IRLF BIOLOGY OTTO HARRASSOWITZ1 BUCHHANDLUNG-ANTIQ. ••LEIPZIG-' UNSERE KORPERFORM UNI) DAS PHYSIOLOGISCHE PROBLEM IHRER ENTSTEHUNG. BRIEFE • •' AN EINEN BEFREUNDETEN NATURFORSCHER VON WILHELM HIS. LEIPZIG, VERLAG VON F. C. W. VOGEL. 1874. DAS UEBEKSETZUNGSRECHT 1ST VORBEHALTEN. NACHBILDUNG DER HOLZSCHNITTE VERBOTEN. WAS DKU FREUND DEM FREUNDE SCIIRIEB WIDMEN BEIDE IHREM HOCHVEREHRTEN CARL LUDWIG ZUR FEIER DES 25JAHB1GEN LEIIRAMTS DEN 15. OCTOBER 1874 VORWORT. Die nachfolgenden Briefe, auf Anregung eines nahe be- freundeten Naturforschers und unter dessen lebhafter kritischer Theilnahme geschrieben, sollen in gedrangter und libersicht- lichcr Form die Stellung auseinandersetzen , welcbe die Ent- wicklungsgeschichte bei den Grundfragen organischer Natur- forschung zu behaupten hat. Dass diese Stellung eine hervor- ragende sein mtisse, wird kaum mehr bestritten. Wiederholt schon hat man es in neuerer Zeit unternommen, bei Begrlin- dung der Descendenzlehre entwicklungsgeschichtliches Material weiteren Kreisen vorzulegen. Jedoch ist dies nicht durchweg mit der nothigen Sachkenntniss geschehen, und so darf wohl die Stimme eines Forschers, der der Entwicklungsgeschichte seit Jahren seine verftigbaren Krafte gewidmet hat, trotz der Unvollkommenheit des Dargebotenen einen Anspruch auf Beachtung erheben. Es sind die „ Briefe" ftir eiuen weiteren Kreis, als denjenigen reiner Fachleute bestimmt, sie sind an naturwissenschaftlich gebildete Leser gerichtet, welche Aus- dauer genug besitzen, urn sachlichen Erorterungen sowohl, als Gedankengangen zu folgen, die ihrem Wesen nach nicht zu VI Vorwort. den leichtesten gehoren. Einzelne zu weit ins anatomische Detail abschweifende Abschnitte konnen von denjenigen, die kein Interesse dafiir haben, leicht ttberschlagen werden. Besonders soil es mich freuen, wenn es den Briefen ge- lingen wird, ihre Freunde in der Generation heranwachsender Forsclier zu gewinuen. Dass die Schrift, anstatt mit einer abgerundeten Weltanschauung, mit der Aufstellung neuer Ar- beitsziele schliesst, werden mir diejenigen gerade nicht ver- denken, die, noch unbefangenen Sinnes, ihre frischen Krafte der wissenschaftlichen Arbeit zu widmen entschlossen sind. Dem Herrn Verleger meinen besten Dank fiir die Sorg- falt der Ausstattung. Leipzig, im Januar 1875. Der Verfasser. Inhaltsverzeichniss. Erster Brief. Die embryonale Korperform und ihre Entstehungsgeschichte . . I Z welter Brief. Princip der organbildenden Keimbezirke, dorsale und ventraleFla- chen der Embryonalanlage und deren Sonderung; vorderes und hinteres Korperende; allgemeine Topographic der Keimbezirke 18 Dritter Brief. Die Schichten der Embryonalanlage. Keimblattlehre. Parablastische und archiblastische Anlagen 32 Vierter Brief. Faltenbildung im Keim und deren Bedingimgen 45 Fiinfter Brief. Mechanik der Blatterspaltung, Einfluss der Keimscheibenspannungen auf die Form derZellen. Ueberschreitung der Elasticitats- und der Festigkeitsgrauzen, Bildung des Axenstrangs und der Ur- wirbel , Bildung von Nathen ...*»......... 55 Sechster Brief. Allgemeinheit des Faltungsprincipes bei der Bildung von Organ- anlagen. Bildung vonHerz, Luftrohre, Lungen, Leber, Schild- driise, Mageu und Milz 66 Siebenter Brief. Die weiteren Folgeu vom Priucip ungleichen Wachsthums. Die Folgen der Abfiachung des Korpers; Umbildung des Gesichtes. 82 Achter Brief. Das embryonale Gehirn. Formen einer sich biegenden elastischen Rohre. Ableitung der ersten Gehirnformen . ....... 93 Neunter Brief. Bedeutung der Bruckenkrummung fur die Entwicklung des Klein- hirns und der Medulla oblongata; Hemispharen des Grosshirns und deren Umbildung. Auftreten der weissen Substanz . . . 105 VIII Inhaltsverzeichniss. Seite Zehnter Brief. Das Wachsthumsgesetz ; raumliches und zeitliches Wachsthums- gefalle und deren Bedeutung fur die schliessliche Ausbildung des Korpers 119 Elfter Brief. Theorien derZeugung, Extract- und Pratormationstheorien, Theo- rieu formbildender Krafte 130 Zwfflftor Brief. Die Theorien tier iibertragenen Bewegung 145 Dreizelmter Brief. Vermittelung erblicher Uebertragung. Die Descendenzlehre und die Beziehungen der Morphologie zu derselben . . . . . . 156 Vierzelmter Brief. Die Erklarung organischer Korperform durch dasDescendenzprincip, das ,,biogenetische Grundgesetz" und seine Begriindung. Unmit- telbare und mitfelbare Erklaruug . . . . k- . . . . ; . . 165 Funfzelmter Brief. Die Beziehungen embryonaler Formen zu einander; die erste Ent- wicklung des Amphioxus und des Petromyzon verglichen mit der- jeuigen von Knochenlischen . •».•- *,r .•;»->. 177 Sechszelmter Brief. Ueber die specifische Physiognomie jiiugerer Embryonen. ... 192 Siefozelmter Brief. Beziehungen zwischen Descendenzprincip und Wachsthumsprincip. Schlusswort . .. .. ..'-,*.*-.. ^ . » -,*. .>>'.-*'::-«, r-. ,-.,^ * • 207 Bemerkung-en . . . »% . . . ,- . . . . . 216 Verzeiclmiss der Abbildungen. In Betreif der Fig. 1, 2, 5, 6, 9, 10, 14 u 15 ist die Bemerkung I, 1 S. 216 zu vergleichen. Fig. I. Huhnchen vom 4.Tage der Bebriitung. Dorsalansicht. 20inal vergrossert. Fig. 2. Dasselbe. Ansicht von der Bauchseite. Fig. 3. Querschnitt durch obigen Embryo. 40mal vergrossert. Prisma- zeichnung nach der Natur. Fig. 4'. Querscbnitt desselben Embryo durch die Herzgegend. Zeich- nung und Vergrosserung wie oben. Fig. 5. Huhnchen vom 3. Tage der Bebrutuug. 20mal vergrosserte Ruckenansicht. Fig. (5. Dasselbe. Bauchansicht. Fig. 7. Querschnitt durch den Embryo. Vergrosserung 40. Prisma- zeichnuug nach der Natur. Fig. 8. Primitivdarm des obigen Embryo. 20mal vergrossert. Form und Ausdehnuug des geschlossenen Vorderdarms sind auf dem Wege der Construction festgestellt isiehe meine Entwicklung des Huhnchens. S. 182) und nach dem Modell gezeichuet. Fig. 9. Huhnchen vom Beginne des 3. Bebriitungstages. Vergros- serung 20mal. Dorsalansicht. Fig. 10. Htihnchen vom 2. Bebriitungstag. Vergrosserung 20. Dor- salausicht. Fig. 11. Querschnitt durch den Embryo Fig. 9. Vergrosserung 40. Prismazeichnung nach der Natur. Fig 12. Liingsschnitt durch das vordere Korperende eines Huhner- cinbryo vom 2. Bebriitungstage. Vergrosserung 40. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 13. Querschnitt durch den Embryo Fig. 10. Vergrosserung 40. Prismazeichnung nach der Natur. X Verzeichniss der Abbildungen. Fig. 14. Hiihnerembryo vom Ende des 1. Bebriitungstages. Ver- grosserung 20. Dorsalansicht. Fig. 15. Embryo nalanlage aus einem etwa 18 Stunden bebriiteten Hiihnerei. Vergrosserung 20. Dorsalansicht. Fig. 16. Schema zur Veranschaulichung der Keimfaltenumlegung. Fig. 17. Gesicht des Embryo Fig. 9. Vergrosserung 20, nach Modell. Fig. IS. Querschnitt durch den Kopf von Embryo Fig. 17, Fig. 19. „ „ „ „ Fig. 5 ; beide Fi- guren 40mal vergrossert. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 20. Hinteres Leibesende eines Embryo vom 5. Bebriitungstage. Vergrosserung 20. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 21. Schnitt durch das hintere Rumpfende eines Hiihnchens vom 5. Bebriitungstage. Vergrosserung 10. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 22. Gleicher Schnitt, etwas weiter hinten gefiihrt. Fig. 23. Schematischer Langsschnitt, um die Zusammenfaltung der primitiven Korperanlage zu veranschaulicheu. Fig. 24. Schema zur Darstellung der urspriinglich flachenhaften Ver- theilung der Organanlagen. Fig. 25. Wiederholung von Fig. 1. Fig. 26. Wiederholung von Fig. 5. Fig. 27. Wiederholung von Pig. 13. Fig. 28. Wiederholung von Fig. 11. Fig. 29. Querschnitt durch den Rumpf desselben Hiihuchens wie Fig. 28, etwas weiter vorn durchgefiihrt. Fig. 30. Wiederholung von Fig. 7. Fig. 31. Wiederholung von Fig. 3. Fig. 32. Querschnitt durch eiu Htihnchen vom 4. Bebriitungstage. Vergrosserung 40. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 33. Querschnitt durch den Rumpf eines Hiihnerembryo vom Beginn des 3. Bebriitungstages. Vergrosserung 85. PrismazeichnuDg nach der Natur. Fig. 34. Querschnitt durch denselben, etwas weiter hinten. Fig. 35. Wiederholung von Fig. 15. Fig. 36 — 39. Schematische Figuren zur Veranschaulichung der Folgen ungleichen Wachsthums. Fig. 40. Wiederholung von Fig. 34. Fig. 41. Stuck Keimscheibe des unbebriiteten Hiihnereies im senk- rechten Durchschnitt. Vergrosserung 250. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 42. Stuck Keimscltfibe des Hiihnereies nach Sstiindiger Bebrii- tung, im senkrechten Durchschnitt. Vergrosserung 250. Prismazeichnung nach der Natur. Verzeichniss der Abbildungen. XI Fig. 43. Keimscheibe des Hiihntreies. 15 Stunden bebrutet. Ver- grosserung Jt). Prismazeichnung nacli der Natur. Fig. 44. Embryonalbezirk der Keimscheibe im Stadium der Blatter- spaltung, senkrechter Durchschnitt. Vergrosserung 250. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 45. Keimscheibe des Huhnes nach '26stundiger Bebriitung, senk- rechter Durchschnitt. Vergrosserung 1 50. Prismazeichnung nach der Natur. Fig.. 46. Wiederholung von Fig. 18. Fig. 47. Wiederholung von Fig. 19. Fig. 48. Querschnitt des Lachskeimes 8 Tage nach der Befruchtung. Vergrosserung 85.. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 49. Dasselbe etwas weiter hinten. Fig. 50. Wiederholung von Fig. 13. Fig. 51. Schema der Nathbildung. Fig. 52—57. Querschnitte zur Bildungsgeschichte des Herzens. Ver- grosserung 40. Prismazeichnungen nach der Natur. Fig. 58. Querschnitt durch einen Huhnerembryo , woran gleichzeitig die Anlage der Brust- und diejenige der Bauchhohle zu sehen sind. Ver- grosserung 40. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 59. Wiederhblung von Fig. 12. Fig.*60. Wiederholung von Fig. 4. Fig. 61. Querschnitt durch den Aussenbezirk einer Keimscheibe, vom Beginn des 3. Tages. Blutgefasse und Blutinseln. Vergrosserung 250. Fig. 62. Wiederholung von Fig. 18. Fig. 63. Wiederhohlung von Fig. 19. Fig. 64. Querschnitt durch einen 3tagigen Huhnerembryo. Luftro'hren- anlage. Vergrosserung 40. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 65. Dasselbe etwas weiter hinten, Lungenanlage. Fig. 66. Wiederholung von Fig. 8. Fig. 67. Schema zur Abschniirung der Gebilde des Vorderdarms. Fig. 6b. Wiederholung von Fig. 23. Fig. 69. Wiederholung von Fig. 2. Fig. 70. Wiederholung von Fig. 32. Fig. 71—76. Wiederholung vou Fig. 27—32. Fig 77. Wiederholung. von Fig. 17. Fig. 78. Wiederholung von Fig. 6. Fig. 79. Wiederholung vou Fig. 2. Fig. 80. Gesicht eines Huhnchens nach otagiger Bebriitung. Smal vergrossert. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 81. Wiederholung von Fig. 9. Fig. 82. Gehirn eines Huhnchens vom 2. Bebrutungstage. Vergr. 40. XII Verzeichniss der Abbildungen. Hinsichtlich dieser and dtr zwei folgenden Figuren gilt dasselbe \vie von Fig. 1, 2 u. s. w. Die Contouren sind nach der Natur, die korperliche Schraffirung nach dem Wachsmodelle ausgefuhrt. Fig. 83. Gehirn eines Hiihnchens vom Beginn des 3. Bebriittingstages. Vergrosserung 40. Fig. 84. Gehirn eines Stligigen Hiihnchens. Vergrosserung 40. Fig. 65. Gummischlauch, obeu convex, unten concav gebogen. Fig. 86. Gummischlauch, dessen oberesEnde durch einen eingesetz- ten Zwirnfaden zuriickgezogen ist. Fig. 87. Geschlitzter Gummischlauch mit concaver Biegung. Fig. 88. Geschlitzter Gummischlauch mit convexer Biegung. Fig. 89. Geschlitzter und der Lange nach zusammengestossener Gum- mischlauch. Fig. 90. Wiederholung von Fig. 10. Fig. 91. Wiederholung von Fig. 8. Fig. 92. Gehirn eines Hechtembryo, 3 Tage nach der Befruchtung. Vergrosserung 30. Hinsichtlich der Ausfuhrung gilt von Fig. 92—94 das- selbe, wie von Fig. 82-84. Fig. 93. Gehirn eines Forellenembryo, 4 Wochen nach der Befruch- tung. Vergrosserung 30. Fig. 94. Dasselbe von oben gesehen. Fig. 95. Hirn eines Salmenembryo von 2 Cm. Lai;ge im Medianschnitt. Vergrosserung 20. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 96. Hirn eines menschlichen Fotus aus der 7. Woche. Seiten- ansicht, 2mal vergrossert. Fig. 97. Gehirn eines menschlichen Fotus aus der 10. Woche. Seiten- ansicht, 2mal vergrossert. Fig. 98. Dasselbe, Ansicht von hinten. Fig. 99. Mediale Flache der abgetragenen Hemisphere. Die Fig. 97 — 99 wurden nach Photographien gezeichnet, welche nach der Natur auf- genommen sind. Fiir die vordere Halfte von Fig. 96 und von 99 habe ich ausgefuhrte Wachsmodelle mit benutzt. Fig. 100. Wiederholung von Fig. 84. Fig. 101. Gehirn des Huhnchens, Profilansicht. Vergrosserung 30. Nach Wachsmodell. Fig. 102. Gehirn des Froschembryo, Pronlansicht, Vergrosserung 30. Nach Wachsmodell. Fig. 103. Gehirn des erwachsenen Huhnes. 2fache Vergrosserung. Fig. 104. Gehirn des Frosches. 5mal vergrossert. Fig. 105. Gehirn von Petromyzon fluviatilis nach Joh. M tiller. Fig. 106. Horizoutalschnitt durch das Gehirn eines ReMotus. Ver- grosserung 6. Prismazeichnung nach der Natur. Verzeichniss der Abbildungen. XIII Fig. 107. Frontalschnitt durch den Kopf eincs Kaninchenfotus. Ver- grosserung ,10. Prismazeichntmg nach der Natur. Fig. 10S. Gleicher Schnitt etwas weiter hinten gefuhrt. Fig. 109—112. Wiederholung von Fig. 96—99. Fig. 113. Gehirn eines ca, 41/-monatlichen menschlichen Fotus von aussen her gesehen. Der hintere Theil des Seitenventrikels ist erftffnet; nach der Natur. Fig. 114. Hemisphere desselben Gehirns von der medialen Seite her gesehen. Fig. 115. Gehirn des Schafes uach Leu ret. auf 3/.-, reducirt. Fig. 116. Schematische Wachsthurascurven. Fig. 117. Figuren zur Entwicklung des Amphioxus lanceolatus Copien nach A. Kowalewsky auf halbe Grosse der Originalien reducirt. Fig. 1 IS. Figuren zur Entwicklung von Petromyzon Planeri. Copien nach Max Schultze auf 2/3 der 30fach vergrosserten Origiuale reducirt. Fig. 119. Lachskeim im Beginn des 6. Tages nach der Befruchtung, senkrecht durchschnitteu. 40mal vergrossert. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 120. Lachskeim im Beginn des 7. Tages nach der Befruchtung, senkrecht durchschnitten. 40mal vergrossert. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 121. Lachsembryo vom Beginn des 12. Tages. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 122. Forellenembryo vom 12. Tage; beide Figuren sind in der Reliefansicht bei Beleuchtung von oben gezeichnet. Prismazeichnung nach <1< r Xutur. Fig. 123. Lachsembryo vom Beginn des 14. Tages, ist urspriinglich im auft'allenden Lichte gezeichnet. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 124. Lachsembryo vom Beginn des 15. Tages, im durchfallen- den Lichte gezeichnet. Prismazeichnimg nach der Natur. Fig. 125. Protilansicht von 123. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 120. Schema zur Veranschaulichung der Korperbildung beim Knochentischembryo. Fig. 127 — 130. Schematische Zeichnungen, urn die Umwachsung des Dotters durch die Keimscheibe und die gleichzeitige Verliingerung des Embryo darzustellen. Fig. 131. Lachsei lOmal vergrossort. Der Embryo imProfil gesehen, der Randwulst far vier verschiedene Entwicklungsstadien eingezeichnet. Fig. 132. Menschlicher Embryo. Vergrosserung 8. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 133. Schweinsembryo. Vergrosserung S. Prismazeichnung nach der Natur. XIV Verzeichniss der Abbildungeii Fig. 134. Rehembryo. Vergrosserung 8. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 135. Kaninchenembryo. Vergrosserung 8. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 136. Meerschweinchenembryo. Vergrosserung 8. Prismazeich- nung nach der Natur. Fig. 137. Hiihnerembryo. Vergrosserung 8. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 138. Gesicht eines 5tagigen Huhnerembryo's. Vergrosserung 8. Prismazeichuung nach der Natur. Fig. 139. Gesicht eines 14tagigen Kaninchenembryo's. Vergr. 8. Prismazeichnung nach der Natur. Fig. 140. Gesicht eines Btagigeu Huhnerfotus. Vergrosserung 8. Prismazeichnung nach der Natur. Erster Brief. Die embryonale Korperform und ihre Entstehungsgeschichte. Lieber Freund! Bei unserer jtingsten personlicben Be- gegnung 1st die Bedeutung der thieriscben Korperfonn lebbaft zwischen uns besprocben worden, sowie aucb die Rolle, welcbe der Entwicklungsgescbichte bei deren Erklarung zukommt. Dartiber sind ja zur Zeit alle Naturforscher einig, dass die Entwicklungsgeschicbte ein Grundstein unseres Verstandnisses organiscber Formen sei, nicbt aber darliber, wie dieser Grund- stein bearbeitet und wie er beim Anfbau einer wissenschaft- licben Biologic verwendet werden mtisse. Bammtlicbe Forscber, die in den Tbatsacben der Entwicklungsgescbicbte Hoberes sucben, denn eine zeitlicbe Aufeinanderfolge mehr oder minder NcrschitMlcnartiger Bilder, verfolgcn das Ziel, werdende und iertige Formen organiscber Wesen in ibrer Zusammengeborig- keit zu verstchen. Aber wann 1st iiberbaupt eine Form geistig verstanden ? Den Lebren der Descendenztbeorie gemass siebt dermalen eine grosse /alii von morpbologiscben Scbriftstellern eine orga- niscbe Form als verstanden an, wenn sie dieselbe einer Reihe von abnlicben Formen als ein, durcb Uebergange vermitteltes Glied eingereibt hat. Alsdann namlich ist, der Lebrc zufolge, die Blutverwandtscbaft der Form mit den Ubrigen Gliedern der Reibe erwiesen, und verm5ge der Gesetze der Erblicbkeit und der Anpassung sofort aucb erklart. Der wissenscbaftliche Schwerpunkt der Entwicklungsgescbicbte wird in die Auf- deckung der Formabnlicbkeiten verlegt, welcbe auf frUhen Embryonalstufen selbst zwiscben solcben Wesen bestehen, deren His, Briefe. 1 - 5-i-.?*':*fVifc i"; 2 ?= 'Erster Brief. reife Gestalt der Vergleichung geringe Anhaltspunkte bietet. In dieser Hinsicht bietet die Entwicklungsgeschiclite cine ausserst reiche Ausbeute, und ihre Ergebnisse werden ganz allgemein und unbedenklich als directe Beweisstiicke ftir den genetischen Zusammenhang organischer Formen verwendet. Consequenterweise*fallt damit der Entwicklungsgeschichte die Rolle zu, der Descendenzlehre als Dienerin das Material her- beizuschaffen, dessen diese zum speziellen Ausbau des Systems bedarf. Alle Erfahrungen liber Erblichkeit und iiber Anpassung konnen uns nttn aber, meiner Ueberzeugung nach, der Noth- wendigkeit nicht entheben, der Entwicklungsgeschichte ihre selbststandige Stellung und ihre selbststiindigen Aufgaben zu vindiciren. Die Entwicklungsgeschichte ist ihrem Wesen nach eine physiologische Wissenschaft, sie hat den Aufbau jeder ein- zelnen Form aus dem Ei nach den verschiedenen Phasen nicht allein zu beschreiben, sonderii derart abzuleiten, dass jede Ent>vicklungsstufe mit alien ihren Besonderheiten als nothwen- dige Folge der unmittelbar vorangegangenen erscheint. Als entfernteres Ziel steht vor ihr die Untersuchung der Bedingun- gen erblicher Uebertragung selbst Hat erst die Entwicklungs- geschichte ftir eine gegebene Form die Aufgabe physiologischer Ableitung durchgreifend erfiillt, dann darf sie mit Recht von sich sagen? dass sie diese Form als Einzelform erklart habe. Schon bei der physiologischen Erklarung einer einzelnen Form, noch mehr aber bei derjenigen ganzer Formenreihen konnen Gesichtspunkte allgemeiner Art nicht ausbleiben, Gesichts- punkte, von welchen sicherlich neues Licht liber das Problem der organischen Form ausgehen wird. Sollte eine, auf soldier Grundlage sich erhebende Morphologic die Gedankenkreise nicht zu uberschreiten haben, in welchen heutige Schulen sich bewegen ? Als wir diese und andere verwandte Fragen erorterten, da hast Du mir den Wunsch nach eingehenderer Begrundung der Ansichten ausgesprochen, die ich mir, an der Hand mei- ner Erfahrungen iiber die Entwicklung einiger hoherer Thiere, von den Aufgaben und Methoden, sowie von der Tragweite embryologischer Forschung gebildet habe. Ich habe Dir meine Bereitwilligkeit erklart, neuerdings iiber diese Dinge mich Die embryoiiale Korperform und ihre Entstehungsgeschichte. 3 auszusprechen, allein das eine musst Du mir ge- statten, dass ich Dich vorerst rait einer gewis- sen Summe entwick- lungsgeschichtlicher An- srhauungcn vertraut marlii', als dem Boden, von dem aus wir spater die Fragen allgemeine- iv r Natur in Angriff neh- inen kiinnen. Zwar be- alisichtigc ich nicht, Dir ini'hr I )c-tail init/.utheilen, als ciiuMi Naturforscher, odcr iilu'rlianpt einen p-liildi'U'ii Mciisclien in- tt'ivssiren kann. Immer- liin wcrdcn wir manche in den Lehrbiichern we- nii;- beachtete Verbal t- nissc init cinander zu ln'trachten haben, die t'iir das Ycrstandiiiss ent- stchondi'i* Forineii be- (Ic'utun^svoll sind, ande- rcs dat'iir uvirlassend, -iilM-r jrdes Lehrbuch Belehrung giebt. Znni Begiuji lege ich Dir die Zeichnung eines Hiihnchens vor, so weit in seinerForm ent>vickelt, dass die Grundztige der spiiteren K(>r])ergliede- niiiir daran eben erkenn- bar sind.1) Den Kopf mit seinen grossen Augen, den Rumpt' 11 lit seinor ((uercn Gliederung, die Extremitatenstummel und Fig. 1. Huhnchen vom vierten Tage der Bebrfltung. *2omal vergrosserte Dorsalansicht. Erster Brief. ff. All. Fig. 2. Dasselbe in der Ansiclit von der bauchseite. Eg. Biechgrube. H. Hemisphare. Mh. Mittelhirn. Ls. Linse. Ok. Oberkieferfortsatz. Uk. Unterkieferfortsatz. M. Mundhohle. Gh. Gehorblase. Sp. Schlundspalten. Hz. Herz. Ex. Extremitaten. Mg. Magenanlage. Lb. Leberanlage. D. Darm. All. Allantoisanlage. Sz. Schwanz- Lw. Umschlagsstelle der l.eibeswand am Leibesnabel in das Aranion. Dd. Umschlagsstelle des Darmdrusenblatt«s. das Schwanzende des Kdrpers wird auch der Laie leicht unterschei- den. l) Von inner enHaupt- organen sehimmert das Him durch die aussere Decke durch, wahrend das Herz als doppelt ge- kriimniter Schlauch die Bauchflache des Leibes frei iiberragt. Noch ist namlicli der Leib nicht geschlossen, eine schma- le Spalte 7 der Leibes- nabel genannt, beginnt hinter der Unterkiefer- gegend und zieht sieh von da bis zwischen die liinteren Extremitaten- stummel. Du kannst so- mit den Korper, in seiner vorliegenden Gestalt7 als ein lang'gestrecktes Rohr auffassen , das beider- seits blind endigt und das an seiner Bauchseite auf- geschlitzt ist. Das Kopf- ende des Rohres ist ^-er- dickt und vorn iibcrge- bogen, seine Seitenwand mit den als Hocker her- vortretenden Anlagen der vier Extremitaten besetzt. Der Schluss des Leibes erfolgt all- mahlig durch Aneinan- derlegen und Verwach- sen derRander derNabel- spalte. Der letzte Rest Die embryonale Korperform uud ihre Entstehungsgeschichte. 5 einer Oeffnung erhalt sich beim Vogel, wie beim Saugethier, bis zur Zeit der Geburt und dient bis zuletzt wichtigen Er- nahrungsgefassen als Pforte. So lange hangt auch die Leibes- wand fanfangs unmittelbar, spater durch Vermittelung des Nabelstrangesj mit einer dtinncn, den Korper umgebenden Htille, dem Amnion zusammen. In dem von der Leibeswand gebildeten Rohr liegt ein zweites, das, wie jenes, nach vorn und nach hinten bin blind endigt, in seinem Mittelsttiek aber durch eine Spalte zuganglich ist. Es ist dies der sog. Primitivdarm, der in erster Linie die Anlage des Verdauungsschlauches vom Pharynx bis zum Alter, nachstdem aber auch diejenige der Luftrohre nebst Kehl- kopf, der Lungen, der Schilddrttse , der Leber und des Pan- kreas umfasst. Sein geschlossener vorderer Theil heisst der Vorderdarm, der hintere der Hinterdarm. Der mittlere Theil offnet sich am Darmnabel gegen den Dotterraum, und seine Wand setzt sich fort in eine den Dotter umgebende Haut, denDottersack, oder dieNabelblase. Der Umschlagsrand der Wand deckt von unten her ringsum den Zugang zur Leibes- hohle und die Bander des Leibesnabels , wie Dir aus dem an der Stelle a durch den Embryo gelegten Querschnitte Fig. -\ wird crsichtlich werden. Der beistehende Querschnitt giebt Dir gleich auch einen snmmarischen Ueberblick iiber die Gliederung des embryona- len Leibes. Zuniidist unterscheidest Du an ihm zwei Platten, dcrcii eine (lie tiussere Leibeswand, die andere den Primitiv- darm bildet, und von denen jede zu einem, nach abwarts offenen Rohr ziisanimengerollt ist. Langs der Mittellinie sind die beiden Flatten unter einander verwachsen, seitlich davon (lurch eine Spalte, die Leibeshohle getrennt. Die obere ist bedeutend machtiger als die untere, und sie nimmt von der Mittellinie nach den Seiten bin rasch an Dicke ab. Aus ihr entwickeln sich das Ccntralnervensystem, die fcttuucsorgane und die willkiirlichcn Muskeln, sie heisst, mit RUckaicbt darauf, die animale Schicht. Die untere Platte, nur solche Organe bildend, welche dem directen Willenseinmisse ontzogen sind, wird als vegetative Schicht, das aus ihr gebildete Rohr als vegetatives Rohr bezeichnet, welch letztere Bezeichnung sy- mit Primitivdarm gebraucht wird. So treffend im All- (j Erster Brief. gemeinen diese Bezeichnungen der beiden Schichten sind, so bietet doch ihre Anwendung, wie Du sehen wirst, innerhalb gewisser Granzgebiete Schwierigkeiten, und lasst sich, wie alle Schematisirungen, nicht bis auf das Aeusserste durchfuhren. Das dickwandige, etwas plattgedriickte Rohr inmitten der animalen Platte, Medulla rrohr genannt, ist die Anlage des Centralnervensystems. An seiner Bauchseite liegt die Chorda dorsalis, ein cylindrischer Strang, um welchen berum sich Fig. 3. Querschnitt durch obigen Embryo. 40mal vergrossert. A. animale Schicht. H. Hornblatt. *I. Medullarrohr. Ch. Chorda dorsalis. Uw.Aus den Urwirbeln stammende Muskelplatte. G. Ganglienanlagen. Ao. Aorta. Un. Urnierengang. 0. Sp. Obere Seitenplatte. V. Vegetative Schicht sich gliedernd im Darmdruseublatt. Gefassblatt und Muskelplatte. L. h. Leibeshohle. D. Darmrinne. i Granze von Stammzone und Parietalzone. spater die Wirbelkorper bildeu, darunter ein doppcltes Blut- gefass, die absteigende Aorta. Die Rlickflache des Medullar- rohres, sowie die gesammte Aussenflache der animalen Platte ist von einer dtinnen Schicht bekleidet, welche die Anlage der Oberhaut uad der von ihr abstanimenden Horngebilde ist, und das Hornblatt heisst. Sie setzt sich jenseits vom Leibes- nabel in das Amnion fort. Der Theil der animalen Platte, welcher seitwarts vom Medullarrohr und von der Chorda liegt, gliedert sich auf sehr kenntliche Weise in zwei ungleich starke Zonen. Die innere behalt auch in der Folge ihre Lage neben deu Axial- Die embryonale Korperform und ihre Entstehungsgeschichte. 7 gebilden des Korpers, und kann als Stammzone bezeichnet werden, aus der andern bijden sich die seitliche und die vor- dere Leibeswand, sie heisst daher Wand- oder Parietal- zone. In beidenZonen liegt unter demHornblatt eine radiarstrei- ti-v Sdiidit, die Anlage quergestreifter oder animaler Muse u- lutur. Den Stammtheil der animalen Muskels'chicht nennen wir mit R ciunk die Rtlckentafel, den Parietaltheil die obere > v • i t c 11 j } 1 a 1 1 e. Auf unserer vorliegenden Entwicklungsstufe sinH die Mtwkelaalagen ttberlagert und theilweise bereits unter- uiriiirt mit Oewebsanlagen fiir Bindegewebe und Gefasse. Audi die vegetative Platte zeigt eine Gliederung in Schich- ti-ii. Die illiterate, dem Dotter aufliegende Schicht liefert nur K|)ithelien und drttsige, aus ihnen hervorgehende Parenchynie. Sie heisst das Darmdriisenblatt. Die der Leibeshohle zu- gewendete obere Schicht liefert vegetative Muskeln (vegeta- t i \ c M 11 s k e 1 p 1 a 1 1 e), zwischen ihr und dem Darmdrtisenblatt liegt eine mittlere Gefass- und Bindegewebsschicht (das Ge- t ii s s b 1 a 1 1). Du bemerkst die Symmetrie in der Schichtenglie- derung beider Rohrenwandungen , ,die animale gliedert sich in Epithclialplatte, Bindesubstanz- und Muskelplatte , die vegeta- tive in Muskelplattc., Bindesubstanz- und Epithelialplatte. Die beiden Epithelialschichten bilden den aussern und den innern Abschluss, und konnen mit Rtlcksicht hieraui als Granzblat- ter /usainiuengefasst werden, die beiden Muskelplatten aber begranzen die Leibeshohle und wenden ihre freien Flachen zu. Kndlich ist noch auf die Leiste aufmerksam zu machen, auf der Griinze der Stammzone gegen die vorspringt, die Urnierenleiste, und welche die Anlage der sog. Urnieren und der Sexualorgane enthalt. Schnittc, die in anderen Hohen durch den Korper gelegt warden, ergeben im Allgemeinen Ubereinstimmende Gliederung, wenn auch im Einzelnen manche Abweichungen von der oben beschriebenen Form vorhanden sind. Zur Vergleichung lege ich Dir einen Schnitt bei, der in der Herzgegrnd durch den Korper gefUhrt worden ist. Die wichtigsten Untcrsdiiede sind: Geschlossensein des vegetativen Rohres; Trennung seiner Lichtung in eine vordere Abtheilung, die Luftrohren-, und in eine hintere, die Speiserohrenanlage ; Vorhandensein des Her- 8 Erster Brief. zens, das hier noch clurch ein dtinnes Gekrose mit der Muskelwand des vegetativen Rohres zusammenhangt ; Fehlen der Urwirbelleiste und starke Abplattung der Stammzone. Noeh grossere Abweichungen wur- den die durch den Kopf gelegten Schnitte ergeben. Da es mir indess daran liegt, Dir vorerst in grossen Ztigen die Geschichte des ersfen KbV peraufbaues zu entwerfen, versy^re ich alle weitern Einzelbetraclitungen unsei;es Embryo auf spater, und gehe zu finer etwas fruhern Entwicklungs- stufe ttber, wie sie Dir Fig. 5 in der dorsalen, Fig. 6 in der ventralen An- sicht darstellt. Auch bei dieser wirst Du den Kopf und den vordern Rumpf- abschnitt leicht verstehen, wenn auch diese Theile in ihren absoluten und in ihren relativen Dimensionen ver- schiedentlich von der vorhin betrach- tetenForm abweichen. Fremdartigere Verbal tnisse bictet der Mntere , etwa zwe^ Drittheile der Lange umfassende Abschnitt des Korpers. Noch unvoll- kommen von der Umgebung abge- gliedert, erscheint er als flache, dorsalwarts vortretende Er- hebung7 und wird seitlicb sowohl, als auch rtickwarts von einer seichten Furche umgranzt. Ein Blick auf den Durch- schnitt Fig. 7 erganzt das, was wir aus dem Flachenbilde erfahren. Es verhalt sich namlich dieser Schnitt zu dem von Fig. 3, als ob man jenen an seinen Randern gefasst und auseinander gezogen hatte: animale und vegetative Platte sind abgeflacht und breiter, die freie Oberflache der ersteren ist ganz und gar dorsalwarts gerichtet. Analog der seitlichen verhalt sich die hintere Leibesgranze , auch da ist hinter einander flach ausgebreitet , was auf spaterer Stufe, in star- kern Stbrmigen Bogen zusammengedrangt ist. Die Modellirung der Riickenflache entspricht der innern Gliederung der animal en Platte. Eine mittlere Leiste, die L?.' LufSaerm' Hz- Herz- Die embryonale Korperform und ihre Entstehungsgeschichte. 9 M e d u 1 1 a r 1 e i s t e , bezeichnet das Medullarrohr. Noch innerhalb der Stammzone liegen neben ihr die zwei Urwirbelleisten, clurch ihre queren EiDselmitte auffallend. Dann folgt, durch due Rinne getrennt, jene der Parietalzone zugehorige Er- /..v Fig. o. Mubnclien vom dritten Tage der Belratung. 20mal vergrdsserte Dorsalandicht. Fig. 6. Dasselbe in der Ventralansicht. R. Riechgrube. Ls. Linsengrube. Gh. Gehorgrube. M. Mundhohle. 0. Oberkiefcrfortsatz. U. Unterkieferfortsutz. Hz. Herz. h. Hz. Hinteier Herzsclienkel. Lw. Umschlagsstelle der Leibes- wand in das Amnion. Dd. Darmdifissenblatt. 10 Erster Brief. -ZA Fig. 7. Querschnitt durch obigen Embryo in der Gegend a. 40mal vergrossert. Bedeutung der Buchstaben wie bei Fig. 3. hebung, die, wie wir oben sahen, mit for tschrei tender Ent- wicklung sicli umlegt und dann eine Art seitlicher Kante der Leibeswand darstellt. Auf diese Kante liatte sclion im vorigen Jahrhundert C. Fr. Wolff aufmerksam gemacht und sie mit der Extremitatenbildung in Beziehung gebracht, wir konnen sie daher als Wolff'sche Leiste bezeiclmen. Die Extremitaten sind an imserm Embryo nur leicht, aber immerhin deutlicli angelegt. Als Ort der vordern Extre- mitaten erkennst Du die Kreuzungsstelle zwischen der Wolff- schen Leiste und einer, vom Vordertheile des Rumpfes her- kommenden schragen Falte. Die Anlagen der hinteren Ex- tremitaten sind da, wo die Wolffsche Leiste mit einer am hintern Leibesende befindliclien Querfalte sich schneidet. Auf die merkwtirdige Seitwartslegung von Kopf- und vorderem Rumpftheil, so wie auf die verschiedenen Biegungen der Kb'r- peraxe mache ich Dich nur im Vorbeigehen aufmerksam; diese Dinge werden uns spater nochmals bescliaftigen. Sowie die aussere Leibeswand dermalen nur in ihrem vordern Absclmitt den Charakter eines Robres tragt, in ibrem hintern aber den einer dotterwarts breit geoffneten Rhine, so auch der Primitivdarm. Der Vorderdarm ist (Fig. 8) ein bis hinter das Herz vollstandig umwandetes Rohr, sein Schluss reicht somit bedeutend weiter nach rttckwarts, als der des aussern Leibes. Mittel- und Hinterdarm dagegen sind erst als eine flache, breite Rhine angelegt, in der drei Partialrinnen unterscheidbar sind : eine mittlere, die eigentliche Anlage vom Magen und Darin, und zwei seitliche, deren oberer Absclmitt bei Bildung der Leber betheiligt ist. Wir begleiten den Embiyo zu noch fruheren Stufen, deren zwei in den Figuren 9 und 10 wiedergegeben sind. Da die Die embryonale Korperform and ihre Entstehungsgeschichte. 1 1 m. beiden Stufen .nur gradweise von cinander unterscbieden sind, kronen sie leicht auf einandcr bezogen und gemeinsam be- trnchtet werden. Die eine, Fig. 9, mag die Briickc zu den vor- geriickteren, dieandere, Fig. 10, die zu den unentwickelteren For- men bildoi). EinZeitraum von wenigen Stmidrn tiTimt die Form Fig. 9 von dcrji'iiiiivii der Fig. 5, und docli ist, wie I)u siclist, drr Sprung ein ziem- licb bcdi'iiti'iider. Der Korper liegt und liisst sieh (wenn wir vom nl)S('licn) durch eine Ebene in y/vvei synniictriscbe Halften tbeilen. Der Kopf entbehrt einer starkeren Axenknickung und ist, wie der ge- sannntc Vorderkorper, erbeblich brei- ter und niedriger als spater. Mittel- und Hintcrkr>r|KT sind nocb flacher, als auf der Stufe Figur 5, allein aucli der \ onh'rko'rper erscbeint nun- iiu'lir n 11 r als breite, faltenartige Em- ponvollmng ciner, im Uebrigeji flach iiber den Dotter sicli ausbreitenden der Keiinscbeibe. Ntir das dfs l\("»r|KTs tritt selbststan- lu-rvor, und UlxMTjigt als treier r«»rts:it/. ciiu- v«»n di'r Iveimbaut vor (Iciii Kinbrvo iix-ljildete Grube. Seine dt'in (inilx'n.uTundi1 zup-wi-iidete Fla- che cntspricbt der spateren Ge- sichtsflache dcs Kopt'cs. Einzig dies vorderste Ende des Korpers bat Fig. s. sonach den Cbarakter eines Robres, AW: was dahinter liegt, denjenigen einer BI. Biindes mit dem m™ tla.-l.cn Rinne. ttJS&StfSSST Das Medullarrohr ist, wie Dir B ^TTif^'orun0/^ auchFig. 11 zeigt, bereits vorhanden, Sp. sein vorderer breiter uijd durch Ein- "r!' scbnitte gegliederter Theil ist Anlage L§. des Gebirns und der sog. Augenblasen, ft Srt der 12 Erster Brief. der Rest die Anlage des Riickenmarks. Dancben licgt jeder- seits eine Reihe viereckig-er Tafeln, der Urwirb el , dercn Zahl, Fig. 9. Huhnehen zwisclien dem zweiten und dritten Bebrutungstag. 20mal vergrosserte Dorsalansiclit. H. Him, in Vorderhirn , Mittelhirn und Hinterhirn sich gliedernd. Ag. Augeublase. Gh. Gehorblase. Ex. Formanlage der vordern Extreraitaten. W. Wolffsche Leiste. s. Gr. Seitliche Granzviime. Uw. Urwirbel. Uwp. Urwirbelplatte. Am. 1. Vordere Amnionfalte. „ 2. Seitliche G. Grube unter dem freien Kopfende. Die punktirte Linie bezeichnet den Ort des Herzens. Fig. 10. Huhnehen vom zweilen Be- brutungstag. 2(lmal vergrosserte Dor- salansiclit. Bezeichnungen wie bei Fig. 9. Mp. Offener Theil des Medullan ohres, Medullarplatte. (Der Ort des Herzens ist durch punk- tirte Linien angegebeu, das Heiz ist noch gestreckt). Die embryonale Korperform und ihre Entstehimgsgeschichte. 13 wic die Vergieichung verschiedener Entwicklungsstufen ergiebt, wiilirend mchrerer Tage zunimmt. Nur sebr wenige Urwirbel entstehen vor den zuerst angelegten, die Ubrigen neu hinzu- kommenden treten binter den bereits vorbandenen auf. Die Urwirbel liegen unter dem Hornblatt, liber dem-Darmdritsen- blatt, seitlicb von dem Medullarrohr und von der Chorda dor- salis. Sic sind nicht die unraittelbaren Vorlaufcr der blciben- den Wirl>el, nur insoweit stehen sic mit diesen in Be/iehung, als die spiitere Gliederung der Wirbelsaule von ihrer Glie- derung bestinnnt wird. Der Ort eincs Wirbels naralicb ent- sprirht dem Zwiscbenraume zwischen zwei Urwirbeln. M Fig. II. Querschnitt durch den Embryo Fig. 9. 40mal vergrossert. Buchstabenbezeichnung wie bei Fig. 3. T3ie Beziebiing zwischen Urwirbeln und Wirbeln giel)t cin Mittel an die Hand, scbon friibzeitig zu erkennen, wo die (Jriin/e /wiscben Ropf und Kmnpf liegt. Der vorderste I "rwirbel be/eiclinet eben diese Granze, und cine Controlle dat'iir liet'crt die sog. Geb or blase. Es ist dies ein, auf unserer Stuir nncb als offene Grube angelegtes Organ (Gb. Fig. 9), das sirb s|)iiti'r zu eincr gescblossenen Blase uinbildct. Dies Organ ist die Anlage des Genorlabyrmtlies und als solches jedenialls dem Koj)t' angebiirig, seine Lage bat cs jederseits in geringer Entiernung vor dem vordersten Urwirbel. Mit Htilfe der angegebenen Kritericn erfahren wir, dass der ireie vordere Korperlbrtsatz die vordere Halfte des Kopfes ist, die bintere Hiiltte besitzt noch die Gestalt einer offenen Rinne. Die beiden Abtbeilungen sollen in Zukunft als Vorder- k o |> f und als H i n t e r k o p f unterschieden werden. Im Berciche des Hinterkopfes liegt das Herz, das mit seinein bintersten Ende eben nocb die Gegend der ersten Urwirbel erreicht. Xnch bestimmtere Aufschltlsse liber die Gliederung des Kopfes gicbt Dir ein in der Mittelebene geflibrter Langsscbnitt Fig. 12. 14 Erster Brief. Dei. Fig. 12. Langsschnitt durch einen Embryo vom zweiten Bebrutungstuge. 40mal vergrossert. Vh. Vorderhirn. Vd. Vorderdarm. Ad. Zugang zum Vorderdarm. Hz. Herz. Ob. Cborda dorsalis. Uw. Urwirbel. St. Stirnwulst. M. Mundbucbt. Dd. Darmdrusenblatt. Hb. Hornblatt. Du siehst namlich darau, dass das vordere Ende des Vorder- darms das ausserste Kopfende niclit erreicht, sondern vorher schon blind endigt. Sein Ende i§yt mit der untern Flache des Medullarrohres und mit dem vordern Ende der Chorda dorsalis verwachsen, und der Vorderkopf zerfallt demnach in zwei Ab- schnitte, den Stirntheil und den G e s i c h t s t h e i 1. Der Stirn- theil wird vom vordersten Gehirnabschnitte und von seinen Hitllen gebildet, der Gesichtstheil umschliesst unterhalb des Gehirnes die Chorda dorsalis und das blinde Ende des Yorderdarms. Auf der Granze vom Stirntheil und vom Gesichtstheil liegt die Anlage des Auges, die Augenblase, in der Flachenan- sicht als ein seitlich aus dem Gehirn hervortretender Fortsatz, erkennbar. Im Gesichtstheile ruht, wie Du an der Fig. 1 2 be- merken wirst, die untere Wand des Vorderdarms, eine Strecke weit unmittelbar auf dem Hornblatt auf. An der Beriihrungs- stelle beider bildet sich spater ein Durchbruch, weleher den Blindsack des Vorderdarms, den spatern Pharynx mit der von aussen daran sich anlegenden Mundhohle in Verbindung setzt. Auf eine neue Eigenthiimlichkeit stossen wir beim Embryo von Fig. 10. Das Medullarrohr namlich ist nur im Kopf- und im vordern Rumpftheile geschlossen, dahinter offnet es sich mit weit auseinander klaftenden Randern, eine zweite klei- nere Oeffnung zcigt auch das allervorderste Ende. Uni Dich Qie embryonale Korperform und ihre Eutsteliuiigsgeschichte. 15 13. Querschnitt durch den Embryo Fig. 10 bei a. 40mal vergrossert Dorsalansicht. M. Medullarplatte. Z. Zwischenrinne. H. Hornblatt. U. Urwirbelplatte. S. Seitenplatte. D. Darmdrusenblatt. 1 li. Chorda dorsalis. '/A\ oricntircn, lege ich Dir einen Querschnitt durch diesen Embryo bei, der denselben in a trifft. Du erkennst hier das MedullaiTolir als eine gebogene Platte, deren Rander sich durch Vermittlung eines kleinen, rinnentormig eingebogenen Zwischen- stiickcs in das Hornblatt fortset/en. Medullarplatte, Zwi- srhcnstUrk und Hornblatt sind soinit zusammenhangeude Be- standtheile einer und' derselben Schicht, des oberen Granz- blatU's. 1 )ie Medullarplatte legt sich in der Folge zum Rolire /usammen und ihre Seitenrander gelangen zur Vereinigung. Gleiohzeitig vcrbinden sich die inneren Rander des Hornblattes, wahivnd das Zwischenstttck als dreikantiges Einschiebsel in den Winkcl 7.\\ isclicn Homblatt und Medullarrohr zu liegen koinmt. Aus dcMii Zwisclicnstiick irchen die Anlagen der Gauglien her- vor; der Boden des Medullarrohres ist mit der Chorda, und die-so wit'di'rum mit dem Darmdrttsenblatt verwachsen. Denke Dir das Medullarrohr seiner ganzen Lange nach aufgerissen und zugleich den frei vortretenden Vorderkopf ver- kttrzt, so erhiiltst Du ein Gcbilde, das im Wesentlichen der Entwicklungsstufe von Fig. 14 entspricht und bei seiner noch weiteren Flachstreckung der Stufe Fig. 15. Sehon bei Fig. 14 kannst Du kcin bestimmt abgegli('(U'rtcs Organ mehr erkennen. Die Medullarplatte hebt sich zwar deutlich vom iibrigen Granzblatt ab, aber noch ist sie an keiner Stelle von ihm geschieden, ein Herz ist niclit vnrhanden, von Urwirbeln zeigen sich nur die ersten Spuren. Die dottcnviirts offene Rinnc der ausseren Leibeswand zeichnet sich aus durch ihre Breite 16 Erster Brief. und durch ihre geringe Tiefe. Dasselbe gilt vom Primitiv- darm. Beide Rinnen laufen nach vorn in einen kurzen breitcn Blindsaek aus. Bei Fig. 15 fehlt endlicli auch dieser, an seiner Stelle liegt einc, im Bogen verlaufende Querfalte, an welcher beide Schichten der Embryonalanlage betheiligt sind. Zwischen dem vordern Ende der Stufen 14 und 15 besteht somit der- .An. 4m .1. Fig. 14. Hiihnerembryo vom Ende des ersteu Bebrutung.-tages. 20mal ver- grossert. Dorsalansicht. Bezeichnung wie bei Fig. 9. Fig. 15. Embryonalanlage aus eitiem etwa IS Stunden bebruteten Huhnerei. Dorsal- ausicbt. selbe Formunterschied, wie zwischen den hintern Enden oder den hintern Seitenrandern von Fig. 1 und 5. Was bei Fig. 14 Sfdrmig zusammengedrangt ist; liegt bei Fig. 15 hintereinander und es sieht die Gesichtsflache der Vorderkopfanlage nunmehr gleichfalls dorsalwarts. Der embryonale Korper charakterisitt sich jetzt7 ausserlich betracbtet, nur durch ein System sich kreuzender Fallen und wird von einem gleichfalls sich kreu- zenden System von Rinnen umgeben. Eine vordere, bogen- Die embryonale Korperform und ihre Entstehungsgeschichte. 17 t'ormig vorgetriebene Querfalte bezeichnet das vordere Kopf- ende, und wird durch eine davor liegende Rhine abgegranzt. Zwei seitliche, auch wiederum an Rinnen anstossende Falten bezeichnen die Seitentheile des Leibes, wahrend das hintere Leibesende noch wenig bestimmt sich hervorkebt. Im Be- reiche der Korperanlage scheidet eine mediane, im Kopftheil seichte, im Rumpftheil tiefe Langsfurche die reehte von der linken Halfte. Zwei schwachere Furchen deuten auf die Ab- granzung der Medullarplatte , eine breite Querfurche auf die von Kopf und Rumpf. Glatte aueh diese letzten Falten und Furchen noch aus, so erhaltst Du eine ebene Scheibe und als solche erscheint in der That der Keim des Vogeleies vor, und in den allcreratcn Stunden nach Beginn der Bebrtttung. His, Briefe. Zweiter Brief. Princip der organbildenden Keimbezirke, dorsale und ventrale Flachen der Embryonalanlage und deren Sonderung; vorderes und hinteresKorperende; allgemeine Topographic der Keimbezirke. Lieber Freund! Im vorigen Briefe habe ich versucht, in rticklaufiger Reihenfolge Dir vom Htihnerembryo die Grundzuge des Korperaufbaues verstandlich zu machen. Wtirde Dir auf- gegeben, den reifen Vogel- oder den in tibereinsthmnender Weise entstehenden Saugethierkorper durch eine Reihe von Operationen wieder auf seine elementare Form zuruckzuluhren, so wlirdest Du damit beginnen mtissen, die Hals-, Brust- und Bauchwand durch einen medianen Schnitt vom Kinn bis zum Damm aufzuschlitzen , dann wurdest Du die Leibeswand der Quere nach auseinander ziehen, und mehr und melir flach ausbreiten. Vom Rticken her wiirdest Du in der Folge das Gehirn und das Riickenmark einschneiden, und so die Moglich- keit gewinnen, diese Theile in dieselbe Flache aufzuklappen, in welche Du die Leibeswand ausgebreitet hast. Der Vorderkopf wtirde als ein Blindsack verbleiben, den Du dureh Zug in der Langsrichtung und durch Flachstreichen zu beseitigen hattest, und auch das hintere Leibesende wtirde ein Auseinander- ziehen in longitudinalem Sinn erfordern. — Aelmliche Opera- tionen wie mit der Leibeswand, d. h. Aufschlitzen , flaches Ausbreiten der geoifneten Wand und schliessliches Ausgleichen zweier Endtaschen, hattest Du gleichzeitig mit dem Ver- dauungschlauche vorzunehmen, und als Endergebniss von allern dem wiirdest Du zwei Flatten tibrig behalten, welche langs einer, als Axe zu bezeichnendenLinie zusammenhangen wtirden. Diese sammtlichen Operationen wirst Du selbstverstand- lich nur in Gedanken ausfuhren konnen, denn deren wirkliche Princip der organbildenden Keimbezirke. 19 Ausfiihrung' setzt eine Weichheit und Dehnbarkeit, sowie eine innere Gleichartigkeit der Korpergewebe voraus, welcbe fac- tisch nicht vorhanden 1st. Hast Du indess in Gedanken die Flachlegung des Korpers versucht, so wird Dir klar geworden sein, dass einestbeils jeder Punkt im Embryenalbezirke der Keinischeibe einem spateren Organ oder Organtheil entsprechen muss, und (lass anderntheils jedes aus der Keimscbeibe her- vorgehende Organ in irgend einem, raumlich bestimmbaren Bezirk der flachen Scbeibe seine vorgebildete Anlage hat. Wenn wir die Anlage eines Tbeiles in einer bestimmten Periode entstehen lassen, so ist dies genauer zu pracisiren: Das Material zur Anlage ist scbon in der ebenen Keimscbeibe vor- banden, aber morphologisch nicht abgegliedert, und somit als solches nicht ohne Weiteres erkennbar. Auf dem Wege riicklaufiger Verlblgung werden wir dahin kommen, auch in der Periode unvollkommener oder mangelnder morphologischer Gliederung den Ort jeder Anlage raumlich zu bestimmen, ja w CM in wir consequent sein wollen, haben wir diese Bestimmung auch auf das eben befruchtete, und selbst auf das unbefruchtete Ei auszudehnen. Das Princip, wonach die Keimscheibe die Organanlagen in flacher Ausbreitung vorgebildet enthalt, und umgekebrt, ein jeder Keimscheibenpunkt in einem spatern Or- iran sich wiederfindet, nenne ich das Princip der organ- bildenden Keimbezirke. Die Entwickhmg des Korpers zeigt einestheils eine zu- nebmende Abgliederung der primaren Anlagen, anderntheils gegenseitige Lageverschiebungen und fortgesetztes Wachsthum derselben. Alle in der Keimscheibe vorhandenen Anlagen wachsen, aber ihr Wachsthum geschieht nicht den ursprttng- lichen Grossenverhaltnissen gemass : die eben wachsen rascher, andere langsamer, die einen ho'ren frUher, andere spater zu wachsen auf, und indem so eine jede ihrem besondern Gesetze gemass wachst, werden die spatern Organe nicht allein in Betreff ihrer gegenseitigen Lager ung von den primaren diffe- riren, sondern auch in Betreff ihrer relativen Massen und Mansse. Wir bezeichnen dies wichtige Princip als das des ungleichen Wachsthums und werden spater einlasslich auf dasselbe zurtickzukommen haben. Flir die animalen Anlagen der Keimscheibe stellt sich nach 20 Zweiter Brief. dem, was wir im ersten Brief'e gesehen haben, die allgemeine Topographic also : Was im Korper recbts liegen soil, liegt auch in der Keimscbeibe rechts imd umgekehrt, dagegen feblt nocb der Gegensatz einer ventral- und einer dorsalwarts gericbteten Flache. Von den in der Folge ventralwarts sehenden Theilen liegen einige vor, andere seitlicb und wieder andere binter den Anlagen der dorsalen Korper tbeile und sie ricbten sammtlich ibre freien Flacben nacb auf warts. Der Weg, auf welchem die ventralen Anlagen in die ihnen zukommende Lage iibergefuhrt werden, 1st ein sebr einfacher. Es erbeben sicb auf der Granze zwiscben ibnen und den dorsalen Anlagen vier Falten, die K e i m f a 1 1 e n , wie wir sie nennen wollen : eine vordere, zwei seitliche und eine bintere. Nacbdem die Falten eine gewisse Ausbildung erreicbt baben, legen sich ibre Firsten um, und es kommt nun der eine , dorsale Faltenschenkel iiber den andera ventralen zu liegen (Figur 16). Dieser binwiederum liegt Fig. 10. Kf. Keirnfalten first. D. Dorsaler Schenkel. V. Ventraler Gr. Granzrinne. Ue. Uebergangsstuck. uber einem dritten Scbenkel, von dem er durch erne rinnen- formige Biegung die G r a n z r i n n e , abgesetzt ist. Die fruber flacb ausgebreiteten Tbeile sind somit jetzt Sfdrmig zusammen- gebogen. Die gegen.die Oberflacbe convexe Keimfaltenfirst und die concave Granzrinne sind die beiden Biegungen des S. Seine drei Scbenkel sind der dorsale, der ventrale und das Ueber- Scheidung ventraler und dorsaler Anlagen. 21 gangssttick. Uebergangssttick konnen wir namlich den tiefstliegenden Schenkel nennen, weil er der Uebergang zu dem ausserembryonalen Abschnitt der Keimhaut bildet. Vorlaufig magst Du die Rinne als Granze embryonaler und ausserembryo- naler Strecken ansehen, und die Modificationen, welche diese Regel stellenweise erleidet, unbeachtet lassen. Die ventralen Schenkel der beiden seitlichen Keimfalten treffen mit der Zeit in der Mittellinie zusammen und ver- wachsen in einer langgestreckten Nath. Der ventrale Schen- kel der vordern und derjenige der hintern Keimfalte wachsen sich nicht entgegen, sie bleiben dauernd durch einen weiten Abstand von einander getrennt. Die vordere Granzrinne ent- spricht dem spaterri Boden der Mundhohle, in die hintere Granzrinne fallt der Ort flir die Schwanzspitze. Von den vicr Keimfalten legt sich die vordere zuerst urn, dann die beiden seitlichen und bei diesen schrei- tet die Umlegung von vorn nach riickwarts fort. Zuletzt geschieht die Umlegung der hinteren Falte. Diese Reihenfolge der Faltenumlegungen ist von Bedeutung einestheils flir die Con- formation des Gesichts, anderntheils fiir dicjcnige des hintern Leibesendes. Um dies klar zu machen, muss ich Dir erst die frtiheste embryonale Con- formation dieser Theile beschreiben. Das Gesicht eines Embryo von der in Fig. 9 abgebildeten State ist ausserordentlich einfach gestaltet. Es umfasst namlich die ventrale Flache Ilg*Fig. des freien Kopfendes, und zeigt in M.' Mundbucht seiner Mitte eine seichte viereckige Grube, die Mundbucht. Vor der Mun(U>ucht Hegt der Stirnwulst, durch das convex nach ab warts hervor- tretende Vorderhirn erzeugt, neben ihr befinden sich die zwei longitudinal gerichteten K i e f e r 1 e i s t e n , und hinter ihr erfolgt der Umschlag der Gesichtswand in den unter dem 1'. Umschlagsrand des animalen Blattes. Vd. Vorderdarm. zu obigem. 