>^/ (GÜ BOSTON Medical Library 8 THE FENWAY /Z^^-^^^ 'v>. -^ ^J/^/^/// ca^. Untersuchungen über die Entstehung der Missbildungen zunächst in den Eiern der Vögel. Professor der Physiologie an der Universität zu Kiel. Mit 107 Ahhildimgen auf 12 Tafeln. Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer. 18G0. Vorwort. _Dei den Brütversuchen, die ich zunächst für die Vor- lesungen über die Entwickelungsgeschichte in gewöhnlicher Weise in einer Brütmaschine vornahm, waren mir schon oft mehr oder weniger bedeutende Abweichungen von der Norm, die ich nirgends beschrieben fand, aufgefallen. Da ich aber die Bebrütung in der Eegel in den früheren Ent- wickelungsperioden unterbrach, blieb es mir anfangs zwei- felhaft, ob es sich dabei um wirkliche Missbildungen han- delte, oder ob nur Ungleichmässigkeiten der Entwickelung vorlagen, die sich späterhin vielleicht ausgleichen könnten. Meine volle Aufmerksamkeit wurde diesen Abwejchungen erst durch folgende Beobachtung zugewandt: Ich wollte versuchen, ob es mir gelingen würde, die Hühnchen in meiner kleinen Brütmaschine zum Auskriechen zu bringen, und setzte deshalb die Bebrütung bis über den 21stenTag hinaus fort. Als jedoch am 23sten Tage kein Hühnchen ausgekrochen war, öffnete ich die Eier nach einander un- ter Wasser. Sie waren sämmtlich abgestanden, und ihr In- halt befand sich im Zustande stinkender Fäulniss. Da je- doch fast alle Eier Embryonen von verschiedener Grösse und Entwickelung enthielten, wollte ich, durch die früher beobachteten Abweichungen vfen der Norm angeregt, un- tersuchen, inwiefern diese Embryonen eine normale Ent- IV Wickelung bis zur Zeit ihres Absterbens zeigten, oder nicht. Ich löste sie daher unter Wasser vorsichtig vom Dotter ab, erneuerte das Wasser so lange es sich stark trübte, mit Vermeidung einer stärkeren Bewegung der zum Theil sehr weichen Embryonen, und brachte sie dann, jeden für sich, in Spiritus, um sie dadurch etwas consistenter zu machen. Als ich sie darauf untersuchte, bildeten sie zu meiner Ueber- raschung eine schöne Suite ganz unverkennbarer Missbil- dungen von sehr verschiedenen Formen und von verschie- denem Alter. Spina bifida, Hydrocephalie , Ectopie der Eingeweide, Offenbleiben einer oder mehrerer Visieralspal- ten an einer Seite, während sie an der anderen geschlos- sen waren, Atrophie des einen Auges, während das andere sich fortentwickelt hatte und fast in der Mitte der Stirn sass, Verkrümmungen und Deformitäten des Schnabels und der Extremitäten, Verwachsungen oder feste Verklebungen des Amnions mit der Oberfläche des Embryo in verschie- dener Ausdehnung und an verschiedenen Stellen fanden sich hier beisammen. Die Veränderungen, welche die Ma- ceration nach dem Abstehen der Embryonen an denselben hervorgebracht haben könnte, kamen diesen Missbildungen gegenüber gar nicht in Betracht, und ein Blick auf die verschiedenen Formen lehrte schon, dass die vorliegenden Abnormitäten während des Lebens entstanden seien, und nicht etwa erst nach dem Absterben. Dieser Befund ver- anlasste mich die Entstehung der Missbildungen in Vogel- eiern genauer zu verfolgen. Nachdem ich darauf aufmerk- sam geworden war, dass faule Eier keineswegs so verächt- liche Objecte sind, wie man gewöhnlich annimmt, habe ich dieselben sehr vielfach untersucht, sowohl nach künstlicher Bebrütung in meinem kleinen Brütapparate, als auch nach der Bebrütuiig in einer grossen, sogenannten ägyptischen Brütmaschine, die Herr Schmitz in vielen grösseren Städten producirt hat, und endlich nach der Bebrütung durch die Vögel selbst. Das Resultat war überall dasselbe, dass näm- lich faule Eier, welche während der Bebrütung abgestan- den sind, in der Eegel Missbildungen enthalten. Indem ich demnächst die äusseren Bedingungen für die Entstehung dieser Missbildungen verfolgte, stellten sich mir die Tem- peraturschwankungen während der Bebrütung als das wich- tigste Moment heraus, und es war hiermit das Mittel gefun- den, dieselben willkürlich hervorzubringen. Da mir zuerst weiter vorgeschrittene und ganz unzweifelhafte Monstruosi- täten entgegengetreten waren, kam es mir besonders darauf an, die Entwickelung derselben vom ersten Anfange der Störung an zu verfolgen. Indem ich in dieser Absicht zu bestimmten Zeiten die Störungen hervorrief und dann nach Verlauf verschiedener Zeiträume die Untersuchung vor- nahm, fand ich die Missbildungen auch in ganz frischem Zustande, zum Theil noch lebendig vor, wodurch jeder Ver- dacht, als könnte die Maceration auf die Entstehung der Deformitäten einen namhaften Einiluss gehabt haben, be- seitigt wurde. Zugleich gelang es dabei vielfach den in- neren Causalnexus der gleichzeitig vorhandenen Missbil- dungen festzustellen und die Entwickelung der einzelnen Deformitäten Schritt für Schritt zu verfolgen. Nachdem ich nunmehr diese Untersuchungen fast vier Jahre lang fortgesetzt habe, bin ich freilich noch lange nicht in allen Punkten zu einem Abschlüsse über die in Betracht kom- menden Fragen gelangt, doch glaube icli, dass das mir vor- liegende Material gross genug ist, um die J3ehauptung aus- sprechen zu dürfen, dass die Experimentalphysiologie die VI Entstehung der Missbildungen auf diesem Wege mit Erfolg in Angriff nehmen kann, und dass solche Untersuchungen überdies werthvoUe Aufschlüsse über die Erscheinungen und Grundbedingungen der Ernährung und des Zellenlebens im Allgemeinen zu geben vermögen. Die Missbildungen des Menschen und der Säugethiere kommen in der Eegel erst bei der Geburt zur Beobachtung, und selbst die scharfsinnig- sten Forscher, welche die grössten Sammlungen über die- sen Gegenstand zu ihrer Disposition haben, sind bezüglich der Entstehung der Monstruositäten auf Schlussfolgerungen angewiesen, welche einen mehr oder weniger hypothetischen Charakter behalten, weil ihnen die direkte Beobachtung des ersten Anfangs und der Zwischenglieder abgeht. Die Vogel- eier bieten aber bei diesen Untersuchungen dieselben Vor- theile dar, wie bei der Erforschung der normalen Entwicke- lungsgeschichte, indem sie, bei hinreichender Grösse, ein Material liefern, das immer reichlich vorhanden und den willkührlichen Abänderungen des Experimentators vollkom- men zugänglich ist. Obgleich ich sehr wohl weiss, wie weit diese Untersuchung davon entfernt ist, etwas Vollen- detes zu liefern, so hoffe ich doch mich der Erwartung hin- geben zu dürfen, auf diesem Wege Nachfolger zu finden, welche vielleicht das zum Abschluss bringen werden, was bei meiner Beobachtung noch lückenvoll und mangelhaft geblieben ist. Anfangs beschränkte ich meine Untersuchung auf die Entstehung der Missbildungen in anscheinend normalen Eiern, indem ich solche Abnormitäten der Eier, welche ein Bebrütungsresultat erwarten Hessen, nämlich die Eier mit do})peltem oder mehrfachem Dotter inid die Eier mit mehr- facher Cicatricula auf einem Dotter, für so selten hielt, dass VII ich nicht zu hoffen wagte, eine hinreichende Anzahl der- selben für meine Versuche zu erlangen. Nachdem mir aber das erste Ei mit doppeltem Dotter durch die gütige Ver- mittelung des Hrn. Dr. Claudius zugekommen war, spürte ich denselben eifrig nach, und bin so glücklich gewesen 82 solcher Eier zusammenzubringen und 72 derselben künst- lich zu bebrüten. Diese letzteren Brütversuche haben nicht nur über die Genese der Doppelmissbildungen, sondern auch über die Entstehung der einfachen Missbildungen und über die Bedingungen der Entwickelung im Allgemeinen manche interessante Aufschlüsse geliefert. Im Verlaufe der Unter- suchung fand ich auch Gelegenheit Eier mit eingeschnür- tem oder, wie man sie wohl genannt hat, mit unvollständig doppeltem Dotter zu bebrüten, wodurch es klar wurde, dass diese Abnormität mit den Eiern mit zwei Dottern Nichts zu schaffen hat, sondern dass sie von einer Abnormität der Dotterhaut abhängt. Endlich war ich so glücklich auch Doppelembryonen auf einem Dotter zu finden, und zwar einmal in einem Eie mit doppeltem Dotter. Die Abbildungen sind grösstentheils von mir selbst nach der Natur gezeichnet, indem ich die Umrisse derjenigen Ge- genstände, welche unter dem Mikroskop bei schwacher Ver- grösserung betrachtet werden mussten, mit Hülfe der Wol- lastonschen Camera lucida ausführte. Indem ich dabei im- mer dieselbe Vergrösserung benutzte, erlangte ich hierdurch nicht nur den Vortheil, der Genauigkeit der Umrisse sicher zu sein, sondern ich konnte auch nachträglich am Bilde alle Messungen mit grösster Zuverlässigkeit vornehmen und durch unmittelbare Vergleichung der Zeichnungen die wah- ren Grössenverhältnisse der verschiedenen Objecte überse- hen. Einen ferneren grossen Vortheil gewährte mir dieses VIII mechanisclie Hülfsmittel dadurch, dass es mich dazu an- hielt Nichts zu übersehen, das sich im Bilde geltend machte, selbst dann nicht, wenn es mir ganz unverständlich war. Sehr oft wurden mir solche, anfangs völlig unverständliche Objecttheile während der, beim sorgfältigen und sklavisch genauen Nachzeichnen, fortgesetzten Beobachtung begreif- lich und klar, oft auch wurden sie es erst bei einer wie- derholten Betrachtung und Untersuchung ähnlicher Objecte, und ich hatte dann den Vortheil, die früher nicht verstandene Zeichnung mit Sicherheit, nicht nur bezüglich der Formen, sondern auch rücksichtlich der Maasse, mit dem vorliegen- den Objecte vergleichen zu können. Die in dieser Weise auch mit Licht und Schatten, sowie zum Theil mit Far- ben ausgeführten Zeichnungen mussten natürlich für eine Arbeit, die dem Druck übergeben werden sollte, viel zu gross ausfallen, auch wuchs ihre Anzahl so an, dass, selbst nach möglichst starker Reduktion der Grösse, nicht daran zu denken war, auch nur annähernd alle diejenigen Abbil- dungen aufzunehmen, die etwas Bemerkenswerthes darbo- ten. Ich war daher einerseits genöthigt, die ursprünglichen Bilder auf einen verjüngten Maassstab zu reduciren, und andererseits eine passende Auswahl der zur Aufnahme be- stimmten Abbildungen zu treffen. Bei der Reduktion der Zeichnungen auf einen verjüngten Maassstab habe ich mich wiederum der Camera lucida bedient, und, soweit es thun- lich war, die Verkleinerung der am Mikroskop ausgeführ- ten Zeichnungen gleichmässig gemacht; überall liess sich das indess nicht durchführen, und ich habe daher in den Erklärungen zu den Tafeln die nöthigen Angaben über die wahre Grösse hinzugefügt. Die ganzen Eier sind, um Raum zu ersparen, in den Zeichnungen verkleinert, während die IX meisten anderen Objecte vergrössert sind ; auch für die Eier ist übrigens immer möglichst derselbe Maassstab festgehal- ten worden, um sie besser mit einander vergleichen zu kön- nen. Die Umrisse der Eier sind ganz genau wiedergegeben; ich habe nämlich nicht nur die Länge und den grössten Querdurchmesser für jedes Ei genau notirt, sondern ich habe gewöhnlich auch die Schalen beim Oeffnen der Eier unter Wasser so durchschnitten, dass ich die Umrisse unmit- telbar nachziehen konnte, wenn ich die halbe Eischale um- gekehrt auf das Papier legte. Die Ausführung der für den vorliegenden Zweck arrangirten Zeichnungen hat Hr. Witt- maak übernommen, indem er die von mir in den Umrissen arrangirten Tafeln nach meinen grossen Originalzeichnun- gen ausführte. Fig. 23 Taf. VII, Fig. 1-5 Taf. VIII, Fig. 1-3 Taf. X und Fig. 4 Taf. XI hat dieser Künstler direkt nach der Natur gezeichnet. Zum besseren Verständniss der Ob- jecte hat derselbe über manche Gegenstände besondere Stu- dien machen müssen. Die Feinheit und ISTaturtreue seiner Zeichnungen und die Möglichkeit seine Ausführung selbst überwachen und corrigiren zu können, machte es mir be- sonders wünschenswerth , dass ihm auch die Ausführung der Tafeln für den Druck übertragen würde. Ich zog es daher der mir vom Hrn. Verleger angebotenen Ausführung der Tafeln im Kupferstich vor, dieselben durch Hrn. Witt- maak hier in Kiel auf Stein zeichnen zu .lassen, während der Druck und Farbendruck in Berlin besorgt wurde. Ein Paar kleine Ungenauigkeiten, die sich dennoch, trotz aller Sorgfalt, eingeschlichen haben, sind in den Erklärungen zu den Abbildungen bemerkt worden. Bei aller möglichen Beschränkung ist die Zahl der Ab- bildungen und Tafeln doch so gross geworden, dass da- durch die Herausgabe der Arbeit durch den Buchhandel sehr erschwert ist; eine noch grössere Zahl von Abbil- dungen würde es dem Verleger unmöglich machen die- selbe zu übernehmen. Diese Eücksicht hat mich besonders bestimmt, die Herausgabe nicht länger aufzuschieben, in- dem neu hinzukommende Objecte den bereits aufgenomme- nen immer den Rang streitig und das Bedürfniss einer noch grösseren Zahl von Tafeln fühlbar machten. Ueberdies machten auch andere Arbeiten es mir sehr wünschens- werth, die vorliegende zu einem vorläufigen Abschluss zu bringen, um so mehr, als ich die Ueberzeugung habe, dass der einzelze Forscher, auch wenn er sein Leben auf eine Specialuntersuchung verwendet, dieselbe doch nicht zur vollkommenen Vollendung bringt, und dass es für die Wissenschaft fördernder ist, wenn ein Forscher eine Unter- suchung, an der sich vielleicht auch Andere betheiligen werden, veröffentlicht, nachdem sie bis zu einem gewissen Punkte gelangt ist, als wenn er sie zurückhält und wegen anderer Arbeiten bei Seite legt, in der Hoffnung, sie spä- ter selbst der Vollendung noch einige Schritte entgegen- führen zu können. Kiel, den 2. September 1860. P. L. Panum. Inhalt. \ Vorwort Seite III Erster Abschnitt. Die Entstehung der Missbildungen durch Störung der Entwickelung. Einleitung — 3 Erstes Kapitel. Untersuchungen und Beobachtungen über die Entste- hung der Missbildungen durch Störung der Entwickelung in Vogeleiern — 29 I. Die pathologische Entwickelung der Keimscheibe — 29 A. Die Missbildungen der Keimscheibe bei fehlendem Embryo und die Entstehung derselben — 29 B. Die Missbildungen des Bluthofes bei gleichzeitiger Gegenwart eines Embryo — 40 II. Die Bildungsfehler des Amnions, des Nabels und der Allantois. . — 48 III. Die durch Störung der Entwickelung entstandenen Missbildungen der Embryonen — 66 A. Monstruositates totales — 68 1. Monstruositates totales planae — 68 a) Monstruositates totales planae anaemicae — 68 b) Monstruositates totales planae cum sanguine rubro. . . — 78 2. Monstruositates totales cylindricae — 86 3. Monstruositates totales amorpho'ides — 98 B. Monstruositates partiales — 106 Zweites Kapitel. Vergleichender Ueberblick über die einzelnen For- men der von Störung der Entwickelung abhängigen Missbil- dungen der Vögel, der Säugethiere und des Menschen, mit Rücksicht auf die Entstehung derselben — U4 Drittes Kapitel. Die Ursachen der durch Störung der Entwickelung entstandenen Missbildungen — 138 XII Zweiter Abschnitt, Die Beziehungen der Abnormitäten der Eier zur Entstehung der Missbildungen. Erstes Kapitel. Die Abnormitäten der Vogeleier vor der Bebrütung. Seite 181 Zweites Kapitel. Die bisherigen Untersuchungen über die Entwicke- lung in abnorm gebildeten Eiern — 199 Drittes Kapitel. Neue Untersuchungen und Beobachtungen über die Entwickelung in abnorm gebildeten Vogeleiern, mit Rücksicht auf die Entstehung der Doppelmissbildungen, und mit Hinblick auf die Entstehung dieser Classe der Missbildungen bei den Säugethieren und dem Menschen — 214 I. Die Entwickelung auf zwei in einem Eie enthaltenen, mit ein- facher Cicatricula versehenen Dottern — 215 II. Die Entwickelung in Eiern mit eingeschnürtem Dotter. . . . — 228 III. Die Entwickelung in Eiern, welche Dotter mit doppelter Cicatri- cula enthalten — 234 Erster Abschnitt* Die Entstehung der Missbildungen durch Störung der Entwickelung. Pari um, L'iilt'rsiichiingtMi, '"^ NOV-7 1923 L Einleitung, JSchon Reaumur *) hat umfassende und sehr sorgfältige Unter- suchungen über den Einfluss der äusseren Bedingungen auf die Entwickelungsfähigkeit der Vogeleier angestellt. Er hatte nämlich die Absicht, die künstliche Bebrütung in grossem Maassstabe all- gemein in Frankreich einzuführen, und hoffte, dass es ihm, mit Hülfe des Thermometers, und bei Benutzung der Wärme, die sich in Misthaufen entwickelt, sowie derjenigen, die in Bäckereien und Fabriken sonst verloren geht, gelingen würde, dieser Industrie in seinem Vaterlande eine vielleicht noch grössere Ausdehnung zu verschaffen, als in Aegypten, wo nach Sicard jährlich an 92 Millio- nen Hühnchen auf diese Weise producirt wurden. Bei seinen er- sten Versuchen, nach der ältesten, in Aegypten seit Diodors Zeiten durch die Mammals oder Feuer -Brütöfen verdrängten Methode, die Wärmeentwickelung in Misthaufen als Wärmequelle zu benutzen, erhielt er sehr schlechte Eesultate, die ihn aufforderten den Ein- fluss der äusseren Verhältnisse bei der künstlichen Bebrütung einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Das Ziel, das hierbei verfolgt wurde, war ein rein praktisches, und es wurde meist nur das Endresultat berücksichtigt. Des Vorkommens von Missbil- dungen in den Eiern der Vögel und des Einflusses der äusseren Verhältnisse auf bestimmte Erkrankungsweisen des Embryo erwähnt Reaumur freilich nicht; dennoch behalten seine Versuche auch für uns einen grossen Werth, weil sie bei Weitem umfassender *) Art de faire dolore et d'elevcr cn toute saison des oiseaux domestiques de toutcs especes, soit par le moycn de la chaleur du furnier, soit par le raoyen du feu ordinaire. Paris 1751, 8. 2 Vol. See. edit. 1* waren; als alle spätere Experimente der Art. Die beste Bürgschaft für die Zuverlässigkeit dieser Untersuchung enthält das praktische Resultat; das er durch Benutzung der bei derselben gewonnenen Er- fahrungen erzielte; indem er späterhin, selbst in den MistöfeU; reich- lich Vg der zu vielen Tausenden bebrüteten Eier zum Auskriechen brachte; ein Resultat das dem in den ägyptischen Mammals erziel- ten gleichkam. Da dieser Arbeit weder von dem älteren noch von dem Jüngern GeofFroy Erwähnung geschieht; ebensowenig als von Valentin, Dareste und Andern; welche ähnliche Versuche veröffent- licht haben, so dürfte es angemessen sein, die Resultate der; wie es scheint; fast in Vergessenheit gerathenen Reaumur'schen Ver- suche hier in Kürze zu recapituliren. Der Feuchtigkeitsgrad der Luft darf, wenn ein günstiges Resultat erlangt werden soll; nicht so gross sein; dass ein hinein- gelegtes kaltes Ei sich beschlägt und nass wird. In zu feuchten Brütöfen starben fast alle Embryonen in den Eiern ab. Einzelne waren über den normalen Termin hinauS; noch am 29. bis 30. Tage der Bebrütung; lebendig; aber so in der Entwickelung zurückgeblie- ben, dass sie nur einer 17 bis iStägigen Bebrütung entsprachen. Die grosse Mehrzahl ging kurz vor dem normalen Termin des Aus- kriechens zu Grunde, denn etwa % der Eier, in welchen am Schluss der normalen, 21tägigen Bebrütungszeit todte Embryonen gefunden wurden; enthielten Hühnchen, welche fast ganz reif waren. Reau- mur erklärte die schädliche Wirkung der Feuchtigkeit durch die Annahme, dass dadurch die Poren verstopft würden; wo- durch der Respirationsprocess gestört würde. Dieser ist nämlich gerade kurz vor dem Auskriechen am lebhaftesten; was schon dar- aus hervorgeht; dass die Eier in den letzten Tagen vor dem Aus- kriechen sich wärmer anfühlen, als weniger weit entwickelte Eier, und dass sie nicht so leicht kalt werden; also in sich selbst eine Wärmequelle besitzen müssen; auch versichert R. wiederholt gehört zu haben, dass ein Hühnchen im Ei pipen könne, bevor die Schale den geringsten Riss hat. Die Theorie der Verstopfung der Poren in der harten Schale begründete er aber nicht nur auf theoretische Schlüsse, sondern auch auf die Erfahrung, dass eine zu feuchte Lult den Embryonen um so verderblicher wird, je dichter die Schale ist. So sind Enteneier, deren harte Schale dichter ist als die der Hühnereier, auch noch empfindlicher gegen Feuchtigkeit als diese, und die Eier der Truthenne, deren Schale weniger compact ist als die der Enteneier, aber compacter als die der Hühnereier, sind empfindlicher gegen zu feuchte Luft als Hühnereier, aber weniger empfindlich als Enteneier. Dem entspricht auch eine Beobachtung, die ß. machte, indem Eier, die 10 bis 15 Tage von einer Henne in einem guten, trocknen Neste bebrütet waren, in einem zu feuch- ten Brütofen alle zum Auskriechen kamen, während alle diejenigen Eier, die während der ganzen Zeit in demselben feuchten Brütofen gelegen hatten, zu Grunde gingen. Es ist nämlich begreiflich, dass die Poren um so mehr verstopft werden, je länger die Eier in der feuchten Luft liegen. Wenn dann einzelne Embryonen, selbst bis über den Termin des normalen Auskriechens hinaus, in den von zu feuchter Luft umgebenen Eiern am Leben bleiben, während die Uebrigen absterben, so erklärte R. Dieses durch die verschiedene Dichtigkeit der harten Eischale. Um diese Theorie noch ferner zu prüfen machte R. folgende Versuche. Er überzog die Eier vor der Bebrütung mit einer firnissartigen Substanz, welche den Luftdurchtritt durch die Poren verhinderte. So behandelte Eier entwickelten sich nicht, wenn sie der Brütwärme ausgesetzt wurden,, sondern erhielten sich frisch, wie unbefruchtete Eier. Bei einer andern Versuchsreihe wurden die Eier mit Wasser bedeckt der Brütwärme ausgesetzt, nachdem er gefunden hatte, dass Eier bei gewöhnlicher Temperatur sich unter Wasser länger halten und das Aussehen frischer Eier bewahren, indem sich kein Luftraum entwickelt und indem sich beim Kochen, neben dem geronnenen Eiweiss, eine milchige Flüssigkeit abscheidet. Nach 3 Tagen zeigte eins dieser Eier keine Spur von Entwickelung; nach 9 Tagen schwammen 2 Eier auf dem Wasser; das eine derselben war faul, das zweite enthielt einen wohlerhaltenen Dotter, ohne Spur von Ent- wickelung, und ganz dünnflüssiges Eiweiss. Nach 10 Tagen zeigte ein am Boden gebliebenes Ei dasselbe Verhalten wie im letztgenann- ten Falle. Am 17. Tage wurden wieder 2 Eier geöffnet, von denen das eine ganz faul war, während das andere einen wohlerhaltenen Dotter von etwas unangenehmen Gerüche zeigte. K. vermuthet, 6 dass sich in den 2 Eiern, welche sich in stinkender Fäulniss be- fanden, ein Keim entwickelt hätte, der aber sehr früh abgestanden wäre, da er vielfach die Erfahrung gemacht hatte, dass Eier, in de- nen es gar nicht zur Entwicklung kommt, nicht während der nor- malen Dauer der Bebrütung der fauligen Zersetzung unterliegen, ja, dass sie sich, bei luftdichtem Ueberzuge, in der Brütwärme 30 bis 40 Tage lang, bei gewöhnlicher Temperatur aber jahrelang frisch erhalten. Endlich führt er noch als Belege für die Porosität der Eier die bekannte Erfahrung an, dass der flüssige Inhalt des Eies unter der Luftpumpe durch die Eischale durchschwitzt. Bisweilen sah er aus faulen Eiern auch beim gewöhnlichen Luftdruck faule Flüssigkeit aus den Poren der Schale hervordringen. Auch beobachtete er bisweilen Pilze in bebrüteten Eiern, ohne dass irgend Spalten an denselben zu finden waren. Micheli wies die Entstehung dieser Pilze aus Sporen nach, und schon R. schloss hieraus, dass diese durch die Poren der Schale und durch die weisse Eihaut gedrungen sein müssten (1. c. pag. 254). Wenn er an Eiern, die in zu feuchter Luft bebrütet wurden, eine kleine Oeffnung am stumpfen Ende am 17. bis 18. Tage der Bebrütung anbrachte, so gelang es in den meisten Fällen die Hühnchen durch diese Operation zu retten und zum Auskriechen zu bringen, indem die Gefahr durch Verstopfung der Poren, wie gesagt, sich besonders in den letzten Tagen geltend macht, wo der E-espirationsprocess so viel lebhafter geworden ist. Wenn er aber diese Operation in früheren Perioden der Bebrütung ausgeführt hatte, so fand er in den angestochenen Eiern Pilze in grosser Menge, meist von blaugrüner Farbe, welche den Embryo durch ihre überhand nehmende Entwickelung getödtet hatten. Unabhängig von der Verstopfung der Poren des Eies kann der Embryo im Vogelei, nach R.'s Beobachtungen, auch durch In- fection durch faule Dünste zu Grunde gehen. Wenn sich in einem Neste ein stinkendes Ei befindet, so kann es successive alle die andern Eier zum Abstehen bringen. Täglich fanden sich bei diesen Versuchen 1 bis 2 neue faule Eier im Neste, und obgleich das Stroh des Nestes erneuert wurde, so dauerte die Ansteckung doch fort, bis auch das letzte Ei faul geworden war. Zwei Beobachtungen zufolge reichen 24 Stunden aus, damit ein faules Ei andere gesunde Eier inficire. Dieser Umstand ist übrigens den Aegyptern wohl be- kannt, indem sie täglich diejenigen Eier, welche Zeichen der Fäul- niss zeigen, aus den Brütöfen entfernen. Bemerkenswerth ist es, dass nicht jeder Gestank, namentlich auch nicht die Ausdünstung des Mistes, den Eiern an sich schädlich ist, indem R. Hühner auf Misthaufen, im ärgsten Gestank ihre Eier mit dem allerbesten Re- sultat bebrüten liess. Als dritte Grundursache des Abstehens der Eier bei der Be- brütung führt R. die Temperaturschwankungen an. Da die Temperatur an verschiedenen Stellen des Brütofens verschieden sein kann, muss sich die Kugel des Thermometers zwischen den Eiern selbst befinden. Die günstigste Temperatur für die ganze Dauer der Bebrütung ist 32^ R., es kann jedoch auch bei einer durchstehenden Temperatur von 30^ R., sowie von 34*^ R. ein, wenn- gleich weniger sicheres Resultat erlangt werden. Bei 28° R. ist die Temperatur schon zu schwach, und bei 36" R. zu hoch. Inner- halb gewisser Grenzen sind die Temperaturschwankungen den Em- bryonen nicht absolut verderblich. Die Henne verlasst wenigstens einmal täglich das Nest um zu fressen, zu trinken und um die Ex- cremente zu entleeren. Einige gestatten ihnen zwei Mahlzeiten täglich. Hierbei verlässt eine eifrige Brüthenne die Eier freilich nur 7 bis 8 Minuten, manche jedoch über y^ Stunde. Während der ersten 17 bis 18 Tage pflegt die Henne ihr Nest mit einer dicken Lage von Stroh zu bedecken, bevor sie sich entfernt. Ebenso bedecken die Enten und Taucher immer ihre Eier, wenn sie die Nester verlassen. Während der letzten Tage der Bebrütung be- deckt die Henne ihr Nest weniger sorgfältig; dem entspricht der Umstand, dass um diese Zeit im Ei selbst eine sehr bemerkbare Wärmeentwickelung statt hat. Diese giebt sich dadurch zu erken- nen, dass die Eier während der letzten Tage nicht so leicht kalt werden, wovon man sich schon durch das Gefühl bei vergleichen- den Versuchen überzeugen kann. Ueber den schädlichen Einfluss einer zu niedrigen Temperatur finden sich freilich nur unvollstän- dige spccielle Angaben, Einmal beobachtete R., dass Eier, am vier- ten bis fünften Tage der Bebrütung über 10 Stunden lang von der 8 Henne verlassen und einer andern Henne zur Bebriitung übergeben^ zur Entwickelung kamen. Da aber die Angabe der äussern Tem- peratur fehlt, und da nicht gesagt ist, inwiefern die Eier z. B. durch die Bedeckung und durch die Umgebungen gegen Abkühlung geschützt waren, so ist es unmöglich, eine Vermuthung darüber zu haben, wie weit die Abkühlung im Innern des Eies wohl gediehen sein mochte. In einem andern Falle war ein Ei zwei Tage lang richtig bebrütet worden, hatte aber am dritten und vierten Tage nur 30^ R. gehabt; am fünften Tage sank die Temperatur auf 25** und am sechsten stieg sie während der Nacht und am Morgen auf 37° R. Trotz dieser Temperaturschwankungen lebte der Embryo noch. Ob er aber normal gewesen, wird nicht bemerkt. In einem dritten Falle waren eine Partie Eier 5 bis 6 Tage lang einer Tem- peratur von nur 30 bis 31° R. ausgesetzt gewesen; 3 Tage vor dem Auskriechen war die äussere Temperatur bis unter 30° R. gesun- ken, ja für eine kürzere Zeit selbst unter 28° R., und dennoch ge- langten die in ihnen entwickelten Hühnchen zum Auskriechen. Eine stetige Temperatur von 30 bis 31° R. schien oft die Folge zu ha- ben, dass die Hühnchen einen Tag später zum Auskriechen kamen; dies kam jedoch auch bei normaler Brütwärme bisweilen vor. Wäh- rend der letzten Tage der Bebrütung, da die Eier bereits eine merk- liche Wärme selbst entwickeln, bedürfen dieselben, wie schon J. Ste- veson in einer Abhandlung über die Ursache der thierischen Wärme bemerkt hatte, einer weniger stetigen Bebrütung von Seiten der Henne; R. bestätigte das, fand aber zugleich, dass sie in den letz- ten 4 bis 5 Tagen in Folge einer mehr eingreifenden Abkühlung leichter absterben, als in den früheren Bebrütungsperioden. Voll- ständigere Angaben, als über den Einfluss einer zu niedrigen Temperatur, finden sich über den Einfluss einer zu hohen Tem- peratur. Diese ist natürlich nicht unter der Henne, wohl aber bei künstlicher Bebrütung zu befürchten. Die Temperatur kann für ei- nige Zeit auf 35, ja auf 37 bis 38, selbst auf 40° R. steigen, ohne dass die Eier alle nothwendig zu Grunde gehen. Dauert diese Temperatur aber zu lange, so ist der Untergang der Embryonen unvermeidlich. Besonders gefährlich ist nach R. ein zu hohes Stei- gen der Temperatur, während der letzten Tage der Bebrütung, und 9 auch bei ganz kurzer Einwirkung einer Temperatur von 38 bis 40° E,. wurden diejenigen Embryonen, die in den nächsten 2 bis 4 Ta- gen auskriechen sollten, immer todt gefunden. E-. erklärt dies theils durch die Eigenwärme, wodurch die Temperatur in diesen Eiern noch über die äussere steigen könnte, theils aus dem Umstände, dass auch ausgekrochene Hühnchen bei dieser Temperatur schnell sterben. Am zweiten, dritten, zehnten, vierzehnten und fünfzehn- ten Tage wurde die Temperatur für eine oder ein Paar Stunden auf 37, ja 40 "^ R. gesteigert, ohne dass dadurch das Auskriechen einiger Hühnchen, welche diesen hohen Wärmegraden ausgesetzt gewesen waren, verhindert wurde. Eine Temperatur von 37*^ wurde von einzelnen Eiern mehrmals, jedesmal einige Stunden nach ein- ander ertragen, eine Temperatur von 35 bis 36^ selbst mehrere Tage nach einander; bei einer stetigen Temperatur von 35*^ R. kam freilich nicht ein einziges Hühnchen zum Auskriechen, alle hatten jedoch ihre volle Entwickelung erlangt, waren aber kurz vor dem Auskriechen aus der Schale gestorben. — Den schädlichen Einfluss dieser hohen Temperatur schreibt E,. zum Theil der zu starken Verdunstung zu, indem der Luftraum über die Hälfte, oft y^ der Höhle des Eies einnahm, wodurch die zum Auskriechen nöthigen Bewegungen sehr beeinträchtigt werden mussten. Eine zu hohe Temperatur, welche die Hühnchen im Ei nicht gradezu tödtete, schwächte sie oft so, dass sie erst 1 bis 2 Tage später zum Auskriechen kamen, dahingegen schien eine massig hohe Temperatur die Entwickelung ein wenig, etwa um einen Tag, zu beschleunigen. Dem Einflüsse der zu starken Verdunstung ist E*. auch geneigt es zu- zuschreiben, dass Eier, denen die harte Kalkschale wegen mangelnder Ablagerung von Kalksalzen fehlt, selbst in der Brütmaschine niemals mit Erfolg bebrütet werden können, indem sie einfach eintrocknen. Ausser den angeführten Bedingungen hebt R. noch folgende hervor: Es dürfen die Eier nicht zu alt sein. Drei Wochen ist im Sommer der äusserste Termin, im Winter eine noch etwas län- gere Zeit; Verschiedenheiten, die in dieser Beziehung beobachtet werden, scheinen besonders von den Temperaturverhältnissen abzu- hängen. Die von Plinius ausgesprochene Behauptung, die Eier lie- ferten das beste Resultat bei der Bebrütung, wenn sie 10 Tage 10 alt seien, fand R. durchaus unbegründet; vielmehr lieferten sie ihm ein um so günstigeres Resultat, je frischer sie waren. — Es müs- sen ferner die Hühner mit guten Hähnen versehen sein. Die grös- seren Eier geben ein besseres Resultat als die kleineren; die ganz kleinen, welche die Grösse von Taubeneiern haben, können nicht mit Erfolg bebrütet werden. — Dahingegen fand R., dass die Lage der Eier keinen wesentlichen Einfluss auf das Resultat der Bebrü- tung hat. Aus Eiern, die er während der ganzen Dauer der Be- brütung theils auf das spitze, theils auf das stumpfe Ende gestellt hatte, krochen gesunde Hühnchen am einundzwanzigsten Tage aus. Dabei fand sich, ^dass der Luftraum sich auch dann am stumpfen Ende bildet, wenn es während der ganzen Dauer der Bebrütung nach unten gekehrt war. Ueberhaupt schien das Hühnchen durch keine Stellung zu leiden, und der Kreislauf, sowie die ganze Ent- wickelung, mit derselben Regelmässigkeit zu erfolgen, wie sonst (pag. 156 — 157). Endlich stellte R. auch Versuche an, um zu er- fahren, welchen Einfluss die Lagenänderung der Eier bei der Be- brütung durch die Henne auf die Entwickelung hat. Er hatte sich nämlich durch Zeichen, die er auf den Eiern angebracht hatte, über- zeugt, dass die Henne täglich die Lage der Eier verändert, indem sie diejenigen, die in der Mitte des Nestes liegen, nach der Peri- pherie hinbringt, und umgekehrt. Er hatte auch gefunden, dass die Henne, wenn im Nest mehrere Lagen Eier übereinander liegen, ab und zu die unterste Lage zur obersten macht. Die Aegypter ahmen dies Verfahren der Henne in ihren Mammals nach, indem sie nach Vesling selbst viermal täglich die Eier umkehren. Da R, indess fand, dass Eier, welche während der ganzen Dauer der Be- brütung dieselbe Stellung behielten, selbst wenn sie senkrecht auf- gestellt waren, verhältnissmässig dieselbe Zahl von Hühnchen lie- ferten, wie Eier, welche fleissig umgekehrt wurden, so konnte er dem Drehen an und für sich keinen wesentlichen Einfluss zuschrei- ben, sondern er kam zu dem Resultate, dass es nur insofern einen günstigen Einfluss haben könnte, als die Wärmevertheilung dadurch glcichmässiger würde, namentlich bei der Bebrütung vieler Eier durch eine Henne. Die Entstehung von Missbildungen bei Störung der Bebrütung 11 und überhaupt das Vorkommen von Monstruositäten in den Eiern der Vögel war, wie gesagt, E. ganz entgangen, und GeofFroy St. Hilaire der Aeltere, scheint der Erste gewesen zu sein, der (wahr- scheinlich angeregt durch Swammerdams Versuche, bei welchen mittels Verletzungen der Puppen Missbildungen der Schmetterlinge hervorgebracht wurden) künstlich, durch Störungen während der Entwickelung in Vogeleiern Monstruositäten zu erzeugen suchte. Jedenfalls gebührt ihm das Verdienst, zuerst erkannt zu haben, dass Brütversuche mit Vogeleiern nicht nur zur Erforschung der normalen Entwickelungsverhältnisse dienen können, sondern dass dieselben auch geeignet sind, sehr wichtige Aufschlüsse über die Entstehung der Missbildungen zu geben. Diese von seinem Sohne Isidore GeofFroy St. Hilaire *) vielfach citirten Untersuchungen, sind nach dem grossen Werke des Letzteren oft wieder citirt wor- den; man erhält aber aus diesen Citaten keine deutliche Vorstellung darüber, welchen Umfang dieselben gehabt, und welcher Werth denselben beizulegen sein mag. Ich habe mich daher mit den ur- sprünglichen Untersuchungen des altern GeofFroy bekannt gemacht; Seine ersten Beobachtungen machte er im Etablissement des Herrn Briot in Auteuil. Die Resultate derselben wurden in der Acad. royale des Sciences le 10 avril 1826 und in Memoires du Mu- seum t. Xni. p. 289 naitgetheilt, nachdem er schon früher in einer Mittheilung an die Academie vom 28. August 1820, die im Jour- nal complementaire t. 7 pag. 271 und in Philosophie anatomique t. 2 pag. 513 wiedergegeben wurde, seine Ansichten über die Ur- sachen der Missbildungen entwickelt hatte. Die in obiger Mitthei- lung namhaft gemachten Beobachtungen und Versuche sind fol- gende : Bei einem 12 Tage lang künstlich bebrüteten Hühnerembryo wurde nur ein einziger Hirnlappen gefunden. Ueber die ursäch- lichen Verhältnisse findet sich keine Angabe. Durch einen Wachsüberzug über die Hälfte der Eischale gelang es ihm nicht die Entwickelung zu unterbrechen; es kam dabei je- doch in einem Falle nur zur Bildung von Gefässen, Membranen *) Ilistoirc generale et particuliere des anomalies de rorganisation cliez riiommc et les animaux, ou tiaite de teratolugic. Paris 1830 T. III. 12 und einem weissen Körper; in einem andern Falle war ein ^/Prien- cepliale" ohne Antlitz und Sinnesorgane bei Ttägiger Bebrütung entstanden. Ob die Eier immer in derselben horizontalen Lage ruhig lie- gen blieben, oder ob sie ab und zu gedreht und umgelagert wur- den, fand er für die Entwickelung gleichgültig. Dahingegen legt er, im Widerspruch mit Reaumur, der senk- rechten Stellung der Eier während der Bebrütung eine ganz beson- dere Wichtigkeit bei, und meint, dass dieselbe zur Entstehung von Missbildungen Veranlassung giebt. Als Belege für diese Behaup- tung führt er folgende Fälle an, in welchen die Eier während der Bebrütung theils auf das spitze, theils auf das stumpfe Ende ge- stellt waren: Einmal war dabei das Auge eines 8'" langen Embryo durch Bersten (?) zu Grunde gegangen. In einem andern Falle waren beide Augen eines b'" langen Embryo in gleicher Weise zerstört. Den schädlichen Einfluss der senkrechten Stellung der Eier erklärt G. zum Theil durch die Reaumur's Erfahrungen eben- falls zuwiderlaufende Angabe, dass die Entwickelung des Luftraums dadurch verhindert werde, besonders wenn das stumpfe Eiende sich unten befinde. Ferner soll die senkrechte Stellung des Eies, mit dem stumpfen Ende nach oben, das Hineintreten des Dotters in den Unterleib verhindern, indem die Verschiedenheit des specifi- schen Gewichts den Dotter vom Unterleibe entfernen und die In- tegumente des letzteren hervorzerren soll. Bei senkrechter Stel- lung des Eies, mit dem spitzen Ende nach oben, fand er dahingegen den stark injicirten Dotter mit dem obern Eiende verklebt, wäh- rend der Embryo mit dem Schwänze nach oben, und der Brust nach unten, dem Luftraum gegenüber lag. Der gelbe Dotter ragte in den Unterleib des Embryo hinein, anstatt wie im vorigen Falle durch einen verlängerten Stiel von demselben getrennt zu sein. Der Embryo oder sein Amnion adhärirte der Schaalenhaut oder der Chalazze (?) und der Steiss war seitlich verbogen. Diese Angaben scheinen sich jedoch auf einzelne Beobach- tungen zu stützen, ja zum Thcil selbst nur a priori geschlossen zu sein, und sie scheinen wenig geeignet, Reaumur's widersprechende Angaben zu widerlegen. Ausserdem beobachtete (icoffroy der Ael- 13 tere noch folgende Deformitäten an Hühnerembryonen, deren Ent- stehen er durch Zerrung erklärt. Bei einem Exemplare war das Becken oben mit dem Dotter verbunden, und die Eingeweide, nebst dem sehr grossen Magen, waren so hervorgezogen, dass sie nir- gends vom Sternum bedeckt waren. Das Herz war dem Zuge ge- folgt und im Begriff aus dem Thorax herauszutreten. Das Ster- num hatte an seinem verkürzten Abdominalende eine Falte, und das Becken war ganz flach ausgebreitet. — Bei einem andern In- dividuum waren die Lendenwirbel offen, und zwar in der ganzen Ausdehnung des Rückgrats. Die Steissbeinwirbel waren auffallend klein und ohne Seitenapophysen, so dass sie statt eines Vogelschwan- zes gewissermassen einen Säugethierschwanz darstellten. Bei einem dritten Exemplare war die Wirbelsäule in der Gegend der Hals- wirbel offen. Bei einem vierten endlich war der Kopf rund, der Schnabel gekrümmt, der Unterkiefer kurz und unter die Kehle ge- drängt, so dass der Kopf einem Papageienkopfe ähnlich war. Diese letztere Missbildung sah G. einige Male. Diese durchaus fragmentarischen Angaben bezeichnet Geoffroy selbst nur als eine Art Annonce einer grösseren Arbeit über diesen Gegenstand, die er herausgeben wollte. Diese verheissene grössere Arbeit ist jedoch niemals erschienen, sondern nur noch eine fer- nere Mittheilung über einen einzelnen Fall, den er als besonders beweisend für seine, Meckel gegenüber festgehaltene, Theorie der Entstehung der Missbildungen durch mechanische Einwirkungen hervorhebt. Diese Mittheilung in Archives g^nerales 1827 ist be- titelt: Des adherences de Texterieur du foetus, consider^es comme le principal fait occasionel de la monstruosite et observations nou- velles k Tappui de cette theorie. Er berichtet hier, dass er bei zwei Zwillinghühnchen die Hirnlappen stärker als sonst nach vorn entwickelt und über die getrennt gebliebenen Stirnbeine hervorge- drängt gefunden habe. Seitlich folgten die Lobi optici den Stirn- lappen, während das Cerebellum im Schädel zurückgeblieben war. Die Erklärung dieser Deformität suchte G. in einer Verwachsung, und fand dafür einen Beleg in einer Beobachtung, welche den Hauptinhalt der Abhandlung ausmacht. Es betraf dieselbe ein Hühnchen, das er aus der Brütanstalt des Herrn Ratier zu Bourg- 14 la Eeine erhalten hatte, und das bereits einen Tag lang nach Er- öffnung der Eischale ohne Futter gelebt hatte. Es war nicht im Stande gewesen, sich von der Schale zu befreien, weil der Schei- tel desselben mit der Oberfläche des Dotters verwachsen war, wo- durch der Kopf, gegen den Unterleib gepresst, festgehalten wurde. Diese Stellung wurde, durch das vor und noch nach der Eröffnung der Eischale erfolgende Hineinziehen des Dotters in den Unterleib, dem Thiere immer peinlicher, indem der Kopf dem Zuge des Dot- ters folgen musste. Die Adhäsion stellte eine röthliche Membran dar, welche 2'" breit und 6'" lang war, und welche die Dura mater repräsentirte. Das Hirn war, von dieser Membran umgeben, aus dem Schädel herausgezogen, und gerade so gelagert wie im erst- genannten Falle. Die Lobi cerebri und Lobi optici waren nach aussen gezerrt; der Lobus cerebri dexter war länglich und ruhte auf dem quergestellten Falx, während der Lobus cerebri sinister, etwas kürzer und mehr abgeplattet, unter dem Falx lag. Die Decken des Schädels bildeten einen Ring, und im Schädel lagen nur das Cerebellum nebst der Medulla oblongata. — Eine ähnliche Dislo- cation des vordem Theils des Hirns fand Geoffroj öfter, es waren dann aber doch die Meningen mit einer Haut bedeckt, welche Fe- dern trug, so dass nur die knöcherne Schädeldecke fehlte. Geoffroy erklärt diese Fälle durch ein vorübergehendes mechanisches Hinder- niss, analog dem das im angeführten Falle bleibend geworden war. Aus ferneren zerstreuten Notizen des älteren Geoffroy in Jour- nal complementaire des sciences medicales T. 34, Philos. anatomique t. n. p. 511, Dictionaire classique d'hist. natur. t. XI. p. 149 art. mon- struosites und aus des jüngeren Isidore Geoffroy- Saint-Hilaire: Hi- stoire g{3n^rale et particuliere des anomalies de Torganisation chez l'homme et les animaux Paris 1836. Tom III. pag. 500 u. flg. ersieht man ferner, dass die angeführten Versuche noch mehrfach abgeän- dert wurden. Es wird berichtet, dass die Bebrütung auch noch durch Schütteln der Eier und durch Perforationen der Schale ge- stört wurde, aber nähere Angaben über die Resultate habe ich nicht finden können. Der ältere Geoffroy erzählt überdies nur noch, dass die Wärmeregulation und Ventilation in der Brütanstalt des Herrn Ratier anfangs unvollkommen gewesen sei, indem ein grosses Zim- 15 mer dazu benutzt wurde ^ das durch einen Ofen in der Mitte ge- heizt wurde, und dass in Folge dessen y^Q der Eier zu Grunde gegangen seien, von den übrigen aber fast die Hälfte nach aussen gekrümmte Zehen hatte. Isidore Geoffroy (der Sohn) sagt dem- nächst in seinem angeführten Werke, dass er 1831 die Versuche seines Vaters aufgenommen habe, indem er zugleich ihre hohe Be- deutung für das Verständniss der Entstehung der Missbildungen sehr stark betont. Während sein Vater, wie er sagt, gewöhnlich die Eier 3 Tage lang unter gewöhnlichen Verhältnissen gelassen, und dann die Bebrütung auf verschiedne Weise gestört hatte, machte Isidore Geoffroy die Pjingriffe vor der Bebrütung. Da ihm keine Brütanstalt zu Gebote stand, benutzte er Hennen zur Bebrütung seiner Eier. Er giebt an, dass Erschütterung der Eier in der Rich- tung der Längsachse nur eine Verzögerung der Entwickelung, selbst um mehrere Tage, zur Folge gehabt habe. Man erstaunt aber, wenn berichtet wird, dass dieser Versuch nur mit 3 (!) Eiern vor- genommen wurde, von denen die 2 noch zu andern Versuchen be- nutzt wurden (!) indem das eine mit Salpetersäure geätzt wurde, in das andere aber eine Nadel eingeführt wurde (!). Bezüglich der übrigen Versuche mit Erschütterung der Eier in der Richtung der Querachse, mit Ueberzügen, welche die Porosität beschränkten, mit Abtragung eines kleinen Stücks der Schaale und Verstopfung des Loches durch eine poröse Substanz, mit einmaliger Einführung von Nadeln und mit Befestigung eingeführter Nadeln im Ei, erfährt man nur, dass die Entwickelung durch diese Eingriffe allemal gänz- lich verhindert wurde. Es wird dann noch hinzugefügt, dass sich bisweilen bei diesen Versuchen eine schleimige Materie im Dotter entwickelt habe, welche einem membranartig gewundenen Ligamente glich, und dass der Dotter in einigen Fällen in rundliche oder un- regelmässige Kugeln von Y^ bis Y^'" sich aufgelöst habe, während andre Eier nichts Ungewöhnliches zeigten. Gewiss muss man Geoffroy Recht geben, wenn er selbst eingesteht, dass diese negativen Vei'- suche der Wiederholung bedürfen, um zu Schlüssen zu berechtigen. Trotz des grossen Gewichts, das er auf die hieher gehoi'igen Ver- suche legt, indem er die Experimente seines Vaters als maassge- bend für die Theorie der Missbildungen bezeichnet, so hat er doch 16 leider nicht Gelegenheit gefunden, dieselben weiter zu verfolgen. Auch er versprach über diesen Gegenstand eine besondre Memoire zu liefern; hat dies Versprechen jedoch nicht erfüllt. Es sind offenbar die Untersuchungen Geoffroy's des Jüngern, sowohl als die des Aeltern, über den Einfluss der Störungen auf das Bebrütungsresultat denen Reaumur's gegenüber durchaus nicht maass- gebend. Wenn Geoffroy der Aeltere in ein Paar namhaft aufge- führten Fällen kranke Embryonen in Eiern fand, die in senkrechter Stellung bebrütet waren, so folgt daraus noch nicht, dass die senk- rechte Stellung daran Schuld war. Denn Reaumur brachte in die- ser Stellung bebrütete Eier ebensowohl zur vollständigen und nor- malen Entwickelung, wie bei horizontaler Lage, und Geoifroy führt nicht an, ob die Temperatur u. s. w. normal gewesen sei. Ueber- dies finden sich solche kranke Embryonen, wie GeoiFroy sie bei senk- rechter Stellung während der Bebrütung ein paarmal fand, meinen Untersuchungen zufolge so häufig, auch in Eiern, die, unter sonst ungünstigen Verhältnissen, in horizontaler Lage bebrütet wurden, dass für die Begründung seiner Behauptung wenigstens ein statisti- scher Nachweis des häufigeren Vorkommens derselben bei senkrech- ter Stellung der Eier nöthig gewesen wäre. Die weitläuftige Dar- legung der Verhältnisse, durch welche die senkrechte Stellung der Entwickelung schaden soll, stützt sich dabei, wie es scheint, durch- aus nur auf eigene Reflexion, nicht auf Beobachtung. So wider- spricht z. B. seine Behauptung, dass die senkrechte Stellung die Entwickelung des Luftraums verhindere, besonders wenn das stumpfe Ende nach unten gekehrt sei, völlig der Erfahrung und den schon von Reaumur angestellten Versuchen. Die neuerdings von Liharzik*) veröffentlichten Untersuchun- gen über die Einwirkung der verschiedenen Stellung und Lage der Eier während der Bebrütung auf die Entwickelung des Hühnchens verdienen hier noch erwähnt zu werden. Bei horizontaler Lage des Eies liegt, nach L., auch der Embryo horizontal, mit dem Kopf *) Das Gesetz des menschlichen Wachsthuras und der unter der Norm zurück- gebliebne Brustkorb als die erste und wichtigste Ursache der lihachitis, Scrophulose und Tubcrculose von Dr. Franz Lihar/ik. 8. Wien, bei Gerold und Sohn. 1858. — Froriep's Notizen 1859 IV. Bd. No. 1. 