UNTERSUCHUNGEN AUS DEM PHYSIOLOOISCHEN I.\STITUTE DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG. ERSTER BAND. Digitized by the Inlernet Archive in 2010 with funding from Open Knowledge Commons http://www.archive.org/details/untersuchungena01univ UNTEßSÜCHUNGEN AUS DEM PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTE DER UNIVERSITÄT HEIDELBERG. HERAUSGEGEBEN DN W. KÜHNE 1 0. Ö. PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIRECTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS. ERSTER BAND. MIT 4 HOLZSCHNITTEN UND 7 LITH06R. TAFELN. HEIDELBERG. CARL WINTER'S U N I V E R S I T A T S B U C H H A N D L U N G. 1878. Alle Rechte vorbehalten. V, Zur Pliotocliemie der Netzliaut. Von W. Kühne. Zwoiter Abdruck. In einer vor Kurzem erschienenen Mittheilung an die Ber- liner Akademie (Sitzung vom 12. Nov. 1876) veröffentHcht Herr Fr. Boll die schöne und ohne Zweifel überaus folgenschwere Entdeckung, dass die Stäbchenschicht der Ketina aller Geschöpfe im lebenden Zustande nicht farblos sei, wie man bisher meinte, sondern purpurroth. Im Leben, sagt Boll., werde die Eigenfarbe der Netzhaut beständig durch das ins Auge fallende Licht ver- zehrt, in der Dunkelheit wieder hergestellt und im Tode halte sie sich nur einige Augenblicke. Im Hellen verweilende Thiere seien darum weniger geeignet, die Lebensfarbe der Retina er- kennen zu lassen, und von der Sonne vor dem Tode längere Zeit geblendete Thiere zeigten sie ganz entfärbt. Hiermit ist die Be- ziehung der Iletinafärbung zum Lichte einerseits, zum Lebens- oder Ueberlebenszustande andrerseits ausgesprochen. Wer immer sich mit der Retina beschäftigt hat, wird durch die J5oZZ'sche Entdeckung nicht ohne heilsame Erkenntniss der Grenzen seines Talentes daran erinnert sein, dass er Aehnliches schon gesehen habe, vielleicht auch des räthselhaften Blutgerinn- sels, das auf oder unter der Retina plötzlich nicht wieder zu fin- den war, gedenken. Was da übersehen worden, dürfte nichts Geringeres, als den Schlüssel zum Geheimniss der Nervenerregung Kühne, Uiitersuchuugen I. \ 2 W. Kühne: durch Licht enthalten, oder die erste Thatsache, welche in der Retina photochemische Processe aufdeckt. Als ich zur Prüfung des Factums schritt, hielt ich, bestärkt durch BolVs Mittheilung, die grösste Eile beim Ablösen des Bul- bus und Herausnehmen der Netzhaut für geboten; aber ich habe mich gleich überzeugt, dass man sich dazu beliebig Zeit lassen darf, denn der Sehpurpur besteht ganz unabhängig vom phy- siologisch frischen Zustande der Xetzhaut und wird dort auch im Tode nur durch Licht gebleicht. Bei guter Gasbeleuchtung kann man mit aller Müsse die Retina ausbreiten und sehr lang- sam verblassen sehen, denn was sich am hellen Tageslichte in einer halben Minute vollzieht, dauert hier 20 — 30 Minuten, also viel länger, als BoU das Stadium des Ueberlebens zugibt, und im Dunkeln oder im Scheine der Natronflamme vergeht der Purpur überhaupt nicht, wenigstens nicht in 24 — 48 Stunden, weder beim Frosch noch beim Kaninchen, trotz deutlicher Fäulniss. Somit war der Weg zu Versuchen mit dem Sehpurpur von manchen Hindernissen gesäubert: man nimmt alle Präparationen in einer schwarzen, nur von Natronlicht erhellten Kammer vor und trägt das Object dann in's diffuse Tageslicht. Weniger vollkommen, doch auch zum Ziele führend, dient ein Zimmer, wie es die Photographen zum Entwickeln brauchen, dessen Licht- zugänge mit gelbem Glas oder Papier verstellt sind. Da man nicht wissen kann, wie lange die Stäbchen oder deren Theilchen nach dem Tode überlebend sind, habe ich Netz- häute vom Frosche in der Natronkammer mit den verschiedensten, ihre Structur und Mischung, ohne Frage, stark ändernden Mitteln behandelt, um zu sehen, ob die Färbung und Lichtempfindlichkeit darunter leide. Aufgehoben wurde die Farbe bei 100'' C, durch Alkohol, Eisessig, concentrirteste und lOprocentige Natronlauge, nicht verändert in NaCl von 0,5 %, nicht durch starkes NHs, Sodalösung, gesättigtes NaCl, Alaun, Bleiacetat, Essigsäure von Zur Photoebemie der Netzhaut. 3 2 °/o, Gerbsäure von 2 "^/o, 24stündiges Liegen in Glycerin, in Aetlier, Eintrocknen auf einer Glasplatte. In allen letzteren Fällen fand sich die Retina, an das Tageslicht gebracht, noch roth und verblasste dann mehr oder minder rasch, indem der Purpur in 1 — 10 Minuten in Chamois überging, von dem endlich kaum etwas zu bemerken blieb. Natürlich hängt die Sättigung der Farbe von dem sonstigen Zustande der Retina ab, ob sie glasig-hell oder milchig-weiss ist. Ist sie opak, so hat man Gelegenheit, sich von der Richtigkeit der BolVschen Angabe zu überzeugen, dass die äussere, also wesentlich den Stäbchen zugehörige Schicht ge- färbt ist, denn eine undurchsichtige Retina sieht von vorn weiss und nur hinten roth aus. Am schönsten wird die Farbe nach NHs-Wirkung, welche die Netzhaut sehr durchsichtig macht, und gerade dieses Roth hält dem Lichte 10 — 20 mal länger Stand, als das unveränderter Netzhäute, gleiche Beleuchtung vorausge- setzt. Sehr lange hält sich ferner die Färbung der getrockneten Membran, doch weicht auch sie allmählig dem Lichte. Aus dem genannten Verfahren der Präparation farbiger Netz- häute sieht man schon, dass nicht alles Licht den Sehpurpur bleicht. Die photochemisch wenig wirksamen Strahlen der Linie D lassen ihn unberührt, auch lassen nur stärker gerÖthete Netz- häute (von Rana temporaria z. B.) im Natriumlichte eine Spur davon erkennen. Die Netzhaut lebender Kaninchen in solchem annähernd monochromen Lichte, mit dem Augenspiegel betrach- tet, sieht bläulich -weiss, etwas perlmutterglänzend aus, mit schwar- zen, wie mit Tinte gezeichneten, erstaunlich deutlichen Gefässen; ein albinotisches Kaninchenauge, seitlich davon beleuchtet, zeigt die Pupille schwarz. Man kann daher das so leicht intensiv her- zustellende Natriumlicht nachdrücklich zu feineren ophthalmo- skopischen Untersuchungen empfehlen. Um zu sehen, welches Licht den Purpur bleiche, brachte ich Netzhäute, auf Glasplatten ausgebreitet, in geschwärzte, feuchte 1* 4 W. Kühne: Kammern, bedeckte sie mit einem Deckglase, auf das ich milli- meterbreite Staniolstreifchen klebte, und setzte farbige Glasplatten oder Bechergläser mit farbigen Lösungen darüber. Zum Roth wurde Blutlösung von solcher Concentration genommen, dass man im Absoii)tionsspectrum kein Gelb und Orange mehr sah; ferner Platten, die auch etwas Violett durchliessen, für Blau Kupfer- oxydammoniak, für Grün farbige Plattensätze, deren Spectrum nur aus einem schmalen, grünen Bande bestand. Es zeigte sich unter dem Blute überhaupt kein Ausbleichen, unter dem rothen Glase erst nach 6 Stunden Anzeichen davon, im blauen Lichte Erbleichen nach 2 Stunden, im grünen nach 4— 5 Stunden. Natür- lich können solche Versuche wegen der geringen und nicht ver- gleichbaren Lichtintensität keine genaueren Aufschlüsse über das Problem geben, aber es erhellt daraus wohl die augenscheinlich kräftigere Wirkung der brechbareren Strahlen, besonders des blauen Lichtes. Hob man von den gebleichten Präparaten das Deckglas ab, so erschien da, wo der Staniolstreif sie geschützt hatte, ein schönes Band unveränderten Purpurs, also ein positives Photo gramm. So wenig wie mit Blutroth habe ich im Lithium- lichte den Purpur zu ändern vermocht, während Magnesiumlicht ihn, wie zu erwarten, rasch entfärbte. Einmal irgendwie ent- färbt, kehrte der Purpur weder im Dunkeln, noch in andersfar- bigem Lichte, noch beim Erwärmen, oder in den ultrarothen Strahlen hinter berusstem Glase, das die Sonne beschien, zurück. Nachdem ich die angeführten Versuche, wie BoU empfiehlt, mit im Dunkeln gehaltenen Thieren angestellt hatte, war ich gespannt zu sehen, wie eine Retina aussehen würde, welche un- mittelbar nach Belichtung des Auges am lebenden Frosche in der Gelbkammer so schnell, wie denkbar hergerichtet worden. Im Sinne BolVy, hatte ich erwartet, sie erkennbar gebleicht zu finden, aber ich fand sie so roth, wie die andern. Der Aufent- halt der Thiere vor den Versuchen im Dunkeln ist also unnöthig. Zur Pbotochemie der Netzhaut. 5 Da das Tageslicht bei bewölktem Himmel, obwohl zum Mikro- skopiren ganz gut, nicht sehr intensiv war, versuchte ich die Blen- dung mit Magnesiumlicht, aber auch Das liess mich im Stich. Ich meine daher, dass Boll den von ihm erwähnten Misserfolg, der ihn einmal beim Demonstriren der Sache störte, mit Unrecht dem Umstände zuschreibt, dass die Frösche im Hellen gehalten waren; es kann nur an der Belichtung während des Herrichtens gelegen haben, wenn er seine Präparate anscheinend gleich aus- geblichen fand. Um zu sehen, woran es liege, dass der Sehpurpur im phy- siologischen Sehacte unverändert blieb, brachte ich die eine Retina eines Frosches isolirt auf eine Glasplatte, während ich die andere im exstirpirten Bulbus liess, den ich jedoch durch einen Aequatorial- schnitt weit geöffnet hatte. Beide Präparate wurden hierauf an das wieder nicht sehr helle Tageslicht gebracht und darin so lange gelassen, bis das erste vollkommen entfärbt war ; dann wurde das zweite ins Natronzimmer zurückgebracht, die Pietina herausgezogen, auf Glas gelegt und von Neuem dem gewöhn- lichen Lichte ausgesetzt; sie war dunkelrot h und erblasste nun schnell. Als der Himmel sich nicht klärte, habe ich dieselben Versuche mit der Magnesiumlampe gemacht und immer gefun- den, dass der Sehpuri)ur sich erhielt, so lauge die Retina im Auge auf der Chorioides, sonst aber nackt, nur hinter capillaren Schichten des Glaskörpers Luft und Licht ausgesetzt blieb. Ich habe den Versuch am folgenden Tage, als die Mittagssonne kaum bedeckt und so blendend war, dass ich nicht hinzusehen vermochte, angestellt, indem ich das halbirte und entleerte Froschauge 4 Mi- nuten bescheinen liess und selbst dann noch rothe Fleckchen in der chamoisfarbenen Retina gefunden, während nur die Ränder völlig ausgeblieben waren. Ein ganzer Bulbus, den ich mit den nöthigen Wendungen 25 Minuten demselben Sonnenlichte aus- gesetzt hatte, zeigte auch noch schwachrothe Stellen neben viel 6 W. Kühne: Chamois, incless war während der Blendung die Pupille ziemlich eng geworden. Da ich bei diesen Versuchen die Ausbreitung der Netzhäute im Natronliclite vornahm, könnte man glauben, dass die darauf verwendete kurze Zeit photochemischer Ruhe irgend- wie Rückkehr des Purpurs veranlasst habe. Dem ist aber nicht so, denn wenn man das halbirte Auge, weitaus genügend um eine isolirte Netzhaut zu bleichen, gegen das Tageslicht hält und bei fortdauernder Beleuchtung die Retina mit raschem Griffe heraus- zieht, so wird man sie immer im ersten Momente prächtig roth finden. Wie man sieht, muss ich mit besonderem Nachdrucke BolV^ Angabe, dass im Lebenden erst längere Blendung im direkten Sonnenlichte die Netzhaut ausbleiche, bekräftigen, aber ich kann doch hinzufügen, dass Frösche, die mehrere Tage in Glaskästen, an einer sonnigen Stelle, im Freien gehalten waren, endlich farblose Netzhäute hatten. Was ich also für BoW?> Er- fahrungen „in einem massig hellen Zimmer" nicht in seinem Sinne deute, würde ich für grössere Lichtintensitäten mit ihm übereinstimmend auffassen. Hält man die photochemischen Vorgänge auf der herausge- nommenen Retina für das Abbild Dessen, was sich im lebenden Auge vollzieht, so wird man sich vorstellen, dass beim Sehen fortwährend Sehpurpur zerstört und durch irgend welche Vorgänge wieder hergestellt werde, wie es JBoll schon als Vermuthung aus- gesprochen hat. Die Erfahrungen der Augenärzte dürften den Regenerationsvorgang zunächst in der Ernährung durch das cir- culirende Blut suchen lassen, womit man die meisten derartigen Processe sich klar zu machen liebt. Indess ist die Sache weniger verwickelt. Das den Sehpurpur Restituirende liegt näher und kann beim Frosche gar nicht in der stetigen Bluterneuerung lie- gen, weil sein Auge ausgeschnitten, und eröffnet dieselbe schein- Zuv Photochemie der Netzhaut. 7 bare Indifferenz gegen Licht bekundet, wie im Zusammenhange mit dem ganzen Leibe und dem Ernährungsstrome. Wenn also die Hypothese von der Restitution der lichtempfindlichen Ele- mente richtig ist, so muss sie von Dem ausgehen, was hinter oder an den Stäbchen liegt, also vom Iletinaepithel oder der Chorioidea. Da muss Etwas stecken, das den Purpur entweder am Bleichen hindert oder neuen schaft't. Es liegt zwar der Gedanke nicht fern, dass das Pigment etwas mit der Sache zu tliun habe, weil intensivere Wirkung des Lichtes zu erwarten ist, wenn die von vorn beleuchtete Netzhaut auch noch Licht von hinten erhält, wie es beim Ausbreiten auf einer weissen Fläche geschieht, als wenn sie dem sainmetschwarzen, natürlichen Grunde anliegt; dass sie dies aber so lange und so sicher schützen werde, wie man es in Wahrheit sieht, war gar nicht anzunehmen. Ich habe auch nicht finden können, dass es viel für die Entfärbungszeit ver- schlug, wenn ich die Netzhaut mit der Stäbchenseite nach unten auf eine matt geschwärzte Fläche glatt auspinselte, und die fol- genden Versuche werden hoffentlich erkennen lassen, dass man den Grund für die unzweifelhafte stete Erneuerung der lichtem- pfindlichen Substanz in etwas ganz Anderem suchen müsse, als in dem bekanntlich bei Albinos gar nicht vorkommenden, bei vielen Thieren hinter einem Tapetum liegenden Pigmente. Um sich zu überzeugen, dass es nur die Chorioides mit dem Ptetinaepithel ist, welche den Purpur vor dem Bleichen im Lichte schützt, nehme man die Netzhaut so heraus, dass einige schwarze Fetzen daran bleiben, breite sie auf ein dünnes Deckglas aus und exponire nach allen Seiten. Die Forderung ist unschwer zu er- füllen, wenn man den Bulbus so ausschneidet, dass er am Op- ticuseintritte ein Loch bekommt, denn damit wird die Stelle be- seitigt, die dem Herausziehen der inneren Häute Widerstand leistet, und vom so hergerichteten, halbirten Bulbus wird es darum leicht gelingen, die Netzhaut faltenlos zur Ausbreitung zu bringen, falls 8 W. Kühne: man noch Meridianschnitte hinzufügt. Es kommt auf diese Klei- nigkeiten Einiges an, weil das Pigment an unsauberen und fal- tigen Objecten den Lichtzutritt zu den betreffenden Netzhaut- stellen wirklich verhindern würde. Zieht man jetzt von dem völUg gebleichten Präparate die schwarzen Fetzen ab, so wird man Das, was darunter ist, intensiv gefärbt finden. Ein anderer Versuch, der dasselbe demonstrirt, besteht darin, dass man den halbirten Bulbus bis zur Vorwulstung ordentlicher Netzhautfalten zerrt, das Licht hineinscheinen lässt und dann rasch die ganze Retina abzieht: wo die Falten waren, finden sich weisse Streifen, während alles Uebrige noch roth ist. Nun wurde folgender Versuch gemacht: die Netzhaut wurde am äquatorialen Schnittrande in einiger Ausdehnung gefasst, sehr vorsichtig gut zur Hälfte von Pigmentlager abgehoben, zur Stütze ein dünner Porzellansplitter untergeschoben und das Ganze bis zum völligen Ausbleichen dem Tageslichte ausgesetzt. Natürlich war die Entfärbung nur von dem abgehobenen Lappen zu con- statiren, da von dem Sehpurpur in der schwarzen, spiegelnden Hohlschaale des Augengrundes nichts zu erkennen ist. Im Natron- lichte lies.s ich nun sogleich das entfärbte Netzhautstück langsam gegen seine natürliche Unterlage zurücksinken, einige Minuten darauf liegen, wobei ich mich überzeugte, dass mein Vorhaben ohne störende Faltenbildungen gelungen war, und jetzt zog ich die ganze Pietina ab: sie war überall gleichmässig roth und Hess nicht einmal eine Zone erkennen, nach der man die beiden Hälf- ten hätte unterscheiden können. Eine vom Lichte gebleichte Netz- haut wird also durch Berührung mit ihrer natürlichen Unterlage wieder purpurfarben. Es erübrigte noch, den ganzen Versuch im wirksamen Lichte zu machen, und auch Das gelang, aber die restituirte Hälfte war etwas blasser als die andere. Ich zweifle nicht, dass diese Versuche Jedermann gelingen werden, ja, ich gehe noch einen Schritt weiter und empfehle das Herausschneiden Zur Photochemie der Netzhaut. 9 eines Lappens, Bleichen auf dem Teller, Zurücklegen auf das entblösste Pigment, wobei man sehen wird, dass jedes normal an- gelegte Stück seinen Purpur wieder gewinnt. Die Regeneration ist mir auf solche Weise öfter so gut gelungen, dass ich mich ernstlich veranlasst fand, mit einem Stückchen Seidenpapier nach- zusehen, ob der Augenbecher nicht eine kleine rothe Pfütze ein- schliesse; doch kam der Schnitzel wohl feucht, aber ohne Farbe heraus. Am Froschauge sind solche Versuche mit aller Sorgfalt ohne Eile auszuführen; da aber die Regeneration des Sehpurpurs, an- ders als die Färbung an sich und ihre Lichtempfindlichkeit, die Action lebender Gewebe voraussetzt, so versagen sie, wenn diese wirklich aufgehört haben, zu überleben. Ich habe Froschaugen in 0,5procentigeni XaCl 10 Minuten auf 43*^0. erwärmt, darauf halbirt, dem Lichte ausgesetzt und die Xetzhäute dann immer weiss gefunden. Da so erwärmte Augen unbeleuchtet noch rothe Netzhäute haben, so waren sie also durch das Licht ent- färbt. Dasselbe geschah in Augen, die innerhalb Tagesfrist bei etwa 20*' C. abgestorben waren. Es bleibe hier nicht unerwähnt, dass die Misserfolge an cadav-erösen Augen wiederum beweisen, wie das Pigment, im gewöhnlichen optischen Sinne genommen, für die Erhaltung des Sehpurpurs bedeutungslos ist. \Venn es bei der Regeneration des Purpurs auf eine über- lebende Unterlage der Stäbchen ankommt, so ist vorauszusetzen, dass die schnell zersetzlichen Organe von Säugethiereu zu diesen Versuchen wenig geeignet sind. Allerdings scheint hier Eile nöthig, aber es ist mir doch sehr wohl gelungen, an Stücken der hintern Bulbushälfte des Kaninchens die Retina nach 2 Minuten langer Beleuchtung, die vollauf genügte, ein isohrtes Stück bis auf die Blutgefässstreifen auszubleichen, noch prächtig roth abzuziehen- Auch beim 'älbinotischen Kaninchen, wo die Umstände besonders günstig scheinen mussten, meine ich den Farbenunterschied zwi- 10 W. Kühne: sehen einem natürlich gelagerten und einem abgezogenen Retina- stücke erkennen zu können, besonders wenn das erstere, nach dem Verbleichen des andern, ebenso auf Porzellan ausgebreitet wird. Indess kann ich mich darüber nicht mit voller Sicherheit aussprechen, weil die Netzhäute der mir grade zu Gebote gewe- senen Exemplare dieser hier z, Z. schwer zu erwerbenden Varie- tät, trotz längeren Aufenthaltes im Dunkeln, keinen recht inten- siven Purpur und nach der Lichtwirkung eine wenig veränder- liche, blasse Orangefärbung im Auge zeigten, die an Säugethier- netzhäuten überhaupt nicht ganz unbekannt sein mag. Es dürfte um so mehr von Interesse sein, diese, vielleicht schon von vorn- herein neben dem Purpur vorhandene Farbe zu untersuchen, als Soll die sehr wichtige Bemerkung macht, dass in der Frosch- retina auch grünlich - blaue Stäbchen vorkommen; dass es auch albinotische Augen mit sehr entwickeltem Purpur gibt, sah ich später bei Experimenten, über die ich zu anderer Gelegenheit berichte. Ich komme nach der letzterwähnten Versuchsreihe wiederum zu dem Schlüsse, dass man nicht an der Existenz des Sehpurpurs und an seiner Vergänglichkeit im Licht, sondern an seiner Aecht- heit gegen Licht das Ueberleben des äussersten Sehapparats er- kennt, und ich denke, dass man es im Froschauge erkennen und so lange constatiren kann, steht in erfreulicher Ueberein- stimmung mit Herrn Holmgreen's schönen Versuchen über Ptetina- ströme und deren Aenderung während der Reizung durch Licht. {F. Holmgreen. Upsala Läkareförenings Förhandlingar 1871. ref. im Centralbl. f. d. med. Wiss. 1871. S. 423 u. 438.) Welche Theile der Choriöidea die den Purpur herstellenden seien, ist z. Z. nur zu vermuthen; wahrscheinlich wird man die- selben weniger in der Aderhaut, als in dem mit Recht zur Retina gezählten Epithel, dessen Zellen die Stäbchen umgreifen, suchen müssen. Damit verbunden, verhält sich die Netzhaut Zur Photochemie der Netzhaut. 11 nicht nur wie eine photographische Platte, sondern wie eine ganze photographische Werkstatt, worin der Ar- beiter durch Auftragen neuen lichtempfindlichen Mate- rials die Platte immer wieder vorbereitet und zugleich das alte Bild verwischt. Nachschrift. Die Annales d'Oculistique T. LXXVIL, p. 81 enthalten einen den vorstehenden Aufsatz betreffenden Bericht, gez. E. W. (War- lomont), der eine Abweisung von meiner Seite verdient. Herr W. reproducirt in französischer Uebersetzung ein Referat von Gamgee in der Zeitschrift „Nature" und knüpft daran folgende Bemerkung: Tont le merite de la decouverte de la coloration propre de la retine appartient ä M. le professeur BoU^ avec toutes ses consequences dont M. Kühne nous parait s'etre prematurement empare. M. Boll avait evidemment entrevu toutes ces consequences, et il eüt ete de bon goüt, nous semble-t-il, de lui laisser le temps de les derouler ä l'aise. C'est donc sans droit, que nous voyons dejä des ä pre- sent, la presse parier, ä propos de ce fait, „des decouvertes de MM. Boll et Kulme"' et le nom de ce dernier associe ä celui du seul inventeur. Offenbar kennt der Verfasser weder BolV^ noch meine Mit- theilung im Original, wie es der Leser von einem Berichterstatter, der solche Urtheile fällt, voraussetzt, wenn er ihn nicht für leicht- sinnig halten soll. Da sich Herr W. bei seinem Vorgehen der Pflicht, die Originale zu lesen, für überhoben hielt, so ist ihm erstens entgangen, dass seine Pieclamationen bei Niemandem schlechter angebracht waren, als bei mir, der Herrn Boll sachlich gerechter wurde, als Irgendeiner es vermag, und zweitens vollständig von ihm übersehen, dass in der Frage auf zwei ganz getrennten Ge- 12 W. Kühne: bieten gearbeitet wurde, indem ich das von Herrn Boll gewählte Feld zum Nachweise der Lichtempfindlichkeit der Xetzhautfarbe gar nicht betreten habe, sondern auf demjenigen vorging, das ich mir durch eine fundamentale Berichtigung JBolV?, erst geschaffen hatte. "Wer die Originalmittheilung kennt, weiss, dass JBoU die Be- ziehungen der Stäbchenfarbe zum Lichte ausschliesslich begründet durch die Beoljacbtung im diffusen Tageslichte erblasster und im direkten Sonnenlichte durch längere Blendung entfärbter Netz- häute lebender Frösche und dass sein Zusatz, die Farbe werde beständig durch das in's Auge fallende Licht verzehrt, im Dunkeln wieder erneuert, im ersteren Punkte keine Thatsache, sondern eine Hypothese ist. Wir haben zu warten, bis BoU eingehend beweist, dass die ungemein langsame Ausbleichung bei lebenden Fröschen die Beziehung des Purpurs zum Sehacte auf- deckt. Sollte das ohne Benutzung meiner Funde, nicht ge- schehen können, so wird es gleichwohl BolVs Verdienst bleiben, Beziehungen der Stäbchenfarbe zum Lichte zuerst und unter sehr ungünstigen Verhältnissen gefunden zu haben. Für wie gross dieses Verdienst zu halten sei, dürfte ich besser, als Herr W. ausgesprochen haben, indem ich auf Diejenigen wies, welche Jahre zuvor das Stäbchenroth, mit seiner Vergänglichkeit erkannt und nichts damit anzufangen gewusst hatten. Dem gegenüber habe ich durcb den Beweis, dass an der isolirten Netzhaut nur das Licht den Purpur entfärbt und momentan bleicht, jene Bedeutung der Farbe für das Sehen auf einem neuen, von mir gefundenen Wege festgestellt und fer- ner aus der Hypothese von der beständigen Purpurzehrung die Thatsache der örtlichen und immer Avirkenden Regeneration gemacht, die weit über 1joIV?> Annahmen hinausgeht, welche der auch im Lichte erforderlichen Neubildung der Farbe gar nicht gedenken. Dazu habe ich gefunden, dass die Optographie im Zur Photochemie der Netzhaut. 13 lebenden, wie im todten Säugethieraiige durch scharfe Bilder Zeugniss von der Lichtwirkung weniger Minuten ablegt (Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877. Nr. 3); ein entscheidender Versuch, den nur Der unternehmen und über ungeahnte Schwierigkeiten hin- weg zur Ausführung bringen konnte, welcher wusste, dass Ab- sterben den Purpur nicht verändert. Dass endlich ein durch Licht chemisch veränderlicher, am Orte der Lichtwirkung blei- bender Körper Ursache der Xetzhautfarbe sei, habe ich erst erwiesen und erweisen können, nachdem ich die Bedeutungslosig- keit cadaveröser und vieler anderer Structurveränderungen für die Farbe erkannt und damit zuerst das Piecht erworben hatte, der Retina photochemische Processe zuzuschreiben. Wenn Herr W. jetzt meint, das Alles habe Boll ,^uch fin- den können und voraussetzt, dass derselbe sich von dem Irrthume seiner Vorgänger, das Schwinden der Xetzhautfarbe hänge mit dem Absterben zusammen, zu befielen wusste, so wird er beim Nachschlagen der Berl. Akad. Berichte zu seiner Ueberraschung bemerken, dass JBoll mindestens 4 Monate „ä Taise" arbeitete und übersah, was ich in 4 Tagen fand. Er wird dann nicht mehr glau- ben, dass mit einem derartig berichtigendem Factum und dessen unmittelbaren Consequenzen zurückzuhalten sei. und einsehen, dass hier Schweigen die ^Yissenschaft um einen raschen Fortschritt gebracht hätte, auf den Niemand verzichten möchte und alle Die nicht verzichtet haben, welche mit Recht weder auf BolVs, noch auf meine Ausführungen warten , um die ophthalmoskopische Sichtbarkeit des Sehpurpurs und dessen Vorkommen im Men- schenauge festzustellen. Ueberdies ist der Beweis da, dass BoU auch in weiteren 2 Monaten selbständig nicht auf den Versuch kam, eine herausgenommene Netzhaut im Dunkeln zu halten, um zu prüfen, ob sein Vorschlag durch den Verlust der Netzhaut- farbe den Tod forensisch festzustellen, empfehlenswerth sei. Herr W. möge sich dafür die Mittheilung vom G. Jan. bei den Lincei 14 W. Kühne: ansehen, wo JBoU wieder den Weg geht den er betreten musste, wenn er in dem ersten verhängnissvollen Irrthume beharrte. Vermuthlich wird Herr W. jetzt bedauern, indem er mir etwas anzuhängen versuchte, seinen Zweck so verfehlt zu haben und sich in Zukunft besser besinnen, ehe er es wieder unter- nimmt in der Physiologie mitzureden. Herr W. schliesst: „Deux gamins suivaient un trottoir, Tun d'eux sifflait un air, dont il n'etait qu'ä la moitie, quand le second se mit ä le continuer: Une autre fois, lui dit le premier le regardant tres- mecontent, tu voudras bien commencer toi- meme." Herr W. sucht Beispiele auf der Gasse, bevor er weiss, worauf sie passen sollen; oder er horchte, statt seine Pflicht zu thun und an der Quelle Gewissheit zu suchen, an einem Orte, von dem er erfahren kann, dass er unrein ist. üeber den Sehpurpur. 15 Ueber den Sehpurpiir. Von ^y. Küliue. Die im Eingange des vorigen Aufsatzes ausgesprochene Yer- rauthung, dass manche Beobachter die rothe Farbe der Netzhaut gesehen hätten, lange bevor sie durch BoIVs Mittheikingen so hohes Interesse gewonnen, findet in der reichen Literatur über den Bau der Retina Bestätigung, Abgesehen von der bei BoU angeführten Entdeckung rother Stäbchen durch Ä. Krolin bei den Cephalopoden, wird ihres Vorkommens zuerst 1851 \oi\ H. Müller bei ^Yirbelthieren gedacht. Die Wichtigkeit des Gegenstandes wird eine wörtliche "Wiedergabe der wesentlichen Angaben recht- fertigen. Ä. Krolin sagt in seinen am 24. Sept. 1839 übergebenen, in den Verhandlungen der Leop. Garol. Akad. Bd. XIX. IL 1842 gedruckten ,, nachträglichen Bemerkungen über den Bau des Ce- phalopodenauges-' S. 45: „Dicht am schwarzen Streifen sind die Fasern (Sehstäbe) von röthlicher Farbe, an ihrem der Glashaut zugekehrten Ende aber ganz farblos : daher die Transparenz und der rosenröthhche Schimmer der inneren Retinafläche." Von F. Uensen wird dies S. 39 seiner Schrift über das Ce- phalopodenauge (Leipzig 1865) mit den \Yorten bestätigt: „in der frischen Retina haben sie (die Stäbe) einen röthhch schim- mernden, homogenen Inhalt.'- 1869 (Archiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. IL S. 3) bemerkt M. Schnitze über das Cephalopodenauge : ,,die rosenrothe Farbe 16 W. Kühne: beruht auf einer diffusen Färbung der ganzen Dicke der Stäb- chenschicht (Taf. I, Fig. 1, farbige Abbildung), ist aber nur an frischen Exemplaren sichtbar, wo ihrer schon Krohn Erwähnung thut. Mit dem Mikroskop ist sie nur an dickeren Schichten ab- gelöster Stäbchen erkennbar." Weiter bemerkt Schnitte, dass er das schönste Rosenroth bei einem fast pigmentfreien, grossen Exemplare von Loligo gesehen habe. Bekannt sind ferner die Beschreibungen und schönen Abbildungen in der Schrift des grossen Betinakenners über die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insekten (Bonn 1868j, welche die mächtigen Sehstäbe jener Thiere mit dem Purpur behandeln. Für die WirbeltMere finden sich die ersten Angaben in den bahnbrechenden Arbeiten von Heinrich Müller. 1851 (Zeitschr. f. w. Zoologie. III. S. 2.34—237) schreibt Müller: „Die Stäb- chen der Frösche erscheinen an sich selbst, wo sie in einer ge- wissen Dicke übereinander liegen, etwas röthlich, und man kann ein einzelnes Stäbchen abwechselnd farblos und gefärbt sehen, je nachdem es sich legt oder aufrichtet." 1856 (a. a. 0. VIII. S. 1 — 1 22j kommt M. hierauf zurück: „Die Substanz der Stäb- chen sieht man, wie ich in meiner ersten Notiz bemerkt habe, öfters röthlich, wenn sie eine gewisse Dicke hat, also wenn ein Stäbchen aufrecht steht, oder viele übereinander liegen. Diese Färbung ist nicht überall gleich, bald stärker, bald schwächer, manchmal unmerklich, und obschon sie auch in ganz frischen Augen vorkommt, möchte sie vielleicht von einer Imbibition mit Blutfarbstoff abhängen. Auch die Färbungen, welche an den Zapfen der Vögel vorkommen, breiten sich durch Imbibition auf die Um- gebungen aus." Sechs Jahre später sagt Fr. Leydifj (Lehrb. d. Histologie, 1857, S. 238 u. 239): „Die Stäbchen der Amphibien (Rana, Pelo- bates z. B.) haben, wenn sie in grösserer Anzahl beisammen liegen, einen rosenrothen, bei manchen Fischen (z. B. Cobitis fossilis) einen Ueber den Sehpurpur. 17 gelblichen Schimmer. Die frische Retina des Frosches z. B. zeigt dem blossen Auge einen lebhaft rothen Atlasschiller." Erst 18G6 ist hiervon, also von rothen Stäbchen der Wirbelthiere, wieder bei 3Iax Schnitze (dessen Archiv II. 199) die Rede, mit den Worten: „Ganz ungewöhnlich lange Stäbchen bietet die Ratte dar, deren frisch aufgehobene und mit der Chorioidalfläche nach oben gelegte Retina einen auffallend deutlichen Atlasglanz mit rüthlichem Schimmer zeigt, ähnlich wie die Retina der Eule und des Frosches." Ebenda, S. 208, heisst es weiter: „Dieselbe (Retina der Eule) bietet in sehr ausgezeichnetem Grade den röthlichen Atlasglanz dar, der sich bei ungewöhnlicher Länge der Stäbchen auch bei den Säugethieren einstellt." Aus diesen Angaben entnimmt man, dass die Untersucher meist Gewicht legen auf den frischen Zustand der Netzhaut, ohne an Beziehungen zum Lichte zu denken, dass die Färbung zum Theil mit der Stäbchenlänge in Verbindung gebracht wird, und die wiederholte Erwähnung des Atlasgianzes und der Schillerfarbe lässt bei den meisten Beobachtern den Gedanken vermuthen, dass sie die Erscheinung weniger auf Farbstoffe, als auf Interferenz beziehen. Aehnliches findet sich bei BoJl direkt ausgesprochen, indem er die Färbung geradezu als Zeichen des Ueberlebens auf- fasst, dagegen Untersuclumgen in Aussicht nimmt über die Frage, ob sie durch Interferenz oder durch einen Farbstoff, also durch eine besondere Substanz bedingt sei. Ohne sagen zu wollen, dass die Retinaliteratur nicht mehr Angaben über das Stäbchenroth aufweise, erwähne ich schliess- lich der Arbeiten von E. Böse über die Wirkung der Santonsäure, in denen von einer röthlichen und grauröthlichen Färbung der Kaninchenretina die Rede ist, die ich auf den Sehpurpur meine beziehen zu müssen (Virchow's Archiv. Bd. XVIIl. 15 u. IC). Kühne, Untersuchungen I. 18 W. Kühne: Die Fortsetzung der Untersuchungen über den Selipurpur an dieser Stelle hat nicht den besondern Zweck, seiner Ver- breitung in der Thierreihe systematisch nachzugehen, um so we- niger, als die vorhandenen Angaben keinen Zweifel über die Häufigkeit des Vorkommens gestatten: zahlreiche Wirbellose be- sitzen rothe Stäbchen und unter den Wirbelthieren ist die Fär- bung bei den Amphibien, bei einem Nachtvogel und bei Säugern, ausserdem, wie Boll ausführt, bei der Taube, den Knorpel- und Knochenfischen erkannt. Mit der Erkenntniss der Lichtempfindlichkeit des Sehpurpurs hat sich vielfach, wie ich dies zahlreichen Zuschriften und an- deren Aeusserungen entnehmen muss, die Ansicht ausgebildet, dass mau nun ziemlich genau wisse, wie die Erregung der Op- ticusenden durch Licht zu Stande komme. Ich kann dieser Meinung nur sehr bedingt beipflichten, obwohl ich mir zum Zwecke weiterer Untersuchung die sich Jedermann aufdrängende Hypothese bilden musste, dass die verschiedenen Insolationsprodukte des Sehpurpurs, nämlich der orange, der gelbe, und besonders der farblose Stoff chemische Keize für die Opticusenden seien, wäh- rend der ursprüngliche Sehpurpur das unwirksamere, dieselben nicht aff'icirende Medium darstelle. Ich möchte jedoch die Hypothese nicht aussprechen ohne die Warnung daran zu knüpfen, dass man sich in dem Sehpurpur nicht die einzige lichtempfindliche Substanz der Netzhaut denke. Dass die Bewegung des Lichtäthers in der Netzhaut in chemische Processe übergehe, ist ein Gedanke, der seit Jahren in der Luft liegt, auch wo man keine Ahnung vom SehpuiT)ur hatte, und nichts berechtigt zur Annahme, dass die dafür vorauszusetzenden Stoff'e uns alle durch die Farbe kenntlich seien. Alan muss es für einen besonderen Glücksfall halten, dass einer davon uns durch diese Eigenschaft zugänglich wurde. Es ist erst zu erweisen, dass man mit ausgeblichenem Purpur schon blind sei und es bleibt noch festzustellen, ob alle Sehorgane mit Purpur ausgestattet sind. ütibei- den Sehpurpur. 19 Eine zweite vielgehörte Annahme betrifft die Bedeutung der Bleichungsprodukte für die Frage nach der Angriffsstelle des Sehnerven durch das Licht, mit a. "\V. wo man das Ende der Opticusfaser zu vermuthen habe. Man kann sich vorstellen, die feinsten Ausstrahlungen einfach leitender Fasern umgriffen die lichtbrechenden Körper im Innengliede der Stäbchen und begäben sich in das rothe Aussenglied: dann würden die letzten Enden, deren Gleichartigkeit hinsichtlich des Baues, der Mischung und Erregbarkeit mit den Stammfasern und allen echten Nerven bei- zubehalten bliebe, in einfachster Weise durch die Lichtwirkung in eine mit erregenden Aetzmitteln getränkte Umgebung versetzt. ^^'enn das richtig ist , sollte man denken , dass die Rückfläche der Retina auch für den frischen Querschnitt des motorischen Frosch- nerven im Augenblicke der Belichtung zum Reizmittel werde. Ich habe den Versuch seit den ersten Tagen meiner Beschäftigung mit dem Sehpurpur oft und mit den empfindlichsten Präparaten an- gestellt, unter mannigfacher Abänderung hinsichtlich der Dauer und Intensität der BeUchtung und niemals Zuckung des Frosch- schenkels erfolgen sehen, auch nicht, wenn ein blendender Sonnen- strahl plötzlich ins Dunkelzimmcr durch die dem Nerven unter- gelegte Netzhaut fiel. Da man zweifeln kann, ob ein Nerven- querschnitt, an welchem das Mark die Axencylinder leicht umwallt, so günstig für den Angriff chemischer Reize ist, wie die in den Stäbchen möglichen, feinsten Auffaserungen es sein dürften, habe ich das Bleichen der Retina auf der äussern, wie auf der inneren Hautfläche reflexempfindlicher Frösche vorgenommen, aber stets resultatlos, d. h. ohne Reizung der Hautnerven durch Reflexe kenntlich machen zu können. Obgleich ich die Annahme durch solche Versuche, gegen die manche, augenblicklich nicht weiter zu erörternde Einwände zu erheben sind, nicht für widerlegt halte, meine ich ihr eine andere vorziehen zu müssen. Wo es auf chemische Reizung empfindender Nerven abgesehen 2* 20 W. Kühne: ist, finden sich überall besondere epitheliale Organe ans Ende der leitenden Faser gefügt, deren gänzliche Abweichung in Bau, Mischung und Erregbarkeit gegenüber der gemeinen Nervenfaser Niemand bezweifelt. So sind die Enden der Geruchs- und Geschmacksnerven vor Allem beschaffen und solches Sinnesepithelium sieht nicht nach einer blossen Umhüllungsmasse durchgehender Nervenfibrillen aus, die etwa als Stiftchen und Härchen über die Oberfläche durch- ragten. Wäre dem so, so müsste man erwarten, dass da, wo wirklich solche Terminalfibrillen vorkommen, auch gleiche Reiz- barkeit walte, und man müsste mittelst der Cohnheim^ sehen Nerven des Corneaepithels Brennen im Auge fühlen, wo wir mit der Nase Moschus oder Rosenöl spüren. Soll man nun für das Opticusende und dessen Sinnesepithel an dem Tage, da wir darin durch Licht chemisch veränderliche Stoffe finden und in der Erregung durch Licht chemische Reizung erblicken, eine Ausnahme machen? Gewiss nicht! Das sogenannte Innenglied der Stäbchen erscheint uns jetzt auch physiologisch als die Sinnesepithelzelle gleich den Riech- und Geschmackszellen, ihre Cuticula, das Aussenglied, als der durch Licht zersetzliche Theil, während der kernhaltige, proto- plasmatische Theil zu demjenigen wird, den die Bleichungsprodukte in Erregung versetzten. Hierbei ist der Möglichkeit Raum ge- lassen, dass ein Faden des Zellenleibes oder eine Fortsetzung flüssigen Materials, das dieser enthält, sich bis weit ans Ende des Aussengliedes als weicher Bitter'scheY Faden oder als Füllsel eines Hensen'sohen Canales erstrecke. Wie Riechzellen geändert, er- regt werden durch die kleinsten, aller Berechnung spottenden Mengen riechender Stoffe, so kann es der Sehzelle ergehen mit den geringsten Spuren von Bleichungssubstanzen, die in sie ge- langen. In dieser Auffassung der Anfänge der Gesichtsempfindung liegt zugleich eine wünschenswerthe Anknüpfung an die Lehre von der Entwicklung der höheren Sinnesorgane, welche für die Retina Ueber den Sehpurpur. 21 z. B. in der Darstellung von G. Schwalbe (Handbuch der Opli- tlialm. V. Gräfe u. Saemisch) besonders consequent durchgeführt wurde. Wer den feineren Bau der Netzhaut kennt, wird hier die Frage aufwerfen, welche Bedeutung bei solchen Voraussetzungen den von M. Schnitte mit so grosser Sorgfalt untersuchten und als Fäserchen in den Riefen der Stäbchenoberfläche, sowie als Faden- ajjparat und unter dem Namen von Faserkörben, an den Inncn- gliedern beschriebenen Gebilden noch zukommen könne. Hier wolle man nicht vergessen, dass sich das Retinaepithel soeben als ein physiologisch oder chemisch hochwichtiger Bcstandtheil der Netzhaut erwiesen hat, um es kurz zu sagen, als eine pur- purzeugende Drüse, deren Zellen wohl kaum einer sehr ver- wickelten Innervation ermangeln dürften. Ich sehe nicht, dass diese aus andern Quellen, als aus der Nervenmasse der Netz- haut, erregende Fasern erhalten könnten und wenn man weiss, dass die Strähnen der Epithelzcllen, in welchen schon vor 10 Jah- ren Cs;erny (Wien. Akad. Ber. LVI.) rhizopodenartige Fortsätze vermuthete, höchst verschiebbare Gebilde sind, in denen z. B. das Pigment im Leben in auffälligster Weise umherwandert und sich abschichtet, so wird man gern glauben, dass nicht nur die Fadenapparate, Faserkörbe und Belegfäserchen, sondern selbst die durch die Limitans externa tretenden Nadeln M. ScJmU.sc's, zum Theil etwas mehr, als formenreiche Rindenverdickungen oder Kittmaterie seien, nämlich feinste Nervenfibrillen. Endlich will ich noch eine Annahme nicht unerwähnt lassen, nach welcher die Veränderung des Sehpurpurs Folge einer Er- regung specifisch nervöser Elemente durch das Licht sein könnte. Dagegen spricht vernehmlich genug die Lichtempfindlichkeit je- der todten Netzhaut, aber ehe ich sie kannte, habe ich nicht versäumt, frische Netzhäute vom Frosche im Dunkeln mit jeder Art elektrischer Reizung zu behandeln ; der Erfolg war, wie man 22 W. Kühne: ihn jetzt voraussagen muss, ein völlig negativer: der Sehpurpur erblich niemals. Um nichts unbeachtet zu lassen, mag dazu noch bemerkt werden, dass man an eine specifische Erregbarkeit der Opticusendorgane durch Licht, vielleicht mittelst lichtempfindlicher, aber farbloser Stoffe, die ihrerseits erst den Purpur zersetzten, denken könnte, wenn nicht die Unveränderlichkeit des letzteren gegen die ver- schiedensten chemischen Eingriffe schon bekannt wäre. Dies schliesst die Wichtigkeit von Versuchen nicht aus, welche neben der Bleichung andere chemische Zersetzungen in der Ketina durch Licht darlegen würden, allein ich bin damit nicht glücklich ge- wesen, insofern das einfachste Mittel, die Lakmusreaction, wenig- stens keine Veränderung der Alkalescenz nachwies. Eine frische Froschretina ist nach möglichst vollkommener Abspülung des al- kalischen Glaskörpers in NaCl von 0,5 pCt. deutlich alkalisch und macht, auf Lakmuspapier oder Liehreich'' sehen Täfelchen zer- drückt, einen deutlich blauen Fleck. Entsteht der Anschein des Gegentheils, so liegt es an den in die Poren und Dellen ziehen- den rothen Stäbchen ; wo die Keaction im Umkreise durch Flüs- siges bedingt ist, wird man nie das deutlichste Blau vermissen und es am Lichte nicht in Pioth übergehen sehen, während man da, wo der rothe Stäbchenbrei die Pteaction verdeckte, am Lichte das Blau nachträglich erkennen wird. Zerquetschte ich Netzhäute im Agatschälchen und liess den Brei am Lichte ausbleichen, so zeigte dieser nur alkalische Pteaction. Die vorstehenden Erwägungen veranlassten mich zunächst nach- zusehen, ob alle bisher für lichtempfindlich gehaltenen Elemente der Retina Sehpurpur enthielten. Beim Frosche war es mir gleich aufgefallen, dass die Zapfen niemals eine Spur des Purpurs er- kennen Messen. Man sieht in einer regelmässig ausgebreiteten Ueber den Sehpurpur. 23 Froschnetzhaut, die man mit der Chorioidalfläche gegen das Deck- glas einer flachen, feuchten Kammer sich ansaugen lässt, die Zapfen bekannthch bei richtiger Einstellung sehr deutlich zwischen den Stäbchen in der Tiefe stehen, wo sie durch den stark licht- brechenden Körper ihres Innengliedes besonders kenntlich wer- den. Ich habe hier röthliche Färbung niemals entdecken können, und wenn höher eingestellt wurde, den Raum zwischen den Stäb- chen nie anders, als complementär zum Sehpurpur d. h. bläu- lichgrün gefunden, grade so, wie die Zwischenräume auch, in denen keine Zapfen stehen. Dieselbe Farbe kommt, wie es Soll schon angibt, immer einer gewissen Anzahl von Stäbchen zu, näm- lich solchen, die etwas getrübt sind, und welche meist das Leu- tvenhoeh'' &che Bildchen, welches Boll und M. Sclmltze in den Stäb- chen des Frosches entworfen fanden, im Gegensatze zu ihren klaren, rothen Nachbarn nicht zeigen, wenn man ein Object zwi- schen Spiegel und Blendung des Mikroskops schiebt. Die in Grau abgestufte Färbung entsteht erst durch simultanen, nachher verstärkt, durch successiven Contrast und wird auch an Einrissen und Lücken des Präparats unvermeidlich gesehen, falls diese nicht zu gross und besonders falls sie mit etwas Trübem gefüllt sind, das den vollen Durchgang des Lichtes hemmt. Wo sich ferner Stäbchen Avie die Halme eines von Wind und Regen getroffenen Kornfeldes um- und niedergelegt haben, was sich dem blossen Auge an der rothen, frischen Retina sogleich durch das Auftreten atlasglän- zender Streifen zu erkennen gibt, finden sich im mikroskopischen Anblicke ganze Streifen und Züge von solcher bläulichgrüner Fär- bung. Die Entstehungsursache dieser prächtig aussehenden Bilder liegt darin, dass die Stäbchen nicht intensiv genug geröthet sind, um den Purpur anders, als in der Richtung der Axe erkennen zu lassen (vergl. //. Müller I.e.). Man rnuss sich zum mindestensehr eilen, um die Zeit der intensivsten Färbung nicht zu verlieren, wenn man an einzelnen auf der Seite liegenden Froschstäbchen 24 W. Kühne: noch Andeutungen davon erkennen will. Vielleicht ist übrigens ausser dem ungenügenden Querdurchmesser, auch der Glanz beim Aliblicke auf den ]\Iantel des Cylinders der Farben\Yahrnehmung ungünstig. Man versteht hiernach, weshalb der umgelegte Rand eines Xetzhautpräparates nur in dem Falle roth aussieht, wo die Stäbchen in genügender Anzahl übereinander liegen, und weshalb Reihen und Züge umgelegter Stäbchen, die man ohne die rothe Umgebung gTau sehen würde, zwischen den als roth erkennbaren durch Contrast bläulichgrün aussehen müssen. Dass die aufrecht stehen gebliebenen Stäbchen, wenn sie die letztere Färbung zu haben scheinen, nicht in Wahrheit gefärbt sind, erkennt man beim Einlegen eines mit wenigen feinen Löchern durchstochenen Scheibchens schwarzer Paijpe an die Stelle des Ocularmikrometers; der rothe Grund ist dann verdeckt und man hat es durch Schieben am Object in der Hand, unter den Löchern bald rothe, bald farblos graue, weniger glänzende Stäbchenquerschnitte auftauchen zu las- sen. Sind alle Stäbchen ausgeblichen, so bleiben übrigens die com- plementären, obwohl deren Farbe natürhch mit erloschen ist, immer noch scharf kenntlich an der geringeren Durchsichtigkeit. Anders steht es um wirklich grüne, gradezu grasgrüne Stäb- chen, die in der Froschnetzhaut vorkommen. Diese sind meist durchsichtig, geben das Lemuenhoeh' sehe Bildchen, bleichen etwas langsamer aus, als die rothen, halten der Lsolirprobe im Oculardia- phragma Stand, und sind mir gelegentlich isolirt, auf dem Kopfe stehend in voller Farbenpracht begegnet. Ich zweifle nicht, dass Boll diese Stäbchen in seiner zweiten Veröffentlichung bei der Acad. d. Lincei" v. 7. Jan. d. J., S. 3 u. 4, vornehmlich im Sinne hat, doch bin ich ausser Stande ihr Auftreten in die Be- ziehung zur Farbe der Belichtung, zu bringen, deren Boll nach Versuchen an Fröschen, welche unter grünen Gläsern lebten, gedenkt. Bei Dunkelfröschen fand ich diese Stäbchenart auch inconstant. Da die Aussenglieder der Zapfen in der Froschretina sehr Ueber '0 andere, aussergewöhnlich fein entwickelte Sinne schärferes Sehen entbehrlich machen, einem morphologisch noch ziemlich ausgebildeten Sehapparate begegnet, dem einer der lichtempfindlichen, chemischen Bestandtheile abgeht. Man würde heute den Fledermäusen eher nur vier Sinne zusprechen, als sechs, wie unsere Vorgänger wollten. Ein anderer Säuger, der vorwiegend im Dunkeln lebt, der Dachs, dessen Auge man im Verhältniss zur Körper - und Kopfgrösse auch klein nennen muss, zeigte mir recht gut aus- gebildete Purpurfärbung der Netzhaut. Ich erhielt das Thier lebend, setzte es drei Stunden ins Dunkle und präparirte das Auge sogleich im Natronlichte. Die Netzhaut blich schnell durch Orange und Gelb gehend am Lichte aus. Ich fand die Stäbchen sehr klein, beträchtlich kürzer und schmäler, als beim Kaninchen z. B. Der Augenhintergrund zeigte ein grosses Tapetum von nicht dreieckiger, sondern halbmondförmiger Gestalt, worin sich, dem Centrum etwa entsprechend, nahe der Grenze, aber im hellen Theile, der Opticuseintritt befand. ^ Ausser lebhaftem Atlas- glanze war an diesem Tapetum keine farbige Interferenz zu be- merken. Unter den Fischen könnten der Aal und der Schlammpeitzger als häufige Bewohner dunklen Schlammes für Nachtthiere gelten. 31. Schultse spricht dies hinsichtlich des Aales aus, von dessen Ptctina er bemerkt, dass sie nur Stäbchen, keine Zapfen enthalte. Ich habe die Netzhaut bei beiden Fischen, bei Cobitis fossilis nur schwach, beim Aal aber so intensiv purpurfarben gefunden, wie bei keinem anderen Thiere , mit Ausnahme der Eule, der sie darin noch ein wenig nachsteht. Im Lichte wurde sie oft sehr intensiv gelb, wo- rauf Lcydig''s Angabe über Cobitis zu beziehen sein mag, doch gibt es darin Unterschiede. So sah ich bei einem Aale, der im Dunkeln abge- storben war, den Purpur am Lichte in tiefes Orangegelb übergehen, Ueber den Sehpui-pur. 31 das erst nach 2 Tagen und dann noch nicht vollkommen ausblich, während bei einem anderen Exemplare das Gelb schwach zum Vorschein kam und nach einer Stunde bei trübem Himmel ganz verschwunden war. Da die Netzhaut des Aals als zapfenfrei keine Pigmentkugeln enthält und die Stäbchen bei bedeutender Länge uugewöhnhch purpurreich sind, ist eine gewisse Uebereinstimmung mit der Einrichtung im Eulenauge unverkennbar. Ein Exemplar von Petromyzon fluviatilis, das ich untersuchte, zeigte deutliche, wenn auch schwache Purpurfärbuug der Netzhaut, die am Lichte verschwand. Das Thier kam jedoch in sehr bedenklichem Zu- stande in meinen Besitz, so dass ich nicht sicher bin, ob es nicht bereits todt einige Zeit am Lichte gelegen hatte. Von ganz hervorragender "Wichtigkeit ist es ohne Zweifel zu wissen, ob die Zapfen allgemein des Purpurs entbehren. Be- steht doch das Sinnesepithel im gelben Fleck des Menschen über- wiegend, in der fovea centralis, an der Stelle des deutlichsten Sehens, der sicher auch Farbenempfindlichkeit zukommt, aus- schliesslich aus Zapfen. Bis heute habe ich leider nur ein menschliches Augenpaar von einigermaassen brauchbarer Beschaffenheit untersuchen können. Herr Dr. Fischer, Assistenzarzt am Siechenhause in Pforzheim, dem ich dafür zu grossem Danke verpflichtet bin, hatte Vorsorge getroffen während der Agone, etwa V-' Minute vor dem Tode (19. März) Schutz gegen Licht herstellen und an der Leiche eine dunkle Binde um den Kopf über die Augen legen zu lassen. So kamen die letzteren am 21. März früh auf die hiesige Anatomie, wo §ie sogleich von Dr. Eiccdd unter einem Tuche exstirpirt wurden. Die Cornea war bereits sehr trübe, die Bulbi ziemlich schlaff und mit reichlichem Fett umgeben. Ich öönete das erste Auge rings- um, etwas vor dem Aequator. Beim Ausschlüpfen des Glas- körpers kam der grössere Theil der hinteren Pietinahälfte mit heraus, in weiter Ausdehnung um die Papille abgerissen. Aus 32 W. Kühne: der Natronkammer ans Tageslicht gebracht, zeigte die Rückseite sehr deutliche Purpurfarbe in gleichmässiger Vertheilung, die schnell in Chamois und Gelb überging, schliesslich verschwand. Der am Orte gebliebene Netzhautrest nach (Jmschneidung des Sehnerveneintritts unter XaCl 0,5 jjCt, hervorgebracht, hatte dieselbe Färbung und Lichtempfindlichkeit. Der gelbe Fleck war sehr deutlich erkennbar, dem Gelb kein erkennbares Roth beige- mischt. Die fovea centralis war nicht gut zu erkennen, aber sicher an ihrer Stelle kein röthlicher Fleck zu sehen. Im Um- kreise des gelben Fleckes erschien die Netzhaut äusserst schwach röthlich, so dass eine kaum farbige, breitere Zone die macula um- gab mit diffusem Uebergange in die rötheren Theile. Ebenso ver- hielten sich die Dinge im andern Auge, dessen Netzhaut nach Hal- birung hinter dem Aequator, bis auf den vom Locheisen um die Pa- pille bewirkten, kleinen Ausschnitt ganz unverletzt zu Tage kam. Keiner der Netzhäute hing irgendwo Pigraentepithel an. Da die Augen etwa 48 Stunden alt waren, wird man aus dem Befunde nicht mit Sicherheit schliessen können, dass die zapfenreicheren Netzhautstellen des Menschen wenig Purpur, die ausschliesslich Zapfen führenden der macula lutea und der fovea gar keinen ent- halten, so wahrscheinhch es sein mag, denn die Zapfenaussen- glieder sind die vergänglichsten und ich kann nicht wissen, ob sie nicht theilweise am Epithel und der Chorioides hafteten, während die entsprechenden Stücke der Stäbchen an der Netz- haut blieben. Mikroskopische Untersuchung konnte darüber nicht entscheiden, weil ich die Stäbchen und vollends die Zapfen in der bekannten Weise cadaverös verändert fand. In Rücksi-cht auf die Farbenblindheit der peripherischen Theile der menschlichen Netzhaut war es von Interesse die Grenze des Pur- purs nach vorn zu bestimmen, was an dem zweiten Auge gut gelang. Ich zog unter Salzwasser den ganzen Augeninhalt aus der Sklera und Cornea heraus, Vvorauf sich die Netzhaut von der üeber den Sehpurpur. 33 Uvea und dem Pigmentepithel bis an die Ora serrata äusserst leicht, von dort bis zur Linse etwas schwerer, erst nach einigem Ziehen, ohne Einrisse trennte. Der zuletzt abgelöste Antheil blieb mit braunem Pigment besetzt, das keine andere Farbe auf- kommen Hess, und gewiss auch nicht verdeckte, denn der Purpur setzte mit nicht gerade diffuser Grenze rings um die Peripherie der braunen Zone mindestens um 2 mm. nach rückwärts ab. Die Augen gehörten der Leiche einer alten, corpulenten Frau an, deren Linsen gelb und ziendich weich waren. Meine Beobachtungen über den Sehpurpur des Menschen sind, wie man sieht, Bestätigungen derer von den Herren Fachs und Welpo)wr (Wiener Med. Wochenschft. d. Js. S. 221), Schenl und ZncJcerkandl (AUgem. Wien. Med. Ztg., 13. März 1877), be- rühren aber hinsichtlich der Verbreitung des Purpurs einen bis- her nicht beachteten Umstand von hervorragender Bedeutung, der mich wünschen liess, grössere Sicherheit zu erlangen. Da uns die Gelegenheit nicht wird, ganz frische Augen Hingerichteter zu untersuchen, blieb mir zur Bekämpfung der Zweifel, worin mich die Untersuchung 2 Tage alter, menschlicher Augen lassen musste, nur die Beobachtung am Affen übrig. Durch freundliche Ver- mittlung des Direktors des zoologischen Gartens in Hamburg, Herrn Dr. Bolau^ dem ich für die Beschaffung vieler in dieser Arbeit verwendeter Thiere zu besonderem Danke verpflichtet bin,^ erhielt ich ein gutes, lebendes Exemplar von Macacus cynomolgus. Der Affe wurde nach 24stündigem Aufenthalte im Dunkeln mit Chloroform betäubt, geköpft und die Augen sofort im Natron- lichte herausgenommen, unter Salzwasser weiter behandelt, Avie die menschlichen Augen. An keinem der beiden Bulbi wollte es glücken, den Glaskörper gut zu entleeren und die Retina nach Umstechung der Papille von der Clorioides zu trennen. Ich legte daher sowohl die vorderen, wie die hinteren Abschnitte in Alaun von 4 pCt. und hob die Retina erst 24 Stunden später heraus,, Kühne, L'iiter.sucluingeii I. 3 34 W. Kühne: was nun sehr leicht gelang. Beide Netzhäute zeigten blasse Pur- purfarbe mit auffälliger Abnahme im Umkreise des gelben Flecks. An dem letzteren, sowie in der fovea war garkein Koth zu er- kennen. Mikroskopisch betrachtet fand sich an der einen Retina in der fovea ein sehr kleiner dreieckiger Spalt, gegen welchen die Zapfen mit ihren langen, schmalen Aussengliedern zusammen- liefen, was nicht den Eindruck machte, als ob eine Anzahl Zapfen am Epithel sitzen gebhebenund herausgefallen wären, sondern mehr wie ein Riss aussah. Am andern Auge war die hintere Fläche der gleichen Retinagegend ganz continuirlich und alle Schnitte, welche hier und von andern Theilen abgehoben wurden, Hessen ununter- brochenen Besatz von Stäbchen- und Zapfenaussengliedern erkennen. Der Alaun erzeugt an diesen Gebilden zwar Schrumpfungen, aber man konnte noch sehr gut die Stäbchen von den Zapfen, unter den letzteren die langgestreckten der fovea unterscheiden. Um recht sicher zu gehen wurden schliessHch noch die Epithelflächen des Augengrundes stückweise abgeschabt und auf Aussenglieder untersucht. In dem zweiten Auge, mit unverletzter fovea fand sich davon nichts, im ersten tauchten einzelne, hier und da auch mehrere aneinander geklebte auf. Ich halte nach den Ergeb- nissen an der ersteren tadellos gehärtet zur Untersuchung ge- kommenen Retina für erwiesen, dass die fovea centralis und deren nächste Umgebung im Affenauge keinen Sehpurpur enthalten, wäh- rend ich es für die Peripherie des gelben Fleckes unentschieden lassen muss, ob die dort und im weiteren Umkreise zwischen die Zapfen gestellten Stäbchen purpurführend sind. Beim Affen reicht der Purpur so wenig, wie beim Menschen, bis an die Ora ser- rata; doch fand ich die rothe Grenze ihr etwas näher und dif- fuser, als im Menschenauge. Wo die Stäbchen zerstreut oder zwischen bedeutender Ueberzahl von Zapfen liegen, kann begreif- licher Weise jedes intensiv gefärbt und Purpur vorhanden, aber nicht im Aussehen der Fläche erkennbar sein, wenn die Zapfen Ueber den Sehpurpur. 35 farblos sind. Sollten die letzteren trotz der Unsichtbarkeit des Purpurs für unsere Wahrnehmung dennoch Spuren dieser Substanz enthalten, so möge man erwägen, wie gering dieselben sein müssten, wenn sie sich in dem dichten Besätze der ungemein langen Aussen- glieder in der fovea dem Nachweise entziehen. — Schattirungen des Purpurs, die der verschiedenen Farbenempfindlichkeit der menschlichen Netzhaut entsprechen könnten, waren, wie schon gesagt, an jener nicht und ebensowenig an der Atfennetzhaut zu erkennen. Wer in die Lage kommt ein frisches menschliches Auge zu untersuchen wird die Abwesenheit des Purpurs an der Stelle des deutlichsten Sehens vermuthlich zur vollkommenen Sicherheit er- heben können, und bestätigen, was nach meinen Beobachtungen am Menschenauge und nach dem Analogieschlüsse vom Atfenauge nur hohen Grad von Wahrscheinhchkeit beanspruchen darf. Da ich bei Leydig, M. ScJiidf^e u. A. die Angabe fand, dass die Netzhaut der Schlangen nur Zapfen, keine Stäbchen und nirgends Pigmentkugeln enthalte, untersuchte ich das Auge von Tropi- donotus natrix, für das ich jenes Verhalten durchaus bestätigen kann. Ich habe eine gute Anzahl solcher Netzhäute durchmu- stert und daran ausser einem kaum nennenswerthen gelblichen Scheine, der dem Lichte Stand hielt, keine Spur von Röthe ent- decken können. Bis heute habe ich keine Netzhaut gefunden, die vollendeter als diese, die Erscheinung der LeuivenJweJc' scheu Bildchen zeigte, was ich hervorhebe, um beiläufig zu beweisen, dass es trotz der Kleinheit dieses Schlangenauges recht gut gelingt, normal ausgebreitete Netzhäute davon herzustellen und dass die Zapfen in der Richtung ihres längsten Durchmessers gut zur An- sicht zu bringen sind. Da dieselben auch so keine röf bliche Färbung erkennen lassen, dürfte ihnen der Purpur ganz abzusprechen sein. Hier liegt also wieder eine Netzhaut bei zweifellos gut sehenden Thieren vor, die des Sehpurpurs und aller Sehfarbstofie 3* 36 W. Kühne: entbehrt. Ebenso beschaffen fand ich die Netzhaut von Coro- nella laevis. Weniger schlagend als bei der Schlange, obwohl hier auch unzweifelhaft, vermochte ich den Mangel an Sehpurpur bei einem andern Keptil nachzuweisen. Anguis fragilis hat die bei den Eidechsen bekannten, gelben Pigmentkugeln an der Grenze der Zapfen-Innen- und Aussenglieder neben andern ungefärbten, ähnhch glänzenden Bildungen dieser Art. Da die gelben Kugeln vielerorts weit genug auseinander stehen, kann man nicht im Zweifel sein, dass dazwischen kein Sehpurpur steckt. Ich habe an der Netzhaut lange im Dunkeln gehaltener Blindschleichen auch niemals eine andere, als die schwach gelbliche, durch Licht unveränderliche Farbe wahrnehmen können. Demnach muss ich mich dem Zweifel BolVs hinsichtlich des Vorkommens der Purpurfarbe bei den Eidechsen anschhessen. Sehr ins Auge fallend fand ich die Differenz der purpurnen Stäbchen und der ungefärbten Zapfen in der Retina des Karpfens. Die Netzhaut ist bläuhch-purpurfarben, an die des Aals erinnernd, aber man sieht daran gleich mit unbewaffnetem Auge, dass die Färbung musivisch unterbrochen und darum wenig gesättigt ist, was von dem grossen Reichthume der Membran an überall farblosen Zapfen herrührt, die zwischen die rothen Stäbchen eingestreut sind. JBolVs Angabe über den Purpur der Knochenfische wird hier- mit bestätigt und ich kann das Gleiche hinzufügen für die Retina eines Knorpelfisches. Freilich war die Netzhaut des mir erst 48 Stunden nach dem Tode, im Dunkelverschluss zugekommenen Hai- fischkopfes nur ein purpurfarbener Brei, der dem Augengrunde sogleich entschlüpfte und das prachtvolle, wie polirtes Silber glän- zende Tapetum aufdeckte. Ich konnte daran jedoch die Haltbar- keit im Dunkeln, das Gelbwerden und schliesslich vollkommene Er- bleichen im Lichte constatiren. An einem dieser Augen, das im Dunkeln eine Stunde geöffnet gelegen hatte, sah ich zu meiner Ueber den Sehpurpur. 37 Ueberraschung die Rctinamasse von klarer Purpurlosung umflos- sen, die auf einen Teller ausgegossen, gleiches Verhalten zum Lichte zeigte, wie jene. Ausser den schön irisirenden Krystallen des Tapetalepitheliums, die ich für Guaninkalk halten muss, waren in der Lösung keine farbigen, festen Theile zu sehen. Bekanntlich besitzen die Tri tonen Stäbchen mit schwach coni- schen Aussengliedern, in denen M. Schnitze Uebergänge zur Form und Bedeutung der Zapfen vermuthete. Bezeichnender Weise sind diese mächtigen Gebilde immer sehr schwach roth gefärbt. Man ist darum um so mehr erstaunt, hier die geringe Färbung sehr gut an einzelnen, losgelöst umhertreibenden und auf der Seite liegenden Aussengliedern erkennen zu können. Vielleicht ])eruht das Miss- verhältniss der in der Axenrichtung betrachtet so wenig inten- siven, dagegen im kürzeren Querdurchmesser, freilich nur am un- teren dickeren Theile, noch so deutlich kenntlichen Färbung auf Lagerung des Purpurs an der Peripherie der Coni. Unvergleichlich prächtig ist der Anblick der Pietina von Sala- mandra maculosa mit ihren echten, genau cylindrischen Stäb- chenaussengliedern, deren colossale Maasse den intensiveren Pur- purschein, gegenüber dem der Froschretina begreiflich machen. Schliesslich wird hier die Angabe interessiren, dass der Seh- purpur intrauterin entstehen kann, in Stäbchen, welche niemals vom .Lichte beschienen wurden. Ich fand die Xetzhaut eines Rinds- foetus von 65 Ctm. Länge, der an der Schnauze, auf dem Kopfe, an Schwanz und Füssen Haare hatte, recht deutlich purpurfarben, und während die Farbe am Lichte erst in Gelb überging, dann ganz verschwand, fand ich die Stäbchen als feine, kurze Pallisa- den mikroskopisch erkennbar. Es stimmt dies mit Schulüe's Angaben, dass schon behaarte Schaafsembryonen die ersten An- lagen der Stäbchenaussenglieder entwickelt zeigen und hinsicht- lich des Purpurs mit den Beobachtungen von Fuchs und Weljwner (1. c.) an 7 — Omonatlichen menschlichen Früchten. Bei einem 38 W. Kühne: Rindsembryo von 44 Ctm., wo ich die Stäbchen vermisste, war keine Färbung der Xetzhaut sichtbar, ebensowenig bei neugebore- nen Kaninchen, wo ich Schult ^e'^ vielfach missverstandenen Fund, dass die Aussenglieder kaum entwickelt sind, bestätigen konnte. Wenn ich bisher die rothe Netzhautfärbung ganz allgemein als Sehpurpur bezeichnete, so sollte damit gesagt sein, dass sie von einem besonderen, den Stäbchenaussen gliedern eigenthümlichen Stoffe, einer Substanz, d. h. einem oder mehreren farbigen chemischen Körpern herrühre. Man konnte daran kaum zweifeln, seit ich ge- zeigt hatte, wie unabhängig die Stäbchenfarbe von zahlreichen Struc- turveränderungeu des Substrates ist. Was die Farbe der Netzhaut ändert oder aufhebt, muss den Farbstoff, den Sehpurpur selbst angreifen oder zersetzen. In der vorangehenden Abhandlung habe ich eine Eeihe solcher Eingriffe aufgezählt, mehr in der Absicht, zu zeigen, dass die Farbe unabhängig von der Structur sei, und dass ihr Wandel durch Licht nicht auf einer Structuränderung der Stäbchen beruhen könne, als mit dem Wunsche die Reactionen des Sehpurpurs festzustellen. Man wird aus den weiter mitzutheilenden Versuchen noch manche Angaben bezüglich der letzteren entnehmen können, so dass ich hier nicht besonders darüber zu berichten brauche. Obwohl das bekannte thatsächliche Material keinen Anlass zu der Vermuthung gibt, dass das Licht sichtbare Aenderungen des Baues der Stäbchen und andrer Retinatheile erzeuge, habe ich die Gelegenheit, welche die Betrachtung der Farbe so vieler Dunkelpräparate mit sich brachte, nicht unbenutzt gelassen, um gleichzeitig die viel beschriebenen Gestaltsänderungen der Stäb- chen hinsichtlich der Mitbetheiligung des Lichtes zu beachten. Ich kann jedoch nur berichten, dass die bekannten Trübungen, Streifenbildungen und das Auftreten mehr oder minder deutlichen Atlasglanzes Veränderungen sind, die an der herausgenommenen üeber den Sehpuvpur. 30 Netzhaut in gleicher Zeit so gut im Dunkeln, wie im Lichte er- folgen und vernmthlich durch osmotische Vorgänge, Spannungs- diflferenzen, Gerinnungen und dergleichen entstehen. An der Farbe vermag dies Alles nur insofern etwas zu ändern, als trübe Netz- häute sie weniger gesättigt zeigen und dabei ist hauptsächlich auf den Umstand Gewicht zu legen, dass sich dies schon ereignet zur Zeit der Abnahme des Glanzes und der Lichtbrechung in den Aussengliedern, die das erste Anzeichen des von M. Schnitte so sorgfältig untersuchten Plättchenzerfalles sind. An der voll- kommen frischen Retina ist es ganz unmöglich Andeutungen von Querstreifen der Stäbchen, die den Plättchen entsprächen, zu sehen, etwas, das man in Hinsicht auf die Zenker'' sdia Theorie der Erzeugung stehender Wellen durch die einfallenden und an den Plättchen reflectirten Strahlen betonen muss. Ich bin zwar nicht der Meinung, die Plättchen praeexistirten nicht, denn ihr Auftreten bei so mannigfachen, gut zu übersehenden, chemischen Einwirkungen weist den Gedanken an reine Kunstproducte zurück, aber die Plättchensäule verhält sich im Leben nicht, wie der Plattensatz, dessen ZenJcer's Theorie bedarf, sondern wie einer, der aus Glasplatten mit Balsam zusammengekittet ist, im Tode, wie wenn man den letzteren in Alhohol erweicht und aufgeblättert hätte. Was nach der Leichenzersetzung zum Plattensatze wird, scheint sich zuvor mehr wie ein Glasstab verhalten zu haben. Dennoch scheint das lebende Stäbchen nicht aus relativ dicken Plättchen mit minimaler Zwischensubstanz, sondern aus abwechseln- den, etwa gleich dicken und gleich hchtbrechenden, chemisch aber ganz verschiedenen Schichten aufgebaut zu sein. 31. Schult^e's schöne Untersuchungen lehren für die Sehstäbe der Krebse, dass dort mächtige Lagen purpurner, mit eben solchen farbloser Sub- stanz abwechseln, von sehr verschiedenem, in den farbigen über- wiegendem Quellungsvermögen. Wohl zu unterscheiden von der eben genannten, nur für die 40 W. Kühne: isolirte, epitlielfreie Netzhaut geltenden Indifferenz der Stäbchen- structur gegen Licht, sind die sehr auffälligen Veränderungen der Letzteren, sowie viele andere, nicht allein den Purpur betreffende Vorgänge, welche sich nach der Belichtung im Auge und am Le- benden nachweisen lassen. Da hier jedoch in der Regeneration mindestens noch ein wichtiger Factor mitwirkt, verzichte ich einstweilen auf eingehendere Mittheilungen über den Gegenstand, Die Reactionen, welche ich an der Retina untersuchte und jetzt beschreiben will, hatten den Zweck, Lösungsmittel für die Stäbchen oder Antheile derselben herauszubringen, um damit zur Darstellung des Sehpurpurs zu gelangen. Wie viele gute Gründe für die Existenz dieses Körpers sich bereits ergeben hatten, so habe ich mir von Anfang an sagen müssen, dass er in der Luft schwebe, bis man ihn nicht in Lösung oder in fester Form frei von allen geformten Resten des Substrates in der Hand hätte. Dazu konnte ich natürlich nur solche Dinge brauchen, von denen ich in Erfahrung gebracht hatte, dass sie die Farbe im Dunkeln nicht zerstören und es blieb darum vielerlei ausgeschlossen, so ätzende Alkahen, concentrirte Säuren, selbst die verdünntesten Mineralsäuren (HCl), Alkohol. Frühere Verdauungsversuche (vergl. d. Verhandl. Bd. 1 Hft. 5) mit der Netzhaut hatten mir und Ä. Eivald gezeigt, was seither Dr. Kühlt bei eingehendem Studium verdauter Retinaschnitte im hiesigen Listitute \1elfach bestätigte, dass alle Stäbchenaussen- glieder etwas hinterlassen, vermuthlich eine Hülle, das wegen seiner vollkommenen Unverdaulichkeit in Trypsin, wie in Pepsin- Säure und wegen seines Widerstandes gegen ätzende Alkalien für Neurokeratin za halten ist, ferner eine in der Verdauung zwar sehr zusammengehende, aber durch Fettglanz kenntlich bleibende Materie, die nur in kochendem Alkohol und in Benzol, nicht in Aether und kaltem Alkohol löslich ist. Das letztere stimmt mit dem Verhalten des Nervenmarkes, das M. Schätze den Stäbchen Ueber den Sehpuvpur. 41 zuschrieb, überein und rülni dort vom Cerebrin her. Wie man von M. Schnitte und Jluäneff' weiss, färben sich die Aussenglieder, ähnlich wie Nervenmark, rasch mit OsO-i dunkel, doch ist her- vorzuheben, dass sie nie die eigenthümlich stahlfarbene bis blau- schwarze Nuance markhaltiger Nerven annehmen. Wenn der Sehpurpur an Cerebrin haftete, so meinte ich ihn mit Benzol davon befreien zu können, allein getrocknete oder feuchte Netzhäute des Frosches und vom Rinde, erst vielfach mit Aether, dann mit Benzol extrahirt, gaben nie gefärbte Filtrate, obwohl der Pur[)ur sich nicht verfärbte. Mit Essigsäure oder Salicylsäure, auch Ammoniak enthaltendem Aether wollte gleich- falls kein Purpur in Lösung gehen, ebensowenig mit ätherischen Fettlüsungen oder fetthaltigem Benzol. Erwärmen bis 50*^ C. (das den Purpur nicht zerstört) in reinem Oüven- oder Mandelöl, nach- dem die Netzhäute zuvor durch wiederholtes Behandeln mit Aether zum Annehmen des Fettes gebracht worden, war auch ohne Wir- kung ; ebenso Digeriren mit NH3, Glycerin, Nelkenöl, Terpenthin, Extrahiren mit Chloroform, Schwefelkohlenstoff u. s. w. Aus ItoUetfs wichtigen Beobachtungen über das Gefrieren der Blutkörperchen w^ar ein Verfahren der Trennung des Hämoglobins, also eines Farbstoffes, von einem Substrate, das wegen seines Lecithin- und Cerebringehaltes wohl dem Nervenmarke und der Stäbchen- grundlage vergleichbar schien, bekannt, welches auf die Isolirung des Sehpurpurs zu führen versprach. Ich liess ein Dutzend frischer Netzhäute vom Frosche im Dunkeln in einer Platinschale sofort bei —13° C. anfrieren, thaute sie viermal, nach erneuetem Frieren wieder auf und besah eine davon mit dem Mikroskop. Die Stäb- chen waren stark verändert, etwas verdickt, ums Doppelte ver- längert und so zierlich in Plättchen zerfallen, wie ich es selten ge- sehen hatte. Indem ich eine neue Netzhaut gleich unter dem Deckglase der feuchten Kammer rasch anfrieren und unter dem Mikroskope bei Immersion des Objectivs in einen Glycerintropfen 42 W. Kühne: tliauen liess, sah ich, dass die Veränderung ziemlich plötzhch auf- tritt und wenn ich das Präparat verschob und drückte, klebten die Stäbchen zu schön durchsichtig rothen Klumpen zusammen. Als ich indess meine 1 1 Netzhäute in der Platinschale, die im Thauen einige Tropfen Feuchtigkeit gezogen hatten, noch mit wenigen Tropfen halbprocentigem NaCl zusammenfrieren und abermals thauen liess, erhielt ich von dem Ganzen durch ein Miniatur- filter ein völlig farbloses Filtrat. Beiläufig mag hier bemerkt werden, dass sowohl die Flüssigkeit, wie der Netzhautklumpen auf dem Filter deutlich alkalisch reagirten und dass der letztere nach dem Ausbleichen im Lichte keine Aenderung seines Verhaltens gegen empfindliches Lakmuspapier zeigte. Da die Stäbchen hier hergegeben haben mussten, was sie Flüssiges enthielten, so ist die Beobachtung eine bestätigende Erweiterung der obigen Angaben (vergl. S. 22) über die Unveränderlichkeit der Ketina-Alkalescenz nach Erregung durch Licht. Ungeachtet des ersten schlechten Erfolges, habe ich weitere, auf die Analogie des chemischen Baues und Verhaltens der rothen Blutkörperchen und des Nervenmarkes mit den rothen Stäbchen, berechnete Versuche vorgenommen, und ich habe sie nicht zu bereuen. Wie die Galle ein Mittel ist zur Lösung der Blut- körperchen, ist sie es auch für das Nervenmark (vergl. Ä. Eivald und W. Kühne 1. c.) und selbst für frische Axencylinder. Galle löst bekanntlich Lecithin auf und enthält diesen Körper ge- wöhnlich von vornherein ; ebenso löst sie, besonders bei schwa- chem Erwärmen, wie ich mich überzeugte, das so schwer lös- liche Cerebrin. Wie sie aber auf die Stäbchen der Retina wirkt, das muss man sich ansehen, um es nicht wieder zu vergessen. Eine frische Froschretina gegen einen Tropfen Galle ans Deckglas gelegt, kommt sofort in eine sonderbare Bewe- gung: am Rande schiessen die Stäbchen wie Raketen heraus und wo die Galle an frei bewegliche, abgestossene Augenglie- lieber den Sehpurpur. 43 der dringt, sieht man diese sich mit einem Rucke plötzlich wie Würmer krümmen, wieder grade richten, in die Länge schies- sen, wobei für einen Augenblick erst Längsstreifen, dann die ganze Säule der auseinander fahrenden Plättchen sichtbar wer- den, endlich gänzlich verschwinden. Es ist oft, wie wenn Geld- rollen aus einem Rohre geschossen würden oder einer Kartätsche vergleichbar. Falls der Galletropfen zu klein war, bleiben man- che Stäbchen lange unverändert und man hat Gelegenheit, den Vorgang an einzelnen allmählich ablaufen zu sehen. Derselbe kann an einem oder an beiden Enden zugleich, auch in der Mitte beginnen und es geht dem Zerfalle eine schwer zu beschreibende Aenderung in der Lichtbrechung an der betreffenden Stelle voraus. Zuweilen wird in der Axe ein ziemlich dicker, oft mit An- schwellungen versehener Canal sichtbar, auf dem nicht Plättchen, sondern Ringe stecken und da diese wieder in der Richtung des Radius einreissen und Längsstreifen auftreten, so kann man sich wohl eine Structur der Stäbchen vorstellen, wie sie Hcnsen (Vir- chow's Archiv, Bd. .S9, Taf. XII, Fig. ;^) zeichnet. Es versteht sich von selbst, dass zu diesen Beobachtungen gereinigte Galle, d. h. die wässrige Lösung krystallisirter, farbloser Rindsgalle zu nehmen ist. Ich empfehle, die Lösung unter Aether aufzubewah- ren und sie nicht aus trocken conservirten Cholatpräparaten her- zustellen, denn es ist mir wiederholt begegnet, so Flüssigkeiten zu erhalten, die trotz richtiger alkalischer Reaction weder Blut- körperchen noch Nervenmark ordentlich auflösten. Die wichtigste Wirkung der Galle auf die Netzhaut besteht nun in der Lösung des Sehpurpurs und man würde damit bald ans Ziel der Wünsche gelangen, wenn nicht die Stäbchen abge- storbener Säugethieraugen gegen das Mittel widerstandsfähig würden. Die. Netzhaut noch warmer Kaninchen- und Rinds- augen gibt zwar den Purpur leicht an Galle ab; als ich aber etwa 30 unter NaCl von 0,5 pCt. sauber herausgenommene, rothe Och- 44 W. Kühne: sennetzhäute, die nur wenige Stunden alt waren, in das Lösungs- mittel gethan hatte, musste ich dem Aussehen nach den Purpur wohl für gelöst halten, aber ich erhielt ein kaum gefärbtes Fil- trat, das laut Aussage des Spectrums ein wenig Hämoglobin ent- hielt und am Lichte unveränderlich war. Dem entsprechend sieht man an 24 Stunden feucht erhaltenen Netzhäuten des Frosches die beschriebenen, man möchte sagen, explosiven Wirkungen der Galle nicht, sondern nur einen langsamen Zerfall, freilich mit kaum verschiedenem Enderfolge. Dabei scheint sich aber keine wahre Lösung der Stäbchenmaterien, auf die es ankommt, zu bilden, sondern eine stark gequollene Masse, welche übrigens Filter nicht zu verstopfen pflegt. Ich muss auch bemerken, dass man die frischen Stäbchen, wie sehr es den entgegengesetzten Anschein haben mag, niemals vollkommen mit Galle in Lösung bringt, sondern dass sich immer noch auf sie zu beziehende Reste, ver- muthlich zum Theil aus Neurokeratin bestehend, vorfinden, wenn man das Präparat nachträghch mit Wasser verdünnt. Sehr voll- kommen und plötzlich werden durch Galle die Zellen des Retina- epithels, im frischen, wie im abgestorbenen Zustande gelöst, deren dunkle Pigmentkörnchen nach allen Richtungen auseinander stie- ben, beim Frosche mit Hinterlassung der bekannten gelben, glän- zenden Tropfen. Genauere Studien über den Sehpurpur wird man zwar erst beginnen können, wenn ein neues Verfahren der Darstellung aus todten Netzhäuten gefunden sein wird, oder wo man es erreichen kann, in der Nähe eines Schlachthofes die Verarbeitung vieler noch warmer Netzhäute in einer Gelbkammer vorzunehmen. Ochsennetzhäute werden freilich immer den Uebelstand einschlies- sen, dass etwas Hämoglobin mit dem Sehpurpur in Lösung geht, weil die Gefässe constant Blut zurückhalten. Dies hat mich allerdings nicht verhindert bei den wenigen Ochsenaugen, die mir noch warm gebracht wurden, den Versuch zu machen, und Ueber den Sehpurpur. 45 einige Cub.-Cent. guter, klar filtrirter Purpiirlösung zu gewin- nen, ich fand es aber doch raisslich, dass sie am Lichte nicht vollkommen ausblichen und konnte z. B. nicht entscheiden, ob die immer mehr ins Reinrothe gehende Netzhautfärbung, welche erheblich gegen das rechte Purpurroth, zuweilen bläuliche Roth des Kaninchens und des Frosches absticht, diesem Purpur auch in Lösung zukomme. Vollends muss bei Absorptions- und Bleichungs- versuchen im farbigen Lichte das Hämoglobin stören. Ich habe mich daher vorläufig mit Versuchen begnügen müssen, welche mit dem spärlichen und sehr mühsam zu beschaffenden Materiale an- zustellen waren, das ich mir aus Kaninchen- und Froschaugen bereitete. Bevor ich darüber berichte, "wird die Mittheilung einiger Versuche, die ich inzwischen mit abgestorbenen Ochsennetzhäuten zur Auffindung anderer Darstelluugsmethoden des Sehpurpurs anstellte, passend sein, nicht weil sie schon zu jenem Ziele ge- führt hätten, sondern weil sie über das Verhalten der merkwür- digen, uns beschäftigenden Substanz weitere Aufschlüsse geben. Es ist nämlich möglich aus der Netzhaut einen unlöslichen Rest zu bekommen, der nur aus Neurokeratin und Sehpurpur besteht. Zu dem Ende extrahirt man die todten Membranen des Ochsen zuerst mit gereinigter Galle, wäscht mit Wasser aus, hierauf mit Essigsäure von ^'2 pCt., die auf dem Filter durch Waschen mit Wasser möglichst wieder beseitigt wird. Weiter wird der Filterrückstand mit wirksamster Trypsinlösung von 1 p. M. Salicylsäuregehalt bei 40" C. 24 Stunden verdaut^), wieder auf ein Filter gespült und ausgewaschen, auf einer Glasplatte ausgebreitet, bei 40 "^ C. getrocknet, mit Aether und mit Benzol extrahirt, das Benzol abdunsten gelassen, mit Wasser befeuchtet ') Da die Salicylsäure für sich oder mit Salzen gemischt den Purpur entfärbt, dürfen die Netzhäute nur mit der vorher fertig gestellten obigen Mi- schung behandelt werden. 46 W. Kühne: und mit concentrirtem Ammoniak ausgelaugt, dessen letzte Reste man durch Abdunsten und Auswaschen entfernt. Sämmtliche Proceduren sind natürlich im Dunkeln, wo man etwas zu sehen braucht, im Natronlichte vorzunehmen. Was darnach von der Retina zurückbleibt, ist frei von Fetten, Lecithin, Cerebrin, ent- hält keine Albumine oder Nukleine, keinMucin, endlich kein Collagen, weil Trypsin das letztere nach vorgängiger Behandlung mit ver- dünnter Essigsäure in salicylsaurer Lösung leicht auflöst : es stellt das Neurokeratin des retinalen Nerven - und Epithelapparats dar, an dem der Purpur haftet. Die Farbe dieser Masse ist tief Orangeroth und wandelt sich im Lichte in kurzer Frist, bei direktem Sonnenschein in weniger als einer Minute, in farbloses Grau um. Gehörig über Schwefelsäure getrocknet ist sie kaum veränderlich am Lichte, erbleicht aber von Neuem befeuchtet rasch. Man sieht hieraus, wie widerstandsfähig der Sehpurpur ist, wie dieser Körper, dessen Lichtempfindlichkeit vermuthlich die aller bis jetzt bekannten photochemisch zersetzhchen Stoffe über- trifft, Angriffen trotzt, welchen die meisten Bestandtheile der Organismen und viele andere Stoffe erliegen. Noch mehr : es ist bekannt, dass Vieles, was der Trypsinverdau- ung widersteht, durch Fäulniss zersetzlich ist ; als ich sehen wollte, ob der Sehpurpur alkalischer Trypsinlösung weiche, was er nicht thut, gingen die Mischungen, wie gewöhnhch, nach 5 — 6 Stunden in Fäulniss über und der Purpur blieb. Ich habe den stinkenden Bacterienbrei darauf wochenlang im Werke erhalten, wobei sich neben dem Purpur etwas schwärzliche Materie absetzte, aber der Purpur war immer noch kenntlich und wenn man etwas von der widerlichen Masse auf einem Teller ausstrich, erblich das Orange- roth am Lichte. Hinsichtlich der Beschaffung des Materials für derartige Ver- suche, zu welchen ich etwa je 30 Augen zu nehmen pflege, mag hier im Interesse der Nachuntersuchung erwähnt werden, dass Ueber den Sehpurpur. 47 wir im hiesigen Schlachthause keine Schwierigkeiten finden, die Ochsen mit schwarzen Binden um die Augen versehen zu lassen, bevor andre Vorbereitungen zum Schlachten getroffen sind. Das Herausnehmen der Augen geschieht, mit möglichster Abhaltung des Lichtes, unter einem undurchsichtigen Tuche, worauf sie in einem tiefen, bedeckten Topfe ins Laboratorium getragen werden. Mit dem Beistande eines zuverlässigen Dieners ist mir bis heute noch keine ausgeblichene Ochsenretina unter die Hand gekommen. Um endlich die Netzhaut mit geringstem Verluste zu erhalten, empfehle ich, die Augen äquatorial zu theilen, den Glaskörper mit einem Stosse aus der hintern Hälfte herausfallen zu lassen, mit einem passenden Locheisen, während das Auge auf dem Tische ruht, von innen auf die Papille zu drücken, wobei die Eetina im Umkreise des Sehnerveneintrittes einen Cirkelschnitt erhält und sie zuletzt unter NaCl von 0,5 pCt. mit mögUchst feinen Hakenpin cetten abzuziehen. Dabei hat man am Rande einer auf dem Tapetum liegenden Stelle zu beginnen und sich vor Einrissen zu hüten, denn wenn die Membran erst in Unordnung gerathen ist, gleitet sie unvermeidhch hie und da über die Pin- cetten, und die Stäbchen lliessen abgestreift als trüber Brei da- von. Ein Versuch, nur die Stäbchen durch Schütteln der Netz- häute mit dünner Salzlösung zu erhalten, scheiterte an der Un- filtrirbarkeit der Masse, die sich auch nicht wieder absetzen wollte. Ich habe schon gesagt, die Netzhaut der Frösche und Kaninchen verdiene vor der des Ochsen den Vorzug, wo es auf reinen Sehpurpur abgesehen ist. Beim Kaninchen beschränken sich die Blutgefässe bekanntlich auf den Streifen markhaltiger Nervenfasern, der zu beiden Seiten von der Papille abbiegt ; man schneidet die im Uebrigen, wie beim Ochsen unter Salzlösung und nach Durchbohrung ihrer Haftstelle mit einem kleinen Locheisen abzuziehende Netzhaut jederseits von jenem Streifen ab. Die Membran zerreisst indess so leicht, dass es immer ein angst- 48 W. Kühne: liches Geschäft bleibt, sie leidlich herauszubringen. Beim Frosche nehme ich, durch \iel Zeitverlust und unnöthige Mühe mit dem winzigen Objecte belehrt, was zugleich die Ausführlichkeit der iMittheilung entschuldigen muss, die Augen und die Netzhaut in folgender Weise heraus: Der Frosch wird nicht zu hoch decapitirt, die Kackenhaut mit einem Tuche gefasst und nach vorn über die Käse hin abgezogen, der Schädel hart hinter den Augen quer abgeschnitten, jederseits unter den Augen der Oberkiefer fortgenommen und der kleine Kopfrest mehr von den Augen, als diese von jenem entfernt. Dann nehme ich das Auge zwischen die Finger , beseitige die Muskeln und knipse mit einer flach gebogenen Scheere, die gut schneiden muss, den Opticus ab, während das Auge derart gedrückt wird, dass sich der Sehnerv etwas nach hinten herauspresst. Man muss es beim Sehnerven- schnitte fühlen, dass man den Widerstand der Sklera rasch über- windet, wenn das Auge hinten das unumgänglich nöthige, sehr kleine Loch haben soll, ohne welches die Ketzhaut niemals mit einem Zuge glatt herauszubringen ist. Zuletzt wird der Bulbus halbirt und die Retina entleert. Netzhäute, denen Pigment anhaftet, verwerfe man, da es selten möglich ist, die fein vertheilten, schwar- zen Körnchen durch das Filter von der Lösung des Sehpurpurs fern zu halten. Wie es scheint, löst sich das zierHche Gefässnetz, das der vorderen Fläche der Froschnetzhaut aufliegt, bei den genann- ten Präparationen meist ab, oder entblutet, denn ich habe niemals Hämoglobin in den so gewonnenen Purpurlösungen finden können. Um diese letzteren zu erhalten, pflege ich auf 20 Froschnetzhäute 0,5 bis höchstens 1 Cub.-Cent. Cholatlösung, von etwa 5 p. Ct. zu nehmen. Jede Netzhaut kommt sofort hinein, ehe eine neue prä- parirt wird, und verweilt darin 24 Stunden. Als Gefäss dient ein sehr kleines, kaum 1,5 Cub.-Cent. fassendes Probirröhrchen, worin man sich die Netzhäute langsam senken lässt, ohne zu schütteln. Dem Ansehen nach hat der Purpur in Galle gelöst üeber den Sehpui-pur. 49 geringe Diffusionsgeschwindigkeit, denn man findet nach 24 Stun- den auf den Netzhäuten meist eine sehr intensiv gefärbte Zone, mit darüberstehender farbloser Flüssigkeit. Durch langsames Neigen und Aufrichten des Gläschens sucht man darum die Farbe zu vertheilen, was am 2. Tage wiederholt vorzunehmen ist. End- lich wird filtrirt, indem zuerst die klaren, oberen Schichten mit- telst feiner Pipetten, die Netzhäute zuletzt, wenn alles Klare durch- gegangen ist, auf das Filter gebracht werden. So dauert es etwa 24 Stunden, bis der letzte Tropfen filtrirt ist; hat man die Masse geschüttelt, so filtrirt sie oft gar nicht. Selbstverständlich ist ein Miniaturtrichter mit ganz kleinem Filter zu nehmen. Ich habe mir die Mühe genommen nachzuweisen, dass der Filterrück- stand durch Waschen mit farbloser Galle ganz zu entfärben ist, rathe aber nicht durch Auswaschen mehr Purpur darstellen zu wollen, weil mit der schwach gefärbten Spülflüssigkeit nicht viel anzufangen ist, während das roth getränkte Filter und die davon abzunehmenden , firnissartig homogen verklebten Netzhäute zu vielen wichtigen Versuchen brauchbar sind. Die filtrirte Lösung des Sehpurpurs ist vollkommen klar und von herrlich carminrother Farbe. Anfangs glaubte ich daran etwas bläuliche Fluorescenz wahrzunehmen, doch habe ich Gründe, anzunehmen, dass in den ersten Versuchen, wo ich und Andre sie zu sehen meinten, Spuren schwarzen Epithelpigments die Er- scheinung vortäuschten. Am Lichte wird die Lösung erst orange, dann gelb, endlich farblos, wie Wasser. Das eigenthümliche Chamois, das die Netzhäute im Ausbleichen zeigen, kommt in der Purpurlösung oft, aber nicht so deutlich zur Geltung. Im direk- ten Sonnenlichte erbleicht der gelöste Purpur momentan, in zerstreutem Tageslicht mit sehr verschiedener Geschwindigkeit, augenscheinhch der Lichtintensität entsprechend, merkwürdig lang- sam zuweilen des Nachmittags, wenn wir unser Auge ebenso stark, selbst mehr davon afficirt glauben, als am Morgen oder Mittags. Kühne, rntersuchungen I. 4- 50 W. Kühne: Dieser den Photograplien sehr bekannte und nicht unverständliche Umstand macht sich übrigens auch beim Bleichen des in der Retina befindlichen Purpurs geltend. Eingehendere chemische Eeactionen mit dem Sehpurpur anzustellen, fehlte es mir bis heute an Zeit und geeignetem Ma- terial. Wer die Mühe der Darstellung des Purpurs erwägt, wxd nicht übeiTascht sein, dass ich denselben zunächst in anderer Pachtung verwendete, und wer den Xachtheil, den die Gegenwart der Gallensäuren in der Lösung für chemische Versuche mit sich bringt., bedenkt, wird sich nicht wundern, dass ich mit darauf be- züglichen Angaben zurückhalte, bis es mir gelungen sein wird, den Purpur in bequemeren Medien gelöst zu erhalten. Möge darum die Angabe genügen, dass die Purpurlösung auf Milchglasplatten bei 4:0'' C. oder im Exsiccator concentrirt zu einem schön purpur- farbenen Firniss eintrocknet, der in vollkommen trockenem Zu- stande auch im direkten Sonnenlichte nur äusserst langsam etwas in Orange übergeht und so nicht eher weiter durch Licht ver- änderlich ist, als bis er wieder etwas Feuchtigkeit angezogen hat. Ganz so verhalten sich die Netzhäute aller Thiere, nur dauert das Trocknen derselben bis zur Haltbarkeit im Lichte bedeutend länger. An dem Sehpurpur in Lösung war vor Allem die Absorption des Lichtes verschiedener Wellenlängen festzustellen, was bisher an den Netzhäuten mittelst der üblichen spectralanalytischen 'Methoden sowohl mit durchfallendem, wie im reflectirten Lichte durchaus nicht gelingen wollte. Wiederholt habe ich versucht das Absoi'ptionsspectrum der Netzhaut durch ^'orhalten von Glas- platten vor den Spalt des Spectralapparats, auf die ich sie ausbreitete , kennen zu lernen , allein entweder war die Ab- soi-ption zu schwach, oder es gab so viele horizontale Schatten und Streifen im Bilde, dass nichts deutlich zu erkennen war. Man kann auch nicht einfach Ochsennetzhäute falten oder über ein- Ueber den Sehpurpui". 51 ander schichten, ohne solche Spectralbilder zu bekommen; und dasselbe begegnete mir, wenn ich eine Säule von Froschnetzhäuten zwischen Spalt und Lichtquelle brachte. Ein Versuch die Masse durch Quellenlassen in NH3, oder durch Einlegen in Glycerin homogener zu machen, war keine Verbesserung. Die Lösung des Sehpurpurs, vor den Spalt des Apparats ge- bracht, zeigte in keiner mir verfügbar gewesenen Concentration andere , als diftuse Spectra ; die Absorption beginnt schon im Gelb der D-Linien sehr schwach, nimmt bis E, besonders plötz- lich im Beginn des Grün zu, dann wieder an der Grenze von Blaugrün und Blau und geht gegen das Violet hin herab. Anfänge, Uebergänge und Ende sind jedoch so ausserordentlich diffus, dass es ohne besondere photometrische Methoden nicht möglich sein dürfte, die Curve besser zu bestimmen. Aus später zu erörternden Gründen war häuptsächlich Gewicht darauf zu legen, ob bei D schon Absorption zu constatiren ist, und ob die- selbe im Violet erhebhch abnimmt. Ich glaube für Beides ein- treten zu müssen, für das Erstere, weil die gegen Xatronlicht gehaltene Retina stark grau aussieht, wenn sie purpurroth ist und bei schwächerer Färbung graue Streifen auf hellem Grunde weist, wenn man die Stäbchen streckenweise fortgepinselt hat; ferner wegen der unzweideutigen Intensitätsschwächung der hellen D-Linie des Natriumspectrums, welche man wahrnimmt, wenn man den Spalt zur einen Hälfte mit dem Purpurgläschen, zur andern mit einem Wasser enthaltenden deckt. Unverkennbar ist der Be- ginn der Absorption bei Gelb auch im continuirlichen Spectrum der Gasflamme bei schwachem Lichte oder engem Spalte, ebenso bei An- wendung gehörig gedämpften Tageslichtes. Hinsichtlich des Violet liess mich die Untersuchung im Gaslichte anfänglich nicht in Zweifel: ich sah hier die Absorption verglichen mit der in der ganzen Aus- dehnung des Blau, beträchtlich geringer, aber als ich das für das violette Ende vortheilhaftere Spectrum des Tageshchtes be- 52 W. Kühne: nutzen wollte, wurde ich zweifelhaft und meinte ich das Gegentheil zu sehen. Der Widerspruch löst sich, wenn man erwägt, dass der Purpur im Tageshchte schnell in Orange bis Gelb umschlägt, denn das war es, was ich im Spectrum sah. Wenn man sich eilt und Tageslicht von grade ausreichender Intensität verwendet, so kann man nicht in Zweifel sein, dass die Purpurlösung an- fänglich viel von dessen violetten Strahlen durchlässt; thut sie es nicht, so erkennt das Auge daran ohne weitere Hülfsmittel den Beginn des Uraschlagens in Gelb und dem entspricht das spectro- skopische Bild, das nun umgekehrt bedeutende Aufhellung vom Gelb bis in's Grünblau hinein, ausser der Beschattung des Violet zeigt. Dieses Verhalten scheint mir nicht unwichtig, weil es die nahe lie- gende und in vieler Hinsicht verführerisch zusagende Annahme erschwert, dass der Sehpurpur eine Mischung aus zwei prae- existenten Farbstoffen, einem rothgelben und einem blauvioletten etwa, darstelle. Wäre dem so, so begriffe man nicht, weshalb er im ersten Augenblicke der Belichtung so viel Violet durchlässt. Hier wird die Chemie des Sehpurpurs das entscheidende Wort zu sprechen haben. Gegen das Ende des Ausbleichens sind es nur noch die blauen und violetten Strahlen, welche von der immer heller gelb werdenden Lösung zurückgehalten werden, um am Schlüsse der Zer- setzung auch wieder zum Vorschein zu kommen. Die Entfärbung ist dann vollendet. Die Lösung sieht aus wie Wasser. Ueber das Verhalten im Ultra violet wünsche ich mich aus unten zu erörtern- den Gründen erst nach weiteren Untersuchungen auszusprechen. Obwohl das Absorptionsspectrum des Sehpurpurs nicht mit den bekannten, an charakteristischen Streifen und Bändern reichen Spectralbildern vieler jetzt näher studirter Farbstoffe und farbigen Lösungen wetteifern kann, wird die Bekanntschaft damit manchen Wink vermitteln können hinsichtlich der Verwandtschaft des Pur- purs zu den verschiedenen farbigen Körpern, die im Auge oder Ueber den Sehpurpur. 53 in der Retina vorkommen. Ueberdies belegt nichts die Berech- tigung seines Namens besser, als die Thatsache, dass er vornehm- lich Roth, Orange und Yiolet reflectirt oder durchlässt, denn Mischungen aus Yiolet und Roth sind es ja, Avelche Purpur heissen und woraus wir Purpur erzeugen. Endlich wird jetzt das Folgende zeigen, dass die Absorption in tieferer Beziehung steht zur che- mischen Zersetzung des Absorbenten im farbigen Lichte. Vom Beginne dieser Untersuchung an, habe ich mir das Ziel gesteckt, über das Verhalten des Sehpurpurs im monochro- matischen Lichte ins Reine zu kommen und wenn mir dieses nach 3 Monaten nicht gelungen ist, wie ich es wünschte, so muss der Himmel zum Theil die Schuld übernehmen. Eine unerhört an- dauernde Bedeckung der Sonne seit den ersten Januartagen liess mich zum Ersätze des Sonnenspectrums nach allen denkbaren Kunstmitteln greifen, obgleich davon nur unvollkommene Erfolge zu erwarten waren. Da iudess das lebende Auge selten zu mo- nochromatischer Belichtung kommt, werde ich auch diese Re- sultate, als für unser Sehen brauchbar, unten raittheilen. Voraussichtlich war das objective Spectrum das Mittel um die Absorption des Sehpurpurs in der Retina, an dem natürlichen Platze, mit der seiner Lösung vergleichend festzustellen, etwas, das mir unumgänglich schien, schon um die Identität des Eductes und der vorgebildeten Substanz beweisen zu können. Hat man doch wesentlich auf diesem Wege zuerst nachgewiesen, dass das Hämo- globin z. B. der natürliche Farbstoff der rothen Blutkörperchen sei. Meine Erwartung, dass die Dispersion in der Membran, welche die Untersuchung beim Einschieben zwischen Lichtquelle und Prisma verhindert, im objectiven Spectrum nicht stören würde, erfüllte sich sogleich, als ich die auf ^Milchglas gelegte Frosch- netzhaut durch ein mit DrimimotuV schem Lichte erhaltenes Spec- trum schob. Die kleine, feuchte Membran, die in Folge ihrer Krümmung und Lagerung auf der Vorderfläche, dem Lichte die 54 W. Kühne: convexe Seite zukehrte und in schwachem Natronlichte einem glitzernden Trojjfen glich, nahm im Roth die Farbe des Grundes an, schien im Gelb getrübt und sah, vom Grün bis zum Violet Ijewegt, vde ein glänzender, schwarzer Nagelkopf aus, während sie im Yiolet deutlich heller und selbst violetglitzerad wurde. In keinem Theile dieses Spectrums war innerhalb 25 Minuten wesenthche Ausbleichung zu erreichen. Für Versuche mit dem Sonnenspectrum wurde folgende Ein- richtung getroffen. Das vom Spiegel durch den Spalt reflektirte Sonnenlicht traf auf eine achromatische SfeinheiVsohe Linse von hinreichender Apertur, die um das Doppelte ihrer Brennweite hinter den Spalt gerückt war. In halber Brennweite hinter der Linse war ein grosses SteinheiV sches gleichschenkliges Flintglasprisma im kleinsten Winkel der Ablenkung aufgestellt. Zum Auffangen des Spectrums am Orte des Spaltbildes dienten Milchglasstreifen, auf die ich die Netzhäute festklebte. Das Letztere gehngt trotz vertikaler Stellung der Unterlage, wenn man die mit der Retina herausgekommene Augenflüssigkeit rings herum sorgfältig absaugt. Unter den Streifen von 10 — 12 hart aneinander geklebten Netzhäuten wurde ein Papierstreif zum Bezeichnen der Fraunhofer' sehen Linien und der Grenzen des sichtbaren Theiles befestigt. Bei meiner Ein- richtung war das Spectrum 6 Ctm. lang, so dass die erste Ptetina zur Hälfte im Ultraroth, die letzte meist ganz im Ultraviolet liegen konnte. Derselbe Ptaum konnte mit 2 Kaninchennetzhäuten, die in Streifen geschnitten, auseinandergelegt waren, reichlich ge- deckt werden. Bei einer Höhe des Spectruras von .3 Ctm. Hess sich mit jedem Versuche ein zweiter verbinden, indem ein schmaler Ausschnitt beliebig zu wählender Farben durch einen zweiten Spalt oberhalb des Milchglasstreifens durchgelassen und mittelst einer dahinter passend aufgestellten Linse, durch ein zweites Prisma von neuem gebrochen wurde. So bekam ich, ähnlich wie es Heimholte ausführte fvergl. Poggendorffs Ann. Bd. 94 und Physiol. Ueber den Sehpurpur. 55 Optik. S. 2G4), ein zweites kurzes Spectrum von einer Farbe, dessen Enden jederseits monochromatisches Licht von grosser Reinheit, zur Wirkung auf die Retina verwendbar lieferten. Die Intensität ist hier freilich beträchtlich geringer, als im ersten Spectrum. Bei einer Weite des ersten Spaltes von 0,3 — 0,1 mm., die nach der am Spectrum gut zu bemerkenden Intensität des Sonnen- lichtes innerhalb der genannten Grenze zu ändern ist, war die Wirkung des monochromatischen Lichtes für die Versuche ge- nügend; den zweiten Spalt kann man nicht gut enger als 1,5 bis 1 mm. nehmen. Am ersten Spectrum wurde immer Sorge getragen, den die Netzhäute tragenden Streifen so einzustellen, dass die Fraunhofer'' sehen Linien in grosser Zahl und Schärfe auf dem Papiere (auf Milchglas sind sie schlecht zu erkennen) zu sehen waren. Die D-Linie wurde vor dem Versuche mittelst der Natronflamme hinter dem Spalte verstärkt und mit besonderer Sorgfalt notirt. Da die Netzhäute auch bei Dunkelfröschen starke individuelle Unterschiede zeigen, ist es unerlässlich, sich vor der Wirkung des Spectrallichtes von der gleichmässigen Färbung der ganzen Netz- hautreihe durch flüchtiges Betrachten im Tageslichte zu überzeugen, die zu rothen, wie die zu blassen und die zu bläulich-rothen auszu- scheiden und durch andere zu ersetzen ; auch muss eine Probenetz- haut bei jedem Versuche ganz ausserhalb des Spectrums zum spä- teren Vergleiche auf die Platte gebracht w^erden. Ausserdem sind nur Netzhäute mit möglichst geringen Epithel- und schwarzen Pigment- resten, die den Purpur haltbarer machen, zu nehmen, denn ich muss hier bestätigen, was in der vorstehenden Abhandlung als Vermuthung gesagt wurde, dass es wesentlich und allein das Retinaepithel ist, welches den Sehpurpur regenerirt oder die Färbung vor der Zerstörung durch Licht schützt. Netzhäute, denen keine Spur der Chorioides, laut Aussage des entleerten Augengrundes mit der heil gebliebenen Uvea, sondern, wie das 56 W. Kühne: Mikroskop zeigt, nur das Pigmentepithel, oder nur die Fortsätze desselben anhaften, zeigen sich in der Färbung so resistent gegen Licht, wie es früher von solchen beschrieben wurde, denen dazu noch die Chorioides oder Stücke dieser belassen wurden. Es ist mir darum wahrscheinlich geworden, dass der Purpur der Poe- kilothermen z. Th. deshalb meist langsamer, als der der Homöo- thermen ausbleicht, weil man die Netzhaut der ersteren öfter nicht frei von überlebenden, d. h. unzersetzten Antheilen der purpurzeugenden Epithelien erhält. Die Stoffe, auf die es dabei ankommt, scheinen löslich zu sein oder abzufliessen, denn unver- kennbar bilden sich rothe Zonen und Streifen im Umkreise der Epithelfetzen während des Ausbleichens, besonders nach Be- schattung einer derartigen, eben ausgeblichenen Retina. Auch dürfte hierauf die sonderbare Thatsache zu beziehen sein, dass an den vertical aufgestellten Präparaten immer der untere Rand zuletzt erblasst und dass von einer Reihe sich mit den Rändern berührender, übereinander aufgeklebter Netzhäute die unterste oft viele Minuten später ausbleicht, als die oberste, vorausgesetzt, dass die Belichtung langsam genug wirkt. Von Loslösung und Abrutschen ganzer Stäbchen, was man direkt controliren kann, rührt dies nicht her, schon weil es in Fällen zu erkennen ist, wo die nach aussen dem Lichte zugewendeten Stäbchenflächen im Begriffe sind einzutrocknen. Als letzte Maassregel zur Anstellung beweiskräftiger Versuche mit dem Spectrum bleibt noch an- zuführen, dass die Netzhäute gleichmässig feucht zu erhalten sind. Das Eintrocknen hat so grossen Einfluss auf die Bleichungszeit, namentlich in dem Stadium, wo es auf den Uebergang aus Orange in Gelb und Weiss ankommt, und schreitet so sehr viel rascher gegen das rothe Spectralende hin vor, dass dieser Umstand allein zu den schlimmsten Täuschungen führen kann, wo er unbeachtet bleibt. Um ihn zu verhüten, blase ich das Päparat öfter mit einem Sprühröhrchen, wie man es zum Anfrischen der Blumen braucht, an. lieber den Sehpurpur. 57 Von den an Froschnetzhäuten angestellten Versuchen scheint es mir zweckmässig einen der besten, mit Beachtung aller Cau- telen, bei der geringsten Spaltweite und dem reinsten Sonnen- lichte durchgeführten, hier ausführlich mitzutheilen. Den 11. März, 11 Uhr Morgens, bei wolkenlosem, gesättigt blauem Himmel (Frost), ^Yerden 10 gleichmässig purpurrothe Netzhäute von Kana temporaria, sich berührend, in einer Linie in folgender Weise im Spectrum orientirt, ausgebreitet: Nro. I a. (erste Hälfte) im Ultraroth. „ I b. (zweite „ ) „ Roth. „ n a. (erste „ ) „ Orange. ,„ n b. (zweite „ ) über D hinaus bis zum Anfange von Grüngelb. I „ HI im Grüngelb und Reingrün, mitten zwischen D und E. „ IV a. (erste „ ) im Blaugrün. „ IV b. (zweite „ ) „ Grünblau bis F. „ V „ Cyan] ^ ,. zwischen F und G. , « VI „ IndigJ [^„ VII „ Violet. „ VIII a. (erste „ ) „ Ende des Violet bis H. „ VIII b. (zweite „ ) „ Anfang des Ultraviolet. „ IX, X „ Ultraviolet. Die Absorption beginnt in II b, endet vor VIII a. II Uhr 20 Minuten wird der Spalt verdeckt, der Netzhaut- streif im Lichte eines Zündholzes betrachtet. III ist hellchamois, IIb, IV, V, VI, VII, in abnehmender Reihe ausgeblichen, also VII noch am stärksten gefärbt. I, VIII, IX, X sind mit der Probenetzhaut verglichen gar nicht abge- blasst. 11 Uhr 45 Min. zweite Besichtigung, wie früher: III, IV, V sind so gut wie ganz erblichen, VI, VII sehr 58 W. Kühne: blass, aber etwas gefärbter als die vorigen. II b merklich erblasst, I, Vin, IX, X unverändert. 12 Uhr 25 Min. — I, Ylllb, IX, X noch roth, la am inten- sivsten roth, I b bemerkbare Abnahme des Roth, YIII a ebenso. 12 Uhr 43 Min. — VIII a ganz ausgeblichen, Ib im äusser- sten Viertel nach II hin ganz bleich, sonst chamois. Der Versuch wird beendet, indem man den Streif im üunkeln trocknen liess, um ihn möglichst ungestört durch fortschreiten- des Ausbleichen, am Tageslichte genauer besehen zu können. So gewährt die Xetzhautreihe folgenden Anblick: I ist rothorange, nur der Rand gegen II hin gelb, II, III, IV, V sind sehr blassgelb, VI, VII auffallend farblos, weiss, wo sich Spuren schwarzen, diffusen Pigments darin finden, mit schwach bläuhch-^äolettem Scheine, VIII a rosachamois, VIII b röthlich- chamois, IX, X ebenso, etwas gesättigter. Selbst IX, X, I sind deutlich in der Färbung zu unterscheiden von der mit getrock- neten Probenetzhaut, die noch den richtigen Purpurschein besitzt.. Von dem den Milchglasstreifen überragenden oberen Theile des Spectrums ist ein milhmeterbreiter Ausschnitt im Blaugrün durch den zweiten Spalt weiter geleitet auf die zweite Linse- Prismacombination und in das zweite kurze, nur blaugrüne Spec- trum sind 2 Froschnetzhäute so gelegt, dass sie zur Hälfte in den bläulicheren Rand hineingreifen. Die Belichtung beginnt 11 Uhr 5 Min. Um 11 Uhr 25 Min. sind die entsprechenden Hälften bemerkbar rothorange geworden, um 11 Uhr 45 Min. sehr deutlich erblasst, aber noch orange, um 12 Uhr 30 Min. chamois. Xach diesen und anderen Versuchen glaube ich die Wirkung des monochromatischen Lichtes auf den Sehpurpur in folgender Weise feststellen zu müssen: 1) Monochromatisches Licht verfärbt und bleicht den Seh- purpur wie das weisse Licht, aber beträchtlich lang- samer, entsprechend der gering-eren Intensität. Ueber den Sehpurpur. 59 2) Von dem einfarbigen Lichte wirken mit abnehmender Geschwindigkeit: Grüngelb, Gelbgrün, Grün, Blaugrün, Grünblau, Cyan, Indig, Violet — später reines Gelb, Orange, viel später ültraviolet und Roth. Das äusserste Roth und das ültraviolet sind nicht ganz ohne Wirkung, die Anfänge des ültraviolet wirksamer, als die des er- kennbaren Roth. 3) Die üebergangsstufen des Sehpurpurs zu Weiss, näm- lich dieBleichungsprodukte Orange fCliu^noiSf Blass- gelb widerstehen dem monochromatischen Lichte am wenigsten im Indig und Violet, im Anfange des ültra- violet länger als im Cyan bis zum Orange, am meisten im reinen Roth. Vielleicht noch schlagender, als auf der Netzhaut des Frosches wird man den Erfolg der spectralen Belichtung auf der des Kaninchens finden. Ich brachte unmittelbar nach dem eben be- richteten Versuche die beiden in Salzwasser herausgehobenen Netzhäute eines farbigen Kaninchens, in Streifen zerlegt, ins Spec- trum, indem ich darauf achtete, das intensiver gefärbte, schmale Purpurband, das sie enthalten, möglichst gleichmässig auf die Linie zu vertheilen. Die Spaltweite blieb gleich 0,1 mm. Nach 6 Minuten (12 Uhr 56 Min.) war das Stück von D — E schon aus- geblichen, um 1 Uhr bis nach G, um 1 Uhr 30 Min. im Violet und im reinen Iloth noch Purpurfärbung zu erkennen, im Violet etwas intensiver ; doch war hier die Membran zufällig etwas dicker aufgetragen. Um 1 Uhr 57 Min. war im Pioth und Violet und im Anfange des Ültraviolet das Erblassen zu bemerken. Jetzt an's Tageslicht gebracht, erschien der letztere Abschnitt chamois, der erstere röthlich. Auch hier war bis zum Anfange des Indigo eine freilich sehr blassgelbliche Färbung zu bemerken, die deutlich abstach gegen die ganz farblose, dem Indigo und An- fange des Violet entsprechende Gegend. 