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The University of Pennsylvania.

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THE POTT LIBRARY.

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Aufgabe und Stellung der classischen Philologie

insbesondere ihr Verliältnifs

zur vergleichenden Sprachwissenschaft.

Academisch* Antrittsrede

gehalten in der grofsen Aula zn Gleisen am 4. November 1871 Dr. Wilhelm Clemin.

aufserordentlichem Professor der classischen Philologie.

„Mö&e das Studium der pricchiselien und römischen Literatur immerfort die Basis der höheren Bildung

Göthe, Werke XLIX, 123.

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(Germany.)

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llung.

Ueber

Aufgabe und Stellung der classischen Philologie

insbesondere ihr Verliältnifs

zur vergleichenden Sprachwissenschaft.

Academische Antrittsrede

gehalten in der grofsen Aula zu Giefsen am 4. November 1871

Dr. Wilhelm Clemm,

aufserordentlichera Professor der classischen Philologie.

,,Möge das Studium der griechischen und römischen Literatur immerfort die Basis der höheren Bildung bleiben."

Güthe, Werke XL1X, 123.

Giefsen.

J. Rick er 'sehe Buchhandlung. 1872.

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Vorbemerkung.

Wenn der Veröffentlichung einer Antrittsrede meist schon das Bedenken entgegensteht, dafs sie Vieles enthält, was bereits von Andern gesagt wor- den ist, und ihr ganzes Verdienst mithin höchstens in der Auffassung und Darstellung ihres Gegen- standes besteht, so kommt für die vorliegende noch hinzu, dafs ihr Thema besonders weit gefafst war und sie deshalb von Gedanken zu Gedanken fort- eilen mufste, ohne die oft wünschenswerthe Aus- führung und Motivierung hinzufügen zu können.

Der Grund , weshalb ich mich trotzdem zur Veröffentlichung entschlofs, liegt weniger darin, dafs ich meinen wissenschaftlichen Standpunkt auch aufserhalb des Kreises von Zuhörern, an welche meine Worte gerichtet waren, darlegen möchte, als vielmehr in der Ueberzeugung, dafs selbst manche bekannten Dinge in heutiger Zeit nicht oft genug gesagt werden können und eben nur dann wieder

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von Neuem Berücksichtigung finden, wenn sie voit Neuem ausgesprochen werden. Ueberdies glaubte ich, jenem zweiten Uebelstand durch Hinzufügung einer Anzahl von Anmerkungen wenigstens bis zu einem gewissen Grade abhelfen zu können.

Wären diese Blätter auch nur einigermafsen im Stande, für den Gegenstand anzuregen, dem sie gewidmet sind, dann könnte ich mich fast zu dem unbescheidenen Wunsche versteigen, dafs sie recht viele Leser verschiedener Art finden möchten !

Giefsen, in den Weihnachtsferien 1871.

w. c.

Hochzuverehrende Versammlung !

Grofse Ereignisse der Weltgeschichte , wie sie die jüngste Vergangenheit uns zu erleben vergönnte, pflegen durch die überwältigende Wucht ihres Eindrucks die Inter- essen aller Zeitgenossen mit sich fortzureifsen, drängen jede Bestrebung des Einzelnen mehr oder minder in den Hintergrund und prägen sich in tiefen, unauslöschlichen Zügen dem Gedächtnifs einer ganzen Generation ein. Wie wäre es auch anders denkbar? werden doch alle, die dem- selben Gemeinwesen angehören, ohne Unterschied des Al- ters, des Standes, der Bildung oder des Vermögens direct oder indirect von der Macht der Begebenheiten berührt, welche Staaten in ihren Grundfesten erschüttern und mit eiserner Hand selbst in das Leben der Familie eingreifen; unsere Hoffnungen und Wünsche werden bald erregt, bald durchkreuzt und in andere Richtungen getrieben, kurz politische Umwälzungen müssen nothwendig das Individuum ergreifen und sind der freiwilligen oder unfreiwilligen Theil- nahme aller Mitlebenden gewifs. Nicht so vollziehen sich die Umwälzungen auf dem Gebiete der Wissenschaft. Hier pflegen einmal bedeutende Revolutionen überhaupt nicht mit der unerwarteten Raschheit aufzutreten wie dort, sondern machen sich mehr allmählich und schrittweise gel-

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teml, dann aber ist die Zahl derjenigen, welche thätigen Antheil an der stillen Arbeit des Geistes nehmen, immer nur eine beschränkte, und nicht sogleich dringen die ge- wonnenen Ergebnisse aus der engen Studierstube in den weiteren Kreis der Gebildeten, ja in vielen Fällen mufs man mit Resignation überhaupt darauf verzichten, dem, was vielleicht Jahre lange, mühevolle Forschung endlich gefunden, auch außerhalb der Fachgenossenschaft Aner- kennung zu verschaffen. Freilich befinden sich in dieser Hinsicht nicht alle Wissenschaften in gleicher Lage, denn glücklicher als ihre Schwestern sind auch hier wieder die Naturwissenschaften. Ihre Beziehungen zum täglichen Leben, mit dem sie durch tausend Fäden verknüpft sind, haben ihnen eine Popularität gesichert, mit welcher sich wenigstens das gegenwärtige Interesse für solche Wissens- gebiete nicht messen kann, welche jener Beziehungen mehr entbehren. Diese Popularität den Naturwissenschaften mifsgönnen zu wollen , wäre eine grofse Undankbarkeit gegen die vielen geistigen und materiellen Wohlthaten, die sie der Menschheit erwiesen haben, vielmehr ist es voll- kommen begreiflich , wenn jede neue Entdeckung hier mit Theilnahme aufgenommen, noch mehr aber jede Erfindung, die dem materiellen Wohl des Einzelnen oder der Gesammt- heit dient, mit allgemeinem Interesse begrüfst wird und in Jedermanns Munde lebt x).

Und doch wäre es ein schwerer Irrthum, wollte man den Fortschritt auch nur vorwiegend bei denjenigen Wis- senschaften suchen, die im unermefslichen Reiche der Natur den ewig waltenden Gesetzen nachforschen und ihre un- gebändigten Kräfte in des Menschen Dienst zu bannen lehren 2). Nicht minder bedeutend, wenn auch in ihrer Tragweite weniger allgemein gewürdigt , sind die Fort- schritte jener anderen Gruppe von Wissenschaften, welche nicht sowohl die Natur selbst -als den Höhepunkt der na- türlichen Welt, den Menschen , in seiner ganzen geistigen

Schöpferkraft und Culturentwickelung, zu ihrem Objekt haben, der Geisteswissenschaften 3) vornehmlich, die wir jetzt unter dem Namen Philologie verstehen. Indem ich dies ausspreche und von einer Mehrheit von Wissenschaf- ten rede, die eine Collectivbezeichnung zusammenfassen soll, habe ich schon die bedeutsame Thatsache hervorge- hoben, dafs der Begriff der Philologie sich zu einem unge- ahnten Umfang erweitert hat und heute Wissensgebiete in sich schliefst, zu deren Bearbeitung früherhin kaum der Anfang gemacht war. Es ist noch nicht lange her, dafs man unter Philologie nur die classische verstehen konnte, aber dieser Begriff ist zu eng geworden, seitdem wir nicht mehr befangen von einseitiger Bewunderung des Alten er- kannt haben, dafs auch die bunte phantasiereiche Wrelt der orientalischen Völker, die sinnige und gemüthvolle Weise unserer germanischen Vorfahren nicht minder wie das auf den Trümmern des untergegangenen Römerthums zu herr- licher Blüthe entfaltete Leben der romanischen Völker würdige Objecte unserer Forschung seien. Wer also heu- tigen Tages schlechthin von Philologie und Philologen redet, der bezeichnet ihr Arbeitsfeld nicht näher, als wenn er den Chemiker oder Physiker, den Geologen oder Botaniker, den Mediciner oder Zoologen kurzweg einen Naturforscher nennt. Denn die Thätigkeit des classischen und orienta- lischen Philologen, des Germanisten und Romanisten liegen trotz aller Berührungspunkte weit auseinander; räumlich getrennt waren die Völker und zeitlich geschieden die Perio- den geistiger Höhe, mit denen sie sich zu beschäftigen haben, nur ein Streben hält sie alle zusammen, ein Ziel ist aller Philologie gemeinsam : das Seelenleben der Völ- ker in seiner ganzen Innerlichkeit zu erfassen und den Zusammenhang ihrer Cultur durch alle Zeiten zu erhalten. So aufgefafst ist die Philologie recht eigentlich ein Erzeug- nifs der modernen Welt, und diese ihre Universalität sichert ihr auch eine bedeutende Zukunft, während die einzelnen

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Theile langst zu selbständigen Wissenschaften, zu besom deren Philologien, geworden sind. Unter diesen allen aber ist. die olassisebe nicht blofs die älteste, sondern sie nimmt auch ihrem ganzen Inhalt nach die erste Stelle ein und ist als Wissenschaft am meisten ausgebildet. Von ihr allein sind die erwärmenden Strahlen ausgegangen, welche die übrigen philologischen Disciplinen erst zum Leben erweck- ten,- an ihrem Muster und ihrer Methode haben diese sich gebildet und sind zu dem geworden, was sie heute sind$ mit einem "Worte , sie haben sich von blofs sprachlichen Studien erst zur Philologie erweitert und vertieft.

Denn Philologie dies sagt schon ihr bedeutungs- voller Name - ist nun einmal nicht blofses Sprachstudium sondern umfafst weit mehr, was einer Auffassung gegen- über leider nicht oft genug hervorgehoben werden kann, die namentlich in Frankreich und England bis zur Stunde herrscht und nicht selten auch bei unseren. Gebildeten zu finden ist. Man sollte endlich aufhören , immer nur von der sprachlichen Bildung zu reden , die unsere auf das Studium des classischen Alterthums gegründeten Gymna- sien gewähren sollten, als ob es sich um ein gewisses Maafs positiver Sprachkenntnisse handelte, welche die heterogenen Beschäftigungen des späteren Lebens doch gröfstentheils wieder verwischen, oder selbst nur um diejenige formale Durchbildung des Geistes, welche durch das Studium der alten Sprachen an sich allerdings erzielt wird 4). Der Ge- winn, den dieser Bildungsgang dem Leben bringt, ist doch ein noch höherer , wenn wirklich auch der Sinn für das Edle und Schöne durch den Geist der classischen Literatur geweckt werden und neben der Verstandesübung Gemüth und Character nicht zu kurz kommen sollen. Schon ein Blick auf die Geschichte unserer Philologie 5) zeigt, wie wenig sie mit blofsem Sprachstudium zu verwechseln sei. Die ersten italienischen Humanisten, welche in heifsem Kampfe mit der mittelalterlichen Scholastik die halb ver-

lorenen Schätze des classisclien Alterthums dem Dunkel der Vergessenheit entrissen, mufsten natürlich die Kennt- nifs der Sprache vorbereiten , ehe sie die antike Literatur in ihrem vollen Reichthum der Mit- und Nachwelt zugäng- lich machen konnten; aber diese immer mächtiger erwachen- den Studien hatten dann mannigfache Wandlungen durch- zumachen. Wir können hier nicht verfolgen, wie sie Anfangs mit ihrem eigenen Stoffe ringend zu -einer Art gelehrten Vielwissens wurden, wie dann ein immer tieferes und ein- dringenderes Verständnifs sich Bahn brach und mit regem Eifer kritische Köpfe es unternahmen, die Ueberlieferung auch zu prüfen, Echtes von Unechtem zu scheiden und die schwer verderbten Texte von den Fehlern zu säubern, welche die Nachlässigkeit oder Unwissenheit halbgebildeter Abschreiber verschuldet hatten. Nach den verschiedenen Strömungen der wissenschaftlichen Beschäftigungen waren selbst noch in neuerer Zeit die Auffassungen der classisclien Philologie unter den Männern von Fach verschieden. Bald stellte man eben so ausschliefslich wie das Studium der Sprache das der Literatur in den Vordergrund und suchte die Kenntnifs derselben nach Inhalt und Umfang eifrig zu erwerben,- bald wollte man die Philologie als eine Art historischer Propädeutik ansehen und meinte geradezu, auf die Uebung eines kritischen und hermeneutisehen For- schungsvermögens das Hauptgewicht legen zu müssen. Aber solche und ähnliche .theils zu einseitige theils zu gegenstandlose Ansichten konnten keinen Bestand haben, weil sich weder eine Seite des classischen Alterthums los- getrennt von den übrigen für sich begreifen läfst, noch Technik und Methode einer Wissenschaft wie der classi- schen Philologie unabhängig ist von dem Stoff, an dem sie sich zu bewähren hat. Daher hat sich schon längst eine andere Auffafsung geltend gemacht, angeregt und be- gründet von Friedrich August Wolf, dem gröfsten Kenner der antiken Welt seit den Zeiten der Renaissance.

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Indem dieser die classische Philologie als „Altertums- wissenschaft8 fafste, machte er das Griechen- und Römer- tluini in seiner Totalität zum Object des Studiums und legte so den Grund zu einer immer allseitigercn Erfor- schung und Würdigung der überkommenen Denkmäler. Wolf gilt mit Recht als der eigentliche Begründer unserer heutigen classischen Philologie, und in seine Fui'stapfen traten in der Folge eine Reihe der ersten Gelehrten ich erinnere nur an Böckh und seine Schule , die theils durch strengere Benutzung und Verfolgung der schon vor- handenen Hilfsmittel die Wissenschaft bereicherten; theils völlig neue Quellen der Erkenntnifs zu erschliefsen wufsten. Keine Seite der geistigen Thätigkeit jener beiden Völker durfte vernachlässigt werden, wenn anders ein treues Ge- sammtbild ihrer Cultur sich ergeben und es der classischen Philologie möglich werden sollte , ihre wissenschaftliche Aufgabe in der Reproduction des antiken Lebens durch Erkenntnifs und Anschauung seiner wesentlichsten Aeufse- rungen zu lösen 6).

Die einzelnen Sphären aber, in denen sich das innere Leben jedes Volkes offenbart, lassen sich in verschiedener Weise bestimmen und abgrenzen, doch tritt uns eine Reihe fester Punkte entgegen, um die sich wesentlich die For- schung zu bewegen hat. Aufser der Sprache, auf die wir noch besonders zurückkommen werden, bezeichnen Glaube und Religion, Recht und Sitte, Kunst und Wissenschaft die hauptsächlichsten Seiten, denen sich die Alterthums- studien mit gleich liebevoller Hingabe und gleich lebendi- gem Interesse zugewendet haben. Aus jeder dieser einzel- nen Sphären haben sich besondere Disciplinen entwickelt, die ihrerseits allmählich zu solchem Umfange angewachsen sind, dafs auch hier, wie in jeder anderen Wissenschaft, das Princip der Arbeitstheilung immer strengere Concen- tration auf die Einzelfragen fordert , und die Uebersicht über das Ganze immer schwieriger wird. Die Mythologie

gilt längst nicht mehr blofs als gelehrtes Beiwerk zur Er- klärung der Schriftsteller, nicht als Sammlung unterhalten- der Märchen und Fabeln oder als müfsiges Spiel der Dich- ter, sondern sie ist die Wissenschaft von den Mythen als einer Verkörperung des religiösen Bewufstseins auf einer bestimmten Stufe menschlicher Entwicklung und ein echtes Erzeugnifs des Volksgeistes. Die Sammlung und Sichtung des Stoffs, die Erklärung des Einzelnen setzen auch hier der Forschung immer gröfsere Schwierigkeiten entgegen; während diese gerade in der Verfolgung jenes unendlich fein verschlungenen Gewebes von Mythus und Sage ihren eigentümlichsten Reiz findet. Was fassen jetzt nicht Alles die sogenannten „Alterthümer" zusammen? Das gesammte öffentliche und Privatleben der Alten , ihre Cultus- und Rechtsgebräuche, Gewohnheiten und Sitten werden hier abgehandelt , aber jede Seite bietet wieder der Betrach- tung so mannigfaltigen und oft nicht leicht zu bewältigen- den Stoff, dafs immer eingehendere Studien erforderlich sind, und zusammenfassende quellenmäfsige Darstellung ein- zelner Partien erst in neuester Zeit gelungen ist. Und wenn wir nun gar unter Kunst die redende und bildende verstehen, wie Viel liegt dann nicht in dem einen Namen ausgesprochen? Die ganze reiche Literatur, in jeder Gat- tung zu hoher Vollendung gelangt, breitet sich vor uns aus, und wie durch ein Zauberwort führt uns die Phanta- sie alle jene unvergänglichen Meisterwerke griechischer Pla- stik vor Augen, denen auch die fernsten Geschlechter ihre Bewunderung nicht werden versagen können. Die bildende Kunst allein hat eine ganz eigene Wissenschaft, die Ar- chäologie, hervorgebracht, die seit ihrer Begründung durch Winckelmann von Jahr zu Jahr sich erweitert hat und längst so weit herangewachsen ist, dafs sie nicht mehr blofs eine Dienerin der classischen Philologie sein will, sondern gerechten Anspruch auf Anerkennung ihrer Selbständigkeit erheben durfte 7).

Aber mitten in dieser Fülle der vielseitigsten Anre- gung und des reichsten Inhalts fehlt doch das einigende Band nicht, Denn alle die verschiedenen Aeufserungen des geistigen Lebens eines Volkes tragen auch wieder das Gepräge der Gemeinsamkeit an sich. Auf der einen Seite tritt uns dasHellenenthum entgegen mit seinem heiteren, uner- schöpflichen Kunstsinn und seinem Alles verklärenden Idealismus, der sich nicht blofs in den Erzeugnissen der Poesie und den Werken der bildenden Kunst kund giebt; auf der andern Seite hat das Römerthum mit seiner ern- sten Thatkraft und seiner Idee des Staats, in welchem ihm Alles aufgeht, selbst der an griechischen Mustern gebilde- ten Literatur sein eigenstes Wesen aufgedrückt. Beides zusammen aber verbindet sich wieder zu der höheren Ein- heit des classischen Alterthums, welches unter den glück- lichsten Bedingungen seine Anlagen und Fähigkeiten mit einer Vielseitigkeit, Freiheit und Naturfrische entwickelt und dafür so durchaus mustergiltige Formen gefunden hat, wie dies in seiner Art in keiner anderen Periode der menschlichen Culturgeschichte wieder begegnet. Wenn aber zwischen der Jugendblüthe der Menschheit und der Jugend des Individuums eine unverkennbare Analogie be- steht 8) , so dürfen wir nicht ablassen , das, was aus dem classischen Alterthum unvergänglichen Werth hat und längst in unser Fleisch und Blut übergegangen ist, mögen wir dies anerkennen wollen oder nicht, immer wieder zu erwecken und jeder jungen Generation von Neuem einzu- pflanzen. Das ist die praktische Aufgabe 9) der classischen Philologie nnd in diesem Sinne stehen uns allerdings die griechischen und lateinischen Schriftsteller weniger fern als die Erzeugnisse einer späteren Epoche, die an und für sich nicht minder bedeutend nach Inhalt und Zeit uns sogar näher zu liegen scheinen.

