtheil auch in diesen beiden Fällen nicht entstanden ist. Eines dieser Gemälde ist ein Studienkopf im Besitze des Herrn Professors Carl v. Piloty, der sich darnach seit 5 Jahren unverändert gehalten hat.

Die Frage, ob man Oelfirnisse oder ölhaltige Firnisse nicht unter allen Umständen vermeiden soll, muss von vornherein auf das entschiedenste bejaht werden. Es entsteht aber die weitere Frage, ob man solche Firnisse, wenn sie einmal auf einem Gemälde sind, belassen darf, oder ob man sie unter allen Um- ständen entfernen muss. Diese Frage lässt sich nicht so bestimmt beantworten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich solche Firnisse durch zeitweise Be- handlung mit nur Spuren von Copaivabalsam klar er- halten lassen, aber meine Erfahrung in dieser Richtung erstreckt sich erst über einen Zeitraum von 5 bis 6 Jahren. Wenn Oelfirnisse sehr dick, hornartig und gelb geworden sind , so muss man natürlich ihre Ent- fernung wünschen, aber selbstverständlich auch nur dann, wenn es geschehen kann, ohne die Originalität der Farben zu verletzen, für welche es immer besser sein muss , sie durch eine , wenn auch dicke und gelbe, doch klare Schichte hindurch erhalten zu sehen, als ein verputztes Gemälde vor sich zu haben. Die Mittel , welche uns zu Gebote stehen , erhärtete Oel- schichten aufzulösen, sind allerdings zahlreich; die

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ätzenden Alkalien (Aetzkali , Aetznatron , Aetzammo- niak) stehen oben an , dann folgen die Putzwasser, wesentlich Gemenge von Weingeist , ätherischen und fetten Oelen, aber sie alle lösen und erweichen natür- lich die Oelfarbe ebenso leicht , wie den Oelfirniss. Alle Mittel, welche Oelfirnisse auflösen, kommen mir in ihrer Anwendung auf Gemälde vor wie Feuer, das man zur Trennung brennbarer oder schmelzbarer Gegenstände in Ermangelung von Säge und Scheere gebrauchen wollte. Man kann von einem Holzstamm ein Stück abbrennen und das Feuer an einer Stelle auslöschen, über welche man die Wirkung nicht hin- ausgehen lassen will, man kann ein Stück Zeug oder Papier sengen oder durch Verkohlung an einer be- liebigen Stelle trennen, ebenso kann man einen Metall- stab oder Blech an einer Stelle abschmelzen, aber man wird bei Stoffen, die sich durch ihre ganze Masse hindurch gegen das Feuer gleich verhalten, seine Wirkungen in keine so scharfen Gränzen einzuschliessen vermögen, wie die Gränze zwischen einem Gemälde und seinem Firniss ist. Deshalb ist auch beim Firnissabnehmen die mechanische Trennung durch Abreiben noch immer das mindestgefährliche, was bei Harzfirnissen am besten gelingt, weil die Cohäsions- verhältnisse des Firnisses von denen der Oelfarbe so verschieden sind: nicht so zwischen Oelfirniss und

Oelfarbe, wo sogar das umgekehrte Verhältniss ist, dass der Firniss cohärenter als die Farbe ist , weil der Firniss ganz aus dem Stoffe besteht , der in den Farben nur in viel geringerer Menge enthalten ist, und diesen erst ihre Festigkeit zu geben hat.

Wenn die Farben geschont werden sollen, dürfen

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deshalb die Oelfirnisse ebenso wenig , als die Harz- firnisse, vollständig abgenommen werden, und wer sagt, er habe Mittel, sie ganz abzunehmen, ohne zu- gleich einen Theil der Farbe mit wegzunehmen, der sagt einfach eine Unwahrheit. Als ein Mittel, erhär- tetes Oel oder Oelfirniss allmählich zu lösen und abzuwischen, habe ich ein Gemenge von gleichen Theilen absolutem Weingeist und Copaivabalsam be- funden, womit man Baumwolle befeuchtet und die Oelkruste damit abwischt oder abputzt. Wie weit, bis zu welcher Gränze damit ein geschickter Restaurator gehen kann , ohne die unter dem Oelfirnisse liegende Farbenschichte zu verletzen, will ich ihm überlassen. Jedenfalls scheint mir das Mittel viel milder zu sein, als alle, die gewöhnlich zur Anwendung kommen.

Ich werde später noch das Verhältniss des Regene- rationsverfahrens zur bisherigen Gemälderestauration und namentlich auch eine Reihe von Befürchtungen und Einwürfen besprechen, die gegen mein Verfahren geltend gemacht worden sind , aber ich halte es be- reits hier am Platze, ein Beispiel mitzutheilen , was unsere Regierungen, Galleriedirektoren und sonstigen Gemäldebesitzer haben alles geschehen lassen , ohne dass ihnen nur der leiseste Zweifel aufgestiegen ist, dass Oelgemälde beschädigt werden könnten. Jede Methode war ihnen recht und sie hatten nichts da- gegen zu erinnern , wenn sie nur von dem rechten Manne ausgeübt wurde. Höchst lehrreich ist in dieser Beziehung, was Dr. Lucanus in seiner so weit ver- breiteten »Vollständigen Anleitung zur Erhaltung, Reinigung und Wiederherstellung der Gemälde«, wo- von nächstens eine fünfte Auflage erscheinen wird,

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gerade über die Entfernung der Oelfirnisse, S. 73, angibt. Lucanus spricht: »Wenn dergleichen Oel-

überzüge wiederholt aufgetragen und verhärtet sind, auch ein Gemisch aus Mohnöl und Copaivabalsam oder aus 5 Theilen Oel und einem Theile venetiani- schem Terpentin selbst längere Zeit erfolglos ange- wendet ist, so muss man zu Alkalien seine Zuflucht nehmen. 1 Theil kaustischer Salmiakgeist mit 2 Thei- len Weingeist von 90 Procent wird dann zum wieder- holten Betupfen, erforderlichen Falles auch ziemlich heiss, angewendet, oder deren Wirkung durch Ueber- halten oder Ueberlegen erwärmter Metallplatten ver- stärkt. Der Salmiakgeist saponificirt die Oelkruste, macht sie geeigneter , sich mit Oel und schleimigen Flüssigkeiten besser zu verbinden. Bevor man zu dem Abrollen mit etwas Oel und warmem Wasser oder Weingeist schreitet, ist es häufig erspriesslich, auf die Oelmischungen elastischer gewordener Oel- krusten Leinwand mit starkem Leim aufzukleben und zu versuchen, bei dem Abreissen der Leinwand auch die Oelkruste mit aufzuheben. Bleiben dann noch Reste derselben auf den Bildern, so kann man diese von Neuem mit Oel bestreichen und bei dem Ab- rollen auch Stärke, Mastixpulver, sowie groben, rund- körnigen Sand zu Hilfe nehmen .... Bei Gemälden auf Kreidegrund ist das Behandeln mit heissem Wasser selten zulässig, da das Wasser selbst durch die un- bedeutendsten Risse eindringt, den Grund erweicht und ein Ablösen der Farben verursacht. Solche Ge- mälde werden vor dem Reinigen stets mit warmem Oel eingerieben. Zum Erweichen und Abnehmen alter Oelhäute muss man hier ausser dem Oel nur

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Weingeist von 90 Procent anwenden, weil dieser den Kreidegrund weniger erweicht, als der schwächere Weingeist .... Widersteht Schmutz allen den ge- nannten Mitteln auch bei wiederholter Anwendung, so reinige man das Bild wieder vollkommen von den Putzmitteln und betupfe die tiefer liegenden Schmutz- stellen entweder mit einer Mischung aus 1 Theil Salz- säure und 7 Theilen Weingeist, oder mit Salmiakgeist, dem 4 bis 5 Theile Weingeist zugesetzt sind, bis der Schmutz locker wird und an dem Brodteige haftet.«

Ich glaube, das Angeführte wird genügen, jedem Denkenden die Ueberzeugung beizubringen, dass von allen erwähnten Mitteln und Proceduren die weingeist- haltige Luft und das Einreiben mit Copaivabalsam noch weitaus das gelindeste ist. Man könnte nur denken, die Restauratoren besässen andere Mittel, als Lucanus angibt, aber das ist nicht der Fall; den- jenigen, welche das nicht eingestehen wollen, welche Lucanus nicht als Autorität anerkennen wollen, bleibt daher nichts übrig , als sich und ihr Restaurations- atelier in den Schleier des Geheimnisses zu hüllen.

Ich halte Lucanus für einen ebenso erfahrenen und gewandten Restaurator, als irgend einen der be- rühmten Geheimnisskünstler und Gallerie- Leibärzte, und nebenbei für einen durch und durch ehrenhaften, aufrichtigen Mann, denn er sagt zuletzt, S. 1 1 5 : »Ist nun endlich Alles geschehen, was erforderlich war, den Gemälden das Entstellende und das nicht Wesent- liche zu nehmen so beginnt ein neuer, der

letzte Theil der Restauration, mit Farben und Pinsel.« Hierauf komme ich. wie bereits erwähnt, später noch näher zu sprechen.

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Die Frage, was kann geschehen, um das erneute Eintreten der molekularen Trennung in regenerirten Gemälden möglichst zu verzögern und zu verhindern? hat für die Conservirung unserer Gemäldeschätze ge- wiss eine hohe Bedeutung. Es ist selbstverständlich, dass ein Gemälde , welches durch blosse Quellung in einer alkoholhaltigen Luft seinen molekularen Zu- sammenhang wieder empfangen hat, diesen in seinem gewöhnlichen Aufbewahrungsorte auch wieder ver- lieren muss, wenn die Umstände vor und nach der Regeneration dieselben bleiben. Die Veränderung der Oelgemälde hängt theilweise von der Substanz der Gemälde, theilweise von atmosphärischen Einflüssen ab. Die erste Reihe von Ursachen habe ich bereits auseinandergesetzt, und auch die zweite in ihrem Wesen schon hervorgehoben, es bleibt mir nur noch übrig, die beiden Reihen in ihrer Wechselbeziehung zu betrachten.

Ich habe Pulver von Mastixharz vor längerer Zeit (am 12. Oktober 1864) auf einem Uhrglase ausge- breitet, es in alkoholhaltiger Luft so lange quellen lassen, bis alle Zwischenräume ausgefüllt waren und das Harz eine zusammenhängende klare Firnissschichte auf dem Glase darstellte. An der Luft verdunstete der absorbirte Alkohol rasch und das Harz blieb als harter, klarer Firniss zurück. Er wurde nach einiger Zeit an der Luft rissig, und in einem auffallenden Grade, als ich ihn öfter anhauchte, bei welcher Ge- legenheit er sich immer mit etwas Wasser beschlug. Nun bestrich ich die Seite des gefirnissten Uhrglases zur Hälfte mit Hilfe eines Borstpinsels, der möglichst wenig Copaivabalsam enthielt, Hess die andere halbe

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Seite unberührt, und setzte das Ganze wieder der Quellung in einer alkoholhaltigen Luft aus. Die ge- firnisste Fläche wurde wieder vollkommen ganz und klar. Die nicht mit Copaivabalsam behandelte Hälfte verhielt sich an der Luft auch das zweitemal genau so , wie das erstemal, hingegen die andere bekam keine Risse. Ich habe dieses Uhrglas bis jetzt auf- bewahrt, die halbirte Fläche hat sich mit ihren charakteristischen Unterschieden bis zum heutigen Tage erhalten. In letzter Zeit versuchte ich auf den rissig gewordenen, aber immer noch ziemlich klar ge- bliebenen blossen Mastix die Einwirkung von Wasser und von dessen Verdunstung, indem ich von Zeit zu Zeit mit einem Haarpinsel etwas destillirtes Wasser auf dem Harze ausbreitete und an der Luft verdunsten liess. Nachdem diess binnen 2 Tagen etwa 20 mal wiederholt worden war, war das Mastixharz ganz un- durchsichtig geworden , hatte allen Zusammenhang verloren und liess sich mit einem trockenen Pinsel als Pulver vom Glase abkehren. Das mit etwas Co- paivabalsam versehene Mastixharz widerstand diesem Einfluss des Wassers bisher fast noch ganz.

Die beiden halbirten Firnissflächen auf dem Uhr- glase haben sich , abgesehen von den einzeln damit angestellten Versuchen, doch gewiss stets unter ganz gleichen atmosphärischen Einflüssen befunden, noch viel mehr als zwei Gemälde an zwei verschiedenen Wänden ein und desselben Saales in einer Gemälde- gallerie, und doch war das Verhalten unter gleichen Einflüssen ein so verschiedenes, entsprechend einer Verschiedenheit in der Substanz. Zwei Gemälde können sich daher in Folge von Verschiedenheiten in

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der Substanz unter sonst ganz gleichen Umständen verschieden gut erhalten.

Auf demselben Uhrglase spricht sich aber auch das verschiedene Verhalten der Gemälde bei gleich bleibender Substanz und veränderten atmosphärischen Einflüssen aus. Das reine Mastixharz, welches wohl rissig geworden , aber länger als 5 Jahre klar geblieben war, und seinen molekularen Zusammenhang ziemlich behalten hatte, wurde binnen 2 Tagen undurch- sichtig und pulverig, als öfter Wasser darauf kam und wieder verdunstete. Dieser einfache Versuch erklärt alle auffallenden Wahrnehmungen, welche die Com- mission gleich anfangs in der Gallerie zu Schleissheim gemacht hatte.

Die Gallerie ist im Winter nicht geheizt. Das Gebäude war als Sommerresidenz der Churfürsten von Bayern gebaut und hat daher sehr grosse und zahl- reiche Oeffnungen, Fenster und Thüren ins Freie, die im Laufe der Zeit noch viel weniger dicht schliessend geworden sind , als sie es anfangs gewesen sein mögen. So oft das Gebäude und die Gemälde in ihm eine wesentlich niedrigere Temperatur hatten, als zur selben Zeit die äussere Luft, musste sich Wasser auf die Gemälde condensiren, was dann bei den entgegen- gesetzten Temperaturverhältnissen wieder verdunstete. Da mag namentlich der Schluss des Winters und der Anfang des Frühlings stets viel mitgewirkt haben, wenn die ersten warmen Tage kamen und man im besten Glauben die Fenster öffnete, um die gute, warme Luft in die eiskalten, dumpfen Räume einzu- lassen und gehörig zu lüften. Deshalb zeigte sich auch alles von so deutlichem Einflüsse auf die Con-

Pettenkofer, Regenerationsv erfahren.

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servirung der Gemälde, was von Einfluss auf die Grösse der Wassercondensation war. In den mit Holz getäfelten Sälen hat das Holz einen Theil des Wassers aus der Luft condensirt, das sich sonst auf die Gemälde niedergelassen hätte; in der Nähe der Fenster ist die Luft wasserreicher gewesen, als nach- dem sie sich schon weiter abgekühlt und Wasser abgegeben hatte; so weit ein Gemälde unter dem höl- zernen Falz des Rahmens liegt , ist sowohl der Luft- zutritt gehemmt, als auch nimmt das Holz den grössten Theil des Wassers für sich; sogar die hölzernen Quer- leisten hinter grösseren Leinwandbildern machen sich auf der Oberfläche durch ihren Beitrag bemerkbar, den sie theilweise durch ihre Wasserabsorption , theil- weise durch ihre Unterbrechung der ungehinderten Strömungen der feuchten Luft an und durch das Ge- mälde leisten, und selbst die Inventarnummer eines Gemäldes kann sich durch ihren Papierzettel auf der Rückseite der Leinwand aufgeklebt auf der Vorder- seite des Gemäldes geltend machen. Endlich ist es sehr begreiflich, dass Herr Conservator Frey gute Resultate davon sah , wenn er vom December bis April die Gemälde aus io Sälen in einen einzigen zusammenstellte , weil sich unter diesen Umständen auch io mal mehr Gemälde in den disponiblen Vor- rath der Luft an condensirbarem Wasser zu theilen hatten, die Einwirkung auf das einzelne also io mal schwächer bleiben musste.

Aus diesen Thatsachen muss man die Lehre ziehen, dass, wenn sich die hygroskopische Eigen- schaft der Gemälde auch nie ganz unterdrücken lässt, so doch in jeder Gallerie die Temperaturverhältnisse

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so weit zu reguliren sind, dass es nie zur Thaubildung oder zu feuchten Niederschlägen kommt. Diese sind auch die wesentliche Ursache , warum Oelgemälde in Kirchen sich meist so schlecht conserviren, in denen sich sowohl die Wasserausdünstungen der andächtigen Menge während des Winters, als auch im Frühlinge das Wasser der warmen Märzluft an den noch kalten Wänden und Altären niederschlägt, dass sie oft förm- lich schwitzen.

Einen sehr unzweideutigen Beleg zu diesem Satze, der übrigens auch sonst hinlänglich begründet ist, hat die Commission in ihrem Schlussberichte vom 23. Februar 1865 mitgetheilt: »In der neuen Pinakothek traten die atmosphärischen Einflüsse so mächtig her- vor, dass gewisse Grade der molekularen Trennung sich in den nördlich gelegenen Räumen bereits an 52 Procent der dort hängenden Bilder zeigten, während in den südlich gelegenen Sälen nur 16 Procent, und in den dazwischen liegenden grossen Sälen nur 10 Procent davon ergriffen waren. Ebenso deutlich, wie sich dieser Einfluss im ganzen aussprach, trat er auch noch hervor, wenn man einzeln verglich, wie sich Bilder von ein und demselben Meister conservirt hatten, je nachdem sie in den südlichen oder nörd- lichen Räumen des Gebäudes hingen. Dass dieser Unterschied in der neuen Pinakothek so bedeutend und regelmässig hervorgetreten ist, viel regelmässiger, als anderswo, erklärt sich wohl daraus, dass das Ge- bäude nach allen Seiten hin freisteht, im Innern an den Wänden keine Holzverschalung hat, während des ganzen Winters ungeheizt und das ganze Jahr hindurch, mit Ausnahme der Besuchstunden, völlig unbewohnt

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ist. Unter diesen Umständen konnten sich die natür- lichen atmosphärischen Einflüsse des Klimas ohne alle Störung geltend machen , sodass dieser Fall für den wissenschaftlichen Beobachter den vollen Werth eines Experimentes hat.«

Also die von der Sonne erwärmte südliche Hälfte gibt zu viel weniger Niederschlägen Veranlassung, als die kältere nördliche.

Da in der neuen Pinakothek zu München nach- träglich eine Heizung nicht leicht mehr einzuführen ist, so liess König Ludwig I., dessen Privateigenthum das Gebäude und die Sammlung war, in den nördlich gelegenen Cabineten Vorhänge über sämmtliche Wände anfertigen, die nach Schluss der Besuchszeit über die Bilder gezogen werden sollen, sowohl um den Luft- zug über sie zu mässigen, als auch das Wasser auf die Vorhänge theilweise abzuleiten. Solche Vorrich- tungen haben den grossen Uebelstand, dass sie dem Dienstpersonal täglich Mühe machen, auf deren regel- mässigen Aufwand man nur bei strenger Controle rechnen kann.

In unserer Zeit, wo man so viel von Ventilation spricht, finde ich es angezeigt, auch einiges über die Ventilation der Gemäldegallerien zu sagen, und zwar deshalb, weil ich selbst von Architekten schon gefragt worden bin, ob man denn da nicht durch eine gute Ventilation viel Gutes stiften könnte. Diese Vor- stellung beruht auf ganz falschen Voraussetzungen. Mancher meint, die Gemälde bedürften der frischen Luft und des Luftwechsels wie der Mensch , der täg- lich etwa 8000 Liter in sich aufnimmt, und dieser Menge etwa anderthalb Pfund Sauerstoff entzieht und

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ihr etwa ebenso viel Kohlensäure und gegen 2 Pfund Wasserdampf mittheilt. Wenn die Gemälde einen der- artigen Stoffwechsel wie der Mensch unterhielten, so würden sie rasch verzehrt sein, oder sie müssten, wie er, täglich genährt und immer neu geboren werden. Schon der Umstand, dass jene Theile eines Gemäldes, welche vom Holzfalze des Zierrahmens bedeckt sind, sich besser conserviren, als die frei an der Luft stehen- den, zeigt uns, dass Oelgemälde zu ihrem Leben nicht viel Luft brauchen. Dasselbe hat sich schon so oft gezeigt, wenn man Gemälde, die viele Jahre lang in Holzkisten verpackt auf trockenen Speichern ge- standen hatten, immer sehr wohl conservirt gefunden hat, wenn man sie wieder herausnahm. Die Luft in den Gallerien brauchen nur die Besucher derselben, welche übrigens, wenn sie in grosser Anzahl zugegen sind, die Luft so wasserreich machen können, dass sich die Gemälde mit Wasser beschlagen. Für ge- wöhnlich reicht der unvermeidliche Luftwechsel in den Gebäuden wohl aus, das von den nicht zu zahlreichen Besuchern abdunstende Wasser aufzunehmen , ohne sich damit so weit zu sättigen, dass sich ein erheb- licher Theil Wasser auf die Gemälde niederschlägt, und eine Ventilation der Gallerien hätte nur einen Sinn, in so fern sie darauf gerichtet wäre, Wasser- niederschläge auf die Gemälde zu verhindern. Wenn sie diesen Zweck nicht erfüllt, kann sie sogar ebenso schädlich wirken, wie das Einlassen frischer, warmer Frühlingsluft durch offene Fenster in noch winterkalte Säle 'der Gallerien. Es ist unwidersprechlich eine rationelle Einrichtung in der Gemäldegallerie zu Dres- den, besonders werthvolle Gemälde durch Glas vor

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dem ungehinderten Zutritt der Luft zu schützen, ob- schon dadurch für den Beschauer unleugbar optische Schwierigkeiten entstehen. Die Gegenwart muss zu Gunsten der Zukunft auf einen Theil des Genusses verzichten.

Wenn eine Gallerie sich aber auch der besten Heizung und der sorgfältigsten Lüftung erfreut , so sind alle Bewegungen in den Gemälden und jeder Wechsel in ihrem Wassergehalte doch nie ganz zu verhindern, die ganze Aufgabe der Conservirung kann auf diesem Wege doch nie erreicht werden. Es muss auf anderem Wege dafür gesorgt werden, dass ge- wisse kleine und oft wiederkehrende Veränderungen ohne Schaden ertragen werden. Der sicherste Weg dazu ist, den molekularen Zusammenhang des Farb- körpers und Grundes und Firnisses mit Sorgfalt zu erhalten , den unvermeidlichen molekularen V erände- rungen stets conservirend zu folgen. In dieser Be- ziehung verlangen junge Gemälde, oder alte, mit frischem Oel genährte mehr Sorgfalt, als alte, völlig ausgetrocknete, mit Harzfirnissen bereits gesättigte. So lange das getrocknete, aber noch elastische Oel schwindet, dadurch, dass es durch Oxydation und Bildung flüchtiger Produkte von dem Antheil der darin enthaltenen nicht trocknenden Oele allmählich verliert, muss eine Substanz vorhanden sein, welche an die Stelle der verschwundenen tritt. Ist dieser Schwindungsprocess der trocknenden Oele einmal ganz vorüber, dann wird die Substanz des Gemäldes ruhiger und unveränderlicher. Es handelt sich daher bei jungen Gemälden sehr darum , sie über den Zeit- punkt dieser Schwindung allmählich hinüberzubringen,

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ohne dass es zu Zusammenhangstrennungen kommt, die nicht bloss durch ein verändertes Aussehen der Farben als molekulare Trennungen, sondern als Risse und Sprünge schon dem unbewaffneten Auge sich kundgeben. In der neuen Pinakothek zu München hatte man Gelegenheit, diese Wahrheit kennen zu lernen, als in einer grossen Anzahl von Gemälden aus diesem Jahrhundert Spuren des Verderbens auftraten, welche einen unvermeidlichen Untergang der Kunst- werke nur zu deutlich ankündigten. Hofrath v. Hüther nahm es auf sich, den Besitzer der Kunstschätze, König Ludwig I., auf diese unangenehmen Thatsachen aufmerksam zu machen, und mir gelang es, den kunst- sinnigen König zu überzeugen, dass in dem Regene- rationsverfahren die einzige rationelle Abhilfe zu finden sei. Dadurch, dass man die Gemälde, so weit sie Harzfirnisse haben, zeitweise der Quellung in einer alkoholhaltigen Luft aussetzt und was dann etwa noch zur vollen Wiederherstellung des molekularen Zu- sammenhangs fehlt, durch Hinzufügen von Copaiva- balsam ersetzt, mässigt man nicht nur die Wirkung der atmosphärischen Einflüsse , indem man ihre An- griffspunkte im Gemälde verringert, sondern verleiht den Farbkörpern und dem Grunde eine Beweglichkeit, dass der Schwindungsprocess bis zu dem Grade, der unvermeidlich ist, in einer Weise erfolge, welche die Continuität der Gemäldesubstanz nirgend unter- bricht. —

Es gelang mir, in der neuen Pinakothek einige Thatsachen zu constatiren, welche von einer ganz all- gemeinen Bedeutung sind. Ein Fall bezieht sich auf das rasche Zunehmen gewisser Veränderungen, wenn

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im Laufe der Zeit einmal ein gewisser Grad der mole- kularen Trennung eingetreten ist. Ein Gemälde von Dominik Quaglio, etwa aus dem Jahre 1830, eine An- sicht des nun abgebrochenen östlichen Theiles der k. Residenz darstellend (No. 169 in den Cabineten der neuen Pinakothek), war im Jahre 1859 genau von Herrn Albert photographirt worden, ohne dass man damals daran dachte, später einmal diese Photographie als einen unparteiischen Zeugen über den Zustand des Gemäldes zu einer gewissen Zeit aufzurufen. Ich liess nun dasselbe Bild, in derselben Grösse, von demselben Photographen im Jahre 1864 wieder photographiren. Ein Vergleich der beiden Photographien zeigt nun mit aller Zuverlässigkeit, wie gewisse Veränderungen (Sprünge, Risse, Trübungen u. s. w.) in einem Zeit- raum von 5 Jahren zugenommen hatten, um wie viel sie sich vergrössert hatten. Es zeigte sich, dass ge- wisse Veränderungen am Gemälde in den letzten 5 Jahren viel grössere Fortschritte gemacht haben mussten, als in den vorausgegangenen 10 Jahren. Dasselbe Bild wurde nun der alkoholhaltigen Luft ausgesetzt, und darnach mit etwas Copaivabalsan ver- sehen, wodurch die meisten Veränderungen sichtlich ganz verschwanden und sich zurückbildeten, und es hat sich in den letzten 5 Jahren ganz unverändert er- halten.

