%,.2 '. •iK.: ■ v^-p >*y. :i?^'>^ 4? • > * w^-m^^^h m^ ^* 0^:- •% ■* V- ■^*-:/5ll ''^ w Vh n Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from Open Knowledge Commons and Harvard Medical School http://www.archive.org/details/untersuchungen1864kh UNTERSUCHUNGEN ÜBER DAS PROTOPLASMA UND DIE CONTRACTILITlT. VON D" W. KÜHNE. Mit acht Kupfertafeln. LEIPZIG, VEELAG VON WILHELM ENGELMANN. 1864. SEINEM LEHRER HERRN EMIL DU BOIS-REYMOND GEWIDMET VOM VERFASSER. Inhalt. I. DieEiweisskörper der Muskelsubstanz . 1 Methoden zur Gewinnung- des Muskelinhalts (Muskelplasma) ... 2 Verhallen des Muskelgerinnsels (Myosin) 8 Das Muskelserum 12 Das Syntonin 15 Von den Ursachen der Gerinnung- des Muskelplasma 23 11. Die Bewegung- se rschei nung-e n der A moeb en 28 Der hyaline Saum der Amoeben 29 Verhalten der Amoeben gegen eleclrische Reize ....... 30 Besilzen die Amoeben eine Membran? 35 Vergleich der Amoeben mit Eiweisstropfen 36 Erscheinungen an ausgedrückten Tropfen contractiler Substanz anderer Infusorien 39 Erscheinungen beim Abslerben der Amoeben 41 a) Wärmetetanus 42 b) Wärmestarre , 46 Auftreten der Molecularbewegung 47 Wirkung des Veralrins 47 Wirkung von Reagentien 48 Verhallen der Amoeben bei der Elektrolyse und gegen den constanten Strom 49 Einfluss der Kohlensäure und des Wasserstoffs 50 III. Die Bewegun gserscheinungen be i A clinophrys Eichhornii 54 Zustand des Protoplasma 55 Verhalten gegen elektrische Reize 56 Die blasige Hülle besteht aus contractilem Protoplasma, das Einschmelzen derselben ist eine Contraction 57 Vom Einflüsse des constanten Stroms. Zuckungsgesetz 59 Verhalten gegen Reagentien 64 Wirkung des Veralrins 65 Wärmetelanus 66 Wärmeslarre G7 Einfluss der Kohlensäure und des Wasserstoffs 67 VI Inhalt. pag-. IV. DieBeweg-ung-serscheinung-endeiMyxomyceten. . . . 69 Culllvirung' von Didymiuni serpula , . . , 70 Die hyaline Randschicht » . . . 71 Die fliessende Körnerschicht 72 Abhäng-ig-keit des geradlinig-en Fliessens von den Contractionen der peripherischen Ausbreitungen 72 Die g-eradlinig fliessende Masse ist contraclil, wie die Randschichten . 73 Elektrische Reizung'. Contractionen und Zerstörungen 74 Locale Reizung- durch Induclionsschläg:e 77 Der künstliche Muskel 81 Verhalten g'egen Reag-entien 82 Einfluss der Concenlration des umgebenden Mediums ...... 83 Einfluss von Salz und Zuckerlösung-en ........... 84 Einfluss des Veratrins . 86 Wärmetetanus , 87 Wärmestarre . 87 Einfluss der Entziehung- des Sauerstoffs ...,,,..... 88 Wirkung- der Kohlensäure und des Wasserstoffs ....'.... 89 V. Die Be-weg-ung-serscheinung-en in den Zellen der Slaub- fadenhaarevonTradescantiavlrginica . . . . . . . 92 Die geradlinige Strömung- der Körnchen ist abhängig von Contractionen des Protoplasma 93 Elektrische Reizung 94 Wiederkehr der Strömung nach dem Slilislande durch Reizung . . 96 Locale Reizung und partieller Stillstand der Be-v\'egung 97 Ursachen des Aufhörens der Strömung 98 Einfluss des Constanten Stroms 99 Einfluss von Reagentien und Giften ............ 100 Wirkung von Temperaturen unter O" .....,, 100 Gefrieren und Wiederaufthauen .............. 101 Vegetabilische Amoeben 101 Neubildung des fliessenden Netzes aus vegetabilischen Amoeben . . 102 Wärmetetanus . 102 Wärmestarre 103 Vom Einflüsse der Luft 104 Entziehung des Sauerstoffs .105 Wirkung der Kohlensäure und des Wasserstoffs 106 VI. Das Protoplasma der Zellen des Bi ndege-webe s . . . . . 109 1, Nackte Zellen mit unregelmässigen Kernen ........Hl 2, Nackte Zellen mit unregelmässigen bläschenförmigen Kernen . . Hl 3, Zellen mit grobkörnigem Protoplasma 112 Be-wegungen des Protoplasma dieser Zellen . ♦ 113 Vergeblicher Versuch durch elektrische Reize Contractionen zu erzeugen 115 Veränderungen der Zellen in Wasser und in Reagenlien ..... 117 Auftreten von Hohlräumen in der Grundsubstanz ........ 119 Isolirung der Zellen 119 Veränderungen der Zellen beim Absterben .......... 121 Veränderungen bei 400 C 121 Inhalt. VII paff. VII. DasP 10 toplasmaderZelleninder Cornea 123 Bewegung-scrscheinuiigen dieses Protoplasma 124 Contractionon durch Reize ....-.......*... 126 Veränderung-en nach dem Tode und bei 40ö C 130 Vlll. A. Die Verbindung- des Protoplasma mit Nervensubslanz. Nerven der Cornea 132 Auffallender Nervenreichthuni der Cornea 133 Eintritt und Verbreitung- der Nerven 134 Verhallen der Markscheide und der Sck)vun7i'schen Scheide .... 135 Endigung der Nerven in Zellen 136 Untersuchung der Nervenverbreitung und Endigung an Chromsäure- präparalen 140 Veränderungen der Cornea in Chromsäure von 0,1 und 0,01 p. C. . 141 B. Von der Wirkung der Nerven auf das Protoplasma. F u n Ol i o n d e r C o r n e a n e r V e n 146 Direcle und indirecte Reizung der Corneazellen durch Inductions- schläge. Reizung dos Centrums und des Randes der Cornea . . 147 Reizung- nervenhaltiger und nervenfreier Zipfel der Cornea .... 151 Mechanische Reizung des Randes der Cornea 152 Findet eine Theilung der Zellen bei der Contraction statt? .... 153 I. Die Eiweisskörper der Miiskelsubstaiiz. Die contractilen Theile niederer tliierischer Organismen, die Sarkode, das Protoplasma der Pflanzenzellen, und alle jene breiigen Massen die wir als contractile Substanzen zu bezeichnen pflegen, zeigen in ihrem chemischen Verhalten eine unverkenn- bare Aehnlichkeit untereinander sowohl^ wie mit dem Inhalte der Muskelfaser. Man mag einen Unterschied zwischen geformten contractilen Substanzen und ungeformten festhalten, und dabei zwei grosse Gruppen scheiden, solche welche nur kleine ein- fach lichtbrechende Körnchen enthalten und solche welche doppeltbrechende Disdiaklasten enthalten, immer wird man aner- kennen müssen, dass die eigentliche Grundsubstanz in welche die kleinen festen Körper eingebettet liegen, in beiden Gruppen einige Eigenschaften besitzt, die wir in der Muskelsubstanz und in den contractilen Theilen aller Thiere und selbst der Pflanzen wieder- finden. Dahin gehört vor allen Dingen die sogenannte spontane Coagulation dieser Substanzen nach dem Aufhören der Bewegungs- erscheinungen, und nach übermässiger elektrischer Reizung, und das ganz constante Eintreten dieser Gerinnungen, selbst wenn die Substanz mit solchen Reagentien behandelt wird, die das soeben ausgeschiedene Gerinnsel sogleich wieder lösen. Ferner zeichnen sich die contractilen Substanzen vor allen andern bekannten in der Natur vorkommenden Gemischen von Eiweisslösungen aus, durch ihre Coagulation bei verhältnissmässig niederen Tempe- raturen. Ausser den contractilen Substanzen kennen wir keine natürlich vorkommende Eiweisslösungen die zwischen 35 o C. und 500 Q. gerinnen. Kühne, Unlersuchung'en. 1 2 I. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. Die angegebenen Charaktere sind der Art, dass sie selbst bei mikroskopisch kleinen Organismen aufgefunden werden können. Sie gehören zu den mikrochemischen Reactionen, und es wäre sehr zu wünschen, dass die contractilen Substanzen niederer Organismen auch einer ausgedehnteren mikrochemischen Unter- suchung unterworfen würden. De Barifs Aufforderung das Proto- plasma der Myxomyceten dafür besonders zu berücksichtigen, konnte ich leider bisher aus Mangel an ausreichendem Material nicht nachkommen, und ich beschränke mich darum hier auf die Mittheilung einiger Untersuchungen über die Eiweisskörper des Muskelgewebes der Wirbelthiere, deren Resultate von Interesse sein werden für das Verständniss desjenigen, was später über die verschiedensten contractilen Substanzen berichtet werden soll. Methoden zur Gewinnung des Muskelinhalts. Muskelplasma. Durch Auspressen von Blut befreiter Froschmuskeln kann man bekanntlich einen Theil der flüssigen Muskelsubstanz rein isoliren, und aus den Sarkolemmschläuchen in Glasgefässe über- füllen. Es war jedoch wünschenswerth andere, einfachere Methoden zu besitzen, die womöglich auch gestatteten die Muskelflüssigkeit in grösseren Mengen zu gewinnen. Will man durch Auspressen oder Auswalzen die Sarkolemmröhren entleeren, so pflegt durch den mechanischen Eingriff immer eine nicht unbedeutende Menge der Muskelsubstanz in den Apparaten zu coaguliren, und man erhält darum einen verhältnissmässig grossen Substanzverlust, der um so bedeutender ausfällt, je mehr Material auf einmal verarbeitet wird. Ich suchte deshalb nach einer Methode, die es gestatten sollte, einen Muskel möglichst zu zerkleinern, ohne dass die Gerinnung zu rasch an den Schnittflächen der Fasern erfolgte. Nachdem ich mich vergeblich bemüht hatte durch rasches Ein- trocknenlassen isolirter schmaler Muskeln des Frosches in einem massig warmen Luftstrome unveränderte Muskelsubstanz aus festen und pulverisirbaren Muskeln in erheblichen Mengen zu bereiten, bin ich schliesslich auf einem anderen Wege zu besseren Resultaten gekommen. Zuvor sei erwähnt, dass das rasche Eintrocknen einzelner hängender Froschmuskeln in der Nähe eines stark ziehenden Fensters auch bei massiger Zimmertemperatur recht gut gelingt. 1. Die Eiweisslvörper der Muskolsubstanz. 3 Der eingetrocknete Muskel nimmt aber eine so liornartige Beschaffenheit an, dass man ihn nicht pulvern, sondern nur in viele Quersclmitte zerkleinern kann. Versucht man ihn mit dem Messer zu zerschäben, so reissen die Muskelfasern in längeren Spähnen aus einander, und die gehörige Zerkleinerung wird ver- eitelt. Die feinen Querschnitte deren Herstellung sehr zeitraubend und mühsam ist, quellen ferner sehr langsam auf, und hierin liegt der Grund weshalb man auf diesem Wege keine genügende Menge von Muskelsubstanz in Lösung überführen kann. Weicht mau die Masse mit Kochsalzlösungen von etwa 1 p. C. auf, so erhält man zwar nach einiger Zeit eine filtrirbare Lösung, die auch nach einigen Stunden Gerinnsel absetzt, allein die Menge derselben ist sehr unbedeutend, da die Hauptmasse schon vor- her gerinnt, und die Muskelstückchen zu einem Klumpen vereinigt. Man sieht jedoch aus diesem Versuche, dass die Muskelsubstanz rasch eintrocknen kann ohne zuvor zu gerinnen, und erst nach- träglich sich ausscheiden kann aus einer Lösung der einge- trockneten Masse. Ich erwähne dieses Umstandes, weil er uns eine Differenz zwischen dem Verhalten des Blutes oder der Lymphe und der Muskelsubstanz zeigt. Breitet man Froschblut oder Lymphe selbst in äusserst dünnen Schichten über Glasplatten aus, so erfolgt die Gerinnung stets vor der raschen Ein- trocknung. Die Flüssigkeit breitet sich auf der Fläche aus wie Collodium, und die zurückbleibende trockene Haut quillt nur in Wasser oder in Na Gl von 1 p. C. ohne eine spontane gerinnbare Flüssigkeit zu liefern. Bekanntlich gefriert ein Froschmuskel bei etwa — 5— 7« C. zu einem festen Eisklumpen, ohne seine Erregbarkeit ganz zu verlieren. Nach dem Aufthauen wird er wieder weich, und durch- sichtig, er contrahirt sich auf hinlänglich kräftige Reize wieder und wird längere Zeit darauf, nach vorherigem Verluste der Er- regbarkeit, todtenstarr. Die Zeit des Eintritts dieser Verände- rungen ist abhängig von der Temperatur bei welcher der Muskel gefror und von der Dauer der Abkühlung, so dass im Allgemeinen ein Muskel ziemlich rasch zu Grunde geht, wenn man ihn lange bei sehr niederer Temperatur erhielt. Für meine Zwecke habe ich es vortheilhaft gefunden die Muskeln bei einer Temperatur zwischen — 7 u. — lOo C. etwa 3 Stunden lang zu erhalten, und dann zur Verarbeitung des Eises zu schreiten. Solche Muskeln bleiben nach dem Aufthauen in einem auf 15 o C. geheizten Zimmer durchschnittlich noch 6 Stunden erregbar und es war deshalb 1* 4 I. Die Eiweisskorper der Muskelsulbstanz. vorauszusetzen, dass auch die darin enthaltene Flüssigkeit noch ihre normalen Eigenschaften besitzen würde. Schneidet man die Muskeln der Unterschenkel von 8—12 durch Injection mit einprocentiger Kochsalzlösung von Blut ge- reinigten Wasserfröschen einzeln, ohne sie an ihren Oberflächen zu verletzen, herunter, so kann man sie zu einem compacten Haufen vereinigt bei der bezeichneten Temperatur in etwa 3 Stunden in einen zusammenhängenden festen Eisklotz verwandeln. Derselbe lässt sich im Freien mit kalt gehaltenen grossen Messern ziemlich leicht in Scheiben zerschneiden, die man in einem stark gekühlten Porzellanmörser mit einem in Holz gefassten und vorher ebenfalls der Kälte ausgesetzten Posteil vollständig in ein schneeartiges Pulver verwandeln kann, Die Arbeit ist allerdings ziemlich an- strengend; sie muss im Freien bei strenger Kälte vorgenommen und nicht zu hastig vollendet werden, da man sonst Gefahr läuft, die Masse durch Reibung zu erwärmen. Bringt man diesen Muskelschnee in das erwärmte Zimmer, so thaut er schon bei — 30 C. zu einer syrupartigen, sehr trüben Flüssigkeit auf, welche einzelne Sehnenfasern und daneben noch einzelne grössere Muskel- stückchen enthält. Von diesen Verunreinigungen kann sie durch ein grobporiges Leinenfilter getrennt werden, das jedoch nur einige wenige Tropfen durchlässt, und sich dann verstopft. Der letzte durchfallende Tropfen pflegt im Verhältniss zu den zuerst durchgedrungenen ziemlich klar zu sein; er besitzt eine gelbliche Farbe und verwandelt sich^ wenn man ihn auf eine bis zur Zimmertemperatur erwärmte Porzellanplatte fallen lässt, augen- blicklich in einen festen ziemlich durchsichtigen Kuchen, der erst beim Aufheben von der Platte sich zu trüben beginnt. Die Masse auf dem Leinenfilter lässt sich giessen wie eine zähe Flüssig- keit, beim Blasen auf ihre ganz ebene Oberfläche wirft sie Wellen, mit einem abgekühlten Glasstabe kann man Tropfen herausheben, die nur sehr wenig Neigung zum Fadenziehen zeigen, so dass Niemand darüber in Zweifel gerathen wird, dass der Muskelschnee zu einer trüben, aber nicht ungewöhnlich zähen Flüssigkeit aufthaut. Lässt man einen leidlich klar durch Leinen filtrirten Tropfen in Wasser von 0" fallen, so verwandelt er sich sofort in eine weisse undurchsichtige Kugel, die anfangs fast die Festigkeit des Kaut- schuks besitzt, und erst nach längerem Liegen in destillirtem Wasser weicher wird. Ein Tropfen der Flüssigkeit in Salzsäure von 0, 1 p. C. fallen gelassen wird ebenfalls sogleich fest, während des Untersinkens löst er sich jedoch von den Oberflächen her durch- I. Die Eiweissköiper der Muskelsnbstanz. 5 sichtig werdend, vollständig wieder auf. Lässt man einen Tropfen der Flüssigkeit in Kali von 0, 1 p. C. fallen, so gerinnt er eben- falls sofort, und löst sich beim Untersinken sehr rasch wieder auf. Die auf dem neuen Wege erhaltene Muskelflüssigkeit reagirt deutlich alkalisch, und behält diese Reaction auch, wenn sie bereits sehr schleunig geronnen ist. Drückt man den auf einer nicht gekühlten Porzellanplatte erstarrten Tropfen gegen violettes Lack- muspapier, so färbt sich dasselbe deutlich blau. Wie gesagt ist es unmöglich irgend erhebliche Mengen dieser Muskelflüssigkeit zu filtriren, und ich muss mich darum mit der Angabe begnügen, dass sie in einem abgekühlten Gefässe unter Qo C. lange Zeit flüssig bleibt. Ich habe sie in einem mit Schnee gekühlten Gefässe viele Tage lang flüssig erhalten können ; die Muskel- und Sehnenstückchen zeigten trotzdem jedoch keine Neigung sich darin zu senken, noch stiegen sie an die Oberfläche empor. Lässt man das damit gefüllte Gefäss 2 — 3 Stunden im geheizten Zimmer stehen, so wird der Inhalt fest, das Gefäss lässt sich ohne Gefahr umdrehen, und die Masse hat nun ihre Flüssig- keit eingebüsst. Mit einem Glasstabe erzeugt man darin ein Loch, wie wenn man in gelatinirten Leim gestossen hätte, mit dem die erstarrte, geronnene Masse überhaupt anfangs die grösste Aehnlichkeit hat. Die Erstarrung der Muskelflüssigkeit beginnt an den der Glaswand zunächst gelegenen Theilen, und vorzugsweise an Stellen der Oberfläche, welche von Staubpartikeln verunreinigt sind. Hier bilden sich weisse Puncte, die allmählich an Grösse zunehmen und zur Bildung gelatinöser Schollen auf der Oberfläche führen. Will man den Eintritt der Gerinnung in einem Becherglase z. B. be- obachten, so ist es nöthig, dasselbe vorher stark abzukühlen, denn ohne diese Vorsicht bildet die Flüssigkeit beim Auffallen auf den Boden des Glases gleich festere Kegel, von denen aus die Gerinnung später durch die übrige Masse fortschreitet. Während dieser Vorgänge mehren sich die Consistenzveränderungen ganz allmählich, es wird immer schwerer die Flüssigkeit zu giessen, bis sie endlich durch ihre eigene Schwere keine Gestaltver- änderungen mehr erleidet. Da die Masse au und für sich schon trübe ist, so lässt sich auch nicht durch den blossen Augenschein entscheiden, ob die Gerinnung von einer Trübung begleitet wird. An einem massig klar durch Leinen gegangenen Tropfen sieht man jedoch die Trübung, wie schon erwähnt, nach eingetretener Gerinnung beginnen. Nach 4 stündigem Aufenthalte in einer 6 I. Die Eiweisskörper der Muskelsubsfanz. Temperatur von lö» C. reagirt die Masse in der Regel deutlich sauer, jedoch habe ich diesen Umschlag der Reaction bisweilen auch erst am andern Tage eintreten sehen. Zu dieser Zeit kann man auch beim Umkehren des Gefässes geringe Mengen ausge- presster dünner Flüssigkeit von schwacher Opalescenz gewinnen, die beim Erwärmen auf 45 o C. starke flockige Gerinnsel absetzen. Lässt man das Gerinnsel gefrieren und wieder aufthauen, so wird seine Consistenz nicht im mindesten geändert. Aus diesem Versuche geht zur Genüge hervor, dass das Gefrieren und Wieder- aufthauen keinen Einfluss auf den Aggregatzustand des Muskel- inhalts ausübt und dass uns folglich diese Darstellung der Muskelflüssigkeit am besten über die Beschaffenheit des Muskel- inhalts belehren kann. Ein Versuch die Muskelflüssigkeit mit einer Kochsalzlösung von 1 p. C. zu verdünnen scheiterte an der beim Mischen mit dem Glasstabe erfolgenden Gerinnung, und ich war deshalb genöthigt zur Darstellung grösserer Mengen reiner und filtrirter Muskel- flüssigkeit einen anderen Weg einzuschlagen. Eine abgewogene Menge Schnee, wurde mit so viel Kochsalz in abgekühlten Gefässen versetzt, dass daraus eine Lösung von 1 p. C. des Salzes hervorgehen musste. Die gefrorenen und in Scheiben zerschnittenen Muskeln wurden mit der 4 fachen Menge ihres Gewichts des Gemenges von Schnee und Salz sehr innig zerrieben und die so gewonnene breiartige Masse auf ein Leinen- filter geworfen, durch welches sie schon bei — 3° C. flüssig durch- filtrirte. Nach dem Filtriren durch Leinen that ich die immer noch nicht bis 0*^ erwärmte Flüssigkeit auf mehrere Papierfilter, die in stark gekühlten Trichtern steckten und mit abgekühlter Kochsalzlösung von 1 p. C. angefeuchtet waren. Die verdünnte Muskelflüssigkeit filtrirt im Anfange ziemlich gut. Beginnen die Filter sich zu verstopfen, so müssen sofort neue in Gebrauch genommen werden. Auf diese Weise bekommt man ohne grossen Zeitverlust aus der aufgethauteu Masse eine sehr bedeutende Quantität eines schwach opalescirenden Filtrats, das sich zienjlich ähnlich verhält, wie die nicht verdünnte Muskelflüssigkeit. Die Gerinnung derselben tritt durchschnittlich eben so rasch ein, wie dort, mit dem Unterschiede jedoch, dass einzelne Tropfen auf ungekühlten Glasplatten nicht sofort gerinnen, sondern sich erst ausbreiten und sich später unter starker Trübung in leicht zer- reissliche Membranen umwandeln. Bei der Gerinnung grösserer Mengen dieser verdünnten Flüssigkeit in Bechergläsern, beobachtet I. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. 7" man ebenfalls zuerst eine Ausscheidung gelatinöser Schichten an den Glaswänden. Gleichzeitig tritt eine sehr starke Trübung ein, es kommt ein Zeitpunct, wo das Ganze erstarrt und selbst beim Umdrehen des Glases nicht herausfällt, bis endlich das Gerinnsel etwas zusammenfällt, Neigung zur Umwandlung in Flocken und Häute zeigt, und eine grosse Menge stark opalescirender, und auch so trübe filtrirender dünner Flüssigkeit ausstösst. Vor der Gerinnung besitzt die Flüssigkeit etwa die Consistenz von zerschnittenem und durch Leinen filtrirtem Hülmereiweiss, sie gerinnt sofort beim Erwärmen auf 40° C. ganz wie Hühner- eiweiss beim Kochen, und verhält sich zu Wasser, verdünnter Salzsäure und Alkalien gerade wie die unverdünnte Muskel- flüssigkeit. Eigenthümlich ist ihr Verhalten zu fast gesättigter Koch- salzlösung. Lässt man einen dünnen Strahl der Lösung durch ein fein ausgezogenes Glasrohr auf den Boden der specifisch schwereren Kochsalzlösung fliesseu, so erhält sie sich darin in Form eines festen Stranges. Während dieser an die Oberfläche steigt, zerbröckelt er jedoch und löst sich vollständig wieder auf zu einer schwach opalescirenden Lösung. Die Muskelflüssigkeit enthält also einen Eiweisskörper, der durch concentrirte Salz- lösungen erst gefällt und später darin wieder gelöst wird. Zur Ausscheidung des spontan coagulirenden Eiweisskörpers habe ich es vortheilhaft gefunden, die verdünnte Muskelflüssigkeit in destillirtem Wasser rasch zur Coagulation zu bringen. Soll der Eiweisskörper ausgewaschen und auf Filtern gesammelt werden, so muss die Ausfällung mit einiger Vorsicht geschehen. Man füllt zu dem Ende einen hohen Glascylinder mit destillirtem Wasser und lässt die Eiweisslösung tropfenweise hineinfallen. Die Tropfen verwandeln sich dabei sogleich in feste erbsengrosse Kugeln, die auf den Boden fallen und sich dort lagern ohne zu- liammenzukleben. Fliesst etwas Flüssigkeit in rascherem Strahle in das Wasser hinein, so verwandelt sie sich in lange solide cylindrische weisse Stränge, denen man durch richtiges Reguliren des Zuflusses eine colossale Länge geben kann. Nicht selten haftet ein grösserer Tropfen an der Oberfläche des Wassers fest, und in diesem Falle sieht man ihn wie einen zierlich gefalteten Beutel herabhängen. Bei vorsichtigem Zufliessenlassen der Muskel- flüssigkeit in solche Beutel, dehnen sich dieselben bisweilen stark aus; das Innere ist dabei noch flüssig und nur umgeben von einer schönen, sackförmigen, milchweissen Membran aus coagulirtem 8 I. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. Eiweiss. Zerschneidet man einen an der Oberfläche haftenden Beutel mit der Scheere, so bilden sich daraus häufig zwei Kugeln, indem sich die Schnittstelle sogleich durch ein neugebildetes Coagulat wieder schliesst. In andern Fällen zerplatzt der Beutel zu rasch, und sein Inhalt ergiesst sich auf einmal in das Wasser, worin er in Form feiner Flocken coagulirt. Diese Coagulations- form ist es, welche vermieden werden muss, wenn man das Coagulat auf Filtern sammeln will, denn dasselbe ist so fein ver- theilt und gallertig, dass es die Filter verstopft. Es kann kein Zweifel darüber sein, dass die hier entstehenden Gerinnsel identisch sind mit der Substanz, die sich bei der Todten- starre im Muskel ausscheidet, und wir haben es bei seiner Fällung durch Wasser augenscheinlich mit demselben Vorgange zu thun, der stattfindet, wenn man einzelne lebende Muskelfasern rasch in destillirtes Wasser untertaucht. Gegen verdünnte Salzsäure und Alkalien, in denen der Muskel ebenfalls sogleich starr wird, bevor er seine Durchsichtigkeit und Biegsamkeit wieder gewinnt, verhält sich unsere Flüssigkeit, wie wir sahen, ganz ähnlich. Sie wird erst gefällt, und das Gerinnsel gleich darauf wieder gelöst. Verhalten des Muskelgerinnsels. Myosin. Trotz meines schon in früheren Arbeiten über die Todten- starre ausgesprochenen Protestes gegen die Ansicht, dass der lebende Muskel Syntonin enthalte, hat man mir doch die Ent- deckung der spontanen Gerinnbarkeit des Syntonins zugeschrieben. Man ist in seiner Fürsorge mir diese Entdeckung zu wahren so- weit gegangen, zu bedauern, dass man leider noch immer nicht untersucht habe, ob das Muskelgerinnsel auch aus Syntonin be- stehe. Wer meine Untersuchungen über die Todtenstarre ganz gelesen hat, wird mich von der genannten Entdeckung hoffent- lich frei sprechen, denn ich habe nirgends darin Veranlassung gegeben, mir die Meinung unterzuschieben, dass das Syntonin sich überhaupt aus einer Lösung plötzlich ausscheiden könne, wie Fibrin aus Plasma, oder wie das Muskelgerinnsel aus der Muskelflüssigkeit. Das Muskelgerinnsel reagirt , wenn es sorgfältig ausge- waschen ist, vollständig neutral , bildet feucht eine weisse wenig durchsichtige Masse und sieht im trockenen Zustande gelb aus. I. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. 9 wie die meisten trocknen Eiweisskörper. Durch die gelbe Fär- bung, die es beim Kochen mit Salpetersäure annimmt und durch die orangenrothe Farbe, die auf Zusatz von Ammoniak entsteht, sowie durch die AMofi'sdie Reaction kennzeichnet es sich zur Genüge als ein Eiweisskörper. Es enthält Schwefel in zweierlei Verbindungen, denn es färbt sich beim Kochen mit Kali und Blei- oxydhydrat schwarz, und liefert endlich nach dem Kochen mit Kali ein Product, das nach dem Schmelzen mit Salpeter und Soda Schwefelsäure enthält. Das Gerinnsel ist unlöslich in Alkohol und in Aether, und ferner unlöslich in Wasser. Dagegen löst es sich ausserordent- lich leicht in sehr verdünnten Säuren und Alkalien auf, aus denen es nicht ohne Veränderungen wieder ausgeschieden wer- den kann. Diese Lösungen verhalten sich genau wie die sauren und alkalischen Lösungen des Syntonins, allein gerade in diesem Verhalten liegt der beste Beweis für die Entstehungsweise des Syntonins, wie nachher gezeigt werden soll. Das Muskelgerinnsel löst sich leicht in neutralen Salzlösungen, wie in Kochsalz oder Salpeterlösungen aller Concentrationen. Wir haben bereits erfahren, dass die Muskelflüssigkeit von concen- trirten Kochsalzlösungen anfangs gefällt und später wieder gelöst wird. In der That löst sich auch das einmal ausgeschiedene Muskeleiweiss leicht in Kochsalzlösungen auf, in sehr verdünnten Lösungen wenig, in Lösungen bis zu 10 p. C. sehr leicht, und hierin liegt offenbar der Grund des verhältnissmässig langen Flüs- sigbleibens der Muskelsubstanz, wenn sie mit verdünnten Kochsalz- lösungen gemischt wird. Ebenso erklärt sich daraus, weshalb ein Muskel so lange in solchen Kochsalzlösungen erregbar bleibt, während er im Wasser, namentlich in destillirtem , gleich abstirbt. Wird das Gerinnsel nach dem Ablaufen des Wassers mit Koch- salzlösung von 1 p. C. sorgfältig zerrieben, so löst sich immer ein Theil davon auf, der sich erst nach langem Stehen im ge- heizten Zimmer in feinen Flocken wieder ausscheidet, und bei starker Verdünnung mit Wasser als eine feine Trübung ausgefällt wird. In Kochsalzlösungen von 10 p. C. löst sich das Gerinnsel zu einer syrupösen aber fast klaren Lösung auf, ohne sich nach längerem Stehen in der Wärme wieder auszuscheiden. Ein Muskel wird in dieser Kochsalzlösung anfangs starr, spä- ter hellt er sich jedoch wieder auf, und erscheint dann trotz des Verlustes seiner Erregbarkeit, ganz durchsichtig, wie ein frischer 10 1. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. Muskel, dem er auch in seiner Elasticität ziemlich ähnlich zu sein scheint. Aus diesem Verhalten des Eiweissl^örpers der Muskeln, den ich von jetzt an Myosin nennen werde, ergiebt sich auch eine Me- thode , den ursprünglich in den Muskeln enthaltenen Körper dar- zustellen, selbst wenn er sich darin schon geronnen ausgeschieden hat, wenn also die.Todtenstarre schon eingetreten ist. Da jeder todtenstarre Muskel in concentrirten Kochsalzlösungen wieder durchsichtig wird , so können wir damit auch aus beliebig altem Fleisch das Myosin extrahiren ^). Nur ist dazu eine möglichst feine Vertheilung der Muskeln erforderlich. Ich habe auf diesem Wege dieselben Resultate erzielt, wie die schon lange vor mir in einer wenig beachteten Arbeit von Denis (de Commercy)'^) angegebenen. Eine Kochsalzlösung von 10 p. C. scheint, wenn nur die Lösung andauernd und gehörig mit dem Fleische zerrieben wird, die grösste Menge des geronnenen Eiweisses wieder aufzulösen. Die Muskel- fasern werden dabei ganz gallertig und durchscheinend, und man erhält eine ähnliche schlüpfrige Masse, wie wenn man fein ge- wiegtes Fleisch zur Darstellung des Syntonius mit sehr verdünnter Salzsäure behandelt. Der erhaltene Brei lässt sich fast so schlecht wie aufgethauter Muskelschnee filtriren. Durch Papier filtrirt er gar nicht, durch Leinen nur äusserst langsam. Je- doch bekommt man nach längerer Zeit, namentlich nachdem das Leinen schon etwas schwerer durchgängig geworden ist, durch Drücken des Beutels eine verhältnissmässig durchsichtige syrupöse Flüssigkeit. Dieselbe verhält sich gegen Reagentien fast genau so wie die Muskelflüssigkeit selbst. Obwohl sie spontan nie coa- gulirt, so bildet sie doch tropfenweise in Wasser gebracht, die- selben harten Coagula, wie jene, und erstarrt auch in sehr ver- dünnter Salzsäure und Alkalien anfangs zu festen Kugeln, die sich nach einiger Zeit im Ueberschusse dieser Flüssigkeiten auflösen. Durch Kochsalzlösungen wird sie natürlich nicht gefällt, indessen kann man den Eiweisskörper, wie auch Denis berichtet, ausschei- 1) Es ist eine ganz bekannte Sache, dass bei der Conservirung des Fleisches durch Einpökeln Eiweisskörper in die Conservirung-sflüssig-keit überg-ehen. Meinem Freunde Dr. /. Rosenthal gelang es, den oben beschriebenen Eiweisskörper in nicht unbeträchtlichen Mengen, z. B. aus der Heringslacke und aus der Lacke von Pökelfleisch darzustellen. Im allgemeinen ökonomischen Interesse sei hier auf diesen nicht unwichtigen Gegenstand besonders verwiesen. 2) Nouvelles etudes chimiques, physiologiques et medicales sur les Substan- ces Albuminoides. Paris 1856 (Bailiiere). 1. Die Eiweisskörper der Muskelsiibstanz. 11 den, indem man die Lösung mit einem grossen Ueberschiisse von festem Kochsalz fein zerreibt. Die Substanz steigt darauf in Flocken an die Oberfläche der Salzlösung, von wo man sie ab- schöpfen Jnd wieder in lOprocentiger Kochsalzlösung auflösen kann. Die neue Lösung wird bei den genannten Behandlungen wieder gefällt. Extrahirt man gefärbte Muskeln mit Kochsalz- lösungen, so erhält man eine gefärbte Lösung, die in Wasser ge- lassen Gerinnsel von entsprechender Färbung giebt. Beim längeren Stehen mit Wasser geht jedoch der grösste Theil des Farbstoffs in das Wasser über, und die Gerinnsel bleichen fast vollstän- dig aus. Bei dieser Gelegenheit muss ich eines sehr merkwürdigen Um- standes erwähnen. Die Muskeln verlieren nämlich durch die Be- handlung mit 10 p. C. Kochsalzlösung ihre saure Reactiou. Selbst wenn sie noch so intensiv auf blaues Lackmuspapier reagirten, zeigt der mit der Salzlösung erhaltene Brei eher Hinneigung zur alkalischen Reactiou. Sowie jedoch das Mj osin mit Wasser daraus niedergeschlagen wird, reagirt das Letztere wieder deutlich sauer. Da es mir schien, als ob die concentrirte syrupöse Lösung das Lackmuspapier nicht ordentlich benetze, so habe ich mit Lackmus violett gefärbte Kochsalzlösungen auf die zerriebenen Muskeln gethan, allein ich sah auch hier eine Neigung zum Umschlagen der Farbe in Blau. Da ferner die concentrirte Lösung beim all- mählichen Verdünnen mit Wasser anfangs, wovon einer die Reaction auf Papier hindernden Zähflüssigkeit nicht mehr die Rede sein kann, mindestens deutlich neutral reagirt, so kann ich mit aller Bestimmtheit sagen, dass die saure Reaction des Fleisches in concentrirten Kochsalzlösungen verschwindet und erst wieder- kehrt, wenn das Myosin ausgeschieden ist. Ich werde an einem anderen Orte Gelegenheit nehmen, diesen merkwürdigen Gegen- stand ausführlicher zu erörtern. Die Löslichkeit des Myosins in Salzlösungen ist es, welche den entscheidenden Beweis liefert, dass dasselbe durchaus Nichts gemein hat mit dem Syntonin. Wird das Myosin durch Wasser ausgeschieden, so ist es immer wieder löslich in Kochsalz. Hat man den ausgeschiedenen Körper aber einmal gelöst in verdünnter Salzsäure, so kann man durch Neutralisation der Säure wohl eine Fällung erhalten, allein dieselbe ist ganz unlöslich in Salzlösungen, ist darin so unlöslich wie Syntonin. Ebenso verhält sich der Niederschlag, welchen man durch Neutralisation des in verdünnten Alkalien gelösten Myosincoagulats erhält. Auch dieser ist ganz un- 12 I. Die Eiweisskörper der Muskelsubslanz. löslich in Kochsalz, löst sich aber mit Leichtigkeit in verdünnten Säuren und Alkalien auf, wiederum genau so, wie das Syntonin. Das Muskelserum. Muskelserum nenne ich die Flüssigkeit , welche von dem Muskelgerinnsel ausgepresst wird. Wie schon erwähnt, erhält man diese Flüssigkeit aus aufgethautem Muskelschnee, nachdem das im Muskelplasma auftretende Gerinnsel längere Zeit ge- standen hat. Die Reaction dieses Serums ist nur in dem Falle alkalisch oder neutral, wenn es aus einem sehr rasch entstandenen Gerinnsel ausgetreten ist. Einige Stunden der Zimmerwärme überlassen wird es nachträglich immer sauer. Im verdünnten Zustande , aber mit allen wesentlichen Merkmalen ausgestattet, kann man das Muskelserum darstellen , indem man das nach den verschiedensten Methoden dargestellte Muskelplasma in Wasser tropfen lässt. Das Myosin scheidet sich aus und das abfiltrirte Wasser enthält das Muskelserum. Ferner erhält man das Muskelserum, wenn man einfach todtenstarre, von Blut gerei- nigte Muskeln mit destillirtem Wasser auslaugt. Je nach dem Grade der sauren Reaction coagulirt das Muskel- serum bei sehr verschiedenen Temperaturen, und da die Säure- menge darin mit der Zeit bis zu einem Maximum zunimmt, so sind diese Temperaturen abhängig vom Alter des Serums, oder dem der Muskeln, wenn es durch Auslaugen todtenstarrer Muskeln gewonnen wurde. Betrachten wir zunächst das unverdünnte Serum. Dasselbe coagulirt, wenn es noch ganz frisch ist und schwach alkalisch, neutral oder schwach sauer reagirt bei 45° C, je nach seiner Reaction auf Lackmus unter Abscheidung einer milchigen Trübung oder in Flocken, die in einer fast klaren Flüssigkeit schwimmen. Wird es 24 Stunden lang auf 25 — 30*^ C. erwärmt, so scheiden sich auch bei dieser niederen Temperatur unter Eintritt .einer sehr stark sauren Reaction in der milchig werdenden Flüssigkeit, grosse, flockige Gerinnsel aus, deren Entstehung ausschliesslich durch die Zunahme der freien Säure bedingt ist. Bei Verhütung der sauren Reaction durch Zusatz von kohlensaurem Kalk, oder beim Stehen- lassen in der Kälte tritt auch nach 24 Stunden keine Trübung ein, selbst wenn man das abgekühlte Serum später rasch bis auf 40*^ C. erwärmt. Dagegen gelingt es leicht, das Serum bei vorsichtigem Ansäuern mit Milchsäure, Essigsäure oder Salzsäure anfangs klar 1. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. 13 ZU erhalten, aber nach Verlauf einer Stunde bei 25 — 30° C. schon gerinnen zu machen. Die Gerinnung bleibt natürlich aus , wenn man die Säure nachträglich mit einer Base wieder abstumpft, denn man bekommt dann wieder eine Flüssigkeit, welche erst bei 45" C. gerinnt. Da sich nun nicht allein das aus Muskelschnee gewonnene Serum in der eben genannten Weise verhält, sondern auch das in todtenstarren Muskeln enthaltene, und das auf irgend einem an- dern Wege dargestellte, so wird es leicht begreiflich, wie man in allen diesen Flüssigkeiten Coagulationen bei sehr verschiedenen Temperaturen eintreten sehen kann, und andrerseits geht daraus hervor , dass man durch Auslaugen todtenstarrer Muskeln mit Wasser Flüssigkeiten gewinnen muss , die bei sehr verschiedenen Temperaturen gerinnen. Sind die Muskeln kaum todtenstarr ge- worden, so gelingt es nach rasch ausgeführter Zerkleinerung, durch flüchtiges Kneten des Fleisches selbst mit destillirtem Wasser eine Flüssigkeit auszuziehen, welche sehr schwach sauer reagirt, und beim Stehen in der Wärme nachsäuert. Aus diesem Grunde kann auch ein solches Extract schon bei massiger Wärme unter 40° C. gerinnen. Hat dagegen eine grosse Quantität Wasser län- gere Zeit auf die kaum erstarrten Muskeln eingewirkt, oder hat man altes, scharf saures Fleisch nur mit wenig destillirtem Wasser ausgezogen, so besitzt das Extract schon das Maximum des Säure- grades ; was durch die Säure ausgeschieden werden konnte , hat sich schon in den Muskelfasern abgelagert, und die abfiltrirte Flüssigkeit gerinnt darum nicht eher als bei 45^' C, selbst wenn sie noch so lange an einem warmen Orte gestanden hatte. So begreift es sich auch , weshalb ein todtenstarrer Muskel mit der Zeit immer trüber und undurchsichtiger werden muss, und weshalb diese Trübung in der That sich etwas aufklärt, wenn man diese Muskeln mit schwach alkalisch gemachtem Wasser extrahirt, hin- reichend um die saure Reaction nicht ganz abzustumpfen. Wird das so gewonnene Extract wieder etwas stärker angesäuert, so gerinnt es auch bei niederer Temperatur als 45" C. Es kann dann schon bei 40° C. und bei 35" C. coaguliren. In der Abhängigkeit der Gerinnselbildung von dem Säuregrade, stimmt das Muskelserum auffallend überein mit den von A. Rolletl studirten Lösungsgemischen aus Kalialbuminat und phosphor- saurem Natron. Die einfachsten Reactionen zeigen uns, dass dieses Phosphat, wie bekannt, gerade im Muskelserum in reich- licher Menge enthalten ist , und wir können darum erwarten, darin 14 I. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. genau dieselben Reactionen zu finden, welche Rolldt an seinem Lösungsgemische wahrnahm. Man braucht in der That nur das Muskelserum mit irgend einer Säure, mit Milchsäure oder Essig- säure z. B. hinreichend anzusäuern, um den bekannten Nie- derschlag des ausgefällten Albuminats zu erhalten. Das Aus- bleiben dieser Fällung selbst bei sehr deutlicher saurer Reaction, das man immer wahrnimmt bevor ein bestimmter Ueberschuss der Säure zugesetzt wurde, erklärt sich hier aus demselben Grunde, wie das Klarbleiben einer Lösung von Kalialbuminat mit phosphor- saurem Natron, selbst wenn die Letztere mit Essigsäure oder Milchsäure ziemlich stark angesäuert wurde. Ich zweifle nicht an der Richtigkeit der von Rollett ausgesprochenen Vermuthung, dass die Fällung des Kalialbuminats beim Beginne der sauren Reaction nur deshalb nicht eintritt, weil sich das gewöhnliche phosphorsaure Natron erst in das saure Phosphat verwandelt, denn ich fand, dass weder das Kalialbuminat, noch das Muskelserum durch eine Lösung von reinem saurem phosphorsaurem Natron gefällt wurde. Ist erst die ganze zugesetzte Salzmenge in dem Rolletf ^oh^w Gemische in saures Salz umgewandelt, so erzeugt der geringste Ueberschuss der zugesetzten Säure sogleich eine Trübung, und je nach dem Grade derselben gerinnt nun die Lösung bei verschiedenen Tem- peraturen, die bis auf 35^ C. hinabreicheu können. Eine solche Opalescenz oder Trübung zeigt nun auch das saure Muskelserum immer, wenn es unter 45° C. zu Flocken ge- rinnt, und diese Trübung klärt sich stets etwas, wenn man die freie Säure abstumpft mit gewöhnlichem phosphorsauren Natron. Dabei wird zugleich die Coagulationsfähigkeit unter 45^ C. auf- gehoben. Wenn ich nun auch der Meinung bin, dass das Muskelserum immer Kalialbuminat neben phosphorsaurem Natron enthält, so muss ich doch daran festhalten, dass ausserdem noch ein beson- derer Eiweisskörper darin existirt. Dieser Körper ist derjenige, der die Coagulation bei 45° C. veranlasst. Der Grund zur An- nahme eines besonderen dritten Eiweisskörpers, oder, wie auch zugegeben werden kann , eines dritten , trennbaren Lösungs- gemisches, liegt in der Unabhängigkeit der Coagulation bei 45° C. von dem Säuregrade. Ursprünglich alkalisches, oder saures nach- träglich sehr schwach alkalisirtes oder gerade neutralisirtes Mus- kelserum gerinnt ausnahmslos bei 45° C. Die Gerinnung tritt bei dieser Temperatur sogar noch ein, wenn man durch vorsichtigen Säurezusatz zuvor sehr viel Kalialbuminat ausgefällt, und durch I. Die Eiweisskörper der Muskelsuhstanz. 15 ein Filter entfernt liat. Diese Umstände treffen für das Rolieä^sche Gemisch nicht zu, und sie dienen daher zum Beweise für die Zu- sammensetzung des Muskelserums aus mehreren Eiweisslösungen. Wie bekannt , coagulirt ein grosser Theil des Eiweisses im Muskelserum erst bei höherer Temperatur, die man etwa auf 7ö<^ C. veranschlagen kann. Ich habe diese spät coagulirenden Eiweisslösungen, die man durch längeres Erwärmen des Muskel- serums auf 450 C, und Abiiltriren des Coagulats isoliren kann, nicht weiter untersucht, nicht nur weil sie für den Muskel nicht specitisch sind, sondern auch, weil ich mich damit auf eine zu aus- gedehnte Untersuchung des Eiweisskörpers überhaupt hätte ein- lassen müssen. Nach dem Mitgetheilten besteht das Muskelserum aus drei trennbaren Lösungsgemischen : 1) Aus einer Lösung von Kalialbu- minat mit phosphorsaurem Natron; 2) aus einer Lösung, die bis zu einem gewissen Grade unabhängig von ihrer Reaction gegen Lackmus bei 45*^ C. gerinnt, und 3) aus einer erst gegen 75« C. gerinnenden Eiweisslösung. Das Syntonin. Der frische Muskel reagirt alkalisch und müsste, wenn er Syntonin enthielte, Reactionen zeigen, wie eine alkalische Syntonin- lösung. Keine der uns bekannten Reactionen des frischen Muskels spricht indessen für die Existenz dieses Körpers darin, und es könnte darum höchstens in Frage kommen, ob ausser den bis jetzt beschriebenen Körpern der Muskelsubstanz noch Syntonin daneben vorkomme. Augenscheinlich verliert selbst eine bejahende Ant- wort dieser Frage sehr an Interesse, wenn wir sehen, dass die andern Körper bei weitem die überwiegende Menge des Muskel- eiweisses bilden, und wenn wir dann aus Muskeln trotzdem grosse Mengen von Syntonin darstellen können, so würde die Antwort zugleich aussagen, dass das Syntonin auch aus anderen Eiweiss- körpern erst durch die angewendeten Lösungsmittel entstehen könne. Ich will beim Syntonin so wenig wie bei den Eiweisskörpern des Muskelgewebes auf die elementare, procentische Zusammen- setzung eingehen, denn Jedermann weiss, dass ihre Keuntniss uns um keinen Schritt weiter bringt, so lange wir gar keine Garantien für die Reinheit der zur Analyse verwendeten Dinge besitzen. Wir müssen uns vor der Hand bei den Eiweisskörpern auf einige 16 I. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. Keactionen beschränken, und können damit auch ganz zufrieden sein, wenn diese uns einige Erscheinungen , die wir an den Ge- weben der Organismen wahrnehmen, begreiflich machen. Will man die Reactionen des Syntonins kennen lernen, will man namentlich sehen, wodurch sich seine Lösungen vor denen anderer Eiweisskörper auszeichnen, so muss vor allen Dingen Gewicht darauf gelegt werden, dass man auch nur Syntonin in der Lösung habe. Zu dem Ende darf man z. B. nicht zerhackte Froschmuskeln mit wenig Salzsäure von 0, 1 p, C. zu einem Brei anrühren und abpressen , denn die so erhaltene zähe Flüssigkeit kann ausser dem Syntonin noch Kalialbuminat mit phosphorsaurem Natron, und andere nicht wie Syntonin sich verhaltende Körper enthalten. Zur Darstellung des Syntonins ist es vielmehr erforder- lich eine beträchtliche Menge der verdünnten Säure anzuwenden, und man kann nur dann sicher sein, eine Lösung zu erhalten, die alle Charaktere des Syntonins besitzt, wenn dieselbe auch beim Kochen nicht gerinnt. Ich habe mir Syntonin aus Froschmuskeln dargestellt, indem ich die von Blut befreiten Muskeln sehr fein zerhackte, mit Wasser nach LieMg's Vorschrift so lange extrahirte bis das Waschwasser keine Trübung mehr mit Salpetersäure gab, und den bläulich grauen bei 0^» stets vor Fäulniss geschützten Muskelklumpen 24 Stunden lang mit dem 10 fachen Volumen Salzsäure von 0, 1 p. C. behandelte. Die filtrirte saure Lösung wurde durch Neutralisation mit kohlensaurem Natron gefällt, das Präcipitat erst durch Decantiren später durch Waschen auf dem Filter mit destillirtem abgekühlten Wasser vollkommen gereinigt, und die gelatinösen Häute vom Filter theils in Salzsäure von 0, 1 p. C. theils in kohlensaurem Natron von 1 p. C. gelöst, und die Lösungen filtrirt. Je länger man das Syntonin auswäscht, oder auch vor fauligen Zersetzungen geschützt auf dem Filter feucht erhält, desto schwerer löslich wird es, und man thut darum gut die Operationen soviel wie möglich zu beeilen, selbst wenn man über eine vor Fäulniss schützende niedere Temperatur dauernd dis- poniren kann. Die Reactionen des Syntonins, die in einigen gebräuchlichen Handbüchern der physiologischen Chemie anders beschrieben werden, als ich sie finde, sind folgende: Die Lösung in Salz- säure von 0, 1 p. C. coagulirt nicht beim Kochen, wird kalt ge- fällt durch: Chlornatrium, Chlorammonium, Chlorcalcium, schwefel- saures Natron und schwefelsaure Magnesia. Alle diese Nieder- schläge erscheinen in verdünnten Syntoninlösungen als milchige I. Die Eiweisskürper der Miiskelsubstanz. 