Auf solch breiter Grundlage erwuchs die Alterthums- wissenschaft unter sorgsamer Pflege vieler gleichstrebender

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Forscher zu einem mächtigen Baum , dessen Wurzeln tief in den Boden unseres gesammten Geistes- und Gemüths- lebens geschlagen sind , und dessen Aeste immer weiter sich ausbreiten und stets neue Blüthen treiben 10). Sie ist zugleich eine echt deutsche Wissenschaft, denn während in einer Zeit, da sie sich ihres heutigen Zieles noch nicht bewufst war, Frankreich Gelehrte ersten Rangs aufzuwei- sen hatte, England auf seinen Bentley, jenen genialen Kritiker, und Holland n) auf eine ganze Schule weit berühmter Philologen stolz sein durfte, war im neunzehnten Jahrhun- dert Deutschland vornehmlich die Wiege der neu belebten classischen Studien. Und zweimal waren sie ja hier be- rufen, einer grofsen geistigen Bewegung den Boden zu ebenen : das eine Mal war es die Wiedergeburt der Kirche durch die Reformation, welche sie so wirksam vorbereiten halfen, das andere Mal war es die zweite grofse Blüthe- zeit unserer Literatur, welche an die damals mit besonde- rem Eifer wieder herangezogenen antiken Muster mit aus- gesprochener Vorliebe anknüpfte. Auch heute wieder ste- hen wir in einer Zeit, die nicht blofs unserem theuren Vaterlande zur nationalen Gröfse verholfen hat, sondern neben der physischen Kraft des deutschen Volkes auch seine geistige Ueberlegenheit und sittliche Gröfse bewundern ge- lehrt hat. Wenn aber Niemand zu leugnen vermag, dafs zu dieser Erziehung wenigstens der gebildeten Elemente unseres Volks auch die classischen Studien, die ja glücklicher Weise in unserem höheren Unterrichtswesen 12) noch einen hervorragenden Platz behaupten, wesentlichen Antheil hatten, dann haben sie ihre bildende und sittlichende Kraft von Neuem glänzend bewährt, und wir dürfen der beruhi- genden Ueberzeugung leben, dafs sie auch fernerhin trotz aller Anfechtungen eines flachen Utilismus 13) das Panier ihrer idealen Bildung hoch halten werden. Diese Mission werden ihre Jünger auch im neuen Reiche mit freudiger Begeisterung zu erfüllen wissen!

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Ist so mit wenigen Strichen, wie es die Kürze der Zeit nickt Anders gestattet, die wissenschaftliche und prak- tische Aufgabe der classischen Philologie bestimmt, so

wird es nicht schwer fallen, zu zeigen , welche Stellung ihr die vorgetragene Auffassung im Gesummt gebiet der Wissenschaften u) anweist. Die classische Philologie ist danach schon durch die Vielseitigkeit ihres Objects beson- ders berufen, mit den verschiedensten Wissensgebieten in lebendigen Wechselverkehr zu treten und ba'd darbietend bald empfangend an der deutschen Universität recht eigentlich die wahre universitas literarum zu vermitteln. Zunächst natürlich reiht sie sich in den Kreis der übrigen Philologien ein, welche, indem sie gleiche Ziele mit ihr verfolgen, zwar weniger vielseitig, aber doch in ähnlicher Richtung Geist und Gemüth beschäftigen und wesentlich dieselbe Methode an verwandten Stoffen zur Anwendung bringen. Der ungemein rasche Aufschwung dieser jünge- ren Wissenschaften wäre nicht möglich gewesen, wenn ihnen die classische Philologie nicht die Früchte Jahrhun- derte langer Erfahrung hätte zu Gute kommen lassen. Weifs man doch, wie viel ihr die orientalische Philologie an kritischer Behandlung ihrer Texte 15) verdankt, und was von ihr die romanische an strenger und methodischer Ausbildung ihrer Disciplinen 16) gelernt hat. Aber auch der umgekehrte Einflufs hat stattgefunden, und das Ver- ständnifs gewisser antiker Schöpfungen hat aus dem Stu- dium ähnlicher Erzeugnisse aus andern Perioden Nutzen gezogen. Nicht mit Unrecht hat man in dieser Beziehung auf die Nibelungen hingewiesen, die nicht blofs an sich geeignet sind, in das Wesen jeder volksmäfsigen epischen Poesie einzuführen, sondern auch äufserlich ähnliche Schick- sale wie die homerischen Gedichte erlitten haben. Es ist also nicht Zufall, dafs der Name desselben Gelehrten für die Kritik beider grofsen Literaturproducte epochemachend geworden ist 17). Alle Philologie aber ist historische

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Wissenschaft, und darum reiht sich auch die classische in diesen weiteren Kreis ein. Sie steht zur Universalgeschichte in engster Beziehung, weil sie eine Hauptphase in dem allgemeinen Entwicklungsgang der Menschenbildimg re- präsentiert. Auf der einen Seite umfafst sie mehr als die Geschichte, insofern sie eine intensivere Hingabe an ein Volk verlangt und in sein Leben sich gewissermaafsen wieder hineinleben mufs, ohne darum dessen äufsere Thaten in ihrer inneren Verkettung aufser Acht lassen zu dürfen, auf der andern umfafst sie weniger, insofern sie sich auf bestimmte Völker und eine bestimmte Epoche beschränkt18). In dieser Beziehung scheint ihr Gebiet allerdings etwas recht Abgeschlossenes zu sein ; denn die Reiche sind ver- schwunden und die Völker vom Schauplatz der Geschichte abgetreten, welche einst die Träger dieser hohen Cultur gewesen, über die Trümmer der alten Welt ist mit sieg- reicher Gewalt das Christenthum hinweggeschritten und hat die Spuren der heidnischen Vergangenheit nur allzu oft vernichtend den neu entstandenen Reichen einen an- deren Character verliehen. In der That giebt es keinen gröfseren Gegensatz als den zwischen Heidenthum und Christenthum. Aber hätten auch die classischen Studien der Läuterung unseres religiösen Bewufstseins nicht den Dienst geleistet, den sie ihr geleistet haben, hätte auch Luther selbst sie nicht angelegentlich empfohlen, und hätte Me- lanthon nicht auf die altclassische Schulbildung seine evangelische Gelehrsamkeit gegründet, wir würden doch unserer heutigen Theologie, gleichviel welchem Bekenntnifs sie folgt, vor diesem Heidenthum keine Befürchtungen zu- trauen dürfen. Zwar haben sich bis in die jüngste Zeit wohl in einer Anwandlung von verschwommener Romantik ein- zelne Stimmen noch im Ernst dafür erheben können, das christlich -germanische Mittelalter an die Stelle des heid- nischen Alterthums zu setzen 19), aber ein offener Blick wird Jeden lehren , dafs selbst die religiösen Anschauungen

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der Griechen und Römer manche Analogien zu den Wand- lungen bieten, welche der christliche Glaube in späteren Perioden hat durchmachen müssen, und dafs sie mithin einen wichtigen Abschnitt in der allgemeinen Religions- gesehiehte bilden. Eine monotheistische Tendenz in dem bunt gestalteten Polytheismus bricht immer wieder durch und zeigt uns , wie unbefriedigt jene reich ausgestattete Götterwelt die besseren Geister der Nation gelassen , und wie auch dort nach Zeiten auflösender Skepsis die Ahnung eines einigen, mächtigen Gottes den Zweifler mit unwidersteh- licher Gewalt zu sich zog 20). Mit dem Glauben und der sittlichen Würde eines Volks steht aber sein gesell- schaftliches Zusammenleben, stehen seine staatlichen und rechtlichen Einrichtungen in nahem Zusammenhang, und damit betreten wir ein Gebiet, wo die classische Philologie der Jurisprudenz die Hand reicht. Wie tief die obersten Grundsätze des heutigen Rechts in dem Boden des römi- schen Alterthums wurzeln, und wie auch die Zukunft immer wieder aus diesen ersten Quellen wird schöpfen müssen, darüber auch nur ein Wort zu verlieren wäre überflüssig; und kaum bedarf es der Erwähnung, dafs die Markschei- den der Wissenschaft hier schwerlich genau zu ziehen sind. Wohl hat es schon manche Aufgabe gegeben , die Philolog und Jurist in gemeinsamer Arbeit ihrer Lösung entgegen- geführt haben, und noch wird es an solchen nicht fehlen, wo der eine ungern der Beihülfe des anderen entbehren wird 21). Werden wir hier fort und fort nach Rom ge- wiesen , so fesselt uns die freieste Aeufserung des Men- schengeistes, die Kunst, an Hellas. Kann je die moderne Architektur des steten Zurückgehens auf die griechische Tektonik entrathen, und können ihr die Fortschritte der Archäologie gleichgültig sein, die uns in den Tempel einer Kunst einführt, wo jede Verirrung des Geschmacks wieder gesühnt und geläutert werden kann? Gewils, hier sind die Bande, welche die Gegenwart mit der Vergangenheit

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verknüpfen, unzertrennlich und durch Nichts zu lockern 22). Dasselbe gilt von einer ganz anderen Art der Produc- tion, die uns von den concreten Erscheinungen der Plastik und Sculptur, an denen Auge und Herz sich erheben, in das Reich tiefsinniger Gedanken versetzt. Wir meinen die speculative Forschung. Auch hier braucht nur daran erinnert zu werden, dafs Aristoteles für die formale Logik fast den ganzen Apparat beschafft hat? und es ist gewifs eine characteristische und bedeutungsvolle Thatsache; dafs nach Jahrhunderte langer Arbeit hervorragender Geister gerade jetzt in Deutschland eine Richtung der Philosophie viele Anhänger zählt, die in ihren Grundlagen sich wieder mehr an jenen grofsen Denker der Griechen anlehnt 23).

So sehen wir die classische Philologie mitten im Kreise der historischen , ästhetischen und speculativen Wissen- schaften stehen, mit allen in lebhaftem Austausch begriffen, mit der einen dies, mit der andern jenes Arbeitsfeld thei- lend. Diese Wissenschaften sind theils jungen Datums und haben sich erst unter ihrer Aegide entwickelt wie die orientalische, germanische und romanische Philologie, theils sind sie uralt wie Geschichte, Theologie, Jurisprudenz, Architektur und Philosophie. Nur eine grofse Gruppe von Wissenschaften giebt es, die keine so lange Geschichte hinter sich aber eine um so gröfsere Zukunft haben, die Naturwissenschaften. Diesen scheint doch wohl die classi- sche Philologie fremd gegenüber zu stehen?

Man hat gesagt, dafs auch die naturhistorischen Dis- ciplinen an das Alterthum anknüpften, und es ist gewifs richtig, dafs besonders die Griechen auch in den Wissen- schaften — man denke nur an die Mathematik für ihre Zeit Erhebliches geleistet haben. Aber ihr Standpunkt liegt im Allgemeinen doch so weit hinter den riesigen Fort- schritten unserer Zeit zurück, dafs ihre Leistungen kaum mehr als einen historischen Werth beanspruchen können und nur in der Geschichte der einzelnen Fächer, in die sie

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gehören, verzeichnet werden. Wer aber ist Idealist genug, um zu verkennen, dafs der relative, historische Werth einer Sache gegenüber dem absoluten, unmittelbarer Vervoll- kommnung- dienenden zu untergeordnet ist, als dafs er das Hand der Verknüpfung zweier sonst gänzlich getrennter Wissensgebiete sein könnte? Das ist es also nicht, was wir suchen. Viel eher läist es sich hören, wenn man das gesammte Ziel der Philologie und Naturwissenschaft ge- wissermaafsen unter einen höheren philosophischen Gesichts- punkt zusammengefafst und betont hat, dafs, wie die Welt in zwei Formen, der sinnlichen und nicht sinnlichen, als Natur und Geist in die Erscheinung trete, so auch jene beiden grofsen Wissensgebiete einander nur bedingten und ergänzten, das eine soll nur die Kehrseite des andern sein 24). Wohl wahr, ein solcher Dualismus läfst sich ja nicht wegleugnen, und es ist ein schönes Ding um jede Einheit, welche Gegensätze versöhnt. Aber die meisten philologischen Disciplinen vertragen nun einmal eine directe Vergleichung mit den naturhistorischen nicht, die ganze Art der Arbeit ist auf beiden Seiten eine zu verschiedene. Dennoch giebt es ein Gebiet , wo alle Philologie sich wie durch ein Medium auch mit der naturwissenschaftlichen Forschung berührt : dies eine Gebiet ist die Sprache. und das Medium die allgemeine Sprachwissenschaft. Das Ver- hältnifs der Philologie insbesondere der classischen zu der letzteren ist es, welches erst in neuester Zeit sich zu klären beginnt, aber auch noch sehr der Aufhellung bedarf.

Die classische Philologie sucht , wie wir sahen , das Alterthum in seinen wesentlichsten Aeufserungen mit gleich eindringender Vertiefung in sie zu umfassen und hat für jede derselben ein besonderes Fach entwickelt wie Litera- turgeschichte mit der Metrik, Mythologie, Staats- und Pri- vatalterthümer , Archäologie u. s. w. Aber damit ist der Kreis philologischer Disciplinen durchaus noch nicht ge- schlossen, es fehlt namentlich eine und gerade die wesent-

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lichste, die Grammatik. Die Grammatik hat es mit der Sprache zu thun, und mit dieser iriufs alles philologische Studium naturgemäfs beginnen, weil sie der unentbehr- lichste Schlüssel zum Verständnifs jeder fremden Literatur ist. Aber sie ist noch weit mehr als dies, die Sprache mufs auch als die unmittelbarste Aeufserung aller geistigen Thätigkeit gelten, in ihr spiegelt sich treu und untrüglich Seele und Character eines Volkes wieder. Grofse, ge- schichtlich bedeutende Völker, die ein reiches Geistesleben entfaltet haben, zeigen auch in ihrer Sprache eine hohe Stufe der Vollendung, und nirgends läfst sich diefs besser erkennen als am Griechischen und Lateinischen. Nament- lich Ersteres ist ein in seiner Art so vollkommener Sprach- typus wie er nicht wieder erreicht werden kann. Schon diese einfachen Erwägungen lehren, dafs für das Sprach- studium ein Doppeltes gilt : einmal ist die Sprache Mittel zum Zweck, sodann ist sie Selbstzweck, jede andere Auf- fassung von philologischem Standpunkt aus ist einseitig und verfehlt. Man sollte denken, über diese Grundfragen könnte keine Meinungsverschiedenheit herrschen, und doch hat es so lange gedauert, bis solche Erkenntnifs sich Bahn gebrochen, und doch fehlt sie Manchem selbst heute noch. Aber auch als Selbstzweck kann die Sprache sehr ver- schiedener Auffassung und Behandlung unterliegen, je nach- dem man eine oder mehrere Sprachen, Bedeutung und Ge- brauch der Wortformen oder die Bildung und Flexion derselben in's Auge falste. Diese Alternativen aber ent- halten Gegensätze in sich, die sich erst bei der neusten Entwickelung der linguistischen Studien herausbilden konn- ten und in ihrer ganzen Bedeutung gewürdigt werden müssen. Noch zu Anfang unseres Jahrhunderts war die wissenschaftliche Kenntnifs des Griechischen und Lateini- schen auf einem Standpunkt, der nicht ahnen liefs, nach welcher Seite sie bald eine gänzliche Umgestaltung er- fahren sollte. Während die empirische Grammatik mit

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anerkennenswerter Genauigkeit, so weit der damalige Stand der Textkritik es erlaubte, die Formen gesammelt hatte, den Gebrauch sorgfältig verzeichnete und in ihrer Weise zurecht legte, bemächtigte sieh auf dem Gebiet der Syntax eine falsche philosophische llichtung des Stoffs und suchte mit verhängniisvollem Scharfsinn der Sprache ihre logischen Kategorien aufzuzwingen, als ob sie nicht ein gewordenes Product der Natur und des Geistes, sondern ein künstlich gemachtes System wäre 25). Wie war von da aus ein gesunder Fortschritt möglich, wie sollte frucht- loses Experimentieren die Formen, oder rein philosophische Abstraction den Gebrauch erklären, wo die Einsicht in den Entwickelungsgang menschlicher Rede überhaupt noch mangelte, und in dieser Hinsicht die ersten Gelehrten fast in eben so dichter Finsternifs tappten wie die Alten selbst ? Kein Wunder, dafs die classische Philologie sich als eng- herzige Bewahrerin lang gehegter, eingerosteter Vorstel- lungen zeigte und in spröder Hartnäckigkeit sich der bes- seren Einsicht verschlofs , als längst schon die ersten Licht- strahlen diese trübe Dämmerung zu erhellen begonnen hatten.