Eine andere Thatsache beweist den günstigen Einfluss des rechtzeitigen Regenerirens. Als in der neuen Pinakothek die einzelnen Gemälde ausgesucht wurden, welche dem Regenerationsverfahren unterzogen werden sollten, machte ich darauf aufmerksam, dass manche Gemälde anscheinend noch ganz gut erhalten

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sind, dass sie aber trotzdem durch Regeneration sehr merklich an Kraft und Klarheit der Farben gewinnen. Da kam es nun vor, dass diese Voraussetzung in einigen Fällen sich auch als unbegründet erwies, in- dem eine regenerirte Stelle an einem solchen Bilde keinen merklichen Unterschied von seiner nicht regene- rirten Umgebung erkennen Hess. Solche Gemälde wurden selbstverständlich dem Verfahren dann nicht unterworfen. Unter diese Zahl gehörte auch ein Bild von C. Kuntz (Landschaft mit Figuren und Vieh, No. 44 im Cabinet III). Die regenerirte Stelle machte sich aber einige Jahre später sehr bemerkbar, und zwar dadurch, dass sie vollkommen klar und ganz blieb, während ihre unmittelbare Umgebung und über- haupt der ganze übrige Theil desselben trüb wurde und zahllose kleinere und grössere Sprünge zu zeigen begann , die sich stets und so lange vermehrten und vergrösserten, bis das ganze Gemälde regenerirt wurde, was ich gern noch länger verschoben hätte, wenn es die drohende Gefahr für das Kunstwerk ge- stattet hätte.

Eine fernere wichtige Thatsache scheint mir zu sein, dass bei allen Gemälden auf Leinwand es einen sehr guten Einfluss hatte, wenn diese von hinten mit Copaivabalsam bestrichen wurden ; kleine Risse auf der Oberfläche , durch die man hier und da bis auf den Grund sah, sind dadurch oft ohne jede weitere Nachhilfe vergangen.

Wie lange die Wirkung einer Regeneration an- dauert, hängt natürlich ebenso sehr von der Substanz des Gemäldes, als auch von den äussern Einflüssen ab. Letztere als ziemlich gleichmässig angenommen,

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haben sich in der neuen Pinakothek einige auffallende Beispiele von kurzer Dauer ergeben, während bei der grossen Mehrzahl der Fälle die Wirkung bis jetzt un- verändert angehalten hat. Höchst auffallend ist mir das Verhalten eines Gemäldes von Albrecht Adam, das Bildniss des Feldmarschalls Radezky zu Pferd (No. 195 Cabinet XIV), welches fast jedes Jahr regene- rirt werden muss. Um Ross und Reiter herum , die stets klar geblieben sind , breitet sich eine Trübung aus , die alles unkenntlich macht. In alkoholhaltiger Luft verschwindet sie wieder vollständig, ist aber bis jetzt nach einiger Zeit immer wieder zurückgekehrt, auch nachdem das Gemälde vor- und rückwärts Co- paivabalsam erhalten hatte. Ich hoffe, dass diese Be- wegung bald gänzlich zum Stillstand kommen wird, denn der Umfang und die Intensität der Trübung hat jedesmal etwas abgenommen. Es wäre gewiss sehr lehrreich zu wissen, was der Künstler ursprünglich verwendet hat, wodurch diese hartnäckige Erscheinung bedingt ist , was das Hinderniss für eine länger blei- bende Aufhebung der molekularen Trennung, für ein vollständiges Eindringen des Copaivabalsams ist.

In einer Reihe von Jahren und an einer sehr grossen Anzahl der verschiedensten Fälle habe ich jetzt die volle Ueberzeugung gewonnen, dass die alkoholhaltige Luft und der Copaivabalsam , gute ge- bäuliche Verhältnisse vorausgesetzt, die rationellsten Mittel sowohl zur Wiederherstellung als auch zur Er- haltung des molekularen Zusammenhangs der Ge- mäldesubstanz sind , dass sie die einzige Grundlage der operativen Thätigkeit der Conservatoren der Ge- mäldegalerien zu bilden haben, und dass man mit

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Hilfe dieser beiden Mittel die Oelgemälde auf ganz unabsehbare Zeiten hinaus wesentlich unverändert er- halten kann, gleichwie wir in den ägytischen Gräbern noch die unveränderten Farben, Harze, Baumwoll- gewebe und Holz antrefifen.

Zum Schluss dieser Abtheilung habe ich nur noch die Frage zu stellen, ob für ein Gemälde je ein Zeit- punkt kommen kann, wo diese beiden genannten Mittel nicht mehr die gewünschte Wirkung haben , wo sie sich vielleicht erschöpft haben werden. Vorläufig ist ein solches Ende nicht abzusehen. Je mehr an die Stelle des von der Luft verzehrbaren Theils der trocknenden Oele in den Farben Copaivabalsam oder dessen Harz tritt, um so unveränderlicher wird der ganze Gemäldestoff an der Luft werden, und wenn in Folge der atmosphärischen Einflüsse auch immer wie- der molekulare Trennungen stattfinden, so regenerirt sich das Gemälde in der alkoholhaltigen Atmosphäre immer vollständiger und leichter, je mehr harzige Körper an die Stelle der fetten Oele getreten sind. Wenn nach Ablauf einer gewissen Zeit auch das Oel nicht mehr schwindet, so wird noch lange über diesen Zeitpunkt hinaus der Copaivabalsam schwinden , der ja nur etwa zur Hälfte seines Volums aus nicht flüch- tigen Harzen und zur andern Hälfte aus ätherischen Oelen besteht, welche, wenn auch um gar vieles lang- samer als Terpentinöl oder andere ätherischen Oele in den gewöhnlichen Firnissen, aber doch immer flüchtig sein werden.

An die Stelle, welche das Schwinden des Copaiva- balsams wieder frei macht , kann eine neue Menge Copaivabalsam treten, und so werden sich die Räume,

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welche das Schwinden des ursprünglich die Oelfarbe erfüllenden Oeles offen gemacht hat , im Laufe der Zeit mit immer dicker und dicker werdendem Copaiva- balsam füllen , ohne deshalb das Volum des Farb- körpers zu vermehren und damit seine optischen Wirkungen zu verändern.

Wenn zuletzt ein Gemälde nichts mehr einzu- saugen vermag , d. h. wenn sich kein Schwinden des Oeles und des Copaivabalsams mehr zu erkennen gibt, was vielleicht erst in Jahrhunderten eintritt dann wird die Zeit gekommen sein, wo man dem Ge- mälde keinen Copaivabalsam mehr zuführt, sondern nur mehr das ätherische, schwerflüchtige Oel desselben, vom Copaivaharze durch Destillation zuvor getrennt. Wenn nun .der unvermeidliche Einfluss der Atmo- sphäre auch in solchen Gemälden zuletzt immer wie- der molekulare Trennungen hervorruft, und nach der Natur der Stoffe auf einem Gemälde hervorrufen muss, so wird die alkoholhaltige Luft den Zusammenhang immer wieder für längere Zeit herstellen und der Er- satz des ätherischen schwerflüchtigen Copaivaöls wird die Masse immer wieder vor zu grosser Sprödigkeit schützen. Indem man auf diese Art stets nur mehr ersetzt, was das Gemälde verliert , eliminirt man be- ständig die unvermeidlichen Einwirkungen der atmo- sphärischen Zustände und damit die Wirkungen der Zeit auf die Kunstwerke in den Gemäldegallerien.

Die gegen das Regenerationsverfahren gemachten Einwürfe.

Es war nicht anders möglich, als dass das Regene- rationsverfahren schon deshalb Anstoss erregte , weil es auf viel einfacheren Vorstellungen ruhte, als man sich bisher über die Sache gemacht hatte. Die Galleriedirektoren und Restauratoren waten gewohnt, ihren Herren und dem Publikum gegenüber ihre Stärke stets in der Behauptung zu suchen, dass jedes Gemälde seine besondern Eigenheiten besitze, dass jedes etwas anders behandelt werden müsse, dass man nicht sorg- fältig genug individualisiren könne, dass der Schwer- punkt in der Wahl der geeigneten Persönlichkeit, des Restaurators liege; das Regenerationsverfahren, wel- ches nur ein einziges , aber allerdings allgemeines Uebel, die molekulare Trennung, im Auge hatte, schien nur generalisiren und jedes Individualisiren aus- schliessen zu wollen, und legte den Schwerpunkt in eine von der Persönlichkeit unabhängige, wissenschaft- lich begründete Methode. Da man aber gerade auf

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das Individualismen und die Person bisher das Haupt- gewicht gelegt hatte , so wäre es zu sehr gegen die menschliche Natur gewesen , wenn die herrschende Richtung ohne jeden Versuch der Bekämpfung und Unterdrückung der neuen Richtung den ihr gebühren- den Platz angewiesen hätte; auch das Regenerations- verfahren hatte naturnothwendig seinen Kampf ums Dasein zu bestehen.

Ein Kampf um eine Sache entspinnt sich nur, wenn es eine Sache ist, die Freunde und Feinde hat. Manche lassen sich allerdings auch von nichtsach- lichen, von persönlichen Gründen bestimmen, sich auf die eine oder andere Seite zu stellen und aus persön- lichen Gründen einer Sache zu nützen oder zu schaden, aber das ist in der Regel doch nicht entscheidend; die Personen wechseln, Freunde und Feinde sinken während des Kampfes hüben und drüben , fallen ab oder schlagen andere Richtungen ein; die Sache aber bleibt, und wenn diese in sich stark ist und eine sichere Grundlage hat, so hilft sie ihren Freunden zuletzt doch immer zum Siege. Diese Ueberzeugung, die auf Er- fahrung ruht , verlieh mir auch den Muth , in den Kampf auf einem mir scheinbar ganz fremden Ge- biete einzutreten.

Die ersten Stadien dieses Processes verliefen im Kreise der Commission , in der aber die Sache fast nur Freunde fand. Die Commission sprach sich bereits Ende Mai 1863 sehr anerkennend und hoffnungsvoll über die Erfolge des Regenerationsverfahrens aus und liess ihr Urtheil auch in dem Morgenblatt der Bayri- schen Zeitung in die Oeffentlichkeit dringen. Nament- lich muss ich hier ein Mitglied erwähnen, Herrn

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Professor Carl v. Piloty, der sich auf das wärmste dafür interessirte und der Sache auch ausser den Sitzungen viel Zeit opferte. Er stellte mir alle seine zahlreichen und werthvollen Skizzen auf das freigebigste zu Gebot, liess mich alle Versuche daran machen, die ich für nöthig hielt, und besprach alles, was dabei in Betracht kam, mit mir auf das eingehendste. Dass ein Künstler seines Ranges so viel Antheil nahm, be- trachtete ich von Anfang an als eine Ermuthigung und eine gute Vorbedeutung.

Das Interesse verbreitete sich in immer weitern Kreisen. Auch der damalige Cultusminister Herr v. Zwehl nahm den wärmsten Antheil, ebenso Mini- sterialrath Volk, zu dessen Referat damals die Kunst- sammlungen des Staates gehörten. Da der Landtag- eben versammelt war, nahmen auch eine Anzahl Ab- geordnete von den Resultaten Einsicht und noch viele andere Personen. Justus Freiherr v. Liebig, dem ich das Verfahren mitgetheilt hatte, erstattete bereits am 15. Juli 1863 ein Gutachten, zu welchem ihn der Herr Minister v. Zwehl aufgefordert hatte. Das gleiche thaten auf mein Ansuchen hin die Akademiker Ministerialrath Dr. v. Steinheil und Prof. Dr. L. Seidel vom physikalisch - optischen Standpunkte aus unterm 9. December 1863 , und vom Kunststandpunkte aus unterm 12. December die Herren W. v. Kaulbach, CI. v. Zimmermann, Carl v. Piloty, J. v. Schraudolph, Ed. Schleich, Dr. J. v. Hefner-Alteneck , Dr. Moritz Carriere und Dr. Kuhn, selbstverständlich, nachdem ich ihnen sämmtlich meine Ansichten genau ausein- andergesetzt und das Verfahren selbst gezeigt hatte. Diese Gutachten finden sich in einer Abhandlung ab-

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gedruckt, welche zu Anfang des Jahres 1864 Herr Dr. Kuhn, gegenwärtig Conservator am königl. b. Nationalmuseum, erscheinen liess *). Herr Conservator Kuhn hatte anfänglich zu denjenigen gehört, welche gegen die Sache eingenommen waren und sie zu be- kämpfen suchten. Da er keine eigennützigen Pläne verfolgte, schlug er einen eigenen Weg ein : er glaubte, mir durch Thatsachen beweisen und mich selbst überzeugen zu müssen, dass mein Verfahren an Oel- gemälden nachweisbare Schäden, und welche erzeuge. Ich ging auf seinen Vorschlag ein und regenerirte eine Anzahl von Gemälden, die er ausgewählt, die er zu- vor und darnach aufs genaueste untersuchte und be- obachtete und auch von andern untersuchen liess. Erst nachdem er sich überzeugt hatte , dass keiner der viel behaupteten Nachtheile eintrat, theilte ich ihm das Verfahren mit, in welchem er die über- raschende Erklärung der Ungefährlichkeit fand. Auf diese Art überzeugt, verfasste er seine Schrift, und hoffte damit auch andere zu überzeugen.

Unter diesen Umständen war es natürlich, dass die Sache in München viel von sich reden machte und pro und contra erörtert wurde. Die Theilnahme steigerte sich noch, als man erfuhr, dass ich für mein Verfahren^ ein Privilegium genommen und für dessen Ueber- lassung eine Summe Geldes verlangte. Die Theil- nahme steigerte sich noch höher, als bekannt wurde, der Minister habe dem damaligen deutschen Bunde in

*) Pettenkofer’s Regen erationsverfahren und seine Stellung zur Gemälderestauration und Conservirung. Von Dr. J. A. Kuhn. Braunschweig 1864 bei Vieweg & Sohn.

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Frankfurt die Erwerbung meines Verfahrens empfohlen, und sie erreichte den höchsten Grad , als ein Ab- geordneter in der öffentlichen Sitzung des bairischen Landtages den Antrag stellte, die bairische Regierung sollte mir, um kurzen Process zu machen, die ver- langte Summe bezahlen. Es war Herr Rechts- anwalt Dr. Streit von Würzburg , der diesen Antrag stellte. Dieser Antrag stachelte naturgemäss die ganze Opposition, die sich bereits zu bilden an- gefangen hatte, mächtig auf, man machte geltend, dass die Sache jedenfalls viel zu jung sei, um sich über ihren Ankauf bereits schlüssig zu machen, wenn sie gut sei , würde sie in einigen Jähren noch besser werden, einstweilen bestünden noch viele Bedenken dagegen u. s. w. , und Dr. Streit zog mit Fug und Recht seinen Antrag wieder förmlich zurück. Ich kannte damals Dr. Streit nicht persönlich, aber man wird es natürlich finden, dass ich später gern eine Gelegenheit ergriff, einen Mann kennen zu lernen, der für eine von mir ausgehende Sache so warm ge- worden war, ohne dass ihn irgend’ ein persönliches Interesse bewegen konnte. Seitdem sind wir aller- dings auch persönliche Freunde geworden; selten wird aber eine Freundschaft eine so sachliche Grundlage und Veranlassung haben.

Betrachten wir die Einwürfe, die gemacht wur- den, nun etwas näher. Sie gingen theils von Re- stauratoren, theils von Künstlern und Kunstschrift- stellern aus, und kamen in der damals in Frankfurt a. M. erscheinenden Süddeutschen Zeitung , in der Augsburger Allgemeinen Zeitung, in den Wiener Re- censionen über Kunst und im Unterhaltungsblatt der

Pettenkofer, Regenerations verfahren.

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Münchner Neuesten Nachrichten u. s. w. zur Ver- öffentlichung. Herr Hofmaler Friedrich Pecht, der eigentlich zur Einsetzung der Restaurationscommission und dadurch auch zum Regenerationsverfahren Ver- anlassung gegeben hatte, stellte sich seiner kritischen Natur getreu auf die Seite der Opposition, nicht als entschiedener Gegner, aber als entschiedener Kritiker der Resultate , er hatte viel daran auszusetzen und versorgte meine wirklichen Gegner lange und nach- haltig mit Einwürfen und Bedenken.

Ein Haupteinwurf war, dass an mehreren regene- rirten Bildern eine sichtliche Vermehrung und Ver- grösserung der Risse und Sprünge sich zeige. Fr. Pecht drückte sich folgendermaassen aus*): »Täuscht uns nicht alles , so ist dieses gefährliche Reissen des Farbkörpers in mehreren Fällen, speciell bei einem Wouverman, durch die Anwendung des Re- generationsverfahrens gesteigert, in keinem einzigen, wo wirklich der Farbkörper schon zerrissen war, ver- mindert worden. In andern Fällen zeigten sich andere, keineswegs sehr beruhigende Erscheinungen. Es liegt daher die Besorgniss nahe, dass durch die Petten- kofer’sche Procedur möglicherweise das ohnehin so gefährliche Reissen der Bilder noch befördert werde, sodass, um dem Schimmel zu entgehen, man ein noch schlimmeres Uebel eingetauscht hätte. Ob diess nun der Fall, ob ferner das Verfahren nicht andere nach- theilige Nachwirkungen hat, das kann, wie schon früher bemerkt, lediglich die Zeit lehren, sie aber

1863.

*) No. 17 1 des Unterhaltungsblattes der Neuesten Nachrichten

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kann es bis zur Evidenz.« An einem andern Orte*) wiederholte Pecht: »dass an sämmtlichen (6) Bildern der hiesigen Pinakothek, die dem Regenerationsver- fahren unterzogen wurden, die Risse sichtbarer ge- worden, bei einem derselben, einem Wouverman, hätten sie sich sogar nach seiner eigenen Wahrnehmung, die ihm seither durch viele andere bestätigt wurde, so sehr gesteigert , dass von einem Nutzen der Procedur nicht mehr die Rede sein könne, sondern nur noch von ihrem Schaden.«

Pecht kannte damals das Verfahren nicht, dadurch kam ihm eine gewisse Freiheit zu statten, an Möglich- keiten zu glauben und Zustände vorauszusetzen, was ihm sonst unmöglich gewesen wäre. Auf mich und alle, die das Verfahren und seine Grundlage näher kannten, machten diese Einwürfe den Eindruck einer unwillkürlichen Ironie , dass die einzigen rationellen Mittel, die bekannt waren, den verloren gegangenen molekularen Zusammenhang wieder herzustellen , Ur- sache zur Auflösung des Zusammenhangs sein sollten. Die einzige thatsächliche Basis, welche diese Einwürfe hatten, war, dass jene Zusammenhangstrennungen, welche bereits zu gross waren, um durch den Quellungs- process des Firnisses oder durch Hinzufügen von etwas Copaivabalsam wieder zu verschwinden , nach der Regeneration aus demselben Grunde viel deut- licher hervortraten, wodurch auch die Farben des Gemäldes viel deutlicher sichtbar wurden. Die Com- mission Hess durch Professor Dr. Radlkofer übrigens an mehreren Gemälden vor und nach der Regeneration

*) No. 496 Süddeutsche Zeitung 1863.

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makro- und mikroskopische Messungen anstellen, welche sämmtlich für die Voraussetzungen Pecht’s negative Resultate ergaben. Ebenso hat Dr. Kuhn in Verbindung mit Dr. Adolph Steinheil, einem theo- retisch und praktisch gleich durchgebildeten Optiker und Physiker, eine Reihe von Untersuchungen mit gleich negativem Resultate angestellt, die er in seiner schon citirten Abhandlung S. 3 6 bis 46 veröffentlicht hat. Auch ich bin diesen Behauptungen in der All- gemeinen Zeitung Beilage No. 146 und 147 vom 25. und 26. Mai 1864 entgegengetreten. Ich erlaube mir einiges daraus zu wiederholen: „Die Behauptung,

»dass die beiden Claude Lorrain No. 399 und 407 nach der Regeneration eine Tendenz gezeigt hätten, sich an den Kanten der vorhandenen Sprünge auf- wärts zu rollen oder zu werfen, und dass seither das Reissen, namentlich bei dem grossen Bilde No. 407 noch zugenommen habe « , ist eine grundlose Behaup- tung. In der Commission wurde diese Ansicht gleich- falls in Betracht gezogen, man überzeugte sich aber in Folge einer näheren Besichtigung und Vergleichung der Objekte, dass davon keine Rede sein könne. Das Pendant von No. 407 ist No. 416, und dieses Bild ist nie unter meine Hände gekommen. Da man No. 399 ins Sitzungszimmer der Commission zur Demon- stration der Risse und Sprünge bei sehr guter Be- leuchtung gebracht hatte, so sollte auf Antrag eines Commissionsmitglieds auch ein nicht regenerirter Claude dort ebenso besichtigt werden. Die Com- mission wählte No. 416. Als sich die Commission aber an Ort und Stelle in den Pinakotheksaal zur Abnahme des Bildes begab , liess man es sofort an

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der Wand hängen, da man schon in der gedämpften Beleuchtung des Saales bei näherer Betrachtung er- kannte, dass No. 416 alle fraglichen Erscheinungen jedenfalls in keinem geringeren Maass darbot. So kann man sich täuschen, selbst wenn man eine Sache unpartheiisch untersuchen will ; wie viel mehr erst, wenn man schon mit einer vorgefassten Meinung an die Untersuchung geht. Ich erinnere mich noch recht gut, wie damals in der Commission nach dieser eclatanten Enttäuschung allgemein geäussert wurde, dass man sich ganz sprungsichtig reden könne, und dass man zuletzt jedes Bild, von dem man hört, es sei regenerirt, vorwaltend nur darauf hin betrachte, ob es Sprünge habe oder nicht, während man andere Bilder nur nach ihrer Gesammtwirkung beurtheile.“ Noch ein anderes Streitobjekt war das Bild von Ter- burg No. 470 (ein Trompeter überbringt einer Dame in ihrem Schlafgemach einen Brief, den sie anzunehmen sich besinnt). Es wurde behauptet: »an diesem ein- zigen Juwel der Gallerie sehe man die seit sieben Monaten mehr und mehr vorschreitende Zunahme des Reissens; diesen Terburg habe man gleich genau nach der Regeneration und eben jetzt untersucht. Diese Zunahme sei so , dass sie viele mit Schrecken erfüllt habe und mit Entrüstung gegen die Leichtfertigkeit der Commission, die solch eine Perle ohne weiteres so riskanten Experimenten unterzog. Die Commission möge jetzt einmal das Bild genau untersuchen und besonders viele Stellen ins Auge fassen, wo man den Rissen sehr leicht ansehen kann, dass sie ganz neu sind.« Man möchte denken, eine so bestimmte Anklage müsste doch wohl begründet gewesen sein. Aber es

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liess sich protokollarisch nachweisen, dass man die Schäden, die man für neu oder durch mein Verfahren veranlasst erklärte, schon ein Jahr vor der Regene- ration gerade an diesem Bilde beobachtet und be- schrieben hatte, und noch einiges dazu. In einem Bericht an die Commission vom 26. Juni 1863 hatte ich bereits gesagt: »Auf diesem Terburg selbst sind die unzweifelhaften Beweise zu finden, dass ursprüng- lich nur ein gewöhnlicher Harzfirniss angewendet wor- den ist , und dass die gegenwärtige Oberfläche nur mit der Zeit und durch die Conservirung (darunter auch Einreiben mit Oel) so grosse Veränderungen er- litten hat. Der Zufall hat es gewollt, dass dieser Terburg seinerzeit einen Rahmen erhielt, der ihm ursprünglich nicht gehörte oder nicht passte , und in dem oben ein Stück ausgestemmt wurde, um das Bild hineinzubringen. Das Bild liegt deshalb mit seinem oberen Rande genau 30 Millimeter und mit seinem unteren und an den beiden andern Seiten 15 Milli- meter im Holz des Rahmens. Dieses Holz schützte somit die darunter befindlichen Theile des Bildes wesentlich vor den atmosphärischen Niederschlägen und deren Verdunstung auf dem Bilde selbst. Genau dieser schützenden Einfassung entsprechend zeigt das Bild an seinem oberen Rande einen unversehrten Streifen von 26 Y2 Millimetern, an den übrigen Seiten einen ebenso gut erhaltenen Streifen von 1 1 1/2 Milli- metern. Auf diesen Streifen zeigt das Bild auch keine Spur von Sprüngen, während der übrige frei der Luft gegenüberstehende Theil des Bildes Milliarden kleiner Sprünge zeigt, die bis auf den Grund gehen. Auf diesen gut

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conservirten Streifen regenerirt sich der Firniss mit Leichtigkeit zu seiner ursprünglichen Klarheit. Wenn man vor mehr als einem Jahrhundert, wo das Bild vielleicht schon diesen Rahmen erhielt , geahnt hätte, dass die feinen Wasserniederschläge aus der Luft und die stellenweisen Einreibungen mit Oel auf der Ober- fläche eines Gemäldes mit der Zeit so nachtheiligen Einfluss auszuüben im Stande wären , und wenn man damals ein Experiment hätte anstellen wollen, um diess nach einem Jahrhundert jedem Zweifler unläug- bar vor Augen zu führen, so hätte man nicht besser und rationeller verfahren können, als es hier der Zufall gethan hat. In diesem unwillkürlichen Experiment an dem prachtvollen und kostbaren Bilde von Ter- burg ist die Conservirung der Oelgemälde für alle Zukunft sicher angedeutet.«

Die Opposition unterliess es, den Nachweis zu liefern, dass zu den Milliarden von Sprüngen, welche sich vor der Regeneration schon gezeigt hatten, auch hie und da noch ein neuer nach der Regeneration hinzugekommen, oder dass auf den vom Rahmen ge- deckten unversehrten Streifen ein einziger Sprung oder Riss entstanden sei, welche Streifen dem Ver- fahren doch ebenso wie die übrigen Theile des Bildes ausgesetzt waren. Damals, als das Gemälde zu so heftigen Diskussionen Veranlassung gab, war es nur ein einzigesmal der alkoholhaltigen Luft ausgesetzt worden. Namentlich im Bettvorhang blieb eine be- deutende Trübung zurück, was nach dem Ergebniss einer chemischen Untersuchung von erhärtetem Oele herrührte. Das Gemälde wurde auf der ganzen Ober- fläche, wie alle mit Oel oder Malbutter eingeriebenen,

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zuvor mit Harzfirniss versehenen Oelbilder sogar etwas rauh und erhielt nur etwas frischen Dammarfirniss, um es wieder in die Gallerie hängen zu können: die Com- mission hatte sich vorgenommen, die Versuche, die Trübung noch weiter aufzuhellen, so lange zu ver- schieben, bis man an andern ähnlichen, minder werth- vollen Bildern noch weitere Erfahrungen gemacht haben würde. Herr Conservator Frey hat später auf dem Wege des Regenerationsverfahrens, durch sehr oft wiederholtes Behandeln mit Copaivabalsam und alkoholhaltiger Luft das Kunstwerk wieder so klar gebracht, wie es von den Jetztlebenden vorher gewiss noch Niemand gesehen hatte. Es hängt seit Januar 1865 unverändert in der Gallerie. Alle Sprünge und Schäden sind natürlich nicht verschwunden, nament- lich waren auch die Spuren der Oeleinreibungen nicht mehr ganz zu verwischen, und eine Retouche oder Uebermalung wurde von der Commission nicht ge- stattet.

