2. nen DR En Dur al ÄRA = N PITE | Alex. Agassiz. Kıbrary of the Museum OF | COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, Pounded bp private subscription, In 1861. Deposited by ALEX. AGASSIZ. BE HOHEN" Si ErWEt rn 903 N we, che 4 4 int % N PR Ueber die Worphologie der wirbellosen Thiere. a Ei or ” sie gıoM 93 + Ueber die Morphologie und die Verwandtschaftsverhältnisse der wirbellosen 'Thiere. Ein Beitrag zur Charakterıstik und Classıfıcation der thierischen Formen. Von Dr. Rudolf Leuckart. Braunschweig, Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn. IS4S, KAnE v if 20 rn el " 4 N VIRENT: < aha ‚federn ai were uosolladıtvr % Fu Ta HE Pr MCZ LIBRARY Sr HARVARD UNI er N CAMBRIDGE. MA USA > Ve Kur } weimaltiesuld bat PT N dena ni BR ats av 220088 amaaun Monat en a ie br Amir BERN, mn Meinem lieben Lehrer Rudolf Wagner gewidmet. 4 se “. ee TI IE Zr 2 En - ee W 13 27 08 0 A es Pa le ui NE RAN O0: 2. u 3 in le vi „ 7“ . Yalır a # ern bin, RN Pen - n 8% Ya M x ins ve ni 7’ I Arr e a 4 Ka 5 a e y e ar RR DT N N, N & wi 4 ran oO R x i { #2 a L Ä ı Mi ud wi A ’ P) j Bu h x U ö " E nn { N N = - Die nachfolgenden Blätter enthalten den Versuch, auf das Gebiet der Zoologie eine Auffassung und Dar- stellungsweise zu übertragen, die seit den klassischen Arbeiten von H. Rathke und J. Müller einen bedeu- tungsvollen Einfluss auf die Gestaltung unseres anato- mischen Wissens geübt hat. Je mehr das empirische Material an Masse gewinnt, desto fühlbarer wird ein Mangel an Einheit, desto dringender ein Bedürfniss der Unterordnung unter allgemeinere Gesichtspunkte, die das Detail beherrschen. Die descriptive Zoologie, die Lehre von der Gestalt der einzelnen Thiere, muss die- selbe vergleichende, dieselbe morphologische Behand- lung zulassen, wie die Anatomie, die Lehre von den Formverhältnissen der einzelnen Systeme. Dieses ist es gewesen, was mir seit Jahren in mei- nen zoologischen Studien vorschwebte, was bei der Abfassung des vorliegenden Schriftchens mich geleitet hat: Wohl kenne ich die manchfachen Schwierigkeiten und Gefahren einer solchen Auffassung. Wohl weiss ich, wie weit ich von dem Ziel meines Strebens entfernt geblieben bin. Trotzdem aber wage ich es, meine Arbeit dem Richterspruch der öffentlichen Mei- nung zu übergeben. Mich ermuthigt die feste Ueberzeu- gung, dass der von mir betretene Weg noch einst den freiesten Blick eröffnen werde in den Zusammenhang der thierischen Bildungen. — Und jetzt wende ich mich an Sie, mein verehrter Lehrer. Ich bitte Sie um Verzeihung, dass ich Ihren Namen den nachfolgenden Skizzen vorangestellt habe. Doch nichts ist mir angenehmer, als ein öffentliches Be- kenntniss abzulegen von dem, was ich Ihnen verdanke. Sie sind es gewesen, der mich eingeführt hat in den hei- ligen Tempel einer Wissenschaft, vor dessen Pforten bereits der Knabe mit Sehnsucht des Eintritts geharrt hatte, der mich begeistert hat durch das lebendige Wort, das seinen Lippen entströmt ist. Ihr Rath, Ihr Beistand ist es gewesen, der bestimmend und fördernd überall mir zur Seite gestanden. Dem Schüler haben Sie Freun- desrechte verstattet. Sie haben ihn aufgenommen unter Ihr gastliches Dach, in den Kreis Ihrer liebenswür- digen Familie. Dankbarkeit, Liebe und Verehrung, sie vereinigen sich bei mir in dem einen, dem heissesten Wunsche für Ihr Wohl. Mögen Sie erstarken, mögen Sie uns wie- dergeschenkt werden in derselben jugendlichen Kräftig- keit und Frische, mit der Sie so lange und so segens- reich eingewirkt haben auf die Bewegungen in der Wissenschaft und im Leben. Rud. Leuckart. „Der thierischen Natur sind Schranken gesetzt, in welchen sich die bildende Kraft auf die wunderbarste und beinahe auf die willkürlichste Weise zu bewegen scheint, ohne dass sie im Mindesten fähig wäre, den Kreis zu durchbrechen oder ihn zu überspringen.“ v. Göthe, zur Morphologie Th. I. S. 156. Di. wissenschaftliche Aufgabe der allgemeinen Zoologie besteht darin, theils durch den Wechsel der thierischen Ge- stalten hindurch den gesetzmässigen Zusammenhang derselben nachzuweisen, theils auch die Fülle der verschiedenartigen hervorragenden und untergeordneten Bildungen nach ihrem innern Gehalte zusammenzufassen. Sie entspricht einem ge- wissen ästhetischen Bedürfniss des menschlichen Geistes, wel- ches weniger in dem Aufsuchen etwaiger Unterschiede, als vielmehr in der Reduction scheinbarer Differenzen seine Be- friedigung findet. Nicht von Ungefähr ist die reiche Manch- faltigkeit der organischen Formen, nicht zufällig und regellos, nicht ohne Grenzen. Ueberall ist Plan und Gesetz, überall ein innerer Zusammenhang. Was schon eine oberflächliche Naturbetrachtung erken- nen lässt, dass die einzelnen thierischen Formen nicht alle von einander gleich verschieden sind, dass sie vielmehr manchfach übereinstimmen, zeigt eine sorgfältige Vergleichung in noch höherm Grade. Ueberall finden wir eine bestimmte, gesetzmässige Relation der Gestalten, überall eine grössere oder geringere Verwandtschaft der Formen. Eine Reihe von Uebergängen verknüpft oft die differentesten Bildungen. Unter den manchfaltigsten Variationen offenbart sich ein bestimm- ter durchgreifender Typus. Das zoologische System in seiner vollendeten Form giebt uns den vollständigen Ausdruck dieses innern verwandtschaft- lichen Zusammenhangs der thierischen Bildungen. 1 2 Zahlreich und manchfaltig sind die Versuche einer sol- chen Darstellung gewesen. Abhängig von der jedesmaligen Anschauungsweise, von der Menge des vorliegenden Materials und der Kenntniss desselben, ist der Werth dieser einzelnen Versuche natürlich sehr verschieden. Ueberdiess ist in den ältern zoologischen Systemen jene eigentlich wissenschaftliche Aufgabe, wenn auch nicht geradezu verkannt, doch meistens einem gewissen praktischen Interesse untergeordnet. Wie eine Art Wörterbuch, liefern dieselben wenig mehr, als ein Mittel zur Erkennung der verschiedenen Thiere. Der Name Cuvier bezeichnet eine neue glänzende Epoche in der Geschichte unserer Wissenschaft. Mit dem sichern Blick des Genies erkannte dieser berühmte Forscher die hohe Bedeutung einer allgemeinern, ich möchte fast sagen, einer künstlerischen Auffassung der organischen Bildungen. Was er durch das System erstrebte, war nicht eine möglichst grosse praktische Brauchbarkeit, war vielmehr eine Einsicht in den Zusammenhang der verschiedenen thierischen Formen, war das gegenseitige Verständniss der vereinzelten Manch- faltigkeit. Eine gleichmässige Beachtung der gesammten äussern und innern Organisation eröffnete ihm einen Blick in die Verwandtschaftsverbältnisse der Geschöpfe, der bei der ältern Untersuchungsweise und der davon abhängigen Gruppirung der verschiedenen Gestalten nach dem einem oder andern, oft oberflächlichen und gleichgültigen Eintheilungsprineipe stets würde verschlossen geblieben sein. Ein unmittelbarer Gewinn der von Cuvier angewandten Methode der Untersuchung ist der Nachweis, dass nicht in einer einzigen aufsteigenden Richtung, nicht in den Grenzen eines einzigen gemeinsamen Kreises die Entfaltung der thie- rischen Gestalten sich bewegt. Wie in den architektonischen Kunstwerken, so giebt es auch in den organischen Bildungen verschiedene typische Bauweisen, gewisse wechselnde Normen, die in einzelnen ee Verhältnissen die verschie- denartigsten und manchfaltigsten Modificationen zulassen, ohne dadurch ein bestimmtes charakteristisches Gepräge zu ver- 3 lieren. Natürlich sind aber auch diese verschiedenen Typen selbst nicht ohne allen Zusammenhang, alle Uebereinstimmung. Schon der Begriff der thierischen Organisation, dem sie sich unterordnen, setzt bei ihnen eine gemeinsame Summe be- stimmter Eigenthümlichkeiten voraus. Ueberdiess sind auch nach ihrem allgemeinsten Gehalte die Gesetze der thierischen Gestaltbildung ın allen Fällen dieselben. Nur die Zahl und das Verhältniss der Angriffspunkte, nur die Combination der einzelnen morphogenetischen Processe, die das endliche Pro- duct bedingen, ist das Wechselnde. In dem einen Typus ist diese, in dem andern eine andere Verwendung der gestalten- den Kräfte vorherrschend. Von dem Wesen dieser Combi- nation wiederum nun abhängig ist die Modificationsfähigkeit der resultirenden Form. Schon die Zahl der einzelnen in Anwendung gezogenen Factoren bedingt hier die grössesten Verschiedenheiten. Auf der andern Seite finden wir aber auch innerhalb der verschiedenen Typen manchfache Analogie in der Ge- staltung der einzelnen Theile, manchfache Uebereinstimmung in der Verwendung der einzelnen Kräfte. Und gerade in der Menge solcher Coincidenzen und Kreuzungspunkte droht der natürlichen Systematik eine gefährliche Klippe. Nur bei einer allseiligen Auffassung der organischen Form an der Hand der Entwicklungsgeschichte kann sie vermieden werden. Nahe ist die Zeit, wo diese Wissenschaft auf die Zoologie einen gleichen höchst wichtigen Einfluss gewinnen wird, wie seit Cuvier die vergleichende Anatomie ihn ausübte. Niemals aber wird die letztere als ein unnützer Ballast über Bord geworfen werden dürfen — wie man jüngst ihr prophezeit hat. Sie wird beständig die sicherste Stütze der Zoologie bleiben; sie wird, unterstützt und durchdrungen von der Entwicklungsgeschichte, einer wissenschaftlichen Auffassung der thierischen Form, einer Morphologie, den Weg bahnen. Gerade bei der Betrachtung der äussern Form, die immer- fort zunächst das Object der zoologischen Untersuchung bil- det, zeigt sich die hohe Bedeutung einer derarligen morpho- 1 * BR N logischen Auffassung. Sie allein belehrt uns von dem rela- tiven Werth und der Beziehung der Gestalt zu dem allgemei- nen Plane der Organisation. Und eben nur hierdurch be- kommen wir eine Einsicht in die verwandtschaftlichen Ver- hältnisse eines Geschöpfes. An sich berechtigt uns die Aehnlichkeit in der äussern Erscheinung noch keineswegs zu der Annahme einer wirklichen Uebereinstimmung. Eine gleiche Form kann eine sehr verschiedene Bedeutung haben und auf dem differentesten Wege entstanden sein. Nur die Kenntniss der Entwicklung darf hier uns leiten. Sie allein vermag mit Sicherheit den Werth der in Anwendung gezogenen mor- phogenetischen Processe und ihr Verhältniss zu dem idealen Grundtypus zu .entziflern. Die Modificationen der Gestaltung, die wir innerhalb der einzelnen typischen Grundformen der animalischen Welt an- treffen, beschränken sich überall nur auf die relalive Ent- wicklung der construirenden, nach einem bestimmten Plane vereinten Bestandtheile. Lage, Form und Grösse, Richtung, Werth und Numerus sind die wechselnden Factoren. Ohne Grenze aber ist auch hier nicht der Spielraum der Varia- tionen. Es giebt bestimmte Gesetze, denen die Beweglichkeit der thierischen Gestalten unterworfen ist. Wir wissen, dass ein jedes Organ des Körpers zu seiner völligen Entwicklung eine Reihe von Zuständen durchlaufen muss, die unter sich nicht unbeträchtlich differiren. Wird nun die Entwicklung auf irgend eine Weise gehemmt, so persistirt an dem betreffenden Gebilde die frühere embryonale Anord- nung und Form. So ist es in pathologischen Fällen bei der Entwicklung des Individuums. Desselben Gesetzes der Bil- dungshemmung nun bedient sich auch die schöpferische Na- tur gar unendlich oft zur Production der verschiedenartigen Gestallungen eines bestimmten, dem einen oder andern Typus angehörenden Gebildes. In dem einen Geschöpfe bleibt eine Form, die in dem andern nur einen Durchgangspunkt bildet, nothwendig zur Erreichung einer höhern Entwicklungsstufe. Nicht selten werden aber auch in etwas anderer Weise bei den einzelnen Geschöpfen die Relationen eines bestimmten Theiles modifieirt. Es erhebt dieser sich ebenfalls nur bis zu einer gewissen Stufe der Entwicklung; dann aber bleibt er nicht einfach stehen, sondern wird der Schauplatz eines neuen Vorganges. Oft erleidet er eine Rückbildung !) — in andern Fällen wird er nach einem bestimmten mehr oder minder abweichenden Plane weiter entwickelt, Einer spätern Zeit ist die vollständige Entzifferung jener manchfaltigen Räthsel in der organischen Gestaltbildung auf- bewahrt. Für jetzt genügt es, die Aufgabe solcher Un- tersuchung zu kennen und im Auge zu behalten. Dass end- lich unsere Bemühungen werden von dem Erfolge gekrönt werden, dafür bürgt uns die morphologische Wahrheit des Inhaltes, die mit ewiger Gesetzmässigkeit in dem Zusammen- hang der einzelnen formellen Erscheinungen sich ausspricht. Möglich, dass es einst uns gelingt, die Gesetze der organi- schen Gestaltbildung nicht bloss vollständig zu erkennen, sondern auch deren Anwendung in den einzelnen Fällen auf gewisse mehr oder minder einfache mathematische Verhält- nisse zu reduciren. Bis jetzt ist hierzu allerdings kaum eine Aussicht. Unsere Kenntniss von der Entwicklung und der Bedeutung der thierischen Formen ist noch viel zu wenig umfassend und sicher. Noch viel zu wenig verstehen wir das Zufällige von dem Wesentlichen, das Bedingte von dem Bedingenden zu unterscheiden. Von höchster Wichtigkeit für die morphologische Be- handlung der Zoologie ist es, die einzelnen Haupttypen, die architektonischen Stile in der Welt der thierischen Formen nachzuweisen. Schon sehr früh hat in der systematischen Zoologie sich das Bedürfniss grösserer, die einzelnen Klassen überragender Abtheilungen geltend gemacht. Die Systeme von Ari stoteles, Ray, Linne u. s. w. zeigen solches. Indessen ist Cuvier 1) Vergl. Rathke, über die rückschreitende Metamorphose in den Beiträgen zur vergl. Anat. und Physiolog. Danzig, 1842. S. 120. 6 doch der Erste gewesen, der mit Entschiedenheit dahin sich aussprach, dass solche grössere Abtheilungen je als die Re- präsentanten einer bestimmten typischen Grundform in der animalischen Welt dastehen müssten, während die Unterab- theilungen derselben blosse Modificationen, nicht wesentliche Aenderungen des jedesmaligen Grundplanes bieten dürften. Legen wir aber mit unsern jetzigen Kenntnissen von dem Bau und der Entwicklung der Thiere einen derartigen Mass- stab an das System dieses Meisters, so können wir nicht in jeder Beziehung mehr dasselbe billigen. Die vier von Cuvier aufgestellten grossen Abtheilungen !) des Thierreichs, so sehr sie auch als ein für die damalige Zeit bewunderungswürdiges Denkmal ihres Schöpfers dastehen, entsprechen heute nicht mehr den Anforderungen einer natürlichen Systematik. Alle jene Abtheilungen, mit Ausnahme der ersten, der Abtheilung der Wirbelthiere, bedürfen einer geringern oder grössern Umformung. ’ Sind wir gleich noch weit entfernt von dem völligen Verständniss der einzelnen Relationen unter den verschiede- nen Thierformen, so möchte doch schon im Augenblick Man- ches als ein wohlbegründetes Resultat unserer neuern Unter- suchungen über den morphologischen Zusammenhang dersel- ben sich ergeben. Was zuvor noch die Methodik der Ulassification betriflt, so haben wir vor Allem an die einzelnen nach einem be- stimniten Princip geschaffenen gleichstehenden Gruppen die Anforderung zu stellen, dass sie auch wirklich gleichwerthig seien. Von diesem Gesichtspunkt aus müssen wir zuerst die gewöhnliche Eintheilung der Thiere in Wirbelthiere und wir- bellose Thiere, die ursprünglich von Guvier?) herrührt, und späterhin vielfach, namentlich von Lamarck, in An- wendung gezogen ist, als unnatürlich zurückweisen. Ganz ı) Man vergleiche über diese die geistreichen Bemerkungen von v. Baer in den Nov Act, Ac. Leopold. Vol. XII. S. 476. 2) Tabl, elem. d’hist, nat. des anim. Paris. 1798. 7 offenbar haben diese beiden Abtheilungen einen sehr unglei- chen Werth. Während in der erstern nur ein einziger be- stiimmter Bauplan sich ausspricht, finden in der letztern sich deren mehrere und verschiedene, von denen ein jeder es verdient, als gleichwerthig mit dem Typus der Wirbelthiere zusammengestellt zu werden. Mit demselben Recht, mit wel- chem man die Wirbelthiere den wirbellosen als parallel ge- genüber stellt, könnte man die gesammten thierischen Formen auch in radiäre und nicht radiäre zerfällen — wie Blainville N) es in seinen Gruppen?) der Actinimorphes und Artiomorphes versuchte — in gegliederte und nicht gegliederte (Milne Ed- wards) oder in kopftragende und kopflose — wie Latreille 3) mit den wirbellosen Thieren es gethan hat, alser sie in Gepha- lidia (Möllusca und Articulata Cuv.) und in Acephala (Zoophyta Cuv.) trennte. In allen diesen Fällen beruft man sich auf die Existenz eines bestimmten, dem einen oder andern Typus zukommenden Merkmals (das sogar nicht einmal überall die- selbe Bedeutung hat) und schliesst die übrigen dieses Merk- mals entbehrenden Formen davon aus — ein Verfahren, welches bei der Feststellung natürlicher Gruppen, nicht BlNser zusammenhangsloser, irrationaler Haufen, wohl kaum jemals darf in Anwendung gezogen werden. Will man trotzdem eine Abtheilung der wirbellosen Thiere hinstellen, so darf man damit, wie ein sehr trefllicher Zoologe ganz richtig be- merkt, nichts weiter bezeichnen wollen, als »andere Thiere als Wirbelthiere«, ohne im Geringsten aiekaneh als innerlich zusammenhängende Formen zu betrachten. Sie bildet dann nur einen unbestimmten Anhang zu einer bestimmten Gruppe und enthält keinen allgemeinen Begriff, der einem andern allgemeinen Begriffe entgegenstände®). 1) Bullet. de la soc. phil. 1816 und Oken’s Isis 1818. $. 1365, 2) Eine dritte Gruppe bilden bei Blainville die Heteromorphes, wohin die Schwämme und Infusorien gerechnet werden. 3) Natürliche Familien des Thierreichs. Uebers. von Berthol d. Weimar 1827. 4) Van der Hoeven, Handbuch der Zoologie, Zweite Aufl. Uebersetzt v. Moleschott. S. 14. 8 Bei der natürlichen Systematik hat man sich überhaupt vor der Aufstellung aller durch blosse negative Charaktere zusammengehaltenen Abtheilungen wohl zu hüten. Gewöhn- lich sind dieselben (wie z. B. die Guviersche Abtheilung der Zoophyta !) oder die Burmeistersche Hauptgruppe der Gastrozoa — Cormozoa Streubel—,in welcher die Zoophylten, doch ohne die Entozoa, mit den Mollusken verbunden sind, u.s. w.), minder natürlich und ihrem Werthe nach ganz ver- schieden von den übrigen Gruppen, mit denen sie zusam- mengehalten werden. Aber auch sonst bei einer wirklich natürlichen Gruppe ist die Entscheidung über den relativen Werth derselben nicht in allen Fällen ganz leicht 2), beson- ders da wegen der grössern oder geringern Bildungsfähigkeit des innewohnenden Typus eine sehr verschiedene Möglichkeit der Gliederung vorhanden ist. Die morphologische Dignität der charakteristischen Merkmale allein kann nach meiner. Ansicht hier entscheiden — ohne Rücksicht auf die Zahl und die Manchfaltigkeit der in den betreffenden Gruppen verei- nigten Formen. Gleich unzureichend und ebenfalls zu verwerfen bei der Aufstellung der kleinern oder grössern Abtheilungen des Thierreichs scheint mir ferner eine jede aprioristische Con- struction, so wie die blosse einseitige Berücksichligung des einen oder andern anatomischen Systemes. Die erstere führt uns häufig zu einem andern Resultat, als die empirische Er- forschung der formellen Erscheinungen — nicht etwa, weil die Welt der letztern vielleicht keinen vernünftigen, der Ge- setzmässigkeitl des logischen Denkens entsprechenden Zusam- menhang darböte, sondern weil bei einer derartigen Opera- tion unseres Geistes so leicht die verschiedenarligsten Vor- urtheile sıch geltend machen. Die anatomische Anordnung 1) Vergl. über diese Abtheilung die Schrift meines Onkels Fr, S. Leuckart, Versuch einer naturgemässen Eintheilung der Helminthen. Heidelberg, 1827. S.36. 2) In den einzelnen zoologischen Systemen findet man darum denn auch so sehr häufig dieselbe Gruppe bald als Klasse, bald als Ordnung, bald sogar als eine blosse Familie aufgezählt 9 eines einzelnen organischen Theils oder Systemes aber muss deshalb bei der Feststellung der verschiedenen Gruppen, be- sonders der grössern typischen Hauptabtheilungen des Thier- reichs, von sehr trügerischem Werth sein, weil, wie schon angeführt, nach der Combination der einzelnen morphogene- tischen Vorgänge in ihnen manchfache Durchkreuzungen und Coineidenzpunkte sich vorfinden, die an sich noch keineswegs auf eine wirkliche architektonische Verwandtschaft oder Ueber- einstimmung zurückschliessen lassen. Von solchen Gesichts- punkten aus müssen wir eben sowohl die Systeme der soge- nannten naturphilosophischen Schule als ungenügend be- zeichnen (wonach z.B. die Thiere zerfallen in Protozoa, Gaste- rozoa, Thoracozoa und CGephalozoa), als auch diejenigen, in denen ganz einseitig die Beschaffenheit entweder der äussern Form (Dumeril, de Blainville) oder eines bestimmten ana- tomischen Systemes, der Nerven, (Rudolphi, Granit), des Blutes (Wilbrand), des Respirationssystems (Sch weigger), der Haut und Muskeln (Oken) u. s. w., zu Grunde gelegt ist. Noch unpassender ist es, als Eintheilungsmoment bei der systematischen Zoologie, die allein die formelle Erschei- nung zu berücksichtigen hat, bestimmte physiologische Cha- raktere in Anwendung zu ziehen, wie Lamarck es that, als er in seiner Naturgeschichte der wirbellosen Thiere die Typen der Animaux apatiques, sensibles und intelligents 'auf- stellte. Der Weg, welchen Cuvier uns gezeigt hat, dieser Weg allein verspricht zum Ziele zu führen. Nur eine gleichmässige Berücksichtigung sowohl des äussern Habitus, als auch des Baues und des gegenseiligen Verhältnisses aller einzelnen anatomischen Systeme im ausgebildeten Zustand und während der frühern Stufen der Entwicklung, kurz eine gleichmässige Berücksichtigung des ganzen morphologischen Charakters kann uns zur Einsicht in den Plan der Organisation und damit zur Kenntniss der einzelnen natürlichen Abtheilungen führen. Verschiedentlich hat die Natur bei der Darstellung der einzelnen Grundformen bald diesen, bald jenen Theil zum 10 Hauptträger des typischen Planes gemacht. In ihnen sind dann, wie in. dem Brennpunkte die Strahlen des Lichts, die einzelnen charakteristischen Züge der Organisation zusammen- gefasst. Solche Theile nun sind es vorzugsweise, die der Zoologe bei der Aufstellung seiner Gruppen wird im Auge behalten müssen. Von ihnen aus kann er in zweifelhaften Fällen bei der einheitlichen Wahrheit des Inhalts in den thie- rischen Formen (nach dem sogenannten Gesetz der Coexistenz) gemäss den vorhandenen Analogieen den allgemeinern Umriss der gesammten Organisation erschliessen. Da aber, wie ge- sagt, in den einzelnen Typen diese Concentrationspunkte wechseln, so ist es auch ganz in Uebereinstimmung mit der formellen Erscheinung, dass bald dieser, bald jener Theil in der Feststellung und der Charakteristik der einzelnen Ab- theilungen vorzugsweise berücksichtigt wird. Welches nun aber diese hervorragenden Merkmale seien, dieses zu be- stimmen bleibt das Object der empirischen Forschung. So weit: wir bis jetzt die Fülle und Manchfaltigkeit der thierischen Formen nach ihrem innern Gehalt und in ihrem Zusammenhang erkannt haben, möchten vielleicht die Abthei- lungen der Goelenteraten, der Echinodermen, Wür- mer, Arthropoden, Mollusken und Wirbelthiere als die Repräsentanten der verschiedenen von der Natur ge- schaffenen Haupttypen des Thierreichs sich ergeben. Die Infusorien lassen wir hier ausser Betrachtung. Trotz der classischen Arbeiten von Ehrenberg wissen wir von ihnen immer noch zu wenig, als dass wir zu einem nur einigermassen begründeten Urtheil über sie uns für berechtigt halten sollten. Sehr wahrscheinlich aber scheint es mir, dass die ganze Abtheilung dieser räthselhaften Geschöpfe, wenig- stens als eine besondere zusammengehörende Gruppe }), später aus dem zoologischen System wird ausgeschieden werden. 1) Will man aber, wie es einstweilen immer noch nölhig scheint, die Infusorien (nach Ausscheidung der dazu gerechneten Pilanzen u, s. w.) als eine eigene Gruppe betrachten, so muss diese gänzlich für sich bleiben, und darf besonders nicht mit den Polypen u, s. w. zusammengestellt werden. il Manche dahin gerechnete Formen sind gewiss bloss unaus- gebildete oder verkümmerte Individuen, andere selbst nie- drige pflanzliche Organismen !) oder deren Sporen ?). Auch ist schon verschiedentlich, besonders früher, auf die Aehn- lichkeit bestimmter Infusorien (abgesehen von den Rotiferen, die unstreitig einen völlig abweichenden Organisationsplan haben) mit andern höher entwickelten Thieren, besonders mit Polypen und Würmern hingewiesen worden. Bory de St. Vincent, v. Baer, F.S. Leuckart u. A. haben solche vorzugsweise hervorgehoben, um dadurch ihren Vorschlag, die Gruppe der Infusorien gänzlich aufzulösen, zu unterstützen. Die vorhin erwähnten Hauptabtheilungen (sog. Provinzen oder Kreise) der Thierweltnach dem Zustande unserer jetzigen Kenntnisse als natürlich und begründet nachzuweisen, zu zeigen, wie dieselben gegen einander sich abgrenzen und nach ihren wesentllichern Verschiedenheiten in Klassen und Ordnungen sich gliedern, ist der Zweck der nachfolgenden Untersuchung. Die Wirbelthiere sind dabei übergangen. Sie sind nach ihren morphologischen Verhältnissen am genauesten bekannt und möchten wohl kaum noch einen Zweifel an der vollen Be- rechligung ihrer typischen Abtheilung zulassen. Zuvor noch einige Worte über die gegenseitige Stellung dieser einzelnen Abtheilungen. An sich besitzen sie, als die jedesmaligen Repräsentanten eines bestimmten Bauplanes, einen gleichen Werth. Sie bilden eben so viele parallele Reihen. Indessen lässt es sich nicht verkennen, dass in ihnen die am vollkommensten entwickelten Geschöpfe einen schr 1) Besonders entscheidend für diese Natur ist, meiner Ansicht nach, die bei den Closterien und neulich auch (von Thwaites in den Ann. of nat, hist. 1847. Vol. XX) bei den Bacillarien beobachtete Copulalion und Sporenbildung, die ganz in derselben Art auch in der Gruppe der Algen (bei den sog. Conjugalae) vorkommt, sowie das Resullat der von Wöhler und Schmidt (Beiträge zur vergl. Physiologie der wirbellosen Thiere. 1845. $. 65) über den Stoffwechsel von Frustulia angestellten Untersuchungen. 2) Vergl. ausser den bekannten Beobachtungen von Mayer, Unger, Kützing, Thyretu. s. w. auch Fresenius, zur Gontroverse über die Verwandlung von Infusorien in Algen. Frankfurt. 1847. S. 16, 12 ungleichen Rang haben. Dass z.B. der Mensch eine unend- lich grössere Vollendung darbiete, als ein Insect oder eine Annelide, bedarf kaum der besondern Erwähnung. Ein An- deres aber ist es, wenn wir in den einzelnen Typen hinab- steigen zu den niedrigsten Formen, wo nur noch die ein- fachsten, ich möchte sagen, rohesten Züge des gemeinsamen morphologischen Planes dargeboten werden). Wenn wir auch gerade nicht in Abrede stellen wollen, dass Amphioxus z. B,, in dem die Umrisse eines Wirbeltbiertypus am ein- fachsten skizzirt sind, relativ immer noch höher stehe, als z. B. ein Polyp, so möchte dasselbe doch wohl kaum bei einem Vergleich mit Sepia oder Octopus sich behaupten lassen. Mit einer jeden Abtheilung beginnt in der Natur gewis- sermassen eine neue Bildungsepoche, in welcher aber auch zugleich von Neuem die einzelnen Phasen der Entwicklung bis zur höchsten Blüthe der Vervollkommnung, deren die jedesmalige Epoche fähig ist, müssen durchlaufen werden. In der Gesammtheit jener einzelnen Epochen ist aber eben- falls ein bestimmter immer mehr sich vervollkommnender, künstlerisch sich vollendender Entwicklungsgang nicht zu leugnen. Immer neue, für ein bestimmtes ideales Ziel zweck- mässigere, edlere Combinationen der gestaltbildenden Pro- cesse sind in ihnen von der Natur versucht worden. — Die Reihenfolge, in der ich oben die einzelnen Typen neben ein- ander gestellt habe, scheint mir am meisten dieser allmähli- gen Vervollkommnung der organischen Baustile zu entsprechen. Dass die meisten deutschen Zoologen den Typus der Arthro- poden für entwickelter halten, als den der Mollusken und denn auch darum die letztern unter jene stellen, kann ick nicht billigen, wenn ich auch immerhin gern zugebe, dass ein Insect eine relativ grössere Vollkommenheit darbiete, als eine Tunicate. Nicht die Eleganz, die Präcision und die gleichmässige Vollendung des äussern Baues darf aber hier 1) Ueber das Verhältniss der verschiedenen Entwicklungsstufen innerhalb der ein- zelnen Typen zu den verschiedenen Typen selbst vergleiche man die schon oben angeführten Bemerkungen von v. Baer. 13 entscheiden, sondern vielmehr die Bildungsfähigkeit des Typus. In letzterer Beziehung trage ich kein Bedenken, die Cepha- lopoden, die der Abtheilung der Mollusken angehören, für die entwickeltsten Formen aller wirbellosen Thiere zu erklären. Toelenterata. Mit diesem Namen bezeichne ich eine von mir vor eini- ger Zeit neu aufgestellte!) grosse Abtheilung des Thierreichs, die einen Theil der Cuvierschen Polypen (Anthozoa Ehren- berg) mit den Akalephen umfasst; eine Abtheilung, die wegen der scharfen Begrenzung eines gemeinsamen Typus nach aussen, so wie der Gliederung desselben nach innen gewiss mit Recht es verdient, den übrigen Hauptgruppen der thierischen Formen an die Seite gesetzt zu werden. Be- kanntlich hat Cuvier, der Schöpfer unserer modernen Syste- matik, die Polypen und Akalephen, als zwei gleichwerthige Klassen 2), mit den Infusorien, Eingeweidewürmern und Echi- nodermen in dem grossen Kreise der Zoophyta oder Ani- malia radiata zusammengefasst, in deren Organisationsver- hältnissen er einen bestimmten gemeinsamen Typus zu er- kennen glaubte. Trotz des Widerspruchs, dem diese Verei- nigung von einigen Seiten her ausgesetzt war, hat sie doch bis auf die neueste Zeit eine grosse Anerkennung und manch- fache Nachahmung (die Animaux apathiques Lam., Acephala Latr., Asphycta Ehrbg. entsprechen ganz den Cuvier- schen Zoophyten) gefunden. Nach dem aber, was wir jetzt 1) Man vergl. meine hierauf bezüglichen Abhandlungen in den Beiträgen zur Kennt- niss wirbelloser Thiere von Frey und Leuckart. Braunschweig. 1847. 4to. S.ı und $. 32. 2) Linne vertheilte dieselben unter verschiedene Ordnungen seiner Klasse der Vermes, in der (mit Ausnahme der Arthropoden) überhaupt alle wirbellosen Thiere zusammengestellt waren. Die Akalephen und nackten Polypen (Actinia, Hydra) gehören nach ihm zu der Ordnung der Mollusca, während die Gehäuse- polypen zwei besondere Ordnungen (die Lithophyta und Zoophyta, welche O. Fr. Müller als Cellulana vereinigte) bilden. 14 über diese Thiere wissen, kann die Abtheilung der Zoophyta nicht länger bestehen, selbst wenn man davon, wie von mehreren Seiten vorgeschlagen ist, die Entozoa trennt. Immer noch bleiben in ihr mehrere von einander sehr verschiedene typische Hauptgruppen vereinigt, von denen wir, wie gesagt, die eine in der Abtheilung unserer Coelenterata gefunden zu haben glauben. Was sie besonders charakterisirt, ist theils die völlig radiäre Form des Körpers, theils auch die eigen- thümliche Anordnung der Leibeshöhle, die von der Central- achse nach der Peripherie zu hinstrahlt und durch eine weite Oeffnung im Grunde des einfachen Magenrohres, wenn ein solches überhaupt vorhanden ist, mit dem Verdauungsapparat zusammenhängt. Nervensystem, Sinnesorgane und Genitalien zeigen dieselbe radiäre) Gruppirung, die in der Form des Körpers äusserlich sich ausspricht. Charakteristisch, wie es mir scheint, ist für die Coelenteraten auch die Lage des Nerven- systems in dem hintern Körperende, am Grunde der Leibes- höhle. Hier — in der Sohle des Fusses — liegt es bei den Actinien (vergl. Lec. d’anat. comp. par Cuvier. N. Ed. T. Ill. p-. 376.), wo schon Spix es fand, hier bei den Ctenophoren. Auch die Lage bei den Discophoren (in der Peripherie des glockenförmigen Körpers) ist im Wesentlichen dieselbe. Ein Schlundring oder Nackenganglior. fehlt beständig 2). Wie wenig die innere Uebereinstimmung der Anthozoen und Akalephen bisher berücksichtigt worden ist, zeigt der 1) Die Centralachse des Körpers bei den Thieren mit radiärem Typus bietet offenbar ganz dieselben morphologischen Verhältnisse, wie die mittlere Längsachse bei den Thieren mit lateralem Typus. Alle Theile, die in ihr entstehen, sind einfach, wäh- rend die Bildung eines Organs an jedem andern, peripherischen Punkte eine dem Typus entsprechende Wiederholung verlangt. Künnen dergleichen Organe in ihrer Entfernung von der mittlern Achse wechseln, so ist damit auch die Möglichkeit gegeben, dass sie einfach werden — sobald sie nämlich in die Centralachse selbst hineinfallen. Mit der radiären Anordnung des Nervensy- stemes steht daher der einfache centrale Nervenknoten der Rippenquallen eben so wenig im Widerspruch, als die mediane Verwachsung der vordern Extremi- täten bei den Cirripedien mit dem lateralen Typus. 2) Die Angaben von Grant in den Transact, of the Zoolog. Soc. T. I. p. 9. beru- hen auf einem Irrthum. 15 ‚grosse Beifall, mit dem von den neuern (deutschen) Zoologen die von Lamarck herrührende Vereinigung der Akalephen mit den Echinodermen (als Radiaires molasses und Radiaires echinodermes) aufgenommen ist. Latreille und neuerdings auch Sarsi) sind meines Wissens die Einzigen, die über die nahe Verwandtschaft?) der Polypen und Akalephen (aus wel- chen beiden der erstere seine Klasse der Phytodaceen schuf) sich ausgesprochen haben ®), doch ohne die Grenzen des gemeinsamen Bildungstypus, der ihnen beiden zum Grunde liegt, näher zu bezeichnen. Keineswegs ist es nämlich die ganze Gruppe der Polypen, in der gewöhnlichen Ausdehnung, welche eine Vereinigung mit den Akalephen zulässt. Schon die Untersuchungen von Ehrenberg#), so wie von Milne Edwards und Audouin5) haben uns gezeigt, wie man frü- her unter den Polypen zweierlei ganz verschiedene Thier- formen zusammengefasst hat, die besonders durch die Orga- nisation des Darmkanals, der Leibeshöhle und Genitalappa- rate völlig von einander sich unterscheiden. Ehrenberg trennte beide als Bryozoen und Anthozoen und vertheilte 6) sie unter zwei verschiedene Gruppen seiner Asphycta, indem er die ersten zu den Schlauchthieren (mit unverästeltem Darm), die zweiten neben die Akalephen zu den Traubenthieren (mit verästeltem Darm) stelle. Auch Milne Edwards’) schied die Bryozoen aus von den eigentlichen Polypen und ver- band sie als Ascidioidea (oder Bryozoaires) mit den Tunicaten. 1) Fauna littoralis Norvegiae. Fasc. I. 1846. p. 16. 2) Schon Linne übrigens :hat diese Verwandtschaft sehr wohl gekannt. Die ein- zelnen Individuen an den Kolonieen mancher Polypen (Madrepora, Alcyonium) nennt er geradezu Medusae. Vergl. Syst. nat. 3) Auch Gold fuss (Grundriss der Zoologie $. 75.) trennte die Polypen und Akalephen von den Echinodermen, verband mit den erstern aber (zu einem Kreise der Pro- tozoa) sowohl die Infusorien, als auch die Rotatorien und Eingeweidewürmer. Ebenso Meckel (System der vergl, Anat. Th. I. S.82), der von den Helminthen aber nur die Bandwürmer den Protozoen zurechnete. 4) Symbolae physicae, Dee. i. Berol, 1828. p. 2. 5) Annal, des scienc. nat. 1828. T. XV. p. 12. 6) Akalephen des Rothen Meeres. Abhandlung der Berl. Akad. vom Jahre 1835. S. 233. 7) Elemens de Zoologie. Paris, 16 Ueber die natürliche Stellung der Bryozoen haben wir später noch ein Mehreres zu erwähnen. Für den Augenblick genügt es, ihre typische Verschiedenheit von den Polypen hervorgehoben zu haben, von denen sie mit demselben Recht getrennt werden müssen, mit dem man die Tubulibranchiaten und Dentalien von den Serpulaceen abscheidet. Ein Gleiches gilt von den sogenannten Foraminiferen oder Polythalamien, die man nach der Angabe von Ehren- berg), dass sie in ihrer Organisation mit den Bryozoen sehr übereinstimmten, ebenfalls bisweilen mit den Polypen verbindet. Auch sie müssen ohne allen Zweifel davon ge- trennt werden. Ihre nächsten Verwandten finden sie, wie besonders Dujardin?) so treffend nachgewiesen hat, nicht etwa unter den Cephalopoden, wie d’Orbigny3) meinte, oder unter den Capitibranchiaten, wohin sie Johnston?) stellte, sondern unter den Infusorien in den Gruppen der Amoebaeen und Arcellinen. Somit bleiben uns denn von den Polypen nur noch die sogenannten Anthozoen, doch auch diese nicht in der ganzen, von Ehrenberg5) ursprünglich ihnen gegebenen Ausdeh- nung. Es hat hier nämlich durch die interressanten Ent- deckungen über die Entwicklung der Medusen sich ergeben, dass eine ganze Gruppe dieser Thiere, die Familie der soge- nannten Hydroiden (Exoarii Rapp, Sertulariens M. Ed w., Anthozoa oligactinia Ehrbg.), dieselbe, die — mit Ausschluss von Hydra — wegen mancher eigenthümlichen Organisations- verhältnisse in einer spätern Schrift von Ehrenberg®) als die Familie der Dimorphaea von den eigentlichen Anthozoen 1) Ueber noch sehr zahlreich lebende Thierarten der Kreidebildung. In den Ab- handlungen der Berl, Akad. von dem Jahre 1839. $. 106. 2) Annal. des scienc. nat. 1835. T. IV. p. 343. und Hist. nat. des Zoophytes. Infus. Paris. 1841. 3) Annal. des scienc. nat. 1326. T. VII. p. 245. 4) Annals and Magaz. of nat. hist. Vol. XVI. p. 450. 5) Die Korallenthiere des Rothen Meeres. In den Abhandlungen der Berl. Akad, von dem Jahre 1832. S. 225. 6) Akalephen u, s. w. 17 getrennt und den Bryozoen näher gestellt war, überhaupt keine ausgebildete Thiere umfasse, sondern blosse vorberei- tende Generationen von Medusen, sogenannte Ammenthiere }). Die von den Polypen allein noch übrig bleibenden echten Anthozoen bilden mit den Akalephen, von denen übrigens, wie wir weiter unten sehen werden, ebenfalls einige be- stimmte Formen, die blosse Ammenthiere sind, aus der z00- logischen Systematik schwinden müssen, meine Abtheilung der Goelenteraten. Was die weitere Eintheilung derselben betrifft, so er- scheinen in ihr die Polypen und Akalephen als zwei sehr natürliche Klassen. Der charakteristische Unterschied von beiden beruht in einer differenten Entwicklung der Lei- beshöhle 2). Bei den erstern ist dieselbe sehr geräumig und nur von einigen lamellösen Längsscheidewänden der äussern Bedeckungen durchsetzt, die von der Peripherie nach dem Centrum hinstrahlen, während sie bei den andern viel we- niger weit ist und in der Form radialer Gefässe (als das sogenannte wasserführende Gefässsystem) die parenchymatöse Leibesmasse durchsetzt. In den Thieren der ersten Klasse, so könnte man etwa sich ausdrücken, wächst die umhüllende Körperwand centripetal hinein in die Leibeshöhle, in den Thieren der zweiten die Leibeshöhle centrifugal hinein in die Körperwand. In beiden Fällen ist die radiäre Anordnung unverkennbar, wenngleich die Zahlenverhältnisse, in denen dieselbe sich ausprägt, ansehnlich wechseln. Sehr allgemein aber scheint die Vierzahl mit ihren Multiplis in den von der Gentralachse ausstrahlenden oder doch strahlenförmig darum gruppirten Gebilden vorherrschend zu sein. 1) Ausser der bekannten Schrift von Steenstrup über den Generationswechsel vergl. man hier besonders die Abhandlungen von Dujardin in den Annal. des scienc. nat. 1845. T. IV. p. 257., von Sars|].c.p. 13. und von mir in den oben erwähnten Beiträgen $. 19. 2) Vergl. hierüber, so wie überhaupt über die Organisationsverhältnisse der Polypen und Akalephen meine beiden oben schon erwähnten Abhandlungen in den Bei- trägen von Frey und Leuckart, 2 Eine sichere Bürgschaft für den innern typischen Zusam- menhang dieser beiden Klassen, und somit denn auch für die Berechtigung unserer Abtheilung der Coelenteraten, bie- tet neben der erwähnten morphologischen Uebereinstimmung auch die Entwicklung der dahin gehörenden Thiere, die zum Theil noch später genauer berücksichtigt werden soll. Hier genüge die einfache Bemerkung, dass die Akalephen, so weit wir die Entwicklungsgeschichte derselben kennen, überall in ihren Jugend- oder Ammenzuständen eine vollkommne Polypenform darbieten. Es zeigt sich in diesem Verhältniss dasselbe wichtige Gesetz, von dem wir seit längerer Zeit bereits in andern natürlichen Abtheilungen — besonders bei den Wirbelthieren — eine Kenntniss gehabt haben, nach dem nämlich von den höher stehenden Thieren einer Gruppe bei der Entwicklung bestimmte Formen durchlaufen werden, die in den niedern Thieren derselben Gruppe zeitlebens per- sistiren !). Erkennen wir nun in dem erstern die höchste Entfaltung eines bestimmten idealen Typus, so können wir unter solchen Verhältnissen die niedern Formen — in Bezug auf jene — als in ihrer Entwicklung gehemmte ansehen und den ganzen morphogenetischen Process, dessen in solchen Fällen die Natur sich bedient, als den Process der Bildungs- hemmung bezeichnen, wie es oben auch geschehen ist. Werfen wir vor der speciellen Betrachtung der beiden Klassen der Coelenteraten noch einen Blick auf die äussern Formverhältnisse der verschiedenen ihnen zugehörenden Thiere, so können wir auch in diesen trotz der manchfachen Mo- dificationen eine bestimmte Uebereinstimmung nicht verken- nen. Die Grundform der Coelenteraten ist die. Form einer Kugel oder eines Eies, wie wir sie bei den meisten Rippen- quallen, auch noch bei den Actinien wahrnehmen. Streckt 1) Nicht überall spricht mit gleicher Deutlichkeit in dem Zusammenhange der nie- dern und höhern Formen bei einer typischen Abtheilung der Thiere dieses Bil- dungsgesetz sich aus. Bei näherer Untersuchung finden wir aber trotzdem die unverkennbaren Spuren desselben — nur weniger gleichmässig in dem ganzen äussern Habitus und mehr auf einzelne Theile des Körpers beschränkt. 19 diese sich in die Länge, so wird daraus ein Cylinder, wie bei den meisten Polypen (eine Form, die allerdings durch die unvollkommne Knospenbildung dieser Thiere sehr häufig mehr oder minder verwischt ist), während durch den ent- gegengesetzten Vorgang, durch eine Abplattung von den Polen her, sehr leicht die Scheibenform der Discophoren I) sich ab- leiten lässt. Die Mundöffnung liegt beständig an dem vordern (je nach der Lage des Thiers dem obern oder untern) Ende des Körpers in der centralen Achse, die sich hier übrigens nicht selten, besonders bei dem abgeplatteten Körper der Scheibenquallen, in einen mehr oder minder entwickelten Stiel verlängert hat. Im Umkreis der Mundöffnung (auf dem Rande der Kopfscheibe, bei den Scheibenquallen in der Peripherie des eigentlichen Körpers) stehen gewöhnlich an- sehnlichere oder kleinere ceylindrische Fortsätze in sehr ver- schiedener Zahl, die sogenannten Tentakel, deren innere Höhlung in der Regel mit der gemeinschaftlichen Körperhöhle communicirt. Ganz eigenthümliche, morphologisch von diesen Tenta- keln sehr abweichende Gebilde sind die paarigen Fangfäden der Ctenophoren. So viel über die Coelenteraten im Allgemeinen. Was die erstere Klasse derselben, die Polypen, betrifft, so liegt deren Systematik trotz der manchfachen Versuche unserer 1) Auf solche Weise, glaube ich, lässt die Form der Scheibenquallen viel eher aus der Kugelgestalt der Ctenophoren sich ableiten, als umgekehrt die letztere aus der erstern, wie man es wohl durch die Annahme versucht hat, dass die Peri- pherie der Glocke bei einer Scheibenqualle nach vorn mit dem Mundstiel ver- wachsen müsse, um eine Rippenqualle zu bilden. Wie viel näher die erstere Annahme liege, geht sehr deutlich zum Beispiel aus der Form einer Conis her- vor, wie sie Brandt (Ausführliche Beschreibung der von Mertens beobachteten Schirmquallen. Petersburg. 1838. Tab. II.) so schön hat abbilden lassen. Dass überdiess der Mundstiel der Discophoren nur von untergeordneter morphologi- scher Bedeutung sei, beweist auch der Mangel desselben bei den jungen unaus- gebildeten Individuen, z. B. von Aurelia, die übrigens — wie wir hier anfüh- ren müssen — aus der Polypenform der Ammen in Wirklichkeit nicht etwa durch eine verticale Zusammendrückung, sondern vielmehr durch eine Quer- theilung entstehen. 2* 20 neueren Zoologen, besonders Ehrenberg’s, Johnston’s!) und Dana’s?), noch immer sehr im Argen. Ihre Organisa- tion und die merkwürdigen Phänomene ihrer Vermehrung durch unvollkommne Theilung und Knospenbildung, dieselben Phänomene, auf denen die Structur und der Zusammenhang der Polypenstöcke3) beruht, sind im Augenblick noch zu wenig vollständig erkannt, als dass eine darauf basirte Clas- sification bereits allen unsern Anforderungen Genüge leisten könnte. So viel aber scheint mir gewiss: die Polypen zer- fallen nach ihrem Bau®) in zwei gleichwerthige Ordnungen 5), von denen der einen, die bei Weiten die grösste Mehrzahl dieser Thiere enthält, der Name Anthozoa bleiben mag, während ich die andere, die allein bisjetzt das Gen. Lucer- naria umfasst, als Becherpolvpen, Gylicozoa6), bezeichnen möchte, Wie unnatürlich es sei, diese letztern den Anthozoen und besonders, wie es gewöhnlich geschieht, der Familie der Actinien einzureihen, ist schon mehrfach gefühlt worden. Lamarck’) und auch Cuvier®) stellten sie (letzterer aller- dings zusammen mit den Actinien) unter die Akalephen, und wirklich haben sie, wie schon Sars bemerkt, mit diesen, be- sonders mit den Schirmquallen, in mehrfacher Beziehung eine 1) History of British Zoophytes. 2. Edit. London. 1846. 2) Structure and Classification of Zoophytes. Philadelphia. 1846. 3) Sehr werthvolle Aufschlüsse hierüber verdanken wir neben den Arbeiten von Ehrenberg, Corallenthiere u.s.w. und Milne Edwards, Annal. des science. nat. 1845. T. IV. u. 1946. T. VI, vorzugsweise den neuern Untersuchungen von Dana in Sillimans Journal 1847. Jan. (im Auszug in Froriep’s Notizen 1847.N.48.). 4) Ueber den Bau der Polypen, besonders der Actinien und Lucernarien muss ich auf meine hierauf bezügliche Abhandlung in den bereits mehrfach erwähnten Beiträgen $. 1. verweisen, Völlig übereinstimmend hiermit sind die Angaben von Sars über die Organisation der Lucernarien in der Fauna littoralis Norveg.S. 20. 5) Sehr wenig natürlich ist es, wenn Blainville (Art. Zoophyt. in den Dict. des sc. nat. T. LX.) die Polypen nach der Abwesenheit oder Anwesenheit eines Polypenstocks in zwei den Echinodermen und Arachnodermen (Akalephen) gleich- stehende Klassen zerfällt, die er als Zoantharia und Polyparia bezeichnet, 6) Von #UALE, Becher und {00v, Thier. 7) Hist. nat. des anim. sans vertebr, 2. Ed. T. II. p. 57. 8) Regne anim, 1. Ed. T. IV. p. 50. (In der folgenden Auflage stehen dieselben aber wieder bei den Polypen). 21 grössere Aehnlichkeit. Indessen müssen sie doch meines Erach- tens bei denPolypen verbleiben. Dass Verhältniss der Körper- wandungen zu der sehr geräumigen Leibeshöhle ist dasselbe, wie bei den übrigen Polypen, und gerade auf einer verschie- denen Relation dieser Theile beruht ja der Unterschied der dieser Klasse zugehörenden Coelenteraten von den Akalephen. Die Actinien sind ebenfalls Polypen, und zwar Anthozoen, obgleich auch sie wohl mehrfach andern Gruppen beige- sellt worden sind. So brachte Cuvier dieselben (wie die Zoanthinen und Lucernarien) Anfangs zu den Akalephen ı) (als A. fixes), Lamarck?) dagegen, wie auch Oken?) und Schweigger*), zu den Echinodermen, wo ersterer aus ihnen und den Sipunculiden sogar eine gemeinsame Gruppe, die der Fistuliden, bildete. Die beiden Ordnungen der Polypen, die wir eben auf- gestellt haben, unterscheiden sich vorzugsweise durch ein verschiedenes Verhalten ihres Verdauungsapparates. Bei den ersteren, den Anthozoen, findet sich ein besonderer Magen- schlauch, ein kurzer Cylinder, der von der Mundöffnung in den cylindrischen Körper hineinragt und am Grunde durch eine weite Oeffnung mit der geräumigen Leibeshöhle commu- nicirt, die, wie bereits oben erwähnt ist, durch eine grössere oder geringere Anzahl radialer, an dem Magensack befestigter Scheidewände in eine entsprechende Menge peripherischer Taschen oder Blindsäcke getheilt ist. Der freie Rand jener - Scheidewände trägt die von mir als Mesenterialfilamente be- schriebenen Gebilde, hinter denen, ebenfalls an den Scheide- wänden, die Genitalapparate gelegen sind. Den Cylicozoen 1) Die nahe Verwandtschaft der Actınien mit Medusen kannten übrigens schon die ältern Zoologen. Rondelet, Gesner, Aldrovand, Janston u. A. be- zeichneten dieselben vereinigt als Urticae, die sie höchstens als Urticae fixae und solutae unterschieden. Auch Linne bildete Anfangs aus beiden ein ge- meinschaftliches Genus Medusa, von dem er erst nachher die Actinien (zuerst unter dem Genusnamen Priapus) trennte. 2) Hist. nat. des anim. sans vertebr. IIeme Ed. T. V. p. 395. 3) Lehrbuch der Naturgesch. 1. Ausgabe, Zoologie. Th. I. S. 347. 4) Handbuch der Naturgesch, der skeletlosen ungegliederten Thiere. S. 505. 