22 Zweiter Brief. Gesicht liegenden ausserembryonalen Theil des animalen Blat- tes. Die Granzrinne bildet somit den kintersten Abschnitt der Mundbucht und ihre Wand wird zu den Anlagen fur die Ge- bilde am Boden der Mundhohle und itir das MittelstUck des Unterkiefers. Hinter der schmalen, durch die Umschlagsstelle gebildeten Brticke siehst Du an der beistehenden Figur das, dem Hinterkopf angehorige, noch breite vordere Ende des Leibesnabels und das zwischen seinen Randern hervortretende Herz. Ein Querschnitt durch den Gesichtstheil des Kopfes (Fig. 1 8) zeigt neben der Mundbucht wiederum die beiden Kieferleisten, daruber die niedrige Lichtung des Vorderdarms, dann die Chorda dorsalis und das Ge- hirnrohr. Die iibrigen in der Figur weiss aus- gesparten Stellen sind Durchschnitte derBlut- getasse, der aul- und der absteigenden Aor- ten und der Gehirnve- nen. EinVergleich die- ses Durchschnittes mit dem von Fig. 1 1 zeigt deutlich, dass die Kie- ferleisten den Strecken der Leibeswand ent- sprechen, die dort unter der Wolifschen Leiste liegen, d. h. den ventralen Schenkeln der seitlichen Keimfalte. Immer mehr bilden sich in der Folge die Kieferleisten aus, die Mundbucht wird zu einer Hohle vertieft, der noch gemein- samen Mund- und Nasenhohle, oder primitiven Mund- hohle, wie man sie zur Unterscheidung von der definitiven nennen kann. Die beiden Kieferleisten riicken sich in der Mitteilinie entgegen und verwachsen mit einander, theils direct, theils durch Vermittlung eines vom Stirnwulst her kommenden Fort- satzes. Durch ihre directe Vereinigung entsteht der grossere Theil des Gaumens, durch ihre mittelbare Vereinigung die Fig. 1b. Querschnitt durch Fig. 19. Querschnitt durch denKopf von Fig. IT. 40mal den Gesichtstheil d. Kopfes vergrossert. von Fig. 5. 40mal ver- M. Mundbucht. grossert. Bezeichnungen K. Kieferleiste. wie hei Fig. 18. Vd. Vorderdarm. Ch. Chorda dorsalis. H. Gehirnrohr (Mittel- hirni. Ao. aufsteigende und ab- steigende Aorta. Gv. Gehirnvenen. Vorderes und hinteres Korperende. vordere Wand von Mund- und Nasenraum. Als offen blei- bende Zugange erhalten sich die Mundoffnung und die Nasen- locher. Mit anderen Worten sehen wir, dass an dem, durch Um- legung der vorderen Keimfalte entstandenen Ireien Kopfende zwei seitliche Falten als Fortsetzung der Wolff schen Leiste ent- stelien, sich begegnen und theilweise verwachsen. Die untere Flache der vorderen Keimfalte bleibt nur in einem Theile ilnvr Ausdchnung frei, namlich vorn und an den Seiten, das Mittelfeld wird von unten her zugedeckt. Die Bildung der Mimdhohle ist cine Folge der gekreuzten Faltenlegung. Wir betrachten nun auch das hintere Leibesende in der Zeit, wo es eben eine bestimmtere Gestaltung gewonnen hat. Schon aus dem ersten Briefe hast Du entnommeu, dass sich der verdickte Embryonaltheil der Keimscheibe mit seinem hinteren Abschnitt zu einer queren Falte erhebt, und dass diese weitcrhin sich umlegt (Fig. 1 8. 3 und Fig. 5 S. 8). Die Ausbil- dung und Umlegung der, hinteren Keimfalte erfolgt spater und weit langsamer, als die der vorderen. Nach- dem die Umlegong einmal begonnen hat, scharft sich noch wahrend einiger Zeit der Biegungswinkel zu und der umgebogene Schenkel wird langer. Du kannst dies aus der Vergleichung arietalen Zone ist die Scheidung der vegetativen und der aiiimalen Schicht in der Stammzone durchgefuhrt. Die Spalte, welche dort die beiden Schichten von einander trennt, liort an der Granze der Parietalzone auf, und jenseits derselben licgcn am Rumple die Urwirbel und deren Vorlaufer, die Urwirbelplatten. Die Urwirbel haben wir in unserem ersten Brief e von der Flache her als kleiue viereckige Felder kennen gelernt. Die ersten Spuren derselben findest Du bei Fig. 14, wo sie mit ihrem ausseren Rande unter der Medullarplatte hervorsehen, von der sie im Uebrigen grossentheils uberdeckt sind. Schon bei Fig. 10 liegen die Urwirbel frei und in grosserer Zabl neben deni geschlossenen Theile des Medullarrohres. Eine noch langere Reihe bilden sie bei Fig. 9 und bei Fig. 5. In der hinteren Verlangerung der abgegliederten Urwirbel begeg- nest Du allgemein einem ungegliederten Langsstreifen , der Urwirbelplatte, und Du wirst geringer Ueberlegung* l)ediirfcii, um zu sehen, dass die einzelnen Urwirbel durch Abtrennung von diesem Streifen entstehen mtissen. Bei Fig. 2 endlick ist die quere Gliederung bis zur Schwanzspitze vollendet. Ein senkrechter Schnitt durch die Urwirbel in der ersten Zeit ihrer Entstehung, sei er in der Langs- oder in der Quer- richtung durchgefiihrt, ergibt ein ziemlich charakteristisches Aussehen. Jeder Urwirbel namlich zeigt eine radiar streifige Rindenschicht und einen nicht gestreiften Kern. Diesem Bilde ist allerdings nicht zu entnehmen, ob der Urwirbel zur ani- malen oder zur vegetativen Schicht zu zahlen, oder ob er Die Schichten der Embryonalanlage. 35 tiberhaupt einer der beiden Schichten ausschliesslich zuzuweisen seL Dagegen erhaltst Du die Entscheidung aut eiiier noch friiheren Entwicklungsstule. Auch die Trennung namlicli der Seitenplatten von den Urwirbelplatten vollzieht sich alluiahlig, und in der Zeit, welche der vnllstandigcn Trennung voraus- geht, timlet sich eine Periode, wiihrend welcher die obere Halt'te der I'rwirbelrinde mit der obereu, die untere Hali'te init der unteren Seiteiiplatte in fortlaufender Verbindung steht- M Fig. ;J:J. Querschnitt von derselben Entwicklungsstufe wie Fig. 28. Vergr. 80. BuchstabenbezeichnuDg wie fruher. Darnach ist von der Urwirbelrinde die obere Halfte zur ani- malen, die untere zur vegetativen Schicht zu rechnen. Die Verbindung beider Hali'ten ist nur eine vortibergehende , sie lvei Muskelscbichten auf. Diese vier Scbichten sind auf einer friiheren Entwickhmgsstufe des Keims noch nicht von einander getrennt und wir baben somit : 1 2 als Anfano-sstufe { o 4 Jede der beiden mittleren Schichten hat mch von den beiden Nachbarschichten zu scheiden, und zwar zeigt die Er- fahrung, dass die Scheidung nicht mit einem Male geschieht. Einzelne Verbindungen erhalten sich noch sehr lange, so siehst Du z. B. an den Fig. 28, 29, 30 und 31 das Hornblatt langs der Granzrinne noch in fester Verbindung mit dem zugescharften Rand der oberen Muskelplatte ; trotzdem dass beide Scbichten in ihrem iibrigen Bereiche sehr ausgiebig und vollkommen sich getrennt haben. Die altere, von mir wieder aufgenommene Darstelluug der Schichtengliederung sttttzt sich auf das a Endergebniss Die Schichten der Embryonalanlage. 39 und auf die friiher erorterte physiologische Zusammengehorig- keit der Schichten 1 mit 2 und 3 mit 4. Fiir die Aimahme eines besonderen mittleren Blattes lasst sich daire«;-eii ant'iihren das stellenweise Vorkommen einer •O*T5' Uebern-aim-sstufe { ., I] bei welcher 2 und 3 noch weniger vollstiindig von einander getreimt sind, als von den anstossenden Granzblattem. Audi lassen sich die, wie Du gesehen hast, etwas verwickelten Ver- haltuisse im Axial- und im Stammgebiet rascher und mit weniger Worten beschreiben, wenn die, hier unvollkommen geschiedenen Bildungen einfach unter den Begrilf eines rnitt- leren Keiniblattes subsumirt werden, das man zerfallen lasst in Chorda dorsalis, Urwirbel- und Seitenplatten. Magst Du nun mit der Darstellungsweise der Schichten- idiederung Dich zufrieden geben, welche ich im Bisherigen befolgt habe, oder magst Du eine solche w&hlen, welche der- jenigen von Remak naher steht, stets wirst Du auf eine Frage stossen, liber welche weder Remak noch seine An- hanger einen befriedigenden, mit den Thatsachen vereinbaren Bescheid geben und von deren richtiger Beantwortung doch allein Klarheit in drr Keimblattlehrc zu erwarten ist. Woher staniim'n die Anlagen flir die Gefasse, flir das Bindegewebe und ftir den Knorpel? IJetrachte Dir cininal Fig. 27 von S. 33, so wirst Du inner- 1ml b drs eigentlichen Embryonalbezirkes die Medullarplatte und das Hornblatt, die Chorda, die Urwirbel und die Seiten- platten, sowie das Darmdriisenblatt sammtlich derart ge- trennt tinden, dass je zwischen zwei benachbarten Gebilden ein mehr oder minder breiter Lttckenraum liegt, der leer, oder richtiger gesa.u-t, ;uir von klarer Fliissigkeit erftillt is^t Von Gefassen ist da keine Spur und ebensowenig von einer Wand- schicht, durch dcren Abspaltung dieselben entstehen konnten. Nun sieh Dir Fig. 28 an: Eine zusammenhangende Lage weiter Gefassrohren, in ihrer Gesammtheit als das untere Ge- t'iissblatt zu bezeichnen, liegt zwischen der unteren Muskel- platte und dem Darmdrtisenblatt, und die innerste dieser Rohren, 40 Dritter Brief. als Aorta descendens anzusprechen, erfullt den, sclion in Fig. 27 erkennbaren, geraumigen Liickenraum zwischen Urwirbeln, unterer Seitenplatte imd Darmdrusenblatt. Die tibrigen Raume sind noch leer, die Chorda von einem breiten liellen Raum umgeben, das Hornblatt durch einen solchen von den Urwirbeln und von der oberen Seitenplatte geschieden. Dann siclist Du an der folgenden Fignr zartcs Gewebe (das obere Get assblatt) auch unter dem Hornblatt auftreten, und bemerkst speciell ein Gefass, das an der Granzc der oberen Seitenplatte und der Urwirbel liegt, die Cardinalvene. An dem Langsschnitt Fig. 12 (S. 14) begegnest Du einer Reihe von Gefassdurchschnitten, die auch wiederum deni Darmdrtisenblatt aufliegen. Jedes dieser Gefasse entsendet nach aufwarts zwischen die zwei daruber liegenden Urwirbel , einen Fortsatz, welcher zu einem Verbindungsgefass zwischen der Aorta und der Cardinalvene bestimmt ist. Spatere Stufen zeigen die Kette der zuerst vorhandenen weiten Gefasse mehr und mehr verengt undnureinzelneStamme, unter denen die Aorta der machtigste ist, behalten ihr grosses Caliber. Beide Aorten rttcken sich unter der Chorda entgegen und verschmelzen mit einander, zugleich aber werden die bis dahin offenen Liickenraume successive von einer zu- sammenhangenden Gewebsmasse ausgefiillt, die, wie die Be- obachtung mit starkeren Vergrosserungen zeigt, meist a us ver- zweigten Zellen besteht, welche mit der Wandung von Blut- gefassen in Zusammenhang stehen. Die summarische Verfolgung des Thatbestandes crgibt sonach Folgendcs: Ehe Gefasse in der Embryonalanlage auf- treten, ist ein System freier Liicken vorhanden, entstanden durch das Auseinanderweichen der Gebilde der Granzblatter, der Muskelplatten und des Axenstranges. In diesen Liicken treten die Gefasse nach einer ganz bestimmten Reihenfolge auf. Die Gefasse bilden sich aus Sprossen spindelformiger und sternformiger Zellen, und von ihrer Wand gehen neue solche Sprossen aus, die zum Theil wieder zu Gefassen wer- den, zum Theil zur Bindegewebs- und zur Knorpelbildung Verwendung finden. A lies von den Gefassen ausgehende Ge- webe hangt unter sich zusammen, theils primar in Folge des baumartigen Hervorwachsens aus den zuerst vorhandenen An- Parablastische und archiblastische Anlagen. 41 lagen, theils smindiir in Folgc nachtraglich entstandener Verbindungen, und so bilden die Producte der beiden Gef ass- blatter schliesslich cine durchgehendf Ausfftflungsmasse durch den gesammten Embryonalieib hindurch. Mit dem Eintretcn der innigereii Durchdringung wcrden auch die < Jriinzen zwischen den I'rodncten der Gelassbliitter und denjcnigen der Ubrigcn Embryonalbestandtheile vielfach undcutlich , so class nur auf dein Wege gcnauercr Untersuchung mit starkercn Linscn ent- scbieden werdcn kann, was dem eincn und was dem anderen zukommt Keinc von den frtiher betrachteten Schichten, weder die (Iran/blatter noeh die Muskelplattcn, noch auch der Axenstrang, sind bei der Oelassbildung irgendwie betheiligt. Die Quelle des ersten Bildun^smaterials ttir (Jefasse licgt tiberhaupt gar nieht im BmbryotnalbeEirk der Keimschcibe, sondern ausserhalb dieses let/teren. Im Ausseiigcbictc, im Bereiehe des sog. Keim- walls und des den Embryo umgebenden durehsiehtigen Holes, sieht man xuerst getass- und blutbildende Zellen in Strangen und in grosseren Ilauten auftreten, und von diesem Aussengebiete her treten die ersten Sprossen langs der frtiher beschriebenen Halm iiber dem Darmdriisenblatt weg in den Embryonalbezirk ein. Hei Fig. 27 siehst Du solehe primitive Gefassanlagen mit einigen dtinnen Rohren am Rande der Figur verzeichnet. Sind einmal die Gefasse und die von Hirer Wand abgehenden Zellenstrtinge in den Embryo eingedrungen, so liegen sic An- fangs noeh lose in den sic aumehmenden Ltieken, ohne Spur einer orpuiisehen Verbindung mit deren Wandung. Du ersiehst aus dem Hisliurigcn, (lass das Hereinwachsen der (ietTissanlage in den Embryo, und deren allmahlige Aus- breitung in diesem ein (iegenstand director und keineswegs schwierigcr Heobaelitun^ ist. Jene Anlagen und die aus ihnen hervorgehenden (icwebe (Uindegewebe, Knorpel, Knochen) treten durch diesen Entwieklungsmodus gegeniiber den aus den Granzblattern , den Muskclplatten und dem Axenstrang stam- menden Anlagen in eine so besondere Stelhmg, dass es unter alien Umstanden passend erscheint, sie mit einem ge- meinsamen Namcn /usammenzufassen. leh bezeichne sie als Nebenkeim- oder als parablastisehe, die tibrigen als Hauptkeim- oder arehiblastische Anlagen. 42 Dritter Brief. Aus den arehiblastischen Anlagen entwickeln sich: das Nervengewebe, das Muskelgewebe, die Epithelial- und Drttsengewebe ; aus den parablastischen : die Innenwand (Endothehvanfr) der sammtlichen Ge- lassraume, die Blutzellen, das Bindegewebe mit seinen verschiedenartigen Modi- ficationen (Schleimgewebe, adenoides Gewebe, Fett- gewebe u. s. w.), das Knorpelgewebe, das Knocbengewebe. Die Producte arcliiblastischen und diejenigen parablastiscben Ursprungs steben zeitlebens in einem bestimmten Gegensatze zu einander. Obne die eigenartige Entwicklungsweise zu ken- nen, liaben die bistologiscben Forscher die Zusammengehorig- keit der parablastischen Gewebe langst erkannt, und deren scheinbar so verschiedenartige Bildungen unter der gemeinsamen Bezeichnung der Bindesubstanzen vereinigt. Denke Dir eiiien Augenblick alles Blut, alle Geiassauskleidung, alles Bindege- webe sowie alien Knorpel und Knochen aus dem Korper ent- ternt, so bleibt Dir ein zusammenbangendes Geriist librig, be- stebend aus dem Gehirn mit dem Ruckenmark, den Nerven, den Muskeln, den Drusenparencbymen und den epitlielialen Bekleidungen der ausseren Haut und der Schleimbaute. Denke Dir andererseits auf einen Aiigenblick alle arcliiblastischen Gewebe entiemt, so erbaltst Du ein zweites, gleicbfalls in sicb zusammenhangendes Geriist, das wie der Ausguss von jenem ersten sich verhalt, und das bestebt aus dem Schiidel, der WirbelsaulCj den Rippen und dem Brustbein, den Extre- mitatenknocben, den verschiedenen Knorpeln, den sammtlicben Sehnen, Fascien, Bandem und lockern Bindegewebsmassen, dem Fette, ferner aus der Lederhaut, aus der bindegewebigen Scliiclit der Schleimbaute, den Hiillen von Gehirn, Riickenmark und Nerven, denjenigen der Driisen und der Muskeln und endlich aus einem weitverzweigten Astwerk von Gefassraumen mit dem darin enthalteneu Blut. Nicht nur im Ganzen und Grossen ist dies parablastisclie Gewebsgeriist der Ausguss des archi- Parablastische und archiblastische Anlagen. 43 blastisehen, auch ira Einzelnen titr jedes Organ kehrt ein ent- sprcchendcs Verhaltniss wieder, indcni an jedem Muskel, an jcder Driise, am Gehirn, am Rtickenmark und an den Sinnes- organcn IJindegcwebe und Bluti;vtassi' einmal die iiusseren Million bilden, und daini als verzwi-igtes Geriist ins limere ein- dringen und dicsc Thrile narh alien Richtungen durchsetzen. IJetrachtest Du die Gewebe der beiden Gruppen nach ihrer physinlogisi'hen Bedeutung, so erkennst Du sofort das hervor- rap'iuli' IVluTiivwirht der archiblastischen Gruppe. Sie ver- i'inii;-t die dewebe, welche dem Thierkorper sein besonderes deprave geben, das Nervengewebe, das Muskel^ewebe und die (irnndla^en der Siiuiesorgane. Die paral)lastisclien Gewebe dienen im allgemeinen nur als Sttttzen und als Verbmdungs- mitel der airhiblastischen, sowie als Ernalirungsmittel ttir jene. Ihre Verwendung rrschcint allenthalben der Leistung vonjenen unter^enrdnet und angepasst, und wahrend Du nicht im Stande sein wirst, Dir einen lebenden Thierkorper zu denken olme Nervensystem, oline Muskeln und ohne Drusen, kannst Du Dir gar wohl einen solchen vorstellen, in welchem Bindegewebe, Knoehen und Knorpel durch anderes Material von gleichen physikalischen Eigenschaften (durch Leder, Holz, Leinwand u. s. w.) erset/t sind und in dem selbst an Stelle des Blutes eine Losing bestimmter chemischer Stoife kreist.3) Narh meinen am lltihnerci gesammelten Erfahrungen babe ich mir die I Vbemuigung gebildet, dass die parablastischen Anlagen aus eincr Quelle stammen, die man bis dahin gar nicht zum Keim uv/iihlt hat, namlich aus dem sog. weissen Dotter. Es ist diese Anschauung von verschiedenen Seiten her angetbchten worden, und man hat versucht darzuthun, dass auch die drtassanlagenaus dem, bisher als Keim bezeichneten Theile des Eies hervorgehen. So interessant die Frage von der eigentlichen Herkunft der parablastischen Anlagen nach andern Seiten bin ist, so hat sie doch keine directe Beziehung zu den Fragen der Formbildung, und da sic nhnedem nur mit- telst monographischcr Behandlung durchgetbchten werden kann, trete ich hier auf deren Discussion nicht weiter ein. Nur das ttige ich zur Vermeidung von Missverstandniss bei, dass ich weniger als je Grand babe, von meiner bisherigen Ueber- zeugung abzulassen.'1) 44 Dritter Brief. Soil ich Dir nun nochmals resumircn, was Du vom Re- mak'schen mittleren Keimblatte zu halten hast, so ist dies Folgendes: das Remak'sche mittlere Keimblatt umfasst die Theile, welche zwischen den beiden Granzblattern liegen. Die- selben sind theils arcliiblastischen Ursprungs (die beiden Muskel- platten und der Axenstrang), theils parablastischen Ursprungs (die beiden Gefassblatter). Letztere Anlagen treten nicht allein spater auf, als erstere, sie sind liberhaupt nicht in loco durcli Abspaltung von den librigen Anlagen entstanden, sondern von aussen her hineingewachsen. Haltst Du es aus Grunden topo- graphischer Beschreibung fur zweckmassig, die Theile zwischen den beiden Granzblattern mit einem einzigen Wort zusammen- zufassen, so magst Du sie etwa (im Anschluss an eine altere Bezeichnung von Rei chert) Intermediargebilde nennen. Den Ausdruck ,,mittleres Keimblatt" rathe ich Dir deshalb ab, weil er zum Missverstandniss einer genetischen Zusammengehorig- keit von Gebilden Anlass giebt, die in Wirklichkeit nichts mit einander gemein habcn. Vierter Brief. Faltenbildung im Keim und deren Bedingungen. Licbcr Freund! Bci alien bishcr beseliriebenen Gestal- tungsvorgangen hat die Bi Idling von Faltcn cine Hauptrolle gespielt. Sic erschcint iin Allgcmeincn als der cinleitende Vor- gang, welcher den weitergehenden Trennungen denWeg bezeich- nct. Du kannst Dir, wie wir im zweiten Brief gesehen haben, die Keiinsclieibe als den flaeh ausgebreiteten Stoff vorstellen, nus welehem das Material fiir die einzelnen Organe des Korpers aus/usclieiden ist. Zuerst eifolgt die Scbeidung in die zu ver- scliii'dener histolo^isclicr Yenvcndimg bestimmteu Scliicbten. Dann alu-r wird der <;eschiehtete Keim von einem System sicb duiTlikrcu/.cndiM- l>cr^- und Tlialfalten durcbzogen, und jede dieser Kalten, wo sie einmal aufgetreten ist, wird /ur Granz- marke eines ^rnssen Haii])tl)e/irkcs des Korpers. In der einfachcn Anlagc von Fig. 15 findest Du sclion den (irund li'de^t fiir cine Reihe der wicbtigsten Scbeidungen : das aussere System von Rinncn trcnnt den Embryonalbczirk vom ausserembryonalen, ein darauf folgendes System von Berg- falten die dorsalen Anlagen von den ventralcn. Die Granze von recbts und von links wird durcb eine tiefe longitudinale, die von Kopf und Rumpf (lurch cine seichte qucre Rinne vor- ge/eiebnet, und die wicbtige Trennung von Stammzone und J'arietalzone ist in Gestalt zweier leiehter Liingsfalten ange- deutct. Longitudinale und qucre Falten krcuzen sicb, jedes der binter cinander licgenden Quergebiete der Anlagen wird 46 Vierter Brief. V.Cr. somit in eine Anzahl neben einander liegender Felder unter- abgetheilt, d. h. wir begegnen am Kopf, am Rumpf und am Schwanz einer Stamm-, einer Parietal- und einer Aussen- zone, und umgekehrt verfolgen wir die Stammzone und die Parietalzone durch sammtliche hintereinander liegender Gebiete der Gesammtanlage. Wir wollen das Princip, wonach die primaren Falten der Keimscheibe die Granzen grosser gemeinsamer Bezirke liefern, als das Princip der durch gehenden Granzmar- ken bezeichnen. Die Langs- und die Quer- falten, obwohl sie in der ober- sten Schicht des Keims am scharfsten sicli auspragen, sind doch dieser Schicht nicht eigen- thumlich. Ein Blick auf die Querschnitte von S. 33 oder auf den Langssclmitt Fig. 12 S. 14 zeigt Dir, dass im All- gemeinen alle Schichten an den Faltungsvorgangen Theil nehmen. Dabei sind aller- dings stellenweise die Falten der vegetativen Schicht denen Fig. 35 (is). Embryonaltheil der Keirascheibe del" animalei! eiltgegCllgCSetzt des Huhnes vom 1. Bebriitungstag. . , , T^ . ,^,. 0. c, 00 v. u. s. Kf. vordere und seitliclie Keimfalte. geilChtet. KQl 1 Ig. 60 D, OO v. n. s. Gr. vordere und seitliche Granzrinne. -,-» . i , T^. ^. 4 . -, Kz. Kinne auf der Granze von Kopf u. Rumpf. Z. ti. SlChSt Dll QIC l)eidei! * Falte an der Granze von Stamm- u. Parietal- r< -, . -t , . -i Tur-,, zone. hchichten in der Mitte der Am 1. vordere und -r» • , t •, Am 2. seitliche Amnionfalte. Parietalzone am WCltCStei! EUS- einanderweichen , an deren beiden Granzen aber einander naherucken. Als Folge der Betheiligung der verschiedeneii Schichten an der Faltenbildung ergiebt sich das Vorhandensein gleich abgegranzter Zonen in ihnen. So haben wir frtiher schon die Medullarplatte und die drei verschiedenartigen Bestandtheile der Urwirbelplatten als sich correspondirende Langsbezirke Princip der durchgehenden Griinzmarken. 17 keimen gelernt. Weiiigcr uninittelbar schliesst sich das Darm- (Iriisenblatt in semen Formbewegungen den tiberliegendeii Schicliten an. Nicht jede von Falten umgranztc Parcelle scheidet sieli in derFolge zuni iresondertciiOrgane aus. Wiilirend sich z. B. der Stammtheil des obcrcn Griinzblattes vom Parictaltheil als Medutlarplatte bez. als Medullanofer trennt, bleibt der Kopt- tbeil dieses Kohres mit dein Kiimpfthcile, und dieser mit dein Schwan/theile, d. b. das Gehirn mit dein Kiiekenniark in fort- laufender Verbindung. Ebenso wcnig koinmt es zu ciner Unter- breclnmg an der Granze der dorsaleu uud der ventralen An- lagcn. — Da mit auf die Bildung einer Falte diejenige einer Spake In !«;•(', 1st nielit allein nutliig, dass die Falte eincn ge- wissendrad der Ausbildung erreicbe, es uiiissen nocb weitere Bedingnngen hin/nkomnien, wie die Eiinvirkunini ausscrer Zug'- kriiftc, ein gewisst-r Grad von Briielii^keit der zu treniiendcn Schieht n. der^L, licdingungen? auf welcbe wir bald zurlick- kummen wenli-n. \\'enn wir uns M'i'i:'eti;-einvJirtigen? wie zablreicb und wie verseliiedeiiMi-tii;- die Orpine siiid, deren Anlagcn die Keim- scheibe umfasst, wie fernerjedes Organ nieht allein naeb seiner (Jritsse. sondern audi nacb seiner bistoloi;%iselien Zusammen- setzun^1 dein s])ateren JJediirmiss des Gesammtorganismus und si-men Lebendbediagmigeo angi-passt ist, so muss uns die irrnssartige Kiiiiadihcit iilierrasclien, mit wclchcr gleicb im Anbe^inn der Kntwicklung Linien sirh /ielm. deren jede t'iir die gesjimmte Oek(Miomii' der naelit'nl^endeii ( )rgaiicintwickcluiig inassii-ebeiid wird. Lass eine einzigc dieser Falten ilirc Lage verandcrn, so wird damit die Eintbeilung der Zoncn eine andeiv. (lanze Keihen von Anlagen werden, die einen ver- griissert, die anderen verkleinert werden, und ausgedelmte A'er- iinderungen im Dane des sieh entwickelnden Organismus werden die Folge da von sein. Es entbalt das Princi}) der durebgelien- den (Jran/.markrii ein Motiv weit^reitrndcr gQgeBSeitiger Ent- wiekhin^sahliiinu-iii'keit der Thcilc, und gibt den Seliliisse-1 t'iir dereu aus der Ziiehtun^slcbre bckannte sog. Correlation. Wir werdeii spater zu untersucben baben, ol> der 1 jitstebung von Falten aucli bei spiiteren IJildnn^svorpin^en die cinlei- tcndc Kolle zukommt, Itir beute wende icli mich sofort zur 48 Vierter Brief. physiologischen Frage: wie entstelicn denn iiberhaupt Fallen in der Keimsclieibe? Willst Du ein flacli ausgebreitetes Papierblatt dazu bringen, Fallen zu werfen, so stehn Dir nattirlicli verschiedcnc Wege zu Gebote, einmal kannst Du es von den Randern her zu- sammenschieben, alsdann wird sich eine einzige, ziemlicli regel- massige Falte bilden, die um so holier sich erhebt, je mehr Du die beiden Rander einander naher riickst. Ein zweiter Weg steht Dir offen in Befeuchtung des Papieres. Machst Du es, um einen besondern Fall herauszugreifen, in seiner Mitte nass, so wird die genetzte Stelle aufquellen, sie wird sich ausdehnen und an dem, nicht sich delmenden trockenen Rande des Papieres einen Ausdehnungswiderstand finden, der sie zu einer mehr oder weniger unregelmassigen Faltenbildung ver- anlasst. In beiden Fallen ist die Elasticitat des Papiers eine Grundbedingung des Faltenwurfes. Ware das Papier absolut unelastisch (eine von der Physik bekanntlich keincm festen Korper zugestandene Eigenschaft), wttrdc es mit andern Wor- ten einer Aenderung seiner Form unter dem Einfluss .iiiisserer Krafte keinen Widerstand entgegenstellen , so wttrde es in dem einen, wie in dem anderen Falle zu cinem Klumpen sich ver- dicken. Eine sehr weiche Thon- oder Wachsplatte konnte ein Beispiel solchen Verhaltens gewahren. Die Falten der Keimsclieibe babe ich mm wie diejcnigen des Papierblattes als Falten einer elastischen Platte aufgefasst, weil eine andere Auffassung mir iiberhaupt physikalisch un- denkbar erscheint. Dem gegenuber betheuert Prof. Haeckel in mehreren wahrend der letzten paar Jahre erschienencn Publicationen gleichlautend : ,7die Keimsclieibe ist nicht ela- stisch !" Auf weiche Erfahrungen diese Betheuerung sich stiitzt, wird uns nicht mitgetheilt, und so wollen wir uns filr diesmal erlauben, anstatt aus den Schriften von Prof. Haeckel, unsere Belehrung bei einer wirklichen Keimsclieibe zu suchen. Da kann ich Dir denn einige hochst einfache kleine Versuche angeben, die Dir uber den Punkt keinen Zweifel mehr ge- statten werden: Du entleerst den Dotter eines frischgelegten unbebruteten Eies in eine Schaale, nmschneidest den Keim mit der Scheere, hebst ihn mittelst eines trockenen Deckglases ab, und bringst Elasticitat der Keimscheibe. 49 ihn mitsammt dem Deckglase in cine unschadliche Fliissigkeit (Jodserum). Nun reinigst Du, immer unter Fllissigkeit, die Keimschi'ibe von dor anbaftcndcii Dotterbaut und vom Dotter und erhaltst sie als eine kreisrunde weisse Platte von etwa 3 1/2 Mm. Durchmesser. Du kamist, wenn Du willst, die trtibe gewordene Fliissiirki-it dinvb klare erset/en, und Du versuchst nun init rinor Sonde den Rand der kleincn Scheibe nacb der einon <>der der andern Kichtung bin umzulegen. Wofern Du sorgtiiltig vertahrst, und die Griinzen der Elasticitiit nicht tiber- schreitest, wirst Du finden, dass der umgelegte Rand jedesinal wieder in seine urspriingliche Stellung zurUcktedert. Dann kannst Du Folgendes vornehmen: Du lasst ein Ei wahrend etwa. 18 Stunden bebrttten, die Keimscheibe dehnt sicb dabei zu einem Durcbmesser von etwa 8 — 12 Mm. aus. Versuchst Du an der gut isolirten Scheibe mit der Sonde den Rand in radiarer Richtung einwarts zu drangen, so wird sicb derselbc nach Wegnahme der Sonde wieder nacb auswarts bewegen. Scbneidest Du aus der Scbeibe Streifen von einigen Millimetern Durcbmesser und schiebst sie, abnlicb wie frUber das Papier- blatt, von den Randern aus zusammen , so werlen sie Fallen, die mit aufborenden seitlichen Drucke sicb wieder ausgleicben. DM wirst leicbt noch andere abnliche Versuchsformen aus- h'ndig macbeu konnen, die Dich alle auf dasselbe Endergeb- niss liinausfiihivii werden, dass die Keimscheibe des Vogeleies sclion in t'riiben Stadien ibrer Entwicklung ein Korper von nicht nnbedeutender Biegungselasticitat ist. Kine von aussen her auf die Keimscheibe formverandernd wirkendi' Kraft litsst sich nun wahrend der Periode der ersten Hntwicklunii nidit autfinden, wohl aber ergeben sich im Ver- liallcn der Keimscheibe selbst gentigende Bedingungen fiir deren Faltvnbildung. Nur sebr im Vorbeigehen haben wir im Bishcrigcn des stetig vor sich gehenden Wacbsthums der Keimscheibe und ihrerGebilde gedacht, es ist an der Zeit, diese wichtige Function bestimmter ins Auge zu fassen. Die unbebrtltete Keimscheibe besitzt, wie Du soeben hortest, einen Durchmesser von nur etwa 3 1/2 Millimetern. Schon nacb kurzer Bebrlitung macht sich eine Xunabinc des Durchmessers bi'inorklich; stetig schreitet diese voran, und die Scheibe, nach -M Stunden gegen l!/2 Cm. messend, wolbt sich von da ab His, Briefe. 4 50 Vierter Brief. mehr und mehr als Halbkugel um den Dotter lierum und um- wachst diesen schliesslich vollstandig. Wahrenddem legt sich die Embryonalanlage an, und wachst auch ihrerseits als Ganzes und in alien ihren Theilen. Bei diesem stetigen Wachs- thum der Keimscheibe sind nur zwei Moglichkeiten gegeben: entweder, die Ausdehnung ist in jedem gegebenen Zeitelement fur alle Punkte der Keimscheibe dieselbe, oder sie ist fur ver- schiedene Punkte eine verschiedene. Im ersten Falle liegen im Wachsthum keine Bedingungen der Keimscheibenfaltung, im zweiten Falle ist die Faltung als nothwendige Folge des ungleichen Wachsthums anzusprechen. Es ist dies leicht zu verstehen: Es sei z. B. eine elastische Platte von beifolgender quadratischer Gestalt mit je 18 Mm. Seite gegeben und Du magst sie in die 9 Quadrate abc bis i eingetheilt denken. Diese Platte soil in ihrer ganzen Ausdelinung gleichmassig wacbsen, so dass ihr Flachenraum nach einer bestimmten Zeit sich ver- vierfacht. Jedes der 9 Quadrate hat sich gleichfalls vervier- facht und fur ein Herausgehen eines derselben aus der Ebene der Uebrigen liegt kein Grund vor. Lass nun aber das Qua- drat e sich verneunfachen , wahrend die Uebrigen sich ver- vierfachen, so bilden letztere einen Rabmen, der fiir die Aus- dehnung des Mittelquadrates einen Widerstand bildet. Letzteres wird, soweit seine physikalischen Eigenschaften es gestatten, faltig sich hervorwolben, und auch der aussere Rahmen wird wegen des nach verschiedenen Richtungen ungleichen Wider- standes sich mehr oder weniger stark verziehen. Lass statt dessen das Quadrat e nach einer Richtung das dreifache, nach der andern das vierfache seines friihern Durchmessers gewin- nen, so wird die Bedingung fiir Faltenbildung in einer Richtung ausgepragter als in der andern ; oder lass statt des Quadrates e die Quadrate e und h oder b, e und h sich verneunfachen, so wirst Du wieder andere Bedingungen fiir den Faltenwurf bekommen. Es ist, um mich allgemeiner auszudriicken, in einer ungleich- massig sich ausdehnenden elastischen Platte die Entstehung von Falten die nothwendige Folge der ungleichen Ausdehmmg, und die specielle Form des Faltenwurfes ist jeweilen eine Function des Gesetzes, welches fiir jeden Pimkt der Platte und in einem jeden Zeitmomente die Ausdehmmg bestimmt. Bedingungen der Faltenbildung. 51 8ie ist iiberdies eine Function von der Vertheilung der elastischen Krafte in der Platte, eine Ab- hangigkeit, von der wir vorerst absehen wollen. Die ungleiche Vertheilung des Wachsthuins in der Keimscbeibe ist nicht scbwer darzuthun. Ein erstes und am leichtesteu zu ver- toli;-eiides Kriterium liefert die Dicke der Keimscbeibe, vor allem die Dicke des oberen, von frtth an durch scharfe Contouren aus- gezeichneten Granzblattes. Bevor die Entwicklung begonnen hat, bctriigt die Dicke des oberen (iranzblattes in Mittel 20 p (0,02 Mm.), in der Mitte der Scheibe ist sie unbedeutend starker als jim Rande. Mit Beginn der Ent- wicklung ist es das zuktinftige Embryonalgebiet , in dessen Be- reich die Keimscheibe als Ganzes, und speciell das obere Granzblatt an Dicke rasch zunimmt, wahrend in dem Kandgebiete eine Ver- (Uinnung statt einer Verdickung und eine gleichzeitige Abplattung derZellen eintritt Die Verdickung im Embryonalbezirk ist am bedeu- tendsten langs uud neben der Axe, da wiederum am starksten im zuktinftigen Kopftheiie des Ge- bietes. Vor vollstandig eriblgtem Schlusse des Medullarrohres ist an Querschnitten die Dickenzunahme vn in Rand des Embryonalgebietes gegen die Mitte sehr scho'n zu (I b c r" • d e 1 / ' // i a b c • i — d I ! ' I / 9 h / Fig. 3<)-39. 4* 52 Yierter Brief. verfolgen. Sie betrifft in erster Linie das Granzblatt, dann aber auch die Muskelplatten, welche beide am Rand des Embryonalbezirkes zugesckarft enden, und nur das Darmdriisen- blatt zeigt sick langs der Axe gleick dilnn, wie am Rande. Fig. 34 (S. 36) des vorigen Briefes kann Dir diese Dinge ver- gegenwartigen. Die Dickenabstufung von der Mitte gegen den Rand bin ist keineswegs in alien Schnitten dieselbe. Am Kopftheile ist die dicke Mittelzone breit und gegen den Rand bin erfolgt rasche Verjiingung; im Rumpfabschnitt ist die dicke Mittelzone schmaler und die Verjungung gegen den Rand weit allmahliger. An Langsscknitten zeigt sick das obere Granzblatt im Kopf- tkeile dicker als im Rumpftkeil und seine Verjungung am vorderen Rande erfolgt sekr rasck. Die Dicke der Medullar- platte nack eben gescklossenem Rokre bestimmte ick bei einem Embryo von der Stufe Fig. 10: im Vorderkopf 45 — 48 /LI im Hinterkopf 38—40 „ im Halstkeil des Rumpfes 35 „ Embryo von der Stufe Fig. 9: im Vorderkopf 50 — 60 u im Hinterkopf 40 — 45 „ im Halstkeil des Rumpfes 38 — 40 „ Das effective Wackstkum der Embryonalanlage in die Breite complicirt sick mit deren zunekmender Zusammensckiebung. Letztere fiikrt trotz der Flackenzunakme der einzelnen Sckick- ten Anfangs zu einem absoluten Sckmalerwerden des Embryo. Es betragt z. B. die Breite: Im Stadium Im vorderen Drittheil In der Gegend des Kopfes. des 1. Urwirbels. von Fig. 15 1,0 Mm. - Mm. „ „ 14 0,8 „ 1,0 „ » » ™ 0?7 „ 0;6 „ „ „ 9 0,-9 „ 0,5 „ Durckgreifende Maassbestimmungen des transversalen Flacken- wackstkums kaben mit versckiedenen Sckwierigkeiten zu kam- pfen. Auf frukeren Entwickelungsstufen vor Sckluss des Me- dullarrokres lassen sick feste zu Messungen geeignete Punkte nickt wokl bezeicknen; spater, wenn die Organgranzen die Wachsthum des Keimes. 53 Unsicherheit die Orientirung verringern, treten bald Compli- eationen ein, die in gegenseitigen Verschiebungen der, ursprting- lich im gleichen Querschnitt befindlichen Theile bestehen. In der kleinen Tabelle, die icb beifiige, sind lllr vier bestiramt cbarakterisirte Schnittstellen die Ausdehnung des flach aus- gebreitet gedachten Medullarrohres (M) und des Hornblattes (H) eingetragen. Als Endpimkt tiir die Horablattmessung gilt in den beiden unteren Rubriken der Ort seiner Verbindung mit der oberen Muskelplatte. Die in derselben Verticalcolonne ent- haltenen Messungen beziehen sich auf Querschnitte eines und desselben Embryo. Aus den beigegebenen Verhaltnisszahlen j ersiehst Du: 1) das Uebergewicht des niedullaren Wachs- tluuns iiberhaupt, und 2) das, im Vergleich zum Rtickenmark- theil, starkere Ueberwiegen desselben im Hirntheil. Maasse in Stufe von Stufe von Stufe vorr Stufe von Millimetern. Fig. 10. Fig. 9. Fig. 5. Fig. 1. M. H. M. H7 M. H. M. H. M. H. M. H. M. H.. M. IT Gegend der Augenblasen. 0,S5 1,6 1 1,9 2,9 M 1 0,8 Messungen Gegend der Mundbucht. 0,5 1,5 1 3 1,1 2,1 1 T wegen der eingetretenen Kopfkriimmung nicht Gegend der Gehirnblase. 0,3 0,95 1 3J6 0,7 1,9 i 2,7 brauchbar. Gegend des ' 1 ! 1 vordersten 0,27 0,95 0,37 1,3 T^ 0,65 2,0 1,1 3,4 Urwirbels. 1 ,o ' Auf das Voraneilen des cerebralen Wach sthums ist auch die Thatsache zurtickzuftihren , dass alle Langsfalten im vor- deren Theile des Embryo frtther und starker sicb entwickeln, als im hinteren. Das starke Vorauseilen des Gehirns im Langs wachsthum bedarf kaum eines besonderen Zahlenbeleges , Du brauchst imr die Figuren 1, 5, 9, 10 des ersten Briefes mit einander /u vergleichen, urn Dich davon zu tiberzeugen. Ein in Zahlen misdrttckbarer Vergleich zwisehen dem Langswachsthum des Humpfes und des Gehirns lasst sich mit Htilfe der Urwirbel 54 Vierter Brief. gewinnen. Die Lange der 8 vordersten Urwirbel (incl. Zwisclien- streifen) betragt zusammengenommen : beim Embryo Fig. 10 0,92 Mm. Q ft Q2 11 11 11 VJ«T* „ 77 11 11 *> 0,9*2 jj 11 11 r 1 1?05 11 Die Lange der Mntereinander liegenden Abtheilungen des Ge- hirns (im Bogen gemessen): beim Embryo Fig. 10 1,4 Mm. 11 11 11 9 1,55 „ 11 11 11 *> 2,3 „ • 1 9 Q 11 11 11 A *iv 11 d. h. wahrend die Lange des vordersten Rumpfabschnittes um etwa Ve zugenommen hat, hat diejenige des Gehirns um mehr als das Doppelte zugenommen. Es wird dies vorerst geniigen, Dich von der ungleichmassigen Vertheilung des Wachsthums in der Keimscheibe zu liberzeugen. Da wir uns nun darttber klar geworden sind: dass die Keimscheibe eine Platte von nicht unbedeuten- der Biegungselasticitat ist, dass eine solche Platte bei stattfindender ungleichmassiger Ausdehnung in Falten sich werfen muss, dass in der Keimscheibe dasWachsthum nach eineni be- stimmten Gesetze raumlich sich vertheilt, dass endlich die Bildung und erste Gliederung der Em- bryonalanlage durch Bildung von Falten sich einleitet, konnen wir das Ergebniss als feststehend betrachten, dass die Bildung und erste Gliederung des embryonalen K(>rpers eine unmittelbare Function des Gesetzes ist, welches das Wachs- thum der Keimscheibe nach Ranm und nach Zeit bestimmt. Punfter Brief. Mechanik der Blatterspaltung , Einfluss der Keimscheibenspannungen auf die Form der Zellen. Ueberschreitung der Elasticitats- und der Festig- keitsgranzen, Bildung des Axenstrangs und derUrwirbel, Bildung von Nathen. Lieber Freund! Im vorigen Briefe haben wir eineu An- griftspimkt gefunden, von wo aus das physiologische Studium der fruhesten Forinentwickelung sich unternehmen lasst. Folgeu wir heute dem angebahnten Pfade und untersuchen wir, ob er uns zu noch wcitergehenden Gesichtspunkten zu flihren vermag ! Das Hauptergebniss unseres letzten Briefes war folgendes : die Scheidung des Embryonalleibes von der tibrigen Keimhaut und seine Gliederung in die fundamentalen Bezirke wird durch Faltungen eingeleitet, welche ihrerseits die Folge sind un- gleicher Vertheilung des Wachsthums in der Scheibe. Der rascher sich ausdelmende Embryonalbezirk findet einen Aus- an dem ihn umgebenden, minder rasch Uandbezirk, und erhebt sich blasenartig iiber die- sen. In ihm selbst sind wiederum Abstufungen der Wachs- thumsgeschwindigkeiten vorhanden, welche im Einzelnen mit- bestimmend wirken auf die Form und auf die Reihenfolge der entstehenden Falten. Nicht allein nach den verschiedenen Langen- und Breiten- bezirken stufen sich innerhalb der Keimscheibe die Wachsthums- geschwindigkeiten ab, auch in verschiedenen Ho'hen dehnt sich die Scheibe ungleich rasch aus. An dem beistehenden (un- vollstiindig wiedergegebenen) Durchschnitte , Fig. 40, betragt der gerade Abstand zwischen den beiden Anheftungsstellen der oberen Seitenplatten an das obere Granzblatt = 107 Mm., was 56 Funfter Brief. bei 85maliger Vergrosserung eine Breite von 1,26 Mm. er- giebt. Fig. 40 (28). Querschnitt etwas weiter hinten als Fig. 27 dutch denselben Embryo gefuhrt. Die Urwirbelscheidung hat noch nicht begonnen. Ax. Axenstrang mit seinen seitlichen Fortsatzen. o.M. obere Muskelplatte. u.M. untere Muskelplatte. Gf. Gefassschicht. Beim Messen innerhalb dieser Breite entlang den Krtim- mungen resultirt als wirkliche Lange fur das obere Granzblatt 2,0 Mm. die obere Muskelplatte 1,5 „ „ untere „ 1,33 „ das untere Granzblatt 1,3 „ d. h. es ist das obere Granzblatt an der fraglichen Strecke und zu der gegebenen Zeit um */3 breiter, als die obere Mus- kelplatte, und um die Halfte breiter als die untere Muskel- platte und als das Darmdrusenblatt. Auf friiheren Stufen sind die relativen Unterschiede geringer, aber in gleichem Sinne vorhanden, beim unbebruteten Keime schliesslich gleichen sie sich vollig aus. Die Ungleichheit in der Flachenausdehnung der versclrie- denen Keimscheibenschichten ist der Grund der Blatterspaltung. Ueber diesen, im Bisherigen nur obenliin beriihrten Vorgang, wollen wir uns vorerst wiederum einige Anscliauung verschaf- fen, und zwar nehme ich die Beschreibung beim Keim des unbebriiteten, frisch gelegten Eies auf. Der Keim des unbebruteten Hiihnereies ist, wie bereits fruher erwahnt wurde, eine flaclie Scheibe von etwa 3 V-2 Mm. Durchmesser. Der Rand der Scheibe ruht auf eineni Ring von weissem Dotter, dem sog. Keim wall auf, ihr Mittelfeld ist uber einer, mit Flussigkeit erfullte Hohle, die Keim ho hie, ausgespannt. Die ersten sichtbaren Spuren des Embryo treten in diesem Mittelfelde auf, und zwar zwischen dem geometrischen Mechanik der Blatterspaltung. 57 Mittelpunkte und dem einen , als hintern zu bezeichnenden Rande der Scheibe. Die Keimscheibe besteht in der Zeit vor der Bebrtitung aus zwei Schichten, deren obere dicht und von scharten Con- touren uinsauiiit 1st, wahrcnd die untere aus locker verbundenen, Fig. 41. Stuck Keimscheibe des unbebruteten Huhnereies. 250mal vergrossert in senkrechtem Durchschnitte. 0. S. obere dichte Schicht. U. S. untere lockere Schicht. moistens kuglig gegen die KeimhohJe vorspringenden [Zellen besteht. Einzelne Keimzellen liegen sogar7 von der Scheibe getrennt, auf dem Boden der Keimhohle. Eine eigentlich zu- sammenhangende Haut bilden die Zellen der unteren Schicht noch nicht, sondern eine vielfach unterbrochene netzfdrmige Lage. Mit der oberen compacten Schicht hangen sie allent- halben zusammen, eine Verbindung, die sicb von der Zeit der Fur ch ung her noch erhalten hat. Mit dem Beginn der Bebrtitung gewinnt auch die untere Schicht an Zusammenhang, die seitlichen Verbindungen mehren J)H> Fig. 42. Stuck Keimscheibe des Hlihnereies nach gst&ndiger Bebrutung. Senkrechter Durchschnitt. 250 mal vergrossert. o. G. Oberes Granzblatt. Dd. Darmdrusenblatt Z. Zwischenliegende Zellen. sich, und es bildet sich eine tiefste blattartige Schicht, welche \vir nunmchr als Darmdrtisenblatt bezeichnen dtlrfen, die oberste 58 Fiinfter Brief. compacte Lage ist das obere Granzblatt. Beide sind mit ein- ander durch zwischenliegende Zellen verbunden, welche in der Nahe der zukunftigen Korperaxe am reichlichsten vor- handen sind. Dehnen sich nun die beiden Granzblatter aus und bilden Falten, so ist zu einer Trennung ihrer Verbindungen kein Grund vorhanden, so lange die Flachenausdehnung beider dieselbe ist. Dehnt sich aber das eine Blatt rascher aus als das andere, so werden sie bei ihrer losen Ver- klebung nothwendig von einander sich trennen mussen. Die Trennung wird da zuerst erfolgen wo die Verbindung am losesten, zuletzt da wo sie am innigsten ist. Sie erfolgt zuerst vor dem Embryonalbezirke der Keimscheibe und in des- sen Seitenabschnitten, spater im Stammgebiete, zuletzt langs der Axe. In beistehender Fig. 43 ist eine, wahrend 1 5 Stimden bebrtitete Keimscheibe in derFlachenansicht dargestellt. DenOrt derEmbryonalanlageerkennstDu aneinem, in der hinterenHalftc der Scheibe vorhandenen, unscharf begranzten dunklen Streifen. Soweit dieser Streifen reicht, sind die beiden Schichten noch ungeschieden , soweit die Scheibe hell, sind sie von einander getrennt. Vorn und theilweise noch seitlich vom axialen Strei- fen ist der freie Theil des Darmdrusenblattes bei der Reini- gung in grosserer Ausdehnung weggerissen worden und man sieht dessen scharfen Rand. Treten nun die beiden Granzblatter auseinander, so werden die dazwischen befindlichen Zellen theils dem einen, theils dem anderen Blatt folgen, oder sie werden, ihre Verbindung mit beiden aufgebend, eine mittlere Schicht bilden, die ihrer- seits wieder in zwei zerfallt. Erstere Reihenfolge der Tren- nungen tritt im Schwanz- und grossentheils im Parietalgebiet, Fig. 43. Keimscheibe, 15 St. bebrutet. Vergr. lOmal. Kw. Keimwall (Ring von anhaftendem weissenDotter). Em. Erste sichtbare Spur der Embryonalanlage. Dd. Eand des abgerissenen Darmdrusenblatts. Mechanik der Blatterspaltung. 59 Ict/tcre im Stammgebiet in den Vordergrund. Das Endergeb- niss 1st, wie wir frttber schon saben, die Bildung zweier Mus- kelplatten, deren eine dem oberen, deren andere dem imteren Gran/blatt bleibend zugetheilt wird. Alle die Trennungen eriblgen nicht mit einem Male, sic leiten sicb ein durch Zerrungen und fadenformiges Ausziehen der verbindenden Zellen zwischen den am starksten auseinander weielienden Strecken der Schichten, dann reisst die Verbindung durch, die Zerrung bat mittlerweile neue, am Rand der Trennung liegende Strecken ergriffen, und so geht die Sache Fig. 44. Erobryonalbezirk der Keimscheibe im Stadium der Blatterspaltung senkrecht durcli- schnitten. 250mal vergrossert. o. G. oberes Granzblatt. Dd. Darmdrusenblatt. Z. Zwischenliegende Zellen zum Theil fadenfonnig sich umspannend. Die dichtere Anhaufung links gehort dem Mittelbezirk der spateren Stammzone an. von bestimmten Stellen aus successive weiter. Das Ausspannen t'adeniormiger Verbindungen geht stets der vollsttindigen Losung voraus. Wie lange nnd wie innig an einzelnen Stellen die iirspriinglirhen Verbindungen sich erhalten, davon hast Du friiher schon Beispiele kennen gelernt in der Verbindung desMedul- larrohres mit der Chorda dorsalis, und dieser mit dem Darm- drlisenblatt, sowie in der Verbindung des ausseren Randes der oberen Muskelplatte mit dem oberen Granzblatt. Gehst Du noch einmal die Schnitte durch, die ich Dir auf den letzten paar Seiten, bei starkerer Vergrosserung ge- zeichnet, mitgetheilt habe, so wirst Du auch beinerkenswerthe Verhaltnisse in der Form der Zellen wahrnehmen. Ver- folge zunachst das obere Granzblatt: bei Fig. 41, die unbebrtitete Keimscheibe darstellend, findest Du dessen Zellen annahernd rundlich, oder leicht oval mit Orientirung der grosseren Axe senkrecht zur Oberflache. Schon bei Fig. 42 tritt die ein- 60 Funfter Brief. seitige Verlangerung der Zellen mehr in den Vordergnmd, noch mehr bei Fig. 40 sowie bei Fig. 44; und zwar wirst Du bei dieser letzten Figur wahrnehmen, dass die radiare Verlangerung der Zellen vom Rand der Embryonalanlage gegen die Mitte bin zimimmt, und dass sie in der Medullarplatte ibr Maximum erreicbt. Die Zellen der unteren Scbicbten haben Anfangs eine kug- lige Gestalt, dann beginnt mit der Bildung des unteren Granz- blattes in dessen Zellen eine zunehniende Abplattung Platz zu greifen. In den Zellenscbichten der Muskelplatten tritt im Verlaufe der Entwicklung, wie irn oberen Granzblatte, radiare Schichtung ein, auch bier in eineni vom Seitenrand gegen die Axe bin zunebmeiiden Maasse. Die Bedeutung dieser Eigenthumlicbkeiten ist unschwer zu versteben. Wenn das obere Granzblatt aus dem friiher angegebenen Grunde Falten bildet, so muss es als comprimirter Korper in seiner ganzen Breitenausdebnung im Zustande elasti- scher Spannung sich befmden. Jedes Tbeilcben drttckt vermoge seiner elastiscben Krafte auf die seitlich davon liegenden Nach- bartheilchen, jede Zelle als Ganzes auf ihre Nachbarzellen. Die Folge davon wird sein, dass die einzelnen Zellen als weicbe Korper in der Richtung geringsten Druckes, d. b. senkrecbt zurOberflache sich ausdehnen, in derRicbtung grosseren Druckes aber verkurzen, sie werden spindelformige oder prismatiscbe Gestalten annehmen. Die Form der Zellen giebt uns also innerbalb gewisser Granzen geradezu ein Kriteriuni fur die Grade der elastischen Spannung. Es ist nun leicbt verstand- Iicb7 wie mit zunebmender Ausdebnung des oberen Griinzblattes die Spannung in ihm stets wachsen, und wie bei dessen u'ber- wiegendem axial en Wacbsthum dieselbe gerade in der Medul- larplatte ihr Maximum erreicben muss. Ferner ist aus den bekannten Satzen uber die Biegung fester Flatten ersicbtlich, dass am convexen Bogen der Falten die Spannung stets ge- ringer sein muss, als am concaven und dass sie bier unter gewissen speciellen Bedingungen negativ sein wird. *) Ftir die Muskelscbicbten treten die Bedingungen einer Com- pressionsspannung viel spater ein als ftir das obere Granzblatt, im unteren Granzblatt haben wir statt Spannungserscheinungen Anfangs Erscbeinungen der Dehnung, als deren Folge die ftir Form der Zellen. 