17 TrlibungeD, in coucentrirteren als dicke, gelatinöse Massen. Beim Kochen verwandeln sich die Niederschläge in weisse undnrch- sichtige Flocken. Die Lösung des Syntonins in kohlensaurem Natron von 1 p. C. coagulirt nicht beim Kochen, wird schwach getrübt in der Kälte durch Chlornatrium sowie durch ein Gemisch von Chlorammonium und schwefelsaurer Magnesia, kaum getrübt durch Chlorammonium. Beim Kochen nehmen diese Trübungen zu, und der entstehende Schaum enthält feste, weisse Flocken. Von schwefelsaurem Natron wird die Lösung dagegen selbst in der Siedhitze nur unbedeutend getrübt. Die Lösung des Syntonins in Kalkwasser schäumt beim Kochen stark, und es gelingt nach längerem Erwärmen diesen Schaum zu einer feinen wenig durchsichtigen, weissen Flocke zusammen- zudrücken. Die davon befreite alkalische Lösung giebt nichts- destoweniger beim vorsichtigen Neutralisiren einen starken Nieilerschlag von unverändertem Syntonin. In der Lösung in Kalkwasser erzeugt: Chlorcalcium in der Kälte keine Trübung, in der Siedhitze eine starke Trübung ; Schwefelsaure Magnesia in der Kälte schwache Trübung, in der Siedhitze flockige Fällung; Chlorammonium in der Kälte schwache Trübung, in der Siedhitze schwache Vermehrung der Trübung ; Chloiliatrium in der Kälte Nichts, in der Siedhitze starke Fällung ; Schwefelsaures Natron erzeugt weder in der Kälte noch beim Kochen eine Trübung. Diese Reactionen bleiben dieselben auch wenn die Lösung' vorher gekocht und wieder abgekühlt war. Wie man sieht zeichnet sich die Lösung in Kalkwasser vor der in kohlensaurem Natron besonders aus durch die eigenthüm- liche partielle Coagulation beim Kochen. Lösungen in Barytwasser verhalten sich ebenso. Dass dieser Umstand nicht zu dem Aus- spruche berechtigen kann, alkalische Syntoninlösungen coagulirten in der Siedhitze, wie gewöhnliches Eiweiss, bedarf keiner weiteren Erörterung. Sogenannte spontane Coagulation findet in Syntonin- lösungen nie statt. Man kann zwar mit verdünntem Ammoniak oder Kalkwasser Syntoninlösungen herstellen, die dasselbe an der Luft ausscheiden, allein diese Ausfällung hat ihre handgreiflichen Ursachen, einerseits in dem Verdunsten des Ammoniaks, andrer- seits in der Fällbarkeit des Syntonins durch Kohlensäure. Die K ü h 11 e , Untersuchungen. 2 18 I. Die Eiweisskörper der Muskclsubslanz. Lösung in Kalkwasser wird nämlich durch einen Kohlensäurestrom vollständig gefällt, und da die Kohlensäure den kohlensauren Kalk wieder auflöst, so erhält man eine flockige gelatinöse Fällung, welche nur aus sehr reinem Syntonin besteht. Ich lege auf die angeführten Reactionen Gewicht, weil sie die einzigen Merkmale sind, an denen wir neben den bekannteren Eigenschaften der Fällbarkeit durch hin und her Neutralisiren, das Syntonin erkennen, oder seine Abwesenheit constatiren können. Obwohl die Lösungen des Syntonins in kohlensauren Alkalien und verdünnten Säuren selbst in der Siedhitze nicht coaguliren, so ist doch auch dieser Eiweisskörper einer Umwandlung fähig, welche zu den Coagulationserscheinungen zu rechnen ist. Reines und wiederholt ausgewaschenes Syntonin wird nach dem Kochen in Wasser fast unlöslich. Salzsäure von 0, 1 p. Q. löst zwar nach längerer Zeit auch von diesem coagulirten Syntonin etwas auf, nichtsdestoweniger lässt sich jedoch der Temperaturgrad ziemlich genau bestimmen, bei welchem das in Wasser suspendirte Syntonin schwerlöslich wird. Ich that zu dem Ende eine Anzahl Gläser, die mit einem dünnen Brei von reinem ausgefällten Syntonin und destillirtem Wasser gefüllt waren in ein Wasserbad, und erhitzte die Proben nacheinander während etwa 15 Minuten. Diejenigen, welche auf 60 und 700 C. erwärmt waren, gaben nach flüchtigem Schütteln mit sehr verdünnter Salzsäure ein Filtrat, das beim Neutralisiren noch stark gefällt wurde. Nach dem Erwärmen auf 800 war die Löslichkeit schon sehr vermindert, denn das Filtrat des mit Säure geschüttelten Gemisches zeigte beim Neutralisiren nur eine unbedeutende Trübung. Syntonin, das 15 Minuten auf 850 c. erhitzt war, wurde von der Säure innerhalb 5 Minuten und der dazu zu rechnenden Zeit des Filtrirens gar nicht mehr gelöst. Das hier erhaltene Filtrat blieb nach dem Neutralisiren voll- kommen klar. Zur Anstellung dieser Proben musste natürlich der Syntoninbrei erst wieder abgekühlt werden, bevor das Schütteln mit der Säure ausgeführt werden konnte. Sollte Syntonin neben den anderen Eiweisskörpern im Muskel vorhanden sein, so müsste es sich entweder in der ausgepressten Flüssigkeit gekochten Fleisches finden, oder es müsste doch nach- weisbar sein in dem Filtrate gekochter Fleischflüssigkeit, aus der das gewöhnliche Eiweiss als Gerinnsel durch das Filter entfernt wurde. Beide Flüssigkeiten enthalten noch eine Spur von Eiweiss- körpern, und ich habe Nichts dagegen einzuwenden, wenn man die- sen nicht coagulirbaren Rest für das Syntonin in Anspruch nehmen ^ I. Die Eiweisskörper der Muskelsubslanz. 19 will, obwohl ich nicht durch alle Reactionen den Nachweis führen kann, dass er wirklich Syntonin enthält. Die Lösungen gaben mit Salpetersäure gekocht auf Zusatz von Ammoniak in der Regel noch eine deutliche Xanthoproteinsäurereaction, und da sie sauer reagireu, so mag sich bei ^'erarbeituug grosser Mengen wohl etwas daraus herstellen lassen, das sich wirklich wie Syntonin verhält. Lebende Froschmuskeln können bekanntlich durch rasches Kochen coagulirt und dabei alkalisch erhalten werden. Fresst man solche stark geschrumpfte Muskeln aus, so erhält man eine milchige ganz dünne Flüssigkeit von scharf alkalischer Reaction, die sich einer ziemlich stark alkalischen Lösung von Kalialbumi- uat nicht unähnlich verhält, kurz ganz die Charaktere besitzt, wie die milchige Flüssigkeit die man aus verdünntem und nicht neutralisirtem Hühnereiweiss durch Kochen und Abfiltriren von den Gerinnseln erhält. Es ist nicht viel dagegen einzuwenden, wenn diese Flüssigkeit für eine alkalische Syntoninlösung ausge- geben werden soll, da die Lösungen des Syntonins in einem Alkali in der That die überraschendste Aehnlichkeit mit dem Kalialbuminat haben, ebenso wie die sauren Lösungen von dem sog. Acidalbumin nicht zu unterscheiden sind. Somit wären wir an den Punct gelangt, wo sich uns die Frage über die Entstehung des Syntonins aufdrängt. Es war mir seit langer Zeit schon bekannt, dass saure Lösungen irgend eines festen Albuminkörpers oder coagulirten Eiweisses voll- kommen mit den sauren Syntoninlösungen übereinstimmen. Ich habe mir solche Syntoninlösungen dargestellt, indem ich eine Lösung des Lieberkühn scheu Kalialbuminats mit Essigsäure fällte, das feine Präcipitat mit Wasser vollkommen auswusch und darauf in Salzsäure von 0, 1 p. C. löste. Nach hinlänglicher Einwirkung der Säure erhielt ich eine vollkommen klar filtrirende Lösung, die sich genau so verhielt wie eine salzsaure Syntoninlösung. Durch Kochen wurde sie nicht gefällt, wohl aber durch Neutrali- siren und im üebrigeu zeigte sie alle Reactionen, welche vorhin für das Syntonin angegeben wurden. Als ich den Körper durch Neutralisation mit kohlensaurem Natron gefällt hatte, und ihn auf dem Filter aussüsste, legte er sich ganz in der Form von gelatinösen Häuten an das Papier, wie es das Syntonin thut. Mit Kalkwasser behandelt, gab er eine Lösung, die durch Nichts von der Auflösung des Syntonins in Kalkwasser zu unterschei- den^ war. Ein andres Verfahren das Svntonin zu bereiten, besteht in 20 1. Die Eiweisskörper der Muskelsubslaiiz. der längeren Behandlung von Fibrin mit verdünnter Salzsäure. Was sich dabei nicht sogleich löst, löst sich nach längerer Zeit, oder beim Erwärmen im Wasserbade, und aus der sauren Lösung scheidet sich gerade wie aus der des aus Kalialbuminat darge- stellten Eiweisses, ein Niederschlag durch Neutralisation ab, der sich wieder genau verhält wie Syntonin, und dessen alkalische oder saure Lösungen alle Syntoninreactionen geben. Auch aus flüssigem natürlich vorkommenden Eiweiss kann man Syntonin gewinnen, ohne vorher eine Coagulation damit vorzunehmen. Ich verdünnte geschnittenes und geschlagenes Hühnereiweiss mit so viel Wasser bis es filtrirbar wurde, und versetzte das alkalisch reagirende klare Filtrat mit viel Salzsäure von 0, 1 p. C. Anfangs verhielt sich die Flüssigkeit, wie eine angesäuerte Lösung von löslichem Eiweiss. Sie coagulirte beim Kochen u. s. w. Als ich das Gemische jedoch 24 Stunden hatte stehen lassen, coagulirte es nicht mehr beim Kochen, wurde durcli Neutralisation gefällt, und zeigte alle übrigen Reactionen des Syntonins, das ich auch in Substanz daraus darstellen konnte. Wie man sieht entsteht das Syntonin sowohl durch die Ein- wirkung der verdünnten Säure auf coagulirte, ausgeschiedene Eiweisskörper, wie durch eine allmähliche von der Säure her- rührende Umwandlung des löslichen Albumins , eine Thatsache, die aus den Untersuchungen über die Magenverdauung übrigens schon hinreichend bekannt ist. Daher kommt es denn auch, dass alle Eiweisskörper des Muskels sich unter Einwirkung verdünnter Salzsäure in Syntonin verwandeln, und darum ist es auch für die Gewinnung eines Syntonins aus Fleisch mit constanten Reactionen ganz gleichgültig, ob das gehackte Fleisch vorher mit Wasser ausgelaugt Avurde, denn man erhält aus dem ungewaschenen Fleische eine Lösung die gar nichts Anderes enthält, als Syntonin, wenn man nur hinreichend grosse Mengen verdünnter Säure anwendet und diese lange genug einwirken lässt. Um allen Ein- wendungen dabei zuvorzukommen, sei hier erwähnt, dass alle diese Versuche bei einer sehr niederen, vor Fäulniss schützenden Temperatur vorgenommen wurden. Es wirft sich nun die Frage auf,- ob die Milchsäure, welche sich im Muskel nach dem Tode und nach dem Eintritt der Starre anhäuft, Anlass geben kann zu einer nachträglichen Bildung von Syntonin. Diese Säure ist so gut wie fast alle anderen Säuren geeignet zur Darstellung des Syntonins, und man dürfte darum erwarten, dass saurer Fleisclisaft etwas Syntonin enthalte. Seine I. Die Ei\vcisskör|iL'r der Muskolsiibslaiiz. 21 uuuiiherud vüllkoniiiiene Coagulirbarkeit in der Siedehitze lehrt jedoch, dass die Menge des Syntonins darin nur sehr gering sein kann. Dem entspricht auch die fast unmerkliche Zunahme der Opalescenz, welche solcher Saft bei genauer Neutralisation mit einem Alkali zeigt. Wie schon erwähnt lässt sich die Anwesen- heit des Syntonins in dem nach dem Kochen erhaltenen Filtrate des Saftes auch nicht mit Sicherheit darthun. Wenn ich bestritt, dass ein Körper, wie das Syntonin in den ]\luskeln enthalten sei, so soll damit nicht ausgeschlossen sein eine Eigenthümlichkeit der geronnenen Eiweisskörper der Muskel- fasern, die sich eben in der raschen Löslichkeit in verdünnten Säuren ausdrückt. Aber wie wir nicht olme Weiteres Bluttibrin mit Syntonin identificiren werden , weil es sich in verdünnten Säuren lösen kann, und weil aus dieser Lösung Syntonin durch Neutralisation gefällt werden kann, so wollen wir auch nicht zu- geben, dass der aus der salzsauren Muskellösung fällbare Körper schon in den Muskeln vorhanden gewesen sei. Unzweifelhaft verhält sich indessen der todtenstarre Muskel oder sein auf die verschiedensten Weisen isolirtes Coagulat, anders zu verdünnter Salzsäure, als z. B. das Fibrin des Ochsenblutes, und man kann darum diesem Gerinnsel ebenso gut specifische Eigenschaften zu- schreiben, wie man das Fibrin des menschlichen oder Schweine- bluts von dem des Rindes unterscheidet, das sich so viel schwerer in verdünnten Säuren löst, als jenes. Brücke hat die leichte Lös- lichkeit des Muskelgerinnsels in sauren Flüssigkeiten erklärt durch den Nachweis des Pepsins in den Muskeln und ich muss mich seiner Auffassung der Sache anschliessen, weil ich aus vielen Versuchen über Fibrinverdauuug gesehen habe, dass die erste Wirkung eines Pepsinzusatzes zur Säure in der raschen Lösung des Fibrins besteht, ohne dass bereits eine wirkliche Peptonbildung erfolgt. Das erste Product aller Eiweissverdauung ist das Syntonin, und alle Peptone bilden sich erst aus diesem. Diesen von Brücke hervorgehobenen Umstand konnten Diejenigen unmöglich richtig würdigen, welche zu Verdauungsversuchen nicht das Fibrin direct verwendeten, sondern dasselbe erst in verdünnter Avarmer Säure -lösten, den daraus durch Neutralisation fällbaren Körper der Pepsinwirkung auszusetzen. Das zu verdauende Object das also kein Fibrin mehr war, sondern Syntonin, musste sich natür- lich sofort in der Säure des Magensaftes lösen, da die eine Um- wandlung, die das Pepsin im Verein mit der Säure so unvergleich- lich viel rascher bewirkt, als die Säure allein, bereits stattge- 22 1. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. fundeii hatte, und darum nachträglich nicht wieder beobachtet werden konnte. Dass es Pepsin sei, welches den Muskeln diese leichte Löslichkeit ertheilt, wird noch besonders wahrscheinlich durch die Schwerlöslichkeit gekochter Muskeln, in denen das Pepsin seine Wirksamkeit eingebüsst hat. Gekochtes Fibrin aus Ochsenblut hingegen löst sich in verdünnter Salzsäure nicht schwerer als ungekochtes, und dieser letztere Umstand lehrt uns, dass der Eiweisskörper durch das Kochen nicht gerade schwerer löslich zu werden braucht, so wie dass die schwerere Löslichkeit, wo sie selbst dadurch herbeigeführt wird, von der Vernichtung eines anderen für die rasche Löslichkeit erforderlichen Körpers abhängen kann. Wir müssen nach einer solchen Deutung des Factums suchen, weil uns die Beschaffenheit des Syntonins gar keinen Anhaltepunct giebt für die des Muskels. Um endlich die ganze Differenz zwischen dem Muskelcoagulat und dem gefällten Syntonin noch besonders hervorzuheben, sei hier nochmals auf die leichte Löslichkeit des Ersteren in concentrirten Salzlösungen, und auf die Unlöslichkeit des Syntonins darin aufmerksam gemacht. Das Muskelcoagulat (Myosin) ist ausserordentlich leicht lös- lich in verdünnten ätzenden Alkalien, kohlensauren Alkalien und in Kalk- oder Barytwasser. Die so entstehenden Lösungen verhalten sich ganz wie alkalische Syntoninlösungen. Auch durch diese Mittel muss also Syntonin erzeugt werden können. Hier ist natürlich an eine Pepsinwirkung nicht zu denken, und wir müssen zugeben, dass sich das Muskelcoagulum selbst darin auszeichnet vor anderen geronnenen Eiweisskörpern, und z. B. auch vor dem Fibrin, das sich nur sehr wenig und langsam in diesen Mitteln löst. Es herrscht hier genau derselbe Unterschied, wie er sich auch in dem Verhalten des Fibrins zu Salzlösungen bekundet, die das Fibrin aller Blut- sorten zwar lösen, aber so langsam und so wenig, dass an eine Vergleichung mit der Löslichkeit des bei der Todtenstarre ent- stehenden Coagulums nicht gedacht werden kann. Die leichte Löslichkeit in verdünnten Säuren, verdünnten Alkalien, kohlensauren Alkalien und concentrirten Salzlösungen, zeichnet das Muskelgewebe nicht so sehr vor anderen Geweben aus, wie gewöhnlich angenommen wird. Schon Denis (1. c.) hat dies für viele Gewebe erwiesen, und ich werde später zeigen dass Gerinnungsvorgänge, die mit der Todtenstarre der Muskeln die auffallendste Aehnlichkeit besitzen, an ausserordentlich vielen Stellen des Körpers dem entsprechend auch Wirklich auftreten. Alles was man Protoplasma nennt zeigt eben dieses Verhalten. I. Die Eiweisskörpcr der Miiskelsiibstan/.. 23 Will mau den Muskelinhalt mit Etwas künstlich daistellbaiem vergleichen, so wird mau zunächst an das Lieberkü/insche Kalial- bumiuat denken müssen. Der Eiweisskörper, den mau mit Essig- säure aus Lösungen des Kalialburainats niederschlagen kann, löst sich äusserst leicht in verdünnten Säuren und Alkalien, und ist ferner löslich in concentrirten Salzlösungen , aus denen er durch Wasser wieder gefällt wird, wie die Lösungen des Myosins in Salzen. Endlich sei hier noch bemerkt, dass man den ganzen Muskel in das Lieherkühn ^qXiq feste Kalialbuminat verwandeln kann. Die nach Weiss7nunn's Methode mit sehr concentrirten Kalilösungen isolirten Muskelfasern sind Pseudoformen, welche nur aus Kalialbuminat bestehen. Man erhält sie am besten, wenn man Muskeln mit conceutrirtem Kali gerade durchtränkt, einen etwaigen Ueberschuss durch Fliesspapier entfernt, und die aus- einanderfallenden Muskelfasern rasch mit Alkohol wäscht. Thut man sie nachher in destillirtes Wasser, so kann man den letzten Rest anhaftender Kalilösung fortwaschen, ohne dass sich die Fasern auflösen. Nur nach anhaltendem Kochen mit W^asser erfolgt dann endlich die Lösung unter starkem Schäumen. Auch das letzte Muskelstück erweist sich dabei, bevor es ganz gelöst ist, noch als das Bruchstück einer Faser mit ganz deutlich erkenn- baren Querstreifen. In der Lösung existirt ausser wahrem Kalial- buminat kein anderer Eiweisskörper. Von den Ursachen der Gerinnung' des Muskelplasma. Ein Theil der Gerinnungsvorgänge, denen ein Muskel nach dem Tode verfällt erklärt sich leicht aus der Bildung freier Säure, welche, wie wir sahen, die Erscheinungen der Todtenstarre weiter ausprägt, durch Ausscheidung neuer Gerinnsel aus dem Muskel- serum. Ebenso verständlich sind uns die plötzlich auftretenden Gerinnungserscheinungen, wenn der Muskel rasch zu säuern be- ginnt, noch bevor die eigentliche Todtenstarre vorhanden ist, denn hier wird zuletzt das Nämliche eintreten müssen, wie wenn man die Muskelflüssigkeit in verdünnte Säuren giesst. Was ferner geschieht, wenn wir statt der Säuren nur destillirtes Wasser anwenden, wird uns ebenso verständlich, wenn wir sehen, dass alles sog. lösliche Eiweiss sich darin nicht anders verhält. In der That sind es nicht die Muskelflüssigkeit und die Lösung des 24 1. Die Eiweisskörper der Muskelsubstanz. Myosiiis in Salzen allein, welche in destillirtem Wasserfest werden, sondern wir können dasselbe beobachten an Hühnereiweiss. Ich zerschnitt Hühnereiweiss gehörig mit der Scheere, bis es den höchsten Grad von Dünnflüssigkeit erlangt hatte, und peitschte es hierauf so lange mit einer kleinen Ruthe, bis es zum grössten Theile in einen feinen Schaum verwandelt war. Das Gefäss wurde dann an einen kühlen Ort gestellt, und die blasenfreie Flüssigkeit mit einer Pipette weggenommen, als sich sämmtliche Häute in dem Schaume der Oberfläche angesammelt hatten, So behandeltes Hühnereiweiss lässt sich auch ohne vorherige Verdünnung erst durch Leinen später durch Papier filtriren, und ist dann geeignet zu ganz ähnlichen Versuchen, wie die Muskelflüssigkeit. Ein Tropfen davon in destillirtes Wasser gelassen bedeckt sich sogleich mit einer feinen weissen Haut, die sich während des Sinkens zu einem faltigen Schweif zusammen legt, der in der grossen Masse destil- lirten Wassers unlöslich ist. Fällt ein Tropfen dieses flltrirten Eiweisses in Salzsäure von 0, 1 p. C, so gerinnt er in der nämlichen Weise, wie Muskelplasma, das Coagulum löst sich aber während des Sinkens wieder auf, und man bekommt auf diesem Wege sehr rasch eine salzsaure Syntoninlösung. Das durch Wasser fest ge- wordene Eiweiss löst sich mit derselben Leichtigkeit in verdünnter Säure zu einer Syntoninlösung auf, und verhält sich ausserdem im höchsten Grade übereinstimmend mit dem Muskelplasma darin, dass es sich sehr leicht in neutralen Salzlösungen auflöst. Dies Verhältniss ist auch bereits bekannt, denn man weiss, dass ver- dünntes durch Wasser getrübtes Eierweiss auf Zusatz von Chlor- natrium, Chlorammonium u. s. w. wieder klarer wird, und dass das durch Wasser mit den Häuten fest ausgeschiedene Eiweiss auf dem Filter durch Behandlung mit Salzen von den eigentlichen Membranen getrennt werden kann. Wenn wir annehmen, dass ein Theil des Mus- keleiweisses , wie im Eierweiss gelöst ist durch Salze, so wird uns der rapide Eintritt der Todtenstarre auf Wasserzusatz verständlich. Das Muskelplasma kann indessen auch ohne Wasserzusatz, und auch ohne Säuerung gerinnen, wie das Blutplasma oder das der Lymphe und ich musste aus diesem Umstände gleich schliessen, dass diese Coagulation, die man ganz unverfänglich als eine spon- tane, zum Unterschiede von den anders eingeleiteten Gerinnungen, bezeichnen kann, auf ähnliche Ursachen zurückzuführen sei, wie die Gerinnung des Blutes. Nachdem die Ursachen der Gerinnung des Fibrins durch die ausgezeichneten Untersuchungen von A. Schmidt bis zu einem ge- I. Die Eiwcisskörper der Muskclsubslanz. 