*i& ■ H mmm SmWB H i* wi^ tM/ustrwm CoTvvara tive- fi, *fa/f< ,\ / 7 // x/1^ ryl*~t*i *^>cS X 1. 5. 6. Ueber den Tastsinn der Schlangen; als Specimen einer Anatomie und Naturgeschichte der deutschen Amphibien, Von August Hellmann. ummi» jh> tm — — Mit einer Kupfertafel. Göttingeri in. der Dieterioh sehen Buchhandlung. i^7- WCZ l HARVARD UNlVERolTY CAMBRIDGE. WA ÜSft Seinen theuern Lehrern Herrn Obermedicinalrath Ritter BLUMENBACH Herrn Professor HAUSMANN Herrn Cammerrath RITZ au Gotha * als ein Zeichen der innigsten Hochachtung Liebe und Dankbarheit 6 «widmet von dem Verfasser. •; zu erleichtern, sind noch einige andere Organe und Vorrichtungen vorhanden, die in sofern hier betrachtet werden müssen, da sie einen mittelbaren Ein- flufs auf die Bewegung der Zunge DD D haben. Hierhin gehören zuerst drey «CÄffe si Drüsen » , deren gröfste der Länge nach auf der vordem Fläche der Zun- eenscheide ruht, und deren Ausfüh- runffs^ans nahe an der Mündung der Scheide sich öffnet, und dorthin die in der Drüse secernirte speichelartige Feuchtigkeit ergiefst. Die biiden an- dern dieser Drüsen liegen neben dem vordem Ende der Scheide zu beiden Seiten derselben, sie sind der beschrie- benen in Hinsicht der Farbe und Tex- tur gleich, aber von mehr rundlicher Form und bey weitem kleiner. Wie es scheint ergiefsen auch sie eine ähn- liche Feuchtigkeit wie die vorherge- hende kurz vor die Mündung der Zun- genscheide. Durch die aus diesen drey Drüsen ergossene Feuchtigkeit wird der Weg für die Zunge gleichsam schlüpf- rig gemacht , und ihr schnelleres Her- * Weder Herr Prof. Cnv^H in seiner verglei- chenden Anatomie, noch Heir Prof. Tikde» mann in feiner Schrift über die Speichel- drüsen der Schiargen, lubsn dieser Drü&sn erwähnt. austreten aus der Scheide dadurch wahr- scheinlich befördert. Zur Erleichterung des Hervortretens der Zunge aus der Mundhöhle aber dienen zwey andere Vorrichtungen, wo- hin zuerst der Umstand gehört, dafs die Unterkieferluioehen nicht wie bey andern Thieren am Kinn sich vereini- gen, sondern durch einen weiten Zwi- schenraum von einander getrennt sind, -wodurch die Zunge bey ihren schnel- len öftern Bewegungen nicht der Ge- fahr der Verwundung an den scharfen Zähnen ausgesetzt wird, und welche Einrichtnng vorzüglich noch zur Er- weiterung des Rachens beyni Verschlin- gen gröfserer Beute dient. Aulserdem hat nun noch das Rüssel- schild (das vorderste Schild von den Bedeckungen der obern Kinnlade) an seiner untern Seite einen bogenförmi- gen Ausschnitt, wodurch, wenn der Mund minder fest Geschlossen ist, immer eine kleine gewölbte Oeffnung übri CT D bleibt, die der Zunge den Durchgang gestattet, ohne dafs das Thier erst ie- desmahl den Mund zu öffnen genöthigt ist. Freilich verschwindet auch diese Oeffnung, wenn die Kiefern fester an einander gedrückt werden , aber im Zustand der Ruhe ist sie beständig; sichtbar *. So hätten wir denn bev diesen Thie» ren die Zunge als ein höchst bewegli- ches Organ kennen gelernt, wenn wir aber die Menge der Nerven betrachten, die nach ihr und den sie bewegenden Muskeln hingehen, müssen wir auf die Vermuthung gerathen, dafs sie auch in eben dem Mafse, wie sie beweglich war, empfindlich sey, welches die Er- fahrung auch hinlänglich bestätigt. Vier starke Nervenäste gehen auf je- der Seite nach der Zunge und ihren • Sehr schön zeigte sich dieser Ausschnitt bey der eben erwähnten Boa, aber am ausgezeich- netsten und liefsten fand ich ihn bey Colu* ber nasutus L. • 84 &j