Ein anderer Vorwurf war gegen die systematische Anwendung des Copaivabalsams gerichtet, der alle Gemälde gelb und schmierig aussehend mache. Der Copaivabalsam war seinerzeit auch Gegenstand ernster Berathungen im Kreise der Commission , und ein Mitglied war sehr geneigt, ihm vergilbende Eigen- schaften zuzuschreiben. Ich selbst hatte nie die ge- ringste Besorgniss, dass Copaivabalsam solche Wir- kungen äussern könnte, denn bekanntlich bleicht sich derselbe schnell am Licht und dann ist schon seine ursprüngliche Farbe keine tiefere, als die der meisten Oele , welche bisher von den Künstlern zum Malen und von den Restauratoren zum Nähren oder Tränken

der Bilder gebraucht worden sind. Ausserdem hatte ich die langjährigen Erfahrungen Löfflers. Dieses Mitglied konnte ich durch meinen oben S. 62 mit- getheilten Versuch mit Mastixharz auf einem Uhrglase überzeugen, wo ich die eine Hälfte der Firnissfläche mit Copaivabalsam überstrichen hatte, um zu sehen, ob sie dadurch vor Sprüngen bewahrt bliebe, während diese auf der andern bloss aus Mastixharz bestehenden Hälfte entstehen. Die Risse in einem sonst klaren Firniss auf Glas sieht man am besten bei durchfallen- dem Lichte , hingegen kaum , wenn man ein solches Uhrglas auf weisses Papier legt und es bei auffallen- dem Lichte betrachtet, in welchem Falle aber die Färbung des Firnisses mehr hervortritt. Ich bot auf letztere Art das Uhrglas mit der copaivahaltigen und copaivafreien Hälfte dem ehrenwerthen Mitgliede hin, mit der Bitte, mir aus der gelberen Farbe diejenige Hälfte zu bezeichnen , wo der Copaivabalsam sich be- finde. Der betreffende Herr ist Künstler und zählt unter die ausgezeichnetsten Coloristen; er erkannte sofort keinen auffallenden Unterschied, meinte zuletzt aber doch, eine Hälfte sei etwas gelber. Als er nun mit eigener Hand das Glas gegen das Licht hielt, wo die beiden Hälften durch die Risse auf der einen sich sehr auffallend von einander unterschieden, war er sehr erstaunt, dass sich sein Verdacht gegen die un- schuldige, copaivafreie Seite gerichtet hatte. Es wurde bei dieser Gelegenheit in aller Heiterkeit allgemein zugestanden , wie leicht wir uns durch vorgefasste Meinungen täuschen lassen.

Das Schmierige, Klebrige, anfangs oft unangenehm glasartig Glänzende des Copaivabalsams , wenn etwas

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mehr, als eingesogen wird, auf ein Gemälde kommt und nicht abgewischt wird, vergeht immer nach einiger Zeit, lässt sich aber auch sofort durch etwas reines Terpentinöl mildern und entfernen, wenn man mit einem damit befeuchteten Borstpinsel einigemal dar- über fährt.

Zwei Einwürfe ganz eigener Art brachte Herr Engert, Direktor und Restaurator der Gemäldegallerie im Belvedere zu Wien, welcher nach München ge- schickt worden war, um dem k. k. Oberstkämmerer- Amt einen Bericht über das Regenerationsverfahren zu erstatten. Er hat während eines flüchtigen Auf- enthalts in der Pinakothek zu München einige ganz, halb und nicht regenerirte Gemälde angesehen und daraus den Schluss gezogen, »dass durch das Regene- rationsverfahren die Lasuren der demselben unter- zogenen Gemälde beschädigt werden«. Diese Be- schuldigung wird wohl jedem, der jetzt das Verfahren kennt, grundlos erscheinen; ja sie nur auszusprechen war bloss so lange möglich, als das Verfahren un- bekannt war. Es gibt allerdings wahrscheinlich gar kein Mittel in der Welt, das man nicht auch zu wider- sinnigen und schädlichen Zwecken verwenden könnte, womit man »nur Heil und gar kein Unheil« anrichten könnte, aber wie man mit dem Regenerationsverfahren Lasuren verletzen kann, das müsste erst noch gezeigt werden; in München wenigstens ist es in den Hun- derten von Fällen, wo es zur Anwendung kam, noch nicht gelungen. Und selbst durch diese neue An- wendung würde der Sache nur ein Dienst geschehen, denn man würde darthun, wie man ein Ding nicht gebrauchen dürfte, und ganz raffinirt unge-

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schickte Menschen vor gewissen Eventualitäten warnen können.

Uebrigens auch für diejenigen, welche das Ver- fahren nicht kannten, hatte schon damals die Com- mission, welche das Verfahren kannte, die bestimm- teste Versicherung ausgesprochen, dass in keinem einzigen von sehr vielen Fällen Lasuren verletzt wor- den seien; man konnte auch selbst Herrn Engert’s Autorität gegenüber immer noch glauben, dass eine Commission, welche Maler und Coloristen wie Carl Piloty, Eduard Schleich und andere zu Mitgliedern zählte, namentlich wenn sie zum Ueberfluss auch noch einen so erfahrenen, gewissenhaften, aber bescheidenen Restaurator beizieht, wie Herr Conservator Frey ist, doch auch wissen müsste, was eine Lasur und eine Verletzung derselben ist. Wie sehr sich Herr Engert geirrt hatte, zeigte später die Ausstellung von dreissig regenerirten Gemälden , welche die Commission in einem Cabinete der Pinakothek im Sommer 1865 ver- anstaltete, worunter sich auch der van Geel und die beiden Cuylenburg befanden, aus deren Anblick Herr Engert seine Schlüsse gezogen hatte.

Ebenso wenig kann Herrn Engert’s zweiter Ein- wurf begründet sein, »dass durch das Verfahren der Firniss stellenweise von den Gemälden weggenommen werde«. Dazu sehe ich keine Möglichkeit, und das kann nicht Vorkommen , wenn man Gemälde selbst 24 Stunden lang der weingeisthaltigen Luft aussetzt, und wenn man sie darnach selbst 2 und 3 mal hinter- einander mit Copaivabalsam einreibt. Das Gutachten des Herrn Engert in den Wiener Recensionen über Kunst 1864, das er abgab, ohne das Verfahren zu

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kennen, ist jetzt vielleicht manchem Leser aus der damaligen Zeit wiederholt zu lesen lieb.

In denselben Wiener Recensionen im März 1865 erschien auch ein Aufsatz vom Herrn Direktor Waagen in Berlin, welcher in zwei Abtheilungen zer- fällt: a) über die Heizung und den Fussboden der Pinakothek in München, b) über das Pettenkofer’sche Regenerationsverfahren. Wenn man prüft, was Herrn Waagen gegen mein Verfahren sein lässt, so findet man dreierlei: 1) den schlechten Erfolg des Ver-

fahrens an dem Bilde von Terburg No. 470; 2) die Verletzung der Lasuren durch dasselbe; 3) die ge- fährliche Wirkung des Alkohols auf Oelbilder über- haupt. Die Einwürfe 1 und 2 sind durch meine vor- ausgehenden Mittheilungen und die Zeit bereits hinfällig geworden, den zweiten hatte Herr Waagen ohnehin nicht auf eigene Wahrnehmungen gestützt, sondern auf die Autorität seines Plerrn Collegen in Wien an- genommen. Wenn unter dem dritten Einwurfe der Gebrauch der Putzwasser verstanden wird , so darf man nicht widersprechen, denn diese Erfahrung kann man in jeder Gallerie constatiren. Wenn man den Alkohol zum Putzen und Wischen auf alten Oel- gemälden gebraucht, so bleibt er auch in der vor- sichtigsten Hand das gefährlichste Mittel, nicht in so fern überhaupt Weingeist auf das Gemälde einwirkt, sondern in so fern gleichzeitig eine mechanische Be- wegung beim Putzen, Tupfen und Reiben stattfindet, mag es nun mit Pinseln, Baumwolle, Leinwand oder den Fingern geschehen. Bei dem Regenerationsver- fahren ist es nun aberPrincip, das Bild nicht, selbst mit dem weichsten Pinsel nicht zu berühren, so lange

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dasselbe auch nur eine Spur Alkohol enthält. Bisher hat man den Weingeist allen Restauratoren unbean- standet gelassen, man verlangte nur, dass die An- wendung zum Putzen sehr vorsichtig geschehe; nun kommt das Regenerationsverfahren und lehrt, dass man es dem Gemälde selbst, ohne es zu berühren, zu überlassen habe, sich eine bestimmte Menge Wein- geist lediglich aus der Luft zu nehmen, lehrt also die Anwendung des Weingeistes zu ganz anderen Zwecken, als zum Putzen, in einer so zarten, vorsichtigen und bescheidenen Art, dass alle bisherigen Methoden da- gegen als ganz rohe und ungeschickte Eingriffe er- scheinen müssen: nun erhebt sich das Vorurtheil wie gewöhnlich nicht gegen das Entscheidende, gegen die mechanische Wirkung beim Putzen, die allein geschadet hat, sondern gegen eine Nebensache, gegen den Weingeist überhaupt.

Im Januar und Februar des Jahres 1864 erschienen in der Süddeutschen Zeitung in Frankfurt a. M. eine Reihe von Artikeln über die Münchner Pinakothek, darunter auch einige über das Regenerationsverfahren, oder vielmehr dessen Gefahren, auf welche ich in der- selben Zeitung im März antwortete. Die Einwürfe gingen über die bisherigen nicht hinaus, das einzige, was als neu zur Sprache kam, war die Priorität der Erfindung des Regenerationsverfahrens. Man verstand in gewissen Kreisen damals unter diesem Namen die Anwendung der Dämpfe von kochendem Weingeist zum Schmelzen, Auflösen, Abziehen und Abwaschen von Firnissen. Nachdem im September 1863 schon ein Münchner Maler eine solche Weingeistdampfspritze erfunden hatte, deren Dampfstrahl sich bei einer offi-

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ciellen Probe auch wirklich einmal entzündete, theilte Herr Conservator Eigner in Augsburg mit, dass er schon 30 Jahre früher eine solche Dampfspritze ge- braucht habe. Es ist jetzt (6 Jahre später) überhaupt nicht ohne Interesse, einen anerkannten Restaurator von P'ach, wie Herrn Eigner, über das Wesen des Regenerationsverfahrens und die Art der Anwendung des Alkohols dabei selbst sprechen zu hören: »Ich habe mich, veranlasst durch das ausserordentliche Auf- sehen , welches das neue Pettenkofer’sche Regene- rationsverfahren allenthalben erregte, noch mehr aber die Wichtigkeit, welche die Commission demselben beizulegen sich berufen fühlte, um mich persönlich von dem Resultate dieses bei mehreren Gemälden der Pinakothek angewandten Regenerationsverfahrens zu überzeugen und zu würdigen, nach München begeben, und gefunden, dass dasselbe weder neu, noch in den meisten Fällen anwendbar sei. Ich muss gestehen, dass dieses Ereigniss einen höchst deprimirenden Ein- druck auf mich hervorgebracht hatte, nicht wegen der an und für sich erfolgten argen Enttäuschung einer für das Restaurationsverfahren gehofften hochwichtigen Erfindung, als vielmehr durch die dadurch gewonnene Ueberzeugung, wie wenig Einsicht und selbständiges Urtheil über die wahre und wichtige Aufgabe der Gemälderestauration selbst in den höchsten Künstler- kreisen Münchens herrscht, sodass man hierin an ein Besserwerden fast jegliche Hoffnung aufzugeben in Ver- suchung kommt. Nachdem ich die regenerirten Gemälde in der Pinakothek betrachtet hatte, so erhielt ich die vollkommenste Ueberzeugung, dass dieses Geheimniss ausschliesslich darin bestehe, dass man auf die Ober-

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fläche der degenerirten Firnisse heisse Alkoholdämpfe streichen lässt, wodurch das Harz zum Schmelzen gebracht wieder seine Durchsichtigkeit erhält. Diese Methode, Harzfirnisse, welche durch Einwirkung atmo- sphärischer Feuchtigkeit ihre Durchsichtigkeit ver- loren hatten, wieder zu beleben, d. h. klar zu machen, habe ich schon 30 Jahre angewendet, wenigstens ist dies keine neue Entdeckung, welche jeder tüchtige Restaurator kennen wird, wenn er alle Mittel kennt, die zur Erweichung harter Copalfirnisse oder verharzter Oelfirnisse angewendet werden müssen, um die Hin- wegschaffung derselben von der Bildfläche ohne Gefahr für die Farbe selbst bewerkstelligen zu können. War doch Herrn Landschaftsmaler N. N. in München dieses Verfahren längst bekannt, und der bei mir Erwähnung hierüber machte. Ich habe Spiritusdämpfe nicht zur Regeneration von verdorbenen Harzfirnissen, als viel- mehr als vorzügliches Erweichungsmittel dicker, horn- artiger und sohin höchst schwer löslicher Gummate, Harz- und Oelfirnisse, und zwar schon bei meiner frühesten Restaurationsthätigkeit gebraucht, und bis heutigen Tag fort angewendet, sodass, als mich ein Kunstforscher und Gelehrter eines Tages in meinem Atelier überraschte, während ich gerade mit meiner kleinen Maschinerie heisse Dämpfe zur Erweichung eines sehr zähen und häutigen Firnisses auf die Ober- fläche des Bildes ziehen Hess, und mit einem Messer- chen diese Haut von der Farbe ganz leicht abhob, wodurch dieselbe in ihrer vollen Reinheit sich dem Auge zeigte, dieser in die grösste Verwunderung ge- rieth und später in einem Aufsatz über mein Restau- rationsverfahren in den Grenzboten von Kuranda

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schrieb: »Eigner restaurirt seine kranken Bilder mit Feuer und Schwert.« Die Einwirkung auf degenerirte schimmlichte Harzfirnisse zur Herstellung ihrer früheren Durchsichtigkeit habe ich aber in Bälde wieder ein- gestellt, nachdem ich bald erkannte, dass die Wirkung der heissen Spiritusdämpfe den bereits schon aus- getrockneten Harzfirniss noch härter macht, und dem Harze vollends die flüchtigen, ölichten Substanzen raubt, sodass nur ein glasiger, aller Elasticität be- raubter Körper zurückbleibt, der den Gemäldegründen, und sohin dem Farbenkörper selbst mit der völligen Austrocknung um so früher Verderben bringen muss, je spröder und härter er wurde. Einen Beweis dieser Ansicht lieferte Herr Pettenkofer selbst auf seinen durch seine Methode hergestellten Bildern in der Pinakothek. Nach der vorgenommenen Procedur ent- standen auf einem Bilde Ph. Wouverman’s No. 393 gitterartige durch das ganze Bild laufende Sprünge, ebenso entstanden auf dem Bilde von J. Ruysdael No. 504 feine, durch die ganze Luft sich ziehende Sprünge. Durch die Anwendung des heissen Dampf- stromes auf diese Firnisse vorstehender zwei Bilder konnten dieselben nach der plötzlichen Abkühlung und ihrer sofortigen Auftrocknung nicht mehr die Bildfläche elastisch decken, sie zogen sich zusammen und erhielten, indem sie zu hart wurden, die erwähnten Risse und Sprünge. Um diesen Sprüngen durch zu schnelles Trocknen zu begegnen, liess ich in frühester Zeit mit den Spiritusdämpfen zugleich Dämpfe von ätherischen Oelen vermischt gleichzeitig auf die Fir- nisse wirken. Dadurch wurde ein zu schnelles Auf- trocknen verhindert, und es zeigten sich keine Sprünge

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mehr; allein das alte Uebel, nämlich die Verhärtung der veralteten Firnisse, kehrte bei dem allmählichen Entweichen dieser flüchtigen Oele zurück. Eine weitere Gefahr des Pettenkofer’schen Regenerations- verfahrens darf nicht umgangen werden. Während alte Malereien vor jedem schnellen Temperaturwechsel bewahrt werden, indem man dieselben vor jedem heissen Sonnenstrahl schützt, und in Kirchen, wo man diese Vorsorge nicht haben kann, die meisten Gemälde allenthalben vertrocknet aussehen, mit aufgestandenen, gekrümmten Farbentheilchen, oder mit theilweise ab- gefallenem Grund , wird mit den Pettenkofer’schen Spiritusdämpfen eine grosse Hitze auf die Gemälde gebracht, die nicht ohne Nachtheil für den Grund der Gemälde und ihre Haltbarkeit für die Zukunft bleiben wird. Man darf nur sehen, wie bei einem Gemälde auf Leinwand , auf welche zum Zwecke der Regene- ration des Firnisses wegen, ein heisser Dampfstrom geleitet wird, dieselbe bei der Operation knistert, sich biegt und bewegt. Diese hervorgerufene Bewegung muss auf die Festigkeit des Gemäldegrundes höchst nachtheilige Folgen haben.«

Ueberblickt man all diese Einwürfe , welche zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Personen gemacht worden sind, so sieht man, wie sie alle auf vorgefassten Meinungen, auf sogenannten Vorurtheilen beruhen. Alle hatten so unbestimmte Vorstellungen von Dämpfen und von Weingeist im Kopfe , und sannen nur darauf, wie man etwa damit schaden könnte. Springen und Reissen, Gelbwerden durch Copaivabalsam , Verletzung der Lasuren, theilweises Abnehmen des Firnisses, Zerstörung durch Alkohol

Pettenkofer, Regen erationsverfahren. «

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überhaupt, zuletzt die grosse Hitze der Spiritusdämpfe, unter der die Gemälde zu leiden haben, alles wird auf das bestimmteste behauptet, nicht weil es beob- achtet worden ist, sondern weil man es für möglich hielt, und doch ist alles nicht wahr ja das meiste geradezu unmöglich. Unter den Gegnern sind zwei anerkannte Restauratoren von Fach, die Herren Eigner und Engert; diese beiden gehen, ohne für nöthig zu halten, das Verfahren zu kennen, weitaus am weitesten in ihren Voraussetzungen, während andere vorsichtiger sind, den Thatsachen viel näher bleiben und, wenn sie sich auch geirrt haben , sich doch nicht in diesem kolossalen Maassstabe geirrt haben. Was diesen be- gegnet ist, kann man verzeihlich finden, was aber jenen beiden begegnet ist, scheint doch geradezu un- verzeihlich. — Die meisten werden denken, die beiden Restauratoren fühlten sich eben als Autoritäten, und glaubten sich einer fremden und scheinbar feindlichen Sache gegenüber eben deshalb um so bestimmter aussprechen zu müssen, obschon sie recht gut wussten, dass die Sache nicht gerade so sein werde, wie sie sagten. Ich nehme die Herren gegen diesen mora- lischen Vorwurf in Schutz; ich bin überzeugt, sie haben ehrlich und aufrichtig gehandelt, aber sie konnten nicht anders; solche Irrthümer zu begehen, dazu erzieht sie ihr Beruf, und von der Fähigkeit da- zu hängt der grösste Theil ihres Erfolges ab Gleich- wie sie ganze Stücke an Gemälden, die abgefallen sind, wieder restauriren und sich und andere glauben machen, sie hätten das Original wieder hergestellt, so restaurirten sie auch das Regenerationsverfahren und seine Folgen, ohne sie zu kennen, die ihnen aber doch

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nicht unbekannter sein konnten , als irgend ein Kopf oder Fuss, den sie auf alte Gemälde oft schon mit so grossem Beifall statt des Originals hingesetzt hatten. Dass zwei so renommirte Restauratoren zuversichtlich glaubten, man müsse doch glauben dürfen, dass durch das Regenerationsverfahren, das sie nicht kannten, auch Lasuren verletzt, Firniss abgenommen, die Ge- mälde überhitzt werden u. s. w., darf man ihnen nicht mehr übel nehmen, als dass sie überhaupt so ausserordent- lich geschickt und gross restauriren; es ist ja ihr Beruf, an die Stelle unbekannter, verschwundener Thatsachen etwas neues zu setzen, was sie für passend halten. Wenn Tizian’s Madonna mit den Kirschen in ihrem ursprünglichen Zustand ganz unversehrt neben die berühmte Restauration des Herrn Engert im Belvedere gestellt werden könnte, würde der Unterschied viel- leicht ähnlich sein, wie zwischen der Beschreibung des Regenerationsverfahrens durch Herrn Eigner und durch mich.

So stellte man sich damals das Regenerations- verfahren eben vor, und solche Einwürfe erhob man dagegen. Merkwürdig ist, dass kein einziger Gegner die Waffen auf die Grundlage richtete, auf welcher das Regenerationsverfahren entstanden war, und welche in der Schrift von Kuhn bereits veröffentlicht war, keiner bestritt den Verlust des molekularen Zusammen- hangs und seine Wiederherstellung und die optischen Folgen beider Zustände.

Die Commission, welche das Verfahren und seine Grundlage kannte, Hess sich durch derartige Gegen- gründe mit vollem Recht nicht bestimmen. Sie er- stattete ihren Schlussbericht am 23. Februar 1865 und

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suchte ihren dem Regenerationsverfahren günstigen Standpunkt vor den Künstlern und dem Publikum durch eine Ausstellung regenerirter Gemälde zu recht- fertigen. Ich theile diesen Schlussbericht und das Verzeichniss und die kurze Beschreibung der damals ausgestellten Gemälde im Anhänge A mit.

Diese Ausstellung entschied in München die An- erkennung von Seiten der Künstler. Die Thätigkeit der Commission wurde belobt und ich wurde durch eine Adresse geehrt, auf der mehr als 200 Namen von Münchner Künstlern stehen.

Die Umsicht und Gewissenhaftigkeit des Herrn Conservators Ignatz Frey, unterstützt von dessen Sohn, Herrn Anton Frey, hatte allmählich ein Regenerations- und Restaurationsverfahren ausgebildet, was in den hiesigen Pinakotheken zu Grunde gelegt wurde, und ich konnte mich unbeirrt wieder meinen sonstigen Aufgaben hingeben. Ich hoffte, die Resultate in den hiesigen Pinakotheken würden sich selbst weiter sprechen und auch andere Gallerien veranlassen, sich mit der Methode vertraut zu machen. Unerwartet er- scholl da aus Berlin ein Schmerzensruf über die Re- stauration eines Andrea del Sarto in einer dortigen Gallerie nach alter Methode. Dieser Vorfall setzte mich wieder in Beziehung mit Friedrich Pecht, dessen energisches Vorgehen die Lösung der Restaurations- frage in München in Bewegung gebracht hatte, der sich aber bald der Opposition beigesellte, auf welcher Seite allein sein kritisches Wesen den nöthigen Raum und Zeit zu finden schien, sein Urtheil zum Abschluss zu bringen. Ich hatte die Genugthuung, jetzt von ihm zu vernehmen , dass durch die Beobachtungen in den

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letzten Jahren seine früheren Zweifel geschwunden seien, und dass er sich jetzt in allen wesentlichen Punkten auf meinen Standpunkt stelle. Er schrieb in die Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 17. und 18. März 1868 einen Artikel über »Moderne Restau- rationsmethoden und das Pettenkofer’sche Verfahren«, den ich gleichfalls im Anhänge B folgen lasse, weil ich im Laufe des nächsten Abschnittes auf ähnliches zu sprechen komme und Pecht die Sprache des Künstlers spricht, was vielleicht dazu beitragen wird, mich selbst den Künstlern leichter verständlich zu machen.

In jüngster Zeit (November 1869) erschien noch bei Merhoff in München ein »Protest gegen das Pettenkofer- sche Regenerationsverfahren« von Carl Förster, Herzogi. Sachsen- Meiningenschem Rath in München, zugleich Gemälde -Kenner, Händler und Restaurator, dessen Ziel und Ausgangspunkt mir bisher vollkommen dunkel geblieben ist. Der Verfasser druckt zur Begründung seines Protestes noch das alte Gutachten Engert’s unverändert und wörtlich ab. Ich habe bereits oben gezeigt, worauf die Einwürfe des Herrn Engert fussen. Wenn aber auch das schon hinreichend gewesen wäre, den »Protest« zu kennzeichnen, so hat der Verfasser doch auch noch von seiner Seite einen Beitrag ge- liefert, der selbst die kühnsten Erwartungen übertrifft. Er führt im Anhänge 12 Gemälde aus der Pinakothek nach Katalognummern an, und beschreibt ihr Aus- sehen, sodass über die Identität der Objekte kein Zweifel bleibt. Diese 12 Gemälde werden dann als thatsächliche Belege für die grosse Schädlichkeit des Regenerationsverfahrens aufgeführt, was so arg sein

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soll, dass der Herr Verfasser einmal sagt: »Das Brett allein, worauf das Bild gemalt, hat glücklicherweise durch den Regenerationsprocess nicht gelitten.« Nun aber sind nach amtlichen Quellen elf von diesen zwölf Gemälden gar nie dem Regenerationsver- fahren unterzogen worden und von dem einzigen regenerirten ist constatirt, dass es* bei einer früheren Re- stauration schon so verputzt wurde, als man es jetzt sieht, die Regeneration hat diese Schäden wie alles übrige allerdings noch deutlicher erscheinen lassen. Friedrich Pecht hat dem Verfasser des Protestes in No. 279 der Süddeutschen Presse vom 28. November 1869 wohl schon genügenden Aufschluss gegeben. Mir wäre nur mehr interessant, die nähere Veranlassung zu diesem »Proteste« zu kennen, denn sachlicher Natur ist sie wahrlich nicht gewesen.