61 licstimmte Strcekcn friili cintretende Abplattung der Zellen aufgefasst werden muss. Die Form einer Zelle kann, wie Du aus den eben be- sprochenen Erfahrungen ersiebst, nicbt als eine durcb die innere Organisation allein bedingte, somit specifische Eigenschaft an- gesebcn werden, sie ist eine Function einestbeils allerdings der Organisation, andcrntbeils aber der auf die Zellen wirken- den ausseivn Kriiftc. Es ist kaiini noting, Dicb darauf aufmerksam zu machen, dass die' Analyse sammtlicher Spannungsbedingungen ftir eine -« uebene Stelle cin Problem ausserst verwickelter Natur ist. Ynn der Zeit ab, wo in der Keimscheibe Ungleichbeiten des Wachsfhums Platz gegriffen haben, entspricbt ilire augenblick- licbe Form der jeweiligen Gleicbgewicbtslage eines ganzen Systems elastiscber Krafte. Jeder Scbnitt oder Riss wird das vor- handene Glelchgewicht storen und die Annabme neuer Formen veranlassen, welche zwar Gegenstand experimenteller Beobacb- tung, nicht aber derjenigen aprioristiscber Voraussage sein kon- nen. AlsFolgestarkerer Biegungen, Zerrungen oder Pressungen, welche die Scbicbten der Keimscheibe im Verlaufe der Ent- wicklung erfahren, konnen ferner stellenweise Ueberschreitungen der Klasticitiits^r-inzc nicbt ausbleiben, womit dann wieder ncuc Bedifigangen in das ganze formbildende Kraftesystem ein- Kin interessantes Bcispiel von der Entstebung neuer Gleicb- -•» -\\ ichtsbedin^uim-en nacb Ueberscbreitung der Elasticitats- i:riin/en gk-bt die Gescbichte des Axenstranges. Du er- innerst Dicb dor tiofen Kinnc (Fig. 15), welche bald nach Ent- steliun-- der ersten Keimscheibenfalten dasobereGranzblatt langs der Mittclliuic bildet. Die Embryologen haben sie Priuiitivrinne genannt, am Knpt'e gcht sie in eine seichtc Furcbe tiber. Der die Kinne bildende Theil des Granzblattcs springt, wie die Querschnitte zeigen, mit scharier Kante gegen die unterliegen- den Schicbten vor, die Muskelanlagen zur Scite drangend. Langs dieser scharf geknickten Kante nun hort die radiare Streifnng des oberen Granzblattes auf, die Ldcke zwischen den beiden streifigen Seitenbalften wird von runden Zellen cinircnommen. Dieselben sind bereits als Bestandtheile des Axenstranges anzuseben und sie geben ohne scharfe Granze 62 Fiinfter Brief. in die Zellenmassen iiber, welche die Verbindung mit dem Darmdrusenblatt herstellen, und die als Seitenfortsatze zwischen die Muskelplatten treten. Ax. Fig. 45. Keimscheibe vein Huhn nach 26stiindiger Bebrutung. Senkrechter Durchschnitt. Vergrosserung 150. o. G. oberes Granzblatt. Pr. Primitivrinne. Ax. Axenstrang. o. M. obere und u. M. untere Muskelplatte, von einander nicht gescliieden. Dd. Darmdrusenblatt. Wir haben hier einen Fall vor uns, wie er eintreten miisste, wenn in einer durch Zusamniendrucken gebogenen Gummiplatte der am starksten gebogene Theil sich pldtzlich in Thon, oder in eine andere, sehr wenig elastische Substanz verwandelte. Es wtirde diese Substanz aus der Flache der Platte herausgetrieben werden und sich langs der Kante zu einem mehr oder minder unformlichen Klumpen ansammeln. Du siehst jetzt, wel- chen Grund ich hatte zu der friiher ausge- sprochenen Behaup- tung, dass em Theil der Zellen des Axen- stranges aus dem obe- ren Granzblatt stamme. Du wirst ferner leicht Fig. 40 («8). Querschnitt durch Fig. 47 (19). Querechnitt , i i 0 _, i den Kopf von Fig. 17. 40mal durch den Gesichtstheild. VerStenen, QaSb Wacn- M. Sg^rl^eich4^1 sende Zellen aus dem yd. vSSrm. gen wie bei Fis" 18' Granzblattantheile des R- GeSrodhrSa!Mittel- AxenStrailgCS leicht Ao. auSgendeundab- nach deil SeitCll Mn Gv. GeSneirnvenenAOrta' atlSWCichen koniien, Geschichte des Axenstranges. 63 und dass spater, wenn das Medullarrohr und die Chorda im Uebrigen scharf sich isolirt haben, letztere doch nock wie ein Keil in ersteres kann festgeklemmt sein. Du wtirdest mich tlbrigens missverstehen , wolltest Du glauben, dass alle Zellen des Axenstranges in der Weise dem oberen Granzblatte entstammen. Das Aufbrechen des oberen LI. Fig. 48 and 49. ^uerschnitt des Lachskeimes. 8 Tage p. foec. Vergrosserung Sr. o. G. oberes Granzblatt. D. Rinne, daruber liegende Deckschicht. Dd. Darmdrusenblatt. Z. Zellenschicbt zwischen den beiden Granzblattern. Griinzblattes eriblgt im Kopftkeile nicht, hier bildet das Me- dullarrohr eine auch in ihrem unteren Theile gleich dicke Platte mit durchgehender radiarer Streifung. Gleichwohl feli- len der Axenstrang und die aus ihm hervorgehende Chorda im Kopftheile nicht, wie Du aus Fig. 18 und 19 trotz der etwas schwachen Vergr^sserung entnehmen kannst. Zur Ver- gleichung setze ich Dir auch 2 Querschnitte durch die Kopf- anlage eines Knochenfisches (Lachs) bei, deren eine, Fig. 38, 64 Funfter Brief. die Gegend der Augenanlagen trifft, deren anderer, Fig. 49, diejenige des Hinterkopfes. An ersterem 1st die Medullarplatte ununterbrochen, an letzterem siehst Du den zwischenliegenden Axenstrang concentrisch gesehichtet. Nicht allein die Elasticitatsgranzen, auch diejenigen der Festigkeit werden bei den stattfindenden Umformungen der Keimscheibe vielfach iiberschritten. Die oben besprochenen Blatterspaltungen gaben hierfiir ein erstes Beispiel, ein anderes, gleichfalls in frtike Perioden fallendes, giebt die Scheidung der Urwirbelplatten und diejenige der Urwirbel. Die Schei- dung der Urwirbelplatten fallt in die Zeit vor der Erhebung der Medullarplatte , mit dieser hebt sicb der durch zahl- reiche Zellen ihrem Rande anliaftende Stammtbeil der Inter- Fig. 50 (13). Querschnitt durch. den Embryo Fig. 10 bei a. 40mal vergrossert. Dorsalansicht. M. Medullarplatte. Z. Zwischenrinne. H. Hornblatt. U. Urwirbelplatte. S. Seitenplatte. D. Darmdrusenblatt. Ch. Chorda dorsalis. mediargebilde. Die Verbindung des letzteren mit dem Pa- rietaltheile wird erst ausgezogen und weiterhin getrennt. Die zuriickbleibenden Zellenverbindungen der Urwirbel mit dem Hornblatt sind weiterhin auch der Grund, weshalb jene von der Chorda seitwarts wegriicken und die Verbinduug mit ihr allmahlig losen. Mit der Hebung der Urwirbelplatten hangt auch die Glie- derung der Urwirbelplatten in einzelne hintereinanderliegende Stitcke zusammen. Dieser Scheidung geht namlich eine7 wahrend des betreffenden Stadiums an Flachenbildern sehr auffallige Krauselung voraus, die Du leicht verstehen \virst? wenn Du ins Auge fassest, dass die Korperaxe auch im Rumpf- theile zu keiner Zeit gestreckt ist , sondern theils concave, theils convexe Ausbiegungen macht. Fur die sich aufstellende Medullarplatte und ftir die Urwirbelplatten sind somit die Mechanik der Nathbildung. 65 Bedingungen dieselben, als wenn wir versuchen wollten, einen bandartigen Leder - oder Stoffstreii en langs einer concaven Linie zu befestigen. Der Streifen wUrde sich mehr oder minder regelmiissig krauseln. Am Medullarrohr sind, selbst nach voll- endetem Schlusse, bei der Flachenansicht Ausbieguiigen sicht- bar, welche je in die Interstitien zwischen zwei Urwirbel fal- len; in der loekeren Urwirbelplatte aber bleibt es nicht bei den Kraiisehmgen, es kommt zur wirklichen Trennung der sich faltenden Stttcke. Etwas auders als in den eben betrachteten Fallen ist der Trennungsmcchanismus bei der Scheidung der Leibeswand vom Amnion, der Darmwand von der Nabelblase, bei der Isolation des Herzens, und bei der Trennung des Amnion von der se- rosen Htille. In alien diesen Fallen ist der Grundvorgang folgender: Zwei Falten begegnen sich mit ihren Firstcn, und sie Fig. 51. Schema der Nathbildung. venvaehsen mit einandcr. Der obere Schenkel der einen bil- det mit dem oberen der anderen cine zusammenhangende, Aufangs noch rinnenforrnig vertiefte Platte, ebenso die unteren Schenkel. Das gleichfalls zur Verlothung gelangte ZvvischenstUck verjUngt sich bei der, mit der Zeit unver- meidlich eintretenden Spannung, und dann zerreisst es, ohne merkliche Reste zu hinterlassen. Nach ahnlichem Princip geschehen eine Anzahl sogen. Abschntlrungen der nachfolgen- den Entwicklungszeit , wie die Abschnllruug der Linse, die- jenige der Gehorblase u. a., deren Verstandniss einer auf- merksamen Betrachtung keine Schwierigkeiten in den Weg legt. His*, Briefe. Sechster Brief. Allgemeinheit des Faltungsprincipes bei der Bildung von Organanlagen. Bildung von Herz, Luftrohre, Lungen, Leber, Schilddriise, Magen und Milz. Lieber Freund! Die Ungleichheit des Wachsthums ver- schiedener Keimtheile und die Bedeutung derselben als form- Mldendes Princip haben sich als das feste Ergebniss der in den letzten beiden Briefen mitgetheilten Beobachtungen und Messimgen herausgestellt. Wir wissen nunmehr, dass jene Ungleicheit im Wachsthum nicht allein die Bildung der den Keim abtheilenden Falten bedingt, sondern dass sie mittelbar auch die Ursache ist ftir die Scheidung der Keimblatter, fur die Abspaltung der Urwirbelplatten und der Urwirbel, ftir die Trennung der Chorda dorsalis, kurz ftir die gesammte Gliederung des Keimes, soweit sie in den ersten Perioden der Entwick- lung sich vollzieht. Es erhebt sich nun, wie Du siehst, die Frage, ob es moglich ist, unter Zugrundelegung desselben Principes auch die weitergehenden Organabgliederungen , die Bildung des Herzens, der vegetativen Organe und der Sinnesorgane abzu- leiten, oder ob es dazu der Herbeiziehung neuer Principien bedarf. Diese Frage hangt innig zusammen mit einer andern, ob der Gang des Wachsthums einem Gesetze einfacher zeit- licher und raumlicher Abstutung folge, oder ob derselbe bei Bildung besonderer Organe auch zu besonderen Anlaufen oder Sprungen sich erhebe. Die frtiheren Embryologen hatten bereits die Erfahrung gemacht, dass die Bildung mancher Organe von bestimmten Flachen ausgeht. Die Bildung des Herzens, der Luftrohre und Allgemeinheit des Faltungsprincipes bei d. Bildung v. Organanlagen. 67 Lungen, der Schilddrtise, sowie diejenige der Leber und des Pankreas wurden in Beziehung zur Geschichte des Primitiv- darmes gebracht, die Bildung der Linse, der Geho'rblase und diejenige der HautdrUsen wurden als sogen. AbschnUrungen des Hornblattes aufgefasst. Immerhin ging man dabei von der Voraussetzung aus, dass da, wo ein solches Organ sich zu bilden habe, die Substanz in einem gegebenen Augenblicke zu wuchern beginne. Es sollte die Bildung des Organs das Ergebniss eines aus der Ordnung der Nachbarschaft heraus- tretenden localen Wachsthumsprocesses sein. Nun ergiebt aber die Beobachtung der frtiheren Stadien keine solchen localen Wucherungen. Von den, in den Ort des spateren Gehirnes fallenden Strecken maximalen Wacbthums aus stuft sich, so^ weit aus dem vorhandenen Material erkennbar ist, das Wachs- thum stetig nach alien Richtungen bin ab, rasch nach vorn, langsaraer und symmetrisch nach den beiden Seiten, am langsamsten nach rtickwarts. Ebenso findet sich Abstufung in der Wachsthumsgeschwindigkeit von den oberen zu den tiefen Schichten der Keimscheibe. Mit Riicksicht auf die histo- logische Bestimmung der Anlagen heisst das: es wachst im Beginn der Entwicklung am raschesten die Anlage ftir das Nervengewebe , langsamer diejenige fiir die quergestreiften, noch langsamer die iiir die organischen Muskeln, und am lang- samsten (wenigstens gilt dies vom Darmdrlisenblatte und vom Rande des Hornblattes) die Anlagen ttir Epithelien und flir drtisige Theile. Wir gelangen somit zu folgender Alternative: entweder berechtigen uns die Erfahrungen tiber Bildung bestimmter Organe zum Schlusse, dass an gegebenen Stellen und zu ge- gebenen Zeiten locale Wucherungen auftreten, oder aber es mtissen sich alle bei Organanlagen in Betracht kommenden Substanzanhaufungen als durch Faltenbildung bedingte Zu- sammendrangungen auffassen lassen. 1st ersteres der Fall, dann mtissen wir uns von vornherein sagen, dass das Gesetz, welches das embryonale Wachsthum beherrscht, unmoglich einen einiachen Ausdruck haben kann, in letzterem Falle aber wird es wahrscheinlich , dass dieser Ausdruck ein verhaltnissmassig einfacher sei. Es ist namlich alsdann zu vermuthen, dass auch im weiteren zeitlichen Ver- 68 . Sechster Brief. laufe der Entwickelung die Wachsthumsgeschwindigkeit fur irgend eine der gegebenen Anlagen nicht sprungweise, sondern nur in allmahligen Abstufungen sich andert. An und fur sich empfiehlt sich, wie Du siehst, diese Annahme durch ilire grb'sst- mogliche Einfacblieit , auch erlaubt sie, wie ich Dir spater zeigen werde, liber das Wesen der Zeugung und der erblichen Uebertragung Vorstellungen zu formuliren, welclie sich unge- zwungen dem Rahmen mechanischer Naturvorstellungen ein- reihen. Die Beobachtung hat bis dahin kein Organ aufgedeckt, dessen Bildungsgeschichte zur Annahme localer Wucherungen nothigt. Ftir einige wenige Organe, wie fur die Nieren und die Nebennieren, ist unsere Kenntniss der ersten Anlagen noch unvollkommen. Fiir die grosse Mehrzahl der iibrigen ist der Nachweis von deren Bildung durch Faltungsvorgange unmit- telbar zu fiihren. Fiir einige Hauptorgane werde ich Dir das beziigliche Material vorlegen, und ich beginne mit der Ge- schichte des Herzens. Wir haben in friiheren Briefen die doppelte Gliederung der Muskelanlagen, einnial in Stammtheil und Parietaltheil und dann in die obere, oder aniniale und in die untere, oder vegetative Platte, besprochen. Fiir den Kopf erleidet dieses Gliederungschema einige Modificationen. Im Vorderkopf sind an und fiir sich die Muskelanlagen unbedeutend, und die Gliederung in Stamm- und Parietaltheil tritt nur unvollkommen em. Im Hinterkopf dagegen sind die Muskelanlagen betrachtlicher , und es ist ihre Scheidung in Stamrn- und Parietaltheil bestimmt ausgepragt. Der Parietaltheil ist zu innerst eine einfache Platte, dann spaltet er sich in zwei Schichten (s. Fig. 52), von welchen die untere breiter und unverhaltnissmassig viel dicker ist, als die obere. Aus der unteren Schicht entwickelt sich die Muscu- latur des Herzens, des Pharynx und des Diaphragma, Es sind dies lauter quergestreifte Musculaturen, und als unmittelbarer Ausdruck der Thatsachen ergiebt sich somit, dass am Kopf die vegetative Platte als selbststandige Anlage fehlt, die animale da- gegen in zwei Schichten von ungleicher Starke, eine schwachere obere und eine starkere untere, gespalten ist. Die untere Platte lasst sich bis zum vordersten Abschnitte des Halses verfolgen, hier legt sie sich an die obere an. Dahinter gestaltet sich Bildung von Herz, Luftrohre, Lunge u. s. w. 69 die Schichtung so, wie ich Dir sie rrtiher als typisch beschrieben habe. Die spaltformige Leibeshohle besteht demgemass aus einem vorderen, beiderseits von animaler Musculatur umgranzten Raume, und aus einem hinteren, dessen eine Wand durch ani- mal e, dessen andere durch vegetative Musculatur gebildet wird. Ersterer ist die Anlage der Brust- und letzterer die der Bauch- hohle. Die Abgriinzung beider ist die mit der Herzanlage verbundene Anlage des Zwerchfells. Unter den umstehen- den Zeichnungen sind es Fig. 58 und Fig. 64 und 65, welche die Verbindung der beiden animalen Schichten auf dem Quer- schnitte zeigen ; Fig. 57 ist der Stufe Fig. 9, die beiden andern sind der Stufe Fig. 5 entnommen.1) Es darf Dich nicht befremden, dass hier von einer Brust- hohlenanlage am Kopf, von einer Zwerchfell- und einer Bauch- hohlenanlage am Halse die Rede ist. Auch das Herz bildet sicb, wie Du schon aus den Figuren des ersten Briefes ent- nommen hast, am Kopf, und wandert, indem es das Zwerch- fell mitnimmt, erst spater in seine definitive Lage. Darin liegt auch der Grund, weshalb das Herz von einem Kopiherven, das Zwerchfell von einem Halsnerven innervirt ist.2) Die Bildung des Herzens hangt in inniger Weise mit der- jenigen des Vorderdarms zusammen. Der Vorderdarm schliesst sich durch das mediane Zusammenwachsen der zwei seitlichen Falten des DarmdrUsenblattes (Fig. 52 u. Fig. 55). Nachdem die beiden Falten sich erreicht und vereinigt haben, isolirt sich die neugebildete untere Wand des Vorderdarms auf die, im vorigen Briefe besprochene Weise. Mit den zwei Falten des DarmdrUsenblattes bewegen sich gleichlaufig die unteren animalen Flatten, und unter dem sich schliessenden Vorder- darm begegnen sich, der Zeit nach etwas spater, auch sie. Wttrden die Muskelplatten dem Darmdrtisenblatt durchweg ge- nau anliegen, so wttrde der Vorderdarm zwar eine musculose Wand bekommen, ein Herz indess kame dabei nicht zu Stande. Die Bildung des letzteren ist davon abhangig, dass jederseits die Muskelplatte, breiter als das zugehorige Darmdrtisenblatt, von diesem sich faltenartig abhebt. Die der innern Falten- flache entsprechende Rinne der Muskelplatte ist die ersteAn- deutung eines Herzraumes, die Wand der Faltenrinne wird zum Muskelschlauche des Herzens. 70 Sechster Brief. Fig. 52 entstammt einem Embryo derStufe 14 (S.I 6), Fig. 53-55 einem und demselben Embryo von der Stufe 10 (S. 12) und Fig. 56 und 57 einem Embryo von der Stufe 9 (S. 12). Fig. 52 1st durch die Gegend des spateren Herzbulbus gefuhrt, die Herzbildung hat noch nicht begonnen. Der Ort Hz. 1 bezeicb.net die Spalte, welche spater zum Bulbustheil wird. Bei Fig. 53—55 1st der Bulbus- theil und der vordere Ventrikeltheil angelegt, die hintere Herzhalfte noch nicht. Fig. 56 zeigt den Yentrikel-, und Fig. 57 den vorderen Vorhofstheil eines bereits pulsirenden Herzens. Th. Theilungsstelle der animalen Muskelplatte in die obere und untere Schicht. Hz. 1. Herzanlage, Bulbustheil. Hz. 2. „ Ventrikeltheil. Hz. 3. „ Vorhofstheil. Vd. Vorderdarm. Dd. unterer (ausserembryonaler) Theil des Darmdrusenblattes. Gh. Gehorgrube (Fig. 5). Bei den unteren zwei Figuren ist der Endocardialschlauch einge- zeichnet, bei den Fig. 53-55 ist er der Kleinheit der Figuren halber weggelassen. Fig. 52-57. Querschnitte zur Bildungsgeschichte des Herzens, eammtlich 40mal vergrossert. Die Art und Weise, wie sich die beiderseitigen Rinnen zu einander und zum Vorderdarm verhalten, ist nicht in der ganzen Lange der Herzanlage dieselbe. In dem, zuerst sich Bildung von Herz, Luftrohre, Lungen u. s. w. 71 aalegenden vorderen Herzdrittel kehren die Rinnen ihre Con- vexitat nach abwarts, ihre offene Seite nacb aufwarts, letztere wird von oben durch die Wand des Vorderdarms, d. h. durcb das Darmdrtisenblatt geschlossen, oder richtiger gedeckt (Fig. 53). Im mittlereu Herzdrittel kehren beide Rinnen ihre Hohlung der Medianebene, somit einander gegenseitig zu (Fig. 54). Der urspriinglich dazwischen liegende verticale Theil des Darm- drlisenblattes wird binnen Kurzem durchrissen. - - Im hinteren Horzdrittel gelangen die Uinnenmitihrer Hohlung auf die untere oder Uebergangsplatte des Darmdrlisenblattes, letz- teres schliesst auch wie- derum den Kanal. aber ,. , Fig. 58. Schnitt vom gleichen Embryo wie Fig. 50 und diesmal VOn Unten her. 57, etwas welter hinten. Vergr. 40. ~. . , , , j TT u. M. hinteres Ende der unteren animalen Muskel- Gleichnachdem das Herz piatte, tei T .. Vb. sich mit der oberen verbindend. in Seiner ffanzen .Lansre Dv. die in das hintere Herzende tretende Dottervene. , . , " Br. Anlage der Brusthohle. angelegt 18t, laSSen SICh, Bh. Anlage der Bauchhohle. dem Gesagten zu Folge, drei Abtheilungen unterscheiden , die drei spateren Hauptab- theilungen entsprechen, es sind dies der Bulbustheil, der Ventrikeltheil und der Vorhofstheil. Von diesen dreien ist nur die mittlere Abtheilung von Anbeginn an einfach, die vordere und die hintere Abtheilung sind gablig gespalten, und nur nachtraglich rUcken deren Seitenschenkel in der Median- ebene zusammen, und schliessen sich mehr und mehr zu einem selbststandigen Rohr mit rings umgreifender Muskelwand. Mit Bezug auf die Lage der drei Herzabtheilungen magst Du Dir auch noch einmal den Langsschnitt Fig. 59 ansehen, an welchem der schrage Verlauf des, als Falte angelegten Herzens und seine Beziehung zum Vorderdarm deutlich hervortreten. Nach der Art seiner Entstehung muss das Herz sowohl nach oben als nach abwarts mit einer medianen Piatte, einer Gekrosplatte, wie wir sie nennen konnen, versehen sein. Das obere Herzgekrose fehlt im Bulbustheil und entwickelt sich hier spater (Fig. 60). Im Ventrikeltheil ist es von Anfang an vorhanden, reisst aber frtihzeitig durch, im Vorhofstheil bleibt es kurz. - - Das untere Gekrose ist im Bulbustheil gut 72 Sechster Brief. ausgebildet (Fig. 52) und verliert sich schon im Ventrikeltheil, es 1st von sehr vorubergehender Existenz. — Vom oberen D Fig. 59 (12). Langsschnitt durch einen Embryo vom zweiten Bebrutungstage. 40m»l vergrossert. Vh. Vorderhirn. Yd. Vorderdarm. Ad. Zugang zum Vorderdara. Hz. Herz. Cb. Chorda dorsalis. Uw. Urwirbel. St. Stirnwulst. M. Mundbucht. Dd. Darmdrusenblatt. Hb. Hornblatt. Gekrose erhalt sich ein Rest im Bulbus- und im Vorhofstheil, dort ist er der Trager der aus dem Bulbus hervorgehenden Arterien, und hier wird er zum Leitband fttr die in den Vorhof einmundenden Venen. Das Herz ist, wie Du aus Fig. 10 S. 12 siehst, urspriingiich ge streckt und symmetrisch gestellt ; so bleibt es aber nicht lange, es biegt sich mit seinem frei werdenden Veri- trikeltheil zur Seite (nach rechts). Spater riicken sich, nach der, in den Lehrbiichern beschriebenen Weise, Bulbus- und Vorhofstheil entgegen, wobei ersterer mehr nach vorn und rechts zu liegen kommt als der letztere. Der Schlauch, dessen erste Bil- dungsgeschichte ich Dir soeben be- schrieben habe, ist die Muskelwand des Herzens, er ist nicht unmittelbar Fig. eo (4). zur Aufnahme des Blutes bestimmt. Bildung von Herz, Luftrohre, Lungen u. s. w. 73 In seinem Innern bildet sich aus parablastischen Anlagen jeder- seits eine Gefassrb'hre vom Ban der Aorten, oder anderer primi- tiver Gefasse. Beide Rohren verschmelzen zuerst im Ventrikel- theil mit einander, und ihr Inneres wird in der Folge von rothem Blute durchstrb'int. Zwischen diesen Endocardial- rohren, wie wir sie nennen wollen, und der Muskelwand bleibt ein ziemlich breiter Zwischenraum, nur von klarer Fltis- sigkeit erftillt, tibrig. Spater verliert sich dieser Raum mehr und mehr dadurch, dass die Wandungen des musculosen und des endocardialen Herzschlauches sich entgegenwachsen und theilweise durchdringen.3) Sowie das IJerz gebildet ist, fangt es auch an rhythmisch sich zusammenzuziehen. Die Fliissigkeit im innern Schlauche Fig. » » )i ^ 0,32—0,35 0,45—0,55 0,3 —0,45 0,32—0,25 0,1 —0,15 0,02 0,1 0,2 Bildung von Herz, Luftrohre, Lungen u. s. w. 75 Das Rohr verliert an absoluter Breite, was es an Tiefe ge- winnt. Die mcdiane untere Rinne wird zur Luftrohre und zum Kehlkopf (Fig. 64 und 65'. Folgst Du nun in den Reihen der Schnitte der fraglichen Rinne von vorn nach rtickwarts, so triffst Du bei der Entwick- lungsstufe von Fig. 5 dicht hinter dem Vorhofstheil des Herzens auf eine Stelle , wo die Rinne doppelt ist , d. h. Du gelangst zu den Anlagen der beiden Luugen (vergl. Fig. 65); noch weiter zurUck ist der Primitivdarm offen, und Du tiberzeugst Dich, dass die rhmenformigen Anlagen der Lungen in die frliher (S. 10) erwahnten seitlichen Rinnen des Mitteldarmes sich fortsetzen. Die nach einem Modell gezeichnete Fig. 66 kann Dir dieses Ver- liiiltniss klar machen. Die zwei auf dieser State noch offenen, drei- eckigen Seitentheile schliessen sich bald dar- auf gleichfalls, und wer- den zu den paarigen Anlagen der Leber. l)ie Lichtuug der Luftrohren- un Lungenanlage trennt sich weiterhin von der- jenigen des Verdamm^s- rohres, und wir finden mumiehr eine, bez. zwei vordere und eine hintere, von Epithel ausgekleidete Rohren (s. Fig. 60 S. 72), die noch von einer gemeinsamen Muskel- und Gefasswand umgeben sind. Erst spater, mit zunehmendej Ausdehnung der Rohren vollzieht sich auch ausserlich ihre Scheidung. Aus der unteren Wand des Vorderdarms, und zwar aus den, seitlich von der medianen Rinne gelegenen Strecken gehen auch die Anlagen flir die einzelnen Abtheilungen der Schild- drtise hervor. Umstehende Zeichnung (Fig. 67) giebt Dir in schematischer Darstellung 1) die Bildungsweise der Luftrohre, 2) der Luftrohre nebst Schilddrtlse, und 3) der Lungen. Fig. 64 und f>:>. flpr Querschnitte durch einen Embryo ron der Stufe Fig. 5. 4Dmal vergrossert. Vd. Verdauungsrohr. Lr. Luftrobrenanlage. Lg. Lungenanlage. Mr. Brusthohlenanlage. Bh. Baachhohlenanlage. Hz. Vorhofstheil des Herzens. Dv. Dottervene. 76 Sechster Brief. Bl. Wir gehn zu den, weiter nach riickwarts liegenden Ab- schnitten des Primitivdarms u'ber, und ich lade Dich ein, einen nochmaligen Blick auf die Schnittzusammenstellung des zweiten Briefes (S. 33) zu werfen. Du wirst bemerken, dass der, zum eigentlichen Verdauungsrohr bestimmte mittlere Theil des Darmdrusenblattes Anfangs keine musculose Bekleidung hat. Dann rttcken (Fig. 29 u. f.) von der Seite her die unteren Seitenplatten medianwarts vor, und erreichen sich nahezu in der Mittellinie. Das Verdauungsrohr er- halt sonach seine Muskelwand nicht vom Stammtheile, sondern vom Pa- rietaltheil der unteren Muskelplatte. Die Darmanlage kann, wenn sie von den Seitenplatten erreicht wird, von der Aorta und der Chorda dor- salis sich bereits ein Ende entfernt haben, alsdann bilden die einander begegnenden Flatten im Zwischen- raume ein unpaares Gekrose, wie Dir solches die unterste Figur jener Zu- sammenstellung vor Augen flihrt. Hat man sich ftir verschiedeneEm- bryonen fortlaufende Reihen von Quer- Fig.66(8J.primitivdarn1desobigen schiiitten angefertigt, und misst man I an denselben die Hohe zwischen dem erbun. Darmdriisenblatt und der Chorda dor- ' salis , so iiberzeugt man sich, dass sie ~ schon in ziemlich frtiher Zeit (bei der Stufe von Fig. 9) einem gesetzmas- sigen Wechsel unterworfen ist. An bestimmten Stellen ist der Abstand zwischen dem Darmdrusenblatte und der Chorda grosser, an anderen kleiner. Die Unterschiede nehmen noch zu in den spateren Entwick- lungsperioden. In Fig. 68 habe ich den Gang dieser Be- BL Biindes Mundhohle. Sp. Schlundspalten. Ha. Herz. Lr. Luftrolirenanlage. Lg. Lungenanlage. Lb. Ort der Leberanlage. Mg. Ort der Magenanlage. All. Ort der Allantoisanlage. .Bildung von Herz, Luftrohre, Lungen u. s. w. 77 wegimgen verzeicknet. Im vorderen Halsabschnitte erreicht die Entfernung des Primitivdarms von der Chorda und vom Medullarrohr ein erstes Maximum, dann folgt welter hinten ein Minimum, ein neues Maximum u. s. w. Es sind diese Biegimgen der Darmaxc deshalb von Wichtigkeit, well sie einestheils die spatere Gliederung des eigentlichen Verdau- ungsrohres bestimmen und weil sie anderiitheils ftir die Tren- nung der hinter einander liegenden Nebenorgane des Primi- tivdarmes entscheidend sind. In dfin Ort der unteren ersten Ausbiegung lallt die Bil- dungsstelle des Magens mit seinem ziemlich betrachtlichen Gekrose. Die nacb abwarts gerichtete Convexitat der Biegung bestimmt als einspringende Querfalte die Granze zwischen der Lungen- und der Leberanlage. An der mit Md bezeich- neten Stelle minimalen Abstandes zwischen Darni und Chorda bilden sich das Duodenum und das Pankreas; der nach- folgende, mit breiter Gekro'sanlage versehene Abschnitt liefert den tibrigen Dttnndarm, und hinter der mit Hd bezeichneten Stelle folgt die Anlage des Dickdarms. So lange der KOrper noch vollig gestreckt ist, liegen die Gebilde des Primitivdarmes symmetrisch zu einer durch die Axe gelegten Mittelebene, das Herz weicht zuerst aus der symmetrischen Stellung zur Seite. Erfolgt nun aber jene Seit- 78 Sechster Brief. wartslegung von Kopf und von Hals, welche Du von Fig. 5 und 6 her kennst, so treten auch im Bereich des Primitivdarmes Storun- gen der Symmetric auf. Nach erfolgter Seitwarts- legung wird eine den Korper halbirende Fla- che windschief sein. Ver- liefe der gesammte Pri- mitivdarm symmetrisch, so miisste er auch jetzt noch von der windschie- fen Flache seiner ganzen Lange nach halbirt wer- den. Dies trifft aber nicht zu: mit seiner mitt- leren, vor den Buchsta- benMd des obigen Sche- ma liegenden Strecke weicht er stellenweise nach rechts, stellenweise E nach links ab. MitHulfe von Schnittreihen lasst 1 1 J I jj I ,^^-j&n>. sich der Gang dieser jfHSlB IKT Krummungen leicht fest- ^frji &^EX. stellen und Du findest sie sowohl in Fig. 66 als in Fig. 69 verzeichnet: erst Abweichung der Darmaxe nach rechts, dann wieder nach links und dann wieder nach rechts (vergl. auch den Schnitt Fig. 70). Du wirst keine Muhe haben, Dich zu tiber- zeugen, dass mit jener Axenkriimmung die Abgliederung des Magens eingeleitet ist. ALL. a. Fig. 69 (2). Mg. Magenanlage. Lb. Leberanlage. Bildung von Herz, Luftrohre, Lungen u. E. w. 79 Zu derselben Zeit und wohl auch aus denselben Ursachen, bildet sich im Gekrtfse des Magens eine kleine, langsgerich- tete Falte, die Du an Fig. 70 auf dem Querschnitt wieder- gegeben findest. Es isl diese Falte die Anlage der Milz.4) Du ersiehst aus der obigen Dar- legung, wie aucb die Gliederung des Verdaiumgsrobres und der vegeta- tiven Organe in frtth ester Zeit schon vorbestimmt wird durch einige ein- fache, in ihrer Entstebung unter ein- ander verkntipfte Faltungen, theils longitudinalen , theils queren Ver- laufes. Fassest Du die Lage ins Auge, welche die vom Darmdriisenblatt gelieferten Anlagen zu einander ein- nehmen mtissen, so lange dieses flacb und ausgebreitet ist, so siehst Du, dass alle zum eigentlichen Verdau- ungsrohr einbezogenen Strecken un- mittelbar neben der Axe liegen. Aus mehr seitwarts liegenden Strecken bilden sich die Anlagen fur die Luftrohre, fttr die Lunge und fiir die Leber. Ich stelle Dir beifolgend eine schematische Uebersicht zusammen. Der vorticale Strich bedeutet die Axe, die beiden ausgezogenen queren Striche den Ort der vorderen und der hinteren Keim- falte, die punktirten den der beiden Granzrinnen. In der vorderen Korperhalfte wird eine weit grossere Strecke des Darmdrtisenblattes zur Organbildung einbezogen, als in der hinteren Halfte und der Grund davon ist unschwer zu erken- nen, wenn man sich die vollig verschiedenen Bedingungen vergegenwartigt, unter welchen der Schluss des Primitivdarmes in der vorderen und in der hinteren Korperhalfte geschieht. Siehst Da die Figuren 52 — 55 S. 70 durch, so bemerkst Du, dass der Vorderdarra zu einer Zeit sich schliesst, wo die Leibes- wand noch flach ausgebreitet ist. Breit legt sich das, von den Muskelanlagen noch unvollkommen getrennte Darmdriisen- blatt um die tiberliegenden Gebiete und erstreckt sich beider- seits bis zur Granze der Stammzone. Zur breiten oberen Fig. 70 (321. Mir. Magenanlage. Mz. Milzanlage. 80 Sechster Brief. Pha (vo rynx rn) Luft- rfthre Lunge Leber Schild- driise Blind- da r m Pha Oeso Ma Pan Dunn Dick _Clo Allan Schild druse phagus gen kreas darm darm ake Blind- darm Luft- rohre Lunge Leber tois Bildung von Herz, Luftrohre, Lungen u. s. w. 81 bildet sich cine, iiicht minder breite untere Wand des Vorder- darms. Tritt alsdann die Compression des Korpers ein, so wird ein bedeutender Theil der unteren Schlauehwand ttir die Bildung von Nebenorganen vcrfiigbar, welche durch Langs- falten vom Hauptrohr sicb abgriinzen. In der hintercn Korperhalfte hat sicb dagegen das Darni- driisiMiblatt von der Chorda mid von den Ubrigen Stammge- bilden getremit, lange bevor der Darmschluss beginnt. Wahrend die seitliche Zusammenschiebung der ausseren Korperwand si- lion iin Gauge ist, liegt das Darmdriisenblatt noch ziemlich flach ausgebreitet (Fig. 30 S. 33). Mit der zunehmenden Ver- engung des Leibesraums werden auch die Bedingungen un- gttnstig tiir die Anlage eines breiten, zu weiteren Abschntir- ungen Material bietenden Rohres. Nnr die beiden Blinddarme werden aus mehr seitwarts liegenden Strecken der vegetativen Srhicht als Anfangs kurze, stumpfe Kegel herausgeschnitten, \\'as die Leber anbetrifft, so entsteht sie7 wie triiher schon erwahnt wurdc, aus jeiier dreieckigen, taschentormig gestalte- ten Strecke des Darmdrlisenblattes, welche in der Verlangernng der Limgenanlage liegt (Lb Fig. 66). Indem sich die Wandungeu jener Tasche aneinanderlegen , entsteht jederseits eine hohle Platte. Beide Flatten umfassen den in das hintere Herzeude eintretenden , Anfangs doppelten, weiterhin einfachen Venen- stamm, und vereinigen sicli in der Folge zu dem einen gemein- . \<»n (Ji'tiissanlagen bald auf das reichlichste durch- His, Brief e. Siebenter Brief. Die weiteren Folgen vom Princip ungleichen Wachsthums. Die Folgen der Abflachung des Korpers; Umbildung des Gesichtes. Lieber Freund! Bis dahin hat uns das einfache mecha- nische Princip der, als Folge ungleichen Wachsthums auftreten- den Faltungen den Schlussel zum Verstandniss einer Keihe von fundanientalen Entwicklungsvorgangen an die Hand ge- geben. Allein wie stellt sich, so fragst Du mich, die Sache, wenn einmal eine gewisse Summe von Organen sich abge- gliedert, und zu selbststandigen Massen gesammelt hat ? Ent- zieht sich nicht von da ab die Formbildung des Organes jeder ferneren mechanischen Betrachtung? Die Antwort hierauf wird sich ergeben, wenn fou Dir die Grundbedingung klar machst, um die es sich bei jeder ferneren Korperentwicklung handelt. Jede Organanlage fahrt, nachdem sie vom Gesammtkeime sich abgelost hat, fort zu wachsen und sie vergrossert sich, sei es rascher, sei es langsamer, bis sie ihren Endtermin und ihr Endvolum erreicht hat. Zwar steht fworauf ich schon oben hinge wiesen habe) der Gang des Wachsthums, den das abgegliederte Organ befolgt, in bestimmten gesetzmassigen Beziehungen zum Wachsthum des betreffenden Keimscheiben- bezirkes vor eingetretener Abgliederung, sowie auch zu dem- jenigen der aus fruheren Nachbarbezirken hervorgegangenen Organe. Allein von derartigen Beziehungen wollen wir fiir jetzt absehen und uns an die empirisch gegebene Thatsache halten, dass jeder Theil seinem partialen Gesetz des Wachs- thums gemass zunimmt. Die unmittelbare Beobachtung ergiebt Die weiteren Folgen vom Princip ungleichen Wachsthums. 83 Verschiedenheiten jener Partialgesetze fttr verschiedene Organe. In gleichen Zeiten nimmt ein Theil in starkerem Verhaltniss zu, als ein anderer, und daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass die zur Zeit der Organablosung vorhandenen Lagebeziehungen mannigfach sich tindern mdssen. Ein wachsendes Organ wird an einer Stelle Druck, an einer anderen Zerrung auf seine Nachbartheile ausiiben. Sind in ihm selbst Abschnitte ver- schieden raschen Wachsthums vorhanden, so enthalt es in sich die Bedingungen neuer, sei es mehr, sei es minder tiefgreifen- der Gliederungen. Die Gestaltung, die das Organ schliesslich annimmt, ist daher abhangig von dem Gesetze seines eigenen Wachsthums, von seinen raumlichen Beziehungen zu Nachbar- theilrii und von dem Wachsthume dieser letzteren. Das Princip ungleichen Wachsthums behalt dem Gesagten zufolge auch im weiteren Verlaufe der Entwickelung seine Bedeutung als formbestimmendes Princip. Allerdings ver- wiYkeln sich mit fortschreitender Gliederung des Kb'rpers auch vielfach die speciellen Bedingungen der Formung, und es wach- sen damit die Schwierigkeiten mechanischer Erklarung. Ohne grosse Sorgfalt und ohne umsichtige Berticksichtigung aller concurrirenden Verhaltnisse wird man den Irrwegen willktihr- licher Deutungen nicht entgehn, und die grosste Gefahr liegt jedeni'alls darin, zu vorzeitig Alles erklaren zu wollen. Nach meinen bisherigen Eri'ahrungen ist es am sichersten, aus der Summe der vorkommenden Umgestaltungen diejenigen heraus- /usuchen, deren Mechanismus einfach genug ist, um jedes Miss- vrrstiindniss auszuschliessen. Die Zahl solcher Falle ist gro'sser, als man von Anfang an erwartet, eine Reihe scheinbar ver- wickelter Umbildungen erhalt ihre Erklarung durch den Ver- gleich mit richtig gewahlten Paradigmen. Der Fall der nach der Kante gekrtimmten Platte, derjenige des geknickten Schlauches, und ahnliche mehr, kehren in ihr.en elementaren Bedingungen hiiufig wiedcr, und der Wiederkehr gleicher Bedingungen ent- spricht durchweg das Zustandekommen gleichartiger Gestal-' tungen. Durch Vorttihrung einiger Beispiele wird es mir, wie ich denke, gelingen, Deinen Sinn iHr mechanische Auffassung so zu scharten, dass Du beim Blick auf organische Formen Dir selbst vom innern Zusammenhang Rechenschaft giebst, welcher deren verschiedene Einzelnheiten umfasst. 6* 84 li i:« ) Folgen der Korperabflaclmng. 85 Umlagerung der primitiven Organe bei zuneh- mcnder Abflachung des Korpers. Ich habe Dir im drittcn Briefe eine Zusammenstelluug von Querschnitten an- na hernd derselben Korpergegend bei verschieden entwickel- ten Embryonen mitgetheilt , und Dich auf die, wahrend einer gewissen Zeit mit der Entwickelung fortschreitende Ab- flachnng des Korpers aufmerksani gemacht. Der Kb'rper wird. wain-end rr an Breite abnimmt, ho'her, gerade so, wie die (lurch Zusammenschieben eines Papierstreifens ent- stebende Falte mit zunehmendem Zusammenschieben der Riindcr an Hohe gewinnt, was sie an Breite verliert. Wahrend- dem nun aber diese allgemeine Aenderung der Gestalt vor sich gelit, eriblgen im Einzelnen eine Reibe von Umlagerungen, welclie sicb sammtlicb als Tbeilerscbeinungen jenes einen GhrondYOigMiggfl herausstellen. Ich komme nicht zurlick auf die Unilc-un- der seitlichen Keimfalten und auf die Annaherung der (iranxrinnen an die Mittellinie, als auf friiher erledigte Diujre. Von den Veranderungen in der Stellung der Urwirbel und von der Trennung ibrer versehiedenen Bestandtheile habe ich Dir frtther gleichfalls schon gesprochen. Du wirst bei einem nochmaligen Blick auf die Abbildungen .selbst wahrnehmen, dass ihre Umlagerung eine nothwendige Folge von der allge- nieinen Abflachung der Stammzone ist. Die Muskeltafeln der Urwirbel stellen sich mehr und mehr vertical, d. h. in die La ire, welche den geringsten Breitenrauin beansprjicht. Die iibrigen lU'standtheile der Urwirbel, der Kern und die untere Rindenhalfte werden in die Tiefe gedrangt, und breiten sich im Raume aus unterhalb des Medullarrohres. Es lost sich nainlich, in gleichfalls leicht verstandlicher Weise, das Darm- driisenblatt von der Chorda los, und durch seine Entfernung von ihr wird der in der Breitenausdehnung verlorene Raum wieder eingebracht, wobei eine Reihe von Gebilden sich beider- seits gegen die gebildete Ltickc vordrangen. Ausser den eben- erwahnten tiefern Bestandtheilen der Urwirbel nimmt diese /unachst die absteigenden Aorten auf, welche, ursprtinglich auf der Granze von Stamm- und Parietalzone liegend, erst unter die Urwirbel und von da aus unter die Chorda geschoben werden, und die schliesslich bier zu einem gemeinsamen Rohre verschmel/en. Ferner rtieken sich, wie ich Dir im vorigen 86 Siebenter Brief. Briefe gezeigt babe, nocb unterhalb der Aorta die unteren Seitenplatten entgegen, und liefern so dem Primitivdarm seine obere Wand. Als eine weitere Folge der zunebmenden Ab- plattung erscheint die Verschiebung der Urnierenaiilagen und der Cardinalvenen. Diese Theile, ursprimglich auf der Granze zwiscben Urwirbeln und Seitenplatten und unterbalb des Horn- blattes entstanden, riicken in die Tiefe und treiben das Ver- bindungsstuck der oberen mit der unteren Seitenplatte vor sicb her, auf diese Weise die Urnierenleiste bildend. Es ist diese Leiste, wie Du aus Fig. 74 und 75 ersiehst, die untere First einer Langsfalte, an deren Bildung die Leibeswand in ibrer gesammten Dicke Tbeil nirnmt. Ibr entspricbt an der Ober- flache eine seitwtirts von den Urwirbeln liegende Rhine, welche in der Folge sich mehr verwischt, wahrend durch das Wachsthum der Urnieren die Leiste an Machtigkeit stetig zunimmt. Dass endlich auch die Umbil- dung des Priniitivdarmes niit der seitlicben Compression des Korpers in ursachlichem Zusammenhauge stehe, das ist Dir im vorigen Briefe entwickelt worden. Unibildung des Gesichtes. Als ein zweites Beispiel tiefgreifen- der Umgestaltung unter einfachen mechanisehen Bedingungen wahle ich die Geschichte des Gesichtes. Du hast im zweiten Briefe die ein- fache Form kennen gelernt, welche dem Gesicht zur Zeit seines ersten Bestehens zukornmt. Es bedarf eini- ger Ehibildungskraft, um aus der wiedergegebenen Flache das heraus- zulesen, was spater daraus wird; wogegen Du olme sonderliche Millie hi der Physiognomie Dich zurecht finden wirst, welche Figur 78 abgebildet ist, und noch besser naturlich in derjeuigen von Fig. 79. Und doch ist zwischen der Entwicklungsstufe von Fig. 77 und der- Fig. 77(17). Gesicht des Embryo von Eig. 9. 2()mal vergrossert. St. Stirnwulst. M. Mundbucht. K. Kieferleisten. U. Umschlagsrand des animalen Blattes. Vd. Vorderdarm. Ad. Zugang zu obigera. Hz. Herz. Umbildung des Gesichtes. 87 jenigen von Fig:. 78 ein geringer zeitlicher Sprung. Es be- darf bochstens eines halben Tages, urn die cine in die andere iiberzuftihren. Nebmen wir erst einmal das entwickelte Gesicbt von Fig. 78 durcb: Seine Mitte wird von der Mundboble cingenommen , deren Ztipmg eckig von Gestalt und imvtTlialtiiissmassig weit ist. Die bintere Griinze bildet der, in der Mitte winklig gebrocbenellnter- kieferfortsatz, seitlicb da von liegen, als einwarts gebogene Lei- sten, die /wei 0 b e r k i e fe r f o r t- s ii t z e , vorn ist der macbtige, die Ebene des Mundzuganges weit liber- ragende Stiruwul.st. Vom vor- deren Tbeil der Mundbohle geben jederseits zwei Rinnen ajb, deren jede in einer vertieften Endgrube l)lind endigt. Die eine dieser Rinnen, die Nasenrinne, ver- laut't a ni Stinwulst selbst und endigt an ilim als Riecbgrube, die andere liegt zwiscben Stirn- uulst und ()l)orkieferfortsatz, ibre Kndgrubc ist die Linsengrube, sie selbst beisst die Augennasen- riiine. Aus der Linsengrube iiiiinlicli bildet sicb durcb Erhebung des Bodens die Linse des Auges, als cin Product des Hornblattes. Die Augennaseniinne, noch wab- rend langerer Zeit offen bleibend, scbliesit sicb spater zum Augen- nasenkanale. Am Stirnwulst wird in frtihe- rer Zeit das Vorderbirn von seinen Htillen (dem Hornblatt, den para- blastiscben und event, den Muskel- Fig. TS ('«). Dasselbe in der Ventralansicht. R. Biechgrube. Ls. Linsengmbe. Gh. Gehorgrube. M. Mundhohle. 0. Oberkieferfortsatz. U. Unterkieferfortsatz. Hz. Hera. h. Hz. Hinterer Heraschenkel. Lw. Umschlagsstelle der Leibes- wand in das Amnion. Dd. Darmdrflgenblatt. 88 Siebenter Brief. -Mi. AH. Vd. ^-^tJSS- Fig. 79(2}. llulmcben in der Ansicbt von d. tiauchseite ~\) „ T>i A«U.-«,,1,^ 0_ C«~1.1 J 1A Kg. Riechgrube. H. Hemisphare, Mh. Mittelhirn. Ls. Linse Ok. Oberkieferfortsatz. Uk. Unterkieferfortsatz. M. Mundhohle. Gh. Gehorblase. Sp. Scblundspalten. Hz. Herz. Ex. Extremitaten. Mg, Magenanlage. Lb. Leberanlage. D Darin. All. Allantoisanlage. Sz. Schwanz. Lw. Umschlagsstelle der Leibeswand am Leibesnabel in das Amnion. Dd. Umschlagsstelle des Darmdriisenblattes. anlagen) knapp umschlos- sen. Dann aber falten sich diese im Zwischen- raum zwischen den bei- den Augenanlagen selbst- standiger hervor, und entwickcln sich zur vor- deren Bedeckung des primitiven Mundraums. Es entstehen so der mittlere und die bei- den seitlichen Stirn- fartsatze; ersterer er- hebt sich im Raunie zwischen den beiden Nasenrimien , letztere drangen sich jederseits als dreieckige Keile in die Liicke, welche seit- licli von der Nasenrinne, zwischen ihr und der Linse uebst Augennasen- rinne ubrig bleibt. Die drei Stirnfortsatze liefern das Material fiir den mittleren Theil des Ge- sichts, beim Hiihnchen fur den Schnabel, beim Saugethier und beim Menschen fiir die Nase und den mittleren Theil der Oberlippe (bez. den Zwischenkiefer). Du wirst die verschtedenen, die Mundhohle umrah- menden Fortsatze nicht allein an Fig. 79, son- dern auch an dem et- was weiter entwickel- Umbildung des Gesichtes. 89 ten Gesiclit von Fig. 80 wiedererkcnnen. Auch wirst Du be- achten, (lass dieselben im Umfang der betreffenden Gruben und Rinnen mehr und mehr wulstartig sich emportreibcn. Hinter dem Unterkicfertbrtsatze liegt die Reihe der in das Innere des Vorderdarms mlindenden SchlundspaHen (Anfangs 3, spater 4), welche dorsalwarts stralilig divergiren. rebel* dor /wciten Spalte befindet sich die, bei Fig. 6 noch ottene (lelmrgrube, deren Querschnitt Du an Fig. ">5 des vorigen llriefes keniicn gelernt hast. Vergleiehst Du nun dieses (•rsirlit niit dem primitiven von Fig. 77, so erkennst Du in der Mimdho'hle die stark vertiefte Mundbueht wicder, im mittlm-n freien Theilc des Unterkiefer- t'nrtsatzes die Umbiegungsstelle U der animalen Schicht, in des- sen mit den Oberkiefertbrtsatzen \ -erbundencn seitlichen Strecken und in diesen Fortsiitzen selbst die winklig verbogenen und holier gewordenen Kieferleisten. Am Stirnwulst sind die Riechgruben nebst den Nasenrinnen iieu aut'getreten, oder, ricli tiger, durcli die seitliche Compression des Koptes atis einer unscheinbaren zu einer scharf abgegranz- ten Bildung geworden. Dagegen ist die Augennasenrinne als seichte, die Kieferleisten vom Stirnwulst trennende Furche sehon auf der Stufe des primitiven Gesichtes vorhanden. Die wesentlichen Unterschiede des secundaren von dem ]>rimaren Gesicht sind somit: 1) Vertietung der Mundhohle und Verengung ihres Zu- ganges, 2) Vertieiung der Augennasenrinne und scharf c Auspragung der Linsengrube, 3) winklige Biegung und Einwiirtsdriiugmig der Kiefer- 4) Auftreten der Nasenrinne und der Riechgruben, und ">i starkes Hervortreten des Stirnwulstes. Betraclitest Du die Kopfe im Ganzen, so siehst Du, dass Fig. 80 Gesiclit eines Huhnchens nach btagiger Kebrutung. Smal vergrossert. 90 Siebenter Brief. diejenigen von Fig. 78 und 79 sich von dem von Fig. 77 bez. Fig. 81 in einem Hauptpunkte sehr wesentlich unterscheiden. Nicht allein sind sie seitlich stark abgeplattet, sondern sind sie mehrfacli im Winkel gebrochen. Das fruher am meisten nach vorn gerichtete Ende sielit nach abwarts (oder correctererweise nach rechts) und der Theil, der friiher am hochsten lag, ist jetzt der vorderste geworden. Diese winkligen Biegungen zeichnen sich besonders scharf im Verhalten der einzelnen Hirnabtheilungen ab, worauf ich in einem spateren Brief e zuriickzukommen gedenke. Alle die oben aufgezahlten Unterschiede des secundaren vom primaren Gesicht, d. h. also die Vertiefung der Mund- bucht zur Mundhb'hle, die Verbiegung der Kiefeiieisten , die Ausbildung der Linsengrube und Vertiefung der Augennasen- rinne und endlich das starke Vorniibertreten des Stirnwulstes, sind in ihrer raschen Entwickelung bedingt durch die mit der en Abplattung sich combinirende Axenkriimmung des Kopfes. Sollte die blosse Ueberlegung nicht genugen, Dir diesen Zu- sammenhang klar zu machen, so magst Du Dir die Sadie mit Htilfe eines Wachs- oder Thonklumpens veranschaulichen. Giebst Du einem solchen Klumpen die allgemeine Gestalt des Kopfes von Fig. 77, fassest Du ihn alsdann an seinen vier Seiten mit den vier Fingern einer Hand, und driickst diese rasch zusammen, so wird der comprimirte Klumpen alle wesent- lichen Charaktere des Gesichtes von Fig. 78 annehmen. Woher kommt nun aber die so rasch und stark sich ent- wickelnde Kriimmung des Kopfes? Wir niussen, um dies zu verstehen, den Bezirk der eigentlichen Embryonalanlage ver- lassen und uns die Verhaltnisse im Aussengebiet etwas naher ansehen : Audi ausserhalb des Embryonalbezirkes bilden sich quere und longitudinale Falten, und zwar in derselben Reihenfolge, wie im Embryonalbezirke. Eine bogenfdrmige Querfalte tritt zuerst auf, spater jederseits eine Langsfalte, und in der Folge auch eine hintere Querfalte. Du findest diese Falten in den Figuren 15, 14, 10 und 9 des ersten Briefes verzeichnet. Ftir sie gilt in umgekehrtem Sinn dasselbe, was von den Keimfal- ten. Sie erheben sich bis zu einer gewissen Hohe und legen sich dann gegen den Embryo um, zuerst die vordere Querfalte, Bildung des Amnion. 91 der vordere Abscbnitt der Seitenfalteu, spater aucb die bin- tere. Durcb ibre Verwachsung, vor Allem durcb die longitudi- nalc Yerwachsung der beiden si'itlirben LangsfaltiMi wirdjene scbon friiher enyabnte HUlle urn den Embryo gebildet, welcbe als Amnion den Embryologen seit altestcr Zeit bekannt ist. In Fig. SI babcn wir die Stufe, welcbe die Umleguug der vordern Anmionfalte zeigt: Ca- puzenartig beginnt die umge- legte Falte das freic Kopfende zu decken. Hat erst diese Ueberlagerung begonnen, dann fnlgt rascb die Bildung der Embryonen der Stufe von Fig. 78 sind in ibrer vorderen Halfte, die der Stufe von Fig. 79 vollstan- dig von Amnion uinbiillt. Es iallt die Ueberlagerung der vorde- ren Amnionfalti' iiber das freie Kopfende /eitlich /usanimen mit der bcginncnden Periode der Kopfkriimmung. Beide stehu in unmittclban'ii causalen Be- Durcb jene dem Kopf iibergescbobene Capuze eiiabrt die fernere Langsausdclniung dos Kopfes einen kriiftigen Wider- Fig. M OM. stand, der vom warbscnden Kopfe nicht tiberwunden wird. sondern dem dieser sicb dadurcb anpasst, dass er sicb kriimmt. Mittelbar ist aucb die Seitwarts- legung des Embryo, sowie die si>atere Krlimmung des gesamm- G." ten Rumpfes auf dieselbe Be- Die punuirte uiidd H. Him, in Vorderhirn, Mittelhirn nnd Hinterhirn sicb gliedernd. Ag. Augenbluse. Gh. Gehorblase. Ex. Formanlage der vordern Kxtremitiiten. W. Wolffsche Leiste. s. Gr. Seitliche Granzrinne. Uw. Urwirbel. Uwp. Urwirbelplalte. Am. 1. Vordere Amnionfalte. ope den °rt des 92 Siebenter Brief. ding-ling des neu aufgetretenen longitudinalen Ausdehnungs- widerstandes zuruckzuftihren. Eine entseheidende Controlle dafiir, dass wirklich das Amnion die Ursache der entstehenden Kopfkriimmung ist, liefert die vergleichende Embryologie. Die charakteristische Kopfkrtimmung finden wir bei den Saugethieren, Yogeln und den Reptilien, sie fehlt den Fischen und den Amphibien. Jene drei Klassen sind es aber allein, bei welchen der Em- bryo von einem Amnion umhlillt wird, auch kommt bei ihnen allein die temporare Zusammenkriimmimg des gesammten Korpers vor, von welcher der, absichtlich gestreekte Embryo Fig. 1 nur eine schwache Idee giebt. Ueberall finden wir ferner, soweit bis jetzt exacte Beobachtungen reiclien1) bei den hoheren drei Wirbelthierklassen , dass der Eintritt der Kopf- krtimmung, sowie derjenige tier nachfolgenden Kriimmungen des Rumpfes, zeitlich genau an die dichte Umschliessung durch die Amnionanlage geknupft ist. Wir haben hier eine jener Form- abhangigkeiten zwischen Bildungen scheinbar ganz differenter Natur, fur welclie ich Dir spater noch fernere Beispiele werde anfuhren konnen. Nur im Vorbeigehen gedenke ich noch der oben erwahn- ten Schlundspalten. Auch die Geschichte dieser vielbesproche- nen Bildungen ist physiologisch hochst einfach. Sie sind nam- lich ihrer Entstehungsgeschichte nach Faltelungen der seit- lichen Wand des Vorderdarms, dadurch bedingt, dass diese Wand, ahnlich wie friiher die Urwirbelplatten, nach der Kante gebogen wird. Ihre Richtung entspricht den Krummungs- radien des betreffenden Bogens. Ganz unter denselben Bedin- gungen entstehen auch die Kiemenspalten der niedrigen Wirbel- thierklassen. Die Faltenberge der Vorderdarmwand stossen auf das Hornblatt, indem sie die zwischenliegenden Muskelan- lagen verdrangen, und brechen alsbald zur Oberflache durch. Achter Brief. Das embryonale Gehirn. Formen einer sich biegenden elastischen Rohre. Ableitung der ersten Gehirnformen. Licber Freund! Wir wenden uns heute zu der ira Bis- herigen et\\as stieimiitterlich behandelten Anlage des Central- nervensystiMns, speciell zu derjenigen des Gehirns. Aus dem rrsti'ii Briet'i' weisst Du bereits, dass der Zeit nach das Ge- hirn unter alien, aus der Keirascheibe sich abgliedernden Or- ganen, die erste Stelle einnimmt, und dass es, gleich dem, mit ihm tbrtlautewl verbundenen Bttckenmark, durch Einrollen einer langgestreckten Platte, der Medullarplatte, entsteht. Beide bilden nach vollendeter Abecheidung eine zusammenhangende Rohre von nicht iiiil)etraclitlieber Lichtung. Die Breite des eben gescblossenen Gehirns nimmt, wie Du aus der Fig. 10 (S. 12) ersiebst, von bin ten nach vorn zu, und erreicht ibr Maximum unweit vom vorderen Ende. Die /unahmc 1st intless keine gleicbmassige , es wechseln ausge- l)auchtc Strcckon init Kinschiiiiniii^en, wodurch das Gehirn in mebrere Hauptabscbnitte xeriVdlt. Von Anfang an sind drei hintereinanderliegende Anschwellungen vorhanden, welcbe nach v. Baer's Vorgang nls primiiivs Vorderhirn, Mittelhirn und Hinterhirn bezeichnet werden. Die hintere Anschwel- lung entspricbt zwei spateren Hirnabtheilungen, dem Hinter- hirn kurzweg und dem Nach him, deren Granze in die -r. Dieselben sind, unmittelbar nachdem das Gehirn sich geschlossen hat, als seitliche Vor- 94 Achter Brief. erste Anschwellung (primares Vorderhirn) Zweite Anschwellung dritte Anschwellung (primares Hinterhirn) wolbungen angelegt und ihre selbststandigere Ablosung ertblgt weiterhin durch eine Furche, welche von oben herab zwischen sie und das iibrige Vorderhirn einschneidet. Nach erfolgter Abgliederung der Augenblasen zeigt sich die vordere Halfte des letzteren von der hinteren durch eine Rhine getremit; die hintere Halfte des primaren Vorderhirns heisst nunmehr Z w i - s c h e n h i r n , die vordere Vorderhirn kurzweg, oder H e m i - spharenhirn. Wir haben somit folgendes Schema der Gliederung : vordere Halfte Vorderhirn (Hemispharenhirn) Seitenstiicke Augenblasen hintere Halfte Zwischenhirn Mittelhirn vordere Halfte Hinterhirn hintere Halfte Nach him. Die Axe der hintereinan- der liegenden Abtheilungen des Gehirnes beschreibt einen flachen, S-formigen Bo- gen. Concav im Hinterkopf, wird diese Linie beim Ueber- gang auf den Vorderkopf convex und biegt sich mit ihren vordersten Schenkel liakenf ormignach riickwarts. Wir nennen diese drei Krilm- mungen B r ti c k e n k r ti m - mung, Mittelwolbung und Hakenkrummung. Das hakenformig zu- Fig. S2. Gehirn eines Hiihnchens von der Stufe Fig. 10, von der Basis her gesehen. Vergr. 