25 wissen Grade aufgeklärt worden sind, lag es nahe, durch analoge Versuche wie die berühmten von Schmidt am Blute angestellten, denselben Ursachen aucli für die Gerinnung des Muskelplasma nachzuforschen. Ich Avollte nachsehen, ob bei der Ausscheidung des Myosins ein Gerinnungserreger wie die fibrinoplastisclie Sub- stanz thätig sei. Die rothen Blutkörperchen enthalten vorzugs- weise diese Substanz, und daraus mag sich denn auch der rasche Eintritt der Todtenstarre herleiten lassen, welcher auf Benetzungen des Muskelquersclmitts mit Blut erfolgt. Es giebt in der That kaum ein besseres Mittel einen Muskel rasch abzutödten, als die 'Durchtränkung eines verletzten Muskels mit Blut. Möglicher- weise erklärt sich daraus auch die heftige Zuckung, welche jedes- mal eintritt, wenn man den frischen Muskelquerschnitt in Blut taucht. Der folgende Versuch wird zeigen, dass der Gerinnungserreger des Blutes auch auf die Gerinnung des isolirten Muskelplasma von Einfluss ist. Fein zerriebenes Muskeleis aus ganz durch Injection mit ver- dünnter Kochsalzlösung gereinigten Froschmuskeln dargestellt, wurde in zwei Portionen getheilt, und zu der einen Hälfte voll- ständig geronnenes, und mit dem Fibrin in Eis verwandeltes, spä- ter gepulvertes Froschblut gesetzt. Hierauf wurde der aufgethaute Muskelschnee durch zwei Leinenfilter in zwei auf 0^ abgekühlte Bechergläser filtrirt, und die Filtrate neben einander in derselben Temperatur aufbewahrt. In dem durch das Blut gefärbten Plasma trat die Gerinnung schon nach einer Stunde ein, als die Temperatur desselben 7*^ C. betrug, in dem anderen Glase war dagegen die Flüssigkeit zu dieser Zeit noch so flüssig, dass mit einem abge- kühlten Glasstabe einzelne Tropfen herausgenommen werden konn- ten, die auf eine massig warme Tischplatte geworfen, sofort ge- rannen. Dabei reagirte der Inhalt beider Gläser noch deutlich alkalisch. Erst 2'/i Stunden später, als die Temperatur 12° C. betrug, war das nicht mit Blut versetzte Plasma soweit fest ge- worden, dass das Glas umgedreht werden konnte. Während dieser Zeit hatte sich das andere gefärbte Gerinnsel stark zusammen- gezogen, viel stärker als ich es je bei einem Muskelgeriunsel sonst gesehen hatte. In diesem Zustande bildete es einen gelatinösen Klumpen wie frisch geronnenes Fibrin. Durch heftiges Schütteln :zog sich der Klumpen noch mehr zusammen, worauf die Aehn- lichkeit mit lockerem Blutfibrin noch mehr hervortrat. Der Zusatz grösserer Mengen fibriuoplastischer Substanz be- 26 1. Die Eiweissköiper der Muskelsulislanz. sclileuiiigt demnach nicht allein die G€i-innung des Muskelijlasma, sondern moditicirt auch die Form des Gerinnsels. Aus A. Schmidts Untersuchungen wissen wir, dass die fibrino- plastische Substanz nicht allein in den rothen Blutkörperchen vorkommt, sondern auch gelöst im Blutserum, und dass sie sich ferner findet in fast allen mit Zellen versehenen thierischen Flüssig- keiten und Geweben. Der Muskel macht davon keine Ausnahme, aber er unter- scheidet sich von anderen Geweben, wie z. B. von dem der Cornea dadurch, dass er nur ausserordentlich geringe Mengen davon ent- hält, oder mit anderen Worten dadurch , dass er nur sehr langsam librinoplastisch wirkt. Legt man einen frischen noch alkalisch reagirenden Froschmuskel in Pericardialflüssigkeit vom Menschen, von der man schon weiss, dass sie allein nicht gerinnt, und ver- setzt man zur selben Zeit eine ebenso grosse (Quantität dieser fibrinösen Flüssigkeit mit einem Tropfen geschlagenen Frosch- bluts, so gerinnt der bluthaltige Theil schon nach einigen Minuten, während in der anderen Portion noch keine Ausscheidung zu sehen ist. Erst nach 3 bis 4 Stunden beginnt hier der Muskel sich mit einer gallertigen Fibrinschicht zu umgeben, die nur sehr allmählich wächst. Man erkennt dieselbe leicht als wahres Fibrin, wenn man die Masse stark schüttelt, worauf sich die Gallerte zu Fäden zu- sammenzieht, die dem Muskel anhängen. Zur Ausführung dieses Versuches muss eine ziemlich bedeutende Menge der alkalisch reagirenden tibrinoplastischen Flüssigkeit benutzt werden. Wirkt das Alkali nicht der Säuerung des Muskels entgegen, so tritt gar keine Ausscheidung von Fibrin ein, da die freie Säure die Wirk- samkeit der fibrinoplastischen Substanz vernichtet, und endlich zu einer feinen Trübung Anlass giebt. Man könnte glauben, dass die im Muskel vermuthete fibrino- plastische Substanz dennoch in nicht unerheblicher Menge darin vorkomme und dass die Gerinnung in der Pericardialflüssigkeit nur deshalb so langsam ausfalle, weil die Substanz nicht gehörig durch das Sarkolemm diffundire. Obgleich ich den Einfluss eines der- artigen Umstandes nicht in Abrede stellen will, so lehrt uns doch ein anderer Versuch, dass die langsame fibrinoplastische Wirkung des Muskels noch von etwas Anderem herrühren muss. Ich Hess 50 C. C. Pericardialflüssigkeit zu Eis gefrieren, pul- verte dasselbe und vermischte es dabei mit einer Messerspitze voll Muskelschnee. Nach sorgfältigem Zerreiben liess ich die Masse I. Die Eiweisskörper der Aluskelsubslaiiz. 27 wieder aufthauen um zu sehen, wann die Gerinnung eintreten würde. Sie erfolgte erst nacli 3 Stunden. Als ich darauf 50 C. C. der nämlichen PericardialÜüssigkeit in Eispulver verwandelt mit 5 Tro- pfen geschlagenen und gefrorenen Froschbluts zerrieb, gerann die Masse nach dem Aufthauen schon in einer halben Stunde. Aus diesen Versuchen ergiebt sich, dass der Muskel im Vergleiche zum Blute wenigstens nur ausserordentlich wenig librinoplastische Sub- stanz enthalten kann. Die leichte Coagulirbarkeit des Muskelplasma unter Einwir- kung mechanischer Veränderungen machte es mir unmöglich, aus dieser syrupösen Flüssigkeit den fibrinoplastischen Körper zu ge- winnen. Man bekommt zwar durch Einleiten von Kohlensäure in die stark gekühlte Masse Trübungen und Niederschläge, allein mir fehlten bisher die richtigen Mittel, dieselben zu isoliren , und von etwaigen Gerinnseln zu trennen. Ich muss darum auf den klaren Beweis vor der Hand verzichten, dass die Gerinnung des alkalischen Muskelplasma herrühre von der gegenseitigen Einwirkung zweier Körper, einer fibrinoplastischen Substanz auf eine fibrinogene. In Erwägung der geringen fibrinoplastischen Wirksamkeit des Muskelplasma muss jedoch die Annahme gleicher Ursachen der Blut - und Muskelgerinnung sehr gefällig scheinen. Sie würde uns erklären, warum das Muskelplasma so viel langsamer als das Blutplasma gerinnt, und würde auch erklären, weshalb das Muskel- plasma rasch gerinnt, wenn wir es mit fibrinoplastischer Substanz in grösserer Menge versehen. IL Die Bewegiingsersclieiiiiiiigeii der Amoeben. Als ich begann die Contractionserscheiiiungen niederer Orga- nismen zu untersuclien, in dem Streben, die bisher an den Muskeln der Wirbelthiere beobachtete Bev/egung, auch bei solchen Orga- nismen kennen zu lernen, welche eigener musculöser Apparate entbehren, richtete sich meine Aufmerksamkeit sogleich auf den kleinen Organismus, den man sich gewöhnt hat, als eine der nie- drigsten Stufen thierischer Organisation anzusehen. Ich unter- suchte die Amoeben, jene mikroskopisch klein e^n Gallertklümpchen, deren ganze Körpermasse scheinbar aus einem allen nothwendigen Verrichtungen dienenden Brei besteht. Die Substanz der Amoeben ist gallertartig, mit feinen Körnchen durchsetzt, enthält in vielen Fällen ein grösseres einem Kerne mit Kernkörperchen ähnliches Gebilde, und dient, wie es scheint, so gut zur Ortsbewegung unter Formveränderungen des ganzen Thieres, wie zur Aufnahme, Ver- dauung und Ausstossung anderer als Nahrungsmittel aufzufassender Dinge, Unglücklicherweise standen mir früher nur Amoeben des See Wassers zur Verfügung, und diese zeigten trotz ihrer ohne nach- weisbare Ursache vor sich gehenden , fast immer gleich lebhaften Bewegung, zu meiner Ueberraschung ein so indifferentes Verhalten gegen alle Mittel, mit denen ich ihnen beizukommen suchte, dass ich davon abstehen musste, diese Amoeben in die Reihe der übri- gen bekannten thierischen contractilen Substanzen einzuführen. Unsere an Infusorien so reichen Gewässer in der Umgegend von Berlin boten mir indessen bald Gelegenheit, auch die Amoeben des süssen Wassers kennen zu lernen, und ich hoffe durch die Beobachtungen über dieselben eine durchgreifende Verschiedenheit zwischen der früher verwendeten sehr kleinen Amoeba marina und der unsris-en zeigen zu können. II. Die Bewogungserschcinuiigcn der Amocbcn. 29 Ohne auf die Systemcitik der Amoeben eingehen zu wollen, sei hier im Voraus bemerkt, dass dns Wasser unserer Teiche und Gräben in seinem Schlamme zweierlei Formen der Amoeben führt. Man findet darunter Thiere mit langsamer Bewegung, und diese besitzen in der Regel die Gestalt der Anioeba radiosa, ausgezeich- net durch ihre langen conischen Fortsätze, und dazu eine zweite Amoebensorte, welche selten längere dünne Fortsätze ausschiebt, aber meistens raschere Bewegungen zeigt. Nur an diesen letzteren Thieren habe ich Beobachtungen angestellt, wozu mich schon die seltenere Erscheinung der langarmigen Amoeben zwang. Ich nenne das Thier, an welchem experimentirt wurd"5, in Ueberein- stimnning mit der Mehrzahl unserer Zoologen Amoeba diffluens. Man hat behauptet, dass auch diese Amoebe stets von einem hyalinen Mantel umgeben sei und dass es dieser Theil des Thieres sei, welcher in Form feiner Fortsätze hervorgeschoben werde. Ohne die zeitweilige Existenz eines hyalinen Saumes bestreiten zu wollen, muss ich nach laugen und aufmerksamen Beobachtungen schon von vorn herein Werth darauf legen, dass derselbe nicht con- stant vorhanden ist. Die hyaline Randschicht ist niemals an der Körperseite scharf begrenzt, und besitzt eine so verschiedene Dicke, gleichviel ob der Rand des Thieres abgerundet oder meni- branartig vorgeschoben ist, dass ein grosser Theil derselben schon deshalb nicht für eine constante Umhülluugsmasse gelten kann. Feinere Fortsätze, welche von den Thieren ausgehen, sei es nun in Form conischer Arme, oder in Form kleiner baumartig hervor- spriessender Fortsätze, sind zwar in der Regel bis hart an ihre Basis hyalin und frei von Körnchen, allein die Körner können den- noch häufig bis an die äusserste Spitze solcher Bildungen so weit vordringen, dass sie kleine Hervorragungen an den Spitzen und Rändern bilden.. Das Letztere kann auf zweierlei Art geschehen. Es bildet sich entweder zuerst ein hyaliner Fortsatz und in diesen dringen die Körnchen wie fliessend bis zur Spitze ein, oder die körner- reiche Substanz bildet selbst von vorn herein den Fortsatz, indem sie an seiner Bildung sogleich mit Theil nimmt. Finden diese Vorgänge an grösseren Mengen der Amoebensubstanz statt, so sieht man im ersteren Falle eine sack- oder membranartige Masse her- vortreten, in welche die Körner nachströmen, und es bilden sich sogenannte Bruchsäcke, die besonders diese Bezeichnung recht- fertigen, wenn die vorgeschobene Masse sich an der Basis wie- der einzuschnüren beginnt. Wo indessen im Auoenblicke der 30 II. Die BewegLing-serscheinnngen der Anioeben. Hervorschiebung grösserer Massen kein hyaliner Saum sichtbar ist, gleicht die Erscheinung nicht diesem Bilde, sondern mehr einem Herüberwälzen der ganzen Körpersubstanz. Auch an einer für einige Zeit ruhenden Randschicht des Thieres kann man leicht das Kommen und Gehen der Körnchen erkennen und zwar sieht man sie sowohl in grösserer Menge plötzlich in den Saum hineinfliessen und vom Rande wieder zurücktreten, oder man sieht sie auch ein- zeln stossweise an den Rand vordringen und ebenso wieder zurück- gehen. Genaue Einstellungsversuche am Mikroskope lehren, dass die Erscheinung nicht bedingt wird durch Kräuselungen oder Knöt- chen, welche über die Oberfläche wandern, da die Körnchen in der Substanz mitten drin liegen und auch sehr häufig gefärbt sind. Es verdient erwähnt zu werden, dass Contractionswellen, welche wie laufende Körnchen aussehen, überhaupt bei der Amoebe nicht vor- kommen. Die wahren und constant vorhandenen Körnchen haben, wie hier ebenfalls gleich bemerkt werden mag, nichts gemein mit den kleinen prismatischen Körpern der Muskeln höherer Thiere, welche nach Bt^ücke's Entdeckung aus Gruppen kleinerer doppelt brechender Körperchen bestehen, denn die Körnchen der Amoeben sind wie ihre Grundsubstanz einfach lichtbrechend. Die Amoeben sollen, wenn sie sich contrahiren, kugelförmig werden. Ich weiss nicht, woher diese Angabe stammt, ich kann aber ganz bestimmt versichern, niemals eine Amoebe freiwillig eine vollkommene Kugelgestalt annehmen gesehen zu haben. Die Amoebe kann wohl ganz ruhig daliegen , ohne eine Spur von Bewegung, und besitzt dann innner eine abgeplattete, sehr viel- gestaltige Form ; dass sie aber ihre ganze Leibesmasse aus freiem Willen contrahiren und dabei in eine constante Form überführen könne, habe ich nie gesehen, und ich vermuthe, dass man ab- gestorbene Amoeben oder solche, welche sich zur Einkapselung anschicken, für kugelförmig contrahirte genommen habe. Der Gedanke, dass die Amoebe im Maximum der Contraction, oder wenn man will, auch im Tetanus die Kugelform annehmen müsse, liegt nichtsdestoweniger sehr nahe. Und dem ist in der That so. Als ich nämlich einen mit lebhaft beweglichen Amoeben er- füllten Wassertropfen zwischen zwei auf Glasplatten gekittete dünne Platinbleche brachte, und eine Reihe massiger Inductionsschläge hindurchgehen Hess, zogen sich alle Amoeben zur Kugelgestalt zusammen. Kurz nachher begannen sie ihre gewöhnlichen Be- wegungen wieder, um sich bei erneuerter Reizung wieder sämmt- 11. Die Be^vegllngselseheinungen der Amoeboii. 31 lieh in unbewegliche Kugeln zu verwandeln. Lässt man mit einiger Vorsicht die Stärke der Inductionsschläge durch langsames Nähern der primären Rolle an die secundäre Spirale des (hl ^o/Vschen Schlittenapparats allmählich anschwellen, so erkennt man sehr deutlich, wie das Thier zur Kugelform gelangt. Im Beginne der Reizung verwandelt sich nur ein Theil der Amoebe in diese Gestalt, sie erhält nur an einer Stelle eine kugelförmige Auftreibung, in welcher noch ein lebhaftes Hin- und Herwälzen stattfindet, während ein anderer Theil gleichviel ob hyalin oder körnig, wäe ein flacher Anhängsel an die Kugel sich anzusetzen scheint, der erst allmählich mit eingezogen wird. Diese Contraction tritt durchschnittlich in meiner Vorrichtung bei einer 4 Mm. be- tragenden Entfernung der Platin elektro den von einander ein, wenn die Rollen des von zwei kleinen 6'roi'e'schen Elementen getriebenen Inductionsapparats gerade bis zur Berührung ihrer Enden ge- nähert werden. Schiebt man die secundäre Rolle näher heran, bis sie die primäre um einige Cm. umgiebt, so schwindet in der kugeligen Amoebe zunächst jede an den Körnchen erkennbare Bewegung, es hat den Anschein, als ob die Bestrebungen des Thieres sich wieder auszudehnen, wofür man das unruhige Hin- und Herwälzen des Kugelinhalts zu halten geneigt ist, durch die andauernde 'stärkere Reizung vereitelt werden. Verstärkt man jetzt die Inductionsschläge, indem man die Rollen nur noch um eine Spur übereinander schiebt, so platzt die Kugel plötzlich und es schiesst aus ihr ein wurstförmiges Gerinnsel hervor, das fast immer den Kern mit sich führt. Alle diese Vorgänge sind am besten zu beobachten, wenn man den rasch arbeitenden Hammer des Inductionsapparats durch ein eingeschaltetes Quecksilbernäpfchen ersetzt, in welches man nach Belieben mit der Hand den mit einem Haken versehenen einen Leitungsdraht der Kette eintaucht. Bei einem nicht mit der HeUnhoItz'^Qhen Modification versehenen Inductionsapparate sind natürlich nur die immer gleich gerichteten Oeffnungs schlage wirksam, wenn man die Rollen nicht zu weit über einander schiebt. Sind die Letzteren noch um einige Centimeter von einander entfernt, so scheinen einzelne Oeffnungsschläge die hin und her- wälzenden Bewegungen der Amoebe etwas anzuregen, ohne dass sich eine gerade von der Reizung abhängige Formveränderung wahrnehmen Hesse. Man sieht dies besonders auffällig bei solchen Amoeben , die aus irgend einem uns unbekannten Grunde nur eine äusserst träge Bewegung zeigen. Für diese genügt oft ein 32 _ 11. Die Bcweg-niigserschciniingen der Amocbcn einziger schwacher Oeffmmgsschlag, um das Thier sogleich für längere Zeit zu den lebhaftesten wälzenden und kriechenden Be- wegungen anzutreiben, die sich auch nicht ändern, wenn man unterdessen diese schwachen Oeffnungsschläge wiederholt. Nähert man die Rollen bis auf ungefähr 1 Cm. Abstand, so verwandelt sich der grösste Theil der Amoebe auf einen einzelnen Oeffnungs- schlag sofort in die Form einer Kugel, welcher noch ein Rest in Form von Buckeln und Lappen anhaftet. Diese mit unregel- mässigen Anhängseln besetzte Kugel erhält sich lange, wenn man jedesmal, wo sie sich wieder abzuplatten strebt, von neuem einen Oeffnungsschlag anwendet. Lässt man dagegen mehrere Oeffnungs- schläge derselben Stärke schnell hintereinander folgen, so werden auch die Anhängsel rasch in die Kugel hineingezogen, und treten nicht eher wieder daraus hervor, bis die Reizung unterbrochen wird. Das Vorschieben einzelner Spitzen und Lappen oder die Abplattung der Kugel, auf welche sofort wieder die wälzende Bewegung folgt, tritt nicht sogleich nach dem Aufhören der Reizung ein. Diese Zeit scheinbarer Ruhe nach der Reizung ist abhängig sowohl von der Zahl der angewendeten Inductionsschläge wie von der Stärke derselben. Besonders spät stellt sich die freiwillige Bewegung des Thieres wieder ein, wenn man den In- halt der Kugel selbst durch wenige stärkere Oeffnungsschläge vollständig zur Ruhe gebracht hat. Offenbar zeigt demnach die contractile Substanz der Amoeben eine Uebereinstimmung mit der Muskelsubstanz, welche, wie bekannt, erstens leichter erregbar ist für eine schnell aufeinander folgende Reihe von Inductions- schlägen, sich leichter contrahirt beim Tetanisiren als nach einzelnen Reizungen derselben Mächtigkeit i), und welche zweitens nach stärkeren Reizungen langsamer in den Zustand der Er- schlaffung zurückkehrt. So lässt sich denn auch ein der Ermüdung des Muskels ähnlicher Zustand an den Amoeben erzeugen , denn man ist genöthigt nach mehrmaliger Reizung des Thieres besonders, wenn es nur sehr langsam aus der Umwandlung in eine völlig bewegungslose Kugel seine sehr trägen Bewegungen wieder ent- wickelt, immer stärkere Reizungen anzuwenden, um das Maxiraum der Contraction wieder hervor zu bringen. Reizt man endlich das Thier immer wieder von neuem, sowie es Lust zeigt sich wieder auszudehnen, mit der Vorsicht dabei nie so weit zu gehen. 1) Vorgl. A. Fick, Wiener, akad. Silzg-sber. Malh.-natiuw. Cl. 2. Ablli, XLVlIt. p. 220-222. li. Die Be^^•eg^ung•serscheinun§■en der Amoebeu. 33 dass es zerplatzt, so hört schliesslich alle Bewegung auf, man erhält eine ganz bewegungslose Kugel, welche immer undurch- sichtiger und trüber wird, und endlich einen kugeligen geronnenen Klumpen darstellt. Das Thier stirbt ab, und gerinnt augenschein- lich, denn der körnige Klumpen kann nur durch Druck auf das Deckglas in einzelne Bröckel zersprengt werden. Die Amoeben ziehen bekanntlich in ihre Körpermasse ziem- lich grosse Dinge hinein, welche ihnen augenscheinlich zur Nahrung dienen, und besondere Vorliebe scheinen sie für Bacillarien zu be- sitzen, deren sie oft eine grosse Menge enthalten. Sie wagen sich selbst an so grosse Exemplare, dass sie dabei häufig zu einer sehr bedeutenden Ausdehnung ihrer Körpermasse genöthigt werden. Nicht selten sieht man dann eine mit Bacillarien vollgepfropfte Amoebe sich ihrer Last freiwillig entledigen, indem eines dieser harten Stäbchen rasch ausgestossen wird, und unter Mitführung eines feinkörnigen Breies die Amoebe verlässt. Immer wenn eine Amoebe Bacillarien enthält, deren Längsaxe grösser ist als der Durchmesser der Kugel, welche das Thier im Maximum seiner Contraction bilden kann, lässt sich dieses Ausspeien der Nahrung künstlich erzeugen. Man braucht das Thier nur schwach zu reizen, bis es Kugelgestalt angenommen hat, um sogleich die Bacillarie hervortreten zu sehen. Anfangs ragt der unbiegsame Stab noch von einem Fortsatze der Amoebensubstanz überzogen, aus der Kugel an einer oder an beiden Seiten heraus, so wie man aber jetzt die Reizung ein wenig verstärkt oder öfter wiederholt, schiesst er mit einer Spitze voran aus der Amoebe heraus, immer begleitet von einer mehr oder minder grossen Menge körniger, breiartiger Masse. Schaden für die weitere Existenz des Thieres scheint diese künstliche Purganz nicht mit sich zu bringen, da es später wieder munter fortkriechen und von neuem zu Reiz- versuchen dienen kann. Ein einziger Oeffnungsinductionsschlag führt, wenn er stark genug ist, schliesslich zur vollständigen Zerstörung des Thieres, gerade sowie es vorhin als Erfolg stärkeren Tetanisirens erzählt wurde. Sind die Inductionsrollen etwa mit halber Länge über- einander geschoben, so bringt ein einziger Oeffnungsschlag das Thier zum Zerplatzen und alle Bewegungsfähigkeit ist dahin, denn nun bringt auch die stärkste später angewendete Reizung keine sichtba,re Veränderung mehr hervor. Die wurstfönnige feinkörnige Masse, welche aus dem Thiere hervorschiesst, ist zu- weilen sehr kurz, zuweilen indessen ist sie so lang, wie der Kühne, Unlersuchung-en. 3 34 II. Die Bewegungserscheinungen der Amoeben. längste Durchmesser der Kugel, welchen die Amoebe zuvor bildete. Ein Theil der Kugel fällt dabei zu einem kleinen runzeligen und faltigen Körper zusammen, nachdem er an einer Stelle augen- scheinlich durch einen Riss die Wurst hervortreten liess. Häufig versperrt der in diesem Momente immer sehr deutlich sichtbare grosse Kern der hervorgedrängten Masse den Weg, und demnach besitzt der zurückbleibende runzelige Körper eine sehr verschie- dene Grösse. Sitzt der Kern an dem vorderen zuerst heraus- tretenden Ende der Wurst, so schlüpft die grösste Menge heraus, und der zurückbleibende Körper ist dann am kleinsten. Dasselbe geschieht, wenn der Kern an dem andern äussersten Ende liegt. Befindet er sich aber in der Mitte der Wurst, wie man es häufig sieht, so klemmt er sich an der Rissstelle zuweilen ein und dem weiteren Vordringen des Gerinnsels wird damit zunächst eine Grenze gesetzt. Der so zurückbleibende etwas grössere Körper ist dann auch weniger runzelig und faltig, er sieht ganz so aus, wie eine zum Theil entleerte, halb zusammengefallene Blase, und ohne Zweifel besitzt er jetzt eine durch scharfe doppelte Contouren kenntliche Membran. Drückt man auf das Deckglas, oder setzt man durch irgend welche Kunstgriffe den Wassertropfen in Be- wegung, so kann man bei dem sich nun bietenden Anblicke nicht in Zweifel bleiben, dass es sich hier wirklich um einen mit Coa- gulaten theilweise erfüllten, und eingerissenen Sack handelt. Ich nenne seinen Inhalt coagulirt, weil er nach kurzer Zeit ziemlich trübe wird, und weil die Körnchen darin keine Molecular- bewegung zeigen. Auch die hervorgeschossene Wurst scheint coa- gulirt zu sein, denn sie zeigt keine Neigung Tropfen- oder Kugel- form anzunehmen, sondern zerbröckelt beim Andringen grösserer Körper. Ueber den festen Aggregatzustand dieser Amoebenreste kann füglich keine Meinungsdifferenz stattfinden, und es fragt sich nur ob das Thier vorher einen anderen Aggregatzustand be- sass. Erwägt man die ausserordentliche Verschiebbarkeit des ganzen Amoebenkörpers, erwägt man das vollständige Bild des rollenden Tropfens, das eine lebendige Amoebe darbietet, erwägt man die Möglichkeit in einer Flüssigkeit die Gestalt einer Kugel anzunehmen, welche sich wieder zu einer Fläche ausbreiten kann, und bedenkt man ferner, dass die im Innern eingebetteten Körnchen und Nahrungsstoffe nach keiner Richtung einen Wider- stand in ihrer strömenden Bewegung erfahren, so wird man an dem ursprünglich flüssigen Zustande der Amoebensubstanz nicht zweifeln können, besonders, wenn man sieht, dass alle diese II. Die Bewegung-serscheinungen der Amoeben. 