[Eu 9 N VENENRIRA: = f } i f uy N BED Be ee 1 [1 . . Division 0£ Maukärg UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS (FELIS TIGRIS UND SEINE BEZIEHUNGEN ZUR MENSCHHEIT. . EIN \ Sendfchreiben an den Heren Baron A. v. Humboldt 3. FE. BRANDT, MITGLIED DEB KAISEBLICHEN AKADENIE DER WISSENSCHAFTEN U. S. W. ‚Aus den Memoires de U Academie Imperiale des seiences de Saint-Petersbourg. Sixieme serie, Sciences mathematiques, physiques et naturelles. Tome VIll. besonders abgedruckt.) ST. PETERSBURG. ) BUCHDRUCKEREI DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1556. Zu beziehen durch Eggers et Comp. in St. Petersburg und durch Leopold Voss in Leipzig. Preis: 1 Rbl. S. = 1 Thlr. 3 Ngr. 22 On N Aa ; A 4 a a.nn en u Rn: 0 Aa hd wech ee ar & Pu » er ö u E x R y } * aaa TU £ ar L pP r: v u \ u IE ' sArıahıer Pe aan EL Ener aan { like: u j AR N “ v . AR } Ban 23 WR | ya Miet lag u t Anden vordere # Da 22 “ N) ” “ 4 Einleitung. Schon seit den frühsten Zeiten hat bei den verschiedensten Völkern der Menschengeist sich die Fähigkeit zugetraut aus einzelnen, oft mit bewunderungswürdigem Scharfsinn aufge- gestellten und mit einer Staunen erregenden Dialektik vertheidigten Voraussetzungen die ganze Welt der Erscheinungen erklären und zu einer wissenschaftlichen Einheit erheben zu können. Unzählige Systeme der Weltanschauung sind auf diesem Wege bei den verschiedensten Völkern entstanden, wovon eins das andere verdrängte. Erst spät sah man ein, dass die Ableitung der grossarligen und vielseitigen kosmischen Erscheinungen aus einzelnen allgemeinen Sätzen auf dialektischem und speculirendem Wege misslinge, und dass die unabsehbare Mannigfaltigkeit sich nicht aus einzelnen, oft willkürlichen Problemen erklären lasse. Man fand, dass die uner- messliche Menge von Erscheinungen und Körpern mit ihren stofflichen Eigenschaften, ihren zahl- reichen Bewegungen, Kräften, Wirkungen, Gegenwirkungen und mannigfachen Beziehungen, wie sie das Weltall zeigt, erst durch gründliche, specielle Untersuchungen in ihrer besondern oder allgemeinern Bedeutung erkannt werden müsse, ehe sie zu einem haltbaren Ganzen vereint werden könne. Ein solches Ergebniss musste bei Allen, die keine gehalt- und fundamentlosen Ge- bäude aufführen wollten, und die als umsichtige Forscher die Ueberzeugung von der unendlichen Mannigfaltigkeit der einander bedingenden oder ausschliessenden, oft räthselhaften und mannigfach verhüllten Naturerscheinungen mühsam gewonnen hatten, die Ansicht hervorrufen, dass nur die genausten und vielseitigsten, möglichst erschöpfenden Untersuchungen einzelner Naturkörper oder Naturerscheinungen Resultate zu gewähren vermögen, die im Verein mit ähnlichen eine allmälig, aber sicher fortschreitende, geringere oder grössere Verallgemeinerung gestatten. Jede in diesem Sinne unternommene, mit Umsicht und Sachkenntniss durchgeführte, vielseitige Untersuchung eines besondern Gegenstandes (Monographie), mag sie auf ein Gestein, eine Pflanze, ein Thier oder aufbestimmte physikalische, biologische oder psychologische Verhältnisse sich beziehen, wird daher den wahren, fundamentalen Fortschritt zu fördern im Stande sein. Keine Wissenschaft, kein einzelner Zweig derselben, kann solcher auf die speciellsten Eigenschaften und Beziehun- gen der Körper gerichteten Forschungen entbehren. Es gilt dies also auch von der geographi- schen Verbreitung der organischen Körper, der in neuern Zeiten ein vielfaches, von den grössten Auctoritäten der Wissenschaft getheiltes und bethätigtes Intresse zu Theil wurde. Keine Wissen- x 4 (48) J. F. Branor. Zoologie. schaft beansprucht aber gerade oft mehr detaillirte und geprüfte Angaben, wenn sie ganz den zu stellenden Anforderungen genügen soll, als die Zoologische Geographie. Wenn ich es daher unternahm die zoologisch-geographische Monographie eines Thieres zum Gezenstande speeieller Untersuchungen zu machen, so dürften meine Bestrebungen nach Maassgabe der obigen An- deutungen keiner weitern Entschuldigung bedürfen. Die Verbreitungsgeschichte der Thiere überhaupt, eben so wie die der einzelnen zoologisch begründeten oder mit Hülfe der Verbrei- tung noch näher festzustellenden Arten, darf den obigen Grundsätzen gemäss nicht blos an sich, gleichsam als zoologische Statistik, aufgefasst werden. Sie muss vielmehr auch den Be- ziehungen der Thiere zur ganzen Aussenwelt Reehnung tragen. In letzterer Hinsicht werden die tellurischen, physikalischen, klimatischen und biologischen Erscheinungen, namentlich auch das Verhältniss der Thiere zu einander und zur Menschheit die nöthige Berücksichtigung finden müssen. Da aber die mannigfachen Verhältnisse, welche die Existenz der Thierwelt be- dingen, im Laufe der Zeiten sich ändern und modifiziren, so muss auch diesen Erscheinungen die nöthige Beachtung geschenkt werden. Als Grundlage für die übrigen Untersuchungen wird mit der Statistik zu beginnen sein, so dass daraus die speciellen animalischen Existenzbedingungen abgeleitet werden, oder wenig- stens damit im Zusammenhange erscheinen, worauf dann die Bemerkungen über die Begleiter und die Erörterung der Beziehungen zur Menschheit zur Vervollständigung des Gemäldes sich anschliessen können. Wurde die Art der Verbreitung eines Thieres schon früher erörtert, so dass sie bereits ihre Geschichte besitzt, wie dies namentlich vom Tiger gilt, so muss natürlich mit dieser begonnen werden. Erster Abschnitt. Blicke auf die allmälige historische Entwickelung der Verbreitungs- geschichte des Tigers. Die Verbreitung des Tigers erweckte bereits ein mehrfaches Interesse und wurde nicht blos durch manche speciellere Mittheilungen nach und nach erweitert, sondern sogar in eigenen, trefllichen Aufsätzen erörtert. Buffon, den die Franzosen gern als Begründer der Geographischen Zoologie betrachten möchten, bezeichnet ihn (Hist. nat. IX. p. 129) als Bewohner der heissen Theile Indiens und sagt nur er finde sich in Malabar, Siam und Bengalen, gleichzeitig mit dem Elephanten und dem Nashorn. Seine Mittheilungen über die damals bereits bekannten Fundorte des fraglichen Raubthieres sind daher höchst unvollständig. Er übersah dabei nicht blos, dass bereits die Alten den Aufenthalt desselben in Nordpersien (Hyrkanien), so wie in Armenien und Parthien kannten, und dass Chardin (Voyage) ihn als Bewohner Imeretiens erwähnt, sondern unterliess es auch die reichhaltigen Arbeiten Du Halde’s, Marco Polo’s und Isbrand’s über die mon- golischen, mandschurischen, tibetischen und chinesischen Tiger zu studiren. Eine Note des Pater Gouie (Hist. d. l’ Acad. d. sc. ann. 1699, p- 51) brachte ihn sogar auf den Gedanken, dass die tatarisch-chinesischen Tiger wohl zu einer andern Art gehörten. Es ist also kein Wun- der, wenn er ihn als tropisches Thier ansieht und bei den Lesern seiner anziehenden Schriften eine solche Ansicht Beifall fand; ja sogar lange das wahre Verhältniss, selbst den Natur- forschern verhüllte. Vollständiger als der genannte, berühmte, französische Naturforscher, skizzirte der eigent- liche Begründer der Zoologischen Geographie als besondern Wissenszweig, Zimmermann (Geograph. Gesch. Bd. II. S. 260) die Verbreitung des Tigers, indem er ihn im Südwesten von Zeilon, Coromandel, Malabar und Bengalen an bis Persien, südöstlich aber von Pegu, Siam und China bis in die Mongolei vorkommen lässt; als nördliche Verbreitungsgrenze desselben aber den 47° N. B. annimmt. ‘ Dieselbe galt indessen damals nur für die Ost-, nicht aber für die Westhälfte des von ihm angegebenen Verbreitungsbezirkes. — Durch Güldenstädt’s Be- merkung (Reise I. 400), die eine Angabe Chardin’s bestätigt, erfuhren wir, dass der Tiger sich. 6 (1350) J. F. Brasor. Zooologie. in Mingrelien finde, und durch $S. G. Gmelin (Reise III. 432 u. 485), dass er in Gilan und Masenderan in Menge vorkomme. Rytschkow (Orenburg’sche Topogr. deutsch. Uebers.v.Rodde, Riga 1772. 8.1. 5.225) gab die erste Nachricht über den Aufenthalt des Tigers in den Schilf- gebüschen des Aralsees und des Syr-Darja. Durch die letztgenannten Mittheilungen wurde also, als Vervollständigung der Angaben Zimmermann'’s, die Verhreitungsgrenze desselben eines- theils mehr nach Westen, anderntheils mehr nach Osten gerückt. Der treflliche Bechstein (Pennant's Uebersicht der vierfüssigen Thiere, übers. u. mit Zu- sätzen versehen v. Bechstein, Weimar 1799. 4. S. 289) fügte den von Zimmermann nam- haft gemachten Fundorten den Ararat (wohl nach Tournefort), den Aral (wohl nach Rytsch- kow), ja sogar den Altai nach einer unbekannten Quelle (vielleicht nach einer brieflichen Mit- theilung von Georgi) hinzu. Eine neue, besonders hinsichtlich der Grenzgebiete Russlands, interessante Vervollständi- gung erhielt die Verbreitung des Tigers durch die Angaben von Georgi in seiner von den meisten Naturforschern, selbst von Pallas, trotz ihrer vielen werthvollen Angaben, völlig un- beachteten, allerdings nicht ohne Kritik zu benutzenden Geographisch-Physikalischen Beschreibung des Russischen Reiches, Th. Ill. Band VI. Königsberg 1800. 8. S. 1518, ohne dass weder er noch Pallas in ihren früher erschienenen Reisebeschreibungen des Tigers erwähnten. Georgi theilt nämlich mit, dass derselbe vom Ararat bis nach Georgien, ja selbst bis an den Dnestr*) gehe, ebenso wie aus den Indischen Gebirgen bis zum obern Irtisch und Ischim sich verirre. Bei Illiger, in seiner für jene Zeit ausgezeichneten Arbeit über die Verbreitung der Säugethiere (Abhandl. der Berl. Akad..a. d. Jahren 1804-1 A); erscheint der Tiger dessenunge- achtet nur unter den südasiatischen, d. h. bis zum 40° vorkommenden Säugethieren, ohne weitere Bemerkungen, weil der genannte Naturforscher den nördlichen Tiger (S. 98) als eigene Art, unter dem Namen Felis virgata, anführt. Noch ehe also die Pallas’sche Zoograpbie erschien (1810) besass man daher bereits ein mehrseitiges Material, sowohl für die nordwestliche, als auch für die nordöstliche Begrenzung des Verbreitungsgebietes des Tigers; ja man kannte selbst sein zufälliges Erscheinen in Süd- sibirien am obern Irtisch und Ischim. Wenn daher Pallas (Zoogr. I. p. 16) sagt: der Tiger fände sich in dem ganzen zwischen Sibirien, China und Indien gelegenen Steppengebiet, so wie auch im Nieht-Russischen Altai und am Aral, auch lasse er sich bisweilen am Dalai-Noor und Argun sehen, so erscheinen nur die beiden eben genannten Fundorte als neu; der zuletzt genannte war sogar nur zum Theil unbekannt. Das bereits durch Bechstein und Georgi bekannte, von Pallas übersehene, Erscheinen *) Das Vorkommen des Tigers am Dnestr hat kein späterer Beobachter bestätigt. Auch nennt Georgi keine Quelle für diese Angabe. Möglicherweise kann aber in jenen Zeiten als die Saigaheerden (die in Mittelasien selbst jetzt eine der Hauptnahrungsquellen des Tigers ausmachen) noch in die damals unbebauten ciswolgaischen Steppen, ja bis zum Dnepr zogen, auch ihr geschworner Feind ihnen dahin gefolgt sein (siehe Aldrov. d. Quadrup. bisulc. Heberst, Rer. Moscov. Gesner, hist. Quadr. Colus, so wie Rzaczinski, Hist. nat. Polon. p. 225, Bonplan, Deser. de l’Ucrauie p- 82 u. Kessler, Ecmeemseun. Hemop. p. 88). Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. (151) 7 des Tigers im Süden Westsibiriens am Irtisch und Ischim, nebst seinem bis dahin unbekannten Vorkonımen am Ob wurde 1814 von G. Fischer (Zoognos. III. Mose. 1814. p. 219) an- gedeutet. Sechs Jahre später besprach Spaski im Sibirskil Westnik 1820. S. 184 das Vorkommen am Ob und stattete über ein am Alei erlegtes Individuum nähern Bericht ab. Dies war der wahre, bis jetzt nicht vollständig aufgefasste, Standpunct der Kenntnisse über das Vorkommen des Tigers in West-, Mittel- und Nordasien, so wie in den Grenzgebieten Sibiriens als Hr. v. Humboldt in Begleitung der Herren Ehrenberg und G. Rose den Boden des letztgenannten ausgedehnten Landes betrat. Herrn v. Humboldt, der von jeher, ausser so vielen andern Gegenständen, auch der Geographischen Vertheilung der Naturkörper, als einer der interessantesten tellurischen Er- scheinungen, seine besondere Aufmersamkeit schenkte, musste, eben so wie dem trefllichen Ehrenberg, die nähere Ausmittelung des nordasiatischen Vorkommens des Tigers, eines da- mals auf Buffon’s Auctorität gewöhnlich als Bewohner der Tropen geltenden Thieres, nament- lich auch in Bezug auf Paläontologie von hohem Interesse sein. Er suchte daher mit seinem Begleiter Ehrenberg mit bestem Erfolge mehrfache, nähere Erkundigungen darüber einzuziehen. Dieselben wurden nach seiner Rückkehr von ihm selbst in der Asie centrale (I. p. 340 und II. p- 96 u. p. 100), so wie in den Fragmens de Geologie et de Climatologie Asiat. II. p. 388, von Ehrenberg aber in einem besonderen Aufsatze (Annal. d. sc. nat. T. XXI. (1830) p. 389 fl.) veröffentlicht. Es ergab sich daraus einerseits die Identität des sibirisch - mittelasiatischen Tigers mit dem Indischen, andererseits das constante Vorkommen desselben an den Südabhän- gen des Altai und den beträchtlichen südlichen Ausläufern dieses grossen Gebirgszuges, so wie an einzelnen Puncten Mittelasiens (in Sussac und bei Choyar); während das vereinzelte Erscheinen desselben im Süden, Westen und Osten Sibiriens bestätigt und besonders auch in -paläontologischer Beziehung gebührend gewürdigt wurde. Wenige Jahre darauf (1836) widmete der treflliche Ritter in seiner grossen, classischen Erdkunde (Asien IV. 2. Th. VI. 2. Ausg. S. 688 ff,) der Verbreitung des Tigers einen eben so gediegenen, als umfassenden und geistvollen Aufsatz. Im Jahre 1839 veröffentlichte Gebler (Bullet. scient. de T’ Acad. de St.-Petersb. VI. p. 291) in einer besondern Notiz seine Erfahrungen über das einzelne Erscheinen des Tigers in Süd- sibirien. Ritters Arbeit lieferte später Andr. Wagner (Supplem. z. Schreb. Säugeth. Abth. Il. Raubthiere. 5.470 u. Abhandl. d. Münchn. Akad. Phys.-math. Cl. Bd. IV. Abth. 2. S. 97), eben- so auch Schmarda (Geogr. Verbr. d. Thiere. I. p. 296-97), das Hauptmaterial zu kleinern übersichtlichen Mittheilungen über die Verbreitung des Tigers. Berghaus hat (Physik. Al. Bd.I. p. 151) die Verbreitung des Tigers nursehr kurz skiz- zirt und auf der zur Abth. VI. gehörigen Charte n. 5 seinen Verbreitungsbezirk durch eine mehrfach gebogene, in sich selbst zurücklaufende Curve begrenzt. 8 (152) J. F. Branpr. Zoologie. Schlegel (Diergaarde en het Museum te Amsterdam p. 90) und Giebel (Die Säugethiere. Leipz. 1855. 8. p. 867) lieferten für ihren Zweck geeignete Zusammenstellungen über das Vorkommen desselben. Im Laufe des verflossenen Jahres publizirte, ein junger, talentvoller, Russischer Natur- forscher, Hr. Sewerzow, in dem von der Moskauischen Naturforschenden Gesellschaft in Russischer Sprache herausgegebenen Naturwissenschaftlichen Anzeiger (W estnik Estestwennich Nauk. 1855.n. 15,16, 17) eine beachtenswerthe, fassliche, zoographische Naturgeschichte des Tigers mit mehreren von ihm selbst nach dem Leben gemachten, sehr gelungenen Abbildun- gen, wozu neun ausgezeichnete lebende Exemplare der zu Moskau gezeigten Menagerie eines Hrn. Bernabo, die zur Zeit sich in St. Petersburg befindet, die Veranlassung gaben. In der fraglichen Arbeit verbreitet sich der Verfasser nicht blos nach Ritter über den statistischen Theil der Tigerverbreitung, sondern er schenkt auch den damit im Zusammenhange stehenden klimatischen und biologischen Verhältnissen die gebührende Rücksicht, ja wirft zugleich lehr- reiche Blicke auf die geographische Verbreitung der Katzen überhaupt. Bei einer solchen Menge von trefflichen Vorarbeiten möchte es fast überflüssig erscheinen die Verbreitungsgeschichte des Tigers von neuem vorzunehmen. Ich glaube aber Entschul- digung zu finden, wenn ich einerseits hiermit einen, schon vor einigen Jahren in einem an mich gerichteten Schreiben des Hrn. v. Humboldt, ausgesprochenen Wunsch erfülle: «noch weitere Bemerkungen über die Heimath des Tigers im Russischen Asien und seinen Grenzge- bieten mitzutheilen»; andererseits aber durch ziemlich umfassende Studien und eine Fülle dadurch neu gewonnenen Materials im Stande sein dürfte die bisherigen Kenntnisse und Ansichten über die Verbreitung desselben vielfach zu vervollständigen und zu modifiziren. Ritter’s ausgezeichnete Arbeit wurde, wie natürlich, gewissenhaft benutzt und lieferte, namentlich in Bezug auf Indien, einen wesentlichen Theil des Materiales. Die auf Russland, Nordpersien und Mittelasien bezüglichen Thatsachen wurden besonders durth die gütige Ver- mittelung der hiesigen Kaiserlichen Geographischen Gesellschaft erweitert. Dieselbe erhielt nämlich in Folge von Rundschreiben, die sie an ihre verschiedenen im Innern des Reiches be- findlichen Sektionen richtete, mehrere Zuschriften, welche sie mir zur Benutzung zu über- senden die Güte hatte, worin manche beachtenswerthe Daten über das Vorkommen des Tigers am Südufer des Caspischen Meeres, so wie in Mittelasien und Ostsibirien enthalten sind. Ich fühle mich daher auch verpflichtet der Kaiserlichen Geographischen Gesellschaft hiermit mei- nen lebhaftesten Dank auszusprechen. — Dankbar muss ich auch ganz besonders der zahl- reichen Mittheilingen, Winke und Rathschläge erwähnen, die mir bei meiner Arbeit durch mehrere befreundete Collegen, die Herren Akademiker Böhtlingk, Dorn, Köppen, Kunik, Kupffer und Schiefner, so wie durch Hrn. Dr. Chwolsohn zu Theil wurden. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 4353) 9 Zweiter Abschnitt. Specielle Angaben über die Verbreitung des Tigers oder geographische Statistik desselben. Wie der selbstständige Bearbeiter der Geschichte der Menschheit den Stoff für seine Untersuchungen aus schriftlichen, monumentalen oder artistischen Quellen entlehnt, so muss auch ein Naturforscher, der die geographische Verbreitung einer Thierart in ihrem ganzen Zu- sammenhange als einen Theil ihrer Geschichte schildern will, nicht blos die geographisch-natur- wissenschaftlichen, sondern selbst die möglicherweise damit im Zusammenhange stehenden all- gemein geschichtlichen, linguistischen, ja selbst artistischen Daten berücksichtigen, wenn er ein möglichst umfassendes, von einheitlichen Ideen getragenes Ganze herzustellen beabsichtigt. Die Zusammenstellung der aus jenen Daten abgeleiteten Ergebnisse kann freilich zwar zunächst nur darauf gerichtet sein, eine möglichst genaue Schilderung des constanten Vorkommens einzelner Thierarten auf gewissen Puncten der Erdoberfläche, also gewissermaassen nur ihre Statistik, zu liefern. Dieselbe muss aber nothwendig, wie schon oben bemerkt, die sichere Ableitung der physikalischen und biologischen Bedingungen ermöglichen, unter denen die Thiere vorkommen. Sie wird desshalb der Schilderung derselben vorausgehen müssen. Wir beginnen daher unsere Untersuchungen mit dem Nachweis der speciellen Fundorte des Tigers. Als das nordwestlichste (wenigstens wohl für vergangene Zeiten gültige) Wohngebiet des Tigers lässt sich auf Grundlage eines Reisenden Mingrelien ansehen. Bereits Chardin (Voyage. Amsterd. 1735. 1. p. 59) versichert nämlich, dass Leoparden, Löwen(?) und Tiger sich in den Wäldern Mingreliens fänden. Ebenso berichtet Güldenstädt (Reise. I. S. 400) sie kämen im imerelischen District Radscha sparsam vor. Spätere Mittheilungen schweigen über ein solches Vorkommen. Ein neuerer Reisender (Gamba) behauptet (Voy. d. !. Russie & Paris. 1826, 8. Vol. I. p. 239, 290), dass zuweilen noch jetzt aus Persien verjagte(??) Tiger über den Araxes setzen und sich in die georgischen und imeretischen Wälder werfen. Damit würde dann auch die Mittheilung v. Nordmann’s (Voy. de Demidoff..T. Ill. Faune pont. p. 22), man wolle Tiger am südlichen Abhange der Gebirge von Achalzik gesehen haben, ganz wohl in Einklang zu bringen sein, wiewohl sie Mor. Wagner (Reise n. Colchis p. 313) bezweifelt. In der vom georgischen Prinzen Wakhoucht in georgischer Sprache im Anfange des vorigen Jahrhunderts verfassten, von Brosset unter dem Titel: Description geograph. de la Georgie p. 1. Tsarevitch Wakhoucht, St. Petersb. 1842. %., mit französischer Uebersetzung herausgegebenen Geographie Georgiens wird p. 58 u. 59 unter den wilden Thieren auch der Tiger aufgeführt, der also damals dort noch heimisch gewesen zu sein scheint, worauf auch die Angaben Chardin’s und Güldenstädts deuten. Nach Chopin, der sich lange in Armenien aufhielt, und unter dem Titel «Hcmopuvecrri namamnuro cocmoania Ap.manckoü Obaacmu. Cm. Ifemep6. 1852. 8.» eine Schilderung dieses 2 10 (154 J. F. Branpr. Zoologie. Landes entwarf, müsse man annehmen, es habe früher Tiger, ja selbst Löwen, im bewaldeten Theile Armeniens gegeben, jetzt wisse man aber dort nichts mehr davon. Ausnahmsweise setzten indessen einzelne aus Talysch über Karabagh kommende Tiger über den Araxes und erschienen auf armenischem Gebiet, so wie am Kur. Von einem 1846 im karabagher Bezirk erlegten Tiger berichtet Sewerzow (Westnik 1855, p. 501). Das Vorkomnıen am Kur wird in zwei von der Kaiserl. Geographischen Gesellschaft mir gewogentlich mitgetheilten Berichten, wovon der eine einen Hrn. Kusmischew, der andere einen Hrn. Sokolow zum Verfasser hat, ebenfalls bestätigt. Die von Tournefort (Relat d. Voy. Il. p. 147) am Ararat gesehenen Tiger möchte aber Chopin (a. a. O.) für Leoparden oder Panther erklären, wovon es ehedem dort sehr viele gab, während sich jetzt die Einwohner des dortigen Vorkommens des Tigers nicht mehr erinnern. Dubois (bei Ritter, As. IV. 2.) und Ritter selbst (Th. X. 484), nebst M. Wagner (Reise nach Colchis p. 313) sprechen sich gleichfalls gegen das jetztzeitige Vor- kommen desselben am öden Ararat aus. Der Letztere fügt noch, im Widerspruch mit unsern obigen Angaben hinzu, die armenischen Gebirge begrenzten seine Verbreitung. Dass übrigens früher Armenien zu den Heimathländern des Tigers zu rechnen gewesen sei, geht aus mehrern der unten angeführten Stellen der römischen Classiker deutlich hervor. Da aber in Armenien das Quellengebiet des Euphrat und Tigris sich befindet, so könnte er (oder konnte er wenig- stens) noch weiter nach Westen (bis Mesopotamien) streifen, wo ihn aber die frühe Cultur verdrängte. Spricht doch sogar der alte Historiker Diodor (siehe unten) geradezu von baby- lonischen Tigern. Das eigentliche, unzweifelhafte, nordwestlichste, constante Heimathgebiet des Tigers ist aber unstreitig noch gegenwärtig das gebirgige und waldreiche Gebiet Talysch, wo er nicht allein in ziemlicher Menge vorkommt, sondern sich auch fortpflanzt, indem er in jedem Jahre 2 — 4 Junge wirft. Man stellt dort jährlich regelmässige Jagden’) auf ihn an. Auch bringt man wohl aus jener Gegend junge Tiger lebend oder todt nach Lenkoran. Namentlich erwähnt Sokolow (Bericht an die Kais. Geogr. Gesellsch.), dass ein dortiger Offieier einen jungen, aus Talysch stammenden Tiger besass. Das Vorkommen des Tigers im Talyscher Gebiet, wo man ihn Schir nennt, erwähnt auch Hohenacker (Bull. d, nat. d. Moscou, 1837, n. VI. p. 136), von dem das Museum der Akademie zu St. Petersburg ein stattliches Exemplar erhielt. Die der hiesigen Kaiserlichen Geographischen Gesellschaft abgestatteten Berichte des Hrn. Oberst Blaremberg, nebst denen der Herren Teschelow, Sokolow und Kusmischew, so wie Umanz im Kawkas 1846, n. 13, bestätigen nicht nur das Vorkommen des Tigers im Taly- scher Kreise, sondern liefern auch nähere Details über seine Lebensweise u. s. w. Von diesem Heimathgebiet aus, streifen einzelne Individuen nach Westen, z. B. sogar bis in die Gegend von Tiflis. So wurde nach Gamba (Voy. a. a. O.) ein Tiger im Jahre 1820 dreissig Werst von Tiflis und ein anderer nach v. Nordmann (a. a. O.) 1835 ebenfalls bei Tiflis erlegt. *) Die Tigerjagden in den dortigen Gegenden werden mehrfach erwähnt; eine nähere Beschreibung, einer 1849 angestellten, liefert der Cöopnur. Tasem. Rasrkasz, 7, p- 165-169. Zoologie. ' UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. ass) 11 Angaben, die M. Wagner a. a. O., ich weiss nicht aus welchen Gründen, in Zweifel zieht. Nördlich von Talysch dringt der Tiger nicht selten in das Lenkoransche Gebiet und besucht das Schemachinski’sche Vorgebirge (Umanz im Kawkas 1846, n. 13), so wie die Ufer- gegenden des Meerbusens Kisil-Agatsch (Kusmischew a. a. O.). Kusmischew berichtet auch, dass er selbst bei Baku vorkomme. Eversmann (Bericht an die Kais. Geogr. Gesellsch.) erwähnt, dass er nach Aussagen von Persern, die er befragte, sogar bei Derbent (doch wohl nur einzeln und sehr selten) sich zeige. Das von Menetries (Catal. rais. p. 20) zuerst nach- gewiesene Vorkommen bei Lenkoran (wofür sich auch die Herren Obrist Blaremberg, So- kolow und Kusmischew in ihren an die Kais. Geogr. Gesellschaft gerichteten Berichten bestätigend aussprechen) wurde durch ein von ihm mitgebrachtes, von mir selbst untersuchtes Fell eines Tigers belegt, den man 15 Werst von der Stadt geschossen hatte. Nach Teschele w (Bericht a. a. ©.) werden im Lenkoraner Kreise während des Herbstes und Winters, da dann die Tiger ihre Schlupfwinkel (die Bergschluchten und dichten Wälder des benachbarten Talysch) verlassen und ein besseres Fell bieten, alljährlich gegen 10— 20 Individuen getödtet. Bei Lenkoran selbst soll man nach Menetries (a. a. O.) jährlich wenigstens einen erlegen. Die Talyscher Tiger finden sich einzeln, paarweis, oder Weibchen mit ihren Jungen. Alte Tiger, die sogar ihre Mitbrüder meiden, sind am gefährlichsten, besonders wenn sie vom Hunger geplagt werden. Bleibt den Tigern die Wahl zwischen Menschen und Thieren, so sollen sie die letztern wählen, ausser wenn man sie reizt, sie angreift oder auf sie schiesst oder auch, wenn sie sehr hungrig sind. Wehe dem Jäger, der dem von ihm gereizten Tiger nicht sogleich eine tödtliche Verletzung beibringt oder sich auf einen nahen, höheren Baum flüchten kann, da selbst niedrige Bäume ihm keinen Schutz gewähren und man Beispiele kennt, dass Tiger den auf niedrigere Bäume geflüchteten Jägern die Beine zerfleischten. Auf den Treibjagden soll übrigens der Tiger vorzüglich auf die Jäger, nicht aber auf die Treiber losgehen. Umanz führt Beispiele an, wo Tiger einzelne Menschen nicht angriffen, oder dieselben, selbst wenn sie bereits auf sie gesprungen waren, wieder losliessen. Sewerzow erzählt (Westnik v. 1855 p- 465) mehrere lehrreiche Anekdoten über das Zusammentreflen von Menschen und Tigern in Talysch. Die gewöhnliche Nahrung der Tiger bilden die in Persien zahlreichen Rehe (Cervus capreolus), die Edelhirsche (Cervus Elaphus), die Antilopen (Antilope subyutturosa) und die wilden Schweine (Sus Scrofa), nebst ‘den dortigen Hausthieren. Nicht selten fallen ihm aber auch Menschen zum Opfer. Die wilden Schweine bringen dort zuweilen den Tigern, wie dies auch in Indien geschieht, gefährliche oder wohl gar tödtliche Wunden bei, so dass nicht selten auch der Angreifer seinen Tod findet. Hausthiere fällt der caucasische Tiger mit Erfolg und Gewandtheit an. Mit Leichtigkeit und grosser Schnelligkeit schleppt er Pferde und Horn- vieh, sogar dreijährige Büffel, selbst über Anhöhen, so wie durch Schluchten und Gebüsche in seine Schlupfwinkel, wo man als Spuren seiner Schlachtopfer zahlreiche Knochenreste findet. Von den Hausthieren leisten ihm indessen die Büffel, besonders wenn mehrere beisammen sind, oft erfolgreichen Widerstand (vergl. Umanz und Sewerzow a. a. O.). Tiger von solchen Eigenschaften dürften aber wohl sicher nicht als verkümmerte Reste zu betrachten sein (siehe x 12 (456) J. F. Brasor. Zoologie. Ritter As. Bd. IV. 2. Th. V1. 2. S. 689). Dass der Tiger östlich von Talysch, in den Wäl- dern Gilans, in Gesellschaft von Edelbirschen, Rehen, wilden Ziegen, Schaafen und Schweinen hause, wissen wir schon durch $. G. Gmelin (Reise. Th. III. 432). Neuerdings bestätigte seine dortige Heimath der Obrist Blaremberg in einem Berichte an die hiesige Kais. Geogra- phische Gesellschaft. In dem Gilan benachbarten waldigen Mazanderan ist der Tiger (Paleng) nach S. G. Gmelin (Reise. Th. III. 485) ziemlich gemein und wirft dort im Frühling 3— 4 Junge, soll aber (wohl nicht immer) kleiner als der Bengalische sein (nicht über 7 Fuss) und sich nicht zähmen lassen. Noch weiter nördlich, am Golf von Balkan, also an der Südhälfte des Ostufers des Caspischen Meeres, auf der Insel Tschalägan (auch wohl Nachtenoi oder Tscheleken ge- nannt) soll der Tiger mit Rehen, wilden Schweinen und Katzen vorkommen (S. G. Gmelin ebd. IV. 63). Hr. v. Humboldt (Asıe centr. III. p. 101) spricht daher wohl auf diese Aucto- ritäten sich stützend von Tigern, die sich fortpflanzen, im alten Hyrkanien zwischen dem Golf von Balkan und Mazanderan. Eversmann berichtet der hiesigen Kais. Geograph. Gesellschaft, ‚dass der Tiger ein beständiger Bewohner des südlichen und südwestlichen Ufers des Caspischen Meeres, namentlich Mazanderans, sei, von woher das Kasansche Museum ein Exemplar er- halten habe. Auch finden wir bei Eichwald (Faun. Casp. tab. 1.) die Abbildung eines Tiger- fötus aus Hyrkanien. In den Nouv. Annal. d. Voy. 1852. Feor. Mars. p. 233 werden ausser Leoparden, Unzen, Luchsen, Hirschen, wilden Schweinen und Schakalen, auch Tiger als Be- wohner der Umgegend von Astrabat bezeichnet. Wie weit der Tiger südlich und etwas westlicher von Talysch vorkommt, darüber ist mir wenig bekannt. Chardin (Voy. II. 37) bemerkt, dass Löwen, Tiger und Leoparden in Per- sien seltener seien, weil es dort im Verhältniss wenig Wälder gäbe, es fänden sich aber nicht nur in Hyreanien, sondern auch in Kurdestan Löwen, Bären und Tiger. Dass die Kurden den Tiger als palengh bezeichnen, also ihn kennen, erfahren wir durch Pott (Zeitschr. f. d. K. d. Morgenl. Bd. 1V.p.23)'). Auch theilt mir mein College Dorn mit, der Tiger werde in den persischen Schriften sehr häufig erwähnt und sei, wie ihn ein sehr gebildeter Perser ver- sicherte, in ganz Persien ein allgemein bekanntes Thier. — Die gilanischen Tiger könnten durch die Thäler des Kizil-Ozan möglicherweise mit den kurdischen zusammenhängen. — Da nach den Versicherungen des Hrn. v. Iwanowski, der längere Zeit Consul in Rescht war, Chorassan, das an das tigerreiche Mazanderan grenzt, ausser vielen öden, auch viele von der Natur begünstigte, von zahlreichen Antilopen u. s. w. bewohnte Landstriche besitzt, was noch mehr von Herat gilt, welches sich dem von Tigern heimgesuchten Afghanistan (s. unten) an- schliesst, so lässt sich auch der Tiger in Chorassan und Herat mit ziemlicher Sicherheit, wenn auch nicht eben in grosser Menge, vermuthen“). Man darf daher wohl nicht im Allgemeinen *) Westlich vom Wan-See stammende, gefangene Kurden, die Hr. Lerch befragte, kannten indessen weder den Tiger, noch seinen Namen palengh. *) Wenn daher der ausgezeichnete Ritter (4s. IV. 2. Th. VI. 2.S. 689) die Tiger Mazanderans, auf Gmelin und mündliche Angaben Dubois’s gestützt, «als verkümmerte isolirte, Gruppen und gesonderte Vorposten, die sich von ihrer zusammenhängenden Verbreitungssphäre gänzlich abgelöst haben», betrachtet, so möchte ich ihm hierin nicht bei- Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. as) 13 sagen (s. Ritter. As. IV. 2. Th. VI. 2. S. 690) der Tiger könne in dem zwischen Mazanderan und dem Indus gelegenen, trockenen, waldlosen, nackten Plateaulande Irans und Afghanistans nicht als einheimisch genannt werden. » Ob der Tiger am Caspischen Meere weiter nördlich als am Busen von Balkan vorkomme, und ob er östlicher landeinwärts bis zum Aral, wenn auch nur einzeln, gefunden werde, lässt sich bis jetzt, aus Mangel an Beobachtungen, nicht angeben. Eversmann, der gründliche Kenner der westlichen Kirgisensteppe, schweigt darüber. Eichwald bemerkt beiläufig (Faun. Casp. p. 33) der Tiger fände sich (wohl einzeln?) auf dem Ustjurt (vermuthlich ‘aber in der Aralnähe), was nicht unwahrscheinlich wäre. Er würde dort mit Felis jubata und servalina zusammentreflen. Als nordwestlichsten, bis jetzt nachweisbaren Aufenthalt des Tigers kann man, laut einer Mittheilung des Obersten Gens an Hrn. v. Humboldt bei Ehrenberg (Annal. d. sc. nat. T. XXI. p. 389), das (vermuthlich in der Aralnähe befindliche) Gebiet der kleinen Kirgisenhorde ansehen. Dass der Tiger in den, auf 10—50 Werst sich ausdehnenden, mit Rohrgebüschen (Arundo phragmites) besetzten Ufergegenden, oder den ihnen benachbarten, dicht mit Saxaul (Anabasıis Ammodendron) bewachsenen Umgebungen des Aral, so wie des in ihn sich ergiessen- den Syr Darja angetroffen werde, hat meines Wissens zuerst Rytschkow in seiner Orenburg- schen Topographie (übers. v. Rodde. Riga 1772. 2 Bde. 8. Bd. I. S. 225) ausgesprochen. Das von ihm unter dem Namen Babr (was der Uebersetzer fälschlich durch den Namen Panther wiedergiebt) als Bewohner der genannten Gegenden bezeichnete Thier ist nämlich offenbar der Tiger, da der Verfasser vom gestreiften Fell desselben spricht und vom dortigen Vorkommen einer andern gestreiften oder gefleckten Katze nichts verlautet ist. Nach Rytschkow hat Bechstein (Pennant's Uebersicht der vierfüssigen Thiere übers. u. mit Anmerk. versehen. Weimar 1799. 4. S. 299) auf das Vorkommen des Tigers am Aral hingewiesen, ebenso später Pallas (Zoogr. I. p. 16). Eversmann, Meyendorff und Lehmann bezeichneten noch später in ihren Reisebeschreibungen die Flüsse Amu-Kuwan, Djan- und Syr-Darja als Wohnplätze des Tigers (s. Eversmann, Reise n. Buchara S. 46, Meyendorff, Voy. « Bokhdra p. 59 u. 368, A. Lehmann, Reise in v. Baers u. v. Helmersen’s Beitr. Bd. XVII. Zool. Anhg. v. Brandt, S. 300). Nach den neuern Mittheilungen Eversmann’s, die in seiner Naturgeschichte des Orenburger Bezirkes (Ecmecmsennaa Hemopia Openöypzcraro npar. Kasan. 1850. 8. erp. 6) und und in einem späteren Berichte an die hiesige Kais. Geogr. Gesellschaft niedergelegt sind, ist der Tiger in den am Aral, ebenso wie am Kuwan und Syr-Darja befindlichen Schilfgebüschen, die ihm zum Lager für sich und seine Jungen dienen, und worin er sich eigene Gänge für seine Streifzüge macht, wesshalb die Kirgisen ihn Dshel-bars nennen, eben keine Seltenheit; stimmen. Gegen die Annahme der Verkümmerung spricht die Häufigkeit und ihr so reges Treiben in Talysch; gegen ihre Isolirung die Angaben Chardin’s, Dorn’s und Iwanowski’s. Da aber das Vorkommen des Tigers vom Vorhan- densein einer grössern Menge von Schlachtopfern und den nöthigen Verstecken (Gebüschen, Schluchten), um sie zu beschleichen, abhängt, in den verschiedenen Theilen Asiens aber die pflanzenreichen Gegenden mit Wüsten häufig ab- wechseln, so war offenbar das Vorkommen des Tigers, genau genommen, von Natur ganz offenbar stets ein mehr oder weniger insularisches. 14 (158) J. F. Branpr. Zoologie. ja er findet sich sogar im Bette des versiegten Jan-Darja (Meyend. a. a. 0. S. 59), namentlich wohl an mit Schilf bewachsenen, vermuthlich im Frühjahr mit Schneewasser sich füllenden Stellen. Er nährt sich in der erwähnten Gegend von Antilopen (Antilope Saiga), Dgiggetai’s (Equus hemionus), wilden Schaafen (Ovis Arkal Brdt.), wilden Schweinen und den Heerden der Kirgisen. Die vornehmen Kirgisen stellen in Gesellschaft von 30 — 40 Personen Jagden auf ihn an und behalten meist seine Felle als Trophäen, wesshalb auch deren nur wenige, höchstens jährlich 1 — 10 Stück, nach Orenburg gebracht werden, die also bei weitem keinen Maasstab für die Häufigkeit des Tigers in den Kirgisensteppen abgeben können. Dass der Tiger am Syr-Darja in Schilfgebüschen nicht selten sei, dort seine Jungen gross ziehe und so- gar überwintere, weil man seine Fährten im Schnee fände, ersehe ich aus einem an die hiesige Kais. Geographische Gesellschaft geschickten Berichte des ausgezeichneten russischen Sehrift- stellers Dr. Dahl. Nöschel (Bemerk. in v. Baer's u. Helmersen’s Beür. z. Kenntn. d. Russ. Reichs. Bd. XVIH. p. 165) erzählt uns, dass 1847 die Tiger in den grossen, mehrere Werste breiten, mit hohem Schilf bewachsenen, in der Aralnähe, namentlich bei der Landzunge Raihm, befindlichen Niederungen der Ufer dieses Flusses in grosser Zahl vorhanden waren. Wie häufig er noch später am Syr-Darja sich fand, geht aus einer Mittheilung der Nordischen Biene von 1855, n. 91 (Crsepnaa Hera. 1855. n. 91, erp. 467) hervor. Wir erfahren näm- lich aus dieser Quelle, dass ein einziger, in einer dortigen Festung lebender Kosak auf eigene Hand nicht weniger als acht Tiger in seinen dienstfreien Stunden erlegt habe. Kürzlich wurde übrigens, wie mir Hr. Sewerzow mündlich mittheilte, ein Major im Ufer-Schilfe des ge- nannten Flusses von Tigern gefressen. Vom Amu-Darja zieht sich der Tiger wohl in südlicher Richtung nach Buchara, als dessen Bewohner ihn Burnes (Trav. t. Buch. 11. u. Uebers. Il. 8%.) bezeichnet), während schon Pallas (Reise. I. 232) der von dort nach Orenburg zum Verkauf gebrachten Tigerfelle erwähnt. Von Buchara aus dehnt er wohl seine Wohositze südlich auf das Quellengebiet des Amu-Darja (Oxus) im heutigen Balkh, und noch weiter auf die nicht allzuhohen Bergrücken, namentlich die Lücken des Hindukusch "ja selbst wohl auf das Quellengebiet des Indus aus, um sich seinen im Pen- tschab und Afghanistan hausenden Artverwandten (siehe unten) wenigstens zu nähern, ver- muthlich aber geradezu mehr oder weniger anzuschliessen. Am südöstlichen Verlaufe des Syr-Darja hat man ihn bei Otrar gesehen (Ritter, Asien. *) Nach Burnes sollen die Tiger des bucharischen Oxusthales klein sein, was vielleicht aber nur von den zufällig ihm zu Gesicht gekommenen Individuen oder Fellen gilt; es könnte daher dort, wie an vielen andern Orten, auch grosse geben, wiewohl letztere, wegen der häufigen Nachstellungen, seltener sein mögen, so dass der Reisende.davon nichts erfuhr. — Wenn nun aber auch die glaubwürdigen, oben angedeuteten Mittheilungen von Pallas, besonders aber die von Burnes, das Vorkommen des Tigers am Oxusgebiet ausser Zweifel setzen möchten, so dürfte man doch nicht mit dem trefllichen Ritter (Asien. IV. 2. S. 705) aus den vor mehreren Jahrhunderten von Samarkand nach China zum Geschenk geschickten Löwen, so wie dem Löwen, welchen Alexander der Grosse, nach Curtius VIII, 2., in einem Thiergarten (!) bei Bazaira (Bykund?) erlegte, folgern können, dass in fernen Zeiten auch in der Bucharei Löwen hei- misch waren. Sowohl die von dort in spätern Zeiten nach China gesandten, als auch der von Alexander dort erlegte (in den erwähnten Thiergarten vermuthlich verpflanzte) konnten aus südlichern Gegenden (Nord-Indien oder Persien) dahin gebracht worden sein. (Siehe unten.) Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 189) 15 IV. 2. S. 690). Er fehlt auch wohl in Taschkent und Chokand keineswegs, wiewohl aus diesen weniger bekannten Gegenden noch die nähern Belege mangeln. Weiter östlich unter 45° N. Br. findet er sich, einer Hrn. v. Humboldt vom Obersten Gens gemachten Mittheilung zu Folge, am N. O. Abhange des Karatau, zwischen ihm und dem Tschui, in dem als tiger- reich berühmten Sussae (Ehrenberg, Ann. d. sc. nat. XXI (1830) p. 389). — In den Schilf- niederungen des Tschui lernte ihn Alex. Schrenk kennen (Leop. Schrenk, die Luchsarten d. Nord. Dorpat 1849. 