40. Vh. Vorderhirn. Ag. Augenblase. Mh. Mittelhirn. Hh. Hinterhirn. Fig. 83. Gehirn eines Stufe Fig. 9, von der Basis her gesehen. Vergr. 30. Nh. Nachhirn. Gh. Ort der Gehorblase. Tr. Trichterfortsatz. von der rttckgebogene Stiick der Axe reicht bis hinter die Ab- gangsstelle der Augenblasen. An der Basis ist die End- durch Die punktirte bogenformige Linie bezeichnet die vordeve Granze des Vorderdarms. Vorsprung bezeichnet, den Trichterfortsatz. Zu ihm tritt von jeder Augenblase her eine scharfe Leiste, welche eine an deren 'unterer Flache be- findliche Grube begranzt. Das embryonale Gehirn. 95 Mh. Zh Hh. I'll. YA\ den obeii genamiten drei primaren Hirnkrttmmungen als vierte die zwischen RUckenmark imd Nachhirn sich ent\vickelnde Nackenkrlimmung (dorsalwarts convex). Sic ist brim Hiihnchen Anfangs sehr schwach angedeutet. - Seeundar, als Theilerscheinung der allgemeinen Kopfkrlimmung tretcu in der Folge an den Granzen des Mittelhirns die zwei Sch oi te Ikrii in mungen. auf, durch deren Ausbildung das Mittelhirn zur vordersten von sammtlichen Gehirnabtheilungen \vir<.'dingungen ihrerEntstehung vorhandrn i>t. Was nun das Gehirn anbetrifft, so entsprechen seine drei primaren Kriimmungen den drei hinterein- aixlerliegenden Ausweitungen seiner SciU'invand, die Hakenkrttmmung derjenigen des Vorderhirns, die Mit- telwolbung der des Mittelhirns und die Brtickenkrttmnmng der Ver- breiterung auf der Granze des Hin- ter- und des Nachhirns. — Das Vor- handensein der primaren Gehirn- kriiiiimungen kniipft sich an das- jenige der ersten Querfaltungen der Keimscheibe. Die Medullarplatte beschreibt jene Kriimmungen schon bevor sie sich schliesst; spater- hin nehmen sie aber, wie die Beobachtung zeigt, sammtlich zu, eine Zunahme, welche in nachweis- lidu r Abliiingigkeit von den Be- /ichungen zwischen der animalen und der vegetativen Keimschicht steht. Schon wiederholt ist in frttheren Briefen der Verbindung gedacht worden, welche durch den Axenstrang, und spater durch die aus ihm entstandene Chorda dor- salis zwischen der Medullarplatte und dem Darmdriisenblatte langs der Mittellinie unterhalten wird. Du weisst auch, dass diese Verbindung Fig. 90 U«». Htihnchen vom zweiten Bebrutungstag. 20mal vergrosserte Dorsalansicht. II. Him, in Vordeihirn, Mittelhirn and Hinterhirn sich gliedei nd. Ag. Augenblase. W. Wolffsche Leiste. a. Or. Seitliche Granzrinne. Uw. Urwirbel. Uwp. Urwirbelplatte. Am. 1. Vordere Amnionfalte. Am. 2. Seitlicho G. Grnbe unter dem freien Kopfende. Mp. Offener Theil des Medullarrobres. Medullarplatte. Der Ort des Herzens ist durch punk- tirte Linien angegeben , das Herz ist noch gestreckt. 7* 100 Achter Brief. in der Folge sich lost, indem zuerst das Darmdrusenblatt von der Chorda, und, viel spater, diese vom Medullarrohre sich ent- fernt. Am innigsten 1st die Verbindung durch zwischengelagerte Masse zwischen dem ursprlinglich vordersten Rande der Medul- larplatte und dem vorderen Ende des Vorderdarmes. Die Ver- bindung ist hier eine so innige, dass, wenn in sehr spater Zeit der Vorderdarm vom Gehirn sich trennt, die Trennung nicht im Ver- bindungsstucke geschieht, sondern in der Continuitat des Vorder- darmes selbst. Ein kleines Stuck von diesem bleibt als vor- derer Lappen der Hypophysis in dauernder Verbindung mit dem Gehirn. Es wachst aber das Medullarrohr, und speciell das Gehirn rascher in die Lange als der Vorderdarm; da es nicht zu einer Trennung beider Theile kommt, so muss der langere Theil sich kriimmen, und mu'ssen ferner die unmittel- baren Folgen der Zerrung in den mit einander verbundenen Strecken des Vorderdarms sowohl, als des Medullarrohres zu Tage treten. Beides trifft in sehr pragnanter Weise ein: nicht allein erhebt sich das Medullarrohr iiber dem Vorderdarm in wachsendem Bogen, sondern es ziehen sich an beiden Theilen die verbundenen Enden trichterfb'rmig aus, wir bekommen auf die Weise am Gehirn den oben betrachteten Trichterfort- satz, am Vorderdarm die aus Fig. 91 bekannte sog. Rathke'sche Tasche. Fur den vorderen Abschnitt des Gehirns wird durch die Verbindung mit dem Vorderdarm jene Bedingung hergestellt, welche wir oben beim Gummischlauch als zweiten Fall er- b'rtert hatten, der Vorderdarm spielt hier die Rolle des fixiren- den Fadens, und die Form, welche das vordere Gehirnende annimmt, ist genau jenem Paradigma entsprechend. Du brauchst in der That nur die Fig. 82 mit der Fig. 86 zu vergleichen, urn die grosstmoglichste Uebereinstimmung in alien wesent- lichen Punkten wiederzufinden. Die fixirte Spitze des gebogenen Schlauches findest Du in dem Trichterfortsatz , seine beiden Ohren in den zwei Augenblasenanlagen wieder; ebenso sind die beiden schragen Leisten von der Fixationsstelle zu den Ohren und die dahinter liegende Rinne vorhanden, letztere an der unteren Flache . der Augenblasen endigend. Noch viel scharfer treten diese Dinge bei Fig. 83 hervor, nur hat hier schon die Abgliederung der Augenblasen vom Vorderhirn be- Ableitung der ersten Gehirnformen. 101 — St> gonnen, ein Vorgang, der auf ein anderes Moment zurUckzu- flihren ist, auf die Wirkung namlich des zur Seite gertickten Zwischenstranges. Dies Gebilde, aus der \Vandung der Zwischenrinne ent- standen, HegtamKopf ursprimglich tibcr dor Schlussstelle des Medullarrolnvs. Dunn aber verschiebt es sich, wohl in Folge der dasselbe treffenden Langs- spannung zur Seite, und kommt neben das Hinterhirn und das Mittelhirn zu Hegen. Am Vorderhirn aber schneidet c-s zwischen den eigentlichen Gehirn- theil des Rohres und die Augenblase ein, auf Querschnitten als Skantiger Keil sich darstellend. Aus demZwi- schenstrang entstehen die Anlagen der spinalen Ganglien des Kopfes (Trige- minus-, Acusticus-, Glossopharyngeus- und Vagusganglien). Aus demselben Materiale stammt die Anlage der Ge- horblase. Dieselbe tritt stets an der- selben Stelle neben dem Nachhirn, etwas hinter der Rautengrube auf, d. h. an der Kreuzungsstelle der Zwischenrinne mit der, auf der Griin/.c des Hinterkopfes befindlichen Quer- rinne, und sie leitet sich, soweit ich einsehe, davon ab dass an dieser Stelle F,g ,„ (8)< Primitivdarm des obit,en die Rinne sich als offene Grube er- pu™ Ste Se^eT^di^ La^e des halt und erst spater in gesonderter BL Blindeg ^™'Hirn ^*_ Weise schliesst ^iS^^SSST' Von nicht geringerem Interesse M- als die Verhaltnisse im Bereiche der Sp Hakenkriimmung sind die im Bereiche Jj- He"- der Brlickenkriimmung. Es ist zwar £{• gerade das Hirn des Vogelembryo Jj{- wegen der nur massigen Ausbildung jener Krlimmung kein sehr schlagendes Object. Dagegen stossen wir auf sehr ausgepragte Verhaltnisse am Gehirn der Knochen- :> t ^ ^T ,fli« ^.?. n>3i o .-> >\%^ 102 Achter Brief. fische und dann wiederum an demjenigen des Mensclien und einer Anzahl von Saugethieren. Nehmen wir zimachst als Bei- Fig. 92. Gehirn eines Fig. 93. Gehirn eines Fo- Fig. 94. Dasselbe von Hechtemtryo. 3 Tage p. rellenembryo. 4 Wochen oben gesehen. foec. Vergrossemng 30. p. foec. im Profil gesehen. Buchstabenbezeichnung Vergrossemng 30. wie oben. Rg. Kiecligrube. Br. Bruckenkrummung. Der Trichterfortsatz ist in punktirtenLinien ein- gezeichnet. spiel das Gehirn eines Hechtembryo vom 3. Tage, oder dasjenige eines Forellen- oder eines Lachs,einbryos von etwa 14 Tage nach der Befruclitung. Ein solclies (s. Fig. 92) besitzt eine wohl ent- Ableitung der ersten Gehirnformen. 103 wickelte Hakenkrttmnmng mit starkem Trichterfortsatz und ein langgestrecktes Mittelbirn. Besonders aber zeiclmet es sich aus durch eine scharf ausgebildete Brtickenkriimmung, welcher an der oberen Flache ein tiefer Einschnitt entspricbt. Weit treten an dieser Stelle die Rander des Robres zur Seite, genau nacb dem Falle des geschlitzten und scbarf eingeknick- ten Gummischlauches. Die auf diese Weise entstebende breite Grube ist die Anlage einer Rautengrube; aus den binteren divergirenden Randern der Grube werden die Verbindungs- stiicke des Markes mit dem Kleinhirn (Corpora restiformia), die vorderen convergirenden Rander aber und ibr, hinter dem Mittelbirn liegendes Verbindungssttick liefern das Material zur Bildung des Kleinbirns. Folgen wir dem eben betrachteten Gehirn auf die etwas vorgeriickte Stufe Fig. 92 und 93, so begegnen wir einer Kiinehinendeii Entwicklung der verschiedenen Kriimmungen. Durch die wacbsmde Zusammenschiebung der Theile ist der hinterc Hirnabschnitt, oder das Nachhirn unter die davor lie- gende Anlage des Kleinbirns, und diese unter diejenige des Mittelhirns geschoben worden. Wie ein Klappdeckel legt sich nunmehr die Kleinbirnanlage, oder der urspriinglich vordere Rand der Rautengrube liber diese weg, und verengt ibren Zugang. Dies Verhaltniss nimmt in dem Maasse zu, dass bei cincm Fischc von etwa 2 Cm. Langc das Kleinhirn beinahe Kk. ^ 7pt. Fig. 9o. Him eines Salmenembryo von 2 Ctm. Lange iin Langsschnitt. Vergr. '20. Hezeichnung wie oben. ganz unter (las Mittelhirn gerlickt erscheint und nur mit einem mittleren Lappen frei nach hinten vortritt, und so fin- den wir die Sache auch am Him des ausgewachsenen Thieres.2) 104 Achter Brief. Eine auffallende Uebereinstimmung in dem Verhalten die- ser hinteren Abschnitte finden wir beim Gehirn des Menschen. Ich lege Dir einige nach Photographien entworfene Zeichnungen bei. Die Betrachtung der tibrigen UnterscMede zwischen die- sem und dem embryoualen Fischhirn vorerst bei Seite lassend, mache ich Dich darauf aufmerksam , wie enorm stark auch hier die Bruckenkrummung entwickelt ist, und wie weit zu- gleich das Nachliirn untcr das Hinterliirn, und dieses unter das Fig. 96. Him eines menschlichen Fotus von ca. 7 Wochen. Die Vorderhirnhemispharen sind mit Ausnahme ihres Wurzelstuckes entfernt, man sieht das blossliegende Zwischen- hirn (Zh) und den Trichterfortsatz (Tr). Buchstabenbezeichnung wie oben. Fig. 97. Him eines lOwochentlichen menschlichen Fotus in der Seitenansicht. H. Hemisphare. Fig. 98. Dasselbe von hinten her gesehen. Fig. 99. Mediale Flache der abgetragenen Hemisphere. St. Streifenhugel. * ST. Seitenventrikel. Am. Anlage des Ammonshorn. Bf. Bogenfurche. Mittelhirn geschoben ist. Entsprechend dieser starken Entwick- lung der Bruckenkriimmung findest Du auch eine sehr breit angelegte Rautengrube. Wenn Du Dich an obigen Beispielen von der Abhangig- keit tiberzeugt hast, in welchen die Gehirngliederung von den auffcretenden Longitudinalbiegungen des Organes steht, so wird es Dich interessiren , nach der Richtung eine kleine verglei- chende Umschau zu halten, und eine solche gedenke ich Dir im nachsten Briefe vorzuflihren. Neunter Brief. Bedeutung der Bruckenkrummung fur die Entwicklung des Kleinhirns und der Medulla oblongata; Hemispharen des Grosshirns und deren Urabildung. Auftreten der weissen Substanz. Lieber Freund! Nach den Auseinandersetzungen des letzten Briefes werden Dir keine Zweifel geblieben sein tiber den causalen Zusammenhang zwischen der primaren Gliederung des Gehirns und seinen primaren Kriimmungen. Wie jene Gliederung, so kommen auch die Kriimmungen dem Gehirn sammtlicher Wirbelthiere zu. Andeutungen davon scheinen, soweit man aus den Ko walewsky 'schen Abbildungen schlies- sen kann, in friiher Lebensperiode selbst dem Amphioxus nicht1) zu fehlen. Die Gehirnkrtimmungen sind indess bei Vertretern verschiedener Wirbelthierordnungen auf gleicher Entwicklungs- stufe ungleich stark ausgepragt, und auch ungleich ttber die Gesammtlange des Hirnrohres vertheilt. In diesen Ungleich- heiten liegt ein Grund fiir spatere Verschiedenheiten des Ge- hirnbaues, und es 1st leicht verstandlich , wie eine einzelne Abweichung, sei es im Grade einer Krtimmung, sei es im Orte derselben, ihren Einfluss stets auf einen ganzen Complex von Hirntheilen erstrecken wird. Wo z. B., wie beim Fisch- hirn, durch die langgestreckte Mittelwolbung eine lange Mittel- hirnanlage abgesteckt wird, da wird nothwendig in einer anderen Anlage (hier in derjenigen des Vorderhirns) eine ent- sprechende VerkUrzung eintreten, und diese erste Feststellung der Proportioneu wird auch durch secundares Wachsthum nicht wieder ausgeglichen. Eine gegenseitige Entwicklungsabhangig- keit besteht fttr die Theile des Gehirns gleichermaassen, wie fUr die grossen Districte des Gesammtkeimes. 106 Netmter Brief. Die zuletzt erorterte Briickenkriimmung mag uns sofort als Beispiel des Einflusses dienen, welcken die Ausbildung einer gegebenen Krtimmung auf die Entwicklung der umgeben- den Theile ausiibt. Der Ort der Bruckenkriimmung bestimmt, wie wir das letztemal geseben kaben, denjenigen der Rautengrube ; letztere ist die, durch die Knickung verbreiterte Rohrenlichtung. Je starker die Knickung, urn so breiter wird unter iibrigens gleichen Bedingungen die Grube sein, und um so grosser die Langen- ausdehnung ihrer auseinanderweichenden Rander. Die grosste Breite der Rautengrube bezeiclmet die Granze zwischen dem Nachhirn und dem Hinterhirn, oder mit den bleibenden Namen, zwiscben dem verlangerten Marke und dem Kleinhirn. Das Kleinhirn zerfallt, wie die Anatomie zeigt, bei den meisten Abtheilungen der Wirbeltbiere in ein Mitt el stiick, den sog. Wurm, und zwei durcb eineFurcbe da von abgesetzte Seitenstucke. Das erstere Zh bildet sicb aus den in der Mittel- linie vereinigten Strecken der oberen Rohrenwand, d. h. aus solchen Substanzmassen, die bin- sicbtlich der primitiven Lagerung vor den Anlagen der Seitenstiicke befindlich waren. Beim Vogel- embryo ist,. wie Du aus der Fig. 100 ersiehst, zwiscben dem Mittelhirn und dem vorderen Rande des Rautengrubenzugan- ges ein ziemlicb langes unge- Fig 100(8'.). Gehirn eines Huhnchens von SChlltztCS Stuck VOrbaildeil , aUS welchem der gleicbfalls langge- UebrigelnchsteSbCenewhierni,ei Fig. 82 ,. 83. Streckte Wurm Clltsteht. Wo ein solcbes Zwiscbenstuck urspriing- licb geringere Entwicklung besitzt, da kann durch secundares Zusammenscbieben der Seitentbeile gleichwobl ein starker Mit- teltheil des Kleinhirns sich entwickeln, wofiir die Knochen- fische ein Beispiel liefern. Im Uebrigen bilden sicb aus den offenen Vorderwanden der Rautengrube die Seitenstiicke des Kleinbirns. Bedeutung d. Ruckenkriimmung f. d. Entwicklung d. Kleinhirns u. B. w. 107 An der, basal warts vorspringenden Querleiste der Brticken- kninmmni;1 entstehen bei Saugethiereu die Querfasern der Briicke, ferner brecben an ibr ganz allgemein die Wurzeln des N. triireniiiius durcli. Damn mid tbcilweise an der Vor- wolbung kann man noch am ausgebildeten Gebirn den Ort jener Leiste erkennen. Allerdings wird durcb die an der Ilirnbasis aiit'tretcnden weissen Substanzmassen die Scharfe der Antangsformen vielfacb verwischt, und die Orientirung wesent- licb ersehwert. Wit1- die librigcn Hirnkrtimmungen , so pflegt aucli die Briirkenkrltmmung im Laufe der Entwicklung zuzu- nelimcn, bei dem einen Geschopf mehr, bei dem andern we- niger, und je starker die Zunahme ist, um so mebr schieben sich die binteren Hirntbeile unter die mittleren. Aus den allgemeinen Bedingungen des sicb knickenden Scblaucbes baben wir sonacb folgende Abbangigkeiten zu er- warten : Schwachc Brttckenkriimmung: Scbmale Rauten- grube, kleines Cerebellum, wenigstens kleine Heitentbeile desselben. G cringe Vorscbiebung der Briickenkrttmmung: AVeit offener, vom Cerebellum unvollstandig gedeckter Zu- gang zur Rautengrube; Cerebellum binter dem Mittelhirn liegend, Austrittsstelle des N. trigeminus noch unter dem oflVni'ii 'Plicilc der Rautengrube, und nabe an deren breitester Stelle. Starke Brilckenkrlimmung: Breite Rautengrube, starkes Cerebellum, insbesondere starke Seitentbeile des- selben. Starke Vorscbiebung der Brtickenkrilmmung: Enger, vom Cerebellum bedeckter, und scbrag verlaufender Zugang zur Rautengrube; Cerebellum vom Mittelhirn tiber- lagert; Austrittsstelle des N. trigeminus liber die breiteste Stelle der Rautengrube nach vorn geruckt. Um zu sehen, inwieweit diese Ableitungen mit den That- sachen stimmen, betrachten wir einmal die auf gleichen Ent- wicklungsstufen befindlicben Gebirne des Hiibncbens Fig. 101 und des Hechtembryo Fig. 92 (S. 102) und ftigen ihnen das- jemge des Froschembryos Fig. 102 bei. Alle 3 Zeichnungen sind bei derselben Vergrosserung aufgenommen, und es tritt 108 Neunter Brief. Dir daraus die bemerkenswerthe Thatsache entgegen, dass alle drei Gehirne in ihren absoluten Maassen sich sehr nahe stehen. Es ist diese geringe Grossenschwankung des sich formenden Rohres, wie Du siehst, neben dem Vorhandensein der primaren Kriimmungen ein neues Moment zur Erklarung des ahnlichen Ganges der Gliederung. Im Vorbeigehen mache ich Dich auch auf die Lange des in der Hakenkrummung zuriickgebogenen Stiickes beim Fisch- und beim Froschhirn gegenuber dem des Hiihnchens aufmerksam, sowie auch auf die bedeutende Lange des Mittel- hirns beim ersteren. Was nun speciell die Briickenkrummung anbetrifft, so ist diese beim Froschembryo sehr unbedeutend, beim Hiihnclien etwas erheb- licher, beim Fischem- bryo ausnehmend stark ausgebildet. Bei letz- Fig.lOI.OehirndesHuhn- Fig. 102. Gehirn drrosch- Ilimmt Sle > W'IQ chens, Profilansicht von embryo. 30mal vergr. T)u «11S1 Hprri T^nriP-PIl Fig. 83. 30mal Vergr. Briefe weisst , noch er- heblich zu, und fuhrt zu einer weitgehenden Vorschiebung der hinteren Hirntheile unter das Mittelhirn. Auch beim Htihnchen nimmt die Kriimmung noch etwas zu, und es ge- schieht eine, obwohl geringe Vorruckung (vgl. Fig. 1 S. 3). Beim Frosch dagegen bleibt die Krummung gering und schiebt sich auch kaum in merklicher Weise vor. Der starken Entwicklung der Bruckenkrummung beim Fischhirn entspricht die starke Entwicklung des Cerebellum und eine weite Vorlagerung der Austrittsstelle des N. trige- minus. Anders liegen die Dinge beim Vogelhirn. Das Cere- bellum besitzt zwar, aus den frtther erorterten Griinden, einen ziemlich starken Wurm? dagegen sind dessen Seitentheile sehr schwach und nicht iiber die Rautengrube zuriickgebogen. Das Maximum der basalen Wolbung liegt ziemlich weit hinten und auch der Trigeminusaustritt fallt um weniges vor den Ein- gangsschlitz der Rautengrube. Hemisphiiren des Grosshirns und deren Umbildung. 109 Ausnehmend schwach bleibt bekanntlich das Cerebellum beim Frosch; es 1st kier eine dtinne, nur das vordere Ende der Rautengrube tiberbrUckende Lamelle. Seiner geringeren Entwicklung entspricht eine, gleichfalls geringe, weit hinten liegende basale Vorwolbung, an welcher, noch unterbalb des Uk, Fig. 103. Gehirn des erwachsenen Huhnes. 2raal vergr. Fig. 104. Gehirn des Frosches. 5mal vergr. Fig. 105. Gehirn Ton Petromyzon fluviatihs (nach Job. Mailer). R. Eingang zur Rautengrube. V. Nervus trigeminas. Br. Brucke. Uebrige Buchstabenbezeichnnng wie oben. offenen Tbeiles der Rautengrube, der N. trigeminus hervortritt. In noch hoherem Grade zeigt das Gehirn von Petromyzon die- sen Complex von Eigenthiimlichkeiten. Saugethierhirne haben im Allgemeinen eine wohl ent- wickelte Brtickenkrlimmung; im Grade der Ausbildung bestehen erhebliche Unterschiede. Am Ende der Reihe steht in der Hinsicht das menschliche Hirn und es erklart dies die Mach- tigkeit seiner Kleinhirnhemispharen , so wie die starke Vor- schiebung seiner Brlicke und seines Trigeminusaustrittes. Da- 110 Neunter Brief. gegen erreicht beispielsweise bei einem unserer, embryologisch beststudirten Haussaugethiere , dem Kaninchen, die Brucken- kriimmung nur einen massigen Grad, mid dasselbe gilt von den Seitentbeilen seines Kleinhirns. Unter den verschiedenen primaren Abschnitten des Gehirn- rohres erfahrt das Mitt el him im Laufe der weiteren Entwick- lung die unbetrachtlichsten, das Vorderhirn aber die bedeutend- sten Abweichungen von der anf anglichen Grundform. Aus dem primaren Vorderhirn gehen namlich bei der successiven Abgliederung hervor: das Zwischenhirn, oder die Umgebung des dritten Ventrikels (Seh- hiigel, Zirbel und Boden des Ventrikels bis zum Infundibulum) ; die Augenblasen, oder Anlagen der Netzhaut und der Pigment- haut ; die Grosshirnhemispharen einschliesslich der Streifenhiigel; die Vorderwand des dritten Ventrikels, das Gewolbe, und die Riechlappen. Die Verfolgung dieser Abgliederung im Einzelnen und die Aufsuchung ihrer mechanischen Bedingungen witrde ein ziem- lich tiefes Eingehen in die Gehirnanatornie verlangen, wozu mir hier nicht der Ort scheint; auch sind bei der Compli- cation der Verhaltnisse eine Keihe von Punkten noch des weiteren Studiums bedurftig. Dagegen kann icli mir nicht ver- sagen, auf eins von den Gliedern des Vorderhirns, und zwar auf das bedeutendste und zugleich das bedeutsamste einzu- gehen, auf die Hemispharen und deren Entwicklung bei Saugethieren. Unmittelbar nachdem, zugleich mit der scharfen Abglie- derung der Augenblasen, die Furche zwischen dem Zwischen- hirn und dem secundaren Vorderhirn aufgetreten ist, ist letzteres noch unpaarig und enthalt eine einzige Hdhle als Fortsetzung der Hohle des Zwischenhirns. Bald jedoch tritt an ihm, vom vorderen Ende der Basis ausgehend, eine Furche auf, welche in seine vordere und in seine obere Wand einschneidet, und welche dann an der Granze des Zwischenhirns in zwei seit- liche Schenkel auseinander weicht. Durch diese Furche wird eine Theilung des Vorderhirns in die zwei Hemispharen an- gebahnt. Die Hohlung der letzteren oder die Seitenventrikel Hemispharen des Grossbirns und deren Umbildung. Ill sind Anfangs Divertikel der medianen Vorderhirnhohle. Je tiefer aber die trennende Furche einsehneidet , urn so mehr reducirt sich das Mittelsttick derHohle, und um so enger wird der Zugang zu den Seitenventrikeln. Fiir die Ursache der, das Vorder- hirn spaltenden Furche, halte ich den in der Mittellinie wirksamen longitu- dinalcn Zug, der vom Trichterfortsatz ausgeht. Mit dem Vorhandensein eines solchen Zuges wttrde auch die Verdiinnung der Hemispharenwand im Bereiche der Furche in Uebereinstim- mung zu bringen sein. Jede Hemispharenanlage ist dem SS'JSl«52iSSS? Obigen zufolge ein blasenartiger Kor- per, welcher an der Hirnbasis mittelst einer breiten flachen Wurzel festsitzt, nach vorn, nach oben und nach hinten bin aber seine Wurzel frei tiberragt. Es bestehen zur Zeit des ersten Auftretens manche Ueber- einstiramungen im Verhalten der Hemispharenblasen und der vergrdssert. Sv. Seitenventrikel. MY. Mittelventrikel des Vorder- hirns. 8. . Sylvische Grube. St. Streifenhugel. Am. Anlage des Amraonshorns. Zh. Zwischenhirn. Mh. Mittelhirn. Fig. 107. Frontalschnitt dnrch den Kopf eines Kaninchenfotus (Utag. p. f.) Idmal yergrossert. Der Schnitt fallt vor die Granze des Zwischenhirns. Fig. 103. Schnitt etwas weiter hinten, das vordere Ende des Zwischenhirns zeigend. Ok. Oberkiefer. Uk. Unterkiefer. Uebrige Rachstabenbezeiohnung wie oben. 112 Neunter Brief. Augenblasen, und am Him des Hiihnchens nehmen sich jene Anfangs geradezu aus wie eine vordere Wiederholung der letzteren. Constant 1st das Vorhandensein einer, an der Aussen- wand befindlichen Grube, welche von der Basis aus sich an die Wurzel und von da aus noch ein Stuck weit auf den freien Theil der Hemispharen erstreckt. Diese Grube ist die Fossa Sylvii. Ihr entspricht an der Innenflache des Hemi- spharenraumes ein wulstiger Vorsprung, die Anlage des Strei- fenhiigels (s. Fig. 106, 107 und 108). Den frei vortretenden Theil der Hemispharenblase pflegt man in der Anatomie als Hirnmantel zu bezeichnen. Von aussen betrachtet, hat jede Hemisphare eine an- nahernd bohnenformige Gestalt: die der Wurzel angehorige Fossa Sylvii wird von dem vorgewolbten Mantel in convexem Bogen umspannt. Mit Ausnahme der Fossa Sylvii und einer nach- her zu betrachtenden Furche am hinteren Ende pflegt Anfangs die Hemisphare an ihrer Aussenwand keine Furchen oder Ver- tiefungen, wenigstens keine von bleibender Bedeutung zu zeigen. Anders die mediane Wand. Diese ist, so weit ineine Erfahrtmgen reichen, zu keiner Zeit vollig glatt, sondern stets von einer bogenformigen, und zu einer bestimmten Zeit auch von einer Anzahl radiarer Furchen durchzogen. Letztere sind meistens voriibergehender Natur, die Bogenfurche dagegen ist, wie wir theilweise schon aus den Arbeiten von Arnold und von Fr. Schmidt wissen, von durchgreifender Bedeutung fur die spatere Organisation des Gehirns. Sie erzeugt einen in die Hirnhohle vorspringenden bogenformigen Wulst, dessen hin- terer Theil zum Ammonshorn wird, wahrend der mittlere und der vordere die Bildung des Gewolbes bedingen.2) Das vordere Ende der Bogenfurche lauft in den vorderen Rand der Hemisphare aus und eine Zweigfurche begranzt den dar- unter liegenden Riechlappen. Am hinteren Hemispharen- rande uberschreitet die Furche, auch beim menschlichen Fotus, auf fruheren Entwicklungsstufen den Rand, und ist von aussen her noch eben sichtbar (Fig. 97). Weshalb gerade an der medialen Hemispharenwand Fal- tungen zuerst auftreten, ist nicht schwer zu verstehen. Nicht allein ist dieselbe dunner als die aussere, sondern durch das Zusammentreffen in der Mittelebene wirken ja die beiden Hemispharen des Grosshirns und deren Umbildung. 113 Hemispharen gegenseitigraumbeschrankend aufeinander; anstatt bauchig sich vortreiben zu konnen, sind sie genttthigt, sich der ebenen Begranzungsflache zu adaptiren. Es ist Dir bekannt, wie die Gehirae der Saugethiere und speciell dasjenige des Menschen, durch hervorragende Hemi- spharenentwicklung sich auszeiclmen, und wie die einmal her- vorgewolbten Hemispharen der Reihe nach das Zwischenhirn, das Mittelhirn und das Hinterhirn nebst dem Nachhirii zu tiber- decken vermfteen. Wir bleiben zunachst beim menschlichen Fig. 109 ('JGi. Him eines raenschlichen Fotus von ca. 7 Wochen. Die Vorderhirnhemispharen sind mit Ausnahme ihres Wurzelstuckes entfernt, man sieht das blosliegende Zwischenhirn iZh) und den Trichterfortsatz. Buchstabenbezeichnung wie oben. Fig. llo f.17). Him eines lOwochentlichen menschlichen Fotus'in der Seitenansicht. H. Hemisphare. Fig. Ill CJ8>. Dasselbe von hinten her gesehen. Fig. 112 '«'>. Mediale Flache der abgetragenen Hemisphare. St. Streifenhugel. Sv. Seitenventrikel. Am. Anlage des Ammonshorn. * Bf. Bogenfurche. Gehirn stehen, bei welchem die Ueberlagerung dahinter lie- gender Theilc den hochsten Grad erreicht, und wir betrach- ten kurz die Hauptphasen der Hemispharenverschiebung. Es besitzt der, vom Hemispharenmantel beschriebene Bogen, wie Du aus Fig. 110 siehst, Anfangs eine ziemlich gleich- niiissige Wolbung, und nur um weniges ist er hinten hSher, als vorn. Dann aber andert sich dies Verhaltniss. An dem fast gleichinassigeu Bogen entsteht in der hinteren Halfte cine, erst stumpfe, dann spitz werdende Ecke, welche nach hinten ttl)erliiiiigt; und zugleich etwas medianwarts sich ein- His, Briefe. 8 114 Neunter Brief. biegt. Es wird diese Ecke zum sog. Hinterhauptslappen des Grosshirns. Mit der Schragschiebung des Hemispharen- bogens stehn eine Reihe von weiteren Veranderungen in Zu- sammenhang: Die an der Aussenflache befindliche Fossa Sylvii niinmt, wie der Heniispharenmantel, eine winklige Gestalt an, und verlangert sich in eine nach ruckwarts sehende Spitze. Der zuvor bogenformige Seitenventrikel wird zu einer dreizipf- ligen Hohle, deren neu auf- tretender Zipfel als sogen. hinteres Horn eben dem Hinterhauptslappen ange- ho'rt. An der medialen Wand aber uiacht sich der Einfluss jener Hemispharen- umlegung dadurch geltend, dass die Bogenfurche in zwei sich kreuzende Schenkel aus- einandergeht , deren einer als Verlangerung des vor- deren, der andere als Ver- langerung des unteren Thei- les der Bogenfurche auftritt. Jener bildet die sog. Fis- sura calcarina der Ana- tomen, dieser die innere 0 c- cipitalspalte. Beide Fur- chen konnen bei ihrem er- sten Auftreten sich wohl derart storen, dass zuerst nur die eine oder die andere zur Ausbildung gelangt, und man findet fdtale Gehirne aus dem 5. Monate, an welchen auf der einen Seite nur die Fissura calcarina, auf der anderen nur die F. occipitalis vorhanden ist. Suchst Du nun nach der Ursache, welche jener starken Verschiebung der Hemispharen zu Grunde liegen inag, so findest Du folgende: Durch die starke Brtickenkriimmung ist die Anlage des Kleinhirns und der Britcke beim menschlichen Embryonalhirn sehr weit nach vorn gerilckt. Es dauert Fig. 113. Gehirn eines ca. 4i/2monatl- mensch- lichen Fotus von Aussen her gesehen. Ein Theil der Hemispharenwand ist weggenoramen, urn die inneren Falten zu zeigen. Fig. 114. Dieselbe Hemisphare von der media- len Flache. F. Fornix mit Sept. pell. C. Fissura calcarina 0. Fiss. occipitalis Rl. Riechlappen. B. Balken. H. Fissura bez. Pes Hippocampi. Hemispharen des Grosshirns und deren Umbildung. 115 daher nicht lange, bis die sich ausdehneude Hemisphare mit dem hiiiteren Rande ihres Bogens an jene Theile anstb'sst, und mmmehr sind die Bedingungen liir das weitere Hemispharen- \\aclistliuiii vrriindert. Die sich ausdelmende hintere Hemi- spliarenlialfte weicht, da ihr imteii ein Widerstand geboten wird, nach dom Raume aus Uber dem Cerebellum und dem Mittel- hirn, und gewinut dabei eben jene dreizipflige Gestalt. Die Bildmig des Hinterlappens und des Hinterhornes , sowie der Fiss. occip. int. und calcarina sind daher mittelbare Folgen der stark entwickelten Brtickenkrummung. Ein vergleichenden Blick auf andere Saugethierhirne giebt dieser Ableitung ihre Bestatigung. Die oben erorterten Kip'iithUinlichkeiten kommen in voller Ausbildung nur dem mensehlichen Gehirnc uud dem Gehim hoherer Affen^zu, sie Fig. 115. Gehirn des Schafes (nach Leuret anf 3/5 reducirt). fehlen dagegen oder sind nur schwach vorhanden bei denjeni- gen anderer Saugethiere. Du magst, um Dich dartiber zu unterrichten, den schonen Hirnatlas von Leuret, oder alien- tails auch die Copien daraus von Huguenin3) durchblattern, durchweg findest Du die Rtickwartsschiebung der Hemispharen genau der Bertihrung entsprechend, welehe zwischen ihnen und dem vorderen Rande des Cerebellum und der Brttcke vorhan- den ist. A Is Beispiel lege ich Dir die Copie eines Schafhirnes bei, an welchem die Zurlicklegung der Hemisphare nahezu null ist, und die Fossa Sylvii die Gestalt einer verticalen Spalte besitzt. Ich habe Dir im Obigen einige Gruben und Furchen der llemispliiiiTnoberflache namhaft gemacht, welehe mit einander das gemein haben, dass sie frtihe auftreten und dass sie 8* 1 1 6 Neunter Brief. Falten der gesammten Wand sind. Jeder derselben entspricht somit ein innerer Wulst oder Vorsprung. Wir konnen diese Furchen als P r i m a r f u r c h e n , oder noch passender vielleicht als Tot a If alt en der Hemispharenwand bezeichnen. Es sind, um sie nochmals mit den entsprechenden inneren Vorspriingen aufzuzahlen : Furche: Vorsprung: Fossa Sylvii Streifenhugel Bogenfurche, vordererTheil Fornix Bogenfurche, hinterer Theil Pes Hippocampi oder Fiss. Hippocampi Fissura calcarina Calcar avis Fissura occipitalis Convexitat des Hinterhorne s, endlich kann noch genannt werden, die mit der Fiss. calca- rina und F. Hippocampi parallel auftretende Fissura coll a- teralis, welcher im Ventrikel die Eminentia collatera- lis entspricht. Eine Anzahl von Totalfalten hauptsachlich radiaren Ver- laufes, welclie in friiher Zeit (3 Monat) vorhanden sind, gleichen sich mit zunehmendem Wachsthum wieder aus, und hinter- lassen keine bleibenden Spuren. Die Dicke der Hemispharenwandung ninimt, besonders durch Entwicklung von weisser Masse, vom funften Monate ab erheblich zu, und die Ventrikel erfahren eine entsprechende Verengung. Gegen das Ende des funften Monats tritt beim Menschen jenes neue System von Furchen auf, welches der Hemisphare ihre bleibende Configuration ertheilt. Zu diesen Furchen gehoren einige, die sich durch erhebliche Tiefe und durch die Constanz ihres Auftretens auszeichnen (wie die Centralfurche, die Stirnfurchen, die Schlafent urchen , die Inter- parietalfurche u. s. w.); allein bei alle dem nehinen sie eine ganz separate Stellung ein gegenuber den frtiher betrachteten. Konnten wir dort von Totalfalten der Hemispharenwand reden, so haben wir es hier nur mit Kindenfalteii zu thun, d. h. es ist bios die graue Rinde in Falten erhoben, und nur schmale Fortsatze der weissen Substanz dringen den Rauni ausfiillend, in deren Basis ein. Keineiiei Eigenthumlichkeit der Ventrikel- wand spiegelt das Vorhandensein dieser ausseren Bildungen wieder. Auch in der Art ihres ersten Auftretens unterscheiden Hemispharen des Grosshirns und deren Umbilduug. 117 sich diese secundaren, oder Rindenfalten von den Totalfalten. Wahrend (lie.se gleich in scharfer Auspragung auftreten, ent- wickeln sich jenc allmahlig, zuerst als seichte Vertiefungen, deren Ausdehnung und Tiefe nach und nach sich vergrossert. Ks ist klar, dass bei den duivhaus verschiedenen Eigen- schai'ten der primaren und der secundaren Furchen nnd bei der so verschiedenen Art ihres Auftretens, beide nicht auf die- selben Entstehungsbedingungen zuruckgefuhrt werden konnen. Hatten wir es dort mit Faltungen einer verhaltnissmassig dtinn- vvandigen Blase zu thun, bei welcher nachweisbar aussere Momente mitbestimmend waren, so handelt es sich hier um Veranderimgen an einer dicken, aus zwei Schichten bestehenden Wand, bei welchen nur die eine, aussere Wandschicht direct betheiligt ist, und bei welchen auch nicht an Krafte gedacht werden dart', die von aussen her wirken. Unter- diesen Umstanden kann man kaum im Zweifel dartiber sein, dass nur das relativ starkere Flachenwachsthum der ausseren(grauen) Wandschicht der Grund ist, weshalb diese liber ihrer Unter- lage sich erhebt und sich in Falten wirft. Nur wenige Worte ftige ich noch bei ttber das Auftreten der weissen Substanz, einen Gegenstand, den man kaum an- gefangen hat zu bearbeiten. Du hast frtiher gehb'rt, dass die weissc Substanz sehr langsam sich entwickelt, und dass ihre Pa si -rii als Auslaufer der frtiher vorhandehen Nervenzellen an- /usehen sind. Eine Reihe hOchst interessanter Fragen thut sich nun dabei auf. Wenn die Fasern von einem Endpunkte auswachsen, wie gelangen sie zu ihreni anderen Endpunkte hin? wie entwickeln sich die secundaren Faserverbindungen innerhalb der ( V-ntralorgane? wie kommt es, dass jede Muskel- faser, oder dass jeder Hautbezirk ihre Nervenfasern , jene motorische, diese sensible erhalten u. s. w.? Es sind dies Fragen, zu deren Beantwortung bis jetzt fast alle Angriffspunkte fehlen. Nur in Betreff der groberen Vertheilung weisser Sub- stanz Hegt einiges Material vor. Darnach ergiebt sich der ho'chst einfache Satz, dass die weisse Substanz da auftritt, wo sie Raum hat. Um Dir diesen Satz zur volligen Ueber- zeugung zu bringen, mllsste ich Dir ein ziemliches Detail vor- iiihren, ich begntige mich statt dessen mit einigen kurzen Hin- weisen. An den Gross- und Kleinhirnhemispharen, welche von 118 Neunter Brief. ihren Hilllen knapp umsclilossen sind, sammelt sich die weisse Substanz an der innern, der Ventrikelhohle zugewendeten Flache; am Ruckenmark, wo der enge Kanal wenig Rauni bietet, bilden sich die Strange aussen; an derHirnbasis schmiegen sich die weissen Substanzziige in die ems'pringenden, Anfangs nur von sckwammigem, wasserreichem Bindegewebe ausgeiiillten Winkel und Rinnen der Oberflache. Die peripherischen Ner- ven folgen, meist mit den Gefassen laufend, den offenen Llicken zwischen den Muskel- und sonstigen Anlagen des Kb'rpers u. s. w. Eines der hiibschesten Beispiele findet sich am Boden der Rautengrube. Hier liegt beiin dreimonatlichen mensch- lichen Fotus eine tiefe ofiPene Kreuzfurche, der Langsschenkel des Kreuzes wird spater von der Raphe, der Querschenkel von Fasern der Striae acusticae ausgetullt. Wlr mussen zwar die weissen Substanzziige als grosse Strassen ansehen, welche von Fasern der verschiedensten Be- stimmung durchmessen werden konnen, immerhin kann der Umstand, dass scheinbar aussere Bedingungen, wie das Vor- handensein von Liicken und Rinnen jenen Massen den Weg vorschreiben , fur die eigentliche Organisation des Systems nicht bedeutungslos sein. Wir haben schliesslich keinen Grund anzunehmen, dass besondere Anziehungskrafte eine Faser noth- wendig zu diesem oder jenem Endpunkte hinziehen, und es liegt zum Mindesten ebenso nahe? sich zu denken, dass jedc auswachsende Faser schliesslich da endigt, wo ihr naturlicher Ausbreitungsweg sie hinlenkt, und dass eben in der primaren Anordnung dieser Wege die Grundbedingung der Organisation enthalten sei. Zehnter Brief. Das Wachsthumsgesetz ; raumliches und zeitliches Wachsthumsget'alle und deren Bedeutung fur die schliessliche Ausbildung des Korpers. Lieber Freuiid! In meinen letzten Brieien bin ich wohl ctwas tiefer in anatomisches Detail hineingerathen , als dem ursprttnglichen Plane entsprechen mochte, und es erscheint an der Zeit, (lass wir wieder zu den Fragen allgemeinerer Natur /urtiokkehren. Ueber folgende Punkte bist Du jetzt eines mit mir ge- wordcn: einmal, dass der erste Faltenwurf der Keimscheibe und deren primitive Gliederung durch die ungleiche Ver- tlieiliinii- iluvs Waclistlmms bedingt wird, und dass t'eruer die nach erfolgter Abgliederung eintretende Umformung der Organ- anlaircn vniu Wachsthume dieser Anlagen selbst und von dem- jenigen di-r iilirigen Korpertheile abhangt. Allgemein gefasst lautet uuscr Krirdmiss also: Ks ist hoi gegebener Ani'angsform des Keimes die Form des, aus demselben hervorgehenden Korpers cine abgeleitete Folge der raumlichen und /t'itlichen Vertheilung des Keimwachsthums. Die Vertheilung des Wachsthums nach Raum und nach Zeit tblgt t'Ur jedes Geschopf einem gegebenen Gesetze, dessen Bestimmun^ Saehe der einpirischen Forschung 1st. Wir be- /I'ichnen die auf^eit- und auf Masseneinheit bezogene Massen- zunahme eines Keimbezirkes als dessen Wachsthumsge- schwindigkeit. Da das specifische Gewicht des Keimes ttberall nahezu gleich gesetzt werden kann, so ist in conti- iniirlichen Theilen desselben jener Werth zugleich als Maass des Volum wachsthums anzusehen. Du weisst bereits aus frtihe- ren Briefen, dass beirn Beginn der Entwickelung das Maxi- 120 Zehnter Brief. mum der Wachsthumsgeschwindigkeit in die Anlage des Ge- hirns fallt, dass sie in der Anlage des Riickenmarkes etwas geringer ist, dass sie, von einer, jene Anlagen halbirenden Linie ausgehend, nach beiden Seiten bin symmetrisch sich abstuft, sowie sie auch nach der Tiefe bin abnimmt. In gleicber Weise zeigt die Erfahrung, dass die Wachsthumsgeschwindig- keit innerhalb einer gegebenen Anlage mit der Zeit sich andert. Das Wachsthumsgesetz, dessen Kenntniss fur jedes Geschopf besonders anzustreben ist, hat die Wachsthums- geschwindigkeiten aller einzelnenPunkte des Kei- mes als eine Function der Lage, der Zeit und der ausseren Bedingungen auszudriicken. Haben wir uns friiher den eben befruchteten Keim in eine Anzahl organbil- dende Bezirke zerlegt gedacht, so kb'nnen wir heute einen Schritt weiter gehen, und sagen, dass innerhalb eines jeden die- ser Bezirke den Theilen eine Wachsthumserregung inne- wohnt, die sie bei ihrer Ablosung vom Gesammtkeime als Mit- gift rnit sich nehmen. Die urspriingliche Ausdehnung des organbildenden Keimbezirkes einerseits und die semen Theilen innewohnende Wachsthumserregung andererseits, sind die beiden von Anfang ab gegebenen Factoren, deren Verhalten die spatere Entwicklung des entstehenden Organes bestimmt. In der gesetzmassig geordneten Erregung zum Wachsthum liegt iiber- haupt der ganze Inhalt erblicher Uebertragung, und das Pro- blem der Zeugung, sowie ich es verstehe, lost sich auf in die Frage : Wie wird die Wachsthumserregung auf das Ei iiber- tragen, und welches ist der Antheil der beiden Erzeuger an dieser Uebertragung? Die Zeugungsfrage wird uns spater nochmals beschaf- tigen, bleiben wir vorerst bei Besprechung des Wachsthums stehen : Da die Wachsthumsgeschwindigkeiten in verschiedenen Bezirken des Keimes verschieden sind, so werden wir von einem gegebenen Punkte aus zu Punkten anderer, sei es grosserer, sei es geringerer Wachsthumsgeschwindigkeit fort- schreiten. Von der, im Wachsthum voraneilenden Gehirn- anlage ausgehend, gelangen wir durchweg nach Punkten geringerer Wachsthumsgeschwindigkeit, in allmahligem Abfalle nach der einen, in rascherem nach einer anderen Richtung. Das Wachsthumsgesetz. 121 Denken wir uns auf einer, der Keimscheibe entsprechend eingetheilten Horizontalebene ein System von Senkrechten er- richtet, deren Langen je proportional sind den Wachsthums- geschwindigkeiten der betreifenden Oberflachepunkte im Be- ginne der Entwieklung, so werden die freien Enden der Or- dinaten cine Flache biklen, deren Gestalt der augenblickliche geomctrisehe Ausdruck der Wachsthumsvertheilung ist. Eine solche Flache wird sich demnach im Gebiete der Gehirnanlage am hoclisten tlber die Horizontalebene erheben, in den ausser- embryonalen Bezirken aber wird sie sich dieser letzteren rings hcruni niihern, mid annahernd parallel mit ihr verlaufen. Der Uebergang aber vom Erhebungsmaximum zu den peripherisch liegenden Minima wird nach verschiedenen Richtungen un- gleieli steil, und mit ungleicher Wolbung geschehen. Wir wollen die Aenderung des Geschwindigkeitswerthes von einem Punkte /uni nachstfolgenden als dessen raumliches Wachs- thumsgefalle bezeichnen. Legst Du einen Verticalschnitt, sei es in der Liiiigsaxe selbst, sei es in einer zu ihr senkrechten Ebene (lurch die Flache, so schneidet er diese in einer gekriimmten Linie, deren Gefalle in verschiedenen Strecken selbstvcrstandlich zu wechseln vermag. Jede solche Linie driickt aus, wie in der betreifenden Zone die Wachsthums- hwmdigkeiten vom Ort eines Maximums zu demjenigen eines Minimums sich abstufcn. Die Wolbung der Gesammtflache ist der Ausdruck aller der Einzelnverhaltnisse. Wofern nun das (ics^tz, nach welchem im Beginn der Entwicklung die Wachsthumsgeschwindigkeiten iiber den Keim vertheilt sind, ein eiiitaches ist, so muss auch jene geometrische Wachsthums- Hiiche cine glcichmiissige Wolbung mit lauter vermittelten UebcriLJiii-c-n bcsitzen. Wo nicht, wird ihr Niveau unruhig sein, und, jc venvickelter das Gesetz der raumlichen Wachs- thumsvertheilung, um so mehr sind plotzliche Gruben, unver- mitteltc Huckeln, oder scharte Ecken in ihr zu erwarten. Zur Construction einer solchen Fliiclie tehlt uns das nothige empirischc Material, immerhin konnen wir uns liber einige ihrer Eigenschaften ein Urtheil bilden an der Hand dessen, was wir liber die Abstufungen der Keiinscheibendicke beob- achten. Zwar ist es nicht zulassig, die, flir verschiedene Punkte wechselnden Dicken einer Keimscheibenschicht ein- 122 Zehnter Brief. fach den betreffenden Wachsthumsgeschwindigkeiten proportio- nal zu setzen, all ein beide Werthe miissen, so lange keine Zerrungsbedingungen mitspielen , stets in gleichem Sinne sich andern. Grossere Wachsthumsgeschwindigkeit einer Stelle wird grossere Dicke im Gefolge liaben, und umgekehrt. Da uns nun die Beobachtung yon Querschnitten zeigt, dass sowohl das obere Granzblatt, als die beiden Muskelplatten von der Mitte gegen die Peripherie bin an Dicke stetig abnehmen, und da entsprechende Erfahrungen auch fur Langsschnitte sich wieder- holen, so sind wir zu der Aussage berechtigt, dass auch die geometrische Wachsthumsflache keine Spriinge in ihren Ge- fallen hat, dass diese letzteren auf einer jeden Strecke von einem Maximum zu einem Minimum durchweg absteigend ver- laufen und dass ihre Wechsel stets durch Uebergange vermittelt sind. Es ist mit andern Worten das Gesetz der raumlichen Vertheilung des Wachsthums im Beginn der Entwicklung ein verhaltnissmassig einfaches zu nennen. Eine geometrische Flache, wie wir sie uns oben construirt dachten, ist fiir eine gegebene Schicht des Keimes nur der momentane Ausdruck der Wachsthumsvertheilung, die Wachs- thumsgeschwindigkeiten variiren auch nach der Zeit. Wollten wir fiir einen einzelnen Punkt des Keimes etwa fiir einen Punkt der Gehirnanlage die zeitlichen Aenderungen des Wachs- thums graphisch verzeichnen, so wiirden wir wiederum eine gekrummte Linie bekommen , deren wechselnde Gef alle nun- mehr als zeitliche Wachsthumsgefalle wiirden zu be- zeichnen sein. Wollten wir aber, ahnlich wie oben, eine Flache der raumlichen Wachsthumsvertheilung fiir die aus einer Schicht liervorgegangenen Theile in einer spateren Entwicklungsperiode construiren, so w^aren zunachst die einzelnen Punkte nach be- stimniten Grundsatzen auf eine Horizontalebene zu projiciren, und dann wiederum ein System von Ordinaten proportional den betreffenden Wachsthumsgeschwindigkeiten zu errichten. Solche fiir verschiedene Zeitpunkte construirte Flachen wiirden in ihren Formen nicht iibereinstimmen und ihre Abweichungeu von der Anfangsform wiirden voraussichtlich wachsen mit der Lange der zwischenliegenden Zeit. Ob eine jede solche Flache, und ob auch die fiir einzelne Punkte des Keimes construirten zeitliehen Wachsthumscurven tmter alien Umstanden nur sanft Raumliches und zeitliches Wachsthumsgefalle. 123 geschwimgene Formen beibehalten, oder ob in ihren Gef alien grossere Sprttnge auftreten, darttber darf man sieh kaum be- dingungslos aussprechen. Wenn ich geneigt bin, regelmassige Abstutiingcn and) iin zeitlichen Ablaufe des Wachsthums fiir wahrsrhcinlich zu halten, so bestimmt micb dazu der Urn- stand, dass mir bis jetzt kerne, einer solchen Voraussetzung widersprechende Erfabrung bekannt ist, und ich nacb einem lu'kannten Grundsatze der Naturforschung der einfachen Vor- ausset/ung bei gleichcn Ansprticben den Vorzug vor der ver- \\ irkdten gebe. *) Der Gang des zeitlichen Wachsthumsgelallcs ist im All- iremeinen ein absteigender , oder, was dasselbe besagt: alle Theile nehmen in spateren Entwicklungsperioden an Masse relativ weniger zu, als infrttheren; schliesslicb boren sie liber- haupt a at' zu wachsen. Diese absteigende Richtnng scbeint, snweit sicli erseben lasst, scbon in frUheren Pcrioden sicb gel- tend zu niadicn. Es ist nicbt leicbt, letzteren Punkt ftir die allererste Periode mit vo'lliger Schari'e festzustellen , weil Ge- wicbts- oder a itch nur Volumsbestimmungen an ganz jungen Keimen nicht moglich sind. Man ist somit zunachst auf die lU'stinnnung einzelner Dimensionen angevviesen, und auch da wird die Unzuverlassigkeit der Zeit als Entwickelungsmaass- stab l)c i ln'ilifiTn Wirbelthieren zu einer schwer zu umgehen- di-ii Fdderquclle. Ich babe, um einen Anhaltspunkt zu haben, l)ci 21 HiihiuTembryonen die Lange der sichtbaren Embryo- nalanlage gemessen und daraus tlir 3 Gruppen von je 8 Sttick die Ite/iiglichen Mittelwerthe berechnet. Vor Ablaut' der crsten •21 Stunden lassen sidi Mossungon nicht sicher ausl'iihren, weil der Keinnvall das hintere Leibesende deckt. Als Maximum der Anlan^sliin^e kann der halbe Durchmesser der Keim- sdieil>o gesetzt werden, weil vor Beginn der Bebrtitung die Embryonalanlage nach vorn nur um Weniges die geometrische Mitte der Scheibe liberschreitet. Die Korperliiiige babe ich von der Zeit ab, da die Kopf- und die Kumpt'krUmmungen eingetreten sind, im Bogen gemessen. Die erste Columne der kleinen Tabelle enthalt die mittlvivn lU-briitun^s/eiten, die / \veite die raittleren Langen der Embryonen, die dritte Coluinne die absoluten , die letzte die proportion^ien stlindlichen Langen- /uwachse. 124 Zehnter Brief. Mittlere Bebrutungszeit. Mittlere Lange des Embryonalkorpers. Absoluter Zuwachs in einer Stunde. Proportionaler Zuwachs in einer Stunde. 