35 Merkmale schwinden, wenn wir künstlich Veränderungen an den Amoeben erzeugen, und wie später gezeigt werden soll, gerade wenn wir solche Mittel anwenden, welche Eiweisskörper coaguliren, die ja auch in diesen Organismen enthalten sind. Es wirft sich nun die Frage auf, ob ausser den kleinen Körnchen, den Nahrungsstoffen und dem Kerne noch sonst etwas Festes an der Amoebe vorhanden sei, ob also diese Thiere eine Membran besitzen. Wir sind hier sowohl, wie überhaupt bei der Entscheidung der Frage, ob irgend ein zellenähnlicher mikrosko- pischer Körper mit einer Membran umgeben sei, noch immer angewiesen auf ein einziges Kriterium, das in der An- und Ab- wesenheit einer Umsäumung durch doppelte Contouren besteht, und den besten Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung liefern die Untersuchungen von A. BoUett über den Bau der rothen Blutkörperchen. Man erinnere sich nur, mit welcher Sicherheit man aus den Quellungserscheinungen dieser Gebilde auf das Be- stehen einer Umhüllungshaut glaubte schliessen zu können, und wie nun der Mangel einer Membran, den man bei der Abwesen- heit doppelter Contouren schon längst hätte vermuthen kön- nen , durch die genannten Untersuchungen dargethan wurde. Verstehen wir unter einer Umhüllungshaut , in specie unter einer Zellmembran ein von vorneherein existirendes, anatomisch trennbares Gebilde, ein histologisches Element, so dürfen wir aber natürlich dazu alle jene Dinge nicht rechnen , welche sich auch an einem Flüssigkeitstropfen in einem Medium, mit dem er sich nicht mischt, als eigeuthümlich für seine Oberfläche zeigen. Objecte die wir in der Natur finden, und die uns im Uebrigen die Erscheinungen eines Tropfens zeigen, mögen wir dieselben nun in ihren eigenen Bewegungen oder ihrem Verhalten gegenüber fremden Körpern und von aussen auf sie wirkenden Kräften finden, werden natürlich dieselben Eigenthümlichkeiten an ihrer Oberfläche zeigen, wie künstlich hergestellte Tropfen irgend einer mit dem angewendeten Medium nicht mischbaren Flüssigkeit. Diese Eigenthümlichkeiten sind von zweierlei Art. Auf die eine Art derselben, die man an den meisten Flüssigkeiten be- obachtet, hat Max Schultze so deutlich hingewiesen i), dass hier nur wenig zu sagen übrig bleibt. Es handelt sich dabei um eine 1) Max Schnitze, Das Proloplasma der Rhizopoden und der Pflanzenzellen p. 59 u. 60. 3* 36 II. i)ie Bewegungserscheinungen der Amoeben. physikalische Eigeiithümlichkeit, die man an jeder Flüssigkeit findet, und die sich mit der Zeit an der Berührungsfläche der Flüssigkeit mit Luft, also an der Oberfläche immer deutlicher ausbildet. Geschwinder noch stellt sich dieses verschiedene Verhalten der inneren Masse der Flüssigkeit und ihrer Oberfläche her, wenn sie nicht mit Luft sondern mit einer anderen Flüssig- keit in Berührung tritt, die sich nicht mit ihr mischt. So ver- einigen sich z. B, Tropfen von mit lad gefärbtem Schwefelkohlen- stoff, die man in einer conceutrirten Salzlösung schweben lässt, im Anfange sogleich bei der leisesten Berührung mit einander zu grösseren Kugeln, während man nach Verlauf einiger Stunden grosse Mühe hat sie an einander zu bringen. Ritzt man die Tropfen vorher mit Nadeln an, so gelingt es aber auch dann leicht sie zusammenfliessen zu lassen. Eine sichtbare Membran ist trotzdem nicht vorhanden und man sieht an den violetten Kugeln so wenig doppelte Contouren, wie an den in mikroskopischen Präparaten so bekannten Eiweisskugeln, deren Zusammenfliessen häufig mit Leichtigkeit vor sich geht, in anderen Fällen aber mit grosser Hartnäckigkeit ausbleibt. Es wäre leicht eine grosse Zahl solcher Erscheinungen von den verschiedensten Flüssigkeiten anzuführen, die alle darauf hinauslaufen würden eine Veränderung, vermuthlich eine Verdichtung der Oberfläche darzuthun. Da indessen M. Schnitze diesen Gegenstand so eingehend berührt hat, so will ich gleich von der zweiten Art von Veränderungen reden, die namentlich bei unseren Objecten in Betracht kommen. Wären unsere Organismen, die wir den Tropfen vergleichen, zusammengesetzt aus Lösungen, so unveränderlich wie Oel in Wasser oder wie ScliAvefelkohlenstoff in Salzlösungen, so hätten wir es nur mit der einen Art der Oberflächenveränderung, mit der sog. physikalischen Oberfläche zu thun. Allein alle diese Organismen enthalten Eiweiss, und bieten deshalb ähnliche Er- scheinungen dar, wie Eiweisstropfen. Nehmen wir einen Tropfen aus einer Eiweisslösung heraus, so wissen wir sicher, dass wir es mit einer membranfreien Masse zu thun haben; wollten wir aber den Nacliweis einer Umhüllungshaut daran versuchen mit denselben Mitteln, welche bisher in der Histologie zu diesem Zwecke für heilig galten, so würden wir die Membran finden, obwohl sie nicht existirte. Ich rede hier nicht von Kalialbuminatlösungen, noch von denen des Acidalbumin's, sondern von natürlich vorkom- mendem, flüssigem Eiweiss, und von Lösungen des Albumins in neutralen Salzen. Tropfen solcher Lösungen überziehen sich schon II. Die Beweg:ungserscheinungen der Amoeben. 37 in clestillirtem Wasser, nicht allein mit einer dichteren Oberfläche, sondern mit einer greifbaren Hant von coagulirtem oder ausge- schiedenem Eiweiss. Man glaube ja nicht, dass diese Coagulationen zu keiner Umsäumung mikroskopisch kleiner Tropfen mit doppelten Contpuren führen können, denn wenn die Gerinnung an der Ober- fläche nur rasch genug geschah, und wenn der Process nicht sogleich bis in das Centrum des Tropfens vordrang, so erhält man künstlich die schönsten doppelt contourirten Kugeln, wahre mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen. Das sicherste Mittel aus Eiweisslösungen derartige von festen Häuten eingekapselte Tropfen zu gewinnen, besteht in der Anwendung von Reagentien, wie Säuren und Alkalien, in denen sich der Eiweisstropfen im An- fange so verhält, wie in Wasser, und wenn auch das darin coa- gulirte Eiweiss sich schliesslich wieder auflösen kann, so erhalten wir doch für einige Zeit das nämliche Bild, wie wenn wir den Tropfen in Wasser gesetzt hätten. Sehe ich nun an einem Organismus nicht die leiseste An- deutung von doppelten Contouren, so werde ich gewiss nicht auf die Anwesenheit 'einer aus festem Stoffe bestehenden Umkleidung schliessen können, wenn es mir wirklich auch gelingen sollte durch irgend welche Reagentien doppelte Contouren auftreten zu lassen. Hat sich eine Amoebe z. B. umgeben von einem überall deutlichen breiten hj'alinen nach innen unregelmässig begrenzten Saume, so darf ich mich nicht wundern, wenn ein Reagens, wie Essig- säure, das diesen Saum unter meinen Augen plötzlich schrumpfen macht, zwei runzelige eng aneinanderliegende Contouren erzeugt, und wenn ich weiss, dass jener hyaline Saum vorher unbeständig war, so werde ich nicht glauben die solide in der Essigsäure entstandene Hülle sei an seiner Stelle oder gar um die hyaline Randschicht herum zuvor schon vorhanden gewesen. Bin ich ferner im Stande künstlich eine völlig flüssige Eiweisslösung her- zustellen, die in Aetznatron gebracht zuvor gerinnt und sich erst hinterher wieder darin, auflöst, so werde ich keinen Beweis für die Existenz einer Amoebenmembran darin finden, wenn sich die Amoebe in Aetznatron zu einer von scharfen Contouren umgebenen kugeligen Blase verwandelt, denn der Eiweisstropfen zeigt mir dasselbe Phänomen. Auch dieser wird in eine grosse blasse Blase verwandelt, die gleich darauf platzt, und bis auf den letzten Rest von der Lauge gelöst wird. Was wir also durch Reagentien sichtbar machen können, wird erst dann von Werth für die Ent- scheidung der aufgeworfenen Fragen sein können, wenn wir 38 II. Die Bewegungserscheinungen der Amoeben. wissen, wie es entstanden ist. Der beliebte Glaube, class ein Reagens plötzlich etwas klar erscheinen lassen könne, das vorher schon als etwas Unsichtbares existirte, dürfte sich besonders da als ungerechtfertigt herausstellen, wo es sich um Oberflächen handelt, und wo an eine Klärung durch das Reagens nicht gedacht werden kann, weil Nichts vorhanden war, was den Gegenstand ver- decken konnte. Die Schwierigkeit sich einen Organismus, der doch äusseren Einflüssen zu widerstehen hat, als einen freien Tropfen zu denken, wird sehr vermindert, wenn wir das Verhalten von Eiweisstropfen in Wasser mit dem der Amoeben noch in einigen anderen Puncten vergleichen, namentlich in Bezug auf das Ein- dringen fester Körper durch die Oberfläche hindurch. So begreift es sich denn auch, wie die Amoebe fremde Körper vollständig in sich hineinziehen kann, denn dies findet ganz in derselben "Weise statt wie Schmutzkörnchen in Eiweisstropfen hineingelangen. Der fremde Körper gelangt in diesem Falle durch seine Schwere oder irgend eine von aussen einwirkende Kraft durch die Eiweissoberfläche hindurch, ohne ein gefährliches Loch zu erzeugen, da sich dieses augenblicklich durch neugebildete Ober- flächenveränderungen wieder schliesst. Wälzt sich die Amoebe um eine grössere Bacillarie z. ß. herum, so dass sie in sich zu- rückklappen muss, so verschmelzen die Oberflächen der Masse miteinander, weil die sie bedeckende Wasserschicht auch auf ein Minimum beschränkt wird, und die bereits an der ursprünglichen Oberfläche ausgeschiedenen Eiweissmassen der Lösung durch Diffusion mit dem Leibesinhalt wieder aufgelöst werden können. Der Eiweisstropfen verhält sich darin nicht anders, denn er kann durch dauernde Berührung mit einem andern Tropfen eben- falls verschmelzen, und wenn ich einen Stab langsam durch ihn hindurchführe, so wird er anfangs quersackförmig eingedrückt, seine Wände klappen in sich selbst zurück, verschmelzen mit einander, und der Stab kann ohne Schaden für die Form des Tropfens auf der entgegengesetzten Seite wieder herausgeführt werden. Vergleicht man den flüssigen Zustand des Centrums des Tropfens mit dem lebenden ebenfalls flüssigen Zustande der Amoebe, so kann man den Tropfen für todt erklären, wenn durch Diffusion mit dem umgebenden Menstruum alles Eiweiss ausge- fällt worden ist. Wir haben dann einen geronnenen Klumpen, der leicht zu Körnchen zerstiebt, gerade wie die geronnene, ebenfalls leicht zerbröckelnde Kugel, in der sich die Amoebe II. Die Beweg-ungseischeiiuingen der Anioebcn. 39 nach dem Aufhören der Bewegungen, nach dem Schwinden dieses für ihre Lebenseigenschaften wesentlichen Merkmals, verwandelt. Man wird den Einwand machen, dass nicht einzusehen sei, wie ein so kleiner Eiweisstropfen wie die Amoebe, so lange der allmählich fortschreitenden Diffusion zum Wasser widerstehe. Ich kann diesen Einwand nicht durch einen Versuch zurückweisen, da ich künstlich keinen Eiweisstropfen so geringer Dimensionen herstellen kann, der in Wasser gesetzt so lange flüssig bliebe. Allein die Amoebensubstanz ist zugleich fähig Nahrung zu assi- miliren und unbrauchbare Reste auszustossen. Sie regenerirt sich also, und das Constantbleiben der Körper Substanz durch Aufnahme und Ausgabe ist es, was wir als Leben bezeichnen, diese Erhaltung äusseren Einflüssen gegenüber, dieser Kampf um das Dasein ist es, der zur Definition des Lebens gehört. Unsere Unwissenheit darüber, wie die Amoebe dies anfange, mit einem Worte unsere Unkenutniss des Stoffwechsels dieser Thiere schliesst aber nicht aus, dass die im gegebenen Momente vorhandene Eiweisslösung wirklich die angegebenen Eigenschaften einer Lösung besitze, wie wir sie künstlich herstellen können. Zer- störe ich die ursprüngliche Zusammensetzung des Thieres, richte ich einen durch den Stoffwechsel des Thieres nicht mehr auszu- gleichenden Schaden an, so beginnt diese Diffusion, das Wasser fällt die Eiweisskörper und ich erhalte ein von der Peripherie her sich bildendes Gerinnsel, das in der That in Salzlösungen wieder löslich ist. Im Interesse des Gegenstandes wird es erlaubt sein hier eine Excursion einzuschalten, die uns analoge Erscheinungen an den contractilen Substanzen anderer Infusorien aufweisen wird, und uns zeigen wird, dass wir an den Eiweisslösungen lebender Organismen ausser den physikalischen Eigenthümlichkeiten der Oberfläche noch allmählich durch Diffusion entstehende chemische Veränderungen derselben erkennen können. Zerdrückt man z. B. einen Stentor viridis, so quillt aus den Rissstellen seiner sehr derben und schön längs- und quergestreiften häutigen Umhüllung eine blass blaugrün gefärbte Flüssigkeit in grossen Strömen her- vor. Die Ufer dieses Stromes umsäumen sich rasch mit einer festeren Hülle, und wenn die angewendete Gewalt nicht hinreichte grössere Mengen sehr rasch aus dem Inneren herauszupressen, so bleibt die Masse an dem Thiere in Form eines Bruchsackes sitzen, der bei der Reizung mit Inductionsschlägen an den Be- wegungen des übrigen Thieres theilnimmt, sich mit contrahirt. 40 II. Die Beweg^ungserscheinungen der Amoeben. indem er der Kugelform sich annähert, wobei es selbst zur voll- ständigen Abschnürung kommen kann. Drückt man stärker auf den Stentor, und sorgt man zugleich für eine gehörige Strömung des Wassers, so breitet sich der Strom contractiler Masse von der Rissstelle aus in langen Strömen aus, die sich rasch zu einzelnen Kugeln zusammenziehen und so lange eine zitternde oder heftig zuckende Bewegung zeigen, bis die vollständige Kugelform her- gestellt ist. Man darf die Erscheinung nicht verwechseln mit der tanzenden und schlagenden Bewegung, welche einzelne solche Kugeln zeigen, die mit flimmernden Membranfetzen verklebt sind, oder in denen ein Flimmerhaar arbeitet. Zur Unterscheidung dieser Dinge ist es gerathen nur mit den besten Mikroskopen den Versuch zu wiederholen , und nur die Tropfen zu beachten, welche aus dem Centrum der Rissstelle hervortreten. Auf den ersten Blick unterscheidet Jeder solche ausgetretene Kugeln, falls sie erst zur Ruhe gekommen sind, von eigentlichen Zellen, oder doch von dem, was man gewöhnlich vollkommene Zellen nennt, obwohl sie sehr häufig andere Blasen, coagulirte Massen, oder nicht selten vielleicht sogar wahre Zellkerne in sich einschliessen. Diese J^^ugeln sind zuerst nur mit einer physikalischen Membran, sehr bald darauf aber vermuthlich schon mit einer Membran gefällten Eiweisses von erstaunlicher Feinheit umgeben, und zeigen anfangs noch keine doppelt contourirte ringförmige Umgrenzung. Der leiseste Anstoss genügt um sie entweder fadenförmig auszudehnen, worauf sie unter zuckenden Bewegungen wieder zur Kugelform zurück- kehren, oder sie zu vielen kleineren Kugeln zu zersprengen. Kommen zwei Kugeln aneinander, so sieht man sie sich mit einem plötzlichen Rucke zu einer vereinigen. Zur Zeit wo diese Er- scheinungen stattfinden, zeigt der körnige Inhalt der Kugeln nie- mals Molecularbewegung, obwohl er von Körnchen aller Grössen erfüllt und unzweifelhaft flüssig ist. Diese Bewegung existirt darin so wenig wie in einer kriechenden oder soeben zur Kugel contrahirten Amoebe. Wenn aber die Kugeln zu gerinnen be- ginnen, wenn sich ihre Peripherie mit doppelten Contouren ab- grenzt und wenn sie von dorther trüber werden, so beginnt ein lebhafter Tanz der feinen Körnchen, und dieser dauert fort, bis die Kugel durch und durch zu trüben und eckigen Massen coa- gulirt ist, Zwischen den Coagulaten häuft sich nämlich etwas Flüssigkeit in kleinen kugeligen Blasen an, worin die Körnchen, welche nicht mit in das Coagulum eingeschlossen Avurden, weiter tanzen, bis dann das Ganze endlich sehr leicht zerstiebt, und II. Die Bewegiing'serschcinung-en der Amoebcn. 41 bis die kleinen Blasen sich mit den weiter hüpfenden Körnchen in das Wasser ergiessen. Dass die ans dem Stentor austretenden Tropfen contractu sind, lehrt ihre zuckende Zusammenziehung zu einer Kugel, und lehrt endlich ihr Verhalten gegen Eeize. Wo ein solcher aus- gedehnter Tropfen durch irgend welche Hindernisse, die sich in Membranfetzen und körnigen Coagulaten ihm entgegenstellen kön- nen, an der Zusammenziehung verhindert wird, kann man die- selbe bewerkstelligen durch massige Inductionsschläge. Man zer- drückt dazu einen Stentor gleich zwischen den Elektroden, und beeilt sich gleich darauf möglichst mit der Anstellung des Ver- suchs, da die Coagulation immer ziemlich rasch eintritt. '<■ Ich bin nun der Meinung, dass die Amoeben eine solche Membran besitzen können*), wie die aus dem Stentor ausge- drückten Kugeln sie bald nach der Berührung mit Wasser er- halten, und ich finde nichts Auffallendes darin, trotzdem es mir gelaug an den freilich im Uebrigen ganz verschiedenen Amoeben des Meerwassers vollständige Verschmelzungen mehrerer Indivi- duen zu sehen, die ich bei der Amoeba diffluens übrigens niemals sah, trotz dauernder und enger Berührung, der diese Wesen nicht abgeneigt scheinen. Der membranöse Sack, welcher sich nacl^ der bis zum Zerplatzen der Amoebe getriebenen Reizung bildet, scheint mir deshalb ein solches neu entstandenes Product zu sein, und ich werde zeigen, dass solche Bildungen stets an den Amoeben auf- treten, wenn sie absterben. Bei dieser Ansicht kann ich auch dem 1) Sehr schön lässt sich das Entstehen und Verschwinden der Membran an einer grossen kernhaltigen Amoebe, die in der Kieler Bucht vorkommt, verfolgen, wenn man das Seewasser unter dem Mikroskop allnaählich durch süsses Wasser verdrängt. Anfangs umkleidet sich das Thier stellenweise mit einer doppell con- tourirten faltigen Membran, und schon zu dieser Zeit wird seine Beweglichkeit bedeutend eingeschränkt. Später umgiebt sich die ganze Amoebe mit einer straff gespannten Membran, wird dabei kugelig und verlässt sehr leicht den Ort im Sehfelde , da sie nicht mehr an der glatten Fläche des ObjecUrägers fest zu haften vermag. Das Thier gleicht nun einer doppelt contourirten Blase, in welcher auch theilweise Molecularbewegung auftritt. Wird jetzt das süsse Wasser rasch wieder durch Seewasser verdrängt, so verliert das Thier nach einigen Stunden die doppelten Contouren , und die anfangs sehr trägen und steifen Bewegungen werden immer vollkommener, während die Membran nur noch an einzelnen Stellen in Form von faltigen Fetzen existirt, die schliesslich auch verschwinden. Ich habe diesen Versuch zwei bis dreimal an den Amoeben desselben Objects immer mit dem gleichen Resultate wiederholen können. Liess ich indessen das süsse Wasser zu lange einwirken, so wurde die gebildete kugelige Blase ganz hell, und zerplatzte zuletzt zu einem sehr feinkörnigen Brei. 42 IL Die Bcwegung-serscheinungen der Amoeben. Nachweise einer Membran der Süsswasseramoeben , der durch Be- handlung mit Reagentien wirklich versucht Avorden ist, keinen Werth beilegen , um so weniger, als das Verhalten der Eiweisslösungen zu den Reagentien, die hier in Betracht kommen, damals noch unbekannt war. Man könnte meinen, die faltige doppelt contourirte Mem- bran erscheine nach dem Zerplatzen der Amoebe deshalb, weil eine ursprünglich vorhandene Membran dicker geworden sei. Allein bei den kugelig contrahirten Amoeben sieht man so lange sie noch nicht abzusterben beginnen, dennoch keine doppelten Con~ teuren, obwohl die Oberfläche des Thieres dabei bedeutend ab- nimmt. Verliert dagegen das Thier die Bew^egungsfähigkeit, reizt man es so lange, bis die Trübung darin beginnt, unter Verhütung des Zerplatzens, so wird die Oberfläche runzelig und die Ränder bekommen jene doppelten höckerigen Contouren. Die aus Coa- gulaten gebildete Membran ist jetzt da, und wenn sie sich auch nicht ganz getrennt von dem Inhalte darstellen lässt, da der ersten raschen Gerinnung an der Oberfläche bald eine allmählich nach dem Centrum fortschreitende folgt, so sehen wir doch ebenso deutliche Anzeichen der Membran entstehen, wie wenn wir das Thier haben zerplatzen lassen. So v^^enig wir einem Muskel seine Lebenseigenschaften rauben können, ohne dass sein contractiler Inhalt zu irgend einer Zeit gerinnt, so wenig vermögen wir eine Amoebe zu tödten, ohne dass diese Gerinnung, und mit ihr die Bildung einer deutlicheren Randschicht, einer Membran erfolgt. Ich kann ohne Bedenken sogleich beginnen mit der Tödtung der Amoeben durch gesteigerte Temperaturen. Bringt man so viel Wasser in ein Probirglas, dass dasselbe eine Thermometercuvette gerade bedeckt, und hängt man das Gläschen in ein grosses im Sandbade erhitztes Wasserbad, so kann man annähernd bestimmen, bei Avelcher Temperatur die Amoeben plötzlich absterben. Die Meerwasseramoeben waren in meinen früheren Versuchen schon bei 35° C. abgestorben und ich versuchte deshalb zunächst diese Temperatur auch für unsere Amoeba diffluens. Zu dem Ende Hess ich in das Probirglas einen kleinen von Amoeben erfüllten Tropfen fallen, als das Thermo- meter gerade 35'' C. anzeigte, und sog mit einer Pipette erst Wasser vom Boden des Glases wieder heraus, bis das Thermometer nach dem Herausnehmen und Wiedereinsenken auf 35« C, gestiegen war. Durchschnittlich bedurfte es dazu einer Minute. Die Amoebem II. Die Bewegungserscheinungen der Anioehen. 