22 dagegen fehlt ein solcher Magenschlauch. Die ganze Leibes- höhle, besonders vielleicht der vordere, aus der Kopfscheibe des becherförmigen, nach hinten mit einem stielartigen Fusse versehenen Körpers hervorragende sogenannte Mundtheil bil- det den Verdauungsapparat. Radiale Scheidewände der Lei- beshöhle finden sich aber auch hier, wenngleich in etwas verschiedener Anordnung. Die Geschlechtsorgane liegen zu den Seiten dieser Scheidewände in die Kopfscheibe einge- bettet. Die Mesenterialfilamente der Anthozoen sind zu freien tentakelförmigen Fäden geworden, die mit ihrer Basis sich den Scheidewänden an der Uebergangsstelle der vordern Körperscheibe in den stielförmigen Hinterleib inseriren. Die Bildung eines Skelets !) beschränkt sich in der Klasse der Polypen und überhaupt in der ganzen Abtheilung der Coelenteraten auf die Anthozoen, findet sich hier aber in grösster Ausdehnung. Es beruhet die Möglichkeit dieser Bil- dung allein auf der Menge der in dem Körper dieser Thiere vorhandenen Kalksalze. Meistens ist das Skelet ein äusseres, entstanden aus der Erhärtung oder Verkalkung der Körper- bedeckungen, an der aber auch bisweilen (bei den Madre- poren) die innern muskulösen Scheidewände der Leibeshöhle Antheil nehmen. Viel weniger verbreitet ist das Vorkommen eines innern sogenannten Kerngerüstes, das, wie es scheint, vorzugsweise nur bei den kleinern colonieenbildenden For- men sich vorfindet und hier zur Stütze des gemeinschaftlichen Thierstockes dient. Es verläuft dieses innere Skelet bestän- dig in der Achse dieser Stöcke und ist ohne eigentlichen Zu- sammenhang mit den einzelnen Thieren, obgleich es doch unstreitig ebenfalls bloss als das Product derselben angese- hen werden darf. Die zweite Klasse unserer Coelenteraten umfasst, wie erwähnt, die Akalephen. Doch auch diese können nicht 1) Ueber das Skelet der Anthozoen vergl. man ausser den klassischen Untersuchun- gen Ehrenberg's (Korallenthiere u. s. w.) auch die Bemerkungen von Frey (über die äussern Bedeckungen der wirbellosen Thiere. Erste Abtheilung. Göt- lingen, 1845, Besonders abgedruckt aus den Göttinger Studien). 23 in ihrem ganzen Umfang hier aufgenommen werden. Wie nämlich in neuester Zeit die höchst wichtigen Untersuchun- gen von Sars!) uns gezeigt haben, enthält die eine Gruppe derselben, die der Siphonophoren, welche man bis dahin als ausgebildete Thiere ansah, ganz wie die Gruppe der Hydroiden, nur sogenannte vorbereitende oder aufammende Generationen anderer Akalephen. Für die Familie der Velelliden, welche Eschscholtz ebenfalls den Siphonophoren zurechnet, ist allerdings ein solches Verhältniss noch zu erweisen, doch scheint es auch für sie nach der Analogie mit den übrigen Formen sehr wahrscheinlich. Schliessen wir nun die Siphonophoren, als unausgebil- dete Formen, von den Akalephen aus, so bleiben uns unter diesen Thieren nur noch die beiden von dem trefflichen Eschscholtz?) neben jenen aufgestellten Gruppen der Gtenophoren und Discophoren, die meines Erachtens zwei sehr natürliche Ordnungen bilden. Beide unterscheiden sich in ihrer Organisation auf eine ganz gleiche Weise, wie die beiden oben von mir aufgestellten Ordnungen der Poly- pen. Nur die Gtenophoren haben einen eigentlichen Magen- schlauch (wenn man das bei einigen Scheibenquallen vor- kommende Rudiment desselben ausser Acht lässt), ganz von demselben Bau, wie bei den Anthozoen. Selbst in ihrer Gestalt möchten die Rippenquallen noch am ersten mit den Anthozoen sich vergleichen lassen, während die Discophoren auch dadurch eher den Lucernarien sich anreihen, mit denen sie ebenfalls in dem Mangel eines besondern Magens über- einkommen. Die ganze Leibeshöhle ist hier Sitz der Chymi- fication, wenngleich vorzugsweise vielleicht der ‘vordere, zwi- schen den Mundlappen gelegene Abschnitt. — Sogar die Lage der Generationswerkzeuge zeigt in den entsprechenden Ordnungen der Akalephen und Polypen eine grosse Analogie. Bei den Gtenophoren, die übrigens Zwitter sind und nicht, 1) A. a. 0. 8. 44. 2) System der Akalephen, 24 wie die andern Coelenteraten, getrennten Geschlechts, liegen dieselben — gewissermassen den lamellösen Längsscheide- wänden der Anthozoen entsprechend — in den Seitentheilen des Leibes, bei den Discophoren, wie bei Lucernaria, in der vordern Fläche der Körperscheibe. Durch ihre Locomotionsfähigkeit sind übrigens die Aka- lephen von den Polypen sehr verschieden. Während diese nämlich entweder mit dem Hintertheil des Leibes festsitzen oder doch höchstens nur durch Hülfe der hintern Körper- scheibe (des sogenannten Fusses der Actinien) oder der Ten- takel (Arachnitis Sars) langsam sich fortschieben können, zeigen die Akalepben im ausgebildeten Zustand, wo sie be- ständig als isolirte Individuen erscheinen und niemals zusam- menhängende Thierstöcke bilden, eine sehr freie Beweglich- keit. Bei den Discophoren wird solche durch die rhytmischen Contractionen der schirm- oder glockenförmigen Körperscheibe vermittelt. In der Ordnung der Ctenophoren dagegen musste dieselbe wegen der abweichenden Kugelgestalt des Leibes (die nur selten durch eine seitliche Compression — bei Cestum — etwas abgeändert ist) auf eine andere Weise möglich gemacht werden. Hier findet sich denn ein besonderer, eigens zu diesem Zweck bestimmter Apparat von Cilien, die in mehre- ren (4 oder 8) Längsreihen an der Peripherie des Leibes an- gebracht sind und durch ihre Schwingungen den Körper fortbewegen. Ueber die Entwicklung der Rippenquallen wissen wir bisjetzt leider noch gar Nichts — was um so mehr zu be- dauern, als die auf diesen Vorgang bezüglichen merkwürdi- gen Erscheinungen bei den Scheibenquallen vielleicht auf analoge Verhältnisse bei jenen schliessen lassen. Die Schei- benquallen entstehen aus einem polypenförmigen Ammenthier bald durch die Theilung des ursprünglichen Körpers in mehrere über. einander gelegene scheibenförmige Abschnitte, bald auch durch Knospen, die an den Ammen hervorkeimen. In dem letztern Falle, wo die Körper der Ammen nicht unmittelbar, wie im ersteren, durch den Process der Vermehrung zu Grunde gehen, überdauern die einzelnen (meistens zu sehr entwickelten Thierstöcken mit einander verbundenen) vorbe- reitenden Individuen in der Regel mehrere Generationen und sind auffallender Weise sogar zu einer selbstständigen ge- schlechtlichen Fortpflanzung !) befähigt. In solchen Fällen nun sind die Ammen der Medusen von den Zoologen bis auf die neueste Zeit als bestimmte eigene Thierformen in dem Systeme aufgeführt. Doch gewiss mit Unrecht. Bieten sie auch in ihren morphologischen Ver- hältnissen manchfache interessante und auffallende Erschei- nungen, so können sie doch in einem natürlichen Systeme des Thierreichs eben so wenig eine besondere Stelle finden, als die Larven der Insecten, selbst wenn diese noch so sehr von den Formen der betreffenden entwickelten Thieren sich unterscheiden. Am besten gekannt unter diesen Ammenformen sind die sogenannten Hydroiden. In der Beschaffenheit und der Form des Körpers gleichen sie, wie schon angeführt, den Polypen. Darin aber unterscheiden sie sich von diesen, dass sie weder einen gesonderten Magenschlauch besitzen, noch dass in die Leibeshöhle, die den ganzen innern Raum des Körpers einnimmt, jene lamellösen Längsscheidewände vor- springen, die allen ausgebildeten Coelenteraten zukommen. Auch Mesenterialfilamente und innere Geschlechtsorgane fehlen. Die Leibeshöhle bildet einen länglichen Cylinder, der den Körper durchsetzt, nach oben, wie bei den Discophoren, durch eine Mundöffnung ausmündet und bei Hydra (doch, wie es scheint, nur hier) sich auch in die Arme hinein erstreckt. Dieser Typus, den man bei Hydra 2) schon lange erkannt 1) Vergleiche hierüber meinen Aufsatz über die Naturgeschichte der Hydroiden in den Beiträgen von Frey und Leuckart $. 19., so wie meine Bemerkungen in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen. 1847 Nr. 190. (bei Gelegenheit der Anzeige von Sars, Fauna littoralis Norvegiae). 2) Wie man die Stellung der Hydra zu den Medusen produeirenden Hydroiden rechtfertigen könne, habe ich (a, a, 0. Beiträge $. 19.) auseinander gesetzt. 26 hat, findet sich auch bei allen übrigen Hydroiden. Die Lei- beshöble !) bildet den Verdauungs- und zugleich den Circula- tionsapparat, ohne Hülfe eines besondern anatomisch verschie- denen Organes. Dass ausser derselben (bei Hydra) noch ein förmlicher Magenschlauch vorkomme, wie v. Siebold2) an- giebt, oder vielmehr, dass der vordere Abschnitt der Leibes- höhle, so weit er in dem sogenannten Kopfe gelegen ist, auch anatomisch als Magen aufzufassen sei, davon habe ich mich nicht überzeugen können. Allerdings zeigt die Leibes- höhle eine besondere, von den äussern Bedeckungen ver- schiedene Bekleidung (aus welchem Grunde ich die Zweifel v. Siebold’s an der Genauigkeit der bekannten Rösel- schen Versuche, wonach ein, wie ein Handschuhfinger umge- stülpter Polyp auch in diesem Zustand noch vollständig ver- dauen könne, theilen muss), aber solches berechtigt uns noch nicht zu der Annahme, dass diese Auskleidung einem eignen Magensack angehöre. Im Gegentheil spricht der Umstand, dass dieselbe unmittelbar, ohne einen Zwischenraum, der innern Fläche der Leibeswandungen aufliegt, und dass auch (bei Hydra) die Höhlung der Arme mit dem umschlossenen Raume in directem Zusammenhang steht, für die ältere An- sicht. Das letztere Verhältniss wäre, wenn jener Raum wirk- lich einen besondern Magen vorstellte, in der ganzen Abthei- lung der Coelenteraten ohne Analogie. Ueberall communieirt die Höhlung der Tentakel nur mit der Leibeshöhle. Die Oeffnung, durch welche nach Siebold der Magen vonHydra in seinem Grunde mit der dahinter gelegenen, engen und röhrenförmigen Höhle des cylindrischen Fusses in Verbindung stehen soll, kann ich nur für eine sphincterartige Ver- engerung der Leibeshöhle halten, die in andern Hydroiden (z. B. bei den Sertularien) noch stärker markirt ist und die 1) Früher war ich über die morphologische Bedeutung dieser Höhle (auch bei Lu- cernaria und bei den Scheibenquallen) zweifelhaft (vergl. a. a. 0, S. 4. Anm, 1. u. $.20.), doch glaube ich jetzt entschieden mich für obige Ansicht aussprechen zu können, Vergleichende Anatomie der wirbellosen Thiere S. 37. [0 = den ganzen Raum in zwei Abschnitte theilt, einen vordern, der vielleicht ausschliesslich verdauet, und einen hintern, der vielleicht vorzugsweise Circulationsapparat ist. Sehr deutlich aber kann man besonders bei den Hydroidencolonieen wahr- nehmen, dass beide in keiner Weise von einander verschie- den sind. — Allein an dem hintern dieser Abschnitte ent- wickeln sich die Knospen, durch welche die Hydroiden sich ungeschlechtlich fortpflanzen und zu einer Colonie entwickeln, wenn die aus den Knospen hervorgebildeten Jungen, wie es meistens der Fall ist, nicht vollständig von dem Mutterthier sich trennen. Dieselbe typische Anordnung zeigen die Siphonoph.o- ren, wenigstens die Physophoriden !) und Diphyiden, die im Wesentlichen vollkommen mit einander übereinstimmen und desshalb denn auch nur sehr mit Unrecht von den Zoologen als zwei verschiedene, den Velelliden gleichwerthige Fami- lien?) angesehen werden. Auch bei ihnen findet sich eine einfache Leibeshöhle, die den Körper durchzieht, nicht, wie man es wohl angenommen hat, ein besonderer Magen und ein davon getrenntes Wassergefässsystem. Der Unterschied von den Hydroiden beruht darin, dass theils die Tentakel des cylindrischen Leibes im Umkreis der Mundöffnung ge- schwunden sind, theils aber auch ein besonderes System von Fangfäden (entsprechend den Fangfäden der Rippenquallen) und — in Uebereinstimmung mit der Lebensart — ein eigenthüm- 1) Die Annahme von Blainville (Man. d’Actinolog, p. 111.) dass die Physophoriden, aus denen er seine Gruppe der Physogrades bildet (wie auch die Rippenquallen) den Mollusken zuzurechnen seien, bedarf jetzt wohl keiner besonderen Wider- legung mehr. 2) Sehr verkehrt ist es, wenn Streubel (Guvier’s Thierreich I. $. 823.) zu den Siphonophoren — deren Organisation überdiess sehr abenteuerlich gedeu- tet wird — auch die Berenieiden hinzufügen will, denen Eschscholtz ganz richtig eine Stelle unter den Scheibenquallen angewiesen hat. Was dieselben von den übrigen Thieren dieser Ordnung unterscheidet, ist bloss die Bildung der Mundöffnung. Diese ist nicht eine einfache Oeffnung, wie sonst, sondern in eine grössere Anzahl neben einander auf der Spitze des Mundstiels gelegener Löcher umgebildet. Von den sogenannten Saugröhren der Siphonophoren indes- sen sind diese völlig verschieden, 28 licher, mächtig entwickeller Bewegungsapparat hinzugekom- men ist. Der letztere besteht aus einer differirenden Anzahl glockenförmiger Schwimmblasen mit knorpelartiger Hülle und einem innern contractilen Sack, dessen Zusammenziehungen auf analoge Weise den Körper fortbewegen, wie der schei- ben- oder schirmartige Leib die Discophoren. Dieser Apparat ist an dem hintern oder — wenn wir die Stellung des Thie- res berücksichtigen — dem obern Ende des Körpers ange- bracht, der morphologisch dem festsitzenden Fusse der Hy- droiden und Anthozoen entspricht. Bei den Diphyiden finden sich solcher Schwimmglocken nur zwei, bei den übrigen Physophoriden (mit Ausnahme von Physalia) eine grössere Anzahl. In den erstern liegen dieselben meistens etwas hinter einander und nehmen den eigentlichen Thierleib zwischen sich, doch so, dass dessen letztes, blindes Ende (die Safthöhle nach Eschscholtz) sich eine Strecke weit in die knorpliche Hülle der vordern Schwimmglocke (des sogenannten Saugröhrenstückes) hinein- erstreckt. In denjenigen Diphyiden, die wirklich nur ein- fache Thiere sind, in Ersaea z.B., bilden die Schwimmstücke bei Weitem den grössten Theil des Körpers. Der eigentliche Leib ist nur sehr kurz und ragt kaum über den Rand jener Gebilde hervor. Er besteht theils aus dem hintern eingebet- teten Theile, theils aus dem vordern freien, in den jener sich fortsetzt, einem Theile, der an seinem Ende mit der Mund- öffnung versehen ist und bei den Zoologen den Namen der Saugröhre trägt. An der Uebergangsstelle beider Abschnitte, die auch hier, wie bei den Hydroiden, etwas verengt ist, sitzen die Fangfäden. Bei vielen andern hieher gehörenden Thierformen, wie bei Diphyes, setzt sich der hintere Theil des Leibes über die Insertionsstelle der ersten Saugröhre hinaus noch fort in einen längern Kanal (den sogenannten Reproductionskanal), auf dem nach vorn eine grössere Anzahl von Saugröhren, mit Fang- fäden an der Basis und meist auch noch je mit einem besondern knorplichen Deckschilde (das bei Abyla und Cymba fehlt, also unwesentlich ist) aufsitzt. Diese einzelnen Saugröhren entste- hen erst allmählich durch eine fortgesetzte Knospenbildung. Sobald man durch eine unbefangene Untersuchung zu dem Resultate gelangt ist, dass jener Schwimmapparat der Diphyiden für die morphologische Auffassung dieser Thiere ohne wesentliche Bedeutung sei, muss man unter den vor- liegenden Verhältnissen ein Geschöpf, wie Diphyes, für einen Thierstock erkennen, für eine Golonie von Individuen — obgleich diese Anschauungsweise der gewöhnlichen An- nahme widerspricht. Es hält ein solches Geschöpf in jeder Beziehung dem Vergleich mit einem Polypenstocke Stich. Ein jedes der einzelnen Tbhiere .(Saugröhren) hat seinen Körper und seine Leibeshöhle, ein jedes seine Fangfäden und Deck- schilde. Gemeinschaftlich ist ihnen allen ein Stamm (der Reproductionskanal) — dessen innere Höhle, wie bei den Hydroiden, die Leibeshöhlen der einzelnen Thiere mit einan- der verbindet — und am Ende desselben jener eigenthüm- liche Locomotionsapparat, den man vielleicht nicht ganz un- passend dem Stiel der Halopteriden vergleichen könnte. Sehr leicht nun lässt aus der Form von Diphyes sich die der übrigen Physophoriden ableiten. Auch bei Agalma, Agalmopsis’u. A. ist der obere Theil des gemeinschaftlichen Leibes (die Schwimmsäule) mit seiner Höhle, in der die soge- nannte Schwimmblase gewiss nur eine sehr untergeordnete Bedeutung !) hat, von den knorplichen Locomotionsorganen 1) Ich kann hier überhaupt die Vermuthung nicht unterdrücken, dass die Anwesen- heit von Luft in dem obern Ende der gemeinschaftlichen Leibeshöhle, in der sogenannten Luftblase, immer nur zufällig und ohne alle grössere Bedeutung sei. Auch der sogenannte Saftbehälter der Diphyiden, sowie die Leibeshöhle der Scheibenquallen soll ja häufig Luft enthalten. Ueberdiess giebt z. B. Philippi (Müller’s Archiv. 1843.) an, dass er bei Physophora in der Luftblase keine Luft gefunden habe. Die grösste Schwierigkeit macht hierbei das Gen. Physalia, wo bekanntlich der ganze gemeinschaftliche Leib als Lufiblase gedeutet wird, Indessen auch diese Deutung möchte ich als richtig in Abrede stellen. Ich sehe wenigstens ganz deutlich bei einem sehr wohl erhaltenen Spiritusexemplare von Ph. Aurelia in der Sammlung des hiesigen physiologischen Institutes, dass in eben diese Höhle (wie sonst in den Reproductionskanal) die Saugröhren und auch die Tentakelkanäle einmünden. 30 besetzt, während der untere freie Theil, wie dort ebenfalls, eine sehr beträchtliche Anzahl von Saugröhren mit Fangfä- den u. s. w. trägt. Bei Physophora verkürzt sich dieser untere freie Theil des Leibes. Aus einem langen und engen Cylinder wird er ein kurzer und weiter Sack !), von dessen unterer Fläche dann neben einander die zahlreichen Saug- röhen, Fangfäden u. s. w. herabhängen — immer noch ein Zeichen, dass die betreffende Form einen zusammengesetzten Thierstock ?2) darstelle. In dem Gen. Physalia ist endlich der vordere Theil des gemeinschaftlichen Leibes, die Schwimm- säule mit ihren knorplichen Locomotionswerkzeugen vollkom- men verloren 3) gegangen. Der ganze Körper ist (wie der un- tere Theil bei Physophora) eine einfache grosse Blase, an welcher unten die einzelnen Thiere mit ihren Anhängen be- festigt sind. Was die Velelliden betrifft, so wissen wir über diese Thiere, in Bezug sowohl auf ihre Organisation, als auch auf ihre Entwicklung, noch viel zu wenig, als dass wir mit Sicherheit schon jetzt über ihre Stellung und ihre Verwandtschaften Etwas bestimmen könnten. Wenn die Angaben vonHollard?) über den Bau derselben sich bestätigen sollten, so scheint es mir sogar zweifelhaft, dass sie — wenn sie wirklich ausge- bildete Thiere sind — dem Typus der Coelenteraten ange- hören, obgleich auf der andern Seite wiederum sehr vieles 1) Vergl. Philippi a. a. O. Tab. V. Fig. 10. 2) Schon Lamarck (I. c. T. II. p. 24) nennt die Stephanomia, die am nächsten dem Gen. Physophora verwandt ist, einen Thierstock, dessen einzelne Indivi- duen von den Saugröhren mit ihren Anhängen gebildet würden. Aehnliche An- sichten sind auch bereits von Delle Chiaje, Milne Edwards u. A. über einzelne Physophoriden ausgesprochen. 3) Das Gen. Rhizophysa P&r., wo ebenfalls die Schwimmglocken fehlen sollen, scheint mir sehr dubiös. Man braucht nur die von Eschscholtz gegebene Abbildung der Rh. Peronii (a. a, 0. Tab. XII. Fig. 3.) zu vergleichen mit einem einfachen, von dem gemeinschaftlichen Stamm einer Stephanomia ge- trennten Thier (Milne Edwards in den Annal, des science. nat. 1841. Vol. XVL. Pl. IX. Fig, 2.), um die fast ganz vollkommne Uebereinstimmung zwischen beiden augenblicklich zu erkennen. 4) Annal. des scienc. nat. 1842. T. III. p. 248. 31 für eine solche Annahme und besonders für eine Verwandt- schaft mit den Physophoriden zu sprechen scheint. Spätere sorgfältige Untersuchungen müssen darüber entscheiden. Echinodermata. Die Stachelhäuter oder Echinodermen, die zuerst!) von Cuvier in ihrem gegenseitigen Zusammenhang erkannt wur- den und nach der Meinung dieses grossen Zoologen iin der Abtheilung der Strahlthiere eine den Polypen, Akalephen und Helminthen gleichstehende Klasse bilden, sind ebenfalls, wie es mir scheint, die Repräsentanten eines eigenen bestimmten Typus in der formenreichen Welt der wirbellosen Thiere 2). Wie die Coelenteraten, die Würmer, Arthropoden, Mollusken und Wirbelthiere müssen auch sie nach meiner Ansicht als eine zusammenhängende, mehrfach gegliederte Hauptabthei- lung unter den animalischen Formen betrachtet werden. Mit den Coelenteraten, denen auf der einen Seite sie angrenzen, theilen sie den eigenthümlichen strahligen Bau des Körpers, der aber in ihnen theils durch das Vorherrschen der Fünfzahl (statt der bei den Coelenteraten gewöhnlichen Vierzahl) sich auszeichnet, theils auch schon manchfache grössere Schwankungen zeigt, als jemals dort es der Fall ist. In Uebereinstimmung mit dem Bau des Körpers liegt auch bei den Echinodermen der Mund am vordern Pole der cen- tralen Längsachse. Was aber die hieher gehörenden Thiere I) Linne rechnete alle Echinodermen zu den Mollusken, während 0. Fr. Müller die zu denselben gehörenden hartschaligen Thiere (die Echiniden) davon trennte und mit den Conchylien in der Ordnung der Testacea vereinigte. Bruguieres (in der Encyclop. method.) bildete zuerst in der Linneschen Klasse der Wür- mer eine eigene Ordnung der Echinodermes,, doch ist dieselbe keineswegs von gleichem Umfang mit der gleichnamigen Guvierschen Gruppe. Sie umfasst nur die Echiniden und Asteriden, 2) Als selbstständige Hauptabtheilung sind die Echinodermen u, A. auch bereits von Goldfuss und Meckel betrachtet worden, BR. streng von den Coelenteraten abscheidet, ist besonders die Anordnung des Verdauungsapparates. Ueberall findet sich ein ansehnlicher, von der Leibeshöhle isolirter Darmkanal, der bald hinten blind geschlossen ist, bald aber auch durch einen besondern After nach aussen führt. In der Regel liegt dieser, gegenüber der Mundöffnung, am hintern Ende der Centrälachse des Leibes. Nicht selten aber zeigt er auch eine geringere oder grössere Excentricität in seiner Lagerung. Schwerlich übrigens ist diese Abweichung von der eigentlichen Norm, die den manchfachen Asymmetrieen der Thiere mit lateralem Typus ganz analog ist, in einer ursprünglichen Verschiedenheit der den radiären Typus be- dingenden Bildungsgesetze begründet, sondern vielmehr bloss in einer spätern Modification derselben durch anderweitige morphologische Vorgänge !); die Lagenumänderung ist ohne Zweifel eine secundäre. Neben dem Darmkanal, der seiner Länge nach durch ein Mesenterium in der geräumigen, unge- theilten Leibeshöhle befestigt ist, findet sich überall noch ein besonderes Blutgefässsystem, das ebenfalls den Coelenteraten fehlt und hier von der Leibeshöhle vertreten wird. Seine An- ordnung, wie auch die des Nervensystems und des Genital- apparates 2), ist, dem Typus gemäss, eine radiäre. Nur in den langgestreckten Formen der Holothurien, die besonders durch die Sipunculiden den: Würmern sich annähern, wird dieselbe, zum Theil wenigstens, verwischt und mit bestimm- ten, sonst nur den Thieren mit seitlich symmetrischem Typus 1) Bei den Crinoideen rührt z. B. diese Excentricität des Afters wahrscheinlich daher, dass diese Thiere entweder beständig, oder doch sehr lange auf einem Stiel, der von der Centralachse des Körpers, der Mundöffnung gegenüber aus- geht, angeheftet sind. Wenn bei den Echininen, wo ebenfalls im Jugendzustand eine analoge Anheftung vorkommt, trotzdem der After central ist, so kann sol- ches nur dadurch möglich werden, dass jene Anheftung noch vor der Bildung eines Afters wieder schwindet, 2) Ueber die morphologische Bedeutung der in der Asymmetrie der Geschlechts- drüse von Holothuria sich aussprechenden Verhältnisse vergl. man meine oben schon eitirte Abhandlung über die Anatomie und Morphologie der Geschlechts- organe. S. 34, > zukommenden Verhältnissen combinirt ). Dieselbe laterale Anordnung zeigt sich bei ‚den Holothurien auch in dem Bau der innern Kiemen. Wie wir oben für den Bau des Nervensystems bei den Coelenteraten eine bestimmte typische Uebereinstimmung an- gegeben haben, ebenso finden wir es auch bei den Echino- dermen. In ihnen bilden die Centraltheile dieses Apparates einen pentagonalen Ring, der den obern Theil des Darmka- nales umfasst und von seinen einzelnen Ecken die Haupt- nervenstämme entsendet. Wenngleich hierin nun eine neue Grundverschiedenheit der Echinodermen von den Coelenteraten sich ausspricht, so zeigen sich doch auf der andern Seite auch wiederum mancherlei Analogieen und Uebereinstimmungen. Dahin ge- hört besonders der den Echinodermen mit den Anthozoen gemeinschaftliche Reichthum von Kalksalzen in den äussern Bedeckungen. Nicht selten sind diese Salze in den sonderbarsten Formen ?) abgelagert. Auch erhärten sie die Hülle des Kör- pers gewöhnlich zu einem sehr festen Skelet mit manchfachen haken- oder stachelförmigen Fortsätzen. Selbst die innern 1) Schon bei den Coelenteraten finden sich einzelne Spuren einer solchen bila- teralen Entwicklungsweise, doch hier ohne alle Störung des radiären Typus. Agassiz, der (Compt. vend. 1847. Nr. 19.) zuerst hierauf aufmerksam ge- macht hat, verweist auf die beiden ansehnlichen einander gegenüberliegenden Cardiacalwülste im Magenschlauch der Actinien (die ich in den von Frey und mir herausgegebenen Beiträgen $S. 3 genau beschrieben habe). Auch die An- ordnung der Fangfäden bei den Ctenophoren gehört hieher, — Indessen schei- nen mir diese Verhältnisse bei den Coelenteraten ohne Widerspruch mit der typi- schen Form des Leibes. Schon oben ist angeführt, dass in dem radialen Bau des Körpers bei diesen Thieren die Vierzahl sehr allgemein sich ausspricht. Es würde völlig hiermit im Einklang sein, wenn zwischen jenen paarigen gegen- überliegeffden Gebilden je in der Mitte noch ein entsprechender Theil sich ent- wickelt hätte. Dass dem aber nicht so ist, scheint mir eher auf einer Modifi- cation des strahligen Baues zu beruhen, als auf einem Hineingreifen der bilate- ralen Entwicklungsweise. Indessen ist auch die Berechtigung einer Annahme, wie die letztere, nicht zu verkennen, Jedenfalls sehen wir aber aus derartigen Anordnungen, wie leicht die morphologischen Verhältnisse des strahligen Typus in die der seitlichen Symmetrie übergehen können. 2) Vergl. darüber besonders Frey a. a. 0. 31 Theile verkalken bisweilen. Um aber trotzdem den Echinoder- men die Locomotion möglich zu machen, finden sich daneben zahlreiche contractile, in Längsreihen an der Peripherie des Lei- bes gruppirte Füsschen (ambulacra), die zum Anhefien dienen und bei einer Contraction den Körper hinter sich herziehen. Die manchfachen Verschiedenheiten, in denen die äussere Form der Echinodermen auftritt, lassen auf dieselbe Weise, wie bei den Coelenteraten, aus einer centralen Verlänge- rung oder Depression!) der ursprünglichen (bei den Cysli- deen und Echinen persistirenden) Kugelgestalt sich erklä- ren. Was aber dabei die Echinodermen vor den Coelente- raten auszeichnet, ist die Tendenz zur Bildung manchfaltiger strahliger Fortsätze des peripherischen Körperrandes, der so- genannten Arme, die von den Tentakeln der Coelenteraten morphologisch streng unterschieden werden müssen. Ihre Ausbildung bei den einzelnen Echinodermen ist übrigens sehr verschieden. Von den längsverlaufenden Firsten am Körper mancher Holothurien (der pentagonalen Formen des Gen. Pentacta) zu den stumpfen Ecken mancher Asteriden (der zu Schweigger’s Abtheilung Corpore angulato gehö- renden Arten) und den hohlen Armen der Asteracanthien u. S. w., von diesen zu den soliden, gegliederten, hie und da sogar verzweigten Armen der Ophiuren und Crinoideen ist ein allmähliger Uebergang. Es sind diese radienförmigen Arme unmittelbare Ausstrahlungen und Fortsetzungen des Körpers (wie unter den Scheibenquallen die lappenförmigen Fortsetzun- gen des Leibes bei dem Gen. Ephyra), die aus jenem im Lauf der Entwicklung erst allmählig?) hervorwachsen, nicht 1) Auch hier hat man wohl -— ganz wie bei den Coelenteraten — umgekehrt die Kugelgestalt von Echinus aus der platten Form der Asteriden durch die An- “ nahme ableiten wollen, dass die Arme der letztern nach hinten umgebogen und zusammengewachsen wären. Was aber sollte hierbei aus dem umschlossenen hohlen Raum geworden sein? WUeberdiess zeigt uns die Entwicklungsgeschichte der Asteriden, in vielen Fällen wenigstens, wirklich eine allmählige Zusammen- drückung in der Gentralachse des ursprünglich kugligen Körpers. 2) Bei den Ophiuren (auch den Crinoideen?) scheint nach den Beobachtungen von Müller die Bildung dieser Arme viel früher vor sich zu gehen, als bei den aber besondere selbstständige Anhänge, wie die Tentakel der Coelenteraten, die in analoger Weise auch bei den Echino- dermen vorkommen und hier in den sogenannten äussern Kiemen der Echinen und Holothurien im Umkreis der Mund- öffnung sich wiederfinden, Die Mehrzahl der zu der Gruppe der sogenannten Cri- noideen gehörenden Echinodermen ist mittelst eines kalki- gen Stieles angeheftet, der vom hintern Pole des Körpers, der Mundöffeung gegenüber, ausgeht. Die übrigen Echino- dermen sind frei, doch gewöhnlich nicht in allen Stadien ihres Lebens. In ihren Jugendzuständen sind sie vielmehr meistens auf eine ganz analoge Weise befestigt. So die Coma- tulen (nach Thompson!), der anfänglich die unentwickelten Formen der C. mediterranea als Pentacrinus europaeus be- schrieb), so auch die Echinen (nach Dufoss&?)). Das Ru- diment des zur Anheftung dienenden Stiels ist bei den Co- matulen der sogenannte Knopf, bei den Echinen die Madre- porenplatte. Da die letztere übrigens ebenfalls den Asterien (so wie unter den Ophiuren 3) dem Gen. Euryale) zukommt, so wird hierdurch schon von vorn herein wahrscheinlich, dass auch diese in ihrer Jugend angeheftet seien. Wirklich ist dem so, wie uns die Beobachtungen von Sars*) gezeigt haben, die zusammen mit den interressanten Entdeckungen von J. Mül- ler5) über die Entwicklung der Ophiuren manche auffal- lenden Resultate für die Morphologie dieser Thiere und ihre Relation zu den vorhin betrachteten Formen ergeben. eigentlichen Asteriden. In diesem Umstand liegt vielleicht der Grund, dass in sie nicht, wie es sonst der Fall ist, die Leibeshöhle sich hineinerstreckt, und dass in Folge hiervon auch eine abweichende Entwicklung derselben, besonders so weit solche die Bildung des kalkigen Skelets betrifft, stattfinden kann. 1) New Edinb. Philos. Journ. 1836. p. 296. 2) Aunal. des science. nat. 1847. T. VII. p. 44. 3) Dass übrigens, wie Müller und Troschel (System der Asteriden. $. 4.) ver- muthen , der sogenannte Umbo der übrigen Ophiuren als Analogon der Madre- porenplatte zu deuten sei, scheint nach der Entwicklung der betreffenden Thiere sehr zweifelhaft. 4) Wiegmann’s Arch. 1844. I. S. 169, und Fauna littoral, p. 47. 5) Müller's Archiv. 1847. S. 157. ze 36 Die Untersuchungen, welche der Erstere an Asteracanthion Mülleri und Echinaster Sarsii (sanguinolentus S.) angestellt hat, zeigen nämlich, dass die Embryonen dieser Asterien, nachdem sie als infusorienartige Geschöpfe von ovaler Ge- stalt (ganz wie die Embryonen der Coelenteraten, Echinen, aber auch der Anneliden und anderer wirbellöser Thiere) eine Zeitlang durch die Hülfe eines äussern Flimmerüberzugs frei sich bewegt haben, an dem einen Ende ihres Körpers allmählig vier von einer gemeinschaftlichen Stelle ausgehende warzenartige Fortsätze bekommen, mittelst deren sie sich festsetzen, wie die Echiniden und die meisten Coelenteraten (schwerlich wohl alle, da die sogenannten Röhrenquallen währscheinlich stets frei bleiben). Unstreitig ist die dem Ansatzpunkte entsprechende Stelle dieselbe, wie bei jenen Formen, der hintere Körperpol also und die davon ausge- hende senkrechte Achse die Längsachse des Tbieres, die mit der Centralachse der Echinen, Crinoideen u.s. w. zusammen- fällt. Nun aber beginnt die Abplattung des Körpers bei den Embryonen jener Asterien auffallender Weise nicht in dieser Längsachse, sondern von den Seiten, so dass die Gentralachse des ausgebildeten Thiers nicht, wie sonst es der Fall ist, mit der eigentlichen Längsachse congruirt, sondern dieselbe unter einem rechten Winkel schneidet. Die Längsachse des Körpers geht bei den ausgebildeten Asterien also in gerader Richtung durch die Madreporenplatte, die, wie gesagt, dem ursprünglichen Anheftungspunkt entspricht, und den Mittel- punkt der Scheibe. Auf eine überraschende Weise findet somit die scharfsinnige Vermuthung von Agassiz über die laterale Symmetrie der Asteriden, über das wirkliche Vor- handensein eines vordern und hintern (von der Centralachse abweichenden) Endes in der Entwicklungsgeschichte ihre Be- stätigung. Von Neuem aber ist aus solchen Verhältnissen zu ersehen, wie ein bestimmter Plan in der Organisation, selbst unter veränderten Bedingungen, kann realisirt werden. Trotz der abweichenden Richtung entwickelt sich der Körper der Asterien vollkommen nach den Gesetzen des radiären Typus. 37 Wenngleich nun die Beobachtungen von Sars eine solche merkwürdige Differenz zwischen der Längs- und Centralachse des Körpers in der eben angegebenen Art bei den Asterien mit Evidenz nachweisen, so bedarf dennoch dieses Verhalten der nähern Beachtung und des Verständnisses, um so mehr, als sich in der Entwicklung der Echinodermen, wie es scheint, auch sonst noch manchfache sehr abweichende Verhältnisse vorfinden. So entdeckte Müller, dass die Ophiuren und einige armlose stachelhäutige Echinodermen, die er Anfangs für Echinen hielt, die aber wahrscheinlich — da bei diesen eine andere Entwicklungsart beobachtet ist — als Spatangiden sich erweisen möchten, nicht einfach durch eine allmählige Metamorphose aus der Dottermasse des Eies sich hervorbil- den, sondern einem höchst auffallenden Generationswechsel unterworfen sind. Die Embryonen derselben werden nämlich wie eine Stickerei in einem Rahmen, eben so im Innern eines sonderbaren gestellarligen Ammenthieres (Pluteus paradoxus) gebildet, das aus vier unter sich verbundenen skeletartigen und mit einem hautartigen Ueberzug versehenen Längsstäb- chen besteht, einen Magen mit (excentrischer) Mundöffnung hat und äusserlich von einem Flimmerüberzug bedeckt ist, mit dessen Hülfe es frei umherschwimmt. Die relative Lage des Embryo zu diesem Ammenthiere ist ähnlich, wie die jener jungen Asteriden zu den oben erwähnten Anheftungs- gebilden. Ueberhaupt scheint mir die Analogie dieser Theile mit jenem Ammenthiere so gross, dass ich die Vermuthung nicht unterdrücken kann, es möchten beide nach ihrer mor- phologischen Bedeutung übereinstimmen. Der Unterschied zwischen ihnen würde dann allein in der relaliv sehr ver- schiedenen Entwicklung bestehen und sich darauf reduciren, dass bei den. Asteriden jener Apparat zugleich mit dem Embryo, gewissermassen als ein blosser Anhang desselben, aus der Dottermasse gebildet wird, während er im andern Fall allein aus der Metamorphose des Dotters hervorgeht und sich denn auch darum zu einem selbstständigen, frei beweg- lichen Thier entwickeln kann. Dass übrigens auch sonst 38 bisweilen jener Apparat nicht zum Anheften dient und auf abweichende Weise eine beträchtliche Grösse erreichen kann, zeigt die neuerlich durch Koren und Danielssen be- stätigte!) Entdeckung?) von Sars, dass das früher von ihm als Bipinnaria asterigera beschriebene Geschöpf nur ein sich entwickelnder und mit einem grossen Schwimmapparat versehener Seestern sei. Sehr ist es zu bedauern, dass unsere dermalige Kenntniss von der Entwicklung der Echinodermen nicht umfassender ist, dass wir besonders über die Holothurien noch Nichts weiter wissen, als dass dieselben jung von der Grösse eines Gerstenkorns und einer weisslichen Made ähnlich seien ?). Ge- wiss wird eine spätere Untersuchung hier noch mancherlei höchst wichtige Aufschlüsse über die Morphologie und den Zusammenhang der verschiedenen Gruppen uns liefern. Was die Systematik der Echinodermen betrifft, so theilte Cuvier dieselben bekanntlich nach dem Vorhandensein oder dem Mangel der Ambulacra in Echinodermata pedi- cellata (mit den Familien der Asteriden, Echiniden und Holo- thurien) und in Echinodermata apoda (mit den Sipunculiden). Indessen haben die Gebilde, auf deren Beschaffenheit diese Eintheilung sich stützt, offenbar eine viel zu geringe typische Bedeutung, als dass sie den übrigen durchgreifendern und wichtigern Organisationsverhältnissen, die in der anatomischen Anordnung der Eingeweide und des Skelets sich aussprechen, könnten vorgesetzt werden. Viel beachtenswerther ist in die- ser Hinsicht die Anordnung von Latreille, der von den eigent- lichen Echinodermen (den Asterien, Echiniden und Crinoiden) als besondere Gruppe die Holothurien (Scutoderma Schulz, Sceytodermata Brmstr.) abtrennte und aus beiden in Verbin- dung mit den Tunicaten seine den Phytodaceen gleichstehende Klasse der Actinozoa schuf. Wie unnatürlich aber die Vereini- 1) Annal. des scienc. nat. 1847. T. VII. p. 348. 2) A. a.'0. 87176! 3) Vergl. Dalyell in Froriep’s N. N. Nr. 331. 8. 2. 39 gung der Tunicaten mit den Guvierschen Echinodermen sei, leuchtet leicht ein. Auch hat wohl niemals diese Vereinigung einigen Beifall gefunden, während die erstern beiden von La- treille aufgestellten Ordnungen sonst manchfach, wie beson- ders von Burmeister!),in dem gleichen Umfang angenommen sind. Leider aber werden von dem letztern mit diesen beiden Ordnungen noch die Akalephen (nach dem Vorgang von Lamarck) verbunden, die unstreitig, wie ich glaube nach- gewiesen zu haben, mit dem Polypen zusammengehören. Nach einem andern Eintheilungsprincip, nach der Ver- schiedenheit der äussern Form, bildete Lamarck aus der Abtheilung der Echinodermen die Ordnungen der Stelleriden (Asteriden), Echiniden und Fistuliden, von denen die letz- tere, wie schon oben erwähnt wurde, neben den Holothurien und Sipunculiden auch die Actinien enthielt. Die Crinoideen, die von Cuvier unter die Asteriden gestellt waren, trennte Lamarck völlig von den Echinodermen, um sie — mit Aus- nahme von Comatula‘s. Alecto, die bei den Asteriden ver- blieb 2) — den Polypen, und zwar den Halopteriden, anzu- reihen; ein Verfahren, welches übrigens jetzt, wo wir durch Miller3) und besonders durch J. Müller*), die Organi- sation dieser Thiere näher kennen gelernt haben, kaum noch eine besondere Widerlegung verdient. Eben dieselben Unter- suchungen aber haben uns gezeigt, dass die Crinoideen kei- neswegs mit den Asteriden vereinigt werden dürfen, dass sie vielmehr eine besondere, u. a. durch fundamentale Unter- schiede in der Skeletbildung ausgezeichnete Gruppe bilden. Somit wären denn die Cuvierschen Echinodermen in vier, oder, wenn man, wie es besonders in neuerer Zeit mehrfach geschehen ist, noch die Ech. apoda (Sipunculacea 1) Handbuch der Naturgesch. $. 465. %) Linn hatte ganz auf dieselbe Weise die ungestielten Crinoideen (als Asterias multiradiata und pectinata) zu den Asterien, die gestielten (als Isis Asteria — Pentacrinus Caput Medusae und Encrinites liliiformis) zu den Polypen gestellt. 3) Natural Hist. of the Crinoidea Bristol. 1821. 4) Ueber den Bau des Pentacrinus caput Medusae. Berlin. 1845. 40 Brdt., Gephyrea de Quatref.) als eine besondere Gruppe betrachtet, in fünf Ordnungen zerfällt, die von vielen Zoolo- gen auch wirklich als natürlich und gleichwerthig neben ein- ander gestellt werden. Mögen diese Gruppen nun übrigens auch, was ich gern zugebe, natürlich sein, gleichwerthig sind sie nach meiner Meinung schwerlich. “ Zuerst müssen, wie bereits Streubel es vorgeschla- gen!) hat, die Asteriden und Echiniden mit einander zu einer gemeinschaftlichen grössern Abtheilung vereinigt werden. Die sehr nahe Verwandtschaft derselben beweist schon die Ent- wieklungsgeschichte. In ihren frühesten Stadien zeigen Asterien und Echinen, so wie besonders Ophiuren und Spatangiden eine sehr auffallende Analogie. Die erstern sind, wie erwähnt, mit Hülfe eines besondern stielförmigen Apparates angeheftet, während bei den letztern die merkwürdigen Ammen und die ersten Embryonalformen der bleibenden Thiere vollkommen übereinstimmen. Die spätern in der Entwicklung auftreten- den Differenzen gehören je in den speciellen Plan der einen oder andern Gruppe dieser Abtheilung. Selbst der Umstand, dass, wie wir oben angeführt haben, bei den Asterien eine Aenderung in der Richtung der Centralachse vorkommt, die dem radiären Typus gewissermassen als Angriffspunkt dient, kann uns von einer nähern Vereinigung der betreffenden Thiere nicht abhalten. Müssten wir doch sonst auch wahr- scheinlich die Spatangen aus derOrdnung der Echiniden ent- fernen. Ueberdiess rechtfertigt auch die wesentliche Ueber- einstimmung in dem anatomischen Verhalten der einzelnen Organe die Vereinigung der beiden Gruppen in eine gemein- schaftliche grössere Abtheilung. Wir brauchen den Körper eines Echinus in der Richtung seiner Gentralachse nur stark abgeplattet uns zu denken, um einen stumpfeckigen Seestern zu bekommen, mit entgegenstehender centraler Mund- und Afteröffnung, mit einem nach den fünf Ecken ausstrahlenden Nerven- und Gelässring, mit eben so radial gruppirtem Ge- 1) Encyclop. von Ersch und Gruber, Art. Pentacta, al schlechtssystem und Locomotionsapparate. Dass bei den Asteriden diese tentakelartigen Ambulacra nur auf der obern Mundfläche sich befinden, wiederholt in analoger Weise sich auch bei den Spatangen, wo dieselben auf die Rücken- seite sich beschränken. Ganz gleichmässig finden sich über- diess bei Echiniden und Spatangiden, und zwar nur bei ihnen, jene merkwürdigen Greifwerkzeuge, die Pedicellarien. Ebenso beschränkt auf beide Gruppen sich ebenfalls das Vor- kommen einer Madreporenplatte. Die in dem Skeletbau sich aussprechenden Differenzen sind nicht grösser, als in den einzelnen Ordnungen und Gruppen anderer Klassen, wie z.B. der Polypen, wo ebenfalls bald ein bloss äusseres, bald auch zugleich ein inneres Skeletsystem auftritt. Unnatürlich scheint mir bei der oben angeführten Ein- theilung der Echinodermen in fünf gleichstehende Ordnungen auch noch die völlige Trennung der Sipunculiden von den Holothurien. Allerdings lässt es sich nicht verkennen, dass in den erstern dieser Thiere die radiäre Anordnung, die sonst so auffallend hervortritt, noch weiter schwindet, als in den letztern — wie sich besonders in dem Bau des Nerven- systems ausspricht, welches fast ganz wie bei den Anneliden und Arthropoden gebauet ist —, doch dieses, glaube ich, allein berechtigt uns noch nicht, die Sipunculiden vollkommen von den Holothurien zu trennen und sie wohl gar, wie es in neuerer Zeit mehrfach vorgeschlagen wurde, den Würmern einzureihen. Immer noch bleiben manchfache sehr wichlige Annäherungen an die Holothurien. Das Vorkommen innerer Kiemensäcke (bei Echiurus und Thalassema) und eines Mesen- teriums, die Lage der Genitalien im Vordertheil des Leibes sind Verhältnisse, welche die Sipunculiden mit den echten Holothurien theilen und welche zum Theil dem Typus der Würmer völlig fremd sind. Dass bei den Sipunculiden die Ambulacra fehlen, darf man nicht allzu hoch anschlagen; auch bei Synapta werden sie vermisst, obgleich diese doch ohne Zweifel den Holothurien zugehört. Ueberhaupt wird ja das Vorkommen solcher Locomotionsorgane allein durch die 42 starre Beschaffenheit der äussern Bedeckungen noth wendig. Wo dieses aufgehört hat, als ein förmliches Skelet zu er- scheinen, wo die Körperhüllen weich und biegsam sind (wie eben bei Synapta und den Sipunculiden), da haben sie ihre Bedeutung verloren und können fehlen. Die nach einer derartigen Vereinigung der Echiniden und Asteriden einerseits, sowie der Holothurien und Sipunculiden andererseits entstehenden drei grössern Gruppen der Echino- dermen, die in gleicher Weise bereits von Streubel auf- gestellt worden sind, können wir, wie ich glaube, nach ihrer systematischen Bedeutung als eben so viele Klassen betrach- ten, die den Polypen und Akalephen in der Abtheilung der Coelenteraten gleichstehen und je wiederum in einzelne Ord- nungen zerfallen. Die erste dieser drei Klassen, für welche ich die Bezeich- nung Pelmatozoa!) vorschlagen möchte, begreift eine grosse Reihe vorweltlicher Formen, deren wenige noch lebende Re- präsentanten, wie einer unserer grössesten Geologen bemerkt, nur einen sehr traurigen Ueberrest von der Pracht und der Ausbreitung dieser herrlichen Geschöpfe in den Meeren der Vorwelt bilden. Charakteristisch für die hieher gehörenden Echinodermen ist es, dass sie zeitlebens oder doch längere Zeit hindurch in der Jugend gestielt sind und festsitzen. Wo, wie bei Comatula, im Lauf der Entwicklung der Stiel verlo- ren geht, bleibt, als Rudiment, auf der Rückseite des Kelches das sogenannte Knöpfchen 2). In der einen Ordnung dieser Klasse, in den Gystideen3), die alle in den ältesten For- mationen unserer Erdoberfläche, in den silurischen Schichten, begraben liegen, ist der gestielte Körper von einfacher rund- 1) Von nehuc, Stiel, und 00», Thier, 2) Sehr eigenthümlich aber ist es, dass Holopus, wie Müller angiebt, nicht mit- telst eines besondern Stieles, sondern nur mit Hülfe dieses Knöpfchens festsitzt, Wahrscheinlich ist solches Verhältniss dahin zu deuten, dass bei diesem Thier der Stiel beständig nur sehr kurz bleibt und an Länge das Knöpfchen von Co- matula nicht übertrifft. 3) Vergl. L. v. Buch: Ueber Cystideen, in den Abhandlungen der Berl. Akad, vom Jahre 1844. 43 licher oder ovaler Form, während in der andern Ordnung, welche die eigentlichen Crinoideen umfasst, an dem obern peripherischen Rande des Kelches noch besondere zahlreich gegliederte Arme sich vorfinden, deren Skeletstücke immer dem Perisom angehören und stets von dem dorsalen Pole ihren Ursprung nehmen. Die zweite Klasse der Echinodermen, die ich mit dem Latreilleschen Namen der Actinozoa bezeichen möchte, wird von zwei ganz entsprechenden Ordnungen, von den Echiniden und Asteriden, zusammengesetzt. Die erste- ren, die durch ihre rundliche Gestalt die schalige Form der Cystideenköpfe wiederholen, von ihnen aber durch die Ma- dreporenplatte und das Vorkommen beweglicher Stacheln sich unterscheiden, haben ein einfaches, durch Näthe unbe- weglich zusammengefügtes Hautskelet. Die Asteriden dage- gen, die mit Armen versehen sind, wie die Crinoideen, und mit einem plätten, scheibenförmigen Körper, haben ausser einem minder entwickelten Hautskelet auch noch ein beson- deres inneres Skelet, welches, den Armen entsprechend, aus mehrern gelenkig verbundenen Reihen von Gliedern besteht, die aber nie dem ‚Perisom angehören und stets von der Bauchseite der Scheibe, und zwar vom Munde, ausgehen. Die dritte Klasse, die der Scytodermata Brmstr.,, deren Glieder vorzugsweise durch die Lage und Anordnung der Geschlechtsorgane und innern Kiemen, so wie durch die gestreckte cylindrische Form des lederartigen Körpers und die ansehnliche Entwicklung der tentakelartigen Kopfanhänge }) sich auszeichnen, umfasst als Ordnungen die Holothuriae und Sipunculida. Die leiztern zeigen theils eine längere, wurmförmige Gestalt, theils auch eine abweichende Anord- nung des Nervensystems, an dem man einen Schlundring und einen mittlern Bauchstrang ?2) unterscheidet. Ein deut- 1) Auch bei Priapulus stehen die merkwürdigen traubenförmigen Anhänge am Kopf- ende. Vergl. Frey und Leuckart, Beiträge S 40. 