‚1 Eu A a B J hy eR ir. j j N [} Kr i Bu! f % 1,4 k A N h} Run $ I» ck d n' 4 „ Ro N r j NR, { 2 N“ Yu Y DE h ” 2 2 f \ nn A “ l An I} h I 3 ‚ ar Pan), u . BURG iR Part Me von ij on a % I EWwn ; nl | FRA j ’ IR [27 AUCT I 5 j rw) = 0 IR) Pr Dr. Bichard Mucke. Uraefchichte des Arkerbanes und der Viehzucht. DEE Te Euer ie ER Urgejchichte deö herbanes und der Diehzudt. Eine neue Theorie mit einer Cinleitung über die Behandlung urgejchichtlicher Probleme auf Itatijtiicher Grundlage. Bon a + Dr. Ioh. Richard Mucke, ordentlichen Profefjor an der K. Univerjität Jurjem (Dorpat). Motto; Natura non facit saltus. inne. Greifswald. Verlag von Sultus Abel. 1898. vr RB AN 22 1968 Der Stätte meiner Vorbildung, der Königlid Sahflhen Fürftenidule St. Afta zu Meißen in aufrichtiger Danfbarteit. Vorwort. Bor bald drei Jahren veröffentlichte ich eine Schrift „Horde und Bamilte in ihrer urgejchichtlichen Entwidelung. Gime neue Theorie auf ftatijtijcher Grundlage, Stuttgart 1895". Sie verfolgte den Zwed, die Anficht zu widerlegen, daß der menjchliche Urzuftand ein durchaus ordnungs- lofer gewejen jet, und an Stelle diefer mit dem Gefeße der Entwidelung und dem logijchen Denken in Wideripruch ftehenden Lehre eine neue Lehre zu verfechten, daß die menschliche Urzeitt mir als eine „Dednung der Dinge” gedacht werden fan, weil die im primitiven Völferleben nac)- weisbare Drdnung nicht aus einer vormaligen Unordnung zu erklären jet. Vorläufig an den VBerwandtichaftsverhältniffen der primitiven Zuftände juchte ich zu erweilen, daß die Darin zu erfennende Ordnung allein auf die Wohnlagerungen zurüdzuführen wäre. Im Borwort zu jener Schrift erwähnte ich zugleich, wie ich zu der Hypotheje, dag der Wohnraum im Urleben der Menjchheit ein ihöpferijhes Element gewejen jet, hingeführt wurde, nämlich durch eine jyftematifche Beobachtung der Totalität der Völferericheinungen, wie fie die Statiftif in Anwendung bringt, indem jie die reinen (objectiven) Ihatjachenmerfmale, nachdem fie die im den Gingelberichten enthaltenen jubjectiven Beftandtheile abgejtreift hat, auf ihren inneren Injfammenhang unterfucht. Wie es bei der Einführung eines neuen Grundgedanfens in die Wifjenjchaft von vornherein zu erwarten ftand, hat jene Schrift zwei entgegengejeßte Beurthetlungen erfahren. Von der einen Seite wide jie als eine vorausfichtlich Epoche machende Arbeit angejehen, von der andern, d. i. von der von mir befämpften Nichtung dagegen mehr jpöttijch ab- gethan, um der Mühe enthoben zu fein, fie zu widerlegen. Lährend von jener Seite der Satz ausgefprochen wurde, es werde fich fortan ttemand mit Urgejchichte bejchäftigen, der fich mit diefer Schrift nicht aus einander gejetst habe, meint das entgegengejeßte Lager, es lohne ich überhaupt nicht, auf fie näher einzugehen. VI Der letztere Umftand hat mir Anla geboten, wenigitens in furzen Zügen die Yehre von der Unordnung im menjchlichen Urdajein vom Stand- punfte des Gntwidelungsgejeßes nochmals zu beleuchten und zu Ddiejem Behufe zuvor auf die Methode einzugehen, mittels deren man den menjc)- lichen Urzuftand zu reconftruiven vermag. Damit hoffe ich zugleich gezeigt zu haben, dak dies überhaupt nur jo weit möglich ift, als e& die jpäteren Zuftände, weil diefe ja mur als Modificationen des Urzujtandes gedacht werden fünnen, gejtatten. Gin Urleben der Menjchen, das über dieje Grenze hinaus geht, zu jeildern, halte ic) von meinem Standpunkte aus für ein Ding der Unmöglichkeit. Nur injoweit dürfen wir von Urgejchichte jprechen, alswirim Stande find, zwijchen den einzelnen Zuftänden Gontinuität nachzumweifen und die Sntwidelungsfaftoren namhaft zu machen, welche von dem eimen auf den anderen Zuftand hinführten. Sede Gejchichts- forihung und auch die Urgejchichtsforfchung erjtrebt Zufammenhänge. Wo fich fein Zufammenhang unter den Zuftänden nachweifen läßt, hört das Gebiet der Ihatjachen im jtatiftiichen Sinne auf. Auch bejchränft fich das Interefje, welches ich in meiner Eigenjchaft ald Nationalöfonom und Statijtifer dem Urmenjchen entgegenbringe, allein auf jein Zufammenleben mit anderen Menjchen. Infolgedefjen berührt meine Darjtellung nur die lociale Seite, wogegen die naturwifjenjchaftliche Seite des Urmenjchen jenjeit3 diefer Grenze liegt. Sie it die Domäne des fich mit Urzeit in anderm Stimme bejchättigenden Anthropologen. Beide Forichungen find gleichberechtigt, find jedocd) nach dem dermaligen Standpunkte der allgenteinen Irifjenichaft vorerjt nicht zu verquiden, damit die eine oder andere nicht gejchädtgt werde. uf natunwifjenjichaftlicher Seite jcheint man dies voll anzuerfennen, und diefem Umftande dürfte ich eS wohl zuzujchreiben haben, dag auch von dort her meinem Buche über „Horde und Familie” ein bejonderes Interefje entgegengebracht worden ilt. Weit dem zulett genannten Buche fteht das vorliegende im engiten Zufammenhange; der Hauptjache nach wurde diejes früher als jenes verfaßt. Denn was ich im der folgenden Abhandlung biete, geht in feinen erjten Anfängen auf meine frühefte Sugenpdzeit zurüd, worüber ich mich jchon im Vorwort zu „Horde und Familie” ausgejprochen habe, indem ich dajelbjt erwähnte, day „von frühelter Kindheit an meinen Geilt die eigenthümlichen Gejtalten der Dürfer und der Bau der Wohnungen bejchäftigten." Wenn IX ich als Knabe memen Vater auf jernen Gejchäftsreijen begleitete und wir Berge, Thäler und Ebenen durchmapßen, jo entging mir nicht, da die Dorfanlagen verjchiedene Geftalten hatten, und ich habe theils allein, theils in Begleitung meines Zeichenlehrerd an der Bürgerjchule zu Pirna eine Ntattliche Mappe jolcher Zeichnungen angefertigt. Dazu trat ein zweiter Umftand. Zu den Nebenzweigen des Hauptgejchäftes meines Vaters gehörte auch die Agentur einer Hageljchädenverficherung: aus weiten Umfretjen famen Bauern herbei, ihre Felder zu verfihern. Sie thun e$ zumeijt erft dann, wenn irgendwo bereits ein Hagelichlag eingetroffen it und fommen alsdann in größerer Zahl. Ber joldhen Gelegenheiten mußte ich im Gejchäft mit eimjpringen; wenn ich die Declarattonen der Bauern entgegennahn, hatte ich jte nach der Ausjaat der Frucht, der Lage ihrer Felder, den ans grenzenden Nachbarn und dergl. mehr zu fragen. uf diefe Weije gewann ich jehr bald ein Bild der Feldlagen im weitejten Umfretje meiner Heimat, das um jo Flarer vor mir ftand, als ich außerdem noch während mehrerer Sommer hinterernander nad) eingetretenem Hagelichlag den QIarations- commiljar bei der Abjchägung begleitete. Während meiner Gymmnaftalzeit wurde meine Aufmerfjamfert, wenn auch nicht ganz, doch immerhin von diejen Bildern abgelenft. Da ich aber als Student der Nechtswifjenjchaft ihon von meinem zweiten Semejter ab landwirthichaftliche und nattonal- öfonomijche Vorlefungen bejuchte, gewanı ich jehr bald ein weiteres Ver- ftändnig für Agrarverhältniffe; und da ich nach Abjoloirung meiner Univerfitätsjtudien mich ganz der Nationalöfonomif widmete und im diejer Vifjenjchaft den Lehrberuf ergriff, konnte ich über das, was ich im der Kindheit jelbjt beobachtet hatte, weiter nachdenken. Größere Neifen tn fernere Länder erweiterten zugleich mein Beobachtungsgebiet. Bis Ende 1883 in Deutjchland Profefjor der Nationalöfonomit, folgte ich damals einem Nufe als Profefjor der Geographie, Ethnographte und Statiftif an die Univerfität Dorpat mit der Verpflichtung, auc) ferner: hin Specialvorlefungen über Nationalöfonomif, injfonderheit auch über Agrarpolitif zu halten. Dieje Verbindung mehrerer Wifjenjchaften nöthigte mich, auch die wirthichaftlichen Zuftände primitiver Völker mehr als bisher beim Unterricht ins Auge zu fafjen. Hatte ich als Nationalöfonom ge- funden, daf die Wohnlagerreihen im innigen Gonner zu den Agrarverfafjungen Itanden, jo entdecte ich als Ethnograph, da die Wohnlagerreihen auc) x andere Berhältnifje beeinflußten; md nachdem ich viele Iahre hindurch aus alten hijtorischen Berichten die verjchiedenften Lagerordnungen it Kriegs- und Friedenszeiten jtudivt hatte, galt es für mich, den aufgefanmelten gropen Stoff pjtematijch zu durchdringen, was mir in meiner Stellung als Statijtifer leicht ermöglicht wırde. Da nämlich unter den vielen jungen Statijtifern, welche in meinem ftatiftijchen Gabinet obligatoriich arbeiteten (1889 3. B. waren, die Ethnographen nicht mitgerechnet, 78 für Gtatiftif injertbirt), Ti eine Anzahl derjelben auch für ethnographiiche Ericheinungen interejfirte, konnte ich ihnen mit Hülfe meines aufgefammelten Materials zeigen, wie man auch am primitiven WVölferleben mit der in der Statrjtif angewandten Indivivualfarten- Methode eine jog. „Iyitematiiche Meafjen- beobachtung”“ anzuftellen vermöge, wenn man die völferfundlichen Berichte ihres jubjeftiven Inhalts entfleide, um auf den Karten reine Ihatjachen- merfmale zu erhalten. Diefe Anregung, die ich meinen Schülern bot, verzte mich jelbjt zu unzähligen Gombinationen, deren Nefultate ich für eine Serie von Schriften bejtimmt habe, von denen „Horde und Familie“ die erjte und die vorliegende „Urgejchichte des Acerbaues und der Wieh- zucht” die zweite Abhandlung bildet. ISte jene, jo weicht auch diefe in ihrem Grgebnig von der herr- enden Memung ab. Nach althergebrachter Anficht bilden jeit Difäarch’s geiten Jäger, Aderbauer und Viehzüchter drei Entwidelungsitufen. Ich meinerjetts juche in Diefem Buche nachzuwetjen, das Aderbau und Vieh- zucht unabhängig von einander entjtanden und dak fie erit in jpäterer get in Wechjelbeziehung zu einander getreten find. Der von mir unter juchte Ihatfachenzufanmenhang ergiebt, dai man in den feuchten Niederungen, wo die Bedingungen dazu geboten waren, d. h. wo oajenartig waldloje Sbenen bejtanden, Aderbau ohne Viehzucht trieb, während man auf dem öhenlande ji) mit Viehzucht ohne Aderbau bejchäftigte. Beide von ein- ander mmabhängige Bevölferungen find fich erjt jpäter begegnet und haben jich nicht ohne Kampf mit einander gegenfeitig befruchtet. Imjofern ich dtejen Nampf an einigen Berjptelen aus dem WVölferleben mit Cinjchluß der Niythologie, 3. B. an den alten Germanen, den Bewohnern Irlands und Altindiens illuftrire, ltefere ich nicht blos einen Beitrag zur Urgejchichte der genannten Völker, jondern beantworte gleichzeitig damit. die Frage, was wir umter den jog. „rtern“ zu verjtehen haben. DBor Allem aber XI verjuche ich den großen Einfluß der menjchlichen Wohnreihenlager auf die Beichäftigungsart, infonderhett auf die Agrarverfafungen zur Veranjchau- lichung zu bringen und damit zugleich zu zeigen, wie die Lehre von der angeblichen Unordnung im Urleben der Mienjchheit auch an den nachweisbar älteften Wirthichaftseinrichtungen eine Stüße nicht findet. Nenn ich mir die Frage vorlege, wem ich diefe Schrift von der „Ordnung der Dinge” wohl widmen dürfte, jo muß ich dabet in eriter Linie der altberühmten Stätte meiner Borbtildung, der Königlich Sächltjchen Fürftenjchule St. Afra zu Meigen gedenken, da ich in ihr die erjten In= vegungen erhalten habe, über das Wejen der Drdnung und ihre hohe Bedeutung für das menjchliche Leben nachzudenken. Gin jolch inniges Sulammenleben mit feinen Miütjchülern, wie e8 auf St. Mfra jtattfanp, erforderte jtrenge Wahrheitsliebe nicht nur gegen jich jelbit, jondern auc) gegen Andere; das minutiöfe Einhalten der Arbeitszeit innerhalb der flöjter- lichen Mauern war eine qute Vorjchule zum Sleiy und zur Selbitjtändig- feit im Denfen. Grade Wahrheitsliebe, inneren Ale und Sinn für Drdmumg bedarf der Statiftifer in befonders hohem Grade, weshalb der nunmehr verjtorbene Altmeifter der Statiftif, Ernjt Engel, den richtigen Ausipruc) that: „er nicht von rüdfichtslofem und umerjchrodenem Streben nach Wahrheit bejeelt ijt, in wem nicht Ordnung und Sleig zu Sletjch und Blut geworden find, der lafje ab vom Studium der Statiftif. Gr hilft ihr nichts und fte hilft ihm nichts.” Indem ich mich unterfange, der Stätte meiner Vorbildung dieje Schrift, deren Umvollfommenheiten mir wohl bewupt find, aus dem ans gegebenen Grumde zu widmen, erinnere ich mich des oft vernonmmenen Ausipruchs meiner früheren Lehrer, da man nicht nad) dem, was man geleijtet, jondern nach dem, was man erjtrebt hat, zu jchäßen jet. Über der inneren Eingangspforte zur heiligen Afra prangen die Idorte: „Sapere aude!“, die zugleich das Lojungswort aller alten Afraner find und uns daran erinnern, daß alles menjchliche Wijjen nur Stüdwerf ft. „Wage, weile zu werden” characterifirt den Wiljenjchaftsforjcher; weile zu jetn tft Privilegtum des Ihoren, der allein „unzweifelhafte Sätze‘ jeiner NWifjen- Ichaft fennt und lehrt Weihnachten 1897. Dr. Biryard Munde. Snbaltsüberfidt. Sriter Abjchnitt. Über die Behandlung urgeichichtlicher Probleme auf ftatijtiicher Grundlage. Die Kenntnig der Vergangenheit bis in ihre erjten Anfänge ijt wegen der unter allen Zujtänden bejtehenden Gontinuität bedeutjam für Gegenwart und Zufunft. Die urgejchichtliche Forichung wird durch die moderne Ethnologie gejchädigt (1). Die vergleichende Bölferfunde jegt urgejchichtliche Erfenntniß voraus. Die Urgejchichte bedarf, wie die Ethnologie, völferfundlicher Berichte (2). Zujammenhangsloje Notizen find für beide Wiljenjchaften werthlos, was au einem Betjptel illujtrirt wird (3). Gefährlich für die Erfenntniß der Urzeit ijt die Verquikung der Ethnologie mit der Urgejchichte (4). Die Ethnologie mu$, jo lange uns die urgejchichtliche Srfenntnig fehlt, vorerit noch bejchreibende Völkerkunde fein (5). Der Methodenjtreit in der Ethnologie ijt ein Symptom der Unflarheit über ihre Aufgabe (6); einige Ethnologen jegen voraus, was des Beweijes bedarf und bauen auf bloßen „Annahmen“ ein luftiges Gebäude auf (7), indent fie die unvollfommene Erfenntniß der Zujtände des Elajjiichen Alter: thums zur Gonjtruction von Entwidelungsgejegen im Menjchheitsleben ver: werthen (8) und jogar rüdwärts rein apriort aus Juftänden des heutigen Völfer- lebens die gejchichtlichen Verhältnijje des AltertHums deuten wollen (9). Ein annähernd richtiges Bild der Urzeit fan nur mittelS Durhhforiehung aller Sticheinungsformen des VBölferlebens gewonnen werden. Dazu iit Einheitlichkeit der Beobachtung das allererite Srfordernig (10), wie jte die Statijtif, welche eine jyitematijche Erfenntnig des Thatjüchlichen eritrebt, vorjchreibt und amıvendet (11). Denn die Statiftif, deren Zielpunft die von allem Subjectiven losgelöjte Sreenntnig eines bejtimmten Dbjectes ijt (12) und feineswegs durch Zählen und Nechnen characterifirt wird (13), jtellt Thatjachen dadurch feit, dag fie die Totalität eines Objects in allen jeinen einzelnen Untheilbaren mittels jcharf abgegrenzter Zerniinologien jyjtematijch beobachtet, weil eben nur in der Gejammtheit aller Ginzelerjcheinungen die Gaujalität eingejchlojjen gedacht werden fann (14). Auch die hiltoriiche Statijtif abjtrahirt nicht von der Einheit der Wielheit (15); nur jammelt jte die Sinzelerjcheinungen jo lange, bis jie aus dem Zujanmmen- hange des DVBerurjahungsiyitems die TIotalität erfennt (16). Doch wird die Statijtif troß ihres einheitlichen Zieles nicht durch ein einziges Verfahren charac- terifirt; vielmehr hängt die Wahl der Methode von den jeweilig zu überwindenden Hindernijjen bei der Forfhung ab (17). Die Statijtt£ ift wegen des ihr eigen- thümlichen Apparats von Methode und Technik am beiten geeignet, urzeitliche Zuftände zu reconjtruiren (18). Lebtere fönnen blos aus befannten Mittheilungen XIII jpäterer Zuftände gewonnen werden. Derartige Mittheilungen liegen nur in jubjeetiver Form vor und behandeln Gomplere, welche in ihre untheilbaren Elemente (Individuen) aufzulöjen find (19). Die EStatiftif fapt nur die Merf- male der Dinge ins Auge, die urgejchichtliche Statijtif inSbefondere das Grundmerfmal, weil es das Merkmal einer Sache in ihrem Urdajein fenn- zeichnet (20). Merfmale erhält man dadurch, dad man die Mitiheilungen ihres jubjeetiven Inhalt entfleidet. Die dadurch gewonnenen reinen Thatjachen- merfmale jind auf Karten (jog. Individualfarten) zu übertragen (21), aus denen zunächjt die Urmerfmale d. h. die den Dingen in allen Entwicelungsfornen gleich bleibenden Merkmale zu erkennen jind (22). Zu diefem Behufe werden alle Karten mit gleichem Merkmale gejondert gehäufelt (23). Das einer Gruppe von Gricheinungsformen gleiche Merfmal tjt deren Grundnterfmal (24). Die diejer Gruppe mit gleichem Grundmerfmale zujtehenden übrigen Merkmale jind dem Grumdmerfmal gegenüber unmejentliche Merkmale, obwohl fie jelbit einem bejtimmten Dinge wejentliches Merfmal find. Da die Dinge durch ihr gegen- jeitiges Einwirfen Merkmale erzeugen, erhält man durch die Sombination der Merkmale einen Einblick in die Beziehungen der Exjcheinungen unter einander (25) und auf tabellariiche Neihen gebracht, ein Bild des Grundes der Erjchei- nungen mit ihren Bedingungen und eine wahrjcheinliche Gewißheit über die SZaden in ihren Urdafein und die Entiwicelung ihrer Zujtände (26). Cine Ihatjache ijt exit dann erfannt, wenn man fie in ihren Grund und ihren Be- dingungen fennt. An einen Betjpiel wird erläutert, wie man oft Thatjachen mit Berichten verwechjelt (27) und welch jträflicde Manier angewandt wird, um fritiiche Gewißheit über völferfundliche Mittheilungen dadurch zu erhalten (28), daß man nicht den objectiven Inhalt der Berichte, jondern die jubjective Ber: jönlichfeitt des DBerichterjtatters zum Gegenftand der Kritif macht (29). Die nothwendige Folge einer jolhen Migachtung der Ihatjachenmerfmale ift die Entitehung von Ergebnifjen, welche durch fremdartige Factoren gewonnen jind (30). Die Kenntniß von Grund umd Bedingungen der Sricheinungen ermöglicht es dem Statijtifer auch zu erperimentiren (31). DBerjegt man den Gumd in die entiprechenden Bedingungen, fanın man aus Bekannten Unbefanntes vecon- jtruiren und dadurch eine jyitemaiische Erfenntnig, eine Theorie, gewinnen (32). Aus den einzelnen Grundmerfmalen erlangt mandie Hypotheje, die alle Srjcheinungen aus eimem einzigen zureichenden Grunde erklärt (33) und es ermöglicht, an Stelle der rein jubjecttven Deutung der Erjcheinungen uns eine objective Erfenntnig über den Zujammendang der Einzelerjcheinungen unter einander zu verjchaffen (34). Die aus einem jtatijtijchen Unterfuchungsproce gewonnene Theorie muR zum Zwede der Gonjuntion im entjprechenden Volumen dargejtellt und tt ge= niegbarer Form mitgetheilt werden (35). Alle Fortjchritte tr der Wifjenjchaft erfolgen durch Umbdeutung der Erjcheinungen aus eimem zureichenden Grunde (36), welcher aus der jtatijtifchen Durcchforfchung der Totalität aller Merfnale der Erjcheinungen gefunden, auch die Totalität der Ericheinungen jelbit zu er- flären im Stande ijt (37). Der Beweis fir die Nichtigkeit der Theorie liegt in der Möglichkeit, alle Erjcheinungen aus der Grumdhypotheje zu deuten (38). Im Snterejje des Lejers ift neben der neuen Deutung die bisherige Deutung mitvorzuführen und es find möglichit jolche Berjpiele aus jolchen Büchern zu wählen, die dent Lejer leicht zugänglich find (39). Zur Berjtändigung des Yejers mit dem Darjteller muß der anzuführende Ihatjachenzufammenhang auch piycho- logijch begründet werden (40). Dazu tft nur derjenige Theil der Biychologie XIV geeignet, welcher jich auf die Entjtehung und Gntwicdelung der Vorjtellungen bezieht, die Jndividualpiychologie giebt allein über die Entwidelung des indi- viduellen Bewußtjeins Nechenjchaft (41), nicht aber die Völferpiychologie. Alle in ihrem Grundmerfmal erfannten Sachen bedürfen einer Wortbezeichnung (42). Diejelbe it einer bereits vorhandenen Sprache zu entnehmen, welche das Wort in der dem jeweiligen Sachverhalt entjprechenden Bedeutung hat (43). Nicht aus den Trümmern der Wörter ift das Bild der Urzeit wieder herzujtellen (44), da die Bedeutung eines Wortes wechjeln fann (45). Die Bedeutung eines Wortes hängt von der Vorjtellung des Dinges ab, dem das Wort dient (46). Die Verfehrtheit dev Merhode, aus blogen Wörtern Thatjachen fejtzujtellen, wird an dem DBeijpiel des Wortes Leib demonjtrirt (48) und gezeigt, zu welcher Nillkir ein Jolcdes Etymologifiren ohne zuvorige Feititellung des Thatbejtandes binführt (50). Die Urgejchichte auf jtatijtifcher Grundlage muß von der auf linguijtijch-paläontologijcher Grundlage aufgebauten Urgejchichte in ihren Er- gebnijjen abweichend jein (51), weil jene auf einer Hypotheje, dieje dagegen auf einer Fictton beruht (52). Die jog. Indogermaniiche ESprachverwandtichaft beruht nur auf Stetten (53). Deshalb darf der fich nur an das Ihatjächliche haltende Statijtifer von den auf jener Fietton beruhenden Ergebnifjen der Sprac)- vergleichung feinen Gebrauch machen (54). Zweiter Abjchnitt. Das menjhlide Wohnreihenlager im Allgemeinen unter dem Gejidtspunfte der Entwidelung. (5 bejtehen über den menjchlichen Urzujtand zwei entgegengejegte Yehren, (55), die aber in Bezug auf das allmähliche Emporardeiten zu immer Höheren übereinjtimmen. Die Sage vom Paradies und die Lehre der urjprünglichen Ordnung der Dinge bilden ein ijjfenjchaftliches Problem (56), dejjen Yöjung von weittragender, auch practifcher Bedeutung tt (57). Die Yehre einer angeb- lichen Unordnung im Urleben der Menjchheit, insbejondere in jerueller Hinficht, it Sympton eines ungeordneten Denkens der Vertreter diejer Lehre, welche einen faljchen Begriff vom Wejen der Sntwidelung haben (58). Zum Begriffe Ent- wicelung gehört ebenjowohl Kontinuität wie Modifteirung, weshalb es für die Darjtellung der Entwidelung einer Cache unumgänglich nöthig it, ihr wejent- liches, die Kontinuität aufrechterhaltendes Merkmal ebenjo hervorzuheben, wie die Merkmale aller derjenigen Zubjecte, welche die Mopdiftcation bewirfen (59). 5 wird an einen der Hauptvertreter der Promiscuitätslehre gezeigt, auf welche nretHodiiche Art er das prius und das posterius in der Sntwicelung eines jeden Snitttuts Feitzuftellen jucht (60), welch merkwürdige Zerfahrenheit des Denkens jeine Methode Fennzeichnet (61), und wie eine jolch wilde Speculation ihm die Möglichkeit vaubt, mit Erfolg über die Urgejchichte der Ehe zu jchreiben (62). Der Werth feiner Arbeiten über vergleichende Nechtswijjenjchaft wird damit zugleich gefennzeichnet (63). ES wird an der Hand der Merkmale gezeigt (64), was das Grundmerfmal oder Wejen der Jamilie jet, und ebenjo, worin das ejen der Che begrimdet (65) und was an ihr unmefentlich ijt; auch wird dar- gethan, wie eimerjeitS die Che durch die Kamilie und wie anderjeitS die Familie durch die Che eine Modificatton erleiden fonnte, ohne daß beide ihre Gr.nd» merfmale verloren (66). Die Ehe war in der Urzeit Beitandtheil eines größeren Ganzen, einer Yagerordnung, in der entjprechend der Stellung aller Ginzelnen xV zu einander eine gegenjeitige Dejtinatton jtattfand (67). Die in dein jog. Ver- wandtjchaftsbezeichnungen zum Ausdruck Fommtende gegenjeitige Beftimmung der Verehelichung, der Blutrache, Sühnung, Theilhaftiafeit an der Beute :c. weit auf eine bejtimmte Ordnung hin (65, die nicht von dem im unterjchieds- lojen Gejchlechtsverfehr lebenden Urmenjchen, wie ihn die Morgan’iche Schule jehildert, erfunden jein fanır (69). Da die leiblichen Organe des Menjchen imt Mechjelproceg mit der ihn ungebenden Außenwelt jtehen, jo find unfere Vor- ftellungen von diejer abhängig (70). Bet Unordnung und PBromiscuität wiirde das Boritellungsbereich des Urmenjchen diejem Zujtande entjprochen und jo lange angedauert haben, bis die Außenwelt jich abänderte (71). Auch der Urmenjch) war an das Gntwicdelungsgefeg der Vorjtellungen gebunden (72), und nichts Fonnte in jeinem Intellect jein, was die Sinnesorgane nicht von Yupen ihm zuführten (73). Um zur Greenntinig einer Drdnung zu fonmmen, mußte der Menjch eine Drdnung jchauen (74). Dieje Ordnung fonnte nicht der Lebensraum jchlechthin, jondern nur der Wohnraum fein (75). Im feitgewordenen Keihen haben alle Gewohnheiten ihren Siß (76). Das Cociale fanı dem Territorialen nicht vorangegangen fein (77), weil dies nicht nur dem reinen Denken, jondern auch der Erfahrung widerjpricht (78). Der den jog. Verwandt: Ihaftsbezeichnungen zu Grunde liegende objective Ihatbeitand (79), jorwie dejjen bisherige Deutung wird vorgeführt (SO) und das Srrthlümliche derjelben auf- gedeckt (SI). Die Thättgkeiten zur Grfüllung eines Zwedes jind unabhängig von der Greenntnig des Zwedes (82). Um jtch gegenjeitig feinen zu lernen, ivar für die Urmenjchen eine Permanenz im Wohnraum erforderlich (83). Die uns überfommenen VBerwandtjchaftsnomenclaturen tragen deutlich das Nerfnal von Gntfernungsbezeichnungen an fich (S4). Die primitive Grfenntnig fnüpft an das Drtliche an (85). Die VBerwandtjchaftsgruppennamen fönnmen nicht Be- nennungen für Altersichichten jchlechthin jetir (85), weil jie den objectiven TIhat- bejtand nicht voll erftären (86); ihre richtige Deutung it mur durch einen Snduetionsproceg an den Gejammterjcheinungen möglich (87), während jede bloß jubjective Meinung zu einer VBerhöhnung des Gegners führt (SS), was am etten Beijpiel gezeigt wird (89). Die VBerwandtjchaftsnomenelaturen jind auf eine Lagerordnung zurüdzuführen (90); es wird dies noch piychologijch begründet (91) und gezeigt, daß die Urmenjchen unter einander räumlich verbunden jein mußten, damit gleiche Empfindungen gleiche Yautgeberden hervorrufen fonnten (95). Der den Verwandtjchaftsbezeichnungen zu Grunde liegende Sachverhalt muf auf jeine Bejtandtheile unterjucht werden (93), um die Sntwidelungszuftände der Wohnlager beurtheilen (94) und eine richtige hijtorifche Berjpective geawimen zu können (95). Nur die in den ethnologijchen Berichten enthaltenen veinen Thatjachenmerkfmale ermöglichen eine jolche (96), während in den Stoff hinein- getragene Fictionen davon entfernen (97). Nicht alles Nebeneinanderjtehende jteht in einem Zufammenhang mit einander (98); jomit fann auch die allge- meine Kultwrumgebung nicht jchon an fich eim bejonderes jociales Gebilde beeinflujjen (99); denn jedes Ginzelne Hat jein Dajein für ich (100). Die Wohnlagerung fonnte nur durch eine andere Wohnlagerung modificirt werden (101). Die Neihenlagerung fann nicht aus einem Zuftande vorheriger Sjolirung entjtanden gedacht werden (102). Die bei primitiven Bölfern beobachtete Ordnung ift nicht al3 das Nejultat einer zuvorigen Unordnung anzujehen (103). Die von Morgan conjtruirten Entwictelungsepochen jind ein wilfinlicher Aufbau, erzeugt aus einer unklaren Vorjtelung vom Begriffe Entwidelung (104). Der VI Sat, da der Menich von Natur ein Heerdenthier jet (105), it nur durch eine richtige Voritellung vom Wejen der Horde zu erklären (106). Wie etwa hat man jich die natürliche Neihenlagerung zu denken? (107) Auch die Yagerung der Heerdenthiere jcheint jich auf Naumbilder zurücdführen zu lajjen (108). &8 giebt verjchtedene Neihenlager (109), deren Neconftruction in diefem Buche ver- jucht werden joll (110). Dritter Abjchnitt. Das Neihenlager der Bewohner der Ebene und die Dadurd begründete Organilation des Mderbanes. Yahrung und Wohnraun find die Hauptbedingungen des Yebens. Ge: nügt der Wohnraum nicht, jo müfen jich Neihen ablöfen (111). Bon der Er- nährungsieife der Urmenjchen haben wir feine Kunde (112); die Frage, worin fie bejtanden, darf nicht Ausgangspunkt einer Unterfuchung jein (113). Stand die Wiege des Menjchengejchlechts dort, wo die Bedingungen zu feiner Er: nährung geboten waren, jo lag feine Veranlafjung zum Wandern vor (114). Auch Neugier fonnte den Urmenjchen nicht dazu bewegen (115). Ihm war die Wohnung anfangs mur Nubeplag (116). Die erfte Wohnung der jeghaften Horde tit zweireihig und jchirffsförmig (117). Der jchiffsförmige Neihenbau ländlicher Wohnjtätten ijt noch heute zu beobachten (118). Wo it das Urmodell derjelben zu juchen (119) und iwie zu erklären? (120). Schiffsdörfer haben eine von andern Dörfern abweichende Agrawerfafiung, nämlich „Sewanne ”(121). Im Ausdrucde Bieus fommt das Characterijtiiche der Gewanndörfer bejjer zur Geltung (132). Der Grundplan des polynefischen HSaufes läßt ein Echiff er fennen; eim Bicus tjt eine mwechjelreihige Wohnung (123). Seine eigentliche Heimath ijt die Ebene (124). Auf ihr wurde der bejjere Boden zuerjt in Belik genommen (125). Die Gntdekung des Ackerbaues ift weder SJägern Noch Hirten zuzujchreiben (126); nur die fonnten dei Ackerbau erfinden, denen die Halmfrucht Hauptnahrungsmittel war (127). Um den Vorgang der Entwidelung des Samenforns bis zur Fruchtreife beobachten zu fönnen, mupte man jeßhaft jein (128), Doch fonnte die MWohnjtätte nicht inmitten eines Getretdefeldes jtehen (129). Im Amerika bejtand vor dejjen Entdedung durch Guropäer ein ergiebiger Getreidebau (130); auch hier findet man jchiffsförmige wechjelreihige Häufer (131) neben Hüttenreihen (132). Die Srofejen hatten feine Gentil- organtjation, jondern VBicusverfafjung (133). Morgan bat diefe Erjeheinung mipveritanden. Huch in Form von Pfahlbauten (134) finden wir jchiffsförnige und wechjelreihige Anfiedelungen (135), aus deren Befunden im SIımern nicht voreilige Echlüffe gezogen werden dürfen (136). Auch das jog. triiche Elanhaus ijt eine wechjeljeitige Wohnung (137). Aus dem zweireihigen Einheitshaus ift das moderne Schiffsdorf abzuleiten (138). Die dem lekteren eigenthünnliche Agrarwverfafjung jchildert Tacitus in Germania e. 26 (139). Der bisherigen Auslegung Ddiefer Stelle wird Erwähnung gethan (140); eine neue liberjeßung der Worte des Tacitus wird gegeben (141), insbejondere die Bedeutung von invices erklärt (142); es wird gezeigt, was spatia camporum bedeutet (143), day spatium nicht Raum, jondern Abjtand Heigt (144), warum beim germanijchen VBieus die Häufer in Abjtänden liegen (145) und wie fich der römijche VBicus entwicelt hat (146). Im VBicus erfolgte die Decupation der Her von Allen gegenjeits in Abjtänden (147), wodurch Iheilitücfe in einer Gewanne entjtanden, XV welche die Bertheilung de3 Acerlandes erleichterten (148). Aus fortgejegter gleichartiger Befißnahme erwuchs die „Gemengelage” (149), welche aljo Folge der Decupation nach der Methode ab universis in vices pro numero cultorum it (150). Die bisherige Deutung der Gemengelage wird zur DVergleichung gegenübergeitellt (151); man glaubt in ihr einen vorrausberechneten Beftedelungs- plan im Snterejje der Gerechtigkeit erblicken zu müjjfen (152). Nicht die aus einem Gemeingeijt entjprungene Feldgemeinjchaft Hat die Dörfer geichaffen (153), jondern die Wohnlagerung war der Grund einer jolchen Acerverfafjung (154). Die Zwecmäßigfeit einer Ginrichtung liegt in der Einheit des Nejultats (155) und it nicht an fich das Grgebniß vorausbedachter Handlungen (156). Der Schlüjjel für die Vlanmäßigfeit der Gewanneintheilung ijt nicht in der Technik der Mejjung zu juchen (157); die Germanen des Tacitus wußten den Werth des Ackerlandes noch zu wenig zu |hägen (158), da fie Ackerland überließen (159). Das arva per annos mutant bezieht jih nur auf den Beitellungswechfel (160). Tacitus darf nicht aus mittelalterlichen Quellen interpretirt werden, jondern e5 ijt zunächjt aus den objectiven Merkmalen jeiner Schilderung der Sachverhalt feitzuftellen (161). Die Bewohner des heutigen Deutjchland find zur Zeit ihres Befanntwerdens Fleine, jich befehdende Bölferjchaften,; nur wandernde umd jeßhafte Horden fämpfen um Raum (162). Zu den jeßhaften Horden gehören auch noch andere, die nicht Vicusverfafjung haben (163). ES giebt Hoxden, die an Seen und Flüjjen wohnen, deren Pfahlwohnung Wanne heißt (164). Gie find den VBicuswohnern in Bezug auf ihre Wohnung ähnlich (165). Sie betrachten fich unter einander als örtlich Verwandete (166). Bet ihrer Berührung mit Wanderhorden entftehen auf ihren Pfahlbauten Eimzelhütten (167). Außer ihnen bauen andere Horden direct auf das fchlanmnige Land (168) und werden bei Familiengründungen genöthigt, ihre Häufer in Entfernungen von einander anzulegen (169); jte verbinden fich unter einander durch Brücenvege (170), deren einer auf Grund einer Echilderung aus Wejtfalen dem Leer bejchrieben (171) und in zweifacher Deutung vorgeführt wird. Dieje Anlagen führen zu einer jchlangenreihigen Anjiedelung (172) und zu einer bejonderen Acerverfaffung, bei welcher jeder Einzelne jein Ackerland in einem einzigen vegelvecht verlaufenden Streifen hinter dem Hofe hat (173). Characterijtijch für diefe Slandörfer ift die Einhegung des Acerlandes (174). Sie jiedeln jpäter nach dem Höhenlande über (175). Ihr Befund in Irland ift nicht aus einen Übergang von Viehzucht zum Acderbau zu erklären (176). In Stland find aus dem 6. Jahrhundert deutliche Spuren von Acderbau ohne Viehzucht vorhanden (177), worauf jehon Seebohm hingewiejen hat (178). Die Bewohner des ebenen Landes waren Acterbauer ohne Pflug, die man Arter nennen fan (179). Ihr Schiffspaus war ihrer Ausbreitung günftig (180). Die Gejchichte von der jchwimmenden Arche Fannn fich unzählige Male wiederholt haben (181). Die Verfafjung der Arche wurde durch die Familiengründung jowohl auf der Männer: al3 auch der Weiberjeite modificirt (182); man zählt in ihr jieben Männer und fieben Frauen. Die Sieben jpielt im Völferleben eine Nolle (183). Die jiebartige VBerwandung im Hordenhaufe hieß Sept oder Sippe bezw. Cabba (184); die Imjafjen der sabba bezw. des Bicus wurden von den die Arbeit verrichtenden Famels als sapientes bz3w. MWeije angejehen. Später wird die Arbeit gegenfeits verrichtet (185) und Einer hat die Woche. I Sept find auch jteben Sifen (186). Dieje Iprachliche Myjtif zeigt jich auch in Indien (187). Die Arier differenziren horden- weije (188). XVII Vierter Abjchnitt. Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes und die dDadurd J begründete Berufsorganijation. Den Bewohnern des ebenen Landes [Hera] entgegengejeßt jind die be- weglichen Horden des Hochlandes [Gaea] (189). Jene waren jeßhaft, Dieje wandernd (190). Die Entjtehung der Wanderhorden läpt jich nicht bejtimmt erklären (191). Da fammernartige Wohnungen, wie in der Ebene, fich auch in Berg-Höhlen (192), beijpielsweile Phrygiens und Amerifas (193) finden, jo ijt es nicht unmwahrjcheinlich, daß die Bewohner der Gaea aus den Urbewohnern des Niederlandes infolge verjchiedener Sreignijje hervorgegangen find (194). ES giebt feinen angeborenen Wandertrieb (195). Die Wanderhorden der Gaea heigen Genneten oder Gentes (196). Ueber Urjprung und Wejen der Gens fonnten die Schriftiteller des Alterthums feine Auskunft geben (197). Moderne Gelehrte haben über die Gens mannigfache Hypothejen aufgejtellt (198). Das die Gens betreffende PBroblen wird formuliert und vorläufig beantwortet (199). Die yeyvzaı jind der Gegenjaß zu Spysöves; erjtere jind Gewanderte, leßtere Urein- wohner der Ebene (200). Das Wort yevvzrzı erlangt jpäter die Bedeutung von önoyararıss (201). Drgeonen und Genneten feiern in Griechenland im Fejte der jog. Apaturien ein Berjöhnungsfeft, dejjen einer Tag Kureotis heikt (203). An ihm erfolgte die Kintragung der Kinder in die Lilte der Phratoren (204) und für die Gens inSsbejondere die Scheidung ehelicher und unehelicher Kinder (205). Durch diefe Scheidung erfannte der Gennete das Kind als das Geinige an; jo erjt erlangt yeverv die Bedeutung von fennen (206). Die Scheidung von Shelichen und Unehelichen wurde durch die Wohnlagerung der Genneten noth- wendig, als dieje fremde Werber raubten und mit ihnen Umgang nahmen (207). Der über der menjchlichen Zeugung jcehwebende Schleier wurde erjt nach der Berührung der Gens mit der jeghaften Horde gelüftet (208). Das Wort Gens hat vor diejer Srfenntniß bejtanden (209). Der deutjche Genote ijt nicht der Genießende (210), jondern tjt jachlich identifch mit dem griechiichen Genneten (21l). Der mrjächliche Keim der Gens lag nicht in der Einficht in die Noth- wendigfeit einer Jähmung der gejchlechtlichen Begierde (212). Das jog. Mutter- vecht ift nicht der Gens, jondern dem VBicus eigen (213) und eine Folge der Hordenlagerung dejjelben (214). Die Gens lagerte rund um den Feuerplaß (215) und hatte eine natürliche Umbhordung, die verjchteden benannt wird (216). Sie hat den Trieb ich abzujondern, wodurch ein Zustand der Spdiojynkrafie entiteht 217); te hat einen communtiftifhen Haushalt, in welddem Männer, Frauen und Kinder beijammen wohnen (218), die jogar am Kampfe mittheil- nehmen; auch hat jie feinen Pater, jondern einen Genitor( 219). Eine Gigen: thümlichfeit dev Gentes find die Hundertichaften (220). Die Menjchen haben nicht an den Fingern zählen gelernt (221). Hundertichaft ilt urjprünglich Feine abgezählte Menge, jondern eine räumlich abgejchlojjene Ginheit (222). Das Wejen der Hundertjchaften wird an der mongolischen Horde Ehingis-Chan’s veranjchaulicht (223). Dehe, Sfade, Hefare und Toman waren Naumeinheiten; das Heer wurde nicht gezählt, jondern räumlich abgemejjen (224). Die Be- nennungen für hundert jind in vielen Sprachen gleich (225); man unterjcheidet jprachlic” daS Naumbhundert vom gezählten Hundert (226). Characteriftijch für die Hundertjchaft it, daß das Lager im größten wie im fleinjten jeiner Gebilde diejelbe Organilation hat (227). Sie ift eine aus der MWechjelbeziehung der XIX Dinge unter einander hervorgegangene Sache und fein Kunftproduct (228). Scheiden friegeriihe Wanderhorden Frauen und Kinder aus, jo zieht fich die Horde in 5/, als Quincunz zufammen (229). Die Keilvotte ift eine Folge der Nundlagerung (230). Das in Halbe und Viertel eingetheilte Nundlager wird an einer Figur erflärt (231). Die Viermänner und Zwölfmänner jpielen im Kreislager eine Rolle (232). Das bis ins Kleinjte geviertelte Kreislager er- möglicht es der Wanderhorde jich im Kleinen niederzulafjen (233), wie an einer Figur veranfchaulicht wird. Tribus tft im Fleinjten wie im größten Nundlager ein Duatuor (234). Der Feuerplaß oder Pur zerfällt in zwei Halbfreife oder Pol (235); leßterer dient zur Sangjtelle des Vieh und heißt capistrum oder Halfter. Der den Wanderhorden characteriftiiche Ring (236) dient in jeiner Nachbildung verjchtedenen Zwecden (237). Das den Wanderhorden eigenthümliche Aufjuchen der Einjamfeit in abgejchlojjenen Wohnlagern führt den Gejtaltungstrieb zu Sonderbejchäftigungen (239). Woher fam bei den großen Melteroberern der plößliche Neihthum und ıipie ijt die Entjtehung der Sclaverei zu erklären? (240) Die Entjtehung der Berufsfajten ift auf das abgefonderte Wohnlager der Horden der Gaea zurüdzuführen (241). Die Genneten wurden wegen ihrer Kunft- fertigfeit geraubt (242) und wurden entweder Ginzeljelaven oder reihenweije ein- gegliedert oder es entitanden Unterordnungsverhältnijje in Kaftenform (243). Arbeitstheilung und Berufsgliederung find ihrem Urjprung und Wefen nach verichieden (244). Die Familie tjt durch Einftellung fremder Arbeitskräfte ent- jtanden (245). Auf niederen Stufen bejteht Ginfeitigfeit in der Bejchäftigung (246); jte ift in der Gejchichte des Völferlebens nicht als Hochmuth oder Trägpeit, jondern als ein Entwidelungsjtadium anzujehen (247). Zur Bejtimmung der Verwandtjchaft der Völker find zweierlei Hauptelemente erforderlich (248). Beim Gebrauh von Bölfernamen tiit Borficht geboten (249). Auch die Entwiclung des Dölferlebens beruht auf der Verichmelzung relativer Gegenjäße, die überall deutlich zu erkennen find (250). So lange der VBerjchmelzungsproceh nicht ab- gejchlojjen ift, find Spott und Hohn als Begleiterfcheinung bei denen anzutreffen, welche den Werth ihrer gegenjeitigen Leiftungen noch nicht erfennen (251). Fünfter Abjchnitt. Das Reihenlager der Viehzüdter in Wechjelwirfung zum Neihenlager der Aderbauer, Die Zahmung der Thiere ift nicht auf einen bewußten Borgang menjch- licher Reflerion zurückzuführen (252). Es it fein Grund zu der Annahme vorhanden, daß das Thier urfprünglich jcheu war und daß es der Mienjch ver- folgte (253). Kinder find den Thieren freundlich. Thiere famen der Nahrung wegen freiwillig in die umhordeten MWohnlager (254). Ihre Zähmung war ein friedlichev Act (255). Um die Bedeutung der Milch für die menjchliche Er- nährung erfennen zu fönnen, mußte das Thier bereits gefangen jein (256). Die Eonjtruction eines wirthichaftlichen Urzujtandes auf Grund eines junmmna- riichen Mertdurtheils führt die Wirthichaftsgeichichte im falfche Bahnen (257). Säger fonnten weder Aderbauer noc, Viehzlichter werden (258). Das umzäunte Nundlager wurde für jeine Bewohner der bejtimmende Grund, Viehzlichter zu werden (259). Durch die Heerdenhaltung wurde die Gens nur noch beweglicher und reißt Acderbauer mit fich fort (260). Dieje Erjcheinung wird am Bolfe der Sueven exremplificirtt (261). Sm ihrem Lager find Viehzüchter mit Acer- XX bauern vereint (262); jte bilden zujammen eine gens cognatioque qui una coierunt (263). Der juevijche Ausdruck dafür tft Hunda-Härad (264), der im Völferleben weit verbreitet ift (265) und zu dem Gerücht Beranlafjung gegeben bat, die Eueven hätten centum pagos gehabt (266). Durch jolches Zujammen- leben entiteht nach und nach der Semming (267). Bei der erjten Begegnung heterogener Horden erfennt man häufig in jich nicht das Menjchliche (268). Die Anthropophagie tritt erjt jpät auf und bejteht in Verfennung des Menjchen- thums (269); fie verjchiwindet durch das Erkennen desjelben (270). Die Unter: jchetdung von Endo- und GSrofannibalismus it methodisch faljch (271). Der Kannibalismus tjt fein piychologtjches, jondern ein ethnologijches Problem (272), welches in der Yöjung des Widerjpruchs zipiichen jolidarischem VBerbundenjein und gegenjeitiger Tödtung bejteht (275). Jedes dem Kannibalismus hHuldigende Volf bejteht mindejtens aus zwei Horden (274). Auch die Semmonen find ein SGemijch, in welchem Standesunterjchtede bejtehen (275) wegen der beiden darin befindlichen Berufe. Acerbauer und Hirten jind im der Urzeit getrennt (276). Säjar hat nicht behauptet, daß alle Germanen jehr wenig Acerbau treiben (277) und berichtet ausdrücdlich, daß die Bewohner der Ebenen dem Getreidebau ob- lägen (275). Gäfar erklärt mur, daß Ffeineswegs alle Germanen Acerbau treiben (279). Zu den ich nicht des Ackerbaues befleigigenden Germanen rechnet Säjar die Sueven, deren Zuftand er jchildert (250). In ihren Hunda-Härads giebt eS magistratus ac prineipes, Zeltordnner und Yandanmeijer als Organe, dap Alles glatt vor fich geht (281). Diejen civitates iit e$ größte Ehre, mög- lichft weit um fi herum Acderlandjchaften zu zerjitören, um Cinjamfeit zu haben (282). ES gab zur Zeit des Cäfar noch feine großen, von den Sndo- germanen abgezweigte Stammesjtaaten (283). Alle SHunjchaften löjen jich jchnell auf und ziehen ich jchnell zujammen (284). Sie haben Fleine Häupter und nur in Kriegszeiten ein gemeinjantes Oberhaupt (285); es bejteht im Hunda- Härad ein ziweifaches Principat, (256); jeine äußere Geftalt ijt ein mit einem Quadrat verbundener Kreis (287). Der Härad beitand aus 42 Mann. Bon einem inneren Suevenreich haben wir feine Kunde (288). Der Name Sueven iit eine allgemeine Bezeichnung für Wanderhorden, denen characteriftiich it, dag fie in Abtheilungen gegliedert jich) vorwärts bewegen (289). Der von Tacitus befchriebene Ackerbau in den ViciS Fan nicht aus der von Gäjar ge- ihilderten mit Ackerbau verbundenen Viehwirtbichaft hervorgegangen jein (290). lleber die Urgejchichte der Germanen bejtehen große Meinungsperjchiedenheiten (291). Da Meinungen jubjeftive Deutungen find (292), muß die von Tacitus ausgejprochene Meinung einer einheitlichen Abjtammung der Germanen auf ihre Thatjachenmerfinale unterfucht werden (295). Beijpielsweije jind jich Katten und Tenchtherer heterogen (294). In Germania jtehen Serhafte Wandernden gegen- über und zwijchen beide treten die Nömer (295). Dieje Sachlage ijt der Ver: ihmelzung der heterogenen Horden günjtig (296). QBom Widerjtand auf jeder Zeite hängt das Nejultat der VBermijchung ab (297). Eine durchwirfende Ber: mischung tjt nur in Eleinen Gebilden möglich (298). Wir befigen feine directen Beweismittel für die ältejte Beftedelung Irlands (299). Die beiden aus dem 7. Jahrhundert jtammenden Sagen widerjprechen jic) (300). Doch läßt jich der Widerjpruch heben, wenn man in Irland in jener Zeit eine Weberichwenmmung der Ebenen mit VBiehzüichtern annimmt (301). ES wird gezeigt, was ein Dorf tft und wie es entjteht (302). Das Dorf Hat 12 Einzelhöfe und it urfprünglich ein Viertel- freiS (305). Mit dem Ausdrucke Glan wird in der Wiljenjchaft Unfug ge: XXI trieben (304). Um das triihe Glanhaus erblict man auch Nundhütten (305). Der Wald war zwar Grenze, doch auch der Berührungspunft für Ackerbauer und Biehzüchter (306). Wir begegnen im Scheerenland einem VBieräcerjyften (30%), das durch vier Männer eines Nundlagers entiteht (308). Die Eintheilung in 16 Haushaltungen ijt etwas anderes als die Sintheilung des Tommlandes in 12 Geisrigh3 (309). Die in der KFeldeintheilung Irlands zu beobachtenden unregelmäßigen Grundjtiide von verjchtedener Gröpe deuten auf VBermijchung von Aderbauern und Wanderhorden Hin (310). Zum VBerftändnig des Clan find die Nundhütten um das oblonge Haus mit zu beachten (311). Die zweierlei Bezeichnungen für ein und diefelbe Cache in dent leßteren weijen auf eine Verbindung von Aderbauern und Biehzlichtern Hin (312). Das oblonge Haus dient dem Ackerbau, die Numdhütten der Viehzucht (313). Aus der VBerjchmelzung beider Sinrichtungen entjteht der Fultorijche Ackerbau (314). Glanland ift ge- rodetes Waldland (315). Sn Irland bemerken wir einen VBermijchungsproceh von Acerbauern mit Viehzlichtern und umgekehrt (316). Die Elanverfafjung wird durch die von den leßteren übernommene Biertheilung characterifirt (317), weshalb acht auf jeder Eeite des Bicus anzutreffen find (318). Der Tanatjt im lan ijt als der neunte anzujehen (319) und als jpäter Hinzugefommen zu be- trachten (320). &S bejtehen Gejeßmäßigfeiten, aber auch große VBerjchtedenheiten im Völferleben (321). Die Wirthichaftsgefchichte darf nicht mit der Gejchichte der Nationalitäten verquict werden (322). Meiten’S Deutung des Drtes Seuja (323) tft auf eine umrichtige Interpretation von Tacitus zurücdzuführen (324); Geuja it eine aus heterogenen Bejtandtheilen zufammengeflochtene Drt- ihaft, ein lecken, wie jeine einzelnen Bejtandtheile erwetien (325). VBicus, Turba und Flecen find Ortjchaften im Gegenjaß zu Weiler (326). Das Dorf it urfprünglich Anlage der VBiehzüchter (32%). ES tit im Intereffe eines gemein: jamen VBerjtändnijjes eine neue Nomtencelatur zu jchaffen (328). Die VBichzucht aufnehmenden Acerbauer pflügen mit acht Zugthieren (329). Das VBerlopjen der Srundjtüce it eine Eigenthümlichkeit der Acerbau annehmenden Biehzüchter. Bei den Ariern bejteht der Einzelbejtig vor dem Gemeinbejiß, bei den Genoten der Gemeinbejiß vor dem Einzelbejtß (330). Sedhfter Abjchnitt. Der Kampf der Uderbaner mit den VBichzüchtern in der Sage und Mythologie. Was in den vorausgegangenen Abjchnitten fejtgejtellt und was nicht feit- gejtellt werden fonnte (331). Fragen der wifjenjchaftlichen Forichung find von dem zu unterfuchenden Material abhängig (332). Wanderhorden werden mu durch jeßhafte Horden jeßhaft (333). ES giebt Horden, die vom Holz zum Steinbau und andere, die vom Stein- zum Holzbau übergegangen find (334). Gin Übergang aus der urjprünglichen Vereinzelung zur Neihengliederung bedeutet eine grandiofe Nevolution (335). Die Urgejchichte ift nicht blos eine Geichichte dev Wanderungen (336). Die Annahme, daß die Griechen aus einer nationalen Ginheit fih in jelbjtändige Stämme zergliederten, widerjpricht dem Entwidelungsgejeg und der Hiftorifchen Erfahrung (337). Die in Griechenland vorgefundenen Dialekte können nicht geographijchen Einflüffen zugejchrieben werden (338). Daß die Griechen al3 ein Zweig der jog. arijchen Bölferfamilie ‚anzujehen find, ift im Zweifel zu ziehen (339), zumal man ‚von dem DBolfe der XXI Indogermanen nichts Thatjächliches weiß (340). Durch Berührung der jeghaften mit den Wanderhorden entitanden Kämpfe, die in Mythen zum Ausdruck fommen (341); man muß fi in der Mythologie zunächit nach thatjächlichen Begebenheiten umjehen (342) umd die Deutung eines Mythos von dem gedeuteten Sachverhalt ausjcheiden (343). Die unperjönlichen Auffafjungen der Naturericheinungen vepräjentiren nicht die eriten Zeiten dev Mythen (344); viel- mehr find die Thaten der Menjchen die Grundlage der Mythen (345). Die Deutungen der Mythen durch Kuhn und Schwarz widerjprechen der Ppiycho- logijchen Erfahrung (346). Man mus in deu MiYytHologie die Entitehung der Sagen und die jpätere Ausbildung derjelben unterjcheiden (347). Dämonen find Bewohner des hochgelegenen Yandes; jte werden it Dan repräfentirt (348). Das erite Hordengemijch perjonifteirt der Snachide Gelanor (349), der Begründer des cultoriihen NMderbaues, ein Ingemann (350). Die altindiichen Veden jtammen aus verjchtedener Zeit (351). Im ihnen begegnen wir zwei Gegen: jäßen, den Arya und Dajyu (352). Die Deutung der Arya als die Ehrenvollen it unbaltbar, weil auch die Dajyu ehrenvoll jind (353). Der den indijchen Veden zu Grunde liegende Stoff fordert zu einer Analyje dejielben auf (354). Sin einheitlicher altindijicher Staat iit aus demjelben nicht zu erweijen (355). Die Arya find die eingejejienen Ackerbauer (356), deren jehnlichjtes Verlangen auf der Dajyu Ninderheerden gerichtet iit (357), weil fie infolge ihrer Einengung genöthigt Jind, zur Viehzucht überzugehen (358). Die Anficht, die vedijchen Arya feien Halbnomaden gewejen, die von Viehzucht zum Ackerbau übergingen, it unhaltbar (359). Grama bedeutet nicht Dorf, jondern it der Plaß innerhalb des Bicus (360). Wie die Puru entjtanden (361), wozu jie urjprünglich dienten (362) und in welcher Stellung jte jih den Arya gegenüber befanden (363). Weitere Zeichen, daß die Arya jerhaft waren (364). Warum die jeßhaften Acter- bauer feine Ningmauern dulden (365). Der Kampf der Arter mit den Gentes zeigt jich an verjchiedenen Orten (366). Im der griechiichen Mythologie findet er feinen Ausdruck im Kampfe der Heroen mit den Giganten (367). Die Giganten find Abkfömmlinge der Gaea (368). Der Kampfplaß find die fruchtbaren Gefilde der Niederungen (369). Warum die Giganten Schlangenfüße haben (370) und wiejo die äußere Naturumgebung in den Mythos mit hereingezogen wird (371), ohne daß doch das eigentlich Wejentliche an jenem Kampfe darin untergeht (372). Die Arier werden durch Ares vepräjentirt (373). Herakles ijt der Cultor im Glan, Amphitruo der um das Glanhaus herummohnende Viehzüchter (374); leßterem verdankt Herafles jeine Etärfe. Die Stellung der Athene (375) und der Hera zu Herafles und das DVerhältnig der Hera zu Zeus (376); bei diejen erkennt man drei Entwiclungsftadien (377). Apollon vertritt die nomadijirenden Hirten (378). Hermes tft nicht in evjter Linie Gott der Diebe und Kaufleute, jondern Acerbauer, der durch die Lage der Umjtände Ninderentführer wird (379). Dadurch vermittelt ev den Ackerbau mit der Viehzucht (380). Was wir unter der Lyra des Hermes zu verjtehen haben (381), was die Schildfröte im MytyoS für eine Bedeutung Hat (382) und wie der Mythos bisher erklärt wurde 353). Die VBerfchiedenheit des Ares bezw. Mars bei Griechen und Römern (384). Warum die So als die Äärgfte Feindin der Hera angejehen (385) und wie durch das Auftreten der Fo das Land der Hera verändert wurde (386). uch Die Sinzelhöfer wufen mythologijche Gejtalten hervor (387), aus denen ihre agrare Bedeutung noch erkennbar ijt (388). Neben den Schlangenreihen-Bewohnern treten auch mythijche Nepräfentanten des Scheerengebietes auf (389), die eben- XXIII falls theilweije nach dem Oberland ziehen müjjen (390). Die naturwifjenjchaft- liche Beleuchtung diejer Gejtalten dect uns nicht ihr Grundmerfmal auf (391). In den Mythen treten handelnde Verfonen auf (392). Durch die oft willfür- lichen Zujammenjtellungen dev Mythen tijt der urgejchichtlichen Srkenntniß viel verloren gegangen (393). Der Kampf der Sephaften mit den Wanderhorden fommt in der jehwediichen Mythologie in einer befonderen Form zur Ericheinung (394). &3 find in ihr Merkmale wiederholten Auftretens verjchiedener Wander- horden vorhanden (395); die Hauptrepräjentanten find die Ajen und Zätten (396). Dden und die Ajen find Einzelhöfer (397). Zu ihnen fommt in die Ebene Thor mit jeinen Böden (398). Dpden verläßt feine Brüder We und Wile und geht nach dem Oberland (399). Thor und Oden werden von den Miytho- logifern oft verwechjelt (400). Lebterer erlangt gegenüber dem exjteren im Mythos eine bevorzugtere Stellung (401). Warum die Inga in Schweden häufiger auf. treten (402). Die Mythologien aller Völfer enthalten fojtbare Schäte, die noc) gehoben werden müjjen (403). Die irdifche Harmonie ijt unvollfommen (404). era e XXIV Abbildungen. Seite Fig. 1. Der Vicus von Trebni . . . : 118 „2. Die Entjtehung der spatia camporum dureh Acheiten in 1 Abftänden 147 ae ee der Grumditiicke mit Bieus . . . ei‘) „ + Das jchlangenförmige Franfenau im Königreich Sadıın li.‘ a: les. Der. Kelleotie,. . .- va) A „ 6. Das Nundlager in jeinen einzelnen Beftandtheilen ee 3 | „ 7. NRundlager in Korallenform. . . . . „0 nos „18% Ein Heinfter BiertelfreiS . ._ . >... 2.0... 2 02 rs 109 ENe-HUNDENETOD Tr N de a „ 10. Die Turba Wißeeße im Drawepn. 2 ee ae ee 1.» Dteracdterinftem. 20. ee ee 12. Der Fleden Geuja im reife Merjeburg ee, — ne — Sriter Abjchnitt. Ueber die Behandlung urgefhichtlicher Probleme auf Katiftiidher Grundlage. Unfjer Nachdenken über das Leben der Menjchheit erjtredt fich der Hauptjache nad) auf Die Beantwortung der drei Kragen: was war? was ift? und was wird fein? So wenig als wir die Zufunft ohne Kenntnif der Gegenwart zu ahnen im Stande find, jo wenig fünnen wir die Gegen- wart richtig beurtheilen, ohne die Vergangenheit bis in ihre eriten An- fänge erforjcht zu haben. Demm zwifchen Vergangenheit, Gegenwart und Jufunft beiteht eine Gontinuität dergeftalt, daß jeder Ginzelzuftand der Folgezeit immer mur eine Modiftcation des Urzuftandes ift. Die Noth- wendigfeit gejchichtlicher Korichung im ihrer Bedeutung für zukünftige Mapnahmen wird heutzutage jelbit von denen gewürdigt, die der jtrengen Wiffenjchaft im Allgemeinen fern ftehen. Sfeptijcher Tteht man dagegen dem Nerthe urgejchichtlicher Korjchungen gegenüber, bet denen uns das „nlechiv" Fehlt, welches der schlechthin „Sejchichte” genannten Korjchung zu Gebote jteht. Daß jo Viele von der Urgejchichte nicht viel halten, verjchildet nicht. zum Wenigiten die jog. moderne Gthnologie, die, über das Ziel ihrer Aufgabe jelbjt noch im Unklaren, jtatt fi) auf das Gr= forfchen der heutigen aturvölfer zu bejchränfen, urgejchicehtliche ‘Probleme in einer Weife in ihr Gebtet zieht, die geradezu gefährlich it. enn jich die Völferfunde, wie es ja auch durd eine Anzahl von Gelehrten noch immer gejchteht, mit einer vein jachlich bejchreibenden Dar- ftellung der heutigen Naturvölfer unter Berüdfichtigung ihrer natürlichen Lebensbedingungen und phyfiichen Gigenjchaften begnügt, jo fan jte für viele Wifjfenjchaften grogen Nußen ftiften. Die .letteren erhalten ein werth- volles Material, das uns der Mühe enthebt, auf die groge Mafje älterer und neuerer Neijebejchreibungen zurücdzugehen, und wir können mit einen bereits gefichteten Material viel bequemer einen urgejchichtlichen Aufbau unternehmen. Aber eine jo rein fachlich bejchreibende Darjtellung jcheint einigen Gthnologen offenbar nicht vornehm genug zu jein: als ob eime Mucke, UÜrgeichichte. l -) Sriter Abjchnitt. jachliche Schilderung nicht ebenfalls eim Kumfjtwerf wäre, das man mit leichter Hand bieten fünnte! Man will würzen, weil man eine objective Schilderung für zu troden hält. Doc wer je ein Buch aus der Feder 3. B. von der Steinen’s zur Hand hatte, weiß, daß man Beides jehr wohl vereinigen fann, ohne daf das rein Sacdliche darunter leidet. Bedanerlicher Weife bemächtigen ji einige Gthnologen des ethno- graphiichen Meatertals tr einer Nerje, die mehr zertrümmert, als conjervirt. Man will vergleichende Völferfunde jchaffen, ahnt aber nicht, day man, um Gegenjtände mit einander vergleichen zu fünnen, zuvor jowohl den Srumd als auch die Bedingungen derjelben in einer Entwidlungsreihe vor ih) haben muß. Der Grund oder das Urmerfmal völferfundlicher Gr- Iheinungen fan nun aber mur im der Urzeit gejucht werden. Deshalb muß die leßtere ergründet werden, bevor man die Meodiftcationen der Ur- merfmale einander vergleichend gegemüberftellen fanır. Die vergleichende Sthnologie jeßt urgejchichtliche Erfenntnig voraus; die Urgejchichte tft aber eine bejondere Wifjenjchaft, die mit der Ethnologie durchaus nicht zu= jammenfällt, fich, wie diefe, zwar auf völferfundliche Materialien jtüßt, aber eine Neihe anderer Wilfenjchaften als Hilfswiljenjchaften bat. 51 8 it nicht zu billigen, day eimige Sthnologen entweder die völfer- fundlichen Berichte zerzaufen oder aber mit rein jpeculativ gewonnenen Anichauungen über angeblich bejtandene Urzuftände das heutige Wölferleben beleuchten und jeine GSimrichtungen zu erklären verfuchen. Und tm beiden sällen werden die auf jolche Art gewonnenen ESrzeugnijje als das Ergeb- nig einer bejonders eracten Unterfuchungsmethode mit einer Sicherheit vor= getragen, Die den Urgefchichtsforicher geradezu zu einer Bolemif reizt. Slaubt man am die vorgetragenen Meinungen nicht, jo wird man mit Hohn überjchüttet, und jucht man gar an ihre Stelle etwas anderes zu jeßen, jo fan man erwarten, daß einige von diefen Gthnologen zur Ver- leumdung und Entjtellung der Wahrheit greifen. Die, welche in wilder Weife die einheitlichen Berichte zerpflüden, bieten Sammeljurien dar, die Niemand gebrauchen fan, weil jte im weiter nichts als in zufammenbangslojen Notizen bejtehen. Man nehme nur em Buch von Baftian zur Hand und wird dies betätigt finden. So (tejt man beijpielsweife in dem mir gerade zur Hand jtehenden Buche von Baltian, „Die Nechtsverhältnifje bei verjchtedenen Wölfern der Grde, Berlin 1872”, wofür ich ebenjo qut ein anderes Buch und eine andere Stelle dejjelben Autors hätte wählen fünnen, auf ©. 370 wie folgt: „pen ji die Seelen der Dtomafen nad Welten begeben, wo jte ohne Arbeit und Bejchwerden leben werden, begegnet ihnen der Vogel Tighi- tight, der die nicht Wehrhaften beim Angaffen auffrist (Gilt) [Bolyneften]. Am Tage ihrer Erjchermung jehen wir die Tarnen-MWälder, die Kräuter- Behandlung. urgejchichtlicher Brobleme. 5 Haiden, die Bienen Schwärme, die Herings Bänke, die Büffel Heerden, die Menjchen Nationen (Agafjiz).) Der emancipirte Sohn, als aus dem Sclavenband der Familie heransgetreten, hatte fein Theil am Erbe (in Nom). Aus Luoguo’3 Nabel und aus jenem Schenfel, worin er einen Emjchnitt machte, entjprang der erjite Menjch (de la Borde) bei den Ga- ratben. Die Völker von Gutmale beten (wie die Kafanger) ein VBiünpdlen Stöde (China genannt) als Abgott an (j. Dapper) .. . Die Männer (in Kalabrien) haben den Kopf ihres männlichen Gemächts mit einem Bajt verbunden, auc wohl im emer langen Kalabafje jteden (Dapper). Der in Wirbeln wohnende Vogel Ingo nimmt die in den Vöden Um: fommenden zu fich herunter, ihnen Meedtein zu lernen (im Sofala). er auf die Eier des Vogel Iawo tritt, 1jt zu reinigen (an der Wejtfüite). Das gelbliche Volk der Mathola, im Norden der Staffer, windet das ihlichte Haar in Zöpfen um den Kopf (1501). Wenn bei den Maziko- negern em Ghemann oder eine Ehefrau itirbt, jo wird die Schuld allezeit auf den Längjtlebenden gelegt (Dapper). Der paterfamilias hat das jus vitae ac necis, und fan den Sohn als Sclaven verfaufen oder noxae geben. Ich breche ab, weil das Wenige genügt, um zu erweifen, wie jelbjt ein Mann in der Stellung Baftian's, dejjen Verdienjte um die Samme- lung und Sichtung ethnographiicher Gegenitände ich voll zu wirdigen ver itehe, die ethnologijche Aufgabe jtch jtellt, die er mod) nenerdings?) dahın zujammenfaßt: „In ethnologijcher Korjchungsweife wird man jeder Hirn- quälerei allmählich) überhoben jein, in Grübeln (über Miögliches und Uns mögliches) und Vorausjeßungen (zum bypothettichen Aufthürmen), da es fic) einzig um genügemde Anfammlung richtig conjtatirter Ihatjachen handelt. Dann genügt objective Zufchau, um vor fich entfaltet zu jehen, was die Gefeßlichfeiten aus ich jelbjt zu jagen umd zu lehren haben. Und jo ergiebt fi) das (im Völfergedanfen nachgefragte) „te aus dem „Was“ jelber, wenn die Gejete jelbjt ich ausjprechen (ohne jubjectiv hin- eingetragen zu jein).” Nie man aus der Yectüve einer jolhen „Anfanmlung” von Notizen „bei objectiver Zujchau vor fich entfaltet jehen” kann, „was die Gejelich- feiten aus fich jelbft zu jagen haben“, vermag ich jelbjt beim veiflichjten Vachdenfen nicht einzufehen. Solcyen Büchern dürfte man, wenn man conjequent fein will, gar feinen Titel geben, jondern mühte es ebenfalls der objectiven Zujchau des Lejers überlaffen, fich einen zu wählen. Daf das citirte Buch „die Nechtsverhältnifje bet verjchiedenen Böltern der Erde! benannt wird, ijt geradezu eine Bejchränfung der objectiven Jujchan. 1) Sch bemerfe, dap ich wörtlich abdrude. 2) Bajtian; Gontroverjen in der Ethnologie, Berlin 1894, II, ©. 9. 4 (Sriter Abjchnitt. Aber dieje „ethnologijche Korichungsweile”, die man merfwürdiger eife „inductiv® nennt, it feineswegs das jchlimmfte in der modernen (Sthmologie; ste it ungefährlich, und zwar jchon deshalb, weil Niemand eine Mubanwendung in andern Wiljenjchaften davon machen fan. Diefe Darbietungen bleiben gewiffermaßgen aufs engjte Haus der Sthnologen jelbit bejchränft; fie werden ausjchließlich von den leßteren conjumirt, unter ein- ander bejprochen und beweihräuchert. Nenn dieje für andere Wiffenjchaften ungentegbare Speijfe von den Ethnologen jelbjt verdauet werden fann und ihrem Gejchmad entjpricht, jo werden jtch die übrigen Wifjenfchaften dar- über nicht grämen. Nur mögen Iene jtc fernerwert nicht mehr beklagen, das Diefe vornehmer Ietfe von den Korjchungen der modernen Ethnologie zu wenig Notiz nehmen, und fic) auch nicht, wie es u. A. Vierfandt thut, darüber wundern, daß „ein jo grümpdlicher und vielfeitiger Denfer, wie IS. Winde, nivgend und auc nicht in dem jüngit erjchtenenen Schluf- bande jeiner neu aufgelegten Logik, welcher fich) mit den Prineipten und Methoden aller Geijteswifjenichaften, darunter auch der Coctolegie, Völfer- funde, VBölferpfychologte u. j. w. eingehend befaßt, der Yeiltungen Bajttan's Srwähnung thut”. Soll man einer „Soricungswere” Srwähnung th, deren Endziel im Ueberhobenjein von jeder Htrnguälerer lteat? rel Ichlimmer, weil geradezu gefährlich, it eine andere Korichungs- weile, die, wem ich Bajtian richtig verjtehe, er derade befämpfen will und die ihn im jpäteren Jahren zu jener Ginfeitigfeit in dem an Sid) gerechtfertigten Kamıpfe hingeführt haben dürfte. Es tft die Vergquidung der Ethnologie mit der Urgejhichte Sowie der Siuabe im der Meimumg, daß die Blumen nur ihm allein gehören, fich über ein Blumen- beet mit ausgebreiteten Armen und Händen himvirft, um die Spielge- nofjen zu verhindern, daß Ddiefe am Deete Antheil haben, jo umfangen ähnlich einige Sthnologen das völferfunpdliche Material mit der Behaup- tung, daß mur fie allein berufen ferien, es für die Wiffenjchaft auszu= nußen. Iede urgejchichtliche Forichung jtempeln fie zu eimer ethnographi- ihen. Ste überjehen, day Tich die Aufgabe einer Specialwifjenjchaft nie mals mit dem Studium ihres Dbjectes decft, day dieje vielmehr bald enger it, infofern fie das Object nicht von allen Seiten ftudirt und day jie zugleich bald weiter tt, injofern fie auch andere zu ihrem Spicialob- jeete in naher Beziehung ftehende Dbjecte herbeizteht. In der ganz irrigen Vorausjegung, alles auf primitive Wölfer bes zügliche Material hätten fie allein zu verwerthen, meinen einige Gthno- logen, die urgejchicehtliche Forjchung, weil auch fie auf diefem Material fic) aufbaut, aehöre zu ihrer wejentlichen Aufgabe. Sobald ji ein Hiltorifer, Stattjtifer, Nationalöfonom und überhaupt ein Spectalforjcher mit urgejchichtlichen Gntwiclungen bejchäftigt, jo fan man von einer ge Behandlung urgefchichtlicher Probleme. 