60 W. Kühne: Am auffälligsten und meinen ersten ohne monochromatische Strahlen des Sonnenlichtes, mit Absorptionsfarben erworbenen Er- fahrungen (S. 3 u. 4) am widersprechendsten scheint mir die aus den Spectralbeobachtungen hervorgehende, hocherfreuliche Thatsache, dass dasjenige Licht, das unser Auge im Spectrum am meisten afficirt und darin das intensivste zu sein scheint, nämlich das Grüngelb auch den Sehpurpur zuerst verändert. Im Hinblicke auf die Bedeutung des Factums habe ich es nicht unterlassen, mir von diesem Theile des Spectrums, nach dem schon genannten Verfahren, ein zweites gereinigtes Partialspectrum herzustellen, und hier zeigte sich unzweideutig die stärkste Wirkung an dem Theile einer Froschnetzhaut, der dem am wenigsten grünlichen Ende zugewendet war. Die Wirkung war hier der vorhin ge- schilderten im blaugrünen Partialspectrum so überlegen, dass sie schon nach 16 Min. erkennbar, in 54 Min. bis zum blassesten Gelb vollendet war. Der Versuch war am 10. März zwischen 12 Uhr 30 Min. und 1 Uhr 30 Min. bei ebenfalls wolkenlosem, aber nicht völlig entschleiertem, mehr weissbläulichem Himmel angestellt worden, wo sich die geringere Intensität des Sonnen- lichtes, verglichen mit der des folgenden Tages (siehe oben) an dem viel langsameren Ablaufe der Bleichung, schon im ersten Spectrum bemerkbar machte. Wie gering der Einfluss des Roth vor Allem, dann der des Violet und Ueberviolet scheinen mag, so ist er zweifellos vorhan- den und vermuthlich hinreichend, um auf die Beziehung zur Er- regung unseres Lichtsinnes durch diese Farben zu deuten, Dass Theile des Blau und Violet, obwohl langsam bleichend, es um so vollständiger thun, verdient besondere Beachtung. Ich halte weitere Deductionen aus den gewonnenen Thatsachen, welche sich Jeder- mann in Fülle aufdrängen müssen, z. Z. für unerspriesslich und werde mich ferner bemühen, erst die weniger dankbare, aber nöthigere Arbeit des Ausfüllens thatsächlicher Lücken auf dem sich hier eröffnenden Ueber den Sehpurpur. 61 unermesslichen Gebiete zu versuchen. Mangel an Sonnenlicht und den nöthigen, brechenden Vorrichtungen aus Quarz waren bisher das Hinderniss, eingehendere Versuche über das ultraviolette Licht, die in Hinsicht auf Iklmltoltz^ und Sctschcnow's Beobach- tungen über Fluorescenz der Netzhaut und besonders mit Rück- sicht auf die von Heimholte erwiesene direkte Wahrnehnibarkeit der brechbarsten Strahlen des Sonnenlichtes wünschenswerth sind, gehörig in Angrifif zu nehmen. Im Vereine mit Herrn Ä. Ewald, der mich bereits bei den vorliegenden Arbeiten in aufopferndster und wirksamster Weise unterstützte, denke ich über diesen, wie über andere Abschnitte der Lehre vom Sehpurpur bald weitere thatsächliche Mittheilungen geben zu können. Inzwischen dürfte das, was die jetzigen Versuche lehren, genügen, an dem Seh- purpur die Eigenschaften finden zu lassen, die einem Körper, der das Sehen durch chemische Reizung vermittelt, zuzutrauen sind. Von unseren weiteren Beobachtungen will ich vorläufig nur er- wähnen, dass wir mit fortschreitender Jahreszeit, der veränderten Sonnenstellung entsprechend, die Zeit der monochromatischen Wir- kung bereits auf Vs der angegebenen verkürzt gefunden haben und dass die für den Sehpurpur aufgestellte Zersetzungsscala sich auch für Spectra mit ganz andrer relativer Ausdehnung der Einzel- farben, als der beschriebenen, bewährte. Ich komme zu den Erfahrungen über unreines, farbiges Licht. Nachdem sich das spectrale Gelb zu beiden Seiten der Linie D, als wirksam, wenn auch langsam thätig erwiesen, musste ich mir sagen, dass die Natronflamme nicht ganz unwirksam sein könne, obwohl ich mich bei längerem Gebrauche niemals über sie zu beklagen und sie dem Talglichte der Photographen entschieden vorzuziehen gefunden hatte. Stunden- und tagelang hatte ich mich mit Sehpurpur und Netzhäuten in der Natron- kammer abgegeben, ohne je Unglück damit zu haben und doch ist es möglich, den Purpur an diesem Lichte auszubleichen. Man braucht 62 W. Kühne: die Retina nur so nahe an die Flamme zu bringen, als es die Strahlung zulässt, am besten unter einem passend geneigten Spie- gel oder weissem Papierblatte, um sie nach 1 — 2 Stunden bis auf ein blasses Gelb ausgeblichen zu finden. Dabei sind der glühende Platindraht und die Sodaperle dem Anblicke der Netzhaut, durch den Schornstein, der seitlich eingeschnitten sein muss, zu ent- ziehen, denn es macht meist einen Unterschied von mehr als 30 Min. zu Gunsten des Bleichens, wenn das davon verbreitete Licht mitwirkt. Andres Licht der verschiedensten Brechbarkeit, das der Natronflamme bekanntlich nicht fehlt, ist unvermeidlich, so dass man aus dem positiven Ergebnisse, das nur den Vortheil hat über den Widerspruch des bisher von mir angenommenen negativen zu beruhigen, nicht sicher schliessen kann, dass es gerade das gelbe Licht sei, welches darin wirkt, so wahrscheinlich es wegen dessen überwiegender Intensität ist. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, dass Netzhäute in gleicher Weise, wie an's Natron- licht, vor die blaubrennende Bunsen'sche Flamme gebracht, in 2 Stunden keine Farbenänderung erlitten. Thallium und Indium geben, im Bunserischen Brenner ver- dampft, das einzige wirklich monochromatische, künstliche Licht, aber ich habe vergeblich versucht, mit diesen schönen, grünen und blauen Flammen Netzhäute bemerkbar zu ändern; das Licht ist dazu nicht intensiv genug und für stundenlange Belichtung aus Gründen, die man verschweigen darf, nicht zu beschaffen. Bei einem Versuche Thallium in Sauerstoff zu verbrennen, ergab sich, dass das merkwürdige Metall sich mit dem des eisernen Löffels, worin man es legen musste, vollständig legirte und dass es so wenig in 0 zu entzünden ist, wie Zink. Meine ersten Versuche über den Einfluss von Absorptions- farben auf den Sehpurpur Hessen vermuthen, dass gemischtes Licht um so schneller die Netzhaut bleiche, je mehr brechbarere Strahlen es enthalte. Dies hat sich für eine grosse Reihe farbiger. Ueber den Sehpurpur. 63 aber nicht einfarbiger Belichtungen bewährt. So bleicht die Froschnetzhaut ausserordentlich schnell an der blendend blauen Flamme, welche in einem mit Stickoxyd gefüllten Cylinder, der einige Tropfen Schwefelkohlenstoff enthält, zu Boden gleitet. Man muss der Flamme mit der Retina von oben nach unten folgen und den Weg an 3 — 4 Cylindern zurücklegen, um den Puipur zum Verschwinden zu bringen. Dieselben Dienste leistet Ver- brennung des Schwefelkohlenstoffs mit Sauerstoff". Von beiden Flammen ist die ausserordentlich schnelle Wirkung auf Chlor- knallgas und auf die meisten Präparate der Photographen bekannt. Wird Stickoxyd über Baumwolle geleitet, die mit Schwefelkohlen- stoff getränkt ist, und entzündet, so bekommt man eine gelb umsäumte, innen blaue Flamme von weit geringerer Wirksamkeit. Eine Froschnetzhaut an den engsten, 1 mm. weiten Theil einer Geissler sehen Stickstoft'röhre gelegt, durch die ich die Funken eines kleinen, mit 6 Bunseu'sQhen Chromsäureelementen armirten Inductoriums schlagen Hess, blich in 20 Min. zum Hellchamois aus, also in einer Zeit, die kurz zu nennen ist bei der geringen Intensität der Empfindung, welche uns dieses Licht erzeugt und die den Gedanken erregt, dass das intensive, weit ausgedehnte Ultra violet darin von Bedeutung sei. An einer Piöhre mit Fluorsili'- cium, die ein schön blaues Licht gibt, worin das Pioth sehr schwach, Blau bei weitem am intensivsten , wenig Violet und so wenig Ultraviolet enthalten ist, dass es keine deutliche Chinintiuorescenz erregt, wollte es mir nicht gelingen, Sehpurpur oder Netzhäute zu bleichen. In kürzester Frist, in 10 Min. blich dagegen die Netzhaut zu blassem Violet, in 20 Min. bis zur Farblosigkeit aus, vor dem Lichte einer Fluorborröhre. Hier sind zwar alle Farben mit Ausnahme des Blau stark vertreten, aber Violet und Ultraviolet scheinen die intensivsten zu sein und dürften die weiss- liche Lavendelfarbe bedingen, die man daran sieht. Liess ich das Licht durch eine Schicht Kupferoxydammoniak gehen, die 64 W. Kühne: ich im Hermann'&chen Hämoskop so lange verstärkte, bis alles vom rothen Ende des Spectrums mit Einschluss des Grünblau absorbirt wurde, so blich die Retina nicht mehr darin aus, ob- wohl daneben gehaltenes Chininpapier noch deutlich fluorescirte. Ebenso negativ, in Folge des unvermeidlichen Verlustes an Inten- sität der noch durchgelassenen Strahlen, fiel der Versuch aus, wenn die Kupferlösung vor die Stickstoffröhre gebracht wurde. Andres farbiges Licht habe ich mir durch absorbirende Lösungen hergestellt, von welchen zwar Diejenigen nicht viel werden wissen wollen, die unter günstigerer Sonne leben, als wir. Mir waren sie bis jetzt, als einziges Mittel Augen und Netzhäute länger in farbiger Beleuchtung zu halten, unentbehrlich und ich habe des- halb alle Mühe aufgewendet, gute durchsichtige Farben herzu- stellen. Auf gefärbte Gläser wurde wegen der geringeren Aus- wahl und in Rücksicht auf die Schwierigkeit der Abstufung ganz verzichtet. Violet ohne Blau war auf diesem Wege freilich nicht zu bekommen, denn ich fand kein sog. Violet, das nicht richtiger den Namen Purpur verdient hätte, also Roth durchliess; Roth, Grün und Blau- Violet aber Messen sich von leidlicher Reinheit herstellen : Roth aus Mischungen von Carminsäure (vergl. Rollett, Unters, a. d. Inst, zu Graz. Heft 2, S. 158) und Pikrinsäure (nicht sog. Pikrocarmin), Blau- Violet mit Kupferoxydammoniak, Grün mit Kupfervitriol und Pikrinsäure. Als Lichtquelle wurde zunächst nicht das ausserordentlich schwankende Tageshcht, son- dern die auf constantere Helligkeit einzustellende Gasflamme eines Argandbrenners benutzt. Dieselbe war in eine Laterne aus geschwärztem Blech eingeschlossen, welche radiär gerichtete Kammern enthielt, worin die Gläser mit den Lösung^ Platz fanden. Sehr zweckmässig fand ich dazu die eckigen Gefässe mit quadratischer Basis von lOCtm. Seite, deren man sich in den Hausbatterien für elektrische Schellen bedient. Die Concentration der Lösungen war so ausprobirt, dass man mit dem gegen den Ueber den Sehpurpur. 65 hellsten Theil der Flamme gerichteten Spectroskope das Spectrum soweit, wie wliiischenswerth eingeengt fand, beim Roth, wo die Sache keine Umstände macht, bis zum Orange, beim Grün und Blau, wo Farbentäuschungen an den Rändera auftreten, für das erstere, bis einerseits kein Gelb (der Rand erscheint röthlich), andrerseits kein Blau, dessen Rand in's Blaugrün schlägt, gesehen wurde, für das letztere, bis an einem Ende kein Gmn, dessen Grenze wieder fälschüch roth wahrgenommen wird, am andern so lange, als das etwas geschwächte Yiolet noch zu erkennen war. Die Latenie enthielt natürlich, wo sie grünes Licht geben sollte, zwei hintereinander gestellte Gläser, da man Kupfersulfat nicht mit Pikrinsäure mischen kann. Nach aussen waren die Gläser lichtdicht abgeschlossen, bis auf einen Ausschnitt von 6 Ctm. Breite und lOCtm. Höhe, vor welchen die Präparate, oder kleine Behälter für lebende Thiere geschoben wurden. Isolirte, feucht erhaltene Netzhäute verhielten sich hier im Wesentlichen so, wie es in meiner ersten Mittheilung (S. 4) berichtet wurde; ich habe nur schnellere Wirkung erzielt, weil ich bei der neuen Einrichtung mit weniger wechselnder Lichtquelle, wo ich nicht gegen die enormen Intensitätsschwankungen des Tagesüchtes mit den dunkelsten Lösungen vorbereitet zu sein brauchte, weniger kräftiger Absorption bedurfte. Der Erfolg wurde ausserdem zu beschleunigen gesucht, indem die Netzhäute meist erst in schwacher Salzlösung gespült, von Epithelstoffen möglichst gereinigt und mittelst darüber geneigter Spiegel so kräftig wie möglich belichtet wurden. So fand ich. dass der Sehpui-pur im Blau, welches meinem Auge zwar so tief ei"schien. dass ich darin ungefähr so schlecht, wie im Dunkeln zu operiren vermochte, in 2 — 3 Stunden ausblich, im Gilin, das meinem Auge sehr licht vorkam, in 3 — 4 Stunden. Im Roth, das höchst brillant leuchtete, war erst nach 16 Stunden die Wirkung deutlich, nach 24 Stunden indess jede Spur von Färbung aus der Netzhaut verschwunden. Eine Eulen- Kühne. Untersuchungen I. 5 66 ^^'- Kühne: retina mit höchst entwickelter Purpurfäi'bung brauchte darin 72 Stunden, um ganz farblos zu werden, und zeigte nach iS Stunden nicht nur gelbrothe und brandrothe Stellen, sondern auch nocii recht bläulichen Purpur. Selbstverständlich blieb das letzter«- Präparat, wie die übrig'en. während der langen Yersuchsdauer vor dem Trocknen beständig geschützt. Einige Froschnetzhäuto wurden innerhalb des Versuches flüchtig am Tageslicht besehen. die unter Deckglas befindlichen auch mikroskopisch, und ich habe daran constatiren können, dass irn Blau das Stadium der Orange- und Gelbfärbung am leichte.sten vergeht. Im Anschlüsse an BoV''< .schon erwähnte interessante Entdeckung grüner Stäbchen und an seine merkwürdigen Angaben über deren Vermehrung nach dem Halten lebender Frösche in gewissen farbigen, na- mentlich grünen Beleuchtungen wurde auf diesen Umstand genauei- geachtet, ebenso auf die von mir beschriel;>enen farblos -grauen, trilben Stäbchen. AVas ich sehen konnte war dui'chaus incon- stant: grasgrüne StäbcheU; selbst in an-ehnlicher Zahl, sind mir an Präparaten der 3 Beleuchtungen vorgekommen, ebenso di»; gi'auen. und wo die Netzhaut vor aller Lichtwirkung im gedämpften Tageslichte durchmustert und noch hinreichend gefärbt an dif Laterne gebracht werden konnte, habe ich in dieser Hiu.sicht keine Aenderung. besonders keine Vermehrung grüner Stäbchen auf Kosten der rothen oder grauen durch das farbige Licht bemerkt. Wohl aber habe ich beobachtet, dass die wirklich grasgmnen Stäbchen im grünen Lichte am längsten aushalten, im blauen und rothen der Reihe nach weniger. Eine vom Dunkelfrosclie direkt genommene und .schon mit gra.sgrünen Stäbchen versehene Netzhaut i.st darum am geeignet.sten zur Demonstration dieser wunderbaren Varietät, wenn sie so lange im grünen Lichte ge- legen hat. dass die rothen verblasst sind. Unter welchen Umstän- den die gi'ünen Stäbchen entstehen, werde ich .später erörtern. Indem ich zum Verhalten desSehpurpur.s im Lebenden über- lieber den Sehpurpur. 67 gehe, muss ich zunächst an die von mir früher beschriebene Regeneration der pliotograpliischen Stäbchenplatte mittelst des Ectinaepithels erinnern, ohne welche hier kein Verständniss mög- lich ist. BoU (Ber. d. Berl. Acad. 2G. Nov.) sagt: „Die Eigen- farbe der Netzhaut wird intra vitam beständig durch das in's; Auge fallende Licht verzehrt. Dittuses Tageslicht macht die Purpurfarbe der Netzhaut erblassen. Längere Einwirkung direkten Sonnenlichtes (Blendung) entfärbt die Retina vollständig. In der Dunkelheit stellt sich die intensis'e Purpurfdrbung alsbald wieder her-'. — Alles dies bezieht sich auf das Verhalten des Purpurs im Leben, nicht auf die Lichtempfindlichkeit der isolirteu Netzhaut, die BoU zufällig nicht bemerkte, und nicht auf das durch Regenerationsvorgänge modificirte Verhalten an der mit dem Epithel exstirpirten Retina. Bei der Kürze der eben citirten Sätze, welche die hochwichtigen Vorgänge im Leben betretfen, ist denselben die weiteste und günstigste Auslegung zu geben, also anzunehmen, dass der Verfasser, wo er der Regene- ration im Dunkeln gedenkt, Frösche so lange mit gleich er- giebiger Belichtung beider Augen behandelte, bis die Bleichung anzunehmen war, ein Auge exstirpirte und es so besah, dass während der Netzhautpräparation nichts nachträglich erblassen konnte, dann den Frosch in's Dunkle brachte und nach einiger Zeit die Wiederröthung im andern Auge feststellte. So viel ich sehe, gibt es noch den andern, obgleich minder zuverlässigen Weg, den Versuch an verschiedenen Fröschen anzustellen und die einen sogleich, die andern nach einigem Aufenthalte im Dunkeln zu untersuchen. Sind dies die Versuche, so wird sie Jeder mit Be- rücksichtigung des Folgenden bestätigen können. Schon das ausgeschnittene, unversehrte Froschauge braucht viel Licht, um Spuren von \'eränderungen seines Sehpurpurs er- kennen zu lassen (vgl. S. ü), vollends das Auge im Zusammen- hange mit seinem Besitzer, also intra vitam. Ohne direktes 5* 68 W. Kühne: Sonnenlicht ist es mir im Zimmer nie gelungen, Froschnetzhäute frei von Sehpurpur zu ziehen, auch nicht, wenn ich die Thiere am Fenster den ganzen Tag unter Gläsern oder an lange Fäden ge- bunden unbedeckt umherspringen liess. Nur wenn ich die Thiere einige Stunden in gleicher Weise im Freien hielt (im Jan. u. Febr.), kam es dazu, obwohl nicht immer, wie begreiflich, da es Frösche gibt, die sich durch Einziehen der Augen und Schluss der Nickhaut gegen lästiges Licht zu schützen wissen. Gegen direktes Sonnen- licht pflegen sie sonderbarer Weise von dem Schutze geringeren Ge- brauch zu machen. Erwägt man den colossalen Intensitätsunter- schied des Lichtes unter freiem Himmel und des sog. helle Zimmer erfüllenden, so lässt sich an den lebenden Augen, falls sie innere Schutzmittel gegen das Ausbleichen besitzen, keine andere Ver- änderung erwarten, als die, welche man in Wahrheit findet: es wird im Zimmer nur bei direktem Sonnenschein zum Ausbleichen kommen. Ich rathe daher, solche Versuche nur im Freien anzustellen und die Frösche auf weisser Unter- lage, rings von Glas umgeben, früh hinauszuthun und etwa um Mittag zu untersuchen. So findet man häufig die Netz- haut ganz farblos, nicht einmal schwach gelblich gefärbt, in an- deren Fällen hell purpurn, nicht röthlich. Nach den S. 8 mitgetheilten Beobachtungen über das Zurück- kehren des Purpurs abgehobener und gebleichter Netzhäute bei Berührung während weniger Minuten mit der natürlichen Unter- lage des an der Chorioidea gebliebenen Epithels, könnte vermuthet werden, dass die des Purpurs beraubten Frösche denselben nach sehr kurzem Aufenthalte im Dunkeln wieder zeigen würden. Man muss iudess nicht vergessen, dass bei der langen und intensiven Belichtung, welche zum Verluste des im Leben und in der Gesammtretina ungemein echten Purpurs nöthig ist, auch die Funktionen des restituirenden Epithels leiden können: der Piegenerationsversuch, ganz im Lichte durchgeführt. lieber den Sehpurpur. 69 gibt der Netzhaut nicht die volle vorherige Röthe zurück (vergl. S. 8), um so weniger, je intensiver das Licht ist und Das liegt z. Th. sicher an Veränderungen, die es an der Epithelsubstanz erzeugt. Man ziehe die Netzhaut glatt aus dem Auge, exponire sie bis zur Bleichung und belichte, während die Retina in's Dunkle zurück- kehrt, den Augenhintergrund, bei intensivem Lichte, 20— 30 Min. weiter. Bringt man die Netzhaut jetzt geschickt auf die alte Unterlage zurück, so wird man sie auch nach stundenlanger Be- rührung ihrer Stäbchen mit dem Epithel nicht oder kaum wieder ge- röthet finden. Dies könnte auf Zersetzung (Absterben) der Epithelien beruhen, liegt aber nicht daran, sondern an der Mitwirkung des Lichtes, weil ein gleich langer Aufenthalt des entblössten Epithels i m Dunkel n demselben das Regenerationsvermögen kaum merklich raubt, wie es der umgekehrte positive Erfolg des Experimentes zeigt, wenn man nur die Netzhaut dem Tageslichte ausgesetzt hat. Der epitheliale Regenerator ist also auch lichtempfindlich und eine Folge davon ist es, dass man sich mit der Präparation im Dunkeln nicht sehr zu eilen braucht, wenn man an einem in der Sonne um den Sehpurpur gebrachten Frosche die Farblosigkeit seiner Netzhaut feststellen will. Ich wüsste kein einfacheres, regelmässiger zutreffendes und von manueller Geschicklichkeit unabhängigeres Experiment über die Regeneration der Stäbchenplatte durch den ihr angeschmiegten Epithelfilz anzugeben, als das folgende: man setzt einen Frosch einige Stunden in die Sonne, nimmt beide Augen im Dunkeln heraus, und überzeugt sich an dem einen, dass die Netzhaut ganz farblos ist; nach 1 — 1 V2 Stunden holt man die des anderen, inzwischen im Dunkeln gelegenen Auges hervor und sieht, dass sie prachtvoll purpurfarben ist. Die Anfänge der Regeneration sah ich meist nach 30 Min., die Vollen- dung ungefähr in der doppelten Zeit auftreten. Belehrt über die ausserordentliche Intensität oder ent- sprechend lange Zeit der Belichtung, deren das Froschauge im 70 W. Kühne: Leben zur Ausbleichung bedarf, konnte ich kaum hoffen, mit dem durch Absorption geschwächten, farbigen Lichte erhebliche Veränderungen zu erhalten. Einige Versuche stellte ich mit meinen Lösungen im Freien an, indem ich dieselben in ringsum geschwärzte sog, Krystallisationsschaalen von hinreichender Höhe goss, an denen nur der Boden durchsichtig gelassen war. Darunter sass der Frosch in einer Porzellanschaale, die mit einem Sammetrande lichtdicht gegen den Boden des Farbenbehälters ge- presst war. So ergab sich, dass gewöhnlich die Frösche, welche den Tag über bei stark bedecktem Himmel im Blauen gewesen waren, die blasseste Purpurfarbe zeigten, die im Grün gehaltenen (hier wurde eine Mischung von löslichem Berliner Blau und Pikrin- säure verwendet) röthere, die mit Pioth belichteten die dunkelste Netzhaut hatten, was im Allgemeinen mit meinen früheren und speciell mit den weiteren Angaben Boll's vor der Acad. d. Lince'i stimmt. In andern Fällen, wenn die Sonne gelegentlich zum Durch- bruche gekommen war, habe ich auch im Roth die Abnahme des Seh- purpurs bedeutend, zuweilen sogar völlige Ausbleichung gefunden, aber ich kann für diese nicht beweisen, dass das zur Wirkung ge- kommene, durchgefallene Licht alles von der Brechbarkeit des rothen gewesen sei. Ueber etwaige Beziehungen der genannten Beleuchtungen zum Auftreten grasgrüner, durchsichtiger Stäbchen ergaben diese Versuche nicht mehr, als die früher erwähnten, an isolirten Netzhäuten angestellten, d. h. nichts Fassbares, falls man nicht dahin rechnen will, dass die grauen Stäbchen um so stärkere Contrastfarbe zeigen, je mehr ihre Nachbarn gefärbt sind und um so mehr dem Blaugrün zuneigen, je brandrother die Netz- haut ist, um so reiner graugrün aussehen, je entwickelter die wahre Purpurfarbe an der Stäbchen mehrheit ist. Nachdem unter freiem Himmel am lebenden Frosche so wenig mit Absorptionsfarben erreicht worden, hegte ich kaum die Hoffnung, es mit künstlichem Lichte, das aus andern Gründen Uebor den Sehpurpur. 71 vorzuziehen war, weiter zu bringen. Indess war hier möglicher Weise durch die Zeit einzuholen, was der Intensität fehlte. Die kurzen, meist sehr trüben Tage des Januar und Februar konnten vielleicht durch die Tag und Nacht brennende Gaslampe, die dem Auge der im Warmen meist nicht schlafenden Frösche keine Iluhe gönnte, ersetzt werden. Manche Frösche zeigten sich zwar vor der Laterne widerspenstig, indem sie dem Lichte den Kücken wiesen und sich duckten, oder, daran verhindert, die Augen schlössen; aber bei einigen, welche sich gefälliger benahmen, ist ('S mir ganz gut geglückt, nach 20 — 30 Stunden den Purpur ver- ändert zu finden, im blauen Lichte bis auf höchst geringe Reste, die im Tageslichte in sehr blasses Gelb umschlugen, bevor alle l'arbe schwand. Nach 46 Stunden wurde endlich bei einigen l'röschen totale Ausbleichung constatirt. Weit geringer fiel die JUeichung im Grün aus und im Jloth war sie niemals zu er- reichen. Wie selten von dem eben genannten Verfahren ausgedehntere Veränderungen auf der Netzhaut zu erwarten sind, erhellt vor- züglich aus der Ueberlegung, dass die Frösche noch nicht das Nöthigste leisten, wenn sie lange durch die Lösungen starren. Sie sollen den Blick noch vor der Farbe wandern lassen, um alle 'l'heile ihrer Retina kräftiger, als es durch das difiuse Licht ge- schieht, welches dieselben ausser dem Bilde der Flamme trifi't, zu exponiren, und sollen die Bewegung dazu so häufig und in der Weise ausführen, dass die schwächer erleuchteten Netzhauttheile keine Zeit gewinnen, ihren Purpur wieder herzustellen. Ich hätte darum nach Erreichung einiger positiver Resultate, unter recht vielen negativen, die ganze Anordnung verlassen, wenn ich nicht zufäUig bei einem nur 14 Stunden im Blau gehaltenen Frosche, der be- liarrlich nur mit einem Auge in das Licht glotzte, das schönste Bild der Gasflamme völlig farblos in den tiefrothen Grund der Stäbchenmosaik eingezeichnet gefunden hätte. Die Retina war, 72 ■' W. Kühne: ohne mein Verdienst, zufällig ausserordentlich glatt aus dem Auge geschlüpft und lag vollendet gut ausgebreitet gegen das Deck- glas, demselben alle Stäbchen, aufgerichtet, mit pigmentlosen Enden zuwendend. So muste eine helle, scharf berandete, ziem- lich central gelegene, farblose Stelle, die ich darin fand, unge- wöhnlich auffallen, und als ich mir dieselbe bei schwächerer Ver- grösserung besah, war das Flammenbild mit seinen zwei züngelnden Spitzen gar nicht zu verkennen. Es gibt nun ein einfaches Mittel, solche Photographieen auf der Retina nach Belieben zu erhalten, indem man den Frosch mit Curare unbeweglich macht, die Nickhaut fortschneidet, die Augen durch einen in's Maul geschobenen Papierballen etwas hervordrängt und das Thier mit einem Auge etwa 2 Stunden gegen die Flamme wendet. Die günstigste Entfernung beträgt 35— 40 Ctm. Ich will den Versuch jedoch nur Denen empfehlen, die viel Zeit daran zu wenden haben, denn auch der Geübteste wird nicht vorher wissen, ob es ihm gelingt, die Netzhaut des Frosches so gegen das Deckglas zu bringen, dass ein vorhandenes Flammen- bild zur Anschauung kommt. Während ich die günstigste Sehweite auszuprobiren suchte, ist mir das Experiment wiederholt geglückt. Unzweifelhaft kann es keinen besseren Beweis für die Hy- pothese, dass das Licht im Auge auf die Netzhaut, wie in der Camera obscura auf die photographische Platte wirke, geben, als das vorhin erwähnte Flammenbild. Bevor ich dasselbe im Frosch- auge kannte, wo es zufällig gefunden wurde, hatte ich darum Aehnliches längst an grösseren Säugethieraugen erstrebt; mit welchem Erfolge, sagen meine beiden kurzen Mittheilungen im Centralblatte f. d. Med. W., Nr. 3 u. 4, und als ich den Schluss- satz der obigen ersten Abhandlung (S. 11) mit einiger Sicherheit lieber deu iSehpurpur. 76 des xVusdruckes der Oeffentlichkeit übergab, war es mir bereits (2. Jan.) gelungen, das erste Bildchen oder Optogramm zu er- halten, das bei aller Unvollkommenheit hinreichte, um die Opto- graphie glaublich zu machen und die Erhaltung des Bildes im Auge für ausführbar zu halten. Ich sehe bei dem Gegenstande ganz von seiner Feuilleton- fähigkeit ab. und gebe ihn gern allen Iteclamationen phantasie- voller Todtenbeschauer dies- und jenseits des Oceans von vorn- herein preis, denn angenehm kann es nicht sein, in jener Be- gleitung mit einer ernsten Angelegenheit die Runde machen zu müssen. Manches Wort, das sich darüber sagen liesse, mag hier lieber unterdrückt bleiben, um es in die Bitte zu wandeln, dass man von mir keine Berichtigungen solcher Veröffentlichungen, die nicht in üblicherweise durch meinen Xamen autorisirt sind, erwarte. Nachdem ich die Lichtempfindlichkeit der überlebenden und abgestorbenen Netzhaut an der nur vom Lichte abhängigen Veränderlichkeit ihres Purpurs gefunden hatte, sagte ich mir, es müsse im herausgenommenen Auge möglich sein, das bekannte Bildchen, welches der dioptrische Apparat im Hintergrunde ent- wirft, auf der Netzhaut nach Entfernung des Objectes wieder zu finden. Der Weg, den ich dazu einschlug, mag nicht der beste und kürzeste gewesen sein, so dass die ausführliche Mit- theilung meiner Experimente vielleicht mehr zeigen wird, wie man bei derartigen Arbeiten nicht vorgehen soll, als wie man sicheren Schrittes zum Ziele gelangt, ich meine ihn aber in der folgenden Darstellung nicht umgehen zu dürfen, da sich darauf Manches ergeben hat, das bewährtere Pfadfinder vielleicht nicht bemerkt hätten, weil es auf einer von ihnen nicht berührten, obwohl Interesse bietenden Seite gelegen hätte. Ueber das verkleinerte, umgekehrte, reelle Bildchen an sich habe ich bei der wunderbaren Ausbildung der Dioptrik des Auges durch die hervorragendsten Kräfte der Vor- und Mitzeit wenig 74 W. Kühne: mehr zu bemerken, als dass ich versucht habe, es möglichst scharf zur Anschauung zu bringen, ehe ich daran ging, es auf der Netzhaut zu befestigen. Am besten dienen dazu Augen albi- notischer Kaninchen, wo es durch die Sklera prächtig durchleuchtet und als Abbild entfernter Gegenstände oft untersucht ist. Pig- mentirte, selbst schwarze Kaninchen sind dazu fast ebenso ver- wendbar, obwohl man es beim Anblicke des tief dunklen Augen- grundes nicht glauben sollte. Indess kann das Retinapigment sehr dunkel und doch das ganze Auge ziemlich durchsichtig sein, wenn nur die Chorioidea massig gefärbt und die Sklera dünn genug ist, wie es beim Kaninchen der Fall ist, da die Stäbchen durch das Pigment bis an die farblose Basis der Epi- thelzellen reichen. Im Kaninchenauge mag vor der schwach ge-. färbten Uvea das retinale Pigment öfter spärlich genug geschich- tet sein, um die Durchsichtigkeit zu erklären; es gibt aber z. B. bei den Vögeln Augen mit viel stärkerer Entwicklung des- selben, die ein sehr gutes Bild durch die dünne Sklera erkennen lassen und hier wird der Grund für die Durchsichtigkeit auch darin zu suchen sein, dass einerseits die Chorioidea sehr schwach pigmentirt ist, während die Retina nach Art einer aus Glas- fäden gemachten Bürste durch den tiefschwarzen Pigmentflor in Wahrheit bis an die nächste durchsichtigere Unterlage gepresst ist. Netzhäute, die mit der Pigmentlage herausgekommen, bei etwas seitlicher Betrachtung wie schwarzer Sammet aussehen, können bei senkrecht durchfallendem Lichte in dieser Beziehung oft starke Ueberraschungen bereiten, wenn man sich daran macht, das meines Wissens von M. Schnitze zuerst hervorgehobene Durch- ragen der Stäbchen nach hinten zu erkennen. Die Angelegenheit scheint mir in Rücksicht auf die Reflexion solchen Lichtes, das der Stäbchenaxe parallel geht und hinsichtlich der lichtbrechenden, linsenartigen Körperchen, welche vor den Aussengliedern liegend vermuthlich die Partialbildchen an deren hinterm Ende entwerfen, Ueber den Sehpurpur. 75 wichtig genug, um ihrer hier gelegentlich zu gedenken, und im Augenblicke, wo die schwierige Frage nach der ophthalmosko- pischen Sichtbarkeit des Sehpurpurs bereits discutirt wird, wobei die der übrigen Pigmente nicht auszuscliliessen ist, sehr der Be- achtung werth. An andern, als Kaninchen- und Vogelaugen habe ich auf die Besichtigung des Bildes verzichten müssen, weil man daran selbst unter sorgfältigem Schutze gegen sonstiges Licht überhaupt nichts durchscheinen sieht ; beim Hunde, Kalbe, Hammel, Schweine und Ochsen liegt dies ausschliesslich an der zu dicken Sklera. nicht an dem Retina- oder Chorioidalpigmente, denn man sieht das Bild durch die letzteren sogar im Schweineauge, das kein Tapetum besitzt, vortrefflich durchschimmern, wo man ein Stück der Sklera abgetragen hat. Dass man am lebenden Auge des Menschen bei blonden Individuen das Bild öfter aussen auf der Sklera sieht, ist bekannt; ich glaube aber nicht, dass dies von dem weniger entwickelten Pigmente herrührt, sondern vermuthe für die meisten Fälle den Grund in der Zartheit der Sklera, durch welche zugleich das Pigment mit bläulicher Farbe sichtbar wird. Beim Frosche endlich sieht man nur am Sehnerveneintritte Licht durchschimmern und in diesem Auge ist es nicht die Sklera, welche bekannthch sehr durchsichtig ist, und nicht das Retina- epithel, sondern ausschliesslich die stark pigmentirte Chorioidea. die das Licht hemmt. Entferntere Gegenstände erscheinen hinten am Kaninchen- auge so deutlich, dass man mit ähnlich scharfen Optogrammen alle Ursache hätte, zufrieden zu sein. Sie haben nur den Nacli- theil von den meisten zur Hand befindlichen Objecten, wie Fenster- reihen auf hellen Häuserflächen u. dgl., zu klein zu sein. Besser sind schon die hellen Fenstertlächen mit dunkler, gekreuzter Rahmung, die das Auge im Zimmer, um einige Schritte entfernt davon abbildet : kleine Figuren auf den Scheiben erhalten sich 76 W. Kühne: mit gleicher Deutlichkeit im Bilde bei weiterer Annäherung bis auf 30 und 1 9 Ctm. Ich habe in der verschiedensten Weise diese letztere Sehweite zu bestimmen gesucht, z. B. wo ich im Dunkeln zu arbeiten hatte, mit der Natronflamme, deren Einzelheiten recht hübsch zum Vorschein kamen; aber ich habe es nicht mög- lich gefunden, grosse Genauigkeit zu erreichen. Zerrungen und Aenderungen des Druckes von aussen wurden zu vermeiden ge- sucht , indem ich das Auge im gespaltenen Kopfe an seinem Platze liess und durch Fortnehmen des Hirns, einiger Schädelstücke und des Inhaltes der Orbita von hinten zugänglich machte, aber, was ich eigentlich wollte, nämlich die Sehweite mittelst des ScJieiner'' sehen Versuches bestimmen, ist mir mit keinem linearen Objecte ge- lungen. Am schärfsten scheint mir noch die Bestimmung mittelst einer Photographie möglich, wozu ich das Negativ eines über- lebensgrossen Portraitkopfes auf Glas gegen den Himmel wandte. Da erkennt man Umrisse und Aehnlichkeit im Bildchen in der Eegel, wenn das Auge 25 Ctm. hinter dem Objecte steht. Bestimmteres anzugeben scheint deshalb unthunlich, weil das Auge im Tode fortschreitenden und schwer nachzugehenden inneren Aenderungen unterhegt, die z. Th. die Schärfe des Bildes stören. Dieselben liegen zunächst in den bekannten Trü- bungen der brechenden Medien, die um so unbequemer sind, als sie die Intensität des einfallenden Lichtes, besonders des opto- graphisch wirksamsten, schwächen und wie Heimholte angibt, auch die Untersuchung des todten Organs mit dem Augenspiegel ver- eiteln, welche sonst zur Bestimmung der Piefraction zu benützen wäre; ferner in den Aenderungen der Iris, des Accommodations- apparates und des intraoculären Drucks. Die Iris, gleich nach dem Tode so schmal, dass sich die Pupille aufs Aeusserste er- weitert, verengt diese bald wieder beträchtlich, um später zu einer mittleren Stellung zurückzukehren. Gleichzeitige Aenderungen in der Accommodationsmuskulatur sind wahrscheinlich, abgesehen Ueber den Sehpurpur. 77 von den inneren Druckänderungen, die für Form und Lage der Linse, wie für die Angriffsweise der ersteren auf sie, nicht gleich- gültig sein können. Dazu kommt endlich die Gestaltsänderung des ganzen Bulbus mit der Cornea, kurz es fällt eine so grosse Zahl von Vorgängen zusammen, die das Bild beeinflussen müssen, ilass hier nur Probiren am Platze war. Welcher Weg der bessere sein würde, ist mir darnach nicht zweifelhaft: man muss am lebenden , mit Curare vergifteten und atropinisirten Kaninchen arbeiten, dessen Refraction vor dem optographischen Versuche mit dem Augenspiegel zu bestimmen ist; doch habe ich die Zeit zur Erlernung dieser viel Uebung voraussetzenden Technik nicht abwarten mögen. Ein Blick in das geöffnete Auge nicht albinotischer Thiere lehi't, dass man nach Entfernung des Glaskörpers oder Umstülpen des concaven Hintergrundes mit der Skleralseite über eine convexe Fläche, nicht so viel vom Sehpurpur wahrnehmen kann, um darin eine farblose Zeichnung, wenn sie existirte, erkennen zu können. Durch lange Erfahrung und Uebung glaube ich es zwar dahin gebracht zu haben, sagen zu können, ob die auf dem Pigmente ruhende Retina nach dem Abziehen roth oder farblos aussehen wird, und ich erkenne den Sehpurpur allenfalls auch im Frosch- auge an einer röthlich braunen Xuancirung des schwarzen Grundes: aber hellere von rötheren Stellen zu unterscheiden, mache ich mich nicht anheischig. Am besten erkennt man den Sehpurpur in Situ noch auf dem wenig farbig schillernden, mehr silber- glänzenden Tapetum des Hundeauges, weniger gut auf der grün- blauen, atlasglänzenden Fläche des Tapetums der Pflanzenfresser, aber in keinem Falle so, dass man ein Optogramm darauf würde unterscheiden können. Aus dem Kaninchenauge, das kein Tape- tum besitzt, musste die Netzhaut also hervorgehoben werden, wenn ich das Bild sehen wollte ; eine missliche Procedur, die mühsamen Versuchen ein schlechtes Ende versprach, wenn die 78 W. Kühne: zarte Membran einriss. Da diese Schwierigkeit unüberwindlich blieb, wandte ich mich an albinotische Kaninchen, deren purpur- rothe, auf der natürlichen Unterlage kenntliche Netzhautfarbe mir bekannt geworden war. Die Kaninchennetzhaut zerfällt der Färbung nach in sehr eigenthümlicher Weise in zwei Abschnitte, in einen blasseren, oberen und einen dunkler rothen, unteren. Der Opticus steigt bei diesen Thieren nach dem Eintritte in die Orbita hoch am Auge empor, indem er sich der äusseren, hintern Bulbusfiäche in längerer Ausdehnung anschmiegt," und bildet, durch das Auge gelangt, den bekannten, zu seiner Anfangsrichtung senkrecht gestellten, nach beiden Seiten abgehenden, weissen Streifen markhaltiger Nerven- fasern, der zugleich das einzige gefässführende Gebiet dieser Netzhaut darzustellen scheint. Somit wird die Retina durch den weissen Streifen in eine obere kleinere und eine untere grössere Abtheilung geschieden. Unter dem weissen Streifen befindet sich der zweite dunkel-purpurrothe, von etwa gleicher Breite, welcher sich gegen den oberen, weniger gefärbten Netzhautabschnitt scharf, gegen den untern rötheren, etwa in der Höhe des Netzhauthori- zontes diffuser abgrenzt und beiderseits weit nach vorn herum- reicht. Hiernach liegen die markhaltigen Fasern ganz in dem purpurärmeren Netzhauttheile , so dass der blinde Fleck der Kaninchen, der wie ein dunkles, breites Band wahrgenom- men werden müsste, zugleich in einer vermuthlich weniger gebrauchten, unteren Gegend des Sehfeldes liegen wird. Die Erscheinung des rothen Streifens hat mit darunter liegenden Blutgefässen nichts zu schaffen und ist an abgezogenen Kaninchen- netzhäuten jederzeit zu demonstriren. Hier ist der Purpur weitaus am intensivsten und bleicht immer so viel später aus unter Uebergang in Gelb, dass der Streif an stark ausgeblichenen Präparaten noch lange sichtbar bleibt; zuletzt wird er freilich auch unkenntlich. Ich habe nicht untersucht, welcher Netzhaut- Uober den Sehpurpur. 79 einrichtung der Streif zuzuschreiben ist und kann nur die Ver- muthung aussprechen, dass die leichte Verdickung, die sich daran findet, auf ungewöhnlicher Länge der Stäbchen beruht. Etwas Aehnhchcs findet sich übrigens in manchen Thieraugen angedeutet. An dem rütheren, untern Netzhautabschnitte des leukotischen Kanincliens sieht man den Purpur über die ganze Fläche gleich- massig verbreitet, und wenn das Thier durch Verbluten getödtet wurde, pflegen die Blutreste in der Chorioides den schönen An- blick nicht zu stören. Vollends gleicht die Retina einem hüb- schen Rosenblatte, wenn man die hintere Bulbushälfte über die, mit Einschluss der Linse, zur Unterlage sehr geeignete, vordere Hälfte umstülpt. Vom Natronlichte zu Tage gebracht ist dann das Schwinden der Farbe bis auf die des Blutes, welche immer in erkennbaren Venen streifig angeordnet ist, zu beobachten. Hinsichtlich der Regeneration und der relativen Echtheit des Purpurs gegen Licht an solchen Präparaten muss ich jetzt das früher (S. 9 u. 10) Gesagte mit grösserer Bestimmtheit hervorheben: ein von der farblosen Chorioides abgehobener Lappen der Netz- haut mit der Vorderfläche gegen das Licht, neben das Uebrige gelegt, bleicht unzweideutig schneller aus, als die am Orte be- lassenen Theile. Der Unterschied wird besonders klar, wenn man von den letzteren nach ungefähr ''2 Minute ebenfalls ein Stück rasch abzieht und neben dem zuerst isolirten Lappen auf gleicher Unterlage von weissem Porzellan ansieht. Viel aufiallen- der und nach vier mal längerer Belichtung noch erkennbar ist die Sache am pigmentirten Kaninchenauge, wie ich vermuthe, weil das Pigment nicht den Purpur, sondern den Purpurbildner im Epithel gegen das Licht schützt. Ich möchte es bei dieser Gelegenheit als Hypothese aussprechen, dass das schwarze Pigment überhaupt weniger einen Schutz für den Stäbchenapparat, als für den purpurzeugenden epithelialen darstelle, denn ich sehe nicht, welchen Schaden das Durchfallen von Licht gegen die 80 W. Kühne: Sklera bringt, das überdies in der Einrichtung fast aller Augen unvermeidlich ist, und verstehe noch weniger, worin der Nutzen seitlicher Pigmentscheiden für die Stäbchen liegen soll, deren innere Cylinderflächen, wie Brücke nachwies, doch alles nicht der Axe parallele Licht reflektiren müssen. Soll das Pigment als Mittel dienen, die Stäbchen vor Beleuchtung ihrer äusseren Cylindermäntel durch zwischen sie fallendes Licht zu schützen, so versteht man wieder nicht, weshalb die Epithelfortsätze bald gar kein Pigment, bald nach langen Zwischenräumen geschichte- tes enthalten. Man sieht, welche Fülle von Fragen weitere Un- tersuchungen über das Epithel zu berühren vermöchten. Ein gebleichtes Ketinastück vom Kaninchen durch Zurücklegen auf die im Dunkeln gehaltene, entblösste Epithelschicht wieder zu röthen, was beim Frosche so leicht zu erzielen ist, wollte mir bis jetzt nicht gelingen, und ich würde darum den bessern Be- weis für die purpurzeugende Function des Netzhautepithels ohne das Froschauge nicht haben führen können. Ich glaube jedoch an- nehmen zu dürfen, dass diese Thätigkeit im eröffneten Auge far- biger Kaninchen am Lichte noch mindestens 2 Minuten mit ab- nehmender Energie vorhanden ist (vergl. unten). Den ersten optographischen Versuch stellte ich in folgen- der Weise an : ich bohrte in die lichtdichte Holz wand meines durchweg geschwärzten, fensterlosen Dunkelzimmers, das hinter einem zweiten für den Heliostaten und zu optischen Arbeiten eingerichteten Zimmer liegt, ein Loch , das ich mit einem kreisrunden Diaphragma von 5 Mm. Durchmesser deckte. Das optische Zimmer war durch den Fensterladen geschlossen mit Freilassung einer matten Scheibe, auf welche helles Mittags- licht fiel. Um dieses von der genannten Holzwand 5,77 Meter entfernte Object als Bild im Kaninchenauge aufzusuchen, wurde es zuerst mit intensiv gefärbtem , chromgelbem Seiden- papier verhängt, das albinotische Kaninchen nach 15 Minuten lieber den Öehpurpur. 81 langem Verweilen im Dunkeln geköpft, im Xatronlichte ein Auge aus dem Kopfe genommen, hinten etwas abpräparirt, mittelst durch die Conjunctivareste gesteckter Nadeln auf den Rand eines Korkes befestigt und mit der Cornea sanft gegen das Diaphragma gelehnt. Das Bild fand sich auf der Sklera zur einen Seite des in einiger Ausdehnung dem Auge belassenen Opticusstammes und soweit unterhalb der Eintrittsstelle des Nerven, dass ich es auf dem rötheren Abschnitte der Netzhaut wusste und mir den Ort in dem betr. Quadranten gut merken konnte. Hierauf wurde der gelbe Vorhang von der Lichtüffnung gezogen und 5 Minuten exponirt, das Auge zurückgenommen, im Aequator halbirt, umgestülpt und in schwachem Gaslichte besehen. Da ich noch kein Bild erkennen konnte, brachte ich das Prä- parat an gedämpftes Tageslicht und vor den Blick einiger Zeugen; die Retina hatte einen unzweideutigen helleren, diffusen Fleck, dessen geringe Grösse dem von mir allein zuvor gesehenen Bilde entsprechen konnte, und dessen Lage mir bereits die Ueberzeu- gung verschaffte, dass er das Optogramm sei. Jeder der Zeugen versetzte den Fleck an dieselbe Stelle. Das Auge wurde von der Unterlage gehoben und meinerseits die vorher gemerkte Stelle hinten auf der Sklera gesucht, was mir an der mitbeachteten Anordnung kleiner Muskelreste recht gut gelang; ich bohrte eine Nadel von hinten durch und hörte an den Aeusserungen der Ueberraschung unter den Umstehenden schon, dass ich richtig getroffen hatte. In ähnlicher Weise wurden etwa 30 Versuche meist mit schlechterem, kaum mit besserem Erfolge ausgeführt, unter den mannigfachsten Aenderungen des Objectes, der Sehweite, der Zeit nach dem Tode, der Lichtintensität und Expositionszeit; doch wollte es niemals gelingen, ein ordentliches Bild, etwas Andres, als Flecke zu erhalten. Unter meinen Notizen finde ich in dieser Versuchsreihe nur einen, der mich hätte bestimmen können, die Ausführbarkeit der Optographie zu behaupten. Es Kiihuc, Uiitcrsuchungeu 1. (j 82 W. Kühne: handelte sich um ein Auge, an dem 45 Min. nach dem Tode auf 30 Ctm. Entfernung das Bild einer Magnesiumflamme hinter rothen und gelben Gläsern eingestellt war. Nach 15 See. Exposition gegen die unbedeckte Flamme, fand sich auf kräftig rothem Grunde ein weisser Fleck in der Retina, dessen Gestalt so sehr der des brennenden Magnesiumbandes glich und darüber zwei helle Kleckse, die nur dem abgetropften, auf dem Tische fort- brennenden Metalle entsprechen konnten, dass ausser mir niemand mehr zweifeln wollte. Nach diesen ersten nicht befriedigenden Erfolgen, welche zur Ueberlegung und experimentellen Prüfung aller denkbaren Hinder- nisse, die sich etwa dem erwarteten Erfolge entgegenstellen mochten, auffordern mussten, gelang es inzwischen, die Wahrheit zu ge- stehen, zufällig und ohne alles Verdienst menschlichen Zuthuns, die schönsten Optogramme herzustellen. Ich hatte nämlich an das Allereinfachste nicht gedacht, indem ich nicht erwog, dass die dem Glaskörper zugewendete Retinafläche, die ich ausschliess- lich betrachtete, nicht die rothe ist, und dass die vorderen Retina- schichten, im Tode getrübt, einen Schleier über die Purpurfläche ziehen konnten, der wohl Farbiges und Blasses, aber nicht die Grenzen und Einzelheiten von Bildern zu unterscheiden gestattete. Wo mit so frischen Augen und so schnell verfahren war, dass die Retina noch für durchsichtig genug gelten konnte, gab es andre Uebelstände für die Betrachtung von vorn, die in der faltigen Beschaffenheit jeder in der bisherigen Weise umgestülpten Hintergrundsfläche, in deren schlüpfrig feuchten und gützernden Oberflächen lagen. Ich habe seitdem namentlich am Ochsenauge gesehen, dass die genannten Uebelstände wirklich jedes in der Stäbchenschicht befindhche Bild bis zur Unkenntlichkeit ver- wischen. Das nun unvermeidlich gewordene Herausnehmen und Wenden der Netzhaut hess sich glücklicher Weise sehr einfach beim üeber den Sehpurpur. 83 Kaninchenauge, wo die Membran frisch und unvorbereitet, unge- mein zerreisslich ist, durch einfache Kunstgrifte bewerkstelHgen. Nach vielem Ilerumprobiren unter den Substanzen, deren Unschäd- lichkeit für den Sehpurpur ich bereits kannte und denen Härtungs- vermögen für die Retina zuzutrauen war, wie dem Tannin, Blei-, Zinksalzen u. s. w. fand ich eine Lösung von 4 pCt. Kalialaun am geeignetsten, um der Membran die wünschenswerthe Zähigkeit zu ertheilen. Andere Zwecke wurden damit nicht beabsichtigt und erreicht, was ich ausdrücklich gegen die verbreitete Meinung, dass das Verfahren eine Art Entwicklung des Bildes verfolge, hervorhebe. Das eröffnete und vom Glaskörper gut befreite Auge wird sofort nach Aufnahme des Bildes in die Alaunlösung geworfen, um darin 24 Stunden im Dunkeln zu verweilen. Ich empfehle mein anfängliches Verfahren, das Auge umgestülpt, über die vordere Hälfte gezogen, einzulegen, nicht mehr, seit ich gelernt habe, die Papille von innen mit dem Locheisen auszudrücken. Dafür rathe ich mit um so grösserer Sorgfalt zu beachten, dass das Auge nicht zusammengefallen oder faltig im Alaun liege, denn die Lösung macht die Retina nicht so zähe, dass sie nicht an Knickungen, die im Härten entstanden sind, leicht bräche. Nach vollendeter Alaun- wirkung bringe man das Auge unter Wasser, wende hier das Locheisen, auf einer Unterlage von Blei an und fasse die Membran an einem Punkte oberhalb des Opticuseintrittes , also an dem weniger rothen Theile, in welchen die Bilder gewöhnlich nicht fallen. Wenn das Verfahren tadellos durchgeführt ist, glückt es oft, die Netzhaut, ohne dass sie zusammenfällt oder sich umschlägt, mit einem leisen Rucke wie ein zartes Schälchen aus dem festeren Skleranapfe hervorzuheben. Die Innenfläche zeigt sich nun rein weiss und opak, nur die convexe Aussenfläche ist roth oder rosa, wie ein Rosenblatt. Ich bringe unter das Wasser ein Porzellanschälchen, das kaum grösser als ein halbes Kaninchen- auge ist, schiebe darunter einen passend gebogenen Blechstreif, 84 W. Kühae: mit dem ich es sj/ät^r in horizontaler Lage emporheben kann, und lasse die Netzhaut mit der concaven. vorderen Fläche auf die convexe Porzellanfläche sinken. Zuweilen gehngt es die Membran, dem Schälchen überall glatt anliegend aus dem Wasser zu heben, doch wird man sie in den meisten Fällen vom Rande her, mit Schonung des Bildes, über das man sich mit der Streichholz- flamme schnell orientirt, etwas einschneiden und so lange auf der Unterlage flottiren lassen müssen , bis sie möglichst faltenfrei ausgebreitet ist. Ich brauche kaum zu sagen, dass sich das Optogramm am besten in der schwimmenden Netzhaut bei unver- minderter Krümmung beobachten lässt. Die Fiüssigkeitsschicht darf indess nicht zu tief sein, denn es ist merkwürdig zu sehen, wie viel die Aljsorption im AVasser der Purpurfarbe, wenigstens an Alaunpräparaten, raubt. Ueber alle Erwartung einfach ge- staltet sich die Sache beim Ochsenauge, wo man nach der Alaun- wirkung die Netzhaut nicht schlechter heraushebt, als es mit einem ledernen Beutel gehen würde; das Verfahren diese Netz- haut frisch in Salzwasser zu Tage zu bringen, wurde oben (S. 47) schon beschrieben. "Will man Optogramme darauf sehen, so lässt man sie flottiren. Ich ziehe die Alaunpräparate allen andern vor. weil sich Roth und "Weiss daran am schärfsten abgrenzen, sowohl im feuchten, wie im trocknen Zustande, während die Ochsenretina, so lange sie im Salzwasser liegt, die Optogramme ungefähr so zeigt, wie wenn die farblosen Theile in blassröth- liches Ueberfangglas geschnitten wären. Getrocknet markiren sich diese Bilder be.sser, obschon nicht so gut, wie an eingetrock- neten Alaunpräparaten und vollends nicht, wie an ebensolchen noch feuchten. Den Sehpurpur zu fixiren liat nur insoweit wissenschaftliches Interesse als dahin zielende Methoden zugleich Aufschlüsse über das chemische Verhalten dieses Körpers geben können, oder tech- nische Bedeutung, insofern es sehr wünschenswerth ist die Er- lieber den Sehpurpui-. 85 folge der Lichtwiiknng nicht in der kurzen Zeit beurtheilen zu müssen, welche das zum Betrachten nüthige Licht gewährt. Jedes Licht, bei dem man etwas von der Netzhautfarbe sehen kann, wird daran von Anfang an Veränderungen erzeugen und diese müssen eine um so bedenklichere Unsicherheit in die Beobach- tung bringen, als man sie nicht gleich zu bemerken glaubt. "Wieder war es ein Zufall, der hier zur ersten Annäherung an die Aufgabe führte. Ich hatte Netzhäute vom Ochsen auf Milchglasstreifen im Dunkeln getrocknet, um Material zu haben für Spectral versuche, wenn die Sonne wieder scheinen würde. Beim Frosche hatte ich gesehen, dass die nur au der Luft getrock- nete Retina zwar viel langsamer, als gewöhnlich, aber besonders am Sonnenlichte vollkommen ausblich. Für die trocknen Rinds- membranen kam nach einigen Wochen endlich das ersehnte, etwas anhaltendere Sonnenlicht; sie wurden ins Spectrum gescho- ben und blieben darin lange. Darnach war nirgends Abnahme der Farbe zu sehen. Ich legte sie ins Freie, in die Sonne und fand das schöne Orangeroth unverwüstlich. Nun wurde die Glasplatte in Wasser gelegt, bis die angetrockneten Netzhäute weich geworden und die nächsten beiden Tage, an denen ge- legentlich auch die Sonne hervortrat, feucht exponirt. Die Tiefe der Farbe nahm dabei vielleicht etwas ab, aber zum Ausbleichen kam es nicht. Das Verfahren Optogramme zu conserviren, be- steht demnach nur darin, die Porzellauschälchen, worauf sie an- getrocknet sind, gleich in den Exsiccator über SH2O4 zu bringen und sie aarin im Dunkeln zu lassen. Wie lange die Erhaltung in diesem Zustande zu dauern habe, vermag ich nicht genau zu sagen, ich empfehle nur möglichst lange Zeit, denn es ist merkwürdig, von wie grossem Einflüsse die Dauer des trocknen Zustandes ist. Kleine Netzhäute vom Frosche und Kaninchen trocknen natürlich sehr schnell, in einem ordentlichen Exsiccator in 24 Stunden wohl so vollkommen, wie es über SH20.4 überhaupt 86 W. Kühne: möglicli ist, besonders wenn man sie inzwischen von der Unter- lage losschabt. Im Trockenraiime habe ich sie dann sogleich gegen stundenlangen Sonnenschein nahezu unveränderlich gefun- den, abgesehen von einer gewissen Abnahme der eigentlichen Purpurfarbe, so dass das Orange mehr hervortrat. Es genügt, sie in die gewöhnliche, feuchte Luft zu bringen, um sie alsbald ziemlich zugänglich für Licht, ja vollkommen darin bleichend zu finden, geradeso wie die nur an der Luft eingetrockneten Netz- häute sich auch verhalten. Vollends bleichen sie aus nach dem Erweichen in Wasser. Mehrere Tage, eine Woche und darüber, im Exsiccator gehalten, nimmt dagegen die Fähigkeit zum Aus- bleichen, nach erneuerter Befeuchtung, immer mehr ab, so dass man bei dem Sehpurpur jetzt schon so gut von Echtheit re- den kann, wie bei vielen technisch verwendeten Farben. Meine Erfahrungen sind noch nicht von hinlänghcher Dauer, um sagen zu können, wie weit diese Echtheit gehe; mir und Andern wird es aber von Wichtigkeit sein, ein einfaches nur Geduld erfordern- des Verfahren zu haben, das die Beobachtung der Optogramme ohne Eile möglich macht. Wer auf die Wirkung längeren Trock- nens nicht warten will, mag die Besichtigung im Exsiccator vor- nehmen. Im feuchten Zustande für etwa 2tägige Belichtung haltbar werden Optogramme durch Einlegen der Alaun präparate in eine schwache Sublimatlösung, worin der Purpur schon im Dun- keln in sehr lichtes Gelb übergeht, das besonders beim Frosche und Ochsenauge, weniger beim Kaninchen, bedeutend widerstands- fähiger ist, als das natürliche Gelb, welches der vollendeten nor- malen Lichtbleiche vorangeht. Es ist indess nicht angenehm ein schönes, purpurnes oder orangerothes Optogramm in so schwächliche Zeichnungen übergehen zu sehen. Dieselben Aenderungen im Verhalten gegen Licht, wie an der frischen oder nach Alaunwirkung im Exsiccator behandelten Ueber den Sehpurpur. 87 Retina, habe ich iiacli längcrem Trocknen an dem, neben reti- nalem Neurokeratin isolirten Sehpiirpur beobachtet. Ein davon bedecktes Filter blich, nachdem es lange getrocknet war, wieder befeuchtet, in der Sonne nicht mehr aus, und hier liess sich feststellen, dass es nicht die lange Conservirung allein, sondern die Trockenhaltung ist, welche die Indolenz hervorbringt, denn die ungetrockneten Keratin-Purpurpräparate, die man in reinem Wasser, wochenlang, ohne Fäulniss, im Dunkeln aufbe- wahren kann, bleichen nach beliebig langer derartiger Conser- virung ans Licht gebracht, sehr gut aus. Obwohl bereits an meinem Ziele angelangt, habe ich noch einige Versuche zur Verbesserung der Optogramme unternommen, indem ich den Photographen zu folgen suchte, welche die ersten Spuren photochemischer Zersetzungsprodukte benutzen, um daran neue Niederschläge, sei es durch Reduction der Bäderstoffe, sei es durch Anhaftenlassen bereits fertiger Niederschläge, an den belichteten Stellen anzuhäufen. Es ist dies eine Entwicklung, keine Fixirung, die jedoch an der Netzhaut zu versuchen war mit Rücksicht auf die Frage, ob gebleichter oder genuiner Seh- purpur reducirende Eigenschaften hätten. Gold-, Silber- und Eisenverbindungen Hessen mich in der Hinsicht ganz im Stich.\ Bei der Osmiumsäure ergab sich die interessante Thatsache, dass\ eine Froschnetzhaut in einer Iprocentigen Lösung eine halbe Stunde im Dunkeln verweilen kann ohne Vernichtung des Pur- purs; die Stäbchen werden zwar sehr dunkel, aber ihr Braun ist ein entschiedenes Rothbraun, das im Lichte deutlich erblasst und sehr zu unterscheiden ist von der Farbe, welche eine zuvor im Lichte gebleichte Netzhaut unter nachträglicher Osmiumsäure- wirkung annimmt. Von Pyrogallussäure sah ich etwas Bräunung in der alkalischen Membran eintreten, ohne Vernichtung des Purpurs und dessen Lichtempfindlichkeit. Kaliumpermanganat färbte die Netzhaut braun, wie natürlich, weniger, wenn ■88 W. Kühne: die Lösung mit 2 Proc. Essigsäure versetzt war, und in dieser Mischung hielt sich der Purpur wunderbarer Weise mehrere Stunden, um am Lichte, wie gewöhnlich, durch Orange und Cha- mois gehend, zu erbleichen. Umgekehrt wollte es mir mit ener- gischen Reductionsraitteln ebensowenig glücken, den Sehpurpur zu entfärben oder am Bleichen durch Licht zu hindern. Ich habe mit den von Stoles zur Pteduction des Hämoglobins ein- geführten Mischungen von Eisenvitriol oder Zinnchlorür mit Weinsteinsäure und überschüssigem Ammoniak gar keine Aenderung des Purpurs oder Rückfärbung der im Lichte gebleichten Netzhaut eintreten sehen, ebensow^enig mit Schwefelammonium oder Schwefel- wasserstoff. Nach diesem Verhalten des Purpurs wird man es nicht überraschend finden, dass derselbe unabhängig vom Sauerstoff, z.B. in einem reinen C02-Strome sich gerade so verhält, wie wenn er in Luft, in Wasser, in Blutserum u. s. w. dem Lichte ausge- setzt wird. In der Photographie heisst Fixiren bekanntlich in den mei- sten Fällen die Beseitigung überschüssiger, unzersetzter, noch lichtempfindlicher Stoffe und in diesem Sinne kann in der Op- tographie davon nicht die Ptede sein, weil Entfernung des im Optogramm noch lichtempfindlichen Purpurs so viel heissen würde, wie Auswischen des Bildes. Die Trockenfixirung der Optogra- phie ist etwas wesentlich Andres, da sie in der Umwandlung des noch lichtempfindlichen Materials in gegen Licht unempfindliche Stoffe, mit Erhaltung der Substanz und deren Farbe besteht. Die Sache liegt hier auch insofern anders, als das Optogramm kein Negativ, sondeni ein Positiv ist, wenn man in einem auf Ptoth ausgesparten Bilde den Grund als dunkel bezeichnet, wozu einiges Piecht vorhanden ist. Andrerseits stimmt das Optogramm mit dem direkten negativen Photogramm darin überein, dass die beleuchteten Stellen die zersetzten und nicht weiter empfindlichen sind, während die rothen denen entsprechen, deren ungehemmte lieber den Sehpurpm-. 89 Zersetzung das Bild venvisclion würde. Für das zu wählende Fixirverfahren entscheidet aber nicht die letztere, freilich tiefere Uebereinstimmung, sondern der erstere Gegensatz, weil es sich um den Zweck der Erhaltung des Bildes handelt, und es ist des- halb Gewicht darauf zu legen, dass beim Optogramm etwas er- reicht werden niuss, dessen das Photogramm nicht bedarf, näm- lich die Indolenz des Stoft'es, ohne ihn der Farbe zu berauben. In dem Vorstehenden hoffe ich die optographischen Metho- den, soweit sie die manuelle und chemische Technik betreffen, genügend erörtert zu haben, um Jedermann in den Stand zu setzen, sich deren Erzeugnisse zu verschaffen. Ich gehe darum zu den einzelnen Versuchen über, sowohl um Belege zu bringen, wie um dem optischen und physiologischen Gebiete gerecht zu werden. Das erörterte, für Kaninchenaugen unumgängliche Alaun- verfahren kam zufällig zum ersten Male in Anwendung bei einem Versuche, welchen ich als den der Desolation bezeichnen könnte. Als immer und immer wieder kein ordentliches Bild auf der unge- härteten Netzhaut zum Vorschein kommen wollte und ich bereits fürchten musste, die Bedeutung des Purpurs für das Sehen überschätzt zuhaben, beschloss ich es einmal so zu machen, wie die Unbefangenheit selber zuerst an die Aufgabe getreten wäre. Ich fixirte ein lebendes Kaninchen so im Halter, dass der Kopf unbeweglich mit einem Auge gegen eins der vielen Fenster des Laboratoriums gerichtet war. Der Bulbus wurde durch in die Conjunctiva gelegte Fäden voll- kommen festzustellen gesucht, die Lider durch einen federnden Halter geöffnet, in welchem zugleich ein schwarzer Pappstreifen mit einem 4 mm. weiten Rundloche als Diaphragma vor der Pupille befestigt war. So vorbereitet wurde der Kopf etwa 10 Min. mit einem schwarzen Tuche bedeckt, als dieses wieder entfernt worden, nach weiteren 2 Minuten vom Rumpfe getrennt, während ich das Auge mit der Hand zudrückte. Das letztere kam , im Dunkeln 90 W. Kühne: exstirpirt und eröffnet , sofort in eine Sprocentige Alaunlösung. Am dritten Tage hatte ich die Freude, in der abgezogenen Netz- haut das Bild des Fensters, auf das es abgesehen war, an dem bogenförmigen Abschlüsse, als weisse Silhouette auf rothem Grunde, zwischen einigen kleineren, hellen Feldern wieder zu finden ; es fehlte nur ein deutliches Bild der Rahmenkreuzung. Jetzt wurde sogleich an die weiteren Versuche gegangen, über welche zum Theil schon kurze Veröffenthchungen (Centralbl. 1. c.) vorliegen und die hier mit geringen Erweiterungen der Darstellung wieder- gegeben werden sollen. Mein Plan zur Optographie am Lebenden, den ich fasste, bevor das Auge, von dem soeben die Rede war, zur Untersuchung kam, beruhte auf folgender Ueberlegung : Da das normale Sehen offenbar nur möglich ist, wenn steter Ausgleich zwischen dem Bleichen des Sehpurpurs in den Stäbchen und der purpurzeugen- den Thätigkeit des Retinaepithels besteht, so wird man über- dauernde Optogramme nur erwarten dürfen, wo jener Ausgleich gestört ist, also entweder nach so langer oder so intensiver Be- lichtung, dass das weiter functionirende Epithel die Stäbchen nicht genügend wieder zu röthen vermag, oder unter Umständen, wo das Epithel nichts mehr leistet. Das letztere war im Auge einige Minuten nach dem Tode zu erwarten, aber das Optogramm war aus einem mir in jenem Augenblicke noch unklaren Grunde ausgeblieben. So verfiel ich auf die Annahme, dass das todte Auge und darin vornehmlich die vorderen Retinaschichten für die chemisch wirksamsten Strahlen zu undurchgängig würden. Dies ist wahr- scheinlich, scheint aber erst in 1 bis P/2 Stunden nach dem Tode zuzutreffen, wie sich später ergeben wird. So musste also, meinte ich, durchaus am Lebenden experimentirt werden, allein ich fürchtete die Regeneration, die ich postmortal noch im Säugethier- auge für mächtig genug hielt, um in der kurzen Frist vom Köpfen des Thieres bis zur Berührung der Netzhaut mit dem Alaun, Ueber den Sehpurpur. 91 der mir zugleich ein gutes Mittel zum schnellen Abtödten des Epithels zu werden versi)rach, das Bild wieder zu verwischen. Es wurde deshalb der vorige Versuch an einem mit Curare ver- gifteten, künstlich respirirenden Hunde wiederholt, mit dem Unter- schiede, dass er in einem einfenstrigen Räume stattfand und dass ich Sorge trug, das Auge sofort nach Schluss der Belichtung mit Alaun zu tränken, zu welchem Zwecke ich vorbereitet war mittelst eines im Leben mit der gleichseitigen Carotis verbundenen In- jectionsapparates einen raschen Strom gewärmter Alaunlüsung in den Kopf und in die Gefässe des Auges gelangen zu lassen. Die Halsgefässe, welche beim Abtrennen des Kopfes Injectionsmasse nach rückwärts austreten Hessen, wurden schleunigst abgeklemmt. In dieser Weise wurde nur ein Versuch ausgeführt, weil sich in- zwischen bei weiteren Experimenten am Kaninchen ergab, dass er für meine nächsten Zwecke der Wiederholung nicht bedurfte. Ausserdem war er ohne recht schlagenden Erfolg; es dürfte aber auf das Verfahren zurückzugehen sein, wenn es sich darum handeln wird die Aenderungen des Gleichgewichtes zwischen den Processen der Stäbchen- und der Epithelschicht genauer zu untersuchen. Inzwischen war das schon erwähnte Fensterbild erhalten, das alle Befürchtungen unnöthig machte und die Ueberlegung, welche sie eingegeben, zurückwies. Der vorhin als Vermuthung hinge- stellte Zustand gestörten Ausgleiches zwischen Epithelfunction und Purpurbleichung musste demnach factisch existiren und ich denke, man wird ihn nicht widersinnig, sondern durchaus natürlich finden, man wird ihn annehmen müssen für alle Fälle, wo unser Seh- vermögen in Folge von Blendung herabgesetzt oder aufgehoben ist, und wie leicht wir dahin gelangen, weiss Jeder, der sich aufs Fixiren und auf Nachbilder versteht. Ich möchte behaupten, dass wir nicht 30 Secunden ein grösseres, helleres Object bei behindertem Lidschlage fixiren können, ohne unfähig zu werden es zu sehen und 92 W. Kulme: finde es nicht wunrlerbar, wenn das Säugethierauge bei minutenlang constanter, massiger Beliclitung da geblendet ist, wo im Bilde das Licht auf die Netzhaut fiel, ja soweit geblendet ist, dass der Purpur dort gar nicht mehr, oder sichtlich verfärbt gefunden wird und um so viel abgenommen hat, dass die Regeneration beträchtlicher Zeit bedarf, um ihn wieder kenntlich zu machen. Dies ist der Fall, wo wir das Optogramm annehmen müssen und finden werden, d. h. das Nachbild im eigentlichen Sinne des Worts. Erwägt man, dass es sich bei der Optographie nur um Aenderungen der Stäbchen, nicht der Zapfen, die purpurfrei sind, handelt, also um Vorgänge an einem unzweifelhaft weit hinter der Vollkommenheit des Zapfenapparates und unseres Fixirorganes zurückstehenden Sehwerkzeuge, und dass die Unvoll- kommenheit unseres peripherischen Sehens trotz der Mithülfe zer- streuter, an den vorderen Pietinaregionen vorkommender Zapfen in den meisten Beziehungen und gewiss deshalb auffällig ist, weil dabei wesentlich Leistungen der Stäbchen vorliegen, so wird man von der optographischen Methode, die vorwiegend auf der Un- vollkoramenheit der Eegenerationsprocesse fusst, wohl erwarten dürfen, dass sie die mannigfachsten Sehakte verzeichne. Wie schnell bei gutem Fixiren indirekt gesehene Objecte verschwin- den, ist bekannt und dürfte mehr noch, als die Dauer der Nach- bilder für träge Regeneration in den Stäbchen, also in demselben Sinne zu deuten sein, wie die Lichtscheu der zapfenlosen oder zapfenarmen Geschöpfe. Sind diese letzteren des Purpurs beraubt, so bleiben sie eben so lange blind, bis das Epithel neuen gehefert hat, während die mit Zapfen versehenen Thiere mittelst des zweiten, vollkommeneren Apparates im Auge, der höchst wahr- scheinlich auch allein specifisch farbige Empfindungen vermittelt, unter gleichen Umständen fortfahren zu sehen. An Fröschen, deren Netzhaut in der Sonne total gebleicht und im Dunkeln nicht vor 30 Min. wieder röthlich zu bekommen war, glaube ich lieber den Sehpurpur. 93 mich überzeugt zu haben, dass sie noch recht gut sehen und ich lioffe später Genaueres über deren Fähigkeit zur Unterscheidung von Farben berichten zu können. So weit bis heute die Erkennt- niss reicht, ist eine Betheiligung des Purpurs am Farbensehen höchst unwahrscheinlich, obgleich natürlich zuzugeben ist, dass ^Yir mittelst des Purpurs und der Stäbchen (ohne die Zapfen) das Spectrum nicht nur wahrnehmen, sondern auch in Grau schattirt, ähnlich wie der Farbenblinde, auffassen würden. Unsere Erfahrungen über das Vorkommen und Verhalten des Sehpurpurs sind so sehr in Uebereinstimmung mit M. Schult zfis Hypothese von der physiologisch-chromatischen Be- deutung der Zapfen und Stäbchen, dass es nur des Hinweises darauf bedarf um alle Hoffnungen herabzustimmen, die man etwa auf die Optographie im Sinne specifischer Farbenwahrnehmung setzen mochte. Gelänge es dagegen, wie bei der Photographie, die rothen Stäbchen zur Annahme und Wirkung auf photographische Ent- wickler zu bewegen, wo erst die leisesten Anfänge der Verfärbung des Sehpurpurs begonnen haben, so müsste es gelingen. Alles, was wir peripherisch hell und dunkel sehen, optographisch dar- zustellen, wenn anders die zahlreichen durcheinander klingenden Nachbilder des täglichen Lebens im Optogramm entwirrbar wären. Wie die chemische Nerventastatur der Stäbcheninnen- glieder durch solche minimale Pui'purzersetzungen zum Anschlage kommt, bleibt zwar so wunderbar, wie je zuvor, aber das Factum bürdet uns nichts Wunderbareres auf, als das, welches wir alle Tage an unseren Kiechzellen erleben. Trotz Regeneration des Purpurs im Leben wie im Ueber- leben sind somit Optogramme intra vitam möglich : hier ist der Beweis. Nachdem das vorhin erwähnte Fensterbild, das dafür hätte genügen können, erhalten, aber zufällig nur von 2 Personen 94 W. Kühne: betrachtet war, wurde am 16. Januar 11 Uhr 40 Minuten ein farbiges Kaninchen aufgebunden, der Kopf gut fixirt und mit dem rechten Bulbus in Entfernung von 1,5 Meter vor einem viereckigen Ausschnitte im Fensterladen, von 23 Ctm. Höhe, 27 Ctm. Breite aufgestellt. Das Auge war nicht durch Fäden fest- gehalten, da sich herausstellte, dass Kaninchen es nach Ein- führung des Lidhalters gar nicht zu bewegen pflegen, wenn man kein Geräusch macht. Der Ladenausschnitt befand sich in der Höhe der untersten Scheibenreihe und war durch gewöhnliches Fensterglas gedeckt, während der Kaninchenhalter tiefer auf Stühle gestellt war. Die Richtung des Auges gegen den trüben und bewölkten Himmel wurde so erzielt, dass man mit dem Hinterkopfe im Ladenausschnitte nach der Cornea visirte und die Stellung des Kaninchens ausprobirte, bei welcher das Spiegel- bild des Himmels an der Cornea, deren Centrum zu entsprechen schien. Anderes Licht fiel nicht in das Zimmer. Das Auge wurde 5 Minuten mit einem schwarzen Tuche bedeckt, 3 Minuten exponirt, der Kopf abgetrennt, der Bulbus vor der Natronflamme im anstossenden Dunkelzimmer eiligst exstirpirt, geöffnet und sofort in 4 p.ctg. Alaunlösung gelegt, was so rasch zu Stande kam, dass Br. Eivald den zurückerhaltenen Kopf schon 2 Minuten nach Beendigung der Lebensexposition, mit dem linken Auge dem gleichen Verfahren unterziehen konnte. Die richtige Stellung des Auges zum Objecte musste hier einem glücklichen Griffe überlassen bleiben. Als am andern Morgen die milchweiss und zäher gewordenen Netzhäute vorsichtig im ganzen Umfange isolirt, vom Opticus abgeschnitten und gewendet wurden, zeig- ten sie auf prächtig rosenrothem Grunde je ein scharf be- randetes, nahezu quadratisches, helles Bild, das im zweiten Auge ganz weiss, wie mit dem Lineal gezeichnet, im ersten noch hell- rosa und etwas weniger scharf war. Die Grösse der Bilder, die beide auf den rötheren Netzhauttheil gefallen waren, betrug Ueber den Sehpurpur. 95 etwas mehr, als 1 □Mm.; sie verschwanden natiulich in dem Maasse, wie beim Betrachten im Tageslichte der Grund ausblich, jedoch langsam genug, um sie mehreren competenten Zeugen vor- legen zu können. Der ersten Mittheilung dieses Versuches (1. c.) ist verbessernd hinzuzufügen, dass durch ein irrthümlich genommenes Maass der lichtgebende Ausschnitt als quadratisch und zu 30 Ctm. Seite angegeben ist. Erst als der Irrthum sich auf- geklärt hatte, wurde die Abweichung des Optogramms von der quadratischen Gestalt verständlich und ich erinnere mich deutlich, dass die längere Seite des Bildchens in die Richtung des oben be- schriebenen, rothen Trennungsstreifen fiel, der horizontal in der Netzhaut liegt. Später wurde gelegentlich ein isolirtes Kaninchenauge unter sonst gleichen Umständen, vor dasselbe Object gehalten und darin ein Bildchen gesehen, das dem be- schriebenen Optogramm vollkommen entsprach. Um die gefundenen Optogramme mit grösster Sicherheit als solche, d. h. als Bilder wohl gekannter Objecte ansprechen zu dürfen, wurde in die Letzteren einige xVbwechslung gebracht. Das Fenster meines optischen Zimmers schien dazu geeignet und um die Rahmung leichter kenntlich zu machen liess ich dieselbe durch angenagelte Bretter bis auf 22 Ctm. verstärken. Nachdem ich die unterste Scheibenreihe mit gelbem Glase verstellt hatte, befestigte ich ein albinotisches Kaninchen, dessen Auge nur mit einem Diaphragma belegt war, so hinter und unter dem Fenstef, dass der Abstand der Cornea bis zur ersten farblosen Scheibe 1,75 Meter betrug. Brachte man das eigene Auge an die Stelle des Kaninchenkopfes, so sah man, schräg und aufwärts blickend, durch alle Theile des Fensters nur den Himmel. Die Entfernung bis zum Bogenschlusse des Fensters betrug mehr als 3 •Meter. Wieder wurde das Thier einige Minuten mit einem Tuche bedeckt, durch Entfernen des letzteren, 3 Min. gegen den stark bewölkten, höchst trügen Himmel (11 Uhr) exponirt, decapitirt, das Augesofort 96 W- Kühne: exstirpii't, geöffnet in Alaun gelegt und 2 Min. später das andere Auge im Kopfe ebenso behandelt; liier war bei kurzer Betrachtung des umgestülpten Augengrundes im Tageslichte auf der schön rosafarbenen, schlüpfrig glänzenden Fläche kein Bild zu erkennen. Um so mehr überraschte der Anblick nach 24stün- digem Liegen in Alaun: die Rückseite der Netzhaut dieses ab- sterbend exponirten Auges zeigte das vollkommene Bild des Fensters, mit 2 Pieihen Tiereckiger Ausschnitte und einer darüber befindlichen Halbmondfigur, weiss auf rothem Grunde, mit scharfen, rothen Kreuzen. Das Bild begann an dem rothen Trennungs- streifen der Pietina und zeigte nach unten starke perspectivische Verkürzung, besonders der oberen Scheibenreihe und des Bogens. Da der Kopf normal auf dem Unterkiefer gelegen hatte, musste der oberste Theil des Fensters im Auge nach unten liegen, so wie es im Bilde gefunden w^urde. Die starke Verkürzung in der Figur ist nach den angegebenen Entfernungen des untern und obern Fensterrandes vom Auge selbstverständlich und ein albi- notisches Auge, das zum Vergleiche in derselben Lage gegen das Object gehalten wurde, lieferte mit seinem gleich gestalteten Bilde die Bestätigung dafür. Der Versuch zeigt zugleich in sehr schlagender Weise, welche vortreftlichen Optogramme in der Stäbchenschicht vorhanden sein können, ohne dass sie sich beim Anblicke der Netzhaut von vorn verrathen, denn an diesem albinotischen Auge war auf dem einfach umgestülpten Grunde wohl die schönste Purpurfarbe kenntlich, aber, wie schon bemerkt, keine Schattirung wahrzu- nehmen, die auf ein Bild, geschweige denn auf ein so scharfes und immerhin recht grosses hätte schliessen lassen. Auf der umgekehrten Netzhaut des ersten, im Leben expo- nirten Auges fand sich bei diesem Versuche kein ordentliches Optogramm, sondern nur eine kaum bemerkbare, fleckige Aus- bleichung, von der es dahin gestellt sein mag, ob sie nach Grösse lieber den Sehpurpur. 97 und Anordnung dem, im andern Auge postmortal entstandenen Bilde entsprach. Die Lichtintensität war in beiden Versuchen, soweit der Augenschein darüber urtheilen Hess, an dem trüben Himmel unverändert geblieben, das Wetter überhaupt so schlecht, wie denkbar, aber gerade darum sehr geeignet, um die Differenz der Lichtwirkung intra vitam und post mortem zu zeigen. Ge- nügten die Umstände im ersteren Falle zur Optographie nicht, so konnte es nur daran liegen, dass im Leben die Regenerations- vorgänge mächtiger sind, als im Ueberleben, und dass die letzteren im ersten Falle bei der grade vorhandenen Intensität und an- gewendeten Belichtungszeit noch ausreichten, um an Stelle des entfärbten Purpurs neuen zu setzen. Seit diesem Versuche habe ich noch mehrere in ähnlicher Weise am Lebenden z. Th. mit gutem Erfolge ausgeführt, doch muss ich mich an dieser Stelle beschränken, nur im Allgemeinen mitzutheilen, dass es guten Lichtes bedarf, um nach einigermaassen kurzer Zeit (3 — 5 Min.), wie es aus manchen Gründen für das Experimentiren am unvergifteten Thiere wünschenswerth ist, auf scharfe und farblose Optogramme rechnen zu dürfen. Da die Ausbildung der Optographie am Lebenden erst die Methode schafft, um dem photochemischeu Processe des Selieactes nachzu- gehen, erfordert sie sorgfältigere Bearbeitung, als ich augenblick- lich zu bieten vermag. Dass die postmortale Optographie keine ernsten Schwierig- keiten bietet, erhellt aus dem Vorigen. Ich habe selbst leider lange nicht geahnt, dass das Experiment, dessen Aufnahme unter die Vorlesungsversuche in Zukunft anzunehmen ist, so einfach sei, wie es in Wirklichkeit ist. Man bedarf dazu nur eines frischen Auges und eines geeigneten, gegen den Himmel zu richtenden Objectes. Tageslicht reicht immer aus, auch, das schlechteste. Wer Oberlichter benutzen kann, braucht entweder gar keinen Ai)parat, oder höchstens einen dunkeln Kasten, zu dem Kühne, Uutersuchuugeu I. 7 98 W. Kühne: das Object den Deckel bildet. Um Kopf, Auge und Object schräg zum Himmel zu richten, ist eine geeignete Vorrichtung einfachster Art wünschenswerth. Unter den hiesigen Käumlichkeiten benutze ich gern einen grösseren Saal von 18 Met. Tiefe, der von zwei gegenüberliegen- den Seiten durch je 3 grosse Fenster, von der Mitte der Decke durch 2 horizontale Fenster Licht von oben erhält. Die zum Object dienenden Oberlichter sind matt verglast und werden durch ein nach Norden gerichtetes, schwach geneigtes Glasdach von be- deutender Grösse erhellt. Der eiserne Rahmen dieser Fenster, mit sehr dünnen Kreuzen, hat 3,16 Met. und 2,27 Met. Seite und befindet sich 3,98 Met. über dem Auge, wenn ich dasselbe auf den gewöhnlich dazu benutzten Tisch lege. Parallel mit der kurzen Seite des Oberlichtes wurden in gleichem Abstände von der Mitte 60 Ctm. breite Bretter über die Scheiben gelegt, um einige Anhaltspunkte mehr im Optogramm zu bekommen. Im Kaninchenauge erhalte ich auf solche Weise weiss ausge- sparte, ziemlich genaue Rechtecken von 6 und 4 mm. Seite mit zwei sie rechtwinklig kreuzenden, rothen Streifen von 1 — 1,3 mm., falls das Auge mit nahezu senkrechter Sehaxe gegen die Mitte der Lichtöffnung gestellt wurde, was am Bulbus leicht durch Auflegen auf die Oeffnung eines Gläschens, beim Kopfe durch eine weiche Tuchunterlage erreicht wird. Sind die Bilder recht scharf und in einer tief rothen Netzhaut, so enthalten sie seitlich ge- legen das des zweiten Oberlichtes in Form eines schmalen Tra- pezes, perspectivisch verkürzt. Oefter habe ich auf einer Seite noch die 3 Lichtstreifen, welche die Seitenfenster an die Decke werfen, angedeutet gefunden. Im Ochsenauge erzielte ich unter gleichen Umständen Bilder von 17—18 mm. längster Seite, also 3 mal grössere, als im Kaninchenauge. Um das Auge vor der Belichtung einzustellen, genügt jede zur Hand befindliche Be- deckung, ein Kästchen, ein dunkles Tuch u. dergl. Obwohl es üeher den Sehpurpur. 99 nicht gerade iiöthig ist, thiit man zur Gewinnung schärferer Bilder gut, das Auge in den ^Mittelpunkt eines geschwärzten Papp- ringes zu legen; ich nehme denselben 40 Ctm. weit und etwa 40 Ctm. hoch. Nach einer grossen Zahl so angestellter Versuche, Ayelche besonders zur Kenntniss der richtigen Expositionszeit und der nöthigen Frische der Augen führen sollten, vermag ich über die erstere leider sehr wenig anzugeben. Dem Vernehmen nach geht es erfahrenen Photographen damit nicht besser; man be- kommt einen gewissen Blick für die Beschaffenheit des Himmels und richtet sich darnach, ohne andere Eegeln angeben zu können. Ich habe bei jedem ^yetter Optogramme erhalten, bei Biegen, Schnee und Hagel, und von 1 bis zu 20 Minuten mit Erfolg exponirt. Die Zeit von 11 — 2 Uhr schien mir immer die beste, der Nachmittag dem Morgen stets nachzustehen. Je intensiver das Licht ist und je kürzer die Exposition zu sein braucht, desto besser werden die Optogramme. Hinsichtlich der Zeit nach dem Tode stellte sich ganz allgemein heraus, dass die Exposition immer anfänglich die längste sein muss, dann kürzer, nach einiger Zeit wieder länger zu nehmen ist. Ist z. B. ein eben getrennter Kaninchenkopf mit dem ersten Auge 5 Minuten zu exponiren, so erhält man beim zweiten, sofort darauf, in 3 Minuten ein Bild von gleicher Schärfe und den Grund von gleicher Purpurfärbuug, während man unter gleichem Lichte bei einem 30 Minuten alten Kopfe wieder 5 — 7 Minuten, nach 1 und 1^2 Stunden noch mehr braucht. Ich will zwar nicht behaupten, dass Augen, die eine Stunde und darüber im abgetrennten Kopfe verweilt haben, keine Optogramme mehr geben können; um ein gutes Bild zu erhalten dürften aber 60 — 90 Minuten die Grenze sein; Ochsenaugen scheinen nicht länger als 1 Stunde tauglich zu bleiben, doch habe ich mit denselben niemals anders als nach dem Herausnehmen gearbeitet, was beim Kaninchen die Zeit der Brauchbarkeit ab- kürzt. Wahrscheinlich wird auf letztere die Temperatur grossen 100 W. Kulme: Einfluss haben. Um Andern Mühe und Zeit zu sparen , ist noch hinzuzufügen, dass man im eben getrennten Kopfe, der öfter schnappende Bewegungen macht und Zuckungen an den Augen zeigt, zur Verhütung dieser Gefahr für die Optogramrae das Hirn mit einer elastischen Sonde gründlich zerstören muss. Die Bedeutung der unmittelbar nach dem Tode unumgäng- lichen Nothwendigkeit, die Exposition länger zu nehmen, als etwas später, scheint mir in dem Fortbestehen des Regenerations- vermögens zu liegen, das vermuthlich um so länger anhält, je weniger das Auge berührt wurde, also im Kopfe länger, als im isolirten Bulbus, in diesem länger, als im eröffneten Auge, wäh- rend ich für das viel später sich geltend machende Bedürfniss die Belichtungszeit wieder und mehr zu steigern, als im Zustande des Ueberlebens, auf die Annahme zurückkomme, dass die trüb gewordenen Medien mit Einschluss der Retina jetzt vorzugsweise langwelliges, den Purpur sehr langsam zersetzendes Licht durch- lassen. Ein anderer Grund dürfte kaum zu finden sein, denn wenn man solche abgestorbene Augen, die kein Optogramm mehr geben, betrachtet, so sieht man auf der Sklera Bilder, die den anfänglichen kaum nachzustehen scheinen. Dass hier die Netz- hauttrübung wesentlich sei, bezweifle ich nicht, weil man an Netzhäuten, die mehr als eine Stunde alt sind, deutlich sehen kann, dass sie auf einer Porcellanplatte rascher ausbleichen, wenn man sie mit der Stäbchenseite gegen das Licht, als wenn man sie umgekehrt hinlegt, eine Differenz, die an frischen Netz- häuten der Säuger oder an der Retina des Frosches kaum wahr- zunehmen ist. Zuweilen bekommt man Optogramme, die durch einen eigen- thümlichen Umstand entweder verschärft oder verdorben sind. Nach langer Belichtung besonders heben sich an den Alaunpräpa- raten häufig schwarze Pigmentfetzen mit der Retina ab, die nicht zu entfernen sind und entweder vom Bilde etwas verdecken, Ueber den Sehpurpur. 101 oder so an den Grenzen scharf absetzen, dass das Bild im posi- tiven wie im negativen Sinne verschärft erscheinen kann. Dasselbe ist mir einige Male bei im Leben aufgenommenen Optogrammen vorgekommen und dürfte dort doppeltes Interesse bieten, weil die von Czcrmj zuerst bemerkte Beweglichkeit des Pigmentes zwischen den Stäbchen, die, wie ich jetzt schon sagen kann, in einem gewissen Zusammenhange mit der Belichtung und mit den restitutiven Vorgängen nach der Belichtung steht, dabei im Spiele zu sein scheint. Für mich enthielt die Thatsache die Nöthigung, zu prüfen , ob nicht Optogramme gewissermaassen umgekehrt entstehen können, indem die Stäbchen bei der Trennung vom Epithel an der Retina abreissen und im dunklen Augengrunde, wo man ihre Farbe übersehen würde, stecken bleiben; die cor- respondirenden Stellen der Netzhaut würden dann auch farblos sein. So oft ich indess mit der Flachscheere aus den weissen Stellen der Optogramme Läppchen der hinteren Retinafläche ab- schnitt, habe ich die im Alaun sehr kenntlich bleibenden Stäb- chen niemals vermisst. Ueberall wurde der Rasen dieser Ge- bilde continuirlich gefunden, im weissen Theile so gut, wie in dem rothen. Weit schlagendere und zierlichere Bilder, als die vorhin besprochenen, habe ich von kleineren, stark genäherten Objekten erhalten, die mit Hülfe des erwähnten Pappringes über die Augen gelegt wurden. Der Pappring bestand aus zwei ineinander ver- schiebbaren Ringen, so dass die Entfernung des die Objecto tragenden Deckels, wozu eine matte Glastafel oder auf Rahmen gespanntes Oelpapier diente, von 18 — 30 Ctm. zum Auge ge- wechselt werden konnte. Mit diesem sehr primitiven Apparate habe ich die meisten Optogramme hergestellt, gewöhnlich unter freiem Himmel. Auf dem matt durchsichtigen Deckel wurden die Objecto aus schwarzem, undurchsichtigem Papier gebildet, indem z. B. Streifen von 4 Ctm. Breite in ebensolchen Abstän- 102 W. Kühne: den neben einander lagen. Ueber diese kamen Pappscheiben mit quadratiscliem, dreieckigem oder kreisförmigem Ausschnitt, so dass man durch Verstellung der eckigen Diaphragmen zur Richtung der Streifen, oder durch Drehung des ganzen Objects zur Kopfaxe die mannigfaltigsten Bilder erzeugen konnte. Es würde zwecklos sein, über alle so erhaltenen Optogramme zu berichten, denn sie stimmten sämmtlich darin überein, dass sie die zu erwartenden verkleinerten Copieen der einfachen geome- trischen Figuren darstellten. Waren die Augen schief unterge- legt, so zeigten die Optogramme entsprechende Verzerrungen. Es kann nicht die Aufgabe der physiologischen Optik sein, die Optograpbie zu der Vollkommenheit zu bringen, deren sie unter den geschickten Händen photographischer Techniker fähig sein mag. Ich habe mir aber das Vergnügen nicht versagen mögen, einige complicirtere Objecto optographisch aufzunehmen, so die Gartenseite des hiesigen Laboratoriums und ein mensch- liches Bildniss. Beide lassen bis heute viel zu wünschen übrig; von dem Hause war die Fensterreihe unverkennbar, an dem Kopfe (das Object war die S. 76 erwähnte, sehr grosse Photo- graphie auf Glas) nur die Umrahmung, die Haargrenzen, Bart und Hemdkragen. Wer Müsse dazu hat wird wahrscheinlich mehr erreichen und mit solchen Objecten annähernd ermitteln können, bis zu welcher Grenze die photochemische Zersetzung des Sehpurpurs Unterschieden der Lichtintensität folgt. üebev den Sehpurpur. 10-5 Erklärung der Tafel I. Die nebenstehenden Abbildungen machen nicht den Anspruch, genau zu sein, wie es von bildlichen Darstellungen zu wissenschaft- lichem Gebrauche gewünscht wird, denn es hat bisher kein Zeich- ner Garantie für die Treue der Handcopie einer flottirenden Mem- bran, deren Aussehen sich beim Betrachten fortwährend ändert, übernehmen wollen. Die Abbildung getrockneter Optogramme auf convexer Unterlage von kleinem Radius hätte vollendetere Technik erfoi'dert, um mehr als Das zu zeigen, worauf es ankam. Zur Verdeutlichung des im Texte Gesagten dürften die aus dem Gedächtnisse unter Anfrischung desselben durch neu hinzugekom- mene Präparate, welche eine Reihe von Modellen bildeten, noch willkommen sein. Fig. 1. Kaniucheunetzhaut ohne Optogramm. a. Ausschnitt mit dem Locheisen an Stelle des Seli- nerveneintritts ; b. weisser Streifen der markhaltigen üpticusfaseru, worin rothe Linien die Blutgefässe bezeichnen. c. der rothe Treunungsstreif, darüber die blassere, darunter die intensiver purpurrothe Netzhauthälfte, Fig. 2. 3. 4. 5. Optogramme: 2 eines Ladenausschnittes (S. 94). 3 eines Bogenfensters (S. 96). 4 eines Oberlichtes (S. 98). 5 eines näheren Streifenobjectes (S. 101). Die Abbildungen beziehen sich auf Alauupräparate. ■<3eB- larl Wmler's L'niversililsliurhh.indlung in Hudelb«^ W. Kühne: Vci'hrcitung d. Sehirarpuis i. mcnsehl. Auge. 105 lieber die Verbreitimg des Selipurpiirs im meuscbliclien Auge. Von W. Küliiie. Durch die gütigen Bemühungen eines befreundeten Arztes ist mir die kaum erwartete Gelegenheit geworden, menschliche Augen von so vollkommener Erhaltung zu untersuchen, dass ich mit grösserer Sicherheit als früher (Heft 1, S. 35) die Verbreitung des Sehpurpurs in denselben zu bestimmen vermochte. Der Tod der etwa 40jährigen, an Lungenphthisis leidenden Patientin war Nachts in einem unbeleuchteten Zimmer eingetreten und ich er- hielt die im Natronlichte exstirpirten Bulbi am andern Mittage nach sorgfältigster Conservirung derselben in Eis. Die Cornea zeigte keine nennenswerthe Trübung und das ganze sehr schwach pigmentirte Auge mit zarter Sklera und blauer Iris war so durchsichtig, dass man von vorne den Hintergrund mit der Papille und den Gefässen vortretflich sehen konnte, wenn es gegen die Natronflamme gerichtet wurde. Dem entsprechend schimmerte bei umgekehrter Stellung und passender Entfernung der Flamme deren Bild deutlich durch die Sklera. Nach Halbirung der Augen im Aequator gelang die voll- ständige Entleerung des Glaskörpers leicht, und unter Salzwasser gebracht erschienen die Hintergründe vollkommen glatt, ohne Plicae centrales, wähi-end man bei kurzer Beleuchtung mit der Gasflamme den gelben Fleck und die Fovea centralis schwach Kühne, Uutersiicluiugüu I. 8 106 W. Kühne: angedeutet erkennen konnte. Ebenso meine ich bei der ausser- ordentlich geringen Pigmentirung dieser Augen eine durch den Sehpurpur bedingte Nuancirung des hellbräunlichen Grundes in situ wahrgenommen zu haben, der Art, dass die Fläche nach dem Abheben der Netzhaut auffällig weniger röthlich erschien. Nach Behandlung der Papille mit dem Locheisen Hessen sich die Ptetinae zwar ohne Ptisse und pigmentfrei, aber nicht so leicht wie gewöhn- lich an Leichenaugen abziehen. Auf ein grosses Deckglas ziem- lich glatt ausgebreitet zeigten sie vortreffliche Purpurfarbe, etwa so, wie die Netzhaut des Kaninchens. Am gelben Flecke und in der ausserordentlich deutlichen Fovea war keine Spur von Röthe zu erkennen und im Umkreise von etwa 2 Mm. um die Macula war die Purpurfärbung auffällig schwach. Erst bei der mikroskopischen Betrachtung zeigte sich, wie ausserordentlich vollkommen die zartesten Elemente der Netzhaut erhalten waren, denn es fand sich nicht nur an der Fovea keine Substanzlücke, sondern es war hier die Mosaik der feinsten, dicht- gedrängten, langen Zapfen und weiterhin die der von Stäbchen umkränzten Zapfen in der Macula mit solcher Schärfe zu sehen, wie dieses in Max Schultse's bekannter Abbildung dargestellt ist. Im Beginne der Beobachtung, welche in möglichst gedämpftem Tageslichte vorgenommen wurde, waren auch nur wenige Krümmungen und Hirtenstabformen an den Aussengliedern der Stäbchen und Zapfen zu bemerken. Selbstverständlich erschien die gelbe Färbung der vorderen Netzhautschichten der Macula bei dieser Art der Betrachtung sehr ausgeprägt, mit schärferer Begrenzung gegen die Fovea, als gegen die äusseren Theile. In der Fovea war davon nichts wahrzunehmen. Während man an den aufgerichteten Stäbchen der peripheren Netzhauttheile den Purpur auch mikroskopisch vollkommen zu erkennen vermochte, war es nicht möghch, irgend welche Fäi'bung an der Fovea zu constatiren. Die Betrachtung der Stäbchenflächen im gelben Verbreitung des Sehpurpurs im menschlichen Auge. 107 Flecke führte zu keinem recht entscheidenden Urtheile, weil die gelbe Unterlage störte, aber ich kann auf das bestimmteste an- geben, dass die Stäbchenaussenglieder der äusseren, noch gelben und vollends der nächst äusseren, vorher kaum als gefärbt er- kennbaren Regionen, roth erschienen, als durch Zerren mit der Nadel Falten auf der Fläche erzeugt waren, an denen viele solche Stäbchen übereinander geschichtet auf der Seite lagen. Eine Falte, die mitten durch die Fovea und die centralen Theile der Macula gefallen war, liess dort aber kein Roth auftauchen. Wo das Letztere überhaupt zum Vorschein kam, verschwand es, wie der übrige Sehpurpur, bei längerer, schwacher Belichtung, indem es zunächst in gelbliches Chamois überging. Am vorderen Abschnitte der Bulbi fand ich die Grenze des Purpurs, wie früher, in diesem Falle 3 — 4 Mm. hinter der Ora serrata und die Pars ciliaris natürlich frei von entsprechender Färbung. Grüne Stäbchen, wie die von Boll im Froschauge entdeckten, waren in der menschlichen Netzhaut nicht zu finden, ebensowenig graue oder farblose zwischen den rothen, denn wo nur ein farb- loses Element in den röthesten Theilen zum Vorschein kam, war dasselbe nach aussen, an dem geringeren Durchmesser und bei tieferer Einstellung, an der Gestalt des Innengliedes als ein zwischen den Stäbchen stehender Zapfen zu erkennen. Nach diesen Beobachtungen dürfte die für die ganze Thier- reihe gültige Thatsache der Abwesenheit des Sehpurpurs in den Zapfen auch für das Auge des Menschen unzweifelhaft sein. Dagegen wird es eineuerter Untersuchungen bedürfen, um fest- zustellen, ob in der Macula lutea, wenigstens nahe der Fovea, nicht echte Stäbchen ohne Purpur vorkommen, eine Frage, welche auch für die dem blossen Auge farblos erscheinende Zone an der Ora serrata nocli der Beantwortung harrt. In unserem Falle war es für die letztere Untersuchung, während des Aus- 8* 108 W. Kühue: Verbreitung des Selipnrpurs im inensehl. Auge. messens am Lichte, leider zu spät geworden. Wie im Vogelauge um intensiv und lichtbeständig pigraentirte Zapfen gruppirt, pur- purfreie Stäbchen vorkommen, so könnten sich solche auch beim Menschen hinter dem nicht bleichungsfähigen, gelben Schirme der Macula finden, wenigstens da, wo derselbe kurzwelliges Licht am vollkommensten ausschliesst. So bevorzugten Stäbchen könnte dann auch für die Vermittlung farbiger, wenigstens dem rothen Spectraltheile entsprechender Empfindung, etwas von der Bedeu- tung zukommen, welche man, nach den jetzt am Menschenauge festgestellten Verhältnissen, wohl allgemeiner (vergl. S. 93) un- bedenklich den purpurlosen Zapfen zuschreiben wird. Heidelberg, den 21. April 1877. W. Kühne: Beobachtungen üb. d. S(^hpurpur tl. Menschen. 109 Weitere BeobachtiiDgen über den Selipurpur des Mensclieii. Von W. Küliiie. Am 24. d. M. war ich abermals in der Lage, frische menschliche Augen von gleicher Conservirung, wie die in der vorigen Mittheilung beschriebenen, zu erhalten. Die 22 Jahre alte Patientin war am Tage zuvor Mittags einem Ileotyphus erlegen; 10 Minuten vor dem Tode war das Krankenzimmer verdunkelt und es war in die wiederum an der Natronflamme exstirpirten Augen kein Licht gefallen, bis dieselben einen Tag später, 10 Uhr Morgens zur Untersuchnns kamen. Während einer längeren Keise war die Eisconservirung mit Hülfe einer zweckmässig construirten Eisbüchse, die für den Zweck in trans- portabeler Gestalt angefertigt war, fortgesetzt worden. An den Augen war die graugrünliche Iris durch die klare Cornea noch scharf zu erkennen, ebenso die helle Scheibe des eintretenden Sehnerven, wenn man von vorn gegen die Natron- flamme blickte ; dagegen war bei der ziemlich starken Entwick- lung des Pigmentes nichts von den Gefässen des Augengrundes zu bemerken, obwohl die Flamme nach Umkehrung des Auges ihr Bild deutlich auf der hinteren Sklerafläche verzeichnete. Beim Eröffnen des ersten Auges durch den Aequatorialschnitt schlüpfte die hintere Eetinahälfte mit einem grossen Theile des Glaskörpers heraus, indem sie in ziemlich weitem Umkreise um die Papille 110 W. Kühne: und den gelben Fleck abriss; bei dem andern Auge gelang das Herausnehmen besser, aber in keiner Weise war es möglich, die vom Pigmentepithel leicht ablösbaren Netzhäute vom Glas- körper zu befreien: jedes kleinste Stückchen blieb hartnäckig an einem Klumpen des letzteren hängen, ein eigeuthümliches Verhalten, das sich auch an 2 Tage feucht in der Zimmerwärme aufbewahrten Proben nicht änderte. Den Purpur dieser Augen fand ich ausserordentlich blass, in der Aequatorialgegend geradezu hell lila, wie stark verdünnte, aber un- belichtete Purpurlösungen aus der Ptctina von Dunkelfröschen aus- sehend, während die Färbung im Hintergrunde, unweit der Macula lutea besser entwickelt war. Ob die Allgemeinerkrankuug diesen mir neuen Zustand bedingte, ob die Effecte der Belichtung 10 Min. vor dem Tode durch die epitheliale Regeneration nicht mehr verwischt werden konnten: diese und andere sich aufwerfende Fragen vermag ich nicht zu beantworten ; aber ich darf darauf aufmerksam machen, dass die letztere Auffassung nicht wohl zu vereinen ist mit der in- tensiveren Färbung der Gegend des Augeugrundes, in welcher Eeste von Optogrammen eher zu vermuthen waren, als in dem ganzen Umfange des aequatorialen Ptinges, wenn man nicht die Annahme machen will, dass die Epithelfunction am Aequator zuerst erloschen sei. Uebrigens war der Purpur auch an den best gefärbten Stellen so wenig entwickelt, dass er bei der mi- kroskopischen Untersuchung wohl kenntlich, aher doch nicht deutlich genug erschien, um hinreichende Gegensätze gegen die purpurfreien Stellen der Fovea und des centraleren Theiles der Macula darbieten zu können. Einen grossen Theil der Netz- häute habe ich daher zur Anstellung von Bleichungsversuchen verwendet, in Ermangelung unbedeckten Sonnenlichtes nicht im Spectrum, sondern bei Gaslicht, hinter den pag. 64 u. 65 dsr. Unters, beschriebenen farbigen Lösungen, wozu eben die schwache Retinafärbung besonders geeignet schien. Beobachtungen über tlen Sehpurpur des Menschen. 111 Im Blau-Violet sah ich den Purpur schon nach 8 Min. nahezu, nach 12 Min. vollkommen verschwinden, im Grün nach 20 und 25 Min.; im Roth war die Ditierenz gegen ein gleich- farbiges, im Dunkeln zur Controle aufbewahrtes Retinastück erst nach 3 Stunden bemerkbar, nach 5 Stunden der Uebergang in helles Chamois sehr deutlich, und erst nach 8 Stunden war hier die Farbe vollkommen gewichen. Unterschiede im Verhalten des menschlichen Selipurpurs zum farbigen Licht gegenüber dem der übrigen Wirbelthiere sind hiernach kaum wahrscheinlich. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Netzhäute gelang es nur an dem ersten Auge, wo der betreffende Lappen im Augengrunde haften blieb, die Macula mit der Fovea heil und glatt in die feuchte Kammer zu bringen, während die andere Netzhaut in der Fovea einen Substanzverlust von ovaler Gestalt erlitt. An beiden Augen überraschte mich die sehr geringe Aus- dehnung der gelben Färbung, die nur etwa die Hälfte der in den früher untersuchten Augen beobachteten zu betragen schien, und während ich früher die ganze Fovea im Gegensatze zu 31. Schult^e's colorirter Abbildung, in flacher Ausbreitung, von hin- ten gesehen nicht erkennbar durch die vorderen Retinaschichten gelb tingirt finden konnte, erstreckte sich hier das Gelb bis fast in's Centrum, so dass höchstens ein Kreis, dessen Durchmesser etwa 10 — 12 Zapfen einnahmen, sich ganz ungefärbt zeigte. Dazu fand sich noch ein Unterschied, indem in der ganzen Aus- dehnung des gelben Fleckes und sogar dessen Peripherie etwas überschreitend, nur eine Art dicht gedrängter Elemente zu sehen war, nämlich, wie ich nicht zweifle, nur Zapfen. Erst im Um- kreise der Macula, wo keine Spur von Gelb mehr zu sehen war. begannen die bekannten Figuren der in einiger Entfernung um die Zapfen gestellten Stäbchenkränze. An den letzteren fiel mir ausserdem auf, dass die Durchmesser der cylindrischen Aussen- glieder geringer waren, als die der Zapfen, und zwar auch dann 112 W. Kühne: noch, wenn man auf einen ziemlich weit hinter der Basis der conischen Zapfenaussenglieder gelegenen optischen Querschnitt einstellte. Ebenso auffällig war der etwa gleich starke Durch- messer der Zapfenenden mitten in der Fovea. Es ist nicht festzustellen, ob die letztgenannten Abweichungen etwas mit der typhösen Erkrankung zu schaffen haben, was hinsichthch der Zapfendicke und der Verbreitung des gelben Pigmentes ja denkbar ist; dass aber die Anordnung der Stäbchen und Zapfen, wie ich dieselbe bis jetzt gefunden, individuelle Differenzen beim Menschen in der Construction der lichtempfind- lichen Retinaschichten aufdeckt, dürfte nicht bezweifelt werden. Bei der geringen allgemeinen Purpurfärbung der beschrie- benen Augen war auf deren Unerkennbarkeit im hinteren Um- fange der Ora serrata, die mir hier wieder begegnete, kaum Ge- wicht zu legen und vollends musste ich darauf verzichten, die Abwesenheit des Purpurs durch mikroskopische Betrachtung der nach rückwärts aufgerichteten Stäbchen dieser Retinagegend zu constatiren. Indess habe ich nicht versäumt mir diese Theile in dem günstigen, frischen Zustande genauer anzusehen, den das Aussehen der trotz ihrer Vergänglichkeit wohl erhaltenen Zapfen überall sicherte, und ich muss sagen, dass mich der Stäbchenreichthum sowohl, wie die Menge der freilich im Baue modificirten, zapfenartigen Gebilde an der Ora serrata eini- germassen überraschte. Wenn ich bisher an den menschlichen Augen im Allgemeinen eine mehrere Millimeter breite Zone hin- ter der Ora ganz purpurfrei fand, so kann ich nach den eben genannten Beobachtungen nicht mehr zweifeln, dass dies nicht auf Stäbchenarmuth, sondern auf Mangel an Purpur in den reichlich vorhandenen Stäbchen beruht. Zu meinem Bedauern wurden Messungen der Fovea und des gelben Fleckes, welche zu anderen Untersuchungen weitere Ver- wendung fanden, in diesem, wie in den früheren Fällen versäumt Beobachtungen über den Sehpurpur des Menschen. 11 ;3 und ich muss mich darum auf die Angabe beschränken, dass an den liier besprochenen Augen, ganz abgesehen von der Ausbrei- tung der gell)en Färbung, die Entfernung der ersten Stäbchen- kränze vom Centrum der Fovea gerechnet, gewiss das Doppelte, wenn nicht mehr betrug, als an der in der vorigen Mittlieilung geschilderten Retina. Wie ich selbst suchen werde, bei künftigen Gelegenheiten diesen Mangel zu ersetzen, so werden hoffentlich andere Beobachter, welche öfter das Glück haben, frische mensch- Uche Augen zu untersuchen, gern ihre Aufmerksamkeit auf die jetzt sehr zu vermuthenden häufigeren, individuellen Unterschiede im Baue des wichtigsten Theiles unserer Netzhaut richten. Heidelberg, den 22. Mai 1877. 114 Mas Knies: Zur Chemie der Altersveränderungen der Linse. Von Dr. med. Max Knies. Die chemische Analyse der menschlichen Linse in ihren verschiedenen Entwicklmigsstadien, speciell die Kernbildung, ist bis jetzt eigentlich noch nie Gegenstand ernsterer Untersuchung gewesen. Und doch liegt die Wichtigkeit einer Kenntniss der- selben für viele physiologische und pathologische Vorgänge so auf der Hand, dass es unnöthig wäre, weitere Worte darüber zu verlieren. Während die bisherigen Versuche neben der schwierigen Bei- schaffung des nöthigen Materials hauptsächlich daran scheiterten, dass eine Verunreinigung, mit Blut besonders, nicht zu ver- meiden war, wenn ohne die Kapsel extrahirte Linsen ver- wendet werden sollten (vergl. Beclcer, Graefe-Sämisch's Hand- buch der Augenheilkunde IV. pag. 197), ist eine irgend erheb- liche Menge menschlicher Linsen mit der Kapsel fast gar nicht zu erlangen. Andere als menschliche Linsen zu verwenden, ver- bot aber der Umstand, dass zur genügenden Kernbildung ein gewisses absolutes Alter erforderlich ist, das von den zu Gebote stehenden Versuchsthieren nicht erreicht wird. Nachdem aber durch Kühne's Methode der Verdauung die einer chemischen Analyse der Linsenkerne im Wege stehenden Hindernisse, soweit sie auf der angegebenen Verunreinigung des Materials beruhen, Zur Chemie der Altersveränderungen der Linse. 115 eliminirt sind, habe ich auf Veranlassung dieses meines ver- ehrten Lehrers eine chemische Untersuchung der Substanz des Linsenkernes unternommen. Das jNIaterial hierzu bestand in ca. 150 ohne die Kapsel extrahirteu cataractösen Linsen, die von Professor Förster in Breslau extrahirt und durch die Güte von Professor Cohnheim ebendaselbst in den i3esitz von Prof. Kühne gelangt waren; sie waren in Alkohol aufbewahrt worden. Da die Aufbe- wahrungsflüssigkeit möglicherweise öfters gewechselt worden war und die Bestandtheile des Linsenkernes eben nur vermuthet werden konnten, so wurde von einer quantitativen Analyse abge- sehen. Zudem war durch die Aufbewahrung in Alkohol eine Bestimmimg des ursprünglichen Gewichtes und des Wasserge- haltes unmöglich geworden. Die Liusenkerne wurden nach völliger Erschöpfung mit Alkohol und darauf mit Aether in Wasser einmal aufkochen ge- lassen, um die Verdauung zu erleichtern, die durch einen etwaigen Aethergehalt des Materials etwas erschwert worden wäre. Sowohl der Alkohol-, als auch der Aetherauszug war quantitativ sehr unbedeutend; ersterer bestand wesentlich aus sogenanntem Myelin, letzterer vorwiegend aus Fett, zum Theil in Krystallen. Die so charakteristischen Cholestearinkrystalle fehlten in beiden vollständig. Am 5. Juni wurden die. so behandelten Linsen Morgens um ^2 10 Uhr mit 100 Cubikcentimeter Salzsäure von 0,2 ''/o und 1 Cubikcentimeter Pepsinglycerin bei 40 '^ C. der Ver- dauung unterworfen. Am 6. Juni Morgens waren die Corticalis- reste alle gelöst; es blieben die jetzt alle ziemlich gleich grossen und gleichmässig braun gefärbten Kerne übrig. Die überstehende Flüssigkeit wurde klar abgegossen und die Linsen von Neuem mit 100 Cubikcentimeter Verdauungsgemisch behandelt. Da bis Nachmittags 4 Uhr keine wesentliche Veränderunu' zu bemerken 116 Max Knies: war, so AYurden die Kerne im Porzellanmörser möglichst zerrieben, was bei der Härte derselben ziemlich schwierig war. Die wieder in den Verdaumigsapparat zurückgebrachte Masse zeigte sich am 7. Juni früh Morgens bis auf einen unbedeutenden flockigen Niederschlag völlig gelöst. Zur Erleichterung .der Trennung von Flüssigkeit und Nieder- schlag liess man letztern nach dem Erkalten erst völlig absetzen und filtrirte dann. Die Flüssigkeit gab die Reactionen des Peptons und unterschied sich in Nichts von einer durch Eiweiss- verdauung erhaltenen Peptonlösung. Der Niederschlag, der grösstentheils amorph war und nur spärliche Reste veränderter, aber noch kenntlicher Linsenfasern enthielt, wurde auf dem Filter gut ausgewaschen und dann mit einer Sodalösung von V2 °/o behandelt. Es löste sich hierbei der grösste Theil des Niederschlages auf und beim Ansäuern ergab sich erst beim ziemlichen Ueberschuss von Essigsäure ein flockiger Niederschlag, der demnach in seinem Verhalten dem sogenannten Nuclein ent- sprach. In wie weit in demselben auch Muciu enthalten war, liess sich bei der geringen Menge und dem Mangel an ent- scheidenden Reactionen natürlich nicht feststellen. Mikroskopisch war der. Niederschlag völlig amorph und eine etwaige Wägung wäre bei der geringen Menge voraussichtlich resultatlos ge- blieben und wurde deshalb auch nicht vorgenommen. Bekanntlich war die bisher allein versuchte Erklärung über die Kernbildung die, dass derselben eine Verhornung, eine Um- wandlung in Keratin entspreche (vergl. Becker 1. c. pag. 263). Es stützte sich diese Meinung hauptsächlich auf theoretische Spe- culationen und auf die Analogie in Aussehen und sonstigem Ver- halten mit der Epidermis, mit der ja die Linse genetisch völlig identisch ist. Die vorliegende Untersuchung hat aber nachge- wiesen, dass die Substanz des Linsenkernes nicht Keratin sein kann, dass dieselbe vielmehr eiweissartiger Natur ist. FreiHch Zur Chemie der Altersveränderungen der Linse. 