Sonst sind mir in neuester Zeit nur noch einige Bemängelungen bekannt geworden, die ein ungenannter A. B. in einem Münchner Localblatt »Der bairische Landbote« im November und December 1869 er- scheinen liess, betitelt »Die Pinakothek und das Petten- kofer’sche Regenerationsverfahren«. Der »Protest« des Herrn Rathes Förster verwahrt sich nämlich ebenso heftig und feierlich gegen die Galleriedirektion des Plerrn v. Foltz, wie gegen mein Verfahren. Der Ver- fasser dieser Artikel im bairischen Landboten nimmt nun Herrn v. Foltz in einer sehr originellen Weise in Schutz, indem er angibt, dass, seit Herr v. Foltz Galleriedirektor geworden sei, die Bilder nicht mehr regenerirt werden, das frühere Regeneriren ein- gestellt sei; das sei eben das grosse Verdienst des neuen Direktors gewesen. Damit sollte wohl der

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Hauptgrund wegfallen, weshalb Herr v. Foltz in den Augen des Herrn Förster nicht der rechte Gallerie- direktor sein könnte. Wie es mit dem Nicht-Regene- riren des Herrn v. Foltz beschaffen ist, werde ich im vierten Abschnitte zeigen, hier bemerke ich nur, dass Herr A. B. über die Ansichten und Absichten des Herrn v. Foltz sich viel genauer unterrichtet zu haben scheint, als über das Regenerationsverfahren, seine Grundlage und seine Vortheile und Nachtheile. Er sagt z. B.: »Bei den Gemäldenist es wohl nur Wasser, und schwerlich Luft, was sich zwischen die Firniss- theile drängt und diese schimmlig macht, denn solche Bilder bessern sich, wenn man sie durch Reibung mit einem seidenen Tuche erwärmt, oder einer erhöhten Temperatur aussetzt, von selbst, und ein Stückchen erblindeten Bildes erhält mit Schwefelsäure und Chlor- calcium unter die aufgeschliffene Glasglocke gebracht seine richtige Farbe wieder. Natürlich darf man zu einem solchen Experimente nicht ein Stückchen alte verknitterte Leinwand nehmen; denn dort ist es allerdings Luft, was in den vielen Sprüngchen sitzt.« Von solchen theils unklaren, theils unwahren Vorstellungen Hessen sich noch mehrere anführen, jedoch schon diese einzige Stelle zeigt, dass dem Verfasser für ein technisches Urtheil alle physikalischen und chemischen Grundbegriffe mangeln, woraus ich ihm aber keinen argen Vorwurf machen will, denn wie leicht wird der gründlichste Mensch veranlasst, sich auch einmal über etwas auszusprechen, worüber er nur oberflächlich unterrichtet ist: aber sehr schlimm ist es, Experimente anzuführen, die man nie gemacht hat, auch mit dem angeführten Resultate niemand

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anderer gemacht haben kann, die also rein erdichtet sind, und noch schlimmer ist es, bei Aufstellung grund- loser Behauptungen nicht an die trivialsten, jedermann geläufigen entgegenstehenden Thatsachen zu denken. Ein erblindetes gefirnisstes Oelbild unter die Glas- glocke über Schwefelsäure und Chlorcalcium, d. i. in eine wasserfreie Luft gebracht, kann unmöglich klar oder klarer, höchstens noch etwas trüber werden. Dass Wasser zwischen den Theilchen eines Harzfirnisses die Erscheinung des Schimmels nicht hervorruft, und nicht hervorrufen kann, zeigt ein Experiment, welches gewiss auch der Correspondent des bairischen Land- boten schon oft gemacht hat. Wenn man ein ein- geschlagenes oder im Firniss trübes Oelgemälde mit einem zuvor in reines Wasser getauchten Schwamm oder mit dem nassen Finger überfährt, so wird es vorübergehend klar, so lange nämlich, als »das Wasser zwischen die Firnisstheilchen gedrängt ist« , und so- bald dieses Wasser wieder verdunstet, erscheint das Bild wieder so trüb, wie zuvor, ja meist noch etwas trüber. Herr A. B. hat sich wahrscheinlich die ihm ungefähr- lich scheinende Conjektur erlaubt, vom Verhalten des Wachstuches, eines sehr bleihaltigen Oelfirnisses, auf das Verhalten der Harzfirnisse und des getrockneten Linoleins zu schliessen, die sich aber ganz anders ver- halten.

Wenn Herr A. B. vielleicht auch noch über andere Gegenstände schreibt, als über Regeneration und Herrn v. Foltz, und dabei nicht gewissenhafter zu Werke gehen kann, und überhaupt nicht über mehr positives Wissen zu verfügen hat, so rathe ich ihm, sich ein Gebiet zu wählen, auf dem es keine fest-

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stehenden Thatsachen gibt, oder so weit diess doch nicht absolut zu vermeiden wäre und solche That- sachen hie und da immer noch seine Gegend unsicher machten, ihnen mit derselben Vorsicht auszuweichen, wie die Schiffer den Klippen. Naturwissenschaftliche und technische Gebiete sind ganz voll von solchen Klippen.

Dritter Abschnitt.

Das Verhältnis des Regenerations- verfahrens zur Gemälderestauration.

Das Verhältniss des Regenerationsverfahrens zur Gemälderestauration ist zweifacher Art, i) in tech- nischer, dann 2) in kunstgeschichtlicher Beziehung. Manche theilten anfangs die Ansicht, Regeneration und Restauration seien ausschliessende Gegensätze, das Regeneriren wolle alle Restauratoren entbehrlich machen, während doch immer nur behauptet wurde, dass die Manipulationen so einfacher Natur seien, dass man sie von jedem Galleriediener unter Aufsicht eines Sachverständigen kann ausführen lassen, was allerdings von vielen nicht anders aufgefasst wurde, als ob »fortan jeder Diener etwa so Nach- mittags nach Schliessung der Gallerie noch geschwind ein paar hundert Quadratfuss Bilder restauriren könne«. Das Regenerationsverfahren sollte nicht die Restau- ratoren , sondern nur gewisse Theile ihres bisherigen Verfahrens auf hören machen. Ich selbst bin nie gegen die Restauratoren aufgetreten, sondern nur gegen ihre schlechten Methoden, soweit sie deren Vertreter waren.

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Wenn z. B. ein Restaurator angab, man soll dem Alkohol verschiedene Mengen Lavendelöl beisetzen, damit beim Sieden dann in diesem Verhältniss dem Weingeistdampf sich auch Lavendelöldampf beimische, der dann die verschiedenen wünschenswerthen Grade der Geschmeidigkeit dem Bilde ertheile, so habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass Alkohol bei 78° und Lavendelöl erst bei 185° siedet, dass daher das Sieden kein Mittel sei, Alkohol- und Lavendeldampf beliebig zu mischen, im Gegentheil, dass man in den chemi- schen Laboratorien Gemenge von Weingeist- und La- vendelöl gerade durch Sieden (Destillation) von ein- ander scheide. Das haben gewisse Leute für gehässige, persönliche Angriffe erklärt, weil ich nebenbei be- merkte, die Herren hätten sich trotz ihres bedeutenden Aufwandes an Lavendelöl bei Physikern und Chemikern nicht in den besten Geruch gebracht.

Ich habe mich gegen die Geheimthuerei der Re- stauratoren aufgelehnt, weil ich wusste, dass die meisten nicht aus jungfräulicher Scham , die der Unschuld eigen ist, oder aus gebotener Besorgniss, einen müh- sam erworbenen und schwer zu hütenden Schatz zu verlieren, ihr Thun vor den Augen der Welt ver- schleiern, sondern damit niemand ihr Werk vor seiner Vollendung zu Gesicht bekomme, da die Täuschung von der »Lebensrettung« sonst in den meisten Fällen wieder darunter leiden würde. Ich habe aber z. B. Herrn Conservator Frey von Anfang an als einen ebenso aufmerksamen als gewissenhaften Restaurator anerkannt und ihm mit Zuversicht das Regenerations- verfahren zu genauer Prüfung empfohlen. Er war der erste Restaurator, der sich nicht von vornherein hoch-

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müthig und abweisend dagegen gezeigt hat, und der Erfolg hat bewiesen, dass sich Regeneration und Re- stauration nicht nur gegenseitig vertragen , sondern auch gegenseitig unterstützen und vorwärts fördern. Frey erkannte bald die Richtigkeit meiner Grund- anschauungen und die Wirksamkeit und den Nutzen der weingeisthaltigen Luft und des Copaivabalsams. Er erkannte es als seine erste Aufgabe, damit ein Ge- mälde wieder so klar sichtbar zu machen, als nur möglich ist, und erst dann zu fragen, was etwa noch weiter geschehen muss und kann. Er hat dann auch der Commission mit aller Entschiedenheit erklärt, dass das Regeneriren ein grosser Fortschritt für das Re- stauriren sei, und es thatsächlich durch Proben ge- zeigt. Auch er nahm bald den Glauben an, dass im Interesse der Erhaltung der Originalität dahin zu streben sei, dass die Gemälde künftig nicht mehr restaurirt, sondern nur regenerirt zu werden brauchen. Seine Thätigkeit auf der Grundlage der Regeneration in der alten und neuen Pinakothek in diesen wenigen Jahren, die seitdem verflossen sind, darf eine grosse genannt werden, während er früher seinem Collegen Günther gegenüber nichts zu thun bekam , welcher Restaurator par excellence war, dessen Leistungen aber unter den Künstlern den Sturm heraufbeschworen, der das Regenerationsverfahren veranlasste.

Wenn man unter Restauriren Ergänzen alles dessen versteht, was durch blosses Regeneriren, d. i. durch die Wiederherstellung des molekularen Zusammen- hanges und der Klarheit der Bindemittel, in welche eingehüllt die Farbpulver gesehen werden, nicht er- reicht wird, aber ohne Beschädigung der noch vor-

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handenen Originalfarbe irgendwie erreicht werden kann, so ist das Regeneriren dadurch zur Grundlage jeder Restauration gemacht. Zum Restauriren ge- hört das Auskitten unganzer Stellen, breiter Sprünge und deren Uebermalung, das Niederlegen aufgestan- dener Farbe, das theilweise Abnehmen sehr störender Firnisse, das Unterziehen mit frischer Leinwand u. s. w. Allen diesen Operationen muss in der Regel die Re- generation vorausgehen, theils um überhaupt stets klar das Original vor sich zu sehen, theils um das Ein- dringen von Stoffen in den Farbkörper und in den Grund des Gemäldes zu verhüten, von Stoffen, welche mehr oder minder der ursprünglichen Gemäldesubstanz fremdartig sind oder gegen die Luft sich wesentlich anders verhalten als diese. Der Kitt zum Ausfüllen defekter Stellen wird am besten mit Bleiweiss, etwas Ocker, Oelfirniss (Siccatif de Courtrais), Harz und Terpentinöl angemacht, mit Spatel oder Pinsel auf- getragen und nach dem Trocknen sorgfältig abge- schliffen. Die zum Restauriren zu verwendenden Farben betreffend sagt Lucanus*): »An den Stellen, auf wel- chen man die Farben vom Grunde aus wiederherstellen muss, suche man zunächst mit solchen Farben zu decken, die sehr leicht und sehr fest austrocknen und voraussetzlich nicht nachdunkeln.« Frey findet hierfür die auch von Lucanus empfohlenen Balsam-Harzfarben am besten, die zwar etwas langsamer decken, aber den Vortheil gewähren, dass sie soviel wie gar nicht nachdunkeln. Man bereitet sie aus dem zähen, har- zigen Rückstand, welchen Terpentinöl beim Verdampfen

?) A. a. O. S. ii 7.

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an der Luft lässt, indem man damit die trockenen Farbpulver und etwas Copaivabalsam zusammenreibt. Sie können mit der umgebenden Originalfarbe ganz gleich gestimmt werden und erhalten sich dann auch unverändert so.

Zum Niederlegen aufgestandener Farbe reicht in den meisten Fällen öfteres Befeuchten mit Copaiva- balsam aus, wodurch die Farbe so geschmeidig wird, dass sie ohne jede Anwendung von Hitze durch leichten Druck geebnet und befestigt werden kann. Die Vortheile des Regenerirens für die Zwecke des Firnissabnehmens habe ich bereits im ersten Abschnitte erörtert.

Es kann selbstverständlich nur meine Aufgabe sein, die Mittel der Regeneration eingehend zu be- sprechen, die Mittel der Restauration überlasse ich den Restauratoren, und verlange nur, dass sie keine Mittel anwenden, welche einer späteren Regeneration der Gemälde Schwierigkeiten und Hindernisse bereiten. Herr Conservator Frey ist meines Wissens bisher der einzige, welcher praktisch das Regenerationsverfahren zur Grundlage all seiner restauratorischen Handlungen gemacht und das Princip consequent durchgeführt hat Ich kann seine Methoden deshalb allen Gemälde- besitzern empfehlen, und wünsche anderen Gallerien Schüler von Frey als Restauratoren.

Ich erlaube mir, auf einige meisterhafte Re- staurationen in der neuen Pinakothek aufmerksam zu machen: Mehrere Bilder des Architekturmalers v. Bayer zeichneten sich da durch grossartige und zahlreiche Sprünge aus. Zwei derselben, No. 208 und 279 des neuesten Katalogs, in den nördlichen

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Cabineten III u. VII wurden vor und nach der Re- generation und Restauration genau vom Herrn Hof- photographen Albert photographirt, wodurch sich Frey einer Controle unterzog, die jedem Restaurator zu wünschen wäre. Der genaueste Vergleich der Photographien zeigt, dass Herr Frey wirklich an der Originalität der Kunstwerke nichts geändert hat, dass er nur die grossem Sprünge und Risse ausgekittet und mit Farbe gedeckt hat. Sie hängen seit Jahren bereits wieder in der Gallerie und haben sich ganz unverändert erhalten. Man sollte wirklich die Photo- graphien vor und nach der Restauration daneben hängen, um jedermann deutlich zu machen, was Herr Conservator Frey zu leisten hatte. Eine andere höchst gelungene Regeneration und theilweise Restauration von Frey war das berühmte Bild in dem Cabinete II No. 201 von Wilkie, die Testamentseröffnung, dessen Farbe arg zerrissen und getrübt war. Firnissabnehmen hätte das fein gemalte Bild sicher um den Werth eines Originals gebracht. Durch vollständige Regene- ration und durch die nachfolgende, im beschränktesten Maasse angewandte Restauration ist die volle Farben- schönheit dieses Gemäldes der jetzt lebenden Gene- ration vielleicht zum erstenmal zur vollen Anschauung gebracht worden.

In kunstgeschichtlicher Beziehung bin ich über- zeugt, dass die Trennung der Begriffe Regeneration und Restauration sich zu einem Marksteine auswachsen wird, von welcher Zeit an die Originalität der Kunst- werke — so weit sie zu dieser Zeit noch vorhanden war nicht weiter alterirt worden ist. Das Regene- rationsverfahren hat jetzt schon ganz andere Vor-

Stellungen von Originalität eines Kunstwerkes hervor- gerufen, als bisher maassgebend waren. Es stehen sich bereits zwei Systeme schroff gegenüber, von denen das eine durch das Regenerationsverfahren gegen das andere erweckt worden ist. Aus diesem Grunde ist der oben citirte »Protest gegen das Pettenkofer- sche Regenerations verfahren« auch zugleich zu einem Attest für das alte Restaurationssystem geworden. Wir wollen zwei Stimmen aus den verschiedenen Lagern hören. Herr Rath Förster sagt S. 23: »Was der Restaurator wissen und können muss, lässt sich mit wenigen Zügen darlegen; indem wir das Princip festhalten, dass die Restauration eine Kunst, wie die Malerei, und als solche alle Vorbereitungen und Studien der Letzteren bedingt, ergibt sich ganz natür- lich die Schlussfolge, dass der Restaurator vor Allem tüchtig zeichnen und malen können muss, was aber zur Erfüllung seines Berufes noch bei Weitem nicht genügt. Er muss auch die alten Meister in ihren Werken genau und eingehend studiren , um ihre Charakteristik und verschiedene Technik bis ins kleinste Detail kennen zu lernen und sich zu eigen zu machen. Er muss demnach nicht bloss guter Zeichner und Maler, sondern auch ein vielseitig und tiefgebil- deter Gemäldekenner sein , und wie bei diesem ist auch für jenen natürliche Begabung die erste Grund- bedingung, ohne welche man, selbst mit allen übrigen Fertigkeiten ausgestattet, kein guter Restaurator werden und dieselben auch gar nicht richtig ver- werthen kann.

»Hieraus ist leicht ersichtlich, dass die Restau- ration doch wohl eine höhere Aufgabe zu erfüllen hat.

als bloss Bilder zu reinigen und zu firnissen, obwohl auch hiezu schon mehr Kenntniss gehört, als man allgemein annimmt, weil sonst die Bilder leicht in Gefahr kommen können. Der Restaurator muss wissen, wie weit ein Bild zu putzen ist, ohne dass es in seiner Originalität angegriffen wird; er muss sehen, wo und wie weit ein Bild beschädigt ist, ungeschickte, schlechte Retouchen zu beseitigen, neue mit solchem Verständniss anzu- bringen wissen, dass selbst das schärfste, geübteste Kennerauge sie nicht im Bilde zu entdecken im Stande. Was in einem Bilde fehlt, sei es ein Stück Himmel, ein Baum, eine Hand etc., muss er dergestalt in dem Geiste und der Manier des betreffenden Meisters zu ergänzen verstehen, dass nach vollendeter Restauration das Bild in voller Harmonie und Originalität, wie aus der Hand des ursprünglichen Meisters hervorgegangen und unberührt von fremder, unsern Augen sich dar- stellt; wenigstens der wahre Kunstverständige, der Kenner stellt unbedingt diese Anforderung und nur von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet und be- urtheilt er das Wesen der Restauration.«

Ich glaube, das wird genug sein, und wir ertheilen nun einem Anhänger des neuen Systems das Wort. Friedrich Pecht bespricht in einem Artikel in No. 279 der Süddeutschen Presse vom 28. November 1869, veranlasst durch die C. Förster’sche Schrift, das gleiche Thema, und findet, dass Herr C. Förster ganz auf dem Standpunkte des alten Restaurirsystems stehe, dem man den Ruin von unzählig viel mehr Bildern ver- danke, als den mehr oder weniger unvermeidlichen Wirkungen der Zeit. Pecht fährt fort: »Dass Herr C. Förster sich offenbar auch nicht einmal die Mühe

Pettenkofer, Regenerationsverfahren. g

genommen hat, sich irgend näher mit Pettenkofer’s Methode bekannt zu machen, erhellt schon daraus, weil er sich über die möglichen Wirkungen derselben solchen Täuschungen hingibt, wie wir sie gesehen haben, und z. B. nach eigener Angabe mit Herrn Engert glaubt, dass überhaupt Lasuren durch dieselbe zerstört werden könnten, während diess doch geradezu materiell unmöglich ist, da vom Bilde ebenso wenig etwas weggenommen als demselben hinzugefügt wird. Dass diess nicht geschieht, ist ja gerade sein grosser Vortheil vor dem bisherigen System. Denn dieses, und damit kommen wir auf den Hauptunterschied beider, beruht durchaus auf dem subjektiven Ermessen des Restaurators und seinem selbst im besten Falle ungenügenden Können, mit welch beiden er dem zu restaurirenden Bilde beliebige Uebermalungen und Lasuren oktroirt, nachdem er es zuvor geschunden, d. h. des Firnisses und mit ihm gewöhnlich seines schönsten Reizes, der Patina sowie der leichten La- suren und Retouchen beraubt hat, also gerade jenes kostbaren Theiles, der dem Meister selber unter allen Umständen angehörte. Dieses subjektive Ermessen des Restaurators richtet sich überdiess, da dieser nur zu häufig ein verunglückter Maler ist, ganz nach dem schlechtesten Theile des gerade zur Zeit seiner Bil- dung vorhandenen Kunstvermögens und Kunstver- ständnisses. So haben z. B. die Brüder Boisseree dem damals herrschenden total barbarischen und rohen koloristischen Geschmacke der deutschen Malerei ge- mäss alle ihre herrlichen Bilder, deren Kolorit meistens gut erhalten war , nicht nur aufs scheusslichste fleck- weise verputzen, und dadurch ihre so feine Harmonie

für ewig zerstören, sondern auch die Karnation der- selben durch Lasuren mit Lack durchgängig so feuer- roth überpinseln lassen, wie wir das auch an den gleich- zeitig gemalten Fresken der Cornelianischen Schule zu unserm Schrecken sehen müssen; ja sie haben so- gar, weil die damalige Doktrin sagte, dass die Kon- turen der altdeutschen Malerei hart umschrieben sein müssten, an den herrlichsten, weichsten Köpfen diese Konturen genau so schwarz mit dem Pinsel nachfahren lassen, als es wohl unsere damalige klassizistische Schule that, den van Eyk oder Memling aber niemals eingefallen ist. Diese berühmten Kunstkenner haben so ihre eigene Sammlung auf eine wahrhaft vandalische Art verwüstet, weil sie eben mit ihrer Anschauung nicht aus ihrer Zeit und deren Rohheit herauskonnten. Wie wäre es sonst z. B. zu erklären, dass fast ein volles Vierteljahrhundert in der hiesigen Pinakothek die grössten Meisterwerke unter den Augen einer hochberühmten Künstlerschaft so total geschunden werden konnten, ohne dass sich ein allgemeiner Schrei des Entsetzens dagegen erhob, wenn nicht die kolo- ristische Anschauung dieser Künstlerschaft gründlich ungebildet gewesen wäre? Wir hätten also bei einer Fortdauer dieses alten Restaurirsystems die schöne Aussicht, dass unsere ohnehin immer mehr zusammen- schmelzenden klassischen Meisterwerke alle Wand- lungen des jeweils herrschenden Geschmackes unserer Kunst unfreiwillig mitzumachen und zu büssen ver- urtheilt wären, dass dieselben wie gestern roth so mor- gen vielleicht grün lasirt würden ! Der vom Gegner mit einem gewissen Recht gepriesene Direktor Engert, welcher immer noch einer der besten Restauratoren

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jenes alten fluchwürdigen Systems ist, zeigt uns selbst bei seinen berühmtesten Restaurationen genau die- selben Mängel, die wir eben geschildert, z. B. bei der so oft als ein Meisterstück der Restaurirkunst ge- priesenen Tizian’schen Madonna mit den Kirschen. Bei genauerer Untersuchung desselben wird man bald finden, dass am Bilde nur mehr sehr wenig reiner, unberührter Tizian, die grössere Hälfte aber, wie speziell die zwei Kirchenväter links und rechts, ganz von Herrn Engert übermalt ist, bei welcher Gelegen- heit denn natürlich der kühne Strich, das Lebens- gefühl und die Klarheit des Meisters gleichmässig in die Brüche ging. Ganz derselbe Fall ist es mit dem St. Sebastian des Holbein in der hiesigen Gallerie *), unstreitig einer der besten und vollendetsten Restau- rationen des alten Systems, die uns bekannt sind. Aber gerade sie, die auch uns lange als ein Muster galt und die der Geschicklichkeit Eigners und seiner Schule alle Ehre macht, hat uns bei länger dauerndem Studium am meisten die Unhaltbarkeit des Systems gezeigt, denn wir mussten uns zuletzt bei Vergleichung mit den regenerirten , aber nicht restaurirten Flügel- bildern **) gestehen, dass wir auf diesen allerdings frühere Vorgänge zu beklagen, aber doch noch den echten Meister mit all seiner Frische und Leucht- kraft auf dem grössten Theil des Bildes vor uns hatten, während beides auf dem anderen gar nicht mehr zu finden, sondern durch einen künstlichen, allgemeinen weichen, aber trüben und lichtlosen Ton ersetzt ist,

*) Alte Pinakothek Saal I No. 17.

**) Alte Pinakothek Saal 1 No. 16 und 18.

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der gerade bei dem nackten Körper des Sebastian durch seine Abstumpfung der Formen am auffallendsten zeigt, wie ein Surrogat die Aechtheit auch in der Malerei so wenig ersetzen kann, als Cichorie den Kaffee.

»Jede genauere Untersuchung fast aller europäi- scher Gallerien zeigt uns die unseligen Folgen jenes alten Systems, das theils auf der Eitelkeit, theils auf der Gewinnsucht oder der Unwissenheit der Restau- ratoren und jener Galleriedirektoren beruht, die ihre Posten der oben geschilderten Praxis verdanken. Noch vor wenigen Jahren, ehe man den Herren einen gründlichen Schrecken in den Leib gejagt, hatte man dessen so wenig ein Hehl, dass die elendesten Schmie- rer es ruhig unternehmen durften, einen van Dyk oder Correggio zu verbessern, worüber wir eine Fluth von ebenso erbaulichen, als vollkommen beglaubigten Ge- schichten mittheilen könnten. Dass auch Herr Förster in dieser Beziehung ganz auf dem gleichen Stand- punkt steht, der die Bilderrestauration zu einer Art Schwarzkunst, zur reinsten Wunderdoktorei macht, zeigt seine Aeusserung, dass ein Restaurator die Bil- der so wiederherstellen müsse, dass es auch dem ge- übtesten Auge nicht möglich sei, seine Thätigkeit zu entdecken. Diess ist ganz der alte Jargon aller Char- latane, denn es setzt allemal voraus, dass das ganze Bild übermalt werde, wie es die berühmtesten Restau- ratoren aus nah und fern allerdings zu thun pflegen. Ohne das ist es nach den einfachsten technischen Gesetzen niemals möglich, da jede Farbe ohne Unter- schied beim Trocknen sofort, und später noch mehr sich etwas ändert, nachdunkelt oder verblasst, also

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alle restaurirten oder ergänzten Stellen, wenn sie auch noch so fein mit dem unberührten Bilde zusammen- gestimmt worden , später unfehlbar sichtbar werden müssen. Dieser Inkonvenienz weichen leider nur zu viele Restauratoren dadurch aus, dass sie entweder beim Retouchiren die benachbarten Stellen gleich mit überfahren oder dass sie das ganze Bild, wenn die Retouchen getrocknet sind, noch mit einer Lasur von Asphalt u. dgl. übergehen, um ihm damit eine künst- liche Harmonie, eine neue Patina für die weggeputzte zu geben. In diesem Falle hat der glückliche Be- sitzer dann einen Schlesinger, Engert oder Eigner für einen Correggio, Tizian oder Holbein umgetauscht der überdiess den Nachtheil hat, dass trotz alledem die neuen Retouchen dennoch von Jahr zu Jahr sicht- barer werden, ja oft ganz dunkle Flecken machen, wie wir sie zu Hunderten in unserer Pinakothek sehen.« Welch grosser Unterschied in der Sprache des einen und des andern! nicht allein, was die Form, son- dern noch viel mehr, was den Inhalt anlangt. Herr Förster gebraucht Worte, Pecht Thatsachen. Wenn man die Rede des Herrn C. Förster genauer be- trachtet, so findet man darin nichts als Gemeinplätze und Prahlereien des bis zum Fratzenhaften aufgebla- senen Restauratorenthums. Dass solche Leute mit ihrer Sprache sich noch herauswagen ins Licht der Oefifentlichkeit, zeigt, auf welche Gedankenlosigkeit im Publikum sie noch rechnen dürfen. Ein solcher Zustand muss denjenigen mit Grauen und Entsetzen erfüllen, der unter dem Original eines Kunstwerkes eine thatsächliche Wirklichkeit versteht, wie sie etwa für den Geschichtsforscher in einer Handschrift oder

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Urkunde liegt. Was wäre das für ein Archiv, in dem die Theile, welche in den Urkunden defekt geworden sind, von der Hand eines Nachgebornen wieder er- neuert und eingeschaltet werden wollten. Wer eine Urkundensammlung, was unsere Gemäldegallerien für die Kunstgeschichte doch künftig einmal sein sollen, auf diese Art traktirte, »dass selbst das schärfste, geübteste Kennerauge nicht mehr zu entdecken im Stande wäre« , was ächt und was nachgemacht ist, verdiente das Zuchthaus und die Galeere, weil er sich einer Urkundenfälschung schuldig gemacht hätte. Wenn in einer wichtigen Handschrift Zeilen und ganze Blätter zerstört worden sind , und selbst der grösste Gelehrte wollte in dieses Exemplar seine Ver- muthungen, wie das einmal geheissen hat, mit trüge- rischer Aehnlichkeit in allen Aeusserlichkeiten mit dem Rest des Originals eintragen, so könnte das nur gestattet werden , wenn gleichzeitig für alle nach- folgenden Generationen kennbar unzweideutige Zeichen angebracht würden, wo diese Conjektur anfängt und aufhört, damit spätere Forschungen dadurch nicht be- einträchtigt und gehindert werden. Ein guter Archiv- conservator muss wohl Urkunden kennen und lesen können, aber er braucht keine theilweise anzufertigen, er muss wissen, was dem Pergament, dem Papier und den Siegeln, überhaupt den Dingen, aus denen sein Schatz stofflich besteht, Dauer verleiht und was sie zu Grunde richtet, aber am geistigen Inhalt hat er nichts zu ändern und zu ergänzen. Was er da ändern wollte, würde sein Nachfolger wieder ändern, weil er dasselbe Recht dazu hätte und gewiss mit vielen Aenderungen und Conjekturen seines Vorgängers nicht

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einverstanden sein würde. In unsern Gemäldegallerien droht uns wirklich die Gefahr, wie Pecht richtig her- vorgehoben hat , dass ein Gemälde einmal blau oder grün lasirt wird, nachdem es zuvor roth lasirt wor- den ist.