5 wijjen Sorte von Literaten, die jich von eigenen Gnaden und vielleicht jogar ohne jemals in ihrer Wifjenjchaft einer Staatsprüfung fich unter- morfen zu haben, das Prädicat „Sthnolog” zulegen, hören, man jet in- competent, tr „ethnologijchen” Dingen mitzureden. 63 foll, da mit einer Wiffenjchaft fich) bejchäftigen darf, der den Beruf dazu im fich fühlt, dDiefen Herren unbenommen je, jich Gthmologen zu nennen, aber das Necht, Andere davon auszujchliegen, jteht ihnen nicht zu. Gbenfo ijt es ihnen gejtattet, von ihrer Sthmologte als der ungeheuren Wifjenschaft, die alle bisherigen Wiffenjchaften dermaleimit noch in Schatten jtellen wird, zu träumen was fie wollen und es jogar, wie Bojt!) „Für leicht möglich) halten, daß jpäter einmal alle Soctalwifjenchaften nur noch als Zmeig- gebiete der Ethnologie erjcheinen werden.” Aber man darf es uns nicht verargen, wenn wir £leinen Geifter in den übrigen Wiffenjchaften, die wir bejchetdner find md uns engere Grenzen ziehen, als die Sthnologen von eigenen Gnaden, uns nicht einfchüchtern lafjen, ımjere eigenen jelbjtändigen Vege zu gehen und, joweit wir der völferfumdlichen Materialien für unfere Sonderzwede bedürfen, uns auch nicht jcheuen, an ihnen stritif zu üben. och weniger aber werden wir am die urgejchichtlichen Dogmen glauben, mit denen jet Sahrzehnten die ethirologijchen Literaten uns bereichert haben, auch wenn fie unjere eigenen Korjchungen deshalb für faljch halten, weil jie mit den ihrigen in Widerjpruch jtehen. Die Ethnologie wird als junge iffenjchaft gut thum, zumächit be- ichreibend aufzutreten und uns als „Völferfunde“ vorerjt ein reichhaltiges Material von Beobachtungen darzubieten und jomit den Weg beizube- halten, den unter Anderen Friedrich) Nabel nod immer einjchlägt. Dann mag fie es den Sonderwilfenjchaften überlafjen, von verjchtedenen Seiten aus das Material zu bearbeiten, damit wir allmählich zu einer theoretiichen Erfenntnig gelangen; und wenn dies geichehen ift, dam mögen jene Sthno- logen mit Hülfe einer folchen Srfenntnig fich amfchiefen, jte zu jener Uni- verfal-IWifjenjchaft, von der fie träumen, zu erheben. (55 geht der jungen Wilfenjchaft dev Ethnologie, wie e3 der Jugend überhaupt geht. „Sinder wifjen jo Vieles ganz bejtimmt und gewiß, was der reife Mann zweifelnd betrachtet." Die Auffafjung des gereiften Mannes geht weiter in die Breite und Tiefe, die Jugend jtreift an der Oberfläche. Denn „ichnell fertig ijt die Sugend mit dem Wort“, weil jte nur von eimfeitigen bejchränften Standpunften aus appercipivt und bei jeder Appercipation nur zwijchen völliger Aufnahme und Abweifung ihwanft. Daher diejes hochmüthige Wejen jo mancher Sthnologen gegen- über den Lehren der alten Wiffenjchaften, insbejondere der Philojophte und Nechtswiffenschaft, die fie aus den Angeln heben möchten, weil fie ihnen a. 1) Sm Globus 59. Band 1891. ©. 289. 6 (Sriter Abfchnitt. „zu langjam vorjchreitet“. Alles Beobachtete gilt ihnen jchon als TIhat- jache und die Gigenthümlichkeiten des Gegebenen überjehen fie, weil fie bereits Alles fertig im Stimme haben, noc) bevor fie an die Unterfuchung der Ericheinungen des Völferlebens herantreten. Im Unklaven über ihre Ziele, hört man fie von „den ftrengen und ergiebigen Methoden” jprechen, deren die Ethnologie bedürfe und die Dieje „zum Nange einer echten Vifjenjchaft erheben“ würden. Sch jollte meinen, dab man über den Weg erjt dam jprechen dürfte, wenn man genau wei, wohin man eigentlich gehen will. Der Methodenitreit it falt immer ein Symptom der Unflarheit über die Aufgabe, und eben deshalb lehrt die Srfahrung, da meist angehende junge Gelehrte und überhaupt jolche, welche ihre Wifjenjchaft noch garnicht beherrjchen, fich in Erpectorationen über die Schlechtigfett der Methovden ergehen und über Methoden jchreiben. Dem Schwimmer gleich, der nicht eher ins Wafjer gehen will, bis er das Schwimmen gelernt hat, ftellen fie nußloje Natjormements über die beite Methode ihrer AWiffenfchaft an; und wenn fie ja ins Waller fteigen, be= treten fie dafjelbe im einer Setchtheit, day fie gar nicht zum eigentlichen Schwimmen fonımen fünnen. Guftav Schmoller that noch vor einigen Jahren den jehr zutreffenden Ausjpruch, daß über den NBerth oder Une werth der Methoden mr jprechen dürfe, wer Jahrzehnte lang mit der einen oder anderen Methode gearbeitet habe. Das bejte Kriterium für die Vrauchbarfeit der Methode, mit der der Verfaffer ein Buch jchrieb, it immer der Durch fie vermittelte Neichthum und die Driginalität der gewonnenen Gedanfen und deren Brauchbarfeit für die Anregung der Sachgenofjen. Hat er das Yebtere erreicht, jo it eS geradezu findijch, die Mtejultate zu loben, die Methode aber „auferordentlich niedrig” zu finden. Serade der Methodenftreit beweiit uns, dal es mit der hohen Be= deutung der Ethnologie für die übrigen Wiffenjchaften nod) recht im IArgen liege und da die ethnologifchen Literaten gut thun- würden, die angeblic) von ihnen bereits gefundenen GSejegmäßigfeiten im VBölferleben nicht vor= ichnell mit Emphafe den anderen Wifjenjchaften zu empfehlen. Wie find denn, müfjen wir fragen, die Gejegßmäßigfeiten, von denen man jo wohl- feil jpricht, eigentlich gefunden? Durch rein apriore Annahme! Man alaubt, das Ti) das Menfchengejchlecht in einer geraden Linie bewege und überall eine jtreng gejeßmäßige Gleichartigfeit jich zeige. Ich jollte meinen, day man dies erjt aus dem Zujammenhange der Ihatjachen be- weifen mülje, aber nicht umgekehrt von einer jolchen „Annahme ausgehen“ dürfe. Man conitruirt fi) a priori Entwiclungsaejege, um hinterher nad) vein änperlichen Mterfmalen die Ericheinungen im Völferleben in dieje angeblichen Gejeße hineinzuzwängen. Dab die Gthnologie von eier „numahme” ausgehen jolle, räumt fie übrigens jelbit ein. So jagt neuer- Behandlung urgejchichtlicher Brobleme. 1 dings Heinrich Sunomw!): „Die moderne Gthnologie geht von der An- nahme einer ftreng gefeßmäßigen Gleichartigfeit der menjchlichen Entwiclung aus." Thut fie dies, jo verfährt fie jpeculativ, indem fie vorausjeßt, was erjt des Beweifes bedarf, und auf bloger „Annahme“ ihr Gebäude aufbaut. Db eine „Itreng gejeßmähßtge Gleichartigfeit” in der Gntwiclung des Völferlebens bejtehe und wie fie bejtehe, tft ein exit zu löjendes urgejchicht- fiches Problem; erjft wenn das Vroblen gelöft tjt, haben wir das Necht von eimer „streng gejeßmäßtgen Gleichartigtert” zu jprechen. Der Weg der wifjenfchaftlichen Forjehung muß vielmehr die unge- fehrte Nichtung nehmen als ihn Gunow betritt: erjt müljen die vor- liegenden Daten der Völferfunde emem Inductionsprozeg unterworfen werden, indem man aus der bunten Meannigfaltigfeit dev Merkmale (Präpdicate), in welcher die Dinge zur Gricheinung fommen, die Subjecte fejtzuftellen jucht und alsdanın von dem jo erfannten Iejen der Subjecte aus ihre Mechjelbeziehungen unter einander nach Anleitung der Vräpdicate deducttv abzuleiten verfucht. Dadurch erhält man, weil ja die differenten Eubjeete nur durch ihre gegenjeitige Einwirkung Prädicate erzeugen, einen Sinblid in die verjchtedenen Nichtungen, welche die Subjecte durch die gegenjeitigen Beziehungen zu einander genommen haben und zugleich einen Srflärungsgrund für die Formen, in welchen fie evjcheinen. Dabet jtellt es fich heraus, ob und wie „eine ftreng gejegmäfige Gleichartigtett der menjchlichen Gutwidlung“ ftatthat. Das lettere darf aljo nicht die „Arnahme“ fein, von der man „ausgeht“, weil es ja eben unbekannt tt; vielmehr muß diejes Umbefannte erjt mit Hülfe von Bekannten gejucht werden. Bekanntlich find wir noch heute über das Nefen der griechijchen und römischen Inftitutionen der Familie, Gens, Bhratvien und Hundert ichaften, der deutjchen Markgenoffenjchaft und wie die Gebilde jonjt nod) heißen, im Unflaren; fie bieten uns Vrobleme dar, an deren Young man fich jett Sahrhunderten bemüht und an der fich zahlreiche Gelehrte betheiligt haben, ohne da wir jagen fünnten, die bisherigen Nejultate jeien ev ihöpfen®d. Num treten plößlich einige GSthnologen auf, ergreifen Dieje Nefultate, um fie zu einem Beftandtheil ihrer aprioren Srfenntnig bei der Beobachtung primitiver Völker zu erheben. Co wird das, was man bisher noch nicht oder nur umvollfommen weiß, ohne Weiteres als Wifjen bes trachtet, und es werden auf eine jehr leichte Art die eben aufgezählten Inftitute bei den Naturvölfern entdedt. In diefem Sinne definirt z. B. Morgan auf Grumd der alten Forfchung die Gens als „eine Gejammtheit von Blutsverwandten, die alle von einem gemeinfamen Urahnen abftanımen, durch einen Gentilnamen be- 1) Su &, Bernerftorfer’s „Deutjche Worte” 16. Jahrg. Nr. 96. SC. 509 S Sriter Abjchnitt. zeichnet find und Durd) Bande des Blutes zujammengehalten werden.” Daber fommt er rein etymologijc zu Ddiejer Definition, da jeiner Anficht mac) „gens, yEvos und ganas in Yatern, Griechiich und Sansfrit jämmt- lich Die urjprüngliche Bedeutung von Blutsverwandtichaft haben.“ Mit diefer unenwiejenen VBorausjegung begiebt er fich unter die „Wilden“, und da befanntlich das Nefultat der Beobachtung ftets von derjenigen aprioren Srfenntnig mit abhängig it, welche die jeweilige finnliche Wahrnehmung begleitet, jo fommt er zu der Meberzeugung: „Die griechtichen Gens, Vhratrie und Stamm, die römischen Gens, Guria und Stamm finden ihre Analogien in der Gens, der Vhratte und dem Stamm der ameri- fantjchen Ureinwohner. Gbenjo jind die trijche Sept, der jchottijche Glan, die Bhrara der Albanter und im Sanskrit die Ganas, ohne den Vergleich) weiter auszudehnen, durchaus identijch mit der amerifantjchen Indianer- Sens, die gewöhnlich als ein Glan bezeichnet wird." 1) Da num eime Neihe anderer Beobachter vor, mit und nach ihm gleiche Wahrnehmungen mit derjelben aprioren Srfenntnig machten, jo wurde die Völferfunde fortan mit diefen Terminologien bereichert und ein Syjtem von Folgerungen aufgebaut, an deren Michtigfett zu zweifeln nicht blos als Netzerei, jondern geradezu als Umverftand gilt. Day man ohne die Sorichungen an ver griechifchen und römischen Gens niemals die für die Beobachtung an heutigen Natwwvölfern nothwendige apriore Crfenmtnif hätte erlangen fünnen, befümmert man fich nicht; und day die an den gegemvärtigenniedern Völkerichaften angeftellten Beobachtungen nurdamtrichtig find, wenn die von der Gens des Alterthums gewonnene Srtenntnig vichtia üt, wird vollfommmen überjehen. Man ift jtolz auf die moderne Gthnologie, die jo Großes erreicht hat! Aber der Dujel wird noch toller! Wenn Iemand heutzutage id) anfchict, Die griechifche oder römische Gens zu jtudiven, ohne dabei die „wichtigen GSrrungenjchaften der modernen Gthnolögie“ zu beachten, jo trifft ihn der Vorwurf der Umvifjenjchaftlichfeit, weil ev unberüdjichtiat lafje, was die vergleichende WVölferfunde darüber feitgejtellt habe. Da nämlich Diefe einfach deshalb, weil fie mit der unvollflommenen Srfenntni der Gens des Alterthums an die Zuftände der heutigen primitiven Völker herantrat, garnicht im Stande war, bei diefen WVölfern das Gejuchte vor- zufimden und jich unmöglich das, was man dem Altertum zujchrieb, mit dem deden fonnte, was man unter den heutigen „Wilden“ fand, jo be= durften Die Starken Abweichungen beider Jultände eimer bejonderen Cr= fävung. Und da „die moderne Sthnologie”, wie fie willig emwäumt, „von der Annahme eimer jtreng gejeßmäßigen Gleichartigfeit ausgeht“ um > > Morgan, Die Urgejellichaft, Aus dem Englifchen. Stuttgart 1891. &.53. Behandlung urgeichichtlicher Brobleme. ) ipeculativ verfährt, jo lag es natürlich) nahe, jene Abweichungen als Ent wiclungsitadien dev Gens zu betrachten. So entitand beijptelswete „die mutterrechtliche Gens, eine Gejammtheit von Blutsverwandten, die alle von einer gemeinjamen Urmutter abjtanmen”. um abermals zurücgreifend auf die Gens des Alterthums, wo nur jog. „vaterrechtliche” Zuftände conjtatirbar jind, mußte nolens volens diejfe Mutter-Gens im der Ent: wichungsreiche vor die Vater-Gens gejtellt und als Vermuthung ausge Iprochen werden, daß aud) die Griechen ehemals eine Mutter-Gens hatten. Sich gar nicht mehr bewußt, went eigentlich Die moderne Sthnologte ihre Srfenntnig verdanft, tft fie nat genug, jeßt zu verlangen, daß man ihre angeblich unumftöglichen Wahrheiten als Ihatjachen bei der Beurtheilung der griechticheitaltichen Gens mit in Kauf nehmen joll. Denn man jolle bedenken, wie Morgan jagt, „daß die lettere um viele, viele Iahr- taujende vor jener bei primitiven Völkern entdecten mutterrechtlichen Gens zurücdltege.* Ganz ähnlich wie mit der Gens verhält es fi) mit den übrigen ISnftitutionen, wie beijpielsweife mit der Samilie, Die nach der modernen Sthnologte aus der Gens jich entwicelt haben joll, obwohl es doch jedem Unbefangenen in die Mrgen jpringen muß, da die römifche Samilte, welche die unter der Gewalt eines pater familias jtehenden Berjonen umfaßt und ein rein herrjchaftliches Verhältnig darjtellt, ganz unmöglich aus der Gens, wie jte die Sthnologen als „vater- und mutterrechtliches Werwandtjchaftsver- hältniy" annehmen, hervorgegangen fein fan. Veicht viel anders jteht es um die Marfgenofjenjchaft, der ernithafte deutjche Forjcher in großer Zahl von verjchiedenen Seiten aus thre Nuf- merfjamfeit gewidmet haben, ohne day wir jagen fünnten, wir jeten aud) nur annähernd zu einer Gewißheit ihres Wefens gelangt und die Korichung fünnte als beendet hingeftellt werden. Much hier benugen jog. Sthnologen dieje unvollendete Erfenntnii, um beifpielsweife die peruantjche Marca zu erklären, wobei ihnen Alles jo leicht wie Waffer von der Hand läuft. Die alt- pernaniiche Marca it eine Humdertjchaft, ayllu und pachaca find gleic)- bedeutend! Aber wo eigentlich die Probleme liegen, bleibt »iejen Herren völlig unbefannt. Die alte apriore Srfenntuig genügt, um Illes, was man jucht, leichthin zu gewinnen. Und jobald wieder ein ernjter Korjcher fic) mit der germanifchen Marfgenoffenjchaft bejchäftigen wird, ohne die „ahrheiten” des Gthnologen über die Verfallung des Incareiches anzu- erfennen, jo wird ihn der Vorwinf treffen, daß ev mit der Ailjenfchaft nicht Schritt halte. | Diefe Falfhmünzeret birgt große Gefahren in jich, wenn wir uns nicht Ela vor Augen halten, auf welche Weije jene Sthnologen zu ihren vermeintlichen Forjchungsrefultaten gelangt find. Achten wir jtets 10 (Sriter Abichnitt. darauf, dah zu jeder Beobachtung immer apriore Srfenntnig erforderlich ift, weil wir durch bloße finnliche Wahrnehmung niemals fafjen können, was ein Gegenitand it, jo haben wir für die Beurtheilung alles Deflen, was jene Sthnologen als baare Münze ausgeben, jchon viel gewonnen. 68 wird ums dann leichter fallen, einen eg zu finden, der ung aus dem Yabyrinthe, in welches uns jene Sorihungsmethode gebracht hat, wieder alüeklich hinausführt. Man mu wohl unterjcheiven, was Grfenntnig it von Dem, was Ihatjache tft. Das rem Ihatfächliche liegt nicht offen zu Tage, jondern fann nur durch einen Denkproceg aus der großen Mafje der Einzelericheinungen, in der einzig und allein das Ihatjächliche erfamt werden fann, zu Tage ge= fördert werden. Was eim Ding jenem Nejen nac it, fann nicht aus der Beobachtung einer Gingelerjcheinung defjelben, jondern immer nur aus der Durchforjchung aller Kormen, im welchen das Ding erjcheint, ges wonnen werden. Daher müfjen zumächjt die Grjcheinungsformen der Dinge gefammelt werden, um fie jodann auf bejtimmte Neihen zu bringen, aus denen wir die Veränderungen des Dinges mitjammt den Kactoren, durch melche die Veränderungen erfolgen, erfennen. Dabei jtellt es fich heraus, welche Gricheinungen im emer Gntwidelungsreihe und welche außerhalb Dderjelben Liegen. Iollen wir dem erjt noch zu löfenden Broblem, ob es im der Ihat eine Gejegmäßigfeit und Gleichartigfeit der menjchheitlichen Gntwidlung giebt, und wie fich dielelbe vollzogen, näher fommen, jo müljen wir über die bunte Mannigfaltigkeit völferfundlicher Erjcheinungen zuvor ein ges meinjames Beobachtungsneß derartig ausjpannen, daß wir planmäßig nad) icharf abgegrenzten TIerminologien die Slemente ins Muge fafjen, aus denen die compleren Erjeheinungen, die wegen der fortgejchrittenen menjch- lichen Sntwiclung uns bei der Korihung allein noch zu Gebote jtehen, zufanmengejett find. Was aus der Motizenfrämeret des vorigen Jahr- hunderts Wilfenjchaft und Leben für Gewinn gezogen haben, wei Seder, der mit der Gejchichte der Statiftif vertraut tft. Und jett will man uns eingedenf deifen, was man mühjam bejeitigt und durch ein eracteres DBe= obachtungsverfahren glüclich erjett hat, in neuer unverämderter Auflage in der Ethnologie wieder einführen? und auf einer jo gewonnenen „Willenz Ihaft“ jogar Urgefchichte aufbauen? Sinheitlichfeit der Beobachtung tft das allererite Erforder- niß für jede Feititellung von Thatjahen. CS giebt zwar wohl faum zwei Statijtifer, die in der Definition (Umgrenzung) ihrer Wiljen- Ichaft Übereinftinnmen, weil jte in der Megel das Dbjeet und die Methode der Behandlung gleichzeitig in die Definition mit aufnehmen, was meines Srachtens faljch it, weil nach der allgemeinen Wilfenjchaftslehre nicht das Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 11 Dbject, Jondern das Problem die Selbjtändigfeit der Wiffenschaft beftimmt, und die Methode jtets von der Gigenartigfeit des Problems abhängig, alfo mechjelnver Natur it. Aber darin herricht feine Meinmngsverjchieden- heit unter allen Statiftifern, dag ihre Wifjenjchaft nad) Objectivität jtrebt umd die umterjuchten Gricheimumngen jo zur Darftellung bringen will, wie fie fich aus dem Sacjwverhalte wirklich ergeben, d. h. ganz furz gejagt: man erjtrebt eine jyftematiiche Erfenntnig des Thatjäd- lichen. Das Ihatjächliche befteht vor aller Erfenntnig, kann aber freilich) nur mittels der Erfenntnig angeeignet werden. Demmac) entiteht die Stage: wie fan man das rein Ihatfächliche erfennen, wo man doch nur mittels Grfenntnig dazu überhaupt gelangen fann? wie tjt es möglich, die eigene Subjectivität preis zu geben, um reime Objectivität dafür einzu- taujchen? Diefer Frage nad) dem status dev Dinge verdankt die Statiftif als Wiffenjchaft ihr Leben, und in der Gntwidelung diefes Grumdprincips bejteht ihre Gejchichte, und zwar ihre innere Gejchichte, die- leider nod) immer nicht gejchrieben it, obwohl fie interefjanter tt, als die häufig be- handelte äußere Gefchichte der Statiftif, die nahezu zu emer Gejchichte (Biographienfammlung) der Statijtifer geworden, gerade Dasjenige in den Vordergrund ftellt, was man jeit Achenwall’s Zeiten als eine Ausartung zu betrachten hat.!) ') Nicht im Bedirfnig nah Schilderung der Yänder und VBölfer au fich lag der Entjtehungsgrund der Wifjenjchaft „Statijtt£”, jondern in dem Verlangen nach Objectivitätjolher Schilderungen. Yänder- und Staatsbejchreibungen an jich waren jeit Yangem zahlreich vorhanden, als gleichlam als Neaction gegen die jubjecttv gefärbten Kosmograpgieen u. dal., die „nicht das Interejje der Bo- tentaten verjtehen” Lehrten, weil jie in philojophijcher und jubjectiver Form erichtenen, das Bediirfnig erwuchs, ungefärbte rein thatjächliche Berichte ohne jubjeetiven Beigejchmaf an Stelle jener zu verfaffen. Nicht ohne Ver: ichulden Achenwall’s, den man mit Unrecht und nur deshalb zum „Water der Statijtif” erhoben hat, weil er zuerjt das Wort „Statiftif” gebrauchte bezw. nach dem bereits längjt vorhandenen, von statista abgeleiteten Adjectivumt statisticus bildete, ift das eigentliche Brincip dev Statijtif wieder in den Hinter: grund gedrängt worden, indem man aus der Wiljenfchaft vom status eine Staatenfunde machte, das Wort statista mit Staatsmann Überjeßend. Im dem oft eitirten Saße Bhilander'S von Eittewald (Frankfurt 1649): „Ihr jeid ein CStatijt, der ihr das Intereffe des Wotentaten verjteht“, hat aber das Wort „Statijt” feineswegs, wie allgemein gelehrt wird, die Bedeutung Staatsmann (Bolitifer), jondern die eines Berichteritatters. Der Statijta hatte nicht, wie der Boliticus, hHandelnd oder auch nur vathend einzugreifen, jondern war dent jelbjtHerrlichen Botentaten gegenüber eine jtumme Berfon, welche ihm nur als Darleger des objectiven Sachverhalts zur Seite jtand. In diefem Sinne hat fich ja auch das Wort bi heute 3. B. auf der Theaterbühne erhalten, wo jede nicht activ auftretende VBerjon diefe Bezeichnung führt. Der Bote, der mur 12 (Sriter Abjchnitt. och Hermann Gonring, bei dem man, wie bei jedem Bolyhiiter, jcheiden muß, was er in Bezug auf die eine und was er in Bezug auf die andere der von ihm beherrichten Wifjenjchaften dachte, erfannte ziem- lich Elav, day das eigentlich Ihatjächliche nur aus dem urjächlichen Zu- jammenhang der Dinge (quibus de causis res illae hune aut illum in modum se habeant) zu erfenmen jet; und welche Irrwege die Statijtif auch bis in Die Neuzeit hinein gegangen it und wie jehr jte fich einerjeits durch Die Achenwall’fche Staatenfunde und anderjeits durd) die politiiche Arithmetif auch zu Kinfeitigfeiten hat hinreigen lafjen, das Kine tft ihr als Haupteharacteriftieum jelbjt von Denjenigen, welche die arithmetijche GSaleulatur in den Vordergrund jtellen, zugeiprochen worden, daß fie die Aufgabe hat, zu zeigen, wie das Ihatjächliche ich aus dem Jujammen- hange aller zu eimem Ganzen gehörenden Ericheinungen ergründen läßt. Der Zielpunft der Statiftif it die von allem Subjeetiven losgelöjte Fr- fenntnig eines bejtimmten Objects. Site betrachtet das Object als Object, d. h. eine Sache im ihrer Dbzectivität. Dbmwohl die DObjectivität das Moment des Gricehemens in ich trägt, jo tit fie doch nicht Sricheinung ihlechthin, jondern vielmehr die quantitative Vielheit der Grichernungen. Die auf eme Finzelerfcheinung gelenfte Beobachtung fan immer nur ein eimfeitiger jubjectiver Sindrud fein, der uns das Wejen der Gricjernung niemals erfennen läßt, wogegen die Vielheit der Ericheinungen, weil in ihr alle Gegenfäße und Meodificationen des Wejens vorhanden find, Diejes nothwendig im jtch Ichlieft. Aber Vielheit it am fich die noch unbeitimmte Quantität; fie wird zu einer bejtimmten erjt dadurch, da man jte als Sinheit fat. Die Sin- heit eimer Vielheit bildet das Ganze, und jede Ginheit it Daher das Sanze einer Vielheit, das, wenn man es fich im Gegenfaß zu jermen Iheilen denkt, das Duantun ergiebt, jo da aljo das Duantum ein Ganzes von Iheilen und zugleich ein Iheil eines Ganzen tjt. Iedes Dnantum it an jich ins Umenpdliche theilbar und enthält injofern im jtc) die ımendliche Zahlenreihe. Daraus ergiebt fi), day das Zählen, weil es einen Bericht liberbringt, der Offteter, der die Hinter den Eoulifjen gejchlagene Schlacht meldet oder ihre Kinzelheiten bejchreibt, ijt int eigentlichen Sinne nur „Statijt“ in Gegenjaß zum Aeteur, der mitten in der Handlung iteht umd in die DVerwidelung und Yöjung des dramatiichen Sinotens als jelbjtändiger (Sharacter jubjectiv eingreift. Der Statijt vermittelt mur objectiv, was außerhalb der dramatischen Handlung Liegt. Macht der Dichter jene Figur zu einem faljchen Berichterjtatter, der durch Intrigue in die Handlung eingreift, jo tft jte nicht Statijt, jondern Acteur. Der Statijtifer, wofür der internationale jtatiftijche Songreg die Wieder-CSinführung des Wortes „Statijt” empfohlen hat, hat Die Aufgabe, das Ihatjächliche aus dem Zujammenhang der Ginzelerjcheinungen feitzuitellen. Behandlung urgefchichtlicher Wrobleme. — en vw ja auf dem Bewuptjein einer Vielheit beruht, deren Srfaffen eben Zählen ift, volljtändig abhängig tft von dem analytijchen Aete, durch welchen man das Ganze in Theile zerlegte. Jicht jede Gewimung des rein Ihatjächlichen. braucht wit einer sählung verbunden zu fein, weil dies ganz von dem durch das Object jelbft bejtinnmten Zwede der Sorjchung abhängt. Und das ift gerade ein wejent- liches Moment des Dbjectiven, da man jich bei jeimer Unterfuchung nicht durch eine eimjeittge jubjecttve Magnahme binden, jondern allein durch die Natur des Dbjects bejtimmen läßt. Daß eine Gruppe von Ericheinungen mit ganz gleichen Merkmalen gezählt werden müfje, wenn es gilt, fie gegenüber einer zweiten oder dritten Gruppe von Grichemungen abzu- mejjen, ift jelbjtverjtändlich. Aber eine in folchem Falle geradezu noth- wendige Zählung tt nicht Selbjtzwed, jondern ein nothwendiges Mittel zur Sejtitellung des Ihatjächlichen, dem es untergeordnet ift. Nicht dan ich aezählt und gemejjen habe, hat mich zum Statiftifer gemacht; jondern dag ich das in Maß umd Zahl jeßt Ausgedrüdte in feiner reinen Ihat- Jächlichfeitt aus dem Jujfammenhang der Gefanmmtheit der Gricheimmgen durchforjcht habe. Habe ich auperhalb der Totalität der Erfcheinungen nach jubjectiver Willfür Gruppen gezählt und gemefjen, jo habe ich mic) vom Ihatjächlichen entfernt und war Galeulator, aber nicht Statiftifer. Das Object fan eime Zählung gebieten, braucht fie aber nicht zu gebieten. Somit find Zahl und Zählen gar fein Gfientiale der Statiftif, wenn jte ihren Sharacter als die das rein Ihatfächliche erforjchende Wiffen- Ichaft nicht preisgeben joll. Man darf jolide Erfahrung nicht einer leeren Sorm opfern und darf nicht, wie Ihomas Chalmers!) fon vor 50 Sahren hervorgehoben hat, zu Ungunften der Objectivität ein Interdict auf die Erforichung von Ihatfachen legen, die den höchften Anfpruch erheben, mit im giffern ausprüdbaren Ihatjachen im Zufammenhang betrachtet zu werden. „Cs jteht ftatiftifch Fejt“ heißt nicht: es fteht ziffernmäßig fejt, jondern will ausdrüden: „der Zufammenhang der Ihatjachen er- giebt. 2) Die Betrachtung der Erijcheinungen im Zufammenhang zur Grgründung des Ihatjählichen ift das MWefentliche der ') Bol. Zeitjchrift des Vereins für deutjche Statijtif, hrsg. von v. Neden. Sriter Jahrgang, Berlin 1847. ©. 290. >) Der etwa zu machende Sinwand, dap der Sprachgebrauch unter „tatitiich” etwas ziffernmäpiges vertehe, trifft nicht zu; ex ijt jehr jungen Datums und ein Sprachmißbrauch, genährt durch die Berührung der Yaten mit dei Volfszählungen, weil dieje den jtatitifchen Menttern zugewiejen werden. Wer da glaubt, daß deren Director mit jeinen wiljenjchaftlichen Näthen nur calcula- torijche Arbeiten macht, würde fie beleidigen. Ihre Hauptaufgabe tft auf die Sreenntnig objeetiver Ihatbejtände gerichtet. Ich habe jo manches Aetenjtüc des vorigen Jahrhunderts dDurchgelefen — immer wird darin das Wort „jtatiitijch” 14 (Sriter Abjchnitt. ftatiltiichen Korihung; und deshalb jtellt man jyjtematijche Beob- achtung an, imdem man die Totalität eines Dbjects in allen feinen ein- zelmen Untheilbaren unter jharf abgegrenzte Terminologien bringt, wodurd) eben die Mafje, d. h. die nod unbejtimmte Vrelheit, „der ungeitaltete Stoff" in emen inneren ZJufammenhang gebracht wird. Die älteren (namentlich deutjchen) Statijtifer jprachen daher ganz richtig von eimer Beobachtung der „Malle” (Mtaffe-Beobacdhjtung) als der noch wirren, d. h. noc) nicht im Zufammenhang erfannten Iotalität; moderne (namentlich franzöfiiche) Statiftifer haben daraus (jeit etwa 40 Jahren), das jog. Seje der großen Zahl der Arithmetik entlehnend, eine „Mafjenbeobachtung“ im Sinne eimer großen Jahl von Fällen gemacht, was zu der irrigen Anficht verleitet, als ob die Statijtif von der Zotalität -abjtrahire, während doch gerade die als DVielheit gedachte Einheit, das Ganze, im welchem allein die ganze Gaufalität eingejchlojjen gedadıt werden fann, von der Statijtif unterfucht werden muß. Dabet ijt es ganz gleichgültig, ob das Ganze groß oder Klein tft. Wenn der Statijtifer beijpielsiweile eine Bevölferung auf ihren that- jächlichen Inhalt unterfuchen will, jo erreicht er jeinen Zwed mr, wenn er diejelbe als eine Iotalität ins Auge fat und fie eben deshalb je nad) dem Zwede der Unterfuchung begrenzt. Alles was er an der Bevölkerung feftitellt, hat nur Bezug auf die umgrenzte Bevölkerung, mag es ji um Milltonen oder um ein bloßes Dußend von Individuen handeln. Will ich, Feititellen, ob die 20000 Iupdividuen zählende Stadt X mehr männ- (tche als weibliche Individuen hat, jo gemügt es nicht, daß ich) 15000 auf diefes Merfmal unterfuche und mich an die groge Mafje halte, jondern ich mu meime Beobachtung eben auf diefe 20000 erjtreden. Entgegen- gejeten Falls muß ich auf die Mefjung Verzicht leiften. It es mir un- im Sinne von thatjächlich gebraucht und entweder als Gegenjag zu „politijch“ oder zu „wahrjcheinlich” verwendet. Co heißt es beijptelsweije im vierten Aln- trag, welchen der PBürgerftand von Kurland gegen den dortigen Adel beim Herzog am 12. Iuli 1790 jtelt (Sammlung diejer Schriften Mitau ©. 5): „Eine Berdrängung hat dabei der Adel von Seiten des Bürgerjtandes nicht zu bejorgen. 68 ift nicht nur jehr unmwabhrjcheinlich, jondern auch wohl jtatijtijch unmöglich, daß viele Güter von Bürgerlichen werden angefauft werden pp.” Da drei Zeilen vorher „vom jeßigen Geldmangel und Ereditver- fall” gejprochen wird, jo joll mit jtatiftifch ausgedrüct werden, daß der that- jächliche Zujammenbhang ergiebt, es fönnten in Folge des Geldmangels die Bürgerlichen gar nicht viel Güter anfaufen. Statijtijch heißt aljo: was einer Sache zufteht, d. i. was ficd) aus ihrem Zujammenhange im Gegen- jat zu dem, was fich durch einen Wahrjcheinlichfeitsichluß ergiebt. Darin liegt zugleich der Unterjchied der Statifttf von der politifchen Aritpmetif, ein Untr- ichted, welcher der jog. franzöfiichen Schule nie Elar ins Bewußtjein getreten, aber gleichwohl hochwichtig it. Behandlung urgefchichtlicher Wrobleme. 