8. p. 60). Man darf ihn also wohl auch am nahen See Issikul erwarten. Weiter nach Osten erscheint er in Mittelasien südlich vom Gebirge Tschian-Schan oder Muztagh, im Süden der durch einen Vulkan merkwürdigen Stadt Kutsche, etwa unter 42° N.B. und 101° Länge, in dem sogenannten hohen Turkestan (der kleinen Bucharei), am Tarim- fluss, namentlich in den Schilfsümpfen bei der Stadt Chayar (41° N. Br., S1°L. v. Paris oder 83° 20° 0. L. v. Gr,) in der Parallele von Constantinopel und Nordspanien (v. Humboldt,, Fragm. de Geol. et elim. Asiat. Il. p. 394 u. Asie centr. IN. p. 101). Aus diesen glaubwürdigen Angaben möchte man wohl mit ziemlicher Sicherheit folgern können, dass die vermeintlichen Löwen, welche die Berichterstatter über die Gesandtschaft Schah Rokhs vom Jahre 1420 (s. Ritter, Asien. I. S. 224 u. IV. 2, 704) auf dem Wege nach Kataja, östlich von Ata-Sufi und Kabul auf dem Hochlande Turkestans, in der grossen Wüste, die sie am Lopsee (worin sich bekanntlich der Tarim ergiesst) durchzogen, nebst wilden Ochsen erwähnen, offenbar Tiger waren. Nördlich vom Tehian-Schan hat man den Tiger als sesshaften Bewohner ebenfalls häufig angetroffen. Die Umgebungen des Balchasch, namentlich der Semirezker Bezirk, nebst den Gegenden jenseits desselben, am Flusse Lepsa sind reich an Tigern. Aus-dem Semirezker Bezirk (also unter der Breite von Wien, München, Strasburg und Paris) stammte das Tigerfell, welches Hr. v. Humboldt dem Berliner Museum schenkte (Ehrenberg, Ann. d. sc. nat. XXI. p- 391). Aus demselben Gebiete bekam man das, obgleich angeblich im October erbeutete, ® dennoch aber, sonderbar genug, ziemlich kurzhaarige, und noch dazu ziemlich stark roth- braune (also in der Färbung kaum von denen der bengalischen Tiger abweichende), Herrn Stuckenberg, dem Sohne, gehörige Tigerfell, welches ich durch die Güte meines Collegen Köppen zur Ansicht erhielt. Wlangali, der 1851 die östlichen Kirgisensteppen bereiste, spricht von Tigern in den“Rohrgebüschen der den Ajagus’schen Bezirk des Semipalatinsker Gebietes (das Kirgisenland) durchströmenden Lepsa (siehe s. Reise in v. Baer's u. Helmersen’s Beitr. Bd. XX.). Alex. Schrenk bemerkte in den nämlichen Steppen am Flusse Tentek bei den Bergen Tekely, in der Nähe des Alatau, Thierfährten, welche die Kirgisen für die eines Tigers erkannten. Ebenso bewohnt nach ihm der Tiger die Schilfniederungen des in den Balchasch sich ergiessenden Flusses Ni (Leop. Schrenk, die Luchsarten d. Nordens, p. 60). Karelin (Jubilaeum semisaec. Doct. Gotth. Fischer. Mosquae 1842. fol. p. 10) erzählt uns, dass in den Rohrgebüschen und den Wäldern der Ufer des Balchasch (vgl. hierüber auch Stu ckenberg. Hydrograph d. Russ. Reiches. VI. S.91) und seiner Zuflüsse, so wie am östlich davon liegenden Alatau der Tiger beständig sich aufhalte und auch niste, und dass, jedoch nicht ohne grosse, durch ein Beispiel belegte, Lebensgefahr die Kirgisen ihm zuweilen seine 16 (460) J. F. Baanor. 2 Zoologie. Jungen rauben*). Im Alatau sollen sich die Tiger, die hier mit Felis Lynx, Manul und Irbis zusammentreffen, nach Sewerzow (Westnik 1855, p. 461) nur in einer Höhe von 2—3000(?) Fuss finden. — Da nach Georgi (Geogr.-physikal. Beschr. d. Russ. Reiches. III. Bd. VI. S. 518) einzelne Tiger sogar bis zum Ischim streifen, so darf man vermuthen, dass solche Individuen aus dem Süden vom Tschui, vom Sarissu oder aus den Balchasch-Gegenden nach dem Nor- den vordrangen. — Oestlich vom Balchasch, am Tarbagatai, südöstlich vom Saisan - See, findet sich nach einer‘ vom Obersten Gens an Hrn. von Humboldt gemachten Mittheilung ebenfalls der Tiger (Ehrenberg, Annal. d. sc. nat. XXI. p. 389). Mit höchster Wahrschein- lichkeit darf man also behaupten, dass er östlich und zugleich südlich vom Saisan-See in der ganzen Soongarei an geeigneten Stellen vorkommen müsse, weil er einzeln nicht selten im Norden des Altai in Gegenden (Barnaul am Obi, unter 53° N. B., und Kolywan) auftrat und wohl noch jetzt erscheint, die nördlicher als Paris und Berlin liegen, und eine Winterkälte be- sitzen, welche die von Petersburg und Stockholm überbietet, da er ferner, wie uns Ehren- berg (a. a. ©. p. 389) aus eingezogenen Erkundigungen mittheilt, von den am Irtysch woh- nenden Kosaken in den nahen Steppen erlegt wird. Sein Erscheinen an den genannten Orten setzt voraus, dass er in dem Quellengebiet des Irtysch und Ob, den südlichern Ausläufern des sogenannten Kleinen Altai, ebenso wie wohl noch südlicher seine eigentliche Heimath besitze und über den Kartschum und Narym (Humboldt, As. centr. I. p. 340), vermuthlich aber auch durch die Flussthäler des Irtysch und Obi, nach Norden gelange. Dass der Tiger am obern Irtysch sich sehen lasse, erfuhr man bereits durch Georgi (a. a. ©.) im Jahre 1800, wie schon oben erwähnt wurde. Pallas (Zoogr. I. p. 16) übersah diese interessante Angabe, so wie Georgi’s Werk überhaupt, denn er deutet nur in wenigen Worten auf Tiger hin, die ausserhalb des russischen Gebietes, im Altai wohnen. Erst Fischer (Zoogn. III. Mosquae 1814, p- 219) berichtete nach einer Mittheilung von Spaski, dass die Tiger nicht blos zum Irtysch und Ischim (was man bereits durch Georgi wusste), sondern auch bis zum Obi (Barnaul) vor- dringen. Sechs Jahre später machte Spaski (der nicht mit dem früheren Professor an der hiesigen Medizinischen Akademie zu verwechseln ist) in seinem Sibirskii W estnik (Cu6uperüis Brecmnuro 1820. yaer 9. erp. 183) ausführlichere Mittheilungen über einen 1813 am Alei er- legten Tiger, mit der Bemerkung, derselbe besuche nicht eben selten das südliche Sibirien. Als Hr. v. Humboldt und Ehrenberg (1829) Sibirien bereisten, erfuhren sie von mehrern Personen, dass man alle zwei bis drei Jahre zwischen Schlangenberg und dem Koliwan’schen See, so wie zwischen Buchtarminsk und dem Saisan-See Tiger erlege, während ihnen Gebler mittheilte, es seien ihm während seines zwanzigjährigen Aufenthaltes in Barnaul vier Beispiele von, in seiner Nähe, theils durch Bauern, theils durch Kosaken erlegten Tigern be- *) Zwei Tage nach seiner Ankunft am Sarkhan, im Alatau, zeigten ihm nämlich die Kirgisen eine Tigerpforte (d. h. einen vom Tiger im Schilf gebahnten Weg, auf welchem er aus seinem Lager auf Raub auszieht). Sie hatten dor sich der Jungen bemächtigt, waren aber dafür grausam bestraft worden. Mitten am Tage (sonst erscheinen die Tiger gewöhnlich nicht bei Tage) brach nämlich die Tigerin aus ihrem Versteck wüthend hervor, machte einen Einfall in die Sadyr-Motai genannte Tribus der Kirgisen und verwundete, ehe man sie tödten konnte, eine Menge Personen, vier da- von tödtlich. Das Fell derselben wurde von Karelin an die Naturf. Gesellschaft in Moskau gesandt. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TiGERs. (61) 17 kannt geworden (v. Humboldt, As. centr. Il. p. 96, Ehrenb. Ann. d. sc. nat. XXI. p. 389). — Später berichtete Gebler in einem kleinen Aufsatze über das Erscheinen des Tigers im Altai (Bull. scient. de l’Ac. de sc. de St.-Pet. 1. ser. VI. p. 292), dass er im Verlaufe von 30 Jahren fünf Fälle vom Vorkommen desselben als Gast der Kolywanowoskressenskischen Hüttenwerke in Erfahrung gebracht habe; womit er natürlich nicht abläugnen will, man habe ihn auch noch in andern, ausserhalb des Bereiches seiner Forschungen gelegenen Distrikten West- sibiriens wahrgenommen. Ein Exemplar, der im Norden des Altai (im Kolywaner Bezirk) nach Gebler (a. a.0.) vorgekommenen Tiger wurde in der Nähe von Buchtarminsk von einem Ko- saken erlegt. Ein zweites fiel in der Nähe der Lechtew’schen Fabrik (1814) auf einem Treib- jagen. Ein drittes, dessen Fell das Dorpater Museum erhielt, fand um dieselbe Zeit in der Steppe zwischen Obi und Irtysch, im Bezirke des kasmalinskischen Dorfgerichtes, seinen Tod. Ein viertes erlegte man etwa 1824 bei Buchtarminsk. Ein fünftes endlich überwältigte man am 26. October 1839 mit grosser Mühe, nachdem es einen Schützen verwundet und einige Hunde zerrissen hatte, 60 Werst südlich von der Kreisstadt Bijsk im Tomsker Gouvernement, etwa unter 52'/,°N.Br. Das letztgenannte Exemplar, dessen Jagd die Nordische Biene (Urseepn. ITıera 1839, n. 288, crp, 1376) ausführlich schildert, wurde ebenfalls vom Hrn. v. Hum- boldt (Asie centr. III. p. 96) erwähnt. Sein noch östlicheres, wenn auch vielleicht noch mehr vereinzeltes Erscheinen in den Baikalgegenden, so wie an der obern, nördlichen Angara und Lena, das durch ein 1828 bei Balagansk (unter 52'/,° N. Br.) erlegtes, im Museum der Mos- kauer Universität befindliches Exemplar nachgewiesen ist (v. Humboldt, Asie centr. IH. p. 97, Ehrenberg, Ann. d. sc. nat. XXI. p. 390, Sewerzow, Westnik 1855, p. 461), ebenso wie ein im neu angelegten Museum zu Irkutzk befindliches Tigerfell, welches, wie mir ein von dort kürzlich zurückgekehrter Flottenarzt (Dr. Weyrich) erzählte, einem in den Baikalgegen- den erlegten Tiger angehörte, deuten auf diesen Gegenden nicht gar ferne, südlichere Wohn- sitze desselben. Ehrenberg (a. a. ©. 389) spricht ohne nähere Angaben von Tigern in den Daurischen Gebirgen. Pallas (Zoogr. I. p. 16) berichtet von ihrem, jedoch viel östlicherem Erscheinen am Dalai-Noor und Argun und dem Vorkommen derselben in der ganzen Wüste zwischen Sibirien und Indien. Da der Tiger in der Soongarei nachgewiesen ist, und in der Mandschurei (s. unten) in grosser Menge auftritt, da er ferner einzeln im Irkutzker Gouverne- ment erscheint und am Dalai-Noor angetroffen wurde, so dürfen wir wohl annehmen, dass er wenigstens stellenweis die ganze Chalchas-Mongolei bis zur Mandschurei, östlich vom grossen Altai und nördlich von den Südabhängen der Sajanischen Gebirgskette an, wirklich bewohne, im äussersten Osten dieses grossen Ländergebietes aber sich den mandschurischen Artgenossen anschliesse. Dass die Mandschurei zu den wirklichen Heimathländern des Tigers gehöre, wissen wir bereits durch du Halde’s Mittheilungen (Deser. d. I. Chine. T. IV.)'). Es wird nämlich dort (p.20) berichtet, die im Gouvernement Teitsikar, namentlich in der Gegend von *) Aus den vor- und nachstehenden Angaben, so wie aus dem Umstande, dass der Tiger bereits im zwölfjährigen Cyelus der Ostkirgisen (Haka’s), der ursprünglich vielleicht den Chinesen angehörte (Ritter, 4s. IV. 2. Th. V.2, 707 u. 692, so wie Th. I. S. 1129 u. 429) eine Stelle einnahm (das Tigerjahr war das dritte dieses Cyclus), wird ebenfalls auf 3 18 (162) J. F. Braxor. Zoologie. Nonni, also südlich vom Argun, wohnenden Mantschu, Solonen und Taguren (Tungusen?), wenn sie im October auf die Zobeljagd gehen, führten, ausser andern warmen Kleidungsstücken, wie Wolfs- oder Fuchspelzen, auch zuweilen Mäntel aus Tigerfellen mit sich, um sich gegen die nächtliche \älte zu schützen und dass sie auf solchen Jagdzügen oft mit Tigern zu kämpfen hätten. An einer andern Stelle (a. a. ©. S. 10) erzählt er, die Ginsengsammler in den nördlich von Korea gelegenen, gebirgigen Gegenden des Gouvegnements Kirin müssten wegen der Tiger beständig auf ihrer Hut sein, denen dessenungeachtet so mancher von ih. en zur Beute werde. Dass Tiger in der Mandschurei, namentlich auf dem Gebirge Kingan, vorkommen, lesen wir bei Pallas (Neue Nord. Beütr. 11. 170). Die Revue de l’Orient (2 ser. T. XI. p. 226) berichtet von Ueberresten von Menschen, die in der Mandschurei von Tigern zerrissen wurden. Middendorff (Reise ll.2.75) sagt, der Tiger sei am Südabhange des Stannowöj-Grenzgebirges (also etwa unter 54— 55° N. Br.) nur ausnahmsweise zu sehen, jedoch beschrieben ihn die Tungusen an der Tyrma als Khachäj und berichteten von zwei dort erlegten Individuen. Am Kebli verfolgte er die frische Spur eines Tigers. Am untern Laufe des Argun erscheinen nach ihm die Tiger nicht ganz selten, wie er aus zwei Fellen dort erlegter Exemplare ersah. Ganz neuerdings machte Leop. Schrenk Mittheilungen über das Vorkommen des Tigers am Amur und spricht nament- lich auch vom Schaden, den er dort anrichtet (Bull. phys.-math. de l’ Acad. Imp. de se. de St.- Petersb. T. XIV.). Durch Middendorffs Angaben werden übrigens die eines Berichterstatters an die hiesige Kaiserl. Geographische Gesellschaft, Namens Daschin, die Tiger fänden sich in der Mandschurei nur zwischen dem 40 -—— 46° N. Br. binreichend widerlegt‘). — Vom Gebiet des Amur, namentlich aber dem seines Tributärflusses Schilka, dann von Stannowoj aus mag der Tiger auch zuweilen, den Heerden der wilden Rennthiere folgend, östlich vom Baikal bis ins Jakutzker Gouvernement vordringen, wie dies Hagemeister (Statiswki Sibiri. St. Petersb. 1554. 1. p. 333) angiebt und auch Daschin a. a. ©. andeutet. Dass der Tiger Korea nicht fremd sei beweist ein von dorther stammendes vom Hrn. v. Sieboldt dem Leydener Museum mitgetheiltes Fell, dessen längere Behaarung und blässere Färbung auf eine nördliche, elimatische Abänderung hindeutet (s. Faun. Jap. Disc.prehm.p.xxı)"). die Verbreitung des Tigers in der Mongolei und Soongarei als eine ursprüngliche, alte, nicht etwa durch die später zu erwähnenden, einer neuern Zeit angehörigen, grossen kaiserl. chinesischen Treibjagden erst bewirkte, offenbar hin- gedeutet. *) Wir erfahren übrigens von ihm, was schon Isbrand (Reis. p. 76) sagt, dass die Tiger in der Mandschurei auf hohen Felsen und bewaldeten Bergen sich aufhalten und selten in die Ebene steigen, überhaupt sich nicht gar weit von ihren Wohnorten entfernen. Man soll sie ferner einzeln, zu zweien, ja zuweilen auch Weibchen mit ihren Jungen an- treffen. Gelingt es der letztern habhaft zu werden, so bringt man sie nach Peking und verkauft sie dem Kaiser oder andern vornehmen Personen. ”) Das erwähnte Fell veraulasste Schlegel (Diergaarde en het Mus. te Amsterdam p.90 u. Physiogn. d. Serpens p. 238) drei Racen des Tigers aufzustellen, den Tiger der Sunda-Inseln, den Bengalens und den des Nordens. Uebrigens war schon Zimmermann (Geogr. Gesch. Bd. II. S. 260) geneigt mehrere Tigervarietäten, namentlich eine Bengalische, eine Caspische und eine Chinesische anzunehmen. Illiger (Abhandl. d. Berl. Akad. a. d. Jahren 1804-11) sprach so- gar S. 98, wie bereits oben angedeutet wurde, vielleicht auf eine Behauptung Buffons gestützt, die Meinung aus, dass der nördliche, am Caspischen Meere und in Persien vorkommende, angeblich mehr graue Tiger, eine eigene Art zu bilden scheine, der er den provisorischen, unhaltbaren Namen Felis virgata beilegt. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 163) 19 Ebenso berichtet Gallery (Revue de !’Orient. 1 ser. T. V. p. 285) bei Gelegenheit der Angabe der Thiere Korea’s, der Tiger zeige dort seine ganze Wildheit und zwar nicht blos als Feind der Hirsche, Gazellen und Viehheerden, sondern schleiche sogar in die Nähe der menschlichen Wohnungen, um irgend eine Beute zu erhaschen. Sein Auftreten in Korea überrascht um so weniger, wenn wir uns der mitgetheilten Angaben Du Halde’'s über seine Häufigkeit in der nördlich von Korea gelegenen Provinz Kirin erinnern. Durch mehrfache Zeugnisse lässt sich erweisen, dass in dem, China und der Mandschurei zunächst liegenden, nördlichen Theile der Mongolei, der sogenannten Charra-Mongolei, häufig Tiger sich fanden und wohl noch dort leben, da sie noch jetzt so zahlreich in der benachbarten Mandschurei wahrgenommen werden. Du Halde (a. a. ©. p. 35) spricht namentlich von Ti- gern, welche die Tatarei verwüsten, und erwähnt der weisslichen, mit etwas ins Graue fallen- den Querstreifen gezierten’ Felle derselben, mit der Bemerkung, dass alle vornehmen Personen häufig davon Gebrauch machen. An einer andern Stelle erzählt er uns von einem Tiger, den der Kaiser in der Tatarei, also ausserhalb der grossen Mauer, in einem seiner Jadreviere, er- legte”); dann von einem andern, den er den Jesuiten zur Anatomie überliess. In einer, in der Histoire de l! Acad. de sc. de Paris, 1699, p. 51, mitgetheilten Notiz von Gouye wird ebenfalls über einen Tiger (ob etwa gar vom eben genannten?) berichtet, der auf einer der Jagden des Chinesischen Kaisers, ausserhalb der grossen Mauer, also in der nordöstlichen Mongolei, nebst vier andern erlegt und den jesuitischen Missionären zur Zergliederung überlassen wurde. Is- brand-Ides (Driejar. Reize naar China p. 76, Trav. to China p. 51 u. deutsche Uebers. S. 131) berichtet, die Gegend von dem Städtchen Kara-katon (Karo-kotun) an bis zur chinesischen Mauer sei hin und wieder felsig und bewachsen und beherberge viele Tiger, Leoparden (offenbar Felis Irbis), wilde Schweine und Hirsche. Zum Schutze gegen die genannten wilden Raubthiere hänge man dort den Hausthieren eiserne Glöckchen an und habe das erwähnte Städtchen mit Pallisaden umgeben. Die Einwohner erzählten ihm, dass Menschen, die sich ins Gebirge be- geben, nicht eben selten, sogar bei Tage, von den Tigern gefressen würden. Man pflege auch *) Ueber die grossen Treibjagden, welche die Mandschu-Kaiser (Bogdochane) des ersten (17.) Jahrhunderts alljähr- lich jenseits der grossen Mauer in der Charra-Mongolei mit einem Gefolge von 2-6000 Mann und gegen 100,000 Pfer- den und zur Jagd abgerichteten Luchsen, Unzen (Felis Irbis), Tigern und Falken, die sie in Käfigen mit sich führten, im August oder Herbst mehrere Wochen, ja selbst zuweilen mehrere Monate hindurch anstellten, wobei, ausser Tigern, Eber, wilde Stiere(?), Esel (Dgiggetai’s), Hirsche, Rehe, Hasen, Wölfe, Bären, Füchse, Luchse, Rebhühner, Fasanen, Schwäne, Kraniche, wilde Gänse und andere Vögel erlegt wurden, berichtet du Halde (Deser. d. !. Chine. IV. p. 96). Ausser ihm haben diese Jagden der Mandschu-Kaiser auch Marco Polo (v. Bürck, S. 312, 315, 316 u. 246), Isbrand, Ides (Driejaarige Reize naar China p. 76) und die Auszüge bei Ritter (Asien I. II. 2. S. 51) besprochen. Der königl. Kupferstichsalon zu Dresden besitzt eine 30 Fuss lange Rolle, worauf eine solche kaiserliche Jagd bildlich dargestellt ist (Klemm, Culturgesch. VI. S. 149). Auch im chinesischen Cabinet der St. Petersburger Akademie befinden sich zwei colorirte, aus China stammende, Darstellungen der Hetzjagden des Bogdochans, worauf Tiger, frei oder in Käfigen ge- tragen, nebst Hirschen, Füchsen u. s. w. dargestellt sind. — Einen sehr schwachen Nachhall dieser grossartigen Kaiser- jagden bilden noch jetzt die der Hrn. y. Urga im östlichen Altai, worüber uns Timkowski (Yoy.T. I. p. 60-65 u. note p- 180) berichlet. Vergl. auch Ritter, Asien Il. II. 220, I. 514. — Wie wildreich Nordchina und besonders die angren- zende Mongolei zur Zeit der ersten Mongolen-Kaiser waren, geht daraus hervor, dass nach Marco Polo (Ausg. v.Bürck S. 312 u. 246) dem Gross-Chan vom October bis Ende März täglich (?) 1000 Stück Wildpret geliefert wurde. % 20 (164) J. F. Brasor. Zoologie. aus Furcht vor denselben des Nachts dort gar nicht zu reisen, weil sie dann auf Raub aus- gingen, während sie bei Tage sich auf den höchsten Bergspitzen aufhielten. Ueberhaupt rieth man ihm immer auf der gebahnten Strasse zu bleiben. Der Kaiser von China kommt, wie er ferner mittheilt, alljährlich im August mit 2 — 3000 der geübtesten, tatarischen Bogen- schützen und Lanzenträger dahin auf die Tigerjagd, bei welcher Gelegenheit aber auch an- dere Thiere (Hirsche, Rehe, Schweine, Hasen, Wölfe und Füchse) erlegt würden. In Brand’s Relation du Voyage de Mr. Isbrand p. 111 wird blos gesagt, China sei in der Nähe der Mauer mit Tigern und Panthern (Irbis’en erfüllt). Isbrand’s russischer Originalberieht an den Zaren (siehe Apwen. Pycer. Bu6.uiom. VI. 451) spricht sogar sehr allgemein nur von wilden Thieren, die in den erwähnten Gegenden hausen. Aber auch das eigentliche, mauerumschlossene, naturhistorisch so wenig bekannte China muss wohl in seiner ganzen Ausdehnung als, wenn auch nur frühere, Heimath des Tigers an- gesehen werden. Es gilt dies gegenwärtig allerdings wohl nicht mehr von den dicht bevöl- kerten mittlern und Küstengegenden desselben, sondern von den an der Mauer selbst gelege- nen, weniger cultivirten, nördlichen, westlichen und besonders südlichen Grenzdistrikten; wo aber jetzt, wegen der Culturnähe ihr Vorkommen auch nur ein spärliches und vielleicht zum grossen Theil nur durch Eindringlinge bedingtes sein mag. Du Halde (a. a. O. p. 35) be- richtet: Les Laohou ou tigres infestent la Chine autant au moins que la Tatarie. Gouye (a. a. O.) spricht offenbar ebenfalls auf Mittheilungen jesuitischer Missionäre aus China gestützt, von chinesischen und tatarıschen Tigern; ja er erwähnt sogar eines von den Jesuiten zu Macao zergliederten Exemplares. Marco Polo, der (Reise, übers. v. Bürck, B.1l. Cap. 14, S.312) den Tiger als gestreiften Löwen unter den in Käfigen vom chinesischen Kaiser zur Jagd des grössern Wildes (Eber, wilde Stiere, Esel, Bären, Hirsche, Rehe) gehaltenen Thieren auf- führt, erzählt S. 368, von Tigern, die nebst Antilopen, Bären, Luchsen und Hirschen in der wald- und felsreichen Provinz Kun-kin drei Tagereisen westlich von Quenzanfu (Sin-ganfu) etwa unter 34° N. Br., der Capitale Schensi’s sich fänden. Ebendaselbst S. 376 berichtet er, dass es Löwen (Tiger) nebst Bären und andern wilden Thieren in der Provinz Sin-di fu (Tsching-tufua 30° 40° N. Br. und 101° 44 O.L. von Paris) gäbe. An einer andern Stelle (Bd. II. Gap. 49, übers. v. Bürck S. 421), wo er von den Städten Cintigui, Sindifu, Gingui und Pazanfu spricht, erzählt er, dass dort die Löwen (Tiger) so zahlreich sind, dass die Ein- wohner nur in den Städten schlafen und nicht an den Flussufern, ja nicht einmal in der Nähe derselben in Kähnen, ohne Gefahr ausruhen können. Auch das südöstliche Gestadeland China’s (Koncha oder Fokien) schildert er (B. 11. Cap. 73, übers. von Bürck $. 482) als von grossen Tigern bewohnt. Kircher (China illustr. p. 203) spricht nach Martinius (Atlas) von Tigern in der Provinz Chekiang und ebendaselbst von Tigern, die zahm werden sollen im Gebirge Xuntien. Neuhoff (Gesandtschaftsreise S. 372) sagt, dass der Tiger (den er S. 373 abbildet) in Yunnan auf dem Nalo-Gebirge, aber ausserdem auch in der Provinz Quangsi auf dem Ge- birge Xerao sich aufhalte. Osbeck erhielt einen Tiger aus der Nähe von Canton (Thunberg, Faun. chinens. Upsal. 1823, 4. p. 2). Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TiGErs. as) 21 Die Jesuiten-Missionäre Grueber und d’Orville, die im Jahre 1661 auf dem Wege von Sinning durch die Wüste Tangut (Ritter, As. I. S. 173. II. S. 453) nach Tibet vordrangen, bezeichnen ausser Löwen und Ochsen auch Tiger als Bewohner jener Gegenden. Löwen aber sahen sie dort sicher nicht, wohl aber, wie man glauben darf, den Irbis oder Panther. Dass man den Tiger in jenen Gegenden mit Sicherheit vermuthen darf, dafür spricht sein Vor- kommen in Südchina und in Tibet. Ueber sein häufiges, nach den Verwüstungskriegen, welche über Tibet 1254 durch den bald Holitai (Guignes), bald Ouleanghotai, bald Uriangeadai genannten Feldherrn des Mongolenkaisers Mangu hereinbrachen, noch vermehrtes, Menschen und Thiere ernstlich ge- fährdendes Auftreten in Tibet berichtet schon Marco Polo (Reise, v. Bürck $. 380). Nach Mac Carthy (Revue d. T’Orient, 1 ser. T. 2. p. 129) soll der Tiger in Tibet das von zahlreichen Leoparden, Wölfen und Bären bewohnte Gebirge Khoten häufig besuchen. Auch deutet der eigenthümliche Name tagh, welchen der Tiger in Tibet führt, auf seine dortige Heimath. Jb der Tiger am nördlichen Abhange der Gebirge Tibets sich aufhalte, ist noch unbekannt, da diese Gegenden naturhistorisch zeither nicht untersucht sind. Der Umstand, dass er in der Chalchas- Mongolei, in Tibet und im benachbarten hohen Turkestan sich findet, lässt ihn auch wohl * theilweis in jenem unerforschten Ländersaume, vielleicht aber nur in geringer Zahl, erwarten, da derselbe, mindestens in einer sehr beträchtlichen Ausdehnung, eine Wüste darzustellen scheint. In der nach Klapproth (Rem. geogr. s. 1. prov. occident. d. I. Chine N. J. Asiat. 1. p. 109) zum nördlichen Birmanenlande gehörigen, von Marco Polo (ll. 38) beschriebenen, Provinz Kaindu finden sich (übers. v. Bürck 8. 388) ausser Bären, Rehen, Hirschen und Antilopen auch Löwen (Tiger). Ueberhaupt sprechen sowohl ältere, als auch neuere Reisebeschreibungen vom mehr oder weniger häufigen Vorkommen des Tigers in Hinter-Indien; ja berichten sogar (s. Ainslie, Mat. med. ind. 1. p. 479, Finlaison, Journal of the Mission to Siam. Lond. 1826. 8. p. 263) von der Anwendung der häufig feil gebotenen Knochen und des in Oel gesottenen Fleisches desselben als Heilmittel. Aus andern Quellen erfahren wir, dass man ihm, ebenso wie dem Hunde in Cochinchina göttliche Ehre erweise (Buchanan und Leyden in Vater’s Sprachproben S. 212, Ritter, As. IV. 2. S. 694). La Bissachere (Etat actuel de Tunkin & Paris, 1812. 8. I. p. 90) erzählt, die Tiger wären in Cochinchina überaus zahlreich und verfolgten die Menschen bis in ihre Wohnungen. Auch Crawfurd (Journal) nennt die Tiger unter den Thieren Cochinchina’s (Ritter, As. Th. IV. 939). — Am Saigun in der cochinchinesischen Südprovinz Cambodja sind sie so häufig und dreist, dass sie die Menschen sogar aus ihren Wohnungen wegschleppen (White, Voy. to Cochinchina, bei Ritter a. a. O. 1040). Auf der südöstlich vom Meerbusen von Tonkin liegenden Insel Hainan finden sich Tiger nebst Nashörnern (Ritter, As. Th. IV. 883). Von der Grösse der Tiger Siams, welche die des Maulesels erreichen soll, so wie von ihren Kämpfen mit den Elephanten berichtet bereits Tachard (Voyage de Siam ü Paris, 1686. p- 272). Von ihrer dortigen grossen Häufigkeit geben uns Gervaise (Hist. de Siam, @ Paris 22 (166) J. F. Branor. Zoologie. 1690. 4. p. 35) und Turpin (Hist. de Siam. I. p. 296) Kunde. Finnlaison (a. a. O.) be- stätigte dieselbe im Jahre 1826. Aus den neusten Mittheilungen von Pallegoix (Description du royaume Thai ou Siam a Paris 1854. 8. I. p. 155) lernen wir den Königstiger als noch gegenwärtigen Bewohner aller Wälder Siams kennen, mit der Bemerkung, dass er sowohl Menschen, als auch noch häufiger Thiere verspeise, ja sogar selbst Büffel aus den Wohnungen wegschleppe. Dass auf der malaiischen, dem tigerreichen Sumatra benachbarten, Halbinsel (Malakka), namentlich im Gebiet Djohr Tiger nebst Leoparden sich aufhalten, berichtet Ritter (As. IV. 1.S. 8). In Tenasserim ist nach Helfer (Journ. of th. Asiat. Soc. of Bengal. Calcutta 1838. P. II., Wiegm. Arch. V. 2. S. 179) der Tiger zahlreich, kräftig und gross, erscheint aber feiger als in Bengalen, so dass man ihn dort weniger fürchtet und fast keine Beispiele kennen soll, dass er bei Tage einen Menschen angegriffen hätte. In Martaban wäre nach Ritter (Asien. IV. 2. S. 695, IV. 1. S. 146) der Tiger nicht gerade sehr häufig. Ueber das Vorkommen desselben in Pegu und sein Menschen und Thieren gefahrbrin- gendes Auftreten berichten bereits Balbi (Purchas Pilgr. II. p. 1727), Turpin (Hkst. d. Siam. I. p. 296), Hunter, Wolf et Echels. (Deseription du Pegu a Paris 1793. 8. p. 50), Symes (Embassy of Pegu. II. p. 16), Carey (Journ. from Rangoon to Martaban im Asiat. Journ. XX. 1825. p. 267—69) und Ritter (As. IV. 1.8. 183, IV. 2. S. 695). Der Letztere bemerkt auch (IV. 2. S. 695), dass es Tiger in Arakan gäbe. In den Wäldern der nördlich von Ara- kan gelesenen Districte Dschittagong (oder Tschittagong) und Sylhet findet man ihn sogar sehr häufig (Ritter, As. IV. 1.8. 393 und 420). Im Stromgebiet des Irawaddi, namentlich in den an Sunderbunds und an Büfleln reichen Delta desselben, so wie überhaupt in allen weniger bevölkerten birmanischen Distrieten kommt der Tiger überall in sehr beträchtlicher Menge. vor. Man sieht sich daher dort genöthigt des Nachts Feuer anzuzünden, um ihn abzuhalten (Symes, Relat. T. II. ch. 3. p. 31, 4. p. 40; Ritter, IV. 1. 5. 255 u. IV. 2. 5. 695). In Uebereinstimmung mit diesen Angaben nenut ihn Craw furd (Embass. p. 12, bei Ritter Th. V. 2. 178) als Bewohner des untern Irawaddi, namentlich der Umgegend der Stadt Myan-ong. In den Gebirgen östlich von Ava (den Tong-taong-Ketten) sollen nach Wallich (Craw- furd, Embassy p. 267 fl., bei Ritter IV. 1. S. 233) Tiger nebst Elephanten, Affen, Leopar- den, Ebern und Hirschen vorkommen. In den südöstlich vom Bogen des Brahmaputra, west- lich von Assam gelegenen Garrows oder Garro-Bergen wird der Tiger, wie der Hund, göttlich verehrt (Ritter IV. 2. S. 694). Dass es in Assam selbst nicht an Tigern fehle, erfahren wir durch Me. Clelland (Proceed. Zool. Soc. 1839. p. 150). Das Vorkommen derselben am Brah- maputra, in Assam und Nepal macht es mehr als wahrscheinlich, dass sie auch in Bhutan nicht fehlen, obgleich Ritter (IV. 2. S. 694) das Gegentheil anzunehmen geneigt ist. In frühern Zeiten fanden sich Tiger in grösserer oder geringerer Zahl im ganzen Strom- gebiet des Ganges. Sie waren dort überall, sowohl den Schiffern, als auch besonders den Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS, 167) 23 Pilgern, die ihre Waschungen in ihm verrichteten, sehr gefährlich, und wurden nicht selten der Gegenstand zahlreicher Jagden (Forbes, Orient. Mem. Il. p. 489, Ritter, As. IV. 2. 697 und besonders Williamson and Howitt, Oriental field sports. London 1808. fol:). In den gegen tausend englische Meilen in der Länge und mehrere tausend in der Breite betragenden, bewachsenen Küstenstrecken (Sunderbunds), die sich zwischen den Ausflüssen der Hauptarme des Ganges, vom Hug!y bis zum Megna, hinziehen, also im ganzen Stromgebiet des untersten Ganges (den Ganges - Ausllüssen) erscheinen sie noch sehr zahlreich und von ansehnlicher Grösse. Sie werden dort besonders den schutzlosen, bedauernswerthen Salzsiedern (Molungi’s, Ritter, As. VI. 2. 780 u. 1198) ungemein gefährlich, ja verfolgen sie nicht selten bis in ihre ärmlichen Hütten. Die dortige Verbreitung und Vermehrung der Tiger ist um so nachhaltiger, da sie ohne Bedenken und mit grosser Gewandtheit selbst über sehr breite Ströme setzen und man ihnen wegen der dichten, oft aus theilweis verdorrten und daher braunen, und aus der Ferne der Färbung des Tigerfelles ähnlich erscheinenden, Vegetation ihres Wohngebietes nur sehr schwer oder gar nicht beikommen kann (Williams. a. How. a. a. O. p. 152, 161, 196 u. 205). — Dass nordwestlich vom östlichsten Hauptarm des Ganges, dem Megna, in der Umgegend von Dacca und Bowal, Tigerjagden veranstaltet wurden, berichtet ebenfalls Wil- liamson (a. a. O. p. 251). Im Distriet Bhaughulpore (Boglipur) am mittlern Ganges (unter 25'/, Br. zwischen 84— 85° L.) stiess ein Hr. Underwood auf drei Tiger, was für ihre frühere dortige Häufigkeit spricht, da es im Jahr 1807 geschah (Williams. a. a. ©. p. 153). Am obern Ganges sind sie an vielen Stellen durch die Cultur, namentlich die Ausrottung der Wälder und diehten Gebüsche, grösstentheils verschwunden. Es gilt dies aber keineswegs vom ganzen obern Gangesgebiet. So erfahren wir durch Hoffmeister (Briefe aus Indien. Braunschweig 1847. 8. S. 199), dass sie an den obersten Zuflüssen des Ganges gleichzeitig mit Leoparden, sowie Antilope Ghoral und Thor hausen, namentlich in dem zwischen Morada- bad und dem Kosila-Fluss gelegenen Nainethal sehr gefürchtet werden, indem sie dort in der Schneeregion, wie in der Ebene als gefahrbringend auftreten. Vom Vorkommen des Tigers im Centrum Nepal’s berichtet uns Hodgson (Proceed. Zool. Soc. 1833, p. 105 u. 1834, p. 96). — Nach Hamilton (Account of Nepal, p. 65) würde, im Widerspruch mit den neuern Beobachtungen Hoffmeister’s, der Tiger an der hindostanischen Seite Nepal’s nicht in gleicher Zahl so hoch, wie die Elephanten und Nashörner in den Ge- birgen aufsteigen. Royle (Illustr. of Botan. of th. Himalay. Mount. P. I. p. 20) sagt dagegen, mehr im Einklang mit Hoffmeister’s Angaben, der Tiger steige nebst andern Katzen in den Vorbergen des Himalaya gegen 5—9000 Fuss auf, also (mindestens) bis zur Gegend, wo die, der Europäischen ähnliche, Alpenflora beginnt. Kirkpatrik (Account of Nepal p. 73) sah ihn südlich von Kathmandu um Tambeh-kan in einer Höhe von 5— 6000 Fuss. Hoff- meister, der (Briefe S. 152) von einem Treibjagen in der Nähe Kathmandu’s berichtet, er- wähnt dabei des Tigers nicht. Auf dem Rückwege von dort in der Richtung von Delhi bei Sigaulih wohnte er aber einer Tigerjagd bei, auf welcher ein junger und ein alter Tiger erlegt wurden; ein dritter wurde zwar verwundet, entkam aber (ebd. $. 159). — Auch Jacque- 24 (168) J. F. Branpr. Zooologie. mont (Voy. I. p. 20) spricht von Tigern in den gegen Katlımandu sich hinziehenden Wal- dungen. In den Wäldern der mehr westlich gelegenen Vorketten des Himalaya, namentlich in Kemaon (Kemaun, Kemon) und am heiligen Hurdwar, dem Mecca der Inder, (Cramer, Excurs. p. 128), in Gurhwal und in Sirmore (Surmur) werden Tiger gleichzeitig mit Ele- phanten erlegt (Ritter, As. Il. 851, 913, 1037). Auch fand Moorcroft unterhalb Kemaun in der Nähe des Ursprungs des Kosila, eines Zuflusses des Ganges, sehr viele Tiger (Ritter ıb. Th. It. S. 1018). Im kalten Kaschmir hat man, so viel ich weiss, den Tiger bis jetzt noch nicht nachge- wiesen, wie dies schon Ritter (As. Bd. IV. 2. S. 694) angiebt. Indessen möchte doch für jetzt wohl kaum schon als ganz sicher anzunehmen sein, dass er dort ganz fehle; obgleich Hügel (Kaschmir und das Reich der Siek. Stutg. 1848. 8. Bd. II. S.292) in seinem Verzeich- nisse der Säugethiere Kaschmir's wohl einen weisslichen Panther, aber keinen Tiger aufiührt, und auch Jacquemont (Voy. III. p. 312) keinen Tiger nachweist, da der angeblich bei Aknaal von ihm erlegte Tiger, wie aus seiner Beschreibung unverkennbar hervorgeht, oflen- bar für einen Panther zu erklären ist. Vigne (Travels in Kaschmir, Ladak, Iskardo ete. sec. ed. London 1844. 8. T. II. p. 14) führt zwar unter den Säugethieren Kaschmirs Jen Tiger auch nicht auf, hält es aber für wahrscheinlich, dass er dort vorkomme, da er im Himalaya ein all- gemein gekanntes Thier sei. Früher wenigstens jagte man den Tiger bei Lucknow”), also in Oude (Valencia, Trav. I. p. 159). Ebenso erwähnt Williamson (a. a. O.) des Tigers in Oude noch an mehreren Stellen, so p. 44, 169 und 265. Bei Agra (also in Delhi) erlegte man ebenfalls früher Tiger (Ritter :6. IV. 2. 706). Sie fehlen indessen jetzt in den freien, offenen Landstrichen Delbi’'s oder erscheinen dort schon seltener. Es gilt dies namentlich von den zwischen dem Ganges und Dsumna gelegenen Ge- genden, so wie dem Südufer des letztgenannten Flusses, bis wohin der Löwe seine Streifzüge nach Gazellen (Nilghau’s und andern Antilopen) fortsetzt (Ritter ebd. S. 702). Nach Fraser sind indessen die zwei Tagereisen nördlich von Rampur gelegenen Wälder von Seram voll von Tigern (Journay p. 348 u. Ritter Th. III. 2. 763). Jacquemont (Voy. II. 330) sagt, dass hinter Koutoub, an der Strasse von Delhi, nicht viel über eine Tagereise davon, dann im nördlichsten Theile Delhi's, unweit Saharunpur, unter dem 30° Br. sich Tiger fänden (ebd. 1. p- 9). In frühern Zeiten gab es in Bengalen, wie überhaupt in allen unangebauten, namentlich bewachsenen‘) Distrieten Indiens, Tiger in ganz besonderer Menge, die man vorzüglich zur Nachtzeit fürchtete. Ja sie griffen selbst Reiter an und drangen bis in die menschlichen Woh- *) Von einem Kampfe gefangener Tiger mit Büffeln zu Lucknow, worin erstere den kürzern zogen, erzählt Hoff- meister (a. a. 0. $. 175). Uebrigens berichtele schon Williamson (a. a. ©. S. 287), dass die Nabobs zu Zeiten solche Kampfspiele anstellen lassen. ”) Die Tiger greifen nämlich nur ausnahmsweise auf offenem Felde an (Williams. Orient. field sports. p. 161). Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 4169) 25 nungen (Schoutten, Voy. aux Indes or. Il. p. 328; Schulten, Ostind. Reisebeschr. Amsterd. 1676. fol. p. 206). In neuern Zeiten hat Vigne (Travels in Kashmir, Ladak, Iskardo sec. ed. V.I. p. 24) über die Tigerjagden gesprochen, welche der Capitain von der bengalischen Armee, Outran, bei Dhurumgäam im Bhil-Distriet anstellte. Im eultivirten Lande von Caleuttä kennt man nach Jacquemont (Voyage. I. p. 251) auf der Strasse Poeuluna (oder Purruah) die Tiger nur noch dem Namen nach; weiter land- einwärts bei Gopalpon, wo sich bewachsene Gegenden finden, tragen die Ochsen schon Glocken, um die, freilich im Ganzen wenig gefürchteten, Tiger zu erschrecken (ebd. p. 270, 273). — Um Hazaroubag sah Jacquemont einen erlegten Tiger (ebd. p. 299). Um Daud- pore, Plassey, Augahdeep (Aghadıp) und besonders an den Ufern des Jellinghee, welcher ostwärts die Insel Cossimbazar umspielt, setzten Ende des vorigen Jahrhunderts noch zahl- reiche Tiger bei Tage, wie bei Nacht, über den Fluss. Von Augahdeep gingen sie dann nach der ausgedehnten Jungle Patally, welche einst durch ihre zahlreichen Tiger ganz besonders be- rüchtigt war. Williamson selbst sah dort binnen zwei Stunden deren vier, ein anderer Rei- sender 1782 deren drei. Der berühmte Tigerjäger Paul (ein Deutscher), welcher in die genannten Gegenden eine Exceursion mit mehrern Elephanten machte, erlegte, ausser mehrern Leoparden, in einer einzigen Woche drei und zwanzig Königstiger (Williamson, Or. field sports. p. 198). Schon im Jahre 1807 gehörten auf der trefllich angebauten Flussinsel Cossim- bazar (dem sogenannten Garten Indiens) Tiger zu den Seltenheiten (Williams. edd. S. 148), obgleich sie früher dort ein beständiger Gegenstand des Schreckens waren. Der bereits er- wähnte Tigerjäger Paul trug Ende des vorigen Jahrhunderts viel zu ihrer Vertilgung bei (ebd. $. 198). Ausser der Cultur und Jagdliebhaberei hat aber namentlich die Freigebigkeit der Regierung die dortige Ausrottung der Tiger wesentlich beförderi, indem sie für jedes Exemplar eine Prämie von 10 Rupien (25 Schilling engl.) auszahlen liess, und so im Verlaufe von meh- rern Jahren (bis 1807), ein freilich wohl kaum besser anzulegendes Capital von 30,000 Pfd. Sterling verausgabte (Williamson edd. p. 175, Ritter, As. Th. XI. 2. S. 697). In den westlich vom Gangesdelta gelegenen Wäldern Gondwana’s (Gundwana’s), nament- lich in den schwach von Gonds bevölkerten Distrieten, die keine Feuergewehre besitzen und die Hülfe ihrer Götzen gegen die Tiger anrufen, sind die letztern dagegen eine sehr häufige Erscheinung (Ritter a. a. 0. S. 698). In Orissa fehlt es gleichfalls nicht an zahlreichen Tigern (Ritter edd. S. 538). Aus dem cultivirten Coromandel, das früher zu den reichlich mit Tigern versehenen Län- dern gerechnet wurde (Allgem. Reis. XVII. S. 352) sollen sie nach Ritter (a. a. O. S. 698) gänzlich (man möchte wohl lieber sagen, fast gänzlich) verdrängt sein. Im Oriental annual by Daniell and Caunter p. 38 lesen wir wenigstens von ihrer Häufigkeit in der Umgegend von Gingi, nordwestlich von Pondichery zwischen 12 — 13° Br. und 77 —78° L., wo ein Einge- borner ein stattliches Exemplar erlegte. Auch erhielt noch in neuern Zeiten das Britische Museum durch Sykes ein Tigerfell aus Madras (List of th. Mammal of Brit. Mus. p. 40). In Malabar, besonders im südlichen und mittlern Theile desselben, bildet der mehr oder 4 26 (170) J. F. Branpr. Zoologie. weniger zahlreiche Tiger eine grosse Landplage, ja sogar ein wahres Hemmniss zur Ausbrei- tung der Bevölkerung (Delon, Voy. p. 104, Dänische Missionsberichte XXIX. S. 432, Ritter, Asien. Bd. IV. 2. 