117 zeigt sie gewisse Unterschiede im chemischen Verhalten andern Eiweissstoffen gegenüber, doch sind diesellicn nur von secundärer Bedeutung und können diese Thatsache nicht umstossen. Ob die erwähnten Verschiedenheiten auf blos mechanischem Wasserver- lust beruhen, oder ob sie vielleicht etwa einer Anhydridbildung entsprechen, welch Letzteres gewisse Wahrscheinlichkeiten für sich hat, lässt sich einstweilen nicht entscheiden. Die Zusammensetzung der Linse im Alter wird demnach mit Ausnahme des Wassergehaltes, wie qualitativ, so auch quantitativ nicht sehr verschieden sein von der, die Berzelins seiner Zeit für die menschliche Linse gefunden hat (cf. Frcij^ Histologie pag. 279), wenn man die dort gefundenen 2,4 ^/^ Filter- rückstand („die Wände der Linsenröhren") mit zu den Eiweiss- stoffen rechnet. Dem histologischen Verhalten nach müssen wir annehmen, dass die LTmwandlung des Globulins in einen, in den gewöhn- lichen Lösungsmitteln schwerer, wenn nicht unlöslichen, Eiweiss- körper an der Peripherie der Linsenfasern beginnt, sich zuerst als Membranbildung darstellt und erst später den ganzen Inhalt der Linsenröhren ergreift. Ob hierbei auch die Kerne der Linsenfasern chemisch sich verändern, Hess sich leider nicht eruiren. Die Menge des erhaltenen Nücle'ins war eben zu ge- ring, um Schlüsse zu erlauben. Ein Control versuch mit unge- fähr dem gleichen Volum Schweinslinsen, die wesentlich noch aus Globulin bestanden, liess in Betreff der Menge des Essig- säureniederschlags in der Sodalösung aus dem Verdauungsrück- stand der Schätzung nach keinen merkUchen Unterschied er- kennen ; demnach muss die Frage, ob in den Fasern des Kernes noch Xuclein enthalten sei, offen gelassen werden, wenngleich die Wahrscheinhchkeit für dies Verhalten zu sprechen scheint. Das Hauptresultat dieser Arbeit besteht also in dem Nach- weise, dass die Substanz des Linsenkernes nicht, wie man bisher 118 Zur Chemie der Altersveränderungen der Linse. allgemein annahm, Keratin, sondern ein Eiweissstoff sei, der sich wesentlich nur in seinen Löslichkeitsverhältnissen von den übrigen Proteinkörpern unterscheidet. Da auch die Linsenkapsel, wie von Eicald und Kühne nachgewiesen wurde, einen Eiweiss- körper und nicht elastische Substanz enthält, so besteht das ganze Linsen System mit Ausnahme der überall vorhandenen Extractivstoffe und anorganischen Salze im Wesentlichen aus Körpern der Eiw^eissgruppe. W. Kühne: Das Sehen ohne Sehpurpur. 119 Das Seilen olme Selipurpur. Von W. Küliiie. Die purpiu'freien Netzhäute vieler Vögel und Reptilien be- zeugen die Möglichkeit des Sehens ohne Sehpurpur und dass Theile der Netzhaut ohne Purpur sehen, beweist das Sehvermögen der Zapfen, welche nirgends purpurhaltig sind. Dass w i r ausser- dem alles Sichtbare ohne Betheiligung unseres Netzhautpurpurs sehen können und gewohnt sind zu sehen, beweist die gänzliche Abwesenheit des Purpurs in der Fovea centralis und in deren nächster Umgebung im gelben Flecke des menschlichen Auges und da wir diese Theile zum Fixiren gebrauchen , wobei be- kanntlich nicht nur Lichtintensitäten fein unterschieden und in der Empfindung localisirt werden, sondern auch sämmtliche Farben mit Einschluss von Schwarz und Weiss zur Wahrnehmung kommen, so wissen wir, dass allen Anforderungen, welche wir an ein Sehorgan stellen können, genügt wird ohne den Purpur. Man könnte hiernach an der wesentlichen Bedeutung des Sehpurpurs in den Stäbchen für das Sehen zw^eifeln und vollends die Hypothese unwahrscheinlich finden, nach welcher die photo- chemischen Bleichungsprodukte des Purpurs die Bedeutung chemi- scher Reize für das Opticusende im Sinnesepithel haben und um so mehr Bedenken, dagegen hegen, als es bei den Vögeln auch Stäbchen ohne Purpur gibt, welche doch gewiss sehen. Im Sinne der Hypothese den Purpur, wo er vorkommt, für das ausschliess- 120 W. Kühne: liehe actinische Reizmittel in den Stäbchen zu halten, ist schon wegen der geringen Veränderlichkeit des Farbstoffes im äussersten violetten, ultravioletten und rothen Lichte kaum statthaft. Es ist mir zwar bei bedeutender Intensität gelungen, mit dem reinen Roth und Orange ohne Gelb den Purpur nicht nur isolirter Froscb- netzhäute, sondern auch am lebenden Frosche vollkommen zu bleichen, allein man muss wegen der Langsamkeit der Entfärbung wol zweifeln, ob dieselbe bei der prompten und intensiven Em- pfindung in Frage komme, welche uns der Reiz des Roth, ganz ab- gesehen von der farbigen Wahrnehmung, welche die Zapfen vermit- teln dürften, erzeugt. Ungefärbte, actinische S eh reger, die hier neben den farbigen anzunehmen wären, welche vornehmlich auf die beiden Endfarben des Spectrums reagiren, würden zudem in den Stäbchen in der günstigen Lage sein, gerade dasjenige Licht zu empfangen, das der Purpur am wenigsten absorbirt. Abgesehen von der Wahrscheinlichkeit der photochemischen Er- regungshypothese im Allgemeinen hat deren specielle Annahme auf Grund des actinischen Verhaltens des Sehpurpurs so viel Ein- ladendes, dass ich sie beizubehalten gedenke bis sich entweder vollgültige Beweise dafür, oder damit ganz unvereinbare Thatsachen finden. Es sind auf die Hypothese so viele Hoffnungen zu setzen und sie verspricht noch im Falle der Widerlegung so fruchtbar zu werden, dass ihr nur Freunde, wie Gegner in gleichem Maasse zu wünschen sind, die letzteren besonders, um sie vor dem Schicksale zu bewahren, im Zustande des Problems für mehr als dieses genommen zu werden. Ich will es darum selbst nicht unterlassen auf Grund von Thatsachen eine Gegenhypothese an- zudeuten. Indem ich nach purpurreichen Sehorganen suchte und die grossen Sehstäbe des Flusskrebses vornahm, fand ich deren Färbung zu meiner Ueberraschung in so geringem Grade licht- empfindlich, dass bei diesem Auge jeder Gedanke an Verallgemeine- Das Sehen ohne Sehpurpur. 121 iiing der l)is jetzt am Sehpurpur der AVirbelthiere festgestellten Vorgänge schwinden musste. Icli fand den Purpur hier ent- sprechend der Beschreibung und Abbildung 3L Schnitze's vio- letter oder bläulicher, als den irgend eines Wirbelthieres: selbst recht intensiv oder dunkel gefärbte Stäbe erschienen mehr purpurviolet, als die in dieser Beziehung am meisten ausge- zeichnete Farbe der Eule. Da unter dem Miskroskope an der Färbung, trotz bester Belichtung, in Stunden keine auifällige Ab- nahme zu bemerken war, so dass ich auf den Gedanken kam, dass die immer seitlich mit schwarzem Pigment behafteten, farb- losen Schichten, welche sich zwischen die purpurnen Platten drängen, diese fortwährend regenerirten, versuchte ich die Blei- chung durch übermächtiges Sonnenlicht und nach sonstigen Ein- wirkungen, von denen ich annehmen konnte, dass sie den Rege- nerator vernichteten. Erwärmen auf 35 — 40'^C, hob die Färbung nicht auf, verlieh ihr jedoch auch keine ^'ergänglichkeit im Lichte; bei 47'^ C. begann Entfärbung im Dunkeln und eben- so wirkte gesättigte NaCl - Lösung. Hieraus allein erhellt schon die Verschiedenheit des Farbstoffes von dem der Wirbel- thiere. Abgestorbene und übelriechende Krebse boten nach dem Liegen in der Sonne noch die schönsten Stäbchenfärbungen dar, ebenso an der Sonne eingetrocknete, wieder befeuchtete und weiter besonnte mikroskopische Präparate des Augeninhaltes. Aus 24 Krebsaugen gelang es so viel der weichen jMasse zu ent- leeren, dass der Versuch des Auflösens in farbloser Galle zu machen war. Es ging freilich eine schwarze Tinte durch das Filter, aber das Pigment setzte sich in einem Tage so vollkonnnen zu Boden, dass ich eine schön violette Lösung klar abheben konnte. Die Operation war überflüssiger "Weise im Dunkeln gemacht worden, denn die Losung konnte durchaus nicht für lichtempfindlich gelten. Ich will zwar nicht sagen, dass die Farbe nach mehrtägigem Stehen im Freien unter gelegentlichem Kühne, Uutuvsueliimcjou I. 9 122 W. Kühne: Sonnenscheine nicht etwas verloren hätte, aber sie blieb doch noch in der stark gefaulten und getrübten Flüssigkeit sehr kennt- lich, und als ich die Glycocholsäure mit wenig Essigsäure aus- fällte, färbte sich der Niederschlag hellviolet und blieb so während einiger Tage. An den mikroskopischen Stäbchenpräparaten glaubte ich nach mehrstündiger Einwirkung der Sonne, namentHch wo weniger schwarzes Pigment die Stäbe umgab, etwas Abblassen in Lila zu bemerken: au eine irgendwie auffällige Lichtempfind- lichkeit war aber auch dabei nicht zu denken. Krebse, die ich lebendig ganze Tage im hellen Sonnenlichte gehalten hatte, zeigten endlich keine schwächer gefärbten Stäbe und hier war auch inten- sives farbiges Licht ohne Wirkung. Man wird nach diesen Be- obachtungen vermuthen müssen, dass bei vielen Wirbellosen eine nicht lichtempfindliche Stäbchenfärbung vorkomme, und ich muss bekennen, dass mir erst nach dieser Erfahrung das lange Ver- borgenbleiben der Lichtempfindlichkeit des Sehpurpurs verständ- lich wird, da fast alle Beobachter des Vertebratenpurpurs mit den Erinnerungen an lichtbeständige Farben Wirbelloser an die Arbeit gingen. Die leichtere chemische Zerstörbarkeit der letzteren dürfte auch den Gedanken zuerst erweckt haben, dass das Schwinden der Retinafärbung zu den Vorgängen des Absterbens zähle. Unter der Voraussetzung, dass die Sehstäbe der Wirbel- losen und deren aus Plättchen gebauter, bei vielen Species ge- färbter Antheil morphologisch und physiologisch den purpurnen Stäbchen der Wirbelthiere vergleichbar sei, kann die Indolenz der Farbe gegen Licht zu der Vorstellung führen, dass man auch den wahren Sehpurpur seiner Function nach für einen der vielen, farbiges Licht absorbirenden Stoöe halten müsse, womit wir das Auge in so auffälliger Weise ausgestattet finden, und dass er demnach dem gelben Pigmente in der macula lutea, den farbigen Oeltropfen bei Vögeln und Reptilien, der oft sehr Das Sehen ohne Sehpurpur. 123 entwickelten, gelben Linsenfärbung mancher Fische, sowie dem lebhaft orangefarbenen Trotoplasma. das jüngst Dr. Ewald in einer der vorderen Zellenlagen der Cornea vom Flussbarsch ent- deckte, anzureihen wäre. Dem Sehpurpur bliebe mit dieser An- nahme nur darin etwas Besonderes vorbehalten, dass er zugleich eine Art Adaption für das Licht, und in ganz hervorragender Weise, für farbiges Licht vermittelte. Die Eigenthümlichkeit des Purpurs in zwei Stadien zersetzt zu werden, indem zunächst Seh gelb entsteht, aus welchem erst fortgesetzte Belichtung das vollkommen farblose Sehweiss erzeugt, und die Eigenschaft des kurzwelligen Lichtes, das letztere Product am leichtesten herbei- zuführen, würden der Betheiligung dieses veränderlichen, farbigen Schirmes ^eine grosse Mannigfaltigkeit zuweisen. Indem die totale Zersetzung des Purpurs dasselbe erzeugt, wie starke Ver- dünnung der farbigen, das Stäbchenaiissenglied tränkenden Lösung und den Durchgang des Violet. neben Pioth durch die Pieste un- zerlegten Purpurs besonders begünstigt, der Anfang der Bleichung aber, weil er Sehgelb erzeugt, grade den Durchgang von Violet und Blau einschränkt, ohne das Roth zu hemmen, begreift man, wie der wechselnde Farbenschirm nicht allein bald für diese, bald für jene Farbe angreifbarer wird, sondern auch bald mehr von der einen, bald mehr von der andern durch das Stäbchen fallen lässt. in welchem dann noch weitere Wirkungen auf andere lichtempfindliche Stoft'e möglich würden. So viel ich sehe, würde die neue Hypothese übrigens keinen Gegensatz zur früheren ent- halten, sondern damit in viel versprechender Weise zu vereinigen sein. Denn, nehmen wir an. das purpurfarbene Stäbchen enthalte noch eine oder mehrere weitere, farblose, besonders durch Roth und Violet angreifbare Substanzen, so würden eben diese Strahlen beinahe ungehemmt dahin gelangen, während das übrige farbige Licht erst nach geschehener Bleichung hinzuträte, zunächst unter Einschränkung; des Violet. die bei gelbem und grünem Lichte 124 W. Kühne: am stärksten, bei blauem, hinlängliche Zeit oder Intensität vor- ausgesetzt, am geringsten wäre. So würde längere oder intensivere Belichtung sich je nach der Wellenlänge den Zugang zu den lichtempfindlichen Stoffen einerseits erzwingen, andrerseits er- schweren können. Nach solchen Ueberlegungen schien es mir vor Allem ge- boten, festzustellen, ob und Was ohne Sehpurpur oder nach dessen Ausbleichung noch gesehen werden könne. Ein Theil der Arbeit ist, wie eingangs angedeutet, bereits entbehrlich geworden oder durch unsere tägliche Erfahrung beim Fixiren vollzogen, aber wir wissen weder, ob wir mit unsern Stäbchen noch sehen, wenn der Purpur gebleicht ist, noch ob das Sehvermögen unserer Zapfen zur Zeit und unter Bedingungen, welche die benachbarten Stäbchen des Purpurs berauben, erhalten bleibt. Der Augen- spiegel lässt uns bis heute über die Veränderungen unseres Seh- purpurs im Unsichern, da zuverlässige Ophthalmologen dessen Sichtbarkeit in situ und im Leben überhaupt und wol mit PtBcht leugnen. Ich zweifle zwar nicht, dass unsere Frage dennoch schliesslich beim Menschen in Angriff" zu nehmen und damit endgültig zu entscheiden ist, aber bei der jetzigen Sachlage hielt ich auch Versuche an Thieren für ausführbar und nützlich. Schon S. 93, Heft 1, dieser Untersuchungen wurde behauptet, dass Frösche mit farbloser Retina noch sehen; ich hoffe den Beweis dafür durch die folgenden Beobachtungen bringen zu können. Im Leben erzielt man die Ausbleichung beim Frosche nach BoU bekanntlich durch längere oder sehr intensive Belichtung. Damit man sich keine falsche Vorstellungen von der Veränderhchkeit der Retinafärbung im lebenden Frosche mache, will ich darüber zu- nächst einige Erfahrungen anführen. Im Januar büel) die Retina von Fröschen, die von Morgens bis Abends im Freien auf weisser Unterlage gesessen hatten, von nahezu normaler Farbe, wenn der Himmel continuirlich bedeckt war, und im Juni habe ich es kürz- Das Sehen ohne Sehpurpur, 125 lieh erlebt, dass Frösche, welche am Morgen in der Sonne ge- sessen hatten, wobei sie den Purpur sicher einbüssten, während eines vierstündigen Gewitterregens im Freien wieder geröthete Netzhäute bekamen. Im direkten Sonnenlichte erfolgt dagegen die Ausbleichung namentlich im Sommer sehr rasch, etwa in 15 Min. Man hüte sich jedoch solche Thiere für geblendet zu halten, denn sie sehen und sehen offenbar gut, so gut, wie alle Frösche sehen, die bei diffusem mittlerem Tageslichte, im Sommer in etwa einer Stunde um iliren Purpur gekommen sind, und sie fahren fort zu sehen, ohne sich gegen die Sonne zu schützen und ohne etwa continuirlich neuen Purpur zu erzeugen. Bringt man sie in's Dunkle so stellt sich der Purpur nicht ..alsbald" wieder her, wie Boll irrthümlich angab, sondern wie ich fand und Boll seitdem bestätigt, später, als in einer Stunde, und die ersten bemerkbaren Spuren der Färbung kommen erst in etwa 30 Minuten zum Vorschein. Dieser Umstand ist von ausserordent- licher Wichtigkeit, denn wenn solche farblose Ptetinae wirklich noch sehen, so kann nicht davon die Rede sein, dass sie mit Hülfe eines in gleichem Maasse durch das Licht beständig ver- zehrten und ebenso beständig wieder hergestellten Purpurs sehen. Um die folgenden Versuche, zu welchen direktes Sonnen- licht erforderlich war, anstellen zu können, mussten die Frösche vor Erwärmung geschützt werden, sowohl zur Vermeidung von Täuschungen, welche die Empfindung der Wärme verursachen konnte, wie zur Verhütung des Todes durch Wärmestarre, welcher die Frösche auch in der kälteren Jahreszeit, in geschlossenen Gläsern, an der Sonne unerwartet früh erliegen. Ich habe des- halb alle Experimente unter einem beständigen Sprühregen kalten Wassers angestellt. Unzweifelhaft liebt der Frosch das Dunkle und sucht be- sonders bei massigem Lichte die dunkelsten Stellen auf, die er erreichen kann. Ausserdem hat er Vorliebe für die Enden und 126 W. Kühne: Ecken seines Gewahrsams, selbst wenn diese keinen Schatten bieten. Da ich unter Anderem die Platzveränderung der Frösche als Reaction auf Lichtempfindung benutzen wollte, so nahm ich Gefässe mit kreisförmigem Boden. Legt man über ein belichtetes Gefäss eine schmale Leiste, so marschiren Frösche darunter, deren Schatten entsprechend, in einer Reihe auf, die bei Raummangel oft sehr kunstgerecht durch Anlegen der Köpfe hergestellt und mit der Sicherheit der Sonnenuhr bewahrt wird. Gibt es in dem Räume gar keinen Schatten, so wendet sich der grösste Theil auffälliger Weise mit den Augen zur Sonne und starrt in den Himmel. Es fällt ihnen nicht ein, dem grellen Lichte den Rücken zu wenden oder sich zu ducken, sondern sie sitzen viel höher aufgerichtet, als sie es sonst gewohnt sind, mit abwärts gestreckten Vorderbeinen da. Während die Thiere sich zur Aus- nutzung eines ungenügenden Raumes im Schatten sehr gut einzu- richten wissen, sieht man sie in der Sonne niemals eine Anordnung treffen, durch welche sie sich etwa untereinander vor dem Lichte schützen könnten. Ebensowenig schützen sie das Auge durch Ein- ziehen oder Vorlegen der Xickhaut. Ich nahm eine grosse Porzellanschale mit ebenem, glattem Boden und befestigte darin einen Glasstreif, der den Fröschen den Zugang zu dem halbmondförmigen Schatten verwehrte, welchen der gegen die Sonne gelegene, senkrecht aufsteigende Schalenrand erzeugte und bedeckte das Ganze mit einer grossen Glasplatte, auf die das Kühlwasser rieselte. In wenigen Minuten sassen alle Frösche an dem nicht beschatteten Glasstreifen, wie sehnsüchtig nach dem dunkleren Platze schielend, und einigen kleineren Exemplaren gelang es wirklich, sich zwischen Glasstreif und Deckel durch- oder einzuzwingen. Wie gross das Bedürfniss demnach sein mag, dem Auge Ruhe zu verschaffen, so habe ich doch nie- mals beobachtet, dass die Frösche dasselbe nach einer unfern ge- legenen, beschatteten Mauer oder nach einem andern dunkeln Gegen- Das Sehen ohne Sehpnrpui-. 127 Stande, der ausserhalb des Behälters lag , richteten. Gab es keinen für sie erreichbaren schattigen Platz, so wurde von der ganz überwiegenden Majorität immer die Stellung und Blick- richtung genommen, welche die intensivste Lichtemptindung ge- währen musste der Art, dass wenn ich ihnen darin mit dem eigenen Auge zu folgen suchte, ich sofort, von dem wolkenlosen Himmel in der Nähe der Sonne geblendet, zurückprallte. Wie mir selbst, wird Jedem, der die Beobachtung anstellt, einfallen, der Frosch habe Scheu seine grössere Hautfläche, die in den meisten Fällen von der Sonne getroffen wird, der Er- wärmung auszusetzen, und dass er deshalb, ähnlich wie wir beim Baden, der Sonne nicht den Rücken wende. Als ich iudess wirk- lich geblendete, d. h. blinde, der Augen beraubte Frösche, die zum Vergleiche Wochen zuvor operirtund sehr munter waren, zu dem Versuche verwendete, fand ich bei diesen gar keine Neigung zur Auf- richtung und Drehung des Kopfes nach dem Lichte : von mehr als einem Dutzend sassen einige wohl in hochhockender Stellung, aber oft so, dass gerade der Rücken gründlich besonnt wurde; andere sassen geduckt, und niemals zeigte die Mehrheit Neigung die Sonnenseite des Gefässes zu bevorzugen. Da ich den Durchgang wärmender Strahlen weder durch das Glas, noch durch das Wasser in ausreichendem ^laasse verhindern konnte, versuchte ich wenigstens deren Effecte auf die Froschhaut zu mindern und construirte zu dem Ende ein Gefäss aus Weissblech von der Ge- stalt und den Dimensionen der bis dahin benutzten Porzellan- schalen, 7 Ctm. hoch, bei 28 Ctm. Durchmesser. Durch das Centrum trat am Boden die Mündung eines Leitungsrohres ein, das beständig erneuete Füllung mit kaltem Wasser bis zu einigen, 4 Ctm. höher, am Rande angebrachten Abflussröhrchen gestattete. Darin mussten die Frösche schwinmien und ich hatte es am Wasserhahne in der Hand, ihnen durch heftige Strömung das Erreichen und Festhalten der Sonnenseite beliebig zu erschweren. 128 W. Kühne: So fand ich die Tliiere nach kurzer Belichtung schon in ange- strengter Arbeit Kopf und Augen gegen die Sonne zu wenden und nach einiger Zeit hatten sie sich sämmtlich an dem entsprechenden Rande mit aufgereckten Köpfen versammelt, wo das Auge nicht den mindesten Schutz fand. Diese Lage wurde mit verzweifelten Anstrengungen, unter lebhaftem Gequacke länger als 15 Minuten, bis zur Ermüdung festgehalten und nach der Erholung wieder aufgenommen. An den blinden Fröschen zeigte sich nichts der Art ; diese schwammen vielmehr behaglich nach allen Richtungen umher. Hiernach ist es zweifellos, dass der Frosch mit dem Auge das blendendste Licht sucht, falls er demselben nicht entgehen kann. Da er bei vorhandener Wahl sich dem Lichte jedoch entzieht, so wird man nicht annehmen können, dass der Reiz des intensiven Lichtes ihm besonders gefalle; das Licht muss nur etwas Fesselndes für ihn haben, wie für so manche Thiere, die dem- selben zugehen, auch wenn es ihr Verderben ist. Der Frosch ist dabei jedoch in der günstigen Lage, nicht einmal an seinem Auge Schaden zu nehmen, denn er wird von der Sonne nicht geblendet, wie wir, sondern er fährt fort zu sehen, wie sich jetzt zeigen wird. Ohne Zweifel ist das Auge dem Frosche das wichtigste Organ, um Gefahr zu merken und ihr zu entrinnen. Ich kann blinde, aber darum nicht weniger lebhafte Frösche aus einer grossen flachen Schale, nach geräuschloser Entfernung des Deckels einzeln, nacheinander herausheben, ohne dass einer entschlüpft, wenn ich heftigere Bewegungen des Wassers vermeide, während ich die grösste Noth habe die sehenden Frösche umzusetzen, auch wenn sie stundenlang besonnt sind. Setzte ich blinde und sehende Frösche in grosse Glasaquarien, aus denen sie nicht herausspringen konnten, in die Sonne, so geriethen die letzteren bei der leisesten Annäherung, vollends nach einigen drohenden Greifbewegungen in höchste Unruhe und schlugen in rasenden Das Sehen ohne Sehpurpuv. 129 Sprüngen das spärliche Wasser zu Schaum, ^Yähl•end die ersteren sich unter gleichen Umständen in ihrem Gefässe nicht rührten. Dass die blinden Frösche eben so lebhaft sein können, wie sehende, bemerkt man an den nachhaltigen Springübungen, welche sie nach einigem Aufrütteln anstellen. Frösche fangen bekanntlich mit grosser Behendigkeit Fliegen, nachdem sie dieselben längere Zeit mit bedächtig glotzendem Blicke aufs Korn genommen haben. Man muss zu dem Versuche ein trocknes Glas nehmen und auch den Frosch gut abtrocknen, damit die Fliege nirgends durch Ankleben an der freien Be- wegung gehindert wird, oder am Boden umkommt. Der Frosch scheint anfänglich das lebendige Futter kaum zu bemerken, so wenig wie die Fhege Ahnung von der Gefahr hat, indem sie ihm über Augen und Nase läuft, was seine Piuhe kaum stört und ihn allenfalls veranlasst, sich mit der Pfote über den Kopf zu wischen. Begibt sie sich aber in den oberen Theil des Glases, so wird der Frosch aufmerksam und stülpt in der Regel das dahin gewendete Auge in sehr lächerlicher Weise hervor; nun folgt ein wohlgezielter, oft fusshoher Sprung und die Fliege ist mit der vorgeschleuderten Zunge gefasst und in's Maul be- fördert. Verschiedene I\Iale habe ich diese Beobachtung, welche Liebhabern von Laubfröschen nicht neu sein wird, an Fröschen gemacht, die Stunden zuvor besonnt waren und mit der Fliege in hohen, aussen berieselten Glasc)'lindern in dem blendenden Lichte Sassen: ich kann darum gar nicht mehr zweifeln, dass die Frösche mit vollständig entfärbtem Sehpurpur ganz vorzüglich sehen. Dass der Fang durch keinen andern Sinn als den des Gesichtes möghch wird, zeigte das Verhalten der vielen entaugten Frösche, denen ich Fliegen unter denselben Umständen vorsetzte: nicht ein einziger hat bis heute eine gefangen, sondern man fand dieselbe schliesslich immer zufällig erdrückt. Seit ich wusste, dass Frösche ohne Sehpurpur sehen und 130 W. Kühne: von dauerndem direktem Sonnenlichte Iceineswegs geblendet werden, habe ich herauszubringen versucht, Was sie sehen, namentlich ob sie Farben sehen. Da so viele Thiere Vorzugsfarben haben, oder einzelne Farben verabscheuen, war den Fröschen Aehnliches zuzutrauen. In Norddeutschland hatte ich als Knabe oft ge- hört, man könne Frösche mit einem rothen Lappen locken und angeln. Dies ist mir zwar nicht geglückt, vielleicht weil ich beim Angeln überhaupt wenig Erfolge und Vergnügen ge- funden habe; ich glaube aber doch bemerkt zu haben, dass die rothe Farbe, vor andern die Frösche aufregt. Nähert man, indem man sich möglichst fern und ruhig verhält, dem Ranarium ein rothes, an die Angel befestigtes, flatterndes Tuch, so sieht man die Frösche mehr in Aufregung gerathen, als wenn man dazu schreiend blaues, gelbes oder grünes Zeug wählt. Am auffallend- sten fand ich die Sache im Sonnenlichte und wiederum bei Fröschen, deren Retina bereits ausgeblichen war. Ein weisses Tuch stand indess dem rothen kaum nach. Derartige Versuche, für die man früher den nicht schlechten Namen Naturförsterei hatte, konnten indess ernsthaft nicht befriedigen. Mit grosser Sicherheit, lässt sich auf anderem Wege fest- stellen, dass die Frösche eine Vorzugsfarbe haben und damit beweisen, dass sie Farl)en mit gänzlich entfärbter Netzhaut zu sehen vermögen. Diese Farbe ist das Grün. Es war mir schon bei mittlerer Tageshelle aufgefallen, dass die Frösche in runden Gefässen, die mit zwei verschiedenen farbigen Gläsern bedeckt waren, meist unter einem ausschliessHch Platz nahmen, besonders unter dem grünen, wenn Blau concurrirte. Um schneller zum Ziele zu kommen habe ich die folgenden Versuche grösstentheils mit intensivstem Sonnenlichte angestellt, worin so rasch reagirt wurde, dass ich bald über grosse Versuchsreihen verfügte. Bei mittlerer Helligkeit unter weissen Wolken oder im Schatten unter klarem, blauem Himmel zu cxperimentiren, wurde übrigens nicht Das Sehen ohne Sehpurpur. 131 unterlassen und ich bemerke darüber zum Voraus, dass die Er- gebnisse die nämliclien waren, wie die folgenden. Da es für meine Zwecke nicht auf grosse Reinheit des farbigen Lichtes ankam, wurde durch farbige Glasplatten be- leuchtet. Dunkelgrünes, mit Chromoxyd gefärbtes Glas deckte im Spectrum direkten Sonnenlichtes vollkommen das Roth und Gelb; neben dem Grün war ein Theil des Blau, selbst etwas Yiolet erhalten. Doppelt genommen liess das Glas nur Grün und etwas Blaugrün, dreifach nur Grün durch und damit konnte man be- quem in die Mittagssonne schauen. Das Verhalten des blauen Kobaltglases bedarf der Erwähnung kaum: man weiss, dass es das erste Roth bis C wenig schwächt. Ich habe die Platten meist in 3facher Lage angewendet, wobei das Roth schon etwas gemildert war. So gab es Absorption von C bis in's Blaugrün, unterbrochen durch einen schmalen hellen Streifen im Gelbgrün, während Blau und Violet noch recht intensiv waren. Unter einer grünen Platte besonnt, blichen Froschnetzhäute ungefähr in der gleichen Zeit aus, wie unter 3 blauen, nämlich im Lebenden in 15—20 Min., isolirt und feucht erhalten in ö — 6 Minuten. Das Grün war dabei, wie ich es wollte, durch etwas schnellere Wirkung ein wenig im Vorzuge. Schon die ersten flüchtigen Beobachtungen lehrten, dass Frösche unter Blau und Grün immer das letztere bevorzugen. Sind die anscheinenden Intensitätsunterschiede nicht geradezu co- lossal, nämlich so, dass die grüne Hälfte des Gefässes blendend, die blaue wie mit einem Brette bedeckt erscheint, so wird man selbst bei ganz sorglosem Verfahren die Frösche über kurz oder lang im Grün versammelt finden, sowohl im hellsten direkten Sonnenlichte, wie im Schatten oder im allerschlechtesten Tages- lichte. Ganz ohne Ausnahme ist dies freilich nicht, aber ich hatte Grund, damit besonders zufrieden zu sein, weil ich mit derselben Sicherheit entgegengesetzte Resultate zu demonstriren 132 W. Kühne: lernte. Es gibt unter Fröschen, wie unter Menschen Exemplare von abweichendem Geschmacke; die ungeheure Majorität liebt das Grün, aber ein kleiner Procentsatz zieht Blau vor. Meine Sammlung solcher verirrter Subjecte beträgt nach Prüfung vieler hundert Frösche mit Einschluss des Verlustes kaum 2 Dutzend, worunter zwei oder drei, die ich genau kenne, übrigens zuweilen besserer Regungen fähig scheinen. Ich wurde auf die Sache auf- merksam, als ich unter 10 — 12 Thieren die einzige Rana tem- poraria beharrlich Inconstanzen verursachen sah. In der Meinung, dieselbe werde aus persönlichen Gründen gemieden, denn an einen Specieshass konnte ich nach bereits erworbenen Erfahrungen bei Rana esculenta nicht glauben, versuchte ich es mit dem Thiere allein und da fand ich wieder die Neigung für Blau, Seitdem habe ich alle gleichempfindenden Nachfolger, die sich gelegentlich durch den Farbenversuch absondern Hessen, gesammelt und bis auf die wenigen, schon genannten in ihrem Geschmacke beharr- lich gefunden. Dieselben ziehen einzeln, oder in beliebiger An- zahl verwendet immer Blau dem Grün vor und wenn ich sie, durch Fäden am Fusse kenntlich gemacht, mit normalen Fröschen zusammensetze, so bin ich vollkommen sicher, nach einigen Minuten die Trennung durch Bedecken des Gewahrsams mit blauem und grünem Glase zu bewerkstelligen. Nach meinen geringen Erfahrungen dürften Blau wählende Frösche unter Rana temporaria etwas häufiger, als unter esculenta sein; doch hat die Leibesfarbe mit der Leibfarbe nichts zu schaffen, denn ich fand die Abweichung so gut bei dunkelbraunen wie bei hellgelben und grünen Exemplaren, aber niemals bis heute unter der Sorte von Rana esc, welche in der Sonne hell- blaugrün wird. Das Geschlecht scheint ebensowenig Einfluss zu haben. Meinem Zwecke entsprechend Ijegann ich die Versuche mit gründlich besonnten Fröschen, von denen ich sicher war, dass Das Sehen ohne Sehpurpuv. 133 sie im Dunkeln nielir, als eine Stunde brauchten um wieder leidlich purpurne Netzhäute zu bekommen. Ebenso sicher war ich, dass unter den farbigen Gläsern während der Versuche keine llegeneration erfolgte, da ich einige Augen bei den verschieden- sten Bedeckungen und Intensitäten des Himmelslichtes direkt darauf prüfte. Hinsichtlich des Ausschlusses anderer Einflüsse, als der des farbigen Lichtes, schicke ich Folgendes voraus. 1. Wurde jeder Schattenrand in den Gefässen durch Ein- ziehen eines gläsernen Zaunes in einiger Entfernung davon un- erreichbar gemacht. — 2. Wurde zur Eliminirung der Lock- fäliigkeit des Schattens die Grenze der beiden farbigen Bedeckungen immer senkrecht zur vorgenannten Barriere gelegt, so dass die Schattenseite beiden Farben zu Gute kam. — 3. W^urden die Farben bei jedem Versuche von Ost nach West zweimal ge- wechselt. — 4. Verhinderte ein genügender Sprühregen Erhitzung der Gläser durch die Sonne. — 5. Wurde das Gefäss selbst in flicssendes Wasser gestellt oder das vorhin erwähnte Blechgefäss mit continuirlicher Erneuerung kalten Wassers benutzt. — G. Liess ich die Frösche nicht ohne Anstrengung die gewählte Farbe er- reichen oder bewahren, und endlich wurden 7. alle Versuche durch augenlose I'rösche controlirt. Ich lege auf das Letztere den grössten Werth, da die damit erzielten Gegensätze bündig be- weisen, dass keine anderen Sinnesorgane, als das Auge, besonders die Haut nicht, Anlass zum Benehmen der Frösche gegen grüne und blaue Beleuchtung geben. Die Haut der Frösche reagirt dem Aussehen nach bekanntlich so leicht und bemerkbar auf Licht und wol auf verschiedenfarbiges nicht gleichartig, dass entsprechende Empfindungen damit verbunden gedacht werden können, bei denen man nicht ohne Weiteres nur thermische Er- , regungen anzunehmen braucht, und schon aus diesem Grunde war die Benutzung blinder Frösche zur Controle geboten. Dass die Erwärmung durch die angewendeten Gläser Verschiedenheiten 134 W. Kühne: erzeugen würde, liess sich bei der Gläserwahl voraussehen, allein ich fand, als ich zwei gleiche Porzellangefässe, mit demselben Volum Wasser gefüllt, unter je ein grünes und unter 3 blaue Gläser in die Sonne stellte, in dem Gange der Erwärmung nur Temperaturdifferenzen von \/2 bis kaum 1°C. zu Gunsten des Blau. Die Experimente selbst werden berichten in wie weit sie den genannten Controlen mehr oder minder zugänglich blieben. Unter einem grünen und drei blauen Gläsern bedurfte es in der Sonne für unbehinderte, auf feuchtem Boden kriechende und hüpfende Frösche in der Sonne jedesmal kaum 5 Min., um die vorher durch Schütteln gleichmässig vertheilte Schaar auf die grüne Seite wandern zu sehen. Wurde der grün erleuchtete Platz immer mehr eingeschränkt, so drückten sich die Thiere fest zusammen oder kletterten aufeinander, um sämmtlich dem Blau entgehen zu können, und wenn ich mitten durch das Gefäss unter der Farbengrenze einen Glasstreif zog, so drängten sich die in's Blau gesetzten Frösche an diesen und wandten die Augen dem Jenseits zu. Kleinere Frösche vermochten sich zwischen Deckel und Glasstreif durchzuklemmen und als ich endlich ein Glasstück nahm, das am einen Ende schräg abgebrochen Avar, krochen sämmtliche Frösche durch die noch sehr unbequem zu begehende Lücke ins Grün hinüber. Augenlose Frösche unter die übrigen gesetzt wurden zu jeder Zeit unregelmässig vertheilt gefunden; was sich aber unter dem Blau vorfand, war ausnahms- los Wind. Das Verfahren wurde nun in der mannigfachsten Weise abgeändert, indem ich in der ersten Reihe, wie soeben, beide Farben von solcher Intensität nahm, dass hinsichthch ihrer Wirkung auf Sehpurpur keine wesentliche Differenz bemerkbar war und indem ich ausserdem für Hindernisse im Festhalten des aufgesuchten Platzes , sowie für sichere Gleichheit der Temperatur , durch strömendes Wasser sorgte; dann nahm ich gegen 1 Grün Das Sehen oliiie Selipurpur. 135 nur 2 Blau und weiter nur 1 Blau, wobei der Erfolg der näm- liche blieb, obwohl mir das Blau beim Durchblicken durch die 2 Scheiben viel dunkler, durch eine Scheibe erheblich heller als das Grün vorkam. jNlit ein(!r hellgrünen Tafel anderen Glases, als des gewöhnlich verwendeten, und der einen blauen Scheibe, die mir den Eindruck ungefähr gleicher Helligkeit machten und durch welche ich z. B. dieselben Schriftproben aus gleicher Ent- fernung entzifferte, war der Erfolg immer noch der nämliche, und wenn ich endlich die Farbendeeken bezüglich der Wirkung auf Sehpurpur noch mehr umkehrte und das Grün doppelt, das Blau einfach nahm, so wurde fortwährend von den Fröschen das Grün aufgesucht. Man kann also in keiner Weise sagen, es werde die dunkler scheinende Farbe aufgesucht, so wenig man umgekehrt eine unter farbigem Lichte sich erst entwickelnde Liebhaberei der Frösche für das Hellere aus den Ergebnissen folgern wird. Das einzig Denkbare, das eben übrig bleibt, um das Benehmen der Frösche zu verstehen, ist, dass sie die Farben verschieden und incommen- surabel emptinden, wie wir es auch thun, und dass sie der Vor- liebe für Grün, trotz aller Tendenz, das Dunkle aufzusuchen, wenn sie solches erreichen können, treu bleiben, auch wenn die Gegenfarbe, an jedem Maasse geschätzt, die dunklere ist. Dies hat iiidess, wie begreiflich, seine Grenzen, wenigstens unter den vorliegenden Bedingungen, wo mit farbigen Gläsern gearbeitet wurde, in deren Lichte grössere Intensitäten zugleich geringerem Grade der Sättigung entsprachen. Nahm ich 1 hell- grünes Glas, gegen 4 — 5 blaue, so gingen die Frösche unter das Dunkelblau so gut, wie unter ein Brett, das sie auch dem Grün vorziehen, wenn die Farbe nicht ausserordentlich dunkel ist. Es bedarf der Erwähnung kaum, dass umgekehrt alles Bevorzugen des dunkleren Grün gegen helles Blau in unserem Sinne geringeren Werth hat, weil zur Anziehung der Lieblingsfarbe die der ge- ringeren Intensität hinzukommt. Für den erstcren Fall ist 136 W. Kühne: Übrigens hinzuzufügen, dass man häufig ein Zögern in der Ent- scheidung bemerkt, und dass die Frösche entschieden weniger conse- quent und dauernd im dunkelsten Blau hocken, wenn sehr helles Licht daneben grün ist. ]\Ian sieht dies sogar, obschon seltener, wo dunkles Blau durch ein Brett ersetzt wird. La die Erfahrungen über Auswahl zwischen Grün und Blau genügen, um zu erkennen, dass Frösche mit gebleichtem und in der Versuchszeit nicht herstellbarem Sehpuii3ur Farben sehen und unterscheiden, unterlasse ich zunächst weitere Mittheilungen über andere Farbenpaare oder über Entscheidungen zwischen 3 Farben. Was ich bis jetzt in letzterer Hinsicht beobachtete, lässt die Ausdehnung der Methode von grösserem Interesse für Wahrnehmungen bei Mitbetheiligung des Sehpurpurs erscheinen, als für die Feststellung des Farbensehens ohne Purpur. Die bisherigen Ausführungen mögen das Experimentiren mit bleichungsäquivalentem Grün und Blau überflüssig erscheinen lassen, da es sich eben um keinen Purpur mehr handelte; ich habe dieses Mittel nur mit herangezogen, um der äussersten Bedenk- lichkeit gerecht za werden, vornehmlich jedoch, weil es unent- behrlich schien zu Parallelversuchen an Dunkelfröschen. Diese ergaben bei weitem weniger constante und schlagende Ergebnisse, was midi anfänglich mehr als nöthig überraschte, denn wenn man erwägt, dass bei erhaltenem Sehpurpur ein neuer Factor den Sehact complicirt, so wird man andere Pieactionen der Frösche schon voraussetzen müssen. Ich habe von Dunkelfröschen den Eindruck empfangen, als ob sie durch Licht aller Intensitäten überrascht und rathlos würden, der Art, dass sie anfänglich selbst die Wahl zwischen dunklem Schutz und hellem Sonnenscheine nicht recht zu treffen wissen. Unter bleichungsäquivalentem Grün und Blau war meist nach b Minuten nur die Mehrheit unter dem Grün zu, finden und es dauerte die doppelte Zeit, bis 5ich der Ptest dahin begab. Hindeniisse durch stärkere Bewegung Dos Sehen olnio Seliiiurpur. 137 des Wassers, iiamentlicli zum Festluilten der gewählten Stelle, verzögerten die Entscheidung nocli melir und vollends geschah dies durch Vergrösserung der Intensität im Grün oder durch Minderung im IJlau. Das Benehmen sah ganz so aus, wie wenn die Dirtercnz der Bleichungszeit unter den beiden Farben die Empfindung für Intensitätsdiö'erenzcn schärfte, so dass nun nicht mehr innerhalb so weiter Grenzeiw der objectiven Helligkeit das Grün bevorzugt wurde. Nach 15 — 20 Min. verhielten sich die Dunkelfrösche unter farbigen Gläsern im direkten Sonnenlichte natürlich ebenso wie die Hellfrüsche. denn jetzt waren auch sie des Purpurs beraubt. Um sicher zu sein, dass das Grün bei er- haltenem Sehpurpur ebenfalls vorgezogen wird, stellt man daher diese Versuche besser mit diffusem, nicht zu hellem Tageslichte an. Ich habe so bei Bleichungsäquivalenz sowohl, wie bei über- wiegender Intensität des Grün die Entscheidung für dieses treffen sehen von einer so grossen Anzahl von Fröschen, und in den Einzelfällen von sämmtlichen in Gebrauch genommenen, dass ich auch für die Purpur besitzenden und bewahrenden Thiere starke Bevorzugung des Grün vor dem Blau behaupten muss. Ueber- legt man, in wie auffälliger Weise ohne den Purpur beinahe rein nach der Wellenlänge des erregenden Lichtes gehandelt wird, wie dies ferner im Besitze des Sehpurpurs wieder geschieht, wenn derselbe sehr langsam afficirt wird, während das Benehmen gerade da gegen die Farbe unsicher wird, wo ausser der Farben- empfindung noch die Differenzen der Ausbleichung zur Wahr- nehmung kommen, so kann man kaum zweifeln, dass die Farben purpurlose Theile des Sehapparates afficiren, denen ein andrer zu Hülfe kommt, so lange er Sehpurpur enthält und damit reagirt. So viel ich sehe, ist dies in Uebereinstimmung mit der Auffassung, welche der Zapfenerregung die Vermittlung sämmtlicher Em- pfiudungsqualitäten, der Erregung der Stäbchen durch irgend- welche objective Reize, nur die des Hell und Dunkel zuschreibt. KüUue, t'ntersucluingoii I. 10 138 W. Kühne: Das Sehen ohne Sehpurpur. Wenn es richtig ist, dass es Thiere ohne Zapfen giebt, oder, worauf es mehr ankommt, dass es Netzhäute gibt, die nur Seh- purpur führende Lichtempfänger besitzen, so darf man hoffen, die Frage zur Entscheidung zu bringen, ob gebleichte Stäbchen noch durch Licht erregt werden können. A. Ewald u. W. Külmc: Uiitors. üb. d. Sclipurpur. 139 üutersucliiuigeii über den Sclipurpiir, Von A. Ewald und W. Küliiie. Unter den Beobachtern der Stäbcbenfärbung herrscht hin- sichtlich der ihr zuzuschreibenden Nuance nahezu vollkommene Uebereinstimmung. Nur der erste Entdecker, Heinrich 3Iüller, scheint die Eigenthümlichkeit der Farbe verkannt zu haben, da er die Verschiedenheit von der des Hämoglobins nicht bemerkte und an die Möglichkeit einer Imbibition der Stäbchen mit Blut- roth dachte. Später nannten Leyäig und M. Schnitze die Färbung bei allen Gelegenheiten rosa oder rosenfarben, wie man bekannt- lich wenig gesättigtes Roth nennt, das Blau oder Violet enthält. Bestimmter wurde dieselbe von Boll für purpurfarben erklärt und angedeutet, dass das Roth auch nach spectroskopischen Beobachtungen von Blaserna kein einfaches sei. Ebenso haben sich später viele andere unbefangene Beobachter der Bezeichnung Purpur bedient, so dass eine Uebereinstimmung erreicht wurde, welche auf eine gewisse Deutlichkeit der fraglichen Nuance schliessen lässt. Wer jetzt überhaupt Erfahrungen über das Aussehen dunkel gehaltener Netzhäute hat und wer besonders die der Säuger, den Menschen eingeschlossen, die mancher Fische, der Eule und vieler Raubvögel kennt, wird über die Benennung Purpur höchstens insofern in Zweifel gerathen, als er vielleicht oft die Bezeichnung Violet vorziehen wird. 10* 140 A. Ewald und W. Kühne: Die Farbe der Retinastäbchen genau zu bestimmen, ist in ^^elen Beziehungen von grosser Wichtigkeit: man muss wissen, wie sie ist, um sich über ihre Veränderungen durch Zersetzung, namenthch die photochemische, nicht zu täuschen, man muss die Nuance kennen, um zu verstehen, wie sich dieselbe durch Concen- tration und Verdünnung ändert, man muss die Absorption ver- schiedenwelligen Lichtes feststellen, um deren Beziehungen zur Zersetzung des Purpurs im einfarbigen Lichte zu verfolgen, und man muss Mittel zur Analyse der Farbe haben, um zu erfahren, ob der Farbstoff optische Differenzen bei den verschiedenen Thieren bedingt. Wir haben zur Farbenanalyse des Sehpurpurs mehrere Me- thoden benutzt, die in dem Folgenden beschrieben werden sollen, und in einer ersten Beobachtungsreihe auf die Retina, in einer zweiten auf den Sehpurpur in Lösung angewendet. Hieran schlössen sich unmittelbar neue Untersuchungen über die Aus- bleichung der gefärbten Netzhaut in verschiedenen farbigen Be- lichtungen, denen wir eben solche über die photochemische Zer- setzung der Sehpurpurlösung folgen Hessen. Weitere Unter- suchungen waren den Veränderungen des Sehpurpurs im Leben, seiner Entstehung und schliesslich dem allgemeinen chemischen Verhalten des Farbstoffs gewidmet. Wir werden in der genannten Reihefolge über unsere, von der Gunst des Sonnenlichtes nur zu abhängig gewesenen, erst nach längerer Zeit erworbenen und befestigten Erfahrungen berichten, I. Analyse der Retinafarbe. Da die zum Sehen nöthige Wirkung des Lichtes in den hinteren Schichten der Netzhaut geschieht, müssen deren Gewebe ungefähr so durchsichtig sein, wie die brechenden Medien des Auges es im Allgemeinen sind, und wenn wir die Stäbchen soweit für Lichtempfänger nehmen, als sie Sehpurpur enthalten, also bis an die äussersten Kuppen ihres Aussengliedes, so muss der üntprsuehnugpii nhcr den Sphpurpur. 141 Purpur eine durchsichtige Farbe sein, welciie ein wiederum durch- sichtiges Medium tränkt. Diese mit der Farbe anzunehmende Durchsichtigkeit kann noch ^Yeiterc Bedeutung haben, indem sie Wirkungen des Liclites auf das Epithel ermöglicht, dessen Be- tlieiligung an der Gesichtserregung ^Yir jetzt nach Erfahrungen amlerer Art zu ahnen beginnen. Ob die Farbe frischer Netz- häute die vermuthete Lackfarbe sei, und in welchem Grade sie es sei, haben wir zuerst festzustellen versucht. Man setze auf eine mattschwarze Unterlage einen Tropfen gewöhnlichen, deckfarbenen Blutes neben einen Tropfen desselben Blutes, das man in irgend einer Weise, ohne es zu verdünnen oder zu zersetzen, lackfarben gemacht hat: man wird den ersteren roth, den zweiten in jeder Beleuchtung schwarz linden. Breitet man den deckfarbenen Tropfen flach aus, so schwindet das Roth nur an den allerdiinnsten Stellen. Aehnlich wie das lackfarbe Blut verhält sich die Retina auf der schwärzesten Unterlage, die wir ihr geben können, nämlich beim Frosche, in der natürlichen Lage, auf der bei diesem Thiere im Gegensatze zur grossen Mehrzahl anderer für intensivstes Sonnenlicht ganz undurchsichtigen Chorioidea; wir sagen ähnlich, denn eine geringe Spur von Roth oder Violet zieht sich, wie ein zarter Schleier übei- den feucht spiegelnden Grund des eröffneten Froschauges, dessen Schwarz einen Stich in's Bräunliche erhält. Ist die Retina herausgenommen, so sieht man das reinste Schwarz, das überhaupt Pigmente bieten können ; ist sie aber im Leben ihres Purpurs durch längere Belichtung beraubt, so er- scheint der Augengrund grauschwarz. Da die Stäbchen nicht direkt auf der Uvea, sondern auf den farblosen Aussenstücken der Pigmentepithelien ruhen, kann auch von diesen reflectirtes Licht die geringe Sichtbarkeit des Sehpurpurs in situ be- dingen. Indess wird dies kaum von Belang sein, weil man es niemals an der Schwärze des zurückbleibenden Grundes zu er- 142 A. Ewald und W. Kühne: kennen vermag, ob die Retina mit oder ohne das Epithel heraus- gezogen wurde, und andrerseits scheint genügend Licht aus der Stäbchensubstanz reflectkt zu ^Yerden, weil mau den färbigen Schimmer der Retina noch wahrnimmt, wenn man sie mit der Stäbchenseite gegen mattschwarzes Papier oder Metall aufträgt. An Falten kommt dann natürlich am meisten Farbe zum Vor- schein, aber auch die vollkommen glatt ausgebreiteten Theile zeigen etwas davon. Bemerkbar deutlicher wird dies, wenn man die Netzhaut mit der Vorderfläche auf Schwarz legt, woraus folgt, dass auch die Gewebe der vorderen Schichten etwas Licht zurückwerfen. Dies Alles gilt für ganz frische Retinae, nicht für getrübte, nach einigen Stunden des Absterbens weisslich-purpurn gewordene. Legt man so veränderte Präparate mit der farbigen Seite auf Schwarz, so sehen sie fast bläulichweiss aus, ebenso wie im Froschauge abgestorbene und dort in situ gelassene, während sie umgedreht, trotz der schwarzen Unterlage den Purpur mit grosser Deutlichkeit zeigen. Die Eigenfarbe der Retina stellt also keine so vollkommene Lackfarbe dar, wie man erwarten könnte, und man würde sie daher ophthalmoskopisch und am lebenden Menschen möglicher Weise unterscheiden können, selbst wenn hinter dem Epithel kein Licht reflectirt würde. Wäre die lebende Retina so durchsichtig und würfe sie nur so wenig Licht aus ihrem Innern zurück, wie lackfarbenes Blut, so würde sie bei jeder Beleuchtung in situ so schwarz aussehen, wie ein Tropfen solchen Blutes in der Uvea des Frosches ausgebreitet aussieht, falls nämlich der Hintergrund beim Menschen und den meisten Geschöpfen so dunkel wäre, wie beim Frosche. Wir haben lackfarbenes Blut durch Schütteln mit Luft so hellroth gemacht, wie wir konnten und es im hal- birten, von der Retina befreiten Froschauge weder von Wasser noch von schwarzer Tinte unterscheiden können. Untersuchungen über den Sehpurpur. 143 Zur Feststellung der normalen Iletinafarbe mit uube^Yatl- netem Auge und unter Verzicht auf optische Methoden sind ein mittlerer Farbensinn des Beobachters und Ausschliessung des Lichtes bis zum Augenblicke der Betrachtung die ersten, aber genügenden Erfordernisse. Die Netzhaut darf jedoch nur sehr kurz und bei möglichst gedämpftem Tageslichte besehen ^Yerden. Will man das Mikroskop gebrauchen, so muss das Object vor überflüssigem durchfallendem Lichte möglichst, vor auffallen- dem gänzlich geschützt werden. Mikroskope, welche bemerkbar in Blau oder in Gelb übercorrigirt sind, dürfen nicht verwendet werden. Die Herrichtung der Retina geschieht vor der Natron- flamme möglichst schnell und bei gerade ausreichender Belich- tung, weil auch dieses Licht die Farbennuance schwach vermin- dert; wenn das Präparat mikroskopisch betrachtet werden soll, muss es aus der Natronkammer bedeckt an das bereits eingestellte Instrument getragen und erst an Ort und Stelle entblösst werden. Fixirt man die zuvor im Dunkeln auf einer mattweissen Unterlage ausgebreitete Froschretina am Lichte etwa 20 See, so sieht man beim Nebenblicken auf die weisse Fläche ein rein grünes Nachbild. Je öfter der Versuch an demselben Ob- jecte wiederholt wird, desto weniger rein wird die Farbe des Nachbildes, indem sie in Blaugrün umschlägt. P'ixirt man die beiden Hälften einer zerschnittenen Pietina, deren eine nur etwa 30 See. belichtet war, während die andere unter einem Deckel geschützt blieb, auf Weiss, so erhält man darauf zwei Nachbilder neben einander, von denen das dem belichteten Stücke ent- sprechende sehr deutlich blaugrün, gegen das andere rein grüne absticht. Das Complementär der Dunkelretina ist also reines Grün, das der nur kurz und massig belichteten bläuliches Grün. Unter den Pigmenten repräsentirt arsenigsaures Kupfer das reinste Grün. Wir legten ein damit gefärbtes Papierstückchen, das mit einem carminfarbenen, am gleichen Orte unseres Auges gedeckt, neutrales farbloses Grau, mit Zinnober gelbliches Grau 144 A. Ewald und W. Kühne: gab, neben die Retina und vereinigten die Bilder nach den be- kannten Methoden von HelmJioJtz. Der Erfolg der Mischung war farbloses Grau, aber je länger man hinsah oder je öfter man die Betrachtung wiederholte, um so mehr schlug das Grau in's Gelbliche. Auch dieser Versuch erwies sich schlagend mit der getheilten und ungleich belichteten Eetina. Am vollkommensten gelang er nach der Methode, welche die katoptrisch und diop- trisch mittelst einer Glasplatte gesehenen Bilder zur Deckung bringt, weil man die Intensität der Farben durch Aenderung der Neigung des Glases in weiten Grenzen zu wechseln vermag; in- dess kamen wir auch mit einem vor das Auge gehaltenen dop- pelbrechenden Kalkspathkrystalle zum Ziele. Welche Spectralfarbe die complementäre der Netzhaut- färbung sei, sahen wir, als wir mittelst derselben Methoden das Bild eines genau zwischen den Linien E und h genommenen Ausschnittes des Sonnenspectrums auf einer weissen Papierfläche mit dem der Retina vereinigten. Die letztere wurde zu dem Zwecke sehr nahe dem scharf begrenzten grünen Bilde auf der- selben Papierunterlage mit mehrfach reflectirtem Sonnenlichte, dem wir die scheinbare Helligkeit der Nebenfarbe gaben, weiss beleuchtet. Der Erfolg der Mischung war hier ebenfalls farb- loses Grau, nach längerer Lichtwirkung Gelbgrau. Wenn reines Grün das Complementär der Netzhautfarbe ist, so müssen farljlose oder graue Objecte neben oder in der Retina in rein giliner Contrastfarbe erscheinen. Dies ist bei sorgfältiger Beachtung aller erwähnten Cautelen auch im mikroskopischen Bilde der Fall für die weniger durchsichtigen, grauen Stäbchen, die ausser den von BoU beschriebenen grünen vorkommen. Man kann dieselben darum im Anfange der Untersuchung an der Farbe nicht von den letzteren unterscheiden, sondern nur an der geringeren Intensität der Färbung, sowie im Allgemeinen an der geringeren Durchsichtigkeit. Es bedarf aber keiner vollen Mi- nute, um sie im Gange der Belichtung, wenn die Retina eben Uiitt'isiuliungeu über den Behpurpur. 145 Statt purpurn, rotli aussieht, bläulich gegen die grünen abstechen zu sehen, (vergl. Heft 1, S. 23 u. S. 70). Bei der mittleren, normalen Concentration des Sehpurpurs in den Stäbchen genügt sehr geringe photochemische Wirkung, um das N'iolet darin für unser Auge auszulöschen und in unserer Emptindung nur Roth übrig zu lassen. Anders ist es, \Yenn man die Netzhautfarbc mit weissem Lichte mischt. Wir besahen Froschretinae, die am Lichte soweit verändert waren, dass sie nicht nur zu Blaugrün complementär geworden waren und Nach- bilder dieser Farbe erzeugten, sondern auch beim blossen An- sehen stark gelbhchroth erschienen nach einer der vorgenannten HcJwJioIfs sehen Methoden, indem wir sie mit weissem Lichte in unserem Auge deckten, und da sahen wir daran diejenige Nuance, welche alles Purpurfarbene l)ei geringer Sättigung annimmt, näm- lich Rosa immer kenntlich werden und dieses überhaupt nicht eher verschwinden, als bis die Retina von der Sonne schon ganz hellgelb gebleicht war. Selbst wo die letztere Ausbleichungs- stufe fast erreicht schien, schlug sie mit Weiss gemischt immer noch in das eigenthümliche helle Chamois um. Das Weiss, das wir zumischten, war freilich nicht vollkommen rein, es war nur das von möglichst rein weissem Papier reflectirte, zerstreute Tageslicht des weiss bewölkten Himmels. Da man aus Brücke'^ jederzeit zu bestätigenden Versuchen (Yorles. ü. Physiol. iL S. 136) erfährt, dass solches Weiss eine rothe Nuance, sicher keine blaue oder violette hat und dass es Blau in Purpur, Gell) in Orange nuancirt, so zeigt das Verhalten der scheinbar rein rothen, orangefarbenen und selbst gelblichen Retina -nach dieser Mischung, a fortiori^ dass das von den lichtveränderten Stäbchen noch aus- gehende Licht, fast unter allen Umständen, neben dem ohne Hülfs- mittel wahrzunehmenden rothen und gell)en, vorwiegend stärker brechbares, besonders violettes enthält. 146 A. Ewalä iind W. Kühne: Die Netzhautfarbe im Dunkeln gehaltener Frösche zeigt indi- viduelle Dilferenzen, welche von mehreren Ursachen herrühren. Ist die Zahl der \on Boll entdeckten grünen Stäbchen gross, oder nach einem Verfahren, das später besprochen wird, vergrössert, so ist eine gewisse grünhche Schillerfarbe unverkennbar, der Art, dass wir nach dem Anblicke mit unbewaffnetem Auge ihre Gegenwart, welche die mikroskopische Untersuchung darthut, voraussagen können. Bei massiger Menge der grünen Stäbchen scheint das Koth brennender, weniger violet, und bei vielen grünen Stäbchen und schwächerer Tränkung der andern mit Purpur, schlägt die Gesammtfarbe etwas in's Schiefergraue. Sind viele graue Stäbchen vorhanden, bei ge- wöhnlicher mittlerer Menge der grünen, so ist die Ketina mehr rosenroth: die Purpurfarbe, welche man also an der Gesammt- fläche der vereinigten verschiedenfarbigen Stäbchen sieht, schwankt schon, ohne dass sich in der Beschaffenheit der purpurnen Mo- saikstücke etwas ändert. Ausserdem kann jedoch bei Dunkel- fröschen die Purpurfarbe selbst in den Stäbchen in wechselnder Menge enthalten sein und dies bedingt dreierlei verschiedene Färbungen : bei viel Purpur, Zugehen nach dem Violet, in's Dunkel- purpurfarbene mit starkem Zurücktreten des Koth ; bei mittlerer Concentration, stärkeres Hervortreten des Roth; bei abnehmender Menge des Farbstoffs, Uebergang in Rosa, endhch in blasses Lila, Die letzteren Farben lassen sich aus der Froschretina immer leicht durch allmähliches Zerquetschen zwischen zwei gut auf- einander geschliffenen Glasplatten herstellen, zwischen denen die weiche Membran gleichmässig dünner zu drücken ist, und wenn man den Versuch mit einer recht dunkel purpurfarbenen Netzhaut beginnt, so sieht man anfänglich das Roth mehr hervortreten, später Rosa, endlich Lila sich einstellen. Mit der Netzhaut der Eule oder des Aals erzielt man das erste Stadium besonders gut. Selbstverständhch sieht die dünn ausgebreitete, lilafarbene Masse wieder schön purpurfarben oder intensiv roth aus, wenn man sie wieder zu einem kleinen Häufchen zusammenschabt, was wir Untersuchungen über den Sehpurpur. l-iT aus besonderem Anlass leider nicht unerwähnt lassen dürfen. Wenn die Ketina im Absterben trül) wird und aus ihrem Innern mit Einschluss der Stübchensubstanz mehr weisses Licht reticctirt, so ändert sich die Farbe, wie durch Verdünnung, d. h. der vio- lettere Purpur schlägt erst mehr in's Roth, bei weiterer Trübung sehr entschieden in's Rosa um. Dies ist der Grund, weshalb bei den Warmblütern, wo die Trübung i'ascher auftritt, die Gegensätze von reinerem Roth und überraschend entschiedenem Violet viel häufiger zur Anschauung kommen. Entsprechend den Veränderungen durch Zumischung weissen Lichtes ist auch das mikroskopische Ansehen der Stäbchen des Frosches, nämlich in dünner Schicht, wo man die Farbe an auf der Seite liegenden gerade erkennt, lila, in stärkerer rosa, in noch stärkerer mehr roth, wie die meisten, durch die Längsaxe gesehen, erscheinen, endlich in den dicksten Lagen einer Falte z. B. prächtig purpurn. Die ganze Reihe der aufgeführten Nuancen ist selbstverständ- lich nur für kurze Zeit bei gedämpftem Tageslichte zu sehen, denn Belichtung zersetzt den Purpur und wirkt gänzlich anders, wie Verdünnung, weil der Sehpurpur nicht mit einem Schlage in Sehweiss, sondern zuvor in Sehgelb, das erst zu Weiss wird, übergeht. Daher besteht jede Anfangsänderung durch das Licht im Auswischen der Purpurfarbe, im Umschlagen in's brandige oder reinere Roth. Diese letztere Farbe kommt üb]igens zuweilen auch an Dunkelfröschen unabhängig von aller Belichtung vor, aus Gründen, die wir später erörtern werden. Andererseits wissen wir Mittel, um das entgegengesetzte Extrem dieser Farbe, nämlich helles Lila, das wir bei eigentlichen Dunkelfröschen niemals sahen, beliebig herzustellen: man braucht imr lebende Frösche ^2 Stunde in der Sonne bis zum vollständigen Ausbleichen ihrer Netzhaut zu halten und so lange in's Dunkle zurückzubringen, bis die ersten Spuren der Regeneration bemerkbar sind; dann hat sich statt Sehweiss wieder Purpur, aber erst sehr wenig, ge- 148 A. Ewald ixnd W. Kühne: bildet, und die Netzhaut ist blass-lila. 20—30 Min. sind dafür in der Regel die richtige Zeit, etwas später ist die Farbe schon hell-rosa. Da neben blassen lila und rosa, sowohl grüne, wie graue Stäbchen so gut, wie in der tiefer gefärbten Netzhaut, existiren können, so wird die grosse Mannigfaltigkeit der Farbe, welche die Stäbchenfläche im Ganzen darbieten kann, verständlich, und wenn man die veränderlichen Grade der Durchsichtigkeit im Absterben, sowie die Verschiedenheiten des Haftens von Epithel- pigment zwischen den Stäbchen, welches vorzugsweise an die Zeit der Regeneration geknüpft ist, hinzunimmt, so begreift man, welche ungeheure Zahl von Nuancen an der Farbe zu beobachten ist, ohne dass sich das Licht an deren Entstehung direkt betheiligte. Unter Mitwirkung des Lichtes, das im Sehgelb noch etwas Neues erzeugt, nimmt die Mannigfaltigkeit selbstverständhch zu. Das Angeführte gilt, wie kaum zu bemerken nöthig, vor- wiegend für die Netzhaut des Frosches und der Kröte, welche durch den Besitz grüner Stäbchen zwischen purpurnen ausge- zeichnet sind. Bei Salamandra maculosa fanden wir dieselben nicht. Es würde zu weit führen noch aller Nuancen zu gedenken, - welche chemische Agentien an der Dunkelretina veranlassen, in- dem sie totale oder partielle Zersetzung bis zum Sehgelb her- vorbringen. Wir werden im chemischen Abschnitte darüber Einiges berichten und bemerken hier nur, dass Mittel, welche die Netz- haut durchsichtig machen, wie NH^ z. B. ähnlich wirken, wie Ver- dünnung des Purpurs oder der farbigen Schicht, also bei sehr tiefer Färbung Uebergang zum Roth, bei schon vorhandenem reinerem Roth Uebergang zu Rosa, bei diesem hingegen Her- vortreten des Lila bewirken. Coagulirende und trübende Mittel, namentlich Alaun, machen unbelichtete Netzhäute immer sehr deuthch rosenfarben. Untersuchungen über den Sehpurpur. 149 Spectrahiiialyse. — Am Sehpurpur in der Netzhaut haben wir die Analyse vorzugsweise mit Hülfe des objectiven Spectrums durchzuführen versucht, da die gewöhnliche Methode den Absorbenten vor den Spalt zu bringen, nicht zu genügend reinen Bildern führte (vergl. Heft I, S. 50). Die Art, wie Herr Blascrna verfuhr, nämlich die Retina mit einem Taschenspectro- skope zu besehen, was bei Vervollkommnung des Verfahrens doch immer auf spectroskopische Untersuchung des von der Retina reflectirten Lichtes hinauslaufen würde, halten wir zwar im Beginne solcher Untersuchungen für ganz selbstverständlich und natürlich, aber nicht zur Fortsetzung einladend, weil man damit bekanntlich auch an andern Farben schlecht zum Ziele kommt und höchstens in der Xoth dazu greift, vor Allem aber, weil diese Methode starke und sehr wirksame Belichtung erheischt, was hier gleichbedeutend mit Veränderung der zu untersuchen- den Substanz war. AVir breiteten die Froschnetzhäute auf einer horizontal ge- stellten Glasplatte aus, auf welche wir das Sonneuspectrum nach Reflexion von einem vorn platinirten Spiegel fallen Hessen, und legten entweder Milchglas, weisses Papier u. dergl. unmittelbar oder in einiger Entfernung darunter. In andern Fällen wurde die Glasplatte von unten direkt, oder mit Hülfe eines unteren Spiegels betrachtet , Einrichtungen , welche im Wesentlichen der Bequemlichkeit dienten, da uns nur daran lag, die Netzhäute möglichst frisch, mit der natürlichen Befeuchtung, ruhig ausbreiten zu können, was auf den gewöhnlich verticalen Projectionstlächen umständlich war. Nach einer grossen Zahl solcher Besichtigungen haben wir vornehmlich die früheren Angaben (vergl. I. Heft S. 54) zu wiederholen, nändich die Absorption vom Gelb bis zum Violet zu constatiren. Keine normale Dunkelretina war so gefärbt, dass sie nicht Violet des Sonnenspectrums merklich durchliess oder reflectirte. Im" letzteren Falle haben wir uns durch Vorhalten 150 A. Ewald nnd W. Kühne: eines vor dem Auge gedrehten NicoVsch&n Prismas überzeugt, dass es nicht von der feuchten Oberfläche reflectirtes violettes Licht v^'ülv, das man wahrnahm. Es ist ausserdem immer leicht, sich vor dieser Fehlerquelle zu schützen, wenn man das Präpa- rat unter dem Winkel betrachtet, der im unmittelbar benach- barten Blau, im Grün u. s. w. keine entsprechend farbigen Pie- flexe auf der glänzend schwarzen Netzhautfläche aufkommen lässt. Mit Ausnahme der schon erwähnten, sehr vereinzelt vorkommen- den brandrothen. beinahe rein roth erscheinenden Pietinae, die bei Fröschen abnormer Weise vorkommen können, haben wir das Violet immer etwa so schwach absorbirt gefunden, wie die Gegend am Gelb, wo die erste und schwächste Beschattung wahrgenommen wird. Es genügt aber die Pietina einen Augenblick gut zu be- lichten, oder sie länger im Spectrum liegen zu lassen, um die Ab- sorption für Violet bedeutend zunehmen zu sehen. Zu dieser Zeit erscheint die Pietina reinroth, d. h. sie lässt nur Ptoth und Gelb bis zum Anfang des Grün durch: es hat sich, so erkenn- bar, Sehgelb gebildet uud dem Purpur zugemischt. An den gewöhnlichen, normalfarbigen Netzhäuten ist die Bestimmung der grösstea Absorption aus vielen Gründen miss- lich, einmal wegen der schnelleren Bildung von Sehgelb in den mittleren Theilen des Spectrums, auf die es ankommt, anderer- seits wegen der sowohl unserem Auge verschieden erscheinenden, wie objectiv verschiedenen Intensität der Einzelfarben. Gegen das Letztere haben wir uns durch den Gebrauch eines scharfen (reflectirten) Gitterspectrums, das bekanntlich das rothe Ende am meisten gedehnt zeigt, zu schützen gesucht, und glauben da- her mit annähernder Sicherheit sagen zu dürfen, dass die stärkste Absorption in's Gelbgrün oder in den Anfang des Grün falle; darauf folgen in abnehmender Reihe reines Grün, Blaugrün, Blau, Gelb und Violet. Zwischen den letzteren beiden fällt natürhch die Vergleichung am schwersten. Wer die Versuche wiederholt, wird die beste Bestätigung der eben genannten' Reihenfolge in Untersuchungen über den Sehpurpur. 151 dem Verhalten sehr blasser, aber unbelichteter (vergl. oben), auch gequetschter Netzhäute finden, denn diese absorbiren Nichts, als das gelbliche Grün, aber mit zunehmender Tiefe der Eigenfarbe Grün, Blaugrün, Blau, endlich Gelb und etwas Violet. Wir rathen hierzu sowohl die im Dunkeln regenerirten Netzhäute der verschiedenen Stadien von gründlich besonnten Fröschen, wie aufeinander gelegte recht dunkle Retinae zum Zerdrücken zu nehmen, welche letzteren das zweifelloseste Resultat geben. Abwaschen in dünner Salzlösung ist bei diesem Verfahren, um Blut- spuren in den Gefässen der Hyaioidea zu vermeiden, in vielen Fällen nothwendig. Zur weiteren Feststellung der Absorption haben wir noch ein Mittel verwendet, das vielleicht in der Technik der Prüfung von Pigmenten allgemeineren Eingang findet. Es bestand in der Beleuchtung durch spectrale Mischfarben mit Einschluss des auf verschiedene Weise zu bildenden Weiss. Nach Helmholf^'s Entdeckungen erzeugt man Weiss bekannt- lich aus 4 Paaren spectraler Farben, und es war zu erwarten, dass man darin die Eigenfarbe der Netzhaut mit grösster Deut- lichkeit werde hervortreten sehen, wenn eine der im Sehpurpur enthaltenen in der Belichtung vorkam. In der Ausführung haben wir uns mit grossem Vortheile des von Uelmlioltz construirten verschiebbaren Doppelspaltes (Physiol. Optik. S. 304, Taf.IV, Fig. 2), sowie seiner Anweisungen zur Erzielung eines scharfen Bildes der vereinigten Farben bedient, indem wir das Prisma in grösserer Entfernung vom Spalte im Fensterladen aufstellten, die Linse da- hinter setzten, und einen weiten Spalt, der als Object, oder als scharfer Rahmen für das farbige Bild zu dienen hatte, zwischen diese und den Doppelspalt einschoben (1. c. S. 303 Fig. 125). Wir sind nur in dem Punkte zuweilen von der Hei niholts' sehen Einrichtung abgewichen, dass wir hinter die Oeflfnungen des Dop- pelspaltes nicht eine Linse zum Entwerfen des Bildes, sondern deren zwei verwendeten, was bei Licht von sehr verschiedener 152 A. Evrald •und W. Kühne: Breclibarkeit den Yortheil hatte,, von beiden an demselben Platze Bilder gleicher Schärfe zu liefern, wenn man die Linsen ent- sxjrechend verrückte. Wo das Spectrum klein genommen wurde, oder wo in einem grösseren die Farben so nahe bei einander lagen, dass die Spalt- lücken eng zusammenstanden, war es dann nöthig, die beiden Linsen eben.^o nahe zusammenzubringen. Durchschnittene Stereo- skoplinsen leisteten dazu gute Dienste. Für ausgedehntere Spectra oder weit darin abliegende Theile bedienten wir uns des genannten DoppelspalteS; der dafür zu klein wurde, nicht, sondern benutzten einen hölzernen, auf einem Stabe verstellbaren Rahmen, über welchen soweit Streifen undurchsichtiger, hinten geschwärzter Pappe mit Pteisnägeln befestigt wurden, als wir den Durchgang farbigen Lichts verhindern wollten. Es ist zwar ziem- lich mühsam diesen Streifen die richtige Breite zu geben und sie genau zu befestigen, aber wir gewannen so eine einfache und wenig kostbare Vorrichtung, die uns das Verfahren soweit aus- zudehnen gestattete, wie wir wollten. Um die einfarbigen Bilder auf einen zum Arbeiten bequemen Platz zu lenken, reflectirten wir dieselben meist mit zwei für sich verstellbaren, rechtwink- ligen Glasprismen nach abwärts, auf eine horizontale, weisse Platte, und wo dies geschah, reichte zugleich eine einzige Linse auch für Strahlen der verschiedensten Brechbarkeit aus, indem man nur ein Prisma so vor oder zurück zu schieben brauchte, dass die Projectionsplatte in die betreffende Focalebene fiel. Die Re- flexion durch zwei getrennte Prismen geschehen zu lassen, beweg uns übrigens noch ein anderer Gmnd. Wenn es sich nämlich nur darum handelt, die beiden farbigen Bilder zur vollkommenen Deckung zu bringen, ist das ^'erfahren des Ueberschiebens, wie in Fig. 1, ausreichend. Wir wollten jedoch mit der Farbenanalyse die unten zu beschreibenden Ausbleichungsversuche am Sehpurpur verbinden und brauchten dazu partielle Deckung der Bilder, so dass die Mischfarbe jederzeit von einem hinreichend breiten Untersuchungen ül)ev den Sehpurpur. i; Streifen ihrer Coiiipoiienten begrenzt wurde. Da jedes Bild, das in letzter Instanz von dem verticalen linearen Objecte des Spaltes ausging, eine ebensolche mittlere, vertical ausgedehnte Partie grösster Intensität hatte, so fielen diese bei partieller Deckung nicht zusammen, sondern so, dass das intensivste Licht der einen Farbe das schwächste der andern deckte. Deshalb wählten wir Fuj. 1. Fuj. 2. die durch die Prismen leicht herzustellende Deckung, wie in Fig. 2, worin jedes der 3 Felder (a. b. c.) in der MitteUinie annähernd die grösste zu beiden Seiten für beide Farben gleichmässig abneh- mende Intensität hatte. In sehr vollkommener Weise gelang es zunächst das Weiss aus seinen Complementären zusammenzusetzen. Die Arbeit ist zwar immer mühsam, wenn man es dahin bringen will, dass das Partialweiss von dem zum Vergleiche in die Nähe gelenkten, ge- hörig gedämpften Tageslichte nicht mehr zu unterscheiden ist, und es gehört bekanntlich sehr gute Wahl der Entfernung des Beobachters, abgesehen von dem Ausschlüsse der Ermüdung, dazu; der Erfolg ist aber dafür um so lohnender. Soweit wir im Stande sind über unsere Eindrücke zu berichten, müssen wir behaupten, dass uns jedes so erzeugte Weiss immer beträchtlich heller, wir möchten sagen, ganz über alles i\Iaass heller, als die Vereinigung der beiden Intensitäten es erwarten Hess, erschienen ist, als die Bilder der Componenten. Wir hoffen unsere späteren Ausfüh- Kühue, rutersuchungen I. 11 154 A. Ewald viud W. Kulme: rungen zum Belege genommen zu sehen, class uns die Wahrneh- mung nicht getäuscht hat. 1. In AYeiss aus Roth und Blaugrün fanden mv die Froschnetzhaut sehr rein und tief roth. Sie zeigte die gleiche Farbe Tsie das benachbarte reine Roth, in welchem betrachtet die Retina kaum vom Grunde zu unterscheiden war; von Purpur war selbst- verständlich absolut nichts zu bemerken. Dieselbe Retina in's blaugrüne Bild gelegt, erschien schwarz. Zinnober erschien in solchem Weiss dunkelroth und Carmin war davon nicht zu unter- scheiden. 2. In Weiss aus Gelbgrün und Violet sah die Retina bei richtiger Stellung, so dass von der Oberfläche weder grün- liches, noch violettes Licht in's Auge reflectirte, oder durch ein geeignet gedrehtes Nicol'schea Prisma gesehen, grauviolet aus. Doch fanden wir einzelne Retinae, die einen grünen Schein be- hielten: es waren solche, die reich an grünen Stäbchen waren, wie wir sogleich durch das Mikroskop constatirten. Netzhäute vom Erdsalamander und Kaninchen zeigten die Erscheinung nie- mals. Zinnober war in diesem Lichte farblos, dunkelgrau, Car- min grauviolet, der Retina sehr ähnlich. Wir hielten BoWs Farbenproben (Ber. d. Berl. Acad. Jan. -Heft 1877) neben die Retina in dieses Weiss und fanden seine Fig. 2 identisch grauviolet mit der Farbe der Netzhaut, dagegen Fig. 1 a, die mit Zinnober gedruckt zu sein scheint und die Farbe der Dunkelretina wieder- geben soll, davon sehr abweichend und genau so, wie unsern Zinnober. Wurde die Retina kurz in's Helle gehalten, so schlug die Farbe, im combinirten Weiss betrachtet, mehr in das neu- trale Grau um, das die genannte Fig. 1 a darbot. Längeres Liegen des Präparates in diesem Weiss hatte dieselbe Folge. 3. Haben wir die Retina in Weiss aus Orange und Cy an blau, 4. in solchem aus Gelb und In d ig, das am schwierigsten zusammenzubringen war, betrachtet. In beiden sah sie wie von Untersuchungen über den Sehpurpur. 155 einem gi'auen Schleier überzogen aus, mit durchschimnierndcni Gelb oder Orange; der graue Schleier war um so dunkler, je mehr reines Gelb, das Orange drang um so mehr durch, je näher dem Roth das zur Combination des Weiss verwendete Orange genommen werden musste. Wie schon oben bemerkt, war Grau gar nicht mehr zu sehen, wenn reines Roth als eine Com- ponente gewählt wurde, und bei der Combination aus Gelbgrün und Violet landen wir, dass umgekehrt dem Grau sich jetzt sogar die Farbe der stärker brechbaren, im Purpur am wenigsten vertretenen Componente, das Violet, beimischte; sie that es eben. weil sie die einzige in der Beleuchtung mit vorkommende war. Liessen wir die Retina bis zum Brandroth, Orange, Chamois und Gelb ausbleichen, so traten diese Farben in dem Maasse hervor, als das Weiss dieselben enthielt. Die Stufe Orange wurde in 1) heller roth, in 2) rein grau, frei von Beimischung von Violet, in 3) orange mit ganz leichtem grauen Schleier, in 4) grau, durch welches aber schon sehr deutlich das Gelb durch- schimmerte. — Die Stufe Chamois, in 1) immer noch roth, wurde in 2) hellgrau, in 3) immer reiner und heller orange, in 4) reiner gelb, das durch den noch vorhandenen leichten grauen Schleier scheinbar in's grünlich Gelbe überzugehen schien. — Die Stufe Gelb erschien in 1) hellröthlich. in 2) hellgelbgrün, in 3) ganz blass orange und in 4) hellgelb. Ausser dem Weiss entsprachen unseren Zwecken noch einige andere Mischfarben, vor Allem der Purpur aus reinem Rothund Violet. Unsere Erwartung, dass die Netzhaut darin überaus brillant leuchtend, wie die Farbe des Grundes aussehen werde, hat uns in keiner Weise getäuscht. Dies ist das wahre iMittel, um zu erkennen, dass die völlig unbeliclitete Retina purpurfarben und nicht roth ist, und es ist das beste Mittel, weil es bei inten- sivstem Lichte die längste Betrachtung gestattet, da sämmtliche zur Anwendung kommende Strahlen die geringste zersetzende Wir- kung auf den Sehpurpur besitzen. Da wir alle Präparationen 156 A. Ewald und W. Kühne: in einem vortrefflich lichtdicliten Zimmer unmittelbar neben dem gleichfalls gegen alles imgewünschte Licht geschützten Spectral- zinnner vornehmen konnten, so waren wir immer in der Lage, das Folgende treffend zu demonstriren. Wir theilten eine Frosch- retina in zwei Hälften und belichteten die eine Hälfte einen Augenblick in massig hellem Tageslichte. Sowie wir sie jetzt in den spectralen Purpur legten, zeigte sich die dunkel gehaltene heller als die belichtete, da bei letzterer nur noch Roth und kein Violet mehr reflectirt wurde, während die Helhgkeit des Grundes und der unbelichteten Retina sich aus den Intensitäten des Roth und Violet zusammensetzte. Der Untei'schied war ähnlich dem, welchen Zinnober und Carmin in dieser Beleuchtung zeigten, in- dem der erstere dunkler und stumpf, der letztere wie leuchtend erschien. An der Retina wurden diese Unterschiede schon deut- lich, wenn wir im gemeinen Lichte noch keine Ahnung davon haben konnten, wo die um einen Augenblick länger geschützte Hälfte farbensinnigen Personen nicht um die kleinste Nuance verändert erschien, gegen die andere. Das Mittel hatte sich also bewährt und that es um so mehr, je weiter die Differenzen mit der Entstehung der brandrothen Nuance an dem wiederholt belichteten Präparate vorschritten. Lii vorliegenden Falle ist es nicht sonderlich merkwürdig, dass Belichtung die Netzhaut dunkler macht, es ist aber auch für gewöhnliches weisses Licht nicht paradox und kann da nach sehr kurzer Einwirkung wohl merk- lich werden : denn indem der Sehpurpur in's Licht gelangt, schlägt er in's Brandrothe um, weil die Entstehung des Sehgelb beginnt; es wird aber nur ein Minimum Purpur zersetzt und nur so viel Seh gelb gebildet, dass etwas Violet verdunkelt wird, und diese Verdunklung ist bemerkbarer, als die geringe Aufhellung, welche dafür im gelben Lichte erfolgt. So erklärt es sich, wenn gesagt ist, das Roth der Netzhaut könne durch Belichtung auch ver- stärkt werden. Unser Auge erhält bekanntlich noch von einem anderen lTntp^•^^ucl)unJ,f|•n iiltfi- den Sflipurpur. 157 Farbenpaare die Eiuptindimg rurpur, lUinilicli von der Misclmng aus Kotli und l'.lau. Indem diese Componenten erst Violet geben sollen, letzteres und Kotli aber Purpur, bat man es in der Hand, durch Ueberwiegenlassen des Roth eine zweite Art Purpur, die wir Pseudopurpur nennen wollen, hervorzubringen. Nichts kann eindringlicher über die Bescbati'enheit des Sehpurpurs belehren, als der Anblick, welchen die Dunkelretina im Pseudopurpur ge- währt und als der Gegensatz dieses Bildes zu dem im wahren Spectralpurpur auftretenden. "Während die Pietina in diesem von der Purpurfarbe der Unterlage so wenig zu unterscheiden ist, dass man in Zweifel über die Grenzen der ^lembran gera- then kann, wo sie z. B. vom Glaskörper umgel)en aufliegt, tritt sie in jenem als schreiend brandrother Fleck hervor, der um so heller ist. je weniger Blau in der Mischung steckt, um so dunkler roth, je weniger vom spectralen Roth genommen wurde. Es liegt in dieser Beobachtung der vollkommenste Gegenversuch zum vorigen und derselbe deckt zugleich ein Verhalten auf, das allen wirklichen Purpurfarben gemeinsam ist. Carmin in Sub- stanz oder in NHs gelöst erweisen sich hier von gleicher Ordnung, wie der Sehpurpur, denn sie sehen im Pseudopurpur so rein roth aus, wie Zinnober, von dem sie hier gar nicht zu unterscheiden sind. Ein mit deckendem Rosa bedrucktes Papier, dessen Pig- ment wir nicht kannten, und dem man wohl ansah, dass Carmin daran gespart w^orden, enthielt dagegen Pseudopurpur. so dass in der gleichen Belichtung sogar Blau herauskam. Lackfarbenes CO-Blut verhielt sich wie Carmin und wie Sehpurpur. Unter fortdauernder "Wirkung des Pseudopurpurs zersetzt, nahm die Retina erst heller rothe, endlich grau pui-purne Färbung an : sie war in weissem Lichte betrachtet jetzt der Au.sbleichung nahe und liess daher das Licht des Grundes nahezu unverändert durch. Hinsichtlich der Wirkung des Pseudopurpurs auf das menschliche Auge wollen wir nicht versäumen zu sagen, dass wir uns zwar nicht getrauen, richtige Mischungen aus Blau und Roth immer 158 A. Ewald und W. Kühne: von solchen aus Violet und Roth, also Pseudopurpur von Purpur zu unterscheiden, dass es uns aber niemals gelungen ist, mit der ersteren Combination die Empfindung des spectralen Yiolet her- auszubringen. Derartige Entstehung des Violet wird zwar oft behauptet, aber das stimmt weder mit den Bezeichnungen, welche Hehnholtz für diese Mischung wählt (Rosa), noch für unsere Wahrnehmungen und kann vermuthlich zum Belege für die historische Vernachlässigung des Farbensinnes vieler Menschenclas- sen dienen, deren Sünden sich heute auf das Violet concentriren. Farlbenanalyse der Purpurlösuiig. Unter der ausserordentlich grossen Zahl chemischer Mittel, welche wir zum Auflösen des Sehpurpurs versucht haben, fanden wir bisher kein andres, als die Alkalisalze der Gallensäuren, und dass ein andres gefunden werde, wird uns mehr und mehr zweifel- haft. Es liegt dies wol weniger an einer Unlöslichkeit des Stoffes ohne Gleichen, als daran, dass alle Mittel, ausser der Galle, die ihn lösen könnten, es nicht ohne Zersetzung thun; in neuerer Zeit wenigstens wird es wahrscheinlich, dass es Mittel gibt, welche aus dem Sehpurpur im Dunkeln Sehgelb erzeugen und dieses in Lösung bringen. Statt der krystallisirten Galle und des Glycocholats (von gewissen Unregelmässigkeiten des Prä- parates abgesehen, vergl. Heft 1, S. 43) kann zum Auflösen der Stäbchen auch das Taurocholat oder reines cholalsaures Natron verwendet werden. Weitere Erfahrungen haben uns gezeigt, dass die Stäbchen und der Purpur von vielen Thieren in Galle löslich und es überall nur so lange sind, als das Absterben keine tieferen Zersetzungen herbeigeführt hat. Ausser vom Frosche, Kaninchen und dem Rinde, gelang es filtrirte Purpurlösungen zu bereiten aus der Netzhaut der Eule, des Aals, des Erdsalamanders und der Kröte; Unterschiede wurden an dem Verhalten dieser Lösungen in keiner Beziehung bemerkt. Die Technik der Herstellung haben wir Untersuchungt-n ül)er ileii Sehpurpur. 159 vereinfacht, denn es stellte sich, wenigstens für die wärmere Jahreszeit, als besser heraus, die Netzhäute nur 1 — 2 Stunden mit der Galle in Berührung zu lassen und darauf zu filtriren. Wartet man länger, so scheint der Farbstoff von den Gewebs- trümmern wieder tixirt zu werden. Ausserdem haben wir das Epithelpigment weniger fürchten gelernt und geben jetzt auch Netzhäute mit dessen schwarzem Belege in Lösung, unbekümmert um das Durchgehen der feinen schwarzen Körnchen durch das Filter, da sich dieselben nach 12 — 24 Stunden vollkommen zu Boden setzen, so dass die Purpurlösung klar abpipettirt werden kann. Die Lösungen trüben sich übrigens ausserordentlich leicht durch Bacterien und sind ungemein fäulnissfähig. Was wir schon von der Farbe der Netzhaut bemerkten, nändich die Eigenthümlichkeit in grösserer Concentration mehr in's Violette zu schlagen, als bei mittlerer, das halben wir viel schlagender und in wahrhaft erstaunlichem Grade an der Purpurlösung beobachtet und so auffällig, dass wir auf den Ge- danken kamen, die Galle verursache Farbenveränderung. Wenn man etwa 30 Froschnetzhäute mit kaum einem Cub.-Cent. Galle behandelt, erhält man einen Brei, der aussieht, wie eine starke Lösung von Carmin in Ammoniak, also viel mehr violet, als roth. Leider ist darin der Sehpurpur nicht in solcher Menge wirklich gelöst, dass das Filtrat dieselbe Farbe erhielte, sondern dieses ist nicht anders, alscarminroth zu erhalten, obwohl nichts Violettes oder Blaues auf dem Filter bleibt, wenn man mit Galle nachwäscht. Will man eine tiefviolette und dabei klare Lösung haben, so muss man das Filtrat über SH2O4 an einem warmen Orte, möglichst schnell, in einem nicht zu weiten Schälchen concentriren, damit sich keine rosenrothen, firnissartigen Piänder bilden. Was man jetzt erhält, hat die Farbe der ammoniaka- lischen Carminlösung und ist vollkommen klar. Wir haben kleine Tröpfchen solcher Lösung auf Objectträgern über SH2O4 ganz eingedunstet und dann mit. dem Mikroskop betrachtet. Da fan- 160 A. Ewald und W. Kulane: den sich in dem festen Firnisse kleine, beinahe schwarze Körnchen, die wir anfänglich für nicht entferntes Epithelpigment hielten, obwohl sie nicht das Aussehen kleinster Krystalle hatten, wie dieses. Als der Firniss jedoch an der Luft, wie es die Galle thut, Wasser anzog, bikleten sich flüssige Augen oder Tropfen darin von tief dunkel violetter Farbe und die schwarzen Körnchen schienen sich zu lösen, und als wir das Präparat ordentlich befeuchtet an die Sonne legten und wieder über SH2O4 trockneten, war von den schwarzen Körnchen nichts mehr zu sehen. Dieselben konn- ten also wohl nichts Anderes gewesen sein, als ausgeschiedener, fester Sehpurpur. An der Sehpurpurlösung kann in sehr eleganter und über- raschender Weise der Farbenwechsel durch Verdünnung unter vollkommenem Ausschlüsse der Zersetzung durch Licht demon- strirt werden. Wir verdünnten die dunkelviolette Lösung mit Wasser und sahen sie anfänglich in"s Roth, in richtiges Carmin- roth schlagen, mit mehr Wasser versetzt, in Rosenroth, weiter in Rosa, später in helles Lila, endlich sehr stark verdünnt, so gut wie farblos werden. Keine Spur von Gelb trat dabei auf. Wer mit durchsichtigen Farben Bescheid weiss, wird hier an das Verhalten lackfarbenen Blutes erinnert, wo man Aehn- liches kennt. Es kann schwer sein, zwei mit Aether durchsich- tig gemachte Blutproben zu unterscheiden, von denen die eine O, die andere CO enthält, besonders wenn die Sättigung mit CO nicht vollkommen ist ; nach GOO— lOOO-facher Verdünnung unter- scheidet man die Proben aber sofort und ohne alle Uebung, denn da zeigt sich, wie viel mehr blaues oder violettes Licht das CO- Blut durchlässt, als das andere: das erstere sieht gelblich, das vergiftete wie verdünnter Kirschsaft aus. An der Sehpur- purlösung ist dies ähnlich, nur viel auffälliger, weil das Roth durch Verdünnen weit mehr zurücktritt, der Art, dass man von der lilafarbenen Lösung kaum ahnt, dass sie durch Concentra- tion auch in's Rothe schlagen könne. Wir machten uns selbst TTntersuchun,1 den Einwand, wie man es soll und wie es dem Wesen alles ex- l)erimentellen Vorgehens entspricht, die Verdiinnung mit Wasser könne die Farbe chemisch ändern, aber die Sache war auch beim Verdünnen mit Galle, statt des Wassers, nicht anders und als wir die lilafarbene Lösung eindunsteten, wurde sie so rosa und später carminfarben, wie sie es vor der Verdünnung gewesen war. Da bekanntlich viele rothe Farbstofte die Eigenthümlichkeit haben, in alkalischer Lösung violette, in saurer mehr rein rothe Nuancen anz.unehmen und die Cholate alkalisch zu reagiren, haben wir die oben erwähnten Versuche mit cholalsaurem Natron angestellt, das einen Ueberschuss der freien Säure gelöst enthielt. Hier- mit konnte man die Stäbchen und den Purpur eben so gut auf- lösen und die Nuancen wurden dann keineswegs geändert. Unten wird gezeigt werden, dass der Sehpurpur in die Classe der durch Säuren und Alkalien hin und her veränderlichen Farbstofte über- haupt nicht gehört. Ganz anders wie das Erblassen durch Verdünnung ge- schieht das Ausbleichen der Purpurlösung im Lichte, denn da handelt es sich um eine Zersetzung und die Farbe macht alle Nuanceji der belichteten Retina durch, vom Purpur in's Pioth, Orange, Chamois, Gelb, zum Farblosen. Ob die Farl)en alle zur Erscheinung kommen, hängt von der Intensität und Zersetzungs- fähigkeit des Lichtes ab, das in diffuser Tagesbeleuchtung nicht immer gerade so ist, wie man es wünscht. Wir können ein gutes Mittel angeben, sich unabhängig von diesen Zufällig- keiten zu machen. Man braucht nur etwas Purpurlösung soweit zu belichten, dass sie gut gelb ist, was immer leicht gelingt, und damit unbelichtete Lösungen verschiedener Concentrationen mehr oder minder zu mischen. So hal)en wir aus tiefvioletten Flüssigkeiten Carminroth, mit mehr Sehgelb ein tieferes P>randroth, aus rosafarbenen und vollends mit bis zum Lila verdünnten Lösungen, Orange und Chamois erhalten. Damit klärt sich die Natur der Zwischenstufen, besonders der letzteren, etwas sonderbaren, in 162 A. Ewald und W. Kühne: unserer Sprache schwer zu bezeichnen den, völlig auf und es hat darum jetzt keinen Sinn weiter, beim belichteten Sehpurpur von mehr als drei, nach oder neben einander entstehenden und vorhan- denen Stoffen zu reden. Der Sehpurpur, durch Licht zersetzt, gibt nur ein gefärbtes Product, das Sehgelb, welches in ver- schiedenem Grade mit noch unzersetztem Purpur gemischt, zu allen beobachteten Zwischenstufen der Netzhautfärbung führt. Das Sehgelb geht endlich durch Belichtung in eine gänzlich farblose Substanz, in Seh weiss über, von welchem sich noch zeigen wird, dass es durch einige optische Eigenthümlichkeiten zu erkennen ist. Da in der Pietina einiger Thiere (Frosch, Kröte) auch grüne Stäbchen vorkommen, so haben wir nicht unterlassen auf etwaige grünliche Nuancen Acht zu geben, die sich aus Sehgelb und minder rothen Nuancen des Purpurs hätten bilden können. Wir haben indess nie etwas darauf Deutendes gesehen, obwohl wir es anfänglich für denkbar hielten, dass der Purpur kein einfacher Körper, sondern ein Gemisch aus rothen und violetten, selbst blauen Stoffen sei. Photochemische Zersetzung mit Bildung eines rothen und eines blauen Körpers war ausserdem noch denk- bar, selbst wenn man den Purpur für einfach hielt, und wenn der rothe zu Sehgelb wurde, konnte dieses immerhin durch Misch- ung mit dem andern blauen Spaltungsproducte zu Grün führen. Es wurde aber nichts der Art an Mischungen beobachtet, die wir mit den in verschiedenster Weise belichteten und darauf zusam- mengegossenen Purpurlösungen vornahmen. Das beschränkte Vor- kommen det grünen Stäbchen in der Thierreihe und die unten folgenden Erfahrungen über ihre Entstehung sprechen endlich gegen die obengenannte Auffassung. Setzt man zu einer am Lichte vollkommen entfärbten Pur- purlösung sehr wenig unzersetzter, also zu überschüssigem Seh- weiss Spuren von Sehpurpur, so wirkt dies genau, wie blosse Verdünnung, indem die Mischung lila oder rosa wird. Dies be- Untersuclnui.ucii älter ilm Sflipurpur. 163 weist, dass der Selipuipur unter den gelösten Körpern an sich lichtempfindlich ist und nicht secundär durch irgend einen andern am Lichte sieli erst l)ildenden, farblosen Stotl" unter Entfärbung zersetzt wird. Frülier (Heft I, S. 48) wurde schon bemerkt, dass man in der Purpurlösung aus Froschnetzhäuten kein Hämoglobin finde. Dies hat sich seither aufgeklärt, denn es liegt hauptsächlich an der ziemlich schwierigen Löslichkeit der Frosch blutkörperchen in Galle der von uns benutzten Concentration. Ausserdem mag der Scluitz, den die umgebenden Gefässwände gewähren, von Bedeutung sein. Oft genug fanden wir in den Netzhautfetzen auf dem Filter wohl erhaltene Blutkörperchen in dem bekannten zierlichen Gefässnetze der Hyaloidea liegen. Die Netzhäute vor dem Einlegen in Galle etwas in dünner Salzlösung abzu- schwenken, bleibt jedoch rathsam. Um die Spectralanalyse der Purpurlösung" vorzunehmen, haben wir zwei Methoden befolgt: die Beobachtung in den Einzel- farben des objectiven Spectrums und die gewöhnliche des Vor- schiebens vor das gesammte in den Spalt dringende Licht. Wir erörtern die erstere zunächst. Das scharfe Sonnenspectrum wurde wieder durch Reflexion auf einer weissen, horizontalen Porzellan- oder Milchglasplatte entworfen, über welcher das kostbare Material möglichst sparsam auszubreiten war. Dies geschah indem wir aus derselben Ca- pillarröhre Tropfen aus gleicher geringer Höh(5 auf eine beson- ders sorgfältig geputzte Glasplatte, in einer Reihe, mit möglichst kleinen Zwischenräumen fallen Hessen. Da sämmtlichc Tropfen annähernd denselben Umfang und gleiche Höhe hatten, so war damit Alles erreicht, was sich wünschen liess, und wir haben so mit unerwarteter Deutlichkeit dieselbe Absorption, wie an der Netzhaut constatiren können, nur noch um Vieles schlagender. Besah man den ziemlich durchsichtigen Milchgiasstreifen, der die Tropfenplatte trug, von unten, so hatte man auf dem Spec- 1G4 Ä. Ewald xmä W. Kühne: triim im rotlien und violetten Ende einige kaum bemerkbare Flecken, im Gelb einen hellgrauen und im Ende des Blau einen dunkelgrauen, dazwischen eine Reihe schwarzer Flecken. Durch die farblose Glasplatte allein und von unten betrachtet, sahen die Tröpfchen wie eben so viele rothe, violette, graue und schwarze Perlen aus, deren Verhalten sich aber alsbald in charakteristischer Weise änderte. Ueberraschend zierlich liess sich hier die Absorp- tionsänderung durch Belichtung zeigen, besonders im Violet. Wir setzten auf getrennte Glasstückchen Tropfen des klar ge- lösten Purpurs, hielten die einen kurz in's Tageslicht und schoben sie darauf neben den anderen in's violette Spectralende. Nun sahen die ersteren beinahe schwarz, die letzteren hellviolet aus und ähnlich auffallend war der Unterschied an den Schatten auf einem unter die Plättchen gehaltenen Papierblatte. Als diese Tröpfchen durch das ganze Spectrum bis in's Roth geführt wurden, erschienen sie in Blau und Grün gleich dunkel, aber wo das Grün anfing gelblich zu werden, schlug dies in's Gegentheil um, die belichteten wurden heller, die andern dunkler, und so blieb es mit abnehmender Deutlichkeit bis nahe an D, während da- rüber hinaus beide gleichmässig die Farben des Grundes, Orange und Roth, annahmen. Wir haben den Gang der Ausbleichung nach fortgesetzter Einwirkung des weissen Lichtes in Bezug auf die Absorption weiter verfolgt und constatirt, dass dieselbe im vorletzten Stadium nur noch im Indig zu bemerken ist, wo sie mit den letzten Spuren erkennbaren Sehgelbs endlich eben- falls schwindet. Zur Untersuchung des Absorptionsspectrums nach dem ge- wöhnlichen Verfahren Hessen wir ein kleines doppeltes Hohl- prisma (Fig. 3) aus Glasstreifen und Platten mit Canadabalsam zu- sammonkitten, das im Ganzen nicht mehr als 1,5 Cub.-Ctm. zur Füllung bedurfte. Zuerst wurde eine viereckige Glasplatte von 28 und 17 Mm. Seite mit dem längeren Rande gegen einen farblosen Objeetträger gekittet, an den 3 übrigen Seiten mit Untersuchungen über den Sehpurpur. 165 Glasrahnieii vuii 1 Mm. Ilüho uiiigeben und diagonal durch i'iiicii ebensolchen Glasstreifen getheilt. Bis auf den entsprechenden Aii- satztheil am Objectträger und den gegenüberliegenden Hand (Ujs Kästchens wurde aussen Alles geschwärzt, so dass man nur durch die lange Seite des Kästchens und durch einen Streifen der Glasplatte, vor welchem Nichts absorbirt wurde, sehen konnte. Die optisch nutz- bare Höhe des kleinen Doppelprisma betrug o Mm., die Länge 25 Mm. und die grösste nutzbare Dicke der ein- gefüllten Flüssigkeit 14 Mm. Wir füllten das vor- dere Prisma mit der zur Gewinnung des Purpurs dienenden farblosen Galle, das hintere mit der Pur- purlösung, und befestigten den von einer Klemme an dem Objectträger gefassten Apparat an einem Stative so vor dem Spalte eines gewöhnlichen Spec- tralapparates, dass der Purpurkeil, dessen prisma- tisclie Wirkung durch das umgekehrt vorliegende Galle-Prisma aufgehoben wurde, vor dem Spalte horizontal verschoben werden konnte. In solcher Weise konnten nach einander dünnste und dickste Schichten bis zum Durchmesser von 14 Mm. auf die Absorption geprüft werden. Um den Purpur während der Untersuchung so we- nig wie möglich durch Licht zu zersetzen, wurde die ganze Vor- richtung in's Dunkelzimmer hinter den Spalt im Fensterladen ge- setzt, durch welchen gerade ausreichendes, zerstreutes Hinimelslicht vom Heliostaten einfiel. Ausserdem wurde noch die freie Oberfläche der Lösung durch einen schwarzen Deckel geschützt. So war es möglich zuvor ein gutes, im Violet hinreichend helles Spectrum herzustellen und dasselbe ohne Uebereilung nach dem Durchgange des weissen Lichtes durch den Purpur in bekannter Weise zu untersuchen. Bei allniähliger Verschiebung des Absorptionskästchens zeigte sich, dass die erste bemerkbare Beschattung in den Anfang des Grün vor E fällt, also da, wo dieses noch etwas gelblich Fifi. 3. 166 A. Ewald und W. Kühne: ist; mit wachsendem Durchmesser der Schicht nahm die Ab- sorption mehr gegen das Grün und Blau, als gegen das Gelb zu, stieg dann sehr plötzlich im Blaugrün und erstreckte sich weiter in's Blau hinein. Zur Beschattung des Violet kam es bei der Concentration unserer Lösungen gar nicht, so wenig wie im Orange und im Roth. Nach partieller Zersetzung durch Belichten der Lösung von oben, sahen wir bei d e r Stellung des Keils, welche die erste Beschattung im Gelbgrün darbot, zuerst das Violet etwas verdunkelt, während der erstere Schatten wich, das Gelb- grün also heller wurde, und als wir jetzt die dickste Stelle des Keiles vorschoben, wurde Violet ganz ausgelöscht. In dieser Stellung wurde die Ausbleichung bis zum Ende geführt und man sah darauf der Reihe nach die Farben Gelb, Grün, Blau, und nach diesen das äusserste Indig und Violet aus der Verdunklung wieder hervortreten. Wir haben endlich noch die Purpurlösung im partialen aus zwei Complementären gebildeten Weiss und in den Mischfarben, deren schon bei der Retina gedacht wurde, besonders im Purpur beleuchtet. Da das Verhalten ganz so wie bei jener war, so be- schränken wir uns auf die Anführung der Uebereinstimraung. Rückblick auf die Ergebnisse der Farbenanalyse. Wem die Empfindung nicht sagt, welche Farbe die Retina eines im Dunkeln gehaltenen Auges hat, dem empfehlen wir aus den mitgetheilten Feststellungen über die Absorption des Lichtes imSehi)urpur das Facit zu ziehen. Er wird dann einsehen, dass es sich da um Etwas handelt, worüber nicht zu streiten ist, und dass es nichts Unverständigeres geben kann, als das Urtheil über diese Farbe von der Abbildung eines wie immer begabten Künst- lers abhängig zu machen, dessen Aufmerksamkeit nicht darauf gelenkt worden, dass er eine Farbe copiren solle, welche bereits in der Nuance verändert ist oder es im nächsten Augenblicke und lange vor dem auffälligeren Abblassen sein wird. Ausserdem verwahren Untersuchungen ü1)or tlen Selipuvpur. 167 wir uns gegen Einwendungen, welche uns Besielitigungen mit dem Tiischenspectroskope oder gar mit einer der bis jetzt selir unvoll- konnnencn Einrichtungen, die als Spectroskope mit dem Mikro- skope verbunden tlienen, hergeleitet werden, denn wir haben gute Gründe gehabt, auch das letztere Mittel, nachdem wir es versucht hatten, zu verwerfen. Da es sich bei der Retina und dem Sehpurpur um Absorp- tionsfarben handelt, so konnnen nur die Empfindungen in Be- tracht, welche die nicht absorbirten Farben in unserem Auge er- zeugen. Absoi'ptionsfarben entstehen objectiv durch Subtraction vom weissen Lichte, und wie wir den Körper wahrnehmen, sagt uns ausser der Empfindung selbst die Erfahrung über anderweitig durch Addition hergestellte Mischung der durchgelassenen Farben. Wenn man also den Farbstoff gar nicht gesehen hat, kann man nach Feststellung der Absorption voraussagen, wie er gesehen wird. Wie weit das für den Sehpurpur zutrifft, zeigt die folgende Zusammenfassung. 1 . In der grössten Verdünnung oder bei der dünnsten Schicht erkennt unser Auge am Spectrum des durchgegangenen Lichtes keine Absorption; die Empfindung ist weiss, wenn das Licht es ist. 2. j\Iit steigender Concentration beginnt die Absorption im Gelbgrün, es gehen mit Ausnahme dieser alle Farben durch und das Hesultat ist Weiss plus der einen Farbe, deren Complemen- tär fehlt, nämlich Violet; das gibt die Empfindung stark wciss- lichen Violets, also Lila. Wäre die Netzhautfarbe nur in solcher Verdünnung bekannt, so würde man sie nicht purpurn, sondern einfach violet nennen; sie zeigt aber mit wachsendem Durchmesser der Lösungsschicht Absorptionen in folgender Reihe : 3. Zum Gelbgrün wird das Grün beschattet, die Empfindung wirdweisslicher Purpur, oder hellesRosa; 4. Gell)grün, Grün, Blaugrün werden absorbirt, die Empfindung ist Rosa mit mehr Roth als in o; 5. dehnt sich die Absorption auf das Cyanblau aus, dieEmpfindung wirdRosa mit noch mehr vorherrschendem 168 A. Ewald und W. Kühne: Roth, weil Inclig und Gelb noch ^Yeiss geben, Roth, Orange, und Violet übrig bleiben; G. werden ausser den Vorigen Gelb und In- dig absorbirt, die Empfindung wird beträchtlich gesättigter, da kein Weiss gebendes Paar mehr übrig ist, es bleiben Roth, Orange und Violet, die Empfindung ist die eines Purpurs mit stärker ausge- sprochenem Roth; 7. Absorption aller Farben, wie bisher, aber von D nach G übergreifend ; dies kommt in der Empfindung dem Violet des Puqjurs zu Gute und derselbe nimmt die fast bläu- liche, stark violette Nuance an, die man an der Retina des Fro- sches seltener, oft an der des Aals und der Eule, am schönsten und constant an der durch Eindunsten concentrirten Auflösung des Sehpurpurs vom Frosche sieht. Wir haben uns an diesen Ob- jecten in der That überzeugt, dass sie in's rothc Ende des ob- jeetiven Spectrums gebracht, Absoi'ption bis tief in's Orange zeigen, nämlich in dem Zwischenräume von C bis D, schon etwas vor dem letzten Dritttheile des an D grenzenden Abschnittes beginnend. Wie es hat geschehen können, dass die vorstehenden Wahr- nehmungen nicht überall direct gemacht wurden, glauben wir zu verstehen, wenn wir annehmen, dass nicht immer mit grösster Sorgfalt auf die Präparation der Retina im wenigst wirksamen Lichte geachtet oder das Besehen am Lichte nicht zeitig genug beendet wurde. Wenn man den ersten Umschlag aus Purpur in Roth daran gibt, ist freilich inuner noch so viel auffallige Fär- bung an der Netzhaut wahrzunehmen, dass man ohne einge- hende Erfahrungen glauben kann, Alles oder das Wesentliche gesehen zu haben. Dem ist jedoch nicht so und wir hoffen mit dem Folgenden zu zeigen, dass das Verhalten des Sehpurpurs im Auge und am Lichte nur verständlich wird, wenn man weiss, dass sogenanntes Sehroth schon ein photochemisches Zer- setzungsproduct enthält und durch Verunreinigung des Purpurs mit den ersten Anthcilen von Sehgelb entsteht. Uutersuchungen über den Sehpurpur. 109 Von der Fluorescenz der Retiua und des Selipurpurs. Aus lldniJioltfs Untersuchungen (Pogg. Ann. XCIV.) ist die weissgrünliche Fluorescenz der menschlichen Retina im ultra- violetten Lichte bekannt. Später wurde von Scfschcnotv (v. Gräfe's Arch. V. 2.) dasselbe Verhalten auf HelmJiolt^'s Veranlassung an der möglichst frischen Netzhaut des Ochsenauges festgestellt. In der Herstellung möglichst reinen ultravioletten Lichtes sind wir ganz den IIelmJioUs''s,chcii Vorschriften gefolgt und wir haben die meisten unserer Versuche gleichfalls mit einem vorn versilberten Heliostatenspiegel ausgeführt. Spiegel von Neusilber, welche jetzt mehr zur Retlexion der ultravioletten Strahlen des Sonnenlichtes empfohlen werden, boten uns keine Vortheile ; doch mag der Schlili" des uusrigen nicht vollkommen genug sein. — Um es kurz zu sagen, nahmen wir einen ersten, mehr als 1 Centi- meter weiten Spalt im Laden, eine Quarzlinse, dann das Quarz- prisma, in welchem die optische Axe den einen Winkel von 50° halbirte, unter Benutzung eines der anderen nicht doppelbrechenden Winkel von 65*^, und stellten die Combination so auf, dass das Bild des ersten unreinen Spectrums auf eine Ebene dicht hinter dem Prisma fiel. Hier war der zweite Spalt so eingeschoben, dass der vorgehende Rand gerade an das Ende des Violet fiel. Dahinter befand sich das zweite Quarzprisma und hinter diesem die zweite Linse kürzerer Brennweite aus Quarz. Ueberall, wo es nöthig war, wurden grössere schwarze Schirme zum Schutze gegen zerstreu- tes und reflectirtes Licht aufgestellt und ein letzter Schirm angewen- det, um am Orte des ultravioletten Bildes abzublenden, was noch an Licht vom andern Spectralende stören konnte. Wir erhielten so auf Chinin. Aesculin, Fluorescin u. s. w. die herrlichsten Fluorescenzerscheinungen, und sahen mit derselben Ueberraschung, wie Andere vor uns, die ungemein auffällige, blaue Fluorescenz der Linse im lebenden Auge des Menschen, welche das Ansehen einer ausgebildeten Cataract hervorruft. Das reinste Ultra- Küliue, Untersuchungen I. 12 170 A. Ewald und W. Küline: violet, das wir darzustellen vermochten, war übrigens nicht ganz so frei von langwelligem Lichte, als wir erwartet hatten, denn wenn wir es direkt mit einem Prisma oder mit dem Taschenspectro- skope betrachteten, sahen wir immer noch andersfarbiges Licht, in einzelnen Fällen sogar etwas Roth. Dieses Licht war aber ausser- ordenthch schwach, so schwach, dass man in der Projection auf Papier gar nichts davon bemerkte, und jedenfalls zu schwach, um Täuschungen veranlassen zu können. Wenn von der Farbe des Sehpurpurs und anderer rothgefärbter Objecte absolut nichts in dem Lichte zu erkennen war, glaubten wir darüber beruhigt sein zu können. Einige Vorversuche belehrten uns über die Fluor es- cenz fast aller zur Hand befindlichen Dinge. Unter thierischen Gebilden zeichneten sich Sehnen, Fascien , Elfenbein, Knorpel in abnehmender Reihe, dann die Fingernägel, unsere Haut durch bläuliche Fluorescenz aus. Sehr schwach war dieselbe am frischen Querschnitte des Froschmuskels und mehr in's Grünliche spielend. An der Cornea des lebenden Auges sahen wir nur massiges Leuchten, wie es beschrieben wird. Zur Unterlage für die Retina fanden wir, wie Andere, nichts Geeigneteres, als mattes Porzellan, obwohl dasselbe nicht ganz frei von Fluorescenz war. Um uns vor Verwechslung reflectirten Ultraviolets mit solchem, nament- lich bläulichem Lichte , das durch Fluorescenz entstand, zu schützen, wandten wir wieder das iVicoPsche Prisma an, das vor- theilhafter als Canarienglas diente. Unbelichtete Netzhäute vom Frosch, Kaninchen, Rind und Schwein zeigten niemals die von HdmliolU entdeckte weisslich grüne Fluorescenz, sondern verbreiteten weisslich l)laues Licht. Erst nach der zersetzenden Einwirkung des Tageslichtes trat das bisher bekannte weisslich grüne Licht auf, um so kräftiger, je vollständiger die Bleichung des Netzhautpurpurs erreicht war, und dann so intensiv, wie es schwerlich bisher gesehen sein dürfte. Abnahme des zerstreuten blauen Lichtes ist jedoch schon bemerk- bar, wenn der Purpur in Orange umschlägt, deutlicher, wenn nur Untersuchungen iUier den Sehpiirjnir. 