15 möglich, die noch fehlenden 5000 meiner Beobachtung zu unterziehen und ich will troßdem auf die Mefjung nicht verzichten, jo muß ich wenigftens einen Apparat von Anhaltspunften entdecden, durch die ich mittels Galcüls mich der Wahrheit nähere. Hier greift die jog. politifche Arithmetif in die Statiftif ein und wird für diefe eine Hülfswiljenschaft. Aber auch in einem jolchen Falle hat der Galcul nur den Zwed, das der directen VBe- obachtung unzugängliche Manco zu erjegen, damit die Totalität des zu unter- juchenden Objects hergejtellt werde. Die jog. politijche Arithmetif tft eine Hülfswifjenjchaft der Statiftif, die in der Sntwiclungsgejchichte der letzteren eine große Nolle jpielt und deren Verhältnig zur Statiftit in der „Theorie der Statiftif” voll gewürdigt werden muß, ohne dal man die beiden in ihrem Grundmerfmal heterogenen Nifjenjchaften mit einander verquict, wie es wiederholt zum Schaden beider Wiljenjchaften verjucht worden ift. Dak die jog. hiltoriiche Statiftit von der Einheit der Vielheit ab- Itrahire und nur die große Zahl der Fälle berücjichtige, it mur jcheinbar. Bet einer ad hoc angeftellten jyitematijchen Beobachtung, wie beijpiels- weije der Gigenjchaften einer Bevölkerung, fommt uns die Beltimmung der Zotalität faum ins Bewußtjein, weil jie von vornherein gegeben tft, umd daher fommt es, day einige Bevölferungsftatiitifer die Beltimmung und Degrenzung des Ganzen, was einer der wichtiajten Aete der jtattiti- ihen Unterjuchung tft, beim Lehrvortrag der jtatijtiichen Technik über- jehen. Aber jchon mehr tritt uns das ins Bemuftfein, went fich unfere Unterfuchung nicht, wie bet der Durchforichung der ortsanwejenden Be- völferung, auf ein von vornherein gegebenes Ganzes erjtredt, jondern wenn wir die Gonjumtionsbevölferung für umnjere Zwede gebrauchen. Diefe in ihrer Einheit zu bejtimmen, tjt befanntlich nicht leicht, aber doc) beijptelsweije für die Berechnung der Sonjumtionsziffer (3X) hoch wichtig, weil dieje nicht blos vom Konjumtionsquantum (Q), jondern zugleich auch von der Gonjumentenmenge (B) abhängig it. Die Gonjumtionsbevölferung als Zotalität fan nur durd eine jcharffinnige Methode gefunden werden. Durchaus eingedenf muß man jich des Umftandes werden, day mr in der Einheit der Vielheit (dem Ganzen) der Geujalnerus eingejchlojjen liegt, wenn man hiltoriiche Dbjecte behandelt, die immer erjt gejanmelt werden müfjern und worüber oft ganze Jahrzehnte vergehen, bevor man das De- poutllement (die Aufbereitung) zum Abjchlug bringen kam, weil jich eben hier, jobald man fich einmal anjchiet, die Ihatjachenzujammenhänge zu erforjchen, die Lücenhaftigfeit des Materials herausftellt. Dem dafjelbe muß jo lange als lücenhaft hingeftellt werden, als nod, Glieder Fehlen, welche den Zufammenhang der Ihatfachen unter einander erfenmen lafjen, und erit danı fanıı man zur Darjtellung des Sacverhalts übergehen, wenn das Material den Beweis liefert, daß die Einheit der Vielheit 16 (Sriter Abjchnitt. gewonnen it. Es tft alfo nur Schein, als ob die jog. hiltoriiche Statiftif nur auf die arofe zahl der Fälle (Mafjenbeobachtung im umrichtigen Sinne”), nicht aber auf die GSinheit der Vielheit Gewicht lege. Das Gr- aebnig würde auch bei Darjtellung von Juftänden längjt vergangener Zeiten etu trügeriiches Wahrheitsbild enthüllen, wenn die Ihatjachen feinen inneren Zujammenhang in emer Cimhett fänden. Der Unterjchied beider Arten von „Mafje’-Beobachtung beiteht nur darin, day bei der Behandlung hiltorijcher Zuftände die Sinhert der Vtelheit durch Sammlung erfolgt, während bet der Durchforichung gegemmwärtiger JZuftände die Totalität in der Negel von vornherein gegeben tt umd die tm ihr liegende Wielheit durch Analyje hergeftellt wird. Die als DVielheit gedachte Ginheit (Totalttät) eines bejtimmten Dbjeets in Bezug auf die im ihm liegende Zufammengehörigfeit aller Sinzeleriheinungen unter eine planmäßtge Beobachtung jo bringen, daß jede Einzelericheinung (als jolche oder als Gruppe gedacht) ihre Sonder- itellung und ihre Srflärung im und aus der Gejammtheit aller übrigen Srichernungen empfängt, tft der einzige eg, die eigene Subjectivität zu befiegen und veine Objeetivität zu erlangen. Da ich der Wifjenschaft „Statijtif” ihrer Entjtehungss und inneren Intwichumgsgefchichte gemäß diefe Aufgabe zumeifen muß und infolge dejjen diejelbe nicht auf zählbare Sricheimungen, die die Statiftif befanntlich jogar evft jpäter in jich aufgenommen hat, bejchränfe und ich nicht glaube, daß man berechtigt jet, bei der Be- arenzung einer Wiljenjchaft jic) von Boden der allgemeinen Wifjenjchafts- lehre, wonach, wie jchon oben bemerkt, eine Wiljenjchaft ihre Selbjtändigkeit nicht durch Object und Methode, jondern durch die Gigenartigfeit ihres Vroblems empfängt, zu entfernen; — jo nenne ich jede Umterjuchung jtatiftijch, welche bejtrebt it, das vein Ihatfächliche, das Dbjective, den status der Dinge zu erfemmen. Injofern alle Sonderwiljenjchaften dev Srfenntnig des Ihatjächlichen bedürfen umd weil die Statijtif als jelbitändige Wifjenjchaft msbejfondere durch ihr aus ihrem Problent jich ergebendes methodologiich-techniiches Wer- fahren die Grumdfäße dafür angtebt, wird fie zu einer Hülfswiljenichaft und „dienenden Magd" für alle übrigen Wifjenjchaften. Iroß ihres ein- heitlichen Steles und ihrer einheitlichen Yogif wird die Stattjtif aber doc) nicht durch ein einziges Verfahren characterifirt, jondern je nach ven Umftänden erwerfen fich jehr verjchtedene Verfahren als nothiwendia, wes- halb man gar nicht berechtigt tft, von „einer ftatiftijchen Methode“ jchlecht- !) Auch jprachlich versteht man unter Mafje den noch „ungejtalteten Stoff", d. h. dem noch nicht aufbereiteten Klumpen, der erjt noch in jeine KSlemente zerlegt werden muß, damit im der Sinbeit die Vtelheit derjelben erkannt werde. Behandlung urgejchichtlicher Broblente. "7 hin zu jprechen.!) Die Wahl des Weges zu einem bejtimmten Ziele hängt immer don den Hinderniffen, die man zu überwinden hat, ab. Die Me- thode ift immer nur der Weg zum Ziele. 8 ift z.B. ein großer Unter ichted, ob ich ein Beobacdhtungsneß über bequem liegende gegenwärtige Verhältniffe auszufpannen oder ob ich mic an die Feftitellung der Ihat- jachen längjt vergangener Zeiten zu machen habe; ob ich es mit einem von mir jelbjt gejchulten und genau inftruirten Hülfsperfonal oder mit Beobachten zu thun habe, deren einheitliches zu regeln oder zu überwachen gar nicht in meiner Macht jteht, wie bei hiftorifchen Objecten, insbejondere auch bei Gegenjtänden des primitiven Völferlebens. Denn it jchon meine eigene jubjective Srfenntniß, mit welcher ich den Gr- iheinungen gegenübertrete, ein Hemmnig für das Verjtändnig des objectiv TIhatjächlichen, jo thürmen fich geradezu Hinderniffe auf, wenn man e8 mit Mittheilungen fremder Beobachtungen aus verjchiedenen Zeitläuften zu thun hat, wober das den Beobachtungen anhaftende Subjective aufer- dem noch jehr verjchtedenen Perjönlichfeiten von einem jehr verjchtedenen Bildungsgrade entjtammt. Diejes Subjective offenbart fich nsbejondere in den verschiedenen Iomenclaturen, verenzuvorigegenaneDefinirung die aller- erjte Vorbedingung jeder planmäßigen Beobachtung tft. Wenn eine, zur Gewinnung einer Berufsjtatijtif vorgenommene amtliche Erhebung es den einzelnen Negiltratoren überlafjfen wollte, von fi) aus zu entjcheiden, ob der Berfertiger von metallenen Körben mit dem WeidensKorbmacher oder dem Ver- fäufer von Blumenförben in eine Nubrif falle, jo würde das Nejultat nuß- und werthlos werden. Nicht beifer kann aber das Srgebnif ethnologifcher und urge- Ichichtlicher Unterjuchungen jein, wen es dem Finzelnen vollftändig frei jteht, ganz beliebig von fich aus Hundertjchaft, Marfgenofjenjchaft, clan, gens, pagus und wie die Wörter alle heißen, in em und diejelbe Nubrif zu bringen. ) Beim Gebrauch jolcher Ausdrücke wie „Itattitiiche” Methode muB man vorJichtig jein. Derbindet ein Nicht-Statiftifer damit den Sim, daß er das TIhatjächliche nach Art der Statiftif erforjcht, jo ijt der Ausdruc zuläjfig, info: fern eben das, was einer Wiffenjchaft als immmanente Aufgabe characteriitiich it, im einer anderen MWifjenjchaft methodijche DVBerwerthung Finden fanı. So gebrauchten die Statijtifer bis in die Mitte umferes Sahrhunderts hinein den Ausdruck „ethnographijche” Methode im Gegenjaß zur ver: gleichenden Methode, weil jene nur bejehreibender Natur war. Auf jolche Weije kann der Sthnograph von ftattitijcher, der Statijtifer von ethnographiicher Me- thode jprechen, ebenjo wie der Nationalöfonom von jurijtticher und bijtorifcher, und umgefehrt der Jurift und Hiftorifer von nattonalöfonomifcher Methode jprechen fan. Ich vermeide es, jolche Bezeichnungen wie jtatijtifche, natur- wiljenjchaftliche pp. Methode zu gebrauchen, weil es den Anjchein euwecdt, als ob die Statiftit nur eine einzige Methode jchablonenhaft verwende. Ich ge brauche jtatt dejjen den Ausdruck „auf jtatijtiicher Grundlage”, weil dies den Gedanken einer einheitlichen Methode nicht auffonmten läßt. LO Mucde, Urgefchichte. 18 (Sriter Abjchnitt. er der Statijtif nahe jteht, weih, daß gerade diejenigen Arbeiten, welche der eigentlichen planmäßtgen Beobachtung vorangehen, nicht blos die zeitraubenpditen find — haben doch diejelben beijpielsweife bei der deutichen Gewerbejtatijtif von 1875 ganze Jahrzehnte Vorbereitung ge- fojtet —, jondern auch zu den allerichwierigiten Aufgaben der Ihat- jachenforfchung gehören. Diefe Aufgaben, welche zu demjenigen Theile der ftatiftiichen Arbeit zu rechnen find, die Boedh und (wir) jeine Schüler mit „Analyje zur Aimdung der äußeren Wahrheit des Ihatjächlichen bezeichnen, find Kemem erjpart, der fi) anjchict, „Die timmere Wahrheit des Ihatjächlichen” zu ergründen; aljo auc, demjenigen nicht, der ethno- logiiche, hiftorifche uud prähiftorifche Stoffe längjt vergangener Zeiten im Zufammenhange behandeln will. Deshalb muß Jeder, der in die Urzeit hinabjteigt, mit der Methodologte und Technik vertraut jein, die dazu er- forderlich it. Meiner langjährigen Grfahrung nad) erlangt man Die erforderliche Kenntnig am beiten Durch Behandlung gejchichtlicher Stoffe, namentlich wirthichaftsgejchichtlicher Stoffe längit vergangener Zeiten, weil es jich hierbei zugleich, ähnlich wie bei urzeitlichen Sricheinungen, um die Seitjtellung unbekannter, nur aus Grund und Bedingungen zu con= Iteuivender Ihatjachen handelt. en, wie G. 8. Kırapp jagt, die Statiftif „eine eracte Benbachtungs- wifjenjchaft im Dienfte der Gejelljchaftsmwifjenichaft” tft, „die von befannten Ihatjachen im Wege der Folgerung zum Unbekannten fortjchreitet, jo tt jie jo vecht geeignet, die unbefannten urzeitlichen Ihatjachen aus den be= fannten Ihatjachen des WVölferlebens zu ermitteln; und id) wüßte in Diejer Beziehung feinen Vertreter irgend einer anderen Wiljenjchaft, der der Urs geichichtsforichung in Bezug auf den dazu erforderlichen Apparat von Mie- thode und Technik jo nahe jtände, wie der hijtorische, namentlich der wirth- Ihaftshiltoriiche Statiftifer. Die joctalen Ihatjachen des urgejchichtlichen Menjchen fd uns unbefannt und daher nur auf dem Wege der Folgerung zu gewinnen. Nach den genaneiten Befunden aller heutigen Natuvvölfer it vollfonmen fejtgeitellt, daß feines derjelben den Urmenjchen veprälentire. Deshalb jagt der Baron von Fcjtein!) jehr richtig: Den Urmenjchen fenmen wir nirgends aus natürlicher Erfahrung. Er it micht der wilde Waldmenjch, der wilde Jäger, der wilde Fticher, mit rohen VBeginne irgend eimer Technif, mit leijen Anfängen jpärlichen Aderbaues, Tpärlicher Viehzucht im Walde. Wo aud) wir diefen Menjchen begegnen, in Amerika, in Sibirien, im Dekan, in Hinterindien, im Sidchina, in der auftraltjchen SInjelwelt, in Afrika, ') Gejchichtliches Über die Askefis der alten heidnijchen und der "alten jüdischen Welt als Einleitung einer Gejchichte der Asfejis des chriftlichen Mönch: thums. Mit einem Vorwort von dv. Döllinger. Kreiburg 1862. ©. 140. ERTEILEN WERE ET OL WEL: Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 19 welcher auch der Grad feines Geiftes, welcher auch der Zuftand feines Ge- miüthes, welche aud, die Berfafjung feiner Gejelljchaft, welche auch feine Sitte jein mögen, überall jegt er in Sagen, in Sprache und jonft ein Sahrtaufende Vorangegangenes voraus, von dem er zähe Grinmerungen mehr oder minder fich angeeignet hat und die er entwidelungslos fort- behauptet, aber auf das Gvidentejte nicht mehr den Stun und die eigent- liche Natur jener Sagen, jeiner Traditionen erfennend. Gr ift das viel- fach eingejchlafene Murmelthier und Liegt jeit ISahrtaufenden in feinem Winterpelze vergraben." Ireffen wir urzeitliche Zuftände nicht mehr an, jo müffen fie, wenn wir nicht überhaupt auf urgefchichtliche Korichung Verzicht leiiten wollen, als das Unbekannte und erjt Zufindende veconjtruitt werden aus befannten Zuftänden, wie fie uns vorzugsweife in Form von Schilderungen und Mittheilungen von Meijenden und Ochriftitelleen entweder über unter- gegangene oder noc bejtehende Wölfer übermittelt worden find. Be- ihreibungen blos heutiger Naturvölfer genügen dazu nicht. Da num aber, wie bereits oben erwähnt wurde, jolche Nachrichten nicht blos jubjective Urtheile enthalten, jondern zugleich auch in ihrer Gefammtheit nicht einheitlichen Urfprungs find, jo find jte im Ddiefer Korm für die Me- conjtruction nicht unmittelbar zu gebrauchen. Much ftellen fie ja das MeinzUrzeitliche gar nicht dar, weil je, wie beijpielsweife die Schilderungen griechijcher md römischer Yutoren bereits complere, der Urzeit entrücte Zuftände behandeln; jonit müfjen dieje compleren Ericheinungen mindefteng erft in ihre Glemente zerlegt werden, da ja Gomplere um jo mehr Merkmale haben, aus je mehr Slementen jte zufammtengefeßt find. Sede jnitematifche Beobachtung, fie mag jich auf ein Object beziehen, wie immer es heiße, erfordert Elemente, Untheilbare oder wie fie Die Itatijtifche Technik nennt, „Individuen“; ohne zuvorige Stmdung derjelben it überhaupt eine jyitematiiche Beobachtung nicht denfbar.. Daß wir über verschiedene Ihatjachenzufammenhänge bislang noc unaufgeflärt find, liegt meist an der Schwierigfeit das „Imdividunm“ zu finden. Ich erinnere mich einer interejlanten Vorlefung Ernjt Engel’s im ftatiftifchen Seminar, in der er uns eingehend auseinander fette, welcher Geiftesarbeit es bedurfte, bevor man in der Gewerbejtatiftif den „Betrieb“ als Individuum fand und wie erjt durch die endgültige Feititellung deijelben eine jelbjtändige Sewerbeftatiitif und eine Iremmung von der VBerufsitatiftif, deren Indt- pidunmm der Beruf treibende Meenjch it, überhaupt möglich wurde. Die in Die Urgefchichte ich veriteigenden Gthnologen haben von der othwendigfeit der Auffuchung von Flementen offenbar gar feine Ahnung; jonit würden fie nicht jo leichtiinnig mit Bezeichnungen, wie Che, Kamilte, Horde u. |. w. umfpringen. (5 verurjacht weder großes Kopfzerbrechen, Ir 20 (Sriter Abjchnitt. noch irgendwelche Mühe nach unferer heutigen Anjchauung eine Definition >. B. von She zu geben und dann frivol zu erklären, weil man die ganz willfürlich darin aufgenommenen Merkmale bei gewifjen primitiven Völfern nicht findet, die Ehe jei ein Product der Spätzeit. Solche Behauptungen find nicht blos nicht ftatiftijch, jondern geradezu umviljenjchaftlih. Sage ich, die Familie jei „ein Vertrag zwilchen Mann und Weib zur Be- arimdung eines Hausjtandes und zur Aufzucht von Kindern“, jo operire ich mit einem Grfenntniginhalt, der mich nicht einmal befähigt, moderne, gejchweige längft vergangene Zuftände zu beobachten. Wer auf jolche Weije Urgejchichte und Gthnologte treibt, möge nicht behaupten, daß er die mühjamen Wege eines Korjchers wandele! Mittels apriorer Specnlation ergründet man das Wejen einer Sade nicht. Keine Sache bleibt unverändert, jondern wird Durch die Wechjel- beztehungen zu anderen Saden verändert, wodurc fie zugleich andere Merkmale erhält. Somit hängt von den Wechjelbeziehungen zu Anderem die Zahl der Mierfmale der Sade ab. Ievde Sache hat mehrere Merfmale, in ihrem Urdafein aber nur Ein Merfmal. Wer das Urdajein einer Sache erforjchen will, hat deshalb nad) dem Ur- merfmal der Sache zu fragen. Das jtatijtifche Individuum zur Felt jtellung urzeitlicher Zuftände muß denmacd jo bejchaffen jein, daß es nur mit jeinem Urmerfmal, d. h. mit einem Eimzigen Merkmal auftritt. Somit wird die Korjchung urzeitlicher Zuftände eine überaus jchwierige. Denn weil diefe nur gewonnen werden fünnen aus Meittheilungen jpäts zeitlicher Zuftände, Diefe aber jelbjt noch der Feitjtellung bedürfen, injofern fie auf heterogenen Meittheilungen verjchtevener Merjenvden beruhen und jubjective Zuthaten mitenthalten, diefe Mittheilungen aber zugleich jelbjt in ihrem objectiven Theile nicht jo bejchaffen find, day jte das Urmerfmal ohne Weiteres erfennen laljfen, jo wird ein logtjch-techniicher Apparat noth- wendig, der geeignet ift, alle dieje Schwierigkeiten zu bejeitigen. Sch hoffe, jelbjt dem Laien flar machen zu können, daß ein jolcher Apparat leicht zu finden jei, wenn man die Schwierigkeiten des Vroblems fennt. Ieder Late, der irgend einer Volfs- oder Berufs- oder Gewerbe- zählung beigewohnt oder als Yandwirth ein Srateformular ausfüllte, werh, das die Behörde, welche ihm die Formmlare zujchiete, die leiteren jo eimvichtete, daß ihm jede Möglichkeit benonmen wurde, jene eigene per- jönliche jubjeetive Meinung darin zur Geltung zu brimgen. Denn die Behörde fragt ihn nur nad) den Merkmalen des jtatiftifchen Indtvipuun, 3. DB. bei der Gewerbezählung nach den Gigenjchaften des „Betriebs“, bet der Berufszählung nad) den Merkmalen des Berufhabenden. Will man Ihatjachen der Völkerkunde darstellen, jo wird dies wohl nur auf ähnlichem Wege zu erreichen fein, d. h. man muß, nachdem man die Gefammtheit aller Behandlung urgejchichtlicher Probleme. >] zur Sejtjtellung erforderlichen Berichte beifammen hat, diefe ihres jubjec- tiven Inhalts entfleivden, jo day man zuleßt nur Merfmale der betreffenden Erjcheinungen übrig behält. Grfüllt man dieje Auf- gabe auf lauter Zetteln, jo gelangt man zu einer Mafje von Blättern, die ganz ähnlich denjenigen find, wie fie die amtliche und private Statiftif zur Srforichung von Ihatjachen gebraucht, und wie fie wohl jedem memer Lejer befannt find. Dieje Blätter nennt man in der Statijtif „Imdi- vidualfarten“. er etwas mehr al von der Kintragung der Merkmale gehört hat, dem wird cs nicht unbekannt fein, daß diefe dem Befragten oft läftigen und Daher menerdings ic) im Nücgang befindenden Gintragungen auf „Karten“, an deren Stelle das Bublifum Sich lieber Lilten wünjcht, ihren Hanptuugen erjt beim jogenannten Depouillement (der „Aufbereitung“, wie man nenerdings nach Engel’s Vorgang jagt) dadurc) abgeben, dag fie durch die „Aufhäufelungen“ eine große Gombination der Mork- male gejtatten. Die Verwerthung der Individualfarten hängt jelbjtredend von dem Zwede und dem Stoffe der Unterfuchung ab: wo es zu zählen giebt, werden fie Jählblätter, wo es zu jubtrahiren giebt, Subtractions- farten, wo man mefjen will, Mepzettel u. j. w. uch bei der Srforichung urzeitlicher Zuftände find jte unentbehrlich, jei es zur Findung von Be- griffen, jei es zu Gombinationen. Denn, wie jchon oben bemerkt wurde, hat Derjenige, welcher urzeitliche Zuftände feftitellen will, an all den ver- Ichiedenen Merkmalen, welche den im Frage ftehenden Gricheimmgen an= haften, außerdem noch dasjenige Merfmal bejonders aufzujuchen, welches ein Gegenjtand als einziges Merkmal in jenem Urdajein hatte. ls ic) meine urgejchtchtlichen Unterfuchungen über Horde und Kamilie, der gegen- wärtigen Schrift und der ganzen Serie der in Vorbereitung befindlichen Arbeiten begann, lagen vor mir nichts als eine große Mafje von thres jubjectiven Inhaltes entfleideten Mittheilungen in Form reiner Merkmale, aus denen ich vorerjt die Gegenftände feitzuftellen hatte, denen fie zugehören. Dder wenn ich mich des bejjeren Verftändniffes wegen in der Sprache der Logik ausprücen darf: lauter Prädicate, durch welche Die Subjecte zu begreifen find. Fin Ding (Subject) wird als das, was es ijt, durch feine Mert- male (Brädicate) erfannt: es giebt fein Ding ohne Eigenjchaften. Nlber damit ift nicht gejagt, da das „Wejen“ eines Dinges im der Summe jeiner igenjchaften bejtehe, wie man jo oft behauptet, und fich daduvc) einen Niegel zur Gingangspforte der Erfenntnig von Wejen eines Dinges vorfchiebt. Iedes Ding hat vielmehr wejentliche und ummwejentliche Eigen= ichaften, in feinem Urdajein aber, wie bemerkt, nur eine einzige wejent- IN IN (Sriter Abjchnitt. liche Gigenjchaft, die ihm jo lange es tft (jprachlich richtiger „wejet“), immer verbleibt. Gigenjchaften find Zuftände eines Gegenftandes, die ihm nicht immer zujtehen, vielmehr nur als der Veränderung unterworfen ges dacht werden fünnen, die nie für fich jelbjt bejtehen, ; immer nur Beziehungen zu einem anderen Gegenftande ausdrüden. Bon den (immer wechjelnden) Beziehungen zu anderen Gegenftänden hängt der (deshalb ebenfalls immer jicy verändernde) Zuftand eines Dinges ab. Das Merf- mal, das ein Gegenjtand in jeinem Urdajein hat, ift jein Urmerfmal, je Srundmerfmal; e8 ift das Einzige, was dem Dinge inhärent it, während alle andern Eigenjchaften nur accidentell find. Den Urzujtand einer Sache erforjchen heit jomit jein urwejent- lichjtes Merfmal aufjuchen, und da in Diefenm Merfmal der Grund der Srichernung liegt, jo fünmen wir diefes Merkmal geradezu den Grund der Sricheinung nennen. Der Grund it Urfache von allem Möglichen und zugleich die Möglichfeit der Urfachen, weshalb von ihm der ganze Nexus von Mrfache und Yrrfung abhängt und auf ihn (den Grumd) als die letzte Möglichkeit die ganze Saufalreihe zurüdführt. Daraus eraiebt lich, wie auerordentlich wichtig für die Erforfchung des Urzeitlichen die Auf- juchung des Grundmerfmals einer Gricheinung it. Ich werde verjuchen, dies an einem Betjpiel zu erläutern. (Fines der wichtigiten urgefchichtlichen Probleme bildet die Fejtitellung der jog. Urfamilie. Sagt man: „Samilte ift ein aus Mann, Srau und Kindern bejtehender Verband“, jo zählt man Merfmale auf, läßt aber un- unterjucht, welches das Urmerfmal diefes Verbandes it und erhebt ohne Weiteres eine jubjeetive Vorftellung zu einem Begriff. DVerbindet man mun gar die Vorjtellung mit einer anderen Vorftellung, um auf beiden ein Urtheil zu begründen, indem man zu Dbigem hinzufügt: „wo Mann und Frau in geichlechtlichem Verkehr Itehen“, jo it der Schluß, dah die Familie auf Che begründet jet, jehr nahe Itegend. Aber man wird mir zugejtehen müfjen, dag man fich Damit jchon um ein Dedeutendes vom objectiven Sachverhalt, der einzig und allein nur in den Merkmalen liegen fann, entfernt hat. Wom Standpunkte des Statiftifers aus tft überdies die Beobachtung zu furz gemefjen, da jeine Wifjenjchaft die To= talttät der Sricheinungen, möge es ji) um ein Neben- oder Nacheinander handeln, unter fein Beobachtungsneß ftellt. Denn der Stattjtifer erjtrebt als jeinen Hauptzwed Dbjectivität, die Beobachtung einer Einzeler- icheimung fann die Objectivität niemals gewährleiiten, da die Kinzel- beobachtung immer mur ein blos jubjectiver Eindrud jein fann. Dbjectt- vität it ebenfojehr erjcheinende Duantität als quantitative Ericheinung. Srichtene die Quantität nicht, jo wäre ein Ding nicht gegenftändlic, und erichtene es nicht quantitativ, jo wäre es eben Einzelerjcheinung und wäre er ren PCIE 9 A Behandlung urgejchichtlicher Broblene, 233 nur jubjecttiv zu erfaflen. Ms quantitative Sricheinung it das Ding Vrelheit und in jeiner Dualität mannigfaltig; beobachtet man das Ding in feiner manmigfaltigen Vtelheit, jo erlangt man ein Bild von den ver- jchtedenen Modificationen, in welchen das Veen des Dinges erjcheint, und da das Ding in der Vielheit und Manntgfaltigfeit feines Erjcheinens eine Anzahl von Merkmalen zum Inhalt hat, fan man durch) Unterfuchung aller diejer Merkmale das allen Sricheinungen zu Grunde liegende gemein- jane Merkmal, dag Urmerfmal, durd Impductton gewinmen. Hat der Statiftifer über alle im Mienjchheitsleben vorkommenden Verbände ein Beobachtungsneß ausgejpannt und dazu Individualfarten mit ob- jeetiven Merfmalen ausgejchrieben, dann hat er zugleich auc) die Mierfniale der Familie aller Zeiten, und hat er diefe Karten gejomdert („aehäufelt”), jo wird ihm z. DB. der die Kamilie betreffende Haufen zeigen, daß auch Haus und Hof, Aderland und Vieh, Dienende oder Sclaven u. |. w. familienhafte Merfmale find, und da mancherwärts Samilien bejtehen, in denen von &he und Kinderzucht feineMtede ift. Nebenbei bemerkt werz übrigens auch die practiiche amtliche Statijtif, und zwar mittels der dargelegten Technik längit, dal eine Kamilie in dem zuerjt erwähnten Stimme (einer Blutsgemeinjchaft) Feine „Statiftijch erfaßbare Sricheinung“ tt, weshalb fie, wie auch der Laie weiß, jeit langer Zeit jchon mit „Haushaltung“ bei ihren Erhebungen operirt. Der für den heutigen Zwed der amtlichen Statiftif geeignete Begriff „Haushaltung” fann natürlich der hitorischen und prähiftorifchen Stattjtif nicht genügen, und fie hat deshalb mittels dejjelben Berfahrens, durd) welches jene zum Begriffe „Haushaltung“ gelangte, nämlich des Glimi- nationsverfahrens, oc einen Schritt weiterzugeben. Sit eimleuchtend, dag die Scheidung des Wejentlichen von dem Unmwejentlichen nie dem Tacte oder Inftinete des einzelnen FKorjchers über: laffen werden fan, weil ja alsdanı der jubjeetiven Willfür, die die Statiftif, wo jene vorhanden tft, gerade bejeitigen will, Ihir und Ihor geöffnet würde. Daf freilich, wie fich der Statiftifer VB. John einmal ausdrüct, eine „Uebertragung unferer jubjeetiven Gmpfimwung auf das Dbject ftattfinden muß“, ift natürlich, weil eben ohne diejelbe gar feine Frfenntnig zu Stande fommen fünnte. Wir müffen aljo bet der Unterz juchung der Merkmale ftets mit einer Vernmuthung an den Gegenftand herantreten. Aber diefe Wermuthung it in der Statiftif deshalb fein leerer Einfall, weil die Vermnthung hier eine fejt umgrenzte tft; denn jie erftredt jich nur auf Die in den vorliegenden Karten verzeichneten Merfmale. Wenn diefe z.B. zwölf Merkmale auf- weiien, jo find auch mur zwölf Vermuthungen über das Grundmerfmal der betreffenden Ericheimung möglich; die „Uebertragung unjerer jubjectiven 24 (Sriter Abfchnitt. Smpfindung auf das Object” wird jomit von dem Dbjecte jelbjt bejtimmt und in Schranfen gehalten. Denn der Meiz, welcher die „Smpfindung‘“ verurjacht, geht wur von der Mannigfaltigfeit der einem Dinge in jeiner Vielheits-&richeimung zuftehenden Merfmale aus, und jomit it die jtatiftijche Vermuthung gleichjam nur die Meactton der motorischen Nerven jenem Neize gegenüber. Won allen jenen Merkmalen fanır aber mır ein Ein- ziges das Grundmerfmal je, zu dem ich aufgeitiegen bin, indem ich tr der bunten Manntgfaltigkeit derjenigen Ericheimmgen, welche eine Anzahl gleicher Merkmale hatten, die Unterjchtede gradweile aufdedte, das Wer- hältnig der Gtigenjchaftsreihen gegen einander abwog und dadurch die un= wejentlichen von dem wejentlicyen jchied und jchlieplich zulet das alleinige wejentliche Merkmal auffand. Det diefem ganzen Verfahren habe ich mich aljo nicht einen Schritt vom Ihatjächlichen entfernt; ich habe, da ich, nachdem ich das vein Sub- jective des Berichterjtatters ausgejchteden hatte, von lauter Merkmalen aus- ging, von vornhereim mu Ihatlächliches gehabt, und da meine „iunbjective Smpfimdung” im Form emer Vermuthung nur durd die Meerfmale hervorgerufen wurde, mich dabei ebenfalls nur im Ihatjächlichen bewegt. Stunde ich mun durch das bejchriebene Slimimationsverfahren, da z. DB. in dem Haufen A nur Karten vorhanden find, die als gemeinjames Grund- merfmal hausherrlicher Zujtand bezw. „häusliches Dienftverhältuig”, tm Haufen B „aeichlechtliche Dejtination”, im Haufen C das Grumdmerkmal „örtliches Meihenverhältuig ujw.” tragen, jo habe ich drei Srundmerfmale gefunden, Die nur auf dem Boden des rein TIhatjächlichen ftehen. Sie harren mur noc einer Bezeichnung, einer gemeinfamen Benenmmg. Hier fommt allerdings jcheinbar meine Subjeetivität zum Ausdrud, imden bet den verjchiedenen Völkern, deren Verbände meine Karten umjchliegen, aud) viele Bezeichnungen beftehen. Aber wenn ich davon eine derjelben und zwar diejenige wähle, die im meimer Mlutteriprache bezw. tr der Vijlenjchaft am gebräuchlichiten tft, jo wird wohl faum Jemand dieje Wahl ernjtlich eine Entfernung vom Ihatjächlichen nennen und ich habe mich tr Bezug darauf nur mit den Sprachforjchern abzufinden. So fan ich aljo A mit Samilte, B mit She, C© mit Horde und die ganze Zahl der Übrigen gefundenen Grundmerfmale mit einem pafjenden Ausdrucd be- zeichnen. Da die Benennung eimer Sache mehr zur Aufgabe der Dar- jtellung als zur Sindung des Ihatfächlichen gehört, jo werde id) wetter unten (©. 42 ff.) nochmals darauf zu jprechen fommen. Schon beim Sortiven der Karten it mir jelbjtverjtändlich aufges fallen, daß ich jte nicht jänmtlich gleichzeitig aufhäufeln konnte, weil das- jenige Merkmal, welches für eime Gefanmtheit von Erjcheinumgen das Srumdmerfmal ift, fich für die übrigen GSricheimmgen als unmefentliches Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 35 Merkmal herausitellte. Wejentlic) und unmejentlich find die Merkmale nicht an ich, jondern mur im Beziehung zu einem bejtimmten Subject. Somit bedürfen die ummejentlichen Merkmale dem jeweilig wefentlichen Merkmale gegenüber noch threr Berücjichtigung. Injofern aber eine Er- iheinung neben dem Grumndmertmal mehrere Nebenmerfmale hat, jo gilt e8, die leßteren zu jenem im Melation zu bringen. Und jo entjteht mn eine große AB von allen möglichen Sombinationen, ein lang- dauernder Proceß, der jo lange fortgejeßt wird, als überhaupt Miöglich- feiten der Gombination durch) das Material gegeben find. Dieje Gom- binationen find der zeitraubendfte, aufregenpdfte aber auc) der interejjantejte Theil jeder jtattftifchen Arbeit, weil diefe Come binationen, wie beim Xottojpiel, die Erwartung auf das Höchjte fpannen. Sie find aber auch das einzige Mittel, den Saujalnerus aller Erjcheinungen und zugleich den Sntwiclungsgang jeder Sache für fich fennen zu lernen. Denn ich erlange durch das Sombimiren einen Einblick im die Beziehungen der Ericheimungen unter einander und erfahre, welche Einwirkung dte eine Sache auf die andere ausübt, und wie jo die eine gerade das wurde, was fie geworden tft und warum die andere das nicht werden Fonnte, was jie hätte werden können, weil eine bejtimmte Simwirkung auf fie nicht erfolgte. Ich erfahre daher, warum eine mit einem gewilfen Grundmerfmale verjehene Sache wegen der verjchtedenen Ctmvirfung, Die jte im dem einen Yande erfuhr, aber in einem andern Lande nicht erfuhr, im zwei ganz ver- ichiedenen Erjcheimungsformen zu beobachten tft. Da der Grumd einer Sache die Sache felbjt it, herausgelöft aus dem wechjelmden Zujfanmenhange der fte begleitenden Umftände und alles Das identiich ift, was fic) auf einen umd denfelben Grund zurücdführen läßt, jo muß das technifche Verfahren bet der Sombinatton jo eingerichtet werden, daß alle Einzelerjcheinungen nad ihrem Grundmerfmale tm je einen bejonderen Haufen jortirt werden, weil diejes als das den Grund der Menmigfaltigkeit Kemmgeichnende das Gleichbleibende it. Denn man will ja durch die Sombinationen die Veränderungen mit ihrer Urfache fennen lernen, die eine Sache erleidet. Mum fan aber das Grumd- merfmal, weil es eben das bleibende Merfmal tjt, niemals die Urfache der Veränderungen fein. Folglich it diefe in den andern (ummwejentlichen) Merkmalen zu juchen. Man jchlägt alfo jeßt den gerade umgekehrten Weg des früheren Verfahrens ein. Dort richteten wir unfere Yufmerk- jamfeit auf die Mannigfaltigfeit dev Merkmale und entvedten durch Gli- minirung aus diefer Mamnigfaltigkeit das jich ewig gleichbleibende Grund- merfmal; nunmehr halten wir an letterem als dem ich nie Verändernden fejt und jpüren den Veränderungen nach. Dadurch erhalten wir tabellarijche Meihen, die ung in den vorhin als unwejentlich gejegten Merfmalen dte 6 Sriter Abjchnitt. Beziehungen darlegen, im welchen jede Sachje zu einer anderen Sache jteht und wodurch wir zugleich die Bedingungen erfahren, die nöthig waren, um eine Sache jo zur Ericheinung zu bringen, wie fie erjcheint. Wir erbliden alfo auf der einen Neihe der Tabelle die Veränderungen einer Sache, auf der anderen die begleitenden Umftände; je mehr die Neihe jener mit der Meihe diejer übereinjtimmt, deito größer it die Wahrjchein- lichkeit, dat zwijchen den Sachen und ihren Bedingungen ein innerer Zufanmen- hang bejteht. Wechjelt nur ein Umftand, jo wird Ddiejer die wahrjcheinliche Bedingung fein und die Wahrjcheinlichfeit it eine bejtimmte; wechjeln mehrere Umftände, jo it das eigentlich Wirffame weniger bejtimmt und daher auch die MWahrjcheinlichkeit eine weniger bejtimmte. Durd) die un- unterbrochen fortgejeßte Kombination aller unmwefentlichen Merfmale zum Urmerfmale wird aber die MWahrjcheinlichfeit wentigjitens eine annähernd bejtimmte werden. Abjolute Gewikheit werden wir freilich niemals er- langen; und deshalb wird auch die Fejtitellung urzeitlicher Ihatjachen fich immer nur im Bereiche von Wahrjcheinlichkeiten halten. Kennt man den Grund emmer Sache und fennt man zugleich die Be- dingungen, welche diejelbe modiftciren, jo fennt man nunmehr das ganze Ihun umd Xeiden der Sache: die Ihatjfache. It Ihun die jpontane, Yeiden die receptive Seite der Ihat und bilden Ihun und Xeiden in abjöluter Spentität den Zuftand, jo hat man jet den „Zultand“ (status) der Sache, die Ihat als Sache, die Ihatjache.!) Im Zuftand (in der Ihatjache) liegt jowohl das „Verden“, als auch der „Stand“, weshalb die Statijtif in ihrer bhöchjten und legten Vollendung dieje beiden Bejtandtheile „etat" ') Wie leicht eine Wifjenjchaft in Folge einer unrichtigen Ctymologie, bezw. Deutung eines Wortes in faljche Bahnen gelenkt werden fan, zeigt auch) das Wort Thatjache. Der vortreffliche Sonäf, der in jeiner „Ihevrie der Statijtif in Girundzügen (Niten 1856)" das Wejen der Statijtif richtig erfannt und namentlich auch das Berhältnig der ziffermäpig ausgedrüdten Thatjachen zu den Übrigen Ihatjachen im Anterejje eines einheitlichen Ihatjachenzujammen- hangs qut bejtinmmt hat, definirt: „Jede Fricheinung, imjofern jte den Gegen- jtand der menichlichen That bildet, heist Ihatjache und gehört als jolche in das Bereich der Statiltif .... Ericheinungen jedoch, an welchen fich gar fein Moment der menjchlichen Ihat, jondern nur jenes der Natur erkennen läßt, jind von dem Gebiete der Statijtif ausgejchlojjen.” (©. 