Eewegungsmuskeln. Sie kommen alle von einem Nerven, der an der hin- tern Seite des Schädels zum Vorschein kömmt, bald nach seinem Heraustreten aus der Hirnhöhle zwey Aeste abgiebt, wovon einer in die Knochen der Unter- kinnlade hin eindringt und der andere neben der Jugularvene am Halse hinab- läuft. Der Hauptstamm aber tritt unter dem Masseter hervor, läuft nach dem Kinne aufwärts und giebt auf diesem Wege drey Aeste ab , wovon die zwey untersten in die Muskeln der Zun°e p selbst hineingehen, der weiter nach vorne liegende aber zu der Zungen- scheide hinläuft *. Ist der Nerve nach allen diesen Vertheilungen bis in die Gegend gekommen , wo der Unterkie- ferknochen aus zwey Theilen zusam- * Aufser diesen Nervenästen gehen vom Haupt- stamm noch zwey andere zwischen dem zwey- ten und dritten der oben genannten Acste ab und laufen nach dem Larynx und den Mus- keln, welche diesen und die Luftröhre zu lieben bestimmt sind. mm £ 5 mengesetzt erscheint, so kämmt auf dieser Stelle jener Ast, der. den Zun- n-ennerven gleich nach seinem Austritt aus der Hirnschale verlief?, wieder zum Vorschein, beide vereinigen sich hier und gehen gemeinschaftlich nach den Kieferzunrenmuskeln und in die oben beschriebenen Drüsen. Diejenigen Nervenäste, die in die Zun^e selbst hineintreten, laufen in derselben vorwärts, lassen sich, ob sie «leich durch Abgabe von Seitenästen auf ihrem Wege immer dünner werden, dennoch weit nach vorne hin mit dem Messer verfolgen , und scheinen erst in den äufsersten Spitzen der Zunge unter der hornartigen Bedeckung derselben als überaus zarte Fäden zu enden. Von gleicher Anzahl wie die Nerven sind, wie es scheint, die Blutgefäfse, die nach der Zunge ihren Bewegungs- muskeln und den Drüsen hingehen. Sie entspringen aus der Carotis, und die s>6 ^O^ zurückführende Venen nimmt die auf je- der Seite herablaufende Jugularvene auf. Soviel von der Struktur der Zun^e bey dieser Abtheilung von Schlangen; jetzt noch etwas über ihren Bau bey der zweyten Abtheilung — wo sie frey im Munde liegt. Wenn wir bey der ersten Abtheilung mit ziemlicher Gewifsheit annehmen konnten , dafs der Bau bey allen Arten, die zu ihr gehörten, derselbe sey , so müssen wir- im Gegentheii gestehen, dafs hier schon gröfsere Verschiedenheit, wenn auch vielleicht nicht im Gebrauch der Zunge, doch in Hinsicht ihrer Form und der Insertion ihrer Bewegungsmus- keln, bey den verschiedenen Gattungen der hierher gehörigen Geschlechter, statt zu linden scheint. So ist es z, B. be- stimmt, dafs bey einigen Arten des Ge- schlechts Anguis die Zunge, wie bey den Thiercn der vorhergehenden Ab- theilung gestaltet ist; dagegen ist sie OD ' O ft bey den mehresten platt, mit einem «SO* £ 7 kleinen Ausschnitt an ihrem vordem Ende versehen, wodurch sie in zwey kleine platte Spitzen getheilt wird ** In Hinsicht der Insertion und Lage der Muskeln welche die Zun7Q ^ÄCÄ^ \ die Autorität jener alten Narurforscher verleitet, während schon Severinus in seinem Werke de viperae natura etc. gerechte Zweifel gegen diese Meinung aufwirft. Er fragt unter andern, warum die Schlangenzunge, wenn sie aus- sen! iefslich zum schmecken dienen sollte, so agil sey und so oft in Schwingungen aufserhalb des Mundes gerathe ? und fügt dann hinzu, dafs sie zum Schmecken viel zu hart sey, dafs sie wegen ihrer Dünnheit zu viel schmeckbare Stoffe vorbeyfliefsen lasse u. s. w. Freylich ist die Meinung, die er dann über den, Gebrauch der Zunge aufstellt, eben nicht scharfsinniger als die, die