171 Sehgelb sichtbar ist, am deutlichsten beim reinen Sehweiss, wo nur noch das grün lieh- weisse Leuchten wahrzunehmen ist. An der Froschnetzhaut ist das blaue Leuchten nicht so rein, wie bei den Säugern, schon etwas ins Grünliche gehend und im Ganzen auch etwas schwächer. Auftrocknen der Membranen macht hier, wie bei den andern Netzhäuten die Erscheinung auffälliger, die Fluo- rescenz intensiver, sowohl bei erhaltenem, wie bei gebleichtem Purpur; die Aenderung der blauen zur grünen Fluorescenz er- folgte jedoch wie an den feuchten übjecten, wenn die Bleichung glückte. In der Retina dürften nach unsern Erfahrungen zweierlei fluorescirende Schichten anzunehmen sein: die Stäbchenschicht und die gesammten vorderen Retinalgewebe. Die letzteren tluores- ciren unter allen Umständen bläulich, aber immer sehr viel schwächer als die Stäbchen, gleichviel ob diese farbig oder gebleicht sind. Schabten wir im Natroulichte die Stäbchen an einer Stelle möglichst fort, so war der Ort im Ultraviolet sofort daran zu erkennen, dass er schwächer leuchtete und nach bleichender Be- lichtung erkannte man ihn nicht nur daran, sondern auch an der Farbe, als bläuliche, dunklere Insel in grünlichem Grunde. Es ist daher zur Erkennung des Helmhol tz'schen Phänomens keines- wegs gleichgültig, welche Seite der Retina dem ei'regenden Lichte zugewendet wird, denn das weisslich grüne Leuchten ist bezüg- lich der Farbe weniger deutlich, wenn die vorliegenden Schichten auch blaues Licht aussenden, vollends in der getrübten, todten Retina der Säugethiere. Nach dem Gesagten wird man kaum zweifeln, dass die Fluorescenzunterschiede dunkel gehaltener und belichteter Retinae durch den Sehpurpur und dessen photochemische Zersetzungs- produkte bedingt werden. Wir haben die Erscheinung an der abge- schabten Netzhaut, wie erwähnt, ausbleiben oder sehr geschwächt gesehen; aber wir konnten sie an den abgeschabten Stäbchen mit der grüssten Deutlichkeit bemerken. Es genügt, die nach sanftem 172 A. Ewald und W. Kühne: Streichen mit der Kochsalzlösung von der Ochsenretina ablaufende, von Stäbchen erfüllte, trübe Flüssigkeit zu nehmen, um daran, so lange sie farbig ist, die bläuliche, sobald sie verfärbt oder ent- färbt ist, die grünliche Fluorescenz zu sehen. Dies war selbst ohne Unterlage und ohne einschliessendes Glas, kurz ohne alle die Dinge zu sehen, die etwa ausserdem fluoresciren konnten, nämlich an hängenden und fallenden Tropfen. Eintrocknen der Masse verstärkte die Erscheinung hier ebenfalls. Unter allen Umständen wurde endlich die grünliche Fluorescenz intensiver gefunden, als die bläuliche. Hiermit war jetzt ein kostbares Mittel gefunden, um nicht allein dunkel gehaltene Retinae ohne nennenswerthe photochemische Aenderungen betrachten und auf den Zustand ihres Purpurs untersuchen zu können, sondern auch um das Sehweiss, für dessen Erkennung es bisher kein Mittel, als das nur unter gewissen noch unbewiesenen Voraussetzungen geltende der Regeneration durch das Retinaepithel gab, an Ort und Stelle anzuzeigen. Was das Ultraviolet in dieser Hinsicht leistet, sahen wir sofort, als wir ein altes, trockenes, auf der mit Alaun behandelten Kaninchennetzhaut befindliches Optogramm , das vielfach ohne Schonung gezeigt und am Lichte fast verschwunden war, hinein hielten: es kam darin, wie augenblickhch entwickelt oder hervor- gezaubert, mit erstaunlicher Deutlichkeit zum Vorschein, die be- lichteten Theile der Figur hellgrünlich leuchtend, die dunkleren viel matter und den immer noch etwas bläu lieh grünen Schimmer zeigend. Wir halten es daher für nicht zu gewagt, das Ultra- violet als Mittel zu empfehlen, um geringe Differenzen belich- teter und beschatteter Theile auf der Netzhaut zu unterschei- den, also da, wo unser Auge im gemeinen Lichte die ersten Spuren des Optogi'amms noch nicht bemerkt, oder da, wo die Zeichnung, wie an dem verdorbenen Optogramme, durch zu starkes Ausbleichen fast unkenntlich geworden ist. Im Augenblicke waren wir durch den Wunsch, die sonnige Jahreszeit für andere uns ge- U uterciucbungeu über den Seiipuipur. iiU lade wiclitigere Dinge auszunutzen, verhindert, die Methode nach dieser Richtung weiter auszudehnen und wir bemerken daher für Diejenigen, welche sich ihrer bedienen wollen, dass in Fällen, wo die Unterscheidung der bläulichen und der grünlichen in ein- ander übergehenden Farben noch so schwach sein mag, die In- tensität der Fluorescenz immer noch über locale photochemische Zersetzungen der Stäbchenfarbe entscheidet. Von besonderer Bedeutung scheint uns der mit der Fluores- cenz zu führende Nachweis, dass das Sehweiss die Grenzen der Stäbchenschichte nicht verlässt, also nicht darüber hinaus in die vorderen Gewebsschichten eindringt. Wurde eine vollkommen an der Sonne entfärbte Netzhaut mit intensiv weissgrün leuchtender Rücldäche stellenweise der Stäbchen beraubt, so erkannte man dies im Ueberviolct sofort an der viel geringeren Helligkeit und an dem mehr bläulichen Glänze der defecten Stellen. Da von den Stäbchen beim Abstreifen vorzugsweise die Aussenglieder fort- gehen, halten wir es zugleich für wahrscheinlich, dass das Seh- weiss nicht weit und in keinen grösseren Mengen in die Innen- glieder dringt. Seit man die Entfärbung des Sehpurpurs durch Licht an der isolirtcn Retina kennt und seit man weiss, dass es da eine lichtempfindliche, die Farbe verlierende Substanz giebt, wird sehr allgemein angenommen, dass die ungemein langsame Aus- bleichung der Retina im Leben auf demselben Vorgange beruhe, und die Hypothese ist deshalb auch zulässig, weil man im Epi- thel der Retina den Regenerator kennt, der die grosse Resistenz des Purpurs im Leben gegen Licht bewirken und die Schwierigkeit der vollständigen Entfärbung erklären kann. Man ist jedoch mit befremdender Leichtigkeit über den Umstand hinweggegangen, dass der Sehpurpur und das Epithel sich möglicher Weise im Leben anders verhalten können, und scheint ganz vergessen zu haben, dass im lebenden Auge auch die Resorption, wenigstens an so langsamen Vorgängen, wesentlichen Antheil haben 174 A. Ewald und W. Kühne: kcann. Wir wissen darüber wenig, aber Das ist erkennbar, dass Blutfülle und- Strömung im belichteten Auge andere sind, als im dunkel gehaltenen. Uns war es freilich auch nicht besonders wahrscheinlich, dass der Sehpurpur im Leben auf Lichtwirkung anders, als durch Zersetzung am Orte schwinde, aber wir finden den Beweis unumgänglich, dass dies die einzige Ursache sei. Nachdem Michel ein menschliches Auge von normaler Sehschärfe nach mehrstündiger Verdunkelung purpurfrei gefunden hat (Cen- tralbl. f. d. Med. Wiss. 1877 Nr. 24), weiss man zum mindesten, dass der Sehpurpur nicht ausschliesslich durch Licht aus den Stäbchen schwinden kann. Mittelst der Fluorescenz hofften wir über die Frage ent- scheiden zu können, ob die Stäbchen intra vitam das photoche- mische Zersetzungsprodukt des Sehpurpurs in derselben Weise, wie die der isolirten Netzhaut nach der Bleichung durch Licht enthalten. Zu dem Ende wurden Froschretinae, die nach dem Herausnehmen auf einer Glasplatte bis zur Farblosigkeit besonnt waren, und solche, welche im lebenden Frosche durch längeres Aus- setzen in besonnte Aquarien ihre Farbe verloren hatten, im Ultra- violet verglichen. DasErgebnissbestandineiner erheblichen Differenz : während die ersteren das bereits geschilderte Verhalten zeigten, kräftiges grünliches Leuchten, war an den letzteren das Licht bedeutend schwächer und die grünliche Farbe wenig wahrnehm- bar über dem bläulich durchleuchtenden Grunde der vorderen Schichten. Hiernach ist ein Verlust von Sehweiss in den Stäbchen des lebenden Auges nach hinreichender Belichtung unzweifelhaft und man wird dies kaum anders, als durch Resorption bedingt, auf- fassen können. Wir sind jedoch nicht der Ansicht, dass solche Aufsaugung die photochemisch zersetzlichen Stoffe im unverän- derten, noch unzersetzten Zustande treffe, denn zwischen den Netzhäuten von Fröschen, die gerade ausgebleicht waren, und solchen, welche statt \/2 Stunde eine ganze, zwei und mehr LIiiti'r.sucliun,nfii ülici- dcii Sclipuiimi'. 175 Stunden im Lebenden in der Sonne verweilt hatten, gab es Unterschiede zum NachtheiU» der letzteren, und wir zweifeln selbst, (lass es durch tagelimge Besonnung gelinge, die Stäbehen- fluorescenz voUsttindig zu tilgen. Wir sehen in dem Gange der weiteren Untersuchungen über das ])hysiologische Verhalten des Sehpurpurs eine Eventualität voraus, wo die Unterschiede zwischen isolirt gebleichten Netzhäuten, welche kein Material einbüssen können und solchen, welche von strömenden Säften beeinflusst werden, von Bedeutung werden können. Unsere Erfahrungen über die Fluorescenz der mensch- lichen Netzhaut sind z. Z. leider noch recht unvollkommen, aber wir halten es für geboten, so viel davon mitzutheilen, als wir bis heute an diesem immer nur durch besondere Gunst er- reichbaren, kostbaren und wichtigen Materiale festzustellen ver- mochten. Wie wir an der Netzhaut im Dunkeln gehaltener und getödteter Säugethiere erst die Stäbchentluorescenz in der unver- gleichlich auffälligeren Weise zu sehen bekamen, indem wir den Purpur nach Isolation der Membran, wo kein Sehweiss abhanden kommen konnte, am Lichte zersetzten, während alle früheren Be- obachtungen von der im Leben bereits gebleichten und darum wenig Sehweiss enthaltenden Retina nur schwache Andeutungen der Erscheinung zu gewähren vermochten, so hofften wir an dem Auge im Dunkeln Verstorbener die HelmhoUz' sehen Angaben be- sonders deutlich bestätigt zu finden. Ausserdem rechneten wir darauf, an dem Verhalten der Fovea centralis Einiges über An- oder Abwesenheit der Fluorescenz in den Zapfen zu erfahren, nachdem wir bei der Retina der Schlange (Tropidonotus natrix) eine äusserst schwache und durch Belichtung, wie es schien, weder zu verstärkende noch in der Farbe zu ändernde bläuliche Fluorescenz wahrgenommen hatten. Die bei der Schlange aus- schliesslich vorkommenden Zapfen haben indess so kleine Aussen- glieder, an denen meist viel Substanz des Pigmentei)ithels haftet, dass wir von dem überdies negativen Befunde wenig befriedigt, 1 7G A. Ewald und W. Kühne : um so grössere Erwartungen auf die ersten uns zukommenden menschlichen Augen setzen mussten. Zunächst haben wir nicht das Glück gehabt, die Augen an einem sonnenklaren Tage zu empfangen: wir mussten deshalb die Netzhäute in Stücke zerlegt, zum Theil im Lichte, zum Theil im Dunkeln auf Porzellanplättchen auftrocknen, was unter Ver- hütung der Fäulniss mit möglichster Geschwindigkeit in Exsicca- toren geschah, welche Gefässe mit Schwefelsäure mit sehr grosser Oberfläche enthielten, Ueber die Augen ist nach der vom behandelnden Arzte ge- gebenen Auskunft Folgendes zu berichten: Das Paar Nr. I stammte von einem SGjährigen, an Epilepsie leidenden, in Folge von Pachymeningitis, Leptomeningitis. Encephalitis acuta verstor- benen Manne. Zwei Stunden vor dem Tode (l. Juh, 10 Uhr Morgen.sj war das Zimmer verdunkelt worden; Abends 8 Uhr wurden die bis dahin verbunden gebliebenen Augen im Scheine eines weit entfernten Talglichtes exstirpirt und in Eis bewahrt. — Der Besitzer der Augen Nr. II starb am 2. Juli, 2 Uhr Morgens in einem schon am Tage vorher dunkel gehaltenen Zimmer. Die Section ergab hochgradige Atrophie und Sklero.se des Gehirns nebst einigen enceidialitischen Corticalisheerden. Die Augen wurden um 4^2 Uhr Morgens bei schwacher Talglicht- beleuchtung exstii-pirt, ebenfalls in Eis verpackt und mit Nr. I bis 11 Uhr Morgens desselben Tages uns zur Untersuchung übergeben. In allen vier Augen war der Purpur merkwürdig schwach entwickelt, bei I schwächer, als bei 11, äquatorial überall am schwächsten^). Bei II lag die rosafarbene Grenze um .5 mm.. ') Anmerkung. Das Verhalten dieser Netzhäute erinnert sowohl an den neuesten merkwürdigen Befund gänzlicher Abwesenheit des Sehpurpurs iu einem lauge verdunkelten Auge von Michel (1. c.), wie an einen früher (Heft 2 d. Unt.) von mir mitgetheilten. An 3 Augenpaaren menschiicher Leichen fand ich nunmehr trotz lange vor dem Tode begonnener Verdunk- Untersuchungen ülicr den Sehpurpur. 177 bei I der noch als lila zu erkennende Rand etwa 1 mm. hinter der Ora seiTata. Von Xr. I wurde für die hier mitzutheilenden Beobachtungen kein Gebrauch gemacht, weil die Retina an vielen Stellen mit einzelnen oder ganzen Gruppen von Pigmentzellen besetzt blieb. An sämmtlichen Augen fiel die unlösbare Ver- bindung der Retina mit dem Glaskörper auf und eine andere bisher an so conservirten Augen noch nicht bemerkte Erscheinung, die in der leichten Ablösung grösserer, nur aus zusammenhängen- den Stäbchen und Zapfen gebildeter Fetzen bestand. Da die Retinae schon die bekannten cadaverösen Falten zeigten, was wir hing unerwartet geringe Färbung der Stäbchen und bei diesen überein- stimmend am schwächsten in der Gegend des Aequators. In zwei Fällen ist der Verdacht cadaveröser Zersetzung ganz ausgeschlossen, aber ein sol- cher kann weder gegen den obigen Fall Nro. Inoch überhaupt jemals aufkom- men, weil ich mich auch bei der menschlichen Retina überzeugt habe, dass längere und intensivste Fäulniss die Membran wohl fast zertliessen macht, aber bei Ausschluss des Lichtes nicht im Geringsten entfärbt. Ich bin da- her sehr geneigt anzunehmen, dass die Regeneration des Sehpurpurs in vielen Fällen allmähligen Yerlöschens des Lebens nach Krankheiten vor dem letzten Athemzuge und vor dem abschliessenden Herzschlage bereits stark vermindert oder vernichtet ist, so dass das Leichenauge unter gewissen Umständen in der That die Effecte einer geraume Zeit vor dem Tode statt- gefundenen Belichtung noch verrathen könnte. Was mir früher das Unwahr- scheinlichste zu sein schien, nämlich dass die Regeneration zuerst in der Aequa- torialzone, zuletzt im Grunde des Auges erlösche. Das scheint mir jetzt, nachdem ich solche, in massiger Entfernung von der Macula lutea und dem Opticuseintritte noch am besten gefärbte Netzhäute Gmal gesehen habe, am Annehmbarsten. Da man nicht wissen kann, wie es um der Regenera- tion vergleichbare Processe in der Fovea centralis und an den Zapfen über- haupt steht, so muss hinsichtlich des von mir aufgestellten Satzes, dass nur Stäbchen, niemals Zapfen Sehpurpur enthalten, an die älteren Beobach- tungen über die constante Farblosigkeit aller Zapfeuaussenglieder sämmt- licher Thiere und besonders in der Fovea des Affenauges erinnert werden, welche den am Leichenauge des Menschen zu erhebenden Bedenken nicht unterliegen. Im üebrigen erlaube ich mir an Diejenigen, welche zu solchen Untersuchungen Gelegenheit finden, die Aufforderung zu richten, Zeichen eines etwaigen Schwindens des Sehvermögens in der Agone möglichst zu beachten. W. E". 178 A. Ewald und W. Kulme: der gerade herrschenden sehr hohen Temperatur, welcher die Augen bis zur Exstirpation ausgesetzt waren, zuschrieben, waren wir um so mehr überrascht, an einzelnen jener aus dem Salz- wasser mit dem Objectträger glatt herausgefischten Fetzen, Stäb- chen wie Zapfen von vollkommenster Erhaltung und in der ge- wohnten zierlichen Weise angeordnet zu finden. Das Material von Nr. II wurde in der Weise geordnet, dass wir die beiden sehr gut kenntlichen Maculae mit der nicht durch- löcherten Fovea auftrockneten, die eine am Lichte, die andere im Dunkeln; ebenso wurde mit Stücken der bestgefärbten Zone am Grunde des Auges, sowie mit Streifen von der Ora serrata und mit einzelnen der zarten, nur von Stäbchen gebildeten Häut- chen verfahren, deren entsprechende Vorderschichten wir ausser- dem noch in Verwendung nahmen. Als am 6. Juli wieder Son- nenlicht zur Verfügung stand, nahmen wir die Untersuchung im übervioletten Lichte vor. Dieselbe ergab sehr schwache, der Farbe nach kaum zu bestimmende Fluorescenz des eingetrock- neten Glaskörpers, von welcher wir um so weniger gestört zu sein meinen, weil alle Präparate mit der Rückseite nach vorn und möglichst vor dem Ueberfluthen des Glaskörpers geschützt ausgebreitet waren. Die stärkste und zwar weissgrünliche Fluo- rescenz war an den gebleichte Stäbchen tragenden oder nur aus Stäbchen bestehenden Theilen zu sehen, die schwächere und bläuliche an den ungebleichten, so wie an den der Stäbchen beraubten, gleichviel, ob dunkel oder im Lichte gehaltenen Stellen, die schwächste am farblosen Theile der Ora serrata, wo voraus- gegangene Belichtung auch gar keinen Unterschied bedingt hatte. In der Macula lutea sahen wir am belichteten, wie am dunkel gehaltenen Präparate deutlich bläuliches Licht zerstreut werden, worin sich die Fovea geradezu als dunkler Fleck abgrenzte. Wir können das eben Angegebene aus mehreren Gründen nur als provisorisch betrachten, denn es fehlte der uns zur Verfügung gewesenen Netzhaut vor Allem der normale Pur- UutevsuchuügiHi üImt den S('li[)nrimr. I7ü piirgelialt, und liinsichtlicli des gelben Fleckes und der Fovea sind wir bei der seltsam leicht erfolgten Ablösung ganzer Gebiete zusamnienliiiiigender Zapfen und Stäbchen nicht in der Lage, die Erhaltung dieser Gebilde an den untersuchten Stellen zu behaupten. Wir sind nur des einen Umstandes sicher, dass die Foveae keine Löcher hatten. Mit vollkommener Sicherheit können wir daher mir Das für die menschliche Retina behaupten, dass die Stäbchenschicht der Sitz der stärksten P'luorescenz ist und im purpurneu Zustande bläulich, im gebleichten grünlich und am stärksten fluorescirt, während die vorderen Schichten schwach bläuliche, durch Belichtung nicht veränderliche Fluorescenz besitzen. Für die Frage vom Sehen des ultravioletten Lichtes mittelst unseres Auges, geben die vorstehenden Beobachtungen kaum Aufschlüsse, schon weil es im Allgemeinen äusserst unwahrschein- lich ist, dass der Chemismus des Sehpurpurs sich an specifischen Farbenwahrnehmungen betheilige. Die IMmholls'&che Annahme, dass wir das Ultraviolet eigentlich wie lichtschwaches Violet, aber modificirt durch die grünliche Fluorescenz der Retina, und in Folge dieser. Lavendelgrau sehen, wird von unsern Befunden ebensowenig berührt, insofern die Fluorescenz der Zapfen mehr in Betracht käme, von der wir noch keine zuverlässige Kenntniss haben. Da man denken könnte, dass die nicht grünliche, sondern schwach bläuliche Fluorescenz der vorderen Retinaschichten Ein- fluss auf unsere Wahrnehmung des Ultraviolet gewinne, erlauben wir uns an den Einwand zu erinnern, welchen Hdmholts aus gleichem Anlasse bereits gegen die Mitwirkung des von der Linse zerstreuten blauen und viel lebhafteren Fluorescenzliclites gemacht hat, und zu berichten, dass wir von einem intelligenten Manne, dem auf einem Auge die Linse extrahirt war, nur Aeus- serungen über seine Wahrnehmung des Ultraviolet vernommen haben, die auf völlige Gleicliiieit mit der unsrigen schliessen Hessen. Leider bestand auf dem andern Auge eine Linsentrübung, IbO A. Ewald und W. Kühne: SO dass der Betreffende nicht über etwaige Unterschiede der Em- pfindung an sich selbst iirtheilen konnte. Wurde ihm die ge- trübte Linse ultraviolet beleuchtet, so nannte er seine Wahrneh- mung blau. Obwohl bis heute mit dem Augenspiegel kaum Aufschlüsse über den Sehpurpur erreicht sind, haben wir gern von der Freund- lichkeit des Herrn Prof. 0. Becker Gebrauch gemacht, der an dem genannten, der Linse beraubten Auge einen Versuch machte, die Fluorescenz der Netzhaut ophthalmoskopisch zu erkennen. Das Licht erwies sich zu diesem Zwecke jedoch als zu schw^ach und es wurde nichts erreicht. Gleichwohl meinen wir erneute Versuche, vielleicht mit minder reinem, nur einmal gebrochenem, intensiverem Ultraviolet an aphakischen Augen empfehlen zu sollen, denn im Falle des Gelingens würde nichts Geringeres, als die Sichtbarkeit des Optogramms im Auge des lebenden Menschen in Aussicht stehen. Uni die Erfahrungen über Fluorescenz der Netzhaut soweit abzuschliessen, als es bei dieser Gelegenheit anging, haben wir noch das Verhalten der Lösung des Sehpurpurs im Ultraviolet beachtet. Wir fanden darin auffallend brillantes blaues Leuchten, aber die an der Sonne gänzlich ausgebleichte Lösung stand der purpurfarbenen kaum nach. Wie sich herausstellte, rührte die Erscheinung von der farblosen Galle her, welche diese Fluores- cenz in solchem Grade besitzt, dass die des Sehpurpurs und des Seh weisses darin unkenntlich wird. Da verdünnte Lösungen von cholalsaurem Natron viel geringere blaue Fluorescenz entwickelten, benützten wir diese zur Auflösung des Purpurs und fanden da- ran, was sich erwarten Hess, nämlich Verstärkung des blauen Scheines, so lange der Purpur unzersctzt war, Steigerung der Lichtintensität mit Uebcrgang in's Grünlichblaue nach der Aus- bleichung im Sonnenlichte. Wir müssen jedoch hervorheben, dass die Erscheinungen hier nicht entfernt mit der Deutlichkeit ausgesprochen waren, wie an der Retina oder an der früher er- wähnten Stäbchenemulsion. Untersiicliuii^cii iilicr den SdiiJurpur. li^l lu der Voraussetzung, dass es die photochemisclien Zer- setzungsprodukte des Selipurpurs seien, welche der Netzhaut die stärkste Fluorcscenz ertheilen, haben wir den Versuch gemacht, die ultraviolette Beleuchtung als Mittel zu benutzen, um zu er- fahren, ob einige Keagentien, welche die Netzhaut und den Seh- purpur im Dunkeln verfärben oder bleichen, daraus dieselben Zersetzuugsprodukte erzeugen, wie sonst das Licht. Was wir darüber jetzt mittheilen, kann nur als ein Anfang derartiger Untersuchungen betrachtet werden, denn wir verhehlen uns nicht wie gefährlich es ist Schlüsse zu ziehen, wo eine einzige, wenn auch noch so emptindliche Reaction an die Stelle der zahlreichen, dem Chemiker allgemeiner gewohnten tritt. In der Ueberzeu- gung aber, dass ein so wichtiger und auf gewöhnlichen Wegen kaum angreifbarer Körper, wie der Sehpurpur, sich seine eigene Methodik erst schaffen müsse, haben wir die folgenden nahe- liegenden Beobachtungen nicht unterlassen. Was den Sehpurpur im Dunkeln ändert, ptiegt es z. Th. in derselben Weise zu thun, wie das Licht, d. h. erst eine gelbe Materie, dann farblose Substanz hervorzubringen. Der Kürze wegen und um dem Auslande unsere Bezeichnungen zugänglich zu machen, kann man sagen, Rhodopsin werde erst in Xan- t hopsin, dieses in Leukopsin zersetzt. Wir werden unten über die in dieser Hinsicht brauchbaren Mittel mehr berichten und beschränken uns hier auf die Mittheilung des Verfahrens, welches das einfachste war, um nach Bedürfniss das eine oder das andere Zersetzungsprodukt zu erhalten. Bekanntlich hat das Chlorzink die Eigenschaft die Fluorcs- cenz vieler Stoffe zu verstärken und so wirkt es auch auf die Sehweiss enthaltende Retina. Eine isolirte, am Lichte gebleichte Netzhaut, mit einer dünnen Chlorzinklösung getränkt, sieht im Ultraviolet sofort viel heller uml glänzender weissgrün aus, als zuvor. Vorgängiges Behandeln mit Alaun oder Trocknen sind dafür kein Ilinderniss. Legt man die purpurne Retina im Dunkeln 182 A. Ewald und W. Kühne: in Chlorzink, so wird die Farbe, je nach der Concentration der Lösung in kürzerer oder längerer Zeit gelb, in ziemlich ver- dünnter Lösung nach 24 Stunden. Das jetzt entstandene Xan- thopsin scheint nicht verschieden von dem durch Licht erzeugten zu sein, obwohl es in der Retina sehr langsam, bei intensivem Lichte erst nach einigen Stunden farblos wird. Es ist dies keine Eigenthümlichkeit des Sehgelb, sondern bedingt durch die Fixi- rung am Substrat, wodurch der Körper weniger lichtempfindlich wird, was, wie unten gezeigt werden wird, durch sehr verschiedene Mittel zu erreichen ist. Im Dunkeln zersetzt Chlorzink das Xanthopsin nicht weiter, die Retina bleibt gelb. Als wir die- selbe im Ultraviolet betrachteten, fanden wir die Fluorescenz so gut wie erloschen: es war nur ein kaum wahrnehmbarer bläu- lich grauer Schein vorhanden. Wir schliessen hieraus, dass unter den Stoffen, welche in den Stäbchen vorkommen können, nur der Purpur und das Sehweiss fluoresciren, das Sehgelb nicht oder kaum. War Das richtig, so musste die in Chlorzink gelb ge- wordene Netzhaut nach längerem Liegen und Abblassen am Lichte starke weissgrüne Fluorescenz annehmen, und dies sahen wir wirklich in der auffälligsten Weise eintreten. Wir empfehlen zu dem Versuche das Chlorzink, weil es vor anderen Reagentien die Eigenschaft hat, das Xanthopsin auch nach längerer Wir- kung nicht in Leukopsin zu verwandeln, und weil es auf das Rhodopsin nur insofern zu wirken scheint, als es Xanthopsin erzeugt, denn die bläuliche Fluorescenz der Dunkelretina ver- stärkt es niemals; der erste Erfolg besteht da immer in einer Schwächung, selbst wenn die Netzhautfarbe noch ziemlich roth ist, der letzte beinahe in Vernichtung des Fluorescenzlichtes. Heft l. S. 59 wurde schon bemerkt, dass langwelliges Licht die Netzhautfarbe vorwiegend zu gelben Nuancen, kurzwelliges zur Farblosigkeit bringt, wie dies genauer im folgenden Capitel belegt werden soll. Es ist aber hier schon am Orte über die Aenderungen der Retina - Fluorescenz nach monochromatischer Untersuchungen über den Sehpurpur. 183 Belichtung ZU berichten. Dieselben können damit kurz bezeichnet werden, dass es kein farbiges Licht gibt, welches ausschliesslich Xanthopsin au der frischen Retina erzeugt, denn wenn wir die letztere im spcctralen Orange, das sehr langsam und am wenigsten gerade auf das Xanthopsin wirkt, nur so lange hielten, dass eben eine Veränderung der Färbung zu erkennen war, so fanden wir nicht Abnahme, sondern Zunahme der Fluorescenz mit deut- lichem Uebergange zur grünlichen Nuance des zerstreuten Lichtes, wie es geschehen musste, wenn neben dem Sehgelb aus diesem schon etwas Sehweiss gebildet war. Dagegen fanden wir im vio- letten und im ersten Theile des ultravioletten Spectrallichtes, welche beide Sehgelb entfärben, ein Mittel, um eine ganz frische Retina so zu ändern, dass darin neben dem noch nicht zer- setzten Sehpurpur keine Spur von Sehgelb optisch nochzuweisen war, indem offenbar jede kleinste Menge eben gebildeten Xan- thopsins sofort weiter in Leukopsin verwandelt wurde. So ])rachten wir es dahin, eine Netzhaut nur wenig und ohne Aeuderung der purpurnen Nuance durch Licht erbleichen zu lassen, während sich ihre Fluorescenz beträchtlich verstärkt und mehr zum Grün, als zum Blau neigend zeigte. Zum Schlüsse ist hier noch eines Einwandes zu gedenken, der uns durch die bisherigen Untersuchungen über Fluorescenz begleitete : die Stäbchen der Dunkelretina konnten etwas neben dem Sehpurpur enthalten, das Üuorescirte und dessen Fluores- cenzlicht durch Absorption seitens des Purpur verdeckt wurde; erblich der Purpur, so musste die grünliche Fluorescenz zum Vorschein kommen. Wir müssen in dieser Hinsicht darauf auf- merksam machen, dass es viele rothe und purpurfarbene Stoffe gibt mit lebhaft grüner Fluorescenz, die also ein Licht aussenden, von dem man erwarten sollte, dass es besonders stark absorbirt werde, eben weil die Lösungen solcher Körper im durchfallenden Lichte die complementäre Färbung zeigen. Für manche Stoffe, wie für das Chlorophyll z. B. scheint Etwas der Art auch zuzu- 18-4 A. Ewald und W. Kühne: treffen. An der Retina aber handelt es sich immer um Zer- streuung eines durchaus nicht einfarbigen, sondern, wie schon Heimholte angibt, eines erheblich weisslichen Lichtes, und da gerade dieses, obschon mit grünlicher Nuance, nach dem Er- bleichen des Purpurs mit so verstärkter Intensität hervorbricht, ist es recht unwahrscheinlich, dass der Purpur in der dünnen Schicht es vorher zurückgehalten haben sollte. Dass er dazu unfähig ist, lehrt überdies die so viel lebhaftere Fluorescenz einer im violetten Lichte kaum angebleichten Netzhaut. Ausser- dem wäre es schwer zu verstehen, wie die Fluorescenz des sup- ponirten Körpers dazu kommen sollte, verborgen zu bleiben, wenn durch Dinge, die wie das Chlorzink wirken und Sehgelb erzeugen, der Sehpurpur zersetzt und eine Farbe übrig geblieben ist, welche so gut wie kein Hinderniss für die Aussendung grünlich-weissen Lichtes bilden kann. So weit wir es absehen können bliebe uns nur der Einwand entgegen zu halten, dass neben dem Sehpurpur ein zweiter durch Licht veränderlicher, farbloser Körper in den Stäbchen praeexistire, der sämmtliche Wandlungen unter gleichen physikalischen und chemischen Einflüssen mit dem Purpur in gleichem Sinne durchlaufe und sich nur an dem Erlöschen seiner Fluorescenz in dem Stadium, wo jener zu Sehgelb wird, durch Annahme des Fluor escenzvermögens zur Zeit, wo das Sehweiss entsteht, zu erkennen gäbe. Dass diese Fluorescenzerscheinungen von Structurverhält- nissen und deren Aenderungen ganz unabhängig sind, lehren einerseits unsere Versuche an der Purpurlösung und falls diese noch nicht für rein genug zu erachten sind, unsere Erfahrung, dass keine Behandlungsweise, welche den Purpur unzersetzt lässt, die Structur dagegen nach allen denkbaren Richtungen verändert, etwas über die Fluorescenz und deren Veränderlichkeit im Lichte vermag. Wir empfehlen zum Belege dessen u. A., die starke Veränderung der Froschnetzhaut, besonders ihrer Stäbchen, in Ver- wendung zu nehmen, welche Schütteln mit destillirtem Wasser, oder Untersuchungeu übpr den Sehpuqiur. 185 beliebig wiederholtes Gefrierenlassen bewirken, was im Dunkeln, wie gegentheiligen Angaben gegenüber hervorzuheben leider nö- thig ist, keinerlei Aenderung am Sehpiu'pur erzeugt. You der Zersetzung der Stäbelieiifarbe und des Sebpur- purs durch spectrale Belichtung. Frühere Beobachtungen (Heft I pag. 59) hatten die That- sache ergeben , dass der Sehpurpur nicht wie so viele seither bekannte lichtempfindliche Stoffe durch die violetten und ultra- violetten Strahlen am leichtesten zersetzt wird, sondern dass es, in Uebereinstimmung mit unserer subjectiven Empfindung, die gelbgrünen und grünen Strahlen sind, welche am schnellsten eine Umwandlung des Purpurs in die oben beschriebenen Bleichungs- stufen bewirken. Da wir nun bei der vorgeschrittenen Jahres- zeit häufiger von sonnenhellen Tagen begünstigt waren, so wurden diese Beobachtungen, die damals nur an ve]hältnissmässig wenigen Versuchen gemacht werden konnten, einer nochmaligen gründ- lichen Prüfung unterzogen. Aus dem früher beschriebenen Ver- suche, bei dem eine Reihe von Netzhäuten im objectiven Sonnen- spectrum ausgebreitet war, ging hervor, dass bei dem damaligen niederen Sonnenstande, nach 21 Min. in Grüngelb die Bleichung fast vollendet , dass dieselbe nach 45 Min. allmählig bis zum Cyanblau fortgeschritten war und sich etwas mehr nach der Linie D zu ausgebreitet hatte. Es war ferner nach 1 Stunde 43 Min. fast vollständige Ausbleichung von D bis in die Mitte des Violet zu constatiren, während im Roth die Veränderung bis zur Orange- färbung der Netzhaut und im äussersten Violet bis zu einem röthlichen Chamois fortgeschritten war. Auch in den Anfängen des Ultra- roth und Ultraviolet waren Spuren der Ausbleichuug zu bemerken. Versuche dieser Art wurden von Ende April an. im Mai und im Juni in gleicher Weise mehrfach wiederholt und ergaben ganz das gleiche Resultat, nur dass, dem jetzt hohen Sonnenstande ent- sprechend, die Ausbleichungszeiten überhaupt viel kürzer gefunden Kühiie, Uutersucbuugen I. l-^ 186 A. Ewald und W. Kühne: wurden. Im Grüngelb vor der Linie E war fast direkt nach der Exposition schon eine Veränderung des Farbentons in Brandroth zu bemerken, und nach 3 Min. war dort mitunter schon voll- ständige Ausbleichung vorhanden. Dieselbe hatte sich in etwa 5 Min. nach der Linie D hin und meist bis über F ausgedehnt, und nach 20 Min. Exposition war häufig von D — G fast voll- kommene Ausbleichung zu constatiren, während zu dieser Zeit auch alle übrigen Theile des sichtbaren Spectrums mehr oder weniger deutliche Anfänge des Ausbleichung zeigten. Endlich nach 35—40 Min. begann auch die Ausbleichung in dem zu- nächstliegenden Ultraroth und Ultraviolet, zu welcher Zeit im sichtbaren Theile des Spectrums vom Grüngelb bis zur Mitte des Violet die Ausbleichung vollkommen, im Gelb und äussersten Violet nahezu vollendet und im Roth bis zur Chamoisfärbung fort- geschritten war. Zum Belege dieser Beobachtungen theilen wir folgenden Ver- such mit, bei welchem die anhaltende Sonne eine ziemlich lange Exposition gestattete. Versuch 1. Am 27. April wurden 10 Retinae von Dunkel- fröschen auf einem Milchglasstreifen dem objectiven Sonnen- spectrum exponirt, nachdem wir uns von der gleichmässigen Purpurfarbe derselben überzeugt hatten. Sie waren so im Spec- trum vertheilt, dass 1) im Ultraroth, 2) von Roth bis Orange lag, 3) gerade von der Linie D, 4) von E halbirt wurde, 5) mit dem linken nach dem rothen Ende gelegenen Rande die Linie F berührte, G) im Blau bis G, 7) und 8) zwischen G und H und 9) und 10) im Ultraviolet lagen. Die Exposition fing an um 11 Uhr 20 Min. Untersuchungen ülier den Sehpurpur. 187 Um 11 Uhr 25 Min. waren 4), 5), 8^2) fast ausgeblichen, V23) und V2C) chamois, dieUehrigen noch purpurn gefärbt. [Durch die Bezeichnungen Vax und xVa sollen die beiden Hälften einer Netzhaut unterschieden werden, wenn in denselben ein verscliiedenor Grad von Aushlciclumg oder vcrscliiedcner Färbung bemerkt wurde, und zAvar ist unter ^j-zx immer die nach dem rothen Ende zu gelegene, unter x'/-' die nach dem violetten Ende zu gelegene Hälfte zu verstehen.] Ufn 11 Uhr 40 Min. waren 4) und 5) ganz ausgebleicht, 3) und 6) fast ausgebleicht, 7), 8), 2) chamois; 7) weiter als 8), dieses weiter als 2) in der Aus- bleichung, 1), 9) und 10) noch purpurfarben. Es bewirkten also alle Theile des sichtbaren Spectrums ent- weder vollständige Ausbleichung oder die Anfänge davon. Um 11 Uhr 55 Min. waren 4), 5) ganz ausgeblichen, 3), 6) kaum noch sichtbar gefärbt, 7), 8), 2) hell chamois, 1^/2) orange, in 9) war der Anfang der Ausbleichung zu bemerken. ^'21) und 10) waren noch unver- ändert. Um 12 Uhr 15 Min. zeigten sich 4), 5), 8^2) ganz ausgeblichen; in ^/23), 6) war kaum noch Färbung zu sehen. 7), 8), 2) sahen sehr hell chamois, 172) chamois aus, und in 9) war die Ausbleichung deutlicher als vorher, während \'2l) und 10) noch unverändert waren. Es ist also nach 55 Min. von der Linie D bis etwas über 13* 188 A. Ewald und W; Kiüme: F hinaus die Ausbleichimg vollständig, während von D nach dem rothen Ende hin und im Blau und Blauviolet die Abnahme der Ausbleichung beginnt. Im äussersten Ultraviolet und Ultraroth war zu dieser Zeit noch gar keine Ausbleicbung zu bemerken. Um eine andere Art von Vergleichung für die Intensität der Wirkung der einzelnen Theile des Spectrums zu haben, stellten wir Versuche in folgender Weise an: Wir wählten die pag. 153 beschriebene Aufstellung zur Erzeugung des Spectrums und iso- lirten mittelst des HelmJioW sehen Doppelspaltes ein reines Grün und ein reines Blau. Hinter die beiden Spalte stellten wir die halbirten Linsen eines Stereoskops so auf, dass die Brennpunkte der beiden Strahlenbündel, oder richtiger gesagt, die Bilder des grossen oblongen Diaphragmas, das nahe hinter der Linse stand, in eine Ebene fielen. Da die Stereoskoplinsen ziemlich kurze Brennweite hatten, waren die Bilder klein und in Folge davon recht lichtstark. Wir probirten nun, um wie viel weiter man den Spalt im Blau machen musste, um mit beiden Farben gleiche Wirkung zu erzielen. Zuerst hatten wir den Spalt für Grün 2 Mm. und für Blau 3 Mm. weit gewählt und fanden, dass das Grün nach 3 Min. Exposition schon deutlich stärker ausgeblichen hatte als das Blau, in welchem noch kaum eine Veränderung zu bemerken war. Nach 9 Min. war im Grün die Ausbleichung vollendet, während im Blau noch deutliche Färbung vorhanden war. Es war mithin der Spalt im Grün noch viel zu breit und wir mussten die beiden Spaltbreiten so wählen, dass dieselben für Grün 1 Mm. und für Blau 4 Mm. betrugen, um endlich in den beiden Farben gleich schnelle Wirkung zu erzielen. Bei dem letzten Verhältnisse schienen uns dann auch subjectiv die beiden Bilder von gleicher Helligkeit, so weit überhaupt zwischen ver- schiedenen Farben Vergleichung der Empfindungs - Intensitäten möglich ist, während uns vorher das grüne Bild immer viel lieller erschienen war als das blaue. Diese an Froschnetzhäuten gewonnenen Resultate waren schon Untersuchungen über den Sehpurpur. 189 früher diuch Verbuche mit Kaniiichennetzhäuten controlirt und wurden aufs Neue durch Bleichungsversuche an Netzhäuten vom Ochsen im Sounenspectruni bestätigt. Auch hier war sehr bald Ausbleichung im Gelbgrün zu bemerken, welche sich von da all- mählig nach den Enden des Spectrums hin ausdehnte. Obgleich die Versuche im objectiven Sonnenspectrum unter sich in vollkommener Uebereinstimmung waren und früher Ge- fundenes auf's Vollkommenste bestätigten, so liess uns doch die Erfahrung, dass die relativen Ausbleichungszeiten unter gefärb- ten Gläsern und Flüssigkeiten nicht damit übereinstimmten (vergl. Heft I pag. 4 und 70), nach Einwürfen suchen, die gegen die Bleichung im objectiven Sonnenspectrum gemacht werden könnten. Da im Sonnenspectrum, wie wir es durch Zerlegung mit Prismen erhalten, das violette Ende immer ganz bedeutend stärker ausgedehnt ist, als das rothe, so könnte die relativ langsamere Ausbleichuug im Blau und Violet im Vergleich zum Grün darin ihren Grund haben, dass Blau und Violet durch die starke Ausdehnung zu viel an Intensität eingebüsst hätten. Der allenfalls hieraus entspringende Fehler wurde umgangen, in- dem wir das objective Spectrum nicht durch ein Prisma ent- warfen, sondern die mit Hülfe eines feinen Gitters erzeugten In- terferenzspectren in Anwendung brachten. Professor QuincJce hatte die Freundlichkeit, uns zu diesem Zwecke ein Silbergittcr zu überlassen, welches als galvanoplastischer Abdruck eines äusserst feinen, in Glas geritzten, ausgezeichneten Nobert 'sehen Gitters gewonnen war. Durch Reflexion des von dem Heliostaten kom- menden Strahlenbündels erhielten wir genügend lichtstarke Gitter- spectrcn, deren Intensität sich für Ausbleichungen vollständig aus- reichend zeigte. Wir hatten vorher auch Proben mit Piussgittern gemacht, fanden aber die mit diesen erhaltenen Spectren zwar sehr rein, aber entweder zu schmal, oder, wenn sie die nöthige Breite hatten, zu lichtschwach, um für unsere Zwecke brauchbar zu sein. Mit Hülfe des Silbergitters erhielten wir nun reÜectirte 190 A. Ewald und W. Kühue: Spectren (es wurde immer nur das Ister Ordnung verwendet), bei denen im Gegensatz zu den prismatischen der rothe Theil die grösste Ausdehnung zeigte. Während bei den mittelst Brechung erzeugten Spectren die Entfernungen von Linie D— F, F— G und G— H untereinander fast vollkommen gleich sind und die Breite vom Anfange des sichtbaren Roth — Linie D etwa ^/s der Entfernung von D— F beträgt, finden wir im Gitterspectrum die Linien so vertheilt, dass durch D und F das Spectrum in 3 fast ganz gleiche Theile getheilt wird, mithin die Abstände vom Anfang des Roth bis D, D — F und F— H als gleich angesehen werden können. Während also im prismatischen Spectrum das Blau und Violet, von F— H, mehr als die Hälfte des ganzen Spectrums einnehmen, beträgt dieser Theil im Gitterspectrum nur etwa Vs? ^^^ während im letzteren das rothe Ende, vom Anfange bis D, etwa ^/s des ganzen Spectrums ausmacht, wird dieser Abschnitt im prismatischen Spectrum noch nicht einmal gleich \'4 des sichtbaren Spectrums befunden. Ebenso ist das Grün im Gitterspectrum verhältniss- mässig gedehnter, denn es repräsentirt darin die Strecke von D — F, also wesentlich Grün und Blaugrün, den dritten Theil des Spectrums und sie ist gleich dem ganzen Blau und Violet, gleich F— H; im Prismatischen dagegen hat F— H gerade die doppelte Breite wie D— F. Diese Gitterspectren wurden nun zu einer neuen Folge von Ausbleichungsversuchen verwendet. Die Versuchsanordnung war entweder so getroffen, dass entsprechend dem mittelst Prisma er- zeugten, objectiven Sonnenspectrum, eine Linse in einer Entfer- nung vom Spalt, die gleich ihrer doppelten Brennweite war, und in halber Brennweite dahinter das Silbergitter aufgestellt wurde, oder, dass das Licht vom Spalt direkt auf das etwa 1^2 bis 2 Meter entfernte Gitter auffiel, und erst zwischen diesem und dem Schirm die Linse angebracht war. Der Schirm mit den Netz- häuten wurde natürlich in einer Ebene aufgestellt, in der das Untersuchungen über den Sehpurpur. 101 Spectrum auf's Deutlichste die FrannJiofcr'schcn Linien zeigte. Ein bei sclileclitem Wetter angestellter Versuch schien uns An- fangs ein anderes Resultat, wie die Versuche mit dem prisma- tischen Spectrum zu geben, denn wir konnten dabei kaum Diffe- renzen in den Ausbleichungszeiten zwischen Grün und Blau con- statiren; als jedoch die Versuche mit gutem Lichte mehrfach wiederholt wurden, fanden wir auch hier die gleichen relativen Verhältnisse in der Wirksamkeit der verschiedenen Spectralfarben, wie dies aus den folgenden Versuchen zu ersehen ist. Tersucli 2. Am 18. Juni wurde die erste Art der Auf- stellung gewählt und 8 Netzhäute in folgender Weise im Gitter- spectrum vertheilt: 1) lag als Controlretina ganz ausserhalb des Spectrums, 2) im Ultraroth: 3) wurde von der Linie C, 4) von D, b) von E halbirt, 6) wurde von F getroffen, 7) grenzte rechts an H, während 8) ganz im Ultraviolet lag. Die Exposition begann um 11 Uhr 48 Min. Um 11 Uhr .5 2 Min. ist in 5) schon der Beginn der Ausblei- chung zu bemerken. Um 11 Uhr f)? Min. ist 5) dunkel chamois und bei 4^2) und 6) Beginn der Ausbleichung zu sehen. Um 12 Uhr 2 Min. ist ü) hell chamois, so dass es kaum noch grün absorbirt, 4) dunkel chamois, wovon ^/ii) etwas weniger ausge- bleicht ist; 6) zeigt sich dunkel chamois und in ^/ä?) ist der Anfang der Ausbleichung zu bemerken. Um 12 Uhr 9 Min. sah ^/-li) dunkel chamois aus, 472) ^var hell chamois. 192 A. Ewald und W. Kühne: 5) ganz hell chamois, 6) hell chamois; ^J2l) war schon chamois gefärbt und in 7^/2) der Anfang der Ausbleichung zu erkennen. Die Uebrigen waren noch nicht verändert. Bis jetzt waren die Beobachtungen der Ausbleichung im dunklen Zimmer selbst, bei dem Schein eines Zündhölzchens, notirt. Um sicherer zu gehen, wurde um 12 Uhr 13 Min. die Retina schnell bei gedämpftem Tages- lichte betrachtet; die Beobachtung ergab, dass 1), 2), 3) nicht verändert, ^/24) röthlich chamois, 4^/2), also von D an, hell chamois war, dass 5) fast ganz ausgeblichen gefunden wurde; 6) sah sehr hell chamois, 72?) hell chamois, 7^/2) hell röthlich chamois aus und in 8) konnte ein Anfang von Ausbleichung bemerkt werden. Um 12 Uhr 25 Min. wurden die Retinae nach inzwischen fortgesetzter Belichtung im Spectrum nochmals bei Tages- licht betrachtet. Es waren 1), 2), 3) nicht verändert und noch deutlich purpur- farben, V24) hell röthlich chamois, 4V2) fast ausgeblichen, bis hell gelb, 5) ganz ausgeblichen, bis auf Spuren von Hellgelb, 6) ganz ausgeblichen, bis auf Spuren von Hellrosa, ^/2 7) fast gänzlich ausgeblichen, bis zu hellröthlichem Chamois, 7V2) fast ganz ausgeblichen bis zu einem hell röth- lich en Scheine; 8) war bis zu röthlichem Chamois verändert. Untersuchungen ül)ev den Sehpurpur. 103 Die bei diesen Versuchen veihältnissmässig starke Wirkung des äussersten Violet und Ultraviolet war jedenfalls zum Theil darauf zurückzuführen, dass sich bei der gewählten Aufstellung (die Linse stand zwischen Spalt und Gitter) am violetten Spec- tralende ziemlich viel vom Silbergitter reflectirtes, diffuses weisses Licht befand. Wir wählten daher für den folgenden Versuch die oben beschriebene zweite Art der Aufstellung; d. h. wir liessen das aus dem Spalt am Heliostaten kommende Sonnenlicht direct auf das Silbergitter auffallen und stellten die Linse so auf, dass gerade nur das reflectirte Gitterspectrum Ister Ordnung darauffiel und in scharfer Zeichnung auf dem Schirm aufgefangen werden konnte. Es gelang uns auf diese Weise ein Spectrum zu erhalten, welches recht frei von diffusem Tageslichte war. Dasselbe war natürlich viel kleiner, als das bei der ersten Auf- stellung; es war etwa so gross, dass gerade 3 Froschnetzhäute, bequem neben einander liegend, den sichtbaren Theil desselben deckten. Versuch 3. Am 19. Juni wurden darin 3 Retinae exponirt und zwar lag 1) im reinen Roth, 2) im Gelbgrün bis Blaugrün und 3) vom Blau bis in's Violet. Die Exposition begann um 10 Uhr 5 5 Min. Um 11 Uhr war 1) noch unverändert, 2) ging in orange über und 3) wurde noch purpurn gefunden. Um 11 Uhr 5 Min. zeigte sich, am Tageslichte besehen, 1) noch unverändert, 2) mehr ausgeblichen als 3) und zwar \/22) bis gelblich chamois, 2V/2) bis chamois ausgeblichen ; ^/2 3 sah dunkel röthlich chamois und 3^2) noch roth aus. Um 11 Uhr 10 Min. war 1) unverändert, 194 A. Ewald und W. Kühne: 72 2) hell gelblich chamoLs, 2'-/2) hell chamois. \/2 3 rothlich chamoi.- und 3^ 2) rothlich gefärbt. Um 1 1 Uhr 1 ö Min. wurden die Netzhäute wieder am Tages- lichte besehen: es war in i) der Anfang der Au.sbleichung zu constatiren. aber die Retinafarbe war noch kaum bemerkbar ver- ändert: ^/2 2j war hellgelblich. 2^/2) hell chamois. YaSj hell rothlich chamois und 31/2; hell rothlich gefärbt. Wir sehen also auch hier durch die Versuche mit den Gitterspectren die Resultate, die wir mit den durch Prismen erhaltenen Spectren gewonnen hatten, vollkommen bestätigt, obgleich die relative Breite der Farben eine ganz andere war. Auch hier begann die Ausbleichung in der Gegend der Linie E und war da am schnellsten vollendet, breitete sich von da über Blaugrün, Grünblau, in Indig aus, erstreckte sich dann über Violet. Gelb und Orange, um zuletzt im Roth und Ultra- violet und am schwächsten im äussersten Roth und Ultraroth bemerkbar zu werden. — Bei diesen Versuchen über Ausbleichung des Sehpui^jurs zeigte sich nun aber bei genauerer Betrachtung neben der nun sicher constatirten Differenz in den Ausljleichungszeiten verschie- dener Spectralfarben, noch eine andere für die verschiedene Wirkungsweise der Farben nicht weniger wichtige Erscheinung. Es waren nämlich, selbst wenn im grössten Theile des Spectrams die Ausbleichung als fast vollkommen angesehen werden konnte, so dass man nicht mehr gut sagen konnte, ob z. B. im Grün- blau die Ausbleichung weiter fortgeschritten sei, als im Anfang des Violet. doch noch Unterschiede zu erkennen, und zwar Un- Untei'suchuno-en üImsi- den ^olipuqiur. 195 terschiede in der Niuance der geringen Reste von Färbung, die noch in den fast ausgeblichenen Netzhäuten vorhanden war. Während in den mittleren Theilen des Spectrunis die Ausbleichung sehr leicht bis zu einem sehr hellen Gelb gebracht werden konnte, sahen wir am violetten Ende niemals diesen Farbenton auftreten, sondern als letzten Ueberrest von Netzhautfarbe immer nur ein ganz helles, röthliches Chamois oder meistens eine helle Rosen- farbe zurückbleiben. Es kann sogar vorkommen, dass bei sehr langer Exposition im Grün an den Netzhäuten noch Spuren von Gelb zu erkennen sind, wenn im Indig und Violet gar nichts mehr von Färbung zu bemerken ist, so dass also schliesslich hier die Ausbleichung weiter fortgeschritten ist, als im Grün, von dem wir doch wissen, dass es den Purpur entschieden viel schneller zersetzt, als die Strahlen des violetten Endes. Es lässt sich dieses Verhalten nur erklären, wenn wir annehmen, dass die mittleren Theile des Spectrums den Purpur zwar sehr viel schneller zersetzen, dass aber die schnelle Zersetzung sich nur auf die Umwandlung von Sehpurpur in Sehgelb bezieht, während der weitere Uebergang von Sehgelb in Sehweiss dann viel lang- samer erfolgt; dass dagegen im Violet die Umsetzung des Pur- purs in Sehgelb sehr langsam geschieht, aber einmal gebildetes Sehgelb dann um so schneller in Sehweiss übergeführt wird. So erklärt es sich leicht, dass die Farbe der im Violet ausbleichenden Retina zwar allmählig heller wird, aber selbst gegen das Ende des Versuches hin immer noch deutlich unver- änderten Purpur erkennen lässt, denn dieser kann nicht durch gleichzeitig vorhandenes Sehgelb zu Chamois verdeckt werden. (Vergl. Heft I. S. 59). Zur ganz sicheren Feststellung der letzt beschriebenen Ver- hältnisse, die als neuer Beweis für die oben aufgestellten Bleichungsstufen , Sehpurpur, Sehgelb, Sehweiss dienen mussten, wurden die Ausbleichungsversuche auf's Mannigfaltigste variirt. Gleichzeitig sollte dabei der endgültige Entscheid ge- 196 A. Ewald und W. Kühne: liefert werden über die relativ verschiedenen Ausbleicliungszeiten in den Farben ungleicher Wellenlänge. Zunächst wurden die Ausbleichungszeiten und Bleichungs- stufen bestimmt mit Hülfe der Methode, die sich oben (pag. 151) für die Analyse der Retinafarbe und zur Untersuchung von Farben überhaupt als fruchtbar erwiesen hatte, indem wir nur zwei Farben aus dem Spectrum herausgriffen und auf die oben (Fig. 2) näher erörterte Weise so zur partiellen Deckung brach- ten, dass immer 3 Retinae gleichzeitig der Ausbleichung unter- worfen werden konnten: zwei in den beiden reinen Spectralfarben und eine in deren Mischfarbe, respective dem combinirten Weiss. Tersuch 4. Weiss wurde zuerst combinirt aus Grün- gelb und Blauviolet und von 3 Netzhäuten von Dunkelfröschen 1) in Grünlichgelb, 2) in Weiss und 3) in das Violet gelegt. Um 10 Uhr 35 Min. am 8. Juni wurde die Exposition begonnen. Nach 5 Min. waren 1) und 2) etwas angebleicht, gleich in der Färbung, aber noch roth ; 3) war noch unverändert. Nach 10 Min. waren 1) und 2) chamois, 3) noch schön roth gefärbt. Nach 15 Min. erschienen 1) und 2) hell chamois, 3) dunkel röthlich chamois. Nach 23 Min. sahen 1) und 2) sehr hell chamois, 3) röthlich chamois aus. Nach 3 0 Min. waren 1) und 2) fast vollständig ausgeblichen, während 3) noch deutlich röthlich chamois ge- färbt war. Versuch 5. Am 8. Juni combinirten wir Weiss aus Gelb (nach Orange hin gelegen) und Blau, und exponirten um 11 Uhr 35 Min. 3 Retinae: 1) im Gelb, 2) im Weiss, 3) im Blau. Nach 5 Min. war 1) noch unverändert; TJntersuchunpfen iilier dtellantj von Optogrammen im Froscliauge. 233 Hinsichtlich der geeigneten Intensität ist z. Zt. nur ganz all- gemein anzuführen, dass mir sehr trübe Tage (im September Nachmittags von 3 — 5 Uhr) die besten Optogramme geliefert haben und zwar nach sehr langer Exposition in 1 — 1^ 2 und 2 Stunden. An solchen dunkeln Tagen genügte Mitte September jedoch die Zeit von 3 — 6 Uhr (also 3 Stunden), das Optogramm vollständig zu verderben, indem das Pigment nirgends von der Retina mehr abzulösen war. Fiel Sonnenschein auf den oberen Ver- schluss meiner Vorrichtung, ohne die untere Platte direct zu treffen (die Wände des 280 Ctm. hohen, oben 4270^ Ctm. weiten Trich- ters sind innen weiss gestrichen), so waren ohne Dämpfung 30 Min. Exposition erforderlich, aber ich erhielt bisher auf diese Weise selten hinlänglich pigmentfreie Netzhäute, um mehr als Theile des Optogramms erkennen zu können. Die Frösche lege ich im curarisirten Zustande auf eine Unterlage von weicher schwarzer Wolle so unter das Centrum des Objectes, dass die Cornea des in der Regel durch einen in's Maul geklemmten Pa- pierballen etwas vorgedrängten und von der Nickhaut . befreiten Auges 15 Ctm. davon entfernt ist. Atropin anzuwenden fand ich überflüssig, da die ^'erengung der Pupille, die bei den Curare- froschen übrigens nur auf der belichteten Seite auffällig war, nicht nachtheilig schien. Wenn es die Beleuchtung gestattet, in einer Stunde mit dem einen Auge fertig zu werden, so pflege ich die nächste Stunde zur Herstellung des Optogramms auf der andern Seite derselben Thiere zu benutzen, indem ich dieselbe einfach umwende. Nach dem" genannten Verfahren ist es nun möglich so grosse Optogramme zu erhalten, dass die Bildränder ausserhalb des Kreisschnittes fallen, durch den die Retina beim Herauslösen gewöhnlich begrenzt wird und man kann daher das Präparat selbst dann noch brauchen, wenn es zerrissen oder gefaltet zur Ansicht kommt. Lag der Frosch nicht unter dem Centrum des Objectes 234 W. Kühne: oder Avar er etwas um die Längsaxe gedreht, so pflegt eine Ecke des Ralimens mit grosser Schärfe hervorzutreten. Jederzeit ist aber mit Sicherheit auf die Abbildung mehrerer heller Streifen des Objectes zu rechnen, welche im Centrum der Netzhaut mit untadel- hafter Schärfe nahezu parallel verlaufend, durch purpurfarbene Bän- der getrennt zum Vorschein kommen. Nach zu langer Exposition sind die hellen Streifen des Optogramms breiter als die farbigen, die letzteren mehr brandroth. Wo die gefärbten und die farb- losen Streifen gleiche Breite hatten (wie die dunkeln und hellen des Objectes), fand ich diese im Centrum des Bildes und der Retina etwa := 0,6 mm. und in diesen Fällen war die Zeichnung so scharf, dass sie, selbst mikroskopisch (Hartnack, Syst. 7) be- trachtet, kaum verlor. Froschoptogramme bleiben häufig trotz nachträglicher vollstän- diger Ausbleichung der isolirten Retina noch kenntlich, indem die vor- her farblosen Streifen grau tingirt, also dunkler zum Vorschein kom- men, als diejenigen, welche purpurfarben waren. Dies rührt von der Einlagerung schwarzen Pigments zwischen den Stäbchen her, denn wenn man auch mit der schwachen Belichtung das un- lösbare Haften der Stäbchenschicht am gesammten Epithel ver- meidet, so werden doch bei diesem Verfahren (vollends nach etwas intensiverer Belichtung) die Pigment tragenden Epithelfortsätze an den belichteten Stellen so fest zwischen die Stäbchen geklemmt, dass sie beim Abziehen der Netzhaut von ihren Ursprüngen an den Zellen abreissen. In einer folgenden Abhandlung wird ein- gehend bewiesen werden, dass dies auf einer durch das Licht im lebenden Auge erzeugten messbaren Anschwellung der Stäbchen im Dickendurchmesser beruht. Vorläufig will ich dazu hier nur be- merken, dass die unteren sog. Innenglieder der Stäbchen, bis zu welchen das Pigment dringen kann, im Querschnitte nicht kreis- förmig, sondern kantig, meist sechseckig sind und durch keine weiten Zwischenräume, wie am hintern Ende, sondern nur durch Darstellung von Optogrammen im Froj-xhauge. 2o5 lineare, äusserst schmale von einander getrennt sind. Daher rührt auch die gänzlich verschiedene Zeichnung, welche die Stäb- chenmosaik beim Anblick einer ungedrückten Froschnetzhaut von der vorderen Fläche gewährt. Alle Stücke des Musters sind hier eckig und hart aneinander gepresst, die grösseren helldurchsichtig, die kleineren, oft dreieckigen, grau bis grausclnvarz und es ent- sprechen die ersteren den Stäbchen, welche das Licht durchlassen, die letzteren den Zapfen, deren conische Aussenglieder den gröss- teu Theil des von unten und hinten kommenden Lichtes durch Reflexion am Durchgange hindern. Einzelne grössere Sechsecke von ähnlich grau trübem Aussehen entsprechen zufällig schief gestellten Stäbchen. ^Yie in den engen unteren Zwischenräumen die Fortsätze der Pigmentzellen schon im Beginn des Anschwellens der Stäbchen fixirt werden, begreift man daher leicht. Es kann auffallen, dass die Optographie am lebenden Frosche bei dem schlechtesten Tageslichte und selbst bei Gaslicht möglich ist, während doch im Zimmer gehaltene Frösche ohne direktes Sonnenlicht den Sehpurpur nicht einbüssen. Erwägt man indess, dass die Xetzhaut der mit Curare gelähmten Thiere während der Exposition ununterbrochen immer an den nämlichen Stellen der Lichtwirkung unterliegt, so wird die Thatsache wohl verständ- lich. Ich habe Frösche unter Glaskästen neben den curarisirten so verweilen lassen, dass ihre Augen nahezu in gleicher Entfer- nung vom Objecte blieben, wie die der übrigen, und ihre Pietina, nach dem Betrachten des Optogrammes an den gelähmten, unter- sucht, aber keine Spuren von Ausbleichung daran zu erkennen vermocht. Als ich dagegen über einen unvergifteteu Frosch ein so enges Glas stülpte, dass er seine Bewegungen wegen des Hin- dernisses bald einstellte und hoch aufgerichtet stille sass, fand ich in jedem seiner Augen eine peripherische, wahrscheinlich schräg unten gelegene Stelle der Netzhaut erblasst. 230 W. Kühne: Die Optographie ist im weitesten Sinne das Mittel gewesen, die locale Wirkung des Lichtes auf die Retina beim Sehen ob- jectiv nachzuweisen, denn sie bewies allein und zuerst, dass das Licht nicht, weil es überhaupt in's Auge gelangt oder weil es irgendwie die Retina erreicht, die Farbe der Netzhaut ändert, sondern dass es dies nur da thut, wo es die gefärbten Elemente trifft. Methodische und zahlreiche mühsame Versuche, die ich ausführte, haben diesen Satz über jeden Zweifel festgestellt und ich bin desshalb nicht gewillt, mir die Priorität oder das Ver- dienst derselben nehmen zu lassen. Ich würde dies thun, wenn ich EeiT'ü BolVs Ausdruck (Accad. d. Lincei 4. Febr. 1877 p. 73), dass meine Versuche seine Resultate über locale Lichtwirkung auf die Retina ^^hrülantemente^' bestätigten, acceptirte, und erhebe vielmehr gegen denselben Einspruch, nicht nur, weil meine opto- graphischen Versuche vor dem 4. Febr. (am 20. und 27. Jan. Centralbl. f. d. Med. W.) publicirt wurden, sondern weil JBoU in seinen jetzt vorliegenden ausführlichen Publicationen (I.e.) beweist, dass er unter Umständen ein Optogramm erhalten zu haben glaubte, unter welchen dasselbe, wie vorhin nachgewiesen, niemals auftreten kann. Indem ich Herrn HelmhoUs's Ausspruch*), dass „die jetzige Art Prioritätsfragen nur nach dem Datum der ersten Veröffentlichung zu entscheiden, ohne dabei die Reife der Arbeit zu beachten" ein Unwesen sei, vollkommen beipflichte und von den genannten Daten sowohl, wie von Herrn JBoll's Verfahren, das seinen einzigen, obenein unmöglichen Versuch einmal in die Zeit vom C. Dec. 1876 bis zum 4. Febr. 1877 (Acc. d. L.), das andere Mal (Arch. f. Anat. u. Physiol. S. 9 u. 10) vor den 12. Nov. 1876 verlegt, absehen kann, betone ich mit um so grösserem Nach- drucke, in welcher Weise die Optographie bis heute und von mir allein ausgearbeitet worden ist. *) H. HelvihoUz, Rede: Das Denken in der Medicin. Berlin 1877, Hirsch- icald's Vcrlaff. Darstellung von Optogrammen im Frosehauge. 2o7 Umgekehrt kann ich Herrn BoU nicht das Kecht zugestehen, ihm ungünstige Publicationsdaten bezüglich einer andern hier unmittelbar anknüpfenden Frage zu ignoriren, wie er es bei der Erörterung der nach seiner Aussage vor dem 28. Nov. von ihm, zur Entscheidung der Bedeutungslosigkeit des Absterbens für das Ausbleichen des Sehpurpurs, vorgenommenen Versuche, den meinigen gegenüber in seiner ausführlichen Abhandlung (datirt V. G. März 1877) thut. Indem Herr ^oZ/ meine vollkommen be- weisenden Experimente, die schon am 5. Jan. publicirt wurden, übergeht, unternimmt er es zu zeigen, dass er die für die Be- ziehungen des Sehpurpurs zum Sehen wesentlichste aller That- sachen, dass nur das Licht die isolirte oder absterbende Retina bleiche, vor mir in dem Augenblicke gefunden habe, wo er das Gegentheil publicirte. Als ihm Bedenken hinsichtlich der Be- deutung des Absterbens, dem er das Bleichen der isolirten Retina ausschliesslich zugeschrieben hatte, kamen, köpfte er, seiner Er- zählung nach, Frösche und untersuchte er die Augen von 5 zu 5 Minuten, endlich nach 24 Stunden. Er fand die Netzhaut immer noch gefärbt und dies dient ihm noch heute zum Belege, dass abgestorbene Netzhäute unverändert in der Farbe sind. "Wer die Lebenseigenschafteu der Gewebe des Frosches kennt, kann otfenbar nie und nimmer glauben, dass die Netzhaut gleich absterbe, weil der Frosch geköpft wird, denn es ist ja be- kannt, dass sie auf Lichtreiz Erregungen noch lange auf die Iris überträgt. Niemand kann darum verstehen, wie Herr Boll nur auf den Gedanken kam, in den nächsten Minuten und Stunden nach dem Köpfen die Retina abgestorben zu linden, und wenn er es nach 24 Stunden für sicher hielt, so begreift man dies schon eher, ^iber verlaugt doch Angesichts der Thatsache, dass besonders im December zu dieser Zeit noch Nerven, Muskeln und vollends weisse Blutkörperchen überleben, Beweise. Dagegen war es sehr fraglich, ob die an ihren beiden äusseren Blättern, der 238 W. Kühne: Stäbchen- und der Epitlielschicht aufgerissene Netzhaut noch überlebe, da man den nackt zu Tage hegenden Stäbchen wohl ein ähnliches Verhalten, wie das eines angerissenen Muskels,' der in der Nähe der Verletzung fast momentan abstirbt, zutrauen durfte. Hier konnte nur ein Versuch helfen, nämlich die im Dunkeln oder vor unwirksamem Lichte isolirte Retina im Dunkeln zu lassen und sich zu überzeugen, dass sie niemals eher entfärbt wird, als bis das Licht darauf scheint. Diesen allein entschei- denden Versuch habe ich gemacht und Herrn JBoll ist er bis heute noch nicht einmal nöthig erschienen. Ich bin aber be- kanntlich dabei nicht stehen geblieben, denn es kamen mir immer noch Bedenken gegen die Beweiskraft des Versuches, da man ja von keinem darauf ununtersuchten Gewebe wissen kann, wann es die physiologische Leistungsfähigkeit eingebüsst hat. Von den Stäbchen konnte man es speciell nicht wissen, ob sie nicht sehr lange überleben und war dies der Fall, so konnte eine in allen anderen Schichten schon abgestorbene Netzhaut mir noch den Streich spielen durch Licht erregt zu werden und in Folge der EiTe- gung, dann natürlich im Lichte erst, schnell abzusterben und sich desshalb zu entfärben; nach Analogieen für ein derartiges Ver- halten braucht man in der That nicht weit zu suchen. Wie ich solchen Einwänden, die Andere nicht berührt zu haben scheinen, sicher begegnete, ist bekannt und bedarf der Wiederholung nicht, fordert aber den Vergleich heraus gegen eine Methodik, die in der gelegentlichen Beobachtung, dass die Netzhaut bei trübem Wetter langsamer bleicht, als bei klarem, schon Beweise erbhckt, dass das Absterben nicht Schuld daran sei, oder die in dem Umstände, dass die Ora serrata belichteter Frösche zuweilen ausschliesslich geröthet ist, locale Wirkung des Lichtes bewiesen findet. • Vvie oft muss es denn immer wieder gesagt werden, dass unsere Experi- mentirkunst dazu da ist um die Beweise zu schaffen, dass die Darstellung von Optogvanimen im Froseliauge. 239 Ursache, die \\\v einer Erscheinung unterlegen, wirklich die ein- zige und wesentliche sei? - Da Herr Boll sich nur auf ^'ersuche bezieht, von denen eben nachgewiesen wurde, dass sie absolut nichts Entscheidendes für die Frage nach der Wirksamkeit des Absterbens auf den Seh- purpur enthalten, so hat es für seine Ansprüche keinen Werth, ob er dieselben in der Correktur seiner ersten ^'eröiientlichung „implicite andeutete" oder nicht. Er behauptet es gethan zu haben durch den Hinweis auf die rapide Entfärbung der Netzhaut „wenigstens bei Warmblütern" (1. c.) („besonders bei Warm- blütern" heisst es im Texte, Berl. Acad. Ber. 23. Nov. 1877) nach dem Tode, aber ich muss bemerken, dass der Leser damit nur bestärkt werden konnte, dem Verfasser die Verwechselung des Lichteintiusses mit dem des Absterbens zuzuschreiben, weil das schnellere Absterben vieler Gewebe bei Warmblütern notorisch ist. Hinsichtlich meiner Ansprüche hat dagegen jener Zusatz im Sinne seines Verfassers Werth, denn er zeigt, dass Herr Uoll zu der Zeit, auf welche er meinen Versuchen gegenüber Gewicht legt, nicht wusste, dass auch im Säugethierauge die Retinafarbe den Tod um Tage und die heftigste Fäulniss überdauert. Noch heute nimmt Uoll gegen diese meine leicht zu bestätigenden Be- funde an, dass die Netzhautfarbe nach 24 Stunden ohne Licht „ziemlich plötzlich" vergehe (1. c. p. 11). Wenn man weiss, dass einzelne Gewebe und Elementarorganismen der Säuger, z. B. das rechte Herzohr, die weissen Blutkörperchen, Flimmerzellen und Samenfaden diese Zeit ganz gut überleben können, so sieht man, dass Herrn Boll auch heute noch die bindenden Beweise für die Unwirksamkeit des Absterbens fehlen und man könnte Niemanden ohne die Versuche, welche ausschliesslich mein Eigenthum sind, widerlegen, wenn er Leichenprocessen zuschriebe, was Wirkung des Lichtes in der Netzhaut ist. Ich habe das von mir bewiesene Factum, dass nicht das Ab- 240 W. Kühne: sterben, sondern ausschliesslich das Licht die Ursache der Ent- färbung einer isolirten Retina ist, die wichtigste aller Thatsachen für die Bedeutung des Sehpurpurs zum Sehen genannt. Es liegt mir fern, damit die Bedeutung der ^oZ^schen Entdeckung, dass im Leben gehörig belichtete Frösche farblose Netzhäute be- kommen, die den Ausgang aller heute vorhegenden Arbeiten über den Sehpurpur bildet und in dieser Beziehung bahnbrechend ist, abschwächen zu wollen und ich erkenne auch Herrn JBoirs Ver- dienst, das allgemeinere Vorkommen der Netzhautfarbe erkannt zu haben, bereitwillig an, obwohl ich gewünscht hätte, dass er in klarerer Weise, als es durch die Andeutungen in der Sitzung der Accad. d. Lincei vom 6. März geschehen, seine Bekanntschaft mit Max Schult^e's darauf bezüglichen Beobachtungen erklärt hätte. Weder das literarische Verhalten Herrn BoWs^ noch die Unterstützung, welche er sich Seitens des Redacteurs der Annales d'Oculistique und Verfassers des traurigen academischen Berichtes übei" die Louise Lateau gefallen lässt, werden mich von dieser Anerkennung abwendig machen. Verdienste, die Herr Boll darüber hinaus gegen mich in Anspruch nimmt, bestreite ich dagegen auf das Bestimmteste, denn sie i'ussen auf meinen Beobachtungen und waren seinen wissenschaftlichen Methoden unzugänglich. In der Lehre vom Sehpurpur ist der Fall eingetreten, dass sich das Verhalten eines abgestorbenen, in seiner Gesammtleistung zerstörten Gewebes als Angelpunkt zur Erkenntniss der wich- tigsten Vorgänge im lebenden herausstellt: ein an der Leiche zu constatirendes Phänomen eröffnete allein das Verständniss des Lebensvorganges. Wusste man nicht, dass der Sehpurpur in der todten Netzhaut und ganz unabhängig von der Beschaffenheit seines Standortes durch Licht entfärbt wird, so wusste man nicht, ob er in der lebenden Netzhaut durch Licht zersetzt oder durch Resorption entfernt werde; man wusste ferner nicht, was Herr Darstellung von Optogrammen im Froscliauge. 241 Boll von seinen Erfahrungen aus, mit Recht noch immer nicht wissen will, ob die Färbung auf einem chemischen Körper, die Entfärbung auf einem photochemischen Processe beim Sehen be- ruhe, man wusste endlich nicht, ob die Purpurbleiche nicht ein secundäres Phänomen an dem gereizten nervösen Organe sei, etwa der Säuerung des gereizten Muskels vergleichbar, man wusste also nicht, dass das Licht eine primäre Veränderung hervor- • bringt, die zum Nervenreize werden kann. Dass es heute so viele Antworten, wie jene Fragen gibt, ist die Frucht einer histologischen Untersuchung, welche sich von der Arbeit BolV?> darin unterscheidet, dass sie von der Beobachtung überall erst zum Experimente schritt, bevor sie wagte zu deduciren und den Boden der Speculation zu betreten. Heidelberg, den 21. Sept. 1877. =5«8' Kühne, Untersuchungen 1. 242 W. Kühne: Eine Beobaclitimg über das Leuchten der Insectenaugen. Von W. Kühne. Das Leuchten der Augen vieler nächtlich fliegender Schmetter- linge ist zwar sehr bekannt und seit Boesel, Kleemann u. A. vielfach beschrieben, aber es gibt darüber noch keine eingehende Untersuchung, welche das schöne und auffallende Phänomen so verständlich machte, wie es einst das Leuchten des einfachen Auges durch BrücJce's classische Arbeiten wurde. Ich muss es mir aus Mangel sowohl an Material, wie an Erfahrung über den Bau des facettirten Auges, über welches die grossartigen Unter- suchungen Grenacher's (Beilageheft z. d. klin. Monatsblät. für Augenheilk. XV. Mai) soeben erst neue und ungeahnte Aufschlüsse geben, leider auch versagen, tiefer als Andere auf den Gegenstand einzugehen, aber ich glaube einiger Beobachtungen, die ich im zu- fälligen Besitze weniger Exemplare von Acherontia atropos und von Notodon (trilophus?) machte, erwähnen zu dürfen, da die- selben meines Wissens neu sind und vielleicht Anregung zu wei- terem Studium der Sache geben werden. An den grossen vorstehenden Augen des Todtenkopfes ist das Leuchten Abends bei Lampenlicht ausserordentlich leicht zu bemerken; der Kopf des Thieres scheint zwei rothglühende Kohlen zu tragen, welche der Art den Eindruck des Selbstleuchtens Beobachtung über das Leuchten der Insectenaugen. 243 machen, dass man INIühe hat, sich von der ausschliesslich in Re- flexion von Licht bestehenden Ursache zu überzeugen. Wenn ich in einer vollkommen geschwärzten Kammer, wo nichts wie mein Gesicht, Hände oder Wäsche bemerkbares Licht reflectirten, den Schmetterling unter den Tisch hielt, worauf die Lampe stand, so blieb das Leuchten noch höchst auffällig, obwohl der Träger der Augen kaum mehr zu erkennen war. Begreiflich genügte es die Flamme zu löschen, oder das eigene Auge und Gesicht so zu beschatten, dass kein Licht auf das Object reflectirte, um die Erscheinung sofort aufzuheben. Bei Notodon fand ich den Glanz des kleinen Auges zwar noch heller, im Gaslicht mehr gelblich, aber es bedurfte ähnlicher Cautelen, wie beim Säuger- auge, oder des Augenspiegels um das Leuchten zu erkennen. Da mich die intensiv rothe Farbe des leuchtenden Todten- kopfauges in Rücksicht auf die Annahme Leijd'u/s (Archiv für Naturg. XXXXIIL 1. Bd.), dass die Purpurfärbung der Sehstäbe sich daran betheilige, interessirte , wollte ich die Untersuchung am Tage vornehmen, indem ich zerstreutes weisses Himmelslicht vom Heliostaten durch eine kleine Oeffnung in's Dunkelzinmier treten Hess. Zu meinem Erstaunen war (11 Uhr Morgens) keine Spur des Leuchtens wahrzunehmen, sondern die Augen schienen an der Cornea wie mit dünnem Mattglase überzogen. Ebenso verhielten sie sich jetzt bei Lampenlicht und trotz Zuhülfenahme des Augenspiegels war erst Abends G Uhr wieder etwas von der Erscheinung zu bemerken, indess weniger intensiv als früher und nur bei bestimmten Stellungen des Kopfes zur Richtung des auffallenden Lichtes gut kenntlich. Sah ich das Auge von der Seite an, so erblickte ich nur ein kleines dreieckiges, leuchtendes Feld, in dem sich einige schwarze Figuren befanden, während ich von vorn ein grösseres rothglänzeudes, kreisförmiges Bild sah. Nachdem ich dem Thiere bis 10 Uhr Abends Ruhe gelassen, fand ich die Augen wieder so auffällig und unter denselben Um- 17* 244 W. Kühne: ständen feurig glühend, wie am Abend zuvor, aber ich bemerkte, dass sie während des Augenspiegeln s matter wurden, indem sich die lichte Kreisfläche unregelmässig einengte und schwarze Figuren darin auftraten. Wurde das vorspringende Auge aus anderer Richtung, mehr von vorn oder von oben betrachtet, so hatte man von Neuem das Bild einer grossen leuchtenden Scheibe, an welcher sich das Erlöschen ähnlich wiederholte. Nach viertel- bis halbstündigem Verweilen im Dunkeln war die Erscheinung abermals so glänzend wie zuvor. Offenbar brachte also Blendung im Auge die Veränderung hervor, welche die Eückkehr des ein- fallenden Lichtes zur Leuchtquelle oder zu meinem Auge hemmte. Um darüber Sicherheit zu haben, beleuchtete ich das wieder im Dunkeln ausgeruhte Auge mit der Flamme eines rasch abbrennen- den 20 Ctr. langen Magnesiumbandes, während ich das der andern Seite mit schwarzer Wolle bedeckt hielt. Augenblicklich trat der erwartete Erfolg ein: in dem geblendeten Auge war jede Spur des Leuchtens erloschen, während das geschützte sich ver- hielt wie zuvor. So blieb das Verhalten während einer Stunde und vermuthlich während des grössten Theiles der Nacht, denn als ich am folgenden Morgen um 8 Uhr nachsah, fand ich am rechten (geblendeten) Auge immer noch kein Leuchten, während das linke, wie man es auch betrachtete, überall ein freilich sehr kleines, aber deutlich leuchtendes, kreisförmiges Feld erkennen liess. Um 10, 1, 4 und 6 Uhr war auch dieses verschwunden, Abends 8^/2 Uhr der normale Glanz beiderseits zurückgekehrt. Ich überzeugte mich um 11 Uhr nochmals von der vollen Entwicklung des Phänomens, ohne lange zu beobachten, da ich Blendung vermeiden wollte, und besah mir die Augen am dritten Morgen um 7^2, 8 und 9 Uhr wieder. Jetzt war das allmählige Schwinden des Glanzes abermals zu constatiren, um 9 Uhr garnichts mehr davon zu bemerken und so blieb es bis 5 Uhr Nachmittags, wo das Leuchten wieder begann, um gegen Beobachtung über das Leuchtpn der Tnsoctenaugpn. 245 8 Uhr die grösstc Intonsiiiit und Ausdelinung zu erreichen. Ebenso verlief der vierte Tag, aber A])ends war die Erscheinung weniger intensiv, die sclieinbaren Glühtlächen kleiner und unrcgel- mässig gestaltet; das Thier war jetzt ziendicli matt und zirpte nicht mehr beim Anfassen. Ich stellte noch einen Blendungs- versuch an und bemerkte, dass es längerer Magnesiumbelichtung und vieler Wendungen des Kopfes gegen die Flamme bedurfte, bis das Auge aus jeder Richtung betrachtet, glanzlos erschien. Mit aller wünschenswerthen Deutlichkeit sah ich jetzt, dass das Leuchten lokal verging, und z. B. nach blos seitlicher Belichtung von vorn und von oben noch recht intensiv auftauchte, als man von der Seite garnichts mehr bemerken konnte. Am fünften Tage, Morgens 9 Uhr, fand ich das Thier todt, das geblendete Auge vollkommen dunkel, während das linke von vorn und von der Seite, mit dem Augenspiegel betrachtet, noch ein sehr kleines, leuchtendes Scheibchen darbot, das jetzt vorgenommener länge- rer Magnesiumbelichtung Stand hielt. In den vor Natronlicht zerzupften Augen fand ich die Krystallkegel gut erhalten und diffus verljreitetes braun-violettes Pigment, das gegen andauerndes Tageslicht beständig war. Bei einem 2ten sehr matten Exemplare von Acherontia mit unentfalteten Flügeln, sah ich weder am Tage, noch Abends irgend welche Spur von Leuchten. Herr Dr. Weiss, der mir das, übrigens am folgenden Tage sterbende, Thier brachte, be- richtete, dass die Augen Tags zuvor um Mittag geleuchtet hätten und dass Magnesiuniblendung wirkungslos gewesen sei. Es wird durch fernere Beobachtungen festzustellen sein, ob das Erlöschen des Leuchtens trotz ^'erdunklung am Tage, wie ich es beobachtete, häufig und normal ist. Max SchulUe gibt für Sphinx convolvuli (Die zusammengesetzten Augen der Krebse und Insecten, Bonn 1868) sehr entschieden an, dass die Augen am Tage und im dunkeln Keller geleuchtet hätten. Da ich seine 246 W. Kühne : Angaben kannte, habe ich nach dem widersprechenden Befunde nicht versäumt, meine Augen vor der Untersuchung sehr gründ- hch im Dunkelzimmer auszuruhen, obwohl ich garnicht bezweifelte, dass das feurige Glühen, das man Abends sieht, unter allen Um- ständen sichtbar sein müsse, sobald es vorhanden ist. Ich muss desshalb Leydig's Zweifeln, ob die Erscheinung zu jeder Tages- zeit vorkomme (vergi. Leydiy. Das Auge der Gliederthiere. Tübin- gen 1864), beitreten, aber als sicher hinzufügen, dass bei lebens- kräftigen Thieren das Augenleuchten unter einer Bedingung con- stant erlischt, d. i. nach der Blendung. Am Auge von Notodon fand ich, wie schon erwähnt, sehr intensives, nicht rothes, sondern gelbliches Leuchten, und da es an zwei sehr lebhaften Exemplaren den ganzen Tag bestand, konnte ich es auch mit Sonnenlicht erzeugen, worin es fast so weiss wie der Keflex eines Silberspiegels aussah. Im Centrum der kleinen blinkenden Scheibe bemerkte ich ein undeutliches, dunkles Pünktchen, das vielleicht dem eigenthümlichen Verhalten des Centrums der Retinula vieler zusammengesetzter Augen (vergl. Grenadier 1. c.) entspricht. Wenige Minuten der intensiven Be- lichtung genügten, das Auge schwarz erscheinen zu lassen, wobei der helle Kreis sehr regelmässig von aussen her einging. Bis zur Rückkehr des ersten kleinen centralen Lichtpünktchens verging eine, bis zur vollen Entwicklung der hellen Scheibe IV2 Stunde. Je öfter der Versuch mit Sonnen- oder Magnesiumlicht wieder- holt wurde, desto später und unvollkommener wurde das Leuchten beschränkt und wieder hergestellt, und bei dem einen Exemplare, das durch unvorsichtiges Anfassen gelitten hatte, war schliesslich die schon sehr klein gewordene lichte Fläche gar nicht mehr zu beseitigen. Als ich das andere Thier mit Chloroform tödtete, fand icli die voi" der Betäubung maximal leuchtenden Augen vollkommen glanzlos. Die herausgenommenen Augen gaben denselben schmutzig- violetten, lichtbeständigen Pigmentbrei, wie die des Todtenkopfes. Beobachtung üher das Leur-hton der Tnsectenaugen. 247 Wenn festgestellt sein wird, wo die Reflexion des aus dem lusectcnauge zurückkehrenden Lichtes stattfindet, wird man mehr als Vcnnuthungen über den Mechanismus des Erlöschens aus- sprechen können. Von manchen Augen werden Tracheen als silberglänzendes Tapetum im Hintergrunde beschrieben und die Inconstanz des Leuchtens auf den wechselnden Gasgehalt der- selben zurückgeführt {Lcyäuj) ; andere Augen enthalten [Muskeln, alle, wie es scheint, dunkles Pigment. Für die Bedeutung des Letzteren beim Erlöschen des Leuchtens durch B 1 e nd u n g scheint mir besonders die Zeit zu sprechen, welche der Vorgang in An- spruch nimmt, die für den Schwund der Tracheengase zu kurz, für die Action der quergestreiften Muskeln zu lang sein dürfte. 248 A. Ewald und W. Kühne: Untersiicliungen über den Selipiirpur. (Fortsetzung von Heft 2. S. 218.) Von A, Ewald und W. Kühne. II. Entstehung der Retinafarbe. Unabhängig von den allgemeinen durch Blut- und Lymph- strömung bewirkten Ernährungsvorgängen erfolgt die Rückkehr der Retinafärbung oder die Tränkung der Stäbchen mit Sehpur- pur, nach der Zersetzung durch Licht, in der lichtempfind- lichen Membran unter wesentlicher Betheiligung ihrer äussersten epithelialen Schicht. Wir werden diesen Vorgang als Regene- ration, das Epithel, dessen Bedeutung für das Sehen damit zum ersten Male erkannt wurde, als den Regenerator, die darin enthaltene, wirksame, an die Stäbchen gelieferte Substanz als Rhodophylin bezeichnen. Mit dieser Namengebung wird so wenig, wie mit der für den Sehpurpur etwa Das bezweckt, was in der Chemie erst nach Reindarstellung neuer Körper üblich ist, sondern nur gesagt, dass eine eigene Substanz mit einer vor der Hand einzig erkennbaren, aber wesentlichen Eigenschaft anzunehmen sei, ein Verfahren, das in der Physiologie unumgäng- lich ist, wenn ihre Sprache nicht unnöthig beschwert werden soll. Da Fälle, in welchen physiologische Wirkungen auf etwas vom lebenden Organismus Trennbares zurückzuführen sind, zum Glück immer häufiger werden und fast die gesammte physiologische Chemie auf solchen fusst, so ist es an der Zeit, an die Notb- Uutersuchungen über den Sehpui'pui-. 249 wendigkeit einer der reinen Chemie gegenüber als vorläufig zu bezeichnenden physiologischen Nonienclatur zu erinnern, die nicht darauf warten kann, dass alle für Lebenserscheinungen wichtige Substanzen ihrer chemischen Constitution nach vollkommen er- kannt seien. Um den Unterschied der hinter physiologischen und chemischen Namen stehenden Begriffe zu bezeichnen, dürfte es sich empfehlen, Dinge wie Pepsin, Invertin, Sehpurpur u. s. w., von denen wir z. Zt. nicht wissen, ob sie chemische Individuen oder Mischungen sind, nicht mit dem Worte „Körper", sondern mit dem Ausdrucke „Substanz" zu belegen. Die Regeneration auf Wirkungen solcher Substanzen zu- rückzuführen, schien uns die erste und wichtigste Aufgabe der weiteren Untersuchung und wir haben, als wir dazu Aussicht fanden, einstweilen von der Fülle anderer Beobachtungen, die sich über den Process hätten anstellen lassen, abgesehen, in der Meinung, dass das allgemeine Interesse, Avelches er in Rücksicht auf zahlreiche analoge Vorgänge in der Nerven- und Muskel- thätigkeit, so wie überall, wo es sich um den räthselhaften Wechsel von Arbeit, Ruhe und Erholung handelt, bietet, bald von anderer Seite Bearbeitung finden wird. Ausserdem scheint uns das An- knüpfen der H e r i n gschen Hypothese über Dissimilations- und Assi- milationsprocesse im Sehacte an die objectiv nachweisbare Zer- setzung und Rückbildung des Purpurs so naheliegend, dass wir die Ausbildung dieser Basis einer in gleicher Richtung zu bil- denden Theorie für um so nothwendiger hielten. Von der Antoregreneratiou. Seit lange war dem Einen von uns aufgefallen, dass Frosch- netzhäute der Entfärbung durch Licht unter Umständen unge- wöhnlichen Widerstand leisten, wo an eine Betheiligung des rege- nerirenden Ei)ithels kaum zu denken war. Retinae ohne jede Spur mikroskopisch sichtbaren Epithelpigments vom Augengrunde ab- 250 A. Ewald und W. Kühne: gezogen, zeigten vertical aufgestellt am unteren Theile langsamere Ausweichung, als am oberen, wie wenn etwas die Entfärbung Hemmendes herabgeflossen wäre. Dies gab Veranlassung, nach- zusehen, ob reine epithelfreie Eetinae nach vollkommener Aus- bleichung im Dunkeln wieder Farbe annähmen. Um die Netzhaut jeder Zeit von der Epithelschicht lockern zu können, empfehlen wir, die Dunkelfrösche lebend einige Stun- den in Wasser von 30° C. zu setzen. Es ist zwar im Allge- meinen richtig, dass das Epithel, wie auch Herr Boll fand, bei Dunkelfröschen den Stäbchen nicht, bei belichteten sehr fest an- haftet, aber es giebt noch viele andere Bedingungen als Licht und Dunkelheit, welche auf den Zusammenhang der Stäbchen mit dem Epithel von ebenso grossem Einflüsse sind. So lange wr diese Bedingungen nicht kannten, mussten wir die Lockerung der beiden äussersten Netzhautschichten in der Dunkelheit für iuconstant halten, aber es ist uns gelungen, die Ursache der Unregelmässigkeiten z. Th. aufzudecken und seitdem Präparate jeden gewünschten Verhaltens herzustellen. Vor Allem ist die Temperatur von ausserordentlichem Einflüsse, ausserdem die Er- haltung des Kreislaufes im Bulbus. Frösche, welche 1—2 Stun- den in Eiswasser gehalten wurden, liefern schwarze Netzhäute, indem das ganze Epithel mit ausschlüpft, und nicht viel besser verhalten sich die Präparate von solchen, die bei 5 — 10^' C. im Dunkeln verweilten. Bei erwärmten Fröschen scheint andrerseits Vä — l -stündiges Liegenlassen der Bulbi im abgeschnittenen Kopfe und trotz Erhaltung von etwa 30" C. dieselbe Erscheinung her- vorzurufen, welche wir in diesem Falle von dem gleichzeitigen Erweichen des Bulbus durch Abnahme des intraocularen Druckes bedingt halten. Schnell präparirte Netzhäute erwärmter Dunkel- früsche wurden dagegen meist so rein erhalten, dass man Mühe hatte, mit dem Mikroskope Pigmentkörnchen auf oder zwischen den Stäbchen zu entdecken. Will man darin sicher gehen, so Untersuchungen über den Sehpurpitr. 251 ist es freilich nötliig das Präparat zu zerzupfen oder zu tlrückcn, denn wenn man von hinten auf eine ordnungsmässig erhaltene Stäbchcnschicht bhclvt, hndet man alle Z\Yischenräume ausser den Stäbchenquerschnitten dunkel, fast schwarz, ohne dass Pig- ment daran Schuld wäre, eine Erscheinung, welche von der Brechung des von vorn autfallenden Lichtes durch die Parabo- loide der Innenglieder zur Axe der Aussenglieder und dem Fern- halten alles übrigen Lichtes von den Stäbchenzwischenräumen durch Reflexion an den genannten Gebilden herrührt. Es ist gut, sich nach dem gleich zu beschreibenden Versuche, wenn das Präparat geopfert werden kann, von dem Fehlen des schwarzen Pigmentes zu überzeugen. Wir legten 2 derartig reine Netzhäute im feuchten Räume so lange an die Sonne bis jede Spur gelber oder chamois Färbung daraus verschwunden war, hielten die eine weiter im ditfusen, sehr gemässigten Tageslichte des Zinnners und brachten die andere in's Dunkle. Nach einer Stunde war die letztere leicht chamois, nach 2 und 3 Stunden deutlich rosa und blieb so noch 21 Stun- den. Als wir die Präparate am andern Vormittage vertauschten, war der Erfolg wieder so, nur dauerte es etwas länger, bis die zweite Retina die Rosafarbe annahm, und diese war nicht ganz so intensiv, wie an der vorigen, an welcher das Licht sie jetzt wieder verwischt hatte. Da der Versuch mit jeder isolirt ge- bleichten Retina eintraf und der Tausch oft bis zum 3. Tage mit gleichem Erfolge zu wiederholen war, so wussten wir bereits mit leidlicher Sicherheit, dass es sich hier um etwas Anderes handele, als um die durch lebendes Epithel bewirkte und immer viel intensivere Regeneration in Gegenwart des letzteren. Wir wollen die Erscheinung daher als Autoregeneration bezeichnen, ohne damit bereits sagen zu wollen, dass nicht pigmentfreie Epithelreste, die zwischen den Stäbchen stecken können und dort schwer nachzuweisen wären, daran betheiligt seien. Dieselbe 252 A. Ewald und W. Kühne: Autoregeneration sahen wir auch, wenn die Retina nur Tjis zum Gell) ausgeljlichen war ; dann wurde sie im Dunkeln vorübergehend chamois, scdiliesslich rosa, und w^nn wir sie im Lichte hatten chamois werden lassen, so schlug dies oft erst zurück in Gelb- rotli, elie reines Rosa auftrat. Ganz entfärbte Retinae wurden in den ersten Stadien zuweilen deutUch rein gelb, dann chamois u. s. w. Um zu sehen, ob sicherlich abgetödtete Netzhäute Auto- regeneration besässen, brachten wir die Retina ini Dunkeln wäh- rend 24 Stunden in gesättigte Kochsalzlösung, wuschen sie in weiteren 24 Stunden in XaCl von 0,5 pCt. gründlich aus und legten sie gut abgetropft in's Liclit, l)is die schöne rosenrothe Farbe verschwunden war. So gelang der Versuch noch besser, insofern die Farben, Gelb, Chamois, Rosa, viel deutlicher nachein- ander im Dunkeln auftraten, als an den ungesalzenen Präparaten. AVir können nicht entscheiden, ob dies von wirklich gesteigerter Regeneration oder von der liesseren Sichtbarkeit der Farben auf der im Uebrigen viel weissliclier und undurchsichtiger gewordenen Memln-an herrührte. Das Vertauschen und öftere Wiederholen des Versuches glückte hier ebenfalls besser, wie im früheren. Da wir jetzt wussten, dass es eine Regeneration des Seh- pui-purs gieljt, woran sich kein leidendes Gewebe betheiligt, und dass die erstgebildete Farl)e Gell), die letzte Purpur ist, schlössen wir, dass es neben dem Sehgelb und dem Sehweiss eine Substanz in der Netzhaut gebe, welche die Regeneration im Dunkeln be- wirke. Liess .sich dieses Rhodophylin, dem wir die Wirkung auf die Bleiciiungsproducte zuschrieben, der Membran entziehen? Der letzte Yersucli wurde so abgeändert, dass wir eine aus der gesättigten Salzlösung genommene Retina in der Sonne mit grösseren Mengen halbprocentiger NaCl-Lösung, also während der Entfärbung auswuschen. Diese in's Dunkle zuiückgebracht, zeigte noch nach 24 Stunden keine Spur von Regeneration. Untersuchungen über den Sehpurpur. 253 Wurtle die Retina wie Anfangs im Dunkeln ausgewaschen und nachher in viel dünner Salzlösung gebleicht, so kehrte ebenfalls keine Farbe zurück. Die Salzlösung hatte also der gebleichten Retina etwas entzogen, das nothwendig war, um die Farbe wieder herzustellen, und wir mussten uns daher fragen, ob das Sehweiss oder das Rhodophylin extrahirt war. Die extrahirte Retina in den Focus der übervioletten Strahlen gehalten, tluorescirte ebenso intensiv weisslich grün, wie jede isolirt gebleichte, nicht ge- waschene Netzhaut, woraus wir schlössen, dass nicht das Sehweiss, sondern das Rhodophylin in die Salzlösung übergegangen sei (vergl. Heft 2, S. 174). Wir blichen desshalb ein Dutzend pig- mentfreier Salzretinae in einer sehr kleinen Menge verdünnter Salzlösung aus und filtrirten im Ganzen einige Tropfen einer etwas opalisirenden, schwach alkalischen Lösung ab. Einige Netzhäute wurden weiter vollkommen ausgewaschen, bis sie die Autoregeneration eingebüsst hatten. Diese mit dem Filtrate im Dunkeln begossen, färbten sich jedoch niemals wieder. Die Autoregeneration gelang nicht nur in der 7-' P- Ct. NaCl haltenden, sondern auch in der gesättigten Lösung; nur dauerte die vollkommene Entfärbung bis zum Schwinden des Sehgelb in der Sonne mehr als eine Stunde, und es bedurfte mindestens 5 — 8 Stunden, um etwas Gelb, zuweilen eine Spur von Chamois wiederkehren zu sehen; Rosa trat niemals auf. Etwas besser glückte der Versuch in concentrirtem Glycerin, in^fern wenig- stens ein sehr schwacher rosa Anflug nach 24 Stunden zum Vor- schein kam. In NHa und in Sodalösung war keine Wiederkehr der Farbe zu bemerken. Da wir aus unseren Beobachtungen über Fluorescenz der Retina Unterschiede zwischen der lebend und der isolirt gebleichten Netzhaut kannten, deren Ursache wir in dem Fehlen des Seh- weiss bei der ersteren vermutheten, schlössen wir, dass Netzhäute, welche intra vitam des Purpurs beraubt worden, der Autorege- 254 A. Ewald und W. Kühne: neration unfähig sein müssten. Um den Versuch anzustellen, hatten wir uns epithelfreie, gebleichte Netzhäute zu verschaffen, was auf dem bisherigen Wege durch Erwärmen der Frösche nicht ausführbar war. Wir fanden dazu ein sehr gutes Mittel, indem wir die schon einige Stunden im Freien behchteten Frösche mit Curare vergifteten und so feucht hielten, dass sie in weiteren 3 Stunden ödematös wurden; jetzt kam die Netzhaut trotz un- unterbrochener Besonnung so gut und so pigmentfrei aus dem Bulbus, wie bei warm gehaltenen Dunkelfröschen, Sie war natür- lich vollkommen farblos, aber sie blieb es auch in der Dunkelheit: es gab da keine Spur von Autoregeneration, und wenn wir sie noch mit NaCl behandelten, wie die isolirt belichteten, so än- derte sich darin nichts. Einwände, die wir uns machten, dass das Curare-Oedem neue wesentliche Aenderungen im Auge erzeuge, glauben wir fallen lassen zu dürfen, denn die Regeneration ver- lief intra vitam im Dunkeln bei diesen Fröschen ebenso wie bei gesunden, ausserdem im exstirpirten Bulbus oder bei Berührung der Stäbchenschicht mit Epithel, ganz so, wie bei allen lebend entpurpurten. Nach diesen Erfahrungen wussten wir mit Sicherheit, dass es eine Autoregeneration des Sehpurpurs gebe, welche als ein rein chemischer oder physikalischer Process aufzufassen sei, der von allgemeineren und darum unklaren Lebensvorgängen abge- trennt verlai^fen kann; aber der vergebliche Versuch, Sehweiss und Rhodophylin erst zu trennen, dann wieder auf einander wirken zu lassen, liess uns zunächst nicht über diese erste Etappe hinauskommen. Um auf die eingangs erwähnte Beobachtung über das lang- samere Ausbleichen des unteren Theiles senkrecht hängender Netzhäute, welche zur Entdeckung der Autoregeneration führte, zurückzukommen, müssen wir bemerken, dass dieselbe augen- scheinlich nicht damit zusammenhängt. Wir haben im Gegen- Untersucbungen über deu Seh pur pur. 255 tlieile gefunden, dass mit Salzlösung gründlich gespülte Retinae jene Erscheinung niemals zeigen, und schliessen daraus, dass dem gewöhnlichen Netzhautpräparate wirklicli regenerirende Epitliel- reste oder kleine Mengen gelösten Rhodophylins anhaften, welche beim Aufhängen nach abwärts fliessen. So müssen wir schliess- lich in dem in dieser Hinsicht gegensätzlichen Verhalten der von allen auswaschbaren Anhängseln befreiten Netzhäute einen starken Grund erkennen, die Autoregeneration einem Rliodophylin zuzu- schreiben, das sich in den Stäbchen sell)St befindet oder in sie vom Epithel her bereits eingedrungen ist. Von der epithelialen Regeneration. Wir wenden uns zur Regeneration mittelst des Epithels, die dem Einen von uns (Heft 1, S. 8) durch das sehr einfache Zurücklegen gebleichter Netzhäute auf den entblössten Epithel- grund gelungen war. Zur Vereinfachung der Darstellung soll hier zunächst ausschliesslich von der Regeneration isolirt gebleich- ter Netzhäute gehandelt werden. Man überzeugt sich leicht, dass das Retinaepithel das einzige Gewebe ist, welches die Stäbchen wieder färbt: Einführung ge- bleichter Netzhäute in den Lymphsack des lebenden Frosches, Auf- legen auf eine Schleimhaut, oder auf frische Muskelquerschnitte, Befeuchtung mit Blut oder Lymphe, Speichel, Harn, mit Humor aqueus oder dem Glaskörper haben darauf nicht den mindesten Einfluss, soweit nicht die Autoregeneration, die man kennen muss, dabei in Frage kommt; es ist dabei auch gleichgültig ob die Retina im Lichte nur gelb und chamois oder ob sie ganz farb- los geworden ist. Wie auffällig dagegen die Wiederfärbung im Epithelgrunde zu jeder Zeit sein mag, hätten wir doch einige Kritik des Versuches lieber gesehen, als die stillschweigende Ver- wendung, die er bereits gefunden; wir können dem Leser da- rum eine Kritik, welche wir nachträglich selber daran übten, nicht ersparen. 256 A. Ewald und W. Küline: Da die Stäbchen sehr häufig nicht sämmthch mit der Retina aus dem Bulbus kommeu. sondern ebenso gut am Epithel strecken'^eis hängen bleiben, wie dieses an jenen, so kann der Augengrund, in welchen die gebleichte Netzhaut zurückkehrt, noch purpurne Stäbchen enthalten, die mit der letzteren erst zum Vorschein kommen. Aveuu sie nach einiger Zeit zum zweiten ]\lale herausgenommen wii-d. Dieser Fall ist gar nicht selten und ereignet sich, wenn die ÜSetzhaut Pseudooptogi'amme trägt, (vergl. S. 232) immer. Wo das blosse Auge keine Pseudooptogramme er- kennt, findet man solche in Gestalt falscher foveae centrales, in denen sich nur noch Zapfen finden, oft mikroskopisch, und da würde eine fleckige oder ditfuse und schwache Scheinregeneration eintreten können nur durch Ankleben der zurückgebhebenen Stäb- chen. Es war uns deshalb sehr erwünscht, den Versuch mit Fröschen vorzunehmen, deren Eetina vollkommen ohne Verlust von Stäbchen zu Tage zu bringen war. Ueberaus sicher wird dies erreicht, wenn man ausser der vorhin erwähnten Erwärmung noch das Curare-Oedem an den Dunkelfröschen zu Hülfe nimmt, wobei selbstverständlich noch darauf zu achten bleibt, dass man das exstirpirte Auge gleich präparire, da trotz aller zum Lockern des Epithels von den Stäbchen angewendeten Mittel, das Haften im isolirten Bulbus sich nach einiger Zeit fast immer wieder ein- stellt. Wir haben uns viele -\Iale überzeugt, dass auf solche Weise die Retina ohne jeglichen Verlust an Stäbchen heiTor- zubringen ist. indem wir sowohl den Augengrund, wie die Netz- haut sorgfältig mikroskopisch untersuchten. Zeigte die letztere nirgends nur mit Zapfen besetzte Stellen (whr reden ausschliess- lich vom im Aequator halbirten Auge), so wurde auch kein ein- ziges Stäbchen zwischen den nachher entleerten schwarzen ]\Iassen des Grundes gefunden, und wenn wh' eine so vollkommen zur Ansicht gebrachte Netzhaut nach dem Zurücklegen an den alten Ort wieder ganz gleichmässig purpurfarben fanden, so glauben Untersuchungen über den Sehpuvpur. 257 wir iinscrn Einwand für widerlegt halten zu können. So weit es an dem wiedergefärbten Präparate auf umgeklappten Rändern zu constatiren war, fängt die Regeneration an den hinteren Enden der Stäbchen an und schreitet allmählich nach vorn vor. Ob die grünen Stäbchen mit regcnerirt werden, ist uns deshalb zweifel- haft, weil an diesen die Autoregeneration schon sehr viel leistet. Dass auch die besterhaltene Retina nicht jedesmal in ihrer ganzen Ausdehnung gleichmässig wieder gefärbt wird, begreift sich, weil es nicht immer gelingt, sie vollkommen glatt in den Augengrund zurückzulegen, trotz aller und oft erfolgreicher Bemühung, sie ganz allmählich vom Rande her mit Vermeidung jeder Luftblase aufzulegen oder sich ansaugen zu lassen. Sehr vollkommen ge- lingt das Letztere aber, wenn man das Auge weit nach vorn oftnet, so dass die Iris gerade mit fortgenommen wird, und darauf die Netzhaut in toto, an der Linse, als kleines, den Glaskörper ein- schliessendes Beutelchen hervorzieht. In einigen Fällen, wo dies besonders vollkommen glückte, und wo allerdings auf die mikro- skopische Untersuchung zu verzichten war, haben wir das Säck- chen ganz unberührt, indem wir es weiter mittelst der Linse festhielten, erst an der Sonne entfärbt, dann in's Dunkle in den Bulbus zurück gebracht und darauf die schönste, vollkommen homogene, sehr intensive Regeneration erzielt. Im Augengrunde konnte möglicher Weise noch etwas Anderes, als das Epithel den Purpur regeneriren: es war noch an die Chorioidea, an die Sklera kaum zu denken. Doch haben wir nicht versäumt, die besonnte Netzhaut auch länger in entleerter Sklera liegen zu lassen, wobei indess nie etwas Anderes als die unvergleichlich schwächere Autoregeneration gesehen wurde. Um den Versuch nur auf der Chorioidea in Abwesenheit allen Epithels anzustellen, verfuhren wir umgekehrt, wie bisher; wir hielten Dunkelfrösche einige Stunden in Eis und Wasser, wonach jede Netzhaut vollkommen mit dem Epithel bedeckt, tief schwarz aus Kühne, Untorsuchungon I. IS 258 A. Ewald und TT. Kühne: dem Auge, hervorkam, so dass der Grund ausschliesslicli von der ganz undurchsichtigen Chorioidea überzogen blieb. In diesen gelegte, entfärbte Eetinae färbten sich ohne Frage etwas besser, als es die Autoregeneration vermag, aber wir glauben dies nicht der Chorioide^i zuschreiben zu sollen, sondern annehmen zu dürfen, dass das Epithel auch nach hinten etwas Rhodophyhn abscheide oder zurücklasse. Wir konnten den Gegenversuch leicht machen, indem wir die zugehörige herausgenommene Retina mit der schwarzen Fläche auf die Stäbchenseite einer gebleichten legten. was denselben, wie bemerkt werden muss. selbst nach Stunden ungleich schwächeren Erfolg hatte, als nach dem Anlegen an die Vorderseite. Endlich haben wir die Eetiua von Eisfröschen benutzt, um daran den Einfluss des Pigmentepithels sowohl auf die Zeit der Bleichnng. wie auf die Piückkehr des Sehpurpurs in der möglich vollkommensten Weise festzustellen. Indem man ein solches Präparat mit der dunklen Piückseite gegen ein grosses Leckglas schmiegt und dasselbe hohl auflegt, erhält man für die mikroskopische Betrachtung das wahrhaft reizende Bild aller gefärbten Elemente der Pietina. Hohe Ein- stellung zeigt zuei-st den ungefärbten Theil der Epithelien, welche unter manchen, noch zu erörternden Umständen, mit glänzenden, farblosen Klümpchen eigenthümlicher. oft halbmondfönniger Ge- stalt gefüllt ist: darunter tauchen die goldfarbenen Fettkugeln auf, in jeder Zelle meist eine, und wenn man tiefer einstellt, er- scheint das aus Sechsecken gebildete Muster der Epithelmosaik. Dieses Bild ist nicht so, wie es gewöhnlich von abgestorbenen Präparaten gezeichnet wird: es zeigt keine farblosen oder hellen Leisten zwischen den Zellen, sondern diese sämmtlich begrenzt durch schwarzes Pigment, so dass rnan nie sagen kann, wo die eine Zelle aufhört und die benachbarte beginnt, und es scheint uns dies von einem Pigmentkranze herzurühren, welcher sich etwas höher in dpr Zelle befindet, also weiter nach hinten im Untersuchungen über den Sehpurpur. 259 Auge liegt, als die in die Zelle ragenden Kuppen der Stäbchen. Wild von diesem Bilde luii ein Geringes tiefer eingestellt, so treten in voller Deutlichkeit die optischen Querschnitte sämmt- licher Stäbchen mit ihrer Purpurfarbe, hie und da modificirt durch die darüber liegenden goldgelben Kugeln, deren Bilder jetzt verwaschen sind, auf. Wir zählen meist 7 Stäbchen in jeder Pigmentzelle, darunter gewöhnlich ein grünes, das irgend wo am ßande zu liegen pflegt. Da der Sehpurpur an solchen Präpara- ten so deutlich durchschimmerte, haben wir nicht unterlassen, daran die Zeit der Bleichung durch Licht mit der von epithel- freien Netzhäuten zu vergleichen, die wir erwärmten Fröschen entnahmen. Beide Präparate verweilten nach der Anfertigung zur Annahme gleicher Temperatur erst einige Zeit im dunklen Räume und wurden darauf so unter 2 Mikroskope vor dieselbe Lichtquelle gebracht, dass die Beleuchtung ausschliesslich von unten durch die gleich grossen Diaphragmen geschah. In dem vom bewölkten Himmel mittelst des Heliostaten kommenden Lichte war der sichtbare Theil der epithelfreien Netzhaut meist um 10 Min. eher bis zum hellen Chamois entfärbt, als der des andern Präparates, von dem man erst in 11 bis 12 Min. sagen konnte, dass die Stäbchen sich nicht mehr weiter veränderten. Genauer vermochten wir die Zeit nicht zu bestimmen, da es un- möglich ist. durch das Epithel hindurch die letzten Spuren von Pihodopsiu oder von Xanthopsin wahrzunehmen. Wir Hessen die Präparate jetzt nach Entfeniung der engen Diaphragmen bei dem nicht sehr intensiven Lichte noch 15 ^lin. liegen, schnitten eine Ecke des Epithel führenden ab, und überzeugten uns durch Abschaben des Präparates, dass kein Purpur mehr zum Vor- schein kam. Als das Licht jetzt zwei Stunden fern gehalten worden, sah man durch das Epithel hindurch wieder deut- lich purpurfarbene und grüne Stäbchenquerschnitte. während die andere Retina, unter dem Mikroskope wenigstens, nur sehr 1?* 260 A. Ewald und W. Kühne: trübe grüne, zwischen der grossen Menge hell lila aussehende zeigte. In anderen Fällen besahen wir die regenerirte Netzhaut Dicht mikroskopisch und unverletzt, sondern nach dem Abschaben des Epithels von einigen Stellen, wonach der Purpur sehr deut- lich zu erkennen war. Der eben beschriebene Versuch beweist, wie wir hoffen un- widerleglich, dass es das Retinaepithel im Auge ist, welches den Sehpurpur der Stäbchen regenerirt. Wir wollen aber die Be- merkung niclit unterdrücken, dass die Regeneration bei diesem Verfahren nie so vollkommen glückt, d. h. dass die Stäbchen- färbung, obwohl unvergleichlich intensiver, als nach der Auto- regeneration, niemals so tief wird, wie nach dem Wiederanlegen gegen das Epithel im Augengrunde. Zum Theil beruht dies wohl auf der Berührung der hinteren Epithelfiäche mit dem Deck- glase, denn die Regeneration schien besser zu werden und eher einzutreten, wenn wir die Präparate mit der Vorderseite gegen das Glas legten, was freilich genauere mikroskopische Untersuchung aus noch mitzutheilenden Gründen sehr erschwerte. Da die Be- rührung der Stäbchen mit dem Regenerator nach dem Abziehen des Epithels niemals wieder so w^kd, wie sie war, sollte man die Methode des Zurücklegens für die schlechtere halten, allein es scheint, dass das Herausnehmen und Entblössen der Rückfläche dem Epithel mehr schadet, als die Beraubung seiner vorderen Fortsätze von dem Stäbchenfilze. Das Zuilicklegen zeigte sich endlich ausnahmslos früher, oft schon bis zum Maximum der Färbung, nach V2 Stunde, wirksam, als die andere Methode. Zahlreiche neuere Versuche bestätigten uns die früheren Angaben (Heft 1, S. 9), dass die Epithelregeneration durchaus an die ersten Stunden des Ueberlebens der Gewebe geknüpft ist. In hoher Sommertemperatur können die genannten Erscheinungen daher ganz ausbleiben und bei 8— 12" C. wurde nach 24 Stunden kein Erfolg mehr erzielt. Wie konnten wir hoffen, dieses unerfreuliche Uiiti'i-siii-lmiii^cii iilici- (Im Scli|iiii-[)iir. 2G1 Factum mit der von den Gesummtlclicnsbcdingungen ganz unab- hängigen Autoregencration in Ucbereinstimnmng zu bringenV Zuniiclist wurde festzustellen gesucht, ob das Epithel oder die Retina überleben müsse. Wir fanden sogleich, dass es nur auf den Zustand des ersteren ankomme, denn als wir eine aus- gebleichte und mehrere Tage feucht gehaltene trüb und matschig gewordene Netzhaut in einen frischen Epithelgrund legten, fanden wir dieselbe an den Stellen, wo sie noch zusammengeballte und stark veränderte Stäbchen trug, deutlich purpurn. Ebenso wur- den Salzretinae, die im Dunkeln ausgewaschen, nach dem Ab- tropfen im Lichte entfärbt waren, unzweideutig besser gefärbt, als es jemals durch Autoregeneration geschieht, was durch ver- gleichende Versuche vollkommen sicher zu stellen war. Um jeden Zweifel zu heben soAvohl, wie in anderweitigem Interesse, haben wir endlich Salzretinae, die während des Auswaschens gebleicht wurden und keine Autoregeneration mehr besassen, in lebende Epithelgründe gebracht : auch diese wurden wieder gefärbt. Getrocknete oder in Glycerin gelegte, später nach dem Erweichen in dünner Salzlösung und nach dem Abtropfen gebleichte Prä- parate so zu färben, wollte uns freilich nicht gelingen, aber die Erfahrungen an der gesalzenen Retina scheinen uns damit nicht entkräftet und der Schluss berechtigt, dass abgestorbene Netz- häute vom lebenden Epithel regenerirt werden. So kamen wir zu folgender Ueberlegung: Der Regenerator enthält entweder Rhodophylin, wie die der Autogeneration fähigen Stäbchen, aber er giebt es nur im Leben oder im Ueberleben an die Letzteren ab, oder er enthält davon keinen merklichen Vor- rath , sondern bildet es in dem Maasse , als die Substanz von der Stäbchenschicht beansprucht wird. Im letzteren Falle besonders konnte die Noth wendigkeit des Ueberlebens so viel heissen, wie Erhaltung eines Secretionsvorganges und Auslösung 262 A. Ewald iiud AV. Kühne: desselben durch das Anlegen oder durch die Gegenwart der gebleichten Stäbchen. Ton der Kegeueratiou des gelösten Sehpurpurs. Zur Zeit, als dem Einen von uns die Freude wurde, den Sehpurpur in Lösung zu gewinnen, konnte Nichts näher liegen, als etwas gebleichte Purpurlösung in den frischen Augengrund zu tröpfeln und nachzusehen, ob die Farbe zurückkehre. Der Versuch geschah auch sogleich, aber man erhielt einen Tropfen schwarzer Tinte, weil das Epithel bis auf die suspendirt bleiben- den gelben Kugeln und schwarzen Körnchen aufgelöst wurde. Das Verfahren wurde darauf mit grösseren Mengen und einer beträchtlichen Anzahl von Augengrüuden wiederholt, die Tinte filtrirt und durch mehrtägiges Stehen eine oben sehr pigment- arme Schicht abgehoben; aber dieselbe war und blieb missfarben, ebenso eine Mischung der Epithelcholatlösung mit der des ge- bleichten Purpurs, oder eine Lösung, die nur aus- Netzhäuten, an denen das Epithel haftete, bereitet und durch Licht einmal gebleicht war. Auch das Einlegen gebleichter Netzhäute in die Epithellösung blieb erfolglos. Wir wissen heute, aus welchem Grunde jene Versuche sämmtlich missgiückten und glauben kaum, dass wir die ausserordentlich zahlreichen und mühsamen Experi- mente, mit denen wir eine andere Bahn einschlugen, angestellt haben würden, wenn wir es eher gewusst hätten. Gleichwohl sehen wir keinen Grund, die Darstellung des wirklichen Verlaufes unserer Arbeit aufzugeben und von den genannten Bemühungen zu schweigen, denn wir können dieselben nicht für verloren halten, da die Betretung eines anderen Weges uns in den Besitz zahlreicher Gegenversuche brachte, welche die beste Kritik unseres schliesslichen Erfolges enthalten. Endlich hoffen wir Leser zu finden, denen es nicht gleichgiltig ist zu erfahren, wie man es anfing, in dem Gewirre anscheinend Avidersprechender und beziehungsloser Thatsachen den richtigen Weg zu finden. Untersuchungen ül)er den Sehpuvpuv. 263 Übschou sich die Galle als ein gutes Lösungsmittel für den Zellenleib der Epithelicn erwies, liess sie doch zwei Bestandtheile derselben ungelöst: das Pigment und die gelben Tropfen. Ueber das Verhalten des Kerns kamen wir nicht ganz ins Klare: derselbe scheint nicht gelöst, sondern nur sehr durchsichtig zu werden und zu quellen ; die häufig vorkommenden farblosen Klümpchen sahen wir dagegen unter dem Mikroskope völlig vergehen. Sollten wir dem schwarzen Pigmente und den gelben Tropfen das ßhodo- phylin zutrauen? Wir standen davon ab, denn das schwarze Pigment scheint zu indifferent und fehlt den Albinos, welche auch Purpur regeneriren, gänzlich, und die gelbe Materie fanden wir nirgends in der Ptetina der darauf untersuchten Säuger (Ochs, Schwein, Kaninchenalbinos). Ueberdies war jener gelbe Farb- stoff' schon ausgeschlossen, als wir sahen, dass Extracte der im Dunkeln über SH2 0i getrockneten Augengründe, die mit Alkohol, mit Aether, mit Chloroform, Benzol, Chlorkohlenstoff" u. s. w. bereitet waren, nach dem Verdunsten die gelbe Substanz hinter- liessen, welche mit düimer Salzlösung, oder mit Lymphe in Emul- sion verwandelt, oder ohne dergleichen, direkt auf gebleichte Netzhäute oder in entfärbte Purpurlösung gebracht, niemals deren Färbung wieder herstellten. Wir kehrten darum noch ein- mal zur Galle zurück in der Meinung, dass das Pthodophylin nur unter ganz bestimmten weiteren Bedingungen wirke, und pro- birten die Cholat-Epithellösuug mit reducirenden Zusätzen, von Schwefelammonium, Schwefelwasserstoff, ammoniakalischer Eisen- oxydullösung u. s. w. oder umgekehrt, im Ozonstrome in Wirkung treten zu lassen, aber Alles ohne Erfolg. Darauf wurde versucht, das Epithel sogleich gefrieren zu lassen, oder eiskalt mit verdünntem NaCl von 0" zu extrahiren, ferner Extraktion bei gewöhnlicher Temperatur mit derselben Salzlösung, mit Glycerin, mit Soda, mit kohlensaurem Ammoniak oder mit Aetzammoniak, mit sehr verdünnter, Sehpurpur nicht entfärbender Milchsäure, oder Essig- 264 A. Ewald und W. Kühne: säure und Alles dieses wieder bei gleichzeitig wirkenden Oxydations- und Reductionsmitteln — wiederum vergeblich. In der Meinung, dassdas rihodoiiliylin erst gebildet oder abgespalten werde, wurden die Epithelieii mit kalteiii Alküliol behandelt, und das Unlösliche den angegebenen Extractiousmitteln unterworfen, auch Erwärmen bis 35^ C. angewendet, was ebenso erfolglos war, und obgleich wir wuss- ten, dass der liegenerator ohne vorgängige Belichtung seine Schul- digkeit thut, wurden zu sämintlichen aufgeführten Versuchen Augen- gründe aller Beliclitungsstadien. auch mit farlngen Gläsern be- lichteter Frösche verwendet, ohne jedoch andere Resultate zu gewähren. Da wir glaubten, dass das Einlegen der Retina im Re- generationsversuche als Reiz auf das absondernde Epithel wirke, wurden die ganzen oder die von der Xetzhaut befreiten Augen längerer Behandlung mit Inductionsströmen unterworfen, oder als mechanisches Reizmittel Schnitzel feinen Seidenpapiers 1 — 2 Stunden auf die Yordei-fläche gelegt und, als dies noch nicht half, an Stelle des Papiers Stückchen der flimmernden Gaumen- schleimhaut des Frosches genommen, womit wh' die Epithelien sanft zu reizen und mit etwas dem Stäbchenfilze Aehnlichem zu bedecken trachteten. AVir Ijrauchen kaum zu sagen, dass Nichts hiervon zu unserm Ziele führte, und wenn wir denken konnten, dass etwa die Dunkelheit; im Sinne der Beobachtungen Brücke s an den Pig- mentzellen der Chamäleonhaut, als Reiz für die retinalen Epi- thelzellen ausdrücklich heranzuziehen sei, so mussten wir davon abstehen, weil sich der grösste Theil unserer angeführten Er- fahrungen schon auf im Dunkeln verarbeitetes Material bezog. Nach so vielen vergeblichen Bemühungen stand wenigstens das eine negative Resultat fest, dass das Epithel unter keinem der äusserst verschiedenen Umstände, unter welchen es bearbeitet worden, eine in den für Gewebe gebräuchlichen Extractionsmitteln lösliche Substanz von rhodophylactischen Eigenschaften enthalte. Wir kehrten darum zu dem alten Büttel, der Galle, die am UuteriSiicliuiigeii ülxn- den Relipurpur. 