125). Dieje jonderbare Aufafiung vom Wejen der Thatjache, die auch Engel hatte, hat leßteren vffen- bar zu jeiner „Demologie” (Lehre von den menjchlichen Gemeinjchaften) geführt und Andern zu der irrigen Anjchauung verholfen, die Statijtif jet eine „exacte GSejellichaftswifjenjchaft." „Ihat“ iit, wie oben im QIert bemerkt, Thun und Yeiden zugleich und fan im ganzen Kosmos in abjoluter Identität verfnüpft gedacht werden. Sowie im vorigen und Anfang diejes Jahrhunderts durch eine faljche Deutung des Wortes „Zuftand“ status, jo ijt neuerdings durch eine Taljche Deutung des Wortes „Ibhatjache” die Statiftif irre geführt worden. Behandlung urgefchichtlicher Brobleme. > | und „mouvement” in jich zu vereinigen jucht. Iede wirklich ftatijtijche Thatjache erfordert beide Beltandtheile und im jtreng wifjenjchaftlichen Sinne ift erjt dann eine Ihatjache erkannt, wenn man fie jowohl in ihrem Stand, als auch in ihrem Werden erforjicht hat. Kine Sache „wird“ durch ihre Wechjelbeziehung zu anderen Dingen; jie „it“ für mich, wenn ich fie von den Simoirfungen derjelben losgelöit denfe. Ieder, der mir ohne Worurtheil bis hierher gefolgt it, wird mir zugejtehen, wie wichtig für die urgefchichtliche Srforjchung. das Aufjuchen von Grund und Bedingungen it, und wie wir erjt dadurch in den Stand gejeßt werden, uns Einficht darüber zu verjchaffen, welche Grichernungen im Völferleben gleichartig oder verjchteven find, was an ihnen bleibend oder nur zufällig mit ihnen verfwüpft it. Was bleibend tjt, it der Sache inhärent, in ihm tjt fie begründet, es tft ihr Grund; was dagegen der Sache accidentell it, it das Verämderliche, was ihre Entwiclung be- dingt. In ihrer Vereinigung bilden fie die Ihatjache. Mit dem Ausdrud Ihatjache wird oft geradezu Unfug getrieben; nad) einigen „modernen“ Ethnologen tft fait jeder völferfundliche Bericht eine „Ihatjache“. So finde ich beijpielsweile in den Meittheilungen der Ylır- thropologischen Gejellichaft im ten (XXVI. Bam, 1. Heft Wien 1896) eine im SS eingetheilte Abhandlung von Nıwolf ©. Steinmeß, betitelt „Sndofannibalismus”. Dafelbjt überjchreibt der Genannte die SS 2—11 mit „Ihatfachen“; 5.98. „$ 2. Die Ihatfachen. Glafftjches Alterthum”, $ 3. Die Thatjachen. Feitland von Alien, S$ 4. Die Ihatjachen. Indonejien und jo auf 23 zweijpaltigen Seiten fort bis enfchlieglihh S 11. Schaut man fich diefe „Ihatjachen” an, jo find Dies nur die befannten dürftigen Berichte, die im viel ergiebigerer Weije bereits von Anderen, ;. D. je Nichard Andree gejammelt worden find. Steiimeß verwechjelt hier Berichte” mit „Ihatjachen”. Berichte enthalten Urtheile und Ihat- üblichen zugleich. Das erftere mul meiner Methode zufolge ausgefchteden werden, um es in Korm reiner Merkmale zu behandeln. Nachdem Steinmeß dieje jeine „Ihatfachen“ vorgeführt, bildet er einen $ 12 mit der Meberjehrift: „yulammenftellung der Ihatjachen und ihrer fritiichen Werthe”, im welchem ev jchreibt: „Nachdem ich jetzt jo viele Fälle unjerer Erjcheinung, als mir nur möglich war, vorgeführt und, joweit die mir zugängliche Literatur gejtattete, Fritijch erörtert habe, will ic jet unjere Grgebnifje (2) tabellarijch zufammenftellen, damit eine ihnelle und bequeme Weberjicht über die Zahl und die ethnographiiche Stellung der betreffenden Völker, jowie über die Motive der Sitte möglicd) werde; hieran möchte ich aber das Nejultat der fritifchen Schäßung unjerer Angaben fnüpfen.” (5 ijt zur Beurtheilung der Steinmeß schen Arbeiten hochinterejjant 28 Sriter Abjchnitt. zu erfahren, von welchem Standpunkte aus er die „Eritiiche Schätzung“ vornimmt. Es geichteht Dadurch, day er den einzelnen Berichten (jeinen „Ihatjachen”) eine Genjur ertheilt (1. 2. 3. 4. umd 5.), und zwar nad) einer eigenthümlichen Manier, die jich aus den Säben ergiebt, welche Steinmeß den oben citirten Worten unmittelbar folgen läßt: „Die Ziffer 1 joll die höchjte auf unjerem Gebiete erreichbare Fritiiche Gewihheit an- deuten, welche ich (!) da annehme, wo die Angabe von einem anerfannt quten Beobachter, der in der Xage war, aute Wahrnehmungen zu machen, nad) längerer Befanntjchaft mit den betreffenden Volke herrührt und fich mit unferer jonftigen Kenntnis des Wolfes nicht in Widerjpruch befindet, oder aber von mehreren Korjchern einjtimmig und ohne jede Oppofition bejtätigt wird. Die Ziffer 2 weilt darauf hin, dal die Nachricht von einem relativ guten Korjcher unter Durchjchnittsbedingungen jtammt, Hwetfel aber nicht erhoben wurden. Die Ziffer 3 aber jagt, day die Mit- thetlung zwar aus jehr auter, eventuell jogar aus vorzüglicher Duelle fan, aber dennoc bejtritten wurde, aljo controvers genannt werden muj. 4 bedeutet die nicht weiter prüfbare Möglichkeit, wo wir eigentlic, feinen Srund zum „Zweifeln haben, aber dod) die einzelne Mittheilung feine be- jondere Gewähr bietet. 5 aber bedeutet aroge Unmwahrjcheinlichfeit aus irgend einem Grunde innerer oder äußerer Kritif. Unfere ganze Umfjchau beweilt aber, daß wir feinen Grund haben, die Möglichkeit der Ericheinung an jich bei irgend einem Volfe anzuzweifeln.“ ach Ddiejer eigenthümlichen Manter der „Fritiichen Schäßung” von 161 Fällen bleiben Steinmeß nad) Abzug der mit 5 bemerften 155 übrig, von denen wieder 30 mit der Genjur 4 verjehen abgelehnt werden u. ]. w. Die Genfur 1 erhalten 17 Fälle. Die jo gewonnenen Nejultate nennt Steinmeß (©. 31) „Statijtif“. Ich meinerfeits möchte dDiejes ganz merfwürdige Verfahren Steinmeß's eher mit dem Ausdruck „tatiftiiches Balljpiel” belegen. Mag man die 161 Mittheilungen als Ihatjachen be- zeichnen oder nicht — nie und nimmer fann es erlaubt jein, von einem ven jubjectiven Standpunft aus eine „Fritiihe Schätung“ Derjelben nad) Art von Steinmeß vorzunehmen. Nicht dadurch it für eine Ihatjache „Feitiiche Gewißheit erreichbar”, day man die Berjon, welde den Be- richt Liefert, eimer Kritik auf ihre Glaubwürdigkeit unterwirft, und eben- jowenig fann dafür der Standpunft maßgebend jein, day eine Erjcheimung „don mehreren FKorichern eimjtimmig und ohne DOppofittion betätigt wird.“ 8 tft Dies, und mag man jeiner oder anderer Menjchen Urtheils- fraft noch jo viel zutrauen, immer em rem jubjectiver Met. Das jubjective Moment darf nicht mur nicht von Auen an den Bericht herangetragen, jondern muß im Gegentheil da, wo es vorhanden tt, entfernt werden. 5 müßte eine nette amtliche Stattftif entjtehen, wenn der Director eines Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 29 Itatiftiichen Bureaus zum Mapßjtab der „Eritiichen Gewißheit“ und Slaub- würdigfeit der amtlich eingegangenen Berichte die Anficht erheben wollte, welche er fich über die Dualiftcation des betreffenden Beamten gebildet hat, der den Bericht emreicht. Nur der objective Inhalt deifelben darf zum Anhaltspunkte für eine etwaige Kritif genommen werden. ber ein einzelner Bericht als jolcher it dafür nicht zureichend, weil die Ob- jeetiwität nur im der Gejfammtheit der Ericheinungen zu finden tft. Jicht an einer einzelnen Gricheinung, wie fie uns durch eine Einzelbeobachtung geboten wird, darf Kritik geübt werden, jondern die Totalität der Erjcheinungen jelbit, welche durch ihre objectiven Mterfmale zu uns jpricht, muß dte Sntjcheivung über die Brauchbarfeit der Berichte fällen. Aber um eine jolche Dbjectivität zu erlangen, genügen die wenigen Merkmale, die Steinmeß in jenen „Tabellen“ darbietet und die er eben- falls jchon Ihatfachen nennt, feineswegs, weil fie das Wejen des Emdo- fannibalismus, ven Steinmeß, wie die Neberjchrift feines Aufjates meldet, doch eben darjtellen will, gar nicht erfennen lafjen. Wenn er jolche ragen wie beijptelaweife die, ob der Endofannibalismus vor dem Gro- fannibalismus bejtanden habe, d. h. ob der Urmenfc zunächit die Glieder jeiner nächjten Umgebung aufgefrejfen und fich erjt jpäter entfernteren Feinden zugewandt habe, behandeln will, it es abjolut nothwendig, bis im die ele- mentarjten Bejtandtheile der menjchlichen Gebilde aller der Völker, die er namhaft machte, zurüdzugehen. Daß jelbit in der Familie des primitiven Menjchen, mag man fie als ein jernelles oder als wirthichaftliches Wer- hältnig auffaffen, durch die Verheirathung zwei heterogene Slemente ver- ihiedener Herkunft anzutreffen find, it eine allzu befannte Beobachtung. Penn ein Mann feine Frau, die nicht zugleich jeine Schweiter ift, auf- frißt, jo liegt doch die Frage nahe, ob man das als Endo=- oder Gro- fanntbalismus aufzufaffen habe. Da auch diefe Frage nicht willkürlich nach eigenem jubjectivem rmefjen, jondern nur durd) die Merkmale der Sricheinungen zu beantworten ift, jo hätte Steinmeß es nicht unterlaffen dürfen, zunächjt nach dem Grundmerfmal der Eriheinung zu forjchen md zu Ddiefem Behufe die Totalität der erforderlichen Merkmale vorher jammeln müfjen. Indem er dies unterläßt und fi) um das rein Ihatjächliche der- jelben gar nicht fünmert, fann jelbjtverjtändlich ein brauchbares Eraebnif aus den dürftigen Berichten von ihm auc nicht gewonnen werden. Und wenn er troßdem auf die Darftellung des Gegenftandes nicht Verzicht leitet, jo bleibt ihm nicht anderes übrig als Dinge bezw. Fragen tn die Abhandlung, wie „S 16 ob der Urmenjc ommivor war”, „Ss 17. Sm die Affen ommivor?“ u. j. w., die mit den in den Berichten, vorhandenen Merkmalen in abjolut feinem inneren Zufammenbhang stehen, aufzunehmen. uf 30 Sriter Abjchnitt. diefe MWerje entiteht nothwendiger Netje durch em rein jpeculatives Ver: fahren ein Grgebnif, das, wenn man die Sache näher bejtcht, gar nicht aus dem in den Berichten vorhandenen Ihatjächlichen hervorgegangen it und im Widerjpruch mit ganz nahe verwandten Gricheinungen jteht. Auf das Nähere der rem jpeculativ gewonnenen Ergebnifje des erwähnten Auf- jates über den „Sndofannibalismus“ einzugehen, tt hier nicht der Drt. 85 fam mir, weil ich hier nur das Methodologijche hervorzuheben habe, nur darauf an, zu zeigen, wie Steinmeß Berichte mit IThatjachen verwechielt, welch ein geradezu jträfliches Verfahren der Genannte an- wendet, um „fritiiche Gewigheit” über das Ihatjächliche zu erhalten und wie er endlich noch über einen Gegenjtand jchreibt, dejjen een er. aus den Merkmalen gar nicht erforjcht hat. Wenn auc) die Arbeiten von Steinmeß in methodologiicher Hinficht zu den haltlojejten Srzeugnifjen derjenigen modernen Sthnologen, die Urgejchichte und Ethnologie verwechjeln, gehören, jo haftet Doc) vecht vielen urgejchichtlichen Arbeiten in faum weniger jtarfem Maße der Fehler an, daß ihre Autoren die in den Meijeberichten enthaltenen Urtherle nicht von dem darin ebenfalls vorhandenen Ihat- jächlichen trennen, um allein das Xeßtere zum Gegenftande der Durch- forihung zu machen. SS it ganz unmöglich, aus blogen völferfundlichen Berichten und Mitteilungen irgend eme Gricheimung zu erklären und zu deuten, ohne zuvor diefe Berichte auf ihre beiden Beltandtheile (thatfächliche) Merkmale und Irtheile zu anabyfiren. Grit wenn die leßteren ausgejchieden find, fan man die objectiven Merkmale einen Inductionsprocefje unterwerfen, wobei aber als VBermuthung immer nur ein Merfmal dienen darf, welches in der großen Malle der Beobachtungen wirflich vorhanden it, während jede andere Vermuthung, die außerhalb der Merkmale liegt, ausgejchlofien werden muß. Mur auf Diefe MWeije it es möglich, den Grund der Gr- Ihermung zu finden und den thatfächlichen Zufammenhang, tm welchem alle einzelnen Srfchemungen unter einander ftehen, zu entdeden. Yırch Dies will ich noch an dem von miv gewählten Beifpiele, der Familie bezw. (She, illuftriven. Stumde ich, day das hausherrliche Verhältuig der Grund der Jamtlie it und bemerfe ich, daß im der einen (die ich androfratijch nenne) ein I8erb, im ermer anderen Familie (die ich mit aynäfofrattic) bezeichne) em Mann, im eimer dritten eine Anzahl Brüder, u. |. w., die Bedinqummgen id, den Grund zu verwirklichen, jo lerne ich die Mantgfaltigfeit der Kamtlienformen fenmen. (8 wird mich nicht im Geringften wundern, wenn miv die Völkerkunde berichtet, daß bei vielen Völkern eine Frau herrjcht und deren Mann zu ihr in feiner gejchlechtlichen Beziehung fteht, und dah bei anderen Völkern ein Mann jeine Frau als Dienjtmagd behandelt, , Behandlung urgejchichtlicher VBroblemte. 31 in jerneller Beziehung aber ihr gleichgültig gegemüberjteht, weil mir eben der Grund der Kamilie befannt it. Ss wird mich, wenn ich aus den Merkmalen dev Ehe gefunden habe, dag ihr Grundprädicat „gejchlechtliche Deitination für das ganze Leben“ tjt, ebenjo wenig wundern, daß mir völferfundliche Berichte jagen, daß mancherwärts die Kinder wicht dem Vater, jondern dem mütterlichen Dheim folgen, weil ich eben weiß, daß die Folge der Kinder auf das Engjte mit der ehelichen Dejtination zu- jammenhängt und dag die Che ein ganz anderes Grumdprädicat als die Samilie hat. Ich werk, verwöge des Grundprädicats, da eine Ehe voll- jtändig denfbar ift nicht nur ohne häusliches Zufammenleben, jondern jo- gar ohne gejchlechtlichen Umgang, weil eben nur die Deftination an dem ganzen ehelichen Verhältnig der Grund des Mrdajeins der She ift, deren Gonjequenzen nur deshalb nicht zur Wirflichfeitt werden, weil entweder die Bedingungen fehlen oder wegen des Hinzutritts emer anderen Sache jo verändert werden, daß auch die Ehe modificirt ericheint. Nimmermehr aber werde ich mich zu jo fühnen Specnlationen verleiten laffen, wie jte die moderne Gthnologte mit ihrer angeblichen „muttervechtlichen Gens", in der die Kinder der Mutter gefolgt jein jollen, weil der Vater wegen der furchtbaren promiseuen Beziehungen unbekannt bleiben mußte, der Welt jenjattonell verfündet. Und da ich die ganze zu einer Grunder- Icheinung gehörige Nethe aller jpäteren Sntwidlungsphajen vor mir habe, jo werde ich zugleich auch im Stande fein, nachzuweijen, das das jog. Mutterrecht gar nicht in die frühejte Urzeit, jondern im eine recht, vecht jpäte Zeit gejeßt werden mu. Aber die Erfenntnig von Grund und Bedingungen der Ericheinungen hat nod) einen anderen, jehr großen Werth für die Srforjchung urgejchicht- licher Gricheimungen. If uns nämlich der Grumd einer Grjcheinung durch) Aufjuchen ihres Grundmerfmals befannt geworden und fennen wir zugleich die vollftändige Meihe der analogen Bedingungen, welche die Gr- ichetnung bewirfen oder verändern, jo find wir im Stande, ganz jelbitändig neue Ihatjachen zu erzeugen, indem wir den wahren Grund der Srjcheinung in die entjprechenden Bedingungen verjegen. Dieje, Operation, das jog. Srpertment, it das einzige Mittel, überhaupt zu neuen Grgebnifjen in der Wiljfenjchaft zu gelangen. Dit vollem Nechte wird emmer Wifjenspdisciplin, die nocd) auf dem Standpunkte der Bejchreibung fteht und noch nicht vermittels des Grperi- mentes die ihr zugehörigen Ihatjachen jelbjtändig erzeugen Fan, ver Character eimer jelbjtändigen Wifjenjichaft abgeiprochen. Seitdem „die Statiftif nicht mehr malen und jchildern, jondern neue Srfenmtinig zu Tage fürdern will” (Siuapp) und fich dazu des Srperimentes bedient, it fie jelbjtändig geworden, und jomit auch befähigt, nicht blos zukünftige Ihat- 82 Sriter Abjchnitt. jachen vorauszubejtimmen, jonwern auch Zuftände längft vergangener Zeiten, darumter auch urzeitliche Zuftände, zu reconftruiren. Da das Grperiment auf Grund und Bedingungen beruht, diefe aber etwas rein Ihatjächliches find, jo Fan aud) das Ergebniß des Srperiments — natürlic) vorausgejeßt, daß fich nicht Serthümer eingejchlichen haben, die bet der Unvollfommenheit menjch- lichen Denfens und Korjchens miemals und in feiner nod) jo eracten NWifjenjchaft zu vermeiden find, — ebenfalls nur etwas Ihatjächliches jein. Fine vollendete Erfenntnig der menjchlichen Urzeit werden wir niemals erlangen fönnen, aber wenn wir eract arbeiten, wenigjtens eine jolche, die eine große Wahrjcheinlichkeit für fi) hat. Dieje fann uns zu Theil werden, wenn wir Die Sricheimungen nicht in ihrer Vereinzelung, jondern als unter einander zufammenbängende betrachten, d. h. eine mehr ipftematijche Grfenntnig zu gewinnen juchen, wodurd) eben dasjenige iffen entjteht, was man mit „Iheorte” bezeichnet. Xeßtere wird, mie gezeigt, dadurch gewonnen, dag man von der Zotalität der thatjächlich ges aebenen Ericheimungen ausgeht, diefe je auf ihren gemeinfamen Grund zurücführt, um welchen fich alsdanıı Ihatjachengruppen bilden, joday aljo der jeweilige Grund die ihm zugehörigen Ihatjachen erflärt, und endlich wird noch alles, was dabei unerflärt bleibt, mittels Srperimentes zu er: gänzen verjucht. Somit ift eine Iheorie im ftreng wiljenjchaftlichen Sinne nicht auf apriorer Speenlation, jondern nur „auf jtatijtiiher Grundlage” d. h. auf dem Zufammenhange alles in der Zotalttät dev Gricheinungen ent haltenen Ihatjächlichen aufzubauen. Sie tft unmöglich, wenn man nicht die Sejammtheit aller zufammengehörigen Ericheinungen berüdjichtigt; und ihre Volljtändigfeit und Gültigkeit ift jomit abhängig von der Iotalität der Erjcheinungen, die man unterfuchte. Demgemäß fan auch der jog. hiltoriichen Berjpective, die der modernen Specnlatton, die immer mit Yeonen von Jahren rechnet, nicht weit genug gebt, in einer Theorie der urzeitlichen Zuitände nur em jo großer Spielraum eingeräumt werden, als e8 der Urgrund der in Betracht fommenden Ihatjachen gejtattet. Das Unbefannte fann nur jo weit conftruirt werden, als das Be= fannte es zuläßt. Man wird mit Necht die Frage aufwerfen, wiefo man denn die zur Iheorie erforderliche Grumdhypotheje findet. Denn die „Iheorie it” ja — wie Wındt jagt — „die Hypotheje jammt der Deduction der Erjcheinungen, zu deren Erklärung die Hypotheje gemacht wuwe . . .. Sie verfnüpft die Ihatjachen auf der Grumdlage der Hypotheje und bringt jo exit den Zweck, zu welchem die letztere gebildet wurde, zur Ausführung‘. Wie gelangt der Statiftifer alfo zur Hypotheje, die alle Einzelericheinungen erklärt? ir haben oben gejehen, wie man das Srundmerfmal der GEr= Behandlung urgefchichtlicher Probleme. 33 iheinumgen in ihrer Manntgfaltigfett dadurch findet, da man das Weber: ernftimmende und Gleichbletbende durd) Elimmirung des Werämerlichen und MWechjelnden zu gewinmen juchte. Hat man mm niehrere Grundmerf- ntale, jo tt wegen des Yufammenhanges aller Erjcheinumgen die Der: muthung naheliegend, day aud unter allen Grundmerfmalen mieder Ein Merkmal vorhanden jet, welches Urgrumdmerfnial und Grumdurmerfmal aller Grumd- bezw. ‚Urmerfmale der Totalität der Grichemungen ift. Somit wird diefelbe Procedur, die wir oben bejchrieben, roch weiter fortgefett, bis diejes Grumndurmerfmal, m dem alle andern Grumdmerfmale fic) wer- einigen, gefunden tft. Coll eine Syntheje (ein Zufammenfat) aller Tihat- jachen erfolgen, jo tjt jenes zulett gefundene Grundurmerfmal die Hypothefe (der Unterjaß), auf welchem das ganze Ihatjachengebäude zu errichten tft. Alfo it die Hypotheje, wie fie der Statiftifer gewinnt, nicht eime Fiction, jondern etwas durch das Thatjächliche felbit Beftinnttes. Und auch hier jagt Wundt!) jehr richtig: Pesalı yefen jind nicht mur erlaubt, jondern nothwendig, aber jte jollen nicht willfürliche Fiettonen jein, jondern Vorausfeßungen, welche auf das jtrengfte durch die Tihat- jachen jelber bejtinmt find. Much hat niemals die Wiljenfchaft der Hypo- thejen entbehren fünnen, und wenn dieje zu Zeiten verpönt gewejen find, jo beruhte dies darauf, day man ficd) einen faljchen Begriff vonder, HYypo- theje gebildet hatte”. Sp lange e8 eine eracte wifjenjchaftliche Korichung geben wird, wird man der Hypothejen niemals entbehren fünnen. Dat Diejenigen feine HY- pothejen brauchen, welche mit Binfel und stleiftertopf Mittheiluimgen an Mittheilungen zu ethnographiichen Parallelen anreihen und daß aud) Die- jenigen feine Hypothejen nöthig haben, die, wenn zwei Autoren Bücher über einen Gegenjtand gejchrieben haben, jofort mit dem Inltegen fonmen: „ich jet, gewährt mir die Bitte, in Gurem Bunde der Dritte“, it jelbjt- verftändlich. Beiden Gattungen von Schriftitellern fommt es "gar micht ins Bewußtjein, daß fie jelbjt mit Stoffen ein Buch anfertigen, die eben= falls mittels Hypothejen, wenn auc) vielleicht mur mit halbfertigen Hypo= thejen, gewonnen wurden. (s hat bei diefen Herren das Wort „Hypetheje” eine jo verächtliche Bedeutung, dal fie es bisweilen jogar als Schmähwont gebrauchen, um einen Schriftjteller zu ärgern, der eine andere neue Hypo- theje aufgejtellt hat, die ihre eigenen Yeiftungen in ein jchiefes Licht zu jtellen geeignet ift. Iede Wiffenjchaft bedarf der Iheorie; es giebt feine Theorie ohne Hypotheje, aber auch feine Hypotheje in wiljenjchaftlichem Sinne ohne eine zuvorige Erforfchung des Ihatfächlichen aus dem Yu= jammenhang der Gricheinungen. ) Wundt, Fogif I Srfenntniglehre. 2. Aufl. Stuttgart 1893. ©.'453. B) Mucde, Urgeichichte. 34 Striter Abjchnitt. Im Injammenhange tft Alles nothiwendig jo, wie es tft; demm es tjt ja durchaus von dem Zufammenhange bejtinmt. _ Imvden Alles im Zus jammenhange jteht, negirt jich Alles gegenfeitig und bringt jich auf die Sinfachheit zurüd, in welcher ‚es eine Gontinuttät von reinem Sein bildet. Indem der Zufammenhang die Vielheit des Anumdfürfichjeienden zur Gin- heit verfmüpft, erfahren wir dadurd) die Melativität der Finzeldinge zu einander, fie mit einander vergleichend. So erhalten wir eimerjeits das Allgemeime und anvderjeits das Bejondere: in jenem erfennen wir das in allen für fich jetenden Dingen enthaltene Srundmertmal, welches eben den Zufammenhang herbeiführt, tm diefem dagegen jehen wir, wie durch die Permittelung des Cinen mit dem Adern das Dritte entiteht und dadurd) der Zufammenhang gewahrt bleibt. Und indem wir jo das Allgemeine und Bejondere erjchauen, finden wir, wie im jedem Gtnzelnen ebenjo NL gemeines und Bejonderes enthalten tft, umd wie auch darin jich der Ju= jammenhang zeigt. Demm das Einzelne erhält jeine Dejonderhett nur durd) den Jufammenhang mit dem llgememen, zu dem es in einem rela= tiven Gegenjat jteht. Doc) find das Bejondere und das Allgemeine nicht für fich eriitent, jondern beide fommen mur an dem Ginzelmen in defjen GSriftenz zur Ericheinung. Nur das Einzelne it wirklich. Aber man fann das Einzelne in jener Erjcheimung nicht deuten, wenn man nicht das ihm zufommmende Allgemeine und Bejondere Fenmt, und da dieje beiden Cigen- ihaften des Einzelnen nur aus dem Zufammenhang der Sinhett mit der Vielheit des Anındfürfichjeienden erkannt werden fünnen, jo ift eben eine Betrachtung der Erjcheimungsformen des Sinzelmen im Zufammenhange er- forderlich. Umd durch diefe Betrachtung im Zufammenhang erheben wir unjere Sorihung über das bloße Amernanderreiben von Cr- iheinungen mittels einer rein jubjectiven Deutung und nähern uns, joweit e5 Menjchen überhaupt möglich it, dev Sreenntnig des objec- tiven Sachverhaltes, welches die wejentlichite Aufgabe der Statiftif, der Lehre vom Ihatjächlichen, eben tft. Sime Theorie kann niemals Selbjtzwed jein, jo wenig als es Die Production im Allgemeimen it; denn alles was wir produeiren, führen wir vor (pro-ducere) zum Zwede der GConjumtion. Und da, was wir erzeugen, wegen der Wechjelbeziehungen, in denen wir zu Anderen ftehe, nicht uns zu. vollem Gigenthume angehört, und da jelbjt die ung jchein- bar ureigenften Gedanken doc) zugleich auc Durd) die Gedanken unferer Mitforicher, die uns theils mit Methode, theils mit thatjächlichem Stoff unterftütt haben, herbeigeführt worden find, jo erwächjt uns die Pflicht, unfere Srzeugniffe Anderen mitzutheilen, um jte zu einem allgemeinen Gonjumtionsgqute zu machen. Was alg Goujumtionsqut dienen joll, muß geniegbar jein umd in eimer Form dargereicht werden, welche den Genuß Behandlung urgejchtehtlicher Probleme. 35 erleichtert: eS gejchteht dies durch Darftellung. Sowie jede marftgängige Waare dem Bedürfnifje des Comjumenten gemäß zur Darjtellung gebracht werden muß, jo mu aud) das geijtige Verkehregut, wie es in der Iheorie zur Ericheinung fommt, zweds Mittheilung in geniegbarer Form vorgeführt werden. Dar: ftellung und Mittheilung einer Iheorie find überaus jchwierige Aufgaben. Bei der Darftellung muß das Volumen im entjprechenden Verhält- ni zu feinem Inhalt jtehen, da der ökonomische Nußeffect um jo größer ift, je geringer die Belaftung durch die Miaterialienmaffe auf die Gon- jumtionsthätigfeit des zu Belchrenden wirkt. Gin allzu großer Ballaft ruft leicht Störungen in den VBerdanungsorganen des Gonjumenten hervor und vermindert den Metz des Gentegens, was gerade bei einer Theorie bejonders gefährlich wirkt, weil dieje wegen des inneren Zujanmenhanges aller Ginzelthatjachen, die jich jelbjt gegenfeitig erklären und beweifen müfjen, eine andauernde Confumtionskraft und Sonfumtionstuft erfordert. Jtie darf eine Theorie zugleich eine Materialienfammlung jein. Cine all- zugeringe Beigabe von Eimzelmittheilungen erjchwert aber den Genuß eben- falls, nicht jowohl weil jte Würze find, jondern weil fie das Verjtändnif des allgemeinen Inhalts erleichtern. uch erweilen fich bet der Vorführung einer neuen Iheorie öfter Wiederholungen als nothwendig, um den Yejer am jich zu fejfeln und es ihm zu erjparen, nochmals vücwärts zu blättern, wenn es gilt, den Zujammenhang der Srichenmmgen zu überblicden. Die Mitthetlung einer Iheorte it jehwierig, weil ihr Erfolg beim Lejer nicht blos vom Dariteller jelbjt, jondern zugleich auch von der bereits vorhandenen Grfenntnig der Gonfumenten jelbit abhängt. &s it der ihlimmfte Vorwurf, der einen Schriftiteller treffen kann, daß er im um- verjtändlicher Form das Ergebuiß jeimer Arbeit darbietet, und es it eine der traurigiten Entjichuldigungen eines Autors, ev habe wegen Jeitmangels oder weil er ja für Fachleute jchreibe, auf die fünftlerifche Durcharbeitung feine Zeit verwenden fünnen. Gedanfen, die eines einheitlichen Gedanfen- fadens entbehren, aljo Dasjenige, was der Volfsmmumd mit „Kraut und üben Durcheinander” bezeichnet, wirft immer verwirrend und hat für die Wiljenjchaft abjolut feinen Nußen. Damit ift nicht gejagt, daß man populär und in einer Form jchreiben müfje, die. den Lejer des Machdenfens überhebe. Eine Iheorie tjt jchon wegen des inneren Zujanmenhanges dev Cinzelgedanfen ichwer zu lefen. Da mın auf ein Verftändnig beim confumtrenden Lejer nur zu rechnen it, wenn diefer an der Meittheilung auch wirklich mit theilnchmen fan, jo muß man an die bisherigen Vorftellungen des Lefers anfnüpfen, was, wie leicht begreiflich, deshalb bejonders jehwierig it, weil die betreffenden Vorftellungen bei einem größeren Lejerfreis auperordentlic) verjchteden und auferden nicht jogleich präjent jtnd, um im gegebenen Augen= blicte die bisherigen Theorien mit der neu vorzuführenden Theorie zu vergleichen. DEN [9] 96 (Sriter Abfchnitt. Letterem Umftand fann man nur geredjt werden, wenn man dem Leer, jet es aud nur in großen Umrifjen, die bisher herrichende Theorie am geeigneten Drte zugleich zur Mittheilung bringt und wenn man bei Mittheilung von Einzelbeobachtungen nicht blos die neu zu Grunde aelegte Erfenntniß, jondern auc diejenige apriore Grfenntnig -vorführt, . welche der frühere Beobachter zur Deutung der Ericheimumng benußte. Denn alles Wirkliche befat befanntlich zwei Momente im fich: das Wefen des Dinges und die Ericheinung des Dinges. Die Gricheinung bleibt umer- flärt ohne die Erfaffung des Wejens oder, wie man auch anders fich aus- drüden fann, des (ewigen) Grundes mitfammt den Bedingungen der GEr= iheinung. Ob die Erde um die Sonne oder die Sonne um die Erde freift, tjt der Ericheinung nach ganz dafjelbe, aber nicht dem Iejen nad); es fommt bei leßterem auf die Deutung an. Alle Fortichritte in der Wiffenfchaft liegen in der Er- mweiterung und Vertiefung unferer Grfenntnig, uud alles Neue in derfelben erfolgt durch Umdeutung der Erfheinungen. ‘Ume deutungen find aber nur möglich durch Aufjtellumgen neuer Theorien, weil, wie oben gezeigt wurde, nur die Iheorie im Stande tt, Inftematifches Wifjen zu erzeugen, indem jte alle Ginzelthatjachen aus einem einzigen zut= reichenden Grunde (der causa sufficiens) zu erflären unternimmt. Cine Sinzelericheinung fann man nie und nimmer umdenten, ohne zuvor den zu= reichenden Grund für die gefammten Erichenmungen erforjcht zu haben, weil ja eben eine Finzelerfcheinung im ftreng wifjenjchaftlichen Sinne gar feine Deutung zuläßt. Cine Einzelericheinung, fie mag einem Gebiete angehören, wie eg auc) beige, fann bet ihrem Beobachter nur einen jub- jeetiven Eindrud hinterlaffen und wenn er fie gleichwohl zu deuten ver- jucht, jo gejchieht dies, ohne dat fich der Betreffende defjen vielleicht be= wußt wird, auf Grund emer Hppotheje, die ihm jchon manches Ylndere vorher erflärt hat. &s wird qut jein, wenn wir ung das '„Umdeuten“ der Sricheinungen an einem Beijpiele Flar machen, das uns zeigt, wie man die (Finzelericheinung nie an diejer jelbit, jondern nur im Syjteme der Ge= jammterjcheinungen erflären fann. ticht ob die Erde fich bewegt oder ob fie ruht, war bei Kopernifus die Arage, fondern welche Bewegungen muß man der Grde betlegen, damit die Sricheinungen am Himmel jich uns jo darjtellen, wie wir jte jehen. (5 handelte ji) alfo um folgende Gruppen von Gricheinungen: 1) der regelmäßige und gleichförmige MWechjel von Tag und Nacht; 2) der u= aleichförmige jährliche Sonnenlauf um das Mund des Himmels; 3) die Schiefe der Ekliptif; 4) der Wechjel der Jahreszeiten; 5) das langjame Vorrüden der Nachtgleihen; 6) die verjchlungenen und im jtc) zurid- fehrenden Wanderungen der Planeten am Himmelsgewölbe, ihre Stationen Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 37 und. Nücdgänge im Zodtafus.!) Alle diefe Grfcheinungen und Vorgänge mußten aus der Bewegung der Krde abgeleitet werden und e$ war daher die Frage, worm das Wejen der Bewegung der Grde bejtehe, in erjter Linie zu beantworten. Diejfen ganzen Prozeß des Kopernifus zur Gr- forichung des Tatjächlichen möchte ich im beiten Stimm des Wortes als einen jtatijtifchen bezeichnen, weil es dajjelbe Verfahren tjt, deijen fich die Statijtif bedient; fie erklärt und deutet nicht a priori Ginzelerjcheinungen, jondern, beobachtet. die Iotalität der Erjcheinungen, um alle Erjcheinungen aus ihrem bereits fejtgejtellten Zufammenhange zu erflären. Hat jte den Zufammenhang gefunden, danı deutet fie allerdings auch Eingelerjcheinungen, aber nur wie es das Syjtem der Ihatjachen gebietet und verlangt. Da jede wifjenjchaftlich wahre Hypotheje und jede durch fie begründete Iheorie auf einem h Neiuitin Procejje beruht, der das veim Ihatjächliche feititellt, jo muß Derjenige, der jeinem Lejer eine neue Iheorie zur Darftellung bringen will, fi) bet der ganzen Darjtellung jelbjtverjtändlich won feiner Theorie leiten lajjen und alles nur „nach den Bedürfniffen der Iheorie deuten”, weil er jonjt fich gegen die Wahrheit des Ihatjächlichen ver- jündigen würde. Um der Umpdentung willen baut man ja neue Iheorien auf. Denn die Theorie will eine neue Grfenmtnig für zukünftige Beobachtungen an Stelle der bisherigen jchaffen, und deshalb tritt jte mit jener am die GSinzelerjcheinungen heran und deutet den Sachverhalt anders als die bis- herige Srfenntnig, ohne jedoch die Srjcheinung jelbjt zu verändern. Was it denn die Behauptung des Kopernifus, daß jich die Erde um die Sonne bewege, anders als eine Umwentung der unverändert gebliebenen Gr- iheinung der Bewequng beider Himmelsförper zu einander, und worure) anders War die Umdentung möglich als durch die Aufjtellung einer neuen Iheorie? Umd fann Iemand allen GSrnjtes glauben, man fünme eine Iheorie aufitellen, ohne zuvor das rein Ihatjächliche aus dem Jujanmen- hang aller Erjcheinungen feitgetellt zu haben? (SS verräth eine geradezu bodenloje Umwifjenheit, wer der Holländer Rudolf Steinmeß, augenjcheinlich um mich zu verjpotten, 2) jagt: Auper ordentlich gefährlich tijt feine (Muce’s) eigenthümliche Manier, die Mit- theilungen der Gthmographen in voller Freiheit nach den Bedürfnifjen jeiner Iheorie umzudeuten; ja freilich, dann läßt fich alles bewerjen. Db das aber auch jtatiftifch heiren joll?" Diejer iR: fällt auf Heven Steinmeß zurüd, indem er beweift, wie ihm alle Vorkenntnifje der 1) Bergl. darüber E. 5. Apelt, Die Neformation der Sternfunde, Jena 1852, ©. 