Dies war geschehen durch die Begründung der ver- gleichenden Grammatik. Franz Bopp hatte mit sicherer Hand die Grundzüge eines Conjugationssystems entworfen, in dem bereits die meisten und wichtigsten Familienglieder des von da ab sicher erkannten indogermanischen Sprach- stammes sich zusammenfanden, und mithin auch das Grie- chische und Lateinische ihren Platz erhielten. Gleichzeitig begann Jacob Grimm unter steter Anknüpfung an die verwandten Idiome das Gebäude der deutschen Grammatik mit unnachahmlicher Meisterschaft zu errichten, während Wilhelm von Humboldt's kühner Geist weit über diese Grenzen hinaus in das labyrinthische Gebiet der all- gemeinen Sprachwissenschaft vordrang, zu welcher hier der erste, sichere Grund gelegt wurde. Jetzt erst fieng

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man an zu begreifen; was überhaupt Sprachverwandtschaft sei; jetzt erst konnte man tiefere Blicke in das Leben der menschlichen Rede thun und lernte in ihr einen Organis- mus bewundern; dessen Erkenntnifs für alle Zeiten einen Wendepunkt in der Geschichte ihrer Wissenschaft bezeich- nen wird. Es wäre unmöglich; hier auch nur entfernt dem Gange der bald auf einen engeren Kreis bald auf die Allgemeinheit gerichteten Studien zu folgen, die noch jetzt in gährender Bewegung und lebendigem Drange stets neue Resultate liefern. Auch für die classischen Sprachen war eine andere Zeit angebrochen; neue Wege wurden der Forschung eröffnet, und schon hat die allzeit siegreiche Kraft der Wahrheit im Grolsen und Ganzen den Wider- stand gebrochen , den die träge Gewohnheit traditioneller Vorurtheile ihr entgegensetzte. Alle Sprache besteht aus Form und Bedeutung, Leib und Seele. Nichts war natür- licher; als dafs man damit begann ; die äufseren Formen aufs Neue zu untersuchen und; indem man sie zergliederte und analysierte, die einfachsten materiellen Bestandteile, die Laute, näher kennen zu lernen. Die frühere Formen- lehre hatte davon kaum eine Ahnung und hätte auf ihrem Wege umkehren müssen, wenn sie zur richtigen Einsicht gelangen wollte. Man machte sich wenig Sorge über die Laute und das Wesen ihrer Veränderung, statuierte ohne Scrupel die absonderlichsten Metamorphosen, liefs ganze Silben wie auf Commando antreten und wieder verschwin- den, mifsbrauchte den dehnbaren Begriff der Euphonie zu den gewagtesten Hypothesen und lehnte sich unbekümmert an die vagen Theorien der alten griechischen und römi- schen Nationalgrammatiker an 26), die von diesen Dingen ungefähr eben so viel Kenntnifs hatten, wie die alten Phi- losophen von der Physik der Erde und den Bewegungen der Himmelskörper. Ganz anders die neue Grammatik. Sie beobachtete vor Allem scharf die Veränderungen und Uebergänge der Laute nicht blofs in der Einzelsprache

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sondern auch in einer Reihe von verwandten und suchte daraus für jene wie für diese bestimmte Lautgesetze oder doch wenigstens charakteristische Lautneigungen zu er- mitteln, welche zum ersten Male die morphologischen Vor- gänge auch cinigermaafsen begreifen liefsen 2T). Dadurch drang mau zugleich tiefer in das Wesen der Laute über- haupt ein, über deren Verhältnifs zu den menschlichen Sprachorganen die vereinte Arbeit der Sprachforscher und Physiologen seit etwa zwei Decennien so überaus wichtige Aufschlüsse gebracht hat 28). Nur auf Grund einer in dieser Weise wissenschaftlich durchgearbeiteten Lautlehre konnte dann die Untersuchung über Bildung und Flexion der Wörter unternommen werden und ist mit wirklichem Erfolg begonnen worden. Die Analyse der indogermani- schen Formen liefs die ablösbaren Bestandteile zweifellos als ursprünglich bedeutungsvolle Elemente des Wortkör- pers erkennen, die zu einem organischen Ganzen ver- wachsen jedem Wort sein besonderes Gepräge aufdrückten. Natürlich mufste man möglichst alte Formen zu gewinnen suchen, weil alle Wörter im Laufe der Zeit an Lautgehalt einbüfsen. Die -neueren Sprachen hätten also nie zu dieser Erkenntnifs führen und überhaupt nicht die volle Einsicht in die sprachliche Entwickelung gewähren können 29). Das Sanskrit als ältestes Familienglied hatte hier eine besonders gewichtige Stimme abzügeben, aber es wurde doch in mancher Beziehung von seinen jüngeren Verwandten über- troffen. Vor allen zeigt das Griechische durch rhythmischen Wohlklang und die Harmonie seines Formensystems, die nirgends deutlicher hervortritt als in dem kunstvollen Bau seines Verbums, eine Mannich faltigkeit und sinnliche Fülle auch begrifflich fein geschiedener Bildungen wie keine andere Sprache alter und neuer Zeit, und gerade darin beruht, was leider Unkenntnifs der Sache noch vielfach übersieht, hauptsächlich der Reiz und das Bildende seines Studiums. Die Sprache Homers erscheint uns jetzt in

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wesentlich anderem Lichte als früher ; sonst suchte man Vieles, was sich der Regel nicht fügen wollte, der dich- terischen Freiheit aufzubürden, jetzt wissen wir, dafs uns hier alte und junge Bildungen aus verschiedenen Sprachperio- den vorliegen , deren Nebeneinanderbestehen eben aus den eigentümlichen Schicksalen des homerischen Epos zu er- klären ist, sonst schob man Vieles dem Zwang des Me- trums zu, jetzt ist dieser Einflufs auf ein richtigeres Maafs zurückgeführt, und wir haben in manchen seltsamen Bil- dungen verloren geglaubte Uebergangsformen wieder er- kannt, die einst wirklich in der Sprache existiert haben müssen. Genug, Niemand mehr kann heutigen Tages seinen Homer sprachlich erklären wollen, ohne sich wenig- stens mit den Principien der vergleichenden Grammatik bekannt gemacht zu haben, er müfste denn gerade, was auch noch geschieht, sich damit begnügen, seine Weisheit aus Tobias Damm's altehrwürdigem Lexicon zu schöpfen, wo ihm die nebelhaften Phantasiegebilde rein apriorisch construierter Urformen auf jeder Seite entgegenstarren 3ü). Dies führt uns auf einen anderen wichtigen Gewinn, den die vergleichende Grammatik dadurch brachte , dafs sie auch die Etymologie aus dem wüsten Chaos subjectiver Meinungen herausrifs und ihr die Geltung einer wissen- schaftlich ausgebildeten Disciplin verschaffte. Wer die Schwierigkeiten etymologischer Combinationen überhaupt zu ermessen vermag, wird die Bedeutung dieses Fort- schritts wohl zu würdigen wissen : jetzt erst war man im Stande in der Zerlegung und Zergliederung der einzelnen Wortformen bis zu den letzterreichbaren Elementen aller Sprache, den Wurzeln 31), vorzudringen, und, indem man den viel verschlungenen Wegen und Windungen der Be- griffsentwickelung nachgieng, den sprachschaffenden Geist in seinem geheimnifsvollsten Walten zu belauschen. Loh- nende Aufgaben winken hier überall dem, der sie sucht, und voll froher Hoffnung auf das zu Erreichende darf der

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rastlose Forscher diesen neugesteckten Zielen zustreben.— Nur mit einem Werte mag daran erinnert werden, dafs, während die vergleichende Syntax seither noch ein völlig brach daliegendes Feld war, man neuerdings begonnen hat, auch die ursprünglichen Functionen der Wortformen und ihren Gebrauch im Satze näher zu erforschen. Schon sind wichtige Bausteine zur Aufführung dieses Gebäudes herbei- geschafft, und tüchtige Kräfte machen sich rüstig ans Werk.

Aber es ist nicht die wissenschaftliche Erkenntnifs allein, durch welche auf diese Weise der classischen Philo- logie neuer Nahrungsstoff zugeführt worden ist, die Um- gestaltung einer ihrer wichtigsten Disciplinen hat auch eine hohe praktische Bedeutung. Die veränderte und geläuterte Auffafsung der Sprache und besonders ihrer Formen konnte natürlich auf die griechische und lateinische Schulgramma- tik nicht ohne Einflufs bleiben, und so manche alte Eegel, die der besser Wissende nur belächeln konnte , mufste fallen, wenn überhaupt ein Zusammenhang mit der Wis- senschaft stattfinden sollte. Wohl galt es hier, vorsichtig zu WTerke zu gehen, nur sichere Resultate durften Aufnahme finden, und der traditionellen Schulgrammatik durfte ihre wohl erworbene Berechtigung nicht verkümmert werden 32), aber mit gutem Gewissen durfte auch der kundige Lehrer Manches nicht mehr lehren, was selbst dem denkenden Schüler unbegreiflich erscheinen mufste und ihm doch bei wissenschaftlicherer Behandlung näher gebracht werden konnte. Die griechische Schulgrammatik hat vorläufig ihren Regenerator gefunden und gewinnt in ihrer neuen Gestalt von Jahr zu Jahr an Boden allen Hindernissen zum Trotz, welche ihr von der immer kleiner werdenden Zahl derje- nigen bereitet werden, deren eigensinnigem Sträuben man ein ungeduldiges Quousque tandem f zurufen möchte 33). Die lateinische harret noch einer Umgestaltung, die den Forderungen der heutigen Wissenschaft innerhalb der

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Grenzen entspricht, welche hier die ungleich schwierigeren Verhältnisse von Theorie und Praxis ziehen , vielleicht bringt die nächste Zukunft nach so manchen gescheiterten Versuchen auch einmal einen besser gelungenen 34). Jeden- falls sieht diese ganze Frage noch vielfacher Discussion entgegen , aber, wie sie sich auch gestalten möge , Eines bleibt unumstöfslich sicher, dafs die wissenschaftliche Er- kenntnifs, gleichviel in welchem Umfang, auch die Schul- grammatik durchdringen mufs und dem Lehrer gebieterisch die Pflicht auferlegt, nicht länger den Studien fern zu bleiben, die ihm allein diese Erkenntnifs verschaffen kön- nen. Wenn es aber wahr ist, dafs einerseits das Verständ- nifs das Erlernen und Behalten fördert, und andererseits der Einblick in den Organismus der Sprache die Freudig- keit des Lehrens erhöht, ohne welche überhaupt kein Unter- richt gedeiht, so gehört wahrlich wenig Prophetengabe dazu, um vorauszusehen, dafs in Zukunft diese Studien immer mehr an Bedeutung und Wichtigkeit gewinnen wer- den. Hier haben wir in der That einen Punkt, wo Wis- senschaft und Praxis sich näher berühren als an irgend einem andern im ganzen Bereich der classischen Philolo- gie, und nicht mit Unrecht hat man gerade auf diesen lebendigen Wechsel verkehr unsere jungen Gymnasiallehrer hingewiesen*, wenn sie darüber klagen, dafs sie so wenig von dem, was sie auf der Universität gelernt haben, so- gleich und unmittelbar in der Praxis verwerthen können. Oder erscheinen etwa abgesehen von allem Andern, was sich gegen solche Klagen sagen läfst dem Lehrer von tiefgehenderer sprachwissenschaftlicher Bildung auch die elementaren Formen nicht in anderem Lichte und mit anderem Hintergrund als demjenigen, welchem diese höhe- ren Gesichtspunkte fehlen ? Endlich aber die ganze Art der Behandlung, die wissenschaftliche Methode, wie sie die vergleichende Grammatik übt und verlangt, ist so beschaf- fen, dafs sie offenbar mehr der geistigen Strömung, in der

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wir uns gegenwärtig befinden, entspricht als die seitherige. Wenö os in unseren Tagen zum Character echter Wissen- schaftlichkeit gehört, die Erscheinungen schärfer und un- befangener zu beobachten, sie nach ihren wesentlichsten Merkmalen zu sichten und mit objeetiver Voraussetzungs- losigkeit in ihren organischen Zusammenhang einzudringen, so hat gerade die grammatische Analyse der Sprachfor- men, wie sie an concreten Beispielen sich zeigen und nur an den alten Sprachen sich vollziehen läl'st, nicht blofs das Anziehende dieser Studien vermehrt sondern auch ihren bildenden Momenten ein neues hinzugefügt 35). Gar Man- ches, was man früher als „unregelmäfsig" ansah, weil man sich die lautlichen Vorgänge nicht erklären konnte, worauf es oft allein zurückzuführen ist, hat sich jetzt anders dar- gestellt und dient höchstens als scheinbare Ausnahme der Regel zur Bestätigung. Die zahlreichen Abweichungen der Declinationsformen, die erschreckende Menge anomaler Verba im Griechischen, welche sich in der früheren Gram- matik durch lange Seiten hinzogen und lediglich mechani- schem Auswendiglernen dienten, erscheinen jetzt gröfsten- theils in einem Zusammenhange, der es selbst dem Schüler gestattet, sich der Gründe solcher Mannigfaltigkeit mehr bewufst zu werden. Diese Seite sprachlicher Betrachtung war es denn auch thatsächlich nicht, die ein berühmter Naturforscher unserer Tage im Auge hatte, wenn er als Folge grammatischer Studien bei aller Hochachtung vor denselben dennoch eine gewisse Laxheit des Denkens und einen gewissen Grad von Autoritätsglauben meinte beob- achtet zu haben 36).

Doch es ist Zeit einzulenken von einem Wege, der uns durch manches Feld mühevoller Arbeit geführt und uns mehr als eine Perspective auf nahe und entfernte Ziele eröffnet hat, es ist Zeit einzulenken und sich inmitten des erdrückenden Stoffs des Maafses menschlicher Kräfte zu erinnern. Die natürliche Abgrenzung der Gebiete fordert,

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dafs Wissenschaften, die trotz aller Berührungspunkte ver- schiedene Ziele verfolgen, von einander getrennt bleiben. So hat die allgemeine Sprachwissenschaft mit der Philolo- gie direct Nichts zu schaffen : jener ist alle Sprache als solche Object, und die wohlklingende Reinheit des griechi- schen Vocalismus hat am Ende nicht mehr Interesse für sie als der Schnalzlaut des Hottentotten , diese hat mehr die Einzelsprache und zwar eines Culturvolkes neben den übrigen Aeufserungen seines geistigen Lebens zu verfol- gen, mit anderen Worten „das Gebiet des allgemeinen Sprachforschers ist, wie Georg Curtius treffend be- merkt, die Naturseite, das des philologischen, so zu sagen, die Culturseite 37).a Auch die vergleichende Sprachwis- senschaft im engeren Sinn, so weit sie sich nur auf die indogermanischen Völker erstreckt, hat ihr eignes Gebiet und ihre besonderen Aufgaben, deren Lösung ihr allein vorbehalten bleibt , und Niemand wird in vermessener Selbstüberhebung diesen Kreis so leicht zu umfassen wähnen 38). Allein sie greift, wie sich zeigte , doch so tief in die Grammatik der classischen Sprachen ein, dafs es keinem Philologen, namentlich wenn er diese Seite seiner Wissenschaft sich zum Arbeitsfelde ausersehen hat, künftig mehr gleichgültig sein darf, welche Schätze der bisweilen noch immer über die Achsel angesehene Sprachvergleicher aus dem Schachte seines Wissens zu Tage fördert. Schon längst hat sich ja auch auf der andern Seite das Bedürf- nifs wechselseitigen Austausches eingestellt und ist zu einer reichen Quelle der Anregung und Förderung geworden. Wie konnte z. B. an der vergleichenden Grammatik die fundamentale Umgestaltung spurlos vorübergehen, welche die gesammte Geschichte des älteren Lateins in den letzten Jahrzehnten erfahren hat? Die Eeconstruction der nächst verwandten altitalischen Dialecte, des Umbrischen und Os- kischen, aus den spärlichen Trümmern der verstümmelten Denkmäler, die glücklich begonnene Wiederherstellung des

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Plautustextes. dos ältesten uns erhaltenen lateinischen Dich- ters, endlich die Begründung einer ganz neuen Disciplin, der Epigraphik, sind drei Momente, die nach den verschie- densten Seiten hin neue ungeahnte Aufschlüsse gebracht haben und so folgenreich gewesen sind, wie nur irgend eine neue Entdeckung für die Wissenschaft sein kann. Mit den sprachlichen Ergebnissen dieser Studien aber ist Friedrich Kitsch l's Name besonders eng verknüpft 8y). Die Fülle belehrender Thatsachen, die sein Scharfsinn ans Licht gezogen hat, begegnet dem Forscher auf Schritt und Tritt und zeigt ihm, dafs es eine Menge von Fragen giebt, über die aus rein sprachwissenschaftlichem Gesichtspunkt eine Entscheidung nimmermehr gelingen kann 40). Das glückliche Zusammenwirken der historisch-kritischen und der historisch-comparativen Grammatik hat hier schon zu viel schöne Früchte getragen, als dafs es nicht die zuver- sichtliche Hoffnung in uns erwecken sollte, es werde dieser Gegensatz , der leider zuweilen mehr künstlich genährt wird als wirklich vorhanden ist, sich mehr und mehr sei- nem Ausgleiche nahen41).

Diese Betrachtung ergiebt aber zum Schlufs noch ein Weiteres : die Notwendigkeit nämlich, die Vermittelung dieser Studien hinfürder nicht mehr den Orientalisten oder den Vertretern der allgemeinen Sprachwissenschaft allein zu überlassen, die doch der einen Seite immer nur fremd gegenüber stehen, sondern gerade vom Standpunkt der classischen Philologie aus in diesem Sinne zu wirken. Frei- lieh ist diese Aufgabe schwer, sehr schwer, und Niemand ist im Stande, zu sagen, wie weit man über die eine oder die andere Grenze hinausgehen darf; Neigung, richtiger Takt und individuelle Begabung müssen hier das Ihrige thun. Aber dafs diese Richtung versucht werden mufs, und mit wel- chem Erfolg sie versucht worden ist, kann uns täglich ein Blick auf die Entwickelung der Wissenschaft lehren. Georg Curtius gebührt das Verdienst, diese Aufgabe zuerstund

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am Klarsten erkannt und verfolgt zu haben 42), für sie werde auch ich einsetzen, was ich dafür einzusetzen habe. Wenn ich aber nur im weitesten Rahmen und mit flüchti- gen Zügen Ihnen die Umrisse des Bildes zu entwerfen versuchte, welches den heutigen Stand der Philologie im Kreise der gesammten "Wissenschaft darstellt, so fühle ich wohl, wie fast jeder Satz, den ich gesprochen, der nähe- ren Ausführung werth und bedürftig gewesen wäre, aber es galt mir darum, nicht blofs meine besondere Studienrich- tung und zukünftige Wirksamkeit damit zu characterisieren sondern auch zu zeigen, wie sie sich dem grofsen Ganzen einreiht , dem ja jede Einzelbestrebung zu dienen hat. Nichts kann meine Bemühungen an dieser Universität wirk- samer fördern , als wenn Sie mir alle , Lehrende und Ler- nende, Ihre wohlwollende Theilnahme, deren ich mich seither in so hohem Maafse zu erfreuen hatte, auch ferner nicht versagen wollten. Darum möchte ich Sie bitten !

Anmerkungen.

l) Dafs die Naturwissenschaften, besonders die physikalischen, abge- sehen von den berührten Vorzügen auch ihren besonderen bildenden Werth haben, versteht sich von selbst. Ihre Leistungsfähigkeit vornehm- lich als formales Bildungsmittel erörtert Alex. Naumann 'über die Bedeutung der Naturwissenschaft als Unterrichtsgegenstand' in dem 13. Bericht der Oberhess. Gesellsch. f. Natur- und Heilkunde, Giefsen 1869, S. 77 ff., wo man die bis dahin erschienene Literatur über diesen Gegen- stand verzeichnet rindet. Manchen dahin zielenden Gedanken bietet auch H. Helmholtz 'über das Ziel und die Fortschritte der Naturwissen- schaft' in seinen populären wissensch. Vorträgen II (Braunschw. 1871) S. 183 211. Zweierlei hat man aber auch nach dieser Seite hin zu beobachten : einmal sich zu hüten vor jener unklaren Verwechselung des an sich Wissenswürdigen und des wahrhaft Bildenden, welche oft zu den ausschweifendsten Ansprüchen an unsere Jugenderziehung verleitet; sodann vor einseitiger Ueberschätzung selbst jener formalen Bildung, welche durch die Naturwissenschaften erreicht wird. Wenn die mensch- lichen Dinge sich jemals auf die strenge ausnahmslose Gesetzmäfsigkeit zurückführen liefsen, deren selbstredende Evidenz uns eine unerbittliche Logik deutlicher zu Gemüth führt als alle Theorie; wenn das, was unser Leben bewegt , nur Kräfte der Natur wären , vor deren Unfehlbarkeit wir uns einfach zu beugen hätten, dann würde diese Schule nicht allein für den künftigen Naturforscher obenan stehen müssen. So aber ver- langt das Leben Anderes und Mehr von uns , wir haben nur zu oft mit anderen Factoren zu rechnen und eine andere Art des Denkens und Schliefsens, der Anschauung und Beobachtung zu üben, die, eben weil sie gewisser Vortheile entbehrt, um so viel schwieriger ist und um so mehr der Uebung bedarf, ganz abgesehen natürlich von Allem dem, was die Naturwissenschaften für unsere Ausbildung und Erziehung überhaupt

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nicht leisten können und auch niemals zu leisten beansprucht haben. Vgl. u. Anm. 36.