698). Namentlich hat die von Waldproducten sich nährende Bevölkerung von Travancore, so wie die des Gebirgslandes von Curg viel von ihm zu leiden (Ritter, As. Bd. IV. 1. 896, 2. 699). Die rohen Bergvölker Malabars, denen die Feuerwaflen fehlen, wie die Curubaru an der Ostgrenze von Wynad (Ritter, As. Bd. IV. 1. 931), nebst mehrern an- dern suchen sich, jedoch natürlich ohne stetigen Erfolg, durch Feuer und Dornhecken (Ritter, As. IV. 1. S. 932 u. IV. 2. S.699) zu schützen. — In den hirschreichen untern Wäldern der Nila-Giri (Nil-Gherry), namentlich unter andern im Wohngebiet der gleichfalls der Feuerge- wehre entbehrenden Eriligaru, welches auf der Südostseite des genannten Gebirgszuges sich befindet (Ritter, As. IV. 1. S. 934), ist der Tiger zahlreich. Uebrigens fabelte man nach Buchanan (bei Ritter a. a. O.), dass das genannte Völkchen den Tiger zu bezaubern ver- stände, so dass sogar die Weiber, wenn sie in die Wälder gingen, ihre Kinder den Tigern an- vertrauten. — Auf den Höhen von Utakamund soll der Tiger in geringerer Menge vorkommen (Ritter Bd. IV. 1. 984 u. IV. 2. 698). — In den offenen Gegenden des nördlichen Malabar, in der Nähe des Marattenlandes, gegen den Tunghubudra, besonders am bebauten Theile dieses Flusses, treten die Tiger ebenfalls seltener auf (Ritter a. a. O.). — Nach Buchanan (Journ. T. 1. 163, I. 11, 61 u. s. w.) finden sie sich aber in Maissoore (Mysore) und Tulava bis zum Tunghubudra und Kistna in furehtbarster Menge, und zwar wieder vorzugsweis in solchen Gegenden, deren Bewohner der Feuergewehre entbehren. — Nach dem Falle Hyder-Ali’s richteten namentlich die Tiger in der Umgegend von Seringapatnam grosse Verwüstungen an und nöthigten die Bevölkerung andere, mehr gesicherte Wohnplätze zu suchen. Aus einem einzigen Orte, der in der Nähe der genannten Hauptstadt sich findet (Cancahully) wurden im Verlaufe von zwei Jahren 80 Bewohner von den Tigern geraubt (Buchanan a, a. O.). Die Hirtenkasten, welche das Hochplateau Süd-Dekans bewohnen, die sogenannten Kuh- halter oder Goala’s (Ritter, As. IV. 1. S. 896) haben sehr viel von Tigern zu leiden (Ritter ebd. IV. 2. S. 699), In den westlichen Ghats, ‚so wie auch auf den ihnen benachbarten Inseln ist der Tiger eine sehr häufige Erscheinung (Ritter IV. 2. S. 700). Auf Salsette, also sogar in der Nähe Bombay’s, sind, oder waren sie wenigstens, zahlreich und gefährlich (Forbes, Orient. Mem. T. I. p. 428, Heber, Narrative. IN. p. 97). — In den menschenleeren Gegenden des eigent- lichen Dekan (Hyderabad) traten sie, und thun es wohl noch, als eine wahre Geissel auf. Sie fallen selbst auf dem Marsche befindliche Truppen, besonders die Schildwachen und Nach- zügler an, ja holen sogar einzelne Reiter oder Pferde aus den Colonnen, da sie mit einem Tatzenschlage ein Pferd zu Boden zu strecken vermögen. Man muss daher die für die Briefpost bestimmten Träger von Trommelschlägern, so wie von Fackel- und Lanzenträgern begleiten lassen, ohne verhindern zu können, dass noch mancher aus diesem Convoi von ihnen entführt würde (Forbes, Orient. Mem. III. p. 701). — Wie häufig die Tiger in Dekan seien, geht daraus hervor, dass nach Sykes (Zool. proceed. 1830. p. 101) in der Provinz Khandesch in Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TiGERs. ar) 27 vier Jahren (von 1825— 29), laut offiziellen Berichten nicht weniger als 1032 Personen von Tigern erwürgt wurden. Die Tiger sollen sich indessen nach Sykes in Poonah, Ahed- nuggar und Dharwar schon in geringerer Zahl finden. — Am Nerbuda treten dagegen die Tiger sehr zahlreich auf. Man sah sogar auf einer kleinen, unter 22° 14 Br. und 76° 17’ L. gelegenen Insel (Mandata) schwarze Tiger (Ritter, As. Th. VI. 2. 594). In Malva richteten sie nach den Maratten- und Pindarrikriegen die furchtbarsten Verheerungen an, so dass in einem der beiden Distriete, aus denen man die jährlichen Berichte kennt, in einem Jahr (1817) 86, während eines andern sogar 150 Personen von Tigern erwürgt wurden (Ritter ebd. 772). — Südlich von den obern Zuflüssen des Nerbuda-Stromes, unweit der obern nördlichen Tributär- flüsse des Godavery, in den pflanzenreichen Gegenden bei Mahargong und Puzdar, zwischen dem 21 — 22° Br., nordöstlich von Nagpur (Nagpoor) fand Fitzelarance (Journ. of a route across India. Lond. 1819. 4.p. 90) gleichfalls Tiger. Unter gleicher Breite, jedoch etwas mehr südlich, bei Dungertaul, sah er mehrere von Tigern verzehrte Leichname und Tigerspuren als Zeichen ihrer Häufigkeit. Letztere fand er auch westlich von Nagpur bei Kotal (ebd. S. 134). — Um Baroach am Golf von Cambey, und in Guzerate (Gudjerat)*) sind die Tiger eben so wie in Marwar, besonders am Luni (Lüny) gleichfalls sehr häufig und von ansehnlicher Grösse (Forbes, Mem. Il. p. 282). — In Radjasthan (s. Todd, Ann. of Radj. Lond. 1832. Vol. II. p- 617), wo der Tiger gleichfalls nicht fehlt, bezeichnet man ihn als den schwarzen Herrn und betrachtet ihn als die Incarnation eines Vetters oder eines Raja. Man glaubt daher dort irrthümlich, dass der blosse Ruf Mamu (Oheim!) zu seiner Verscheuchung hinreiche. Das Indusgebiet soll nach Burnes (Trav. III. p. 141) gegenwärtig eben nicht viele Tiger besitzen. Es fragt sich aber ob dasselbe selbst früher eben so tigerreich war als Dekan nebst dem östlichen Theile Vorderindiens und Hinterindien, da dasselbe grösstentheils von ansehn- lichen Wüsten gebildet wird, die das Vorkommen von zahlreichen Thieren, also auch von Tigern, keineswegs begünstigen und in ihm die letztern die Jagdbeute mit den Löwen theilen müssen, indem dort der östlichste Verbreitungsbezirk des Löwen mit dem südwestlichsten des Tigers zusammenfällt. Am Ravi (dem Hyarotis der Alten), einem der östlichen, das Pendjab durchströmenden Zuflüsse des Indus**), wo bereits Alexander der Grosse von indischen Ab- geordneten (Curt. IX. 30) gezähmte Tiger zum Geschenk erhielt, eben so wie in andern, am Indus gelegenen Gegenden, kommen noch Tiger, zum Theil von stattlicher Grösse, vor (Ritter, As. V. 161). ") Ritter (4s. Th. IV. 2. S. 701) theilt einen merkwürdigen Fall aus dem 41. Jahrhundert mit, der sich in der Nähe von Guzerate ereignet haben soll, woraus man, wenn er wahr ist, schliessen darf, dass die Angst sogar den Tiger gewissermaassen zähmen oder wenigstens seine Mordlust zügeln könne. Es soll nämlich auf der Planke eines geschei- terten Schiffes ein Tiger, der früher auf demselben sich befand, drei Tage lang mit einem Menschen geschwommen sein, worauf beide an das Ufer von Guzerate geworfen und gerettet wurden, ”) Dass ausser dem Tiger ehedem auch der Löwe am Ravi vorkam, möchte ich, nicht wie Ritter (4s. Th. VI. 2. 707) als sicher, wenn auch nicht gerade als unwahrscheinlich annehmen; da Alexander dort keine Löwenjagd an- stellte. Bei Curtius, den Ritter als Gewährsmann anführt, heisst es nämlich (Libr. IX. c.6.): «Im Reiche des Sophitis, das offenbar an den Ravi zu versetzen ist, gäbe es edle Hunde, die nicht bellen, wenn sie eines Wildes ansichtig werden, und den Löwen sehr gefährlich seien». Um Alexander einen Beweis von dieser guten Eigenschaft zu geben, wurde in %* 28 17) J. F. Branor. Zoologie. Da Burnes die Seikhs als gewandte Tigerjäger kennen lernte, so dürfen wir wohl an- nehmen, dass dieses stattliche Raubthier in ihrem Vaterlande noch jetzt eben keine Seltenheit sei, obgleich es freilich früher dort noch häufiger sein mochte. Die Bemerkung Hoff- meister’s (Briefe aus Indien $. 200), man habe ihm erzählt, dass man im Penjab nicht selten Tigerfusstapfen im Schnee finde, spricht ebenfalls für seinen dortigen Aufenthalt. Südlich und westlich vom Penjab, nicht blos in den meisten Ländern östlich von der Soliman’schen Bergkette, die man als die südwestlichste Grenze der Tigerverbreitung hat an- sehen wollen (Ritter, As. IV. 2. 690 u. 702), sondern in den meisten Gegenden Afghanistan's finden sich nach Elphiston (Account of Cabul. T. I. p. 187 u. deutsche Uebers. I. 224) Tiger. Auch versichert mein geehrter College Dorn, der bewährte Kenner der Sprache der Afghanen, der Tiger komme in Afghanistan häufig vor. Ueberdies wurde Jacquemont (Voy, Ill. p. 313) von alten jagdkundigen Afghanen versichert, es gäbe in ihrem Lande ausser Leoparden auch wahre Tiger. Vom Norden Afghanistans setzt sich dann wohl, wenigstens theilweis, die Verbreitung der Tiger, da sie im Himalaja bis 9000 Fuss, ja selbst bis zur Schneegrenze hinaufsteigen, über den stellenweis ziemlich flachrückigen, von Alexanders Heere überstiegenen Hindukusch (Parapomisus) und den mehr oder weniger, obgleicb theilweis nur inselarüg, bewachsenen Nordsaum Herats und Chorassans (s. oben S. 12) gegen das Quellengebiet des Amu-Darja und Nordpersien (Mazanderan) hin, fort. Der Anschluss der indischen Tiger an die buchari- schen und nordpersischen erfolgt also ohne Zwang, selbst wenn nach Ritter (As. Th. IV. 2. S. 690) und A. Wagner keine Tiger in den dürren Plateauländern Afghanistans und Irans nachgewiesen werden könnten. Dass übrigens der Tiger von Pottinger (Reise, deutsche Uebers. S. 468) nebst Löwen, Leoparden, Hyänen und Schakalen, als Bewohner des dem Süden des Afghanenlandes benach- barten Beluschistans ohne weitere Bemerkung aufgeführt wird, möchte ebenfalls dafür sprechen, dass die Solimankette wohl nicht als seine westliche Grenze gelten könne. — Da zur Zeit der Römerherrschaft der Tiger in Armenien gefunden wurde, ja noch von Chardin und Gülden- städt als Bewohner Mingreliens und Imeretiens bezeichnet wird, also früher weiter nach Westen ging, so erscheint es gerade nicht ganz unwahrscheinlich, dass er einerseits von Nord- Iran aus über das obere Gebiet des Euphrat und Tigris, obgleich er bei Ainsworth (Research.) und Russegger (Reise) nicht vorkommt, bis nach Nordarabien, andererseits von Beluchistan aus, durch den theilweis wasser- und daher pflanzenreichern südlichern Theil Irans, nach Süd- arabien verbreitet sein könnte oder verbreitet war. Die bei Ritter (Th. VIII. 3. S. 766, Th. einem Gehege ein Löwe losgelassen und vier Hunde auf ihn gehetzt». — Der Löwe war also ein Gefangener, möglicher- weise auch von anderswo hergebrachter. Ritter (VI, IV. 2. S. 723) meint übrigens auch, dass der Tiger erst nach dem Erlöschen des Löwengeschlechts, mit den Anfängen einer frühern Cultur nach Vorderindien, zwischen dem Ganges und Indus, eingedrungen sei, da wohl Denkmäler einer frühern Löwen-, aber keiner Tigerherrschaft vorhanden seien. Es liessen sich aber diese Denkmäler sehr natürlich auch dadurch erklären, dass der edlere, majestätische Löwe, wie es auch in den sanskritischen Thierfabeln geschieht, dem unedlern Tiger vorgezogen, und so dem Löwen die Oberherrschaft eingeräumt wurde, Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. a7) 29 XI. S. 212 u. S. 1013, so wie XII. S. 446) angeführten Stellen, namentlich auch eine bei Diodor (II, ed. Wessel. p. 162), wo von babylonischen Tigern in dem Syrien benachbarten Theile Arabiens gesprochen wird, deuten sogar darauf hin; falls nicht darin, wie schon Ritter meint, eine Verwechselung des Tigers mit dem Panther verborgen liegt, was jedoch nicht von der Stelle bei Diodor gilt, wo, ausser dem Tiger, auch Panther und Löwen genannt werden, Neue, genaue Untersuchungen, der erwähnten, naturhistorisch noch viel zu wenig bekannten Länder, werden hierüber zu entscheiden haben. Für jetzt lässt sich wenigstens Arabien, so wie selbst der Norden Mesopotamiens, nicht als sicheres, äusserstes, westlichstes Verbreitungsgebiet des Tigers ansehen. Was das Vorkommen desselben in Iran anlangt, so stimmt mein College Dorn dafür, ebenso eine Stelle bei Ritter (As. Th. VII. 3. S. 766), der zu Folge er sich nebst Löwen und Leoparden an den Ufern des grossen Sees Deria i Niriz (Bakhtegan der ältern Geographen) im Thale von Persepolis fand’). Bereits Plinius (ist. nat. VI. 22.), der nach Wendt (Die Insel Ceylon. Dorpat 1854. 8. p. 73), ebenso wie Strabo (Geogr. XV. $. 14.) und Solinus (c. LIII) seine Mittheilungen über die Insel Tarpobane (Ceylon) hauptsächlich wohl Onesikritos entlehnte, berichtet, dass die Tiger- und Elephantenjagd die angenehmste Beschäftigung ihrer Bewohner sei. — Knox, der (Ceylonische Reisebeschr. Leipz. 1689. 4. S. 41 u. 53) den Tiger unter den Bewohnern Ceylons aufführt, sah sogar am Hofe des dortigen Königs einen schwarzen Tiger und berichtet uns, wie man dort die Tiger jage oder erlege. Selbst Zimmermann (Geogr. Gesch. II. 260) macht, ob- gleich vielleicht schon zu seiner Zeit keine Tiger auf Geylon mehr existirten, auf eine Angabe bei Baldaeus (Ceylon und Malabar S. 421) gestützt, diese Insel als einen der Fundorte des Tigers namhaft. — Schoutten (Voyage a. Ind. orient. Il. p. 37) erwähnt dagegen schon bei Gelegenheit der Aufzählung der Säugethiere Ceylon’s, den Tiger nicht. Ebenso vermissen wir ihn bei Ribeyro (Hist. de Ceylon. Amsterd. 1601). Auch in den neuern Beschreibungen der Insel von Cordiner (Description de Ceylon) und Davy (Account of the interior of Ceylon. Lond. 1821) wird, ebenso wie in den mehrfach angeführten Briefen Hoffmeister's, der Tiger als Bewohner Ceylon’s nicht angeführt. Wir dürften also demnach mit Ritter (As. Th. VI. 2.143 u. 698) und Wendt (a.a. ©. p. 116) anzunehmen haben, der Tiger sei in Ceylon ausgerottet, wenn nicht etwa Montgomery Martin, der ihn als in GCeylon heimisch nennt (Rittera.a.O. S. 143) den echten bengalischen dort sah und also keinen Leoparden dafür ansprach, — Jedenfalls lassen, abgesehen von jenen alten Angaben bei Plinius, die Mittheilungen von Knox und Baldaeus, dann die grosse Nähe des tigerreichen Vorderindiens, so wie das Vor- kommen von Elephanten, die Insel Ceylon als, wenn auch nur selbst frühern, Wohnplatz von Tigern ansehen. Die zahlreichen, schon in den ältesten Zeiten begonnen, Jagden auf einer isolirten, schon früh eultivirten, Insel vermochten um so Jeichter eine Thierart zu vertilgen, da dieselbe aus andern, benachbarten Gegenden keinen Ersatz an neuen Individuen erhalten konnte. *) Jedenfalls darf man aber wohl nicht der Ansicht beistimmen, der Tiger sei auf Bengalen und die indochinesi- schen Länder beschränkt, den indopersischen aber fremd (Ritter, As. VII. 8. 211). 30 da J. F. Branor. Zoologie. Aus der Zahl der südlich von der hinterindischen Halbinsel gelegenen, grossen Sunda- Inseln haben nur Sumatra und Java*), also gerade die von der ungemein tigerreichen Halb- insel Malakka, ebenso wie von einander, nur durch schmale Meerengen getrennten, in uralter Zeit möglicherweise untereinander und mit ihr verbundenen, den Tiger unter ihren thierischen Insassen aufzuweisen. Dass der Tiger gleichzeitig mit Elephanten, Hirschen, Nashörnern und Wildschweinen das einem grossen Temperaturwechsel unterworfene Sumatra bewohne, berichtet schon Schout- ten (Voy. a. Ind. or. 11. 149 u. 150). Von der beträchtlichen Individuenzabl und den wahrhaft entvölkernden, ja fast unglaublichen, Verheerungen, wodurch oft die Bewohner ganzer Dörfer ausgerottet wurden, die sich vergeblich durch brennende, aus mit Dammaraharz gefüllten Bam- busröhren bereiteten, Fackeln und zerstreute Feuer gegen seine Angrifle zu schützen suchten, erzählt Heyne (Tracts of India p. 427) und besonders Marsden (Hist. of Sumatra. Lond. 1784. p- 147). Dessenungeachtet stellte man, besonders früher, trotz der Prämien, welche die Indi- sche Compagnie aussetzte, den Tigern weit weniger nach als zu wünschen war, weil ein Theil der Einwohner den Glauben hegt, dass in denselben die Seelen der verstorbenen Vorfahren steckten (Müller, Nachrichten von Sumatra, Philosoph. Transact. LXVIM. 171). In neuster Zeit hat Hr. Baron v. Temminck (Coup d’oeil sur 1, possessions neerlandaises. Tom. II. p. 88), eben so wie auch $. Müller (Bergh. Phys. Atlas p. 167) auf das häufige Vorkommen der Sunda-Race des Tigers auf Sumatra hingewiesen. Durch Bontius (Hist. ind. orient. 1658. p. 52), der längere Zeit auf Java zubrachte, und durch seine dort gewonnenen Beobachtungen die Naturgeschichte des Tigers zuerst näher er- läuterte, lernen wir bereits mächtige Tiger als Glieder der Fauna dieses Eilandes kennen. Schoutten (Voyage aux Ind. orient. I. p. 347) erzählt, dass der Tiger sich auf demselben gleichzeitig mit Nashörnern, Hirschen, Büffeln, Schweinen, Affen und Zibethkatzen finde. Von spätern Beobachtern haben Raffles (Hist. of Java. I. p. 49) und Crawford (Ind. Archp. 1. p. 115) über die Häufigkeit des Tigers auf Java gesprochen. Dass derselbe auf dieser Insel, so wie auf Sumatra, nicht fehle, und mit dem Bengalischen zu einer Art gehöre, bestätigen die maassgebenden Erfahrungen der beiden ausgezeichneten Vorsteher der grossen Leydener Samm- lungen, die des Hrn. Baron v. Temminck (Monograph. d. Mammalog. I. p. 89) und des Con- servators Dr. Schlegel (De Diergaarde en het Museum te Amsterdam, p. 90 fl.). Delessert (Voyage & Paris, 1843. p. 82) spricht gleichfalls vom Vorkommen des Tigers in Java. Durch Hrn. v. Temminck (Coup-d’oeil general sur les possessions Neerlandaises. T. I. p. 323) erfahren wir überdies, dass die Sunda-Race des Tigers nebst dem Panther im Jahre 1846 in den Wäl- dern vieler Provinzen der Insel Java sich fand und ungeachtet der vermehrten Ausrodung der Wälder und fortschreitenden Cultur des Landes ihre Verwüstungen fortsetze. In der Unter- *, Temminck (Monogr. d. Mammal. I. p. 89) vermuthete zwar den Tiger auf Borneo. Meines Wissens bat ihn aber dort kein zuverlässiger Beobachter gefunden, wie dies auch schon Ritter (4s. Th. VI. 2. S. 693 u. IV. 1. S. 915) angiebt und Temminck später (Coup d’oeil s. I. poss. neerlandaises. T. II. p. 408) selbst wiederrief. Der Letztere be- merkt auch (ebd. T. III. p. 111), dass es auf Celebes überhaupt keine grossen Katzen, also auch keine Tiger gäbe. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. a2) 31 Residenz Grisse, besonders aber in den öden Morästen von Süd-Bantam kommen die Tiger sehr zahlreich vor. Trotz der vom Gouvernement für jede Tigerhaut ausgesetzten Prämie zeigen indessen die abergläubischen Javanesen geringe Neigung die Tigerjagd ernstlich zu be- treiben, da bei ihnen der irrige Glaube herrscht, je mehr man die Tiger vertilge, um so mehr steigere sich ihre Vermehrung. — Nach S. Müller bei Berghaus (Phys. Atlas p. 167) findet sich der Tiger in Java, wie auf Sumatra, überall vom Seestrande bis 600 Tois. Er liebt beson- ders Vorberge mit steilen Abhängen und Thaleinschnitten. Im Innern der Wälder sieht man ihn nicht, wohl aber in Vorhölzern und in unbewohnten Gegenden, die mit niedrigem Ge- sträuch und Alang-Alang (Imperafa Königü), ferner mit Schlingpflanzen, Saccharum glaga» Eletteria coccinea, pininga u. s. w. dicht besetzt sind. Aus diesen Verstecken schleicht er zur Zeit der Dämmerung hervor und legt sich in einen Hinterhalt, besteigt jedoch zu diesem Zwecke niemals Bäume, wie die Leoparden. Dritter Abschnitt. Allgemeine Folgerungen aus den speciellen Angaben über die Verbreitung des Tigers in der Gegenwart und der Vergangenheit. Die vorstehenden Untersuchungen bezweckten eine möglichst vollständige Zusammen- stellung vieler speciellen Nachweise über das Vorkommen des Tigers an den verschiedensten Puncten seines asiatischen Wohngebietes. Da indessen die Bedingungen für die Existenz der Thiere keine bleibenden sind, sondern an einzelnen oder mehreren Puncten der Erdoberfläche durch Naturereignisse oder künstliche Einflüsse, wie fortschreitende Cultur, Völkerbe wegun- gen, Jagden, Kriege u. s. w. sich periodisch verändern; ja theilweise sogar völlige Zerstörun- gen eintreten oder Ausrottungen erfolgen können, so muss bei der Angabe der Wohnorte der Thiere die Gegenwart von der Vergangenheit sorgfältig geschieden werden. Wir dürfen dies also auch bei unsern gegenwärtigen Untersuchungen ebenfalls nicht unterlassen. $.1. Uebersichtliche Angaben über das Vorkommen des Tigers in der Gegenwart. Im Allgemeinen kann man von der gegenwärtigen Verbreitung des Tigers sagen, dass auch sie zwar mehrfache, aber doch nicht sehr bedeutende Veränderungen erlitten habe, worin diese bestehen werden wir im nächsten Paragraphen sehen, da sie der Vergangenheit ange- 32 (176) J. F. Branor. Zoologie. hören. Gegenwärtig möchten wir unser Hauptaugenmerk darauf zu richten haben, aus jenem, eben mitgetheilten, umfassenden, statistischen Material die Hauptergebnisse zusammenzufassen, um aus der Masse der einzelnen Thatsachen eine zweckmässige Uebersicht über seine gegen- wärtige Verbreitung zu gewinnen. Wie man einerseits dem Löwen in Afrika und einem namhaften Theile Westasiens die ungetheilte Obergewalt über alle wilden Thiere seines Wohngebietes nicht abzustreiten vermag, so muss man andererseits den Tiger als ausschliesslichen Beherrscher der Thiere der grössern (Süd-Ost-)Hälfte Asiens anerkennen. Die Herrschergebiete der Löwen und Tiger waren und sind indessen nicht so streng geschieden, dass nicht auf mehreren, keineswegs unbeträchtlichen Räumen, nach zoologisch-geographischen Gesetzen, beide Thierkönige zusammenträfen und dort sich gegenseitig die Herrschaft streitig machten. Beluschistan, Iran, Kurdistan(?) und das Indusgebiet, mit Einschluss von Guzerate, sind namentlich die Länderstrecken, wo nachweis- lich schon früher, ja selbst vielleicht häufiger als jetzt, der Löwe und der Tiger die Jagdgebiete und die Oberherrschaft, sicher aber nicht auf friedliche Weise mit einander theilten, so dass also dort das östliche Verbreitungsgebiet des Löwen mit dem westlichsten und südwestlichsten des Tigers zusammenfällt. Das bis jetzt nachgewiesene nördlichste oder boreale Wohngebiet des Tigers (seine Polar- zone oder Polargrenze) beginnt im Westen mit Talysch und Gilan, wo-er häufig auftritt, er- weitert sich aber, wie es scheint, südlich bis gegen die Südhälfte des Kurdenlandes, wo er seltener sein mag. Oestlich von Gilan dehnt er sich (ebenfalls zahlreich) auf Mazanderan und von da auf den südlichen Theil der Ostküste des Caspischen Meeres bis zum Balkhan-Busen desselben aus. Dann finden wir ihn, so weit die Beobachtungen reichen, sehr häufig erst in den Umgebungen des Aral und an den Zuflüssen desselben, dem Amu-, Kuwan- und Syr- Darja, aber auch am trockenen Bette des zwischen Amu- und Kuwan-Darja liegenden frühern Jan-Darja wieder. Oestlich vom Stromgebiet des Syr-Darja sah man ihn in der kleinen Kirgi- senhorde am Tschui, so wie von da weiter östlich in den weiten Umgegenden des Balchasch und am Ili in ziemlich beträchtlicher Menge. Südlich vom Ni lernte man ihn am Tarymfluss, so namentlich bei Chayar, kennen. Nördlicher und gleichzeitig mehr östlich vom Ili hat man ihn in der Gegend des Saisan-Sees bemerkt und darf ihn mit Sicherheit an den südlichen Ab- hängen des Kleinen Altai, der Sajanischen Gebirge und des Khingkan vermuthen, namentlich beobachtete man ihn südlich von letzterem am Dalai-See. In der ganzen Mandschurei bis Korea und in der Mongolei ist er häufig und findet sich auch wohl noch jetzt, wenn auch ein- zelner, in den, an der berühmten Mauer gelegenen, weniger bewohnten, bergigen und waldi- gen Distrieten des eigentlichen China, von wo er westlich in Tibet und auch wohl in Butan, südlich aber nicht blos in ganz Hinterindien und auf dem nahen Sumatra, sondern sogar auch auf Java auftritt, und dort überall noch jetzt in Schrecken erregender Anzahl erscheint. Auf der letztgenannten Insel erreicht er überdies seine eigentliche Aequatorialgrenze. Von Hinterindien sieht man ihn in nordwestlicher Richtung über Assam, Nepal und mit Ausnahme der vege- tationslosen Gegenden, so wie mehrerer stark eultivirter Districte, wo man ihn, eben so wie Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. um 33 auf Ceylon, 'ausrottete oder verjagte, über ganz Vorderindien*), in grösserer oder geringerer Häufigkeit, verbreitet. Von Vorderindien geht er, wie es scheint in geringerer Zahl, nach Beluchistan, Afghanistan, die Bucharei, so wie einige Theile Herats und Irans bis gegen Ma- zanderan, wodurch der, freilich wegen’ der dortigen Vegetationsverhältnisse nur insularische, Anschluss an die nordpersischen Tiger erfolgt. In Chiwa, Badakschan, Samarkand, Khokand, Taschkent, Kaschmir, Koschotei und der dem Nordabhange der beträchtlichen Gebirgserhebungen Central-Asiens zugewendeten Südhälfte der weit ausgedehnten, jedoch vielleicht nicht gerade oasenlosen, Wüsten Schaschin und Gobi, wo er noch nicht nachgewiesen ist, dürfen wir ihn wohl, wenn auch nur hie und da insularisch, oder aber vielleicht auch nur einzeln, ebenfalls erwarten. Von seinen nordwestlichsten Wohnorten (Talysch), streift er, seine Polargrenzen über- schreitend, einzeln nordwestlich bis Armenien, Mingrelien und Imeretien, nördlich aber bis Lenkoran und etwas weiter (bis Baku), nach persischen Aussagen sogar bis Derbent. Vom Aral und seinen Zuflüssen geht er nördlich bis in die Kirgisensteppen. Vom Tschui und Sarassu aus gelangt er zu Zeiten in die Ischimsche Steppe, aus den Umgegenden des Saisan aber nach Südsibirien in die Gegenden von Buchtarminsk am Irtisch und von den, noch östlicher liegen- den, südlichen Abhängen des Altai an den Obi bis in die Nähe von Barnanl. Die einzeln in den Baikalgegenden erlegten Tiger stammten, wie man wohl annehmen darf, theils aus der Chalchas-Mongolei, theils aus der westlichen Mandschurei. Die sogar im Süden des Jakutzker Gouvernements wahrgenommenen Individuen kamen wohl aus der nördlichen Mandschurei. Zieht man die Lage der bis jetzt bekannten Fundorte in Betracht, so kann man nicht daran denken sich das Verbreitungsgebiet des Tigers in doppelter oder einfacher Hufeisenform, oder in der Gestalt eines dickwandigen Ringes vorzustellen. Wohl möchten aber seine in keinem strengen Zusammenhang befindlichen Wohnsitze einen aus Inseln verschiedener Grösse zusammengesetzten, mehr oder weniger stark bevölkerten, Archipel darstellen. Durch eine ein- fache gebogene Curve lassen sich daher die so beschafflenen Verbreitungsdistriete des Tigers mit Genauigkeit wohl nicht angeben. Will man die gegenwärtigen Wohngebiete des Tigers durch gewisse geographische Linien in sehr allgemeinen Umrissen begrenzen, so könnte man sagen, dass sie in ihrer grössten Er- streekung vom Süden (Java) nach Norden (der Mandschurei) vom 9° oder 9), —'/,° Südl. Br. an bis mindestens zum 50°, ja vermuthlich bis gegen den 54° Nördl. Br. und etwa vom 66° L. (Talysch) bis zum 147. Längengrade, d. h. bis zur Ostküste Korea’s sich ausdehnen. Der Tiger würde demnach auf einem ungeheueren Länderraume von mindestens 59"/, (wahrschein- licher 63'/,) Breiten- und etwa 81 Längengraden sich finden**). Indessen ist eine solche An- *) Vorderindien, das man als eigentliche Heimath des Tigers hat ansehen wollen, dürfte wohl nicht dieses aus- schliessliche Vorrecht in Anspruch nehmen können, da im Nordwesten desselben auch der Löwe sich findet, während der in Hinterindien und andern östlichern Gegenden als Alleinherrscher auftretende Tiger dort nicht minder häufig vor- kommt als in Vorderindien, ja in manchen Gegenden Vorderindiens sogar bereits ausgerotlet ist. ”) Die Wohngebiete des Löwen würden dagegen auf etwa 74 Breitlen- und 90 Längengrade sich erstrecken, und 6] 34 (178) J. F.Branor. Zoologie. nahme von der Wahrheit weit entfernt. Im mittlern und östlichen China, auf Ceylon, in einem Theile Indiens ist er nämlich ausgerottet. Wegen des Auftretens öder, der Vegetation und Animalisation feindlicher Steppen (der Kirgisensteppen) liegt am Aral und in Westsibirien das Westende seiner Polargrenze viel südlicher als in der Mandschurei, nämlich schon unter dem 49° oder gar 48° N. Br. Ganz besonders muss aber dabei in Rechnung kommen, dass seine westlichste Heimath mit einem im Verhältniss nicht gerade sehr beträchtlichen Landstrich (Iran) beginnt, während im Süden ein überaus grosser Theil jenes geographischen Gebietes mit ungeheuern Wasserllächen (dem Arabischen Meer, dem Indischen Ocean und dem Chinesischen Meer) bedeckt ist, so dass seine südliche Heimath nur auf zwei Inseln (Java und Sumatra) und zwei (allerdings sehr beträchtliche) vorgeschobene Halbinseln (Vorder- und Hinterindien) sich beschränkt, also dort nicht auf eine grosse, weit ausgedehnte Landmasse fällt. Bei genauerer Erwägung erscheint aber der Tiger nicht blos in horizontaler Richtung, die wir eben näher kennen lernten, sondern auch in vertikaler verbreitet. Wir sehen dies namentlich in den Riesengebirgen Tibets und Nepals, die er bis zur Region der Alpengewächse und Alpenthiere, ja bis zur Schneegrenze besteigt. An jenen Localitäten findet er also Gelegen- heit sein Wohngebiet gleichsam zu verdoppeln. Gleichzeitig setzt er sich aber dort, auf einem im Verhältniss kleinen Raum, von der tropischen Sonnenwärme bis zur Eiskälte der Alpen- oder Schneeregion, so verschiedenartigen klimatischen und physikalischen Wechseln aus, wie er sie nicht einmal an seinen östlichsten Polargrenzen (der Mandschurei) zu ertragen braucht, wo er jedoch keineswegs, so viel mir bekannt ist, schon mit den typischen polaren Thieren (Eisfüchsen”, Eisbären, Lemmingen), wohl aber mit den weiter nach Süden sich ziehenden Rennthieren, die man mehr als halbpolare Thiere zu betrachten haben möchte, zusammentrifft. (Ueber die Verbreitung des Rennthieres s. Brandt in Hofmann’s Reise nach dem nördl. Ural. Zoolog. Anhang. S. 45 fl.). Vielfach hat man von Verbreitungscentern einzelner Thiere, z. B. des Luchses (Leop. Schrenk, Luchsarten d. Nordens, p. 67), gesprochen. Versteht man darunter die Punete, von wo aus nach ihrer Schöpfung die einzelnen Thierarten ihre Urheimath weiter ausdehnten, so entsteht daraus eine häkliche, wie mir scheint, in wissenschaftlicher Beziehung verfrühte Frage. Die Thatsachen, welche die gegenwärtige Kenntniss der Fauna unseres Planeten bietet, dürften wenigstens wohl noch nicht die geeigneten sichern Mittel zu ihrer Lösung abgeben können. Die Geologie, wenn sie künftig zu einer genauen Bestimmung der Aufeinanderfolge, in welcher auf der gesammten Erdoberfläche die einzelnen Gebirgsformationen und Erdschichten, in ge- wissen Zeiträumen hervortraten, gelangt sein wird, könnte möglicherweise, in Verbindung mit der Paläontologie, zur einzigen sichern Hoflnung berechtigen. Wollte man aber dessenunge- achtet eine Hypothese über das Verbreitungscentrum des Tigers aufstellen, so dürften die weil er, mit Ausnahme weniger Länder (Egypten u. s. w.), nicht blos in ganz Afrika, sondern auch in einem ansehn- lichen Theile Westasiens sich findet, einen weit grössern Flächenraum einnehmen, *) Die Eisfüchse gehen nach Middendorff (Reise II. 2. 73) in Sibirien nur bis zum 69-699 N. Br. nach Süden, die Lemminge kaum so weit, noch weniger die Eisbären. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. (179) 35 Abhänge des Himalayasystems wohl sich am meisten dazu eignen, falls man voraussetzen darf, dass dieses riesenhafte Gebirgssystem früher als das Altaisystem u. s. w. sich erhob und durch Thiere belebt wurde. Wäre dies nicht der Fall, so könnte an die Möglichkeit mehrerer Ver- breitungs-Centren gedacht werden, was vielleicht das wahrscheinlichere sein möchte, Nicht ganz unpassend erscheint es hier noch einmal daran zu erinnern, dass man gegen- wärlig einerseits als südwestlichste Grenze des Tigers das Solimangebirge ansieht, andererseits aber geneigt ist, die Tiger Nordpersiens als losgelöste, von ihren indischen Artgenossen durch Wüsten getrennte, Gruppen anzusehen. Da der Tiger im Himalaya bis in die Schneegrenze aufsteigt, und Berge von 9000 Fuss Höhe seiner Verbreitung in Indien keine Grenzen setzen, so wie ja überhaupt, wie wir namentlich aus der Verbreitung des Luchses sehen, für Raub- thiere die Gebirge kein Hinderniss der Verbreitung abgeben, so möchte es schon aus diesem Grunde bedenklich sein, das Solimangebirge als sichere Schranke der Tigerverbreitung hinzu- stellen, wenn wir nicht sogar durch Pottinger wüssten, der Tiger komme auch in Beluchistan vor und wenn nicht Elphiston von Tigern in Afghanistan spräche. In Bezug auf den zweiten Punct dürfte wohl daran zu erinnern sein, dass die öden Steppen sich keineswegs in Chorassan, Herat und Afghanistan so weit ausdehnen, um mit Pflanzenwuchs bedeckte, von zahlreichen Antilopen bewohnte Länderräume, die auch den Tigern geeignete Wohnplätze gewähren, gänzlich auszuschliessen und so nicht nur den An- schluss, sondern selbst die natürliche, insularische, Annäherung der nordpersischen Tiger an die nordindischen zu hindern. Schliesslich sei es noch erlaubt der allgemeinen Uebersicht der Tigerverbreitung der Jetztzeit die Bemerkung anzureihen, dass der Tiger in dem Theile seines jetzigen Wohngebietes, wovon der Löwe ausgeschlossen ist, auch von andern echt-asiatischen Faunengliedern be- gleitet wird, die früher, als die mittelasiatischen Steppen noch wilde Pferde und Kameele be- herbergten, offenbar noch zahlreicher und mannigfaltiger auftraten, wesshalb man ihn in seinen nördlichen Verbreitungsgebieten nicht wit Unrecht mit Sewerzow als Glied einer ver- kümmerten, nördlichen Fauna ansehen kann (siehe unten). $.2. Verbreitung des Tigers in der Vergangenheit. Es darf als erwiesen gelten, dass nicht blos in Folge grösserer, plötzlicher, physikalischer und terrestrischer Veränderungen zahllose Thiergeschleehter zu Grunde gingen, sondern dass auch allmählig einerseits durch manche physikalische Einflüsse, andererseits durch den Men- schen und seine Cultur nicht blos viele Thiere, sondern selbst Pflanzen auf kleinere Räume zurückgedrängt oder gänzlich vertilgt werden. Die Faunen und Floren einzelner Ländergebiete erleiden dadurch eine lokale Beschränkung, die Arten eine mannigfache Verringerung oder Unterbrechung ihres Verbreitungsgebietes. Bei fortgesetzter Einwirkung bleiben wohl gar nur noch inselartige, grössere oder kleinere Länderstrecken, wo noch der ursprüngliche, natürliche %* 36 (180) J. F. Branpr. Zoologie. Zustand wahrgenommen wird, bis auch er den weitern industriellen Bestrebungen unterliegt und in den so gewonnenen Culturgebieten die Herrschaft der Raubthiere auf den Menschen übergeht. Nicht aber blos die Raubthiere triflt dıe Vertilgung, sondern auch die Pflanzenfresser, deren geregelte Schonung nachhaltigere und längere Jagd- und Tafelfreuden und sonstigen Nutzen gewähren würde, werden aus zeitweiliger Gewinnsucht, aus Unbedachtsamkeit oder aus Stumpfsinn für edlere Naturgenüsse vertilgt. Da aber die fortschreitende Cultur zum Schutz der Hausthiere, oder selbst wohl gar zur eigenen Sicherheit, den grössern Raubthieren ganz besonders den Krieg erklären muss, den die fortgeschrittene Bildung mit wirksamern und mannigfachern Hülfsmitteln und gesicherterem Erfolge zu führen vermag, so konnte ein solches Verhältniss auch auf den Tiger nieht ohne namhaften Einfluss bleiben. Auch in seine Verbreitungssphäre hat theilweis schon seit den ältesten Zeiten die Cultur einzelner Länder mehr oder weniger mächtig eingegrifflen, ja in manchen ist er ganz verschwunden. Seine Vertilgung erfolgte in- dessen in seinen Wohngebieten noch nicht in einem verhältnissmässig so hohen Grade, um eine wahrhaft insularische, dem nahen gänzlichen Verschwinden vorhergehende, Verbreitungs- art herbeizuführen, wie sie jetzt der Luchs, die wilde Katze, der Biber, der Wolf, der Bär, ja selbst schon die Hirsche und Wildschweine in einigen Ländern Europa’s zeigen. In der Vorzeit, wo überhaupt die Fauna des nördlichen Asiens artenreicher an grossen Vier- füssern war, fand sich der Tiger nordwestlich in Mingrelien, also bis zum Südabhange des Cau- casus, der wohl damals seine nordwestliche Grenze bildete, dann in Imeretien, Georgien und Ar-' menien, und dehnte sieh, mit Ausnahme der seinen Aufenthalt aus tellurischen und biologischen Gründen auch jetzt noch ausschliessenden Oertliehkeiten, von dort nicht blos bis Indien, sondern auch bis in das eigentliche China aus, besonders wohl ehe die bekannte schützende Mauer sich gegen die mongolischen Eindringlinge und indirekt zum Theil vielleicht gleichzeitig gegen ihn erhob. Aus Mingrelien, wo ihn Chardin, und aus Imeretien, wo ihn Güldenstädt sah, ist er verschwunden, ebenso aus Armenien, das die Rönıer als Tigerland kannten. Auch Georgien, als dessen Bewohner ihn noch Wakhoucht zu Anfange des vorigen Jahrhunderts aufführt, kann nicht mehr als seine Heimath betrachtet werden. In Babylonien, wo er sich einer Stelle des Diodor zu Folge, gleichfalls aufgehalten haben soll, wurde er von den neuern Reisenden nicht angetroffen. Auf Ceylon, wo er früher, was auch die Lage der Insel wahrscheinlich macht, sich fand, weiss man jetzt nichts sicheres mehr von ihm. Selbst in Kaschmir, wo er vielleicht schon wegen der dort selbst im Sommer kühlen Temperatur sich nicht recht heimisch fühlen mochte, könnte er, da neuere Forscher (wie Hügel und Vigne) ihn dort nicht fanden, vielleicht schon von den industriellen Bewohnern ausgerottet worden sein. Dass er in meh- rern Theilen Indiens, wie in Cozimbazar und vielen Districten Coromandels und Bengalens, theils gänzlich ausgerottet, theils vertrieben wurde, ist aus den obigen Specialangaben bekannt. Im mittlern China, so wie in den angrenzenden Küstenstrichen, die von einer dichten, eulti- virten Bevölkerung bewohnt werden, ist er wohl gleichfalls verschwunden. Aus mehreren Umständen dürfen wir (wie bereits oben angedeutet) schliessen, dass die dicht behaarten, im gefrornen Boden Sibiriens gefundenen Mammonte und Nashörner, denen, Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. ası) 37 meinen bereits vor Jahren bekannt gemachten Untersuchungen zu Folge, selbst Tannennadeln als Nahrung genügten, die also für nördliche Klimate geschaflen waren, eben so wie mehrere Rinderarten (Bos primigenius, Urus und moschatus), nebst grossen Riesenhirschen, wilden Pferden und Kameelen früher Glieder der mittlern und nordasiatischen Fauna waren. Es konnte also, vermöge einer weisen Einrichtung des Weltschöpfers, auch ihr Beherrscher nicht fehlen, um ihrer zu grossen Vermehrung Schranken zu setzen. Wir dürfen es daher selbst als wahr- scheinlich ansehen, dass dieser ostasiatische König der Thiere schon damals der Tiger war, der nebst mehrern andern Thierarten (dem Elen, den Edelhirschen, dem Bären, den Rehen u. Ss. w.) vermöge seines zähern, biegsamern, schlauern Naturels, den uns noch dunkeln, ver- nichtenden Einflüssen leichter widerstand, ja selbst etwaige erlittene Verluste vom Süden her leicht ersetzen konnte*). Vierter Abschnitt. Biologische und physikalische Bedingungen der Tiger- verbreitung. $. 