265 Stixbchenpurpur gute Dienste geleistet hatte, zurück, in der Mei- nung, dass der Vorgang der Autoregeneration, den wir als unab- hängig von allen übrigen Lebensorscheinungen erkannt hatten, unmöglich ein besonderes Substrat mit einer schlechthin unlös- lichen Substanz zur Wirkung auf den sannnt seinen Uleichungs- produkten löslichen Purpur erfordern könne. Schon einmal, ganz im Anfange dieser Arbeiten, war, um es hier zu sagen, eine im Dunkeln erfolgte Rückfarbung an gebleichten Purpurlösungen wirklich gesehen worden, und zwar an einer iMischung von Lösungen epithelarmer und epithelreicher Präparate. Da es aber während vieler Monate nie hatte gelingen wollen die Er- scheinung wieder hervorzurufen, glaubten wir lange uns ge- täuscht zu haben, bis wir endlich, durch die Notli gedrängt, überdachten, welche anscheinend unwesentliche Aenderung sich in den Versuch eingeschlichen habe, und zu ihm zurückkehrten. Die üeberzeugung, dass die künstliche Rückbildung des Sehpur- purs gelingen müsse, war zu tief, und erregte zu grosse Hoff- nungen auf weitere Arbeiten über die Natur desselben, als dass wir nicht jede Moditication des Lösungsverfahrens gern geprüft hätten. So fiel uns ein, dass die in der wärmeren Jahreszeit be- nutzten Cholatlösungen des Epithels, wie der Stäbchen, immer Aether enthalten hatten, worunter wir die gereinigte Galle, um der Fäulniss einigermassen vorzubeugen, aufzuheben pflegten, und dass hieran der Grund unserer Misserfolge gelegen haben konnte. Es hatte zwar niemals das nicht unbedeutende Quan- tum Aether, welches die Galle auflöst, dem darin gleichzeitig enthaltenen Sehpurpur Schaden gethan, aber eine hemmende Wirkung auf den Regenerationsprozess war denkbar. Wir wurden darin bestärkt, als wir sahen, dass ein an der Luft ge- standener, gefaulter Rest von Purpurlösung, den gebleicht zu haben wir uns erinnerten, eines Tages deutlich purpurn aus dein 266 A. Ewald und W. Kühne : Dunkelzimmer hervorgebracht ^^^u'de. Der Boden des Gefässes ^Yar mit schwarzem Pigment bedeckt, also Epithel mit in Lösung gegeben. Als die Flüssigkeit am Lichte wieder gebleicht w^orden, theilteu wir sie in zwei Hälften und stellten die eine in's Dunkle, während die andere bis zum folgenden Mittag im Hellen blieb. Jetzt war eine, wenn auch schwache, röthliche Färbung an der ersteren augenfällig. Dass die Fäulniss nichts zu der erfreuhchen Erscheinung beigetragen, glaubten wir annehmen zu dürfen, w'eil wir zu oft gebleichte Purpurlösung oder Netzhäute mit Epi- thelmasseu iu geschlossenen Gefässen hatten faulen sehen, ohne Rückkehr des Purpurs. Wir schlössen daher, dass die Verdunstung des Aethers uns begünstigt habe, und verwendeten in der Folge nur Galle, welche vor dem Gebrauche durch Kochen von Aether befreit war, zu- gleich ein kaum schlechteres Fäulniss verzögerndes Verfahren, als der frühere Zusatz. Beiläufig mag hierzu bemerkt werden, dass vor dem Gebrauche des Aethers bei Darstellung und Reac- tionen des Sehpurpurs ebenso zu warnen ist, wie bei vielen an- deren empfindlichen chemischen Substanzen, da das käufliche Fabrikat selten rein ist. Auch das schlechteste, alkoholhaltige schadet freihch nicht, soweit es in Galle löshch ist, aber wir sind in letzterer Zeit immer auf Aether gestossen, welcher feuchte Froschnetzhäute momentan, fast getrocknete etwas langsamer ent- färbte und nach dem Waschen mit Wasser, besser mit Sodalösung' Zersetzung des Purpurs, obgleich erst nach einigen Stunden, be- wirkte. In der Chemie des Sehpurpurs haben wir den Aether darum seit länger durch Benzol oder durch sog. Petroleumäther ersetzt. Mit den neuen, auch dosirten Gallelösungen haben wir zu- nächst die angenehme Erfahrung gemaclit, direkt ohne nachträg- liches Eindunsten sehr concentrirte, fast wie ammoniakalische Car- minlösung aussehende Filtrate von der Retina zn gewinnen, wenn UutersuchuDgen über den SeLpurpur. 2G7 die Lösung mehr als 5 p. Ct. Cholate enthielt; weiter lernten wir die Purpurlösung schneller filtriren, indem wir die winzigen unlöslichen Keste der Membran sich erst YoUkommen absetzen Hessen, woiauf die Flüssigkeit kaum schlechter als Wasser durch Papier lief. An diesen Lösungen wurde nun sofort die von der Retina bekannte Autoregeneration beobachtet. Wir brauchten dieselben nur in der Sonne bis zur vollkommenen Farblosigkeit ausbleichen zu lassen und 40 Min. bis 1 Stunde in's Dunkle zu stellen, um sie wieder ganz deutlich rosa gefärbt zu finden. In wei- teren 24 Stunden blieb diese Farbe im Dunkeln coustant. Zwei bis drei mal Hess sich die Entfärbung an der Sonne wiederholen und immer kehrte die Farbe zurück, aber schwächer und schwächer, zuletzt nur chamois oder gelb. Ganz wie an der Retina trat in 20—30 Min. zuerst Gelb, darauf Chamois, zuletzt Rosa auf, und wenn wir die Ausbleichung nur bis zum Gelb hatten gehen lassen, kehrte das Rosa schneller zurück. Das Experiment ist von solcher Sicherheit, dass wir es zur Demonstration in Vor- lesungen geeignet halten. Die Cholatlösung wird dazu am Resten 2 procentig genommen. Seit wir ätherfreie Purpurlösungen verwenden, hat es uns scheinen wollen, als ob deren totale Ausbleichung, d. h. die schliessliche Umwandhmg von Gelb zu Weiss, auch in direktem Sonnenlichte wesentlich langsamer verlaufe, als wir es früher an ätherlialtigen sahen. Welchen Grund konnte die Autoregeneration in der Lösung sowohl, wie in den Stä1)chen habenV Gehörte der Purpur zu der Classe von Farbstoffen, die auf Zeuge fixirt, beim Tragen ver- si'hiessen und nach längerer Schonung aus dunklen Schränken gebessert zum Vorschein kommen? Die letztere Tiiatsaclie dürfte ebenso allgemein bekannt, wie wenig aufgeklärt sein, auf Re- ductions- und Oxydationsprocesse schliessen lassen, aber von solchen wussten wir, dass sie über den Sehpurpur nichts ver- 268 A. Ewald uacl W. Kühne: mögen. Ausserdem liess sich die Regeneration nicht helie1)ig oft wiederholen; Was dabei mitwirkte, wurde ersichtlich nach und nach erschöpft, und das hing nicht von der Dauer der Beleuchtung, sondern von dem Wiederholen des Lichtabschlusses ab, für das lebende Auge zugleich ein bemerkenswerther Umstand, welcher die Annahme abweist, dass die Echtheit des Netzhautpurpurs iutra vitam auf anderen Gründen beruhe, als auf der bis zu einem gewissen Grade der Dauer und Intensität des Belichteus, dem Bleichen entgegenarbeitenden Regeneration. Wir hielten darum au der Meinung, welche wir dem fundamentalen Einflüsse des Epithels einmal entnommen hatten, fest, dass neben dem Purpur, bez. dem Sehgelb und Sehweiss eine Substanz, das Rho- dophylin, in oder zwischen den Stäbchen und ebenso in der Cho- latlösung der Netzhaut enthalten sei, welche die Regeneration veranlasse, dass also im strengeren Sinne keine Autoregenera- tion bestehe. Hier musste die Epithellösung entscheiden. Wir kürzten den dazu in Aussicht genommenen Versuch, dessen Schwierigkeiten nachher erörtert werden, zunächst in folgender Weise ab. 20 Frösche wurden geköpft, die Augen exstirpirt, eine Stunde nach der Präparation des letzten gewartet und aus allen die Netzhäute mit dem gesaramten Epithel bedeckt herausge- nommen. Indem wir das schwarze Häufchen mit Galle behan- delten, bekamen wir eine Lösung der Stäbchen sowohl, wie der Epithelleiber. Als dieselbe schwarz und trübe durch das Filter gegangen, Messen wir sie im Röhrchen einige Stunden stehen, holten vom stärksten Pigmentsatze ab und suchten den noch recht bedeutenden Antheil an suspendirten schwarzen Körnchen im flachen ührglase zu beseitigen. Wer sich auf das Isoliren und Schlemmen von Blutkörperchen versteht, kennt das Ver- fahren: wir suchten das Pigment durch Rütteln, Drehen und Schwenken zusammenzutreiben, so dass es nach längerer Ruhe üntersuchuugen üher den Si'lipuipur. 269 auf einen Haufen gedrängt zu Boden ging. So war 24 Stunden später die klare Flüssigkeit abzusaugen. Dieselbe war natür- lich tief purpurfarben, aber wir glaubten daran bemerken zu können, dass sie, an gedämpftem Lichte wenigstens, nicht so rasch entfärbt wurde, als andere ebenso intensiv gefärbte Lösungen, die wir aus epithelfreien Netzhäuten erhalten hatten. Etwas Anderes war al)er zweifellos: die Lösung wurde nach maximaler Ausbleichung in weniger als 15 Min. im Dunkeln wieder farbig und war nach einer Stunde deutlich rosenroth. Da grade vor- treÖ'licher Sonnenschein den ganzen Tag begünstigte, haben wir das Bleichen und Wiederfärben mehrere Male vorgenommen und am folgenden Tage wiederholt. Dabei fiel uns auf, dass anfäng- lich kein deutlich gelbes Durchgangsstadium vor dem ersten Erscheinen des Rosa zu bemerken war, obwohl sich die Purpur- färbung, ebenso wie es früher bei der Autoregeneration gesehen worden, entschieden schneller im Dunkeln wieder entwickelte, wenn die Ausbleichung nur bis zum Gelb gediehen war. Erst beim 2ten Male wurde dieses regenerirte Gelb deutlich und kehrte schliesslich allein nach der Bleichung wieder zurück, wie denn überhaupt die Intensität der regenerirten Farbe mit jedem Ver- suche abnahm und die Zeit ihrer Entwicklung wuchs. Wir glaubten nun den letzten Versuch des Wiederfärbens gebleichter Stäbchenlösung durch Zusetzen reiner Epithellösung leicht hinzufügen zu können, aber hier stiessen wir auf zwar nicht unerwartete, indess für unsere nächsten Zwecke wenig wünschenswerthe Hindernisse. Es war nicht möglich das Epi- thelium, nach Entfernung der Retina aus dem Auge, hinlänglich rein zu erhalten. Lag es zu Tage und der Chorioidea an, so war es nicht ohne diese zu verarbeiten. Alle Anstrengungen es mit feinen Hakenpincetten abzuziehen oder es mit angelegtem Seidenpapier abzuheben, lieferten kein hinreichendes Material, und so blieb nichts übrig, als die ganzen Augengründe, nach mög- 270 A. Ewald und W. Kühne: liclister Säuberung der Rückseiten von Muskeln und Bindege- webe, zu verarbeiten. Die Chorioidea mit dem Epithel von der Sklera zu lösen, hatte keinen besonderen Sinn und war wegen des durch Gefässe vermittelten Haftens unbequem. Das so er- haltene Präparat hatte den Nachtheil Blut einzuschliessen, so dass die daraus hergestellte Gholatlösung immer etwas Hämo- globin enthielt. Froschblutkörperchen widerstehen der Galle zwar anders, als die der Säuger, aber das Hämoglobin wird ihnen damit doch entzogen und musste in unsere Lösungen übergehen, weil der Brei der zerschnittenen Augengründe überall freie Blutkörperchen aufwies. Dennoch waren wir sehr über- rascht die Lösung nach Entfernung des schwarzen Pigmentes ziemlich tief und dabei etwas purpurn gefärbt zu finden, noch mehr, als wir sie an der Sonne augenscheinlich abblassen sahen, ungefähr wie wenn wir bluthaltige Stäbchenlösung (aus dem Ochsenauge) vor uns hätten. Die Entfärbung dauerte freilich bedeutend länger und ging nur so weit, das schmutzige Blutgrün hervortreten zu lassen, das venösen Blutlösungen in grosser Verdünnung eigen ist*). Mit Luft geschüttelt, wurde die Farbe hellgelblichroth und dann sahen wir daran spectroskopisch den Streifen a des Hämoglobins entstehen. In's Dunkle zurück- gebracht, wurde sie in 30 Min. wieder hell kirschfarben, um dann am Lichte von Neuem in's Grünliche zurückzuschlagen, kurz, die Erscheinungen waren ähnlich wie an Stäbchenlösungen mit epithe- lialer Regeneration, so dass wir denken mussten, wider unsere Absicht sehr viele Stäbchen auf dem Epithel gelassen zu haben. *) Es ist leider heute noch nötliig auf Brnclce's hekannte Beohachtung der grünen Färbung dünner Schichten venösen Blutes aufmerksam zu machen, da die Erscheinung mit dem Sehpurpur in Verbindung gebracht worden ist. Quetscht man Froschnetzhäute, deren Hyaloidea merklich Blut enthält, besser noch die Retina des Hundes zwischen zwei Glasplatten, so wird die schwach grünliche Färbung des Blutes bemerkbar, während blutfreie Retinae dabei nur lila bis farblos werden. üntersuchiiugen über den Sehpurpur. 271 AYir wicdcrliolten daher den Versuch sofort und nahmen dazu so gründlich ödematüs gewordene Curare-Frösche, dass die Netzhaut von allen in toto mit der Linse herauskam. Nacli- dem die Hintergründe mit der Schcere zerschnitten waren, nahmen wir Tröpfchen aus dem Brei unter das Mikroskop ; wir fanden in der That einzelne Stäbchen, jedoch so wenige, dass wir glaubten, die Purpurfiirbung der Lösung etwas Anderem, als der kleinen Menge in diesen Stäbchen cntlialtcnen Sehpurpurs zuschreiben zu müssen, wenn sich die frühere Erscheinung wiederholte. Das Letztere geschah nun auf das Unzweideutigste und gab uns die Ueberzeugung, dass im Epithel selbst unter Umständen Purpur- bildung vorkomme. AVie geling der Hämoglobingehalt der auf dem letzten Wege erhaltenen Epithellösung sein mochte, war er doch gross genug uns gegen die Wahrnehmung der feinen Farbendifferenzen, auf die es ankam, misstrauisch zu machen, wenn wir damit etwaige Verstärkung der Regeneration reiner Stäbchenlösungen nachweisen wollten, \(\r wiederholten daher vorerst die früheren Beobach- tungen über das Verhalten von Epithel-Stäbchenlösungen ver- gleichend zu dem reiner Stäbchenextrakte. Diesmal wurden dazu 20 Dunkelfrösche genommen, welche 3 Stunden in Eiswasser gesessen hatten, und die schwarzen auf das vollkommenste vom Epithel bekleideten Netzhäute in Lösung gegeben. Zum Ver- gleiche wurden die sehr reinen, vom vorigen Versuche übrig ge- bliebenen Netzhäute verwendet. Beide Präparate wurden mit 1,') C. Cent, derselben Cholatlösung gleich lange extrahirt, filtrirt, die schwarze Lösung im Uhrglase von Pigment befreit und wäh- rend dieser Zeit in so feuchtem Baume gehalten, dass Concentration durch Verdunsten vermieden blieb. Die Färbung der beiden Flüssigkeiten war ungleich, in der gemischten entschieden tie- fer. Es wurden daher durch Verdünnen der letzteren 2 Pro- ben von annähernd gleicher Farbensättigung hergestellt, beide 272 A. 'Ewald und W. Kühne: gleich lange an der Sonne bis zu blassem Strohgelb gebleicht und in's Dunkle zurückgesetzt. Nach 20 Min. war die Misch- lösung schön rosa, während die andere nur deutlicher gelb bis chamois aussah, nach 40 Minuten waren beide rosa, aber die erstere dunkler, mehr rosenroth, nach 4 Stunden diese roth- purpura, die andere nicht über das anfängliche Rosa hinaus- gekommen. Am folgenden Tage wurde das Belichten und Ver- dunkeln fortgesetzt und es zeigte sich, dass die Rückkehr der Farben in der Mischlösung noch viele Male, freilich mit abneh- mender Deutlichkeit auszuführen war, als die andere bereits ganz farblos blieb, oder nach längerer Lichtentziehung höchstens schwach strohgelb wurde. Hierauf gössen wir 1 Vol. der nur noch hell- rosa werdenden Mischlösung zu 2 Vol. der nicht mehr auto- regenerationsfähigen Stäbchenlösung, belichteten das Ganze noch einmal und setzten es in's Dunkle zurück. Da Abends nicht mehr ülier die Farbe zu entscheiden war, konnten wir erst am andeiTi Morgen nachsehen und da fanden wir trotz doppelter Verdünnung, welche die letztere Lösung erlitten hatte, die schönste rosenrothe Farbe hergestellt, über deren Entstehungsweise wir nicht in Zweifel sein konnten, weil wir sie zwischen 2 Gegen- proben hatten, der einen, kaum gelblichen (aus der Stäbchen- lösung), und der andern hell rosafarbenen (aus der Lösung von Epithel Stäbchen), welche beide unter gleichen Verhältnissen neben der nachträglich gemischten im Dunkeln gestanden hatten. Wie befriedigend und entscheidend das eben genannte Resul- tat sein mochte, so glaubten wir doch keine Mühe scheuen zu sollen, die Wiederfärbung von Stäbchenlösungen durch reine stäbchenfreie Auflösungen des Epithels zu versuchen und die Darstellung der letz- teren frei von störendem Hämoglobin anzustreben. Epithelgründe wurden zu dem Ende erst mit grösseren Mengen ^'^ -proc entiger NaCl-Lösung geschüttelt, filtrirt, auf dem Filter mit etwas Wasser gewaschen, wobei Hämoglobin nachweisbar mit einigem schwarzen Untersuchungen über den Sebpuvpur. 273 Pigment entfernt ^Yurde. Hierauf mit Galle behandelt, wurden offenbar wesentliche Antheile der Zellenleiber zerstört, denn was nun weiter tiltrirte, war die uns wohl bekannte schwarze Tinte. Als dieselbe geklärt worden, sahen wir daran zu unserer Enttäuschung wieder etwas Hämoglobinfärbung und nichts im Verhalten gegen Licht, was auf den kleinsten Purpurgehalt zu schliessen berech- tigte. Zu gebleichten Purpurlösungeu gesetzt, verstärkte das Ex- trakt deren Autoregeneration nicht, und wo diese nicht mehr vorhanden oder undeutlich war, änderte der Zusatz daran nichts. Das Verfahren musste also verlassen werden und wir versuchten darauf so zum Ziele zu kommen, dass wir die Galle in die retina- freien Augengründe tröpfelten, nach 7^= Stunde zurückpipettirten und die kleine Flüssigkeitsmenge, welche so oberflächlich auf die Epithelfläche gewirkt hatte, dass sie auffällig wenig schwar- zes Pigment enthielt, der mechanischen Klärung unterzogen. Was wir jetzt erhielten, war äusserst schwach gelblich gefärbt und ebenso wirkungslos auf gebleichte Stäbchenlösungen, wie das vorige Extrakt. Da unser Vorhaben somit vereitelt blieb, haben wir die andere Methode der Vergleichung von Lösungen reiner Stäbchen und solcher aus Stäbchen plus Epithel weiter auszubilden gesucht. Indem wir den natürlichen Vorgängen folgten und uns der Er- fahrung anschlössen, dass die Regeneration der Netzhaut an der Epithelplatte immer einige Zeit, bis zur Vollendung oft etwa 2 Stun- den erfordert, gaben wir die epithelbedeckten Netzhäute erst einige Stunden nach der Präparation in Lösung. Die beste Vor- schrift, welche wir geben können, ist diese: man verschaft't sich 1) 40 epithelfreie Netzhäute, indem man 20 mit Curare vergiftete Dunkelfrösche erst 3 Stunden in kaltes Wasser, dann 2 Stunden in Wasser von 30 '^ C. setzt und die Präparation der Augen bei jedem Einzelnen sofort nach dem Köpfen vornimmt; 2) setzt man 20 Dunkelfrösche eine Stunde in Eis, exstirpirt die Augen, Kühne, Untersuchungen I. 19 274 A. Ewald und W. Kühne: knipst von jedem den Opticusansatz ab, legt sie eine Stunde in einen feuchten Raum und nimmt hierauf die Netzhäute samrat dem Epithel von der Chorioidea ab. Diese schwarzen Präparate lässt man zweckmässig noch 2 Stunden auf dem Boden eines kurzen Probirröhrchens liegen, ehe die 2procentige Galle aufge- gossen wird. Nach weiteren zwei Stunden, während deren die Masse zuweilen geschwenkt wird, ohne eigentlich geschüttelt zu werden, filtrirt man und benutzt die Nacht zum Absetzenlassen des schwarzen Pigmentes im Uhrglase. Am andern Morgen findet man, nachdem auch die Stäbchenlösung hergestellt und filtrirt wor- den, zwei starkgefärbte Flüssigkeiten, von welchen die des ge- mischten Objectes die dunklere ist. Vergleicht man das Ver- halten der Extrakte, so ist ohne Weiteres das langsamere Aus- bleichen des gemischten in massigem Tageslichte zu erkennen, auch wenn man es durch Verdünnen mit Galle auf die hellere Farbe des andern gebracht hat. Vollständig an der Sonne oder von der Magnesiumflamme ausgebleicht, nimmt es viel eher im Dunkeln wieder Farbe an, als das andere, und gleich zu Anfang ist diese tiefer, mehr dem Purpur oder Rosa zuneigend, als in der Gegenprobe, eine Differenz, welche nach einigen Stunden höchst augenscheinlich wird. Je öfter die Regeneration wieder- holt wird, was noch nach 3 — 4 Tagen trotz in der Regel zu- tretender Fäulniss möglich ist, desto schwächer wird sie natür- lich; aber während die blosse Stäbchenlösung beim 3ten Male zu versagen pflegt, haben wir sie an der andern bis doppelt so oft bemerkbar gefunden, und endhch wieder mit grosser Deutlichkeit hervortreten sehen, wenn die im Dunkeln schon gänzhch farb- los bleibende Stäbchenlösung zugesetzt wurde. So sind die Er- scheinungen, wenn das Epithel einige Zeit nach der Isolation und Eröffnung der Bulbi in Lösung kam, während man die Differen- zen, auf welche hier Gewicht zu legen ist, kaum merkbar findet, falls die schwarzen Netzhäute aus eben exstirpirten Augen von Uutersuchungeu über den Sehpurpur. 275 Eisfröschen kamen und sofort in Galle geworfen wurden. Wir möchten hieraus schliessen, dass das retinale Epithelium bei Dun- kelfröschen im Leben nur Spuren von Rhodophylin enthält, dagegen im Absterben oder in einem der Reizung verwandten Zustande davon mehr bildet, das dann durch Galle extrahirbar wird. Jetzt, wo man in der letzteren das Mittel dafür hat, werden die vor- hin erwähnten Reizversuche zu wiederholen sein. "Wir haben einstweilen darauf verzichtet, da uns die gleich zu berichtenden Beobachtungen z. Zt. nothwendiger schienen und einige Aussicht vorhanden ist auf müheloserem Wege zur künstlichen Regene- ration zu gelangen, als der war, welchen wir betreten mussten. Die Fluorescenzerscheinungen hatten uns zur Erkenntniss eines wesentlichen Unterschiedes zwischen isolirt und intra vitam gebleichten Netzhäuten geführt (Heft 2. S. 174), welcher nach unserer Auffassung durch Abwesenheit des Sehweiss' in den letz- teren bedingt wird. War das richtig, so mussten im Leben ent- färbte Netzhäute mit Galle farblose Auflösungen geben, in welchen weder Autoregeneration, wie an den Stäbchen selbst, noch Regeneration durch Dunkelepithel zu Stande kam. Dem ist nun wirklich so, denn die Lösung, welche wir aus solchen Netzhäuten von mit Curare ödematös gemachten Fröschen erhiel- ten, war und blieb unter allen Umständen farblos und es Hess sich damit nach 24 -stündigem Verweilen im Dunkeln nicht die geringste Besserung der Färbung an einer anderen Lösung des früher beschriebenen Epithel-StäbchenpräJDarates erzeugen, wenn diese an sich schon durch häufigen Wechsel von Licht und Dun- kelheit das Vermögen deutlicher Wiederfärbung verloren hatte. Hier war Rhodophylin vorhanden, aber es fehlte in dem aus lebend gebleichten Netzhäuten zugeführten Materiale die Sub- stanz, das Sehweiss nämlich, auf welche es wirken sollte, und in vollkommener Uebereinstimmung damit stand das Verhalten der Stäbchen solcher Netzhäute, denn wenn wir intra vitam gebleichte 19' 276 A. Ewald und W. Kühne: Eetinae in Epithelgriinde von Dunkelfröschen legten, so sahen wir sie häufig entweder gar keine Färbung annehmen, oder erst nach 2—4 Stunden Spuren davon auftreten, welche bezeichnenderweise nicht gelb oder chamois, sondern hell lila ausfielen. Hiermit gelangen wir zu einem Punkte, welcher besondere Beachtung verdient : es giebt zwei ganz verschiedene Weisen der Wiederfärbung von Netzhäuten, die eine mit Gelb oder dessen Nuancen beginnend, oft durch Orange oder entschiedenes Rein- roth zum Purpur gelangend, die andere von vornherein mit blossen Verdünnungsgraden des Purpurs einsetzend, von Lila durch Ptosa zu tiefem Purpur führend ; die erstere ist der isolirt gebleichten oder intra vitam nur erblassten, nicht ganz entfärbten Netzhaut, die zweite der intra vitam vollkommen entfärbten eigenthümlich. Obschon es leicht ist die erste, niemals gelbliche, sondern stets lila aussehende Farbe an Fröschen zu erkennen, welche nach gründlicher Besonnung 20 — 30 Min. im Dunkeln verweilten, wird die Angabe eines Mittels willkommen sein, das die Beobachtung der Anfangsfarben ungemein erleichtert. Die Zeit der Piegeneration ist nämlich abhängig von der Temperatur, so dass sie sich im heissen Sommer oft schon in einer Stunde, bei kühlerer AYitterung erst in 2 — 3 Stunden, bei 0° erst in 9 — 12 Stunden vollendet. An Eisfröschen hat man darum 4 bis 6 Stunden Zeit, um die Lilafärbung der Netzhaut zu constatiren, welche dem herrlichen Piosa und dem letzten gesättigten Purpur vorangeht. Welchen Grund konnte es für die oben genannte Differenz geben? Wir meinen, dass er in der Verschiedenheit des Bildungs- processes der Farbe liege, dass in der isolirt gebleichten Netz- haut aller Purpur nach und nach aus den restirenden Bleichungs- producten gebildet werde, indem das Pihodophylin das Sehweiss erst in Sehgelb, dieses zuletzt in Sehpurpur verwandelt, während nach dem Schwunde des Sehweiss im Leben fertiges Pihodophylin aus den Epithelzellen in die Stäbchen tritt, der Art, dass Misch- Untersuchungen über den Sehpurpur. 277 färben intra vitam übeihaupt nur auftreten können, wenn ent- weder die Belichtung sie direkt erzeugte, oder wenn das Seh- weiss noch nicht Zeit fand völlig aus den Stäbchen zu schwinden. Wir hielten diese Hypothese für richtig, wenn eine Bildung fer- tigen Sehpurpurs in den Epithelzellen nachzuweisen war. Das einzige Object, an welchem der fragliche Purpurgehalt mikroskopisch nachweisbar wäre, dürfte das retinale Epithel albi- notischer Thiere oder des Tapetums sein, dessen Zellen kein schwarzes Pigment enthalten, aber man kann es auch da nicht vorauswissen, ob sich jemals unter den geeigneten Bedingungen "so viel Purpur ansammeln werde, dass man ihn in situ zu er- kennen vermöchte. Am Epithel der Frösche glauben wir unter gewissen, sich aus dem Folgenden noch ergebenden Umständen, Andeutungen des Epithelpurpurs bemerken zu können und zwar in den der Stäbchenschicht zugewendeten, mit Fortsätzen ver- sehenen, vorderen Theilen der Zellen. Indess erschwert das schwarze Pigment die Beobachtung so, dass wir von Niemanden verlangen dürfen auf den schwach 'röthlichen Anflug Werth zu legen, um den es sich da handelt. Glücklicher "Weise lässt sich auf andere, vollkommen sichere Weise darthun. dass das Epithelium fertigen Purpur zu bilden vermag, denn wir haben ihn daraus dargestellt. Andeutungen über Rhodogenese sogar im Dunkelepithel wurden bereits früher bemerkt (vergl. S. 270), und indem wir an jene an- knüpften, fanden wir einen sehr einfachen Weg den Process im Epithel nachzuweisen. Wir setzten Frösche eine Stunde hinaus in die Sonne, vergifteten sie darauf mit Curare, Hessen sie weiter 3 Stunden im Freien erst in kahem, dann in SO*^ C. warmem Wasser liegen, so dass sie anschwollen, und entfernten im Hellen*) aus sämmtlichen Augen die Netzhaut, indem wir die- *) Bei dieser und wenigen anderen Gelegenheiten konnte von der Noth- wendigkeit alle Arbeiten über Sebpurpur im Xatronlichte vorzunehmen, abge- 278 A. Ewald und W. Klüine: selbe in toto mit der Linse und dem Glaskörper hervorzogen. Hierauf wurden die schwarzen spiegelnden Augengründe vorsichtig mit halbprocentiger Kochsalzlösung betropft, etwas geschüttelt und ausgespült, um etwa zurückgebliebene von der Netzhaut ab- gerissene Stäbchen zu entfernen, und ein Theil der Augen so- gleich, ein anderer erst nach Sstündigem Verweilen im Dunkeln mit Galle extrahirt. Dass keine in Betracht kommende Mengen von Stäbchen in den Augen zurückgeblieben waren, constatirten wir vor der Verwendung der Galle, indem wir etwas von dem beim Zerschneiden der Halbkugeln entstehenden schwarzen Brei mikroskopisch untersuchten und nur sehr wenigen Bruchstücken veränderter Stäbchen begegneten. Als die Gallelösungen filtrirt und durch Absetzen vom schwarzen Pigmente befreit waren. sehen werden. Es dürfte von Nutzen sein zu bemerken, dass Gas- oder Kerzen- licht, selbst sehr gedämpftes Tageslicht im Nothfalle zwar aushelfen können, aber so häufig zu Unsicherheiten führen, dass man sich nachträglich zu Controlversuchen bei Natronlicht genöthigt sieht, wodurch die ohnehin ausser- gewöhnliche Mühe solcher Arbeiten unnöthig vermehrt wird. Rothes Licht wäre ohne Frage besser als gelbes, da es noch weniger auf Sehpurpur wirkt, und wir haben es darum öfter mit Hilfe vortrefflich gearbeiteter, durch rothes Glas oder rothe Flüssigkeiten lichtgebender Laternen verwendet, wenn unsere Augen an der flackernden Natronflamme den Dienst versagten. Dennoch musste im Allgemeinen zu dem abscheulichen gelben Lichte zurückgekehrt werden, weil man im rothen des Vortheils entbehrte, das Blut unterscheiden zu können, so dass Präparate, die im Natronlichte wie von Tinte beschmutzt aussahen, für gut passirten. Es versteht sich von selbst, dass man von der Natronbeleuchtung so wenig, wie aus dem Dunkelzimmer überhaupt, unmit- telbar zur Beurtheilung von Farben im Tageslichte schreitet, sondern zu warten hat, bis das Auge ausgeruht ist und keine Contrastfarben mehr wahrnimmt. Das Object wird so lange in einem schwarzen Kästchen ver- wahrt. Glaubt man die Zeit der Augenruhe aus Furcht vor Veränderungen der Präparate durch Absterben oder, wie es vorkommen kann, durch schnell wirkende chemische Agentien, nicht abwarten zu dürfen, so muss man zu Zweien arbeiten und sich die Präparate aus dem Dunkelraume bringen lassen. Alle in diesen Abhandlungen mitgetheilte Feststellungen über Farbennuancen wurden unter Beachtung der genannten Cautelen ausgeführt. Untersuchungen über den Sehpurpur. 279 zeigte die sogleich hergestellte und verarbeitete, geringe schmutzig grünliche, vom IJlute herrührende Färbung, welche, an einer im Dunkeln bleibenden Gegenprobe controlirt, nach längerer Be- sonnung durchaus unverändert blieb, während die andere so rosen- roth war, wie wir bisher nur Stäbchenlösungen gesehen hatten, und am Lichte in der evidentesten Weise bis auf die geringe vom Blute stammende Färbung ausbhch. Nach 4 -stündiger Ver- dunkelung war daran auch etwas Regeneration zu bemerken. Wir sind durch diesen mehrfach wiederholten Versuch vollkommen überzeugt, dass in den Epithelzellen Alles enthalten ist, was zur Bildung fertigen Sehpurpurs beisammen sein muss. Ob diese Bildung im Leben wirklich in den Zellen erfolgt, lassen wir bei der Unsicherheit der bisherigen Beobachtungen über Färbungen des Epithels unentschieden, was übrigens zunächst an der Bedeutung des gefundenen Factums wenig ändert, da man die Rhodogenese auch für den Moment des Ueberganges der daran betheiligten Substanzen zu den Stäbchen aufgespart denken kann. Die Wir- kung der Galle in den beschriebenen Versuchen wäre dann so aufzufassen, dass unter ihrem lösenden Einflüsse, welcher sicher alle wesentlichen Substanzen betrifft, Dinge auf einander in Wir- kung gerathen, welche es im Zellenleibe nicht thaten, weil sie dort räumlich getrennt waren. Hierüber wird die Zukunft ebenso erst entscheiden können, wie über die Frage, woraus das Epithelium lebend entpurpurter Frösche den Purpur bereitet; wir zweifeln kaum, dass es aus altem Materiale geschieht, indem das Sehweiss im Leben wohl nur desshalb aus den Stäbchen schwindet, weil es in das Epithel nach hinten tritt. Es dürfte hier am Platze sein einiger Erfahrungen über Regeneration des Sehpurpurs in den Stäbchen zu gedenken. Vergegenwärtigt man sich, was beim Sehen gemischten Lichtes vorgeht, so begreift man, dass die der Länge des Stäbchens ent- sprechende Purpurschicht zuerst vorne gebleicht werden muss. 280 A. Ewald und W. Kühne: während die folgenden Schichten um so besser vor der Zersetzung geschützt bleiben, je weiter sie nach hinten liegen, weil dahin nur Licht solcher Wellenlängen dringt, das vorn nicht absorbirt wurde, also rothes und etwas violettes, welches unverhältniss- mässig schwach auf Sehpurpur wirkt. Die wirksamste Leistung des Regenerators ist also auch vorn zu erwarten, und dass sie da erfolge, verbürgt das Vortreten der Epithelfortsätze bis an die Innengiieder der Stäbchen. So wird es erklärlich, dass sich die Stäbchen, falls die Belichtung nicht übermächtig wirkte, in ihrer ganzen Länge gefärbt erhalten und nach totaler Aus- bleichung, während der natürlichen Dunkelregeneration sogar die erste schwache Lila-Tingirung von vorn bis hinten gleich- massig annehmen. Für das Epithel folgt aus der Anordnung der vor ihm liegenden Purpursäulchen, dass es in seiner hinteren Kernregion so lange vorwiegend von rothem und violettem Lichte betroffen wird, als noch Purpur vorhanden ist, und dass es im Gange der Ausbleichung erst recht dasjenige Licht empfängt, von welchem im Allgemeinen die schwächste chemische Wirksamkeit bekaimt ist, nämlich gar kein violettes mehr, sondern nur rothes und gelbes. Man wird daher voraussetzen können, dass kurz- welliges Licht seinen regenerativen Funktionen besonders zuträg- lich, anderes gefährlich sei. In der That verhält es sich so, denn wenn der Purpur gänzlich erblichen ist und Licht alier Wellenlängen das Epithel erreichte, bedarf dasselbe 1 — 2 Stunden, um den Stäbchen die frühere Menge des Farbstoffes wieder- geben zu können, während es nach nicht ganz vollendeter Bleich- ung nur einiger Minuten bedarf, um den alten Zustand wieder herzustellen. Wir haben Frösche höchstens 10 Minuten in der Sonne oder einige Stunden im TagesUchte des Laboratoriums gehalten, bis die Netzhäute nicht farblos, sondern hell orange oder chamois geworden waren, und darauf in's Dunkle zurück- gebracht. Nahm man dann 5 — 10 — 15 Min. später eine Netz- Untersuchungen über den Sehpurpur. 281 haut heraus, so wurde sie wieder tief roth, zuweilen brandroth gefunden, weil offenbar noch etwas nicht regenerirtes Sehgelb neben dem Purpur darin steckte. In Fällen, wo die Farbe nach kurzer Besonnung gerade noch erkennbar war, haben wir nach 20 — 30 Min. schon den tiefsten Purpur wieder hergestellt gesehen. Diese Beobachtungen Hessen sich ganz exact anstellen, weil der Frosch nicht weiter zu leben brauchte, nachdem das erste Auge vor dem Effecte der Dunkelheit untersucht worden, insofern das andere im abgeschnittenen Kopfe, oder selbst exstirpirt und feucht gehalten, liegen bleiben konnte. Doch haben wir auch an Augen verschiedener Individuen, also nicht so streng vergleichbar experi- mentirt, ausserdem einen Theil der Versuche so ausgeführt, dass das erste Auge dem Le])enden exstirpirt wurde, und der Frosch, nachdem ein geölter Wattepropf in die leere Orbita gedrückt worden, mit dem andern Auge am Leben bliel). Indess fanden wir mit der letzten und ersten Methode niemals Unterschiede, welche das vom Blute versorgte Froschauge vor dem isolirten bevorzugt scheinen Hessen. Um zu sehen, ol) das rotlie Licht das Epithel am Regene- rationsgeschäfte nicht hindere, wurden Frösche in der Sonne ihres Purpurs vollständig beraubt und unter mehreren Lagen rother Gläser weiter besonnt, unter welchen sich, durch einen Glaszaun getrennt, bereits aus dem Dunkeln ebendahin gesetzte Frösche befanden. An diesen war constatirt, dass sie demselben rothen Lichte ausgesetzt stundenlang intensiv purpurne Netzhäute behielten. Man hätte nun erwarten können, an den andern, vorher weiss belichteten Fröschen die Netzhaut nach zweistün- digem Aufenthalte unter der rothen Bedeckung so regenerirt zu finden, wie wenn sie die gleiche Zeit im Dunkeln zugebracht hätten. Wenn das rothe Licht nicht intensiv genug war, sahen wir dies freilich oft genug vorkommen, aber an Tagen wo die Sonne continuirlich unbedeckt blieb, fanden wir die Retina die- 282 A. Ewald und W. Kühne: ser Thiere noch nacli 4 — 6 Stunden ungefärbt. Gleichwohl war die Regeneration hier nach den ersten beiden Stunden sicher fort und fort im Gange geblieben, aber es war der interessante Fall eingetreten, dass der Purpur fortwährend in demselben Maasse ausblich, als er hergestellt wurde, denn als wir diese Frösche in's Dunkle setzten, fanden wir ihre Retina nach 5—15, vollends nach 20 Minuten vollkommen so intensiv purpurfarben, wie die seit Tagen im Dunkeln gehaltener. Um den Versuch zu verstehen, rauss man wissen, dass das rothe Licht keineswegs des Vermögens entbehrt, den Sehpurpur auch intra vitam voll- ständig zu bleichen. Zur Zeit der intensivsten Sonnenwirkung im Juni und Juli gelang es uns nämlich ganz gut, lebende und kalt gehaltene Frösche unter 3 Lagen dunkelrothen Glases, durch die man bei direkter Richtung zur Sonne mit dem Spectroskope nur roth bis C sah, in 2 — 3 Stunden vollkommen des Sehpurpurs zu be- rauben. Der genannte Versuch erzielte also deshalb Differenzen zwischen den beiderlei Fröschen, weil die einen die rothe Belich- tung mit einem Vorrathe fertigen Sehpurpurs antraten, die andern nicht, so dass die ersteren davon immer einen üeberschuss behiel- ten, während die andern trotz Erholung des Epithels nach den ersten beiden Stunden, allen Purpur hergeben mussten, der gerade gebildet war. Zum Gelingen des Versuches bedarf es selbstver- ständlich einer mittleren Intensität des Lichtes, die wir bei rei- nem Himmel meist Morgens oder Nachmittags fanden. Nach diesen Erfahrungen am Lebenden wendeten wir uns zu ähnlichen Versuchen an isolirten Augen, indem wir den mehr oder minder verderblichen Einfluss spectraler BeUchtung auf das blossgelegte Epithel festzustellen dachten. Da inzwischen die künsthche Regeneration des Purpurs gefunden worden, glauben wir zukünftigen Untersuchungen über den Gegenstand bessere Methoden versprechen zu können, als die bis jetzt von uns be- folgten, und führen daher nur kurz Folgendes an. Untersuchungen über den Sehpurpur. 283 Es ist zwar richtig, dass der eiitblösste Epithelgrund durch direktes Sonnenlicht (Heft I, S. 69) an Piegenerationsvermögen beträchtlich einbüsst, aber der Erfolg zeigte sich nach vielen Wiederholungen des Experimentes inconstant. Zum Theil be- ruht dies auf Wärniewirkungen, ausserdem auf dem Umstände, dass grosse Unterschiede in den Präparaten vorkommen. Gegen die ersteren war durch gutes Kühlen des Auges in einer in Eis gesetzten Metallschaale, während die übergelegte Glasscheibe berieselt wurde, einigermassen zu helfen, und die Vernichtung der Regeneration wurde auch unter solchen Bedingungen, obw^ohl später, nach ^.'4 — 1 Stunde oft erzielt; dass dabei aber jegliche schädliche Erwärmung an dem tief schwarzen Grunde ausge- schlossen worden, ist zu bezweifeln. Gegen den andern Um- stand, verschiedener Beschaffenheit der Präparate selbst, giebt es leider kein Mittel, denn es liegt auf der Hand, dass die weichen Epithelfortsätze in den Augengrund zurücksinken, nachdem die Stäbchenplatte abgezogen ist, und dass es dem Zufalle überlassen bleibt, wie sich dann das schwarze Pigment vor die regenera- torischen Theile der Zellenleiber als Lichtschutz legt. Wir kön- nen deshalb keinen grossen Werth auf unsere Beobachtung legen, dass mit spectralem Roth und Violet belichtete Augen- gründe mehr im Regeneriren angelegter, isolirt gebleichter Netz- häute leisteten, als solche, welche den Farben aus der Mitte des Spectrums ebenso lange (1 — 2 Stunden) ausgesetzt waren, ob- wohl wir Manches thaten, um die Bedingungen gleich zu halten, indem wir die Augenhälften in eine silberne auf Eis gesetzte Rinne legten, auf welche wir das Spectrum entwarfen. Ein Ver- fahren, das uns übrig blieb, nämlich halbirte, im Leben zuvor entpurpurte Augen zu nehmen und das Epithel auf dem natür- lichen Wege durch die Stäbchen hindurch zu belichten, unter Umständen also, wo die Epithelfortsätze ihre nach vorn gerich- tete Stellung beibehielten, wird später zur Erörterung kommen, 284 A. Ewald imd W. Kühne: da es enger mit dem Capitel über die Ausbleichung intra vitam zusammenhängt und die Behandlung der gegenwärtigen Frage in der vorangegangenen Veränderung des Epithels sowohl, wie in der Anw^esenheit der die Epithelfunction sogleich in Anspruch nehmenden Stäbchenplatte mit einem neuen Factor beschwert. Eines Umstandes mag jedoch hier schon gedacht w^erden, näm- lich der Veränderung, welcher das Epithel im Leben hinter den gebleichten Stäbchen unterliegt. Diese muss tiefgreifend sein, wie man schon aus der Langsamkeit des vollständigen Wiederkehrens der Stäbchenfarbe sieht, welche nicht nur von den Veränderungen der Stäbchenschicht durch die lange und intensive Belichtung herrührt. Man überzeugt sich hiervon am einfachsten, wenn man isohrt gebleichte Netzhäute, die im Dun- kelepithel so leicht wieder Farbe annehmen, in solches soeben entblösstes Hellepithel, wie wir das Epithelium lebend ent- purpurter Frösche nennen wollen, legt. Niemals werden die Ketinae darauf eher, als nach 2 Stunden wieder merklich farbig, und häufig bleibt auch nach längerer Berührung im feuchten und zur Verhütung des Absterbens der Epi- thelzellen kühl erhaltenen Räume der Effect ganz aus oder ist sehr schwach. Dies hängt sicherlich mit einer geringeren Wi- derstandsfähigkeit solchen Epithels gegen die zahlreichen in dem Experimente unvermeidlichen, operativen, schädhchen Einflüsse zu- sammen, denn darauf Deutendes wird auch im Gange der Wieder- färbung einer demselben Auge zugehörigen und gar nicht ab- gehobenen Stäbchenplatte oft bemerklich: so lange der Bulbus geschlossen bleibt, oder höchstens am Opticuseinsatze umschnit- ten wurde, ist davon freilich nichts zu bemerken, aber es ge- nügt, das Auge zu halbiren oder vorn zu öffnen und die Linse ausschlüpfen zu lassen, um die Regeneration zu schwächen oder zu verzögern. So wird also auch intra vitam eine starke Ver- änderlichkeit des Epithels durch Licht anzunehmen bleiben — Untersuchungen über den Sehpurpur. 285 ob nur directer Art, oder mehr durch Erschöpfung im Anfange des Behchtens, wo es an den Stäbchen noch etwas zu leisten hatte, steht dahin. Welcher Art die Aenderung sei, ist auf dem Wege des Ausschlusses ungefähr zu vermuthen: da unsere Ver- suche das Rhodophylin gegen Licht nicht veränderlich zeigen, wird es sich mehr um einen functionellen Verbrauch desselben und um Erschwerung der Neubildung dieser Substanz handeln. Es bleibt noch zu erörtern, welche im retinalen Epithel kenntlichen Bestandtheile die für die Regeneration bedeutungs- vollen seien, und wir haben darüber schon bemerkt, dass wir uns nur an solche zu halten gedächten, welche so ausnahmslos auf- treten, wie der Regenerationsprozess selbst. Wir hielten es da- her nicht für erspriesslich, die pigmentirten Bildungen in's Auge zu fassen, welche so häufig fehlen, ohne damit übrigens sagen zu wollen, dass ihnen keine Bedeutung für den Sehact zukomme oder dass sie ganz indifferent seien. Das Letztere möchten wir selbst von dem anscheinend ausserordentlich widerstandsfähigen, kry- stallinischen, braunen oder schwarzen Pigmente nicht annehmen, denn wir haben öfter bemerkt, wie sehr z. B. die Grösse dieser Krystalle wechseln kann, und mussten fast vermuthen, dass ge- legentlich und nicht ohne Beziehung zu Licht und Dunkelheit sowohl Ausscheidungen, wie Lösungen dieses merkwürdigen Kör- pers vorkommen. Zuweilen sahen wir einzelne der kleinen schwarzen Nadeln oder Prismen so auffällig von einem dunkel- braunen Hofe um.geben, oder mit ebenso gefärbten, lang ausge- zogenen Anhängseln versehen, dass wir an die hübsche Erschei- nung erinnert wurden, die man beim Einstreuen von Berliner Blau, übermangansaurem Kali u. a. sehr dunkeln, löslichen larb- stoffen in Wasser sieht. Aus demselben Grunde, wie bei dem schwarzen Pigmente, 286 A. Ewald und W. Kühne: sahen wir auch von den gelben Oeltropfen des Epithels, deren Vorkommen ebenfalls ein beschränktes ist, in Hinsicht auf die Eegeneration ab, und wir müssen bekennen, nicht verstehen zu können, wie man dazu kam, in dieser Richtung Fühlung zu suchen. Herr JBoU sagt freilich, die gelbe Farbe, welche pur- purne Netzhäute durch Behandlung mit Essigsäure annehmen, sei ,, absolut identisch" (Arch. f. Anat.u. Physiol. Heft 1. S. 17) mit der jener Oelkugeln, allein wir fanden daran nichts ab- solut, als dass es falsch ist. Die einfachsten Versuche zeigen, dass überschüssige Essigsäure von 10—30 p. Ct. die Retina nur anfangs gelb, später farblos macht, während sie die gelbe Farbe der Fett- kugeln des Epithels gar nicht verändert. Mit Essigsäure gelb gewor- dene Netzhäute gaben ferner, so wenig wie die bis zum Sehgelb durch Licht veränderten, an Alkohol, Aether, Chloroform, Benzol, Schwefelkohlenstoff u. s. w. irgend welche Spur des Gelb ab, während das gelbe Fett der Epithelzellen von jenen Mitteln leicht gelöst wird. Wir haben diese Versuche mit 40 Netzhäuten vom Frosche und mit 12 vom Ochsen ausgeführt und dabei Sorge getragen gleichzeitig etwas farbloses Fett mit in Lösung zu geben, ohne jedoch etwas Anderes zu erreichen, so dass wir wohl mit einiger Sicherheit über diese augenscheinlich wesentliche Differenz urtheilen können. Ausserdem zeigte keins der gelben aus Rhodopsin zu erhaltenden Producte etwas von der durch 2 Absorptionsbänder ausgezeichneten Wirkung des gelben Epithel- fettes (vergl. d. flgd. Cit.). Dass der Farbstoff des gelben Fettes im Retinaepithel etwas lichtempfindlich sei, stellen wir nicht in Abrede, allein wir halten es für zeitgemäss darauf auf- merksam zu machen, wie viele Farbstoffe in Organismen solche geringe Grade von Bleichung im intensiven Sonnenlichte zeigen. Stark verdünnte, aber noch sehr kenntlich gefärbte Froschgalle z. B. bleicht in zwei Stunden an der Sonne fast vollkommen aus. Wenn daher merkliches Abblassen der gelben Oeltropfen hinter UntersufhuDgen über den Sehpurpur. 287 den Stäbchen nach langer und intensiver Belichtung vorkonnnt, so bcNveist dies wahrscheinlich, wie erheblich das Epithel durch- leuchtet wird, wir können aber nicht umhin zu bemerken, dass es unrichtig ist, wenn die Herren JBoJl und Capranica (Arch. f. Anat. u. Physiol. Heft 2 u. 3. S. 284) ganz allgemein behaupten, die farblosen, eigenthümlich gestalteten Klümpchen, welche neben den farbigen Kugeln vorkommen, seien aus- gebleichtes Fett. Man hat hier zweierlei zu unterscheiden: 1. echte Fettkugeln, fast oder ganz farblos, welche meist recht klein sind und in der Xülie grösserer, noch blassgelber Tropfen liegen, 2. aus ganz anderem Materiale, durchaus nicht aus Fett be- stehende, farblose, stark contourirte, glänzende Klümpchen. Die ersteren sind in Aether und in Benzol leicht löslich, färben sich schnell mit OsOi tief braun und widerstehen Natronlauge von 10p. Ct., sowie der Galle, die letzteren sind in Aether und Benzol unlöslich, quellen in Natron colossal auf, verschwinden vollständig durch Galle und färben sich bei allmähliger Einwirkung von OsOi viel später, als die unmittelbar daneben liegenden Fett- tropfen. Die Fetttropfen zeigen zuweilen unverkennbare Theilungs- vorgänge. Unter welchen Umständen die eben genannten, in Galle löslichen, farblosen Klümpchen entstehen, vermögen wir noch nicht mit Sicher- heit anzugeben, da wir sie sowohl bei lange im Dunkeln gehaltenen, wie bei besonnten und bei abwechselnd belichteten Fröschen, zuweilen in erstaunlicher Menge, so dass ihr Volum das der Fetttropfen vielfach übertraf, gefunden haben. In anderen Fällen waren sie spärlich vorhanden und fehlten manchen Zellen gänzlich. Er- wägt man das chemische Verhalten dieser Gebilde, so findet man so grosse Uebereinstimmung mit der Substanzeumischung, woraus die Aussenglieder der Stäbchen bestehen, dass man sich des Gedankens kaum erwehren kann, sie seien Zerfallsproducte dieser. Alle Stäbchen wurzeln bekanntlich in den Epithelzellen 288 A. Ewald und W. Kühne: mit unregelmässig gestalteten Kuppen, deren Oberflächen an über- lebenden Präparaten wie angefressen aussehen und bei der über- wiegenden Mehrzahl 3—4 quer verlaufende, sehr deutliche, run- zelige Striche zeigen, die auf keinen andern optischen Effect, als den von unregelmässigen Oberflächen erzeugten zurückzuführen sind. Sollte da nicht eine Aufblätterung der Plättchensäule nach hinten und ein Hineinziehen der Zerfallsprodukte in den Leib der Epithelzellen vorliegen? Die langsamere Eeaction auf OsO* und die mehr in's Olivengraue schlagende Färbung, welche die Klümpchen in den Epithelzellen annehmen, widerspricht dieser Auffassung nicht, .denn es ist schon aus Morano's Arbeit [M. Scliultse's Archiv, Bd. 8, S. 81) bekannt, dass der in's Epithel ragende Theil der Stäbchen durch das Reagens häufig auffallend schwächer gefärbt wird, als die Wurzel des äussern Gliedes am inneren, was augenscheinlich nicht an der Umhüllung durch Epithelsubstanz sondern an Verschiedenheiten in der Zusam- mensetzung der vorderen und hinteren Theile eines Aussenglie- des hegt. Wir haben ganze epithelfreie Netzhäute oder durch rasches Schütteln mit schwacher Kochsalzlösung in Emulsion isolirt erhaltene Stäbchen des Frosches mit grossem Ueberschusse von Iprocentiger 0s04 tagelang behandelt und immer eine be- deutende Anzahl schwach oder nur theilweise intensiv gefärbter Stäbchen gefunden, wie es schien, unabhängig von voraufge- gangener Belichtung oder Verdunkelung. Einige Stäbchen waren in der ganzen Ausdehnung des Aussengliedes tief schwarz, an- dere nur olivenfarbig, sehr viele am einen Ende heller, und wo etwas vom Innengliede anhaftete, so dass Vorn und Hinten daran zu bestimmen war, fanden wir ohne Ausnahme, bei un- gleichmässig vertheilter Färbung, die hellere hinten. Stärkere Schwärzung in der Mitte, zwischen zwei helleren Enden, wurde niemals beobachtet, obwohl wir manches Stäbchen antrafen, das in der Mitte eingerissen, gedrückt und so beschaffen war, Untersuchungen über den Sehpurpur. 289 dass das Reagens dort gewiss am leichtesten Zugang fand. Ohne annehmen zu ^Yollen, dass die farblosen, nicht aus Fett beste- henden Klünipchen des Epithels grade mit dessen regenerativem Vermögen für den Sehpurpur in Beziehung zu bringen seien, meinen wir ihnen doch eine Bedeutung bei dem ganzen merk- würdigen Stoffwechsel zwischen Stäbchen und Epithelzellen zu- schreiben zu müssen und, obwohl man weder in den Stäbchen noch im Nervenmarke den die Osmiumreduction bedingenden chemischen Körper kennt, so dass man nur im Allgemeinen eine Betheiligung von Spaltungsproducten der Fette oder des Lecithins dabei anzunehmen pflegt, auch die Fetttropfen des retinalen Epithels in ähnlichem Sinne beachten zu sollen. Die letzteren kommen jedoch auch nicht allgemein vor; wir vermissten sie unter den Säugern beim Schweine , dem Rinde und dem Hunde, sowohl auf, wie neben dem Tapetum. Beim Kaninchen waren sie constant und auch bei dunkel gehaltenen Thieren vorhanden, aber nicht erkennbar oder so schwach gefärbt, wie es das Bindegewebsfett hier zu sein pflegt. Beim Frosche, wo alles Fett intensiv goldgelb gefärbt ist, sind es auch die Tropfen des Retinaepithels, und es ist uns unmöglich gewesen in der Lös- lichkeit, durch Reactionen oder an dem spectroskopischen Ver- halten des aus den Augen einerseits, aus dem Fettkörper (auch aus der Haut) andrerseits isolirten gelben Pigments, irgend welche Unterschiede zu finden. Herrn CapraniccCs Unter- suchungen (1. c.) über die durch Licht wenig veränderlichen Farb- stoffe der Retina, werden nach dieser Richtung ausgedehnt, ge- wiss Manches fördern und vor dem vergeblichen Bemühen schützen, in jenen interessanten, für die chemische Bearbeitung eine wahre Fundgrube bietenden Stoffen nur einen einzigen mit dem Lutein übereinstimmenden (Accad. d. Lincei, Vol. 1, S. 175) anzuneh- men. Von der Vogelretina ist es bereits bekannt, dass sie mindestens zwei Farbstoffe in den Zapfen führt, einen grün- Külmo, Untersuchungen I. 20 290 A. Ewald und W. Kühne: lieh gelben und einen rubinrothen, und es ist leicht an dem be- liebig verdünnten rothen zu sehen, dass er niemals die Nuance des ersteren annimmt. Derselbe ist dann wiederum von dem Lute'in, dieses weiter von den Farbstoffen des Hühnereidotters so verschieden, dass hier mindestens 4 verschiedene, aber in ge- wissen Reactionen vielleicht Verwandtschaft bekundende Pigmente vorliegen. Diesen gegenüber steht der Sehpurpur mit seinen Zersetzungsproducten, ausgezeichnet durch die colossale Verän- derlichkeit im Licht, durch die Unlöslichkeit in Fetten und in den Lösungsmitteln dieser, durch die Entstehung aus farblosem, nur in Galle löslichem Materiale. Heidelberg, den 9. November 1877. (Schluss folgt.) 291 Erfalirimgen und Beinerkimgen über Enzyme und Fermente. Von W. Kühne. Eiüi'terungen über einige die Gährung, die Fäiüniss und ver- wandte Processe betreftende Hypotliesen, welche häufig mit Unrecht alsGährungstheorien bezeichnet werden, sind der Gegenstand des Folgenden. Es würde zu weit führen und ist jetzt, wo die Ge- schichte der fermentativen Processe den meisten Betheiligten gegenwärtig sein wird, unnöthig auf den nur theilweise erfreu- lichen Entwickkmgsgang der wesentlichen Anschauungen ül)er jene wichtige Classe von Naturerscheinungen ausführlich einzu- gehen, und mehr als den Umstand in Erinnerung zu bringen, dass die Geschichte der Gährung bis heute überhaupt noch kein Stadium gehabt hat, wo von theoretischen Erörterungen ernsthaft hätte die Rede sein können. Gelegentliche Speculationen, deren vor- übergehender Wertli nicht verkannt werden soll, sind begreiflich nicht ausgeblieben, aber es dürfte Niemanden geben, der darin jemals den Ausdruck einer das ganze vielartige Gebiet auch nur annähernd umfassenden Abstraction gefunden hätte. Unsere Kenntniss fermentativer Processe ist in einem Zu- stande, wo trotz übergrosser Anzahl sicher gestellter Thatsachen grade diejenigen fehlen, welclie man zur Aufstellung von Theorien kennen müsste und wenn es nicht den Anschein hat, als ob die seit vielen Jahren auf dem Gebiete mit aussergewöhnlichen An- 20* 292 W. Kühne: streogimgen unternommenen Untersuchungen zu deren Entdeckung führen werden, so ist dies kaum anders verständlich, als weil Gemeinsames da gesucht wurde, wo in Wirklichkeit Verschieden- artiges besteht. Das Zusammenfassen der Eeihe von Erscheinungen, die wir fermentative nennen, unter einen Begriff ist bekanntlich ein Erbstück, das die heutige Biologie von der Chemie empfing; nur war der Werth der Erbschaft am Tage der Uebernahme, als Müsclierlich seinen ebenso berühmten, wie oft bekämpften und immer wieder neu entdeckten Beweis lieferte, dass das Muster aller Gährungsprocesse die Anwesenheit eines lebenden Organismus erheische, zweifelhaft geworden. Um das einfache Factum, dass Bierwürze ohne Hefe niemals gährt, ist mit allen nachträglichen Entdeckungen nicht herumzukommen : mag die Hefe dazu wachsen müssen oder nicht, krank sein sollen oder gesund, Sauerstoff be- dürfen oder Kohlensäure, so ändert das Alles nichts an dem Umstände, dass Niemand bis heute aus Zucker Alkohol und Kohlensäure zu bilden wusste , ohne die Hefe oder ohne lebende Organismen. Das gleiche Geschick in das biologische Gebiet zu fallen, fanden der Reihe nach die Milchsäuregährung, die Bildung der Buttersäure, die Essigbildung aus Alkohol und vieles Andere, endlich die Fäulniss und Verwesung, denn alles dieses ist später als das Werk von Organismen, obschon anderer, als der Hefe erkannt. Diese Lebensgährungen blieben den übrigen ohne Organismen, oder mit deren Educten erzeugten, wie der Zuckerbildung aus Stärke durch Diastase und Ptyalin, der Zer- legung von Glucosiden durch Emulsin, der Pepsinverdauung, der Fettzerlegung durch Pflanzentheile oder durch den Pankreassaft und vielen anderen ähnlichen Vorgängen angereiht, und wenn man diese mit einiger Sicherheit auf die chemischen Processe hydrolytischer Spaltung zurückgeführt hatte, schienen ähn- liche Aussichten für jene meist nur desshalb berechtigt, weil Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 293 sie mit ihnen als Gährungsvorgänge übernommen waren. Neuer- dings scheint jedoch die Nothwendigkeit der Trennung zwischen den beiden Erscheinungsclassen eingesehen zu werden und bereits Ausdruck gewonnen zu liaben in dem Namen der geformten und der ungeformten Fermente, obschon derselbe die Zusammen- gehörigkeit der Vorgänge noch anerkennt und nur in Bezug auf das sie bewirkende Mittel trennt. Die letzteren Bezeichnungen hal)en, wie bekannt, allgemeine Zustimmung nicht erwerben können, indem von der einen Seite erklärt wurde, man könne chemische Körper, wie das Ptyalin, das Pepsin u. s. w. nicht Fermente nennen, da der Name schon an Hefezellen imd andere Organismen vergeben sei (Brücke), wälirend von der andern Seite gesagt wurde, Hefezellen könnten kein Ferment sein und heissen, weil man dann alle Organismen, mit Einschluss des Menschen dazu mache [Hoppe-Seyler). Ohne weiter untersuchen zu wollen, wesshalb der Name von so ent- gegengesetzten Seiten solchen Anstoss erregt, habe ich zunächst aus dem blossen Widerspruche Anlass genommen, einen neuen vorzuschlagen, indem ich mir erlaubte, einige besser bekannte, von Manchen als ungeformte Fermente bezeichnete Substanzen Enzyme zu nennen. Damit war an sich keine bestimmte Hypo- these verbunden, sondern nur gesagt, dass in der Zyme etwas vorkomme, das diese oder jene zu den fermentativen gerechnete Wirkung habe, aber indem ich den Ausdruck nicht auf das In- vertin der Hefe einschränkte, gesagt, dass verwickeitere Organismen, aus denen die Enzyme: Pepsin, Trypsin u. s. w. zu gewinnen sind, nicht so grundsätzlich von den einzelligen verschieden seien, wie es sich z. B. Hoppe-Seyler zu denken scheint. Es bestimmte mich noch ein zweiter Grund, nach einem neuen Namen (den ich für unsere Zunge gern anmuthender gefunden hätte) zu suchen. Bekanntlich sind die chemischen Processe, welche man bisher durch sog. ungeformte Fermente zu erregen wusste, ohne Aus- 294 W. Kühne: nähme hydrolytische, während man dies von den wenigsten der durch geformte Fermente veranlassten behaupten, ja vielmehr beweisen kann, dass sie z. B. noch Reductionen und Oxydationen umfassen, und in vielen Fällen eine Anzahl Producte liefern, deren Entstehung durch blosse Spaltung und Zersetzung des Vergährten chemisch schlechthin unverständlich ist, so unver- ständlich, wie wenn man alle von entwickelteren thierischen oder pflanzlichen Organismen gebildeten Stoffe nur aus Spaltungen der in ihrer Nahrung enthaltenen Körper ableiten wollte. So konnte wohl ein Name beseitigt und durch einen neuen ersetzt werden, wenn man fragen musste, mit welchem Rechte der alte so ver- schiedenartige Processe als gemeinsame bezeichne, während er das sie erregende Mittel bereits als verschieden anerkannte. Es scheint eine gewisse Furcht gewesen zu sein, welche die eben berührten, Jedermann bekannten Verschiedenheiten bei Seite schieben und das wenige Gemeinsame ungebührlich in den Vordergrund stellen liess, eine Scheu den Lebensprocessen mehr zuzugestehen, als bis dahin mit chemischen Mitteln erreicht worden. Dennoch begreift man schwer, wie sich Chemiker sehr gemisch- ter Richtung und Thätigkeit nur ereifern mögen, wenn andere von der Strenge und Vorgeschichte eines MitscherlicJi und Pasteur fermentativen Organismen zu wahren suchten, was ihnen that- sächlich eigen ist, und wenn gefährliche Begünstigung der Lebens- kraft in unseren Tagen gewittert wird, wo nichts geschieht oder geschehen wird, als die Untersuchung der ganzen Kette chemischer Processe i n Organismen. Um sich vor der vermeint- lichen, heute Niemanden bedrohenden Gefahr des alten Gespenstes zu schützen, wurde der Ausweg gesucht, alle mit Recht oder Un- recht zu den Gährungen gerechneten Vorgänge auf die Wirkung einer Classe von chemischen Körpern zurückzuführen, also auf ungeformte Fermente, und solche für jeden durch Organismen oder in diesen verlaufenden Process anzunehmen. Bekanntlich Erfahvurgoii utuI Benierkimgen über Enzyme und Fermente. 295 machte Berthelot 1860 damit den Anfang, indem er aus Hefe mit Wasser zellenfreie Extrakte bereitete und deren invertirende Wirkung auf den Zucker nachwies. Da alle Alkoholgährung rechtsdrehender Zucker mit der Inversion anhebt, so war hier factisch ein Theil und zwar der erste des ganzen Gährungsactes unabhängig und ausserhalb vom Organismus nachgeahmt, ein chemisches Experiment mit einem Mittel des Organismus an Stelle des physiologischen getreten. Seit dies gelungen, sind 17 Jahre vergangen, während derer man das Invertin zwar l)esser kennen und isoliren lernte, aber ohne einen zweiten, ähnlichen neuen Körper aus der Hefe zu bringen. Nicht die Alkohol- gährung, sondern etwas, das ihr voraufgeht, ist dem Organismus abgelauscht und nachgeahmt, und obgleich weiterhin viele neue Methoden gefunden wurden die Hefe abzutödten, ohne das In- vertin zu vernichten, und viele gute Mittel es in Lösung zu bringen, zu fällen und wieder zu lösen, schlug darunter nichts auf die vermuthete andere Substanz an, welcher die Alkohol- und COi-Bildung zuzuschreiben gewesen wäre. Unzweifelhaft berechtigt die Entdeckung des Invertins zu einigen Hoffnungen und scheint bereits in Herrn Musculus Ent- deckung des Harnstoff zersetzenden Enzyms Nachfolge gefunden zu haben, so dass gewiss ISiemandem verwehrt werden kann, weiter zu hoffen auf den Tag, da man eben so viele Enzyme in der Hand haben wird, wie bis dahin Gährungcn gezählt worden. Es fragt sich nur, was in der Zwischenzeit am zweckmässigsten geschieht, ob man auf Hoffnungen Hypothesen errichtet und diese Theorien nennt, oder ob man Hand anlegt einerseits alle erdenk- lichen Lösungsmittel an den Organismen zu probiren um ihnen die Enzyme zu entreissen, andrerseits den Versuch zu machen davon zunächst abzusehen und alle Einzelprocesse im Leben der Zelle zu entschleiern. Mir scheint, dass vom Letzteren Beides zu geschehen habe, vom Ersteren so wenig wie möglich, dass 296 W- Kühne: man sich aber vor Allem hüten solle zufrieden zu sein, wenn Nichts anschlägt. Davor zu warnen, wäre überflüssig und geschähe nicht, wenn es nicht augenscheinlich und dringend nöthig wäre. Man schlage die neueste physiologische Chemie S. 114. u. 115. auf, um eine Darstellung zu finden, Avelche die Existenz eines (ungeform- ten) Fermentes in der Hefe, das den Zucker in Alkohol und CO2 zersetzt, wie eine selbstverständliche, des Beweises nicht bedürfende Sache behandelt, ja welche an dem Misslingen aller Versuche das fragliche Enzym darzustellen, so wenig Anstoss nimmt, dass sie das unbequeme Factum in die positive Behaup- tung verkehrt, das Ferment werde mit dem Tode der Hefe wirkungsunfähig. So wird Hoppe-Seyler mit der Frage fertig, dem Tenor nach mehr als zufrieden, fast vergnügt. Da in solcher Behandlung Gefahr für die Wissenschaft liegt, ist es mehr als Zeit den Unterlagen nachzuforschen, auf w^elclie so viel Zuversicht gesetzt wird. Sind es nur die am Invertin einsetzenden Hoffnungen oder thatsächliche Ergebnisse, die Herrn Hoppe- Setjler vorzugehen gestatten, wohin ihm Niemand folgt? Es mag einige Beobachtungen geben, welche ihm ausreichend schienen Das für wahr zu halten, was er wünschenswerth fand, aber ich glaube zeigen zu können, dass alle darauf bezüghchen Thatsachen, die er beobachtet zu haben meint, keine sind. Seit die Zersetzung der Albumine durch den Pankreassaft von mir erkannt worden, überlegte Herr Hoppe-Seyler, wo Albu- min verdaut werde, müsse es in derselben Weise geschehen, wie ich es gefunden: neben Peptonen müssten überall auch Leucin und Tyrosin entstehen. Die Herren MöMenfeld und Luhavin mussten in seinem Laboratorium darthun, dass die Pepsinverdauung diese Produkte auch liefere. Sie haben sich getäuscht, da sie nicht beachteten, dass die Magenschleimhaut bei der Selbstverdauung in Folge eines darin enthaltenen Körpers, welcher namentlich Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 297 Tyrosin in grosser Menge bildet, das ganze von ihnen gefundene Leucin und Tyrosin geliefert, und dass das in Verdauung gege- bene Fibrin oder Casein nichts dazu beigetragen hatte. Ich erwarte mit Sicherheit dies im Hojipe'schen Laboratorium näch- stens auch entdeckt zusehen, da es nichts Einfacheres geben kann, als tyrosinfreien , ausgedauten und dialysirten Magensaft zur Ver- dauung zu verwenden. Jene vermeintliche Thatsache kann also gestrichen und dafür gesetzt werden : es gibt verschiedene Zer- setzungsweisen des Eiweiss durch verschiedene Enzyme. Uoppe- Seyler findet weiter, was bekannt war, dass Bacterien oder über- haupt jegliche Fäulnisserreger ausser Peptonen, Leucin, Tyrosin, noch Indol u. s. w. aus dem Albumin erzeugen, ferner dass Ueber- hitzen mit Wasser dieselben Produkte liefert, und knüpft daran die Erfahrung, dass ein Theil der Stoffe auch durch Kochen mit verdünnter SH2O4 erzielt wird. Demnach sind ihm der Fäulniss- process, der durch H2O und der durch SH2O4 hervorgebrachte mit dem pankreatischen gleich, und folglich die Bacterien an der Oberfläche mit Pankreatin versehen. Indem ich von dem Vergleiche der durch SH2O4 unterstützten oder durch Ueber- hitzung erzielten H2O- Wirkung, worüber geringe Erfahrungen vorliegen, absehe, mache ich geltend, dass die Bacterien das Eiweiss resp. das Pepton weiter zerlegen, als es das Pankreas thut, dass Bacterien das Antipeptou angreifen, das Pankreas es nicht thue, dass dieses niemals Indol erzeugt, jene binnen Kurzem dessen Bildung veranlassen, und behaupte endlich, dass unter den hier in Frage kommenden Bedingungen niemals Indolbildung beobachtet ist ohne Gegenwart von Bacterien. Bevor ich dies belege und die Abwesenheit der behaupteten Uebereinstimmung in den genannten Processen eingehend erörtere, füge ich hinzu, dass aus Bacterien auch kein sog. Pankreatin (Trypsin) zu ge- winnen ist und beginne hiermit. Zur Bacterienzucht giebt es bekanntlich nichts Vortheil- 298 W. Kühne: hafteres, als die Substanzenmischung, welche man durch Dige- riren von Pankreas bei 35'' — 40'^ C. erhält. Allem Anscheine nach liegt dies sowohl in der fast regelmässig von vornherein vorhandenen Infection der Drüse durch organisirte Keime d. h. an der Praeexistenz von Bacterien, wie an der zu ihrer Vermehrung sehr geeigneten, Peptone und manches Andere enthaltenden Lösung, welche sich alsbald bildet. Ich liess solche Mischungen, denen ich noch reichlich Blutfibrin zu- gesetzt. 24 Stunden bei dö'' C. stehen, kochte sie darauf, filtrirte durch Leinen und setzte nach dem Abkühlen bis auf die vorige Temperatur, eine Spur ungekocht zurückbe- haltener Masse zu, um sie mit den gleichen Bacterien wieder zu impfen, welche schon einmal darin in grosser Menge ent- standen waren. Jetzt waren die Enzyme des Pankreas bis auf die verschwindende und ganz zu vernachlässigende Menge, welche an der Impfspitze mit den Bacterien haftete, zerstört, und die reine Fäulniss begann. Nach Stägiger Digestion wurde die furchtbar stinkende, von den Bacterien stark getrübte Masse auf flachen Tellern bei 35^ C. verdunstet und deren inficirende Beschaffenheit durch Eintauchen einer damit beschmutzten Nadel- spitze an einer neutral isirten, klaren Pepsinpeptonlösung geprüft. Da dieselbe schon nach 5 Stunden Gasentwicklung, üblen Geruch und starke Trübung von massenhaft entwickelten Bacterien zeigte, konnte die Zucht für gut erhalten gelten. Ein beträchtliches Quantum des Bacterienbreies wurde mit Alkohol ganz entwässert, mit Aether im Extraktionsapparate erschöpft und nach dem Trocknen erst an der Luft, dann über SH-204 zum Theil mit kaltem Wasser, andern Theils mit nicht ganz wasserfreiem Gly- cerin behandelt, die H20-Lösung nach 24 Stunden filtrirt, die in Glycerin erst nach 14 Tagen. Beide Lösungen waren klar, geruchlos und gaben keine Spur der rothen Indolreactionen, weder beim Erwärmen mit etwas Salpetersäure oder mit HCl und Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 299 salpetrigsaureni Kali, noch mit HCl und dem Fichtenspahn, wäh- rend sie sich mit Br- oder Cl- Wasser etwas violet färbten. Diese Lösungen zu klaren, neutralen oder schwach alkalischen 1 pCt. Soda enthaltenden Pepsin-Peptonlösungen gethan, Hessen diesel- ben mehrere Tage bei 35 — 40'^ C. unverändert, wenn es gelang das Hineinkommen von Bacterien aus der Luft zu verhüten, und gaben dann ebensowenig Reactionen des Indols. Mit Flocken rohen oder gekochten Fibrins digerirt, erzeugten sie daran in 24 Stunden keinen Zerfall und am rohen Fibrin auch nach mehrtägiger Digestion nicht, wenn neue Bacterienbildung durch Salicylsäure von 1 p. m., in alkaUscher Lösung durch 1 pCt. Thymol verhütet wurde. Um ganz sicher jede tryptische Wirkung verneinen zu können, wurde das wässrige Bacterienextrakt einer Stägigen Dialyse auf tliessendem Wasser unterworfen, während Sorge ge- tragen war, dem Dialysorinhalte fortwährend einen Gehalt von etwa 1 p. m. Salicylsäure zu erhalten. Die so gründlich von allen diffusiblen Stollen gereinigte und stark verdünnte Lösung wurde darauf erst durch Schütteln mit Aether möglichst von der Salicylsäure wieder befreit und durch Verdunsten bei 40*^ C. auf weniger als das ursprüngliche Volum zurückgebracht. Jetzt mit Bromwasser vorsichtig versetzt, nahm sie keine andere Färbung, als schhesslich die gelbe des Reagens an. Ich habe diese Lö- sung, welche von bekannten pankreatischen Verdauungsprodukten nichts mehr enthalten konnte, und wenn sie Trypsin enthalten haben sollte, dieses bewahrt haben musste, auf die vorerwähnte alkalische Peptonlösung 8 Stunden wirken lassen, darauf die Mischung zum Sieden erhitzt und stark concentrirt. Sie gab auch so keine Färbung mit Chlor- oder Bromwasser, und als ich sie in bekannter Weise mit Alkohol ausfällte und auskochte, keine mikroskopisch erkennbaren Krystallisationen von Leucin oder Tyrosin. Ein anderes Quantum des ursprünglichen Bacterieubreies 300 W. Kühne: wurde nach dem Eindunsten bei 40'' C. über SH2O4 zu trocknen versucht; doch blieb die Masse teigig. Ohne Alkoholbehandlung mit Glycerin zerrieben, lieferte sie nur trübe Filtrate, mittelst derer nichts auderes, als stürmische Bacterienfäulniss zu erzielen war. Bei einem Versuche dieser Art wurde die Extraction mo- natelang mit krystaUisirendem Glycerin über SH2O4 fortgesetzt, unter der Exsiccatorglocke filtrirt, was einige Wochen erforderte, und dennoch das Filtrat bacterienhaitig gefunden, sowohl an der Wirkung, wie bei der mikroskopischen Untersuchung einzelner mit wenig reinem Wasser verdünnter Tropfen. Hiernach bleiben also Bacterien in nahezu wasserfreiem Glycerin wirksam und lebendig. Aehnliclie Versuche wurden noch mit anders gezüchteten Bacterien ohne Aenderung des Erfolges angestellt. Ich nahm dazu von überschüssigem Alkali durch längeres Waschen ziemlich befreites Katronalbuminat aus Eierweiss, das ich in kochendem Wasser löste und nach dem Filtriren der Fäulniss, wie sie grade kam, bei 35- C. überliess, ein Verfahren, das mit besonderer Sauberkeit über Bacterien zu arbeiten gestattet. In einigen Fällen verwandelte sich die stark nach Indol und, wenn man es sagen darf, sehr rein darnach riechende ]\Iasse ganz in eine dünne weissliche Gallerte, welche nur aus den Zoogloeabildungen der Bacterien zu bestehen schien. Setzte ich hierzu Alkohol, bis die Trüljung gerade erheblich verstärkt wurde, so klärte sich die Flüssigkeit nach einigen Stunden und gab einen gut zu bear- beitenden Bodensatz, der kaum Anderes als Bacterien zu ent- halten schien. Mit Alkohol entwässert und mit Aether extrahirt, bildete er eine hellgelbliche Masse, welche vor der aus faulendem Pankreasextract gewonnenen schwärzlichen Materie den Vorzug verdiente. Die damit angestellten Versuche Fibrin zu lösen oder Pepton zu zersetzen, fielen indess ebenso negativ aus, wie die früheren. Da in neuerer Zeit bezweifelt wird, dass absoluter Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 301 Alkohol Bacterien tüdte, muss ich hervorheben, dass meine allerdings ausserdem mit Aether extrahirten Präparate entschie- den steril sind. Nach diesen Versuchen, welche an Bacterien die Behandlung nachahmen, deren Anwendung bei jedem Pankreas zur Gewinnung massenhaften Trypsins führt, dürfte Niemand zweifeln, dass aus den ersteren kein Trypsin oder Pankreatin zu extrahiren ist, und Hoppe-Seyler, der dies nach meiner kurzen Ankündigung bereits acceptirt zu haben scheint, kann sich dagegen nicht wol mit der Bemerkung, es sei ohne alle Bedeutung, ob die Bacterien gerade in Wasser lösliche Enzyme enthielten, decken, da er be- hauptet hatte, sie enthielten Pankreatin, denn dieses und alles, was er selbst darunter nur verstehen mag, ist Geweben mit Wasser zu entziehen, besonders nach voraufgegangener Alkohol- wirkung, und müsste vollends den Bacterien entzogen werden, wenn es richtig wäre, was Herr Hoppe -Seyler zu wissen ver- sicherte, dass sie es auf der Oberfläche trügen. Nach Erledigung des letzteren Punktes wird hierauf vermuth- lich geantwortet werden, Pankreatin sei, als nicht diflfusibel, aus Bacterienleibern nicht, aus den Drüsenzellen des Pankreas da- gegen extrahirbar, weil diese der Selbstverdauung unterliegen, eine Betrachtung, welcher sich einige Berechtigung nicht ab- sprechen liesse, wenn nicht die Erfahrung zeigte, dass sog. in- ditfusible Stoffe recht gut durch kaltes Wasser und Glycerin Zellen zu entziehen sind. Ich brauche nur an die Extraction des wahrlich schwer diffusiblen Hämoglobins aus Blutkörperchen zu erin- nern und hinsichtlich der Enzyme das zuckerbildende zu nennen, das aus manchen mit Alkohol behandelten Drüsen, deren Zellen keine Selbstverdauung zeigen, leicht zu bekommen ist, um wenig Wahrscheinlichkeit dafür übrig zu lassen, dass die Bacterien sich in dieser Beziehung anders verhalten. Indess mag immerhin an- genommen werden, ein Bacterien- Pankreatin existire, sei aber 302 W. Kühne: sclilecliterdings niclit von seinem Standorte zu lockern; dann fällt offenbar Dem, der es behauptet, vor Allem der Beweis von der Indentität der Bacter ienwirkung mit der pan- kreatisclien zu. Hoppe -Seyler erklärt sich unbedingt in die- sem Sinne und umgeht meine sehr bestimmte Aeusserung, dass die Pankreasverdauung ohne Bacterien niemals aus Eiweiss Indol erzeuge, mit der Bemerkung, es sei ihm nicht bekannt, ob Ver- suche von sehr langer Dauer darüber angestellt seien. Obwohl ich bekennen muss nicht zu verstehen, wie man dazu kommt, von der Trypsinwirkung erst nach Monaten vorauszusetzen, was Bacterien, die ja gerade so wirken sollen, im ungünstigen Falle nach 24 Stunden, im günstigen in 5 Stunden zu Wege bringen, gehe ich gern auf den Einwand ein, da mir darüber fast 10- jährige Erfahrungen zu Gebote stehen, deren Mittheilung viel- leicht um so willkommener ist, als dieselben auch mich erst nach und nach von einigen Irrthümern befreiten, worin ich Herrn Hoppe- Seyler noch befangen sehe. Als ich 1867 die Bildung von Leucin und T^^rosin aus dem Eiweiss durch das Pankreas fand, habe ich dieses Factum wohl sicher constatiren können, aber meine Beobachtungen über die Produkte länger dauernder Einwirkung der pankreatischen En- zyme an der Stelle abbrechen müssen, wo die ungeheure Schwierigkeit begann, die Mitwirkung der Bacterien zu verhüten. Seitdem ist es mein unablässiges Streben gewesen, die Trypsin- wirkung davon frei zu erhalten, und jetzt, wo ich dieses Ziel erreichte, ist an Stelle dessen die Aufgabe getreten, den Bacterien zu geben, was ihnen zukommt, und die Trypsinwirkung von Vielem zu säubern, was ihr inzwischen, leichteren Sinnes, wie mir scheint, aufgebürdet worden. Ich hätte wahrlich nicht jahrelang mit der Publikation der von mir zuerst als Indolreac- tionen erkannten Erscheinungen l)ei der Eiweisszersetzung ge- wartet, nachdem Herr JBaeyer bereits so freundlich gewesen, ihrer Ertahrungen uüd Bemerkungen über Enzyme und Fex'mente. 303 in seinen beriftimten Arbeiten über den Indigo zu gedenken, wenn ich das Indol sicher hätte als Spaltungsprodukt des Albumins be- zeichnen können. Dazu durfte ich mich erst entschliessen, als ich dasselbe Produkt durch Einwirkung der Kalischmelze erhalten hatte, da es doch bedenklich war und überhaupt gewagter sein dürfte, als freilich gewöhnlich angenommen wird, alle Substanzen, welche unter ersichtlicher Einwirkung von Organismen entstehen, ohne Weiteres auf Rechnung des ihnen überlassenen Körpers zu setzen. In unserm Falle, wo die procentische Menge des gebilde- ten Indols gering ist, konnte vollends Niemand wissen, ob es dem Ei weiss oder irgend einer Substanz der Bacterienleiber, die gar kein Ei weiss zu sein brauchte, entstammte. Heute, wo das Indol der Kalischmelze von Herrn is'nr/Zer, das der Bacterienfaulniss von Herrn Nencld analysirt ist, meine ich, trotz der zwischen dem Indol und dem auf erstere Weise erhaltenen Pseudoindol bemerkten Differenzen, jene Vorsicht aufgeben und annehmen zu können, dass Indol aus Ei weiss gebildet wird; dass es aber nur ge- schieht unter dem Einflüsse der Bacterien, nicht des Trypsins, glaubte ich gezeigt zu haben, und hat bekanntlich bereits die mir sehr erwünschte Zustimmung Herrn Nencl-Ps, des gründ- lichsten Kenners der Eiweissfäulniss gefunden, welcher sich Hoppe- Seyler nach Kenntnissnahme des Folgenden hoffentlich auch noch anschliessen wird. In Gegenwart von Salicylsäure, bei alkalischer Verdauung von Thymol, bildet sich unter richtigen Mischungsverhältnissen niemals aus Trypsin und Eiweiss Indol. So einfach dies zu be- obachten ist und vermuthlich von Jedermann bestätigt gefunden wird, dürfte dagegen eingewendet werden, dass die genannten Desinfectionsmittel die Trypsinwirkung einschränkten, wie sie factisch die Entwicklung der Bacterien stören oder verzögern. Ich wende mich daher vorerst zu andern Versuchen, die ich ohne Desinfectionsmittel in grosser Zahl vorzunehmen vermochte, seit 304 W. Kühne: es mir klar geworden, dass mit den allerfätilnissfähigsten Dingen weit leichter unbehelligt von Bacterien zu arbeiten ist, als man gewöhnlich annimmt. Es sind nämlich kaum mehr als zwei Bedingungen zu beachten: man muss 1) mit keimfreiem Ma- teriale beginnen und 2) während der Dauer des Versuches eine glatte, unbewegte Obei-fläche der Flüssigkeit zu erhalten wissen. Ausserdem ist noch die Jahreszeit zu berücksichtigen, da man im kalten Winter trotz der Brutwärme und geheizter Lokale manches wagen kann, was im Sommer Unheil bringt, ohne Frage deshalb, weil die Atmosphäre im Winter weniger reich an Or- ganismen ist, als im Sommer, wo sie überall massenhaft er- zeugt werden. Im Allgemeinen kann ich daher vorausschicken, dass mir vollkommen klare Eiweiss-, Pepton- und Enzymlösungen im Winter fast regelmässig bei mehrtägiger Digestion bacterien- sauber bleiben. Als Verdauungsobject dienten vorwiegend mit Pepsin bereitete, neutralisirte, vollkommen klar filtrirte Peptoniösungen, welche unmittelbar vorher gekocht worden, als Enzym ausser reinem Trypsin, dessen ich hier indessnoch nicht gedenken will, frisch be- reitete, ebenso durchsichtige Lösungen der Pankreasenzyme, wie man sie nach dem v. Wittich-Hüfner' sehen Verfahren aus dem Glycerinextrakte durch Fällung und Waschen mit Alkohol und Auflösen des Niederschlages in H2O erhält. Die Peptonlösung wird in dem Becherglase, worin sie gekocht worden, auf 40*^0. abgekühlt, darauf die Enzymlösung zugemischt und die über- ragende innere Wand des Glases mit einem vollkommen reinen, weichen Tuche trocken gewischt, dann die Oeffnung mit Fliess- papier (niemals mit Glasj bedeckt. So habe ich es möglich ge- funden, die Verdauung häufig ohne jede Spur von Fäulniss so lange durchzuführen, bis die oft mehr als 500 Cub. Cent, betragende Lösung nahezu verdunstet war. Man versteht, auf welche Um- stände es dabei ankommt. Die Mischung ist anfänglich frei von Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme iincl Fermente. 305 Bacterien, — Ist sie es nicht, so geht der Versuch schon in den ersten Stunden unter Trübung und Entwicklung schlechter Gerüche verloren, — die Luft unter dem Papierdeckel ist es in vielen Fällen dagegen sicher nicht. Nun mögen häufig viele Bac- terien auf die Oberfläche niedersinken; aber sie dringen nicht in dieselbe ein und wirken deshalb weder local zersetzend noch werden sie fähig neue Brut zu erzeugen. Schüttelt oder rührt man die Masse von Zeit zu Zeit, so kann man schon ziemlich sicher sein den Versuch zu verderben, ebenso, wenn man einen Glasdeckel auflegt, da von diesem Tropfen destillirten Wassers herunterfallen oder an den Wänden des Gefässes herabrinnen, dort befindliche Keime benetzen und hinunterführen, was vollends geschieht, wenn man einen Streifen Fliesspapier von der Glaswand in die Flüssigkeit tauchen lässt. Beginnt die Lösung sich durch Verdunsten zu concentriren, so bildet das Pepton an den Glaswänden einen so eigenthümlichen Firniss, der sich vermuth- lich in ausserordentlich dünner Schicht bald über die Oberfläche der Lösung zieht, dass so wiederum ein Schutz entsteht. In solchen länger als eine Woche bei Brutwärme allmählich concen- trirten Pepton-Enzymlösungeu habe ich nun so häufig keine andere Trübung auftreten sehen, als die von auskrystallisirendem Tyrosin herrührende und sie so gänzlich geruchlos gefunden, dass mich das negative Resultat aller Indolreactionen nicht mehr überraschte, und gar kein Zweifel an der Unfähigkeit des pan- kreatischen Processes zur Indolbilduug aufkommen konnte. Ich brauche nicht zu sagen, dass die eingedickten Reste von Leucin und Tyrosin starrten und von Bromwasser tief violet , fast schwarz gefärbt wurden. Mit Salzsäure und einigen Blasen sal- petriger Säure behandelt, trat höchstens gelbe, niemals rothe Fär- bung auf, ebenso beim allmählichen Zusätze von XOsH zur erwärm- ten Lösung, und wenn ich die Masse mit Aether ausschüttelte, so war in dessen Rückstande ebenso wenig etwas von Indol zu be- Kühne, Untersuchungen. I. 21 306 W. Kühne: merken. Dieses Resultat ergaben sowohl alkalische, wie neutrale und schwach essigsaure Verdauungsmischungen. In ähnlicher Weise sind mir solche Versuche auch mit dem einfach durch kalten Alkohol und Aether vollkommen erschöpften Pankreas und gekochtem Fibrin geglückt, jedoch nur im Winter und indem ich Sorge trug die klumpigen Massen mittelst eines kleineren umgestürzten Bechergiases, dessen nach oben sehender Boden tief unter dem Spiegel der Flüssigkeit lag, am Aufsteigen gegen die Oberfläche zu verhindern. Da das Verfahren jedoch umständlich ist und wenigstens vom 2. — 3. Tage an häufig und wohl deshalb fehlschlägt, weil kleine weiche Flocken der Fibrin- reste an die Oberfläche gelangen und diese im physikalischen Sinne für die Bacterien zugänglich machen, greife ich auf einen andern Versuch zurück, der zwar ursprünglich zu anderen Zwecken, als denen angestellt wurde, zu welchen er hier Ver- wendung finden wird. Eine weithalsige, mehr als 500 Cub. Cent, fassende Retorte wurde mit bereits gekochtem Fibrin und etwa 250 C. C. H2O be- schickt und dazu in folgender Weise mit den Enzymen des Pankreas versehen. Die mit Alkohol und Aether erschöpften und an der Luft getrockneten Drüsenstückchen wurden etwas zerrieben, durch feine Haarsiebe abgeschüttelt, das feinste durchgegangene stäu- bende Mehl, das fast nur aus Drüsenzellen bestand (v. Wittich), nochmals mit ganz absolutem Alkohol geschüttelt, filtrirt und alko- holfeucht vom Filter in ein dünnwandiges Probirröhrchen ge- geben, auf dessen Boden es wieder durch Alkohol zusammenge- trieben wurde. Dann wurde das Röhrchen in passender Höhe vor der Lampe ausgezogen und, nach der Entfernung des Alko- hols mittelst des continuirlichen Vacuums zugeschmolzen. So eingeschlossen kam das Drüsenpulver sammt einigen Platin- stückchen zum Fibrin in die Retorte, welche darauf in der Mitte ihres Halses zu einer langen engen Röhre ausgezogen Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 307 wurde, der man zugleich eine solche Biegung gab, dass die Mün- dung senkrecht nach abwärts sah, wenn der Körper des Ge- fässes stark nach hinten geneigt, zum Kochen des Inhaltes ge- eignet stand. Jetzt wurde die untere nicht verengte Oeffnung durch einen langen Pfropf aus mit Alkohol und Aether gereinig- ter Baumwolle locker verschlossen, der Retorteninhalt langsam zum Sieden gebracht und darin länger als eine Stunde vorsich- tig erhalten, indem man Sorge trug die Massen nicht bis in den Hals emporsteigen zu lassen. Als der Inhalt abgekühlt war, glückte es nach einigen Bemühungen das Röhrchen durch Stossen und Rütteln zu zertrümmern, so dass das ausgekochte Wasser die Enzyme in Lösung brachte. Der Retortenkörper wurde hierauf mit Hülfe des Trägers in einem grossen Wasser- bade fixirt und erst eine Woche bei Brutwärme gehalten, dann für lange auf einen Schrank gestellt und gelegentlich wieder einige Tage erwärmt, endlich nach etwa 3 Monaten wieder eine Woche erwärmt und dann erst untersucht. Der Inhalt hatte sich kaum concentrirt und bestand aus einem lockeren, die Glas- splitter bedeckenden Bodensatze, worin weisse Tyrosinwarzen zu sehen waren, darüber aus klarer bräunlich gelber Flüssigkeit. Der obere Theil des Wattepfropfes war stark benetzt, ebenso der enge Theil des Halses, weniger der obere weite, aber alle diese Tropfen destillirten Wassers waren klar. An dem jetzt ent- leerten Inhalte war nicht der mindeste üble Geruch bemerkbar, und die sofort vorgenommene mikroskopische Untersuchung zeigte wol amorphe Körnchen zwischen den Tyrosinkrystallen , aber nirgends Bacterien oder Mikrococcen. Die Verdauungsprodukte in der Lösung waren die bekannten, die Färbung mit Brom- wasser colossal, aber NO3H, HCl und salpetrigsaures Kali er- zeugten keine Röthung, und ein mit HCl befeuchteter Fichten- spahn, mit der Lösung getränkt, färbte sich kaum grünlich gelb. Mehrere Wiederholungen des Versuches, bei welchen die 21 308 W. Kühne: Digestion nach 1 Monat, nach 14 Tagen und nach 7 Tagen unterbrochen wurde, ergaben die nämlichen Resultate, was be- sonders hinsichthch des Ausbleibens der Bacterien hervorzu- heben ist. Es sei mir zu dem Berichte über diesen zuerst im Sommer 1873 angestellten Versuch zu bemerken gestattet, dass er weniger in der Absicht angestellt worden, das Fehlen des Indols nach Wochen- und monatelanger Wirkung sämmtlicher Pankreasenzyme darzuthun, obwohl ich ihn bereits einmal in diesem Sinne ver- werthete, (Ber. d. deutsch. Chem. Gesellschaft VIII. S. 208), sondern dass er ursprünglich unternommen wurde, um zu zeigen, dass sich unter Umständen, wo sonst Bacterien am sichersten und massenhaftesten entstehen, keine bilden, wenn man das Hinein- kommen atmosphärischer Organismen in die zu Anfang keimfreie Mischung sicher verhütet. Ich hatte nach demselben, von Mit- scherlich, von v. Dusch und Schroeder herrülirenden , von Pasteur weiter ausgebildeten Principe bereits die unverdient berühmt ge- wordenen Versuche von Bastian und Huidnga über Urzeugung nach deren Recepten wiederholt, wie ich kaum zu sagen brauche, immer mit negativem, dem jener Autoren entgegengesetztem Er- folge und ich hatte es ausdrücklich in der eben geschilderten Weise bezüglich des Abschlusses gethan, weil ich wusste, dass es kein besseres Mittel gibt Bacterien ausder Atmosphäre in gekochte Flüssig- keiten schlüpfen zu lassen, als die Htiüinga'scheTi Thonplatten, von welchen man nach einiger Zeit immer trübe Tropfen oder Streifen sich in den Hals der Kolben ziehen sieht, welche ihre Bacterien durch die Poren des feuchten Deckels bezogen und die Infection nach abwärts leiten. Da Iluidnga gegen Versuche in geschlossenen, ob- schon mit Luft gefüllteuKolben, welche die zur Abiogenesis möglicher- weise nöthige Ventilation ausschlössen, protestirt, dürfte sich das ge- schilderte Verfahren, bei dem der Wattepfropf dafür gewiss kein grös- seres Hinderniss, als die Tbonplatte war, noch besonders empfehlen. Erfahningen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 309 Den Versucli später auch bezüglich der Mischung zu ändeni und mit der gleichzeitigen pankreatischen Wirkung zu verbinden bewog mich ausser der besonders günstigen Mischung, die damit erfahrungsmässig für das Leben der Bacterien nach und nach hergestellt \Yird, der AVuusch einmal nachzusehen, ob es vielleicht Urzeugung gebe, wenn einige durch Kochen veränderliche Stoffe, die bisher in allen derartigen Experimenten ausgeschlossen worden, zugegen wären. Nirgends konnte ich eine so grosse und viel- artige Sammlung solcher Stoffe finden, als in dem pankreatischen Drüsenpulver, das in die etwas steriler, als es der Gegenstand mit sich bringt, werdenden Versuche über Urzeugung, wie mir schien, einen neuen Factor einführte, welcher bisher nicht blos durch das Kochen, sondern auch durch den Abschluss, wie durch das Filtriren oder Glühen der Luft, bevor man sie zutreten Hess, immer ausgeschlossen blieb. Wenn Urzeugung besteht, sagte ich mir, und Diejenigen Recht haben, welche allen Organismen En- zyme zuschreiben, so wird die Zeugungsmischung ausser Eiweiss, Pepton, Leim, Salzen u. s. w. auch wol noch der Enzyme be- dürfen, um an's Werk gehen zu können, und nichts leisten, wenn dieselben auf die eine oder andere Weise vernichtet oder fern gehalten sind. Dieser Umstand war nie beachtet und konnte den atmosphärischen Staub, auf den so viel ankam, noch in ganz anderem Sinne wirksam erscheinen lassen, als weil er Keime oder Organismen zutrug. Wie die sog. Fermentsplitter, an die hier gerührt wird, früher so leicht abgethan werden konnten, blieb mir immer unverständlich, da es doch keinem Zweifel unterliegen kann, dass die überall vorkommenden thierischen Excrete solches Material beim Eintrocknen hinterlassen und schliesslich mit dem Staube der Luft reichlich zubringen müssen. Indess sieht man, dass es mit der zeitgenössischen Urzeugung auch mit diesen Zuthaten wiederum nichts ist; ich meinerseits sah darin nichts unerwartetes, wohl aber fand ich durch meinen Versuch, was ich lange bündig zu 310 W. Kühne: erweisen getrachtet, dass die Pankreaswirkung eine total andere ist, als die der Bacterien und mit der Fäulniss und Verwesung nicht identificirt werden darf*). Ich wende mich zu einer anderen Seite der Frage, nämlich der, ob es ausser dem Pankreas irgendwo Enzyme gebe, welche mehr leisten als dieses, welche also entweder den durch Trypsin nicht angreifbaren, von mir Antipepton benannten Antheil des Peptons und die aus dem Hemipepton stammenden Produkte, Leucin, Tyrosin u. A. zersetzen, oder, um eins, das am leichtesten nachzuweisen ist, herauszugreifen, aus Eiweiss schliesslich Indol bilden. Es liegt mir fern dies von vornherein leugnen zu wollen zu einer Zeit, da wir durch Hooker, Danvin und viele Andere selbst an den Pflanzen eine so grosse Zahl neuer Enzymwirkun- gen kennen lernen, aber ich muss mit Bestimmtheit behaupten, dass es bis jetzt von Niemanden constatirt worden, and dass Herrn Hoppe-Seyler nur seine Verachtung mikroskopischer Untersuchun- gen dahin geführt hat es zu behaupten, und statt der Bacterien- wirkung anzunehmen, wo er in w^enigen Minuten zahlreiche Bac- terien hätte sehen können. Jene unglückliche Beobachtung, dass Fibrin bei längerem Stehen unter Aether nach Indol zu riechen und zu zerfallen beginnt, ist es gewesen, welche Enzyme in den Piuf der Indolbildung gebracht hat. Hätte Herr Eoppe-Seyler nur ein einziges Fibrinklümpchen durch den Aether gehoben und mit dem Deckglase zerdrückt, so wäre jedes Mikroskop gut ge- *) Da der obige, zuerst im Sommer 1873 angestellte Versuch die Kennt- niss der Unzerstörharkeit trocknen Trypsins bei 100° C. voraussetzt, kann ich nicht umhin zu erwähnen, dass ich mit dem Factum einige Jahre eher bekannt war, als es von Herrn Salkotvski durch besondere und anders, als die von mir angestellten Versuche constatirt und veröffentlicht wurde. Damit einen Prioritätsanspruch zu verbinden, finde ich natürlich keinerlei Recht oder Anlass; ich hebe vielmehr ausdrücklich hervor, dass mir die Thatsache z. Zt. der Mitwirkung Herrn SalkoivsWs am hiesigen Laborato- rium im Jahre 1871—72 noch nicht bekannt war. Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 311 wesen ihn von seinem Inthume, dass der Aether ein absolutes Mittel sei das Leben niederer Organismen zu vernichten, zu be- freien. Ich glaube dies mit um so grösserer Bestimmtheit sagen zu dürfen, weil ich selbst vor vielen Jahren eine so gute Meinung von der desinficirenden Wirkung des Aethers hatte, dass ich vielfach Mischungen aller Art und Consistenz mit Aether zur Verhütung der Fäulniss zu überschichten pflegte und manchen Versuch über Trypsinverdauung so anstellte, bevor uns die Salicyl- säure und das Thymol zu solchen Zwecken beschert wurden. Bis zum Jahre 1869 habe ich sogar, durch den Aether getäuscht, die Meinung gehabt, das Blut enthalte Spuren von Trypsin, denn ich hatte in unter Aether länger als 1 Jahr bewahrtem Hunde- blute einen Bodensatz der schönsten, zu dicken Drusen zusammen- gewachsenen Tyrosinkrystalle gefunden, während ich niemals durch sofortiges Auskochen oder Behandeln mit Alkohol eine Spur dieses Körpers aus frischem Blute hatte gewinnen können. Für mich war dies die erste Veranlassung geworden, die desin- fectorische Wirkung des Aethers zu prüfen, und ich fand, dass der- selbe in der That zu manchen, nicht zu lange währenden Versuchen brauchbar ist, wenn vorher keine Infektion bestand, so dass ich mich noch heute des Mittels öfter bediene, wenn die zuverlässige- ren aus irgendwelchen Gründen nicht anwendbar sind. Dass der Aether jedoch über eine einigermaassen merkliche Anfangsinfec- tion wenig vermag und die Ausbildung colossaler Bacterienzucht nicht verhindert, sieht man leicht an einem beliebigen schlacht- frischen Pankreas, nachdem es mit wenig Wasser zerrieben, erst mit Aether geschüttelt, in Cylindern fusshoch damit überschichtet worden. Im Sommer findet man den Drüsenbrei darunter schon in 24 — 48 Stunden missfarben und in jedem herausgenommenen Tropfen so mit Bacterien durchsetzt, wie in der üppigsten Fäul- niss. Nach solchen Erfahrungen zu erwarten, dass ungekochtes Fibrin, welches während des Auswaschens so gute Gelegenheit 312 W. Kühne: sich zu inficiren findet, mit Wasser unter Aether bewahrt, steri- lisirt werde und nicht nach längerer Zeit die Folgen der Ent- wickelung der anfänglich mitgebrachten Organismen zeige, be- rechtigt nichts und wird, wie erwähnt, durch die mikroskopisclie Untersuchung widerlegt zur Zeit, wo die grösseren Flocken anfan- gen zusammenzusinken, und der Aether wie das Wasser deutli:h nach Indol riechen und dessen Reactionen geben. Lässt man die Präparate jedoch sehr lange, mehr als 6 Monate bis 1 Jahr in gut verschlossenen Gefässen stehen, so ändert sich das Aussehen: der Aether und das Wasser werden gelb und die untere ungelöste Masse etwas dunkler grau. Zu dieser Zeit fand ich statt des Indolgeruches einen hyazintartigen und in dem Brei am Boden zwischen den amorphen, natürlich in Molekularbewegung befind- lichen Körnchen nichts mehr, das ich mit Sicherheit für Bacte- rien halten konnte. Wer zu dieser Zeit erst untersucht, kann allerdings Täuschungen unterüegen, aber ich möchte dann fragen, was uns vorauszusetzen berechtigt, dass Bacterien, also Orga- nismen in ihrer eigenen Brühe ewig aushalten. So habe ich denn keinen Zweifel, dass Hoppe-SeyJer von dem Dogma der absoluten desinfectorischen Wirksamkeit des Aethers von dem Tage an zurückkommen wird, wo er das unter Aether gehaltene Fibrin auf der Höhe des indolbüdenden Processes mikroskopisch untersucht haben wird. Dass der Vorgang durch den Aether hinausgeschoben, die Bacterienzucht überhaupt verlangsamt werde, bleibt unbestritten, und der Aether daher überall zulässig, wo man ungekochtes Fibrin für kurze Zeit brauchbar erhalten will. Es bleibt noch die Angabe Hoppe-Seyler'^ über Leucin- und Tyrosinbildung ohne Bacterien in einigen Transsudaten zu erör- tern. Ich habe mich darüber bereits geäussert (Verh. d. Xat. Med. Vereins z. Heidelberg 1877, Bd. H. S. 1) und finde wol Zustimmung, wenn ich die Beobachtung des Auftretens jener Körper an einfach in Glasröhi-en eingeschmolzenen Transsudaten Erfahrangen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 313 nicht als Beweis annehme, dass darin Pankreatin und keine Bac- terien enthalten gewesen. Wer sich an dem, jeden Tag, ohne Aufgeben des Versuches zugänglichen Fibrinpräparate unter Aether täuschte, wird erst zu beweisen haben, dass er die Unter- suchungszeit an den eingeschmolzenen Objecten niclit verpasste. Ich selbst habe manche zum Theil durch Function entleerte, klar ültrirte Transsudate des Pericardium, der Pleura und der Bauchhöhle, wie sie mir gerade zukamen, in jener Weise einge- schlossen, aber allemal Bacterien darin gefunden, wenn sie nach dem Oeftnen übel rochen, was ich ziemlich sicher vorauswusste, wo die eigenthümliche, unverkennbare Trübung darin aufgetre- ten war. Damit soll indess nicht gesagt sein, dass Transsudate niemals Trypsin enthalten werden, sondern nur, dass es bisher nicht festgestellt sei. Für die von mir in nicht geringer Zahl untersuchten Transsudate, die ich gelegentlich bearbeitete bei einer sehr ausgedehnten Untersuchung über alle Säfte und Gewebe des Thierleibes, in der Absicht nachzusehen, wo das mit dem Pankreassekrete in den Darm ergossene Trypsin bleibe, muss ich jedoch angeben, dass jene Flüssigkeiten ebensowenig Spuren da- von aufwiesen, wie die normalen Säfte und Gewebe. Wer den Einwand, welchen Hoppe-SeyJer gegen das Misslingen der Ex- traktion des Pankreatins aus Bacterien vorbringt, zulassen will, wird denselben für die bei den Transsudaten und hier im All- gemeinen befolgte Methode fallen lassen müssen, da das Ver- fahren einfach im Ausfällen durch viel Alkohol, vollkommenes Waschen damit. Extrahiren mit Aether und Lösen der gereinigten Fällung in Wasser, in nicht zu concentrirtem Glycerin oder in Sodalösung von 1 pCt. bestand. War Pankreatin (Trypsin) vorhanden, so musste es so gewonnen und einigermassen isolirt werden, aber ich habe bei keinem dieser Versuche Wirkung auf rohes Fibrin oder auf Pepton bemerken können. Um auf die Differenz zwischen Bacterien- und Trypsinwir- 314 W. Kühne: kung zurückzukommen, füge ich noch einen, wie mir scheint, sehr wesentlichen Umstand hinzu: alle Trypsinverdauung lässt einen Theil des Peptons, das ich als Antipepton bezeichnete, un- angetastet. Man mag letzteres noch so oft mit immer neuen Mengen Trypsins behandeln, und man wird sich überzeugen, dass weder etwas davon verloren geht, noch dass weiterhin Leucin, Tyrosin oder Spuren des mit Brom violet werdenden Körpers auf- treten. Inficirt man die Lösung des Antipeptons mit Bacterien, so stellen sich alsbald neue Tyrosin krystallisationen ein und der Indolgeruch gesellt sich dazu. Endlich wird durch Trypsin aus Leim weder Glycocoll noch Leucin gebildet, durch Bacterien das letztere wenigstens immer in solcher Menge, dass es leicht nach- zuweisen ist. Welches Recht kann es also noch geben, Pankreas- und Bacterien Wirkung zu identificiren ? Die Untersuchungen Nenc'ki's ergeben, welche ungeheure Fülle von Produkten bei der Zersetzung des Albumins durch Bacterien auftritt und wie tiefgreifend dieselbe gegenüber der pankreatischen sein muss. Nicht nur wird das Antipepton mit in die Spaltung gezogen, sondern diese erstreckt sich auch als- bald auf die ersten Abkömmhnge der Peptone, so dass das Leucin und das Tyrosin auch angegriffen werden und neben flüch- tigen Fettsäuren, Derivate der aromatischen Stoffe, NHs, Nitrite, ausserdem SH2 entstehen. Hätte Hoppe-Seyler nicht aus der fälschlichen Meinung, dass eines der letzten Spaltungsprodukte, das Indol eben, durch Pankreaswirkung entstehe, seinen Schluss von der Identität dieser mit der den Bacterien zukommenden, gezogen, so wäre es ihm unbenommen geblieben, in die Organismen ausser der ersteren eine oder mehrere darauf folgende zu verlegen, die nach der tryptischen beginnen könnten. Mir scheint indess, dass sich auch diese Ansicht, soweit sie neben anderen Enzymen ein erstwirkendes mit dem Trypsin identisches annimmt, wider- legen lässt. Gellt man auf den Gedanken ein, Trypsin existire Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 315 in den Bacterienleibern, obwohl so darin eingesperrt, dass es ab- solut nicht zu extrahiren ist, so wird man docli annehmen müs- sen, dass es um für identiscli mit dem des Pankreas erachtet werden zu können, mindestens die gleiche Indifterenz gegen eine Anzahl dieses nicht berührender Eingriffe besitzen müsse. Tryp- sin wird nun durch Alkohol- Aetherbehandlung nicht verändert; ich sah darum nach, ob die Bacterien es würden, indem ich nicht wie früher tiltrirte wässrige oder Glycerinextrakte von den mit Alkohol und Aetlier gewaschenen Bacterienmassen, sondern die letzteren in Substanz anwendete. Da ich mich gleich überzeugte, dass sie nach solcher Behandlung mit H2O oder Soda von 1 p. Ct. aufgeschlemmt zu gekochten oder rohen Fibrin gethan durchaus keinen Zerfall oder Lösung der Flocken bewirkten, so nahm ich in Rücksicht auf die Meinung von dem absoluten Abschlüsse des. Enzyms in den Organismen eine diffusible Substanz, um diese in die Bacterien hineindringen zu lassen. Allein so oft ich neutrale oder alkalisirtePeptonlösungen mit der genannten Materie digerirte, habe ich daran nach 5—8 Stunden niemals Bildung von Tyrosin oder Verstärkung der Brom- oder Chlorreaction gesehen. Um darin sicher zu gehen, wurden die Versuche in zwei "Weisen durchgeführt, einmal mit der noch etwas Tyrosin enthaltenden und die Bromreaction merklich gebenden Masse, das andremal mit dem unlöslichen Rückstande, der mir nacli gründlichem Waschen jener mit Wasser übrig blieb, und der in der That frei von jenen Beimengungen gefunden wurde. In der ersten Versuchsreihe war aus dem Pepton durch sorgfältiges Fällen und Auskochen mit Alkohol Tyrosin zu erhalten, aber so wenig, dass keinem Kenner der Trypsinverdauung einfallen konnte, darin etwas Anderes zu sehen, als das mit dem reichlich zugesetzten Bacterienmateriale von Anfang an zugesetzte. Eine Probe der Mischung vor Beginn der Digestion, mit Bromwasser bis zum Maximum der in dieser Verdünnung eben kenntlichen Violetfär- 316 W. Kühne: bung versetzt, erwies sich mit einer anderen nach 8 Stunden vorgenommenen vollkommen gleich. Nach dem zweiten Verfahren wurde endlich weder irgend eine Spur von Tyrosinkrystallen noch Andeutung der Färbung mit Chlor oder Brom erhalten. Schliesslich wurde die Bacterienwirkung noch unter Ver- meidung von Alkohol und Aether mit der des Trypsins ver- glichen. Ich filtrirte von dem schwärzlichen Bacteriensatze mit der Bunsen'schen Pumpe so viel ab, als auf dem Filter nach dem Durchgehen grösserer Mengen blieb, wusch dasselbe einmal mit Wasser aus, vertheilte eine Hälfte des Schlammes in Salicyl- säure von 1 p. m., die andere in Sodalösung von 1 Proc, die ich mit so viel Thymol versetzt hatte, dass 1 Proc. davon theils gelöst, theils fein suspendirt war. In beide Proben gab ich so- wohl rohes, wie gekochtes Fibrin und digerirte zunächst 24 Stunden. Da in keinem der Gläser der charakteristische Zerfall des Fibrins erfolgen wollte, so wusste ich bereits, dass kein Trypsin gewirkt haben konnte, und da sich dies nach mehreren Tagen in der Brutwärme nicht änderte, wurde zu Versuchen mit Peptonlösungen übergegangen um damit zu dem vermeint- lichen, an das ungelöste Fibrin nicht heranzulockenden Enzyme zu dringen. Es wurde dazu eine grössere Menge des abfiltrirten, aber gründlicher als früher gewaschenen Bacterienschlammes ge- nommen, die Peptonlösungen auf den richtigen Gehalt an Salicyl- säure oder an Soda und Thymol gebracht, der mit denselben Mischungen seit zwei Stunden angerührte Schlamm hinzugefügt und mehrere Tage erwärmt. Die auf das Sorgfältigste ausge- führte Untersuchung ergab an den Peptonlösungen keine Ver- änderung: sie rochen nicht, oder nur etwas nach Thymol, gaben keine Indolreactionen, keine Färbung mit Bromwasser, kein Leucin, kein Tyrosin. Da es nicht überall in dieser Darstellung ausdrück- lich gesagt ist, wird hier nachgeholt, dass unter in Verdauung gegebenen Peptonlösungen, immer die durch tyrosinfreies Pepsin Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 317 gewonnenen des Anipliipeptons gemeint sind. — Jetzt wird die Frage gestattet sein, was es für ein Trypsin oder Pankreatin sein solle, das Iloppe-Seyler den Bacterien zuschreibt, wenn so zahlreiche Prüfungen niemals Uebereinstimmung, sondern nur Verschiedenheiten ergeben und die letzten Beobachtungen fest- stellen, dass die Bacterien in zwei guten Desinfectionsmitteln, die ich alltäglich mit dem Trypsin ohne Schaden für dieses ver- wende, unwirksam machen. Die Zersetzung der Albumine durch Trypsin hat überall Bestätigung und Verwendung gefunden, während merkwürdiger Weise einige eifrige Mitarbeiter auf dem Gebiete bemüht sind, ihr und sich selbst den Boden zu entziehen. Mit immer neuem Erstaunen liest man in jeder Auflage der physiologischen Chemie von V. Goriip-Besanes, das Pankreas zersetze Eiweissstoffe und doch die Bemerkung, der früher viel erwähnte reiche Gehalt der Drüse an Leucin und Tyrosin sei keineswegs wider- legt. V. Gorup-Bcsanes war bekanntlich mit Anderen an der Untersuchung bei mittlerer Temperatur langsam extrahirter Pan- kreas betheiligt und hatte so ausser enormen Mengen Leucin und anderen Amidosäuren auch das Tyrosin daraus gewonnen. Von dem Tage an, wo ilmch EcuUicjewsJci/ und durch mich gezeigt wurde, dass frisch mit Alkohol behandeltes oder gekochtes Pan- kreas kein Tyrosin und nur sehr geringe Mengen Leucin giebt (was von Goriip unbegreiflicher Weise für eine Bestätigung der Angabe Scherer's, dass 7 p. Ct. des trocknen Pankreas aus Leucin bestehen, erklärt), vollends von dem Augenbhcke an, wo ich nachwies, dass Pankreas mit Fibrin digerirt mehr, als sein eigenes Gewicht Tyrosin liefert, hätte Niemand als die ersten Bearbeiter der Pankreaschemie mehr Veranlassung gehabt, neue Versuche über den Gegenstand zu bringen und einzusehen, dass 318 W. Kühne: man um so ernste Differenzen nicht mit Behauptungen herum- kommt, wie die von v. Gorup-Besanes gewählte, dass es un- möglich sei, der Drüse auf unsere Weise das Tyrosin zu ent- ziehen. Wie grade dieser Autor, der dasselbe Verfahren für das Glycogen in der Leber empfiehlt, und der es weiss, wie kostbar und kaum umgänglich die Methode für den Nachweis der Praeexistenz vieler Stoffe in Organismen ist , dazu kommt jenen Einwand bei dem im Gegensatze zum Glycogen dif- fusibelen Tyrosin zu erheben, ist fast schwerer verständlich, wie dass er den folgenden Versuch unterliess, den ich mich schwer entschliesse, ihm abzunehmen. Es gab ja ein ganz ein- faches Mittel, ein Pankreas an jeder cadaverösen Zersetzung zu hindern und es dennoch so gut, ja weit vollkommener in Lösung zu bringen und zu extrahiren, als es jemals durch längere Selbst Verdauung geschieht. Zudem Ende zerrieb ich die lebens- warme Drüse entweder sofort mit Glaspulver und absolutem Alkohol oder kochendem Wasser, untersuchte das Gelöste, wie kaum wieder zu sagen nöthig, vergeblich auf Tyrosin und dige- rirte das Ungelöste mit (tyrosinfreiem) Pepsin und HCl von 4 p. m., worin es mit Hinterlassung einiger Nuclemreste der Kerne vollständig zerging. Da bei der Selbstverdauung durch das aus den Drüsenzellen kommende Trypsin die gleichen Reste, ausserdem aber das ganze Collagen des Bindegewebes ungelöst übrig bleiben, während das letztere vom Magensafte gelöst wird, so sieht man, dass das Verfahren mehr leistet, als irgend ein früher verwendetes. Die damit erzielte Peptonlösung habe ich in der üblichen Weise auf Tyrosin und Leucin untersucht, aber durchaus nichts davon zu finden vermocht, während die sehr geringen Mengen des Leucins nicht hier, sondern wie früher in dem Kochextracte gefunden wurden. Ich erwarte zuversichtlich nicht in meinem, des Autors Interesse, das Niemanden angeht, (obwohl ich weiss, (l2i%i"^QYYvonGorup-Besanepj auch für solche Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente. 319 wirken will*), sondern in dem der Wahrheit und der Wissen- schaft, dass der in Rede stehende Einwand, welcher lernende Leser in Irrthümer führt, zurückgezogen werde, nachdem seine Verurtheilung mir überlassen wurde. Gefährhcher für die allgemeine Anerkennung der Trypsin- wirkung, als der eben widerlegte Einwand, dürften die Versuche von Hüfner sein (Journal für prakt. Chem. X. F. Bd. 5. S. 372), obwohl der Autor keine Ahnung davon zu haben scheint, sondern mit solchem Vertrauen auf die Richtigkeit meines Befundes an die Sache ging, dass er ihn als allgemein gültig und anerkannt meiner Verantwortlichkeit gänzlich enthob. Indem Hilfner das v. TF^Y^icA'sche Verfahren der Glycerinextraction auf mit Alkohol behandelte Pankreas in der verbesserten Weise anwendete, welche dem durch Alkohol im Glycerin erhaltenen Nieder- schlage die wesentlichen Wirkungen der Drüsensubstanz erhielt und das Produkt wiederholter Lösung und Fällung unterwarf, meinte er das reine sog. ungeformte Ferment erhalten zu haben. Die Folgezeit hat gelehrt, dass die von Hüfner isolirte Materie das reine Enzym nicht ist. Ganz abgesehen davon, dass sie neben dem Trypsin auch das zuckerbildende einschliesst, meine ich, dass die Substanz schon von Dem, der sie analysirte und der darauf eine philosophische Betrachtung über ungeformte Fermente gründete, gleich verdient hätte noch anders, als durch Verbrennung untersucht zu werden. Wenn ich Hüfner s Specu- lationen richtig verstehe, so haben sie zur Basis die Unveränderlich- keit und Erhaltung der Enzyme im Laufe ihrer Wirkung. Diesen von Brüche aus seinen bekannten Untersuchungen über das Ver- halten des Pepsins gezogenen Schluss verallgemeinern zu dürfen, war gewiss ein würdiger Gegenstand ernster Bemühungen, um so mehr, als Erfahrungen über das Verhalten des Ptvalins bei der <=) Ber. d. D. chem. G. X. Jahrg. Heft 8. Yergl. d. Umschlag! 