Wenn die Restauratoren im Sinne des alten Systems schon zur Zeit des Tarquinius gelebt hätten, so hätte dieser König des alten Roms mit den Weis- sagungen der Sibylle ein leichtes Spiel gehabt, nach- dem er die drei letzten Bücher ihrer Mysterien endlich doch noch in seinen Besitz gebracht hatte, um den- selben Preis, wofür ihm ursprünglich neun Bücher an- geboten waren. Der König hätte sich die von dem boshaften alten Weibe verbrannten sechs Bücher von den Restauratoren anfertigen lassen, die es gewiss so täuschend gemacht hätten, dass die nachgemachten selbst der feinste Kenner nicht von den drei übrigen ächten Originalbüchern weggekannt hätte. So brauchen grosse Restauratoren nur noch einige Spuren von Raphael oder Rubens auf Holz oder Leinwand zu haben, »dass nach vollendeter Restauration das ganze Bild in voller Harmonie und Originalität, wie aus der Hand des ursprünglichen Meisters hervorgegangen und unberührt von fremder, unsern Augen sich darstellt; wenigstens der wahre Kunstverständige, der Kenner (i. e. C. Förster) stellt unbedingt diese Anforderung, und nur von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet und beurtheilt er das Wesen der Restauration.«

Ich bin begierig, wie lange sich die kunstliebende Menschheit noch solche Grundsätze gefallen lässt. Dummheit und Aberglaube werden zwar nie aus der Welt verschwinden, denn es sind menschliche Eigen-

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schäften , wie andere, aber sie werden hie und da ge- nöthigt, gewisse Gebiete zu verlassen, die sie lange beherrscht haben, und neue aufzusuchen. Trügt mich nicht alles, so werden die grossen Restauratoren bald wenig mehr zu thun bekommen und aussterben, denn es fängt an , ein Begriff von der Originalität eines Kunstwerkes zur Entwickelung zu kommen, der gern auf ihre Künste verzichtet. Diese Talente, welche von der Welt bisher bewundert worden sind, weil sie die alten Meister bis zum Verwechseln nachmachen und mit ihrer Fantasie grosse Lücken ausfüllen konnten, werden sich dann als Copisten sehr nützlich machen, aber sie werden ihre Kunst auf neue Leinwand, neues Holz anwenden, niemand wird ihnen mehr alte Originale zu dem Zwecke in die Hand geben, um sie, wie Pecht sagt, »nur als eine Art von Untermalung zu betrachten, welche sie nach ihrer subjektiven An- schauung zu einem Raphael oder Rubens zu machen haben. Die Zukunft wird gern auf jede weitere Täu- schung gänzlich verzichten , lieber die einmal vor- handenen Verputzungen und Firnissflecke ertragen, als durch neue Uebermalungen und Verputzungen die Fälschungen noch weiter treiben, durch allerlei Ge- tüpfel den Meister vollends um alles Leben bringen. Man wird sich damit begnügen , dem Originale , so weit es noch vorhanden ist, seine volle Klarheit und Tiefe der Farbe, sowie einen genügenden Schutz gegen fernere üble Einflüsse wiederzugeben, und absolut nur das zu ergänzen, was für den Genuss durchaus störend ist, z. B. Löcher auszufüllen u. s. w.«

Die Restauratoren haben sich bisher immer so gern mit Aerzten verglichen , haben sich Bilderärzte

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genannt , die Gemälde waren ihre Patienten , die sie behandelten, denen sie Arzneien eingaben, die sie in ihren Heilanstalten in Cur und Pflege nahmen. Dieser Vergleich ist in mehrfacher Beziehung nicht zutreffend. Erstens werden diese Aerzte nie von ihren stummen Patienten gerufen und bezahlt, sondern nur von deren Eigenthümern. Dann ist aber auch ein vollendetes Gemälde niemals einem lebenden Organismus zu ver- gleichen, ein Gemälde lebt, organisirt und entwickelt sich nur unter der Hand seines Meisters, gleichwie man auch vom Marmor nur sagen kann , er lebe und gestalte sich , so lange Hammer und Meissei auf ihn wirken. Ein Kunstwerk ist wohl ein Werk der Leben- digen, aber selbst leblos, nur ein Widerschein, ein Spiegelbild des idealen Lebens des Künstlers. Nur der Künstler selbst könnte wieder neues Leben in ein Gemälde bringen, wenn er es veränderte, aber sobald er es wieder aus der Hand gibt, hört es wieder auf zu leben, ist es wieder nur der im Moment erstarrte Leib, gleich- sam die Leiche seines Ideals, die er aber gern unver- ändert, mit allen Spuren des Lebens in den geliebten Zügen der Mit- und Nachwelt nicht zur Verwesung unter freiem Himmel oder in der Erde, sondern zur Erhaltung, zur Conservirung überliefern möchte.

Der Vergleich mit den Aerzten gereicht den Re- stauratoren in mancher Beziehung nicht einmal zum Vortheil. Das Leben ist trotz aller ärztlichen Kunst erstaunlich kurz, und seine mittlere Dauer dadurch wenig beeinflusst. Von Geburt aus gesund zu sein und kein Unglück zu haben, entscheidet mehr, als alle Aerzte der Welt. Ich sagte einst einem Restau- rator, er solle Gott danken, dass man für die Bilder,

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die unter seinen Händen ihren Geist aufgaben, keine Todtenzettel schreibe und versende; er möchte über- haupt seine Vergleiche mit dem Arzte meiden, sonst würde man daran erinnert, dass der Arm oder Fuss, welche er oft wiedergibt, sich zum Originale ver- halten, wie der hölzerne Fuss und der hölzerne Arm, oder wie das Auge von Glas, was die ärztliche Kunst und Mechanik nach Unglücksfällen oder Operationen als Ersatz zu bieten hat.

Jedes Gleichniss hinkt zwar, aber mir scheint, die Galleriedirektoren , Conservatoren und Restauratoren würden in Zukunft klüger thun , anstatt mit Aerzten, sich mit einer mysteriösen Priesterschaft oder einem Orden zu vergleichen, welcher dem Cultus der Kunst geweiht, nicht Klinik zu halten, sondern heilige Stätten zu hüten und zu pflegen hat, wo die irdischen Reste so vieler wunderschöner Ideale möglichst unverändert, noch mit allen Spuren des idealen Lebens, was ihnen der Künstler mitgetheilt und die Zeit belassen hat, einbalsamirt der Nachwelt überliefert werden sollen, damit auch noch kommende Geschlechter sich daran erfreuen und erbauen können.

Die Zeit, wo der Gedanke der Erhaltung der Originalität die Restauration nach altem System, wel- ches bisher eine ewige Neuerschaflung aller Kunst- werke mit den Mitteln der Kunst selber anstrebte, aus den Gallerien verdrängen wird, ist noch nicht ge- kommen , aber sie wird kommen. Die bisherigen Galleriedirektoren und Restauratoren werden sie aller- dings nicht herbeiführen, von ihnen darf man auch gar nicht erwarten, dass sie gegen eine Richtung und gegen eine Praxis auftreten werden, welche sie bisher

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in gutem Glauben für ihren Beruf gehalten haben: aber die Künstler müssen sich des idealen Nachlasses ihrer verstorbenen Brüder, ihrer Ahnen annehmen, ihren Werken gesicherte Ruhe schaffen und sie gegen jede frevelhafte Berührung schützen. Die schaffenden Künstler müssen den Eigenthümern solcher Kunst- schätze sagen, was zu thun sei. So weit diese Schätze öffentliches Eigenthum der Fürsten und Völker sind, haben die Künstler nicht nur ein Recht, sondern so- gar die Pflicht, ihre Stimme zu erheben.

Vierter Abschnitt.

Die Erwerbung des Regenerations- verfahrens für die Gemäldesammlungen des bairischen Staates.

Der Leser kennt bereits die officielle Veranlassung zum Entstehen meines Verfahrens, und ich habe auch schon angeführt, wie sich gar bald Mitglieder der Staatsregierung und der Landesvertretung für die Sache interessirten. Die Staatsregierung erwarb zu- letzt mit Zustimmung der Landesvertretung das Recht der Anwendung für ihre Gallerien. Ueber diesen Punkt sind so viele falsche Angaben im Umlaufe, dass ich mich veranlasst sehe, bei dieser Gelegenheit den eigentlichen Sachverhalt mitzutheilen.

Wie die Restauratoren nach altem System diesen Erwerb ansehen, geht nur zu deutlich aus einer Stelle des jüngst erschienenen »Protestes« S. 58 hervor: »Baierns Regierung allein hat das von Allen ver- urtheilte und abgewiesene Verfahren als eine für die Erhaltung der Bilder segensreiche Erfindung mit Rücksicht auf die Münchner Pinakothek für die Ba- gatell-Summe von 40000 Gulden und damit das un- bestreitbare Recht erworben, eine der schönsten, kostbarsten Gallerien nach einem neuen Systeme baldigst vom Leben zum Tode zu bringen.«

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Dieser Satz ist nichts als eine summarische Wiederholung aller im zweiten Abschnitte enthaltenen Einwürfe, denen der Herr Verfasser des Protestes auch seinerseits 12 abschreckende Beispiele aus der alten Pinakothek hinzugefügt hatte. Wie sehr Herr Rath C. Förster dadurch allem früheren die Krone aufgesetzt hat, weiss der Leser von S. 101 bereits. Ich will nur kurz die Gründe angeben, welche mich zu einer Forderung und die k. Staatsregierung zur Er- füllung derselben veranlassten.

Die Staatsregierung verlangte von mir Aufschlüsse über die Ursachen des Verderbnisses ihrer Oelgemälde in den Gallerien vom naturwissenschaftlichen Stand- punkte aus. Ich habe Aufschluss nach bestem Wissen und Gewissen ertheilt, wie es meine Pflicht als Staats- diener gewesen ist. So klar und wichtig meine Mit- theilungen seinerzeit auch gewesen sein mögen, so wäre es mir doch nie in den Sinn gekommen , dafür Geld zu verlangen, so wrenig, als ich das bei so vielen andern, oft noch wichtigeren Angelegenheiten gethan hatte, wo man mich zu Rath gezogen. Die Sach- verständigen und der Minister begnügten sich aber damals mit meinem Gutachten nicht, welches ein Hauptübel der Gallerien im Verluste des molekularen Zusammenhangs erkannt hatte, sondern verlangten von mir, ich sollte gleichsam zur Controle der Richtigkeit meiner Theorie nun auch Mittel und Wege schaffen und angeben, wie die bestehenden Uebel wieder gut zu machen und fernere zu verhüten wären. Diese Forderung reichte offenbar über meine Pflichten als wissenschaftlicher Experte und Staatsdiener hinaus, und gab mir für den Fall , dass ich diese Forderung

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erfüllte , ein unbestreitbares Recht in die Hand , eine Gegenforderung zu stellen.

Das von mir aufgestellte Verfahren rief zunächst im Kreise der Commission, dann in der Oeffentlich- keit zahlreiche Kämpfe hervor; erst nachdem es im Laufe von zwei Jahren alle siegreich bestanden, nachdem seine Brauchbarkeit und seine Vortheile auch durch einen Restaurator von Fach, Herrn Conservator Frey, an einer sehr grossen Anzahl von Gemälden der ver- schiedensten Zeiten und Meister versucht und erprobt worden war, erklärte die Commission von Sachver- ständigen dem k. Staatsministerium, »dass es unver- antwortlich wäre, das Pettenkofer’sche Regenerations- verfahren, wie es vom Conservator Frey bereits praktisch gehandhabt wird , nicht für die rationelle Grundlage der künftigen Restauration und Conser- vation für die bairischen Staatsgemäldegallerien auf Grund der gemachten Erfahrungen und der ge- wonnenen Einsicht zu erklären.«

Damals (23. Februar 1865) gab mir Herr Minister von Koch Hand und Wort, es werde beim nächsten Budgetlandtage 1868 die von mir verlangte Summe von 50000 Gulden beantragt werden. Die Motivirung der Summe war in der Anzahl von Gemälden zu suchen, welche sich im Besitze des Staates befinden. Die Inventare weisen gegen 8000 Nummern aus, welche unter der Voraussetzung, dass sie überhaupt noch der Erhaltung oder auch nur einer näheren Prüfung werth sein sollten , im Laufe einiger Jahre regenerirt werden müssen. Da das Regeneriren in der Regel an die Stelle des Firnissabnehmens, des Nährens mit frischem Oel und des erneuten Firnissens zu treten hat, so erkun-

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digte ich mich , was bisher für diese Operationen, unter denen die Originale nicht selten empfindlich ge- litten hatten, bezahlt wurde. Für das grosse Jüngste Gericht von Rubens z. B. allein wurden seinerzeit 1400 fl. bezahlt, und Künstler und Kunstkenner be- haupten , das Gemälde wäre bei dieser Gelegenheit arg verputzt worden. Als Durchschnittspreis hatte mir schon bisher die Regierung für jedes regenerirte Gemälde gleichviel ob gross oder klein, werthvoll oder werthlos 20 fl. bezahlt. Ich nahm nun an, es möchten unter allen Inventarsnummern etwa nur noch 5000 der Erhaltung und einer näheren Untersuchung werth sein. Darnach konnte ich berechnen, dass mir der Staat in einigen Jahren allmählich 100000 fl. zu bezahlen hätte , und ich erklärte mich zu- frieden, wenn man mir 50000 fl. auf einmal bezahlen würde.

Bis zu diesem Budgetlandtag war leider Minister v. Koch gestorben , der nicht nur ein ausgezeichneter Staatsmann und Patriot, sondern in jeder Beziehung ein Mann durch und durch war. Ausserdem hatte sich inzwischen auch noch manches andere verändert. Es war 1866 der deutsche Krieg über Baiern ge- kommen, und an die Stelle des Centralgemäldegallerie- direktors Clemens v. Zimmermann war Philipp Foltz getreten. Diese beiden letztem Umstände zusammen mochten veranlasst haben, dass bei Feststellung des Budget-Entwurfes die vorgemerkte Summe für das Regenerationsverfahren wieder gestrichen wurde. Der deutsche Krieg hatte den bairischen Finanzen derart zugesetzt, dass Sparsamkeit nach allen Seiten hin mehr als je geboten war. Der neue Galleriedirektor,

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welcher, weder ein Gegner meines Verfahrens noch meiner Person , meinen Entdeckungen den höchsten Werth beimisst (dessen Promemoria vom November 1869), war doch der Ansicht, die Anwendung des Regenerationsverfahrens, so weit es privilegirt sei, wäre in einer viel geringem Zahl von Fällen noth- wendig, als man bisher geglaubt hatte; er besässe Mittel, die auch ohne dieses gleich gute, ja noch bessere Dienste thäten.

Als ich mich erkundigte, was Herr v. Foltz für neue und bessere Wege gefunden habe, vernahm ich, er wende in den meisten Fällen den Copaivabalsam allein an, und erst, wenn dieser nicht ausreiche, werde auch die weingeisthaltige Luft versucht; man sei aber in der Regel schon durch die Wirkung des Copaiva ganz zufriedengestellt. Diese Mittheilung liess ich mir mehrfach und zuletzt von Herrn v. Foltz selbst wiederholen, weil ich sie anfangs nicht verstehen konnte. Das hing nun folgendermaassen zusammen:

Das Regenerationsverfahren , dessen Bestimmung die Wiederherstellung des verlorenen molekularen Zu- sammenhangs ist, eines Zustandes, auf dessen univer- sale Bedeutung in den Gallerien ich zuerst aufmerk- sam gemacht habe, bedient sich wesentlich zweier Mittel zum Zwecke , des Alkohols und des Copaiva- balsams. Es unterliegt wohl keinem Zweifel , dass derjenige, welcher zuerst auf ein allgemeines Uebel aufmerksam macht , es wissenschaftlich definirt , und dann zuerst rationelle Vorschriften gibt, diesem Uebel entgegenzutreten, ein gewisses Eigenthumsrecht auch auf diese Mittel gewinnt, wenn sie an und für sich auch gar nicht neu sind, wie es im vorliegenden Falle

Pettenkofer, Regenerationsverfahren.

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mit Alkohol und Copaivabalsam der Fall war. Im Jahre 1863 Hess ich mir die Anwendung der alkohol- haltigen Luft zu besagtem Zwecke patentiren, in der sichern Voraussetzung, dadurch zugleich alle übrigen von mir ausgehenden Proceduren mir gesichert zu haben; denn ich glaubte, die Anwendung der alkohol- haltigen Luft werde von jedermann, in jedem einzelnen Falle nicht entbehrt werden können, da sie ja schon dazu unerlässlich ist, um nur zu sehen, ob der mole- kulare Zusammenhang vorhanden oder wieder im vollen Maasse hergestellt ist. Ich weiss auch wirklich nicht, wie Herr v. Foltz diese technische Anforderung be- friedigt, ohne alkoholhaltige Luft anzuwenden. Die ersten Versuche wurden allerdings an sehr firniss- reichen Bildern aus der Gallerie in Schleissheim mit weingeisthaltiger Luft allein angestellt, aber wo die ursprünglich auf dem Bilde schon vorhandene Harz- menge zur Erfüllung aller molekularen Zwischenräume, d. h. zur völligen Regeneration nicht ausreichte, wen- dete ich schon sehr frühe den Copaivabalsam an.

Ich verstand unter Regenerationsverfahren die Wiederherstellung des molekularen Zusammenhangs, ohne Firniss abzunehmen, ohne Putzen, dann prin- cipiellen Ausschluss aller fetten Oele zum Nähren,

andere verstanden darunter weiter nichts, als die Anwendung der weingeisthaltigen Luft. Dass ich schon in der ersten Zeit Copaivabalsam anwandte, beweist die Polemik über den Wouverman No. 393, von dem behauptet wurde, »dass dessen Vordergrund jetzt ganz dick überschmiert und ganz gelb erscheine, wie Copaiva die Bilder unvermeidlich mache«. Dieser Wouverman wurde schon im Jahre 1863 von Herrn

Conservator Frey auf diese Art behandelt. Obschon ich den Copaivabalsam nicht in meine erste Patent- beschreibung aufgenommen hatte, so bildete er doch in vielen Fällen einen wesentlichen Theil meines Re- generationsverfahrens, und ich zuerst lehrte dessen methodische Anwendung für die Zwecke der Wieder- herstellung des verloren gegangenen molekularen Zu- sammenhangs in einer grossen Anzahl einzelner Fälle, und führte durch Herrn Conservator Frey den Ge- brauch des Mittels in den beiden Pinakotheken ein. Als Herr v. Foltz Galleriedirektor wurde, fand er die Praxis mit dem Copaivabalsam bereits fertig vor, die allerdings so einfach ist, wie die mit alkoholhaltiger Luft, aber meines Wissens doch an keiner Gallerie methodisch eingeführt war, obschon man den Copaiva- balsam längst kannte, und Maler und Restauratoren, wie oben gezeigt wurde, allerlei Gebrauch davon ge- macht hatten. Man betrachtete ihn vor mir wesentlich nicht anders, als die fetten, langsam trocknenden Oele. Man wagte deshalb in Dresden die Madonna di Sista nicht von vorn, sondern nur die Leinwand von hinten zu tränken, ähnlich wie man oft mit Oel nährt.

Der neue Galleriedirektor stellte sich nun auf den Standpunkt, dass der Copaivabalsam kein Be- standtheil meines patentirten Verfahrens, sondern eine auch ihm schon aus seiner frühesten Jugend be- kannte Substanz sei , und die Gallerie habe keine Verpflichtungen gegen mich, so lange sie für die Zwecke der Regeneration nur Copaivabalsam , und nicht auch die weingeisthaltige Luft anwende. Diese Situation war gewiss höchst pikant. Ein Mittel, was ich selbst in den Gemäldesammlungen des

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bairischen Staates zum Zwecke der von mir ausgehenden Regeneration zuerst eingeführt hatte, sollte dazu dienen, meine Ansprüche an den Staat grundlos zu machen.

Wie der Copaivabalsam vor mir von Künstlern und Restauratoren angesehen und verwendet worden ist, hat der Leser schon oben Seite 44 gesehen. Dass die Sache auch in den bairischen Gallerien und in München früher nicht anders angesehen wurde, geht mit aller Bestimmtheit aus der folgenden Erklärung eines vieljährigen Gewährsmannes hervor, zu wel- cher ich Herrn Conservator Frey nothgedrungen auf- forderte:

»Der Unterzeichnete bestätigt, dass der Copaiva- balsam für die Zwecke der Restauration, welche das Regenerationsverfahren bei Oelgemälden verfolgt, in den k. Gallerien von München und Schleissheim vor dem Bekanntwerden dieses Verfahrens niemals angewendet worden ist, dass die Anwendung des Copaiva für solche Zwecke auch dem Unterzeichneten zuerst durch Prof. Dr. v. Pettenkofer als von ihm ausgehend bekannt geworden ist, und dass diese Anwen- dung auf dem gleichen Princip, wie das sonstige Regenerationsverfahren beruht.

»In manchen Fällen weichen die Mängel, welche der zuerst von Herrn Prof. Dr. v. Pettenkofer seiner Natur nach erkannte Verlust der mole- kularen Cohäsion verursacht, schon der Behand- lung mit Copaivabalsam; es gibt aber viele Fälle, in denen sie nicht ausreicht, und das

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Regenerationsverfahren , soweit dasselbe privi- legirt ist, unentbehrlich ist.

München, den 3. Oktober 1867.

Ig. Frey,

Conservator der k. Central-Gemäldegallerie.«

Nachdem man auf diese Art sich auf den Rechts- standpunkt mir gegenüber gestellt hatte, blieb nichts übrig, als mir auch das zweite Hauptmittel zur Re- generation der Oelgemälde, die Anwendung des Co- paivabalsams gleichfalls patentiren zu lassen. Als ich dieses Patent erwirkt hatte (17. November 1867), machte ich der k. Staatsregierung die Anzeige und erneuerte meine Forderung für Benützung meines patentirten Verfahrens in den königl. bair. Gemälde- gallerien. Die königl. Staatsregierung und die königl. Galleriedirektion hatte nun die Wahl zwischen drei Möglichkeiten : 1) weder die alkoholhaltige Luft noch den Copaivabalsam überhaupt das Regenerations- verfahren — mehr anzuwenden; 2) die Rechtskraft der mir ertheilten Privilegien und deren Anwendbar- keit auf den gegebenen Fall auf dem Rechtswege zu bestreiten; oder 3) meine Forderungen zu befriedigen. Um die erste Möglichkeit zu verwirklichen, hätte erst eine neue Commission von Sachverständigen zu- sammentreten müssen, um auf Grund nicht etwa einer blossen Abstimmung, sondern von Thatsachen den Ausspruch der ersten Commission umzustossen. Warum der zweite Weg, auf den ich namentlich hingewiesen hatte, nicht betreten wurde, weiss ich nicht. Man zog vor, zu versuchen, meine Forderungen herabzustimmen.

Man hat mir da erstaunlich viel zugemuthet, denn

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man wollte es unter allen Umständen vermeiden, an die Kammern zu gehen. Diese Verhandlungen ge- hören zu meinen unangenehmsten Erinnerungen. Als die Sache noch neu und unreif war, fand man sie 50000 fl. werth; jetzt, nachdem sie im Lauf von 5 Jahren reif geworden war, nachdem man sie alle Proben und Kämpfe hatte siegreich bestehen lassen, hätte man mir lieber nichts bezahlt. Ich konnte noch viel leichter den Gedanken ertragen , gar nichts zu erhalten, denn wie mancher Mensch macht sich in Sachen oft höchst nützlich, und hat persönlich nichts davon; aber dass ich selbst den Werth meiner Leistung 1868 um so viel geringer, als 1863 taxiren sollte , hätte ich mich nie entschliessen können. Zu- letzt wurde vereinbart , meine Privilegienrechte nicht, wie es anfänglich beabsichtigt war, ganz zu erwerben und frei zu geben , sondern nur für die im Besitze des Staates und der königl. Civilliste befindlichen Ge- mälde, wodurch mir also eine Verwerthung an Private und namentlich auch an die neue Pinakothek noch offen blieb, und mir in 16 Jahresraten 40000 fl. zu bezahlen.

Herr Minister v. Gresser vertrat diesen Antrag mit Wärme und Ueberzeugung in der Kammer der Abgeordneten, die demselben, ebenso die Kammer der Reichsräthe, ihre Zustimmung ertheilte. Nur ein Mitglied der Kämmer der Abgeordneten, Freiherr v. Stauffenberg, sprach dagegen, sich darauf berufend, dass die Sachverständigen, namentlich die Gallerie- Inspektoren , über die Nützlichkeit und Zweckmässig- keit des Regenerationsverfahrens durchaus noch nicht der Ansicht des Ministeriums seien. Dieser Einspruch

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hatte mit Recht nicht den geringsten Erfolg, denn unter den gegebenen Umständen, wo so viele Gut- achten bereits eingeholt und alle Einwürfe mit Gründ- lichkeit widerlegt worden waren, durfte man sich nicht mehr auf anonyme Sachverständige berufen. Ich zweifle nicht, dass Freiherr v. Stauffenberg in loyalster Absicht gehandelt hat, aber ich hätte gewünscht, dass er sich besser informirt und doch wenigstens seine Autoritäten und Gründe namhaft gemacht hätte.