2) Um die Relation zu erkennen, in welcher diese Anordnung des Nervensystemes mit dem bei den Holothurien vorkommenden Bau stehet, müssen wir daran uns 44 licheres Hervortreten der seitlichen Symmetrie, die in den folgenden Abtheilungen ihre mächtigste Ausbildung erlangt, lässt nicht mehr sich verkennen. Vermes. Bekanntlich hat schon Linne& (wie früher bereits Aristo- teles) in der Reihe der Thiere eine besondere Klasse der Würmer aufgestellt. Indessen entspricht diese nach ihrem Umfang keineswegs der Gruppe der Vermes, wie wir diese hier als eine typische Hauptabtheilung der animalischen For- men hinstellen. Die Linne&schen Würmer umfassen mit Ausnahme der Arthropoden (Insecta Lin.) alle wirbellosen Geschöpfe. Eine grössere Uebereinstimmung mit unserer Abtheilung erinnern, dass bei den letzterwähnten Formen, ganz wie bei den übrigen Echi- nodermen, ein Schlundring mit fünf davon ausstrahlenden Nervensträngen vor- kommt, die alle, wie die gleichmässige Entwicklung der peripherischen Theile es verlangt, dieselbe Anordnung darbieten. Von diesen Nervenstämmen nun ist bei den Sipunculiden nur ein einziger, der in der Medianlinie des Bauches ver- läuft, geblieben. Möglich, dass auch die übrigen noch sich vorfinden, wenn- gleich sehr rudimentär, oder dass sie doch, wenn sie im ausgebildeten Zustand wirklich fehlen, bei der ersten Bildung gleichmässig angelegt werden und dann erst später dem Process der Rückbildung unterliegen. Zu ergründen ist noch, ob ‘der mittlere Bauchstrang der Sipunculiden nur einem einzigen dieser radiä- ren Stämme entspricht, oder vielleicht zweien anliegenden, wie es bei den Ar- thropoden der Fall ist, Dass nur eine einzige Commissur in demselben vor- kommt, kann allein hierüber nichts entscheiden. Treffen wir dasselbe doch auch bei manchen Insekten, wie den Diptern u. A. Es können entweder im Lauf der Entwicklung zwei seitliche Stämme vollständig verschmolzen sein, oder auch — was dem Typus der lateralen Entwicklung ebenfalls nicht fremd ist — beide morphologische Elemente gleich Anfangs durch ein einfaches mittleres Element er- setzt sein, Am ersten möchte die Frage vielleicht noch durch die anatomische Untersuchung derjenigen Holothurienarten erledigt werden können, bei denen schon ein Unterschied zwischen Bauch und Rückenfläche vorkommt (z.B. Psolus, Cuvieria). Verläuft hier in die Mittellinie des Bauches nur ein einziger mittlerer Stamm, wie es mir nach der Anordnung der Längsmuskeln (s. u.) sehr wahr- scheinlich ist, dann möchte dieser allein dem Bauchstrang der Sipuneuliden ent- sprechen. Verlaufen daselbst aber von den fünf radiären Stämmen vielleicht zwei, die seitlich einander anliegen, dann möchte wohl jener einfache Bauch- strang morphologisch diese beiden Stämme ersetzen, 45 zeigt die von Linne& in seiner Klasse der Vermes aufgestellte Ordnung der Intestina, doch enthält auch diese einzelne dem Typus der Würmer fremde Formen (wie Myxine und Teredo), während andere, die wir mit Recht demselben glauben vin- dieiren zu müssen, getrennt davon theils der Ordnung der Testacea (Serpula), theils der der Mollusca (Nereis und Aphro- dite) einverleibt sind. Wie isolirt übrigens hier diese letztern stehen, fühlte schon Pallas!), der zuerst bei einer genauen Untersuchung des ganzen Baues den innern Zusammenhang dieser Formen erkannte und den Vorschlag machle, ihnen eine andere Stelle anzuweisen. Mit den Eingeweidewürmern vereinigt sind sie von ©. Fr. Müller in der Ordnung der Helminthica, wo sie (immer aber noch ohne die Serpulaceen, die bei den Testacea verblieben) mit den Lumbricinen, die schon Linne den Intestina zugezählt hatte, eine eigene Un- terordnung, die Setosa, bilden, welche den übrigen Würmern (von denen aber Fasciola und Planaria, als den Mollusken angehörig, ausgeschlossen wurden) gegenüber stehen. Die letz- tern sind wegen des Mangels der Borsten als Mutica bezeichnet. In demselben Umfang treffen wir die Gruppe der Wür- mer (Intestins) noch bei Brugieres?). CGuvier war der Erste3), der in den hier vereinigten Geschöpfen einen zwei- fachen typischen Bau zu erkennen glaubte. Die einen der- selben, die Ringelwürmer, die theils durch eine rothe Fär- bung des Blutes, theils durch eine Segmentirung des Leibes und die Anwesenheit einer einfachen Bauchganglienkette sich auszeichneten, brachte er als die Repräsentanten einer eignen Klasse zu den Gliederthieren, während er die andern, die Entozoa (mit den Formen der Nemertinen, Turbellarien und auch der Lernäaden), dem Kreise der Zoophyten zurechnete. An Beifall hat es dieser Anordnung nicht gefehlt. La- marck, Latreille, Goldfuss u. A. haben sie adoptirt. 1) Miscellanea Zoolog. La Haye. 1766. 2) Diction, des vers in der Encyclop. method. Paris. 1792. 3) Annal. du Mus. d’hist, nat. T. XIX. 46 Auf der andern Seite hat dieselbe aber auch manchen Wider- spruch erfahren. In Deutschland waren es besonders v. Baer!) und gleichzeitig mein Onkel Fr. S. Leuckart?), die den Nachweis versuchten, dass eine eigene Klasse der Entozoa sehr unnatürlich sei, dass die Zusammenstellung der Helminthen nur als eine Fauna des innern Thierkörpers an- gesehen werden könne, deren Glieder ihre Verwandten und Repräsentanten in verschiedenen andern Ordnungen und Klas- sen des Thierreichs hätten. Man hob die grosse Ueberein- stimmung der Nematoideen und Borstenwürmer, der Trema- toden und Hirudineen hervor und suchte auch die übrigen Formen der Helminthen anderweitig zu vertheilen. So glaubte z. B. mein Onkel eine nahe Verwandtschaft der Akanthoce- phalen mit den Sipunculiden zu erkennen, der Cestoden mit den Polypen und Akalephen — worin auch Meckel3) mit ihm übereinstimmte — und schlug desshalb eine Vereinigung der betreffenden Thierformen vor. Im Augenblick möchte die Anordnung von Guvier vielleicht wenige Vertreter mehr finden ?). Wohl allgemein sind Helminthen und Anneliden wieder in einer gemeinschaft- lichen Abtheilung der Würmer vereinigt. Nur über die Re- lation dieser Abtheilung zu den übrigen Gruppen der wir- bellosen Thiere herrscht noch eine grosse Verschiedenheit der Ansichten. Die Einen betrachten die Würmer als eine be- sondere typische Hauptabtheilung des Thierreichs (Graven- horst5), Berthold®), v. Siebold’”)), während die An- dern in denselben eine dem Typus der Gliederthiere unter- +)’ Ara!0. 2) A.2.0. 3) Syst. der vergl. Anat. Th. I. S. 94. 4) Leider, wie ich sche, noch van der Hoeven in der neuen Auflage seiner Zoologie, übers. v. Moleschott. 5) Das Thierreich nach seinen Verwandtschaften und Uebergängen. Breslau. 1845. S. 43. — Von den eigentlichen Würmern sind aber hier die Trematoden als die Glieder einer besondern Klasse abgetrennt, was wohl kaum zu billigen, 6) Lehrbuch der Zoolog. Götlingen. 1845. $. 440. 7) Vergl. Anat. der wirbellosen Thiere, 47 geordnete Gruppe sehen und diese sogar meistens bloss den übrigen einzelnen Klassen derselber gleichsetzen. Das letztere Verfahren ist sicherlich am wenigsten natürlich. Selbst wenn man die Würmer für Gliederthiere halten will (obgleich hier- durch nach meiner Meinung das Charakteristische dieser Thiergruppe gänzlich wegfällt), müssen die Unterschiede zwi- schen ihnen und den übrigen dahin gehörigen Formen streng im Auge behalten werden. Wir müssen dann, wie es be- sonders Milne Edwards gethan hat, in dieser grossen Ab- theilung zwei Hauptgruppen annehmen, Würmer und Glie- derfüssler, die beide wiederum mehrfach in Klassen zerfallen. Indessen muss ich gestehen, dass die Unterschiede zwi- schen Würmern und Gliederfüsslern mir so beträchtlich zu sein scheinen, dass ich mich nicht entschliessen kann, beide zu vereinigen !). Beide scheinen mir vielmehr je nach einem besondern, dem Wesen nach verschiedenen Plane gebauet. Die Gliederung des Leibes, so wie die Anwesenheit einer Bauchganglienkette — die einzigen Verhältnisse, welche die höhern Würmer den eigentlichen Gliederthieren nähern — sind nach meiner Ansicht nicht mit Nothwendigkeit begrün- det in dem Typus der Würmer, wohl aber in dem der Ar- thropoden. Sie sind dort bloss durch eine Weiterentwicklung des Typus hervorgerufen und stets ohne jene bestimmte Be- deutung, wie bei den echten Gliederthieren. Die meisten Würmer entbehren sowohl der Gliederung, als auch der Bauchganglienkette. Durchgreifend dagegen und bedingt durch den Typus der Würmer ist die Anwesenheit eines Nackenganglions, von dem nach den verschiedenen Sei- ten hin die Nerven ausstrahlen. In Uebereinstimmung mit der gestreckten Leibesform und der seitlichen Symmetrie des Kör-. pers ist es, dass gewöhnlich unter diesen Nerven sich zwei nach hinten bis in das sogenannte Schwanzende hinabsteigende Längsstämme auszeichnen. Eben diese beiden Seitennerven nun 1) In diesem Fall würde man auch consequenter Weise die Coelenteraten mit den Echinodermen in einer gemeinschaftlichen Abtheilung (etwa der Radiata) zu- sammenfassen müssen, was mir aber eben so wenig natürlich scheint, 48 sind es auch, die bei den höher entwickelten Formen der Würmer nach dem Gesetz der mittlern Verschmelzung ent- sprechender lateraler Theile (einem Gesetz, welches so ausser- ordentlich häufig bei den Thieren mit seitlich symmetrischem Typus sich geltend macht) in der Medianlinie des Bauches unterhalb des Darmkanales zu einem einzigen unpaaren Stamm sich verbinden. Dass im Verlauf dieses Bauchstranges, den einzelnen Segmenten entsprechend, sich noch besondere ganglionäre Anschwellungen zeigen, kann uns um so weniger überraschen, als schon in den getrennten Seitennerven ande- rer Würmer, bei Malacobdella !) und bei einigen grössern Planarienarten ?2), ganz analoge Bildungen vorkommen. Was nun die Segmentirung betrifft, so kann auch diese, wie ich glaube, für sich uns noch nicht zu einer Vereini- nigung der Würmer mit den Gliederthieren berechtigen. Auch in andern Thierkreisen finden wir sie in Anwendung gezo- gen. Die Arme der Ophiuren, die Wirbelsäulen der Knochen- thiere zeigen ganz dieselbe Wiederholung gleicher morpholo- gischer Abschnitte in einfacher Reihe hinter einander. Ueber- all scheint dieselbe da sehr leicht entstehen zu können, wo die Längendimension vorherrscht, besonders, wenn dabei die seitliche Symmetrie nicht auf irgend eine Weise gestört ist. Und dann, wie so sehr verschieden ist die Segmentbil- dung bei den Würmern von der bei den Gliederfüsslern. Während bei den letztern die einzelnen Körperringe wiederum nach einer ganz bestimmten Norm sich zusammengruppiren, während dabei die Anhänge derselben auf eine entsprechende Weise umgeformt werden, treffen wir bei den Gliederwür- mern wesentlich eine ganz gleichmässige Entwicklung von Segmenten und deren Anhängen. Dort herrscht in der An- ordnung der Ringe eine Heteronomität, hier eine Homonomität. Ein Kopf besonders, mit Fresswerkzeugen versehen, die aus der Metamorphose von Segmentanhängen hervorgegangen sind, 1) Blanchard, in den Annal. des scienc. natur, 1845. T. V. p. 364. 2) Blanchard, Ibid. 1847. T. VII. p. 107. 49 fehlt allen Würmern. Was man bei diesen Thieren einen Kopf nennt, ist eben so wenig ein morphologisches Aequiva- lent vom Kopf der Arthropoden, als die sogenannten Man- dibeln !) ein-Aequivalent der eben erwähnten Fresswerkzeuge. Haben wir somit nun die gemeinsamen Eigenthümlich- keiten der Würmer und Arthropoden mehr als äussere Aehn- lichkeiten erkannt, die an sich auf die innere Uebereinstim- mung des Baustils noch keineswegs zurückschliessen lassen, so müssen auch auf der andern Seite die sonstigen Verschie- denheiten zwischen diesen beiden Gruppen von Thieren an Gewicht noch gewinnen. Während die Arthropoden überall ein mehr oder minder weit geschlossenes Gefässsystem be- sitzen, überall Querstreifen an den Muskelbündeln (selbst da, wo z. B. bei den Wirbelthieren glatte Fasern vorkommen, an den Eingeweiden, den Drüsenschläuchen u. s. w.) und einen gänzlichen Mangel aller Flimmercilien, treffen wir da- gegen bei den Würmern einen völlig geschlossenen Circula- tionsapparat (wenigstens bei den Ringelwürmern), glatte Mus- kelfibrillen und ein Flimmerepithelium in grosser Ausdeh- nung ?). Ueberdiess fehlt beiden Würmern jener eigenthümliche Stoff, das Chitin, welches durchgängig in den Integumenten der Arthropoden sich vorfindet. In den Bedeckungen wenig- stens ist derselbe nicht aufzufinden 3), Unter‘ solchen Umständen, glaube ich, sind wir vollkom- men zu der Annahme berechtigt, dass die Würmer nach einem eigenen, von dem Typus der Gliederfüssler abweichen- den Plane gebauet sind und darum denn auch mit Recht als 1) Ganz offenbar sind diese Gebilde blosse locale Entwicklungen der innern Pha- ryngealauskleidung, wie die Borsten analoge Entwicklungen der äussern Haut sind. Am meisten möchten sich die sog. Mandibeln der Würmer der Bewaffnung in dem Innern des sogenannten Vormagens bei den Insekten u. s. w. vergleichen lassen. 2) Interessant ist es übrigens, dass einzelnen Gruppen unter den Würmern solche Cilien, wie es scheint, ganz vollkommen, fehlen. So den Nematoideen, den Akanthocephalen und Cestoden. 3) Nach der Reaction gegen Kali könnten indessen doch wohl die Borsten der Chätopoden daraus bestehen. 50 eine selbstständige grosse Hauptabtheilung des Thierreichs betrachtet werden. Zu dieser Abtheilung aber müssen wir, wie es mir scheint, ausser den Cuvierschen Eingeweidewürmern und den An- neliden noch einige andere vereinzelte Gruppen hinzufügen, die an jeder andern Stelle ohne allen Zusammenhang, alle Verbindung sein möchten. Ich meine die Rotiferen und Bryozoen. Die erstern wurden bekanntlich von Ehrenberg (nach dem Beispiel von O. Fr. Müller) den Infusorien !) beigezählt, sind aber von andern Zoologen auf Grund ihrer ganzen Or- ganisation, gewiss mit dem grössten Recht, davon getrennt. Burmeister glaubte in denselben niedere Crustaceen zu erblicken und rechnete sie zu seinen Entomostraken mit rückschreitender Metamorphose (?). Einer solchen Ansicht indessen kann ich nicht beitreten. Der Mangel eines Bauch- marks und quergestreifter Muskelfasern — Euchlanis triquetra macht allerdings in letzterer Beziehung eine Ausnahme, indem hier wirkliche Querstreifen an den Muskelprimitivbündeln vor- kommen, wie aber auch bei Pentastomum im Hautmuskel- schlauch und bei Aphrodite im Pharynx —, die Abwesen- heit des Chitins in den Bedeckungen, das Fehlen von eigent- lichen Fresswerkzeugen und gegliederten Beinen, so wie das weit verbreitete Vorkommen eines Flimmerepitheliums verbieten eine derartige Gruppirung. Alle diese Verhältnisse sind dagegen in der Abtheilung der Würmer ganz gewöhnlich. Dazu kommt die Gliederung des Leibes, die bei vielen Rotatorien, ebenso wie bei den Anneliden, sich vorfindet. Ohne weitere Beden- 1) Oersted (Entwurf einer systematischen Eintheilung und speciellen Beschreibung der Plattwürmer. S. 36.) rechnet (ausser den Sipunculiden) auch die polygastri- schen Infusorien -- von denen übrigens die Bacillarien, als Pflanzen, ausgeschieden werden — zu den Würmern. Nach dem aber, was wir über die Organisation dieser Geschöpfe kennen, entbehrt solche Vereinigung dermalen noch aller Begründung, wenn sich auch nicht verkennen lässt, dass manche Würmer, be- sonders Trematoden (wie Convoluta), .auf den ersten Anblick ganz den Ein- druck eines colossalen Infusuionsthierchens machen, al ken theile ich denn auch desshalb die Annahme von Wieg- mann, R. Wagner, Milne Edwards, Rymer Jones, Berthold, v. Siebold u. A., welche die Rotatorien zu den Würmern rechnen. Was die Bryozoen betrifft, so wird, glaube ich, aus dem, was oben über die Organisation der Coelenteraten angegeben ist, zur Genüge hervorgegangen sein, dass dieselben den Po- Iypen nicht länger beigesellt werden können. Indessen scheint mir auch, wie ich schon an einem andern Orte!) angegeben habe, die Ansicht von Milne Edwards, dass die Bryozoen den Tunikaten anzureihen seien, nicht annehmbar, weil die Abwesenheit eines Kiemensacks bei den erstern einen fun- damentalen Unterschied zwischen beiden begründet. Dagegen zeigen die Bryozoen eine auffallende Verwandtschaft mit den Rotiferen, wie namentlich Arth. Farre2) hervorhebt und selbst Ehrenberg nicht unbekannt war. Der Gilienkranz an der Kopfscheibe der Rotiferen (der sogenannte Räderappa- rat) entspricht, was schon v. Baer 3) bemerkt, den bewim- perten Armen der Bryozoen. Besonders beweisend für diese Uebereinstimmung ist das Gen. Stephanoceros, wo der Rand der Kopfscheibe, ganz wie bei den Bryozoen®), in armför- mige, mit Gilien bedeckte Fortsätze ausgezogen ist. Ich möchte hier an ein analoges Verhältniss bei den Cephalopo- den erinnern, an die Formation der Kopfanhänge bei Nautilus, wo, wie wir (durch die Untersuchungen 5) von Valenciennes) wissen, die eigentlichen Arme geschwunden sind, und nur die Anhänge derselben als cylindrische Tentakel (entsprechend den Saugnäpfen der Acetabuliferen, wie namentlich das Gen. Cirrotheutis sehr deutlich erkennen lässt) persistiren. Ganz 1) Beiträge u. s. w. S. 147. 2) In den Philosoph. transact. 1837. p. 400. 3) A. a. 0. S. 758. 4) Sehr eigenthümlich ist die Umformung dieser Arme bei den Alcyonellen; eine Umformung, mit welcher übrigens manche eigenthümliche Anordnungen in der Bildung des Räderapparates bei den Rotiferen — auf die wir hier nicht näher eingehen können — vollkommen parallel laufen. 5) Archiv. du Mus. d’hist. nat. T. II. 1842. p. 25°. 4* BEE. u ebenso bei den Rotiferen, bei denen (mit Ausnahme jenes oben genannten Genus) die den Armen der Bryozoen analo- gen Verlängerungen fehlen und nur deren lange Cilien ge- blieben sind. Dass manche Rotiferen, wie die Bryozoen, in Gehäusen leben, will ich hier nicht hervorheben, weil bei den erstern dieses Gehäuse überall nur ein Secret der äussern Bedeckungen zu sein scheint, nicht aber, wie bei den Bryozoen es der Fall!) ist, aus den erhärteten und verkalkten Integu- menten selbst besteht. Interessant aber ist es, dass bei den Gehäusebewohnenden Rotiferen der Darmkanel ebenso, wie bei den Bryozoen, eine ganz ansehnliche schlingenförmige Biegung macht, um weit nach oben, in der Nähe des Kopf- endes, zu münden, statt in der Spitze des Hinterleibes. Die Bryozoen sind übrigens die einzigen Würmer, welche ein Skelet besitzen. Ganz allgemein sonst bleiben die äussern Bedeckungen weich und biegsam. Die kalkigen und leder- arligen, oft auch aus fremden Körpern, aus Sand u. dgl. zusammengemauerten Röhren, in denen manche Würmer, besonders aus der Gruppe der sogenannten Capitibranchialten, leben, sind niemals integrirende Theile des Körpers. Wie bei den vorhin erwähnten Rotiferen entstehen dieselben auch hier durch das Erstarren eines eigenthümlichen, von den Bewohnern selbst gelieferten Sekretes. Mit den Echinodermen ist in der Reihe der animalischen Formen die Entwickelung des radiären Typus erloschen. In der Abtheilung der Würmer beginnt eine andere Bau- weise, charakterisirt durch die seitliche Symmetrie in der Form des Leibes und der Anordnung der Eingeweide. Die centrale Längsachse, die dort ganz gleichmässig zu allen Theilen der Peripherie sich verhielt und bestimmend auf die Beschaffenheit und die Gruppirung der umliegenden Theile einwirkte, hat hier ihre morphologische Bedeutung einer idealen Längsebene übertragen, die durch die Mitte des Körpers sich heraberstreckt. Sie trennt den Körper in zwei seitliche Hälften, 1) Vergl. Frey, a. a. 0. deren eine das vollkommene Spiegelbild der andern ist. Wo sie die Peripherie des Körpers schneidet, in zwei einander gegenübergelegenen Längslinien (die natürlich gerade die Mitte halten müssen zwischen den äussersten Grenzen der beiden Seitenhälften), hat eine bestimmte gegensätzliche Ver- schiedenheit sich hervorgebildet. Die durch die eine dieser Längslinien senkrecht hindurchgehende Fläche ist zur Bauch- fläche, die entgegengesetzte zur Rückenfläche geworden. Bauch und Rücken zeigen in Anordnung, Form und Be- schaffenheit ihrer Theile manchfache geringere oder grüssere Differenzen. So sind z.B. an dem erstern die Bewegungs- werkzeuge befestigt. Abhängig hiervon ist es, dass der Bauch als die untere, der Rücken als die obere Körperfläche erscheint, während, wie wir vorhin gesehen haben, bei den Thieren mit radiärem Typus die obere und untere Fläche durch die Pole der Centralachse bestimmt werden, und somit dann den- jenigen Regionen entsprechen, die wir bei den Würmern u. s. w. als vorderes und hinteres Körperende bezeichnen }). Ein anatomischer Unterschied zwischen Rücken und Bauch fehlt allen Thieren mit strahlenförmigem Körper, wenigstens allen, denen eine solche Form in ihrer ganzen charakteristi- schen Eigenthümlichkeit zukommt. Indessen lässt sich doch nach den mitunter in Anwendung gezogenen CGombina- lionen des radiären Typus mit dem seitlich symmetrischen nicht verkennen, dass auch bei den Radiaten schon ein ana- loger Gegensatz in der Entwicklung der peripherischen Theile möglich ist. Es lässt sich bestimmen, welche Regionen bei den Coelenteraten und Echinodermen dem Bauch und Rücken der übrigen Thiere entsprechen. 1) Die Bezeichnungen von Oben und Unten, von Vorn und Hinten sind nach der gewöhnlichen Weise des Gebrauches nicht von bestimmten morphologischen Ver- hältnissen abhängig, sondern allein von der Gruppirung und der Wirkungsart der Bewegungswerkzeuge. Das sogenannte vordere oder obere Ende des einen Thieres entspricht daher denn auch oft dem hintern oder untern eines andern, Wie sehr ungenügend und verwirrend eine solche Bezeichnung sei, leuchtet ein, Indessen ist unsere Terminologie gegenwärtig noch nicht so weit vorgeschritten, die betreffenden Bezeichnungen überall entbehren zu können, 54 Am deutlichsten ist solches unter den Echinodermen bei jenen merkwürdigen Formen jder Holothurien,!bei denen be- reits eine eigene, dem Fuss der Gasteropoden vergleichbare Bauchscheibe sich entwickelt hat, bei den Psolinen. Hier verläuft, wie ich bei einer Cuvieria des hiesigen physiologi- schen Institutes sehe, in der Medianlinie der Bauchfläche einer jener fünf von dem knöchernen Schlundring ausstrah- lenden Längsmuskeln, welche, wie z. B. Pentacta deutlich zeigt, unter den stumpfen Längskanten des Leibes sich hin- erstrecken. — Diese letztern entsprechen in morphologischer Hinsicht den fünf Armen der Seesterne. Die Medianlinie der Bauchfläche würde danach denn auch hier mit dem einen dieser fünf Arme coincidiren. Die vier andern Arme würden als paarige Elemente auf die beiden seitlichen Hälften des Körpers sich vertheilen, dergestalt, dass die beiden äussersten derselben, die dem unpaaren Arme am entferntesten liegen, der Rückenfläche des Leibes angehören. Die Bestimmung übrigens, welcher der fünf peripheri- schen Strahlen der Echinodermen der Bauchstrahl sei, ist nicht überall ganz leicht. Bei den Holothurien wird man sich hierbei am besten nach der Lage der innern Kiemen zu richten haben. Sie sind wirkliche seitlich symmetrische Gebilde, wie ich bei Cuvieria sehe. Derjenige Strahl also, der in der Mitte zwischen ihnen verläuft, ist der unpaarige Bauchstrahl. Schwieriger ist diese Bestimmung bei den Actinozoen und den Pelmatozoen. Vielleicht, dass hier die nicht selten mehr oder minder excentrische Lage des Afters Auskunft giebt, obgleich der durch denselben hindurchgehende Radius häufig nicht unmittelbar einen Strahl berührt, sondern dem Zwischenraum zweier Strahlen entspricht. Die hierin sich aussprechenden Verschiedenheiten deuten offenbar auf eine Störung der lateralen Symmetrie, wie sie gerade in der Lage des Afters auch sonst so häufig sich ausspricht — ein Ver- hältniss, welches hier aber die Entscheidung der vorliegenden Frage bedeutend erschwert. 55 So viel aber scheint gewiss, dass bei den fünfstrahligen Echinodermen beständig der eine Strahl als Bauchstrahl an- zusehen sei. Ob ein analoges Verhältniss auch bei den Coelenteraten sich vorfinde, ist von vorn herein nicht zu be- stimmen. Unmöglich ist es nicht, obgleich die Verschieden- heit in der vorherrschenden Zahl der peripherischen Gliede- rung uns zu einer vorsichtigen Prüfung auffordern muss. Fänden wir übrigens auch hier, dass die Bauchfläche eben- falls durch den Verlauf eines einzigen Strahles bestimmt ist, so würden wir den entgegenliegenden Strahl als Rückenstrahl, die beiden zwischenliegenden als symmetrische Seitenstrahlen zu betrachten haben. Zur Entscheidung dieses Verhältnisses halten wir uns auch hier an diejenigenFälle, in denen der strahlige Typus mit einer seitlich symmetrischen Anordnung combinirt ist. Wir betrachten die Rippenquallen. Bei diesen sehen wir, dass die Fangfäden, die, wie schon oben angeführt wurde, als paarige Elemente erscheinen, in den Zwischenräumen zwischen je zwei gegen- überliegenden Paaren von Rippen angebracht sind. Schliessen wir nun nach der Analogie, dass die Fangfäden, ihrer sym- metrischen Entwicklung wegen, den Seitenflächen angehören, so finden wir ein Verhältniss, abweichend von dem Verhält- niss bei den Echinodermen Y. Die vier Rippen der Coelen- teraten sind alle vier paarige Elemente, von denen zwei die Bauchfläche, die zwei andern die Rückenfläche begrenzen. So viel über die Relation des radiären Typus mit dem seitlich symmetrischen. Wenden wir uns jetzt wiederum zu den Würmern. Zunächst von der typischen Anordnung dieser Thiere. i ; Dass für den Augenblick eine genügende, hinreichend weite und dabei doch scharfe Begrenzung des Typus der Würmer noch nicht möglich ist, geht schon daraus hervor, dass die Sipunculiden so häufig denselben zugesellt werden. Vielleicht deutet solches darauf hin, dass die Abtheilung der Würmer 1) Offenbar ein neuer Grund für die gänzliche Trennung der Coelenteraten von den Echinodermen, 56 in gegenwärligem Umfang noch keineswegs eine ganz natür- liche sei. Die morphologische Auffassung findet in der Gleich- förmigkeit des Körperbaues, die trotz aller Manchfaltigkeit der Formen bei den Würmern vorherrscht, bis jetzt wenig- stens noch nicht überall einen sichern Angriffspunkt. Was vielleicht als am meisten charakteristisch für die Wür- mer sich anführen lässt, ist das gewöhnlich sehr augenfällige Vorherrschen der Längendimension bei einer fast überall ganz vollkommenen lateralen Symmetrie. In der Richtung vom Rücken nach dem Bauch zu ist der Körper der Würmer fast beständig deprimirt, doch in verschiedenem Grade und gewöhnlich ohne dass die Bauchfläche vor der Rückenfläche äusserlich auf eine auffallende Weise verschieden sei. Ge- gliederte Locomotionswerkzeuge fehlen beständig. Was die Anordnung der innern Organe betrifft, so zeigt auch diese mit sehr wenigen Ausnahmen eine strenge seitliche Symmetrie, wie sie unter den wirbellosen Thieren nur noch bei den Arthropoden gefunden wird, von denen die Würmer durch die bereits oben erwähnten Charaktere sich genugsam unterscheiden. Der Darmkanal, der nur in einigen wenigen Gruppen, wie wir noch weiter unten anführen wollen, fehlt und dann von der Leibeshöhle vertreten wird (wie bei vielen Coelenteraten), verläuft in der Regel ganz gerade und stets ohne ein besonderes Mesenterium vom vor- dern Ende hinab bis zum hintern, wo er mündet. Nur selten ist die Afteröffnung weiter nach vorn zu gerückt (wie auch unter den Echinodermen bei Sipunculus, unter den Crusta- ceen bei Lepas u. e. a.). Mitunter fehlt auch ein After. In letzterm Fall zeigt übrigens der Darm gewöhnlich eine mehr oder minder ansehnliche seitliche Verästelung, wie besonders bei den Trematoden. Eine parenchymatöse Leber findet sich bei keinem Wurm. Das Gefässsystem besteht entweder aus verschiedenen unter sich communicirenden und geschlos- senen Längsstämmen oder wird auch wohl von der Leibes- höhle vertreten. Als Respirationsorgane functioniren theils die äussere Haut, theils aber auch deren verschiedenarlige RN Anhänge }). Der Genilalapparat zeigt eine grosse Manchfaltig- keit, ist aber, wo er vorkommt (in manchen Fällen nämlich fehlt er, und dann bilden sich Spermatozoen, wie Eier frei) in der Leibeshöhle), beständig in gleicher Entwicklung auf beide Seitenhälften des Leibes vertheilt Ueber die Anwen- dung des Nervensystems ist bereits oben das Nöthige beige- bracht worden. . Eine Folge des meistens so sehr augenfälligen Vorherr- schens der Längendimension in der Form des Körpers bei den Würmern ist, wie schon angeführt, die Tendenz zur Bildung von mehr oder minder zahlreichen morphologisch einander entsprechenden Abschnitten, die, als sogenannte Segmente, in einfacher Reihe hinter einander liegen und gewissermaassen den ganzen Körper vielfach wiederholen, Besonders deutlich ausgesprochen ist eine solche Tendenz bei den höher entwickelten Würmern, bei den Anneliden, doch nicht allein auf diese beschränkt. Es zeigt sich übrigens dieses Verhalten nicht bloss in der äussern Form. Sehr all- gemein, oft sogar noch augenfälliger, spricht es sich auch in den einzelnen Systemen und Organtheilen aus, während es hier bei den Arthropoden, die äusserlich eine analoge Gliede- rung zeigen, fast vollkommen erloschen ist. Im innigsien Zusammenhang steht diese Erscheinung mit dem ganzen gegen- “ seitigen Verhältniss der Körpersegmente, welches bei den Würmern und Arthropoden so sehr verschieden ist. In den letztern zeigt sich unter den einzelnen Segmenten ein ganz constanles, unabänderliches Zahlen- und Abhängigkeits-Ver- hältniss, beherrscht von dem einheitlichen Prineip des Körpers; in den erstern dagegen findet sich bloss eine in schwanken- dem Numerus sich wiederholende Menge von Abschnitten, die im Wesentlichen auch anatomisch eine gleiche Entwicklung darbieten und desshalb denn auch eine viel grössere Selbst- 1) Die sogenannten innern Respirationsorgane sind, selbst bei den Lumbrieinen, wahrscheinlich blosse Absonderungswerkzeuge. 2) Vergl. hierüber meinen Aufsatz: Ueber die Geschlechtsveehältnisse der Kiemen- würmer in den mehrfach schon cilirten Beiträgen, $. 86, 58 ständigkeit und Unabhängigkeit besitzen. In einigen Fällen, bei den Cestoden, wächst diese letztere bis zu einem solchen Grade, dass man sehr wohl berechtigt ist, die einzelnen Seg- mente als eben so viele selbstständige, zu einer gemein- schaftlichen Colonie unter einander verbundene Thiere auf- zufassen. Wo nun unter solchen Verhältnissen bei den Würmern sich äusserlich am Körper bestimmte Anhänge vorfinden, wie es nicht selten der Fall ist, sind auch diese über alle Seg- mente gleichförmig und völlig symmetrisch verbreitet. Derlei Anhänge übrigens sind von verschiedener Art, Theils sind dieselben blosse Epidermoidalgebilde, locale Entwicklungen der Integumente von haken- oder borstenförmiger Gestalt, deren Vorkommen allein durch die eigenthümliche Beschaffen- heit der letztern möglich wird, und die in ähnlicher Entwick- lung auf den Chilinmembranen der Arthropoden (denen auch in der Structur die äussern Bedeckungen der Würmer ähneln) sich wiederfinden. Theils auch sind jene Anhänge förmliche, verschieden gestaltete Ausstülpungen der Leibeshülle, in deren Bildung ausser den äussern Bedeckungen noch der Muskel- schlauch des Körpers mit seinen exeitatorischen und nutri- tiven Elementen, den Nerven und Gefässen, eingeht. Schon bei den Coelenteraten und ebenfalls, wenngleich weniger allgemein, bei den Echinodermen sind Anhänge, wie diese letztern, vielfach (als sogenannte Tentakel) verbreitet, beson- ders im Umkreis der Mundöffnung. Auch bei den Würmern finden sie sich vorzugsweise, bei einigen, wie den Bryozoen und manchen Capitibranchiaten, sogar ausschliesslich.an dieser Stelle, während sie sonst noch gewöhnlich an den einzelnen Leibesringen, und zwar vollkommen symmetrisch, sich wieder- holen. Nach Form und Anordnung zeigen diese Gebilde manch- fache Verschiedenheiten. Im Umkreis des Mundes sind sie gewöhnlich einfache, lange Fäden von cylindrischer Gestalt (eirri tentaculares), während sie an den Segmenten als einzelne seitliche Anhänge (pinnae, Ruder) erscheinen, und hier in der Regel aus je zweien Theilen, aus einem fadenförmigen Cirrus und einer daneben gelegenen stumpfen Hervorragung (einem sogenannten Fusshöcker) "bestehen, welche letztere auf ihrer Spitze dann ein Bündel von Epidermoidalborsten trägt. In manchen Fällen fehlen übrigens solche Fusshöcker, während in andern sich daneben noch besondere lanzett- oder blatt- - förmige Ausstülpungen entwickelt haben. Diese letzteren functioniren gewöhnlich als Kiemen. Wo sie vermisst werden, ist das Athemgeschäft auf andere Anhangsgebilde übertragen, bald auf die Cirren oder Tentakel, bald auch noch auf be- sondere morphologisch ganz selbstständige Theile, die in paariger Anordnung auf der Rückenfläche, meistens in der Nähe des vordern Körperrandes, stehen. Sehr interessant ist es aber, dass jene äussern Anhänge am Körper der Würmer (mit Ausnahme der letzterwähnten Kiemen) nicht, wie bei den Arthropoden, bloss in einfacher Anzahl jederseits vorkommen, sondern entweder, wie z. B. die Haken am vordern Körperende der Cestoden oder die Tentakel der Bryozoen, gleichmässig und in Form eines Kranzes die ganze Peripherie besetzen, oder doch in übereinstimmender Weise an Rücken und Bauch sich wiederholen. So die Bor- stenbündel und Ruderplatten. ; Ganz offenbar erinnert dieser Umstand an die bei den Thieren mit radiärem Typus vorkommenden Verhältnisse. Bauch und Rückenfläche sind augenscheinlich noch nicht in jenen schroffen Gegensatz getreten, wie wir bei den Arthro- poden und auch bei den Mollusken ihn vorfinden. Neben der durch die Mittellinie des Rückens und des Bauches ver- laufenden Längsebene, die bestimmend und maassgebend auf die Bildung und Entwicklung der einzelnen Körpertheile ein- wirkt, haben wir in letzterm Fall morphologisch noch eine zweite Längsebene zu beachten, die unter rechtem Winkel mit jener sich kreuzt und durch die äussersten Grenzen der beiden Seitenhälften des Körpers hindurchgelegt ist!). Beide 1) Eben solche zwei Ebenen in gleicher relativer Lage sind es, die wir bei den Coelenteraten zu unterscheiden haben. Vergl, die frühern Bemerkungen auf $. 55. 60 Ebenen haben eine gleiche morphologische Beziehung zu den constituirenden Bestandtheilen des Körpers. Die in ihnen selbst entstehenden Gebilde sind einfach, die seitlich anliegenden aber doppelt, doch können auch solche doppelten Gebilde späterhin einander entgegenwachsen und verschmelzen !). Von der wirklichen Existenz eines solchen Verhaltens in den Seiten- theilen des Körpers liefern die zahlreichen Verschiedenheiten in der Anordnung der Ruderplatten den deutlichsten Beweis. Indessen lässt es sich nicht verkennen, dass für den ganzen typischen Bau der Würmer die zweite, durch die Seiten- hälften senkrecht gelegte Längsebene lange nicht eine so durchgreifende Bedeutung habe, als die erstere. Eine grosse Anzalıl von Würmern entbehrt der manch- fachen bisher erwähnten Anhänge. Dafür aber findet sich bisweilen, in der Klasse der Trematoden, ein anderes, mor- phologisch ‘ganz eigenthümliches Anhangsgebilde, eine Saug- scheibe, die als Locomotionsorgan dient und in der Mittel- linie des Bauches gewöhnlich am hintern Ende des Körpers gelegen ist, von da aber auch mitunter eine geringere oder grössere Strecke weit nach vorn rückt. Auf ihrer untern freien Fläche trägt dieselbe zur leichtern Anheftung eine ver- schiedene Zahl von rundlichen Vertiefungen, sogenannten Saug- gruben, bald, wie bei den Blutegeln, nur eine einzige, bald auch eine grössere Menge, sechs (Polystomum), acht (Octobo- thrium) u. s. w. In letzterm Fall stehen die Sauggruben ge wöhnlich im Umkreis der Scheibe, die dann auch meistens ihre rundliche Gestalt verloren hat und zwischen den Gruben an der Peripherie mehr oder minder tief gekerbt ist. Ein ähnlicher, der Saugscheibe vielleicht entsprechender Anhang an der Rückenfläche des .vordern Leibesendes ober- halb der Mundöffnung ist der sogenannte Kopf bei den 1) Ueber diese bei den Thieren mit lateralem Typus ganz allgemein herrschenden Bildungsgesetze vergl. man v. Baer, Entwicklungsgeschichte der Thiere, 1. S. 170 u. 244, sowie meine Untersuchungen zur Anatomie und Morphologie der Geschlechtsorgane $, 24. 6: . Borstenwürmern. Mit dem Kopf der Arthropoden ist derselbe keineswegs identisch. Der letztere ist beständig aus der Ver- schmelzung und der Metamorphose einer grössern Anzahl von Segmenten hervorgegangen. Schwerlich wird man sol- ches aber für den sogenannten Kopf jener Würmer nach- weisen können, selbst da nicht!), wo derselbe, wie in einigen hieher gehörenden Thieren es der Fall ist, geringelt erscheint oder mit eigenen fadenförmigen Anhängen versehen ist. Bei den Lumbricinen ist dieses Gebilde als sogenannter Rüssel oder Oberlippe bekannt. Auch bei manchen Hirudineen findet sich eine Andeutung des Kopfes ?2) und gerade hier ist es auch, wo die Analogie desselben mit einer Saugscheibe sehr augen- fällig hervortritt. Von einer abweichenden morphologischen Bedeutung ist wiederum der sogenannte Kopf der Cestoden und Akantho- cephalen, der, wie es mir scheint, ganz einfach aus einer Umwandlung des vordern Körperendes hervorgegangen ist, wie wir solche auch schon unter den Scytodermen bei Sipun- culus und besonders bei Phascolosoma antreffen. Von Interesse ist es übrigens, dass auch schon bei einigen Gliederwürmern, bei denen, wie oben angeführt worden, im Allgemeinen die Entwicklung der einzelnen Segmente (gegen- über den bei den Arthropoden vorkommenden Verhältnissen) gleichmässig ist, eine bestimmte, wenn auch für den ganzen Typus nur wenig charakteristische und bedeutungs- volle Heteronomität sich hervorbildet. Auf zweierlei verschie- dene Weise scheint dieses geschehen zu können. Ein Mal sind bisweilen die vordern Leibessegmente mehr oder minder verkümmert und oft sogar bis auf ihre Anhänge völlig ge- 1) Auch der Umstand bezeichnet keine grössere Analogie, dass dieser Kopf, ebenso wie der Kopf der Arthropoden, ein sogenanntes Hirnganglion enthält. Es ist dies bei den Würmern das Nackenganglion, welches nur weiter nach vorn empor- gerückt ist, 2) Unrecht ist es, wenn man den sogenannten Capitibranchiaten ganz allgemein einen Kopf abspricht. Manche derselben besitzen offenbar ein solches Anhangs- gebilde, einige selbst in ganz ansehnlicher Entwicklung. RRR ... schwunden !), während in andern Fällen, mitunter selbst gleichzeitig, die hintern Segmente es sind, die eine Umwand- lung erleiden und in Form eines besondern Körperanhanges (den ich bei Hermella u. a., wo er vorkommt, als Postab- domen bezeichnet ?2) habe) auftreten. Sehr augenfällig ist die letztere Art der Umformung besonders bei manchen Rotiferen, bei denen Burmeister?) zum Theil hierin einen Grund für seine Behauptung über die Stellung dieser Thiere zu finden glaubte. Indessen steht dieser Fall, wie gesagt, nicht allein in der grossen Abtheilung der Würmer. Dass der betreffende schwanzförmige Anhang aber wirklich aus einer Metamor- phose von Segmenten hervorgegangen sei, wird durch den Umstand bewiesen, dass derselbe in vielen Fällen theils noch deutlich geringelt ist, theils auch — da jenes allein nicht entscheidend genug sein würde, indem bisweilen, wie bei den Lumbricen, auch der Kopfanhang geringelt erscheint — vom Darmkanal durchsetzt wird. Die Entwicklung der Würmer ist noch eben so wenig vollständig gekannt, wie die der Echinodermen. Wissen wir davon auch vielleicht eine grössere Menge von Specialitäten, so fehlt uns doch immer noch das Verständniss von dem Zusammenhang dieser einzelnen Erscheinungen. Für Syste- matik, wie für Morphologie, erwächst bisjetzt daraus nur in wenigen Fällen ein sicherer Anhaltspunkt. Die ersten Veränderungen, denen der Dotter nach der Befruchtung unterliegt, sind dieselben, welche überhaupt in der ganzen animalischen Welt sich vorfinden, Der Dotter zerklüftet sich und wird durch Hülfe dieses Processes all- mählig in eine Menge zelliger Elemente verwandelt, die zum Aufbau des Embryo dienen. Aber schon hierbei zeigt sich einige Verschiedenheit. In dem einen Falle nämlich, wie es 1) Den speciellen Nachweis eines solchen Verhältnisses wird man in den späterhin von mir (in der Zeitschrift für Zoologie u, s. w. von Burmeister u. d’Alton) zu publicirenden Beschreibungen einiger neuer (besonders isländischer) Würmer finden, 2) S. Beiträge u. s. w. S$. 152. 3) A. & ©. 8. 548. 63 scheint, bei der Mehrzahl der Würmer, besonders der minder hoch entwickelten, betheiligt sich von Anfang an hierbei die ganze Masse dieser Zellen auf eine gleichmässige Weise. Der Embryo entsteht unter solchen Umständen mit seiner ganzen Leibesoberfläche auf einem Male, wie es auch bei den Coe- lenteraten und Echinodermen sich findet. In dem andern Fall dagegen !) bildet sich anfangs nur ein sogenannter Primi- tivtheil, der erst im Lauf der Entwicklung, während er an Grösse und Ausdehnung zunimmt, den ganzen Dotter um- wächst und somit denn auch erst allmählig dem Embryo Entstehen und Form giebt. Es entspricht jene Uranlage der- jenigen Körperfläche, welche morphologisch die grösste Di- gnität hat, dem Bauche, ganz wie bei den Insekten, wo eine völlig übereinstimmende Bildung statthat. Dass übrigens dieser Umstand (wie Kölliker meint) hinreichen sollte, diejenigen Würmer, in denen ein solcher Process vorkommt (die Kiemen- würmer und Hirudineen, so viel wir bis jetzt wissen), von den übrigen zu {rennen und wiederum mit den Arthropoden zu vereinigen, möchte ich um so mehr bezweifeln, als wir noch kaum ein Mal vermuthen können, in welcher Ausdeh- nung solch ein Vorgang bei den Würmern sich findet. Ueber- diess sehen wir auch in andern typischen Hauptabtheilungen des Thierreiches (bei den Mollusken) ganz dieselbe Verschie- denheit; bald eine gleichmässige Umwandlung des ganzen Dotters in den Leib des: Embryo, bald die Bildung eines Primitivtheils. In vielen Fällen gleicht der Embryo schon in seiner ersten Gestalt dem ausgebildeten Thier fast ganz vollkommen (Asca- riden, Planarien u. s. w... Wo aber eine Gliederung vor- kommt, fehlt diese im Anfang beständig. Ebenso die manch- fachen Anhänge der einzelnen Segmente. Der Körper ist ursprünglich nur kurz und plump gebauet und ohne Gegen- satz der Rücken- und Bauchfläche. Erst allmählig streckt er sich, je nach der Länge des vollendeten Wurmes allerdings 1) Vergl. Koch, Einige Worte über die Entwicklungsgeschichte von Eunice, mit einem Nachwort von Kölliker. Neuenburg 1846. S. 19. 64 in verschiedenem Maasse, und plattet sich ab. Die Gliederung tritt entweder gleichmässig in ihrem ganzen Umfang ein, oder bildet erst nach und nach sich hervor. Das erstere findet sich (ausser den Rotatorien) vorzugsweise bei den Hirudineen }). So ziemlich zu gleicher Zeit, doch erst dann, nachdem das Thier bereits seine Eihüllen verlassen hat, bilden sich hier über die ganze Länge des Leibes die einzelnen Segmente, je mit einem Nervenknoten und einem Blindsack des Darmes, da ja auch, wie wir schon oben angeführt haben, gewöhnlich die anatomischen Systeme des Körpers, wie die äussere Haut, auf gleiche Weise zur Bildung besonderer morphologischer Abschnitte sich hinneigen. Wenn übrigens, wie es häufig (besonders bei den Hirudineen) geschieht, späterhin diese Theile nochmals durch Querfurchung in eine grössere Anzahl von Ringeln zerfallen, so ist solches morphologisch von keiner grossen Bedeutung. Die dadurch entstandenen Ringel sind den Segmenten nicht gleichzustellen. Auf eine andere Weise entsteht die Gliederung bei den Chätopoden (wenigstens bei den Kiemenwürmern, da die Ent- wicklung der Lumbricinen noch unbekannt ist) und Cestoden. Bei beiden erlangt der Leib erst durch eine successiv erfol- gende Anbildung von Gliedern seine endliche Vollendung. Anfangs ist deren Zahl nur gering, späterhin oft sehr beträcht- lich. In beiden Gruppen zeigt übrigens der Ort, an dem die Bildung der Glieder geschieht, eine Verschiedenheit. Wäh- rend bei den erstern das Hinterleibsende der Sitz dieser Neubildung ist, erscheint als solcher bei den andern das Vorderende des Körpers. Bei den Chätopoden sind die hin- tern Segmente (mit Ausnahme des Aftersegmentes) die jüngsten, bei den Bandwürmern die vordern. Entsprechend diesem Verhältniss entwickeln sich auch die Anhänge des Leibes bei den Kiemenwürmern von vorn nach hinten, zuerst der Kopf mit den anliegenden Cirren und Augen (welche letztere 1) Grube, Untersuchungen über die Entwicklung der Clepsinen. Königsberg 1814. 2) Man vergl. besonders die schönen Untersuchungen von Milne Edwards in den Annal. des science natur. 1848. T. III. p. 145. 65 auch den Capitibranchiaten, die im ausgebildeten Zustande meist blind sind, in den ersten Phasen der Entwicklung ganz allgemein zukommen), später die Ruderplatten, die erst all- mählig in Fusshöcker und Gliedfäden sich sondern, zuletzt die Kiemen. ' Neben einer derartigen Metamorphose findet sich in der Abtheilung der Würmer aber auch wieder der merkwürdige Vorgang des Generationswechsels, besonders bei den Trema- toden, wo er zuerst von Steenstrup erkannt wurde, doch auch, nach Miescher und van Beneden!), bei einigen Cestoden. Die Ammen, die in erster Generation eine infu- sorienarlige, in den spätern schon eine wurmförmige Gestalt besitzen, erzeugen durch eine Knospenbildung in ihrem Innern (bei Distomum) eine zahlreiche Brut sogenannter Cerca- rien, die sich förmlich einpuppen und erst nach Verlust des hintern, schwanzartigen Anhanges den Mutterthieren gleich werden. Auch der Gruppe der Bryozoen scheint eine solche Fortpflanzung durch wechselnde Generationen nicht fremd .zu sein. Hierauf deuten wenigstens die Angaben vonMeyen?) und v Siebold3), dass bei Alcyonella und Cristatella im Innern der infusorienartigen Embryonen, noch bevor diese die Ei- schale verlassen haben, je zwei den elterlichen Individuen gleiche Thiere sich bilden, die aber auffallender Weise be- ständig von der Haut ihres Ammenthieres umhüllt bleiben, indem diese in die Bildung der äussern Schale mit eingeht. Uebrigens ist es mir sehr zweifelhaft, dass dieser Generations- wechsel über alle Bryozoen sich erstreckt. Bei den Embryo- nen einer Tubulipora wenigstens, welche ich auf Helgoland beobachtet habe, fand ich davon keine Spur. Es hatten diese eine kurze, cylindrische Gestalt. In der Mitte der ab- geflachten Kopfscheibe zeigten sie eine rundliche Oeffnung, in deren Umkreis einzelne höckerförmige Hervorragungen (die 1) Bullet. de l’acad. roy. de Belg. T. XIV, Un mot sur le mode de reproduct. des anim, infer. p. 18. 2) Oken’s Isis. 1828, S. 1228, 3): 270,08154, 66 ersten Spuren der Arme?) sich vorfanden. Aeusserlich wurden sie, wie die Embryonen der meisten Würmer, von einem Flimmerepithelium bekleidet }), Nach diesen Bemerkungen über die dem Typus der Würmer im Allgemeinen zukommenden morphologischen Ver- hältnisse wenden wir uns zu der Betrachtung der haupt- sächlichsten Modificationen, deren diese fähig sind, vor- zugsweise um dadurch die einzelnen grössern und kleinern natürlichen Gruppen der vorliegenden Abtheilung festzustellen und nach ihrem gegenseitigen Werthe abzuschätzen. Die beiden mit den Bryozoen und Rotiferen in dem Kreise der Würmer von mir vereinigten Cuvierschen Klassen der En- tozoa und Annelides sind, wie schon oben erwähnt ist, nichts we- niger als natürlich. Sie sind keineswegs gegen einander streng und völlig abgegrenzt. Ich kann denn auch desshalb der Ansicht derjenigen Zoologen nicht beistimmen, welche die Würmer ganz einfach in diese beiden Gruppen abtheilen und denselben höchstens als eine dritte gleichwerthige Gruppe die Klasse der Rotiferen hinzufügen (Grant, Milne Ed- wards?) u. A.). Wenn auch letztere immerhin, wie ich glaube, zusammen mit den Bryozoen eine besondere Klasse darstellen, so kön- nen doch auf der andern Seite Anneliden und Entozoen nicht vollkommen aus einander gehalten werden. Beide zeigen in manchen Formen eine so innige Verwandtschaft, dass die nalürliche Systematik dieselbe nicht vernachlässigen darf. Die von Guvier stammende Eintheilung der Entozoa in Nematoidea und Parenchymotosa ist gewiss eine sehr un- glückliche und wohl gänzlich aufzugeben. Viel beachtungs- 1) Ganz von ähnlicher Form und Beschaffenheit sind die Embryonen von Alcyoni- dium gelatinosum (Halodactylus diaphanus A. F.) nach den Beobachtungen von A. Farre (l, c.) 2) Neuerlich (Annal, des science. nat, 1846. T. IV. p. 295) hat Milne Edwards abweichend hiervon die Rotiferen mit den Guvierschen Rothwürmern in einer Klasse der Annelides vereinigt, dabei aber das merkwürdige Gen. Peripatus von den Chätopoden getrennt und mit den Entozoen in einer Klasse der Pleuroneres zusammengestellt, 67 werther !) ist die Classification von (Zeder und) Rudolphi, nach welcher die Helminthen in die Ordnungen der Nema- todes, Acanthocephali, Trematodes, Gestodes und Cystici zer- fallen. Sämmtliche Gruppen, mit Ausnahme der Cystici, die von den Cestoden nicht verschieden sind und sicherlich blosse degenerirte und verkümmerte Formen letzterer Würmer 2) enthalten, sind alle sehr natürlich, obgleich dieselben zum Theil unter sich wiederum zu einer gemeinsamen grössern Abtheilung zusammengehören, zum Theil aber auch mit ver- schiedenen von Cuvier zu den Rothwürmern gestellten For- men vereinigt werden müssen. Was die letztern betrifft, so hat zuerst Savigny darauf aufmerksam gemacht, wie un- passend von Guvier die Hirudineen mit den Lumbricinen (aus welchen beiden Cuvier die gemeinschaftliche Ordnung der Abranchia gemacht hatte) und den übrigen Anneliden zusammengestellt seien. Später hat Blainville3) dieselben davon gänzlich getrennt und mit verschiedenen Helminthen in einer Klasse der Apodes vereinigt, die er den übrigen Rothwürmern (den Chetopodes) entgegenstellte, während er aus dem Rest der Entozoen eine dritte gleichwerthige Klasse der Subannelidaires bildete. Wenn nun auch die in einem solchen Verfahren ausgesprochene Tendenz vollkommen ge- billigt werden muss, so können doch die Klassen der Apodes und Subannelidaires nicht länger als natürliche Gruppen be- stehen. in der erstern treffen wir neben den Hirudineen und einigen Trematoden auch die Nemaloden und Akantho- cephalen (mit den Sipunculiden), in der andern die Turbella- rien, Gestoden und Trematoden — Formen, deren Verschie- 1) Für sehr verfehlt halte ich ebenfalls die neuerlich von Blanchard (Annal. des sciene. nat. 1847. T. VII. p. 105) vorgeschlagene Classification der Guvierschen En- tozoen. Die Vereinigung der Nematoden und Akantlıocephalen einer Seits, die Trennung der Nemertinen von den Turbellarien und Trematoden, sowie der Akanthothecen von den Nematoden anderer Seits kann ich nicht billigen. 