1. Biologische. Zum Bestehen der Thiere, deren eigenthümliche Organisation einen beständigen Wechsel ihrer stofllichen Bestandtheile erheischt, musste ein Vorrath von Materialien vorhanden sein, der diesen Wechsel möglich machte, d. h. ihre Ernährung vermittelte. Die Pflanzen einerseits, die Thiere andererseits bieten, wie bekannt, eine solche Vermittelung. Blosse Thiernahrung hätte sehr bald den Untergang der gesammten Thierschöpfung herbeigeführt und die Erde zu- nächst zum Schauplatz eines grossen Raubstaates von sehr kurzer Dauer gemacht, zuletzt aber in eine, von allen durch freien Willen sich bewegenden Wesen verlassene, Einöde verwan- delt. Die höhere und edlere Entwickelung des Menschengeschlechts, offenbar der höchste Zweck der Existenz unseres Planeten, wäre unter solchen Verhältnissen unmöglich gewesen. Wären dagegen alle Thiere auf blose Pflanzennahrung angewiesen worden, so würden wir zwar vor Raubthieren bewahrt geblieben sein, der schönste Schmuck unseres Planeten, die “ ") Zu den Einflüssen, welche wenigstens nicht minder als die physikalischen, ja vielleicht viel stärker und nach- baltiger auf die Fauna der mittlern und nördlichen Distriete Asiens einwirkten, wodurch mehrere Arten von wilden Vierfüssern gänzlich verschwanden, gehören sicher die vielen Völkerschaften, welche schon früh nach Norden zogen und in den wildreichen Gegenden sich bewegten. Die untergegangenen Tbiere, als die massigern, daher weniger schnell- füssigen, vielleicht auch stupidern, mochten ihnen geringen Widerstand leisten und lieferten auf einmal eine grosse Menge schmackhaften Nahrungsstoffes. Ein Theil der Mammonte und büschelhaarigen Nashörner scheint im Norden zur Herbstzeit im Schlamm versunken, dann durch plötzliche Kälte eingefroren und mit wiederholten Schlammlagen be- deckt worden zu sein, ohne wieder aufthauen zu können. Solche Individuen sind es, welche die Lena und der Wilui losspülten und den Forscherblicken der Neuzeit zugänglich machten. 38 (8) J. F. Brasor. Zoologie. formenreiche Pfanzendecke wäre aber dabei, ganz abgesehen von der Verkümmerung des Nutzens und des Genusses, den sie dem Menschen gewähren soll, sehr übel berathen gewesen. Die unbeschränkte Vermehrung reiner Phytophagen hätte am Ende zur Vernichtung der Ve- getation geführt. Den Schwärmen der gefrässigen Wanderheuschrecken ähnlich, wären in un- gezügelten Schaaren die verschiedensten, in ihrer Vermehrung unbeschränkten Thierformen, um bei localer Abnahme oder Vernichtung der Nahrungsquellen ihr Dasein zu fristen, über grosse Räume der Erde gezogen, um selbst die letzten Reste der Vegetation aufzuspüren. Die zahlrei- chen Leichname der gefallenen Individuen hätten die Luft verpestet und so wäre was dem Hunger entrann durch verheerende Seuchen zu Grunde gegangen. Alle jene merkwürdigen, so mannig- fachen, formellen und biologischen Erscheinungen, welehe wir an den Raubthieren wahrnehmen, hätten sich nicht entwickeln können. Das Erdenleben wäre einförmig, kampf- und reizlos ge- wesen. Der Mensch hätte keine Veranlassung gefunden, sich mit physisch mächtigern Gegnern zu messen und auf Mittel zu ihrer sichern Besiegung zu sinnen, und eben dadurch seine gei- stigen Fähigkeiten zu entfalten. Er hätte auf alle Vortheile und Freuden verzichten müssen, wel- che ihm die Fleischnahrung, neben der vegetabilischen gewährt. Es ist daher eine weise Ein- richtung des Weltschöpfers, dass er neben den Pflanzenfressern auch Wesen entstehen liess, die durch ihre mannigfachen Bildungen und Eigenschaften befähigt sind, einerseits der zu grossen Vermehrung der Pflanzenfresser Grenzen zu setzen, andererseits aber die nachtheiligen Wir- kungen der Thierleichen zu beseitigen, während sie den Menschen zwangen zu ihrer Be- schränkung seine geistigen Anlagen zu entwickeln und ihn dadurch befähigten auch auf andere Gegenstände des Lebens die so angeregte geistige Kraft zu verwenden und zu vervoll- kommnen. Die verschiedenen Verhältnisse der Grösse, der Kraft und des Volums der Fleischfresser mussten sich aber nach den von ihnen zu überwindenden Massen richten. Ein Marder oder Iltis vermag keinen Hirsch, noch weniger einen Elephanten mit Erfolg zu bekämpfen. Wir sehen daher auf dem Festlande des Erdballs die Grössenverhältnisse der Pllanzenfresser zwi- schen der des riesigen Elephanten und der der kleinsten mäuseartigen Nager, wie z. B. der Zwergmaus (Mus minutus); die der Fleischfresser aber von der des Löwen und Tigers bis zu der der Zwergspitzmäuse (Sorex pygmaeus und etruscus) schwanken, um grössere oder klei- nere Thiere erbeuten zu können. Nur durch eine solche Einrichtung war es möglich, dass die mehr oder weniger massigen und stärkeren Thiere auch von ebenbürtigen Gegnern be- kämpft werden können, um an ihnen ihre gewaltige Esslust zu’ befriedigen; während die kleinern Pflanzenfresser den kleinern, weniger bedürfenden, Raubthieren anheimfallen. Wir sehen daher, im Einklang mit der Grösse und Zahl der Pllanzenfresser, in den verschiedenen Erdtheilen auch grössere und zahlreichere Raubtbiere auftreten, wie sich dies selbst in beiden Erdhälften zeigt, von denen sogar die, in Bezug auf Masse des Festlandes ausgezeichnete, Asiatisch-Afrikanische auch grössere Pflanzenfresser und Raubthiere aufzuweisen hat. Afrika besitzt bekanntlich neben seinen Elephanten, Nashörnern, Giraflen, Zebras, Nilpferden, Rin- dern, Schweinen und artenreichen Gazellen, Löwen, Panther und Hyänen. Asien ernährt Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. as) 39 ausser seinen Rindern, Eseln, Hirschen, Gazellen, Schweinen, Tapiren, Elephanten und Nas- hörnern, Löwen, Tiger und Panther. Amerika, dessen grösste Pflanzenfresser aus Rindern (Bisons, Moschusochsen), Hirschen, wenigen Gazellen, Tapiren, Schweinen und Capybara’s) gebildet werden und an Artenzahl und Masse denen der alten Welt naehstehen, besitzt auch weniger zahlreiche grössere Raubthiere, von denen die grössten, wie namentlich der Jaguar und der Puma, im Einklang mit den kleinern Pflanzenfressern Amerikas, die ansehnlichste Grösse und Kraft der altweltlichen Raubthiere (wie namentlich die des Löwen und Tigers) nicht erreichen. Merkwürdig ist es, dass in der alten Welt, wie in der neuen, gerade die beiden grössten Raubthiere die grösste und weiteste Verbreitung besitzen; ja dass es Länderstrecken giebt, wo die eine oder die andere ausschliesslich herrscht. In Afrika und einem grossen Theil Westasiens gebietet, wie schon erwähnt, der Löwe. Vom Nordsaume Persiens und dem obern Gangesgebiet und mindestens dem mittlern Dekan an bis zum Aral und den südlichen Abhän- gen der grossen altaischen Gebirgsketten, welche die kleinere Nordhälfte Asiens von der grössern südlichen scheiden, übt, wie wir oben sahen, der Tiger die ausschliessliche Herr- schergewalt. In Amerika dagegen kann nur von Gegenden die Rede sein, wo der Puma als Alleinherrscher gebietet, während der Jaguar, obgleich die grössere und stärkere Form, sich trotz seiner weit (aber minder als die des Puma) nach Süden und Norden ausgedehnten Heimath, die Nebenbuhlerschaft des letztern stets gefallen lassen muss, was vom Löwen und Tiger nur im westlichen Asien gilt. Die ausschliesslichen Herrschergebiete des Puma fallen aber, merkwürdig genug (oflenbar wegen der grossen Längenausdehnung Amerikas) auf die extremsten Enden seiner’ Verbreitung (auf Californien und Canada, und auf Patagonien), also auf sein nördlichstes und südlichstes Verbreitungsgebiet, während die Herrschergebiete des Löwen und Tigers, grosse, mehr oder weniger archipelagische, Gebiete bilden, wovon das eine auf den westlichen, das andere auf den östlichen Theil der Erdhalbkugel sich ausdehnt. Die Herrschergebiete des Löwen und Tigers stehen also gewissermaassen, hinsichtlich ihrer Lage, im umgekehrten Verhältnisse zu denen des Puma, was oflenbar mit der grössern oder gerin- gern Längen- oder Breiten-Ausdehnung der Continente, in denen sie vorkommen, und den davon abhängigen klimatischen und von diesen bedingten biologischen Verhältnissen, zusam- menhängt. Solche Erscheinungen deuten ohne Frage auf eine Art prästabilirter Harmonie in der: zweekmässigen Vertheilung der Thiere, auf für ihr Bestehen geeignete Länderstrecken unseres Planeten, hin. Was nun aber den Tiger anlangt, so ist seine Verbreitung, eben so wie die der andern Thiere an gewisse specielle, der besondern Art seiner Lebensenergie entsprechende, Bedin- gungen geknüpft, worauf einige nähere Blicke zu werfen sein werden. Zur Ernährung so beträchtlicher Raubthiere, die sich durch ihre grosse Bewegunsfähig- keit auszeichnen, also auch wegen des damit in Verbindung stehenden namhaften Stoffwech- sels, einer Fülle von Nahrungsstoffen bedürfen, wie namentlich die Tiger, werden grosse Massen von Nahrungsmitteln, wie sie nur grössere Thiere bieten, ein nothwendiges Erforderniss sein. Der Aufenthalt derselben wird desshalb von Umständen abhängen, die das Vorkommen 40 (18% J. F. Branpor. Zoologie. zahlreicher grösserer Vierfüsser möglich machen. Da aber die Tiger ihre Schlachtopfer nicht leicht im freien, oflenen Felde zu erjagen vermögen, sondern sie beschleichen müssen, um sie durch einen berechneten Sprung, nach Katzenart, mit gesichertem Erfolge zu erhaschen, so wählen sie, um sich zu verbergen, Waldränder und Gebüsche, oder überhaupt bewachsene Orte, ja selbst felsige Gegenden, in Indien sogar Plantagen und Getraidefeller, zu ihrem Aufenhaltsorte, und lieben es, wenn sie gesättigt sind, um der Ruhe zu pflegen, sich dahin zurückzuziehen bis sie der Hunger zu erneuter Thätigkeit antreibt. Gegenden, wie sie nament- lich die mittelasiatischen Steppen und die meisten Distriete Indiens u. s. w., die ihnen beson- ders in der Nähe von Flüssen, Seen, oder Meeresarmen, solche Verstecke verschaffen, bedingen daher das Vorkommen der Tiger. Die Wassernähe gewährt ihnen hauptsächlich den Vortheil den zur Tränke herbeieilenden Pflanzenfressern leichter beizukommen. Von untergeordneter Bedeu- tung erscheint es dagegen, dass der Tiger dort seinen eigenen Durst, den er am liebsten mit Blut stillt, ohne Schwierigkeit löschen könne*). An Orten, die von jedem höhern und dichteren Pflanzenwuchs, der ihm als Versteck dienen könnte, entblösst sind, besonders wenn diese aus nackten Ebenen bestehen, wie ein grosser Theil der asiatischen Steppen, wird er daher seinen Wohnort nicht aufschlagen. Schon dadurch muss also sein Vorkommen, sogar von Natur, ein scheinbar erkünsteltes, insularisches Ansehn gewinnen, wie dies auch bei den Waldthieren der Fall ist, denen man in gewisser Hinsicht den Tiger in Bezug auf seine Aufenthaltsorte an- reihen könnte, wiewohl er sich in der Mitte der Urwälder nicht zu finden pflegt, sondern nur in Vorhölzern und Gebüschen. In gebirgigen Gegenden, die nicht selten Tiger beherbergen, ersetzen ihm als Verstecke und Schutz gegen Witterungseinflüsse "die. Felsvorsprünge und Felshöhlen die Gebüsche und Waldränder. $. 2. Physikalische. Das Vorkommen sehr vieler, ja vielleicht der meisten, Thiere wird aber nicht ausschliess- lich durch die Fülle geeigneter Nahrungsstofle und die zu ihrer Erlangung geeigneten Wohn- plätze bedingt. Wir sehen vielmehr, dass manche Arten nur in kalten Gegenden gedeihen, wie die Eisbären und Eisfüchse u. s. w.; andere dagegen, wie die Pantherkatzen, die Viverren, die Ichneumons u. s. w. nur in warmen oder heissen Erdräumen angetroffen werden. Man darf also wohl annehmen, dass ihre Existenz, wenigstens theilweis, von gewissen physikali- sehen oder meteorologischen, ihrer besonderen Constitution angemessenen, Bedingungen ab- hänge. Es lässt sich daher, wie billig, die Frage aufwerfen, in wie weit die Existenz des Tigers an solche Bedingungen geknüpft sei? *) Die Wassernähe scheint gerade kein nothwendiges Erforderniss zu seinem Aufenthalte zu sein, wie man wohl gemeint hat. Die gefangenen Tiger trinken nicht gerade sehr viel, obgleich ein Trunk Wasser ihnen bei schmaler Kost als Labung erscheinen muss. Auch berichtet uns Eversmann, dass man den Tiger selbst an solchen bewachsenen Orten antrifft, die nur zu Zeiten der Regen oder das Schneewasser erquickt, was namentlich von den Schilfdickigten des im Sommer trockenen Bettes des Jan-Darja und den Saxaulgebüschen der mittelasiatischen Steppen gilt. Ein alter arabischer Schriftsteller (Kazwini), Verfasser einer Art Naturhistorischer Encyclopädie, sagt sogar, dass der Tiger nur alle drei Tage (!) trinke. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. as) 4 Im Allgemeinen sehen wir, dass die Katzen nicht blos eine grosse Beweglichkeit aller Theile, ein hitziges, wenn auch nur zu Zeiten hervortretendes, Naturell, das von einer, wenn auch nur periodisch beschleunigten, durch äussere Einflüsse, mittelst Innervation, leicht an- zuregenden Blutbewegung abhängen möchte, sondern auch eine grosse Tenacität des Lebens besitzen, so dass sie selbst bedeutende Verletzungen viel leichter als die meisten Säugethiere ertragen. So organisirte Thiere werden daher auch geeignet sein, selbst unter sehr beträcht- lichen Temperatur-Wechseln ihr Leben zu fristen. Wir finden auch in der That, dass aus der Zahl der Landthiere gerade mehrere Katzenarten wie der Luchs, der Löwe, der Puma und der Jaguar, ja selbst unsere aus Afrika stammende Hauskatze, einen ausserordentlichen Wechsel der Temperatur an den verschiedensten Orten ihres Vorkommens mit Leichtigkeit ertragen. — Der Luchs erscheint bekanntlich in Europa und Asien von den äussersten nördlichen Grenzen der Wälder, wo nicht selten das Quecksilber erstarrt, bis zum Himalaya und Mesopotamien, so wie von den Pyrenäen bis zum äussersten Ostrande Sibiriens, wo sogar zuweilen das Quecksilber wochenlang in festem Zustande verharrt (L. Schrenk, Luchsarten des Nordens p. 57). Der Löwe fand sich noch zur Zeit des Herodot, ja selbst des Aristoteles, in Thracien und Akar- nanien, namentlich vom, westlich von Abdera gelegenen, Flusse Nestos in Thracien bis zum Flusse Acheloos in Akarnanien. Er war also früher, ehe ihn in Egypten und dem Pelopones eine längst untergangene Cultur ausrotlete, so dass vielleicht sogar der mythische Herkules den letzten Peloponesischen (Nemäischen) erlegte, und dieser That einen Theil seines Ruhmes verdankte, nachweislich vom Gap bis Thracien und Thessalien verbreitet. Der Puma geht von Patagonien, namentlich etwa vom 53—54° Südl. Br. bis Californien und zu den Canadischen Seen, also bis zum 49— 50° N. Br., so dass er also in Nordamerika in Gegenden sich findet, wo er gegen 15° Kälte und 30° Wärme aushält, während in seinen tropischen Wohngebieten, wie in Brasilien, das Thermometer nur selten unter + 11° Cent. sinkt, wohl aber bis 34-46° steigt, dagegen aber auf den in der Nähe seines südlichsten Wohnortes liegenden Falklands- Inseln im Minimum 26,7° €., im Maximum 5,6° C. zeigt. — Der vom Südwesten der Ver- einigten Staaten bis zum Uragay und Parana verbreitete Jaguar hat an seinem nördlichsten Wohnplatze (Südkalifornien) zuweilen 5° Frost, in Guyana aber als geringste Wärme + 20° auszuhalten. — Auch manche andere Thiere zeigen eine ähnliche weite Verbreitung, leben also ebenfalls unter sehr verschiedenen Temperatur-Verhältnissen. Es gilt dies namentlich, aus der Ordnung der Raubthiere, vom Fuchs, vom Wolf, vom nordischen Landbär (Ursus Arctos) und der Fischotter (Lufra vulgaris), die von den südlichsten Enden Europa’s, dann von Persien und dem Fusse des Himalaya bis zur Polarregion, ja theilweis bis zum Eismeer gehen. Aus der Zahl der grössern Pflanzenfresser gehört (oder gehörte vielmehr) der seiner Vertilgung nahe altweltliche Biber (Castor Fiber) zu den Thieren, welche die ansehnlichste Verbreitung besitzen. Sein ursprüngliches (früheres) Wohngebiet lässt sich nämlich von Spanien, Frankreich, Eng- land, Italien bis zur Mandschurei und vom obern Euphrat bis Lappland und den noch mit Laubholz besetzten Norden von Sibirien ausdehnen. Er gehört daher ohne Frage zu den Vier- füssern, welche die grössten Contraste der Temperatur aushalten. — Das wilde Schwein (Sus 6 42 (186) J. F.Branor. Zoologie. scrofa) möchte hierin so ziemlich mit dem Biber wetteifern, da es zwar weit weniger nördlich, etwa bis zum 55°, aber dagegen noch südlicher bis nach Nordafrika und Indien, dann bis in die im Winter so kalte Mandschurei, geht. — Cervus elaphus und capreolus müssen, obgleich sie in Bezug auf Ausdehnung ihres Wohngebietes, namentlich wegen ihrer weniger nach Süden reichenden Aequatorialgrenze, nicht ganz mit dem Wildschwein in die Schranken treten können, gleichfalls den am weitesten verbreiteten Säugethieren zugezählt werden. Man triflt sie noch, wie die beiden vorhergehenden, in Gegenden, wo das Quecksilber gefriert, so nament- lich in Ostsibirien und in der Mandschurei; obgleich sie dort nicht hoch nach Norden gehen. Es erscheint daher weniger auffallend, wenn wir auch den Tiger, wie schon seine oben ausführlich erörterte Verbreitung andeutet, in seinem vaterländischen Welttheil, der die extrem- sten Winter- und Sommertemperaturen darbietet, unter den verschiedensten Klimaten, nament- lich von den brennend heissen Gefilden Indiens bis in die Schneeregion des Himalaya und an den südlichen Grenzsaum Sibiriens, in dessen östlichen Länderstrecken nicht selten das Queck- silber mehrere Tage, ja zuweilen wochenlang, im erstarrten Zustande bleibt, in gleicher Fülle seiner Lebensenergie auftreten sehen; ja wenn er, in Bezug auf die Fähigkeit die verschieden- sten Temperaturen zu ertragen, wohl alle Verwandte übertrifft; also wohl vermöge seines, eine zähe Organisation ermöglichenden, Baues ein Accommodationsvermögen bietet, wie mar es, so viel mir bekannt, bei wilden Thieren sonst nirgends findet. Beispiele von klimatischen Verhältnissen der Gegenden, wo der Tiger lebt, oder Bei die wenigstens in ihrer Nähe liegen, liefern die nähern Beweise. Bereits Hr. v. Humboldt (Asie centr. III. p. 96) bemerkt, der Tiger fände sich in Sibirien zuweilen noch unter der Parallele von Berlin, Hamburg und Paris, ja noch nördlicher in Ge- genden, die eine Winterkälte besitzen, welche die von Petersburg und Stockholm überbietet. — In den indischen Gebirgen, wie in den Steppen, hält er im Winter eine sehr ansehnliche Kälte, im Sommer aber eine sehr hohe Wärme aus. So folgt namentlich in den Thalebenen Tibets dem sehr kalten, schneeigen Winter ein Sommer, der selbst auf Höhen von 8000 Fuss noch Wein, Apricosen und andern Obstarten, ja selbst auf Höhen von 12—14000 Fuss noch Cerealien zur Reife gelangen lässt. Man darf sich daher nicht wundern, wenn wir ihn in Mittelasien unter günstigern, aber von denen der Tropen Indiens noch immer sehr abweichen- den Temperaturverhältnissen antreffen. In Chiwa, wo ihn zeither zwar kein Naturforscher be- obachtete, das aber zwischen Länderstrecken (wie den Aralgegenden und Buchara) liegt, in denen er nachgewiesen ist, fällt, nach Danilewski (3anuer. Teorp. O6w. ku.V.crp. 65), nur im December und Januar Schnee, der 3— 4 Tage liegen bleibt. Die Wintertemperatur ist meist über Null, zuweilen aber auch 20° unter Null. — Eine ähnliche Temperatur fand Karelin in der Soongorei (Sewerz. Westnik p. 546). Der 200 Werst von Balchasch gelegene Issikul friert nicht zu. Am Südufer des Caspischen Meeres fallen Regen statt Schnee und das Thermo- meter sinkt selten unter 0. — In allen genannten mittelasiatischen Gegenden steigt aber die Hitze im Sommer, 'selbst im Schatten bis 35° -+. — In der vor kalten Nordwinden, wegen geringer Höhe der Gebirge, nicht geschützten Mandschurei, gefriert nicht selten das Queck- Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. (187) 43 silber. Selbst in manchen nördlicheren Theilen Indiens herrscht im December und Januar zu- weilen einige Tage hindurch eine solche Kälte, dass die Pfützen sich mit einer Eisrinde be- decken (Williams. Orient. field sports p. 274). In Tiflis, also in einer Gegend, wo es wenigstens früher Tiger gab, und bis wohin sie auch jetzt noch streifen, beträgt die mittlere Temperatur -+- 10,2; die mittlere Temperatur des heissesten Monats (July) -+ 19,6, die des kältesten (des Januar) aber -+ 0,1. — Die Festung Nowopetrowsk am Caspischen Meere (b. Mangischlak) bot 1852 folgende Temperaturen. Die mittlere Temperatur im Allgemeinen war = —+ 8,44; die mittlere Temperatur im Winter — 1,47, im Frühling + 6,87, im Sommer + 18,20, im Herbst + 9,66, im Januar — 2,7, im Februar — 3,2, im July -+ 18,97, im August —+ 19,64. — Die am nordöstlichen Ufer des Aralsees gelegene Festung Aralsk besitzt eine mittlere Temperatur von + 6,2; die mittlere Temperatur des heissesten Monats ist -+ 20,2 und die des kältesten (des Januar) — 10,2. — In Irkutzk, worüber einzelne Tiger noch hinausgingen, fand man die mittlere Temperatur — 0,4, die mittlere Temperatur des heissesten Monats + 14,8, die mittlere Temperatur des kältesten Monats — 17°. — Zu Nertschinsk, bis wohin, freilich sehr selten, ebenfalls Tiger gelangen, und das eine hohe Lage hat, beträgt die mittlere Temperatur — 3,2, während die des wärm- sten Monats + 14, die des kältesten aber — 23,3 ist. — In Peking fand man die mittlere Temperatur des Jahres + 9,03; die des kältesten Monats (Januar) — 4,01, das Mittel der Tagesmaxima — 0,07 und das Mittel der Minima desselben — 7,18. Der dortige heisseste (July) zeigte eine mittlere Temperatur von —+ 21,41. Als Mittel der Tagesmaxima des July ergab sich -+ 24,6, der Minima -+ 18,43. — Die Temperatur von Madras beträgt im Früh- ling + 23,81, im Sommer + 24,37, im Herbst + 22,29, im Winter -- 20,25. Den vor- stehenden vom Hrn. Collegen Kupffer mir freundlichst mitgetheilten Beobachtungen mögen sich noch einige aus Mahlmann’s Tabellen (s. v. Humboldt, As. centrale. T. Ill.) anreihen. Darjiling (in Indien) unter 27° N. Br., 86,4 L., in einer Höhe von 1090 T. besitzt eine mittlere Temperatur des Jahres von 12,0; die mittlere Temperatur des Winters ist + 5,4, des Frühlings 12,5, des Sommers 16,3, des Herbstes 13,3, seines kältesten Monats 4,4 und seines wärmsten Monats 16,5. — In Utakamund, welches unter 11° 25 Br, 74,30 L., 1150 T. hoch liegt, fand man nach vierjährigen Beobachtungen die mittlere Temperatur des Jahres —+ 13,9, die des Winters -+- 11,4, des Frühlings -+ 16,3, des Sommers + 14,1, des Herb- stes + 13,8, des kältesten Monats (December) + 11,1 und des wärmsten (April) + 16,9. — In Mussuri, unter 30° 27’ N. Br., 75° 42" L., ergab sich nach dreijährigen Beobachtungen Royle's die mittlere Temperatur des Jahres zu + 14, des Winters zu + 5,5, des Frühlings zu + 15,9, des Sommers zu -+ 19,8, des Herbstes zu + 14,8, des kältesten Monats (Januar) zu -+ 4,8, des wärmsten (Juni) -+ 21.— Zu Kathmandu, unter 27° 42’ N. Br., 85° 20 L., auf einer Höhe von 725 T., fand sich nach dreijährigen Beobachtungen Hamilton's eine mittlere Temperatur des Jahres von -+ 17,3, des Winters von + 8,4, des Frühlings von —+ 18,4, des Sommers von + 24,3, des Herbstes von + 18,2, des kältesten Monats (Januar) von + 7,0, des wärmsten Monats (July) von + 24,9. — In Canton (unter 23° 8’ N. Br., %* 44 (188) J. F. Braspor. Zoologie. 110° 56’ L.) beträgt nach dreijährigen Beobachtungen die mittlere Temperatur des Jahres + 21,4, die des Winters + 12 — 13,7, des Frühlings + 21,0, des Sommers + 27,8, des Herbstes -+ 22,5, des kältesten Monats (Januar) + 11,4 oder 13,3, des wärmsten (Juni, July) + 28,3-5. — Zu Seringapatam und Benares zeigt der kälteste Monat (Dec.) eine mittlere Temperatur von 15,2, zu Punah von 20,8, zu Ava von 18,9, zu Calcutta (Jan.) von 18,4, zu Futtigurh von 14,1, zu Naghpur von 21,9 und zu Madras von 24,1. — Der wärmste Monat bietet dagegen zu Seringapatam eine mittlere Temperatur von -+ 29,4, zu Benares von 33,4, zu Punah (May) 27,9, in Ava (April) 30,1, in Caleutta (May) 29,9, zu Futtigurh (Juni) 35,0, zu Naghpur (May) 35,7 und zu Madras (Juni) 31,3. — Auf Java (Batavia) beträgt die mittlere Temperatur des kältesten Monats (Januar) + 25,9 und des wärmsten (Juni) 27,8. Die angeführten thermischen Verhältnisse zeigen deutlich, wie verschiedenartige Tempe- raturen auf dem grossen Heimathsgebiet des Tigers herrschen können. Ihre ungeheuern Con- traste möchten aber um so greller hervortreten, wenn wir die in Naghpur und Futtigurh (also in Indien) beobachteten mittleren Sommertemperaturen = —+ 35° mit der mittleren Tempe- ratur des heissesten Monats in Irkutzk und Nertschinsk = + 14, dann umgekehrt die mitt- lern Wintertemperaturen von Naghpur + 21,9 oder gar von Bombay -+ 22,4 mit der von Irkutzk = — 17 in Vergleich stellen und dabei erwägen, dass am letztern Ort, wie in Sibi- rien überhaupt, die Soemmerwärme nur kurze Zeit anhält. - Die längere oder kürzere Dauer des Winters oder Sommers, eben so wie der plötzliche oder allmälige durch einen längern oder kürzern Frühling oder Herbst vermittelte Eintritt des Sommers oder Winters vermögen sein Vorkommen weder zu hindern noch zu befördern. Wir sehen vielmehr, dass er eben so gut den kurzen Sommer als den langen Winter Sibiriens und der Mandschurei, so wie den kurzen, frostlosen Winter und langen, heissen Sommer der süd- lichen Gegenden zu ertragen vermag. Die grössere oder geringere Trockenheit oder Feuchtigkeit der Athmosphäre übt, so weit die Beobachtungen reichen, gleichfalls keinen Einfluss auf ihn aus. In den Steppen Sibiriens muss er trockenen, kalten Winter mit heftigen, erstarrenden, schneebringenden Winden (Bu- ranen) aushalten. Auf den hohen Bergebenen und den mittelasiatischen Steppen lebt er unter ähnlichen Verhältnissen. Im Himalaya sah man ihn noch an der mit 11 — 15,000 Fuss be- ginnenden Schneegrenze, wo die kalte Luft einen bedeutenden Grad der Verdünnung zeigt. Umgekehrt gedeiht er in den Küstenstrichen und in den Flüssen des südlichen Indiens, na- mentlich an den theilweis sumpfigen Fluss-Mündungen, unter einer dichten, theilweis nebligen, mit organischen Miasmen reich geschwängerten, Fieber und Cholera erzeugenden, feuchtwar- men Atmosphäre, sogar ganz ansserordentlich. Der Tiger bewohnt nach Maassgabe seines ausgedehnten Verbreitungsbezirkes sowohl die Regionen wo feste atmosphärische Niederschläge erfolgen, wie namentlich die Hochebenen der riesigen, central-asiatischen Gebirge, die Steppen Mittelasiens und den Südsaum Sibiriens, als auch solche, wo die Niederschläge constant oder periodisch in flüssiger Form stattfinden. Er empfindet die tropisch-winterlichen, von reichen electrischen Entladungen begleiteten, Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 189) 45 Mussone des Südens, wie jene Burane des Nordens, ja er tritt sogar in den östlichen Küsten- gegenden als Zeuge der zerstörenden Typhonen auf. Es ist ihm gleichgültig ob in Vorder- indien die winterliche, nasse Jahreszeit auf der Ostküste zwischen October und Januar, auf der Westküste aber zwischen Mai und September fällt. Sein, von den lichtreichen Tropen bis an den lichtärmern Südsaum Sibiriens ausge- dehntes, Vorkommen liefert den deutlichen Beweis, dass auch die Quantität des Lichtes keinen wesentlichen Einfluss auf seine Existenz ausübt. Nur seine Färbung pflegt im lichtärmern Norden oft auffallend heller zu sein, was auch bei andern, gleichzeitig in südlichern und nörd- lichern Gegenden vorkommenden, ihm verwandten Thieren, so namentlich den Panthern Per- siens, der Fall ist. Tellurische Temperaturverhältnisse kümmern ihn keineswegs. Er schreitet vielmehr in Sibirien auf dem in geringer Tiefe stets gefrorenen Boden, wie auf dem brennendheissen Wüstensande Indiens und Mittelasiens in gleicher Munterkeit einher. Der auf verschiedenen Puncten seiner ausgedehnten Heimath so beträchtliche Wechsel der physikalischen und meteorologischen Erscheinungen bringt den Tiger mit den mannig- fachsten Vegetationsverhältnissen in Berührung. In Indien rastet er unter Palmen-, Zimmt-, Nelken- und Brodfruchtbäumen. Zucker-, Kaflee-, Reis- und Indigopflanzungen, eben so wie gewürzhafte Scitamineen und Bambusengebüsche verschaffen ihm dort nicht selten passende Wohnorte oder Verstecke. Noch in den mittlern Regionen seines Heimathgebietes lagert er sich unter dem Schatten immergrüner Gewächse und edler Fruchtbäume. In der Nähe der Polargrenze seines Vorkommens und an seiner Polargrenze selbst vertreten ihm Bäume mit abfallendem Laube (Birken, Weiden, Ellern, Karaganen, Lonizeren und Pappeln), die im Nor- den nicht selten dichte Rasenflächen beschatten oder umgeben, nebst Nadelhölzern die Stelle der Palmen, Myrthen und Lorbeeren; Dickigte unseres gemeinen Schilfrohrs (Arundo phrag- mites) aber die von Schlingpflanzen durchzogenen Alang- (Imperata), Eletterien- und Bambusen- gebüsche des Südens. - Die mannichfachen Temperatur- und Vegetations-Verhältnisse, mit denen wir den Tiger in Berührung sehen, gestatten es daher nicht die so verschiedenen Localitäten seines Vor- kommens mit jenen sinnreichen thermischen Curven in Verbindung zu bringen, die man zur übersichtlichen Andeutung gewisser periodischer, bestimmten Puncten der Erdoberfläche eige- ner, Wärmeverhältnisse ersonnen hat. Wir finden sogar in dieser Unmöglichkeit einen Haupt- beweis für seine vielbeugige (polyklinische) Natur (s. oben)*). *) Da der Tiger im Himalaya bis zur Schneegrenze aufsteigt, so könnte es auffallen, warum er namentlich in Sibi- rien nicht noch nördlicher erscheint. Im Himalaya kann er indessen aus der Schneeregion bald in wärmere, nahrungs- reiche Gegenden gelangen, während dies im mittlern und selbst südlichern, gegenwärtig eben nicht sehr wildreichen, Sibirien, wo die kalte Temperatur anhält, keineswegs der Fall ist. Indessen könnte vielleicht selbst in Sibirien, als es weniger bevölkert und entwildet war, das Polargebiet seiner Heimath weiter nach Norden gegangen sein. 46 (190) J. F. Brasor. Zoologie. Fünfter Abschnitt. Begleiter des Tigers aus der Abtheilung der Wirbelthiere. Der statistische Abschnitt enthält zwar bereits einzelne gelegentliche Andeutungen von Säugethieren, mit denen der Tiger an manchen Orten auftritt, namentlich von solchen, die er zum Gegenstand seiner Jagden und Tafelfreuden macht. Für eine genauere Kenntniss seiner Begleiter werden aber jene zerstreuten Andeutungen um so weniger ausreichen können, da in einer umfassenden Darstellung seiner Verbreitungsgeschichte die möglichst-vielseitigsten Be- ziehungen desselben zur Aussenwelt berücksichtigt werden müssen. Wir wollen es daher ver- suchen diese Anforderungen wenigstens auf die Wirbelthiere auszudehnen. $.1. Begleiter des Tigers aus der Classe der Säugethiere. Manche, freilich im Verhältniss nicht sehr viele, Thierarten können die verschiedensten Grade der Temperatur, von der mehr oder weniger tropischen Wärme bis zum fast allwinter- lichen Gefrieren des Quecksilbers, ertragen, ohne von gewissen thermischen Curven abhängig zu sein. Solche Thiere erscheinen von den Tropen oder den südlichen gemässigten Zonen bis zu den kalten Erdstrichen oder von der Polarregion bis in die südliche gemässigte oder heisse Zone verbreitet. Man kann sie als polyklinische oder vielbeugige, d. h. als solche bezeichnen, die sich sehr verschiedenen Temperaturen anbequemen. Es gehören dahin, ausser dem Tiger, der Fuchs, der Wolf, der braune Bär, die Fischotter, der Luchs, das Hermelin, Hypudaeus amphi- bius, Sciurus vulgaris, Meles taxus, Sorex vulgaris, S. pygmaeus und fodiens u. Ss. w. Andere Thiere leben in Gegenden, wo das Quecksilber nur sehr selten oder gar nicht erstarrt, zeigen aber doch in den mittlern Breiten sehr ausgedehnte Wohnbezirke, die sich in der nördlichen Halbkugel mehr oder weniger nach Norden, auf der südlichen in umgekehrter Richtung verbreiten und südlich gegen die Tropen ausdehnen. Solche Thiere ertragen zwar einen ziemlichen Wechsel der Temperatur, jedoch ist letztere ihnen nicht gleichgültig. Sie könnten hemiklinische heissen, wie z. B. Mustela foina, M. putorius, Erinaceus europaeus, Lepus timidus, Canis aureus, Mus sylvaticus, M. agrarius u. S. w. Andere Thiere leben nur in gewissen heissen, gemässigten oder kalten Gegenden, also unter Temperaturverhältnissen, die durch bestimmte thermische Curven sich andeuten lassen (Aklinische Thiere). Nur in warmen Gegenden treffen wir z. B. die Vierhänder, die meisten Viverren, Ichneumonen und Paradoxuren, die fruchtfressenden Fledermäuse, die meisten Blatt- nasen aus der Ordnung der Chiropteren, die Ameisenfresser, die Faulthiere, die eigentlichen Gürtelthiere, die Giraffen und die Nilpferde. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS, a9) 47 Nur in gemässigten Gegenden sehen wir Equus Asinus, E. hemionus, Cervus Dama, Antilope Saiga, A. subgutturosa, Lepus cuniculus, Hysıirix eristata, Spalax typhlus, Myogale moschata, Ellobius talpinus, Hypudaeus glareola, Myodes luteus, Cricetus phaeus, C. arenarius, C. nıgricans, Meriones meridianus, M. tamaricinus, Dipus Sagitta, die Myoxus, Spermophilus fulvus, die meisten euro- päischen Fledermäuse, die Sorices der Abtheilung Crocidura, Felis Chaus u. s. w. Als Thiere kalter oder kälterer Erdstriche sind zu nennen: @ulo borealis, Mustela zibel- lina, Canis lagopus, Ursus marinus, Cervus Tarandus, Lemmus norvegicus, obensis, torqualtus, Lepus variabilis, Ph. grönlandica, Ph. barbata, Ph. eristata und Trichechus Rosmarus*). Die polyklinischen Thiere müssen, da sie auf sehr weiten Räumen von Süd nach Nord oder umgekehrt vorkommen, auf verschiedene hemiklinische und aklinische stossen. Es gilt dies namentlich auch vom Tiger. Es scheint daher nicht überflüssig, diejenigen Säugethiere näher anzugeben, die ihn von seiner Aequatorial- bis zu seiner Polargrenze begleiten oder an verschiedenen Hauptpuncten seines weiten Verbreitungsgebietes mit ihm zusammentreflen, mögen sie in seine biologische Sphäre eingreifen, und ihm Unterhalt gewähren, oder nur als einfache Begleiter und Merkzeichen einer reichern oder ärmern Fauna erscheinen. Wir beginnen diese Uebersicht mit seinen nächsten Gattungsverwandten den Katzen. Auf Java erscheint der Tiger mit Felis leopardus Schreb. (pardus Temm.), F. javanensıs Horsf., F. Diardi, F. marmorata und minuta. Auf Sumatra lebt er mit Ausnahme von F. marmorata mit den vorigen, dann aber auch noch mit F. nebulosa (macroscelis Temm.), F. su- matrana, planiceps, variegata und Temminckü zusammen. In Hinterindien, das naturhistorisch weniger bekannt ist, hat man ihn zeither mit F. macroscelis und minuta angetroffen. Er findet sich dort aber wohl auch mit den andern sumatranischen Arten. In Vorderindien treten Fels Leo (var. as.), F. pardus, F. viverrina, F. minuta, F. rubiginosa, F. torquata, F. servalina, F. caracal. und F. caligata nebst F. (Cynaelurus) jubata Wagl]. gleichzeitig mit dem Tiger auf. In den nördlichen Bergregionen Vorderindiens, namentlich in Nepal, trifft er mit Felis pardus, F. nepalensis, F. moormensis, F. viverrina, F. himalayana, F. erythrofis und F. Jacquemonti zu- sammen. In Nordpersien sehen wir ihn in Gesellschaft von Felis pardus seu panthera, F. Chaus, F. Catus ferus, F. Lynx und F. caracal, und weiter östlich mit F. (Cynaelurus) jJubata, F. servalina, F. Chaus und F. Manul. — Am Südrande Sibiriens erscheint er nur mit Felis manul, Lynx und Irbis. Auf seinem ganzen Verbreitungsgebiete begleitet ihn also eine grössere gefleckte Katzen- art aus der Abtheilung der Panther oder Leoparden. Auf Java ist es der Leopard (Felis leo- pardus Schreb.), in Indien der kleinfleckigere, rostfarbene und in Persien der isabellfarbene, kleinfleckigere Panther (Felis pardus), in Tibet, in der Nähe Sibiriens, in der Mongolei *) Die Eintheilung in polyklinische, hemiklinische und aklinische Thiere hält sich meist nur in den mittlern Grenzen und darf, wie dies von der Gruppirung so vieler Naturgegenstände gilt, keineswegs als eine absolut- scharfe angesehen werden. — Cervus elaphus und capreolus verbinden z. B. die hemiklinischen Thiere mit den polykli- nischen Piverra genetta und Mustela martes einerseits, mehrere Gebirgsthiere (Antilope rupicapra, Capra Hex, Aegagrus u. 5. w.) andererseits, sind Uebergänge von den hemiklinischen zu den aklinischen. 483 (192) J. F. Branor. Zoologie. und Mandschurei und Korea aber der nordische, helle, grossfleckige Panther (Felis irbis), während der Löwe nur im Süden Persiens, in Beluchistan, im Gebiet des Indus und in Guzerat das Wohngebiet mit ihm theilt. — Die kleineren Katzen nehmen dagegen von Nordindien bis Indien an Artenzahl dermaassen ab, dass ihm von den mittelasiatischen Steppen bis zu seiner Polargrenze nur F. manul und in Nordpersien F. Catus ferus als schwacher Ersatz zugesellt sind. Von den mittlern Breiten, ja vielleicht schon von Nordindien an, begleiten ihn bis in die mittelasiatischen Steppen Fels jubata, servalina und chaus und in den bewaldeten Gegenden Nordpersiens, ja vermuthlich schon vom Himalaya an, auch Felis /yn« mit dem er auch am Südabhange des Altai und in den bewaldeten Theilen der Mandschurei und Mongolei zu- sammentriflt. Aus dem Hundegeschlecht ist auf Java und Sumatra Canis rutilans sein einziger, bis jetzt bekannter, Gefährte. In Südchina und vermuthlich auch in Hinterindien lebt er mit Canıs pro- cyonoides. In Vorderindien steigt die Zahl der ihn begleitenden Hunde beträchtlich. Als solche sind namentlich, als eigentliche indische, Canıis dukhunensis, C. pallipes, C. primaevus, C. aureus, C. chrysurus, C. bengalensis und C. kokre angegeben, während als nepalische Formen auch noch C. pahariah und €. nepalensis aufgeführt werden. In Persien und weiter nach Osten bis in die Kirgisensteppen nimmt dagegen die Arten- zahl der ihn begleitenden Hunde wieder ab. Von den früheren indischen Landsleuten bleibt ihm namentlich, so viel wir bis jetzt wissen, nur noch Canis aureus. Indessen scheinen dort auch selbst Canis corsac, C. vulpes, C. melanotus und €. lupus nicht gerade alle als neue Be- kannte aufzutreten, sondern sich schon in Indien unter andern Namen und in andern Kleidern ihm zugesellt zu haben*). Die vier letztgenannten Hundearten folgen ihm bis zu seiner Polar- grenze, in deren Nähe, mehr im Osten, vielleicht aber schon viel früher, auch Canis alpinus (eine Art Mittelstufe zwischen Fuchs und Wolf) mit ihm zusammentriflt; der ihn übrigens in der Nordhälfte des chinesischen Reiches, ja vielleicht schon vom Himalaya an, wie der Irbis, stets begleiten mag. ’ Auch eine Art jener Raubthiergattung, die sich in den meisten Beziehungen als Mittel- bildung zwischen Katzen und Hunden ansehen lässt und die, wie der Löwe, in Afrika ihren Hauptsitz hat, die gestreifte Hyäne (Hyaena striata), geht mit ihm von Persien und Vorderindien bis in die Bucharei und Nepal. 