Der Hergang der Erwerbung des Regenerations- verfahrens durch die bairische Staatsregierung dürfte •jetzt für jedermann leicht verständlich sein und für niemand mehr in dem trüben Lichte erscheinen, in- welchem sie bisher oft betrachtet worden ist, als eine unerhörte oder unverdiente persönliche Gnade , oder als eine Belohnung für andere Dienste und Verdienste, als was sie mir seither schon ein paarmal wirklich an- gerechnet worden ist. Es war ein ganz gewöhnlicher Handel um Privilegiumsrechte. Ich machte mir dar- über auch gar nie eine Illusion und bin überzeugt, dass ich, ohne meine Ansprüche durch Privilegien ge- sichert zu haben, keinen Heller erhalten hätte, trotz alles persönlichen W ohlwollens von Ministern und Kammermitgliedern. Das zeigte sich sehr deutlich, als man sogar den Versuch machte, den von mir in den Pinakotheken zuerst eingeführten Gebrauch des Copaiva gegen mich zu gebrauchen, wogegen ich mich wieder nur durch ein Privilegium schützen konnte. Ich habe keine grössere persönliche Bevorzugung genossen, als jeder Eigenthümer, welchem der Staat ein Grundstück abkaufen muss, weil es zufällig ge- rade so liegt, dass man dessen Ankauf nicht umgehen

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kann. Das ganze Glück, der ganze Vorzug vor andern besteht darin, ein verkäufliches Grundstück zu besitzen.

Viele werden sich nun die Frage stellen: wie kann es aber sein , dass der bairische Staat für seine Gallerien ein Verfahren erwerben musste, wel- ches alle übrigen Gallerien bisher noch umgehen konnten? Die Erörterung dieser Frage wird angenehm für alle jene sein, welche den Gemälden zulieb dem Verfahren die grösste Verbreitung und Anwendung wünschen, aber unangenehm für jene, welchen es bis- her noch gelungen ist, seine Anerkennung zu verhindern.

In München erleichterte es ein Umstand sehr, weil nämlich hier sich gerade dasjenige Element, was anderwärts die grösste Opposition zu machen im Stande ist, kurz zuvor selbst gestürzt hatte. Die höchst unlieb- same Thätigkeit eines Restaurators hatte die Zusammen- setzung der Commission veranlasst: Gemälde waren verputzt worden. Unter gewöhnlichen Umständen wäre auch in München das nächste nicht die Frage gewesen, auf welche Art der Restaurator sie verdorben hat, oder was er hätte thun sollen, um sie nicht zu verderben, sondern man hätte, etwa wie ein Hof oder eine Familie den Leibarzt oder Hausarzt wechselt, wenn man glaubt, er habe schlechte Curen gemacht, nach einem bessern (resp. andern) Restaurator gesucht. Darauf hofften auch schon viele , manche träumten sich schon in einem concilium medicum , nicht um dort ihre Methoden und Mittel einer exakten Prüfung und Diskussion unterwerfen zu lassen, ihre Erfahrungen mitzutheilen , sondern geheim zu thun, zu prahlen, und eine Anzahl Patienten an sich zu reissen. Vor

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einem solchen Concilium von lauter Unfehlbaren scheint das Ministerium doch eine geheime, instinktive Furcht gehabt zu haben. Man setzte lieber eine Commission von Künstlern und Kunstgelehrten zu- sammen, und gab ihr zwei naturwissenschaftliche Ex- perten bei. Dem eigentlichen Restauratorenthum alten Styls wurde nur eine berathende , aber keine beschlussfassende Stimme ertheilt. Die Thätigkeit der Commission nahm mehr eine hygienische als kli- nische Richtung um mit den Restauratoren zu sprechen , sie interessirte sich mehr darum, wie und wodurch Krankheiten entstehen, wie sie zu verhüten sind, als mit welch verschiedenen Mitteln man sie zu heilen sucht. Die Commission forschte , prüfte , dis- kutirte die Resultate, ging ins Einzelne von Methoden ein und hatte bald kein Geheimniss mehr vor sich.

Auf derartige offene Prüfungen lassen sich die wenigsten Restauratoren ein, weil sie immer die Ge- heimnisse ihres Restaurationsateliers vorschützen; ich habe aber noch keines in Erfahrung bringen können, was nicht im Lucanus und Bouvier stünde selbst bis zu den geschabten sauren Aepfeln herab. Ich kann allen Commissionen, die etwa auswärts zusammen- treten , nur dringend empfehlen , kein Geheimmittel zu dulden, auf der genauesten Einsicht in Methode und Manipulationen unweigerlich zu bestehen, alle auch einem chemischen und physikalischen Gutachten zu unterziehen, und zuletzt die Verhandlungen durch den Druck zu veröffentlichen. Die Münchner Com- mission ist in mancher dieser Rücksichten nicht weit genug gegangen. Auf diese Art werden die Gallerie- direktionen und die Commissionen gezwungen , be-

stehende Verhältnisse genau zu constatiren, Einseitig- keiten zu meiden, berichtliche Phrasen zu sparen und möglichst viel Thatsächliches , praktisch und theore- tisch Begründetes darzulegen. Es wird eine ernste Arbeit geliefert werden, an der sich auch die Restau- ratoren betheiligen können, wie es durch die Herren Frey in München geschehen ist, soweit sie Thatsäch- liches vorzubringen haben.

Ich musste oft schon denken , was mag wohl in allen jenen Berichten stehen, welche von Direktionen erstattet sind, welche über das Regenerationsverfahren kein so günstiges Urtheil gefällt haben, wie die Münchner Commission, was haben die sich darunter vorgestellt, welche Gründe mögen sie angeben, welchen Methoden geben sie den Vorzug? Einige solcher Stimmen sind zufällig in die Oefifentlichkeit gedrungen, was ein ge- wisses Recht verleiht , anzunehmen , dass das noch lange nicht die schlechtesten waren. Ich erinnere an die Berichte der berühmten Herren Eigner, Engert und Waagen. Die drei Herren haben doch unwider- sprechlich gezeigt, dass sie nicht wissen, um was es sich handelt, und mit welcher Vorsicht sind ihre Schlüsse und Mittheilungen aufzunehmen, selbst wenn man sie zu bestimmten Zwecken an einen Ort schickt, um sich dort zu unterrichten und Beobach- tungen zu machen! Der Mangel geeigneter Commis- sionen, die sich mit Ausdauer fortgesetzten Beobach- tungen , in Gemeinschaft mit naturwissenschaftlichen Sachverständigen hingeben, ist gewiss einer der Gründe, weshalb manche Gallerien dem Regenerationsverfahren noch keine Beachtung geschenkt haben. Nicht nur Fleiss, auch Trägheit vermag viel.

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Bei manchen Gallerien ist die Nichtbeachtung gegenwärtig gewiss auch oft nur mehr scheinbar. Meine Methode ist seit 4 5 Jahren ziemlich allgemein bekannt geworden. Ihre Basis wurde schon 1864 in der Abhandlung von Kuhn veröffentlicht, die Anwendung des Alkohols wurde durch ein auswärtiges Patent bekannt, bald darauf auch der Copaivabalsam. Das Princip und die beiden Hauptmittel setzen jeden ge- übten Restaurator in den Stand, zu regeneriren, wenn das Verfahren dann auch wieder in die Reihe der Ateliergeheimnisse versteckt oder gesagt wird , man dürfe es nur höchst selten und nur mit grösster Vor- sicht gebrauchen.

Viele sind ohnehin der Ueberzeugung und sagen, das ganze Verfahren sei nie neu gewesen, sei schon immer ausgeübt worden; denn den molekularen Zu- sammenhang habe man auch früher immer hersteilen müssen, um ein altes Bild wieder klar zu sehen; zur Empfehlung zweier alter, längst bekannter Mittel, des Alkohols und des Copaivabalsams , hätte man weder mich, noch die Commission gebraucht, und selbst noch schmeichelhaftere Reden habe ich schon ruhig mit angehört. Ich -musste dabei immer denken , wie es zuletzt bloss auf Stimmung und Laune ankommt, ob man etwas gross oder klein findet; nur die starren Thatsachen sind unveränderlich, und eine solche That- sache ist, dass in der Pinakothek Münchens früher die Restauratoren sich und die Gemälde viel geschunden haben, dass es jetzt viel leichter geht, keine Ver- putzung mehr vorgekommen ist, und dass die Wirkung der weingeisthaltigen Luft und des Copaivabalsams neben anderen Verbesserungen in sehr wohlthuen-

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der Weise gegen früher auffällt. Ob Herr v. Foltz, unter dessen Direktion die dunkelviolett gewordenen Gläser der Oberlichter mit farblosen vertauscht, die Gemälde zweckmässiger aufgehängt wurden u. s. w., auch ohne mich zum Wiederherstellen des molekularen Zusammenhangs durch Regeneriren gelangt wäre, lasse ich dahin gestellt sein, aber Thatsache ist, dass ich schon vor ihm in den Pinakotheken den Copaiva ein- geführt habe. Auswärts arbeiten gewiss noch viele nach Münchner Methode , ohne sie anzuerkennen und ohne sich Unkosten zu machen; man hätte es in München selbst am liebsten ja auch gleich so ge- macht, aber da war ich an Ort und Stelle, hatte Freunde, und der bairische Staat war ein zu grosser und anständiger Gemäldebesitzer, um meine Privilegien zu umgehen, obschon in Streitfällen deren Anwendung ausserordentlich schwer zu constatiren gewesen wäre. Mit Ansprüchen an Private habe ich mich ohnehin nie befasst, dazu mangelte mir natürlich Zeit und Lust, ich habe daher auch mein bairisches Privilegium nicht weiter verlängern lassen.

Einige Freunde hatten im Ausland versucht, mit Regeneriren Geschäfte zu machen, sind aber nirgends auf ihre Kosten gekommen. Für schöne Proben be- kamen sie grosse Lobsprüche , aber auch die Er- klärung, man hätte so geschickte Restauratoren im Orte, die das ebenso gut, ja noch besser machten: die Methoden zu wählen, müsse man dem Restaurator überlassen, der sie allein zu würdigen wisse.

Am meisten Vergnügen verursachte es oft, wenn man einem Anhänger des Regenerirens , der nur den Gebrauch der weingeisthaltigen Luft kannte, ein alles

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Harzfirnisses beraubtes, oft auch verputztes, schimmliges Gemälde hingeben konnte, und dieses durch die wein- geisthaltige Luft dann ganz unverändert blieb und der Betreffende sich nicht weiter zu helfen wusste. Hätte man solchen Objekten zuvor die fehlende Menge Harz oder Firniss oder Copaiva gegeben, so wären die Re sultate bei wiederholter Behandlung allerdings anders ausgefallen, wie die vielen Beispiele namentlich in der neuen Pinakothek beweisen.

Was jedoch den meisten Laien eine geringe Mei- nung vom Werth des Regenerirens beibrachte, ist die Verwechslung mit Restauriren. Wenn sie ein altes Bild regeneriren Hessen, so sahen sie manche Schäden oft erst recht deutlich, und sie hätten gern ein ganz restaurirtes , wie neu aussehendes Bild gehabt, wie man es eben sonst vom Restaurator zurück empfängt. Die meisten Gemäldebesitzer trachten viel mehr dar- nach, saubere Gemälde, als Originale zu besitzen, Ge- mälde sollen eine Zierde im Raume sein. Nachdem aber der Verlust des molekularen Zusammenhangs der Gemälde und dessen Wiederherstellung einmal als fundamentale Thatsachen in ihren Wirkungen wissen- schaftlich festgestellt sind , so kann es nicht anders kommen , als dass das Regenerationsverfahren immer mehr sich ausbreiten, und die Anwendung der wein- geisthaltigen Luft und des Copaivabalsams immer häufiger und die Conservirung der Oelgemälde da- durch immer sicherer und für die Originalität gefahr- loser werden wird. Schon gegenwärtig scheint zur Conservirung der Gallerien viel Copaivabalsam ver- wendet zu werden. Gross-Droguisten haben mir mit- getheilt , dass das Geschäft in Copaivabalsam , der

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sonst fast nur für medicinische Zwecke verwendet wurde , seit zwei , drei Jahren auffallend lebhaft ge- worden sei, und dass von Hamburg aus namentlich auch nach Frankreich und England jetzt grosse Men- gen gehen , und ausser dem Regeneriren und dem durch mich wieder veranlassten häufigeren Gebrauch beim Malen ist mir keine neue Verwendung des Co- paivabalsams seit dieser Zeit bekannt.

Nicht das beklage ich, dass ohne meine specielle Erlaubniss so viel regenerirt wird, sondern dass gegen- über dem alten Putz- und Restaurir-System in den Gallerien noch ein zu beschränkter, und nicht ganz offener Gebrauch davon gemacht wird. Dem Re- generiren zu seiner Stellung zu verhelfen, ist der ein- zige Zweck dieser kleinen Schrift. Die Regierungen sollten jedem Galleriedirektor und seinen Restauratoren eine Commission von einigen Künstlern und Kunst- kennern, und für Fragen chemischer und physikalischer Natur auch Naturforscher beigeben , welche alle Me- thoden und Manipulationen, die mit der Conservirung Zusammenhängen, zu prüfen und gut zu heissen und zeitweise darüber zu berichten haben. Kunstwerken von so grosser Bedeutung, wie viele Oelgemälde sind, darf nichts geschehen, was nicht jedermann wissen darf; ja es muss sogar alles, was mit ihnen vor- genommen wird, urkundlich verzeichnet werden, um die Authenticität des jeweiligen Zustandes der Ori- ginale fortlaufend evident zu halten, damit nicht immer jeder jede beliebige Anschuldigung und Ent- schuldigung Vorbringen kann. Jede Geheimnisskrämerei der Restauratoren muss endlich aufhören, sie hat zum Verderben der Originale lange genug bestanden. Es

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muss vorgeschrieben werden , was zur Conservirung und Restaurirung angewendet werden darf. Solche Vorschriften schliessen weitere gute Vorschläge und künftige Verbesserungen nicht aus, sie sollen nur einer gränzenlosen, schädlichen Willkür steuern, die schon so viele Originale unwiederbringlich zu Grunde ge- richtet hat.

Beilage A.

Schlussbericht der königlichen Commission zur Ueberwachung der Gemälde-Restauration über das Petten- kofer’sche Regenerationsverfahren.

Bald sind es zwei Jahre, dass die Commission durch allerhöchstes Rescript vom io. April 1863 den Auftrag erhielt, sich mit besonderem Hinblicke auf die k. bair. Staatsgemäldesammlungen eingehend mit der Erforschung der Ursachen zu beschäftigen, welche das mit der Zeit sich verändernde Aussehen der Oel- gemälde wesentlich bedingen. Diese Aufgabe schloss selbstverständlich eine zweite in sich, nämlich die, wo möglich auch die Mittel zur Abhilfe vorzuschlagen.

Zum Zwecke der Erforschung der Ursachen wurde die Commission durch die Professoren Pettenkofer und Radlkofer verstärkt, von denen dem Ersteren die chemischen und physikalischen Fragen, dem Letzteren die mikroskopischen Untersuchungen zur Bearbeitung zufallen sollten.

Professor Pettenkofer hat durch Beobachtungen und Versuche dargethan , dass die bisherige Ansicht

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über die nächsten Ursachen des veränderten Aussehens, welches Oelgemälde im Laufe der Zeit darbieten, sich auf keine erweislichen Thatsachen stütze.

Man glaubte nämlich bisher ganz allgemein, dass die Bindemittel der Farben (namentlich die Oele) und die Firnisse mit der Zeit durch den Einfluss von Luft und Licht chemische Veränderungen erleiden und da- durch theils verflüchtigt, theils in undurchsichtige Körper verwandelt werden.

Die natürliche Folge dieser Anschauung war, dass man zeitweise die veränderten (abgestorbenen) Firnisse so vollständig als möglich wieder zu entfernen und das alte und, wie man sich vorstellte, verflüchtigte Oel mit frischem Oel zu ersetzen strebte; man glaubte ein trüb gewordenes Oelgemälde von Zeit zu Zeit reinigen, nähren und frisch firnissen zu müssen. Wie viele Meisterwerke bei diesen für unvermeidlich ge- haltenen Gelegenheiten verputzt oder verdunkelt wor- den sind, beweisen die lauten und häufigen Klagen, welche auch die Ernennung der Commission zur Ueberwachung der Gemälderestauration veranlasst haben.

Pettenkofer hat nun der Commission in einer grossen Reihe von einzelnen Fällen den Beweis ge- liefert, dass die bisherige Ansicht keine allgemeine Giltigkeit haben könne, dass sie vielmehr ein funda- mentaler Irrthum sei. Er hat wider alles Erwarten gefunden, dass die wesentlichste und allgemeinste Ursache des veränderten Aussehens , das die Oel- gemälde nach einiger Zeit mehr oder weniger alle darbieten, nicht nothwendige Folge einer chemischen Veränderung der Substanzen sei, sondern Folge eines

Pettenkofer, Regenerationsverfahren. IO

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physikalischen Vorganges, nämlich des Verlustes des molekularen Zusammenhanges der Bindemittel für die Farben und der darüber gezogenen Firnisse. Alle durchsichtigen Substanzen erscheinen nur dann wirk- lich durchsichtig, wenn ihr Zusammenhang nicht unter- brochen ist. Die chemische Substanz eines durch- sichtigen Glases z. B. bleibt sich gleich, es mag in grossen zusammenhängenden Stücken oder in kleinen getrennten Partikelchen, als Pulver vor uns liegen; aber jedermann weiss, dass das klarste Glas beim Zer- reiben ein undurchsichtiges mattes Pulver gibt. Ebenso weiss man, dass zwei das Licht verschieden brechende Stoffe, wenn sie sich nicht gegenseitig lösen, innig mit einander gemengt, undurchsichtig werden, wenn auch jeder für sich sehr durchsichtig ist. Aus diesem Grunde geben Oel und Wasser, innig miteinander ge- mengt, eine undurchsichtige Milch und feine Wasser- tröpfchen, in die Luft vertheilt, geben einen undurch- sichtigen Nebel. Die klare Eiweisslösung wii;d zu undurchsichtigem Eierschnee , wenn man sie an der Luft schlägt und dadurch Eierklar und Luft, die beide sehr durchsichtig sind, aber das Licht sehr verschieden brechen , mit einander innig mengt. Aus demselben Grunde ist schäumendes (mit Luft gemengtes) Wasser und fein vertheiltes Eis (Schnee) weiss und undurchsichtig.

In dem Grade nun , als die Oele und Firnisse der Gemälde durch die Einflüsse der Zeit ihren Zu- sammenhang verlieren und Luft zwischen die ge- trennten Moleküle tritt, erscheinen sie getrübt und die durch sie betrachteten Farben in Folge der dadurch bedingten optischen Störungen mehr oder weniger verändert.

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Von der Richtigkeit dieser Anschauung, welche für die Aufgabe der Conservation und Restauration eine fundamentale Bedeutung hat, hat sich nicht nur die Commission selbst im Laufe von mehr als andert- halb Jahren überzeugt, wo in zahlreichen Fällen ohne jede Entfernung der alten Firnisse, ohne alles Nähren mit frischem Oele die ursprüngliche Klarheit der Ge- mälde wieder hergestellt worden ist, es sind dieser Anschauung auch die bedeutendsten Autoritäten der Chemie und der optischen Physik unbedingt bei- getreten, wie aus den schon früher eingeholten Gut- achten der Mitglieder der Akademie der Wissen- schaften von Liebig, Steinheil und Seidel hervorgeht.

Wer künftig darüber urtheilen will, wie weit an einem durch die Zeit getrübten Gemälde die Farben noch erhalten sind, für den wird es erste Aufgabe sein, den ursprünglichen molekularen Zusammenhang der Substanz des Bildes wieder herzustellen. Die Mittel , welche dieses bewirken , sind Gegenstand des Regenerationsverfahrens, mit dem Pettenkofer die Commission und den Conservator Frey in allen wesent- lichen Theilen bekannt gemacht hat, und über dessen Anwendbarkeit sich die Commission schon in früheren Berichten ausgesprochen hat.

Nachdem constatirt ist, dass der blosse Verlust des molekularen Zusammenhangs der Substanz eines Oelgemäldes dessen Aussehen bis zur Unkenntlichkeit verändern kann, liegt es nahe, sich auch die Frage zu stellen, welche Umstände die molekulare Tren- nung vorzüglich begünstigen? Auf das Entstehen derselben haben zwei Dinge einen hervorragenden Einfluss:

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1) das Material, womit das Gemälde und dessen Unterlage hergestellt ist, und

2) die atmosphärischen Verhältnisse des Raumes, in welchem das Bild aufbewahrt wird.

Die Einflüsse der ersten Kategorie sind längst bekannt , sie sind aber stets integrirende Theile des Kunstwerkes und müssen deshalb hingenommen wer- den, wie sie eben sind. Die Einflüsse der zweiten Kate- gorie dagegen sind mehr in die Gewalt des Conser- vators gelegt. Pettenkofer hat durch Beobachtungen und Versuche nachgewiesen, dass unter den Einflüssen der letzten Kategorie die Wasserniederschläge aus der Atmosphäre auf die Gemälde die hervorragendste Rolle spielen, welche deshalb künftig mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern sind. Die Commission hat sich auch hierüber schon in früheren Berichten ausgesprochen und ihre Aussprüche durch Beobachtungen in der Schleissheimer Gallerie und in der alten Pinakothek belegt. Seitdem sind noch in der neuen Pinakothek wichtige Thatsachen constatirt worden, welche der Commission von Pettenkofer mit- getheilt und von Direktor v. Zimmermann bestätigt worden sind. In der neuen Pinakothek, deren innere Wände nicht mit Holz verschalt sind , welches viel Wasser zu absorbiren vermag, traten die atmosphä- rischen Einflüsse so mächtig hervor, dass gewisse Grade der molekularen Trennung sich in den nördlich gelegenen Räumen bereits an 52 Procent der dort hängenden Bilder zeigten, während in den südlich ge- legenen Sälen nur 16 Procent und in den dazwischen liegenden grossen Sälen nur 10 Procent davon er- griffen waren. Ebenso deutlich , wie sich dieser Ein-

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fluss im Ganzen aussprach , trat er auch noch her- vor, wenn man einzeln verglich, wie sich Bilder von ein- und demselben Meister conservirt hatten, je nach- dem sie in den südlichen oder nördlichen Räumen des Gebäudes hingen. Dass dieser Unterschied in der neuen Pinakothek so bedeutend und regelmässig hervorgetreten ist, viel regelmässiger , als anderswo, erklärt sich wohl daraus, dass das Gebäude nach allen Seiten hin freisteht, im Innern an den Wänden keine Holzverschalung hat, während des ganzen Winters ungeheizt und das ganze Jahr hindurch mit Ausnahme der Besuchstunden völlig unbewohnt ist. Unter diesen Umständen konnten sich die natürlichen atmosphäri- schen Einflüsse unseres Klimas ohne alle Störung geltend machen, so dass dieser Fall für den wissenschaftlichen Beobachter den vollen Werth eines Experimentes hat.

Der Verlust des molekularen Zusammenhanges ist allerdings nicht der einzige Schaden , welchen Oel- gemälde im Laufe der Zeit erleiden , aber er ist ein ganz allgemeiner, dem sich kein Oelgemälde auch unter den günstigsten Umständen ganz entziehen kann, und er ist, wie die Erfahrung bereits gelehrt hat , in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle der einzige Schaden, den die Bilder genommen haben. Das Re- generationsverfahren, dessen klar ausgesprochenes Ziel die Wiederherstellung des molekularen Zusammen- hanges und die Entfernung der in den Zwischen- räumen befindlichen Luft und der dadurch verursachten optischen Störungen ist, hat deshalb auch eine ganz allgemeine Bedeutung und einen allgemeinen Werth und wird künftig ein unentbehrliches Mittel für die Conservirung jeder Gallerie sein.

Seine Majestät der König Ludwig I. hat diesem Grundsatz, auf die Nachweise Pettenkofer's und auf das Gutachten des Direktors v. Zimmermann gestützt, bereits praktische Folge gegeben, indem er das Re- generationsverfahren in der neuen Pinakothek ein geführt hat, wo es durch Conservator Frey bei mehr als hundert Bildern mit dem besten Erfolge zur An Wendung gekommen ist.

Jüngst hatte die Commission auch wieder Ge- legenheit, sich von der ausserordentlichen Wirksam- keit und dem hohen Werthe des Regenerationsver- fahrens an einem Bilde von Malbodius vom Jahre 1527 Inv. -No. 38 zu überzeugen. Dieses Bild, die Danae im Goldregen sitzend darstellend , ist in der blauen Gewandung mit der sogenannten Ultramarin- krankheit behaftet, welche bisher für unheilbar ge- halten wurde, und von deren Natur man keine befrie- digende Erklärung geben konnte. Pettenkofer hat diese Erscheinung von Anfang an gleichfalls als eine optische Wirkung der molekularen Trennung in der Farbenschichte aufgefasst, und Conservator Frey hat diese Ansicht auch thatsächlich als richtig erwiesen, indem er eine beliebige Stelle im blauen Gewände durch blosse Regeneration wieder zum vollen Leben gebracht. An anderen Stellen des Gewandes suchte man die Farbe durch anhaltendes Austränken mit ver- schiedenen Mitteln, deren man sich sonst nicht ohne Erfolg bedient, wieder hervorzurufen, aber mit so ge- ringem Erfolge, dass er sich mit dem der Regene- ration auch nicht entfernt vergleichen lässt.

Es ist selbstverständlich, dass auch die bisherigen Methoden der Restauration , soweit sie ohne Anwen-

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düng von Pinsel und Farbe ihr Ziel erreichten, nur durch Entfernung der Luft und durch Wiederher- stellung des molekularen Zusammenhanges wirken konnten. Während man die alten Firnisse entfernte, entfernte man natürlich auch die optisch störenden Zwischenräume ihrer Moleküle, und wenn man ein sol- ches Bild mit frischem Oele einrieb, die sogenannten vertrockneten Farben wieder austränkte , verdrängte man mit dem Oele, so gut es eben ging, auch die Luft aus der Farbenschichte, und aus den gleichen Gründen stellte ein frischer Firniss eine gleichmässig wirkende frische Oberfläche wieder her. Die bis herigen Methoden aber verfolgten ihr Ziel nicht mit klarem Bewusstsein, sie wussten nicht, was sie eigent- lich thaten, und blieben deshalb oft weit unter dem erreichbaren Ziele.

Um den Unterschied zwischen regenerirten Bil- dern und zwischen solchen, die nach den bisherigen Methoden und , wie allgemein angenommen wird, gut restaurirt waren , augenfällig zu prüfen , stellte die Commission folgenden Vergleich an.