er wi- derlegen wollte, denn er glaubt sie diene dazu, um durch ihre Schwingun- gen eine gröfsere Menge Luft — die Hauptnahrung der Drachen — herbey- zu wehen. Wenn wir aber das vom Severinus gesagte und das was wir immer beob- achten können zusammenfassen, so wer- *m& 39 den wir es bald höchst unwahrschein- Jich finden, dafs die Hauptbestimmung der Zunge bey diesen Thieren der Ge- schmack sey. Der Mangel der Ge- schmachdrüsen *, die Härte der Be- deckungen auf den Zungespitzen , der Mangel von Zähnen um die Beute zu zermalmen, und daher die Notwen- digkeit, diese ganz zu verschlingen, wobey noch überdies, wie ich oft ge- sehen habe, die Zunge um gegen alle Verletzung geschützt zu seyn bey ersten Abtheilung von Schlangen gewöhnlich tief in der Zungenscheide verborgen liegt ** — sind meines Erachtens hin- längliche Beweise für die Wahrheit je- ner Behauptung. * Cüvieb, Beckstein, Seetzen a.a.O. ** Vorzüglich, deutlich bemerkt man dieses Zu- rückziehen der Zunge , wenn die Schlangen eine gröfsere Beute verschlingen, und nur selten sieht man überhaupt während des Schlingens die äufsersten Zungenspitzen aus der Scheide hervorragen, welches vielleicht noch dazu unwillkübrlich durch das stärkere Herabziehen des Unterkiefers bewirkt wird. 40 «O^ Wollen wir aber dagegen annehmen, dafs sie hauptsächlich zur Ingestion diene, wie dieses bey vielen Vögeln und andern Thieren der Fall ist, so wird auch dieses — theils wegen ihrer Schwäche und zu grofsen Biegsamheit im Vergleich zu der Gröfse der Beute die oft verschlungen werden soll, theils dafs sie einen zu kleinen Theil der Mundhöhle zu diesem Entzweck, na- mentlich bey der eisten Abtheilung aus- füllt, theils wiederum endlich dadurch, dafs sie sich bey eben dieser Abthei- lung beym Schlingen in ihrer shützen- den Scheide verbergen liefs — mehr unwahrscheinlich als wahrscheinlich *. So bliebe denn für die Zunge keine andere der gewöhnlichen Funktionen dieses Organs, als die Bildung der * Bey mehrein Thieven der zweyten Abtheilung, wo die Zunge breit und flach ist, mag sie wohl beyläufig zur Ingpftion dienen, «Hein auch hier ist sie gewifs wicht ausschlicfs'ich dazu bestimmt , wie sich aus den folgenden ergeben wiiu. Stimme übrig. Aber auch dieses kön- nen wir unmöglich annehmen , wenn wir sehen, dafs viele Schlangen keine Stimme besitzen, und dafs sie da, wo sie sich bey diesen Thieren findet, kei- ner Modulationen fähig ist. Sie be- steht in einem blofsen eintönigen Zi- schen , das einzig durch die Glottis her- vorgebracht zu werden scheint, da es ohne merkliche Veränderung fortdauert, der Mund der erzürnten Schlange mag offen oder geschlossen , ihre Zunge mag zurückgezogen oder zu sehen seyn. Es mufs also, da die Zunge zu keiner von allen diesen Funktionen besonders bestimmt zu seyn scheint, noch eine andere da seyn, wenn wir nicht an- nehmen wollen dafs ein Organ, — welches die Natur bey den mehresten dieser Thiere mit so wesentlichen Ei- genschaften, mit so hohem Gefühl und so grofser Beweglichkeit ausgerüstet hat — umsonst vorhanden sey. — Und wirklich zu einem andern Gebrauch als 42 a«^ m den gewöhnlichen und oben an^eorehe- nen ist die Zunge bestimmt. Sie ist bey den Schlangen das Werkzeug jenes feinern Gefühls, das den Tlüeren zur ge- nauem ausdrücklichen Erforschung der sie umgebenden Körper dient" — oder das Werkzeug des Tastsinns "K — Dafs die- • Mehrere Naturforscher, unter ihnen auch Gm- tanber (Dess. Darstell, des DARWiNischen Syst. I. 125.) und neuerlich