17 meist dem stumpfen Elende zugekehrt. Wird die Längsachse des Eies senkrecht gestellt, so lagert sich der Embryo am obersten Eiende anfangs horizontal, bei fortschreitender Entwickelung aber stellt sich die Längsachse des Embryo mehr und m^hr der Längs- achse des Eies parallel, und am Ende der Entwickelung liegt im- mer der Kopf am einen und der Schwanz am andern Eiende. Un- abhängig von der Stellung findet man am Schlüsse der Entwickelung in der Regel den Kopf dem stumpfen, lufthaltigen Eiende zuge- kehrt, den Schwanz dem spitzen Eiende. Bei senkrechter Stellung des Eies, mit dem stumpfen Eiende nach oben, ist also der Kopf am Schlüsse der Entwickelung nach oben gerichtet, während er bei einer solchen senkrechten Stellung des Eies, wobei das spitze Ende nach oben liegt, nach unten gerichtet ist. Indem man auf solche Weise im Stande ist, etwa während der letzten Hälfte der Brützeit den Embryonen im Ei nach Belieben eine solche Lage zu geben, dass der Kopf nach oben, nach unten oder horizontal liegt, ist es möglich, über den Einfluss der verschiedenen Stellungen be- stimmte Versuche anzustellen. L. fand nun den Kopf auffallend kleiner, den Bauch aber dicker und grösser, wenn der Kopf (das stumpfe Eiende) nach oben gerichtet war. Es waren alsdann die ausgekrochenen Hühnchen auch schwach, gingen schlecht und sie blieben immer während längerer Zeit mager und schwächlich. In einigen Fällen war die Lage des Kopfes im Ei nicht die normale unter dem Flügel, sondern der Flügel hing herab. Wenn dahin gegen der Kopf (das stumpfe Eiende) nach unten gerichtet war so wurde der Kopf überall grösser und breiter, der Hals kürzer und dicker, der Bauch aber kleiner, schmächtiger und platter ge funden. Bei der gewöhnlichen horizontalen Embryonallage (bei horizontaler Lage des Eies) fand er die nach unten gelegene Kör- perhälfte, auf der das Hühnchen geruht hatte, kleiner, schwächer, in der Entwickelung mehr zurückgeblieben, atrophisch, und der Kopf war in solchen Fällen, wo der Körper auf ihm gelegen hatte, mit den Eindrücken des Brustkorbes versehen. Dies Alles war am deutlichsten bei voUentwickelteu aber in der Schale abgestorbeneu Hühnchen. Diese Eesultate stützen sich auf Versuche mit 48 Eiern. Wenngleich aus diesen Versuchen hervorzugehen scheint, dass die Panum, Untersuchungen. 2 18 Lage des Eies bei der Bebrütung keinesweges für die Entwickelung des Embryo gleichgültig ist, und dass die durch die Stellung be- dingte Verschiedenheit der Einwirkung der Schwere Ursache der beobachteten Modificationen der Ernährung ist, so ist in denselben doch von eigentlichen Missbildungen nicht die Rede. In einer Ver- suchsreihe mit je 6 verschieden placirten Eiern hatte es den An- schein, als ob die senkrechte Stellung überhaupt ungünstiger sei, als die horizontale, indem mehr vollentwickelte Hühnchen aus den letzteren hervorkamen, als aus den ersteren. Um jedoch hierüber etwas Sicheres zu statuiren, würden viel grössere Beobachtungsrei- hen nöthig sein, wie sie von Reaumur vorliegen, daher Reaumur's Resultate durch Liharzik's Untersuchungen im Ganzen bestätigt und nicht w^esentlich alterirt werden, wohingegen GeofFroy's Angabe, dass die senkrechte Stellung der Eier während der Bebrütung eine wesentliche Ursache der Entstehung von Missbildungen in Vogel- eiern sei, durch dieselben keineswegs bewahrheitet wird. Die oben angeführten Versuche Reaumur's, durch welche der Einfluss luftdichter Ueberzüge der Eier auf die Entwickelung ge- prüft wurde, sind später verschiedentlich modificirt und wiederholt worden. Insofern die luftdichten Ueberzüge die Sauerstoffaufnahme verhindern oder wenigstens beschränken müssen, könnten hier einige Versuche angeführt werden, welche von einer aus Viborg, *) Bugge, Herholdt, Scheel und Rafn bestehenden Commission im Auftrage der Königl. dänischen Gesellschaft der Wissenschaften 1803 ange- stellt wurden, um die Frage zu erledigen : Ob Eier in irrespirabeln Gasarten entwickelt werden könnten? Dieselben ergaben ein nega- tives Resultat, wenn der Verschluss der Gefässe, in welchen die Eier mit der irrespirabeln Luft eingeschlossen waren, vollkommen dicht war. Sie zeigten aber zugleich, dass es ungemein schwer ist einen vollkommenen Verschluss zuwege zu bringen. Diese Versuche haben indess für uns keinen grossen Werth, da die bei einigen, als misslungen bezeichneten Versuchen wahrgenommenen ^Entwickelungsspuren" nicht näher untersucht wurden und da die ganze Versuchsreilic auf eine geringe Zahl von Eiern beschränkt *) Det Kongel. Danske Videnskaberncs Selskabs Skvivter for Aar. 1803 og 1804 III. Bd. Kjöbenhavn 1805, 4. pag. 231. 19 war. Wenn man indess diese Versuche vor Augen hat^ so erscheint es zweifelhaft; ob die später von Beaudrimont und Martin St. Ange geraachte Angabe, dass die Entwickelung in Eiern, die mit luftdich- ten Ueberzügen versehen sind, wohl beginnen könne, aber sehr früh gehemmt werde, auf Eier zu beziehen ist, welche mit voll- kommen oder unvollkommen luftdichten Ueberzügen versehen wa- ren. Indem Beaudrimont die eine Hälfte des Eies parallel der Längs- achse mit einem luftdichten Ueberzuge versah, fand er, dass die Eier abstanden, wenn die firnisirte Hälfte nach oben lag, dass aber die Entwickelung nicht dadurch gestört wird, wenn dieselbe wäh- rend der Bebrütung nach unten lag. Dareste *) wiederholte neuer- dings die von Beaudrimont und von Geoffroy d. A. vorgenommenen Versuche mit partiellen luftdichten Ueberzügen der Eischale, indem er dieselben so modificirte^ dass er das stumpfe oder spitze Eiende firnisirte. Das Firnisiren des spitzen Eiendes schien in der ersten Zeit bisweilen ein Abstehen der Eier zur Folge zu haben. Später- hin schadete es nicht. Wenn aber das stumpfe, mit dem Luftraum versehene Eiende von Anfang an, oder in den ersten Tagen der Bebrütung firnisirt wurde, so stand eine gewisse Zahl von Eiern ab, andere aber entwickelten sich normal, nur dass die Allanto'is sich statt an das stumpfe Ende an eine andere nicht firnisirte Stelle der Schale anlegte. D. meint, dass dieser abnorme Ansatz der Allantois zu Missbildungen Veranlassung geben könnte. In einem solchen Falle fehlten die Zehen des linken Fusses ganz, während der rechte normal gebildet war. In einem andern Falle wurde eine beträchtliche Verkrümmung des Oberkiefers gefunden, während der Unterkiefer normal gebildet war. Es ist aber der ur- sächliche Zusammenhang dieser Deformitäten mit der abnormen Lage der Allantois nicht nachgewiesen, und überhaupt scheint der Einfluss der luftdichten Ueberzuge auf die Entstehung von Miss- bildungen, den bisher vorliegenden Untersuchungen zufolge, wenig- stens sehr problematisch zu sein. — Wenn das stumpfe Elende am fünften Tage der Bebrütung firnisirt wurde, also zur Zeit, da die Allantois sich bereits an den Luftraum angelegt hatte (?), so starb *) Comptes renalis 18') 5 pag. 9G3 bis 9G6 und Gazette meclicale 1850. 9. 2 * 20 der Embryo immer ab. Späterhin^ vom achten bis zum zwölften TagC; war das Firnisiren des stumpfen Eiendes wiederum unschäd- lich ^ was D. daraus erklärt, dass sich die Allantoi's alsdann über einen grösseren Theil der Eischale ausgebreitet hat. Herr Dr. Poselger in Berlin hat, zufolge mündlicher Mitthei- lung, verschiedene Versuche über das Conserviren der Eier für die Bebrütung angestellt. Nach ihm vertragen die Eier selten mehr als 3 Wochen aufbewahrt zu werden, wenn die Bebrütung Erfolg haben soll. In solchen älteren Eiern beginnt die Entwickelung wohl bisweilen, wird aber oft nicht beendigt, indem die Embryonen nur etwa 14 Tage alt werden. Einige Hühnchen kamen freilich aus solchen älteren Eiern hervor; dieselben schienen ihm aber schwäch- licher zu sein, als aus frischen Eiern. In Eiern, welche über 4 Wo- chen alt waren; entwickelten sich die Hühnchen im Ei nie weiter als etwa bis zum vierzehnten Tage; in keinem Falle kamen sie zum Auskriechen. Die Eier verlieren hierbei immer mehr an Ge- wicht, und wenn Dieses einen gewissen Grad erreicht hat, ist die Ent- wickelung in den letzten Stadien unmöglich geworden. Bei seinen Versuchen, die Eier durch luftdichte Ueberzüge für eine längere Zeitdauer zu beschützen, wurde von den firnissartigen Ueberzügen von vorn herein abgesehen, weil anzunehmen war, dass dieselben dem Embryo durch Eindringen schädlicher Stoffe in das Innere des Eies gefährlich werden könnten. Staniolüberzüge wurden ver- sucht aber verworfen, weil Eier, die mit solchen versehen waren, fast ebenso stark an Gewicht verloren, wie nicht überzogene Eier. Leimüberzüge verhinderten die Verdunstung gar nicht. Ein Ueber- zug zuerst von Leim und dann von CoUodium verhinderte die Ver- dunstung zwar etwas besser, aber doch nicht vollständig, und ver- längerte nicht die Dauer der Bebrütungsfähigkeit. Wachsüberzüge, durch schnelles Eintauchen der Eier in geschmolzenes Wachs, des- sen Temperatur nur wenig über dem Schmelzpunkte lag, verhin- derten die Verdunstung am besten, so dass die Eier noch nach mehr als 3 Wochen in Wasser zu Boden sanken, aber zur Ent- wickelung kamen so überzogene Eier niemals. *) *) Merkwürdig ist eine Beobachtung, die Herr Dr. Poselger hierbei machte, dass sich nämlich ro^^olmässig im Innern so conservirter Eier Pilze in gros- 21 Die Versuche Geoffroys, durch mechanische Verletzungen der Embryonen Missbildungen hervorzubringen, scheinen in seinen Ver- suchen, so viel ich habe finden können, ein negatives Resultat ge- habt zu haben. Dieselben sind von Valentin wiederholt worden, und er berichtet über dieselben in seinem Repertorium Bd. II. pag. 168 und 169, bei Gelegenheit eines Referats über Barkows Monstra aniraalium duplicia. Es heisst hier: „Ich feilte bei meinen „Versuchen die Eier, nachdem sie 24 bis 28 Stunden in der Brüt- „maschine gelegen hatten, an, und deckte sie so, dass die Keimhaut „an der circulären Oeffnung frei zu Tage kam. Der mehr oder „minder entwickelte Embryo zeigte, soweit sich auf diesem Wege „beobachten Hess, keine Abnormität. Ich brachte das Ei nun un- „ter verschiedene krankhafte Verhältnisse, dadurch, dass ich viel „Eiweiss durch die Oeffnung herausliess, das Ei in passende senk- „rechte oder schiefe Stellungen versetzte, Fäden in der Nähe der „Keimhaut durch die Eischale hindurchzog u. dergl. Es erfolgten, „neben unglücklichen Zerstörungen des Ganzen, bisweilen monströse „Embryonen, von denen sich einige in dem Breslauer Museum be- „finden. Hierdurch zeigte es sich unmittelbar, so weit es bei Ver- „suchen der Art angeht, wie der normale Keim in ein Monstrum „übergehen kann, ein Resultat, das auch Geoffroy St. Hilaire der „Vater vor mir schon ,erhalten hatte. „Für die willkülirliche Erzeugung der Doppelmoustra habe „ich leider bis jetzt nur eine Erfahrung, die mir natürlicherweise „noch lange nicht genügt. Ich hatte einen zweitägigen Embryo „in seiner hintern Körperhälfte der Länge nach gespalten und fand „nach 5 Tagen Duplicität des Beckens und der hintern Extremitä- „ten, doch waren die doppelten Theile in der Entwickelung weiter „zurück als die einfachen. Wie sehr die genirte Lage eine Neigung „zur Trennung hervorrufe, habe ich diesen Sommer wiederum gesehen. „Ich fand bei senkrechter Lage des Eies den mit seinen 3 Hirnblasen „noch versehenen Embryo an seinem Kopfe durch eine Längsfurche „so gespalten, dass fast bis zur Basis die rechte und linke Hälfte „von einander isolirt waren. Diese Missbddung scheint durch un- ser Menge entwickelten, ol)\volil immer ganz frisuhc Eier ftii' diese Versnchp benutzt wurden. 22 5jmlttelbare mechanische Einwirkung- auf die Keimblase hervorgeru- ^fen zu sein." Die Verhandlungen der Naturforscherversammlung zu Breslau, wo Valentin diese Versuche, Barkows Angabe im obengenannten Werke Bd. 2 pag. 190 zufolge, mitgetheilt hat, sind mir leider nicht zugänglich; ich weiss daher nicht, wie weit diese Versuche aus- gedehnt wurden. Den Gedanken, dass eine mechanische Theilung der Keimanlage zu Doppelmissbildungen führen könne, etwa wie bei Trembleys Versuchen mit Polypen, scheint V. aber noch bei einer neueren Mittheilung über die Entwickelungsgeschichte der Doppelmissbildungen in Vierordf s Archiv 1851 festgehalten zu ha- ben, indem er em besonderes Gewicht auf den Umstand legte, dass die künstlich befruchteten Fischeier, aus welchen sich seine Doppel- embryonen entwickelten, 7 Stunden lang in einem Gefässe mit we- nig Wasser getragen wurden. Einer brieflichen Mittheilung des Herrn Professor Claudius in Marburg zufolge, hat Leuckart den letztgenannten Versuch Valentins wiederholt. „Wenn man ein Ei aus den ersten Tagen öffnet, die Keimscheibe spaltet oder durch- sticht oder sonst laedirt, dann ein Stück Eischale darüber bindet und es wieder in die Maschine legt, so kann es sich fortentwickeln, nach L's. Beobachtungen bis 6 Tage nachher. Die getrennten Theile verwachsen nicht, zeigen überhaupt keinen Heilungsprocess, son- dern die Schnittstellen bleiben in statu quo.'' Hiernach wird also Valentins vielbesprochener Fall auch wohl keine Doppelmissbildung, sondern eine Theilung oder Trennung in zwei Hälften dargeboten haben. Ueber das Vorkommen von Missbildungen in Vogeleiern be- richtet ferner v. Baer in einem Anhange zu seiner Abhandlung über doppelleibige Missgeburten (Mem. de Facad. imp. de St. Peters- bourg 1845. VI. Serie Sc. nat. T. IV). Er giebt hier an, dass es einst seine Absicht gewesen sei, über alle Regelwidrigkeiten, die er an den Eiern und den Embryonen von Vögeln beobachtet habe, in einer grössern Abhandlung zu berichten, dass er aber diese Ab- sicht (wie ehedem Geoffroy Vater u. Sohn) längst aufgegeben habe. Am häufigsten sah er unvollkommene Entwickelungcn des Hirns, mit oder ohne Mangel der Schädcldccke, und Unvollkommenheiten 23 der Schnabelbildung. Nicht selten kommt es nach ihm vor, dass das Hirn, zu einer Zeit, wo die Vierhügel über das Vorderhirn über- wiegen sollten, aus kleinen, gleich grossen, hintereinander liegenden prallen Bläschen besteht. Es ist dann auch der werdende Schädel viel weniger gekrümmt, als er es um diese Zeit sein sollte, und das Herz ist mehr schlauchförmig, indem das Ende, in welches das Blut hineintritt, dem Ende, aus welchem es heraustritt, viel weniger genähert ist, als normal. Baer schloss hieraus, dass die regelrechte Bildung des Herzens und des Kopfes der regelrechten Krümmung des Kopfes als gemeinsamer Bedingung folgen, und da ihm diese Hemmung in der Kopfbildung viel häufiger zwischen dem dritten und fünften Tage der Bebrütung vorkam, als eine un- vollständige Kopfbildung bei ausgebildeten Hühnchen, so schloss er ferner, dass die so verbildeten Embryonen sehr frühzeitig absterben. Die auffallendste Missbildung, die ihm vorkam, war ein ziemlich festes, braunröthliches, bohnenförmiges Klümpchen, das nicht die min- deste Aehnlichkeit mit der äusseren Gestalt eines Hühnchens oder eines W^irbelthiers überhaupt darbot. Dasselbe war von einer etwas abstehenden Hülle umgeben und stand mit einem ungewöhnlichen, wie es schien, noch lebenskräftigen Gefässnetze der Keimhaut in Verbindung. Dies Gefässnetz bedeckte den ganzen Gefässhof mit Maschen, die in der Mitte zwar viel grösser waren, sich aber nicht in lange Stämmchen sammelten, sondern fast unmittelbar mit dem bohnenförmigen Klumpen verbunden waren. Diese Masse hielt V. Baer für eine nach dem Absterben des übrigen Körpers eines Embryo noch fortwuchernde Leber. Er wurde hierzu nicht nur durch die Farbe der Masse veranlasst, sondern vorzüglich durch die Beobachtung, dass bei Embryonen, welche in schlecht regulir- ten Brütmaschinen abstarben, der vegetative Abschnitt des Leibes sehr oft noch sein Leben fortzusetzen scheint, während der ani- malische Abschnitt schon völlig abgestorben ist und sich dann vom vegetativen mehr als gewöhnlich scheidet. In der äusseren abste- henden Hülle, deren oben Erwähnung geschah, glaubte v. B., frei- lich undeuthch, die Spuren einer in der Entwickelung gehemmten Wirbelsäule, also die animale Schicht des Embryo selbst zu erken- nen — und nicht etwa ein Amnion. (In der Abbildung erkennt 24 man jedoch Nichts, das an eine Wirbelsäule erinnert). Im fort- vegetirenden Körper liessen sich freilich keine Lebergänge wahr- nehmen, was aber bei der Suppression des Darmes sehr natürlich erschien. Diese Vermiithung, dass hier eine, aus einer degenerirten und über die Dauer des allgemeinen Lebens hinaus fortwuchernden Leber hervorgegangene Molen -Bildung vorliege, wollte v. Baer je- doch nur als Frage für künftig vorkommende Fälle hinstellen. Erdl hatte daher Unrecht, als er in seinem Werke: Die Ent- wickelung des Menschen und des Hühnchens im Ei L Bd. pag. 40 aussprach, dass eigentliche Missbildungen in den gewöhn- lichen Eiern der Vögel nicht vorkämen. Er giebt indess zu, dass abnorme Embryonen in bebrüteten Hühnereiern oft genug vorkom- men, ja hält es für unmöglich, in jedem einzelnen Falle zu ent- scheiden, ob ein Embryo ganz normal oder ein wenig abnorm ist. Aber, ohne zu verkennen, dass dies unter Umständen seine Schwie- rigkeit hat, insofern Abnormitäten in der zeitlichen Aufeinander- folge der Entwickelungsvorgänge so häufig sind, dass in einzelnen Fällen die Aufstellung der Norm zweifelhaft erscheinen kann, so glaube ich doch behaupten zu dürfen, dass die Feststellung der Grenze zwischen abnormen Embryonen und wirklichen Missbildungen noch viel schwieriger festzustellen ist. Erdl hat z. B. auf Taf. Vni. Fig. 4 einen Embryo abgebildet, der sich nicht nur durch seine im Verhältniss zur Entwickelungszeit abnorme Kleinheit, sondern auch durch eine eigenthümliche, blasenartige Bildung in der Herz- gegend auszeichnet, die freilich ohne Weiteres als Amnionbildung bezeichnet wird, als solche aber jedenfalls sehr abnorm sein würde, und wohl als Missbildung bezeichnet zu werden verdient. Auf die Grössenverhältnisse der Embryonen scheint Erdl überhaupt sehr we- nig Werth für die Beurtheilung ihrer normalen oder abnormen Be- schaffenheit zu legen, wie er denn auch die Stundenangabe der Bebrütung für vollkommen werthlos erklärt. Obgleich jedoch die Ungleichheit der Entwicklung bei gleicher Dauer der Bebrütungs- zeit wohl Allen aufgefallen ist, welche viele Brütversuche angestellt haben, und obgleich auch die Grösse normaler Embryonen, bei gleich- weit vorgeschrittener Entwickelung etwas variiren kann, so halten fticli doch diese Ungleichheiten innerhalb gewisser, nicht sehr weiter 25 Grenzen. Wenn diese überschritten werden^ so wird man, einmal mit den Missbildungen der Embryonen auf den früheren Entwicke- lungsstufen vertraut geworden, wohl immer, neben der zu geringen Grösse und dem Zurückgebliebensein der Entwicklung im Ganzen, auch Ungleichmässigkeiten der Entwickelung der einzelnen Theile und wahre Missbildungen finden, es sei denn, dass der Embryo plötzlich abgestorben ist, und neben einem sich fortentwickelnden Embryo eines andern Eies in der Brütmaschine liegen geblieben ist. Ich glaube, dass die zu geringe Rücksichtnahme Erdl's auf diese Verhältnisse daran Schuld ist, dass sich in seinem Werke auch mehrere als normal abgebildete Embryonen aus frühen Stadien befinden, die ich, meinen Erfahrungen zufolge, als beginnende Miss- bildungen betrachten muss, namentlich Taf. IV. Fig. 8, Taf. V. Fig. 5 und Taf. VI. Fig. 4 und 7. Das häufige Vorkommen von wirklichen Missbildungen in be- brüteten Vogeleiern ist übrigens auch andern aufmerksamen Beob- achtern nicht entgangen. So haben mir Reichert und Remak münd- lich gesagt, dass sie sehr oft Missbildungen, namentlich sogenannte Hemmungsbildungen, bei ihren so zahlreichen Brütversuchen gefun- den hätten; sie haben denselben jedoch keine weitere Aufmerksam- keit geschenkt, weil sie bei ihren Beobachtungen andere Fragen verfolgten. Indem ich nun zur Darlegung meiner eigenen Untersuchungen und Beobachtungen übergehe, dürfte es angemessen sein, zunächst den Gedankengang anzugeben, der mich anregte, die Entstehung der Monstrositäten in den Vogeleiern in einer mehr eingehenden Weise zu verfolgen, als es bisher geschehen war, nachdem ich die meinen Vorgängern entgangene Beobachtung gemacht hatte, dass die abgestandenen und faulen Eier in der Regel Missbildungen ent- lialten. Es schien mir vor allen Dingen bei einer experimentellen Unter- suchung über die Entstehung der Missbildungen nothwendig zu sein, die allerersten Stufen derselben zu Gesicht zu bekommen, weil späterhin der Ausgangspunkt und der ursächliche Zusammenhang der Bildungsfehler durch die Fortschritte der Entwickelung immer undeutlicher wird, und endlich gar nicht, oder nur sehr undeutlich 26 erkannt werden kann. Ein bereits gebildeter Theil wird vielleicht auch während des embryonalen Lebens durch locale Krankheits- processe verändert oder zerstört werden können, ebensowohl, wie bei einem vollständig entwickelten Individuum, diese Zerstörung wird aber wahrscheinlich um so weniger vollständig sein, je wei- ter die Entwicklung des Organs bei der Erkrankung bereits vor- geschritten war. Noch mehr stand aber zu erwarten, dass locale Krankheitsprocesse, welche gleichsam an der Matrix eines in der Bildung begriffenen Organs auftreten, viel umfassendere Verän- derungen setzen werden, indem alsdann die Entwickelung, welche statt finden sollte, ganz verhindert werden, oder indem ein in der Bildung begriffenes Organ in seiner Entwickelung gehemmt oder ganz zerstört werden könnte. Je früher ein localer Erkrankungs- process die Embryonalanlage trifft, desto intensiver und extensiver werden demnach wahrscheinlich, unter sonst gleichen Umständen, die Missbildungen sein, welche dadurch veranlasst werden könnten. Je bedeutender und je ausgedehnter aber die Missbildungen ge- worden sind, desto mehr würden sie dann in der Regel auch das Fortbestehen der Existenz bedrohen. Daher erschien es mir wahr- scheinlich, dass gerade die bedeutendsten Missbildungen, welche in den frühesten Entwickelungsperioden entstanden, in der Regel schon im Ei in ziemlich früher Zeit absterben und niemals zum Auskrie- chen kommen würden, während die verhältnissmässig geringfügigen Missbildungen das normale Ende der Entwickelung erreichen und ihre Hüllen lebendig verlassen könnten. Dies schien im Allgemei- nen, sowohl von den Embryonen der Vögel, als von denen der Säugethiere, gelten zu müssen. Für die Vögel kommen offenbar aber noch andere Umstände hinzu, durch welche die während des embryonalen Lebens entstandenen Missbildungen in viel höherem Grade unmittelbar lebensgefährlich werden müssen, als beim Säuge- thiere. Während nämlich der Embryo des Säugethiers sich bei seiner Geburt ganz passiv verhält, muss der junge Vogel selbst die harte Eischale durchbrechen, und er kann nur durch künstliche Oeffnung des Eies zum Vorschein kommen, wenn ihm hierzu die Fähigkeit abgeht. Auch während des embryonalen Lebens scheint überdies der Embryo eines Säugethiers viel günstiger gestellt zu 27 sein, als ein Vogelembryo im Ei. Durch den Aufenthalt im Innern der Mutter ist dem Säugethierembryo nämlich die Temperatur der Mutter gesichert, während selbst bei der sorgfältigsten Bebrütung des Vogeleies durch den Vogel Schwankungen der äusseren Tem- peratur unvermeidlich sind. Dazu kommt noch hinzu, dass der Säugethierembryo seine NahrungsstofFe aus dem mütterlichen Blute endosmotisch aufnehmen, während der Vogelembryo seine Nahrung aus dem wahrscheinlich doch mehr difFerenten Dotter und Eiweiss beziehen und assimiliren muss. Zur Aufnahme der Nahrung dient dem Säugethier fast während des ganzen embryonalen Lebens die Placenta, welche gleichzeitig die Respiration vermittelt, dem Vogel- embryo scheinen aber die Gefässe des Bluthofs auf dem Dotter bis zur vollendeten Entwickelung zur Nahrungsaufnahme zu dienen, während die Allantois, die ja der Placenta des Säugethiers ent- spricht, wesentlich nur die Respiration zu vermitteln scheint. In die- ser Beziehung ist also der Apparat für die Stoffaufnahme des Vogel- embryo im Ei complicirter als beim Säugethierembryo, und locale Erkrankungen der auf dem gelben Dotter ausgebrüteten periphe- rischen Keimscheibe, besonders der Gefässe, könnten daher bei der pathologischen Entwickelung der Vögel eine grössere Rolle spielen, als die Erkrankungen der Nabelblase und ihrer Gefässe bei den Säugethieren. Die, Produkte der regressiven Metamorphose, sowie etwanige abnorme, dem Embryo schädliche oder auf den Dotter zersetzend einwirkende Nebenprodukte müssen endlich, mit Aus- nahme der Gase, welche durch die Schale entweichen können, im Vogelei bleiben, während sie vom Säugethierembryo durch Ver- mittelung des mütterlichen Organismus entfernt werden können. Bei Erwägung aller dieser Umstände erscheint es a priori wahr- scheinlich, dass embryonale Erkrankungen und Ernährungsstörun- gen, und infolge derselben Missbildungen der Embryonen, in den Vogeleiern noch häufiger vorkommen werden, als bei Säugethieren. Zugleich aber ist es, bei Berücksichtigung obiger Umstände, sehr leicht erklärlich, dass einfache Missbildungen der Vögel in den Sammlungen bisher viel seltener sind als einfache Missbildungen der Säugethicre. Bei der Darlegung meiner eigenen Beobachtungen und Unter- 28 suchungen werde ich nun im ersten Kapitel meine Erfahrungen über die Entstehung der Missbildungen durch Störung der Ent- wickelung in Vogeleiern mittheilen. Zur Erleichterung der Ueber- sicht habe ich dies Kapitel in 3 Unterabtheilungen eingetheilt, deren erste die pathologische Entwickelung der Keimscheibe, deren zweite die Missbildungen des Amnion, der Nabelbildung und der Allan- tois und deren dritte die Missbildungen der Embryonen selbst um- fasst, die ich durch Störung der Entwickelung entstehen sah. Im zweiten Kapitel werde ich einen vergleichenden Ueberblick der einzelnen Formen der durch Störung der Entwickelung entstandenen Missbildungen der Vögel und der einfachen Missbildungen der Säuge- thiere und des Menschen mit Kücksicht auf ihre Entstehung zu lie- fern versuchen und im dritten Kapitel sollen endlich die Ursachen der durch Störung der Entwickelung entstandenen Missbildungen abgehandelt werden. Diejenigen Missbildungen aber, welche eine ursprünglich feh- lerhafte Eibildung voraussetzen, namentlich die wahren Doppel- missbildungen, werden im zweiten Hauptabschnitte zur Sprache kommen. Erstes Kapitel. Untersuchungen und Beobachtungen über die Entstehung der Missbildungen durch Störung der Entwickelung in Vogeleiern. I. Die pathologische Entwickelung der Keimscheibe. Da die Keimscheibe schon früher vorhanden ist, als der Em- bryo, und noch lange nach der Entstehung desselben eine grössere Ausdehnung hat, als der junge Vogel selbst, so lag die Aufforderung vor, der pathologischen Entwickelung der Keimscheibe eine vor- zügliche Aufmerksamkeit zuzuwenden. Diese Aufforderung erschien um so dringender, als diejenigen Embryonen, deren respective Keim- scheiben bezüglich ihrer; Grösse und Struktur wesentlich verändert waren, auch selbst fast immer bedeutende Abnormitäten darboten. Dies deutete nämlich darauf hin, dass primäre krankhafte Verän- derungen der Keimscheibe bedeutende Missbildungen des Embryo, wahrscheinlich in sehr frühen Entwickelungsperioden veranlassen können. In vielen andern Fällen fand sich in bebrüteten Vogeleiern eine pathologisch gebildete Keimscheibe, ohne dass es mir möglich war irgend eine Spur von einem Embryo aufzufinden. Wir wollen diese letztgenannten Fälle zuerst durchgehen und danach diejenigen Missbildungen der Keimscheibe besprechen, welche bei gleichzeitiger Gegenwart des betreffenden Embryo zur Beobachtung kommen. A. Die Missbildungen der Keimscheibe bei fehlendem Embryo und die Entstehung derselben. Ich habe bisher 4 bestimmt unterschiedene hierher gehörige Formen beobachtet, die ich hier einzeln besprechen werde: 30 1. Sehr häufig fand ich in abgestandenen Eiern eine Bildung^ die auf Taf. I. Fig. 1 dargestellt ist, und die man abortive Dop- pelschildbildung nennen könnte, um sie mit Rücksicht auf ihre Form zu bezeichnen. Bei derselben findet man im Centrum der mehr oder weniger über den Dotter verbreiteten, weisslichen Keim- scheibe eine scharf umgrenzte klare Stelle. Löst man diesen cen- tralen Theil der Keimscheibe durch Scheerenschnitte, die in passen- der Entfernung von der klaren Stelle, unter Wasser, um sie herum geführt werden, ab, so sieht man, dass in der Mitte nur eine durch- sichtige, dünne Membran vorhanden ist, die sich bei näherer Un- tersuchung als die Dotterhaut zu erkennen giebt. Kehrt man die Scheibe um, so bemerkt man am Rande des hellen runden Krei- ses einen etwa Vi Mm. dicken, opaken, gekräuselten Wulst sich er- heben, der dadurch entsteht, dass eine über einen grösseren Theil des Dotters verbreitete, unter der Dotterhaut befindliche, ziemlich dicke und opake Membran an diesem Rande mit der Dotterhaut selbst verklebt ist, während sie im hellen Kreise fehlt. Diese Ver- klebung hat im ganzen Umfange der durchsichtigen Scheibe eine Breite von meist 1 bis 4 Mm. Ueber diese Grenze hinaus ist die dicke, opake Membran von der Dotterhaut getrennt, so dass die ausgeschnittene Scheibe, wie in der Figur, einen Doppelschild dar- stellt. Den Kräuselungen des Randes entsprechen Falten, die, an der unteren Seite der opaken Membran sichtbar, sich gegen die Peripherie hin mehr und mehr verlieren. Bemerkenswerth ist noch, dass ich diese Art von Doppelschild, dessen Blätter sich an der verwachsenen Stelle nicht ohne vollständige Zerreissung von ein- ander trennen lassen, niemals neben der Bildung rothen Bluts ge- sehen habe. Dahingegen habe ich in vielen Fällen, wo ein kleiner, bereits rothes Blut führender Bluthof gebildet, und wo auch ein abnormer Embryo vorhanden war, die Dotterhaut mit der Ober- fläche des Bluthofs so verklebt gefunden, dass beide nur durch star- kes Zerren, jedoch meist ohne eigentliche Zerreissung von einander getrennt werden konnten, und in diesen Fällen behielt dann die abgerissene Dotterhaut bisweilen in der Mitte eine klare, runde Stelle, welche derjenigen der in Rede stehenden Bildung völlig ent- sprach, während der Umfang da, wo die Verklebung mit dem Blut- 31 hofe statt gefnnden hatte, verdickt und opak war. Dies war auch der Fall mit der Dotterliaut des auf Taf. III. Fig. 5 und 6 dar- gestellten EmbryO; der noch kein rothes Blut führte. Schon hier- aus würde man schliessen können, dass jene dicke, opake Mem- bran nichts Anderes ist, als die peripherische Keimscheibe, welche, bevor es zur rothen Blutbildung gekommen ist, abnormer Weise in der Gegend, wo sich sonst der Bluthof bildet, mit der Dotter- haut so fest verklebt, dass eine Trennung ohne Zerreissung nicht möglich ist. Späterhin, nach Bildung rothen Bluts im Bluthofe, würde dann eine solche abnorme Verbindung zwischen dem Bluthofe und der Dotterhaut ebenfalls möglich sein, sie würde dann aber nicht eine so feste Consistenz erlangen und man würde, wenigstens in der Regel, den Embryo zugleich vorfinden. Hiernach würde bei der in Rede stehenden Bildung der Embryo nebst dem hellen Kreise, der ihn normaler Weise zunächst uragiebt, fehlen, da er ja in je- ner hellen Scheibe unseres Doppelschildes hätte liegen müssen, während dieselbe doch, wie bereits erwähnt, nur aus der Dotter- haut besteht. Die naheliegende Vermuthung, es könnte der Em- bryo nach der abnormen Verbindung des inneren Randes der pe- ripherischen Keimscheibe mit der Dotterhaut, bevor es zur Bildung rothen Blutes gekommen ist, mit seiner zarten nächsten Umgebung aus der Keimscheibe. herausgefallen, und zu Grunde gegangen sein, kann ich thatsächlich begründen. Ich fand nämlich in 3 Fällen, gerade unter der Mitte des beschriebenen durchsichtigen Theiles der Scheibe, auf dem durch eine klare Flüssigkeit vom Doppelschilde getrennten, sogenannten weissen Dotter^ unverkennbare Reste und Spuren von Embryonen aus den frühesten Stadien. Auf Taf. I. Fig. 2 und 3 sind solche Embryonalreste abgebildet, ersterer bei 28facher, letzterer bei öfacher Vergrösserung. Bei dieser patholo- gischen Bildung verdient übrigens noch ein Umstand bemerkt zu werden. Die Ausbreitung der Keimscheibe über den Dotter ist nämlich verschieden, bisweilen aber viel weiter, als sie es normaler Weise selbst um die Zeit ist, da sich der Bluthof mit rothem Blute füllt. Hieraus folgt, dass die peripherische Keimscheibe unter Um- ständen ihr Flächenwachsthum noch eine Zeitlang fortsetzen kann, wenn der Embryo zu Grunde gegangen ist, oder wenn die rothe 32 Blutbildung in dem durch die Adhäsion mit der Dotterhaut ver- kümmerten Gefässhofe verhindert ist. Diese^ wie sonst^ aus Zellen zusammengesetzte peripherische Keimscheibe endigt mit einem ziem- lich scharf markirten Rande und ist schon dadurch zu erkennen, dass der Theil des gelben Dotters, der von dieser Membran be- deckt ist, eine mehr weissgelbliche Färbung zeigt, als der nur von der Dotterhaut bedeckte Theil desselben. Während dieselbe in einigen Fällen nur etwa Y^ Zoll im Durchmesser mass, war sie in anderen Fällen über den grössten Theil des Dotters ausgebreitet. 2. Noch öfter, als die so eben beschriebene Bildung, habe ich ohne Spur eines Embryo in bebrüteten Eiern unter der Dotter- haut eine Keimscheibe von verschiedener, meist ziemlich beträcht- licher Ausdehnung gefunden, welche in der Mitte Stellen zeigte, wo sie rothes Blut enthielt, und wo in der Regel Löcher wahrge- nommen wurden, zwischen denen die Substanz der Membran opaker und dicker war, als weiter gegen die Peripherie hin. Ich möchte diese Form die abortive Bluthofbildung nennen. Auf Taf. I. Fig. 4, 5 und 6 sind die centralen Stellen solcher in dieser Art pathologisch veränderter Keimscheiben dargestellt. Die Menge des rothen Blutes ist meist gering, und die Vertheilung desselben ist auf einen verhältnissmässig kleinen, kaum 10 Mm. im Durchmesser hal- tenden Theil der opaken, fast immer von Löchern durchbohrten centralen Partie der Keimscheibe begränzt. In der überwiegenden Zahl der Fälle fehlte eine Andeutung des Sinus terminalis, und wenn die Anordnung des rothen Bluts den Ort anzeigte, wo er vor- handen sein sollte, so war seine Anlage doch meist schwach und unvollständig, etwa wie am Rande der Fig. 5 auf Taf. I. Die An- ordnung des rothen Blutes ist überhaupt durchaus unregelmässig; bisweilen sind es nur Punkte und Blutflecke auf, oder wohl rich- tiger in den Balken, welche die Löcher umgeben; häufig sieht man aber auch an einzelnen Stellen verhältnissmässig grosse, mit rothem Blute gefüllte Stellen, deren Form öfter eine, vielleicht jedoch nur zufällige Aehnlichkeit mit dem Herzen in frühen Entwickelungs- perioden darbietet; bisweilen sind es gefässartige Strichelchen, welche meist von den kleinen Blutansamralungen ausgehen. Ein- mal hatte endlich die Blutansammlung eine Form und Anordnung, 33 welche mit dem Mediillarrolir eine gewiss nur ganz zufällige Aelin- lichkeit hatte (Taf. I. Fig. 6), und welche, wie wir später sehen wer- den^ wahrscheinlich eine Andeutung des Sinus terminalis vorstellt. Die Löcher in der Keimscheibe fehlten bisweilen; sonst waren sie meist ganz unregelraässig vertheilt^ bald viele^ bald wenige; sie er- streckten sich aber^ wie gesagt, meist über einen grösseren Theil der KeimscheibC; als die Blutflecke, ohne sich jedoch weit von der ' Mitte zu entfernen. Viele dieser Löcher waren ganz klein, andere verhältnissraässig sehr gross; in einigen Fällen umgaben sie das Centrum in ziemlich gleichmässiger Anordnung; bisweilen waren sie zu einem mit zackigen und buchtigen Rändern versehenen Halb- kreise confluirt. Diese Löcher gingen durch die ganze Dicke der Keimscheibe hindurch, so dass die gelbe Dottermasse durch sie hin- durch direkt mit der Dotterhaut in Berührung kommen konnte. Die Substanz der Keimscheibe war um die Löcher herum verdickt, was sich besonders bei durchfallendem Lichte erkennen Hess. Ueber- diess war die Mitte der Keirascheibe oft vollständig von Höfen um- geben, welche bei durchfallendem Lichte theils hell, theils dunkel erschienen. Diese Höfe oder Zonen lagen mehr peripherisch als die Blutflecke und als die Löcher der Keimhaut. Mit Ausnahme jener Blutansammlungen, welche bisweilen eine entfernte und ohne Zweifel ganz zufällige- Aehnlichkeit mit den Hohlräumen des Em- bryo hatten, war in den entschieden hieher gehörigen Fällen von einem Embryo meist gar keine Spur zu entdecken, und ebenso we- nig war jener helle Kreis vorhanden, der normaler Weise vom Bluthofe begränzt, den Embryo sonst zunächst umgiebt; so z. B. in Fig. 5. der Taf. L In einigen Fällen fand sich jedoch im Cen- trum eine ganz unregelmässige Massenanhäufung, welche möglicher- weise den Rest des Embryonalkörpers vorstellen könnte, wie auf Taf. I. Fig. 4, wo dieselbe jedoch etwas zu dunkel gehalten ist. Sehr oft war die Keimscheibe an der durchlöcherten und rothes Blut führenden Stelle mit der Dotterhaut verklebt, bisweilen auch durch die Dotterhaut hindurch mit der Schalenhaut. Bei dieser ab- normen Bildung ist nicht wie bei der vorhergehenden anzunehmen, dass der Embryo einfach aus der Keimscheibe herausgefallen und in Berührung mit dem gelben Dotter zu Grunde gegangen ist. Hier- Panum, Untcrsiiclningen. 3 34 gegen spricht das Fehlen des normal vorhandenen durchsichtigen Kreises, der vom Blnthofe begrenzt den Embryo zunächst uragiebt. Dass der centrale^ gewöhnlich durchlöcherte, mehr undurchsichtige und rothes Blut enthaltende Theil der Keimscheibe hauptsächlich die pathologisch entwickelte Anlage des Bluthofes repräsentirt, kann nicht bezweifelt werden^ obwohl demselben die normale scharfe und regelmässige Begrenzung ^ das regelmässige Gefässnetz mit seinen Maschen 7 und der innere Rand fehlt; der sonst den hellen Kreis um den Embryo herum begrenzt. Ebenso wenig kann man dar- über zweifelhaft sein, dass die vorliegenden Formen durch eine Störung der normalen Cellenbildungs- und Ernährungsvorgänge ge- setzt sind, und dass durch diese einerseits die verschiedenen Lagen oder Blätter der Keimscheibe mit einander verbunden, und anderer- seits bisweilen mit der Dotterhaut und Schalenhaut verklebt sind. Bei der amorphen Beschaffenheit der Dotterhaut muss man anneh- men, dass bei der Ernährungsstörung dieses Theils der Keimscheibe abnorme Produkte entstanden sind, welche entweder die Dotterhaut auflösen oder sie durchdringen, indem sie eine Verklebung mit der den Ernährungsgängen gegenüber jedenfalls ganz passiven Scha- lenhaut zustandebringen können. Dagegen konnte es fraglich er- scheinen, ob ursprünglich normale Gebilde so verändert wurden? und ob ein Embryo vorhanden war, als die rothe Blutbildung auf- trat? — Das Fehlen des hellen Kreises, der normaler Weise die Embryonalanlage von vorn herein umgiebt, und der sich mit der Entwickelung des Bluthofes immer mehr ausdehnt, weist darauf hin, dass vorhanden gewesene Bildungen zu Grunde gegangen sind; denn es ist doch wohl nicht denkbar, dass die wesentlichsten cen- tralen Gebilde von vorn herein ganz gefehlt haben sollten, wäh- rend die peripherische Anlage bis zur Entwickelung rothen Blutes gediehen wäre. Das ziemlich häufige Vorkommen einer stärkeren Massenanhäufung in der Gegend, wo der Embryo liegen sollte, wie z. B. auf Taf. I. Fig. 4, spricht ebenfalls für diese Annahme. Eine Andeutung über die Art und Weise, wie diese Bildung zustande- kommt, scheint aber der auf Taf. I. Fig. 7 abgebildete Fall zu ge- ben. Hier war ein Primitivstreifen mit der Primitivrinne bei 43- stündiger Bebrütungsdauer vorhanden; die der Anlage des Blut- 35 hofes entsprechende Umgebung enthielt keine Spur von rothem Blute, war aber sonst ganz in der so eben besprochenen Weise verändert, indem die Keimscheibe hier von vielen, ganz bis auf den gelben Dotter hindurchgehenden, grösseren und kleineren Löchern durchbohrt, und zwischen diesen Löchern verdickt war. Diese noch kein rothes Blut führende und pathologisch veränderte Anlage ei- nes Gefässhofes zeigte nun sowohl an ihrem äusseren als am inne- ren Rande noch andere Unregelmässigkeiten, welche obiger Auf- fassung entsprechen. Die Form des äusseren Randes erkennt man am besten an der auf Taf. IX. Fig. 8. gegebenen Abbildung des Eies, welches dies Gebilde enthielt. Man sieht hier nämlich auf dem zur rechten Hand liegenden Dotter eine zackige Figur von einem ovalen Kreise umgeben. Diese zackige Figur stellt die äus- sere Peripherie der Anlage des Bluthofes dar. Aber auch der in- nere Rand dieser Anlage ist, wie Taf. I. Fig. 7. zeigt, nicht wie unter normalen Verhältnissen scharf begränzt, sondern es finden sich auch in dem hellen Kreise, der den Embryo umgiebt, und am Embryo selbst, unregelmässige, bei durchfallendem Lichte weniger durchsichtige, kleine Massen, ganz derjenigen Substanz entsprechend, welche sich zwischen den Löchern findet, und meist in unmittel- barem Zusammenhange mit derselben. Hiernach würde man ver- muthen können, dass der Primitivstreifen allmählig von der Masse der pathologischen Anlage des Bluthofes überwuchert wird, dass er hierdurch zu Grunde geht, indem er in pathologisches Bluthofgewebe verwandelt wird, und dass sich dann vielleicht nachträglich rothes Blut in den zwischen den Löchern befindlichen Balken bildet. Man würde demnach also anzunehmen haben, dass die so eben besproche- nen Formen in den allerersten Entwickelungsperioden vorbereitet werden, und dass nicht etwa ein ursprünglich normal gebildeter Bluthof in dieser Weise pathologisch verändert worden ist, nach- dem derselbe schon rothes Blut enthielt, und nachdem die Ent- wickelung des Embryo weiter vorgeschritten war. Ich wage indess nicht diese Erklärung der Entwickelung der abortiven Bluthofbil- dung mit voller Bestimmtheit, als die einzig mögliche hinzustellen. Einen Einwurf, den man der entfernten Aehnlichkeit der Blut- ansammlungen mit der Höhle des Herzens, des Medullarrohrs u. s. w. 3 * 36 entnelimeii könnte, kann man freilich leicht beseitigen. Wenn man nämlich Fig. 6 der Taf. I. betrachtet, wo gerade diese Aehnllchkeit am allerauffallendsten war, so deutet schon der Umstand, dass jen- seit des unregehnässigen Halbkreises keine Blutspuren vorhanden waren, darauf hin, dass derselbe den Sinus terminalis, und nicht etwa die Höhle des Medullarrohrs vorstellt, mit welcher derselbe allerdings eine nicht geringe Aehnllchkeit hat. Dazu kommt noch, dass ein Embryo, der ein Medullarrohr von solcher Form und sol- chem Umfange hat, schon zu massenhaft ist, um ohne weitere Spu- ren, nur mit Hinterlassung der Hohlräume, zu verschwinden. Ueber- dies würden, unseren anderweitigen Erfahrungen zufolge, gerade die Hohlräume viel früher schwinden, als die solideren Organthelle; auch müsste die Bluthofbildung eines solchen Embryo bereits eine solche Entwickelung erlangt haben, dass sie wenigstens Spuren von Gefässen hinterlassen haben müsste. Etwas bedeutsamer erscheint ein anderer Einwurf, der später darzulegenden Beobachtungen ent- nommen werden könnte, denen zufolge eine narbenartige Contrac- tion des Bluthofes bei gewissen pathologischen Veränderungen des- selben vorzukommen scheint, wodurch der helle Saum, der seinen inneren Rand vom Embryo trennt, vermindert werden kann. Wenn nun eine solche Schrumpfung oder Contraction des inneren Randes des Bluthofes so weit ginge, dass der Embryo auf einen ganz klei- nen Raum beschränkt und schliesslich resorbirt würde, so könnte dadurch allerdings ein ähnliches Resultat Zustandekommen. Es ist aber, anderweitigen Beobachtungen zufolge, nicht wahrscheinlich, dass bereits gebildete Gefässe, Gefässnetze u. s. w. im Bluthofe und sämmtliche in der Entwickelung schon ziemlich weit vorgeschrit- tene Organe des Embryo so gänzlich zerstört werden könnten, wie es hier der Fall gewesen sein müsste. Es bleibt mir daher immer noch bei weitem am wahrscheinlichsten, dass Fig. 7 der Taf. I. die Entstehung der abortiven Bluthofbildung in der oben dargelegten Weise andeutet, indem die vom inneren Rande der Bluthofanlage detachirten Cellenmassen durch ihre Wucherung den Primitivstrei- fen zerstören, und indem sich dann nachträglich Blut in den zwi- schen den Löchern befindlichen Strängen und Balken entwickelt. 