2 Von der Aequatorial- bis zur Polargrenze treten mit ihm theils grössere, theils kleinere, bärenartige Thiere auf, denen der Löwe theilweis nur in Asien begegnet. In Java ist dies Arctitis Binturong. Von Sumatra und Malacca an erscheinen, ausser Arlurus fulgens, auch eigentliche Bären. In Sumatra, wie in Hinterindien und Nepal, ist es der Ursus malayanus. In letzterem Lande, so wie in Sylhet stösst der Tiger auf Ursus torquatus und dort, wie in Dekan auf Ursus labiatus. Wenn, wie es wahrscheinlich ist, Horsfield's Ursus isabellinus — *) Die indischen Hundearten bedürfen noch einer genauen Vergleichung mit den nordasiatischen. Canis pallipes ist vielleicht C. lupus var., C. (Vulpes) bengalensis — (. Corsac. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 19) 49 syriacus Ehrenb. nur eine helle, kurzhaarigere (südliche, sommerliche) Varietät des Ursus Arctos darstellt, wie sie auch ähnlich im Caucasus erscheint, so kommt der Tiger schon in Nepal und im Himalaja mit der letztgenannten Art in Berührung, die an Grösse alle früher genannten überbietet und sowohl in Nordpersien, als auch am ganzen Nordsaume der Verbreitungsgrenze des Tigers bis in die Mandschurei auftritt. In Java und Sumatra leben‘aus der Familie der Mustelina, Mydaus meliceps, Helictis orien- talis, Mustela flavigula, Mustela nudipes, Lutra leptonyx und simung, aus. der der Viverrina aber Viverra indica, V. (Linsang) gracihs, Cynogale Bennettü, Herpestes javanıcus, Paradoxurus mu- sanga und trivirgatus, dann aber ausserdem in Sumatra allein Paradoxurus leucomystax und Viverra zibetha mit ihm zusammen. — In Malakka und Hinterindien sehen wir ihn ausser mit mehrern der bereits genannten Arten aus der Familie der Mustelina, mit Helictis personata, aus der der Viverrina mit Viverra rasse, Herpestes malaccensis und H. exilis. — In der Fauna Vor- derindiens und Nepals treffen wir mit ihm aus der Familie der Mustelina: Mydaus (Arctony«) collaris, Heliews orientalis und nepalensis, Ratelus indieus, Mustela flavigula, M. Kathiah, M. auri- venter, M. subhimalhajana, M. Erminea und Mesobema canerivora, nebst Lutra nair, barang und indica, aus der Familie der Viverrina aber: Viverra zibetha, V. rasse, V. melanura, V. eivettoides, V. pardicolor und V. indica, Herpestes thysanurus, H. auropunclatus, H. pallidus, H. malaccensıs, H. fuseus, H. griseus und vitticollis, Paradoxurus leucopus, Bondar, typus, Musanga, binotatus, nepalensis, hirsutus, laniger, larvatus und Hamilton, so wie Crossarchus rubiginosus. Nordpersien ist in Bezug auf kleinere Raubthiere wenig bekannt. So viel wir aus der Fauna des benachbarten Grusiens schliessen dürfen, trifft der Tiger vermuthlich in Talysch und Gilan mit Mustela foina, martes, putorius, sarmatica, Erminea, vulgaris, Meles taxus und Lutra vulgaris zusammen. Viverrenartige Thiere oder kleine bärenartige, wie Arctitis und Arlurus sind von dorther nicht bekannt. In den Steppen Mittelasiens treten denen Nordpersiens identische Formen von Mustelen auf, mit Ausschluss von M. martes. Die viverrenartige Thiere fehlen dort ganz entschieden. An der Polargrenze der Tigerverbreitung, dem Altai, finden sich ausser Mustela foina, M. putorius var. sibirica, M. Erminea, M. vulgaris, Meles taxus und Lutra vulgaris, so wie Mustela zibellina, M. alpina, M. sibirica und Gulo boreahs ein. Im Allgemeinen begleiten also den Tiger aus der Unterordnung der eigentlichen Raub- thiere Katzen, Hyänen, Hunde, Viverren, Wiesel und Bären. Hyänen, wie Löwen, sehen wir our auf der Nordwesthälfte seiner Verbreitung. Mit Viverren und kleinen bärenartigen Thieren (Aretitis, Ailurus) treffen wir ihn nur von seiner Aequatorialgrenze bis Nordindien. Echte Bären und Hunde sind von Sumatra, Mustelinen aber bereits von Java an bis zu seiner Polargrenze seine Gesellschafter. In Java und Sumatra trifft der Tiger mit den merkwürdigen Insektivorengattungen Cla- dobates (ferrugineus, javanicus) und Hylomys (suillus) zusammen, in Sumatra auch mit Cladobates tana und Gymnura Rafflesii, dann mit Sorex myosurus und murinus. In Hinterindien stösst er auf Gymnura Rafflesii, Cladobates Belangeri und Talpa microura. In Vorderindien wohnt er, 7 50 (49) J. F. Brasor. Zoologie. ausser mit der letztgenannten Maulwurfs-Art mit Cladobatus Ellioti, Erinaceus albiventris, spa- tangus und Grayi, Sorex coerulescens, indicus, myosurus, Perrotetü, niger, himalayıeus, serpen- tarius, nemorivagus und saccatus. Als in Afghanistan vorkommend wird Sorex niger angegeben. Ueber die Inseetenfresser Nordpersiens ist wenig oder nichts bekannt. Sie dürften aber von den Grusinischen wenig abweichen. Der Tiger möchte demnach dort mit Erinaceus euro- paeus, E. auritus, Talpa europaea, Sore.x vulgaris, leucodon und fodiens zusammentreffen. Die- selben Formen, mit Ausnahme von Erinaceus europaeus und Talpa europaea, kehren in den mittelasiatischen Steppen wieder, wo aber auch noch Sorex pulchellus und Erinaceus hypomelas auftreten. Sorex pulchellus sogar als Typus einer eigenen Abtheilung (Diplomesodon). Was die den Insektenfressern verwandten Chiropteren anlangt, so begleiten sie den Tiger in den mannigfachsten Formen. Vespertilionen in nach Norden zu abnehmender Artenzahl kommen von der Aequatorial- bis zur Polargrenze der Tigerverbreitung vor. Die echten Rhino- lophen erscheinen, nach Maassgabe unserer Kenntnisse, nur bis zum Norden Persiens und Mingreliens als seine Begleiter. Von Java, Sumatra und Malakka bis Vorderindien lebt er mit zahlreichen Arten fruchtfressender Fledermäuse aus den Gattungen Pteropus, Macroglossus und Harpyia. — Auf Java, Sumatra, Hinter- und Vorderindien erscheint er mit den Gattungen Megaderma, Nyeteris, Taphozous, Emballanura, Chiromeles, Dysopes und Nyeticejus aus der Ab- theilung der insektivoren Chiropteren. — Auf Java und Sumatra, eben so wie in Hinterindien, sehen wir ihn selbst mit Galeopitheeus volans. Auch Makis kennt der Tiger; auf Java oder Sumatra finden sich wenigstens Stenops tardigradus, St. javanicus und Tarsius spectrum. Die erstgenannte Art geht sogar mit ihm nach Hinter- und Vorderindien. Zahlreiche Affenarten, den Gattungen Hylobates, Semnopitheeus und Inuus angehörig, er- scheinen mit ihm heerdenweis in wald- und fruchtreichen Gegenden von seiner Aequatorial- grenze bis zum Norden Vorder- und Hinterindiens. Auf Sumatra begegnet er überdies dem berühmten Oran-Utan (Simia Satyrus). Beutelthiere bekommt er dagegen nie zu Gesicht, nicht einmal Phalangisten, da diese auf Java, Sumatra und in Hinterindien noch nicht beginnen. Aus der arten- und gattungsreichen Ordnung der Nager trifft er mit mannigfachen For- men zusammen. In den Wäldern Java’s, Sumatra’s, Indiens und Nepals sind es hauptsächlich Sciurinen, namentlich ganz besonders zahlreiche Arten der Gattung Sciurus, häufig aber auch Flugeichhörnchen (Pteromys). In Nepal kommt er sogar mit zwei Arten der Arctomyina (Arc- tomys himalayanus und caudatus vor. — Auch an echten Mäusen (Myoides) fehlt es an seinen äquatorialen Grenzgebieten keineswegs. In Indien begleiten sie ihn sogar in ziemlich beträcht- licher Zahl. Namentlich ist die Gattung Mus mit einigen ihrer Unterabtheilungen durch theil- weis gigantische Formen, mehr oder weniger zahlreich‘, repräsentirt. In Indien, nament- lich Vorderinden, reihen sich denselben mehrere Arten Meriones (indieus, Cuvieri, otarius) und in Nepal Hypudaen an, woran es wohl auch im eigentlichen Indien nicht fehlt. Aus der Fa- milie der Wühlmäuse (Spalacoides) treffen mit ihm in Malakka Rhizomys Dekan und sinensis, Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 18) 51 in Nepal Rhizomys badius, in Indien Rhizomys minor als die einzigen vier bis jetzt bekannten südasiatischen Repräsentanteu zusammen. Die Stachelschweine werden sowohl durch drei kurzschwänzige (Hysirix), als auch durch zwei langschwänzige (Atherurus) repräsentirt. Auf Java und Sumatra lebt mit ihm Hysırix javanıca, auf Sumatra, wie es scheint, auch Atherurus macrourus, dann auf Malakka Atherurus fascieulatus; in Indien und Nepal aber Hystrix hirsun- rostris und Hodgsoni. Auch Repräsentanten aus der Familie der hasenartigen Nager (Lagoides) zählt er, selbst in den südlichen oder südlichern Breiten, zu seinen Begleitern, so in Java bis Nepal Lepus nigri- collis, wozu in Vorderindien L. macrotus und ruficaudatus und in Nepal ausser niyricollis auch L.tibetanus und macrotus sich gesellen. In letzterem Lande erscheinen auch als Repräsentanten der Lagomyina (ähnlich wie in Mittelasien, Sibirien und Nordamerika) eigene Arten der Gat- tung Lagomys (L. rufescens, Roylei und nepalensıis). ? In Nordpersien, dessen Nagerfauna nur wenig bekannt ist, mag er in Analogie des be- nachbarten Grusiens aus der Familie der Sciurinen nur mit Seiurus anomalus seu caucasius, Se. vulgaris? und Spermophilen spec. ind. (fulvus, musicus), aus der der Myoxoiden mit Myoxus @Glis und dryas, aus der der Myorden mit Mus decumanus (ferus?), musculus und sylvatieus, dann mit Sminthus ewilis, Hypudaeus amphibius, arvalis, Myodes socialis, Cricetus phaeus, nigricans und Meriones caucasius Brdt.,„aus der der Wühlmäuse mit Ellobius talpinus und Spalax typhlus(?), aus der der Castoroides mit Castor Fiber, aus der der Hystrichoides mit Hystrix hirsutirostris und aus der der Lagoides mit Lepus timidus auftreten. In den centralasiatischen Steppen lebt er mit mehrern Spermophilus (fulvus, musogaricus, brevicauda, erythrogenys, rufescens, leptodactylus) und Arctomys bobac, während, wegen des Wald- mangels, die eigentlichen Sciuren, eben so wie die den Eichhörnchen verwandten Eichhorn- mäuse (Myoxordes) fehlen. Von eigentlichen Mäusen, aus der Abtheilung der echten Murina, sind Mus sylvaticus, agrarius, minutus, Wagneri, Meriones tamaricinus und meridianus, Rhom- bomys opimus, Cricetus vulgaris, phaeus und accedula, in den sibirischen Grenzgebirgen auch Cr. songarus und furunculus, von Myohystrieinen: Sminthus exilis seine Begleiter. Aus der Ab- theilung der Arvicolen kommen in Mittelasien und weiter Myodes luteus und lagurus, Arvicola amphibius, arvalıs und socialis, dann in Sibirien oder seiner Nähe auch Arvicola obscurus, rufo- canus, schisticolor, oeconomus und rutilus, dann Myodes gregalis mit ihm vor. Aus der Familie der Spalacoiden trifft er mit Spalax typhlus und Ellobius murinus und in der Nähe Sibiriens, so wie in Sibirien selbst, mit Myospalax Laxmanni zusammen. Ebendort stösst er auch wohl einzeln auf den Biber (Castor Fiber), der früher dort häufiger sich fand. Aus der Fanilie der Springer. kennt er Dipus Sagitta, lagopus, Seirtopoda halticus, Seir- tetes Jaculus, Acontion und Platycercomys platyurus, die ihm in den mittelasiatischen Steppen begegnen. — Selbst mit einer Art Stachelschwein (Hystrix hirsutirostris) bleibt er dort noch in Berührung. Von Hasen begleiten ihn Lepus tümidus und Tolai. In Sibirien trifft er auch noch mit Lepus variabilis zusammen, so namentlich auch am Stannowoi und von da wohl gleichzeitig mit % 52 (196) J. F. Branor. Zoologie. den Rennthieren in der Mandschurei. In dem westlichen Theile der Steppen muss er mit La- gomys pusillus, und in den mehr östlichen auf L. Ogotona, zuweilen auch in den sibirischen Gebirgen auf Lagomys alpinus stossen. Sogar Edentaten bekommt der Tiger in den südlichern Distrikten seines Verbreitungs- gebietes zu Gesicht. Es sind dies namentlich mehrere Arten Schuppenthiere. In Java findet sich namentlich Manis javanıca, in Sumatra ausser dieser auch M. aspera, in Nepal M. macro- ura, in Malakka und Vorderindien M. laticaudata und in Südehina M. Dalmannı mit ihm zu- sammen. Wenn aber die genannten, bisher angegebenen, meist kleinen, Thierformen fast mehr als zoologische Staflage im Gebiet der Tigerverbreitung erscheinen, so giebt es dagegen andern Abtheilungen angehörige Thiere, die nicht blos dazu beitragen den Faunengebieten, denen der Tiger angehört, einen mannigfachen oder bestimmten Charakter aufzudrücken, sondern ihm gleichzeitig grösstentheils Subsistenzmittel verschaffen. Es sind dies namentlich die massigere Formen darbietenden Hufthiere, besonders die Wiederkäuer, die Ein- und die Vielhufer. Die Wiederkäuer, welche den Tiger auf seinem Verbreitungsgebiet in der Richtung von Süden nach Norden begleiten, und als Hauptquelle seiner Nahrung anzusehen sind, zeichnen sich weniger durch Reiehthum an Gattungen, als durch Mannigfaltigkeit der Arten aus. Sie gehören theils der Familie der Cervinen, theils der der Cavicornien und Kameele an. Auf Java sieht man ihn in Gesellschaft von Moschus kanchil, Cervus russa, C. muntjak: auf Sumatra dagegen lebt er mit Moschus napu, aber auch, wie auf Java, mit Cervus russa und muntjak, dann ausserdem mit Cervus equinus. — In Nepal treten mit ihm Moschus moschiferus, Cervus Wallichü, Düvocelii, dodur, muntjak, ratwa und axis auf. — In Bezug auf Hinterindien weiss man bis jetzt blos, dass er ausser mit Moschus moschiferus auch mit Cervus porcinus vor- komme. — Als seine vorderindischen Begleiter lassen sich Moschus memina, M. fulviwenter, Cervus W allichü, Düvoceliüi, Aristotelis, Leschenoltü, axis, porcinus, nudipalpepra, styloceros, ratwa und albipes nennen. — In Nordpersien finden wir ihn nur mit Cervus elaphus und capreolus. An den äquatorialen Grenzgebieten seiner Verbreitung, namentlich auch in der Mandschurei, trifft er dann nicht blos mit Moschus moschrferus und den beiden letztgenannten Hirscharten, son- dern auch mit dem Elen, und sogar, auffallend genug, mit dem subpolaren Renunthier zusammen. Von Sumatra an bis zu seiner polaren Grenze wird er, selbst in den Steppen, welche von den Hirschen gemieden werden, zum Ersatz derselben von Antilopen begleitet. In Sumatra kommt er mit Antilope sumatrensis, in Nepal mit Antilope Hodgsonci, goral, thor, chickara, cervi- capra und pieta, in Vorderindien aber nicht blos mit den beiden letztgenannten, sondern auch noch mit Antilope arabica und quadricornis vor. — Die Steppen Mittelasiens bieten ihm, mehr im Westen, Antilope subgutturosa und Saiga, mehr im Osten aber die letztgenannte Art nebst Antilope gutturosa. Da der Tiger, wie wir oben bei der Angabe seiner nähern Fundorte sahen, im Himalaja sogar bis zur Schneegrenze, also in das Gebiet der Alpenschaafe und Alpenziegen, aufsteigt, so dürfen wir annehmen, dass er in Nepal auf Capra Falconeri, jharal und markhur, so wie Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. am) 53 auf Ovis nahur, Vignei, burhel und Poli Jagd macht. — In den nordpersischen Gebirgen würde er dagegen mit Capra caucasıica, C. aegagrus, Ovis orientalis und Ovis Buhsi mh. n. sp. zusam- menstossen. Jedenfalls wird ihm in den mittelasiatischen Steppen Ovis Arkar mh. zur Beute fallen. Auf seiner Polargrenze endlich kann er im Altai Ovis Argali und Capra sibirica, weiter östlich aber im Stannowoi und der Mandschurei die von Middendorff (Reise), nach einem Horn, für Ovis montana erklärte (auch in Kamtschatka vorkommende) Schaafart beschleichen. In seinem Verbreitungsgebiet stösst er oft auf Heerden zahmer Schaafe und Ziegen und be- trachtet sie als willkommene Jagdbeute. In Java lebt er mit Bos Banteg, in Nepal mit Bos grunniens und yaurus (Bos Urus?), in Hinterindien mit Bos bubalus und frontalis. Die drei letztgenannten Arten kommen auch noch in Vorderindien mit ihm vor. Was für eine Rinderart in der Steppe, unweit des Lopsee’s, die Gesandtschaft des Schah Rokh sah (s. $. 159), lässt sich zeither nicht bestimmen. Die gezähmten Heerden der verschiedenen Racen des Bos taurus und bubalus, wie die des Yak (Bos grunniens) liefern einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zur Befriedigung seiner Esslust. — Als er früher sein Wohngebiet bis Mingrelien und Imeretien ausdehnte mag er dort dem früher wahrschein- lich daselbst häufigen Bos Urus (v. Baer, Bullet. sc. d. T Acad. de St.-Pet. 1 sv. T. 1. p. 153) nachgestellt haben. — Da Menetries (Catal. rais. p. 25) von einer wilden Ochsenart spricht, die 60— 80 Werst von Lenkoran, nahe bei Rescht, vorkommen soll, und dabei an den dem Bos Urus mindestens sehr nahem Bos gaurus erinnert, so könnte dieselbe Bos Urus sein, wozu auch die nach Nordmann noch in Awchasien hausenden Auerochsen, eben so wie die dort vorkommenden Edelhirsche, Rehe und bis nach Indien verbreiteten Wildschweine (Cervus Ela- phus capreolus und Sus scrofa) sehr gut passen würden. In diesem Falle würde der Tiger noch jetzt dort den Auerochsen jagen, jedenfalls fällt er aber daselbst eine wilde Ochsenart an und sättigt sich im Talyscher und Lenkoraner Gebiet, eben so wie auf seinen mehr westlichen Exeursio- nen, an gezähmten Individuen des Bos taurus und des noch häufigern Bos bubalus. — In den frühsten Zeiten muss er auch in Sibirien auf wilde, jetzt dort nicht mehr vorkommende, Rinder (Bos primigenius) und den vom Urus craniologisch nicht unterscheidbaren Bos priscus, ja viel- leicht selbst auf Bos moschatus, gestossen sein, wie aus den dort gefundenen Knochenresten hervorgeht. Gegenwärtig richtet er dort, wie in der Mandschurei, sein Augenmerk nur auf zahme Individuen oder Heerden des Bos taurus und grunniens, falls nicht in den mongolischen Grenzgebieten sich noch wilde Ochsen finden. Sehr zweifelhaft ist es, ob er in der Mongolei noch mit wilden Kameelen (C. bactrianus) zusammentrifft, noch zweifelhafter ob dies in seinen südwestlichsten Wohnsitzen mit wilden Exemplaren des Camelus dromedarius der Fall sei, da die wilde Stammrace beider ganz vertilgt zu sein scheint. Selbst gezähmten Exemplaren des Camelus dromedarius kann übrigens der Tiger nur im Südwesten seines Verbreitungsgebiets, namentlich von Cabul an, begegnen; da- gegen muss er in der Tatarei, Mongolei, China und Südsibirien auf den zahmen Camelus bac- trianus häufig stossen. Aus der Zahl der Pachydermen bilden verschiedene Arten der ihn begleitenden Schweine 54 (198) J. F. Branson. Zoologie. einen der Hauptgegenstände seiner Jagden. In Java lebt er mit Sus verrucosus und viltalus, in Sumatra mit der letztgenannten Art, in Malakka mit Sus Babırussa und in Vorderindien mit Sus eristatus. Schon in Nepal triflt er mit Sus scrofa zusammen und theilt mit ihm in Nord- persien, in den mittelasiatischen Steppen, im Südsaume Sibiriens und in der Mandschurei sein Wohngebiet. In Malakka und Sumatra hat er Gelegenheit Jagden auf Tapirus indicus anzustellen. In Java kommt er mit Rhinoceros javanus, in Sumatra, Malakka und Tenasserim mit Rhinoceros sumatrensis, dann in Hinter- und Vorderindien, wie auch in Nepal mit Rhinoceros indieus vor. — Als sehr wahrscheinlich dürfen wir vermuthen, dass in längst vergangenen Zeiten (s. oben S. 180) der Tiger in Südsibirien auch auf Rhinoceros tichorhinus gestossen sei. Auf Sumatra, dann in Hinter- wie in Vorderindien lebt er mit dem indischen Elephanten (Elephas indicus). In sehr frühen Epochen mochte er aber auch, selbst in Sibirien, Mammonten begegnen. Was die lebenden wilden Einhufer anlangt, wovon der Tiger nur ungestreifte kennt, nicht gestreifte wie der Löwe, so lässt sich für jetzt nur mit Sicherheit behaupten, dass er von Afghanistan und Persien an im weiten Gebiet der mittelasiatischen Steppen mit dem sehr ver- breiteten Dgiggetai (Equus hemionus) zusammen vorkomme. Ob und wo er mit dem eigent- lichen wilden Esel sich finde, ist ungewiss. Auf russischem Gebiet und den Steppen Mittel- asiens scheint es nicht der Fall zu sein, obgleich dies Pallas (Zoogr.) meint. Ich habe wenig- stens bis jetzt von dort nur Eyuus hemionus bringen sehen. Mit zahmen Eseln trifli er dagegen an mehreren Punkten zusammen. Da man wilde Pferde (Eg. caballus) neuerdings weder in Nord- persien, noch in dem bekannten Theile der asiatischen Steppen nachgewiesen hat, so kommt der Tiger von seiner Aequatorial- bis zu seiner Polargrenze jetzt wohl nur noch mit zahmen in Berührung, die er bekanntlich sehr häufig angreift. Wie wir! bereits wissen setzt der Tiger nicht selten selbst über breite Flussarme. Er findet daher im Ganges Gelegenheit selbst Platanista gangetica zu sehen, triflt also sogar zuweilen mit einem Walthier zusammen. Ein schliesslicher Blick auf die Jagdgegenstände des Tigers lassen dieselben auf folgende Weise zusammenfassen. Dem Tiger bieten sich zahlreiche Hirscharten, einige Rinder, nur gegen 10— 12 Arten Gazellen, eine Schaafart der Ebene (Ovis Arkar) und auf den Gebirgen Moschusthiere, wilde Ziegen und Bergschaafe, dann in ebenen Gegenden eine Art, oder höchstens zwei Arten, ungestreifter Pferde (Equus hemionus und Eg. asinus?), einige Arten wilder Schweine (am meisten Sus scrofa), ein Tapir, ein Elephant, dann ein einhörniges und zwei zweihörnige Nashörner dar. Früher stand ihm in Mittelasien und Sibirien Bos primigenius und Bos urus (= priscus) zu Gebote. Den letztern mag er in Nordpersien noch jetzt zuweilen jagen. Statt der wilden Pferde (Egquus Ca- ballus ferus) und Kameele, dann des Rhinoceros tichorhinus und der Mammonte, überhaupt statt des früher zahlreichen Wildes, muss er sich daher jetzt mit gezähmten Hausthieren (Bos taurus, B. bubalus, B. grunniens, Ovis Aries, Capra domestica, Sus scrofa, Equus caballus und Cumelus Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS 199) 55 dromedarius), so wie mit Menschenlleisch behelfen. Giraflen, gestreifte Pferde, Gnu’s und Nil- pferde, die in Afrika vom Löwen verfolgt werden, bekommt er nie zu Gesicht, eben so wie umgekehrt der Löwe keine Moschusthiere und Tapire kennt. $.2. Begleiter des Tigers aus der Classe der Vögel. Auf seinen ausgedehnten Wohngebieten begegnet der Tiger Vögelformen der verschie- densten Art. — In Betracht der Vögelfaunen möchte die östliche Hemisphäre unseres Planeten, oder vielleicht bezeiehnender die Asiatisch-Afrikanische, sich in biologischer Hinsicht*) in zwei grosse Hälften (eine nördliche und eine südliche) theilen lassen. Die eine davon (die südliche) würde solche Regionen bieten, wo die allermeisten Vögel ihre Wohnsitze mehr oder weniger constant beibehalten, so dass die Brutplätze mit ihnen zusammenfallen. Es gilt dies namentlich vom südlichen und mittlern Afrika, vielleicht selbst vom nördlichen; dann von der Südhälfte Asiens mit den ihr benachbarten Inseln und Inselgruppen. Die andere (die nördliche Hälfte) umfasst dagegen Regionen, wo die grössere Hälfte der Vögelarten nur periodisch (im Sommer) auftritt, um ihre Jungenpflege zu besorgen. Sie wird von Europa und etwa der grössern Nord- hälfte Asiens gebildet. Die erstgenannten Erdräume könnte man als Ländergebiete mit con- stanter, die letztgenannten als Ländergebiete mit periodischer Vögelfauna bezeichnen“*). Beide Gebiete gehen aber nach einem alten, bekannten Satze (natura non facit saltus) an den Grenzen in einander über. Diejenigen Erdräume, wo die Vögelfauna nur im Sommer ihren wahren, vollständigen Charakter entfaltet, gehören der Region der gemischten Niederschläge an, worin die Temperatur häufig längere Zeit unter Null bleibt, oft sogar tief darunter sinkt; wo überhaupt die Jahres- zeiten sehr grosse Unterschiede in den Temperaturverhältnissen bieten. Solche Erdräume be- sitzen in ihren borealen und subborealen Regionen nur wenige Standvögel; ja sogar diese werden unter, eben nicht seltenen, Umständen, wie namentlich in Folge des Eintritts zu grosser Kälte, zu reichlicher Schneefälle, des Zufrierens aller Gewässer und des dadurch herbeigeführ- ten Nahrungsmangels, sehr häufig bestimmt, ihren eigentlichen Wohnort mit einem mehr süd- - liehen zu vertauschen, mithin als Strichvögel aufzutreten, die aber, so bald es nur die Umstände gestatten, in ihre alten Wohnsitze zurückkehren. Je weiter nach Norden, um so mehr ver- ringert sich die Menge der echten Standvögel***). Unter der geringen Zahl der in gewissen, *) Geht man von der, wie es scheint, unabweislichen Idee aus, dass die verschiedenen organischen Körper, die wir als Arten, vorzugsweis nach morphologischen Kennzeichen, aufzufassen pflegen, specielle, biologische, morphologisch ausgesprochene Typen darstellen, so bilden offenbar die biologischen Grundanschauungen, bei Verallgemeinerung der An- sichten, das Endziel der zoologischen Untersuchungen. “) Für Amerika werden diese Verhältnisse ganz andere sein. Dort findet man nach Maassgabe”der klimatischen und biologischen Erscheinungen ein mittleres Ländergebiet mit constanter und zwei Ländergebiete (ein nördliches und ein südliches) mit theilweis periodischer Vögelfauna. "") Es lässt sich wohl sogar behaupten, dass es in den nördlichsten Gegenden kaum reine Standvögel giebt. Schon in den subpolaren Gegenden mögen sie sich in sehr strengen Wintern fast nur auf Krähen, Raben, Dohlen, Sperlinge, einige Eulen, so wie auf Auer-, Birk-, Hasel- und Schneehühner beschränken, 56 (200) J. F. Branor. Zoologie. namentlich mehr oder weniger nördlichen, Regionen meist bleibenden, wenigstens nicht sehr weit von ihren eigentlichen Wohn- und Brutplätzen nach Süden ziehenden Vögeln, giebt es nur wenige eigenthümliche Gattungen oder kleine Gruppen. So namentlich unter den Land- vögeln die Tetraoninae mit Tetrao Urogallus, T. tetrix, Tetrastes Bonasia, Lagopus albus und L. alpinus, dann die Gattungen (oder Untergattungen) Plectrophanes (nivalis, lapponica), Loxia (curvirostra, pitiopsittacus, leucoptera), Corythus (enueleator, caucasius), Tephrocots (arctous, Gebleri) und Bombyeilla (garrula). Die meisten Standvögel (oder richtiger Stand-, Strichvögel, unter Umständen Strichvögel) sind Arten solcher Gattungen, die auch in wärmern Gegenden vor- kommen, dort aber meist in andern Arten auftreten. Zur letztgenannten Kategorie gehören wohl aus der Zahl der befiederten Bewohner für gewisse Länder*) der Nordhälfte Europa’s und Asiens, namentlich aus der Ordnung der Raubvögel, Aquila fulva, Haliaötos albieilla, Falco candicans, F. laniarus, F. peregrinus, F. Aesalon, Buteo vulgaris, B. lagopus, Milvus niger, M. regalis, Astur palumbarius und nisus, Bubo maximus, Surnia pygmaea, 5. funerea, S. nyctea, Ulula lapponica, U. uralensis, Nyctale Tengmalmi, Otus vulgaris und wohl noch einige andere. Aus der Ordnung der Passeres möchten Lanius exeubitor, Accentor alpinus, Passer domesticus, P. mon- tanus, Fringilla spinus, F. carduelis, F. linaria, F. borealis, F. montifringilla, F. nivalıs, F. chloris, Pyrrhula vulgaris, P. erythrina, Emberiza cürinella, E. milaris, Parus major, P. coeruleus, P. cyanus, P. ater, P. palustris, P. sıbirieus, P. eristatus, P., caudatus, Sitta europaea, S. uralensıs, Corvus Corax, C. Cornix, ©. monedula, €. frugilegus, Pica caudata, Garrulus glandarius, @. in- faustus, Nucifraga caryocatactes, Pyrrhocorax alpinus, Fregilus graculus, Troglodytes parvulus, Certhia famiharis, Tichodroma muraria, Cinclus aquaticus, Alauda ceristala, und A. tatarica dahin zu rechnen sein, eben so wie aus der Ordnung der Scansores: Picus martius, P. major, P. leu- conotus, P. minor, P. viridis, P. canus und P. tridactylus, so wie endlich aus der Ordnung der Gallinaceae: Phasianus colchieus, Perdix saxatilıs und P. cinerea. Ausser den genannten trifft aber der Tiger im Süden seiner polaren Verbreitungszone auch schon auf überwinternde Zugvögel nördlicher Gegenden, so auf Alauda alpestris, Sturnus vulgaris, Motacilla alba und vermuthlich auch noch auf so manche andere. Als echte periodische Wandervögel der borealen, subborealen oder gemässigten Gegenden sind die meisten oder alle Arten der Gattungen Caprimulgus, Oypselus, Hirundo, Muscicapa, Lanius, Oriolus, Turdus, Sylvia, Motacilla, Saxicola, Anthus, Alauda, Cuculus, Merops, Coracias, Alcedo, Coturnix, Columba, Otis, Grus, Ardea, Ciconia, Ibis, Gallinula, Fulica, Rallus‘, Tringa, Totanus, Cahdris, Phalaropus, Vanellus, Charadrius, Himantopus, Oedienemus, Scolopar, Recurvirostra, Ibis und Numenüus, die meisten Anas und Fuhgula, dann die Gattungen Anser, Cygnus, Colym- bus, Podiceps, Pelecanus und Carbo zu nennen. In der Polarzone seiner Verbreitung, namentlich in den Grenzgebieten Sibiriens, lebt daher der Tiger, den wir bereits als polyklinisches Thier kennen gelernt haben, im Winter *) Hauptsächlich gilt dies von den mehr oder weniger südlichen, wo die Zahl der Standvögel, wegen der günstigern Nahrungs- und klimatischen Verhältnisse, zuninımt. Viele davon sind dagegen für den Norden schon Strich- oder gar Zugvögel. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 01) 57 nur mit jenen oben bezeichneten Stand- oder Strichvögeln zusammen. Im Sommer dagegen umgeben ihn dort ausserdem, wie überhaupt in Persien und Mittelasien diesseits des Himalaya, eine oder ınehrere Arten der oben bezeichneten Gattungen der echten Wandervögel, während der Zeit ihrer Paarung, ihres Brutgeschäftes und ihrer Jungenpflege bis die Brut erwachsen ist. Manche Wander-, ja selbst einige Strichvögel, kommen von Caleutta, Benares, Dukhun und Assam bis zur Polargrenze seiner Verbreitung, oder wenigstens nahe derselben, constant mit ihm vor. Die bis jetzt beobachteten, vermuthlich noch nicht vollständig gekannten, Vögel- arten dieser Kategorie lassen sich systematisch auf folgende Weise gruppiren. I. Rapaces. Falco subbuteo, F. tinnunculus, Circaötos brachydactylus, Haliaötos leucorypha, Circus eyaneus, €. pallidus, C. rufus. — 1. Passeres. Lanius exeubitor, Oriolus galbula, Sylvia hippolais, Motacilla flava, citreola, melanocephala, Phoenicura suecica, Saxicola rubicola, Passer domesticus, Emberiza hortulana, melanocephala, Corvus Corone, Pastor roseus, Upupa Epops. — Il. Scansores. Yunz Torqwilla, Cueulus canorus. — IV. Columbinae. Columba oenas. — V. Gallinaceae. Francolinus vulgaris, Coturnix dactylisonans. — VI. Grallariae. Ardea purpurea, egretta, gar- zetta, cinerea, stellarıs, Nyctiorax, Ibis falcinellus, Totanus ochropus, glareola, hypoleucos, Tringa pusilla, Gallinago media, Himantopus melanopterus, Charadrius pluvialis, Oedienemus crepitans, Fulica atra, Porphyrio hyacinthinus, Platalea leucorodia, Phoenicopterus ruber. — VI. Natato- res. Anas strepera, rutila, Querquedula, Crecca, Fuligula rufina, eristata, Sterna anglica. Ueberhaupt wird der Tiger sowohl in Europa, wie gleichzeitig in ganz Indien, von einer Menge gleichnamiger Gattungen, die aber meist verschiedene Arten bieten, auf längeren oder kürzeren Strecken begleitet, so aus der Zahl der Raubvögel von Vultur, Neophron, Aquila, Falco, Accipiter, Buteo, Circus, Noctua, Otus. Aus der Ordnung Oscines sind es Arten von Turdus, Oriolus, Cinclus, Lusciola, Saxicola, Sylvia, Motacilla, Hirundo, Muscicapa, Lanius, Parus, Fringilla, Coccothraustes, Emberiza, Alauda, Sturnus, Pastor, Corvus, Garrulus. Aus der Ordnung der Clamatores sieht man ihn mit Caprimulgus, Cypselus, Upupa, Merops, Coracias, Al- cedo; aus der der Scansores mit Cuculus und Picus; aus der der Columbinae mit Columba und Pterocles; aus der der Gallinaceae mit Phasianus, Perdix, Francolinus, Coturnix und Hemipo- dius; aus der der Grallae mit Otis, Grus, Ardea, Ciconia, Ibis, Himantopus, Totanus, Tringa, Cursorius, Vanellus und Porphyreo und aus der der Natafores mit Anas, Fuligula, Anser, Sterna und Larus. Ausser diesen Gattungen, wovon die meisten dem Tiger theilweis in andern Arten folgen, besitzt sein südlichstes Heimathsgebiet (Indien) noch eine Menge anderer, ihm eigenthümlicher, oder theilweis mit Afrika gemeinsamer Gattungen, die ebenfalls als Begleiter desselben gelten müssen und meistens als Stand- oder Strich-*), aber nicht als echte Wandervögel auftreten. Aus- gezeichnet sind aus der Zahl der Eulen die Untergattungen Phodilus und Ketupa als eigenthüm- lich veränderte Bildungen von Stryx flammea einerseits und Bubo andererseits. Als merkwür- *) In welchem numerischen Verhältniss in Südasien die Stand- oder Strichvögel zu den Wandervögeln stehen, ist bisher, wohl der Unzulänglichkeit deg Beobachtungen halber, noch nicht ermittelt. In Südamerika sollen die Wander- vögel zu den Standvögeln wie 129 : 266 sich verhalten. 8 98 (202%) J. F. Branpr. Zoologie. dige Form der Ziegenmelker tritt im Süden Indiens und auf Java die Gattung Podargus auf. Die Familie der Schwalben bietet die durch ihre essbaren, neuerdings so häufig in der Pariser Akademie besprochenen, Nester berühmte Gattung der Salanganen (Collocalia). Die Würger Indiens und der Sunda-Inseln enthalten in den merkwürdigen Gattungen Graucalus, Ocypterus, Edolius und Irena eigenthümliche, zum Theil sehr schön gezeichnete Arten, eben so wie die Musci- capiden in den Gattungen Rhipidura, Hemichelidon und Niltava. Unter den Sturniden erscheinen Calornis, Saraglossa, Gracula, Hetaerornis, Sturnopastor und die durch häutige Kopfanhänge merkwürdige Eulabes. Als zahlreiche, aussereuropäische, zum Theil durch Farbenpracht aus- gezeichnete Gattungen der Turdiden können Eupetes, Malacopteron, Brachypterix, Macronus, Ti- malia, Pitta, Myiophonus, Zoothera, Garrulax, Trochalopteron, Actinodura, Pterocylus, Timalia, Pomatorrhinus, Miceroscelis, Hypsipetes, Sibia und Phyllornis namhaft gemacht werden. Die den Drosseln nahe verwandten, den Nachtigallen oder Bachstelzen ähnlichen Vögel zeigen als Eigenthümlichkeiten die theilweis sehr schön gefärbten Gattungen Prinia, Orthotomus, Chae- tornis, Myiomela, Nemura, Grandala, Jora, Yuhina und Enicurus. — Die auch in Afrika ver- tretenen, oft in den glänzendsten Farben prangenden, röhrenzungigen Cynniriden, der Ersatz der Kolibri's Amerika’s, haben die Gattungen Nectarinia Ill. (Cinnyris Guv.), Dicaeum und Arachnothera aufzuweisen. Neben der Gattung Certhia, tritt in der Familie der Certhiaden die Gattung Salpornis auf, eben so wie in der der Meisen (Paridae) die Gattung Suthora. Aus der Familie der Sperlinge sind Ploceus und Paradoxornis namhaft zu machen, aus der der raben- artigen Vögel (Corvidae) die Gattungen Lophocitta, Kitta, Temnurus, Orypsorhina und Conostoma. Die Ordnung der Clamatores wird in Indien durch mehrere besondere Formen der Ampeliden, wie Leiothrix, Pleruthius, Cochoa, Dierurus, Chibia, Bhringa und Chaptia, der Alcedinae (Ceyx), der Eurystomen namentlich durch Eurylaimus, so wie durch zahlreiche, sonderbare Arten von Buce- roiden repräsentirt. — Unter den Klettervögeln sehen wir mehrere, dem europäisch-asiatischen Faunengebiet fehlende, Formen. In der Familie der Cuculidae sind es die Gattungen ARhinortha, Phoenicophaeus, Eudynamis, Centropus, in der der Piciden die Gattungen Psilopogon, Megalo- rhynchus und Sasıa, in der der Bucconiden die der Gattungen Bucco und Trogon. — Auch an Papageien hat Indien keinen Mangel, namentlich an Arten der Abtheilung Palaeornis. — Die Tauben Indiens charakterisiren sich besonders durch grün mit gelb und roth gefärbte, so wie auch durch eine abweichende Schnabelform charakterisirte Arten der Gattung Vinago. — Die Gallinaceen bieten in Indien, wie sonst nirgends, einen Reichthum an Formen, die grössten- theils die ausserordentlichste Farbenpracht und nicht selten gleichzeitig den herrlichsten Metall- glanz entfalten; Formen, die der Südhälfte des asiatischen Continents, im Gegensatz zu Afrika und Amerika, ein eigenthümliches ornithologisches Gepräge aufdrücken. Es sind dies nament- lich die Gattungen Pavo, Polyplectron, Tragopan, Argus, Gallus, Lophophorus, Purcrasia, Euplo- comus, Crossoptilon und mehrere China wie Indien eigenthümliche Fasanen. — Unter den der Nordhälfte des europäisch-asiatischen Continents fehlenden Wadvögeln Indiens bemerkt man die Gattungen Parra, Anastomus, Ibidorhynchus, Rhynchaea, Dromas und besonders die Marabu- störche (Leptoptilus), deren zierliche, untere Schwanzdeckfedern den berühmten Damenschmuek Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. (03) 59 liefern. — Sonderbar ist es, dass, so viel mir bekannt, der Tiger auf dem Festlande Indiens keinen grossen Laufvogel zum Begleiter hat, während als häufiger Gefährte des Löwen der Strauss auftritt; nur auf Java und. Sumatra soll(?) mit ihm der Casuar wohnen. — Die Ord- nung der Schwimmvögel bietet in Indien, im Gegensatz zur asiatischen Nordhälfte, nur Rhyn- chops, Plotus und die niedlichen Nettapus als ihm eigene Gattungen der Schwimmvögel. Es scheint indessen in Bezug auf die gleiehzeitig mit dem Tiger vorkommenden Anatiden bemer- kenswerth, dass er in China mit der schönsten aller Enten (Anas galerieulata), die bei den dortigen Hochzeitsprocessionen eine Rolle spielen soll, das Wohngebiet theilt. 