nach Herr Prof. Cüvitr (Dess. vergl. Anat. von Meckel IL 5740 glaubten bey den Schlangen den Tast- sinn in ihrem ganzen Körper zu finden, miß welchen sie sich um die zu untersuchenden Gegenstände herumschlängen. Allein dieses geschieht, abgerechnet die Schwierigkeit und Langsamkeit die eine solche Art die Körper zu untersuchen darbieten würde, aus ganz andern Motiven, als um die Formen dersel- ben kennen zu lernen. Die Schlangen , di© auf diese Art einen Gegenstand umfassen, thun dieses, um sioh entweder an demselben hinaufzuschlingen, oder ihn zu zerdrücken, oder sie wollen von andern Eigenschaften des umfafsten Körpers, von denen sie schon durch das blofse allgemeine Gefühl Vorstel- lungen erhalten — als von Feuchtigkeit, Wärme u. dergl, Vortheü ziehen. ses aber wirklich so sey, geht wie ich glaube deutlich genug aus den nun folgenden Beobachtungen hervor."! Wenn wir nehmlich die gezähmte, oder die ruhig fortschleichende Schlange in der Natur betrachten, so bemerken wir, dafs, indem sie vorwärts sich be- wegt ihre Zunge beständig in Action ist. Sie streckt dieselbe oft hervor, breitet die Spitzen, die sich dann ge- wöhnlich auf- und ab -bewegen, aus, und sondirt so mit diesen den Grund auf dem sie hingleiten will; gebraucht also ihre Zunge ganz auf eine ähnliche Art und zu gleichem Zweck, wie das Insekt seine Fühlhörner *. Stöfst nun die Schlange mit der Zunge gegen ei- nen Gegenstand so ändert sie ohne die- -sen vorher mit einem andern Theile ihres Körpers berührt zu haben ihre Richtung und findet, obgleich wegen * Snoch neue Beytrage zur Insectenkunde I. pag. 33. Lehmann de antennit insectorura. Dies. II. pag. 56. 44 ^O^ den Mangel hervorstehender Bewe- gungsorgane an den Boden gefesselt und der Fähigkeit beraubt ihre Aujren nach vorne und unten wenden zu Kön- nen durch ein Labyrinth von Gegen- ständen , ohne sich zu verletzen ihren Weg *. Langsamer sind, wie wir schon oben aus der ganzen Vorrichtung ihres Baues sahen , die Bewegungen der Zunge bey der Blindscleiche, aber auch nicht zu vergleichen sind die langsamen Bewe- gungen des ganzen Thieres mit der Schnelligkeit der übrigen von mir be- obachteten Schlangen. Vielmal öffnet dieses Thier den Mund und streckt die # Auch die graue Eidechse» Lacerta agilis, deren Zunge in Hinsicht ihrer Bildung viel Aehn- lichkeit mit der Schlangenzunge bat — ge- braucht dieselbe, wie es scheint, als Tast- organ ; ganz auf ähnliche Weise wie die Schlangen. Dieses bemerkt man jedoch nur deutlich, wenn mann das ruhig fortgehende Thier, in seiner natürlichen Freyheit beob- achtet. *&ZX& 45 kurze Zunge hervor ehe es eine kleine Strecke durchgangen hat. Eben so wie es sich mit der Zunge beym fortschleichen der Schlange auf dem Boden verhält, verhält es sich auch mit ihr beym Schwimmen. Oft habe ich diese Bemerkung in der Natur ge- macht und gewifs hat Jeder der dazu Aufmerksamkeit und Gelegenheit hatte gleiches gesehen. So oft nehmlich die Riegelnatter (C. Natrix) durch Teiche und Flüsse zu schwimmen genöthigt ist, streckt sie beständig, fast ununter- brochen ihre Zunge hervor. Sehr schön bemerkt man dieses namentlich an Tei- chen in deren Nähe sich diese Schlange oft häufig aufhält und sich jedesmahl dadurch vor ihren herannahenden Fein- den rettet, dafs sie sich schnell ins Wasser wirft, eine Zeitlang auf dessen Oberfläche fortschwimmt dann gewöhn- lich plötzlich untertaucht — um auch den Blick ihrer Verfolgers zu entgehn — und so unter dem Wasser nach 46 <^0^ derselben