43 welche ich jetzt unter dem Mikroskope wieder fand, zeigten nur ziemlich schwache Bewegungen, denn die meisten waren zu Ku- geln zusammengezogen, der Kern erschien darin sehr deutlich, und in einigen sah ich auch kugelige blasse Blasen, während der übrige von einem scharfen ringförmigen Rande umschlossene Raum Körnchen mit Molecularbewegung enthielt. Die Amoeben, welche ihre wälzende aber langsame Bewegung beibehalten hatten, zeigten diese Veränderungen nicht. Ich legte den Objectträger darauf in einen mit Wasserdampf gesättigten Raum, und beobachtete die Thiere wieder nach 2 Stunden. Innerhalb dieser Zeit hatten sie alle ihr gewöhnliches Aussehen wieder gewonnen und krochen lebhaft in dem Wasser umher. Da sie endlich auch gegen In- ductionsschläge das gewöhnliche Verhalten zeigten, so stehe ich nicht an, die Temperatur von 35^ C. für die Amoebe des süssen Wassers als unschädlich zu bezeichnen. Damit soll indessen nicht gesagt sein, dass die Thiere sich darin dauernd am Leben erhalten können. Erwärmt man sie nur 15 Minuten bis auf diese Tempe- ratur, so tritt eine vollständige Gerinnung ein, und ihre Bewe- gungen kehren nicht wieder. Um zu erfahren, bei welcher Temperatur die Amoeben plötzlich coaguliren, weiss ich kein anderes Verfahren, als das beschriebene, obgleich man natürlich von dem Thermometer nicht ganz genau entnehmen kann, wann die Leibessubstanz der Amoebe auf einen bestimmten Grad erhitzt worden ist. Die Ein- richtung des Wasserbades muss natürlich eine möglichst schnelle Ausführung des Versuchs gestatten, da auch niedere Temperaturen bei längerer Dauer das Absterben der Thiere erzeugen, wie die höheren in kürzerer Zeit. Das Suchen der Amoeben in der etwas grösseren Wassermasse mit der Pipette ist nicht immer leicht ausführbar, und in der Regel muss man das Röhrchen erst einige Zeit ruhig stehen lassen, damit sich die Thiere auf den Boden senken können. Ich habe deshalb das Thermometer immer in dem Momente herausgezogen, wenn die Quecksilbersäule soeben bis zu dem gewünschten Grade gestiegen war, und dann das Gläschen sofort in kaltes Wasser gestellt. Auf diese Weise gelang es mir, Amoeben bei genau 40° C. absterben zu sehen;, indessen habe ich, um alle Thiere so weit zu verändern, dass sie nach langer Ruhe keine Bewegungen mehr zeigten, bis zu 45" C. steigen müssen. Aus dem Ansehen einer erwärmten Amoebe kann man voraus- sagen, ob sie fähig sei zum Leben zurückzukehren oder nicht. Die- jenigen Thiere, welche nur die vorhin geschilderte Veränderung 44 [I. Die Beweg-ungserscheinungen der Amoeben. erfahren haben, werden ohne Ausnahme wieder beweglich, während eine andere an vielen Amoeben sehr rasch schon bei 40° C. ein- tretende Veränderung auf einen sicheren Tod deutet. Die Thiere stellen dann eine kugelförmige, scharf und doppelt contourirte Blase dar, welche einen grossen trüben im durchfallenden Lichte bräunlich aussehenden Klumpen einschliessen, der in der Regel mit einer Seite der Peripherie fest anhaftet und den kugeligen Raum zu etwa drei Viertheilen anfüllt. Der übrige Raum ist mit einer durchsichtigen klaren Flüssigkeit angefüllt, in welcher kleine Körnchen in lebhafter Molecularbewegung umherwimmeln. Keine der so veränderten Amoeben erholt sich nach dem Abkühlen wieder, denn man findet an ihrer Stelle nach etwa 12 Stunden einen Haufen grösserer und kleinerer trüber Bröckelchen. Dagegen sah ich viele Thiere, nach der flüchtigen Erwärmung auf 40^ C. in der schon bei 35 " C. eintretenden Veränderung, und diese ge- wannen ihr normales Aussehen nach einigen Stunden wieder. Bei eben so flüchtiger Erwärmung auf 45 f* C. waren alle Amoeben abgestorben, allein die Coagulation hatte ihnen ein ganz anderes Aussehen gegeben, da sie in höckerige durch und durch trübe, feste Klumpen umgewandelt waren, die schon bei der lieber- tragung auf Objectträger leicht zerbröckelten. An solchen Klum- pen war auch kein eigentlicher Contour bemerkbar, sondern sie waren umzogen von einer vielfach einspringenden Grenze, wäh- rend die schwächer erwärmten Amoeben stets eine doppelt con- tourirte nach aussen und innen glatte Urasäumung zeigten. Ich schliesse hieraus, dass die Anioebe nach massiger Erwärmung zuerst von einem membranartigen Coagulum umzogen wird, und dass bei weiterer Erwärmung im Innern der so gebildeten Blase ein Theil der Flüssigkeit zu einem Klumpen gerinnt, während ein anderer Theil noch flüssig bleibt. Wird endlich das Thier plötzlich auf 450 C. erwärmt, so bildet sich schnell ein einziges klumpiges Coagulum, ohne dass erkennbare Flüssigkeitsreste zu- rückbleiben, und ohne dass ein häutiges Gerinnsel Zeit hätte, zuvor sich auszuscheiden und das Ganze zu umfangen. Ein directer Versuch hat mir gezeigt, dass die Amoebe sich in der That in ein solches Gemenge von Flüssigkeiten trennen kann, die erst bei verschiedenen Temperaturen hintereinander gerinnen. Versenkt man die Thiere, welche sich bei 40" C mit einer Membran bedeckt und mit einem die Blase nicht ganz an- füllenden Klumpen erfüllt hatten, später in Wasser von 45" C, so hört die Molecularbewegung in dem vorher klaren Theile der IT. Die Bewegungserscheinungen der Amoeben. 45 Blase auf, und es bildet sich auch hier ein festes Coagulum, das die Membran nach dem Klumpen zu einzieht, so dass ein unregel- mässig gestaltetes Ding entsteht, welches noch von der faltig geronnenen Membran rings umkleidet ist. Man erhält darum auch nur diese Coagulationsform , wenn man die Amoebe mit kaltem Wasser allmählich bis zu 45 o C. erwärmt, und es erwächst aus diesem Umstände abermals die Vorsichtsmassregel, bei Anstellung solcher Versuche das Wasser vorher ungefähr bis zu der ge- wünschten Temperatur anzuwärmen und dann erst die Thiere mit einem möglichst kleinen Wassertropfen hineinzuthun. Amoeben, welche ich durch Wasser von 35^ C. verändert hatte , konnten sich durch Inductionsschläge natürlich nicht mehr zu Kugeln zusammenziehen, da sie bereits kugelig waren, allein sie zerplatzten unter Anwendung stärkerer Ströme unter Ausstossung eines wurstartigen den Kern tragenden Ge- rinnsels, gerade wie die unveränderten Amoeben. Man sieht daraus, dass die contractile Substanz keineswegs schon bei 35^^ C. abstirbt oder coagulirt, was schon durch die später erfol- gende Erholung dieser Thiere wahrscheinlich gewesen war. Ist in- dessen bei 40"^ C. ein geronnener Klumpen abgelagert, so tritt auch nach den heftigsten Inductionsschlägen keine Veränderung mehr ein. Dieser Klumpen ist also die coagulirte contractile Substanz, die wir bei 35^' C. der eintretenden Kugelform wegen uns als durch Wärme contrahirt zu denken haben. Da diese Contraction eine constante, längere Zeit dauernde Formverände- rung verursacht und dieselbe Gestalt erzeugt, welche das Tetanisiren mit Inductionsschlägen herbeiführt, so stehe ich nicht an, sie als Wärmetetanus zu bezeichnen. Wir müssen uns vorstellen, dass verschiedene Eiweisslösungen — oder die Lösungen verschiedener Eiweisskörper — in dem lebenden Thiere auf das innigste mit einander gemengt sind, und dass eine mehr oder minder vollständige Trennung derselben er» folgen kann, ohne dass wenigstens der contractile Theil seine spe= cifischen Eigenschaften einbüsst. Dafür spricht besonders der Eintritt der Molecularbewegung, wenn die Amoebe bei 35» C. kugelig contrahirt ist, und ich habe aus diesem Umstände Ver- anlassung genommen nachzusehen, ob nicht dasselbe eintrete, wenn man Amoeben längere Zeit durch einzelne nach Bedürfniss in rascher oder langsamer Folge einwirkende Inductionsöffnungs- schläge in der Kugelform erhält. Wie oben bemerkt, bekommen die Kugeln dabei immer deutlichere Umgreuzungslinien, es bildet 46 11. Die Beweg-ung-serscheinnngen der Amoeben. sich also von der Oberfläche her ein membranöses Coagulum, ganz wie bei 35" C , und im Innern tritt hier wie dort Molecular- bewegung auf. Nur ist es schwer den Zeitpunct richtig zu treffen für das Aufhören der Reizung, denn die Amoeben gingen mir in der Regel, wenn ich einmal dieses Stadium durch elektrische Reizung statt der thermischen erreicht hatte, ganz zu Grunde, sie coagulirten völlig, zerfielen zu Bröckeln und waren deshalb unfähig ihre freiwillige Beweglichkeit wieder zu gewinnen. Wird die elektrische Reizung vor dem Eintritt der Molecular- bewegung unterbrochen, so kehrt das mit einer Membran ver- sehene Thier langsam wieder zu seinen eigenthümlichen Bewegungen zurück trotz der membranösen Umhüllung, die ihnen etwas Trä- ges und Ungeschicktes aufprägt. Ich habe mit der grössten Sorg- falt einzelne solche Amoeben von Stunde zu Stunde wieder auf dem vor Verdunstung inzwischen geschützten Objectträger unter das Mikroskop gebracht und mich überzeugt, dass diese Membran wirklich allmählich wieder verschwindet, und mich mit der Annahme beruhigt, dass die Amoebe sie wieder löst und mit dem übrigen wieder assimilirt, wenn man vdll, sie verdaut und resorbirt. Die Entstehung dieser Membran lässt sich nicht anders denken, als durch eine Zersetzung an der Oberfläche, und man kann sich nur vorstellen, dass zur Zeit, wo nur hier die Coagulation statt- findet, das umgebende Medium, das Wasser durch Diffusion daran betheiligt sei. Der Tod der Amoeben fällt beim Erwärmen auf 40 und 45» C. ohne Zweifel zusammen mit der Gerinnung ihrer Körpers-ubstanz. Da indessen Theile, wie die Oberfläche ohne Schaden für das Thier gerinnen können, und da diese Gerinnung nicht nur durch Wärme eintritt, so wird man genöthigt, einen indirecteren Weg für das Zustandekommen mancher derartiger Gerinnungen zuzu- geben. Das Folgende soll hierfür Beispiele liefern. Setzt man ein Schälchen mit amoebenhaltigem Schlamm meh- rere Stunden in Eis, so findet man die Thiere kurze Zeit darauf in der Form nicht verändert, allein die Bewegungen sind meistens ganz erloschen oder sehr träge. Während sich indessen der Ob- jectträger wieder erwärmt, beschleunigen sich auch die Bewegun- gen, und werden schliesslich wieder ganz normal. Die Abkühlung veranlasst also keine Contraction der Thiere, da auch die völlig ruhenden Thiere niemals kugelig werden, und es hört dabei nur der Antrieb, oder die Möglichkeit der Bewegung auf. Ganz anders geht es dagegen den Thieren, wenn man sie in Wassertropfen II. Dio Beweg'iing'sersclieinnngen der Amoebon. 47 auf Objectträgern rasch einfrieren lässt. Ich legte die Glasplatten auf eine Kältemischung von Eis und Kochsalz, nahm sie herunter, wenn der Wassertropfen fest gefroren war, und beobachtete die Thiere darauf vom Momente des Aufthauens an ohne Deckgläschen. Die Amoeben zeigten jetzt noch dieselben unregelmässigen Ge- stalten wie gewöhnlich, die Bewegung trat aber auch nach 12 Stunden noch nicht wieder ein, und ohne Zweifel Hess sich in ihrem Ansehen selbst der Grund dafür entdecken. Sie waren nämlich sämmtlich mit selir viel schärferen Contouren als gewöhn- lich, stellenweise sogar mit trennbaren doppelten Contouren ver- sehen, der im Leben nicht immer siclitbare Kern erschien in allen ungemein deutlich, und das Innere war erfüllt von einer Anzahl unregelmässig geformter trüber Klumpen, welche Nahrungsreste einschlössen und sonst nur Körnchen ohne jede Spur von Mole- cularbewegung enthielten. Ein anderer Theil des Inhaltes war dagegen ganz klar, und hier tanzten feine Körnchen ungehindert in lebhafter Molecularbewegung. Man sieht also, dass die Thiere auch beim Absterben ohne Contraction membranöse Gerinnungen an der Oberfläche und klumpige Gerinnungen im Innern erleiden unter Abklärung einer körnchenhaltigen Flüssigkeit. Nach 24 Stunden zeigten sich die so veränderten Amoeben stark geschrumpft und zerfielen sehr leicht zu Bröckeln. Ein anderes Mittel die Amoeben zu tödten, besteht in der Anwendung ausserordentlich verdünnter Giftlösungen, Wässerige Abgüsse des so wenig löslichen Veratrins vernichten die Amoe- ben rasch, und ich glaube nicht, dass die alkalische Reaction der Lösung dabei von irgend welchem Belang ist. Man kann Amoe- ben lange in alkalisch reagirendem Wasser bewahren, denn ich fand, dass mein amoebenhaltiger Schlamm zufällig recht deutlich alkalisch reagirte, und ich sah ferner die Amoeben in einem stark alkalisch reagirenden Brei von gebrannter Magnesia mit Wasser über 24 Stunden lang ohne Anfechtung umherkriechen. In einem Brei von Veratrin mit Wasser starben die Thiere in- dessen schon in 10 Minuten, in einem filtrirten kalten Abguss spätestens in einer Stunde. Dabei gingen sie ohne Ausnahme in die Kugelform über, umgrenzten sich mit einer deutlichen innen und aussen von zwei glatten Contouren bezeichneten Membran, der Kern trat überall sehr deutlich hervor und der Inhalt zeigte nur eine sehr schwache Trübung. Trotzdem war die Molecularbewegung der Körnchen eine sehr geringe und nur auf eine schmale Schicht dicht unter der Membran beschränkt. 48 II. Die Bewegung'serscheinungen der Amoeben. Zur Zeit wo diese Veränderungen vollendet sind, reagirt auch kein Individuum mehr auf die stärksten Inductionsschläge, ein kräftiger Druck auf das Deckglas sprengt dagegen die Kugeln, die Membran fällt zu einem faltigen Klumpen zusammen, und der Kern schiesst mit einem langen wurstförmigen Gerinnsel heraus, dessen Länge gerade wie nach dem Zerplatzen unvergifteter Amoe- ben, unter Einwirkung starker Inductionsschläge, abhängig ist von der auch hier öfter vorkommenden Einkeilung des Kerns in die Rissstelle. Auch gegen das hier angewendete Muskelgift eben- falls verhalten sich unsere Amoeben folglich ganz verschieden von der Amoeba marina. Ich habe mich mit der Anwendung dieses einen Giftes begnügt, weil seine bekannte Wirkung auf die contractile Substanz der Wirbelthiermuskeln vorzugsweise interes- sante Vergleichungspuncte darbot, und weil ich kein anderes Gift anwenden wollte, das nurin stärkeren Concentrationeu wirksam wäre. Die Amoeben sind sehr empfindlich für Concentrationsverände- rungen des umgebenden Mediums, und gehen zu Grunde selbst in sehr verdünnten Kochsalzlösungen. Lässt man zu einem flach aus- gebreiteten amoebenhaltigen Wassertropfen langsam eine Kochsalz- lösung von 1 — 2 p. C. zufliessen, so bemerkt man zuerst ein leb- hafteres Kriechen der Thiere, Gleich darauf ziehen sie sich plötzlich zu Kugeln zusammen und stossen dabei gewöhnlich alle Nah- rungsreste aus, ja ich habe einmal sogar den Kern mit heraus- kommen sehen, während der Leibesinhalt in der Kugel ganz zurückblieb. Die Letztere schrumpft dann rasch zusammen und besetzt sich häufig mit einer grossen Zahl ganz feiner hyaliner spitzer Fortsätze, während das Centrum immer trüber wird, und keinerlei Bewegungen mehr zeigt. Verdrängt man jetzt die Salz- lösung auf dem Objectträger durch destillirtes Wasser, so quellen die trüben Kugeln wieder auf, wo spitze Fortsätze borstenartig abstehen, verschmelzen dieselben, wo die Kugeln glatt geblieben, verschwindet der Anschein einer Membran und die Thiere ge- winnen schliesslich ihre volle Beweglichkeit wieder. Diese W^ieder- belebung findet jedoch nur dann statt, wenn die Salzlösung nicht zu lange eingewirkt hatte. Kochsalzlösungen von 1 p. C. ver- wandeln die Amoeben nach 24 Stunden in grosse niyel inartige, klare, geschichtete Tropfen und Stränge, die in destillirtem Wasser stark quellen, ohne natürlich zur ursprünglichen Form zurück- zukehren. Concentrirte Salzlösungen endlich, z. B. von 10 p. C. verwandeln die Amoeben sogleich in Kugeln, welche schnell zer- platzen, und ein Netz von feinen schleimigen Fäden ausstossen, II. Die Boweg-ungseischeinungen der Amooben. ■ 49 während der Rest zu gröberen und feineren Bröckeln zergeht, die unter lebhafter Molecularbewegung auseinanderfahren. Unter dem Einflüsse von Säuren und Alkalien gehen die Amoeben ebenfalls zu Grunde. Salzsäure von 0, 1 p. C. z. B. lang- sam unter das Deckglas gelassen, scheint im Anfange, wo ein ver- dünntorer Strom der Säure allmählich einwirkt, die Kriechbewe- gungen zu vermehren, bis die Zusammenballung zu einer Kugel mit scharfen, doppelten Rändern erfolgt. Innerhalb der so begrenzten Kugel finden zuerst noch heftige zuckende Bewegungen statt, unter welchen Bacillarien , die anfänglich an zwei gegenüberliegenden Seiten conische Ausbuchtungen in der Membran vortreiben, aus- gestossen werden. Dann erst pflegen sich zurückbleibende kleinere gelbliche Bacillarien unter dem Einflüsse der Säure grün zu färben, die vorher trübgewordene Leibesmasse erblasst, verwandelt sich in eine wie körniger Sago aussehende Substanz, und nun zerreisst die Kugel unter Hinterlassung sehr blasser, mit Membranstücken besetzter Agglomerate, Auch verdünnte Kalilösungen (1 p. C.) scheinen, wenn sie sich allmählich mit dem Wassertropfen unter dem Deckglase vermischen, die Kriechbewegungeu zuvor anzuregen, ehe die Umwandlung in eine grosse, schnell platzende, blasse Blase erfolgt. Die beim Platzen hervorschiessenden sehr feinen Körnchen schliessen in der Regel viele sehr blasse Bläschen zwischen sich, und ich gebe gern zu, dass den Körnchen häufig membranartige Fetzen anzuliegen scheinen. Gegen Kalilösungen von 0, 1 p. C. zeigen sich die Amoe- ben resistenter, und dies bedeutend länger, als gegen Salzsäure von 0,1 p. C, Ich erwähne dieses Umstandes nur, weil die Ver- änderungen der Amoeben unter dem Einflüsse des constanten Stro- mes an den beiden Polen diesem Verhalten ziemlich genau ent- sprechen. Es schien mir von Interesse, zuzusehen, ob sich an den Amoe- ben eine Art von Zuckungsgesetz nachweisen lasse, und da es mir bisher nicht recht gelingen wollte, unpolarisirbare Elektroden für diesen Zweck geeignet herzustellen, so war ich darauf angewiesen, zuvor die Einflüsse der chemischen Zersetzungsproducte des Stro- mes kennen zu lernen. Auf flüchtige Schliessungen und Oeffnungen der constanten Kette reagirte die Amoebe zwischen meinen oben beschriebenen Platinelektroden nicht eher, als bis ich eine Kette von 4 kleinen Grove' sehen Elementen anwandte. Der Erfolg be- stand in einem plötzlichen Zusammenfahren mit unvollkommener Kugelbildung. Rasches Schliessen und Oeffnen hintereinander. Kühne, Untersuchungen. 4 50 11- l^ic Bcwngungsorsehcinung-eii der Amoeben. oder rasches Hin- und Herwerfen des eingeschalteten Strom- wenders führte zunähst eine vollständige Kugelbildung herbei. In Bezug auf das Verhalten zu Schliessungen und Oeffnungen ver- hielten sich sämmtliche Amoeben gleich, gleichviel ob sie nahe der einen oder der anderen Elektrode lagen. Während der Dauer des Stromes entstanden dagegen am positiven Pole Veränderungen, un- gefähr von der Art, wie sie in verdünnter Salzsäure eintreten , am negativen Pole solche, wie unter Einwirkung des verdünnten Kalis, ebenfalls mit dem Unterschiede, dass die Thiere am negativen Pole trotz beginnender Blasenbildung nach Unterbrechung des Versuchs, wieder zu kriechen begannen, was am positiven Pole rasch auf- hörte. In der Mitte zwischen den Elektroden krochen die Amoe- ben während der Dauer des Stromes lange in normaler Weise umher. Aus den herrlichen Untersuchungen von Pasteur über die Gährung wissen wir jetzt, dass einige der kleinsten Organismen in Sauerstoffgas zu Grunde gehen, und nur in Kohlensäure sich erhalten, und dass andere Arten umgekehrt des Sauerstoffs bedürfen, und in Kohlensäure ersticken. Die Amoeben schienen mir deshalb ein ausgezeichnetes Object zu sein, an welchem man prüfen konnte, ob das Protoplasma — denn als solches dürfen wir die contractile Substanz dieser kernhaltigen Organismen wohl auffassen — zu seiner Erhaltung ebenfalls einer Respiration bedürfe. Es wird bekannt sein, dass Amoeben in stark faulenden Infusionen, die nach Pasteur immer in Sauerstoff sterbende, in Kohlensäure lebende Vibrionen enthalten, keine Amoeben vor- kommen, und ich kann hinzufügen, dass in solche Infusionen ge- setzte Amoeben rasch absterben, und dass dasselbe geschieht, wenn amoebenhaltiger Schlamm Vibrionen zu entwickeln beginnt. Ich construirte mir, um den Einfluss der Gase auf die Amoeben kennen zu lernen, einen Apparat, den ich hier beschreiben will, weil ich im Laufe dieser Untersuchungen öfter Gebrauch davon machte. Auf den platten Boden einer 15 Cm. hohen und 25 Cm. weiten Glasschale wurde ein breiter drei Cm. hoher Kork gekittet, auf dessen oberer Fläche mehrere kurze Objectträger Platz hatten. Ueber denselben wurde ein 7 Cm. weites und 10 Cm. hohes Cylinderglas gestülpt , das mit seiner nach unten gewendeten Oeffnung auf 3 um den Kork herum gekitteten Glasstäben ruhte. Bis unter den Boden des Cylindergiases ragte ein zweimal recht- winklig eeboo-enes Gasleitungsrohr aus Glas in die Höhe, dessen II. Die Bewegnngserschcinung'en der Amocben. 