2) Denn nicht die unmittelbare Verwerthbarkeit der Kesultate in dem praktischen Leben macht das Wesen der Wissenschaft aus, sondern diese hat um ihrer selbst willen zu schaffen und zu ringen und findet in dem unaufhaltsamen Fortschritt des Erkennens ihren höchsten Triumph. Niemand hat dies freimüthiger und unumwundener bekannt als Helin- holtz in seiner trefflichen Rede 'über das Verhältnifs der Naturwissen- schaften zur Gesammtheit der Wissenschaften' popul. wissensch. Vortr. I (Braunschw. 1865) S. 26 : „Wer bei der Verfolgung der Wissenschaf- ten nach unmittelbarem praktischen Nutzen jagt, kann ziemlich sicher sein , dafs er vergebens jagen wird. Vollständige Kenntnifs und voll- ständiges Verständnifs des Waltens der Natur- und Geisteskräfte ist es allein, was die Wissenschaft erstreben kann. Der einzelne Forscher mufs sich belohnt sehen durch die Freude an neuen Entdeckungen, als neuen Siegen des Gedankens über den widerstrebenden Stoff, durch die ästhetische Schönheit, welche ein wohlgeordnetes Gebiet von Kenntnissen gewährt, in welchem geistiger Zusammenhang zwischen allen einzelnen Theilen stattfindet, eines aus dem andern sich entwickelt, und Alles die Spuren der Herrschaft des Geistes zeigt; er mufs sich belohnt sehen durch das Bewufstsein, auch seinerseits zu dem wachsenden Capital des Wissens beigetragen zu haben, auf welchem die Herrschaft der Mensch- heit über die dem Geiste feindlichen Kräfte beruht."

3) Der Name „Geisteswissenschaften" setzt hier den Naturwissen- schaften, unter die bei dieser Zweitheilung natürlich auch die Mathema- tik gehört, die Gesammtheit aller übrigen entgegen und darf, wenn er auch noch weniger eingebürgert ist und von Manchen sogar beanstandet wird, in diesem Falle dennoch als der beste, weil umfassendste, gelten. H e Imholt z a. 0. 22 f. characterisiert beide Hauptgruppen vonWissenschaf- ten in folgender Weise: „Wenn die Naturwissenschaften die gröfsere Vollen- dung in der wissenschaftlichen Form voraushaben, so haben die Geistes- wissenschaften vor ihnen voraus, dafs sie einen reicheren, dem Interesse des Menschen und seinem Gefühle näher liegenden Stoff zu behandeln haben, nämlich den menschlichen Geist selbst in seinen verschiedenen Trieben und Thätigkeiten. Sie haben die höhere und schwerere Aufgabe, aber es ist klar, dafs ihnen das Beispiel derjenigen Zweige des Wissens nicht verloren gehen darf, welche des leichter zu bezwingenden Stoffes wegen in formaler Beziehung weiter vorgeschritten sind.u Auch erkennt Helmholtz a. 0. 10 an, „dafs die Geisteswissenschaften sich ganz direct mit den theuersten Interessen des menschlichen Geistes und mit den durch ihn in die Welt eingeführten Ordnungen befassen, die Natur- wissenschaften dagegen mit äufserem , gleichgültigem Stoff, den wir scheinbar nur des praktischen Nutzens wegen nicht umgehen können,

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der aber vielleicht kein unmittelbares Interesse für die Bildung des Geistes IQ haben seheinen könnte."

4) Dafs die alten Sprachen schon an sich ganz vorzüglich geeignet sind, eine solcho formale Bildung nach den verschiedensten Richtungen hin zu gewahren, ist noch von Niemand bezweifelt und im Einzelnen öfters erörtert worden. Wie aber .die übrigen Seiten des classischen Altcrthums schärfer und tiefer gefafst werden können und (z. B. seine Geschichte) tiefer gefafst worden sind, so auch die sprach- liche. Einige hierauf bezügliche Bemerkungen giebt Schweizer-Sid- ler 'die formale Bildung durch die antiken classischen Sprachen' Jahrb. f. Philol. und Pädagogik 97 (1868) S. 11 ff., Anderes kommt in diesen Anmerkungen zur Erörterung. Schweizer wirft schliefslich noch die Frage auf, ob all dieser Gewinn nicht auch durch den Unterricht im Deutschen und etwa anderen modernen Sprachen geboten werde , und äufsert sich darüber folgendermaafsen : „Einmal ist uns unsere Mutter- sprache bekannt und fremd zugleich, und das Fremde daran interessiert zunächst nicht, es interessiert uns erst dann, wenn wir vergleichen kön- nen. Anderseits ist zwar das Deutsche Original, und die Grundlage der antiken Sprachen ist auch die seinige, aber selbst in dessen ältesten For- men ist diese Grundlage nur theilweise noch erkennbar. Erst auf dem Grunde des vollkommenen Eeichthums gewinnt das Deutsche Klarheit, Schärfe und Tiefe. Noch weniger gewinnen wir so Grofses z. B. aus den romanischen Sprachen. Die alten Formen sind zerschellt , die Entwickelung der Anschauungen ist abgebrochen und oft ganz zerstört. Natürlich sind diese Sprachen im höchsten Grade auch als pädagogisches Mittel unserer Beachtung werth von der Literatur und dem prak- tischen Nutzen sprechen wir nicht , aber formend im tieferen Sinne des Wortes wirken sie in der Schule nur, wenn der Unterricht in ihnen auf die antiken basiert, wenn sie mit diesen innerlich verglichen werden."

6) Je reicher, interessanter und wichtiger die Geschichte der Philo- logie ist, um so mehr ist es zu bedauern, dafs sie noch immer keinen Geschichtschreiber gefunden hat. Nur einzelne werthvolle Beiträge oder kurze Skizzen des Ganzen liegen vor, aus neuerer Zeit solche z. B. von C. Hirzel 'Grundzüge zu einer Geschichte der classischen Philologie, Tübingen 1862' und von O. Jahn 'Bedeutung und Stellung der Alter- thumsstudien in Deutschland' zuerst in den Preufs. Jahrb. IV (1859), dann umgearbeitet in den populären Aufsätzen 'Aus der Alterthums- wissenschaft, Bonn 1868' S. 1 51. Nachdem Jahn's Tod uns um die Hoffnung einer Geschichte der classischen Philologie gebracht hat, sind die Blicke der Philologen erwartungsvoll auf einen Mann gerichtet, der eine so schwierige Aufgabe zu lösen nicht minder berufen wäre. Ob er wohl diese gern gehegte Erwartung erfüllen wird?

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6) Wie und wo Wolf und Böckh ihre Ansichten über die wissen- schaftliche Aufgabe und Gliederung der classischen Philologie ausge- sprochen haben, ist bekannt genug. Weniger ist in das philologische Publikum durch die Art ihrer Veröffentlichung die Auffassung gedrungen, welche der junge 27 jährige Friedrich Eitschl geltend machte in der Abh. 'über die neueste Entwickelung der Philologie , gelesen in der philomathischen Gesellschaft zu Breslau am 22. Aug. 1833' (Separat- Ab- druck aus Brockhaus' Conversations - Lexicon Art. „Philologie"). An diese Auffassung schliefsen sich die Worte des Textes zunächst an, und auf sie ist auch sonst noch mehrfach Bezug genommen. Seitdem ist Vieles über die Aufgabe der classischen Philologie doch meist nach ihrer praktischen Seite hin geschrieben worden, wovon weiter unten zu reden ist. Eine populär gehaltene Uebersicht giebt G. Curtius 'über die Geschichte und Aufgabe der Philologie. Ein Vortrag. Kiel 1862.'

7) Gleichwohl müssen wir uns hüten, diese Selbständigkeit bis zu einem Grade anzuerkennen, dafs sie, wenn auch nicht eine völlige Schei- dung, so doch eine unabhängige Gegenüberstellung der Archäologie und classischen Philologie in sich schliefst. Namentlich hat Ed. Gerhard 'hyperboreisch-römische Studien' S. 3 84 und 'Grundzüge der Archäologie, Berl. 1853' die Archäologie als ein geschlossenes Ganzes („monumentale Philologie") gefafst, woran sich die Aufsätze von Braun im Conversa- tionslex. der Gegenw. I, 195 ff. und Preller 'die wissenschaftl. Behand- lung der Archäologie' in der Zeitschr. für Alterthumswissensch. 1845 (jetzt in dessen ausgew. Aufsätzen, Berl. 1864, S. 384 ff.) anschlössen. Dagegen wies O. Jahn, der ja in seltenem Umfange das Gebiet der classi- schen Philologie wie der Archäologie beherrschte, in d. Bericht, der sächs. Ges. d. Wissensch. hist.-phil. Cl. II (1848) 209 ff. auf die Gefahren einer solchen Gegenüberstellung hin und betonte als inneres Princip der Ar- chäologie den Begriff der bildenden Kunst, die als eine Seite des Volks- geistes sich nur mit dessen übrigen Erscheinungen begreifen lasse. Mit Jahn stimmte in der Hauptsache Overbeck 'über Systematik der Ar- chäologie und Kunst' in der allgem. Monatsschr. f. d. Literatur, Kiel 1853 S. 144 ff. überein, und ebenso hebt Bursian 'archäolog. Kritik und Hermeneutik' in den Verh. der 21. Versamml. deutsch. Philologen zu Augsburg (1862) S. 55 ff. den engen Zusammenhang beider Wissensge- biete hervor. Auch AI. Conze 'über d. Bedeutung der classischen Archäo- logie , Wien 1869' bezeichnet S. 11 die Archäologie als „auf der Durch- kreuzung der classischen Philologie und der allgemeinen Kunstwissen- schaft liegend", denen sie beiden angehöre. Bemerkenswerth ist hier noch , um nur an einem Beispiel die engen Beziehungen jener beiden Wissensgebiete zu erläutern, dafs man in neuester Zeit auch die kritische Methode, welche die classische Philologie bei Gestaltung und Herstellung ihrer Texte verfolgt, unmittelbar für die Archäologie verwendet hat und

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/.war mit glücklichem Erfolg. Vgl. Ad. Michaelis in d. Verhandl. der 25. Vers, deutsch. Philol. zu Hallo S. 169 tl. , der inzwischen die dort entwickelten Grundsätze auch praktisch durchgeführt hat in seiner, so zu sagen, kritischen Ausgabe des Parthenon unter d. T. 'der Parthenon, Leipzig 1871.'

8) Dieser Gedanke, so natürlich er an sich ist und so nahe er liegt, findet doch immer noch viel zu wenig Beachtung. Warum sollte die geistige Entwickelung des Menschengeschlechts nach anderen Gesetzen verlaufen als die materielle? Der Fortschritt von einfacheren und leichter begreiflichen Verhältnissen zu complicierteren und schwerer verständlichen herrscht hier wie dort, und nicht nur unser äufseres Leben ist viel rei- cher und vielgestaltiger, unser Interesse zerstreuter geworden, sondern wir haben seitdem auch in einem mehr als tausendjährigen Geistesleben Manches in uns aufgenommen, was nach Form und Inhalt mehr oder minder alle Erzeugnisse neuerer Schöpfung durchdringt und sie der Ju- gend weit weniger adäquat macht. So ist um nur eine Seite zu berüh- ren — die Naivität und die reine Menschlichkeit, die man an der antiken Poesie und Kunst zu rühmen pflegt , wahrlich keine eitle Täuschung, sondern gerade das, was uns die Schätze des classischen Alterthums noch nach so langer Zeit so nahe bringt und so theuer macht. Hat dies doch auch unser gröfster National dichter , den man am Wenigsten unklarer Gefühlsschwärmerei zeihen wird, wohl empfunden und unumwunden ausgesprochen. Göthe, Werke XLIX S. 111 sagt u. A. : „Wenn wir uns dem Alterthum gegenüber stellen und es ernstlich in der Absicht an- schauen, uns daran zu bilden, so gewinnen wir die Empfindung, als ob wir erst eigentlich zu Menschen würden" und gleich darauf : „Der- für dichterische und bildnerische Schöpfungen empfängliche Geist fühlt sich, dem Alterthum gegenüber, in den anmuthigst ideellen Naturzustand ver- setzt; und noch auf den heutigen Tag haben die homerischen Gesänge die Kraft, uns wenigstens für Augenblicke von der furchtbaren Last zu befreien , welche die Ueberlieferung von mehreren tausend Jahren auf uns gewälzt hat."

9) Ueber die praktische Aufgabe der classischen Philologie besonders in ihrem Verhältnifs zu den Richtungen und Erscheinungen der Zeit ist Vieles geredet und geschrieben worden. Die Philologie hat sich gegen manche ungerechte und unverständige Angriffe zu vertheidigen gehabt, allein sie hat diesen Kampf mit Ehren bestanden. Wer sich auf kürze- stem Wege einen Ueberblick davon verschaffen will, wie hoch namentlich in den 40er Jahren die Wogen der Bewegung giengen, mit wie blindem Eifer und unglaublicher Verkehrtheit man auch auf geistigem Gebiete meinte, alles Alte zertrümmern zu müssen, der sehe z. B. die Jahrbücher für Philologie und Pädagogik aus jener Zeit durch, wo sich viele Schriften dieser Art verzeichnet und besprochen finden. Die Geschichte

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wird einst diese Kämpfe zu verzeichnen haben, hier möchten wir nur Einzelnes der Beachtung empfehlen. Von den Eeden, die auf Philologen- versammlungen gehalten worden sind, ist besonders beachtenswerth die von Fr. G. Welcker 'über die Bedeutung der Philologie' in d. Ver- handl. der 4. Versammig. deutsch. Phil, zu Bonn 1841 S. 42 ff. (wiederholt in dessen kl. Sehr. IV, 1 ff.). Unter den Monographien sind zu nennen die Schrift von W. Bäumlein 'die Bedeutung der classischen Studien für eine ideale Bildung, Heilbronn 1849', welche viele gute Gedanken und manche treffende Bemerkung enthält, sodann die Rede von G. Curtius 'über die Bedeutung des Studiums der classischen Literatur, Prag 1849', welche in anziehender und lebendiger Darstellung die Schätze antiker Poesie und Prosa mustert und zu ihrem Studium auffordert. Eine ge- schichtliche Betrachtung nennt sich das lesenswerthe Buch von W. Herb s t 'das classische Alterthum und die Gegenwart, Leipzig 1852', worin der Verf. eine mehr historische Auffassung des classischen Alterthums, eine Verbindung der alten besonders der griechischen Geschichte mit der Gegen- wart und die Vertiefung jener fordert, daneben aber auch wichtige Fragen anderer Art anregt, ohne sie freilich immer eingehend genug zu verfolgen. Erwähnung verdient allenfalls noch die kleine Rede von K. Klein 'die Bedeutung der Humanitätsstudien für den Fortschritt, Mainz 1858' und in höherem Grade die von L. v. Jan 'über die Bedeutung des classischen Alterthums für die Gymnasialbildung, Erlangen 1867.1

10) Man hat in neuerer Zeit öfters nicht ohne eine Beimischung von Wehmuth daran erinnert, dafs die Blüthezeit der classischen Philologie hinter uns läge, dafs ihre Ideale verblafst, ihre Heroen dahin gegangen seien, und dafs wir nur noch in der Zeit der Epigonen lebten. Aber hat nicht die Wissenschaft noch Koryphäen, zu denen wir mit Stolz und Zuversicht unsere Blicke erheben dürfen, hat sie nicht noch Lehrer, deren Schulen (nicht Schüler) die fruchtbringenden Principien ihrer Forschung in ihrem Geiste der kommenden Generation zur weitem Voll- endung überantworten werden? Auch auf die Gefahren glaubte man aufmerksam machen zu müssen, die dem gegenwärtigen Entwicklungs- gang der Philologie Zersplitterung drohten, diese sei vorzüglich kritisch, und der Trieb nach dem Grofsen und Ganzen scheine abzusterben. Aber gesetzt auch, es drohe wirklich einmal von einer einseitigen Richtung Gefahr, so würden wir uns unbedenklich der Worte Böckh's getrösten, die er einst in der Sitzung der Berliner Acad. d. Wissensch. vom 5. Juni 1860 (vgl. Monatsber. S. 396 f.) sprach. „Das classische Alterthum selbst, sagte er, ist unsterblich und wird von keiner Zeitrichtung weggespült werden. Das Studium desselben hat in den Zeiten des Cartesius und weiterhin mächtigen Anfeindungen widerstanden und wird auch die jetzigen überleben, ja in dem Maafse als der Materialismus in der Wis- senschaft, über den man jetzt klagt, wachsen sollte, wird man mehr

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erkennen, dafs ihm ein Gegengewicht durch eine ideale Bildung gegeben worden müsse. Ks wird nur an der Philologie liegen, sich selbst zu helfen, vorzüglich indem sio die Willkür des snhjeetiven Beliebens durch strenge Methode beschränkt, sich objeetiv in den Geist des Alterthums versenkt und dessen geistigen Gehalt erfafst und in Umlauf setzt. Hierzu mögen alle Arbeiten auf diesem Felde mitwirken, die Epigonen und die noch übrig sind vom alten Geschlecht."

") Aber der alte Glanz philologischer Studien in Holland ist längst erblichen und man hat es neuerdings auch dort für nöthig gefunden, auf die Bedeutung derselben wiederholt hinzuweisen. Nach dieser Richtung mögen hier zwei Reden genannt werden, von J. C. G. Boot, de perpelua philologiae dignilale , Amslelod. 1851 und von E. J. Kiehl, de litleris anliquis ad inslituendam juvenlulem relinendis, Lugd. Balav. 1855, der seinem Vaterland, falls es die Humanitätsstudien vernachlässige, das trübe Prognostikon stellt, es werde dann alsbald mit dem bäurischen Böotien mehr Aehnlichkeit haben als mit Athen. Jetzt kann man sich über den früheren und gegenwärtigen Zustand der Philologie in Holland leicht unterrichten aus Lucian Müller 's 'Geschichte der classischen Philologie in den Niederlanden, Leipzig 1869.' Um bei dieser Gelegenheit noch einen flüchtigen Blick auf das benachbarte Belgien zu werfen denn den gegenwärtigen Stand der classischen Studien in anderen Ländern können wir hier nicht weiter verfolgen , möge erinnert werden, dafs während auch dort die neuste Discussion der „griechischen Frage" eine bedauerliche Oberflächlichkeit des Urtheils und Verkennung des wesent- lichsten Ziels humanistischer Bildung blofs gelegt hat, einsichtsvolle und mannhafte Vorkämpfer derselben, wie Hennebert, die Suprematie und allseitige Nothwendigkeit des classischen Unterrichts mit Wärme betonen. Der Kürze halber vergleiche man das instruetive Referat von Imel mann über E. de Laveley e, la queslion du Grec et la re forme de l 'enseignement mögen, Bruxelles 1869 in der Zeitschr. f. Gymn. Wes. XXV (1871) S. 538 ff.