Stelle von wo sie ausging zurückkehrt, oder ein anderes nahes Ufer zu erreichen sucht um sich so- gleich in eine Höhle zu verbergen. Schon wenn sie auf der Oberfläche des Wassers schwimmt ist ihre Zunge in beständiger Bewegung und weit her- vorgestreckt; aber noch mehr bemerkt man ihre Thätigkeit, wenn man die tratet dem Wasser nach dem Ufer zu» rückkehrende Schlange betrachtet und sieht, wie sie sich in dem ungewohn- ten Element — in welchem sie dop* pelte Vorsicht zu gebrauchen scheint — - ohne sich zu verletzen oder auch nur anzustofsen mit Hülfe dieses Tastor- gans zwischen einer Menge von Ge- genständen hindurch zu ihrer Höhle zu finden weifs *. * So suchen auch auf gleiche Weise Schlangen, welche man in Wasser oder Weingeist er- tränken will mit ihrer Zunge überall an den Wänden des Glases noch einen Ausweg und selbst die Blindschleiche gebraucht dabey ihre Zunge sehr häußg. ^CitP 47 Aber noch deutlicher, als auf diese Art zeigt es sich, zu welchem Gebrauch die Zunge bey den Schlangen haupt- sächlich bestimmt sey, wenn man sieht wie sie Oeffnungen — theils um sich zu verbergen, theils um sich, wenn sie eingeschlossen sind, aus ihrem Ge- fängnisse zu befreyen — mittelst die- ses Organs zu erforschen suchen. Auf eine ausgezeichnete Weise sah ich dieses bey mehrern Schlangen, die ich in grofsen Gläsern zu verschiedenen Zwecken lebendig unterhielt und bey denen ich bemerkte, dafs sie oft, wenn ihnen ihr Kerker lästig zu werden an- fing, auf den hintern Theil ihres Lei- bes gestützt sich erhoben mit der Zunge rundherum den Rand der Oeffnun0, des Glases befühlten, überall da, wo der Deckel des Glases nicht genau anschlofs, ihre Zunge weit hervorstreckten und dieselbe in grofsen Schwingungen auf und ab bewegten; gleichsam als woll- ten sie den Raum erforschen und mes- 48 ^^ sen der auf diese Ritze folgte. Dann bemühten sie sich die OeiFnung zu er- weitern und wenn ihnen dieses gelang, bo^en sie die weit hervor ^O^ sehen, gegen die Berührung harter Körper sehr empfindlich. Langsam be- wegte sich jetzt die sonst sehr mun- tere Schlange, streckte dabey häufig die Zunge hervor und richtete sie jetzt nicht mehr blos nach vorne und unten, sondern bog sie auch öfters nach der empfindlichen , aber erblindeten Seite hin , um dort schmerzhaftes Anstofsen zu verhütem » — Doch nicht erst im Verlaufe des Le- bens lernt die Schlange ihre Zunge als Tastorgan gebrauchen , sondern sie ge- braucht dieselbe auf die beschriebene Weise schon von dem Moment an , wo sie freyer Bewegungen fähig wird. Auf eine ausgezeichnete Weise habe ich dieses im verflossenen Spätherbst gesehen, wo eine eingefangene Blind- schleiche noch unerwartet zwölf Jun^e gebahr. Zufällig bemerkte ich das Ge- bähren des in einem Glase ein^eschlos- senen Thieres , und sah wie jedes der eben gebohrenen Jungen bey noch halb- GX3G* 5l verschlossenen Augen mit Hülfe der Zunge einen Weg unter das Moos suchte, worauf die Mutter lag. Aber nicht allein bey der fortschrei- tenden Bewegung dient die Zunge als Lenkerin, sondern sie spielt auch beym Fange des Raubes und bey der Verthei- digung eine nicht unwichtige Rolle, Wenn nähmlich die auf ihren Raub lauernde Schlange das Opfer ihrer Be- gierden erblickt und dieses sich ihr zu nähern anfängt, so bemerkt man, in- dem sie alle Aufmerksamkeit auf jenes wendet, auch die beständige Agilität der Zunge. Kaum aber ist die Beute nahe genug herbey gekommen, oder die Schlange hat sich derselben so sehr ge- nähert, dafs sie diese