83. Begleiter aus der Classe der Reptilien. Werfen wir einen Blick auf die Reptilien- und Amphibien-Fauna des Wohngebietes des Tigers, so sehen wir ihn in der südlichen Hälfte desselben ebenfalls mit weit zahlreichern Haupt-Gruppen, Gattungen und Arten in Berührung kommen, als in seiner nördlichen, wo neben ihm nur wenige Arten auftreten, da die nördlichen Landstriche der fraglichen Thier- classe ganz ungeeignete Wohnorte darbieten. Indien, wie die von ihm bewohnten beiden Sunda-Inseln (Java und Sumatra), besitzen eine Menge Arten von Schildkröten, ja sogar die Repräsentanten aus allen Familien, mit Aus- schluss der amerikanischen Chelyden. Von Landschildkröten finden wir in Indien die Gattung Testudo durch mehrere Arten, darunter die grosse Testudo indica, und die Gattung Pyxis durch eine Art vertreten. Früher begleitete den Tiger auch selbst die ausgestorbene, riesenhafte Colossochely, — Aus der Familie der Sumpfschildkröten sind aus Indien und China gegen 20 Arten bekannt, wovon die meisten (fast °/,) der Gattung Emys, die andern den Gattungen Cistudo, Tetraonyx und Platysternon angehören. Die Familie der Lippenschildkröten begleitet den Tiger mit ihren beiden Gattungen Gymnopus und Cryptopus (Trionyx), wovon die erstere vier, die letztere eine Art zählt, von Java an bis Indien, ja die eine oder die andere Art der- selben kommt selbst in Nordchina vor. — An den Küsten Indiens kann der Tiger auch Ge- legenheit finden mit drei, ja vielleicht mehreren Arten der Gattung Chelonia Bekanntschaft zu machen. In Nordpersien sind Testudo ibera, nebst Emys europaea und caspia die einzigen Be- gleiter: die erstere geht mit ihm bis in die Steppenländer Mittelasiens (Samarkand). Die Ordnung der Saurier bringt ihn in Indien mit mehreren Arten Crocodilus (biporcatus, galeatus, bengalensis, bivittatus ete.) und zwei Arten von Gavialen (G. longirostris und gangeticus) in Berührung. Aus der Familie der Chamaeleon’s sieht er Chamaeleo bifidus. Hässliche, obgleich zum Theil bunte Arten, die verschiedenen Gattungen der Familie der Geokonen angehören, be- gleiten ihn von Java in grösserer oder geringerer Zahl bis Nordpersien und in die mittelasiati- schen Steppen. Seine beständigen Begleiter sind Arten der Gattung Gymnodactylus (in Java marmoratus, in Bengalen pulchellus, in den mittelasiatischen Steppen caspius). Nur in der Süd- hälfte seines Wohnortes finden wir ihn mit mehreren Arten von Platydactylus, Piychozoon und 60 (204) J. F. Branor. Zoologie. Hemidactylus. In den mittelasiatischen Steppen trifft er übrigens auch den Stenodactylus pipiens und den sehr seltenen, höchst merkwürdigen, eine Mittelstufe zwischen Seincus und Gecko dar- stellenden, Geckoscineus Schrenkii nob. — In der Südhälfte seiner Verbreitung lebt er mit vier oder mehreren Arten der zur Familie der Monitoren gehörigen Gattung Varanus s. Psammo- saurus (bivittatus, bengalensis ete.) zusammen. Selbst in Nordpersien, namentlich am Balchan- Busen des Caspischen Meeres, findet sich noch eine mit dem egyptischen identische, als Psam- mosaurus caspius beschriebene Form dieser Gruppe. — Aus der Familie der leguanartigen Baumagamen sehen wir mit ihm theils in Indien, theils auf Java und Sumatra die Gattungen Istiurus, Calotes, Lophyrus, Lyriocephalus, Sittana, Draco und Leiolepis; wovon bis jetzt Calotes durch 8, Draco durch 5 und Zophyrus durch %, die andern durch je eine Art repräsentirt werden. — Mit Emphyodonten (Erdagamen) sehen wir den Tiger von Bengalen bis zur Polar- grenze seiner Verbreitung. Am weitesten (bis Sibirien) folgen ihm Phrynocephalus helioscopus und caudivolvulus. Stellio caucasius, Trapelus sanguinolentus und Phrynocephalus auritus kommen nur in Persien und den mittelasiatischen Steppen mit ihm vor. Im Süden lebt er mit mehreren echten Agamen (A. dorsalis, tuberculata, moluccana, gutturosa), dann mit Stellio reticulatus und Uromastix Hardwikü zusammen. Zu seinen häufigsten und constanten Begleitern gehören viele Gattungen der Familie der Lacertae. Im Süden sind es die Gattungen Tachydromus (T. sexli- neatus), Tropidosaura (montana) und Calosaura (Leschenaulti); von Persien an aber bis in die Steppen Mittelasiens Ophiops elegans, Lacerta stirpium, viridis, muralis, grammica und leucosticta, nebst Eremias velox und variabilis. Die letztere nebst Zootoca vivipara begleitet ihn bis Sibirien, wie jene beiden, bereits oben erwähnten Phrynocephalen. Aus der Abtheilung der Piychopleuren kann ich bis jetzt nur Pseudopus Pallasii, als mittelasiatischen, von Nordpersien beginnenden, Tiger-Begleiter aufführen. Zahlreich sind dagegen die mit ihm vergesellschafteten Formen der Familie Scincoides. In China, Indien und Java kommen namentlich die Gattungen Tropido- phorus (cochinchinensis), Eumeces punctatus, Euprepes Sebae, Ernestü, Plestivdon sinensis und pulchrum, Lygosoma brachypoda, Dussumieri, sancta und smaragdıina, Cyclodes Boddaerti, Cam- psodactylus Lamarrei und Evesia Bellii mit ihm vor. In den Talyscher Gebirgen wohnt er mit Euprepes princeps (Schneideri?) und bivittatus; Angius fragilis ist in Georgien und selbst bei Lenkoran sein häufiger Gefährte. Ablepharus pannonicus geht mit ihm bis in die Steppenländer Mittelasiens (Samarkand). Die von zahlreichen Schlangenformen belebte Südhälfte des Verbreitungsgebietes des Tigers bietet Repräsentanten der verschiedensten Abtheilungen. Die Stenostomen zeigen aus der Gruppe der Typhlini die Gattungen Pilidion (mit einer Art) und Typhlops mit mehreren Arten, während zeither nur eine Art (T. vermicularıs) dieser Gruppe in Georgien und Nordpersien mit dem Tiger angetroffen wurde. Aus der Gruppe Tortricina erscheinen Xenopeltis unzcolor und Ilisia rufa aus der der Rhinophen: Uropeltis ceylanica als Formen des südlichen Wohngebiets des Tigers. Die weitmundigen Schlangen (Eurystomi) sind noch zahlreicher darin vertreten, sowohl die Unschuldigen (Innocu:), als auch die Verdächtigen (Suspect) und die Giftigen (Venenosi). Von jetztern wird er am weitesten nach Norden begleitet, da Vipera Berus und theilweis auch Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. (205) 61 Coelopeltis Dione in Sibirien die am höchsten nach Norden gehenden Schlangen sind. — Aus der grossen Abtheilung der /nnocwi haust er mit den riesigen Pythonen, wie Python molurus (bivittatus auet.) und reticulatus (javanicus) in Java und Indien. Mit Eryx conicus und Ichniü lebt er in Indien, mit E. jaculus (tureicus) aber von Persien bis in die Steppen Mittelasiens zu- sammen. Der boaartige Enygrus carinatus findet sich mit ihm auf Java. Ebendaselbst wie in Bengalen sieht man ihn mit Cylindrophis rufa aus der Abtheilung der Tortrices. Aus der Gruppe Acrochordini umgeben ihn auf Java Acrochordus javanicus und fasciatus. Bereits kennt man zahlreiche Colubrini, so aus der Gattung Coluber über 12, aus der Gattung Coronella über 4, aus der Gattung Tropidonotus ebenfalls 4, aus der Gattung Calamaria 5, aus der Gattung Lycaodon 3 Arten und aus den Gattungen Homalosoma und Brachyorhus je eine Art, mit denen er auf seinen beiden heimathlichen Sunda-Inseln oder auf dem Festlande Indiens angetroffen wird. . Ueberdies begleiten ihn mehrere Arten von Coluber (sauromates, trabalis, Karelini‘) meh- rere Tropidonotus (Trop. hydrus, natrix, persa, scutatus) nebst Coronella austriaca vom Norden Persiens aus in die Kirgisensteppen. — Glieder der Abtheilung der Suspech treten ebenfalls, besonders im Süden, als nachbarliche Bewohner häufig mit ihm auf. In Java und Indien sind es die Gattungen Homalopsis, Dipsas, Psammophis, Dendrophis und Dryophis, die ihn mit meh- reren oder wie Herpeton mit einer Art begleiten. In Nordpersien bis in die Kirgisensteppen hinein, erscheinen auf seinem Wohngebiet Coelopeltis Dione und lacertina, Tarbophis fallax, Tomyris oxiana und Trigonophis iberus. Die erstere trifft er sogar noch in Sibirien wieder. — Wahre Giftschlangen kommen mit ihm von Java bis Sibirien vor. Sie gehören theils der Familie Elapini, theils der der Viperini, theils endlich der der Grubennattern (Crotalini) an. Die Elapini sind durch mehrere Elaps, Naja (darunter die berühmte N. tripudians und N. larvata), so wie durch mehrere Bungarus, die Viperini durch Vipera elegans und Echis carinata reprä- sentirt. Die Viperini erscheinen unter der Form von Vipera Berus bis Sibirien und in Sibirien selbst als seine nördlichsten Begleiter. Die Crotalini gehören der Gattung Trigonocephalus an. In Indien findet man mehrere Arten davon mit dem Tiger zusammen, dem Trigonocephalus halys von Nordpersien bis Sibirien folgt. — In Indien mag derselbe, besonders beim Schwimmen, namentlich an den Flussmündungen, zuweilen auch giftigen Wasserschlangen, Hydrini, aus den mehr oder weniger artenreichen Gattungen Hydrophis, Pelamys und Platyurus begegnen. Auch zahlreiche Begleiter aus der Ordnung der Batrachii fehlen dem Tiger an seinen südlichen Wohnsitzen keineswegs. In Malabar sehen wir ihn mit Caecilien, in Java mit Epi- erium. Noch häufiger tritt er mit schwanzlosen Fröschen (Ecaudati), namentlich mit wahren Fröschen (Ranae), Laubfröschen (Calamitae) und Kröten (Bufones) auf. Dass dies auch mit zungenlosen (Aglosa) der Fall sei, lässt sich für jetzt nicht behaupten. Aus der Familie der Frösche kann man ihn in Java oder Indien mit mehreren Arten Rana und einzelnen Arten von Oxyglossus und Megalophrys antrellen. In Nordpersien dagegen mit Rana temporaria, esculenta und cachinnans, in Sibirien aber, so viel wir wissen, nur mit Rana temporaria, eruenta (Mid- dendorff) und vespertina finden. — Die Familie der Laubfrösche ist in den südlichern und südlichsten Wohngebieten des Tigers durch eine oder mehrere Arten von Limnodytes, Poly- 62 (206) J. F. Branpr. Zoologie. pedates, Ixalus, Rhacophorus und Mierohyla repräsentirt. In Nordpersien, Südsibirien und selbst in Daurien vertritt, so viel bekannt, nur Hyla arborea ihre Stelle. — Aus der Abtheilung der krötenartigen Batrachier (Bufones) leben in Indien oder Java einzelne Arten der Gattungen Uperodon und Hylaedactylus und zahlreiche echte Bufo mit ihm zusammen. In Nordpersien findet man ihn mit Bufo vulgaris, B. Calamita und besonders mit B. viridis. Die letztgenannte Art begleitet ihn nachweislich bis in die Kirgisensteppen. $h. Begleiter aus der Classe der Fische. Zu weit würde es führen auch den Charakter des bis jetzt bekannten Theiles der Fisch- fauna, die den Tiger von seiner Aequatorial- bis zu seiner Polargrenze begleitet, ebenfalls näher zu erläutern. Es mögen daher hier nur noch in dieser "Beziehung wenige Worte über die mit ihm vorkommenden Süsswasserfische Platz greifen. In den Süsswassern des Aequatorialgebietes des Tigers treten neben wenigen Esocinen, Salmoniden, Mugiloiden, merkwürdigen Notacanthini, Scomberoiden, Pedieulati, Symbranchii und Percoiden, ferner mehreren Gobioiden, Clupeoiden und Muränoiden, zahlreiche Gattungen der Labirynthiei (Ophiocephalus, Polyacanthus, Trichopodus, Osphromenus, Helostoma ete.), sehr zahlreiche Cyprinoiden und, wie im wärmern Amerika, un- gemein viele, durch eigenthümliche Körperbildungen ausgezeichnete Gattungen von Stluroiden auf; während in den weiten Mündungsarmen grösserer Ströme, namentlich des Ganges, sogar eigene Lophobranchü (Syngnathus) und Gymnodonten (Tetrodon), ja selbst Rajae und Squali als Vermittler der Meeresfauna angetroffen werden. Verknüpfen doch selbst in jenen südlichen Gegenden aus der Classe der Säugethiere die Gangesdelphine, aus der der Amphibien aber, die Seeschlangen die Organisationen des Salzwassers mit denen des Süsswassers. In Indien kommen selbst auf Gebirgen, wie jene merkwürdigen Arges eyclopum und Brontes prenadilla (Humb.) der Anden, noch eigenthümliche, mehr oder weniger zahlreiche, Welsformen neben Cyprinen vor, so namentlich in Nepal. In manchen westlichen Gebirgsplateau’s, wie Kaschmir, sind die im äussersten Norden Asiens und Europa’s fehlenden, Welse nur dureh die eine oder die andere Art vertreten (so z. B. durch Silurus Lamgkur). Dort herrschen dann, wie der trefl- liche Heckel nach Hügel’schen Materialien (Fische aus Caschmir. Wien 1838) zeigte, die Cyprinen, namentlich ausser einem Varicorrhinus (diplostomus), einem Labeobarbus, einem Bar- bus und zwei Cobitis, ganz besonders die merkwürdige Gattung Schizothorax vor, welche letz- tere von dort und den Sikimbergen an bis zum Tschui repräsentirt wird, wie ich später an einem andern Orte zeigen werde. In Mittelasien, so wie in Georgien und Nordpersien, über- wiegen, im Einklang mit dem vorwaltend europäischen Charakter der Fauna, auch unter den Süsswasserfischen bei weitem die Cyprinen, denen sich, nebst drei eigenen Gattungen von Süsswasser-Barschen (Perca, Acerina und Lucioperca), mehrere Arten Acipenser, ein Hecht, der eine oder der andere Heering, die Quappe und eigentliche Aaale, nebst einigen Lachsen zuge- sellen, während die im Süden so häufigen Siluroiden nur durch Silwris glanis repräsentirt Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 207) 63 werden, der im Amur und seinen Zuflüssen durch Silurus Asotus, im Pekinger Gebiet, wo auch schon eine Trionyx nebst Ophiocephalus erscheint, aber auch noch durch eine andere Art ersetzt wird. Im Süden Sibiriens beginnen bereits die Salmoniden mit den, zum Theil von den europäischen Arten abweichenden Cyprinoiden um die Herrschaft zu streiten, die sie aber erst mehr im Norden gewinnen, wo die Siluren ganz vermisst werden, deren Stelle die echten scharfbezähnten und, wie viele Welse, gleichfalls mit einer Fettllosse versehenen Lachse als echte Raubthiere theilweis einnehmen dürften. Sechster Abschnitt. Verhältniss des Tigers zur Menschheit. Dem weniger mit dem gegenseitigen Einflusse und dem Zusammenhange der Wissen- schaften Vertrauten könnte es auf den ersten Blick sonderbar erscheinen, wenn in einer zoolo- gisch-geographischen Monographie die Beziehungen einer Thierart zum Menschen, namentlich einer sehr gefährlichen, besprochen werden sollen. Er kann glauben, es sei damit abgethan, wenn es sich z. B. um den Tiger handelt, dieses grausame Raubthier, das an allen grössern, lebenden Wesen seinen Hunger und Blutdurst zu stillen trachtet, nicht blos als Feind der Thiere, der wilden, wie der zahmen, sondern auch der Menschen zu erklären, und die Ländergebiete anzu- geben, in denen er vorzukommen pflegt. Bei ernsterer Ueberlegung wird er indessen eine solche Ansicht aufgeben, wenn er genauer die Verhältnisse erwägt, in denen dieses allgemein gefürchtete Raubthier, vermöge seiner, nach bestimmten Gesetzen geregelten, Verbreitung mit den verschiedensten Menschenstämmen seit den frühsten Perioden ihres Bestehens in Berüh- rung kommen musste oder noch kommt. Er wird dann vielleicht von selbst die Frage auf- werfen, ob nicht gar dadurch einzelne, wenn auch noch so schwache, Lichtblicke auf die Ur- völker unseres Planeten, so wie auf ihre früheren, so dunkeln, Culturverhältnisse fallen könn- ten. Er wird zugestehen, dass durch die genauere Erforschung der, nach bestimmten Gesetzen geregelten, geographischen Verbreitung der Thiere die Möglichkeit gegeben sei, annähernd zu ermitteln, welche Thierarten die menschlichen Bewohner verschiedener Erdgegenden beglei- teten oder noch begleiten und auf ihr Treiben, ja auf ihre Entwickelung von Einfluss waren oder es noch sind. Er wird sich dann zur Ansicht erheben, dass auf diesem Wege die ein- zelnen der ursprünglichen Culturpuncte der von Jägern und Hirten zum Ackerbau und da- durch, in Folge der stetigen, gemeinsamen Wohnsitze und des beständigen Zusammenlebens, zu höhern geistigen Aufschwüngen geleiteten Völker, wenn auch nur zu einem geringen Theile annähernd gestützt und ermittelt werden könnten. Es scheint daher nicht überflüssig einige Bemerkungen über die verschiedenen Volks- oder Sprachstämme beizubringen, mit denen der 64 (208) J. F. Branpor. Zoologie. Tiger, vermöge seiner geographischen Verbreitung, und in Folge derselben, vermöge seines Naturells in Berührung sein musste. Es werden aber, indem wir diesen Zweck verfolgen, auch die Erscheinungen nicht auszuschliessen sein, die ihn gleichsam künstlich einzelnen Völ- kern zuführten und sie so eine Kenntniss von seiner Existenz und seinen Eigenschaften ge- winnen liessen. Der geistvolle Agassiz hat eine periodische Herrschaft der Fische, der Reptilien, der Säugethiere und des Menschen auf unserem Erdplaneten angenommen. Wenn es nun gleich den Anschein hat, dass die beiden letztgenannten Epochen unserer Erdgeschichte allmälig in einander übergegangen seien, oder gar als gleichzeitige sich herausstellen möchten, so gab es doch wohl, wie zu vermuthen steht, eine Zeit, wo der Mensch, mit den grossen, kräftigen und starken Raubthieren auf Erden um die Herrschaft kämpfte, ein Kampf, der sich im Allge- meinen, wie noch jetzt, trotz der weit überlegenen physischen Kraft der Gegner, zu Gunsten der intelligentern, an künstlichen, von Thatkraft unterstützten, Vertheidigungsmitteln reichern Wesen, der Menschen, entschied und nach einer höhern Bestimmung, die das Geistige über die physische Kraft und den Stoff erhebt, entscheiden sollte und stets entscheiden wird. Die Gefahr und der ihr entgegenzusetzende Widerstand mussten mit der ansehnlichern Grösse und Stärke und der damit verbundenen Vertheidigungskraft des Gegners wachsen. Die Völker Europa’s, Asiens und Afrika’s bedurften daher zur Vertilgung oder Abwehr der beträchtlichsten und stärksten Raubthiere von jeher eines namhafteren Aufwandes geistiger Kräfte als die von kleinern, schwächern Raubthieren behelligten Urbewohner des amerikanischen Continents. Die Völker der alten Welt waren daher auch schon früh im höheren Grade als die Amerikaner ge- nöthigt, auf Mittel zur Vertilgung oder Abwehr ihrer gefrässigen Gegner zu sinnen. Thaten sie es nicht, oder hielt sie ein eingewurzelter Aberglaube vom Kampfe zurück, wie sogar noch jetzt einzelne Völker des Innern Dekans, Hinterindiens und Sumatra’s (s. unten), so waren sie beständigen Lebensgefahren oder Verlusten an ihren Heerden ausgesetzt und gehörten zur Kategorie der Beherrschten. Sie hatten also keinen Theil am Reich des Menschen als wahrer Beherrscher der Thiere. Wir sehen daher auch, dass gerade die Völkerschaften, welche die Zahl der wilden Thiere, namentlich der Raubthiere möglichst früh beschränkten oder in ihrem Wohngebiete ausrotteten, wie z. B. die Griechen und Aegypter die Löwen, auch schon in sehr fernen Zeiten zu einer höhern Intelligenz sich erhoben, da sie schon früh ihre geistigen Kräfte üben mussten. Jedenfalls dürfen wir die Erlegung der wilden Thiere, und besonders die schwierigere Besiegung der grossen Raubthiere, als eins der ersten, wesentlichen Förderungs- mittel der Weckung und weitern Entwickelung der menschlichen Intelligenz betrachten, die selbst bei den trägen, leider bei weitem überwiegenden, Naturen durch zwingende und unab- weisliche Nothwendigkeit angeregt und vervollkommnet wurde. Der Kampf mit der rohen, thierischen Kraft war daher eins der ersten beachtenswerthen Bildungsmittel in den Urzeiten der Menschheit; denn wenn sie auch theilweis in stets frucht- oder nahrungsreichen Gegenden ihre Heimath hatte und nicht als reines Jägervolk aufzutreten brauchte, um ihren Hunger zu stillen, so sah sie sich doch selbst schon in einem solchen Zustande genöthigt, ihr Leben oder Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. (209) 65 ihre Heerden gegen die Angriffe der Raubthiere sicher zu stellen, worunter in den gemässig- ten und heissen Gegenden der sogenannten alten Welt der Löwe und der Tiger die erste Stelle einnalımen. So interressant und lehrreich es auch sein möchte die Einflüsse näher ans Licht zu ziehen. welche diese beiden grossen Raubthierarten auf den Menschen ausübten, so beschränke ich mich doch für diesmal aus mehrfachen Gründen nur darauf das Verhältniss des Tigers zur Menschheit näher ins Auge zu fassen. $.1. Beziehungen des Tigers zum arischen Volksstamm überhaupt. Wenn, wie man wohl mit Sicherheit annehmen darf, die Wiege des arischen Volks- stammes in Bactrien (dem heutigen Balkh) und den benachbarten westlichen Gebieten Irans und Afghanistans stand, so musste derselbe schon bei seiner ersten Entwickelung mit dem ge- fürchtetsten Raubthier seines Wohngebietes (dem Tiger) in Berührung kommen. Der Tiger wird also, wie seine geographische Verbreitung zeigt, schon von den Stammeltern der Celten, Griechen, Germanen, Slaven, Iraner und des Sanskritvolkes, ja wohl selbst auch von den Semiten als sie noch nordöstlicher wohnten, zur eigenen Nothwehr, zur Vertheidigung der Stammgenossen, zum Schutz der Heerden, zur Gewinnung seines zierlichen Felles oder zum Jaglvergnügen bekämpft worden sein. Ueber diese Kämpfe und Jagden unserer Urväter schweigt aber, eben so wie über das Leben und die Thaten derselben, nicht allein die Geschichte, sondern sogar die Sage. Nur der Scharfsinn und der Fleiss der Sprachforscher hat durch unwiderlegliche Nachweise der, in den mannigfachsten Beziehungen sich bekundenden, Spracheinheit den ursprünglichen Zusammen- hang jener Völker dargethan und die Geschichtskundigen zu erfolgreichen Forschungen ange- regt. Einzelne ihrer alten Denkmäler weisen sogar auf gewisse Wohnplätze hin, die theilweis noch jetzt von Nachkommen eines Zweiges des früheren Stammes (den Iranern) eingenommen werden. Die Iraner verlegen, namentlich in ihren heiligen Büchern (Avesta), ihre Ursitze (erst- geschaffenes Land, Airjanem Vae’gö) nach dem äussersten Osten des iranischen Hochlandes, dem Quellengebiet des Oxus, ferner den Westabhängen des Belurtag und Mustag, des heiligen Berges Berezat (Borg), den sie als Urquell der Gewässer anrufen (Lassen, Ind. Alterth. 1.526). Auch werden im Vendidad der Avesta, Fargard n. 18: Mouru (Merw?) das hehre, heilige, und ebd. n. 22: Bakhdi das schöne, mit hohen Fahnen (das heutige Balkh) gepriesen (Avesta. Bd. 1. Vendidad, übers. v. Spiegel, Leipzig 1852. 8°). Die auf solche Weise angedeuteten Kenntniss der Ursitze eines Stammes der Arier, aus dessen Nähe wahrscheinlich auch die andern, mit ihm früher vereinten, Stämme auszogen, ist es nun, welche dem Naturforscher gestattet, auf Grundlage der bereits festgestellten Gesetze über die Verbreitung der Thiere, diejenigen Arten derselben näher zu ermitteln, welche schon mit dem Urvolk der Arier zusammenlebten. Zu diesen gehörte nun wohl auch der Tiger, da er noch jetzt sich in jenen Gegenden findet, welche 9 66 (10) J. F. BRAnDr. Zoologie. als die frühsten Sitze desselben gelten dürfen. Indessen blieben, in Folge der nach Westen gerich- teten Auswanderungen, nicht alle Zweige des arischen Stammes mit ihrem grausamen Erbfeinde (dem Tiger) in Verbindung. Die Kunde von ihm musste also im Laufe von Jahrtausenden theilweis erlöschen, was namentlich von den Celten, Griechen, Germanen und Slaven gilt, bei denen sich, so viel bekannt, nicht einmal eine den einzelnen dieser Stämme oder allen gemein- sam Bezeichnung des Tigers erhalten hat. $.2. Beziehungen des Tigers zu den Iranern. Die Iraner, selbst als sie etwas mehr nach Südwesten sich ausbreiteten, und nun auch noch mit den, ihnen edler dünkenden, Löwen in Berührung kamen, blieben bis auf den heu- tigen Tag mit dem Tiger zusammen. Als Alexander der Grosse in ihre alten Wohnsitze (Nord- persien, Buchara, Balkh) vordrang, musste also auch er auf den Tiger stossen, wie dies auch, wie wir unten sehen werden, in der That geschah. In den ältesten, uns erhaltenen, Schriften der Iraner, namentlich im Vendidad der Avesta, kommt freilich der Tiger als kenntlich bezeich- nete und mit einem besondern Namen belegte Thierart keineswegs vor, obgleich schon die alten Griechen und Römer das Wort Tiger aus der medisch-iranischen Sprache herleiten*). Wir können indessen, nach Maassgabe unserer Kenntnisse über die Fauna Mittelasiens, vermuthen, dass er nebst dem Panther und Guepard unter den reissenden, die Finsterniss liebenden, vom todtbringenden Agra-mainys (Ariman) geschaffenen Thieren gemeint sei. Es dürfte desshalb vielleicht selbst das von Spiegel (Avesta, Vendidad Farg. V.n.18u. V1.n.103) durch Panther wiedergegebene altiranische Wort nicht speciell auf den Panther, sondern auf grosse Katzen des Iranenlandes überhaupt, also auf Panther und Tiger gleichzeitig zu beziehen sein**). Der Tiger wird übrigens als ein in Persien bekanntes Thier in den verschiedensten Schriften der Nachkommen der Iraner, der Perser, häufig erwähnt, wie mir mein geehrter College Dorn mittheilt. Das Bild desselben wurde von ihnen sogar zu einem Embleme der Macht erhoben. Es wird wenigstens bei Bernd (Wappenwesen I. 243) eine persische Fahne erwähnt und auf *) Das Wort Tigris (Tiger) ist offenbar, wie das gleichnamige und sinnverwandte des bekannten Flusses, irani- schen Ursprungs. Varro (De ling. lat. Lib. V. 100) leitet es aus dem armenischen Worte tigris (sagitta) ab. Plinius (H. N. VI. 31) sagt: «Tigris Medi appellant sagittam». Eustath. Dionys. 976. bemerkt: «MAjdor riypıy xalouct To toEsuuan». — Da im Sanskrit eine Wurzel tig, schärfen, wie das nachgewiesene Compositum tig-ma (scharf, stechend) zeigt, als nachweisbar erscheint, während tig im Neupersischen den Degen, als ein stechendes Instrument bezeichnet, so scheint der Name tigris ganz gut damit vereinbar. Tritt nämlich zur Wurzel tig das Suffixum ra, so entsteht tigra, das als Adjectiv scharf oder schnell, als Substantiv Pfeil hiesse; wie denn in der That im Neupersischen tir den Pfeil be- zeichnet (Benfey, Ueber Monatsnamen der alten Völker, p. 202; Bötticher, Arica, p. 28; Gosche, De Ariar. ling. indole Berol. 1847, p. 47). Der Fluss erschiene demnach als schnell, wie ein Pfeil strömendes Gewässer, der Tiger aber als ein pfeilschnelles (d. h. pfeilschnell auf seine Beute sich stürzendes) Thier. Da also das Wort tigris als ein medisch- iranisches sich herausstellt, so lässt sich wohl annehmen, dass die macedonischen Griechen den Tiger bereits in Medien kennen lernten, nicht erst am Indus (s. unten). “) Im Betreff der vermuthlichen Andeutung des Tigers im Vendidad vergleiche man Avesta Bd. I. Der Vendidad | übersetzt von Spiegel, Fargard I. n. 23 u. 24. Farg. XIII. n. 148-152. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 21) 67 Taf. IX. Fig. 7. abgebildet, worauf die unter einer Halbsonne hingestreckte Katze eher den spitzköpfigeren Tiger als den rundköpfigeren Löwen verräth. Im Allgemeinen zogen sie frei- lich das Löwenbild dem des Tigers vor, wie das persische Wappen und der Sonnenorden nebst den zahlreichen, zum Theil idealisirten, Löwenfiguren auf den Trümmern von Persepolis in Porter, Voy. T. I. u. s. w. nachweisen. $.3. Beziehungen des Tigers zum Sanskritvolk oder den indischen Ariern. Wie man aus den, in den Veden einerseits und der Avesta andererseits sich bekunden- den, innigen, sprachlichen Verwandtschaftsverhältnissen und aus den ähnlichen, ältern Grund- anschauungen (Verehrung des Feuers, der Sonne, der Erde und des Wassers) schliessen darf, trennte*) sich das Sanskritvolk viel später von den Iranern als die Celten und Griechen, ja selbst als die Germanen und Slaven. Das Sanskritvolk musste daher nicht blos mit dem, ihm aus seiner, bis jetzt nachweislichen, Urheimath (Kabul und Pendschab)**) bereits bekannten Tiger in längerer, ja steter Berührung bleiben, sondern auch, besonders auf seinen weitern Zügen nach Vorderindien, wo es sich nach Unterjochung oder Verdrängung der nichtarischen Urbewohner festsetzte und Culturstaaten gründete, noch häufiger auf ihn, so wie gleichzeitig auf den dort jetzt die Ostgrenze seiner Verbreitung erreichenden Löwen***) stossen. Hat doch selbst noch jetzt Vorderindien den Tiger?) theilweis in furchtbarer Zahl aufzuweisen, während auch gegenwärtig dort Löwen vorkommen, die früher wohl weiter nach Osten bis in die Ursitze des Sanskritvolkes schweiften. Der Tiger spielt neben dem Löwen in der ältern, wie in der neuern Literatur des Sanskritvolkes eine unverkennbare Rolle. Er gilt ihm namentlich als Re- *) Die Trennung und Auswanderung des Sanskritvolkes von den am Oxusgebiet bleibenden Iranern erfolgte viel- leicht zum Theil als die Glaubenssätze der Avesta mit denen der Weden in Conflict geriethen (Lassen, Ind. Alt. I. 524) Auf solche Conflicte scheinen namentlich auch zwei Stellen des Vendidad der Avesta (Farg. XII. n. 63. u. XV. n. 6.) hin- zudeuten, wo die andersdenkenden und andersgläubigen Verwandten mit bösen, unreinen Schlangen verglichen werden. “) Das Sanskritvolk möchte aber freilich (wohl aus Unkunde über seine graue Vorzeit, oder weil es ein Urvolk sein wollte) seine ältesten Wohnsitze nicht so hoch nach Norden verlegen, sondern als älteste Stammsitze seiner heili- gen Urväter und ihrer Opfer das um die Sarasvati gelegene Ländergebiet, das heilige Brahmdvarta, betrachten (Lassen a. a. 0. S. 526), obgleich die oben angedeutete nahe Verwandtschaft der Sprache und die gemeinsamen Grundanschau- ungen auf ein früheres Zusammenleben mit den Iranern offenbar hindeuten. *“) Hr. Prof. Roth, der ausgezeichnete Kenner der Weden, schreibt in Folge von Anfragen, die ich durch meinen Collegen Böhtlingk an ihn richtete: «Der Löwe ist im Weda, auch in den ältern Liedern wohl bekannt. Er muss also in den frühsten Wohnsitzen der indischen Arier (in Kabul und dem Pendjab) einheimisch gewesen sein. Seines erschreckenden Brüllens wird öfters gedacht. Es wird mit dem Donner verglichen und die Sprache bildet aus der Wurzel stan (dröhnen, brüllen) Wörter, welche sowohl die Stimme des Löwen, als auch den Donner bezeichnen; selbst das lateinische ton-itr« geht auf dieselbe Wurzel zurück. — Ich habe keinen Grund zu vermuthen, dass der Löwe mit dem Tiger verwechselt worden wäre. — Der einzige alte Name des Löwen, der auch in der Folge der gebräuchlichste bleibt, ist Sinha. Er lässt sich nach meiner Meinung am besten ableiten von der Wurzel cinh oder eingh (beschnuppern, be- riechen), er hiesse also der Beschnupperer. Wie weit sich dies naturbistorisch rechtfertigen lasse, ist mir nicht be- kannt». — Die letztere Eigenschaft möchte sich auf sein feines Geruchsorgan beziehen, das er wohl, wie die Hunde, zum Erspähen oder zur Verfolgung der Fährten seiner Beute (mittelst Beschnuppern) benutzt. Br. +) Ueber den Tiger machte mir Hr. Prof. Roth folgende gefällige Mittheilungen: «Der Tiger, dessen ältester %* 68 (212) J. F. Branorn. Zoologie. präsentant der ungezügelten, rohen Kraft und Stärke. In seinen Thierfabeln (als deren Erfinder es manchem galt oder noch gilt), Thierfabeln, die nach Maassgabe ihres Inhaltes theils auf den Norden, Westen und Osten, theils auf den Süden Indiens hinweisen, also nach verschiedenen Ländergebieten Indiens zu verlegen sind, mithin auch wohl ein sehr verschiedenes Alter be- kunden (s. Hitopadesa, übersetzt von Max Müller, Leipz. 1844. 8. p.14, 45, 157,168), tritt er freilich im Gegensatz zum Löwen mehr als hinterlistiger, gefährlicher, grausamer, grimmi- ger Rathgeber und Mörder auf. Zuweilen jedoch (Catap. Br. X. 7, 1, 6. 8.®) wird er als König, jedoch nicht als Herr der Thiere bezeichnet. Den letztgenannten Vorzug räumten sie nur dem Löwen (Sinha) ein, den sie als ein höheres, edleres Geschöpf ansahen und daher für den eigentlichen Beherrscher aller Thiere erklärten, die er nur, vermöge seiner eigenen Kraft und zwar mit einer gewissen Berechtigung überwältige. Es kann also nieht auffallen, wenn selbst bis in die spätern, ja neusten Zeiten, besondere, für ausgezeichnetere Herrscher bestimmte Titel, wie Königslöwe, Muthstolz (Madokata) u. s. w. von ihm entlehnt wurden. Der Tiger diente indessen bei den nach Indien vorgedrungenen Ariern (dem Sanskritvolk), wenn auch nicht in gleichem Umfange und in so edlem Sinne, wie der Löwe, gleichfalls als Sinnbild der Macht und Stärke. Wir erinnern bei dieser Gelegenheit an den oben erwähnten Gebrauch, welchen man vom Tigerfell zur Bedeckung des Herrschersitzes bei Gelegenheit der Salbung der Könige machte. Aber auch in spätern Zeiten wurde der Tiger oder einzelne Theile (z. B. der Kopf desselben) noch als Zierrath oder Emblem benutzt. So ist nach J. Todd (Ann. and antiquit. of Radjast'han. Lond. 1849. 4. p. 729) bei Bernd (Wappenw. 1. 25.) der Sattel- knopf bei den kriegerischen Rajpoot von Mewar mit einem Tiger- oder Löwenkopf verziert. Nach Moor bei Bernd (a. a. O. S. 251) war ferner das Kennungs- oder Wappenbild des des Sultan Tippoo ein Tiger. Man darf aber wohl vermuthen, dass diese Beispiele die sinn- bildlichen Darstellungen des Tigers wohl bei weitem nicht erschöpfen, was auch von einer Arbeit, wie die vorliegende, von einem Naturforscher verfasste, wie billig, nicht gefordert werden kann. Name vjäghra, ist, der wahrscheinlich so viel als der Gesprenkelte heisst, von wghar besprengen, (el wird gerne mit den Praepp. TA, IT gebraucht, nicht so IT), kommt in sehr verschiedenen Schriften vor. — Unter den Vorschriften, welche im Aitareja Brähmana, einem der älteren Literatur angehörigen Buche, für die Salbung eines Königs gegeben werden, befindef sich die, dass der Sitz, auf welchem er die Weihe zu empfangen hat, mit einer Tigerhaut belegt sein soll, weil der Tiger unter den wilden Thieren dasjenige sei, was unter den Menschen der Kriegerstand, d. h. die herrschende, königliche Kaste. — Besonders oft erwähnen ihn die spätern Weda-Lieder, die aus einer Zeit stammen, als das Volk in die südlichen Wohnsitze, wo er noch jetzt viel häufiger ist, bereits eingezogen war. Der Atharva-Veda enthält Beschwö- rungen des gefährlichen Thieres. — Unter den Indern soll sich die Sage von einer eigenthümlichen Freundschaft zwi- schen dem Tiger und dem Pfauen finden, ähnlich derjenigen, welche Herodot (I, 60) vom Krokodil und tpoytAog er- zählt. Ich erinnere mich in dem Bericht eines europäischen Nimrods, der in Indien Tiger jagte, gelesen zu haben, dass er gesehen haben will, wie ein Pfau einem Tiger etwas aus dem Rachen herausholte. *) Die angeführte Stelle nennt namentlich den grimmigen Tiger (manyu) den König, den Löwen aber den Herrn. (ica) der Thiere (A. Weber, Ind. Stud. III. 334). Z oologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS 213) 69 $. 4 Beziehungen des Tigers zu den Israeliten. Das erste Buch Mose’s (Cap. 1. Vs.8—15) schildert uns das Eden der /sraeliten als ein Land, welches von einem Strom bewässert wurde, der in vier Flüsse sich theilte, dem Pischon oder Phison, der das an Gold, bedolah (Bdellium?) und schoham (Edelsteinen) reiche Chavila umströmte, dem Gihon, der das ganze Land Kusch umfloss, dem Chiddekel, der vor Assyrien seinen Lauf nahm und den Phrath. Wir dürfen also vermuthen, da einer der genannten Flüsse (der Chiddekel) vor Assyrien lag, das biblische Eden sei östlich von Assyrien zu versetzen. Oest- lich von Assyrien giebt es aber keinen Landstrich, der so viele Flüsse aufzuweisen hätte, die so nahe bei einander entspringen, als gerade der, worin sich die Quellen und obern Zuflüsse des Oxus, Indus und des Helvend finden, also derselbe, worauf auch die Ueberlieferungen anderer Völker Asiens (namentlich die der Iraner) als auf das Ursprungsgebiet der Flüsse und den Mittelpunct der Welt hinweisen, woran mithin, wie die Arier, auch die Semiten ihre selbst- ständigen oder den Iranern entlehnten Traditionen anknüpfen mochten. Eine solche Ansicht gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn wir bedenken, dass der Pischon des an Gold, Edel- steinen und Bdellion reichen Chavila (vielleicht das nach griechischen und indischen Sagen durch Reichthum berühmte Darada), das in der Genesis (X. 7.) nach Saba (Scheba) genannt wird, sehr passend als ein Theil des Indusgebietes betrachtet werden kann. Mehr Schwierigkeit macht die Deutung des Gihon, der indessen nicht übel zum Oxus passt. — Was den Chiddekel anlangt, den man allgemein als Tigris betrachtet, eben so wie den Euphrat, so ist Renan ge- neigt an eine von einer spätern Redaction herrührende Ausdehnung Edens nach Westen zu denken, so dass also der Euphrat und Tigris, deren Quellengebiet nicht in jenen iranischen Mittelpunkt der Welt fällt, einen jüdischen Zusatz zu Eden bilden würden (s. Lassen, Ind. Alterth. 1. 528 fl. Renan, Hist. gener. des lanques semitiques. P. I. a Paris 1854. p. 449 sqq.). Für eine solche Deutung Edens als Ursitz der Semiten sprechen noch andere Umstände, wel- che eine frühere Annäherung dieses Volksstammes, an die Wohnstätten der Arier als wahr- scheinlich voraussetzen. Es sind dies namentlich so manche den Ariern mit den Semiten un- verkennbar gemeinsame, vielleicht gar von den erstern entlehnte, Grundanschauungen und wenn auch gewöhnlich oder häufig mehr oder weniger veränderte Benennungen. Sowohl die Semiten als die Iraner und späteren Buddhisten sprechen von einer Verschlechterung der Menschheit in Folge des Genusses gewisser Früchte, und betrachten die Schlange als Bild der List, Bosheit und Verführung. Auch hat sich nicht blos bei den Semiten, sondern auch bei den Ariern (Iranern, Sanskritvölkern, Griechen und Phrygiern) die Kunde von einer grossen Fluth erhalten. — Für die später mehr nach Westen (Armenien) gerückten Wohnsitze der Semiten ist es keineswegs gleichgültig, dass nach Mose’s Angabe Noahs Arche auf dem Ararat stehen blieb (Mos. I. G. VIII. u. X.) und dass dieser israelitische Erzvater nach seiner Errettung gerade dort dem Herrn Dankopfer darbrachte und die Gultur des Landes, nament- lich auch des Weinstoekes begann. Eine solche Lage der oben besprochenen, muthmasslichen, 70 (14) J. F. Branpr. “ Zoologie. östlichen Ursitze, wie der spätern, westlichen (araratischen) Wohnsitze, womit, genau ge- nommen, die älteste Geographie der Semiten anhebt (Renan p. 448), musste diesen Volks- stamm nothwendig mit dem früher an der Araratkette und nordöstlicher heimischen Tiger in Berührung bringen. Sogar schon Kain, der nach seinem Brudermorde das Land Nod im Osten Edens bewohnte und die Stadt Hanok (Genes. IV, 16. 17.) erbaute, die nach Bohlen’s (Alt. Ind.) sehr plausibeler Annahme mit Kanyakubja oder Kanoge in Oberindien identificirt werden könnte, muss auf den Tiger gestossen sein. Es fehlt uns indessen jede Ueberlieferung, die darüber selbst auch nur eine indirecte Andeutung ausspräche. Ueberhaupt lässt sich nicht eine einzige Stelle des Alten Testamentes, selbst keine der nachmosaischen Schriften desselben, mit Sicherheit auf den Tiger beziehen; obgleich der Löwe und Panther, im Einklange mit ihrer noch gegenwärtigen Verbreitung, sehr oft darin erwähnt werden, wie dies namentlich die von Wiener (Biblisches Realwörterbuch, Leipzig 1847 — 48. 8.) so fleissig in den Artikeln Löwe und Parder angegebenen Citate nachweisen, während von ihm dem Tiger kein Artikel ge- widmet wurde. Jedenfalls erhielten aber wohl auch die Israeliten direet durch ihre unter Salomo ange- stellten Fahrten nach dem Lande Ophir (Erstes Buch d. Könige IX. v.27,28 u. ebend. X. v. 22) oder indireet durch die Phönizier, die noch weit längere Zeit hindurch und öfter dahin segel- ten, Kunde vom indischen Tiger. Ophir kann wenigstens, wie wir aus mehreren Gründen mit Benfey und Gesenius, denen auch Lassen und Renan beistimmen, schliessen dürfen, nur an der (malabarischen?) Küste Indiens gesucht und möglicherweise mit Abhira, wie Lassen meint, identificirt werden. Für die Annahme, dass Ophir an der indischen, nicht an der arabi- schen, Küste gelegen war, sprechen mehrere, sonst nicht erklärliche, Thatsachen. Die nach Ophir, das (J. Buch Mos. X. 29.) neben Chavila erwähnt wird, segelnden Schiffe brauchten zur Vollendung ihrer Fahrt drei Jahre und brachten, ausser Edelsteinen, Gold und Silber, als echte indische Producte Affen, Sandelholz, Pfauen und Elfenbein mit (Z. Buch Kön. X. v. 11 u. 22); ja die im Urtext der Bibel gebrauchten Worte lassen sogar ihren Ursprung aus dem Sanskrit herleiten, deuten also auf den Verkehr der Israeliten mit einem Sanskritvolke. So heisst der Affe in der Bibel koph, im Sanskrit kapi. Das in der Bibel mit der Pluralendung algumim be- zeichnete Sandelholz wird im Sanskrit valgu oder valgum genannt. Die in der letztern Sprache den Namen gikhi und grkhin in dekhanischer Aussprache, in malabarischer aber töger führenden Pfauen finden wir in der Bibel als tuki-im wieder. In den zur Bezeichnung des Elfenbeins, shen-habbin (Zahn des Elephanten) angewendeten biblischen Worten lässt das letztere sich auf das Sanskritwort ibha (Elephant) beziehen (Lassen, Ind. Alterth. 1. 538 u. 313). 8.5. Beziehungen des Tigers zu den Phöniziern. Dass auch die Phönizier, ja vermuthlich sogar besser und genauer, den Tiger gekannt haben dürften, lässt sich aus mehrfachen historischen Daten schliessen. Sie verkehrten nicht Zoologie. . UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS as) 74 blos unter Hiram, dem Beherrscher von Tyrus, dem Freunde Salomo’s, mit Ophir und Indien überhaupt, sondern besassen an der nahen arabischen Südküste Ansiedelungen, die eine solche Handelsverbindung erleichterten. Ihr ausgebreiteter Landverkehr brachte sie übrigens wohl auch mit diesem oder jenem der Heimathländer des Tigers, z. B. Armenien, in Verbindung, wo sie also ebenfalls ihn sehen oder wenigstens Kunde von ihm erhalten konnten (s. Movers in Ersch u. Gruber’s Eneyel. Artikel: Phönizier). 