320 W. Kühne: Zuckerbildung und selbst einzelne Beobachtungen am Pepsin die allgemeine Geltung des BrücJce sehen Satzes in Zweifel zu ziehen schienen. Indess ist es mir leider unmöglich gewesen, einzusehen, in welcher Verbindung die procentische Zusammensetzung des sog. Pankreatins mit dieser Frage stehe und nicht minder unverständlich, wesshalb Hüfner im Besitz, wenn nicht des reinen, so doch eines besser gereinigten Enzyms, als es Jemand vor ihm aus dem Pankreas kennen gelehrt hatte, jeden Versuch des Nachweises unterhess, dass es bei der Wirkung unverändert bleibe. Das letztere hätte um so mehr geschehen müssen und geschah desshalb durch mich, als nur so zu beweisen war, dass der Körper Fibrin nicht nur zu Peptonen löse, sondern diese z. Th. weiter unter Leucin- und Tyrosinbildung zersetze, denn thatsächlich hegt die Sache so, dass der Hüfner sclie Körper denselben Vorversuch erfordert, dessen ich früher bei Verwendung der Drüsensubstanz benöthigt ge^ Wesen. Beide besitzen, w^eil sie Mischungen Trypsin gebender Stoffe mit Albuminen sind, sog. Selbstverdauung und der erstere liefert dabei auch so colossale Mengen an Leucin und Tyrosin, dass deren Bestimmung unerlässlich wird, wenn man nach der Verdauung nur zeigen will, dass zugegebenes Fibrin einen An- theil daran gehabt habe. Hätte Herr Hüfner dies gesehen, so war seine Substanz entweder als unrein erkannt, also der Analyse unwerth, oder es war eine Thatsache bemerkt, welche die Basis des speculativen Theiles der Hüfner'schen Abhandlung in ihr Gegentheil verkehrte. Ich habe lange zu Hüfner's Ausführungen geschwiegen, obwohl mir das, was ich eben zu sagen fand, vor dem Erscheinen derselben schon bekannt war, weil ich die Auf- stellungen Brücke's für so fundamental in der Lehre von den Enzymen halte, dass ich nicht eher mit meiner Auffassung her- vortreten wollte, als bis es mir gelungen war aus sog. Pankrea- tin das eine Enzym darzustellen, das ich jetzt Trypsin nenne und welches keine Spur pankreatischer Selbstverdauung besitzt. Erfahrungen uuil LJeinerkungeu übe^r Enzyme und Fermente. ;J21 Spätere Abhandlungen werden über meine darauf bezüglichen, seit einiger Zeit abgeschlossenen Untersuchungen berichten. Wie wenig ich mich mit dem eben besprochenen Theile der Ililf- »er'schen Arbeit zu befreunden vermochte, so bereit bin ich deren Be- mühungen den pankreatischen Verdauungsversuch unter Ausschluss derBacterienfäulniss (1. c. Bd. 10. S, 1) vorzunehmen, zu schätzen. Es kann in dieser Hinsicht nicht genug geschehen, obwohl kein Er- fahrener übersehen hat, dass die Bacterienwirkung selbst an unge- kochtem Fibrin meist in Tagen erst leistet, was das Trypsin oder das Pankreas oft scheinbar momentan, im ungünstigsten Falle in 3—5 Stunden hinsichtlich der Auflösung und Peptonbildung zu Wege bringt. Ist indessen erst einmal Pepton gebildet, so wird nicht nur die Entwicklung erstaunlicher Mengen von Bacterien un- gemein begünstigt, sondern auch deren zersetzende "\\irkung auf ein reichlich vorhandenes und wegen seiner Löslichkeit und Dif- fusibilität dazu sehr geeignetes Object gerichtet, so dass es von diesem Augenblicke an hinsichtlich der weiteren Produkte sehr fraglich wird, was dem Trypsin und was den Bacterien zuzu- schreiben ist. Herrn Uiifner^s unter möglichstem Ausschlüsse der Bacterien mit dem von ihm dargestellten Piohenzyme erhal- tenes Piesultat, dass die länger digerirte Masse geruchlos bleibt, wird daher jeder Zeit schätzenswerth sein. Eingestanden oder stillschweigend entnimmt die Annahme der Enzyme in Bacterien einen ihrer Gründe den bekannten Versuchen von Heimholte über das Durchgreifen der Fäulnissprozesse durch Mem- branen (Müller''s Archiv. 1S43. S. 453). Ich habe dieselben in fol- gender Weise ausgeführt. Noch warme Muskeln des Hundes wurden in kleine Stückchen zerschnitten, mit Wasser angerührt und starke Pro- bir röhrchen zu '/s damit angefüllt. Hierauf wurden deren Oetfnungen Kühne, Untersuchungen. I. 22 322 W. Kühne: mit in Alkohol conservirter, in Wasser wieder erweichter Schweinsblase so vollkommen wie möglich verbunden. Einige Röhrchen erhielten darüber oder darunter noch einen Schutz von starkem vegetabihschen Pergament. Darauf wurden die E Öhren in ein tiefes Wasserbad, mit der Mündung nach unten versenkt und einige Zeit im Kochen erhalten, was bei dem Pergamentschutze lange auszuführen war, bei dem durch Blase allein hergestellten alsbald seine Grenze an dem Zerkochen der Membran fand. In welcher Weise der Verschluss wirkte, Hess sich beim Abkühlen beurtheilen, denn es fing in jeder Röhre das Sieden wieder an und wirbelte die Fleischstückchen em- por, wenn man sie etwas aus dem noch heissen Bade emporhob, so dass der obere Theil • sich abkühlte; nach dem Erkalten Avaren die Membranen anfangs überall stark nach innen eingebogen. Die Röhren wurden mittelst einer Glasschaale, welche etwas von dem abgekühlten Kochwasser aufnahm, so herausgenommen, dass die Mündungen fortwährend eingetaucht blieben, jede Röhre im Halter fixirt, das innere Niveau bezeichnet, rohe Fleisch- stückchen in das äussere Wasser gethan und das Ganze bei 30° bis .35'^C. erhalten. Der Eintritt der Fäulniss war aussen nach 24 Stunden schon bemerkbar, sowohl an dem Gerüche, wie an den ziemhch reichlich in der äusseren Flüssigkeit enthaltenen Bac- terien; doch war die Reaction noch sauer. Jenseits der Mem- branen war nichts Auffälliges zu sehen, das Niveau unverändert oder hie und da theils gesunken, theils ein wenig gehoben. Am folgenden Tage reagirte der äussere, schön rothe, aber stinkende Brei, deutlich alkalisch, und im Innern der Röhren hatten neu entwickelte Gase das Niveau überall herabgedrückt und die Membranen merklich nach aussen gebogen. Man sah auch, wie es Hehnlioltz beschreibt, Gasbläschen an den grauen gekochten Fleischstücken hängen und beim Aufstossen grössere Blasen von der Membran und den untersten Stücken nach auf- wärts steigen. Es wurden jetzt einige Röhren herausgenommen, in Ert'alii'uugeu und Deiueikuugeu über Euzyuic uud Fermeute. o'2o der gleichen Stellung aussen und am Verschlusse sehr sorgfältig abgewaschen und der Inhalt untersucht. Derselbe reagirte überall sehr deutlich sauer, roch höchst unangenehm faulig, weniger nach Indol, als nach den eigenthümlichen Stoffen faulender Theile des Hundes und enthielt nur in einer der Röhren unzweifel- haft grössere Mengen von Bacterien, die sich sowohl in der seifenartig schmierigen Masse, welche die Membran (Blase) innen bedeckte, wie unter den an der Oberfläche schwimmenden Fett- tröpfchen, weniger in der Flüssigkeit selbst befanden. An den andern beiden Röhren w^ar die Infection mit Bacterien jeden- falls zweifelhaft. Der Rest der Röhren wurde am 3. und am 4. Tage untersucht, ^Y0 auffälliger Weise -nur in einer alkalische Reaction zu sehen war. In allen hatte sich viel Gas entwickelt und entsprechend Flüssigkeit hinausgedrängt und überall waren Bacterien reichlich zu linden. Will man keine Urzeugung an- nehmen, so kann man hiernach nicht zweifeln, dass diese klei- nen Organismen poröse Membranen durchdringen, Blase wohl am leichtesten, da ich diese stark damit durchsetzt und er- weicht fand. Aber die Bacterien dringen auch durch gute Verschlüsse von Pergament nnd sicher nicht durch gröbere Oetfnuugen, welche die Fadenhülse z. B. enthalten könnte, die solche Verschlüsse nöthig machen, denn wenn dergleichen in den genannten Versuchen vorgekommen wären, hätte dies am Ueber- treten des reichlich in der tiefrothen Aussentiüssigkeit enthalte- nen Hämoglobins bemerkt werden müssen, was nirgends zu sehen war. Es bleibt also nur zu erörtern übrig, woher die anscheinenden Zeichen von Fäulniss im Anfange rühren, zur Zeit, wo jenseits der Membran noch keine Bacteilen nachzuweisen sind, also der schlechte Geruch und die Gasentwicklung; der erstere dürfte auf Diffusion der riechenden Stoffe, die letztere auf dem Uebergange von Kohlensäureverbindungen, namentlich des aussen entstandenen kohlensauren Ammoniaks beruhen, das durch die 324 W. Kühne: Bemerkungen über Enzyme und Fermente. Membran an eine saure Flüssigkeit und zu den sauer reagiren- den Fleischstückchen diffundirte. So erklärt sich auch das un- zweifelhafte Beginnen der Gasentwicklung in den unteren dicht über der ^Membran liegenden Massen. Das entwickelte Gas wurde zum überwiegenden Theile von Kali absorbirt. Somit kann fernerhin auch das Uebertreten der Fäulniss durch Membranen nichts für Enzyme in Bacterien beweisen, und es stehen die darauf zielenden Versuche erfreulicher Weise in keinem Widerspruche mehr mit der bis jetzt ausnahmslos befundenen Erfahrang, dass Enzyme durch Pergamentpapier nicht ditfundiren. Nacbtra.Lj zur (Icsrhiclito flcs Tvypsitis. ;>25 Nachtrag zur Geschichte 'des Trypsins. In der soeben erchienenen 2. Lief, der vorstehend (nur nach Lief. 1) citirten physiologischen Cliemic von Jlopiw-Si'iiler finde ich eine das Trypsin und meine darüber bislior im kurzen Aus- zuge publicirten Untersuchungen betreffende Bemerkung, welche nicht ohne Berichtigung bleiben kann. S. 256 u. 257 hcisst es a. a. 0. im Anschlüsse an ein Referat über meine Arbeiten: „Durch Pepsinsalzsäurc- Verdauung „wird das Trypsin zerstört, nicht umgekehrt das Pepsin durch „Trypsin. V'-j-proccntige Essigsäure hindert es nicht in „seiner Wirkung, während eine mehr, als 0,5 p. Ct. HCl oder „Schwefelsäure oder Salpetersäure enthaltende Lösung es an seiner „Wirkung hindert (nach meinen Versuchen zeigt sich die Hinderung „schon bei 0,1 p. Ct. HCl sehr entschieden), bei höherem Gehalte „auch zerstört." Da Hopiie-Scylcr mir einen eigenen Versuch mit HCl von 0,1 p. Ct. entgegenhält und ich desshalb die Hoffnung nicht hegen kann, die mir zugeschriebene Angabe, welche auch mit meiner früheren {VircJmv's Arch. Bd. 39. S. 161) im Wider- spruche stehen würde, als einen Druckfehler seines Buches auf- gcfasst zu sehen, so muss ich bemerken, dass in meiner Mittheilung vom 4. Febr. 1876 in den Vcrhandl. d. naturhist. -med. Vereins zu Heidelberg, auf welche sich IToppe-Seylcr bezieht, nicht 0,5 p. Ct. 32fi W. Kühne: Nachtrag zur Greschichte des Trypsins. sondern ausschliesslich 0,5 p. lu. HCl irichtig gedruckt ist und dass in keiner meiner weiteren Mittheilungen etwas davon Ab- weichendes steht, das Hoppe- Seyler's Versehen erklären könnte. Versuche mit Salpetersäure schreibt mir Hoppe-Seyler ebenfalls ohne jeden Grund zu, denn ich habe solche weder jemals an- gegeben noch überhaupt angestellt, ebensowenig Versuche mit Schwefelsäure von 0,5 p. Ct. oder von 0,5 p. m. Hinsichtlich der letzteren dürfte Hoppe -Seyler eine Verwechselung mit einem anderen von mir beschriebenen Versuche begegnet sein, der die Fäulniss von 800 grm. Pankreas in 2 Liter Schwefelsäure von 2 p. 111. behandelt. W, K. d. 4. Dec. 1877. Versuche zur vergleichenden Physiologie der Verdauung. 327 Yersiiclie zur vergleiclieuden Physiologie der Yerdauuug mit besonderer Berücksielitigung der Verliältiiisse bei den Fisclieii. Von C. Fr. W. Krnkeuberg. (Hierzu Taf. II.) Es sind bis dahin die Versuche im Sinne einer functionellen Vergleichung der verschiedenen Organe am Verdauungsapparate nur selten auf Fische und wirbellose Thiere ausgedehnt worden, sei es weil man einen zu ausschliesslichen Werth auf die Mor- phologie legte, oder sei es, weil man in der Untersuchungs- methode sich nicht sicher genug fühlte. Die Resultate der ver- gleichend physiologischen Arbeiten wurden, weil ihre Zahl eine geringe war, um so bereitwilliger aufgenommen und stehen ohne hinlängliche Sichtung neben einander. Die Mittheilung meiner Versuche wird zur Genüge darthun, wie nothwendig es ist, durch Erneuerung und Erweiterung der physiologischen Versuche den Begriff der Abschnitte und Organe am Verdauungsapparate niederer Thiere klar zu stellen. Ich werde nämlich unter anderem zeigen, dass bei den Fischen die Drüse, welche die vergleichenden Anatomen ,, Leber-' nennen, zuweilen verwickelter im Baue ist und mehr Functionen in sich, vereinigt als die Säugerleber, das sogenannte Pancreas oft kein Pancreas ist. Aehnlich und noch mehr muss unsere Auffassung bei Articulaten und Mollusken verändert werden, wie das C Claus (zur Kühne, Untersuchungen I. 2S 328 C. Fr. W. Krukenberg: Kenntniss des Baues und der Entwicklung von Branchipus stagnalis und Apus cancriformis. Abhandl. der k. Gesellsch, d. Wiss. zu Göttingen. Band XVIII. 1873. S. 39 und 40) und andere Zoologen bereits erwarteten. Meine Versuche wurden in der Weise ausgeführt, dass so- wohl Glycerinextracte, wie wässerige Auszüge nach der Küline'- schen Selbstverdauungsmethode (Unters, aus dem phys. Institute der Univ. Heidelberg, Band I, Heft 2, S. 222) — bei welcher allein schon durch die Alkohol- und Aetherextraction der Gewebe der Eintritt von Fäulniss verzögert wird, — angefertigt wurden, und dass die enzymatischen Lösungen bei alkalischer Beschaffen- heit mit Thymol, bei saurer Reaction mit Salicylsäure vor Fäul- niss geschützt wurden. Die Controlversuche, welche in irgend- wie zweifelhaften Fällen nie unterlassen wurden, bestanden theils darin, dass die enzymatische Verdauungsflüssigkeit gekocht und nach dem Erkalten das Fibrin hinzugesetzt wurde, theils liess ich auch nur die Zusatzflüssigkeit unter den nämlichen Verhält- nissen wie die fragliche Verdauungslösung auf das Fibrin ein- wirken. Glycerinextracte wurden besonders dann bevorzugt, wenn es sich um den Nachweis des Pepsins handelte, die wässerigen Auszüge hingegen, wenn die Gegenwart des Trypsins dargethan w^erden sollte. Die Selbstverdauungsmethode, sehr wohl anwend- bar bei der Astacusleber, Heferte mir bei den Molluskenlebern eine entweder unwirksame oder nur schwach verdauende Lösung. Diese Erscheinung wird wohl in dem sehr schleimigen Nieder- schlage, welcher bei Wasserzusatz in diesen Geweben entsteht, ihren Grund haben. Mittelst Glycerin erhielt ich aber aus den Cephalopoden- wie Limacidenlebern stets ein sehr wirksames Enzym, und das ist der Grund, weshalb in diesem Falle die Ver- suche ausschliesslich mit dem Glycerinextracte ausgeführt wurden. Nachdem ich mich an den Enzymen der verschiedensten Thiere überzeugt hatte, dass sich in allen Fällen eine Temperatur von Versuche zur vergleichenden Physiologie der Verdauung. 329 37°— 40°C. für derartige Versuche am günstigsten erweist, wurde diese im Allgemeinen eingehalten. Was zunächst die Verdauung bei den Wirbellosen betrifft, so sind zuerst^) von Samuel JBasch^) an Periplaneta (Blatta) Orientalis L. Versuchsreihen ausgeführt, welche ergaben, dass das Speicheldrüsenextract dieser Thiere Stärke saccharificire und Fibrin in saurer Lösung verdaue. Der Befund eines diasta- tischen Fermentes in diesen Drüsen hat im Laufe der Zeit keinen Widerspruch erfahren; wohl aber hat Joiisset^) die peptische Wirkung des Speichelextracts von Blatta bestritten, und auch ich war. wenn das Verdauungsrohr bei der Drüsenpräparation unverletzt erhalten wurde, ausser Stande, Pepsin in diesem Or- gane aufzufinden. Wie Herr Geh. Rath Kühne mir gütigst mit- theilt, so ist er ebenfalls bei seinen frühern Untersuchungen zu demselben negativen Resultate gelangt. Jonsset verlegte viel- mehr die Pepsinbildung bei diesem Insect in die Blinddärme, deren Secret sich hinter dem Kaumagen in das Verdauungsrohr ergiesst. Ausserdem sollen diese Organe nach Jousset ein das Fett emulgirendes Ferment secerniren. Die Function der Blind- därme ist durch diese Angaben nicht erschöpfend ausgedrückt. Das Ferment, welches ich aus diesen Organen erhielt, verdaute rohes wie gekochtes Fibrin sowohl in saurer wie alkalischer Lö- sung. In letzterer Lösung bildete sich als Verdauungsproduct auch jener Körper, welcher die Bromwasserreaction ^) veranlasst. 1) Ueber ältere Arbeiten ohne durchschlagenden Erfolg, vergl. F. Pla- teau, Recherches sur les phenomenes de la digestion chez les Insectes. Mem. de l'acad. royale de Belgique. Bruxelles 1875. T. XLI. 2) S. Basch, Unters, über das chylopoetische und uropoetische System der Blatta orientalis. Sitzungsb. der Wiener Acad. d. Wiss. Bd. XXIII. No. 25. S. 234-2(30. •'') Jousset, Recherches sur les fonctions des glandes de l'appareil diges- tif des Insectes. Comptes readus 1876, T. 82, pag. 97. *) Tiedemann u. Gmelin, Die Verdauung etc. 1831. S. 31 u. 32. Kühne, (Anwendung von Brom- statt Chlorwasser), lieber Indol aus Eiweiss. Berichte d. ehem. Ges. Jahrg. VIII. S. 207. 32* 330 C. Fr. W. Krakenberg: Dieses Ferment vereinigt also in sich die Eigenschaften des Pep- sins und Trypsins, von welchen es vielleicht nur ein Gemisch darstellt. Der Magen hat bei Blatt a nach Jotissefs Meinung nur die Aufgabe der Zuckerabsorption zu erfüllen. Alle Autoren sind in dem Punkte einig, dass die Malpighischen Gefässe Harn- organe sind, und ohne verdauende Kraft auf Stärke, Fett und Eiweisssubstanzen. Schon vor Jousset hatte Felix Platecm Un- tersuchungen über die Verdauungsvorgänge bei den verschie- densten Insecten angestellt und seine Resultate mitgetheilt ^). Jousset ^) hatte jedoch gegen ihn ^) beansprucht zuerst die Reac- tion des Secretes der Blinddärme exact nachgewiesen zu haben. So wichtig nun aber die Reaction (ob sauer oder alkalisch) für die Secrete bei höheren Thieren ist, ebenso irrelevant ist sie für das Secret der lusectenblinddärme (speciell der Blatta), da, wie ich bereits berichtete, deren Ferment sowohl in saurer als in alkalischer Lösung die Eiweissstoffe peptonisirt. Auch scheint es, dass innerhalb anderer Arthropodengruppen, nämlich bei den Krustaceen, die Reaction des sogenannten Lebersecretes sich nicht gleichartig verhält. So ist das Secret der Leber von Eriphia spinifrons Savigny im Leben stark alkalisch, während ich, in Bestätigung der Angabe von Hoppe- Seyler'^), das der Astacus- leber stark sauer finde. Hoppe- Seyler^) hat weiter bei Astacus fluviatilis gefunden, dass das saure sich in den Magen ergiessende Lebersecret Ei- 1) F. Plateau, 1. c. — Ärchives des sciences physiques et naturelles. Tome LIII 1875, Juni. S. 155. 2) Jousset, Comptes rendus, t. 82 S. 461. 3) F. Plateau, Comptes rendus, t. 82 S. 340. *) Hoppe-Seyler, Ueber Unterschiede im chemischen Bau und der Ver- dauung höherer und niederer Thiere. Pflüger's Archiv, Bd. XIV, 1876 S. 395-400. Versuche zur vergleichenden Physiologie der Verdauung. 331 weissstofFe in alkalischer wie saurer Lösung verdaut, die Stärke in Zucker umwandelt und Olivenöl zersetzt. Es enthält somit das Astacuslebersecret dasselbe Ferment, welches ich bei Blatta nachwies. Beide verhalten sich den Eiweisssubstanzen gegen- über nicht wie Trypsin, sondern wie Trypsin 4- Pepsin. Nach meinen Versuchen wenigstens ist die Wirkung des Astacusleber- extractes in saurer Lösung (selbst in 0,2*'/oiger CIH wurde rohes wie gekochtes Fibrin im Laufe von 1 — 2 Stunden verdaut) ziem- lich energisch und nicht so unsicher, wie Hoppe-Sei/Ier anzu- nehmen scheint. Für die Fische geben Fich und 3Iurisier'^)2a\ dass der Magen- auszug 'Von Hecht und Forelle noch bei O*' regelmässig lösend auf geronnenes Eiweiss einwirkt, und dass die verdauende Kraft bei 40*^ nicht hinter dem künstlichen Magensaft des Hundes und Schweines zurücksteht. Es ist von anderer Seite aus dieser Angabe geschlossen, dass die Wirkungsintensität des Magen- extractes von Hecht und Forelle bei einer Temperaturstei- gerung von 10 bis 40*^0. gleich bleibe, während bekanntlich das Pepsin der Warmblüter bei 40 ''C. das Fibrin rascher verdaut als bei 20 oder gar bei 10 ^C. Dieses Resultat konnte ich jedoch annähernd nur an in 0,l*^/o CIH stark gequollenem Fibrin erzielen und mich niemals von der Richtigkeit der Angabe Hoppe-Seyler'' s^) überzeugen, dass „Extracte der Schleimhaut vom Hechtmagen Fibrinflocken bei 15" schneller als bei 40'' verdauen." In jüngster Zeit hat Herr Lrichau^) mitgetheilt, dass bei Cyprinus tinca und Cyprinus carpio die sogenannte Magen- 1) Fick und Murisier, Yerhandl. der Würzburger pliys.-med. Ges. N. F. IV. S. 120. 2) Hoppe-Setßer, 1. c. 2j Luchait, Vorläufige Mittheilung über die Magenverdauung einiger Fische. Centralblatt f. d. med. AViss. 1877. No. 28. S. 497. 332 C. Fr. W. Krukenberg: Schleimhaut ein Extract liefert, welches nur bei neutraler ßeaction Fibrin verdaut und Stärke saccharificirt. Herr Homhiirger^) hatte schon früher ähnliche Versuche an Cyprinus tinca, Chon- drostoma nasus, Scardmius erythrophthalmus und an Abramis brama angestellt mit dem Resultate, dass das Extract der Darmmuscosa wie das der sogenannten Leber und selbst die Galle, Fibrin verdaut, Stärkekleister in Zucker verwandelt und Oli- venöl zersetzt. In solcher Weise wirkte nach diesem Autor das Wasserextract, nicht aber die mit Salzsäure versetzte Verdauungs- flüssigkeit. Mir scheint es nach ausgedehnten Untersuchungen an Cyprinus carpio, als ob Leber 2) wie Darm ein die Eiweiss- körper bei alkalischer wie neutraler Reaction verdauendes Enzym absondern. Dieses Enzym ist nach dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens richtiges Trypsin; denn schon Luchau wies als ein Product dieser Verdauung das Tyrosin nach, und ich erhielt mit der verdauten Flüssigkeit in ausgezeichneter Weise die Bromwasserreaction. Die Galle von Cyprinus carpio erwies sich bei meinen Versuchen jedoch dem Fibrin gegenüber bei 40*^ C. als vollständig unwirksam. lieber diese theilweise das Aeltere bestätigenden, theilweise es reformirenden Ergebnisse hinauszukommen hat mir ein Aufent- halt in Triest Gelegenheit gegeben. Die Bearbeitung des dort im August und September d. J. gesammelten Materials habe ich vermittelst der Glycerinextracte und Alkoholpräparate im Heidel- berger physiologischen Institute unter der Leitung meines werth- geschätzten Lehrers, Herrn Geh. Rath KüJme^ vollendet. ^) L. Homburger, ZnvYerdsiunng der Fische. iWa. 1877. No. 31. S. 561. 2) Beiläufig sei bemerkt, dass schon 1827 E. H. Weber (üeber die Leber von Cyprinus carpio, die zugleich die Stelle des Pankreas zu vertreten scheint ; J. F. MeclceVs Archiv f. Anat. u. Physiologie. Jahrg. 1827, S. 294-299) die Karpfenleber als einen Complex von Pankreas und Leber ansah. Cf. auch Claude Bernard, Memoire sur le pancreas etc. Supplement aux Comptes rendus. 1856. T. I. p. 543. Versuche zur vergleichenden Physiologie der Verdauung. '6'dy> Ich bitte diese Arbeiten nur als Sondirungen auf dem Ge- biete der vergleichenden Physiologie der Verdauungsvorgänge zu betrachten und erlaube mir selbst keine theoretische Verallge- meinerungen über ganze Thierclassen, Ich bin der Ansicht, dass die Untersuchungen über ein viel grösseres Material ausgedehnt werden müssen, bevor man generahsiren darf. Auch sei kurz der Schwierigkeiten Erwähnung gethan, mit welchen experimen- telle Untersuchungen zu kämpfen halben. Fehler entspringen einerseits aus der anatomischen Präparation. Es kann z. B. ein kleines Drüschen mit Pancreasfunction sich so dicht den Pylo- rialanfängen anschmiegen, dass es unl)eachtet bleibt. Eine zweite Reihe von Fehlerquellen entsteht aus dem Gelangen der Fer- mente eines Darmabschnittes in andere Bezirke; solches zwar nicht mit der zuweilen angenommenen Tragweite. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Natur der secernirten Enzyme mit den Lebensverhältnissen, dem Alter, der Ernährung des Thieres, dem Wechsel der Jahreszeiten (letzteres besonders bei Süsswasserfischen) sich verändert. Die beigegebenen schemati- schen Bilder wolle man ferner nur als einfachsten Ausdruck der von mir gefundenen Thatsachen ansehen ; sie sind ohne jede hypothetische Zuthat. Das Verständniss der mannigfachen Complicationen, auf welche wir bei den Verdauungsvorgängen der Fische stossen, wird, wie ich glaube, sehr erleichtert, wenn die Betrachtung von dem Verhalten ausgeht, welches uns jetzt von Articulaten und Mollusken bekannt ist. Nicht nur bei Astacus fluviatilis und Periplaneta Orientalis kennen wir ein Organ, welches ein sowohl in saurer wie alkalischer Lösung Eiweissstoffe verdauendes, Stärke saccharificirendes und vielleicht auch Fette zersetzendes Secret liefert. Zu ganz ähnlichen Befunden führten meine Unter- suchungen bei Cephalopoden (Sepiola Rondeletii, Sepia officinalis und elegans, Eledone moschata) und Lima- 334 C. Fr. W. Krukenberg: ciden (Arion rufus und ater, Limax agrestis und cine- reo-ater). Die sogenannte Leber ^) dieser Tliiere, welche einer- seits mehr, andererseits (Gallenstoffe fehlen) weniger als die Leber der höhern Wirbelthiere ist und eher der Astacus- und Blattaleber analogisirt werden muss, liefert ein Secret, welches Stärke in Zucker verwandelt und Fibrin (aber, soweit zur Zeit meine Untersuchungen reichen, nur rohes) unter Bildung von Peptonen sowohl in saurer wie alkalischer und neutraler Lösung verdaut, während, wie Kühne fand, das sogenannte C ep h a 1 0 p 0 d e n pancreas kein Trypsin enthält. Die Speichel- drüsen der Cephalopoden sind so gut wie rein muciparer Natur; ihr Secret hat die Passage der Speise durch den meist engen Oesophagus zu ermöglichen: eine Anschauung, welche auch durch vergleichend anatomische Befunde gestützt wird. Indem wir wegen der Unsicherheit unserer Versuchsmethoden von dem Vorkommen eines die Fette verseifenden Fermentes ab- sehen, und die Angaben über das Auftreten des diastatischen Fer- mentes uns für eine spätere Mittheilung vorbehalten, sei hier besonders den eiweisszersetzenden Enzymen unsere Aufmerksam- keit zugewandt. Li den Schematen der zugehörigen Tafel ist das Vorkommen des Pepsins (so sei hier ganz allgemein das Eiweiss- substanzen in einer sauren Lösung verdauende Enzym genannt) durch eine blaue Umrandung der versinnlichten Organe^) zur 1) Ein eigentbümliclier Mechanismus, bei den Cephalopoden in dem Spiralmagen, bei den Pulmonaten in schlingenförmig verlaufenden Falten der Darmmucosa (cf. Gartenauer, lieber den Darmcanal einiger einheimischen Gasteropoden. Jena 1875. S. 11 — 15 u. Fig. III) gegeben, besorgt den Abfluss des Lebersecrets in den vordem wie hintern Abschnitt des Verdauungsrohres. 2) Der an zwei Polen unterbrochene Kreis stellt den als Vorderdarm be- zeichneten Abschnitt vor, an welchen sich in Form zweier Parallelen der Darm reiht. Die Aussackungen am Darme bedeuten die Appendices pyloricae und die durch einen engern Canal mit ihm verbundenen kleinen Kreise ein Fer- ment secernirendes Organ, welches vergleichend anatomisch bald als Leber, bald als Pankreas gedeutet wurde. Die einzeln so bezeichneten Organe Versuche zur vergleichenden Physiologie der Verdauung, ob 5 Anschauung gebracht, während das Eiweissstoffe in alkalisclier und neutraler Lösung verdauende Enzym (hier kurz pancrea- tisches Ferment genannt; in einer rothen Contourirung seinen Ausdruck findet. Sind beide Fermente in ihrem ^'orkol^men vergesellschaftet, oder werden sie durch ein einziges Ferment repräsentii't, so ist der Contour purpurfarbig. Hiernach würden die Verhältnisse, welche sich bei Astacus und Blatta finden, in Fig. 1 ihren Ausdruck finden; denn die Astaciisleber lässt sich auch als ein Schlauchaggregat auflassen ähnlich der Pylorialdrüse von Sturio. Die Verdauungseinrich- tungen bei Cephalopoden und Limaeiden versinnlicht Fig. 2; denn bei diesen Mollusken sondert eine einheitliche Drüsenmasse das so eigenthümliche Secret ab. Die Verdauungsversuche bei Fischen liefern nun die so in- teressanten Bilder, welche vielleicht zu dem Schlüsse berechtigen, dass aus einer -so einheitlichen Anlage der fermentbildenden Zone, wie wir sie in Fig. 1 und 2 repräsentirt sehen, sich die andern Verhältnisse in der ^Veise herausbildeten, dass die pep- tische Zone nach vorn hin sich ausdehnte oder verschob, die pancreatische hingegen den ursprünglichen Platz behauptete oder sich umgekehrt über den nach hinten zu gerichteten Abschnitt des Verdauungsrohres ausbreitete (cf. Fig. 3 und 10). "Wenn mau von dieser Anschauung aus die Sachlage beurtheilt, so zeigt sich die Difterenzirung in der Classe der Fische am vollkommensten ausgeführt einerseits bei Thynuus vulgaris, Clupea sardina, Cepola r übe Seen s und andererseits belLeuciscus und einigen Gobiiden (Fig. 6 und b). Bei Accipenser Sturio und bei den Haien (Scyllium canicula und ganz besonders bei Mustelus müssen in dieser Beziehung als ein einheitliches Ganzes aufgefasst werden, weil speciellere Untersuchungen über Zahl und liage der secernirendeu Elemente in denselben zur Zeit noch keinen Aufschluss ergaben. Deshalb Murde auch eine vielleicht naturgetreuere Form der Darstellung von mir hier nicht augewandt. 336 C- Fr. W. Krukenberg: vulgär i.sj, vielleicht auch bei Pt och en. von denen in dieserBeziehung Trygonpastinaea, Torpedo marmorata und mehrere Raji den untersucht wurden, beschränkt sich der pepsinbildende Bezirk nicht auf den sogenannten }*Iagen, sondern erstreckt sich oft noch weit auf den Darm entlang fcf. Schema 3 und 4j. Bei Mustehis vul- garis ist die Leber, von welcher fast 3 Kilo nach der Kiihi eachen Selbstverdauungsmethode behandelt wurden, frei von Trypsin und vielleicht entbehrt sie auch des diastatischen Fermentes, von welchem sie höchstens Spuren entlialten kann. Ebenfalls enthält die Ciiymusdril-.e und die Milz bei allen oben aufgeführten Sela- chiern weder Trypsin noch Pepsin. Schon Claude Bernard fand fMemoire sur le pancreas etc. Supplement aux Comptes rendus. T. L 1>5G. p. 042;, dass das Ptochenpancreas ein fettzersetzen- des sowie ein diastatisches Ferment enthält; während ersteres Ferment in der Leber und Milz desselben Thieres von diesem Forscher nicht nachgewiesen werden konnte. Die Pylorialdrüse (aber nicht das Pancreas Älessandrini s) vom Stör hat, wie einige ältere Autoren richtig ahnten. Pancreasfunction ; doch sind auch pepsinbildende Elemente in derselben vertreten. Bei einigen Teleo-stiern (z. B. bei Zeus faber und S comb er scomberj setzt sich, im Gegensatz zu der bei Haien und beim Stör angetroffenen Vertheilung der Drüsen, die pancreatische Zone auch auf die Magenschleimhaut hin iort ('<. Fig. 5). Diese Befunde werden später vielleicht ihre Aufklärung finden, wenn der Nachweis ge- lingt, dass die Pylorialdrüsen der höhern Vertebraten den Ap- pendices pyloricae der Teleostier homolog sind. Auch treffen wir bei den Knochenfischen auf Verhältnisse, welche in einer Beziehung eine gewisse Unvollkommenheit, in anderer hingegen den höchsten Grad der Diflferenzirung darbieten. So liefern die bei einzelnen Scorpaenen gewonnenen experimentellen Befunde ein Schema (Fig. 7), welches eine Combination von Xr. 1 (As- tacus, Blattaj und von Nr. 8 (Gobius, Leuciscus) darstellt. Versuche zur vergleichenden Physiologie der Vei'dauung. 337 Bei einzelnen Fischen kommen die ein pancreatisches Enzym secernirenden Drüsen ganz zum Ausfall, so z. B. bei Conger vul- garis, Anguilla vulgaris^) und bei Esox lucius^), während umgekehrt pepsinbildende Zellen vielen Cyprinoiden und eini- gen Gobiiden fehlen (cf. Fig. 9, 10 u. 11). Bei Cyprinus carpio, Rhombus maximus und Solea vulgaris, ferner bei Scorpaena porcus ist die Bildung dieses Fermentes aber nicht nur auf die dem Darme anliegende Drü- senmasse beschränkt, sondern erstreckt sich, wie es nach allen 'vorliegenden Untersuchungen den Anschein hat, noch ausserdem auf die Zellen der Darmmucosa (Fig. 10). Mit Hülfe einer einfachen pankreatischen Verdauung, welches Ferment lediglich in einer oder mehreren (Squi IIa mantis) Lebern producirt wird, bewältigen auch viele niedere Thiere (Hydro philus piceus, Squilla mantis, Eriphia spinifrons, Lumbricus complanatus) ausschliesslich ihre eiweisshaltige Kost. DieAsci- dien (Ascidia canina, Cynthia microcosmus), welche in ihrer Darmmucosa ein diastatisches Ferment von energischer Wirksamkeit besitzen, entbehren jedes eiweissverdauendeu Enzymes ; wenigstens lieferten mir Extracte aus je 50 — 80 Ascidiendärmeü ein voll- kommen negatives Resultat. Ebenso wenig gelang es mir, aus dem Darmtractus von Hirudo officinalis und aus Actinien (Actinia mesembryanthemum wurde in grosser Menge zu diesen Versuchen verwendet) ein Eiweiss verdauendes Enzym zu gewinnen, während in dem Extracte der Aphrodite-(hystrix)lebern sich leicht die Gegenwart eines pankreatischen Enzymes nachweisen Hess. Die Leber, deren Function in der Bildung eines Reserve- J) Das Pankreas, dessen J. Müller (lieber Nebenkiemen und Wunder- netze. Müller' s Archiv 1840. S. 132) beim Aal Erwähnung thut, wird ein rudimentäres Gebilde ohne secretoriscbe Bedeutung sein. -) Bei Esox lucius wurden von Alessandrini (Xovi Comment. Acad. scient. Instit. Bononiensis, t. II, Tafel XVI) Fettanhänge für Pankreas gehalten. 338 C. Fr. W. Krukenberg: stoffbeliälters (wegen ihres Glycogen- resp. Fettreiclithums), in einem die Zusammensetzung des Blutes beeinflussenden Organe (Gallenfarbstoffe) oder in einer Drüse, deren Secret bei der Re- sorption der Fette von Nutzen ist, gesucht wird, kann, wie wir gesehen haben, bei Fischen (z. B. bei Perca) auch ein wohl ent- wickeltes Pankreas ersetzen helfen und bei Mollusken und Kreb- sen, indem sie die Fähigkeit, Gallenfarbstoffe zu bilden verliert, ausser der Pankreasfunction selbst noch die Function der Lab- drüsen übernehmen. Mir scheint es für die Klarlegung der Ver- hältnisse von grossem Werthe zu sein, dass ein Organ, welches in der Thierreihe nach und nach immer mehr von seinen ur- sprünglichen Eigenschaften einbüsst und dafür mit neuen Func- tionen betraut wird, ein Organ, dessen anfangs so zahlreiche Functionen nach und nach sich auf viele Organe vertheilen, eine Bezeichnung führt, welche in ihrer Bedeutung nicht zu eng ist. Dieser Forderang wird hier allein der Namen ,, Leber" genügen, und höchst unvortheilhaft würde es meiner Ansicht nach für die Wissenschaft sein, z, B. für die Astacusleber den Namen ,, Pan- kreas" in Vorschlag zu bringen, zumal die Krebsleber viel mehr als das Pankreas der höhern Vertebraten ist. ^j Schliesslich mögen einige Bemerkungen über das Vorkom- men des Pankreas bei den Fischen hier ihren Platz finden. Das sogenannte Pankreas des Störs ^), des Hechtes^) und vielleicht noch anderer Fische verdient diesen Namen nicht : denn theils ist das, was hier als Pankreas bezeichnet wurde, nur eine aus- 1) Die Krc4jsleber wird ihres grossen Fettreichthiims vegeu auch als Reservestoffb eh älter aufgefasst werden müssen. ''') Älessandrini, 1. c. Tafel XIY und XV. Diese Drüse ist vielleicht der sog. Chvmusdrüse der Selacbier analog. Brandt und Batzehurg (Med. Zoologie etc. Bd. II. 1839 S. 55) nannten das als Pylorialdrüse bezeichnete Organ „Pankreas", während Bathice. Cariis und J. Müller darin eine zwischen Appendices pyloricae und Pankreas vermittelnde Form sahen. ") Älessandrini, 1. c. Tafel XYI. Versuche zur verg] eichenden Physiologie der Verdauung. oo'J gezeichnete Stelle des Fettkörpers (Esox) oder es sind Drüsen von unbekannter aber anderer Function als sie ein Pankreas versieht (Sturio). Weder das Glycerinextrakt noch die Lösung, welche durch Selbstverdauung aus mehreren Störpankreas erhalten wurde, liess irgend eine Spur von peptischer oder tryptischer Wirkung auf rohes Fibrin erkennen. Ein physiologisch wie morphologisch zu constatirendes Pankreas findet sich bei folgenden Fischen: Belone rostrata*), Rhombus maximus^), Mugil cephalus und vielleicht auch bei Perca fluviatilis^). Ausserdem ist hier die sog. Gekrösedrüse^) der Selachier zu erwähnen. Der so oft wiederholte Ausspruch : „Die Appendices pyloricae können kein Ersatz für das fehlende Pankreas sein, weil bei einigen. Fischen sich beides findet" ist nicht nur logisch, sondern auch factisch unrichtig, weil nicht nur an eine Functionsverstärkung, sondern auch an eine Fuuktionsth eilung gedacht werden kann. Meine Versuche zeigen, dass bei Fischen sehr verschiedene Organe (Darmmucosa, Appendices pyloricae, Pankreas im engern Sinne, Leber) ein pankreatisches Secret für die Verdauung liefern kön- nen, ohne dass das eine das andere in seinem Vorkommen ausschliesst. So funetionirt z. B. bei Carpio Leber und Darm- wand, bei Perca Leberund ausserdem noch ein anderes Organ, vielleicht jener als Pankreas bezeichnete (Ä. Brochnann, 1. c. p. 19) Drüsenkörper. Bei Scorpaena Darm, Appendices pyloricae und Leber, — und nur sehr selten findet man die Verhältnisse so rein, wie man sie sich a priori wünschte. Einen genügenden Aufschluss über die Bedeutung der Ap- pendices pyloricae bei den Teleostiern geben meine Unter- suchungen zur Zeit noch nicht. Bei einigen Fischen scheinen sie in der That das Pankreas zu vertreten (Sturio, Thynnus, ^) Brockmann, de pancrecate piscium, Rostock 1846. -) Dieselbe ^Turde schon von Nicolaus Stenon (De musculis et glandulis observationum specimen. Amstelodami 1G6J-. S. 57) als Pankreas beschrieben. 340 F. Krukenberg : Versuche zur vergleichenden Physiologie etc. Cepola rubesceus, Clupea sardina), bei andern haben sie vielleicht nur eine Schleimabsonderung zu besorgen (Perca fluviatilis). Fiitterungsversuche mit durch Zinnober oder Ultramarin gefärbter Kost haben mir bei Perca bewiesen, dass in diese merkwürdigen Ausstülpungen kein so beträchtlicher Abfluss des Chymus stattfindet, wie man es von Eesorptions- organen erwarten dürfte. Schon Schellhammer (Anat. Xiphiae etc. Hamb. 1707. p. 22) sah in den Appendices pyloricae ausschliesslich resorbirende Organe, eine Auffassung, welche theilweise von BatMe (Müller's Archiv, 1837, Seite 354), 3fecM (System der vergl. Anatomie, Bd. IV. S. 228) u. A. adoptirt wurde und in Herrn L. Edinger (Ueber die Schleim- haut des Fischdarms etc. Inaugural-Dissertation. Bonn 1876, S. 26), welcher seine Ansicht auf neue interessante Befunde histolo- gischer Art stützt, jüngst wieder einen Vertreter fand. Bei vielen Fischen (besonders bei Thynnus vulgaris) ist jedoch die secretori- sche Function dieser Anhänge so evident, dass an einer Secretbildung in denselben kaum gezweifelt werden kann. Es muss zwar zu- gestanden werden, dass besonders da, wo die Ausgangsöffnung der Appendices pyloricae in den Darm weit ist, wie z. B. bei Sturio, auch chymöse Flüssigkeit in dieselben einsickert, welche der Ptesorption unterliegt, da eine secretorische und resorbirende Function keineswegs einander ausschliessen. Auch das Magen- ferment gelangt, wie Versuche an Cepola und Clupea sardina lehren, bei einigen Fischen nie in diese Anhänge hinein, deren Extract lediglich eine rein pankreatische Wirkung auf Eiweiss- substanzen entfaltet. Tafel II. Die Erklärung der Abbildungen ist durch die Bezeichnungen auf der Tafel gegeben. «3^ Ueber liclitbe.stäüdisie Farbou der Netzhaut. o-il Ueber liclitbestäuclige Farben der Netzliaut. Von W. Kühne. (Unter Mitwirkung von Dr. W. C. Ayres aus New- Orleans.) (Hierzu Tuf. lU, IV, V.) Für einige hier zu beschreibende Farben der Netzhaut wählen wir die Bezeichnung „lichtbeständig" nicht um damit zu sagen, dass sie am Lichte vollkommen echt seien, sondern um sie dem bis jetzt einzig bekannten, im höchsten Grade lichtveränderlichen Pigmente des Auges, dem Sehpurpur gegenüberzustellen. Dass Pigmente, welche Absorptionsfarben darstellen und denen das Zurückhalten liestimmter Lichtwellen eigenthümlich ist, durch Licht auch merklich verändert oder zersetzt werden, ist etwas so AUgemeine.s, -da.ss man in der Natur, wie in der Technik Mühe hat, wirklich echte Farben zu hnden. Es muss ein tiefer, wissenschaftlicher Beachtung Mürdiger Grund sein, der Kunst und Gewerbe drängt, dauerhafte, dem Lichte widerstehende Farben immer wieder unter den Verbindungen zu suchen, welche auch gegen hohe Temperaturen beständig sind, und da, wo von Mineralfarben abzusehen ist, unter den in so grosser Zahl vor- handenen gefärbten KohlenstoiTverbindungen, vor den prächtigeren diejenigen zu l)evorzugen, welche relativ bedeutende Erhitzung vertragen, ohne zersetzt zu werden. Als ]\tuster der letzteren Gattung können die Indig- und Krappfarbstoffe gelten, die zum Theil sogar bei hoher Temperatur unverändert sublimiren, aber auch 342 W. Kühne: von diesen ist es wahrscheinlicli, von manchen gewiss, dass sie unter an sich unschädlichen Behandlungen vergehen, wenn sich die Wirkung des Lichtes dazu gesellt; Herrn VogeVs Angabe (Ber. d. D. Chem. Gesellschaft X. Jahrg. S. 692), dass das Pur- purin durch überschüssiges Alkali im Dunkeln nicht, am Lichte sicher entfärbt wird, haben wir vollkommen richtig gefunden. Im Allgemeinen ist daher gegen den Satz, nur Mineralfarben seien echt, sog. organische Farbstoffe unecht, wenig einzuwenden, doch verdient bemerkt zu werden, dass es unter den letzteren einige grade dem Thierleibe ausschliesslich angehörige giebt, welche die in der Färberei benutzten an Echtheit weit übertreffen. Es sind dies die Farbstoffe des Blutes, vor Allem das reducirte Hämoglobin, an welchem wir A^eränderlichkeit durch Licht über- haupt nicht nachzuweisen vermochten ^) und das schwarze oder 1) Mit Reclit machte vor kurzem Hoppe-Seyler (Zeitschrift f. physiol. Chem. Bd. 1, S. 121.) auf die ausserordentliche Haltbarkeit des reducirten Hämoglobins aufmerksam, den ich bestätigen und mit Eücksicht auf die Lichtwirkung erweitern kann. Ich habe möglichst reine wässrige Hämoglobin- lösungen mit durch Wasserstoff reducirtem Eisenpulver und einer äusserst kleinen Luftblase in Glasröhren eingeschmolzen, 9 Jahre conservirt und im Laufe des letzten Jahres im Lichte und in der Sonne liegen lassen, ohne daran spectroskopisch oder durch andere Mittel erkennbare Veränderungen eintreten zu sehen. In einigen dieser Röhren, welche ich seit Jahren in meinen Vorlesungen zu zeigen und vor den Spectralapparat zu setzen pflege^ befanden sich von Anfang an so verdünnte Lösungen, dass der einzige Streifen des reducirten Hämoglobins grade gut kenntlich war; derselbe ist heute noch mit derselben Deutlichkeit zu sehen. Wie sich das 0-haltige Hämoglobin während längerer Zeit gegen das Licht verhalte, liess sich des- halb nicht feststellen, weil die Lösung überhaupt nicht conservirbar ist, ohne die Beschaffenheit des sog. Methämoglobins oder des in neuerer Zeit als Peroxyhämoglobin bezeichneten Körpers anzunehmen und schliesslich eingreifender, auch ohne Betheiligung des Lichtes, wie es scheint, zersetzt zu werden. Hinsichtlich des sog. Peroxyhämoglobins bin ich zwar in der Lage, die mannigfachen zuerst von Gamgee, kürzlich besonders 'von Jäderhohn ge- fundenen Entstehungsweisen desselben zu bestätigen, aber mit Hoppe-Seyler der Ansicht, dass es sich dabei durchaus um keine Entstehung höherer Oxydationsstnfen des Hämoglobins mit grösserem Sauerstoffgehahe handelte Ueber licbtbestäudige Farbeu der Netzhaut. 343 braune Pigment zahlreiclier Staudorte. Andere Farl)Stoffe , die der Galle, des Fettes u. s. w, sind wie die meisten Pflanzenfarben Der Körper von dem spectroskopisclieu Verhalten des sog. Metliämoglol)ins entsteht bekanntlich auch ohne 0-Zutritt unter Einwirkung sehr geringer Mengen von Säure auf das Hämoglobin arteriellen Blutes und ist gerade dann gebildet, wenn an das Yacuum kein 0 mehr abgegeben wird. Da jeder Zusatz, der die fragliche Substanz erzeugt, das Hämoglobin zugleich dahin verwandelt, dass ihm durch Druckverminderung kein 0 mehr zu ent- ziehen ist, andrerseits aber alle chemischen Reductionsmittel daraus gewöhnliches reducirtes Hämoglobin erzeugen, das dann mit neuem 0 wieder in gewöhnliches Hämoglobin übergeht, so wird es ganz erklärlich, wie es auch von anderer Seite schon angegeben wurde und von mir seit vielen Jahren in meinen Vorlesungen erläutert zu werden pflegt , dass die angebliche Synthese oder Rcconstruction des Hämoglobins aus Hämatin und Globin keine andere thatsächliche Grundlage besitzt, als die in dem Verhalten des sog. Met- hämoglobins gelegene. Daraus erhellt weiter, dass der Körper nichts anderes sein kann als die festere, durch Druckverminderung nicht mehr zu lockernde oder nicht mehr dissociirbare chemische Verbindung des 0 mit dem Hämoglobin, welche eben nur durch chemische Aftinitäteu zerlegt oder reducirt werden kann. Unter den Mitteln, welche Hämoglobin (natürlich beim Arbeiten an der Atmosphäre) in den fraglichen Körper überführen, d. h. in die Sub- stanz, die man allein treffend, als Oxyhämoglobiu bezeichnen würde, fand ich das Trypsin besonders wirksam, und da die weitere tryptische Wirkung, welche zur Bildung von Pepton und Hämatin führt, erst von dem neuen Körper anhebt, hatte ich besondere Gründe in meiner kurzen Mittheilung über Trypsinwirkungen, wo ich auch der auf das Hämoglobin gedachte, keine eingehenderen Angaben darüber zu machen, ob ich in Gegenwart der Atmosphäre arbeitete, was Hoppe-Seißer immer ausdrücklich zu beanspruchen scheint. Dass Hoppe- Sej/ler von Andern verlangt, nur reducirtes Hämoglobin Hämoglobin zu nennen, wie er es thut, ist ganz unberechtigt und führt bei ihm selbst zu zahlreichen Inconsequenzen und Unklarheiten der Darstellung, aus denen ihm am wenigsten Anrecht auf so entbehrliche Bemerkungen erwächst, wie die, dass meine Angabe unrichtig sei, womit er sich erlaubt, meine Beol)achtung von der Verdauung des Hämoglobins, welche die Basis seiner weiteren Untersuchung bildete, zu begleiten (vergl. 1. c). — Es mag an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass die Bildung des echten Oxy- hämoglobins zugleich Licht wirft auf die viel erörterte Frage von der Ozonisirung des Blutsauerstoffes, denn das Ozon ist es, das diesen Körper erzeugt. Im Ozonstrome entsteht er so gut, wie durch ozonisirten Aether in Gestalt jener in schönen, glänzenden, braunen, sehr haltbaren Krystallen zu gewinnenden Substanz, und was vom Blutsauerstoffe ozonisirt wird, erzeugt eben an dem ersten Träger des Sauerstoffs, am Hämoglobin selbst das Oxydationsprodukt. Das Hämoglobin zersetzt sich anscheinend von selbst, Kühne, Untcrsuchuiigoii I. 24 344 W. Kühne: am Lichte langsam vergänglich, ob mit oder ohne Betheiligung accessorischer Processe, von Oxydationen z. B. kann zunächst un- erörtert bleiben. Das Auge und die Retina sind, abgesehen von dem schwarzen, auch durch höchst energische chemische Mittel kaum zerstörbaren Pigmente, entweder durch den Besitz des erstaunlich lichtempfind- lichen Sehpurpurs, oder durch andere Farbstoffe ausgezeichnet, welche bis heute keine auffälligere Beziehung zum Lichte er- kennen Hessen, und es wurde darüber bereits die Bemerkung (Heft 1, Seite 28) gemacht, dass das Vorkommen dieser in farbigen Fettkugeln auftretenden Stoffe in ersichtlicher Beziehung zu dem Fehlen oder der Armuth an Sehpurpur stehe. Die Vogel- retina ist um so reicher an Sehpurpur, je geringer die Zahl und Farbensättigung der Fettkugeln in den Zapfen ist, vollkommen purpurfrei bei manchen Vögeln, wo die farbigen Fettkugeln be- sonders entwickelt sind, wie bei der Taube und dem Huhne. Für die Reptilien gilt anscheinend Aehnliches, insofern bei Lacerta z. B. kein Sehpurpur, aber reichlich gelbes Pigment in den Zapfen vorkommt; bei den Schlangen findet sich weder das Eine noch der Andere. Aus allen Angaben, seit der Entdeckung der retinalen Fett- kugeln durch Hannover, geht hervor, dass deren Farben in nicht auffälliger Weise vergänglich sind. Alkohol, Aether u. s. w. lösen das Fett sammt der Farbe auf, Siedehitze, Alkalien, massig con- centrirte Säuren verändern sie nicht, kurz es scheinen hier sehr stabile Stoffe vorzuliegen. Da die Farbstoffe ohne Ausnahme in Kugeln vom Verhalten des Fettes auftreten und das Fett als Lösungsmittel etwas wesentlich anderes sein konnte, als das noch unbekannte, vermuthlich aber wasserhaltige Medium, das den weil es den locker gebundenen 0 nach und nach ozonisirt; man hegreift also, wesshalb andere Ozonreactionen am Blute so schlecht glücken: das Hämoglobin macht den angewendeten Reagentien Concurrenz. W. K. Ueber liclitbeständige Farben der Netzhaut. 345 Sehpurpur in den Stäbchen einschliesst, stellten wir uns die Frage, ob nicht die drei schönen Farben der Vogelzapfen nach Befreiung vom Fette, in irgend welche wässrige Lösung über- geführt, denjenigen Grad von Lichtemptindlichkeit zeigen würden, welcher ihnen eine dem Sehpurpur ähnliche Bedeutung beilegen Hesse. Vom Sehpurpur war es uns schon bekannt, dass er ohne Gegenwart von Wasser bedeutend langsamer bleicht und vollends war am Sehgelb ein hoher Grad von Indolenz sowohl durch Trockenhalten, wie durch Fixiren an sein Substrat oder an manche darauf zur Wirkung gebrachte chemische Verbindungen (Sublimat) beobachtet. In ähnlicher Lage konnten sich licht- empfindliche Pigmente in dem wasserfreien Fette der Zapfen- kugeln auch befinden und wenn man sich dachte, dass das Fett auf irgend welche Art partiell zersetzt oder verseift werde, war den ohne Ausnahme purpurfreien Zapfen zu einer photochemisch wirksamen Substanz, von der es da noch gar keine Andeutungen gab, geholfen. Dies war der eine Grund, welcher uns bestimmte, die Farbstoffe der Vogelretina aus ihrer natürlichen Verbindung mit dem Fette zu lösen; ein zweiter lag in dem Wunsche, nach Entfernung des allen gemeinsamen Lösungsmittels einige neue versuchen zu können, um damit die verschiedenartigen Farben von einander zu scheiden. Weder das Eine noch das Andere war durch die wasserfreien Mittel, wie die Alkohole, Aether, Benzol, Chloroform, Schwefelkohlenstoff u. s. w., welche bisher zur Lö- sung des Fettes verwendet worden, zu erreichen. Unsere ersten Versuche farbige Extrakte aus der Vogel- retina mit absolutem oder verdünntem Glycerin, mit Galle, Seife oder mit gallehaltigem Glycerin zu gewinnen, waren sämmtlich vergeblich; beim Glycerin hatte es zwar oft den Anschein, als ob die Färbung sich, wie in echter Lösung, gleichmässig ver- theilte, aber durch das Filter gingen immer nur farblose Tropfen. Der Anschein von Lösung, dem die gute Erhaltung der nach 24* 346 W. Kühne: langer Einwirkung des Glycerins im Dunkeln mikroskopisch noch vortrefflich erkennbaren Farbkugeln auch widersprach, beruhte also auf der gleichmässigen Vertheilung und Lichtbrechung der Masse. Nach dem Ausfalle der Vorversuche blieb nichts übrig, als das anfänglich bedenklich scheinende Mittel der Verseifung, von dem sich jedoch zeigen wird, dass es vollkommen zum Ziele führte. Wir haben aus örtlichen Gründen zu chemischen Versuchen nur die Retinae von Hühnern benutzt, welche uns in grosser Zahl aus den Gasthöfen Heidelbergs zur Verfügung standen. Taubeuretinae, die reicher an rothen Zapfenkugeln sind und sich für unsere Zwecke mehr geeignet hätten, waren nicht in der nöthigen Menge zu beschaffen; wir verwendeten sie nur zu mikroskopischen Untersuchungen. Aus den frischen Hühner- köpfen wurden die Bulbi herausgenommen, aussen sauber abprä- parirt, weit nach vorn geöffnet und der ganze Grund mit der Retina nach dem Ausstürzen des Glaskörpers sofort in absoluten Alkohol geworfen. Sobald 70—100 Augen in dieser Weise ge- sammelt w^aren, wurde der gelbliche Alkohol abgegossen, auf dem Wasserbade schnell verdampft, der Rückstand mit Aether extra- hirt, der sich meist schwach orange färbte, und diese Lösung mit der Hauptlösung, die durch vollkommene Erschöpfung des alko- holfeuchten Präparates mittelst Aether erhalten war, vereinigt. Statt des Aethers ist jedes andere Extraktionsmittel für Fette, Benzol, Petroläther, Chloroform u. s. w. verwendbar, wir fanden aber keine Veranlassung von dem eingeschlagenen Verfahren ab- zugehen, nachdem wir uns überzeugt hatten, dass keine der ge- nannten Flüssigkeiten aus dem mit Aether erschöpften Präparate noch etwas Farbiges aufnahm und als wir bemerkt hatten, dass jedes der Mittel sämmtliche Pigmente, und von diesen keines vorzugsweise aufnahm. Für kalten Alkohol scheint dasselbe zu gelten, obwohl die Farbe davon nur in geringer Menge aufge- nommen wurde, wie es zu erwarten war, wenn die Extraktion Uebei' lichtbeständige Farben der Netzbaut. 347 wesentlich von der Auflösung des Fettes abhing, das bekanntlich nur von heissem Alkohol reichlicher gelöst \Yird. Die orangerothe Aetherlösung hinterliess Ijeini Verdunsten ein intensiv feuerrothes Fett, das wir nach der Methode von Heult z durch Auflösen in der grade hinreichenden Menge kochen- den Alkohols unter Zusatz einiger Tropfen sehr concentrirter Natronlauge verseiften. Dabei änderte sich die Farbe anfänglich kaum, sie wurde aber heller mennigroth in dem Grade, wie der Alkohol verdampfte und Seife sich auszuscheiden begann, was besonders nach dem Zusetzen von Wasser erfolgte. Um den Alkohol gut zu entfernen, wurde zu der bereits recht concen- trirten alkoholischen Seifenlösung siedendes Wasser gegeben und mit diesem so lange weiter erhitzt, bis jeder Geruch nach Al- kohol verschwunden war. Bei den ersten Versuchen verdünnten wir die Seifenlösung so bedeutend, dass sie nach dem Erkalten höchstens die Consistenz dünnen Seifenleims annahm, der dann durchsichtig und von feuerrother Farbe war. Wurde derselbe mit Aether ausgeschüttelt, so färbte sich dieser tief orangegelb, nicht röthlich, während die darunter stehende Seife reiner roth, zinnoberfarben, endlich rosenroth wurde, indem der Aether augen- scheinlich vorwiegend gelbe Pigmente entzog und nur purpurne in der Seife gelöst oder suspendirt blieben. Durch Ausschütteln mit neuen Aethermengen brachten wir es soweit, die letzten An- tlieile farblos abheben zu können, während an der Grenze der Flüssigkeiten eine tief rosenrothe, pulvrige Ausscheidung schwamm und die Seifenlösung nur noch schwach rosa aussah. Den rosenfarbenen Körper zu isoliren gelang sehr schlecht, da das Aethermagma, das ihn einschloss, kaum tiltrirte. Auf dem Papiere durch Verdunsten des Aethers und der noch eingeschlos- senen Seifenlösuug vertrocknet, gab es an Aether und Schwefel- kohlenstoff nichts gefärbtes, an heissen Alkohol, an Benzol etwas rosenrothe, an Chloroform sehr schwache Piosafarbe ab. Das 348 W. Kühne: Verfahren gestattete also wohl orange oder gelb gefärbte Pig- mente aus der Seife mit Aether zu entziehen, erwies sich aber zur Darstellung der purpurfarbenen, die besonderes Interesse erregten, unzureichend und verfehlte ausserdem häufig darin das Ziel, dass der Aether sich von der Seifenlösung nicht trennte. Nachdem wir mit viel kostbarem Material zu unserem Schaden Lehrgeld gezahlt hatten, wurde der folgende richtige Griff ge- funden. Die Seife wurde bereitet, wie schon beschrieben, aber mit einem massigen Ueberschusse concentrirter Natronlauge, 24 Stunden ins Kalte gestellt, durch Abgiessen als fester Kuchen von der darunter befindlichen, vollkommen farblosen Mutterlauge getrennt, zerbröckelt und mit kaltem Wasser gewaschen, bis das überschüssige Alkali ziemlich entfernt war, d, h. bis das Wasch- wasser grade anfing etwas Seife in Lösung zu führen, was an dem Auftreten schwach gelblicher oder röthlicher Färbung im Filtrate gut zu erkennen war. So gereinigt konnte die Seife auf dem Wasserbade so weit getrocknet werden, dass sie sich nach dem Erkalten fein zerschäben Hess. Um aus diesem Präparate die Pigmente in Lösung zu brin- gen, können wir folgende Vorschrift geben, bei der wir nach vielen hier zu übergehenden Versuchen stehen blieben : das Pulver wird zuerst mit Petroleumäther geschüttelt, nach einigen Minuten abfiltrirt, vom Filter mit gewöhnlichem Aether abgespült und so lange damit ausgeschüttelt, als derselbe bei öfterem Erneuern noch Farbe annimmt. Die erste Lösung im Petroläther ist gelb- grün von einem Farbstoffe, den wir Chlorophan nennen, die zweite ätherische orangefarben, verdünnt mehr rein gelb; wir nennen ihren Farbstoff Xanthophan, Wenn die Seife den Aether nicht mehr färbt, ist sie schön rosenroth, also purpurn, ohne jede sicht- bare Beimischung von Gelb oder Orange, weder mennig- noch Zinnober färben. Hat sie die reine Purpurfarbe nicht, so kann man sicher sein, dass sie nach längerem Stehen unter Aether Ueber lichtbeständige Farben der Netzhaut. 849 nocli etwas gelbes Pignicnt hergie])t. Für solche Fälle haben wir es zweckmässig gefunden, ' sie mit wenig kaltem Alkohol aus- zuwaschen, der zwar auch etwas Khodophan, wie wir den dritten Farbstoff" nennen, aufnimmt, den letzten Rest von Xan- thöplian aber sicher entfernt. Die purpurne Seife giebt nun an Terpenthinöl oder an Benzol einen Theil des Rhodophans ab, sodass man i^rachtvoll rosa gefärl>te, klare Lösungen erhält; um jedoch allen Farbstoff in Lösung zu bringen, wissen wir kein anderes Mittel, als die Seife entweder zu zersetzen, oder sie selbst aufzulösen , entweder in heissem Wasser, besser in kochendem Alkohol, was tief purpurfarl)ene Flüssigkeiten liefert. Schwefelkohlenstoff nimmt von der purpurnen Seife keine Spur Färbung an. Die Lösungen des Chlorophans und des Xanthophans be- dürfen noch einer Reinigung, welche durch fractionirtes Auflösen unter Benutzung der verschiedenen Löslichkeit der einzelnen Pigmente in Petroläther, mit einigem Substanzverluste auszu- führen ist. Man dampft die Chlorophanlösung ab und nimmt den Rückstand in einer ungenügenden Menge Petroläther wieder auf; die neue Lösung zeigt den Ausfall der Beimengung von Xanthophan, das mit orangegelber Farbe ungelöst bleibt, deutlich durch ihre jetzt viel mehr in's Grüne schlagende Färbung an. Zur Reinigung des Xanthophans wird dessen ätherische Lösung abgedampft und der Rückstand mit wenig Petroläther ausge- w\aschen, wobei wieder Chlorophan in Lösung geht und entfernt wird, natürlich nicht ohne Verlust an Xanthophan, der nur einiger- inaassen durch den Antheil ersetzt wird, ^Ye]cher in dem ersten Chlorophan steckte. Das chlorophanfreie Xanthophan enthält jetzt noch etwas Rhodophan und um es auch von diesem zu trennen, wird die feste Masse mit Schwefelkohlenstoff behandelt, welcher das letztere, in gallertige Häute eingeschlossen, zurück- lässt, während er das Xanthophan mit tief orangerother Farbe 350 W. Kühne: auflöst. Diese Lösung, sogleich und schnell verdunstet, hinter- lässt eine dunkelbräunliche Materie, welche sich oft mit Hinter- lassung einiger missfarhener, Schwefel enthaltender Krümel, in Aether mit schön goldgelber Farbe löst. Bei dem letzten Theile der Operation sind besondere Vorsicht und sehr reiner Schwefel- kohlenstoff erforderlich, da die Farbstoffe sich während des Abdunstens dieses Lösungsmittels leicht zersetzen, so dass der nach- träglich benutzte Aether zuweilen trübe, kaum oder sehr zweifel- haft gefärbt abfiltrirt. Schnelles Operiren unter häufigem Schwen- ken der Schale und sehr massiges Erwärmen scheinen den Erfolg am besten zu sichern. Da wir die Möglichkeit der Zersetzung des Xanthophans bei der Eeinigimg kannten, haben wir nicht versäumt, dessen unten zu berichtendes Verhalten mit- telst desjenigen Antheiles zu controliren, welcher gleich von vorn- herein vom Petroläther aufgenommen worden und als frei von Ehodophan ohne Verwendung von Schwefelkohlenstoff ebenso rein erhalten war. Das vom Schwefelkohlenstoff zurückgelassene Pihodophan ist natürlich durch Trocknen und Auflösen in Ter- penthin, Benzol oder heissem Alkohol noch in Verwendung zu bringen. Da ein und derselbe Farbstoff in verschiedenen Mitteln sehr verschieden gefärbte Lösungen bilden kann und dies von Capranica auch an den lichtbeständigeren Pigmenten der Eetina bemerkt ist, haben wir sowohl das Aussehen wie das spektroskopische Verhalten der eben genannten 3 Pigmente in den einzelnen Lösungsmitteln genauer beachtet. Das Chlorophan löst sich in Aether mit derselben grüngelben Farbe, wie in Petroläther, das Xanthophan in letzterem mit der gleichen orange- bis reingelben, von der Verdünnung abhängigen, niemals grüngelb werdenden Nuance, wie in Aether. Schwefelkohlenstoff löst beide mit tieferer, das Chlorophan mit orangegelber, das Xanthophan mit rothoranger Färbung. Der an den Substanzen auffällige, durch Ueber lichtbeständige Farben der Netzhaut. 351 die grünliche Nuance besonders charakterisirte Unterschied rührt also keineswegs vom Lösungsmittel her. Das Rhodophan, das sich in dem bis dahin erhaltenen Zustande in Schwefelkohlen- stoff übeniaupt nicht löst, zeigte in den 3 verwendbaren Mitteln für das Auge direkt kaum bemerkbar verschiedene Nuancen, doch waren die Spektra z. Th. incongruent. Nachdem es gelungen war die Pigmente der Vogelretina von einander zu trennen, hofften wir sie auch von anderen frem- den Beimengungen scheiden und vielleicht krystallinisch gewinnen zu können. Indess ist uns dies bis jetzt nicht geglückt, da wir kein Verfahren fanden, die Pigmente von der Verunreinigung durch kleinere Mengen Seife oder Fettsäuren zu befreien. Wir waren der ziemlich verbreiteten Annahme gefolgt, dass Seifen in Benzol, Schwefelkohlenstoff u. dergl. unlöslich seien, aber diese bewährte sich nicht, denn wir fanden die Abdampfungs- rückstände aller Pigmentlösungen deutlich seifehaltig, was sich sowohl an der gelatinösen Beschaffenheit vor dem Erreichen vollkommener Trockne, wie an der Ausscheidung fester Fett- säuren und öliger Tropfen nach dem Behandeln mit Säuren zeigte. Von den ätherischen Lösungen überraschte uns dies nach früheren an Seifen des Fettgewebes oder des Eigelbs gemachten Erfahrun- gen weniger, als an den mit Petroläther oder mit Benzol bereiteten Lösungen, von welchen die letzteren, zur Extraktion des Rho- dophans benutzten, sogar den grössten Seifengehalt aufwiesen, und wenn man bei Verwendung gewöhnlichen Aethers, der in demselben Maasse Wasser aufnimmt, wie er selber in Wasser löslich ist, denken konnte, dass er von den nicht absolut trockenen Seifen soviel aufnehme, als dem mit übergehenden Wasser ent- spricht, so wurde die Erklärung besonders für den Petroläther, der gar kein Wasser aufzunehmen scheint, hinfällig. Der Petrol- äther schien endlich auch dann noch Seife aufzulösen, wenn diese so vollkommen wie möglich entwässert war, in einem Falle also. 352 W. Kühne: WO nicht einmal Zersetzung der Seife und Uebergang von Fett- säuren in den Aether, was den Uebergaiig der Seife erst zur Folge haben könnte, stattfinden konnte. Zu unserer Belehrung an den farbigen Fetten des Eigelbs unternommene Versuche, die Alkaliseifen erst in Barytverbindungen überzuführen, welche wir der Aether- oder Benzolbehandlung unterwarfen, fielen auch nicht befriedigend genug aus, um das mit schwerer Mühe aus den Vogelaugen erworbene Material daran zu Avagen. Die dargestellten Farben hafteten also an Seife oder stellten selbst möglicherweise Verbindungen mit Alkali vor. Ohne über das letztere entscheiden zu können, meinen wir auf die Unwahr- scheinlichkeit der Annahme aufmerksam machen zu sollen; man müsste denn voraussetzen, dass jene Alkaliverbindungen in Wasser unlöslich seien, um verstehen zu können, weshalb sie sich weder der Vogelretina oder dem daraus gewonnenen Fette, noch dessen Seifen durch Erwärmen mit etwas Alkali oder NHs entziehen lassen. Da sich Fette und Fettsäuren in Eis- essig lösen, begreift man, dass trockne Vogelretinae auch an dieses Mittel den Farbstoff abgeben, ebenso dass alle daraus er- haltenen Mischungen der Seifen mit den Farbstoffen in Eisessig unter Beibehaltung der charakteristischen Färbung löslich sind. Aus solchen Lösungen scheidet Wasser die Fettsäuren aus und an diesen haftete jedesmal das Pigment. Wir haben die tief gefärbten Seifen auch in heissen Alkohol gelöst, mit wenig Eis- essig versetzt, wodurch nur in einem Falle die Farbe verändert wurde, und darauf mit Wasser verdünnt. Hierbei schieden sich die Fettsäuren wieder aus, theils in Krystallen, theils in öligen Tropfen, von denen wieder die Pigmente nicht zu trennen waren. Einmal durch solche Behandlung statt an Seifen von Fettsäuren fixirt, zeigten die einzelnen Pigmente keine Unterschiede mehr in der Löslichkeit, da sich jetzt das Rhodophan leicht in Schwefel- kohlenstoff, Aether und Petroläther, das Xanthophan auch schnell Ueber lichtbeständige Farben der Netzhaut. 353 in Petroläther löste, wie nicht zu bezweifeln ist, weil die in allen genannten Mitteln löslichen Fettsäuren jetzt das Fühnnittel für die Aufnahme der Pigmente bildeten. Die Zerlegung der Seifen durch Ansäuern gewährt immerhin ein gutes Mittel, um jede Art Lösung, auch des Rhodophans, von beliebiger Concentration herzustellen. Das Rhodophan ist dann in der Mischung mit freien Fettsäuren auch in Schwefelkohlenstoff löslich und nimmt darin im Gegensatze zum Chlorophan und Xanthophan keine andere Nuance, wie die in den früheren Lösungsmitteln auftre- tende purpurrothe an. Mit der Seife in heissem Alkoliol gelöst und mit überschüssigem Eisessig versetzt, sahen wir diese schöne Farbe nach und nach gelblich werden und nach 48 Stunden ganz verschwinden, eine Zersetzung, welche im Lichte nicht schneller, als im Dunkeln verlief. Da die bis soweit gewonnenen Erfahrungen schon einige physiologische Verwendung zuliessen, haben wir zunächst von weiteren Bemühungen, die retinalen Pigmente im Zustande voll- kommener chemischer Reinheit zu gewinnen, abgesehen. Die Pigmentseifenmischungen Hessen sich z. B. vortrefflich zur Her- stellung wässriger Lösungen und damit zur Entscheidung der aufgeworfenen Frage nach der Lichtempfindlichkeit in diesem Falle verwenden. Schon an der direkt aus dem Fette gewon- nenen Seife war keine auffälligere Veränderlichkeit durch Licht zu bemerken, obwohl wir unsere Darstellungen im Allgemeinen unter möglichstem Lichtschutze, wenn auch keinem so peinlich vollkommenen, wie beim Arbeiten mit Sehpurpur, vorgenommen hatten. Da indess die tiefe Farbe des Rhodophans in der Mischung das Chlorophan und Xanthophan nahezu unkenntlich macht und nur die letzteren lichtempfindlich sein konnten, wurden auch die getrennten Pigmente in wässrige Lösungen übergeführt. Die kleine Seifenmenge, welche diese verunreinigte, genügte dazu so wenig, dass mit kochendem Wasser gar keine, mit überschüssigem 354 W. Kühne: Alkali auch nur kaum gefärbte Flüssigkeiten zu erhalten waren. Leicht gelang dies aber mit Sprocentiger Galle, welche alle 3 Pigmente in hinreichender Menge aufnahm. Die Lösungen gingen erst nach längerem, etwa 24stündigem Stehen klar durch das Filter. Wir fanden sie nicht veränderlicher im Lichte als die bisher mit w^asserfreien Mitteln hergestellten. Am meisten sehen wir bis heute nach vieltägiger Exposition an die Wintersonne das Chlorophan, dann das Xanthophan . ausgeblichen, während das Rhodophan noch keine Neigung zum Abblassen erkennen lässt, wenn wir es neben die Dunkelprobe halten. Dagegen ist die Lösung dieses Körpers in Terpenthinöl sehr unbeständig, aber im Dunkeln nicht minder, als im Hellen, offenbar weil der Terpenthin sich ozonisirt und so den Farbstoff bleicht. Wir müssen also unsere Frage, ob aus den farbigen Fetten der Vogel- retina etwas hervorgehe, das in anderer Weise gelöst, lichtem- pfindlich sei im Sinne des Sehpurpurs, mit einem entschiedenen Nein beantworten. Die Darstellungsweise der Farbstoffe macht eine Erörterung unumgängHch über ihre Praeexistenz in der Retina. Mittelst der Spektralanalyse würde hierüber am bündigsten zu entscheiden sein, aber es fehlten uns dazu einstweilen Apparate, welche das Verfahren an dem mikroskopischen Präparate der Retina mit genügender Genauigkeit durchzuführen gestatteten, denn mit dem Browning' sehen spektroskopischen Oculare, das Talma (Onder- zoekingen g. i. h. physiol. Lab. t. Utrecht. B. IIL II p. 259) zu diesem Zwecke benutzte, wollte es uns nicht gelingen mehr als sehr diffuse Bilder zu erhalten, auf w^elche hin wir uns nicht getrauen Angaben über die Spektra der in den einzelnen Farb- kugeln enthaltenen Pigmente zu machen. Wer den mikroskopischen Anblick der Vogelnetzhaut kennt, kann nicht zweifeln, dass sie mindestens 3 Farben enthält, eine rubinrothe, eine orange bis rein gelbe, und eine grünlichgelbe, und Ueber lichtbestiindige Farben der Netzhaut. 355 es ist uns darum unfassbar, wie man nur auf den Gedanken zu kom- men vermochte, allem Augenscheine zuwider so Verschiedenes von einem einzigen Farbstoffe abzuleiten. Es braucht nicht darüber ver- handelt zu werden, dass der Augenschein täuschen könne, da es Niemand bezweifelt, aber gegen Evidenzen von der Art der hier vorliegenden ist es gefährlich zu Verstössen. Gäbe es nur rubin- rothe und orange Fettkugeln in den Zapfen, so wäre es allen- falls glaublich, dass die letzteren den rotlien Stoff nur in ver- dünnterer Lösung enthielten, aber für die grüngelben Zapfen- kugeln der Vogelretina setzt die Annahme eines einzigen Pig- mentes Etwas voraus, was ohne Fluorescenz unmöglich ist, näm- lich dass Grün von unzweifelhafter Deutlichkeit durch Verdünnen von Roth oder Orange entstehe. Wir haben Retinapräparate an Deckgläsern antrocknen lassen und hierauf mit Alkohol, mit Aether, mit Benzol u. s. w. be- handelt, um zu sehen, wie sich die Farben der Zapfenkugeln beim Anschwellen unter Verdünnung der Lösung wandelten, und es ist uns unzweifelhaft geworden, dass die grössten und blas- sesten Tropfen immer noch die 3 Farben unterscheiden liessen, besonders da, wo die Tropfen dicht zusammenrückten, oder im Momente, wo sie ineinander flössen; wir möchten sogar behaupten, dass die Differenz zwischen blassgelben aus ursprünglich orange- farbenen durch Verdünnung entstandenen und einigen noch Avenig vergrösserten, intensiv grüngelben Tropfen dabei deutlicher wurde, als sie anfänglich war. Dagegen meinen wir, dass die rubin- rothen Kugeln von vornherein nicht ganz dem Aussehen des Rhodophans entsprechen, mehr ins reine Roth schlagen, als es das reine Pigment thut, was übrigens leicht verständlich ist, wenn sie ausserdem etwas Xanthophan enthalten ^). In der Taubenretina sieht ^) Beim Falken fand Schwalbe (Handbuch der Ophthahnologie v. Graefe und Saeniisch Bd. 1. S. -414) in scheinbar orange gefärbten Kugehi 2 Farb- stoffe sichtbar vertheilt. einen hellgrünen, den rothen unischliessend. 356 W. Kühne: man aber das in sehr kleinen, vermuthlich auch aus Fett bestehen- den Körnchen enthaltene Rhodophan bis zur feinsten Vertheilung zerstreut in den Innengiiedern vieler Zapfen liegen und dort von derselben unzweifelhaft rosenrothen oder purpurnen Nuance, welche das von uns dargestellte Ehodophan besitzt. Wie also dieser Körper in situ und im Zustande feinster Vertheilung oder optischer Verdünnung aussieht, weiss man: er fällt durchaus nicht ins Orange oder gar in grünliches Gelb. Wo sich die grösseren rubinrothen Kugeln durch das geeignete Lösungsmittel in umfangreichere Tropfen von verdünnterem Inhalte verwandeln, sieht man sie ausserdem nicht einmal den orangefarbenen gleich, geschweige den grünlichen ähnlich werden. Demnach entsprechen die von uns dargestellten Farbstoffe den in der frischen Pietina auffälligen und erkennbaren Farben der Fettkugeln in den Zapfen sehr bestimmt. Von der Existenz blauer Kugeln, welche Manche annehmen, konnten wir uns beim Huhne und bei der Taube unter Ausschluss von Täuschungen durch Contrast so wenig überzeugen, wie es uns hat gelingen wollen durch die verschie- densten Trennungsmethoden, unter welchen z. B, auch farblose Fette als Lösungsmittel der isolirten Pigmente und Seifen ge- prüft wurden, eine bläuliche Substanz zu gewinnen. Weitere Mittel zum Nachweise der Uebereinstimmung zwischen den extrahirten und noch in der Pietina befindlichen Pigmenten boten sich in den von ScJmalbe (1. c.) entdeckten grünblauen bis blauen Pteactionen der Zapfenkugeln gegen Jod. So lange die Pigmente an Fett gebunden zur Untersuchung kamen, haben wir vergeblich versucht sie ausserhalb der Ptetina mittelst Jod zu färben und daraus Veranlassung genommen nachzusehen, ob in den Zapfenkugeln neben dem farbigen Fette eine zweite Substanz enthalten sei, welcher die Sclmcä'be'sche Pieaction hätte zukommen können. Da farblose Zapfenkugeln durch Jod nicht gebläut werden und die Intensität der Reaction, abgesehen von lieber lichtbeständige Farben der Netzhaut. 357 den dabei auftretenden Mischfarben, doch augenscheinlich von dem Reichthiim des Tropfens an Pigment abhing, war die An- nahme ^Yenig wahrscheinlich, und es gelang auch in der That nicht an Netzhäuten, die durch irgend welche Extraktion erst entfärbt worden, noch etwas von der Färbung durch Jod hervor- zubringen. An der frischen Retina gewinnt man nicht so ganz leicht und ohne längere Behandlung mit überschüssiger Jodlösung überhaupt nicht die Ueberzeugung, dass alle Farbkugeln und namenthch die helleren auf Jod reagiren; man darf sich also nicht wundern, wenn die Vereinigung des ganzen retinalen Fettes, das im Aetherextrakt die Pigmente einhüllt, dem Zutreten des Reagens hinderlich wird. Wir haben die Sache mit Jodlösuugen der verschiedensten Art versucht, mit alkoholischen und wässrigen in Jodkalium, oder in Mischungen beider, aber immer vergeblich. Dennoch zweifeln wir nicht, dass die Reaction nach gehörigem Emulgiren wohl auch so zu erreichen wäre, denn sie gelang uns mit den isolirten Pigmenten recht gut. Das Chlorophan und Xanthophan geben die grünlichblaue Färbung am besten, während sie am Rhodophan zwar dunkler, aber schmutziger und mehr grünlich ausfiel. Bei allen 3 Substanzen war es zweckmässig, die wegen der Verun- reinigung durch etwas Seife alkalischen Massen zuvor mit einer Spur Essigsäure zu behandeln. Man sieht hiernach, dass die Jodreaction weiteren Anhalt für die Uebereinstimmung der extrahirten Pigmente mit den praeformirten liefert, und es ver- dient besonders hervorgehoben zu werden, dass man das Bild der eigenthümlich schmutzigen Färbung des Rhodophans auch in der Retina findet, wenn man die sonderbare Nuance beachtet, welche das dift'use rothe Pigment der Zapfeninnenglieder in der ausge- zeichneten rötheren Stelle der Taubennetzhaut unter dem Ein- flüsse des Jods annimmt. Salpetersäure und concentrirte Schwefelsäure färben nach 358 . W. Kühne: Capranica's Angabe (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1877. Hft. 3 S. 285) die Farbkugelu und das daraus extrahirte farbige Fett dunkel, ^Tünblau bis blau. Wir haben die Reaction mit Salpetersäure, die etwas salpetrige Säure enthielt, auch an den getrennten Pig- menten erhalten, am schwächsten am Pihodophan, das nur vorüber- gehend blass blaugrün wurde und sich schnell ganz entfärbte; intensiver und weniger flüchtig am Xanthophan und Chlorophan. Mit Schwefelsäure gab es ähnliche Unterschiede, insofern nur die letzteren Pigmente reiner blau, das erstere vorübergehend schwarzblau, dann dunkelbraun wurde. In der Pietina ist die Schwefelsäurereaction überhaupt weniger gut zu sehen, weil die Eiweissstoffe davon zu dunkel , das Fett im Allgemeinen roth wird, so dass Mischfarben auftreten. Nach den angegebenen Vergleichungen dürfte die Praeexistenz der von uns gefundenen 3 Substanzen in der Ptetina nicht mehr bezweifelt und damit zugegeben werden, dass die farbigen Zapfen- kugeln Pigmente enthalten, welche sehr schwier zersetzlich sind, in kaum beachtenswerthem Grade veränderlich durch Licht, un- veränderlich in den Lösungsmitteln der Fette nicht nur, sondern auch gegen Siedhitze und während der Verseifung durch con- centrirtes Alkali. Wenn die Vogelretina mehrere und, wie gezeigt wurde, sehr verschiedene Farbstoffe enthält, so hat die spektroskopische Unter- suchung einer daraus bereiteten, neben dem Fette sämmtliche Pigmente enthaltenden Lösung geringe Aussichten, Aufschluss über die Beschaffenheit des Lichtes zu geben, das durch die Farbkugeln zu den Zapfenaussengliedern dringt. W^ir legen desshalb be- sonderen Werth auf die in dem Folgenden zu erörternden spek- troskopischen Befunde an den einzelnen Farbstoffen und stellen auf Taf. 3 Fig. 14, Taf. 4 Fig. 15 vornehmlich des Gegensatzes wegen die Spektra der in Aether und in Schwefelkohlenstoff mit dem Fette vereinigten gemischten Pigmente dar. Diese und alle Ueber liehtbeständige Farben der Netzhaut. 359 übrigen Spektralbilder wurden nach Beobachtungen entworfen, die wir bei gutem Tages- oder Sonnenlichte mit Hülfe des Heliostaten unter geeigneten Abbiendungen sowohl des zu inten- siven Sonnenlichtes, wie der nicht in Betracht kommenden Theile des Spektrums anstellten. Wir haben von den gebräuchlichen malerischen Copieen der Absorptionsbänder abgesehen, weil die- selben im Drucke selten treu den Zeichnungen entsprechend herauskommen, und dafür die anschaulichere und genauere, in der Chemie mehr übliche Darstellung in Curven vorgezogen. Die Orte der maximalen Absorption, das Zu- oder Abnehmen dieser haben wir versucht möglichst treu wieder zu geben, ebenso das Dunkelheitsverhältniss der einzelnen Bänder zu einander und das Ansteigen diffuser Absorptionen an den Enden der Spektra. Alle Lösungen wurden in das Hermann sehe Hämoskop , das einen Wechsel der Schicht von 0 bis 35 mm. zuliess, gefüllt vor den Spalt gebracht und in der Weise untersucht, dass man bei lang- samer Verdickung der Schicht beurtheilen konnte, welche Schatten zuerst und welche Antheile der einzelnen Bänder nacheinander auftauchten; darnach sind die Höhen und Gestalten der Curven bemessen. Wo wir, wie beim Chlorophan namentlich im Roth oder Orange, geringe Absorption glaubten vermuthen zu dürfen, wurden ausserdem Röhren mit ebenen Verschlussenden von 10—20 Ctm. Länge verwendet. Da das Hämoskop Flüssigkeiten aufzunehmen hatte, welche Harzkitte autlösen, auf die es ursprünglich nicht eingerichtet ist, haben wir ein mit Kreidekitt gefertigtes Instru- ment benutzt und die ineinander gleitenden Cylinder, wenn nöthig, mit Glycerin statt mit Fett geschmiert. Das Spektrum Fig. 14 der gemischten Pigmente zeigt den breiten Streif ß beträchtlich schwächer, als den ersten vor F beginnenden und entsprechend dem vorherrschenden Gelb starke weitere Absorption im Anfang des Violet, während Fig. 15 die Streifen stark zum rothen Ende verschoben und totale Aufhellung Kühne, Untersuchungen I. 25 360 W. Kühne: im Violet darbietet. Es ist dies etwas den gemischten Lösungen in CS2 Eigenthümliclies und in Uebereinstimmung mit der dem Auge direkt wahrnehmbaren Aenderung der Nuance. Der Streif ß Fig. 15 ist bei gutem Lichte und hinreichend dünnen Schicliten natürhch doppelt zu sehen, obwohl die beiden Schatten dann sehr schwach sind. Fig. 16 zeigte das Verhalten des Chlorophans, das sowohl für Lösungen in gewöhnlichem Aether, wie für die in Petroläther gilt. Dieselben liessen viel mehr Violet durch, als die Mischung der 3 Pigmente, dagegen weniger Blau und weit mehr Grün. Die concentrirteste Lösung, die wir hatten, und welche bei 20 mm. das gezeichnete Spektrum gab, liess bei 20 Ctm, Dicke weder im Roth von A an, noch sonst irgendwo vor b Absorption erkennen. In CSa gelöst, wurde das Chlorophan orangegelb, indem das Grün unkenntlich wurde, und das Speetrum (Fig. 20) zeigte jetzt mehr Indig und Blau, das Grün, bis F hin, von dem ersten Bande bedeckt. Nach dem Verdunsten des CS2, von neuem in Aether aufgenommen, gab es wieder das Spectrum Fig. 16. Das von Chlorophan gereinigte Xanthophan gab nur einen Streifen (Fig. 17) vor F beginnend und starke Beschattung des Violet, welche schon im Indig anfing; in CS2 gelöst (Fig. 21) viel stärkere schon im Cyanblau beginnende Absorption des Indig und Violet, und ein gleich hinter E beginnendes Band ; das Aus- sehen der Lösung näherte sich stark dem des spectralen Roth von B bis C. Auch das Xanthophan wurde durch einmaliges Auflösen in CS2 nicht geändert, denn wenn man es nach dem Abdunsten des CS2 in Aether löste, wurde das vorige Spectrum (Fig. 17) zurückerhalten. Die Lösungen des Rhodophans zeigten ebenfalls nur ein Ab- sorptionsband, aber von bedeutender Breite, das bei der Benzol- lösung (Fig. 18) E und F überragte, bei der in Terpenthinöl lieber lichtbcstündige Farben der Netzbaut. 361 zwischen b und F begann und zum grössten Tlicile in den Raum zwischen F und G tiel (Fig. 19). Wie die beiden Spectren noch Unterschiede in der Absoiption von Violet zeigen, so waren sie auch flu; das Auge nicht absolut gleich, die Benzollösung etwas heller, mehr rosa. Da man die Spectren Fig. 14 u. 1.5 der gemischten Pig- mente nicht durch Uebereinanderlegen der Einzelspectren erhalten kann, so versuchten wir aus den gereinigten Pigmenten wieder eine gemischte Lösung von dem gleichen Verhalten der ursprüng- lichen herzustellen. Nach Zerlegung der Seifen durch Ansäuern war dies für sämmtliche Stoffe, besonders auch für das Rhode - phan mit Aether und Schwefelkohlenstoff ausführbar, aber wir haben diese Versuche bald aufgegeben, als wir sahen, dass das Probiren mehr Material kostete, als der Zweck verdiente. Von derselben Seite, welche die verschiedenen Pigmente der Vogelretina auf ein Einziges zurückzuführen versuchte, ist die weitere gewagte Behauptung aufgestellt, jene eine (nicht existi- rende) Substanz sei identisch mit dem gelben Pigmente der Fettkugeln im Retinaepithelium des Frosches. Wir haben diesen Körper in hinreichender Menge aus den Abfällen der Froschaugen, welche zur Bereitung von Sehpurpur gedient hatten, herzustellen vermocht, indem wir darauf hielten, sämmtliche Chorioideae mit dem Retinaepithel, oder auch die am hinteren Pole sorgfältig gesäuberten Augengründe, wenn sie keine andere Verwendung fanden, immer sofort in Alkohol werfen zu lassen. So wurde auf dieselbe Weise, wie es bei den Vogelaugen geschehen, aus einigen Tausend Froschaugen das gelbe Fett und aus diesem die pigmenthaltige Seife gewonnen. Es gelang hier immer leicht, die dünne Seifenlösung vollständig durch Ausschütteln mit Aether vom Farbstoff zu befreien und diesen selbst jedenfalls reiner von Seifen, mehr in Gestalt harter, sich schon vor dem 25* 362 W. Kühne: vollkommenen Verdunsten ausscheidender Rinden zu gewinnen. Ihn krystallinisch zu gewinnen, gelang mit keiner Auflösung. Die Schwalbe'sche Jodreaction, welche Boll an den Fett- kugeln des retinalen Epithels beim Frosche auch erhielt, sahen wir an diesem Pigmente vortrefflich eintreten, ebenso die Fär- bungen mit NHO3 und SH2O4. Um ganz sicher zu erfahren, wie sich das retinale Froschfett im Vergleiche zu dem des Huhnes verhalte, haben wir nicht versäumt, einen Theil der aus ersterem erhaltenen Seife in derselben Weise, wie bei jenem, erst im trock- nen Zustande herzustellen und darauf mit Petroläther zu extra- hiren. Es Hess sich damit alles Pigment entziehen, so dass die Seife völlig farblos wurde und was sich löste hatte nur eine, die rein gelbe, in Aether mit derselben Leichtigkeit übergehende Farbe; weder etwas von grünlicher, noch von mehr orange oder rother Nuance kam dabei zum Vorschein. In Fig. 1 ist das Spectrum der ätherischen Epithellösung, in Fig. 3 das des gereinigten Pigmentes, das wir Lipo ehr in nennen wollen, dargestellt. Die beiden Spectren besitzen ersicht- lich grosse Aehnlichkeit, wie es zu erwarten ist, wenn das Fett nur ein Pigment enthält, und wir wollen nicht versäumen, auf den schlagenden Unterschied aufmerksam zu machen, der allein schon in diesem Umstände gegenüber dem Aussehen der Pigmentspectren und des Fettspectrems von der Vogelretina, wo von solcher Aehnhchkeit, aus nicht mehr zu erwähnenden Grün- den, überhaupt nicht die Rede sein kann, liegt. Gewisse Diffe- renzen sind gleichwohl auch hier vorhanden, wahrscheinlich des- halb, weil das Fett, als ein an der Auflösung sich betheiligender Körper von Bedeutung für die Nuance ist. Bei allen Spectren des Lipochrins ist geringere Absorption an Stelle des ersten dem Roth zu liegenden Bandes im Vergleiche zu der des zweiten bemerkenswerth, wie es sonst nur beim Chlorophan und dort nur an der ätherischen Lösung (Fig. 16) vorkommt. In CS2 ge- Ueber lichtbestiindige Farben der Netzhaut. 363 löst gil)t das Lipochrin das Spectrum (Fig. 6), das ausser der starken Verschiebung der Bänder bis E in Concentrationen, wo diese scharf sind, totale Aufhellung im Yiolet zeigt. Ist neben dem Pigmente Fett im CS2 gelöst, so erhält man das Spectrum von Fig. 4, das wieder anders ist, indem es weniger Violet und das Band a kurz vor E beginnend zeigt. Die in Heft 3, Seite 289 angeführte Erfahrung, dass das Kaninchen, dessen Fettgewebe sehr blass ist, auch im Re- tinaepithel nahezu farblose Fettkugeln führt, gab Veranlassung, den lappigen Fettkörper in der Bauchhöhle des Frosches auf dessen auffälliges Pigment zu prüfen. Da die Untersuchung mit denselben Methoden, wie bisher geschah und die Resultate voll- kommen mit dem vom Retinaepithel berichteten zusammenfielen, beschränken wir uns auf die Darstellung der Belege in den Spectren von Fig. 2 u. 5, Fig. 3 u. 4. Auch dieser Farbstoff gab die erwähnte Jodreaction, von welcher freilich an den Fett- zellen des Gewebes keine Spur hervorzubringen war, ebenso die blauen bis grünen Färbungen mit NH3O und SH2O4. Bei den Spectren bitten wir die ülierall deutliche und gleichförmige Höhen- differenz der Curven a u. ß zu beachten, welche besonders ge- eignet ist, die Identität des Farbstoffes in den genetisch, wie functionell so überaus verschiedenen Ablagerungsplätzen epithe- lialer und dem Bindegewebe angehöriger Zellen des Frosches her- vortreten zu lassen. Wie die Lappen des Fettkörpers feucht gehalten in einigen Tagen, an der Sonne allenfalls schon in einem Tage bedeutend abblassen, so thun es auch die Lösungen dieses Fettes in Alko- hol oder in Aether und die des aus der, Seife extrahirten Lipo- chrins. In Galle gelöst Wich das Pigment nicht schneller aus, in sehr verdünnter Lösung, auf weissem Grunde, bei niedriger Schicht besten Falls in 2— 3 Stunden bis zur vollkommenen Ent- färbung; doch wurde dies nur im Juli, in der Zeit von 12 — 3 364 W. Kühne: Uhr unter maximal wirkendem direkten Sonnenlichte bei einer durch Berieselung auf 12*^ C. erhaltenen Temperatur erreicht. Nach diesen Erfahrungen dürften weitere Untersuchungen über den gelben Farbstoff des Fettes verschiedener Thiere grosses Interesse bieten und es ^Yäre namentlich wichtig, zu wissen, ob es Säugethiere gibt, bei denen Fetttropfen von identischer Farbe im Retinaepithel auftreten. Beim Menschen, dessen Fett bekannt- lich gelb ist, vermissten wir deutliche Fetttropfen im Retina- epithel gänzlich, ebenso beim Schweine oder dem Rinde, wo wir blasses Retinafett zu finden hofften. Die Haut der Frösche gibt an Alkohol und Aether gelbgrünliche Fette ab, aus denen wir durch Verseifung eine Substanz erhielten, die sich vom Lipochrin nicht unterschied. Dass es sinnlos sei das gelbe Pigment des Froschfettes für identisch mit der Mischung von drei Farbstoffen der Vogelretina zu halten, bedarf keiner weiteren Erwähnung, es blieb aber zu untersuchen, ob das Lipochrin nicht mit einem derselben, dem Chlorophan oder dem Xanthophan übereinstimme, womit es dem Augenscheine nach unter Umständen einige Aehnlichkeit hat. Seine Lösungen sind aber weder so grünlich, wie die des Chlorophans, noch so orangegelb, wie die des Xanthophans, wenn man von einigermaassen gleich concentrirten Flüssigkeiten aus- geht; in fester Gestalt oder mit Fett zerrieben hat es die meiste Aehnlichkeit mit dem Chlorophan, dessen grünliche Nuance in diesem Zustande etwas zurücktritt. Man braucht indess nur die Spektra Fig. 3 u. 6 des Lipochrins mit denen des Chlorophans Fig. 16 u. 20 zu vergleichen, um so colossale Unter- schiede zu entdecken, dass jeder Gedanke an Identität der Kör- per schwinden muss. Während das Band a des Chlorophans ziemlich weit hinter F beginnt,, überschreitet a des Lipochrins F beträchtlich; der Streif ß des ersteren reicht über G hinaus, während ß des anderen weit vor G aufhört. (Vergl. Fig. 3 u. 16). Ueber lichtbestilndige Farben der Netzhaut. 3G5 An den Schwefelkohlenstofflüsiingen fällt ein ähnliches Verhält- niss der beiden im Ganzen nach dem Roth hin verschobenen Bänder auf die Linien E, b und F bezogen, auf (vergl. Fig. 6 u. Fig. 20). Das Xanthophan zum Vergleiche mit dem Lipochrin heranzuziehen, verbietet der Umstand, dass dessen Spektra alle einstreifig sind und das Lipochrin für eine Mischung aus Xan- thophan und Chlorophan zu halten, wäre, anderer Gründe zu gesell weigen, unerlaubt, weil die Trennungsniethoden, welche für diese bei der Vogelretina vollkommen anschlagen, auf das Fettgewebe und das Retinaepithel des Frosches angewendet, wie schon bemerkt, niemals zwei Pigmente liefern. Somit sind also in der Retina bis jetzt im Ganzen nicht weniger, als 4 verschiedene hchtl)eständigere Farbstoffe neben dem hier nicht zu erörternden schwarzen Pigmente nachgewiesen. Schon von Thiidichum (Centralblatt f. d. Med. Wissenscbft. 1869 S. 1) u. A. ist auf die Aehnlichkeit des Farbstoffes der gelben thierischen Fette mit denen des Hühnereidotters und der Corpora lutea, ja mit dem vieler gelber Pflanzentheile hinge- wiesen. Wir haben desshalb noch den Eidotter und die Corpora lutea nach den bei der Netzhaut befolgten Methoden einer kurzen Untersuchung unterzogen. Fig. 7 zeigt das Spektrum eines durch Zerrühren frischer Eidotter mit wenig Alkohol und viel Aether erhaltenen Extraktes, Dasselbe ist dem des Frosch- fettes (Fig. 1 u. 2) bezüglich der Bänder a und ß ähnlich, aber man bemerkt darin bei G noch einen dritten schwachen Streifen und viel geringere Beschattung des Violet. Dieser dritte Streif, von Preyer beschrieben und abgebildet {W. Freyer, die Blut- krystalle. Jena 1871. Taf. II Fig. 13), in neuerer Zeit von Anderen geleugnet, ist nur bei gutem Lichte und sehr engem Spalte nach passendem Wechsel der Schicht mittelst des Hämo- skops zur Anschauung zu bringen. Zuweilen gelingt es aber auch durch das sorgfältigste Probiren nicht sich von seiner Anwesen- 366 W. Kühne: heit zu überzeugen, was wir auf die bekannten individuellen oder von der Hühnerrace abhängigen Unterschiede in der Fär- bung der Dotter zurückführen möchten. Constanter sahen wir einen dritten Streifen bei G, aber nach dem Roth hin verschoben, in den Schwefelkohlenstofflösungen (Fig. 10) auftreten, die wir mit dem Verdampfungsrückstande der ätherischen Dotterfett- lösung erhielten. Aus trockener Dotterseife nahmen sowohl Pe- troläther, wie Aether das gesammte Pigment auf, dessen spek- troskopisches Verhalten Fig. 8, 9 u. 11 wiedergeben. Die Aehn- lichkeit dieser Spektra der gereinigten Substanz mit denen des Lipochrins ist allerdings ziemlich auffallend, aber wir müssen doch auf 2 wesentliche an den ätherischen Lösungen hervor- tretende Unterschiede aufmerksam machen: die Bänder a des Eipigmentes beginnen 1. immer hart an F, während deren An- fang beim Lipochrin ausnahmslos und mit grosser Deutlichkeit vor F in den Ptaum zwischen b und F fällt, und 2. ist die Ab- sorption beim Eipigmente am Bande a niemals schwächer als an dem Streifen ß, wie es für das Lipochrin constant gilt. Diese Differenzen scheinen uns so schwer wiegend und an sich schon einer Identitätsannahme hinderlich, dass es kaum weiter in's Ge- wicht fällt, wenn die Spektra der CS2-Lösungen hinsichtlich der diffusen Absorption des violetten Endes noch so bedeutende Unter- schiede, wie die in Fig. 6 u. 11 verzeichneten, aufweisen. Mehrere nach der Farbe zu unterscheidende oder im Spek- tralverhalten abweichende Lösungen aus der Dotterseife durch fractionirte Extraktion zu erhalten, gelang so wenig, wie die Darstellung krystallinischen Pigments. An der amorphen Masse fiel uns die etwas grössere LösKchkeit in verdünnter Natronlauge, erkennbar an der hellgelben Färbung des Filtrates, auf, sehr im Gegensatze zu der kaum zu behauptenden Färbung, welche die zuvor genannten Pigmente Alkalien ertheilten. Doch kann diese Differenz auf schwerer zu entfernenden Beimengungen beruhen. Wie üeber lichtbeständige Farben der Netzhaut. 367 schon bemerkt führte das Verarbeiten der Eierseife in Baryt- verbindungen zu keinem andern Ziele, als die allgemein von uns befolgte Methode, ja die staubtrockenen Barytseifen hatten sogar den Nachtheil in Aether anzuquellen und damit eine äusserst schwierig zu filtrirende Masse zu geben. Die Lichtempfindlich- keit des Dotterpigmentes, das man Ontochrin nennen könnte, fanden wir in der ätherischen und alkoholischen Lösung, oder nach dem Aufnehmen in Galle, etwa so, wie die des Lipo- chrins, also ebenfalls grösser, als die der Pigmente in der Vogel retina. In Fig. 12 u. 13 haben wir noch Abbildungen der Spektra von Lösungen des Luteins aus dem verseiften Rückstande von Aetherextrakten der Corpora lutea der Kuh gegeben. Wie man sieht, ist die Uebereinstimmung bei der ätherischen Lösung mit der gleichen des gereinigten Eigelbs so gut, wie vollkommen, bei der CS2-Lösung aber nicht vorhanden, insofern Fig. 13 allein totale Aufhellung im Violet zeigt. Dies auf Unterschiede der Concentration zu beziehen, ist unzulässig, weil die gezeichneten Difterenzen grade dann am deutlichsten waren, wenn jede der Lösungen die beiden im Grün und Blau gelegenen Bänder mit gleicher Schärfe zum Vorschein kommen Hess. In Petroläther gelöst, giebt das Lutein ein Spectrum, das von dem der ätherischen Lösung nur in der Lage des Bandes a ein wenig abweicht. Auf Fig. 12 ist es durch die punktirte Curve angemerkt. Das \'erhalten des Eigelbs und des Luteins zu starker NHoO und SH2O4 ist seit lange bekannt : wie Capranica gelang es auch uns am Lutein die Seh icnlhe'' sehe Jodreaction deutlich hervorzu- bringen, während das Ontochrin mit dem Reagens mehr schmutzig grün wurde. Da von den sämmtlichen hier erörterten Pigmenten bisher keines im Zustande vollkommener chemischer Reinheit dargestellt 368 W. Kühne: ist, wird man sich eingehender Betrachtungen über ihre chemische Verwandtschaft einstweilen enthalten müssen. Wir haben es am Lutem erlebt, dass einzelne Reactionen und Löslichkeitsverhält- nisse zur Verwechselung desselben mit dem Bilirubin und zu so schwerer Verwirrung in der Lehre von den Gallenfarbstoffen führten, dass viel Arbeit nöthig wurde, um sie wieder davon zu befreien. Und doch wäre jener Irrthum nicht begangen, obwohl die chemische Kenntniss der verwechselten Stoffe sich erst ent- wickelt, wenn Differenzen von der Ordnung der hier zwischen Farbstoffen geschilderten sogleich beachtet wären. Ohne Frage sind die optischen Methoden von ausserordentlicher Feinheit und bei Substanzen, die nur in minimalen Mengen erreichbar bleiben, noch für lange Zeit die wesentlichen und unersetzbaren. Man wird sich darum um so mehr hüten müssen ihre Resultate zu unterschätzen und Unterschiede, die sie ergeben, zu unterdrücken, wo andere Methoden scheinbar Uebereinstimmung anzeigen. Auf die vorliegenden Fälle bezogen, würde Ignoriren der spektralanaly- tischen Befunde zunächst zu Verwechselungen führen , die etwa gleichbedeutend wären mit der Verwechselung von Hämoglobin und sog. Pikrocarmin, und es würde die Berufung auf einzelne chemische Reactionen , gegen manche weniger in die Augen fallende Spektraldifferenzen nur dazu beitragen, leicht zu unter- scheidende Pigmente für ein und dasselbe halten zu lassen, wie es unglücklicher Weise bereits geschehen ist. Indem wir die nun erwiesene Möglichkeit in der Vogelretina allein schon 3 gründhch verschiedene Pigmente zu scheiden und die starken Differenzen im spektroskopischen Verhalten der vor- stehend erörterten Substanzen scharf hervorheben, glauben wir die fernere Untersuchung am besten auf den Weg zu leiten, der im physiologischen Interesse vor Allem einzuschlagen ist, wenn wir zu einer für die Lehre vom Sehen dringend nöthigen Kennt- lieber lichtbestäudige Farben der Netzhaut. 369 niss über die Absorption des Lichtes in der Retina gelangen wollen. Heidelberg, 2. Januar 1878. Taf. III., IV., V. stellen die im Text erörterten Spektra dar, deren Bedeutung durch die Ueberscliriften auf den Taf. erklärt wird. Die Zeich- nungen heginnen üherall erst mit der Fraunhofer' sehen Linie a, da in dem Roth von A his a keine Ahsorptionen anzugehen sind. 370 A. Ewald und W. Kühne: Untersuchungen über den Sehpurpur. (Schluss von Heft 3. S. 290.) Von A. Ewald und W. Kühne. III. Veränderungen des Sehpurpurs und der Retina im Leben. Innerhalb der normalen Lebensbedingungen ist bis jetzt nur eine Ursache der Veränderung und Entfärbung des Sehpurpurs bekannt: sie ist das ins Auge fallende Licht; und nur eine der Wiederkehr des Purpurs, in der Entziehung des Lichtes, das ihn zersetzte. Die Retinafarbe wird wieder hergestellt in der Dunkelheit, durch schwaches oder durch rothes Licht. Nur derjenige Purpur wird zersetzt, den das Licht erreicht: die Wirkung ist eine örtliche, direkte. Thiere mit verbundenen Augen, der Sonne beliebig lange ausgesetzt, behalten die Retina- farbe und wenn nur ein Auge belichtet ist, wird der Purpur des anderen niemals in Mitleidenschaft gezogen. Dies ergaben Versuche an Kaninchen und an Fröschen im normalen Zustande und in der Lähmung durch Curare. An Kaninchen wurde es constatirt, indem man sie fesselte, ein Auge der Sonne zuwandte und das andere gegen ein dunkles Polster drückte, an Fröschen in ähnlicher Weise nach Vergiftung mit Curare oder durch Anlegen und Annähen starker Kautschukstreifen über ein Auge. Ausnalimen von diesem Verhalten sind nur denkbar, wo Licht durch ein Auge in das andere gelangt. Dass dies bei manchen Vögeln der Fall ist, lehrt die hübsche Beobachtung von Cserny (Wien. Acad. Ber. LVI) über die Sichtbarkeit des Untersuchungen über den Sehpurpur. 371 Augengrundes der Taube, wenn man durch die Cornea hinein- sieht, während das Auge der anderen Seite ausschliesslich Licht empfängt. Es scheint so viel Licht durch die dünnen Gewebs- massen, welche die beiden hinteren Augenpole im Schädel trennen, dass das zweite Auge sogar recht intensiv beleuchtet wird. An der lebenden Taube fanden wir die Erhellung indess sehr unbe- deutend und nur mit höchst nitensivem Lichte unter vollkommenem Schutze des beobachteten und des eigenen Auges bemerkbar, offenbar weil das Blut im Schädel viel Licht absorbirte; doch war an einer albinotischen Taube noch so viel zu sehen, dass man glauben musste, sie sähe es selbst und werde deshalb noch Licht empfinden, wenn z. B. das gegenüberstehende Auge ohne Trübung erblinden und ausschliesslich Licht empfangen sollte. Kleinere Vögel mit noch zarterer, die Augen trennender Zwischen- schicht könnten es deshalb wohl erleben, dass sehr intensives Licht ihnen durch den Kopf ginge und den Purpur der dunklen Seite, falls sie solchen besitzen, etwas angriffe; es müsste aber dazu die Voraussetzung gemacht werden, dass die Blutschicht, welche durchschienen wird, dünn genug ist, um neben Roth noch Grün durchzulassen. Beim Frosche kennen wir einen Zustand, der im Dunkeln den Sehpurpur zwar nicht schwinden macht, die Retinafarbe aber sehr bedeutend, bis zum blassen Rosa schwächen kann. Es ge- schieht dies bei nicht zu kalt gehaltenen, mehrere Tage dem Curareödem unterworfenen Thieren. Die Erscheinung tritt wäh- rend des Lebens ein und wurde nicht nur bei wohl erhaltenem Herzschlage beobachtet, sondern auch an Exemplaren, von denen wir nicht zweifeln, dass sie die Lähmung so gut überstanden haben würden, wie ihre mit der gleichen Dosis vergifteten und unter gleichen Bedingungen gehaltenen Genossen, die sich erholten. Da Curarevergiftung an und für sich die Purpurmenge gar nicht beeinflusst und das Oedem das Wesentliche ist, wird man an- 372 A. Ewald und W. Kühne: nehmen können, dass die lebhaftere Lymphströmung, also Re- sorption die Ursache der Erscheinung ist und dass der Purpur aus den Stäbchen zum grössten Theile ausgelaugt wird. Wir können nicht umhin, dabei wieder de^ S. 174 erwähnten Be- fundes gänzlichen Fehlens des Sehpurpurs in einem normalen menschlichen Dunkelauge von IlicJiel zu gedenken, wo ähnliche Verhältnisse geänderter Eesorption vorgelegen haben müssen. Im 4. Hefte des Archivs f. Anat. u. Physiol. 1877 S. 437 bemerkt 0. Langendorff gelegentlich, dass der Sehpurpur Fröschen, welche seit langer Zeit enthirnt und deren Sehnerven durch- schnitten worden, noch normal gefärbte Retinae gezeigt hätten. Wir können dies bestätigen und hinzufügen, dass wir 3 — 4 Tage nach der Enthirnung die Fähigkeit der Retina erhalten fanden, nach gründlicher Besonnung in normaler Zeit wieder Purpur im Dunkeln zu bilden. Der epithelhaltige Augengrund solcher Frösche regenerirte auch für sich in der gewöhnlichen Weise eine zuvor isolirt gebleichte Netzhaut, wenn sie darauf gelegt wurde. Diese Versuche bedürfen der Ausdehnung auf seit längerer Zeit operirte Thiere und auf die Säuger. Bestimmungen über die Greschwindigkeit der Purpurbleiche intra vitam sind bis heute in umfassenderer Weise nur am Frosche vorgenommen, wo sie bekanntlich das für die Auffassung der Netzhautfarbe, als einer zum Sehen essentiellen Substanz, sehr hinderliche Resultate ergaben, dass Licht, welches für die Zwecke des Sehens weitaus genügt, die Retina^rbe gar nicht angreift und solches, das diese Intensität mindestens hundertfach überschreitet, beträchtlicher Zeit, ja directes Sonnenhcht wenig- stens 10 Minuten bedarf, um den Sehpurpur merklich zu ändern oder total zu entfärben. Es konnte also nur die Beobachtung, dass die herausgenommene Froschnetzhaut ausschliesslich durch Licht gebleicht und von massigem Lichte mit erstaunlicher Geschwin- digkeit verändert wird, die Annahme rechtfertigen, dass die In- Untersuchungen über den Sehpurpur. 