12) Ohne hier auf die brennenden Fragen unseres höheren Unterrichts- wesens, welche sich gegenwärtig zumeist um die Gleichstellung der Realschulen und Gymnasien drehen, irgendwie näher einzugehen, mögen nur in Bezug auf die letzteren einige Bemerkungen ihren Platz finden. Wenn das Gymnasium wirklich der Sitz und die Pflanzstätte humanisti- scher Bildung um diesen mit Unrecht geschmähten Ausdruck zu ge- brauchen — bleiben soll, so darf ihm Nichts von seinem classisch-philo- logischen Lehrstoff entzogen worden, im Gegenthcil, wenn ein beliebter Vorwurf seiner Gegner die Schwierigkeiten hervorhebt, mit welchen noch in den obersten Classen das Verständnifs der antiken Schriftsteller zu kämpfen hat, so mufs es danach, streben, diese Schwierigkeiten mehr und mehr zu überwinden. Aber auch eine Vermehrung des Lehrstoffs,

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gleichviel nach welcher Seite, scheint nicht rathsam, weil das Schlimmste was unsern Jugendunterricht überhaupt treffen kann, eine Zersplitterung der Kräfte und Zerstreuung der Aufmerksamkeit ist. Danach sind so manche Zumuthungen berufener und unberufener Pädagogen abzuweisen, und der Fortschritt ist nur intensiv, nicht extensiv zu erstreben d. h. er mufs in der Vertiefung und methodischen Ausbildung des Lehrstoffs nicht in dessen Erweiterung beruhen. So lange man dem classischen Philo- logen noch zumuthet, gleichzeitig Lehrer des Deutschen, Französischen, der Geschichte oder gar der Mathematik und Naturwissenschaften zu sein, wird der Unterricht auch bei gröfserem Zeitaufwand nicht so Viel leisten, als wenn jeder einzelne Zweig in den Händen tüchtiger Fachlehrer ruht, nach dem Grundsatz : igSot rtg tjv iy.aörog elSe'iT] riyiTjV („ein Jeder treibe das Geschäft, so er versteht!"). Darüber ist natürlich der Zusammenhang des Ganzen nie aufser Acht zu lassen, und Lattmann, 'über die Frage der Concentratiön in den allgemeinen Schulen, namentlich im Gymnasium, Göttingen 1860' S. 75 f., 103 f., 200 f. fordert daher „moderner Zerfahrenheit" gegenüber mit Recht für das Gymnasium Concentratiön auf das classische Alterthum oder in dem classischen Alterthum, ohne das Andere innerhalb der nothwendigen Grenzen zu vernachlässigen. In diesem Sinne mögen Göthe's Worte verstanden werden, die das Titelblatt dieses Schriftchen's zieren, und in diesem Sinne mögen die Gymnasien auch fernerhin mit andern Bildungs- anstalten den edlen Wettkampf um den höchsten Preis unserer Jugend- erziehung getrost aufnehmen. Aber freilich, ihr neuester Gegner, Fr. Schmeding in Langbein's päd. Arch. XIV (1872) 1 ff., scheint es anders beschlossen zu haben. Denn von dem Richterstuhl Beneke'scher Psycho- logie herab verurtheilt er nicht nur erbarmungslos das Gymnasium sondern droht ihm auch noch mit einer Fortsetzung seiner grausamen Studien. Allein auch wenn der Verfasser nicht vergessen hätte, den Hauptsatz seiner Deductionen zunächst auf sich selbst anzuwenden, könnte man doch nicht sagen, dafs er die Zurückweisung derselben seinen Gegnern be- sonders schwer gemacht hätte. Gewisse Angriffe sind auch eine Apologie.

13) Wenn einstmals Lobeck, palhol. serm. Graeci prolegg. Lips. 1843 praef. p. IX sich bitter über zwei Classen von Widersachern humanistischer Erziehung beschwert und sie mit beifsender Satire geifselt, so sind wohl heutzutage die einen, die faclio clericalis (vgl. unten Anm. 19) weniger zu fürchten als jene anderen, die utililarii, nicht wegen des Gewichtes ihrer Argumente , sondern weil sie den Markt füllen und manchmal die Stimme besserer Einsicht zu übertönen drohen. Die grofse Masse derjenigen, welche ihrem Bildungsgang und ihrer Beschäftigung nach am Wenigsten dazu berufen sind, erlaubt sich gerade die vorlaute- sten und härtesten Urtheile über Dinge, die allerdings nicht an der grofsen Heerstrafse ihrer Gedanken und Gefühle liegen aber darum auch durch

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solche Urtheile Nichts an ihrem Werth verlieren. Bedauernswerthe*

ist es freilich, wenn selbst solche, die ihrem Gymnasialunterricht augen- scheinlich Viel verdanken, in ihrem spateren Leben in andere Bahnen gewiesen nicht mehr Selbsterkenntnis genug besitzen, um dies dankbar zu bekennen.

14) Nach dieser Richtung sind besonders zu nennen die inhaltroiche Vorlesung von L. Lange, 'die classische Philologie in ihrer Stellung zum Gesammtgebiet der Wissenschafton und in ihrer inneren Gliederung, Prag 18Ö5' und die schöne Rede von Ernst Curtius, 'das Mittlcramt der Philologie1 in dessen 'Göttinger Festreden, Berlin 1864 S. 23 ff.1

u) Die Ausgaben der ältesten Sanskrittexte besonders der Veden, seit etwa zwei Decennien eifrig begonnen, zeigen deutlich, von welchem Einflufs hier die maafsgebenden Grundsätze der classischen Textkritik gewesen sind, wenn auch im Allgemeinen Geschichte und Stand der Ueberlieferung hier ein anderer ist. Der neuste Heransgeber der Veden Max Müller, Rig- Veda-Sanhila, Iranslated and explained. Vol. I (Lon- don 1869) preface p. XXVIII äufsert z. B. various readings to be galher- ed from a collection of different MSS. , noio accessible to us , these are none. Wie viel saure Arbeit wäre uns erspart, wenn auch unsere classischen Autoren so gut überliefert wären, dafs ihre Handschriften höchstens einige Schreibfehler enthielten ! In Bezug auf den Zend-Avesta sind, wie schon der neueste Streit zwischen Roth und Spiegel Ztschr. d. deutsch, morgenl. Ges. XXV (1871) S. 1 ff'., 297 ff. zeigen kann, die Untersuchungen noch zu wenig abgeschlossen, als dafs bereits feste all- gemein anerkannte Grundsätze auch für die Herstellung des Textes ge- wonnen worden wären. Einstweilen liegen auch hier schon längst gröfsere Ausgaben mit kritischem Apparat vor. Sonst harren noch manche Zweige der orientalischen (wir meinen damit natürlich zunächst der arischen d. h. indo-persischen) Philologie weiterer Bearbeitung. Die nach der Academy 1871 Nr. 29 p. 388 zu erwartende vedische Gram- matik von Th. Benfey wird, namentlich wenn sie übersichtlicher und praktischer angelegt ist als die früheren Sanskritgrammatiken desselben Verfassers, von hohem Werthe sein. Ebenso wäre ein vollständigerer, auf die neusten Forschungen gestützter Abrifs der indischen Literatur- geschichte nicht blofs für Orientalisten von Fach wünschenswerth.

16) Die romanische Philologie ist als solche (d. h. als wirkliche Philologie) noch zu jung, als dafs ihr System in allen Theilen schon so vollständig ausgebildet vorläge, aber in dieser ihrer weiteren Ausbil- dung wird sie an ihrer älteren classischen Schwester immer eine wesent- liche Stütze haben und hat sich derselben auch schon mit Vortheil be- dient. So ist im Anschlufs an Bernhardy's 'Encyclopädie der classi- schen Philologie' ein Versuch zur Systematisirung und Gliederung der

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romanischen gemacht worden von C. Sachs, 'Vorschlag zu einer Ency- clopädie der modernen Philologie' in Herrig's Archiv f. d. Studium d. neuer. Spr. und Lit. Bd. XXIII (1858) S. 1 ff. , vgl. auch Bern h. Schmitz, 'Encyclopädie des philologischen Studiums der neueren Sprachen (nebst Supplementen), Greifswald 1859 64', wo aber unter neueren Sprachen nur Französisch und Englisch verstanden wird. Wäh- rend aber in den Tagen, wo diese Zeilen dem Druck übergeben werden, der Nestor und Begründer der romanischen Philologie, Friedrich Diez in Bonn, sein 50 jähriges Jubiläum feiert, haben noch immer nicht alle deutschen Universitäten Lehrstühle dieser neuen Wissenschaft aufzuweisen, und figurieren leider noch immer als die einzigen Vertreter derselben die „Lektoren" in den Vorlesungsverzeichnissen im Appendix neben den Lehrern der freien Künste.

17) Nach dem Tode Lachmann 's, der selbstverständlich hier ge- meint ist, kann wohl kaum ein competenterer Richter über das Verhält- nifs der germanischen Philologie zur classischen gefunden werden, als Mor. Haupt, der beide Wissenschaften für die Zukunft immer weniger denkbar mit gleicher Gründlichkeit beherrscht. Er hat über den Gewinn, den die deutsche Philologie der classischen gewährt, ge- handelt in den Berichten d. sächs. Ges. der Wissensch. II (1848) S. 91 ff.

18) Wie man im Einzelnen das Verhältnifs von Philologie und Ge- schichte darstellen will, hängt wesentlich von der Auffassung ab, die man von den Aufgaben und dem Wesen der Universalgeschichte hat. Diese kann jedenfalls durch die wachsenden Fortschritte der Philologie nur gewinnen, denn es „mag, sagt Ritschi a. 0. S. 3, die Historie un- besorgt sein um die scheinbar immer weiter greifende Verengerung ihrer Grenzen, selbst wenn mit der Zeit das Bedürfnifs einer germanisch- mittelalterlichen Philologie (ist längst eingetreten und erfüllt) sich regte und geltend machte. Sie wird fortfahren, in grofsartigen Umrissen das Walten des Weltgeistes durch alle Räume der Zeiten und Völker hin- durch zu verfolgen und mit Dank die Resultate erschöpfender Special- forschung in ihren Zusammenhang aufzunehmen, wie sie die Philologie, mit concentrierterer Kraft in ein engeres Terrain sich versenkend, ihr darzubieten in sich Veranlassung findet." Ohne hier den zerstreuten Meinungsäufserungen und Bemerkungen über diese schwierige Frage z. B. von Menzel, Herbst, Oncken u. A. weiter nachzugehen, verweisen wir nur noch auf die Schrift von H. Steinthal, 'Philologie, Geschichte und Psychologie in ihren gegenseitigen Beziehungen, Berlin 1864', wo bes. S. 28 ff. im Anschlufs an Böckh's Bestimmungen Manches hierher gehörige erörtert wird.

19) Bis zu welcher Verkehrtheit und Absurdität man in dieser Rich- tung gelangen kann, davon giebt ein luculentes Exempel eine Schrift be- titelt : 'die Griechen und Römer gehören mit ihrer Bildung nur noch

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der Geschichte an. Ein zeitgcmäfscs Wort zur Förderung des vater- HLndisoheo Wissens und Könnens. Von Dr. Z n, Nord-

hausen L848.1 Der Verf. macht hier u. A. Plato und Aristoteles für die Irrthümer der Scholastiker verantwortlich, macht den Alten Vor- würfe, dafs sie in verschiedenen Wissenschaften noch nicht so weit waren wie wir und nimmt ihnen fast übel, dafs sie America noch nicht entdeckt haben, ihre eulturhistorische Bedeutung knüpfe sich nur an die Gcstadeländer des Mittelmceres , schädige die christliche und germanische Denkungsart u. s. w. Dabei ist, um nur das Letztere im Vorübergehen aufzugreifen, natürlich übersehen, wie viele Züge reiner und edler Vaterlandsliebe das classischc Alterthum darbietet, an denen sich die Jugend jedes Volkes begeistern kann , ohne darum welch' ein Ge- danke ! römisch oder griechisch zu werden. Wohl mögen ähnliche Züge auch anderwärts und zu anderen Zeiten vorgekommen sein, der Grund , weshalb gerade die aus dem classischen Alterthum besondere Anziehungskraft haben, liegt zum Theil darin, dafs dieses selbst der modernen Welt gegenüber gleichsam antenational und darum international ist. Zu allen Zeiten haben sich hervorragende Männer verschiedener Nationen, denen die Gröfse ihres Vaterlandes viel verdankt, noch in ihrem späteren Leben den classischen Schrifstellern gerne wieder zuge- wandt, Staatsmänner und Redner so gut wie Könige und Feldherrn, Pitt, Fox, Gladstone z. B. so gut wie Napoleon oder Friedrich der Grofse. Man vergleiche über letzteren die interessanten Mittheilungen von Ed. Cauer, 'Friedrich der Grofse und das classische Alterthum (Gratulationsschrift an Haase), Breslau 1863.' Originell aber vielfach verschroben sind dann auch die Ansichten von Bogumil Goltz über 'die Differenzen zwischen dem antiken und dem christlichen Bildungsprocefs und Princip' in seinem Buch 'die Bildung und die Gebildeten, 2. Aufl. Berl. 1867' I, S. 188 ff. Indessen hat es nach dieser Seite hin auch nicht an verständigeren Ur- theilcn gefehlt. Davon zeugen u. A. die Schrift 'über den Einflufs der classischen Studien auf sittlich -religiöse Gesinnung, Cassel 1843', freilich wenig mehr als eine trockene Apologie gegen unbegründete Ver- dächtigungen, und das Programm von A. Geffers, 'das Alterthum und das Christenthum in den Gymnasien, Göttingen 1857.' (Vgl. auch Ne an- der, 'über das Verhältnifs der hellenischen Ethik zur christlichen' in d. deutsch. Zeitschr. f. christl. Wiss. 1850.) Aus vollerem Sachverständnifs ist geflossen die Rede Schömann's, 'das sittlich -religiöse Verhalten der Griechen in der Zeit ihrer Blüthe, Greifswald 1848', worin die reli- giösen Anschauungen der Griechen auch dem Christenthum gegenüber einer unbefangenen Prüfung unterworfen werden. Als characteristisch wird hervorgehoben „die Hingabe der Seele an die Natur, aber mit selbsttätigem Sinn und schöpferischer Phantasie , die die Natur mit geistigen und sittlichen Kräften belebte, und das Sinnliche nicht als

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einen Gegensatz zum Geistigen und einen Abfall von ihm , sondern als den Leib und die Form ansah, in der allein es sich offenbart , und die ein getheiltes Eeich des Geistigen und des Natürlichen nicht kannte." Wem aber dabei die Bemerkung nicht genügt, dafs im Alterthum bereits gewesen sei, was Manche als das Ziel bezeichnet hätten, dem auch die neueste Zeit entgegengehe, eine individuelle Eeligiosität, der kann sich damit trösten , dafs selbst von Ortho dox-conservativen Principien aus Herrn. Geist, 'die classische und christliche Bildung im Lichte des Conservatismus, Halle 1866' die erstere für die unmittelbare Voraussetzung der letzteren erklärt, ja das Alterthum soll nur innerhalb und als ein Element des Christenthums seine Wahrheit und entsprechende Stellung finden. Wieder einen andern Standpunkt vertritt Ant. Lutterbeck, 'über die Notwendigkeit einer Wiedergeburt der Philologie zu deren wissenschaftlicher Vollendung, Mainz 1848', worin im Anschlufs an E. von Lassaulx's philologische Schriften und mit einer Polemik gegen die „naturalistisch-humanistische Ansicht" eine Wiedergeburt des classischen Alterthurns im Sinne einer christlichen d. h. in diesem Falle Baader'schen Philosophie empfohlen wird. Von mehr praktischem Standpunkt aus be- rübrt manche hierher gehörige Frage Lattmann a. O. 143, 269 ff., wo- gegen die principiellen Einwendungen Pfitzner's Ztsch. f. G. Wes. XVI (1862) S. 322 ff. abzulehnen sind. Denn, obne den christlichen Unterricht irgendwie zu beeinträchtigen oder gar den hohen Werth der Eeligion selbst zu verkennen, verwahrt sich L. doch mit Eecht gegen die Forderungen des v.ar' b£o%tJv sogenannten christlichen Gymnasiums. Die sittlichen Ideen des classischen Alterthurns und des wahren Christen- thums sollen sich gegenseitig fördern und stützen.

2") Kundigen Lesern gegenüber glaube ich hier kaum Mifsver- ständnisse fürchten zu müssen, als ob etwa damit auf ein latentes Juden- thum oder auch nur auf die Degeneration eines primitiven Monotheis- mus hingewiesen sei, wie Manche glauben. Wie sehr diese interessante und wichtige religionsgeschichtliche Frage zu allen Zeiten die Kenner des Alterthurns (vgl. z. B. Hugo Grotius, 'prolegg. ad Stob. p. LIV sqq. ed. Gaisf.' und die sonstige ältere Literatur in K. F. Hermann's gottesdienstl. Alterthümern zu § 2) beschäftigt hat, ist bekannt, neuer- dings ist sie durch F. G. Welcker's 'Griech. Götterlehre', jenes wieder- geborenen Hellenen epochemachendes Werk, in ein neues Stadium getreten. Der Ausdruck „monotheistische Tendenz im Polytheismus" ist absichtlich gewählt mit F. Prell er und Ov erb eck, 'Beiträge zur Er- kenntnifs und Kritik der Zeusreligion', Abhandl. d. philol.-histor. Classe der kgl. sächs. Ges. d. Wissensch. IV (Leipzig 1865) S. 7. In welcher Weise dann jener Zug zum Monotheismus bei einzelnen hervorragenden Geistern späterer Epochen zum Durchbruch kam , kann hier nicht weiter verfolgt werden.

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91) Was soit Savigny eino Roiho berühmter Juristen, wie Beth- mann-Hollweg, Böcking, Dirkscn, Huschke, Rudorff u. a. für die classischo Philologie geleistet haben und leisten, ist von derselben ebenso dankbar anerkannt worden, als unsere heutige Rechts- wissenschaft die Früchte entgegennimmt, welche ihr die historischen For- schungen und kritischen Arbeiten eines Theodor Mommsen darbieten. Nicht minder sind von diesem Gesichtspunkt aus die neueren Leistungen auf dem Gebiet der römischen Antiquitäten von W. A. Becker, L. Lange u. A. zu erwähnen. Noch möchten wir unter den heutigen Juristen eines Mannes gedenken, der, wenn auch seine Forschungen weniger unmittel- bar die Philologie berühren, doch den „Geist des römischen Rechts" viel tiefer zu erfassen wufste, als es vorher geschehen : Rud. Ihering zu nennen liegt hier um so näher, als er der Universität, an welcher vor- stehende Rede gehalten wurde, lange Zeit zur Zierde gereichte.