0 Stunden 1,75 Mm. 0,055 Mm. 3,lo/o 31,25 3,47 0,17 4,9 °/o 47,- 5,15 0,1 1 2,1 °'o 70,5 7,61 Der Gang in den beiden letzten Columnen 1st, wie Du siehst, kein stetig gleichgerichteter , und es muss ausgedehn- teren Bestimmungen vorbehalten bleiben zu entscheiden , ob das Verhaltniss des vorubergehenden Ansteigens rnit nach- folgendem Abfalle der beiden Werthreihen ein gesetzmassiges ist. Soviel ist ersichtlich, dass das absolute Langenwachsthum in der allerersten Zeit am geringsten ist, und spater etwas zunimmt, wahrend vom relativen Wachsthum das umgekehrte zu gelten scheint. Ausgedehntere Eii'ahrungen als liber das Langenwachs- thum des Huhnchens, besitze ich iiber dasjenige des Lachs- embryo. Bei diesem halt sich der absolute Tageszuwachs wahrend einer Reihe von Wochen ziemlich auf derselben Hohe zwischen */* bis Vs Mm., um dann, etwa vom zweiten Monat, ab zu sinken; d. h. es findet von ziemlich friiher Zeit ab eine gleichfalls stetige Abnahme der mittleren Geschwindig- keit des Langenwachsthums statt, welche spater sogar in eine absolute Abnahme des Wachsthums ubergeht. Die eintretende Abnahme der Wachsthumsgeschwindig- keit macht sich nicht fiir alle Producte der ursprttnglichen Keimscheibe in gleichem Maasse gel tend. Eine bekannte Er- fahrung zeigt uns, dass unter den Hauptorganen des Korpers das Gehirn und das Ruckenmark zuerst zu wachsen aufhoren. Langer als diese Theile wachsen die Muskeln, am langsten die epithelialen Theile. Letztere horen itberhaupt gar nicht auf zu wachsen, wie das Langerwerden unserer Haare und Nagel, die Abschuppung unserer Epidermis und andere ahn- liche Erfahrungen mehr bezeugen. Diejenigen archiblastischen Raumliches und zeitliches Wachsthumsgefalle. 125 Gewebe, deren Wachsthumsgeschwindigkeit von Anfang ab die bedeutendste war, erschopfen ihren Wachsthumserregung /uerst, die von Anfang an am wenigsten rasch wachsenden, wachsen am langsten fort. Graphisch veranschaulicht sich dies Verbal tniss durch drei tibereinandergezeichnete Curven, deren eine, das Nervenwachsthum (N) bezeiclmend , am hochsten beginnt und am friihesten abfallt; die zweite, die Curve des Muskchvarlistliums (M), weniger hoch beginnt und spater ab- fallt ; die dritte endlich , die Epithelcurve (E), den niedrigsten aber aurli das geringste Gefalle hat. Fig. 11G. Bedeutsam ist die Beziehung zwischen diesen Wachs- thumsverhaltnissen und der physiologischen Stellung der ge- bildeten Gewebe. Das Nervengewebe , das Du hinsichtlicb seiner physiologischen Bedeutung sicher an die Spitze aller iibrigen stellen wirst, wachst Anfangs am raschesten, hort aber am friilu'sten zu wachsen auf, wahrend von den epithelialen (ii'weben nach bciden Richtungen das Umgekehrte gilt. Das Wachsthum der physiologisch tiefer stehenden Gewebe Itber- dauert snmit dasjenige der holier stehenden, und erreicht mit der Zeit immer mehr das Uebergewicht liber diese. Der bedeutende Vorsprung, welchen auf frUheren Entwick- lungsstuten die Anlage des Centralnervensystems gegentiber alien iil>riu(Mi Embryonaltheilen besitzt, Itihrt sich zunachst zurlick auf die Grosse des bei der primaren GHederung ihr zugetlieil- ten Urbezirkes, und dann auf ihre grossere Wachsthumsge- schwindigkeit. Dank der letzteren andert sich das Verliiilt- niss wiili rend ciniger Zeit noch mehr und mehr zu ihren Gunsten, dann aber tritt der Punkt ein, wo ihre Wachs- thumsintensitat untcr diejenigen der Ubrigen Anlagen sinkt, und von da ab wird ihr Antheil an der Gesammtmasse des Kni-pers relativ immer geringer, der def Muskeln- und der epithelialen Anlagen dagegen stctig 126 Zehnter Brief. Du siehst aus Obigem, wie wichtig bei Beurtheilung der schliesslichen Massenvertheilimg im Korper die Beriicksich- tigung der zeitlichen Wachsthumsverhaltnisse 1st. Nicht bios die relative Grosse des organbildenden Keimbezirkes , auch nicht bios die Hohe, bis zu welcher das Wachsthimismaximum Anfangs sich erhebt, sind fur die Massenentwicklung des Theiles von Bedeutung, sondern vor Allem das Gefalle der zeitlichen Wachsthumscurve : Je steiler im Allgenieinen dies Gefalle, um so kleiner wird der Theil absolut und relativ verbleiben und umgekehrt. Vergleichst Du z. B. in fruheren Entwicklungsperioden den Embryo eines Knochenfisches mit demjenigen eines Vogels oder eines Saugethieres, so findest Du auf gleicher Entwick- lungsstufe bei jenem die Gehirnanlage absolut eben so gross, relativ, wie es scheint, noch grosser als bei diesem. Allem sehr frith schon hort das Fischhirn zu wachsen auf, wahrend die Muskeln fort und fort zunehmen, und so wird im Laufe der Zeit das Missverhaltniss immer grosser, bis schliesslich bei grossen Fischen das Hirn nur noch nach Zehntausendsteln der tibrigen Korpermasse sich bemisst.2) Die Zeit, liber welche sich das Gesammtwachsthum des Korpers erstreckt, betragt bekanntlich meistens Jahre und bei manchen grosseren Thieren Jahrzehnte. Dem gegeniiber voll- zieht sich die erste Gliederung des Keims in Fristen, welche nur nach Tagen, oder hochstens nach Wochen zu zahlen sind. Das Hiihnchen von fiinftagiger Bebrtttungsdauer ist schon im Besitze aller seiner Hauptorgane, und nur untergeordnetere Abgliederungen, wie diejenigen der Horngebilde, der Federn und Klauen, so wie die der kleineren Drusen der Haut und der Schleimhaute fallen in spatere Perioden der Entwicklung. Aehnliches gilt von Fisch- oder Saugethierembryonen, und es geht daraus hervor, dass fur die grundlegende Eintheilung des Korpers die Wachsthumsverhaltnisse der allerersten Zeit die entscheidenden sind. Die in diesen ersten Zeiten vorhandene raumliche Vertheilung des Wachsthums bestimmt das typische der gesammten Organisation. Das spatere, durch lange Zeit- raume sich erstreckende Wachsthum beherrscht die besondere Ausbildung der Organe und deren Massenentwicklung. Der Klirze halber konnen wir das, der Organabgliederung Primares und secundares Wachsthum. 127 vorausgehende Wachsthum als das prim are, das spatere als das secundare bezeichnen. Wenn das primare Wachsthum die typische Gliederung des Korpers bedingt, so liegen im secimdaren die Motive fur die zahllosen generellen, specifischen und iiHlividuellen Differenzirungen. Alle Unterschiede in der ersten Gliederung dcs Keimes, mogen sie auch noch so un- sdicinbar sein, bedingen eine gewisse Divergenz der Entwiek- liingsrichtung, deren Folgen urn so pragnanter in Erscheinung treten werden, je welter iiberhaupt die Entwicklung iort- sdireitet. Ueberdies zeigt die vergleichende Entwicklungs- geschiclite, (lass die Verhaltnisse des secundaren Wachsthums in viel grosseren Breiten schwanken, als diejenigen des pri- maren. Es gilt dies sowohl von der Dauer des Gesammt- waclistlmiiis, als auch von dem Verhaltniss, in welchem neurales, iniisi-ulares und epitheliales Wachsthum zeitlich sich abstufen. Soeben habe ich Dich auf das triihe Aufhoren des Gehirn- wachstliuins beim Fisch aufmerksam gemacht, dem als ent- gegengesetztes Extrem das langdauernde Wachsthum desselben Organes beim Menschen und bei einigen hoheren Saugethieren gegentiber gestellt werden kann. In den am langsten fort- wachsenden Gebilden epithelialen Ursprunges aber, in der lU'liaarung, Befiederung, Bezahnungu. s. w. stellt sich imLaufe der Zeit vor allem Andern jener Reichthum von Variationen her, \\ cldier der beschreibenden Zoologie ihre Bande ftillt. Audi die Entwicklung sexueller Charactere fallt vorzugsweise in den Bereich secundaren Wachsthums, wie schon aus dem spak'ii Erscheinen von vielen derselben sich ergiebt. Daraus, dass im Obigen.nur von neuralem, muscularem und epithelialem Wachsthum die Rede gewesen ist, ersiehst Du, dass ich bei den letzten Betrachtungen nur die Bildungen ardiiMastisdien Ursprungs im Auge gehabt habe. In der That lasst sich nur i'iir diese von einem eigenthtimlichen Gesetze des Wachsthumes reden. Alle parablastischen Gewebe, Gefass- rohren, Bindegewebe, Knorpel, Knochen, sind in ihrer Ent- wicklung abhangig von den archiblastischen und zwar in mehr- tacher Weise: Fiirs erste sind sie darauf angewiesen, die Raume auszufiillen , welche zwischen jenen ausgespart bleiben, und sie werden dadurch in ihrer Gesammtve>thdlung von jenen bestimmt. Sodann aber steht auch ihre histologische Gliede- 128 Zehnter Brief. rung* imter dem Einfluss archiblastischer Anlagen. Die para- blastischen Anlagen machen namlich nachweislich ein Stadium der Indifferenz durch, wahrend dessen es durch aussere Um- stande bestimmt wird, ob ihre Zellen zur Gefassbildung, zur Knorpelbildung oder zur Bindegewebsbildung Verwendung fin- don.3) Dabei zeigt die Beobachtung, dass allenthalben, wo parablastische Anlagen an archiblastische direct anstossen, dichte Netze von capillaren Blutgefassen sich bilden, wo dies nicht der Fall ist, entsteht faseriges Bindegewebe oder Knor- pel. Bindegewebe entsteht da, wo ungleichmassiger Druck oder Zug Seitens der Nachbartheile auf die parablastischen Massen wirkt, Knorpel da, wo dies niclit der Fall ist. Dem- gemass bereiten sich das wachsende Auge, das wachsende Him, die wachsenden Drtisen ihre fibrosen Kapgeln, es be- reiten sich aus im Anfang indifferenten Anlagen die Muskeln ihre Sehnen und ihre Fascien, und deren Faserung ist stets parallel dem stattfindenden Zuge, oder senkrecht zu dem statt- findenden Drucke gerichtet. Auch die morphologische Gliederung des festeren Skeletts, des, dem Knochengerust vorausgehenden Knorpelgertistes ist nur aus dem bestimmenden Einfluss der Muskelanlagen zu ver- stehen. Wo eine verknorpelnde Anlage von Muskeln abwech- selnd, bald in einer, bald in der entgegengesetzten Richtung bewegt wird, da bildet sich Ani'angs eine erweichte Stelle, weiterhin eine wirkliche Gelenkspalte. Die Endform der Ge- lenkflachen hangt von der Vertheilung der einwirkenden Mus- keln ab. Es schleifen sich, wie man dies ausgedruckt hat, die Muskeln ihre Gelenke, und es erklart sich daraus, warum die Beweglichkeit eines Gelenkes stets der umgebenden Muscu- latur genau angepasst ist, und weshalb Muskeln nie zwischen Punkten desselben Skelettstucks sich ausspanneu. Die Ent- wicklung des parablastischen Korpergerustes ist eine mittelbare Folge desGesetzes, nach welch em der, die archiblastischen Gewebe liefernde Keim wachst. Bei der, alle Form- und Massenentwicklung beherrschen- den Bedeutung des Wachsthumes muss, wie Du siehst, die physiologische Entwicklungsgeschichte vor allem darauf aus- gehn, fiir eine gewisse Summe von Geschopfen den Gang die- Raumliches und zeitliches Wachsthurasgefalle. 129 ser Function genau testzustellen. Wo wir jetzt allenfalls noch iui Wegc der Schatzu&g den allgemeinen Gang des Wachs- thums, seine Zu- oder seine Abnahme constatiren , da ist eine strengere Forschung genothigt, ausgedehnte Zahlenreihen und deren methodische VerknUptung zu verlangen. Noch sind -mssi -ntheils die Messmethoden erst zu schaffen, und es lasst sicli jetzt schon voraussehen, dass unter den vcrlangtoii Zahlen- reiln'ii nianchc inir das Ergebniss jahrelanger gewissenhafter Arbeit sein kann. Allein die Menge der zu iibenvindenden Schwierigkeiten dart' uns da am wenigsten entmuthigen , wo der Wcg klar vorgezeichnet ist. - In endloser Feme stelit die Mb'glichkeit, dereinst die Wachsthumsgesetze organischer Wesen in Formeln niederzuschreiben , und soldier Aussicht gegentiber tritt cine in allerdings unwillklihrlich der Spruch v. Baer's vor die Seele: ,,I)ie Wissenschaft ist ewig in ihrem ^uell, unerniesslidi in ihrem Umfang, endlos in ihrer Aufgabe, unerrcichbar in ihrem Ziele." His, Briefe. Elfter Brief. Die Theorien der Zeugung. Lieber Freund! Den Beginn des gesetzmassigen Keim- wachsthums, aus dem alle nachfolgende Formung sich ab- leitet, mtissen wir auf die Zeit verlegen, da Samen und Ei zusammentreffen, da letzteres von jenem befrachtet wird. Es ftihrt uns die rucklauiige Verfolgung von den Anfangsbeding- ungen jenes Gesetzes zu dem alien, so viel und so lebhaft discutirten Rathsel der gesschlechtlichen Zeugung. Die Ge- schichte der Zeugungs- und Entwicklungstheorien reiclit bis an die Granzen des historischen Alterthums hinan, und nach jeder Richtung bildet sie eines der interessantesten Kapitel der Geschichte der Wissenscbaften. Von bescheidenen An- fangen aus ist der Betrag an grundlegenden thatsachlichen Kenntnissen, erst langsam, dann, seit den letzten zwei Jahr- hunderten, rascher und in steigender Progression angewachsen, und wir bereits stehen einer Summe von Erfahrungen gegen- tiber, deren Ueberblick der Einzelne mit Mtihe zu erwerben vermag. Wenn nun aber bei alle dem sich herausstellt, dass ilber das Wesen des Zeugungsvorganges heute dieselben grund- satzlichen Differenzen bestehen, welche schon vor 2000 Jahren bestanden haben, mogen wir versucht sein zu glauben, dass ein nach der Richtung gehendes Streben tiberhaupt hofFnungs- los ist, und dass wir am besten thun, dasselbe vollig aufzu- geben. Ein genaueres Studium jedoch jder Frage zeigt, dass zu solch verzweifelnder Haltung noch kein Grand vorliegt. Das dermalen erreichbare Ziel liegt allerdings kaum hoher, als in Die Theorien der Zeugung. 131 einer richtigeren Fragestellung. Allein haben wir eine solche, dann besitzen wir tiberhaupt die Handhabe zur Einordnung des Zeugungsvorganges in die Reihe anderer, unserem Ver- stiindnisse offener daliegender Naturvorgange. Eine einla'ssliche, auf die Quellen zuruckgreifende Ge- schichte der geschlechtlichen Zeugungstheorien habe ich vor einigen Jahren ira Arcliiv fiir Anthropologie veroffentlicht, wo I)u sic, wenn der Gegenstand Dich interessirt, im 4. u. 5. Bande vortindest. Beilaufig gesagt, wirst Du aus jenen Aufsatzen entnehmen, dass die, haufig mit scharfen Tenden^hieben ver- setzten Darstellungen neuerer Handbiicher und popularer Schrif- ten ein durchaus verzerrtes Bild der stattgehabten Kampfe und vor Allem derjenigen des verflossenen Jahrhunderts geben. Wahrend ims z. B. A. v. Ha Her neuerdings kurzweg als ein zelotischer Eiferer dargestellt wird, welcher mit sein'em tyran- niscli 01 Machtworte Andersdenkende rucksichtslos erdruckt hat, so lernst Du ihu, falls Dir der tief humane Sinn des grossen Mannes nicht anderweitig schon bekannt sein sollte, gerade in seiner Stellung zur Zeugungsfrage als ernsten und gewissenhaften Forscher hochschatzen 7 welcher immer und immer wieder neue Versuche zu einer belriedigenden Losung des ihn bearbeitenden Rathsels unternimmt, und welcher auch nicht sich seheut, friiher verfochtene Meinungen wiederholt zu verlassen, sobald sie ihm mit den Thatsachen nicht mehr ver- einbar erscheinen. Meine Aufgabe in diesem Briefe geht iibrigens weder dahin, historische Gerechtigkeit zur Geltung zu bringen, noch auch dahin, Dir eine Aufzahlung der Zeugungstheorien nach ihrer zeitlichen Reihentblge zu geben. Wohl aber wiinsche ich mit Dir die principiellen Standpunkte durchzugehen, die in diesen Fragen eingenommen worden sind, und zu untersuchen, welche derselben iiberhaupt vor unserer heutigen naturwissenschatt- lichcn Einsicht Stand halten. Die Zeugungstheorien lassen sich, wenn wir auf die, bald (limkel, bald bewusst ihnen zu Grunde gelegten Leit- gedanken zuruckgehen, ziemlich ungezwungen in vier Gruppen unterbringen. Die den vier Gruppen angehtfrigen Theorien konnen wir mit abgeklirzten Bezeichnungen zusammenfassen als: 9* 132 Elfter Brief. Extracttheorien, Praformationstheorien, Theorien der „ formgestaltenden Krafte", und Theorien der ubertragenen Bewegung. 1) Extracttheorien. Die Ursache der besondern Form, welche der erzeugte Organismus annimmt, wird in die Her- kunft des zur ersten Bildung verwendeten Stoffes verlegt. Nacli dieser Vorstellungsweise liefern alle Organe des Korpers an die Sexualorgane ihren Beitrag von entsprechend gearteten kleinsten Bestandtheilen, und im Zusammentreffen dieser letz- teren liegen die Bedingungen fur die Bildung und fur die ber sondere Formung des neuen Korpers. Es ist der jugendliche Organismus ein Extract der elterlichen Organismen und damm diesen ahnlich. Dieser Versuch einer Erklarung gehort zu den altesten, die wir kennen, er findet sich bei Hippocrates selbst, und in pseudohippocratischen Schriften. In der bekannten, von den Langkopfen unter den Skythen handelnden Stelle der Schrift ,,uber Luft, Lage und Wasser" beliauptet Hippo- crates, es sei die, Anfangs kunstlich erzeugte Langkopfigkeit schliesslich erblich geworden, und begriindet dies mit folgen- den Worten : „ Der Same stromt namlich von alien Theilen des Korpers her, und ist gesund oder ungesund, je nachdem die Theile gesund oder ungesund sind. Wenn nun vonKaklkopfigen, von Blauaugigen und Schielenden ebenfalls Kahlkopfige, Blau- iiugige und Schielende herkommen, und dasselbe auch von der ubrigen Korperbildung gilt, warum sollte von einem Lang- kopf nicht auch ein Langkopf entstehen?" — Systematise!! durchgefiihrt wird derselbe Gedanke in deni unechten hippo- cratischen Buch „ de Genitura ", dessen Argumente Du am an- gegebenen Orte nachlesen magst. In viel spaterer Zeit hat sodann Buff on mit seiner Theo- rie der inneren Model (theorie des moules) die Annahme von der Bildung des Embryo aus einem Extracte der elterlichen Organismen wieder aufgenommen. Jeder Thierkorper ist nach ihm ein innerer Model, worin die als Nahrung eingetretene organische Materie geformt wird. Nicht allein formt der Kor- per als Ganzes, sondern auch jeder seiner Theile, je nach seiner Weise und Gestait. Der aufgenommene Stoff wird nach An- Die Theorien der Zeugung. 133 passung an den Model mit dessen Substanz identisch uud be- wirkt (lessen Wachsthum. Nach deni Abscbltiss des letzteren aber bleibt der Ueberschuss niclit mehr in den Organen, son- dern wird nach gewissen Sammelstellen zuriickgetrieben, und bier bilden nunmehr die organischen Moleclile kleine Korper ahnlich dein Gesammtkorper. «Denna, sagt Buffo n, nwenn alle Tbeile des organisirten Korpers organische Theile zuriick- schk-ken, tilmlicb denen, woraus sie selbst bestehen, so muss aus deren Vereinigung nothwendig ein deni Ganzen ahnlicher Korper entstehen." Die Unmoglichkeit, sich dies mecbanisch zu erklaren, gibt Buff on ausdrucklich zu, allein er bait ein Streben nacb mechanischem Verstandniss organischer Form- bildung iiberbaupt -flir eine unnothige Beschrankung unseres geistigen Horizoutes, da ja die organische Natur ihre eigenen, ihrer besonderen Substanz zukommenden Krafte bat. Die neueste Wiederaufnabnie einer solchen Vorstellungs- weise findet sich in der nprovisoriscben Hypotbese der Pangenesis" von Charles Darwin. Den Weg zu seiner Hypothese findet Darwin gleichwie Buff on in der Erfabrung liber die ungeschlechtliche Fortpflanzung durch Knospung, und im Uebrigen schliesst er an die bekannten Lehren der Zel- lentheorie an. «Es wird fast allgemein zugegeben", so sagt er, ndass die Zellen oder Einheiten des Korpers sich durch Theilung oder Proliferation fortpflanzen, wobei sie zunachst dieselbe Natur beibebalten, und schliesslich in die verschiede- nen Gewebe und Substanzen des Korpers verwandelt werden. Aber ausser dieser Vermehrungsweise nehme ich an, dass die /ellen vor ihrer Umwandlung in vollig passive oder ngebil- dete Substanz" kleine Kornchen oder Atome abgeben, welche durch den gauzen Korper frei circuliren, und welche, wenn sie mit gehoriger Nahrung versorgt werden, durch Theilung sich vervielfaltigen, und spater zu Zellen entwickelt werden konnen, gleich denen, von welchen sie herrlihren. Diese Korn- chen konnen der Deutlichkeit halber Zellenkb'rnchen genannt werden, oder, da die Zellentheorie nicht vollstandig begriindet 1st, einfach Kornchen. Es wird angenommen, dass sie von den Eltern den Nachkommen ttberliefert und meist in der Generation, welche unmittelbar folgt, entwickelt, aber oft in einem schlummernden Zustande viele Generationen hindurch 134 Elfter Brief. tlberliefert und dann erst entwickelt werden. Es wird ange- nommen , dass ihre * Entwicklung von der Vereiniguug mit anderen theilweise entwickelten Zellen oder Kornehen ab- hangt, welche ihnen in dem regelinassigen Verlaufe des Wachs- thums vorausgehen. Es wird ferner angenoinmen, dass Korn- chen nicht bios an jeder Zelle oder Einheit wahrend ihres erwachsenen Zustandes, sondern wahrend aller Entwickluugs- zustande derselben abgegeben werden. Endlich nehme ich an, dass die Kornchen in ihreni schlummernden Zustande eine gegenseitige Verwandtschaft zu einander haben, welche zu ihrer Aggregation entweder zu Knospen oder zu den Sexualelementen fiihrt." Darwin tibertragt demzufolge in seiner Hypothese das Princip der Erblichkeit aus dem, unseren Sinnen zuganglichen Gebiete groberer Formen in das, nur dem Gedanken zugangliche Gebiet der Molecule, auf welchem Boden wir immer wieder der Nothwendigkeit einer Erklarung gegenuberstehen. Allein wollten wir davon absehen und wollten wir selbst die Mog- lichkeit zugeben, jede Ganglienzelle bilde ihre Ganglienzellen- keime, und gebe je nur einen an einen neuen Gesaimntkeim ab, und dasselbe gelte von jede in andern unserer Elementar- bestandtheile , so bleibt stets noch sicher, dass eine Summe von diminutiven Theilreprasentanten oder von Organsplittern nicht ein diminutives Ganzes liefern wird, sondern eiu regel- loses Gemenge, das auf den Namen eines Organismus keinen Anspruch machen darf. Es wird Dich interessiren die Kritik zu lesen, welche auf die ahnliche Hypothese seiner Zeitgenossen Aristoteles ge- schrieben hat, und ich theile Dir einige der hauptsachlichsten Satze daraus niit: ,,Erstensa, so sagt er in seiner Schrift von der Erzeuguug der Thiere, rist die Aehnlichkeit kein Beweis dafiir, dass der Same vom ganzen Korper herkommt, da die Abkoinnilinge auch in der Stirnme, den Nageln, Haaren und in der Bewegung ahnlich sind, von welchem alien doch Nichts herkornint. Manches haben auch die Eltern noch nicht zu der Zeit, wo sie erzeugen, z. B. die grauen Haare oder den Bart. Ferner gleicht man den Grosseltern, von welchen nichts her- gekommen ist. Denn die Aehnlichkeiten pflanzen sich durch mehrere Geschlechter fort, wie dies in Elis bei einern Mad- Die Theorien der Zeugung. 135 chen der Fall war, welche niit einem Mohren UnigaDg hatte, indem nicht ihre Tochter, sonderu der Sohn der letzteren von schwarzer Farbe war. Dasselbe Verhaltniss zeigt sicb auch bei den Pflanzen, bei denen ja offenbar der Same auch von alien Theilen herkommen wiirde. Viele Pflanzen haben aber manche Tbeile gar nicht, inanche kaun man hinweg- nehmeii und manche wachsen nach. Ferner kanu auch der Same nicht von den Fruchthullen herkommen, und doch zeigen aueli diese dieselbe Gestalt. Ferner muss man fragen, kommt der Same nur von einem jeden der Gewebe (gleichartigen Theikf), als da sind Fleisch, Knocheu, Sehnen, oder kommt er auch von den Organen (ungieichartigen Theilen), z. B. dem Gesicht und der Hand? Demi uimmt man an, dass er nur von jenen komuit, so gleichen die Abkommlinge doch gerade mehr in letzteren den Eltern, im Gesicht, an den Handen und Fiissen. Kiihrt also die Aehnlichkeit in den Organen nicht da von her, dass der Same von alien Bestandtheilen kommt, so ist nichts entgegen, dass auch die Aehnlichkeit in den Geweben nicht davon herriihrt, dass der Same voin ganzen Korper herkommt, sondern von einer andern Ursache. Niinmt man aber an, dass er nur von den Organen herkommt, so gibt man zu, dass er nicht von alien Bestandtheileu herkommt. Kichtiger ware, dass er von den Geweben herkommt, deiin jene sind triiher vorhanden, und die Organe sind aus den Geweben zusammengesetxt, und die Aehnlichkeit im Gesicht und in den Handen ist nicht ohne die im Fleisch und in den Nageln. oS'immt man aber drittens an, der Same komine von beiden Ordnungen von Bestandtheilen, wie sollte dann die Kr/A'iigun^ stutttinden? denn die Organe sind aus den Geweben /usaminengesetzt. Kiinie also der Same von diesen, so hiesse dies so viel, als dass er von jenen und von ihrer Zusammen- setzung herkomme. Man vergleiche den Korper mit einem Namen, kommt etwas von dem ganzen Namen, so kommt es von jeder Silbe, und kommt es von diesen, so kommt es auch von den Buchstaben als den Elementen der Silben, uud von deren Zusauimensetzimg. Wenn also Fleisch und Knocheu aus den Elementen bestehen, so wUrde man bis auf die Elemente zu- riickgehen mlissen, denn wie ware es moglich, dass der Same aus der Zusammenset/ung herkaine? und doch kiinnte ohne 1 36 Elfter Brief. diese keine Aehnlichkeit statth'nden. Wenn aber irgend einSpateres die Zusammensetzung bewerkstelligt, so wird dieses die Ursache der Aehnlichkeit sein, nicht aber dass der Same vom ganzen Kb'rper her- komint." 2) Praformationstheorien. Die Form wird als das von vornherein Gegebene und nieht welter zu Erklarende an- gesehen. Das vorgebildet angenommene junge Wesen bedarf zum Wachsthum nur der Erweckung zum Leben durch elnen passenden Beiz und durch eine entsprechende Nahrung. Die- ser Gedanke blldet, wieDu weisst, den Kern der von S warn- in er dam zuerst ausgesprochenen Evolutionstheorie, der all- gemeinst verbreiteten Theorie des vorigen Jahrhunderts ; in entsprechend veranderter Gestalt kehrte er auch in einigen der Spermatistentheorien wieder. Es ist liber diese Theorien und speciell fiber die Evolutionstheorie so oft und streng der Stab gebrochen worden, dass wir tins ersparen konnen, auch unsererseits mit ihnen ins Gericht zu gehen. Wenn wir liber- dies wahrnehmen, dass gerade die hervorragendsten embryo- logischen Beobachter, von Swammerdam und Malpighi ab bis auf Haller und Spallanzani Evolutionisten gewesen sind, so muss uns dies in unserem Urtheile zur Vorsicht stim- men. Und in der That zeigt sich bei genauerer Analyse der beziiglichen Arbeiten, dass die Beobachtung des7 der Mutter entstammenden Keimes den thatsachlichen Boden aller evolu- tionistischen Vorstellungen bildet, und dass eben dieser Beobach- tung die letzteren den bedeutenden Vorsprung verdankt haben vor alien epigenetischen , den Embryo aus flussigem Material erzeugenden Theorien. Die AufTassung des Keimes als einer zwar organisirten, aber morphologisch noch ungegliederten An- lage des zukiinftigen Wesens lag den Forschern jener Perioden fern, und so glatibten sie da, wo sie den praexistirenden Keim auffanden, sofort auch seiner verwickelten Gliederung gewiss zu sein. Den Beobachtungen von C. Fr. Wolff war cs vor- behalten, nachzuweisen , dass die Entwicklung des Kdrpers nur durch die Stufen grober Anfangsskizzen hindurch zu den- jenigen feinerer Ausbildung fortschreitet. Mit dieser Erkennt- niss hat Wolff den wichtigsten Grund zur Keimlehre gelegt. Auch ihm ist es jedoch nicht gelungen, im gleichen Wurfe Die Theorien der Zeugung. 137 der Frage ihre losende Fassung zu geben. Erst mit den Ar- beitcn von Baer's und mit Schaffung der Zellentheorie ist die Formel gefunden worden, welche tiber diese Klippe hin- weggebolfen hat. 3) Die Theorien nformgestaltender Krafte". In minder klaren Anfangen mb'gen wohl schon bei Aelteren hie- her gehorige Anschauungen aufzufinden sein. Scharf ausge- sprochen findet sich die Annahme formgestaltender Krafte zuerst bei einigen Epigenesisten des vorigen Jahrhunderts, vor alien bei Maupertuis und bei Turberville Needham. Die geistreichen Aufsatze des Ersteren verdienen auch in unserer Zeit alle Aufmerksarnkeit, denn nicht allein entbalten sie interessantes Material zur erblichen Uebertragung von Ab- normitaten, sondern es entwickelt in ihnen Maupertuis schon in sehr klarer und nicht zu missverstehender Weise das Prin- c-ip der Speciesbildung auf dem Wege naturlicher und ktinst- licher Ztichtung, wobei die geschlechtliche Zuchtwahl aus- driicklich mit hereinbezogen wird. Als feiner Hofmann weiss er die Darstellung seiner Anschauungen in ein Compliment auf Friedrich den Grossen und auf die Entwicklung Preussens auslaufen zu lassen. In speciellen Sachen der Zeugungstheorie war Maupertuis vor Allem ein Gegner der Evolutionslehre, und als solcher hat er nach einem Auswege gesucht zur Er- kliirung organischer Formbildung ohne Praformation. Er sucht ihn in einer Parallele mit Krystallisationsverhaltnissen und be- sonders mit der zierlichen Formbildung des sog. Dianenbaumes. Er denkt sich in dem Gemenge mannlicher und weiblicher Samenfltissigkeit wie in der Krystallisationslauge eine Kraft wirksam, unverstandlich zwar in ihrem Ursprung, aber doch vor unseren Augen thatig, welche als anziehende je die Theile zusammenttihrt ;, welche zur Bildung eines Organs zusammen- gehoren. Dabei ist er allerdings genothigt, den in der FlUssig- keit enthaltenen Theilchen noch besondere Verwandtschatt zu den gleichartigen Theilchen zuzuschreiben. Jene enthalt daher sich gegenseitig anziehende Theilchen zur Herzbildung, solche /ur Kopfbildung, zur Eingeweidebildung u. s. w., womit im Grunde an die Stelle der einen formbildenden Kraft eine Reihe besonderer Anziehungskrafte gesetzt wird. Bei Mau per tu is' Zeitgenossen, dem englischen Jesuiten 138 Elfter Brief. T. Need ham, tritt der Gedanke in den Vordergrund, einen, der organischen Materie inharirenden , wechselnder Steigerung fahigen Wachsthumstrieb als formbildendes Princip einzuluhren. Needham's Conceptionen, obwohl nicht ohne entwicklungs- fahige Gesichtspunkte f), haben geringen Einfluss gewonnen, well sie von 'ihrem Urheber zu wenig klar durchgearbeitet worden sind. In die Kategorie formgestaltender Krafte fallt auch die Vis essentialis von C. F. Wolff. Als solche bezeichnet Wolff cine, in ihren Wirkungen determinirte Kraft, welche nach ihm fortwahrend die Excretion neuer Tkeile aus bereits vorhandenen veranlasst. Durcli die Vis essentialis wird nam- lich vorhandenen Theilen neuer Salt zugeftihrt, dieser wird an der Oberflache als Tropfen ausgeschieden, erstarrt sodann, und ist nun seinerseits wieder zur Ausscheidung neuer Theile befahigt. Wenn Du Wolff gewohnlich als Epigenesisten aui- gefuhrt findest, so darfst Du doch die Kluft nicht iibersehen, die ihn von den meisten librigen Epigenesisten trennt. Denn wahrend diese den Korper in der Eegel frei in einem fliissigen Gemenge organischer Materien haben entstehen lassen, setzt seine Theorie vom Ei zum Organismus und vom Organismus wiederum zum Ei eine geschlossene Kette aneinander gereihter Wachsthumsvorgange voraus. Wolff hat ttbrigens in spaterer Zeit auf seine Vis essentialis offenbar kein Gewicht mehr ge- legt, denn in seiner wichtigsten Schrift, „ iiber die Bildung des Darmkanals", gedenkt er derselben ebenso wenig, als seiner Excretionstheorie , welch letztere mit seinen neuen Beobacht- uugen auch in der That nicht mehr in Uebereinstimniung zu bringen war. Unter der Bezeichnung Bildungstrieb oder Nisus formativus hat gegen Ende des vorigen Jahrhunderts J. Fr. Blumenbach ein formbildendes Princip in die Zeugungslehre eingefiihrt, und damit den iiberlebten Praformationstheorieu gegenuber solchen Erfolg erzielt, dass ihm der aussere Ruhni von deren Besiegung zufallt. Fiir die damalige Zeit war das neue Princip in der That ein grosser Fortschritt , und man wiirde Blumenbach ungerecht beurtheilen, wollte man von ihm die Scharfe physiologischer Auftassung verlangen, wie sie erst als Frucht neuerer Arbeiten moglich geworden ist. Seine Die Theorien der Zeugung. 139 Ueberzeugung spricht er also aus : „ dass in deni vorher roben ungebildeten Zeugungsstoffe der organisirten Korper, nachdem er zu seiner Reife und an den Ort seiner Bestimmung gelangt ist, ein besonderer, dann lebenslang thatiger Trieb rege wird, ibre bestimmte Gestalt Anfangs anzunehmen, dann lebenslang zu erhalten, und wenn sie je etwa versttimmelt worden, wo moglicb wieder herzustellen. " Es ist bemerkenswerth, dass Bluinenl)ach das Wort „ Trieb" ansiatt des, von Andern soviel missbrauchten Wortes „ Kraft" angewendet hat. Der tri-und, den er dafiir hatte, war indess nicbt derselbe, aus welcbeni wir beute vermeiden von einer Lebenskraft zu sprechen. Ausdriicklich bezeictmet er den Bildungstrieb als zu den „ Le- benskriiften " gehorig, deren er noch mehrere Arten, die Con- tractilitat, Irritabilitat und Sensibilitat aufzahlt, und er bat sein Wort nur desbalb gewahlt, urn das bildende Princip der organischen Natur von den auch den unorganischen Natur zu- kommenden, die oft so zierlicben Krystallformen erzeugentlen , Bildungskriiften u zu unterscheiden. Der Kampf um die Existenz oder Nichtexistenz einer Lebenskraft ist in unser Aller Erinnerung und, wenn wir ihn niclit mehr mitgekampft baben, so sind wir doch noch grossen- tbeils dessen Zeugen gewesen. Gegenuber der Einfuhrung scliarfer physikalischer Begriffe in die Physiologic hat wenig- stons der Name einer Lebenskraft nicht Stand zu halten vennocbt; ob von dem friiheren Inhalte des Begrififes Einiges imtcr schiirferer Fassung und unter zeitgemasser Benennung wii'tU-rbelobliar ist, mag vorerst unerortert bleiben. Mit der Lebenskraft sollten, wie man erwartet, auch die formgestal- teuden Kriifte aus der Literatur geschwunden sein, da sie als Theilkriifte mit ihr stehen und fallen mussten. So rasch je- doch klaren sich die Begriffe nicht, und Du begegnest pietat- vollst gehegten Reliquien des Vitalismus, wo Du sie dem Aeussern nach am wenigsten suchen wurdest. So meint einer unserer thatigsten jiingeren pathologischen Anatomen, dass im Keime nimmanente, durch Zuchtung erworbene formgestaltende Kriifte vorhanden sind, welche, auch unter ungtinstigen ausseren Bedingungen, wenn auch in modificirter Form, die Entfaltung desselben zur typischen Bildung des Organismus bedingen. " 2) Was will der Verfasser mit solchem Satze sagenV VA- 140 Elfter Brief. richtet sich speciell gegen diejenigen, welche organische For- men mechanisch abzuleiten versucht haben, und so beabsich- tigt er vielleicht anszudrticken , es sei dies noch nicht durch- weg gelungen. Gut! weshalb wird uns denn aber unter dem Schein einer Erklarung von „ formgestaltenden Kraften" ge- sprochen, da doch das Wort „ Kraft" langst seine ganz be- stimmte Verwendung in der theoretischen Mechanik gewonnen hat, imd da es hier.nie etwas Anderes, denn ein gegebenes Element der Kechnung bedeutet Aus der Meehanik heraus- genommen, zur Erklarung eines beliebigen dnnkeln Vorgangs verwendet, bei dem uns alle Elemente der Rechnung, Grossen, gegenseitige Abstande und Geschwindigkeiten der bewegten Massen unbekannt sind, verliert das Wort seine wissenschaft- liche Bedeutung. Die angebliche Erklarung besagt alsdann gerade nur, dass der dunkle Vorgang seine Ursachen hat. Von „ formbildenden Kraften" oder von „ Gestaltungskraf- ten" spricht in seinen verschiedenen Publicationen auch der gelehrte Verfasser der natttrlichen Schopfungsgeschichte. Er unterscheidet eine ninnere Gestaltungskraft ", die Erblichkeit, und eine „ aussere ", die Anpassung. Irnmerhin lasst er es nicht bei dieser Bezeichnung bewenden. Er tuhrt uns die Erblich- keit und die Anpassung auch vor als die „ formbildenden Func- tionen der Organismen", oder als deren „ Bildungstrieb ", und dann wiederum als ihre „ fundamentalen Lebenserscheinungen ", als ihre ., physiologischen Grundeigenschaften ", stets aber als die rCausae efficientes oder die wahren Ursachen organischer Korperform. u — Wo die Ausdriicke also sprudeln, dass sie auf derselben Seite, oder selbst im gleichen Satze sich drangen, da erscheint es wunschbar, den Grundbegriffen nachzugehen, welche sich der Verfasser vom Wesen ties Lebens und von seinen gestaltbildenden Leistungen gebildet hat. ,,Geistu und nSeele", so ruft er uns am Schlusse seiner soeben erschienenen Anthropogenic zu? sind nur hohere und combinirte, oder differenzirte Potenzen derselben Function, die wir mit dem allgemeinsten Ausdruck als „ Kraft" bezeichnen, und die Kraft ist eine allgemeine Function aller Materie. Wir kennen gar keinen Stoff, der nicht Krafte besasse, und wir kennen umgekehrt keine Krafte, die nicht an Stoff gebunden sind. Wenn die Krafte als Bewegung in Erscheiming treten, Die Theorien der Zeugung. 141 ncnnen wir sie lebendige (active) Krafte oder That- krafte; wenn die Krafte hiugegen ini Zustaud der Ruhe oder cles Gleichgewichtes sind, nennen wir sie gebundene (latente) oder Spannkrafte. Das gilt ganz ebenso von den anorga- uischen, wie von den organischen Naturkorpern. Der Magnet der Eisenspahne anzieht, das Pulver das explodirt, der Wasser- dampf der die Locomotiven treibt sind lebendige Anorgane; ,sie wirken ebenso durch lebendige Kraft, wie die empfind- same Mimose, die bei der Beriibrung ibre Blatter zusammen- faltet, wie der ebnviirdige Amphioxus, der sich im Sand des Meeres vergrabt, wie der Meiisch der denkt." ,,Unsere Antbropogenie hat uns zu dem Resultate geftihrt, dass aueb in der gesammten Entwicklungsgeschichte des Men- schen, in der Keimes-, wie in der Stammesgescbicbte keine anderen lebendigen Krafte wirksam sind, als in der ubrigen organiscben und unorganiscben Natur. A lie die Krafte, die dabei wirksam sind, koimten wir zuletzt auf das Wachs- thum zuruckfuhren , auf jene fundamentale Entwickelungs- function, durch welche ebenso die Formen der Anorgane, wie der Organismen entsteheu. Das Wachsthum selbst beruht wiederum auf Anziehung und Abstossung gleichartiger und ungleichartiger Theilcheu. Dadurch ist ebenso der Mensch, wie der Affe, ebenso die Palme, wie die Alge, ebenso der Kn stall, wie das Wasser entstanden. Die Entwicklung des Menschen eriblgt demgemass nach denselben r ewigen ehernen Gesetzen", wie die Entwicklung jedes andern Naturkorpers. Durch die definitive wissenschaitliche Begrtindung dieser mo- nistischen Erkenntniss thut unsere Zeit einen unennesslichen Fortschritt in der einheitlichen Weltanschauung u. s. w." Wo in aller Welt, so fragst sicherlich auch Du, ist im Jahre 1874 das Publicum zu findeu, welches in diesem Wort- schwall des Herrn Hack el Sinn zu finden vermag? Wo die Gebildeten denen die „ holier combinirte und differenzirte Po- ten/ der Kraft" als tiefsiunige Losung des uralten Rathsels vom Wesen des Bewusstseins impomrt? Wo die angehenden Katurforscher und Mediciner, welche man im Unklaren dariiber gelassen hat, ob im Weltall andere Bewegungsvorgiinge vor- komnicii, als solche die auf Anziehungen und Abstossungen v< >n Massentheilchen sich zurilckfUhren, und denen H a c k e T s 142 Elfter Brief. Anziehungen und Abstossungen gleichartiger und ungleich- artiger I'heilchen fiir eine mechanische Erklarung des Wachs- thums und der organischen Formbildung gelten durfenV Und nun gar die Erorterungen iiber „ 1 e b e n d i g e K r at t e " ! Bei keinem Geringeren als bei Helmholtz hat Verfasser, seinem Citat zufolge, liber dies Wort sich unterrichtet , und nun stellt er uns sofort im Pulver und im Wasserdampf ,,lebendige Anorgane" vor, „welche ebenso durch leben- dige Kraft wirken, wie die empfindsame Miniose und wie der ehrwurdige Amphioxus." Es ist dies ein Wortspiel, so zier- lich, dass man an einen Scherz zu glauben versucht ist. Oder sollte es wirklich Herrn Hack el unbekannt sein, dass die nlebendige Kraft" der theoretischen Mechanik (mf \ mit der Erklarung der Lebensvorgange nichts zu thun hat, da sie das Maass bedeutet, nach welchem das Arbeitsvermogen bewegter Massen gemessen wird, gleichgultig welches im Uebrigen die Ursache der Bewegung gewesen sein mag? Folgen wir unserm Autor einen Schritt welter und unter- suchen wir seine Stellung zu der Frage von der Uebertragung elterlicher Eigenschaften auf den Keim! nWir haben zu unter- scheiden", so heisst es im achten Vortrage seiner natiirlichen Schopfungsgeschichte, „ zwischen der Erblichkeit und der Ver- erbung. Die E r b 1 i c h k e i t ist die Vererbungskraft, die F a h i g- keit der Organismen ihre Eigenschaften auf ihre Nachkommen durch die Fortpflanzung zu libertragen. Die Vererbung bezeichnet die wirkliche Ausubung dieser Fahigkeit, die that- sachliche Uebertragung. " Es wird uns nun an Beispielen die Wirkung der „ Vererbungskraft " klar gemacht, wir erfahren von der Vererbung der Sechsfingrigkeit, von der Familie der Stachelschweinmenschen , von der Erbsiinde, dem Erbadel u. s. w.? nehmen in einem folgenden Abschnitte die Erorterung der neun, theils conservativen, theils progress! ven „ Vererbungs- gesetze" entgegen, als da sind: das Gesetz der ununterbroche- nen? der unterbrochenen, der sexuellen, der amphigonen, der abgekiirzten, der angepassten, der befestigten, der homochronen und der homotopen Vererbung. Unsere Achtung vor dieser Reihe wird allerdings etwas herabgestimmt, wenn wir er- fahren, dass einzelne dieser ,,Gesetze", mit andern »gewisser- Die Theorien cler Zeugung. 143 maassen im Widerspruch stehen.* Bedenken wir ttberdies, dass kein einziges dieser Gesetze uns im concreten Fall eine bestimmte Voraussage des eintretenden Zeugungserfolges ge- stattet, so sagen wir uns, dass Hackel sicherlich besser ge- than hatte, seine sogen. Vererbungsgesetze als blosse, durch die Krtahrung ermittelte Modalitaten der Vererbung zu bezeichnen. Er liiittv os alsdann der Znkunft Uberlassen diir- fen, die Gesetzmassigkeit in den Bedingungen ihres Auftretens festzustellen , und uns damit die noch unbekannten Gesetze der Vererbung zu enthtillen. Nicht bei den Gesetzen allein verbleibt es indess bei Hackel, er gibt uns auch ohne alle Schwierigkeit eine Er- klarung der Vererbung. Es wird uns zunachst am Bei- spiel der einzelligen Organismen gezeigt, dass sie durch Theilung sich fortpflanzen. nWenn Sie nun zunachst diese einfachste Form der Fortpflanzung, die Selbsttheilung betrachten, so wer- den Sie es gewiss nicht wunderbar finden, dass die Theil- producte des urspriinglichen Organismus dieselbenEigeuschaften besitzen, wie das elterliche Individuum. Sie sind ja Theil- halften des elterlichen Organismus, und da die Materie, der Stuff in beiden Halften derselbe ist, da die beiden jungen Individuen gleich viel uud gleich bcschaffene Materie von dem elterlichen Organismus iiberkommen haben, so finden Sie es gewiss natiirlich, dass auch die Lebenserscheinungen , die physiologischen Eigenschaften in beiden Kindern dieselben sind. In der That sind in jeder Beziehung, sowohl hinsicht- lich Hirer Form und ihres Stoffes, als auch hinsichtlich ihrer Leben>ersclieinungen die beiden Tochterzellen nicht von ein- ander und von der ^lutterzelle zu unterscheiden. Sie haben von ihr die gleiche Natur geerbt. " Nun werden die verschiedenen Formen ungeschlechtlicher und gesehlechtlicher Zeugung in eine Reihe gestellt und schliess- lich t'iir alle der obige Schluss wiederholt. nln alien Fallen ditrfen wir daher von vornherein schon erwarten, dass die kindlichen Individuen, die ja, wie man sich ausdruckt, Fleisch und Bein der Eltern sind, zugleich immer dieselben Lebens- erscheinungen und Formeigenschaften erlangen werden, welche die elterlichen Individuen besitzen. Immer ist es nur eine oder geringere Quautitat von der elterlichen Materie 144 Elfter Brief. und zwar von dem eiweissartigen Protoplasma, welclie auf das kindliche Individuum iibergeht. Mit der Materie we r den aber auch deren Lebenseigenschaften, die molecu- laren Bewegungen desPlasniaiibertragen, welche sich dann in ihrer Form aussern." Nach Moliere's unverfanglichem Zeugnisse hat einst bei der Frage ttber die Ursache der schlaferzeugenden Eigenschaf- ten des Opiums ein Doctorand das hochste Lob seiner Facul- tat erworben durch die Antwort: Quia est in eo Virtus dormitiva, Cujus est uatura Sensus assoupire! Heute geht die Frage nach der Ursache der form- und ahnlich- keiterzeugenden Eigenschaften des Keimprotoplasmas, und aus dem Kreise der Facultatsdoctores selbst erfolgt die Antwort: Quia est in eo Virtus formativa, Cujus est natura Formam recreare! Wie damals der Chorus der Doctores, so hat jetzt, ob der glucklichen Erklarung, derjenige der Scholares in das freudige Bene, bene, bene! einzustimmen. All jene Worte, welche ein wissensdurstiges Herz zu starken vermogen : elterliche Materie, moleculare Bewegungen, Lebenseigenschaften, Eiweiss, Form und Protoplasma kommen zur Verwendung. flMisce, fiat ex- plicatio!" so lautet das erkenntnissbringende Recept unseres geschickten Doctors, und auf einen Schlag eroffnet es die Augen fur alle Geheimnisse der Zeugung und des Lebens. Zwolfter Brief. Die Theorien der ubertragenen Bewegung. Lieber Freund! Die Vorstellungen ttber die Ursachen or- ganischer Formbildung , welche in meinem letzten Briefe be- sprochen worden sind, haben sich sammtlich als unhaltbar erwiesen. Bei weiterer Verfolgung ftihrt uns jede derselben unrettbar in eine Sackgasse hinein, und in WidersprUche mit den allerersten Elementen naturwissenschaftlicher Einsicht. Zum Theil erweisen sie sich geradezu als Wortspielereien, die nicht verdienen, dass man sie iiberhaupt Hypothesen nennt, da sie nur darauf ausgehen, klingende Worte an die Stelle einer Erklarung zu setzen. Sehen wir zu, ob nach einer an- dern Richtung ein Ausweg winkt, und betrachten wir heute die Theorien der iibertragenen Bewegung, zu welchem Zwecke wir etwas weiter auszuholen haben. \V<» nur unser Auge dem Naturlaufe mit Aufmerksamkeit folgt, da begegnet es Vorgangen von Bewegung, die unter sich derart verkniiptt sind, dass Bewegung an Bewegung sich an- schliesst, und die gesammte Kette von uns nicht anders, denn als eine einheitliche Erscheinung wahrgenommen, und bezeich- net wird. Wenn wir von einem Strome, oder von einer Flamme sprechen, da verbinden wir mit dem Worte die Vorstellung gewisser Sinneswahraehmungen, die das fliessende Wasser, oder die breniu'iule Kerze in uns erregt; nur ausnahmsweise, und jedenfalls nur durch das Bediirfhiss wissenschaftlichen Denkens gedningt, geben wir uns Rechenschaft von der Summe ver- wirkelter Bewegungen, welche das eine wie das andere Wort /usammenfasst. Oder wenn wir von einer Welle sprechen, so denken wir zunachst an die santtgeschwungene Form, welche His, Brief.-. 10 146 Zwolfter Brief. die Oberflache einer bewegten Wasserflaehe darbietet, an das allmahlige Weiterschreiten der Form von dem Punkte der ersten Entstehung zu immer entlegeneren Punkten bin, an das Platschem des an das Ufer anschlagenden Wassers u. s. f., allein der Gedanke an die, der Zeit nach sich ablosenden Bewegungen der einzelnen Wassertheilehen, an die von ihnen durchlaufenen Bahnen, oder an die Zu- und Abnabme ihrer Geschwindigkeiten liegt uns feme, und auch bier gelangen wir nur auf dem weiten Umwege pbysikaliscber Untersucbung zur Erkenntniss dieser Grundvorgange. In alien diesen Fallen folgt die Verkntipfung der Bewegung irgend einem, ibren Fortgang ausdruckenden Gesetze. Wir haben sonacb Gesetze doppelter Art zu unter- scbeiden : 1) fundamentale Gesetze, welcbe bis jetzt der einfachste Ausdruck sind fur das Wesen der Krafte (Newton'scbes Gra- vitationsgesetz)/ 2) Specialgesetze, welcbe die Regelmassigkeit ausdriicken der, durcb irgend welche jener Fundamentalkrafte erzeugten Bewegungsvorgange (Fallgesetz, Gesetze der Wellenbcwegung u. s. w.). Einen Bewegungsvorgang, welcber einem solcben Special- gesetze folgt, wollen wir mit dem allgemeinen Namen Pro- cess bezeicbnen. Processe einfacberer konnen zu solcben verwickelter Art sicb combiniren, fur welche complicirtere Gesetze Platz greifen. Die Zabl der in der Natur ablaufenden Processe ist unendlicb gross; aucb das organische Leben ist solcb ein Process, und zwar ein solcher complicirtester Art. Als dessen nachste Glieder konnen wir die Processe der Ath- mung, der Ernahrung, des Wachstbums u. s. w. anseben. Wie nach dem Grade der Verkniipiimg, so konnen auch nach der Art ihres zeitlichen Ablaufes Processe in das Unend- licbe variiren. In einer grossen Zahl von Fallen ist ihr Ab- laui der Art, dass wahrend langerer Perioden die Bewegung fortwahrend auf neue Theilchen sicb ubertragt, die nun ganz denselben Process durchmachen, wie diejenigen, an deren Stelle sie getreten sind. Eine ruhig brennende Flamme gibt Dir ein Beispiel eines solchen gleichmassig fortlaufenden Pro- cesses. — Oder, es bringt die Verkntipfung der Bewegungen mit sich, dass in bestimmten, unter sich gleichen Zeitabscbnitten Die Theorien der ubertragenen Bewegung. 