373 (lolcnz des Froschpiirpurs intra vitam scheinbar sei und auf Schwin- den mit Ersatz beruhe. Leider ist einstweilen über diese Ucchtt'ertigung nicht hinauszukommen und an den Poikilothermen durch keine exakte Beweisführung die Möglichkeit zu widerlegen, dass im lebenden Auge oder in der epithelhaltigen Retina bis zum Eintritte maximaler Blendung wirkliche Indolenz des Sehpurpurs vorliege, welche die Regeneration natürlich unnöthig machen oder ausschliessen würde. Im Gegensatze zu den zeitlichen Verhältnissen beim Frosche wird die Netzhautfarbe der Säuger und vermuthlich fast aller Homoothermen intra vitam mindestens GOmal schneller von dem gleichen Lichte gebleicht. Um diese Zeit zu bestimmen, haben wir zuvor ijn Dunkeln gehaltene Kaninchen ins Freie unter Glasglocken gesetzt und deren Netzhäute nach Belichtungen verschiedener Dauer in bekannter Weise untersucht, meist unter Anwendung der Alaunhärtung, die für die Erhaltung der Farbe ein vollkommen zuverlässiges Mittel ist und in allen Fällen das Hervorziehen und Umdrehen der Membranen ohne Verletzungen gestattet , was ohne Härtung selten glückt. Das Verfahren gab ausserordentlich wechselnde Resultate, oft so grosse zeitliche Differenzen von Minuten, wie von Stunden und nicht selten örtliche von einem Auge zum andern, dass wir es nach den ersten verlorenen Bemühungen gänz- lich fallen liesscn. Man brauchte den Kaninchen nur zuzusehen, wie sie die Augen bald länger schlössen, oder eines gegen das Glas oder sonstige erreiclibare Gegenstände drückten, um zu wissen, dass auf diese Weise nicht zu experimentiren und nur mit der optographischen Methode zu arbeiten sei. Doch ver- fehlen wir nicht, die Angabe von Coccius^) zu bestätigen, dass im Hellen gehaltene Kaninchen oft ganz entfärbte Netzhäute ') Cocdus:ühev die Diagnose des Sehpurpurs im Leben. Progr. Leipzig 1877. 374 A. Ewald und W. Kühne: haben und dann längerer Dunkelheit bedürfen, um wieder Seh- purpur zu zeigen. Die vorstehende allgemeine Bemerkung über die grosse Ge- schwindigkeit der Purpurbleiche bei Säugethieren bezieht sich bereits auf intra vitam hergestellte Optogramme, denn die Aus- bildung und Verbesserung der Methoden belehrte uns, dass die früheren Angaben (Hft. L, S. 97) bezüglich der erforderlichen Zeiten (3 — ^5 Min.) viel zu hoch gegriffen waren. Zur Beurtheilung des befolgten experimentellen Verfahrens schicken wir eine kurze Beschreibung unserer Einrichtungen voran. Der Arbeitsraum befindet sich in einem besonders dafür herge- stellten Häuschen, das statt der Fenster nur kleine, ohne Schwierig- keiten lichtdicht zu verschliessende Oeffnungen zum Einsetzen von Heliostaten hat. Im Innern sind die Wände, der Fussboden und die direct unter dem schrägen Dache horizontal gezogene Decke mit mattschwarzer Farbe gestrichen. Durch die Decke ragt ein hohler, vierseitiger Conus bis auf 1,60 Met. Entfernung vom Fussboden nach abwärts, dessen untere Oeffnung mit einer passen- den, einfachen Figur versehen, das op^ographische Object darstellt. Heft 3, S. 232 und 233 sind das letztere und die Vorrichtungen, welche es von oben erleuchten, bereits beschrieben. Unter dem Objecte kann in dessen etwas vorspringenden Rahmen eine schwarze Papp- oder Glastafel eingeschoben urid damit die Figur verdeckt und der ganze Arbeitsraum völlig verdunkelt werden. Räumliche, in der Dachconstruction gegebene Verhältnisse hatten uns darauf verzichten lassen, die obere Weite des Lichttrichters grösser, als 4270 □ Ctm. zu nehmen, es stellte sich aber heraus, dass sie vollkommen genügte, da wir gewöhnlich keine grösseren Intensi- täten nöthig fanden, als die mit der Vorrichtung von 10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags an den trübsten Wintertagen zu erzielenden und bei Sonnenschein oder sehr hellem, weiss- bewölktem Himmel über dem matten Glase noch dämpfen mussten. Untersuchungen über den Sehpurpur. 375 An den Wänden der Kammer befinden sich Gaslampen mit Bunscn'&chen Brennern zur Herstellung von Xatronlicht, worin alle vor oder nach der optographischen Exposition nöthigen Ope- rationen bequem auszuführen sind. Anfänglich wurden nur mit Curare gelähmte und durch künstliche Respiration am Leben erhaltene Kaninchen verwendet; als wir aber sahen, dass die Thiere im C^ermalc'scheu Halter jede gewünschte Zeit vollkommen ruhig bleiben, wenn man sie nicht erschreckt und mit einiger Regelmässigkeit streichelt und dass sich das Auge durch 3 in die Conjunctiva gelegte Fäden genügend fixiren lässt, haben wir den Gebrauch des Giftes ganz aufgegeben. Dagegen wurde der Accomodationsapparat in allen Augen durch Einträufeln einiger Tropfen Iprocentiger Atropin- sulfatlösuDg ausser Wirksamkeit gesetzt, und wenn keine Fixir- fäden gebraucht wurden, ein federnder durch Schrauben ge- sicherter Lidhalter in die Lidspalte gesetzt. Unter diesen Umständen fanden wir von unserem Objecte, wenn dessen Entfernung vom Corneascheitel 24 — 25 Ctm. betnig, nach genügender Exposition jedesmal ein haarscharfes Opto- gramm, worin sich die am wenigsten verzerrten, durch den hinte- ren Pol laufenden Streifen, deren Objectgrösse ^= 5 Ctm. war, 1,5 mm. breit abbildeten. Der fixirte Kaninchenkopf wurde mittelst des Halterbrettes auf einen hohen, vertical verstellbaren Tisch so gesetzt, dass sich das Centrum der Cornea möglichst genau senkrecht unter dem Mittelpunkte des Objectes befand, was nach dem ersten Ausprobiren durch Beachtung einiger auf der Unterlage angebrachter Zeichen immer leicht zu erreichen war. Die einzigen Unregelmässigkeiten der Stellung, welche jetzt vor- kommen konnten, lagen in der des Auges zum Kopfe durch die Fixirfäden und in der Drehung, welche der Kopf selbst um seine Längsaxe mittels des Halters erhielt. Es kam aber selten etwas darauf an, ob die Optogrammstreifen überall senkrecht oder Kühne, Untersuchungen I. 2t5 376 A. Ewald und W. Küline: unter irgend welcliem Winkel zu dem dunkleren Purpurstreifen, welcher in der Kaninchennetzhaut ungefähr an der Stelle des hoiizontalen Trennungsmeridians liegt, verliefen, falls nur Theile des Bildes vorhanden waren, welche solchen Strahlen entsprachen, die nahe am Corneascheitel aufgefallen und in die Xähe des hinteren Poles gebrochen waren. Zur Untersuchung des Optogramms kam ausnahmslos Alaun- härtuug in Verwendung und zwar in der schon angegebenen Weise (Hft. I, S. 83j mit Lösungen von 4pCt. Da die frühere Beschreibung des Verfahrens nicht ausführlich genug gewesen und es zu unserer Kenntniss gekommen ist, dass "^iele Beobachter darnach vergeblich zu arbeiten versuchten, wird hier nachgetragen. dass das Auge erst nach dem Eröffnen und Halbiren, vom Glaskörper befreit in Alaun zu versenken ist. ferner dass das Herausnehmen der Xetzhaut nicht in der Lösung, sondern unter Wasser geschehen muss, um sie zugleich etwas auszuwaschen, wenn die Stäbchenschicht nicht nachträglich während des Trock- nens der Präparate absplittern soll. Glücklicher Weise eignet sich kein Auge so gut, wie das des Kaninchens, um mit der optographischen Methode über die Grade der Veränderung des Sehpurpurs nach Belichtung zu ent- scheiden. Abgesehen von den Vortheilen, welche der weisse Streif der markhaltigen Xervenfasern und der hohe Eintritt des Sehnerven zur raschen Orientirung auf der Xetzhautfläche gewähren, besitzt dieses Auge in dem intensiver gefärbten Purpur- streifen, den wir die Sehleiste nennen wollen, ein ausgezeichnetes Pieactionsband, an welchem die Liteiisität oder die Dauer der Belichtung leicht zu beurtheilen i.st. wenn man dessen Verände- rungen mit den auf der übrigen Fläche entstandenen vergleicht. Ein Bild, das im Allgemeinen avtf der Xetzhautfläche nur ange- deutet ist, wird durch die Leiste vollkommen unterbrochen, und eine in der ersteren deutliche Zeiciinuns ist auf der Leiste oft Untersuchungen über den Sehpurpur. 377 noch verwaschen u. s. av. Es lassen sich daher verschiedene Stadien der Lichtwirkung durch Beschreibung des Optogramms, wie es auf und neben der Leiste aussielit, geben und indem wir diese voranstellen, hoffen wir die Erörterung des Späteren zu vereinfachen. L Xach der kürzesten und schwächsten Belichtung ist nur der centrale Theil des Bildes dui-ch eine Nuance der Farbe angedeutet, ausschliesslich auf der Fläche, gar nicht auf der Leiste sichtbar. (Unter der Fläche ist hier und später der nicht von der Leiste eingenommene Theil der Retina und vorwiegend dessen unterer Abschnitt gemeint.) Man sieht die belichteten Streifen mehr reinroth oder brandroth, weniger purpurn, zwischen den ganz unverändert purpurfarbigen und kann sie zählen, aber da das Bild diffus ist, ihre Breite nicht messen. Die Sehleiste ist continuirlich dunkelpurpur- farbig. IL Etwas intensivere oder längere Belichtung erzeugt ein ähn- lich diffuses Bild; die hellen Theile sind blassrosa, nicht rotli; in der Sehleiste sind ihnen correspondirende rein- rothe, zählbare Flecken zu sehen. Nach weiterer Verlängerung der Exposition oder Zunahme der Intensität entstehen die folgenden Optogramme: III. Auf der Fläche ist das Bild in hellem Gell) und Purpur ausgeführt, die Leiste durch schärfere Einschnitte von blass rosenrotlier Farbe unterbrochen. Jetzt sind die Streifen neben der Seid eiste gut zu messen. IV. Das Bild ist wie in III., aber der durch den Pol gehende oder demselben benachbarte Streif ist rein weiss, seine Fort- setzung auf der Leiste hellgelb. V. Die Streifen sind auf der Fläche scharf weiss und purpurn gezeichnet, in der Sehleiste hellgelb und dort auch messbar. VI. Die Streifen ziehen ohne Unterbrechung über die Sehleiste 378 A. Ewald und W. Kühne: farblos weg; den dunklen Stellen entsprechen auf der letz- teren purpurne, auf der Fläche reinrothe Bänder (vollkom- menes Optogramm). VII. Die weissen Streifen sind breiter, als die farbigen, diese an den Rändern mehr reinroth, orange, rosa oder gelblich (Ueberexposition) . VIII. Die farbigen Streifen stehen als ganz schmale, orangefarbene Linien zwischen den breit übergreifenden farblosen; alle Theile der Retina sind blassorange oder gelblich, die äussersten peripherischen mehr rosa. Um von diesem Zustande bis zur vollkommenen diffusen und ganz nach vorn herumreichenden Ausbleichung zu gelangen, bedarf es noch mindestens halb- stündiger Exposition. Zu unserer eigenen Ueberraschung haben wir gefunden, dass das erste Stadium schon nach 10—15 See. erkennbar, nach ^/a Min. mehr als deutlich ist, dass das Stadium II nach 30 See. oft, nach 45 See. sicher zu sehen ist, dass III nach 1 Min., IV nach 17^ Min., V nach 2 Min. vollkommen, VI nach 3 Min., VII in 3—5 Min., VIII nach 6 — 10 Min. erhalten werden. Die Ueberraschung darüber war um so grösser, als die ganze Ver- suchsreihe bei dem schlechtesten Lichte, das wir überhaupt im Winter hatten, angestellt wurde, bei einem Lichte, das zur selben Zeit von 11—1 Uhr zum Mikroskopiren in bester Lage gegen den südlichen Himmel recht unbequem war. Wir halten es daher für sehr möglich, erkennbare Augenblicksopto- granime mit dem Kaniuchenauge zu gewinnen, wenn das beste Tageslicht oder Sonnenlicht mit geeigneter Dämpfung ver- wendet wird. Von Coccws ist angegeben, dass die Netzhaut im Freien gehaltener Kaninchen nach längerem Verweilen im Dunkeln noch sehr blass oder farblos sei. W^ir fanden dies durchaus bestätigt und waren erstaunt den Verlauf der Dunkelregeneration beim Untersuchungen über den Selipurpur. 379 Kaninchen wenig anders, als beim Frosche zu finden, nachdem uns die optographische Methode mit den colossalen Unterschieden im Gange der Ausbleichung bekannt gemacht hatte. Es gab aber viele Gründe uns diese Erfahrung nicht zu hoch an- schlagen zu lassen, schon weil sie aus einer Methode hervor- gegangen war, die über das Ausbleichen nichts Scharfes ergeben hatte und darum noch weniger über die Rückkehr des Purpurs zu entscheiden versprach. Unsere zeitmessenden optographischen Versuche schlössen bereits die Verwendung der besseren Methode zur Bestimmung der Regenerationszeiten ein, denn man ])rauchte nur erst ein Optogramm auf dem einen Auge herzustellen, das Kaninchen umzuwenden und das zweite Auge zur folgenden Auf- nahme herzurichten, um das erste Bild nach einem beliebigen, der Ptegeneration gewährten Intervalle untersuchen zu können. Wurde das Kaninchen unmittelbar nach Beendigung der letzten Aufnahme getödtet und die Augen schnell präparirt in Alaun * geworfen, so waren zwei Optogramme zu vergleichen, von denen das zuletzt entstandene nur einige Sekunden postmortaler Re- generation, das erste denselben Process intra vitam von der ge- wünschten Dauer erfahren hatte. Ausserdem konnte durch Zu- rückhalten der Augen im abgeschlagenen Kopfe vor der Ueber- führung in das Alaunbad die postmortale Regeneration allein oder der vitalen folgend, zugelassen und ihre Wirkung untersucht werden. In dieser Weise wurden folgende Versuche ausgeführt: Den 30. Nov. wird das linke Auge L von 11 U. 27 Uin. bis 11 U. 32 Min. exponirt, das rechte Auge R von 11 U. 34 Min. bis 11 U. 37 Min. Decapitation um 11 U. 39 Min. L liegt in Alaun um 11 U. 44^/2 Min., R um 11 U. 4P/2 Min. Es waren also exponirt L und R je 5 Min.; L waren 7 Min. zur Regene- ration im Leben, 5^2 Min. postmortal, R nur postmortale Re- generation von 2^2 Min. gewährt. Das Licht war von mittlerer 380 A. Ewald und W. Kühne: Helligkeit. Die Optogramme waren vollständig gleich, ihre Streifen sehr scharf, die hellen auch in der Sehleiste ganz farblos. Die Zeit hatte zur Regeneration nicht gereicht. Wir nahmen jetzt die Regenerationszeit bedeutend länger, exponirteu beide Augen wieder je 5 Min., gaben dem ersten Auge 35 Min. während des Lebens Ruhe in der Dunkelheit, indem wir es, wie immer, so lange gegen schwarze Wolle drückten, als die Exposition des andern Auges dauerte, und warfen es 8 Min. nach dem Tode in Alaun, in welchen das letzt exponirte sofort gelegt war. In der üblichen Weise nach 24 Stunden auf kleinen Porzellanschälchen mit der Rückfläche nach oben aus- gebreitet, boten die Retinae jetzt zwei sehr verschiedene Bilder : das letzt erhaltene, etwas überexponirte war weiss und roth ausgeführt, das zuerst erzeugte in blassem Rosa und intensivem Purpur, etwa dem Stadium II entsprechend. Hiernach braucht ein voll- kommenes, richtiger ein Optogramm des Stadium VII, oder eine Stelle der Netzhaut, welche in 5 Min. gänzhch ausgebhchen ist, mindestens 35 Min. Ruhe im Dunkeln, um wieder erkennbar purpurn (rosa) gefärbt zu werden. Da in 5 Min. bereits Ueberexposition erzielt wird, liessen wir weiterhin das Licht nur 3 Min. wirken, und gewährten dem ersten Auge, das jetzt zuerst und sofort nach dem Tode in Alaun kam, 33 Min. Regenerationszeit, dem zweiten 6 Min. vom Tode bis zum Alaunbad. Das Optogramm des letzteren war untadelhaft in reinem Weiss und Purpur ausgeführt und über- schritt die Sehleiste ohne Unterbrechung des Weiss. Die Netz- haut des ersten Auges zeigte noch Spuren des Bildes in ver- schiedenen rosafarbenen Nuancen, wovon man sich am besten auf der Sehleiste überzeugte. Ein anderer Versuch unter denselben zeitlichen Verhältnissen mit vielleicht etwas geringerer Lichtintensität angestellt, ergab noch vollkommnere Regeneration, so dass unbetheiligte Personen, Untersuchungen über den Selipurpur. 381 denen nur die wieder ausgeruhte Retina vorgelegt wurde, sie für unbclichtet erklärten und die etwas weniger purpurn gefärbten Stellen auf der Sehleiste, die wir, der Distanz der Streifen ent- sprechend, noch wahrzunehmen glaubten, nicht bemerkten. Das andere Controlauge hatte ein vollkommenes Optogramm des Stadium VI geliefert. Aus den angeführten Versuchen ist zu schliessen, dass ein vollkommener, sich auch auf die Sehleiste erstreckender Verlust an Sehpurpur in der Kaninchennetzhaut mindestens 33 Min. Dunkel- heit zu vollkommenem Wiederersatze erfordert und dass der Anfang der Regeneration nach 7 Min. bemerkbar wird. Die am Frosche gewonnenen Erfahrungen machten es auch für das Kaninchen wahrscheinlich, dass diese Zeit bedeutend kürzer ausfallen werde, wenn man es nicht bis zu totaler Aus- bleichung des Purpurs kommen liess, und wir haben in der That gefunden, dass die Anfänge der Optogramme so schnell wieder verwischt werden, wie es die auf die Photochemie des Purpurs begründete Hypothese des Sehens erfordert. Bei einem folgenden Experimente, wo die Exposition wieder 3 Min., aber während eines äusserst dichten Winternebels statt- gefunden hatte, fanden wir das Optogramm an sich gerade ge- nügend, d. h. scharf und messbar, aber überall und besonders in der Sehleiste noch schwach farbig, etwas chamois. Hier hatten für das zuerst gebildete 18 Min. Dunkelwirkung intra vitam ge- nügt, um es fast auszulöschen, wieder so, dass nur in der Leiste für Kenner noch Spuren zu bemerken waren. Diese letzten Spuren scheinen sich nach unseren zahlreichen Beobachtungen überhaupt erst nach 50— (30 Min. zu verwischen, falls das Bild auf der Leiste durch annähernd vollkommene Ausbleichung ent- standen war. Begreifhch zeigten alle nicht überexponirten Optogramme an der Peripherie des Bildes weniger ausgeprägte Differenzen der 382 A. Ewald und W. Kühne: belichteten und der dunkel gebliebenen Stellen, als central, der Art, dass z. B. die mittleren Streifen in weiss und roth aus- geführt waren, wo die peripherischen orange, gelb oder chamois zwischen purpurnen standen. Wenn es richtig war, dass die vollkommen gebleichte Retina u n v e r h ä 1 1 n i s s m ä s s i g langsamer regenerirt wird, als die nur angebleichte, welche noch Reste von Sehgelb oder Sehpurpur enthält, so musste jener Unterschied zwischen den mittleren und den Randtheilen des Bildes durch Regeneration zu verstärken sein und ein neues Mittel gewähren, um den Grad der Regeneration zu beurtheilen. Dies trifft in der auffälligsten Weise zu, und wir hätten uns darum überall wo Regeneration ins Spiel kam, richtiger ausgedrückt, wenn wir, statt von Optogrammen schlechthin zu reden, angegeben hätten, dass deren centraler Theil, oft nur der eine mittelste Streif mit den ihm benachbarten beiden dunklen Bändern ge- meint gewesen. Indem wir auf die Randtheile achteten, fanden wir, dass dort sehr deutliche, aber in sehr hellem Rosa und Purpur oder in Orange bis Gelb und Chamois neben dem Pur- pur ausgeführte Zeichnungen in der That schon nach höchstens 10 Min. verwischt werden. Das war selbst in den ersten' Sta- dien der Ueberexposition an den alleräussersten Randtheilen bemerkbar, vollends an den nur 3 Min. bei ungünstigstem Lichte exponirten und bei den unvollkommenen Bildern der beiden Stadien I und II in solchem Grade der Fall, dass wir uns wenigstens für die gerade gut kenntlichen Bilder gar nicht ge- trauen die Zeit anzugeben, welche zu ihrem Erlöschen genügt. Wir können nur sagen, dass man sich ausserordentlich mit der Decapitation und der Zurichtung des Auges für das Alaunbad eilen muss, wenn man die in ^U Min. herstellbaren Bilder über- haupt sehen will. Optogramme, welche in 1\'2 Min. entstanden sind, brauchen im Allgemeinen 15 Min., in 1 Min. hergestellte 10 Min., um wieder zu verschwinden, und es tritt dabei sehr Uutersuchungon über den Sehpurpur. 883 häufig das ein, \Yas man erNvarten konnte, nämlich dass, wenn von dem Bilde überhaupt noch etwas zu merken ist, dieser Rest aus einem einzigen etwas heller nuancirten Bande in der Nähe des hinteren Poles besteht. Offenbar ist das Auge des Menschen und vieler Thiere in der Lage nach flüchtigen Lichteindrücken, welche selbst in ört- licher Einschränkung keine totale Purpurbleiche aufkommen lassen, der Pictina die zum Regeneriren .nöthige kurze Zeit der Ruhe und Dunkelheit zu gewähren, und wenn dies durch den Lidschlag geschieht und durch das Lid noch etwas Licht dringt, so ist es zu unserem Yortheile rothes, welches das Blut seiner wirksamsten Schwingungen auf den Sehpurpur beraubte. "Wir haben freilich die Ueberzeugung, dass das menschliche Auge in der Tagesarbeit unter gewöhnlichen Verhältnissen vielfach um seinen Purpur kommt und dann wol nahezu 40 ^linuten, wenn nicht mehr, braucht, um wieder zu dem normalen Gehalte zu gelangen ; in dem mittleren Lichte aber, das wir für feinere Arbeit bevorzugen, und in der Beleuchtung, die wir namentlich zum dauernden Sehen verwenden, dürfte der Sehpurpur immer nur theilweise in einem Stäbchen zersetzt werden und statt der Neubildung nur Rückbildung seitens des Epithels beanspruchen. Die letztere ist es aber, welche halbe Stunden, die erstere, welche Minuten, vielleicht nur Secunden oder Bruchtheile von Secunden in Anspruch nimmt, und wenn dem so ist, so wird die dazu nöthige Verdunkelung entweder erreicht, indem wir den Blick von hellen Objekten auf dunkle gleiten lassen, oder ebenso un- bewusst durch den Lidschlag ; andernfalls müssten wir gewärtig sein, unsern Sehpurpur für länger als eine halbe Stunde, wie das Kaninchen unter dem optographischen Objekte, zu verlieren, wenn wir nur o Min. zum Fenster hinaus dem Zuge der Winter- nebel folgen, was Niemandes Auge anstrengt. Um aus solchen Ueberlenunpen wissenschaftliches Gut zu 384 A. Ewald und W. Kühne: machen, gibt es keinen andern Weg, als die Beobachtung am menschlichen Auge und es ist darum sehr zu beklagen, dass es bis heute nicht gelungen ist, mit dem Augenspiegel zu entscheiden, ob der Sehpurpur an der Leuchtfarbe des Augengrundes bethei- ligt sei, und dass Niemand von dem lebenden Auge sagen kann, ob es purpurhaltig ist oder nicht. Es wird desshalb jede An- gabe über die Farbe menschlicher Netzhäute von Werth sein, wenn ihr die Bedingungen, unter welchen das Auge sich vorher befunden, ' hinzuzufügen sind. • Schon die eine von Schenk und ZucJierhindl gefundene Thatsache, dass das Auge eines nach Sonnenaufgang unter freiem Himmel Hingerichteten purpurhaltig und den Angaben nach mindestens so purpurreich, wie die meisten bis jetzt untersuchten Dunkelaugen gewesen (vergl. Hft. I, S. 33), ist desshalb hoch schätzbar und hätte wohl verdient, bei ihrer weiteren Verbreitung durch Referate vollständig mit Rücksicht auf die Belichtung wiedergegeben zu werden. Wir fügen der- selben (vergl. die Nachträge) eine Beobachtung hinzu über Er- haltung des Purpurs bis zum Tode in einem von Gaslicht erleuch- teten Sterbezimmer. So weit es möglich war, haben wir versucht, über den Ein- fluss des Lidschlages und der Intermittenz des Lichtes auf den Gang der Purpurbleiche bei Thieren Aufschluss zu suchen. Hin- sicht) ich der Resultate und deren unmittelbarer Uebertragung auf das Sehen, was fast gleichbedeutend mit der Annahme wäre, dass sich die Dinge beim Menschen ebenso verhalten, wie beim Kanin- chen, ist im Voraus zu bemerken, dass wir sowohl in den bekannten Unterschieden des feineren Baues zwischen thierischen und mensch- lichen Netzhäuten, wie in der Thatsache, dass die meisten Thiere ausser dem Auge und dem Ohre in der Nase ein drittes fern- reichendes Sinnesorgan besitzen, das dem Menschen beinahe abgeht, starke Gründe zur äussersten Zurückhaltung und zur ausschliesslichen Verwendung des Gefundenen auf das noch Untersuchungen über den Sclipuvpur. 385 genauer zu untersuchende Sehvermögen der Versuchsthiere finden. Zum Optographiren mit unterbrochener Belichtung wurde vor dem Auge eine dunkle Scheibe mit geeigneten Aussdinitten durch ein Uhrwerk gedreht. Um jede gewünschte Gescliwindig- keit zu erhalten, wurde die bewegliche Axe mit Hülfe einer fest da- rauf gesetzten Rolle von kleinem Durchmesser und einer über deren rauhen Rand laufenden Schnur mit der Trommel des nach Ludwi(js Angaben von Balfzer und Schmidt in Leipzig gebauten Kymographions in Verbindung gesetzt, dessen Umgänge bekannt- lich innerhalb weiter zeitlicher Grenzen nach Willkür veränder- lich sind. Die Trommel war an der Stelle, wo die Schnur um sie lag, zur Sicherung der Reibung mit einem Tuchstreifen über- zogen. Es gelang so das Diaphragma der Scheibe mit grosser Regelmässigkeit über dem Auge vorbei zu bewegen. Indem die Scheibe in der Secunde einmal umlief und die Diaphragmen 2 gegenüberliegende Quadranten einnahmen, wurde das Auge je Vi See. beschattet und ^U See. belichtet, also die halbe Versuchszeit exponirt unter 2maligem Wechsel von hell zu dunkel in 1 Secunde. Als Belichtungszeit wählten wir zunächst diejenige, welche ununterbrochen mit Sicherheit vollkommene, eher über- als unterexponirte Optogramme heferte, also 3 Min., im Ganzen jetzt 6 Min. Das Kaninchen wurde wie gewöhnlich aufgestellt und die drehbare Sclieil)e möglichst nahe über das Auge gerückt. Nach weiteren 6 Minuten befand sich das zweite Auge unter dem beweglichen Diaphragma; es wurde 3 Minuten exponirt. Bis zum Decapitiren verging noch 1 Min. Aus dem Alaun genommen zeigte das erste Auge, das also während 3 Min. Licht erhalten und zur Regeneration 10 Min. (G -[- 3+ 1 Min.) Zeit gehabt hatte, welche für diese Expositionszeit früher durch- aus nicht genügt hatte, das Bild wieder unkenntlich zu machen, nur Spuren des Optogramms, das nur aus zwei kenntlichen, 386 A. Ewald und W. Kühne: eUvas heller gefärbten Streifen bestand, nichts von seinen peripherischen Theilen errathen Hess und auf der Sehleiste kaum zu bemerken war. An dem andern Auge, das im Ganzen 1^/2 Min., also vollauf genügend um ein sehr kenntliches Bild zu liefern, belichtet worden, war keine Spur des Opto- gramms zu erblicken. Hier fällt jeder Verdacht weg, dass erblasste Stellen nachträglich regenerirt worden. Der Versuch beweist, dass nach jedesmaliger 7-^ See. dauernder Belichtung, ebenso lange Beschattung nahezu vollkommene Regeneration hervor- bringt; wir sagen: „nahezu", obgleich die letzte Exposition von IV2 Min. gar kein Bild gegeben hatte, weil der andere Versuch von der doppelten Zeit noch eins erzielte und wir uns nicht vor- stellen mögen, dass es erst nach Ablauf der ersten 1^/2 Min. angefangen habe, sich zu bilden. Unter Einhaltung derselben Zeiten haben wir diesen Versuch, schon um möglichst grosse Sicherheit im Experimentiren zu erwerben, viele Male bei der gleichen, fast ausschliesslich verfügbaren, sehr massigen Intensität des Tageslichtes wiederholt und immer dasselbe oder fast gleiche Resultat erhalten. Bei hellerem Lichte unter jagenden, weissen Wolken, das uns ausnahmsweise begünstigte, kamen trotz Intermittenz Opto- gramme aber schon in ^/2 Min. zu Stande. An demselben Tage wurden 2 Versuche gemacht, indem das erste Auge jedesmal 1^2 Min., das zweite 1 Min. unter dem Apparate verweilten. Zwischen beiden Expositionen vergingen je 12 Min., so dass das erste Bild je 15 Min. Zeit zur Regeneration erhielt. Der Erfolg war bei dem zweiten Augenpaar der genannte, bei dem ersten, Abwesenheit jeglichen Optogramms. Für dieses Licht hatte die Zeit von 30 See, die es nach Abzug der Unterbrechungen auf die Retina fiel, genügt, das Stadium I etwa hervorzubringen und da es in dem jedesmal vorangegangenen Versuche 45 See. gewirkt hatte, musste das Optogramm dort noch besser gewesen sein, Untersuchungen über den Sehpurpur. 387 immer aber schwach genug, um in den 15 Min. darauffolgender Dunkelheit wieder verwischt zu werden. Noch ohnmächtiger erwies sich die Intermittenz bei weiterer Steigerung der Lichtintensität. Am 11. Jan. exponirten wir ein Auge um 12 Uhr in der gewohnten Weise, während der Himmel wolkenfrei war und die Sonne auf den oberen Verschluss des Lichttrichters fiel. Obwohl die Objecttafel keine direkten Sonnen- strahlen erhielt, wurde eins der Diaphragmen auf der Drehscheibe geschlossen, so dass nun auf Vi See. Belichtung '"^ji See. Schatten folgte. Das erste Auge wurde G M'm. unter dem Apparate ge- halten, also 90 See. belichtet, das zweite V2 Min. später o jMin., so dass es 45 See. Licht erhielt. Das Thier wurde darauf sofort getödtet. Das erste Auge, welches hiernach noch 3^2 Minuten Regenerationszeit erhalten hatte, zeigte 3 weisse Streifen, deren Fortsetzung auf der Sehleiste hell rosa aussah, während das zweite Auge nur einen kenntlichen Streifen, farblos mit rosa gefärbter Umge])ung erkennen Hess. Unmittelbar nach diesem Versuche Avurde bei fortdauerndem Sonnenschein an einem zweiten Kaninchen, unter Beibehaltung der eben genannten Intermittenz, das erste Auge 3 Min., das andere, 1 Min. später, 172 Min. exponirt und um weniger Licht in das Auge dringen zu lassen, ein kreisförmiges Diaphragma von 3,5 mm. Durchmesser unmittelbar über dem Corneascheitel be- festigt. Im zweiten Auge war die Retina jetzt ganz unverändert purpurfarbig, während die des ersten zwar kein Optogramm, im Ganzen aber eine mehr reinrothe Färbung erkennen Hess. Für die Intensität, welche das Licht jetzt im Auge noch haben konnte, war also die der Belichtungszeit dreimal überlegene Zeit der Verdunkelung hinreichend, um während 22,5 See. und 45 See. im Ganzen wirkender Bestrahlung keine bemerkbare Bleichung aufkommen zu lassen. Unsere Absicht, am Kaninchen den Lidschlag nachzuahmen 388 A. Ewald und W. Kulme: oder die zeitlichen Verhältnisse des Blinzeins oder Plinkens menschlicher Augen auf das Kaninchen zu übertragen, scheiterte an der Unmöglichkeit am Kaninchen irgend welche Regel dieser Bewegungen herauszubringen. Ganz im Lichte oder vor einer hellen Oeffnung gehalten pflegten sie gar keinen eigenthchen Lid- schlag vorzunehmen, sondern die Augen zuweilen für längere Zeit zu schliessen; es hatte daher keinen Sinn, diese indolenten Thiere unter dem optographischen Objecte, wo man sie noch fesseln musste, darauf gründlicher zu untersuchen. Da es auch am Men- schen kurzer Hand nicht glücken wollte, bei der gegebenen Be- lichtung, Normen für den Lidschlag herauszubringen, insofern unbenachrichtigte Personen, die sich mit dem Kopfe unter das Object legten, bald ohne Lidschlag darauf starrten, bald in offen- bar ungewohnter Weise häufig blinzelten, haben wir nur einige Versuche in der Art ausgeführt, dass wir mit der Hand jede zweite Secunde einen schwarzen Pappstreif mit solcher Geschwin- digkeit vorbei bewegten, dass das Auge etwa so lange beschattet blieb, wie das eines daneben stehenden Menschen, wenn er das Lid senkte. Ein unter diesen Umständen in 3 Min. bei sehr trübem Lichte erhaltenes Optogramm war nicht merklich von den früheren, ohne alle Intermittenz in derselben Zeit gewonnenen, verschieden. Ebenso fiel ein Versuch mit dem Uhrwerke aus, als wir damit jede Secunde einen Streifen von 5 Ctm. Breite, 20 Ctm. von der Axe entfernt, vor der Cornea vorüber- ziehen liesseil. Nach diesen Erfahrungen bleibt es am gerathensten von den Lebensgewohnheiten, welche das Sehen der Thiere begleiten, abzusehen und die Frage rein experimentell zu behandeln, indem man die Zeiten und den Rhythmus herausprobirt, bei welchen der Sehpurpur in der lebenden Netzhaut trotz der Belichtung er- halten bleibt. Da dies nur durch eine sehr grosse Versuchs- reihe möglich ist. und Herr Dr. Jijres, der uns schon bei der Untersuchungen über den .Sehpurpur. 889 vorstehenden sehr wirksam unterstützte, darüber bald weitere Mittheilungen wird geben können, beschränken wir uns auf die Anführung des Folgenden. An einem der wie gewöhnlich trüben Tage, wo die Lichtinten- sität wieder so war, wie bei der überwiegenden Mehi-zahl der Aufnahmen, wo also in 15 See. ein angedeutetes Bild, in 45 See. ein dem Stadium II entsprechendes erhalten wurde, exponirten wir noch einmal in derselben Weise, wie früher, so dass jede Belichtung 7^ See, jede Beschattung ^U See. dauerte. Das erste Auge erhielt 45 See. Licht, das zweite 22,5 See; die ganze \'ersuchsdauer betrug demnach je 3 Min. und 1^2 Min. Das zweite Auge wurde sofort höchstens ^t Min. nach dem ersten eingestellt, das Thier unmittelbar darauf getödtet und die Augen mit grosser Eile in Alaun gebracht. Jetzt waren beide Retinae völlig unverändert, von Dunkelnetzhäuten gar nicht zu unter- scheiden. Für das verwendete Licht mittlerer Helligkeit war also die eingehaltene Intermittenz die richtige, um die normale Entstehung des Bildes aufzuheben, oder die gewöhnliche kräftige Anfangsbleichung zu verwischen, was nur der Regeneration zu- geschrieben werden kann. Noch wirksamer erwiesen sich zwischen die Belichtung ein- geschobene Beschattungen längerer Dauer. Wir verschlossen an der Scheibe eins der Diaphragmen, so dass unter sonst gleich- bleibenden oder selbst günstigeren Verhältnissen die Belichtung statt der Hälfte nur */.i der Versuchszeit dauerte und auf V'i See. Belichtung je ^/i See. Beschattung folgten. Das erste Auge wurde bei besserem Lichte, als im vorigen Versuche, 8 Min. expo- nirt, also 2 Min. belichtet, das zweite in 2 Min. während 30 See. insolirt. Im ersten Auge zeigte sich eine äusserst schwache Andeu- tung eines hellen Streifens auf der Fläche, nicht in der Sehleiste, rosenfarben und so kurz, dass nur die Spur eines Bildes zu ahnen war. Im zweiten Auge war gar keine Veränderung zu bemerken. 390 A. Ewald und W. Kühne: Schliesslich wurde der Ausschnitt des einen Diaphragmas noch auf die Hälfte reducirt, so dass ^/s See. Dunkelheit mit i/s See. Licht abwechselten. Der Versuch dauerte eine volle Stunde, die Retina erhielt (wieder bei recht günstigem Himmel) demnach Licht während der enormen Zeit von 7^/2 Min. Den- noch bestand das Optogramm aus nur zwei rosafarbenen, sehr kurzen Streifen oder Flecken. Erwägt man, mit welcher Geschwindigkeit der Purpur im lebenden Auge des Säugethieres bleicht und mit welcher Lang- samkeit er beim Frosche intra vitam schwindet, erwägt man fer- ner, wie gross in dieser Hinsicht die Differenz zwischen der iso- lirten und der im lebenden oder überlebenden Froschauge be- findlichen Netzhaut, wie klein sie beim Kaninchen ist, so scheint im Auge des Warmblüters von Indolenz des Purpurs kaum die Ptede sein zu können und wenn man nicht die ungereimte Annahme machen will, dass der Regenerationsprocess beim Frosche mit trägem Stoffwechsel, kräftiger und schneller arbeite, als beim Warm- blüter, wo die meisten chemischen Umsetzungen in viel kürzerer Zeit verlaufen, so erwecken die Thateachen zunächst nicht grade Vertrauen zur allgemeinen Gültigkeit der vom Froschauge er- schlossenen Processe. Dennoch sind dieselben . maassgebend und es bleibt nur das Eine z. Zt. auffallig, dass die Kaninchennetz- haut nach totaler und kurze Zeit bestandener Purpurbleiche gegen 35 Min. und mehr Lebenszeit gebraucht, um wieder auf den alten Stand zu kommen. Immerhin ist diese Zeit kürzer, als beim Frosche und es wird die zeitliche Differenz der Lebens- bleiche deshalb auf eine grössere Lichtempfindliclikeit der pur- purnen Schicht, welcher der Regenerator trotz grösserer Leistungs- fähigkeit nicht gewachsen ist, zurückzuführen sein. Die nächste Annahme, zu welcher die unbefangene Ueber- Untersuchungen über den Sehpurpur. 391 legung greift, dass der Purpur der Säuger ein anderer, licht- empfindlicherer chemischer Körper sei, als der des Frosches, Hess nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen im Stich, denn im gelösten Zustande zeigte er davon nichts. Wir haben möglichst gleich gefärbte Purpurlösungen vom Frosche, dem Rinde und dem Kaninchen in demselben Lichte gehalten in nicht merklich verschiedener Zeit ausbleichen und die Lichtbleiche in der iso- lirten Retina des Kaninchens nur um so viel schneller verlaufen sehen, als es nach der Längendifferenz gegenüber den Stäbchen des Frosches, d. h. wegen der geringeren Dicke der Purpurschicht zu erwarten war. Von welchem Einflüsse dies sei, bedarf keiner Erörterung; wir haben es auch direkt an dem langsameren Blei- chen der Retina einer Ratte beobachtet, wo die Stäbchen sehr lang sind und die Färbung in Folge davon so auffällig ist, wie es schon 3Iax Schultse hervorhob. In der Kürze der Stäbchen ist also ein Moment gefunden, das die Vorgänge in den meisten Säugeraugen verständlicher und die Annahme verschiedener Pur- purarten scheinbar unnöthig macht. Ein anderes vielleicht so nahe liegendes Moment, dass man es an erster Stelle vermisst haben wird, war in der Höhe der Körpertemperatur zu vermuthen. Dieselbe ist in der That von ausserordentlichem Einflüsse, aber wir entdeckten es erst auf einem Umwege, nachdem wir die im nächsten Capitel zu beschreibende kaum merkbare Steigerung der Lichtempfindlichkeit des Froschpurpurs von + lO*' bis + 37'' und 38'' C. in, wie ausserhalb der Netzhaut wider Erwarten bemerkt hatten. Ein Versuch am Lebenden gab erheblichere Differenzen zu Gunsten der Bluttemperatur, denn wir fanden die Retina eines im Wasserbade von 38° C. gefesselten Frosches, dessen Auge gegen den Himmel gerichtet worden, nach 15 Min. stark abgeblichen, während die des Controlthieres von 12" C. dazu mehr als 30 Min. gebrauchte. Glücklicher Weise brauchen wir uns auf diesen Versuch nicht zu berufen, denn das mikrosko- Kühiie, Untersuclmngen I. 27 392 A. Ewald und W. Kühne: pische Aussehen der im Leben erwärmten Retina musste Misstrauen gegen die Verwendung der Thatsache auf die vorliegende Frage und auf die Lebensverhältnisse überhaupt erwecken: die Retina war scheckig und enthielt ausser wirkhch gebleichten Stäbchen ungewöhnlich viele Pseudooptogramme, wo nur Zapfen standen, während die Stäbchen im Augengrunde am Epithel sitzen ge- blieben waren. Temperaturdifferenzen, die am Froschpurpur ohne Einfluss auf die Lichtbleiche waren, konnten an dem des Kaninchens Be- deutung haben. Wir erwärmten deshalb in der Weise, wie es im nächsten Capitel beschrieben wird, jedesmal neben einer Froschnetzhaut die Hälfte einer ganz frischen Kaninchenretina auf 37*^,5 C. und stellten daneben eine Einrichtung auf, welche die andere Hälfte der letzteren auf 12*^ C. erhielt. Als die Er- reichung der genannten Temperaturen anzunehmen war, wurden alle dem gleichen, sehr schwachen Lichte ausgesetzt und da er- gab sich in der warmen Kaninchennetzhaut schon nach 10 — 15 See. ein starker Umschlag in Gelb, während die andere noch pur- purn, nicht einmal roth war, nach 30 See. ein Unterschied von Roth zu hellstem Gelb, nach 45 — 60 See. vollkommenes Er- bleichen im erwärmten Präparate, wo das kältere erst aus Orange in Gelb überging, das da erst in 4—5 Min. ganz verschwand. Die Froschnetzhäute veränderten sich bei dem schwachen Lichte überhaupt erst in 2 Min. zu Gelb und zeigten untereinander verglichen, kaum merkbare Differenzen. An feuchten Alaunprä- paraten ergab dasselbe Verfahren ähnhche Unterschiede, von denen an ebenfalls alaunisirten Froschnetzhäuten wiederum nichts zu finden war. Die erwärmte Kaninchennetzhaut schlug hier fast augenblicklich in Gelb um, während die andere mehr als ^/2 Min. brauchte, um nur orangeroth, mehr als 1 Min., um gelb zu werden. Das Gelb schwand an dem verwendeten Lichte üb- rigens in beiden Netzhäuten nicht vollständig. Untersuchungen über den Sehpurpur. 393 Dies Verhalten macht es mehr als wahrscheinlich, dass der Sehpiirpur nicht bei allen Thieren der nämliche chemische Kör- per sei. Entscheidung darüber ist von Erwärmungsversuchen an Purpurlösungen verschiedener Quellen zu erwarten. AVie es ver- schiedene Hämoglobine giebt, so liegt in der Vermuthung für den Sehpurpur nichts Ungereimtes, um so weniger, als man ohne die Annahme schwer versteht, weshalb die Xetzhautfarbe mancher Tliiere selbst bei mittlerer Sättigung so viel mehr zum Violet neigt, als bei anderen. Gegentheiligen Angaben gegenüber müssen wir von neuem hervorheben, dass sich namentlich der mensch- liche Purpur darin auszeichnet, den wir in richtigen Dunkelaugen wenn auch gelegentlich weniger intensiv, als beim Kaninchen, nach lichtsicherer Präparation aber im ersten Anblick viel violetter, als bei jenem, gesehen haben. Unter den Gründen der schnelleren Ausbleichung beim Ka- ninchen, der langsameren beim Frosche ist noch der Pupillen- weite zu gedenken, denn alle neueren Versuche am Kaninchen beziehen sich auf atropinisirte Augen, während das Mittel beim Frosche bis jetzt selten Verwendung fand. Es wird über den Einfluss des Giftes am Froschauge noch manches experimentell festzustellen sein, um die optographische Methode da von Un- sicherheiten zu befreien, welche bei Differenzen der Pupillenweite von 1 mm. — 3 mm., die wir an gleichmässig belichteten Fröschen sahen, nicht fehlen können, aber man darf nicht glauben, dass die am Auge lebender Frösche und Kaninchen constatirten colos- salen Bleichungsunterschiede auf die Pupillendifferenzen zurück- zuführen seien, da das Kaninchenauge mit engster Pupille dem weitesten Froschauge immer noch ausserordentlich überlegen ist und ein halbirtes Froschauge, das so offen ist, wie eine Schaale, noch relative Indolenz des Sehpurpurs zeigt. Vergleichungen der beiderlei Augen sind ohnehin unzulässig, weil das Bild darin bei gleicher Pupillenöffnung von sehr verschiedener Grösse und das 394 A. Ewald und W. Küline: Licht in Folge davon auf den Netzhautelementen von entsprechend verschiedener Intensität ist. Am Kaninchen haben wir den Einfluss der Pupillenweite besonders festzustellen gesucht, indem wir in jedem Auge ein Bild erzeugten und nur beim zweiten Atropin wirken Hessen, oder indem wir beide Augen atropinisirten und einen Versuch hinter einem dicht vor der Cornea befestigten Diaphragma von 4 mm. Durchmesser, das die Wirkung einer sehr engen Pu- pille hatte, den andern ohne dasselbe ausführten. Unter dem optographischen Objecte fanden wir den Durchmesser der Ka- ninchenpupille meist = 4 — 4,5 mm., nach dem Atropin = 7, .5 — 8 mm. und die erforderlichen Expositionszeiten diesen grossen Unterschieden entsprechend veränderlich. Gefunden wurde z. B. Folgendes: Das erste Auge war vor dem Atropin 6 Min., das zweite nach der Giftwirkung 3 Min. exponirt: 1 zeigte gar kein Bild, 2 ein überexponirtes ; oder es waren beide Augen atropini- sirt, das erste 7 Min., das zweite hinter der künstlichen Pupille 10 Min. exponirt: 1 hatte ein stark überexponirtes Bild, 2 eins, das für vollkommen gelten konnte. Andere Versuche zeigten, dass mit der hier überall verwendeten optographischen Einrich- tung auch im besten Lichte mit dem engen Diaphragma oder ohne Atropin in weniger als 5 — 6 Min. anhaltender Exposition kein Bild zu erzielen war. Wenn es dem Einen von uns früher gelang die ersten Lebensoptogramme am nicht atropinisirten Auge in 3 — 5 Min. zu erhalten, so lag dies an dem damals benutzten viel intensiveren Lichte, das nicht durch mattes Glas, welches später ohne Ausnahme die Fläche des Objectes bildete, gedämpft worden. Hiermit schliessen wir die Mittheilung der ersten ausge- dehnteren Erfahrungen über Aenderungen der Retinafarbe durch weisses Tageslicht ab, in der Meinung, dass die Fortsetzung der Versuche erst Erfolge verspricht, wenn man die Intensität des Untersuchungen über den Sehpurpur. 395 Lichtes beherrschen und bestimmen kann. Eher dürften manclie Fragen, die bis jetzt unberührt bleiben mussten, wie z. B. die von der photochemischen Induction, nicht in lohnender Weise in Angritt" zu nehmen sein. Vom Eiiiilnsse des farbigen Lichtes auf den Sehpurpur des lebenden Aug-es. Am Schliisse des ersten Capitels wurde kurz erwähnt, dass die Belichtung des lebenden Froschauges mit monochromatischem Lichte des Spectrums Veränderungen erzeugte, Avelche identisch mit den von uns an der isolirten Netzhaut auf gleiche Weise erhaltenen waren. Da diese unsere Angabe, die wir nach sehr zahlreichen weiteren Versuchen im ganzen Umfange, mit grösster Bestimmtheit vertreten, in ausgeprägtem Widerspruche zu den Angaben BoIVs über denselben Gegenstand steht, sind wir ge- nöthigt genauer darauf einzugehen. Wir fan.den nur ein Mittel, um die Ausbleichung intra vitam durch spectrales Licht, das naturgemäss nur von geringer Inten- sität sein kann, zu erzielen, indem wir mit oder ohne einge- schaltete zweite Linse den Schnittpunkt der Strahlen so nahe vor das Auge des fixirten Frosches fallen Hessen, dass die Strahlen im Auge parallel wurden oder etwas divei'gent die Ketina er- reichten. Um vor dem Uebergreifen benachbarter Strahlen sicher zu sein, wurde der Frosch hinter einen besonderen Spalt gerückt, der nur die gewählte Farbe durchliess. Jede andere Art spec- traler Belichtung, indem man den Frosch z. B. ohne Umstände an irgend welcher Stelle eines sehr grossen Spectrums befestigte oder auf eine Fläche legte, die vom Bildspalte ein breites Büschel divergenten einfarbigen Lichtes erhielt, verfehlte den Zweck: die Intensität reichte dann auch im wirksamsten Gelbgrün nicht hin. Unser Verfahren erzeugte auf der Netzhaut ein Optogramm, und wie dieses l)eim Frosche zu erhalten sei, welche Schwierig- keiten dazu zu überwinden waren, wurde bereits in einer be- 396 A. Ewald und W. Kühne: sonderen Abhandlung (Heft 3. S. 225) erörtert; was dort für diffuses Tageslicht angegeben worden, galt in gleichem Maasse für die Bilder farbiger Objecte: es musste auch hier die Expo- sition lange dauern und es musste in allen Fällen für die Ab- lösung der Netzhaut von dem festhaftenden Epithel durch An- wendung des Curareödems gesorgt werden; nach rother Belich- tung war das Mittel nicht einmal ausreichend, obwohl wir diese mit dem Spectrum zu Veränderungen der Netzhautfarbe niemals intensiv genug erhielten. In diesem Falle mussten die ödema- tösen Frösche sogar in einem Bade von etwa 35'' C. gehalten werden, um die Retina aus dem Auge rein herausnehmen zu können. Der Widerspruch unserer Befunde zu denen BolVs liegt in 2 Punkten. JBoll giebt an, er habe durch das mit einem Mer^- schen Prisma aus schwerem Flintglas (das wir auch verwendeten) erzeugte Spectrum dieselben Resultate, wie mit farbigen Gläsern erhalten, also abgesehen von eigenthümlichen, neu aufgetretenen Nuancen, die noch zur Erörterung kommen, auch dieselben zeitlichen Differenzen in der Wirkung der Einzelfarben. Mit blauen Kobaltgläsern wurde ganz so, wie es der Eine von uns für reines blaues Licht, welches durch Kupferoxydam- moniak gegangen war, gefunden hatte, die schnellste Aus- bleichung erzielt ; wir fanden aber beim spectralen Blau das um- gekehrte Verhalten und zwar nicht nur an der isohrten Netzhaut, sondern auch an der intra vitam belichteten, wenn wir die Wir- kung mit der des Grün und Gelbgrün verglichen. Da blaue Kobaltgläser ausserordentlich viel Roth durchlassen, haben wir nicht versäumt mit Spectralfarben zu untersuchen, ob die Bei- mengung dieses Roth die Wirkung des Blau unterstützen könne, aber es wurde keine Andeutung davon gefunden und da Kupfer- oxydammoniak, ausser dem Blau, das Violet wenig absorbirt, wurden auch Versuche mit Mischungen aus spectralem Blau und Violet angestellt, die ebenso wenig Verstärkung der Wirkung Untex'suchungen über den Sehpurpiir. 397 oder keine andere, als die in der Intensitätzunahme begründete, ergaben. Somit bleibt für die zwischen beiden Methoden be- stehende Differenz keine andere Deutung, als die an sich ein- leuchtende übrig, dassdas blaue Spectrallicht beträchtlich weniger intensiv ausfällt, als das durch Absorptionsmittel zu erzielende, und dass grünes oder gelbgrünes, durch Absorption erhaltenes Licht, wenn es einigermaassen rein ist, dem ebenso erhalteneu blauen an objectiver Intensität nachsteht. Im Brechungsspectrum ist dies umgekehrt und im Interferenzspectrum auch noch in dem Maasse der Fall, dass das Blau bezüglich seiner Wirkung auf Sehpurpur unter allen Umständen dem Grün und Gelbgrün nachsteht^). Der zweite Punkt, wo unverträgliche Resultate zu reimen sind, liegt in der angeblichen specifischen Aenderung der Eetinafarbe. Allerdings sind die ersten Aussagen darüber (Monatsber. d. Berl. Acad. Jan. 1877), welche allgemein den Glauben erregten und erregen sollten, dass der Sehpurpur nichts Geringeres als die Lösung des sog. Problems farbiger Photographieen und des ur- alten Räthsels von den Qualitäten der Empfindung verspreche, allmählich stark und so weit abgeschwächt, dass es dem Ein- zelnen überlassen bleibt zu entscheiden, wie viel oder wie wenig sich von den ersten Träumen verwirklicht habe; wir glauben aber gerade desshalb keiner Zweideutigkeit mehr Raum lassen zu dürfen und stellen darum gleich das Resultat unserer Erfahrungen an die Spitze der Darstellung. Es lautet: ') Im soeben exstirpirten Kauinclienauge Avurde das gelbgrüne und grüne Spectrallicht dem blauen ebenfalls überlegen gefunden. Das albino- tische Auge war im Dunkelzimmer hinter dem Fernrohrocular eines ge- wöhnlichen Spectralapparates so befestigt, dass man ein gutes kleines Bild des vom directen Sonnenlichte erzeugten Spectrums durch die Sklera scheinen sah. Auf dieser wurden mit Tinte, so gut es ging, die Grenzen der Farben bezeichnet, um sich nachher im Optogramni orientiren zu können. AVir fanden nach Exposition von 6 — 8 Minuten eine Ausbleichung, welche erst hinter dem Gelb begann und vor dem Blau endete. 398 A. Ewald und W. Kühne: 1. In der isolirten. wie in der lebenden Netzhaut giebt es nur ein farl)i^e.s Zersetzuugsprodukt des Seh- purpurs. das Sehgelb und das Yerhältniss des Sehgelb zum Purpur bedingt die Nuancen der ßetinafarbe nach der Einwirkung des Lichtes. 2. Wo das Sehgelb so schnell oder schneller zer- setzt wird, als der Sehpurpur, wird die Netzhaut rosa oder lila: wo das Umgekehrte stattfindet, roth, orange, chamois oder gelb. JBoll beschreibt und bildet ab 3 Farben der Netzhaut, die rein rothe, als der Dunkelretina zukommend, die purpurne, von tiefem Purpur bis Lila, als durch "Wirkung der rothen, grünen und blauen oder violetten Strahlen, die orange bis gelbe, durch gelbes bis gelbgi'ünes Licht entstanden. Alle diese Farben können aus Sehpurpur und Sehgelb unter passender Verdünnung durch Mischung hergestellt werden, und unsere Beobachtungen über die wirkliche Aenderung, welche Licht verschiedener Wellenlängen erzeugt, würden als thatsächliche Grundlage der obigen Sätze vollkommen mit BoJV'^ Angaben vereinbar sein, wenn nicht gegen deren Beziehung zu den Behchtungsfarben und gegen die Be- zeichnung der Dunkelfarbe oder Grundfarbe AViderspruch zu er- heben wäre. Hinsichtlich der Dunkelfarbe müssen wir auf Cap. I und II verweisen und hier vorausschicken, dass die folgenden Thatsachen grade so unverständlich bleiben würden, wie die von uns über die Aenderungen der isolirten Retina gefundenen, wenn man sich nicht überzeugen kann, dass die Retina v o r aller Lichtwirkung purpurn ist. Wir beginnen mit der Frage nach der Wirkung des rothen Lichtes. Rothes Licht, das kein brechbareres, über die Linie C hin vorkommendes enthält, bleicht den Purpur bei bedeutender Intensität langsam, aber zweifellos und vollkommen, im Leben Untersuchungen über den Sehpurpur. 399 wie postmortal. Es wird aber behauptet, dass es (geringere Inten- sität vorausgesetzt) auch das Entgegengesetzte thue, dass es die Netzhautfarbe, wenigstens intra vitam, verstärke oder vertiefe, und dass es die normale Grundfarbe, die von der ungeheuren Mehrzahl der Ophthalmologen für Roth gehalten und ohne Zweideutigkeit ausdrücklich dafiir erklärt wird, so dass Niemand von Denen, welche sich der Bezeichnung bedienen, sagen kann, er habe die Purpurfarbe nicht geläugnet, in Purpur oder in Braun umwandle. Das Braun betreffend, würden wir jedes Wort für ül>erflüssig halten, wenn nicht Boll sehr bestimmt angäbe, dass es nicht nur an der gesammten Netzhaut, sondern auch an den einzelnen, durch die Längsaxe gesehenen Stäbchen ohne Zuthun des in die Stäl)chenschichten reichenden epithelialen Pigmentes deutlich erkennbar sei und wenn nicht Bonäers (Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. Beilageheft. XV. Jahrg. S. 155) die Farbe der menschlichen (Dunkel-) Netzhaut damit charakterisirt hätte, dass sie mehr bräunlich sei. Da wir nicht annehmen dürfen, dass Bonäers^ der die Netzhaut auch für roth, nicht für purpurn hält, das Haften braunen oder schwarzen Epithelpigmentes, das an jeder Thier- netzliaut vorkommen kann, l)ei dieser Gelegenheit für er- wähnenswerth gehalten habe, bleil)en Bestätigungen seiner An- gabe für den Menschen alizuwarten ; wir haben bisher in keinem menschlichen Auge etwas ihr entsprechendes gesehen und nehmen fast Anstand zu sagen, dass uns einzelne menschliche Retinae vorgekommen sind, die da l)räunlich waren, wo das Mikroskop zwischen den Stäbchen Pigmentkörnchen zeigte. Die Israune Nuance an anderen, davon freien Präparaten zu sehen, hatten wir keine Gelegenheit. In nicht zu intensivem rothen Lichte gehaltene Frösche liefern ausserordentlich dunkle Netzhäute , aber es liegt dies daran, dass ihr Purpur unverändert ist, während sehr viel schwarzes Pigment auf den Stäbchen liegt oder zwischen ihnen 400 A. Ewald und W. Kühne: steckt. Das Epithel haftet hier noch fester an der Stähchen- schichte wie nach dem Aufenthalte im gemeinen Lichte, und lässt das Pigment namentlich so massenhaft liis zum Beginn der Innenglieder vortretHn, dass die Combination des Curareödems mit Erhöhung der Lehenstemperatur, wie schon erwähnt, nöthig wird um die Eetina rein abziehen zu können. Ist dies geschehen, so ist eine solche Retina von einer dunkel gehaltenen nicht zu unterscheiden. Da gegen die Art der Lockerung einige Be- denken zu erheben sind, schon weil das Oedem, in der höchsten Entwicklung wenigstens, hei Dunkelfröschen merkliches Ahlassen der Retina erzeugt, so haben wir die Färbung ohne das Mittel untersucht, indem wir wenigstens stellenweise das Epithel von den Stäbchen abschabten, was in ausreichendem Maasse gelang. Dann sahen sie. von hinten und in senkrechter Stellung gesehen, genau so aus. wie Ijei Dunkelfröschen, prächtig purpurn und ohne jede Spuren von Braun. Xur wo das Präparat nicht gut erhalten. die Stäbchen verljogen oder unordentlich lagen, so dass keine reine Ansicht zu gewinnen war, konnte man auf den Gedanken kommen, sie für bräunlich zu halten : man muss aber nicht vergessen, wie viel Pigment auch an den abgeschabten Stellen in der Tiefe zwi- schen den Stäbchen zurückbleil)t, nachdem die Epithelzellen mit Verlust ihrer Fortsätze entfernt worden. Ueber die Frage, ob etwas Braunes oder Schwarzes in den Stäbchen durch rothe Belichtung entstehe, dürfte hiernach entschieden sein ; das Object reicht dazu vollkommen aus und antwortet: „Nein." — Anders lag die weitere Frage, oh die Xetzhautfarbe durch Rothbelichtung sich vertiefe, indem die Stäbclien purpurreicher werden. AVir können nicht darüber verhandeln, ob die Beliauptung, dass rothes Licht so- genanntes Sehroth in Sehpurpur wandle, richtig sei oder nicht, und geben derselben die eben gewählte Form, in der sie Sinn hat, denn wir haben vollkommen Müsse die Vertreter der An- sicht, dass die Farbe der Dunkelretina nicht purpurn sei, zu Untersuchungen über den Sehpurpur, 401 besserer Einsicht gelangen zu selieu und denken niclit pessi- mistisch genug, um für den Fortschritt der Optocliemie zu fürchten, wenn es lange dauert. Es handelt sich also nur da- rum, ob das rothe Licht mittlerer oder schwacher Intensität die Entstehung des Purpurs beeintiusse oder die Rhodogenese begünstige, vielleicht noch mehr, als es die Dunkelheit thut. In diesem Punkte waren Verschiedenheiten des Verhaltens zwi- schen der isolirten Retina und der im Leben beeinflussten, riciitiger gesagt der epithelfreien und der epitlielführenden Netz- haut, denkbar. Bei den Frösclien wechselt der Purpurgehalt der Stäbchen von einem Individuum zum andern zu sehr, als dass wir hoifen konnten, auf dem bisherigen Wege der Vergleichung am Dunkel- frosche und au den Rothfröschen Sicheres zu erreichen, und welche Mühe es machte, die Beobachtung an den beiden Augen dessell)en Thieres durchzuführen, wussten wir von unseren Ver- suchen über einseitige Ausbleichung. die uns keine geringe Mei- nung von dem Geschicke des Frosches sich von einem lästigen Verbände zu befreien, hinterlassen hatten. Einige Vorversuche an Curarefröschen, deren eines Auge zum Himmel gegen rothes Glas gerichtet worden, während das andere mit etwas Dunklem zugedrückt worden, ergaben nichts in Bezug auf die gesuchte Differenz. So lilieb wieder nur die optographische Methode ülirig. Das Object bestand in dem mehrerwähnten matten Glasversclilusse unseres Lichttrichters, der jetzt zur einen Hälfte mit einer schwarzen, zur anderen mit einer rothen Tafel bedeckt wurde, nachdem die früher benutzten schwarzen Streifen fortgenommen waren. Um ohne Umstände zu erfahren, welche Hälfte der Retina die behchtete gewesen, und ob die andere durch richtiges Unter- legen des Frosches dem Lichte wirklich entzogen worden, wurde die schwarze Hälfte des Objectes unweit der rothen Grenze mit einem Ausschnitte vor 5 □Ctm, versehen, den wir wegen der 402 A. Ewald und W. Kühne: in Aussicht zu nehmenden langen Exposition zuweilen mit meh- reren Stücken farblosen matten Glases bedeckten. Der Erfolg fiel schlecht genug aus, insofern die Netzhaut, je nach der Witterung 3ö~120 Min. exponirt, vorwiegend auf einer Seite von schwarzem Epithel bedeckt zum Vorschein kam, so dass ihre beiden Hälften erst nach dem Abschaben einer Stelle zu vergleichen waren. Nach Expositionen von 30 — 40 Min. war von Differenzen nichts zu bemerken, das kleine Optogramm des Ausschnittes gut zu sehen. War viel länger exponirt, so w^ar das letztere oft diffus und zu gross, und das Epithel haftete auch auf seiner Seite in grösserer Ausdehnung. Bis hierher war zwar Curare, kein Oedem verwendet, wir sahen aber, dass auch dieses nicht genügte, als wir es hinzunahmen, und mussten, um reine, epithellose Netzhäute zu bekommen, noch zur Erwärmung greifen, indem wir die Frösche unter der Oberfläche eines sehr grossen Wasserbades von 30—35*^ C. so befestigten, dass haupt- sächlich das Auge über dessen Niveau herausragte. So wurden nach der Einwirkung guten Tageslichtes in 30—45 Min. einige ziemlich scharfe, kleine Optogramme des quadratischen Objectes erhalten, aber auf ganz gleichmässigem, zu beiden Seiten hell- purpurnem oder rosafarbenem Grunde. Wo das Optogramm diffus geworden, war seine nächste Umgebung mehr orange oder chamois und in diesen Nuancen nicht verschieden, wo der Hof über die dem Objecte entsprechende Grenze von Koth und Schwarz hinüberreichen musste. Wir haben nach manchen der- artigen Versuchen die Ueberzeugung gewonnen, dass das Curare- ödem mit der Erwärmung combinirt zu Irrthümern führen kann und dass unser aus früheren Erfahrungen (s. oben) dagegen ge- fasstes Misstrauen gerechtfertigt war, denn wir fanden die Retina hier oft so blass, dass überhaupt keine Entscheidung irgend w^elcher Art getroffen werden konnte. Da mit dem Frosche nicht zum Ziele zu kommen war. Untersuchungen über den Sehpurpur. 403 gingen wiv zu Versuchen am Kaninchen, wo die Sache zugleidi grösseres Interesse bot, über. Die eine Hälfte des optograpln'schen Objectes wurde senkrecht zur Richtung seiner Streifen mit rothem Glase bedeckt, das Kaninchen, wie früher angegeben, mit dem Corneascheitel unter den Mittelpunkt des gesammten Objects gerückt, jetzt aber so, dass das Bild der Streifen mit der Seh- leiste parallel auf die Netzhaut fiel. Wie das Experiment auch modificirt werden mochte, haben wir ohne Ueberexposition die rothbelichtete Xetzhauthälfte niemals mit Streifen tieferen und helleren Purpurs durchzogen gefunden und keinen Unterschied in der Purpurfarbe in der in die bildfreie Xetzhauthälfte hinül)er- gedachten Verlängerung der Optogrammstreifen zu entdecken vermocht, wie es hätte der Fall sein müssen, wenn das rothe Licht den Purpur verstärkte. War überexponirt und das Licht intensiv genug gewesen, so hatte auch das Roth etwas zersetzend gewirkt und man sah deutlich, dass die Streifen des schwächeren Bildes, welche weniger purpurn, mehr rein roth oder orange waren, nicht den schwarzen des Objectes, sondern den licht- gebenden rothen entsprachen, denn sie bildeten im Optogramm die Fortsetzung von den breiten weissen Streifen der schwarz- weissen Objecthälfte. Um das rothe Licht möglichst lange ohne daneben stehen- des weisses, dessen Wirkung nach längerer Exposition diifus über das dem ersteren bestimmte Xetzhautareal fallen musste, ins Auge gelangen zu lassen, wurde dasselbe einfach mitten unter die zur Hälfte schwarz und roth gedeckte Lichtöftnung gestellt und je nach der Beschaffenheit des Tageslichtes verschieden lange, in einem Falle eine Stunde exponirt. Die mittlere Grenze fiel jetzt senkrecht zur Sehleiste auf den Augengrund. Indem wir die alaunisirte Retina , wie immer nach dem Ausbohren der Papille, glatt über ein winziges Porzellanschälchen, mit der Rück- fläche nach oben, ausbreiteten, war durch die Lage des Papillen- 404 A. Ewald und W. Kühne: loches und des davon abgehenden Streifens der markhaltigen Nerven über dem Horizonte ohne Umstände zu bestimmen, welche Netzhauthälfte die nasenwärts und welche die ohrenwärts ge- legene sei. Nach diesen Versuchen besonders haben wir keinen Zweifel mehr, dass das rothe Licht, wenn es überhaupt wirkt, niemals andere Veränderungen der Netzhautfarbe erzeugt, als das weniger brechbare Licht im Allgemeinen, d. h. den Purpur in Sehgelb verwandelt, und rothe bis orange und gelbe Nuancen hervorbringt, welche sehr langsam zum gänzlichen Verluste der Farbe führen. Wo überhaupt Farbendifferenzen auf den beiden Netzhautseiten bestanden, die wir von ganz unbefangenen Perso- nen constatiren Hessen, ergab die Orientirung auf der Fläche immer, dass es die dunkel gehaltene, der ungleichnamigen schwar- zen Seite des Objectes entsprechende Hälfte war, deren Purpur am wenigsten zum Roth neigte. Zu der ganzen Versuchsreihe mag noch des Motivs gedacht werden, das die Benutzung des Kaninchenauges anrieth und das im wesentlichen in dem Vortheile bestand, den das Alaun verfahren hier wieder gewährte, nämlich unter allen Umständen gänzlich epithelfreie Netzhäute zu liefern, die vom Frosche ohne eingreifende Aenderungen intra vitam nicht zu bekommen waren. Der Gedanke, dass an der ^oZ^schen Angabe über Ver- stärkung der Netzhautfarbe durch rothes Licht etwas richtiges sein könne, wurzelte in der schon erwähnten Betrachtung, dass die Pihodogenese oder die Piegeneration durch dieses Licht be- günstigt werde, weil diese Processe, besonders der letztere, so lange erheblich wirksamer sind, als noch Pteste von Purpur in den Stäbchen stecken und neben etwas violettem Licht, nach der Bildung von Sehgelb ohne dieses sogar, nur dem rothen Zugang zum Epithel gestatten. Desshalb sind wir bei dem bisher Erle- digten nicht stehen geblieben, sondern haben noch einige Versuche über Regeneration im rothen Lichte angestellt. Wenn irgend Untersuchungen über den iSehpurpur. 405 etwas richtiges an der Hypothese war, so musste die Regeneration oder die Rhodogenese an den helleren Stellen eines Optogrammes schneller erfolgen in massigem rothen Lichte, als in der Dunkel- heit. Dies war möglich trotz der vorliegenden Thatsachen, weil gänzlicher Lichtmangel möglicherweise immer ein nicht mehr zu überschreitendes Maximum an Purpur für die Stäbchen schafft, während sehr gedämpftes rothes Licht die Erreichung desselben vielleicht beschleunigte. Es wurde ein Optogramm durch Exposition von 3 Min. erzeugt, und gleich darauf an Stelle der schwarz-weiss gestreiften Objecttafel die rothe und schwarze gelegt, worunter das Kaninchen noch 30 Min. verweilte. Die Regeneration wurde hierauf sehr merklich gefunden, insofern die hellen Streifen des Bildes nicht mehr weiss, wie sie es nach der Lichtstärke gewesen sein mussten, sondern rosa waren. Zwischen den beiden Hälften des Bildes fand sich keine grosse Differenz. Ein anderes Optogramm , in derselben Expositions- zeit bei noch besserem Lichte entstanden und 40 Min. intra vitam unter Roth und Schwarz gelassen, bestand noch voll- kommen kenntlich auf der Netzhaut, aber die Differenz seiner beiden Hälften war so gross, wie die der beiden Netzhauthälften überhaupt, indem die eine rein roth bis orangeroth, die andere prächtig purpurn war, . Die erstere Hälfte entsprach der im rothen Lichte regenerirten, und hier war das Optogramm un- zweifelhaft deutlicher, die Farbe der hellen Streifen viel heller und mehr chamois, als auf der andern Seite, jenseits der Farben- grenze der ganzen Fläche, wo sie gut rosa war, während die dunklen Bildstreifen im Gegensatze zu denen der gegenüberliegen- den Seite brandroth aussahen. Es geht aus dieser letzten Versuchsreihe hervor , dass man dem rothen Lichte auch nicht die Bedeutung eines Reizes für die Regeneration oder für die Rhodogenese, wohl aber die wichtige negative Eigenschaft zuschreiben darf, diese Processe 406 A. Ewald und W. Kühne: - nur sehr unwesentlicli zu hindern. Unter geringeren Intensi- täten, als den zu unsern Versuchen nöthigen, meinen wir daher wohl Zustände annehmen zu können, wo die Regeneration darin nicht schlechter verläuft, als in absoluter Dunkelheit, und dies wird der Grund sein, weshalb bei recht schwachem weissem Lichte, von dem nur die rothen und die ausserordentlich wenig intensiven violetten Strahlen durch die Stäbchen zum Epithel gelangen, die Retinafarbe grade so gut bleibt, wie im Dunkeln. Man braucht nur an das Sehen der Eule in der Dämmerung zu denken, um sich vorzustellen, wie gut da in den langen Stäbchen bei andauerndem Gebrauche das Gleichgewicht zwischen Purpurzersetzung und Wiederbildung erhalten bleiben kann. lieber die Wirkung der übrigen Farben haben wir unserer kurzen Bemerkung (Heft 2, S. 101) wenig hinzuzufügen: wir fanden dasselbe, was an der isolirten Netzhaut beobachtet wird, dass sie um so mehr das Sehgelb neben oder vor dem noch vorhandenen Purpur ausbleichen, je brechbarer sie sind. Rothe, orange, gelb oder chamois aussehende Netzhäute werden deshalb im Leben unter gefärbten Gläsern oder Lösungen am leichtesten hervorgebracht durch gelbes, gelbgrünes und grünes Licht, aber die Erscheinung ist intra vitam niemals von der Deutlichkeit, wie an isolirten Netzhäuten, weil dem Sehgelb so lange durch den Regenerator immer wieder Purpur zugemischt wird, als noch etwas Farbiges in den Stäbchen übrig geblieben ist. Man würde darum von der lebend belichteten Netzhaut noch weniger, als von der isolirt und epithellos verwendeten nach dem Aussehen sagen können, welchem Lichte sie ausgesetzt war, oder wenn man es thäte, nichts anderes sagen, als was man von jeder für alle Farben bis zum Roth sensibilisirten photographischen Platte sagen kann, wo man behaupten würde, hier war blau, dort grün belichtet, wenn man die Expositionszeit kennt oder erschliessen kann, worin Niemand eine Annäherung an die Herstellung sog. Untersuchungen über den Selipurpur. 407 farbiger Photograpliieen erblicken wird. Bei der Netzhaut sind aber solche Aussprüche nach intra vitam geschehenen Ver- änderungen auch in der unschuldigeren Form eines Resume's besonders unzulässig, weil man z. B, ein helles Lila finden kann, das Der, den man beim Worte nimmt, durch blaues oder violettes Licht entstanden erklären muss, während die Betina eben so gut von einem sehr intensiv roth belichteten Frosche stammen kann, der nacli totaler Bleichung V^ Stunde im Dunkeln zu- brachte und die ersten Spuren von Purpur wieder ansetzte. Wie rothes Licht keine braune Nuance des Sehpurpurs erzeugt, so bringt andersfarbiges auch keine grauen oder schmutzigen Töne hervor. Wohl kann die ganze Netzhaut graugelb oder grauviolet werden, aber es ist dies immer die Folge zwischen die Stäbchen gelagerten Pigmentes, nie eine den Stäbchen oder deren Purpurresten selbst zukommende Nuance. Unten wird gezeigt werden, wie man sich darüber Sicherheit verschafft. Beim Frosche wären Aenderungen der Gesammtfarbe der Re- tina durch farbiges Licht denkbar, ohne dass gerade der Purpur seine Nuance änderte, indem das Verhältniss oder die Verthei- lung der grünen Stäbchen andere würden. Wie wir sehen, sind die ersten Angaben über Vermehrung der grünen Stäbchen durch farbiges Licht wieder aufgegeben; wir können uns daher eingehenderer Mittheilungen über diese Gebilde, welche wir vor- hatten, bei jetziger Gelegenheit enthalten. Nur das Eine sei er- wähnt, dass es eine Art die Retina zu betrachten gibt, bei wel- cher von den grünen Stäbchen nichts zu sehen ist. Wird die Froschretina mit der Vorderseite gegen das Deckglas gelegt, voll- kommen glatt ausgel)reitet, ohne Druck untersucht, so erhält man das (Heft 3, S. 235) beschriebene zierliche Bild der aus den Stäbcheninnengliedern gebildeten Mosaik, nach etwas tieferer Einstellung das des Anfanges der Aussenglieder. In diesem Kühne, Untersuchungen. I. 28 408 A. Ewald und W. Kühne: Muster sind keine anderen, als purpurne oder graue bis schwarze Setzstücke zu bemerken, niemals grüne, und wenn man das Ob- ject an geeignetem Liebte, das die grüne Farbe mögliebst schont aber den Purpur entfärbtj besieht, so kommen nur ganz helle, farblose Stücke an Stelle der gewöhnlichen Stäbchen neben den erwähnten grauen und dunkleren, den Zapfen entsprechenden zum Vorschein. Wenn man dieses Bild vor oder nach der Blei- chung aufmerksam durchmustert, findet man es nicht ausschliess- lich aus den eckigen Stücken, die den lunengliedern der Stäbchen und Zapfen entsprechen, zusammengesetzt, sondern noch aus kleinen, glänzenden, kreisförmigen, deren Durchmesser nicht '^ji, von dem der Stäbchen beträgt, und diese Stücke ersichtlich in der Weise und Anzahl zwischen die übrigen vertheilt, wie man die grünen Stäbchen beim Anblicke von der Epithelfläche zwischen die purpurnen gesetzt findet. Dasselbe Bild haben wir bis jetzt nur von der Retina der Kröte, welche auch grüne Stäbchen be- sitzt, erhalten, nicht von der des Erdsalamanders, die sie nicht enthält. Hiermit scheint uns über die von Boll aufgew^orfene Frage, ob die grünen Stäbchen identisch mit den von ScJuvcähe entdeckten, auch von W. Müller (Beitr. z. Anat. u, Physiol. C. Ludwig, gew. Festgabe Hft. 2. Leipzig, 1875) beschriebenen eigenthümlichen Stäbchen mit kurzem Aussengliede, deren Innen- glied in Gestalt eines langen Fadens nach vom geht, identisch seien, entschieden und das Bild der kleinen Kreise, das jenem Faden entspricht, (vergl. ScJnvalhe, Handb. d. g. Augenheilk. v. Gräfe und Sämisch. 1: S. 406) richtig gedeutet. Da W. Müller die genannte Stäbchenart bei Salamandra mac. nicht fand, so stimmt auch das Fehlen jener Kreise in der Salamandernetzhaut zu unserer Auffassung. Dass man an der Stelle der den Stäb- chenfäden entsprechenden Kreise nichts von der grünen Farbe der Aussenglieder erkennt, zeigt, wie vollständig sich die Innenghe- der der benachbarten Elemente um den Faden zusammendrängen. Untersuchungen über den Sehpurpur. 409 Teräuderungren der StäbcLeu dnrcli Licht. Im Leben werden einige leicht bemerkbare Verändeningen an der Retina durch BeHchtung erzeugt, welche nicht direkt den Purpur betreifen und z. Th. vielleicht überhaupt in keiner Beziehung zu dessen photochemischer Zei-setzung stehen. "Wir erwähnen ihrer, weil sie für die Chemie des Sehens vermuthlich bedeutungsvoll sind. Es gibt eine sehr autfällige Verändemng an der Form der Stäbchen, welche sich kurz dahin zusammenfassen lässt, dass kräftige Belichtung von genügender Dauer sie verdickt, quellen macht, Dunkelheit sie wieder zum Schrumpfen bringt und im Querdurchmesser verkleinert. Genauere Beobachtungen hierüber, welche Herr stud. med. F. V. Hornhostel aus Wien im hiesigen Laboratorium anstellte, ergaben Folgendes: Nimmt man die Retina eines Dunkelfrosches aus dem Bul- bus heraus und bringt sie so unter das Mikroskop, dass man die Aussenglieder der Stäbchen von oben sieht, so erscheinen diese bekanntlich als kreisförmige Scheiben, die nicht dichtge- drängt, sondern in geringen Abständen von einander liegen. Die Durchmesser der einzelnen Stäbchen sind nicht gleich gi-oss. sie schwanken zwischen 0,006 bis 0,007 mm. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Stäbchen schwanken von 0.0005 — O.OOOS mm.; hie und da finden sich noch grössere Zwischenräume, welche den Stellen entsprechen, wo Zapfen in der Tiefe liegen. Es neh- men somit beim Dunkelfrosche Stäbchen und Zwischenräume den Platz von 0,0065—0,0078 mm. in Anspruch, und wenn das Prä- parat in einer der sehr kleinen feuchten Kammern, die wir an- wenden, einigermaassen kühl gehalten liegen bleibt, so ändert sich darin nichts in der langen Zeit, die bis zum Zerfallen und dem Auftreten der bekannten cadaverösen, unregelmässigen Quel- lungsformen vergeht, gleichviel ob es von Anfang an dnnkel ?e- 410 A. Ewald und W. Kühne: halten und nur im Natronlichte gemessen worden, oder ob es dem blendendsten Lichte ausgesetzt wurde. Diese Angaben be- ziehen sich, wie die folgenden, ausschliesslich auf die Elemente des Centrum retinae. Vergleicht man hiermit den Durchmesser der gänzlich ge- blichenen Stäbchen eines in der Sonne gehaltenen Frosches, an Stellen, wo die Pigmentzellen ohne tiefere störende Eingriffe in die Stäbchenschicht entfernt worden, so findet man die Zwischen- räume in schmale Linien oder in dreieckige und andere sehr schmale Figuren verwandelt und den Durchmesser der Stäbchen, so weit die Genauigkeit der Messung reicht, gleich dem der Stäb- chen plus dem der Zwischenräume in der Dunkelretina. Die Stäb- chen sind also bis zur gegenseitigen Berührung angeschwollen, dicker geworden. Es braucht aber eine geraume Zeit der Licht- wirkung, bis die Quellung deutlich wird und die Veränderung der Durchmesser durch Zahlen ausgedrückt werden kann. Direkt nach grade vollendeter Ausbleichung des Sehpurpurs ist keine Veränderung wahrzunehmen, wie denn auch zu dieser Zeit das Haften des schwarzen Pigmentes noch wenig ausgebildet ist, wenn kein direktes Sonnenlicht verwendet wurde. Frösche, die eine halbe Stunde hellem diffusen Tageslichte bis zur Erreichung dieses Stadiums ausgesetzt waren, oder schwächer belichtete, deren Pietinae noch chamois waren, zeigten Stäbchen, deren mittlere Dicke nur 0,0066 mm. oder wenig darüber betrug. Entschiedene Quellung ist bereits nach 2/4 — l Stunde, Son- nenlicht vorausgesetzt, bemerkbar. Die Zahlen schwankten zwi- schen 0,0068—0,0072 mm. Zunahme der Dicke proportional der Zeit der Belichtung Hess sich nicht herausfinden, obwohl ein Unterschied zu bemerken ist zwischen den Stäbchendurchmessern eines Frosches, der eine Stunde, und eines, der 3 Stunden besonnt wurde. Nach längerer Besonnung von 8 — 9 Stunden an den besten Sommertagen war keine weitere Zunahme zu bemerken Untersuchungen über den Sehpurpur. 411 und es wurden keine Stäbchen gefunden, deren Durchmesser den Werth von 8 Mikren annäherungsweise überschritten hätte. Nur in sehr vereinzelten Fällen oder nur an kleinen Plätzen der Re- tina sah man die Quellung den Grad erreichen, dass mau sagen konnte, die Stäbchen seien abgeplattet, ihr Querschnitt eckig, statt kreisförmig; im Allgemeinen war das Bild da, wo die Zapfen keine Unterbrechung erzeugten, so, dass man sich die Mosaik wie aus Reihen der Stäbchenenden zusammengesetzt vorstellen konnte, deren kreisförmige Bilder wie ganz eng auf die Schnur gezogene Perlen aussahen. So sieht die Dunkelretina niemals aus. Wie die Stäbchen im Lichte aufquellen, quellen sie nach längerem Aufenthalte im Dunkeln wieder ab. Gründlich besonnte Frösche zeigten erst nach 1 — iV^stündigem Aufenthalte im Dun- keln, also etwa zur Zeit, wenn der Sehpurpur vollständig re- generirt war, nicht eher, wieder den kleinen Stäbchendurchmesser der Dunkelfrösche. Bemerkenswerther Weise erfolgt das Ab- quellen zwar nicht an der isolirten Retina, aber in dem isolirten Bulbus el)ensogut, wie im lebenden Frosche, und man erhält darum zwei durch die Verschiedenheit der Stäbchendicke höchst überzeugende Präparate, wenn man das eine von dem soeben aus der Sonne genommenen Frosche anfertigt, das andere von dem zweiten Auge, nachdem es zwei Stunden im Dunkeln gelegen. In der Netzhaut von Fröschen, welche lange unter rothem Lichte gehalten worden, war keine Zunahme des Stäbchenquer- schnittes bemerkbar, wenn keine Bleichung eingetreten war. Tom Terlialteu des Pigmentepithels im Lichte. In den engen Zwischenräumen der gequollenen Stäbchen lebend belichteter Netzhäute liegen meist reichlich feine Krystalle des schwarzen Epithelpigmentes, die besonders beim Zerdrücken des Präparates sichtbar werden, wenn das nach den Innen- gliedern und nach vorn hin sich erstreckende Pigment zu- 412 A. Ewald und W. Kühne: gänglich wird, das man an einem guten Präparate sonst nicht sehen kann, weil kein Licht von vorn zwischen die Stäbchen dringt. In Folge dieses Gehaltes an schwarzem Pigment erscheint natürlich die sonst farblose ]\Iembran grau und wenn die Stäbchen noch nicht völlig ausgebleicht sind, wird dieses Grau selbstver- ständlich mit dem Rest von Purpur oder von Sehgelb Misch- farben erzeugen. Darauf beruhen denn auch die sonderbaren Farben, welche JBoU als den Stäbchen zukommend, nach Belich- tung der Frösche mit verschiedenfarbigem Lichte abbildet, besonders das schmutzige Lila oder Violet. Wir haben unschwer entscheiden können, dass hier derselbe Irrthum obwaltet, welcher die Netz- haut von Rothfröschen für braun erklären liess, denn an ordent- lich und glatt ausgebreiteten Präparaten sah man von diesen Schmutzfarben nichts, falls das Mikroskop zu Hülfe genommen und die Farbe der im Object senkrecht stehenden Stäbchen allein berücksichtigt wurde; blass purpurne Stäbchen waren da rein lila, obgleich die ganze Netzhaut, wenn man daraus ein Häufchen bildete, jene Schmutzfarbe sehr deutlich annahm. Zum Orange, Chamois oder Gelb in äusserst intensivem rothen oder gelben Lichte intra vitam veränderte Stäbchen boten unter diesen Bedingungen die genannten Farben immer sehr rein dar, während die ganze mit schwarzem Pigmente durchsetzte Netzhaut jede Nuance von Braun darstellen konnte. Damit ist jetzt das letzte Hinderniss der allgemeinen Gültigkeit unseres Satzes, dass die lebende Retina in situ keine anderen Farbenänderungen, als die am isolirten Sehpurpur festgestellten, einzugehen vermag, beseitigt. Die Schwellung der Stäbchen durch Belichtung bildet offen- bar ein günstiges Moment für das Zurückbleiben des schwarzen krystallinischen Pigmentes oder der protoplasmatischen Epithel- Fortsätze, welche es einschliessen, zwischen den Stäbchen. Werden die Epithelzellen an ihren sämmtlichen Fortsätzen so von der Stäbchenschicht, die sie einklemmt, festgehalten, so ist mit einiger Untersuchungen über den Sehpurpur. 413 Sicherheit darauf zu rechnen, dass die von der Chorioidea leicht im Zusamnienhang'e abgehende Epithellage mit der Netzhaut ausschlüpft oder aus dem Bulbus zugleich hervorzuziehen ist. Es würde demnach das nach der Belichtung in normalen Ver- hältnissen beim Frosche constaute festere Haften der beiden äussersten Retinablätter aneinander, das von Anfang an auffallen musste, von Boll jedoch, wie es scheint, eher als von uns hervor- gehoben wurde, in einfachster Weise erklärt. Die Reihe der Erscheinungen, um welche es sich hier handelt, ist indess ausser- ordentlich verwickelt und daraus wohl begreiflich, dass jede weitere thatsächliche Beobachtung von einer Deutung auf die andere überspringen liess. Die erste Deutung, welche der Eine von uns unter Erinnerung an die früheren Bemerkungen Czermfs über das pseudopodien- artige Verhalten jener Fortsätze versuchte, dass die verschiedene Durchsetzung der Stäbchenschicht mit Pigment auf amöboiden Bewegungen der Fortsätze unter Umherwanderuug und Al)schich- tung des Pigmentes beruhe, ist seitdem von Boll an Stelle seiner Meinung, dass es sich um Consistenzveränderungen handle, accep- tirt worden, mit besonderer Betonung jener ,, Abschichtung". Es stimmte diese Annahme vortrefflich mit Brücke's Beobachtungen an den Pigmentzellen der Chamäleonhaut, w^o Dunkelheit an- scheinend zum Reize wird, so dass die Fortsätze eingezogen W' erden, Licht das Ausstrecken befördert, und in der Netzhaut brauchte man nur die Epithelfransen für die Haftfäden zu halten, um zu finden, dass Licht das Epithel au die Stäbchen befestigen, Dunkelheit es lockern müsse, weil sich die erst vorgeschobenen Fäden wieder auf den Zellenleib zurückziehen. Die Ansicht war vielleicht gut; aber wir wollen die Thatsachen reden lassen. Eingehendere Beobachtungen wurden bis jetzt nur an Fröschen angestellt, weil an Säugethieren und Vögeln die auffälligeren Unterschiede des Haftens und Loslassens der Epithelschicht nicht 414 A. Ewald und W. Kühne: - zu bemerken waren. Am menschlichen , in Eis conservirten Dunkelauge gelang die Trennung vom Epithel meist leicht, am Kaninchenauge im frischen Zustande häufig sehr schlecht, am Dunkelauge eines Affen durchaus nicht, bei der Taube mehr oder minder vollkommen, sowohl bei hell, wie bei dunkel gehaltenen Exemplaren. Unter Anwendung der Alaunmethode haben wir beim Kaninchen das Haften des Pigments au den behchteten Netzhautstellen, während unserer jetzt sehr ausgedehnten Er- fahrungen, nur beobachtet, wenn die Augen nicht vollkommen lebensfrisch in das Härtungsmittel gelegt waren. Beim Frosche erzeugt dagegen jede Belichtung, und auffälliger Weise ganz be- sonders die rothe, auch wenn sie lange nicht intensiv genug ist um irgend welche Veränderung an der Netzhautfarbe aufkommen zu lassen, das festeste Haften. Da hier keine Schwellung der Stäbchen erzeugt wird, (vergl. oben), so sieht man, dass in dieser nicht die ausschliessliche Ursache liegen kann. Weitere Verwicklungen ergeben sich, wenn man nur auf die Erscheinung des Haftens Rücksicht nimmt, aus den übrigen Be- dingungen, welche ausser Licht und Dunkelheit in demselben Sinne oder umgekehrt wirken wie diese. Dieselben wurden schon bei der optographischen Technik, wo ihre Kenntniss unumgänglich ist und bei anderen Gelegenheiten erwähnt : niedere Temperaturen wirken wie Licht, höhere befördern die Dehiscenz auch gegen die Wirkung des Lichtes ; in gleichem Sinne wirkt das Curareödem, am mächtigsten in Vereinigung mit Temperaturen von 28*^ — 30° C. Be- züglich des Einflusses der Temperatur von O'^ müssen wir nach sehr umfangreichen Erfahrungen hervorheben, dass das Mittel nicht ganz constaht anschlägt, nach längerem Kühlhalten der Frösche weniger sicher ist, als in der ersten Stunde. Mit grösster Sicherheit die Dehiscenz am Dunkelauge aufhebend, wirkt das einfache Liegenlassen des exstirpirten Bulbus bis zur ersten gut bemerklichen Abnahme seiner Spannung, also zu einer Untersuchungen über den Sehpurpur. 415 Zeit (nach ^ 2 — 1 Std.) und unter Umständen, wo Absterben der Elementarorganismen kaum anzunehmen ist. Um besseren Einblick in das Verhalten der Epithelschicht zu den Stäbchen zu gewinnen, haben wir die unter den ange- gebenen wirksamen Einflüssen gehaltenen Augen genauer mikro- skopisch untersucht. Dieselben wurden dazu angeschnitten in dliiUcrüchev Flüssigkeit längere Zeit gehärtet, darauf in Alkohol gelegt und aus diesem in die von Dr. Kulmt im hiesigen Labo- ratorium verwendete Einbettungsmischung aus Gummi, Glycerin und Eiweiss gebracht, welche ebenfalls mit Alkohol erhärtet wurde. Der Gebrauch der i)//V7/e>-'schen Flüssigkeit war unum- gänglich und musste der Alkoholhärtung voraufgehen, weil Al- kohol, direkt auf frische Augengründe angewendet, eine schon mit blossem Auge ersichtliche, das zu untersuchende Verhalten betreffende Veränderung erzeugte. Man sieht die Retina des Dunkelauges darin sogleich schrumpfen und sich an den Rändern farblos vom Epithel zurückziehen, und wenn man das Object weiter gehärtet und schnittfähig gemacht hat, die Schnittchen so auseinander splittern, dass sich Epithel und Stäbchen meist voll- ständig trennen. Wo die Trennung nicht erfolgt ist, findet man die Epithelgrenze in Gestalt einer scharfen, sanft welligen Linie, ohne auch nur kürzere Zacken und feinere Fortsätze zu den Stäbchen hinüberzusenden, ein Bild, das den natürlichen Ver- hältnissen keineswegs entspricht. Man brauchte von einem Dunkel- auge, dessen Epithel vollkommen losliess, nur dieses anzusehen, um zu wissen, dass seine Zellen relativ lange, deren Höhe über- trefl'ende, dicht mit Pigment gefüllte Fortsätze besitzen, und nur aus dem ganzen Hintergrunde solcher Augen Schnitte mit der Scheere anzufertigen, um gelegentlich Stücke anzutreffen, an denen man ohne Anwendung irgend welcher Reagentien das natürliche Verhalten erkannte, das ein Hineinragen von starken Pigment- fortsätzen in nahezu sämmtliche Zwischenräume der Stäbchen 41 G A. Ewald und W. Kühne: mindestens bis auf \'3 ihrer Länge ergibt.. Während des Lebens werden also die Zellen niemals cubisch oder nach vorn glatt und bartlos, und wenn sie sich von der Stäbchenschicht leicht trennen, ohne Pigment darin zurückzulassen, so heisst dies nur, dass die Zwischenräume zwischen den Stäbchen weit genug sind, und dass keine solide Verklebung der Fortsätze mit den Ausseuflächen der Stäbchen besteht. Da die in MüUer'schei' Lösung gehärteten Präparate den frischen durchaus entsprachen, glaubten wir die damit herge- stellten Objecte für maassgebend halten zu dürfen. Auf dieselben bezieht sich das Folgende, das übrigens nur für vorwiegend cen- trale Theile der Netzhaut Geltung beansprucht. A. Dnnkelangen. 1) Beim Dunkelfrosche (Temp. 17*^ C), wo die Ptetina des andern Auges frei von Epithel und Pigment ausschlüpfte, sind die Epithelzellen relativ hoch und es zieht sich das schwarze Pigment darin bis nahe an die Oberfläche des farblosen äusseren Theiles an den Wänden in Gestalt eines Ptahmens oder Kranzes in die Höhe. Der vordere, stark pigmentirte, undurchsichtige Theil ist in vielen Fällen schwach sanduhrförmig eingezogen, an der unteren Anschwellung mit so viel stärkeren Fortsätzen versehen, als es Stäbchenzwischenräume davor gibt. Diese sind an der Wurzel zwischen den am weitesten auseinanderstehenden Enden der Stäb- chen, von ziemlicher Dicke, von mehrschichtigem Pigment erfüllt. Ihre Fortsetzungen nach vorn werden alsbald feiner und stellen dann nur einfache Pieihen dicht aufeinander folgender Pigment- nadeln dar, welche grade bis an den Anfang der Innenglieder reichen, zwischen welchen die Ptetina bis zur M. limitans ext. pigmentfrei ist. Nicht ödematöse Curarefrösche zeigen dasselbe. 2) Ein unter den eben genannten Bedingungen genommenes, Untersuchungen über den Sehpurpur. 417 aber erst nach einstüncligcm Liegen im feuchten, dunklen Räume in die Müller' sehe Lösung gebrachtes Auge zeigte die Pigment- zellen, wie in 1) etwa, während die Fortsätze ein ganz anderes Bild boten. Die meisten Pigmentnadeln fanden sich am mittleren Drittheile der Stäbchen zu stärkeren spindelförmigen Figuren angehäuft, so dass das hintere und das vordere Stück der Aussen- glieder nur von sehr feinen Pigmentreihen begleitet wurde. An manchen Stellen reichen diese bis an die M. limit. ext. und sind fast überall zwischen den Inuengliedern zu sehen. 3) Die Umstände wie in 1), aber der Frosch ist seit 2 Stunden in Eiswasser gehalten. Die Epithelzellen zeigen nur hie und da schwache Andeutung der Sanduhrform, sind im Uebrigen, wie in \) und 2), auch reichen die Pigmentnadeln bis an die Wurzel der Aussenglieder. An den vorderen -/3 der letzteren liegt das Pigment jedoch ungemein spärlich, reichlich und dicht gepackt in den conischen Ursprüngen der Epithelfortsätze, welche sich zwischen die Enden der Aussenglieder drängen. In den ge- härteten Schnitten reissen die Pigmentzellen etwas über den Stäb- chen leicht ab, unter Zurücklassung einer dünneren Pigmentdecke auf der Stäbchenschicht. Wenn es erlaubt wäre diese Erschei- nung auf eine Consistenzänderung vor der Härtung zu beziehen, so könnte die Ursache des Ausschlüpfens abgekühlter Dunkel- netzhäute mit dem Pigmente in solchem Reissen der Zellenleiber gesucht werden. Wir fanden aber derartig mit dem Pigmente gewonnene Präparate im frischen Zustande mit der ganzen Lage heiler Epithelzellen bedeckt. Wo das Verfahren aber nicht an- schlägt, wie es zuweilen vorkommt und bereits erwähnt wurde, fanden wir oft noch so viel zerstreute Pigmentnadeln auf der StäbchenÜäche, dass wir eine geringere Cohäsion wenigstens an den Wurzeln der Fortsätze annehmen möchten. 4) Da das Curareödem dem Haften der Epitheldecke bei in Eiswasser gehaltenen Dunkelfröschen entgegen wirkt, wurden 418 A. Ewald und W. Küline: noch von so behandelten Thieren Präparate angefertigt. Hier rissen am gehärteten Objecte die Zellen noch leichter ab, wie in 3), Die Pigmentschnüre erstreckten sich ebenfalls bis an die Wurzel der Aussenglieder, waren aber bedeutend mächtiger entwickelt oder reicher an Pigment, als in 3), vornehmlich in Höhe des mitt- leren Drittheiles der Stäbchen. .5) Endlich wurden noch solche Netzhäute betrachtet, bei denen die Stäbchenschicht mit grösster Leichtigkeit vom Epithel abgleitet, nämlich von ödematösen Curarefröschen, welche 2 Stun- den bei 30° C. gehalten waren. Die Pigmentzellen, deren Leiber sich bis an die Chorioidalfläche mit diffas verbreitetem Pigmente gefüllt zeigten, rissen an diesen Schnitten am leichtesten von der Stäbchengrenze ab, der Art, dass eine Anzahl kurzer kegelför- miger Fortsätze an ihnen hängen blieb. Zwischen den Stäbchen stiegen die Pieihen der Pigmentnadeln auffälliger Weise ganz tief, bis an die M. limitans hinab, freihch so, dass die Nadeln in langen Zwischenräumen hintereinander lagen und die Stäbchenschicht im Ganzen nur sehr wenig Pigment behielt. B. Beliclitete Augen. 6) Präparate von 1 — 2 Stunden unter Berieselung besonnten Fröschen zeigten Epithelzellen, deren äusserstes Ende in weitester Ausdehnung pigmentfrei geworden, so dass nur der den Stäb- chen aufliegende Antheil dichter davon erfüllt schien. Von hier erstreckten sich kurze, conische, dicht mit Pigment gefüllte Fort- sätze um etwa ^'s der Stäbchenlänge nach vorn, dann kam ein hellerer Saum in den Schnitten zum Vorschein, wo zwischen sämmtlichen Stäbchen in kleinen Abständen aufeinanderfolgende Pigmentnadeln lagen. Dieser Theil der Stäbchenschicht betrug beinahe die Hälfte der ganzen Stäbchenlänge. Nach vorn trat dann das Pigment constant in grösseren Anhäufungen auf, meist so, dass es zwischen je 2 Stäbchen eine spindelförmige Figur Untersuchuugen über den Sehpurpuv. 419 bildete. Zwischen den Innengliedern gab es nur sehr vereinzelte Pigmenttheilchen. Es stimmt dieses Bild augensclieinlich mit der Mehrzahl der früheren Beschreibungen und bildlichen Darstel- lungen und wir selbst fanden beim Durchmustern älterer Retina- präparate, die AYohl meist von belichteten Augen stammten, fast überall die geschilderte merkwürdige Abschichtung des Pigmentes zwischen den Stäbchen. 7) Da die Eisbehandlung bezüglich des Epithelhaftens in gleichem Sinne wirkt, wie Belichtung, waren wir gespannt zu sehen, was die Combination beider Einflüsse zu Wege bringe. Wir fanden die Pigmentzellen wie bei 6, aber von ihrem Körper an mit dicken, ganz mit Pigment erfüllten Fortsätzen versehen, welche die Stäbchen nur etwa ^/s ihrer Länge nach vorn be- gleiteten. Der ganze Rest der Stäbchenschicht war merkwürdig frei von Pigment. Zu dem Versuche war übrigens Curare an- gewendet und ein leichter Grad von Oedem vielleicht im Eis- wasser entstanden. 8) Um dem durch das Licht beförderten Haften entgegen zu wirken, wurden ödematöse Curarefrösche 2 Stunden bei 30° C. in der Sonne gehalten. Hier war im Controlauge die Retina sehr gut vom Epithel abzuziehen, aber sie war nicht ganz frei von Pigment in der Stäbchenschicht, von hellgrauer Färbung. Dem entsprach das mikroskopische Bild der Schnitte durchaus, insofern darin sehr feine Pigmentreihen bis zwischen die Linen- glieder und an die M. limit. ext. reichten. Der Körper der Epi- thelzellen war, an den Rändern wenigstens, bis hinten mit Pigment versehen, nach vorn mit pigmentreichen Kegeln, die um mehr als \'3 einer Stäbchenlänge in die Retina reichten. 9) Längere Zeit roth belichtete Frösche, deren Purpur voll- kommen erhalten geblieben, zeigten das überraschendste Bild. Die Epithelzellen waren überall förmlich von Pigment entleert, so dass selbst an der Grenze des Körpers, wo die Stäbchen be- 420 A. Ewald und W. Kühne: ginnen, nur massige Anhäufung bestand. Noch pigmentärmer erwies sich das hintere Drittheil der Stäbchenschicht, wo nur je eine feine Keihe von Pigmentnadeln zwischen den Aussengliedern lag. Fast das ganze Pigment war in Gestalt dicker Säulen zwischen die vorderen Hälften der Stäbchen abgelagert. In der Schicht der Innenglieder wurden nur Spuren von Pigment ge- funden, etwas grössere Anhäufungen höchstens um das äusserste Stück der Zapfeninnenglieder gelagert. Zum Belege des eben Geschilderten sind die verschiedenen Lagerungen des Pigmentes in den beiden äussersten Netzhaut- schichten auf Taf. VI durch Abbildungen dargestellt. Dieselben wurden nach in Canadabalsam conservirten Präparaten gezeichnet. Bei der Zusammenstellung und Reihefolge der Figuren wurde das gröbere Verhalten berücksichtigt, so dass die beiden oberen Reihen nur solider verbundene, die beiden unteren ' leicht zu lockernde Schichten darstellen. Von diesen zeigt jede obere im Lichte, jede untere im Dunkeln entstandene Zustände. Aus den beobachteten Thatsachen geht zunächst wieder mit grösster Evidenz hervor, dass das Epithelpigment unter allen Umständen zwischen die Stäbchen reicht und dass während des Lebens niemals von einer flachen, auch nur capillaren Schichte zwischen Epithel und Stäbchen die Rede sein kann, ferner dass das Pigment durch jede Belichtung, aber auch durch manche andere Umstände veranlasst wird tiefer zwischen die Stäbchen nach vorn zu wandern. Es wird die Aufgabe weiterer Unter- suchungen werden, zu entscheiden, ob die Fäden des Epithels immer, wenigstens mit pigmentfreien Fortsätzen, was wahrschein- lich ist, bis zur M. limitans ext. reichen oder nicht. Von Be- wegungserscheinungen ist nur eine innerhalb der heutigen that- sächlichen Erkenntniss bewiesen, nämlich die Abschichtung des Pigmentes: wird dasselbe in grösserer Menge zwischen die Stäb- chen geschoben, so verarmt der Zellkörper daran, schwindet es Untersuchungen über den Sehpurpur. 421 in der Stiibclienschiclit, so füllt sich der Leib und das Pigment schreitet selbst über das Kern -Niveau an den Rändern der Zellen bis zur Chorioidalgrenze nach hinten. Man sieht hieraus, dass es eine Bewegung des Pigmentes innerhalb des Protoplasmas, das es beherbergt, giebt, \Yelche so wenig äussere Gestaltsän- derungen des Zellenleibes iiöthig macht, wie die Verlagerung eines Zinnober- oder Fettkörnchens innerhalb eines Lymphkörper- chens es erfordert. An isolirten Zellen des Retinaepithels sieht man oft so lange pigmentlose feine Fortsätze, dass das Substrat oder die Strasse für *die Verschiebung des Pigmentes nicht weit gesucht zu werden braucht. Daneben sind Gestaltsveränderungen der ganzen Zelle freilich nicht unwahrscheinlich, wenn anders aus den unter gewissen Umständen durch Härtung verschieden erhalte- nen Gestalten und Dimensionen der Zellkörper etwas geschlossen werden darf. Ausserdem liegt in der Anhäufung starker spindel- förmiger Pigmentballen und in der vollständigen ümscheidung der Stäbchen mit Pigment ein starker Grund für diese Annahme, da entsprechende farblose Verdickungen und röhrenförmige Pro- toplasmascheiden für die Stäbchen an den Epithelfortsätzen nie gesehen sind und freies Pigment, das vom Protoplasma aus- gestossen worden, nicht anzunehmen ist, schon weil man nicht wüsste, wie es wieder von der Stelle käme, ohne in seine Ur- sprungsstätte zurückzugehen. Es bedarf der Erwähnung kaum, dass die Annahme neuer Ausstülpungen aus dem Protoplasma nicht zum Leugnen unter allen Umständen vorhandener und bis zu den Wurzeln der Stäbchen reichender Fortsätze nöthigt. Ohne weitere planmässige Untersuchungen wollen wir keine der Vermuthungen äussern, zu denen die Aehnlichkeit der Effecte, welche Licht und Dunkelheit einerseits, ganz anders geartete Einflüsse andrerseits hervorbringen, Anlass geben. Bezüglich des Haftens und der Lockerung des Pigmentepithels 422 A. Ewald und W. Kühne: von den Stäbchen ergeben die Beobachtungen, dass die Ursachen in mehreren Umständen zu suchen sind: in der Schwellung der Stäbchen, in der Einpressung breiter Pigmentmassen tief zwischen die Stäbchen, in der Verlilebung der Pigmentschnüre mit den Aussenflächen der Stäbchen , welche bemerkenswerther Weise durch Oedem zu lockern, durch Abnahme des intraocularen Druckes und durch Abkühlen zu steigern ist, und in der Cohäsion des Protoplasmas. IV. Zur Chemie des Sehpurpurs. Um für die Netzhautfarbe andere Lösungsmittel, als die Galle und die Cholate zu finden, haben wir eine grössere An- zahl von Keactionen mit der Retina vorgenommen, die wir jetzt, da der erwartete Erfolg, wie früher erwähnt wurde, ausgeblieben, als erste Erfahrungen zur Chemie des Sehpurpurs zusammen- stellen. Des Zweckes wegen war hier anfangs die unbefriedigende Arbeit des Probirens unvermeidlich und wenn die folgende Dar- stellung dies wird erkennen lassen, so hoffen wir, dass es in dem Maasse weniger bemerkt wird, als sie an Thatsachen reicher wird, welche auch in der Untersuchung planmässigeres Vorgehen gestatteten. Die Entdeckung des Sehpurpurs, oder der Substanz, welche die Netzhautfarbe bedingt, war aus der Ueberlegung hervor- gegangen, dass das Substrat des Farbstoffs in den Stäbchen ähnliche chemische Zusammensetzung, wie das Nervenmark be- sitze und daher in Mitteln, welche dieses auflösen, löslich sein müsse (vergl. Heft 1, S. 41). Die Unmöglichkeit den Purpur mit Wasser, auch durch Gefrieren und Aufthauen, mit Salz- lösungen, mit Ammoniak, kurz auf solche Weise zu extrahiren, wie man leicht lösliche Farbstoffe aus Geweben zu gewinnen pflegt, hatte ihn ausserdem selbst in die Pieihe der Substanzen Untersuchungen über den Sehpurpur. 423 gestellt, welche ähnlich denen seines Substrates oder des Nerven- markes und mancher Baustoffe des Zellenleibes milderen Mitteln unzugänglich sind. So ^Ya^en Hoffnungen nur auf Reagentien zu setzen, welche entweder auffällige Veränderungen an thie- rischen Geweben erzeugen, oder auf solche, welche schon an resistenteren Farbstoffen erprobt Avaren. Dass die Galle sowohl Stäbchen wie Blutkörperehen auflöst, ist vielleicht in dem Ge- halte beider an Lecithin und an anderen dem sog. Myelin zuge- rechneten Stoffen begründet, schliesst aber keineswegs die Notli- wendigkeit ein, dass der Sehpurpur dabei in Lösung gehe, wie das Hämoglobin, denn dieses ist auch in Wasser löslich und bedarf nach dem Zerfliessen seines Substrates keines besonderen Mittels mehr, wie jener, um auch gelöst zu werden. Die Mög- lichkeit Blutkörperchen auf so viele Weisen das Hämoglobin entziehen zu können, welche für den Sehpurpur nicht anschlagen, macht aus dem ausnahmsweise übereinstimmenden Erfolge mit Galle vielmehr einen Grund, den Purpur selbst für unlöslich in Wasser oder in wässrigen Gewebsäften, dagegen für löslich in dem sonderbarsten aller derartigen Mittel, das sich in der Galle findet, zu halten. Es ist deshalb ganz falsch, den Anfang des Weges, der zur Darstellung des Sehpurpurs führte, in dem lange bekannten Factum, dass Galle Blutkörperchen auflöst, erblicken zu wollen, denn diese Spur, die schon wegen der colossalen histogenetischen Differenz zwischen Blut- und Sinneszellen wenig einladen konnte, verdiente vollends nur nebenher berücksichtigt zu werden, als man sah, dass mit Ausnahme der Galle kein Hämoglobin lösen- des Mittel für den Sehpurpur zu brauchen war. Unsere Be- obachtung, dass Galle auch Nervenmark, Axencylinder und Cerebrin löst, was bis dahin Niemand wusste, war die Veran- lassung, sie auf die Stäbchen und den Purpur anzuwenden und diese Erfahrung scheint, nachdem die Auflösung des letzteren geglückt und derselbe in die genannte Pieihe eingerückt ist, Kühne, Uutersuclunigen. I. 29 424 A. Ewald und W. Kühne: auch den Schlüssel zu manchen Eigenthümlichkeiten des Seh- purpurs sowohl, wie zu einigen seltsamen Lösungsphänomenen zu bieten, welche an thierischen Geweben, die in Galle lösliche Stoffe enthalten, bekannt sind. In dieser Hinsicht sind allerdings die Blutkörperchen gegen- wärtig von Interesse, und wir erinnerten uns darum zunächst noch des einen Mittels, das es ausser der Galle gab, welches sie in sehr eigenthümlicher Weise zerklüftet und zerfliessen macht. Concentrirte Harnstoff lösungen, welche nach Bischoffs bekannten Beobachtungen diese merkwürdige Wirkung haben, an den Stäbchen zu versuchen lag darum nahe und wir glaub- ten sie um so mehr darin löslich zu finden, als bereits einmal gelöster Sehpurpur im Auge eines (freilich gefaulten) Rochen (Heft 1, S. 37), dessen Gewebe sich durch reichhchen Harnstoff- gehalt auszeichnen, angetroffen war. Versuche mit gesättigten Harnstofflösungen unter Zusatz überschüssiger Krystalle an der Froschretina ergaben ein Verhalten der Stäbchen, das inso- fern den Erwartungen entsprach, als dieselben stark quollen und zu einer eigenthümlichen durchsichtigen Masse verklebten, aber ein gefärbtes Filtrat davon zu erhalten gelang nicht, ob- wohl sie mehrere Tage im Dunkeln purpurn blieb und auch Flüssigkeit durch das Filter tropfte. Ebenso erfolglos war Be- handlung mit verdünnter Harnstofflösung. Die unten zu berich- tenden Erwärmungsversuche werden zeigen, dass Temperaturen, welche nach M. Schultse'^ Beobachtungen Blutkörperchen unter Tropfenbildungen zerfliessen machen, ähnlich wie der Harnstoff, bei den Stäbchen keine Abgabe des Purpurs veranlassen. Zum Entfernen von Farbstoffen hat die Galle den künstlichen Waschmitteln weichen müssen; es ist aber bekannt, dass sie noch heute neben den fettsauren Alkß,lien Anwendung findet und hin- sichtlich des Sehpurpurs zeigt sie sich den Seifen durchaus über- legen, denn es hat uns nicht gelingen wollen, diesen mit ölsaurem Untersuchungen über den Sehpurpur. 425 Natron in Lösung zu bringen; die trübe Auflösung käuflicher Talgseife entfärbte Froschretinae in 24 Stunden, ohne vorher Purpur auszuziehen. Da kohlensaures Alkali und NH3 ohne ^Virkung sind und ätzende Alkalien die Netzhaut bleichen, waren unter den alkali- schen Mitteln Baryt und Kalk an der Reihe. Beide entfärben die Netzhaut schnell, sowohl das sehr verdünnte Kalkwasser? wie stark verdünnte Lösungen des Bariumhydroxyds. Käufliches Tetramethylammoniumhydroxyd, das an Stelle des Neurins zum Auflösen diphteritischer ^Membranen empfohlen wird, entfärbte Netzhäute ebenfalls in kurzer Zeit, ebenso Coniin; in beiden zer- gingen sie zu einer durchsichtigen, schleimigen Masse. Mit Coniin vergiftete Frösche zeigten übrigens keine Veränderungen der Retina. Fast farbloses reinstes Anilin, auf getrocknete Retinae gebracht, machte dieselben sehr durchsichtig und nahm allmählich eine röthliche Farbe an, wie immer, wenn es verunreinigt wird; da dieselbe im Lichte zunahm, war an bemerkbare Auflösung des Sehpurpurs nicht zu denken. Die mit Kalk- oder Baryt- wasser entfärbten Retinae werden durch verdünnte, Sehpurpur an sich nicht ändernde Säuren nicht wieder farbig. Als Lösungsmittel wurden ferner probirt: Chloralhydrat in lOprocentiger Lösung, concentrirte Milchsäure, Oelsäurc, ]\Iono- chloressigsäure, an getrockneten Netzhäuten : Chloroform, Kohlen- stofftetrachlorid, Kohlenstoftclichlorid, Schwefelkohlenstoff. Terpen- tliin, Canadabalsam, Aceton, Aldehyd, Bittermandelöl, Essigäther, Senföl, Bergamotöl und mit keinem der Zweck erreicht. Der Purpur zeigte sich dabei haltl)ar in den Chlorkohlenst offen, Schwefelkohlenstoff, Oelsäure, Canadabalsam, Bergamotöl. nicht in den ültrigen Mitteln. Chloroform vernichtete die Farlie der trocknen Netzhäute zuweilen schon in einigen Stunden, in andern Fällen erst nach 1 — 2 Tagen, Terpenthinöl immer erst nach Ablauf von 1 — 2 Tagen. 29* 426 A. Ewald und W. Kühne: ■ Indifferent erwiesen sich ausserdem: Kohlensäure, Kohlen- oxyd, Borsäure, Cyanwasserstoff, selbst in starker Lösung, Cyan- kalium in fast gesättigter Lösung, Arsenige Säure, Schwefel- wasserstoff, Schwefelammonium, Unterschwefligsaures und Schwef- ligsaures Natrium, Salpetrigsaures Natrium, Eisen- und Zinkvitriol, Eisenchlorid, Wasserstoffsuperoxyd, Ozon, Santonsäure und San- tonsaures Natrium, frisch bereitete Lösung von Phosphor in 'Mandelöl. In Santonsäure quoll die Froschnetzhaut zu einer glasigen Masse auf, die im Dunkeln wochenlang prächtig purpur- farben blieb und im Lichte sehr schnell farblos wurde. Mit Santonin oder mit Natrium santonat vergiftete Kaninchen und Frösche zeigten bezüglich der Retinafarbe und deren Verhalten gegen Licht nichts Auffäjliges. Unter diesen Angaben werden die über Unwirksamkeit energischer Oxydationsmittel besonders auffallen. Wir waren darauf durch die älteren Erfahrungen über Erhaltung des Seh- purpurs in Osmiumsäure und in Kaliumpermanganat zwar vor- bereitet, dass aber das Ozon über den Sehpurpur nichts vermöge, w'ar uns so überraschend, dass wir den Oxydationsversuchen ganz besondere Sorgfalt zuwendeten. Zunächst müssen wir für die Nachuntersuchung bemerken, dass man bei der 0s04 und dem Permangan at leicht zu einer gegentheiligen Meinung kommt, weil hier dunkle Reductionsproducte den Stäbchenpurpur ver- decken und weil das Permanganat reducirt freies Alkali liefert, das den Sehpurpur zerstört. Dasselbe ist daher nur in ver- dünnter Lösung zugleich mit etwa 2procentiger Essigsäure an- zuwenden, welche das x\lkali neutralisirt und die Ausscheidung reducirter Manganverbindungen einschränkt. Ganz wird die Bräunung damit auch anfangs nicht verhindert, und es verdient bemerkt zu werden, dass dieselbe an der Stäbchenseite imm.er kräftiger, als an der vorderen auftritt. So lange die Stäbchen jedoch nicht ganz tief gebräunt sind, ist der Farbenunterschied Untersucbungeu über den Sehpurpur. 