28) Auch hier ist die Förderung und Anregung eine wechselseitige gewesen und das Verständnifs antiker Baukunst hat durch die Studien neuerer Architekten neues Licht empfangen. Zwar hatte schon die Be- trachtung römischer Tempel manche Rückschlüsse auf die griechische Architektur gestattet, „allein, bemerkt 0. Jahn, erst die genaueste Prü- fung der Bauwerke Griechenlands, und vornehmlich Attika's , offenbarte die volle Gröfse und Schönheit dieser bewunderungswürdigen Schöpfung des griechischen Künstlergeistes, deren volles Verständnifs Karl Botti- ch er 's genialer Blick erschlossen hat." K. Bötticher's 'Tektonik der Hellenen, 2. A., Berlin 1869' wird daher nach dieser Richtung in erster Linie genannt werden müssen.

23) Wenn nach Fr. Ueberweg „inmitten des Kampfes der philoso- phischen Parteirichtungen für die philosophische Erkenntnifs eine ge- meinsame Basis theils in der Geschichte der Philosophie, theils in ein- zelnen zu bleibender Gültigkeit gelangten philosophischen Disciplinen (wie die Aristotelische Logik) liegt", und Adolf Trendelenburg 's Verdienst eben in dem „Rückgang auf diese gemeinsamen Ausgangspunkte philosophischer Forschung, der Kritik einseitiger Doctrinen und der un- ternommenen Reconstruction der Philosophie auf gesichertem Grunde" beruht, so durfte hier schon aus diesem Grunde die Wichtigkeit der griechischen Speculation besonders des Aristoteles für die heutige Wissenschaft nicht übergangen werden. Aber nicht blofs die griechische Philosophie sondern auch ihre gesammte Literatur hat unmittelbar ihren Werth für die Philosophie. Dies hat von anderem Standpunkt aus erörtert F. H. Th. Allihn, 'über die Bedeutung des Studiums des grie- chischen Alterthums für philosophische Bildung in gegenwärtiger Zeit, drei Vorträge, Nordhausen 1849,' worin auf den ganzen Reich thum sitt- licher Anschauungsweise in den griechischen Dichtern, besonders aber auf die ethischen und ästhetischen Elemente bei Homer hingewiesen wird.

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24 ) Eine solche Auffassung ist vorgetragen in einem Aufsatze, be- titelt 'Philologie und Naturwissenschaft' in den Preufs. Jahrb. VII, S. 120 ff. (1861), der manche treffenden Bemerkungen enthält. Wie eng dagegen jener andere oben weiter angedeutete Zusammenhang ist, zeigt schon der Streit, ob die Sprachwissenschaft eine Natur- oder eine historische Wissenschaft sei. Die erstere Ansicht wird hauptsächlich vertreten von Max Müller, leclures on the science of language I5 (London 1866) p. 1 ff. und von Aug. Schleicher, 'die deutsche Sprache, Stuttgart 1860 (1869)' S. 117 ff, 'die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft, Weimar 1863', 'über die Bedeutung der Sprache für die Naturgeschichte des Menschen, Weimar 1865'. Von Seiten der Naturforscher hat es dann nicht an Zu- stimmung gefehlt, und zwar bis zu dem Grade, dafs z. B. der Zoolog E. Haeckel in seiner Vorrede zu Bleek, 'über den Ursprung der Sprache, Weimar 1868' nur „von der heute noch üblichen Trennung der Philo- logie (sollte mindestens heifsen : Sprachwissenschaft) von der Naturwissen- schaft" reden konnte. Dieser Auffassung gegenüber, welche die Natur- seite der Sprache allzu ausschliefslich betont, hat man nicht verfehlt, auf die Momente hin zu weisen , welche die Sprachwissenschaft der historischen Wissenschaft zuzurechnen nöthigen. In diesem Sinn haben sich besonders ausgesprochen H. Steinthal, in seiner schon genannten Schrift: 'Philologie, Geschichte u. Psychologie' S. 19 ff. und der verdienst- volle Amerikaner W. D. Whitney, language and the study of language, London 1867 (1868) p. 48 ff.

25) Auf dem Gebiet der Formenlehre hat für Sammlung und Sichtung des Materials die ältere Grammatik vortreffliche Leistungen aufzuweisen, die noch bis in die neueste Zeit werthvoll gewesen sind. Hinsichtlich des Griechischen erinnern wir nur an Phil. Buttmann 's 'ausführliche griechische Sprachlehre, 2. Aufl. v. Lobeck, 2 Bd. Berlin 1830 39' und an Lobeck's Werke, wo mit staunenswerthem Fleifs und höchster Sorg- falt sowohl einzelne Wortformen als ganze Gruppen verzeichnet und bis in die entlegensten Winkel der Gräcität verfolgt werden. Für das Latei- nische genügt es, hier nur Ruddimann's instilutiones linguae Lalinae (ed. Stallbaum. Lips. 1826) und namentlich an Konr. Leop. Schnei- der's 'ausführliche Grammatik der lat. Sprache, Berlin 1819—21' zu er- wähnen, deren Fortsetzung in Fr. Neue 's gelehrtem Sammelwerk (For- menlehre der lat. Spr. I Stuttgart 1866, II Mitau 1861) immerhin sehr brauchbaren , wenn auch vorsichtig zu benutzenden Stoff bietet. Aus dem Gebiet der Syntax wäre hier eine lange Reihe von Namen zu nen- nen, sollte auch nur eine annähernde Skizze der rührigen Forschungen auf diesem Gebiete gegeben werden. Wie weit es hier die berührte philosophische Richtung bringen konnte , zeigen , wenn auch zunächst auf anderem Gebiet K. Ferd. Becker's Schriften; ja wie wenig selbst die hervorragendsten Forscher von rein philosophischer Construction sich

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fern hielten, beweisen Gottfried Hermann's und Eeisig's gram- matische Arbeiten. Unsere heutigen sprach philosophischen Anschauungen, wie sie auf dorn Gebiete der Syntax z. B. bei dor Aufstellung einer psychologischen Grundbedeutung der Modi zur Geltung kommen, ruhen auf durchaus anderer Basis und sind nicht etwa ohne Kücksicht auf die empirische Beobachtung in die Sprache hinein getragen.

2Ö) Belege zu diesem Allem findet man in den Schriften der in der vorigen Anm. genannten Grammatiker in genügender Auswahl und es ist um so weniger nöthig hier darauf einzugehen, als die früheren Grund- sätze der Forschung im Gegensatz zu der heutigen anderwärts öfters erörtert worden sind. Für das Griechische vergleiche man besonders G. Curtius in der Einleitung zu seinen 'Grundzügen der griechischen Etymologie, 3. Aufl. Leipzig 1869.' Dagegen darf hier nicht unerwähnt bleiben, dafs neuerdings in der Sprachwissenschaft Bestrebungen hervor- getreten sind, die in mancher Beziehung die Wissenschaft eher zu gefährden als zu fördern drohen. Nicht allein, dafs man an den Fundamenten zu rütteln trachtet, auf welche man seit Bopp glaubte weiter bauen zu können, auch im Einzelnen sind wieder Grundsätze zur Anwendung ge- bracht worden, die man seither glücklich beseitigt zu haben sich freuen mochte. So haben nicht nur in letzter Zeit verdienstvolle Gelehrte wie Fr. Müller, Sitzungsber. d. kais. Acad. d. Wissensch. zu Wien 1870 LXVI, Oct. und Westphal, 'philos.-histor. Gram. d. deutsch. Sprache, Jena 1869' Einl. , 'method. Gram. d. griech. Spr. I, Jena 1870 71', die seitherige Auffassung der Personalendung als „Agglutinationstheorie" umstürzen wollen, sondern man operiert auch wieder mit der „Euphonie", mit „Verbindungs- und Trennungslauten" in einer Weise, als ob die alten Grammatiker ihre Auferstehung feiern und schrankenloser Willkür von Neuem Thür und Thor eröffnen sollten. Wo solche Bestrebungen zu schärferer Bestimmung und Sichtung unzulänglich gewordener Theorien dienen, können sie nur Vortheil bringen, Nachtheil aber, wo sie von einer mehr negierenden Skepsis getragen sich damit begnügen, Schwächen aufzudecken, ohne dafür etwas Besseres bieten zu können. Am Wenig- sten scheint es gerechtfertigt, in solchen Fragen mit so selbstgenüg- samer Bestimmtheit und herausforderndem Eaisonnement, wodurch na- türlich der Mangel stringenter Argumente nicht ersetzt wird, aufzutreten, wie dies neuerdings wieder A. Lu dwig, 'der Infinitiv im Veda, Prag 1871', gethan hat. Viel bescheidener und objeetiver hat speciell für das La- teinische H. Merguet, 'die Entwicklung der latein. Formenbildung, Berlin 1870' und 'die Ableitung der Verbalendungen aus Hülfsverben, ebd. 1871', versucht, manche schwierigen Punkte aufzuklären, wenn es ihm gleich weder gelungen ist, Bopp 's Auffassung der lateinischen Personalendungen als unhaltbar zu erweisen, noch auch seinerseits eine halbwegs befriedigende Erklärung an deren Stelle zu setzen. Ein schlech-

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ter Trost für die Sprachwissenschaft ist die Wahrnehmung, dafs auch auf anderen Gebieten, wie in Sachen der höheren und niederen Kritik, sich gegenwärtig ähnliche Divergenzen der Ansichten selbst in principiel- len Fragen zeigen, ein besserer die Erfahrung, dafs aus solchen Krisen die Wissenschaft noch jedesmal siegreich hervorgegangen ist.

27) Die Beobachtung der Lautgesetze ist nicht immer von allen Forschem mit gleicher Sorgfalt gehandhabt worden, und grade in dieser Beziehung standen auf dem Gebiet der indogermanischen Sprachforschung noch vor nicht langer Zeit zwei Kichtungen einander gegenüber, die sich wechselseitig als die „individualisierende,, und die „synkretistische" bezeichnet haben. Es sei erlaubt, sie mit den Worten eines Meisters kurz zu charakterisiren, dessen allzufrüher Hintritt nicht allein im Inter- esse der Wissenschaft sondern solchen Versuchen gegenüber schmerz- lich empfunden wird, die, lebte er noch, vielleicht minder zuversichtlich grade gegen ihn gerichtet werden würden. „Die Anhänger der einen (Richtung), sagt Schleicher, 'Compend. der vergl. Gram. 3. Aufl. Wei- mar 1871 S. 15', haben sich strenges Festhalten an den Lautgesetzen zum Grundsatz gemacht (so G. Curtius in Leipzig, Corssen in Berlin und der Verf. dieses Compend.), die andere Richtung (Benfey in Göttingen, Leo Meyer in Dorpat u. A.) glaubt sich durch die bisher erkannten Lautgesetze bei Deutung und Erklärung der Sprachformen nicht wesentlich hindern lassen zu dürfen. So ist es den Anhängern dieser Richtung möglich, Vieles zu deuten, was den Andern dunkel er- scheint. Namentlich wird von dieser Seite eine Menge von Stammbil- dungssuffixen des Indogermanischen auf eine einzige Grundform zurück- geführt. Durch letzteres Verfahren unterscheiden sich ebenfalls die bei- den Schulen wesentlich. Die erstere nimmt Vieles als alt und ursprünglich an, was die zweite nur als Veränderung einer Grund- und Urform gelten läfst. Die fernere geschichtliche Entwicklung unserer Disciplin wird zeigen, auf welcher Seite die sichere, wahrhaft wissenschaftliche Grund- lage für das künftige Gedeihen der Sprachwissenschaft zu suchen ist." Allein dieser Gegensatz hat augenblicklich an Schärfe verloren, nicht blofs weil die Erkenntnifs, dafs ohne stricte Beobachtung der Lautgesetze ein gesunder Fortschritt der Sprachwissenschaft nicht möglich sei, mehr durchgedrungen ist, sondern auch weil die Begriffe von denselben ge- läuterter geworden sind und einer Verständigung näher führen. Denn es haben sich inzwischen auch innerhalb jener ersten Richtung gewisse Divergenzen herausgebildet , insofern man einerseits in starrer Conse- quenz den Lautgesetzen gleichsam nur die Unfehlbarkeit von Naturgesetzen vindiciert, andererseits daneben auch den übrigen Factoren ihr volles Recht widerfahren läfst, welche das Leben der Sprache beherrschen und, wie das Princip der Deutlichkeit, nicht selten den rein phonetischen Veränderungen ein Ziel setzen. Die Sprache ist allerdings ein Natur-

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Organismus, aber zugleich auch ein Product des Menschengeistes, der in ihr mit unbewulster Triebkraft schaltet. Sehr beachtenswerthe Gesichts- punkte nach dieser Seite giobt G. Ourtius, 'Bemerkungen über die Trag- weite der Lautgesetze, insbesondere im Griechischen und Lateinischen' in d. Bericht, der sächs. Ges. d. Wissensch., histor.-philolog. Class. 1870 S. 1 ff.

88) Die Bedeutung der Physiologie für die Sprachforschung konnte schon zu Job. Müller's Zeiten einem so hellem Blick wie dem Jac. (ii'imm's nicht entgehen, wenn er auch noch keine ausgedehntere An- wendung davon zu machen im Stande war. Namentlich in seiner 1852 erschienenen Abhandlung „über den Ursprung der Sprache" finden sich bemerkenswerthe Aeufserungen in dieser Beziehung, ja er stellt der Sprachphysiologie bereits sehr schwierige Aufgaben, wenn er (vgl. kl. Sehr. I, 267) fragt, „ob es dem Anatom gelänge, in den Sprachorganen solcher Völker, die entschieden harter Gutturale pflegen, oder wie die Slaven schwere Zischlautverbindungen eingeübt haben , äufsere Spuren davon aufzuweisen." Freilich scheint ihm die Erreichung solcher und ähnlicher Ziele noch sehr entfernt zu liegen, denn „die Anatomie, meint er bald darauf, wird noch lange zu lernen haben, ehe sie die Sprachwerkzeuge eines auf der Ebene eingewohnten Norddeutschen von denen eines süd- deutschen Alpenhirten unterscheidet." Seitdem ist namentlich von Ernst Brücke durch seine 'Grundzüge der Physiologie und Systematik der Sprachlaute, Wien 1856', sowie durch andere Physiologen wie Merkel, Czermak ein festeres Fundament gelegt worden und die Physiologie in unmittelbare Berührung mit der Sprachwissenschaft getreten. Von philologischer Seite hat sich der Germanist Rud. von Raum er mit besonderem Eifer an diesen Studien betheiligt und gegenwärtig fehlt bereits in keinem bedeutenderen sprachwissenschaftlichen Werke mehr die stete Rücksichtnahme auf die physiologischen Vorgänge bei der Lautbildung und Lautveränderung der Sprache und der Sprachen. Eine ganze Reihe von Vorgängen, zu deren Erklärung früher gar keine oder nur tastende Versuche gemacht worden waren, ist jetzt auf eine einfache und natürliche Ursache zurückgeführt worden, und es ist erhebend zu sehen, wie die immer weiter vordringende Forschung die Richtigkeit des aufgestellten Princip's immer mehr bestätigt. So wären, um nur das nächste und jüngste Beispiel anzuführen, die unter dem Namen „Ersatz- dehnung" zusamrnengefafsten Erscheinungen , welche namentlich im Griechischen die Bildung zahlreicher Flexionsformen bedingen, nimmermehr verständlich geworden , wenn man sich nicht vorher die organische Verschiedenheit der Explosivlaute (sonst nach der Tradition der Alten apora, mutae genannt) und der Dauerlautc (sonst yitüpara, semiooeales) klar gemacht hätte. Dazu aber mufste die Physiologie den ersten Anstofs geben und erst, nachdem die Forschungen verschiedener

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Sprachgelehrter Schritt für Schritt weiter geführt hatten , konnte es ge- lingen, die ganze Erscheinung im Zusammenhang und mit Benutzung aller jener Resultate für die einzelne Sprache darzulegen. Vgl. Brug- man in Curtius' Studien zur griechischen und lateinischen Grammatik IV (Leipz. 1871) S. 58—189.

29) Dafs nichtsdestoweniger auch den neueren Sprachen, namentlich, wenn sie rationell betriehen werden, ein formal bildender Werth zukommt, ist eben so selbstverständlich als es in der Natur der Sache liegt, dafs sie in dieser Beziehung niemals die Leistungsfähigkeit der classischcn Sprachen erreichen können. Man darf aber deshalb weder die Vorzüge der neueren Sprachen an sich herabsetzen noch andererseits den tief- greifenden Unterschied zwischen synthetischem und analytischem Sprach- bau in der Weise zu beseitigen suchen, wie es neuerdings vielfach geschieht- Hierüber bieten nach den grundlegenden Erörterungen von Aug. Fuchs, 'die romanischen Sprachen in ihrem Verhältnifs zum Lateinischen, Halle 1849', von Neueren u. A. beachtenswerthe Bemerkungen Heyse, 'System der Sprachwissensch. , Berl. 1856 S. 195 ff. 216 ff.' , Steinthal, Charakteristik der hauptsächlichsten Typen des Sprachbaues, Berl. 1860' S. 9 ff. u. ö., 'Gesch., Philol., Psych.' S. 27 u. ö., M. Müller, leclures I5 189 f., 214 ff., II2 275, Whitney a. 0. 279 ff. Aufserdem gehören hierher Eimele, 'die wesentlichsten Unterschiede der Stamm- und abgeleiteten Sprachen, Berl. 1862' und Scholle, 'über den Begriff Tochtersprache, Berl. 18691, worin im Anschlufs an Fuchs der geschickt geführte Nachweis versucht Avird, dafs zwischen den romanischen Spra- chen speciell dem Französischen und Lateinischen kein Bruch der orga- nischen Entwicklung stattgefunden habe und dafs die unpassend soge- nannten „Tochtersprachen" den älteren „Stammsprachen" an äufseren und inneren Vorzügen nicht eben nachstünden. Einzelne Punkte bespre- chen Steinthal in Herrig's Archiv für d. Stud. der neueren Sprachen XXXVI (1864) S. 129 ff. und vielfach im Anschlufs an Scholle A. Benecke, ebd. XLV (1869) S. 337 ff. Durchaus an der Oberfläche be- wegt sich F. Mösch, 'die neueren Sprachen und ihr bildendes Element, Kempten 1870.' Uebrigens ist die beliebte, zuweilen mit unglaublicher Leichtfertigkeit verfochtene These , dafs „die neueren Sprachen zur Er- langung einer gründlichen formalen Geistesbildung ein vollberechtigtes Aequivalent (sie!) für die altclassischen Sprachen bieten" nicht selten nur eine falsche Consequenz des nach anderer Seite wohlbegründeten Auf- strebens der höheren Realschulen, und es mag für manchen Fachmann oder solche, die sich dafür halten, beschämend sein, wenn sie sich über wesentliche Punkte von einsichtsvollen Naturforschern belehren lassen können. Wenigstens dürfte das Urtheil von Helmhol tz a. 0. I, 18 nicht ohne Interesse sein : „die beiden classischen Sprachen, Griechisch und Lateinisch, haben neben ihrer aufserordentlich feinen künstlerischen und

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logisches Ausbildung den Vorzug, den die meisten alten und ursprüng- lichen Sprachen zu iheilcn scheinen, dafs sie durch sehr volle und deut- lich unterschiedene Flexionsformcn das grammatische Verhältnifs der Worte und der Sätze zu einander genau bezeichnen. Durch langen Ge- brauch wurden die Sprachen abgeschliffen, die grammatischen Bezeich- nungen im Interesse praktischer Kürze und Schnelligkeit auf das Noth- wendigste zurückgeführt und dadurch unbestimmter gemacht. Das läfst sich auch von den modernen Sprachen im Vergleich zu dem Lateinischen deutlich erkennen ; am weitesten ist in dieser Richtung des Abschlcifens das Englische vorgeschritten, darin scheint es mir auch wesentlich zu beruhen, dafs die modernen Sprachen als Unterrichtsmittel viel weniger geeignet sind als die älteren." Schon der Umstand, dafs wir uns jene, weil sie uns viel näher liegen, viel leichter und schneller aneignen als diese, sollte darüber keinen Zweifel lassen. Vgl. oben Anm. 4.