erreichen kann, so schiefst sie noch einmahl schnell ihre Zunge hervor, berührt damit das erschrockene Thier und ergreift es, in- dem sie die Zunge wieder zurückzieht, mit ihren scharfen Zähnen. Da 5a ^OP* Oft ist dieses Hervorstrecken der Zunge beym Fang der Nahrung be- merkt worden, .und man hat zuweilen die Vermuthung aufgestellt , als ge- schehe es, um die Thiere, welche die bewegte Zunge für ein Insekt halten sollten , dadurch zu täuschen. Dieses wird unter andern namentlich in Wolfs deutscher Fauna von Coluber Ammodytes erzählt, der sich dieses Kunstgriffs be- diene, um Motacillen zu fangen. Da wir aber annehmen können , dafs diese scharfsehenden Vögel — die oft vom höchsten Baume herab ein kleines In- sekt auf der Erde bemerken — gewifs auch die Schlange nicht übersehen wer- den, die durch ihre Zunge sie zu täu- schen sucht, so würde diese letztere durch diesen Kunstgriff wohl schwer- lich zu einer Beute gelangen. Es scheint daher vielmehr, als ob auch diese Erscheinung, dafs nähmlich die erwähnten Vös;el sich ihrem gefähr- liehen Feind aus eigenem Antriebe nä- hern , jener bis jetzt im Ganzen noch unerklärten magnetischen Zauberkraft, die wir an mehrern Raubthieren , na- mentlich aber bey vielen Schlangen, auf eine ausgezeichnete Weise erblicken, zu- zuschreiben sey. Die genannte Schlange, die nun jene Zauberkraft gleichfalls besitzt, sieht den seinem Verderben un- aufhaltsam zueilenden Vogel , folgt mit starr auf ihn gehefteten Augen jeder sei- ner Bewegungen, und schiefst, dabey beständig die Zunge hervor, um ja kei- nen günstigen Augenblick zu dessen Ergreifen ungenützt vorübergehen zu lassen. Ganz auf eine gleiche Weise, wie wir hier gesehen haben , verhält sich die Zunge der Schlangen bey der Vertei- digung. Sie berühren , indem sie zu- fahren, den Gegenstand den sie ver- wunden wollen erst schnell mit der Zunge , ziehen diese zurück und beifsen fast in demselben Moment. Gut kann dieses an der giftigen leicht zu erzür- 54 *®3& nenden Vipera Berus beobachtet werden, an der es auch schon La Cepede * und andere Naturforscher bemerkt haben **. * Dcss. Naturgeseh. der Amphibien , übers, von Bbchstein. T. III. psg. 160. #f Dafs dem Bifs jenes Berühren mit der Zunge vorangeht, sieht man am besten bey frisch eingefallenen Schlangen, wo sie noch Muth und Wildheit besitzen. Sehr deutlich habe ich es oft bey der erwähnten VipeTa Berus gesehen. Wenn ich mich nahm lieh dem Glase näherte , in welchem frisch eingefangene Schlangen dieser Art eingeschlossen waren, iiengen sie an abwechselnd bald zu zischen, bald die Zun^e hervorzustrecken. Brachte ich nun einen Finger an die äufsere Wand de» Glases oder in die Nähe desselben, so Heng die Schlange — indem sie sich unter bestän- digem Züngeln langsam, gleichsam hinter« listig, jener Steile näherte — die Giftzähne zu heben an, und bifs indem Augenblick wo die Zunge das Glas berührte, in der Meinung, die vorgehaltene Hand zu verwunden. Doch kaum hatte ich diesen Versuch einigemahl mit der Schlange wiederhohlt, so näherte sie sich zwar, zog sich aber, nachdem sie das Glas be- rührt hatte, zurück, ohne zu beifsen , und that dieses nur dann noch, wenn ihr ein schick« lieber Körper unmittelbar vorgehalten wurde. ^O^ 55 Bey dieser und den Schlangen über- haupt hat dieses Hervorschiefsen der Zunge luirz vor dem Beifsen zu dein alten auch noch jetzt bey Unerfahre- nen herrschenden Vorurtheil — dafs die Schlangen mit ihrer Zungenspitze ver- wundeten — Anlafs gegeben Man