2) Vergl. meine Beobachtungen und Reflexionen über die Naturgesch. der Blasen- würmer in Wiegmann’s Arch. 1848. Th. I. S. 7. 3) De Vorganisat. des anim, etc, . IL —L. ce. Ba... denheit gewiss bei einer jeden nähern Betrachtung leicht auffallen wird. Von allen den verschiedenen Versuchen, Entozoen und Anneliden in ihre natürlichen Abtheilungen zu zerlegen, halte ich den Versuch von Burmeister!) bei Weitem für den glücklichsten. Die von diesem sehr trefllichen Zoologen bei den Würmern unterschiedenen Gruppen der Helminthes, Tre- matodes und Annulati, die nach ihrer systematischen Bedeu- tung als eben so viele Klassen erscheinen möchten, sind nach meiner Ansicht im Wesentlichen ganz richtig und durch be- stimmte, sehr beachtenswerthe Charaktere in Form und Bau zusammengehalten. Nur in einzelnen untergeordneten. Ver- hältnissen schien es hie und da mir nöthig, von den Ansich- ten Burmeister’s abzuweichen. Die Bryozoen und Roti- feren sind übrigens in dem Systeme des Letztern von den Würmern ausgeschlossen. In @Zem Vorherbemerkten indessen wird man es gerechtfertigt finden, wenn ich nicht bloss die- selben dem Typus dieser Thiere zurechne, sondern sie auch in einer gemeinschaftlichen Klasse, als Ciliati (von der sehr entwickelten Flimmerbekleidung des Tentakelapparates und dem entsprechenden Räderorgan), zusammenfasse. Die erste dieser Klassen, für die ich hier den Namen der Anenterati?) vorschlage, da die von Burmeister gewählte Bezeichnung der Helminthes gewöhnlich für die ganze Gruppe der Entozoen gebraucht wird, umfasst die beiden Ordnungen derGestodes und Acanthocephali, Indem Bau des Nervensystems) und des Nutrilionsapparates zeigen beide im Allgemeinen eine völlige Uebereinstimmung. Selbst der Körperbau ist in beiden Gruppen ganz ähnlich. Ueberall ist der vordere Theil des Leibes auf eine gleichmässige Weise zu einem eigenthümlichen Abschnitte, zu dem sogenannten Kopfe, umgestaltet und mit Haftwerkzeugen versehen, bald mit Sauggruben, bald mit Haken, bald auch mit beiderlei AAN 0.8.0929» 2) Von «rc, ohne, u, &rT&gor, Darm, 3) Vergl. Blanchard, e., 9 Gebilden zugleich. Allerdings fehlt den Akanthocephalen die platte Form des Leibes und eine Gliederung, wie sie den Bandwürmern zukommt, doch kann solches um so weniger einen fundamentalen Unterschied bedingen, als eine eylindrische Form des Leibes bei gleichzeitiger Abwesenheit einer Gliede- rung mitunter schon unter den Cestoden (bei Tetrarhynchus) sich findet. Auch zeigt sich die Verwandtschaft dieser beiden Ordnungen in der sehr übereinstimmenden Form der Em- bryonen z. B. von Echinorhynchus!!) und Taenia ?). Ein Darm- kanal fehlt in der ganzen Klasse der Anenteraten. Statt dessen findet man bei den Bandwürmern ein doppeltes System von Gefässen, die im Körper sich verbreiten, eines tief im Parenchym des Leibes eingebettet, mit weiten Längskanälen jederseits, die unter einander anastomosiren, das andere unter der Haut gelegen, ein zartes Maschennetz 3). Die Stelle des Darmes bei den Akanthocephalen dagegen, so vermuthet man, vertritt nur ein einziges subcutanes Gefässnetz (ohne besondere Wan- dungen). In diesem nun möchte ich ein Analogon des eben erwähnten zweiten Gefässnetzes der Gestoden erblicken. Eine Differenz zwischen beiden Ordnungen aber beruht nach der gegenwärtig ganz allgemein üblichen Anschauungs- weise in dem Umstande, dass die Hakenwürmer eine sehr geräumige Leibeshöhle besitzen, die den Bandwürmern fehlt. Indessen sind wir zu der letztern Annahme so ganz unbe- dingt berechtigt? Wäre es unmöglich, dass das centrale Gefässsystem der Cestoden die morphologische Bedeutung der Leibeshöhle besässe? Könnte diese nicht durch eine übermässige Entwicklung des Körperparenchyms auf analoge I) So nach v. Siebold, a. a. 0. S, 156. 2) Nach einer brieflichen Mittheilung von Dr, Stein in Berlin werden die bei den Embryonen der Tänien sich vorfindenden Haken nicht unmittelbar in den be- kannten Hakenkranz der erwachsenen Thiere umgewandelt. Der letztere ent- steht vielmehr durch eine Neubildung, durch welche die entsprechende, der Form nach indessen abweichende embryonale Bewaffnung des vordern Körperendes er- setzt wird. 3) So nach den Untersuchungen von Eschricht bei Bothriocephalus und von mir (Wagner’s Zootomie. Th. II. $S. 625) bei Caryophyllaeus. 70 Weise, wie bei den ausgebildeten Akalephen, bis auf einen innern gefässartigen Apparat zurückgedrängt sein? Ich muss offen gestehen, eine derartige Deutung scheint mir sehr na- türlich. Es steht derselben wenigstens nach meinem Erach- ten kein wesentliches Hinderniss entgegen. Die Auskleidung der Leibeshöhle könnte dann immerhin bei den Cestoden eine grössereEntwicklung und Selbstständigkeit erreicht haben, so dass sie sogar zu eigenen Contractionen befähigt würde, um die Bewegung der in ihr enthaltenen Ernährungsflüssig- keit zu vermilteln. Zugleich würde dadurch der Genital- apparat, wie es ja auch schon bei den Akalephen der Fall ist, seine Lage im Innern der Leibeshöhle verloren haben und von dem Körperparenchym umschlossen werden können. Unter solchen Umständen bliebe dann zwichen den Akantho- cephalen und den Cestoden, wenn wir von der ungleich- mässigen Entwicklung der Leibeshöhle absehen, nur noch eine Verschiedenheit in der Anordnung der Generationswerkzeuge. An einer Vereinigung der entsprechenden Geschöpfe in einer gemeinschaftlichen Klasse kann aber dieses uns nicht hindern. Sehen wir derartige Unterschiede doch auch sonst nicht selten unter ganz nahe verwandten Gruppen in der Thierreihe. Eine zweite Klasse der Würmer umfasst die Ordnungen der Nemertini, Turbellariit), Trematodes und Hi- rudinei. Ich will dieselbe als die Klasse der Apodes bezeichnen, mit einem Namen also, der von Blainville be- reits einer grössern, der vorliegenden Klasse allerdings nicht ganz conformen Abtheilung unter den Würmern gegeben ist und nach dem Vorgang von Milne Edwards?) mehrfach auf die von den eigentlichen Anneliden abgeschiedene Gruppe 1) Nach dem Beispiel v. Siebold’s sind unter dieser Bezeichnung nur die eigent- lichen Planarien verstanden. In dem Sinne, in welchem ursprünglich Ehren- berg (Symbol. phys. Dec. 1. Berol.) diese Ordnung aufstellte, kann dieselbe nicht gehalten werden. Auf keine Weise möchte es gerechtfertigt werden kön- nen, noch heute’ in einer solchen Gruppe mit den Planarien und Nemertinen die Gordiaceen und Naidinen (von denen die erstern den Nematoden, die andern den Lumbrieinen zugehören) vereinigen zu wollen. 2) In Lamarck’s Hist. nat. des anim, sans vertebr, II, Ed. T. V. p. 514. 71 der Hirudineen übertragen wird. Wie nahe die Verwandt- schaft der in dieser Klasse vereinigten Formen sei, hat man schon seit lange gefühlt und häufig auch mehr oder minder bestimmt ausgesprochen. So stellte bereits Linne das Gen. Fasciola (in welchem er — wie ebenfalls O. Fr. Müller — ausser eigentlichen Trematoden auch einzelne Plattwürmer, wie Planaria lactea, die er mit Distomum hepaticum für identisch hielt, vereinigte) dicht neben Hirudo. Nachdem aber später durch die Cuviersche Classification diese Thiere so weit von einander geschieden ‘waren, machten zuerst wie- derum mein Onkel Leuckart!!), v. Baer2), Dujes?) u. A. auf die nahe Verwandtschaft der Egel und Trematoden (zu denen Cuvier auch die Plattwürmer und Nemertinen gestellt hatte) aufmerksam. Ebenso Burmeister, der in seiner Klasse der Trematodes die Planarien, die Rudolphi- schen Trematoden und die Hirudineen zusammenfasste. Ge- wiss mit dem grössesten Recht, wie die typische Ueberein- stimmung in Form und Bau beweist. Die Nemertinen sind übrigens von Burmeister von der vorliegenden Klasse ausgeschlossen. Sie stehen, mit den Nematoden zu einer gemeinschaftlichen Gruppe (Gymnodermi) vereinigt, in der Klasse der Annulati. Indessen kann ich hierin nicht mit Bur- meister übereinstimmen. Die Nemertinen sind mit den Planarien trotz mancher Differenzen immer noch viel näher verwandt, als mit den Nematoden. Die Anordnung der äussern Bedeckungen und des Nervensystems, die Verästelung des Darmes und selbst die eigenthümliche, sehr abweichende Entwicklung des Rüssels®) sichern ihnen eine Stelle in der Nähe dieser Würmer. Für sehr verkehrt jedoch muss ich es halten, wenn Oersted5) mit den Trematoden und Hirudi- neen noch die Gordiaceen und Sipunculiden vereinigen will, DIALA&O. SS. 22. 2) Ara. 0. 8.725. 3) Annal. des scienc. nat. Ser. II. Vol. XV. p. 180. 4) Ueber den vielfach verkannten Bau der Nemertinen vergl, man meine Abhand- lung in den Beiträgen von Frey und mir, $. 71. H)PAEANO.NS., 33: 12 dafür aber nicht bloss die Nemertinen (Cestoidei Oerst.), sondern auch die Planarien von denselben abtremnt }). Die vier oben angeführten Ordnungen der Apodes schei- nen mir sehr natürlich?) zu sein und eben so bestimmt gegen einander abgegrenzt, als durch gemeinsame allgemeinere Cha- raktere unter sich verbunden. Meistens sind die zu ihnen gehö- renden Thiere‘längliche, von oben nach unten stark deprimirte Würmer, denen, wie den Anenteraten, eigentliche fussartige Bewegungsorgane vollkommen fehlen, wenn man wenigstens von den bei den Trematoden und Hirudineen ziemlich all- gemein verbreiteten Saugscheiben absieht. Die Turbellarien zeichnen sich gewöhnlich durch eine sehr platte, oft völlig blattförmige, die Nemertinen durch eine sehr lange, fast band- wurmartige Körpergestalt aus. Bei beiden sind die äussern Bedeckungen zeitlebens von einem Flimmerepithelium besetzt, welches sonst nur während der frühern Embryonalperioden vorhanden ist. Eine Gliederung fehlt entweder, oder ist doch, wenn sie sich, wie bei den Hirudineen und einigen Nemer- tinen, findet, überall nur wenig deutlich und auch unregel- mässiger, als bei den sogenannten Ringelwürmern. Fast noch 1) Von Einfluss auf eine derartige Gruppirung scheint die Classification von de Blainville gewesen zu sein, der (l. c.) in seiner Gruppe der Entomozoaires apodes die Hirudineen ebenfalls mit den Akanthocephalen, Sipunculiden und Ne- matoideen zusammengestellt hatte. 2) Zu den Trematoden rechnete mein Onkel auch das merkwürdige von ihm ent- deckte Gen. Myzostomum (Vergl. Zoolog. Bruchstücke, Heft 3. Freibg. 1843. S.7.). Wie übrigens J. Müller wohl mit Recht bemerkt (Wiegmann’s Arch. 1841. I. S. 147.) findet dasselbe seine nächsten Verwandten unter den soge- nannten Tardigraden. Wohin aber diese zu rechnen, ist sehr zweifelhaft, Du- jardin (Hist, nat. des Zoophyt. Infus.) stellt dieselben unter die Räderthiere, während van der Hoeven vorgeschlagen hat, sie den Arachniden anzu- schliessen. Ob sie hier aber wirklich stehen können, müssen fernere Untersu- chungen lehren. Die Anwesenheit eines Flimmerepitheliums bei Myzostomum, der Mangel quergestreifter Muskelbündel u. s. w. lässt solche Stellung allerdings kaum zulässig erscheinen. — Sehr problematisch ist auch die Einreihung des paradoxen Genus Peltogaster (s. Rathke, Beiträge zur Fauna Norwegens in d. Nov. Act. Ac. Caes. Leopold. Vol, XX. S. 244.) unter die Trematoden, Auf- fallend hat mich dasselbe stets an die parasilischen Weibchen gewisser niederer Grustaceen erinnert 73 grösser, als in der äussern Form des Körpers, ist die Ueber- einsimmung zwischen den verschiedenen Ordnungen der Apo- den in dem innern Bau. So besteht das Nervensystem bei den- selben ganz durchgehends aus einem grossen, oberhalb der Mundöffnung gelegenen (paarigen) Nackenganglion und zweien starken Seitennerven, die nur bei den Hirudineen in der Me- dianlinie des Bauches mit einander verschmelzen und, den einzelnen Segmenten entsprechend, eine ketienförmige Reihe ganglionärer Anschwellungen bilden, wie bei den meisten Anneliden und den Arthropoden. Derartige Ganglien aber finden sich auch schon (wie oben erwähnt) bei einigen an- dern Apoden mit getrennten Seitennerven. Was ausserdem die Klasse der Apoden noch auszeichnet, ist die auffallende Tendenz zur Bildung von zahlreichen seitlichen Ausstülpun- gen des Darmkanales, die meistens wiederum sich verästeln und bei manchen Turbellarien und Trematoden baumartig durch den ganzen Körper sich verzweigen. Bemerkenswerth ist es dabei, dass in den letztern Gruppen der eigentliche Stamm des Darmkanales nicht, wie gewöhnlich, in der Medianlinie der Leibeshöhle hinabsteigt, sondern meistens durch eine mittlere Längsspalte in zwei seitliche Schenkel zerfallen ist, die nur in ihrem vordern Theile mit einander communiciren. Offen- bar zeigt sich hierin schon dieselbe Tendenz zur Bildung seitlicher Verästelungen am Darme; ein Verhalten, welches auch mit dem Mangel einer besondern Afteröffnung!) bei den Turbellarien und Trematoden in einem gewissen Zusam- menhange zu stehen scheint. Bei den Hirudineen sind übri- gens diese Verästelungen ganz augenscheinlich unter dem Einflusse der Segmentbildung. Doch sind dieselben gerade hier verhältnissmässig am meisten ansehnlich, obgleich sie in manchen Fällen (z. B. bei Clepsine), besonders nach dem 1) Die Abwesenheit des Afters bei den Anenteraten beruht, wie wir gesehen haben, auf einem völlig abweichenden Verhältnisse. Sehr unnatürlich scheint es mir aus diesem Grunde, die afterlosen Apoden, wie es Streubel (A. a. ©, Th, I. S. 821) vorschlägt, mit diesen Würmern in einer gemeinschaftlichen Gruppe (Aprocti) zusammenzufassen. 74 Hinterleibsende zu, noch immer eine sehr mächtige Entwick- lung erreichen. Im Innern der Mundhöhle findet sich häufig bei den Apoden noch ein muskulöses vorstreckbares Rohr, ein Rüssel, welcher bei den meisten Turbellarien eine an- sehnliche Entwicklung zeigt und bei den Nemertinen sogar als ein völlig selbstständiges, sehr mächtiges Gebilde oberhalb des Darmkanals gelegen ist, das vor der Mundöffnung an der Spitze des Kopfendes mündet, Das Gefässsystem besteht, wenn es vorkommt, durchgängig aus weiten, nur wenig ver- ästelten Längsstämmen, von denen (abweichend von der An- ordnung des Circulationsapparates bei den Gliederwürmern) besonders die seitlichen Stämme eine starke Entwicklung darbieten. In dem Bau des Generalionsapparates unterschei- den sich die Nemertinen von den übrigen Apoden. Männ- liche und weibliche Organe sind bei ihnen auf verschiedene Individuen vertheilt und bestehen in einer einfachen, jeder- seits neben dem Darmkanal gelegenen Reihe ovaler Säckchen. Die übrigen Apoden sind Hermaphroditen, deren Genitalsy- stem durch die Anwesenheit und die Entwicklung der keim- abführenden Canäle sich auszeichnet und in allen drei Ord- nungen sehr deutlich einen gleichen typischen Bau erken- nen lässt }), Nach den Apoden nun möchte ich die vorhin aufgestellte Klasse der Ciliati, welche die Ordnungen der Bryozoa und Rotiferi umfasst, einschalten. Die Analogieen und Diffe- renzen, welche zwischen beiden in der Form und dem Bau des äussern Körpers sich finden, sind schon angeführt. Ausser- dem aber möge noch erwähnt sein, dass ebenfalls das Ner- vensystem, so wie der Genitalapparat und der Darmkanal im Wesentlichen bei beiden eine gleiche Anordnung und Grup- pirung darbietet, obgleich auch hierin einzelne Verschieden- heiten vorkommen, die indess wohl kaum beträchtlich genug sein möchten, um eine Vereinigung derselben in einer ge- 1) Vergl. meine Untersuchungen über die Morphologie und Anatomie der Geschlechts- organe, S. 123. 75 meinsamen Klasse zu verhindern. So besteht das Nerven- system in beiden Gruppen vorzugsweise nur aus einem Nacken- ganglion mit verschiedenen davon ausstrahlenden grössern und kleinern Stämmen. Ebenso entbehrt auch bei beiden (ob durchgängig in der Ordnung der Rotiferen ?) der Genital- apparat besonderer ausführender Kanäle. Hoden und Eier- stöcke sind auf ein Häufchen kleiner Zellen im Innern der Leibeshöhle reducirt, so dass man vielleicht nicht ein Mal von der Existenz besonderer keimbereitender Organe sprechen kann, ganz wie es bei den Kiemenwürmern der Fall ist. Ueberhaupt nähern sich auch sonst die Giliaten besonders durch die Bryozoen diesen letztern auf eine Weise, dass eine Vereinigung derselben, wie ich früherhin !) sie vorgeschlagen habe, sehr natürlich erscheinen würde, wenn auf der andern Seite nicht auch die Nematoden und Lumbricinen zu jenen Würmern einen sehr passenden Uebergang bildeten. Es scheint fasst, als habe die typische Form der Branchiaten auf diesen beiden verschiedenen Wegen sich hervorgebildet. Wie die Lumbricinen vorzugsweise an die sogenannten Dorsi- branchiaten sich anschliessen, so die Ciliaten besonders an die sogenannten Capitibranchiaten. Manche dieser letztern gleichen sogar in den frühern Stadien ihrer Entwicklung 2), wenn man von den Borsten absieht, völlig einem Bryozoon. Möglich daher, dass in der Folge auch wirklich die Ciliaten mit den Kiemenwürmern zusammengestellt werden können, obgleich dann, wie es mir scheinen möchte, wohl schwerlich die Lumbricinen und Nematoden mit denselben vereinigt blei- ben dürften. Für jetzt aber, glaube ich, kann die Klasse der Bur- meisterschen Annulati oder der Annelides, wie ich die- selbe benennen möchte (natürlich mit Ausschluss der Nemer- tini) noch aufrecht erhalten werden. Habiltus und Bau der dahin gerechneten Würmer rechtfertigen solches meinem Er- 1) Beiträge u, s. w. $. 147. 2) Man vergl. z. B. die von Milne Edwards (l. c.) gegebenen Abbildungen der Embryonen von Terebella, achten nach vollkommen. Allerdings dürfen wir hierbei we- der die Anwesenheit von Segmenten und äusseren Körperan- hängen (von Borsten, Fusshöckern, Cirren u. s. w.), noch die einer mittlern Bauchganglienkette als den Charakter unserer Klasse ansehen. Zeigt doch auch das Vorkommen dieser Gebilde selbst innerhalb der einzelnen Ordnungen derselben manchfache Verschiedenheiten. So fehlen unter den Kiemen- würmern z. B. die Tentakel und Kopfeirren den Arenicolen, die Fusshöcker und Cirren der Segmente vielen sogenannten Capitibranchiaten, die Borsten dem merkwürdigen Gen. Peri- patus. Ebenso wird die Segmentirung des Körpers bei Sa- gitta vermisst, einem Thiere, das nach seinem Bau!) in die Ordnung der Lumbrieinen gestellt werden muss und nicht unter die Mollusken, wie, nach dem Vorgang von Milne Edwards, v. Siebold und ich selbst ?2) früher an- nahm. Auf der andern Seite dagegen finden sich förmliche in die Haut eingepflanzte Borsten unter den Nematoden bei Hemipsilus 3), wenngleich nur am Vorderende des Leibes und auch hier nicht einmal in einer so regelmässigen Anordnung, wie bei den sogenannten Chätopoden — ein Verhältniss, welches übrigens in der Abwesenheit einer Segmentirung leicht seine Erklärung findet. Aber auch die letztere fehlt den Nematoden nicht gänzlich. Sehr charakteristisch ist die- selbe bei Pentastoma, einem Genus, welches wohl kaum aus dieser Ordnung völlig entfernt werden darf. Was die Klasse der Annelides zusammenhält, ist die morphologische Uebereinstimmung in der äussern Form des Körpers, in der Anordnung des Darmkanals und des Blutge- fässsystems (das übrigens bei den Nematoden vielleicht gröss- tentheils#) fehlt), wie überhaupt in dem gegenseitigen Ver- 1) Vergl. bes. Wilms, de Sagitta mare Germ, incol. Dissert. Berol. 1847. 2) Wagner’s Zootomie. Th. II. S. 403. 3) Vergl. die Beschreibung von H. trichodes n. sp. in meiner oben erwähnten, noch nicht publicirten Abhandlung. 1) Wo es vorhanden z.B. bei Filaria attenuala (vergl. Ecker in Müller’s Arch, 1845. S. 506.), erscheint es auch hier vorzugsweise in der Gestalt von mittlern (nicht seitlichen) Längsstämmen. hältniss der einzelnen anatomischen Systeme. Nach den Ver- schiedenheiten, die vorzugsweise (heils in dem Bau des Ner- vensystems und des Genitalapparates, theils auch in dem Vorkommen der äussern Körperanhänge sich kundgeben, zer- fallen dieselben in die Ordnungen der Nematodes, Lum- brieini (s. Terricolae) und Branchiati. Eine Trennung der letztern in zwei den Lumbricinen u. s. w. gleichwerthige Gruppen, die Capitibranchiati und Dorsibranchiati, wie sie nach Cuvier bis auf den heutigen Tag fast überall angenom- men wird — nur Milne Edwards!) vereinigt dieselben (als Annelides) gegenüber den Lumbricinen (Scoleidis M. Ed w.) in eine gemeinsame Ordnung —, ist wohl schwerlich zu- lässig. Nicht einmal als Unterordnungen möchten diese bei- den Gruppen sich empfehlen, weil der Uebergänge zwischen ihnen so viele und so manchfaltige. — Die Zusammenstel- lung der Nematoden mit den Chetopodes Blainv. bedarf nach dem oben Gesagten wohl nicht mehr einer speciellen Begründung. So wenig die Abwesenheit der fleischigen Kör- perfortsätze uns hindert, die Lumbricinen (Abranches setigeres Cuv.) mit den Branchiaten zu vereinigen ?), eben so wenig . berechtigt uns die Abwesenheit der borstenförmigen Epider- moidalanhänge zu einer Abtrennung der Nematoden. Arthropoda. Die grosse Abtheilung der Arthropoden oder Glieder- füssler (Condylop(od)Ja Latr. Loricata Nitzsch) entspricht nach ihrem wesentlichen Inhalt ganz vollkommen der von Linne aufgestellten Klasse der Insecta. Mit Schkarfsinn hat bereits dieser grosse Naturforscher die zahlreichen und so 1) Annal, des science, nat. T. VI p. 295. 2) Nicht zu billigen übrigens ist es, wenn Blainville (l.c.) die Lumbricinen mit verschiedenen Arten der Kiemenwürmer in denselben Familien zusammenwirft, Die Lumbrieinen bilden sicherlich eine eigene scharf abgegrenzte Ordnung unter den Anneliden. Vergl. Hoffmeister, die bis jetzt bekannten Arten aus der Familie der Regenwürmer. Brschwg, 1945. 18 sehr manchfaltigen Formen dieses Kreises in ihrem innern Zusammenhang erkannt. Getrennt von den übrigen wirbellosen Thieren (die in einer einzigen, zuerst von Guvier aufge- lösten Klasse der Vermes zusammengefasst wurden), bilden sie in dem Systema naturae, gewiss mit bestem Recht, eine ganz selbstständige Abtheilung. Dass einzelne wenige Grup- pen, wie die Lernäaden und Cirripedien, fälschlich von den Insekten ausgeschlossen blieben und in verschiedenen Ord- nungen der Vermes (die erstern bei den Mollusca, die letztern neben Chiton bei den Testacea) eine Stelle fanden, wird man um so leichter entschuldigen können, als die paradoxe Form dieser Geschöpfe ohne Kenntniss der Entwicklungsgeschichte völlig unverständlich bleiben musste und darum denn auch, wie die Erfahrung gezeigt hat, bis auf unsere Zeit zu den irrthümlichsten !) Meinungen Veranlassung gegeben hat. Was gegen die Zusammenstellung der Arthropoden mit den Würmern in einem gemeinschaftlichen grossen Kreise der Animalia arliculata oder Arthrozoa (Polymeria) sich einwenden lässt, ist schon oben einer Prüfung unterworfen. In dem Folgenden wird immer mehr sich herausstellen, wie sehr die Arthropoden es verdienen, als eine selbstständige Abtheilung betrachtet und den Würmern, so wie den übrigen Haupt- gruppen der animalischen Bildungen, an die Seite gestellt zu werden. Die Aehnlichkeit der Arthropoden und Würmer ist, nach meiner Ansicht, obne allen tiefern Zusammenhang. Sie beruht auf einer blossen Durchkreuzung der formbestimmen- den Gesetze und zeigt allein, dass hier und da schon vor dem Entstehen eines bestimmten typischen Planes auch ander- weitig wohl ein einzelner diesem Plan entsprechender Bil- dungsprocess — fast möchte ich sagen, versuchsweise — 1) Die Lernäaden rechnete Cuvier zu den Entozoa, die Cirripedien, als eine be- sondere Ordnung, zu den Mollusken., Andere Zoologen verbanden die letztern mit den Anneliden. So besonders Latreille, der aus beiden Gruppen seine Klasse der Helminthoida schuf. Erst die Entdeckungen von v. Nordmann (Mi- krograph, Beiträge. II.) für die Lernäaden, so wie die von Burmeister (Bei- träge zur Naturgesch. der Rankenfüsser) für die Cirripedien, haben uns die wirk- liche Natur dieser merkwürdigen Geschöpfe enthüllt, von der Natur in Anwendung gezogen wird, doch ohne dann eine gleiche durchgreifende Bedeutung und Herrschaft zu besitzen. Immerhin aber beruht die Vereinigung der Würmer und Gliederfüssler auf einer bestimmten Aehnlichkeit in der äussern Form, auf einer Aehnlichkeit, welche durch die — nach der typischen Bedeutung allerdings etwas differirende — Ver- wendung eines gleichen morphogenetischen Vorganges bedingt ist. Aus diesem Grunde mag. denn auch jenes Verfahren bis zu einem gewissen Punkte immer noch vertheidigt wer- den können. Wenn aber Lamarck, Latreille und Carus den Arthropoden und Anneliden noch die Mollusken hinzu- fügen und aus diesen drei Gruppen eine einzige gemein- schaftliche Abtheilung (Animaux sensibles Lam., CGephalidia Latr., Corpozoa Gar,) bilden, so wird daraus ein blosser irrationaler Haufen von Formen, dessen innere Gehaltlosigkeit zu offen am Tage liegt, als dass noch ein Wort darüber zu verlieren wäre. — Die Aehnlichkeit der Arthropoden mit den Anneliden, besonders mit den Kiemenwürmern, beruht vorzugsweise in der gleichen langgestreckten und symmetrischen Form, so wie in der Segmentirung des Leibess. Was aber schon in letzterer Beziehung die Gliederfüssler auszeichnet, ist eine auffallende, höchst charakteristische Heteronomität der Seg- mente, mit einer eigenthümlichen (dem Typus der Würmer völlig fremden) Entwicklung der paarigen Anhänge an den Segmen- ten. Diese Anhänge sind nicht bloss überall beweglich neben der Medianlinie des Bauches — nicht, wie bei den Kiemen- würmern, an den Seitenflächen des Körpers oder gleichzeitig an Bauch und Rücken — befestigt und gegliedert, wenn sie als Bewegungswerkzeuge auftreten, sondern participiren auch eben so vollständig, wie die einzelnen Segmente, an der Heteronomität des Körpers. Schon aus der Anordnung dieser Anhänge lässt sich er- schliessen, wie bei den Arthropoden der Gegensatz zwischen Bauch und Rücken so sehr viel stärker ausgeprägt ist, als 80 bei den Würmern, wie der erstere hier vor dem letztern eine sehr ausgezeichnete morphologische Dignität besitzt. In Uebereinstimmung hiermit ist denn auch der Bau des Ner- vensystemes bei den Gliederfüsslern in morphologischer Be- ziehung ein anderer, als bei den Würmern. Ein Nacken- ganglion, wie die letztern Thiere es besitzen, fehlt den Arthro- poden. Die Centraltheile des Nervensystems, die, den Seg- menten entsprechend, als eine Reihe kettenarlig verbundener, oft auch mehr oder minder unter sich verschmolzener Ganglien erscheinen, gehören allein der Bauchfläche des Leibes an. Selbst das sogenannte Gehirn der Arthropoden, welches nur durch seine Lage vor der Mundöffnung von den übrigen Ganglien sich unterscheidet. Mit dem Nackenganglion der Würmer kann es nicht zusammengehalten werden, da dieses stets der Rückenfläche zukommt. Dass übrigens auch bei den Arthropoden sehr häufig das sogenannte Gehirn eine ähnliche Lage hat, kann bei der geringen Räumlichkeit des Kopfes uns nicht wundern. Leicht kann dasselbe von vorn und unten nach hinten und oben bis auf den Anfangstheil des Oesophagus emporgeschoben sein. Der Schlundring der Ar- thropoden ist unter solchen Umständen ohne alle morphologische Bedeutung. Er wird allein durch die Anordnung des Darms und die Lage der Mundöffnung im hintern Theile des Kopfes nothwendig. Wie der Oesophagus, ganz eben so werden mitunter auch andere in der Medianlinie des Bauches zwi- schen zweien Ganglien gelegene Gebilde von den seitlichen Commissuren umfasst. So z. B. bei manchen Heuschrecken in der Brusthöhle eigene starke nach innen gerichtete Fort- sätze des äussern Skelets, bei manchen Raupen die Inser- tionspunkte von Muskeln u. s. w. In diesem Verhältniss findet es seine Erklärung, warum in manchen Fällen die Commissuren des Schlundhalsbandes so ganz ausseror- dentlich stark sich verkürzen können. Auch die wirklich mitunter (bei Acanthocerceus !), Dichelestium ?2)) beobachtete 1) Nach Schödler in Wiegmann’s Arch, 1846. T. I. S. 357. 2) Nach Rathke. A, a. 0. Vol. XIX, S. 150. Abwesenheit eines eigentlichen Hirnes möchte bei einer der- artigen Anordnung viel leichter begreiflich sein, als wenn das betreffende Ganglion, ein Gebilde selbstständiger Art, zu den übrigen Theilen des centralen Nervensystems in einem gewissen Gegensatze stände, wie man es dort annehmen muss, wo man dasselbe dem Nackenganglion der Würmer vergleicht. Ausser diesen, wie es mir scheint, ganz fundamentalen Differenzen der Arthropoden und Würmer finden sich zwischen beiden Abtheilungen auch noch manche andere anatomische Verschiedenheiten. So ist das Circulationssystem der erstern überall in grösserer oder geringerer Ausdehnung unvollstän- dig, nie vollkommen geschlossen, wie bei den Anneliden. Den Motor der Blutbewegung bildet ein gefässartiger Schlauch, der, stets unpaar, in der Medianlinie des Rückens oberhalb des Darmes gelegen ist und nur in wenigen Fällen zu einem herzförmigen Sacke sich verkürzt. Die Generationsorgane beschränken sich in ihrer Lage überall auf einen ganz be- stimmten Abschnitt des Leibes, auf den sogenannten Bauch. Niemals erstrecken sie sich gleichmässig, wie bei den Wür- mern, durch die ganze Länge des Körpers. — Statt der glatten Muskelfasern finden sich in der ganzen Abtheilung der Ar- thropoden durchgehends quergestreifte Fasern, selbst an den Eingeweiden. Charakteristisch für die Gliederfüssler ist auch noch der Umstand, dass Flimmercilien, selbst in den Embryonalperioden, beständig fehlen. Unstreitig stehet solche Erscheinung in einem ganz bestimmten Verhältniss zu der Beschaffenheit der äussern Bedeckungen und der Epi- thelialauskleidung der innern Organe. Es bestehen diese in der Abtheilung der Arthropoden aus einem sehr eigen- thümlichen Stoffe, aus Chitin, welches ausserordentlich leicht sich verdickt und an der Oberfläche des Leibes einen schützenden Panzer, ein äusseres Skelet, darstellt, dessen Festigkeit durch eine Menge eingelagerter Kalksalze noch ver- stärkt wird. Um nun aber trotz dieser Anordnung dem Körper der 6 82 Arthropoden einen gewissen Grad von Beweglichkeit zu sichern, der um so nötlhiger war, als die betreffenden Thiere, wenigstens die am höchsten entwickelten Formen, zu einem Leben auf dem Lande bestimmt sind, musste eine ganz be- sondere Vorrichtung getroffen werden. Die äussern Bedeckun- gen durften nicht in einer continuirlichen Schicht, wie ein starrer Panzer oder ein Gehäuse, den ganzen Körper bedecken. Sie mussten in eine Anzahl hinter einander gelegener fester Hornringe zerfallen, die durch eine zartere Haut mit einan- der verbunden sind uud dadurch befähigt werden, ihre ge- genseitige Lage zu verändern. Allein in diesem Umstand scheint mir die teleologische Bedeutung der Segmentirung begründet zu sein. Bei den Anneliden ist sie denn auch desshalb mehr von untergeord- neter Dignität sowohl für die gesammte Oekonomie, als auch in morphologischer Hinsicht. Sie bietet hier den Anfang einer Bildung, die erst späterhin, unter andern Verhältnissen, eine durchgreifende typische Bedeutsamkeit erlangt und dem Spiel der bildenden Kräfte zur Hervorbringung der manch- faltigsten Formen überlassen wird. Das Mittel, dessen hierbei die Schöpferkraft der Natur vorzugsweise sich bedient, ist eine bestimmte, sehr eigen- thümliche heteronome Entwicklung der einzelnen Ringe. Bei den Anneliden zeigten diese im Wesentlichen an allen Thei- len des Körpers eine gleiche Bildung. Anders bei den Ar- thropoden. Hier bieten dieselben in Form und Verbindung manchfache Verschiedenheiten und gruppiren sich überall bei den ausgebildeten Individuen !) in eine Anzahl grösserer Ab- schnitte zusammen, die man nach Lage und Anordnung als Kopf, Brust, Bauch (abdomen) und Hinterleib (post- abdomen) zu bezeichnen pflegt. Zu diesen vier morpholo- gischen Abschnitten indessen muss man, wie ich glaube, noch 1) Bei den Larven mancher Insekten (besonders bei Dipteren) sind übrigens diese Abschnitte anatomisch noch nicht von einander geschieden. Kopf, Brust und Bauch zeigen dann in jeder Hinsicht eine fast vollkommne Gonformität ihrer Segmente, 83 einen fünften, den ich fernerhin als Vorderkopf erwähnen werde, hinzufügen. — Nur in seltenen Fällen sind aber alle diese Abschnitte vollständig neben einander entwickelt. Bald ver- schmelzen sie in grösserer oder geringerer Ausdehnung, bald auch fehlt davon der eine oder andere, wie besonders der Hin- terleib, der überhaupt von allen jenen Theilen die beschränk- teste Verbreitung hat und ausserhalb der Gruppe der Cru- staceen nur noch bei den Scorpioniden }) vorgefunden wird. Alle einzelnen Segmente dieser Abschnitte sind, wenn auch bei den verschiedenen Gruppen nicht in gleichem Maasse, zur Entwicklung von seitlichen Anhängen befähigt, wie bei den Kiemenwürmern. indessen unterscheiden sich diese Ex- tremitäten von den entsprechenden Gebilden der letztern Geschöpfe theils durch ihre anatomische Anordnung, theils auch dadurch, dass sie Theil nehmen an der Heteronomität des Leibes. So erscheinen dieselben, obgleich morphologisch völlig unter sich übereinstimmend 2), bald als Antennen (am Vorderkopf), bald als Fresswerkzeuge (am Kopf), bald als Locomotionsapparate oder Haftorgane (an Brust und Bauch), bald als sogenannte Afterbeine — die oftmals wiederum zu Kiemen, accessorischen Geschlechtstheilen u. s. w. umgebildet sind — (am Postabdomen). Constant sind solche Anhänge aber nur am Vorderkörper der Arthropoden vorhanden, am Vorderkopf, Kopf und Brust. Nur bei den Crustaceen und Myriapoden finden sie sich gleichmässig auch an den dahin- ter liegenden Abschnitten. Bei den sehr verwickelten morphologischen Verhältnissen der Arthropoden ist es erklärlich, wenn man über die Deu- 1) Die Coexistenz von Bauch und Postabdomen bei diesen Arthropoden, so wie die unverkennbare Verschiedenheit von beiden Abschnitten ist ein unumstösslicher Beweis gegen die ältere Ansicht, dass der Bauch der Insekten dem Hinterleib der Krebse entspräche, 2) Oken (Naturphilosophie $. 3085, so wie Isis 1818. $. 477.) ist der Erste ge- wesen, der die morphologische Identität dieser Theile, wenigstens der Fress- werkzeuge und Füsse erkannte, Spätere Untersuchungen von Savigny in- dessen waren es erst, die von diesem Verhältniss den unmittelbaren Nachweis lieferten. 6* 81 tung und den Zusammenhang des Skelets bei diesen Thieren noch heute der abweichendsten Ansicht ist. Hat es doch lange gedauert, bevor man überhaupt die morphologische Uebereinstimmung der einzelnen Körpersegmente und deren Anhänge erkannte. Von unvergänglichem Werth in dieser Be- ziehung sind die sorgsamen Untersuchungen von Savigny!) über die Fresswerkzeuge der Gliederfüssler und deren Ver- hältniss zu den Beinen in den Hexapoden, Arachniden, Cru- staceen und Myriapoden; Untersuchungen, welche späterhin von Duge&s2) für die Arachniden, so wie von Brandt) für die Krebse in mehrfacher Hinsicht weiter ausgeführt sind, und welche ihrem wesentlichsten Inhalt nach vollkommen sich bestätigt haben. Gleich bedeutungsvoll für die morpho- logische Auffassung des Baues bei den Arthropoden ist der umfassende geistreiche Versuch von Erichson®). Leider ist hier ebenfalls bloss, wie bei Savigny, ganz einfach der vergleichend anatomische Standpunkt hervorgehoben, und die Entwicklungsgeschichte, trotz der zahlreichen glänzenden Ent- deckungen Rathke’s5) auf diesem Felde, völlig unbeachtet geblieben. Gewiss aber ist es eine sichere Bürgschaft für die Richtigkeit der Annahmen Erichson’s, dass dieselben, wie es mir scheint, in allen wesentlichen Punkten eben in der Entwicklungsgeschichte ihre Bestätigung finden. Aller- dings ist Zaddach6), der zuerst die Resultate der letztern in den Bereich dieser Untersuchungen gezogen hat, mehrfach zu abweichenden Resultaten gelangt, doch kann ich dem- selben, wie sogleich näher angegeben und motivirt werden soll, nicht überall beistimmen, so überraschend und annehm- 1) In den Mem. sur les anim, sens vertebres T. I. 2) Annal. des scienc. nat. 1834. T. I, p. 1. 3) Medicin. Zoolog. Th. I. S. 56. 4) Ueber zoologische Charaktere der Insekten, Arachniden und Krebse. In den Entomographieen. Hft, I. S. 1. Berlin. 1840, 5) Man vergl. besonders: Ueber die Bildung und Entwicklung des Flusskrebses 1829. Zur Morphologie, Reisebemerkungen aus Taurien. 1837. S. 58. und Beiträge zur vergl. Anat. und Physiolog. Reisebemerkungen aus Skandinavien. 1842. S. 46. 6) Ueber die Eintheilung des Thierreichs in Kreise und Klassen. 1847. $. 10. 85 bar auch auf den ersten Blick manche seiner Angaben er- scheinen. Die Entwicklung der Arthropoden geht, wie die der Branchiaten und Hirudineen, von einem Primitivtheil aus, welcher der spätern Bauchfläche entspricht. Dadurch aber unterscheiden sich die Gliederfüssler bereits in diesem er- sten Stadium der Entwicklung von jenen Würmern, dass die Spuren der Gliederung viel früher auftreten, meistens schon zu einer Zeit, in welcher der Dotter noch keineswegs von der Keimhaut (entsprechend dem serösen Blatt bei den Wirbelthieren): umwachsen ist. Nur wenige Gruppen (die Arthrostraken !) und Entomostraken) sind es, bei denen die Gliederung erst später, nachdem die erwähnte Umwachsung bereits vollständig erfolgt ist, sich kund giebt. Aber auch hier entsteht diese nicht, wie bei den Anneliden, gleich von vorn herein durch die Bildung vollständiger Segmente, an denen erst nachher die Anhänge hervorkeimen, sondern da- durch, dass unmittelbar neben der Medianlinie des Primitiv- streifes eine Reihe von paarigen warzenförmigen Erhaben- heiten sich bildet, welche allmählig zu den Extremitäten aus- wachsen, während die Ringelung vom Bauch aus nach dem Rücken fortschreitet und erst hierdurch die Entstehung be- sonderer Segmente bedingt. In dieser frühzeitigen Bildungs- weise der Extremitäten ist denn auch unstreitig der Grund 1) Noch vor der Anlage des Primitivstreifs schlägt die Keimhaut bei den Arthro- straken eine quere Falte, welche tief in den Dotter eindringt und denselben in zwei an der entgegengesetzten Fläche zusammenhängende Abschnitte theilt, so dass dadurch die im Anfang ganz kugelförmige Masse zu einem bogenförmig zu- sammengekrümmten Schlauche wird, dessen beide Schenkel dicht einander an- liegen. Bei den Amphipoden bildet sich diese Falte an der spätern Bauchfläche. Ebenso auch bei einigen Isopoden (Bopyrus), während andere Isopoden ent- weder dieser Falte gänzlich entbehren (Oniscus, Armadillo) oder dieselbe auf der spätern Rückenfläche tragen (Asellus, Ligia, Janira, Idotea). Es stehet die- ses Verhältniss übrigens keineswegs allein in der Abiheilung der Arthropoden. Nach den Beobachtungen von Kölliker (de prima insect, genesi Dissert,) findet sich eine solche Rückenfalle auch bei einigen Insekten (Chironomus und Simulia), während nach den Untersuchungen von Newport (Todd&'s Cyclop. of anat. and physiol, Art, Myriapoda. T. II, p. 553.) bei Julus sich am Bauche eine Dotterfalte entwickelt, 86 zu suchen, warum dieselben bei den Arthropoden nicht an den Seitenflächen der Körpersegmente gelegen sind, sondern am Bauche, dicht neben der Medianlinie. Sehr deutlich lässt aus diesem Verhältniss sich abneh- men, dass bei den Arthropoden die Extremitäten eine viel grössere morphologische Dignität besitzen, als bei den Branchiaten. Während sie bei den letztern als blosse An- hänge der Segmente entstehen, gehen sie bei den. erstern der Gonformation dieser Abschnitte voraus. Sie haben, den Segmenten gegenüber, an Selbstständigkeit gewonnen. Nicht überall aber ist dieses Verhältniss mit gleicher Schärfe ausgeprägt. In einigen Fällen entstehen selbst die Segmente zuerst, wie bei den Branchiaten, während die Ex- tremitäten, wenn auch vielleicht nicht alle, erst später daran hervorkeimen. So namentlich bei vielen Hexapoden (z. B. den Dipteren, wo die Beine des Thorax erst im Lauf der Metamorphose sich bilden, nachdem die Ringelung bereits vollständig vorhanden ist), bei den Milben, die anfänglich des letzten Beinpaares entbehren u. s. w. Die auffallendste Ausnahme macht in dieser Hinsicht das Postabdomen, wel- ches nur bei den Arthrostraken !) nach dem gewöhnlichen Schema sich entwickelt. In allen übrigen Fällen entsteht dasselbe als ein selbstständiger Anhang am Ende des Primi- livstreifs, anfangs als eine warzenarlige Hervorragung, die erst allmählich zu einem schlauchartigen, cylindrischen Gebilde sich auszieht?), Erst nach der Ausbildung der Segmente 1) Vielleicht, dass dieses Verhältniss in Zusammenhang steht mit der oben erwähn- ten Bildung einer Querfalte an der Dottermasse. Offenbar bezweckt solches nur eine Vergrösserung der Längendimension des Körpers, die dadurch bei der Be- schränktheit des Raumes am besten erzielt werden konnte, und passender, als wenn der Körper nach beiden, oder auch nur nach einer Seite hin spindelförmig sich ausgezogen hätte — ein Vorgang, aul den die gewöhnliche Entwicklungs- weise des Postabdomen sich reducirt. 2) Am auffallendsten ist diese Bildung des Postabdomen bei den Decapoden und Scorpionen, wo dieselbe schon vor sich geht, noch bevor die Keimhaut den gan- zen Dotter wnnwachsen hat. Weniger auffallend bei den Entomostraken, bei denen vorher bereits die ganze Dottermasse vom der Keimhaut umschlossen ist, Bei den letztern erscheint denn auch desshalb die Entwicklung des betreffenden 87 versieht sich das Postabdomen mit seinen Extremitäten. Ob übrigens auch hier die Gliederung von der Bauchfläche all- mählich zum Rücken emporsteigt, ist noch ungewiss, jedoch nach der Analogie nicht unwahrscheinlich. Sonst wenigstens treffen wir überall diese Bildungsweise, selbst da, wo die Segmente der Extremitäten ermangeln, wie an dem Abdomen der Spinnen !) und Hexapoden. Nicht immer aber erhebt sich die Gliederung bis zur Production vollständiger Segmente. In manchen Fällen, wie an dem Thorax und Abdomen vieler Crustaceen (z. B. der Decapoden), wie besonders überall am Kopfe, sind die ein- zelnen Segmente nicht als isolirte Bildungen nachzuweisen, wenngleich die entsprechenden Extremitäten vollkommen ent- wickelt sind. An Rücken und Seiten sind dieselben dann zu einer ungegliederten Masse mit einander verbunden. Ein solches Verhältniss aber berechtigt uns nicht etwa, wie Erichson für den Kopf es will, zu der Annahme, dass nun auch diese Masse nur ein einziges Segment darstelle. Schon Rathke?2) hat sehr treffend den Nachweis geliefert, dass die Zahl der vorhandenen Extremitätenpaare überall auf die Existenz einer gleichen Anzahl von Segmenten zurückschliessen lasse, selbst da, wo diese anatomisch nicht nachgewiesen werden können. In die Bildung des Kopfes sind also hiernach auch eben so viele Ringe eingegangen, als paarige Anhänge sich vorfinden. Die erste Anlage aller an der Ventralfläche der einzelnen Segmente vorhandenen paarigen Anhänge, sie mögen anato- misch und functionell noch so sehr von einander differiren, ist dieselbe. Erst allmählig bilden sich durch manchfache Verschiedenheiten in der Entwicklung dieser Theile alle jene zahlreichen Formen hervor, die wir bei den ausgebildeten Körpertheils viel weniger abnorm. Sie ist viel einfacher und kaum etwas an- deres, als eine spindelförmige Verlängerung des hintern Körperendes. 1) Vergl. die Beobachtungen von Rathke am Scorpion. Zur Morphologie u. s. w. Ss. 24. 2) A. a 0.8. 117. BER: . Arthropoden wahrnehmen. Die einen, wie die Fresswerk- zeuge und Afterfüsse, bleiben einfach in ihrer Entwicklung zurück, während andere, wie die Thoracalfüsse der meisten Decapoden und Entomostraken, durch den Process der Rück- bildung ihre endliche Gestalt erlangen. In manchfaltiger Verwendung erscheinen hier alle die oben erwähnten mor- phogenetischen Vorgänge der Bildungshemmung und Fort- bildung im embryonalen Sinne, der vorschreitenden und re- trograden Metamorphose. Den speciellern Nachweis über- lassen wir der Entwicklungsgeschichte. Hier würde er von unserm Zwecke uns zu weit entfernen. Als Eigenthümlich- keit des Crustaceentypus möge nur noch die den einzelnen Extremitäten innewohnende Tendenz erwähnt sein, sich der Länge nach zu spalten — eine Tendenz, die wir in ana- loger Weise bei den Branchiaten angetroffen haben. Auch bei den Crustaceen weichen die beiden dadurch entstandenen Theile in ihrer spätern Entwicklung gewöhnlich sehr auffal- lend aus einander. Beide befolgen, unabhängig von einander, die erwähnten Gesetze der Gestaltbildung je auf verschiedene Weise. Wie schon angeführt, sind aber nicht alle Ringe des Körpers gleichmässig zur Production von Extremitäten ge- schickt. Bei den Hexapoden und Spinnen beschränkt sich dieselbe allein auf die Gürtel des vordern Leibes, auf Kopf und Brust. Wo in diesen Arthropoden noch ausserdem be- wegliche Anhangsgebilde vorkommen, wie besonders bei den sechsfüssigen Insekten an der Spitze des Bauches, sind solche überall aus einer Metamorphose der einzelnen Segmente selbst hervorgegangen und den eigentlichen Extremitäten niemals zu vergleichen !). Anders aber ist das Verhältniss bei den 1) Hierher gehören namentlich die sogenannten äussern Begatiungsorgane der In- sekten, deren Reduction bei den weiblichen Käfern Stein (vergl. Anatom. u. Physiolog. der Insekten. Erste Monographie. Ueber die Geschlechtsorgane u. den Bau des Hinterleibsskelets bei den weiblichen Käfern. Berlin 1847. S. 12.) auf höchst glückliche und scharfsinnige Weise durchgeführt hat. Dass auch die männlichen Begaltungswerkzeuge der Hexapoden den Segmenten angehören, habe ich nachgewiesen (Morphologie der Geschlechtsorgane, $. 59). 89 Myriapoden und Crustaceen, bei denen, in der Norm wenig- stens, alle Segmente des Leibes, auch die des Bauches und Hinterleibes, an derBildung von Extremitäten sich betheiligent). Ausser den bisher erwähnten Gebilden finden sich übri- gens bei den Arthropoden noch mancherlei andere Anhänge an den einzelnen Segmenten, wenngleich lange nicht so all- gemein verbreitet, wie die Extremitäten der Bauchfläche. Bekannt vor allen sind die Flügel der Hexapoden, die dem zweiten und dritten Thoracalringe angehören und in Form und Entwicklung nicht selten sehr beträchliche Differenzen darbieten. Sie sind an der Rückenfläche eingelenkt, wie die Beine an der Ventralfläche. Mit den letztern zeigen sie über- haupt so manchfache Analogieen 2), selbst in ihrer Entwick- lung (die mit der Entwicklung der Afterfüsse im Wesent- lichen völlig übereinstimmt), dass der Ausspruch ‚mir nicht zu gewagt scheint, es seien die Flügel die morphologischen Aequivalente der Beine und blosse Wiederholungen dieser Ge- bilde auf der Rückenfläche. Dass die Flügel überall sehr viel später sich hervorbilden, als die Extremitäten der Bauch- fläche, dass sie sich nie, wie diese, an der Bildung der’ Seg- mente betheiligen, kann keinen wesentlichen Unterschied be- dingen. Finden wir dasselbe Verhältniss doch auch bei den Gliedmassen des Postabdomen und in einigen Fällen (s. oben) selbst bei denen des Thorax, die dennoch mit den Fress- werkzeugen u. s. w. einer gleichen Organengruppe angehören. Jene Differenz in der Zeit der Entwicklung der Flügel und Beine ist nun allerdings um so auffallender, als sie zwei ent- sprechende Theile eines gemeinschaftlichen Segmentes betrifft. 1) Ein analoges Verhältniss scheint übrigens auch schon bei den Larven vieler sechsfüssigen Insekten vorzukommen. Die warzenförmigen Auswüchse der Ab- dominalsegmente, die sogenannten Nachschieber oder Afterbeine, erinnern we- nigstens zu auffallend (auch in ihrer Entwicklung) an die Extremitäten des Postabdomen bei den Crustaceen, als dass man die Vermuthung einer morpho- logischen Uebereinstimmung zwischen ihnen unterdrücken könnte, 2) Schon Rathke (Entwicklungsgesch, der Menschen u. der Thiere, Th, II. $. 