2. Beziehungen des Tigers zu den Arabern. “ Der zweite Hauptzweig des semitischen Volksstammes die Araber mussten in jener frühen Zeit als sie noch mit den andern Semiten (den Hebräern) am Ararat (/. B. Mos. Cap.10.) wohnten, auch auf den früher dort heimischen Tiger stossen. Die Kunde davon scheint aber bei ihnen erloschen zu sein. Keine begründete Thatsache berechtigt uns aber zu dem Schlusse, dass sie dieselbe in Arabien wiedergewonnen hätten; da dieses Land als Wohngebiet des fraglichen Raubthieres mit Sicherheit bisher nicht nachgewiesen werden konnte (s. oben S. 29). Aus ihren beiden naturhistorischen Hauptwerken (dem von Kazwini und Demiri) lässt sich gleich- falls kein Beweis für das Vorkommen des Tigers in Arabien beibringen. — Kazwini (7 1238 n. Chr.) bezeichnet in seinem Werke Adschäib el-Machlükät (Wunder der Geschöpfe) den Tiger (Beber) als einen Bewohner Indiens, der stärker sei als der Löwe, welcher dem Panther Bei- stand leisten soll, wenn ihn der Tiger angriffle. Ausserdem macht er noch folgende Mittheilun- gen über den Tiger und einzelne Theile desselben, wovon die meisten sonderbar genug klingen, alle aber nur als Curiositäten angeführt werden können. Der Tiger soll wie ein Hund bellen, nur alle drei Tage saufen und seine Jungen mit Eidechsen auffüttern. Alte schwache Tiger sollen keine Menschen anfallen. Seine Genitalflüssigkeit soll gegen Fiber helfen und bei den Frauen Unfruchtbarkeit, bei Schwangern aber Fehlgeburten hervorbringen. Das Fell des Tigers soll Schlaflosigkeit bewirken. Der Schwanz des Tigers wird als ein Fiber vertreibendes Mittel be- zeichnet, während der Koth desselben als Mittel zur Verscheuchung der Insekten namhaft ge- macht wird. Ein an einem Pferde gebundener Tigerfuss soll die Müdigkeit desselben verhin- dern. — Wie mein College Dorn versichert soll Kemal-eddin Muhammed ben Isa Demiri (7 808 — 1405) in seinem Werke über das Leben der Thiere, obgleich er dasselbe aus 500 Werken und 199 Gedichtsammlungen zusammengestellt haben will, theils dasselbe, theils ähn- liche nichtssagende oder widersinnige Dinge über den Tiger mittheilen. Wir können uns daher der Mühe überheben auch aus ihm Proben arabischer Naturkenntnisse beizubringen, was übri- gens um so schwieriger sein möchte, da der Tiger vom Panther nicht immer streng geschieden wurde. — Aus Bochart (Hierozoic. Lib. Ill. e. 8. p. 791, ed. Rosenm. Lib. III. p. 112) lässt sich gleichfalls nichts Wesentliches entnehmen, was einige neue Lichtfunken auf die dürftigen Kenntnisse werfen könnte, welche die Araber vom Tiger besassen. 72 (216 ) J. F. Branpr. Zoologie. ge Beziehungen des Tigers zu den Babyloniern und Assyrern. Den neuern Forschungen gemäss sind die Babylonier mit ihrer berühmten Hauptstadt Babel als ein zwar ursprünglich semitisches, aber durch iranische Einwanderungen, auch sprachlich affieirtes Volk zu betrachten, worauf die bekannte Sprachverwirrung beim babylo- nischen Bau und die babylonischen Eigennamen in der Bibel und bei Berosos hinweisen. Wenn man daher auch die Erwähnung babylonischer Tiger bei Diodor (II. ed. Wessel. p- 162) für unsicher halten wollte, was sich jedoch wohl nicht für ältere Zeiten behaup- ten lässt, so mochten doch die Babylonier auch noch auf andern Wegen Kunde von diesem grimmigen Raubthier erhalten haben, wenn sie dieselbe auch nicht von ihrer Urheimath her bewahrten. Es konnte ihnen nämlich einerseits durch die in ihr Land eingefallenen und mit ihnen zu einem Volk verschmolzenen (arischen) Chaldäer (Karduchen oder Kurden in deren Wohngebieten noch jetzt Tiger vorkommen*), andererseits durch unmittelbaren oder durch Phönizier vermittelten Verkehr mit den Indusländern (Lassen I. p. 860), der ihnen manche Gewächse verschaflte, Nachrichten über seine Existenz zukommen. Die bisherigen Mittheilun- gen über die Verbreitung des Tigers geben indessen darüber noch keine bestätigenden Daten. Ebenso fehlt es, wenigstens bis jetzt noch, meines Wissens, an schriftlichen oder bildlichen, dem Schoosse der Erde entnommenen, alten, babylonischen Ueberresten, welche darauf be- zogen werden könnten. Das ihnen stammverwandte Volk der Assyrer, deren jedenfalls später als Babel gegrün- dete Hauptstadt Ninive (I. Buch Mos. Cap. 10, v. 10 u. 11), welche in der heiligen Schrift, wie Babylon, so häufig erwähnt wird, musste wegen der Nähe Armeniens, das nach den Zeugnissen der alten Römer Tiger besass (s. unten), dieselben, wenn auch nur durch Mitthei- lungen, kennen, ja dürfte sogar schon in seinen früheren Sitzen am Ararat die Grausamkeit des Tigers empfunden haben. — Da offenbar die (wenn auch nicht gerade vom angezweifelten Ninus) nach Armenien, Hyrkanien, Parthien und Bactrien unternommenen Heereszüge der Assyrer, eben so wie die von ihnen (angeblich unter ihrer mythischen Königin Semiramis) mit den Indern geführten Kämpfe (Ktesias bei Diod. II., Lassen, Ind. Alterth. I. p. 858) als geschichtliche Thatsachen anzunehmen sind, weil der Name des bekriegten indischen Fürsten (Stabrobates) oflenbar ein gräcisirter Sanskritname ist“*) und Layard auf einem Monolithen Bas- reliefs auffand, worauf Affen, Elephanten und Nashörner dem Könige vorgeführt werden, so müssen durch diese Kriege die Assyrer mehrfach mit dem Tiger in Berührung gekommen sein. Directe schriftliche oder bildliche für diese, aus zoologisch-geographischen Verhältnissen abge- *) Durch die fortgesetzten Erkundigungen, welche Hr. Lerch bei den gefangenen Kurden anstellte, ergab sich, dass der Tiger (pälingh) in Thi’ari (dem Gebiet der tapfern Nestorianer), dann im Djüdi (Ziai-Dkydi) und am Sipan-Dagh (Ziai-Cem) westlich vom Wan-See sich finde. Das bereits von Chardin (s. oben S. 156) behauptete Vorkommen des Tigers in Kurdistan erhält dadurch einen neuen Stützpunkt, während die frühere Bemerkung Lerch's (s. S. 12) be- seitigt wird. Die babylonischen Tiger Diodor’s treten dadurch ebenfalls mehr in den Vordergrund. ") Der Name lautete wohl im Sanskrit Sthaviropatis und bedeutet einen Herrn des Festlandes, Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. ar) 73 leitete Vermuthung lassen sich für jetzt allerdings nicht beibringen. Namentlich deuten die bis- her aufgefundenen, zum grossen Theil freilich noch unbekannten und bei weitem noch nicht gehörig bearbeiteten, ja nicht einmal gedeuteten Reste assyrischer Kunst und Cultur keines- wegs auf den Tiger hin, wiewohl man den Löwen nicht selten auf ihnen dargestellt findet. Indessen könnten ja auch noch Darstellungen des Tigers aufgefunden werden oder aus der Entzifferung schriftlicher Ueberreste die von den Assyrern besessene Kenntniss des Tigers sich ergeben. $8. Beziehungen des Tigers zu den Urbewohnern Indiens. Die vom Sanskritvolke zurückgedrängten oder unterjochten, nur theilweis oder gar nicht von der Cultur ihrer Verdränger influenzirten, schwärzern Urbewohner (Aethiopen) Vorder- indiens, deren Sprachen durch ein anderes Lautsystem, durch andere Worte und einen ab- weichenden Bau vom Sanskrit wesentlich sich unterscheiden (Lassen, Ind. Alterth. 1. S. 362) müssen in ihrem Heimathlande stets von Tigern geplagt worden sein. Konnten doch erst in neuern Zeiten dieselben durch die Feuerwaflen der Europäer in einzelnen dicht bevölkerten Distrikten Vorderindiens zum Weichen gebracht oder vertilgt werden. Dass man ohne Schiess- gewehre, selbst wenn man, wie dies in Indien gewöhnlich geschieht, Feuer oder mit Harz ge- füllte Bambusröhre (Fackeln) anzündet und die Wohnungen mit Dornhecken umzäunt, der Raublust der Tiger keinen Eintrag zu thun vermöge, beweisen mehrere Thatsachen. Die klei- nen, schwach bevölkerten Ortschaften der Gonds flehen als Rettungsmittel gegen ihren grim- migsten Gegner die Hülfe ihrer Götzen an (Ritter, As. Th. VI. Bd. IV. 2. 698). Die von ihren Männern verlassenen Mütter mancher Bewohner Dekans bringen sogar aus Verzweifelung ihre Kinder in die Wälder, weil sie dadurch wenigstens sich selbst vor den Angriffen der Tiger sicher zu stellen meinen. Die Vogis oder Büssenden erwarten ihre Rettung von der Heiligkeit der Wallfahrtsorte. — Sonderbar genug hat man in Indien den Tiger selbst mit gewissen reli- giösen Vorstellungen in Verbindung: gebracht. Manche Bewohner des westlichen Rajasthan glauben nämlich, dass der Tiger, den sie als Herren der schwarzen Felsen bezeichnen, ihr Vetter oder die Incarnation eines Raja sei. Sie bilden sich daher sogar ein, obgleich nur zu oft ihr Aberglaube zu Schanden wird, ihn durch den Ruf Mamu (Oheim, ich dein Kind) ver- scheuchen zu können (Ritter a. a. O.). Bei den noch uncultivirten Bewohnern Sumatra’s herrscht ein ähnlicher, gleichfalls von der Idee der Metempsychose getragener Glaube, zu Folge dessen in den Tigern die Seelen der gestorbenen Vorfahren sich aufhalten sollen; ein Irrthum, der, zum grossen Nachtheile der Bevölkerung, die Erlegung derselben dort sehr beschränkt (s. oben S. 30). In Cochinchina und den Garro-Bergen (westlich von Assam) wird sogar der Tiger, wie der Hund, göttlich verehrt. — Die Bewohner Hinterindiens, welche den Tiger überhaupt sehr zu fürchten haben, halten übrigens, in ihrer heilkünstlerischen Beschränkung und Verblendung, seine Knochen, so wie das in Oel gesottene Fleisch desselben, für ein Mittel ' gegen Schwindsucht. Sie legen also selbst den todten Theilen des gewaltigen Raubthieres eine 10 2A 48 J. F. Brasor. Zooyogie. ganz besondere, stärkende Kraft bei. In Indien werden übrigens die Haare des Tigers in Ver- bindung mit Löwen- und Wolfshaaren zur Bereitung der Surd, bei dem Räja-süya und der Sauträmani gebraucht (A. Weber, Ind. Stud. Il. 334. Anmk.), während die Bartborsten als giftig gelten. Der Tiger erscheint daher manchen Völkern Indiens nicht blos als grausamie Geissel, als eine ihrer Gottheiten oder als Incarnation abgeschiedener Seelen, sondern auch als kräftiges Heilmittel; ja sogar als giftiges Thier. $.9. Beziehungen des Tigers zu den Chinesen. Da, wie man aus älteren, oben angeführten, Angaben schliessen darf, früher selbst im mauerumschlossenen, eigentlichen China Tiger sich fanden, und es deren dort, in den weniger bebauten Gegenden, wohl noch jetzt giebt, so müssen oflenbar die Chinesen denjenigen Völ- kern zugezählt werden, die mit ihnen stets ihr eigenes Wohngebiet theilten und sich darin gegen ihre Angriffe sicher stellen mussten. Man darf sich daher nicht wundern, wenn dieses gefürchtete Raubthier nicht blos unter ihren Schmucksachen und Emblermen häufig vorkommt, sondern sogar schon unter ihren ältesten Wortzeichen sich befindet und noch jetzt als Schlüs- sel dient ( > $- Endlicher, Chines. Gramm. S. 48), aber auch in ihrer Zeitrechnung und bei den Darstellungen ihrer Götzen eine namhafte Rolle spielt. Sie bezeichnen namentlich, wie andere Völker Ostasiens, eins der Jahre (das dritte) des von ihnen gebrauchten, nach Ideler aus Westasien stammenden, 12jährigen Cyclus mit dem Namen des Tigerjahres (Ide- ler, Zeütrechng. d. Chines. Abh. d. Rerl. Akad. f. 1857, S. 4 u. 79), und bringen das fragliche Raubtbier nebst einigen andern Wirbelthieren (Schwein, Ochse, Hase, Hahn, Elen u. s. w.) auf den illustrirten Exemplaren des erwähnten Cyclus an; wie dies zwei im hiesigen chinesi- schen Kabinet aufbewahrte colorirte Darstellungen desselben zeigen. Auch eine ihrer Doppel- stunden ist nach dem Tiger benannt. Den Kopf des Tigers, oder wenigstens eine demselben ähnliche, offenbar ihm entlehnte, Physiognomie bemerkt man nicht blos beim Drachen ihres Reichswappens, sondern auch in der Gesichtsbildung mehrerer ihrer Götzen. Auf einem ge- stickten Krönungsanzuge eines hochgestellten Mandarinen, der sich gleichfalls im hiesigen chinesischen Kabinet befindet, eben so auch auf dort aufbewahrten gestickten Paradeköchern sind Tigerköpfe angebracht. Die Mandarinen dritter und vierter CGlasse tragen auf dem Rücken, wie auf der Brust, einen seıdenen, buntgestickten, viereckigen Schild (Guastza), in dessen Mittelfelde sich eine Tigerfigur befindet. — Meist mehr oder weniger phantastische, steinerne, aus Holz geschnitzte oder gemalte Tigerfiguren finden sich mehrere im chinesischen Museum der hiesigen Akademie. Zwei ebendort auf einer alten Tıommel angebrachte Darstellungen erinnern sogar schon etwas an den chinesischen Drachen, dessen Prototyp, nach meiner An- sicht, entstellte und symbolisirte Tigerliguren zu sein scheinen. Die Felle der erlegten Tiger werden in China (wie auch anderwärts) theils als Trophäen aufbewahrt, theils zur Anfertigung | Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 219) 75 von Kleidungsstücken oder anderen Gegenständen (z. B. Fahnen) oder als sonstiger Zierraht be- nutzt. Lebende Tiger hält man dort in Käfigen oder in Thiergärten, was zum Theil geschieht, um auf sie Treibjagden anzustellen, wie sie auf zwei im chinesischen Kabinet der Akademie befindlichen, in China angefertigten, Gemälden dargestellt sind. — Die frühern Mongolenkaiser besassen übrigens zahme, zur Jagd abgerichtete Tiger, die sie auf ihren grossen Hetzjagden (s. oben $S. 19) in Käfigen mit sich führten. — Eine der Abtheilungen der chinesischen Fuss- krieger, die sogenannten Kriegstiger, führen auf ihren Schildern das Bild eines geöffneten Tiger- rachens (Bernd, Wappenw. I. 278) und erinnern sogar durch ihre erbsengelben, schwarz gestreiften Oberkleider (Klemm, Kulturgeschichte. V1. $. 300) an die Färbung des grausamen Raubthieres, vermuthlich um dadurch dem Feinde einen grösseren Schrecken einzuflössen. — Auf welche Weise die Chinesen in ihren Werken den Tiger besprechen, geht aus den nach- stehenden gefälligen Mittheilungen des berühmten Sinologen, Hrn. Stanislas Julien, hervor, die ich durch gütige Vermittelung meines Collegen Schiefner von ihm erhielt. SUR LE TIGRE (EN CHINOIS HOU ) (Extrait de l’Encyclopedie Khe-tchi-king-youwen, livr. 82. fol. 7.) PAR STANISLAS JULIEN de lInstitut de France. Les renseignements que donne, sur le Tigre, l’Eneyelopedie preeitee se composent d’un grand nombre de eitations tirdes de divers ouvrages. Le traducteur a eu soin d’en rapporter les titres. Il les numerote pour qu’on ne confonde pas les sources, et les traduit litteralement comme il les a entendues, primo visu; cependant il eroit pouvoir garantir, en general, l’exac- titude de sa traduclion. 1. Fong-sou-thong: Le tigre est le roi des quadrupedes. 2. Diet. Choue-wen: Le tigre est le roi des quadrupedes des montagnes. 3. Li-ki, chap. Youe-ling: Dans le second mois de l’hiver le tigre commence & s’accoupler. %4. Khe-wou-yao-lun: ... on dit que la femelle ne fait qu’un petit et que le tigre ne s’ac- eouple pas deux fois.. Quand il meurt, il s’appuye contre un arbre ou un rocher et ne tombe jamais ä terre (sie). 5. Hoai-nan-tseu (le philosophe): Quand le tigre a un petit qui ne peut s’elancer sur sa proie, il le tue, parce qu’il le regarde comme sans courage et degenere. 6. Le philosoph Chi-tseu: Le tigre et le I&opard, avant les taches de leur peau se soient for- mees (c.-a-d. des les premieres annees) ont deja l’envie de devorer les boeufs. 7. Khe-wou-tsong-lun: Le tigre ressemble a un chat; il est gros (ou grand) comme un boeuf jaune (sie); il a des taches noires, des ongles erochus, des dents en scie, la langue plus grande que la main. Il a des poils de barbe rebrousses et piquants, durs, effiles et brillants. (Observ. du Traducteur. En traduisant, precedemment ce m&me passage, javais * 76 (220) J. F. Branor. Zoologie. commis une erreur provenant de ce que le texte &tait tronque et incorrect. Ce passage, au contraire, est net et d’une parfaite clarte. Je ferai observer seule- ment que suivant Morrison, Diet. chin. angl. (part. 2, no. 8991) le mot Siu 3) que j’ai rendu par poxls de barbe, s’applique 4 la barbe et particulierement Z a celle du menton « The beard, | particularly that on the chin».) (Suite de la citation.) Entre les deux cötes et a l’extr&mite de la queue, il a un os qui a la forme 148% 12. 13. du mot (,, et qui est long d’un ou deux pouces. C'est en cela que reside sa majeste imposante (sie). Si l’on enleve la chair et qu’on le prenne, il peut faire que I’homme ait une apparence imposante. Il est bon de le porter lorsqu’on remplit des fonctions de ma- gistrat. Si quelqu’un le porte n’etant pas magistrat, (cet‘os) fait necessairement que les autres hommes le craignent (sie). Il marche d’un pas violent et la queue immobile. Quand il en est colere, il rugit; sa voix est comme le tonnerre. Tous les animaux tremblent d’ef- froi et le vent nart apres ui (sie). Kouei-sin-tsa-tchi: Les os (sic) du tigre sont tres extraordinaires. Les plantes m&mes d’un pied et de six pouces (de hauteur) peuvent cacher son corps et ne pas le laisser a decouvert (ou bien: dans des plantes hautes seulement d’un pied et m&me de six pouces, il peut cacher son corps et ne pas le laisser a decouvert). Mais quand il a rugi et fait en- tendre sa voix, apparait dans toute sa grandeur et sa majeste. . Lieou-chi-hong-chou: Le tigre est naturellement courageux et intrepide. Lors m&me qu’il rencontre des chasseurs qui le poursuivent, il va et vient et marche en regardant autour de lui. Mais s’il est blesse grievement, il pousse des rugissements et s’en fuit. Selon le nombre grand ou petit de ses rugissements que l’on entend, on juge qu'il est loin ou pres. En general, si l’on n’entend qu’un seul rugissement, il est a une distance d’un li (10° de de lieue). Quand il attaque un animal, il ne va pas au dela de trois bonds (sauts); s’il le manque, il le laisse. . Kouei-sin-tsa-tchi: Le tigre ne marche pas dans les chemins tortus. Si celui qui l’a ren- contr& peut l’amener dans un chemin tortu, il lui sera aise d’&chapper ou de l’eviter. Le philosophe Pao-pou-tseu dit: Le tigre vit mille ans (sie); a l’äge de 500 ans ses poils deviennent blances (sie). Thsien - khio- lowi-chou: Le tigre jaune est celui qui vole aux hommes le plus grand nombre de moutons (ou chevres) et de boeufs. Il les guette et les prend. Le tigre noir prend tout ce qu’il voit. Le tigre blanc (sic) n’en prend beaucoup. Apres avoir tue un animal, il le mange tranquillement (litt. sedens comedit) et voila tout. Or, le tigre jaune est jeune et faible; le noir est dans toute sa force; le blanc est vieux. Un auteur dit: «Le tigre blanc est d’un naturel humain»; mais en realite, c’est qu’il est vieux. Loui-youen-tsiang-tchou: Quand le tigre prend (veut prendre) un daim ou un lievre, il commence par lächer son urine tout autour d’eux. Des que ces animaux en ont senti ” l’odeur, ils n’osent sortir (sie). Alors, il saisit tranquillement sa proie. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. ea) 77 14. 15. 16. 17; 18. Kouei-sin-tsa-tchi: Quand un tigre a mange un chien, il est comme ivre; le chien est le vin du'tigre (c.-a-d. enivre le tigre comme le vin enivre !'homme). (sic.) Lieou-tsing-ji-tcha: Quand le tigre a mange des fruits du Yang-mei (Arbutus), il de- vient ivre. Tehin-khi-jou-hou-hoei: Apres qu’un tigre a mange un homme, il devient pareillement ivre (litteralement carne ebrius). Les hommes du pays &pient son ivresse, le moment de son ivresse et le tuent. Lowi-youen: Le tigre mange Phomme comme le chat mange les souris. Depuis le 1° jour du mois jusqu’au 15°, il mange le haut du corps (sie); depuis le 16° jour jusqu’ä la fin du mois, il mange le bas du corps (sie). Kouei-sin-tsa-tchi: Le tigre ne mange pas les petits enfants. Les enfants ont l’esprit borne; ils ne savent pas que le tigre est a craindre. C’est pourquoi il ne peut les manger (sie). (Observ. du Traducteur: il semble au contraire qu’il serait tres aise au tigre de man- ger un enfant, qui ne le sachant pas a craindre, ne songe pas ä le fuir et eviter. La meilleure raison est, je crois, que les petits enfants restent a la maison et ne se trouvent point comme les voyageurs et les chasseurs sur la route du tigre.) Meme ouvrage: Le tigre ne mange pas un homme ivre. Il reste couch& pres de lui et attend 19. 20. Ai: 23. qu’il soit sorti de l'ivresse. /bid. Il n’attend pas qu’il soit sorti de l'ivresse; il attend qu'il soit glac& de crainte. Toutes les fois que le tigre mange un homme, il commence par manger ses parties naturelles (ejus genitalia) (sie); si c’est une femme qu’il veut manger, il commence par ses mamelles; mais il ne mange pas le pudendum muliebre. Koue-chi-pou: Vulgairement on appelle Thien - hou ‚ Tigre du ciel, un tigre p 8 PP \y 8 (dont les pattes) ont 4 doigts, et Jin-hou ( ar JR Tigre-homme, un tigre (dont les pattes) ont 5 doigts. Litteralement: 4-doigts — qui — ciel-tigre, 5-doigts — qui — homme-tigre — Ou-tsa-tsou: Quand on veut tirer une fleche sur un tigre, il faut que ce soit a contre poil; si l’on tire dans le sens des pils, la fleche n’entre pas. Pi-ya: Quand le tigre mange de la doue verte, ER. sic), il amortit (litt&ralement: Yy g 8 A (2 delie) le poison des fleches (sic). . I-youen: Fan-tchi, roi de Fou-nan, nourrissait un tigre. Lorsqu’un homme 6tait traduit en justice et qu’on ne savait pas s’il etait coupable ou innocent, on l’amenait au tigre. Si le tigre ne le mordait pas, il etait considere comme innocent. Lä dessus les barbares re- garderent le tigre comme un Esprit ou un Dieu et lui offrirent des sacrifices. In-yai-ching-lan: Dans le royaume de Pang-ko-la (Bengal), il y a des gens qui attachent un ligre avec une chaiue, le conduisent dans les marches et dans les maisons des habi- 78 24. 26. 27. 29. 30. 31. (222) J. F. Branor. Zoologie. tants; alors, ils detachent la chaine, et placent le tigre au milieu du vestibule. L’homme öte ses vetements et saisit le tigre. Le tigre entre en colere et le saisit ä son tour. L’homme lutte et renverse le tigre a plusieurs reprises Quelquefois, il enfonce sa main dans le gosier du tigre et le tigre ne lui fait point de mal. Quand ce jeu est fini, il at- tache de nouveau le tigre. Alors on donne de la viande au tigre, et l’on recompense l’homme 'par quelques pieces de monnaie. Cet homme gagne ainsi (sa vie) l’argent en jouant avec le tigre. Ho-thou: Si l’on suspend au dessus de sa porte le ne? d’un tigre, les fils et les petits-Kls porteront un jour la ceinture de magistrat et le ruban qui soutient le cachet officiel (e.- a-d. ils deviendront magistrats) (sic). Si on suspend le nez d’un tigre, qu’au bout de on le prenne, qu’on le reduise en poudre et qu’on en donne A sa femme l’annee dans un breuvage, elle mettra au monde un enfant qui deviendra illustre. I ne faut pas que les autres hommes le sachent; siils le savaient, l’eflet serait manque; il ne faut pas non plus que la femme voye cela (sic)! . Si-yang-tsa-tsou: Le tigre voit clair la nuit. L’un de ses yeux repond de la lumiere; avec l’autre oeil, il regarde sa proie. Les chasseurs l’epient et lui lancent une fleche. Si l'oeil lumineux est atteint, il tombe, s’enfonce en terre et se change en un pierre blanche (on dit ailleurs en ambre). On l’emploie en medecine pour dissiper les terreurs nocturnes des enfants (sie). Chou-i-ki: Il y eut un jour un tigre & qui il vint des cornes. Un Tao-sse dit: Quand le tigre a 100 ans, ses dents tombent, et il lui vient des cornes (sie). He-khe-hoen-si: Chaque fois qu’un tigre a mang& un homme, il se fait (naturellement) une entaille a ses oreilles. Sur une montagne situee a l’ouest de Ting-tcheou, il y avait un tigre qui avait exerc® sa fureur pendant dix ans; des chasseurs l'ayant tue, ils trou- verent ses oreilles decoupes comme une scie. . Tehong-hing-tching-tsiang: L’animal que, dans ces derniers temps, on appelait un tigre blanc (Pe-hou) etait ray& sur le dos et avait des taches comme un tigre. . m Chi-sou: L’animal (fabuleux) qu’on appelle Tseou - yu, 5 Vie est le Tigre blanc, 4 ’ = (Pe-hou A, Il a des marques noires et la queue plus grande que son corps. Il ne mange point d’animaux vivants et ne marche point sur des herbes vivantes. Quand un roi a de la vertu, il parait. C'est la vertu qui le fait venir dans le monde (sie). On lit dans le Chan-hai-king (livre plein de fables): Dans le royaume de Lin-chi, il ya un animal preeieux. Il est grand comme le tigre et sa peau est ornee de 5 couleurs. Sa queue est plus grand que son corps. On l’appelle Tseou 5 . Je l’ai pris pour monture et j’ai fait mille li (100 lieues) en un jour! (sie). Eul-ya-tchou: Du temps de l’empereur Piouen-t de la dynastie de Han (73-48 avant Zonlogie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 223) 79 J.-Chr.) dans le distriet de Nan-kian, on prit un tigre blanc. On oflrit a l’empereur sa peau, ses os, ses grifles et ses dents. 32. Lowi-youen-tsiang-tchou: Dans le royaume de Pou-la-kia, on trouve sur les montagnes des tigres appeles Sing-hou ( E y ou ligres etoiles. Leur corps est comme celui des ligres de la Chine; mais ils sont un peu plus grands (ou plus gros). Leur poil est different. Il est rouge, d’une nuance sombre; le peau presente des marques fleuries (sie, c.-a-d. elegantes) et des raies jaunes, 33. Lieou-chi-hong-chou: Au milieu des foröts qui couvrent les montagnes du royaume de Ya-lou, on trouve une sorte de Tigre volant qui est gros comme un chat. Tout son corps est couvert de poils de couleur de cendre (gris); il a des ailes charnues comme celle de la chauve-souris. Ses pieds anterieurs naissent dans les ailes charnues (c.-a-d. y adherent); ils tiennent aux (c.-ä-d. ne sont pas detaches des).pieds posterieurs. Cet animal vole a une petite distance des hommes. Ceux que l’on prend ne peuvent ötre apprivoises. Si on les garde a la maison et qu’on veuille leur donner a manger, ils ne tardent pas a mourir. $10. Beziehungen des Tigers zu den Mongolen. Das constante, sehr häufige Vorkommen des Tigers in der Mandschurei und Mongoloi, so wie in den östlichen Kirgisensteppen, setzte auch die Mongolen in den Stand an ihm ihren Muth zu erproben. Daher gilt er auch ihnen als Sinnbild der Kraft, des Muthes und der Ue- berlegenheit. Aehnlich wie bei den Chinesen ist auch von den mongolischen Ostkirgisen sein Name zur Bezeichnung des dritten Jahres, des zwölfjährigen Jahres-Cyclus angewendet. Bei den eigentlichen Mongolen, die nicht allein für den Tiger überhaupt, sondern sogar für die Männchen, Weibchen und jüngern Individuen besondere Namen haben *), finden wir schon seit den ältesten Zeiten sein Bild als besonderes Abzeichen, als Verzierung der Waflen oder als Schmuck für sich selbst, oder ihrer Rosse. Im Museum der Kaiserlichen Akademie der Wis- senschaften werden namentlich goldene, angeblich aus sibirischen (wohl ostsibirischen, mongo- lischen) Gräbern erhaltene, in Gruppen angebrachte Tigerfiguren aufbewahrt, die theilweis als Pferdeschmuck gedient haben mögen. Eine dieser Gruppen, die in drei Exemplaren vorhanden ist, stellt den Kampf eines Tigers mit einem Eber, zwei den Kampf desselben mit einem Adler, und noch zwei andere den Kampf desselben Raubthieres mit einem idealisirten Eber dar. In noch zweien andern findet man den Tiger von Adlern oder Greifen attaquirt, in einer Figur endlich sieht man einen idealisirten Tiger einen Dgiggetai erlegen**). Uebrigens erinnern auch die Gesichtszüge mancher ihrer Götzen an die des Tigers. *) Den Tiger überhaupt bezeichnen sie mit tasha, die Männchen mit muchan, die Weibchen mit biren und die dreijährigen Jungen mit surgan. “) Uebrigens wurde auch der Irbis-Kopf als Verzierung angebracht, wie ein im Münzcabinet der Akademie aul- bewahrter goldner Kopf- oder Halsschmuck zeigt. 380 (224) J. F. BrAnDr. Zoologie. gi. Beziehungen des Tigers zu den finnischen Völkern. Wenn früher wenigstens ein Theil der finnischen Völker als sogenannte Tschuden am Altai wohnte, so kann diesem der Tiger nicht fremd gewesen sein. Indessen hat keiner der finnischen Zweige, wie mich Hr. College Schiefner versichert, ein eigenthümliches Wort zur Bezeichnung des Tigers aufzuweisen, so dass also auch bei ihnen die Kunde davon im Laufe der Jahrtausende völlig erlosch. Die jetzigen Finnen bezeichnen ihn daher in ihren Schriften, wie die Völker des slawischen, germanischen und celtischen Stammes nach deın Vorgange der Griechen mit dem allgemein angenommenen medisch-iranischem Worte. gı2. Beziehungen des Tigers zu den alten Griechen und Römern. Die entschwundene Kunde vom Tiger und seinen Verheerungen, die einige der früh nach Westen ausgewanderten arischen Stämme in ihrer Urheimath besitzen mochten, wurde aber nach vielen Jahrhunderten einigermaassen dadurch ergänzt, dass gefangene Exemplare dieses stattlichen Raubthieres lebend nach Europa gelangten, und von arischen Abkömmlingen (Griechen und Römern) in Augenschein genommen werden konnten. Indessen scheint man es damals bei dem keineswegs hohen Standpuncte der Naturgeschichte für überflüssig gehalten zu haben auch selbst nur eine mittelmässige Beschreibung des so merkwürdigen Thieres zu geben. Wenig- stens ist weder eine solche auf uns gekommen, noch als vorhanden von einem der zahlreichen griechischen oder römischen uns bekannten Classiker erwähnt worden. $$ 1. Beziehungen des Tigers zu den Griechen. Erst durch die Nachrichten über die Eroberungszüge Alexanders, und kurz nach denselben erhielt man im Abendlande, und zwar zunächst ausschliesslich in Griechenland, die erste Kunde vom Tiger, und einem sehr kleinen Theile seiner Wohnsitze im Stromgebiete des Indus, und vermuthlich auch Nordpersiens (Hyrkaniens) und Sogdiana’s. Auffallen muss es demjenigen Naturforscher, dem die heutige Thier-Fauna des alten Hyr- kaniens (Gilans und Mazanderans), Sogdianas (Bocharas) und Bactriens ([Balkhs] also die der Ur- sitze des arischen Volksstammes) wohin Alexander, ehe er nach Indien ging, seine Eroberungs- züge ausdehnte, nicht unbekannt ist, dass in den freilich fast nur indireet und unvollständig auf uns gekommenen, gerade in naturwissenschaftlicher Beziehung sehr dürftigen Berichten über die Schauplätze der Grossthaten Alexanders des gefährlichsten und gefürchtetesten aller dortigen katzenartigen Raubthiere, das in Indien sogar zuweilen Soldaten aus den Colonnen wegschleppt, nirgends Erwähnung geschieht. Es darf mit Recht bei ihm eine Stelle des Curtius (VII. 2) einiges Bedenken erregen, der zu Folge Alexander, auf einer in der Nähe von Ba- zaira (nach Ritter der später als Bykund berühmten Stadt, nach andern Bochara) in einem Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 2285) 81 baum- und wasserreichen, beträchtlichen Thiergarten*) angestellten grossen Treibjagd, die eine Ausbeute von vier tausend Thieren lieferte **), mit eigener Hand einen Löwen erlegt haben soll, während in jenen Gegenden wohl noch Tiger, aber keine Löwen vorkommen und selbst auch das frühere dortige Vorkommen der Letztern auf keine genügende Weise nachgewiesen werden kann. Die Macedonier konnten ja den Tiger als sie zuerst auf ihn stiessen, wie viel später selbst noch der wackere Marco Polo, für einen gestreiften Löwen erklären und geradezu ohne Absicht, aus blosser Unkunde, schlechthin als Löwen bezeichnen. Den Schmeich- lern Alexanders musste es aber oflenbar willkommen sein ihrem hohen Gönner einen Löwen, nicht ein den Griechen damals unbekanntes und daher möglicherweise ihrer Einsicht weniger zugängliches und deshalb weniger auflälliges Thier (einen Tiger) erlegen zu lassen, damit seine That als eine Herkulische, also viel glänzendere, ja göttliche, gepriesen werden konnte. Eine solche Auflassung möchte um so plausibeler erscheinen, da damals bekanntlich Alexander schon den Tempel des Jupiter Ammon, nach dem angeblichen Beispiele der Semiramis besucht, und in Folge eines ihm dort gewordenen Orakelspruches für einen Gott angesehen sein wollte. Will man aber auch an keine absichtliche oder zufällige Verwechselung mit dem Tiger glauben, so könnte man den von Alexander erlegten Löwen, jedenfalls nur für einen in den genannten Thiergarten verpllanzten, aus der Ferne gebrachten anseben, wozu aber wieder die Mittheilung des Cur- tius nicht recht passen will, es wäre im erwähnten Parke seit vier Menschenaltern nicht gejagt worden, da man dann jedenfalls den erlegten Löwen für einen sehr alten erklären müsste, was seine zoologischen Bedenken haben möchte. Dass indessen Alexander wenigstens am obern Indus echte Tiger sah erfahren wir aus einer andern Stelle des Curtius (IX. 30). Als er näm- lich am Hydraotis (dem jetzigen Ravi) einem der obern, östlichen Zuflüsse des Indus, also in einer noch jetzt von Tigern bewohnten Gegend, verweilte, erhielt er von indischen Gesandten, ausser andern, reichen Geschenken, die auf ein Culturvolk (also ein Sanskritvolk) deuten, auch zahme Löwen von stattlicher Grösse nebst ebenfalls gezähnten Tigern. Da bei dieser Gelegen- heit die letztern nicht mit einem andern Namen, so etwa mit dem Sanskritworte vjäghra oder einer verwandten Benennung bezeichnet wurden, so dürfen wir wohl annehmen, dass sie den Griechen von früher (Medien oder Hyrkanien) her als Tiger bekannt waren (s. S. 66 Anmk.) Alexanders Admiral Nearch, scheint aber diese Tiger, wohl weil er damals bei der Indus-Flotte *) Bemerkenswerth bleibt es, dass schon zu Alexanders Zeiten im heutigen Bochara ein grossartiger, von Mauern und Thürmen umschlossener, Thiergarten existirte, worin man seit vier Menschenaltern nicht gejagt hatte. Die Lieb- haberei für solche Thiergärten bestand auch noch in viel spätern Jahrhunderten dort fort, wie wir aus einem persischen Werke über Bochara erfahren, woraus Burnes (Travels in to Bochara, sec. ed. Lond. 1839. 8. Vol. I. p. 300) eine Mit- theilung über den mit Wölfen, Füchsen, Schweinen, Hirschen, Nilghaus und andern Thieren bevölkerten und mit Lust- häusern besetzten Thiergarten eines dortigen Königs, Shumsooden, machte. — Dass übrigens am früher breitern, wasserreichern Oxuszuflusse, dem Sarafschan, Gebüsch und Bäume (Juniperus, Crataegus, Ulmus, Populus, Lonicera, Amygdalus und Berberis) vorkommen, berichtet Lehmann, Reise p. 113 (v. Baer, Beitr. Bd. XVIl.). ”) Diodorus Siculus muss im XVII. Buche seiner Geschichtlichen Bibliothek an einer der verloren gegangenen Stellen diese Jagd ebenfalls besprochen haben, wie aus der noch vorhandenen Inhaltsanzeige des genannten Buches her- vorgeht, worin als Gegenstand eines der fehlenden Abschnitte die Worte: «Ilspı roö &u Bastorars xuynysrov zul ToU nindous ray Ev aura Inpioy» stehen. 11 82 (236) J. F.Branor. Zoologie. verweilte, nicht gesehen zu haben, da er sonst nach einer bei Arrian (Hhst. ind. Cap. 15) er- haltenen Mittheilung nicht sagen könnte, es sei ihm nur das Fell eines Tigers zu Gesicht ge- kommen. Seinem Berichte zu Folge theilten ihm übrigens die Inder mit, der Tiger sei von der Grösse eines stattlichen Pferdes und übertrefle alle Thiere an Kraft und Stärke, selbst den Elephanten, den er mit Leichtigkeit erwürge, indem er ihm auf den Kopf springe. Kurz nach Alexanders Tode erfuhr man durch Megasthenes, der (etwa um 312 v. Chr.) vom Seleucus als Gesandter nach Palibothra geschickt wurde, dass im Gangeslande der Pra- sier ausserordentlich starke Tiger seien, welche die doppelte Grösse der Löwen hesässen (siehe Megasthenes bei Strabo Geogr. Lib. XV $ 36 und 37). Ein von Seleucus den Athenern geschenktes Exemplar scheint nachweislich der erste Tiger gewesen zu sein, den man in Griechenland und vielleicht in Europa überhaupt sah. (Siehe ein Fragment des Philemon bei Athenaeus Deipnosoph. Lib. XI. c. 57 ed. Schweigh. T. V. p. 133; Meineke Fragm. Comie. I. p. 829). Indessen lieferte, wie bereits angedeutet, keiner der damals lebenden Griechen, selbst nicht einmal Aristoteles, eine uns erhaltene Beschreibung des Tigers. Aristoteles (Mist. an. VIII, 27, 8 ed. Schn.) berichtet nur, dass der Tiger mit dem Hunde indische Hunde erzeugen solle. Das beklagenswerthe oppositionelle Verhältniss, in welches der Nefle des Aristoteles, der Philosoph Kallisthenes, der von sei- nem Onkel dem Alexander als gelehrter Begleiter empfohlen war, zu seinem Könige trat, scheint letztere offenbar veranlasst zu haben sich auch weniger freundlich als sonst gegen seinen Lehrer zu zeigen. Desshalb sandte er ihm möglicherweise aus Mittelasien und den Indus-Ländern keine seltene Thiere mehr; deren Transport übrigens von dort aus sich auch wohl sehr schwer hätte bewerkstelligen lassen. Ein entschiedener Bruch scheint indessen zwischen Alexander und Aristoteles nicht gerade eingetreten zu sein, da der letztere gleich nach dem Tode des gros- sen Eroberers, als Anhänger der macedonischen Parthei, Athen verlassen musste, also auch den von Seleucus dahin gesandten Tiger weder sehen noch beschreiben konnte*). Sein ausgezeichneter Schüler Theophrast, der Vater der Botanik, konnte aber wohl in Athen den von Seleucus geschenkten Tiger in Augenschein nehmen, ja mag ihn vielleicht gar in seinen verlornen zoologischen Schriften erwähnt, oder, wenn auch nur kurz, beschrieben haben. Es liesse sich dies vielleicht aus dem Umstande folgern, dass er (Hist. Plant. L.V. ce. 6.) die Tigerhaut erwähnt, indem er sagt, auf der in der Nähe Arabiens liegenden Insel Tylos, gäbe es einen Baum, woraus man sehr dauerhafte Schiffe baue, während die davon herrüh- renden, schweren Stäbe schöne Flecken, wie die Tigerhaut besässen. Dass er damit möglicher- weise das Holz einer Palme meine, da die quere, besonders schräge Schnittfläche von Palmen- stämmen allerdings ein getigertes Ansehn zeigt, lässt sich nicht gerade äbläugnen, obgleich die Schwere des fraglichen Holzes dagegen spricht. Ob daher, wie Sprengel will, der fragliche Baum Calamus Scipionum sei, möchte sich desshalb kaum beweisen lassen. Näher würden wir *) Ueber die Lebensverhältnisse des Aristoteles vergl. Pauly, Real-Eneyclop. d. class. Alterthumswissensch. Art, Aristoteles. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. (227) 83 der Bestimmung desselben kommen, wenn wir genau wüssten, was unter Tylos für eine Insel gemeint sei, und ob eins ihrer Gewächse ein mit den fraglichen Eigenschaften versehenes Holz liefere. — Plinius der Mist. anim. X. ec. XLI. 12) nach Theophrast das fragliche getigerte Holz ebenfalls erwähnt, spricht auch von getigerten Tischen aus Cedernholz. — Arrianus im Periplus Maris Erythraei (Geogr. vet. min. ed. Oxoniensis 8. p. 29) erzählt in der Dachina- bades genannten, südlich von Barygaza gelegenen Gegend kämen allerlei wilde Thiere, na- mentlich Panther, Tiger und Elephanten vor. — Durch Diodorus Sieul. (Biblioth. Hist. Il. ed. Wessl. p. 162 lin. 60) erfahren wir, es gäbe in dem Syrien benachbarten Theile Arabiens Löwen, Panther, Strausse und sogenannte babylonische Tiger. — Ptolemaeus (Geogr. Lib. VII. cap. 2. $ 21) berichtet in seinem Capitel über Indien jenseits des Ganges (Hinterindien), dass hinter dem Flusse Doana (wohl der Irawaddi?) eine bergige Gegend liege, die Tiger und Elephanten besitze. — Da Oppian, wie aus mehrere Stellen der Kynegetica (s. Lib.1. v. 321, Il. v. 98 u. 340, so wie Lib. IV. 355) hervorgeht, die Tiger nicht blos als windschnelle und grausame, um ihre Jungen sehr besorgte Thiere, schildert, sondern ihre prächtige Fär- bung, namentlich den schön gebänderten Rücken, noch besonders hervorhebt, so kann kein Zweifel darüber sein, dass er den echten Tiger meine. — Aelian (Hist. anim. VIII. 1) wieder- holt nur die Mittheilung des Aristoteles, fügt jedoch (XV. ce. 14) hinzu, die Inder brächten ihrem König zahme Tiger. — Philostrat (Vit. Apoll. 