147 gleicbe Bewegungsvorgange wiederkehren. Dies gilt von den verschiedenen Arten von Wellenbewegung und bekanntlich heissen die hierber gehorigen Processe periodiscbe. Fiir uns ist es nun vor Allem wichtig, uns die Bezieh- ungen klar zu machen zwiscben Process und Form. Unter Form verstehen wir, dem ursprtinglichen Wortsinn zu- folge, die uuseren Sinnen (zunachst dem Auge und weiterbin dem Tastsiun) wabrnebmbare raumlicbe Anordnung der Theile eines Gebildes. Bildlicb wird das Wort allerdings nocb weiter uus^edehnt, so spricbt der Pbilosoph von der Form einer Vorstellung, der Matbematlker von der Form einer Gleicbung. Es siud dies die Ubertragenen Anwendungen des Wortes, welcbe, wie andere abnlicbe Uebertragungen, abstracte Verbaltnisse durcb sinnlicbe Veranschaulichung unserem Verstandniss nabe zu bringen sucben. Ein jeder Process als massenbewegender Vorgang ist in- soweit formerzeugend und formverandernd , als die von ibm berbeigefuhrte Anordnung von Massen von unseren Sinnen, und zwar speciell von unserem Auge konnen wabrgenouimen wer- den. Nur mittelbar und in groben Ziigen gibt uns die Form Auskunft iiber die ihr zu Grunde liegenden Processe. Deu arbeitenden Telegraphendrath halten wir fiir eine rubende Masse, und selbst die brennende Flamme kann uns das Bild einer feststebenden Form gewabren. Im ersteren Falle lauft der Process im Gebiete molecularen Geschehens ab, und lasst die, unserem Auge allein zuganglicbe grobere Massenanord- nung unverandert; im zweiten Falle werden zwar fortlaufend neue Massen in den Process hereingezogen, allein gleicbmassig Hiuit der letztere ab, und erbalt eine constante Anordnung zum Leuchten erhitzter Tbeilchen. Es ist, urn einen Vergleich zu braucben, die Form eine Uebersetzung aus der uns unleser- licben Sprache des wirklicben Gescbebens in unsere Spracbe der Siuneswabrnebmung , eine Uebersetzung mannigfacb ver- zerrt, und jedenfalls in bohem Grade unvollstandig, welche das Wesentlichste in vielen Fallen auslasst, urn Unwesentlicbes mit vordrangender Breite zu bebandeln. So ist denn unsere eigene Korperform die ausserlicbe Kundgebung eines zusammenbangenden, gesetzmassig ablaufen- den Processes. Mit alien Hlilfsmitteln mechanischer und opti- 10* 148 Zwolfter Brief. scher Technik such en wir die Formen und deren zeitliehen Veranderungen bis in ihr feinstes Detail festzustellen, uni dar- aus soviel, wie nur immer moglich, von dem Lebensprocesse selbst herauszulesen , und doch bleibt unsere Ausbeute ein diirftiges Stuckwerk gegeniiber dem von uns erstrebten Ziele. Wir sehen die Bewegungen unserer Gliedmassen, wohl auch die Verkurzung der einzelnen, das Glied bewegenden Muskeln, wir sehen aber nichts von dem der Muskelverklirzung zu Grunde liegenden Vorgange. Wir sehen die Bewegung des Blutes in den Adern, wir sehen aber nichts von jenen umfangreichen Stoffbewegungen, welche wir unter der Gesammtbezeichnung der Ernahrungsvorgange zusammenfassen. Wir sehen die aus- seren Formen des Gehirns und des Rtickenmarkes, die Form der in ihnen vorhandenen Zellen und die Verlaufsrichtung ihrer Fasern; allein dabei fehlt uns jeder Einblick in die materiellen Vorgange einfachster Nervenleitung, geschweige denn in diejenigen, welche mit dem Ablaufe unserer Gedanken ver- kntipft sind. Als ruhende Massen, wie der Telegraphendrath, oder richtiger vielleicht wie die statig brennende Flamme erscheinen uns die Gewebe unseres Korpers, in ihren Formen Nichts von dem Stoffstrome verrathend, dem sie Dasein und Dauer verdanken. Eine Kategorie von Vorgangen hebt sich durch ihre aus- serlich wahrnehmbaren Folgen aus der Reihe der iibrigen hervor, es sind dies die Vorgange des Wachsthums. Wir kennen das Wachsthum nur aus seiner Aeusserung, der Masseu- zunahme; seine inneren Bedingungen, seine Beziehungen zu anderen Lebensprocessen, speciell zu denjenigen der Ernahrung kennen und verstehen wir nicht, und werden wir auch sobald nicht verstehen. Das Wachsthum als Theilprocess des Ge- sammtlebens ist in keiner Weise eine formbildende Kraft, wohl aber ein formbildender Process, auf den wir immer und immer wieder behufs Ableitung der Form zuriickzugreifen haben. Wenn der Keim als Gauzes wachst, wenn die aus ihm ab- gegliederten Organanlagen zu wachsen fortfahren, erst rasch, dann langsamer, bis sie nach abgemessener Zeit ein abgemes- senes Maass erreicht haben, so haben wir darin die Aeusse- rung eines Processes vor uns, welcher im miitterlichen Ei be- ginnend, und durch die Befruchtung rasch gesteigert nach streng Die Theorien der iibertragenen Bewegung. 149 geordneten Gesetzen ablauft, gleich der liber den Wasser- spiegel sich erhebenden Welle. Da wie dort sind es die An- ordnung der zu bewegenden Massen und die Modalitaten der ersten Erregung, welche das Gesetz des gesammten Herganges bestimmen. Ich sage der Erregung und nicht des Anstosses, denu wenn wir unter Stoss die einfache in einem Zeitelemente geradlinig wirkende Kraftwirkung verstehen, so bediirfen wir eines Wortes, welches, entsprechend dem Worte Process, eine, laut bestimmtem Principe nach Raum und nach Zeit geord- nete Summe von Stossen umfasst. Dafur scheint mir unter den noch verfiigbaren Worten das Wort Erregung das passendste zu sein. Es bedarf kaum eines besonderen Hinweises darauf, wie das Gesetz, dem die Erregung folgt, tur den Hergang des nachfolgenden Processes bestimmend ist. Ein einfacher Stoss auf eine Wasserflache , wie er vom fallenden Steine ausgeht, gentigt zur Erzengung einer Welle, und Du erhaltst in dem Fallc eine einfache, gleichmassig (nach dem Gesetze des zu- und abnehmenden Winkelsinus) an- und absteigende Form. Allein Du bist im Stande eine beliebig anders gestaltete Wellenform von verwickeltster Gestalt zu erzeugen, wenu Du, anstatt eines einzigen Steines deren viele hineinwirfst, so zwar dass Du Art, Ort und Zeit des Hineinwertens in ganz bestimmter Weise regelst. ') Wolltest Du einem Physiker das Problem aufgeben in einem geniigend tiefen und ausgedehnten Wasser- bccken an bestimmter Stelle und zu bestimmter Zeit eine be- liebig von Dir hingezeichnete Wellenform entstehen zu lassen, so \\iirde er auf dem Wege derRechnung ermitteln, an welcher Stelle, zu welcher Zeit, von welcher Ho'he die Steine (die der Einfachheit halber alle gleich schwer diirften genommen wer- liinein zu werfen waren. Nach Krorteruug dieser nothwendigen Vorbegriffe kehren wir zu unserem eigentlichen Gegenstande, zur Frage der Zeu- gung zuriick. Dieselbe erledigt sich, wenigstens nach ihrer allgemeinsten Auftassung, nuumehr mit wenigen Worten: Das Leben eines jeden Individuums ist em Process, d. h. eine Summe gesetzmassig unter einander verknlipfter Bewegungs- vorgange. Die formbildende Aeusserung des Lebensprocesses ist das Wachsthum. Die Frage nach der Erzeugung des In- dividuums fallt somit zusammen mit der Frage nach der Er- 150 Zwolfter Brief. regung and den Bedingungen des Lebens, speciell nach der- jenigen des Wachsthums. Wissenschaftliche Theorien der Zeugung konnen keine anderen sein, alsTheo- rien der iibertragenen Bewegung. So einfach und so selbstverstandlich dies erscheinen mag, so 1st doch nach dieser Richtung am seltensten die Losung gesucht worden. Klar hat indess auch hierin schon Aristo- teles gesehen. Vom Mann geht nach ihm bei der Zeugung der Anstoss der Bewegung («£/?} rfjg xivrjoecog) aus, das Weib liefert den Stoff. «Und es muss gleich Anfangs der eine Theil des Stoffes beisammen sein, aus welchem der erste Keim gebildet wird, der andere Theil aber fortwahrend hinzu- kommen , damit die Frucht wachse. " „ Indem der Same eine Ausscheidung ist und sich in der Bewegung befindet, kraft welcher das Wachsthum durch die Vertheilung der letzten Nahrung geschieht, so formt er, wenn er in den Uterus ge- langt ist, und setzt die im weiblichen Korper vorhandene Ausscheidung in die Bewegung, in der er sich befmdet; denn auch jene ist eine Ausscheidung und sie enthalt das Vermogen zur Bildung sammtlicher Theile, nicht aber die Theile in Wirklichkeit. " An einer anderen Stelle bespricht Aristo- teles die successive Bildung der Organe und erklart, dass die vom Samen ausgehende Bewegung fortwahrend neuen Theilen sich ubertragt. „ Es ist aber der Fall, dass ein Erstes ein Zweites bewegt, und ein Zweites ein Drittes, wie bei den wunderbaren Automaton. Die ruhenden Theile der letzteren besitzen namlich eine gewisse Fahigkeit, und wenn eine aussere Kraft den ersten Theil in Bewegung setzt, so wird sofort der nachste in thatige Bewegung versetzt. So wie nun bei den Automaten jene Kraft gewissermassen bewegt, ohne zur Zeit irgend einen Theil zu beriihren, nachdem sie jedoch friiher einen beruhrt hat, auf ahnliche Weise wirkt auch das von dem Samen Kommende, oder was den Samen bereitet hat, so dass es zwar einen Theil beruhrt hat, nun aber nicht weiter beruhrt .... Der Same aber ist ein solches Wesen, und hat ein solches Bewegungsprincip , dass, wenn der Anstoss ;der Bewegung aufhort, ein jeder Theil und zwar als ein beseelter wird." Ueber diese allgemeinsten Gesichtspunkte hinaus und bis in die Details Aristoteles zu folgen ist nicht moglich. Die Theorien der tibertragenen Bewegung. 151 Eine, den einzelnen Verhaltnissen gerecht werdende Theorie der Zeugung aufzustellen, vermag man heute nicht, und hat man damals noch viel weniger vermocht. In gleich deutlieher Weise hat Keiner der Spateren den ooigen Grundgedanken wieder ausgesprochen, obwohl Anklange da ran in mehreren der spateren Theorien sich wiederfinden. Idi sprechc hier nicht von den verwickelten Vorstellungen Gal ens, in welchen u. A. auch der gestaltenden Kraft des Samens ein Antheil zugewiesen ist. Dagegen kann auf Harvey hinge wiesen werden, bei welchem in zahlreichen Aiissprtichen der richtige Begriff des Keinies Ausdruck findet, und welchem auch derjenige einer Bewegungslibertragung nicht fremd geblieben ist. nPrimordium vegetale" nennt er das Ei. Er stellt Zeugung, Wachsthum und Ernahrung als kaum zu trennende Vorgange in eine Linie. rOvum itaque est corpus naturale, so sagt er u. A., virtute animali praeditum, prin- cipio nempe motus, transmutationis, quietis et conservationis. Est denique ejusmodi, ut, ablato omni impedimenta, in formam animalis abiturum sit." Er vergleicht die Zeugung mit der Wirkung von Gahrungserregern, und nennt den Samen geradezu ein Contagium, wobei er allerdings die Vorstellung hegt, dass dessen Contact vvirkung in die Entfernung sich fortpflanze. Auch die mechanischen Theorien von Descartes dtirf- ten, so roh sie sind, hier erwahnt werden. Sie gehen ebenfalls von dem Gedanken aus, dass in der Zeugung ein Gahrungs- process vorliege. Unter den neueren Forschern hat Th. Bi- s ch off. die Parallele mit der Gahrungserregung wieder auf- gegriffen, im Anschluss an Lie big's bekannte Theorie der Fermente. C. E. v. Baer hat sich meines Wissens nie speciell tiber die Generation ausgesprochen , seine leitenden Grundgedanken tiber das Wesen der Entwicklung liegen indess in vielen vor- zliglichen Aeusserungen theils seines Hauptwerkes, theils seiner kleineren Aufsatze zu Tage. Wenn er sagt, «dass nicht das Korperliche vorgebildet ist, wohl aber das Unsichtbare, der Gang der Entwicklung"; wenn er sich weiter ausspricht, »dass das Wesen des Lebens eben nur der Lebensprocess, oder der Verlauf des Lebens sein kann, dass ftir einen organischen Korper das Be barren nur ein Schein, das Werden aber 152 Zwolfter Brief. das W e s e n und das Bleibende ist ", so tritt in solchen Satzen auf das pragnanteste hervor, woliin der grosse Forscher den Schwerpunkt der Frage verlegt. Das befruchtete Ei tragt in sich die Erregung zum Wachsthum, so zwar, dass letzteres bei vorhandenen Entwick- lungsbedingungen fortschreiten wird, bis sein Maass und seine Zeit erfiillt sind. In der Wachsthumserregung aber liegt, wie Du schon frtther gesehen hast, der gesammte Inhalt erblicher Uebertragung von vaterlicher sowohl, als von miitterlicher Seite. Nicht die Form 1st es, die sich tibertragt, noch der specifisch formbildende Stoff, sondern die Erregung zum formerzeugen- den Wachsthum, nicht die Eigenschaften sondern der Beginn eines gleichartigen Entwickelungsprocesses. 1st nun die Form cine abgeleitete Folge des Waehsthums, sind ihre Verwickelungen denkbar bei einem verhaltnissmassig einfachen Grundgesetze des letzteren, so ist auch die, einer Zeugungstheorie gestellte Aufgabe in hohem Grade verein- facht. Es bedarf nicht des Suchens nach besonderen Einrich- tungen, um dieses oder jenes Merkmal, um die Farbe des Haares, die Gestalt der Nagel, oder die Warze am Kinn zu ubertragen. Zu ubertragen ist der gesetzmassig geordnete Anfang des Processes, und daraus muss das Uebrige, bei Vorhandensein der gunstigen ausseren Entwicklungsbedingungen , als noth- wendige Folge hervorgehen. Folgende Grundsatze lassen sich, wie mir scheint, als fest jetzt schon aufstellen, da sie theils der Ausdruck direkter Be- obachtung, theils unmittelbare Folgen allgemein giiltiger Prin- cipien sind: 1) Der mutterliche Keim, oder das Ei im engeren Sinne des Wortes ist eine zum Wachsthum erregbare Substanz. 2) Unter bestimmten, vorerst nicht allgemein feststell- baren Bedingungen kann, wie die Parthenogenesis zeigt, das Ei seine Wachsthumserregung aus inneren Ursachen bekom- men, und demgemass sich entwickeln ohne vorangegangene Befruchtung. 3) Wo keine Parthenogenesis besteht, da bedarf das Ei, damit es zu wachsen beginnt, des Contactes mit mannlichem Samen. 4) Das Wachsthum, als ein nach Raum und nach Zeit Die Theorien der uberlragenen Bewegung. 153 normirter Vorgang setzt voraus, class auch die Wachsthums- erregung eine Function von Raum und von Zeit 1st. 5) Soil eine erbliche Uebertragung durch Vermittlung des Saniens moglich sein, so muss die Wirkung, die der Same auf das Ei austibt, eine Function von Raum und von Zeit sein. t>; Wenn das Ei die Bedingungen mutterlicher Uebertragung enthiilt, so kann dessen Substanz keine durchweg gleichartige sein. Es muss dessen Wachsthumserregbarkeit, sei es in Folge ungleicher Massenvertheilung, sei es in Folge verschiedener Constitution, an verschiedenen Stellen eine verschiedene sein. Esmussdie Wachsthumserregbarkeit desEies eine Function des Raumes sein. 7) 1st fiir die einzelnen Samenfaden dasGesetz gegeben, nach welchem ihre erregende Wirkung zeitlich und raumlich sich ausbreitet, ist ferner Ort und Zeit ihres Eintrittes in das Ei gegeben, und fur das Ei das Gesetz, nach welchem seine Erregbarkeit raumlich sich vertheilt, so bestimmt die Combination dieser gegebenen Bedingungen das Wachthumsgesetz des Keimes, und damit des- sen gesammte nachfolgende Entwicklung. Urn Dir an einem Beispiele die Sache zu veranschaulichen, nehme ich den oben besprochenen Fall wieder auf von der Erzeugung einer verwickelten Wellenform durch zeitlich und raumlich geordnetes Hineinwerfen von Steinen in ein Wasser- k-rkcii. Iliebei liegt iin Werfen der Steine die Erregung zum wellenbildenden Processe, und wir vergleichen dies mit der Summe der erregenden Stosse, welche der Same dem Ei er- theilt. Wiirdest Du die Steine nach derselben Ordnung, anstatt in ein Wasserbecken, in ein solches geworfen haben, welches mit Oel, oder mit Alkohol, oder mit irgend einer anderen, vom Wasser durch grossere oder geringere Zahigkeit, und durch grosseres oder geringeres specifisches Gewicht sich unterscheidenden Flttssigkeit gefiillt war, ^so ware in jedem dieser Falle die Form der Wellen eine andere geworden, als ini ersten. Es ist also die Form der Wellen nicht allein ab- hiingig von dem Gesetze der Erregung, sondera auch von der /iihigkeit und dem specifischen Gewicht der wellenbildenden 154 Zwolfter Brief. Fliissigkeit. Die zahere Flussigkeit wird gegenuber der min- der zahen niedrigere Wellen bilden, und dasselbe gilt von der specifisch schwereren gegenuber von der leichteren. Jene be- sitzen, uui das Wort zu brauchen, eine geringere „ Wellener- regbarkeit" als diese. Denke Dir nun, Du vermochtest eine Flussigkeit zu schaf- fen (in gewissen Granzen ware dies durch ungleiche Ervvarmung zu leisten), worin an verschiedenen Stellen die Zahigkeit und das specifische Gewicht verschieden waren, und Du wiirdest dabei irgend ein Gesetz der Abstufung zuGrunde legen, so hattest Du ein Motiv gefunden zu specifischer Beeinflussung der Wellen- formen. Du hattest ein Becken, dessen Inhalt an verschiede- nen Stellen verschiedene Wellenerregbarkeit besitzt. Bei jeder anderen Vertheilung dieses Werthes wurden wieder andere Wellenformen entstehen. — Es entspricht solch ein Becken mit specifisch vertheilter Wellenerregbarkeit dem miitterlichen Ei mit seiner specifischen Vertheilung der Wachstbumserreg- barkeit. Eine ungleiche Vertheilung der Wellenerregbarkeit in Deinem Becken konntest Du Dir, bei sonst gleichartiger Flus- sigkeit auch davon abhangig denken, dass die Erregung die Flussigkeit nicht ruhend, sondern bereits in irgend einem Be- wegungsvorgange begriffen vorfindet. Die obigen Satze, speciell die Satze 5 — 7, enthalten nicht eine Theorie der geschlechtlichen Zeugung, wohl aber enthal- ten sie die Bedingungen, welchen eine solche Theorie geniigen muss, und ich sehe nicht ein, wie davon etwas abgehen kann. Theorien, welche, wie die alteren Gahrungstheorien die raum- liche Normirung derSamenwirkung ausser Betracht lassen, helfen uns nicht uber den formenden Einfluss derselben hinweg. Beim gegenwartigen Stand unseres Wissens, da uns bekannt ist, dass der Same geformte Elemente, die Spermatozoon enthalt, und dass diese durch eine besondere Oeffnung ins Ei eindrin- gen, lassen sich die zu einer Zeugungstheorie hinfiihrenden Fragen scharfer pracisiren als dies friiher moglich war. Die genaueste Untersuchung der Einzelheiten , als da sind: Form und Grosse der Samenfaden, Form und Grosse der Mikropyle, Stellung der Mikropyle zum Keim, Ort des starksten Wachs- thums des letzteren bezogen auf den Ort der Mikropyle u. dgl. mehr muss die Elemente liefern, aus welchen die Theorie sich Die Theorien der iibertragenen Beweguug. 155 aufbaut. Wtirde z. B. die Beobachtung ergeben, dass die Mikropyle gross genug ist, urn vielen Spermatozoen zugleich den Eintritt zu gestatten, so wtirde die Theorie anders zu ge- stalten sein, als wenn (wie ich dies beim Lachs und bei der Forelle in der That constatirt habe) nur ein Spermatozoon auf einmal im Kanale Platz hat. Wtirde sich herausstellen, dass das eintretende Spermatozoon zuerst auf einen excentrischen Punkt der Keimscheibe stosst, so ware damit wieder ein Ele- ment gegeben zur Ableitung des anfangHchen Wachsthums- maximums u. s. w. Ich trete in solche Einzelnheiten nicht writer ein, weil es zwccklos ist, dieselben ohne ein breites Beobachtungsmaterial zu discutiren. Ich habe Dir in meinem vorigen Briefe nur versprochen, die Richtung der Fragestellung zu bestimmen, und das glaube ich im Obigen geleistet zu haben. Dreizehnter Brief. Vermittelung erblicher Uebertragung. Die Descendenzlehre und die Be- ziehungen der Morphologic zu derselben. Lieber Freund! Wir wollen uns heute einmal vorstellen, wir besassen cine durchaus befriedigende Theorie, welche uns bei gegebenen ausseren Entwicklungsbedingungen iTemperatur, Materialzufubr u. s. w.) in alien wesentlichen Punkten die Processe im befruchteten Keim aus den Eigenschaften der Spermatozen einerseits, aus denjenigen des unbefruchteten Eies andererseits, und aus der Art ihres Zusammentreffens abzuleiten gestattete. Mit alle dem waren wir nicht zu Ende; denn es wiirde zunachst die weitere Frage an uns herantreten : wie es denn kommt, dass die Spermatozoen tiberhaupt specifische und individuelle Eigenschaften des Vaters oder eines A aterlichen Ascendenten, das Ei solche der Mutter, oder eines ihrer Ascen- denten dem erzeugten Wesen iibertragen kann ? - - Nicht urn diese Frage zu beantworten, wohl aber, um auch hier wiederum eine klare Fragestellung anzubahnen, gehe ich mit einigen Worten darauf ein. In der Regel ist man, wie dies speciell in den Extract- theorien ausgesprochen ist, geneigt, einen verwickelten Zusam- menhang zwischen der Organisation des Vaters oder der Mutter einerseits, und derjenigen der SpeVmatozoen oder des Eies andererseits anzunehmen ; der Art, dass die Eigenthiirnlichkeiten eines jeden Organes, oder Organtheiles in irgend einer rathsel- haften Weise auf die betreffenden Keimstoife zuruckwirken, in ihnen reproducirt, oder, wenn Du lieber willst, reprasentirt werden. Vermittelung erblicher Uebertragung. 157 Es 1st klar, dass eine derartige Voraussetzuug keine ab- Berechtigung hat. Sehen wir zunachst ab von aller Moglichkeit der Uebertragung erworbener Eigenschaften , so 1st aus den Erorterungen unseres letzten Briefes klar, dass zur Erzeugung eines gleichartigen Entwicklungsganges nicht das Yorhandensein irgend welcher verwickelter Uebertragungs- raecliaiiisincn noting 1st, sondern iiberhaupt nur ein gleich- ar tiger An fang. Fangen zwei, in ihrem weiteren Ablaufe keiner Hemmung unterworfene Processe gleich an, so werden sic aueh gleich ablaufen, mag im Uebrigen der Anfang der- selben durcli noch so einfache Motive bedingt sein. Wirfst Du ein paarmal nach einander Steine genau in derselben Weise in ein ruhendes Wasserbecken , so entstehen stets tiberein- stimmende Wellenformen. Wenn der Entwicklungsprocess bei Erzeuger nnd Erzeugtem in gleicher Weise begonnen hat, so muss er in seinem weiteren Verlaufe dahin fiihren, dass auch beim Erzeugten Keimstoffe entstehen, denen gleich, welchen er sein eigenes Dasein verdankt. Die Bildung der Keimstoffe ist ja nur ein Theilvorgang des gesammten, in der Zeugung geregelten Entwickelungsprocesses. Oder mit anderen Worten : es muss, wenn ftir zwei Individuen der Entwickelungsgang gleichartig begonnen hat, die Aehnlichkeit entstehender Or- ganisation, wie in der Form des Gesichts, oder in der Farbe der Haare so auch in Beschaffenheit der Keimstoffe wiederkehren. K > 1 i e g t keinGrundvor, eineunmittelbareEin- wirkung der Theilgebilde des elterlichen Orga- 11 i smus an 1' die specif is ch en Eigenschaften der ent- stehenden KeRnstoffe anzunehmen. Es sollen sich nun aber auch erworbene Eigenschaften iibertragen, und da entsteht allerdings die Frage, ob dazu eine specifische Abhangigkeit des Keimstoffes von den einzelnen Theilen des Erzeugers erforderlich istV Dies ware unbedingt der Fall, wenn Eigenschaften sich vererben wurden, welche wahrend des individuellen Lebens erworben sind, wie Ver- stiimmelungen von Gliedmassen, oder erlernte Fahigkeiteu. Ertahrungen der ausgedehntesten Art erlauben uns die Ent- M-heidung liber diesen Punkt: Seit Jahrtausenden stehen und gehen wir in derselben Weise, seit Jahrhunderten sprechen unsere Vorfahren dieselbe Sprache, und schreiben dieselbe 158 Dreizehnter Brief. Schrift, und dock mussten wir selbst, und miissen unsere Kin- der diese Fahigkeiten jedes wieder einzeln erlernen. Seit Jahrtausenden iiben ferner gewisse Volkerschaften die Circum- cision, ohne dass der, immer wieder von neuem abgetragene Theil durch Vererbung versckwunden ware. Solchen Erfahr- ungen gegenuber kann die Handvoll Anecdoten, welche man zu Gunsten der Vererbung individuell erworbener Eigenschaf- ten angefiihrt hat, l) nicht aufkommen. Obnedem erinnert ibre Beglaubigung lebbaft an die Beweise fur das ,,Verseben Scbwangerer ", und auf wissenschaftlicbe Beacbtung dtirfen sie zum Miudesten keinen Ansprucb macben. Bis zum Eintritt besserer Beweise balten wir an dem Satze fest, dass die im individuellen Leben erworbenen Eigenschaften sich nicht vererben. Mit dem Namen werworbene Eigenschaften" bezeich- net man nun aber auch solche, die im Laufe von Generationen durch kiinstliche oder naturliche Ziichtung zur Ausbildung ge- langt sind, oder Eigeuscbaften , die, wie die Sechsfingrigkeit, bei irgend einem Individuum aus innern, nicht naher bestimrn- baren Entwicklungsgrunden auftreten, und dann sich weiter fortpflanzen. In beiden Fallen ist der Ausdruck ^erworben" offenbar uneigentlich , und wiirde der Klarheit halber lieber vermieden. Jene konnte man vielleicht als e r z it c h t e t e, diese als eingesprengte Eigenschaften bezeichnen. Weder fur die eine noch fur die andere Kategorie ist die Annahme ver- wickelter Beziehungen der Organe zum Keimstoff erforderlicb ; denn beide erscheinen nur als der Partialausdruck des allge- meinen Entwickelungsprocesses, und treten in diesem wesent- lichen Punkte nicht aus der Keihe der iibrigen erblichen Eigen- schaften heraus. Setzen wir nun voraus, es sei uns bekannt: die Entstehung des organischen Wesens aus dem Keim, die Entwicklungserregung des Keimes in Folge des Zusam- mentritts der beiden Keimstoffe, die Abhangigkeit der Organisation der Keimstoffe von der Organisation der Erzeugenden, so haben wir allerdings den Entwickelungsprocess erkannt in seinem Fortgange vom Erzeugten zum Erzeugenden und von da wiederum zum Erzeugten. Vermittelung erblicher Uebertraguug, 159 Nicht zum geschlossenen Ring 1'iigen sich indess die gleich- namigen Enden unserer Reibe zusammen, sondern jedes schliesst an an vorausgehende, oder an nachfolgende Reihen. Der Ent- wickelungsgang des Individuums 1st das einzelne Glied eines ins Unermesslicbe fortlaufenden periodischen Processes, des Entwickelungsprocesses der Generationen. Keim- stoffe und Keim sind die schmalen Substanzbriicken , mittelst deren neue Glieder in gesetzmassiger Folge den vorangehen- den sich anftigen. „ Aeternitatis periodus ", so heisst der Keim ja schon bei Harvey, „ inter parentes et liberos, inter eos (|iii luerunt, et qui futuri sunt, media via sive transitus. " In vereinfachtem Bilde erscheint der Entwickelungsprocess der Generationen als eine unermessliche Wellenlinie, worin die einzelne Welle dem Wachsthumsgange des einzeinen In- dividuums entspricht. An- und Absteigen seines Gesammt- wachsthums finden in deren besonderer Form ihren Ausdruck. Ganze Strecken der Linie stimmen in der Form der einzeinen Wellen derart tiberein, dass die Eigenthiimlichkeiten der Biegung, welche in der eiuen vorhanden sind, in den voraus- gehenden und in den nachfolgenden wiederkebren. Eine jede einzelne Welle ist die Tragerin von Eigenschaften , die nicbt ihr eigenthUmlicb , sondern grossen Strecken der Wellenreihe gemeinsam sind. Eine absolute Periodicitat existirt nun aber, das lebrt uns die tagliche Erfahrung, in keiner solchen Reihe. Kinder derselben Eltern weichen bald in minder, bald in mehr auffalliger Weise von einander, und von ibren Eltern ab, Eigenschaften frtiherer Glieder konnen mit Ueberspringung der dazwischen liegenden in spateren wieder- kehren u. s. vv. Die Moglichkeit ist denkbar, dass die vorkommenden Schwankungen um die gemeinsame Mittelform auf Rechnung der wechselnden ausseren Entwicklungsbedingungen (Ernahrung u. s. w.) kommen. Es ware dies vergleichbar dem Fall eines regelmassig arbeitenden, eine Wellenlinie aufzeicbnenden Ap- parates, welcher an einer Zeichnungsflache von unregelmassig wechselndem Widerstande arbeitet. Dabei wtirdcn in der Form der aufgezeichneten Curven Schwankungen gleichfalls unvermeidlich sein, und es konnten Formeneigenthiimlichkeiten in spateren Gliedern wiederkehren, die in irgend einem frUheren 160 Dreizehnter Brief. vorhanden waren, in den dazwischen liegenden aber gefeblt batten. Das accidentelle Moment ausserer Entwicklungsbedingungen, zugleich mit dem Princip der sexuellen Kreuzung niochten mog- licberweise gentigen, uns die Schwankungen verstandlich zu machen, welcbe die Generationsreihen lebender Wesen in den von uns unmittelbar verfolgten Strecken darbieten. Erweitern wir indess unseren Blick tiber die Zeitspanne hinaus, in wel- cber wir leben und tiber welcbe menscblicbe Urkunden reichen, so erfahren wir, class unsere mitlebenden Reihen mit ihren, um gegebene Mittelwerthe oscillirenden Gliedern sicb nicht vom Unendlichen her durcb die Zeitraume fortgepflanzt haben? dass frtiheren Erdaltern andere, allem Anscbein nach oft an gewisse Epochen gebundene, und mit den Epocben wecbselnde Formen lebender Wesen eigenthumlich gewesen sind. Nachdem uns durchDarwins schopferische Arbeiteii die Augen geoffnet worden sind fur die unter unseren Augen fort- wahrend vor sicb gehenden Neubildungen organischer Formen, nacbdem wir im Princip der natiirlichen Ziicbtung einen weit- greifenden Scbliissel in die Hand bekommen haben zum Ver- standniss der Ausbildung und Fixirung besonderer Formen, ist das Problem des genetischen Zusammenbanges der Ge- scbopfe verscbiedener Erdalter mit viel grosserer Wucht als je zuvor in den Vordergrund getreten. Mit der grossten Wabr- scbeinlicbkeit lasst sich bebaupten, dass die, unter unseren Augen sicb entwickelnden Generationsreihen die directen Fort- setzungen sind jener alteren, von den unsrigen vielfacb ab- weichenden Reihen, von welchen uns die Geologic Kenntniss gibt. Mit der grossten Wahrscheinlicbkeit ergibt sich femer, dass jeweilen die hochorganisirten Formen aus einfachen Grund- formen hervorgegangen sind, dass, um beim Bilde der Wellen- linie zu bleiben, die Anfangs kurzen und flachen Wellen- giieder mebr und mebr sich erhoben, gestreckt und in ihrer Gestaltung verwickelt baben. Es sind diese Wahrscheinlicb- keiten so ausserordentlicb viel grosser als Alles, was wir uns sonst zur Zeit tiber den Zusammenbang der organischen Schopfung ausdenken konnen, dass wir vollauf berecbtigt sind, sie als vorlaufig sich ere Basis zu betrachten, als Basis, auf welcher tiber Menschenalter binaus die Wissenscbaft ruhig Die Descendenzlehre und die Beziehungen der Morphologie zu ders. 161 weiter bauen kann, gleichgiiltig ob der fortschreitende Ent- wickeluugsgang der Generationsreihen im Wesen des Ent- wicklungsprocesses selbst begriindet, oder ob er, wie die con- sequente Anwendung des Ztlchtnngsprincipes dies verlangt, jeder besonderen Reihe durch die ausseren Lebensbedingungen aufgedrangt sein mag. Mit Auerkennung des allgemeinen Principes der Descen- denz ergibt sich sofort die Aufgabe seiner speciellen Durch- ftthrung. Die Lebhaftigkeit, womit die heutige Zoologie an dieser Aufgabe sich betheiligt, ist urn so gerechtfertigter, als sie dabei unter alien Umstanden nur gewinnen kann. Die auf den speciellen Nachweis der Descendenzverhaltnisse gerichtete Arbeit kommt der langst vorhandenen Aufgabe natiirlicher Systematik zu Gute, und mtisste, wenn auch die Descendenz- frage hinwegfiele, grosstentheils in genau derselben Weise ge- leistet werden. Gegenstand und Methode der pbylogenetischen Forschung, wie sie sich nunmehr nennt, sind durchaus andere als die- jenigen der von mir bearbeiteten physiologischen Entwick- lungsgeschichte des Individuums. Die eine Forschung fangt da an, wo die andere aufhort, und die eine arbeitet mit Be- griffen, deren die andere nicht bedarf. Insofern konnte ich es bier unterlassen, mich Uber phylogenetische Arbeitsweise irgendwie auszusprechen. Die Sache liegt indess so, dass die Ausscheidung der Gebiete noch keineswegs erfolgt ist. Nicht allein wird entwicklungsgeschichtlichen und Uberhaupt raorpho- logischen Erfahrungen in phylogenetischen Fragen eine Beweis- kraft zugemessen, deren Berechtigung vielfach anfechtbar ist, sondern es-wird von einigen Seiten her geradezu behauptet, dass supponirte phylogenetische Verbande an und ftir sich schon alle Erklarung individueller Entwicklungsvorgange in sich enthalten. Hier thut eine Verstandigung Uber das, jeder Forschung zukoramende Gebiet, und thut vor Allem auch Kritik der angewendeten und anzuwendenden Methodcn dringend noth, und ich darf nicht unterlassen, das Meinige zur Klarung der Begriffe beizutragen. Der historische, auf die eigentlichen Urkunden zurtick- greifende Beweis fur die genetische Verwandtschaft organischer His, Briefe. 11 It) 2 Dreizehnter Brief. Wesen fallt der Palaontologie zu. Sie vermag zu zeigen, wie in den aufeinander folgenden Erdepochen die Formen jedes gegebenen Kreises sich ununterbrochen modificirt haben, und wie heutige Formen in vielen Fallen durcb scbrittweise ver- anderteZwischenstufen den abweicben den Formen weiter zuriick- liegender Epochen sicb anreihen. Palaontologische Stammbaume, wie sie z. B. auf Grund reichhaltigster Forschung L. Rtiti- meyer fur die Wiederkauer, fur die pferdeartigen Thiere und neuerdings fUr die Schildkroten aufgestellt bat, scheinen mil- die eigentlicben Grundpfeiler einer wissenscbaitlichen Descen- denzlehre zu sein, welcben sicb als kaum minder wicbtige Stutzen die Nacbweise anschliessen iiber die Gruppirung ver- wandter Formen der Jetztzeit um bestimmte geographische Mittelpunkte herum, also Arbeiten wie die von Alfr. Wallace tiber die Fauna des Malayischen Archipels, und die von L. Rutimeyer iiber die Herkunft unserer Thierwelt. Es sind nun aber die Urkunden der Palaontologie liicken- haft und wenig Aussicht ist vorbanden , dass gerade die ent- scbeidensten Uebergangsbrucken sich mit ibrer Hiilfe so bald werden schlagen lassen. Die wicbtigsten Uebergangsgeschopfe baben wir, wegen der Natur ihrer Korpersubstanz , gar keine Hoffnung als Petrefacten je zu finden. Da liegt denn der Ge- danken nabe, auf den reicben Gefilden der vergleichenden Anatomic und Entwickelungsgeschichte die Ausbeute zu sucben, welcbe uns die Palaontologie so miihsam und mit so karger Hand gewahrt. Die Formen organischer Wesen sind in wecbselndem Grade unter einander abnlich ; von Formen der einen Gruppe zu sol- chen einer anderen sind in der Regel Uebergange, .oft in sebr allmahliger Abstufung vorhauden; Formen, die in ihrem aus- gebildeten Zustande von einander differiren, konnen in ibren embryonalen Pbasen sicb sehr nabe stehen ; reife Formen einer Art konnen mit den embryonalen einer anderen wesentlicb iibereinstimmen. Bereits die Classificationsbestrebungen der alteren Zoo- logen haben diesen Erfahrungen Recbnung getragen, und sie im Interesse des Systems verwertbet. Allein durcb die Descen- denztbeorie sind sie in ein weit helleres Licht geruckt worden. Wenn Formen unter sich ahnlich sind, so ist die Moglichkeit Die Descendenzlehre und die Beziehungen der Morphologic zu ders. 163 gegeben, class sie unter sich auch genetisch zusammenhangen. Lasst sich der gesammte Formenreichthum der organischen Welt nach den, in ausgebildeten, oder in embryonalen Zustan- deii vorhandenen Aehnlichkeiten in baumfdrmig unter sich zu- sammenhangenden Reihen anordnen, der Art, dass an der Wurzel des Baumes die einfachsten Formen sind, in dessen auseinander weichenden Wipfelzweigen die complicirtesten, y.\\ ischeu den einen und den anderen aber eine fortlaufende Stufenleiter von Z wischenformen , so drangt sich der Gedanke auf, dass dieser, nach der Formahnlichkeit entworfene Baum des Systemes zugleich der Stammbaum der genetischen Ver- wandtschaft ist. • Liegen aber die Dinge wirklich so, dass die morpholo- gische Verwandtschaft unter alien Umstanden die genetische beweisen muss? Es wird dies jetzt so vielfach angenommen, dass manchc Schriftsteller andere Moglichkeiten geradezu als undenkbar hiustellen. Allein es ist sicher, dass ohne die Er- fahrungeu der Palaontologie tiber die Veranderungen in den Formen der zeitlich sich folgenden organischen Wesen, und ohne diejenigen ttber das Vorhandensein gewisser geographi- scher Ausbreitungscentren , es vermessen ware, rein morpho- logische Beziehungen im Sinne der Descendenz zu verwerthen. Die Frage, in wie weit rein morphologische Verhaltnisse als Descendenz beweise verwerthbar sind, ist in ganz allgemeiner Weise iiberhaupt nicht zu beantworten. Im besonderen Falle aber bleibt sie stets eine ausnehmend schwierige. Es konnen morphologische Erfahrungen als Beweismittel nur den Werth beanspruchen, welcher im gerichtlichen Verfahren den Indicien zukommt, sie sind indirecte Beweismittel, um so beweiskraf- tiger, je massenhafter und je llickenloser sie sind, und je mehr ihnen die directen palaontologischen Beweise zur Seite stehen, bedeutungslos, so wie sie vereinzelt, oder mit jenen nicht in genauer Uebereinstimmung sind. Die phylogenetische Unter- suchung wird schon deshalb der morphologischen Arbeiten nicht entbehren dtirfen, weil sie von diesen die Weisung er- halt, wie sie den Kreis moglicher Ableitung zu ziehen, und nach welchen Seiten hin sie ihren Blick zu richten hat. Allein sie darf nicht aus dem Auge verlieren, dass sie mit einem Htilfsmittel von sehr bedingter Zuverlassigkeit arbeitet, und 11* 164 Dreizehnter Brief. dass die derinalen beliebte Uebertragung jeglicher morpbo- logischen Erfahrung in einen entsprechenden phylogenetischen Lehrsatz von Seiten wissensebaftlicher Metbodik nicht fur correct gelten darf. Ein Anderes 1st es, einen Zusammen- hang sicher zu beweisen, ein Anderes ibn als moglicb binzu- stellen. Vierzehnter Brief. Die Erklarung organischerKorperform durch das Descendenzprincip, das ..biogenetiscbe Grundgesetz4* und seine Begrtindung. Unmittelbare und mittelbare Erklarung. Lieber Freund! Im Interesse leichter Verstandigung be- folge ich auch heute wiederum die Taktik, einen Nachweis als geleistet anzusehen, der noch Sache der Untersuchiing und der Discussion ist. Ich nehme also, indem ich zunachst von alien zu erhebenden Einwendungen absehe, an, es sei nicht nur das Descendenzprincip im Allgemeinen eine factisch er- mittelte Thatsache, sondern es sei auch ftir alle einzelnen For- men der Nachweis ihres genetischen Zusammenhanges direct geleistet , und wir konnten uns auf irgend einen der veroffent- lichten, oder noch zu veroffentlichenden Stammbaume mit eben der Sicherheit verlassen, wie wenn es unser eigener durch vorhandene Documente gewahrleisteter Stammbaum ware. Wenn wir einen solchen Stammbaum besassen, ware alsdann unsere eigene, oder irgend eine an- dere der jetzt lebenden organischen Formen voll- standig erklart? Bekanntlich hat Fritz M tiller in seiner geistreichen Schrift nFflr Darwin" zuerst den Satz formulirt: dass die Ent- wicklung der Vorfahren auch von den Nachkommen durch- laufen wird, und dass die geschichtliche Entwicklung einer Art in deren Entwicklungsgeschichte sich abspiegelt. Rasch hat sich dieser fruchtbare Gedanke Beifall erworben, und so- fort auch seinen Platz gefunden im festen Getu'ge der Schul- doctrinen. „ Die Keimesgeschichte ist ein Auszug der Stammes- geschichte, oder mit anderen Worten, die Ontogenie ist eine kurze Recapitulation der Phylogenie ", so lautet das „ biogene- 166 Vierzehnter Brief. tische Grundgesetz ", welches Hack el an die Spitze seiner umfangreichen Anthropogenic gestellt hat, und dessen durch- greifende Giiltigkeit er auf jeder Seite von Neuem verkiindet. Grundgesetz ! ein stolzer Titel, wohl werth, dass wir seiner Begriindung einige Aufmerksamkeit schenken. In der Sprache der Naturforschung pflegen wir als Gesetz einen Satz zu be- zeichnen, welcher den Zusammenhang bestimmter Vorgange, oder Erscheinungen in einer unumstosslichen Weise ausdruckt, und dessen Feststellung einestheils empirisch durch ausgedehnte widerspruchslose Reihen von Beobachtungen, anderntheils theo- retisch durch unanfechtbare Ableitung aus feststehenden Prin- cipien geleistet sein kann. Nicht uberall, wo wir das Vor- handensein eines Zusammenhanges erkennen, vermogen wir dessen Gesetz zu pracisiren, und so sind wir oft genug ge- nothigt, von Gesetzen zu reden, deren Ausdruck uns noch nicht, oder doch nur bruchstiickweise bekannt ist. Sprechen wir aber einen bestimmten Satz als „ Gesetz" an, dann muss derselbe in alien Stucken beweisbar sein, und er muss uns die Moglichkeit geben, in jedem, von ihm umfassten besondern Falle die eintretende Erscheinung, oder den eintretenden Vor- gang mit Sicherheit vorauszusagen. Wie vorsichtig die exacte Naturforschung mit dem Worte „ Gesetz" umgeht, das kannst Du am besten daraus ermessen, dass sie trotz der liickenlose- sten enipirischen Bestatigung und trotz der tiefsten theoretischen Durcharbeitung bis zum heutigen Tage nicht von einem Undu- lationsgesetze, sondern nur von einer Undulationstheorie des Lichts spricht. Sehen wir zu, ob das „ biogenetische Grundgesetz" den an ein Naturgesetz zu stellenden Anforderungen Geniige leistet. Wir fragen zuerst nach dem Beweise, und erwarten vielleicht die palaontologisch gefiihrte Induction an der Hand einer grosseren Reihe von besonderen Fallen. Aus nahe liegenden Grtinden verzichtet Hack el auf diese Art der Beweisfuhrung, und es bleibt bei der Versicherung, 'dass die grosse Aehnlich- keit embryonaler Formen unter sich, sowie die Aehnlichkeit niedriger Thiere mit den embryonalen Formen hoherer nur durch das biogenetische Grundgesetz verstandlich sei. Damit ist denn allerdings das angebliche Grundgesetz zu einer Hypothese geworden, geeignet, einen bestimmten Kreis Das biogenetische Grundgesetz. 167 von Erfahningen in innern Zusammenhang zu bringen, voraus- gesetzt natiirlich, dass sie mit diesen Erfahrungen durchweg in genauer Uebereinstimmung steht. — Etwas unbequem 1st diese Forderung einer genauen Uebereinstimmung von Hypo- thesen und Thatsache allerdings. Recapituliren wir uns z. B. den Entwickelungsgang, den wir selbst, den tiberhaupt die Saugethiere durchmessen haben, so 1st klar, dass unsere heu- tigen Embryonen Entwicklungsstufen, und dass sie vor Allem Lebensbedingungen durchlaufen, welche unsere palaontolo- gischen Vorfahren unmoglich konnen durchlaufen haben. 1st unser heutiges Embryonalleben dem Verkehr mit dem mtttter- lichen Uterus angepasst, so mussten unsere phylembryonalen Vori'abren ausgeriistet sein, um in selbststandiger Weise auf den Nahrungserwerb auszugehen. Die Eigenschaften der Haut sowie der iibrigen Sinnesorgane , die der Nahrungs- und der Athmungswerkzeuge, dicjenigen der Muskeln und des Nerven- s\ -stems mussten bei jenen, dem Kampf urns Dasein ausge- setzten Wesen andere sein, als bei unseren, behaglicb im Frucht- wasser scbwimmenden Embryonen, und da unsere Abhangigkeit von der Mutter scbon auf der allerjugendlichsten Stufe des eben befruchteten Eies ibren Anfang nimmt, so mttssen selbst unsere amoboiden und gastrularen Vorfahren zum mindesten |)li\siologisch ganz anders organisirt gewesen sein, als wir selbst auf den betreifenden Stufen. Aelmliche Betracbtungen lassen sich ftir eine jede Thierklasse wiederholen, und schon Fritz M tiller hat sich daher genothigt gesehen, seinen Satz dnliiii zu beschranken: „ dass die, in der Entwicklungsgcschichte erhaltene geschichtliche Urkunde allmahlig verwischt wird, indem die Entwicklung einen immer geraderen Weg vom Ei zum fertigen Thiere einschlagt, dass sie durch den Kampf der frei lebenden Larven urns Dasein haufig gefalscht wird.1) 1st es nun schon bedenklich einer Hypothese eine von Fiilschung sprechende Hulfshypothese beizugesellen , so heisst es alien Grundsatzen naturwissenschaftlicher Sprache geradezu ins Gesicht schlagen, wenn man, wie dies Hackel thut, erst ein „ Grundgesetz " aufstellt, und dann von dessen in der Xatur vorkommenden „ Falschungen " spricht. Es werden zwar die der Natur zugeschriebenen Falschungen auf das mindest mb'gliche Maass herabgesetzt, immerhin bleiben sie als solche 168 Vierzehnter Brief. bestehen. Es 1st namlich nach H a c k e T s Angabe ein v o 1 1 - kommener Parallelismus zwischen phylogenetischen und onto- genetischen Entwickelungsreihen vorhanden, jedoch sind in der ontogenetischen Reihe manche Glieder verloren gegangen, welche in der phylogenetischen Reihe fruher existirt haben. Er vergleieht die Sache mit einem Alphabet, aus welchem einzelne Buchstaben verloren gegangen sind, in welchem aber die richtige Reihenfolge der iibrig gebliebenen sich erhalten hat. Das Bild konnte dahin erweitert werden, dass man sagt, es hatte sich da und dort ein d, oder ein f.i an die Stelle eines d , oder eines m eingeschoben, d. h. es waren gleich- werthige Glieder an die Stelle der urspriinglieh vorhandenen eingeruckt. Indess weiss ich nicht, ob diese Erweiterung des Bildes im Sinne Hack el's liegen wtirde, weil er in Wirk- lichkeit grosses Gewicht auf die Identitat der, von derTheorie als ahnlich verlangten Formen legt, und weil er diese Iden- titat als im ausgedehntesten Maasse bestehend erklart. Wir Alle sind wahrend der ersten Wochen unseres Fotallebens von einem Affen-, Hunds- oder Rindsembryo „ mit den scharf- sten Mikroskopen nicht zu unterscheiden, " wir durchlaufen ein Stadium der Kopflosigkeit , wahrend dessen wir im Wesent- lichen Amphioxusnatur besitzen. Solchen und ahnlichen Satzen begegnen wir inFiille bei Hack el, sowohl in der Schopfungs- geschichte, als in der Anthropogenic , und ein reichliches Ma- terial von Abbildungen demonstrirt uns dieselben als unan- fechtbar ad oculos. Es ist wohl erlaubt, Hack el eine Strecke weit auf dem Boden thatsachlicher Darstellung zu folgen, und einige seiner beweisendsten Abbildungen einer genaueren Priifung zu unterziehen. Wir nehmen die erste Auflage der natilrlichen Schopfungsgeschichte zur Hand, und finden S. 242 abgebildet in drei untereinanderstehenden Abbildungen das Ei des Men- schen, das Ei des Affen und dasjenige des Hundes, je lOOmal vergrossert, auf S. 248 aber in drei neben einanderstehenden Figuren den Embryo des Hundes, denjenigen des Huhns und den der Schildkrote. Die Uebereinstimmung in jeder der bei- den Figurenreihen ist eine vollkommene, und kaum kann man sich etwas Ueberzeugenderes denken, als diese weitgehende Identitat von Formen verschiedener Wesen. Selbst auf schein- Das biogenetische Grundgesetz. 169 bar unwesentliche Dinge erstreckt sich die Uebereinstimmung ; wo die Korner im Hundeei etwas grober sind, sind sie es auch im Ei des Menschen und des Affen, wo die Zona etwas lichter ist in jenem, ist sie es auch in den beiden letzteren. Der Embryo des Hundes, des Huhnes und der Schildkrote zahlen je 10 Urwirbel auf jeder Seite, und zwar ist bei alien dreien der erste der rechten Seite je ein bischen abgerundeter, der neunte ein bischen schmaler als die iibrigen. Sicher war es ein fur die Wissenschaft nicht genug zu prei sender Glttcks- fall, der Hack el drei so genau sich entsprechende Em- bryonen unter die Hande geftihrt, und ihm damit ein so entscheidendes Beweismaterial liberliefert hat. Noch merk- wtirdigere Uebereinstimmungen enthtillt indess eine weiter gehende Priifung der Figuren. Die absolute Identitat besteht nicht allein ftir die Eier der einen und ftir die Embryonen der anderen Bilderreihe, sie besteht auch ftir Ort und Form der bezeichnenden Buchstaben, ja sie besteht filr die Zahl und ftir die Lange der Strichelchen , mittelst deren jene den Figuren angefiigt sind. Es hat uns mit anderen Worten Hackel je drei Cliches desselben Holzstockes unter drei ver- schiedenen Titeln aufgetischt ! Das Verfahren war etwas stark, und von Seiten eines, durch Tragweite, Tiefe und durch Ge- wissenhaftigkeit der Forschung gleich hoch dastehenden Mannes, von Prof. Rtitimeyer wurde es sofort gertigt als eine, den offentlichen Credit des Forschers tief schadigende Verstindigung gegen wissenschaftliche Wahrheit. 2) Darnach durfte man zum Mindesten eine Zurticknahme und Entschuldigung des begange- nen Fehlers erwarten. Statt dessen hat Hackel in der Vor- rede seiner spatern Auflagen schwere Schmahungen auf Prof. Rtitimeyer gehauft, gleich unwahr, was ihren Inhalt, wie imedel , was ihre Form betrifft. Dabei ist, was allerdings der Erwahnung bedarf, der Holzstock jeder der beiden Reihen in der Folge nur einmal, der eine mit einer einfachen, der andere mit einer Collectivunterschrift versehen, abgedruckt worden. Unverandert und durch zwei neue Figuren vermehrt er- scheinen dagegen auch in der ftinften Auflage der Schb'pfungs- geschichte die paar grosseren Bilder, welche die Formidentitat von Hunds- und Menschenembryo , sowie die von Huhn- und 170 Vierzehnter Brief. Schildkrote erweisen sollen. Von diesen Figuren sind einige Copien, andere dazu componirt. Copien sind (ausser der Schild- krotenfigur) die Abbildungen des angeblich 4wochentlichen Hundes (vergl. Bis ch off Taf. XI, 42 B, Hundeembryo von 25 Tagen) und diejenige des angeblich 4wochentlichen Men- schen (vergl. Ecker Icones physiol. Taf. XXX, 2, allda ohne Altersangabe). Allein es sind Copien in freier Behandlung, und zwar sind die geuommenen Freiheiten der Art, dass sie eben der gewiinschten Identitat zu statten kommen. Oder ist es ein Versehen des Lithograpben , dass beim Hackel'schen Hundeembryo gerade der Stirntheil des Kopfes um 8^2 Mm. langer gerathen ist, als beiBiscboff, beini Menschenembryo aber gegen Ecker der Stirntheil um 2 Mm. verkiirzt, und zu- gleich durch Vorriicken des Auges um voile 5 Mm. verschmalert ist, und dass dafur der Schwanz des letzteren zur doppelten seiner originalen L&nge sich emporschwingt? Reichliche embryologische Abbildungen enthalt die An- thropogenie. Ein Theil derselben sind die wiederabgedruckten Holzstocke der Kolliker'schen Entwicklungsgeschichte. So- weit es sich aber um HackeTsche Originalien handelt, stehe ich nicht an zu behaupten, dass die Zeichnungen, theils hochst ungetreu, theils geradezu erfunden sind: Erfunden ist Fig. 42, Urkeim des Menschen, in Gestalt eiuer Schuhsohle, 40mal vergrb'ssert. Kein Beobachter hat bis jetzt dies Stadium gesehen, und zuversichtlich mochte ich nach dem bisher vorliegenden Material behaupten, dass es nicht so aussehen, und nicht die angegebenen Dimensionen besitzen kann.3) Erfunden sind ferner die 2 Figuren menschlicher Em- bryonen S. 272, bei welchen eine Allantois (beim Menschen bekanntlich nie in Blasenform sichtbar) als „ ansehnliches Blaschen" nicht allein abgebildet, sondern ausdriicklich be- schrieben wird. Erfunden ist die Mehrzahl von den Figuren der Embryonen- tafeln IV u. V, auf denen, um nur ein grobes Beispiel zu ci- tiren, Fisch- und Froschembryonen ebenso unbefangen eine Scheitelkriimmung des Gehirns zur Schau tragen, wie die Em- btyonen der Schildkrote, des Huhnes und der Saugethiere. Kaum kann da erwidert werden, man diirfe es mit den Das biogenetische Grundgesetz. 