128 ff. 2) In der Bejprechung meines Buches „Horde und Familie“. Im Globus 1895, Wr. 19. 38 (Sriter ‚Abjchnitt, Methodenlehre fehlen, ohne die man weder ethnologtjche, noch urgejchicht- liche, noch überhaupt Probleme löjen fan. Glaubt Steinmeß etwa, ic) hätte mich Sahrzehnte lang hingejeßt, eine neue Theorie aus den Taujenden von VBejchreibungen mühjamı zu erwerben, um dann bei der Darftellung feine Anwendung und feinen Gebrauch von ihr zu machen? „Ia, lieber Ko= pernifus, wenn Du die eigenthümliche Manter haft, die Meittheilungen der biblifchen Iraditton, wonad, was jeder dumme Bauer tagtäglich) vor jich fieht, die Sonne um die Erde freift, nach den Bedürfniffen Deiner Theorie umzudenten; ja freilich dann läßt fich Alles beweifen. Deine Me- thode tft »außerordentlich niedrig«! er feinem Lejer eine neue Theorie mittheilen will, dem erwächlt, wie bemerkt, die Aufgabe, immer die beiden Deutungen neben einander zu jtellen und jcharf hevvorzuheben, was an den Müttheilungen Urtheil (fub- jeetive Zuthat) und was objectiver TIhatbeitand it. Art leßterem darf man nie ändern, muß ihm aber unmwenten, wenn der Zujammenhang der zu einander gehörenden Gricheinungen auf Widerjprüche in der bis- herigen Deutung hinweist. Alle Meinungsftreitigfeiten find nußlos, wenn te fih im vagen Medensarten ergehen, die ummwejentlichen Mterfmale der Ericheinungen in den Vordergrund ftellen, jtatt an das Grundmerfmal anzufmipfen, in dem die Gejammtheit der Ericheinungsformen ihren Vereiniz qungspunft findet. enn fich die verjchtedenen Merkmale, welche man einer Sache bei= legt, nicht aus eimem gemeinschaftlichen Grunde ableiten und jid) jomit mit ihm nicht vereinigen laffen, jo liegt darin ein Widerjpruch; und jehr oft Löfen fich jcheinbar große Widerjprüce ganz plößlich auf, weil es eben möglich it, in dem gemeinfamen Grunde die Niderjprüche zu vereinigen. enn man Sich gegenfeitig die Srfenntnig mittheilen und Streit über Meinungsverichtedenheiten beilegen will, jo fann das nur durd; Beweis geführt werden. Bewiejen wird eine Sacje nur dann und nur dadurch), day man ein bejtimmtes Urtheil auf jenen Grund zurüdführt. Wenn jich feine Widerjprüche der aufgeftellten Behauptungen mit dem erfannten Srumde nachweifen laljfen, jo tft der Beweis richtig geführt; wenn. fich aber die Behauptungen widerjprechen, jo „wimmelt es von unerwiejenen Behauptungen”. Das einzige Kriterium für die Benrtheilung einer Theorie liegt alfo im NIachweife der Widerjprüche. Ver fich als SKritifer einer Theorie geriven will, dem erwäcjjt die licht, das Syftem der vorgeführten Ihatjachen auf ihren inneren Zus Janmenhang zu prüfen; um dies vorurtheilsfrei thun zu fünmen, muß er jeinen eigenen Standpunft fallen lafjen. Grfüllt er diefe Prlicht nicht und beurtheilt ev das vorgeführte Ihatfacheniyitem von feinem eigenen Standpunkte aus, jo jtellt ex fich jelbjt das Zeugnig der Unfähigkeit eines Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 39 Necenjenten aus. Und wer er abfichtlich das in der Theorie niedergelegte Ge- danfenjyiten eines Autors verwirrt, jo macht er fich der Fälfchung jchuldig. Das Urtheil bejteht in der Deutung der TIhatjache; handelt es fich aljo um eine Umdeutung des objectiven Ihatbeftandes, jo müfjen, wie be- merft, in der Darlegung der Theorien beide Deutungen neben einander Mat finden. Wenn ich aljo beijpielsweije in meinem Buche über „Horde und Kamtlie” die Polyandrie behandelte, jo mufte ich, um nachzumeifen, da das ihr Sn Grundmerfmal nicht, wie die alte Theorie be- hauptet, ein jeruelles Verhältnig, jondern ein Dienftverhältnig darstellt, erjt die Mittheilungen Derer dem Leer vor Augen führen, welche fie für ein jernelles Berhältnig halten, ud dabei zeigen, was jubjective Erfenntnif des Bertchterftatters ift, und jodann mit meiner eignen theoretiichen Er= fenntni den übrig bleibenden objectiven TIhatbeftand neu beleuchten, was eben „Umwentung” it. Damit im engjten Zufammenhang jteht das didactijche Erfordernif,, möglichht jolche Beijpiele zu wählen, die dem Lejer befannt find oder die er wentgitens ohne allzu große Mühe aus leicht zugänglichen und daher befannten Büchern nachlefen fann. So wie der Uniwerfitätslehrer aus pädogogiichen Gründen feinen Zuhörern nicht unerreichbare oder Jolche Duellen nennen wird, von denen er vorausjegen fan, daß fie der größte Ihetl feiner Zuhörer niemals benußen wird, jo muß ich auch der Dar- jteller einer Theorie bewußt jein, daß er die Duellen nicht für fich, jondern für die Leer namhaft macht. Dieje Duellen dienen bei der Darftellung nicht zur Beftätigung der eigenen Memung des Schriftitellers, jondern zur Widerlegung der frenwen Meinung, da ja der Beweis der Nichtigkeit einer Theorie gar nicht aus den benußten Quellen, jondern durd den Zus jammenhang der Erjcheinungen geführt wird. Cs fan aljo den Vor- führer jeiner Iheorie nie der Vorwurf treffen, daß jeine Duellen nicht aut gewählt jeien; denn es find eben Duellen für die Darftellung, nicht Durellen für das Depouillement. Die Duellen für die ftatifttiche Auf- bereitung der Materialien haben für den Gonjumenten abjolut fein Inter- ejje und find technifch jchon deshalb nicht vorzuführen, wetl fie, wegen der vorgenommenen Entfleidung ihrer Subjectivität, in nichts als in lauter Merkmalen beftehen. Denn wollte man den ganzen ftatiftifchen Proceß vorführen, dann mühte man folgerichtig auch die vielen, vielen Irrfahrten mit zur Darftellung bringen, die man auf dem mühjamen Wege der Forichung gewandelt tft. 3 ift ja überdies gerade der Zwed der Theorie, dem Leer die vielen mihlungenen VBerjuche, die bei der Aufjuchung ver Hypothejen nethwendig im Gefolge waren, zu erjparen umd ihn auf eirem fürzeren Wege zur Erfenntnig zu führen, als dev Weg war, der durch die Aufbereitung des Materials zur Srfenmtnig hinführte. 40 Sriter Abjchnitt. Die Iheorie will abfürzen, und ihr hauptiächlicher Zwed beiteht darin, die Xejer zu befähigen, die große Mannigfaltigfeit der Ihatjachen aus einem einheitlichen Gefichtspunfte überjehen zu fünnen; fie joll der zufünftigen Forihung von Ginzelerichemungen ein Licht jein, das jelbit- verjtändlich immer wieder überftrahlt wird, wenn fich ein anderer Zu- jammenhang von Ihatjachen einfindet, der eine hellere Beleuchtung erfordert. Handelt es jich um die Darftellung einer urgeihichtlichen Theorie und bezieht ich Ddiejelbe nicht nur auf leblofe Dinge, wie beijptelsweife auf Funde in Wohnungen und Gräbern, jondern auf Handlungen und Bethätigungen der Menjchen, wie fie in Sitten und Gebräuchen zur Gr- icheinung fommen, jo würde die Darjtellung als unvollfommene zu be trachten jein, wenn fie von emer Ppiychologiichen Begründung des Ihat- jachenzujammenhangs Abjtand nehmen wollte Gin Bild der menjchlichen Urzeit winde jchon an fich ohne eine gleichzeitige Meconftruction Der menjchlichen Urjeele leblos fein. Aber bet gleichzeitiger Vorführung eines Sntwiclungsprocefjes würde dasjenige Subjtrat fehlen, welches bei der Mittheilung einer urgejchichtlichen Iheorie allein im Stande tft, den Standpunkt des Darjtellers mit demjenigen des Lelers zu vermitteln. Ins jofern it Die Biychologie gleicham der neutrale Boden, auf dem fie jic) verjtändigen fünnen und das geeignetjte Mittel, ermen gemeinjchaftlichen Ausgangspunft Für Die gemeinjame Wanderung zu fen. Won der Wahl eines richtigen Ausgangspunftes hängt in erjter Linie die Ver- tändigung zwifchen Darjteller und Xejer ab. Steht ja dach der Xejer dem ganzen Aufbereitungsprocejje, durch) welchen der Inhalt der Iheorie gefunden wurde, für alle Jeiten fremd gegemüber, weil es, wie eben bemerkt, technifch gar nicht möglich it, vor jeinen Mugen jene Brocedur mit allen ihren Irwuwegen und Müdgängen, die bei der Mufbereitung umvermeidlic) waren, nochmals zu wiederholen. Der Darfteller einer Iheorie fan immer nur, wie der Werfertiger eines Nunftproductes, das fertige Erzeugnig vorführen. Niemals fällt bei iyjtematijchen Irbeiten der Proceg der Aufbereitung der Materialen mit dem Procei der Darjtellung zufammen. Vielmehr gilt von jeder jyftemattjchen Arbeit, was Volkmann!) von Syitem der Biychologie jagt: „Denkt man jich das Wroblem durch) die. methodiiche Bearbeitung der Prtieipten gelöft, jo tritt als neue Aufgabe die Frage nach der Form der Darftellumg des gewonnenen Gehaltes hervor. Die Bunfte, von denen die Dar- jtellung ausgeht, fallen in der Megel nicht mit den Punkten zujammen, von denen dire Auffindung des Darzuftellenden aus gegangen tft." !) Lehrbuch der Piychologte, 4. Aufl. (Cornelius) Göthen 1894, T. ©. 14 ff. Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 41 Deshalb habe ich auch chen in meiner Schrift über „Horde und Familie in ihrer urgefchichtlichen Sntwidelung” an der Stelle (S. 5 und 6), wo ich. nach dem Hinweis auf die Methode meiner Aufbereitung zur Darjtellung der Theorie übergehe, wo ich das „Ich“ mit dem „Wir“ vertaufche, zur Kennzeichnung, daß ich mit Dem Lejer fortan mich verbinde, und mich nach einem bejtinmten, zum gegenfeitigen Verftändni geeigneten Ausgangspunfte umjehe, hervorgehoben: „Die Ihatjachen der Seele find Iedem unmittelbar zugänglich und begleiten uns zu aller Zeit und durd) alle Verhältnifje, weshalb denn auch Jeder zu einem Untheil über Seelen- thatjachen bis zu einem gewifjen Grade befähigt tft." 68 Itegt in der Natur der Sache, dab, wenn der Dariteller das Leben der Seele zum Ausgangs und Vermittelungspunfte für die Ver- tändigung zwijchen fich und dem YLejer machen will, ev alsdanın mur die- jenige Betrachtungsweife der Piychologie wählen fann, die jedem wirklich unmittelbar zugänglich it. Das find aber einzig und allein die Selbitbe- obachtungen an uns und unjerer menjchlichen Umgebung, nicht aber die „Neifeberichte” über einzelne intellectuelle Auferungen primitiver Menjchen, die wohl der Darjteller heranziehen fann, aber nicht zugleich auch der Lejer. Wenn die piychologijchen Grörterungen bei der Darjtellung der urgejchichtlichen Iheorie in alleverjter Linie den Zwed verfolgen, den Ur- anfang des mienjchheitlichen Yebens zu bejtimmen und dejjen Entwidelungs- jtadien zu bewerjen, jo fan aljo jelbitveritändlich nur derjenige Iheil der Viychologie in Betracht gezogen werden, welcher fich auf die Entjtehung und Entwidelungder Vorstellungen bezieht. Esijt eitel Phrase, wenn ich bei einem jog. Gthnologen lefe, man mühe die Seele des Urmenjchen aus den foctalen Inftitutionen, Nechtsordnungen, Neligionsjagungen u. ]. w. veconftruiren, nicht aber aus der jog. empirischen Viychologie. Hat ich diejer Herr, der jolches ausjpricht, wirflich Elav gemacht, ob dies möglich tt? Die Imftitutionen fünnen uns bejtenfalls ausjagen, day jte bejtanden haben, aber über das Wann threr Entjtehung und Aufeinanderfolge fünıten fie uns feine Ausfunft geben, wenn wir nicht die Materialien auf ihre SGrumd- und Nebenmerfmale einer ftatiftiichen Unterfuchung unterziehen. Doc) auch daraus erjehen wir mır die Aufeinanderfolge der Injtitute, aber nicht die Sntwidelung des Seelenlebens und die Aufeinanderfolge der Vor- jtellungen. Dieje beiden Erforderniffe müljen vielmehr bei der Darjtellung verbunden werden. Was die piychologiiche Begründung mm ihrer Jeitfolge betrifft, jo fan dies nur durch die ISndividnalpfychologte geboten werden, welche allein, wie Wundt!) richtig bemerkt, „über die Entwidelung des indivt- duellen Bewuptjeins Nechenjchaft giebt." 1) Wundt, Logik II: 2, ©. 232. "42 Sriter Abjchnitt. Man fan es nur als Phraje bezeichnen, bei der jich jener Kthnolog nichts denft und nichts denfen fanıı, wenn er an Stelle der Imdividual- piychologie für die Mrgejchichte jchlechthin die Völferpiychologie verlangt. Dieje Find zwei verjchtedene Seiten einer einzigen Wifjenjchaft, was übrigens ichon von den DBegründern der Völferpfychologte als NWilfenjchaft ausge- jprochen worden it!): nach Yazarus behandelt die lettere mur Probleme, welche nicht jowohl VBerhältniffe im Meenjchen als zwiichen den Menjchen zum Gegenftande haben. Nenn ich alfo in der Daritellung meiner Theorie, jet es um zu bejahen, jet es zu verneinen, day der Mtenjch befähigt ge- wejen wäre, etwas zu ee zu empfinden oder zu wollen, piychologijche Srörterungen der Darjtellung eimverleibe, jo kann ich dazu mur die Er- fahrungsthatjachen des individuellen Bewußtjeins wählen. Im diejer Hinficht jagt Wundt ebenfalls ganz richtig: „Da es ein geijtiges Sefammtleben aufer des individuellen Bewuptjeins nicht giebt, jo it von vornherein ausgejchlofjen, dag in der Völferpiychologie allgemeine Gejeße des geijtigen Lebens zum Worjchein kommen, die nicht in den Gejeßen des mpividnellen Bewußtjeins vollftändig enthalten find.“ Aus den bes jagten Gründen werde ich auch im diefer vorliegenden Theorie, welche nur als ein zweiter Theil meiner Gejammttheorte zu betrachten it, der Darjtellung piychologiiche Grörterungen beifügen. (85 ijt ferner jelbjtverjtändlich, daß der Statiftifer, weil jedes Ding be- nannt werden muß, in jeiner Darjtellung auch diejenige Wortbezeichnung beifügt, die jich ihm bei der Feititellung des jedesmaligen Ihatbeitandes aufdrängt; und jofern er Gntwidelungsreihen vorzuführen hat, gehört es ebenfalls zu den Obliegenheiten des Darjtellers, auf die Modiftcattonen hin= zumweifen, denen die Bedeutung der Wörter unterliegt, wenn fich der Sad)- verhalt ändert. Schon oben (E.24) habe ich darauf aufmerffam gemacht, daß e8 unumgänglich jet, für irgend eine Sache, die in ihrem Grundmerfmal er- fannt wurde, eine jolche Wortbezeichnung zu wählen, welche dem Grund merfmal wirklich entjpricht, weshalb ich z. B. für die ältejte Neihen- lagerung die Bezeichnung orda empfohlen habe. Und zwar nicht ohne Begründung. Die Wurzel ord- bezeichnet in einer Anzahl von Sprachen thatjächlich „Neihe*. Da aber die Neihenlagerung, welche die Menjchheit bis auf Ddiefen Tag noch immer beobachtet, durch Berührung mit Gegen- jägen in ihrem Nejen modiftcirt worden ift und fich für dDiefe Mopdificattonen Iprachliche Unterjcheidungen nothwendig machen, jo bedürfen wir eben "für die Urzeit eines allgemeinen Wortes, welches alle Kategorien umfaßt, und ich) wühte in diefer Beziehung feinen paljenderen Ausdrud, der den Sad)- berhalt mehr entjpricht als der gewählte, zumal in der jog. mongolijchen ) Yazarus und Steinthal, Zeitjchr. für VBölferpiychologie I, ©. 1 ff. neral. mit XVII, ©. 333 ff. Behandlung urgejchichtlicher Probleme, 43 Horde der Yusdrud ordu für die beiden Hauptarten des Neihenlagers, welche den Hauptgegenjtand des vorliegenden MWerfes” bilden werden, in Gebrauch gewejen ift. Sowohl, das mitwandernde zweijeitige Neihenlager als auch das Nundlager wurden bet ihr ordu genannt. Das Wort dient zur Bezeichnung der Sache und die Sache ift früher als der für die Sache gewählte Ausdrud. Allerdings fann ein Wort, das als Laut Schon beiteht, ehe die Sache befannt tft, vorhanden gewejen fein, um jpäter dev Sache zugelegt zu werden. Aber auch im (eßteren Falle ift, wenn man das hierbet allein in Betracht kommende Ver- hältnif zwijchen der Sache und ihrer Wortbezeichnung ins Auge faht, jene früher vorhanden als diefe. Wenn ich das Instrument aus Stahl, welches mir gegenwärtig zum Schreiben dient, mit „Feder“ bezeichne, jo it allerdings der Ausdruck Feder früher vorhanden gewejen, als das jtählerne Schreib- werfzeng; aber man würde das leßtere nicht jo benannt haben, wenn nicht die Ihatjache bereits erfannt worden wäre, day jenes beim Schreiben diejelben Dienjte leitete, welche früher die zugeipißte Seder eines Vogels be- jorgte. Immer tft aljo die Sache in ihrem Berhältnig zu ihrer DBe- zeichnung das VBorangehende. Wenn der Statiftifer Ihatfachen aus ihren Merkmalen feititellt und, um die Ihatjachen in ihrem tmmeren Zufammenhange zur Darjtellung zu bringen, mothwendig nach einer Bezeichnung juchen muß, jo wird fein Bejonnener verlangen, daß er zur diefem Behufe fich jelbjtändig Kante zufammenjeßt und beijpielswetje irgend eine Sache kika, eine andere laulu nennt. Man würde ihn in jolchem Falle höchitens für einen Narren halten. Vielmehr wird er ein in articulirten Sprachen bereits vorhandenes Wort dazu wählen und zwar ein jolches, welches dem gefundenen Sad)- verhalt bereits entjpricht. Will einer meiner Leer, bejonders ein Lingutft, mir in der Wahl diejes Auspruds nicht zuftimmen, jo it ihm dies nicht vermehrt, zumal wenn er den Bewets liefert, da der Ausdrud unvrichtig gewählt ift, weil er den Sachverhalt nicht genügend fennzeichnet. Im diefer Hinficht muß der Statiftifer dem Sprachforjcher den Vorzug ein- räumen, und jener wird diefem nur dankbar dafür jein. Der Statiftifer hat ja an feinem Sachverhalt nichts zu ändern, wenn er ein anderes ort zur Bezeichnung dejjelben einjegt. Ob ich z. B. für das ältejte Neihen- lager orda (Horde) oder „Gereihte” jage, it für den Ihatbejtand an jic) nebenfächlich. Mir it jehr wohl befannt, daß einige Linguiften in Bezug auf die Stymologie auf dem geradezu entgegengejeßten Standpunft ftehen, wie ich. Während ich in meiner Gigenfchaft als Statiftifer zu alleverft aus dem Zufammenhange der Grichermurgen in Völferleben das Ihatfächliche Fe it- zuftellen mich bemühe und erft dam, wer ich dieje Mrbeit vollendet habe, 44 GSriter Abjchnitt. nach den Bezeichmungen juche, welche in dem mir befannt gewordenen Wölferleben möglicher Were dafür gebraucht worden find, verjuchen Linauiten und jog. Sprachvergleicher umgefehrt aus blogen Wörtern ein Bild der Urzeit zu reconftruiren. So jagt beijpielsweile D. Schrader?): „ie der Archäologe mit Hade und Spaten in die Tiefe hinabjteigt, um in Knochen, Splittern, Steinen die Spuren der Vergangenheit zu ent- hüllen, jo hat der Sprachforjcher den Verjuch gemacht, aus den Trümmern der Wörter, welche aus ungemefjener Zeiten Ferne an das Gejtade der Überlieferung gerettet worden find, das Bild der Urzeit wieder herzuftellen. (58 giebt mit einem Worte eine Iimgquiftiiche Paläontologie.“ Mag der moderne Sprachforjcher von jenem Standpunfte aus pro- tejtiven, dag der GStatijtifer vorerft aus den Maffenerjcheinungen des ölferlebens fie ein Bild der Urzeit veconftruit und evt dann, wen er das Bild gewonnen bat, fich nach Wörtern umfteht, die geeignet find, die einzelnen Striche des Bildes zu bemenmen — der Statiltifer wird von jeinem Standpunkte aus e3 nicht zu billigen vermögen, wenn der Sprach- forjcher „aus den Trümmern der Wörter” einen Sachverhalt zu gewinnen Itrebt, weil der Statiftifer der Überzeugung [eben muß, daß die Sache vor ihrer Benennung bejtanden hat und das Wort feine Bedeutung mur im yujammenbang einer einen Sacyverhalt jcehildernden Mede erhält. Der Statijtifer wide jeine Wilfenjchaft vollitändig mifverjtehen, wenn er der modernen Sprachforichung tm ihren Beltrebungen folgen wollte, welche aus der bloßen Dergleihung von Wörtern und Wortwurzeln ihre DBe- deutung ableiten will, -— übrigens Bejtrebungen, die die jtreng wiljen- ichaftliche Philologie immer verurtheilt hat, welche ebenjo wie der Stattjtifer der Meinung lebt, daß „nur an der Hand eimes zujammenhängenden Stücdes menjchlicher Mede man in den Gang und Geift und im ven inneren umd äugeren Bau einer Sprache erndringen fünne” (delung). Der philologifche Standpunkt jceheint mir der „Linguiftiichen Palä- ontologie” gegenüber der richtigere zu jet. An dem blogen Worte fan man nichts erfemmen, weil em bloßes Wort gar feine bejtimmte Vorjtellung erweden fann. Das Wort „Zug” fan z.B. im mir alle möglichen Vor- jtellungen erzeugen; was diefes Wort aber jewetltg bedeutet, Fan mur der Sachverhalt ergeben, wie er durch „ein zujammenhängendes Stüd menichlicher Nede* mir übermittelt wird. Nenn ich Semandem erzähle, day ic ein geichwollenes Geficht habe, weil ich geitern zwei Stunden im Zuge gejeffen habe, jo weiß jener, day ich bewegte LYuft meine; wenn ich ihm aber mittherle, da ich mich bereits zwei Stunden im Zuge be= )D.Schrader, Sprachvergleichung und Urgejchichte. Yinguijtiich-hiftorijche Beiträge zur Erforfchung des Indogermanijchen Altertypums. 2. Aufl. Sena 1890 Borwort. ©. V. Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 45 fand, als derjelbe entgleijte, jo entnimmt jener, daß ich vom Gifenbahn- wagen jpreche; berichte ich ihm, daß ich zwei Stunden im Zuge marjchirte und dabet die Fahne trug, jo erräth er, daß ich weder den Luftdruc, noch den Waggon, jondern eine Procefjton ins Huge falle. Sage ich ihm endlich, dag wir auf einen Zug emen Jentner Fiiche fingen, da Mildtl yätigfeit ein, Zug, umjeres Monarchen jet, daß ich auf das Wohl der „Linguifttichen Baläontologte” mein Glas auf einen Zug geleert habe, jo wird mich ein Anderer auch in folchen Fällen verftehen, weil eben nur durch eine zufammenhängende Nede in ihm diejelbe Vorftellung eines beitimmten Ihatbejtandes erzeugt werden fan, welche ich als der Sprecher in jenem erweden will. Ein Wort fan im Laufe eines Jahrtaufend hundertfache Bedeutungen erlangen und erlangt haben und es hängt ganz vom Zufall ab, wieviel Bedeutungen durch die Schriftiprache den zufünftigen Gejchlechtern iüber- liefert worden find. SHterbei fanın nicht der Satz Gültigkeit haben: Quod non est in actis, non est in mundo, weil uns gar nicht alle Be- deutungen überliefert find. 68 Liegt alfo in der Natur der Sache, da; bet den beiden entgegengejegten Standpunften, welche der Linguiftifche Baläontolog einerjeits und der Statiftifer anderfeits einnehmen, auch die Mejultate der Forfchung wejentlich von einander abweichen müfjen, went es gilt, urzeitliche Zuftände zu reconftruiren. Bekanntlich haben die älteren Korjcher auf dem Gebiete der Linquiftif die Verwandtjchaftsverhältniffe der Sprachen in Mifchungsverhältniffen ge- jucht, welche die betreffenden Wölfer in vorhiftorifchen und hijtortichen „Jeiten durchgemacht hätten. . Man hat diefen Standpunkt jeit langer Zeit wieder verlaffen, troßdem die eracte Naturwifjenjchaft durch den überaus fruchtbaren Begriff der „Entwicdelung”, wonad eine Sache nur durch eine Berührung mit einer andern Sacje ji) verändern fann, den andern Vifjenichaften einen Kingerzeig für die Forichung gegeben hat. So it 08 gefommen, dag die Naturwifjenjchaft mit Hilfe diejes Begriffes zu einer eract vergleichenden Wilfenjchaft geworden tft und überrajchende Mejultate gefunden hat, während die Linguiftif vielfach in Iräumereien verfallen it, indem einige ihrer Vertreter — durchaus nicht alle — au= fingen, im einer Art Halbjchlaf uns Bilder von den Indogermanen zu entrollen, die einjtmals irgendwo in der Welt in ungetrennter Ginheit eriftirt und fich dann im verjchiedene WVölferjchaften getrennt hätten; es habe eine indogermaniiche Sprache gegeben, die im ihrer vorhiftoriichen ‚zeit die gemeinjame Mutter einer ganzen Nethe anderer Sprachen gewejen jet. Wie fich eine folche Lehre von der Trennung eines einheitlichen Bolfes in jeine Theile mit den Begriffe der Entwidelung vereinbaren läßt, hat bisher Niemand unterjucht. Kin Theil der Linguiften geht noch 46 Sriter Abjchnitt. viel weiter: ev Jchildert uns nicht blos die Abzwergungen. der Völker vom alteıı Urvolfe, jondern wei aud) aus angeblich „iprachlichen Ent- lehnumngen“ zu berichten, wie beijptelsweie gewifje Kulturgegenftände von einem Wolfe auf das andere übertragen worden find. Das Verfahren zu einer. jolhen Grfenntnig zu fommen bejteht darin, die in einer Anzahl Sprachen vorhandenen Wörter mit einander zu vergleichen, ihnen irgend eine Bedeutung, in der fie irgendwo angetroffen worden find, gleichjam als etwas dem Worte oder der Wurzel Immanentes, ihnen jtetig DVer- bleibendes, ganz willfürlich beizumejjen. So glaubt man, wie jih D. Schrader (Linquitischhijtorische Forichungen zur Handels- und Waaren- Funde, Vorwort) ausdrücdt, „mit Hilfe der vergleichenden Sprachforichung die vorhiftoriiche Gefittung umnjerer indogermanischen Vorfahren zu er Ichliegen. " Auf Ddiefe Weije entjteht ein Gemifch rgejchichtlich = Iimguiftifcher Speeulationen, die, wenn man genau zufieht, gar nicht auf unterjuchten Ihatjachen, jondern auf einer Fietton aufgebaut find und wobei es voll- jtändig in das willfürliche Belieben des betreffenden Forichers gejtellt if, das Bild der Urzeit nach Bedarf zu jehildern. Diefe vergleichende Sprad)- wifjfenjchaft unterjcheidet fich tm methodologticher Hinficht ganz wejentlid) von der vergleichenden Naturwiljenichaft, die ihren Beweis vein aus dem Ihatjächlichen jelbit liefert, was die vergleichende Sprachwifjenichaft nicht thun fan, da ihr ganzes Gebäude auf einer Stetton beruht. Man mu fich bei jedem Vergleich Flav werden, was man mit ein- ander vergleichen will. So aljo in der Sprachwifjenjchaft, ob man das Ding oder das Wort vergleichen will. Beides darf man nicht mit einander vermengen. Steinthal!) (amd ähnlich Yazarus) jagt einmal ganz richtig: „dem Ungebildeten ift das Wort das Ding; für ihn üt das Ding nichts anderes als das Wort; dem mu im Wort hat er Bes wuhtjein“. Das Wort dient mur zur Bezeichmug des Dinges und jeine Verwendung hängt von der Vorjtellung ab, welche man von dem Dinge hat. Denmach fan ein Ding mit verjchiedenen Wörtern bezeichnet und eim Wort verjchtedenen Dingen beigelegt werden. _ Kann [chen in eim umd derjelben Sprache ein Wort zur Bezeichnung verjchiedener Dinge dienen, jo fan Dafjelbe evt recht im zwei verjchtedenen, äußerlich verwandten Sprachen eine verjchiedene Bedeutung haben. Will man die Wörter mehrerer verwandter Spradjen mit einander vergleichen, jo ijt man ver- prlichtet, da das Wort mur zur Bezeichnung der Sache dient, den jedes- maligen Sachverhalt bei der WVergleichung mit vorzuführen. Denn das ort an fich jagt nichts aus und läßt alle möglichen Borftellungen zu. N) Seitjchrift für Bölkferpfychologie und Sprachwijfenjchaft II. Berlin 1892... ©. ‚100, Behandlung urgejchichtlicher Problente. 47 Gehe ich an einen bergmänniichen Schacht, an welchem fich gleichzeitig ein Jäger, mit feinem Hund ımd ein Bergmanı mit jeinem Bergwerfsfarren befinden, jo wird, wer ich nad) dem Preife des Hundes frage, der Berg: mann an jeinen Karren (den Hunt, auch Hund gejchrieben), der Jäger an jein Ihrer denfen, weil beide ee gleichlautende Bezeichnung führen un jeder zumächjt in jeinem Borftellungsbereiche lebt. Kann man die Bedeutung eines Wortes nur aus dem zeitwerligen Sachverhalt erkennen, jo fann alfo nicht aus den „Irüimmern der Wörter”, jondern nur aus zus jammenhängenden Thatjachen die Etymologie eines Wortes aefunden werden. Von diejem Gefichtspuntt aus muß entjchteden dagegen Ginz ipruch erhoben werden, daß einige Sprachvergleicher urgejchichtliche Ihat- jachen aus Vergleihung von Wörtern ableiten wollen, wie e8 3. B. durd) D. Schrader gejchieht, der ganz nac) Bedürfutg oder wie es ihm gerade beliebt, einem Worte eine Grundbedentung beilegt und, wenn er das Wort in einer zweiten Sprache wiederfindet, nicht blos ohne Weiteres erklärt, das Wort habe auch im ihr Ddiejelbe Bedeutung, jondern jogar — umd das ift eS, wogegen man protejtiren mu — die Folgerung zieht, day das Ding, welchem das Wort gilt, von dem einen Volf auf das andere über- tragen worden jei. &S wird dem Leer deutlicher werden, wenn te diefe ganz ummwiffenjchaftliche Art, urgejchichtliche Ihatjachen aus blopen „Zrümmern von Wörtern”, darzuitellen, nachdem man ihnen willfilic eine Bedeutung untergejchoben hat, die man für die Grumdbeveutung aus= giebt, an einem Beijptel ausführlich erläutere. D. Schrader jchreibt!): „Ein altes VBerwort des Königs umd Fürsten ift im englijchen hläford (woraus engl. Lord), das heigt hläf-weard, ‚warder of bread‘, ‚Brother‘. Der erite Teil dieferv Zufammenjegung entjpricht etymologifch dem gotifchen hlaifs ‚Brot‘, unferem Xaib, zu dem wir in ein ‚LYaib Brot‘ (vgl. pain [panis] de suere) erjt mißver- Itänpdlich das naar Brot hinzugejeßt haben. Diejes Sort heipt in den flavischen Sprachen chlebüu; da aber nach) den deutjchejlanijchen Xaut- gejegen niemals ein germantjches h jlaviichem ch etymologijch entjprechen fann, jo unterliegt cs feinem ‚Zweifel, dai die jlavijchen Sprachen das germanifche Wort durch Entlehnung übernommen haben, day mithin auch Die wichtige Kunft des Brotbadens erjt in jpäterer Jeit domdem Weiten nach dem Dften vorgedrungen tit“. . Hier jucht alfjo D. Schrader auf Grumd einer ganz willfürlichen GStymologie eines Wortes eine urgejchichtliche Ihatjache feitzuftellen, während doc) umgekehrt erjt die Thatjache feitgeitellt werden müßte, da das Brot- baden von Welten nach Djten. vorgedrungen tft. . Seine Folgerung beruht )D. Schrader, Die ältejte Zeiteinthetlung des indogermanijchen Volkes. Sn Birhow’ und Holgendorff’S Sammlung pp. XII. Ser. Heft 296 ©. 