3. \n manchen Fällen fand ich ferner weder eine Spur vom 37 Embryo noch von jenem denselben umgebenden hellen Kreise^ noch von einem Bluthofe oder von rothem Blute, sondern nur eine aus mehreren Cellenlagen zusammengesetzte weissliche Haut, welche unterhalb der Dotterhaut lag uüd sich über einen grosseren oder kleineren Theil des gelben Dotters ausbreitete. Bald hatte dieselbe nur etwa 10 Mm. im Durchmesser^ bald erstreckte sie sich fast über % des gelben Dotters, ohne dass irgend ein anderes Resultat der Entwickelung sichtbar war. Solche Eier faulen, wenn sie län- gere Zeit der Brütwärme ausgesetzt sind, und unterscheiden sich schon hierdurch von den Eiern, in welchen gar keine Entwickelung statt fand; denn letztere sind, wenn sie nicht schon zu Anfang der Bebrütung alt waren, noch am Schlüsse der ^wöchentlichen Bebrü- tungszeit ganz frisch. Diese pathologische Bildung könnte man die einfache abortive Keimscheibenbildung nennen, und ihre Entstehung dürfte in ähnlicher Weise zu erklären sein, wie die der so eben besprochenen Bildung auf Taf. I. Fig. 7. 4. Bisweilen beobachtet man in Eiern mit doppeltem Dotter noch eine 4te Art des Aborts der Keimscheibe ohne Embryo, die man die halbmondförmige abortive Bluthofbildung nennen könnte. — Eine solche ist auf Taf. IX. Fig. 10 in einem 8 Tage lang bebrüteten Hühnerei mit doppeltem Dotter abgebildet. Es war nämlich der eine Dotter geplatzt, und es war auf demselben ein Bluthof sichtbar, dem eine scharfe Begränzung an der dem an- dern Dotter zugewendeten Seite fehlte. Ich muss ausdrücklich be- merken, dass ich mich überzeugt habe, dass der Dotter schon vor dem sehr vorsichtig unter Wasser ausgeführten OefFnen des Eies geplatzt war, und dass nicht etwa eine zufällige Beschädigung statt gefunden hatte. Auf Taf. I, Fig. 8 ist der durch Scheerenschnitte, welche um den Bluthof herum geführt wurden, abgelöste mittlere Theil der Keimscheibe dargestellt. Er hatte eine halbmondförmige Gestalt, die sich auch beim Liegen in Wasser und bei der Auf- bewahrung in Spiritus conservirte. Man erkennt den Sinus termi- nalis an der stärkeren Anhäufung rothen Blutes am äusseren Rande des Bluthofs. Am inneren Rande des Letzteren ist ein zarter, hel- ler, durchlöcherter und zerrissener Saum sichtbar, den man sogleich als die helle Zone erkennt, welche den Embryo normaler Weise 38 vom Innern Rande des Bluthofes trennt. Der Embryo selbst war durchaus nicht aufzufinden. — Ich war anfangs sehr geneigt in die- sem Falle anzunehmen, dass der Bluthof beim Platzen des Dotters zugleich mit der Dotterhaut zerrissen worden, und dass der Embryo in die gelbe Dottermasse hineingefallen und hier vielleicht aufgelöst worden wäre. Dem gemäss glaubte ich, dass die ursprüngliche Form des Bluthofes eine ganz andere, und dass der Durchmesser desselben vor dem Zerreissen viel kleiner gewesen wäre. Ein 2ter ganz analoger, auf Taf. IV. Fig. 5 abgebildeter, Fall berichtigte aber diese Auffassung. Er betraf ebenfalls ein Ei mit doppeltem Dotter, das 9 Tage lang bebrütet war, und dessen einer Dotter einen schö- nen, der Entwickelungsstufe entsprechenden Embryo trug, während auf dem anderen, übrigens unversehrten Dotter ein grosser halbmond- förmiger Bluthof sichtbar war, dessen längster Durchmesser 32 Mm. betrug. Das rothe Blut war fast nur an der Peripherie, in einem 2 — 3 Mm. breiten Saume angesammelt; der innerhalb dieses Krei- ses befindliche Theil zeigte nur ganz schwache rothe Flecke. Das Mikroskop Hess auch an dem fast ganz farblosen Theile der aus- geschnittenen Scheibe ein Gefässnetz erkennen. Vom Embryo war keine Spur zu sehen. Zunächst zeigt dieser Fall, dass die halb- mondförmige Gestalt die wahre ist, und dass sie auch im ersteren Falle nicht etwa durch Platzen des Dotters entstand. Die Erklä- rung dieser Form findet man aber leicht, wenn man anderweitige Resultate der Bebrütung von Eiern mit doppeltem Dotter berück- sichtigt. Ich habe nämlich gefunden, dass der Bluthof sich in die- sen Eiern niemals auf die Fläche ausdehnt, mit der die beiden Dot- ter einander berühren, sondern dass er hier immer mit einer der Grenze der Berührungsfläche entsprechenden Linie endigt, auch dann, wenn der Embryo derselben ganz nahe liegt, und wenn die Entwickelung so weit fortgeschritten ist, dass der Blutliof fast den ganzen Dotter umgiebt. Belege hierfür liefert z. B. schon der Blut- hof des anderen, übrigens ganz normalen Embryo in demselben Eie (Taf. IV. Fig. 5), so wie auch Taf. IX. Fig. 4. Diese Regel habe ich in den vielen von mir beobachteten Fällen dieser Art ganz ausnahmslos gefunden. — Was aus dem Embryo in diesen Fällen geworden ist, lässt sich freilich nicht mit derselben Bestimmtheit 39 angeben. Es ist wohl am wahrscheinlichsten^ dass er, wie bei der abortiven Doppelschildbildung aus der Keimscheibe herausgefallen und in der Dottermasse verschwunden ist; es ist aber auch nicht ganz undenkbar, dass er nach und nach dadurch zu Grunde gegan- gen ist, dass er sich nicht fortentwickelt hat, und dass die geringe gebildete Masse wieder aufgelöst worden ist. Für die letztere Mög- lichkeit könnte vielleicht folgende Beobachtung sprechen: In einem auf Taf. IV. Fig. 7 abgebildeten Eie mit doppeltem Dotter, das reich- lich 6 Tage lang bebrütet war, und dessen einer Dotter keine Ent- wickelung zeigte, fand sich auf dem andern, durch Eiweissaufnahme beträchtlich ausgedehnten Dotter ein ganz unregelmässig geform- ter, mit spitzigen Ausläufern versehener Bluthof, der im grössten Durchmesser eine Ausdehnung von 42 Mm. hatte, und der so wenig Blut enthielt, dass nur die Anlage des Sinus terminalis als zarter rother Strich mit blossem Auge zu erkennen war. Bei der mikro- skopischen Untersuchung wurde jedoch auch innerhalb dieses Krei- ses ein unvollständiges Netz sehr dünner Gefässe erkannt, welche an den Stellen wo mehrere Gefässe sternartig zusammenstiessen kleine Erweiterungen zeigten, die mit rothen Blutklümpchen gefüllt waren. Grössere Gefässstämme konnten nicht aufgefunden werden. Dieser abnorme Bluthof bildete einen mit der Dotterhaut stellen- weise verklebten Saum von unregelmässiger Breite, der eine aus- nehmend grosse, unregelmässig geformte helle Zone einschloss, in deren Mitte ein ganz kleiner, nur 4 Mm. langer und 1 Mm. brei- ter, auf Taf. III. Fig. 13 abgebildeter Embryo lag. An demselben waren das Kopfende, die Anlage des Ohrs, die vorderen Visceral- bögen, und ein Stück der Medulla oblongata und des Rückenmarks zu erkennen, und man sah in demselben ein wenig rothes Blut. Um denselben herum Hess sich eine zarte Haut, als Andeutung des Amnion, erkennen. Der Embryo war so weich, dass seine Aus- dehnung bei ganz schwacher Compression durch ein Deckgläschen doppelt so gross wurde, als vorher, und man sah dann, dass er schleifenartig zusammengekrümmt war, so dass Kopf und Schwanz einander berührten. Das Missverhältniss der Grösse des Embryo zum Umfange des Bluthofes ist hier so autfallend, dass man anneh- men muss, dass der Embryo schon sehr verkümmert war, während 40 der Bluthof sein Wachsthum nach der Peripherie hin noch eine Weile fortsetzte. Es wäre nun nicht undenkbar, dass unter ge- wissen Umständen ein so kleiner und so weicher, krankhaft ver- änderter Embryo bei fortschreitender peripherischer Entwickelung des Bluthofes gänzlich aufgelöst werden könnte, was aber nicht von einem Embryo anzunehmen ist, dessen normale Entwickelung ei- nem Bluthofe von 32 — 42 Mm. Durchmesser entspricht. Wie dem auch sei, so scheint jedenfalls aus diesen Beobachtungen hervorzu- gehen, dass der Bluthof sein peripherisches Wachsthum noch fort- setzen kann, nachdem der Embryo zu Grunde gegangen ist oder aufgehört hat, für das Wachsthum desselben bestimmend zu sein. B. Die Missbildungen des Bluthofes bei gleichzeitiger Gegenwart eines Embryo. Abgesehen von den einzelnen, schon im vorhergehenden Ab- schnitte (A.) besprochenen, hierher gehörigen Fällen, kamen über- haupt folgende Abnormitäten des Bluthofes bei gleichzeitiger Ge- genwart eines Embryo zur Beobachtung: 1. Verklebungen des Bluthofes mit den anderen Blät- tern der Keimscheibe und mit der Dotterhaut. Das Gefäss- blatt, das in der Keimscheibe mit Recht als ein besonderes Blatt bezeichnet werden kann, verbindet sich bei Gegenwart eines Em- bryo sehr oft in einer abnormen Weise mit dem animalen Blatte, und durch dieses hindurch mit der Dotterhaut. Ueberdies entste- hen aber auch oft abnorme Verbindungen des Gefässblattes mit dem vegetativen oder Schleimblatte. Dass solche abnorme Verbindungen der verschiedenen Blätter der Keimscheibe mit einander bei der oben besprochenen abortiven Bluthofbildung, wo der Embrj^o fehlt, vorkommen, geht schon daraus hervor, dass jene Löcher, welche den Maschen des Bluthofes entsprechen, in der Weise durch die ganze Keimscheibe hindurch gehen, dass der gelbe Dotter durch dieselben hindurch direkt mit der Dotterhaut in Berührung kommt. Zugleich ist aber auch bei jenen Fällen, wo der Embryo fehlte, bemerkt worden, dass Verklebungen der Keimscheibe mit der Dot- terhaut oft vorkommen. — Bei gleichzeitiger Gegenwart eines Em- 41 bryo wurden nun Adhäsionen der Keimscheibe mit der Dotterhaut ganz besonders häufig in der Gegend des Bluthofes gefunden. So war es z. B. in dem in Fig. 7 — 9 der Taf. III. dargestellten Falle gerade diese Partie, die mit der Dotterhaut verklebt war, während der mehr peripherisch gelegene Theil, sowohl als der Embryo selbst, frei unter derselben lag. Dasselbe war der Fall mit den Bluthö- fen der auf Taf. III. Fig. 12, Taf. IV. Fig. 1 und 2, Taf. Y. Fig. 1 und 2, Taf. XL Fig. 5 abgebildeten Embryonen. Mit der weissen Schalenhaut, durch die Dotterhaut hindurch, wurden indess Verkle- bungen, bei Gegenwart eines Embryo, so weit ich erinnern kann, nur an den Stellen gefunden, wo der Embryo selbst lag, nicht in der Gegend der peripherischen Keimscheibe. Alsdann fanden sich an der Innenseite der Schalenhaut oft Reste rothen Blutes, wie in dem in Fig. 1 — 4 der Taf. VI. abgebildeten Falle. Die besondere Betheiligung des Gefässblattes an diesen Verklebungen mit der Dot- terhaut ging nun daraus hervor, dass sie nicht über den Rand der Anlage des Sinus terminalis hinaus vorkamen, und meist am inne- ren Rande des Bluthofes am festesten waren, über der hellen Zone, 4ie den Embryo zunächst umgab, aber fehlten. Auch bei der abor- tiven Doppelschildbildung fand sich gerade die Partie, welche spä- ter zum Bluthof hätte werden sollen, mit der Dotterhaut verklebt. Diese Verklebung der Dotterhaut mit dem Verbreitungsbezirke des Gefässblattes setzt selbstverständlich die Betheiligung des animalen Blattes voraus, das ja die Dotterhaut und das Gefässblatt von ein- ander trennt. Auf die Betheiligung des animalen Blattes an sol- chen Verklebungen mit der Dotterhaut weist übrigens auch der Umstand hin, dass die gleichzeitig vorhandenen Embryonen, beson- ders bei weiter vorgeschrittener Entwickelung, auch anderweitige Abnormitäten dieses Blattes zeigten. Besonders war die Amnion- bildung beeinträchtigt, ausserdem aber auch die Entwickelung und Vereinigung der Seiten-, Brust-, Hals- und Kopfplatten, oft auch die äussere Anlage des Auges und Ohres, der Extremitäten u. s. w. Ein Umstand, der bei diesen Verwachsungen noch bemerkt zu wer- den verdient, ist die bis zum Verschwinden fortschreitende Verklei- nerung der hellen Zone, welche den Embryo vom Bluthofe trennt. Zum Theil rührt diese wohl daher, dass sich der Embryo fortcnt- 42 wickelt und wächst^ während der innere Rand des Bluthofes statio- när bleibt, zum Theil scheint aber eine wirkliche Verengerung statt zu haben. Es mag einstweilen dahingestellt bleiben, ob diese Ver- engerung von einer Wucherung des inneren Randes des Bluthofes oder von einer narbenartigen Verschrumpfung herrührt, und ob die- selbe unter Umständen zur abortiven Bluthof bildung führen kann. Dass aber ebenfalls das Schleimblatt oder das vegetative Blatt oft, wenn gleich wohl nicht immer, durch die pathologischen Verände- rungen der Gefässschicht des Bluthofes auch bei Gegenwart eines Embryo alterirt wird, lässt sich leicht nachweisen. Man findet näm- lich nicht selten, wie z. B. in dem auf Taf. II. Fig. 5 dargestellten Falle, bei abnormer Kleinheit des Bluthofes, in Verbindung mit an- deren Veränderungen desselben und bei gleichzeitiger abnormer Ver- bindung der animalen Schicht mit der Gefässschicht, dass die gelbe Dottermasse beim Ablösen der Keimscheibe unter Wasser mitfolgt, und zwar gerade und ausschliesslich unterhalb des Bluthofes, was unzweifelhaft auf eine abnorme Verbindung der Gefässschicht dessel- ben mit der darunter liegenden Schleimschicht und selbst mit dem gelben Dotterinhalt hinweist. Dazu kommen noch Fälle hinzu, wie der auf Taf. III. Fig. 12 abgebildete, wo alle vom vegetativen Blatte ausgehenden Productionen, bei sonst verhältnissmässig weit vorge- schrittenen Entwickelung, fehlen. Hier muss offenbar entweder eine Verwachsung des Gefässblattes mit dem vegetativen Blatte oder eine Auflösung des vegetativen Blattes angenommen werden. Der Ana- logie mit dem Verhalten des animalen Blattes gemäss ist wohl Er- steres am wahrscheinlichsten. — Die besprochenen Verklebungen des Bluthofes scheinen den ihnen hier angewiesenen ersten Platz in der That zu verdienen, weil sie einen sehr wesentlichen Antheil an den übrigen Abnormitäten des Bluthofes haben. Zu diesen zäli- len wir 2. die Abnormitäten der Gefässentwickelung und der Gefäss Verbreitung. Wenn der Bluthof viel kleiner war, als er es der Entwickelungsdauer zufolge sein sollte, so entsprechen die Gefässnetze mehr oder weniger derjenigen Form, die sie bei ihrer allerersten Anlage haben, wo die Maschen sehr klein und die ein- zelnen Gefässc, die das Netz bilden, ziemlich gleich dick sind, wo 43 also die Gefässvertheilung noch netzförmig, nicht dendritisch ver^ zweigt ist. Eine Abbildung dieser Hemmungsbildung des Bluthofes findet sich auf Taf. IV. Fig. 1, wo ein solcher Bluthof einen Embryo mit zwei getrennten Herzen umgiebt. Dass in solchen Fällen die grösseren Gefässstämme, die sonst vom Embryo kommen und zu dem- selben zurückkehren, nicht wie sonst entwickelt sind, erklärt sich da- durch, dass die Embryonen auch immer abnorm waren, wenn der Blut- hof bedeutend kleiner geblieben war, als es der Entwickelungsdauer entsprach. Aber auch die Weite des Sinus terminalis steht oft im Missverhältniss zu der Grösse des entsprechenden Bluthofes, indem er bald verhältnissmässig zu weit, öfter verhältnissmässig zu eng, oft auch hier und da verstrichen ist, während der Durchmesser des Bluthofes sehr gering geblieben ist. Die netzförmige Gefässverbrei- tung ist bald sehr dicht, wie bei der normalen ersten Anlage, bald mit grossen Maschen enger Gefässe durchzogen, die an einzelnen Stellen, meist an den Theilungspunkten, knotenartige mit Blut ge- füllte Erweiterungen zeigen. Letzteres fand ich öfter, wenn der Bluthof im Verhältniss zu dem sehr klein gebliebenen, missgestalte- ten Embryo eine bedeutende Ausdehnung erlangt hatte^ wie in dem vorhin genannten Falle (Taf. IV. Fig. 7). Die durchaus netzförmige Gefässvertheilung habe ich oft in kleinen Bluthöfen gefunden, wel- che 4 — 6 Tage lang bebrüteten und noch lebendigen, aber miss- gestalteten und verkrüppelten Embryonen angehörten. Bei solchen abnorm kleinen netzförmigen Hemmungsbildungen des Gefässhofes fand ich, wie gesagt, gleichzeitig vorhandene Embryonen immer ab- norm; ausserdem kamen aber auch Fälle vor, wo die Gefässver- theilung ziemlich normal war, während doch der Embryo in höch- stem Grade degenerirt war, wie z. B. bei Taf. VI. Fig. 1. Ein normaler Embryo setzt also einen bezüglich der Gefässvertheilung normalen Bluthof voraus, aber nicht umgekehrt. In allen den Fäl- len, wo die genannten Abnormitäten der Gefässentwickelung und der Gefässverbreitung vorhanden waren, schienen auch immer ab- norme Adhäsionen des Gefässblattes mit den anderen Blättern der Keimscheibe vorhanden zu sein, und oftmals war in solchen Fällen auch die Dotterhaut mit der Keimscheibc verklebt. Dass aber Er- nährungsstörungen des Gefässblattes und Verklebungen desselben 44 mit den anderen Blättern der Keimsclieibe, mit der Dotterhaut und mit dem gelben Dotter nothwendig eine Beschränkung der Gefäss- entwickelung und Gefässverbreitung im Bluthofe herbeiführen müs- sen, ist von selbst einleuchtend. 3. Ein Missverhältniss der Grösse des Bluthofes zur Entwickelung des Embryo und zur Entvvickelungsdauer wurde oft in Folge gestörter Entwickelung gefunden. Die auf Taf. II. Fig. 5 — 9 und auf Taf. III. Fig. 7 — 9 und 12 — 13 abgebildeten Embryonen wa- ren sämmtlich von Bluthöfen umgeben, deren Grösse weit hinter der meist 4bis8tägigen Entwickelungszeit derselben zurückgeblieben war. x\uf Taf. IX. Fig. 9 und 10 und auf Taf. XI. Fig. 1 und 5 sieht man solche abnorm kleine Bluthöfe in situ auf ihren Dottern. Nach 4tägiger Bebrütung habe ich mehrmals (z. B. bei dem auf Taf. IL Fig. 5 abgebildeten Embryo) einen Bluthof gefunden der weniger als 5 Mm. im Durchmesser hatte. Oft wies dabei die Untersuchung des Embryo nach, dass die Entwickelung desselben weit über den Zeitpunkt hinaus fortgeschritten war, der der Grösse des Bluthofes entsprach. In den angeführten Abbildungen wird man hierfür Be- lege finden. Dabei ist es, wie gesagt, auffallend, dass die Embryo- nen immer mehr oder weniger bedeutende, oft sehr beträchtliche Missbildungen darboten, wenn der Bluthof bedeutend kleiner war, als er es der Bebrütungszeit gemäss sein sollte. Ich habe von die- ser Regel überhaupt keine Ausnahme gefunden. Hieraus scheint zu folgen: 1) dass die Entwickelung des Embryo nicht immer durch eine primäre Störung der Ernährung und Bildung des Bluthofes gänzlich zum Stillstehen gebracht wird, sondern dass dieselbe noch fortschreiten kann, wenn auch die Entwickelung des Bluthofes gestört worden ist, und 2) dass die gestörte Entwickelung des Blut- hofes der normalen Entwickelung des Embryo hinderlich ist, und Missbildungen desselben bedingt. Andererseits wird jedoch biswei- len auch die Ausdehnung des Bluthofes im Verhältniss zur Grösse des Embryo zu gross gefunden, wie z. B. in dem auf Taf. IV. Fig. 7 abgebildeten Falle. — Was nun die Ursachen jener Missverhält- nisse der Grösse des Bluthofes betrifft, so ist es zunächst klar, dass abnorme Verbindungen der verschiedenen Blätter der Keimscheibe untereinander und mit der Dotterhaut dem Wachsthumc und der 45 Ausbreitung des Bluthofes sehr hinderlich sein müssen. Dem ent- sprechend haben wir bei recht bedeutender Beeinträchtigung der Flächenausbreitung des Bluthofes auch fast immer gleichzeitig vor- handene abnorme Verklebungen desselben gefunden. Uebrigens scheinen noch einige andere Umstände für die Grössenverhältnisse des Bluthofes bestimmend zu sein. Zunächst ist es klar^ dass der Bluthof um so kleiner bleiben wird, je früher der Embryo abstirbt. Denn wenn gleich, dem oben Angeführten zufolge, anzunehmen ist, dass der Bluthof sein Wachsthum noch eine Weile fortsetzen kann, nachdem der Embryo abnorm geworden oder gar gänzlich zu Grunde gegangen ist, so wird diese selbstständige Fortentwickelung des Bluthofes doch bald ihre Grenze finden. Demnächst wird die Blut- menge und die Kraft, mit der das Blut in den Bluthof hineingetrie- ben wird, wesentliche Momente für die Ausbreitung des Bluthofes abgeben müssen, was denn auch aus dem sehr raschen Wachsthume desselben nach dem Zustandekommen des ersten Kreislaufs hervor- geht. Endlich wird noch die Eiweissaufnahme des Dotters ein me- chanisches Moment für die Flächenausbreitung des Bluthofes abge- ben müssen, dessen Verschiedenheiten auch Verschiedenheiten der verhältnissmässigen Grössen des Bluthofes bedingen müssen. 4. Abweichungen in der Form des Bluthofes sind eben- falls häufig, und werden oft neben Missverhältnissen der Grösse be- obachtet. Auf die normale Fortentwickelung des Embryo hat die Form des Bluthofes keinen erkennbaren Einfluss, wenn nur die Grösse der Entwickelungsdauer entspricht. Diese Abweichung ist ganz besonders häufig bei der Entwickelung in Eiern mit doppel- tem Dotter, wenn der Embryo der Berührungsfläche beider Dotter nahe Hegt, indem der Bluthof sich alsdann, wie bereits oben be- merkt wurde, an der Berührungslinie, wie abgeschnitten, endigt und oft ganz schmal wird, während er sich desto reichlicher über den übrigen freien Theil des Dotters verbreitet (vergl. Taf. XV. Fig. 5, Taf. IX. Fig. 4 und 10). Auch wenn der Embryo in der Nähe des Eipols liegt, was ebenfalls in Eiern mit doppeltem Dotter nicht sel- ten vorkommt, ist die Form des Bluthofes meist mehr oder weni- ger verzerrt (vergl. Taf. IX. Fig. 3), ohne dass die Entwickelung des Embryo dadurch irgendwie gestört zu werden scheint. Es ist 46 offenbar, dass diese Formveränderungen des Bluthofes in den Eiern mit doppeltem Dotter von den mechanischen Druckverhältnissen abhängen, welche an der Berührungsfläche der Dotter der Ausbrei- tung des Bluthofes entgegentreten. Noch deutlicher tritt dieser mechanische Einfluss auf die Form des Bluthofes uns in den Eiern mit eingeschnürtem Dotter entgegen. Auf Taf. IV. Fig. 6 und auf Taf. XI. Fig. 1 und 4 sind solche Fälle dargestellt, wo die Einschnü- rung über den Embryo und den Bluthof hinweglief. In den beiden Fällen, wo der Embryo und der Bluthof keine anderweitigen Ab- normitäten zeigte (Taf. IV. Fig. 6 und Taf. XI. Fig. 4), nahm der Bluthof sogleich seine runde Gestalt an, als er vom Dotter abge- trennt wurde, ja schon, als die strangförmige Einschnürung der Dot- terhaut, die über ihn und den Embryo hinlief, durchschnitten wurde. In dem in Fig. 1 der Taf. XL abgebildeten Falle dahingegen, wo der Bluthof sowie der Embryo sehr abnorm, und ersterer mit der Dotterhaut verklebt war, bewahrte der Bluthof seine abnorme Form noch nach der Abtrennung vom Dotter und nach der durch Zerrung bewirkten Entfernung der Dotterhaut. In diesem Falle hatten also auch andere Momente, als die genannten rein mechanischen, Antheil an der abnormen Gestalt des Bluthofes. Dies war noch auffallender in dem auf Taf. IV. Fig. 7 abgebildeten Falle, wo der Bluthof ganz unregelmässig winklig verzerrt war. Auch hier fanden sich Verkle- bungen mit der Dotterhaut vor, die wahrscheinlich an einzelnen Stel- len fester gewesen sind, und der Ausbreitung des Bluthofes, welche theils durch das Wachsthum, theils auf mechanische Weise durch Eiweissaufnahme des gelben Dotters bewirkt sein konnte, einen ver- schieden grossen Widerstand entgegensetzen konnten. Einen ähn- lichen Einfluss der Verklebungen des Bluthofes auf die Form und Ausbreitung desselben erkennt man auf Taf. III. Fig. 9. 5. Abnormitäten der Blutmenge und der Blutverbrei- tung. Bei gleich grossen Bluthöfen, gleich grossen Embryonen und gleicher Entwickelungsdauer, ist die Menge des rothen Blutes, die man im Bluthofe und im Embryo findet, höchst verschieden. In einigen Fällen findet man sowohl Bluthof als Herz und Embryo von Blut strotzend gefüllt und durch dasselbe ausgedehnt, wie z. B. in Fig. 5, 6 und 8 der Taf. VI. bei 4y2tägiger Entwickelung, während 47 das Blut in anderen Fällen in geringer Menge vorhanden ist, z. B. bei Fig. 8 und 9 der Taf. IL, dessen Blutliof auf Taf. IX. Fig. 10 auf dem zur linken Hand gelegenen Dotter sichtbar ist, und bei Fig. 7 der Taf. IV. — In einigen Fällen fehlte die Bildung rothen Blutes gänzlich, bei Embryonen, deren Bebrütungsdauer und sonstige Ent- wickelung das Vorhandensein desselben erwarten Hess. Hierher ge- hört z. B. der auf Taf. IL Fig. 3 und 4 abgebildete Embryo. In solchen Fällen fehlte dann auch das Herz, und die weisslich geblie- bene Anlage des Bluthofes war allemal sehr klein und bildete einen ovalen Saum um den Embryo herum. Die Ursachen der Nicht- entwickelung des rothen Blutes in einigen, sowie der verhältniss- mässig zu grossen oder zu geringen Menge desselben in anderen Fällen sind sehr dunkel. Wenn bei kleinen, aber in der Entwicke- Inng im Verhältniss zu ihrer Grösse, wenn gleich in abnormer Weise, vorgeschrittenen Embryonen ein plethorischer Zustand vorhanden ist, so muss man sich wohl vorstellen, dass die Vermehrung der rothen Blutkörperchen (durch Theilung) nicht besonders beein- trächtigt worden ist. Wenn dagegen im Verhältniss zur Grösse des Bluthofes und des Embryo zu wenig Blut gefunden wird, so könnte wohl in einigen Fällen, z. B. bei Taf. VI. Fig. 1, eine ge- wisse Quantität rother Blutkörperchen wieder aufgelöst und ver- schwunden sein, in anderen Fällen muss man aber gewiss eine pa- thologische Beschränkung der rothen Blutbildung annehmen, ebenso wie man beim gänzlichen Fehlen des rothen Blutes, z. B. bei Fig. 3 und 4 der Taf. IL genöthigt ist, eine krankhafte Verhinderung der- selben zu statuiren. Letztere Annahme ist besonders darum nicht abzuweisen, weil der rothe Blutfarbstoff sich in abgestandenen Eiern sehr lange zu conserviren pflegt. Ungleichmässig fand ich die Blutvertheilung gewöhnlich in den Bluthöfen solcher missgestalteten Embryonen, welche beim OefFnen des Eies schon abgestorben waren. Die auf Taf. IX. Fig. 9 und 10, Taf. XL Fig. 1 und 5 u. s. w. mögen als Belege dieser Angabe dienen. Jedoch ist zu bemerken, dass diese Regel nicht ohne Ausnahmen ist, wie man aus Fig. 1 der Taf. VI. ersieht, wo die Blutverthei- lung im Bluthofe regelmässig erscheint, obgleich der Embryo sehr degenerirt ist. Die Ungleichraässigkeit der Blutvertheilung dürfte 48 zum Theil von den gleichzeitig meist vorhandenen Abnormitäten der Gefässverbreitung und Gefässvertheilung abhängen^ zum Theil wohl auch von der Art der Herzthätigkeit des Embryo, und vor Allem wohl auch davon, dass sich nach dem Aufhören des Kreis- laufes die moleculären Anziehungsverhältnisse der Blutkörperchen gegen einander geltend machen. Die Folgen aller dieser Veränderungen und Abnormitäten des Bluthofes für die Entwickelung des Embryo werden wir später zu betrachten haben. II. Die Bildungsfehler des Amnion, des Nabels und der Allantois. Während die peripherische Keimscheibe mit dem Bluthofe gleich- sam neben der Anlage des Embryo entsteht, und gewissermassen unabhängig von derselben gebildet wird, können Amnion, Nabel und Allantois schon als dem Embryo selbst angehörige Gebilde auf- gefasst werden, indem ihre Entwickelung unmittelbar vom Embryo ausgeht. Hier verdienen diese Bildungsfehler aber noch aus an- deren Gründen in einem besonderen Abschnitte behandelt zu wer- den, nämlich theils, weil ihre Bildungsfehler sehr mannigfaltig sind, theils, weil sie einen sehr wesentlichen Antheil an der Entstehung der Missbildungen der Embryonen haben, und theils endlich, weil ihre Bildungsfehler im Vogeleie bisher fast ganz unbekannt geblie- ben sind. Besonders sind es aber die Bildungsfehler des Amnion, die wir hier vor Augen haben. Die Bildung des Amnion beginnt bekanntlich mit der Anlage der Kopf kappe kurz vor dem Auftreten des rothen Blutes. Im Laufe des 3ten Tages der Bebrütung des Hühnereies kommt die Anlage der Schwanzkappe hinzu, und am 4ten Tage wird die Am- nionbildung beendigt, und mit ihr die Bildung des anfangs rinnen- förmigen Nabels. Die Anlage der Allantois ist schon am 3ten Tage als Knötchen kenntlich, und am 5ten Tage schlägt sie sich schon rechts um den alsdann ganz auf der linken Seite gelagerten Em- bryo herum, setzt aber dann noch sehr lange ihr Wachsthum fort. 49 Schon hieraus würde rrian schllessen können , dass der 2te bis 4te Tag der Bebrütung beim Hühnchen die verhängnissvollste Zeit für die Entstehung der Bildungsfehler des Amnions sein würde. Die mir vorliegenden Beobachtungen bestätigen Dieses vollkommen, und zeigen, dass Temperaturschwankungen gerade am 2ten und 3ten Tage der Bebrütung ganz besonders leicht Missbildungen des Am- nions und fehlerhafte Nabelbildung bedingen. Die Darlegung der Bildungsfehler des Amnions gestattet nicht eine solche gleichsam summarische Behandlung, wie die Bildungs- fehler der Keimscheibe und des Bluthofes. Sie stehen nämlich in innigem Zusammenhange mit den Bildungsfehlern des Embryo, und sind so mannigfaltig, dass die Darlegung der verschiedenen For- men und ihrer Entstehung es nöthig macht, einzelne Fälle speciell durchzunehmen, bevor man versuchen kann etwas Allgemeineres darüber aufzustellen. — Auf Taf. III. Fig. 12 ist ein Embryo dargestellt, der keine Spur eines Amnions erkennen lässt, obgleich das betreffende Ei 8 Tage lang bebrütet worden war, und obgleich unter Anderem die grosse Zahl der Wirbelplättchen beweist, dass eine wenigstens par- tielle Entwickelung weit über die Periode der Anlage des Amnions hinaus statt gehabt hatte. Das betreffende Ei enthielt zwei Dotter, deren einer (der links gelegene) den auf Taf. III. Fig. 10 und 11 abgebildeten, von einem vollständigen Amnion umgebenen und einer 6 — Ttägigen Entwickelung entsprechenden Embryo trug. Der vollständige Mangel eines Amnions bei dem in Rede stehenden Em- bryo erklärt sich leicht, wenn man die übrigen Abnormitäten des- selben berücksichtigt. Sein Bluthof, nur 18 Mm. lang und 15 Mm. breit, war mit der Dotterhaut fast verklebt, woraus, wie bereits oben entwickelt worden ist, hervorgeht, dass das obere (animale) Blatt des Bluthofes erkrankt sein musste. Beim Ablösen des von seinem Bluthofe umgebenen Embryo vom Dotter folgte gelbe Dot- termasse, die der unteren Seite des Bluthofes fest anhaftete, mit. Hieraus folgt, dass auch das untere (vegetative) Blatt des Bluthofes pathologisch verändert war. Der Bluthof enthielt dunkles rothes Blut, das nicht in bestimmten Gefässen vertheilt, sondern diffus verbreitet war. Es waren mithin alle Blätter des Bluthofes patho- Panum, Unlersiichungen. 4 50 ^* logisch verändert. — Die vom Bluthofe zunächst eingeschlossene , Taf. IV. Fig. 1 und 2, Taf. V. Fig.U und 2, Taf. XI. Fig. 1—3), h) zwischen dem Amnion und der Dotterhaut (Taf. IV. Fig. 1 und 2, Taf. V. Fig. 1 und 2, Taf. XI. Fig. 1 — 3), c) zwischen dem Embryo und der Schalenhaut, durch die Dotterhaut hindurch (Taf. I. Fig. 6, Taf. VI. Fig. 1—3), d) zwischen Amnion und Bluthof (Taf. XL Fig. 1 — 3), e) zwischen der Oberfläche des Embryo und dem Blut- hofe, z. B. zwischen Kopf und Bluthof (Taf. IV. Fig. 1), oder zwi- schen Herz und Bluthof (Taf. III. Fig. 12), oder zwischen den Sei- tenplatten und dem Bluthofe (Taf. II. Fig. 5, Taf. III. Fig. 4, Taf. IV. Fig. 1, Taf. VII. Fig. 5 und 6), /) zwischen dem Schleimblatte und dem gelben Dotter (Taf. IL Fig. 5, Taf. IIL Fig. 12), g) zwischen den verschiedenen Blättern der Keimscheibe untereinander (Taf. III. Fig. 12, Taf. IV. Fig. 1 und 2, Taf. V. Fig. 1 und 2, Taf. VI. Fig. 5 und 6, Fig. 8, Taf. XL Fig. 1 — 3), h) zwischen natürlichen Spalten und Oeffnungen, wodurch diese abnormer Weise verschlossen wur- den (Taf. IV und V am Kopfe und Halse, Taf. VI am Kopfe, Halse und Kumpfe, Taf. VIL Fig. 3, 9, 10, 11, 12 u. 23 am Kopfe und Halse), ^) zwischen den Extremitäten und dem Körper, oder zwischen ihren Gliedern unter einander (Taf. VII. Fig. 1 — 4 und öfter bei weiter entwickelten, nach Art der Lithopädien veränderten Embryonen). Diese abnormen Verbindungen verdienen bisweilen nur Ver- klebungen genannt zu werden, indem sie leicht durch Zerrung getrennt werden können, bisweilen sind sie dahingegen so fest, dass sie als Verwachsungen bezeichnet werden müssen, indem ihre Trennung ohne Zerreissung nicht möglich ist. Je fester die ab- normen Verbindungen sind, desto bedeutender pflegen die betref- fenden Theile in ihrer ganzen Form verändert zu sein, je lockerer sie sind, desto weniger. Hieraus kann man schliessen, dass die an- fänglichen Verklcbungen zu Verwachsungen werden können. Für 156 die Beurtheilung des Wesens dieser adhäsiven Processe im Eie ist es einerseits bemerkenswertb^ dass die Verklebungen nicht nur durch die Dotterhaut; sondern selbst durch die weisse 8chalenhaul hindurch stattfinden können, andererseits sind aber auch die auf Taf. VI. Fig. 4 dargestellten Elemente für dieselbe von besonderem Interesse. Dieselben wurden von der Innenseite der weissen Scha- lenhaut abgeschabt, nachdem diese durch leises und wiederholtes Zerren von der Oberfläche des in Fig. 1 — 3 derselben Tafel dar- gestellten formlosen Embryo entfernt war. Man erkennt unter die- sen, bei reichlich 200facher Vergrösserung dargestellten Elementen, ausser punktförmigen Moleculen und Fettkügelchen von verschiede- ner Grösse auch Körnchenzellen, kern- und zellenartige Gebilde, Spindelzellen, einzelne rothgefärbte Krystalle, röthliche Schollen, und in grosser Menge kleine, unregelmässig eckige Plättchen, wel- che an die Dotterplättchen erinnern. In anderen Fällen, z. B. an den weiter entwickelten Embryonen der Taf. VII. Fig. 1 — 4, fan- den sich in der solche abnorme Verbindungen vermittelnden Masse, neben spindelförmigen Zellen, Fettmoleculen und Aggregatkügel- ehen, auch rundliche Gebilde, die mit den Eiterkörperchen über- einstimmten, vielfach aber auch mit Fettkügelchen und Körnchen gefüllt waren. Diese Verklebungen und Verwachsungen kommen, wie wir oben gesehen haben, häufig vor, bevor Blut und Blutgefässe in der Em- bryonalanlage vorhanden sind. Die klebrige Substanz, durch wel- che die Adhäsion zunächst zustandekommt, kann hier also nicht als ein aus dem Blute stammendes Transsudat aufgefasst werden, sondern es handelt sich hier entweder um ein unmittelbares Pro- dukt der Zellen (sei es nun, dass sie aus den Zellen durch die Zellenwandung hindurch transsudirt, oder dass sie durch Auflösung oder Veränderung der Zellen und ihrer Wandungen selbst entsteht), oder aber es handelt sich um eine klebrig gewordene, unmittelbar aus dem zur Ernährung der Embryonalanlage dienenden Eiweiss des Eies entstandene Substanz. Der Umstand, dass nicht nur die Dotterhaut, sondern auch die Schal enliaut mit der Oberfläche des Embryo verklebt werden kann, zeigt, dass die durch ihre Festigkeit, homogene Beschafl'enheit und Mangel an Klebrigkeit so ausgczeich- 157 nete Dotterhaiit durch die Produkte der' embryonalen Ernährungs- störung so verändert werden kann, dass sie mit den anliegenden Gebilden (Embryonalanlage und harter Schalenhaut) verkleben und überdies für geformte Elemente permeabel werden kann.. Der Um- stand ferner, dass man bei solchen Störungen bisweilen auch die Kalkschale an der entsprechenden Stelle mit der weissen Schalen- haut verklebt und schmutzig gefärbt sieht, zeigt, dass auch die Poren der harten Schalenhaut von dem klebrigen Produkte durch- setzt werden können. Die nachfolgende Verwachsung würde durch die Durchkreuzung und Verschlingung der sich entwickelnden ge- schwänzten und faserigen Elemente vermittelt werden können. Vergleicht man diesen embryonalen Verklebungs- und Ver- wachsungsprocess mit demjenigen der gewöhnlichen adhäsiven Ent- zündung, so findet man einerseits allerdings eine gewisse Ueber- einstimmung mit derjenigen Form, wobei der Faserstoff zunächst in grösserer Masse eine provisorische Verklebung vermittelt, welche erst später durch Neubildung zelliger Elemente zur wahren Ver- wachsung wird, andererseits aber auch mit der Verklebung inid nachfolgenden Verwachsung der Papillulae carneae, und überhaupt mit denjenigen Fällen, wobei nur eine minime Schicht der Inter- cellularsubstanz zwischen den verklebenden und verwachsenden Ele- menten vorhanden ist. Wenn man jedoch einerseits die Verklebungen als Entzündungsphänomene zu bezeichnen beliebt, und andererseits das Dogma aufrecht halten will, dass aus dem Blute transsudirter Faserstoff das erste Bindemittel abgiebt, so sind die vorliegenden Thatsachen allerdings geeignet eine solche Doctrin zu erschüttern. Nun hat aber bekanntlich Virchow hervorgehoben, dass die Vor- gänge im Paremchym in vielen Fällen derjenigen Ernährungsstörun- gen, welche bei entwickelten Individuen zur Beobachtung kommen, offenbar den ersten Platz einnehmen, und dass die Störung der Kreislaufsverhältnisse in solchen Fällen nur secundär in Betracht kommt. Der hierauf basirte Begriff der parenchymatösen Ent- zündung findet offenbar eine ganz vorzügliche Anwendung auf die in Rede stehenden embryonalen Ernährungsstörungen, indem diesel- ben, wie gesagt, oft genug beobachtet werden, bevor Blut und Gc- fässe gebildet sind. 158 Die Folgen dieser embryonalen Verklebnngen und Verwach- sungen haben wir schon mehrfach besprochen, als vom Einflüsse localer Druckveränderung bei der embryonalen Entwickelung die Rede war. Wir haben oben gesehen, wie oft sie zu Druckver- änderungen und zu dadurch bedingten Missbildungen Veranlassung geben. Die Verklebungen der peripherischen Keimscheibe mit der Dotterhaut können z. B. einerseits das Wachsthum des Bluthofes beeinträchtigen, andererseits den Raum für die freie Entwickelung des Embryo beschränken, und dadurch Verkrümmungen und Ver- krüppelungen desselben bedingen (Taf. III. Fig. 7 — ^9, Taf. IV. Fig. 1 — 2, Taf. V.); sie können ferner veranlassen, dass die Ober- fläche des Amnions oder des Embryos bei fortschreitendem V^achs- thume mit dem inneren Rande des Bluthofes in Berührung kommen, und mit ihm verkleben oder verwachsen kann (Taf. III. Fig. 12, Taf. IV. Fig. 1 — 2, Taf. V.); es können die Verklebnngen des Em- bryo oder des Amnions mit der Dotterhaut oder mit dem Bluthofe späterhin und secundär die Lagerungsverhältnisse der Theile und Organe des Embryos bei fortschreitendem Wachsthume desselben wesentlich und in sehr verschiedener Weise verändern (vgl. Taf. III. Fig. 12, Taf. IV. Fig. 1 — 2, Taf. V.); es kann durch Verklebungen der verschiedenen Blätter der Keimscheibe unter einander und mit dem Dotter die freie Entwickelung und Diiferenzirung der Theile, z. B. die Bildung des Darmes und der Pleuroperitonealhöhle beein- trächtigt und verhindert werden; es können endlich die natürlichen Spalten und Oeffnungen durch Verklebungen ihrer Ränder abnor- mer Weise geschlossen werden, so dass Narbenmasse an ihre Stelle tritt (vgl. Taf. IV. V. VI. und VIL). ad 2. Die serösen Ansammlungen in abgeschlossenen Körperhöhlen haben freilich nur ein sehr beschränktes Terrain, indem wir sie nur im Medullarrohre, bei Spina bifida und Hydroce- phalus beobachtet haben. Die Analogie dieser während der Ent- wickelungsperiode entstandenen Ansammlung seröser Flüssigkeit mit der serösen Exsudation beim Hydrocephalus der Kinder erscheint so einleuchtend, dass sie schon seit langer Zeit und allgemein accep- tirt ist. Auch Diejenigen, welche meinen, dass nur eine geringe Zahl der Missbildungen auf Krankheiten der Embryonen zurück- 159 geführt werden kann, erkennen den Hydrocephalns congenitus und die Spina bifida als Resultate embryonaler Erkrankung an. Unter der Annahme, dass die seröse Ansammlung das Primäre ist, haben wir oben die Ansicht entwickelt, dass durch dieselbe von innen her eine Steigerung des Druckes gesetzt wird, wodurch die Ausdehnung erfolgt und wodurch die oben bezeichneten Missbildun- gen bedingt werden (Pag. 153). Es fragt sich aber doch, ob diese serösen Ansammlungen im Medullarrohre der Embryonen als Ex- sudate im gewöhnlichen Sinne aufzufassen sind? In diesem Falle würden sie ja nämlich Blut und Gefässe voraussetzen. Diese sind nun freilich auch bereits seit einiger Zeit vorhanden gewesen, wenn sich die ersten kenntlichen normalen Flüssigkeiten des Em- bryo, der Liquor Amnii und die Allantoisflüssigkeit zeigen, und diejenigen Embryonen, bei denen wir eine wirkliche Spina bifida (vergl. Taf. VI. Fig. 7 — 9) oder einen Hydrocephalns (vergl. Taf. VII. Fig. 7 und 9) fanden, waren auch schon mit Blut und Gefässen versehen. Andererseits lässt sich aber nicht in Abrede stellen, dass seröse Produkte der Ernährung und des Stoft wech- seis in früheren Perioden nicht leicht zur Beobachtung kommen könnten. Denn das Medullarrohr ist in der ersten Zeit ja noch so zart, dass es keine nennenswerthe Ausdehnung vertragen würde ohne in der Naht zru platzen, und mvan findet es in der That oft genug (z. B. Taf. II. Fig. 1 — 4) während dieser Periode in der Rückennaht getrennt und als Medullarplatte ausgebreitet. Dies könnte ja möglicher Weise durch seröse Flüssigkeit von innen her bewirkt sein; mit Nothwendigkeit ist diese Annahme jedoch nicht geboten. Anderswo, als gerade in das Medullarrohr hinein, ausge- schiedene seröse Ernährungsprodukte würden aber von der Ober- fläche des Embryo her sich frei mit der denselben umgebenden, dünnen, eiweissartigen Flüssigkeit vermischen können, ohne zur Beobachtung zu kommen. Eine bestimmte Antwort auf die Frage, ob die seröse Flüssigkeit der embryonalen Spina bifida und des Hydrocephalus der frühesten Periode zunächst aus dem Blute stammt, und aus den Gefässen exsudirt ist, lässt sich somit nicht geben. Ebenso wenig reichen meine bisherigen Beobachtungen aus, um die Frage zu entsclieiden, inwiefern etwa eine zu hohe Tem- 160 peratur zu diesen serösen Ansammlungen disponirt, obgleich sich mir diese Vermuthung bei den vorliegenden Fällen aufgedrängt hat. Es fragt sich dann aber ferner, ob nicht eine anderweitige Erkran- kung des Markes selbst oder der Vereinigungsstelle der Rückenplat- ten über demselben vorhanden gewesen sein müsste, damit die ganz locale Spina bifida Zustandekommen könnte? Diese Frage muss ganz gewiss bejaht werden, denn sonst wäre es nicht wohl zu begreifen, dass nur die eine Stelle, und nicht die ganze Höhle des Medullar- rohrs durch die seröse Ansammlung ausgedehnt worden wäre. Der Sack der Spina bifida communicirt nämlich frei mit der ganzen Höhle, wie schon die Beobachtung des auf Taf. VI. Fig. 8 abgebildeten Embryo zeigt. Während des nach dem OefFnen des Eies durch das Mikroskop beobachteten Absterbens desselben ergoss sich nämlich in diesem Falle Blut in die Höhle der Spina bifida, und die röthliche Färbung, welche dieselbe dadurch erhielt, th eilte sich auch den Hirn- blasen mit. Eine Druckvermehrung im Inneren der Höhle des Me- dullarrohrs müsste also alle Punkte desselben gleichmässig treffen, und wenn eine Stelle nachgiebt, während die anderen Stellen demselben Drucke widerstehen, so muss das Widerstandsvermögen dieser Stelle geringer gewesen sein. Dazu kommt noch hinzu, dass man in Fig. 5 der Taf. VI eine Spaltung der Rückenplatten sieht, ohne dass das Medullarrohr eine Ausdehnung durch Flüssigkeit zeigte, wodurch dieselbe erklärt würde. Da nun bekanntlich zu Anfang der Ent- wickelung das anfängliche Medullarblatt zum Rohr wird, indem die Ränder desselben sich nach oben biegen und sich mit einander vereinigen, und da die Rückenplatten um das so gebildete Medul- larrohr in die Höhe wachsen, um es einzuschliessen, so liegt die Annahme nahe, dass die Schwächung der sich ausdehnenden Stelle von einer unvollkommenen Vereinigung der Ränder der Medullar- platte und der Rückenplatten hergerührt habe. Hierfür spricht auch noch der Umstand, dass die vorliegenden Fälle einigermassen der Stelle des Sinus rhomboidalis entsprechen, wo die Hinterstränge beim Vogel bekanntlich auseinander weichen. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass namentlich in Fig. 7 und 8 der Taf. VI nicht nur die Rückenseitc, sondern auch die seitlichen und vorderen Par- tien in der Gegend der Spina bifida ausgedehnt sind, so scheint 161 neben dem unvollkommenen Verschlusse noch eine locale Erkrankung angenommen werden zu müssen, wodurch das Widerstandsvermö- gen gegen den von innen her wirkenden Druck geschwächt wor- den wäre. Bei dieser Annahme würde dann noch die Vermuthung nahe liegen , dass dieselbe locale Ernährungsstörung, welche das Widerstandsvermögen des Medullarrohrs und seiner Umgebung ge- gen Druck geschwächt hat, auch die pathologische Ansammlung der serösen Flüssigkeit bedingt haben könnte. ad 3. Für eine weit grössere Zahl von Missbildungen kommt dahingegen die embryonale Atrophie und die embryonale, narbenartige Verschrumpfung in Betracht. Dieser Process hängt, wie oben entwickelt wurde, oft von einer localen oder all- gemeinen Steigerung des Druckes ab, unter dem ein sich entwickeln- der Theil ausgebildet wird; er kann aber bei weitem nicht immer auf diese äussere Ursache zurückgeführt werden. Dass in Fig. 9 und 10 der Taf. I. die Anlage des Hinterkörpers atrophisch gewor- den ist, dass die auf Taf. II. Fig. 5 — 9, Taf. III. Fig. 1 — 9 und Fig. 12— 13, Taf.V. Fig. 1—2, Taf. VL Fig. 5 — 6 und 8, Taf. XI. Fig. 1 — 3 abgebildeten Embryonen so klein geblieben sind, könnte, wie wir oben gezeigt haben, vielleicht durch die Annahme erklärt werden, dass das Wachsthum des Hautblattes pathologisch be- schränkt worden sei, und dass dadurch die von demselben umge- benen Theile durch Druck atrophisch geworden wären. Es blieb dabei eine ganz offene Frage, wie und wodurch das Wachsthum des Hautblattes beschränkt wurde? Zugleich mit embryonaler Atro- phie des Körpers finden wir in vielen, wenn auch nicht in allen den genannten Fällen, eine embryonale Atrophie des denselben um- gebenden Bluthofes, welche sehr oft, aber nicht immer, zugleich mit Adhäsionen an die Dotterhaut zusammen vorkommt. Bei der Atro- phie der Extremitäten z, B. in Fig. 20 und 22 der Taf. VIII könnte wohl auch noch die Vermuthung gerechtfertigt werden, dass ihr Wachsthum wesentlich durch Druck beeinträchtigt worden sei, aber das Fehlen ihrer Anlage in Fig. 5, 6 und 8 der Taf. VI, ihre Verküm- merung und ihr theilweises Fehlen in Fig. 1 — 3 der Taf. VI, und in Fig. 1, 2 und 3 der Taf. VII, kann ebenso wenig, als die Verkümme- rung oder das Fehlen des Auges in Fig. 1 — 3, 5 — 6 der Taf. VI, Panum, Untersuchungen. 11 162 in Fig. 3, 9, 11, 12 und 23 der Taf. VII auf einfache Druckverliält- nisse zurückgeführt werden. In den letztgenannten Fällen ist beim Ausfalle des Auges eine beim weiteren Fortschreiten der Entwicke- lung (vgl. Fig. 23) immer mehr liervortretende Schiefheit des Schä- dels zum Vorschein gekommen, was bei der narbenartigen Beschaf- fenheit der Kopfseite, der das Auge fehlt (vgl. Fig. 11 und 12), auf eine wahre narbenartige Contraction hinweist, während in den mei- sten der vorhin genannten Fälle ein relativ geschwächtes Wachsthum angenommen werden könnte. Auch das Verschwinden der Area pel- lucida und des Embryo in Fig. 4 — 7 der Taf. I könnte durch narben- artige Contraction erklärt werden, obgleich nicht in Abrede gestellt werden kann, dass ebensowohl eine Wucherung der dem inneren Rande des Bluthofes angehörigen Zellenmasse dieses Resultat her- vorgebracht haben könnte. Da die grosse Classe der Missbildungen per defectum offenbar wesentlich auf embryonale Atrophie und embryonale narbenartige Verschrumpfung zurückzuführen ist, so erscheint die Frage über die Ursachen und das V^esen dieses Processes besonders wichtig. Die von Serres gegebene Erklärung, dass sich die atrophisch ge- wordenen Theile bei Missbildungen per defectum nicht entwickelt haben, weil ihre Gefässe nicht zur Entwickelung gekommen sind, ist den vorliegenden Thatsachen gegenüber ganz unhaltbar, da in vielen Fällen atrophische Processe vor dem Vorhandensein von Gefässen zur Beobachtung kommen. Dass die Gefässe, welche den nichtentwickelten Theilen das Blut hätten zuführen sollen, fehlen, ist sehr begreiflich, da die Gefässe in einem Organe sich ja nicht entwickeln können, wenn das Organ selbst nicht zur Entwickelung kommt. Der atrophische Process, der die Theile befällt, ist also wenigstens in vielen Fällen, vielleicht immer, primär vorhanden, und die Nichtentwickelung der Gefässe ist dann nicht Ursache, son- dern eben Folge des atrophischen Processes selbst. Serres hat beim Aufstellen seiner Theorie den Unterschied der Ernährungsverhält- nisse des entwickelten Individuums und des Embryo in den frühe- sten Perioden offenbar nicht gehörig gewürdigt, und scheint eben hierdurch auf seine Theorie verfallen zu sein. Beim entwickelten Individuum wird ja ein Theil atrophisch, wenn ihm zu wenig Blut 163 zugeführt wird, er stirbt ab, wenn die Blutzufubr fehlt, er wird hypertrophisch bei zu reichlicher Blutzufuhr, und die Weite der Gefässe ist wesentlich bestimmend für die Grösse der Blutzufuhr. Dieses Verhalten hat Serres nun ohne Weiteres auf die embryonale Ernährung übertragen. Der Umstand, dass der Embryo und die Keimscheibe nach Auftreten des Kreislaufes so ausserordentlich schnell wächst, zeigt freilich an, dass die Nahrungszufuhr zum Par- enchyra durch die Blutgefässe auch in sehr frühen Perioden des embryonalen Lebens wesentlich ist, und es wird durch densel- ben a priori sehr wahrscheinlich, dass die Verstopfung eines Ge- fässstammes beim Embryo Atrophie des betreffenden Organs zur Folge haben würde. Aber Serres hat übersehen, dass die Ernäh- rung der Organe des Embryo bis gegen die 40ste Brütstunde hin durch direkte i^ufnahme des Ernährungsmaterials aus der eiweiss- artigen Flüssigkeit des Dotters erfolgt, und dass gar kein Grund vorhanden ist, anzunehmen, dass diese Art der Nahrungsaufnahme mit einem Male ganz aufhören sollte, wenn Blut und Gefässe ent- standen sind. Die allermeisten Missbildungen per defectum entste- hen in so frühen Perioden, dass die atrophischen Processe, die sie veranlassen, zum Theil gar nicht, zum Theil nicht mit Wahrschein- lichkeit auf locale Kreislaufsstörungen zurückgeführt werden kön- nen. Ueberdies sind die beiden Hauptmomente, welche bei ent- wickelten Individuen Gefässverstopfung und Veränderung der Weite der Gefässlumina bedingen, nämlich die Embolie und die glatten Muskelfasern der Gefässwandungen, während der früheren Entwicke- lungsperioden wenigstens nicht nachgewiesen. Es liegen uns noch einige interessante Thatsachen vor, welche auf die Bedeutung der direkten Aufnahme des Ernährungsmaterials aus dem eiweissartigen Dotterinhalte hinweisen. In den Eiern mit doppeltem Dotter kommt es nämlich bisweilen vor, dass die Cica- tricula des einen Dotters wie gewöhnlich die oberste Stelle ein- nimmt, während die Cicatricula des anderen Dotters eine tiefere Lage hat und der Seite oder der unteren Fläche seines Dotters aufsitzt (z. B. auf Taf. IX. Fig. h und G). In diesen Fällen habe ich gefunden, dass diejenige Cicatricula, welche die tiefere Stelle einnahm, in der Entwickelung sehr zurückblieb und früh zu Grunde 11 * 164 ging, während sich aus der nach oben gekehrten Cicatricula ein normaler Embryo entwickelte. Diese Thatsache, welche zeigt, dass die verschiedene, hier durch das specifische Gewicht sich zu erken- nen gebende Qualität des Dotterinhaltes, wodurch normaler Weise die Cicatricula immer nach oben gebracht wird, auch eine noth- wendige Bedingung für die Entwickelung ist, insofern nur der spe- cifisch leichtere, nicht der specifisch schwerere Theil des Dotter- inhaltes unmittelbar zur Ernährung des Embryo geeignet zu sein scheint. Auch wenn die Cicatricula an der Berührungsfläche bei- der Dotter lag, kam nie eine Entwickelung vor, wobei indess der locale Druck noch mit in Anschlag gebracht werden könnte. Es fragt sich aber ferner noch, ob die atrophischen Processe (hier des embryonalen Lebens) immer und ausschliesslich von einer quantitativen oder (|ualitativen Veränderung des Ernährungsmate- rials ausgehen müssen, und ob nicht die vitalen Qualitäten der Zellen dabei primär und direkt afficirt sein können? Diese Frage kann wohl nicht mit voller Bestimmtheit beantwortet werden. Dass nämlich Temperaturdifferenzen (wie in den meisten meiner Fälle) und viel- leicht auch mangelhafte Luftzufuhr u. dgl. atrophische Processe des Embryo bedingen, kann man eben so gut durch die Annahme erklä- ren, dass die Zellen selbst dadurch in ihren Lebensqualitäten alterirt und dadurch in ihrem Wachsthume beschränkt würden, als durch die Annahme, dass dieser Erfolg von einer primären Einwirkung auf das Ernährungsmaterial abhinge. Der Umstand aber, dass der Druck in so mächtiger Weise die embryonale Entwickelung alteri- ren und Atrophie bedingen kann, auch vor dem Auftreten des Kreis- laufes, scheint doch darauf hinzudeuten, dass eine direkte (nicht durch das Bildungsmaterial bedingte) Einwirkung auf die Zellen atrophische Processe bedingen kann. Besonders wichtig erscheint mir für das Verständniss der em- bryonalen Atrophie und der embryonalen Narbenschrumpfung noch der Umstand, dass diese Processe so oft mit den Verklebungen und Verwachsungen zusammen vorkommen, dass sich die Vermuthung aufdrängt, diese Processe möchten mit einander in Verbindung ste- hen. Dieses würde in der That der Fall sein, wenn die klebrige Substanz, durch welche die embryonalen Adhäsionen zunächst ent- 165 stehen, entweder aus den Zellen selbst stammt; indem sie durch die Zellenwandung hindurch transsudirt ist, oder indem sie durch eine Auflösung und Veränderung der Zellen und ihrer Wandungen selbst entstanden ist. Im ersteren Falle würde die Verklebung und die nachfolgende Verwachsung von einem gehemmten Wachsthume, im letzteren von einem wirklichen Schwunde oder Zugrundegehen zelli- ger Elemente abhängig sein. Diese Combination atrophischer Pro- cesse mit Verklebungen erinnert wieder daran, dass man nicht er- warten kann, während des embryonalen Lebens gerade dieselben Complexe von Erscheinungen der Ernährungsstörungen vorzufin- den, die wir bei entwickelten Individuen zu sehen gewohnt sind, wenn nicht die Grundfactoren wesentlich dieselben sind. Denn, wenn auch das Zusammenvorkommen von Verklebungen durch so- genannte exsudative Processe und von Verfall oder Atrophie zelli- ger Elemente bei entwickelten Individuen oft genug vorkommen, so sind hier doch gleichzeitig meist pathologische Wucherungspro- cesse und Kreislaufsveränderungen mit im Spiele, welche bei den embryonalen Ernährungsstörungen ganz in den Hintergrund tre- ten. Ich habe es deshalb absichtlich vermieden , die besproche- nen embryonalen Ernährungsstörungen als Entzündungen zu bezeichnen, obgleich eine solche Bezeichnung bei der Breite, die man diesem Begriffe gegeben hat, wohl zu rechtfertigen gewesen wäre. Schliesslich mag noch bemerkt werden, dass es dahingestellt bleiben muss, ob die embryonale Atrophie immer nur eine re- lative oder bisweilen auch eine absolute ist, d. h. ob der betreffende Theil nur durch das fortschreitende Wachsthum der anderen Theile relativ kleiner wird, oder ob seine Grösse absolut, durch wirkliches Ueberwiegen der regressiven Metamorphose abnimmt. Auch bezüg- lich der embryonalen narbenartigen Verschrumpfung muss es dahingestellt bleiben, ob hier wirklich ein der wahren Nar- bencontraction entsprechender Schwund durch Abnahme der In- tercellularsubstanz in Betracht kommt, oder ob es nicht vielmehr wahrscheinlich ist, dass dieselbe nur auf relativer Atrophie ei- nes blattartig ausgebreiteten Zellencomplcxes, wie das Hautblatt ihn darstellt, beruht; denn es ist oflenbar, dass in beiden Fällen De- 166 tbrmitäten durch ein Missverhältniss der Ausbreitung benachbarter Theile entstehen würde. Während der frühesten Bildung wird frei- lich eine wahre Narbencontraction , insofern dieselbe auf Schwund der Intercellularsubstanz beruht, eben wegen der höchst geringen Menge der Intercellularsubstanz nicht in Betracht kommen können, wohl aber späterhin, wenn pathologisch neugebildetes Bindegewebe vorkommt. Mit Rücksicht auf die noch mehr oder weniger verbreiteten theoretischen Ansichten über die Ursachen der einfachen Missbil- dungen dürfte es am Schlüsse dieses Abschnittes angemessen sein, dieselben mit den Resultaten zusammenzustellen, zu welchen ich durch meine Untersuchung gelangt bin. Die Annahme, dass nicht nur Entwickelungsstörung, sondern auch ursprüngliche Missbildung des Keimes alle möglichen Arten der Missbildungen, auch Defecte, Hemmungsbildungen u. s. w. hervorbringen könnte, die Bischoff noch 1842 *) vertrat, scheint kaum irgend eine andere Thatsache für sich zu haben, als die nicht abzuläugnende Verschiedenheit des Widerstandsvermögens gegen die krankmachenden Potenzen, oder mit anderen Worten, die verschiedene Prädisposition zu embryonalen Erkrankungen. Diese Prädisposition zu Erkrankungen ist aber auch bei verschiedenen gesunden und vollständig entwickelten Individuen vorhanden, und wir dürfen dieselben als innerhalb der normalen Grenzen indivi- dueller Verschiedenheiten liegend betrachten und daher hier wohl unberücksichtigt lassen. So lange also nicht anderweitige That- sachen vorliegen, welche zu der Annahme nöthigen, dass ursprüng- liche Fehler des Keimes zu einfachen Missbildungen führen können, glaube ich die Meinung festhalten zu dürfen, dass diese Classe der Missbildungen immer und ausschliesslich von Störungen der Entwicklung abhängt. Die Ansicht, dass die Grundursache der Missbildungen über- haupt nicht in den materiellen Verhältnissen, sondern in etwas Immateriellen zu suchen sei, bedarf hier wohl keiner ernstlichen Widerlegung, da sie unter den Aerzten und Naturforschern der Ge- *) Rudolph Wagners Handwörtcrbucli 1. |';ig. 8',»4. 167 genwart wohl kaum einen anderen namhaften Vertreter finden dürfte^ als den ultramontanen Herrn Ringseis. Wenn dieser sich noch vor wenig Jahren dahin aussprach^ dass die Krankheit ihren eigentlich- sten und innersten Sitz in der durch Lust und Begierde zunächst entzündeten und wild gewordenen Seele habe, und dass der Arzt, der das Wesen und die Kräfte des Exorcismus nicht kenne, des kräftigsten Heilmittels entbehre, so würde er freilich consequenter Weise wohl auch die Missbilduugen von entzündeten und wild ge- wordenen embryonalen Seelen zunächst ableiten. Die Discussion hierüber müssten wir aber Anderen überlassen, da sie sich auf einem jenseits der naturwissenschaftlichen Forschung gelegenen Gebiete bewegen würde. Die Theorie der Hemmungsbildungen, welche man wohl unter den Erklärungen der Ursachen der Missbildungen aufzuführen pflegt, iässt die Frage über die Ursachen der Hemmung ganz unerörtert, wie schon Bischoff und Rockitansky *) nachdrücklich bemerkt ha- ben. Diese Theorie machte in der Geschichte der Lehre von den Missbildungen Epoche, weil ihr der richtige Gedanke zu Grunde lag, dass der Schlüssel zum Verständniss der Missbildungen nothwen- dig in der Entwickelungsgeschichte gesucht werden müsse, indem die Entstehung der Missbildungen der Organe hauptsächlich, wenn nicht ausschliesslich,' in die Periode ihrer ersten Bildung falle. Auf eine Erörterung der Fragen: wie und wodurch die normale Ent- wickelung zur Zeit der ersten Bildung eines Organs so gestört wird, dass die Entwickelung ausbleibt oder abnorm wird? darauf Hess man sich, so lange man bei der Theorie der Hemmungsbil- dungen stehen blieb, gar nicht ein, und statt die pathologischen Processe zu verfolgen, erfreute man sich lange an den Thierähn- lichkeiten. Die Ursachen der Missbildungen würde diese Theo- rie nur dann berühren, wenn man von der Fiction ausginge, dass das supponirte Princip (der sogenannte Nisus formativus) oder die Idee der Entwickelung in sich primär erkrankt sei, und, gleichsam erschöpft, auf halbem Wege in ihrer Entwickelung stehen bliebe, eine Fiction, die zu bekämpfen, wir uns von unserem Standpunkte *') Pathologische Anatomie ;>te Aufl. 1855. 168 auS; wie gesagt, nicht berufen fühlen, da sie ihrem Wesen nach mit der Ringseisschen Auffassung der Krankheit zusammenfällt. Das sogenannte Versehen, das man herkömmlicher Weise bei Gelegenheit der Discussion über die Ursachen der Missbildungen zu besprechen pflegt, kann selbstverständlich bei der Entstehung der Missbildungen in den Vogeleiern während der Bebrütung gar nicht in Betracht kommen. Der Umstand, dass gerade Hemmungs- bildungen und Missbildungen per defectum, welche man ja bei dem sogenannten Versehen ganz vorzugsweise vor Augen gehabt hat, so ungemein oft in den Vogeleiern durch Entwickelungsstörungen während der Bebrütung entstehen, enthält ein neues, gewichtiges Argument gegen den vermeintlichen Einfluss des Versehens. Bei dem Menschen und den Säugethieren wäre es, wie Bischoff bemerkt, a priori nicht ganz undenkbar, dass Gemüthsbewegungen der Mut- ter, welche von einer Aufregung der Phantasie ausgingen, solche chemische Veränderungen des mütterlichen Blutes hervorrufen könnten, welche Erkrankung des Embryo, und dadurch Missbildun- gen desselben bedingen könnten. Dass aber diese Möglichkeit bei der Entstehung der Missbildungen irgend wesentlich in Betracht kommen sollte, wird schon dadurch sehr unwahrscheinlich, dass eine solche Einwirkung nur während der frühesten Schwanger- schaftsperioden, zu der Zeit, in welcher die erste Bildung und An- lage der missgebildeten Theile erfolgt, überhaupt denkbar sein würde. Es wird aber im allerhöchsten Grade unwahrscheinlich, dass dieselbe überhaupt in Betracht kommen kann, wenn wir ge- sehen haben, dass dieselben Missbildungen, wenigstens ebenso häu- fig, wie es scheint aber noch viel häufiger, als bei Menschen und Säugern, in den Vogeleiern durch gestörte Entwickelung entstehen. Die Ansicht, dass die mechanischen Einflüsse das wesent- lichste Moment für die Entstehung der einfachen Missbildungen ab- gäben, wurde bekanntlich von Lemery begründet und unter Anderen von Geofifroy Vater und Sohn ebenso eifrig vertheidigt, als sie von Meckel und Anderen bekämpft wurde. Bischoft' suchte die mecha- nischen Einflüsse auf ein ziemlich geringes Maass zurückzuführen, indem er (1. c. pag. 890) sie zu den selteneren veranlassenden Ur- sachen der Missbildungcn zählte. Es dürfte aus den oben (Pag. 95 169 bis 104) gegebenen Erörterungen wohl mit Sicherheit hervorgehen^ dass BischofF die Bedeutung des mechanischen Momentes allzusehr geschmälert hat, und aus seiner Darstellung geht hervor, dass er besonders die absolut äusseren mechanischen Einvi^irkungen vor Augen gehabt, aber diejenigen mechanischen Wirkungen nicht hin- reichend gewürdigt hat, welche durch Adhäsionen der Embryonal- anlage, durch abnorme Lage einzelner Theile des Embryo, durch krankhafte Beschränkung des Wachsthums der den Embryo um- gebenden Keimscheibe, und der einen Theil umgebenden Haut, durch Ansammlung von Flüssigkeiten in geschlossenen Körperhöh- len u. s. w. den Embryo während seiner Entwicklung auch dann treffen können, wenn er, wie im Vogeleie, gegen mechanische Insulte der Aussenwelt möglichst gesichert ist. Wenn wir demnach nicht anstehen, die mechanischen Einflüsse zu den allerwichtigsten und allerhäufigsten veranlassenden Ursachen der Missbildungen zu zäh- len, so können wir doch auch denen durchaus nicht beitreten, welche diesem Momente eine exclusive Geltung zu geben versucht haben. Hierbei hatte man den Umstand übersehen, dass die zweite Klasse derjenigen Potenzen, welche überhaupt Ernährungsstörungen hervorrufen können, nämlich die chemischen Veränderungen, auch die embryonalen Gebilde afficiren können. Im Vogeleie haben wir namentlich den Einfluss der Temperaturschwankungen kennen ge- lernt, durch welchen offenbar zunächst der Chemismus im Eie ver- ändert werden muss; auch diejenigen Veränderungen, welche die Wechselwirkung der äusseren Luft mit dem Eiinhalte durch abnorme Veränderungen der Dichtigkeit der Schale erfahren können, kommen hier vielleicht in Betracht, obgleich Dieses an und für sich noch nicht genügend festgestellt ist. Anderentheils ist es jedoch noch ganz un- bekannt, ob die Veränderung der Sauerstoffzufuhr oder die verän- derte Ausscheidung der im Eie producirten Kohlensäure, oder die Verdunstung hier besonders in Betracht zu ziehen ist. Beim Men- schen und den Säugethieren werden die Temperaturschwankungen freilich wohl nur in untergeordneter Weise als Ursache derjenigen Ernährungsstörungen der embryonalen Gebilde, durch welche Miss- bildungen entstehen, in Betracht kommen können, da die Tempera- tur der Mutter unter gewöhnlichen Verhältnissen so gleichmässig ist. 170 Dennoch scheint mir immerhin die Möglichkeit vorhanden zu sein, dass die in gewissen Krankheiten vorkommenden Temperaturschwan- kungen des mütterlichen Blutes, z. B. das tiefe Sinken der Blut- wärme in der Cholera und das Steigen derselben in gewissen Fie- bern, dem Embryo des Menschen und der Säuger in ähnlicher Weise gefährlich werden könnten, wie dem Embryo im Vogeleie. Ferner lässt es sich nicht a priori entscheiden, in wiefern locale Erkältung des Unterleibes und der Genitalien der Mutter eine Abkühlung des Embryo herbeiführen kann, welche Ernährungsstörungen und dem- nächst Missbildungen hervorrufen könnte. Dafür aber sind die Em- bryonen des Menschen und der Säuger bei Krankheiten der Mutter vielen anderen chemischen Schädlichkeiten durch den endosmoti- schen Stoffwechsel mit dem mütterlichen Blute viel mehr ausgesetzt, da dieser jedenfalls sehr viel complicirter ist, als der Stoffwechsel des Inhaltes eines Vogeleies mit der atmosphärischen Luft. Spe- cielleres wird sich freilich hierüber erst dann sagen lassen, wenn genauere Beobachtungen über die Missbildungen der Embryonen in Aborten und über den Gesundheitszustand der Mütter, welche einfache Missbildungen zur Welt gebracht haben, vom ersten Anfange der Schwangerschaft an vorliegen werden. Ausser- dem haben aber diejenigen, welche dem mechanischen Momente bei der Entstehung der Missbildungen eine exclusive Geltung zu geben versucht haben, nicht mit der nöthigen Bestimmtheit daran gedacht, dass die mechanische Wirkung nicht eine todte Masse trifft, sondern in lebhaftester Entwickelung begriffene Zellencom- plexe, deren vitale Kräfte, gleichzeitig durch das mechanische Mo- ment afficirt, ein vom normalen abweichendes Produkt liefern müs- sen. Für die Entstehung der Missbildungen, welche durch Störung der Entwickelung hervorgerufen werden, kann aber das mechani- sche sowohl als das chemische Moment jedenfalls doch nur als eine relativ äussere Ursache in Betracht kommen, denn die nächste materielle Ursache muss nothwendig in der Art und dem Ver- laufe der Ernährungsstörung selbst gesucht werden, welche aus der Wechselwirkung des relativ äusseren mechanischen oder chemischen Momentes mit den vitalen Kräften der embryonalen Zel- lencomplexc rcsultirt. Bei entwickelten Individuen sehen wir aber, 171 dass diejenigen Ernährungsstörungen^ welche in einem Organe durch eine relativ äussere mechanische Ursache hervorgerufen werden, und diejenigen, welche durch eine relativ äussere chemische Schäd- lichkeit entstehen, eine grosse Uebereinstimmung in ihren Erschei- nungen zeigen. Es kann daher nicht im Mindesten befremden, wenn die durch verschiedene, relativ äussere Ursachen hervorgeru- fenen embryonalen Ernährungsstörungen, welche zu Missbildungen führen, eine gleiche Uebereinstimmung zeigen, dass z. B. eine Tem- peraturschwankung ebensowohl eine Verklebung und nachfolgende Verwachsung, oder Atrophie eines embryonalen Gebildes zur Folge haben kann, wie ein Druck desselben embryonalen Gebildes durch andere im Eie enthaltene Körper. Unserer Aufstellung, dass die embryonalen Ernährungsstörun- gen selbst die nächste Ursache der einfachen Missbildungen sind, steht unter den bisherigen Theorien diejenige am nächsten, welche die Missbildungen von den Krankheiten des Embryo ableitete, und welche unter den Neueren besonders von Otto *) entwickelt wurde. Sie würde mit derselben ganz zusammenfallen, wenn meine Vor- gänger nicht zu sehr in den ontologischen Krankheitsbegriffen be- fangen gewesen wären, und wenn sie nicht die Verschiedenheiten der Krankheitsprocesse bei entwickelten und bei embryonalen In- dividuen allzusehr ausser Acht gelassen hätten. Hiergegen sprach BischofF sich (1. c. pag. 891 u. flgd.) in folgender Weise aus: ^Man „beruft sich zur Unterstützung dieser Ansicht auf die Krankheiten, „mit welchen behaftet man den Fötus öfters hat geboren werden „sehen: Entzündungen, Tuberkeln, Scrophulosis, Rhachitis, Syphi- „lis etc., welche auch in früher Zeit vorhanden gewesen sein könn- „ten, und Organe zerstört und entstellt haben. Vorzüglich aber „sind es die Missbildungen von Acephalie, Anencephalie, Hemice- „phalie, Spina bifida etc., in welchen mit grosser Wahrscheinlich- „keit, ja durch mehrere Fälle geradezu bewiesen, frühe Gehirn- „und Rückenmarkswassersucht die Ursache dieser und vieler damit „in Verbindung stehender Missbildungen war. Bleibt man aber „bei diesen allein durch Thatsachen der Erfahrung bewiesenen Fäl- ■■) öcxcentorum nionstroium desciiptio iinatoraica 172 „len stehen, so muss man eingestehen, dass sie doch immer nur „einen kleineu und ganz bestimmten Kreis von Missbildungen um- ,,fassen. So gewiss man zugeben und behaupten muss, dass beson- „ders die letzten Zustände Missbildungen hervorbringen, so wenig ,,wird ein unbefangenes Urtheil diese Ursache allgemein ausdehnen „wollen und können. Ansammlungen von Wasser, oder besser se- „röser Flüssigkeit in geschlossenen und noch nicht geschlossenen „hohlen Röhren, Kanälen und Höhlen, ist ein so einfacher, keine „grossen pathologischen Ursachen voraussetzender Vorgang, dass „wir ihn ohne Bedenken als sehr wahrscheinlich auch beim Fötus „annehmen dürfen. Hierdurch kann leicht Nichtvereinigung oder „abermalige Spaltung der durch Rücken- und Bauchplatten gebil- „deten Röhren des Schädels, des Rückgrades, der Bauch- und Brust- „höhle, der Medullarröhre, des Kanales der Allantois u. s. w. her- „vorgebracht und dadurch eine Menge Missbildungen verursacht „werden. Schon die Entzündung scheint mir indessen ein kaum „in grösserer Ausdehnung zuzugebender pathologischer Zustand, „so wie denn auch eine solenne Entzündung irgend eines Theiles „in früherer Zeit, soweit mir bekannt, durch keine Beobachtung er- „wiesen ist. Noch weniger sind unzweifelhafte Fälle von Indura- „tion, Eiterung und Brand, ebenfalls in früherer Zeit, wo allgemein „Zugegebenermassen die meisten Missbildungen entstehen, beobach- „tet worden. Dass Dyskrasien, wie Tuberkeln, Skropheln, Rhachitis, „Syphilis etc., von der Mutter auf den Fötus übergehen, ist leicht „begreiflich bei dem Austausch der Säfte zwischen beiden. Aber „dass durch dieselben einzelne Organe des Fötus gänzlich zerstört, „und die übrigen dabei in vollem Wohlsein erhalten werden soll- „ten, wie dieses doch meist bei den Missbildungen der Fall ist, „halte ich für sehr unwahrscheinlich. So wie eine solche Betrach- „tung der krankhaften Processe, welche Missbildungen veranlasst „haben könnten, so zeigen nicht minder auch die Missbildungen „selbst, wie jene im Allgemeinen nur selten Ursachen ihrer „Entstehung sein können. Besonders sind es die Doppelmissbil- „düngen, die, so sehr man gerade über sie in dieser Hinsicht gc- „strittcn hat, gewiss nur mit der grösstcn Unwahrschcinlichkeit von 173 „pathologischen Ursachen abgeleitet werden können „Ausserdem sind aber auch alle die Missbildungen, die man als „Situs perversus oder Fabrica aliena bezeichnet, gar nicht geeig- „net, aus krankhaften Veränderungen abgeleitet zu werden ; ich „meine nicht sowohl Versetzungen der Eingeweide der Brust- und „Bauchhöhle, als besonders die Fehler in der Herzbildung, die „Varietäten in der Gefässvertheilung und manche Bildungsabwei- „chung der Genitalien. Es ist unmöglich, bei solchen Ueberlegun- „gen pathologische Processe als allgemein bewirkende Ursache für „alle Missbildungen zu betrachten, sie wird gleich den übrigen „auf einzelne und gewisse Fälle beschränkt werden müssen." Man sieht sogleich, dass diese Einwürfe BischofFs gegen die von Otto u. A. aufgestellte Abhängigkeit der Missbildungen von den Krankheiten des Embryo, unsere Auffassung in keiner Weise tref- fen. Wenn man nur die ontologischen Krankheitsbegriffe vor Augen hat, welche für entwickelte Individuen gültig, in den bisherigen no- sologischen Systemen aufgeführt sind, so ist Bischoffs Beschränkung der ursächlichen Abhängigkeit der einfachen Missbildungen von sol- chen pathologischen Zuständen des Embryo nicht nur gerechtfer- tigt, sondern wahrscheinlich noch weiter auszudehnen. Tuberkeln, Skrophulose, Rhachitis, Syphilis etc., welche bei neugeborenen Kin- dern diagnosticirt würden, zeigen sich meist selbst bei der Geburt und am Schlüsse der Entwickelungsperiode in wesentlich anderer Gestalt, als bei entwickelten Individuen; in den frühesten Entwicke- lungsperioden, um die Zeit, da die Organe und die Missbildungen derselben entstehen, wird sie gewiss Niemand mit Hülfe der für entwickelte Individuen gültigen Kennzeichen diagnosticiren können. Die ganze Nomenclatur der auf so höchst verschiedenartigen Grund- lagen construirten Krankheitsbegriffe muss bei der Erforschung der pathologischen Zustände des Embryo in den frühesten Stadien einst- weilen aufgegeben werden, besonders insofern einzelne prädomini- rende Symptome oder gewisse Symptomencomplexe, die Prognose, pathologische Anatomie u. s. w. ihnen zu Grunde liegen. Nur die auf ätiologischen Momenten begründeten gangbaren Krankheitsbegriffe, deren Symptomatologie auch bei entwickelten Individuen eine sehr 174 grosse Mannigfaltigkeit darzubieten pflegt^ konnten möglicher- weise auch bei den jungen Embryonen zur Geltung kommen. Wenn z. B. ein gewisser KrankheitsstofF, ein specifisches ViruS; einer gewissen Krankheit zu Grunde liegt und den Krankheitsbe- griiF unabhängig von den Erscheinungen und von den pathologisch- anatomischen Veränderungen bestimmt, so würde man allerdings auch beim jungen Fötus von dieser Krankheit sprechen können, wenn nachgewiesen wäre, dass dasselbe Virus diesen Fötus krank gemacht habe, obgleich die Erscheinungen und pathologischen Ver- änderungen, die es in demselben hervorruft, wesentlich andere sind, und eine ganz andere diagnostische Grundlage haben. Diese Be- dingungen werden aber jedenfalls noch sehr lange unerfüllt blei- ben; es ist ja z. B. für die Syphilis, für die verschiedenen exan- thematischen Krankheiten u. s. w. die Annahme specifischer Krank- heitsstoife durchaus hypothetisch und eine chemische Charakteristik oder gar ein analytischer Nachweis solcher specifischen Krankheits- stofFe ist vorläufig ganz unmöglich. Aber es steht, auch abgesehen von den ontologischen Krankheits- begrifFen, schon a priori zu erwarten, dass die constituirenden Ele- mente der Krankheiten, die pathologischen Processe, sich wäh- rend der frühesten Perioden des embryonalen Lebens so wesentlich anders gestalten werden, als bei entwickelten Individuen, dass man die geläufigen Bezeichnungen nicht ohne Bedenken wird festhalten können. Bischoff hatte somit gewiss Recht, wenn er sagte, dass die Entzündung in dem 1842 geläufigen Sinne ein kaum in grösserer Ausdehnung für die Entstehung der Missbildungen in Betracht kommender pathologischer Zustand sei, sowie auch dass eine solenne Entzündung irgend eines Theiles in früherer Zeit, wo die meisten Missbildungen entstehen, ebenso wenig beobachtet sei, wie die Ausgänge der Entzündung, Induration, Eiterung und Brand. Daraus folgt aber natürlich durchaus nicht, dass einfache Missbil- dungen überhaupt anders als durch pathologische Processe entstehen können. Wir haben im Vorstehenden drei Formen der Ernährungs- störungen der embryonalen Gewebe kennen gelernt: 1) Verkle- bungen und Verwachsungen, 2) seröse Ergüsse, zunächst im Me- 175 dullarrohre und 3) die embryonale Atrophie nebst der embryonalen narbenartigen Verscbrumpfung. Indem ich diese drei Formen auf- stellte und unterschied, wollte ich damit keineswegs die Meinung aussprechen, als ob hier drei verschiedene pathologische Processe vorlägen. Die sehr häufige Gleichzeitigkeit des Auftretens der em- bryonalen Verklebungen oder Verwachsungen mit der embryonalen Atrophie und der embryonalen narbenartigen Verschrumpfung deu- ten darauf hin, dass sie von einem gemeinschaftlichen pathologi- schen Processe ausgehen. Die pathologische Erweichung, welche Obigem zufolge die serösen Ergüsse im Medullarrohre an den Stel- len begleiten muss, wo sich z. B. eine Spina bifida bilden soll, und welche man füglich als eine vierte Form der Ernährungsstörungen embryonaler Gewebe bezeichnen könnte, wenn nicht die Zahl der betreffenden Fälle hierfür noch etwas zu gering wäre, könnte eben- falls mit nicht geringer V^ahrscheinlichkeit zu den serösen Ergüssen in eine solche Beziehung gebracht werden, dass beide von einem gemeinschaftlichen Processe ausgingen, der vielleicht mit jenem (bei welchem Verklebung und Atrophie zusammen vorkommen) ebenso innig verwandt sein mag, wie die Entzündung mit plastischem und die Entzündung mit serösem Exsudate. Da wenigstens die Ver- klebungen und Verwachsungen, sowie die embryonale Atrophie und die narbenartige Verschrumpfung schon vor dem Auftreten des Blutes und des Kreislaufes vorkommen, so ist es klar, dass sie zunächst als Erscheinungen einer pathologischen Zellenthätig- keit aufzufassen sind, und dass Kreislaufsstörungen für dieselben nicht wesentlich sind, obgleich sie, wie die pathologischen Ver- hältnisse des Bluthofes es zeigen, secundär auftreten können, und dann den weiteren Verlauf wahrscheinlich modificiren werden. — Insofern man nun das vor wenig Jahren allgemein verbreitete Dogma, dass die Entzündung von Veränderungen der Kreislaufs- erscheinungen ausgehen müsse, noch festhalten wollte, so könn- ten die erstgenannten embryonalen Ernährungsstörungen, welche an der Entstehung der Missbildungen den wesentlichsten Antheil haben, selbstverständlich nicht Entzündungen genannt werden. Wenn man aber auch von der nicht primären und nicht wesent- 176 liehen Betlieiligung des Blutes und der Gefässe an den in Rede stellenden embryonalen Gewebsveränderungen absieht, so scheinen denselben sowohl die nekrotisirenden Processe, als auch die Wu- cherungen, welche die Entzündungen entwickelter Individuen zu begleiten pflegen, zu fehlen, und man könnte auch wegen dieser Abweichungen die besprochenen Störungen der embryonalen Ge- websernährung nicht als Entzündung, in dem früher gangbaren Sinne des Wortes, bezeichnen. Der Unterschied der in Rede ste- henden embryonalen Ernährungsstörungen vom Entzündungsprocesse entwickelter Individuen, erscheint indess weniger wesentlich, wenn man denjenigen Factor der Entzündung besonders ins Auge fasst, den Virchow zuerst vollkommen gewürdigt hat, nämlich die Be- theiligung der vitalen Zelleneinheiten an den parenchymatösen Ernährungsvorgängen. Denkt man sich dabei die vom Blute, den Gefässen und dem Kreislaufe unmittelbar abhängigen Erscheinungen hinweg, so bleibt den Geweben immer noch ein vitaler Hauptfactor, der auch pathologischen Veränderungen ausgesetzt ist, nämlich das in gewisser Hinsicht selbstständige Leben der zelligen Elemente. Dieses giebt sich aber, Virchow zufolge, nach zwei Richtungen hin kund, einerseits in functioneller Beziehung, welche besonders von Zelleninhalt und Zellenwand abzuhängen scheint, und andererseits in der Erhaltung, Erneuerung und Vermehrung, wobei besonders die Kerne betheiligt zu sein scheinen. — Im entwickelten Zustande, bei Erwachsenen, behauptet sich die einmal gegebene Zahl der zel- ligen Elemente normaler Weise ungefähr in statu quo, oder es wird mit anderen Worten die (wahrscheinlich von den Kernen ausgehende) Reproduction der Zellen auf ein Minimum herabgesetzt. Patholo- gische Veränderungen können bezüglich der Reproduction dann nur entweder eine Vermehrung der reproductiven Thätigkeit (Wuche- rung) oder eine Zerstörung zelliger Elemente bedingen. Im em- bryonalen Zustande ist die Zahl der zelligen Elemente normaler Weise in ungeheuer rascher, möglichst starker Zunahme begriffen, so dass bei eintretenden Veränderungen eine Steigerung der Repro- duction unmöglicli ist, wohl aber eine Beeinträchtigung derselben, wodurch sie selbst auf ein Minimum, das ist auf Erhaltung des Sta- 177 tus quO; lierabgesetzt wird. — Die embryonalen Verklebuiigen sind aber in ihrer Erscheinung den Verklebungen durch sogenannte fa- .serstoffige Exsudate bei entwickelten Individuen im Ganzen entspre- chend^ obgleicli die verklebende Substanz^ beim Fehlen der Gefässe in den frühesten EntwickelungsperiodeU; bei den embryonalen Ver- klebungen offenbar nicht als ein Exsudat oder Transsudat im bana- len Sinne aufgefasst werden kann. Ich habe indess schon früher (1851) hervorgehoben ; dass es keineswegs bewiesen ist; dass der Faserstoff der sogenannten Exsudate zunächst und direkt aus dem Blute stammt und in die Gewebe transsudirt, sondern dass gewisse Thatsachen dafür sprechen, dass derselbe vielmehr ein Produkt der Gewebe ist und vom Blute aufgenommen wird. Unter der Vor- aussetzung; dass diejenige klebrige Substanz^ welche die embryo- nalen Adhäsionen zunächst zustandebringt, Faserstoff wäre, würde das Vorkommen derselben vor dem Auftreten von Blut und Ge- fässen letztere Auffassung fast geradezu beweisen. Wenn auch diese Voraussetzung zur Zeit noch etwas zu gewagt sein dürfte, so wird doch aus Vorstehendem hervorgelien, dass die Verwandt- schaft der in Rede stehenden embryonalen Ernährungsstörungen mit den bei entwickelten Individuen gewöhnlichen Formen keineswegs ausgeschlossen ist. In etwas späteren Perioden, w^o Blut und Ge- fässe bereits vorhanden waren, jedenfalls aber noch innerhalb des Zeitraums der Formentwickelung der Organe, während dessen die Missbildungen entstehen, haben wir überdies (Taf. VI. Fig. 4) un- ter den Produkten der Ernährungsstörung mikroskopische Elemente gefunden, w^elche mit den gewöhnlichen Entzündungsproducten eine grosse Uebereinstimmung zeigen. Immerhin würde es sich somit, mit Bezugnahme auf Virchow's Aufstellung der „parenchymatösen Entzündung," rechtfertigen lassen, die in Hede stehenden embryo- nalen Ernährungsstörungen als eigenthümlich modificirte Entzün- dung zu bezeichnen; ich habe indess absichtlich diese Bezeichnung vermieden, um Missverständnissen vorzubeugen, und die ganz allge- meine, ]Nichts präjudicirende Bezeichnung „Störungen der em- bryonalen Gewebs ernähr ung" vorgezogen. Genauere histolo- gische Untersuchungen werden vielleicht noch manche Aufklärungen l'uninn, Untersucliungfüi. 12 178 über diese Vorgänge ergeben; wie diese aber auch ausfallen mögen, so werden sie unsere Aufstellung, dass alle einfachen Missbildun- gen und manche Formen der allerdings zugleich eine präformirte. Abnormität der Eier voraussetzenden Doppelmissbildungen zunächst durch pathologische Veränderungen der embryonalen Gewebsernäh- rung hervorgebracht sind, nicht alteriren. Die einfachen Missbil- dungen können mit a^nderen Worten von Krankheiten des Embryo abgeleitet werden; diese Krankheiten des Embryo können aber nicht ohne Weiteres zu den Krankheiten der gewöhnlichen nosologischen Systeme in Beziehung gebracht werden. Zweiter Abschnitt. Die Beziehungen der Abnormitäten der Eier zur Entstehung der Missbildungen. 12 * Erstes Kapitel. Die Abnormitäten der Vogeleier vor der Bebrütiing. Die Eier der Vögel zeigen bei derselben Species sehr ver- schiedene und bedeutende Abnormitäten, deren wichtigste Formen folgende sind: 1. Eier, deren Kalkschale selir dünn ist oder ganz fehlt. Die Dicke der Kalkschale ist bei Hühnereiern bekanntlich sehr ver- schieden, und man findet alle möglichen Uebergänge von der gröss- ten Dicke bis zum gänzlichen Fehlen. Wenn die Kalkablagerung so gering ist, dass die Form der Schale ohne merklichen Bruch verändert werden kann, so pflegt man die Eier als Eier ohne Kalk- schale oder als weiche Eier zu bezeichnen. Gewöhnlich findet man aber auch in der Hülle dieser letzteren eingestreute Kalkpartikel- cheU; die beim Durchschneiden mit dem Messer wie Sand empfun- den werden. Bisweilen bilden sie selbst ein vollständiges, aber höchst zartes und äusserlich mit blossem Auge nicht sichtbares Netzwerk, das bei leichtem Drucke mit leisem knisterndem Geräu- sche zerbricht, das aber einer oberflächlichen Beobachtung ganz entgeht. In einigen Fällen fehlten indess grössere Kalkpartikelchen gänzlich; so dass das Messer wie durch gehärtetes Eiweiss durch die Schale ging. Solche Eier ohne Kalkschale zeigen in der Re- gel, wenn nicht immer zugleich 2. Abnormitäten der Form. Diese kommen jedoch auch in sol- chen Fällen vor, wo eine zusammenhängende harte Kalkschale vor- handen war. Solche Abnormitäten der Form sind auf Taf. YHI. Fig. 1, 3 und 4 abgebildet. Fig. 1 zeigt ein Hühnerei in natürlicher Grösse, das länglich und gekrümmt war, und das nur eine ganz kleine Spur eines gelben Dotters, etwa von der Grösse eines Steck- nadelknopfcö enthielt. Die Kalksclialc war zicndicli dünn und eben, 182 au der concaven Seite der eingeschnürten Stelle sah man jedoch faltige Erhabenheiten, die von Kalk incrustirt waren. — Ein anderes, ebenfalls mit ziemlich dünner Kalkschale versehenes Hühnerei zeigte am spitzen Ende eine ähnliche Produktion wie das in Fig. 4 der Taf. VIII abgebildete, nur dass dieselbe mit einer festen Kalkschale versehen war. Das in Fig. 4 in halber linearer Grösse abgebildete Hühnerei enthielt in der Schale Kalkpartikelchen, die beim Ein- schneiden gefühlt wurden. Das spitze Ende lief bei diesem sehr grossen Eie in einen sich umbiegenden und m.it einer Spitze endi- genden Zipfel aus, und es enthielt nur einen Dotter. Das in Fig. 3 abgebildete Ei unterscheidet sich besonders dadurch vom vorher- gehenden, dass der Appendix, der vom einen Eiende abgeht, zu- nächst am Eie eine Einschnürung zeigt, hinter welcher derselbe sich wieder erweitert, um darnach wieder in eine Spitze auszulaufen. Auch dieses Ei war durch seine Grösse auffallend, enthielt aber doch nur einen Dotter; in der Schale desselben wurden auch beim Einschneiden keine Kalktheile bemerkt. In einem anderen Falle war der Appendix, der hier deutlich vom spitzen Eiende ausging und der nahe am Eie eine Einschnürung zeigte, wie bei dem vor- hergehenden am freien Ende vollkommen abgerundet, anstatt in eine Spitze auszulaufen, wodurch derselbe ganz das Aussehen eines kleineren Eies gewann, das mit dem grossen durch ein verhältniss- mässig sehr dickes, mit Querfalten versehenes Zwischenstück zusam- menhing. In wiederum anderen Fällen war der Grössenunterschied des Appendix und des eigentlichen Eies nur gering, so dass zwei Hühnereier durch ein gefaltetes Zwischenstück zusammenzuhängen schienen. Der Appendix oder das kleinere Ei schien in den Fäl- len, die ich untersuchen konnte, nur Eiweiss zu enthalten, während das grössere oder eigentliche Ei einen, immer aber auch nur einen Dotter enthielt. Da ich jedoch solche Eier nur geöffnet habe, nach- dem sie in Spiritus gelegen hatten, so ist es sehr wohl möglich, dass ein ganz kleiner, etwa stecknadelknopfgrosser Dotter im Appendix oder im kleineren Eie vorhanden gewesen sein kann. Im letzteren Falle würden wirklich zwei Eier mit einander verbunden sein, ein reifes und ein unreifes, luid es würden die letztgenannten Bildungen dann leicht verständlich sein. Falls aber wirklich gar kein Dotter 183 im Appendix vorhanden war, was besonders bei den erstgenannten Formen, wo ein schmälerer und spitz zulaufender Appendix gefun- den wurde, wahrscheinlich ist, so muss die bei der Bildung der weis- sen Eischale stattfindende Ablösung der Schleimhaut des Oviducts sich bei übermässiger Eiweissbildung über die normale Grenze hin- aus erstreckt und dabei einen Eiweissklumpen eingeschlossen ha- ben. Die Hauptursache der genannten Bildungen liegt jedenfalls in pathologischen Vorgängen im Oviduct, sei es nun, dass diese rein localer Art sind oder dass constitutionelle Verhältnisse, die na- mentlich von ungenügender Kalkzufuhr abhängen könnten, daran Antheil haben mögen. Die Abnormitäten der Form, welche die Eier ohne feste Kalkschale in der Regel oder immer darbieten, und das Vorkommen solcher Abnormitäten der Form bei entwickel- ter, harter Kalkschale sprechen aber offenbar gegen die Annahme, dass eine zu geringe Kalkzufuhr die alleinige Ursache derselben sein sollte. Sehr räthselhaft ist ein von v. Baer (Memoires de Facad. imp. des Sciences de St. Petersbourg 1845) erwähnter Fall, wo ein Ei, dem die harte Kalkschale fehlte, an der Brust einer Henne, zwischen der Haut und den Muskeln, gefunden wurde. 