92.) hat die Formähnlichkeit hervorgehoben, welche die Bauchgliedmassen mancher Entomostraken mit den Flügeln einiger Insekten darbieten, 90 Indessen verliert auch dieser Umstand an Gewicht, wenn wir bedenken, wie die Entwicklung der einzelnen Segmente von der Bauchfläche ausgeht, und daher denn auch die Bil- dung der Bauchanhänge viel eher möglich wird. Wo die Segmente ohne solche Extremitäten entstehen, wo die letztern, wie z. B. bei den Diptern, erst nachgebildet werden, fällt dieser Vorgang der Zeit nach mit dem Hervorsprossen der Flügel’ zusammen. Das gleichzeitige Auftreten von Rücken- und Bauchglied- massen bei den Hexapoden ist eine Wiederholung jener Anord- nung, die wir oben als charakteristisch für dieBranchiaten nach- gewiesen haben. Offenbar aber hat dieselbe für den Typus der Arthropoden lange nicht eine so durchgreifende, so wich- tige Bedeutung. Die gegensätzliche Verschiedenheit von Bauch und Rücken ist hier viel zu gross, als dass eine bestimmte Richtung in der bildenden Thätigkeit auf der einen Fläche einen entsprechenden Vorgang auf der andern mit Nothwen- digkeit hervorrufen müsste. Die Entwicklung der Bauchfläche ist bei Weitem die vorherrschende. An ihr fehlen die Extre- mitäten niemals vollkommen, während die Bildung solcher An- hänge auf dem Rücken als Ausnahme zu betrachten ist. Daher das beschränkte und schwankende Vorkommen dieser Gebilde. Interessant ist es übrigens, dass in manchen Fällen schon bei den Branchiaten (bei den Phyllodoceen und Aphroditeen) die Cirren der Rückenfläche in ihrer Entwicklung sich von den entsprechenden Gebilden des Bauches unterscheiden und dann der Gestalt nach an die Flügel der Hexapoden erinnern. Bereits vor längerer Zeit hat Oken!), dem die Morpho- logie überhaupt so manche sehr schätzbare und scharfsinnige Aufschlüsse verdankt, die Flügel der Hexapoden mit den Kiemen der Krebse parallelisirt. Natürlich können bei einem solchen Vergleich von den einzelnen morphologisch ver- schiedenen Anhängen des Crustaceenkörpers, die als Respira- tionsorgane functioniren, nur diejenigen Gebilde angezogen 9 werden, die nicht in den Typus der gewöhnlichen Extremı- tätenbildung hineingehören, namentlich also die Kiemen der Decapoden. Bei der Anordnung dieser Theile, die, gleich den Flügeln der Insekten, paarweise an den (Abdominal-) Seg- menten und zwar meistens oberhalb der einzelnen Bauch- gliedmassen angebracht sind, gewinnt solche Vermuthung die grösseste Wahrscheinlichkeit. Auch darin bekommt dieselbe eine neue Stütze, dass wir sehen, wie bei denKrebsen die Umbil- dung der Extremitäten in Kiemen so ausserordentlich häufig ist. Selbst der Umstand scheint keinen überzeugenden Ge- genbeweis zu liefern, dass diese Kiemen bei vielen Decapoden ihre anatomische Selbstständigkeit aufgeben, dass sie an den Seitentheilen des Körpers hinabrücken, bis sie auf den Basal- gliedern der anliegenden Beine ihren Insertionspunkt finden. Würde doch dieses eine blosse Modification jenes Vorganges sein, den wir ebenfalls bei den Branchiaten vorgefunden haben. Auch hier verschmelzen ja nicht selten die obern und untern (dem Rücken und Bauch angehörenden) Extremi- täten an den Seitenflächen der einzelnen Segmente. Noch unwesentlicher ist es, dass die Kiemen der Decapoden von den lateralen Verlängerungen des Rückenschildes überdeckt sind und in den dadurch gebildeten Höhlen verborgen liegen. Nach ihrer Entwicklung sind die Kiemen äussere Anhänge des Körpers. Mit gleichem Recht, wie die Kiemen der Decapoden, lassen sich auch die von Rathke!) bei den Embryonen von Asellus aqualicus an der Rückenfläche eines mittlern Leibes- ringes aufgefundenen blattartigen Anhänge als die morpho- logischen Aequivalente der Flügel bei den Hexapoden bean- spruchen. Die oben erörterte Okensche Ansicht, dass die Kiemen der Decapoden den Flügeln der sechsfüssigen Insekten ent- sprächen, also, gleich diesen letztern, auf den Typus der Extremitätenbildung zurückzuführen seien, hat übrigens keinen DPArrar Or IS, 72 92 allgemeinen Beifall gefunden. Es haben vielmehr andere sehr gewichtige Autoritäten dahin sich ausgesprochen, dass die morphologischen Aequivalente der Flügel in dem soge- nannten Rückenschilde der Krebse zu suchen seien. So glaubte namentlich Rathke !) in den zusammengewachsenen Flügeln mancher Coleoptern schon eine Andeutung zu der Bildung des Rückenschildes zu sehen. Auch Zaddach ?) spricht für die Analogie der betreffenden Theile sich aus. Indessen lässt sich nach meiner Ansicht eine solche Annahme wohl schwerlich halten. Um die Bildung des Rückenschildes zu verstehen, muss man daran sich erinnern, dass die ein- zelnen Segmente an dem Körper der Arthropoden nicht etwa blosse solide Ringe sind, sondern selbst wiederum (in den meisten Fällen wenigstens) aus mehreren Elementen zusam- mengesetzt werden, die theils dem Rücken und Bauche, theils aber auch den Seitenflächen angehören. Die letztern sind unter den Bezeichnungen der Epimera und Episterna bekannt. Von ihnen liegen die erstern zu den Seiten der Rücken- schiene, die andern zu den Seiten der Bauchschiene. Solche seitlichen Elemente lassen sowohl bei den Crustaceen, als auch bei den Hexapoden (wo Stein dieselben neuerlich 3) als Parapleurae und Pleurae bezeichnet hat) sich nach- weisen. Während übrigens bei den Hexapoden von diesen Stücken besonders die letztern durch ihre Entwicklung sich aus- zeichnen, sind es bei den Crustaceen gerade die erstern. Sie bilden hier gewöhnlich, z. B. bei den Arthrostraken, sehr ansehnliche, mehr oder minder weit an den Seiten vorsprin- gende Platten, die nicht selten sogar nach der Bauchfläche sich zukrümmen. In analoger Anordnung treten diese Stücke 1) Zur Morpholog. S. 128. 2) 2A 2.20.5276. 3) A. a. 0. S. 4. Auf sehr überzeugende Weise ist hier zugleich dargethan, wie dieselben Stücke es sind, die auch in die Bildung der flügeltragenden Thora- calsegmente — wenn auch mehrfach modificirt — eingehen. Die ältern Unter- suchungen von Audouin, Burmeister u.A,. haben diese wesentliche Ueber- einstimmung zwischen der Formation der Thoracalsegmente und der übrigen Körperringe zu wenig hervorgehoben. 93 bisweilen auch da auf, wo sie mit den zwischenliegenden Rückenschienen continuirlich zusammenhängen, wo sie nicht als isolirte, selbstständige Skelettheile erscheinen, Sind dann nun zugleich die Segmente an irgend einer Region des Kör- pers nicht vollständig getrennt, sind die Rückenschienen da- selbst unter einander verschmolzen, so muss eine schild- förmige Bedeckung entstehen, deren seitliche Ränder iin grösserer oder geringerer Ausdehnung vorspringen und die anliegenden Theile bedecken, sobald sie nach unten sich umbiegen. Ein solches Schild nun ist das Rückenschiid der Decapoden. Dass dasselbe auf die eben angeführte Weise aus der Ent- wicklung der obern Seitenstücke und der damit verbunde- nen Rückenschienen der Segmente entstanden, ist bei Hip- polyte, Peneus, Palaemon u. a. sehr deutlich. Hier zeigen auch die Segmente des Postabdomen eine gleiche CGonfor- mation. Nur dadurch unterscheiden sie sich, dass die ein- zelnen Dorsalstücke derselben nicht continuirlich unter sich zusammenhängen. In einigen Fällen erlangt das Rückenschild der Crusta- ceen noch eine beträchtlichere Selbstständigkeit. Es hebt in grösserer Ausdehnung von dem unterliegenden Segmente sich ab und wächst selbst bis zu einem Grade, dass es den ganzen Körper einschliesst. In der Medianlinie des Rückens gliedert es sich durch eine Längsfalte. So bildet es die zweiklappige Schale der Daphnien, Cypriner, Cirripedien. Bei Pandarus, wo eine ähnliche Umformung der Dorsalstücke eintritt, blei- ben die betreffenden Gebilde an den einzelnen Segmenten beständig von einander getrennt. Sie sind nicht zu einem zusammenhängenden Schilde verwachsen, wie sonst so häufig es der Fall ist. Besonders hier ist es, wo der äussere An- schein leicht zu der Vermuthung veranlassen kann, dass die betreffenden Anhänge den Flügeln der Hexapoden entsprächen. Die Gliederung des Körpers bei den Arthropoden, sowie die Hervorbildung der Extremitäten geschieht, wie bei den Anneliden, im Allgemeinen allmählig fortschreitend von vorn nach hinten. Indessen gilt diese Norm doch weniger für 94 den ganzen Leib, als vielmehr eigentlich nur für die einzel- nen Abschnitte desselben, die bis zu einem gewissen Grade, wie wir schon oben für das Postabdomen es angeführt haben, selbstständig und unabhängig von einander sich bilden. Nur da, wo die Entwicklung dieser Abschnitte rasch nach ein- ander geschieht, ohne wahrnehmbaren Absatz, ohne Pause und gleich von vorn herein mit der gesetzmässigen Zahl der Segmente, nur da hat es den Anschein, dass die Ringe des ganzen Körpers in continuirlichem Zusammenhang und gleich- mässig von vorn nach hinten sich hervorbilden. In diesem Fall bietet denn auch der Embryo gleich Anfangs in seiner Conformation eine grosse Aehnlichkeit mit dem ausgebildeten Thier, wenn auch die Anhänge desselben vielleicht noch nicht ihre Entwicklung erreicht haben. Solches findet sich, wie es scheint, vorzüglich bei den sechsfüssigen Insekten I) und Arachniden, aber auch bei manchen Crustaceen (wie namentlich bei den Amphipoden). In andern Fällen aber hat der Embryo, wenn er die Eihüllen verlässt — auch abgesehen von der Beschaffenheit der Extremitäten — noch lange nicht die Gestalt, wie sie bei den entwickelten Individuen sich vorfindet. Die Zahl seiner Leibessegmente ist häufig geringer, als im ausgebilde- ten Zustand. In der Regel fehlen unter solchen Umständen die letzten Segmente des Abdomen (wie z. B. bei den Iso- poden), oder sogar der ganze betreffende Leibesabschnitt (wie bei manchen Decapoden, bei den Entomostraken und Myria- poden), so dass ausser Vorderkopf und Hinterleib dann bloss Kopf und Brust den Körper zusammensetzen, Das letztere Verhältniss ist um so auffallender, als es uns zeigt, dass nicht ein Mal die einzelnen Abschnitte des Leibes in continuirlicher, der Lagerung entsprechender Rei- henfolge zu entstehen brauchen. Der Endtheil des Körpers, das Postabdomen, wird hier früher gebildet, als der davor gelegene Bauch. Indessen ist solches doch nur als Ausnahme 1) Vergl. Kölliker, de prima insectorum genesi dissert, 95 anzusehen. Sie findet darin ihre Erklärung, dass das Post- abdomen eben durch seine eigenthümliche Entwicklungsweise befähigt wird, ganz selbstständig schon zu einer Zeit zu er- scheinen, in der kaum die Rudimente des übrigen Körpers angelegt sind. Die vorhergehenden Abschnitte (wenn wir wenigstens einstweilen vom Vorderkopf absehen) werden stets in der Reihe nach einander angelegt, zuerst der Kopf, zuletzt der Bauch, und, unabhängig von einander, einzeln von vorn nach hinten zu allmählig ausgebildet. Die hintern Seg- mente eines jeden Abschnittes erscheinen stels vor den vor- dern desselben Abschnittes.. Ebenso die Extremitäten. Die Mandibeln gehen in ihrer Bildung den Maxillen voraus, die vordern Füsse der Brust den hintern, wenn auch die letztern wiederum in manchen Fällen (bei vielen Insekten z. B.) frü- her sich bilden, als die hintern Extremitäten des Kopfes. Eine andere doch nur scheinbare Ausnahme in dieser Bezie- hung machen die Antennen, die sehr häufig nicht vor, son- dern nach den Mandibeln angelegt werden, nicht bloss bei den Krebsen (sehr augenfällig z. B. bei den Lernäaden), son- dern auch bei den Insekten, bei denen sie nicht selten sogar noch während des ganzen Larvenzustandes (bei den Diptern) fehlen. Es möchte dieses indessen wohl dahin zu deuten sein, dass die Antennen nicht etwa, wie man es bisher nach der anatomischen Anordnung ganz allgemein angenommen hat, mit den Fresswerkzeugen zu demselben Körperabschnitt gehören, sondern ein eignes davon verschiedenes System von Segmenten bilden, dessen schon oben unter der Bezeichnung des Vorderkopfes Erwähnung geschehen ist. Eine Bestäti- gung dieser Vermuthung finde ich darin, dass bei den Stoma- topoden auch wirklich ein solcher Abschnitt als ein selbst- ständiger, aus mehreren Segmenten bestehender Theil sich vorfindet. In allen übrigen Fällen dagegen ist derselbe ohne nachweisbare Gliederung und auch stets mit dem eigentlichen Kopf, der die Mundöffnung trägt, verschmolzen; ein Verhält- niss, welches wir in analoger Weise so sehr häufig auch bei den übrigen Abschnitten antreffen. In seiner höchsten Entwicklung, bei den sogenannten Podophthalmen, besteht der Vorderkopf aus dreien Gür- teln, die dann stets, auch da, wo dieselbe nicht als gesonderte Segmente vorhanden sind, durch drei entsprechende Paare von Anhängen nachgewiesen werden können. Das erste Paar derselben trägt unter solchen Umständen an seiner Spitze die Gesichtswerkzeuge, während die beiden hintern, die (gemäss dem Typus der Extremitätenbildung bei den Crustaceen) gespalten und in ihren einzelnen dadurch ent- standenen Theilen auf eine verschiedene Weise entwickelt sind, als Antennen erscheinen. Die Verbindung der Augen mit dem vordersten Paare dieser drei Extremitäten kann ich nur für eine zufällige halten, nicht aber für wesentlich. Der sogenannte Augenstiel ist nach meiner Meinung ein ganz gleiches Gebilde, wie die dahinter liegenden Antennen, nur rudimentärer als diese — ein Umstand, der vielleicht eben gerade von der eigenthümlichen Verwendung desselben und der Verbindung mit jenen Sinnesorganen abhängt. Dass die- selben niemals in anderer Gestalt auftreten, als in der von Augenstielen, möchte wohl kaum gegen diese Ansicht spre- chen und noch viel weniger beweisen (wie Zaddach!) ver- muthet), dass die Entstehung der Gesichtswerkzeuge auf eine Gliedmassenbildung zurückzuführen sei. Wie z. B. wäre es möglich, den Augen der Arachniden ein besonderes Segment zu vindiciren? Mit der oben ausgesprochenen Ansicht da- gegen, dass jene Verbindung mit dem ersten Paare der am Vorderkopf befestigten Gliedmassen nur eine zufällige sei, lässt jede andere Lage dieser Sinneswerkzeuge sich leicht vereinigen. Ueberall wo jene Extremitäten nicht gebildet sind, unter den Crustaceen bei den sogenannten Edriophthalmen, sowie bei den Insekten, behalten dieselben ihre ursprüngliche Lage am Vorderkopf oder auch, wenn dieser vollkommen fehlt, und der Kopf mit dem Thorax verschmolzen ist, auf dem sogenannten Cephalothorax. Ein solches Verhältniss findet 1)RA7a. 20: 18.214. 97 eine sehr passende Analogie in der verschiedenen Lagerung des muthmasslichen, von v. Siebold!) entdeckten Gehör- organes bei den Orthoptern. Auch solches wird, wie wir durch diesen ausgezeichneten Anatomen erfahren haben, mit- unter (bei den Locustinen) von den Extremitäten des Thorax an sich gerissen, während es bei den Acridiern eine ab- weichende Lage am Vordertheil des Abdomen darbietet. Ueberdies spricht endlich die Entwicklung der Augenstiele, wie sie Rathke z. B. beim Flusskrebs gefunden hat, voll- kommen zu Gunsten unserer Meinung. Im Anfang der Ent- wicklung, vor dem Erscheinen der Augen, gleichen die stiel- förmigen Träger dieser Organe ganz den ersten Rudimenten der Antennen. Nach der Entwicklung der gesammten drei Fühlerpaare bei dem eben genannten Gliederfüssler zu urtheilen, bilden sich übrigens die Segmente des Vorderkopfes mit ihren resp. Gliedmaassen in continuirlicher Reihenfolge nicht von vorn nach hinten, wie die Gürtel der eigentlichen Leibesabschnilte, sondern von hinten nach vorn. Der gesammte Vorderkopf erscheint somit, ganz wie das Postabdomen, weit eher als ein Anhang des Körpers oder vielmehr des Primitivtheils, denn als ein integrirender Abschnitt desselben. Nur für diese gilt das oben angeführte Gesetz der Entwicklung von vorn nach hinten. In Uebereinstimmung mit diesem Verhalten ist es, dass der Vorderkopf, wenn er anfängt rudimentär zu werden, nicht seine hintern, sondern seine vordern Glieder verliert. Bei den Arthrostraken besteht derselbe jederseits nur noch aus zwei Segmenten, die durch die anhängenden Anten- nen (die offenbar den beiden Fühlerpaaren der Podophthal- men entsprechen) repräsentirt sind, bei den sechsfüssigen Insekten und den Myriapoden sogar nur aus einem einzigen Ringe, dessen Anhänge man gewiss mit Recht dem letzten Antennenpaar jener erstgenannten Krebse parallelisiren darf. Bei den meisten Entomostraken endlich (mit Ausnahme der I) Wiegmann's Arch, 1844. I, S, 53. 98 Siphonostomen und Lernäaden })), sowie bei den Spinnen ist eine jede Spur des Vorderkopfes verschwunden. Die An- tennen fehlen diesen Arthropoden, denn das, was man bei den Entomostraken als solche wohl ansieht, hat in der Mehr- zahl der Fälle (bei Daphnia z. B.), wie wir sogleich sehen werden, eine ganz andere Bedeutung. Mit Ausnahme der Stomatopoden hat übrigens, wie schon erwähnt ist, der Vorderkopf überall seine anatomische Selbst- ständigkeit aufgegeben. In allen andern Arthropoden ist derselbe mit dem folgenden Abschnitt, mit dem eigentlichen Kopf verschmolzen. Dieser nun besteht, wo er vollständig entwickelt ist, aus vier Gliedmaassenpaaren mit deren resp. Gürteln, welche letztere freilich stets mehr oder minder voll- kommen zu einem gemeinschaftllichen kapselartigen Gebilde unter einander zusammenhängen. Die Gliedmaassen des-Kop- fes sind die Oberlippe, die beiden Mandibeln und zwei Paare sogenannter Maxillen, von denen die hintern bei den sechs- füssigen Insekten in der Medianlinie mehr oder minder zu einem unpaaren Theil, der Unterlippe, mit einander ver- schmolzen sind. Die Oberlippe muss man nach ihrer ganzen Entstehung zu der von den Ventralanhängen der Körpersegmente ge- bildeten Organengruppe hinzurechnen. Dass sie beständig unpaar 2) ist, kann wohl kaum die Inconsequenz rechtferti- gen, deren man im Gegentheil sich schuldig macht. Finden wir doch so häufig, dass bestimmte seitlich symmetrische Gebilde bei den Thieren mit lateralem Typus durch ein un- paares mittleres Element ersetzt werden. So auch hier. Statt zweier seitlichen Anhänge entwickelt sich nur ein einziger in der Medianlinie. Dass solches aber hier der Fall ist, scheint auf der andern Seite wiederum für die Unabhängigkeit des 1) Bei einigen Lernäaden, wie bei Penella und Lernaeocera gehen übrigens diese Fühler im Lauf der Entwicklung wiederum verloren. Vrgl. v. Nordmann’s Mi- krographische Beiträge. Th. I. 2) Bei manchen Käfern scheint dieselbe wirklich noch die Andeutungen zweier seitlichen Stücke zu enthalten. Vergl. Brulle in den Annal, des scienc. natur. 1844. T. I. p. 271. 99 Kopfes von dem Vorderkopf zu sprechen. Bei Weitem in der grössern Mehrzahl der Fälle finden wir ein derartiges Verhältniss nicht inmitten einer fortlaufenden Reihe homo- loger paariger Gebilde, sondern an dem einen oder andern Ende derselben. — Von allen den verschiedenen Anhängen der Segmente scheint (auch bei den Insekten?) die Oberlippe zuerst zu entstehen. Sie erscheint als eine warzenförmige Hervorragung am vordern Ende des Primitivstreifs, die mei- stens zu einer queren Platte sich ausbildet, in andern Fällen (bei den Entomostraken und auch den Pycenogoniden) aber zu einem kurzen Rohre, welches dann auf der Spitze die Mund- öffnung trägt und als Saugröhre functionirt. In dieser Form persistirt sie nicht selten (bei den Siphonostomen und Pyeno- goniden })), während sie sonst (z. B. bei Cyclops?), bei den Lernäaden u. s. w.) späterhin ebenfalls, indem die hintere Wand allmählig schwindet, zu einem plattenförmigen Gebilde wird. Dahinter nun entstehen die übrigen Anhänge des Kop- fes, zuerst die Mandibeln, später die Maxillen, die vordern und hintern, bald (bei den höhern Krebsen, sowie den mei- sten Insekten) in rascher Reihenfolge nach einander, bald aber auch erst nach einem geraumen Zeitabschnitt, nachdem bereits die Beine des Thorax, wenigstens die vordern, ange- legt sind. Letzteres ist besonders bei den mit einem Saug- rüssel versehenen Entomostraken der Fall (wo durch diese späte Entstehung der Kiefer überdiess noch manche andere inseressanle Metamorphosen möglich werden), aber auch, nach der Entdeckung von Kröger3), bei den Pyenogoniden und selbst bei manchen Insekten (besonders Diptern), wo dann die Maxillen, und zwar meist bloss die untern, während des ganzen Larvenzustandes fehlen. 1) Erichson (a, a. O0. S. 10.) hält die Oberlippe bei den Pycnogoniden für die Zunge, doch nach der von Kröger beobachteten Entwicklung dieses Theiles gewiss mit Unrecht. Vergl. Naturhist. Tidssk. N. R. I. p. 30, oder Oken’s Isis. 1841. S. 717. 2) Vergl. Rathke, Entwicklungsgesch. des Menschen u, der Thiere. II. S. 93. S)mIzRC. 7 * 100 Das eben angeführte Verhältniss in der Entwicklung der Fresswerkzeuge scheint mir bei der Beurtheilung der Frage nach der Relation dieser Gebilde wohl zu berücksichtigen. Manchfach ist nämlich die Behauptung aufgestellt worden, wie namentlich von Burmeister und auch neuerlich wieder von Zaddach!), dass die Fresswerkzeuge, wenigstens die beiden Unterkieferpaare, nicht dem Kopf, sondern eigentlich der Brust angehörten. Ihre Verbindung mit dem erstern würde hiernach nicht wesentlich sein und keineswegs in der typischen Anordnung des Kopfes seine Begründung haben. A priore lässt sich diese Behauptung um so weniger zu- rückweisen, als wir sehen, dass bei einer Verschmelzung des Kopfes mit dem dahinter liegenden Thorax bald (bei den Spinnen) wirklich diese Anhänge — vollkommen aber nur das hintere Maxillenpaar — den eigentlichen Beinen ganz conform werden und als Gehwerkzeuge functioniren, bald auch (bei den höhern Krebsen) die eigentlichen Thoracalan- hänge alle (Stomatopoden und Decapoden, mit Ausnahme der sogenannten Schizopoden, von Hippolyte u. a. m.) oder nur mit ihrem vordern Paare (Arthrostraken) zu Hülfskiefer sich umbilden und den Fresswerkzeugen sich anschliessen. Indessen scheint es mir, als sei eine derartige Annahme bloss durch eine zu einseitige Betrachtung solcher bei den Spin- nen und höhern Krebsen vorkommenden Entwicklungsweise entstanden. Gerade bei diesen Arthropoden aber sind wegen des eigenthümlichen Zusammenhangs von Kopf und Brust die Verhältnisse minder klar. Leicht kann hier eine Auffassung, wie die von Burmeister, eine grosse Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn man sieht, wie die hintern Kiefer und die Beine der Brust nicht nur in continuirlicher Folge hinter ein- 1) Zaddach, der den Vorderkopf nicht als einen besondern Abschnitt des Kör- pers unterscheidet, zählt am Kopf — da, wo er am vollständigsten entwickelt ist — drei oder vier Anhänge, die (?) Augenstiele, Antennen und Mandibeln, Die Maxillen gehören mit den folgenden drei Segmenten (die ich mit Erichson allein als Theile des Thorax ansehen kann) zu der folgenden Abtheilung des Leibes, zu der Brust, 101 ander entstehen, sondern auch eine gleichmässige Form dar- bieten (letzteres jedoch, wie wir noch sehen werden, mit ° einigen Ausnahmen, die sehr augenfällig für die Ansicht von Erichson sprechen). Bei den Entomostraken jedoch und den Insekten sind die Verhältnisse anders. Wenn wir nun auch die erstern hier nicht als beweisend anführen wollen, weil bei ihnen die morphologische Anordnung vielleicht manch- fache Zweifel und verschiedenartige Deutungen zulassen möchle, so scheinen doch die Insekten die Richtigkeit der gewöhnlichen Annahme zu erweisen. Bei ihnen bilden sich Maxillen und Beine unabhängig von einander und so wenig allgemein in continuirlicher Reihenfolge, dass die letztern nicht selten in der Zeit ihrer Entstehung den erstern vorausgehen. Es wäre aber eine sehr auffallende Verletzung des schon oben erör- terlen Gesetzes, wenn in diesen Fällen die hintern Anhänge der Brust eher hervorkeimen sollten, als die vordern. Wo sonst ein derartiges Verhältniss stattfindet, am Vorderkopf, so wie vielleicht am Postabdomen, lassen stets bestimmte, mit der ganzen Entwicklungsart der betreffenden Abschnitte in Uebereinstimmung stehende Gründe dafür sich angeben — was aber hier kaum möglich sein möchte. Ausserdem sehen wir, wo der Kopf vom Thorax abgeson- dert ist, überall an jenem erstern die angeführten drei Kie- ferpaare. Selbst bei Galeodes, wo nur noch eine Spur ‚dieser Sonderung auftritt, und die Taster der Maxillen !) be- sonders der hintern, schon fast ganz den Gehfüssen gleichen, selbst hier finden dieselben noch ihre Insertion am Kopfe, nicht am Thorax. Was ebenfalls noch zu Gunsten der gewöhnlichen An- nahme zu sprechen scheint, ist die bei den Insekten ganz constante Verwachsung des hintern Maxillenpaares zu der sogenannten Unterlippe. Wie schon oben erwähnt, ist solche 1) Die vergleichende Anatomie liefert den Nachweis, dass die Körper oder Grund- theile der Kiefer den Coxen der Beine, die Taster derselben den dahinter lie- genden Gliedern entsprechen. Vergl. Erichson a. a. O., sowie Duges in den Annal, des science, natur. II. Ser. T, I. p. 7. 102 Verwachsung vorzugsweise nur an dem vordern und hintern Ende einer fortlaufenden Reihe homologer paariger Gebilde anzutreffen. Ein anderes Verhalten ist immer als Ausnahme anzusehen und sehr selten. Im Fall nun wirklich die Ma- xillen dem Thorax zuzurechnen wären, hätten wir hier eine solche Ausnahme, da dann nicht das erste Paar der Thora- calanhänge, sondern das zweite eine Verschmelzung in der Mittellinie darböte. Unter solchen Umständen nun glaube ich für die Ma- xillen ohne grosses Bedenken der Meinung von Erichson beipflichten zu können, wonach die betreffenden Gebilde als Extremitäten des Kopfes betrachtet werden und nur — wenn ich so sagen soll — ausnahmsweise, bei den Spinnen, zu Gehwerkzeugen, übereinstimmend mit den Beinen des Thorax, umgewandelt sind. Die Variationen in der Entwicklung der Anhänge am Kopfe sind manchfach. Bei manchen Entomostraken, z. B. bei Acanthocerus !) und bei verschiedenen Parasiten 2) scheint das hintere Paar der Maxillen zu fehlen, ebenso bei den Spinnen die Oberlippe. Was das erstere dieser Verhältnisse betrifft, so reducirt sich dasselbe wohl ganz einfach darauf, dass hier das hintere Maxillenpaar, welches auch sonst am spätesten sich entwickelt, überhaupt gar nicht gebildet 3) ist, 1) Nach Schödler a.a. O. 2) Ich kann Rathke (Zur Morphologie u. s. w. S. 122.) nicht beistimmen, wenn er die Fresswerkzeuge dieser Entomostraken nicht zu den Gliedmaassen des Leibes rechnet, und als accessorische Entwicklungen auf der Chitinhaut des Darmkanales ansieht. 3) Nicht in allen Fällen ist übrigens ein derartiges Fehlen von Fresswerkzeugen auf eine ursprüngliche Hemmung der Entwicklung zurückzuführen. So wissen wir z. B. durch Kröger’s Entdeckung, dass Pycnogonum Anfangs mit einem Mandibularpaar verschen ist, welches späterhin wieder verloren geht. Leider ist über die Entwicklung der Maxillen Nichts bekannt geworden. Um so mehr ist dieses zu bedauern, als bekanntlich die Stellung dieser Geschöpfe unter den Abtheilungen der Arthropoden noch immer sehr schwankend ist, und die Mei- ming von Latreille, Erichson u. A., dass sie den Arachniden zugehörten (die auf die Deutung des ersten Beinpaares als zweiten Maxillenpaares sich stützt), in den Angaben von Kröger eben keine Bestätigung findet, Es ent- wickelt sich das betreffende Gebilde wenigstens auf ganz dieselbe Weise, wie 103 während im zweiten Fall das Fehlen der Oberlippe mit der gleichzeitigen Abwesenheit des ganzen Vorderkopfes in eini- gem Zusammenhang zu stehen scheint. Die Anlage der Ober- lippe nämlich geschieht, nach den Rathkeschen Beohachtun- gen zu urtheilen, mit den hintern Antennen so ziemlich in gleicher Höhe — eine Anordnung, die übrigens auch sonst wohl in der Gruppirung der Anhänge zweier anliegenden, unvollständig abgegrenzten und verschmolzenen Segmente be- obachtet wird. Erst später, so scheint es, rücken Oberlippe und Antennen weiter aus einander, so dass letztere ganz deutlich vor den erstern zu liegen kommen. Unter solchen Verhältnissen nun kann die Abwesenheit der Antennen, wie wir bei den Spinnen sie antreffen, gewiss auch leicht den Mangel der Oberlippe herbeiführen. Was nun übrigens die bei den Spinnen !) vorkommende Umwandlung der hintern Kiefer in Gehwerkzeuge betrifft, so kann uns diese bei der morphologischen Identität?) der ein- zelnen Leibesringe und deren Anhänge nicht auffallen, um so weniger, als wir gleichzeitig wahrnehmen, wie dabei der Kopf aufhört, als ein besonderer, anatomisch abgegrenzter Körpertheil zu erscheinen, und mit dem dahinter liegenden Thorax in eine gemeinschaftliche Masse verschmilzt. Auf derselben morphologischen Identität beruht auch die Möglich- keit der bei den höhern Krebsen, bei den Malacostraken, vor- kommenden Umwandlung der Thoracalanhänge in sogenannte Beikiefer, in Gebilde, die nach ihrer anatomischen Structur viel eher den Maxillen, als den Beinen gleichen, obgleich sie, nicht die dahinter gelegenen Gehwerkzeuge (welche als An- die übrigen Beine. Ausserdem, glaube ich, muss man auch das eiertragende Fusspaar der Weibchen bei der Deutung der verschiedenen Leibesanhänge wohl berücksichtigen und eben diesem, wie es mir scheint, die Bedeutung des dritten Kieferpaares vindiciren, 1) Ein ähnliches Verhältniss findet sich auch, wie noch unten specieller nachge- wiesen werden soll, bei den Myriapoden, obgleich für diese Thiere die gewöhn- liche Angabe ganz anders lautet, f =) Am auffallendsten ist diese Identität schon anatomisch in der Gestalt und Anord- nung der Fresswerkzeuge und Thoracalbeine bei Limulus ausgesprochen. 104 hänge des Abdomen gedeutet werden müssen) den eigentli- chen Beinen der Insekten entsprechen, wie schon Savigny auf das Ueberzeugendste dargethan hat. In Uebereinstimmung hiermit steht es denn auch, dass bei diesen Krebsen die Segmente der Brust (alle, oder nur zum Theil) mit dem Kopfe verschmolzen sind, nicht, wie bei den Spinnen, der Kopf mit dem Thorax. Der Thorax selbst besteht, wie es scheint, überall aus drei Segmenten und aus einer entsprechenden Anzahl von paarigen Anhängen. Bei den sechsfüssigen Insekten bilden diese letztern die drei Paare von Gehwerkzeugen bei den Arachniden nur die drei hintern Paare, indem, wie angeführt, das bei denselben vorkommende vordere Paar aus einer Me- tamorphose der hintern Kiefer hervorgegangen ist. Bei den Malacostraken dagegen treten diese Thoracalfüsse, als Bei- kiefer an den Kopf, bald (bei den Podophthalmen) alle, bald auch nur (bei den Arthrostraken, mit Ausnahme der Praniziden, wo dieselben Verhältnisse wiederkehren, wie bei den Podophthalmen, so wie der Lämodipoden, wo zwei Tbo- racalfüsse verwandelt werden, wenn auch beide nicht gleich vollkommen) mit ihrem vordern Paare. Im letztern Fall blei- ben also nur zwei Thoracalbeine, die, wie bei den Myriapo- den, nach hinten an die Anhänge des Abdomen sich an- schliessen und mit diesen auch in ihrer Form übereinstimmen. Uebrigens findet ein solches Verhältniss schon bei einigen Decapoden eine Andeutung. Auch hier erstreckt sich manch- mal (bei den Schizopoden, Hippolyte u. s. w.) jene Meta- morphose nur auf die beiden vordern Anhänge, so dass dann das hintere Paar in seiner eigentlichen Form persistirt und als Gehwerkzeug verwendet ist. Die Entwicklung der Anhänge des Thorax geschieht, ganz wie es oben auch von denen des Kopfes angeführt ist, von vorn nach hinten, und ebenfalls so, dass die letzten der- selben mitunter, wie besonders bei den Milben, aber auch bei einigen Entomostraken, erst viel später angelegt werden, als die vordern, erst zu einer Zeit, wo die Jungen schon 105 längst die Eihüllen verlassen haben. Von der Bildung der Fresswerkzeuge ist übrigens die der Thoracalanhänge ganz unabhängig, ‘wie die Entomostraken, aber auch manche In- sekten ganz deutlich beweisen, wo dieselben, wenn auch nur in ihren vordern Paaren, bereits zu einer Zeit entstehen, in der die Kiefer noch keineswegs in gesetzmässiger Anzahl vorhanden sind. Dass aber in andern Fällen die Anhänge des Kopfes und Thorax, wie die eines gemeinschaftlichen Abschnittes, in continuirlicher Reihe schnell hinter einander bervorkommen, ist ganz natürlich, wenn wir nur bedenken, dass solches eben nur da der Fall ist, wo Kopf und Thorax mit einander verschmolzen sind und die betreffenden Anhänge beider Theile auf eine gleiche Weise gestaltet werden. Von dem höchsten Interesse übrigens ist es, dass auch unter solchen Verhältnissen bei einigen Decapoden die Meta- morphose der Thoracalbeine in Beikiefer wirklich eine actuelle ist. Bei den unausgebildeten Individuen von Hyas, Galathea, Pagurus !), von Caridina 2), Palaemon und sicherlich noch bei einer grössern Anzahl3) verwandter Krebse zeichnen sich, wenn das Abdomen mit seinen Anhängen noch wenig ent- wickelt ist, die drei Paar Thoracalfüsse vor den Kiefern des Kopfes durch eine gänzlich abweichende Gestalt aus. Sie sind von einer’sehr ansehnlichen Länge, von ähnlicher Form, wie anfänglich die Abdominalbeine von Astacus marinus, und dienen, gleich diesen, als Locomotionswerkzeuge, als Schwimm- füsse. Hier also treten die betreffenden Anhänge unter Ver- hältnissen auf, welche zu auffallend an die bei den Insek- ten und Spinnen vorkommende Anordnung erinnern, als dass man die völlige Analogie mit den Thoracalbeinen die- ser Arthropoden verkennen könnte. Wie aber nun hier- durch auf der einen Seite die Meinung von Burmeister, 1) So nach den Beobachtungen von Rathke (in den Beiträgen zur vergleichenden Anatomie und Physiologie). 2) Vergl. Joly in den Annal. des scienc. nat, 1843. T. XI. p. 57. 3) So z. B., nach den Beobachtungen von De Gane (Ann. of nat, hist. 1840. und Froriep’s N. Not. 1840, N. 265.), wahrscheinlich auch bei Careinus Maenas. 106 Milne Edwards u. A. widerlegt wird, dass die Abdomi- nalfüsse der Decapoden u. a. Krebse den Thoracalfüssen der Insekten zu parallelisiren seien, und die grössere Anzahl der Kiefer bei den Krebsen einfach aus einer Vermehrung der schon bei den Insekten vorkommenden Anhänge des Kopfes hervorginge, so liefert das vorliegende Verhältniss auch auf der andern Seite, meiner Ansicht nach, einen neuen Beweis, dass die drei hintern Beikiefer der Podophthalmen einem eigenen, von den vordern entsprechenden Gebilden verschie- denen Abschnitte angehören, dass also nicht, wie Burmei- ster und Zaddach will, ebenfalls die den letztern entspre- chenden zwei Unterkieferpaare der Insekten dem Thorax zu vindieiren seien. Bei. Astacus marinus ist während der Fötalperiode die Gestalt und Function der Thoracalfüsse, wenigstens der bei- den hintern Paare ganz ähnlich. Das vordere Paar dagegen ist vollkommen den davorliegenden Unterkiefern gleich. Sei- nen Grund möchte übrigens dieser letztere Umstand vielleicht in der verhältnissmässig schon früh auftretenden Bildung der Abdominalglieder finden, die eine derartige Vertretung durch die eigentlichen Thoracalbeine, wenigstens in der ganzen Aus- dehnung, unnöthig macht. Wo das Abdomen noch frühzei- tiger mit seinen Extremitäten sich entwickelt, bei A. fluviatilis, treten gleich von Anfang an alle drei Thoracalbeine in einer den Maxillen ganz analogen Gestalt auf. Bei den Entomostraken erscheinen die paarigen Anhänge des Thorax im Anfang ebenfalls als mächtige Schwimmfüsse. Nur die Daphniiden machen eine Ausnahme, die aber wahr- scheinlich dahin sich reduciren möchte, dass dieselben viel später ausschlüpfen, als die übrigen verwandten Crustaceen, und die frühern Stadien der Entwicklung, gerade diejenigen, in welchen sonst die Thoracalanhänge jene Form darbieten, noch im Innern der Eihüllen durchlaufen. Nach den Beob- achtungen von Jurine!) scheinen wenigstens im Allgemeinen 1) Hist, nat, des Monocles Gen. 1820, die Vorgänge der Entwicklung nur unbeträchtlich zu defferi- ren. Die Thoracalbeine entstehen übrigens bei den Entomo- straken viel früher, als sonst gewöhnlich. Zur Zeit ihrer Bildung ist von den Anhängen des Kopfes allein erst die röhrenförmige Oberlippe angelegt. Hierin hat es denn auch wohl seinen Grund, dass die Thoracalfüsse meistens entweder dicht hinter jener Oberlippe hervorkeimen (z. B. bei Ler- naeopoda, Balanus), oder selbst (bei Cyclops !)) zu den Seiten 2) derselben. Nur in seltenen Fällen sind Oberlippe und vor- dere Brustanhänge durch einen grössern Zwischenraum von einander getrennt. So schien es mir z. B. bei den Embryo- nen von Caligus. Wenn nun aber später dicht hinter der Oberlippe die Fresswerkzeuge entstehen, so rücken die beiden vordern Paare der Thoracalbeine bis vor die Mundöffnung oder doch bis zu deren Höhe empor, wenn sie nicht schon gleich An- fangs diese Lage innehatten, während das letzte Paar immer mehr nach hinten davon sich entfernt. So wird es möglich, dass die Kiefer — ein Verhältniss, welches beim ersten Blick so sehr paradox scheint — hinter den vordern Anhängen des Thorax ihre Lagerung haben. Manche Entomostraken besitzen übrigens im Anfang nur die beiden ersten Thoracal- beinpaare, wie viele Milben. So z.B. Achtheres, Tracheliastes, Anchorella. Indessen ist es noch zweifelhaft, ob in solchen Fällen das letzte Paar auch wirklich nachgebildet wird, und nicht vielmehr beständig fehlt. Sehr abweichend von der eben gegebenen Deutung der Schwimmfüsse bei den Embryonen der Entomostraken, die mit allen ihren Consequenzen zuerst von Erichson aufge- stellt worden ist, hat neuerdings Zaddach die betreffenden Gebilde für die Anhänge des Kopfes erklärt. Er parallelisirt sie — gemäss seiner Ansicht von dem Bau dieses Abschnit- 1) Vergl. Rathke, Entwicklungsgesch. Th. I. S. 93. 2) Ganz analog ist die primäre Lagerung der Antennen zu der Oberlippe bei Astacus (nach Rathke a. a. O.); nur sind es hier natürlich nicht die vordern Paare dieser Anhänge, die zu den Seiten der letztern liegen, sondern- die hintern, 108 tes — den zwei Antennenpaaren und den Mandibeln der Malacostraken. So wenig ich indessen der Anschauungsweise dieses Zoologen von der Zusammensetzung des Kopfes bei- stimmen kann, eben so wenig scheint mir auch diese Deu- tung der Schwimmfüsse in Uebereinstimmung mit der mor- phologischen Anordnung zu sein. Gerade die Entwicklungs- geschichte, auf welche Zaddach verweist, verhindert nach meiner Ansicht eine derartige Auffassung und rechtfertigt die ältere Annahme. Niemals werden, so viel wir bis jetzt wissen, die hintern Paare der Ruderfüsse zu den Mandibeln. Im Gegentheil bilden sich diese, wie Rathke für Cyclops nachgewiesen, ganz selbstständig mit den dahinter liegenden Maxillen in der Lücke zwischen der Mundöffnung und dem letzten Thoracalbeinpaar, welches durch seine Lage, wie es scheint, beständig, auch im ausgebildeten Zustand, als ein Gliedmassenpaar der Brust sich kund giebt. Das aber die vordern Ruderfüsse der Entomostraken mit diesem letztern zu demselben Abschnitt gehören, möchte wohl kaum in Zweifel gezogen werden können. Auch unterscheiden sie sich, selbst nach der spätern Metamorphose, von den Antennen der Ma- lacostraken in mehrfacher Beziehung so auffallend, dass schon Straus-Dürckheim und Rathke sie davon trennen zu müssen glaubten und sie als umgeänderte Fusspaare betrach- teten — eine Deutung, die vollkommen mit der Entwicklung im Einklang steht. Dass die betreffenden Anhänge bei ihrer Entstehung mit den Kopfgliedmaassen mancher Malacostraken in Gestalt übereinstimmen, was Zaddach hervorhebt, kann nur zeigen, dass beiderlei Gebilde morphologisch einem glei- chen Plan und Typus angehören, nicht aber, dass sie auch in ihrer Relation zu den Abschnitten des Körpers zu paralle- lisiren seien. Als nothwendig für die Annahme von Erich- sor bezeichnet Zaddach den Nachweis, dass die sogenann- ten Antennen zu irgend einer Lebenszeit hinter den Mandi- beln liegen. Allerdings würde hierdurch der Streit leicht geschlichtet werden können. Leider aber ist ein solcher Nachweis nicht zu liefern — doch nur aus dem Grunde, 109 weil, so viel wir bis jetzt wissen, die Mandibeln immer erst zu einer Zeit erscheinen, in der bereits die vordern Thoracal- anhänge ihre Lage vor der Mundöffnung oder zu deren Sei- ten eingenommen haben. Wie übrigens die Brustgliedmaassen der Decapoden, welche Anfangs als Schwimmfüsse functioniren, später eine Aenderung ihrer ursprünglichen Form erleiden, so auch die der Entomostraken. Die Metamorphosen derselben sind bei den letztern Crustaceen sogar noch viel auffallender und manchfacher. Sie wechseln nicht bloss in den einzelnen Gruppen und Arten, sondern hier und da, bei den Lernäa- den !), selbst in den einzelnen Geschlechtern. Niemals, wie es scheint, bleiben alle drei Paare, was sie Anfangs waren, Schwimmfüsse. Bald behält nur (wie bei Daphnia, Lynceus u. s. w.) das mittlere, bald nur (bei Apus) das hintere Paar diese Bedeutung. Es zeigt dann, im entwickelten Zustand, eine Verästelung und ansehnliche Grösse. Das vordere Paar, mitunter auch (bei den Cyclopiden) zugleich das mittlere, ver- wandelt sich bei der Mehrzahl der Entomostraken in ein ein- faches antennenförmiges Gebilde, während das letzte in seiner Gestalt zwischen den Kiefern und den Abdominalanhängen gewöhnlich die Mitte hält, oder auch wohl vollkommen den Bauchfüssen gleicht, wie bei den Cirripedien, Lophyropoden und manchen Copepoden (z. B. Pontia)2). In der Gruppe der Siphonostomen und Lernäaden wird das erste Beinpaar des Thorax zu,Klammerfüssen, ebenso meistens die übrigen Paare, wenngleich dieselben häufig eine etwas verschiedene Gestalt darbieten. Bei den weiblichen Lernäaden verwächst später das dritte Krallenfusspaar in der Medianlinie entweder bloss an der Spitze oder auch bis zur Basis zu einem ganz eigen- thümlichen Haftapparate.. Ebenso die vordern Thoracalbeine 1) Ueber die Entwicklung dieser interessanten Formen vergleiche man die schon oben erwähnten sehr schönen Untersuchungen von v. Nordmann, 3) Will man in diesen Fällen nicht das vordere Paar der Blattfüsse für das dritte Paar der Thoracalbeine halten, so muss man annehmen, dass dasselbe völlig ge- schwunden sei. 110 bei den Cirripedien zu dem sogenannten Stiel (Lepas) oder dem Gehäuse (Balanus). In manchen Fällen schwinden auch wohl die Thoracalfüsse im Lauf der Entwicklung. So bei Apus'!) das mittlere Paar, bei den Männchen mancher Ler- näaden das vordere, bei Ergasilus das hintere. Bei Chon- dracanthus, Epachthes, Penella, Lernaeocera gehen selbst alle drei Paar durch eine rückschreitende Metamorphose wie- derum verloren ?). Derselbe anatomische Zusammenhang, welcher in der Abtheilung der Arthropoden so häufig zwischen Vorderkopf und Kopf, zwischen Kopf und Thorax angetroffen wird, findet sich mitunter selbst zwischen dem Thorax und dem nach- folgenden Abdomen. Auch diese beiden Abschnitte sind nicht immer von einander getrennt und nach der Entwick- lung ihrer Segmente und Extremitäten unterschieden. Häufig verschmelzen sie mit einander, entweder in ganzer Ausdeh- nung), oder nur zum Theil, wenn nämlich der Thorax, wie z. B. bei den Arthrostraken, in seiner vordern und hintern Hälfte eine verschiedene Entwicklung darbietet. In solchen Fällen zeigen denn auch die Anhänge der betreffenden Ab- theilungen eine gleiche Gestalt und Entwicklung, wenn anders die Ringe des Abdomen überhaupt damit versehen sind. Wie schon erwähnt, fehlen dieselben bei den sechsfüssigen Insek- ten und Spinnen. Die Zahl der Segmente am Abdomen ist nicht in allen 1) Vergl. Zaddach, de apodis cancriformis anatome et historia evolutionis. — Mit Unrecht hält Erichson (a. a. 0. S. 22.) die oben erwähnten Schwimm- füsse für die mittlern Thoracalbeine, so wie die ersten Abdominalfüsse für die letzten Anhänge der Brust, 2) Die verschieden geformten ungegliederten und unbeweglichen Anhänge am Vor- derkörper dieser Entomostraken sind nicht etwa aus einer Metamorphose von Beinen entstanden, sondern selbstständige Bildungen. 3) Wo in soichen Fällen schon der Kopf mit dem Thorax zu einem sogenannten Cephalothorax zusammenhängt, bilden dann alle drei Abschnitte anatomisch nur eine einzige grosse Abtheilung. So bei den Podophthalmen, bei denen sogar mitunter (Squilla) das vordere Gliedmaassenpaar des Abdomen noch zu einem Hülfskieferpaar wird, indem es dieselbe Metamorphose eingeht, wie die Anhänge des Thorax. 111 Gruppen der Arthropoden dieselbe. Sie ist vielmehr man- chen Schwankungen unterworfen, und grössern, als die Zahl der Segmente an den vorhergehenden Abschnitten des Lei- bes. Bei den Malacostraken ist dieselbe im Allgemeinen fünf, bei den sechsfüssigen Insekten zwei mal fünf. Schon hier aber treten manchfache Abweichungen ein. Während bei den Malacostraken nur selten (z. B. bei Bopyrus) der letzte Gürtel unentwickelt bleibt, finden sich bei den Insekten in der Mehrzahl (doch nicht!) überall) nur neun Abdominalseg- mente, hie und da selbst (z. B. bei den Hydrocanthariden) nur acht, von denen dann noch dazu die letzten im ausge- bildeten Zustand auf eine merkwürdige Weise zu den Begat- tungsorganen metamorphosirt worden sind. Zwischen fünf und zehn scheint auch die Zahl der betreffenden Ringe bei den Arachniden zu schwanken. Vier Abdominalsegmente, wie bei Bopyrus, finden sich ebenfalls bei einer grossen Menge von Entomostraken, doch fehlt es auch hier nicht an Aus- nahmen. Am auffallendsten sind diejenigen Fälle, in denen die Zahl um ein sehr Bedeutendes sich vermehrt hat. So besonders bei Apus, so auch bei den Myriapoden. Wo Gliedmaasen an dem Abdomen vorkommen, sind dieselben vorzugsweise Bewegungsorgane, bald (bei den Po- dophthalmen, mit Ausnahme der Schizopoden u. e. a.) allein, bald auch in Gemeinschaft mit einigen (Arthrostraken, manche Entomostraken) oder allen (Myriapoden) Anhängen des Tho- rax?2). So wenigstens ist das Verhältniss bei den völlig aus- 1) Vergl. meine Untersuchungen über die Anatomie und Morphologie der Geschlechts- organe $. 58. Aus diesem Grund kann ich auch Stein (a. a. ©. S. 23.) nicht beistimmen, weil dieser das 10. Abdominalsegment mancher Insektenlarven nicht für ein Segment, sondern für die nach aussen vorgestülpte innere Auskleidung des Rectum erklärt. Ueberdiess wäre es hierbei auffallend, dass, wie doch nicht selten der Fall, das betreffende Gebilde eben so wie die vorliegenden Segmente im Stande ist, förmliche accessorische Bewegungsorgane, sogenannte Nachschie- ber, zu produciren 2) Hierin ist der Grund zu suchen, wesshalb man so lange, hier und da selbst noch jetzt, das Abdomen mit dem Thorax der sechsfüssigen Insekten und Spinnen zusammengeworfen hat, ohne die morphologische Differenz zwischen diesen Ge- bilden anzuerkennen, 112 gebildeten Thjeren, während, wie wir gesehen haben, in den frühern Stadien der Entwicklung nicht selten auch die Beine des Thorax auf analoge Weise verwendet sind. Die Zahl der Abdominalfüsse stimmt überall mit der der entsprechen- den Segmente überein, obgleich diese letztern nicht immer ganz vollständig von einander getrennt sind und hie und da auch wohl Abdominalsegmente vorkommen, die der Glied- maassen entbehren, selbst bei den Krebsen, bei denen döch sonst eigentlich ganz constant solche Bauchgliedmaassen an- getroffen werden. Das interessanteste Beispiel von dem erstern Verhalten geben uns die Juliden, bei denen bekanntlich an einem jeden ausgebildeten Abdominalring zwei Paare von Gangbeinen sich finden — ein Verhältniss, welches auf eine sehr früh erfolgte Verschmelzung je zweier Segmente hin- deutet, von der man Anfangs denn auch wirklich noch einige Spuren antrifft 1). Bei manchen Lämodipoden fehlen die bei- den ersten Fusspaare des Abdomen, obgleich die betreffen- den Gürtel ganz vollkommen entwickelt sind. Wahrschein- lich aber waren auch hier Anfangs die Beine entwickelt, nur erreichten sie nicht ihre völlige Ausbildung und gingen wieder verloren?2). Hierfür spricht wenigstens der Umstand, dass mitunter noch ein deutliches Rudiment davon vorkommt und auch die an denselben Segmenten vorhandenen Kiemen wohl nur aus der Metamorphose des einen Blattes der Extre- mitäten hervorgegangen sind. Ueberdiess wissen wir durch v. Nordmann’s schöne Untersuchungen, dass auch die Lernäaden, welche im ausgebildeten Zustand der Bauchglied- maassen meist vollkommen (nur bei Penella, Peniculus u. e. a. finden sich davon noch einige Ueberbleibsel) ermangeln, an- fänglich solche Anhänge in Wirklichkeit besitzen. Der Bauch entwickelt sich von allen Abschnitten am 1) Vergl. Newportl. c. 2) Dasselbe gilt auch für Phryxus, wo bei den ausgebildeten Weibchen, die eine merkwürdige asymmetrische Gestalt besitzen, an der einen convexen Seite die Abdominalbeine (mit dem hintern Thoracalbein) vollkommen fehlen, Vergl. Rathke, Beiträge zur Fauna Norvegens a. a. 0. S. 40. 