30) Eben darum , weil die Beispiele sich fast auf jeder Seite finden, ist es nicht nöthig, solche hier anzuführen, zumal da man manche beson- ders charakteristische schon anderwärts z. B. bei Gr. Curtius, 'Grundz. d. gr. Et.3 S. 11' zusammengestellt findet. Dafs etwa die rpueg dem Schüler noch immer als die „Herrn (heri)" vorgestellt werden und dgl. m., ist bei Weitem nicht das Schlimmste, die von Curtius gewählten Beispiele zeigen viel schlagender , zu wie lächerlichen Irrthümern jenes ctqutov tfevöoq führen kann, das er mit Recht „in einer grundfalschen Ansicht von dem Wesen menschlicher Sprache und von der Entstehung der clas- sischen Sprachen" sucht. Inzwischen macht sich, wie die neusten Lei- stungen auf dem Gebiete der Homerliteratur zeigen, das Bedürfnifs immer mehr geltend, den Forderungen der Wissenschaft gerecht zu werden. Nicht nur in dem von einer Anzahl jüngei'er Gelehrter begonnenen gröfse- ren lexicon Homericum, welchem man in dieser Beziehung nur etwas mehr Kritik und Selbständigkeit wünschen möchte, sollen nach den vor- liegenden ersten Heften die Resultate sprachwissenschaftlicher Forschung umfangreich benutzt werden, sondern diese haben auch, in welcher Weise immer, in Schulausgaben (Am eis, V. H. Koch u. a.) und Schulwör- terbücher (Seiler) Eingang gefunden. Allzukühnen Illusionen darf man sich freilich dabei nicht hingeben , so lange selbst verdiente Home- riker wie Jacob La Roche die Bedeutung der vergleichenden Gram- matik für Homer gänzlich zu verkennen im Stande sind, ja dieselbe so- gar, wenigstens für die Textkritik, abweisen zu dürfen glauben. So weit gehen glücklicher Weise nicht alle Gegner dieser Studien , hat doch Jüngst ein Schulmann, der sich sonst mit Händen und Füfsen gegen „die rationelle Basis und die fundamentale Ratio" der neueren Grammatik sträubt, F. Reuter (vgl. Anm. 33), sich zu dem Bekenntnifs gedrungen gefühlt, die vergleichende Grammatik biete dem Lehrer „des Anregenden eine solche Fülle gerade im griechischen Unterricht verwendbarer Schätze,

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welche zumal im Homer auch die Schüler aus den neuen Lexicis an ihn heranbringen, dafs, selbst wenn er die Ohren verstopfen wollte, das Prä- parationsbuch des Schüler's ihm die Augen öffnete." In der That, die Gefahr solcher Verlegenheiten wächst mit jedem Tag für den Lehrer, der es fernerhin unterläfst , von den neueren sprachwissenschaftlichen Studien Kenntnifs zu nehmen.

31) Wenn oben S. 17 die Laute als die einfachsten materiellen Be- standteile bezeichnet wurden und hier die Wurzeln letzterreichbarer Ele- mente aller Sprache heifsen, so ist natürlich für die Sachverständigen kein Widerspruch. Denn erst den Wurzeln kommt Bedeutung zu, den Lau- ten als solchen nicht, weshalb die Sprache eigentlich erst mit jenen be- ginnt. Vgl. darüber Max. Müller, lectures II2 75 f.

. 32) Denn diese leugnen und alles Alte, auch wenn es sich bewährt hat, umstofsen zu wollen, wäre natürlich eben so verkehrt als aus lauter Respect vor der Tradition „die neue Richtung" bei aller Aner- kennung ihrer wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit abzuweisen. Dafs Letzteres aber möglich sei, zeigt u. A. E. Herzog, 'das Recht der traditionellen Schulgrammatik gegenüber den Resultaten der vergleichen- den Sprachforschung, Stuttgart 1867', worin schliefslich der würtembergi- schen Lateinschule Indemnität zugesichert wird, wenn sie „der neuen Richtung" ablehnend mit dem Worte entgegentreten sollte : noü (urbare circulos meosl Nur Schade, dafs diese Kreise nicht die Kreise des Ar- chimedes sind und jener fremde Eindringling nicht ein wüster Stören- fried sondern eine Wohlthäterin ist, welche die alte vielfach schwach gewordene Methode des Unterrichts neu beleben und erfrischen will! Vgl. über manche unhaltbare und unbegründete Behauptung Herzog's G. Stier, 'Zeitschr. f. Gymnasialw. XXIII (1869) S. 97 ff.'

33) Die Einführung von Resultaten der vergleichenden Sprachfor- schung in die griechische Schulgrammatik durch Gg. Curtius im Jahr 1852 war für die gesammte philologische Praxis ein Ereignifs von viel zu hervorragender Bedeutung als dafs sie nicht die lebhafteste Bewegung auf Seiten der Schulmänner hätte hervorrufen sollen. Seitdem hat es denn auch nicht an theoretischen Erörterungen für und wider, nicht an praktischen Versuchen und. an Nachahmungen der verschiedensten Art gefehlt, namentlich ist neuerdings die Zeitschrift für Gymnasialwesen der Schauplatz des Streites gewesen, wo u. A. Ant. Göbel Jhrg. XVIII (1864) 440 ff., Lattmann XIX (1865) 881 ff., XX (1866) 699 ff., G. Stier XXIII (1869) 97 ff. 439, 579' am Entschiedensten für die neue Richtung sprachen, Aken XX 657 ff. am Meisten dagegen eiferte. Auch in anderen Zeitschriften wie in Langbein's pädag. Archiv VIII (1866) 1 ff., IX (1867) 650 ff., XI (1869) 177 ff. und besonderen Mono- graphien sind bis auf die neuste Zeit entgegengesetzte Meinungsäufse-

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rungen laut geworden. So vermag zwar F. Reuter, 'ein Referat über Curtius1 griechische Schulgrammatik, Kiel 1870' den Werth der neuen Grammatik nicht in Abrede zu stellen, aber, indem er in ernstlicher Be- sorgnifs, die Schulverwaltung möge „unweigerlich Sanskrit für die Fa- cultas zum griechischen Unterricht postulieren" alle sprachvergleichenden Studien perhorresciert, überläfst er sie doch Andern zur geneigten Be- achtung und findet so einen bequemen Ausweg aus dem Dilemma. Wenn er sich aber gar auf Grimm beruft, der doch für die germanische Philo- logie gerade das anbahnte und in eminentem Sinne selbst leistete, was wir für die classische erstreben , wenn er dann noch bei seiner eignen Unklarheit von „Sichtung der verworrenen Meinungen" zu reden wagt, so zeigt dies nur, dafs man auch mit der Miene eines competenten Be- urtheilers über Dinge[zuurtheilen versuchen kann, ohne sie gehörig zu ver- stehen, und klingt fast wie Ironie auf seine eignen Herzensergiefsungen. .Von ganz anderem Verständnifs der wesentlichen Fragen zeugt das Programm von Jul. Lattmann, 'die durch die neuere Sprachwissenschaft herbei- geführte Reform des Elementarunterrichts in den alten Sprachen, Claus- thal 1871', worin dem Unterricht nach der neuen Methode die drei Mo- mente des Mnemonischen, Rationellen und Anschaulichen vindiciert wer- den, während der nach der alten vorwiegend auf die eine Seite des Mnemo- nischen beschränkt sei. Dafs der ohnehin immer schwächer werdende Widerstand gegen die neue Grammatik allmählich ganz erlöschen werde, namentlich wenn einmal mehr die jüngeren Generationen, die durch Schule und Universität in den neueren Anschauungen gleichsam aufgewachsen sind, in das Lehramt eintreten, ist wohl kaum eine allzukühne Hoffnung. Inzwischen mag zur Stütze derselben ein Rückblick auf die Fortschritte dienen, welche die Verbreitung der Curtius'schen Grammatik seit ihrem ersten Erscheinen gemacht hat. Nach dem Prospect zur siebenten Auf- lage (1866) waren bis dahin im Ganzen 52000 Exemplare gedruckt und war diese Grammatik an 97 öffentlichen Lehranstalten in 92 Städten eingeführt, die letzte neunte Auflage (1870) gieng nach freundlicher Mittheilung des Verlegers allein in 15000 Exemplaren in die Welt, während die achte 10000, die siebente 8000 Exemplare zählte, und jetzt ist das Buch bereits in 47 weiteren (also im Ganzen 139) Städten eingeführt. Aufserdem hat Curtius' Schulgrammatik durch Uebersetzung in fremde Sprachen nunmehr Eingang in fast sämmtliche Culturländer Europa's und in Nordamerika gefunden. An Uebersetzungen liegen vor : eine eng- lische (autorisierte) London, Murray (angekündigt ist eine solche für Nordamerika New- York, Harper brothers und eine andere im Auszug ebendas.), eine italienische (autorisierte) Vienna, Gerold, sammt drei andern nicht autorisierten , eine böhmische (autorisierte) Prag, Tempsky, eine ungarische Pesth, Kilian, eine norwegische (autorisierte) Christiania, Joh. Dahl's Forlag, eine schwedische der Formenlehre, Stockholm, Hiertas

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Förlag, eine neugriechische der Syntax, eine holländische der Syntax, eine polnische (autorisierte) und zwei russische. Auch die 'Erläuterungen zu meiner Schulgrammatik von G. C. Prag 1863 (1870)' liegen bereits in italienischer und englischer Uebersetzung vor. Eines ähnlichen Er- folgs hat sich wohl kaum noch ein Schulbuch zu rühmen gehabt.

34) Die pädagogische Section der 25. Philologenversammlung zu Halle, wo (vgl. Verhandl. S. 94 ff.) abermals die Frage discutiert wurde : in wieweit sind die Resultate der vergleichenden Sprachwissenschaft für die Schule zu verwerthen? gelangte schliefslich für das Lateinische zu einer vorläufigen Ablehnung derselben in der Form der angenommenen These „der Unterricht in der lateinischen Formenlehre ist für jetzt wie bisher zu ertheilen", jedoch nicht ohne dafs Eckstein dies ausdrücklich damit motiviert hatte, dafs ein befriedigender Versuch der Art bis jetzt nicht vorliege. Allerdings ist die lateinische Grammatik von Müller und Lattmann die einzige, welche einigermaafsen dem praktischen Bedürfnifs entspricht, aber sie ist eben nur ein Elementarbuch für den ersten Anfang. Inzwischen haben neuere Versuche den Erwartungen nicht entsprochen, und wir müssen die 'Elementar- und Formenlehre der lateinischen Sprache von H. Seh weizcr-Sidler, Halle 1869' und die lateinische Grammatik für Gelehrtenschulen von Schmitt-Blank, Mannheim 1870\ worüber das Näher* im liter. Centralbl. 1871 Sp. 828, hauptsächlich deshalb für praktisch unbrauchbar erklären, weil sie die wissen- schaftlichen Resultate zu unvermittelt und unverarbeitet der Schule überliefern, während sie doch nach Lattmann's richtiger Bemerkung im Lateinischen noch weit mehr in eine elementare Form umgesetzt werden müssen als im Griechischen. Es liegt daher auf dem Gebiete der lateinischen Grammatik bis jetzt keine Leistung vor, welche der von Curtius auf dem Gebiete der griechischen auch nur annähernd ent- spräche. Einzelne wichtigen Punkte bespricht neuerdings E. von Sa 11- würk, 'die wissenschaftliche Behandlung der lateinischen Schulgrammatik' in d. Zeitschr. f. Gymn. Wes. XXV (1871), S. 465 ff.

35) Auch diese Gedanken sind noch lange nicht genug Gemeingut geworden und noch nirgends in ihrer ganzen Tragweite und mit voller Consequenz verfolgt. Aber schon aus dem Gesagten wird erhellen, wie nahe die Methode der neueren Sprachforschung der der exaeten Naturwissen- schaft kommt und wie sehr sie geeignet ist, die neuerdings (s. Anm. 36) oft betonten Gegensätze zwischen diesem und dem philologischen Unter- richt zu versöhnen. Unter den heutigen Schulmännern und Vertretern der neuen Richtung hat Lattmann in d. Zeitschr. f. Gymn. "Wes. XIX (1865) S. 895 f. am Entschiedensten hierauf hingewiesen, und mit Recht bemerkt Curtius 'Erläut.' S. 4 Anm. im Betreff solcher Bestrebungen, darin eine „Concession an den Realismus" zu erblicken, scheine ihm eine höchst beschränkte und veraltete Anschauungsweise. In seinem

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bereite erwähnten neuesten Programm hat dann Lattmann die anderen berührten Vorzüge dieser Sprachbetrachtung treffend erläutert. „Denke nach, hilde die Form" werde der Lehrer der neuen Methode von dem Schüler verlangen, der eine solcho vergessen hat, während der Lehrer alten Schlages nur an sein Gcdächtnifs appellieren konnte. Auch die Möglichkeit der Veranschaulichung an concreten Beispielen, die Möglich- keit, die Form auf der Tafel successive vor den Augen des Schülers entstehen zu lassen, ist gewifs nicht gering anzuschlagen. Endlich ist der Gesichtspunkt der Zeitersparnifs , den Lattmann S. 13 ff. hervor- hebt, höchst beachtenswerth und wichtig, wiewohl seine positiven Vor- schläge in dieser Richtung etwas kühn und in mancher Beziehung ver- früht erscheinen mögen.

36) Helmholtz a. 0. 23 betont die Noth wendigkeit, strengere Schulen des Denkens durchzumachen als die Grammatik zu gewähren im Stande sei. „Was mir, fährt er fort, in eigner Erfahrung bei den Schülern, die aus unseren grammatischen Schulen zu naturwissenschaft- lichen und medicinischen Studien übergehen, aufzufallen pflegt, ist erstens eine gewisse Laxheit in der Anwendung streng allgemein gültiger Gesetze. Die grammatischen Regeln, an denen sie sich geübt haben, sind in der That meist mit langen Verzeichnissen von Ausnahmen versehen ; sie sind deshalb nicht gewöhnt, auf die Sicherheit einer legitimen Consequenz eines streng allgemeinen Gesetzes unbedingt zu trauen. Zweitens finde ich sie meist zu sehr geneigt, sich auf Autoritäten zu stützen, auch wo sie sich ein eignes Urtheil bilden könnten. In den philologischen Studien wird in der That der Schüler , weil er selten das ganze Material über- sehen kann und weil die Entscheidung oft von dem ästhetischen Gefühl für die Schönheit des Ausdrucks und den Genius der Sprache abhängt, welches längere Ausbildung erfordert, auch von dem besten Lehrer auf Autoritäten verwiesen werden müssen. Beide Fehler beruhen auf einer gewissen Trägheit und Unsicherheit des Denkens, die nicht blofs späteren naturwissenschaftlichen Studien schädlich sein wird." Aus diesen Worten geht hervor, dafs damit zunächst syntaktische und stilistische Erörterun- gen gemeint sind, und in dieser Beziehung liegt in ihnen etwas Wahres, aber wir würden trotzdem die Frage aufwerfen, wieviel zu solchem Ur- theile theoretische Construction und wieviel unbefangene Beobachtung beigetragen habe, wenn uns nicht einem Manne wie Helmholtz gegenüber eben unser Autoritätsglaube hinderte. Dafs auch die Sprache ihre Gesetze hat, die mit Naturgewalt wirken und von den willkürlichen Einflüssen eines selbstbewufsten Menschengeistes nicht berührt werden, dafs namentlich die Betrachtung ihres Formenbaues uns den Einblick in einen grofsartigen und wunderbaren Naturorganismus gewährt, dafs auch der modernen Sprachwissenschaft „unbedingte Ach- tung vor den Thatsachen und Treue in ihrer Sammlung, ein gewisses

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Mifstrauen gegen den sinnlichen Schein, das Streben überall nach einem Causalnexus zu suchen und einen solchen vorauszusetzen" , eigen ist, diesem Allem seine Anerkennung zu versagen wird Helmholtz gewifs der Letzte sein. Auf der andern Seite ist nicht zu leugnen, dafs auch die Naturwissenschaften nicht immer im Stande sind, einen strengen Causalnexus zu erkennen, der keine Ausnahmen duldet, sondern dafs auch sie sich begnügen müssen, Erscheinungen als unerklärt und unab- rechenbar in ihrem Eintritt hinzunehmen. Trotzdem wollen wir aus diesen Bemerkungen keine praktische Consequenz gezogen wissen, am allerwenigsten die, dafs wir nicht mit Helmholtz die „mathematischen Studien als die Repräsentanten der selbstbewufsten logischen Geistes- thätigkeit" ihren Einflufs auf die Schulbildung gestatten möchten und sie als nothwendige und willkommene Ergänzung der historisch-philolo- gischen ansähen. Einsichtsvolle Pädagogen wie Lattmann, 'Concentr.' S. 79 ff. 110, 127 f. betonen dies sogar ausdrücklich.

37) Am Eingehendsten hat sich über das Verhältnifs der allgemeinen Sprachwissenschaft zur Philologie geäufsert Schleicher, 'die deutsche Spr.' S. 118 ff., wo sich neben manchen richtigen und treffenden Ge- sichtspunkten auch manche schiefe und unhaltbare Behauptung ausge- sprochen findet, S c bleich e r's Gröfse beruht wahrlich weder in solchen all- gemeineren Betrachtungen noch in seinem Materialismus, aber wir können ihm widersprechen, ohne ihn darum zu verunglimpfen. Der dort u. A. aufgestellte Vergleich des „Glottikers" als des Naturforschers mit dem Botaniker und des Philologen mit dem Gärtner hinkt stark und wird von letzterem als wenig schmeichelhaft mit Grund abgelehnt werden dürfen. Noch mehr befremdet die Behauptung, nur der Sprachwissen- schaft sei die Sprache Selbstzweck. „Der Philologie aber etwa nicht?" fragt mit Recht dagegen Stein thal, 'Philol., Gesch. u. Psych.' S. 21, der dort überhaupt Schleich er's betreffende Auseinandersetzung einer scharfen Kritik unterwirft. Weiter gehende sprachwissenschaftliche Studien hat wohl auch Pott nicht von dem Philologen verlangt, wenn er 'die Sprachverschiedenheit in Europa, an den Zahlwörtern nachge- wiesen, Halle 1868' S. 4 klagt : „Oder wäre es denn eine Unwahrheit zu behaupten, wie man selbst im Kreise derjenigen, welche doch täglich gleich uns Sprachforschern von Fach wenn schon nicht in der näm- lichen Weise mit Sprachen Umgang zu pflegen haben (natürlich können nur die Philologen gemeint sein) jenseits Alles dessen, was die Rede Grie- chenlands und Roms betrifft, ja auch innerhalb, noch häufig auf eine schwer zu rechtfertigende Unkenntnifs, ja selbst nicht selten auf gänz- liche Interesselosigkeit stöfst mit Bezug auf Sprachen- und Völkerverhält- nisse auch nur in unserm Europa?"