3. Eine viel zu geringe Grösse ist ein nicht seltener Feh- ler der Vogeleier, 'besonders der Hühnereier. Wenn die Hühner zu Anfang des Winters bald aufhören Eier zu legen, so fallen die Eier durchschnittlich kleiner als im Sommer, und einzelne Eier zeichnen sich dann, wie v. Baer auch bemerkt hat, gerade um diese Zeit durch ausserordentliche Kleinheit aus, so dass selbige zur Grösse eines Taubeneies und noch darunter hinabsinken kann. Ich habe solche Zwergeier übrigens auch zu der Zeit erhalten, da die Hühner wieder anfingen Eier zu legen. Ob die ziemlich ver- breitete Meinung, dass sie besonders von sehr jungen Hühnern her- rühren sollen, begründet ist oder nicht, darüber habe ich keine Erfahrungen; ich möchte aber auf ein solches Gerücht gar kein Gewicht legen, da man gewöhnlich nicht die Henne angeben kann, die das betreffende Ei gelegt hat, und da die lächerliche Volks- sage, es seien solche kleine Eier von Hähnen gelegt, vielleicht ebenso verbreitet ist. Man findet zwinclicn kleinen Eiern und Eiern 184 von gewölmlicher Grösse übrigens alle mögliclien Zwischenstufen. Ihre Form ist sehr verschieden^ bald länglich^ bald breit und kuglicht (Fig. 2); oft sind sie deform^ besonders am spitzen Elende^ bisweilen mit einer kleinen Kuppel versehen^ bisweilen mit einer Spirallinie, die in einer Spitze endigt^ bisweilen durch Kalkkörner ganz rauh. In den allerkleinsten^ unter der Grösse eines Taubeneies^ fand v. Baer keinen gelben Dotter, wohl aber wurde in den etwas grösseren ein kleiner gelber Dotter gefunden. Ich habe auch in solchen Hühner- eiern, welche bedeutend kleiner waren als Taubeneier, einen ganz kleinen Dotter in allen den Fällen gefunden, wo ich das Ei frisch geöffnet habe. Derselbe war aber dann nicht grösser als ein Steck- nadelknopf, so dass er gewiss übersehen worden wäre, wenn das Ei einfach ausgeblasen, oder wenn es in Spiritus oder durch Ko- chen gehärtet worden wäre. — Ich glaube hieraus schliessen zu dürfen, dass diese Zw^ergeier in der That sehr unreife Eier sind, die den Inhalt eines viel zu früh geplatzten Eierstocksfollikels ber- gen, und nicht etwa abnorme Produkte des Eileiters allein. — Es wurde schon oben erwähnt, dass der Appendix, dessen oben gedacht wurde, und der bisweilen ganz die Form eines kleinen Eies hat, ebenfalls vielleicht ein solches unreifes Ei ist. 4. Das sogenannte Ovum ovo praegnans oder Ei im Ei, wobei man ein kleineres, mit harter Kalkschale versehenes Ei in einem grösseren, ebenfalls mit harter Kalkschale versehenen Eie findet, habe ich nur einmal gesehen. Dieses Ei, das von einer Truthenne herrührt, findet sich in der Sammlung der Königl. Veterinärschule zu Copen- hagen. Es waren nur die ausgeblasenen Schalen vorhanden, es soll aber das grössere Ei einen gelben Dotter enthalten haben, welcher der Kalkschale des inneren Eies unmittelbar anlag und mit demselben gemeinschaftlich vom Eiweiss umhüllt war. Die Grösse des kleineren Eies entsprach einigermassen derjenigen eines ge- wöhnlichen Eies der Truthenne, das grössere war verhältnissmässig colossal. Mehrere solche Fälle sind in Kccueils des Curieux de la nature und in Isid. Geoffroy's Teratologie verzeichnet. Neulich (im Mai 1858) wurde auch in verschiedenen Zeitungen von einem Eie einer Cochinchinahenne berichtet, das in Holland gelegt, 17 Loth wog, und das ausser 2 Dottern ein gew()hnlichcs Hühnerei mit har- 185 ter Schale enthielt. Offenbar einen Uebergang zu dieser Abnor- mität des Eies im Ei habe ich einmal bei einem Taubenei gesehen^ indem am einen Ende eines grösseren Eies ein kleineres kiippel- tormig hervorragte während eine vollständige Kalkschale auch im Inneren das kleine Ei vom grösseren trennte. Die Entstehung des Ovum ovo praegnans erklärt sich durch die Annahme, dass ein im Oviduct herabgestiegener Dotter im so- genannten Uterus der Henne ein fertiges Ei vorfindet^ das mit ihr in die neue Schale eingeschlossen wird. 5. An die soeben besprochene Missbildung scliliessen sich die bei weitem häufigeren Fälle an, wo zwei oder mehr Dotter von einer gemeinschaftlichen Schale umgeben sind. Schon Fabricius ab Aquapendente *) und Harvey *•') erwähnten der Eier mit dop- peltem Dotter, und Wolff*"^*) lieferte eine genauere Beschreibung dieser Eier, deren er mehrere gesehen hatte, und die er nicht für sehr selten hielt. Er entwickelte sehr entschieden die Ansicht, dass diese Abnormität dadurch zustandekomme, dass 2 aus verschiedenen Eierstockfollikeln kurz nach einander gelöste Dotter im Eileiter zuerst von gemeinschaftlichem Eiweiss und demnächst von einer gemeinschaftlichen Schale umgeben würden. Fremy und Valen- ciennes *) haben über das Vorkommen dieser Eier ausführliche Un- tersuchungen angestellt. Nach ihnen sollen unter 140 Millionen Eiern, die jährlich in Paris auf den Markt kommen, 200 — 300 mit doppeltem und 5 — 6 mit dreifachem Dotter vorkommen. Die Nor- mandie (Depart. de l'Ouest) soll verhältnissmässig das grösste Con- tingent liefern. Ich habe hier in Kiel vom 2ten Nov. 1857 bis zum 9tcn Juni 1859 82 Eier mit doppeltem Dotter sammeln können, dar- unter 79 Hühnereier und 3 Gänseeier. Da ich nicht solche Ver- bindungen gehabt habe, wie die französischen Forscher, denen die öffentlich angestellten Compteurs, weiche alle Eier zählen müssen, die in Paris auf den Markt kommen, höherem Befehle zufolge Be- richt abstatten mussten, sondern meine Eier nur durch persönliche *) Opera oinnia anat. et pliysiol. Lipsiae 1G87. Fol. ^•*) Exercitationcs de gcncratione animalium. Exerc. 24. ***) Novi Commcnt. Acad. imp. Petropol. T. XIV. pag. 45C.. -}-) Coi)i])tes )'('H(lu.s 1^56. I. No. 1. 186 Naclifrage in einem verhältnissmässig kleinen Kreise bezog, so könnte es scheinen, dass diese Abnormität hier in Holstein beson- ders häufig wäre. Da ich indess auch aus Corsoer auf Seeland solche Eier bezogen habe, und da nicht nur hier in Holstein, son- dern auch in Jütland und auf den dänischen Inseln, das Vorkom- men dieser Abnormität, so viel ich habe in Erfahrung bringen kön- nen, fast einem Jeden, der sich praktisch mit der Hühnerzucht befasst, grossentheils aus eigener Anschauung bekannt zu sein scheint, so muss ich annehmen, dass dieselbe hier zu Lande überall viel häufiger ist, als man nach den französischen Angaben vermuthen sollte. Leute, welche hier viel Gelegenheit gehabt haben, auf diese Missbildung Acht zu geben, nehmen an, dass ein solches Ei durch- schnittlich unter 1000 — 2000Hü]mereiern vorkommt. Ich habe Grund, zu vermuthen, dass sich ein ähnliches Verhältniss auch in Frank- reich herausstellen würde, wenn man sämmtliche, von einer gewissen Zahl Hennen gelegten Eier, und nicht nur die auf den Markt ge- brachten berücksichtigt; denn ich habe hier die Erfahrung gemacht, dass gerade diese grossen Eier in der Regel nicht auf den Markt kommen, sondern von den Besitzern der Hühner für den eigenen Gebrauch reservirt werden. Da die Eier nicht nach dem Gewichte, sondern nach der Zahl verkauft werden, so wollen ökonomische Leute ein Ei, das doppelt so gross und schwer ist, als ein gewöhnliches, nicht um denselben Preis verkaufen. Wenn man, wie ich es ge- than habe, den 8 bis lOfachen Preis für ein solches Ei zahlen will, so kommen deren ungleich mehr zum Vorschein, als wenn man sie auf dem Markte sucht. Nach den Monaten des Jahres waren die 79 Hühnereier, die ich gesammelt habe, folgendermassen vertheilt: Im Januar 1858 erhielt icli 1, 1859 keins, im Februar 1858 und 1859 keins, im März 1858 2, 1859 8, im April 1858 o, 1859 14, im Mai 1858 10, 1859 5, im Juni 1858 10, im Juni 1859 3, im Juli 1858 9, im August 1858 3, im September 1858 5, im Octo- ber 1858 keins, im November 1g57 3, 1858 3, im December 1857 und 1858 keins. Es geht hieraus nur hervor, dass diese Eier in den Winter- und Herbstmonaten absolut seltener sind, als in den Frühlings- und Sommermonaten: daraus folgt aber noch nicht, dass sie in jenen Jahreszeiten auch relativ seltener sind, da die Hühner 187 bekanntlich im Herbst und Winter überhaupt weniger Eier legen. Unter mehreren Hennen, deren Eier ich sämmtlich bekam, legten einige die meisten dieser Eier im Mai, andere im September und wieder bei anderen waren sie ziemlich gleichmässig auf die Som- mermonate vertheilt. Bisweilen legten dieselben Hennen 2 — 3 Eier mit doppeltem Dotter nach einander, ja eine legte einmal 7 dersel- ben, eins nach dem anderen. Alle Hühner, von denen mir sichere Kunde zugekommen ist und welche Eier mit doppeltem Dotter legten, haben indessen zugleich Eier mit einfachem Dotter ge- legt, und zwar viel häufiger, als Eier mit doppeltem Dotter. Es ist mir wiederholt von Hennen berichtet worden, welche immer und nur Eier mit doppeltem Dotter legten. Wo ich indess Ge- legenheit hatte, die Verhältnisse näher zu untersuchen, wussten die Leute nicht ganz bestimmt, ob die eine oder die andere Henne dieses oder jenes Ei gelegt hatte, sie setzten nur voraus, dass die- jenige, die ein Ei der Art gelegt liatte, auch die anderen gelegt haben müsse, und mehrmals wies die genauere Beobachtung dann auch mehrere Mütter derselben in demselben Hühnerhofe nach. Ich vermuthe demnach, dass jene Angabe eine der gewöhnlichen Uebertreibungen oberflächlicher Beobachter ist. Dass jedoch ge- wisse Hennen ganz besonders disponirt sind, Eier mit doppeltem Dotter zu legen, uüd dass andere es niemals thun, kann ich voll- kommen constatiren. Ich habe von einer alten Henne im Laufe eines Jahres 10 Eier mit doppeltem Dotter erhalten, und 4 ver- schiedene Töchter dieser Henne haben mir die grösste Zahl meiner Eier mit doppeltem Dotter geliefert, zusammen nämlich 42 Stück. Dieses deutet offenbar auf Erblichkeit dieser Prädisposition hin. — Ob die mehrfach aufgestellte Behauptung, dass junge Hennen be- sonders zu dieser Abnormität disponirt sind, der Wahrheit entspricht, weiss ich nicht-, ausschliesslich wird sie aber jedenfalls nicht bei jungen Vögeln beobachtet. Eben so unsicher ist die Angabe, dass gewisse Hühnerracen, namentlich die Cochinchinahühner, durch diese Prädisposition ausgezeichnet seien. Jene Henne und ihre Töch- ter, welche mir die grösste Zahl meiner Eier mit doppeltem Dotter lieferten, geliörten der gewöhnlichen, hier einheimischen Ilacc an, und unter 7i) solchen Eiern konnten nur liöchstcns 21, dem Aus- 188 seilen der Schale zufolge^ von Cochincliinabülinern gelegt sein, die übrigen waren vollkommen weiss. — Die von verschiedenen Sei- ten her geäusserte Meinung, dass eine besonders reichliche Füt- terung wesentlich zu der in Rede stehenden Prädisposition beitra- gen soll, ist mir auch insofern wahrscheinlich, als die Fütterung in den Hühnerhöfen, aus denen ich meine Eier erhielt, besonders reichlich gewesen sein soll, soweit ich über diesen Punkt Nachricht erhalten habe. Die Eier mit doppeltem Dotter sind meist schon auf den er- sten Blick durch ihre auffallende Grösse erkennbar. Doch ist diese Regel, wie schon Wolff bemerkt hat, nicht ohne Ausnahmen, indem die grössten Eier mit einfachem Dotter den kleinsten Eiern mit doppeltem Dotter gleichkommen oder sie selbst übertreffen kön- nen. Der Längendurchmesser der Hühnereier mit doppeltem Dotter variirte zwischen 65 und 76 Mm. bei den Eiern der gewöhnlichen, hier einheimischen Race, bei den Eiern der Cochinchinahühner zwi- schen 68 und 72 Mm. ; der Querdurchmesser derselben variirte bei der gewöhnlichen Race zwischen 43 und 51 Mm., bei der Cochin- chinarace zwischen 45 — 51 Mm. Die gewöhnlichen Maasse der Hüh- nereier mit einfachem Dotter sind 53 — 55 Mm. für den Längen- durchmesser und 40 — 43 Mm. für den Querdurchmesser, ich fand sie aber auch bis zu 65 Mm. lang und 47 Mm. breit. — Auch die Gänseeier mit doppeltem Dotter zeichneten sich durch ihre enorme Grösse aus. Ihr Längendurchmesser variirte von 103 bis 111 Mm., ihr grösster Querdurchmesser von 68 bis 71 Mm. — Das auf Taf. XII. Fig. 4 abgebildete Entenei mit einfachem Dot- ter, der aber zwei Embryonen trug, würde seinen Grössenverhält- nissen nach ganz entschieden für ein Ei mit doppeltem Dotter ge- halten worden sein. — Die Form der Eier mit doppeltem Dotter ist sehr verschieden. Bisweilen sind sie ganz auffallend lang und schmal. Das in dieser Hinsicht am meisten ausgezeichnete Ei war 76 Mm. lang, mass aber nur 45 Mm. im grössten Querdurchmesser. Ein anderes Ei dieser Art war 73 Mm. lang und mass im grössten Querdurchmesser nur 43 Mm. Dabei ist bisweilen das eine Endo deutlich stumpfer, als das andere, bisweilen aber ist kein Unter- schied in der Wölbung beider Eicndcn zu erkennen. Besonders 189 bei den langen und schmalen Eiern bemerkt man nicht selten ring- förmige Eindrücke oder Erhabenheiten an der Schale in der Peri- pherie des Querdurchmessers. In anderen Fällen ist der Querdurch- messer viel beträchtlicher im Verhältniss zum Längendurchmesser. So fand ich folgende Verhältnisse des grössten Längendurchmessers zum grössten Querdurchmesser: 73:51; 66:49; 65:48. Bei diesen breiteren oder dickeren Eiern ist gewöhnlich^ aber nicht immer, der Unterschied zwischen dem spitzen und stumpfen Ende deutlich; die ringförmigen Absätze um den Aequator des Eies fehlen den- selben gewöhnlich. Obgleich auch die von derselben Henne ge- legten Eier nicht unerhebliche Formverschiedenheiten zeigen, so macht sich dabei doch der Einfluss der Individualität stark geltend. Eine alte Henne, deren oben erwähnt wurde, lieferte z. B. immer auffallend lange und schmale Eier, die eine Tochter derselben aber regelmässig sehr dicke und verhältnissmässig kurze Eier mit doppel- tem Dotter. — In Eiern mit einem Dotter entwickelt sich bekannt- lich, sowohl bei längerem Liegen, als auch bei der Bebrütung ein luftgefüllter Raum am stumpfen Ende. Bei den Eiern mit doppel- tem Dotter ist dies auch der gewöhnliche Fall; nur einmal war nach 5 — Gtägiger Bebrütung eines sehr länglichen Eies dieser Art an jedem Ende ein Luftraum gebildet (Taf. IX. Fig. 4). — Die bei- den gelben Dotter waren in allen 79 Hühnereiern, sowohl als in den 3 Gänseeiern mit doppeltem Dotter ganz vollständig von einander getrennt, indem jeder Dotter vollständig von seiner Dotterhaut um- geben war. Sie lagen immer nach der Längenachse des Eies neben einander, und zwar gewöhnlich so nahe, dass sie einander unmittelbar berührten und an der Berührungsfläche durch gegenseitigen Druck abgeplattet waren. Die Grösse dieser Berührungsfläche war sehr verschieden und wurde besonders durch die Form der Eier und durch die relative Grösse der Dotter bestimmt. Bei verhältniss- mässig kurzen Eiern mit grossen Dottern war mehr als y^ der Oberfläche des einen Dotters in unmittelbarer Berührung mit einem gleich grossen Theile der Oberfläche des anderen. Bei verhält- nissmässig langen Eiern war dahingegen die Berührungsfläche meist klein, und bei einer Länge der Eier von 73 — 76 Mm. fand ich 3 mal die Dotter ganz frei, durch eine Eiweissschicht von einander 190 getrennt und vollkommen rund. Ausser der besprochenen Abplat- tung an der grösseren oder kleineren Berübrungsfläche beider Dot- ter^ wo die Gränze durch eine der Querachse des Eies parallele Fläche bezeichnet wurde ^ und der durcli jene Abplattung beding- ten Veränderung der Krümmung der übrigen Oberfläche^ habe ich gewöhnlich keine Unregelmässigkeit in der Form des gelben Dot- ters wahrgenommen. Wenn daher Fremj und Yalenciennes (1. c.) die Form der Dotter in diesen Eiern unregelmässig fanden^ so ist darunter entweder nur jene durch Abplattung bedingte Formver- änderung zu verstehen^ oder aber es sind andere Unregelmässig- keiten durch das von ihnen angewandte Verfahren, die Eier vor der Untersuchung durch Kochen zu härten, entstanden, was auch bei ganz normalen Eiern erfolgen kann. Bei meiner Untersuchung habe ich dieses Verfahren daher nie angewandt, sondern die Eier immer unter Wasser geöffnet. — Die Chalazzen der Eier mit doppeltem Dotter zeigen, soweit ich es bei gleichzeitiger Berück- sichtigung der anderen Verhältnisse habe beobachten können ^ fol- gendes Verhalten: An den den Eienden zugewandten Polen der Dotter lagen die Chalazzen in gewöhnlicher Weise, nur inserirten sie sich oft nicht gerade in der Mitte der dem jedesmaligen Eiende zugewandten Dotterhälfte, sondern oft etwas seitlich von diesem Punkte. Die einander anliegenden Flächen der beiden Dotter wa- ren auch dann, wenn sie einander gegenseitig abgeplattet hatten, durch eine Schicht von eingedicktem Eiweiss getrennt, welche sich aber beim Liegen in Wasser so auflöste, dass die beiden Dotter auseinander fielen und entweder ganz rund wurden oder sich doch der Kugelform näherten (Taf. VIII. Fig. 6 u. 7). In mehreren Fällen, wo ich speciell darauf Acht gab, verlief bei dieser Untersuchungsweise ein aus einer weisslichen, zähen, schleimigen Substanz bestehender Strang, der ganz einer Chalazze glich, und der biswellen auch wie diese spiralig gewunden war, von einem Dotter zum andern. Diese intermediäre Chalazze inserirte sich aber, wie in Fig. 7 der Taf. VIII, in den Fällen, die ich näher beobachtete und wo die Dotter gegen- einander angedrückt waren, nicht in der Mitte der einander be- riihrenden Oberflächen der Dotter, sondern wenigstens am einen Dotter excentrisch. Sie verlief dann nicht auf dem kürzesten Wege 191 von einem Dotter zum andern hinüber, sondern hatte eine merk- liche Länge. Dieses Vorliandensein einer, beide Dotter verbinden- den Chalazze scheint mir ein guter Beleg für die von Wolif ge- gebene Erklärung der Entstehung der Eier mit doppeltem Dotter zu sein, der zufolge die beiden Dotter im Eierstocke von einander getrennt gewesen, und erst im Eileiter mit einander verbunden sein sollten, indem sie hier von gemeinschaftlichem Eiweiss und der Schale umgeben würden. Dahingegen scheint diese Beobach- tung kaum mit der von Serres *) gegebenen Erklärung vereinbar zu sein, wonach die beiden Dotter bereits im Eierstocke, bei ihrer Entstehung in einem gemeinschaftlichen Follikel neben einander entstanden und mit einander in Berührung gewesen sein sollten. — Das Verhalten der Cicatricula auf den Dottern der in Rede stehenden Eier bot sehr bemerkenswerthe Verschiedenheiten dar. Während die Cicatricula auf dem Dotter eines normalen, mit einem Dotter versehenen Eie bekanntlich in der Mitte zwischen beiden ICipolen liegend, bei jeder Seitenlage des Eies die oberste Stelle einnimmt, in Folge des geringeren specifischen Gewichtes des so- genannten weissen Dotters, ist die Lage der Cicatricula der Eier mit doppeltem Dotter sehr grossen Verschiedenheiten unterworfen. Um dieses Verhalten, das mir für die Entwickelung der Embryonen in diesen Eiern bedeutsam zu sein schien, genau zu beobachten, machte ich mir es zur Regel, die Eier bei der Bebrütung ganz ru- hig liegen zu lassen, beim Herausnehmen aus der Brütmaschine die nach oben gewandte Seite zu bezeichnen, und sie in dieser Stellung unter Wasser zu bringen und zu öffnen. Bisweilen hatten dann die Cicatriculae beider Dotter die normale Lage, indem sie die oberste Stelle, etwa in der Mitte zwischen dem Mittelpunkte der Be- rührungsfläche beider Dotter und dem dem Eiende gegenüberliegen- den Pole des Dotters einnahmen. Gewöhnlich nahm aber wenig- stens die Cicatricula des einen Dotters eine abweichende Stellung ein, indem sie bald der Berührungsfläche beider Dotter, bald dem Eipole mehr genähert war, bald selbst an der Berührungsfläche bei- der Dotter verborgen war. Im letzteren Falle war auf der Ober- *) Comptes rendus I8r)ü. pag. 1024—1029. 192 fläche des Dotters gar keine Cicatricula zu selien, dieselbe kam aber an der Berührnngsfläclie zum Vorscliein, v/enn man die Dot- ter unter Wasser aus der Schale herausbrachte und von einander trennte. Diese versteckte Lage der Cicatricula des einen Dotters kommt ungemein oft vor; seltener haben die Cicatriculae beider Dotter diese Lage. In ein Paar Fällen konnte ich auch an der Be- rührungsfläche gar keine Cicatricula auffinden, wobei ich es dahin- gestellt sein lassen muss, ob dieser Mangel ein ursprünglicher war^ oder ob die Cicatricula bei der Bebrütung zu Grunde gegangen oder unsichtbar geworden ist. In einigen Fällen lag die Cicatri- cula des einen oder anderen Dotters nicht auf der oberen Fläche desselben, sondern seitlich oder selbst unten. Im letzteren Falle war die Lage der Cicatriculae beider Dotter einander bisweilen ge- rade entgegengesetzt, indem die eine Cicatricula die oberste Stelle auf der Mitte des einen Dotters einnahm, während die andere den untersten Platz auf der Mitte des anderen inne hatte. — Die sehr mannigfaltige Lage der Cicatriculae, welche, wie sich im Folgenden herausstellen w^ird, für das Bebrütungsresultat von grosser Wichtig- keit ist, scheint von der Lage der Chalazzen und von der durch sie bedingten Stellung des Dotters im Eie abhängig zu sein. 6. Zwei Cicatriculae auf einem Dotter sind eine Abnormität deren Vorkommen in den Eiern der Vögel nicht bezweifelt wer- den kann, obgleich Fabricius ab x\quapendente *) noch der Einzige gewesen sein dürfte, der sie vor Anfang der Bebrütung beobachtet zu haben scheint, indem er sagt: eam (sc. cicatriculam) in magno vitello duplicem aliquando observavimus, alteram alteri satis propin- quam et alteram altera minorem. Freilich ist mir auch von ver- schiedenen Hausfrauen gesagt worden, sie hätten zwei Cicatriculae auf einem Dotter gesehen, ich kann aber darauf kein Gewicht le- gen, weil ich mich überzeugt habe, dass in solchen Fällen wenig- stens in der Regel Etwas für eine Cicatricula gehalten worden ist, das diese Bedeutung entschieden nicht hat. Es kommen nämlich bisweilen auf dem Dotter runde, weisse Flecke vor, welche bei et- was oberflächlicher Beobachtung sehr leicht für überzählige Cica- *) Opera omiiia anat. et physiol. Lipsiae 1087. Fol. pag. 13 (Tractatus de lor- matione pulli). 193 triculae angesehen werden können, und welche von jenen Hausfrauen wirklich in meiner Gegenwart damit verwechselt worden sind. Diese runden, weissen Flecke sind aber nur Abnormitäten der Dotter- haut. Auf Taf. X. Fig. 4 ist eine solche Cicatricula spuria bei ziem- lich starker Vergrösserung dargestellt, und man erkennt deutlich, dass sie nur aus Faltungen und Verdickung der Dotterhaut besteht. Da jedoch im Vogeleie die Cicatricula nothwendig der Ausgangspunkt der Entwickelung ist, und da die Lage des Embryo immer derjenigen der Cicatricula entspricht, so kann man aus der Gegenwart zweier getrennter Embryonen auf einem Dotter mit Sicherheit schliessen, dass zwei Cicatriculae auf demselben vor der Bebrütung vorhanden gewesen sein müssen. Solche Fälle sind aber, wenn auch immer- hin in geringer Zahl, in der Literatur verzeichnet. Wir werden diese Fälle im folgenden Abschnitte ausführlich besprechen, und machen hier nur darauf aufmerksam, dass, vielleicht zufälligerweise, in den bisher bekannt gewordenen Fällen die Embryonen auf den Dottern einander sehr nahe lagen, so dass man Zweifel hegen konnte, ob die beiden Cicatriculae, aus denen sie hervorgegangen sein muss- ten, getrennt gewesen wären, oder einander berührt hätten und theilweise vielleicht gar mit einander confluirt gewesen wären? 7. Als eine besondere Art der Abnormitäten der Vogeleier ist eine Bildung des Dotters anzuführen, welche Serres*) zu den Eiern mit doppeltem Dotter und zu den Eiern mit doppelter Citricula auf einem Dotter in Beziehung gebracht hat. Er fand nämlich bei einem Huhn, welches Eier mit doppeltem Dotter gelegt haben soll, in *) Comptes rendus 1855. I. pag. G29. — Vielleicht hat schon Harvey diese Ab- normität der Eier gekannt. Er spricht nämlich von unvollständig getrennten Dottern, welche an der Berührungsstelle eine gemeinschaftliche Cicatricula tragen. Während er die Entstehung von Doppelmissbildungen in Eiern mit zwei vollständig getrennten Dottern gänzlich in Abrede stellt, giebt er für diese Abnormität der Eier die Möglichkeit zu, dass Doppelmonstra aus ihnen hervorgehen könnten, obgleich er, wie er ausdrücklich bemerkt, dieses nie- mals beobachtet hat. Man bleibt bei seiner Angabe jedoch darüber in Zwei- fel, ob er die nachstehende, von Serres besprochene Abnormität der Eier vor Augen gehabt hat, oder Eier mit vollständig doppelten, aber so gegen ein- ander angedrückten Dottern, dass man ohne genauere Untersuchung wohl annehmen könnte, dass beide nur unvollständig von einander getrennt ge- wesen wären. Pari um, UiUcrsuchungon. 13 194 einem Calyx zwei zum Tlieil vereinigte Dotter mit zwei getrenn- ten, aber einander genäherten Cicatriculis. In einem Taubeneie fand er ferner zwei einander penetrirende Cicatriculae, während unten zwei von einander getrennte Dotter unterschieden werden konnten. Aus diesen beiden Beobachtungen schliesst er, dass auch zwei voll- ständig getrennte, später im Eileiter von gemeinschaftlichem Eiweiss, imd von gemeinsamer Schalenhaut und Schale umgebene Dotter, wie sie sich in den Eiern mit doppeltem Dotter finden, aus einem Ca- lyx stammen und in einem Follikel gebildet seien. Er meint, dass zwei solche, in einem Follikel gebildete Dotter durch das enge Aneinanderliegen bei ihrer Bildung sich mit einander vereinigen und mit einander verschmelzen könnten. Hiernach sollten also jene zwei von Serres beobachteten vermeintlich unvollkommen doppel- ten Dotter aus zwei Dottern verschmolzen sein. Serres geht dann in seinen Schlüssen noch weiter, indem er diese Eier für Ueber- gängsformen zu den Eiern mit doppelter Cicatricula auf einem Dotter hält, denn er meint, es könnten zwei in einem Follikel ent- standene Dotter während der Entstehung auch so vollkommen ver- schmelzen, dass beide Dotter vollständig zu einem einzigen würden und dass von der ursprünglichen Doppelheit nur die doppelte Ci- catricula übrig bliebe. Der Versuch, den Serres gemacht hat, um die eingeschnürten Dotter, die er einmal im Eierstocke und einmal in einem Eie ge- gefunden hat, zunächst zu den Eiern mit doppeltem Dotter in Be- ziehung zu bringen, ist von vorn herein unberechtigt, so lange man nicht 2 völlig von einander getrennte Dotter in einem Follikel oder Calyx des Eierstocks eines Vogels gefunden hat. Dass man bei Säugethieren und vielleicht bei Fischen zwei und mehr Eier in einem Eierstockfollikel gefunden hat *), beweist Nichts für das Vogelei, dessen Dotter von dem der Säugethiere so wesentlich ver- schieden ist, dass man die bei der einen Classe gefundenen Abnor- mitäten des Dotters nicht so ohne Weiteres für die andere Classe *) Biddcr bcobaditcte heim Kalbe zwei Eier in einem Graafschen Follikel, Bi- schofT sah bei Hündinnen zweimal 2 und einmal 3, Barry einmal 2 und ein- mal 4 und Valentin einmal 3 Eier in einem Eierstockfollikel. Barry giebt an, dass er auch beim Lachs einmal 2 Eier in einem Follikel gefunden habe. 195 sreltend machen kann. Selbst wenn man aber (was ich sehr be- zweifeln möchte, da die Bildung der Dotterhaut des Vogeleies wahr- scheinlich die unmittelbare Berührung mit der Wand des Follikels voraussetzt) dennoch jemals in einem Follikel des Eierstocks eines Vogels zwei von einander völlig getrennte Dotter neben einander finden sollte, so würde dadurch die Möglichkeit der von WolfF ge- gebenen Erklärung, dass auch zwei sehr bald nach einander aus verschiedenen Follikeln gelöste Eier im Eileiter von gemeinschaft- lichem Eiweiss und gemeinschaftlicher Schale umgeben werden könn- ten, noch nicht ausgeschlossen sein. Die Bildung einer chalazzen- artigen Verbindung zwischen beiden Dottern, die wir beobachtet haben, würde ganz unbegreiflich sein, wenn man annähme, dass die beiden Dotter in einem gemeinschaftlichen Follikel ebenso an- einander gelagert gewesen wären, wie wir sie in den Eiern mit doppeltem Dotter finden. Der andere Versuch von Serres, die beiden von ihm beobach- teten eingeschnürten Dotter als Uebergangsform zur Bildung eines mit zwei Cicatriculis versehenen einfachen Dotters zur Geltung zu bringen, würde nur dann eine Berechtigung haben, wenn ein Be- brütungsresultat vorläge, woraus hervorginge, dass auf einem sol- chen eingeschnürten Dotter wirklich eine Doppelheit der Keimanlage vorhanden gewesen wäre. Die oben angeführte Beobachtung, dass auf dem gelben Dotter bisweilen runde Flecke vorkommen, die einer Cicatricula ähnlich sind, die aber nur von einer Verdickung der Dotterhaut herrühren, giebt nämlich den Zweifeln Raum, ob in Serres Fällen zwei wirkliche Cicatriculae vorgelegen haben, und ob nicht etwa im einen Falle die vermeintlich confluirte Cicatricula in der That eine einfache, und im anderen ob nicht die eine der zwei vermeintlichen, einander genäherten aber doch getrennten Ci- catriculae, eine Cicatricula spuria gewesen sein sollte? Diese Zweifel, zu denen man, auch ohne eigene Beobachtungen über diese Fälle aufweisen zu können, berechtigt wäre, erhielten durch mehrere Beobachtungen, die ich zu machen Gelegenheit liatte, ein noch grösseres Gewicht. Ich habe nämlich öfter auf dem gel- ben Dotter nicht nur solche rundliche Verdickungen der Dotterhaut beobachtet, welche durch ihre Form und weissliche Farbe eine nicht 13* 196 geringe iinssere Aelinlichkelt mit wahren Cicatriculis darboten, und welche deshalb oben Cicatriculae spuriae genannt wurden (s. Taf. X. Fig. 4)^ sondern auch strangartige Verdickungen der Dotterhaut, die in ihrem Wesen ganz mit ersteren übereinstimmten. Diese strang- artigen Verdickungen der Dotterhaut waren meist ziemlich kurz und bewirkten dann keine Defiguration des Dotters. Bisweilen waren sie aber länger, erstreckten sich um einen grösseren Theil der Pe- ripherie des gelben Dotters herum und bewirkten in diesen Fällen eine wirkliche Einschnürung desselben. Eine solche Einschnürung des Dotters durch eine strangartige Verdickung der Dotterhaut bot der eine Dotter des auf Taf. VIII. Fig. 6 — 7 abgebildeten Eies dar. Die Einschnürung war in diesem Falle freilich nur flach, aber doch sehr deutlich, und die Zusammenstellung mit anderen Fällen, die wir erst später besprechen werden, weil bei ihnen das Resultat der Bebrütung zugleich vorlag, zeigt deutlich, dass auch viel tiefer ge- hende Einschnürungen, wodurch das Aussehen zweier mit einan- der verbundener oder unvollständig getrennter Dotter hergestellt wird, ebenfalls von solchen strangartigen Verdickungen der Dotter- haut herrühren können. 8. Ueberdies ist noch eine Abnormität der Vogeleier anzufüh- ren, die ich freilich nur einmal beobachtet habe. In einem sehr grossen und wohlgeformten Hühnereie fand sich nämlich ausser einem vollkommen runden und wohlgestalteten Dotter noch die auf Taf. VIII. Fig. 5 abgebildete Masse. Dieselbe bestand aus fünf, zum Theil länglich runden, zum Theil ganz deformen gelben Dottermas- sen, welche durch zähes Eiweiss verbunden waren. Dieses Eiweiss bildete am einen Ende einen zähen Klumpen, zwischen den kleinen Dottermassen stellte sie aber einen dicken, spiralig gewundenen Strang dar, während das andere Ende einen kleinen, ovalen, an einem Stiele festsitzenden Dotter enthielt. Eine Cicatricula war an den kleinen gelben Dottermassen nicht zu erkennen. Nur der einen gelben Dottermasse fehlte eine scharfe Begränzung gegen das Ei- weiss, die übrigen waren scharf begränzt, als wären sie von einer Haut bekleidet. Ausserdem fand sich eine weisse, hautartige, kleine Masse in diesem Eie. Wahrscheinlich sind die Eier mit 3 — 5 Dottern, deren Fremy 197 und Valenclennes Erwähnung thun, und von denen 5 — 6 Stück unter den 140 Millionen Eiern vorkamen, die in Paris jährlich auf den Markt gebracht wurden, dieser Abnormität an die Seite zu stellen. Die französischen Forscher geben an^ dass die Dotter, die in diesen Eiern gefunden wurden, klein und missgestaltet waren,, des Vorkommens eines grossen normalen Dotters neben jenen ge- schieht aber keine Erwähnung; da aber die Eier von Fremy und Valenciennes erst nach dem Kochen untersucht wurden, bei wel- chem Verfahren sie auch die Dotter in den zweidottrigen Eiern de- form und unregelmässig fanden, kann man nicht wissen, wie der Inhalt dieser Eier in frischem Zustande ausgesehen haben mag. Es ist wohl w^ahrscheinlich, dass ein krankhafter Zustand des Eierstocks diese abnorme Dotterbildung veranlasst hat, da die gel- ben Dotterportionen von einer Haut gegen das Eiweiss abgegrenzt zu sein schienen. Sonst könnte man sich vorstellen, dass ein Dot- ter beim Eintritt in den Eileiter geborsten sei und, in verschiedene Portionen getheilt, vom Eiweiss umhüllt und mit dem normalen Dot- ter in einer gemeinschaftlichen Schale eingeschlossen worden sei. 9. Endlich habe ich neulich ein in ganz eigenthümlicher Weise abnormes Hühnerei bekommen, dessen Beschreibung hier noch sei- nen Platz finden mag. Am spitzen Eiende war die Kalkschale des übrigens äusserlich wohlgebildeten Eies unregelmässig. Es fanden sich ausser kleinen Höckern und einer grösseren, wie von einem festgewordenen Tropfen verdickten Stelle etwas seitlich vom Eiende eine 7 — 9 Mm. im Durchmesser haltende trichterförmige Vertiefung, in deren Grunde ein etwa 2 Mm. weites Loch sichtbar war, aus welchem ein beweglicher, dünner, hornartiger, in eine ganz feine Spitze auslaufender, 16 Mm. langer Faden hervorragte. Derselbe war dicht oberhalb des Loches so umgebogen, dass er mit der Län- genachse des Eies einen fast rechten Winkel bildete. Bei Bewe- gung und Neigung des Eies bewegte sich dieser Faden, etwa wie eine Wetterfahne, langsam nach der einen oder der anderen Seite. Als das Ei ein Paar Tage der Luft ausgesetzt aufbewahrt worden war, Hess es schon einen fauligen Geruch bemerken. Unter Was- ser gcöffuet zeigte es am stumpfen, normal gebildeten P^iende den gewöhnlichen Luftraum. P^s enthielt einen grossen, normal gebilde- 198 ten Dotter, ausserdem aber am spitzen Elende einen festen, schwe- ren, braunrotHen Klumpen, der mit jenem hörn artigen Faden, wel- cher aus dem Loche am spitzen Eiende hervorragte, zusammenhing. Dieser, von verdicktem Eiweiss umhüllte Klumpen hatte ungefähr die Gestalt einer Buchennuss, indem er drei ziemlich scharfe Kanten darbot, die einerseits in jene hornartige Spitze ausliefen, anderer- seits sich bogenförmig in ein breites, abgerundetes, dem Dotter zu- gewandtes Ende verloren. Die Länge des Klumpens, vom breiten Ende bis zum Anfang des Fadens, betrug 18 Mm., die grösste Breite der schmälsten Seite 12 Mm., die einer jeden der beiden anderen Seiten 13 Mm. Als vom stumpfen Eiende her ein Ein- schnitt in dieses Gebilde gemacht wurde, zeigte sich, dass dasselbe hohl war. Die etwa 1 Mm. dicke Wand war an der die Höhle begrenzenden Seite in ähnlicher Weise gefaltet, wie die Membran des Graafschen Follikels bei einem Corpus luteum, und sie war von einem deutlichen Epithel ausgekleidet; die Höhle aber war mit rothem, geronnenem, etwas entfärbtem Blute angefüllt. Es scheint mir keinem Zweifel zu unterliegen, dass dieses Gebilde einen Ca- lyx des Eierstocks vorstellt, der, kurz nachdem er seines Dotters entledigt worden war, abgestossen oder losgerissen wurde, und dann in den Eileiter gelangt, gleichzeitig mit dem Dotter von der Schale eingeschlossen worden ist. Auf solche Weise könnten sehr fremd- artige Körper in die Eier hineingerathen und eingeschlossen werden. 199 Zweites Kapitel. Die bisherigen Untersuchungen über die Entwickelung in abnorm gebildeten Eiern. Die Vogeleier ohne feste Kalkschale sind nie mit' Erfolg be- brütet worden, obgleich schon Reaumur Versuche gemacht hat; sie durch künstliche Wärme zur Entwickelung zu bringen. Wahr- scheinlich verhindert theils die durch die Schwere, bei Mangel fe- ster Umhüllung, hervorgebrachte Formveränderung des Eies, theils die zu starke Einwirkung der Luft auf den Inhalt des Eies die Entwickelung. Letzteres wird mir besonders dadurch wahrschein- lich, dass Eier welche einen Riss bekommen haben, soweit meine Beobachtungen reichen, niemals zur Entwickelung kommen, wenn der Riss während der Bebrütung nach oben gekehrt ist, wäh- rend die Entwickelung wenigstens anfangs möglich ist, wenn der- selbe während der Bebrütung nach unten gekehrt ist. Dass ein Zwergei, dessen Dotter so ausserordentlich klein ist, wenn er auch nicht gänzlich fehlt, nicht entwickelungsfähig sein kann, liegt auf der Hand. — Die Eier mit bedeutender Missbildung der Schale zeigen meist aach andere Mängel, indem z. B. das auf Taf. VIII. Fig. 1 abgebildete Ei zugleich ein Zwergei ist, während die eben- daselbst in Fig. 3 und 4 dargestellten Eier der harten Kalkschale entbehren. Ob eine Entwickelung in solchen deformen Eiern, de- ren Grösse normal ist und welche eine harte Kalkschale besitzen, die aber am einen (spitzen) Ende mit einem Appendix versehen sind, möglich ist, kann ich nicht angeben, da keine Versuche dar- über vorliegen. — Ebenso wenig ist es bekannt, dass mit einem Ovum ovo praegnans Bebrütungsvcrsuche gemacht worden wären. — Eier mit drei und mehr Dottern haben Fremy und Valcncicnncs vergebens der Brütwärme ausgesetzt, und dass aus den kleinen deformen Dotterportionen des unter 8. Pag. 106 besprochenen Eies 200 keine Entwickelung erfolgt sein würde, ist wenigstens höchst wahr- scheinlich. — Es bleiben also nur 3 unter den 9 oben besprochenen Abnor- mitäten der Vogeleier, deren Entwickelungsresultate in Betracht kommen können. Bevor ich die mir vorliegenden eigenen Erfah- rungen über diese Resultate mittheile, dürfte es angemessen sein, diejenigen Beobachtungen und Schlüsse zusammenzustellen, die ich über diesen Gegenstand in der Literatur verzeichnet gefun- den habe. Schon von Alters her hat man einerseits die Eier mit doppel- tem Dotter, andererseits die Eier mit doppelter Cicatricula auf ein- fachem Dotter zu den Doppelmissbildungen in Beziehung gebracht. Fabricius ab Aquapendente *) äusserte die Meinung, dass aus den Eiern mit doppeltem Dotter Doppelmissbildungen hervorgingen, welche am Bauche, an der Brust oder anderwärts mit einander ver- wachsen wären. Harvey**) meinte dahingegen, dass solche Eier freie, nicht verwachsene Zwillinge liefern müssten, wenn jeder Dot- ter allseitig von Eiweiss umgeben sei, wie er es bisweilen gesehen hatte; wenn aber die Dotter ganz dicht neben einander lägen, so dass sie gemeinschaftlich vom Eiweiss umgeben seien, was er auch bisweilen gesehen hatte, so, meinte er, könnte wohl der Fall ein- treten, dass die Cicatriculae confluirten, und dass dadurch eine ge- meinschaftliche Keimanlage entstehen könnte, aus deren Entwicke- lung Doppelmissbildungen hervorgehen könnten. Er bemerkt aber, dass er ein solches Verschmelzen der Cicatriculae und eine daraus hervorgegangene Entwickelung niemals gesehen habe. Dass jedoch getrennte Zwillinge aus einem Eie hervorgehen können war ihm bekannt, indem er sagt:***) apud nos interdum gemellifica ova nascuntur et gemelli quoque aliquando (licet rarissime) excludun- tur; ipsemet autem ambos ejusmodi foetus nunquam vidi, quod vel in ovo ipso vel in exclusione alter pereat. Eine ähnliche Notiz habe ich übrigens schon bei Aristoteles f ) gefunden, indem er über * ) Opera, omnia anat. et physiol. Lipsiae 1G87. Fol. **) Exercitationcs de gcnerationc aniiualiiim. Exe. 24. ***) Ibid. Exe. 13. i") Aristoteles Naturgeschichte der Thiere übersetzt von F. Struck, Frankf. a. M. 1816. 8vo. etcsBuch 2tes Cap. pag. 286. 201 eine Henne berichtet^ welche 18 Eier gelegt hatte und aus densel- ben lauter Zwillinge ausbrütete, ausgenommen diejenigen , welche Windeier gewesen waren. Unter den aus den fruchtbaren Eiern ausgekrochenen Jungen war das eine immer grösser, das andere kleiner, das Letztere aber missgestaltet. — Mit positiven Beobachtungen in dieser Frage trat zuerst P. F. WolfF*) auf. Er fand nämlich einmal in einem Plühnereie von ge- wöhnlicher Grösse am sechsten Tage der Bebrütung zwei mit der vorderen Fläche des Körpers einander zugewandte Embryonen auf einem Dotter, dem einzigen der im Eie vorhanden war. Die von ihm gelieferte Abbildung ist auf unserer Taf. XII. Fig. 6 wieder- gegeben. Die gemeinsame, von einer einfachen Vena terminalis begrenzte Area vasculosa zeigte zwei Systeme von Gefässverzwei- gungen, eines für jeden Embryo; jedoch fehlten dem einen Embryo die oberen Verzweigungen der Seitenäste. Das Amnion fehlte bei- den Embryonen gänzlich, so dass sie nackt auf dem Dotter lagen und nur mittels des Nabels beweglich mit der äusseren Oberfläche desselben zusammenhingen. Beide Embryonen lebten, als das Ei geöfiiiet wurde, und die Herzen derselben pulsirten lebhaft. Selbst willkürliche Bewegungen wurden, wenn gleich nur während einer kurzen Zeit, von denselben ausgeführt. Die Haut des Unterleibes setzte sich, anstatt wie sonst in das Amnion, in die den Dotter um- gebende dünne und durchsichtige Haut fort. Aus dem Darm eines jeden führte ein Ductus vitello intestinalis zur Dottermasse. Beim OefFnen des Eies lagen sie einander sehr nahe; der eine höher als der andere, so dass der Kopf des unteren mit der Schaamgegend des anderen in gleicher Höhe lag, und den rechten Fuss desselben berührte. In der vorliegenden Abbildung sind sie also etwas ver- schoben, so dass die Vorderflächen ihrer Köpfe einander fast be- rühren. Bei ihrer einander zugewandten Seitenlage lag der obere, wie gewöhnlich, mit seiner linken, der andere abnormer Weise mit seiner rechten Seite dem Dotter auf. Jeder Embryo hatte eine, in gewöhnlicher Weise entwickelte AUantois. Die Organe der Em- bryonen erschienen im Uebrigen normal. Wolff" beobachtete noch *) Novi Cominent. Acad. ijrip. l'ütropol. T. XIV. p. 456 u. flg. Taf. XI. 202 einen zweiten ähnlichen Fall *) am 3ten Tage der Bebrütung. Hier lagen 2 an den Köpfen mit einander verwachsene, im Uebrigen ganz getrennte Embryonen auf demselben Dotter, in derselben, hier kreuzförmigen Area pellucida und in derselben Area vasculosa. Die Bildung des Amnions hatte hier ihren Anfang genommen, und zwar in der Weise, dass für jeden Embryo eins in der Bildung begrif- fen, aber noch nicht geschlossen war. — Der Schuss, den WolfF aus diesen schönen Beobachtungen zog, dass nämlich bei glücklich vollendeter Entwickelung Monstra bicorporea concreta aus diesen Doppelembryonen auf einem gemeinschaftlichen Dotter entstanden sein würden, scheint nicht angefochten werden zu können, und ist auch durch spätere Beobachtungen vollkommen bestätigt worden. Dahingegen ist sein fernerer Schluss, dass doppelleibige Missbil- dungen immer und ausschliesslich auf diese Weise entstehen müs- sen, und dass sie niemals aus Eiern mit doppeltem Dotter hervor- gehen können, nicht durch die von ihm beigebrachten Thatsachen bewiesen. Denn er sagt ausdrücklich, dass Niemand die Fötus ge- sehen habe, die aus Eiern mit doppeltem Dotter hervorgehen und fügt hinzu, es sei Dieses sehr begreiflich, da nicht alle Eier bebrü- tet würden, und da sie in solchem Falle doch nicht immer zur Untersuchung geöifnet würden; wenn aber ein Hühnchen auf na- türliche Weise aus dem Eie gekrochen sei, könne man nicht mehr wissen, wie das Ei beschaffen gewesen, aus dem das Hühnchen hervorgekommen wäre. Dass Doppelmissbildungen aus Vogeleiern mit einfachem Dot- ter, aber mit doppelter Cicatricula hervorgehen können, ist später noch durch folgende Beobachtungen constatirt worden: v. Baer **) beschrieb einen 52 — 54 Stunden alten doppelleibigen Hühnerembryo auf einem Dotter, der auf unserer Taf. XII. Fig. 5 nach seiner Ab- bildung wiedergegeben ist. Die Kopfenden beider waren vorn mit einander verwachsen und ragten über die Fläche der Keimscheibe empor; die Schwänzenden waren von einander abgewandt und zeig- ten nur eine ganz geringe Krümmung abwärts. Beide lagen in *) 1. c. pag. 468 und 475. **) Mcckcls Archiv 1827 pag. r)7() und Mem. de l'Acad. inip. du »St. Pctcrsbourg 1845 Scr. VI. Sc. nal. Tom. IV mit einer Abbildung. 