5 48 Sriter Abjchnitt. nur auf der Fichten, da die jlavifchen Sprachen das Wort chlebu won den Germanen überfommen haben. Aber was uns hier hauptjächlich inter- effirt, it, dal dem Worte „Latb” ganz willfürlich die Bedeutung „Brot“ aleichjam als eine ihm von Urzeiten an immanente Gigenjchaft zuge: ichrieben wird, eine Bedeutung, die Schrader gar nicht aus dem Gadj- verhalt gewonnen, jondern ganz willfirlich ihm beilegt, nur weil er aus dem Lerifon weiß, dag der Slave aud fein aus Getreide hergejtelltes Rrot jettt mit jenem Worte bezeichnet. Da der Statiftifer den umgekehrten Weg wie D. Schrader em- ichlägt und aus dem Sachverhalt etymologifirt, jo fommt er felbjtwer- ftändlich zu andern Nefultaten in der Urgejchtchte, im vorliegenden Falle auch zu der Bedeutung der oben angeführten Aörter. Aber deshalb legt noc) nicht das Michtige auf feiner Seite, auch wenn er jpg. (inguiftifcher Valäontolog it. „Die Kıumft des Brotbadens“ it uns genau überliefert. Dafjelbe wurde urjprünglich in „Sormen“ gekocht bezw. (jpäter) gebaden. Auch über diefe „Form“ find wir nicht unaufgeklärt geblieben. 68 war ein thönernes oder ehernes Gefäh mit breitem Boden, das unten mehrere Yöcher hatte, um das Feuer hineimdringen zu laffen; nad) oben zu 'war es enger. Das Gefäß wurde über dem Feuer hin und hergedreht und auf diefe Werje der darin befindliche Ierq gebaden, der mit der Form jelbjt hei; aufgetragen wurde. Cine jolche Form hieß 3. DB. bei den Nömern clib-anus, bei den Griechen aAtB-avos. Das Wort Lab, lat. libum, angelj. hlaf, engl. loaf, mlat. leibo, jcdjwed. lef, finl. leipa, lappl. leabe, böhm. chleba, poln. ehleb, wen». chlieb, Klib, froat. hlib, rufl. chleb pp. hat die Bedentung emes „geformten“ Getreie-Brotes angenommen, obwohl es urjprünglich mur die Beventung von „&Korm! und zwar einer nach oben jehmäler zulaufenden Korn, etwa im der Öe- ftalt eines Zeltes, vejlen Spite wegen des Nauchfanges fehlt, hatte. Much) unter Zaib verftand man urjprünglih nur die Form, weshalb es 7. D. noch bei PBictorius heift: „man muß dem Dinge emen rechten Latb geben“, d. h. eine rechte Form geben. Bekanntlich hat eine ganze Anzahl von Gebäden ihre Bezeichnung von der Form, nicht aber von ihrem Inhalt erhalten, ‘3. B. Kuchen, Kringel (Gringel), Torte, Brezel, Bäbe, Stolle und dergl. Der Inhalt, d. i. der Teig war dabei ein unmwejentliches Merkmal; er konnte aus Ge- treide oder aus anderem Material beftehen. Willen wir dody 5. BD. vom römijchen Zaib, dem lib—um, daß diefes aus geriebenem Käje, Weizenmehl, (Stern und DI bereitet wurde, wenn man die Götter damit „labte”, >». h. foften ließ.!) Die Annahme Schrader’s, dah ein Laib Brot eine Tauto- 1) Ich bemerfe für diefen und andere Fälle, daß mir die entgegengejeßten Stymologien der Sprachvergleicher jchr wohl befannt find, da ich jelbtver- Behandlung urgejchichtlicher Probleme. 49 fogie jet, ift jelbjt für die heutige Zeit noch irrig, da ich mich genau er- innere, recht oft vom Gaftwirth befragt worden zu jein, wenn ich mir Butter und Brot bejtellte, ob ich ein Stüd (eines größeren Brotes) oder ein (für fich geformtes) Katbchen Brot haben wolle. Laib bedeutet die Form, in der das Brot gebaden wurde, und jo lange als man den Teig noc) in der Form aß und man das Sineten des veinen Sruchtterges noch nicht verftand, um das Gebädf ohne Form aufzutragen, hatte Yaib die Be- deutung eines Gefäges. Will man aljo jtatiftiich Fejtitellen, ob die Slaven von den Germanen das Brotbaden gelernt haben, was Schrader leicht- fertig behauptet, jo Fan dies nicht aus einem blogen Worte gefolgert werden, jondern es ift zuwor feitzuftellen, im welcher eife bei beiden Wölfern das Brot gebaden wurde. Wir haben übrigens eine ganz analoge Sriheinung an dem Worte „Pfanne” (mol. und engl. pan), was ebenfalls die Bedeutung von Brot (panis) erhält. Man it nicht die Pfanne, jondern nur den Teig, der darin gebaden wird, obwohl man jagt, „Pfanne“, häufiger „fännchen effen“. Werjemals einem Sommers Dorpater Gorporationsitudenten beigewohnt hat, der denft mit Vergnügen aud an den warmen lederen Zeig, der ıhmı unter der deminutiven Bezeichnung „Pännchen” präjentirt worden tft. Das „Pfännchen efjen“ fehlt hier bei feinem Gommers. Sobald man diejen Teig jchärfer bäct, Fann man ihn auch ohne Pfanne auftragen; aber auc dann heit er „Pfännchen“. Ber den Nömern hat nicht blos das gebadene Brot, fjondern jogar eine Getreideart (Panicum italicum d. i. wäljcher Fench) hierher jeinen Namen erhalten. Da aud) panis jtändlich — was ja feine große Mühe verurfacht — die Yerica zur Hand ge- nommen und mir außerdem bei Specialiften vielfach Nath geholt Habe. CS würde aber meiner Unterjuchung nicht entjprechen und den Umfang meines Buches zu jehr anjchwellen lafjen, wollte ich die entgegengejeßten etymo- logijchen Anfichten meiner Darftellung miteinverleiben. Mein Buch joll für die- jenigen Sprachgelehrten, die wifjenjchaftlich arbeiten und denfen, nur anvegend wirfen. Für das vorliegende Wort „laben“ möchte ich bemerfen, day fich dafjelbe mit dent Latein lavare \wajchen) jachlich nicht in Verbindung bringen läßt, wohl aber mit libo, it welchen das „ein wenig von einer Sache weg: nehmen” liegt. Man muß fich nämlich den wrjprünglichen Sachverhalt des „aib”-(clib-Äib-), bezw. „Bfannen“-Efjens vergegenmwärtigen: man figt um die Pfanne herum und foftet gemeinjchaftlich in ‚Häppchen‘; libare ift jtüc- weie aus dem libum nehmen. ben deshalb erlangt es die Bedeutung opfern. Die Libation, die man den Göttern bringt, ift immer nur ein „Kojte- häppchen”, das die Götter nicht jättigen, jondern nur erquiden und erfreuen joll. Man goB einem Gotte etwas vom Teige aus der Pfanne heraus, weshalb, eben libo auch die Bedeutung hingiegen erhalten hat. Dur) das häppchenweije Herausnehmen aus der Pfanne wird der Inhalt vermindert, weshalb bekanntlich libo jogar die Bedeutung von „vermindern“ annimmt. Mucde, Urgeichichte. 4 50 (Sriter Abjchnitt. einen Namen von der Form und nicht vom Inhalt hat, fann man aus Zufammenjegungen wie panes aerei und dergl. erfennen. Doc) kehren wir zu dem Worte „Yatb“ zurüd, dejjen Grundbedeutung nicht Brot, jondern die den Teig aufnchmende, bezw. zugleich gejtaltende Form it. Da auch dem laternijchen Worte clib- dieje Grumdbedentung zuftand, lehrt das Wort clib-anarius, das man richtig mit Kürafjir überjeßt, weil diejer Kriegsmann einen Kürak um jeinen Dberförper in der Geftalt einer unten breiter, nad oben jchmäler zulaufende Niftung trug, welche eben clib- hieß. Wir fünnten jagen: einen „Yatb“. Bezeichnen wir ja noch heute diefe Korn mit Xatb und jprechen von „Laib an einem Hemd“, von Schnürlatb und vergl. Das Wort clib-anarius (Man mit dem Küraf) entjpricht zugleich dem „Latb’gardiit, worunter man einen bepanzerten Krieger verjtand. Und genau dafjelbe drüdt hläford (Lord) aus: er ift nicht „Brotherr”, jowenig es der rönjche celibanarius war, jondern der mit einem Yaib DBepanzerte. Db aber Yord überhaupt aus hläf-ord oder nicht vielmehr aus Law-ward abzuleiten ift, will ich, weil Etymologifiren ohne nähere Darlegung eines zufammenhängenden Sachverhaltes werthlos tt, hier umunterfucht lafjen. ) \ Srjt wenn der Urfprung und Entwidelumgsgang eines Wortes wegen der verämderten Sachlage in VBergefjenheit geräth und wenn insbejondere die Schriftiprache neben die Lautjprache tritt und fich verichtedene Schreib- weijen (latein. clib und lib, deutjc Latb und Leib) je nach der Brauch- barkeit einer Unterjcheidung nöthig erweijen, tritt das Deuten der Wörter ein und wird oft „bis ins Ajchgrane” fortgejegt. das joll ein „warder of bread“, em „Brotherr” für eimen Simm abgeben? Soll man id) darunter einen Mann denken, der jenen König ernährt? oder einen Herrn, der von Diefem ernährt wird? oder einen Wächter über jet eigenes oder jeines Königs Brot? oder ift er jelbjt dev Grmährer unter ihm jtehender Leute? Dieje und ähnliche auftauchende Fragen müfjen willfürlid) over fünnen nicht beantwortet werden, wenn man Jich nicht an die Entwidelung des Sachverhaltes macht, wie er einzig und allein durd eine jyitematijche Beobachtung der reinen Ihatlachenmerfmale erkannt werden fa. An dem angeführten Beijpiel möge der Lejer die beiden entgegen- gejetten Methoden, um zur Bedeutung der Wörter zu gelangen, erfemen. Ich meinerjeits muß für em jolches Etymologifiren, wie es der Linquiftijche ) &5 würde nich zu weit führen, wollte ich an diejer Stelle und in diejem a. die weitere Entiwicfeliug der Yeibgarde und deren Entjtehung hier vorführen, weil eben je nad) den Umjtänden (Dingen), welche die Entwidelung herbeiführen, eine große Verjchiedenheit obwaltet. Werändert jich eine Sache, jo wird auch die Borjtellung von derjelben modifteirt, troßdent das ihr zufonmende ort dajjelbe bleibt und alsdann tritt das Deuten des Wortes ein. Behandlung urgejchichtlicher Broblente, 51 PBaläontolog Dscar Schrader betreibt, der aus den Wörtern ihre Be- deutung erforschen will, ohne zuvor aus den Merkmalen den Thatbefitand fejtgeftellt zu haben, welchem. das ort feine Bedeutung verdanft, und wobet in der Megel garnichts herausfommen!) fanır, wenn man nicht etwas rein Subjectives hineinlegt, ald Statiftifer ganz entjchieden danken, und noch weit mehr muß ich Die urgejchichtlichen Solgerungen, die Schrader aus „den Trümmern der Wörter” herausgräbt, um ‚das Bild der Urzeit wieder herzuftellen“, von vornherein abweifen. Unjere beider- jeitigen MNejultate werden niemals übereimfjtimmend jein. Das jteht von vornherein fejt, weil wir die Probleme der Urgejchichte ganz anders for- muliven und infolge defjen einen geradezu entgegengejeßten Weg der Sorichung einjchlagen. Wer von uns beiden den richtigen Weg geht, Fann nur ein Dritter entjcheiven, der umfere beiderfeitigen Foprjchungsrejultate sine ira et studio jo mit einander vergleicht, daß er vor Allem berüd- fichtigt, bei welchen von uns Beiden der Ihatjachenzujammenhang jchärfer bewiejen tt. Was den, urzeitlihe VBerhältuijje veconftruivenden, Statiftifer von dem ebenfalls Urgejchichte behandelnden Linguijtijchen Palüontologen unter jcheidet, it aljo in erjter Linie ihre Stellung, die fie dem. rein TIhatjäch- lichen gegenüber einnehmen. Iener arbeitet mit einer Hypothefe, die er aus den Merfmalen der Ericheinung gewimmt, diefev dagegen bedient jic) einer Stetion. So nenne ic) 5. D. das jog. ISmdogermanenthum eine Fiction, weil bisher noch Itiemmand erwiejen hat, wo dafjelbe gewohnt, welches Die, Urjachen waren, die die Trennung in Völker veranlaften, ja weil Iiemand bisher den Beweis geführt hat, daß es eim jolches Urvolf gegeben hat, von welchem andere Bölfer angeblich abftammen. Dhne dieje Fiction würde die ganze Sprachvergleichung den Boden unter den Füßen verlieren. Das )) Ich verjtehe Fam, für wen eigentlich O. Schrader unter dem Titel „Handelsgejchichte und Waarenfunde” jene „Lingquiftiich-Hijtorischen Forjchungen“ gejchrieben hat. Gtwa für den Nattionalöfonomen? Gr will „Baujfteine zu einer Kulturgejchiehte der indogermanijchen Völker auf Iimguiftiicher Grundlage aujammentragen“ und bietet nicht als Zujammenjtellungen von Wörtern, Denen ev ganz willfürlich ohne Ergründung des Sachverhaltes eine Bedeutung giebt. Was für einen Gewinn zieht beifpielsweile die Kulturgejchichte Daraus, went Echrader in dem angeführten Buche (Z. 148), wo er „Maß und Gewicht“ be- handelt, bei dem Worte oradtov in VBerwandtjchaft mit spatium zu dem Nejul- tate fommt, „daß der griechijche Ausdruck joviel wie „Ausgedehntes“ bezeich- nen würde?“ Sit man nicht jo Elug wie zuvor? Kommt bet diefjem Gtymolo- jiren, nur irgend etwas Greifbares für die meijchliche Srfenntnig heraus außer daß ein Buch entjteht, welches höchitens zu neuen derartigen Stymologten führt, wobei ebenfalls nichts herausfonmt. Man verjuche beijpielsweiie die Stelle des Taeitus, Germ. 26. nıitt Echrader’s Gtymologie zu interpretiven, Darüber weiter unten im dritten Abjchnitt. 4* 52 Sriter Abjchnitt. fühlt die vergleichende Sprachforihung augenjcheinlih wohl jelbit. Sollte e8 mir in dem vorliegenden NBerfe gelingen, nachzuweiien, wer die „Arier” gewejen find und wer das in den indischen Veden gejchilderte Wolf war und woraus Jich die Verwandtichaft der ,‚ISmdogermanen' ge= nannten Wölfer erklärt, jo dürfte die Fiction des ungetrennten Sndo- germanenthums hinfällig werden. Der ehrliche Forjcher, dem die Wahrheit höher jteht als jeine eigene Memung, dürfte fich darüber freuen, wogegen Derjenige, der jelbjt vor Entjtellungen der Forichungsmethode Anderer nicht zurücjchredt, einem jolchen Ergebnig betrübt entgegenjehen wird. er ehrlichen Sinmes ift, muß eingeftehen, da „aus den Trümmern der Wörter” em „Bild der Urzeit” garnicht herzuftellen it. Was «9 überhaupt ermöglicht, einen äußeren Jujfammenhang der jpäteren Wölfer mit dem Urvolfe der Indogermanen zu gewinnen, it einerjeits jene Stetton und amderjeits die Nulturgefchichte der einzelnen Wölfe. Eine Fiction unterjcheidet fich von einer Hypotheje dadurch, day dieje aus den thatjäd)- lichen Merkmalen der Gricheinungen durch) einen Inductionsproceß an diefen Merkmalen jelbjt eine jolche Wermuthung jchöpft, welche alle Er- jheimmgen erflärt, während die Stetton auf einer nebelhaften Vorjtellung eines wahrjcheinlichen Zufammenhangs gewilfer mehr oder weniger befannter Sricheinungen mit einer unbefannten Erjcheimung beruht. Ber der Vers quicung von Spracpvergleichung mit Urgejchichte, wie jiez.B. D. Schrader treibt, handelt es fich mehr um em Tajchenipielerfunititücdchen: jcheinbar find es Die „Trümmer der Wörter”, welche das Bild der Urzeit liefern, in NWirflichfeitt aber it es die Nulturgejchichte, welche das Bild hervor- zaubert. Aber find demm die Srgebnifje der leßteren als jo Jicherjtehend zu betrachten? Meüffen die fulturgefchichtlichen Erfcheinungen nicht vielmehr jelbit erjt noch im ihrem inneren Zufammenbhange unterjucht werden? Gin fultur- hijtoriichelinguiftiicher VBerjuch, die Urzeit zu ergründen, ift eben ein Umding. (58 kommt jo oft in der Wiffenjchaft vor, daß der Gedanke eines arogen Getjtes jenen Werth dadurch verliert, daß Fleine Geifter ihn miß- verjtehen und ihm eine faljche Anwendung geben, weil fie zu träge find, den angefachten Gedanfen ganz zu durchdenfen und weil fie auf leichte Weije in der Litteratur befannt werden wollen. Much in der Form einer Fiction fan ein Gedanke großartig fein, wie ja überhaupt eine Fiction überall da am Plate ijt, wo ji) eine Hypotheje nicht finden läßt. Ich verfenne durchaus nicht, day die Fiction eines ehemals bejtandenen Indogermanens thums wohl geeignet jein fann, verwandtjchaftliche Beziehungen ‚unter den Sprachen einer jtattlichen Neihe von Völkern nachzuweifen und zu vermittelt; auf das veim Linguiftische bejchränft, hat jene Fiction unzweifelhaft ihren Ierth. Aber diefer Werth wird herabgejeßt, wenn man Spracvergleihung nn Linn Behandlung urgejchichtlicher Broblente, 53 mit Urgejchichte verbindet und jich anjchict, auch ein Bild der Urzeit der Sndogermanen jelbjt herzuftellen unter Zuhülfenahme fulturhiftorticher Fragmente von Völkern, von denen man wähnt, daß fie jich von jenem Urvolfe einit abgezweigt haben. Wer in der Gegenwart noch etwas Neues in der Urzett ergrümden umd der Vtjjenjchaft damit einen Dienjt erweijen will, muß, weil er überhaupt alles Subjective und alle bisherige Er- fenntni abzuftreifen verpflichtet it, auch die mehrfach erwähnte Fietton mitjanmt den willfürlichen Stymologien, die darauf gegründet ind, fallen lafjen, weil fie gar nicht auf erwiefene Ihatjachen jich zurüdführen lafjeı. Grit dann it man berechtigt, von Ihatjachen zu jprechen, wenn man fich in der Lage fühlt, eine Entwiclumngsveihe bis auf ihren Urjprung zurücdzuführen. Sollte e8 der Sprachforichung einit gelingen, „aus den Trümmern der Wörter” „das Bild der Urzeit” der Impdogermanen ung jo vorzuführen, daß jte uns angtebt, wie jo und durch welche Sactoren die WVölfertrenmung Dderjelben bewirkt wurde, tm welcher Michtung Die Völker fich bewegten und durch welche Umftände fie veranlagt wurden, jtd) auf den von den Sprachforjchern bezeichneten Drtspunkten niederzulaffen, dam werden wir die Urzeit der Indogermanen nicht als eine Kietton, jondern als Ihatjache anerkennen. So lange diejer Beweis nicht geltefert ift, wird es den übrigen Forjchern der Urgejchichte nwerwehrt jein, eine neue Theorie aufzuftellen, welche von den Srrungenjchaften der Sprad)- vergleichung feine Notiz nimmt, joweit es ich nicht um vein Ihatjächliches handelt. Was die Sprache TIhatfächliches bietet, fan die Darjtellung einer urgejchichtlichen Iheorie berücfichtigen, ja muß fie berüdjichtigen. Dahn rechne ich Die aus zufammenhängender Nede gewonnenen ortbedentungen. Aus diefem Grumde werde ich auch in diefem Buche es nicht unterlafjen, darauf hinzuweijen, wie die aus dem Zujammenhange der Crjcheinungen fich ergebenden Ihatjachen in der Sprache ihre Stüfze finden. Da ich jedoch nicht jelbjt Sprachforjcher bin, jo fan ich mich nur auf die Nefultate von Sprachforichern ftügen. Imfofern diefe aber unter einander vielfac) umeing jind, fann ich nur Demjenigen von ihnen ven Vorzug geben, dejjen Anficht mit meinen eigenen Nejultaten übereinjtimmt. Überall da, wo ich in jprachlicher Hinficht felbjtftändig vorgegangen bin, was ji bis auf wenige Ginzelheiten nur auf Interpretationen einer zufammenhängenden Nede bezieht, trifft mich allein die Verantwortung, und es wird alsdanı auch hier Aufgabe der Kritik fein, nicht mit einer wohlfetlen Nedensart mich „abzuthun“, jondern mir nachzuweifen, daß mein Ihatfachenzujanmen- hang lücenhaft und faljch it. Nun auf folche Weife fan der Wijjen- ihaft ein Dienft erwiefen werden. Das Kritertum des echten Gelehrten befteht ja darin, im der Wilfenjchaft nicht Herr, jondern Diener zu fein. 54 (Sriter Abjchnitt. Alle Sonderwifjenjchaften find immer einzelne Seiten der Einen einzigen Wiffenjchaft und bejtehen nur als jolche im Interefje der durch Arbeitstheilung zu erlangenden Vertiefung der Emmen Wifjenichaft. Die Frfenntnig, welche jede Ginzehwijjenjchaft erjtrebt, fommt durch die Eine Wijjenjchaft allen übrigen zu Gute. Wenn auch die Statijtif zur Urge- ihichte Stellung nehmen will und wenn ich dazu einen eriten Werjuch mache, jo bin ich mir wohl bewußt, dag ich mich in Einzelheiten vielleicht geirrt haben werde. Aber eine unbefangene Kritif wird mir auch bei der Aufdedung eines bisher noch nicht dargebotenen Zufammenhangs von Gr- jcheinungen des Menjchheitlebens das einräumen, daß ich mittels unge- zählter, Geijft und Körper aufreibender Gombinationen, worüber fajt ein Menjchenalter vergangen tft, einen Erfenntnigjtandpunft zu. gewinnen ver- jucht habe, der für eine Neihe von Wiljenjchaften Anregungen bieten dürfte. Nicht das allein ijt eine Unterfuchung werth, was jte bietet, jondern auc das, was fie anregt. Bann jeromt- Zweiter Abjchnitt. Das menkhheitlihe Wohnreihenlager im Allgemeinen unter dem Gefidispunkte der Entwikelung. ) Wis im die neneite Zeit herem jtehen fich über den menschlichen Urzuftand zwei Lehren gegenüber. Nach der einen beginnt das Menjchheit- (eben mit fleinen familienartigen Gebilden, in denen man eheliche Treue fennt, die in jeliger Unjchuld dahinleben und deren Glieder mit zwar eins fachen, aber richtigen und erhabenen Anfichten von Gott, Wahrheit, Tugend und Mecht ausgerüftet find. Nach der andern dagegen geht die Meenjch- heit aus Nohheit und NWildheit hervor, weil fie nichts der Famtlte Ent- iprechendes befittt und überhaupt in einem ganz ordnumgslofen JZuftande fich befindet, wo man fich wohl begattet, aber nicht in Korm dauernder Verbindungen der entgegengejeßten Gefchlechter. Die Vertreter der erit- erwähnten Lehre führen jenen Zuftand auf eine unmittelbare Offenbarung Gottes zurüd, der ihnen das Licht der Einficht gab, um jener „goldenen Zeit" eines janft bewegten Lebens fich zu erfreuen; die Anderen verwerfen eine jolhe Dffenbarung und behaupten, daf fich der Menjch aus jener Unordnung durch eigenes Streben und mit eigener Kraft herausgearbeitet habe, den Zuftand der Wildheit und Nohheit aljo jelbjt bejeitigend. Da die erftgenannte Lehre wohl erfennt, da; jener Zuftand feliger Unjchuld nirgends befteht, da; man im Gegentheil bei einer Anzahl von Völkern einen mit dem Mafftab unjerer eigenen fittlichen und veligiöjen Ins ihauungen gemefjenen tiefen Stand antrifft, der auch jchon bei den Wor= fahren des heutigen Menjchengefchlechts im grauen Alterthum beobachtet worden tft, jo nimmt diefe Lehre an, daf; durch der Menjchen eigene Schuld und Sünde einft jener Zuftand der Umjchuld verloren gegangen it, und da fie zugleich wohl erfennt, das die Menjchheit vorwärts jchreitet, jo erflärt fie das aus einer abermaligen göttlichen Frbarmung als der Urfache und Bedingung eines allmählichen Kortichrittes. In diefem leßteren Punkte berühren fich alfo beide Lehren, Inden 56 Zweiter Abjchnitt. beide für die gegenwärtig bejtehende Menjchheit ein allmähliches Empor- arbeiten zu immer Höherem annehmen, jene unter der Leitung eines höheren Nejens, Dieje dank ihrer eigenen Kraft. Der Unterjchted beider Lehren beiteht nur darin, daß die eine dem Smporarbeiten einen Zujtand vor= ausgehen läßt, im welchem Mohheitt und Wildheit dem Menfjchen unbe- fannt war, während die zweite Xehre die Wildheit geradezu als eine Bor jtufe der Givilifation betrachtet. Iene jtütst fich daber auf Sagen eines anfänglichen paradiefiichen Jultandes, der nicht blos in der jogen. biblijchen Tradition niedergelegt Üt,; Jondern der Hauptjache nach mehr oder weniger ausgebildet bei einer großen Anzahl weit von einander abgelegener Bölfer als Sage vorgefunden wird; die zweite Lehre bedarf einer. jolchen Stüße nicht. er gewohnt it, an Allem gleichgültig vorüberzugehen und in den Sagen der Völfer nichts anderes erblidt, als ein albernes Gejchwäg und eine Dumme Kinderfabel, die irgend Jemand ausgehedt hat, um Andere zu amüfiven, wie etwa der Jägersmann jein „Latein“ zum beiten giebt, wird ftch auch bet der Sage vom Baradies feine „Hienquälerei“ zu jchulden fommen lafjfen. en dagegen nichts gleichgültig läßt und wer tn dem icheinbar Unbedeutenditen doch ein Glied im großen Ganzen alles Lebenden erblict, der wird, weil im Jufammenhang alles jo tft, wie es tjt, nad) den Factoren juchen, die das, was it, bewirkt haben. Cs dürfte der wijjenichaftlichen Würde nicht entjprechen, wenn wir die Sage vom Paradies als „albernes Vfaffengejchwäg” und die Xehre einer uriprünglichen Dromung der Dinge als „Vhantasma der Vhilojophen aller Zeiten“ betrachten, ohne zugleich den Beweis zu führen, warum es ein „Pfaffengejchwäßg“ oder „ein PBhantasma der Vhilofophen" it. Durch eine bloje Negation wird in der MWiffenjchaft fein Beweis, geführt; denn Diejer fan immer mur aus dem Zufammenhang der Ihatjachen geführt werden. tr müfjen uns jtets daran erinnern, dab; jede Neceptton einer Srjcheinung, jedes Auffafjen eines Ginzelbildes nur ein jubjectiver et ift, durch welchen wir den Zus jammenhang des Anundfürfichjetenden nur für unjere Srfenntnig zerreigen. Der Zufammenhang, wie er in der Ginheit des vielen Anumdfürjichjetenden thatlächlic) gegeben tft, bleibt trotdem in jeiner Objectivität Dejtehen. Das Wejen an der Ginzelerfcheinung it gar nicht Durch einen vein jub- jeetiven Met zu erfenmen, jondern immer nur aus der Iotalität aller Sinzelericheinungen zu gewinnen, weil eben mur in ihr ver Gaujalnerus liegen fan. Meinung gegen Memung hat in der Wiffenjchaft feine Sültigfeit; 5 ailt den Beweis zu führen, der nur durch eine jyftennattjche Sreenntnig zu gewinnen tt. 5 L Die Sage vom „Paradies" und der „natürlichen Drdmung ver Dinge” ijt ein wiffenichaftliches. Problem jo aut als jedes andere, wie ee Das menjchheitliche Wobhnreihenlager tin Allgemeinen 2c. 5 » -— beijpielöwerfe die Dromung und Megelmäßigfeit der Bewegungen der Himmelsförper zu einander. Nur werl die Naturwifjenichaften gegenüber den jog. Sprtalwifjenjchaften, in denen die jubjective Meinung noch immer die Oberhand hat, jet Yangem jtch eracter Methoden bedienen, hat die Ajtronomie ihr Problem, jo wert man überhaupt bei menjchlichem Willen von löjen jprechen farm, bereits befriedigend gelöit. Die meijten Wer- treter der Sociahwiljenjchaften dagegen erfennen faum, daß „die Ordnung der Dinge" im Leben der Menjchheit ein hochwichtiges Broblem von weittragender, auch practtjcher Bedeutung tjt, was übrigens jchon Euripides ahnte, wenn er (in einem Fragment) fagte: „Südlich, wer der Gejchichte wenntnig befitt Und nicht zu der Bürger Unbetl, Veicht zu ungerechten Ihaten jtürmt, Sondern dDurhichauend der unsterblihen Natur Alterloje Drdnung, worin fie beiteht, Yo und wie; Solchen Meenjchen nahet nie Böfer Ihaten Beginn.” 5 it fein Zufall, da die Lehre einer angeblichen Unordnung im Leben der Menjchheit, in ver es nur „Wilde” gab, die anfänglich blos „Gewalt und Lift“ fannten und dann aus eigener Kraft Tich zu Höheren entwidelten, gerade bei Solchen Gingang gefunden hat, die fich berufen fühlen, die „alterlofe Drdnung“ nach fretem Srmefjen und nach emem Ideale ihrer eigenen jubjectiven Srfenntnig umzugeftalten. Waren es „Oe- walt und Lilt“, was jo Großes hevvorbrachte, war es möglich, aus eigener Machtvollfommheit nach einem aus dem eigenen Innern entjprungenen deales feit undenflichen Zeiten das Leben der Menjchheit von Stufe zu Stufe höher zu führen, warum jollte es uns nicht auc gelingen, mit Gewalt und Lilt die unfern Köpfen entiprungenen Btlder einer bejjeren glüdlichen Zeit in der Zukunft zu verwirklichen? Was fümmert ums die Sejchichte? „Die Gejchichte machen wir jelbft und haben die Gejchiehte in unferer eigenen Hand." Gs it fein Zufall, daß die Lehre einer angeblichen Unordnung tm UÜrleben der Menjchheit auch in den Köpfen von Leuten jpuft, denen jeder Begriff von dem fehlt, was eigentlich Gnt- wiefelung bedeutet. Sich jelbjt über die Lehre Anderer erhaben dünkend und nicht beachtend, dal unjere geiftige Entwicelumg immer mr ein Ajlimilationsproce tft, ein bejtändiges Aufnehmen amderer verwandter Gedanken, denfen fie an eine geheimmißvolle Kraft („Gedanfenfeime‘!), die ihnen inne wohnt. und der fie 8 zu danfen haben, dal fie jelbjt es „lo herrlich weit gebracht”. Cs it auch bei diejen Yeuten der Aberglaube 58 Zweiter Abjchnitt. vorhanden, man fünne aus eigener Machtvollfommheit „der Weisheit legten Schluß” ergründen. Gin faljcher Hochmuth erzeugt in ihnen alö- dann den Hat gegen alles ihnen Fremde und Nene in der Wifjenjchaft, weil fie jich jelbjt gar nicht fernen und gar nicht erfennen, da das, was fie für richtig halten und lehren, gar nicht bei ihnen Singang hätte finden fünnen, wenn nicht in ihrem Innern bereits etwas dem Aehnliches vorhanden ge= wejen wäre, dem fie jo willenlos Aufnahme gewährt haben. Es ijt des- halb auch fein Zufall, daß die Lehre einer angeblichen Unordnung tim Urleben der Menjchheit, insbejondere die Lehre von den urzeitlichen ge= ichlechtlichen Grtravaganzen ihren Nährboden überall da gefunden hat, wo eine ähnliche, tm der Gegenwart zu beobachtende gejchlechtliche Grtvavaganz die Phantafte der Beobachter in bejonders hohem Maafe bereits belebte. ir winden es jonjt phychologiich unbegreiflich finden, wie eine Lehre, die im fich nicht widerjpruchsvoller gedacht werden fan, wie fie es im Virflichkeit tft, im gutem Iren und Glauben fich eine Heimftätte hat er- obern fünnen. 68 tft jedem Kenner des Seelenlebens befannt, daß nichts die Phantafte jo erhitt und für das geordnete Nogiiche Denfen jo gefährlid) it, wie et finnliches Hingeben an promiseue Bilder. Halten wir Umfchau in der Litteratur diefer Lehre von der Un- ordnung, jo finden wir in der That, daß ihre Begründer und Haupt- vertreter im logtichen Denken nicht gerade Meifter find und dal die Epi- gonen derjelben nur abergläubiich aufgehoben haben, was ihnen leichtfertig hingeworfen wurde, ohne fich auch nur im Geringiten darüber flar zu werden, ob im den angeblichen Stufen der Entwidelung aus den promiscnen suftänden bis zur Ginzelehe, wie man fie fi) apriort conftruirt hat, aud) wirklich Entwidelumg nachweisbar ift. CS fan doch unmöglich genügen, nac) eigener Villfür dergleichen Sntwidelungsitufen aufzuftellen, ohne zu= gleich die Kactoren anzuführen, welche die Entwidelung hevvorriefen. Da= zu tft ein eractes Grfenntnißverfahren erforderlich, welches aus den Merf- malen der Ericheinungen die Grundmerfmale aufjucht und deren jeweilige unmmejentliche Merkmale in abgejtufter Neihenfolge zu jenen in Melatton jeßt, wodurch man eben erfennt, was die Sontinuität aufrecht erhält und was die Modiftcationen herbeiführt. Es bleibt jo lange nur hohle Bhrafe, daß die menschliche Erfenntniß jene angeblichen Entwidelungsjtufen her= beigeführt habe, jo lange man nicht die thatfächlichen Factoren nambhaft macht, Durch welche jedes Mal die menschliche Srfenntnig und Willens- thätigfeitt in eine andere Nichtung geleitet wurde; denn die menjchliche Srfenntnig war abhängig von ihrer äußeren Umgebung. Man kann, ohne einen richtigen Begriff von Entwidelung zu haben und ohne Gebrauch einer Elar erfannten Methode gar nicht zur Kenntntp der Entwidelungsgeichichte einer Sache gelangen. Das menjchheitlihde Wohnreihenlager im Allgemeinen 2. 