113 Körper der Arthropoden am spätesten, selbst später, als das Postabdomen. Nur die Arthrostraken sind in letzterer Bezie- hung ausgenommen. Bei ihnen geht die Entwicklung der Leibestheile gleichmässig von vorn nach hinten. In manchen Fällen ist der Bauch selbst dann noch vollkommen unent- wickelt, wenn die Embryonen bereits die Eihüllen verlassen haben. So bei den Decapoden (mit Ausnahme der Astacinen) Entomostraken (mit Ausnahme der Daphniiden) und Myriopo- den, bei denen die Glieder des Abdomen erst später, in ge- setzmässiger Reihenfolge nach einander !), hervorgebildet wer- den. In andern Fällen, bei den Isopoden, fehlt bei dem Ausschlüpfea der Embryonen bloss das hintere Glied des Bauches (wie bei vielen Entomostraken beständig). Die den Isopoden zugehörende kleine Gruppe der Bopyriden besitzt anfänglich sogar nur drei Abdominalgliedmaasen. Späterhin wird bloss noch ein viertes angebildet. Ueber das Vorkommen und die Entwicklung des Post- abdomen, des letzten Abschnittes am Körper der Arthro- poden, ist schon oben das Nöthige angeführt worden. Ueberall entsteht dasselbe schon sehr früh, mit Ausnahme der Arthro- straken schon zu einer Zeit, wo der Bauchtheil noch nicht einmal angelegt ist. Seine völlige Ausbildung erhält das- selbe erst später. Mitunter bleibt es sogar zeitlebens ganz rudimentär, wie besonders bei den Lämodipoden (und Pyeno- goniden?). Ohne Gliederung ist auch das Postabdomen bei den Xiphosuren, wo es in Gestalt eines langen, geraden Stachels erscheint. Sonst aber findet man fast immer eine Abtheilung in Segmente, deren Menge allerdings bedeutend wechselt und von sehr wenigen (bei manchen Entomostraken) 1) Da, wo das Abdomen den letzten Abschnitt des Körpers bildet, wie bei den Myriapoden, entstehen übrigens die neu gebildeten Ringe stets nur vor dem Aftersegmente, so dass dieses von der erwähnten Reihenfolge dann eine Aus- nahme macht. Den Grund dieses Verhältnisses (welches auch schon bei den Branchiaten vorkommt) bietet offenbar bloss die Lage des Afters in dem letzten Segmente, das nicht beständig, bei der Anbildung eines jeden neuen Körper- ringes, wechseln konnte. 8 114 bis auf sehr viele (z. B. bei den Cirripedien) steigen kann. Nach der Entwicklungsweise des Postabdomen sollte man fast - vermuthen, dass hier die Anbildung der Segmente, nicht, wie gewöhnlich, am hintern, sondern am vordern Ende geschähe, dass also die dem Abdomen zunächst angrenzenden Seg- mente die jüngsten seien. Directe Beobachtungen liegen bis jetzt aber noch nicht hierfür vor. Nur so viel möchte wohl gewiss sein, dass das letzte Segment des Postabdomen sehr früh sich bildet und in der Zeit seiner Entstehung den übri- gen Ringen vorausgeht — unstreitig aus demselben Grunde, der bei der Abwesenheit des Hinterleibes am Bauche ein Gleiches für das letzte Abdominalsegment nothwendig macht. In der Entwicklung der Gliedmaassen bleibt das Postabdo- men übrigens beständig hinter den vorhergehenden Abschnitten des Leibes zurück. Sehr häufig werden dieselben gar nicht angelegt, wie bei den Scorpionen und einer grossen Anzahl von Entomostraken. In andern Entomostraken bleiben sie beständig nur sehr rudimentär. Bei den langschwänzigen Decapoden ist ihre Entwicklung verhältnissmässig noch am grössesten, obgleich auch hier viel einfacher, als am Abdomen oder Thorax. Nirgends dienen im ausgebildeten Zustand die Gliedmaassen des Postabdomen zur Locomotion, wenigstens nirgends ausschliesslich. Nur bei den Larven von Bopyrus und Phryxus erscheinen sie anfänglich (nach der interessanten Entdeckung von Rathke) als Schrwimmorgane, und zwar sie allein Y), indem die Gliedmaassen des Thorax und Abdomen schon früh ihre bleibende Gestalt erhalten, Später werden sie zu Kiemen, deren Bau und Function sie auch sonst so sehr häufig besitzen. So viel von den morphologischen Verhältnissen der Ar- thropoden, von der Anordnung der Abschnitte und Anhänge des Leibes im Allgemeinen. Schon aus der Menge der den BORDaR zusammensetzenden Elemente, dieser Träger der ver- m Es bietet solches Verhältniss, wie es mir scheint, von Neuem einen wichtigen Grund für die Selbstständigkeit des Postabdomen und dessen morphologische Verschiedenheit von dem vorhergehenden Bauchtheil. 115 schiedenartigsten formbildenden Processe, lässt der Reich- thum der Gestalten sich erschliessen, welche den manchfal- tigen Combinationen dieser einzelnen Factoren ihren Ursprung verdanken. Keine andere Abtheilung des Thierreichs bietet eine so unendliche Fülle der differentesten Formen. Vielfach hat die Systematik versucht, Ordnung und Zu- sammenhang zu bringen in diese Masse. Linne zerfällte nach der Anwesenheit und Beschaffenheit der Flügel seine Klasse der Insekten in eine Reihe von Ordnungen, die zum Theil noch heute in ihrem ursprünglichen Umfang existiren und auch wirklich, wie besonders die spätern Untersuchungen über die Anordnung der Fresswerkzeuge u. s. w. erwiesen haben, mit wenigen Ausnahmen als sehr natürliche Gruppen erscheinen. Am wenigsten aber gilt dieser Ausspruch von der letzten Ordnung Linne’s, von den Aptera, die durch die Abwesenheit der Flügel vor den übrigen sich auszeichnen und die differentesten Formen enthalten. Flügellose sechs- füssige Insekten stehen hier mit Crustaceen, Arachniden und Myriapoden in einem irrationalen Haufen vereinigt. CGuvier erkannte sehr wohl das Unzureichende einer solchen Classi- fication. Er trennte die Crustaceen und Arachniden (nach dem Vorgang von Latreille) von den Insekten und bildete daraus zwei besondere, den Insekten gleichstehende Klassen. Die Myriapoden blieben bei den letztern, anfänglich auch die Arachniden (mit einem Theil der Crustaceen, den Isopoden, die in ihrer Leibesform den Myriapoden scheinbar so nahe verwandt sind). Das Eintheilungsprincip nahm er theils von dem anatomischen Bau des Athmungs- und Gefässsystemes, theils auch von der Anordnung des Kopfes und der Anhänge des Leibes. Noch eine andere Eintheilung der Arthropoden ist von Savigny, welcher dieselben nach der Zahl der Lo- comotionswerkzeuge in Hexapoda und Apiropoda zerfällte und als einen gemeinschaftlichen unterscheidenden Charakter der letztern Gruppe die (stets die Zahl sechs überschreitende) Menge der Extremitäten hervorhob. Hiernach gehören dazu sowohl die Crustaceen, als auch die Arachniden und Myria- s* 116 poden. Indessen hat die Vereinigung solcher differenten For- men gewiss mit Recht niemals einen allgemeinen Beifall ge- funden, obgleich Oken, Goldfuss, Nitzsch und neuer- dings wiederum Streubel sie als natürlich empfohlen und angenommen haben. Fast überall dagegen ist man der Cuvierschen Classification gefolgt, jedoch meistens mit eini- gen Modificationen, welche vorzugsweise die Gruppe der My- riapoden betreffen. Während Lamarck (Anfangs), Wieg- mann u. A. dieselbe mit Cuvier als eine besondere Ord- nung der Klasse der Insekten zurechnen, Schweigger, Burmeister, Stein u. A. den Arachniden, Erichson den Crustaceen, bilden endlich Leach, Latreille, Grant, Rymer Jones u. s. w. daraus eine eigene den Crustaceen, Arachniden und Hexapoden gleichstehende Klasse. Erichson hat das grosse Verdienst, die den Arthropo- den zugehörenden Guvierschen Klassen zuerst in ihrem innern Zusammenhang erkannt und nach bestimmten mor- phologischen Charakteren auf sehr geistreiche Weise von ein- ander unterschieden zu haben. Bei den sechsfüssigen Insek- ten, so hat derselbe nachgewiesen, sind Kopf, Brust und Bauch stets deutlich von einander geschieden, und die beiden erstern Abschnitte je mit drei Paaren von Extremitäten ver- sehen, der Kopf mit den Fresswerkzeugen, der Thorax mit den Beinen. Wie hier, so ist auch bei den Arachniden das Abdomen ohne Anhänge. Kopf und Brust aber sind mit ein- ander verschmolzen, wobei zugleich das hintere Paar der Fresswerkzeuge in das vordere Beinpaar umgewandelt wor- den. Daher statt drei Paaren von Locomotionsorganen deren vier. Bei den Crustaceen dagegen ist das Vorkommen der Gliedmaassen nicht bloss auf den Vorderleib beschränkt. Auch das Abdomen trägt gegliederte Anhänge und diese besonders sind es, die hier als Bewegungswerkzeuge ausgebildet sind. Die Thoracalbeine dagegen sind als accessorische Mundtheile an den Kopf getreten, entweder alle — und in diesem Fall sind Kopf und Thorax vollständig verschmolzen — oder nur zum Theil. So wenigstens bei den höhern Krebsen, den 117 Malacostraken, während bei den Entomostraken eine derar- tige Umwandlung nicht eingetreten ist. Ueberhaupt, so meint Erichson!, könnte man diese Arthropoden fast mit dem- selben Recht von den Crustaceen trennen, wie die Arachniden von den Insekten. Die Charaktere der Entomostraken sind eigentlich die der übrigen drei Klassen zusammengenommen: es enthält nämlich der Mund gerade drei Kieferpaare, wie bei den Insekten (wenigstens kann man diese Zahl als die Normalzahl betrachten), es ist der Kopf mit dem Thorax ver- schmolzen, wie bei den Arachniden, es hat der Hinterleib den Beinen entsprechende Organe, wie bei den Crustaceen. Dazu kommt noch ein besonderer, den Entomostraken ge- meinsamer Charakter dadurch, dass das erste Fusspaar des Thorax (meistens auch das zweite) vor der Mundöffnung sich befindet. Solches ist nach der Ansicht Erichson’s das morpho- logische Verhältniss der drei Cuvierschen Klassen der Ar- thropoden. Im Wesentlichen muss ich Erichson vollkom- men beistimmen, kann aber trotzdem nicht billigen, dass er theils die anatomischen Charaktere als Eintheilungsprincip verwirft, theils auch einzelne, meiner Meinung nach, nicht so sehr gewichtige Momente über Gebühr hervorhebt, Dahin rechne ich vor Allem den Umstand, dass er als ein ausschliess- liches Merkmal der Crustaceen die Anwesenheit der Beine an dem Abdomen hinstellt und denn danach die Myriapoden den Crustaceen zugesellt, obgleich sie in ihrem ganzen ana- tomischen Bau viel mehr mit den Insekten und Spinnen über- einsiimmen und auch, ‚wie wir gleich sehen werden, in der Anordnung der Fresswerkzeuge von den Krebsen sich ent- fernen. Allerdings ist die Anwesenheit von Abdominalbeinen eine Eigenthümlichkeit des Crustaceentypus, doch braucht dieselbe ja trotzdem eben so wenig auf die Gruppe dieser Thiere beschränkt zu sein, als z. B. das Vorkommen eines Postabdomen, welches wir ebenfalls ganz allgemein in den 1) A a 0, S. 20, 118 Crustaceen finden. Wollten wir dieses letztere Verhältniss als maassgebend für die Klasse der Crustaceen annehmen — und wir können es gewiss mit demselben Recht, mit welchem Erichson die Anwesenheit der Abdominalbeine dafür hält — so müssten wir auch die Scorpionen den Krebsen zurechnen. Wir dürfen aber nie vergessen, wie schon oben er- wähnt ist, dass gewisse morphologische Verhältnisse, die etwa für die eine oder andere Gruppe eine typische Bedeu- tung haben, mitunter auch in andern Gruppen, wenngleich vielleicht ohne so unmittelbar von dem ÖOrganisationsplan verlangt zu werden, sich wiederfinden. Unter solchen Um- ständen nun sehen wir keinen einzigen zwingenden Grund, die Myriapoden unter die Krebse einzureihen, wenngleich wir gern zugeben, dass dieselben eben so wenig den Arachniden, oder den Hexapoden sich verbinden lassen und von beiden, wie noch weiter erörtert werden soll, durch bestimmte mor- phologische Charaktere sich unterscheiden. Wir betrachten dieselben als eine gesonderte, den übrigen Klassen gleich- stehende Gruppe. Somit hätten wir dann in der Abtheilung der Arthropo- pen vier, oder, wenn man, wie es ganz consequent mir scheint, noch die Entomostraken von den übrigen Crustaceen abscheidet, fünf einzelne, von einander scharf gesonderte grosse Gruppen, die man nach der gewöhnlichen Anschauungs- weise als eben so viele Klassen ansehen könnte. Fassen wir aber das Verhältniss, in welchem dieselben zu einander stehen, näher in’s Auge, so werden wir alsbald bemerken, dass dieselben keineswegs ganz gleichwerthig sind, dass viel- mehr die einen näher unter sich verwandt sind, als mit den andern. Die sechsfüssigen Insekten (unter welche sich, wie Nitzsch!) so scharfsinnig gezeigt hat, die Aptera hexapoda, die noch heute bisweilen, wie z. B. von Walkenaer?) als eine besondere — mit den Spinnen und Myriapoden in der 1) Darstellung der Familien und Gattungen der Thierinsekten. Aus dem dritten Bande von Germar’s und Zincken’s Magazin für die Entomologie. Halle. 1818. 2) Hist. nat. des Insects apteres. Paris. 1840—48. Klasse der Aptera zusammenstehende — Gruppe betrachtet werden, sehr gut vertheilen lassen), die Arachniden und My- riapoden bieten unter sich eine grössere Uebereinstimmung, als die höhern Crustaceen (Malacostraken) und Entomostraken, die wiederum ihrerseits viel inniger zusammenhängen. Bei den ersteren behalten stets die Thoracalbeine ihre Bedeutung als Gehwerkzeuge (auch bei den Myriapoden) und ihre Lage hinter dem Kopfe. Die Athmungswerkzeuge sind hier überall Tracheen, die (mit Ausnahme von Pteranarcys !), einer Neu- roptere) im ausgebildeten Zustand beständig nach aussen münden und in manchfacher Form bald bloss blättrige Säcke ?), bald auch röhrenförmige, verästelte oder unverästelte Canäle bilden, in denen die atmosphärische Luft enthalten ist. Dass derartige Organe, wie man behauptet hat, bei einigen klei- nern hieher gehörenden Arten, besonders bei Milben und flügellosen Insekten fehlen, bedarf noch sehr der Bestätigung und möchte bis dahin wohl mit Recht bezweifelt werden dürfen. Anders dagegen ist das Verhältniss bei den Entomostraken und Malacostraken. Niemals finden sich bei ihnen Tracheen ?). Sie athmen durch Hülfe besonderer Kiemen, oder, wo diese fehlen, durch Hülfe der eigens dazu umgebildeten Anhänge des Postabdomen. Mitunter vertreten auch wohl ganz ein- fach die äussern Bedeckungen die Stelle der Athmungsorgane. Dabei ist zugleich das Verhältniss der Thoracalbeine ein sehr abweichendes. Niemals persistiren dieselben in ihrer geselz- 1) Vergl. Newport, in den Annal. of nat. hist Vol. XII. p. 21. 2) Dass wirklich die Lungensäcke der Spinnen bloss modificirte Tracheen seien, geht theils daraus hervor, dass letztere in manchen Fällen die erstern vertreten (vergl. Duges in den Annal, des science. nat, 1836. T. VI., Grube in Mül- ler’s Archiv 1842. und Menge in den neuesten Schriften der naturf. Ges. in Danzig 1843), theils auch daraus, dass sie aus demselben eigenthümlichen Stoff bestehen, dem Chitin, und sehr wohl auf den Bau des Tracheensystemes sich reduciren lassen, wie ich an einem andern Orte weiter auseinandersetzen werde. 3) Dass die sogenannten Lungen mancher Onisciden (s. Milne Edwards in dem Instit. 1839, p. 152. und Duvernoy et Lereboullet in den Annal. des scienc. nat. T. XV. p. 177.) morphologisch von diesen Tracheen verschieden seien, kann wohl kaum bezweifelt werden. 120 mässigen Zahl als Locomotionswerkzeuge. Sie sind vielmehr, wenn sie ihre ursprüngliche Lage behalten, entweder alle oder zum Theil in accessorische Fresswerkzeuge verwandelt. Als Bewegungsorgane functioniren vorzugsweise die Anhänge des Abdomen, die beständig vorhanden sind, wenngleich sie hie und da zum Theil im Laufe der Metamorphose wiederum verloren gehen. Daneben findet sich auch ganz constant in den betreffenden beiden Gruppen ein Postabdomen }), in der Regel ebenfalls mit fussartigen Anhängen versehen. Unter solchen Verhältnissen nun, glaube ich, zerfällt man am besten und natürlichsten die Abtheilung der Arthropoden in die beiden Klassen der Crustacea und Insecta, die- selben, die auch Dume&ril, sowie Anfangs Cuvier aufge- stellt hat. Zu der erstern gehören als Hauptordnungen die Entomostraca2) Latr. (Neusticopoda Car.) und Mala- costraca Leach, zu der letztern die Myriapoda Latr., Arachnida Leach (Acera Latr.) und Hexapoda Sav. Ueber die morphologische Charakteristik dieser Gruppen habe ich nur Weniges hinzuzufügen. Sie ergiebt sich ganz einfach aus einer Zusammenstellung der oben erwähnten allgemeinern Verhältnisse. Kaum scheint es mir nöthig, nochmals hier zu erwähnen, wie das Verhältniss der Entomostraken zu den Malacostraken, der Arachniden 3) zu den Hexapoden sei, dass 1) In dem Fehlen dieses Abschnittes bei den Myriapoden sehe ich einen neuen Grund zur Trennung dieser Arthropoden von den Crustaceen. 2) Der sehr innige Zusammenhang zwischen den verschiedenen Formen der Ento- mostraken geht sehr überzeugend auch aus der fast ganz vollkommnen Ueber- einstimmung hervor, welche die erstern Larvenzustände dieser Crustaceen dar- bieten. 3) Von vielen Zoologen werden zu den Arachniden auch die Pycnogoniden gestellt. Doch, wie mir scheint, mit Unrecht. Der Rüssel dieser merkwürdigen Arthro- poden erinnert zu sehr an die Oberlippe der Crustaceen, der hintere conische Fortsatz des Leibes zu sehr an das Postabdomen der Lämodipoden, als dass man umhin könnte, sie anders zu deuten. Beides aber sind Gebilde, die den Arachniden vollkommen fremd sind, wohl aber den Crustaceen ganz allgemein zukommen. Ueberdiess fehlen Tracheen und Stigmata vollkommen. Die vier beintragenden Segmente möchte ich für die Glieder des Abdomen halten, deren Zahl auch bei den Bopyriden nicht grösser ist. Dann allerdings würden alle etwa einem Thorax angehörenden Theile fehlen, doch kann uns, meine ich, die- die Malacostraken durch die verhältnissmässig mächtige Ent- wicklung des Vorderkopfes !) sich auszeichnen, die Arachni- den durch die völlige Abwesenheit dieses Abschnittes u. s. w. Nur über die Gruppe der Myriapoden muss ich noch Einiges hinzufügen, um so mehr, als Savigny?) und nach ihm Erichson?) hier das Verhältniss des Kopfes zum Thorax, nach meiner Meinung, nicht ganz richtig aufgefasst haben und denn dadurch auch zu falschen Ansichten über die Stel- lung dieser Thiere verleitet sind. Nach der Deutung dieser beiden Zoologen besteht nämlich die auf die Mandibeln zu- nächst nach hinten folgende sogenannte Unterlippe aus den beiden Paaren Maxillen, die in einer Reihe neben einander stehen und unter sich verschmolzen sein sollen. Einer sol- chen Deutung indessen kann ich nicht beistimmen. Ich sehe vielmehr darin nur ein einziges Maxillenpaar*), und zwar ses in unserer Deutung um so weniger irre machen, als wir überhaupt ja sehen, wie rudimentär und wenig entwickelt der ganze Vorderkörper dieser Thiere ist. Vielleicht liesse selbst der erste gliedmaassentragende Ring des Leibes als letz- tes Thoracalsegment sich in Anspruch nehmen, wobei dann allerdings die Zahl der Abdominalsegmente noch um eins verringert würde. Sehen wir doch auch schon bei den Lämodipoden die beiden vordern Brustringe sehr verkümmert. Leider hat die Entwicklungsgeschichte trotz den schätzbaren Angaben von Kröyer noch wenig zur Deutung des Körperbaues bei diesen Thieren beigetragen. Dass die ersten Larvenzustände der Pycenogoniden einige Aehnlichkeit mit Milben dar- bieten, hat man nach meiner Meinung zu hoch angeschlagen, wenn man dadurch in der Gruppirung dieser Thiere (die, wie Milne Edwards sagen würde, wirk- liche animaux degrades sind) sich allein wollte leiten lassen. Auf der andern Seite findet sich auch einige Analogie mit den Larven der Entomostraken, wenn wir die Schwimmbeine derselben in Geh- und Klammerbeine verwandelt uns denken. Ob desshalb die Pycnogoniden etwa den Entomostraken zuzurechnen seien, und nicht den Malacostraken, obgleich sie im ausgewachsenen Zustand den letztern durch die interessante Gruppe der Lämodipoden sich anzuschliessen scheinen ? 1) Bei allen Malacostraken finden sich zwei Paare Antennen, bei den Podophthal- men sogar deren drei, von denen das vordere die Augen trägt. Nur die Myria- poden würden hiervon eine Ausnahme machen, wenn man sie den Crustaceen verbinden wollte. 2) leat. p.43. SWATaN0NS: 13: 4) Eben so Burmeister (Gesch. der Schöpfung. S. 371.) und Rymer Jones (Todd's Cyelop. 1. c.) das vordere, welches ganz, wie bei den Hexapoden das zweite Maxillenpaar, in der Medianlinie zu einer gemeinschaftlichen Masse zusammenhängt. Die innern Lappen sind nach meiner Meinung !) die Coxen, die äussern die Taster. Das folgende Fusspaar gehört dann nicht zum Thorax, sondern ist unteres Maxillenpaar, welches hier also — ganz eben so, wie bei den Arachniden, nur nicht überall so vollkommen, indem oft noch die Klaue fehlt — in ein Paar mit den übrigen Beinen wesentlich übereinstimmender Locomotionsorgane verwandelt ist. Dass diese meine Deutung richtig sei, ergiebt sich be- sonders überzeugend bei den Chilognathen, theils aus der anatomischen Anordnung, theils auch aus der Entwicklung. Wenn letztere die Eihüllen verlassen, sind sie (Julus) , wie schon Degeer wusste, wie neuerlich aber durch die sehr genauen Untersuchungen von Newport2) bestätigt worden ist, mit drei Fusspaaren versehen, welche über die vier vor- dern Segmente dergestalt verbreitet sind, dass das dritte aller Anhänge entbehrt. An diesem Segmente aber befinden sich die Ausführungsöffnungen der Genitalien, die nach der Entdeckung von v. Siebold3) mit einer kleinen Schuppe überdeckt werden, in der sich die Analoga der Extremitäten nicht verkennen lassen. Rechnen wir diese zu jenen drei Beinpaaren, so bekommen wir eine Anzahl von Locomotions- werkzeugen ganz übereinstimmend mit der der Arachniden und auch unstreitig von derselben morphologischen Bedeu- tung, wie sowohl aus der gesammten Entwicklung hervor- geht, als auch daraus, dass die nachwachsenden Segmente des Leibes (weil sie sehr früh schon je zu zwei mit einander 1) Dasselbe Versehen wiederholt sich bei den Lämodipoden, wo ebenfalls von Savigny und Erichson als zweites und drittes in einer Querreihe dicht neben einander stehendes Kieferpaar ein Gebilde gedeutet wird, welches offenbar nur allein das dritte Kieferpaar ist, während das vorhergehende zweite verkannt und als Zunge angesprochen wird, auch von Erichson, obgleich schon vor längerer Zeit Roussel de Vauzeme (in den Annal. des scienc. nat, 1834. T. I p. 239.) die letztere ganz richtig gedeutet hat. 2) Vergl. Rymer Jones in der Cyclop. of anat. Tom. Ill. Art. Myriapoda p. 557. 3) Müller's Archiv, 1843. $S. X 123 verwuchsen) durch die Anwesenheit von je zwei Fusspaaren sich auszeichnen und somit ihren innern Zusammenhang be- weisen. Sie sind die Segmente des Abdomen. Von den Anhängen der vorhergehenden Körperringe aber liegt das vordere unter der oben erwähnten Unterlippe, es ist also, da die Zahl der Thoracalsegmente bei den Insekten nie mehr beträgt als drei, das metamorphosirte dritte Kieferpaar, wo- für ich es auch vorhin ausgegeben habe. Bei den Chilopoden sind die Verhältnisse der Anhänge an Kopf und Thorax ganz ähnlich !). Auch hier verwandelt sich das dritte Kieferpaar in das vordere Fusspaar, doch functionirt es wohl schwerlich jemals als solches, da es nach unten von dem eigenthümlich metamorphosirten vordern (nicht mitlern, wie Erichson will) Beinpaar des Thorax, wie von einer starken Lippe be- deckt wird. Die Metamorphose dieser Anhänge in einen kräftigen Greifapparat ist übrigens nur von geringer morpho- logischer Dignität. Ich möchte sie nicht der Umwandlung der Thoracalanhänge in accessorische Fresswerkzeuge, wie solche bei den Crustaceen vorkommt, vergleichen. Sie wird vielmehr, wie es mir scheint, ganz einfach durch die in die- sen Füssen gelegene Ausmündungsstelle der bei den Chilopo- den vorkommenden Giftdrüse bedingt und lässt sehr passend sich der Umwandlung des letzten Postabdominalgliedes bei den Scorpionen vergleichen, nur dass hier nicht die paarigen Anhänge, sondern unmittelbar das entsprechende Segment der Sitz der betreffenden Umwandlung ist. Molluseca. CGuvier war der Erste, welcher die zu dieser grossen Abtheilung des Thierreiches gehörenden Formen in ihrem Zusammenhang erkannte und unter dem vorstehenden Namen 1) Weniger wesentlich ist es, dass bei den Chilopoden das Segment des dritten Kieferpaares fehlt und auch der erste Ring des Thorax nur sehr gering ent- wickelt ist, u zusammenfasste. Linne, und mit ihm seine Zeitgenossen und Nachfolger hatlen dieselben unter die verschiedenen Ord- nungen der Würmer vertheill. Die beschalten Mollusken bildeten (mit den übrigen schalentragenden Thieren) die Ord- nung der Testacea, während die nackten hieher gehörenden Geschöpfe, vereinigt mit einem grossen Theil der Würmer, mit den Echinodermen und gehäuselosen Polypen die Linne&- sche Ordnung der Mollusca zusammensetzten. Einzelne, scheinbar sehr abweichende Formen hatten noch eine andere Stellung. Teredo wurde von Linne den Würmern zuge- rechnet, die zusammengesetzten Ascidien dem vielumfassenden Gen. Alcyonium. Das erstere Thier stand in der Ordnung der Intestina, die letztere unter den Zoophyten. — Indessen hat auch die Cuviersche Abtheilung der Mollusken einige Aen- derung erfahren, indem die Cirripedien, welche bei Cuvier neben den Cephalopoden, Pteropoden, Gasteropoden, Acepha- len und Brachiopoden eine eigene sechste Klasse der Mollus- ken bilden, davon ausgeschieden und als Crustaceen erkannt sind. Auch die Gruppe der Tunikaten, deren nähere Kennt- niss wir besonders den schönen Untersuchungen von Sa- vigny!) verdanken, hat man mehrfach aus der Abtheilung der Mollusken entfernen wollen. Lamark erhob dieselben zu einer besondern Klasse, welche er zwischen die Radiaten und Weisswürmer (Entozoa Cuv.) stellte. Ebenso verband Latreille dieselben mit den Holothurida 2) und Echinoderma zu der Abtheilung seiner Actinozoa. Allerdings, glaube ich, bietet die gesammte Organisation der Tunikaten uns Grund genug, sie als eine besondere Gruppe zu betrachten, wie es auch schon von Goldfuss, Grant, Burmeister u. A. geschehen ist, und sie von den Acephalen zu trennen, denen sie bei Cuvier {als Acephales sans coquilles im Gegensatz zu den Acephales testac&s, den Conchiferes Lam.) zugehören. 1) Mem. sur les anim. sans vertebres. T. II. 2) Zu dem Gen. Holothuria rechnete schon Guvier einige dieser Tunikaten, näm- lich die Salpen (H. Thalia), 125 Dass sie indessen gänzlich von den Mollusken abzusondern seien, scheint mir zweifelhaft, obwohl man nicht verkennen kann, dass sie vor den übrigen Gruppen dieser Thiere in mehrfacher Beziehung sehr auffallend sich auszeichnen. Will man sie übrigens wirklich von den Mollusken entfernen, so müssen sie, nach meiner Meinung, eine eigene Abtheilung in der Thierreihe bilden, der dann auch vielleicht die Bryozoa einzuverleiben sind. Am natürlichsten möchte dann solche zwischen den Echinodermen und Würmern ihren Platz fin- den. Als Klasse oder Ordnung lassen sich die Tunikaten nirgends anders einreihen, als bei den Mollusken. Wenn wir nun aber die Tunikaten (Perigymna Burmstr.) einstweilen bei Seite setzen, so bleibt uns in der Abtheilung der Mollusken (Palliata Nitzsch) noch eine Reihe von Thier- formen, die durch einen gemeinsamen, sehr bestimmten archi- tektonischen Plan vor allen übrigen sich auszeichnen. Von der typischen Anordnung der Arthropoden oder Würmer, wie von der der Echinodermen oder Coelenteraten ist dieselbe sehr auffallend verschieden. Verfehlt scheint es mir dess- halb, die Mollusken mit dem einen oder andern dieser Kreise zu verbinden, wie es mehrfach versucht worden. Die Carus- sche Abtheilung der Gorpozoa (Oken’s Hautthiere), welche neben den Mollusken auch die Gliederfüssler und Würmer umfasst, wie die Burmeistersche Abtheilung der Gastrozoa (Cormozoa Streub.), welche (identisch den Ganglioneura Rud.) die Mollusken mit den Radiaten vereinigt, sind keine natürliche Gruppen, sind nicht zusammengehalten durch eine innere Verwandtschaft, durch einen gemeinschaftlichen und übereinstimmenden Baustil. Statt der radiären Bildungsweise treffen wir ganz un- verkennbar (trotz manchfacher Störungen) einen seitlich sym- metrischen Typus, statt der gestreckten Form des Leibes einen kurzen gedrungenen Körper, ohne Wiederholung von Segmenten und paarigen Seitenanhängen. Andere mor- phologische Elemente sind es, die, dem Typus der Mol- lusken ganz eigenthümlich, die Gestaltung bedingen und den bildenden Kräften zum hauptsächlichsten Angriffspunkte dienen. Nirgends umhüllt die weiche äussere Bedeckung den Körper in Form eines einfachen Sackes oder Schlauches. Auf dem Rücken bildet sie überall einen sogenannten Mantel, eine schildförmige Verdickung oder Duplicatur, deren Form und Anordnung mannichfach wechselt. Eben so ist die Bauchfläche mit einem eigenen Anhang von muskulöser Tex- tur versehen, mit dem sogenannten Fuss, während endlich bei den höher entwickelten Formen sich zugleich das vor- dere Ende des Leibes als besonderer Abschnitt, als Kopf, zu erkennen giebt, der vor dem dahinter gelegenen Rumpf in mehrfacher Beziehung sich auszeichnet. Die Bildung die- ses Theils ist sehr merkwürdig und abweichend von der Entwicklungsweise des Kopfes bei den Würmern, Arthropo- den und Wirbelthieren, wie wir weiter unten sehen werden. Wo ein Kopf vorhanden ist, trägt er den Eingang in den Verdauungskanal, der sonst ganz einfach am vordern Ende des Körpers gelegen ist. In ihm concentriren sich auch die Centraltheile des Nervensystemes. Bei den kopflosen Mollusken sind diese im Körper an verschiedenen Stellen zerstreuet, zu den Seiten der Speiseröhre, in der Basis des Fusses und zwischen den Kiemen. Sie erscheinen als paa- rige Ganglien, durch Commissuren zu einem gemeinschaft- lichen Systeme unter sich verbunden. Am constantesten in Lage und Vorkommen sind die Schlundganglien. Sie liegen am vordern Abschniit des Verdauungskanales, am Oesophagus und zwar symmetrisch zu dessen Seiten. Oberhalb der Speiseröhre sind sie durch eine Quercommissur verbunden. Nicht selten verschmelzen sie auch in der Medianlinie des Rückens. Ein eigentlicher Schlundring, wie er bei den höher entwickelten Formen dieser Abtheilung vorkommt, ist nicht ursprünglich in dem typischen Organisationsplan der Mollusken begründet !), sondern vielmehr durch eine blosse Modifica- 1) Die Anordnung des Nervensystems scheint mir für die verschiedenen natürlichen Abtheilungen des Thierreichs sehr charakteristisch zu sein. So finden sich bei 127 tion in der Entwicklung dieses Systemes hervorgerufen. Die untere Oesophagealcommissur findet sich nämlich (wie man sehr deutlich in der Anordnung des Nervensystems bei den Heteropoden!) sehen kann) nur dann, wenn die Fuss- ganglien — die, wie gesagt, unter sich und mit den seitli- lichen Schlundganglien in Verbindung stehen — nach vorn emporrücken bis unter den Oesophagus. Wo dieselben, wie bei den Conchiferen, eine andere Lage haben oder ganz fehlen (bei den Tunicaten), kommt niemals ein vollständiger Schlundring zu Stande. Mitunter sind aber auch Fuss- und Schlundganglien einander so sehr genähert, dass sie unter sich zusammenhängen. Wenn nun in solchen Fällen die Fuss- ganglien unterhalb des Oesophagus nach dem Gesetz der medianen Symphyse verschmolzen sind, dann bilden (bei den Gymnobranchiaten) alle diese Ganglien zusammen eine ein- zige Masse, die nur mit einer obern, jeder Anschwellung entbehrenden Commissur den Speisekanal umfasst 2). Die Verdauungswerkzeuge der Mollusken zeigen eine sehr mächtige Entwicklung. Ebenso die Geschlechtsorgane, welche übrigens, gleich jenen, sehr häufig (besonders bei den Gasteropoden) in ihrer symmetrischen Entwicklung gar auf- fallend gestört sind. Nur selten, ganz allgemein nur bei den Conchiferen, ist der After3) am hintern Leibesende in der Mittellinie gelegen, niemals vielleicht die Geschlechtsöff- den Coelenteraten (S 14) die Centraltheile desselben am Grunde der Leibeshöhle im hintern Theile der äusseren Bedeckungen. Bei den Echinodernen (S. 33.) bilden sie einen strahligen Schlundring; bei den Würmern (S. 47.) ein unpaares Nackenganglion; bei den Arthropoden (S. 80.) eine Bauchganglienkette; bei den Molusken endlich wiederum ein abweichendes System von Nervenknoten. 1) Vergl. Milne Edwards in den Annal, des scienc. nat. II. Ser. T.XVIII. p. 326. 2) Gerade dieses Wechseln in der Lage der sogenannten Hirnganglien, bald ober- halb, bald auch unterhalb der Speiseröhre, bestimmt mich zu der Annahme, dass die Existenz symmetrischer lateraler Oesophagealganglien für die Abtheilung der Mollusken die typische sei. Auch steht eine derartige Anwendung voll- kommen im Einklang mit der gedrungenen, verhältnissmässig breiten Form des Körpers, eben so wie das unpaare Nackenganglion bei den Würmern mit der vorherrschenden Längendimension, 3) Niemals fehlt eine Afteröffnung bei den Mollusken, auch nicht in der Gruppe der Phlebenteraten, nung, die vielmehr immer (auch bei Dentalium ?) seitlich am Körper ausmündet, gewöhnlich (mit Ausnahme der Conchi- feren) asymmetrisch nur an einer Seite. Die speciellere An- ordnung dieser Theile, oft für eine einzelne Gruppe sehr charakteristisch, bietet eine grosse Manchfaltigkeit }) und kann hier nicht näher betrachtet werden. Nur so viel sei noch erwähnt, dass der Darm beständig den Körper an Länge, wenn auch oft nur wenig, übertrifft, dass er, in Ueberein- stimmung mit der kurzen, gedrungenen Form des Körpers, einen sackförmigen, einfachen oder auch zusammengesetzten Magen bildet und überall mit einem besondern gallenberei- tenden Apparat von ansehnlicher Grösse, mit einer Leber, versehen ist. Die Circulation der Mollusken geht nach der wichtigen Entdeckung von Milne Edwards nirgends in einem voll- ständig geschlossenen Gefässsystem vor sich, wie bei den Echinodermen und Ringelwürmern. Eine geringere oder grössere Strecke desselben ist beständig lacunös. So bildet namentlich die Leibeshöhle einen weiten venösen Blutbe- hälter. Ueberhaupt ist es vorzugsweise das Venensystem, welches mangelhaft erscheint. In manchen Fällen schwinden aber selbst alle Gefässe, mit Ausnahme des Herzens, wie es bekanntlich ebenfalls bei den Hexapoden der Fall ist, doch bildet dieses niemals, wie hier und auch sonst bei fast allen Arthropoden, einen schlaucharligen, in eine Reihe hinter ein- ander liegender Kammern getheilten Kanal, sondern stets (mit Ausnahme der Tunicaten) einen kurzen muskulösen Sack ?), einen Ventrickel3) mit einfachem und doppeltem Vorhof. 1) Ueber die morphologischen Verhältnisse des Genitalapparates bei den Mollusken vergl. man meine mehrmals schon eitirte Abhandlung über die Anatomie und Morphologie der Geschlechtsorgane S. 125. 2) Dass diese Form des Herzens zum Theil ebenfalls, wie die Bildung eines sack- föürmigen Magens, abhänge von der Körpergestalt der Mollusken, ist daraus zu ersehen, dass bei den Salpen, die durch eine verhältnissmässig sehr gestreckte Leibesgestalt sich auszeichnen, das Herz eine Schlauchform darbietet. 3) Bei den Cephalopoden ist selbst dieser Ventrikel, wenngleich unvollkommen, durch ein Septum in eine rechte und linke Kammer zerfallen, .. Die Respirationsorgane der Mollusken sind fast überall besondere, zu diesem Zwecke eigens entwickelte Anhänge der äusseren Bedeckungen, die bald frei liegen, bald aber auch in höhlenförmigen Räumen eingebeltet und verborgen sind. Nicht alle Mollusken aber athmen mittelst solcher Kie- men. Eine Anzahl derselben ist durch den Aufenthalt auf dem Lande zur directen Luftathmung angewiesen. Zu sol- cher Bestimmung dienen die sogenannten Lungensäcke (bei den Pulmonaten), welche übrigens, wie es sich nachweisen lässt, durch den Plan ihrer Bildung nicht völlig isolirt ste- hen, sondern morphogenetisch sich unmittelbar an die zur Vermittlung der indirecten Luftalhmung (der sogenannten Wasserrespiration) bestimmten Organe anschliessen. Noch andere Mollusken entbehren ebenfalls besonderer respiratori- schen Gebilde. Sie athmen dann entweder mit der gesamm- ten Hautoberfläche des Leibes (wie unter den Gymnobran- chiaten die Phlebenterata Quatref. — Apneusta Köllik.—) oder durch Vermittlung der Lamellen des Mantels (wie die Brachiopoden). Für die zoologische Betrachtung der Mollusken ist die Anordnung der Kiemen von dem grössten Interesse, beson- ders seitdem dieselbe von Cuvier als vorzüglichster Cha- rakter der grössern und kleinern von ihm geschaffenen Grup- pen hingestellt worden. Hierbei aber müssen wir vor Allem die Frage uns vorlegen, ob denn die sogenannten Kiemen auch wirklich in einem jeden Fall dieselbe morphologische Bedeutunghaben, ob nicht darunter vielleicht trotz der über- einstimmenden Function manchfache verschiedenartige Ge- bilde zusammengefasst worden? Sehen wir doch auch in andern Abtheilungen, bei den Kiemenwürmern und Crusta- ceen, ein gleiches Verhalten. Auch bei ihnen sind es An- hänge sehr differenter Art, welche als Kiemen functioniren. Was die Gruppirung der unter dem gemeinschaftlichen Namen der Kiemen mit einander parallelisirten Anhangsgebilde am Körper der Mollusken betrifft, so befolgt solche im All- gemeinen ganz gleichmässig die Gesetze der seitlichen Sym- 9 130 metrie. Wie wir indessen sonst schon in der vorliegenden Abtheilung mehrfache Störungen einer solchen Anordnung gesehen haben, so besonders hier. In vielen Gasteropoden finden sich die Kiemen nur auf der einen Körperseite, der rechten oder der linken. Die entsprechenden Gebilde der andern Seite fehlen dann entweder vollkommen (Aplysia, Pleurobranchus, Doridium u. s. w.), oder sind ebenfalls auf die entgegengesetzte Seite hinübergerückt (z. B. bei Halyo- tis, Cassis, Buccinum, Murex), so dass hier dann die An- zahl der Kiemen verdoppelt!) ist. Alle diese Verschiedenheiten indessen können uns noch nicht zu einem Urtheil über die Natur und das morpholo- gische Verhältniss der Kiemen berechtigen. Weit wichtiger ist es in dieser Beziehung, dass wir in der Relation der be- treffenden Gebilde zu den einzelnen Abschnitten des Körpers auf eine andere ganz bestimmte Differenz stossen. Die so- genannten Gymnobranchiaten — dieselben, zu denen die obenerwähnten kiemenlosen Phlebenteraten gehören — sind es, welche hier vor allen übrigen Mollusken sich auszeichnen. Die Gebilde, die man bei ihnen als Kiemen bezeichnet, sind ganz augenscheinlich blosse Fortsätze und Anhänge des Man- tels, von dessen äusserer Oberfläche sie sich erheben. In allen übrigen Fällen dagegen erscheinen die Kiemen nicht als Anhangsgebilde des Mantels, sondern als selbstständige Productionen der äusseren Körperhülle, die in der furchen- förmigen Vertiefung im Umkreis des Mantels angeheftet sind, und von dem freien Rande desselben mehr oder minder weit bedeckt und überragt werden. Sehr deutlich ist diese Anordnung da, wo die Kiemen noch frei zu Tage liegen, bei den Cyclobranchiaten, Hypobranchiaten und Heteropoden, so wie auch bei denLamellibranchiaten. In anderen Fällen ver- lieft sich jene Furche an der Insertionsstelle der Kiemen zu einer förmlichen, von dem Mantel vollkommen überdeckten 1) Ganz analoge morphogenetische Vorgänge bedingen auch zum Theil die eigen- thümliche Anordnung der zwitterhaften Genitalien bei den Gasteropoden. Höhle, die dann in ihrem Innern die Kiemen enthält, und unterhalb des Mantelrandes durch eine schlitzförmige Oefl- nung nach aussen führt. So bei den Ctenobranchiaten und vielen Pteropoden, so auch bei den Cephalopoden'!, Nach Lage und Ausdehnung zeigt übrigens sowohl die Kiemen- höhle, als auch die Athemöffnung manchfache Differenzen. Von grösster Geräumigkeit, fast den ganzen Eingeweidesack umgebend ist dieselbe bei den Cephalopoden und einigen beschalten Pteropoden (z. B. Hyalaea), sehr eng dagegen z. B. bei Halyotis. In der Ordnung der Ctenobranchiaten verlängert sich die obere, von dem Mantelrand gebildete Lippe der Athemöffnung sehr häufig in einen canalförmigen, mehr oder minder langen Fortsatz, in das sogenannte Athem- rohr. Die Pomatobranchialen zeigen im Wesentlichen eine ganz analoge Anordnung der Kiemenhöhle, nur coincidirt bei ihnen die Athemöffnung nicht mit der Mantelfurche. Sie entsteht vielmehr dadurch, dass die Kiemenhöhle, die sich unterhalb desMantels hinerstreckt, ihrer Länge nach in grös- serer oder geringerer Ausdehnung geschlitzt wird. Bei Bul- laea, wo dieser Schlitz nur kurz ist, fliesst das äussere Ende desselben noch mit der Mantelfurche zusammen. Aplysia entbehrt schon dieses Zusammenhanges zwischen Athemöff- nung und Mantelfurche. Beide sind völlig von einander ge- trennt. Ganz augenscheinlich hat hier die Athemöffnung sich mehr nach innen zu, in den Mantel hinein, verlängert. Die ganze Kiemenhöhle ist offen und wird allein durch die seillichen, dem Mantel angehörenden Lippen der Athemöfl- nung, welche über einander greifen, bedeckt und geschlossen. Was wir aus der eben erwähnten Uebereinstimmung in 1) Sehr schön lehrt die Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden , wie eine solche Lage der Kiemen wirklich bloss aus einer Weiterentwicklung der bei den Hy- pobranchiaten u. s. w. persistirenden Anordnung hervorgeht. Im Anfang liegen auch bei Sepia etc. die Kiemen an der Oberfläche des Leibes im Umkreis des Mantels, ganz wie z. B. bei Pleurobranchus. Erst später, wenn die Ränder des Mantels sich ausdehnen und wachsen, werden die Kiemen überwölbt und in die dadurch gebildete Höhle eingeschlossen. Vergl. Kölliker, Entwick- lungsgeschichte der Cephalopoden. Zürich 1845. g9* Ba Lage und Anordnung der Kiemen bei der grössten Mehrzahl der Mollusken im Gegensatz zu dem Verhalten der gleich- namigen Theile bei den Gymnobranchiaten bereits abnehmen können, dass nämlich die Kiemen der letztern andere, mor- phologisch differirende Gebilde seien, wird zur Gewissheit, wenn wir sehen, wie bei den erstern die manchfachen Va- riationen in der Gestaltung der Respirationsorgane aus einer gemeinschaftlichen Urform, aus der Form einer Feder mit mittlerem Schaft und zweizeiliger Fahne, sich ableiten las- sen. Vergebens aber ist der Versuch, die Kiemen der Gym- nobranchiaten in den Bereich dieses Schema hineinzuziehen. Sie sind von einer regellosen Manchfaltigkeit, wie alle die zahlreichen accessorischen Bildungen am thierischen Körper, welche einer planmässigen, typischen Begründung ermangeln. In der Form von einfachen Blättern oder Cylindern, von verzweigten Bäumen u. s. w. stehen sie gewöhnlich in an- sehnlicher Menge und in verschiedener Gruppirung über die Oberfläche des Mantels verbreitet. Anders aber ist es mit den Kiemen der übrigen Mollus- ken. Unbeschadet der schon oben erwähnten Störungen ei- ner lateralen Symmetrie findet sich hier in der Norm jeder- seits am Körper nur eine einzige Kieme. Nautilus allein besitzt deren zwei. Jene Form übrigens, welche ich als die Grundform ansehen möchte, ist in völliger Integrität nur sel- ten erhalten. So z. B. bei Pleurobrarfchus, Valvata u. A. Am häufigsten ist sie dadurch modificirt, dass der Schaft der Feder in seiner ganzen Länge mit den äusseren Bede- ckungen verschmolzen ist. Dann erscheinen die Kiemen jederseits in doppelt kammförmiger Gestalt, als zwei neben einander gelegene Längsreihen von Blättchen (z. B. Diphylli- dia, Turbo u. s. w.), noch öfter als einfach kammförmige Bildungen, wenn nämlich die eine Reihe dieser Blättchen ge- schwunden ist). Wo die Kiemen in solchen Fällen die 1) Nicht selten ist es bei einer unsymmetrischen Lage beider Kiemen auf derselben Seite, dass beide auf eine verschiedene Weise entwickelt sind, (z. B. bei den 133 Symmetrie ihrer Anordnung auf beiden Seiten bewahrt ha- ben, fliessen sie mitunter (wie bei Hyalea, bei Patella u. s. w.) an ihrem Ende bogenförmig zusammen. In andern Fällen wird die ursprüngliche federförmige Gestalt der Kiemen auch wohl dadurch complicirter, dass die Blättchen der Fahne wiederum mit Nebenblättchen zweiter u. s. w. Ord- nung sich versehen. So besonders bei den Cephalopoden, aber auch schon bei Aplysia u. s. w. Interessant ist es übrigens, dass die beiden eben angeführten Modifications- momente auch combinirt vorkommen können. So bei Chi- ton, wo die bei Patella noch ganz einfachen Kiemenblätter durch die Entwicklung seitlicher Nebenblättchen in die Form von einzelnen kleinen Federn oder gefiederten Pyramiden sich umgewandelt haben. Dass ebenfalls aus einer blossen Va- riation jener Grundform der Kiemen die scheinbar so sehr abweichende Gestalt dieser Organe bei den Conchiferen her- rühre, beweist besonders deutlich das Gen. Solemya ?), in welchem die primäre Federform mit Schaft und zweizeiliger Fahne noch völlig erhalten ist. Sehr einfach lässt hieraus die gewöhnliche Anordnung der Kiemen bei den Conchiferen sich ableiten. Die einzelnen cylindrischen Blättchen oder Strahlen der Fahne nämlich wachsen sehr bedeutend und erscheinen dann jederseits entweder als zwei nebeneinander stehende Längsreihen dünner und freier Fäden (z. B. Pectun- culus, Arca) oder noch häufiger, wenn nämlich die Fäden einer jeden Reihe unter einander sich verbinden, als zwei ganz ansehnlich entwickelte häutige Blätter, die, entspre- chend den beiden Seitenreihen der Fahne, jederseits in der Mantelfalte gelegen sind, und den Körper zwischen sich neh- men. Je nachdem nun der Schaft, von welchem die Blät- ter ausgehen, mehr oder minder weit mit dem Körper sei- ner Länge nach zusammenhängt, ist auch der innere Rand der Kiemen in verschiedener Ausdehnung frei. In einigen Ctenobranchiaten), der Art, dass die eine doppelt, die andere nur einfach gekämmt ist, 1) Vergl, Philippi in Wiegmann’'s Arch. 1835. I, $. 271. 131 Fällen, z.B. bei Ostrea, sind dieselben in ganzer Länge (wie die Kiemenblätter vieler Gasteropoden) auf dem Körper be- festigt. Nicht selten sind auch wohl die Kiemenlamellen bei- der Seiten an ihrem hintern Ende, wo sie über den Körper hervorragen, in der Medianlinie (Unio, Mactra u. s. w.) ver- schmolzen. Bei Teredo erstreckt diese Vereinigung sich so- gar über die ganze Länge der Kiemen; ein Verhältniss, wel- ° ches übrigens nur dadurch möglich wird, dass dieselben erst hinter dem Eingeweidesack ihren Anfang nehmen. Durch eine eigenthümliche Metamorphose des Mantels, die weiter unten noch einer näheren Erörterung bedarf, wer- den die Kiemen bei den Conchiferen bisweilen in eine Athem- höhle eingeschlossen, welche trotz der differenten Entstehungs- weise mit der Kiemenhöhle der Gasteropoden und Cephalo- poden manche Analogien darbiete. Der Mantel nämlich, welcher durch die mächtige lamellenförmige Entwicklung seiner seitlichen Randlappen sich auszeichnet, verschmilzt nicht selten in der Medianlinie des Bauches und bildet dann, wenn diese Verwachsung möglichst vollständig erfolgt ist, eine äussere sackförmige Hülle um den Körper, die aber meistens nicht unmittelbar dem letztern aufliegt (nur bei Teredo tl), wo die Kiemenhöhle erst hinter dem eigentlichen Körper beginnt, ist dieses der Fall), sondern davon absteht und somit denn eine eigene, den Körper bis auf den Rücken vollständig umgebende Höhle bildet. Diese letztere Höhle nun ist die Kiemenhöhle, in welcher die Athmungsorgane gelegen sind. Nach hinten bleibt dieselbe übrigens bestän- dig eine Strecke weit in der Medianlinie geöffnet. Die beiden seitlichen Kiemenlamellen, die auf erwähnte Weise aus einer Umwandlung der Fahne am Schaft einer federförmigen Kieme hervorgehen, können auch ihrerseits wiederum manchfache Formveränderungen eingehen. Von diesen will ich hier nur hervorheben, dass mitunter (bei einigen Tallinaarten) jederseits die äussere Lamelle fehlt, und 1) Vergl. über die morphologischen und anatomischen Verhältnisse von Teredo meinen Aufsatz in den Beiträgen von Frey und Leuckart S. 46. Bun dann die Zahl der Kiemenblätter einfach !!) ist, wie bei den einfach gekämmten Kiemen vieler Gtenobranchiaten. Eben so einfach ist die Zahl der seitlichen Kiemenlamel- len bei den Tunicaten. Indessen erscheinen dieselben hier in einer gänzlich verschiedenen Anordnung, so dass auf den ersten Blick eine Reduction der betreffenden Theile auf die Kiemen der Acephalen kaum möglich ist. Bei den Ascidien stellen sie einen einfachen Sack dar, welcher im Vorderiheil des Leibes gelegen ist. Wie die Mantellappen der Conchiferen zu Bildung der Kiemenhöhle, ganz eben so scheinen hier auch die Kiemenlamellen in der Medianlinie des Leibes unter einander verschmolzen zu sein, Dass sie eine abweichende Lage darbieten, ist wenig we- sentlich. Wie die Kiemen bei Teredo von den Seitentheilen “des Leibes bis an das hintere Ende desselben zurück wei- chen konnten, ganz eben so möglich ist die entgegengesetzte Lagerumänderung bei den Ascidien. Abhängig von dieser Lage und dieser Anordnung der Kiemen bei den letzter- wähnten Thieren ist es übrigens, dass der Darmkanal mit sei- nem vordern Abschnitt nicht unmittelbar nach aussen mün- det, sondern in den hintern Theile des Kiemensackes sich inserirt. Der Respirationsapparat hat zwischen Mundöffnung und Oesophagus sich eingeschoben ?). Ganz dieselbe Lage besitzt der Kiemenapparat bei den Salpen. Dadurch aber wird bei diesen das Verhältniss an- ders, dass die Kiemen nicht, wie bei den Ascidien, einen 1) In andern Fällen (Clavagella) finden sich aber auch jederseits drei Kiemenla- mellen statt der gewöhnlichen zwei. Eben so kommt auch unter den Gastero- poden bei Paludina eine dreifach gekämmte Kieme vor. 2) Milne Edwards (Observat. sur les ascid. compos. des cötes de la Manche. Par. 1845.) deutet das Verhältniss auf eine andere Weise. Ausgehend von der Verwandtschaft der Ascidien mit den Bryozoen, betrachtet er den Kie- mensack der ersteren als hervorgegangen aus einer weitern Entwicklung des bei den letztern vorkommenden Pharynx. Ebenso A. Farre (Il, c.), während dagegen Van Beneden (Nouv. Mem. de l’acad. roy. deBrux. T.XVIII. Rech. sur les Bryoz. p.22, — Ibid. T.XX. Rech. sur les Ascid. p. 56.) darin ein morpho- logisches Aequivalent für den Tentakelkranz zu erkennen glaubt, dessen Strahlen nach innen, in die Leibeshöhle, eingezogen und unter sich verwachsen seien, 136 geschlossenen Sack bilden. Nur in der Medianlinie des Rü- ckens sind die beiden Kiemenblätter ihrer ganzen Länge nach verschmolzen, nie aber zugleich in der Medianlinie des Bauches. Sie sind in der Breite nur wenig entwickelt und bilden beide!) zusammen nur einen einzigen schmalen Kör- per von bandartiger Gestalt, dessen seitliche Ränder höch- stens etwas röhrenartig umgerollt sind. Erklärlich wird es unter solchen Verhältnissen, dass der Oesophagus seine ei- gene Oeflnung und zwar vor dem Kiemenapparat besitzt. Indessen fällt solche auch hier nicht unmittelbar mit der äussern Mund- (oder Einführungs-) Oeffnung zusammen, weil ‚die sogenannte Athemhöhle, in der die Kieme ausgespannt ist, eine sehr excessive Entwicklung darbietet und den gan- zen ansehnlichen Raum zwischen den beiden äussern Oefl- nungen des Körpers einnimmt. Ganz ähnlich, nur minder ansehnlich, ist die Athemhöhle auch schon bei den Ascidien. Die geringere Räumlichkeit bei den letzteren wird durch die verschiedene Lage der Mund- und Kloaköffnung hervor- gebracht. Beide liegen nämlich ziemlich dicht neben einan- der, während sie bei den Salpen diametral einander gegen- über stehen, doch nicht so, dass dieselben etwa oben und unten am Körper sich vorfänden, sondern vorn und hinten (am Bauch und Rücken). Ganz offenbar entspricht der Län- gendurchmesser der Salpen der bei den Ascidien durch die beiden Körperöffnungen gezogenen Linie, welche mit dem senkrechten Durchmesser durch Gehirn und Eingeweidesack sich kreuzt. Die Kernfläche 2) der Salpen ist morphologisch dem untern festgewachsenen Ende der Ascidien gleichzu- setzen, die Gehirnfläche dem obern. Mit einer derartigen Ansicht völlig übereinstimmend ist die Lage des Kiemenap- parates, die paradox und unerklärlich wird, sobald man 1) Nach seiner morphologischen Bedeutung darf also der Respirationsapparat der Sal- pen eben so wenig, wie der der Ascidien, als eine einzige unpaare Kieme ange- sehen werden. Er entspricht vielmehr offenbar zweien seitlichen Kiemenlamellen, 2) Eschricht, Sars u, A. halten gewiss mit Unrecht die Kernfläche der Salpen für die Rückenfläche, die hintere Oeffnung des Leibesendes für die vordere. 