171 Bildern nicht so genau nehmen, iudem es sich mehr um sche- matische Figuren handle. Nicht weniger als 24 Figuren, je drei Stadien von 8 verschiedenen Geschopfen werden zusammen- gestellt niit der, in der Texterklarung ausdrttcklich hervor- gehobenen Absicht des Aehnlichkeitsbevveises. Auch ist bei Prof. Hack el weder Ungeubtheit im Zeichnen vorhanden, noch Unkenntniss der, zur Gewinnung genauer Contouren anwend- baren Methoden. Er selbst hat bei frttheren Specialarbeiten Zeichmingsprismen benutzt, und jedenfalls in Jena, dem Sitze vortrefflicher Optiker, nie der Gelegenheit entbehrt, solche Ap- parate kennen zu lernen und sich dieselben zu verschaifen. Es bleibt das Verfahren von Prof. Hack el ein leichtfer- tiges Spiel mit Thatsachen, gefahrlicher noch als das frtiher geriigte Spiel mit Worten. Letzteres fallt der Kritik jedes verstaudigen Denkers anheim, jenes vermag aber nur vom speciellen Fachmanne durchschaut zu werden, und es ist um so weniger zu verantworten, da Hack el sich wohl des Ein- flusses bewusst ist, den er auf weite Kreise auszutiben vermag. Ich selbst bin im Glauben aufgewachseu, dass unter alien Qnalificationeii eines Naturforschers Zuverlassigkeit und un- bedingte Achtung vor der thatsachlichen Wahrheit die ein- zige ist, welche nicht entbehrt werden kann. Auch heute noch bin ich der Ansicht, dass mit Wegfall dieser einen Quali- fication alle Ubrigen, und sollten sie noch so glanzend sein, erbleichen. Mogen daher Andere in Herrn Hackel den thiitigen und riicksichtslosen ParteifUhrer verehren, nach meinem Urtheil hat er durch die Art seiner Kampfftihrung selbst auf das Recht verzichtet, im Kreise ernsthafter Forscher als Eben- burtiger mitzuzahlen. Sollen wir zum M U 1 1 e r'schen Satze von der Zusammen- drangung des Entwicklungsganges der Art im Entwicklungs- gange des Individuums zuru'ckkehren , so ist jedenfalls unbe- streitbar, dass derselbe niemals wortlich verstanden werden dart', dass ihm indess ein gewisser Grad von Naherungswahr- heit zuzukommen pflegt, dessen thatsacbliche Bestimmung, falls iibcrhaupt moglich, in jedem besondern Falle Sache beson- derer Untersuchung sein muss. Das nachste Interesse ftir uns liegt in der, schon zu An- fang des Briefes formulirten Frage: in wie weit die phyloge- 172 Vierzehnter Brief. netische Geschichte einer Form zugleich als deren Erklarung gelten darf, und wie sich ihre eventuelle Erklarung verhalt zur physiologischen Erklarung? Priifen wir die Sache an einem speciellen Beispiele: Du hast mit einem sehr kurzsich- tigen Menschen zu thun, und stellst die Frage nach der Ur- sache seiner Kurzsichtigkeit. BEs ist nicht wunderbar, sagt Dir ein Bekannter des Betreffenden, dass A. kurzsichtig ist, denn sein Vater war es auch schon in hohem Grade. " „ Das hat Nichts zu sagen, meint ein zweiter, denn A.'s Bruder ist nicht kurzsichtig, allein A. war in seiner Jugend ein ausserst eifriger Leser " — „ Andere haben auch viel gelesen , spricht ein dritter, indess hat A. durcb viele Jahre ein sehr dunkles Schullokal besucht, und die mit ihm die Schule durchgemacht haben, zeichnen sich beinahe sammtlich durch ihre Kurzsich- tigkeit aus. u Endlich kommt als vierter der Augenarzt, und weist nach, dass der Augapfel von A. eine abnorme Lange besitzt, womit die Kurzsichtigkeit gentigend erklart sei. Welcher von den vier Erklarern hat nun Recht? Offen- bar hat der Augenarzt eine directe Erklarung des betreffenden Factums gegeben; denn eine abnorm verlangerte Augenaxe muss unter alien Umstanden zur Folge haben, dass die Bilder entfernter Objecte vor der Netzhaut entstehen. Die Kurzsichtig- keit ist eine unmittelbare und nothwendige Folge des abnorm verlangerten Auges. Das Factum des abnorm gebauten Auges ist aber selbst wiederum zu erklaren. Auf statistischem Wege ist nachgewiesen, dass Kurzsichtigkeit oft sich vererbt, es ist ferner auf gleichem Wege nachgewiesen, dass schlecht be- leuchtete Schullokale Kurzsichtigkeit erzeugen. Die genauere physiologische Analyse der letzteren Erfahrung ftihrt aber weiterhin zur Ueberzeugung, dass das Mittelglied dieser Ab- hangigkeit die iibertriebenen Accommodationsanstrengungen sind, und dass bei vielem Lesen oder bei feinen Arbeiten dieses selbe Mittelglied auch in Betracht kommt. Wir haben somit folgende Verknupfung: Die Kurzsichtigkeit ist unmittelbar erklart durch die abnorme Verlangerung der Augenaxe; die abnorme Verlangerung der Augenaxe kann 1) auf erb- licher Anlage beruhen, 2) kann sie durch iibertriebene Accom- modationsanstrengungen erworben sein, 3) kann eine erbliche Uumittelbare und mittelbare Erklarung. 173 Anlage gesteigert worden sein durch Ubertriebene Accommo- dationsanstrengungen ; die Ubertriebenen Accommodationsanstrengungen kb'nnen ihren Grund gehabt haben 1) in zu vielem Lesen, 2) im Lesen in dunkeln Lokalen, 3) in zu feinem Druck der gelesenen Schriften u. s. w. Hier sind also die zuletzt aufgezahlten Momente die nach- sten Bedingungen ftir die tibertriebenen Accommodationsan- strengungen, die mittelbaren fiir eine Verlangerung des Aug- apfels und noch mittelbarere ftir den Eintritt von Kurzsichtigkeit. \\7ihrend wir aber die Kurzsichtigkeit als directe Folge der abnorm langen Augenaxe erkennen, wahrend wir sogar eine numerisch constatirbare Proportionality zwischen der Ver- langerung der Augenaxe und dem Grade der Kurzsichtigkeit nachzuweisen vermogen, wird es im einzelnen Falle sehr sorg- fiiltiger Erhebungen bedtirfen, um abzuschatzen, wie viel von jener Abnormitat auf Rechnung der Erblichkeit, wie viel auf Rechnung der Ubertriebenen Anstrengungen, und ftir letzteren Antheil, wie viel wieder auf Rechnung der verschiedenen, mog- licherweise als entferntere Bedingungen mitwirkender Factoren zu setzen ist. Im besten Falle werden wir dabei nicht tiber ein, sehr unscharf ausdriickbares Abschatzungsresultat hinaus kommen. Geben wir der Sache einen allgemeineren Ausdruck : eine physiologische Eigenschaft (E) ist von einer anderen verander- lichen Eigenschaft (x) abhangig, sie ist, um den tiblichen tech- nischen Ausdruck zu brauchen, eine Function dieser letzteren, also: E = F (x}. Seien fiir eine Reihe von besonderen Fallen E und das jeweilen zugehorige x gegeben, so kannst Du daraus das Abhangig- keitsgesetz F bestimmen; oder sind Dir in einem besonderen Falle x und F bekannt, so ist auch E bestimmt. Ist E, anstatt von nur einem veranderlichen Werthe, von zweien, z. B. von x und ?/, oder von mehreren abhangig, hast Du also die Abhangigkeit: E = F (x, //) oder E = F (x, y, z ) so wirst Du aus einer Werthreihe von x und gleichzeitigen E weder F bestimmen, noch aus dem Abhangigkeitsgesetze F 174 Vierzehuter Brief. und aus x ein bestimmtes E erhalten, well hierbei stets noch die veranderliche Bedingung y vernachlassigt bleibt. Sind aber x und ?/ selbst wieder abhangig veranderliche Grossen, ist z. B. x eine Function von den Veranderlichen a, b, c u. s. w.7 y eine solche von den Veranderlichen a, ft, y u. s. w.? haben wir also: x = fp (a., b, c . . .) y = v (», A y • • •) so ist E = Fty (a, b, c . .\ ip (a, ft / . .)] d. h. es besteht zwar eine Abhangigkeit des Werthes E von a, b, c . . . a, p, y . ., allein diese Abhangigkeit ist eine mit- telbare, im Allgemeinen nicht in einen einfachen Ausdruck zu bringende, und jedenfalls umfassen die Werthauderungen von «? oder von b immer nur eine von den mehrfachen Be- dingungen zur Aenderung des Werthes E. Ich behaupte nun, die Korperform ist eine unmittelbare Folge des Keimwachsthums, und bei gegebener Anfangsform des Keimes aus dem Gesetze des Wachsthums abzuleiten. Mein Bestreben geht also 1 ) auf empirische Feststellung des Wachs- thumsgesetzes und 2) auf die Ableitung der sich folgenden Formen des entstehenden Korpers aus jenem Gesetz. Weiterhin ist aber das Keimwachsthum eine Folge der 'Eigenschaften des eben befruchteten Keimprotoplasmas. Diese sind eine Folge von den Eigenschaften der elterlichen Keim- stoffe und der Art ihres Zusammentreffens u. s. w. Wir be- kommen somit folgende Keihenfolge zu leistender Erklarungen : 1) Erklarung der Korperform aus dem Wachsthum des Keimes ; 2) Erklarung des Keimwachsthums aus den Eigenschaften des befruchteten Keimprotoplasmas und aus den Bedingun- gen seiner Entwickelung (Temperatur, Ernahrungsbedingungen u. s. w.). 3) Erklarung der Eigenschaften des befruchteten Keim- protoplasmas aus den Eigenschaften der elterlichen Keimstoffe und der besonderen Bedingungen ihres Zusammentreffens; 4) Erklarung der Eigenschaften der Keimstoffe aus dem Gange der elterlichen Korperentwickelung ; Phylogenetische Ableitung der Formen. 175 5) Erklarung der besonderen Bedingungen der Befruchtung aus den Lebensverhaltnissen der beiden Erzeuger und so fort. Erst mit Nr. 5 der obigen Kette beginnt das Gebiet der pbylogenetischen Erkliirung, und es erstreckt sich von da in periodiscber Wiederkebr ins Unermesslicbe nacb ruckwarts. Unterscheiden wir zwischen der allgemeinen Aufstellung eines Abhangigkeitsverhiiltriisses und zwischen der scharfen Priicisirung des Abhangigkeitsgesetzes, so werden wir im Grande bios die letztere als Erklarung bezeichnen dttrfen, und es er- giebt sich, dass das, einer wirklicben Erklarung zugangliche Gebiet ein ausnebmend beschranktes ist. In der ttberwiegenden Mebrzabl der Falle werden wir frob sein miissen, wenn sich uberhaupt das Abhangigkeitsverhaltniss unzweifelhaft consta- tiren lasst, oder wenn an der Hand der empirisch gewonne- nen Regeln die Moglichkeit bestimmter Verkniipfung annahernd aufstellbar ist. Schon die Aehnlicbkeit des Sohnes mit dem Vater lasst sicb im besonderen Falle nicbt durch ein empi- risches Vererbungsgesetz erklaren, weil in vielen Fallen die Aebnlicbkeit mit der Mutter, oder mit einem entfernten Ver- wandten da ist, und weil uns der Grund unbekannt ist, wes- balb die Gestalt des Erzeugten einmal so, ein anderesmal anders ausfallt. Wir kommen schon bier nicht liber die all- gemeine Erkenntniss des Abhangigkeitsverhaltnisses der einen Entwicklung von der andern binaus. Bedenken wir nun, dass dieselbe Scbwierigkeit von Glied zu Glied sich wiederholt, und dass scbliesslich die Abhangigkeit unserer Form von der Ent- wicklungsweise unserer Vorfahren nur eine sehr mittelbare sein kann, so ergiebt sich wenig Hoffnung auf dem Wege schritt- weiser Erklarung unsere heutige Form mit Htilfe frliher vor- bandener zu erklaren. Auf diese schrittweise Erklarung lasst sich die phylogenetische Formableitung auch gar nicht ein, sondern sie arbeitet mit Hiilfe von Principien, welche ihr er- lauben, zablreiche Stufen der Reihen mit einem Male zu tiber- springen. Das Princip von dem Kampf urns Dasein und dem Aus- sterben der im Kampfe untauglich sich erweisenden Geschopfe, sowie das Princip von der Variation in der Vererbung elterlicher Eigenschaften abstrahiren beide von einer Erklarung der Form- beziehungen zwischen Erzeugern und Erzeugten, sie nehmen die- selben als die empirisch gegebenen Elemente der Rechnung an. 176 Vierzehnter Brief. Es bedarf meiner Stimme nicht, um den Aufschwung zu schildern, welchen die organische Naturforschung durch die Einfiihrung der D a r w i n'schen Principien gewonnen hat, noch um die Grossartigkeit und die Menge der neuen Gesichtspunkte zu preisen, die wir denselben verdanken. Bei aller Dankbar- keit hierfiir und bei aller begeisterten Freude Mertiber \verden wir uns aber doch erinnern mtissen, dass 1) eine phylogene- tische Ableitung der Korperform die Erklarung der letzteren aus ihren nachsten Bedingungen, aus den durch die Beobach- tung festzustellenden Vorgangen im befruchteten Keime nicht entbehrlich macht, und, dass 2) eine, selbst luckenlos herge- stellte Reihe der Ascendenten nicht mehr als eine Verkniipfung der Formen unter sich giebt. Eine Reihe aufeinander folgen- der Formen ist nun einmal, das muss immer wieder betont werden, keine Erklarung, sie zeigt uns nur denWeg, den die Erklarung zu nehmen hat. Ftir die phylogenetischen Reihen wird sich der Nachweis, dass die Formen gerade in der an- gegebenen Weise auf einander folgen mussten, d. h. also die wirkliche Erklarung ihrer Succession mittelst der Darwin'- schen Principien wohl stets nur unter Zuhiilfenahme mehr oder minder willkuhrlicher Hulfshypothesen durchfuhren lassen. Fiinfzelmter Brief. Die Beziehungen embryonaler Formen zu einander ; die erste Entwicklung von Amphioxus und von Petromyzon verglichen mit derjenigen von Knochenfischen. Lieber Freund! Diesmal stellst Du mir die Forderung, ich moclite micb dariiber aussprechen, wie ich die Beziehungen embryonaler Formen zu einander auffasse, uud Du bemerkst mit Recbt, dass, falls tiberbaupt physiologiscbe und pbylogene- tiscbe Formbetracbtung sicb nicbt principiell ausscbliessen, sie aul diesem Boden einander begegnen, und sicb die Hand reicben miissen. Erweitern wir vorerst unsere thatsacblicbe Unterlage; im Anscbluss daran, wird uns die Verstandigung keine Mtibe machen, und zwar scblage icb Dir zuniichst vor, mit mir die erstc Kntwicklnng von Fischembryonen vergleichend durcb- zugebcn. Wir beginnen mit dem Ampbioxus, fUr den ich die be- kannte Arbeit von A. Kowalevsky aus den Memoiren der Petersburger Akademie (1867. Bd. XI) zu Grunde lege. Das Ei des Ampbioxus umscbliesst eine Protoplasmakugel, welcbe in ibrer Totalitat sicb furcbt. Scbon vom Stadium der Vier- tbeilung ab ist eine, zwiscben den Furcbungssegmenten frei bleibende Hohlung, die Furcbungsbohle bemerkbar, welche durcb alle nachfolgenden Stadien persistirt. Im Verlaufe von 4 — 5 Stunden wandelt sicb der Keim zu einer aus zablreichen Zellcn gebildeten Hoblkugel (A. Fig. 117) um. Dieselbe flacbt sich in der einen Halfte ab, das abgeflacbte Sttick sinkt ein (C), und binnen kurzem ist aus der Kugel eine zweiblattrige Schale geworden, deren eines Blatt (das auimale Blatt, oder His, Brief e. 12 178 Sechszehnter Brief. das Ectoderm neuerer Autoren) die convexe , das andere (das vegetative Blatt, oder Entoderm) die concave Flache der Schale bildet. Am Rande der Schale geken beide Blatter in einan- der tiber, und die frtther kuglige Furchungshohle ist zu einer schmalen, zwisclien denselben vorhandene Spalte reducirt (B). Easch wachst nunmehr der Umfang der Schale, und mehr und D Fig. 117. Entwicklung des Amphioxus lanceolatus nacli A. Kowalevsky, die Figuren sind auf die Halfte der Originalien reducirt, und ich habe sie, mit Ausnahme von E, so zu ein- ander orientirt, dass die gleichwertMgen Theile gleich gerichtet sind. Bei F weicht der grosseren Deutlichkeit halber die Schraffirung etwas vom Original ab. A. Das Ei ist eine aus Zellen gebildete einscbichtige Blase. C. Beginnende Einstulpung der Blase, ex. Ectoderm, en. Entoderm. B. Die eingestulpte Wandhalfte (das Entoderm i beruhrt die gegenuberstehende (das D. Die Oeffnung des secundar entstandenen Scbalenraumes bat sich erheblich verengt. E. Optischer Querschnitt durch den bereits verlangerten und an der Dorsalseite ab- geflachten Embryo, r. Ruckenwulste, n. Medullarrinne, a. animale, v. vegetative Muskelplatte, 1. Leibeshoble, d. Darmhohle. F. Embryo mit Medullarrohr (n), das nur vorn bei o. noch offen ist; ch. Ort der Chorda, u. Urwiibelartige Segmente, d Darm, a. After. G. Embryo mit leichter Krummung des Nervenrohrs ; n. Nervenrohr, cb.. Chorda, s. Sin- nesorgan, m. Mundoffnung, k. Kiemenspalte , h. Gefass, mehr nahert sich ihre Gestalt wiederum derjenigen einer voll- standigen Kugel. Der Zugang zum Schalenraume wird da- bei zusehends verengt, und persistirt schliesslich nur als eine kleine Oeffnung (D). Der also sich schliessende Schalenraum ist die Anlage der Darmhohle, die persistirende Oeffnung der After; aus dem spaltformigen Reste der Furchungshohle wird Die Beziehungen embryonaler Formen zu einander. .179 die Leibeshohle. Nach Wiedererreichung der Kugelgestalt wachst das Gebilde in dieLange; der mit der Oeffnung ver- se hene Pol wird zuni hinteren, der entgegengesetze zuin vor- deren Korperende. Gleichzeitig bildet sich aber auch die Scheidung einer oberen und einer unteren Flache des Keimes. Jene flacht sich namlich ab, und sinkt der Lange nach ein (E). Hire sich erhebenden Seitenrander, die sogen. RUckenwUlste, treten sich entgegen, und verwachsen mit einander in einer gestreckten Nath; es bildet sich so die rohrenlormige Anlage des Centralnervensystems (F). In diese gleiche Periode fallen die Bildung einer Chorda dorsalis, die Abspaltung einer ani- malen Muskelplatte vom Ectoderm, einer vegetativen vom Ento- derm, sowie die Langsgliederung der Muskulatur in urwirbel- nrtige Segmente. Leider sind gerade iiber diese wichtige Periode die bekannt gemachten Thatsachen sehr liickenhaft, und es fehlt besonders die geniigende Controlle mittelst Quer- schnitten. Die nachlblgende Zeit bringt die Bildung eines vorderen Sinnesorganes (Riecbgrube) , die asymmetrisch auf- tretende Bildung der Mundoffnung, die Bildung zweier am Kopf befindlicher Drtisen und diejenige der successive auftretenden Kiemenspalten. Sollte die Entwickelungsgeschichte des Amphioxus im Sinne mechanischer Formableitung vollstandig durchgenonimen werden, so bedtirfte es dazu selbstverstandlich neuer, mit RUck- siclit auf die betreffenden Fragen angestellter Beobachtungen und Messungen. Allein auch so, wie sie vorliegen, eroffnen die Mittheiluugen Kowalevsky's eine Reihe interessanter Gesichtsi>unkte, von welchen ich Dir nur die wichtigsten her- vorheben will. Ohne grosse Ueberlegung wirst Du einsehen, dass, wenn eine Kugel in zwei, in einander gestiilpte Halb- kngeln sich scheidet, die eine umschliessende Halbkugel gro's- sere Ausdehnung besitzen muss, als die umschlossene, und das Missverhaltniss muss sich steigern, je mehr die beiden Halb- kugeln wieder zu Ganzkugeln auswachsen. Finden wir in der Folge, dass der, aus der entodermatischen Halbkugel hervor- gegangene Primitivdarm nur einen Theil des Raumes ausftillt, welchen die Ectodermwand umschliesst, so besagt dies mit anderen Worten, dass das Flachenwaehsthurn der beiden Kugel- halften ein ungleiches war. 12* 1 80 . Fiiufzehnter Brief. Aus der Fig. 16 von Kowalevsky (D Fig. 117) ergiebt sich ferner, dass die Zellen des Ectoderms kleiner sind, als diejenigen des Entoderms, und dass erstere am kleinsten sind in der, zur Bildung des Nervenrohres dienenden Strecke. Dies besagt, dass der Theilungsprocess uud damit das Flachen- wachsthum in dieser Strecke am raschesten muss vor sich ge- gangen sein. 1st auch in friihester Zeit die Anlage des Nervenrohres etwas rascher gewachsen, als die umgebenden Theile, so erreicht sie doch keinen merklichen Vorsprung. Die Anlage der Chorda dorsalis tiberragt von Anfang an diejenige des Nervenrohres, und die iiberragende Strecke wird in der nachst- folgenden Zeit nicht kiirzer, sondern langer. Das Nervenrohr erreicht den vorderen Eipol niemals. Dieser Umstand, so wie das Fehlen einer festen Verwachsung zwischen den vorderen Enden des Nervenrohres, der Chorda und des Vorderdarmes sind der Grund, weshalb das vordere Hirnende hier nieht in gleicher Weise hakenformig sich umbiegt, wie bei alien tibrigen Wirbelthiereu. Leichte Andeutungen einer Bruckenkritmmung und einer Mittelwolbung treten in der Fig. 30 von Kowa- levsky (117. G.) hervor, so unbedeutend jedoch, dass icli nicht sicher bin , ob iiberhaupt der Zeiclmer diese Kriimmungen niit Absicht so wiedergegeben hat, oder ob es sich nur um Zufalligkeiten handelt. Bei anderen, als der bezeichneten Figur derselben Schrift kehren dieselben nicht wieder. Von einer Hakenkrummung zeigt kerne der vielen Abbildungen auch nur eine Spur. Mit dem Wegfallen von longitudinalen Kriim- mungen des Nervenrohres fallt beim Amphioxusenibryo jeg- liches Motiv einer Hirngliederung hinweg, niit dem Fehlen der Hakenkrummung dasjenige zur Abschnlirung der Augenblasen, mit dem Fehlen der Briickenkriimmung das Motiv zur Rauten- grubenbildung und zur Bildung eiuer, liinter dieser einsinkenden Gehorgrube.1) — Es tritt ferner am Amphioxusembryo weder eine vordere, noch eine hintere Querfalte auf, und dem ent- spricht der ganzliche Mangel von Extremitatenanlagen. Ueber die Grundbedingungen der asymmetrischen Mund- bildung, so wie der, in eigenthiinilicher Weise sich anlegenden Kiemenspalten erlaube ich mir aus dem vorliegenden Materiale keine Schliisse, ebenso wenig wie liber die Bildung der Chorda Die erste Entwicklung des Amphioxus und des Petromyzon. 181 mid der Muskelplatten. Dagegen mache ich Dich darauf auf- merksam, dass die Gliederung der Muskelplatten in urwirbel- artige Segmente hier denselben Bedingungen unterliegt, wie wir sie frit her beiin Htthncheu kennen gelernt haben. Der Zeit nach fallt sie zusammen mit der Hebung der Medullarplatte und mit einer dorsalwarts concaven Biegung der gesamniten Korperaxe (Fig. 21 bei Kowalevsky, oben 117, F). Wenn Du Dir die Mlthe nimmst, in ahnlicher Weise, wie ich es eben gethan, die zahlreich vorhandenen Besehreibungen und Abbildtingen wirbelloser Thiere durcbzugehen , so wirst Du auf mancherlei Anknltpfungspunkte itir die directe Ablei- tung der entstehenden Formen stossen. Es ist, um nur ein Beispiel anzufuhren, auch bei Anneliden und Arthropoden der Eintritt der Langsgliederung des Korpers stets mit einer Langs- krltmmung seiner Axe verknttpft. Eine reiche Ausbeute steht hier demjenigen bevor, der das bereit stehende Material mit Sachverstandniss wird zu ergreifen wissen. Meist liegen ja da die Yerhaltnisse viel einfacher, als bei den Wirbelthieren, und sie sind, was vor A Hem ins Gewicht fallt, der messenden Beobachtung viel zuganglicher. Schon bei den, nachst dem Amphioxus ain niedrigsten gewertheten Wirbelthieren, bei den Cyclostomen weicht die Ent- wicklung von jenem bedeutend ab. Es liegt ttber die Cyclo- stomenentwicklung eine vortreffliche Arbeit von Max Schultze (die Entwicklungsgeschichte vom Petromyzon Planeri. Haar- lem 1856) vor, aus der ich die naehfolgenden Angaben und Zeichnungen entlehne. Es schliessen sich die Anfangsstadien in alien wesentlichen Punkten sehr nahe an diejenigen an, die wir flir die Amphibien kennen, und, beilaufig gesagt, ist mir nicht recht Jdar, weshalb die Zoologen bis in die neueste Zeit den Anschluss der letzteren nicht bei jenen suchen. Die Fur- chung des Dotters von Petromyzon ist eine totale, und lauft ganz ahnlich ab, wie die oft beschriebene des Froscbdotters. Auf die zwei zuerst aufgetretenen Meridianfurchen folgt eine aquatoriale , und von da ab macht sich, in steigendem Maasse, der Gegensatz geltend zwischen einer oberen und unteren Halite des Eies. Erstere ist heller, und ihre Durchfurcbung schreitet weit rascher vor, als diejenige der unteren Halite. Die kleinzellige obere Eihalfte bildet die dtinnere Decke, die 182 Fiinfzehnter Brief. grosszellige untere Halfte den dicken Boden einer, im Innern des Eies befindlichen Hohle, der Furclmngshohle (Fig. 118. A u. B). Fig. 118. Entwickelung von Petromyzon Planeri nach Max Schultze. 2/3 Grosse der Originalien, sorait -2Ufach yergrossert. Mit Ausnaliine von G, H, K, L sind die Figuren gleich orientirt. Die Durchschnitte B, D, F habe ich soweit modificirt, als zum leichten An- schluss an A, C, E nothig war. Bedeutung der kleinen Buchstaben wie bei 117. A. Ei in Furchung. 38 Stunden, ungleiche Grosse der Zellen oben und unten B. Dasselbe im Durchschnitt zeigt die Furchungshohle. C. Zunehmende Umwachsung der unteren durch die obere Halfte. a. erste Andeutung des Rusconischen Afters. 5b Stunden. D. Dasselbe im Durchschnitt. E. 4 Tage alt, die untere Halfte ist ganz umwachsen, die obere hebt sich helmartig empor. F. Dasselbe im Durchschnitt. G. 5!/2 TaSe nact der Befruchtung, Ansicht von hinten. Die Ruckenwulste und der After sind sichtbar. H. 7Vz Tage, Kopfende. Gehirnanlage geschlossen, Vorspriinge der Augenblasen sichtbar. I. Durchschnitt von einem etwas spateren Stadium; Kopfende schon frei abgehoben. K. 12.— 13. Tag. Embryo, dem Ei aufliegend. L. Eben aus dem Ei gekrochenes Junges. In rascherem Wachsthum dehnt sich die obere Halfte aus, und tiberdeckt mit ihrem Rande die untere; schliesslich bleibt von dieser nur noch eine kleine Strecke frei (C u. D). Von einer Die erste Entwickelung des Amphioxus und des Petromyzon 183 Randstelle (dem Rusconischen After) ausgehend, bildet sich eine ins Ei sich erstreckende Spalte, als erste Anlage des Primitiv- darmes (E bis F). Nunmehr erheben sich als Langsfalten die zwei Riickenwillste (G). Im grosseren Theil ihrer Lange durch eine sell male Rhine getrennt, umkreisen sie mit ihrem vorderen Ende ein breites Feld, welches mit einer quergestellteu Falte nach vorn abschliesst. Durch Zusammentreten der Rticken- wiilste schliesst sich der von ihnen umsaumte Raum, es ent- steht so die Anlage des Gehirns mit den Augenblasen und diejenige des RUckenmarkes (H). Zusehends hebt sich von da ab der Kopftheil des Embryo als schmale Leiste aus der tibrigen Eifliiche enipor, Aehnliches gilt spater vom Schwanzende. Dann vollzieht sich, von vorn nach rtickwarts fortschrcitend, die Tren- nung des vorderen Korperendes von der tibrigen Eikugel (I, K). Der Embryo durchlauft in seiner Form retortenahnliche Stadien, mit immer langer werdendem Hals uud immer kleiner werden- dem Korper des retortenartigen Gebildes. Mit einem verdick- ten, den unverbrauchten Rest der unteren Eihalfte umfassenden hinteren Korperanhang versehen, verlasst endlich das junge Thier dasEi, um sein selbststandiges Leben zu beginnen (L). Ohne mich bei eingehenderen Betrachtungen aufzuhalten, constatire ich zunachst nur die, gegentiber dem oben bespro- chenen Amphioxus vorhandenen Besonderheiten in den Grund- ziigen der Entwickelung, und ich schliesse sofort eine sum- marische Betrachtung des Entwicklungsganges von Knochen- fischen an. Es liegt clariiber, theils aus frtiherer, theils aus neuester Zeit ein reiches, zum Theil sehr schatzbares, zum andern Theile aber auch sehr widerspruchsvolles literarisches Material vor. Da bier nicht der Ort zu literarischer Ausein- andersetzung ist, so halte ich mich, unbeschadet etwaiger Prio- ritatsrechte Anderer, an meine eigenen, seit Jahren gesammel- ten, bis dahin aber nicht im Zusammenhange veroffentlichten Beobachtungen liber Salmen- und Forellenentwickelung. Die, von einer dicken Eikapsel umgebene Ktigel des Salmen- und des Forelleneies besteht aus fltissigem klaren Dotter, aus einer denselben umspannenden , Kerne und Fett- tropfen ftihrenden Rindenschicht und aus der Keimscheibe. Letztere bildet eineu, verhaltnissmassig nur geringen Theil des gesammten Eiinhaltes. Sie liegt flach ausgebreitet der 184 Fiiufzehnter Brief. Rindenschicht auf, und endigt unbestimmt mit zugescharftem Rande. Nach Eintritt der Befruchtung zieht sie sich zusam- men zu einem compacten Klumpen, und nun beginnt die Durch- furchung auf deren nahere Beschreibung ich hier niclit ein- gehen werde. Das Eine hebe ich indess hervor, dass die untere und die obere Halfte des Keimes von Anfang ab durch ungleichen Fortgang des Processes sich unterscheiden. Die untere Halfte ist noch eine zusammenhangende Platte, wenn die obere bereits in 8 Felder zerkliiftet ist. Zu der Zeit ist auch zwischen den Segmenten der oberen Halfte einerseits •,-— Fig. 119. Lachskeim im Beginn des 6. Tage nach der Befruchtung, senkrecht durchschnit- ten. 4Cmal vergrossert. D. Deckschicht. G. Gewolbtheil. F. Fullungsmasse. Die unter dem Keira befindliche, rait runden Korpern verschiedener Grosse dnrchsetzte Schicht gehort zur Dctterrinde. Fig. 120. Lachskeim im Beginn des 7. Tages nach der Befruchtung senkrecht dnrchschnit- ten. 4(mal vergrossert. Bezeichnungen Avie hei 119. und der unteren Platte andererseits eine flache Hohle vor- handen. In den spateren Furchungsstadien verlieren sich sowohl die Hohle, als der starke Gegensatz verschieden grosser Zellen. Am 6. Tage etwa erscheint der Keim als ein flach ge- wolbter Kuchen mit gerundeter Peripherie (Fig. 119). Sein Durchmesser betragt zu der Zeit gegen 1,5 Mm., seine Dicke ca. 0,45 Mm. Der Durchmesser der Zellen schwankt um 25 p herum. Die Zellen, welche der Oberflache zugekehrt sind, sind etwas kleiner, als die iibrigen, und sie bilden eine dicht- getugte Schicht mit glatter ausserer Oberflache. Man hat die Schicht als Deckschicht bezeichnet. Die Deckschicht iiber- Die erste Entwicklung des Amphioxus und des Petromyzon. 185 schreitet den Aequator des Keimes, und endigt an seiner unteren Flache mit freiem Rande. Die von der Deckschicht umfassten Zellenmassen zeigen noch keinerlei Schichtenschei- dung, nur soviel ist zu erkennen, dass sie in den der Deck- schicht zugekehrten Abschnitten dichter sind , als in den tiefer liegenden. Leichterer Verstandigung halber wollen wir jene als Gewolbtheil, diese als F ill lungs masse des Keimes bezeichnen. Die Flillungsmasse ruht auf der unterliegenden Dotterrinde nur mit einzelnen Sttitzen auf, dazwischen bleiben kleine Lttcken frei. Rasch geht der Keim aus dieser Form in eine andere iiber, deren senkrechten Durchschnitt Fig. 120 wiedergiebt. Er flacht sich namlich stark ab und sein Durchmesser wachst nahezu um die Halfte (bis zu 2,2 Mm.). Wahrend bis dahin die Mitte der dickste Abschnitt der Keimscheibe war, ist nun- mehr die Mitte der Scheibe verdunnt, und sie verdtinnt sich in der Folge noch viel betrachtlicher. Dagegen ist der Scheibeu- rand dick, und wir werden ihn demgemass als Randwulst von der dtinnen Mittelscheibe unterscheiden. Letztere ist ist von der Dotterrinde durch eine flache Spalte, die Keim- hohle geschieden. Die Masse des Randwulstes ist ungleichmassig gruppirt: in dcm einen Theile seines Umfanges besitzt der Wulst viel bedeutendere Dicke und Breite als im anderen. Ferner ist im Randwulst, mit allerdings unscharfem Anfange, eine Schicht- trennung eingeleitet. Dieselbe pragt sich in der nachfolgen- den Zeit vollig scharf aus, ohne jedoch den iiussersten Rand zu erreichen. Die eine obere Keimschicht ist die Anlage des animalen, die untere die des vegetativen Blattes. Der centrale Saum der unteren Keimschicht verliert sich ohne bestimmte (iranze, theils am Boden der Keirnhohle, theils an der unte- ren Flache der Mittelscheibe. Ueber den Mechanismus, welcher der Keimscheibenum- wandlung zu Grunde liegt, giebt das Verhalten der Deckschicht ziemlich klaren Aufschluss. Dieselbe war, wie Fig. 1 1 9 zeigt, Anfangs zur Basis des Keimes herabgebogen, nun aber uach Ab- plattung des Keimes endigt sie (Fig. 1 20) frei am Rande der obe- ren Flache, d. h. sie hat sich mitsammt der anhaftenden Dotter- masse aufgebogen. Es tritt dabei folgende Umlagerung ein: 1 86 Funfzehnter Brief. Die obere Schicht des Randwulstes geht hervor aus der aquatorialen und subaquatorialen Zone des fruheren Gewolb- theiles. Die Kuppel des ursprunglichen Gewb'lbes wird zur verdunnten Mittelscheibe. Die untere (vegetative) Schicht des Randwulstes ist die zur Seite gezogene und auseinandergezerrte Fullungsmasse. Kleine Reste der letzteren erhalten sich noch in Zellen, die theils an der Decke, theils am Boden der Keim- hohle vorhanden sind. Untere und obere Schicht des Randwulstes stehen unter ungleichen mechanischen Bedingungen. Audi hier ist die obere Schicht die rascher wachsende, auf die untere aber wirkt ver- moge ihrer Randanheftung ein Zug, der sie, um einen kurzen Ausdruck zu brauchen, unter der oberen Keinischicht wegzieht. Als Folge dieser Verschiebung tritt die Spalte auf, welche die vegetative Schicht von der animalen trennt. Sie bekommt, wie andere Zerreissungsspalten, nur allmahlig scharfe Umgranzung. Den Grand fur die so rasch eintretende Abflachung des Keimgewolbes mochte ich in dem zunehmenden Wachsthum der aquatorialen und subaquatorialen Zone suchen, welche fiir das Gewolbe die Stelle des Widerlagers vertreten, und mit deren Ausweitung eine ahnliche Folge eintreten muss, wie beim Weichen der Widerlager eiues Steingewolbes. Nachdem der Keim die Gestalt einer flachen Scheibe mit dicker Randwulst und dtinner Mittelscheibe angenommen hat, beginnen die ersten Spuren einer geformten Embryonalanlage aufzutreten. An dem dicken Abschnitte des Randwulstes zeigt sich eine breite, gegen das Inn ere kleeblattformig vortretende Platte, deren oberflachliche Gestaltung Dir am besten aus Fig. 121 ersichtlich werden wird. Eine in drei Buchten aus- laufende Grube nimmt das Mittelfeld der Platte ein, und durch eine tiefe Langsrinne wird sie in zwei Halften geschieden. Die Bedeutung des Gebildes wird verstandlich, wenn man es mit den nachfolgenden Stufen vergleicht: Der Lachsembryo Fig. 121 ist vom Beginn des 12. Tages, der von Fig. 123 vom Beginn des 14. und der von 124 vom Beginn des 15. Tages. Dazwischen habe ich noch einen Forellenembryo Fig. 122, gleichfalls vom 12. Tage, als Verbindungsglied eingeschaltet. Figur 124 und schou 123 zeigen uns einen weit gegliederten Embryo, an welchem wir keine Mtihe haben, uns zurecht zu Die erste Entwicklung des Amphioxus und des Petromyzon. 187 finden: das Vorderhirn, die Augenblasen, letztere dem lang- gestreckten Mittelhirn seitlich anliegend, die breite Rauten- grube mit Hinterhirn und Nachhirn, die Gehorgrube, die Rticken- marksanlage und die Urwirbel sind vorhanden und sogar die Anlagen der 2 Brustflossen erkennbar. Die Zeiclmungen sind Fig. 121. Lachserabryo vom Beginn des 12. Tages. Fig. 122. Forellenembryo Tom 12. Tage. Fig. 123. Lachsembryo vom Beginn des 14. Tages. Fig. 124. Lachsembryo vom Beginn des 15. Tages. Fig. 125. Profilansicht von 123. Die Theile unter dem Strich sind nach Durchschnitten hinzu construirt. VergrSsserung 20. Die beiden ersten Figuren sind in der Reliefansicht bei Belenchtung von oben gezeichnet. Die Fig. 124 im durchfallenden Lichte. Fig. 123 ist ursprunglich auch im auffallenden Lichte gezeichnet , das Gehirn der ausseren Modellirung entsprechend eingetragen. Vh. Vorderhirn. Gh. Gehorgrube. Mli. Mittelhirn. Ur. Urwirbel. - lUi. Hinterhirn. Fl. Flossenanlage. Itautengrube. Kw. Randwulst. H. Nh. Nachhirn. Ag. Augenblase. Ek. Eandknospe. Ch. Chorda dorsalis. alle bei derselben 20maligen Vergrosserung mit dem Zeich- nungsprisma auigenommen, und ich habe sie so orieutirt, dass deren vorderer Rand in eine Gerade fallt. Es wird dadurch moglich, sie auf einander zu beziehen, und aus den spateren Stufen die Orientirung ftir die frtiheren zu gewinnen. 188 Funtzehnter Brief. Es ist oifenbar, dass die Anlage Fig. 121 nur diejenige des Kopfes ist; die breiten Seitenlappen sind die beiden Augen- blasenanlagen , die mit R bezeichnete hintere Quergrube die erste Andeutung der Rautengrube. Im Bereiche der, dem Ende einer Querfurche angefiigten Augenblasen ist, wie dies Median- schnitte ergeben, die Embryonalanlage ihrer gesammten Dicke nach, stark nach ab warts geknickt. — Die bei Figur 121 weit offene Grube hat sich bei Fig. 122 nahezu geschlossen und die beiden Augenblasen, anstatt fast rechtwinklig von der Ge- hirnanlage abzustehen, haben sich flach an diese angelegt. Noch bedeutender ist die Verschmalerung der Kopfanlage bei Fig. 123 u. 124. Dort klafft das Gehirnrohr an seinem vor- deren Ende, bei Fig. 124 ist es vollig geschlossen. Wenn nun aber die gesammte, bei Fig. 121 sichtbare Anlage nur Anlage des Kopfes ist, wo bleibt die Anlage des Rumples, da doch der Rumpf sehr rasch, und gleich in bestimmter Gliederung hinter dem Kopfe auftritt? Wenn etwa jene aus der Kopfanlage hervorge- sprosst sein sollte^ so wtirde dies jedenfalls eine Rapiditat des Wachs- thums voraussetzen , die vollig in Widerspruch ware mit Allem, was wir sonst auf numerischeni Wege liber den Ablauf dieses Pro- cesses erfahren. — Das Material zur Rumpfanlage ist im Rand- wulst aufgespeichert und es gelangt dadnrch an seinen Ort, dass jeweilen die, dem hinteren Ende des berelts abgeglieder- ten Embryo zunachst liegenden Strecken an diesen sich heran- schieben, und ihn nach riickwarts verlangern. Dabei liefern die ausseren dem convexen Saume naher liegenden Zellen des Wulstes die Axialgebilde , die des inneren, concaven Saumes gehen in die Seitentheile des Korpers liber. Am hinteren Ende der bereits geformten Embryonalanlage liegt ein kleiner ge- rundeter Vorsprung, die Randknospe, die wir uns eben durch die Zusammendrangang hinterer Randzellen gebildet zu denken haben. Fig. 126 veranschaulicht schematisch den Her- gang und die Pfeile bezeichnen dabei die Reihenfolge der, in Die erste Entwicklung des Amphioxus uud des Petromyson. 189 der Ricbtung von hinten nach vora auf einander folgenden gleichwerthigen Theile. Es geht die Anlage des Embryonalkorpers Hand in Hand mit einer Umwachsung des gesammten Dotters durch die Keim- scheibe. Diese debut sich, nacbdem sie sich einraal in der frtiher bescbriebenen Weise abgeflacbt bat, rascb aus, erreicht und liberschreitet mit ibrem Rand den Aequator der Kugel; schliesslich bleibt voni Randwulst nur nocb ein kleiner Ring tibrig, dessen Halften sich dann aucb noch verbinden. Es ist sonach die Uranlage des Korpers ein platter Ring, dessen Breite und Dicke an einer Stelle, dem zu- kiinftigen Kopfende, ein Maximum, am gegen- Uberliegenden , dem Schwanzende , ein Mi- nimum besitzt. Sue- cessiv legen sicb, in der Art, wie dies die Fig. 127—130 scbema- tiscb veranschaulichen, die zwei Seitenbalften des Ringes an einander und vereinigen sich als symmetrische Korper- Fig. 1-27-130. llJilftPIl Daboi hffliir- Schematische Zeichnungen urn die Umwachsung des Dot- BU> ters durch die Keimscueibe and das gleichzeiti|e Lingen- fpn Hn«; Knufoilflp und wachsthnra des Embryo darzustellen. Der unbedeckte **3iPn l Dotter ist schraffirt, der Embryo und der Randwulst dun- das iiusserste Schwanz- kel- der fibri«e Theil der Keimuaut hen. ende keiner Verwacb- sung, weil ib re Seiteubalften von Anfang an verbunden sind. Die in der spateren Medianebene des Korpers liegenden Ge- bilde bilden Anfangs die Peripherie der Scheibe, und bier, wie unter den vollig anderen Verhaltnissen beim HUbnchen sind langs der Axe aniniales und vegetatives Blatt nicht von ein- ander geschiedeu. In Fig. 13! babe icb, um Dir die Vorgange der Dotter- umwacbsung und der gleichzeitigen Korperbildung in ihreu gegenseitigen Beziehungen deutlich zu inachen, vier Entwick- lungsstadien des Lachsembryo mit den ricbtigen, lOfach ver- 190 Fiinfzehnter Brief. grb'sserten Maassen auf eine und dieselbe Kugel projicirt. Die doppelte tiber die Kugel weglaufende Contourlinie (1, 2, 3) bezeichnet jeweilen die der betreffenden Embryonallange ent- sprechende Ausdehnung des Kandwulstes. Die mechanische Analyse der Dotterumwacksung und der gleichzeitigen Bildung des Embryo bietet bedeutende Schwie- rigkeiten, mit deren Discussion ich Dich hier nicht behelligen will, weil sie ein Eingehen in detaillirte Betrachtungen ver- langen wlirde. Fig. 131. Lachsei lOnaal vergrossert. Der Embryo im Profil gesehen, der Eandwulst fur Tier verschicdene Entwicklungsstadien eingezeiclmet. Wirfst Du noch einmal einen Blick auf die eben betrach- teten drei Formen von Fischentwicklung, vergleichst Du sie unter einander, und mit der frliher betrachteten Entwicklung des Hiihnchens, so siehst Du, wie gerade einer der funda- mentalsten Entwicklungsvorgange , die Abgliederung des Em- bryonalleibes aus dem Ei in verschiedenster Art vor sich zu gehen vermag. Mit allem Aufwande Deiner Phantasie hattest Du bei einem Versuche, aus der Amphioxusentwicklung die- jenige des Petromyzon, oder des Salmens abzuleiten, sicherlich Schiffbruch gelitten; und jetzt, nachdem Dir jede dieser Ent- wicklungen ihrem allgemeinen Gange nach dargelegt ist, wirst Du doch kaum im Stande sein, ein allgemeines Schema der Die erste Entwicklung des Amphioxus und des Petromyzon. 191 Fisch- oder der Wirbelthierbildung zu entwerfen. Nicht ein- mal die Bildung der Chorda, oder diejenige des Medullar- rohrcs lassen sich zur Zeit unter gemeinsame Formel brin- gen. Nur wenige Zlige bleiben uns scbliesslich als allgemeinste ttbrig: die Ungleichheit im Wachsthum der verscbiedenen, den Keim zusammensetzenden Zellenmassen , die in Abhangigkeit hiervon erfolgende Scheidung der Schichten, die Verwen- dung der raseher wachsenden Scbichten zur Bildung des centralen Nervensystems und der ausseren Leibeswand, die der langsamer wachsenden zur Bildung des Primitivdarmes. 2) So, wie die Dinge jetzt stehen, drangt sich vor Allem die Frage auf, wie bei so verschiedenartigen Anfangen der Entwicklung die Aehnlichkeiten in der nachfolgenden Gliede- rung und in der bleibenden Organisation der sich entwickeln- den Geschopfe zu Stande kommen. Offenbar giebt die Aehn- lichkeit der Formen im Beginn ihres Werdens keinen unmittelbar anwendbaren Maassstab ftir die tieferen Uebereinstimmungen in den die Entwicklung bestimmenden Grundbedingungen. Ein solcher ist auf dem Wege rein raorphologischer Betrachtung und ohne Einftihrung physiologischer Gesichtpunkte Uberhaupt niclit zu finden. Sechszehnter Brief, Ueber die specifische Physiognomic jiingerer Embryonen. Lieber Freund! Du hast Dich wohl aus meinem letzten Brief e iiberzeugt, dass von einer Uebereinstimmung ID den friihesten Formen embryonaler Wesen jedenfalls nur cum grano sails gesprochen werden darf. Von einem Amphioxusstadium zum Beispiel bei einem Knochenfiscbembryo zu reden, wiirde geradezu lacherlicb klingen, denn das erste was uberhaupt am Knochenfischkeim von Formanlage hervortritt, sind die An- lagen des Gehirns und der Augen d. b. von Organen, die dem Ampbioxus zeitlebens fehlen. Aucb miissten wir, urn die Er- fabrurigen uberKnocbenfischentwicklung mit denen tiber den Am- pbioxusbau pbylogenetiscb zusammen zu reimen, „ Falschungen " der M ii 1 1 e r 'scben Regel annebmen, die selbst das auf diesem dehnbaren Boden erlaubte Maass weit iiberschreiten wtirden. Hatte icb Dir hier iiber pbylogenetische Untersuchungen zu bericbten, so wiirde icb micb daber aucb in Betreff der Fiscbe mit dem Gestandniss begniigen, dass mittelst der jetzt gtil- tigen Metboden das Ausseben der ,,Urfiscbe" nicbt feststell- bar sei. Diese Aufgabe liegt mir indess feni, und so verweile icb auch nicbt langer bei den Fiscben, sondern fiihre Dir beute ein paar Embryonen von hoberen Wirbeltbieren, des Hubnes und einiger Saugethiere vor, um daran zu untersucben, welcbe von deren ausserlichen Charakteren gemeinsam, welcbe bei verscbiedenen Embryonen verscbieden sind. Die zu betrach- tenden Embryonen sind sammtlich auf der Stufe bereits vor- handener, aber nocb unvollkommen gegliederter Extremitaten. Icb babe sie so, wie mir sie der Zufall zufuhrte, nur mit der Ueber die specifische Physiognomie jiingerer Embryonen. 193 RUcksicht gewiihlt, in<)glichst entsprechende Entwicklungsstufen zu haben. Die beitblgenden Zeichnungen aber sind sammt- lich mit Hillfe des Zeichnungsprismas aufgenommen, ihre Ver- grosserung eine Smalige. Fig. 132 zeigt Dir einen menschlichen Embryo, Fig. 133 emeu gleichgrossen Schweinsembryo in der Profilansicht. Letz- terer ist um etwas Weniges in der Entwickelung hinter ersterem zuriick, wenigstens was die Ausbildung der Extremitaten an- betrifft. Bei beiden Embryonen ist der Kopf in bekannter Weise stark vorn iibergebeugt, der Rticken im Bogen gekrtimmt, das Schwanzende vor der unteren Bauchflache emporsteigend. Am Kopfe erkennt man durch die aussere Bedeckung hindurch die Hauptabtheilungen des Gebirns; auch die starke Brticken- krtimmung macht sich ausserlich bemerkbar, sowie die da- hinter befindliche Geborblase. Zum Auge fiibrt vom Mund- nasenraume her eine noch offene Spalte (die Augennasenrinne). Zwischen sie und die, gleichfalls offen daliegende Riechgrube schiebt sich der dreieckig gestaltete seitliche Stirnfortsatz, da- hinter folgt der breite, bis zur queren Mundspalte reichende Oberkieferfortsatz. Hinter dem Munde liegt der Unterkiefer- fortsatz, an welchem beim menschlichen Embryo schon deut- lich ein Lippentheil sich absetzt. Nun folgen die Schlund- . spalten mit den dazwischen liegenden Schlundbogen. Sowohl am vorliegenden menschlichen, als am Schweinsembryo sind jederseits drei Spalten mit Sicherheit zu erkennen. Am Rumpfe heben sich Rticken- und Bauchtheil, oder liinterer und vorderer Theil ziemlich scharf von einander ab durch Vorhandensein einer Leiste, aus welcher die vordere uud die hintere Extremitat hervortreten (Wolff'sche Leiste). Am Rtickentheil macht sich die Gliederung der Urwirbel aus- serlich bemerkbar. Die stark gewolbte Bauchflache lasst zum Theil die Contouren von Herz und von Leber durchschimmern. Der Uebergang der Bauchwand in den Nabel liegt bei beiden Embryonen verhaltnissmassig weit unten. Soweit stimmen beide Embryonen in ihrem ausseren An- sehen wesentlich tiberein. Sehr erhebliche Unterschiede sind aber namhaft zu machen, sobald wir auf die relative Massen- vertheilung unser Augenmerk richten. Du siehst auf den ersten Blick, dass beim menschlichen Embryo die Entwicklung des His, Briefe. 13 194 Sechszehnter Brief. Kopfes eine sehr viel betrachtlichere 1st als beim Embryo des Schweines. Dort fallt auf den Kopf nahezu die Halfte des vom Korperumriss eingenommenen Flachenraumes, hier kaum viel mehr als ein Ftinftheil. Der Kopf selbst aber, und der vordere Halsabschnitt sind bei beiden sehr von einander ab- weichend. Denkst Du Dir die Augennasenrinne iiber das Auge hinaus bis zur gegenuberliegenden Contour verlangert, so fallt vor diese Linie beim menschlichen Embryo ein Sttick, Fig. 132. Menschlicher Embryo, Smal vergrossert. das nahezu die Halfte , beim Schweinsembryo ein solches, das etwas tiber ein Viertheil von der Gesammtkopfflache bildet. Somit besitzen beim menschlichen Embryo schon zu der Zeit das Gehirn iiberhaupt, und speciell das Vorderhirn einen sehr bedeutenden Entwicklungsvorsprung. Auf das Hemi- spharenhirn entfallen bei Fig. 132 etwa 4 DCm., d. h. gegen ein Viertheil der Gesammtkopfflache, beim Schwein nur etwa nur Q/75 DCm., d. h. nur etwa ein Zehntheil der Gesammtkopfflache. Die specifische Physiognomie jungerer Embrj'onen. 195 Umgekehrt als ftir das Gehirn stellt sich die Sache fiir die Anlage der Kiefer und der Schlundbogen. Wie plump er- scheint insbesondere der (bei der Anlage des aussern Ohres vorzugsweise betheiligte) zweite Schlundbogen des Schweins- embryo gegentiber demjenigen des Menschenembryo. Es be- darf beim Vergleich der beiden Figuren keines besonderen Scharfblickes, urn zu erkennen, dass die Bedingungen ftir eine Fig. 133. Embryo des Schweines, Srnal vergrossert. relativ machtigeEntwicklung des Gesichtsschadels beim Schwein sebr viel gtinstiger liegen, als beim Menschen, und Du wirst im Einzelnen auch beachten, wie beim Schweinsembryo die Umgebung der Nasengrube bereits zu einem selbststandigen RUssel sich empor zu heben beginnt. Was den Eumpf anbetrifft, so zeigt der Schweinsembryo eine auffallend starke Entwicklung des Bauchtheiles. Beim 13* 196 Sechszehnter Brief. menschlichen Embryo 1st besonders die Gliederung des Ruckens beinerkenswerth , die ich mit Sorgfalt copirt habe. Die ein- zelnen Segmente sind ungleich, und den spateren Grossenunter- schieden der GaDglien und Nervenstamme entsprechend, heben sich die unteren Hals- und oberen Rtickensegniente, sowie die Segmente der Lenden- und oberen Sakralparthie durch ihre Fig. 134. Embryo des Kehes, Smal vergrossert. bedeutendere Breite von den iibrigen ab. Dass der Schwanz- theil des Rumpfes auch beim menschlichen Embryo selbst- standig hervortritt, wirst Du zwar beachten, zugleich aber auch wahrnehmen, dass dieser Korperabschnitt von beschei- denen Dimensionen ist , und dass demnach seine spatere Ver- deckung durch das Wurzelgebiet der unteren Extremitaten keine Schwierigkeiten fiir das Verstandniss bietet. Die specitische Physiognomic jiingerer Embryonen. 197 In Fig. 134 siehst Du den Embryo eines Rehes bei der- selben 8maligen Vergrosserung. In alien zwischen dem mensch- lichen und dem Schweinsembryo hervorgehobenen Differenzen scbliesst sich der Rehembryo dem letzteren viel naber an, als dem ersteren. Obwohl der Kopi nicht mehr das bedeu- tende Missverhaltniss zeigt, wie beim Schwein, so bleibt er doch noch weit zurltck hinter dem menscblichen. Auch hier 1st das Vorderhirn verhaltnissnuissig klein, die Gesichtsanlage dagegen, einschliesslich des mittleren Stirnfortsatzes wohl aus- gepragt. Der Baucbtheil des Rumpfes ist, wie beim Schwein sehr bedeutend. Abgeseben von der weiter fortgeschrittenen Ausbildung des ausseren Ohres unterscheidet sich der Reh- embryo vor Allem in Betreff der Augenentwicklung sowohl vom menschlichen, als vom Schweinsembryo. Der Durch- messer des Auges ilbertrifft um mehr als doppelt den des Schweinsauges. Es wird dadurch, wie leichl ersichtlich, die Gestalt des Oberkief erfortsatzes mit beeinflusst ; der obere Ab- schnitt desselben wird entsprechend zurlickgedrangt. Viel naher als Schwein und als Reh kommt dem mensch- lichen Embryo in mancher Beziehung derjenige des Kanin- chens, Fig. 135. Bei ihm nimmt der Kopf nahezu 2/s vom Flachenraum des tibrigen Korpers ein, und auch das Verhalt- niss zwischen dem RUcken- und dem Bauchtheile des Rumpfes ist ein weit menschenahnlicheres. Vergleichen wir indess den Kopf des menschlichen mit dem Kopfe des Kaninchen- embryo, so ergeben sich noch Unterschiede genug. So ist bei letzterem der, das Mittelhirn umschliessende Scheiteltheil des Kopfes relativ viel machtiger, als bei jenem. Es ist ferner das Auge bedeutend grosser ; es tritt die Umgebung der Riech- grube in sehr viel selbststandigerer Weise hervor, so wie auch die aussere (aus der ersten Schlundspalte hervorgegangene) Ohroffnung weit und von einem vorspringenden Wulste um- geben ist. Es ist von Interesse, auch die Embryonen zweier sich iiaherstehender Thiere zu vergleichen, und aus dem Grunde ttige ich dem Kaninchenembryo einen gleich grossen Meer- schweinchenembryo bei, Fig. 136. Die beiden Formen stehen sich allerdings naher als irgend welche der oben betrachte- ten. Immerhin wird Dein aufmerksames Auge hier noch eine 198 Sechszehnter Brief. Reihe von Unterschieden wakrnekmen, wie die grossere Lange des Kopfes im Vergleich zu seiner Hoke, das starkere Vor- treten des Vorderhirns gegeniiber dem Mittelkirn, die noch massigere Entwickelung des ausseren Ohres u. A. m. Nehmen wir nun zu diesen paar Saugetkierembryonen den Embryo eines Huhnes, so treten uns an diesem neue und hb'chst charakteristiscke Eigentkumlickkeiten entgegen. Der Korper 1st schlanker als bei samnjtlichen , oben betrachteten Fig. 135. Embryo des Kaninchens (14 Tage p. foec.l Smal vergrossert. Embryonen, und wenn wir das Verkaltniss des Kopfes zum Korper nur im Allgemeinen betrachten , so steht der Htikner- embryo dem menschlichen fast gleick. Auch bei ikm nimmt der Kopf beinahe die Halfte der Gesammtflacke ein. Allein wie versckieden sind die beiden Kopfe! Beim Hukncken ein kleines Vorderkirn, ein grosses Mittelkirn und ein colossales Auge, dessen Durckmesser den des menscklicken um mekr, als das vierfacke iibersteigt. Denkst Du Dir die beiden Kugeln, das Mittelbirn und den Augapfel aus dem Kopf keraus ge- Die specifische Physiognomic jiingerer Embryonen. 