203 einer und derselben kreuzförmigen Area pellucida. Das Herz war doppelt, das Amnion noch nicht gebildet, v. Baer meinte anfangs, dass bei fortgesetzter Entwickelung dieses Doppelembryo eine Ja- nusbildung entstanden sein würde, war aber später mehr geneigt anzunehmen, dass ein Doppelhühnchen mit gemeinschaftlicher Stirn sich zu bilden angefangen habe, ähnlich den Doppelenten, die Tie- demann *) und Barkow **) abgebildet haben. — Ueberdies erwähnt V. Baer in derselben Abhandlung einer anderen Beobachtung, bei der er eine gabelicht gespaltene Chorda dorsalis am ersten Bebrü- tungstage auf einem Dotter fand, und er liefert einen nach dem Gedächtnisse entworfenen schematischen Umriss dieses Falles. — Endlich hat Reichert***) zwei mit den Köpfen verwachsene Em- bryonen, deren Körper nach hinten divergirten, in einem 2^^ Tage lang bebrüteten Hühnereie mit einfachem Dotter gefunden. Beide hatten ein gemeinschaftliches, hufeisenförmig gebildetes Herz und eine gemeinschaftliche Area vasculosa. Die Form des Fruchthofes entsprach der Stellung und Entwickelung der Embryonen. Viel häufiger als in Vogeleiern hat man, namentlich in neue- ster Zeit, in Fischeiern die Entwickelung von Doppelmissbildungen direkt beobachten können. Schon Jacobif) sah bei seinen Ver- suchen, Fische künstlich zu befruchten, viele doppelleibige Missbil. düngen, und zwar immer auf gemeinschaftlichem Dotter, v. Baerff) beschrieb demnächst zwei doppelleibige Barschembryonen aus sehr früher Periode. Beide waren nur etwa zwei Tage alt, dem ersten Entwickelungstage des Hühnchens entsprechend, und beide lagen auf einer gemeinschaftlichen Dotterkugel. Sie wurden 24 — 36 Stun- den lang am Leben erhalten. Er citirte bei dieser Gelegenheit einige ältere Mittheilungen über Doppclmissbildungen bei Fischen. ■•'■) Zeitschrift für Physiologie Bd. III. pag. 5. **) Diss. de monstris duplicibus verticibus intcr se junctis. 4. Berol. 1821. ***) Bericht über die Sitzung der Gesellschaft naturforschendcr Freunde in Ber- lin am 21. Juni 1842. Vossische Zeitung vom 10. Juli 1842. Frorieps neue Notizen No. 285 pag. 10. t) Hannoversches Magazin 1765, 62stes Stück. tt) Mem. de l'Acad. imper. des scicnccs de St. Petersbuiirg 1845. VI. Serie, Sc. nat. T. IV. 204 Demnächst veröfFentlichte Valentin *) eine schöne hierher gehörige Beobachtungsreihe. Dieselbe betraf Hechtembryonen aus künstlich befruchteten und darauf 7 Stunden lang in einem Gefässe fast ohne Wasser getragenen Eiern. Unter 917 ausgeschlüpften Hechtchen fanden sich 6 Doppelmissbildungen. Eine derselben wurde 3 Tage vor und 7 Tage nach dem Ausschlüpfen aus dem Eie beobachtet. In allen 6 Fällen war der Dotter, auf welchem die Doppelembryo- nen lagen; einfach. Auch Lereboullet**) beobachtete 1852 die Ent- wickelung eines Doppelembryo vom Hecht auf einfachem Dotter. Es waren anfangs nur die Schwanzspitzen; späterhin die Schwänze in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen; die Chorda dorsalis blieb dabei doppelt. 1853 hatte er viele verschiedene Doppelmissbildun- gen nach künstlicher Befruchtung von Fischeiern beobachtet — immer auf einfachem Dotter. Die Missbildung war schon bei der Entstehung der Nota primitiva vorhanden, und wurde bei der Ent- wickelung nur modificirt. Später beobachtete er noch 26 Doppel- missbildungen aus künstlich befruchteten und absichtlich unter un- günstige Bedingungen gestellten Hechteiern. Diese Doppelmiss- bildungen waren sehr verschiedener Art. Ein 27stes Exemplar war besonders dadurch merkwürdig; dass es 3 Köpfe ***) und 2 hinten verbundene Körper nebst 2 Herzen hatte. Endlich gelang es ihm bei 3 Exemplaren die Bildung der Achsenplatte direkt in folgender Weise zu beobachten: Auf der Cicatricula (bourrelet blastoder- mique) zeigten sich 2 einander nahe liegende Knötchen; die sich verlängerten; um die Achsenplatte (bandelette) zu bilden. Diese er- hielten ihre BinnC; und es entstanden 2 Embryonen, deren Lagerung zu einander in den verschiedenen Fällen; je nach der ursprünglichen Richtung der Achsenplatte verschieden war. Als die Wirbelplättchen sich theilten, hatte die Theilung der äussern Plättchen ihren nor- malen Fortgang; die inneren zeigten dahingegen grosse Neigung mit *) Ein Beitrag zur Entwickclungsgeschichte der Doppclmissbildungcn von G. Valentin. Vierordts Archiv für physiologische Heilkunde 185l. p. 1 — 40. **) Comptes rendus 1855. I. 854. 916. 1028. 10(53. ***) Ausser diesem Falle finde ich nur ein Beispiel einer Misshildung, die aus 3 Individuen zusammengesetzt war, nämlich bei Lusystcues: de prodigiis et ostentis, 1740, der erwähnt, dass seine eigene Katze ihm 3 mit der Brust verwachsene Jungen lieferte. 205 einander zu versclimelzen und verschmolzen in der That. In allen von Lerebonllet beobachteten Fällen befanden sich die Doppel- monstra auf einem Dotter, und er beobachtete niemals ein Ver- wachsen zweier auf verschiedenen Dottern entstandenen Embryonen. Endlich beobachtete Coste *) eine sehr grosse Zahl von Doppel- missbildungen bei künstlicher Befruchtung von Fischeiern. Er sah im Laufe von zwei Monaten über 100 derselben aus 400,000 Eiern von Karpfen, Lachsen u. s. w. Auch er versichert, dass man bei Knochenfischen, so weit man auch zurückgeht, immer nur 1 Dot- ter für die 2 Embryonen findet, und dass eine solche Lagerung auf gemeinschaftlichem Dotter bei diesen Doppelmissbildungen das einzig Wesentliche sei, wohingegen alles Uebrige von secundären Modificationen abhinge, die durch den Fortschritt der Entwickelung gesetzt würden. Endlich möge hier noch angeführt sein, dass Reichert (1. c.) auch ein Ei vom Flusskrebs (Astacus fluviatilis) beobachtete, wo zwei mit den Schwänzen gegeneinander gerichtete Embryonen auf einem gemeinschaftlichen Dotter lagen. Diesen Thatsachen entsprechend haben Beneke, d'Alton, Schulze und Coste Theorien der Entstehung der verschiedenen Doppelmiss- bildungen aufgestellt, welche von der Entwickelung zweier Keime auf einem Dotter ausgehen. Beneke**) suchte die Ansicht zu be- gründen, dass die virtuellen Achsen zweier auf einem Dot- ter primär vorhandenen Keimbläschen zunächst die Lagerung der Primitivstreifen, und bei fortschreitender Entwickelung die ver- schiedenen Grundformen der Doppelmonstra bestimmen. E. d'Al- ton ***) führte demnächst die Ansicht, dass die ursprüngliche Lage- rung zweier auf einem Dotter entstandenen Primitivstreifen, die im Laufe der Entwickelung mehr und mehr mit einander verwüchsen und verschmölzen, für die Grundformen der Doppelmonstra bestim- mend sei, im Speciellen durch, und dehnte sie auf die sogenannten *) Comptes rendus 1855. I. p. 868, 876, 931 u. flg. **) J. S. Beneke: Disquisitio de ortu et causis raonstrorum. Göttingae 1846. ***) E. d'Alton: de raonstrorum duplicium originc atque evolutione commentatlo. Halis 1848. 4to. — — : de monstris, quibus extremitates superfluae suspensae sunt, com- raentatio. Halis 1853. 4to. 206 parasitischen Monstra ans. B. Schulze '^) schliesst sich zunächst der von Beneke angebahnten Anfifassung an^ und sucht die primäre partielle Verschmelzung der Achsenplatten gegen d' Alton geltend zu machen, welcher die Verschmelzung als bei der weiteren Ent- wickelung entstanden dargestellt hatte. Coste**) endlich führte die Entstehung der Doppelmissbildungen bei Knochenfischen, auf seine Beobachtungen über die ersten Veränderungen im Eie nach der Befruchtung gestützt, ebenfalls auf die primäre Doppelheit der Keimbläschen in einem Dotter zurück. Er behauptet nämlich, dass die ursprüngliche Lage des verschwindenden Keimbläschens die Lage der Cicatricula bestimme, in der sich die Keimscheibe mit dem Primitivstreifen bilde, dass 2 Keimbläschen in einem Eie wirklich vorkämen und dass ein jedes derselben als ein Entwickelungsheerd zu betrachten sei. Diese Hypothesen, denen zufolge 2 Keimbläs- chen auf einem Dotter vorhanden gewesen sein müssten, damit sich zwei getrennte oder verschmolzene Embryonen auf einem Dotter entwickeln könnten, wurden durch die Beobachtung von Joh. Mül- ler (Ueber Synapta digitata etc. Berlin 1852) gestützt, der zufolge sich das Keimbläschen bei Entoconites mirabilis in alle Furchungs- kugeln vertheilt. Man glaubte nämlich hieraus schliessen zu dür- fen, dass der Furchungsprocess vom Keimbläschen ausginge, imd dass das Keimbläschen daher der wichtigste Theil des Eies sei. Andererseits zog man zu ihrer Unterstützung die Beobachtung an, der zufolge die Eier der Tubellaria Vortex balticus, welche immer 2 Keimbläschen enthalten, auch immer 2 Embryonen entwickeln. Endlich stand mit ihnen die allerdings noch bestrittene Angabe in Einklang, dass das Keimbläschen der zuerst gebildete Theil des Eies sei. Dass Doppelmissbildungen bei Vögeln und Fischen auf einem Dotter entstehen können, wenn abnormer Weise eine doppelte Keim- anlage auf demselben vorhanden ist, geht unwidersprechlich aus vorstehenden Thatsachen hervor. Es fragt sich aber noch, ob keine • *) Virchow's Archiv Bd. VII. Ucber anomale Duplicität der Aclisenorgaiie. — Monatsschrift für Geburtskunde 7ter Bd. 1856 pag. 247 — 285. — Comptcs rendus 1855 Avril. =^*) Comptcs rendus I. p. 808, 876, 931 u. flg. 207 andere Entstehungsweise möglich ist? ob nicht die Eier mit dop- peltem Dotter auch durch Verwachsung zweier auf verschiedenen Dottern entstandenen Embryonen entstehen können? und in wel- cher Beziehung die Eier mit eingeschnürtem oder scheinbar unvoll- ständig doppeltem Dotter zu den Doppelmissbildungen stehen? Es sind in der That noch in neuester Zeit Stimmen laut ge- worden^ welche, namentlich in Betreff der Vögel, auch die Entste- hungsweise der Doppelmissbildungen aus Eiern mit doppeltem und mit eingeschnürtem Dotter, neben der Entstehung aus zwei Keim- anlagen auf einem Dotter zur Geltung zu bringen gesucht haben. Der ältere Geoifroy St. Hilaire hatte aus einem Eie, das er vor der Bebrütung als ein Ei mit doppeltem Dotter diagnosticirt hatte, zwei mit den Nabeln verwachsene Hühnchen erhalten. Isi- dore Geoffroy St. Hilaire *) schloss hieraus, dass zwei auf verschie- denen Dottern in demselben Eie eingeschlossene Embryonen durch oberflächliche Verwachsungen zu Doppelmissbildungen werden könn- ten, und er hält noch ganz neuerdings diese Ansicht fest, wenn er gleich einräumt, dass die Doppelmonstra sich in der Mehrzahl der Fälle aus zwei Keimanlagen auf einem gemeinschaftlichen Dotter entwickeln. Die Frage könnte durch diesen einzigen Fall erledigt erscheinen, wenn es in demselben wirklich nachgewiesen wäre, dass die beiden Embryonen sich auf zwei verschiedenen Dottern ent- wickelt hätten. Dieser Nachweis ist aber nicht geführt worden. Denn einerseits könnte die Diagnose des Vorhandenseins zweier Dotter in diesem Eie unrichtig gewesen sein; ein solcher Irrthum in der Diagnose ist nämlich leicht möglich, da es Eier mit einfachem Dotter giebt, welche, ihrem Aussehen und ihrer Grösse zufolge, den Eiern mit doppeltem Dotter so sehr gleichen, dass auch ich mich mehrmals in dieser Beziehung geirrt habe. Andererseits wäre es aber auch sehr wohl möglich, dass das fragliche Ei wirklich zwei Dotter enthalten hätte, dass aber der eine Dotter unbefruchtet ge- wesen wäre, während der andere zwei Keimanlagen gehabt hätte. Da das Doppelhühnchen selbst aus der Schale ausgekrochen war, *) Ilistoirc generale et particuliere des aiiomalics de rorganisation ou la Tera- tologie T. ni. pag. 77. Bruxelles 1.S37. — Comptes rendus ISr^T) I. p. 873. 208 und da von einer Untersuchung der Schale und ihres Inhaltes nach dem Auskriechen nirgends die Rede ist, so verdient diese Möglich- keit wohl berücksichtigt zu werden. Ueberhaupt ist dieser Fall nicht so sorgfältig untersucht^ wie man es wohl verlangen könnte, wenn er zur Grundlage einer ganz besonderen Theorie für die Ent- stehung der Doppelmissbildungen dienen sollte. Dieses geht schon aus einer Anmerkung hervor, die Isidore GeofFroy selbst bezüglich dieses Falles gemacht hat, indem er sagt: J'eusse consider^ des ä present ce double poullet comme le type d'un nouveau genre, qui eüt du etre nomme Omphaloge, s'il m'avait ete possible de dissequer moi m^me ce monstre. Auch B. Schulze (1. c.) ist der Meinung, dass Doppelmissbil- dungen in Vogeleiern durch Verwachsung der auf verschiedenen Dottern gebildeten Embryonen entstehen können, obgleich er im Allgemeinen der Entstehung derselben auf einem Dotter das Wort redet, und obgleich er bei Säugethieren letzteren Modus als den ein- zig möglichen betrachtet. Schon in seiner ersten Abhandlung suchte er theoretisch zu erörtern, dass ein solches Verwachsen bei den Vogeleiern mit doppeltem Dotter ganz besonders begünstigt werde, sowohl durch die feine und dünne Beschaffenheit der Dotterhaut, als durch die harte Schale, welche sich im Ovidukt um die Dotter bildet, und welche bei fortschreitender Entwickelung ein festes An- pressen der Embryonen an einander bedinge. Er hebt hervor, dass solche Bedingungen für die Eier der Säugethiere, wie der Fische nicht vorhanden seien, und statuirt daher nur für die Vögel diese zweite Entstehungsweise der Doppelmissbildungen, freilich auch hier neben der ersten und sonst allgemein gültigen. In den späteren Mittheilungen stützt er diese Meinung nicht nur auf GeofF- roy's eben citirten Fall, sondern auch auf eine eigene Beobachtung. Er berichtet nämlich von einer Henne, die 3 Jahre lang Eier ge- legt hatte, und deren Eier jedesmal zu Anfang der Legperiode sämmtlich doppelte Dotter enthielten, während späterhin nur noch ab und zu ein solches Ei neben gewöhnlichen Eiern gelegt wurde. Im zweiten Jahre des Legens hatte man die Henne brüten lassen, und es entstanden daraus mehrere vierflügeligc, vierbeinige, am Bauclie verwachsene Küchlein, welche leider vernichtet wur- 209 den. Er sagt, dass Ihm überdies mehrere Hühner bekannt seien, welche, namentlich jedesmal zu Anfang einer Legperiode, Eier mit zwei Dottern legten, dass es ihm indess bis dahin nur möglich gewe- sen sei ein einziges solches Ei zu erhalten. Dasselbe war un- gewöhnlich gross, indem es ßy^" im longitudinalen und 5%" im que- ren Umfange maass. Er setzte es künstlicher Brütwärme aus und öffnete es am fünften Tage der Bebrütung. Zwei Dotter von ziem- lich gleicher Grösse lagen in der Längsachse des Eies, es war aber leider nur der eine befruchtet. Auf demselben lag, wie gewöhnlich in der Querachse des Eies, ein normal ausgebildeter, viertägiger Embryo mit grossem Gefässhofe, der jedoch nicht bis zur Berührungsstelle der beiden Dotter reichte. Die beiden Dotter communicirten nicht mit einander. Der befruchtete war beim OefFnen der Schale geplatzt und floss aus, während der andere ganz und voll blieb. Die Dot- terhaut des ersteren war in einer kreisförmigen Fläche von y^" im Durchmesser mit der des anderen verklebt, doch ohne wirkliche Verwachsung, so dass man beide Dotter ohne Zerreissung mit dem Finger von einander trennen konnte. Auf dem unbefruchteten Dot- ter war keine Spur der Keimscheibe zu entdecken. — Es ist so- mit nicht zufolge eigener Beobachtung, sondern nur auf die Rela- tion des Besitzers jener Henne hin, dass B. Schulze der Meinung Isidore Geoffroy's beitritt. Auch mir ist von Hühnerzüchtern, welche die Eier mit doppeltem Dotter kannten, oft berichtet worden, dass man solche Eier nicht gern bebrüten lasse, weil immer missgebil- dete Hühnchen aus ihnen hervorgingen, die mit dem Bauche oder der Brust verwachsen oder, vierbeinig oder zweiköpfig wären. Ich kann aber, meinen Erfahrungen zufolge, solchen Relationen kein Gewicht beilegen, da sie bei näherer Untersuchung jede Beweis- kraft verloren. In einem Hühnerhofe kann man in der Regel nicht einmal mit einiger Sicherheit angeben, welche Henne dieses oder jenes Ei gelegt hat. Werden aber einer Brüthenne fremde Eier zum Bebrüten untergelegt, so ist es nach dem Auskriechen in der Regel unmöglich die Eltern des Hühnchens zu bezeichnen. War nun ein Ei darunter, das als ein Ei mit doppeltem Dotter diagnosti- cirt war, und es erscheint in der Brut eine Doppelmissbildung, so wird ein Hühnerzüchter gewiss darauf scliwören, dass dieselbe aus Paniiin, Untersuchungen. 14 210 dem Eie mit doppeltem Dotter hervorging; ein Naturforscher muss aber noch verschiedene andere Möglichkeiten vor Augen haben: dass dieselbe aus einem Eie von gewöhnlicher Grösse mit einfachem Dotter^ von derselben oder von einer ganz anderen Henne hervor- gegangen sein könnte^ dass aus dem Eie mit doppeltem Dotter mög- licher Weise ein einfaches, normales Hühnchen ausgekrochen sein könnte, oder dass das Ei zu Grunde gegangen wäre. Nacli dem Auskriechen wird es überhaupt einem Hühnerzüchter in der Regel unmöglich sein mit Bestimmtheit zu sagen, dass dieses oder jenes Hühnchen aus diesem oder jenem Eie hervorgegangen sei, und selbst, wenn dies, wie in GeofFroy's Falle, wirklich einmal möglich ist, so wäre noch der Nachweis erforderlich, erstens, dass eine wirkliche Doppelmissbildung vorlag, und zweitens, dass dieselbe nicht auf einem Dotter entwickelt wäre. Dazu kommt die bekannte Neigung der Leute, Dasjenige vorzugsweise zu nennen, das ihnen am wun- derbarsten erscheint. Dahin gehörten aber von jeher die Doppel- monstra, und es ist daher sehr leicht denkbar, dass vereinzelte, un- genaue Beobachtungen, die auf einer Verwechselung beruhten, zu einer solchen Tradition Veranlassung geben konnten. Serres ^') behauptet noch, dass bei Vögeln eine Verbindung im Eie durch die Allantois Zustandekommen könne, freilich ohne be- stimmte Beobachtungen darüber mitzutheilen, und ohne anzugeben, wie daraus denn Doppelmissbildungen resultiren sollten ; ohne Wei- teres begreift man dies nicht, da ja bekanntlich die Allantois mit den übrigen Eihäuten beim Auskriechen des Plühnchens in der Schale zurückbleibt. Zwillinge von Säugethieren mit gemeinschaft- licher Placenta würde doch Niemand als Doppelmissbildungen be- zeichnen. Selbst Coste,'^'*) der seinen zahlreichen Erfahrungen zufolge bei Knochenfischen das Vorhandensein zweier Keime auf einem Dotter als conditio sine qua non für die Entstehung der Doppel- missbildungen bezeichnet, warnt in sehr eindringlicher Weise ge- gen eine Ausdehnung der Analogie auf die Vögel und überhaupt auf die Thiere mit Allantois, da bei diesen wesentlich andere Ver- *) Comptcs rcndus 1855 I. ]). ()29. **) 1. c. 211 liältnisse obwalten sollten, welche die Genese der Doppelmissbil- dnngen bestimmen könnten. Auch Vrolik *) und Ritgen ^^) haben gegen den Analogie- schluss gewarnt, die bei Fischen imd in einigen Fällen auch bei Vögeln nachgewiesene Entstehungsweise der Doppelmissbildungen aus zwei Keimen auf einem Dotter auf alle Fälle auszudehnen und diese Entstehungsweise als die einzig mögliche zur Geltung zu bringen. Vielleicht könnte man für die Vermuthung, dass Doppelmissbil- dungen bei den Vögeln durch Verwachsung zweier, auf verschiede- nen Dottern entwickelten Embryonen entstehen könnten, noch die sehr merkwürdigen Beobachtungen bei Mollusken geltend machen wollen, welche neuerdings gelehrt haben, dass bei diesen Thieren Doppelmissbildungen in der That auf diese Weise Zustandekom- men können. Lacaze-Duthier ***) wurde durch den Fund einer Doppelmissbildung von Bullea aperta veranlasst, auf das Eier- legen dieser Thiere Acht zu geben. Er fand dabei dann, dass die Eier im oberen Theile der klaren Masse, welche sie nach dem Legen bilden, oft weniger regelmässig lagen, als gewöhn- lich. Besonders häufig wurde dies in künstlichen Bassins beobach- tet. Er fand ferner, dass diese unregelmässig abgelagerten Eimas- sen Doppelmissbildungen lieferten, und überzeugte sich endlich, dass diese Doppelmonstra aus solchen Eiern hervorgingen, bei wel- chen zwei vollständige, nirgends verklebte Eier von einer gemein- schaftlichen Schale umgeben waren, wohingegen diejenigen Eier, bei denen sich nur ein Ei (Dotter) in einer Schale befand, nor- male Embryonen lieferten. Indem er die einzelnen Exemplare in ihrer Entwickelung verfolgte, sah er constant, dass die zwei Eier in der gemeinschaftlichen Schale sich wie gewöhnlich furchten, und dass das Verwachsen nach beendigtem Furchungsprocesse erfolgte. Die beiden, durch den Furcliungsprocess zerklüfteten Kugeln hingen wie zwei Luftblasen an einander, sie wurden an der Berührungs- fläche platt gedrückt und die Zellen wurden hier dünner. Erst *) Comptes rcndus. *-^) Monatsschrift für Geburtskunde. ■***) Comptes rcndus 1855 II. pag. 1247 — 1250. 14 212 wenn die Bewegung durch die Cillen anfing war die Verwachsung evident. Beide durchliefen dann ihre normale Entwlckelung bis , auf die durch das Verwachsen gesetzten Deformitäten. Einige hin- gen nur durch einen dünnen Stiel zusammen, und dann war die Trennung noch möglich; andere waren aber mittels grosser Ober- flächen fest mit einander verbunden. Bemerkenswerth war noch die Verbindung dieser Doppelembryonen durch homologe Theile z. B. mit den beiden Seiten, wie zwei Personen, die beide ihre rechten Arme in einander geschlungen haben, oder mit dem Bücken, oder mit der Unterfläche des Fusses oder mit der Spitze des Schwanzes. Es können aber diese Erfahrungen für die Entwlckelung der Dop- pelmonstra bei den Wirbelthieren um so weniger zu einem Analo- gieschlüsse berechtigen, als es bei vielen Mollusken als Begel vor- kommt, dass mehrere Eier von einer Schale umgeben sind. So fanden Koren und Danlelsen, dass bei Buccinum und Purpura immer sehr zahlreiche Eier in gemeinsamer Kapsel bei der Entwlckelung eine zusammenhängende Masse bilden, aus der später mehrere nicht ver- bundene Embryonen hervorgehen, denen der Rest der Eimasse, nach Carpenter, zur Nahrung dient. Bei einigen Cephalopoden und Pul- monaten sind nach Valenciennes zwei Dotter in einer Schale fast normal, ebenso in der ganzen Abtheilung der Gasterop. pectinibran- chiata; auch bei Fasciolaria persica entwickeln sich immer zwei Dotter in einer Schale, und bei Turbinella scolymus finden sich sogar 56 Eier in einer Schale. Solche Verhältnisse bei den Wirbel- losen können natürlich für die Missbildungen der Wirbelthiere nicht maassgebend sein. Bei den Säugethlercn fehlt es noch gänzlich an direkten Beob- achtungen über die erste Entstehung der Doppelmissbildungen; man ist daher durcliaus auf Analogieschlüsse hingewiesen, wenn man es nicht vorzieht, sich jener Vermuthung zu enthalten. Die Grund- frage bleibt aber: ob die Verbindung immer schon im unent- wickelten Eic gesetzt ist, indem 2 ganz oder theilweise getrennte Keimanlagen auf einem Dotter vorhanden wa- ren? oder ob eine Verwachsung der Embryonen zweier Eier ebenfalls die Entstehung von Doppelmissbildungen veranlassen kann? Während H. Mcckel den aus einem Graaf- 213 sehen Follikel stammenden Eiern eine besondere Bedeutung für die Entstellung der Doppelmissbildungen zuschreibt, hat B. Schulze (1. c.) dagegen geltend gemacht, dass die Festigkeit des Chorions, das sie aus dem Eierstocke mitbringen, höchstens die Bildung einer gemeinschaftlichen Decidua zulassen würde. Bei den Vogeleiern mit doppeltem Dotter giebt, wie S. besonders betont, die zarte Be- schaffenheit der Dotterhaut und der Einschluss in eine harte, nicht nachgebende Schale ohne allen Vergleich günstigere Verhältnisse für die Verwachsung ab, als bei den kleinen, von sehr starker Dotterhaut umgebenen Säugethiereiern, welche sich im weiten und nachgiebigen Uterus entwickeln, wo sie bald noch durch andere Häute getrennt werden. Gewiss muss man einräumen, dass in Vogeleiern mit doppeltem Dotter das Verwachsen noch am leich- testen denkbar wäre; daraus folgt aber keineswegs, dass es hier wirklich vorkommt. 214 Drittes Kapitel. Neue Untersucliungen und Beobachtungen über die Ent- wickelung in abnorm gebildeten Vogeleiern, mit Eücksicht auf die Entstehung der Doppelmissbildungen, imd mit Hinblick auf die Entstehung dieser Classe der Missbiidungen bei den Säugethieren und dem Menschen. Dem oben über die Abnormitäten der Vogeleier vor der Be- brütiing Angeführten, und der Zusammenstellung der bisherigen Untersuchungen über die Entwickelung in abnorm gebildeten Eiern zufolge, erschienen neue positive Untersuchungen, besonders über das Verhältniss der ursprünglich fehlerhaften Beschaffenheit der Eier zur Entstehung der Doppelmissbildungen nach mehreren Sei- ten hin dringend geboten zu sein, nämlich: 1. Ueber die Entwickelung in Vogeleiern mit doppel- tem Dotter liegt ausser dem zweifelhaften Falle von Geoffroy nur ein einziges Bebrütungsresultat (von B. Schulze) vor, das schon darum für die Beziehung zu den Doppelmissbildungen ganz unbe- friedigend ist, weil nur der eine Dotter befruchtet war. 2. Ueber die Eier mit eingeschnürtem oder unvoll- kommen doppeltem Dotter, die Serres als aus zwei mit ein- ander verschmolzenen Dottern zusammengesetzt und zugleich als eine Uebergangsform zu den Fällen betrachtet, wo zwei Cicatri- culae auf einem Dotter vorhanden sind, lag bisher gar kein Bebrü- tungsresultat vor. Die Frage, ob ein solches Ei als ein einfaches Ei mit eingeschnürtem Dotter und einfacher Keimanlage, oder als ein doppeltes Ei mit zwei confluirten Dottern und zwei Keimanlagcn zu betrachten sei, schien aber am besten eben durch das Bebrü- tungsresultat entschieden werden zu können, falls es nämlich ge- lingen sollte, solche Eier mit Erfolg zu bebrüten. 215 3. lieber die Entwickelung in Eiern mit doppelter Cicatricula auf einfachem Dotter scheinen bei Vögehi über- haupt bisher nur 5 Fälle in frühen Stadien beobachtet worden zu sein, 2 von Wolflf; 2 von Baer und 1 von Reichert. In allen die- sen Fällen scheint aus dem Bebrütungsresultate der Schluss abge- leitet werden zu müssen, dass die beiden Cicatriculae einander vor der Bebrütung theils sehr nahe gelegen, theils schon von vorn her- ein confluirt gewesen sein müssen. An diesen Umstand haben sich die Fragen geknüpft, ob eine Theilung einer ursprünglich einfachen Keimanlage oder eine Verbindung zweier ursprünglichen Keimanla- gen statt gehabt habe? und ob die Spaltung der Achsengebilde als eine ursprüngliche, oder als eine aus dem Verlaufe der Ent- wickelung resultirende aufzufassen sei? l^ei der sehr geringen Zahl der betreffenden Thatsachen konnte man hoffen, dass fernere Beob- achtungen einschlagender Fälle wesentlich zur Schlichtung der ob- schwebenden Differenzen beitragen könnten. Der Zufall scheint mir besonders günstig gewesen zu sein, in- dem es mir möglich gewesen ist ein recht ansehnliches Material für alle diese drei verschiedenen Classen zu sammeln, und ich werde nun meine Erfahrungen in der angegebenen Ordnung dar- zulegen haben. I. Die Entwickelung auf zwei in einem Eie enthaltenen, mit einfacher Cicatricula versehenen Dottern. Unter den 77 Hühnereiern und den 3 Gänseeiern mit doppel- tem Dotter und einfacher Cicatricula, die ich gesammelt habe, konnte ich 10 Hühnereier aus verschiedenen Gründen nicht bebrüten las- sen; die übrigen 67 Hühnereier und die 3 Gänseeier habe ich sämmtlich 2 — 9 Tage lang der künstlichen Brütwärme in einer von Herrn Braunau in Jena angefertigten, mit Wärmeregulation nach Huschke's Angabe versehenen kleinen Brütmaschine ausge- setzt. Das Resultat der Bebrütung war übersichtlich folgendes: a) In 21 Hühnereiern und 2 Gänseeiern zeigte sich keine Ent- wickelungsspur, weder auf dem einen noch auf dem anderen Dotter (Taf. VIII. Fig. ü). 216 h) In 15 Hühnereiern und 1 Gänseei trug der eine Dotter einen normalen Embryo, der andere Dotter zeigte keine Spur einer Entwickelung. (Taf. IX. Fig. 1, 2). c) In 10 Hühnereiern trug jeder der beiden Dotter einen nor- malen und lebendigen, nirgends mit dem des anderen Dotters ver- wachsenen Embryo. (Taf. IX. Fig. 4, 7). d) In 9 Hühnereiern trug der eine Dotter einen kranken Em- bryo oder doch eine deutliche Spur einer unterbrochenen und ge- störten Entwickelung, der andere Dotter zeigte keine Spur von Entwickelung (Taf. IV. Fig. 7). e) In 7 Hühnereiern trug jeder Dotter einen abnormen Em- bryo oder eine deutliche Spur einer unterbrochenen und gestörten Entwickelung (Taf. IX. Fig. 8, 9, 10). f) In 6 Hühnereiern trug der eine Dotter einen lebendigen normalen Embryo, der andere einen abnormen Embryo oder eine Spur unterbrochener Entwickelung (Taf. IV. Fig. 5). Unter jenen 21 Hühnereiern, bei welchen die Bebrütung ganz und gar erfolglos geblieben war, fanden sich 2, deren Schale durch einen Riss beschädigt war, eins das über drei Wochen (im Som- mer) gelegen hatte, bevor es bebrütet wurde; 2 derselben hatte ich von einer Aufkäuferin erhalten, und 7 rührten von einer Henne her, welche wahrscheinlich nicht befruchtet worden war. Dieselbe befand sich nämlich, als sie diese Eier legte, freilich in Gesellschaft eines Hahns, der aber gewiss durch die Gegenwart eines starken und sehr streitbaren capunirten Hahns in seinem Geschäfte gestört worden war; denn nachdem dieser Capaun abgeschafft worden war, lieferte dieselbe Henne regelmässig fruchtbare Eier, worunter auch viele mit doppeltem Dotter. Für 12 unter jenen 21 Eiern waren also solche Umstände vorhanden, welche nicht nur für Eier mit doppeltem Dotter, sondern auch für gewöhnliche Eier höchst wahr- scheinlich eine jede Entwickelung verhindert haben würden. Die beiden Gänseeier waren aber weit vom Lande her zur Stadt ge- bracht worden. Bringt man diese 14 Eier beiderseits in Abzug, so würden also nur 9 unter 56 Eiern mit doppeltem Dotter ganz unfruchtbar gewesen sein, ein Verhältniss, das an sich nicht gerade sclir ungünstig genannt werden kann. Wenn daher Fremy und 217 Valencienues ihren durchaus negativen Bebrütungsresultaten zufolge, erklärt haben, dass diese Eier in der Regel unfruchtbar seien, so ist diese Angabe zu berichtigen, indem das negative Resultat der französischen Forscher gewiss daher rührt, dass sie ihre Eier vom Markte, durch Aufkäufer, nicht direkt von den Besitzern der Hen- nen bezogen haben. Es ist nämlich Jedem, der sich einigermassen mit Bebrütungsversuchen befasst hat, bekannt, dass es die erste Bedingung eines günstigen Resultats ist, die Eier direkt aus Hüh- nerhöfen, die mit guten Hähnen versehen sind, zu beziehen. Wenn man aber bedenkt, dass jene 56 Eier ja 112 Dotter ent- hielten, und daher bezüglich des Entwickelungsresultats eigentlich nicht mit 56 sondern mit 1I2 gewöhnlichen Eiern zu vergleichen wären, so stellt sich das Resultat allerdings schon weniger günstig. Wenn wir also von jenen 14, aus erklärlichen äusseren Ursachen un- fruchtbaren Eiern ganz absehen, so waren doch in der Abtheilung (a) 18, in der Abtheilung (h) 16, in der Abtheilung (c?) 9, zusammen 43 unter 112 Dottern bei der Bebrütung ganz ohne alle Entwicke- lung geblieben. Wenn aber unter 112 Eiern 43 abstehen, also mehr als %, so ist das Verhältniss schon ziemlich ungünstig. Dazu kommt nun aber noch hinzu, dass sehr oft abnorme Embryonen gebildet waren, oder eine angefangene Entwickelung wieder unter- brochen worden war.- In der Abtheilung (d) finden sich 9, in (e) 14, in (/) 6 abnorme Embryonen oder rudimentäre Entwickelungs- spuren. Die 112 Dotter hatten also in 43 Fällen keine und in 29 Fällen eine abnorme oder unterbrochene Entwickelung ergeben, und nur 42 normale Embryonen geliefert. Wenn aber 112 Eier gewöhnlicher Art nur 42 normale lebendige Embryonen liefern, be- sonders bei OefFnung des Eies zwischen dem 2ten und 9ten Bebrü- tungstage, so ist das Resultat schon sehr ungünstig zu nennen. Da mir nun gewöhnliche, meist aus denselben Hühnerhöfen bezogene Eier mit einfachem Dotter, welche unter denselben äusse- ren Verhältnissen bei der gleichen Temperatur, in derselben Brüt- maschine gleichzeitig entwickelt wurden, in der bei Weitem über- wiegenden Mehrzahl der Fälle normale und lebendige Embryonen geliefert hatten, so muss man doch annehmen, dass die besonderen Verhältnisse, unter welchen sich die Dotter in den Eiern mit doppel- 218 tem Dotter befinden, auf die normale Entwickelung störend ein- gewirkt haben. Indem sich die Frage aufdrängte, welche besonderen Verhält- nisse denn in den Eiern mit doppeltem Dotter auf die Entwicke- lung störend einwirken könnten? lag der Gedanke nahe, dass der- jenige Dotter, der dem Lufträume am nächsten lag, vor demjenigen, der sich am luftleeren Eiende befand, bevorzugt sein möchte. Denn nur in einem einzigen Falle, wo in der That jeder der beiden Dot- ter einen normal entwickelten, lebendigen, Gtägigen Embryo trug (Taf. IX. Fig. 4), war an jedem Ende ein Luftraum vorhanden, in keinem anderen Falle hatte ich mehr als einen Luftraum vorgefun- den, der sich bei den Eiern, deren Enden deutlich verschieden wa- ren, am stumpfen Eiende befand. Diese Vermuthung wurde indess bei der genaueren Untersuchung nicht bestätigt. Es zeigte sich nämlich einerseits, dass die Entwickelung wenigstens bis zur 69sten Brütstunde normal fortschreiten kann, ohne dass sich überhaupt ein Luftraum entwickelt. Alsdann mussten aber die Eier ganz frisch sein, denn sonst entwickelt sich auch bei der gewöhnlichen Tem- peratur in unbebrüteten Eiern ein Luftraum, dessen Grösse unter sonst gleichen Umständen um so beträchtlicher ist, je länger die Eier gelegen haben. Andererseits war in nicht wenigen Fällen ein normaler Embryo gerade auf dem am luftleeren Eiende gelegenen Dotter entwickelt, während derjenige Dotter, der dem Lufträume anlag, entweder gar keine Entwickelung zeigte, oder einen kranken und missgebildeten Embryo trug. Ich fand selbst ebenso oft normal entwickelte, lebendige Embryonen am luftleeren (spitzen), wie am lufthaltigen (stumpfen) Ende, und es zeigte sich auch gar kein Un- terschied in der Häufigkeit des gänzlichen Fehlens der Entwicke- lung am einen und am anderen Eiende. Wenigstens bis zum sie- benten Tage der Entwickelung habe ich einen normalen und leben- digen Embryo auf demjenigen Dotter gefunden, der am luftleeren Eiende lag. Die Nähe des Luftraumes ist mithin für die erste Entwickelung von keiner Bedeutung, und dass derselbe in der Regel nur am einen Eiende zur Entwickelung gekommen war, konnte in den mir vorliegenden Fällen Nichts dazu beigetragen liaben, dass verhältnissmässig so viele Dotter in den in Rede stc- 219 henden Eiern unentwickelt geblieben waren oder kranke Embryo- nen trugen. Auch die verschiedene Grösse der Eier mit doppeltem Dotter schien für die Entwickelung, wenigstens bis zum 6ten — 7ten Tage hin gleichgültig zu sein. Es erklären sich die ungünstigen Ent- wickelungsverhältnisse in Eiern mit doppeltem Dotter aber dadurch, dass die Cicatriculae oder die jungen Embryonen so oft in Lagen kommen ; die der Entwickelung ungünstig sind oder sie vollkom- men unmöglich machen. Diese Häufigkeit des Vorkommens einer abnormen Lage der Entwickelungscentra in diesen Eiern ist schon oben Pag. 192 besprochen worden, und es ist dort bereits darauf hingewiesen worden , dass dieselbe ohne Zweifel auf das ebenda- selbst besprochene Verhalten der Chalazzen zurückzuführen ist. Es geht nun aber zur Evidenz aus den von mir beobachteten Resul- taten der Entwickelung in diesen Eiern hervor, dass an der Be- rührungsfläche beider Dotter gar keine Entwickelung möglich ist. Da nun die eine oder die andere Cicatricula auf- fallend häufig gerade an der Berührungsfläche beider Dotter liegt und verborgen ist und in anderen Fällen derselben ausserordent- lich nahe liegt, so ist es sehr begreiflich, dass die Entwickelung durch diesen Umstand oft gestört oder ganz verhindert werden muss. Selbst bei ührigens sehr kräftiger Entwickelung hört der bis an die Berührungsgränze beider Dotter fortgeschrittene Blut- hof hier mit scharfer Begränzung, wie abgeschnitten, auf, wie auf Taf. IX. Fig. 4. Auch die übrigen Blätter der Keimscheibe kön- nen bei ihrer sonst gleichmässig über den Dotter fortschreitenden Entwickelung diese Gränze nicht überschreiten. Wenn aber die Cicatricula der Berührungsgränze sehr nahe liegt, und wirklich eine Entwickelung in ihr beginnt, so muss dieselbe bald unterbrochen werden, weil die Ausdehnung des Dotters durch die Eiweissauf- nahme die Berührungsfläche viel grösser macht (vgl. Fig. 2, 4 und 9 der Taf. IX), und in Folge dessen kann der Embryo, der anfangs sich noch frei in der Nähe der Gränzlinie entwickeln konnte, bei fortschreitender Entwickelung theilweise zwischen beide Dotter ein- geklemmt werden und dadurch zu Grunde gehen. Diesen Fall habe ich wiederholt in sehr evidenter Weise beobachtet; unter den in 220 den Abbildungen verzeichneten Fällen gehört Fig. 5 Taf. IV und Fig. 10 Taf. IX hierher. Dieser interessante Umstand, dass die Berührungsfläche beider Dotter keine Entwickelung zulässt, in Verbindung mit dem Umstände^ dass die Lage der Cicatricula in diesen Eiern so sehr wechselt, wodurch die nicht entwickelungs- tahige Seite des Dotters zum Ausgangspunkte der Entwickelung in verschiedene und bei fortschreitender Entwickelung wechselnde Beziehung tritt, ist wohl die Hauptursache der im Ganzen ungün- stigen Entwickelungsresultate in diesen Eiern. — Die Frage, wo- durch die Entwickelung an der Berührungsgränze beider Dotter unmöglich ist? scheint, mit Rücksichtnahme auf die im ersten Ab- schnitte dieser Arbeit erlangten Resultate, dahin beantwortet wer- den zu müssen, dass wahrscheinlich einerseits der Druck des einen Dotters gegen den anderen, der sich durch die Abplattung dersel- ben zu erkennen giebt, der Entwickelung hinderlich und dass an- dererseits die freie Berührung der Cicatricula oder des Embryo mit dem Eiweiss vielleicht eine nothwendige Bedingung für die embryo- nale Entwickelung und Ernährung im Vogeleie ist. — Gewiss ist aber, dass das Centrum der Entwickelung, in allen den Fällen, wo sich ein normaler, lebendiger Embryo auf einem Dotter dieser Eier vorfand, von der Berührungsgränze beider Dotter ziemlich weit entfernt war. Abgesehen von der schädlichen und bei fortschreitender Ent- wickelung sich vergrössernden Berührungsfläche beider Dotter scheint die Lage der Cicatricula oben, seitlich oder unten auf dem Dotter für die Entwickelung keinesweges gleichgültig zu sein. In einem gewöhnlichen Eie nimmt die Cicatricula bekanntlich, auch wenn das Ei gedreht wird, die Mitte der nach oben gewandten Seite des Dot- ters ein. In den Eiern mit doppeltem Dotter gestattet einerseits die abweichende Anordnung der Chalazzen, andererseits das Zu- sammenliegen der beiden Dotter, bisweilen nicht dem betreffenden Dotter sich so zu drehen, dass die Cicatricula durch Einfluss des geringeren speciflschcn Gewichts der Dotterseite, die sie einnimmt, nach oben zu liegen kommt. In einigen Fällen lag die Cicatricula des einen Dotters, wie gewöhnlich, oben, die Cicatricula des an- deren Dotters lag aber entweder ganz unten, der anderen gerade 221 entgegeDgesetzt ^ oder an der Seite; etwa 90^ von dem obersten Punkte entfernt. In diesen Fällen, welche genau beobachtet wur- den, indem die Eier während der ganzen Bebrütungsdauer dieselbe horizontale Lage eingenommen hatten und, möglichst genau in derselben Lage aus dem Apparate herausgenommen, unter Wasser geöffnet worden waren, fand sich der oben, in der gewöhnlichen Stellung befindliche Embryo normal und gut entwickelt, während der untere, entweder abnorm oder so weit in der Entwickelung zu- rückgeblieben war, dass man ihn als abgestanden betrachten musste. Dies deutet darauf hin, dass die Lage der Cicatricula auf dem ober- sten Punkte des Dotters für die Entwickelung am günstigsten oder vielleiclit selbst nothwendig ist, und es liegt die Vermuthung nahe, dass die specifisch leichtere Flüssigkeit, welche den Embryo bei seiner normalen Lage umspült, für seine Ernährung besonders ge- eignet ist. Bei Berücksichtigung dieser Verhältnisse erklären sich jene un- günstigen Bebrlitungsresultate recht gut, ohne dass man anderwei- tige unbekannte Momente für die Erklärung herbeizuziehen genö- thigt wäre, Dass wir in den Eiern mit doppeltem Dotter solche Abnormitäten vorfanden, wie sie auch so oft in Eiern mit einfachem Dotter durch Störung der Entwickelung entstehen^ kann nicht be- fremden. Denn wenn man auch nur auf die schädlichen Tempe- raturschwankungen Rücksicht nehmen will, so lassen sich dieselben bei aller Sorgfalt in solchen Versuchen nicht ganz vermeiden. - — Dieselben konnten übrigens selbst dann ihren schädlichen Einfluss ausgeübt haben, wenn die Temperatur bei der künstlichen Bebrü- tung vollkommen gut regulirt gewesen war. Es war nämlicli un- möglich zu wissen, ob nicht eine Bebrütung durch die Henne, und im heissen Sommer zugleich die Temperatur der Luft, schon eine beginnende Entwickelung gesetzt hatte, die dann ganz zu Anfang stark unterbrochen worden wäre; denn ich Hess die Eier oft einige Tage liegen, bevor ich die künstliche Bebrütung anfing, weil ich mehrere Eier zugleich in Arbeit nehmen zu können hoffte. Dieses ist besonders für die Fälle annehmbar, wo sich kein Embryo, son- dern eine einfache abortive Keimschcibenbildung (Pag. 37) auf beiden Dottern vorfand, oder wo dieselbe neben einem ganz unentwickel- 222 ten Dotter gefunden wurde. Die in Rede stehenden 70 Eier wurden natürlich nicht auf einmal^ sondern in vielen verschiedenen Keprisen bebrütet^ da sie mir meist nur einzeln zugingen. Sehr oft habe ich um eines einzelnen Eies mit doppeltem Dotter willen die Brütmaschine heizen müssen; bisweilen konnte ich 2 bis 3, selten mehr von die- sen Eiern gleichzeitig bebrüten. Bei so vielen Brütversuchen, welche neben anderen Arbeiten betrieben wurden, hat es nicht vermieden werden können, dass Unregelmässigkeiten in der Temperatur, einige male selbst recht beträchtliche, vorkamen. Für die 7 Fälle, wo beide Dotter abnorme Embryonen trugen oder blosse Entwicke- lungsspuren zeigten, und für die 10 Fälle, w^o der eine Dotter eine abnorme Entwickelung zeigte, während der andere ganz unent- wickelt geblieben w^ar, wird wohl Niemand Bedenken tragen anzu- nehmen, dass eine äussere Schädlichkeit, wahrscheinlich eine Tem- peraturschwankung, das ungünstige Resultat bedingt hat. Nur die unter (f) verzeichneten 7 Fälle, wo ein normaler Embryo auf dem einen und ein abnormer auf dem anderen Dotter gefunden wurde, könnten vielleicht auffallend erscheinen. Dass aber in demselben Eie der eine Embryo dem Einflüsse einer Schädlichkeit w^iderstand, durch welchen der andere erkrankte, kann doch eigentlich gar nicht befremden, da eine ganz entsprechende Verschiedenheit der Prädis- position zur Erkrankung bei Einwirkung einer bestimmten Schäd- lichkeit ja überall beobachtet wird, auch bei Eiern mit einfachem Dotter und bei entwickelten Individuen. Fassen wir nun die einzelnen Resultate der Entwickelung in den Eiern mit doppeltem Dotter etwas näher ins Auge, und be- rücksichtigen zunächst die Fälle, wo normale und lebendige Embryonen gefunden wurden, so ergiebt sich dabei Folgendes: Obiger Zusammenstellung zufolge kam es unter 67 Hühner- eiern I5mal und unter 3 Gänseeiern Imal vor, dass der eine Dot- ter einen normalen lebendigen Embryo trug, während der andere gar keine Entwickelungsspur zeigte. Da nun ein Dotter, der gar keine Spur einer begonnenen Entwickelung, trotz der stattgefunde- nen Bebrütung zeigt, auch nicht faulig zersetzt wird, sondern sich, wie schon Reaumur angiebt (Pag. 16), und wie ich es vollkommen bestätigt gefunden liabe, bis über den normalen Termin der Bel)rü- 223 tung hinaus ganz friscli erhält, so ist anzunehmen, class in diesen Fällen bei ferner ungestörter Entwickelung ein einziger, ganz nor- maler Embryo am Schlüsse der Entwickelung aus einem solchen Eie mit doppeltem Dotter ausgeschlüpft sein würde. Dieses Resul- tat der Entwickelung aus Eiern mit doppeltem Dotter, das Obigem zufolge etwa Y^ — /g aller Fälle umfassen würde, wo Eier mit dop- peltem Dotter bebrütet worden, würde einem Hühnerzüchter ohne Zweifel entgehen. Höchst wahrscheinlich würde er annehmen, dass ein Ei, das er vielleicht der beträchtlichen Grösse halber für ein Ei mit doppeltem Dotter gehalten hatte, doch nur ein gewöhnliches Ei gewiesen sei, wenn ein gewöhnliches Hühnchen daraus hervor- ging. Es ist daher erklärlich, dass ich über dieses Bebrütungsresul- tat der Eier mit doppeltem Dotter nirgends eine Angabe oder eine Andeutung gefunden habe. Wenn man künftighin vielleicht diesen Fall im Auge behalten wird, so ist es wahrscheinlich, dass die Gegen- wart von gelber Dottermasse in der Schale oder am Hühnchen es möglich machen wird, die Gegenwart eines zweiten Dotters zu con- statiren, da derjenige gelbe Dotter, auf welchem das Hühnchen sich entwickelt, normaler Weise ja bekanntlich in den Unterleib dessel- ben hineinschlüpft und daher keine gelbe Dottermasse zum Vor- schein kommen lässt. In 10 unter 70 Fällen fand sich ferner ein normal entwickel- ter lebendiger Embryo auf jedem der beiden Dotter. Wenn die Entwickelung unter diesen Verhältnissen ihr normales Ende erreicht haben würde, so ist demnach anzunehmen, dass zwei im Ganzen normale, getrennte Hühnchen aus einem solchen Eie mit doppeltem Dotter ausgeschlüpft sein würden. Dass die Entwickelung unter solchen Verhältnissen bis kurz vor dem Auskriechen glücklich fort- schreiten kann, geht schon aus dem auf Taf. X. Fig. 2 und 3 abge- bildeten, in der Aufzählung nicht mitgerechneten Falle hervor. Hier hatte die Henne selbst das Ei bebrütet; da aber nach Ablauf der normalen Zeit kein Hühnchen auskroch, war das Ei geöffnet und mir mit den beiden todten, aber noch ganz frischen Embryonen ge- bracht worden. Dieselben waren nirgends mit einander verbunden, sondern lagen ganz frei neben einander, wie die Abbildungen es zeigen. Ohne Zweifel hat der beschränkte Platz im Eie es diesen 224 beiden Hühnchen unmöglich gemaclit^ die zum Sprengen der Schale nöthigen Bewegungen auszuführen. — Ausser diesen 11 Fällen, wo sich ein normaler, nirgends mit dem anderen verwachsener Embryo auf jedem Dotter entwickelt hatte, sind noch folgende hierher ge- hörigen Fälle zu meiner Kenntniss gelangt: 1) Herr Schmitz, der seine grossen Brütmaschinen und die künstliche Bebrütung in denselben in vielen Städten öffentlich vor- gezeigt hat, theilte mir mit, dass er einmal ein Ei, das er durch die auffallende Grösse als ein Ei mit doppeltem Dotter erkannt hatte, 10 — 11 Tage lang bebrütet, und in demselben zwei leben- dige, normale Embryonen vorgefunden habe, die ganz frei und ge- trennt von einander lagen. Der eine war nur etwas kleiner als der andere. 