137 den Asceidien erstreckt sich der Kiemensack von oben nach unten, von der Hirnlläche zur Kernfläche. Dieselbe Lage findet sich auch bei den Salpen. Auch hier ist der eine In- sertionspunkt des bandförmigen Kiemenapparates an der Hirnfläche, der andere an der Kernfläche. Die Kieme ist schräg von oben nach unten in der Athemhöhle ausgespannt. Nachdem wir nun den einzelnen Modificationen, welche die Kiemen der Mollusken in Anordnung, Form und Lage bei den verschiedenen Gruppen darbieten, gefolgt sind, bleibt noch die Betrachtung der sogenannten Lungensäcke uns üb- rig, die bei den Pulmonaten sich vorfinden und mit ihrem respiratorischen Gefässnetz als Athmungswerkzeuge funclio- niren. Fragen wir nach der morphologischen Bedeutung die- ser Theile, vergleichen wir sie mit dem Respirationsapparat der verwandten Mollusken, so muss, nach meinem Erach- ten, die Antwort dahin ausfallen, dass sie den Kiemenhöh- len der übrigen Gasteropoden zu parallelisiren seien. Von diesen unterscheiden sie sich nur dadurch, dass im Innern keine besondern Respirationsorgane eingeschlossen sind !). Sonst stimmen sie damit in jeder Hinsicht überein?2). Was auf den ersten Blick vielleicht gegen die Annahme einer sol- chen morphologischen Identität streiten möchte, ist nur der Umstand, dass in einigen, wenngleich seltenen Fällen, ein Lungensack zugleich neben einem Kiemenapparat vorkommt. Bei Onchidium, wo Ehrenberg zuerst ein solches Verhal- ten entdeckte, lässt dasselbe noch am leichtesten sich er- klären. Die Kiemen dieses Tbieres sind, wie bei den Gymno- branchiaten, blosse Wucherungen oder Verlängerungen des 1) Nach den Untersuchungen von Van Beneden (Mem. de l’Acad. de Brux., T. XI.) würden auch bei Limacina in der Kiemenhöhle keine besondern Respi- rationsorgane angelrollen. 2) Die wechselnde Lage der Athemöflnung bei den verschiedenen Arten der Pul- monaten beweist sehr augenfällig, dass der darin ausgesprochene Unterschied bei den Pomatobranchiaten und Ctenobranchiaten u. s. w. nur schr untergeord- neter Art sei. Auch bei den Pulmonaten fällt jene Oeffnung bald mit der Mantelfurche zusammen, bald auch (Limax) nicht, Im letztern Fall ist sie un- mittelbar am Mantel, nahe dem Rande gelegen 138 Mantels, neben denen immerhin noch eine besondere Lun- genhöble sich bilden kann. Anders aber ist es bei den Am- pullarien, die!) ausser der letztern noch eine vollständige Kiemenhöhle mit Kiemen besitzen. Bei diesen aber erscheint nach dem anatomischen Verhältniss der Lungensack als ein Anhang der Kiemenhöhle, als eine Nebenhöhle, durch eine Ausstülpung aus letzterer entstanden. Weit entfernt also, in dieser Vereinigung von Lungensack und Kiemenhöhle bei demselben Thier einen Grund für den morphologischen Un- terschied zwischen beiden zu sehen, möchte ich daraus un- ter den vorliegenden Verhältnissen weit eher einen Beweis für die Richtigkeit der entgegengesetzten Ansicht entnehmen. Aus allen diesen manchfach wechselnden Verhältnissen mag man die Wichtigkeit des Kiemenapparates für die Ar- chitektonik des Molluskenkörpers erkennen. Dennoch aber zeigt eine nähere Betrachtung sehr bald, dass jene Bedeu- tung mehr eine untergeordnete sei, dass andere Factoren als die Hauptträger des charakteristischen Baues erscheinen und durch ihre Modificationsfähigkeit die Grenzen bestimmen, in denen die Verschiedenheit der Gestaltbildung sich bewegt. Für die morphologische Auffassung des Körperbaues bei den Mollusken ist bisher nur wenig geschehen. Ein Ver- such zur Reduction aller jener manchfaltigen Gestalten fehlt noch heute, obgleich unsere Kenntniss von der äussern Form und der Entwicklung der Mollusken wohl immerhin eine der- artige Darstellung schon möglich machen möchte. Die einfachsten und regelmässigsten Verhältnisse in der typischen Abtheilung der Mollusken bieten uns die nackten Gasteropoden. Sie bilden den Ausgangspunkt unserer Un- tersuchungen. Die Gestalt des Leibes erinnert hier an die Trematoden unter den Würmern oder an jene eigenthüm- lichen, kriechenden Holothurien, wie Psolus, Cuvieria u.S. w. Die untere Fläche des Körpers ist abgeplattet und bildet den Fuss. Sie erscheint als eine stark muskulöse, scharfkantige 1) Vergl. Troschel in Wiegmann’s Archiv 1845. Bd. I. S. 197. 139 Scheibe, die vom vordern Leibesende bis an die hintere Körperspitze reicht und den eiförmigen oder ceylindrischen Rumpf mit der Eingeweidemasse trägt. Der vordere Ab- schnitt dieses Rumpfes, der Kopf, ist ein kleines kugliches Gebilde, welches nach hinten durch eine seichte ringförmige Einschnürung sich abgrenzt und am untern Ende, dicht vor dem Fusse, mit der spaltförmigen, längsgestellten Mundöff- nung versehen ist. Die seitlichen Begrenzungen des Mundes bilden zwei wulstförmige Hervorragungen, die Lippen, die sehr häufig (bei den Gymnobranchiaten) in einen kleinen zi- pfelförmigen Fortsatz, in den Lippenfühler, sich ausziehen. Oberhalb des Mundes, auf dem Scheitel, stehen die Anten- nen, zwei!) symmetrische Fortsätze von cylindrischer Ge- stalt. Die Rückenfläche des Körpers ist von dem Mantel be- deckt, von einer schildförmigen Duplicatur der äussern Be- deckungen, welche von dem Nacken sich verschieden weit nach hinten erstreckt, bei Limax etwa nur bis an das mitt- lere Drittheil desRumpfes, bei den Gymnobranchiaten bis an das hintere Ende desselben. Von den Hautbedeckungen des Rumpfes ist der Mantel durch eine ringförmige Furche, durch die sogenannte Mantelfurche, geschieden. Da, wo Mantel und Fuss durch Grösse und Entwicklung sich auszeichnen, liegt diese Falte in der Circumferenz des Leibes. Die Rän- der von Fuss und Mantel stossen in diesem Fall unmittelbar auf einander, so dass die eigentlichen einfachen Hautbede- ckungen nur im Grunde jener Falte sichtbar werden. Der ganze Rumpf ist dann, gewissermassen wie bei den Schild- kröten von dem Rücken- und Bauchschilde, so hier von dem 1) Bei den Landschnecken ist die Zahl der‘ Antennen verdoppelt. Die hintern tragen die Augen, wie bei den Podophthalmen. Indessen hat man, wie es mir scheint, nicht diese grössere Zahl der Antennen als die Normalzabl bei den Mollusken anzusehen. Sie erscheint vielmehr als eine individuelle Abweichung, bedingt durch die selbstständige Entwicklung des Ommotophorum, eines Gebil- des, welches sonst mit den Fühlern mehr oder minder innig verschmolzen ist, und nur in seltenen Fällen vollkommen fehlt, wie bei Doris, Aplysia u. s. w. Man vergl, hierüber die interessanten Angaben von Loven in Oken’s Isis. 1842 S. 363, 140 Mantel und dem Fuss umschlossen, zwischen denen in der Mittellinie des Vorderleibes nur der Kopf‘nach aussen vorragt. Ueber das morphologische Verhältniss und die Bedeu- tung der erwähnten Theile giebt die Entwicklungsgeschichte uns Aufschluss. Wo die Bildungsvorgänge des Embryo in der Gruppe der Gasteropoden, wie es scheint, am einfach- sten sind und auch am genauesten beobachtet werden konn- ten, bei den Pulmonaten z.B. bei Limax!), entstehen auf der Dotterkugel, nachdem dieselbe durch den Prozess der Zer- klüftung zur Ausscheidung der ersten embryonalen Gebilde befähigt ist, im Anfang zwei neben oder vielmehr über ein- ander gelegene Wülste, von denen der untere, der Bauch- wulst, sich allmählig zu einem ganz ansehnlichen zungen- förmigen Anhang der Dotterblase auszieht und in den Fuss metamorphosirt?2), Noch ehe die weitere Entwicklung dieses Bauchwulstes eingetreten ist, erheben sich an der vordern Grenze desselben, wo er der untern Fläche der Dotterkugel anliegt, die beiden Lippenwülste, zwei seitliche Hervorra- gungen, welche bei den Limacinen an Grösse sehr weit hin- ter dem Fuss zurückbleiben. Vor ihnen, mehr der Scheitel- lläche zugewandt, sprossen später die beiden Antennenpaare hervor), während die Lippenwülste selbst allmählig immer mehr in der Medianlinie des Bauches einander entgegen- wachsen. Der oberhalb des Fusses gelegene Rückenwulst 1) Van Beneden et Windischmann in Müller’s Arch. 1841. $. 176. 2) Das hintere Ende dieses Anhanges wird bei den Limacinen zu einem eigen- thümlichen contractilen Gebilde, zu der sogenannten Schwanzblase, die übri- gens im Laufe der Entwicklung allmählig wiederum schwindet, und auch, wie es scheint, nirgends anders bei den Mollusken weiter vorkommt. Ihre morpho- logische Bedeutung ist daher gewiss nur sehr untergeordneter Art — ein Ver- hältniss, welches mich auch bestimmt hat, das betreffende Gebilde. in obiger Darstellung der Entwicklung ausser Acht zu lassen, 3) Nach der Darstellung von Van Beneden würden diese mit den spätern Lippen aus einer Theilung der primitiven Lippenwülste ihren Ursprung nehmen, Dass dem aber wirklich so sei, möchte ich desshalb bezweifeln, weil bei den übri- gen Mollusken die Bildung der Antennen offenbar eine selbstständige ist. Bei den Limacinen möchte wegen der geringen Grösse der Lippenwülste eine der- arlige Täuschung in der Beobachtung leicht möglich sein, überwölbt allmählig nach dem Kopfe zu die Dotterkugel und wird zum Mantel. Noch eine Zeit lang ragt der Rest der Dotterkugel, von den Hautbedeckungen des Embryo um- schlossen, wie ein Bruchsack zwischen Kopf und Rücken- schild hervor. Erst allmählig wird derselbe durch die wei- tere Entwicklung jener Decken nach innen in die Leibeshöhle zurückgedrängt ), wo er dann zur Bildung der Eingeweide, besonders der Leber, verbraucht wird. Die Gymnobranchiaten, so wie die Pomatobranchiaten u. s. w. zeigen in ihrer Entwicklung einzelne Abweichungen von den eben geschilderten Vorgängen. Indessen beruhen solche nicht etwa auf einer wirklichen Verschiedenheit der in Anwendung gezogenen morphogenetischen Prozesse, son- dern vielmehr bloss auf einem differenten Verhältniss in der Entwicklung und Ausbildung der gestaltbedingenden Elemente. Lippenwülste, Fuss und Mantel sind auch bei ihnen, ganz wie bei den Limacinen, die wichtigsten morphologischen Factoren, die hauptsächlichsten Träger der Entwicklung und der Form. Dass aber dieselben in ihrer ersten Gestaltung so auffallend von den entsprechenden Theilen jener Pulmo- nalen sich unterscheiden, möchte wohl kaum aus der spä- tern Uebereinstimmung derselben zu erschliessen sein. Nur die manchfachen grösseren Schwankungen in der formellen Erscheinung dieser Theile bei den Gymnobranchiaten u. s. w. könnten vielleicht schon a priore uns einen derartigen Unter- schied vermuthen lassen, wenn anders wir von vorn herein zu der Annahme berechtigt wären, dass diese Verschieden- heiten unmittelbar nach den Gesetzen der Bildungshem- mung u. Ss. w. aus einer cyclischen Reihe embryonaler Ent- wicklungsvorgänge resultirten. Die Beobachtung hat nun allerdings die Statthaftigkeit einer solchen Vermuthung nach- gewiesen. Wir wissen, dass die vollendete Form der be- 1) Bei den beschalten Pulmonaten wird dieser Bruchsack nicht zurückgedrängt, Er wächst sogar noch weiter, wird von dem Mantel überwölbt, und bildet dann grösstentheils den ansehnlichen, im Innern der Schale gelegenen Theil des Rumpfles mit der Eingeweidemasse. 142 treffenden Gasteropoden nicht unmittelbar und auf geradem Wege sich entwickelt, sondern das Product einer Metamor- phose ist. An der Bauchfläche der zur Ausscheidung des Embryo nach der Durchfruchung befähigten Dotterkugel bilden sich auch bei den Gymnobranchiaten !) die Lippenwülste und der Fuss, ganz eben so zu einander gelagert, wie es bei Limax der Fall ist. Dadurch aber unterscheiden sie sich von den entsprechenden Theilen dieser letztern Gasteropode, dass nicht der Fuss durch Wachsthum und Entwicklung sich aus- zeichnet, während die Lippenwülste nur rudimentär ?) blei- ben, sondern umgekehrt die letztern zu einer sehr mächti- gen Grösse gelangen, und der Fuss beträchtlich hinter ihnen zurücksteht3). Die Lippenwülste nämlich entwickeln sich. zu zweien grossen flügelförmigen Lappen (zu dem sogenannten Segel), an deren freiem, abgerundetem Rande eine Reihe langer und kräftiger Cilien hervorwächst. So lange diese Lippen- oder Kopfwülste ihre anfängliche Grösse und Ent- wicklung behalten, bleibt der Fuss ein kurzer, zungenförmi- ger Anhang an der Bauchfläche des Dotters, der inzwischen 1) Vergl. besonders v. Nordmann, Versuch einer Monographie des Tergipes Ed- wardsii. St. Petersburg 1843. S. 82 ff, und Vogt in den Annal. des sciens. nat. 1846. T. VI. Sur l’embryologie des Mollus. gasterop. 2) Dass die Lippenwülste der Pulmonaten morphologisch den Segellappen der übri- gen Gasteropoden entsprechen, scheintmir besonders durch das übereinstimmende Verhältniss, in welchem dieselben zum Fusse stehen, erwiesen. Auch braucht man z. B. nur die Abbildungen dieser Gebilde von Limax bei Van Beneden (1. ce Tab. VII. Fig. 23. 31.) zusammenzuhalten mit den entsprechenden Zeich- nungen von Tergipes bei Nordmann (|. c. Tab. IV. Fig. 26. 27.), um so- gleich allen etwaigen Zweifel darüber zu verlieren. [ 3) Auch findet sich vielleicht in der Zeit der Entstehung ein Unterschied, indem, wie es scheint, — abweichend von Limax — öfter die Lippenwülste früher, als der Fuss sich bilden, und auch früher als der Mantel. Wie es mir scheint, reichen übrigens im Augenblick die vorliegenden Beobachtungen noch nicht voll- kommen zur Entscheidung dieses Verhältnisses hin, Indessen ist jener Unterschied, wenn er auch wirklich sich bestätigen sollte, schwerlich von grosser Bedeu- tung. Sehen wir doch auch z. B. bei den Arthropoden in der Bildungszeit ver- schiedener morphologischer Elemente manche nicht unbeträchtliche Differenzen bei den verschiedenen Arten. 143 mit einem schalentragenden }) Mantel sich versehen hat und dadurch zum Rumpfe geworden ist. Dieser letztere bildet den beträchtlichern Theil des Leibes, die ganze obere und hintere Masse des Körpers. Er bedeckt nicht bloss, wie bei den Limacinen und den übrigen Pulmonaten, welche nach demselben Schema sich entwickeln, die Rückseite des Fus- ses, sondern ragt auch nach hinten darüber hervor und hilft somit denn zugleich die Bauchfläche des Körpers bilden. Im Lauf der Entwicklung aber ändert sich dieses Ver- hältniss. Die zarte Gonchylie geht bei den Nacktschnecken verloren. Die Lappen der Lippenwülste schwinden allmäh- lig, und der Fuss nimmt an Grösse zu. Er wächst nach hinten und nach den Seiten, und wird zu einer ansehnlichen muskulösen Scheibe. In gleichem Verhältniss wird der Rumpf allmählig von der Bauchfläche nach dem Rücken zu empor- gehoben. Er hört auf, an der Bildung jenes Abschnittes ferner Theil zu nehmen und bekommt eine Lage, wie bei Limax u. s. w. Die ganze Bauchfläche des Körpers ist jetzt vom Fusse gebildet, während der vom Mantel überdeckte Rumpf die Rückenfläche des Körpers darstellt. Auf ganz analoge Weise geht die Entwicklung und all- mählige Ausbildung des Körpers bei den Ctenobranchiaten und überhaupt, wie es scheint, bei den meisten übrigen Gasteropoden (auch bei den Cyelobranchiaten?) vor sich. Auch diese zeichnen sich während der frühern Embryonal- zustände durch die Existenz zweier ansehnlicher Kopflappen (des Segels) aus. Darin aber unterscheiden sie sich von den Nacktschnecken, dass bei ihnen theils der Fuss zu dem Rumpfe beständig eine Relation hat, wie bei den Gymno- branchiaten nur in den frühern Stadien der Entwicklung, theils auch die Conchylie nicht verloren geht, sondern bleibt und an Festigkeit und Grösse zunimmt. 1) Auch bei Limax trägt bekanntlich der Mantel eine Schale, nur ist dieselbe hier nicht äusserlich gelegen, sondern eingebettet in die Substanz desMantels. Helix, Limnaeus u. s. w. besitzen dagegen eine äussere Schale, die, wie bei den Gymnobranchiaten, schon frühe sich entwickelt, 144 Der Mutterboden der Conchylie ist der Mantel. Wie dieselbe Anfangs dadurch entsteht, dass die äussere Schicht der Embryonalzellen auf dem Rumpfe eine eigenthümliche, selbstständige Entwicklung durchläuft, so wächst dieselbe späterhin durch Apposition eines von dem Mantel gelieferten kalkreichen Secretes. Wo diese Apposition, wie in den mei- sten Fällen, nicht an allen Stellen gleichförmig geschieht, sondern vorzugsweise an der einen Seite, da muss allmäh- lig jene eigenthümliche, spiralig gewundene Form entstehen, die das Gehäuse der Gasteropoden bekanntlich darbietet. Natürlich hat solcher Wachsthum den grössten Einfluss auf die Bildung des im Innern der Schale von dem Mantel um- schlossenen Rumpfes. Indessen haben diese Verhältnisse für unsere Betrachtungsweise eine geringere Bedeutung. Selbst in der zoologischen Systematik verdienen dieselben gewiss lange nicht jene ausschliessliche oder vorzugsweise Beach- tung, die man ihnen so vielfach beigelegt hat. Als ein Gesetz von ziemlich allgemeiner Geltung scheint sich herauszustellen, dass der Mantel am Körper der Gaste- ropoden um so beträchtlicher entwickelt ist und einen um so grössern Theil des Rumpfes bedeckt, als Fuss und Lip- penwülste an Bedeutung und Ausbildung zurücktreten. Schon hierin ist ein bestimmter Gegensatz zwischen den betreffen- den Gebilden unverkennbar ausgesprochen. Auf der einen Seite steht der Rumpf mit seiner Bedeckung, auf der andern Fuss und Lippenwülste. Diese letztern Theile bilden ein zu- sammengehörendes, bis zu einem gewissen Punkte selbst- ständiges System, welches zu dem Rumpfe, auf dessen Ko- sten es an Ausbildung zunimmt, nach seiner allgemeinsten Bedeutung in demselben Verhältniss steht, wie ein Anhangs- gebilde zu seinem Hauptorgane. Fuss und Lippenwülste bil- den in ihrem Zusammenhange den Vorderkörper der Mollusken, der Rumpf mit dem Mantel den Hinterkörper. Dass Fuss und Segel wirklich zusammengehören, ergiebt sich theils aus dem anatomischen Verhältniss, in welchem sie zu einander stehen (wie wir weiter unten sehen werden, 145 verwachsen sie sogar mitunter), theils auch aus der Art ihrer Entwicklung. Sie gehen von einem gemeinschaftlichen Cen- tralpunkte aus, der an dem vordern Ende der Bauchfläche des Rumpfes gelegen ist. Von hier wachsen die Segel nach aussen und oben, während der Fuss nach hinten sich ver- längert. }) Mit dieser Entwicklungsweise steht es im Einklang, dass der Fuss überall, wo er eine nur geringere Länge erreicht, in seinem hintern Theile, niemals in seinem vordern, rudi- mentär wird und fehlt. In demselben Maass aber, wıe der Fuss nach vorn zurückweicht, wird die Bauchfläche des Hin- terleibes frei und von dem Mantel umwölbt, wie es während der Embryonalperiode auch bei den Nacktkiemern sich vor- findet. Sehr deutlich ist dieses Verhältniss z. B. bei Bullaea. Der Mantel überzieht hier, wie eine glockenförmige Hülle, die ganze hintere Körperhälfte, indem er von der Spitze des Hinterleibes an allen Seiten sich nach vorn erstreckt, wenn- gleich auf der Rückenfläche weiter, als am Bauche. Ueber- haupt liegt auch sonst fast überall der Mantel weit mehr am hintern Leibesende, als am vordern. Bei Limax ist das Verhältniss allerdings ein anderes, doch vielleicht nur dess- halb, weil nirgends sonst die Bildung der hintern Leibes- hälfte so sehr durch die übermässige Entwicklung des Fus- ses hervorgerufen wird, als hier. Auch dadurch zeichnet sich Limax aus, dass bei ihr nicht, wie gewöhnlich, der ganze Rumpf vom Mantel bedeckt wird, sondern nur ein ver- hältnissmäsig kleiner Abschnitt desselben (was auch bei Fi- rola u. s. w. der Fall ist). An Bullaea schliessen sich durch die Anordnung des Mantels Clio, Pneumodermon u. a. nackte Pteropoden. Bei diesen aber überzieht der Mantel einen noch weit grös- 1) Nach dieser eigenthümlichen Entwicklungsweise des Fusses bei den Mollusken muss ich die Ansicht von v. Baer (Nov. Act. Acad, Leopold. Vol. XII. p. 546.) als unrichtig bezeichnen, dass der Fuss der Schnecken der Saugscheibe der Trematoden entspräche, obgleich in einzelnen Fällen die anatomische Anord- nung eine grosse Aehnlichkeit zwischen beiden darbietet. 10 146 sern!) Theil des Leibes. Die einfachen Hautbedeckungen des Rumpfes sind nirgends mehr sichtbar. Mantel, Fuss und Se- gel umhüllen den ganzen Körper. In der Regel bleibt übri- gens zwischen Mantel und Fuss noch ein Theil jener ein- fachen Hautdecke übrig. So besonders am Grunde der ring- föormigen Furche im Umkreis des Mantelrandes, in der so- genannten Mantelfurche. Schon oben ist gezeigt worden, wie die Bildung der Kiemenhöhle bei den Gasteropoden auf einer blossen Weiter- entwicklung dieser Furche zu einer Höhle beruhe, die zwi- schen dem Mantel und dem Eingeweidesack sich hinerstreckt. Sie entsteht, indem der Rand des Mantels?) durch seinen excessiven Wachsthum die ursprünglichen Hüllen des Leibes überwölbt, ohne damit zu einer gemeinschaftlichen Masse zu verschmelzen. Im Zusammenhang mit der gewöhnlichen Lage des Mantels am hintern Körperende und dem allmäh- ligen Wachsthum desselben nach der Peripherie, besonders aber nach vorn, scheint es zu stehen, dass die Kiemenhöhle meistens unter dem vordern Rande desselben, auf dem Na- cken, sich vorfindet. Trotz aller Verschiedenheiten in der Entwicklung des Mantels aber müssen wir überall die Rückenfläche des Rum- pfes als die Mutterstälte dieses Gebildes ansehen. Niemals liegt derselbe allein auf der Bauchseite, wohl aber häufig allein auf dem Rücken, wenngleich vorzugsweise, wie ge- sagt, dem hintern Leibesende zugewandt. Anders dagegen ist es mit dem Fusse. Nicht bloss, dass derselbe beständig an der Bauchfläche 3) gelegen; er erstrekt 1) Mit Unrecht behauptet Cuvier bei Glio die Abwesenheit eines Mantels. Die Analogie mit den verwandten Thieren zeigt ganz deutlich, dass wir die ganze Umhüllung des Hinterleibes als solchen deuten müssen. 2) Wo der Mantel von einer CGonchylie überdeckt ist, erscheint er unter dieser überall nur sehr zarthäutig und durchscheinend; ein Verhältniss, das auch da an den äussern Leibeshüllen sich wiederholt, wo diese, wie in der Kiemenhöhle, von einer Verlängerung des Mantelrandes überlagert sind, 3) Aus diesem Grunde, glaube ich, ist für die vorliegende Abtheilung der Mollusken der Guviersche Name Gasteropoda immer noch bezeichnend genug, selbst sich auch niemals über die Seitentheile des Leibes empor bis auf den Rücken, mag seine Grösse noch so bedeutend, seine Anordnung noch so verschieden sein. Es kann übri- gens hier nicht in unserm Zwecke liegen, alle die zahlrei- chen Modificalionen in der Form dieses Gebildes namhaft zu machen. Es genüge die Bemerkung, dass es bald breit und scheibenförmig, bald schmal und cylindrisch, bald lang, bald kurz sein könne, dass es bald seiner ganzen Länge nach der Bauchfläche des Hinterleibes verschmolzen, bald nur mit seiner vordern Basis dicht hinter dem Kopfe angeheftet sei (wie z.B. bei den Ctenobranchiaten). — Einer besondern Be- trachtung bedarf übrigens der Fuss noch in denjenigen Fäl- len, wo er durch eine sehr ungewöhnliche Entwicklung sich auszeichnet und zum Kriechen untauglich geworden ist. So bei den Heteropoden. Hier ist er durch seitliche Compres- sion in eine kielförmige Flosse verwandelt, die in der Me- dianlinie des Bauches hinter dem Kopfende sich befestigt. So wenigstens in seinem vordern grössern Theile. An dem hintern Rande dagegen hat ein kleiner Theil des Fusses durch eine Querfurche sich abgeschieden und selbstständig sich in einen förmlichen Saugnapf metamorphosirt. Einigermaassen eine ähnliche Anordnung besitzt der Fuss schon bei Denta- lium, wo er einen kurzen, unterhalb des Kopfes nach vorn her- vorragenden, cylindrischen oder rüsselförmigen Fortsatz bildet. Völlig verschieden von dieser Form ist die Anord- nung des Fusses bei den Pteropoden. Gerade die Entwick- lung nach den Seiten hin ist es hier, die ihn auszeichnet und in zwei lappenartige Flossen verwandelt, deren morpho- logische Bedeutung zuerst von Blainville richtig erkannt }) ist. Die Umbildung des Fusses in vorstehender Weise be- wenn man, wie es geschehen muss, die Heteropoda und Pteropoda damit ver- einigt, Mit der Bezeichnung 7OVGS wird hier, ganz abgesehen von der etwai- gen Form, überall ein gleicher und ganz bestimmter morphologischer Abschnitt hervorgehoben und benannt, 1) Guvier hielt die Flossen der Pteropoden (wenigstens bei Clio u. s. w.) für Respirationsorgane, 10 * 148 ginnt übrigens schon bei den Pomatobranchiaten, die über- haupt in ihrem ganzen Bau den Pteropoden so nahe stehen, dass es schwer ist, in manchen Fällen die Grenze zwischen beiden festzustellen. Schon bei Bullaea sehen wir, wie die hintere Hälfte des Fusses seitlich sich ausbreitet und nach aussen über den Mantel in einer schmalen flossenförmigen Falte hervorragt. Bei Gasteropteron geht diese Anordnung noch weiter. Der Fuss metamorphosirt sich in eine rund- liche, patte Scheibe, die nur äm vordern Ende in der Me- dianlinie, wo sie die Mundöffnung trägt, mit dem Körper zusammenhängt, sonst aber völlig frei ist und besonders seit- lich den Rumpf weit überragt. Ganz ähnlich erscheint die Anordnung des Fusses bei Tiedemannia, so wie auch bei Cymbulia, nur dass bei letzterer der Eingeweidesack in sei- ner ganzen Länge auf der Fussscheibe befestigt ist, und die- ser denn somit unter der Gestalt zweier breiter Längsflos- sen auftritt, die in der Mittellinie des Bauches unter sich und mit dem eigentlichen Körper zusammenhängen. In andern Pteropoden verkümmert allmählig von hinten an der mittlere Theil des Fusses, so dass vorzugsweise nur noch die beiden seitlichen Flossen übrig bleiben, zwischen denen dann der Leib hervorragt. Schon bei Bullaea ist ein derartiges Ver- hältniss angedeutet. Noch auffallender wird es bei Hyalaea, wo der hintere Rand des Fusses in der Mittellinie weit aus- geschnitten ist, während die seitlichen Theile, wie ein Paar Flügel, neben der Mundöffnung liegen. Immer aber lässt auch hier noch hinter der Mundöffnung sich eine freilich nur schmale Platte unterscheiden, die eine mitllere Commissur zwischen den beiden Seitenlappen bildet und an ihrem hin- tern freien Rande nach vorn umgebogen ist. Ganz’ ähnlich bei Limacina, nur haben hier die seitlichen Flügel sowohl, als auch der Bauchtheil des Fusses eine abweichende Form. Dieselben drei Theile !) bilden den Fuss bei Clio. Den mitt- 1) Mit Unrecht glaubte ich früher (Wagner's Zootomie II. S. 406.) nur den Hals- kragen von Clio als Analogon des Fusses ansehen zu dürfen. 19 leren unpaaren Theil, der hier allerdings eine mehr selbst- ständige Entwicklung besitzt, hat Eschricht!) bei diesem Thier als ein isolirtes Gebilde, als Halskragen, beschrieben. Durch seine Lage aber, so wie durch seine Verbindung mit den Flossen erweist er sich ganz offenbar als mittlern Fuss- lappen. Die eigenthümliche Form und Entwicklung der seitlichen Flossen liesse übrigens in allen diesen Fällen vielleicht noch eine andere Deutung zu. Vielleicht — so könnte man ver- muthen — sind sie nicht wirkliche Theile des Fusses, durch eine seitliche Ausbreitung dieses Gebildes entstanden, son- dern die persistirenden Kopfsegel der Embryonen, zumal sie solchen hie und da, wie besonders bei Limacina und Hya- laea, ganz auffallend gleichen. Dann würde der Fuss bei den Pteropoden nur sehr rudimentär sein und allein in dem mittleren Anhang zwischen jenen beiden Flossen bestehen. Dass dieser bei Hyalaea u.s. w. mit den Flossen zusammen- hängt, möchte solcher Ansicht nicht widersprechen. Immer- hin könnte ja eine derartige Verbindung, welche durch Lage und Relation der betreffenden Theile schon an sich sehr leicht möglich wird, durch die Persistenz der Segel bedingt und hervorgerufen sein. Eine völlige Entscheidung dieser Frage wird allein auf directem Wege, durch eine Beobachtung der Entwicklung, beigebracht werden können. So lange aber solche fehlt, glaube ich unbedingt gegen die Deutung der Flossen als Kopflappen mich erklären zu müssen. Theils scheinen mir die manchfachen Uebergänge von der gewöhnlichen Form des Fusses bis zu dieser extremen Bildung dagegen zu spre- chen, theils auch die Lagerungsverhältnisse der betreffenden Theile bei Clio. Hier möchte die Deutung der Flossen als Kopflappen kaum möglich sein, da dieselben nicht, wie sonst, die Mundöffnung zwischen sich nehmen, sondern nach hin- ten ziemlich weit davon entfernt gelegen sind. Ueberdiess 1) Anatomische Untersuchung über Clione borealis. Kopenhagen 1838. $. 3. 150° glaube ich endlich noch ein anderes von den Flossen ver- schiedenes Gebilde der Pteropoden und einiger verwandten Pomatobranchiaten als Rudiment des Segels in Anspruch neh- men zu müssen. Bei Gasteropteron erscheint dasselbe als ein freier zipfelförmiger Fortsatz (velum capitis) von dreieckiger Gestalt, der oberhalb der Mundöffnung vor dem Eingeweidesack (Hin- terleib) gelegen ist und mit den Seitentheilen seiner Basis die Lippen bildet. Ich wüsste nicht, wie man anders die- sen Anhang deuten wollte. Höchstens könnte derselbe noch aus der Verwachsung der Tentakel hervorgegangen sein, die sonst unserm Thiere!) fehlen, allein die Anordnung und besonders das Verhalten derselben in andern Arten, na- mentlich bei Cymbulia, wo ausserdem ganz deutlich noch zwei Fühler vorkommen, möchte eine solche Annahme als unhaltbar erscheinen lassen. — Dass das betreffende Gebilde unpaar ist, macht in keinerlei Beziehung grosse Schwierig- keiten. Entweder kann es erst im Lauf der Entwicklung aus der Verschmelzung zweier seitlichen Theile zu einem unpaaren geworden sein, oder auch von Anfang an unter dieser Gestalt existirt haben, Sehen wir doch bei den Thie- ren mit symmetrischem Typus gar häufig statt zwei entspre- chender lateraler Elemente nur ein unpaares mittleres. 2) Offenbar dasselbe Gebilde ist es, welches bei Bullaea und den übrigen Akeraten durch seine Verwachsung mit den äussern Hautdecken die sogenannte Nackenplatte (bouclier) bildet. Cuvier hat bekanntlich die Entstehung dieses Ge- 1) Eben so den meisten übrigen hier in Betracht gezogenen Thieren, 2) Für unsern Fall aber möchte ich eher das erstere Verhältniss supponiren. Wir sehen, dass sonst überall die Segel an der Bauchfläche ihren Ursprung neh- men. Von da können sie erst später im Lauf der Entwicklung nach dem Rü- cken emporrücken. Wahrscheinlich würde also ein unpaares mittleres Element, wo es die beiden lateralen Theile ersetzt, eine gleiche Lage an der Bauchfläche haben. Indessen istes noch die Frage, ob dieLage desSegels oberhalb des Mun- des unszu der Annahme berechtigt, dass dasselbe nun auch wirklich der Rücken- fläche angehöre? — Sahen wir doch auch schon oben bei den Arthropoden an dem vordersten Ganglion des Bauchmarkes eine analoge Collision der morpho- logischen Dentung mit der anatomischen Anordnung. bildes aus einer Verwachsung von vier Tentakeln hergeleitet. Indessen scheinen mir die vier bei Bulla ampulla vorkom- menden Randlappen dieser Platte um so weniger zur gehö- rigen Begründung dieser Deutung passend und hinreichend, als die Vierzahl der Tentakel bei den betreffenden Thieren gegen alle Analogie wäre. Viel wahrscheinlicher dagegen ist mir die eben ausgesprochene Vermuthung. Eine ganz analoge Nackenplatte, nur kleiner und weniger markirt, sehe ich auch bei Hyalaea. BeiLimacina dagegen möchte ich die beiden lippenförmigen Falten, die von dem Scheitel an den Seitentheilen der Mundöffnung bis zu der vordern Basis des mittlern zungenförmigen Fusslappens hinablaufen, für ent- sprechende Bildungen halten. Wiederum abweichend ist die Anordnung dieses Theiles bei Cymbulia. Am meisten gleicht derselbe hier-noch dem entsprechenden Kopflappen von Ga- steropteron, doch ist er theils eine grössere Strecke auf dem Nacken mit dem Mantel verwachsen, theils hängt er auch seitlich mit den vordern Rändern der Flossen zusammen und hilft so die Scheibe des Fusses vervollständigen. Hierdurch wird es möglich, dass diese sich nach vorn bis über die Mundöffnung hinaus erstreckt und die letztere einschliesst. Die Grenze zwischen Kopflappen und Fuss ist aber immer noch sehr deutlich durch eine Falte bezeichnet, die von den Mundwinkeln in einem Bogen nach oben und aussen sich hinzieht. Dicht oberhalb der Mundöffnung auf der Fläche des Kopflappens stehen zwei kleine pfriemenförmige Hervor- ragungen, die Fühler, Bei Clio kann ich die beiden kappen- förmigen Falten des Kopfes, welche seitlich zwischen den Flossen und der Mundöffnung liegen und die Kopfkegel umschliessen, ebenfalls nur für die metamorphosirten Lap- pen des Segels halten. In Form und Anordnung gewähren sie einer solchen Deutung hinreichende Anhaltspunkte. Die Metamorphosen der Kopflappen bei den übrigen Ga- steropoden hat Loven!) zum Gegenstand einer sehr sorgfäl- 1) In Oken’s Isis. A. a. O. 152 tigen Untersuchung gemacht. In den meisten Fällen, bei den Ctenobranchiaten !), scheinen sie im Lauf der Entwicklung vollständig verloren zu gehen. Am häufigsten finden sich deren Rudimente noch bei den Gymnobranchiaten, wo diesel- ben unter der Bezeichnung des Segels bekannt sind (dessen Theile z. B. bei Eolidia die vordern sogenannten Tentakel bilden. Am auffallendsten erscheinen sie bei Thetys, in der Gestalt eines mächtigen halbkreisförmigen Schleiers, welcher den Mund bedeckt und umgiebt und in colossaler Form den unpaaren Kopflappen von Gasteropteron wiederholt. Seine vollendetste Ausbildung erreicht der typische Bau der Gasteropoden bei den Gephalopoden. Alle die einzelnen morphologischen Elemente, die bei jenen in die Bildung des Leibes eingehen und die verschiedenen Gestaltungen dessel- ben bedingen, finden wir, wenngleich in mehrfach abwei- chender Anordnung und Entwicklung, auch hier. Die Re- duction der betreffenden Theile ist übrigens wegen dieser Abweichungen manchen Schwierigkeiten unterworfen, ob- gleich durch Kölliker’s meisterhafte Darstellung der Ent- wicklungsgeschichte dieser Thiere ein reichliches Material für ein derartiges Unternehmen uns vorliegt. Wie wenig aber erst die morphologische Auffassung dieser so sehr interes- santen Geschöpfe zu einem Abschluss gekommen sei, ergiebt sich daraus, dass selbst Kölliker?) noch im Ungewissen bleiben konnte, welcher Theil bei den Gephalopoden als Rücken, welcher als Bauch zu deuten sei. Bei einer äusserlichen Betrachtung unterscheidet man am Körper der Cephalopoden vornämlich zwei sehr scharf von einander abgesetzte Theile, einen vordern, verhältnissmäs- sig sehr ansehnlichen Kopf und einen dahinter gelegenen Rumpf. Der letztere wird von einem glockenförmigen, stark gewölbten Mantel bekleidet, der in jeder Hinsicht, selbst durch sein Verhältniss zur Kiemenhöhle, wie oben schon er- 1) Die seitlichen Lippentaster bei Murex, Harpa, so wie auch bei Eolidia hält Loven für Verlängerungen des Fusses, 2) A. a, 0, S. 170. 153 wähnt ist, dem gleichnamigen Gebilde der Gasteropoden ent- spricht. Nicht in demselben Maasse ist solches mit dem Kopfe der Fall. Der sogenannte Kopf der Gasteropoden ıst eigent- lich kaum mehr, als der vordere Theil des Rumpfes, ausge- zeichnet durch die an ihm befindlichen Anhänge des Vorder- leibes. Höchstens möchte Clio in dieser Beziehung unter den Gasteropoden durch die Entwicklung eines förmlichen Ko- pfes — welcher vorzugsweise durch die Persistenz und die eigenthümliche Bildung der Kopflappen bedingt zu sein scheint — eine Ausnahme machen. Ueberhaupt schliesst sich dieses Geschöpf durch seine äussere Gestaltung mehr, als irgend eine andere Schnecke, an die Cephalopoden. Selbst die Arme derselben finden in den Kopfkegeln ganz offenbar ihre morphologischen Aequivalente. Eben so zeigt der Mantel eine gleiche mächtige Entwicklung. Nur die seitlichen Ausbrei- tungen des Fusses scheinen bei den Cephalopoden zu fehlen. Die sogenannten Flossen der letztern, die einen ähnlichen Bau haben, erweisen sich bei näherer Untersuchung als völ- lig verschieden. Sie sind blosse Ausstrahlungen oder Dupli- caturen des Mantels, die jeder typischen Bedeutung erman- geln und denn darum auch sehr häufig, wie bei den Octopo- den, fehlen können. Dagegen erinnert der sogenannte Hals- kragen von Ulio, den ich oben als den mittleren Lappen des Fusses gedeutet habe, in seinen allgemeinern Verhältnissen durch Lage und selbst durch Gestalt so auffallend an den Trichter der Gephalopoden, dass wir schon von vorn herein die Möglichkeit einer morphologischen Uebereinstimmung zwi- schen beiden gern einräumen. Weit grössere und sicherere Anhaltspunkte und Auf- schlüsse für die morphologische Deutung des Cephalopoden- körpers !) giebt uns die Entwicklungsgeschichte. 1) Völlig haltlos und ungewiss bleibt aber immer noch die Deutung des Körpers bei den merkwürdigen Hectacotylusformen, welche durch die Untersuchungen von Kölliker und v. Siebold als die Männchen einiger Octopoden erkannt sind. Der Dimorphismus ist höchst auffallend und noch abweichender als bei den pavasitischen Krebsen. Auch der Umstand ist aussergewöhnlich, dass bei die- Was bereits in den frühesten Stadien der Entwicklung die Cephalopoden von den Gasteropoden, wenigstens von den bisher beobachteten Arten (ob wirklich von allen — z.B. von Clio — möchte ich fast bezweifeln) unterscheidet, ist das Verhältniss, in welchem die Embryonen zu dem Dotter ste- hen. Niemals umschliessen diese nämlich die ganze Dotter- kugel, sie schnüren sich vielmehr im Laufe der Entwicklung davon ab, so dass der Rest einen förmlichen äussern An- hang bildet (wie eine Nabelblase), der erst späterhin verlo- ren geht. Morphologisch ist übrigens dieser Unterschied von geringem Interesse. Eben so der Umstand, dass die Zer- klüftung sich nur über einen kleinen Theil des Dotters aus- dehnt, über denjenigen nämlich, welcher zunächst der Bil- dung des Embryo bestimmt ist. Darin aber stimmen diese beiden Gruppen der Mollu- sken mit einander überein, dass keineswegs die ganze Ober- fläche des Leibes zu gleicher Zeit entsteht. Zuerst bildet sich bei den Cephalopoden der Mantel, anfangs ein flaches schildförmiges Gebilde, wie bei Limax. Es bezeichnet durch die Stelle seines Ursprungs den Rücken oder Hinterleib. Im Umfang des Schildes entstehen die übrigen morphologischen Elemente des Körpers, alle gepaart, dem Mantel zunächst (wenn wir die Kiemen ausser Acht lassen) die seitlichen Schenkel des Trichters, nach aussen davon die Kopflappen, jederseits ein vorderer und ein hinterer. Alle diese Gebilde sind Anfangs flächenartig ausgebreitet, so dass die vordern Kopflappen die tiefste, der Rückenschild die höchste Stelle einnehmen. Vergleichen wir in diesem Zustande den Em- bryo eines Cephalopoden, z. B. von Sepia, wie ihn Kölli- ker Tab. 1. Fig. XIX. oder XX. (von oben) Fig. XXV, (von der Seite) abgebildet hat, mit Cymbulia oder Hyalaea, so kann sen Cephalopoden der Unterschied des Körperbaues in beiden Geschlechtern schon während des Fötallebens sich hervorbildet (nach Marayigno in den Annal. des science. nat, 1837. T. VI. p. 173.); ein Umstand, der meines Wissens ausserdem nur noch beiNicothoe (Vergl. Rathke, Fauna Norwegens a. a, O. S. 111.) beobachtet ist. 155 eine sehr auffallende Analogie in der Form des Körpers uns unmöglich entgehen. Die dem Dotter aufliegende Fläche, die aus den beiden Paar Kopflappen !) besteht, gleicht fast ganz vollkommen dem eigenthümlich metamorphosirten Fusse dieser Gasteropoden. Die vordern Kopflappen, welche äusserlich die Augen tragen und in der Medianlinie ihres Vorderrandes mit dem Eingang in den Verdauungskanal, mit der Mund- öffnung, versehen sind, entsprechen in jeder Hinsicht den Mundwülsten oder Segelhälften, die dahinterliegenden Kopf- lappen den Seitenflossen des Fusses. Wie bei Cymbulia sind hier beide zu einer gemeinschaftlichen Scheibe verschmolzen, doch so, dass ihre Grenze noch eine geraume Zeit deutlich bleibt. Diese Scheibe bildet den Vorderleib. In der Furche zwischen Mantel und ihm sind die seitlichen Trichterschenkel gelegen, welche in der Mittellinie des Körpers oberhalb der Mundöffnung unter sich und mit dem Schilde des Vorderlei- bes verwachsen sind, die Basis des Hinterleibes oder Rü- ckens (des Mantels) ringförmig umfassen und nach hinten, wo sie die Afteröffnung zwischen sich nehmen, bis über die hintern Kopflappen hervorragen. Entsprechen nun, wie die Anordnung ganz deutlich beweist, diese letztern den seitli- chen Flossen des Fusses bei Hyalaea, so können die Trichter- schenkel nur noch dem mittleren Fusslappen analog sein, der bei Clio den Halskragen bildet. Lage und Anordnung, so wie der Zusammenhang mit dem Vorderleibe sind dieser Deutung vollkommen gemäss. Dass sie paarig sind, spricht nicht dagegen; wir haben in diesem Verhalten nur einen neuen Beleg jenes morphogenetischen Gesetzes, wonach ein unpaares mittleres Element durch zwei entsprechende seit- liche ersetzt werden kann. In diesem Stadium ist der Embryo der Cephalopoden also vollkommen nach dem Typus der Gasteropoden gebauet. Die Abweichungen davon sind kaum grösser, als sie auch sonst in den verschiedenen einzelnen Arten dieser Gruppe 1) Gemäss dieser Anordnung ist auch späterhin der Dottersack am Kopfende des ausgebildeten Thieres befestigt. 156 vorkommen. Mantel, Fuss und Segel sind ganz deutlich vor- handen und ohne alle wesentlichen Differenzen von dem ge- wöhnlichen Verhalten. Die Kopflappen (Segel und Seiten- theile des Fusses) bilden den Vorderleib, welcher die Bauch- fläche des Körpers einnimmt. Der Hinterleib, vom Mantel bedekt, ist oberhalb desselben auf der Rückenfläche gelegen. Die Anwesenheit des Mundes bezeichnet das vordere Ende, die des Afters das hintere Ende des Körpers. Ueber die morphologische Deutung kann kaum ein Zweifel sein. Allmählig aber ändert sich das Verhältniss. Vorderleib und Hinterleib wachsen sehr beträchtlich, doch nicht der Länge nach, sondern in dem Höhendurchmesser. Die seitli- chen Lappen des Segels und Fusses, anfänglich flächenartig ausgebreitet, verwandeln sich in den kugligen Kopf, in des- sen unterm Pole dann der Mund gelegen ist; der Mantel, an- fänglich nur ein flacher Schild, wird zu einer hohen Glocke, deren untere Ränder durch ihren übermässigen Wachsthum allmählig die seitlichen Trichterschenkel überdecken. Diese letztern endlich verwachsen mit ihren hintern Enden ober- halb des Afters zu einem unpaaren cylindrischen Gebilde, welches späterhin allein aus dem Mantelschlitz (der Athem- öffnung) hervorragt. Bei der morphologischen Auffassung des Cephalopoden- körpers können übrigens derartige Umwandlungen die Deu- tung der einzelnen Elemente nicht beeinträchtigen. Was wir im ausgebildeten Zustande bei den Cephalopoden den Kopf nennen, dieses eigenthümliche Gebilde, entsteht also aus einer Verwachsung und Metamorphose des Segels und der Seitentheile des Fusses. Der Trichter entspricht dem Mittel- lappen des Fusses bei den Pteropoden und der glockenför- mige Mantel den Bedeckungen des Hinterleibes. Das eigent- liche Leibesende fällt mit der Afteröffnung zusammen, nicht mit dem Ende des Hinterleibes, der morphologisch als die höchste Spitze des Rückens zu deuten ist. Die sogenannte Rückenfläche des Hinterleibes ergiebt sich hiernach als die vordere aufsteigende Fläche des Rückens, die sogenannte 157 Bauchfläche als die hintere absteigende Fläche. Der Kopf bezeichnet das untere Leibesende. Der sogenannte Längsdurchmesser der Gephalopoden von der Spitze des Kopfes bis zum Ende des Hinterleibes ist da- her nicht, wie man gewöhnlich annimmt, congruent mit dem Längendurchmesser der übrigen Thiere mit lateralem Typus. Er schneidet vielmehr denselben unter einem rechten Win- kel; er ist der Höhendurchmesser. Der eigentliche Längen- durchmesser dagegen verläuft in der Medianlinie des Körpers vom sogenannten Rücken nach dem sogenannten Bauch, die übrigens, wie gesagt, nur fälschlich diese Bezeichnung haben. Unter solchen Umständen können wir denn auch in der Lage des Herzens, so wie des Genitalapparates bei den Ce- phalopoden keine Abweichung von der gewöhnlichen Anord- nung bei den Gasteropoden sehen. Sie liegen nicht, wie man bisher annahm, an der Bauchfläche des Körpers, son- dern, wie überall, am Rücken, nur an der hintern abstei- genden Fläche desselben. Selbst der After bietet keine dif- ferente Gruppirung. Er findet sich, wie überhaupt bei den meisten Geschöpfen, am Ende des Längendurchmessers. Die Mundöffnung befand sich anfänglich demselben gerade gegen- über. Dass sie diese Stellung verlassen und in der Median- linie des Vorderleibes weiter nach hinten zu gerückt ist, bis in die Mitte (in dem Mittelpunkt des sogenannten Kop- fes) findet in der eigenthümlichen Umformung der vordern Kopflappen (der Segelhälften) seine Erklärung. Schon bei Cymbulia sehen wir durch eine ähnliche Verschmelzung der beiden Segellappen eine analoge Lagenumänderung. Schon hier ist der Eingang in den Darmkanal nach hinten gerückt, wenngleich viel weniger weit, als bei den Cephalopoden. Die morphologischen Verhältnisse der Cephalopoden sind ihrerseits sehr geeignet, unsere Einsicht in den Bau der Ga- steropoden zu fördern. Vor Allem bieten sie unserer An- nahme von der Relation des Segels und Fusses einen ge- wichtigen Anhaltspunkt. Sie zeigen auf das deutlichste, wie diese einem gemeinschaftlichen System angehören, wie sie BBR.. ui zusammen den Vorderkörper der Gasteropoden bilden, des- sen mittlere Längslinie mit dem Längendurchmesser des Lei- bes zusammenfällt. Das hintere Ende des Fusses ist es also, welches zugleich das hintere Ende des Körpers bestimmt. — Fast überall zeichnet sich übrigens, wie bei den Cephalopo- den, so auch bei den Gasteropoden der Höhendurchmesser des Leibes vor dem Längendurchmesser aus. Der höchste Punkt des Rückens ist die Spitze des Hinterleibes !), die bei den gehäusetragenden Arten in den innersten Windungen der Schale versteckt liegt. In den meisten Fällen ist solches leicht ersichtlich. Da aber, wo der Längendurchmesser des Vorderkörpes durch seine Kürze sich auszeichnet, ist es min- der klar. Hier (z.B. bei Bullaea, Clio u. s. w.), scheint näm- lich die Spitze des Hinterleibes mit dem Ende des Längen- durchmessers zu kongruiren. In demselben Verhältniss näm- lich, in welchem der Fuss nach vorn zurückweicht, senkt sich der Hinterkörper, bis endlich die hintere absteigende Fläche desselben mit dem Vorderkörper in einer gemein- schaftlichen Ebene zu liegen kommt, und so denn der eigent- liche Höhendurchmesser desselben als eine unmittelbare Fort- setzung des Längendurchmessers am Vorderkörper erscheint. Die Lage des Afters, wie der Genitalöffnung, ist übri- gens bei den Gasteropoden keineswegs so regelmässig, wie bei den Cephalopoden, am Ende des Längendurchmessers. Sie findet sich fast immer weiter nach vorn und bietet da- durch eine Abweichung von der gewöhnlichen Anordnung, wie sie auch bei andern Geschöpfen nicht selten wahrge- 1) Die spiralige Anordnung des Hinterleibes bei vielen Gasteropoden ist sicherlich nicht unmittelbar in den morphologischen Verhältnissen dieser Thiere begründet, sondern ein Phänomen von untergeordneter Bedeutung, abhängig von dem eigen- thümlichen ungleichen Wachsthum der Schale. Schwerlich wird man daher mit v. Baer (Entwicklungsgesch.I. $.219.) in diesem Umstand den Typus einereigen- thümlichen Art der Entwicklung (evolutio contorta) sehen können, Uebrigens scheint mir auch die von Kölliker (a. a. ©. $. 