Conservator Frey hatte zwei Landschaften von Huysmann Inv.-No. 2894 und No. 2086 aus der Schleiss- heimer Gallerie regenerirt. In der Augsburger Gallerie befinden sich zwei Landschaften Inv.-No. 4848 und 4849 von demselben Meister, welche nicht nur vielen Künstlern und Kunstfreunden, sondern auch der Com- mission bei ihren Besuchen der dortigen Sammlung als sehr gut restaurirt und conservirt erschienen waren. Die Commission liess nun die beiden Bilder von Huysmann von Augsburg nach München bringen, um sie mit den regenerirten zu vergleichen. Das Re-

sultat war, dass die restaurirten Bilder, mit den regene- rirten verglichen, in grossem Nachtheile sind, obgleich sie , für sich gesehen , als ganz gute Huysmanns er- scheinen. Die durchgehende Klarheit der regenerirten ist auf den ersten Blick überraschend und so licht, wie nur gewünscht werden kann; es war ebendarum keinerlei Uebermalung nöthig, während die restaurirten in den Mitteltönen viel trüber geblieben sind und im Hintergründe wie in der Luft schwere und aus der Haltung des Ganzen sich vordrängende Uebermalung zeigen, wo die regenerirten die ganze Leichtigkeit im Tone des Originals erkennen lassen.

Nach den unzweifelhaften und überraschenden Erfolgen , welche das Regenerationsverfahren aufzu- weisen hat, ist nur noch die Frage zu erörtern, ob es dieselben ohne besondere Gefahr erreichen lässt. Auch in dieser Beziehung ist die Commission jetzt vollkommen überzeugt, dass die Gefahren für die Originale nicht grösser als bei den bisherigen Metho- den, sondern wesentlich geringer sind. Die Commission hat von der zahlreichen Anwendung des Verfahrens an Bildern der Schleissheimer Gallerie und der Pina- kothek nicht einen einzigen constatirbaren Nachtheil gesehen. Namentlich dass das Verfahren Sprünge er- zeuge, wie so vielfach behauptet wurde, blieb trotz der sorgfältigsten Prüfungen und Erhebungen uner- weislich. Nach der Angabe des Direktors v. Zimmer- mann und des Conservators Frey hat die Anwendung des Verfahrens in der neuen Pinakothek sogar das entgegengesetzte Resultat gehabt , indem die eben deutlich im Entstehen begriffenen Sprünge, wenn sie gewisse Dimensionen noch nicht erreicht hatten , an

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einer grossen Zahl von Bildern wieder spurlos ver- schwunden sind.

Es ist somit gar nicht unwahrscheinlich, dass ein Bild von Sprüngen ganz frei erhalten werden könnte, wenn es stets zur rechten Zeit regenerirt wird. Unter welchen Umständen nach dem Regeneriren Sprünge dem Auge auffallender werden, als sie es zuvor sind, darüber hat sich die Commission schon in früheren Berichten ausgesprochen. Die Nichtigkeit des Vor- wurfes, als hätte das Verfahren bei 6 Bildern aus der alten Pinakothek die Sprünge vermehrt, hat Petten- kofer in den Beilagen zur Allgemeinen Zeitung vom 25.. und 26. Mai 1864 dargethan, und die Commission kann die dort zur Beweisführung benützten Thatsachen nur bestätigen.

Die Commission will nicht in Abrede stellen, dass das Regenerationsverfahren nicht auch in einer Art und Weise gehandhabt werden könnte, um einzelnen Bildern Schaden zuzufügen. Es wird überhaupt schwerlich ein wirksames Mittel in der Welt geben, mit dem sich nur Heil und kein Unheil anrichten Hesse; aber die Commission fühlt sich verpflichtet, zu erklären , dass sämmtliche Bilder , welche von Petten- kofer und Conservator Frey regenerirt worden sind, durch das Verfahren nicht im Mindesten gelitten haben. Ein zuverlässiger Schutz gegen jede Gefahr liegt darin, dass man eine oder mehrere kleine Stellen eines Bildes schwach regenerirt, ehe man das ganze Bild behandelt. Diese zuvor behandelten Stellen wer- den bei der Regeneration dem Ganzen immer etwas voraus sein, bis zu dem Punkte, wo diese nicht mehr weiter fortschreiten kann. Diese kleinen Stellen

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müssen alle Veränderungen früher zeigen, als das Ganze. Da der Process sehr allmählich und langsam fortschreitet, so kann einem aufmerksamen Beobachter die Gefahr, wenn in einzelnen Fällen wirklich eine vorhanden sein sollte, gewiss nicht entgehen.

Die Kunst des Restaurators soll durch das Re- generationsverfahren nicht überflüssig, sondern nur leichter und erfolgreicher als bisher gemacht werden. Wenn an einem Bilde Stellen abgefallen oder in einem falschen Tone übermalt sind, so wird das regenerirte Bild, so weit es noch Originalstellen aufzuweisen hat, die geschickte Hand eines Restaurators viel sicherer leiten, als es bisher der Fall war. Ehe ein Bild voll- ständig, soweit es noch Original ist, regenerirt ist, bleibt man in vielen Fällen sehr unsicher über den Originalton, man hält Stellen theils für verputzt, theils für übermalt, die es nicht sind, wie sich die Com- mission an dem van der Neer No. 1976, an dem Huysmann No. 2894, an dem Rembrandt No. 2980, an dem van der Does No. 1224 und andern vielfach überzeugt hat. Bei der bisherigen Art zu restauriren sind solche Originalstellen bei dem besten Willen und bei der grössten Gewissenhaftigkeit häufig geopfert worden.

Conservator Frey hat der Commission bei vielen Anlässen erklärt, dass das Regeneriren ein grosser Fortschritt für das Restauriren sei, wo dieses über- haupt noth wendig wird. Man kann diess nament- lich auf die beiden Wouvermans No. 2067 und No. 2068 und auf den Pölemburg No. 2094 aus der Schleissheimer Gallerie beziehen, in welchen Bildern die Farbe stellenweise abgefallen war. Die abgefal-

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lenen Stellen sind jetzt, ohne eine Originalstelle zu übermalen, so vollständig ergänzt, dass sich bei ge- nauester Betrachtung nicht mehr erkennen lässt, wo Stücke gefehlt haben. Um ein so vollkommenes Re- sultat zu erzielen, ist allerdings nothwendig, dass die ergänzten Farben nicht nachdunkeln, was bei gewöhn- lichen Oelfarben nie ganz zu verhindern gelingt, wohl aber mit dem Bindemittel , welches Conservator Frey anwendet und welches er der Commission auch mitgetheilt hat.

Schliesslich sei noch die Frage aufgeworfen, wie lange wohl die Wirkung einer durchgreifenden Re- generation nachhalten wird. Wer die Frage ganz empirisch beantwortet haben will, der wird sagen, dass hierüber nur die Zeit entscheiden kann. Für diesen reichen die Erfahrungen allerdings nur bis zum Mai 1863 zurück, von welcher Zeit die Lautenspielerin von Dorner vorliegt. Dieses Bild ist an den regene- rirten Stellen gegenwärtig noch so klar, als es Anfangs war, ebenso wenig bemerkt man an andern Bildern, die seit einem und seit anderthalb Jahren regenerirt sind, einen augenfälligen Rückschritt. Für Leute, welche keinen weiteren Gründen zugänglich sind , würde die Regeneration also jedenfalls eine Dauer von 21 Mo- naten beanspruchen können. Wann solche Bilder wie- der trüb werden , müssen die vorsichtigen Richter eben abzuwarten sich \ gedulden. Wer aber auch noch anderen Gründen als dem geduldigen Abwarten der Entscheidung durch die Zeit zugänglich ist, wird aus der Natur der Sache den Wirkungen des Regene- rationsverfahrens die gleiche Zeitdauer, wie den Wir- kungen der besten bisherigen Methoden der Restau-

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ration zuschreiben müssen. Es ist kein Zweifel, dass jedes regenerirte Bild mit der Zeit wieder trüb wer- den, wieder seinen molekularen Zusammenhang ver- lieren wird, wenn es darnach unter denselben Um- ständen wie zuvor aufbewahrt wird , denn es erleidet ja durch das V erfahren keine wesentliche Aenderung in seiner Substanz; aber eben so sicher ist es auch, dass das Bild mit derselben Leichtigkeit und mit dem- selben Erfolge dann wieder regenerirt werden kann. Die Commission darf somit die Entscheidung dieser letzten Frage getrost von der Zukunft erwarten.

Nachdem die Commission sich nun fast zwei Jahre lang mit der Prüfung des Pettenkofer’schen Verfahrens an einer Anzahl von mehr als fünfzig Gemälden der verschiedensten Schulen und Zeiten befasst, auch alle Einwürfe, die sowohl von Mitgliedern der Commission, als auch von Personen ausserhalb ihres Kreises er- hoben worden sind, auf das sorgfältigste geprüft und unbegründet gefunden hat, ist sie zu der Ueberzeugung gelangt, dass es unverantwortlich wäre, das Petten- kofer’sche Regenerationsverfahren, wie es von Conser- vator Frey bereits praktisch gehandhabt wird, nicht für die rationelle Grundlage der künftigen Restau- ration und Conservation für die bairischen Staats- gemäldegallerien zu erklären.

Insofern die Wirkung der Zeit mit jedem Jahre nicht nur in gleicher, sondern sogar in beschleunigter Bewegung vorwärts schreitet, wenn ihr nicht Einhalt gethan wird , muss die Commission , um ihrer Pflicht zu genügen , dringlichst beantragen , dass alle Staats- gemälde, welche Kunstwerth besitzen, und an welchen der Verlust der molekularen Cohäsion bereits einen

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sichtbaren Grad erreicht hat, möglichst bald regenerirt werden. Pettenkofer hat nicht versäumt , auch hier- für einen thatsächlichen Beleg beizubringen. Ein Bild von Dominique Quaglio in der neuen Pinakothek No. 169 Cabinet etc. wurde im Jahre 1859 genau photographirt. Pettenkofer liess dasselbe Bild in der- selben Grösse von demselben Photographen (Hof- photograph Albert) im Jahre 1864 wieder photogra- phiren. Beim Vergleiche der beiden Photographien ergibt sich, dass gewisse Veränderungen am Original in den letzten fünf Jahren grössere Fortschritte ge- macht haben mussten, als in den vorausgegangenen zehn Jahren.

Es ist überhaupt jetzt an der Zeit, die Conser- virung der Staatsgemäldegallerien auf Grund der ge- machten Erfahrungen und der gewonnenen Einsicht zu regeln.

München, den 23. Februar 1865.

Joh. von Schraudolph. Carl Piloty. Eduard Schleich. Dr. J. H. von Hefner- Alteneck.

M. Carriere.

Kurze Angaben

über die von der königl. Commission zur Ueberwachung der Gemälde - Restauration ausgestellten regenerirten

Bilder.

No. 41. Malbodius. Danae empfängt den goldenen Regen.

Das blaue Gewand ist von der sogenannten Ultramarinkrankheit ergriffen. Die Erschei-

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No. 75.

No. 394. No. 401.

No. 397. No. 403.

No. 637.

nung, die man bisher für eine chemische Ver- änderung gehalten hat, beruht auf der opti- schen Wirkung, welche der Verlust des molekularen Zusammenhanges in der Farben- schichte hervorbringt. An einer kreisrunden Stelle hat das Regenerationsverfahren die ursprüngliche Farbe wieder zur Wirkung gebracht.

Dorner, Jakob. Eine Dame spielt die Laute.

Das nur theilweise regenerirte Bild ist insofern von Interesse , als dasselbe eines der ersten war, welches dem Regenerations- verfahren (im Mai 1863) unterworfen worden ist. Es hat sich bisher unverändert ge- halten, obwohl es mehrere Monate lang bei den Akten lag.

Dow, Gerhard. Eine alte Frau theilt ihr Nachtmahl mit zwei Knaben.

Derselbe. Eine Magd mit einem brennen- den Licht in einer Laterne.

Beide Bilder aus der k. Pinakothek waren sehr trüb und in den Schattenparthien fast unkenntlich.

Wouverman, Philipp. Reiter mit Pfer- den in einem Stalle.

Derselbe. Adelige Reiter sind im Begriff, ihre Pferde zu besteigen.

Beide Bilder aus der k. Pinakothek waren getrübt und stellenweise zersprungen.

Salvi, genannt Sassoferato. Die betende Maria.

Aus der k. Pinakothek. Der blaue Mantel

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war bereits beträchtlich von der sogenannten Ultramarinkrankheit ergriffen, dessen Farbe nun durch blosse Regeneration wieder zum Vorschein gekommen, zugleich aber auch mehrere Retouche-Flecken von früheren Re- staurationen. Aehnlich dem blauen Mantel ist auch das rothe Gewand in seiner Farbe wieder kräftiger und bestimmter geworden.

No. 670. Ostade, Isak (angeblich). Bauernstube.

Das ganze Bild war mit weissen Tupfen überdeckt und der Hintergrund so trüb, dass die am Herde befindlichen Personen gar nicht mehr sichtbar waren. Weder Wasser noch Terpentinöl vermochte die Trübung auch nur vorübergehend aufzu- hellen.

No. 689. Huysmann, C. Kleine Landschaft.

Diess war eines der verkommensten Bil- der. Mit Mühe war noch zu erkennen, dass es eine Landschaft vorstellen soll. Die Oberfläche erinnerte beim ersten Anblick mehr an eine graue, schrundige Haut, als an ein Bild.

No. 697. Geel, Johann van. Ein Herr und eine Dame musiciren.

Das Bild war grau und unkenntlich. Nach dem Regeneriren zeigte es eingeschlagene Stellen, welche durch einen frischen Firniss verschwanden.

No. 713. Pölemburg, C. Badende Nymphen.

Dieses Bild war in zahllose Stücke zer- sprungen, die sich theilweise von der Holz-

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unterläge abgehoben und aufgerollt hatten, und von denen mehrere bereits auch ab- gefallen waren. Bloss die beiden vordersten Figuren waren noch , und auch diese nur mehr theilweise sichtbar. Das Bild wurde regenerirt, die aufgestandenen Theile von dem k. Conservator Frey ohne Anwendung von Wärme niedergelegt und die fehlen- den Stücke in seiner erprobten Methode er- gänzt.

No. 725 u. 726. Wouverman, Ph. Ein Auszug zur Falkenjagd.

Diese beiden Bilder waren seit Langem verkommen und zuletzt im Abfallen be- griffen. Man konnte dieselben ohne Gefahr kaum berühren. Sie wurden regenerirt., die aufgestandene Farbe von Conservator Frey niedergelegt und die zahlreichen kleinen fehlenden Stückchen ergänzt, ohne eine Originalstelle zu übermalen.

No. 735. Huysmann. Landschaft mit Badenden.

Diese Landschaft war nicht so verkommen, wie No. 689, aber doch ohne Klarheit, so dass man von dem Reiz und der Feinheit, die jetzt im Bilde liegt, keine Ahnung hatte. Die Molekulartrennung und die dadurch be- dingte optische Störung war so bedeutend, dass z. B. der Boden und Weg im Vorder- gründe mit grauem Grase bedeckt erschien. Der Mittelgrund war unbestimmt und un- kenntlich , und wäre nach den bisherigen Methoden der Restauration ohne Zweifel

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verputzt und übermalt worden. Diese Er- scheinungen im Mittel- und Vordergründe wichen sehr allmählich dem Regenerations- verfahren.

Zum Vergleiche der Wirkung der Re- generation und der bisherigen Restauration liess die Commission zwei Landschaften des- selben Meisters aus der Gallerie in Augs- burg kommen , welche dort von Kunst- kennern und Künstlern und auch von der Commission selbst als werthvolle, gut restau- rirte und gut conservirte Bilder anerkannt waren. Die beiden Huysmann aus Augs- burg mit den beiden regenerirten No. 689 und 735 aus Schleissheim verglichen, zeigen namentlich in den Lüften und Mittelgründen grosse Unterschiede.

Um darüber klar zu werden, ob die in No. 735 und 689 hervortretende Technik des Meisters etwa eine zufällige ist und sich nur auf diesen beiden Bildern findet, hängen zu beiden Seiten von No. 735 noch zwei Landschaften desselben Meisters , die sich im Besitze der Universität München vorgefunden haben und regenerirt worden sind, ohne das Geringste daran zu re stauriren.

No. 740. Brower, Adr. Raufende Bauern.

Das Bild sah vor dem Regeneriren ver- waschen aus. Der gegenwärtige Zustand wurde wieder ohne jede Beihilfe von Farbe erzielt.

Pettenkofer, Regenerations verfahren. jj

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No. 746.

No. 766.

No. 768.

No. 771.

Mirou. Eine Landschaft.

Dieses Bild ist grossentheils in seinem schadhaften Zustande belassen, nur einige runde Stellen sind mehr und weniger re- generirt , um erkennen zu lassen , wie weit dadurch ohne Putzen, ohne Abnahme des alten Firnisses und ohne Anwendung eines neuen durch blosse Beseitigung der opti- schen Wirkung der mit der Zeit entstan- denen molekularen Trennung die ursprüng- liche Klarheit wieder hergestellt werden kann. Einige schimmlige Stellen sind mit frischem Firniss versehen, dessen Anwen- dung , ohne zu regeneriren , sich wirkungs- los erweist.

Rembrandt, P. (angebl.). Bildniss eines jungen Mannes.

Das Bild war im Ganzen sehr verkommen und mit Ausnahme des Gesichts unkennt- lich, die Haarparthien z. B. gar nicht sicht- bar. Es wurde bereits im Juni 1863 mit Erfolg regenerirt.

Geldern, Arnold van. Brustbild eines alten Mannes.

Die Oberfläche war sehr trüb mit grossen, tropfenartigen , weissgrauen Flecken und zahlreichen Sprüngen durchzogen. Kamphuyzen, Theodor. Eine Landschaft.

Das ganze Bild war trüb, die Bäume un- kenntlich. Eine kleine Stelle in der Mitte des Bildes wurde unregenerirt gelassen und das Ganze frisch gefirnisst.

No. 774.

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No. 777.

No. 788.

No. 799.

No. 805.

No. 845.

Cuylenburg. Ein Gewölbe mit Wasser, in dem sich Mädchen baden.

Derselbe. Actäon überrascht Diana im Bade.

Diese beiden Bilder waren sehr trüb , in vielen Theilen ganz unkenntlich.

Ostade, Isak (angebl.). Rauchende Bauern am Kaminfeuer.

Das Bild war trüb , mit grauen Streifen und Flecken wesentlich in horizontaler Richtung durchzogen. Durch das Holz ging ein Quer-Riss, wo die Farbe grossen- theils abgesprungen war, die von Conser- vator Frey ergänzt wurde.

Neer, Arthur v. d. Landschaft mit auf- gehendem Monde.

Diese Skizze ist dadurch von Interesse, dass es an einigen Stellen zweifelhaft war, ob sie verputzt oder übermalt sind. Die vollständige Regeneration zeigte, dass keines von beiden der Fall war.

Wynants, Johann.

Das Bild war sehr trüb, nach allen Seiten hin zersprungen. An mehreren Stellen war die Farbe abgefallen, die nach dem Re- generiren von Conservator Frey ergänzt wurde.

Schalken, G. Die heilige Familie.

Das Bild war sehr verdunkelt und zeigte im blauen Gewände grosse, weisse, wie Kalk aussehende Flecken, die allmählich, ohne jede Beihilfe von Farbe, verschwanden.

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No. 846.

No. 851.

No. 852.

No. 854.

No. o.

Mieris, Fr. v. Ein Trompeter.

Das Bild war trüb und zersprungen. Die Farbe des Vorhanges hinter dem Kopfe des Trompeters war aufgestanden und wurde nach dem Regeneriren von Conservator Frey niedergelegt. Der Vorhang scheint nicht vom Künstler, sondern von einer frü- heren Restauration herzurühren.

Diepram, Abr. Spielende Bauernjungen.

Das Bild war sehr trüb , voll Flecken, Querstreifen und Risse, mit einzelnen weissen Tropfen im undurchsichtigen Firnisse. Rembrandt (angeblich). Ein Knecht mit einem Pferde.

Das Bild war mit gelblichweissen Streifen und Flecken , namentlich im Hintergründe, bedeckt. Auf dem ganzen Bjlde war kein halber Quadratzoll ohne Sprünge oder Furchen, alle Schattenparthien unklar und theil weise unkenntlich. Zwischen den F'üssen des Knechtes war eine Stelle mechanisch beschädigt, die von Conservator Frey er- gänzt wurde.

Wett, du. Die Erweckung des Lazarus.

Das ganze Bild war sehr unkenntlich und unscheinbar. Die theilweise aufgestandene Farbe wurde nach dem Regeneriren von Conservator Frey niedergelegt. Rechts unten kam der Name Rembrandt zum Vor- schein.

Neeker, de. Verschiedene Blumen in einem Glase.

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Dieses Bild wurde dem Depot in Schleiss- heim entnommen und sollte als werthloses Objekt zu Versuchen dienen, ob das Re- generationsverfahren vorhandene Sprünge vergrössere und neue hervorrufe. Die sorgfältigsten Beobachtungen und die ge- nauesten Messungen mit dem Mikrometer Hessen weder an diesem noch an anderen Bildern eine derartige Wirkung erkennen. Die an diesem Bilde zeitweise beobachteten Stellen sind protokollarisch bezeichnet, so dass dieselben Beobachtungen auch nach Jahren an den gleichen Stellen wiederholt werden können.

Bemerkung.

Diejenigen Gemälde , bei welchen es nicht anders angegeben ist, stammen aus der k. Gallerie in Schleissheim.

Beilage B.

Moderne Restaurationsmethoden und das Pettenkofer’sche Verfahren.

Von Fr. Pecht.

Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 17. und 18. März 1868.

Je spärlicher es unserer Zeit gelingt, selber clas- sische Kunstwerke hervorzubringen, mit um so grösserer Liebe wendet sie sich dem Genuss und der Sorge zu für diejenigen, deren Werth die Probe der Jahrhunderte siegreich bestanden hat. Siegreich, aber nicht unver- wundet, ja die Zeiten der Rohheit und Gleichgültigkeit waren für jene Zeugen einer glanzvollen Periode kaum so gefährlich , als ihnen unsere Bewunderung und Sorgfalt werden, die nur gar zu oft der des Bären gleichen, welcher dem Einsiedler die Fliegen abwehren wollte. Liess die Vergangenheit viel zu Grunde gehen, so richtet die Gegenwart fast noch mehr zu Grunde ; unruhig , thätig , kritisch und verbesserungs- lustig, aufgeregt und leidenschaftlich wie sie ist, vor allem aber subjectiv, will sie die Kunstwerke durch- aus nach ihrer Idee umformen, indem sie dieselben herzustellen unternimmt.

Unstreitig ist es den Denkmalen der Architektur in dieser Beziehung von jeher am schlimmsten er- gangen. Bei ihnen ist die Liebe in vollkommene Wuth der Restauration ausgeartet, deren Orgien rund um uns herum gefeiert werden, und der bereits die Mehrzahl besonders unserer gothischen Bauwerke halb erlegen, kaum ein einziges ganz entgangen ist. Wäh- rend wir uns fromm über die Verwüstungen bekreu- zigen, welche die verruchte Zopfzeit angerichtet, sind wir mit einem wahren Fanatismus bemüht, das magere Gesicht der unsrigen den edlen Gestaltungen classi- scher Zeiten aufzudrücken , und uns dabei gewaltig viel auf unser Verständniss derselben zu gute zu thun. Ist daher dermalen eine Restauration so ziemlich das grösste Unglück, welches ein Bauwerk treffen kann, so lehrt uns noch so eben der Schmerzensruf Andrea del Sarto’s aus Berlin wieder einmal, was sie gewöhn- lich für ein Bild zu bedeuten habe, wie es denn für den Kenner auch nicht dem geringsten Zweifel unter- liegt, dass die Restauratoren weit mehr alte Meister- werke zu Grunde gerichtet haben als die Zeit.

Eine Methode, die dem bisherigen Verfahren geradezu entgegengesetzt war, musste unter diesen Umständen sicher den gerechtesten Anspruch darauf haben, alle Aufmerksamkeit zu erregen. Diess ist aber mit der Pettenkofer’schen der Fall. Ihr un- geheurer Vorzug ist der, dass sie der Subjektivität des Restaurators beinahe keinen Raum mehr übrig lässt, denn der Unterschied zwischen den bisherigen Praktiken und ihr lässt sich kurz dahin zusammen- fassen: dass die erstem alle damit anfangen, dem Pa- tienten die Flaut abzuziehen, und ihm dann eine neue,

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künstliche dafür zu octroyiren, während sie ihm die- jenige lässt, welche der Künstler und die Zeit ihm gegeben, und sich damit begnügt, dieselbe zu ver- jüngen, ihr die frühere Feinheit und Geschmeidigkeit wieder vollständig zu verschaffen.

Da Referent auch zu jenen gehörte, deren Oppo- sition die sofortige allgemeine Einführung der Petten- kofer’schen Restaurationsmethode vor einigen Jahren nicht ohne Erfolg zu verhindern suchte, so liegt ihm heute, wo er genau das Gegentheil davon zu thun im Begriff ist, die Verpflichtung ob, diess zu recht- fertigen. Es geschieht das mit um so grösserm Ver- gnügen, als es ihn, wie man gleich sehen wird, gar nicht nöthigt zurückzuweichen, einfach weil die Petten- kofer'sche Entdeckung eine solche Entwicklungs- fähigkeit gezeigt hat, dass sie allmählich bei der Er- füllung all der Forderungen angelangt ist, die man theoretisch an eine möglichst vollkommene Restau- rationsmethode zu stellen hatte.

Dieser Process ist so interessant und lehrreich, dass ihn gewiss auch der Laie mit Vergnügen ver- folgen wird. In drei ganz bestimmte Phasen zer- fallend, deren jede durch eine neue Entdeckung be- zeichnet ist, hat besonders die erste ihrer allgemeinen Anwendbarkeit halber eine weite Wirksamkeit theils noch vor sich, theils schon gefunden. Als Pettenkofer nämlich in die Commission gerufen wurde, die den theils durch ebenso elende als willkürliche Restau- rationen, theils durch die falsche Einrichtung des Ge- bäudes verursachten schlechten Zustand der Bilder in der alten Pinakothek zu untersuchen hatte, fand er bekanntlich zunächst, dass die Zerstörung derselben

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durch den so häufigen sogen. Schimmel, ein durch die atmosphärischen Einwirkungen hervorgebrachtes Uebel, keineswegs, wie man bisher geglaubt, eine chemische Zersetzung des Farbenkörpers, vielmehr ausschliesslich eine physikalische Veränderung seiner Bindemittel, eine Aufhebung des molekularen Zu- sammenhangs in denselben sei, während die Farben- pigmente fast immer unverändert blieben. Diese höchst erwünschte Entdeckung hat sich durch alle spätem Erfahrungen nur in immer weiterm Umfang bestätigt.