51 anderer Schenkel aus der Glasschale hervorragte. Ich legte nun den Objectträger mit dem amoehenhaltigen Wassertropfen auf den als Sockel dienenden Kork, stülpte das Cylinderglas über, schob das mit den Gasentwickelungsapparaten verbundene zwei- schenklige Glasrohr mit einem Schenkel darunter, beschwerte das Cylinderglas mit einem Gewicht und füllte nun die Glas- schale bis zum Rande voll Wasser. Das unter den Boden des Cylinderglases tretende Gas verdrängte daraus allmählich alle Luft, so dass anfänglich Luft, später das Gas in grossen Blasen aus der unteren Oeffnung durch das in der Schale befindliche Wasser emporsteigen musste. Bei dieser Einrichtung befindet sich das Präparat fort- wälirend in einem mit Wasserdampf gesättigten niclit zu grossen Räume, und kann, wenn der Letztere mit den Gasen angefüllt ist, darin lange Zeit aufbewahrt werden. Setzt man das zwei- schenklige Glasrohr noch aus zwei rechtwinklig gebogenen Stücken zusammen, die durch ein Kautschukrohr verbunden werden, so hat man nach der Lösung dieser Verbindung auch nicht zu fürch- ten , dass Wasser in den Gasraum zurücksteige. Sollen die Prä- parate zur Untersuchung jenen Raum verlassen, so wird das Wasser einfach abgelassen und das Cylinderglas heruntergestülpt. Die Absperrung des Raumes durch eine so hohe Wasserschicht ist geboten, wenn man z. B. völlig sauerstofffreien Wasserstoff anwenden will, der durch einen Strom von Gasblasen in einer niederen Wasserschicht sehr leicht Luft zurück diffundiren lässt. Als ich in diesem Apparate nur eine Stunde lang Kohlen- säure über die Amoeben geleitet hatte, waren die Bewegungen überall erloschen. Die Thiere hatten sich sämmtlich in bräun- liche, undurchsichtige, von doppelten Contouren umgrenzte Ku- geln verwandelt, in denen auch nicht einmal Molecularbewegung entdeckt werden konnte. Da ich die Objecte vorher genau durch- mustert und meine Amoeben gezählt hatte, so kann ich auch behaupten, dass keine einzige durch Zerplatzen zu Grunde ge- gangen war. Manche Amoeben zeigten indessen keine voll- kommene Kugelgestalt, vielmehr fand sich auf einigen eine blas- sere, aufgesetzte Halbkugel, die ebenfalls mit unter die doppelten Contouren eingeschlossen war. Nur in diesen mit wenigen blassen Körnchen erfüllten Theilen war Molecularbewegung zu bemerken. Keins dieser Thiere reagirte auf Inductionsschläge , dagegen konnten sie durch Druck in kleinere und grössere Bruchstücke zersprengt werden. Ich liess nun Objectträger mit Amoeben- 52 II. Die Beweg ung'seischeiaung'en der Anioeben. Präparaten 24 Stunden lang in Kohlensäure liegen, durchmusterte sie genau , und als ich alle Amoeben in der bezeichneten Weise verändert sah, nahm ich einen Theil mit der Pipette fort, und prüfte sie gegen Inductionsschläge. Sie verhielten sich indiffe- rent. Den Objectträger brachte ich jetzt in einen feuchten mit Luft gefüllten Raum zurück. Nach 24 Stunden war ich erstaunt neben vielem unzweifelhaft von Amoeben herrührendem Detritus, eine Menge sehr kleiner Amoeben in lebhafter Bewegung zu finden. Ich hatte den Versuch angestellt in der Absicht, zu sehen, ob die durch Kohlensäure veränderten Amoeben wieder aufleben könnten, aber ich muss nach öfterer Wiederholung desselben bekennen, dafür keinen Beweis liefern zu können. Manche Amoeben fand ich unver- ändert als Coagulate wieder, von anderen nur Reste, und daneben immer nur bewegliche Amoeben von solcher Kleinheit , dass ich nicht anstehe, sie für neuentwickelte zu halten. Es lag nicht in meinem Plane, diesen Gegenstand weiter zu verfolgen, und ich be- gnüge mich darum. Denjenigen, welche der Entwicklung der Amoeben ihre Theilnahme schenken wollen, die Abtödtung der grösseren Amoeben in Kohlensäure zu empfehlen. Leicht möchte das coagu- lirte und zerstörte bewegungslose Protoplasma noch Reste ein- schliessen, aus denen sich neue Individuen bilden können, und wer weiss, ob hierzu nicht der so complicirt gebaute solide Kern der Amoeben ausreicht? Es blieb bei den durch die Kohlensäure ver- ursachten Veränderungen noch zweifelhaft, ob die Amoeben gerade durch die Kohlensäure oder durch den Mangel an Sauerstoff ge- litten hatten. Beides scheint der Fall zu sein, denn es ist mir nie so gründlich gelungen, die Amoeben in Wasserstoff zu verderben, wie in Kohlensäure. Welche Schwierigkeiten zu überwinden sind, um den Sauerstoff für derartige Versuche mit Wasserstoff voll- kommen auszuschliessen, ist bekannt, und ich gelangte auch nicht eher zum Ziele, als bis ich länger als 24 Minuten einen Strom von reinem Wasserstoff durch meinen Apparat geleitet hatte. Viele Amoeben fand ich darauf genau so verändert, wie in Kohlensäure, andere indessen sahen ganz unverändert aus, zeigten aber keine Spur von Bewegung, sondern lagen in den bekannten eigenthüm- lichen Formen völlig regungslos auf dem Objectträger am Boden des Wassertropfens. Ich beobachtete diese Thiere nun unausgesetzt, ohne an dem Objecte zu rühren, unter dem Mikroskope, und sah wie die Thiere in einem Zeiträume von 15 Minuten alle wieder sich zu bewegen begannen, anfangs sehr langsam und träge, später so munter, als wenn ihnen zuvor nichts geschehen wäre. Bei den hau- 11 Die Bewegiing-serscheinungen der Amoeben. 53 ligen Wiederholungen des Versuchs, bei welchen|ich auch die Amoeben gleich auf die stromzuführenden Vorrichtungen in Wasserstoff brachte, sah ich, dass die ruhenden Thiere sich auf Inductionsschläge genau so contrahirten und endlich zerplatzten , wie die frischen Thiere, wenngleich ich dazu bedeutend stärkerer Reizungen be- durfte. Die zu bräunlichen, mit Blasen besetzten Kugeln coagu- lirten Thiere Hessen indessen keine Spur solcher Reizbarkeit er- kennen. Aus den oben genannten Versuchen ziehe ich den Schluss, dass die Entziehung des Sauerstoffs den Amoeben zunächst die Fähigkeit zur Bewegung raubt, dass schliesslich auf diesen Zustand eine Coagulation unter Kugelbildung erfolgt, und dass die letztere Veränderung auch in Kohlensäure eintritt. Ich füge hinzu, dass die Kohlensäure selbst bei gleichzeitiger Anwesenheit von Sauer- stoff nach längerer Zeit dieselbe Coagulation hervorruft, denn ich sah diese auch eintreten, als ich mit der Kohlensäure kleine Men- gen von Luft gleichzeitig über die Amoeben leitete. III. Die Bewegüngserscheiiiuugen der Actiiioplirys Eicliliornii. Angeregt durch den Versuch M. Schultzens die Bewegungs- erscheinungen der Rhizopoden als Contractionen des Protoplasma zu deuten, war es lange mein Wunsch, ausser den Amoeben noch andere Species zu ähnlichen Untersuchungen zu benutzen wie die vorangegangenen. Meine ersten Beobachtungen wurden ange- stellt an den Actinophr3'en des Meerwassers, allein bei der ausser- ordentlichen Kleinheit meiner Actinophrys marina war es mir anfänglich unmöglich hier zu gehörigen Beobachtungsreihen zu kommen. Viel Schuld daran trug auch die verhältnissmässige Seltenheit derselben in dem Aquarium, das mir zu Gebote stand. Milioliden erhielt ich nur einmal, jedoch in nicht hinreichender Menge, und so entschloss ich mich Gebrauch zu machen von der grossen Actinophrys Eichhornii, die ich früher schon in den Wässern von Meudon, später in grosser Menge vor den Thoren Berlins fand. Actinophrys Eichhornii lässt bekanntlich zwei Schichten erkennen, eine etwas dunklere, kugelige Marksubstanz, und eine helle aus klaren Blasen bestehende Rinde, welche die centrale Masse fast in Form einer Kugelschale umgiebt. Die ganze Peri- pherie ist mit stachelig abstehenden Strahlen dicht besetzt, deren äusserer Ueberzug eine kurze Strecke weit in die Rinde hineinreicht und deren innere fast skeletartige hyaline Axe oft bis an die Marksubstanz zurückverfolgt werden kann. Ich sah die hyalinen anscheinend etwas festeren Axen der Strahlen zuerst III. Die Beweg'ungsc'ischeiimngen der Aclinophrys Eiclihornii. 55 im Jahre 1860 an Präparaten des Herrn Balhiani^ und verweise in Bezug auf die genauere Beschreibung derselben auf die jüngsten Angaben von M. Schnitze (1, c), wo sie so geschildert werden, wie sie sich auch mir immer darstellten. Die Erscheinungen an dem schwachkörnigen, langsam iiiessenden Ueberzuge sind von anderen Forschern schon so gründlich beobachtet worden, dass ich mich darauf beschränken kann nur eine derselben hervorzuheben. All einem sehr grossen, kugelrunden Individuum sah ich einen der mächtigen Strahlen von einem fast cylindrischen Mantel des sehr langsam fliessendeu Protoplasma bekleidet, das an dem äussersten Ende mit einer schwachen, keulenförmigen Anschwellung endete. Etwa in der Mitte des Strahles bildete sich allmählich eine Knickung, und indem sich diese Stelle zum Drehpuucte der beiden Strahlen- abschnitte gestaltete, bogen sich diese erst unter stumpfem, später unter spitzem Winkel gegen einander. Als der Winkel etwa 30'^ erreicht hatte, verlor der cylindrische Mantel zuerst an dem Drehpuucte seine ursprüngliche Gestalt, das Protoplasma nahm die Form einer mächtigen Schwimmhaut an, die sich ziemlich rasch bis an das Ende und bis an die Wurzel des Strahles aus- breitete. Dabei strömten die spärlichen Körnchen, auch von dem keulenförmigen Ende her, für einen Augenblick rasch nach der Wurzel hin zurück, und vertheilten sich gleichmässig durch die Schwimmhaut, die sich ebenfalls ziemlich rasch verschmälerte, und endlich das Ende und die Wurzel zu einem halb so langen, entsprechend dickeren Strahle vereinigte. Nach geschehener Verschmelzung wurde die Körnchenbewegung wieder sehr langsam, und konnte nur an dem Ende des kurzen Strahles deutlich be- obachtet werden, wo der innere hyaline Faden mit seiner haken- förmigen Umbiegung das Protoplasma etwa wie das Ende eines Spatels flach ausgespannt erhielt. Die Stelle gestaltete sich zuletzt wieder zu einer keulenförmigen Anschwellung um, während der hyaline centrale Faden ganz in sich zurückgebogen wurde, und ein stumpferes deutlich erkennbares Ende bekam. Nun floss das Protoplasma, spindelförmige Anschwellungen treibend weiter vorwärts, und als es schliesslich eine feine Spitze vorgetrieben hatte, war der Strahl wieder so lang, wie die übrigen Fortsätze des Thieres. Die Beobachtung lässt, wie die über das bekannte Zusammenfliessen mehrerer Strahlen zu einem , oder wie die über das rasche Verschmelzen kugelig vorgetretener Protoplasmamassen aus der Wurzel des Strahles mit der äussersten Schicht der Kugelschale, keinen Zweifel aufkommen an der leichtflüssigen 56 III. Die Bevvegung'herschcinung-en der Actinophrys Eichhornii. Bescliatfeiilieit dieses Protoplasma. Sie zeigt uns jedocli auch, dass die Oberfläclien der Flüssigkeit sich während einiger Zeit berühren können ohne zu verschmelzen, und dieser Umstand ge- stattet uns zu schliessen, dass auch diese Flüssigkeit in dem damit nicht mischbaren Wasser entweder eine physikalische Mem- bran oder eine leicht vergängliche, wenn man will, resorbirbare. Haut von coagulirtem Eiweiss besitzen müsse. Die Beobachtung zeigt uns ferner, dass auch die hyaline Axensubstanz, da sie in sich selbst zurück verschmilzt, von keiner erheblichen Festigkeit sein kann. Unter den Rhizopoden dürfte vielleicht keine Species ge- eigneter für die Anstellung von Reizversuchen sein , als unsere grosse Actinophrys, denn gerade ihre träge Bewegung, derentwegen ich sie anfänglich zu verschmähen Lust hatte, ist hier von be- sonderem Vortheil. Für die Ausführung der elektrischen Reizung brachte ich einzelne Exemplare auf Objectträger zwischen 4 Mm. Oeffnung haltende Platinelektroden, und beobachtete sie entweder mit ScJüe //sehen Mikroskopen frei, oder mit ffartnack'schen Stipp- linsen unter Deckgläsern. Legt man auf die Platinelektroden noch kleine Glimmerplättchen, so hat das Thier Platz genug wenigstens in der Fläche seine Strahlen auszubreiten, und man braucht die fertigen Präparate nur einige Zeit im feuchten Räume liegen zu lassen , um überall die Strahlen hervortreten zu sehen. Werden nun die Enden der secundären Spirale des Liductions- apparats mit den Elektroden verbunden, und der Unterbreclier in Thätigkeit versetzt, so zeigt sich schon bei sehr schwacher Wirksamkeit eine Contraction an den Pseudopodien. Man braucht die Drahtrollen auf dem du Boisschen Schlitten nur bis auf die Entfernung von etwa 15 Cm. zu nähern, um in kurzer Zeit alle Pseudopodien zurück zu treiben. Die Körnchen des Protoplasma zeigen dabei stellenweis eine sehr beschleunigte Bewegung. Sie irren um einander herum , und häufen sich mit ihrer Grundsub- stanz zu Spindeln und Kugeln zusammen. Diese Kugeln liegen oft an einer Seite der Strahlen, flachen sich dort plötzlich wieder etwas ab, und biegen den Strahl dann unter Schwimmhautbildungen in sich selbst zurück. Viele kleinere Kugeln und Spindeln ver- einigen sich auch zu grösseren, um mit einer ruckartigen Be- wegung an den durch ihr Centrum gehenden Strahlenrest zurück an die Rinde zu gleiten, in die auch der letzte spitze Vorsprung des Strahles rasch eingezogen wird. Selbst bei ganz schwachen III. Die Beweg-ungseischeinung-en der Actinoplirys Eichhornii. 57 Inductionsschlägen , bei solchen, die gerade ausreichen um das beschriebene Phänomen hervorzubringen, pflegen in der Regel einige der Blasen an der Oberfläche zu platzen, und zwar geschieht dieses an den beiden convexen Flächen der Peripherie, welche den Elek- troden zugewendet sind. Ist die Intensität der E. -Schläge nicht grösser, so bleiben die rechtwinklig zur Stromesrichtung liegenden Strahlen unverändert, und auch der blasige Rand der Kugel zeigt hier selten EinSchmelzungen. Obgleich bei dem Zerplatzen der Blasen zuweilen kleine Körnchen ausgestossen werden und davon schwim- men, so ist doch durchschnittlich von einem Zerfliessen dabei nichts zu sehen, denn der Blaseninhalt ist oft so klar, dass es keinen Anhaltepunct giebt, der uns zeigen könnte, wo der Inhalt geblieben. Die Contouren der Blasen oder Stücke ihrer Peripherie entfernen sich auch nicht, sondern man sieht nur ein Zer- platzen, wobei die Scheidewände der benachbarten Blasen, und namentlich ihre dreieckigen Berührungsstellen an Mächtigkeit zunehmen. Sucht man durch Blasen auf das Object das Thier zu drehen, so gelingt es die noch nicht eingezogenen Strahlen parallel zur Stromesrichtung zu stellen , und auch diese zurückzutreiben bis das Thier ganz kugelig und frei von Fortsätzen geworden. Gönnt man hierauf dem Thiere einige Stunden der Ruhe, so treten die Pseudopodien wieder heraus, um auf Anwendung einer neuen, etwas stärkeren Reizung, wie es in der Regel nöthig wird, von neuem eingezogen zu werden. So kann man endlich, nur indem man das Thier wieder im Kreise zwischen den Elektroden herum- dreht, alle Blasen der Rindensubstanz zum Platzen bringen, ohne dass wesentliche Bestandtheile der Körpersubstanz vernichtet werden, denn das contractile Protoplasma bedeckt schliesslich die Marksubstanz als eine unregelmässig geformte, wulstige und schmale Umhüllung, in der man bisweilen auch noch einige hyaline centrale Stücke der Pseudopodien wirr durcheinander liegen sieht. Besieht man sich eine so behandelte Actinoplirys am andern Tage wieder, so findet man sie zwar noch fast um die Hälfte kleiner, allein sie hat sich jetzt wiederum mit vielen, verhältnissmässig sehr langen Pseudopodien besetzt, an welchen man die hyalinen Axen- strahlen und die mit Körnchen spärlich durchsetzten Ueberzüge sieht. Wird ein solches einzelnes Thier mehrere Tage der Ruhe überlassen , so umgiebt es sich auch wieder mit seiner blasigen Rinde, die auf Kosten des das Mark umgebenden, wallartig an- liegenden Protoplasma entsteht. Freilich habe ich die Bildung 58 m. Die Bewogung-sersclicinungen der Actinophrjs Eichhornii. neuer Blasen nicht im Einzelnen verfolgen können, ich zweifle aber nach dem, Avas ich an den langen Pseudopodien des ver- kleinerten Thieres sah, nicht, dass sie aus dem Protoplasma und vorzugsweise aus dem der bereits vorgeschobenen Pseudopodien gebildet werden, denn diese zeigen an ihren wie dichtgedrängte Radien aneinanderliegenden Wurzeln grosse Neigung sich brücken- artig zu verbinden, worauf auch sehr verschieden geformte flache schwimrahautähnliche Platten zwischen den Strahlen verschiedener Ebenen auftreten. Dies zusammengehalten mit einer Beobachtung, die ich au einer ziemlich grossen Actinoplirys machte, wo ich zwei Pseudopodien, deren Protoplasma kleine blasenartige Auf- treibuiigen enthielt, mit einander verschmelzen und diese Blasen an die Kugeloberfläche zurückführen sah, macht es mir äusserst wahrscheinlich, dass die grosse Mehrzahl aller Blasen der Rinden- substanz aus demselben Protoplasma besteht, wie die Pseudopodien, und dass sie anfänglich wohl Nichts als Wasser einschliessen. Langsam fliessende Körnchenbewegungen an den Grenzen der Blasen sind ferner nicht blos an der Oberfläche sondern durch die ganze Rinde hindurch wahrzunehmen, wo sie sich auch häufig als eine ganz natürliche Folge des Einziehens der Pseudopodien herausstellen, da der fliessende Ueberzug der Strahlen sich so- wohl auf der Oberfläche, wie zwischen den Blasen ausbreiten kann. Kommen in den Blasen freie Körnchen, ohne Zusammen- hang mit den Rändern vor, so zeigen sie immer tanzende Molecular- bewegungen. Die Körnchen müssen sich folglich in einer Flüssigkeit befinden, welche leichter beweglich ist als das Protoplasma. Wie mir scheint, braucht man den Thatsachen keinen Zwang anzuthun, wenn man die beschriebenen auf das Tetanisiren mit Inductionsschlägen folgenden Bewegungen in der Actinophrys auffasst als eine durch elektrische Reizung hervorgerufene Con- traction des Protoplasma. Wenn ich eine zu Blasen und Fäden angeordnete Masse dabei überall die Neigung verrathen sehe, sich in Kugeln zusammenzuhäufen, und wenn ich die ganze Masse sich endlich um einen solideren Kern herum als einen wulstigen Mantel festlegen sehe, so liegt, meine ich. Nichts näher, als die Einreihung dieser Erscheinungen unter die sog. Contractionsvorgänge. Da bei der Anwendung so schwacher Inductionsscliläge an eine er- hebliche secundäre Wirkung, durch Producte der Elektrolyse, die sich an den das Protoplasma gar nicht direct berührenden Elektroden ausscheiden, nicht gedacht werden kann, so müssen wir nachsehen, ob wir es hier nicht mit demselben Phänomen zu 111. Die Boweg'ungserschcinungen der Aclinoplirys Eiehlioinii. 59 tliuii haben, wie bei der elektiisclien Reizimg anderer contractiler Substanzen, ja selbst wie bei der Zuckung der Muskeln höherer Thiere auf luductionsscliläge. Man braucht zur Erzeugung des Einschmelzens der Blasen und Pseudopodien die Actinophrys gar nicht zu tetanisiren, sondern einzelne Inductionsschläge genügen sclion um die beschriebene Veränderung an der Actinophrys herbeizuführen. Nähert man die secundäre Spirale auf dem Schlitten allmählich der primären, so sind natürlich anfangs nur die Oeffnungsschläge wirksam. Schiebt man die Rollen etwa um 1 Cm. übereinander so erzeugen aber auch einzelne Schliessungsschläge denselben Effect, wie man leicht sieht, wenn die Oeffnungsschläge jedes Mal durch eine Nebenschliessung abgeblendet werden. Dabei ist es gleichgültig, welchen Eand des Thieres man zur Beobachtung wählt, wenn derselbe nur nicht mit einer Seite zu nahe an den Elektroden anliegt. Wo der Strom eintritt ist selbst bei Minimalreizungen die Erscheinung ebenso, wie da, wo er austritt, und nur die- jenigen Randtheile, deren Strahlen rechtwinklig zur Stromes- richtung stehen, bedürfen mächtigerer Reizungen, um in Bewegung zu gerathen. Mit Inductionsschlägen lässt sich also kein sog. Zuckuugsgesetz des contractilen Protoplasma der Rhizopoden nachweisen. Der Strom einer constanten Kette zeigt uns dagegen ein sehr auffallend gesetzmässiges Verhalten dieser contractilen Sub- stanz. Ich bemerkte, dass die Thiere kurze Zeit nach dem Ver- weilen in einem immer gleichgerichteten schwachen constanten Strome, fast halbmondförmige Gestalt angenommen hatten. Der dem positiven Pole zugekehrte Rand war ausserordentlich weit eingeschmolzen, während sich der gegenüberliegende Theil ziemlich erhalten hatte. Mit Hülfe eines in den Kreis der Kette einge- schalteten Rheochords, eines Stromwenders und eines Scliliessungs- apparats gelang es mir die Vorgänge im Einzelnen zu verfolgen, deren Resultat die Umwandlung in die halbmondförmige Gestalt war. Probirt man nach Versuchen an mehreren Exemplaren von Actinophrys die ungefähre Stromstärke aus , welche nothwendig ist, um sogleich das Einschmelzen an der Seite des positiven Pols zu erzeugen, so sieht man beim Schluss der Kette die Ein- ziehung der Pseudopodien rasch an beiden Seiten eintreten. An beiden Rändern beginnen die Blasen mit einem plötzlichen Rucke zu zerplatzen, jedoch mit dem Unterschiede, dass der Vorgang 60 111. Die Bowcg-ungsei'scheinungen der Actinophrys Eichhornii. am positiven Pole während der Dauer des Stromes immer weiter schreitet, eine Schicht nach der andern verwischt, während die Sache am negativen Pole mit dem ersten flüchtigen Zerpla^tzen einiger ganz peripherisch gelegener Blasen abgethan ist. Wird jetzt die Kette rasch geöffnet, so steht der Einschmelzungsprocess am positiven Rande sofort still, am negativen beginnt er plötzlich wieder, und einige Blasen platzen auch noch, nachdem der Strom ganz beseitigt ist. 30 Secunden später aber ist keinerlei Bewegung mehr wahrzunehmen. Ich erhöhte nun die Stromstärke etwas und beobachtete beim zweiten Schlüsse der Kette keine Bewegung am negativen Rande, obgleich das Einschmelzen unter Hervorstossung vieler dunkler Zellen oder kernartiger Gebilde, die im Umkreise der Marksubstanz bei der Actinophrys vorkommen, vom Augen- blicke des Schlusses an, während der Dauer des Stromes wieder eintrat. Als ich die Kette rasch öffnete, hörte das Einschmelzen hier einige Secunden später auf, begann aber sofort am negativen Rande, wo der Vorgang ebenfalls die Oeffnung um einige Secunden überdauerte. Bezeichnen wir den flüchtigen Einschmelzungsprocess als Zuckung, das dauernde Einschmelzen als Tetanus, so finden wir für die erste Ausführung des Versuchs Folgendes: Positiver Rand. Negativer Rand. Schluss. Oeffnung. Während der Stro- mesdauer. Zuckung. Nichts. Tetanus. Schwache Zuckung. Starke Zuckung. Nichts. Für den positiven Rand, wo der Strom eintritt, kann ich nicht angeben , ob beim Oeffnen etwas Besonderes eintritt, da ich den beim Schluss plötzlich beginnenden Einschmelzungsprocess beim Oeffnen allmählich wieder aufhören sah. Jedenfalls zeigte sich bei Oeffnen keine plötzliche Beschleunigung der Bewegung. Wir müssen jedoch auch den Theilen der Peripherie des Thieres noch unsere Aufmerksamkeit schenken, deren radiär aus- strahlende Pseudopodien annähernd rechtwinklig zur Stromes- richtung lagen. Auch diese wurden wie am positiven und negativen Pole beim ersten Schlüsse der Kette, als erst ein äusserst schwacher Strom angewendet war, mit eingezogen, unter Zerplatzen einiger Blasen. Als ich aber die Kette öffnete, verhielten sich diese Theile des Randes ruhig, obwohl an der dem negativen Pole zugekehrten III. Die Bewes-an§-sei>eheinungen der Aclinophrys Eichhoiiiii. 