2) Auf der hiesigen Anatomie befindet sich (Journal -Nummer 644 den 4ten Juli 1845) ein Glas mit zwei Hühnerembryonen aus einem Eie, welche vollkommen getrennt, ihrer Entwicklung zu- folge 18 — 19 Tage alt geworden sein müssen. Am Nabel eines jeden dieser Embryonen hängt der Dottersack völlig frei heraus. Die Bildung beider Hühnchen scheint ganz normal zu sein, bis auf eine Verkümmerung des Fusses des einen. 3) Herr Dr. Poselger in Berlin hat die Güte gehabt mir fol- gende mündliche Mittheilung zu machen: Seit er Cochinchina- und andere fremde Hühnerracen in seinem Hühnerhofe eingeführt hat, sind ihm ziemlich oft Eier mit doppeltem Dotter vorgekommen. Diese Eier hat er oft bebrüten lassen, und 6 — 8mal waren zwei Hühnchen in denselben zur vollen Entwickelung im Eie gelangt, aber sie waren in demselben abgestorben, weil sie die Schale nicht durchbrechen konnten, indem es ihnen am Raum fehlte, um die nöthigen Bewegungen auszuführen. In allen diesen Fällen waren beide Hühnchen durchaus von einander getrennt und nirgends mit einander verwachsen. Auch waren, so weit ohne genauere Unter- suchung ersichtlich war, beide ganz normal. Viel häufiger war die Bebrütung dieser Eier erfolglos geblieben, indem die Embryonen entweder früher zu Grunde gingen oder indem die Eier überhaupt nicht befruchtet waren. 4) Der Diener des unter meiner Leitung befindlichen physio- 225 logischen Laboratoriums, dessen Wahrheitsliebe mir völlig erprobt ist, beschäftigt sich nebenher mit der Zucht von Kanarienvögeln. Dabei erlebte er vor mehreren Jahren den Fall, dass aus 4 Eiern, die im Neste eines Kanarienvogels bebrütet waren, 5 Junge aus- schlüpften. Dem einen derselben fehlte der Schwanz und eine Zehe am rechten Fusse. Das defecte Junge war ein Männchen, ebenso wie 3 der fehlerfrei entwickelten Jungen; das 5te war ein normal gebildetes Weibchen. Alle 5 Jungen blieben gesund und wurden gross. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass eines dieser Eier ein Ei mit doppeltem Dotter gewesen ist. 5) Eine Frau in Dorfgaarden bei Kiel Hess aus Neugierde von einer Henne ein Hühnerei ausbrüten, das wegen seiner ganz ungewöhnlichen Grösse von ihr für ein Ei mit doppeltem Dotter gehalten wurde. Es kamen aus diesem Eie zwei völlig getrennte, lebendige Hühnchen hervor. Dem einen derselben fehlte aber der Schwanz, das andere hatte einen Fehler am Fusse. 6) Zu Anfang Juni 1858 machte die Nachricht, dass ein Hüh- nerliebhaber unter den Linden in Berlin aus einem Eie zwei leben- dige Hühnchen erhalten habe, die Runde in vielen norddeutschen Zeitungen, z. B. in der Eisenbahnzeitung, der Reform u. A. Ohne Zweifel würden diese Bebrütungsresultate aus Eiern mit doppeltem Dotter, deren übrigens, wie oben (Pag. 200) angeführt wurde, schon von Harvey, ja schon von Aristoteles Erwähnung ge- schehen ist, häufiger sein, wenn dieselben öfter bebrütet würden. In der Regel werden sie aber nicht bebrütet, weil, wenigstens hier zu Lande, die Sage verbreitet ist, dass immer allerlei Doppelmiss- bildungen aus denselben hervorgehen sollen. Dieses ist nun zwar, insofern Doppelmissbildungen genannt werden, jedenfalls un- richtig, indem dieses Resultat wenigstens sehr selten ist; es schei- nen jedoch einfache Missbildungen, namentlich fehlerhafte Bildung des Schwanzes und der Füsse öfter beobachtet zu sein, und diese Fehler sind durch die Raumbeschränkung um so leichter zu be- greifen, da die Längenachsen der Embryonen in allen meinen Fäl- len vor dem 6ten Tage mit einander einen freilich sehr verschiede- nen Winkel bildeten, und weil die Lagerung nach der Längenachse des Eies (wie in Fig. 2 und 3 Taf. X) erst in einer späteren Ent- Panum, Untersuchungen. 15 226 wickelimgsperlode, wahrscheinlich unter allerlei mechanischen Con- flicten erfolgen wird. Für die Frage über die Beziehung der Eier mit doppeltem Dotter zu den Doppelmissbildnngen ist es ein bemerkenswerthes Factum^ dass wieder in den 10 Fällen^ wo ich selbst die Eier künst- lich bebrütet und untersucht hatte^ noch in den 12 — 14 Fällen^ die bei weiter vorgeschrittener Entwickelung zu meiner Kenntniss ge- langt sind, sich die geringste Spur einer Verklebung oder Ver- wachsung der auf den verschiedenen Dottern entwickelten Embryo- nen oder ihrer Eihäute vorfand. Da meine Beobachtungen in so evidenter Weise gezeigt haben, dass die Entwickelung der Keira- scheibe und des Bluthofes an der Berührungsfläche beider Dotter entweder ausbleibt oder gehemmt wird, und wie abgesclmitten auf- hört, so scheint hier eine Verwachsung überhaupt unmöglich zu sein. Die Embryonen selbst kommen aber erst in einer viel späteren Pe- riode mit einander in unmittelbare Berührung, und alsdann ist, schon der Befiederung halber, eine Verwachsung gar nicht denkbar. In der summarischen Angabe der Bebrütungsresultate aus Eiern mit doppeltem Dotter wurden endlich (Pag. 216 unter /) 6 Fälle genannt, wo sich ein normaler, lebendiger Embryo auf dem einen Dotter neben einem abnormen Embryo oder einer Entwickelungs- spur auf dem anderen Dotter gebildet hatte. Bei fortgesetzter Ent- wickelung würde in diesen Fällen ohne Zweifel, nach Analogie der Eier mit einfachem Dotter, der abnorme Embryo abgestorben sein, und die faulige Zersetzung des einen Dotters w^ürde dann höchst wahrscheinlich auch den bis dahin gesunden Embryo getödtet ha- ben. Wie lange es dauern wird, bevor die faulige Zersetzung des einen Dotters den auf dem anderen Dotter befindlichen tödtet, muss dahingestellt bleiben. Unsere Erfahrungen zeigen nur, dass er in solchem Falle bis zum 9ten Tage am Leben und scheinbar ge- sund bleiben kann. Betrachten wir demnächst diejenigen Fälle, wo abnorme Em- bryonen oder rudimentäre Entwickelungsspuren in den Eiern mit doppeltem Dotter gefunden wurden, so können wir uns zunächst über die in der summarischen Angabe Pag. 216 unter c/, e und /' verzeichneten ziemlich kurz fassen. Die 29 Missbildungen oder 227 Entwickelungsspuren, die hierher gehören, entsprechen nämlich voll- kommen denjenigen, die wir auch in gewöhnlichen Eiern mit ein- fachem Dotter gefunden und im ersten Abschnitte, als durch Stö- rung der Entwickelung bedingt, abgehandelt haben. Diese Ueber- einstimmung erstreckt sich auf alle Hauptformen der Missbildungen des Embryo sowohl als der Keimscheibe, des Amnions und der Al- lantois, welche überhaupt zur Beobachtung gekommenen sind. Ich habe daher kein Bedenken tragen können, sie, wie es im ersten Ab- schnitte geschehen ist, gemeinschaftlich abzuhandeln. In den Eiern mit doppeltem Dotter sind drei Umstände vorhanden, welche die Entstehung von Entwickelungsstörungen und einfachen Missbildun- gen begünstigen, nämlich: 1) das Vorhandensein der Berührungs- fläche beider Dotter, welche die Entwickelung verhindert oder hemmt, 2) die ohne Zweifel durch das Verhalten der Chalazzen und durch die Berührung beider Dotter bedingte, häufig abnorme Lagerung der Cicatriculae auf der Berührungsfläche, in der Nähe derselben, an den freien Seiten des Dotters oder an der unteren Fläche desselben, anstatt in der Mitte der freien, nach oben gewand- ten Oberfläche des Dotters, und 3) die so oft vorkommende ab- norme Lagerung der Längenachse des Embryo im Verhältniss zur Längenachse des Eies. Nur dieser letzte Punkt bedarf noch eini- ger Erörterungen. Normalerweise liegt bekanntlich der Embryo anfangs der Querachse des Eies parallel, etwas später wendet sich der Kopf dem stumpfen Eiende zu, so dass der Embryo noch im- mer, besonders mit dem hinteren Theile seiner Wirbelsäule, der Querachse des Eies parallel, mit der linken Seite seines Körpers dem Dotter aufliegt. Erst späterhin findet allmählig eine solche Drehung statt, dass die Längenachse des Embryo der Längenachse des Eies parallel wird, wobei der Kopf dem stumpfen, lufthaltigen Eiende zugewandt wird. Diese Lagerungsvcrliältnisse findet mau nun ausserordentlich oft und in der mannigfaltigsten Weise bei den in Eiern mit doppeltem Dotter entwickelten Embryonen ver- ändert. Ebenso oft als man die jungen Embryonen hier der Quer- achse des Eies parallel findet, bilden sie einen Winkel mit der- selben, der bis zur Grösse eines rechten Winkels steigen kann, indem die Lag(! des Embryo bisweilen von'Anfang an der Längen- 15* 228 achse des Eies entspricht. Diese ursprüngliche Verschiedenheit der Lagerung des Embryo auf dem Dotter sclieint in den von mir be- obachteten früheren Stadien der Entwickelung keinerlei Tnconve- nienzen mit sich zu führen, indem wir selbst bei Entwickelung eines Embryo auf jedem Dotter gesunde Hühnchen, sowohl in der einen, wie in der anderen dieser Lagen gefunden haben. Auch bei der freilich nur selten beobachteten Lage des Embryo auf der rech- ten anstatt auf der linken Seite wurde keine dadurch bewirkte Ab- normität bemerkt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass diese abnor- men Lagerungsverhältnisse unter Umständen, namentlich wenn sich Embryonen auf beiden Dottern entwickelt haben, vielleicht auch bei Gegenwart eines zweiten, unbefruchteten Dotters bei weiter fort- geschrittener Entwickelung, die freie Entwickelung der Formen be- einträchtigen können, und namentlich scheinen Schwanz und Ex- tremitäten dabei leicht einem Drucke ausgesetzt werden zu können, wodurch eine Verkümmerung dieser Theile entstehen könnte, wie sie in mehreren der oben genannten Fälle auch wirklich beobach- tet worden ist. — IL Die Entwickelung in Eiern mit eingeschnürtem Dotter. Diese Abnormität habe ich im Ganzen 6mal beobachtet, 3mal in Eiern mit einem Dotter und 3mal in Eiern mit doppeltem Dot- ter. Alle diese 6 Eier wurden der künstlichen Brütwärme aus- gesetzt. Nur in einem Falle war die künstliche Bebrütung erfolglos, nämlich bei einem Eie mit doppeltem Dotter, dessen schon oben Pag. 196 erwähnt wurde, indem der eine Dotter desselben in der Weise eingeschnürt war, wie Fig. G und 7 der Taf. VIII es zeigen. Dieser Dotter liess an seiner freien Oberfläche keine Cicatricula erkennen; dieselbe lag aber an der Berührungsfläche beider Dotter verborgen. Die Einschnürung des Dotters verlief in der Eichtung der Längenachse des Eies und thcilte den Dotter in zwei ungleiche Hälften. Die Einschnürung war nur schwach, und ihr entsprach eine Verdickung der Dotterhaut, welche einen Strang darstellte, der die Einschnürung bewirkte, und der nach Entfernung beider 229 Dotter aus der Schale (Taf. VIII. Fig. 7) besonders deutlich wurde. Derselbe war durch seine weisse Farbe bei auffallendem Lichte aus- gezeichnet. — In zwei anderen Fällen ^ einmal in einem Eie mit einfachem Dotter und einmal in einem zweidotterigen Eie^ war die auf dem eingeschnürten Dotter entwickelte Embryonalbildung abnorm. — Der erste dieser Fälle ist auf Taf- XI. Fig. 1 — 3 dargestellt. Das betreffende Ei war ziemlich gross und war von einer Henne gewöhn- licher ßace gelegt worden, welche mir keine Eier mit doppeltem Dot- ter geliefert hatte. Als das Ei nach ßtägiger künstlicher Bebrütung geöffnet wurde, fand sich nur am einen Eiende ein Luftraum. Der Dotter war durch eine Einschnürung, deren Richtung einen Win- kel von etwa 45" mit der Richtung der Längenachse des Eies bil- dete, in zwei ungleiche Hälften getheilt, von denen die grössere dem Luftramne anlag. Diese Einschnürung war unten und seitlich tief eingreifend, an der oberen Fläche dahingegen, wo der Embryo von seinem Bluthofe umgeben lag, war sie kaum wahrnehmbar. Der Bluthof war, der Längenachse des Embryo entsprechend, sehr in die Länge gezogen, 33 Mm. lang und 13 Mm. breit. Die Längenachse des nur etwa 6 — 7 Mm. langen Embryo kreuzte sich unter einem fast rechten Winkel mit der Einschnürung des Dotters. Schon mit blossem Auge erkannte man eine ganz kleine Amnionbildung, die besonders vorn entwickelt war und hier von einer blutrothen Masse erfüllt zu sein schien. Das Blut des länglichen, vorn breiteren und an der Einschnürungsstclle mit einer Einbuchtung versehenen Blut- hofes war dunkel, und nicht in Gefässverzweigungen verthcilt, son- dern gleichsam punktirt, und zwar am reichlichsten angehäuft theils an der dem Sinus terminalis entsprechenden Partie, theils an der Grenze des hellen Kreises, der den Embryo zunächst umgab. Der Embryo lag in diesem Eie also gerade an der Gränze der beiden durch die Einschnürung gebildeten Dotterhälften, so dass die eine Hälfte des Embryo der einen, die andere der anderen Abtheilung angehörte. Wäre dieses Ei also vor der Bebrütung untersucht wor- den, so würde man selbstverständlich auch die Cicatricula an der Gränze beider Dottcrabtheilungen gefunden haben, und man würde wahrscheinlich , wie Serres in dem einen der von ihm beschriebe- 230 nen Fälle, angenommen haben, dass sie aus zwei Cicatriculis con- fluirt sei. Wenn dies aber wirklich der Fall gewesen wäre, so müsste man erwarten, dass eine Doppelmissbildung aus einem sol- chen Eie hervorgehen würde, wenn die Bebrütung Erfolg hätte. Fig. 2 und 3 derselben Tafel, welche diesen Embryo von der Bauch- und Rückenseite her darstellen, sind schon früher besprochen wor- den, indem die rudimentäre Amnionbildung dieses Embryo und die Verklebungen, welche zwischen dem Bluthofe und der Dotterhaut einerseits, zwischen dem Amnion und der Dotterhaut andererseits beobachtet wurden, schon oben Pag. 56, die abnorme Allantoisbil- dung Pag. 64, der Embryo selbst aber unter den einfachen Miss- bildungen Pag. 89 — 91 ausführlich beschrieben ist. Indem wir auf diese Beschreibung verweisen, müssen wir hier nur nochmals her- vorheben, was übrigens schon die einfache Betrachtung der Abbil- dungen zeigt, dass hier eine ganz einfache Missbildung vorliegt, an der nirgends eine Spur von Verdoppelung wahrgenommen wird. Der zweite Fall, wo sich auf einem eingeschnürten Dotter ein abnormer Embryo vorfand, betrifft ein Ei mit doppeltem Dotter, das auf Taf. IV. Fig. 7 abgebildet ist. Nach sechstägiger künst- licher Bebrütung zeigte der eine normal geformte Dotter, dessen Cicatricula aber an der Berührungsfläche lag, keine Spur von Ent- wickelung. Der andere, durch Eiweissaufnahme sehr vergrösserte Dotter zeigte eine der Längenachse des Eies parallele Einschnürung, welche, ziemlich tief eingreifend, den Dotter in zwei ungleiche Hälf- ten theilte, deren Grössenunterschied jedoch weit geringer war, als man nach der Abbildung vermuthen sollte, indem die Abschnürung an der unteren, in der Abbildung nicht sichtbaren Seite des Dot- ters der Mitte genähert war. Der Embryo mit seinem Bluthofe lag jedoch ganz auf der grösseren Abtheilung; der Bluthof ist oben Pag. 39 besprochen worden, der auf Taf. III. Fig. 13 abgebildete Embryo desselben Eies Pag. 99 — 101. Ein Blick auf die Abbil- dungen genügt übrigens auch hier um zu zeigen, dass eine ein- faciie Missbildung, ohne Spur einer Verdoppelung vorliegt. In den 3 noch übrigen Fällen wurde ein normaler, einfacher, lebendiger Embryo auf dem eingeschnürten Dotter gefunden. Der eine dieser Fälle betraf ein auf Taf. XL Fig. 4 abgebildetes Ei mit 23 J doppeltem Dotter. Dasselbe zeigte nach 4 — ötägiger künstlicher Bebrütung einen Dotter, der keine Spur von Entwickelung darbot, und dessen Cicatricula an der Berührungsfläche verborgen war, während der andere Dotter durch Eiweissaufnahme sehr vergrössert und durch eine Einschnürung in zwei etwas ungleiche Hälften ge- theilt, einen normal gebildeten, lebendigen Embryo trug. Die im Verhältniss zur Längenachse sowohl als zur Querachse des Eies schräg gerichtete Einschnürung verlief quer über den Bluthof und den Embryo hinweg, und zwar so, dass der Hinterkörper des Em- bryo auf der kleineren, der Vorderkörper auf der grösseren Dotter- , abtheilung zu liegen kam. Die Einschnürung ist unten sehr tief eingreifend, wird aber gegen den Embryo hin immer flacher. Der Bluthof ist in ähnlicher Weise verzerrt wie auf Taf. XL Fig. 1, und zeigt überdies jederseits eine scharfe Knickung an der Stelle, wo die Einschnürung den Sinus terminalis kreuzt. Dicht an dem Eiende, welchem der Kopf des Embryo zugekehrt war, erkennt man noch eine kleinere Ausstülpung dieses Dotters, welche freilich weniger scharf begränzt war, welche aber doch eine Verzerrung des Sinus terminalis an dieser Stelle bewirkte. In der Tiefe der Furche, welche den Dotter in zwei Abtheilungen theilte, erkannte man einen feinen, weissen Strang, der nur auf eine Verdickung der Dotterhaut bezogen werden konnte, während die Dotterhaut an der übrigen Oberfläche des Embryo und des Bluthofes verschwunden zu sein schien, indem man, ohne Zerreissung zu bewirken, eine feine Sonde unter den frei vorliegenden Kopf des Embryo hin wegführen konnte. Als ein unter W^asser geführter Cirkelschnitt um den Bluthof herum geführt wurde, verlor sich die Einschnürung zugleich mit der Verzerrung des Bluthofes plötzlich, sobald jener feine weisse Strang durch- schnitten wurde. Durch die mikroskopische Untersuchung erwies sich dieser Strang als eine Verdickung und Convolution der Dot- terhaut, welche sonst überall verschwunden und aufgelöst zu sein schien, so dass die gelbe Dottermasse nur von den Häuten der pe- ripherischen Keimsclieibe, die den Dotter bereits ganz umwachsen hatten, eingeschlossen war. Das Herz des Embryo pulsirte noch lange, und es war an demselben nur der sclicinbare Mangel eines Amnions auffallend, indem er am Nabel ganz nackl der Keimscheibe 232 aufzusitzen schien. Als der Embryo indess eine Weile in Spiritus gelegen hatte, wurde eine feine Haut sichtbar, die ihn ziemlich locker umgab, und welche man vielleicht als ein ungewöhnlich eng anliegendes Amnion deuten könnte. Die beiden noch übrigen Fälle boten normal gebildete, ein- fache Embryonen auf den eingeschnürten Dottern eindotteriger Eier dar. Diese Eier zeichneten sich beide durch ihre lange und schmale Form aus. In dem einen Falle war der Dotter durch eine der Längenachse des Eies parallele Einschnürung in eine grössere un- tere und in eine kleinere obere Abtheilung getheilt. Der Embryo mit seinem Bluthofe lag in schräger Richtung, mit dem Kopfe dem spitzen Elende zugewandt, ganz auf der kleinen Abtheilung, und fast die Hälfte des Sinus terminalis stiess unmittelbar an den ein- schnürenden Strang an. Der Bluthof hatte in diesem Falle die normale runde Form. Es gelang den von der Dotterhaut gebil- deten Strang ohne Verletzung der jenseits des Bluthofes, unter die Einschnürung hinweg, sich verbreitenden peripherischen Keim- scheibe zu durchschneiden und den Strang mit sammt der übrigen abgelösten Partie der Dotterhaut unter das Mikroskop zu bringen. Hierdurch verschwand sogleich die Einschnürung und der ganze Dotter nahm seine normale runde Gestalt an. Die mikroskopische Untersuchung zeigte, dass der Strang aus einer Verdickung der Dotterhaut bestand, welche grosse Aehnlichkeit im Aussehen mit der ebenfalls durch Verdickung der Dotterhaut gebildeten Cicatri- cula spuria darbot, v/ eiche auf Taf. X. Fig. 4 abgebildet ist. Der letztere Fall, wo das Ei, wie im vorhergehenden, 3 Tage lang bebrütet war, ist auf Taf. IV. Fig. 6 abgebildet. Hier verlief die Einschnürung, der Querachse fast parallel, quer über den Blut- hof und den Hinterkörper des Embryo hinweg, wie bei Fig. 4 der Taf. XI, nur mit dem Unterschiede, dass im gegenwärtigen Falle der Schwanz des Embryo mit dem grösseren Theilc des Bluthofes auf der grösseren Abtheilung lag, während in jenem Falle der Kopf und Vorderkörper mit dem grösstcn Abschnitte der Area vascu- losa die grössere Dotterabtheilung einnahm. Auch hier wies sich die Einschnürung als von einer abnormen strangartigen Verdickung der Dotterhaut herrührend aus. 233 Die oben (Pag. 196) ausgesprochene Vermuthung, es könnte die Einschnürung des Dotters in den von Serres besprochenen Fäl- len vielleicht einfach von einer strangartigen Verdickung der Dot- terhaut herrühren, hat sich demnach vollkommen bestätigt. In 3 unter den 6 besprochenen Fällen lag das Centrum der Entwicke- lung gerade unter der Einschnürung, und es würde eine hier pla- cirte Cicatricula ohne Zweifel von Serres als eine aus zwei Cica- triculis confluirte doppelte Cicatricula angesprochen worden sein. Das Resultat der Entwicklung zeigt aber, dass nur eine einfache Cicatricula vorhanden gewesen ist. In einem dieser Fälle war, vielleicht durch die Einschnürung, eine Erkrankung und Missbil- dung des Embryo entstanden ; diese Missbildung war aber durchaus eine einfache, ohne irgend eine Spur einer Verdoppelung. Der eine der beiden von Serres angeführten Fälle scheint hiermit gänzlich beseitigt zu sein. Im anderen Falle, wo auf dem eingeschnür- ten Dotter zwei Cicatriculae, die einander genähert, aber den- noch getrennt, jede auf ihrer Seite der Einschürung lagen, kann man fragen, ob denn diese beiden vermeintlichen Cicatriculae wirk- lich beide acht gewesen sind? Denn es giebt, wie gesagt, rundliche Verdickungen der Dotterhaut von weisslicher Farbe, welche bei et- was oberflächlicher Beobachtung leicht für wahre Cicatriculae ge- halten werden können (s. Taf. X. Fig. 4). Demnächst bleibt aber freilich auch noch die Möglichkeit übrig, dass Serres zufällig ein Ei mit doppelter Cicatricula auf einfachem, aber eingeschnürtem Dotter vor sich gehabt haben kann. Denn es liegt gar kein Grund vor, warum nicht ein Dotter mit doppelter Cicatricula auch einmal jene durch strangartige Verdickung der Dotterhaut bewirkte Einschnü- rung sollte zeigen können? Haben wir doch gesehen, dass eine solche Einschnürung des Dotters sowohl in Eiern mit einfachem als mit doppeltem Dotter vorkommt, und dass die Richtung und Lage derselben, sowohl im Verhältniss zur Längen- und Querachse des Eies, als auch zur Cicatricula, höchst verschieden sein kann. Wie dem aber auch sei, so geht es mit Sicherheit aus den vorstehenden Beobachtungen hervor, dass die Einschnürung des Dotters, welche bisweilen bei unbefruchteten Eiern beobachtet wird, und welche bei der Vergrösserung des Dotters durch Eiweissaufnahrae im Laufe 234 der Eiitwickelung viel beträchtlicher wird^ nur von einer Abnor- mität der Dotterhaut herrührt^ welche in keinerlei Beziehung steht^ weder zu den Eiern mit doppeltem Dotter, noch zu den Eiern mit doppelter Cicatricula auf einem Dotter, noch endlich zur Entste- hung der Doppelmissbildungen. Die ganze von Serres autgestellte Theorie der Entstehung der Eier mit doppeltem Dotter, und der Eier mit doppelter Cicatricula auf einem Dotter, sowie endlich der Doppelmissbildungen, erscheint somit durcliaus unhaltbar. III. Die Entwickelung in Eiern, welche Dotter mit doppelter Cicatricula enthalten. Im Anschluss an die vorhergehenden Abschnitte müssen wir zunächst hervorheben, dass diese Abnormität auch in Eiern mit doppeltem Dotter vorkommt. Ausser den oben genannten 67 Hüh- nereiern mit doppeltem Dotter hatte ich Gelegenheit noch 2 solche Hühnereier künstlich zu bebrüten, unter denen im einen unzweifel- haft, im anderen wahrscheinlich ein Dotter mit doppelter Cicatri- cula vorhanden gewesen war. Das eine dieser Eier war vom 20. April 1859 9'/^ Uhr Abends bis zum 28. April 2 Uhr Nachmittags künstlich bebrütet worden. Es rührte von einer jungen Henne her, welche mir schon viele Eier mit doppeltem Dotter mit je einer einfachen Cicatricula geliefert hatte. Der Befund ist auf Taf. XII. Fig. 1 — '-^ dargestellt. In Fig. 1 sieht man in der aufgebrochenen Eischale den einen unbe- fruchteten Dotter nebst etwas Eiweiss zum Theil aus der Schale hervorgedrängt, während der andere, durch Eiweissaufnahmc stark ausgedehnte Dotter an seinem Platze geblieben ist und 2 Embryo- nen trägt. Beide liegen in einem gemeinschaftlichen Amnion, das aber oben, über dem Rücken, nicht geschlossen ist, so dass eine G — 8 Mm. weite, von den Itändern der Falte der unvollendeten Am- nionbildung begränzte OefFnung in die Höhle des Amnions führt. Diese Oeffnung ist in der Zeichnung sichtbar, und man sieht durch dieselbe hindurch den mittleren Theil des Rückens beider Embryo- nen, während ihre Köpfe und llintcrkörper durch die doppelte Am- nionschicht hindurch etwas undeutlicher gesehen weiden. Die bei- 235 den Embryonen liegen mit den Nacken aneinander, ohne jedoch hier irgendwie mit einander verwachsen zu sein, so dass die Vier- hügelblase des einen und das verlängerte Mark des anderen einan- der berühren. Die Gesichter sind nach unten und aussen von ein- ander abgewandt, und nach hinten zu divergiren die Körper beider Embryonen, etwa vom verlängerten Marke an, indem sie sich stark nach aussen und etwas nach unten biegen. Schon in dieser Figur erkennt man einen auffallenden Farbenunterschied zwischen den bei- den Embryonen, indem der eine ganz blass und weiss, der andere dagegen am Kopfe, den Seitentheilen des Rumpfes und am Hinter- körper dunkelroth, fast wie rohes Fleisch gefärbt aussieht. Beide schienen todt zu sein, indem keine Bewegung und kein Herzschlag zu erkennen war, und indem auch die Blutvertheilung im Bluthofe, namentlich gegen die Peripherie hin, ungleichmässig war. Der Blut- hof war übrigens über mehr als den halben Umfang des stark aus- gedehnten Dotters verbreitet und der Sinus terminalis fast ver- strichen. In Fig. 2 sieht man deutlicher die beiden Embryonen in ihrem Amnion, nachdem die peripherische Keimscheibe, um die Grenze der Area vasculosa herum, durch einen kreisförmig geführ- ten Schnitt gelöst und das Ganze eine Weile in Spiritus gelegen hatte. Die ursprünglich mehr nach unten gewandte Bauchseite beider Embryonen ist hier fast ganz seitlich gerichtet, so dass die rechte Seite des grossen und die linke Seite des kleinen Em- bryo fast in der Profilansicht gesehen wird. Man erkennt hier noch deutlicher als in der vorigen Figur den Farbenunterschied beider Embryonen, indem der grosse sehr blass, fast weiss ist, der kleine hingegen sehr roth mit Ausnahme des Auges, der Extre- mitäten und des Rückens. Beim grösseren Embryo ist auch na- mentlich die Entwicklung des Gehirns offenbar weiter gediehen, als beim kleineren. Die Allantoisblasen sind durch den Spiritus deutlicher geworden. Die Allantois des grösseren Embryo erkennt man als eine schwach röthlich gefärbte Blase vor der Bauchseite desselben, und fast von der Grösse des Embryo selbst. Die Al- lantois des kleineren Embryo dahingegen liegt hinter dem Hinter- körper desselben, als ein erbsengrosscs Bläschen, von dem ein Stiel um die rechte Seite des Embryo herum, bis zum Unterleibe, 236 zwischen den hinteren Extremitäten hin, verfolgt werden konnte, was sich aber in der Zeichnung nicht darstellen Hess. Ebenso we- nig konnte es in der Zeichnung wiedergegeben werden, dass am hinteren Theile des gemeinschaftlichen Amnions eine vorn spitz zu- laufende, hinten breitere Falte sich z'wischen den Hinterkörpern der beiden Embryonen erhob, als einzige Andeutung einer den beiden Embryonen entsprechenden Trennung des übrigens gemeinschaft- lichen Amnions. Am Rande des Bluthofes erkennt man endlich in dieser Figur, sowohl vorn als hinten, feinere Anastomosen der Ge- fässstämme. In Fig. 3 Taf. XII sind dieselben Embryonen in ihren Häuten von unten her gesehen dargestellt. Bei jedem Embryo er- kennt man hier die Dreitheilung der aus dem Nabel austretenden Blutgefässe, und was besonders bemerkenswerth ist, einen starken Verbindungsast, der vom Nabel des einen Embryo zum Nabel des anderen hinüberführt. Die dreieckige Theilungsstelle der Nabel- gefässe des einen wie des anderen Embryo enthält rothes Blut, und dasselbe erstreckt sich in die nach aussen zum gemeinschaft- lichen Bluthofe hin verlaufenden Gefässe hinein und bis in den An- fang der Anastomose zwischen beiden Nabeln. Der mittlere Theil dieses communicirenden Astes war blutleer, seine Contouren waren aber im frischen Zustande sehr scharf und gingen continuirlich in die Contouren der mit Blut gefüllten Gefässe über, welche nach dem Bluthofe verliefen. Späterhin, als das Präparat längere Zeit in Spi- ritus gelegen hatte, waren die Contouren dieser Anastomose durch das mehr undurchsichtig gewordene Amnion, das in dieser Gegend eine Falte bildete, verdeckt und undeutlich geworden. Die verhält- nissmässig geringe Füllung der Gefässe erlaubte nicht die sonst ne- ben einander verlaufenden Venen und Arterien zu unterscheiden. Am kleineren Embryo erkennt man in dieser Figur noch die Al- lanto'is, wie sie sich rechts um den Hinterkörper herumschlägt, und am grösseren Embryo erkennt man die Theilung des Vorderhirns. Obgleich dieser Fall vollkommen genügt um zu beweisen, dass auf einem Dotter entwickelte Doppelembryonen in einem Eie mit doppeltem Dotter entstehen können, und obwohl der zweite Fall, den ich beobachtet habe, nicht ganz beweisend ist, so will ich ihn doch der Vollständigkeit halber hier anführen. 237 Ein 4V2 Tage lang künstlich bebrütetes Hühnerei mit doppel- tem Dotter (Taf. XI. Fig. 5) enthielt nämlich auf dem einen^ dem Lufträume anliegenden Dotter^ einen normalen, lebendigen Embryo in einer 38 Mm. langen und 25 Mm. breiten Area vasculosa. Auf dem anderen Dotter war ein nierenförmiger Bluthof sichtbar^ wel- cher in der Richtung der Querachse des Eies 19 Mm., in der Rich- tung der Längenachse desselben 13 Mm. im Durchmesser maass. Das Blut dieses Bluthofes war dunkel, besonders im Sinus terminalis angehäuft; übrigens aber in punktirter Form statt in deutlichen Gefässverzweigungen vertheilt. Die durchsichtige Zone in welcher der Embryo lag, hatte nicht die gewöhnliche, dieser Entwicke- lungsstufe entsprechende Bisquitform, sondern ihr Durchmesser ähnelte dem Durchschnitt der grauen Masse des Rückenmarks, in- dem sie kreuzförmig erschien, mit 2 kurzen Hörnern, von denen 2 mehr breit und stumpf, 2 mehr spitz waren. Es war unglück- licher Weise die Dotterhaut gerade an dieser Stelle einerseits mit dem Embryo, andererseits mit der weissen Schalenhaut so fest ver- klebt, dass der Embryo gezerrt und vielleicht verletzt wurde, als ich die weisse Schalenhaut beim OefFnen des Eies unter Wasser entfernte. Die Kreuzform der Area pellucida, welche früher von Wolff und von Baer bei zwei verwachsenen Doppelembryonen aus früher Periode beobachtet und beschrieben ist, lässt vermuthen, dass hier eine Doppelmissbildung vorhanden gewesen ist. Die pa- thologische Veränderung, die dieser Embryo durch die vorherge- hende Störung der Gewebsernährung erlitten, und die Zerrung, die derselbe bei der Entfernung der weissen Schale erfahren hatte, erlauben nicht darüber zu entscheiden, ob die in Fig. 6 der Taf. XI sichtbare Spaltung des Hinterkörpers des hier stark vergrössert dargestellten pathologischen Embryo, ein Resultat der ersten Bil- dung und Entwickelung ist, oder ob sie durch Zerreissung entstan- den ist. Endlich habe ich noch in einem Entenei mit einfachem Dotter einen Doppelembryo gefunden. Dieses Ei, das ich wegen seiner ganz ungewöhnlichen Grösse für ein Ei mit doppeltem Dotter hielt, wurde vom 28. April 1859 4'/^ Uhr Nachmittags bis zum 5. Mai 6 Uhr Abends (also reichlich 7 Tage lang) künstlich bebrütet. Der Be- 238 fund ist auf Taf. XII. Fig. 4 dargestellt. Das Ei enthielt nur ei- nen sehr grossen und durch Eiweissanfnahme stark ausgedehnten Dotter, auf welchem jedoch 2 Embryonen entwickelt waren, deren Bluthöfe am inneren Rande, in einer Ausdehnung von 30 Mm. mit einander vollkommen verwachsen waren. Beide Embryonen waren lebendig und normal gebildet; sie lagen neben einander, gleichweit von den Elenden entfernt, im Aequator des Eies. Die Längenachse des einen war der Längenachse des Eies parallel, und seine Area vasculosa hatte in dieser Richtung eine etwas grössere Ausdehnung, als die des anderen Embryo, der in der Richtung der Querachse des Eies dem Dotter auflag. Es war der hintere Theil des Blut- hofes des einen Embryo mit der linken Seite des Bluthofes des anderen verwachsen, so dass diese beiden jungen Enten, bei vollendeter Entwickelung, nachdem ein Theil des Dottersackes in die Bauchhöhle des einen und ein anderer Theil in die Bauch- höhle des anderen hineingeschlüpft sein würde, mit einander am Nabel in gekreuzter Richtung verwachsen sein würden, falls nicht die gegen Schluss der Entwickelung wahrscheinlich eingetretene Lagerung beider Individuen des Doppelembryo nach der Längen- achse des Eies, mit den Köpfen nach dem stumpfen, lufthaltigen Ei- ende, hierin eine Veränderung hervorbringen könnte. Diese angeführten, von mir beobachteten Fälle, wo sich zwei Embryonen auf einem Dotter eines Vogeleies entwickelt hatten, stellen zunächst zwei Thatsachen fest, welche aus den früher be- obachteten von WolfF, V. Baer und Reichert beschriebenen Fällen, nicht abgeleitet werden konnten, nämlich: 1) Dass sich bisweilen auch in Eiern mit doppeltem Dotter 2 Embryonen auf einem Dotter entwickeln. Wenn also Geoffroy St. Hllaire zwei am Nabel verwachsene Hühnchen aus einem Eie mit doppeltem Dotter wirklich hervorkommen sah, so könnte die- ser Doppelembryo dennoch sehr wohl auf einem Dotter entwickelt sein. Falls unser auf Taf. XII. Fig. 1 — 3 dargestelltes Doppelhühn- chen seine Entwickelung vollendet hätte, so würde auch aus die- sem Eie mit doppeltem Dotter eine Doppelmissbildung hervorgekom- men sein, welche mit Geoffroys die vollkommenste IJebereinstimmung gezeigt haben würde. Da überdies unter den doch ziemlich zahl- 239 reichen Fällen, wo Obigem znfolge, ein Embryo auf jedem Dotter entwickelt war, niemals eine Verwachsung der beiderseitigen Em- bryonen oder ihrer Hänte beobachtet wurde, und da die Beobach- tungen es sehr wahrscheinlich machen, dass eine solche Verwachsung überhaupt unmöglich ist, weil an der Berührungsfläche beider Dot- ter jede Entwickelung unterdrückt wird, so kann man mit einer an Gewissheit gränzenden Wahrscheinlichkeit annehmen, dass alle Doppelembryonen, auch solche, welche in Vogeleiern mit doppel- tem Dotter entstehen, auf einem gemeinschaftlichen Dotter ent- wickelt werden, und dass ein Verwachsen zweier auf verschiedenen Dottern entwickelten Embryonen überhaupt nicht vorkommt, we- nigstens ist es bisher in keinem einzigen Falle erwiesen, und a priori sehr unwahrscheinlich. Falls aber die Diagnose des Vorhandenseins zweier Dotter in GeofFroys Eie nur auf der ganz ungewöhnlichen Grösse des Eies beruhte, so wäre es überdies noch möglich, dass in diesem Falle überall nur ein Ei mit einfachem Dotter vorhanden gewesen wäre, wie bei dem grossen Enteneie, das ich aus demselben Grunde mit Unrecht für ein Ei mit doppeltem Dotter hielt. — Die weit- verbreitete Volkssage, dass oft oder gar in der Regel Doppelmiss- bildungen aus den Eiern mit doppeltem Dotter hervorgehen, ist schon oben widerlegt worden, indem aus den vorliegenden Bebrü- tungsresultaten ohne Widerspruch hervorgeht, dass dies jedenfalls im Verhältniss zu den anderen Bebrütungsresultaten dieser Eier selten ist. Immerhin wäre es jedoch möglich, dass eine gewisse Zahl von Dottern in zweidotterigen Eiern eine grössere Zahl von Doppelmissbildungen liefern würde, als eine gleiche Zahl von Dot- tern in gewöhnlichen Eiern, indem möglicher Weise diejenigen Hen- nen, welche oft Eier mit doppeltem Dotter legen, vielleicht auch öfter als andere Hennen Dotter mit doppelter Cicatricula produci- ren. Um indess über diese Möglichkeit mit Sicherheit aburtheilen zu können, müsste man sehr viele Bebrütungsresultate von Eiern mit doppeltem Dotter mit den Bebrütungsresultaten der einfachen Eier vergleichen können. Wenn ich unter 82 Eiern mit doppel- tem Dotter, die ich gesammelt und geöffnet habe, wenigstens in 1, walirscheinlich in 2 Doppelembryonen auf einem Dotter gefunden 240 habe, während ich unter den Tausenden von Eiern mit einfachem Dotter, die ich untersucht habe, nur 1 mit einem Doppelembryo fand, und wenn unter sämmtlichen von WolfF, v. Baer, Reichert und Anderen untersuchten Eiern mit einfachem Dotter überhaupt nur 5 hierher gehörige gefunden wurden, so könnte dies Resultat wirklich zu Gunsten der obigen Annahme zu sprechen scheinen. Die Zahl 82 ist aber noch viel zu klein um die Chancen der Zu- fälligkeit auszuschliessen. 