Sie ist aber ausserordentlich fruchtbar nach allen Seiten hin, wie sie es zunächst nach der der Oelmalerei war. Bei dieser besteht das Bindemittel bekanntlich aus irgend einem Oel, gewöhnlich mit Beimischung von verschiedenen Harzen, die über- diess als Firniss noch den Ueberzug des Ganzen zu bilden haben , der es einerseits von den Ein- wirkungen der Atmosphäre abschliessen, vor allen Dingen aber eine vollkommen wasserhelle , klare und durchsichtige Oberfläche herstellen soll. Denn die Farben müssen in den Bindemitteln und unter den Firnissen liegen, etwa wie farbige Kiesel in klarem Wasser. Trübt sich dieses Wasser, so ist uns das richtige Sehen der Farben nicht mehr möglich, und es ist daher der optische Zweck dieser Mittel noch viel wichtiger, als ihr physikalischer des Schutzes gegen äussere Einwirkungen.

Bekanntlich verändern sich alle Farbkörper, mehr oder weniger, beim Uebergang von dem flüssigen Zu- stand, in welchem sie aufgetragen werden, in den trockenen, sie werden viel heller, wenn sie mit Wasser

oder mit Bindemitteln, welche viel Wasser enthalten, sie werden eher etwas dunkler, wenn sie mit Oel an- gerieben waren. Alle unsere Farben sind sehr fein geriebene Pulver, keine zusammenhängenden Massen. Die Zwischenräume zwischen den kleinsten Pulver- partikeln sind im trockenen Zustande mit Luft erfüllt. Die augenscheinliche Erfahrung lehrt uns, dass ein solches farbiges Pulver ganz auffallend an Tiefe, Kraft und Klarheit der Farbe zunimmt, wenn wir es mit Wasser, mit Oel oder mit Firniss tränken, d. h. wenn wir an die Stelle der Luft in den Zwischenräumen andere Stoffe setzen. Diess hängt mit der verschiedenen lichtbrechenden und reflectirenden Kraft der ausfüllen- den Stoffe zusammen: in dem Maass, als das Wasser das Licht ungleich mehr bricht und reflectirt, als die Luft, und das Oel wieder etwas mehr, als das Wasser, genau in diesem Verhältniss erscheint eine und die- selbe Farbe verschieden intensiv, je nachdem sie mit Luft (trocken), mit Wasser oder Oel versetzt ist. Ein Wasser, welches Stoffe aufgelöst enthält, die eine grössere Lichtbrechung als reines Wasser haben, z. B. Gummi, Zucker, Leim, Kalk etc., lässt auch die Farben wieder etwas kräftiger erscheinen, als reines Wasser, was selbst nach dem Trocknen noch bemerkbar ist, insofern in den Zwischenräumen nach dem Verdunsten diese Stoffe im durchsichtigen Zustande zwischen den Farbtheilchen Zurückbleiben und in diesem Verhält- nisse weniger Luft eintreten kann.

In dem Maasse nun, als diese Bindemittel mit der Zeit undurchsichtig werden, beeinträchtigen sie wieder das von den farbigen Pulvertheilchen reflectirte Licht, die Farben erscheinen wieder ohne Bindemittel, trocken

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oder sonst verändert, indem allerlei optische Störungen entstehen, die aber sämmtlich wieder verschwinden, sobald die Bindemittel wieder klar und durchsichtig werden.

Oele und Harze verlieren ihre anfängliche Klar- heit wesentlich durch Aufhebung ihres molekularen Zusammenhangs, welche vorwaltend durch den Ein- fluss des in der Atmosphäre enthaltenen und unter Umständen zeitweise aus ihr condensirten Wassers er- folgt, weniger durch Oxydation und Flüchtigwerden von Bestandtheilen der Bindemittel.

Wenn diese die Zwischenräume der Farbpulver ausfüllenden Körper ihren molekularen Zusammenhang verloren haben, sind sie aus denselben optischen Grün- den trüb und undurchsichtig , aus welchen es gepul- vertes Glas ist, aus welchen ein inniges Gemenge von Luft- und Wasserbläschen Nebel, Wolken und Schaum bildet, oder ein Gemenge aus Wasser- und Oeltröpfchen uns als undurchsichtige Milch erscheint, obschon jeder der Gemengtheile für sich durchsichtig ist. Die Bilder stehen unter den nämlichen Gesetzen, welche ohne Substanzveränderung eine geschliffene oder sonst rauh und matt gewordene Glasplatte nur mehr durchscheinend oder selbst undurchsichtig und in verschiedenen Farben spielend erscheinen lassen.

Diese einfachen, längst bekannten optischen Ge- setze sind die Grundlage des Pettenkofer’schen Re- generationsverfahrens.

Alle die technischen Methoden aber, bei denen die Farbe durch den Trocknungsprocess sich wesent- lich verändert, sind je nach dem Grade dieser Ver- änderung um so unvollkommener, weil der Maler

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nicht sehen kann, was er macht, sondern es nur durch die Erfahrung annähernd berechnen lernt. Die Oel- malerei ist daher weitaus die vollkommenste Mal- technik von allen bisher bekannten, nicht wegen ihrer grossem Dauerhaftigkeit, sondern weil bei ihr die Ver- änderung durch denTrocknungsprocess die geringste ist, der Maler bei ihr also dem Gemälde eine so feine Stim- mung geben kann, wie sie in jeder andern Technik zu er- reichen unmöglich ist. Aufgabe der Conservirung der Oelgemälde, also Aufgabe der Galleriedirektionen, ist es, diesen Zustand dauernd zu erhalten und in den Fällen, wo er nicht vorhanden ist, dauernd herzustellen.

Diese Veränderung des Tons der Farben, welche durch Glatt- oder Rauhwerden ihrer Oberfläche her- vorgebracht wird, und wodurch sie in stumpfe und glänzende, trübe und klare Töne zerfallen, spielt be- sonders in der Industrie eine ungeheure Rolle, wie man sie bei der letzten Pariser Ausstellung im reich- sten Maasse verfolgen konnte. Wie sie in der Natur überall stattfindet, so wird auch alle Schönheit des Colorits in Kunst und Industrie durch diese Abwechs- lung zum Theil bedingt.

Wir müssen dieses Thema bei einer andern Ge- legenheit verfolgen, es genügt hier, zu zeigen, wie anregend auch dieser erste Theil der Pettenkofer’schen Entdeckung schon in andern Gebieten zu wirken ver- mag, wie Referent denn gern bekennt, dass seine eigene Aufmerksamkeit erst durch dieselbe nach die- ser Seite des Colorits hingelenkt wurde. Unmittelbar wirksam wurde jenes erste Ergebniss der Untersuchung indess erst durch das zweite.

Wenn an zahlreichen Oelbildern der Pinakothek

der Schimmel theils erst begonnen hatte, theils schon bis zum vollständigen Zerreissen des Firnisses, ja des Farbkörpers fortgeschritten war, so glaubte Petten- kofer anfangs seiner Aufgabe schon genügt zu haben, nachdem er, wie wir gesehen, dargethan, dass dabei nicht eine Veränderung des Farbkörpers, sondern nur des Bindemittels stattgefunden.

Die Commission war anderer Ansicht. Sie wähnte sich nicht viel gefördert durch die Entdeckung, dass sich die Farbenpigmente nicht, sondern nur die Binde- mittel , die ihren molekularen Zusammenhang ver- mitteln, veränderten.. Das meinte man im Gegentheil schon längst gewusst zu haben. Man hatte es auch gewusst, wie man alle grossen Wahrheiten weiss, schon ehe sie einer präcisirt und fest ausspricht. Wenn sie dann nicht schon gleichsam in der Luft liegen, so helfen sie nichts, wirken nicht. Man wollte ja keine Erklärung, sondern ein Mittel, diesen molekularen Zu- sammenhang der Bindemittel und Firnisse auf eine weniger gefahrvolle Weise wiederherzustellen, als die bisher gebräuchlichen. Diese waren der mannigfaltig- sten Art, und glichen sich nur darin, dass sie fast alle jeder gesunden wissenschaftlichen Erkenntniss erman- gelten, wie unser ganzes Restaurationswesen. Denn wir haben wohl eine Anzahl geschickter Restauratoren, sie sind es aber bloss nach der künstlerischen Seite hin, d. h. sie wissen die Veränderungen, die an einem Bilde vorgehen oder vorgegangen sind, mit Feinheit wahrzunehmen und zu errathen, mit sicherem künst- lerischen Gefühl vermittelst Farbe und Pinsel wie ein Maler, je nach ihrer Subjectivität besser oder schlechter, jedenfalls für den Augenblick so unmerkbar als

möglich herzustellen, ihre Mittel aber sind, wie gesagt, fast durchaus irrationell , ein Wust von empirischer Quacksalberei, die in ihrer Bodenlosigkeit sich der oberwähnten Bilderkrankheit des Schimmels gegen- über selten anders zu helfen wusste, als dass sie den Firniss abnahm, wobei regelmässig die feinste und schönste Blüthe des Colorits mitging, welche sie dann durch mehr oder weniger geschicktes Uebermalen zu ersetzen suchte, und darauf neuen Firniss auftrug. In diesem Fall hatte man also ein bloss verputztes oder ein überdiess noch übermaltes Bild, ein drittes gab es nicht, und der Himmel weiss,. dass wenige Bilder unserer Gallerien dieser Doppelgefahr der Verwüstung und nachträglichen Verfälschung ganz entgangen sind. Wer alle die berühmtesten bisherigen Restau- rationen kennt , wird sagen müssen, dass sie sich nur durch das grössere künstlerische Geschick, mit dem die Fälschung begangen worden, von den schlechtesten unterscheiden , es aber nie so weit bringen, dass man nicht über kurz oder lang dieselbe entdeckte.

Um nun jenem gefährlichen Abnehmen des Fir nisses, welches bisher so ziemlich die Grundlage jeder grösseren Restauration bildete, zu entgehen, hatte man, dunkel herumtappend, durch Ueberpinseln mit heissem Terpentinöl, Alkohol, endlich durch Anwen- dung von Alkoholdämpfen die verlorene Cohäsion des Firnisses wiederherzustellen versucht, wenn der Schimmel anfing, mit grösserem oder geringerem, doch nie genügendem Erfolg, aber grosser Gefahr für die Bilder.

Eine gute Diagnose ist eine halbe Heilung : nach- dem einmal die Krankheit als eine der Bindemittel,

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vor allem des Harzes im Firnisse, erkannt war, schien es, bei der Bekanntheit des Umstandes, dass Alkohol die meisten Harze auf löst, sehr nahe zu liegen, auch einmal die Anwendung desselben in Gasform zu versuchen, als der in der Anwendung offenbar un- gefährlichsten und zugleich wirksamsten, da das Gas auch in die feinsten Oeffnungen, wo selbst heisse Dämpfe wegen zu rascher und reichlicher Conden- sation nicht mehr wirken , allmählich durchzudringen vermag.

So nahe nun dieser Gedanke auch zu liegen schien, so war aber eben doch niemand vor Pettenkofer dar- auf gekommen, und gerade in der grossen Einfachheit desselben liegt seine Genialität.

Gleich die ersten . Versuche hatten durch die ausserordentliche Leichtigkeit, mit welcher der Process der Erweichung des Firnisses und Herstellung der glatten Oberfläche vor sich ging, etwas so Blenden- des und Ueberraschendes, dass man in der reinen Herzensfreude alle ihre sonstigen Mängel , vor allem aber das übersah, dass man nun wohl eine richtige Diagnose und ein wirksames Mittel, aber noch keine Methode, dasselbe überall richtig anzuwenden, erobert habe. Ja man glaubte in dieser Begeisterung sogar, dass nun jedweder, auch ohne Arzt, d. h. Restaurator zu sein, eine so energische Medicin anwenden und die Bilder für alle Jahrhunderte unverwundbar machen, dass fortan jeder Diener etwa so Nachmittags nach Schliessung der Gallerie noch geschwind ein paar hundert Quadratfuss Bilder restauriren könne.

Es war die sehr unangenehme, aber doch unaus- weichliche Pflicht einer gewissenhaften Kritik, die doch

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selber die grösste Freude an der Entdeckung gehabt hatte, vor den gefährlichen Folgen solcher Illusionen zu warnen und auf die der Erfindung noch ankleben- den Mängel, sowie darauf energisch aufmerksam zu machen, dass das, was gegen die Wirkungen der Zeit schützen solle, doch nur durch die Zeit selber end- gültig erprobt werden könne.

Diese Opposition führte zunächst freilich zu einer für die Betheiligten wenig erfreulichen Polemik, er- reichte aber doch ihren retardirenden und zur besseren Ausbildung des Verfahrens treibenden Zweck voll- ständig, ist also, wenn nicht angenehm, doch nützlich gewesen.

Wenn sie behauptete, dass die ersten gelieferten Restaurationen noch mangelhaft seien, so hat ihr der Erfolg recht gegeben , denn bei denselben Bildern wurden durch spätere Verbesserung des Verfahrens viel befriedigendere Ergebnisse erzielt. War aber für die restaurirende Thätigkeit nunmehr das, was ihr bisher gemangelt, eine gesicherte wissenschaftliche Grundlage, gewonnen, so konnte die künstlerische Seite derselben, jene feine Ausbildung des Auges und der Hand, die allein die gefahrlose Anwendung auch der besten Mittel ermöglichen, natürlich doch nicht entbehrt werden, weil nur sie zur richtigen Hand- habung und Beobachtung der Wirkungen derselben in Stand setzt. Dass jedweder vermittelst dieses Ver- fahrens Bilder nach Belieben hersteilen könne, dass durch die Entdeckung desselben die Restauratoren überflüssige Leute geworden, das musste bald durchaus aufgegeben werden. Im Gegentheil, wie jede grosse Verbesserung einer Technik ihre Anwendung vermehrt,

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so wird auch die nächste Wirkung der hoffentlich bald allgemeinen Einführung der Regenerationsmethode überall die sein, dass man dann viel mehr restaurirt, als vorher, weil man es jetzt gefahrloser thun kann, während man vorher überall nur mit Angst und Zagen sich dazu entschloss. Wenigstens war jenes in Mün- chen der Fall, wo der wissenschaftliche Begründer bald in dem ebenso gewissenhaften als gewandten Restaurator Frey diejenige Kraft fand, die im Verein mit ihm sein Princip erst zu einer vollkommenen Me- thode, zur mannigfaltigsten und wirksamsten Anwen- dung zu bringen , ihr eine Ausbildung zu geben ver- stand, die man zuerst ebenso weit entfernt war, für möglich zu halten, als der Mann, der zuerst Korn zermalmte, Teig daraus knetete und denselben zwischen zwei heissen Steinen zu einem Kuchen röstete, eine Vorstellung von dem Reichthum an Mehlspeisen haben konnte, die später unsere Tafeln zieren würden.

Zuvor aber gelang es dem Erfinder noch , ein Hauptgebrechen seiner Methode zu beseitigen, und damit einen weiteren grossen Schritt zu ihrer Vervoll- kommnung zu thun.

Man hatte ihr immer vorgeworfen, dass ein mit der Zeit zu spröd gewordener Firniss, wenn man ihm auch durch Regeneration seine Klarheit , d. h. seinen molekularen Zusammenhang wiedergibt, dadurch doch nicht mehr geschmeidiger , und deshalb zum wieder- holten Springen und Reissen nur allzu geneigt sein werde.

Diese Einwendung war nicht unbegründet, schon darum, weil auch ohne Regeneration der blosse Zutritt des Sauerstoffs der atmosphärischen Luft einen Theil des

Fettenkofer, Regenerationsverfahren. 12

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Firnisses in einer Art von langsamem Verbrennungs- process nach und nach absorbirt, sodass derselbe im Laufe der Zeit oft fast gänzlich verschwindet.

Die Restauratoren hatten in diesem Falle bisher die Tafeln theils mit Oel, theils von hinten mit Co- paivabalsam eingerieben, und diess dem Bilde Nahrung geben geheissen, was aber im Grunde nichts als eine mechanische Ausfüllung der durch den Verlust des molekularen Zusammenhangs des Firnisses und der übrigen Bindemittel entstandenen Risse und Löcher war und seinen Zweck nur sehr unvollkommen er- füllen konnte. Dagegen ist es Pettenkofer gelungen, das Nahrungsmittel allerdings organisch mit dem vor- handenen Firniss zu verbinden und so ihm das Ver- lorene wirklich zu ersetzen.

Damit war die Methode in ihren Hauptzügen voll- endet, allen Einwendungen um so mehr begegnet, als eine jetzt bereits fünfjährige Erfahrung gezeigt hat, dass nach allen diesen Verbesserungen die Bilder durch den Regenerationsprocess nicht nur nicht mehr als vorher rissen, sondern im Gegentheil in allen den Fällen die Sprünge meistens verlieren, wo dieselben erst den Firniss angegriffen haben, immer aber den Einwirkungen des Temperaturwechsels besser als bis- her widerstehen.

Wir kommen nun noch zu einer Haupteinwendung, die gegen das Verfahren gemacht worden. Es ist unbestritten, dass die Bilder in vielen Fällen, beson- ders wenn der Firniss sehr dick war, durch die Re- generation zuerst ein etwas gläsernes , emailartiges Aussehen bekommen, dass ein Theil der »grauen Töne«, die in der Malerei eine so grosse Rolle spielen,

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dadurch verloren zu gehen scheint. Man behauptete nun: es müsse diess ja selbstverständlich bei der Er- weichung des Firnisses, und in all den Fällen, wo er mit Beimischung von Harzen gemalt worden, auch des Farbkörpers selber, nothwendig geschehen, da ja alle sogenannten Frotti, d. h. Farben, welche ver- mittelst eines steifen Pinsels in sehr kleinen Quanti- täten beinahe staubförmig aufgetragen werden, um andere zu dämpfen, nothwendig von dem darunter liegenden dickeren Farbkörper verschluckt würden, so um ihre grauer machende Wirkung kämen, und somit die Fülle des Tons, die ja gerade durch die feinen grauen Töne vorzugsweise bedingt werde, Schaden leide. Es wurde dieser Behauptung durch jenes gläserne Aussehen einzelner frisch regenerirten Bilder eine so hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, dass an manchen Orten das schon eingeführte Verfahren deshalb wieder aufgegeben ward. Eine Reihe der genauesten Versuche hat indess auch diess den Re- ferenten selber als eine Täuschung, und zugleich mit die Ursache derselben, erkennen lassen.

Sie liegt in den durch das blosse ImpaSto der Farbe erzeugten, schon oben erwähnten rauhen Flächen; be- sonders wenn mit dicker, zäher Farbe gemalt worden, entstehen dadurch graue Töne, die nicht in der Farbe, sondern bloss in jener Rauhigkeit ihren Grund haben, also beim Firnissen auch sofort verschwinden, so dass der Maler, der sie unwillkürlich mit zur Farbe ge- rechnet hat , gewöhnlich mit manchen Theilen seines Bildes nichts weniger als zufrieden ist, sie gläsern, procellanern nennt, weil die Malerei auf diesem Material im Schmelzen und die dadurch eintretende Glätte des

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Stoffs ihre grauen Töne ganz oder zum grossem Theil ebenfalls einzubüssen und eine alles unangenehm deut- lich machende Transparenz dafür einzutauschen pflegt.

Ganz dasselbe geht natürlich bei der Regeneration vor sich. Man war gewöhnt, ein Bild mit theilweise getrübter Oberfläche und dadurch vermehrten grauen Tönen zu sehen, und findet es jetzt, wo es klar ge- worden, herb von Ton. Dieses Uebermaass von Trans- parenz verschwindet aber auf den regenerirten Bildern mit der Zeit ebenso sicher wieder, wie auf den neu- gefirnissten, wo Staub und Eintrocknen des Firnisses in die Poren auch sehr rasch jene Rauhigkeiten der Oberfläche wieder erzeugen, welche der Maler bei der Arbeit mit in Rechnung gebracht hatte.

Gerade dieses Hauptbedenken hat sich daher als durchaus unhaltbar erwiesen , so gut als das weitere, dass durch das Regeneriren des Firnisses das even- tuelle Abnehmen desselben unmöglich gemacht, da- gegen aller Schmutz, der sich auf ihm angesetzt, mit hineingeschmolzen werde und fortan nicht zu beseitigen sei. Nicht nur ist der Firniss leichter halb oder ganz abzunehmen, als früher, sondern auch der Schmutz und das Gelbwerden des Firnisses erweisen sich in den meisten Fällen, soweit sie nicht durch sorgfältige Abwaschung der Oberfläche zu entfernen sind , als optische Täuschungen, als blosse Consequenz der ver- lorenen Cohäsion und der dadurch bewirkten mancher- lei Trübungen. Da nun bereits fünf Jahre seit den ersten Restaurationen verflossen sind, und besonders in Betreff der Sprünge nicht nur keine der erwarteten üblen Folgen eingetreten ist, sondern die regenerirten Bilder überall den Einwirkungen atmosphärischer Pro-

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cesse besser widerstanden haben , als unregenerirte, wie man diess besonders in unserer neuen Pinakothek aufs klarste bestätigt sehen kann; da bereits Hunderte von Erfahrungen in unsern beiden Gallerien vorliegen, die uns über die Wirkungen des Processes bei allen möglichen Schulen und technischen Verfahrungsarten Aufschluss geben und in ihren Resultaten alles leisten, was man billigerweise nur immer verlangen kann: so ist es wirklich hoch an der Zeit, alle Gallerie - Direk- tionen, Besitzer von Gemälden, vor allen aber die Restauratoren selber dringend zu ermahnen, wo es noch nicht geschehen, endlich ein technisches Ver- fahren einzuführen, das dem bisherigen gerade so über- legen ist, wie die Locomotive dem Schubkarren.

Wie sehr sich auch Vorsicht und Vorurtheil gegen die Einführung sträuben mochten und noch mögen, sie werden ihr nicht entgehen können; denn der Ge- walt der Thatsachen widersteht auf die Länge nie- mand, wie sie es hier dem einstigen Gegner heute zur Pflicht macht, selber zu ihrer Anerkennung auf- zufordern.

Pettenkofer’s Entdeckung wird uns dann bald jene Hunderte von Bildern retten, die jetzt alle Jahre der Unwissenheit und besonders der Eitelkeit zum Opfer fallen, da fast alle Restauratoren von der Wuth be- sessen sind, die Bilder zu übermalen, wie jeder Gang durch eine Gallerie lehrt. Diess für die Zukunft fast unmöglich gemacht zu haben, ist unstreitig das grösste Verdienst dieser Methode.

Aber weil sie eine Methode und kein blosses Recept oder Geheimmittel mehr ist, so kann ihre Ein- führung in den verschiedenen Gallerien nur dadurch

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geschehen, dass Leute hierher geschickt werden, die sie bei Herrn Frey förmlich erlernen. Einem sonst gewandten Restaurator wird diess verhältnissmässig schnell gelingen, da er hier bereits einige hundert Ge- mälde findet, an denen das System in seiner mannig- faltigsten alleinigen Anwendung, wie in seiner Ver- bindung mit allen möglichen herkömmlichen sonstigen Verfahrungsarten, als dem Niederlegen der aufge- sprungenen Stellen, Ausfüllen der Sprünge, Rentoiliren, klar gemacht werden, und als das Zeichen einer in ihrer Anwendung durchaus künstlerischen Procedur niemals durchs Beschreiben ersetzt werden kann.

Wir möchten daher auch vor der dilettantischen Anwendung des Verfahrens bloss nach den davon umlaufenden ganz unvollständigen Beschreibungen aufs entschiedenste warnen. Bei ungeschickter oder un- richtiger Anwendung kann man allerdings Bilder da- mit verderben, ihnen wenigstens schweren Schaden statt Nutzen thun, wie denn auch die Auslagen für die Erwerbung des Verfahrens in jeder Gallerie sehr bald durch die unendlich geringem Kosten der ein- zelnen Restaurationen allein schon vergütet werden. Wie noch das neueste traurige Vorkommniss in Berlin so leicht mit Anwendung des hiesigen Systems hätte vermieden werden können , so muss man auch die Nachricht, dass in Wien jetzt die Errichtung einer Restauratorenschule beabsichtigt werde, ohne dass über die Einrichtung derselben irgendwelche Fach- autoritäten zu Rathe gezogen wurden, nur mit grosser Besorgniss betrachten, da sie voraussichtlich auf dem alten System beruhen würde, und dieses System taugt einmal in seinem wissenschaftlichen Fundament absolut

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nichts , wie geschickt auch die künstlerische Anwen- dung desselben da oder dort gehandhabt werde.

Man darf aber doch wohl erwarten, dass man nicht nur bei den Werkzeugen der Zerstörung, bei Kanonen und Flinten, sondern auch bei den Methoden der Wiederherstellung und Erhaltung der schönsten Blüthen der Kunst die Forderung unweigerlich an- erkenne, so wichtige Ergebnisse der Wissenschaft sich anzueignen, wie sie hier Pettenkofer unzweifelhaft zu erringen gelungen.

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Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig,

Pettenkofer’s Populäre Vorträge.

Erstes Heft: Beziehungen der Luft zu Kleidung, Wohnung und Boden. Drei populäre Vorlesungen, gehalten im Albert-Verein zu Dresden am 21., 23. und 25. März 1872. Mit Holzstichen. Vierter Abdruck, gr. 8. geh. Preis 2,40 Ms.

Zweites Heft: Ueber den Werth der Gesundheit für eine Stadt. Zwei populäre Vorlesungen, gehalten am 26. und 29. März 1873 im Ver- ein für Volksbildung in München. Ueber Nahrung und Fleiseh- extraet. Schreiben an Herrn Joseph Bennert, Generalagent der Liebig’s Extract of Meat Company. Dritter Abdruck, gr. 8. geh. Preis 1,20 Ms.

Drittes Heft: Zum Gedäehtniss des Dr. Justus Freiherrn v. Liebig. Bede, gehalten im Aufträge der mathematisch-physikalischen Klasse der Königl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München in der öffentlichen Sitzung am 28. März 1874. Ueber Hygiene und ihre Stellung an den Hochschulen. Ueber den hygienischen Werth von Pflanzen und Pflanzungen im Zimmer und im Freien. Vor- trag, gehalten in der bayerischen Gartenbau- Gesellschaft zu München im Januar 1877. Zweiter Abdruck, gr. 8. geh. Preis 2,50 Ms.

Zum Gedäehtniss des

Dr. Justus Freiherrn von Liebig.

Kede , gehalten im Aufträge der mathematisch - physikalischen Klasse der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München in der öffentlichen Sitzung am 28. März 1874.

Von Dr. med. Max von Pettenkofer,

o. ö. Professor der Hygiene,

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Dr. E. Vogel.

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