38) Männer, die wie Bopp, Pott und Schleicher alle indogerma- nischen Sprachen mit gleicher Meisterschaft umfassen, werden für die

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Zukunft immer seltener sein. Darum hat auch eine Generation jüngerer Gelehrte! sich In Schleichers Erbschaft mehr getheilt und treibt von verschiedenen Standpunkten aus sprachvergleichende Studien. Zur Basis wühlten das Sanskrit Delbrück in Jena und W indisch in Leipzig, der zugleich das Altirische in den besonderen Bereich seiner Studien gezogen hat, das Germanische in weitestem Umfange W. Seh er er in Wien, das Litauische und Germanische Johannes Schmidt in Bonn, das Siavische Leskien in Leipzig. Uebrigens ist die gleichmäfsige Kenntnifs aller indogermanischen Sprachen bei etymologischen Fragen, wo vielfach nicht immer (vgl. Anm. 40) das Lexicon für die Geschichte einer Wortform genügendes Material liefern kann, minder schwierig als da, wo es sich um die Verfolgung complicierter grammatischer Pro- bleme und um Beherrschung des gesammten Formenschatzes einer Sprache bis ins Einzelne handelt. Darum konnte ein jüngerer Schüler Th. Benfey's, Aug. Fick in seinem 'vergleichenden Wörterbuch der indogermanischen Sprachen, 2. Aufl., Göttingen 1870/71' eher die Gesammtheit aller dieser Sprachen umfassen, während ein anderer, Leo Meyer, in seinen gram- matischen Schriften zur Vergleichung deren zunächst nur drei oder vier (Sanskrit, Griechisch, Lateinisch und eventuell Gothisch) heranzog. Wer demnach das Griechische und Lateinische zum Ausgangspunkt seiner comparativen Studien macht, wird schon durch die Gröfse des Stoffs sich nothgedrungen auf diesen engeren Kreis hingewiesen sehen. So hatte auch G. Curtius in seiner ersten gröfseren Schrift : 'die Bildung der Tempora und Modi im Griechischen und Lateinischen, Berlin 1846', zunächst nur das Sanskrit heranzuziehen nöthig, um die Formenbildung der beiden classischen Sprachen in dem neuen Lichte der vergleichen- den Betrachtung zu zeigen. Dieser engere Kreis ist dann aber auch nicht so grofs, dafs er sich nicht bis zu einem Grade beherrschen liefse, wel- cher zum Verständnifs der Ergebnisse neuerer Sprachwissenschaft voll- kommen ausreicht. Schon die griechische und lateinische Formenlehre an sich läfst sich in einer Art darstellen, die von selbst in die Betrach- tungsweise der vergleichenden Grammatik einführt, ohne eine ausgedehnte Kenntnifs der verwandten Sprachen vorauszusetzen. Wenn aber auch wirklich unsere studierende Jugend sich die Elemente des Sanskrit und allenfalls noch des Gothischen aneignet, so führt dies von den eigentlich classisch-philologischen Studien nicht weiter ab als etwa Vorlesungen über besondere Abschnitte aus der neueren Geschichte, der Philosophie, Nationalökonomie oder sonstige propädeutische Collegien, dergleichen namentlich auf gröfseren Universitäten oft genug gehört werden. An- dererseits ist nicht zu übersehen, dafs auch die Elemente des Sanskrit jetzt von Orientalisten, die mit der neuesten Entwickelung der Sprach- wissenschaft fortgeschritten sind, in einer dem allgemeinen Verständnifs näher liegenden Weise zu lehren sind, als es Bopp selbst auf den ersten Wurf gelingen konnte. Daher wird dem Einzelnen weder zu Viel noch

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eine Zersplitterung seiner Kräfte zugemuthet, die ihn das wahre Wort des Seneca fürchten lassen könnten : nusquam est qui ubique est.

3e) Daraus ergiebt sich, dafs jene drei grofsen Errungenschaften der Wissenschaft auch andern Gebieten der classischen Philologie zu Gute gekommen sind, und man braucht blofs daran zu erinnern, welchen Ge- winn die historisch-antiquarischen Studien aus der Bearbeitung der In- schriften gezogen haben. Mit welchen Entdeckungen auch nach dieser Seite hin „der Retter des Plautus" die Wissenschaft bereichert hat, ist hier nicht zu erörtern, nur in Bezug auf die sprachwissenschaftlichen Ergebnisse seiner Studien mag in der Kürze auf die dankenswerthe Zu- sammenstellung verwiesen werden von 0. Ribbeck, 'über Ritschl's Forschungen zur lateinischen Sprachgeschichte', Jahrb. f. Philol. u. Päd. 75 (1857) S. 305 ff., 77 (1858) S. 177 ff. Seitdem ist Ritschi mit ungebrochener Kraft und jugendlicher Frische auf diesem Gebiete thätig gewesen, und eine neue Zusammenstellung würde eine neue Reibe nicht minder wichtiger Ergebnisse seiner Forschungen zu verzeichnen haben.

40) Darauf habe ich bei einzelnen Fällen dieser Art mir hinzuweisen erlaubt in Curtius' 'Studien zur griech. u. lat. -Gram. III (Leipz. 1870)' S. 342 f. und in Ritschl's Ada societ. philol. Lips. I (Lips. 1871) S. 77 f.

41) Die Ausdrücke „historisch-kritisch" und „historisch-comparativ" sind absichtlich gewählt, weil beide Richtungen der grammatischen Forschung, jede in anderer Beziehung aber beide mit gleichem Recht, beanspruchen , für historisch zu gelten. Ohne hier die wechselseitige Berechtigung weiter zu prüfen, sei es nur erlaubt, ihr Zusammenwirken an zwei Beispielen zu erläutern. Die vergleichende Grammatik hatte gefunden, dafs der im Lateinischen noch erhaltene aber im Griechischen abgestorbene Casus des Ablativ's, wie das Sanskrit und Zend noch deut- lich zeigten, auf einen T-Laut geendigt haben müsse und erlaubte sich diesen Rückschlufs auf das Lateinische , auch ohne einen concreten Fall der Art nachweisen zu können. Auf der andern Seite hatte man längst auf d auslautende Wortformen im Latein selbst kennen gelernt, und namentlich lieferten die immer mehr herangezogenen Inschriften eine Reihe sicherer, unantastbarer Beispiele (der Senatsbeschlufs über die Bacchanalienverschwörung aus dem J. 186 v. Chr. hat deren allein 17), aber erst Grotefend, mag ihn schon das Oskische darauf geführt haben oder nicht, gelang es im J. 1826, die für die Casusbildung bedeutsame Erkenntnifs anzubahnen, dafs jenes früher sogenannte „paragogische" d nur dem Ablativ zukomme und dafs die Grundform dieses Casus ur- sprünglich allgemein so im Lateinischen ausgelautet habe, mithin überall jenes ursprüngliche d abgefallen sein müsse. Dafs keine dieser beiden Erkenntnifsweisen der andern für die Sicherstellung der angeführten Thatsache bedurft hätte, ist gewifs, aber durch ihr Zusammentreffen wurde diese zu um so gröfserer Evidenz erhoben. Vgl. besonders Ritschi»

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'neue plautin. Excurso I (Leipz. 1869)' S. 1 ff. Trotz alledem konnte noch 1845 Fr. Osann in seiner commentatio grammalica de pronominis tertiae pers. i's, ea, id formt» (Gottingae) p. 26 jene Annahme für durch- aus unwahrscheinlich erklären, so dafs Curtius in der Zeitschr. f. Alterthw. 1846 S. 751 ff. auf dio Frago ausführlich eingehen mufste, worauf weitere Erörterungen in der Beilage z. d. Zeitschr. Nov. 1846 folgten. Diese Polemik ist wohl geeignet, in die Anschauungsweise jener Zeit einzuführen, und es ist um so weniger (überflüssig, hier daran zu erinnern, als jener Stand- punkt leider noch keineswegs völlig überwunden ist, namentlich nicht von denjenigen „Philologen", die sich mancher unbequemen Erörterung ähnlicher Art dadurch entziehen möchten, dafs sie mit affectierter Ge- ringschätzung die sprachvergleichenden Studien als nicht zur Philologie gehörig abzuweisen suchen.

In anderer Weise dienten einander beide Kichtungen in folgendem Fall zu Ergänzung. Schon längst hatte man bemerkt, dafs die Präposi- tion con in gewissen Zusammensetzungen ihr n einbüfse, aber dafs dies vor anlautenden n geschähe, schien aller Analogie und aller ratio zu widersprechen. Nun ergab gleichwohl eine nähere hier nicht weiter zu characterisierende Untersuchung, dafs die vier Wörter co-neclere , co-nüi, co-nivere und co-nubiiim in classischer Zeit nie anders als mit einfachem n geschrieben worden waren , worin , so unwesentlich es dem Laien erscheinen könnte , doch alsbald eine werthvolle sprachgeschichtliche Thatsache erkannt wurde. Es zeigten nämlich die inzwischen aus Glossen herangezogenen Formen gnixus und gnüus, dafs mindestens zwei jener Wörter einen Guttural vor ihrem n eingebüfst hatten, und dafs mithin das n der Präposition nicht vor einem andern n sondern vor jenem g ausgefallen war, wofür sich sofort eine Reihe von Analogien anführen liefs. Vgl. Ritschi, opusc. philol. II 448 ff. Weiter konnte man aber auch auf diesem Wege nicht gelangen, während doch die ratio noch nach zwei Seiten hin zu weiterer Verfolgung einlud. Einmal nämlich war jetzt der etymologischen Deutung jener Wörter eine feste Handhabe durch die Erkenntnifs geboten, dafs zwischen den beiden n (der Präpos. und des Anlauts) ein anderer Consonant ausgefallen sein müsse (ob überall g, ist wieder eine andere Frage), sodann war der lautliche Vorgang selbst von Interesse, weil er sich unter die oben Anm. 28 berührte weitver- zweigte Erscheinung der sogenannten „Ersatzdehnung" einreiht. Warum also gerade der Nasal in dieser Weise verloren gieng, warum gerade vor g und nicht ebenso leicht vor n , wie überhaupt dieser Procefs vor sich gieng, dies sind Fragen, welche die frühere Grammatik nicht einmal zu stellen, geschweige denn zu beantworten verstand, deren Tragweite aber für die Lautlehre und Formenbildung heutzutage Niemand mehr verkennen darf. Vgl. Brugman a. a. O. 105 ff. Das Einzelne dieser weitschich- tigen Untersuchungen hier zu verfolgen, würde zu weit führen, die gege- benen Andeutungen mögen genügen, um zu zeigen, wie auch hier zwei ver-

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schiedene Richtungen der Forschung trotz mannigfacher Gegensätze ein- ander fördern und unterstützen^können. Vielleicht wird einst die Geschichte der Wissenschaft die Bedeutung auch dieser Gegensätze für die fort- schreitende Erkenntnifs der Wahrheit ähnlich zu verzeichnen haben, wie dies für die verschiedenen Ansichten von der Sprache überhaupt sehr richtig gezeigt hat L. Lange, 'die Bedeutung der Gegensätze in den Ansichten über die Sprache für die geschichtliche Entwickelung der Sprachwissenschaft, Giefsen 1865.'

42) Seine Ansichten darüber hat Curtius zuerst dargelegt in der Schrift 'die Sprachvergleichung in ihrem Verhältnifs zur classischen Philologie, 2. Aufl. Berlin 1848\ worin auch eine gedrängte Schilderung der Methode der vergleichenden Grammatik und eine kurze Zusam- menfassung der bis damals erreichten Hauptresultate gegeben wird, später in seiner Leipziger Antrittsrede 'Philologie und Sprachwissenschaft, Leipzig 1862', mit deren Auffassung wesentlich übereinstimmt K. Sehen kl, cWerth der Sprachvergleichung für die classische Philologie, Graz 1864.' Aufserdem hat sich Curtius über principielle Fragen in seinen Schriften oft genug ausgesprochen und durch diese selbst gezeigt, ein wie grofser Gewinn der Grammatik der classischen Sprachen aus der neuen Methode erwächst. Dafür sprechen auch die von ihm mehr oder minder beein- flufsten Arbeiten Anderer, besonders diejenigen, welche unter dem Titel 'Studien zur griechischen und lateinischen Grammatik, Leipzig 1868 ff' (bis jetzt vier Bände) alljährlich erscheinen. Der Hinweis auf die von Curtius verfafsten und angeregten Schriften kann zugleich als Erläuterung zu dem dienen, was oben S. 24 über die Schwierigkeit, gewisse Grenzlinien nach den verschiedenen Seiten zu finden, gesagt worden ist und was sich natürlich zunächst auf die rein wissenschaftliche Forschung bezieht. Dafs daraus keinerlei praktische Consequenzen zu ziehen seien, lehrt schon Anm. 38. Nachdem übrigens bereits 1850 die elfte Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Berlin (vgl. Verb. S. 18) aus Böckh's eignem Munde die unumwundene Erklärung hatte hören können, dafs „sich bei dem gegenwärtigen Stand der Sprach- forschung die Grammatik der classischen Sprachen nicht mehr der Ver- bindung mit der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen entschlagenu könne, haben inzwischen auch andere Vertreter der classi- schen Philologie an deutschen Hochschulen von selbst das Bedürfnifs gefühlt, der vergleichenden Grammatik näher zu treten, freilich in sehr verschiedener Weise und mit sehr verschiedenem Erfolg. So sind Schweizer -Sidler in Zürich, Sehen kl in Graz, Christ in München, Jülg in Innsbruck, Kvicala in Prag, Ludwig in Prag, Grasberger in Würzburg, Herzog in Tübingen zu nennen, manche haben sich auch aus äufseren Anlässen von dieser Richtung, nachdem sie dieselbe, wie L. Lange in Leipzig und Schwabe in Dorpat, mit entschiedenem Erfolg

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eingeschlagen hatten, mehr anderen Aufgaben zugewandt, wiederum ha- llen solche, deren Arbeitsfeld sonst ein anderes ist, da, wo sie den Ergeb- nissen der vergleichenden Sprachforschung begegnen inufsten, dieselben wenigstens gebührend berücksichtigt, wie Buche ler in Bonn und neuer- cings Hartel in Wien, beide für ganz verschiedene Gebiete. Die näch- ste Entwickelung der classischon Philologie mag zeigen, von welcher Bedeutung diese Bestrebungen für ihre Zukunft und ihr ferneres Gedeihen sein werden.

Druck von Wilhelm Keller in Üiefaen.

In gleichem Verlage sind erschienen:

L 1. Agamemno. 24 Ngr. I 2. Choephori. 20 Ngr. I 3. Eumenides. 20 Ngr. II 1. Septem contra Thebas. 20 Ngr. II 2. Prometheus vinctus. 20 Ngr. II 3. Supplices. 20 Ngr. II 4. Persae. 20 Ngr. Benloew, Louis, recherches sur lorigine denoms de »«mbw japhetiques et semitiques. gr. 8. 18b 1. M JMg

Catdli, G. Valeri, über. Ludo v. Schwabin. recognovit et enarravi, vol. I, pars 1. Etiam sub t.t. : Lndov. Schwabii quaestionum Catullianarum hber 1. gr. 8.

18fi2 RtWr-

_ __ vol. II, pars 1. 1866. Ethlr. L 20 Ngr.

Clemm, Vil, de compositis graecis quae a verbis incipjunt.

Dissertatio iuaugurahs. gr. 8. lötW. 8

Fritscta, F. A., de casuum obliquorum origine et natura

deque genitivi singul. numeri et ablativi graecae lat,-

naeque declinationis conformatione Dissertat.o. gr 4.

1845 5 Ngl''

_ Philologiscbe Stadien. L Bd. A. n. d. T. : Vergla- sende Bearbeitung der grieehisehen und late.mscheu Partikeln. I. Theil. Die Adverbien, gr. 8. 18ob.

Rthlr. 1. 10 Ngr. _ II Bd. A. u. d. T. : Vergleichende Bearbeitung etc. II Theil. Die Präpositionen, gr. 8. 1858.

Rthlr. 1. 20 Ngr.

Hainebach, J. H, de graecae linguae reduplicatione praeter perfectum. Dissertatio scholastica. gr. 4. VW v 10 Ngr.

Haupt, R., de perfecti plusquamperfecti futurl exacti usu Euripideo. gr. 8. 1867. 12 Ngr.

üilttcrbetf, Wliton, bie greunbe ^tnbarS. (Sin Vortrag, gr. 8. 1865. 10 «Rgr.

0 salin, Fr., Anecdotum romanum de notis veterum eriticis inprimis Aristarchi Homericis et Iliade Heliconia ed. et commentariis illustravit. gr. 8. 1851. Rthlr. 2. 10 Ngr.

Rieger, M., zur Kritik der Nibelunge. gr. 8. 1855. Kthlr. 1.

alt- und angelsächsisches Lesebuch, nebst altfriesischen

Stücken. Mit einem Wörterbuche, gr. 8. 1861.

Kthlr. 2. 20 Ngr.

das Leben Walters von der Vogelweide, gr. 8. 1863.

15 Ngr.

Suetonii Tranquilli, C, de grammaticis et rhetoribus libelli ex ejusdem opere de viris illustribus superstites. Ad fidem codd. recensuit et adnotatione critica instruxit Frdr. Osannus. gr. 8. 1854. Rthlr. 1.

Thudichum , Fr., der altdeutsche staat, mit beigefügter Uebersetzung und erklärung der Germania des Tacitus. gr 8. 1862. Rthlr. 1. 10 Ngr.

Wahrmund, Ad., praktisches Handbuch der neu-arabischen Sprache (1. Theil : Grammatik; 2. Theil : Gespräche und Wortsammlung ; 3. Theil : Lesebuch). gr. 8. 1861. Rthlr. 4.

Schlüssel dazu. gr. 8. 1866. Rthlr. 1. 10 Ngr.

praktische Grammatik der osmanisch-türkischen Sprache

(1. Theil : praktische Grammatik; 2. Theil : Gespräche und Wortsammlung; 3. Theil : Lesestücke), gr. 8. 1868. Rthlr. 5. 10 Ngr.

Schlüssel dazu. gr. 8. 1868. 20 Ngr.

Weihrich, F., de gradibus comparationis linguarum sanscri- tae graecae latinae gothicae. gr. 8. 1869. 16 Ngr.

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MAR 12 1907

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