61 Seite eine Zuckung auftrat. Bei gleichbleibender Stromstärke hatte also die am negativen Rande so viel energischer wirkende Oeffnung der Kette hier gar keinen Einfluss, und selbst in dem zweiten Versuche bei erhöhter Stromstärke, sah ich hier Nichts weder auf Schliessung noch auf Oeffnung erfolgen. Demnach musste sich der Gedanke aufdrängen, dass an den von den Elektroden abgewendeten Rändern überhaupt die Stromstärke gar nicht aus- gereicht habe, um die erste flüchtige Zuckung zu erzeugen, sondern dass hier etwas Anderes im Spiele war. Bekanntlich kann die Actinophrys ihre Pseudopodien ohne nachweisbare Ursachen bewegen, und sie kann selbst, wie ich dies auch öfter an Thieren sah, die lange Zeit ohne Deckglas auf dem Objectträger geruht hatten, einzelne Blasen an der Ober- fläche zerplatzen lassen. Nennen wir diese Bewegungen, ohne Scrupel, willkürliche, so wird es ziemlich wahrscheinlich, dass auch die ersten Zuckungen unseres Thieres beim Schlüsse der Kette, sowohl an der negativen Seite, wie an den abgekehrten Rändern willkürliche gewesen seien , oder doch vielleicht durch eine plötzliche unangenehme Empfindung beim Hereinbrechen des Stromes veranlasst worden seien. Um das wahre Zuckungsgesetz der Rhizopoden zu finden Hess ich deshalb ein Thier sich ganz allmählich in den Kreis der Kette hineinschleichen. Die Actinophrys wurde mitten zwischen die Elektroden gesetzt wie gewöhnlich, und der hart bis -an die Eintrittsstelle des Stromes vorgerückte Schieber des Rheochords ganz langsam zurückgeführt. Jetzt verhielt sich der negative Rand sammt den abgekehrten Flächen vollständig ruhig, als ich mit der Stromstärke von 0 an aufsteigend bis zum Maximum vorging, obgleich der Einschmelzungsprocess unterdessen am posi- tiven Rande bereits allmählich beginnend mächtig vorgeschritten war. Als ich den Strom ebenso allmählich abschwächte, hörte die Bewegung an diesem Theile nach und nach auf, und auch die Oeffnungszuckung am negativen Rande war nicht eingetreten, als ich schon bis auf 0 herabgegangen war. Ich merkte mir am Reochord die Stromstärke, bei welcher das Einschmelzen auf einer Seite soeben zu beginnen pflegte, und fand, dass ein über die 4 Mm. Spannweite besitzenden Elektroden gebrückter sehr erregbarer Sartorius des Frosches gerade die ersten Anfänge der Zuckung beim raschen Schliessen und Oeffnen der Kette darbot. Bleibt man bei dieser Stromstärke, also bei dem ungefähren Mi- nimum stehen, so kann man, wenn nur das erste Mal die Schlies- 62 TU. Die Bewegung-serscheinung'en der Aclinophrys Eichhornii. sungszuckung an den abgewandten Flächen und am negativen Pole umgangen ist, den Versuch ohne allmähliches Einschleichen des Thieres in den Kreis anstellen. Die Erscheinung bleibt dann selbst bei sehr rasch ausgeführter Schliessung aus. Oeffnet man rasch nach einiger Dauer des Stromes, so werden am negativen Rande der Actinophrys sogleich die Pseudopodien eingezogen, und einige Blasen zerplatzen. Die zum Strome rechtwinklig liegenden Strahlen bleiben jedoch auf ihrem wohlerhaltenen Ptande stehen, und fallen erst mit diesem zusammen , wenn der Ein- schmelzungsprocess, der am positiven Rande stattfindet bis dahin um sich greift, oder wenn von vorneherein zu mächtige Ströme benutzt werden. Das eigentliche Zuckungsgesetz der contractilen Substanz unserer Rhizopode lautet nach diesen Controlversuchen: Positiver Rand. Ein- trittsstelle d.Stromes. NegativerRand. Aus- trittssteile d.Stromes. Schliessung. Dauer des Stromes. Oeffnung. Zuckung. Tetanus. 0. 0. 0. Zuckung. Mit einigem Rechte wird der Beginn des Einschmelzens am positiven Rand im Momente der Schliessung als eine Zuckung aufgefasst werden müssen, da man bei sehr flüchtigem Schliessen hier ganz dasselbe eintreten sieht, wie beim plötzlichen Oeffnen an der negativen Seite. Für die bei der Oeffnung am positiven Rand auftretenden Erscheinungen vermag ich Nichts positives anzugeben, da ich keine Stromstärke finden konnte, bei welcher flüchtige Oeffnung Zuckung am positiven Rande erzeugte, ohne dass nicht während der Dauer dieses Stromes dasselbe erfolgt wäre. Auch rasches Wenden der Stromesrichtung Hess mich dabei im Stich, und so vermag ich auch noch nicht zu sagen, ob Modificationen der Erregbarkeit durch constante Ströme her- beigeführt werden können. Obgleich diese Versuche nicht mit unpolarisirbaren Elektroden angestellt wurden, die für diesen 2iweck schv/er. zu construiren sein möchten, so liefern doch die Versuche selbst den Bevv'eis, dass ein Theil der Erscheinungen sicherlich nicht von secundären Folgen der Elektrolyse abgeleitet werden könne. Legt man gleiclizeitig über die Elektroden einen schmalen Streifen violetten Lackmuspapiers, so sieht man die be- schriebenen Vorgänge viel eher an der Actinophrys auftreten, als ni. Die Bewegnngsersclicinnng"cn der Aclinophrys Eichhoinii. 63 eine bemerkbare rotbe Färbung am positiven und eine deutlich blaue am negativen Pol entsteht. Zudem legte icli das Thier stets möglichst in die Mitte zwischen die Elektroden, und konnte deshalb sicher sein, dass elektrolytische Ausscheidungen noch nicht zur Wirksamkeit gelangt sein konnten, selbst wenn das Papier an den Elektroden schon gefärbt war, da es einige Zeit dauerte bis die Färbung darin weiter vordrang. Ich habe ferner, als das Papier schon überall stark gefärbt war, den Einschmelzungsprocess an der positiven Seite des Actinophrys-Ptandes nach der Oeffhung der Kette immer stille stehen sehen, und ich konnte in diesem Falle durch Umlegen des Stromes dieselben Erscheinungen an der negativen Seite erzeugen, als ich sie zur positiven machte, ohne dass nur die geringste Verzögerung, oder ein entsprechender Farbenweclisel im Lackmuspapier dabei auftrat. Wir haben es hier also mit einem eigenthiimlichen Verhalten des contractilen Rhizopodeuprotoplasma zu thun, das in dem angegebenen Gesetze ebenso seinen Ausdruck findet, wie das Verhalten des Frosch- muskels oder des Froschnerven sich in dem bekannten Zuckungs- gesetze spiegelt. Durch den constanten Strom kann man die Form der Acti- nophrys beherrschen, da der Strom sicherer wirkt wie ein Messer. So kann man den Rand blos von einer Seite allein einschmelzen, oder man kann ihn durch Hin- und Herlenken der Stromesrichtung von beiden Seiten her zusammenfallen lassen. Wir hätten nun den Beweis zu liefern, dass diese Gestalt- veränderungen auch wirklich von einer Contraction, und nicht von einer unreparirbaren Zerstörung des Protoplasma herrühren. Lässt man den Strom ;?u lange wirken, oder wendet man auch während kürzerer oder längerer Dauer stärkere Strömungen an, so stirbt das Thier ab, zerfällt zu einem krümeligen mit Blasen unter- mischten Brei, in welchem nur die grösseren Zellen oder kernähn- lichen Gebilde noch zu erkennen sind. Namentlich muss man sich hüten, das Protoplasma nicht zu dicht bis an die Marksubstanz einschmelzen zu lassen. Setzt man solche nicht ganz vernichtete Thiere einzeln in grossen Glasschalen in ganz reines filtrirtes Wasser des Fundortes, so erholen sie sich ilach einigen Tagen wieder, die Pseudopodien treten wieder hervor, und man kann an der eigenthümlichen Anordnung derselben sehen, dass man es nicht etwa mit neu entwickelten Individuen zu thun hat. Die Pseudopodien wachsen aus der eingeschmolzenen, grubenartig un- geformten Vertiefung des Randes hervor, und es dauert lange, bis das G4 III. Die Beweg-ung-serscheiniing-en der Actinophr;ys Eichhornii. Thier das Gepräge der ursprünglich bewirkten Gestaltveränderung verliert. Es ist nötliig, die Thiere gleich nach der Behandlung mit dem Constanten Strome, in eine grosse Menge des ihnen zusagen- den Wassers zu bringen, da sie in dem zwischen den Elektroden befindlichen Wassertropfen schon binnen 24Stunden zußrei zerfallen. Da das Protoplasma von Actinophrys so leicht und schon auf so schwache Reize mit Contractionen reagirt, so kann ich auch das Zerplatzen der Blasen und das Einziehen der Pseudopodien unter vorangehender Bildung von Varicositäten, das unter dem Einflüsse vieler chemischer Mittel, mechanischer Reizungen, des Drucks, Umherschleudern im Wasser u. dgi. erfolgt, nur auf eine durch Reize bewirkte Contractionserscheinung zurückführen. M. Schnitze hat die Veränderungen, welche selir verdünnte Säuren und Alkalien hervorrufen, schon beschrieben, und darunter schon die Contractionen von den durch die Reagentien bewirkten chemi- schen Zerstörungen unterschieden. Versuche, welche ich mit Salz- säure von 0, 1 p. C. und einer ebenso verdünnten Kalilösung an- stellte, ergaben mir Folgendes. Anfangs traten in der Säure die beregten Contractionserschei- nungen auf, wohin ich auch in diesem Falle noch das Zerplatzen der Blasen rechne. Später jedoch schrumpfte auch die Mark- substanz mit dem Uebrigen zusammen, wurde bräunlich und un- durchsichtig und zerfiel endlich zu einem wieder durchsichtiger werdenden Brei, in dem sich nur ein wabenartiges Netz erkennen liess. Reste der hyalinen Axenfäden sah ich nicht zurückbleiben. In der alkalischen Lösung konnte keine so deutliche Schrumpfung wahrgenommen werden, sondern die Actinophrys löste sich sogleich auf zu einer grossen Anzahl in einander gekapselter Blasen und Tropfen, die zuletzt auch vergingen, unter Hinterlassung vieler sehr kleiner Körnchen. Auch die grösseren vielkernigen Zellen waren vollständig verschwunden. Wenn ich die ersten Erschei- nungen auf Zusatz von Reagentien als eine Contraction im Gegen- satze zur nachfolgenden Zerstörung (Coagulation oder Auflösung) deute, so geschieht es im Hinblick auf die Möglichkeit, nur die eine Reihe von Veränderungen selbst mit chemischen Mitteln her- vorzurufen. Führt man nämlich einen Objectträger, auf dem sich eine Actinophrys befindet, rasch über einen Teller mit verdünntem Ammoniak hin, so findet man von fast allen vorher ausgestreckten Pseudopodien nur noch einige über die Oberfläche hervorragende. Diese sind stark varicös geworden und der blasige Rand des Thieres zeigt an vielen Stellen Unregelmässigkeiten, die nur durch Ein- _ III. Die Bewegungserscheinungen der Aclinophrys Eichhornii. ü5 fallen der Randblasen entstanden sein können. Ein solches Tliier ist noch lebendig, ja auch seine varicösen Pseudopodien nehmen nach hinlänglicher Ruhe ihre frühere Gestalt wieder an. Am an- deren Tage findet man die letzteren alle wieder ausgestreckt, und die Einkerbungen des Randes wieder ausgeglichen. Lässt man die Ammoniakdämpfe länger einwirken, oder führt man das Object nur einmal über einen Teller mit gesättigter Ammoniakflüssigkeit hinüber, so geht freilich das Thier zu Grunde, es zerfliesst dann ähnlich wie in verdünntem Alkali. Da wir aber diesen Schaden verhüten können, so sehe ich nicht ein, warum die ersten Ver- änderungen, die sich wieder ausgleichen können, nicht als Con- tractionen gelten sollen. Ich glaube demnach die Annahme einer chemischen Reizbarkeit des Rhizopodenprotoplasma aufrecht er- halten zu können. Das Protoplasma dieser Thiere geht ferner, wie Schnitze auch angiebt, in gewissen Giften so z. B. in Veratrin und Strychnin zu Grunde. Ich habe nur Versuche mit Veratrin angestellt, und bin damit zu Resultaten gekommen, welche zeigen, dass das darin erfolgende Absterben der Actinophrys nicht auf Rechnung der alka- lischen Reaction geschoben werden kann. DieLösungen des Veratrins in Wasser sind so erstaunlich verdünnt, dass ein Brei von gebrannter Magnesia mit Wasser dagegen eine ziemlich concentrirte alkalische Lösung repräsentirt. In dem Letzteren sah ich Actinophryen länger als 24 Stunden unbelästigt fortleben, denn sie hatten nicht einmal ihre Pseudopodien darin eingezogen, und verhielten sich gegen schwache Inductionsschläge ganz wie gewöhnlich. Eine andere Actinophrys die ich in eine gerade bemerkbar auf Lack- mus reagirende Lösung von Aetzkali gesetzt hatte, war nach kurzer Frist in eine breiige Masse verwandelt, die beim Bewegen der Flüssigkeit leicht auseinander floss. Nichts von dem Allen beobachtete ich in Veratrinlösungen. Die Actinophrys zieht darin zwar die Pseudopodien ein und viele Blasen der Oberfläche zer- platzen, zuletzt bildet sie aber einen trüben, körnigen Kuchen, der Nichts gemein hat mit den staubartig vertheilten feinen Körnchen, die man mit Aetzkali erhält. Der Rest lässt sich aller- dings mit dem Deckglase zerbröckeln, allein das Zurückbleibende hat immer nur das Ansehen coagulirter Eiweissstückchen. Man kann endlich den Einwand, dass die nun einmal specifische alkalische Reaction der Giftlösung es sei, die dies Alles erzeuge, noch da- durch beseitigen, dass man sie mit äusserst verdünnter Salzsäure Kühne, Untersuchung-en. 5 66 III. Die Bewegung-serscheinung^en der Aclinophrys Eichhornii. genau neutralisirt. Auch in diesen Lösungen stirbt die Actino- plirys in eben so kurzer Zeit ab. Einen ähnliclien schädlichen Einfluss üben unter gleiclizeitiger Coagulation Aether und Chloroformdämpfe. Die Pseudopodien werden hierin eingezogen, es kommt auch zum Zerplatzen einiger Blasen und endlich verwandelt sich das ganze Thier in einen coagulirten Kuchen, an dem Inductionsschläge keine Veränderungen mehr erzeugen. Wenige Minuten des Aufenthalts in chloroform- haltiger Luft genügen um alle diese Veränderungen rasch ins Werk zu setzen. Das contractile Protoplasma von Actinophrys Eichhornii ist, wie aus den soeben geschilderten Versuchen erhellt, coagulabel, die Masse schrumpft, und trübt sich unter Umständen und zerfällt dann durch Druck zu festen Stückchen und Körnchen. Wie zu erwarten war, tritt diese Coagulation auch ein durch gesteigerte Temperaturen und wie sich ferner erwarten liess, findet dies schon bei verhältnissmässig geringer Erwärmung statt. Ich habe in Folge der Mittheilungen von M. Schultze über den Temperatur- grad bei welchem die Wärmestarre eintritt frühere Versuche wieder aufgenommen, und dabei bestätigen können dass dieses Protoplasma im Verhältniss zu dem anderer Organismen erst bei einer etwas höheren Temperatur gerinnt. Man kann den Grad, bei dem dies geschieht nicht finden, wenn man nach einer der früher angegebenen Methoden verfährt, denn die Actinophrys erleidet schon bei 40^ C. und darunter Veränderungen, welche leicht zu Täuschungen Anlass geben können. Stellt man den Versuch in einem in ein grosses Wasserbad eingesenkten Probir- röhrchen an, so sieht man die Thiere etwa bei 40» C. rasch unter- sinken, und sich fest an den Boden ankleben. Früher hielt ich diese Thiere für abgestorben, seit ich jedoch den Versuch nach M. Schultze's Vorgange auf dem Objectträger im Wasserbade angestellt, fand ich, dass sie sich im Falle, wo die Erwärmung nicht zu lange gedauert hatte, wieder erholten. Ein Aufenthalt von einigen Minuten in Wasser von 40« C genügt um den Thieren das Ansehen kleiner unregelmässig coagulirter Klümpcheu zu geben, und die ganze Leibesmasse etwa bis zur Grösse der Marksubstanz zu reduciren. Nimmt man die Erwärmung auf Elektroden vor, so findet man jedoch, dass nachher Inductions- schläge noch den letzten Rest der blasigen Masse zum Zerplatzen bringen, dass also noch Erregbarkeit vorhanden ist. Dem ent- sprechend entwickeln sich solche Thiere nach 24 stündiger Ruhe III. Die Beweg-ungscischeinungen der Actinophrys Eichhornii. 67 auf dem Objectträger im feuchten Raum wieder, und zwar ganz so, wie sich die durch massige Reizung mit Inductionsschlägen verkleinerten und contra hirten Thiere wiederherstellen. Ihre Pseudopodien werden allmählich von der verkleinerten Kugel nach allen Richtungen so weit, wie ursprünglich wieder ausgestreckt, und nach abermals 24 Stunden ist auch die blasige Rindensub- stanz wieder hergestellt. Nach vielen Versuchen kann ich angeben, dass die Actinophrys bei längerer Erwärmung auf 35 — 40» C. die Pseudopodien einzieht, dass das Protoplasma zusammenrückt und dass folglich eine Contraction durch Steigerung der Tempe- ratur angeregt werden kann. Es giebt also auch hier, wie bei den Amoeben einen Wärmetetanus. Will man den Temperatur- grad annähernd bestimmen, bei welchem die Coagulation des Protoplasma plötzlich erfolgt, so ist es zweckmässig das Thier mit einem kleinen Wassertropfen rasch in eine grosse erwärmte Wassermasse hineinfallen zu lassen und dann sofort mit der Pipette wieder herauszunehmen. Noch bei 44, 5o C. konnte ich das Thier auf diese Weise nach einigen Secunden lebend, wenn auch stark contrahirt, wieder aus dem Wasser hervorziehen. Bei 450 c. hingegen trat die Gerinnung sofort ein, die Kugel schrumpfte zu einem platten wenig durchsichtigen Kuchen zu- sammen, reagirte nicht mehr auf die stärksten Inductionsschläge und zerfiel nach 24 Stunden zu einem Haufen kleiner Körnchen und unregelmässiger Stückchen. Man muss sich hüten das Thier in dem auf 45 0 C. erwärmten Wasser nicht ganz bis auf den' Boden des Glases hinabsinken zu lassen, und beim Herausnehmen beachten, dass sich die coagulirte Masse nicht an die Pipettenwände anlege, denn in diesem Falle zerbröckelt sie sofort bei der geringsten Bewegung des Wassers. Das Protoplasma dieser Rhizopode coagulirt also bei einer verhältnissmässig hohen Temperatur, bei 45 0 C. Sehr leicht coagulirt das Protoplasma der Actinophrys in Kohlensäure. Exemplare, die ich im Wassertropfen auf Object- trägern nur eine Stunde in den mit Kohlensäure gefüllten Raum gebracht hatte, waren frei von allen Pseudopodien, ihr Rand hatte eine unregelmässige Gestalt angenommen, und die eigentliche Kugel war in eine blasige trübe und feste Masse verwandelt, die sich gegen Inductionsschläge ganz indifferent verhielt. Auch nach der Aufbewahrung während mehrerer Tage in feuchter Luft war nur in soweit eine Veränderung eingetreten, als sich die geronnene Masse etwas zerbröckelt und mit unzähligen Vibrionen durchsetzt 68 111. Die ßeweg-ung-serscheinungen der Aclinophrys Eichhoinii. zeigte. Actinophryen, die ich nur eine Stunde in Wasserstoff ge- halten hatte zeigten sich dagegen wenig verändert, und ich vermag nicht zu sagen, ob die sehr trägen Bewegungen, die ich an ihnen sah, von der neuen Berührung mit Luft abgeleitet Averden dürfen. Die Pseudopodien ragten nämlich nur als kurze dicke Stümpfe über die Oberfläche hervor, aus denen sich nach einigen Stunden wieder lange Strahlen entwickelten. Ein längerer Aufenthalt z. B. von 14 Stunden in Wasserstoff bringt dieselben Erscheinungen hervor, wie die einstündige Wirkung der Kohlensäure. Das Thier coagulirt, und verfault zuletzt. Nicht bei jeder Art des Absterbens werden indessen die Pseudopodien eingezogen. So kann man das Thier in einem Wassertropfen gefrieren und wieder aufthauen lassen, ohne dass es seine Gestalt wesentlich verändert. Die Pseudopodien fallen beim Bewegen des Wassers leicht ab, und treiben als etwas ge- runzelte, trübe Stäbchen darin umher; während das ebenfalls undurchsichtiger gewordene blasig geformte Protoplasma Neigung zeigt in grösseren Schichten unter der Form netzartiger Lappen an die Glasplatte anzukleben. Eine Temperatur von oo wird von Actinophrys lange ertragen, obgleich die Bewegungen der Körnchen anscheinend noch langsamer werden. IV. Die BewegimgserscheiiiuDgen der Myxomyceten. Durch die Untersucliiingen de Barxfs haben wir in den Myxo- myceten eine Substanz kennen gelernt, welche die grösste Aehn- lichkeit besitzt mit den Amoeben. De Bary zeigte, dass die rahm- artige verzweigte Masse der Myxomyceten, die man früher für gänzlich structurlos hielt, aus einer beweglichen dem Protoplasma oder der Sarkode vergleichbaren Masse besteht. Als ich zum ersten Male eine kleine Myxomycete, vielleicht nur ein abgetrenntes Stück derselben sah, fiel mir die Aehnlichkeit dieser fliessenden Masse mit den Amoeben so sehr auf, dass ich Veranlassung nehmen musste, sie zu ähnlichen Versuchen wie die Amoeben zu ver- wenden. Der Gefälligkeit des Herrn Dr. Czienkowsky verdanke ich das dazu nöthige Material, so wie manchen freundlichen Rath, den ich bei meiner anfänglichen ünbekanntschaft mit der Sache nicht hoch genug anschlagen kann. Im Anfange diente mir zu den Versuchen nur Didymium serpula, und erst später lernte ich die Myxomyceten der Lohe für meine Zwecke herrichten. Die Didymien erhielt ich in Form von eingetrockneten spröden platten Bändern, wie man sie zu einem gelben Netzwerk gruppirt auf fau- lenden Blättern findet. Sind diese Massen auf den Blättern ein- getrocknet, so kann man sie lange in diesem Zustande aufbewahren, da die spröde und trockene Masse sich nach dem Aufweichen in Wasser immer wieder zu den herrlichsten beweglichen Protoplasma- netzen umformt. De Bary und Czienkowsky haben in so eingehender Weise die Gestalt dieser Protoplasmanetze beschrieben, und die Bewe- gungen derselben so ausführlich erörtert, dass ich darüber kaum 70 IV. Die Bewegungserscheinungen der Myxomycelen. etwas hinzuzufügen vermöchte , wenn ich nicht einige Einzelheiten besonders wieder hervorzuheben hätte, die mir für meine Versuche von besonderer Wichtigkeit zu sein schienen. Die Myxomyceten entwickeln sich aus dem trocknen Zustande nur, wenn sie hinlänglich feucht gehalten werden, und wenn die Temperatur dabei hinlänglich hoch ist. Ich habe es zweckmässig gefunden, Stückchen der eingetrockneten Masse von ihrer Unter- lage abzuschneiden und auf sehr reichlich befeuchtete Objectträger in einen mit Wasserdämpfen völlig gesättigten Raum zu bringen. Soll sich das Protoplasmanetz innerhalb 24 Stunden entwickeln, so muss die Zimmertemperatur nicht unter 20° C. sinken. Ferner ist zu beachten, dass die Objectträger aus leicht beschlagendem Glase bestehen, so dass sie sich mit einem nassen Pinsel in grösserer Ausdehnung von einer flach ausgebreiteten Wasser- schicht überziehen lassen. Hat das Wasser Neigung sich zu Tro- pfen zusammenzuziehen, so entwickelt sich die Myxomycete leicht auf der convexen Oberfläche der Tropfen und ist dann, da sie nicht hinlänglich auf der Glasfläche festhaftet und sich nicht ge- hörig kriechend ausbreiten kann, zur Beobachtung untauglich. Die Grösse des sich entwickelnden Protoplasmanetzes hängt ab von der Grösse der angewendeten trocknenMasse, und man kann darum nach Belieben grosse und sehr kleine den Amoeben sehr ähnliche Indivi- duen erzeugen. Da das Protoplasma nicht leicht umgelagert werden kann, weil es sich seiner Flüssigkeit wegen nicht greifen lässt, so hielt ich einige Exemplare immer auf einer grossen Zahl von Objectträgern vertheilt vorräthig. Für Versuche, zu denen ich stromzuführender Vorrichtungen bedurfte, liess ich die Ent- wicklung gleich zwischen den Elektroden vor sich gehen, deren ich ebenfalls mehrere auf Glasplatten gekittet fortwährend zur Hand hatte. Die Beobachtung geschah meist ohne Deckglas mit Schiek'' sehen Mikroskopen, welche ihres grossen Focalabstandes wegen (selbst bei stärkeren Vergrösserungen) zu dergleichen Beob- achtungen sehr zu empfehlen sind. Für die Beobachtung mit schär- feren VergTÖsserungen(i/ö!r^wö!itf' r~^\ ,1 i J ., /. f] Ü a t \\ ? \ 1^ Oi- ' '. t: / Jk/:J2/. Ic-^ ^. Fi(r. ^^■ ITü/. //. F^r. Vf''. Für. 2(7. /n/: /■ iui7in£ det . Für S/. -^W^: Für ^2. .3 Zz-r PT J'i^.23. ÄiJu,^ J^l . Wa/rens^uf^f^ .. Her. i*-/ //,/■ I7T. ^ T^ ^6: \% A7cr -ts: '"^'y Jiü7mf lif/. li^zff-gns€^i-€ I V i'^^'£W^:-^^ Hs ß fi/ 4r^ ■^ .^'' lyv^ ■*^J«.*