427 belichtet oder purpurhaltig in dieselbe Mischung gelegter Netz- häute sehr auflallig. Verschiedenheiten im Gange der Reduction und in dem Fortschreiten der Bräunung waren an solchen Prä- paraten nicht zu bemerken. Für das Verhalten der Stäbchen zu Osmiumsäure, wo ausserdem die Zeit, innerhalb welcher die ver- gleichende Beobachtung wegen der schnell erfolgenden Schwärzung möglich ist, bedeutend kürzer sein muss, gilt es dem gleichen Bedenken, wie l)ci dem vorgenannten Mittel zu begegnen, und da» ist besonders der Gehrauch sehr verdünnter Lösungen anzu- rathcn und die absolute Menge der Säure zu beachten, die in keinem Falle erheblich sein darf. Ob die Mittel nach längerer AVirkung den Sehpurpur zerstören, ist nicht zu entscheiden, doch möchten wir es für die OsOi annehmen, weil viele Stäbchen darin nur so hell olivenfarben werden, dass der Purpur ent- weder sichtbar bleiben müsste, wenn er neben dieser Farbe vor- handen wäre, oder die helle, ohne Frage grünliche Farbe als Complementär überhaupt nicht zulassen könnte. In "Wasserstoffsuperoxyd, das aus reinem Baryumhyperoxyd- hydrat mit SH2O4 dargestellt worden, sahen wir die Pictina sich stark mit Sauerstoffbläschen, die sie alsbald an die Oberfläche hoben, bedecken, ohne dass nach längerer Einwirkung grosser ]\Iengen die Farbe irgend welche Veränderung erlitt. War die Lösung alkalisch und trübe, so schwand der Sehpurpur unter dem Einflüsse des Baryts bald, während die saure Lösung erst bei beträcht- licher Intensität der Lakmusreaction schnellere Bleicliung erzeugte. Der Einfluss des Ozons wurde so untersucht, dass wir die Froschretina direkt in das Abzugsrohr des Siemcns'schen Ozoni- sators legten und dieses mit dem ganzen Apparate etwas nach abwärts geneigt mit der Mündung in ein kleines Röhrchen senkten, welches einige Tropfen gelösten Sehpurpurs enthielt. Der Ozoni^ sator war mit einem Inductorium mittlerer Grösse, dieses mit einer Ggliedrigen grossen Biaisoi' sehen Chromsäurekette ver- 428 A. Ewald und W. Kühne: banden, und durch den Apparat strömte reiner Sauerstoff mit geeigneter Geschwindigkeit. Durch ein Versehen wurden die Zink-Kohlenelemente beim ersten Versuche ganz eingetaucht, so dass ein gewaltiger Strom in Anwendung kam, der die meisten Apparate unbrauchbar gemacht hätte. Da der unserige es aus- hielt und nach wiederholten Versuchen keinen Schaden nahm, habeji wir den Glücksfall benutzt und jeder Zeit den Vortheil gehabt, eine so kräftige Ozonisirung des Gasstromes zu erreichen, dass der Aufenthalt vor dem Apparat fast unerträglich wurde. Unter diesen Umständen sahen wir zu unserem Erstaunen, dass sich die Farbe der Retina nach stundenlangem Ueberleiten des Ga- ses gar nicht änderte und dass sich die davon beständig zerpeitschte Purpurlösung ebensowenig verändert zeigte, wenn man die winzige Menge zur Ruhe kommen und am Boden des Röhrchens wieder zusammenlaufen liess. Da die Objecto alkalisch reagirten, so dass das Ozon Superoxyde bilden konnte, wurden mit 1 — 2proc. Essig- oder Milchsäure gründlich gesäuerte Netzhäute und bis zum Entstehen geringer Ausscheidungen freier Gallensäuren ange- säuerte Purpurlösungen dem Ozon ausgesetzt, aber diese zeigten sich darin ebensowenig veränderlich. Nach den Angaben von v. Gorup-Besanes, welche an man- chen oxydablen Körpern Ozonwirkung nur in Gegenwart von Alkali zugeben, haben wir nicht versäumt den Versuch noch unter Zusatz von Sodalösung oder von NHs zu beiden Präparaten auszuführen, doch auch das erhielt den Sehpurpur unversehrt. Um uns zu überzeugen, dass sich kein Fehler in den Versuch geschlichen habe, setzten wir Tröpfchen Indigolösung in das Rohr und bedeckten das Purpurröhrchen mit einer locker schliessenden Kautschukkappe; der Indigo wurde schliesslich entfärbt und der Kautschuk brüchig, wie schlechte Guttapercha, wo der Sehpurpur unangetastet blieb. Nach dem Versuche waren die Präparate so lichtempfindlich wie gewöhnlich. Untersuchungen über den Sehpurpur. 420 Dieser Unempfindlichkeit gegen activen Sauerstoff steht die leichte Zerstörbarkeit des Sehpurpurs gegenüber: durch Chlor, salpetrige Säure und unterchlorigsaure Salze, welche schon in Spuren die Netzhaut und deren Galleextract unwiderbringlich bleichen. Unterschwetligsaures und scliwefligsaures Natron, die an sich die Farbe erhalten, färben solche Präparate nicht wieder. Wie Brom und Jod auf den Purpur wirken, ist schwer zu ent- scheiden, weil deren verdünnte (nicht alkoholische) Lösungen oder die Dämpfe die Netzhaut stark gelb färben; Bromwasser scheint indess ziemlich langsam zu wirken; Salpetrigsaures Alkali ändert den Sehpurpur nicht. Welche Stoffe die Netzhaut entfärben, wurde z. Th. schon gelegentlich angegeben. Ausser vom Methylalkohol fanden wir es auch vom Amylalkohol und für den ersteren constatirten wir, dass er im völlig wasserfreien Zustande gänzlich getrocknete Netzhäute fast augenblicklich bleicht. Entfärbt oder verfärbt wird Sehpurpur an seinem natürlichen Platze oder in der Cholatlosung von : Chlorzink, Platinchlorid, Gold- chlorid, Sublimat, salpetersaurem Silber, den meisten Säuren, von Salicylsäure, Thymol, Furfurol. Wir haben die letzten 3 Körper in der Absicht berücksichtigt, die Purpur-Cholat-Lösung gegen Fäulniss zu schützen. Von der Salicylsäure wurde früher schon berichtet, dass sie in schwacher wässriger Lösung schon ge- fährlich sei, wenn nicht reichlich andere organische Stoffe zu- gegen sind; Thymol zu \'2 pCt. in Galle von 5 pCt. gelöst macht die Netzhaut in wenigen Älinuten hellgelb, ebenso eine ziemlich verdünnte Lösung von Furfurol in Wasser. Unter den Säuren haben wir besonders die Salzsäure genauer behandelt. In HCl von 5 pCt. wurde die Netzhaut in 15 Min. blassgelb, während sie in der Säure von 0,5 pCt. noch nach 30 Min. blassroth erschien. HCl von 0,1 pCt. lässt die Stäbchen- schicht nach 30 Min. gequollen und hell Lackfarben roth erscheinen. 430 A. Ewald und W. Küline: nach 60 Min blasser, nach 15 Stunden lichtgelb, nach 24 Stunden farblos. Neutralisiren oder Uebersättigen mit NHs oder Soda bringt die geschwundene Farbe nii'gends zurück. Sehr kleine Mengen concentrirterer Säuren wirken wie grössere Volumina verdünnter. Aehnliches gilt für Essigsäure und Oxalsäure ; eine Lösung der letzteren von 2,5 pCt. färbte die Netzhaut sofort gelb, während Essigsäure von gleicher Concentration nach 24 Stunden noch rothe Farbe erhalten hatte. Ganz concentrirte Milchsäure färbte die Retina sofort orangegelb, wobei die Stäbchen sich stark gequollen, um das 4fache verlängert und etwas verdickt zeigten. Milchsäure von 1 pCt. trübte die Retina bedeutend, änderte aber die Farbe so wenig, wie Essigsäure von gleicher Concentration. Nach Einwirkung der meisten verdünnten Säuren heben sich die Stäbchen häufig in zusammenhängender Schicht von der Retina ab. Schweflige Säure in so verdünnter wässriger Lösung, dass dieselbe kaum roch, entfärbte eine Netzhaut in 15 Min., in gerade deutlich riechender Concentration sofort und eine über diese Lösung in die abdunstende SO2 gehaltene Netzhaut wurde in 2 Minuten farblos. Zum Beweise, dass es nicht SH2O4 war, die sich in dem schwefligsauren Wasser gebildet und gewirkt haben konnte, wurde festgestellt, dass Kochen die Lösungen unwirksam machte. Eine in äusserst verdünnte, erst nach 15 Min. im Dunkeln bleichend wirkende SO2 2 — 3 Min. eingelegte Retina wurde im Lichte so schnell entfärbt, wie immer. Nach der Bleichung in schwefliger Säure kehrte die Netzhautfarbe weder durch Soda noch durch Kalium- permanganat, Wasserstoffsuperoxyd oder Ozon wieder. Die Entfärbung des Sehpurpurs durch chemische Einflüsse geschieht in vielen Fällen nicht plötzlich und geht dann, wie die durch Licht, erst durch eine rothe, orange, gelbe oder chamois Untersuchungen über den Sehpurpur. 431 Nuance zum Weiss. In manchen Fällen handelt es sich da ohne Frage um eine der Lichtwirkung analoge Zersetzung, so dass aus der Xatur des zersetzenden Reagens Schlüsse auf den Process der natürlichen Bleichung möglich werden. Andererseits tritt aber die Zerstörung des Purpurs auch unter Bildung gelber Stoft'e auf, die mit dem Sehgelb nicht zusammenzustellen sind. Wenn eine Retina in Jod und Brom gelb wird, bezweifelt dies Niemand, weil sich nicht nur gebleichte Netzhäute, sondern auch viele andere Gewebe ebenso verhalten: um etwas Aehnliches scheint es sich 1>ei dem Gelbwerden der Netzhäute in Platin- chlorid zu handeln, aber verdünnte Lösungen des Salzes schienen uns doch purpurhaltige Netzhäute auffälliger gelb und dann für das Licht sehr dauerhaft zu färben, als gebleichte. Goldchlorid liess solche Unterschiede kaum erkennen, noch weniger Salpeter- saures Silber von 1 pCt., das eine graue Farbe erzeugte. Subli- mat in ziemlich concentrirter Lösung färbt nur die ungebleichte Netzhaut hell gelblichrosa, welche Farbe nach längerer Einwirkung ausserordentlich lichtbeständig ist und darum besonders l)eim Frosche zum Fixiren von Optogrammen dienen kann. Das Sehsrelb. In dem Abschnitte über Fluorescenz der Retina haben wir schon eines Falles gedacht, wo der Purpur durch die chemische Wirkung des Chlorzinks, ohne Licht, in eine gelbe, nicht mehr tiuorescirende Farbe übergeht, welche dem Lichte länger wider- steht und nur an der Sonne allmählich farblos wird, unter An- nahme der für belichteten Purpur cliarakteristischen Fluorescenz. Unsere Auffassung der dort mitgetheilten Thatsachen hat in weiteren Beobachtungen Bestätigung gefunden, insofern wir jet«t auch zeigen können, wie umgekehrt, ohne chemische Hülfe, nur durch Licht aus dem Purpur nach Belieben erst ausschUesslich Sehüelb und aus diesem Sehweiss zu erzeugen ist. 432 A. Ewald und W. Kühne: Im Allgemeinen ist das diircli Reagentien in der Netzhaut — ohne Licht — erzeugte Gelb in erstaunlichem Grade weniger lichtempfindlich als das im ersten Stadium der Belichtung auf- tretende, während die unter den nämlichen Einflüssen in der Lösung des Purpurs erzeugte Gelbfärbung oft schon durch das Reagens schnell weiter verändert und gänzlich aufgehoben wird, oder sonst der Sonne leicht weicht. Es sind hier folgende That- sachen zunächst zu beachten und zu unterscheiden: 1) Viele Reagentien, die an sich den Purpur erst nach längerer Zeit oder gar nicht angreifen, ändern die Retina der Art, dass Belichtung zwar noch Sehgelb in der normalen Zeit erzeugt, dass aber dieses nun äusserst langsam farblos wird. 2) In Purpurlösungen tritt diess so wenig ein, wie in Auflösungen von Sehgelb, welche aus Netzhäuten, die im Lichte bis zum Gelb ausgebleicht worden, mit Galle herzustellen sind, wohl aber wiederum, wenn der Farbstoff in Niederschläge übergeht. Die Erscheinung wird an den Lösungen am zweckmässigsten mittelst passend ver- dünnter Säure, an der Netzhaut auf dieselbe Weise oder durch concentrirte Salzlösungen hergestellt. 3) Gibt es Netzhäute, welche ohne alle chemische Behandlung ein indolenteres Sehgelb durch Belichtung liefern. Unter diesen sind 2 Fälle zu unterscheiden: entweder ist die Retina von vornherein nicht normal, was sich bei Dunkelfröschen an der im ersten Augenblicke, nach dem Herausholen schon vorhandenen brandrothen Färbung zeigt, oder sie hat die normale Purpurfarbe und zeigt das resistente Sehgelb dann im Gange der Lichtbleiche. Das erstere haben wir bis jetzt nur bei Fröschen und wenige Male bei albinotischen, lange im Dunkeln gehaltenen Kaninchen beobachtet. Unter den mehr als 8000 Froschnetzhäuten, die wir bis heute verarbeiteten, dürfte (He Thatsache vielleicht 20 — 30 mal von uns gesehen sein. Viel häufiger ist das letztere, bei Fröschen jedoch selten so, dass das Gelb der Sonne länger als 2—3 Stunden widersteht; am auf- Untersuchungen über den Sehpurpur: 433 fälligsten sahen wir es einige Male an der Retina des Aals, der Eule und des Igels, wo die Netzhaut erst am dritten Sonnen- tage ganz farblos wurde. An keiner darauf untersuchten Membran dieses Verhaltens wurden andere Abnormitäten gesehen, nament- lich keine im frischen Zustande schon vorhandene oder ungewöhnlich schnell auftretende Trübung der Gewebe. Ein Umstand, welcher fast regelmässig die Entstehung halt- bareren Sehgelbs begünstigt, ist das Absterben, so dass heute, wo die Retinafarbe allgemeiner beachtet und Dunkelaugen häu- figer untersucht werden, die meisten Beobachter kaum begreifen werden, weshalb man nicht wenigstens die gelbe Retina früher gekannt habe. Man kann die Netzhäute der Säuger an vom Schlächter bezogenen und nicht mehr ganz frischen Augen häufig ganz unbedenklich im Tageslichte präpariren, ja die Augen vor- her gegen das Licht gewendet liegen lassen, ohne befürchten zu müssen, ganz farblose Membranen zu erhalten, denn wenn die- selben auch keinen Purpur mehr zeigen, so sind sie doch zum Untersuchen des Sehgelb noch ganz geeignet. Die Leichenpro- cesse, auf die es dabei ankommt, verlaufen auch in der isolirten Retina, die man deshalb nur im feuchten Räume dunkel aufzu- heben braucht, wenn man darin später das indolente Sehgelb durch Licht erzeugen will. Aus diesen und den folgenden Erfahrungen meinen wir schliessen zu müssen, dass das Sehgelb unter Umständen an andere Dinge gebunden oder fixirt werde, und daher die Licht- empfindlichkeit zum Theil oder ganz verliere. Die Stoffe, auf welche es sich fixirt, dürften sehr verschieden sein und sind einst- weilen nicht zu bezeichnen. Sehr unwahrscheinlich ist es uns aber, dass freies Sehgelb indolent werde, da die Erscheinung, wie schon hervorgehoben, niemals an seiner Lösung zu bemerken ist. Das Sehgelb würde demnach in viel vollkommenerer Weise als der Sehpurpur durch Verbindung mit anderen Stoffen halt- 434 A. Ewald tincl W. Kühne: bar zu machen sein, und unsere jetzt fast einjährigen Erfah- rungen über das Fixiren von Optogrammen fvergl. S. 86) zeigen denn auch, dass es auf die Dauer nicht gelingt, purpurne Bilder im Lichte aufzul3e^Yahreu. während die daraus sich entwickelnden gelben Zeichnungen, wenigstens auf der Ochsenretina, unver- wüstlich scheinen, so lange sie trocken bleiben. Da die Netzhaut in höheren Temperaturen schneller abstirbt, als in niederen und das Sehgelb in abgestorbenen Stäbchen in- dolenter ist, als in frischen, so wird der Gang der Ausbleichung duri-h Licht innerhalb gewisser Grenzen auch von der Temperatur abhängig sein und wir haben, als wir darüber experimentirten, in der That das wenig plausible Resultat zu erzielen vermocht, dass auf Eis gehaltene Netzhäute in den wirksamen Farben des Spec- trunis schneller farblos wurden, als auf oO" C. erwärmte. So lange es sich um das erste Stadium der AVandlung des Purpurs zu Gelb handelte, verhielten sich die Netzhäute dabei freilich entweder gleich oder auch umgekehrt, wenn man aber den Effekt aus der vollkommenen Ausbleichung entnehmen wollte, so zeigten sich die kalten zuweilen gegen alle Erwartung lichtempfind- licher. Um die Thatsache zu finden, muss man freilich längere Zeit vor der Belichtung mit dem Erwärmen anfangen; wir theilen den Versuch vornehmhch deshalb mit. weil die Bekanntschaft damit Anderen bei lange dauernden Spectralversuchen, die vorzugs- weise im warmen Sommer angestellt werden dürften, Irrthümer ersparen kann. Um eine Pictina mit indoleütem Sehgelb zu versehen, fanden wir es zweckmässig, sie 24—48 Stunden über die Aussenfläche zusammengeklappt in dem Lymphsacke eines lebenden Frosches verweilen und ab-sterben zu lassen und darauf kurze Zeit zu besonnen. Auf diese Weise ist es uns wiederholt gelungen, an der gelben Membran die Fluorescenz im Locus der ultravioletten Strahlen des Sonnenlichtes auf der Hinterfläche so gut wie voll- Uutersuchungen über den Sehpurpiir. doT) kommen aufgehoben zu finden, und dieselbe nach gehöriger wei- terer Belichtung, als das Sehgelb endlich schwaud, mit weisslich grüner Farbe und viel stärker zum Vorschein kommen zu sehen, als sie vor der ersten Belichtung an den noch purpurnen Stäb- chen war. Die zweite Methode nur Sehgelb ohne Sehweiss durch Licht zu erzeugen, bestand in der Belichtung vollkommen ge- trockneter Xetzhäute. Die Retinae wurden dazu auf Plättchen von Thon oder mattem Porzellan mit der Stäbchenseite nach oben ausgebreitet, über SH2O4 im continuirlichen Vacuum getrocknet, dann im Exsiccator, der mit einer durchsichtigen Platte luftdicht geschlossen war, so lange der Sonne exponirt, bis die Netzhaut- farbe tiefgelb geworden. In diesem Zustande war die Fluorescenz wieder fast vollkommen erloschen und kam auch nicht zum Vor- scheine, wenn das Präparat wieder gründlich befeuchtet wurde. Benetzt und weiter belichtet zeigte es dann das grünliche Leuchten im Ueberviolet und dies wurde in dem Grade deutlicher, als das Gelb abblasste oder verschwand. Da im Trockenraume befindliche Retinae ebenso wie der im Vacuum erhaltene Rück- stand von Purpurlösungen im direkten Sonnenlichte ungemein lange tief gelb bleiben, so dass wir schon vermutheten das Seh- gelb werde ohne Gegenwart von H2O überhaupt nicht weiter zersetzt, betrachteten wir auch solche gründlich besonnte Prä- parate im übervioletten Lichte. An diesen war jedoch die grün- lichweisse Fluorescenz sehr deutlich, also offenbar schon Sehweiss neben dem Sehgelb gebildet, und später überzeugten wir uns auch, dass die gelben Froschretinae im Exsiccator nach zwei- tägiger Besonnung völlig entfärbt wurden. Indem wir nach den vorliegenden Beobachtungen unsere Auffassung von der Bleichungsweise des schwach bläulichweiss fluorescirenden Sehpurpurs durch das gar nicht fluorescirende Sehgelb zum kräftig und grünlichweiss fluorescirenden Sehweiss für gesichert hielten, haben wir den Versuch gemacht, mittelst 43G A. Ewald und W. Kühne: des Verhaltens im Ueberviolet zu entscheiden, welche chemischen Einflüsse gleich dem Lichte wirken, ob also diejenigen Reagen- tien, welche die Retina gelb färben, wirkliches Sehgelb erzeugen, die sie total bleichenden, Seh weiss? Eine Dunkelretina, welche mit einem Tropfen Alkohol ent- färbt worden, zeigte gar keine Fluorescenz; nachträglich be- lichtet ebensowenig. Eine nach der Belichtung mit Alkohol be- handelte Retina fluorescirte dagegen kräftig weisslichgriin. Hier- nach wirkt Alkohol auf den Sehpurpur anders, als Licht, erzeugt kein Sehweiss, scheint aber einmal durch Licht gebildetes nicht zu zerstören. Retinae, die in einer Spur löprocentiger Essigsäure gelb geworden, waren frei Ton Fluorescenz, zeigten später belichtet, aber bei noch hellgelber Eigenfarbe, schwache weissliche Fluores- cenz ohne erkennbares Grün. Vorher gebleichte Netzhäute in derselben Weise mit Essigsäure behandelt, fiuorescirten weisslich- grün und kräftig. Das Verhalten ist also ähnlich, wie beim Chlorzink (S. 182). Eine über SH2O4 im Dunkeln getrocknete Netzhaut, ^'2 Stunde mit einer Spur Essigsäure von 30 pCt. bis zum Orange verändert, fluorescirte sehr schwach bläulich, wie wenn noch Sehpurpur neben dem Sehgelb vorhanden war; darauf in 74 Stunde an der Sonne citronengelb geworden, hatte sich ihre Fluorescenz kaum geändert; als sie aber durch weiteres 2stündiges Besonnen sehr blassgelb geworden w^ar, fluorescirte sie sehr lebhaft grünlichweiss. Der ge\he Körper, der anfangs aus Sehpurpur durch Essigsäure entsteht, scheint also Sehgelb zu sein. Durchaus anders, als die obengenannten Mittel, wirkte freies Alkali auf die Netzhaut, denn als wir Dunkelretinae in Kalilauge von 1 pCt. entfärbt hatten, fanden wir weder die gequollenen Membranen, noch die kleine Menge der Lösung fiuorescirend. Netzhäute, welche nach der Lichtbleiche in die Lauge gelegt Untersuchungen über den Selipurpur. 437 NYorden, veihielten sich ebenso, aber die Kalilüsiing zeigte eine Spur bläuliclnveissen Leuclitens im Ueberviolet. INIit riatinclilorid gelb gewordene Froschretinae schienen alle Fluoresccnz eingebüsst zu haben und nahmen das Vermögen dazu auch durch Belichtung nicht an. Vorher belichtete, dann mit riatinchlorid behandelte Netzhäute fluorescirten ebensowenig. Dunkelretinae, welche in Sublimat die oben erwähnte sehr lichtbeständige gelbliche Rosafarbe angenommen hatten, zeigten weder vor aller Belichtung, noch nach stundenlanger Besonnung irgend welche bemerkliche Fluorescenz,. während gebleichte und darauf in Sublimat gelegte Netzhäute sehr schwach weisslich fluorescirten; doch wurde in einigen Versuchen die letztere Er- scheinung auch vermisst. In Wasser von 70^ C. unter Liclitschutz bis zur Entfärbung erhitzte Froschnetzhäute erschienen im Ueberviolet ganz dunkel, während eine vollkommen getrocknete und im geschlossenen Röhr- chen ül)er wasserfreier Phosphorsäure auf 100*^ C. erhitzte und dabei, gelb gewordene Netzhaut schwach weisslichgrün fluores- cirte. Belichtung verstärkte dies Verhalten nicht. Nach diesen ersten jedenfalls noch stark zu vermehrenden Erfahrungen, die wir mitzutheilen uns nur entschliessen, weil Aussichten auf Fortsetzung einstweilen durch die lichtschwache Jahreszeit genommen sind, lässt sich schon absehen, dass es manche Reagentien gibt, welche, wie das Licht, Sehgelb aus dem Purpur erzeugen, so die Essigsäure, das Chlorzink, Sublimat; dagegen wurde ausser dem Lichte kein Mittel zur Herstellung des Sehweiss oder zum vollkommenen Entfärben gefunden, das die starke und charakteristisch weisslichgrüne Fluorescenz auf gewöhnlichem Wege gebleichter Netzhäute entwickelte. Sublimat (vielleicht auch Platinchlorid) scheint das Mittel zu sein, um das Sehgelb in die für Licht nahezu unveränderliche Verbindung: überzuführen. 438 A. Ewald und W. Kühne: Für die Untersuchung des Sehweiss dürfte die Tliatsache, dass Alkohol die Fluorescenz gebleichten Purpurs erhält, einigen Nutzen versprechen. Enthält der Selipurpnr Eisen? Bei thierischen Farbstoffen pflegt aus naheliegenden Rück- sichten gegen das Blutroth die Frage nach dem Gehalte an Eisen aufgeworfen zu werden. Wir glauben annehmen zu dürfen, dass der Sehpurpur kein Eisen enthält, thun es aber aus Grün- den, deren Berechtigung Jeder einsieht, unter starker Reserve. Wir sammelten einige gut ausgeschlüpfte Netzhäute von Dunkelfröschen und wählten darunter diejenigen aus, welche bei der Präparation der Hyaloidea beraubt waren, oder deren Gefässe in der ge- nannten Membran keine Blutkörperchen enthielten, was sich durch mikroskopische Betrachtung der Vorderfläche leicht fest- stellen liess. Ein gutes Mittel die Hyaloidea mit dem Glaskörper abschlüpfen zu lassen, ohne auf den günstigen Zufall rechnen oder Zupfen und Schaben anwenden zu müssen, fand sich in den cadaverösen Veränderungen, welche das Auge in einigen Tagen erleidet, und da die Netzhäute dann wieder vom Epithel gelockert waren, haben wir auch solche für den vorliegenden Zweck ver- wendet. Die Membranen wurden na'ch- und übereinander auf einem Häkchen von feinem Platindraht angetrocknet und, wenn 6 — 8 beisammen waren, durch Annähern an die Flamme langsam verkohlt und sehr vorsichtig verascht, was ohne Verlust zu bewerkstelligen war. Wurde das mit der. Asche beladene Platinöhr in einige Tropfen nicht zu concentrirter, mit etwas Rhodankalium versetzter Salz- säure gehalten, so war es unmöglich, irgend welche Spur rother Färbung in der Uingebung der sich auflösenden Asche auftreten zu sehen. Ebenso wenig sah man in ähnlich, verdünnter mit Ferrocyankalium versetzter Salzsäure dabei blaue Farbe auftreten. Untersuchungen iiboi* den Schpurpur. 430 Wir haben uns allerdings keine Salzsäure verschaffen können, welche nicht an sich vor dem Hineinhalten der lletinaasche schon die entsprechende Eisenreaction gegeben hätte, die Säure war aber doch so rein, dass die schwachen Färbungen des Reagens nicht störten, Dass die Probe für ausserordentlich geringe Quantitäten Eisen ausreiche, sahen wir, als wir sie mit einer winzigen Menge Blut, mit einem Gerinnsel vom Frosche, das noch nicht \'2o vom Volum einer Retina betragen mochte, oder mit einigen Netzhäuten, deren Hyaloidea erhalten geblieben, und Blutkörperchen aufwies, anstellten. Damit trat die Reaction so gut ein, dass man nicht nur einen rothen Hof gleich nach dem Eintauchen des Drahtes um dessen Ende entstehen, son- dern auch einen feinen rothen Faden in der Lösung auf den Boden des Porzellantiegelchens, das sie enthielt, sinken sah. Mehr Material gewannen wir aus Kaninchennetzhäuten, indem wir die im vorigen Capitel erwähnten Optogramme, welche zu nichts mehr dienten, von den Porzellanschälchen, auf die sie an- getrocknet waren, mit einem Platinmesser abschabten. Da diese Retinae nur in der Papille imd in dem weissen Balken mark- führender Nerven Blutgefässe enthielten, brauchte man nur diesen zurückzulassen, um blutfreies Material zu gewinnen. Der Alaun, welcher zum Härten gedient hatte, war sehr rein und gab in gesättigter Lösung kaum deutlichere Eisenreactionen, als die zum Auflösen der Asche verwendete Salzsäure. Die Gesammtmenge des zu dem einzigen Versuche verwendeten Retinapulvers Itetrug lufttrocken 0,2 gr. Dasselbe wurde im Porzellan tiegel verascht, der Tiegelinhalt mit wenig Salzsäure erwärmt, etwas verdünnt, durch ein sehr kleines eisenfreies Filter filtrirt und in 2 Hälften getheilt mit den beiden Eisenreagentien gemischt. In beiden war Zunahme der entsprechenden Färbung zweifellos, aber die Reactionen waren doch so schwach, dass nur von Spuren an Eisen die Rede sein konnte. Erwägt man, dass die Retinalgewebe an sich solche Kiihiie, I'ntersiicluingen. I. 30 440 A. Ewald und W. Kühne: Spuren enthalten können, dass ferner die Netzhäute mit stählernen Instrumenten aus dem Alaun, der sie angreift, hervorge- holt waren, so durfte ein geringer Eisengehalt schon erwartet werden. Wenn aber der Sehpurpur ein eisenhaltiger Körper wäre, hätte die Reaction mit der Asche einer so bedeutenden Anzahl Netzhäute, deren grösster Theil beim Optographiren farbig gebheben war, selbst wenn Seh weiss resorbirt worden, erheblicher ausfallen müssen. Vom Einflüsse der Temperatur auf den Sehpurpur. Welches Interesse das Verhalten und etwaige Veränderungen der Retinafarbe oder des Sehpurpurs beim Erwärmen bieten, wurde in dem Vorhergehenden wiederholt berührt. Unsere Ver- suche darüber sind in dem Folgenden zusammengestellt. Frische Retinae von Dunkelfröschen wurden mit der Stäbchen- seite gegen die Wandkleinergeschlossener Glasröhrchen, derenBoden etwas Wasser bedeckte, geklebt und die letzteren in ein grösseres Wasserbad getaucht. So wurde gefunden, dass die Stäbchen- schicht sich in sehr kurzer, nicht zu bestünmender Zeit bei 76^ C. im Dunkeln vollkommen entfärbte; sie war dann meist ohne jede Spur von Gelb und opak. Bei 75^ C. geschah dasselbe in 1 Min., bei 71 0 C. in 5 M., bei 70° C. in 8 Min., bei 65^0. erst in 30 Min., bei 60^ C. in 1 Stunde, bei 53« C. und 52 '^ C. erst in mehreren Stunden. Bei öl'' C. und 50° C. schien ausser dem Öpakwerden gar keine Veränderung mehr zu erfolgen. Zwischen 65*^ C. und 70*^ C. ging dem vollkommenen Erblassen immer ein Stadium voran, in welchem die Farbe gelb oder chamois aussah. Da die Erwärmung der Glasröhrchen einige Zeit in An- spruch nehmen musste, bevor die Retina die Temperatur des Bades annahm, wurde eine zweite Versuchsreihe so ausgeführt, dass man die Präparate in weite kurze Röhrchen, welche bereits Untersuchungen über den Sehpuvpur. 441 erwärmte halbprocentige NaCl-Lösung enthielten, versenkte. Momentane Bleichling ^^•urde jetzt schon bei 74° C. beobachtet, bei 72° C. Bleichung in 1 Min., bei 70° C. in 3 Min., unterhalb welcher Temperatur die Veränderungen in derselben Weise und in denselben Zeiten verliefen, wie früher. In destillirtem Wasser fiel die Reihe genau so aus, ebenso in NaCl von 10 p. Ct. und von noch stärkerer Concentration. 52° C. schienen überall die nie- derste Temperatur zu sein, die noch Farbenveränderung erzeugte. Sehpurpur von je 30 Froschnetzhäuten in 1 C.C. 2procentiger Galle gelöst, zeigte in schmale, dünnwandige Glasröhrchen gefüllt, folgendes Verhalten. Bei 72° C. trat momentan Entfärbung ein, bei 70° C. in 2 Min., bei G6° C. in 3 Min., bei 63° C. in 10 Min., bei 54° C. in 30 Min. sehr helle Chamois-Farben, bei 53° C. in ebenfalls 30 Min. etwas gesättigteres Chamois, bei 50° C. in mehreren Stunden keine Veränderung. Die untere Grenze der Zersetzungstemperaturen ist also bei der Purpurlösung dieselbe, wie für den Purpur in den Stäbchen, während die höheren Temperaturen von 63° C. an auf die Lösung energischer, als auf die Netzhautfarbe wirken. Von sehr bedeutendem Einflüsse auf die Zersetzungstem- peratur sind Zusätze von Alkalien und Säuren und zwar von solchen, welche bei niederen Temperaturen den Purpur nicht verändern. Wurde zu ^'2procentiger NaCl-Lösung 1 p. Ct. trockener Soda gesetzt und auf 60° C. erhitzt, so erblich eine Retina darin schon in 6 Min., bei einem Sodagehalte von 4 p. Ct. in 4 Min., ebenso schnell, wenn die Salzlösung 5 p. Ct. lufttrockenen kohlen- sauren Ammoniaks enthielt. In der letzteren Mischung wurde die Netzhaut bei 55° C. in 20 Minuten farblos, l)ei 47° C. in 90 ^lin. chamois, in 3 Stunden entfärbt. Lösungen, welchen 5 Vol. p. Ct. starken Ammoniaks zugesetzt waren, entfärbten sich bei 65° C. in 2 Min., bei 47° C. in 1 Stunde. 30* 442 A. Ewald und W. Kühne: Die NaCl-Lösung mit 1 p. Ct. Essigsäure angesäuert, färbte die Eetina bei 47° C. in 20 Min. gelb, ebenso mit 2 p. Ct. der Säure und derselben Temperatur in 10 Min., bei 55" C. in 5 Min., bei 60° C. in 2 Min., bei 65° C. in 2 Min. weiss. In ganz ähnlicher Weise wurden durch die genannten Zusätze die Zersetzungstemperaturen der Purpur lösung beein- flusst. Die schon genannte Lösung von 2 p. Ct. Galle mit dem gleichen Volum Sodalösung von 4 p. Ct. versetzt, also auf 1 p. Ct. Galle und 2 p. Ct. Soda gebracht, wurde bei 60° C. in 2 Min., bei 47° C. in 5 Min., bei 45 °C. in 10 Min. gänzlich entfärbt. Durch Verdünnen auf 1 p. Ct. Soda gebracht, wurde sie bei 50 ° C. in 5 Min. entfärbt. Zusatz einer sehr kleinen Menge NHs zur ursprünglichen Purpurlösung, so dass sie gerade deutlich darnach roch, bewirkte, dass sie bei 53° C. in 2 Min. entfärbt, bei 44° C. in 30 Min. hell lila wurde. Durch grössere Mengen NHs schien die überhaupt noch wirksame Temperatur nicht unter 40° C. herabgedrückt zu werden. Eine Probe der Purpurlösung mit so viel verdünnter Essig- säure versetzt, dass sie gerade anfing, durch ausgeschiedene Gallensäuren opalescent zu werden, jedoch bei Zimmertemperatur unveränderlich in der Farbe blieb, wurde bei 53° C. augenblick- lich, bei 42° C. in 5 Min. ganz farblos. Der Gang der Farbenänderung beim Erwärmen zeigt unzwei- deutig, dass da dieselben Zersetzungsprodukte, wie beim Belichten aus dem Purpur entstehen, denn es geht auch hier, wenn der Vorgang langsam genug verläuft, die Farbe erst durch Gelb zum Weiss und dies hat dieselben Zwischenfarben von reinem Roth durch Orange und Chamois zur Folge, welche schon so oft er- wähnt wurden. Wie beim Belichten ist die gell)e Farbe weniger auffällig in der Purpurlösung, als an der Netzhaut, aber hier, wie dort ist es das Sehgelb, das sich überall relativ schnell, auch Untersuchungen über den Sehpurpur. 443 bei den niederen Temperaturen, bildet und welches die längere Zeit erfordert, um ganz zersetzt zu werden, bis nichts Farbiges übrig bleibt. Wie wir nur unter gewissen Umständen durch Licht ausschliesslich Sehgelb ohne Sehweiss zu erzeugen ver- mochten, so gelang es auch durch Erwärmen nicht, Retinae in den Zustand zu bringen, wo die Fluorescenz erloschen gewesen wäre. Indess haben wir noch keine Gelegenheit gefunden, fest- zustellen, ob durch totale AVärmebleichung die Fluorescenzerschei- nungen der vollendeten Lichtbleiche erzeugt werden können. "Wenige Versuche, zu denen uns der Sonnenschein bis jetzt kommen gelassen, welche mit 70'^ C. begonnen wurden, scheinen anzu- deuten, dass die Fluorescenz ganz verloren geht, so dass das Sehweiss als in dieser höheren Temperatur ebenfalls zersetzlich anzusehen wäre. Im Anschlüsse hieran wurde beachtet, wie Erwärmen bei Entziehung des Wassers wirkt. Auf Glasplättchen angetrocknete Netzhäute vom Frosche neben wasserfreier Phosphorsäure ein- geschlossen, zu entfärben, gelang bei 1 OO'-* C. in mehreren Stunden nicht ; die Präparate wurden nur orange, höchstens gelb, blichen aber wieder befeuchtet am Lichte in einigen Stunden, trocken erhalten nach einigen Tagen vollkommen aus. Als wir die trockenen Membranen von 50'^ C. an aufwärts bis auf 75*^ C. er- hitzten, um den EinÜuss der Abwesenheit des Wassers auf die Zersetzungstemperatur überhaupt kennen zu lernen, stellte sich heraus, dass der Purpur erst bei etwa 70'^ C. anfing verändert zu werden; nach 10 Min. war das Umschlagen zu reinem Pioth, nach 1 Stunde das Auftreten von Orange bemerklich, doch können wir keine recht bestimmten Angaben über Grenztemperaturen machen, weil es ungemein schwielig ist, die so langsam und mit wenig verschiedenen Nuancen charakterisirte Aenderung an dem gerunzelten Objecte deutlich zu erkennen. Mit den Glasplättchen in absolutes Glycerin versenkt, zeigten die Retinae bei 65*^ C. 444 A. Ewald und W. Kühne: in 2—3 Stunden keine Veränderung; bei 75" wurden sie darin nach 30 Min. fast farblos. Tagelang in gesättigter NaCl-Lösung gehaltene Netzhäute, in demselben Medium erwärmt, zeigten bei 65° C. nach 30 Min. die erste Veränderung, wurden nach 40 Min. chamois, nach 50 Min. heller, nach 60 Min. noch heller chamois bis gelb, nach 1^12 Stunden ganz farblos. Bei 75*^ C. trat die erste Farben- änderung in 5 Min., bei SO*' C. in 4 Min. ein. In 6 Min. ging die Farbe bei 80*' C. in Gelb über, in 8—10 Min. zu Weiss. Es giebthier also ähnliche Verlangsamungen, wie beim Belichten gesalzener Netzhäute. Durch Erwärmen gelb oder farblos gewordene Netzhäute und Purpurlösungen nehmen im Dunkeln kühl gehalten niemals wieder Färbung an. Bei 45*' C. wird die Netzhaut des Frosches ohne Farben- änderung der Stäbchen schnell weisslich und viel undurchsichtiger als durch Absterben bei Zimmertemperatur. Es bleibt zu unter- suchen, in welchen Schichten und Geweben diese der Wärme- starre entsprechende Veränderung vor sich geht. Tom Einflüsse der Temperatur auf die Lichtbleiche. Unter O*' liegende Temperaturen scheinen nur Einfluss auf die Bleichungszeiten der Froschnetzhaut im Lichte zu haben, wenn die Gewebssäfte gefrieren. In diesem an der weisslichen Rosa- farbe gleich zu erkennenden Zustande sahen wir die Farbe noch etwas langsamer als an in gesättigter Salzlösung gehaltenen Präparaten durch Sonnenlicht verschwinden. Nach dem Auf- thauen, während die Temperatur auch im Präparate sicher noch unter 0** stand, konnten wir keine wesentliche Verlangsamung der Lichtwirkung gegenüber der in Zimmertemperatur gewöhn- lich stattfindenden wahrnehmen. Einige Versuche der Art wurden mit dem Sonnenspectrum angestellt, und zwar so, dass das von Untei'sucliuiigeii über don Selipnrpur. 445 einem Metallspiegel nach abwärts reflectirte Spectrum zur Hälfte seiner Breite auf eine mattweisse silberne Rinne fiel, die auf einer Kältemischung stand, zur andern Hälfte auf einen Porzellan- streif, der über ein Gefäss mit Wasser von 30" C. gelegt worden. Wenn die am Boden der Silberrinne angefrorene Netzhautreihe wieder so weit aufgethaut war, dass die Membranen durchsichtig und feucht schienen, während ein nebengesetzter Wassertropfen noch anfror, beobachteten wir keine regelmässigen zeitlichen Unterschiede der Ausbleichung in den einzelnen Spectralfarben zwischen diesen Membranen und den auf der Porzellanplatte aus- gebreiteten. Wesentlich anders gestalteten sich die Bleichungszeiten für höhere Temperaturen, und hier musstc man vor Allem wissen, ob sich Unterschiede ei'gäben für die unter Homöothermen und Poikilothcrmen gewöhnlich vorhandenen Temperaturdifferenzen. Zu dem Ende befestigten wir wieder Froschnetzliäute mit der Aussentläche gegen die innere Wand kleiner feuchter Röhrchen, verschlossen diese und versenkten sie unter Führung an durch den Kork gesteckten Glasstäben in grosse Bechergläser mit ver- schieden- temperirtem Wasser. Vor dem Beuchten wurden die Röhrchen so lange eingetaucht erhalten, dass auf Gleichheit der Temperatur des Präparates mit der des Bades zu rechnen war. Die Beleuchtung geschah durch stark gedämpftes Tageslicht, das man plötzlich durch Oeffnen einer kleinen Klappe im Fenster- laden in's Dunkelzimmer treten Hess. Um gleicher Belichtungen bei den Präparaten sicher zu sein, wurden die Versuche durch Vertauschen des Platzes der Gläser controlirt. Wir fanden so bei 40" C. auf der einen, 10" C. auf der andern Seite, die wärmere Netzhaut nach 1 Min. etwas weiter in der Bleichung vorgeschritten, gelber als die andere, welche noch recht orange aussah; nach 3 Min. war die Differenz grösser, indem die erste blass strohgelb, die zweite noch chamois gefärbt 446 A. Ewald und W. Kühne: war. Erst nach 10 Min. waren beide vollkommen entfärbt, aber es war während dieser langen Zeit immer zu bemerken, dass die wärmere Netzhaut der Ausbleichung näher war. Wir haben nach vielfacher Wiederholung des Versuches keinen Zweifel an der Constanz der Unterschiede. Für Temperaturen von 37*^, 37,5'' und 38*^ C. gegen 10— 12*' C, auf welche es am meisten ankam, können wir die grössere Liclit- empfindlichkeit den wärmeren Netzhäuten nicht entfernt mit der Bestimmtheit zuschreiben, wie für 40*^ C. Wohl hat uns, was wir sahen, im Allgemeinen den Eindruck hinterlassen, dass die Bluttemperaturen die Lichtbleiche etwas beschleunigen, indem namentlich der Umschlag des Purpurs in Roth oder Orange bei 10° C. langsamer erfolgte, ja wir glauben solche Unterschiede für 10— 12*^ und 35^ C. noch zugeben zu dürfen. Auffällig sind die Differenzen aber nicht, bei sehr schwachem Lichte nach 10 bis 20 See. höchstens zu bemessen und hinsichtlich der totalen Entfärbung erhielten wir zuweilen selbst umgekehrte Resultate. Oben wurde schon bemerkt, dass Erwärmen die fortschreitende Indolenz des Sehgelbs begünstigt, und diess bildet eben für alle dem ersten Farbenwechsel folgende Stadien ein störendes Moment. In einem bei 40*^ C. angestellten Versuche wurde dieser Uebel- stand so zu umgehen versucht, dass erst beide Netzhäute im Dunkeln etwa 20 Min. bei der höheren Temperatur gehalten und dem Lichte ausgesetzt wurden, als die eine auf 12*^ C. wieder abgekühlt war. Jetzt wurde die warme nach 30 See. gelb, während die andere noch gelborange war; nach 5 Min. war die erstere blass strohgelb, die kalte charaois und erst nach 8 Min. waren beide gleich, d. h. nahezu farblos. Besondere Undurch- sichtigkeit hatte diese Erwärmung an den Präparaten nicht erzeugt. Um die Entstehung des indolenten Farbstoffes oder die Fixirung des Sehgelbs ganz zu vermeiden, nahmen wir an Stelle der Netzhaut die Lösungen des Sehpurpurs in 2procentiger Galle. Untersuchungen über den Sehpurpur. 447 Bei 40^ und 10*^ C. wslv der Farben-Unterschied alsbald aus- geprägt, nach 90 See. höchst auffallend und nach 5 Min. noch vorhanden, indem die warme Probe kaum gelblich, die kältere deutlich chamois erschien. Bei 38*^ C. gegen 10*^ C. und ebenso langsam wirkendem Lichte war gleichsinnige Differenz auch noch im Anfangsstadium zu bemerken, am deutlichsten jedoch zur Zeit des Ueberganges vom Gelb zur Farblosigkeit. Die letztere Beobachtung veranlasste uns am meisten das schnellere Reagiren der Netzhautfarbe lebender Warmblüter in noch andern Gründen, als in der Bluttemperatur an sich zu suchen (vergl. d. vor. Cap.). Je weniger ins Auge fallende Unterschiede die genannten sehr bedeutenden Temperaturdifferenzen für die Purpurbleiche im Lichte ergeben hatten, um so mehr musste die erstaunliche Steigerung der Lichtempfindlichkeit überraschen, welche bei sehr geringen Differenzen durch Annäherung an die Zersetzungs- temperatur gefunden wurde. Diese Zunahme ist so bedeutend, dass mittelst derselben aus Sehpurpur vermuthlich das feinste Reagens auf Licht, das es ü])erhaupt geben kann, herzustellen sein wird. Die folgenden dies l^elegeuden Versuche wurden alle mit vorher im Dunkeln gleichmässig erwärmten Präparaten aus- geführt, von denen jedesmal das eine abgekühlt worden, während das andere auf der gewünschten Temperatur blieb, wenn das Licht zutrat. Nur die erste Beobachtung, welche uns das Opak- werden der Froschnetzhaut bei 45° C. beachten lehrte , was Unterschiede in der Lichtbleiche zur Folge haben konnte, insofern die weisse Retina zum Reflector der zum Lichte gewendeten Stäbchenschicht zu werden vermag, war ohne die genannte Vor- sicht gewonnen. Was es da zu sehen gab, war aber so auf- fallend, dass wir sogleich wussten, hier könne weder innere Licht- reflexion, noch das verschiedene Aussehen opaker und durch- sichtiger Farbenliächen wesentlich sein. Die eine Retina war während der Belichtung wegen der noch unvollkommenen Ein- 448 A. Ewald und W. Kühne: riclitungen von 49'^ C. auf 43*^ C. abgekühlt, die andere constant bei 11*^ C. erhalten. In dem stark gedämpften Lichte zeigte sich die erwärmte nach 4 ]\lin. total ausgebhchen, während die andere nach 5 Min. noch rothorange, nach 10 Min. intensiv chamois, nach 25 Min. noch hellgelb aussah. An vorher zusammen erwärmten, aber zur möglichsten Vermeidung des Indolentwerdens nachträglich gebildeten Sehgelbs nur kurze Zeit der höheren Temperatur ausgesetzten Präparaten beobachteten wir Folgendes: 2setzhaut. f A. bei 45 °C. in 4 Min. entfärbt. 1 I B. — 12" C. ., 12 ., noch hell chamois. j A. — 50'^ C. ., 1 ., ganz entfärbt. [ B. — 12" C. ,, 1 ,, orange, in 10— 12 Min. ganz entfärbt. [ A. — 50 "C. ,, 40 See. gänzlich gebleicht. ( B. — 11 °C. ,, 1 Min. chamois, in 3 Min. farblos. ( A. — 50" C. .. 30 See. vollkommen entfärbt. 4 ! B. — 12"C. „ 12 Min. entfärbt. Selbstverständlich sind nur A. und B. derselben Ziffer zu vergleichen, da die Lichtintensität von einem Paare zum andern ungefähr in dem Grade schwankte, wie es aus den zeitlichen Verschiedenheiten bei derselben Temperatur ersichtlich ist. Wir konnten nur auf das halten, was wesentlich und leidlich erreich- bar war, nämlich dass die Intensität in der kurzen Zeit des Einzelversuches keine grösseren Schwankungen erlitt, indem wir nur Ijei stark und gleichmässig bezogenem Himmel arbeiteten. Sehpurpurlösung in 2 pctg. Galle zur einen Hälfte bei 50 ° C, zur andern bei 12" C. exponirt, wurde in der ersteren in 30 See. vollständig entfärbt, in der letzteren nach JLl Min. Soweit sich darülier urtheilen liess , beginnt die grosse Zunahme der Lichtempfindlichkeit des Purpurs etwa bei 45 "C. und steigt in dem Maasse mit der Temperatur, wie diese der Untersuchungen über den Sehpuvpur. 449 Grenze zugeht, über welche hinaus Erwärmung an sich, also im Dunkeln die Zersetzung einleitet. Wir haben nur bis zu diesem Punkte genauere Versuche gemacht, denn es war uns aus den früheren Erfahrungen bekannt, mit welcher unglaublichen Geschwindigkeit die Retina und die Purpurlösung in stark ge- dämpftem Lichte verändert werden, wenn man denselben über- schreitet. Begreiflich liegt darin eine unwillkommene Schwierig- keit der Temperaturversuche überhaupt und Anlass zu grosser Eile beim Besehen der Präparate, das keine zu geringe Licht- stärke erlaubt, wenn nicht Lichtwirkung für die der Temperatur gehalten werden soll. Einmal damit bekannt, haben wir die Schwierigkeit natürlich umgangen, indem wir die Objecte vor dem Besehen erst wieder abkühlten, wo die Erwärmung im Dunkeln keine allzuschnelle Veränderung voraussetzen liess. Von den chemischen Mitteln, welche Sehpurpur für niederere Temperaturen zersetzlich machen, wurde besonders NH3 benutzt. Pupurlösung mit so viel NH3 versetzt, dass sie gerade deutlich Geruch darnach angenommen hatte, wurde z. B. bei 38*^C. in 20 See. gänzlich entfärbt, während eine abgesonderte in dem- selben Lichte bei lO'^C. gehaltene Probe erst nacli 30 See. die Anfangsänderung, nach 90 See. Uebergang zu Chamois zeigte, und 4 Min. zur Entfärbung bedurfte. Lösungen mit grösserem NHs-Gehalte wurden bei 40 ^ C. in sehr schwachem Lichte augenblicklich blassgelb, fast farblos, bei 10*^0. erst in GO See. gelb und in 5 Min. entfärbt. Hier ist daran zu erinnern, dass ammoniakalische Purpurlösungen im Dunkeln unter 44 ^ C. nicht zersetzlich sind und dass der Zusatz in der Kälte sogar lang- sameres Bleichen der Netzhautfarbe durch Licht bedingt. Die sonuenarme Jahreszeit verbot bis jetzt von der Em- pfindlichkeitssteigerung durch Erwärmen ausgedehnteren Gebrauch zu machen und das vor Allem wissenswerthe Verhalten er- wärmter Netzhäute und Purpurproben im wenigst wirksamen 450 A. Ewald uad W. Kühne: rotten Lichte genauer zu untersuchen. Bei einem Spectralver- suche. der am 2S. ^^ov. 12 Uhr mit guter Sonne anzustellen war. sahen wir auf 50" C. erhaltene Retinae im Gelbgrün nach 7 Min. ausbleichen, während dasselbe Licht auf Präparate von etwa 12 -'C. erst in 20 Min. wirkte. Ein im Roth von C liegendes Präparat zeigte sich innerhalb dieser Zeit so wenig verändert, wie eins, das zur Controle in dem dunkel gebliebenen Theile der Rühre, worin alle erwärmt wurden, lag. Dies spricht nicht grade für Steigerung der Lichtempfindlichkeit im Roth, doch wii'd darüber erst nach eingehenderen Beobachtungen und Heranziehung von Erwärmungen, welche die Zevsetzungstem- peratur überschreiten, zu entscheiden sein. Es bedarf der Erwähnung kaum, welche grossen zeitlichen Unterschiede der Liclitbleiche herzustellen sind bei kleinen Temperaturdifferenzen, wenn man die letzteren an eine passende Stelle, z. B. von 44'-'— 46^ oder — 50'-' C. legt. Chemisclie Einflüsse anf die Liclit1)leiche. An dieser Stelle wird passend noch über Ausbleichungs- versuche mit dem Lichte unter einigen chemischen Einflüssen berichtet. Dieselben waren der einfachsten Art und können nur den Anfang weiterer in der Richtung zu unternehmender Enter- suchungen darstellen, welche besonders festzustellen hätten, ob Reagentien . die in gewissen Concentrationen die Netzhaut im Dunkeln entfärben, es mit der Hülfe des Lichts schneller thun oder in an sich unschädlicher Concentration den Purpur lichtempfindücher machen. AVir hatten Gelegenheit einen dahin zielenden Versuch mit dem Sonnenspectrum zu machen, als wir die Frage mit der Essigsäure begannen. Die Säure von ^/2 bis 1 pCt. veränderte die Netzhaut im Dunkeln nur, indem sie das Gewebe weniger durchsichtig machte und den Purpur vielleicht erst in grosser absoluter Memie nach einigen Tagen verfärbt Untersuchungen über den Sehpurpur. 451 hätte. Eine Reihe damit gesäuerter Retinae wurde auf einer Porzellanplatte neben einer andern Reihe mit Soda von 2 pCt. getränkter in das Spectrum gelegt und es fand sich, dass die Zeit, welche die Lichtwirkung in den einzelnen Farben in An- spruch nahm, auf der alkalischen Seite im Allgemeinen dieselbe war, wie auf der sauren: es gab aber einen auffallenden, das letzte Stadium der Bleichung betreffenden Unterschied, indem nämlich die gesäuerten Netzhäute im Gelbgrün bis Grün noch lange intensiv gelb blieben, als die alkalischen dort schon farb- los waren und sich im Blau und Violet bereits entfärbt zeigten, als die alkalischen in diesem Spectraltheile noch hell chamois oder lila waren. Das sieht ganz so aus, wie wenn das Sehgelb, dessen Bildung die Essigsäure im Dunkeln einleitet und bei grösserer Concentration schnell hervorruft, wenigstens im blauen Lichte schneller auftritt unter Mitwirkung der Säure. Be- merkenswerth bleibt daneben die geringere Wirkung, welche gelbgrünes und grünes Licht auf dieses Sehgelb ausüben, und die Geschwindigkeit, womit es im blauen Licht verschwindet. Man hat hier also das Verhalten des Sehgelb reiner vor sich, wie gewöhnlich, wo es im Gange der Ausbleichung länger mit unzersetztem Purpur gemischt bleibt. Eine Netzhautreihe, in einer Glasröhre längere Zeit im feuchten Kohlensäurestrome gehalten, zeigte nichts der Art und kein anderes Verhalten zu den Spectralfarben , wie in atmo- sphärischer Luft gehaltene. Schliesslich wäre noch die Frage zu berühren, ob der Sauer- stoif an der photochemischen Zersetzung des Sehpurpurs be- theiligt ist oder nicht. Wenn man erwägt, wie wenig Purpur eine Froschnetzhaut vernuithlich enthalten kann und welche Spur von 0 nur anwesend zu sein braucht, auch wenn auf seine Gegenwart etwas ankommt, wird man davon al)Stehen, den atmosphärischen 0 durch Verdrängung mit CO2, H oder N ent- 452 A. Ewald und W. Kühne: fernen zu wollen. Wir meinen aber auf anderem Wege die Betheiligung des 0 schon ausgeschlossen zu haben, als wir von der Lichtbleiche in Schwefelwasserstoffwasser und in Schwefel- ammonium berichteten. Um die Frage abschliessend zu erledigen, haben wir die Versuche mit verdünntem, von SH2 vollkommen gesättigtem NH3 wiederholt, und die Retina mit der Lösung in kleinen Fläschchen, deren Glaspfropf sehr vollkommen einge- schliffen , ohne Luftblase 24 Stunden im Dunkeln gehalten. Darauf im Fläschchen ans Licht gebracht, blich sie in derselben Zeit und in derselben Weise aus, wie eine unter denselben Ver- hältnissen in ebenso verdünntem NHs (ohne SH2) gehaltene, unter Zutritt von Luft. Endlich haben wir den Versuch in einer klaren und farblosen Mischung von Zinnchlorür, Wein- steinsäure und überschüssigem NH3 angestellt, was am Gange der Lichtbleiche auch keine Aenderung erzeugte. Die einzige Ansicht, welche wir uns bis jetzt von dem pho- tochemischen Zersetzungsprocesse des Sehpurpurs zu bilden ver- mögen , ist die , dass er in einer Wasserentziehung bestehe. Manche der von uns gefundenen Thatsachen scheinen dem frei- lich zu widersprechen, vor Allem die ausserordentliche Verlang- samung des Bleichens in Abwesenheit von Wasser. Es giebt aber eine Thatsache, welche uns stark dafür zu sprechen scheint: über Schwefelsäure oder über wasserfreier Phosphorsäure im Vacuum gänzlich getrocknete, jedoch noch rein purpurfarbene Netzhäute werden in absolutem Glycerin aufbewahrt, nach 24 Stunden etwa, unter strengstem Lichtschutze orangeroth, einige Tage später gelborange, noch später gelb, nach Wochen blass- gelb. Auffallender ist die Veränderung an dem ebenso im Va- cuum erhaltenen ganz getrockneten Rückstande von Purpur- cholatlösungen , der für sich behebig lange aufzubewahren ist, ohne an der purpurnen Nuance zu verlieren. Wird derselbe mit krystallisirendem Glycerin Übergossen im Dunkeln über SH2O4 üntei'suchungen über den Sehpurpur. 453 aufbewahrt und von Zeit zu Zeit mit einem Platindraht aufge- rührt, so quillt er etwas an, setzt sich aber stets wieder zu Boden. Wir haben auch vergeblich versucht ihn dadurch in Lö- sung zu bringen, dass wir eine durch wochenlanges Stehen ab- soluten Glycerins über vollkommen getrockneter krystallisirter Galle bereitete, wasserfreie Gallenlösung, die sich so herstellen lässt, damit mischten und lange über SH2O4 darauf wirken Hessen. Die glasigen Klumpen am Boden waren anfangs schön roseu- farben, wurden aber nach und nach immer mehr gelb, nach etwa 0 Wochen hellgelb, in welchem Zustande wir sie noch 2 Monate später erhalten fanden. An's Licht gesetzt, verloren sie nach einigen Tagen auch diese Farbe ^). Da man an der im Glycerin liegenden ^) Es ist hier angenommen, dass die Entfärbung des Purpurs auf Entziehung des zur Constitution des Farbstoffes gehörigen Wassers durch die Wasseranziehung seitens des absohiten Glycerins beruhe. "Wie hygro- skopisch solches Glycerin sei, ist bekannt und lehrt jeder Wägungsversuch: man muss damit umgehen, wie mit Schwefelsäure. Ausserdem zeigt es einem anderen Körper gegenüber ein Verhalten, dessen Analogie mit dem zum Sehpurpur unverkennbar ist, ich meine das Eiweiss. Es giebt manche gute Gründe für die von Vielen getheilte Meinung, dass coagulirtes Albumin das Anhydrid des coagulabelen, die Coagulation eine Wasserentziehung sei. Ich habe Eierweiss mit gerade so viel Wein- steinsäure versetzt, dass eine Probe durch Sieden vollkommen coagulirte. die klare Lösung bei 40 <> C. eingedampft, den Eückstand gepulvert über SH2O4 im Vacuum so lange getrocknet, bis er keinen Gewichtsverlust mehr erlitt, und dieses Albumin nach längerem Stehen in absolutem Glycerin löslich gefunden. Unter der Exsiccatorglocke gelang es davon in einigen Wochen eine klare Lösung vom Aussehen des besten Cauadabalsams zu filtriren. Eine Probe davon in siedendes Wasser getaucht wurde fest und undurchsichtig weiss; das Eiweiss coaguUrte indess anscheinend langsamer, als in wässriger Lösung. Vollkommen verschlossene Proben der nicht er- wärmten Lösung wurden nach und nach immer trüber und steifer und sind jetzt nach 2V2 Jahren fast so fest und opak, wie die der Siedhitze ausgesetzten. Mir scheint, dass auch die allmählige Zersetzung des Sehpurpurs heim Erwärmen und die plötzliche Entfärbung bei 74" C. gewisse Analogieen mit der Eiweisscoagulation bietet, ebenso die partielle oder laugsame Veränder- lichkeit des trockenen Farbstoffes bei 100" C, mit der unvollkommenen Coagulatiou des trockenen Albumins bei höherer Temperatur. W. K. 4:54 A. Ewald und TV. Küline: Retina gegen die Beobachtung misstrauisch mrd, weil die dünne farbige Membran darin fast bis zum Verschwinden durchsichtig wird, ist auf die Erscheinung am Purpur selbst besonderes Ge- wicht zu legen. Das uns von dem Fabrikanten Herrn Sarg in Wien freundlichst geschenkte Glvcerin bestand noch bei einigen Graden über 0^ aus den schönsten, zolllangen Krystallen und er- wies sich nach dem Verdünnen so unschädlich für Sehpurpur, dass wir es mit Vortheil zum Conserviren der sonst ausserordent- lich fäulnissfähigen Purpurlösung benutzten. Ein gesättigtes Netzhautextract mit Sprocentiger Galle bereitet, im Tacuum auf etwa ^,4 concentiirt und mit dem Glvcerin wieder aufgefüllt, giebt den herrlichsten Pui'purlack, dessen Lichtempfindlichkeit man fast bedauern möchte. Sehpurpur in der für chemische Untersuchungen nöthigen Menge zu ge'^innen wird zwar sehr schwer halten und ungewöhn- liche Opfer, freilich nur manueller Arbeit, kosten, scheint uns aber nicht unmöglich . denn es giebt eine Eigenschaft des Körpers, welche Aussichten auf seine Pieinigung eröffnet. Der S e h p u r p u r ist nicht diffusibel. Wir haben die Purpurlösung in kleine Dialysoren aus vege- tabilischem Pergament gefüllt auf einige Cub.-Cent. "Wasser oder farblose Galle gesetzt, diese nach mehrtägigem Stehen im Ya- cuum concentrirt und daran niemals Färbung beobachtet, wäh- rend dieselbe über der Membran erhalten bheb. Wurden die Dialysoren in grosse Mengen zuweilen erneuerten Wassers ge- taucht, so verlor die Purpurlösung allen Geschmack nach Galle, und dieselbe fand sich in der dialysirten Flüssigkeit, wo sie leicht nachzuweisen war. In dem Maasse, wie dem Purpur die Galle entzogen wurde, trübte sich die Lösung von myelinartigen Aus- scheidungen, ohne jedoch einen gefärbten Bodensatz zii geben. üatersuchuQgen über den Sehpurpar. 455 Wir haben diese Flüssigkeiten bis heute nicht frei von Bacterien erhalten können. Im Vacuiin» verdunstet und wieder mit Wasser versetzt, bildete der Rückstand ein gallertiges, purpurfarbenes Magma, von welchem nur ungefärbte Filtrate zu gewinnen waren. Diese Masse dürfte als Material zur weiteren Fieinigung des Pur- purs zu benutzen sein, indem mau die darin enthaltenen Albumine erst mit einer Spur Trypsiii zu verdauen, die Verdauungspro- dukte fort zu dialysiren und das Cerebrin nebst anderen dem sog. Myelin zugehörigen Stoffen mit Benzol zu entfernen hätte. Was dann übrig bleibt, müsste der Sehpurpur, mit einer Spur des ver- wendeten Trypsins verunreinigt, sein. Da die Netzhaut des Pferdes nach H. Müller u. 7?. Berlin (klin. Monatsbl. f. Augenheilk. XV. Beilage-Heft S. 4) nur im nächsten Umkreise der Papille Gefässe und Blut enthält, würde sich die Einrichtung eines Dunkel- zimmers, worin nur die Purpurcholatlösung anzufertigen wäre, in der Nähe einer Pferdeschlächterei lohnen. Nachträge zu den Abhandliingen über Sehpiirpur. Von W. Kühne. Zu S. 31. Das Vorkoiumeu des Sehpurpnrs in der Thierreihe betr. Die Netzhaut eines fusslangen. sehr munteien Petromyzon fluviatilis, der einige Stunden im Dunkeln gehalten war. zeigte dieselbe auffallend schwache Purpurtarbung , wie die des früher untersuchten, abgestorbenen Exemplars. Der Purpur ist hier also auch in normalen Verhältnissen entweder in sehr gerin- ger ^lenge in den Stäbchen enthalten, oder es gibt ausser den- selben andere, purpurfreie, vermuthlich den Zapfen zuzurechnende Elemente. Das etwas gesprenkelte Aussehen der HinterÜäche sprach für das Letztere, aber es konnte darüber bei dem ausserordent- Kühne, Uuteiaucliuiigeu. I. 31 456 W. Kühne: licli sclmellen Abblassen der Farbe nicht entschieden werden. Trotz der geringen Sättigung des Piii-purs war dessen stark zum Violet oder Bläuhchen neigende Nuance auffällig. Im Lichte ging diese in Gelb über, das einige Minuten später gänzlich schwand. Es ist bis heute unbekannt, ob wirklicher Sehpurpur bei Wirbellosen vorkommt. Die Beobachter der Cephalopoden- und Arthropodenretina beschreiben zwar die Färbung der Seh- stäbe als vergänglich ; es wird aber nirgends gesagt, ob das Licht Antheil daran habe, noch ob das Absterben und Faulen oder die Conserviruugsflüssigkeit sie erst vernichteten. Nach den Beobach- tungen am Krebsauge (S. 121) wird es sehr wahrscheinlich, dass die Farbe der Sehstäbe bei den Avertebraten im xlllgemeinen lichtbeständig, also kein Sehpurpur ist; doch wird man sich, bis weitere Untersuchungen darüber vorliegen, noch des Nachdenkens über die Coexistenz von Blutroth und Sehpurpur enthalten können. Zu S. 393. Unterscliiede des Selipurpurs vom Kauiuclieu und vom Frosche betr. Eine aus 4 frischen Kaninchennetzhäuten, mit Ausschluss des die Gefässe führenden Streifens, wo die markhaltigen Nerven liegen, in 1 Cub.-Cent. Galle von 2 pCt. bereitete Sehpurpur- lösung er\\ies sich bei Körpertemperatur bedeutend lichtempfind- licher, als bei 7,5'^ C. Die Temperatur sank während des Ver- suchs von 38,5*^ C. bis 35'' C. Dennoch wurde die Lösung in dem sehr gedämpften Lichte, das durch eine kleine mattverglaste Oeffnung aus grösserer Entfernung einfiel, schon in 10 Secunden sehr blass, in 20 — 25 See. hellgelb, in 2^'2 Min. ganz farblos, während die daneben in demselben Lichte bei 7,5'^ C. aufgestellte erst nach 2 Min. hellrosa, nach 2^'2 Min. gelblich und in 3^2 Min. farblos wurde. Hiernach ist kaum mehr zu bezweifeln, dass der Sehpurpur des Frosches und des Kaninchens verschiedene chemische Kör- per sind. Nacht nij^e 'zu den Ablianclluriyen über Sehpurpur. 4")7 Beim Erwärmen üliiie Licht verhält sicli die vom Kaninchen erhaltene rurpurlüsnng auch nicht ganz so, wie die vom Frosche. Erstere Lösung (in 5 pCt. Galle) wurde bei 04" C. in 1 iMin. hellgelblich, ()1" 2 r)8" 4 ri "^' 11 1' ^11 11 1 „ 55^ „ „ 5 „ nicht verändert. Licht entfärbte diese Lösung, die eine Spur Hämoglobin zu enthalten schien, nicht vollkommen. Eine andere mit 2,5procentiger Galle dargestellte Lösung aus Kaninchennetzhäuten wurde bei 02" C. in 2^2 Min. entfärbt, )1 -"-' 11 17 "11 11 1 „ 5b" „ „ 4 ,, chaniois bis rosa. Zum Vergleiche hergestellte Piirpurlösung vom Frosche, deren Farbe möglichst auf dieselbe Sättigung gebracht worden, sah nach 5 Min. langem Erwärmen auf 03" C. noch chamois aus. Zu S. 32, 105, KM), 177. Den Sehinirimr u. A. Die Farbe der Retina, des Sehpurpurs, insbesondere das Chamois betr. In der Physiologie, wie in der Physik begegnet man der Angabe, die Empfindung, welche das am wenigsten brechbare Licht erzeuge, neige der von dem anderen violetten Ende des Spectrums hervorgerufenen zu, oder wir sähen das Anfangsroth des Spectrums mit ])urpurner Nuance. In dem Namen Schar- lachroth scheint diese Meinung ausdrückliche Bezeichnung zu er- halten. Da meine Emptindung sich in diesem Lichte ebenso frei 460 W. Kühne: von der leisesten Purpurnuance weiss, wie die vieler anderer Forscher, kann ich darüber nicht urtheilen, aber ich glaube her- vorheben zu dürfen, dass ein Mittel, welches bei zweifelhaftem Roth entscheidet, ob darin Purpur enthalten ist, bei dem ersten sichtbaren Spectralroth fehlschlägt und für Jedermann, den ich darum befragte, fehlschlug. Abgesehen von der bekannten Unmöglichkeit aus dem äusser- sten Roth mit Grün, das kein Blaugrün enthält, Weiss zu er- zeugen, während Zumischung von Violet, also von Purpur das entstehende Gelbweiss sogleich in reines Weiss verwandelt, muss ich mich auf das Aussehen des Roth vor A und a berufen, wel- ches es in der Mischung mit Weiss annimmt. Wir haben auf ein sehr reines durch Abbiendung für sich betrachtetes Anfangs- roth, das gerade noch A einschloss, weisses Licht verschiedener Intensität fallen lassen, indem wir von einem zweiten Spalte das Licht eines andern Heliostaten dazu treten Hessen. Da der Spiegel dieses Instrumentes aus einer hinten versilberten dicken Glasplatte bestand, warf es eine Anzahl durch Reflexion an den beiden Glasflächen entstandener, sich überschneidender Sonnen- bilder von abnehmender Lichtstärke auf den schmalen rothen Streif, der vom Spectrum übrig gelassen war und erzeugte damit eine Reihe der verschiedensten Mischungen von Roth und Weiss. An diesen Abstufungen war nichts als der Uebergang des Roth durch Orange allenfalls zu Gelbweiss zu erkennen, das letztere da, wo am meisten Weiss hinzukam. Ebenso war die Sache, wenn man in irgend einer anderen Art, z. B. mit einer achromatischen Linse das Bild der Sonne oder des zweiten Spaltes zur Spectralfarbe treten liess. Durch Verengen der Spalte, besonders des für das Spec- trum dienenden, war es möglich, eine fast unbegrenzte Zahl von Abstufungen dieses Rothweiss zu erhalten, aber es trat darunter niemals eine der Nuancen auf, welche Purpur mit Weiss ge- mischt gibt, d. h. kein Rosa, Lila oder Chamois. Nachträge zu den Abhandlungen über Sehpurpur. 401 Es ist leider schwierig, das Wort „Chamois" durch ein anderes zu ersetzen, da der Xame in der Färberei und bei Gegenständen, wo die Farbe genannt werden muss, einmal gebräuchlicli und in den helleren Nuancen fast ohne Synonym ist. ^Yas ist diese Farbe? Ich meine man wird sie ebenso zu den Farben im physiologischen Sinne rechnen müssen, wie den Purpur und damit eine zweite Farbe aufstellen, welche im S]H>ctrum nicht vorkommt und welche wie der Purpur nur (hircli Mischung zu erhalten ist. Das Chamois entsteht aus Violet oder Purpur plus Gelb. Da reines (nicht grünliches) Gelb und Violet nicht complementär sind und kein Weiss geben, sondern nur eine weissliche Nuance, so könnte die aus der Mischung resultirende Empfindung, wie die aus Roth mit nicht coniplementärem (reinem) Grün entstehende gelbweiss, oder wie die aus Cyanblau und reinem Gelb grünlich ist, einer zwischen Gelb und Violet gelegenen Spectralfarbe, mit Weiss verdünnt entsprechen. Das tlui'. sie aber nicht; es ist darin nichts Bläuliches oder Grünliches, weder beim ü eberwiegen der einen noch der andern Componente, sondern der Eindruck ist ein neuer und vielleicht in auffälligerer Weise neuer, als wenn man Pioth und Violet mischt: er ist chamois. Wir haben spectrales Gelb, das freilich sehr schmal aus- fällt, wenn man weder grünliche noch orange Tinten darin haben will, mit spectralem Violet gemischt und das weissliche Feld sehr deutlich chamois gefunden, von etwas mehr gelblicher Nuance, wenn wenig Orange hinzukam, weisslicher, wenn der Spalt grün- liches Gelb zuliess. Am schönsten erhielten wir das Chamois aus einfarbigen Quellen, wenn wir das durch Abblendnng aller anderen Spectralfarben erhaltene Violet im Lichte der Natron- flamme besahen und in allen denkbaren Nuancen, wenn dazu noch Weiss verschiedener Intensität aus dem zweiten Spalte kam. So erklärt sich auch das Entstehen von Chamois aus dem Purpur durch Verdünnen mit Weiss, das um so deutlicher wird, je röther 462 W. Kühne: der Purpur war, denn das Violet wird dann lila, das Roth gelbj und Lila mischt sich mit Gelb zu hellem Chamois. Purpur aus den beiden Enden des Spectruras zusammengesetzt wurde nach der genannten Methode mit Weiss von verschiedener Intensität gemischt, auch chamois, um so auffälliger, je weniger Violet, oder je gelberes Roth dazu genommen worden. Erst wenn das Roth sehr zurücktrat, was sich durch Verengung des betr. Spaltes am Doppelspalte herstellen liess, oder wenn es das an sich licht- schwache des äussersten rothen Endes war, gab die Zumischung von Weiss reineres Lila. Man sieht hier, welche Macht das Gelb in der Mischfarbe besitzt und wird an den bekannten Ver- such erinnert, der das schöne Roth des Quecksilberjodids bei massigem Tageslicht in Gelb verwandelt, wenn ausserdem Natron- licht darauf fällt. Heimholte bezeichnet die Mischung von Gelb und Violet als weissliches Rosa (Physiol. Optik. S. 279), was nach dem oben Gesagten kein Widerspruch mit unserer Ausführung ist, da es von dem Verhältniss oder der Beschaffenheit des Roth in der Mischung mit Violet abhängt, ob der weissliche Purpur (Rosa) mehr in Lila oder in Chamois schlägt. Bei natürlichen Objecten, unter welchen die Rosen, besonders manche Theerosen ein gutes Bei- spiel sind, zweifelt Keiner, dass es mehr oder minder gelbliche Nu- ancen des Rosenroth gibt, die man sich durchaus nicht versucht fühlt, deswegen dem reinen Roth zu- und dem Purpur oder Rosenroth abzusprechen. Man geräth da höchstens in Zweifel, wenn die Farben sehr gesättigt sind, während man sie in Mischung mit Weiss auch bei sehr stark gelblicher Nuance niemals Gelbroth sondern gelblichrosa, d.h. chamois nennen wird. Es ist nicht schwer, sich alle diese Nuancen des mehr oder weniger gelben Chamois auf der Farbenscheibe mit Grau gemischt herzustellen, wenn man mit den MaxtuelV sehen Scheiben Violet, Purpur oder Rosa mit gutem Gelb in der verschiedensten Weise zusammenstellt; man kommt da selbst Nachträge zu den Abhandlungen ühev Sehpurpur. 463 ZU einem ganz honiogencni l^raiin, von dem Jeder sagen wird, dass es auch Violet enthalte, ohne das darin enthaltene Gelb ver- kennen zu können und zu denjenigen Nuancen, welche unter den Interferenzfarben ausser dem Nussbraun, Rothbraun oder Gelb- braun noch als Braun l)esonderer Art zu unterscheiden sind. Das Mischen mit Weiss bildet ein gutes Mittel, um zu er- kennen, ob in einem Purpur das Roth oder das Violet überwiege und es ist daher von besonderem Interesse zu wissen, dass der Sehpurpur durch Verdünnen nicht chamois, sondern lila wird. Es beweist dies, dass der Sehpurpur relativ geringe Rothempfin- dung, mehr Violetempfindung erzeugt, was auch in Ueberein- stimmung mit seinem Spectralverhalten ist, welches schwache Absorption von Violet und Absorption des Roth von D bis C hin nachweist. Jede im Sehpurpur oder in der Netzhautfarbe durch optische Verdünnung kenntlich zu machende Spur von Chamois bezeugt daher die Zumischung von Sehgelb, also Zersetzung und photochemische Aenderung, wenn andere EinÜüsse, als das Licht ausgeschlossen sind. Wird der Sehi)urpur roth, so kann dies ferner auch nur an der Entstehung von Sehgelb liegen, und die Farl)e würde kein tiefes Roth sein, wenn schon erhebliche Mengen von Sehweiss gebildet wären. Da die Farbe solcher rother Netz- häute mit Weiss gemischt nicht in Gelb, sondern in Chamois umschlägt, so enthalten sie entsprechend der geringen photo- chemischen Zersetzung, die sie zu erzeugen ptiegt, neben wenig Sehgelb, also noch überwiegend unzersetzten Purpur. Es ist daher gänzlich falsch, solche durch Unvorsichtigkeit am Lichte scheinbar roth gewordene Retinae für imprägnirt mit einem rein rothen Farbstoffe zu halten, denn die Verdünnung lehrt, dass sie sogar noch recht reich an gutem Purpur sind^j. M Auf Taf. 7 ist der Yeri^uch gcmaclit die Kesultate der iii deu Ab- handlungen ausgefülirten spectroskojjisclien Analyse des Sehpurpurs und des Seligelhs durch eine die Absnr])tion ausdrückeude Curve bildlich darzustellen. 4G4 W. Kühne: Da die Empfirdung des Chamois teine gesättigte ist, wie die von den Spectralfarben und dem Purpur erzeugte, insofern die helleren Xuancen immer weisslich sind, die dunkleren nicht anders als mit Grau zur Wahrnehmung kommen, findet sich für sie auf der Farbenscheibe allenfalls noch Platz, Auf der von HelmliolU dargestellten Scheibe (Physiol. Optik. S. 282) z. B. wäre das Chamois auf dem mit „Piothweiss" bezeichneten Felde unterzubringen, soweit Purpur + Roth + Orange, hinlänglich mit Weiss gemischt. Anklänge an die Farbe geben. IMeine Er- wartung, das Chamois auf der Chevr€uV^(A\Q\\ Tafel (Mem. d, i'Acad. d. Sc. XXIII, 1861), deren Construction durch das prak- tische Bedürfniss der Gobelins veranlasst worden, vertreten zu finden, wurde schon durch die Bemerkung S. 130 der sonder- baren Abhandlung getäuscht, welche die fragliche Farbe zum Orange und Gelborange stellt, ohne des Purpur oder des Violet zu gedenken; auf der Farbenscheibe ChevreuVs war mir das Fehlen der Farbe um so auffälliger, als ich mich erinnere, von keiner so erstaunlich feine und zahlreiche Nuancen in den Spulen- kästen der berühmten Manufactur gesehen zu haben, wie von dieser. ]\Ian braucht übrigens nur an die andere, meist mit fester Farbenclaviatur arbeitende Technik, an die Pastellmalerei und an die grosse Auswahl chamoisfarbener Stifte, deren sie zur Nachahmung der Natur bedarf, zu erinnern, um zu zeigen, wie verbreitet die Farbe ist; sog. Fleischroth und die Fleischtöne fallen zum guten Theile in die Empfindung des Chamois, ebenso die zweifelhaften Nuancen des Isabellgelb, der Nankingfarbe, gewisser Zimmtfarben und des sog. Havannah. In einer mir kürzlich zugekommenen sog. internationalen Farbenscala von Radde (Hamburg-Paris) finde ich ebenfalls das Chamois unvertreten und unter 882 Proben nur zufällig vorhanden, weil darin das Weiss durchgehends gelblich ist. Ich bin überzeugt, dass sich der Mangel in dem Gebrauche, den sich der im. Ganzen Nachträge zu den Abhandlungen übei' Sehpurpur. 4().") nicht übel ausgefallene Farbendruck zum Ziele genommen, sehr bald herausstellen wird und begreife dessen Entstehung nur aus dem Beistande Jemandes, der, statt die Natur und die Ver- wendung im Auge zu haben , von der vorgefassten Meinung ausging, die Farbenreihe sei, abgesehen von den Mischungen mit Weiss oder Grau, mit den Spectralfarben und dem Purpur erschöpft. Zu S. 1(>9. Die Fluoresceiiz der Netzhaut betr. \m 13. Dec. waren wir so glücklich ein gut conservirtes Augenpaar vom Menschen zu bekommen, während gleichzeitig die Sonne unbedeckt schien und die Untersuchung im Focus der ultravioletten Strahlen gestattete. Die Augen entstammten einer am 12. Dec, 5 Uhr, bei Gaslicht verstorbenen 30jährigen Frau, deren Section Lepto- meningitis chron. und Encephalitis chron. ergab. Sofort nach dem Tode war das Licht entfernt, die Leiche um G Uhr in's eiskalte Sectionslocal gebracht worden, wo die Augen um 9 Uhr unter Lichtschutz exstirpirt und in Eis verpackt wurden. Aus beiden noch sehr wenig eingesunkenen Augen schlüpfte die Retina mit dem Glaskörper untrennbar verbunden aus. Die Färbung der wohlerhaltenen Stäbchenschicht war hellviolet, an einzelnen Stellen bräunlich von eingelagertem Pigment (nicht von aufliegen- den Pigmentzellen); 3 mm. breit fehlte die Färbung an der Ora serrata im ganzen Umkreise, ebenso in der Fovea centralis, nächst welcher der gelbe Fleck gut zu erkennen war. Das Haften des Glaskörpers machte die Herstellung eines ebenen, zur feineren Untersuchung der Fovea geeigneten Präparats unmöglich und da sich der sie enthaltende Lappen faltete, haben wir leider auf die Untersuchung der Fluorescenz in der Fovea ganz verzichten müssen. Im andern Auge riss die Retina im Umkreise der macula ab und das Herausnehmen des zurückgebliebenen Stückes misslang bei der Eile, zu der das unsichere Sonnenlicht nöthigte, gänzlich. 466 W. Kühne: Zuerst wurde die Ora serrata mit der Zonula und der davon eingeschlossenen Linse in den Focus des zweimal gebrochenen übervioletten . Lichtes gebracht. Die stark gelbliche Linse sah darin nicht, Wie sonst im lebenden Auge, bläulichweiss, sondern weissgrünlich aus, die Retina ebenso, aber beträchtlich dunkler, besonders an der ungefärbten Ora serrata, wenig heller im äussern, hintern Umkreise der Ora, wo ein flüchtiger Blick den Anfang des Sehpurpurs vorher gezeigt hatte. Das Präparat wurde jetzt zerschnitten und das grössere Stück bis zum vollkommenen Schwin- den des Sehpurpurs an die Sonne gehalten. Beide Stücke im Ueberviolet verglichen, zeigten sich sehr verschieden, die Fluores- cenz im belichteten bedeutend verstärkt, aber nur soweit, als der Sehpurpur gereicht hatte, während der purpurfreie Theil der besonnten Ora von der dunkel gehaltenen gar nicht zu unter- scheiden war. Da die Sonne sich hoffnungslos bedeckte, wurden die Präparate auf Porzellanplatten ausgebreitet, indem man Sorge trug, den Glaskörper nach unten zu bringen und jedes Ueber- wallen auf die Stäbehenschicht zu verhindern, in welchem Zu- stande sie z. Th. nach gründlichster Belichtung sogleich mit Hülfe des continuirlichen Vacuums über SH2O4 im Dunkeln getrocknet wurden. Als am 18. Dec. wieder Sonnenlicht zu haben war, zeigten die belichteten und die dunkel gehaltenen Stücke der Ora keine Unterschiede im Ueberviolet und ihre Fluorescenz war erheblich schwächer, als die der noch am tiefsten gefärbten Netzhautab- schnitte der hinteren Augenhälften. Die letzteren fluorescirten etwas stärker und grünlicher, als wir es früher gesehen hatten. Bedeutend auffälliger war die Erscheinung an den belichteten Stücken und diese hatten dunklere Flecken, wo die Stäbchen stellenweis abgeschabt worden. Nach diesem Befunde glaubten wir annehmen zu müssen, dass die Netzhaut neben unverändertem Purpur überall etwas Sehweiss in den Stäbchen enthalten habe, Nachtrage zu den Abhandlungen über Sehpurpur. 467 was aus der Belichtung des Auges vor dem Tode, vielleicht aus der dem Gaslicht vorausgegangenen Tageshelle im Beginne der Agone erklärt werden kann. Fluorescenz im Blau und im Vi ölet, welche v. Bczold und Engelhardt (Ber. d. Acad. z. München, 7. Juli 1.^77 und klin. Monatsbl. f. Augenheilk. XV, Jhrg. S. 134) der Netzhaut intra vitam, ausser der seit Heim- holte bekannten im Ueberviolet, zuschreiben, haben wir weder an der getrockneten menschlichen Ketina, noch an frischen gleich- viel ob belichteten oder purpurnen Netzhäuten des Rindes, des Schweins und des Frosches nachweisen können. Es wird sich vielleicht noch Gelegenheit linden, die von v. BezoJd und Engel- hardt verwendete Methode zum Nachweise solcher Fluorescenz, über welche wir ausgedehnte Untersuchungen angestellt haben, eingehend zu erörtern und abweichende Ansichten darüber zu begründen. Zu S. 7S. Die Anatomie der Kauiuohenuetzhaat l)etr. Es dürfte bekannt sein, dass die Stäbchenschicht im Kanin- chenauge hinter dem Streifen der markhaltigen Nerven keine Unterbrechung erfährt. Die Netzhaut ist dort auch eben so pur- purn, wie in dem ganzen oberen Theile des Auges und man er- kennt ihren weissen Streifen daher an Präparaten, die mit der Vorderfläche auf eine weisse Unterlage angetrocknet worden, kaum. Im Lebenden reflectirt der weisse Balken allerdings sehr viel Licht, aber wenn man das Auge von hinten besieht, wird kein solcher Schatten bemerkbar, dass man den blinden Fleck des Kaninchens für so ausgedehnt halten dürfte, wie die Bündel der dunkelrandigen Nerven. Zn S. 423. Die Löslichkeit des Sehpurpurs betr. Da geschmolzenes Parafin das so wenigen Mitteln zugäng- hche Indigblau aufnimmt, wurden über SH2O4 getrocknete Netz- häute in grösserer Anzahl mit leicht schmelzbarem Parafin längere 468 W. Kühne: Zeit bei 45*^ C. erhalten und öfter geschüttelt: es ging nichts Farbiges in das Paratin über. Längeres Erwärmen auf höhere Temperaturen entfärbte den Bodensatz; plötzliche Bleichung des Purpurs trat bei 80*^ C. ein. Unter Paralin von 40" C. befind- liche Netzhäute wurden durch Licht allmählich entfärbt. Zu S. 19. Vom Verhalten des Sebpiiryurs und seiner pliotocheniisclieu Zersetzungsprodukte zu IServen und reizbaren Geweben. Nach einer älteren Angabe (Arch. f. Anat. u. Physiol., 1859, S. 237) sind I>ösungen krystallisirter Galle von 1 — 2 pCt. ohne erregende Wirkung auf motorische Froschuerven , und ebenso wirkungslos, bei flüchtiger Berührung am Querschnitte, auf den Muskel. Es war daher der Versuch zu machen, wie sich solche, an sich nicht reizende Cholatlösungen nach Aufnahme des Seh- purpurs und der übrigen aus Froschnetzhäuten damit extrahir- baren Stoffe gegen Nerven und Muskeln verhielten. Ich löste soviel Sehpurpur aus frischen Netzhäuten in 1 p.ct.iger Galle auf als aufgenonnnen wurde, filtrirte und tauchte den Nerven sehr erregbarer Froschschenkel in die Lösung. Dies bewirkte keine Zuckung, ebensowenig das Einhängen des grössten Theiles des Nerven während V^ Stunde, wenn das Präparat sich in einem gehörig feucht erhaltenen Ptaume befand; andernfalls er- zeugte die am Nerven emporkriechende, durch Verdunstung con- centrirter werdende Galle starke Zuckungen. Wurde die Purpur- lösung gleich nach dem Eintauchen des Nerven oder erst nach längerer Zeit, wenn Imprägnirung der Gewebe damit anzunehmen war, statt wie bis dahin mit Natronlicht, mit der Magnesium- Flamme oder durch Sonnenstrahlen beleuchtet und gebleicht, so traten keine Zuckungen auf. Vorher gebleichte Purpurlösungen wirkten ebensowenig erregend auf den Nerven. Vom Muskel- querschnitte aus erzeugte die Lösung, gleichviel ob purpurn oder gebleicht, zuweilen Zuckung. Nachträge zu den Abhandlungeu über Sehpurpur. 4ü*J Eine Purpurlüsung, durch mehrtägiges Dialysiren in der Kälte soweit von Galle befreit, dass sie nicht mehr bitter schmeckte, dann im \'aciuim stark concentrirt, erregte weder den Nerven, noch den Muskel; Ziitfeten des Lichtes und Bleichung änderten daran nichts. Die Masse war übrigens nicht homogen, sondern bildete ein gallertiges Magma, worin mikroskopisch sog. Myelin- formen zu erkennen waren. Im Sinne der photochemischen Erregungshypothese wäre vielleicht ein anderer Ausfall dieser Versuche willkonnnen ge- wesen; ich muss aber bekennen, dieselben kaum in anderer Er- wartung begonnen zu haben, da ich mir nicht vorstellen mochte, dass Substanzen, welche wie das Sehgelb und das Sehweiss nach der Hypothese nur zur Heizung der Stäbcheninnenglieder be- stimmt sind, zu den groben Reizmitteln gehören, mit denen wir die Nervenfaser auf ihrem Verlaufe zu erregen vermögen. Die Annahme wäre ein ähnlicher Verstoss gegen die thatsächliche, ungeheure Differenz zwischen der Erregbarkeit sensibler Stännne und deren Endigung in den Sinnesorganen gewesen, wie es z. B. die Forderung ist, dass NHa die leitende Faser errege, weil wir den Körper riechen und schmecken. Mit der Stäbcheuseite auf der Zunge zerdrückte Frosch- netzhäute erzeugten weder vor noch nach der Belichtung Ge- schmacksempfindung. 470 Erklärung der Abbildunaren. Erklärung der Abbildungen. Tafel 6. Dmxhschnitte der Stäbchen- und Epithelschicht der Netzhaut des Frosches. Erhärtung mit Mü^te''scher Lösung, später in Alkohol; Präparate in Canadabalsam. Die Verschiedenheiten der Stab eben länge beruhen auf Un Vollkommen- heiten der Zeichnung. Fig. 1 — 7 stellen Retinae dar, deren Pignientschicht im Controlauge haftend gefunden wurde; davon waren die Stäbchen ent- sprechend Fig. 1, 2, 3 durch Licht gebleicht, Fig. 4 entspr. roth belichtet, nicht gebleicht, Fig. 5, 6, 7 im Dunkeln gehalten und purpurn. Fig. 8—11 nach Präparaten, deren Controlauge die Pietina vom Epithel gelockert zeigte. Fig. 8 entspricht dem belichteten und gebleichten Zustande, Fig. 9, 10, 11 Dunkelaugen. Weiteres über die Behandlung der Augen vor dem Tode ist unter den Figuren angegeben. Da die Zeichnungen dünnen Meridionalschnitten entsprechen, stellen sie nicht die ganze Umscheidung des Stäbchenquerschnittes mit Pigment dar. Tafel 7. Sonnenspectrum und Absorptionsspectra des Sehpurpurs und des Sehgelbs. Nachweis von Enzymen in der Unterkieferdrüse des Kaninchens. 471 Bemerkungen über den Nacliweis von Enzymen in der Unterkieferdrüse des Kanincliens. Von J. N. Laugley, B. A. Fellow of Trinity College, Cambridge. Schon im Anfange des Yorigen Jahres (1877) habe ich einige Beobachtungen begonnen in der Absicht die Angaben ]S'i(Sshain)i''s, über mikroskopische Erkennbarkeit der sog. Speichelfermente in der absondernden Drüse (Arch. f. Mikrosk. Anat. Bd. XIII p. 721) zu prüfen. AYährend mich äussere Umstände verhinderten die- selben ganz nach ^Yunsch durchzuführen, sind inzwischen Unter- suchungen von Grüfzner {Pßügers Arch. Bd. XVI p. 105) über denselben Gegenstand erschienen. Meine Versuche können trotz ihrer Unvollkommenheit vielleicht die Beobachtungen Grütsner% die sich auf die Unterkieferdrüse des Kaninchens beziehen, in einigen Punkten ergänzen. Den Ausgang der Xussbamn' sehen Arbeit bildet die That- sache, dass das nach der r. Wittich'' sehen Methode bereitete amylolyt Ische Submaxillarferment Osmiumsäure reducirt ; ge- schlossen wurde daraus, die fermenthaltigen Theile der Diüsen müssten sich mit OsOi tief schwärzen und wenn man das Fer- ment aus der Drüse extrahire, müssten deren Ferment bildende Theile. mit OsOi behandelt, sich schwächer färben. Die Methode bestand darin, Stückchen der frischen, lebenswarmen Drüse be- stimmte Zeit in OsO^ von 1 pCt. zu legen und mit solchen zu vergleichen, welche nach Stägiger Extraktion in Glycerin mit Kühne. Untersuchungen. I. 32 472 J. N. Langley: oder ohne vorgängige Erhärtung durch Alkohol in 0s04 gelegt worden. Gefunden wurden in den ersteren Präparaten sehr tief gefärbte Zellen, im Centruni der Alveolen gleich neben den Schaltstücken gelegen ; an den letzteren mit Glycerin behandelten Objecten central gelegene Zellen von gleich schwacher Färbung, wie die peripherischen, am Rande der Alveolen befindlichen. Nussbaum folgert hieraus, dass die inneren Drüsenzellen, die ich aus noch zu erwähnenden Gründen „Uebergangszellen" nen- nen will, das Ferment bereiten und dass die äusseren Zellen der Läppchen an der Fermentbildung keinen Antheil nehmen. Indem ich einstweilen von der Nothwendigkeit des Schlusses absehe, möchte ich die Thatsachen, woraus der letztere gezogen, erörtern. Ich kann mit der von Nussbaum gegebenen Beschrei- bung nicht ganz übereinstimmen, denn wenn man die Drüse nur mit 0s04 behandelt und Schnitte davon anfertigt, findet man einige Zellen, welche dem Theile des Läppchens gleich nach dem Schaltstücke angehören, zwar tiefer gefärbt, als die peripherischen, aber es war mir unmöglich auf Querschnitten Färbungsdifferenzen zwischen den Uebergangszellen und denen der Schaltstücke zu constatiren. In allen Fällen färben sich die Zellen der Drüsen- gänge am tiefsten, weniger intensiv die Uebergangszellen und die der Schaltstücke, am wenigsten die peripherischen der Läppchen. Nach Nussbaum sollen die Schaltstücke aus kleinen verlängerten Zellen (vgl. seine Abbildungen) zusammengesetzt sein und diese plötzlich, wie v. Ebner es zuerst beschrieben, in die grossen peri- pherischen Zellen, ohne Zwischenstufe übergehen, während mir die die Schaltstücke zusammensetzenden Zellen nur wenig länglich und nach Grösse und Aussehen in die Zellen des Läppchens überzugehen scheinen. Ich finde es deshalb schwer zu entscheiden, ob gewisse Zellen zum Schaltstücke oder zur Alveole gehören, und nenne sie da- her Uebergangszellen, als welche sie die Beschaffenheit der Gangepi- thelien Os04 zu reducirenbis zu einem gewissen Grade beibehalten. Nachweis von Enzymen in der Unterkieferdrüse des Kaninchen.s. 47 o Kommen die Diiisenstückclien erst nach Glycerinextraktion, gleichviel ol) vorher mit Alkohol behandelt oder nicht, in OsOi, so findet man, dass alle Zellen, welche sonst davon geschwärzt werden, sich jetzt in viel geringerem Grade färben, aber nicht nur die Uebergangszellen, sondern auch die der Schaltstücke und der Gänge. Die Differenz der ersteren und der peripherischen in den Läppchen wird dadurch geringer, aber es hat mir nach dreitägigem Liegen der Stückchen in Glycerin nie so gelingen wollen, wie Nusshaum, Gleichheit der Tinktion zu erzielen. Mög- licherweise ist dies nach viel längerer Behandlung mit Glycerin, als bisher geschehen, jedoch der Fall. Nach meinen Beobach- tungen müssen also alle zelligen Elemente der Drüse, mit Aus- nahme des eigenthchen Alveolenepithels, eine oder mehrei'e Sub- stanzen enthalten, welche OsOi energisch reducireu, und vom Glycerin entweder gelöst oder chemisch verändert werden. Eine solche Substanz wird von Nussbaum in den Gängen nicht angenommen ; in den Schaltstücken hat er sie nicht be- obachtet und in den Uebergangszellen, wo er sie fand, erklärte er sie für das amyloly tische Ferment. Ist das Letztere richtig, so kommt man mit dem, was ich über die thatsächliche Aus- dehnung der OsOi-Reaction fand, zu dem wenig annehmbaren Schlüsse, dass nicht die eigentlichen Drüsenzellen oder das Epi- thel der Alveolen, sondern die Gangepithelien vorzugsweise das Enzym bereiten, und in geringerem Grade die Zellen der Schalt- stücke und die Uel)ergangszellen. Mit der folgenden ^lethode hal)e ich versucht hierüber zu entscheiden. Vier möglichst kleine Stücke aus der Gl sulnnaxil- laris eines eben getödteten Kaninchens wurden vorbereitet: a. Durch Einlegen in OsOi von 1 pCt. während 2 Stunden. b. mit absolutem Alkohol während 24 Stunden, Einlegen wäh- rend o Tagen ni starkes, reines Glycerin und 2stündiger Behandlung mit OsO^ von 1 pCt., 32* 474 J. N. Langley: c. wie b, aber ohne Glycerin, nach möglichster Entfernung des Alkohols, durch 2stündige Os04-Wirkung, d. durch Einlegen in Glycerin während 2 Tagen und nach- folgende 2stündige Behandlung mit OsO^. Wenn das Entfernen des Fermentes im Sinne Nussbaum's einzig und allein die Färbungsunterschiede solcher Präparate bedingte, so mussten a und b, aus welchen es nicht entfernt worden, und b und d, die es beide hergegeben hatten, gleich sein; gab es aber mehrere Ursachen, welche Verschiedenheit der Färbung bedingen, unter denen die An- oder Abwesenheit des Fermentes eine war, so brauchte a nicht ähnlich mit c zu sein, aber c musste verscMeden von b sein, weil das Ferment aus c nicht durch Glycerin, wohl aber aus b entfernt worden. In der That enthielt ausschliesslich das in der gewöhnlichen Weise frisch mit 0s04 behandelte Stückchen a die beschriebenen tief gefärbten Zellen ; alle übrigen Stücke, b c d zeigten massig gefärbte Gangepithelien, schwach gefärbte Schaltstücke und Ueber- gangszellen und kaum bemerkbare Färbung der Alveole nzellen. Dass es thatsächlich keinen Unterschied zwischen c und b gab, erwies schon, dass die Abnahme der OsO^-Reaction von dem Entfernen des Fermentes unabhängig sei. Als ich diese Beobachtungen anstellte, ging ich, wie Nuss- hemm, von der Meinung aus, dass es ein Ferment in der Unter- kieferdrüse des Kaninchens gebe, und ich glaubte an irgend welche Ungeschicklichkeit meinerseits, als es mir niemals ge- lingen wollte amylolytische Wirkungen mit den Glycerinextrakten dieser Drüse zu erhalten. Ich sehe jetzt, dass ich zu denselben Resultaten, wie Grützner gekommen bin und ein Material vor mir hatte, das keine amylolytische Wirkungen besass. Meine Beobachtungen würden aber auch ohne diesen Umstand hin- reichen, die Nusshaum'' sehen Folgerungen zu erschüttern, und für den Fall, dass irgend welche Enzyme in der Unterkiefer- Nachweis von Enzymen in der Unterkieferdrüse des Kaninchens. 475 drüse des Kaninchens noch nachgewiesen werden, zeigen, dass die OsOi-Reaction nicht auf dergl. zu beziehen ist, wenn man nicht das Unwahrscheinlichste annehmen will, nämlich, dass solche Stoffe dem Gewebe auch durch absoluten Alkohol zu entziehen seien. =X- 476 J. N. Langiey; Zur Physiologie der Speiclielabsondenmg. Von J. N. Langiey. I. Vom Einflüsse der Chorda tympani und des N. sympathicus auf die Absonderung der Unte/rkieferdrüse der Katze. In den zahlreichen Abhandlungen von Lndicig, Cl. Bernard, Heidenhaw, Eckhard, und andern Forschern über die Speichel- absonderung habe ich keine Bemerkungen gefunden, die hervor- heben, dass die Erscheinungen der Absonderung bei der Katze sich wesenthch von denen beim Hunde unterscheiden, und es wird, glaube ich, gewöhnlich angenommen, dass die ganze Reihe der über den Einfluss secretorischer Nerven beim Hunde ermit- telten Thatsachen auch bezüglich der Unterkieferdrüse anderer Thiere, soweit dieselbe schleimhaltig ist, gelten. Es gibt in- dessen ausser den Unterschieden, welche die geringere Entwick- lung der Schleimzellen bei der Katze erwarten liess, andere, die nicht unberücksichtigt bleiben dürfen, wenn man gründliche Ein- sicht in die Erscheinungen der Speichelabsonderung haben will. Auf solche wünsche ich in dieser Abhandlung die Aufmerksamkeit zu lenken. Beim Hunde ist bekanntlich der durch Reizung des N. sym- pathicus erhaltene Speichel überaus zähe und enthält viel Schleim, während der durch Erregung der Chorda tympani erhaltene mehr oder weniger wässerig ist und weit geringere Mengen Mucin enthält. Bei der Katze ist der Sympathicusspeichel Zur Physiologie der Speiehelabsoncleruug. 477 weniger zähe, als der Chordaspeichel. Es ist also bei der Katze das Gegentheil von dem der Fall, was beim Hunde die Regel ist, doch ist gleich hinzuzufügen, dass beide Speiclielarten der Katze ' dünnflüssiger sind, und dass die zäheste Chordaabsonderung nichts ist im Vergleiche zu der bekannten dickflüssigen Beschaff"enheit des Sympathicusspeicliels vom Hunde. Der aus der Canüle flies- sende Speichel der Katze kann in normalem Zustand niemals zu langen Fäden ausgesponnen werden, wie jener, und enthält auch nur eine geringe ]\Ienge Mucin, aber er ist niemals nach Chorda- reizung so wässerig, wie das höchst verdünnte Secret, welches Sympathicusreizung erzeugt. Die Verschiedenheit zwischen beiden Thieren betrifft also hauptsächlich die sympathische Absonderung: bei dem einen ist diese constant zähe, bei dem andern wässerig. Es ist hierfür gleichgültig, ob der Stamm des Sympathicus am Halse, oder ob die Fäden, welche aus dem obern Halsganglion in Begleitung der Gefässe zur Drüse gehen, gereizt werden. Von Hcidenlmiu (Studien a. d. Physiol. Inst, zu Breslau, 1864) ist zwar erwiesen, dass beim Hunde der Sympathicusspeichel nach stundenlangem Reizen und Fliessen zuletzt wässrig wird, aber dies steht nicht im \Yi(lerspruche zu den erwähnten nor- malen Verschiedenheiten zwischen Hund und Katze, da vom normalen Sympathicusspeichel des Hundes nie behauptet wird, dass er wässerig sei, noch weniger, dass er es mehr sei, als der Chordaspeichel. HeidcuJiahi hat noch auf einen andern die Chorda und den Sympathicus betreifenden Umstand hingewiesen, von dem man angenommen hat. dass er eine gründliche Verschiedenheit in der Organisation oder in dem ^'erhältnisse dieser Nerven zur Drüsen- zelle beweise. Er zeigte, dass eine sehr kleine Dosis (10 — 15 mgr.) Atropinsulfat die Chorda vollständig lähme, während eine grosse Dosis des Giftes den Einfluss des gereizten Sympathicus nicht verhindere. Dies ist so vielfach bestätigt, dass man an der Ver- 47S J. N. Langley: schiedenlieit der Giftwirkung auf die beiden Nerven nicht zweifeln kann, aber Versuche, die ich angestellt habe, lassen mich glauben, dass es eine Verschiedenheit des Grades, nicht der Art sei. Wie dies übrigens sich verhalten möge (und es ist ein Gegenstand, auf den ich später zurückzukommen hoffe), so findet eine be- merkenswerthe Verschiedenheit statt: 15 mgr. Atropin in die Vena cruralis des Hundes gespritzt lähmen die Chorda mit Sicherheit, während 100 mgr. auf dieselbe Weise eingeführt, den Sympathicus nicht lähmen. Bei der Katze hingegen lähmt Atropin alsbald sowohl die sympathische Absonderung, wie die der durch die Chorda bewirkten. Eine sehr geringe Menge Atropin, gewöhnlich 3 — 6 mgr. des Sulfates, genügen zur Wirkung bei der Katze; für den Sympathicus scheint eine etwas grössere Dosis nöthig, um die Wirkung von den zwischen Ganglion und Drüse befindlichen Fäden zu hindern, als um den Erfolg vom Halsstamme aufzuheben. Bei einem Versuche wollte der Stamm des Nerven nach Ver- giftung mit 10 mgr. keine Absonderung mehr hervorbringen, während man sie von den oberen Fäden noch erhielt und dies dauerte unter allmählicher Abnahme des Speichelflusses fort bis 25 mgr. eingespritzt waren; dann war alle Aveitere Keizung ver- gebens. Im Augenbhck will ich diese Verschiedenheit nicht ver- folgen, sondern die Thatsache, dass 10 — 30 mgr. Atropin sowohl den Sympathicus, wie die Chorda lähmen. Ich darf darauf hin- weisen, dass dieselbe die Richtigkeit der Folgerung, die man aus den Verhältnissen beim Hunde gezogen, einigermassen schAvächt, der Annahme nämlich, dass das Atropin auf einen gewissen Theil der Chordafasern, wahrscheinlich deren Endig ung, wirke, aber die Speichelzelle unberührt lasse, da dieselbe eben noch vom Sympathicus aus erregt und zur Thätigkeit veranlasst werden konnte. Nimmt man jedoch auf die an der Katze beobachteten Thatsachen Rücksicht, so wird der Beweis, dass Atropin nur Zur Physiologie der Speichelabsonderung. 479 auf Nervenenden, nicht auf die secretorische Zelle wirke , hin- fällig und wenn sich beim Hunde auch nur graduelle Verschieden- heit der Giftwirkung auf die beiden Secretionsnerven herausstellt, wie ich glaube, dass es noch geschehen wird, so muss man auf weitere Versuche denken, um festzustellen, ob das Gift blos auf Nervenenden und in Folge von Verschiedenheiten im Baue dieser, auf die der Chorda anders als auf die sympathischen wirke, oder ob es nicht auch die Speichelzellen angreift, grade wie es im höchsten Grade wahrscheinlich ist (vergl. Journ. f. Physiol. und Anat. 1875, Vol. X p. 187), dass es nicht nur auf motorische Nerven, sondern auch auf das Muskelgewebe wirke. Es ist bis jetzt der Wirkung gleichzeitiger Reizung der beiden Absouderungsuerven der Unterkieferdrüse wenig Aufmerk- samkeit geschenkt. Gzermali (Wien. Sitz.-Ber. Matli.-Ntrw. Cl. XXX. 1857) gelangte zu dem Schlüsse, dass der Sympathicus ein Hemmungsnerv für die Chorda sei und diese Ansicht ist von Kühne (Physiol. Chem.) etwas verändert und w^eiter ent- wickelt worden: er stellt die beiden Nerven als einander ent- gegenwirkend dar, so dass keine Absonderung erfolgen würde, wenn die Chorda und der Sympathicus gleichzeitig mit electri- scheu Reizen behandelt werden, welche von jedem einzelnen allein grade Absonderung hervorbrächten. Hiervon ergiebt sich bei der Katze auch das Gegentheil. Bei der Katze hemmen minimale wirksame Reize, wenn sie gleichzeitig auf die Chorda und auf den Sympathicus angewendet werden, einander nicht, sondern der Betrag der Ab- sonderung ist wenigstens gleich der Summe der Be- träge der Einzelreizungen. Ich darf die Einrichtungen beschreiben, welche getroifen wurden, um die Gleichheit der Reizungen möglichst zu sichern. Es wurden 2 Schlitteninductorien benutzt, von denen eins mit den Electroden für die Cliorda, das andere mit den zur Reizur 480 J. N. Langley: des Syinpathicus dienenden verbunden wurde. In beiden Kreisen befanden sich Schlüssel als Nebenschliessung. Statt durch den Neef sehen Hammer wurde der Strom in der primären Spirale mittels einer Stimmgabel von 30 Schwingungen per Secunde unterbrochen. Zu dieser ging der Strom von 2 DanieVschen Elementen, weiter durch den Quecksilbercontact zum einen pri- mären Drahte, von diesem zum andern und durch die Spirale über und unter den Enden der Stimmgabel zur Säule zurück. Der Quecksilbercontact geschah durch die Kronecher''ache Ein- richtung. So konnte man sicher sein, immer dieselbe zeitliche Unterbrechung und Reizfolge zu haben, während die gute Amal- gamirung der Zinke an den Elementen für Constanz des Stromes in der kurzen Zeit jeder vergleichenden Beobachtung sorgte. Für die Reizung der Secretionsnerven bedurfte es im All- gemeinen solcher Rollenabstände, dass man von den an die Zungenspitze gelegten Electroden grade merkliche Empfindungen erhielt. Dies geschah bei Annäherung der secundären Spirale meiner Vorrichtung an die primäre auf 10—11,5 Ctm. Um den Erfolg an der Drüse zu erkennen, wurden entweder die Tropfen beobachtet und gezählt, welche aus der Canüle fielen oder das Vorschreiten des Speichels in einer damit verbundenen Röhre von geringem Lumen, welche eine Millimetertheilung trug. Die Thiere waren entweder mit Chloroform oder mit Chloro- form und Morphin oder mit Chloroform und Curare iramobilisirt und narkotisirt. Der N. sympathicus wurde meist durchschnitten. Die gewöhnliche Metliode bestand darin, den N. lingualis grade vor der Zunge abzubinden, ihn hinter der Ligatur durchzuschneiden, mit der Chorda eine Strecke weit zu isoliren und darauf die vom Tympanico-lingualis abgetrennte Chorda auf die Electroden ■ zu bringen. Die letzteren waren entweder die Litdwig'schen ^ etwas modificirten, bei deren Gebrauch die Wunde vernäht wurde, Thder gewöhnliche Platinelectroden , auf denen der Nerv zu Tage lag. Zur l'hysiologie der Speichelabsonderung. 481 Ich reizte die Nerven wälireml einer bestimmten kürzeren Zeit, z. 15. 30 See, und ermittelte durch Verminderung des Rollenabstandes am Schlittenapparate die Stellung, l)ei welcher eine Absonderung merklich wurde. Als ich für jeden Nerven diesen minimalen Reiz und die ihm folgende Secretion ermittelt hatte, wurden beide Nerven gleichzeitig während derselben Zeit (30 See.) gereizt und die während dieser Zeit stattfindende Secretion notirt. üie Reizungen der einzelnen Nerven wurden dann nach einander nach Verlauf von 1 — 2 Min. wiederholt. Wie oben schon gesagt wurde, war der Erfolg hinsichtlich der abgesonderten Menge bei den beide Nerven zusammen be- treffenden Reizungen immer wenigstens gleich der Absonderung der beiden Einzelreizungen; ich sage wenigstens, denn sie übertraf fast immer die Summe und ich glaube, dass da, wo die Einzelreizungen wirklich minimale sind, ihre gleichzeitige Wirkung mehr als die genannte Summe fördert. Wo das Reiz- minimum ein wenig überschritten wird, ist der Betrag der Doppel- reizang zuweilen etwas grösser oder kleiner, als die erwartete Summe, aber in allen Fällen grösser, als die von einem Nerven aus zu erzielende Speichelmenge. Diese Abweichungen sind aus vielen Gründen zu erwarten, weil der Erfolg eines unveränderten Reizes von manchen nicht zu beherrschenden Umständen ab- hängig ist, von den Folgen des Querschnittes am Nerven, von der Bloslegung, von vorhergehenden Reizen und von Aenderungen der Reizbarkeit des absondernden Gewebes. Wenn die Reizungen die minimale weiter überschreiten, bringt gleichzeitige Erregung geringere Wirkung hervor, als der Summe der einzelnen entspricht, und wenn sie stark sind, ist der Betrag der ersteren nicht nur geringer, als jene Summe, sondern i auch geringer als der durch Reizung der Chorda allein hervor gebrachte, obschon grosser als der vom Sympathicus aus b kommene. Mit starken Strömen erhält man also eine aug 482 J. N. Langley: scheinliche Hemmungswirkung vom Sympathicus auf die Chorda, aber keine umgekehrte von dieser auf jenen. Berücksichtigt man nun, dass die Erregung beider Nerven trotz des eben Gesagten stets grössere Wirkungen hervorbringt, als die Reizung des Sympathicus für sich, und dass bei schwä- cheren Eeizen zweifellos Summation der Wirkungen besteht, so bin ich sehr der Ansicht, dass die scheinbare Hemmungswir- kung des Sympathicus auf die Chorda keine unmittelbare, son- dern eine mittelbare ist, nämlich eine Folge der starken Ver- engung der Arterien und der verminderten Menge des durch die Drüse fliessenden Blutes, welche stattfindet, wenn der Sympathicus stark gereizt wird, was, wie Ludicig und Frey (Arbeiten d. physiol. Anst. z. Leipzig, 1877) bewiesen haben, bei Reizung beider Ner- ven mit Maximalströmen geschieht. Die folgenden Versuche mögen dazu dienen die Wirkung der gleichzeitigen Reizung klar zu machen. Versuch I. Katze massiger Grösse, chloroformirt unter einer Glasglocke; nachdem das Thier aufgebunden 1 C. C. Mor- phin von 5 pCt. unter die Haut gespritzt, der N, tympanico- lingualis abgebunden, peripherisch von der Ligatur präparirt; Chorda etwa 1 Ctm. lang isolirt; der Sympathicus am Halse durchschnitten, Reizapparat, wie vorhin beschrieben. 11 U. 37. Chorda gereizt; Rollenabstand nacheinander = 30, 25, 20, 17 Ctm. Dauer jeder Reizung 30 See. Intervall ebenfalls 30 See. : in kei- nem Falle Absonderung. 11 U. 41 Min. Rollenabstand 16 Ctm. 30 See. gereizt; in etwa 20 See. geringe Absonderung. 11 U. 42 Min. Wiederholung, in 60 See. : geringe Absonderung. 11 U. 45 Min. Rollenabstand 14 Ctm. 30 See. Sympathicus gereizt : geringe Absonderung. 11 U. 46 Min. Rollenabstand unverändert, beide Nerven -*•'* eichzeitig gereizt. Speichelfluss reichhcher als vorher. Zuv Physiologie der Speichelabsonderuug. 485 bcgoniieu hat^); dass die Ersdieiimiig keine Folge einer im Ver- such geänderten Erregbarkeit der Nerven ist, sclieint mir hin- länglich durch die Thatsache bewiesen, dass sie constant viele Älale hintereinander vorkommt. Die Hauptresultate der an der Katze angestellten Beobach- tungen lassen sich zusannnenfassen, wie folgt: 1. Der Sympathicusspcichel ist wässriger, als der Chorda- speichel. 2. Die Innervation der beiden Nerven wird durch Atropin gelähmt. 3. Sympathicus und Chorda sind bei Minimalreizungen keine gegeneinander wirkende Nerven und wo der Sympathicus der Chorda bei Maximalreizen entgegenwirkt, is dies schein- bar und wahrscheinlich eine Folge des verminderten Blut- vorrathes. Mit anderen Worten : 1) die Verbindung der secretorischen Fasern des Sympathicus mit der Drüsenzelle ist von etwas ver- schiedener Art bei der Katze, als beim Hunde, eine Verschieden- heit, welche der lähmenden Wirkung des Atropins günstig ist. 2) Durch einen Nerven geleitete Impulse (schwache) wirken auf die damit verbundene Zelle, gleichviel ob ein anderer damit ver- bundener Nerv thätig ist oder nicht. Schliesslich wünsche ich Herrn Prof. Kühne meinen besten Dank für die mir während der vorstehenden Untersuchungen in seinem Laboratorium erwiesene grosse Freundlichkeit auszu- sprechen. 1) Ich hiihe einige Versuche mit dem Symxiathicus, wie mit der Chorda iingestellt um zu prohiren, oh ein Minimah-eiz nicht die "Wirkung hervor- hringe,- dass ein unmittelbar darauf folgender schwächerer Reiz den Erfolg vermehrt, und bis jetzt mit bejahendem Resuhate. Beriolitiguiij»-. S. 335 Zt'ilc 11 lies hinter „Fluorescenz" : „oder Dieliriiisiiius". 486 Inhaltsverzeicliniss des ersten Bandes. Inhaltsverzeichniss des ersten Bandes. Seite Zur Photochemie der Netzhaut (2. Abdruck) von W. Kühne ... l Nachschrift 11 lieber den Sehpurpur von W. Kühne 15 üeber die Verbreitung des Sehpurpurs im menschlichen Auge von W. Kühne 105 Weitere Beobachtungen über den Sehpurpur des Menschen v. W. Kühne 109 Zur Cliemie der Altersveränderungen der Linse von Dr. med. M.Knies 114 Das Sehen ohne Sehpurpur von W. Kühne 119 Untersuchungen über den Sehpurpur von A. Eicald und W. Kühne 139 I. Analyse der Eetinafarbe 140 Spectralanalyse 149 Farbenanalyse der Purpurlösung 158 Spectralanalyse der Purpurlösung 163 Rückblick auf die Ergebnisse der Farbenanalyse 166 Von der Fluorescenz der Pietina und des Sehpurpurs . . . 169 Von der Zersetzung der Stäbchenfarbe und des Sehpurpurs durch spectrale Betrachtung 185 Kurze Anleitung zur Verwendung der Verdauung in der Gewebsana- lyse von W. Kühne 219 Ueber die I)arstellung von Optogrammen im Froschauge von W. Kühne 225 Eine Beobachtung über das Leuchten der Insectenaugen von W. Kühne 242 Untersuchungen über den Sehpurpur (P'ortsetzung) von Ä. Ewald und ir. Kühne. II. Entstehung der Eetinafarbe 248 Von der Autoregeneration 249 Von der epithelialen Piegeneration 255 Erfahrungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente v. W. Kühne 291 Nachtrag zur Geschichte des Trypsins 325 Versuche zur vergleichenden Physiologie der Verdauung mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse bei den Fischen von C. Fr. W. Krukenberg 327 U^;ber lichtbeständige Farben der Netzhaut von W. Kühne. (Unter Mitwirkung von Dr. W. C. Ayres aus New-Orleans) 341 Untersuchungen über den Sehpurpur (Schluss) v. A. Eicald u. W. Kühne. III. Voränderungeu des Sehpurpurs und der Pietina im Leben . , 370 Vrmi l-;intlusse des farbigen Lichtes auf den Sehpurpur des lebenden Auges 395 Vom Verhalten des Pigmentepithels im Lichte 411 ^ IV. Zur Chemie des Sehpurpurs 422 ) Das Sehgelb 431 Enthält der Sehpur])ur Eisen? 438 ^'orn Einflüsse der TcmiJcratur auf den Sehpurpur .... 440 Vom p]infiusse der Temi)eratur auf die Lichtbleiche .... 444 Chemische Einflüsse auf die Lichtblciche 450 Naditräge zu den Abhandlungen üljer Sehpurpur von W. Kühne 455 Bemerkungen über den Nachweis von Enzymen in der Unterkiefer- drüse des Kaninchens von J. N. Lanyley 471 Zur Pliysiologie der Speichelabsonderung von /. N. Lanyley . . . 476 -^ Rihive, 'physiol 'Dntergurhim^en. Bandl Tafel Schemata dpr VerbreitURO' der Verdauung'seiizvme bei "Wirbellnsen inid bei Fisclieu. Pepsin 2 1 ' 'J a K ^1 1 1 1 Q-' «3- ;. ^ fe'^ II s" ^*' .g •s-^ :S ' % ^ 1 « »— -^Ä -e9_ - r T.' "•1 ^1 •^2 1 1 1^ CA 3^ 'S ti fr 2 3 a 1^ H ^iM. COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES This book is due on the date indicated below, or at the expiration of a definite period after the date of borrowing, as provided by the rules of the Library or by special arrange- ment with the Librarian in Charge. DATE BORROWED DATE DUE DATE BORROWED DATE DUE ^.-■-.v j iö 1 -^i. ^ ( € /- & ^^ /^ ^ 1 1 ^^ m ^^ C28(i14i)m100 I QP6 SOÜT^ ^R0P£^-rS363 Seirlelberg. Universität,