174.) für die Entwicklung der Mollusken vorgeschlagene Bezeichnung einer Evol. radiata nicht ganz passend. Sie ist aus einer einseitigen Betrachtung der bei den Gephalopoden vorkommen- den Bildungsvorgänge entnommen, Richtiger vielleicht könnte man die Ent- wicklung dieser Geschöpfe als eine Evol, peripherica bezeichnen. 159 nommen wird. Dass dieselbe übrigens unter solchen Ver- hältnissen nicht in der Medianlinie der Bauchfläche verharren konnte, ist bei der Anordnung des Fusses ganz erklärlich. Die Entwicklung des letztern musste sie von da nach den Seitenflächen des Körpers hindrängen. In unserer Darstellung von der Entwicklung und den morphologischen Verhältnissen der CGephalopoden ist bisher der Arme nicht gedacht worden. Es sind diese Gebilde den betreffenden Mollusken ganz eigenthümlich. Bei den Gaste- ropoden fehlen sie mit Ausnahme von Clio vollkommen. Und auch bei der letztern sind sie nur sehr rudimentär. Die Zeit ihrer Bildung bei den Cephalopoden fällt in jene Periode, in welcher der Vorderkörper noch flächenartig ausgebreitet ist. Sie entstehen ganz selbstständig in derPeripherie des Vorder- leibes auf der Oberfläche des Dotters. Anfangs erscheinen sie als ovale Wülste, die erst späterhin sich strecken und dann mit den vordern Kopflappen, mit den Theilen des Se- gels!) also, in Verbindung treten. Die manchfachen Verschiedenheiten in der Entwicklung der an diesen Armen befestigten Saugnäpfe2) übergehe ich. Nur so viel sei noch erwähnt, dass mir aus morphologischen Gründen die von Valenciennes3) gegen Owen verthei- digte Deutung der zahlreichen am Kopf von Nautilus befind- lichen Tentakel, wonach diese nicht als Arme, sondern als Gebilde, analog jenen Saugnäpfen, angesehen werden, sehr annehmbar erscheint. Die eigentlichen Arme sind hier ge- schwunden oder doch sehr rudimentär; nicht mehr freie eylindrische Anhänge, sondern blosse faltenförmige Lappen zwischen dem Grunde der Tentakel. Das ganze Verhältniss erinnert in mehrfacher Beziehung an jene Umwandlungen der 1) Die von Loven (a. a. O.) ausgesprochene Vermuthung, dass dieselben unmit- telbar aus der Metamorphose des Segels hervorgegangen seien, bedarf unter solchen Umständen einiger Berichtigung. Sie sind nicht etwa die morphologi- schen Aequivalente dieser Theile, sondern blosse Anhänge derselben, 2) Ueber die morphologische Relation dieser Verschiedenheiten, vergleiche man meine Bemerkungen in Wagner’s Zootomie. Th. II. $. 362. 3) Archiv. du Mus. d’hist, nat. 1842. T. I. p. 257. 160 Kienienfeder, bei denen der Schaft geschwunden ist, wäh- rend die Blätter der Fahne persistiren. Eine neue sehr eigenthümliche Modification in der Ent- wicklung des Molluskentypus treffen wir bei den Acepha- len (mit Ausschluss der Tunicaten). Hier hat der Körper im Allgemeinen eine cylindrische, mehr oder minder ge- streckte !) Gestalt mit der Mundöffnung an dem einen, mit dem After an dem andern Ende. So wenigstens bei den Lamellibranchiaten. In der Regel ist dabei der Körper von den Seiten zusammengedrückt, wenngleich in verschiedenem Grade. Ein eigentlicher Kopf fehlt überall, unstreilig dess- halb, weil bei den Acephalen niemals die Elemente des Vor- derleibes eine so selbstständige Entwicklung darbieten, wie bei den Cephalopoden und selbst nur bei den Gasteropoden. Der Fuss ist überall mit seiner ganzen Länge in der Median- linie des Bauches am Rumpfe befestigt. Er beginnt am vor- dern Körperende, wie bei den Gasteropoden, bildet aber nie, wie hier gewöhnlich, eine Sohle oder Scheibe, die zum Kriechen geschickt ist. Seine Anordnung erinnert noch am meisten an die Form des entsprechenden Gebildes bei den Heteropoden und Dentalien, Bald ist er beilförmig von den Seiten zusammengedrückt, bald zungenförmig, bald keulen- förmig. In manchen Arten erscheint er sehr rudimentär, wie bei Teredo, wo er einem Saugnapf gleicht, in andern (bei den sogenannten Apoden) fehlt er sogar gänzlich. Am vordern Körperende, seitlich von der Mundöffnung liegen die Labialpalpen, zwei Paar blatt- oder tentakelförmi- ger Gebilde2), die ich als die morphologischen Aequivalente der Lippenwülste oder Segelhälften betrachten möchte; eine Deutung, die auch, wie wir sehen werden, durch die Ent- 1) Nirgends übertrifft bei den Acephalen der Höhendurchmesser des Körpers den Längendurchmesser in einem solchen Grade, wie es bei den Gasteropoden so häufig der Fall ist. Die Rückenfläche ist vielmehr in der Regel abgeplattet und besonders niemals in eine thurmartige Spitze ausgezogen. 2) Ueber die Formverschiedenheiten dieser Anhänge vergleiche man die Bemerkun- gen von Troschel in Wiegmann’s Archiv 1847. I. S. 257. Ei 161 wicklung derselben gerechtfertigt) zu werden scheint. Der Rumpf der Acephalen ist von dem Mantel bedeckt; jedoch ist dieser hier nicht, wie bei den Gasteropoden, in seiner ganzen Ausdehnung damit verwachsen, sondern grösstentheils frei. Nur in der Medianlinie des Rückens ist er angeheftet. Von da hängt er an den Seiten unter der Gestalt von zweien ansehnlichen Hautlappen herab, die den Körper zwischen sich nehmen, wie der Umschlag ein Buch. An der Verbin- dungsstelle dieser Lappen mit dem Körper, zwischen beiden, in der Mantelfurche, liegen?) die Kiemen, deren eigenthüm- liche Form schon oben erläutert wurde. Auch ist eben dort schon auf die den Mantel nicht selten betreffende eigenthüm- liche Umwandlung hingedeutet worden. Nicht überall näm- lich bleiben die zwei seitlichen Blätter desselben freie lappen- formige Anhänge. Sehr häufig vielmehr beginnt eine Ver- schmelzung an dem hintern Ende ihrer Ränder, welche bei den einzelnen Arten verschieden weit in der Medianlinie des Bauches nach vorn vorschreitet. Wo diese Verschmel- zung in grosser Ausdehnung stattfindet, bildet der Mantel eine förmliche sackarlige Umhüllung des Körpers, die aber nur in sehr seltenen Fällen (Teredo) mit der äussern Bede- 1) Dass die Zahl der Labialpalpen bei den Acephalen grösser ist, als die der Kopf- lappen bei den Gasteropoden, kann uns bei dieser Deutung nicht im Wege stehen. Es ist solches nicht eine primäre Anordnung, sondern es ist das Pro- duct einer spätern Metamorphose, Anfänglich bilden die Labialpalpen, wie es scheint, eine gemeinschaftliche schirmförmige Ueberdachung der Mundöffnung. Erst später tritt eine Weiterbildung ein, indem theils die untern seitlichen En- den derselben, theils auch die obern zipfelförmig sich ausziehen, während die dazwischen liegenden Falten allmählig verkümmern. 2) Offenbar ist gerade diese tiefe Lage und die laterale Duplieität der Kiemen Schuld an der eigenthümlichen Anordnung des Mantels. Der Raum nämlich zwi- schen demselben und dem Körper ist offenbar eine Athemhöhle, wie bei den Gasteropoden. Die Mantellappen entsprechen dem obern Deckel dieser Höhle, der auch dort von dem Mantel gebildet ist. Die einzige Verschiedenheit beruht darin, dass bei den Lamellibranchiaten, bei denen überhaupt in jeder Beziehung die Symmetrie des Körpers viel weniger gestört ist, als bei den Gasteropoden, die Kiemenhöhle nicht einfach erscheint, sondern als ein paariges Gebilde rechts, wie links an den Seitentheilen des Körpers liegt. Dass hierdurch der Zusam- menhang von Mantel und Körper allein auf die Medianlinie des Rückens be- schränkt werden musste, liegt am Tage, 11 162 ckung des Leibes verschmilzt. Sonst bleibt überall ein wei- ter höhlenförmiger Raum, die Kiemenhöhle, zwischen bei- den. Nirgends übrigens ist diese Verschmelzung ganz voll- ständig. Stets persistiren in der Mantelhöhle, als die Ueber- reste der ursprünglichen Anordnung, einzelne Oefinungen, eine vordere, zum Durchtritt des Fusses, und zwei hintere, von denen die zunächst dem Rücken anliegende Oeffnung in die Kloake führt, die andere in die Kiemenhöhle. Sehr gewöhnlich ziehen sich übrigens die Ränder der beiden hintern Oeffnungen in zwei mehr oder minder lange röhrenförmige Kanäle aus, die als Anhänge oder Verlänge- rungen des Mantels zu betrachten sind. Bald bleiben diese Röhren (siphones) getrennt, bald aber auch verwachsen sie äusserlich mit den anliegenden Flächen zu einem gemein- schaftlichen Gebilde. Bei Teredo, wo sie dem Rumpf an Umfang fast gleichkommen, sind sie es vorzugsweise, welche die eigenthümliche langgestreckte und wurmförmige Leibes- gestalt bedingen. Aeusserlich ist der Körper der Acephalen von zweien meist ganz gleichmässig entwickelten Schalen bedeckt, die, den beiden Mantellappen entsprechend, eine seitliche Lage haben. Nackte hierher gehörende Thiere, wie es z. B. nackte Cephalophoren giebt, kennt man nicht ll. Dagegen ist in einigen Fällen, bei Teredo und Aspergillum ?2) die Grösse der 1) Cuvier betrachtete die Tunicaten als nackte Acephalen, doch unterscheiden sich solche, wie schon oben erwähnt ist, davon so wesentlich, dass man sie als eine eigene Gruppe der Mollusken betrachten muss. 2) Die Schalen von Aspergillum sind bekanntlich verschieden von dem äussern cylindrischen Gehäuse, in welchem dieses Thier lebt, obgleich beide mit einan- der verwachsen sind. Das Gehäuse ist hier, wie bei den Würmern (wie auch die Schale von Argonauta), nur ein sehr kalkreiches, erhärtetes Secret der äussern Bedeckungen, während sonst die kalkigen Gehäuse der Mollusken ur- sprünglich wirkliche Theile der Hautbedeckung sind und desshalb denn auch schon bei den Embryonen sich vorfinden. Späterhin übrigens vergrössern sich auch bei den Mollusken die Gonchylien durch Apposition eines kalkreichen Haut- secreles — also auf dieselbe Weise, wie die Schalen jener obengenannten Thiere. Die eigenthümliche Anordnung bei Aspergillum beruht nur darauf, dass dieses Absonderungsproduct hier nicht nach dem durch die Schalen bedingten Plane sich ansetzt, sondern selbstständig den Körper incrustirt. Schalen im Vergleich zum Körper nur äusserst gering, so dass bloss ein sehr kleiner Theil des Leibes davon bedeckt wird. So beschaffen ist der Bau des Körpers aber nur bei den Lamellibranchiaten. Die Brachiopoden zeigen in mehrfacher Beziehung eine Abweichung. Diese beruht vornämlich dar- auf, dass der Leib nicht von den Seiten zusammengedrückt ist, sondern in der Richtung des Höhendurchmessers, von der Rückenfläche zum Bauch }). Damit übereinstimmend findet sich eine dorsale und ventrale Schale, ein dorsaler und ven- traler Mantellappen. Kiemen fehlen. Die Mundöffnung liegt am vordern Rande des kurzen, zungenförmigen Körpers in der Medianlinie, der After an der einen Seite. Neben dem Munde finden sich zwei paarige eingerollte Arme von eigen- thümlichem Bau, die gewöhnlich als Analoga der Labialpal- pen bei den Lamellibranchiaten angesehen werden, die aber vielleicht auch dem Fusse entsprechen dürften. Dass dieser hier in der Gestalt zweier seitlicher Elemente auftritt, kann uns nicht wundern, um so weniger, als wir ja schon bei den Cephalophoren die Andeutung einer solchen Bildung an- treffen, obgleich hier ausser den beiden paarigen Theilen im- mer noch zugleich das Rudiment eines mittleren unpaaren Stückes vorhanden ist. Die Entwicklung der Acephalen ist nur sehr ungenügend bekannt und bietet denn auch darum einer morphologischen Auffassung dieser Thiere bis jetzt nur wenig sichere Anhalts- punkte. Indessen möchte dieselbe um so mehr hier eine kurze Berücksichtigung finden dürfen, als besonders die Untersu- 1) In neuerer Zeit haben Agassiz und Vogt den Nachweis versucht, dass die Brachiopoden den Lamellibranchiaten ganz analog gebauet seien, dass ihre Scha- len, Mantellappen u. s. w. nicht als dorsale und ventrale Gebilde betrachtet werden müssten, sondern als seitliche. Die (mit Ausnahme des excentrisch gelegenen Afters) vollkommene Symmetrie beider Körperhälften, der rechten und linken, indessen lässt mich der ältern Ansicht von Cuvier u. s. w. den Vorzug geben, obgleich noch ausserdem die Möglichkeit vorliegt, dass nicht, wie Guvier annimmt, die Abplattung des Körpers in der Richtung des Höhen- durchmessers, sondern in der der Längenachse erfolgt sei. Im letzteren Fall würden wir nicht eine dorsale und ventrale Schale efc. unterscheiden müssen, sondern eine vordere und hintere, 11* 164 chungen von Quatrefages!) über die Bildungsgeschichte der Najaden, der einzigen Acephalen, welche bisher zum Gegenstand einer derartigen Untersuchung gemacht sind, mancherlei irrthümliche Ansichten verbreitet haben. Nach der Zerklüftung des Dotters bildet der Embryo Anfangs, wie bei den Gasteropoden, eine unregelmässige, kuglige Masse ?). Bald aber bemerkt man an der einen Stelle, da, wo später- hin die Mundöffnung gelegen ist, am vordern Ende also, eine kurze und stumpfe Hervorragung, die durch eine Bekleidung von sehr langen, zarten Flimmerhaaren sich auszeichnet und späterhin wahrscheinlich durch eine Theilung in die beiden Lippentasterpaare sich metamorphosirt. Das gegenüberlie- gende hintere Ende zeigt bereits jetzt in der Mittellinie des Bauches eine kleine Einkerbung, während an der Rücken- fläche die spätern äussern Bedeckungen durch eine beträcht- lichere Dicke sich auszuzeichnen scheinen. Auf der Ober- fläche des Leibes, welche ebenfalls, wie jene vordere Her- vorragung, von Cilien, doch nur von sehr kurzen, bekleidet ist, stehen, besonders an der vordern Hälfte, zu den Seiten des Lippenwulstes, einige glashelle, lange, borstenartige Spi- tzen. Späterhin beginnt die Bildung der Schalen) auf der Rückenfläche. Nicht immer aber entstehen beide seitliche Schalen zu gleicher Zeit. Oft sieht man, dass die eine der- selben schon eine sehr ansehnliche Grösse besitzt, während die andere noch sehr klein ist oder auch wohl noch gänz- lich fehlt. Allmählig übrigens wird dieser Unterschied aus- geglichen, wenngleich nicht selten schon bei weit vorgeschrit- tener Entwicklung noch immer die eine Schale etwas kleiner erscheint, als die andere. Beide Schalen umwölben nun durch ihren allmähligen Wachsthum di& Seitenflächen des 1) In den Annal, des scienc. nat. 1836. T. V. p. 321. — Daneben vergl. die An- gaben von Carus in den Nov. Act. Acad. Leopold. 1832. Vol. XVII. S. 1. 2) Das Folgende nach Untersuchungen an Anodonta intermedia., 3) Dass übrigens diese, wie v. Siebold (Vergl. Anat. der wirbellosen Thiere S. 293.) angiebt, nur von zweien an der Oberfläche liegenden Dotterzellen aus- gehe, die schon frühe von der weiter fortschreitenden Furchung sich ausge- schlossen hätten, kann ich nicht bestätigen. Embryo. Sie bestehen schon frühe aus zweien Theilen, aus einem dem Rücken anliegenden grössern Basalstücke von dreieckiger Gestalt, und aus einem Endstücke, welches die Form einer Lanzenspitze hat, an der äussernFläche mit zahn- artigen Dornen besetzt ist und unter einem Winkel auf der ventralen Endspitze des Basalstückes sich einlenkt. Bloss die erstern Stücke bilden die Schalen des ausgewachsenen Thie- res, die Endstücke gehen im Lauf der spätern Entwicklung verloren !). Wenn nun allmählig die Spitzen dieser Endstücke auf einander stossen, dann beginnt in der Medianlinie des Bauches eine förmliche Spaltung des embryonalen Leibes, als deren erste Andeutung vielleicht die oben erwähnte Einker- bung an dem hintern Ende des Embryo anzusehen ist. Je mehr dieselbe nach innen fortschreitet, desto weiter weichen allmählig die beiden seitlichen Schalen mit den von ihrer Wölbung umschlossenen embryonalen Leibesmassen aus ein- ander. Am Ende sind beide flach neben einander in der- selben Ebene gelegen. Die steifen, borstenförmigen Stacheln, welche Anfangs auf der Oberfläche des Körpers sich vorfan- den, sind inzwischen durch den Wachsthum der Schalen verdrängt worden und verloren gegangen. Dagegen bilden späterhin sich neue und zwar an den innern Spaltllächen des Leibes. Je tiefer die Spaltung greift, desto tiefer rückt auch die Bildungsstätte dieser Borsten 2). Ganz vollständig übrigens wird die Theilung des Em- bryo in zwei seitliche Hälften niemals. Immer noch bleiben in der Mitte zwischen beiden, als die Ueberreste des ur- sprünglichen Zusammenhanges, einzelne Massen, welche die Verbindung derselben vermitteln. In der hintern Hälfte des Körpers haben sich diese während des allmähligen Fort- schrittes der Spaltung in einen starken Muskel verwandelt, 1) Mit Unrecht vermuthet Garus (Nov. Act. Acad. Leopold. Vol. XVII. P.I. S. 50.) von diesen Gebilden, dass sie späterhin in den hintern, mit Fimbrien besetzten Mantelrand des Thieres sich verwandelten. 2) In diesen Borsten glaubt Carus (a. a. O0. S, 55.) die ersten Anlagen der Kie- menblätter und Mundtentakel erkannt zu haben — ebenfalls irrthümlicher Weise. 166 dessen quer verlaufende Fasern an die Innenfläche der klaf- fenden Schalen sich ansetzen und solche, wenn sie sich con- trahiren, wie es von Zeit zu Zeit geschieht, vollständig schlies- sen. Vor diesem Muskel, der nach vorn bis in die Mitte des Körpers reicht, liegt eine andere wulstige Dottermasse, welche ich für die erste Anlage des eigentlichen Rumpfes mit dem Fusse ansehen möchte. Sie bildet einen queren Körper von walzenförmiger oder vielmehr von kurzer und breiter, herzförmiger Gestalt. Ihre vordern seitlichen Enden bieten ein eigenthümliches Ansehen. Sie scheinen im Innern eine ziemlich grosse ovale Höhlung zu enthalten. Quatre- fages, welcher die mittlere Körpermasse übersehen !) hat, in deren vordern Enden diese Excavationen gelegen sind, hielt die letztern für zwei seitliche Mägen und beschrieb so- gar an einem jeden derselben einen eigenen, bogenförmig nach hinten verlaufenden Darm. Eine jede Hälfte sollte hier- nach, wie ein selbstständiges Thier, mit einem gesonderten Verdauungsapparate (und Herzen) versehen sein, und die spätere völlig abweichende Anordnung aus einer secundären Verwachsung der beiden Leibeshälften hervorgehen. Einer solchen Annahme indessen muss ich, als einer gänzlich ver- kehrten und irrthümlichen, geradezu widersprechen. Aller- dings ist es auch mir nicht gelungen, den merkwürdigen embryonalen Bau mit vollständiger Sicherheit zu erkennen. So viel aber glaube ich bestimmt behaupten zu können, dass eine Organisation, wie sie Quatrefages den seitlichen Embryonalhälften zuschreibt, in Wirklichkeit nicht existirt. Was er für einen Magen gehalten, hat sicherlich diese Be- deutung eben so wenig, als der von ihm als Darm beschrie- bene bogenförmige Längswulst. Was übrigens diese Theile in Wirklichkeit bedeuten, weiss ich nicht zu sagen, da die spätern Phasen der Entwicklung mir eben so unbekannt ge- blieben sind, wie den frühern Untersuchern. Nicht völlig 1) Einen Theil derselben bilden übrigens wohl die von Quatrefages für die Herzen der beiden Embryonalhälften gehaltenen Massen. unwahrscheinlich aber ist mir die Vermuthung, dass die so- genannten Magenhöhlen in den hervorragenden seitlichen Ecken des Rumpfes die Gehörbläschen seien, in denen der Otolith sich noch nicht entwickelt habe. In der Regel (bei den Gasteropoden l), auch, nach v. Siebold2), bei Cyclas) fin- det freilich die Bildung dieser Concremente schon in früher Zeit Statt, bald nachdem die Anlage des Gehörbläschens selbst erfolgt ist, doch ist solches allein wohl noch nicht hinrei- chend, eine Vermuthung zu widerlegen, die mit der spätern Anordnung dieser Theile völlig übereinzustimmen scheint. An dem hintern Ende des Fusswulstes in der Median- linie hat sich inzwischen ein äusserst langer Byssusfaden ent- wickelt, der unverästelt ist und ausserhalb des Leibes sich meistens eine sehr ansehnliche Strecke weit verfolgen lässt. Seine grösste Dicke hat dieser Faden in dem untern Theile, mit dem er einer kurzen cylindrischen Erhabenheit, dem sogenannten Byssusorgane 3), aufsitz. Ob solches übrigens wirklich eine Drüse enthält, wie das Byssusorgan von My- tilus, Pinna u. s. w., ob es überhaupt diesem Gebilde gleich- zusetzen sei, scheint mir noch keineswegs entschieden. Ich glaube wenigstens, allerdings nur ein einziges Mal, doch hier. sehr deutlich, wahrgenommen zu haben, dass der Byssus- faden nur aus der immensen Verlängerung einer jener oben erwähnten glashellen Stacheln seinen Ursprung nimmt. Auch spricht Aussehen und Beschaffenheit der betreffenden Gebilde vollkommen zu Gunsten dieser Beobachtung. Der Rumpf ist übrigens derjenige Theil des Leibes, der mit solchen Sta- cheln am längsten versehen ist. Zwei derselben stehen zu den Seiten des Byssusfadens, zwei andere weiter nach vorn. Die von den seitlichen Schalen der jungen Muscheln 1) Vergl. Frey in Wiegmann’s Arch. 1845. T. I. S. 217. 2) A. a. 0. S. 261. 3) Quatrefages giebt — wie schon v. Siebold (a.a. 0. $. 294.) bemerkt, mit Unrecht — einem jeden Embryo zwei in der Mittellinie hinter einander gelegene Byssusorgane, aus denen immer ein doppelter Faden (in denen Quatrefages — mit Rapail — Nabelgefässe sieht) hervorragen soll. selbst umhüllten Dottertheile, die durch die Spaltung des ur- sprünglichen Leibes von einander getrennt sind, vereinigen sich wohl schwerlich jemals wieder, wie es Quatrefages vermuthet. Die mittlere unpaare Körpermasse entsteht viel- mehr, wie ich vermuthen möchte, nur durch den allmähli- gen Wachsthum des Rumpfes, in dessen Innerm sich erst späterhin der Verdauungs- und Generationsapparat entwickelt. Möglich ist es allerdings, dass hierzu auch noch ein Theil der seitlichen Dottermassen, in denen deutlich eine Menge sehr charakteristischer embryonaler Zellen sich vorfindet, ver- braucht wird. Einen Anhaltspunkt für diese Vermuthung gewährt wenigstens der Umstand, dass in einigen Lamelli- branchiaten die Eingeweide des Leibes (die Eierstöcke) sich seitlich bis in die Blätter des Mantels hineinerstrecken (so bei Mytilus u. s. w.). Vielleicht entsteht dieses Verhältniss nur aus der Persistenz und weitern Entwicklung einer im Anfang allen Lamellibranchiaten gemeinschaftlichen Anordnung. Bei den übrigen Arten würde dieselbe dann nur einen transito- rischen .Zustand bilden. Der Hauptsache nach aber gehen wahrscheinlich aus diesen seitlichen Embryonalhälften nur die Mantellappen und Kiemenblätter hervor. Wie ich vermuthe, ist der wulstige Rand der erstern von Quatrefages für die seitlichen Aorten gehalten worden, die äussere Begrenzung der, wie es scheint, jederseits noch ungetheilten Kiemenmas- sen aber für die Darmröhren. Was derselbe als venöse Ge- fässe, so wie als Arteriae meseraicae gedeutet hat, kann ich nur für Zwischenräume zwischen den Embryonalzellen der seitlichen Dottermassen halten. Unmittelbar am Vorderende des Körpers vor dem Fusse sieht man unter günstigen Verhältnissen dieselben langen und zarten Wimpern, deren frühes Entstehen ich oben erwähnt habe. Unstreitig bedecken sie die Labialpalpen, deren Me- tamorphose aus jener höckerförmigen, unpaaren Hervorra- gung jetzt bereits mag begonnen haben. So weit von den morphologischen Verhältnissen und der Entwicklung der Acephalen, welche trotz manchfacher Ab- 169 weichung dennoch im Wesentlichen eine gleiche typische An- ordnung mit den Gasteropoden zeigen. Nicht in demselben Maasse lässt sich solches aber von den Tunicaten sagen. Der hauptsächlichste Unterschied dieser letztern beruht darin, dass eine jede Spur des Vorderleibes fehlt, dass die morphologischen Elemente desselben, Lippenwülste und Fuss, vollkommen vermisst werden. Der Körper dieser Thiere ist allem dem Hinterleib der übrigen Mollusken zu verglei- chen. Die äussern Bedeckungen sind ansehnlich entwickelt, knorplich oder lederartig und bieten chemisch wie histolo- gisch ganz eigenthümliche, nirgends anders in der Thierwelt sonst vorkommende Verhältnisse. Nach der Entdeckung von C. Schmidt), die späterhin von Kölliker und Löwig?) erweitert und bestätigt ist, bestehen dieselben aus Cellulose. Eine äussere Schale fehlt den Tunicaten. Dafür aber zeigen mitunter die Bedeckungen selbst einen ansehnlichen Reich- thum an Kalksalzen. In einzelnen Fällen, wie ich es beson- ders bei einer neuen Ascidie des hiesigen physiologischen In- stitutes aus Chili sehe, erstarren diese dadurch sogar zu einem förmlichen äussern Skelet, wie bei den Echinodermen. Eine interessante Eigenthümlichkeit der Tunicaten ist es auch, dass sie sehr häufig, wie Polypen und Bryozoen, in Colonien mit einander vereinigt sind. Trotz dieser Verhältnisse entbehren aber die Tunicaten nicht aller verwandtschaftlichen Beziehungen zu den übrigen Mollusken. Die Acephalen sind es besonders, denen sie sich anschliessen, mit denen sie anatomisch und auch morpho- logisch am meisten übereinstimmen. Eine Gemeinschaft des architektonischen Planes ist nicht zu verkennen, wenngleich derselbe bei beiden auf eine mehrfach abweichende Weise realisirt ist. Der Mantel der Tunicaten erscheint nirgends mehr unter der Form eines freien, glockenförmigen oder lappigen An- hanges am Körper. Wie bei manchen Lamellibranchiaten, 1) Zur vergl. Physiolog. der wirbellosen Thiere. Braunschw. 1845. 2) Annal, des scienc. nat, 1846. T. V. p. 193. bildet er freilich eine sackartige Hülle, doch ist diese nir- gends mehr durch einenZwischenraum von dem eigentlichen Rumpfe getrennt, sondern in ganzer Ausdehnung demselben unmittelbar verwachsen, wie bei Teredo. Hierin findet es seine Erklärung, dass die Körperhöhle mit den Eingeweiden dicht unter den Manteldecken gelegen ist. Am deutlichsten ist die Analogie dieser Anordnung mit der bei den Lamellibranchiaten gewöhnlichen Bildung der äussern Mantelhülle in der Ordnung der Ascidien, die durch die Form ihres Körpers überhaupt noch am nächsten den Acephalen sich anschliessen. Die actuelle Entwicklung des Mantels istindessen verschieden. Die sackförmige Hülle des- selben bildet ‘sich bei den Ascidien nicht, wie bei den Ace- phalen, durch die Verschmelzung zweier seitlichen Lappen, sondern dadurch, dass die äussere Zellenschicht am Körper der Embryonen im ganzen Umfang sich von den unterliegen- den Massen abhebt. Wir finden hier einen Vorgang, der, wie es scheint, auch sonst wohl bei der Morphogenese in Anwendung gezogen wird. Nachdem bei einer typischen Gruppe von Thieren einmal auf einem bestimmten Wege eine Gestaltung erzielt ist, werden plötzlich zu demselben Zwecke ganz andere Mittel und Kräfte in Bewegung gesetzt. Ge- wöhnlich übrigens ist hiermit auch zugleich eine Aenderung in dem relativen Werth des Erfolges verbunden. Während dieser früherhin mehr beiläufig erzielt wurde, wird er jetzt Hauptzweck. Während früher die betreffende Gestaltung den übrigen morphogenetischen Erscheinungen untergeordnet war, tritt sie jetzt in den Mittelpunkt der gesammten Organisation. Sie wirkt bestimmend und modificirend auf den ganzen Kör- per und erscheint sogar selbst als Sitz und Schauplatz einer neuen Reihe gestaltender Processe. Gerade so nun verhält sich der Mantel der Tunicaten. In vielen Fällen bietet er eine Anordnung ganz eigenthüm- licher Art und völlig abweichend von dem Verhalten des Mantels bei den Acephalen. In andern Fällen dagegen, und so namentlich bei den Ascidien, ist die Analogie ganz un- 11 verkennbar. Der Mantel bildet hier, wie gesagt, eine ein- fache sackartige Hülle, gleich dem Mantel von Mya, Pholas und andern Lamellibranchiaten mit geschlossener Kiemen- höhle. An dem einen Ende ist dieser Sack befestigt auf Steinen, Pflanzen u.s. w. An dem andern Ende sind neben einander zwei Oeffnungen befindlich, nicht selten auf den Spitzen einer kurzen kegelförmigen Hervorragung. Eine durch beide Oeffnungen gelegte Längsebene theilt den Körper in eine gleiche rechte und linke Hälfte. Die Kiemen der Ascidien bilden, wie schon oben ange- führt wurde, einen sackartigen Behälter, der in dem äusser- sten freien Ende des Körpers gelegen ist und durch die eine der daselbst befindlichen Oeffnungen nach aussen führt. Die andere Oeffnung ist die Kloaköffnung. Im Grunde des Kie- mensacks nimmt der Darmkanal seinen Ursprung, dessen Windungen den hintern Theil des Körpers erfüllen. Vergleicht man die Organisation der Ascidien mit der der Acephalen, so muss vor Allem die Frage nach der Be- deutung jener beiden Körperöffnungen entstehen. Die eine derselben, so viel lässt sogleich sich sagen, ist die Kloak- öffnung. Doch die andere? Entspricht sie der Athemöff- nung der Lamellibranchiaten, wie die benachbarte Lage der Kloaköffnung vermuthen lässt, oder etwa der Mundöffnung? Ist — darum dreht sich die Entscheidung — das freie Kör- perende der Aseidien das hintere oder das vordere? Bei dem ersten Anblick scheint die Beantwortung dieser Fragen nicht schwer. Schon CGuvier erklärte die fragliche .Oeff- nung für die Athemöffnung, das freie Körperende für das hintere. Die Analogie mit den Lamellibranchiaten war es, die solches rechtfertigen sollte. In beiden Ordnungen würde dann die Lage der Kloak- und Athemöffnungen, so wie auch die der Kiemen ganz gleichmässig sein. Die letztern wären dann nicht nach vorn bis vor den Eingeweidesack gerückt, sondern, wie bei Teredo, hinter demselben gelegen. Nur der Mund hätte dann eine abweichende Anordnung, für die sich der Grund vielleicht in der eigenthümlichen Art der Anheftung auffinden liesse. Das zwischen Kloak- und Athem- öffnung gelegene Ganglion muss hierbei natürlich als Kiemen- ganglion gedeutet werden, nicht aber als Oesophagealgang- lion, wie wir oben es angenommen haben. Indessen fragt es sich sehr, ob solche Deutung richtig sei, ob sie besonders mit der Entwicklungsgeschichte im Einklang stehe. Davon weiter unten. Es genügt hier die Bemerkung, dass die oben erwähnte Auffassung des Baues bei den Ascidien nicht die einzig mögliche ist. Es lässt das freie Ende des Körpers auch als das vordere sich deuten, die Athemöffnung als Mund. Die Kiemen sind dann, so muss man annehmen, vor dem Eingeweidesack gelegen. Eben so ist die Kloaköffnung — vielleicht wegen der Befestigung des Körpers am hintern Theile — auf der Rückseite des Körpers nach vorn bis in die Nähe des Mundes emporgerückt. Eine eigene Athemöffnung würde hiernach fehlen und auch, bei der abweichenden Gruppirung der Kiemen, eben so unnö- thig sein, wie die Oeffnung zum Durchtritt des Fusses bei der Abwesenheit des letztern. Bevor wir jetzt indessen diese Verhältnisse näher prü- fen, wollen wir noch einige Worte über den Bau der Sal- pen hinzufügen, deren Organisation in mehrfacher Beziehung eine abweichende ist. Der Hintertheil des Leibes ist bei diesen frei und bildet eine kleine kuglige Hervorragung (nu- cleus) an der untern Fläche einer weiten, der Länge nach darüber hingelegten cylindrischen Röhre mit vorderer Athem- und hinterer Kloaköffnung. Diese beiden Oeffnungen ent- sprechen, wie schon oben erwähnt wurde, ganz offenbar den beiden neben einander gelegenen Körperöffnungen der Ascidien, die hier nur diametral einander gegenüberstehen, die vordere an der Ventralfläche, die hintere an der Dorsal- fläche des Leibes. Die Kernfläche des Cylinders ist die un- tere und entspricht dem festsitzenden Ende der Ascidien. "Die entgegengesetzte Hirnfläche ist die obere. Was wir von der Entwicklung der Tunicaten wissen, zeigt mancherlei sehr eigenthümliche Verhältnisse. Die Ent- 173 wicklung der Salpen, wenigstens der solitären Formen, die allein auf geschlechtlichem Wege, aus einem befruchteten Ei, entstehen (aber nie selbst Geschlechtsorgane bekommen und darum denn auch nur als die Ammen der in ihrem Innern durch Knospenbildung producirten zusammengeketteten For- men angesehen werden müssen), ist fast noch völlig unbe- kannt. Um so mehr ist solches zu bedauern, als wir durch die Untersuchungen von Krohn!) und Sars?) zu der An- nahme berechtigt sind, dass dieselbe von der Bildung der Ascidien beträchtlich sich entfernt. Wie bei den Cephalo- poden, wird nämlich bei ihnen nicht der ganze Dotter in den Embryo verwandelt, der übrigens schon von Anfang an den elterlichen Thieren zu ähneln scheint. Der Rest des Dot- ters bleibt beständig ausserhalb des Leibes (an der Hirnfläche der Athemröhre) gelegen und soll sogar, wie eine förmliche Placenta, den Fötus mit seinem Mutterthier verbinden. Bei den Ascidien dagegen entsteht der Embryo unmittel- bar aus einer Umwandlung der gesammten Dotterkugel und in einer Gestalt, die von der seiner Eltern sehr verschieden ist. Er gleicht einer Cercarie mit kugligem Körper und einem langgestreckten cylindrischen Schwanze, durch dessen kräftige Bewegungen er frei umherschwimmt. Die äussere Haut ist schon jetzt eine pellucide Hülle von mächtiger Dicke, obgleich im Innern noch keinerlei Structur sich unterscheiden lässt. Nach einiger Zeit setzt die Larve mit dem freien Ende ihres Körpers sich fest und verliert den Schwanz. Der übrig blei- bende kuglige Körper verwandelt sich dann in die Form einer entwickelten Ascidie. Die Mundöffnung bildet sich an demselben Orte, wo früherhin der Schwanz angeheftet war. Nun aber ist es die Frage, ob dieser Ort das vordere oder hintere Ende des Körpers bestimme. Dass der kuglige Körpertheil bei der Bewegung nach vorn getragen wird, kann noch nicht beweisen, dass er in Wirklichkeit der vordere sei. Eben so wenig der spätere Anheftungspunkt. Wir fin- 1) In den Annal, des science, nat, 1846. T. VI. p. 115. 2) Fauna littor. Norveg. S. 74. den im Gegentheil wohl immer, dass eine Larve mit dem Hintertheil des Körpers sich festsetzt (Polypen, Acalephen, Echinodermen), nicht mit dem Vordertheil. Die Möglichkeit der letztern Anheftungsweise lässt sich allerdings nicht leugnen. Indessen fehlt ihr noch ein jeder empirischer Nachweis. Die Cirripedien, die einzigen Thiere, welche dahin zu gehö- ren scheinen, setzen nicht eigentlich mit dem Kopfende des Körpers sich fest, sondern bloss mit Hülfe der zu einem ge- meinschaftlichen Stiel verschmolzenen vordern Thoracalbeine. Ueberdiess steht der Annahme, dass der sogenannte Schwanz der Ascidienlarven dem vordern Körperende ange- höre, um so weniger entgegen, als auch sonst bei den Mol- lusken die Anhänge des Körpers (Fuss und Segel) ausschliess- lich an dem Vorderleibe befestigt sind. Unter solchen Umständen möchte man dann vielleicht dahin sich entscheiden müssen, dass das freie Körperende der Ascidien nicht als das hintere, sondern als das vordere Kopfende aufzufassen sei, dass die Athemöffnung also dem Mund der Lamellibranchiaten entspreche. Was aber die Ver- hältnisse noch verwickelter macht, ist die Beobachtung von Milne Edwards!), dass nach dem Anheften der Embryo- nen und dem Verlust des Schwanzes sich die ganze innere Dottermasse der Larve allmählig um ihren Mittelpunkt dreht, bis der früherhin dem Anheftungspunkt anliegende Theil die entgegengesetzte Lage unter dem anfänglichen Insertionspunkte des Schwanzes eingenommen hat. Dann erst beginnt die Bildung der einzelnen Organe, des Kiemensacks, des Darmes und auch der äussern Oefinungen. Möglich nun, dass unter solchen Verhältnissen die richtige Auffassung des Baues bei den Ascidien zwischen jenen beiden oben erwähnten Ansich- ten in der Mitte liegt. Das freie Körperende ist allerdings wahrscheinlich das vordere, wie schon angeführt. Doch der Kiemensack, so muss man vielleicht vermuthen, verdankt seine Lage in dem vordern Abschnitt der Leibeshöhle erst einer 1) Observat. sur les accid,. comp. Paris 1841. p. 32. 175 secundären Lagenumänderung. Ursprünglich ist er in dem hintern Abschnitt des Körpers gelegen. So weit von der morphologischen Deutung der Ascidien. Was die zusammengesetzten Formen dieser Thiere betrifft, so verdient hier noch der Umstand einer besondern Erwäh- nung, dass dieselben da, wo sie sich durch eine sehr regel- mässige Gruppirung auszeichnen (z. B. bei Botryllus), nicht etwa bloss, wie Milne Edwards behauptete, durch all- mählige Knospenbildung bilden, sondern vielmehr aus einer einzigen Larve durch die Theilung der innern Dottermasse }) (also durch Vermittlung eines Generationswechsels). Noch bevor nämlich die Larve sich festsetzt, beginnt am vordern Ende der innern Dottermasse eine Spaltung, die nach hinten allmählig fortschreitet und dieselbe (bei Botryllus) in acht Theile zerfällt, welche kranzförmig um eine mittlere cylin- drische Hervorragung gruppirt sind und je zu einem selbst- ständigen Thiere sich entwickeln, während die centrale Her- vorragung zu der gemeinschaftlichen Cloake wird. Die äus- sere glashelle Hülle, die von vorn herein wie ein gemein- schaftlicher Sack die Thiere einer solchen Colonie umschliesst, wächst späterhin auch nach innen in die Zwischenräume, zwischen die einzelnen Individuen, hinein. Interessant ist es übrigens, dass bei manchen Bryozoen, wie bereits oben er- wähnt wurde, ein ganz analoges Verhältniss sich vorfindet. Um so mehr muss solcher Umstand hier beachtet werden, als derselbe vielleicht einen neuen Grund für die Verwandt- schaft dieser Thiere mit den Tunicaten darbietet. In der Klassification der Mollusken herrscht eine grosse Verwirrung und Unsicherheit, besonders bei der Aufstellung und Gruppirung der obersten Abtheilungen. Je mehr die äussere und innere Organisation dieser Geschöpfe ein Gegen- stand der Untersuchung wird, desto deutlicher stellt sich sol- ches heraus, desto dringender wird das Bedürfniss einer 1): Dass in Wirklichkeit diese Theilung vorkomme, wie schon früher Sars (Bes- krivelser over nogle maerkelige Dyr. p. 69.) vermuthete, haben die Beobachtun- gen von Löwig und Kölliker (l. c. p. 220.) neuerlich ausser Zweifel gesetzt. 176 neuen und rationellen Eintheilung. Was die von Guvier aufgestellten Klassen der Mollusken (von denen natürlich die Cirripedien ausgeschlossen sind) betrifft, so bedürfen diese insofern einer Veränderung, als die Tunicaten zu einer eige- nen Klasse erhoben und von den Acephalen abgetrennt wer- den müssen, während die Brachiopoden mit den Lamellibran- chiaten, so wie die Heteropoden und Pteropoden mit den Gasteropoden zu vereinigen sind. Die auf solche Weise ent- standenen vier Klassen sind morphologisch und anatomisch streng von einander geschieden. Nach untergeordneten Cha- rakteren gliedern sie sich in eine verschiedene Anzahl von Ordnungen. Die Tunicata, die als eine eigene Klasse bereits von Lamarck, de Savigny, Latreille, Goldfuss, Carus, Grant u. s. w. anerkannt wurden, während viele andere Zoologen dieselben nach dem Vorgang von Cuvier mit den Acephalen vereinigen, zerfallen nach der verschiedenen Art der Entwicklung und den Differenzen der Körpergestalt!) in die beiden Ordnungen der Ascidiae (Tethydes Sav.) und Salpae (Thalides Sa v.). In der Klasse der Acephala unterscheiden wir eben- falls zwei Ordnungen, die Lamellibranchiata (Cormo- poda Nitzsch, Pelecypoda Car.) und die Brachiopoda, welche durch ihre morphologischen Verhältnisse als zwei sehr natürliche gleichstehende Gruppen erscheinen. Die Anordnung des Mantels und der Schalen, so wie der innere Bau zeigt inihnen so viel Uebereinstimmendes, dass sie sicherlich nicht völlig von einander getrennt werden dürfen (wie ausser Cuvier u. A. Blainville und Burmeister thaten), ob- gleich man auch Lamarck nicht wird Recht geben können, wenn dieser die Brachiopoden ohne Weiteres den Conchife- ren einreiht. Weit grössere Schwierigkeiten macht die fernere Ein- theilung der Klasse der Gasteropoden, die dem Umfang 1) Vergl. bes. Savigny I. c. p. 163. 177 nach, in welchem wir dieselbe. hier betrachten, fast voll- kommen (nur die Gattung Chiton!) ist ausgeschlossen) den Paracephalophora von de Blainville?2) (Gephalophora Meckl.) übereinstimmt. Lamarck vereinigte die durch Cuvier von einander getrennten Gasteropoden, Pteropoden und Heteropoden, fügt ihnen aber auch zugleich noch die Cephalopoden hinzu 3). Noch immer aber behalten hier jene Gruppen ihren Werth als selbstständige Ordnungen. Die Cuvierschen Gasteropoden sind zugleich in die Trachelipoda und die eigentlichen Gasteropoda zerfällt. In der erstern Gruppe werden — ohne besondere Rücksicht auf denBau — die Gehäuseschnecken mit spiraliger Schale zusammengestellt, in der letztern die übrigen. Aehnlich treffen wir neuerdings auch bei v. Siebold die Gasteropoden oder Cephalophoren, wie dieselben mit Meckel genannt werden, abgetheilt. Die Pteropoda, Hete- ropoda und Gasteropoda bilden die drei Ordnungen*) der- selben, obgleich bereits Blainville die sehr nahe Verwandt- schaft der erstern mit den Pomatobranchiata hervorgehoben hat, und auch die Cuvierschen Gasteropoden mehrere ge- wiss eben so hoch stehende Gruppen umfassen, als die He- teropoden deren eine bilden. Damit soll aber nicht gesagt werden, dass ich die Cuvierschen Ordnungen der Gaste- ropoden in ihrem ursprünglichen Umfang als Ordnungen will beibehalten wissen. Im Gegentheil lässt es sich nicht ver- kennen, dass hier die Beschaffenheit der Kiemen als einziges Eintheilungsprineip nicht hinreicht, und dass manche der von 1) Das Genus Chiton bildet bei Lamarck den Repräsentant einer eigenen Klasse (der Polyplaxiphora), die mit den Cirripedien in einer besondern, allen übri- gen Mollusken entgegen stehenden Unterabtheilung vereinigt ist. 2) Dict. des science, nat. T. XXXII. 3) Die dadurch gebildete Klasse bezeichnet Lamarck als die der Mollusca. Die Acephalen bilden als Conchifera eine eigene davon getrennte Klasse. 4) Eben so bei Goldfuss, welcher als vierte Ordnung die Cephalopoda hinzu- setzt. Bei Burmeister sind die Heteropoden unter den Gasteropoden einge- reiht, während die Pteropoda neben den Gasteropoda und Cephalopoda als eine besondere Ordnung dastehen, 12 178 Cuvier aufgestellten Ordnungen kaum einen grösseren Werth, als den von Familien, haben. So müssen nach meiner Ansicht die Hypobranchiaten, Pomatobranchiaten und Pteropoden in eine einzige gemein- schaftliche Ordnung, die ich vorläufig als die Ordnung der Heterobranchiata bezeichnen möchte, vereinigt werden. Sehr auffallend zeichnen sich dieselben durch eine eigen- thümliche Anordnung der Geschlechtsorgane vor allen übri- gen Gasteropoden aus. Auch in der Structur des Nerven- systems und der Verdauungsorgane zeigen sie manchfache Uebereinstimmungen. Durch die Hypobranchiaten nähert sich diese Gruppe den Gymnobranchiaten, die mit den Phlebente- ren (Aphneusta Köllik.) eine zweite Ordnung bilden. Aeus- serlich sind die hierher gehörenden Gasteropoden durch die Abwesenheit von eigentlichen Kiemen charakterisirt. Sehr passend möchte daher vielleicht für sie die Dume£rilsche Bezeichnung der Dermatobranchiata sein. In der An- ordnung der Geschlechtstheile, so wie des Nervensystems besitzen dieselben ebenfalls mancherlei Abweichungen von den übrigen Gruppen. Die Guvierschen Pulmonatal), Heteropoda und Ctenobranchiata scheinen mir sehr natürliche Ordnungen, durch manchfache anatomische Ver- hältnisse ausgezeichnet. Eben so die Cyclobranchiata, die besonders durch die eigenthümliche Structur ihrer Ge- schlechtsorgane als eine selbstständige Ordnung?) sich zu er- kennen geben, Dagegen, glaube ich, müssen die Aspidobranchiata auf- gelöst werden. Halyotis gehört offenbar zu den Ctenobran- chiaten, Fissurella und Emarginula vielleicht zu den Pomato- branchiaten. Die Cuvierschen Cirribranchiata zeigen manch- 1) Die zweigeschlechtlichen Lungenschnecken stehen vielleicht am besten bei den Ctenobranchiaten, wohin sie auch von Blainville u. A. gerechnet sind. 2) Das Gen. Chiton ist nach seiner ganzen Structur mit Patella so nahe verwandt, dass eine Trennung beider und eine besondere Ordnung der Polyplaxiphora Latr. oder Crepidopoda Car., in welcher Chiton etwa eine Stelle fände, mir sehr unnatürlich scheint. 9 fache Analogie mit den Heteropoden, wie Des Hayes!) be- sonders hervorgehoben hat, während endlich die Tubulibran- chiaten entweder den Pectinibranchiaten oder vielleicht auch den Heterobranchiaten möchten beizuzählen sein. Die Gruppen also, die ich einstweilen als Ordnungen den Gasteropoden zurechnen möchte, sind die Cyclobran- chiata, Heterobranchiata, Dermatobranchiata, Pulmonata, He- teropoda und Ctenobranchiata. Als vierte und letzte Klasse der Mollusken erscheinen die Cephalopoda, die gewiss mit Recht eine eigene Klasse bilden und nicht etwa, wie Lamarck, Nitzsch, Gold- fuss, Burmeister u. A. es gethan haben, mit den Gaste- ropoden (als Cephalica Nitzsch) vereinigt werden dürfen 2). Als Ordnungen derselben möchten vielleicht die Dibranchiata und Tetrabranchiata®) anzusehen sein, obgleich es nicht zu verkennen ist, dass die unterscheidenden Charaktere dieser beiden Gruppen kaum beträchtlicher sind, als diejenigen, welche sonst als Merkmale zweier verwandter Familien hin- gestellt werden. Möglich ist es daher, dass beide Gruppen auch hier nur als eben so viele Familien angesehen werden müssen. Vielleicht würde man dann unter den zahlreichen ausgestorbenen Arten dieser Klasse (etwa in den Belemniten) die Repräsentanten einer andern Ordnung zu suchen haben. 1) Mem. de l’Acad. de la science, d’hist. nat, de Paris. T. II. p. 321 2) Nachdem oben die morphologische Uebereinstimmung in dem Bau der Cephalo- poden und Gasteropoden nachgewiesen worden, bedarf wohl die Annahme von Meckel (a. a. 0, S. 148.), dass die Cephalopoden von den übrigen Mollusken gänzlich zu trennen seien und eine selbstständige hoch organisirte Abtheilung unter den wirbellosen Thieren bildeten, nicht mehr einer besondern Widerlegung. Eine Ordnung (oder Familie) der Siphonifera s. Polythalamia, in welcher nach der Beschaffenheit der äussern Schale die differentesten Arten (Nautilus und Spirula) zusammengestellt werden, scheint mir sehr unnatürlich, nn — 180 Zusatz zu S. 35. Während des Druckes der vorstehenden Schrift ist mir das Augustheft der Annal. des scienc. nat. 1847. mit einer Abhandlung von Derb&s über die Entwicklung der Seeigel in die Hände gekommen. Die frühern Untersuchungen von Dufosse& ergebensich hiernach als falsch. Der Embryo der Echinen verwandelt sich, ohne vorher sich festgesetzt zu haben, aus einem Anfangs sphärischen Körper in einen Pluteus. Die spätern Entwicklungsphasen kennen wir durch J. Müller, dessen Untersuchungen „über die Larven und die Metamorphose der Ophiuren und Seeigel“ so eben aus- führlicher erschienen sind. Die von mir ausgesprochene Ver- muthung, dass die von Müller beobachteten Larven jener echinusartigen Echinodermen Spatangiden gewesen seien, fällt hiernach zusammen. Eben so die Angabe von Sars, dass die Madreporenplatte der Rest des frühern Stiels sei. Die- selbe ist vielmehr, wie Müller (a. a. OÖ. S. 30.) nachweist, als Nabel zu betrachten und bezeichnet die Stelle, an wel- cher der Schlund des Pluteus mit dem späterhin in den Darm des ausgebildeten Echinoderm verwandelten Magen zusammenhing. — Auf der andern Seite giebt übrigens die hierdurch über allen Zweifel erhobene Uebereinstimmung in der Entwicklungsweise ‚der Echiniden und Asteriden — die ältern Beobachtungen von Sars bedürfen unstreitig einer Revision — einen neuen Grund für die Vereinigung dieser Formen in einer gemeinschaftlichen Klasse, wie ich es oben (S. 43.) vorgeschlagen habe. . x ‘ ww \ j BR | * } nr # r . . # B p € 4 ö ” \ ' . D u, ® = else ee Date Due