2) In den bisherigen Fällen von WolfF, v. Baer und Reichert lagen die beiden auf einem Vogeldotter entwickelten Embryonen einander sehr nahe, ja in 4 unter den 5 Fällen waren sie nicht nur durch ihre Eihäute, sondern auch mit ihren Körpern unter einan- der verwachsen. Dasselbe war gewöhnlich mit den Doppelembryo- nen der Fall, welche auf Fischeiern beobachtet wurden. Bei einer solchen Anordnung konnte man verschiedene Theorien für die Ent- stehung der Doppelmissbildungen auf einem Dotter aufstellen. Man konnte nämlich erstens diejenige Verwachsungstheorie vertheidi- gen, bei welcher man sich vorstellt, dass die ersten Anlagen bei- der Embryonen auf ihrem gemeinschaftlichen Dotter ursprünglich völlig getrennt gewesen sind, und dass sie bei fortschreitendem Wachsthume mit einander immer mehr und mehr verwachsen und verschmelzen können. Zweitens konnte man die Spaltung der Achsengebilde als ursprünglich, bei der ersten Entstehung dersel- ben schon vorhanden, betrachten, indem man annehmen könnte, dass die Doppelheit auf eine noch frühere Entwickelungsstufe zurück- zuführen sei, nämlich auf die Periode der Entwlckelung der Keim- scheibe und auf den wahrscheinlich vom Keimbläschen ausgehenden Furchungsprocess. Drittens konnte man sich endlich noch vor- stellen, dass eine ursprünglich, bis etwa zur Bildung eines Primitiv- streifens fortgeschrittene einfache Keimanlage auf mechanische oder andere Weise gespalten werden könne, und dass eine solche Spal- tung Ursache der Doppelmissbildung sei. Unser in Fig. 4 der Taf. XII abgebildeter Fall zeichnet sich da- durch aus, dass beide Embryonen sehr weit, 20 — 30 Mm., von einan- der entfernt sind. Hier kann es keinem Zweifel unterworfen sein, dass 2 von Anfang an weit von einander getrennte Cicatriculae auf 241 diesem Dotter vorhanden gewesen sind und dass die Bluthöfe erst bei fortschreitendem Wachsthume mit einander verwachsen sind. Von einer primären Spaltung oder Verschmelzung der Achsen- gebilde kann hier offenbar nicht die Rede sein. Wenn man nun ferner nicht bezweifeln kann, dass zwei am Bauche mit einander verwachsene Hühnchen aus diesem Eie, bei glücklich beendigter Entwickelung, hervorgegangen sein würden, so liefert unser Fall den Beweis, dass zwei, ursprünglich vollkommen von einander ge- trennte Embryonen, welche sich auf einem gemeinschaftlichen Dot- ter entwickeln, im Laufe der Entwickelung zu Doppelmissbildungen verwachsen können und verwachsen müssen. Daraus folgt aber keineswegs, dass diese Entstehungsweise die einzige ist. Der eine von Wolff, der eine von Reichert und die beiden von Baer beob- achteten Fälle, sowie viele bei Fischembryonen gemachte Beobach- tungen zeigen unzweifelhaft, dass die Verschmelzung beider Em- bryonen so früh vorkommt, dass eine schon beim Auftreten des Primitivstreifens vorhandene Spaltung oder Verschmelzung der Ach- sengebilde wirklich vorkommt. Da man ja die Cicatricula im Vo- geleie jedenfalls als das Entwickelungscentrum betrachten muss, so wird die oben genannte Verwachsungstheorie für die Fälle gelten, wo die beiden Cicatriculae völlig von einander getrennt und ver- hältnissmässig weit von einander entfernt auf einem Dotter liegen, die Theorie der ursprünglichen Verschmelzung oder Spaltung der Achsenorgane wird dahingegen dann gültig sein, wenn die beiden Cicatriculae einander berühren oder doch einander so nahe liegen, dass die Achsenorgane schon bei ihrer ersten Entstehung mit ein- ander in Berührung kommen. In beiden Fällen würde aber die Doppelheit schon in frühester Periode der Eibildung begründet sein, also mit vollem Rechte als ursprünglich bezeichnet zu werden verdienen. Die weiter gehenden Fragen: wie denn in der frühesten Periode der Ovigenese die Doppelheit des Keimes zu Stande gekommen ist? wie das Keimbläschen sich daran betheiligt hat? ob ursprünglich (was wohl wahrscheinlich ist) zwei Keimbläs- chen vorhanden gewesen sind? oder ob es angenommen werden darf, dass später von einander getrennte Entwickelungscentra aus einem Keimbläschen hervorgehen können? — Diese Fragen liegen Panum, Untersuchungen. IG 242 ausserhalb des Bereiches unserer Beobachtungen und Untersuchun- gen. In sehr früher Periode der Eibildung muss aber je- denfalls die Doppelheit der Keimanlage begründet sein, wenn sich zwei weit von einander entfernte Cicatriculae auf einem Dotter vorfinden, wie bei unserem Enteneie. Wenn hier aber irgend ein Analogieschluss berechtigt ist, so scheint man dieselbe Begründung der Doppelheit des Keimes auch auf diejenigen Fälle ausdehnen zn müssen, wo dieselben einander so nahe liegen wie bei Fig. 1 der Taf.XII, wo beide Embryonen von einem gemeinschaftlichen Amnion umgeben sind, und selbst auf die Fälle, wo die beiden Cicatriculae so mit einander verschmolzen sind, dass schon bei der Anlage der Primitivstreifen eine Verbindung der einen Embryonalanlage mit der anderen eintritt. Das Vorkommen aller möglichen Uebergangsfor- men spricht sehr für eine solche einheitliche Auffassung der Genese aller Doppelmissbildungen. Dieser Auffassung gegenüber steht diejenige, bei welcher an- genommen wird, dass eine ursprünglich einfache, schon etwa bis zur Entwickelung eines Primitivstreifens fortgeschrittene einfache Keim- anlage auf mechanische oder andere Weise gespalten werden könne, und dass eine solche Spaltung Ursache der Doppelmissbildung sei. Diese Auffassung ist aber in solchen Fällen, wo die beiden Em- bryonen sich, wie bei unserem Enteneie, weit von einander entfernt entwickelt haben, offenbar ganz unmöglich, ja sie ist schon in den Fällen, wo zwei übrigens getrennte Embryonen in einem Amnion liegen, wie bei Fig. 1 — 3 der Taf. XII, kaum denkbar. Dass eine solche Spaltung nicht als einzige Ursache der Doppelmissbildun- gen in Betracht kommen kann, folgt also schon von selbst aus solchen Beobachtungen, wie sie uns vorliegen. Man könnte aber noch vielleicht meinen, dass sie neben der obigen Entstehungs- weise vorkommen könnte, und dass also Doppelmissbildungen zum Theil in frühester Periode der Eibildung begründet sein, zum Theil aber durch eine Entwickelung unter abnormen Verhältnissen Zu- standekommen könnten. A priori wird man eine solche zwie- fache, principiel verschiedene Entstehungsweise wenig wahrschein- lich finden, wenn man die continuirliche Reihenfolge bedenkt, in der sich die verschiedenen Grade der Verwachsung der Doppcl- 243 embryonen an einander anschliessen. Es würden demnach starke Beweise erforderlich sein, damit man sich entschliessen könnte die einheitliche Auffassung der Genese der Doppelmissbildungen auf- zugeben, und zwei wesentlich verschiedene Entstehungsweisen ne- ben einander anzunehmen. Die einzigen Thatsachen aber, welche einigermassen für die Entstehung der Doppelmissbildungen durch Spaltung der Keimanlage nach stattgehabter Befruchtung zu spre- chen scheinen, sind die von Valentin angegebenen. Wenn Valen- tins oben erwähnte Beobachtung, der zufolge eine mit doppeltem Hinterkörper versehene, vorn einfache Doppelmissbildung eines Hühnerembryo durch künstliche Spaltung einer einfachen Em- bryonalanlage entstanden sein sollte, als unzweideutige Thatsache dastände, so wäre man freilich genöthigt die einheitliche Auf- fassung aufzugeben. Wir haben aber schon oben gesehen, dass diese Beobachtung Valentins nicht eine solche unzweideutige That- sache ist, ja dass Valentin selbst sie keineswegs als eine solche betrachtet. Bei dem sehr zu bedauernden Mangel einer Abbil- dung kann man einerseits nicht den Zweifel unterdrücken, ob überhaupt eine wirkliche Doppelheit und nicht vielmehr eine Th eilung des Hinterkörpers vorgelegen hat? Es wäre nämlich sehr wohl denkbar, dass eine jede Hälfte nach der künstlichen Spaltung etwas fortgewachsen sein könnte, ohne sich zu vervoll- ständigen, und so irrthümlich für doppelt gehalten worden wäre. Dies wird besonders durch die oben (Pag. 22) angeführten, nicht publicirten Versuche Leuckarts in höchstem Grade wahrscheinlich, da derselbe bei gleichem Verfahren beobachtete, dass die getrenn- ten Theile nicht wieder mit einander verwachsen, während die Schnittflächen überhaupt keinen Heilungsprocess zeigen, sondern in statu quo bleiben. Andererseits lässt sich aber auch die Möglich- keit nicht ganz abweisen, dass ein schon präformirter Doppelembryo durch einen allerdings höchst merkwürdigen und seltenen Zufall operirt sein könnte. Da nun überdies Valentin selbst ausdrück- lich sagt: „dass ihm diese isolirte Erfahrung natürlicher- weise noch lange nicht genügt, um eine Entstehung der Doppelmissbildungen durch künstliche Spaltung der Keimanlage zu beweisen, etwa in der Weise wie bei den 16 * 244 Trembley scheu Versuchen mit Polypen," und da, auf der anderen Seite, die ursprüngliche, d. h. in der frühesten Periode der Ovigenese begründete Doppelheit des Keims nunmehr über allen Zweifel erhoben ist, so liegt in dieser Beobachtung kein Grund die einheitliche Auffassung aufzugeben. Bei der späteren Mittheilung über die Doppelembryonen in den Hechteiern legte Valentin ein besonderes Gewicht auf den Umstand, dass die Eier nach ihrer Be- fruchtung meilenweit getragen und dabei natürlich bedeutend ge- schüttelt wurden, und er vermuthete offenbar, dass diese mechanische Erschütterung unmittelbar vor, während oder nach der Befruchtung, ebenfalls auf künstliche Weise eine Spaltung der Keimanlagen be- wirkt habe, welche Ursache der Doppelmissbildungen geworden sein könnte. Dagegen ist aber einzuwenden, dass auch Lereboullet, Coste u. A. bei künstlicher Befruchtung sehr viele Doppelembryo- nen in Fischeiern entwickelt sahen, ohne dass eine ähnliche Er- schütterung Statt gefunden zu haben scheint. Immerhin könnte es dennoch auffallend sein, dass die Doppelembryonen bei künstlich befruchteten Fischeiern verhältnissmässig so oft gefunden wor- den sind. Es muss aber bis weiter doch noch ganz dahingestellt bleiben, ob dieses irgendwie von der künstlichen Befruchtung ab- hängt, und nicht vielmehr von dem Umstände, dass künstlich be- fruchtete Eier gerade mit besonderer Aufmerksamkeit von den genannten Naturforschern untersucht und beobachtet wurden. Viel- leicht ist die Entstehung von Doppelmissbildungen in den unter ganz normalen Verhältnissen entwickelten Fischeiern eben so häu- fig wie in den künstlich befruchteten, sie sind aber der Beobach- tung viel weniger zugänglich. Es ist demnach immerhin möglich, und wie mir scheint nicht unwahrscheinlich, dass die vermeintlich grössere Häufigkeit des Vorkommens von Doppelmissbildungen in künstlich befruchteten Fischeiern einfach auf der Unvollkommen- heit und Lückenhaftigkeit der Beobachtungen beruht, ebenso wie ich nachgewiesen habe, dass die bisher angenommene relative Häu- figkeit des Vorkommens von Doppelmissbildungen bei den Vögeln, im Verhältniss zu den einfachen Missbildungen derselben, einfach auf unvollkommene Beobachtungen zurückzuführen ist, indem die Missbildungen nicht in den Eiern untersucht wurden. 245 Eine Vergleichung der von mir in Vogeleiern gefundenen Dop- pelmissbildungen, bezüglich der specielleren Verhältnisse der einzel- nen Exemplare, mit den früher von Anderen beschriebenen Doppel- missbildungen der Vögel bietet noch einige interessante Punkte dar, welche besonders besprochen zu werden verdienen. Der auf Taf. XII. Fig. 1 — 3 abgebildete Fall zeigt die beiden Embryonen von einem einfachen, aber nicht geschlossenen Amnion umgeben. Dieser Umstand ist darum besonders bemerkenswerth, weil er zeigt, dass eine normale Entwickelung bis etwa zum 9ten Tage in einem Vogeleie auch dann möglich ist, wenn die Embryo- nen nicht vom Amnion völlig umgeben und nicht vom Liquor Amnii umspült sind. Der vorliegende Fall zeigt eine grosse Uebereinstim- mung mit dem von WolfF beschriebenen und abgebildeten Falle, den ich auf Taf. XII. Fig. 6 wiedergegeben habe. Aus Wolffs Be- schreibung erfährt man, dass die Lage der Embryonen zu einander im Eie etwas anders war als in der Abbildung, indem nämlich der eine Embryo dem anderen so gegenüber lag, dass sein Kopf mit dem Becken des anderen in gleicher Höhe lag. Ueberdies giebt aber WolfF ausdrücklich an, dass das Amnion diesen Embryonen gänzlich gefehlt habe. Diese Angabe erschien mir a priori etwas unwahrscheinlich, und es lag die Vermuthung nahe, dass jeder Em- bryo dennoch ein Amnion gehabt haben könnte, das aber der Ober- fläche so nahe anlag, dass es leicht übersehen werden konnte. — WolfFs Behauptung wird aber offenbar insofern durch meinen Fall unterstützt, als derselbe zeigt, dass die Entwickelung bis über die von W^olff beobachtete Stufe hinaus möglich ist, ohne dass das Amnion sich geschlossen hat, und eine Entwickelung ganz ohne Amnion scheint ebenso möglich zu sein, wie in einem so unvoll- kommenen Amnion, wie das, worin unsere P^mbryonen lagen. Denk- bar wäre es jedoch auch, dass WolfFs Embryonen durch irgend eine Unvorsichtigkeit bei der Behandlung aus dem grossen Loche eines gemeinschaftlichen und oben offen gebliebenen Amnions hin- ausgeschlüpft wären, und dass so ein vielleicht vorhanden gewese- nes, aber rudimentär gebliebenes Amnion von WolfF übersehen wor- den wäre. In WolfFs Falle isi über das Verhalten der Gelasse zwischen 246 beiden Embryonen nichts Näheres gesagt. Die Abbildung macht es indess wahrscheinlich^ dass beide durch ein grösseres Gefäss mit einander in Verbindung standen, wie ich es in Fig. 2 der Taf. XII nach meiner Beobachtung dargestellt habe. Diese grosse Gefäss- verbindung, welche eine Communication zwischen den Herzen der beiden Hühnerembryonen herstellt, entspricht offenbar den einander entgegengewachsenen und mit einander in Verbindung getretenen Stämmen der grossen Gefässe, welche sich vom einen Embryo nach rechts, vom anderen nach links auf dem Dotter hätten verbreiten sollen. Die direkte Beobachtung Hess es unentschieden, ob diese Anastomose eine Vene des einen Embryo mit einer Vene des an- deren Embryo oder eine Arterie mit einer Arterie oder eine Arte- rie mit einer Vene in Verbindung setzt. Da aber bei der Verwach- sung zweier Placenten beim Menschen immer nur eine Arterie mit einer Arterie oder eine Vene mit einer Vene, niemals aber eine Arterie der einen Placenta mit einer Vene der anderen in Verbindung tritt, so ist es wohl höchst wahrscheinlich, dass auch hier gleichartige Ge- fässe, Arterien mit Arterien^ Venen mit Venen in anastomotische Ver- bindung getreten sind. Da aber die vom Embryo rechts und links zum Dotter abgehenden Gefässstämme in dieser Periode so verlaufen, dass Venen und Arterien einander begleiten, so ist es mir wahr- scheinlich, dass sowohl die Vene als auch die Arterie an der Ana- stomose betheiligt sind. Die durch diese weite Anastomose herge- stellte Communication zwischen den Herzen beider Embryonen, und die zugleich bestehenden, auf Fig. o besonders deutlichen, kleineren iinastomosen der Dottergefässe beider Embryonen können schwer- lich ohne Kreislaufsstörungen bestanden haben, welche besonders demjenigen Embryo gefährlich werden rnussten, dessen Entwicke- lung am wenigsten fortgeschritten War, und dessen Herzcontractio- nen am wenigsten energisch waren. Dem entsprechend ist der in der Beschreibung erwähnte auffallende Unterschied in der Farbe beider Embryonen, deren kleinster, wie bereits angeführt wurde, sehr roth und fast überall, so zu sagen, blutrünstig war, während der andere sich durch auffallende Blässe auszeichnete. Man kann daher nicht wohl umhin, jene Anastomose und die Verschiedenheit der Blutvcrthcilung beider Embryonen zu einander in ursächliche 247 Beziehung zu brlugeii. In seiner Abhandlung über die Entwicke- lung der herzlosen Missgeburten (Kiel 1859^ 8vo.) hat Claudius es höchst wahrscheinlich gemacht, dass die Entstehung der herzlosen und acephalischen Missgeburten des Menschen und der Säugethiere, auf die durch weite Anastomosen in der gemeinschaftlichen Pla- centa bedingten Kreislaufsstörungen zurückzuführen sei, indem da- durch das Herz des kleineren Embryo ausser Funktion gesetzt würde, wodurch die Richtung des Kreislaufs in demselben im All- gemeinen und Besonderen gänzlich verändert werden müsste. Beim Menschen und den Säugethieren sind solche weite Gefassanastomosen offenbar nur zwischen denjenigen Gefässen möglich, welche, ur- sprünglich der Allantois angehörig, in der gemeinschaftlichen oder confluirten Placenta beisammen liegen, denn sie sind nicht denkbar zwischen den kleinen Gefässstämmen der gemeinschaftlichen Nabel- blase zweier übrigens getrennter Säugethierembryonen. Bei den Vögeln aber ist es wohl möglich, dass sich zwischen den grossen Dottergefässen zweier, auf gemeinschaftlichem (der Nabelblase ent- sprechendem) Dotter entwickelten, übrigens getretinten Vogelembryo- nen so grosse Gefassanastomosen bilden können, dass sie dem klei- nen Embryo gefährlich werden, wie unser Fall es zu zeigen scheint. Bei weiter vorgeschrittener Entwickelung desselben ist es sehr wahr- scheinlich, dass sich aus demselben ein Acardiacus neben einem normalen Embryo in einer Weise entwickelt haben würde, die nicht beim Menschen und den Säugethieren möglich ist, die aber doch, ihrem Wesen nach, vollkommen der von Claudius geltend gemachten Auffassung entsprechen würde. — Man könnte nun wohl die Frage aufwerfen, ob nicht zwei Allantoisblasen zweier auf verschiedenen Dottern entwickelten Vogelembryonen auch so mit einander ver- wachsen könnten, dass dadurch Gefassanastomosen zwischen beiden entständen, welche gross genug wären, um den schwachen Embryo zu gefährden? Eine solche Frage kann natürlich nur durch direkte Beobachtungen entschieden werden, eine jede solche Beobachtung fehlt aber gänzlich. Sollte indess eine solche Verwachsung der Al- lantois zweier auf verschiedenen Dottern entwickelten Embryonen jemals vorkommen, so würde sie doch niemals zu einer Doppel- misöbildung führen können, da ja die Allantois bekanntlich beim 248 Auskriechen in der Schale zurückbleibt — ebensowenig wie die Verwachsung der Placenten zweier Zwillinge beim Menschen als eine Doppelraissbildung bezeichnet wird. Es ist mir daher voll- kommen unklar, woran Serres und Coste gedacht haben mögen, als sie die Bedeutung der Allantois für die Entstehung der Doppel- missbildungen betonten. (Comptes rendus 1855 I. 629 und 868). Der auf Taf. XII. Fig. 6 dargestellte Fall von Wolff und die beiden von mir beobachteten Fälle (Taf. XII. Fig. 1 — 3 und Fig. 4) würden, wie schon mehrfach bemerkt, bei vollendeter Entwicklung jedenfalls zu Doppelmissbildungen geworden sein. Die Verbindung beider mit einander würde aber erst ganz am Schlüsse der Ent- wickelung im Eie vollendet worden sein, indem das Hineinschlüpfen des Dottersacks in den Unterleib des einen oder des anderen oder beider Hühnchen zur Folge haben müsste, dass die Bauchwandun- gen beider in der Gegend des Nabels an einander rückten und mit einander in organische Verbindung träten, und dass zugleich die Dünndärme beider durch den beiderseitigen Ductus vitello -intesti- nalis und den gelben Dotter mit einander anastomosirten. Nach erfolgter Dotterresorption müssten die beiden Hühnchen also einer- seits am Nabel durch die Bauchdecken mit einander zusammenhän- gen, andererseits müsste sich eine, wenigstens eine Zeit lang be- stehende Verbindung zwischen den Dünndärmen beider Hühnchen ausbilden. Das am Schlüsse der Entwickelung eintretende Hinein- schlüpfen des Dotters in den Unterleib würde mithin bei der Ent- stehung dieser Form der Missbildung ein wesentliches Moment sein. Beim Menschen und den Säugethieren schlüpft aber die Nabelblase bekanntlich nicht in den Unterleib hinein, sondern sie bleibt in der Placenta, während der Ductus vitello-intestinalis sich sehr lang aus- spinnt und durch die ganze Nabelschnur verläuft. Dieser Umstand scheint das Vorkommen dieser Form der Doppelmissbildung bei den Säugethieren unmöglich zu machen. Auf einem Säugethiereie könnten sich demnach wohl zwei Embryonen entwickeln, welche trotz der Gemeinschaftlichkeit des Chorions, der Nabelblase, des Amnions und der Placenta, bei der Geburt doch zu getrennten Zwillingen, nicht zu einer Doppelmissbildung würden. Die bespro- chene Entstehung dieser Doppelmissbilduug würde also eine für die 249 Vögel elgenthümliche sein, und ohne Zweifel auch in der Form etwas Eigenthümliches zeigen. Wahrscheinlich gehört die von Isid. Geoffroy St. Hilaire besprochene Doppelmissbildung, die aus dem von seinem Vater bebrüteten Eie mit doppeltem Dotter hervorkam, hierher, da er dieselbe, wie schon oben (Pag. 208) erwähnt, als den Typus eines neuen Genus im teratologischen System bezeich- net, das er Omphaloge nennen möchte, wenn ihm eine solche Auf- stellung nicht etwas bedenklich vorgekommen wäre, da es ihm nicht möglich war, das Exemplar behufs einer genaueren Untersuchung selbst zu disseciren. Während also bei den Vögeln das Vorhandensein zweier ur- sprünglichen Entwickelungscentra, am Schlüsse der Entwickelung, immer mit Nothwendigkeit die Entstehung einer Doppelmissbildung zur Folge haben wird, so müssen beim Menschen und den Säugethie- ren auch getrennte Zwillinge in einem gemeinschaftlichen Eie und auf einem gemeinschaftlichen Dotter entstehen können. Wenn näm- lich ein gemeinschaftliches Chorion die Zwillinge umgiebt, so kann^ der Entwickelung des Chorions aus der äusseren Eihülle zufolge, auch nur ein Ei vorhanden gewesen sein. Wenn die beiden Zwil- linge, ausser dem gemeinschaftlichen Chorion, auch ein gemeinschaft- liches Amnion haben, so würde der Fall dem auf Taf. XII. Fig. 1 — 3 abgebildeten entsprechen, wenn aber jeder der Zwillinge im ge- meinschaftlichen Chorion von einem selbstständigen Amnion umge- ben ist, so würde ein solcher Fall dem auf Taf. XII. Fig. 4 dar- gestellten Specimen ganz analog sein. Immer wird jedoch, wenn unsere Voraussetzung richtig ist, nur eine gemeinschaftliche Na- belblase für zwei solche Zwillinge vorhanden sein, die man dann in der Placenta, zwischen den Insertionen beider Nabelschnüre zu suchen haben würde. Doppelmissbildungen des Menschen und der Säugethiere würden demnach nur dann Zustandekommen kön- nen, wenn entweder die Primitivstreifen schon bei ihrer Anlage mit einander in Berührung, und also bei der Bildung der Keimblase von vorn herein mit einander verschmolzen sind, oder wenn sie einander so nahe liegen, dass die Embryonen bei fortschreitender Entwickelung gegen einander anwachsen und dadurch mit einander verwachsen oder verschmelzen könnten. Dasselbe müsste natürlich 250 für die Entstehung aller derjenigen Doppelmissbildungen der Vögel angenommen werden, welche denen des Menschen und der Säuge- thiere entsprechen. Die Verwachsung und Verschmelzung der von zwei selbstständigen Entwickelungscentris ausgehenden Entwickelun- gen scheint mir aber sehr treffend von Horkel*) mit dem Conflui- reu von Blättern^ Blüthen und Früchten zusammengestellt zu sein. Folgende von ihm angeführte Beispiele mögen hier ihren Platz fin- den. Blumen der Linarien sind nicht selten an der einen Seite oder dem Rücken mit einander confluirt, während zwei Labia inferiora vorhanden sind. Man findet Blumen von SvrinQ-en mit 4 — 6 — 8 Staubfäden und Corollenlappen. Bei den Ranunculaceen, namentlich bei den Anemonen, sind doppelte Blumen häufig. Bei den Früchten ist ein solches Confluiren noch häufiger, und zwar treten hierbei zwei verschiedene Fälle ein, indem entweder benachbarte Blumen, welche einem gemeinschaftlichen Stiele aufsitzen, Früchte ent- wickeln, welche in verschiedenem Grade, aber bei der fortschrei- tenden Entwickelung menr und mehr verwachsen und verschmel- zen, wie besonders bei Kirschen, Pflaumen, Aepfeln und Cornus sanguinea, oder indem anscheinend einfache Blumen mit confluir- tem Pistill doppelte Früchte entwickeln, was besonders bei Gurken und Melonen vorkommt. Auch in einer Kirschblüthe sah Duha- mel 3 confluirte Pistille. Bei Blättern beobachtet man auch bis- weilen eine von der Spitze her allmählig wachsende Theilung der Blätter, wobei es ganz das Aussehen hat, als seien zwei Blätter im jugendlichen Zustande verwachsen, so bei Aristolochia, Lactuca sa- tiva (Jäger), Granatblättern (Bonnet) und Syringenblättern (Schlot- terbeck). — So lange wenigstens die Embryonalanlage eines Thiers, hier zunächst eines Vogels oder eines Säugethiers, keine Gefässe und keine Nerven entwickelt hat, scheint der Annahme einer Analogie des Zellenwachsthums und der Entwickelung unter abnormen Ver- hältnissen mit jenem Verhalten der Pflanzen in den genannten Fällen Nichts entgegenzustehen. Es ist kein einfaches Verkleben oder Ver- wachsen, auch nicht, wie man sich wohl ausgedrückt hat, ein Durch- *) Nach einem sehr sorgfältig von Herni Professor Jessen geführten Collcgion- hefte über allgemeine Thysiologie vom Wintersemester 1^17 — 1818. 251 wachsen; denn nach eingetretener Berührung wachsen die den bei- den verschiedenen Bildungscentris angehörigen Zellen gegen ein- ander an und werden unzertrennlich mit einander verbunden, aber zugleich heben die gegen einander anstrebenden Wachsthumsinten- sitäten einander, wenn sie gleich stark sind, durch den Druck, den sie gegen einander ausüben, auf, wodurch die einander zugewand- ten Seiten bis zur Mittellinie hin atrophiiren können. Bei dieser Auffassung würde eine Doppelmissbildung mit zwei gleich stark entwickelten Leibern, einem rechts und einem links gelegenen, und mit einem Kopfe, so aufzufassen sein, dass die eine Hälfte des Kopfes dem einen, die andere dem anderen angehört. Wenn da- hingegen die Wachsthumsintensität des einen über die des anderen das Uebergewicht hat, sei es, dass ein solches Ueberge wicht von vorn herein existirt, oder dass es aus dem Gange der Entwicke- lung resultirt, so wird der mit dem stärkeren verbundene Theil des schwächeren Embryo mehr oder weniger vollständig unter- drückt, während der frei gebliebene Theil seine Entwickelung re- lativ ungestört fortsetzt, indem späterhin die in ihm entwickelten Gefässe vom Blute des Hauptembryo gespeist werden. Der para- sitische Embryo ist dann bezüglich seiner Ernährung, je nach der Entwickelung der Blutgefässe und des Blutes, ganz vom grossen Embryo abhängig und denselben Verschiedenheiten der Chancen unterworfen wie ein Acardiacus, dessen Ernährung von seinem grös- seren Zwillingsbruder abhängt. Die verschiedenen Formen und Arten der Doppelmissbildun- gen hat zuerst D'Alton und später, zum Theil unabhängig von ihm, Beneke, B. Schulze und Coste von der verschiedenen gegenseitigen Stellung der ursprünglichen Embryonalanlagen (der Primitivstrei- fen, der Achsenplatten oder der virtuellen Achsen der beiden Keim- bläschen) abgeleitet, und wir müssen bei obiger Entwickelung die- ser Auffassung ganz beitreten. Wir glauben, wie D'Alton, sie auch für die Fälle annehmen zu dürfen, wo z. B. nur überflüssige Ex- tremitäten vorhanden sind, welche bezüglich ihrer Lage und Stel- lung denjenigen des Hauptembryo nicht entsprechen. Dahingegen glauben wir aber, wie bereits oben cntAvickclt wurde, sie nicht auf die Fälle ausdehnen zu dürfen, wo sicli nur an den Endgliedern 252 der Extremitäten eine Verdoppelung findet, in Form überzähliger Finger, Hände oder Füsse, indem uns diese (s. Pag. 137) entweder der Spaltung des ursprünglichen Herzschlauches in zwei Herz- schläuche, deren jeder eigentlich nur ein halbes Herz repräsen- tirt, oder vielleicht noch eher der Entwickelung eines überzähli- gen Staubfadens oder Petalums in einer Blume analog zu sein scheinen. Zur Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 1. Abortive Doppelschildbildung, eine häufige Missbildung der Keim- scheibe bei fehlendem Embryo, l'/^fache Vergrösserung. Pag. 30. 155. Fig. 2. Ein Fragment eines Embryo, das bei Vorhandensein einer abortiven Doppelschildbildung, unter der Mitte der klaren Scheibe derselben, auf dem sogenannten weissen Dotter gefunden wurde. 28fache Vergrösse- rung. Pag. 31. Fig. 3. Die verkrüppelte Anlage eines Embryo, welche in einem anderen Falle von abortiver Doppelschildbildung ebendaselbst gefunden wurde. Bei auffallendem Lichte und 5facher Vergr. Pag. 31. Fig. 4, 5 und 6. Abortive Bluthof bildung, eine andere, ebenfalls häufige Missbildung der Keimscheibe bei fehlendem Embryo. 8 '/fache Vergr. Pag. 32 — 34. 36. 155. 162. (Die in Fig. 4 in der Mitte liegende Masse ist zu dunkel ausgefallen). Fig. 7. Eine der abortiven Bluthof bildung ganz analoge Formation, bei der jedoch das rothe Blut fehlt, ein Primitivstreifen mit Primitivrinne aber vorhanden ist.- 8%fache Vergr. Pag. 34—37. 69. 162. Fig. 8. Halbmondförmige abortive Bluthof bildung, den Eiern mit doppel- tem Dotter eigenthümlich. Natürliche Grösse. Pag. 37. 98. Fig. 9. Ein sehr früh abgestandener, verkrüppelter Embryo, aus einem etwa 13 Tage lang der Brütwärme ausgesetzt gewesenen Hühnereie. 5',4^ache Vergr. Pag. 68. 74. 75. 161. Fig. 10. Derselbe Embryo von der Bauchseite her gesehen. Fig. 11. Ein ganz ähnlicher Embryo, der unter analogen Verhältnissen in einem anderen Hühnereie gefunden wurde. Pag. 68. 74. 75. Tafel IL Fig. 1. Ein blutloser Embryo aus einem 42 Stunden lang künstlich bebrü- teten Hühnereie, von der Rückenseite her gesehen. lOfache Vergr. Pag. 68. 71. 73. 75 — 77. 159. Fig. 2. Derselbe Embryo von der Bauchseite her gesehen. Fig. 3. Ein blutloser Embryo aus einem 5 Tage lang von der Henne be- brüteten, aber zwischen der 36sten und 44sten Brütstunde abgekühl- ten Eie, von der Bauchseite her gesehen, llfache Vergr. Pag. 47. 68. 71—77. 124. 129. 1.37. 159. 254 Fig. 4. Derselbe Embryo von der Rückenseite Iier gesehen. (In diesen 4 Abbildungen ist die Area pellucida und der innere Rand der blut- losen Bluthofanlage mit angegeben.) Fig. 5. Ein verkrüppelter, aber mit rothem Blute in der Bluthofanlage ver- sehener Embryo, aus einem 4 Tage lang künstlich bebrüteten, aber zwischen der 36sten und 44sten Brütstunde stark abgekühlten Hühnereie, von der Bauchseite her gesehen, ö'/^fache Vergr. Pag. 42. 44. 51. 79. 84. 85. 133. 152. 154. 155. 161. (Der hintere und seitliche Theil des Bluthofes ist mit abgebildet, der vordere Theil nicht. Die Wirbelanlagen sind nicht breit genug, und es sind 3 Wirbelplättchenpaare zu wenig angegeben). Fig. 6. Ein verkrüppelter Embryo aus einem gewöhnlichen Hühnereie, das gleichzeitig mit dem vorigen 4 Tage lang bebrütet und in gleicher Weise abgekühlt worden war. Von der Rückenseite her gesehen. 5 '/Jache Vergr. Pag. 44. 78. 84-86. 133. 152. 154. 161. Fig. 7. Ein wurmförmig verkrümmter, aus seinem erbsengrossen Amnion und seinem rothes Blut führenden Bluthofe herausgenommener Embryo, der mit den beiden vorigen gleichzeitig bebrütet und abgekühlt wurde. 5%fache Vergr. Pag. 44. 101. 133. 152. 161. Fig. 8. Ein in eine kleine, solide Masse verwandelter Embryo in seinem kleinen, aber vollständig gebildeten Amnion, aus dem auf Taf. IX. Fig. 10 abgebildeten Eie. NatürHche Grösse. Pag. 44. 47. 59. 60. 62. 63. 98 — 101. 120. 124. 153. 161. (Um das Amnionbläschen herum erkennt man die Area pellucida und um diese herum den Bluthof). Fig. 9. Derselbe Embryo in seinem Amnion, durch die Loupe vergrössert. Tafel III. Fig. 1. Ein von der Area pellucida und dem inneren Rande der farblosen Bluthofanlage umgebener Embryo, aus einem 43 Stunden lang künst- lich bebrüteten Hühnereie, von der Rückenseite her gesehen, llfache Vergr. Pag. 68. 72. 75 — 77. 129. 161. Fig. 2. Derselbe ohne Umgebungen, von der Bauchseite her gesehen. Fig. 3. Der vordere Theil des Körpers eines Embryo aus einem 42 Stunden lang bebrüteten Hühnereie, von der Bauchseite her gesehen, llfache Vergr. Pag. 68. 69. 74 — 77. 161. Fig. 4. Derselbe Embryo von der Rückenseite her gesehen und von der Area pellucida und der Grenze der noch farblosen Bluthofanlage («) umgeben. Pag. 51. 68. 69. 74 — 77. 133. 152. 155. 161. Fig. 5. Ein verkrüppelter Embryo aus einem 65 Stunden lang künstlich bebrüteten Hühnereie. llfache Vergr. Pag. 31. 68. 70. 74 — 77. 133. 152. 155. 161. (Das Rückenmark ist zu lang gezeichnet und es sind 3 WirbelpDittchenpaare zu viel angegeben; die 4 letzten Wirbel sollten dachziegelartig gelagert sein, und zwischen ihnen sollte schon das in eine Spitze auslaufende Rückenmark fehlen). Fig. 6. Der vordere Theil desselben Embryo, von der Bauchseite her ge- sehen. Fig. 7. Ein seitlich verkrümmter Embryo aus einem 66 Stunden lang künst- lich bebrüteten Eie, Rückenansicht, llfache Vergr. Pag. 41. 44. 79. 80. 84 — 86. 133. 152. 155. 158. 161. 255 Fig. 8. Der vordere Tb eil desselben Embryo, von der Baucliseite her gesehen. Fig. 9. Derselbe in natürlicher Grösse von seinem Bluthofe umgeben. Pag. 46. 79. 84—86. 152. 154. Fig. 10. Ein von seinem mit blutiger Flüssigkeit gefüllten Amnion umgebe- ner Embryo, aus einem 8 Tage lang künstlich bebrüteten, zweidottri- gen Eie, von unten her gesehen. Natürliche Grösse. Pag. 49. 106. Fig. 11. Derselbe von oben her gesehen. Fig. 12. Ein sehr abnormer, flach ausgebreiteter Embryo aus demselben Eie, von der Bauchseite her gesehen, llfache Vergr. Pag. 41. 42. 44. 49. 58. 62. 63. 80. 84 — 86. 107. 124. 129. 133. 135. 152. 154. 155. 158. 161. Fig. 13. Ein degenerirter Embryo aus dem auf Taf IV. Fig. 7 abgebilde- ten, 146 Stunden lang künstlich bebrüteten, zweidottrigem Eie. 16fache Vergr. Pag. 39. 44. 99—101. 152. 153. 161. 230. Tafel IV. Fig. 1. Ein von seinem Bluthofe umgebener, sehr missgebildeter Embryo mit doppeltem Herzschlauche, aus dem auf Tafel IX. Fig. 9 abgebil- deten zweidottrigen Eie, nach 112stündiger Bebrütung. Reichlich 7fache Vergr. Pag. 41. 43. 51. 55. 58. 62. 63. 79. 81 — 86. 93. 117. 124. 133. 137. 150—152. 154. 155. 158. Fig. 2. Derselbe Embryo von oben her gesehen. Fig. 3. und 4. Zwei übrigens normal gebildete, in ihrer Grösse aber etwas verschiedene Embryonen, welche nach 67stündiger Bebrütung in dem auf Taf. IX. Fig. 7 abgebildeten zweidottrigen Eie lebendig vorgefun- den wurden. 8/2fache Vergr. Fig. 5. Ein 9 Tage lang künstlich bebrütetes Ei mit doppeltem Dotter, mit einem normalen, lebendigen Embryo und einer halbmondförmigen, abor- tiven Bluthof bildung. /<, der natürhchen Grösse. Pag. 38. 45. 151. 216. 220. Fig. 6. Ein Ei mit einfachem aber eingeschnürtem Dotter, mit normalem, lebendigem Embryo nach 3tc'igiger Bebrütung. % der natürlichen Grösse. Pag. 46. 232. Fig. 7. Ein Ei mit doppeltem Dotter nach reichhch 6tägiger Bebrütung. Der eine Dotter ist durch eine Einschnürung in zwei Abtheilungen getheilt, deren grösste den sehr unregelmässigen und blutarmen Blut- hof trägt. '/2 der natürhchen Grösse. Pag. 39. 43. 44. 46. 47. 99. 154. 216. 230. Tafel V. Fig. 1. Ein sehr abnormer Embryo mit zwei von einander getrennten, bei der Untersuchung noch pulsirenden Herzen, nach 7tägiger künsthcher Bebrütung, welche am Ende des 3ten Tages durch eine starke Ab- kühlung gestört wurde, von der Rückenseite her gesehen. 8fäche Ver- grösserung. Pag. 41. 54. 58. 62. 64. 91 — 97. 121. 124. 129. 130. 133 — 135. 137. 152. 154. 155. 158. 161. Fig. 2. Derselbe von der Bauchseite her gesehen, mit dem Gef)issnetze der Area pellucida, das deuthcher geworden war, als der Embryo eine Weile in Spiritus gelegen hatte. 256 Tafel VI. Fig. 1. Ein in eine amorphe Masse umgewandelter Embryo aus einem 10 Tage lang künstlich betrüteten Eie, das zwischen der 60sten und 72sten Brütstunde absichtlich stark abgekühlt worden war. Natürliche Grösse. Pag. 41. 43. 47. 59. 61. 63. 101. 102. 120. 153. 155. 156. 161. Fig. 2. Derselbe bei 3facher Vergrösserung von unten her gesehen. Fig. 3. Derselbe bei gleicher Vergrösserung von oben her gesehen. Fig. 4. Histologische Elemente, welche, an der mit dem in Fig. 1 — 3 ab- gebildeten Embryo verklebten Stelle, von der weissen Schalenhaut ab- geschabt wurden. 250fache Vergr. Pag. 41. 61. 156. 177. Fig. 5. Ein sehr abnormer Embryo, dessen Herz noch pulsirte, aus einem 111 Stunden lang künstlich bebrüteten, aber nach etwa 40stündiger Bebrütung stark abgekühlten Eie, von der Rückenseite her gesehen. 8 — 9fache Vergr. Pag. 46. 62. 63. 65. 86 — 88. 94 — 97. 100. 121. 124. 131. 134. 135. 152. 155. 160. 161. Fig. 6. Derselbe Embryo von der Bauchseite her gesehen. Fig. 7. Ein Embryo mit beginnender Spina bifida aus einem 42 Stunden lang bebrüteten Hühnereie mit doppeltem Dotter. 8 — 9fache Vergr. Pag. 106. 122. 131. 153. 159. 160. Fig. 8. Ein sehr kleiner Hühnerembryo mit enormer Spina bifida, dessen Herz nach 112 '/^ stündiger künsthcher Bebrütung noch pulsirte. 9fache Vergr. Pag. 46. 62 — 64. 88. 89. 94 — 97. 121. 131. 134. 153. 166. 155. 159. 160. 161. Fig. 9. Ein Embryo mit Spina bifida, Gesichtsspalt und Nabelbruch, aus einem 3 Wochen lang einer schlecht regulirten Brütwärme ausgesetzt gewesenen Hühnereie. Natürliche Grösse. Pag. 109. 128. 131. 132. 135. 153. 159. Tafel VII. Fig. 1. Ein in eine rundliche Masse verwandelter Hühnerembryo, dessen Grösse auf eine etwa 7tägige Entwickelung hinweis't, aus einem 22 Tage lang einer schlecht regulirten Brütwärme ausgesetzt gewesenen Eie. Natürliche Grösse. Pag. 60. 61. 63. 102 — 104. 117. 155. 156. 161. Fig. 2. Ein ganz ähnlicher, unter gleichen äusseren Verhältnissen entwickel- ter, abnormer Hühnerembryo. Natürliche Grösse. Pag. 60. 61. 63. 102—104. 117. 155. 156. 161. Fig. 3. Ein anderer, unter gleichen äusseren Verhältnissen entwickelter, abnormer Hühnerembryo, von der linken Seite her gesehen. Natür- liche Grösse. Pag. 60. 61. 63. 102—104. 117. 124. 129. 155. 156. 161. 162. Fig. 4. Derselbe Embryo von der rechten Seite her gesehen. Fig. 5. Ein Embryo mit offener Leibeshöhle, aus einem 17 Tage lang mit verschiedenen Temperaturschwankungen bebrüteten Hühnereie, von der Bauchseite her gesehen. Natürliche Grösse, etwa einer 8tägigen Ent- wicklungsdauer entsprechend. Pag. 64. 107. 108. 133. 154. 155. Fig. 6. Derselbe Embryo von der Rückenseite her gesehen. Fig. 7. Ein Hühnerembryo mit Hydrocephalus, Gesichtsspalt und gänzlicher Verkümmerung des linken Auges, aus einem Eie, das 22 Tage lang 257 der künstlichen Brütwärme ausgesetzt gewesen war. Von der rechten Seite her gesehen. NatürKche Grösse. Pag. 107. 108. 117. 122 bis 124. 128. 129. 153. 159. 162. Fig. 8. Der Kopf desselben von vorn gesehen. Pag. 128. Fig. 9. Derselbe Embryo von der linken Seite her gesehen. Pag. 129. 155. 162. Fig. 10. Ein hemicephalischer (?) Embryo mit unvollkommenem Verschluss des Nabels und Verkümmerung der Extremitäten, aus einem reichlich 3 Wochen lang künstlich bebrüteten Hühnereie. Natürliche Grösse. Pag. 109. 110. 122. 123. 124. 127. 129. 133. 150. 154. 155. 162. Fig. 11. Derselbe Embryo von der linken Seite her und etwas von vorn gesehen. Pag. 110. 129. 150. 155. Fig. 12. Ein Embryo mit Gesichtsspalt, Mangel eines Auges, Verkümme- rung des Schnabels, der Extremitäten u. s. w. aus einem 3 Wochen lang bebrüteten, gewönlichen Hühnereie. Natürliche Grösse. Pag. 107. 110. 111. 124. 127. 129. 149. 150. 155. 162. Fig. 13. Der Kopf desselben Embryo von vorn. Fig. 14. Derselbe Embryo mehr von vorn und links her gesehen. Pag. 128. 150. Fig. 15. Der auf Tafel VI. Fig. 9 abgebildete Embryo, mehr von vorn und links her gesehen. Natürhche Grösse. Pag. 107. 109. 129. 133. 153. Fig. 16 (unter 7, zwischen 10 und 15, auf der Tafel irrthümlich als 14 bezeichnet). Kopf desselben Embryo von vorn her gesehen. Pag. 109. Fig. 17. Ein Embryo mit missgebildetem Schnabel und Deformitäten der Extremitäten, wahrscheinlich etwa 11 Tage alt geworden, aus einem 3 Wochen lang künstlich bebrüteten Hühnereie. Natürliche Grösse. Pag. 111. 117. 121. 127. 149. 150. Fig. 18. Derselbe Embryo von der anderen Seite her gesehen. Fig. 19. Der Kopf desselben von vorn. Fig. 20. Ein Embryo mit Missbildung des Kopfes und der Extremitäten. Er scheint, bei 21tägiger, schlecht regulirter Brütwärme, etwa 13 Tage alt geworden zu sein. Natürliche Grösse. Pag. 111 — 113. 117. 127. 128. 135. 149. 150. 161. Fig. 21. Der Kopf desselben Embryo von vorn her gesehen. Fig. 22. Derselbe Embryo von der linken Seite her gesehen. Fig. 23. Ein einäugiger Embryo mit missgebildetem Schnabel aus einem 16 Tage lang von der Henne bebrüteten Eie mit doppeltem Dotter, wahr- scheinlich gegen 15 Tage alt geworden. Natürliche Grösse. Pag. 112. 113. 117. 124 — 127. 149. 150. 155. 161. 162. Tafel VIIL Fig. 1. Ein missgestaltetes Hühnerei, das ich der Güte des Herrn Etats- rath Hegewisch verdanke. Natürliche Grösse. Pag. 181. 199. Fig. 2. Ein ungewöhnlich kleines Hühnerei, das einen gelben Dotter von der Grösse eines Stecknadelknopfes enthielt. Natürl. Grösse. Pag. 184. Fig. 3. Ein sehr grosses Hühnerei mit weicher Schale und einem mit Ei~ weiss gefiUlten Appendix. Natürl. Grösse. Pag. 181. 182. 199. l* Uli um, Untersuchungen. 17 258 Fig. 4. Ein ebenfalls sehr grosses Hühnerei mit weicher Schale, die jedoch beim Einschneiden Kalkpartikelchen erkennen Hess, und mit einem an- ders gestalteten Appendix. '// der natürl. Grösse. Pag. 181. 182. 199. Fig. 5. Ein Gebilde, das in einem äusserlich wohlgestalteten grossen Hüh- nereie neben einem normal gebildeten Dotter von Prof. Weber gefunden wurde. Natürl. Grösse. Pag. 196. Fig. 6. Ein ohne Erfolg bebrütetes Ei mit zwei Dottern, von denen der eine in der Mitte etwas eingeschnürt war. '^Veg der natürlichen Grösse. Pag. 190. 196. 215. 228. Fig. 7. Die beiden Dotter dieses Eies, nachdem sie unter Wasser aus der Schale entfernt waren. Sie hängen durch eine Art Chalazze zusam- men. Pag. 190. 196. 228. 229. Tafel IX. Fig. 1. Ein 42 Stunden lang künstlich bebrütetes Hühnerei mit doppeltem Dotter, von oben her gesehen. Die Cicatricula des einen Dotters liegt dicht an der Berührungsgrenze beider Dotter und ist ganz unent- wickelt geblieben. Der auf dem anderen, dem Lufträume anliegenden Dotter entwickelte Embryo war normal und lebendig. *V-o der na- türlichen Grösse. Pag. 216. Fig. 2. Ein 6 Tage lang bebrütetes Hühnerei mit doppeltem Dotter, von oben her gesehen. Der dem Lufträume anliegende Dotter zeigt keine Entwickelung, indem die Cicatricula an der Berührungsflache verbor- gen liegt. Der andere, dem luftleeren Eiende anliegende Dotter trägt einen normalen lebendigen Embryo. ^Ves der natürl. Grösse. Pag. 216. Fig. 3. Ein 67 Stunden lang künstlich bebrütetes Hühnerei mit doppeltem Dotter. Der übrigens normal gebildete Embryo war von einem etwas deformen Bluthofe umgeben und lag dem lufthaltigen Eipole nahe. Der andere Dotter zeigte eine undeutliche Entwickelungsspur. "^"/^^ der natürl. Grösse. Pag. 45. Fig. 4. Ein 6 Tage lang künstlich bebrütetes Hühnerei mit doppeltem Dot- ter, deren jeder einen normalen lebendigen Embryo trägt, von oben her gesehen. An jedem Eiende ist ein Luftraum vorhanden. '^y,o der natürl. Grösse. Pag. 38. 45. 151. 189. 216. 218. 219. Fig. 5. Ein 68 Stunden lang bebrütetes Hühnerei mit doppeltem Dotter, von oben her gesehen. Der Embryo, welcher oben in der Mitte auf seinem Dotter lag, war normal entwickelt imd lebendig, der andere, der eine seitliche Lage auf dem dem Lufträume anliegenden Dotter einnahm, war in der Entwickelung sehr zurückgeblieben und hatte noch kein rothes Blut, obgleich sein Herz pulsirte. 'Vii der natürl. Grösse. Pag. 163. Fig. 6. Ein c. 36 Stunden lang kihisthch bebrütetes Hühnerei mit dop- peltem Dotter, von der Seite her gesehen. Die Entwickelung des (zur rechten Hand) unten auf dem Dotter aufliegenden Embryo ist nur bis zur Bildung eines Primitivstreifens, mit schwacher Andeutung der Rinne vorgeschritten, während derjenige Embryo, der (zur linken Hand) die oberste Stelle auf seinem Dotter einnahm, der Bebrütungsdauer entsprechend, normal entwickelt war. "'/-„ der natürlichen Grösse. Pag. 163. Fig. 7. Ein 67 Stunden lang künstUch bebrütetes Hühnerei mit doppeltem 259 Dotter, von oben her gesehen. Beide Embryonen waren normal und lebendig und sind auf Tafel IV. Fig. 3 und 4 abgebildet. Es war kein Luftraum vorhanden, '^'/gg der natürlichen Grösse. Pag. 216. Fig. 8. Ein 43 Stunden lang künstlich bebrütetes Hühnerei von oben her gesehen. Der eine Dotter trug den auf Taf. III. Fig. 1 — 2 abgebil- deten abnormen, in der Entwickelung zurückgebliebenen Embryo, der andere die auf Taf. I. Fig. 7 dargestellte Bildung. "/-., der natürl. Grösse. Pag. 35. 69. 216. Fig. 9. Ein 112 Stunden lang künstlich bebrütetes, aber zwischen der 30sten und 40sten Brütstunde stark abgekühltes Hühnerei mit doppeltem Dot- ter, von oben her gesehen. Beide Embryonen waren todt, der eine war normal gebildet, aber nur bis etwa zur 36sten Stunde hin entwickelt, der andere ist der auf Taf. IV. Fig. 1 — 2 dargestellte Embryo mit doppeltem Herzschlauche. ^V.,, der natürlichen Grösse. Pag. 44. 47. 51. 216. 219. Fig. 10. Ein 8 Tage lang künstlich bebrütetes Ei mit doppeltem Dotter von oben her gesehen. Der eine Dotter war geplatzt und trug die auf Taf. I. Fig. 8 dargestellte halbmondförmige Bluthofbildung. Auf dem anderen Dotter war der auf Taf. II. Fig. 8 und 9 dargestellte Embryo entwickelt. 'y.„ der natürlichen Grösse. Pag. 37. 44. 45. 47. 59. 98. 216. 220. Tafel X. Fig. 1. Der Kopf einer erwachsenen Henne mit missgebildetem Schnabel (Kreuzschnabel). Natürl. Grösse. Pag. 117. 127. Fig. 2. Zwei bis zur Reife entwickelte, völlig von einander getrennte Hühn- chen, in der Lage die sie im Eie hatten. Natürl. Grösse. Pag. 223. 225. Fig. 3. Dieselben Zwillinge von der anderen Seite her gesehen. Fig. 4. Eine Verdickung der Dotterhaut, eine Cicatricula spuria darstel- lend. 30fache Vergr. Pag. 193. 196. 232. 233. Tafel XL Fig. 1. Ein 6 Tage lang kiuistlich bebrütetes Hühnerei mit eingeschnürtem Dotter, der einen einfachen aber missgestalteten Embryo trug, von oben her gesehen, ^yg, der natürlichen Grösse, Pag. 44. 46. 47. 56—58. 62. 89. 90. 94 — 97. 155. 161. 229. 231. Fig. 2. Der in diesem Eie entwickelte, sehr abnorme Embryo von der Bauch- seite her gesehen. 9fache Vergr. Pag. 56. 58. 62. 6i. 89. 90. 94 bis 97. 155. 161. 229. Fig. 3. Derselbe Embryo von der Rückenseite her gesehen. Fig. 4. Ein 4 — 5 Tage lang künstlich bebrütetes Ei mit zwei Dottern, von denen der eine eingeschnürt war und einen normalen lebendige^n Embryo trug, während der andere keine Spur einer Entwickelung zeigte. "/., der natürl. Grösse. Pag. 46. 62. 63. 230. 232. Fig. 5. Ein 4/1^ Tage lang bebrütetes Ei mit zwei Dottern, deren einer einen normal entwickelten Embryo trug, während auf dem anderen ein ganz verkrüppelter, von einer kreuzförmigen Area pellncida und einem verkümmerten Bluthofe umgebener Embryo gefunden wiu'de. 'y,H der natürhchen Grösse. Pag. 41. 44. 47. 237. 260 Fig. 6. Der verkrüppelte, hinten vielleicht doppelte Embryo aus dem in Fig. 5 abgebildeten Eie. 8fache Vergr. Pag. 237. Tafel XII. Fig. 1. Ein reichlich 7% Tage lang künstHch bebrütetes Ei mit zwei Dot- tern, von denen der eine keine Spur von Entwickelung zeigte, während der andere zwei Embryonen in einem gemeinschaftlichen, aber nicht geschlossenen Amnion trug. Der kleinere Embryo ist sehr roth, der grössere sehr blass. Natürliche Grösse. Pag. 57. 58. 234 — 236. 238. 242. 245. 248. 249. Fig. 2. Dieselben Embryonen in ihrem Amnion, durch einen um den Blut- hof herum geführten Schnitt vom Dotter abgelöst. Sie sind vollkom- men getrennt imd kehren einander den Rücken zu. Natürliche Grösse. Pag. 57. 58. 234—236. 242. 245. 246. 248. 249. Fig. 3. Dieselben Embryonen von unten her gesehen. Man sieht die starke Gefässanastomose zwischen den aus dem Nabel heraustretenden Ge- wissen. Natürl. Grösse. Pag. 57. 234 — 236, 238. 242. 245. 248. 249. Fig. 4. Ein reichlich 7 Tage lang bebrütetes, ungewöhnlich grosses Entenei mit einfachem Dotter, der aber 2 völlig von einander getrennte, nor- male, lebendige Embryonen trug, deren Blnthöfe mit einander verwach- sen waren. Natürl. Grösse. Pag. 188. 238. 240. 248. 249. Fig. 5. Eine Copie der von v. Baer in Mem. de l'Acad. imp. de St. Pe- tersbourg 1845 Ser. VI. Sc. nat. Tom IV. gegebenen Abbildung eines 52 — 54 Stunden alten, vergrössert dargestellten, doppelleibigen Hühner- embryo. Pag. 202. Fig. 6. Eine Copie der von P. F. WolfF in Novi Comment. Acad. imp. Petropol. T. XIV. Taf. XL gegebenen Abbildung zweier auf einem gemeinschaftlichen Dotter nach 6tjigiger Bebrütung gefundenen Hühn- chen. Pag. 62. 63. 201. 245. 248. Tai".I. ■n- %' ^^ (iE im J VI Patiura Et Wittniaack adnalcel ...-a^.^^^ = ^15 Ä '.X;©:-;',^-'-.«"-^ ¥rttmaatlc in lap exr. Tafin. --Tf:::>. n'y'rx ' 7 W3- 13 12 :S?"" Ml \ 5* '"'.'^^^r'' '^'^S um 7rf'im>w/k m bn ■■'xi', laf W. ;^^\v.,. 3,7"'.-' 16 ]5 2,3 12 ■^^' l^.i^^;^ ^\w*-'' ■^# 4 ^ wS* 18 22 Pömum et Wttbnaaclc ai nat, «iel. Wittmaackin kp exe Tai m ^mt ä/ ., S;«"'' V ^A. •■'■'■'•fijl'iiVi-^* ' laf IX. ^,.>SK-'^-*%"" '""mm^ 9, f \ '^■<^^;;r ■'^^■^>ft>;!"l'\ W) ""'^^^^^'^^s:?*«*!« •j.-'-;!/', pf ''"^'T ;;,irji, aiiai 3el. ^si y'MwM' -■% ^ \l« M.X. (I \ M ^^^^^ 4 Taf.XIl ■i^^^sm>'^ % ^ "f^ W ~r1 c Bl .' i I v->^^