199 schnitten, so bleibt Dir vora sowohl als hinten ein verbalt- nissmassig kleines Sttick, jedes nicht viel liber ein Sechstheil der Gesammtkopfflache betragend. In der geringen Entwicklung der Gesichtsaulage im Ver- gleich zur Gehirnanlage bleibt das Htihnchen sogar noch hinter dem menschlicben Embryo zurtick. Die Stirn- und Kiefer- fortsiitze, sowie die Schlundbogen sind, wenigstens fttr die Fig. 13C. Embryo des Meerschweinchens, Sroal vergrSssert. Profilansicbt, sebr unbedeutend, und wie beim menschlichen Embryo ist von einem ausseren Obre nur eine leichte An- deutung vorbanden. Bei Vergleicbungen , bei welcben es sicb, wie bei den eben angestellten, um Dimensionen bez. um Flachenraume und urn Massenvortbeilung bandelt, ist es wtinschbar, nicht bios mittelst Abschatzung, sondern an der Hand von Zahlen vor- 200 Sechszehnter Brief. zugehen. In Ermangelung correct ausgefiihrter Wagungen der Embryonen und ihrer einzelnen Korperabschnitte , theile ich Dir einige fur die oben mitgetheilten Zeichnungen ausge- fiihrte Flachenbestimmungen mit. Es wurden zu diesem Be- hufe die Figuren auf ein starkes, gleichmassiges Papier (wovon 100 DCm. 1*864 Grammes wogen) aufgezeichnet, ausgeschnit- ten, und aus dem Gewicht der ausgeschnittenen Figur der Flachenraum der Profilansicht im Ganzen, derjenige des Kopfes, sowie des Ruckentheiles und des von den Extremitaten un- rig. 137. Embryo eines Hubncbens (5 Tage bebrutet) Snlal vergrossert. bedeckten Bauchtheiles des Rumpfes berechnet. Die Granze des Kopfes zog ich von der Einknickungsstelle hinter der letzten Schlundspalte zum Scheitelpunkte des Nackenhockers ; der Nabelstrang wurde durchweg dicht am Bauche abgetrennt. Du siehst aus den Zahlen der vierten Columne wie nahe sich die fiinf betrachteten Saugethierembryonen hinsichtlich ihrer absoluten Maasse stehen. Das Huhnchen bleibt etwas dahinter zuruck. Sowohl in der einen , die absoluten Maasse, als in der anderen, die procentischen Antheile enthaltende Die specifische Physiognomic jiingerer Embryonen. 201 Flacheninhalt des Umrisses in Quadr.-Centimetern. Kopf. 1-2 ri jj j Unbedeckter Bauchth.il. Total. Kopf. iRackentheil des 1 1 Rampfes and 1 1 Extremitaten. | Unbedeckter Baachtheil. Mensch 17,86 16,47 2,52 36,85 4S,4°o 44,7 o/o 6,9 o/o Schwein Reh 10,68 14,86 15,77 12,82 <>,17 35,14 35,62 21,2 30,0 42,3 44,3 36,5 25,7 Meerschweinchen . . 14,59 18,35 4,56 37,50 38,9 48,9 12,2 Kaninchen .... 14,32 18,62 3,17 36,11 39,6 51,6 8,8 Hiihnchen .... 14,06 13,19 2,79 30,04 46,7 44,0 M Abtheilung der Tabelle tritt eine bestimmte Gruppirung der Saugethierembryonen hervor. Die Embryonen vom Reh und vom Schwein stehen einander naher, als denen der Nager und als dem menschlichen. Beim Schweins- wie beim Rehembryo wird der schwachere Kopfantheil durch den starkeren Bauch- theil compensirt. Die geringsten Schwankungen zeigt die Co- lumne, die die procentischen Zahlen des Riickentheils des Rumples umfasst. Es mb'gen die mitgetheilten Zeichnungen und Zahlen ge- ntigen, Dir einen Begriff davon zu geben, welcher Art die Ergebnisse sind, welche eine Vergleichung thierischer Em- bryonen in Aussicht stellt. Eine Identitat in der ausseren Form thierischer Embryonen, wie sie so vielfach behauptet worden ist, existirt nicht. Schon auf frtihen Entwicklungs- stufen besitzen die Embryonen ihre Klassen- und ihre Ord- nungscharactere, ja wie wir kaum zweifeln dtirfen auch ihre Art- und ihre Geschlechts -, selbst ihre individuellen Cha- ractere. Es handelt sich eben nur darum, diesen Characteren nachzugehen, sie unserem Auge, oder tlberhaupt unserer Er- kenntniss gelaufig zu machen. Wir stehen heute mit der Dif- ferenzialdiagnose der Embryonen ungefahr auf dem Stand- punkte eines einjahrigen Kindes, das alle vierbeinigen Thiere mit einem Collectivlaute bezeichnet, und, wenn wir erst den Fleiss und die Scharfe, welche seit Linne" auf den Ausbau des zoologischen Systemes verwendet worden sind, auf Cha- racterisirung von Embryonen werden verwendet haben, werden wir sicherlich an Fachern und Fachlein eine gentigende Zahl gefunden haben, um die zur Beobachtung kommenden For- 202 Sechszehnter Brief. men darin einzuordnen. Mit der blossen Beschreibung aller- dings werden wir, der Natur der Sache nach, nicht aus- reichen. Waage und Maassstab werden urn so mehr zu Htilfe genommen werden mussen, auf je fruhere Stadien wir zuriick- gehen. Welcher Art sind nun die Charactere, durch welche Em- bryonen von einander sick unterscheiden ? Es ist klar, dass wir Embryonen niemals durch Charactere unterscheiden werden, welche wie Gefieder, Behaarung, Bezahnung erst in spater Zeit sich bilden. Zur Unterscheidung von Embryonen mussen wir selbstverstandlich stets auf die embryonalen Charactere zuriick- gehen. Insofern aber die Embryonen einfachere Gestalt besitzen, als die ausgebildeten Thiere, wird auch bei jenen die Summe ausserlich wahrnehmbarer Charactere niehr und mehr abnehmen, und mit dem Wegfall des vielen, secundar entstandenen Bei- werkes wird sie immer mehr auf die durchgreifenden Funda- mentalverhaltnisse sich zuriickfuhren. , Waren die Embryonen derselben Klasse in der That iden- tisch, ware, wie uns dies so oft wiederholt worden ist, ein menschlicher Embryo nicht von einem Hunds- oder Rinds- embryo zu unterscheiden, so wtirde uns durch solch eine Er- fahrung ein geradezu unlosbares Problem gestellt. Es miisste namlieh in dem Falle erklart werden, wie in der absolut iden- tischen Anlage der Inhalt verschiedenster Vererbung konne enthalten sein, wie ferner von diesen absolut identischen Durchgangsformen aus die verschiedenen Entwicklungsgange konnten eingeschlagen werden. Beim Versuch , solch ein Pro- blem zu losen, wttrden wir schliesslich unsere Zuflucht bei transscendenten Vorstellungen nehmen mussen, wie sie bis dahin in der Physiologic keine Verwendung gefunden haben. Die Sachlage ist zum Gliick einfacher, und so wie die Dinge factisch stehen, handelt es sich nur darum zu consta- tiren, wie schon aus den Ungleichheiten in der Ausstattung der allerersten Formanlage die Verschiedenheiten spaterer Gestaltung sich ableiten lassen. Wo eine kleine Vorder- hirnanlage und grosse Kieferfortsatze vorhanden sind, da haben wir keine Mtihe, das spatere Hervorwachsen einer machtigen Schnauze zu verstehen. Wo sich Federn, wo sich Klauen, wo sich Zahne bilden, da wird schon in fruher Die specifische Physiognomic jiingerer Embryonen. 203 Zeit und lange ehe diese Theile inorphologisch ausgeschieden sind, durch Anhaufung des Materiales, durch entsprechende Dicke der Epithelialdecke die Bedingung zur BilduDg jener Theile gegeben, und bei sorgfaltiger Untersuchung auffind- bar sein. Verschiedenheiten im Aussehen verscbiedener Keime miissen vorhanden sein, von der ersten Zeit ab, da iiberbaupt die Gliederung des Keimes ihren Anfang nimmt. Scbon die ersten Falten und Rinnen des aus der Keimflache sich emporwb'l- benden Korpers bestimmen die allgemeine Bezirksabgranzung, und die ftir die Folge entscbeidende Massenzutbeilung an die besonderen organbildenden Bezirke. In frtihester Zeit scbon wird geschieden, was bei der animalen, was bei der vegeta- tiven Schicbt Verwendung finden soil, was zum Kopf, was zum Rumpf, was zur Anlage des Centralnervensystems, was zur Bildung der Korperdecke dienen wird. Es ist als ob auf einem zu bebauenden Grunde der Grundriss des zu errichten- den Gebaudes vorgezeichnet wUrde. Wie der erfahrene Bau- meister aus dem Grundriss die Besonderheiten des zu errich- tenden Baues herausliest, wo das unerfahrene Auge kaum eine Vorstellung von der Bedeutung der gezogenen Linien sich zu bilden vermag, so wird auch dereinst der erfahrene Embryo- loge im Stande sein, beim Hervortreten der ersten wahrnehm- baren Gliederung des Keimes zu erkennen, was aus dem sich entwickelnden Gebilde werden soil. Und fragen wir uns, welches in letzter Instanz das be- stimmende Moment ist fiir die Scheidung der organbildenden Keimbezirke, so kornmen wir wieder zurtick auf die Verthei- lung des Wachsthums im Keim. Menge und Form des an- fanglich gegebenen Keimmateriales und die ihm innenwohnende Wachsthumserregung bleiben schliesslich die allgemeinsten Be- dingungen ftir die specifische Gestaltung, die der Keim im Laufe seiner Entwicklung annimmt. Es sind diese letzten Betrachtungen auch ihrerseits ge- eignet, uns in eindringlicher Weise die gegenseitige Ab- hiingigkeit vor Augen zu halten, in welcher alle Entwicklungs- vorgange von einander stehen. Schon in einem der ersten Briefe babe ich bei Aufstellung des Princips der durchgreifen- den Granzmarken (S. 46 u. f.) Anlass genommen, Dich auf den 204 Sechszehnter Brief. nothwendigen inneren Zusammenhang scheinbar sehr verschie- denartige Entwickelungsvorgange hinzuweisen, und die darauf- folgenden speciellen Betrachtungen dilrften die damals gewon- nene Ueberzeugung in Dir noch mehr befestigt haben. Es mag Dir von Interesse sein, auch fiir spatere Ent- wickelungsphasen ein Beispiel vorkommender Abhangigkeiten zu betrachten, und ich wahle dazu das Beispiel der Sekna- belbildung beim Vogelembryo. Du kennst vom siebenten Briefe her (S. 89) die vordere Gesichtsansicht eines Hiihnchens von etwa 5tagiger Bebriitung. Mittlere und seitliche Stirnfort- satze, Oberkiefer- und Unter- kieferforts'atze , die Riechgruben und die grosse viereckige Mund- offnung sind Dir von damals her noch gelaufig. Zur Vergleichung setze ich der damals besproche- nen Figur eine gleiche Ansicht eines Kaninchengesichtes bei. Die beiden Figuren entsprechen in ihrer Entwickelung den Fi- guren 135 und 137. Dasselbe Uebergewicht der Augapfel, das wir schon bei der Profilansicht des Huhnchens kennen gelernt hatten, tritt auch in dessen Vor- deransicht hervor, und bedingt einen Hauptunterschied vom dar- unter stehenden Saugethierge- sicht. Der Einfluss der grossen Augapfel macht sich an alien, Fig. 139. Kopf eines Kaninchens (14 Tage Jn Jnrer Um^ebunfi; bcfindlichen p. foec.). cmal vergrossert. Theilen bemerkbar. Der seit- liche Stirnfortsatz und der Oberkieferfortsatz sind zu schmalen, an ihren Randern sich aufwulstenden Streifen zusammenge- drangt, und auch in der Form des Unterkiefers, sowie in der starken Herabziehung der Mundwinkel tritt bereits deutlich Fig. 138 (80). Kopf eines Huhnchens nach 5t&g. Betrfitung. ?>mal vergrossert. Die specifische Physiognomic jiingerer Embryonen. 205 der Einfluss einer seitlichen Compression zu Tage; dagegen 1st der, den oberen Mundrand bildende niittlere Stirnfortsatz nocli ein breiter viereckiger Lappen. Von einem Schnabel 1st, wie auch aus Fig. 137 hervorgeht, noch in keiner Weise zu reden. Schon nach einem Tage jedoch ist ein wohlangelegter, spitz vortretender Schnabel vorhanden. Der untere Abschnitt desselben ist aus dem Unterkieferfortsatz , der obere aus dem Fig. 140. Kopf eines Huhncliens nach Gtagiger Bebrutung. 8mal vergrdssert. mittleren Stirnfortsatze , und an der Wurzel aus den beiden seitlichen hervorgegangen , und zwar auf einfachstem Wege, durch Zusammendrangung und winklige Vortreibung in der Mittelebene. Der quere Abstand der beiden Riechgruben, welcher bei Fig. 138 13 Mm. betragt, ist bei dem weit gros- seren Kopf von Fig. 140 auf 9 Mm. heruntergegangen ; die schon in Fig. 138 sichtbaren, gewulsteten Innenrander der beiden Gruben sind sich bei Fig. 140 in der Mittelebene bis beinahe zur Bertihrung entgegengertickt. Dagegen betragt die Hohe des mittleren Stirnfortsatzes hier fast das Doppelte von dort (17 gegen 10 Mm.), und wo er dort mit einer breiten Querlinie abschloss, geht er hier in eine vortretende Spitze aus. 206 Sechszehnter Brief. Dass der .Grund von dieser Zusammendrangung der mittleren Gesichtstheile in den colossalen Augen zu suchen sei, zeigt der Blick auf jede der beiden Figuren unmittelbar, und wir kommen somit zum Ergebniss, dass die Entwicklung des VogelschnabelseinedirecteFolgeistvon der mac h- tigen Entwicklung der Vogelaugen. Wir haben im obigen Beispiel einen Fall, in welchem von zwei, physiologisch in gar keiner erkennbaren Beziehung stehenden Theilen der eine in directer Abhangigkeit vom an- dern sich formt. Bedenken wir nun, wie das grosse Auge in Betreff der Innervation andere Anspriiche erhebt, als ein kleines, wie damit zugleich an das Gehirn bestimmte Ent- wicklungsanforderungen gestellt sind, wie ferner die Bildung der Augenanlage bestimmte Ausbildung der Hirnkriimmungen voraussetzt, und wie mit diesen wiederum die Gesammtgliede- rung des Gehims zusammenhangt ; bedenken wir dann weiterhin die physiologischen Anforderungen, welche das Vorhandensein eines Schnabels von gegebener Lange und Form in Betreff der Ernahrungsweise stellt, Bedingungen, die ihrerseits die Existenz gegebener Instincte und gleichzeitig ganz bestimmter Einrichtungen der inneren Organe voraussetzen: so bekommen wir eine schwache Vorstellung von der verwickelten Verkettung functioneller und morphologischer Beziehungen, und von dem Gemenge von Abhangigkeiten, welche bei einer eingehenderen Erklarung beriicksichtigt zu werden verlangen. Der gesetz- liche Zusammenhang aller, der Korperentwicklung zu Grunde liegenden Vorgange ist ein Princip, mit welchem in Zukunft auch die Descendenzlehre in noch ganz anderem Maasse wird zu rechnen haben, als dies bis dahin geschehen ist. So lange man sich bei phylogenetischen Untersuchungen damit be- gniigt, unabhangige Specialgeschichten fur einzelne Organe oder Organtheile zu entwerfen, hat man die zu leistende Auf- gabe in einem, sicherlich nur hochst beschrankten Abschnitt ihrer wirklichen Breite erfasst; denn jede einzelne Organent- wickelung ist immer wieder nur eine abhangige Theilerschei- nung eines grossen, nach alien Richtungen sich verkettenden Gesammtprocesses. Siebzehnter Brief. Beziehungen zwischen Descendenzprincip und Wachslhumsprincip. Schlusswort. Lieber Freund ! Wenn die in den beiden vorigen Briefen iiber embryonale Formen mitgetheilten Thatsachen und An- schauungen nicht unerheblich von dem abweichen, was uns yon eifrigen Vorkampfern der dermaligen Descendenzlehre pflegt vorgetragen zu werden, so stehen sie doch in keiner Weise in Widerspruch mit dem Descendenzprincipe selbst. Machen wir uns noch einmal klar, welches die Ergebnisse der phy- siologischen Formbetrachtung sind, und wie sich die Forder- ungen des Descendenzprincipes dazu stellen: An Wachsthum ist, wie wir sahen, die gesammte Ent- wickelung des aus dem Keim hervorgehenden Organismus gekniipft, an ungleich vertheiltes Wachsthums die erste Schich- tenscheidung und die nachfolgende, zumeist durch Faltenbildung eingeleitete Abgliederung seiner Primitivorgane. Ob die zuerst auftretenden Formen so oder anders aussehen, stets ist, soweit bis jetzt erkennbar, die scheidende Grundursache dieselbe. An einer weichen, in Zellen zerklUfteten Masse scheidet sich der rascher wachsende Theil von dem, im Wachsthum zurtick- bleibenden. Die in ihm vorhandenen Differenzen des Wachs- thums setzen zwischen seinen Theilen neue Spannungen, denen gemiiss er sich faltet, und in einzelne StUcke gliedert, so lange, bis die aus der Zertheilung hervorgegangenen StUcke zu vor- laufigen Gleichge\vichtsformen und Gleichgewichtsstellungen ge- langt sind. Die absolute und relative Ausdehnung der also von einander abgegliederten Organbezirke , ihre gegenseitige Lagerung und die, einem jeden derselben innewohnende Wachsthumserregung sind auf dieser Entwickelungsstufe das, 208 Siebzehnter Brief. was nach Ordnung, Geschlecht und Art wechselt, und was der, formell noch unscheinbaren Anlage ihr specifisches Ge- prage verleiht. Auf noch fruheren Entwickelungsstufen im allerersten Beginne verbleiben die Unterschiede in der Menge und in der Anfangsform der Keimmasse, diejenigen der, ibr inne- wohnenden Wacbstbumserregung und die Unterscbiede der, dem Keim gesetzten besonderen Entwickelungsbedingungen, (seine Beziehungen zu accessoriscben Eibestandtbeilen: Eihulle, Nebendotter oder Nahrungsdotter , mutterlicbem Organismus u. s. w.). Dass selbst die ausserlich hervortretenden Unter- schiede dieser friihesten Stufen nicht verscbwindend sind, das zeigt Dirjeder Vergleich verschiedener Thiereier, der Vergleich der grossen Kugel des Batrachiereies mit der minimalen des Saugethiereies , oder dieser mit der flachen, einem flussigen Nebendotter aufgesetzten Scbeibe des Knochenfisch- und des Vogeleies. Unverstandlich musste es uns iiberhaupt erscheinen, dass aus so differenten Entwicklungsanfangen so ahnlich ge- gliederte Embryonen hervorgehen, zeigte nicht die genauere Beobachtung, dass trotz aller Anfangsdifferenzen die sich ent- sprechenden Formgliederungen des Keimes jeweilen nur ein- treten , wenn die Dimensionen des sich gliedernden Materiales annahernd dieselben sind. Aehnliche Formen bilden sich aus ahnlichem Materiale erst dann, wenn das sich formende Material auch in Betreff der abso- luten Dimensionen ahnliche Bedingungen darbie- tet. Von der grossen Masse des Froscheies konimt ein Theil vorweg als Vorrath bei Seite, und nimmt an der Gliederung keinen activen Antheil; das kleine Ei der Saugethiere aber wachst auf Kosten der Mutter so lange als Kugel fort , bis es die zur Gliederung erforderlichen Dimensionen erreicht hat. Im Salmen- und Forellenei treten die ersten Spuren eines sich abgliedernden Embryos auf, wenn die Keimscheibe einen Durchmesser von 2V-2 — 3 Mm. besitzt, desgleichen im Hechtei. Die Keimscheibe des Huhnchens misst zu der Zeit 4 — 6 Mm., ihr Fruchthof 2 — 21/-> Mm. Beim Hunde ist nach Bischoff der Fruchthof zur Zeit der Embryonalbildung 2V2 Mm. lang, 2 Mm. breit (s. Fig. 32 u. 33, Taf. VI s. Abhandlung), beim Frosch misst die Lange der eben sich abgliedernden Medullar- platte 2,3 Mm. Beziehungen zwischen Descendenzprincip und Wachsthumsprincip. 209 Die Breite der Embryoualanlage in der Augenblasengegend vor eingetretenem Schluss bestimme ich: beim Lachs 1,25 Mm. „ Frosch 1,3 „ „ Hiihnchen 1,0 „ n. B i s c h o f f s (Fig. 34 c) „ Hunde 0,9 „ Die Breite des schoii abgegliederten, mit Urwirbeln soeben versehenen Rtickens: beim Hecht 0,45 Mm. „ Lachs 0,4 „ „ Frosch 0,4 „ „ Htihnchen 0,5 „ nach Bischoff s Abb. „ Hunde 0,4 „ Die Lange des Gehirns vom vorderen Ende bis zur Rauten- grubenmitte nach erfolgtem Hirnschluss: beim Lachs 0,9 Mm. „ Frosch 1,0 „ „ Htihnchen 1,1 „ nach Bis ch off s Abb. „ Hunde 1,0 „ Der Abstand zwischen den vorderen Randern zweier Ur- wirbel in der ersten Zeit ihrer Entstehung: beim Lachs 0,06 Mm. „ Frosch 0,12 „ „ HUhnchen 0,1 „ uach Bischoff s Abb. „ Hunde 0,14 „ Die Dicke der Medullarplatte im Vorderhirnabschnitte zur Zeit des Hirnschlusses : beim Htihnchen gegen 0,05 Mm. „ Frosch „ 0,15 „ „ Lachs „ 0,15 „ Im vorderen Rttckenmarkstheile : beim Htihnchen 0,035 Mm. „ Frosch gegen 0,1 „ „ Lachs „ 0,075 „ Die bemerkenswerthe Uebereinstimmung obiger Zahlen entspricht, wie Du siehst, dem eben aufgestellten mechanischen Postulate. Denn auch die Voraussetzung ist ja als eine in der Erfahrung begrtindete anzunehmen, dass dem in Zellen zer- kliifteten Keimmateriale hinsichtlich seiner Cohesions- und Ela- Hig, Brief e. 14 210 Siebzehuter Brk-f. sticitatsverhaltnisse bestimmte, nicht allzubreite Granzen ge- steckt sind. Indem nun durch das ungleich vertheilte Wachsthum die Spannungen im Bereiche der Keimscheibe stetig zunehmen, miissen sie bei den sonst ahnlichen Bedingungen auch inner- halb ahnlicher Werthgranzen ahnliche Faltungen und Abglie- derungen erzeugen. Die Ableitung aber der Besonderheiten entstehender Formen aus den innerbalb der gesteckten Werth- granzen auftretenden Schwankungen bleibt ein Gegenstand der weiteren Forschung. In der ganzen Reihe von Formen, welche ein sich ent- wiekelnder Organismus durchlauft, ist jede vorangegangene Form die nothwendige Vorstufe der nachfolgenden. Soil der sich entwickelnde Organismus zu complicirten Endformen gelangen, so muss er schrittweise die einfachen durcblaufen haben. Das vollkommen gegliederte Gehirn und Ritckenmark setzen das un- vollkommen gegliederte Medullarrohr als Vorbedingung voraus, das Medullarrohr die Medullarplatte , diese das Vorhandensein eines sich faltenden Keimblattes, das Keimblatt einen sich durch- furchenden Keim. Eine jede, aus der Reihe der iibrigen heraus- gegriffene Entwickelungsstufe ist ebensowohl die physiologische Folge der vorangegangenen , als sie die nothwendigen Be- dingungen zur nachstfolgenden umfasst. Sprunge oder «Ab- kitrzungen " des Entwickelungsganges kennt die physiologische Entwickelungsgeschichte nicht. Haltst Du Dir diesen Gedanken gegenwartig, dass embryo- nale Formen die unvermeidliche Vorbedingung der reifen For- men sind, weil diese als complicirtere durch jene, als die ein- facheren niussen hindurchgegangen sein, so erscheint Dir die Thatsache, dass palaontologisch alte Formen vielfach den* heutigen embryonalen ahnlich sind, in einer etwas anderen, als der gewohnlich beanspruchten Verknupfung. Jene sind em- bryonale, weil sie auf unteren Stufen der Entwicklung stehen geblieben sind, diese mussten die unteren Stufen iiberschrei- ten, um zu den oberen zu kommen. Keineswegs aber liegt fur die Spateren die Nothigung des Durchgangs durch embryo- nale Formen darin, dass ihre Vorfahren einrnal darauf sich befunden baben. Nimm, falls Dir der Gedankengang in der abstracten Darstellung noch nicht klar genug erscheinen sollte, statt irgend welcher Formeigeuthiimlichkeiten die Lebensdauer Beziehungen zwischen Descendenz- und Wachathumsprinip. 211 als concretes Beispiel. Setze voraus, es hatte flir irgend eine bestimmte Reihe von Geschopfen im Laufe der Generationen eine statige Zunahme der Lebensdauer stattgefunden. Es seien Vori'ahren dagewesen von einjahriger, dann zweijahriger u. s. w. Lebensdauer und die heutigen Nachkommen batten eine solche von 80 Jahren zu beanspruchen. Sicherlicb wird es Dir in dem Falle nicht einfallen, zu sagen , der SOjahrige Nachkomme babe successive 1, 2, 3 u. s. w. Jahre alt werden mttssen, weil er Vorfabren von nur 1, 2, Sjahriger Lebendauer besessen babe, sondern Du wirst Dir einfach sagen, dass man nicht So Jahre alt werden kann, ohne einmal ein- und zweijahrig gewesen zu sein. Du kannst das eben gebrauchte Beispiel sofort noch er- weitern. Denke Dir, es hatte in der ganzen Generationsreihe bei iibrigens gleichen Anfangen, die Periode des Korperwachs- thums stets ein Viertheil der Gesammtlebensdauer betragen. Unter dieser Voraussetzung hat der alteste Vorfahre sein Wachs- thura schon in einem Vierteljahre vollendet, ein Folgender hatte ein halbes Jahr Zeit dazu u. s. w. Der heutige Descendent kann sich wiihrend 20 Jahren fortbilden. Dem entsprechend wird der letztere absolut grossere Dimensionen erreichen, er wird weit complicirtere , reicher gegliederte Formen besitzen, als seine ersten Vorfahren. Jene erscheinen daher in ihrer Form als (lessen embryonale Vorstufen. Sobald also das Descendenzprincip richtig ist, dass altere einfachere Formen die Vori'ahren der spateren complicirteren gewesen sind , ist auch die Aehnlichkeit jener mit den embryo- nalen von diesen erklart, ohne dass es der Hinzunahme irgend welcher Vererbungsgesetze bedarf. Jene Aehnlichkeit zwischen alten cinfacheu und heutigen embryonalen Formen wtirde selbst dann verstandlich bleiben, wenn keine Verwandtschal't vor- handen ware. Die stufenweise Weiterentwickelung thierischer Formen im Laufe der sich folgenden Generationen kann theil- weise als Folge zunehmender Wachsthumsdauer aufgefasst wer- den. Dabei sind natiirlicherweise sehr verschiedene Modali- taten denkbar: es kann das Nervenwachsthum in anderem Maassstabe, als das Muskelwachsthum, dieses wieder in ande- rem, als das Epithelialwachsthum sich verandert haben, und fur jedes der besonderen zeitlichen Wachsthumsgefalle ist ein u* 212 Siebzehnter Brief. unendlich reicber Variationsspielraum gegeben. In welcher Weise durch die Zunanme des zeitlichen Wachsthums die Dif- ferenzirung ahnlich anfangender Formen beeinflusst wird, das bedarf kaum der Auseinandersetzung. Zwei durch ahnliche Anfange bindurcbgegangene Formen mtissen selbstverstandlich um so mehr divergiren, je langer liberbaupt ibre Entwicklung andauert. Organismen, fUr welcbe die Anfangsform des Keimes und die raumliche Anfangsvertheilung des Wacbstbums eine ahn- liche gewesen ist, erfabren dieselbe typische Gliederung, und werden vermoge dieser als zusammengehorig erkennbar sein, selbst dann, wenn das zeitlicbe Wacbstbum in Grosse und in ausserer Erscbeinung sebr erbeblicbe Differenzen zur Ausbildung gebracbt bat. — Es konnen sicb nun aber bei den Descendenten gemeinsamer Vorfahren allmahlicb auch die Anfangsform des Keimes und die raumlicbe Anfangsvertheilung des Wacbstbums verandert baben. Im Einzelnen vermogen wir uns z. B. zu denken, dass die Differenzen zwiscben Maxima und Minima der Wachstbumsgescbwindigkeit zugenoinmen , dass die Zonen maximalen Wacbstbums sicb ausgebreitet haben und was der- gleicben Falle mehr sind. Durch solcbe Aenderungeii der Wacbstbumsgesetze sind daun aber auch die Grundbedingungen fur die Blatter- und die Organabgliederung andere geworden. Wenn Du meiner fruheren Darstellung von der Mechanik der ersten Form bil dung aufmerksam gefolgt bist, so bast Du ein- gesehen, dass gerade die anfanglicbe Anordnung der raurn- lichen Wachstbumsgef alle , das primare Wachstbum, wie wir es S. 127 nannten, den typiscben Bauplan der Organisation bestimmt. Dann wirst Du auch verstehen, wie deren Aende- rung im Laufe der Generationen zu Aenderungeii jenes Bau- planes ilibren und den Ueberg^ngen aus einem Typus in einen anderen zu Grunde liegen musste. Besassen wir die ideale Klarheit jenes von Laplace gedachten Geistes, dem der Weltprocess in einer matbema- tiscben Formel vorliegt, dann wttrden uns auch die Wachs- thumsformeln organiscber Wesen nach ihrem letzten Ausdrucke bekannt sein, und wir vermocbten sie nach ihrer Form, und innerbalb jeder Form nach dem Werth ihrer constanten Glieder in Reihen zu ordnen. Den bochsten uberhaupt denkbaren An- Beziehungeu zwischen Descendenz- und Wacbsthumsprincip. 213 forderungen an die Systematik ware damit Gentige geleistet. Wttrden wir alsdann die Formeln nach ihrer phylogenetischen Succession zusammenstellen , dann wtirden auch diese Reihen fortlaufende Aenderungen der Coefficienten neben steigender Complication der Formeln aufweisen, und aus den dabei zu Tage tretenden Gesetzen mtisste wohl ohne Weiteres erkennbar sein, ob die im Laufe der Generationen erfolgten Umbildungen ihren Grund im Wesen der Entwickelung selbst gehabt haben, oder ob sie ausschliesslich aus Anpassungen an aussere Lebens- verhaltnisse hervorgegangen sind. Die physiologische Ableitung der thierischen Korperformen und die Aufsuchung ihrer phylogenetischen Geschichte sind zwei Aufgaben, deren Wege fUr die nachste Zeit getrennt neben einander herlaufen. Die rauheren Pfade allerdings fal- len zunachst dem physiologischen Formenstudium zu. Aber, wenn ihre Verfolgung eine energische Concentration der Kraft und ein Verzichtleisten auf haufiges Schwelgen in grossen Ueberblicken verlangt, so gewahrt sie daflir den unschatzbaren VTortheil einer steten Ftihlung mit den exacten Grundlagen unserer Naturkenntniss, und sie verheisst Demjenigen, der sich ihr mit Ausdauer und mit Umsicht hingiebt, jene Scharfe der Anschauung und jene Sicherheit des Urtheiles, die das Merk- mal und zugleich der Lohn jeder strengen Methode sind. Soweit die an das Descendenzprincip sich anlehnende phylogenetische Forschung in den Granzen sich halt, innerhalb deren auch sie an der Hand zuverlassiger Methoden fortzu- schreiten vermag, ist ein Conflict mit physiologischer Forschung kauin jemals zu beftirchten. Allein neben dieser soliden phylogenetischen Forschung erhebt sich jenes naturphiloso- phische, auf dem Descendenzprincip errichtete System, wel- ches in so zahlreichen Darstellungen dem wissenschaftlichen wie dem nichtwissenschaftlichen Publikum vorliegt. In geschlos- sener Form tritt es uns entgegen und als abgerundetes, einer Erweiterung nicht bedtirftiges Ganzes. In dieses System brechen die Forderungen einer phy- siologischen Formenlehre mit ihren neuen, weiten Zielen an mehr denn an einer Stelle ein, und storen dessen wohlgepflegte Ordnung. Seien wir indess auch tiber diesen Punkt offen! Machtig hat die Descendenztheorie eingegriffen in unser ge- 214 Siebzehnter Brief. sammtes Wissen und Denken von der organischen Natur. Unser Geist 1st befreit worden von Schranken, die ihn durch Jahr- hunderte behemmt batten, unser Gesichtskreis auf das umfang- lichste erweitert, unsere Einsicbt in der Zusamnienhang der Dinge erbeblicb vermebrt. Aber sind wir denn wirklicb soweit, dass wir daran gehen konnen, liickenlos durcbgefiihrte Systeme organischer Naturbetracbtung aufzustellen? Sind mit Anerken- nung des Descendenzprincipes und der zu seiner Stiitze herbei- gezogenen Satze wirklicb alle jene Probleme fur uns durcbsichtig geworden, an deren Losung unsere wissenscbaftlicben Vorfahren gearbeitet haben? Der Dogmatismus liegt, wie die Gescbicbte der Wissen- schaften zur Geniige zeigt, aufs tiefste im Wesen inenschlicher Natur begrundet. Wissenscbaft und Leben baben indess wenig Gutes von ihm erfahren, und anzukampfen gegen den Zug des Alles-wissen und des Alles-erklaren-wollens bat gerade der Naturforscher besonderen Beruf. „ Naturschulmeister " pflegte unser unvergesslicber Lehrer Scbb'nbein Diejenigen zu nennen, welche mit einigen doctrinaren Satzen alle Probleme der Natur vermeinen gelost zu haben. In der Tbat hat ja die Schule das didaktische Bedurfniss, dass alles von ihr Dargestellte glatt und in wTiderspruchsloser Weise sicb aneinander reiht, dass alle Liicken iiberdeckt, alle Unebenheiten geglattet werden. Erreicht wird das Ziel durch sorgfaltige Auswabl des Stoffes und durch Einfuhrung einer gewissen Anzahl von Wb'rtern, die elastisch genug sind, uni sich in der allervielfaltigsten Weise ver- wenden zu lassen. Der Klang bleibt derselbe, der Sinn wech- selt, oder fehlt, je nacb Bedarf. In der Weise hat auch die dogmatische Descendenzschule ein Worterbuch angelegt, iiber dessen Vorrath sie in freiester Weise waltet. Anpassung, Homologie, Ruckschlag, abgekurzte Vererbung sind solche Bezeichnungen, die stets in einer dem Schulbedurfniss an- gepassten Weise verwerthbar sind. Und in der Gewohnung an solch unzuverlassiges Rustzeug liegt rneines Erachtens die Gefahr, welche jiingere Forscher bedroht, wenn sie riickhalts- los phylogenetischen Speculationen sich hingeben. Der stetige Umgang mit Begriffen , welche ihrer Natur nach einer pracisen Fassung sich entziehen, und deren Anwendung auf den eiu- zelnen Fall eine wissenschaftliche Controlle von vornherein Schlusswort. 215 ausschliesst, wirkt notbwendig abstumpfend auf den kritischen Sinn und muss auf die Dauer wissenscbaftlicbe Zustande un- gesunder Art erzeugen. Das Ausarbeiten glatter Scbuldarstellungen ist des Forscbers bocbste Aufgabe nicht, und wer mit Ernst und mit strenger Wabrheitflliebe an den Problemen der organiscben Natur sicb versucht bat, der wird gar bald der Resignation bewusst wer- den, die er in Aussicbt auf deren Losung sicb auferlegen muss. Es ist ein schweres , dem seiner Natur getreu bleibenden For- scber auferlegtes Gestandniss, dass die letzten Ziele, ftir deren Verfolgung er seine gauze Kraft einsetzt, bier, wie auf alien Gebieten der Forscbung, in um so entlegenere Feme rticken, je weiter er auf dem in ihrer Ricbtung fdbrenden Wege voran- scbreitet. In der kraftigenden Arbeit selbst, im Bewusstsein sicberen Voranscbreitens und in den reicben, am Wege ihn erwartenden Friicbten findet er den vollen Ersatz ftir alle ge- iibte Entsaguug. Bemerkungen. Die erste Halfte der obigen Briefe reproducirt in abgekiirzter Form die wesentlichsten Ergebnisse einer grosseren Monographie, welche ich vor 7 Jahren herausgegeben habe (Untersuchungen iiber die erste Anlage des Wirbelthierleibes. Die erste Entwicklung des Huhnchens im Ei. Leipzig 1868.). In Betreff aller weiteren Einzelnheiten, sowie zahlreicher bildlichen Belege muss hier auf jene Schrift verwiesen werden. Erster Brief. S. 1. Bei Fig. 1, 2, 5, 6, 9, 10, 14 und 15 sind die Con- touren mittelst des Zeichnungsprismas nach der Natur (urspriing- lich bei genau 40facher Vergrosserung) aufgenommen. Die korper- liche Schraffirung der Oberflache ist nach den Wachsmodellen ausgefiihrt, welche ich seiner Zeit unter der technischen Beihiilfe von Dr. A. Ziegler in Freiburg i/B. entworfen hatte, und die durch letzteren in den Handel gebracht sind. Es waren zu dem Zwecke durch die Embryonen fortlaufende Durchschnittsreihen ge- fiihrt, und sammtlich bei derselben 40maligen Vergrosserung ge- zeichnet worden. Der Flachenriss, in Verbindung mit den Durch- schnitten, erlaubte eine vergrosserte, moglichst genaue Reproduction der korperlichen Form. Zweiter Brief. S. 19. Hier sind unter Organen nicht nur die bleibenden verstanden , sondern auch die verganglichen, das Amnion, die Al- lantois, die Urnieren u. s. w. S. 21. Dem Zwecke der Schrift entsprechend bin ich mit technischen Ausdriicken so sparsam als moglich umgegangen, habe auch manche der in meinem monographischen Werke vorgeschlage- nen Bezeichnungen vermieden? oder durch einfachere ersetzt. Das was hier Kieferleisten genannt wird, sind die Parietalleisten meiner Monographie. Dritter Brief. S. 36. Zur Synonymik der Schichten lasse ich hier eine kleine Tabelle folgen. Die parablastischen Bestandtheile sind durch Cureivschrift hervorgehoben. Bemerkungen. 217 l if 1 1 3 s 1 ^ "o5 a 3 1 1 0 1- A a vegetative Kei 218 Bemerkungen. Remak's Sensorielles Blatt, identisch mit obigem robe- r e n G r a n z b 1 a 1 1 ", zerf allt in die Medullarplatte und das Horn- blatt. Von Erfahrungen am Batrachierkeime ausgehend, trennt Strieker das sensorielle Blatt Remak's in ein oberflachliches Hornblatt und ein tiefer liegendes Nervenblatt. Remak's mitt- leres Keimblatt zerfallt in die Chorda dorsalis, die Urwirbelplatten, die Seitenplatten und den Urnierengang. Remak's Blatterschei- dung war bis vor Kurzem am meisten adoptirt, neuerdings liaben ver- gleichende Anatomen, auf Kowalevsky's Arbeit fussend sich, gleieh mir, der alteren v. Baer'schen Blatterscheidung genahert. S. 38. 2) Dieser Satz wiirde unhaltbar sein, sollte es sich herausstellen , dass, wie die Stricker'sche Schule dies behauptet, das mittlere Keimblatt Remak's einschliesslich der Muskelanlageu aus eingewanderten Zellen bestande. Die Grundlagen dieser Be- liauptung sind indess unhaltbar, wie ich an einem anderen Orte nachgewiesen habe. (Untersuchnngen iiber das Ei und die Eient- wicklung bei Knochenfischen. Leipzig 1873. S. 39 u. f.) Die Erfahrungen Kowalevsky's iiber die Blatterscheidung bei Arnphioxus sprechen entschieden fiir die primare Gruppirung 1 -f- 2, 3 -}- 4. In Betreff der Chorda zeigt der Amphioxus die bemerkenswerthe Erscheinung einer secundaren Entstehung des- selben, ohne vorausgegangenen Axenstrang. S. 43. s) Weitere Ausfiihrungen hieriiber s. in meiner Entw. des Hiilmchens S. 38 u. f. S. 43. 4) Neuere Erfahrungen hieriiber gedenke ich an an- derem Orte mitzutheilen. Vierter Brief. S. 48. Betreffend die Elasticitat der Keimscheibe sagt E. Hack el: «Der Versuch, die Keimscheibe (welche nicht ela- stisch ist!) als elastische Platte aufzufassen, der Versuch u. s. w. erscheinen nur einer humoristischen Beleuchtung, keiner ernsthaften Widerlegung fahig. " E. Hackel, Kalk- schwamme. Berlin 1872. I. S. 472. Aehnliche Aeusserungen finden sich in Annals and Magazine of natural history 1873. Bd. XL p. 260. Funfter Brief. S. 60. !) Unter den von der Mechanik behandelten einfachen Fallen kommt der Fall eines senkrecht belasteten biegsamen Stabes, bei welchem die Last ausserhalb der verlangerten Axe angreift, dem unsrigen am nachsten. Die wirksame Kraft wird in dem Fall zerlegt in eine, in der Verlangerung der Axe wirkende zusammendriickende Kraft 7 und in ein, die Biegung bewirkendes Kraftepaar. Ein solcher Stab wird sich biegen, und bei einer Bemerkungen. 219 seine Tragkraft tiberschreitenden Belastung brechen. Die Theile des Stabes (oder der Platte), welche an der concaven Seite liegen, stehen miter alien Umstanden unter positivem Drucke, die an der convexen Seite liegenden dagegen sind bei geringen Biegungs- graden gleichfalls noch gedrtickt, bei hoheren kann der Druck in Zerrung ilbergehen, d. h. negativ werden. DieGranze des Ueber- ganges hangt von den besonderen Bedingungen ab (von den Di- mensionen des Stabes, vom Ort und von der Grosse der Last u. s. w.). Sechster Brief. S. 69. !)Gegen meine Darstellung derMuskelplattengliederung am Kopfe hat sich neuerdings G o e 1 1 e (Arch. f. mikr. Anat. Bd. X. S. 190) ausgesprochen und sie in etwas gereizter Sprache fiir eine kiinstliclie Erfindung erklart. Die Grundlagen sind indess, wie mir scheint, nicht wohl anzufechten. Tliatsache ist: 1) das Vorhaudensein einer starken unteren Muskelplatte am Hinterkopf und die Verbiudung derselben mit der oberen Platte durcli ein gemeinsames medianes Stiick (Fig. 52 — 57, S. 70), 2) das Hervorgehen des Herzens und der Pharynxmusculatur aus dicser unteren Platte, 3) der quergestreifte Charakter dieser letzteren Musculatur, 4) die Anlegung der unteren animalen Muskelplatte an die obere im Halstheile des Embryo (Fig. 58 S. 71 und Fig. 64 S. 75). Es kann also nur discussionsfahig bleiben: 1) die Frage, ob die Anlegung der unteren animalen Platte an die obere die Bedeutung einer primaren oder einer secundaren Yerbindung habe; 2) ob die vegetative Muskelplatte als die unmittelbare Fort- setzung der unteren animalen aufzufassen sei, oder ob sie, wie ich dies angegeben habe, als besondere Bildung unter der letzte- ren auftrete. Ftir die Discussion dariiber ist bier nicht der Ort. S. 69. 2) Ueber das Zurtickweichen des Herzens und der Eingeweide s. meine Entwicklung des Hiihnchens S. 149 u. f. S. 73. 3) S. ebendaselbst S. 141. S. 79. 4) Auf Quersclmitten erscheint, wie dies auch Fig. 70 zeigt, die Milz als eine kleine, nach links gerichtete Leiste des Gekroses , sie fallt beim Hiihnchen in die Holie des unteren Hals- und oberen Rtickentheils des Leibes. Siebenter Brief. S. 92. ') Ftir das zeitliche Zusammentreffen der Kopfkrtim- mung mit der Ueberwachsung des Vorderkopfes (lurch das Amnion vergl. man Bischoff, Entwicklung des Kanincheneies Taf. XIII Fig. 55—58, Derselbe, Entwicklung des Hundeeies Taf. VII Fig. 36 und 37. Coste, De"veloppement des etres organises (der 15 220 Bemerkungen. — IStagige menschliche Embryo hat ein vom Kopf abstehendes Amnion und keine Kopfkriimmung, beim 20 — 25tagigen spannt sich das Amnion knapp iiber den Embryo weg und die Kopf- kriimmung ist vorhanden); bei Clark, Entwicklung der Schild- krote in Agassiz Contributions II. Taf. XII Fig. 6, 9 und 10 ist der Kopf bei soeben im Gange befindlicher Kriimmung vom Amnion gleichfalls knapp umschlossen. Achter Brief. S. 98. l) Vergl. Bischoff, Entwickelung des Kaninchen- eies Fig. 52 u. f. ; Entwicklung des Hundeeies Fig. 33 — 35. S. 102. -) Mit der hier gegebenen entwickelungsgeschicht- lichen Darstellung erledigt sich von selbst die durch M i c 1 u c h o - Mi clay versuchte Umdeutung der Theile des Fisclihirns. Wenn die Rautengrube bei den Darstellungen des 8. und 9. Briefes als offen bezeichnet und der Hergang ihrer Bildung mit der Knickung eines geschlitzten Rohres verglichen wird, so ist dies insofern ungenau, als ja eine stark verdiinnte Decke vor- handen ist. Man darf von ihr bei der mechanischen Erorterung ebenso wohl abstrahiren, als man es in den herkommlichen Hirn- beschreibungen bei der anatomischen thut. Schon bei Tied emann findet sich die Aeusserung, dass im Bereiche der Rautengrube das Hirnrohr aufreisst und seine Ran- der auseinander treibt. Einige der in dem 8. und 9. Briefe enthaltenen Gesichts- punkte hatte ich vor einigen Jahren in einem kleinen Aufsatz in den Verhandlungen der Easier naturfoschenden Gesellschaft 5. Bd. besprochen: nUeber die Gliederung des Gehirns. " 1869. Ueber die Gestaltung der Hemispharen habe ich zwar seiner Zeit in der- selben Gesellschaft vorgetragen, aber in deren Verhandlung nichts publicirt. Obwohl schon von verschiedener Seite her die Correspondenz gewisser Furchen mit inneren Vorsprtingen (Fiss. Hippocampi, F. calcarina, F. collateralis) anerkannt worden ist, ist doch der wich- tige Gegensatz zwischen den, primar auftretenden Totalfalten und den, secundar auftretenden Rindenfalten nirgends scharf hervor- gehoben worden. Neunter Brief. S. 105. !) Vergl. Kowalevsky Taf. II Fig. 30, s. oben S. 178 Fig. 117. S. 112. 2) g. F. Schmidt, Entwicklung des Gehirns in der Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie. Bd. XL S. 43. S. 115. 3) Huguenin, Allg. Pathol. der Krankheiten des Nervensystems. I. Zurich 1873. H. giebt als Urheber der von ihm copirten Zeichnungen irrthiimlicher Weise Gratiolet an, anstatt Leu ret. Beinerkungen. 221 Zehnter Brief. S. 123. *) Wenn im Gauge des Wachsthumsgesetzes zu irgend einer Zeit grossere Spriinge vorkommen, so muss sich dies selbstverstandlich kund geben durch die plotzliche und aus der Reihe heraustretende Entwickelung gewisser Organe oder Organ- thoile. Im Bereich des Nervensystemes und des Muskelsystemes 1st nichts Derartiges wahrzunehmen, eher wiirde sicb die Entwick- tung einzelner Driisen hieher ziehen lassen. So bieten speciell die Sexualdrtisen das Beispiel einer, aus der Reihe tretenden ra- piden Entwicklung. Bei Beurtheilung dieses Verhaltnisses ist aber ein Punkt ins Auge zu fassen, von dem wir in den allerersten Eiitwicklungsphasen abseben diirfen; es ist dies der Factor der ausseren Bedingungen. Speciell von den Sexualorganen wissen wir, dass deren Entwicklung von der reichlicben Materialzufuhr, sei dies in Folge gunstiger Ernahrungsverhaltnisse liberhaupt , sei es in Folge uacblassender Gefassmuskelcontractionen in innigster Abhangigkeit stebt. Wie haben bier, wie im ruhenden Samenkorn, einen Wacbstlmmsantrieb, der nicht zur Aeusserung kommt, weil eine von den Grundbedingungen des Wachsthums, der aufzuneh- mende Stoff feblt. In almlicher Weise wtirden vielleicbt aucb die im Thierreicbe so verbreiteten periodiscben Aenderung von Haar- kleid und Gefieder oder die sog. Mauserungen ihren Scbltissel finden. S. 126. 2) In Cuvier, Anat. comp. ist das Verhaltniss des Thunfischbirns zum Korper sogar = jr— • oder rund = 3 Hundert- tausciulstel angegeben. Laut Brehm steigt das Gewicht eines Thunfisches bis auf 15 ja bis auf 18 Ctr. Ftir 15 Ctr. ergibt obige Proportion ein Hirngewicht von 22V2 Grammes. S. 128. 3) Hieruber vergleicbe man ausser His, Haute und Hoblen des Korpers. Programm. Basel 1865, aucb meine Entwicklung des Hiibncbens. S. 200 u. f. Der Gedanke, dass die Gelenke durch die Muskeln geschliffen werden, ist von dem verdienstvollen , zur Ausfiihrung seiner Gedanken leider zu frtihe verstorbenen L. Fick zuerst ausgesprochen worden. Mtiller's Archiv 1859. S. 657. Elfter Brief. S. 137. l) Ueber Maupertuis' Ideen, betreffend die Art- bildung, vergleiche dessen Venus physique 1746 und seine Lettres. Dresden 1752. Einige der hauptsachlichsten Satze von Ma up er- tuis habe ich im Archiv ftlr Anthropologie abgedruckt. Bd. IV. 355; vergl. aucli daselbst Bd. V. 84. Needham streift wiederholt an die richtige Faasung des Begriffes vom Keim. rSi la plus petite partie d'un polype, on d'une etoile de mer, suffit pour nous donner 1'etre organique entier, 222 Bemerkungen. je dirai pour m'exprimer philosophiquement selon mes principes, que cette partie n'est pas 1'etre lui-meme en miniature, mais qu'elle est le germe de 1'etre, on une tres-petite portion dans un etat de simple vegetation vitale et specifique , qui doit pousser et produire toutes les parties necessaires pour completter le corps entier. u (Notes des nouvelles reclierches. p. 194.) Hauptgegner von Needham war der, als Beobachter ihm weit iiberlegene Spallanzani, bekanntlich gleichfalls ein Geist- licher und lebhafter Vertreter der Evolutionslehre. Ihm gegen- liber betont Needham ausdriicklich, dass er die Epigenese fur religioser halte als jede andere Theorie. (1. c. 148). So theilt uns Needham u. A. auch mit, wie er sich die ErschafFuiig der Eva denkt, namlich durch einen rascheu Knos- pungsproeess. nLes nouveaux germes et leur developpement vien- nent ensuite de ces memes corps primitifs par la nutrition et la prolongation des parties, de maniere que le corps de la premiere femme ne se forma par de la terre comnie celui de son mari, mais proceda de lui pendant son sommeil par une vegetation ac- celeree et nourrie de sa substance. II s'en detacha dans un etat de perfection, comme font les jeunes polypes et les autres corps organises du meme genre." Was Needham seiner Urkraft alles zumuthete , davon kann man sich aus dem nachfolgenden Satze eine Vorstellung machen. '„ Cette exaltation graduee , cette activite progressive dont la matiere est donee, principe de toutes les metamorphoses physiques, on chymiques, qui vegete dans les plantes; qui compose et vitalise les corps organises ; qui s'irrite dans leurs membres, qui constitue leurs idiosyncrases; qui donne naissance aux differens phenomenes microscopiques dont nous avons parle ; qui vivifie la semence ani- male et vegetale, qui diversifie toutes les secretions, qui fixe le nombre des especes par des analogies secretes; qui s'exalte dans les vivipares et les serpens venimeux; qui se dissipe en parti- cules contagieuses ; qui en agissant sur Tame par des impressions sensibles, Texcite a penser et lui en fournit la matiere ; qui separe les elemens, les uns d'avec les autres dans une echelle exactement graduee et variee a chaque pas etc. " In soldi einem Medium ist allerdings kaum der Ort zu suchen fur die Entwicklung eines an und fur sich guten Grundgedankens. S. 139. 2) Klebs, Ueber Cretinismus. Archiv f. experimen- telle Pathologic. Bd. II. S. 426. ZwiHfter Brief. S. 1 49. !) Nach den Fourier'schen Reihen fur die Zusammen- setzung einfacher Schwingungen, die ja durch Helmholtz auch in der neueren physiologischen Akustik eine so hervorragende Bedeutung gewonnen haben. Bemerkungen. 223 Dreizelmter Brief. S. 158. ]) Ueber die Erblichkeit erworbener Eigenschaften vergleiche man die Erz'ahlungen bei Darwin, das Variiren. Ueber- setzt von Cams. 1866. II. 31 u. fv sowie bei Hackel, Schopfungs- geschichte. 5. Anfl. 192. nMan (Uber den Gebrauch dieses Wort- leins s. Fiirst Bismarck's Schreiben an den Grafen v. Arnim) hat schwanzlose Hunderassen dadurch gezogen, dass man mehrere (JriKTationen liindnrch beiden Geschlechtern des Hundes consequent den Srhwanz abschnitt. Noch vor ein paar Jahren kam hier auf einem Gute der Fall vor, dass beim unvorsichtigen Zuschlagen eines Stallthores einem Zuchtstier der Schwanz an der Wurzel abgeklemmt wurde, und die von diesem Stier erzeiigten Kalber wurden sammtlich schwanzlos geboren. " Wer beglaubigt solche Anecdoten? und \venn sie zu beglaubigten Thatsachen erhoben wiirden, waren sie damit schon genligend zum gewollten Schlusse? Vierzehnter Brief. 8. 167. >) Fr. MUller, Ftir Darwin. Leipzig 1864. S. 77. S. 169. 2) Riitimeyer, Archiv f. Anthropologie. Bd. III. S. 301 u. f. S. 170. 3) Zum Vergleiche konnen die Abbildungen junger Hunde- und Kanincheneier voii Bischoff dienen und die der jtingsten bis daliin bekannt gewordenen menschlichen Embryonen von A. Thomson. Letztere, von welchen eines auf 12 — 13 Tage, das andere auf 15 Tage geschatzt werden, sind in Kolliker's Kntwickliiiigsgeschiclite S. 122 und 123 abgebildet. Hackel's Fijrur 42 scheint aus den Zeichnungen Bischoff's construirt zu sein und weicht von der ihr am nachsten stehenden Thomson'- schen in sehr erheblichen Punkten ab. Fttnfzehnter Brief. 8. 180. ]) Ueber die Gestalt, welche das vordere Ende des Medullarrohres bei Amphioxus besitzt, und Uber die Abwesenheit eines Auges vergleiche man die schone Abhandlung von W. M U 1 - ler in dem soeben zu Ehren C. Ludwig's erscheinenden Jubel- bande. Es war mir durch die Giite des Herrn Verfassers vergount, sie noch vor ihrem Erscheineu einzusehen. Die ersten sichtbaren parablastischen Zellen erscheinen in Kowalevsky's Tafeln als isolirte Leucocyten (Fig. 39). Ihre Herkunft ist nicht festgestellt. S. 191. 2) Man kann allenfalls noch etwas weiter gehen, als im Texte geschehen ist, und in dem Fig. 120 abgebildeten Stadium des Knochenfischkeimes, das Planulastadium Fig. 117 C. des Amphioxus, in den Umwachsungsstadien Fig. 127 — 130, das Gastrulastadium Fig. 1 1 7 D. des Amphioxus wieder erkennen, sowie 224 Bemerkungen. man selbst die Umwachsung des Cyclostomen- oder des Batrachier- dotters auf dies Schema beziehen kann. Das Gemeinsame liegt alsdann in der Bildung einer inneren Holile („ Darmliohle " im weitesten Sinne, inclus. Dottersack) durcli Schliessung einer zuvor offenen Platte oder Schaale. Dabei bleiben indess, urn von ande- ren Unterschieden nicht zu sprechen, die bedeutendenAbweiclmngen in der Art der Bildung der primaren Blase und in Art und Ort des Sclilusses der secundaren. Beim Knochenfischembryo schliesst sich die Riickenwand, beim Amphioxus und bei Petromyzon die Bauchwand. Ueber die Abweichungen in der ersten Keimentwicklung wir- belloser Thiere vergleiche man den Aufsatz von Salensky in Troschel's Arcliiv f. Naturgesch. 1874. 40. Jahrg. S. 136 u. f. Verbesserimgen. S. 4. Notenbezeichnung !) fallt weg. S. 5 in der Mitte lies ,.an der Stelle b" statt a. S. 8. Figureubezeichnung lies : ,,Querschnitt durch den Embryo bei a" statt b. S. 15. Im betreffenden Holzschnitt Fig. 10 ist der Buchstabe a, auf den in den obersten 2 Zeilen hingewiesen wird, ausgefallen, derselbe sollte hinter Uwp. stehen. S. 18. 2. Zeile lies ,,am" statt vom. S. 56. Figurenbezeichnung soil heissen: Fig. 40 (Fig. 34). Querschnitt etwas weiter binten als Fig. 33 u. s. w. S. 56. 3. Zeile von unten lies ,,der Keimhohle" statt die. S. 60. 6. Zeile von unten lies ,,dass sie dort" anstatt hier. S. 63 letzte Zeile ,,deren einer' statt eine. S. 70. Figurenbezeichnung von Fig. 53: u. G. unteres Herzgekrose. S. 79. Figurenbezeichimng: M. Medullarrohr. Uw. Urwirbel. Ch. Chorda. Ao. Aorta. Cd. Cardinalvene. Un. Urnieren. Ex. obere Extre- mitaten. Lw. Leibeswand. Mz. Milz. Mg. Magen. Dv. Dottervene. S. 117. Z. 10. lies: ,,bei welchen" statt bei welcher. Druck vou J. B. Hirschf eld in Leipzig. THIS BOOK IS DUE ON THE LAST DATE STAMPED BELOW AN INITIAL FINE OF 25 CENTS WILL BE ASSESSED FOR FAILURE TO RETURN THIS BOOK ON THE DATE DUE. THE PENALTY WILL INCREASE TO SO CENTS ON THE FOURTH DAY AND TO $1.OO ON THE SEVENTH DAY OVERDUE. FEB 23 1939 HR § 10-30 I9vw NOV 5 1941 NOV 5- 1982 IRVINE IKTERUBRARY 10 AR H-SLb- ^L 4l/ IAN 27 1994 • JH\i " ' '-< r LD 21-95m-7,'37 3934 UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY U.C.BERKELEY LIBRARIES CDMbDEESID