11. e. 1%) erzählt von den Tigern des Indusgebiets, dass sie sich vom Erythräischen Meere an die Schiffe begeben um die ihnen ge- raubten Jungen zurück zu bekommen, und wenn dies ihnen nicht gelingt, am Ufer brüllen und bisweilen sogar sterben. — An einer zweiten Stelle (ebd. c. 28) lesen wir, dass die Inder zwar ganze Löwen, vom Tiger aber nur die Hinterfüsse verzehren, weil die letztgenannten Thiere;nach ihrem Glauben bei der Geburt die Vorderfüsse gegen Morgen richteten. In den plutarchischen und pseudoplutarchischen Schriften kommen ebenfalls mehrere Stellen über den Tiger vor. In einer (Plutarch de Solertia anim. ed. Dübn. II. 1192) wird berichtet, dass ein hungriger, in einem Käfige befindlicher Tiger ein zu ihm gebrachtes Lamm verschont und zu seinem Gesellschafter gemacht habe. — An zwei andern Stellen (Plutarch Conjug. Praec. ed. Dübner, p. 171 und De Superst. p. 198) heisst es, dass die Tiger durch Tympanentöne in solche Wuth versetzt werden sollen, dass sie sich selbst zerreissen. Beim Pseudoplutarch de Fluvüs ed. Dübn. T. V. p. 99. 14 wird die Fabel mitge- theilt, dass Jupiter dem Bachus einen Tiger gesandt habe, um über den Tigris zu setzen, der davon seinen Namen trage. Nach einer andern Sage soll Bacchus sich aus Liebe zur Nymphe, Alphesibaea in einen Tiger verwandelt, und sie so über dem von diesem Ereigniss Tigris be- nannten Fluss getragen haben. — Auch heisst es dort (ebd. $. 83) man solle die Tiger dadurch tödten, dass man in ihre Schlupfwinkel den Saft einer am Ganges wachsenden Pflanze ausgösse. Die letztgenannte Sage, obgleich sie ebenfalls als Fabel erscheint, mag auf einer unvollstän- digen Mittheilung beruhen. Man soll nämlich in einzelnen Gegenden Indiens, um sich die Tigerjagd zu erleichtern, die dem Tigerlager benachbarten Stellen mit Blättern bestreuen, die mit einem klebrigen Pflanzenstofle bestrichen sind. Tritt nun der Tiger auf solche Blätter, so = 84 (228) J. F.Beanor. Zoologie. kleben sie seinen Füssen an, und hindern ihn amı freien Gebrauche derselben, von welchem Umstande die in der Nähe postirten Jäger Nutzen ziehen und ihn leichter erlegen. Der unbekannte constantinopolitanische Verfasser einer kurzen Naturgeschichte mehrerer Thiere, der zur Zeit des Kaisers Gonstantinus Monomachus lebte (siehe meine Beiträge zur nä- hern Kenntniss der Säugethiere Russlands Mem. de l Acad. d. sc. d. St. Petersb. Se. nat. T. Vll. p- 364), spricht (xsp. 5.) nur von einigen Eigenschaften des Tigers. Aus vorstehenden Mit- theilungen möchte zur Gnüge erhellen, dass die europäischen Griechen durch die Feldzüge Alexanders den Tiger kennen lernten und auch selbst zur Zeit ihrer Kaiser noch Kunde von ihm besassen. $$ ?. Beziehungen des Tigers zu den Römern. In Italien scheint man erst im zweiten, besonders aber im ersten Jahrhundert vor Christus Kenntniss von Tiger und seiner Heimath (Hyrkanien, Parthbien und Indien) erhalten zu haben. Es geschah dies in jener Epoche als die Römer mit Griechenland und seiner Literatur, theilweis in Folge der macedonischen Kriege, näher bekannt wurden, besonders aber wohl als sie ihre Herrschaft auf Kleinasien ausdehnten und mit Mithridates und den Parthern kämpften. Der älteste der auf uns gekommenen römischen Prosaiker, welcher den Tiger als «qui est, ut leo, varius, qui vivus capi adhue non potuit» erwähnt und seine Benennung aus der Sprache der Armenier, worin nach ihm tigris einen Pfeil bedeuten soll, ableiten will, ist der bekannte Gram- matiker Varro (Lingua lat. L. V. 100). Seine Kunde vom Tiger scheint aber nur noch vom Hörensagen herzurühren, da Dio Cassius (Hist. Rom. Lib. IV. Gaes. August. ed. Reimarus fol. Vol. II. p. 739) berichtet, dass unter den Geschenken, welche die indischen Gesandten dem August während seines Aufenthaltes auf der Insel Samos brachten, auch Tiger sich fanden, welche die Römer, und wie er fälschlich glaubte auch die Griechen (er hätte sagen sollen die Samier und viele andere Griechen) damals zuerst sahen. Einer dieser Tiger’war es wohl wovon Plinius (Hist. nat. L. VIII. ed. Hard. Cap. CXXV. 5) berichtet August habe (743 p u. ce.) den ersten zahmen Tiger in Rom in einem Käfige und zwar wie Suetonius (August ce. XLIIl) ergänzend sagt, auf der Schaubühne, sehen lassen. Durch Plinius (a. a. Or.) erfahren wir auch, dass der Kaiser Claudius sogar vier Tiger auf einmal produeirte. Derselbe römische Classiker (ib. c. XXIII), macht uns ferner die Mittheilung, die Panther und Tiger wären fast die einzigen verschieden gefleckten Thiere. Wir dürfen also gar nicht daran zweifeln, dass nicht allein er selbst und seine Zeitgenossen, durch die unter Claudius in Rom gezeigten Individuen, sondern auch seine zur Zeit des August lebenden Vorväter, durch das oben erwähnte dem eben genannten Kaiser gehörige Exemplar den echten Tiger genauer kann- ten und vom häufiger nach Rom gebrachten Panther zu unterscheiden wussten. Als Heimath des Tigers bezeichnet er Hyrkanien und Indien, indem er (Hist, nat. L. VI. c. XXIII) bemerkt, dass die von mehrern Bergvölkern (Cesern, Centribonen, Megallern, Chryseern, Parasangen und Asangen) bewohnten Gegenden zwischen dem Indus und Jomanes (dem heutigen Jobares, Dschumna, Dsumna oder Jumna) sehr tigerreich seien. Pomponius Mela (Ill. ce. V. 7) er- zählt, als Bestätigung zu einer der Angaben des Plinius, es kämen in den hyrkanischen Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 2209) 85 Wäldern grausame und gefährliche Thiere vor, wie dies ja dort noch heut zu Tage der Fall ist. — Wie gross das Aufsehen war, welches die in Rom von August gezeigten Tiger machten, geht daraus hervor, dass Virgilius”) und Horatius”*), die als seine Günstlinge die- selben sicher lebend sahen, sie nicht nur in mehreren Gedichten besingen, sondern auch dabei gleichzeitig ihrem Kaiser auf mehrfache Weise schmeicheln. Ovid***), der ebenfalls, vor seiner Verbannung aus Rom, den Tiger Augusts gesehen haben konnte, erwähnt seiner zwar auch in mehreren Gedichten, ohne freilich, wie natürlich, dem Urheber seiner Verbannung etwas schmeichelhaftes zu sagen. Aus zwei Epigrammen des Martialis (Spect. Epigr. I. 13. und Epigr. Lib. VIII. 26.'®) ersehen wir, dass unter Titus und Domitian ebenfalls Tiger in Rom gezeigt wurden. Antoninus Pius stellte ausser andern seltenen, ihm geschenkten, Thieren (Elephanten, Hyänen, Crocodilen, Strepsiceroten und 100 Löwen) auch Tiger zur Schau (Jul. Gapitolinus cap. 10). — Aurelianus zog bei Gelegenheit des Triumphzuges der Zenobia, ausser mit mehreren andern seltenen Thieren (einer Giraffe, einem Elenthier u. s. w.) mit vier Tigern nach dem Capitol (Vopiscus cap. 33). Severus liess nach Dio Cassius (Hıst. Rom. Libr. LXXVI. Severus XXI. ed. Reimarus Vol. II. p. 1277,19.) in den Kampf- spielen zehn Tiger erstechen. — Gordianus zeigte in Rom mit einem Male zehn Tiger nebst dreissig Leoparden (Jul. Capitol. cap. 33). — Unter Caracalla (Dio Cass. 1. 1. II. p. 1292, 80) wurde von Gladiatoren, ausser einem Elephanten, einem Nashorn und einer Giraffe, auch ein Tiger erlegt. — Lampridius (Anton. Helegab. 28) sagt vom Heliogabalus: «Junxit et ligres Liberuni se se vocans». — Bei Solinus (Polyhist. cap. XVII.) lesen wir, das waldige, wildreiche Hyrkanien sei voll von Tigern, so wie von Pardern und Panthern (F. jubata und pardus?). Die Tiger wären braun, mit schwarzen, gewellten Streifen, die Panther besässen da- gegen Augenflecken. Die Tiger seien übrigens überaus schnell und beharrlich und zeigten zu ihren Jungen eine grosse mütterliche Zärtlichkeit, namentlich, sehe man sie, wenn ihnen die- *) Virgilius erwähnt den Tiger an mehreren Stellen seiner verschiedenen Werke. In der Eclog. V. 29. stehen die Worte: «Daphnis et Armenias curru subjungere tigres instituit». In den Georg. II. 151. nennt er die Tiger rabidae. Ebendaselbst III. 248. wird der Tiger mit dem Beiwort pessima und ib. IV. 407. als atra bezeichnet. — In der Aen. IV. 367. heisst es: «Hyrcanaeque admorunt ubera ligres», in der Aen. VI. 805.: «Nec, qui pampineis victor juga Nleectit ha- benis, Liber, agens celso Nysae de vertice tigris». In der Aen. IX. v. 730. steht: «Immanem veluti inter inerlia pecora tigrim» und ib. X. v. 166.: «Massicus aerata princeps secat aequora Tigri». Endlich sagt er (den. XI. 577.): «Tigridis exuviae per dorsum a vertice pendent». ”) Bei Horatius kommt der Tiger gleichfalls fast in allen uns bekannten Werken vor. In Carm. I. 23, 9. er- scheint er als aspera. Ebendaselbst III. 3. v. 13. heisst es: «Hac te merentem, Bache pater, tuae vexere ligres indocili Jugum collo trahentes». Eine Stelle in den Epist. 16, 31. lautet; «Tigres subsidere cervis» und eine andere der A. Poet. 13.: «Serpentes avibus gemiuentur tigribusque agni». "") Der Tiger spielt in mehreren Gedichten des Ovidius eine Rolle. So heisst es Metam, VII. 32.: «Hoc ego si patiar, tum me de tigride natam etc. fatebor»; dann ib. VIII. 120.: «Non genetrix Europa tibi, sed inhospita Syrtes, Ar- meniaeve ligres» und Heroic. X. 86.: «Qui scil an haec saevas tigrides insula habet?» Auch erwähnt er ib. II. 80., so wie Amat. I. 2. 48. u. 559. den Tiger. +) Die angeführte Stelle bei Martialis lautet: «Lambere securi dextram consuela magistri Tigris ab Hyrcana gloria rara jugo». +#) Martialis a. a. 0. sagt zum Domitian: «Non tot in Eois timuit gangelicus arvis, Raptor, in Hyrcano, qui fugit albus equo, Quot tua Roma novas vidit, Germanice tigres». 86 (230) J. F. Branor. Zoologie . selben geraubt würden, wüthend umherirren. Ammianus Marcellinus (Julianus XXI. 6. 50 sqgq.) berichtet, bei den Hyrkanern finde man Tausende von Tigern, die, wenn sie der Hunger plagt, über den Oxus und Maxera setzten und die benachbarten Gegenden verwüsteten. Man sieht aus diesen Angaben hauptsächlich, dass, ausser Augustus und Claudius, auch noch mehrere spätere Kaiser den Römern echte (gestreilte) Tiger zur Belustigung vorführten. Es wurden dieselben daher ausser von Martialis (a. a. O.) auch von andern Dichtern, die sie meist wohl in Rom lebend gesehen hatten, wenigstens, wie aus obigen Daten erhellt, gesehen haben können, in ihren Werken erwähnt. Namentlich geschah dies von Lucanus*), Silius ltalicus**), Manilius”*), Statius****), Seneca!), Claudianus'*) und Sidonius Apolli- narius’**). Schliesslich verdient hier nun noch Erwähnung, dass, obgleich viele Dichter den Bachuswagen durch Tiger ziehen lassen, der Tiger auf den bis jetzt entdeckten Vasengemälden nicht gefunden wurde. Man sieht darauf die genannte Gottheit von Centauren (Böttiger, Vasengem. Ill. p. 139, Millin, Gal. myth. T. LI. 235), von einem Bocke (Gerhard, Vaseng. T. LIV.) oder Dromedaren (Ann. dell. Inst. arch. V. p. 99) und sogar nur selten von Löwen gezogen. Die Verfertiger der Vasen mochten vielleicht bei ihren Darstellungen die gewöhn- lichen, ihnen bekannten, Bachuszüge, nicht aber die Tigergespanne der Dichter, im Auge haben, ja letztere vielleicht nicht einmal kennen. — Man sieht indessen vier schöne Tiger auf einem, vor mehreren Jahren zu Rom nahe dem Triumphbogen des Gallus gefundenen, Mosaik- gemälde dargestellt, deren jeder seine Beute verschlingt, und hat die Vermuthung ausgespro- chen, dass dasselbe zur Zeit des Kaisers Claudius angefertigt sei (Cuvier, Rech. sur I. oss. foss. ed. 4. 8. T. VII. p. 377); eine Vermuthung, die durch die später zu verschiedenen Zeiten von andern Kaisern in Rom gezeigten Tiger, die man dabei nicht in Rechnung brachte, an Wahr- scheinlichkeit verliert. Da, wie oben bemerkt, man zur Zeit des Augustus und Plinius den Tiger bereits ganz gut vom ebenfalls nur anders gelleckten Panther unterschied, mehrere gleichzeitige, wie spätere, *) Bei Lucanus (Phars.) geschieht des Tigers zweimal Erwähnung, namentlich heisst es (I, 327.): «Utque ferae tigres nunquam posuere furorem, Quas nemore Hyrcano matrum dum lustra sequuntur, Altus caesorum pavit cruor ar- mentorum» und (V. 405.) «Ocior et coeli flammis et ligride feta». “) Im Silius Ital. (Punie. V. 148.) lesen wir: «Caucasiam instratus virgato corpore tigrim». Auch spricht er (ib. XV. 80. u. XVII. 647.) von Tigern, die den Bachuswagen ziehen. “") Manilius (Astronom. V. 707.) sagt: «Ille tigrim rabie solvet». “") Statius (Theb.IX.15.) singt: «Nonne Hyrcanis bellare putatis tigribus?»; dann (VI. 722.): «Tune genitus Talao vietori tigrim inanem ire jubet» und (IX.685.) «Equus, quem discolor ambit Tigris et auratis adverberat unguibus armos». 7) Die vermeintlichen Tragödien Seneca’s bieten mehrere Stellen, die sich auf den Tiger beziehen. Im Oct. 86. wird er als trux, im Hipp. 63. als varia und v. 344. als virgata, dann in Thyest. 707. als jejuna bezeichnet. Im Her- eules Oetaeus (Act. I. v. 145.) sagt er: «Te praeruptus Athos, te fera Caspia, quae virgata tibi praebuit ubera.» — Der wahre Seneca erwahnt übrigens den Tiger auch an zwei Stellen seiner moralischen Briefe. Im Lib. XII. ep. 3. $. 8, heisst es: «Tigres leonesque numquam feritatem exuunt, aliquando submittunt, et cum minime exspectaveris exaspera- tur torvitas mitigata». Ebendas. $. 41. liest man: «Osculatur tigrim suus custos». +) Claudianus (Rapt. Pros. 1.17.) bemerkt: «Quem Parthica velat Tigris et auratos in nodum colligit ungues». +rP) Bei Sidonius Apollinaris (Carm.XXII.21.) lesen wir: «Euan populatus Erythras Vite capistratas cogebat in esseda tigres. . Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 231) 87 römische Schriftsteller aber nicht blos das Vaterland desselben riehtig angeben, sondern ihm, wie Silius, ein corpus virgatum, oder, wie der Pseudo-Seneca, ubera virgata zuschreiben, so darf man wohl daraus schliessen, dass die Römer, wie ja auch schon die Griechen, den echten Tiger ohne Zweifel vor sich hatten. Man kann daher dem trefllichen Ritter nicht beistimmen, wenn er (As. Bd. IV. 2. Th. VI. 4. S. 697) die Meinung ausspricht, die von Lucan, Virgil, Horaz, Ovid, Seneca u. A. erwähnten Raubthiere möchten wohl nur selten den eigentlichen Tiger angehen, sondern muss vielmehr mit Guvier (Rech. a. a. O.) auch in Bezug auf die rö- mischen Schriftsteller das Gegentheil behaupten, $. 13. Blicke auf den Standpunkt der Tigerkenntniss vom Verfall und dem Untergang des römischen Westreichs bis auf die neusten Zeiten. Die Nachrichten über den Tiger enden bei den römischen Schriftstellern der Kaiserzeit mit den Mittheilungen von Lampridius, Ammianus und Sidonius. Schon in den letzten Jahrhunderten des Bestehens des römischen Kaisserreiches gaben die andringenden germanischen Völkerschaften (Allemannen, Gothen, Franken, Sachsen) im Westen, und die Perser im Osten, eben so wie die Verbreitung des Christenthums und die da- mit verbundenen Kämpfe und innern Bewegungen dem Treiben der Römer eine andere Rich- tung, die auch auf die ohnehin sehr schwach eultivirte Thierkunde einwirken musste. Die Thierkämpfe, welche viele Kaiser der früheren Jahrhunderte anstellen liessen, eben so wie das Gepränge, welches sie mit fremden Thieren machten, hatten ihr Ende erreicht; wenigstens schweigt darüber die Geschichte. Die Theilung des römischen Reiches in ein Abend- und Morgenländisches hob die nähere und direete Verbindung der westlichen Länder mit den öst- lichen mehr oder weniger auf, oder beschränkte sie wenigstens. Namentlich konnten die asia- tischen Thiere weniger leicht nach Italien und die westlichen Länder gelangen. Als nun gar das römische Westreich abwechselnd mehrern fremden Angriffen, namentlich denen der West- gothen und der Vandalen, dann denen der Heruler und Rugier unter Odoaker und bald darauf den Ostgothen unter Theodorich unterlag, wurden sogar die letzten Blüthen der römischen Literatur vernichtet. Noch weniger als die Römer dachten die kriegerischen, bis Frankreich und Spanien vor- gedrungenen, im Osten von Slawen gefolgten, germanischen Völkerschaften, oder gar die Hunnen an die Förderung naturgeschichtlicher Kenntnisse, sondern suchten nur Reiche zu erobern und zu verwüsten, um nach eigener Willkür neue an ihre Stelle zu setzen. — Die durch Justinians Feldherrn bewerkstelligte Eroberung Italiens und Nordafrika’s und die Vereinigung dieser Länder mit dem griechischen Kaiserthum war von zu kurzer Dauer um im tief gesun- kenen Italien einen neuen nachhaltigen wissenschafllichen Aufschwung hervorzuhringen. Ober- italien unterlag sogar bald darauf den Longobarden. 58 (232) J. F. Branor. Zoologie: Das von religiösen Fragen vielfach in Anspruch genommene, griechische Kaiserthum wurde theils durch die an seinen Grenzen vorbeiziehenden oder sie selbst als Eroberer über- schreitenden germanischen Völkerschaften, theils später durch die vom fanatischen Religions- eifer gestachelten Araber fast fortwährend beschäftigt bis es endlich den Angriffen der Türken unterlag. Dass man indessen während der letzten Jahrhunderte seines Bestehens in ihm dessen- ungeachtet noch Kenntnisse vom Tiger besass und sogar über ihn verbreitete, geht aus dem oben ($. 84) genannten, unbekannten Verfasser einer kurzen Naturgeschichte mehrerer Thiere, der unter Constantinus Monomachus (1042 —54) lebte, so wie aus einer Mittheilung von Tzetzes (1150), die alle Tiger für Männchen erklärte (Gesner, H. amm. p. 937), deutlich "hervor. Die weniger bearbeitete, und zum Theil unedirte byzantinische Literatur mag auch noch andere einzelne Bemerkungen über den Tiger enthalten, die aber, wie die bereits be- kannten, wohl nur unbedeutend sein dürften. Die Eroberungen der Araber in Westasien beschränkten übrigens nicht nur das Gebiet des griechischen Kaiserreichs, sondern schnitten dasselbe vom Verkehr mit Südwestasien (also auch von den Tigerländern) ab. Die Araber selbst, obgleich sich bei ihnen in manchen Wissens- zweigen ein reges Leben entfaltete, drangen, aus Mangel der nothwendigen Methodik, in die Naturgeschichte keineswegs tiefer ein, sondern nahmen sich hierbei die Griechen und sehr häufig nicht einmal die bessern zum Muster. Ihre naturgeschichtlichen Mittheilungen bestehen daher keineswegs aus brauchbaren Thierbeschreibungen, sondern beschränken sich auf Curio- sitäten, Fabeln und sonstige sparsame Bemerkungen. Selbst von den letztern erscheinen nur wenige einigermaassen beachtenswerth, wie dies namentlich aus meinen speciellen, auf die naturwissenschaftlichen Mittheilungen der arabischen Schriftsteller eingehenden Untersuchungen über die Kenntnisse, welche sie vom Biber besassen (s. Mem. de l’Ac. d. se. St.-Pet. Se. nat. T. VII. p. 345) zur Genüge hervortritt. Dass auch in Bezug auf den Tiger ihr Wissen nur eine geringe Beachtung verdiene, wurde bereits oben (S. 71), auf Grundlage ihrer beiden naturhistorischen Hauptwerke, angedeutet. Als das Christenthum sich in Frankreich, Deutschland und einigen Nachbarländern ein- bürgerte und gleichzeitig auch das Mönchsthum auftrat, entwickelte sich allerdings eine Art scheinbarer Gelehrsamkeit. Dieselbe bezog sich aber ganz besonders auf das religiöse Gebiet, war also, eben so wie die wachsende Macht der Päpste, nach Maassgabe ihrer damaligen Ten- denz, keineswegs geeignet den Sinn für Naturgeschichte zu wecken und freie Forschungen zu begünstigen. Selbst die Kreuzzüge, die so manches andere geistige Treiben mächtig anregten oder vorbereiteten, übten keinen direeten Einfluss auf die Naturgeschichte als Beobachtung wissen- schaft aus. Indessen traten doch nach jener Zeit einzelne Männer, wie namentlich Albertus Magnus (1250), Isidorus Hispalensis, Arnoldus de Villanovo, Cardanus, Caelius und Am- brosius, auf, die neben vielem Bekannten, den Griechen und Römern oder andern Quellen, Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS 203) 89 z. B. den Arabern, entlehnten Bemerkungen, auch schon einzelnes neue Naturhistorische mit- theilten und unter andern auch den Tiger berücksichtigten, ohne jedoch seine Kenntaiss gerade wesentlich zu fördern. Proben ihrer Mittheilungen finden wir bei Gesner (Hist. animal. Lib. II. De quadrup. De Tigride p. 936 sqq.). Es geht daraus hervor, dass Albertus Magnus den Solinus (s. oben) in Bezug auf die Zeichnung des Tigers missverstand, so dass er sie unrichtig angiebt, während er sonst nur noch erwähnt, derselbe gebäre mehrere Junge; und man werfe den Weibchen, denen ihre Jungen geraubt seien, Glaskugeln hin, um sie durch Spiegelbilder zu täuschen. Aus Arnoldus de Villanova (geb. 1250) führt Gesner an: der Tiger sei von der Grösse eines Windhundes oder noch grösser. Cardanus (geb. 1501) zweifelt noch, ob die Tiger, die er für die entschiedensten Raubthiere erklärt, zu den Katzen zu rechnen seien. Nach einer Be- merkung bei Caelius kämen die Löwen und Tiger nur in den östlichen und südlichen Gegen- den vor, weil sie eine grössere Wärme liebten. Wundern muss man sich über die gleichfalls von Gesner mitgetheilte, für jene Zeit sehr feine Bemerkung des Ambrosius, dass die Tiger, wie die Löwen und Bären, einen kurzen Hals besässen, weil sie keine Pflanzenfresser, sondern Raubthiere seien. Eben so sagt er auch sehr passend, dass der Tiger nur grössere Thiere, wie namentlich Ochsen, Hirsche und Schaafe angreife. Einen überaus mächtigen, unverkennbaren Einfluss auf die Tigerkenntniss übten die im 13. Jahrhundert beginnenden Reisen nach fremden Ländern, wovon in naturgeschichtlicher Hinsicht die des Venetianers Marco Polo (1250 — 1272) nicht blos die Reihe der Ent- deckungsreisen eröffnen, sondern sogar in jenen Zeiten den ersten Rang einnehmen. Sie sind es namentlich, die das Verbreitungsgebiet des Tigers zuerst auf die chinesischen Länder aus- dehnten (s. $. 20). ; Die von 1475 an in die thier- und pflanzenreichen Tropen fortgesetzten Fahrten der Portugiesen unter Vasco de Gama, der unter andern 1498 in Kalekut landete (bei welcher Gelegenheit wohl der Tiger wahrgenommen wurde), und die wenige Jahrzehnte, vorher aus Constantinopel geflüchteten Griecheh gaben den wissenschaftlichen Beschäftigungen einen neuen, mächtigen Anstoss, der sich auch, ganz unverkennbar, in der Naturgeschichte bekundete, Namentlich traten in den ersten Jahren der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Frank- reich Belon, der sogar selbst eine Reise nach dem Orient unternommen hat, dann in Deutsch- land Gesner, in England Wotton, in Italien Rondelet und Salviani und zwar zum Theil schon als selbstständige Beobachter auf, denen sich dann später (1598) Aldrovand anschloss. Gesner lieferte, in einem bereits erwähnten, besondern Artikel, eine Zusammenstellung der vorhandenen Mittheilungen über den Tiger, die Aldrovand vervollständigte und Jonston ex- cerpirte. Auch bei Bartholomäus Anglicus (De genuinis rerum coelest. et terrestr. proprietat. Francofurt. MDC1. 8.) findet man p. 1119 ein kurzes Capitel (Cap. ClI.) über den Tiger, wozu nur Plinius und Isidor benutzt wurden. Die seit 1595 bis in die neuste Zeit von den Holländern, den Franzosen und besonders ‚12 90 23% J. F. Branpr. Zoologie. den Engländern nach Indien und den ihm benachbarten Inseln, so wie nach China fortgesetzten, im statistischen Abschnitt erwähnten Reisen und Länderbeschreibungen, lehrten nicht nur das weit ausgedehnte Vaterland des Tigers näher kennen, sondern verschaflten auch den Sammlungen Europa’s Felle und Skelete, ja selbst (und zwar nach Schlegel zuerst zur Zeit Ludwig XIV. und XV.) lebende Exemplare, die später besonders durch die Engländer zahlreich nach Europa gelangten**). Durch solche Materialien konnte eine vollständigere Kenntniss des Tigers nicht allein von den Naturforschern, sondern auch selbst von den Laien gewonnen werden. Die erste bessere Schilderung des Tigers, die bereits im 15. Jahrhundert auf Java entworfen wurde, ist die von Bontius. y Ausser jenen Reisen und naturhistorischen Untersuchungen Indiens, trugen besonders die in China im 17. Jahrhundert thätigen, bereits im statistischen Abschnitt der Tigerbeschreibung mehrfach genannten, gelehrten Jesuiten-Missionäre zur Kenntniss des Tigers bei, ja sie zer- gliederten ihn sogar bereits (s. Du Halde a. a. O.). — Nicht aber blos die oben genannten westeuropäischen Völker, sondern auch die Russen, ja sogar die Deutschen (A. v. Humboldt, Ritter, Ehrenberg, Hoffmeister) und einzelne Schweden (Osbeck) lieferten Beiträge zur nähern Kenntniss des Tigers, namentlich hinsichtlich seiner Verbreitung. In Bezug auf die Russen erinnern wir an die oben (S. 10 fl.) mitgetheilten Bemerkungen von Rytschkow, Güldenstedt, Georgi, Pallas, Gebler, Eversmann, Karelin, Middendorff,L.Schrenk, Sewerzow u. s. w., dann an die oben angeführten Reisen von Isbrand Ides. Die erste vollständigere neuere Beschreibung und Geschichte des Tigers, so wie einiger Theile seines dort abgebildeten Skeletes, erschien 1761 im T. IX. p. 129-150 der Hist. natu- relle von Buffon und Daubenton. Von spätern Beschreibungen des Tigers sind als die be- langreichern anzuführen: die von Schreber (Säugeth. III. S. 381, tab. 98 u. 98 A.) mit einer viel spätern Ergänzung von A. Wagner (Suppl. Il. 469), die von Geoffroy et Fr. Guvier (Hist. nat. d. Mammif. Livr. 19), die von Geoffroy et G. Guvier (Menagerie du Museum), die von Temminck (Monogr. d. Mammal. I. p. 88), die von Schlegel (De Diergaarde en het Mu- seum van het Genootshap Natura artis Magistra, Amsterdam. 1842. p. 89 mit Abbild.), die von Giebel (Die Säugethiere. Leipz. 1855. 8. p. 867) und von Sewerzow a.a. O. In Betreff der Osteologie des Tigers müssen besonders Cuvier (Recherch. s. I. oss. foss. ed. 4. T. VII. p. #38) und Blainville (Osteogr. genre Felis) genannt werden. — Die ältern Angaben über die Eingeweide desselben bei Blasius (Anat. Animal. Amstelod. 1681. 4. p. 120. Tab. XXX1.) können nur auf den Leoparden bezogen werden, wie die von ihm beigefügte Ab- bildung des zergliederten Thieres zeigt”**). — Sicher ist dagegen, was in Guvier’s Legons über *) Gegen diese Ansicht streitet, dass Schwenkfeld (Teriotroph. [1603] p. 130) sagt: «alitur cum ceteris bestiis Pragae in Aula Imperatoris Romani». “) Die grösste Zahl lehender Tiger (neun!) möchte sich wohl in der kürzlich in Petersburg gezeigten Menagerie eines Herrn Bernabo jetzt in Europa zusammenfinden, eine Zahl, welche dennoch aber einige römische Kaiser bereits vor vielen Jahrhunderten überboten. “") Auch Seba’s sogenannte Ceylanische Tiger (Thesaur. I. p. 52. Tab. XXXVII. n. 7. u. 8.) sind ohne Frage Leoparden. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN UBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 235) 9 die innern Organe desselben gesagt wird. — Eine fast vollständige Splanchnologie lieferte in- dessen erst Rymer Jones (Proceed. Zool. Soc. 1834. p. 54). — Owen untersuchte die Ein- geweidewürmer desselben (ib. 1836. p.123). Sogar die Blutkörperchen des Tigers wurden von G. Gulliver (ib. 1841. p. 44) einer mikroskopischen Analyse unterworfen. — Dessenungeachtet besitzen wir noch keine vollständige Kenntniss über alle Organe des fraglichen Raubthieres, noch weniger eine gründliche Monographie desselben, ja selbst nicht einmal eine solche Be- schreibung, worin bereits alle bekannten Thatsachen mit kritischer Schärfe und logischer Con- sequenz übersichtlich zusammengestellt wären. Die Erreichung dieses Zielpunktes wird also‘ die Aufgabe künftiger Forschungen sein. Wir schliessen daher unsere gegenwärtigen Mit- theilungen mit dem Wunsche, dass sie wenigstens einen Beitrag zur Lösung der angedeuteten Aufgabe bilden möchten. Die Hauptresultate der vorstehenden, Untersuchungen lassen sich auf folgende Weise zu- sammenfassen: 1) Die Verbreitungsgeschichte des Tigers war bereits der Gegenstand mehrfacher Forschun- gen, die jedoch haupsächlich sich auf den statistischen Theil derselben bezogen, ohne ihn zu erschöpfen. 2) In Bezug auf die Statistik der Tigerverbreitung zeigen die oben mitgetheilten Unter- suchungen, dass derselbe mehr oder weniger insularisch, nach Maassgabe der Localitäten, die ihm Nahrung und Verstecke gewähren (namentlich mit Ausschluss der vegetations- losen Wüsten), ursprünglich in einem sehr beträchtlichen Ländergebiete vorkam, das sich vom Süden nach Norden mindestens von Beluchistan, Vorderindien, Hinterindien, Suma- tra, Java und Südchina an nördlich bis zum Caucasus, den Süd- und Südostsaum (Ost- saum?) des Caspischen Meeres, den Aralgegenden, den Südabhängen des Altai, den Saja- nischen, Daurischen und Apfelgebirgen, vom Westen nach Osten aber von Kurdestan, Armenien, Georgien, Imeretien und Mingrelien bis zur Ostküste der Mandschurei, Korea’s und China’s ausdehnt. In mehreren Ländern (Mingrelien, Imeretien, Armenien, Georgien, dann in manchen Distrikten Indiens und den östlichen Provinzen China’s, so wie auf Ceylon) ist er vertilgt. Man fand ihn indessen noch als vereinzelten Streifling in Georgien, Armenien, dann in den Kirgisensteppen, so wie in West- und Ostsibirien, ja selbst im Süden des Jakutzker Gouvernements. RL Vermöge seiner so ausgedehnten horizontalen, dann aber auch in den Gebirgen Indiens sehr ansehnlichen vertikalen, bis zur Schneegrenze sich erstreckenden Verbreitung möchte der Tiger dasjenige Thier sein, welches die grössten Wechsel der Temperatur aushält, da er in den indischen Tropen bei einer mittleren Wintertemperatur von + 2%°, im Osten Sibiriens aber bei einer mittlern Wintertemperatur von — 17° vorkommt. Wir finden ihn daher sowohl in Gegenden, die sich einer tropischen Vegetation und Fauna erfreuen, als % 92 = | (236) J. F. Branpor. Zoologie. auch in den warmen und kältern gemässigten Zonen, also mit sehr mannigfachen, oft wechselnden, organischen Begleitern. In der Nordhälfte seines Wohngebietes hat er übrigens schon manche seiner frühern Be- gleiter (so die echten wilden Pferde, zwei oder drei Rinder, die wilden Kameele, die Manmonte und die Nashörner) eingebüsst. Der Tiger muss, vermöge seiner geographischen Verbreitung, sowöhl dem Urvolk des arischen (indogermanischen) Stammes, als auch dem Stamme der Semiten (den Hebräern, Arabern, Phöniziern) und ihren Mischlingsvölkern (den Assyrern und Babyloniern) be- kannt gewesen sein. Auf das Treiben der Iraner übte er einen geringen, auf das Sanskrit- volk, wegen seiner grössern Häufigkeit in Indien, einen namhaftern Einfluss. Noch ent- schiedener griff er aber in die Lebensverhältnisse und Anschauungen der Urbewohner Indiens, dann in die Culturverhältnisse der Mongolen, ganz besonders aber in die der geistig entwickeltern Chinesen ein, welche von allen asiatischen Völkern die umfassend- sten Kenntnisse vom Tiger bekunden, namentlich auch über seine Verbreitung in ihrem eigenen Reiche. | Die Griechen erneuerten mit ihm die verlorene Bekanntschaft während der Heereszüge Alexauders des Grossen, die Römer unter August. Die nach dem Untergange der Römerherrschaft neu entstandenen Gulturvölker Europa’s wurden durch Marco Polo, dann durch die Entdeckuugsreisen und Schilderungen der Portugiesen, Franzosen, Engländer und Holländer, so wie durch die Berichte der Jesuiten- Missionäre mit ihm bekannt. Die umfassendere Eröterung seiner Naturgeschichte begann aber erst mit Gesner und Bontius, denen später Buffon, Daubenton und mehrere andere neuere folgten. Dessenungeachtet besitzen wir bis jetzt keine vollständige Mono- graphie desselben. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 37) 93 Anhang — Kurze naturhistorische und geographische Notizen über den Tiger nach chinesischen Quellen vom Prof. WassıLJEew*. Ergänzungen zu 5. 163 und 218 ff. Yuen-kian-Iui-han: «Der Tiger ist der Fürst der Gebirgsthiere; er hat das Aussehen einer Katze und die Grösse einer Kuh. Die Grundfarbe seines Haares ist gelblich mit schwarzen Streifen; seine Zähne sind wie eine Feile, seine Klauen wie Haken, die Barthaare hart und scharf, die Zunge, von der Grösse der Hand, ist von der Geburt an scharf, die Nase kurz, Wenn er in der Nacht sieht, so glänzt das eine Auge und mit dem andern blickt er um sich; sein Ge- brüll ist wie der Donner und setzt alle Thiere in Schrecken; er begattet sich im Winter und zwar nur einmal; nach 7 Monaten wird das Junge geboren. Wenn er sich auf etwas wirft und seinen Gegenstand nicht nach drei Sätzen erreicht, so giebt er ihn auf. Hat er einen Hund verzehrt, so wird er trunken. Er flieht vor dem Gestank verbrannter Widderhörner; er kann, wie der Hirsch und Haase, 1000 Jahre leben; nach 500 Jahre wird er weiss. Der Tiger hat nicht in allen Gegenden China’s denselben Namen hu, in der Provinz Ho-nan, zwischen Tscheu und Wei heisst er %-fu, im Süden von der Provinz Kiang und Hoai h-eul oder u-tu, bei dem Passe Tung-kuang, westlich und östlich, heisst er po-tu [eul heisst Ohr, % ist ein Eigenname]. Nach der Tradition ist einer aus der Familie Li in einen Tiger verwandelt worden, wesshalb man auch dieses Thier /-fv zu nennen anfing, d. h. Vater Li; ausserdem lässt der Tiger, wenn er ein Thier frisst, die Ohren nach, woher er li-eul genannt wird. Uebrigens giebt es in den chinesischen Wörterbüchern noch viele gelehrte Namen; es werden genannt: der Tiger mit kurzen Haaren, der weisse, der schwarze, der fünfklauige, ein Thier, das wie der Tiger aus- sieht, aber kein echter Tiger ist**). *) Die Bogen, worin über die Verbreitung des Tigers in China, so wie von den Beziehungen desselben zu den Chinesen die Rede ist, waren bereits abgedruckt, als ich durch die Vermittelung meines Collegen Schiefner vorstehende beachtenswerthe Bemerkungen des Hrn. Wassiljew, Professor an der hiesigen orientalischen Facultät, erhielt. ”) In Yün-nan nennt man es auch po-lo und die Nicht-Chinesen bezeichnen es daselbst mit lo-lo. 94 (838) ...J..F. BRANnDT. Zoologie. Es giebt eine ausserordentliche Menge von Fabeln und Aberglauben in Betreff des Tigers. Man sagt, dass, wenn man das Auge, welches glänzt, trifft und es zur Erde fällt, es sich in einen weissen Stein verwandele, mit dem man das Weinen der Kinder beschwichtigen kann. Tigerborsten heilen Zahnweh. Der Tiger verzehrt weder Kinder, noch Trunkene u. s. w. Geographische Notizen. Wir besitzen in chinesischer Sprache eine grosse Sammlung geographischer Beschreibun- gen für jede Provinz. In jeder dieser Beschreibungen ist ein Capitel oder mehrere derselben den Producten gewidmet, die merkwürdigsten davon werden dort genau beschrieben; der Tiger aber als ein allen bekanntes Thier wird fast nur mit seinem Namen genannt. Folgendes haben wir gefunden: Ki-fu-tung-tschi (Beschreibung der Provinz Tschi-k). Nach dem Schan-hai-king giebt es in den Bergen der Provinz Tschi-li Urtiger. In Tu-schu-pian heisst es: in Kie-schi (dem nörd- lichen Gebirge der Provinz Tschi-l) halten sich Tiger auf und verstecken sich in den hohen Bergen, die in ununterbrochener Kette westlich ziehen, in den tiefen Thälern und den weiten Gebirgsausläufen. In der Geographie der Provinz Schan-tung kommt der Name des Tigers nicht vor; in Ngan-hoei c. LXIV kommt der Tiger unter den Producten vor. In der Beschreibung der Provinz Tsche-kiang wird er nicht genannt. In Fü-kien-tung-tschi c. X steht: der Tiger lebt in Menge in den Bergen (dort heisst er be- sonders pao)”; in Kiang wird er nicht genannt. In Kuang-tung-tschi ec. CIX liest man: noch in Tai-ping-yui-han werden in der Provinz Kanton sehr viele Tiger erwähnt, welche sogar bei helllichtem Tage erschienen; sie verstecken sich sogar in den Stadtgräben. Auch in der Beschreibung von Kuei-tscheu c. XV kommt der Tiger vor. In Yün-nan ce. XXIII wird er als ein der ganzen Provinz gemeinsames Thier aufgeführt. In Sse-tschuen ce. LXXV kommt er in dem Departement Zung-ngan-fu vor. In Schen-si e. XLV ist er als im Alterthum vorkommend vermerkt und wird auch da- selbst im Schi-king genannt. In der Geographie der Mandschurei, Schen-king-tung-tschi ec. CVII. 13. wird die Erwäh- nung in die Zeiten der Dynastie Wei hinaufgerückt. Noch jetzt kommt er dort in allen Gebirgen vor, bisweilen sogar weisse Tiger mit schwarzen Streifen; diese sind die schlimmsten. Aus den Tigerknochen bereitet man einen in der Heilkunst gebräuchlichen Leim (Pflaster?). Des Vorkommens des Tigers in dem Bezirk Tsch’ang-te-fu, der die Provinz Tschi-li mit der Mandschurei verbindet, wird gleichfalls in alten Zeiten unter der Dynastie Liao und Yuan Erwähnung gethan. *) In dem District Yen-p’ing-fu in Fü-kien werden Tiger-Felle unter den Produkten angeführt, s. Schott, Skizze zu einer Topographie der Produkte des Chinesischen Reiches in den Abhandl. der Berl. Akad. 1842. S. 313 f. Zoologie. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VERBREITUNG DES TIGERS. 239) 95 In der Geographie Tsch’ang-te-fu-tschi ce. XXIX steht: es giebt deren jetzt sehr viele nicht nur in Jagdbezirken sondern auch in allen Bergen bis Je-hol; viele der hiesigen Berge heissen bartu von bars Tiger, weil es auf ihnen Tiger giebt. Uebersicht. Aus den obigen Notizen ersieht man, dass der Tiger in der Mandschurei und der süd- lichen Mongolei vorkommt und von dort nach der Provinz Tschi-li zieht. Wir haben keine Geographie der Provinz Ho-nan: aber weiter südlich kommt der Tiger in der Provinz Ngan-hoei (einem Theil des alten Atang-nan) vor, dann weiter südlich in Menge in der Provinz Fü-kien und Kuang-tung. Westlich von hier ist er wahrscheinlich in Kuang-si, welches die Provinz Kuang-tung von Kuei-tscheu und Yünnan trennt, wo der Tiger als allgemein verbreitetes Thier genannt wird*). Weiter nach Norden geht er in die Provinz Sse-tschuen über, die an Schen-si grenzt. Ueber das Vorkommen des Tigers in dieser letztern Provinz kennen wir ältere Zeugnisse als über alle andern Gegenden. Wir haben zwar keine Geographie für die Provinz Schan-st, aber es ist begreiflich, dass, da sie die Mitte zwischen den Provinzen Schen-si und Tschi-Ii bildet und eine Gebirgsgegend ist, sie ebenfalls Tiger besitzen muss. Folglich sind fast alle Grenzen China’s fast in ununterbrochener Kette von diesem Thier bewohnt. Obwohl wir die Geographie der im Innern belegenen Provinz Hu-kuang nicht durchsehen konnten, so brauchen wir doch nicht über das Vorkommen des Tigers in dieser bergigen und an Sse-tschuen und Kuei-tscheu grenzenden Gegend nachzuforschen, da der Tiger sogar in der entfernten Provinz Ngan-hoei vorkommt. *) Von hier steht er wahrscheinlich mit den indischen Tigern in Zusammenhang. \ ae “ a ae Beer vr re ee ee LT Dur Sur ir Bit El äh “ln u fs pe nr im Aal er, ee ER ee m 7 | He ve ah a, nee ee W * en on Be re ve Pr ARE en) 48 48 NEN ih A he Na 6 tar Beb an Wk. 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