sähe, dafs Berührung mit der letztern und Bifs fast in einem Augenblicke erfolgte und schrieb die Wirkung dieses jener zu, Nothwendig aber wird dieses Be- ruhten der Beute und der vorliegenden Gegenstände überhaupt, vorzüglich da- durch, dafs die Schlangen ihre Augen, wie schon oben erwähnt wurde, nie gerade nach vorne zu richten im Stande sind. Sie müssen daher kleine Gegen- stände die in eben der Richtung sich ihnen nähern, entweder gar nicht mehr oder doch nur $ehr undeutlich erblicken, und sie mögen, wie es mir scheint, wegen eben dieser Lage der Augen, nicht im Stande seyn, die Entfernung zu er- mäfsigen, in der ein Körper der gerade 66 G&K& vor ihnen liegt, sich befindet. Sie wür- den daher beym Fang der Beute diese oft verfehlen oder andere Gegenstände als sie ergreifen, hätte ihnen nicht die Natur ein Organ gegeben, durch wel- ches sie sich im Moment des Ergrei- fens noch einmahl von der Nähe des erwünschten Gegenstandes überzeugen könnten #. Wenn wir aber endlich alles das Ge- sagte noch einmahl zusammenfassen, wenn wir den Bau der Zunge betrach- ten, wenn wir sehen wie sie beständig von dem Augenblick der Geburt an bey den mannichfachen Bewegungen des Thieres als sondirendes Werkzeug ge- braucht wurde — können wir dann wohl noch annehmen, dafs ihre Haupt- bestimmung die Bildung der Stimme die Ingestion oder der Geschmack sey? * Ob aber das beständige wechselseitige Berüh- ren der Zungen bey der Begattung der Schlan- gen eine Bedeutung habe, vyüge ich nicht ?m tatscheiden. «s» 57 und können wir dann wohl noch zwei- feln, dafs sie das Organ des Tastsinns sey? Die Schlange bedient sich ihrer Zunge eben so wie viele andere Thiere ihrer vordem Extremitäten zum Sondi- ren, und die Zunge ersetzt ihr den Mangel nach vorne und unten zu rieh- tender Augen eben so wie dieses dem Inseht seine Fühlhörner thun, und sie ist daher als wahres Tastorgan zu betrachten ! E 58 ^^ Erklärung der Kupfertafel. "Fl *r 1 Kopf, Hals und Brust von Vipera Berus. a. Die Zunge. b. Kieferzungenmuskeln. c. Die zwey kleinern Drüsen. d. Der Theil des Zungennerven, der aus dem Unterkieferknochen her- vortritt. e. Die gröfsere Drüse welche auf der Zungenscheide ruht. f. Kieferzungenbeinmuskeln und Zun- genbeinribbenmuskeln. g. Ursprung des Zungennerven, h. Verlauf desselben. i. Zungenbein. k. Zungenbeinzungenmuskeln. Fig. 2. Zungenbein von Coluber Natrix. Fig. ,3. Kopf, Hals und Brust von der Blind- schleiche Angius fragilis (ein wenig vergröfsert). a. Kieferzungenmuskeln (nur zum Theil sichtbar ). b. Kieferzungenbeinmuskeln und Zun- genbeinbrustbeinmuskeln. c. Kieferzungenbeinmuskeln und Zun- genbeinschulterblattmuskeln. d. Rudiment des Schulterblatts und Schlüsselbeins. e. Brustbeinrudiment. f. Herz. Fig. 4. Zungenbein von Anguis fragilis (sehr * vergröfsert). Fig. 5. Sternum (etwas vergröfsert). Fig. 6. Schlüsselbein und Schulterblatt (etwas vergröfsert). Co =§0^ Fig. 7. Kopf, Hals und Brust von Anguis fragt« lis , nachdem die obere Schicht der zungenbewegenden Muskeln hin- weggenommen ist (etwas ver- oröfsert). a. Kieferzungenmuskeln. b. Zun£enbeinzunp;enmuskelm c. Zungenbeinschlüsselbeinmuskeln/ d. Ursprung des Zungennerven und der Zungenarterie. e. Der Theil des Zun^ennerven der aus dem Unterkieferknochen her- austritt. 4 Verbesserungen. Seite 9. letzte Zeile lies Endzweck statt Entzweck. — 12. Z. 9. 1. Natrioc st. Natris. Z 11. von unten 1. Ansahen st. Ansehen. — 15. Note ** Z. 1. 1. des Coluber st. dir Coluber. \MT2R' — MM •' ■