59 Das NWejen der Entwidelung liegt befanntlich darin, daß eine Sache troß ihrer Beränderungen, die fie in Folge ihrer Be- rührung mit anderen Sachen erleidet, in allen ihren auf ein- ander folgenden Zuftänden ihrem Wefen nach immer diejelbe bleibt. E38 gehört aljo zum Begriffe „Entwidelung“ ebenjo Gontinuität, wie Modifterrung. Cine Sache entwickelt fich nicht, wenn jie nicht mit einer andern Sac)e in Berührung kommt und zu diefer in einen relativen Gegenjaß gebracht und durch Verbindung mit ihr modifient wird. Kommt eime Sache mit einer andern Sache nicht im Berührung, jo fan jte niemals modiftcirt werden und bleibt für alle Zeiten Diejelbe. Eime Sache entwidelt jicd) ebenfalls nicht, wenn fie ihr Wefen jo volljtändig verliert, dag nichts von ihr übrig bleibt; wir müljen vielmehr alsdann von Auflöjung oder Untergang der Sache jprechen. Im diejen überaus einfachen Süßen liegt der Schlüffel zum Verjtändni und zur Beurtheilung aller die Gntwidelumg betreffenden Verhältniffe. Wer fich dieje einfachen Säte nicht aneignet, vermag weder Stadien der Ent: wicelung fejtzuftellen, noch verfteht er Zuftände mit. einander. zu. ver- gleichen, noch ift er befähigt, eine richtige hiftorijche Perjpective zu "ges winmen. Man mag die Entwidelung einer Sache, wie immer fie auch heihe, darstellen wollen — das unumgängliche Erfordernis it, fte aus ihren Merkmalen jo zu erfennen, dag man einmal ihr wejentliches Merkmal, durch welches die Gontinumnität aller Sricheinungsformen gewahrt wird, aus diejen letteren zu ergründen jucht und zum Anderen dag man an der Hand der übrigen (unwejentlichen) Merkmale alle diejenigen Subjecte aufjucht, welche zu jener Sache in relativen Gegenjat getreten und durch ihr Ginwirfen die Modificationen herbeigeführt haben. Der dazu einzus ichlagende Weg, bezw. die dazu erforderliche Methode haben wir im vorigen Abjchnitte fennen gelernt. Diefe nicht von mir erfundene, jondern im der Wiffenichaft längft bejtehende, von mir mur in technijcher Hinficht ab- geänderte Methode jcheint mir der correctefte Weg zu fein, mit Grfolg Urgejchichte zu treiben. Der Berliner Nechtsprofeffor Sofeph Kohler hält dieje Mlethove für „feine Methode‘, und es ift jomit, da Kohler einer der Hauptre- präfentanten der Lehre von den promiscuen Zuftänden der Urzeit tft, hier dringend angezeigt, dejjen Methode und Anfichten über das Wejen der Ent widelung fennen zu lernen, damit wir in Stand gejeßt werden, ven Werth feiner urgejchichtlichen Arbeiten richtig zu würdigen und zugleich) auch den Werth der angeblichen Entwidelungsitufen, auf denen nach Kohler die Menjchheit aus dem urjprünglichen Arauencommuntsmus bis zur Sinzelehe gewandelt ift, zu beurtheilen. 60 Zweiter Abjchnitt. Dbwohl Kohler in jeiner neuejten Abhandlung „zur Urgejchichte der She’ !), wober ich ihm voll zuftimme, jagt, „die Methode unterjcheide den wahren Korjicher von dem gelehrten Dilettanten‘, jo befennt er doc: „allerdings giebt e3 bet einer jo jungen Wifjenjchaft noch feine allgemein anerfannte Methode”. Gr fan, weil er die Ürgejchichte der She behandelt, nur die Wifjenjchaft meinen, welche wir Urgejchichte nennen. Was er mit jeinen Worten jagen will, ergiebt ji) daraus, daf er auf eine Darlegung jeiner Methode Verzicht leijtet, um jtatt dejjen „über die Methode einige Yinfe zu geben, die zur VBerftändigung führen fünnen”. Man jollte meinen, day Derjenige, der nach einer Methode arbeitet, die, den wahren soricher von dem gelehrten Dilettanten unterjcheidet”, auc) im Stande jein müßte, Ddiejelbe jederzeit darzulegen und nicht blos „einige Ninfe zu geben“. te find mun aber die Winkfe beichaffen, „die zur Verjtändigung führen fünnen“ ? sohler falt diefe Winfe, „um das prius und. das posterius in der Entwidelung eines jeden Inftituts feitzuftellen“ im jechs in einander übergehenden Bunkten zujammen; der Yefer dürfte genug haben, wenn id) ihn die Hälfte derjelben vorführe. Der Genannte jagt wörtlich: 1) „Wenn wir im Leben der Völker nachweilen fünmen, dat fich das Inftitut a zum ISnftitut b entwidelt hat, und wenn nirgends eine gegentheilige Ent- wicelung nachweisbar it (oder doch unter ganz auferordentlichen Verhält- nen), jo it der Schluß methodisch zuläffig, dal das Injtitut a das frühere it.” — 2) „Diefer Schluß fan noch verftärft werden, wenn die (Slemente, welche die Gntwidelung beworgetrieben haben, nachgewiejen werden fünnen, und wenn ftch darthun läpt, daß dieje Glemente bei ven verfchtedenjten Wölfern wiederfehren; wenn insbejondere aus der menjc- lichen Natur und aus der Art und Weife der materiellen und idealen stulturentwicelung gezeigt werden fann, dal das Streben der Bölfer mehr nach dem Iujtitut b als a geht." — 3) „Damit tt noch nicht erwiejen, daß, wo wir das Injtitut b finden, es fich) aus dem Iuftitut a entwicelt hat; denn es wäre denkbar, daß ein Wolf mit dem Injtitut b begonnen oder Daljelbe aus einem anderen Iuftitut (3. B. x) herausgebildet hätte.“ Der Lejer, der diefe Punkte aufmerffam durchzulefen verjucht, wird glauben, e3 handele jich um das Vorwort zu einem jog. „Zauberbüchlein“, in welchem Fragen beantwortet werden: „wie verwandelt man eine Uhr tm einen Nanarienvogel?" oder „wie läßt man ein Iafchentuc) in einen Blumentopf Tich entwiceln?” Es tt unglaublich, wie ISemand jolcdhe me= thodijche Winfe bei voller VBeftmmung niederjchreiben fan. Der erite ISmf enthält etwas Selbjtverjtändliches, der zweite Gonfuften, und der )) Abgedrucdt in der von Kohler mitherausgegebenen Zeitjchrift für vergleichende Nechtswilienjchaft XII. Band, Ztuttgart 1897. >: Das menjchheitliche Wohnreihertlager inı Allgemeinen 2c. 61 dritte — ich will den pafjenden Ausoruc der deutjchen Sprache dafür zu- vüdhalten, zu Ounften Kohler's auf die Grörterung der bei jedem einzelnen Punkte eingejchachtelten Zwijchenfäße, die ein bloßes Gerede find, Verzicht leiten umd nur die Hauptjäße berühren, die allein jchen be= weijen, welche Nechenjchaft jich Kohler vom Gang der Zuftände giebt. Nenn wir im Leben der Völker nachweijen fünnen, daf fi) a zu b entwicelt hat, jo it allerdings dev Schluß nicht blos „methodtjch zu- läjlig”, jondern geradezu geboten, daß a das frühere ift. Aber ich follte meinen, das jei etwas jo Gelbjtverjtändliches, dag man darüber gar fein Wort zu verlieren braucht. Demm aud der dümmite Bauer fieht ei, daß wenn jich jeine Kuh nachweislich aus einem Kalbe entwidelt hat, das Kalb der Kuh gegenüber das frühere tft. Dazu braucht man nicht erjt eines methodischen Winfes. — It es nun aber nachgewiejen, dah ji) a zu b entwidelt hat, jo braucht dev ganz jelbjtverjtändliche Schluß, da a das frühere ift, nicht „mod, verjtärft zu werden“. Demm um jenen Iach- weis, daß a zu b fid) entwidelt habe, zu führen, mußten bereits „die (Slemente” nachgewiejen werden, „welche die Entwidelung hevvorgetrieben haben“. Dhne fie war der Nachweis gar nicht zu führen, da ja die Ele- mente nur in den Merkmalen derjenigen Subjecte erkennbar find, durch welche a wegen jeiner relativen Gegenjäßlichkeit zu diejen modificirt wurde. Srit dann tft nachgewiejen, daß a zu b Sich entwicelt hat, wenn darge- than it, daß im dem neuen Sntwidhmgsjtanium „b* eritens das a noch) enthalten ijt und zweitens als Gntwidelungsmotor auc dasjenige Merk mal vorgefunden wird, durch welches eben a in b modiftcirt wurde. Kun joll aber nah Kohler — und hier ftogen wir geradezu auf eine ganz merfwärdige Jerfahrenheit — das b ji) auch aus x entwidelt haben fünnen, wie er im dritten Punkte darlegt. Wollte man jenem „nPummen Bauer” jagen, es jet noch nicht nachgewiefen, dag, wenn er in jeinem Stalle eine zweite Kuh) finde, fich auch diefe aus einem Kalbe entwickelt habe, da e& venfbar wäre, dah fich die Kuh auch aus irgend einem anderen NWejen (x), aljo 3. B. aus eimer Ziege oder einem Sauferfel herausgebildet hätte, jo würde der Bauer ohne Zweifel die Erklärung ab- geben, daß e8 unter jeinen Standesgenofjen heutzutage joldhe dumme Kerle nicht mehr gäbe, die jolchen Unfinn glauben. ad) Kohler's „methodi= ihem Wink“ ijt dies aber denkbar. Wenn der Nachweis, dag fih a zu b entwidelt hat, einzig und allein dadurch geführt werden fann, daß man in b außer dem hinzuges tretenen (a modificirenden) Merkmal a jelbjt nachweift, jo fan niemals b fi) au) aus x entwidelt haben. Die Annahme, da irgendwo auf diefer Erde zwei b vorfommen, von denen das eine ji) aus a, das andere aber aus x entwidelt habe, widerjpricht dem gefunden Menjchenverjtande. 62 Zweiter Abjchnitt. Mühlen wir für a den Ausdrud Apfelblüthe, für b die Bezeichnung Apfelfrucht, jo wird überall in der ganzen Welt, wo man einen Apfel vorfindet, nur gefolgert werden fünnen, daß jich diefer aus der Apfelblüthe, niemals aus x, 3. B. einer Kiwjchblüthe, entwidelt haben fan. Was würde ein Naturfundiger jagen, vor den irgend ein Kant mit der Gröff- nung teäte, nicht überall entwicdele ich der Schmetterling aus der Puppe, e$ jei vielmehr denkbar, dat jich der Schmetterling auch aus irgend einem anderen GSefchöpfe, z. DB. einer Eidechje oder einem Sperling herausgebildet hätte? Sragen wir, wie es möglich jet, day Jemand, ohne einen jchlechten Wit machen zu wollen, jolche methodtjche Winfe ertheilen fan, „die zur Verftändigung führen fünnen“, jo müfjen wir frz antivorten, daß. dies die wilde Specnlatton verjchuldet. Bas nod) zu bewerjen tft, wird als bewiejen angenommen. Man conjtrumt jid) a priori Begriffe, benennt jte mit irgend einem geeignet erjcheinenden terminus technieus, und weil man zuvor die in den Grichermungen vorhandenen thatjächlichen Merfmale auf ihre Bedeutung nicht unterjucht hat, vergleicht man die Sricheinungen, blos weil fie in einigen Merkmalen übereimjtimmen, oberflächlich mit ein- ander. Da man fie augerdem noch auf eine Methe brimgen will, man aber die für die Neihenbildung erforderlichen Grundmerfmale gar nicht erforjcht hat, jo muß man fich ebenfalls wieder rein a priori Gntwid- Iungsreihen bilden. Auf diefe Werje muß em ganzes Syitem von Wider: jprüchen entjtehen, welche den DBefolgern eines jo rein jpeculativen Ver: fahrens jelbjt dam noch nicht zum Bewuptjein fommen, wen jte von anderer Seite darauf aufmerfjam gemacht werden. Werden fie fich der Widerjprüche niemals bewußt, wie jollen jte alsdann im Stande jein, jid) Andern Elar zu machen und in Bezug auf die Methode „Ninfe zu ertheilen, die zur Verftändigung führen fünnen“? Bene docet, qui bene distinguit. ir jehen, dab fich Sojeph Kohler über den Begriff „Ontwidelung“ Klarheit nicht verjchafft hat und day er jelbit da, mo er methodijche „Ninfe“ ertheilen will, nur wohlferle Nedensarten darbietet. Cs it jchen an fich eine ganz unflare Ausdrucdsweile, „das Inftitut a fünne fich zum Injtitut b entwideln®. Man fan nur jagen, ei bejtimmt benanntes Inftitut habe fich entwicelt; deifen Sntwidlungsftadien find alsdann nur Sricheinungsformen des Wejens des betreffenden Inftituts. Diefes Wefen muß, tie bereits hervorgehoben wurde, vor Allen fejtgejtellt werden, weil es, eben dasjenige im der ganzen Entwidelrmgsreihe tft, wodurd) die Gon- tinumität der Neihe aufrecht erhalten wird. Wenn Kohler aljo beijpiels- weije eine Abhandlung „zur Urgejchichte der Che“ jchreibt, jo wird man von ihm verlangen müfjen, daß er aus den Gricheinungsformen der Che dasjenige (wejentliche) Merkmal feititellt, das in allen Erjcheinungsformen wiederfehrt.. Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2c. 63 Sem Kohler auf die Grforichung des Urmerfmals hier, wie in allen andern Fällen, verzichtet, tft ev gar nicht im Stande, zur „Urgefchichte der Che” einen Beitrag zu liefern. Wem er cs aber troßdem wagt, jo fann bei feiner rein jpeculativen Sorjchungsmethode das Groebni auch nur dem entjprechend jein. Seine Beiträge zur „Urgefchichte” und zur „vergleichenden Nechtswiffenjchaft“ — wie will man ohne Urmerfmale ver- gleichen? — find um jo gefährlicher und werden von mir um jo jchärfer hier befämpft, weil ev fi) nicht jcheut, ohne allen Beweis die Forjchungs- methode und die durch fie gewonnenen MNejultate Anderer herabzufeten und zu verdächtigen, dagegen jeine eigenen als etwas jo völlig Srwviejenes zu preifen, da man geradezu als umwiffend angejehen wird, wenn man ihm nicht zuftimmt und jene aus einer ganz unklaren Vorjtellung vom Wefen der Entwidelung erwachjenen Phantome für wahr hält. Wie unzweifelhaft feftitehend ihm Alles tft, Fanır man beijpielsweile aus folgendem Safe entnehmen:!) „Dat bei falt allen Völfern in einem bejtimmten Stadium der Entwidelumg (!) die VBaterichaft unberücdiichtigt bleibt und nur das Berhältniig des Kindes zur Mutter und zu Denen, welche mit ihm aus demjelben Miutterichooße?) ftammen, ti jeiner fittlichen und rechtlichen Be- deutung anerfannt wird, tjt ein unzweifelhafter Sa der ethnologijchen Jurisprudenz." Und wie äußert fih Kohler über den Urjprung der She? In Bezug hierauf jpricht er Folgendes aus: ,„Dah die Ehe ur- Iprünglic) Srauenraub war und zum Frauenfauf geworden tft, weiß jeder, der einmal ein Gollegium vergleichender Nechtswiljenjchaft?) gehört hat; Naub und Kauf waren es, welche die Frau zuerit aus dem GSommuntsmus herausgeholt und zum Gigengut des Ginzelmen gemacht haben; und wenn es noc eines Deweijes bedürfte, da in der Entwidelumg des Nechts das Unrecht eine große Nolle jpielt, und dak das Unrecht häuftg der Mebergangsmotor zu einem vollfommenen Nechtszuftand gewejen tft, jo bedürfte. es nur des Hinweijes auf die furchtbare Injtitution des Menjchen- vaubes, aus welcher als höchite Frucht unjere She mit der Treue des Veibes hervorgegangen it.“ Behauptet Kohler, die Ehe jet urjprünglic) Krauenraub gewefen, jo jagt er damit, daß das lrmerfmal (das Grundmerfmal) der Che ) Kohler in der Zeitjchrift für VBergl. Nechtswijjenichaft IV. 1833 &. 266. 2) Stammt der mütterliche Oben, der nächte männliche Verwandte der Kinder, etwa aus dem Mutterjchooße jeiner Schweiter? Ich jollte meinen, day ein jolchyer Miderjpruch jeden Denfenden abhalten müßte, hier von „unziveifel- daften Eäten” zu jprechen. DVBgl. meine Auffafjung in „Horde und Kamilie” 4. Abjchnitt. 3) Kohler darf nur jagen: „weiß jeder, der einmal ein Collegium ver- gleichender Nechtswijjenjchaft bei mir gehört hat.“ Ich muß es bezweifeln, daß außer Kohler irgend ein anderer Jurift jolche Dinge lehrt. 64 Zweiter Abjchnitt. Srauenraub jei; es mühte aljo dem Begriffe Entwidelung gemäß diejes Urmerfmal als Gontinuum in allen Gricheinungsformen der Ehe mieder- fehren. Das it mun aber nicht der Kal. Will man es überhaupt als Merfmal der Ehe gelten lafjen, jo fan es nur als unwejentliches Merf- mal derjelben angejehen werden, d. h. als Merkmal, welches die Ehe durch Berührung mit einem andern Inftitute, welchem der Naub als wejentliches Merkmal zujteht, jpäter erhalten hat. Die eracte Unterfuchung verlangt demnach mit Hülfe dDiejes Merfmals dasjenige Inftitut aufzufuchen, welchem der Frauenranb wejentliches Merkmal fein fünnte. Liegen nun völferfundliche Berichte vor, deren „Nein=Ihatjächliches“ ergtebt, „daß man“, wie beijptelsweile Dldfteld von auftralifchen Völkern berichtet, „zu einem behaglichen Leben unbedingt eines MWeibes bedarf“ und zu diefem Behuf „ji veranlaft fieht, ein Weib aus einem fremden Stamme zu rauben“, und erfährt man ferner, wie Eyre jagt, dal Die Auftralier „den Werth eines Weibes nur nad den Dienftleiftungen als Sclavin beachten”, jowie aud) mod durch Hecgquard, „daß jte feinen Werth auf den gejhlehtlihen Umgang legen“, „die Frauen viel mehr anmderwärts”, wie Hovelacque fich ausdrüdt, „ihr Vergnügen bei andern Männern juchen”, — jo gehört eine vollitändige Leugnung. des Sacjverhalts dazu, zu behaupten, man habe die Frauen des Gejchlechts- genufjes wegen geraubt. 68 giebt mur zwei Standpunfte, die man völfer- fundlichen Berichten gegenüber einnehmen fan; entweder man leugnet alles Ihatjächliche an ihnen ab und verzichtet auf UÜrgejchichte, oder man alaubt dem in den Berichten enthaltenen Thatfählichen und errichtet auf ihnen einen jyftematiichen Aufbau, imdem man dasjenige als zu ein- ander gehörig betrachtet, was gleiche Grundmerfmale hat. Aber der dritte Standpunkt, den unter Andern hauptfächli Kohler vertritt, fich rein a priori ein luftiges Gebäude von vormaligem Frauen-Gommuntsmus zu ihaffen und fich die Sricheinungen jo zurecht zu legen und jo zu deuten, wie man jie brauchen fann, it Durdjaus zu migbilligen. Yu durch die in völferfundlichen Berichten enthaltenen rein thatjäch- lichen Merkmale fann man der Ihatjachenfenntnig näher fommen, nie durch apriore Speeulation. 3 entjteht die Frage: giebt es überhaupt ein In= jtitut, dem der Frauenraub wejentliches Merkmal it? Mean bedarf der Stau „zu einem behaglichen Leben“; deshalb raubt man fie. Man fünnte fie aber auc faufen. Der Naub ift Vorläufer des Kaufes. Der Kauf ift Vermitteler der Dienftleiftung: man fauft Sachen, die Dienjte leijten und giebt dafür Sachen hin, deren Dienfte man entbehren fan. So lange man die Aquivalente des Taufches noch nicht fannte, war die Heim- führung eines Dienftobjectes, ohne dafjelbe dem Adern zu entgelten, das einzige Mittel zu einem foldhen zu gelangen: man vanbte. Naub und Das menjchheitliche Wohnreidenlager im Allgemeinen ac. 65 Kauf find nur Mittel, ein dienjtherrliches WVerhältnig herzuftellen d. h. fich zum Herrn über eine Sache zu machen, die Dienfte leiften ‚fol. Das Inftitut jelbjt, das fich des Mittels bedient, nennen wir Hauswirthichaft, Haushaltung oder auch furz Haus, wofür wir neuerdings (im Deutjchen nachweislich evft jeit 1741, Luther gebraucht den Ausdrucd noch nicht) auc) Familie jagen, ein Ausdrud, der ftch für den internationalen Verfehr der Wifjenjchaft unzweifelhaft rechtfertigen läßt. Sind wir ‚berechtigt zu jagen, das Grundmerfmal der Familie jet Menjchenraub? Mit nichten. Der Grund der Familie liegt im privaten Srwerb, der „Näherung” (proprietas) aufenliegender Sachen, wir fünnen gut Deutjch jagen: der Heimführung (yapelv in weitejtem Sinne) von Gegenitänden, die unjerm Dafein dienen follen. Demnach liegt in der Familie ein herrichaftliches Moment. Was der Gegenftand it, der uns dienen joll, it daber. gleichgültig; ob es eine menjchliche oder thierijche Arbeitskraft, ein Werkzeug oder Genufßgegenftand it, tangirt nicht das Mejen. Wenn wir die ganze Sntwrdelungsrerhe des Hausmwejens über- bliden, jo finden wir in ihr jenes Grundmerfmal. Much der Mtenjchen- und Sramenvand diente hauswirthichaftlichen Zmeden: er war die Heim führung einer Arbeitskraft. Ganz anders jteht es um das Grundmerfmal der Ehe. Ihr Grund- merfmal von Urzeiten an it vielmehr — und darin tft ihr Conti begrümdet — die Öffentliche Destination zweier Perfonen entgegenge- jetgten Gejchlechts zu einer gejchlechtlichen Ginheit. Zwei Mtenjchen ver- ihtedenen Gejchlechts jind in der Ehe, wenn fie öffentlich für einander bejtimmt find. Wer fich heute für eine Fran öffentlich bejtimmen läft und unmittelbar nach diejem Aete fich von ihr trennt, jei es daß er ftirbt oder nach einen fremden Grodtheile auswandert, hinterläßt, auc ohne dat er zuvor mit ihr gejchlechtlichen Umgang hatte, im erjteren Kalle eine ver- ehelicht gewejene Frau, eime Wittwe, im letteren Falle jene CShefran. Und wenn ich im leßteren Kalle der Mann einer anderen Frau hingtebt, jo begeht. ev einen Ehebruch, und wenn ev jich im fernen Yande ber Yeb- zeiten der ihm zuerjt bejtimmten Frau mit einer anderen Srau öffentlic) deftiniven läßt, jo macht ex fich der Doppelehe, der jog. Bigamie jchuldig, auch wenn ev gejchlechtlichen Umgang mit Diejer zweiten Fran vermeidet. ie die Che in Wirflichfeit erjcheint, tft für den „Grumd" oder das Wejen der „Che* gleichgültig: es Üt nur Erjcheinungsform.!) 1) Der Grund verjchwindet aus tem Bereiche des Cichtbaren, aber nicht, weil er nicht an sich jichtbar wäre, jondern mur weil er nicht als Wirkliches jichtbar if. Was wir beijpielSweife am Wachsthun der Pflanzen bemerken, Boden, Waffer, Yuft, Yicht u. j. w. md nur die Bedingungen; auch das Samenforn jelbt ift nicht durchweg der Grund, da ja auch die es umgebenden Hüllen, welche den Embwo jchüßen, jowie das Samenmehl, das der erjten Mucke, Urgeihichte. J 66 Zweiter Abjchnitt. Daber tangirt e$ das Wejen der Che nicht im Geringften, ob die Ber: jonen häuslich zufammen wohnen oder von „Iiich und Bett“ getrennt find; ebenjowenig berührt e5 das Wejen der Ehe, unter welchen Umständen die Beftimmung verurjacht wird — weil eben der Grund nicht die jeweilige bedingende Urfache ift — ob die Nächjtbetheiligten jich jelbjt, oder ob ihre Eltern oder jonjtige Verwandte oder irgend eine bejtimmte (Lager-) Ordnung jie für einander beftimmen. Auch ijt es für das Wejen der Che ganz gleichgültig, ob fi Myftif daber in den Vordergrund drängt, wie e8 35. B. in Ausjprüchen zu Tage tritt: „Was Gott zujammengefügt (für einander bejtimmt) hat, das joll der Menfch nicht jcheiden“ oder „Shen werden im Himmel gejchlofjen” und dergl. Immer it das Grundnerfmal der Ehe die öffentliche Deftination zur Crgänzung der gejchlechtlichen Ginfeitigfeit. Nenn aljo das Grundmerfmal der Ehe im der öffentlichen Bejtimmung liegt, jo fann der Naub nicht einmal ein begleitendes Moment der Ehe jein, weil darin ein ABiderjpruch liegt. Da nad) dem Begriffe „Entwidelung” eine Sache jich nur ver: ändern fan, wenn fie durch Berührung mit einer anderen Sache eine Verbindung eingeht, jo fonnte. auch die Ehe durch die Kamilie modifictrt werden, wie anderjeitsS auch die Samilie durch. die Che eine Abänderung erleiden fonnte. Aber durd) diefe Miodiftcatton verlor weder die Ehe, nad) die Familie ihr Grundmerfmal. Es widerjpricht dem Begriffe Entwicelung und zugleich dem Ihatjächlichen im völferfundlichen Berichten durchaus, wenn Kohler behauptet, „es jet aus der furchtbaren Iujtitutton des Menjchenraubes als höchite Frucht unfere She mit der Treue des Weibes hervorgegangen”. Im Gegentheil hat die Familie bet ihrer Entjtehung die eheliche Deftination arg gejchädigt, wie ich a der Hand völferfund- licher Berichte unter genauer Darlegung eimer bejtimmten Gntwidlungs- veihe in meinem Buche über Horde und Kamilie bereits überzeugend nach- gewiejen zu haben glaube, wo ich zugleich eingehend gezeigt habe, day von dem angeblichen Frauencomnmismus, den die Yehre von der PBromiscuität in der Urzeit phantafirt, Feine Spur eines thatjächlichen Merfmals zu finden ift. Haben Che und Familie, jedes Inftitut für jich, ihr bejonderes Srundmerfmal, jo find fie nicht iwentifch, jondern haben beide einen ganz Nahrung dient u. j. w. jelbjt nur Bedingungen des Wachstums jind. Ob- wohl wir den Grund diejer Ericheinung nicht fimlich) wahrnehmen fönnen, jo tjt er doch vorhanden, weil wir ihn aus jeiner Wirkjantfeit nachzumeijen ver- mögen. Da jede Thatjache aus Grund und Bedingungen zugleich bejteht, jo fann man feine Srjcheinung erflären, ohne auf die beiden Bejtandtheile jeder Ihatjache einzugehen. Hier zeigt fich, wie bedeutjam eine „Urgejchichte auf jtatijtijcher Grundlage” für die Srfenntnig auch der Gegenwart ijt. Das menjchheitliche Wohnreidenlager im Allgemeinen 2c. 67 verfchtedenen Urjprung; aber fie. würden dem Begriffe Entwicelung gemäß niemals auf einander modificirend haben eimwirfen fünnen, wenn fie in abjolutem Gegenjag zu einander jtänden, da eben nur relative Gegen- jäße abändernd auf einander einwirken fünnen. Cs ift deshalb die Auf- gabe der jtatiftifchen Unterfuchung, Ddiefe Beziehung (Melation) beider Gegenjäße aus dem Ihatjächlichen der völferfundlichen Mittheilungen auf- zufuchen. Da die Darftellung im Intereffe der Lejer zumeift den umgekehrten Weg einjchlägt, als ihn das Depouillement (die Aufbereitung) zur Fmdung des Ihatjächlichen betrat, jo will ich zunächit, damit der Leer nicht allzu mühjam fi aus der zur Beweisführung erforderlichen breiten Darlegung den Zujammenhang der Bejtandtheile jelbjt zu fuchen hat, ganz furz Folgendes vorwegnehmen. Winde die Ehe nicht Beltandtheil eines größeren Ganzen und diejeg von einer jolhen Bejchaffenheit gewejen jein, daß es in jeinem Grundmerfmal dem Hauswejen (der Samilie) zwar entgegengejeßt aber doc) verwandt gewejen wäre, jo hätten fie ji) niemals modiftciren fünnen, weil abjolute Gegenjäße einander abjtogen. Diejes Ganze mußte vielmehr zu der Zeit, wo fich die beiden relativen Gegenjäße berührten, in einem Punfte verwandt jein. Wie wir alsbald jehen werden, waren fie beide in den Wohnraumwerhältniffen verwandt, indem die Ehe (mit der Gefolg- ihaft der Kinder) ein Beltandtheil einer großen Lagerordnung war, tt der entjprechend der Stellung aller einzelnen zu einander eine gegenfeitige Deitination (Beltimmung) jtattfand. Diefe wohnräumliche Beltimmung war das Melative, wodurch eine Wechjelwirfung ermöglicht wurde, dal Die Samilie eimerjeits und die Lagerordnung anderfeits eine Modiftcation erlitt. Denn die (michteräumliche) bloße eheliche Deitination hätte mac) dem Begriffe Entwidelung niemals das Hauswejen modificiren, d. 5. das Dienftweib oder den dienenden Mann in eine Shefrau bezw. einen Shemann umwandeln fünnen, wie e3 amderjeits nicht möglich gewejen wäre, die eheliche De- Itination in der Weife zu ändern, wie ich es in meiner Schrift in einer Glied am Glied ji fügenden Sntwidelungsreihe nachgewiejen zu haben glaube.) Dieje ganze Lagerordnung, für die ich den Namen orda vor- geichlagen habe, beweilt, da es in der menschlichen Urzeit niemals ein Chaos gejchlechtlicher Ausichweifungen und eine Umordinmg gegeben haben fan, jondern im Gegentheil eine „Drdnung der Dinge“, von der die Che nur em Glied im großen Ganzen war. Gehen wir nach diefer furzen Vorwegnahme tm Großen zum Be- weile im Gingelmen über. 63 it Schon jeit Iahrzehnten von verjchtedenen Metjenden md ') Meine Schrift: Horde und Familie, Fünfter Abjchnitt. 58 Jweiter Abjchnitt. Forjchern auf die interefjante Srjcheinung: anfmerfjam gemacht worden, day bei niedrig jtehenden VBölfern eine genaue eheliche Dejtination in der Form angetroffen wird, day Männer mit einem bejtimmten Namen nur Frauen mit eimem anderen bejtimmten Namen ehelichen dürfen. So berichtet man,!) e8 jei „urjprüngliches Gejeß“ gewejen, daß bei den Kamilerot Ippat fan heirathen Kapota und feine Andere Kumbo „ R Mata , 4 : Muri , i Buy e - - Kubbi , e Spppata , - P Db Ddieje eheliche Beltimmung in obiger oder anderer Form. erfolgt ijt, lajjen wir unumterjucht, weil dies für unjern Zwed vollitändig gleich- gültig ift.. Die Hauptjache für uns liegt dartır, day dergleichen Dejtinationen bei verjchiedenen primitiven Bölfern überhaupt beobachtet worden find, und zwar derart, dad die Träger gewiffer Namen die Träger anderer Namen ehelichen müfjen. Man rechnet diefe Namen mit zu den jog. Berwandtjchaftsnamen, über deren Bedeutung in der Sthnologte viel gejprochen und gejtritten worden it. Da Namen Ausdrüde für Sachen find, jo. muß jelbitverjtändlic diejen . Nomenclaturen ein bejtimmtes Sacdverhältuig zu Grunde gelegen haben; denn das lettere geht immer feiner Benennung voraus und in ihm, aber nicht in den Bezeichnungen tft der Ihatbejtand zu erfenmen. 5 heit die Beziehung von Benennung und Object der Benennung in jein Gegentheil verkehren, wem 9. Gunow?) die Momenclaturen in den Vordergrund Stellt und an ihnen das „Enticheidende” findet, indem er jagt: „Bei den Auftraliern find diefe VBerwandtjchaftsbezeichnungen, niemals [eere, nur zur Anrede benußte, Höflichfeits- rejp. Mefpectstitulaturen, jie ichließen vielmehr beitimmte rechtliche Nelationen in ji. Sie entjcheiden darüber, ob ISemand in. einem gewijjen Falle als Bluträcher aufzutreten hat, ob und welchen Antheil er an der Sagpbeute eines nz deren beanfpruchen kann, ob er diejes. oder jenes Werb heirathen darf, ob er eventuell für einen anderen zur Sühne einftehen muß u. j. mw.” — © wenig der Ausdrud ‚Scharfrichter‘ die „rechtliche Nelation in ji Ichlieht”, Iemanden hinzurichten, jondern vielmehr die Stellung, in welcher ic) Jener befindet, darüber entjcheidet, ob er den Act ausführen darf, jo wenig ichliegen auch dieje jog. Verwandtjchaftsbezeichnungen als jolche rechtliche Nelationen in ih. Sie find vielmehr nur Ausdrüde für eine vor ihrer Benennung vorhanden gewejene Stellung, in welcher die Träger jener Bezeichnungen zu eimander ftanden, bezw. nod) jtehen. Ich betone dies nur deshalb, weil uns die Stellung der Namensträger gegeneinander der Srfenntnig des Sachverhaltes- näher Führt. 1) Lewis Morgan, Die Urgefchichte. Aus dem Englijchen übertragen von Eichhoff und Kautsfy (Stuttgart 1891) €. 45. >) 9. Eunow, Die Verwandtichaftsorganijation der Auftralmeger E. 176. Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2c. 69 Die eheliche Dejtinatton it nur als ein Iheil der allgemeinen Deitination, die bei primitiven Völkern angetroffen wird, zu betrachten. Was ijt es denn anders als eine Beltimmung, wenn jemand ald WBlut- vächer auftreten muß, oder für einen Adern zur Sühne einzuftehen hat, wenn er an der Beute einen Theil zu beanjpruchen hat und dergleichen mehr? es it jo gut eine Deftination, wie es die eheliche tt. Treffen wir.nun jolche genaue Beltimmungen im primitiven Völker leben an, jo jind jte ern Beweis einer bejtimmten Ordnung, die bei ihnen Itatthat, und. e3 entiteht Die Frage, woher die niederen Völferichaften dDieje Drdmumng genommen haben, die man bei ihnen beobachtet hat zu einer Zeit, wo am. eime Gntlehnung von den erobernden civilifirten Suropäern nicht zu denken it. Wiffen wir ja doch im Gegentheil, day gerade dieje vielfach jtörend in deren Drdnung eingegriffen haben, weil jte ihren Idealen nicht entipradh. Die Vertreter der Lehre von der Unoronung im Anfang des menschlichen Auftretens haben nur die Ant- wort, daß die bei Ddiejen primitiven VBölfern anzutreffende Drdmung ji) aus der Unordnung entwidelt habe. ber fie überjehen, day die zum Begriffe Entwidelung erforderliche Gontimuität bei einer jolchen Yuffallung vollftändig vermißt wird. Muperdem aber haben jte aud) nicht einen einzigen Gntwidelungsfacter bisher nambhaft gemacht, der uns Kunde brächte, wie diefe urjprüngliche Unordnung. im der Welt in ‚eine jolche Ordnung mit genauen Deftinationen verwandelt werden konnte. Das Ginzige, worauf je ich bet ihrer angeblichen tufenwetjen Kulturentwicelung berufen, tft das piychologiiche Moment der „Erfahrung“. Morgan!) jchildert uns den Urmenfchen, der „faum von den nicht mit Sprache begabten Ihieren zu unterjcheiden gewejen jein muß”, wie folgt: „Ohne Ehe,- wahrscheinlich hordenweije lebend, war er nicht allen ein ilder, jondern auch arm an Geijtesgaben und nod) ärmer an jtttlichen Sefühl. Seine Ausfichten auf Erhebung aus Diefem Juftand beruhten auf der Straft jeiner Yeidenjchaften, denm er jcheint immer muthtg gewejen zu jein; auf dem Bei von Händen, die zum freiejten Gebraud) tauglich geworden waren und auf der Gntwidelingsfähigfeit der Keime feiner geiltigen umd fittlichen Kräfte. . . Diefem primitiven Wilden und ihm allein läßt fich der unterjchtedslofe Gejchlechtsverfehr zujchreiben. . . Der- jelbe dürfte höchit wahrjcheinlich auf die Periode bejchränft gewejen jein, wo Menjchen nur von, Früchten lebten und innerhalb ihres urjprünglichen Wohnfites fich befanden; nachdem der Menjch Fticher geworden war und Beonnuen hatte, ji über die Erde zu verbreiten, . . mupten nothwendiger erje blutsverwandte Gruppen fich bilden, innerhalb welcher alle Mit glieder Eheleute zu einander waren, Gruppen, die zur Bildung blutsver- ) Morgan, die Urgejellichaft © 0 Zweiter Abjchnitt, wandter Familien führten. . . Der Schritt von der in unterjchiedslojfem Sejchlechtsverfehr lebenden Horde zur Blutsverwandtichaftsfamilie erfordert, obwohl er ein jehr großer war, dod) feinen Zwijchenzuftand. “ Was find aljo nah) Morgan die Kactoren, die den Urmenjchen dem unterichtedslojen Gejchlechtsverfehr entriffen? „Die Kraft feiner Leiden- ichaften, der Belt von Händen und die Gntwidelungsfähigfeit der Keime jeiner geiftigen und fittlichen Kräfte.“ Ueber die merfwürdige Annahme, dat der Menjc bet jeinem Uebergang vom Genuß der Früchte zur Filch- nahrung — eine Ftetton ohme jeden thatjächlichen Untergrund — noth- wendiger Wetje blutsverwandte Gruppen bilden mußte, will ich jchweigen. Sit mit der Aufzählung jener drei Kactoren auch nur irgend etwas Greif- bares gewonnen? Morgan hat damit nicht viel mehr gejagt, als daf der Urmenjc entwidelungsfähig war, aber warum der Urmenjc gerade den Weg einjchlagen mußte, von dem Morgan behauptet, dag er ihn eingejchlagen habe, vermag er nicht anzugeben. Und das it e5 gerade, was wir willen wollen. ir wiffen von dem geiftigen Zujtande des Urmenjchen auf Grund directer Beobachtungen abjolut nichts, wohl aber fünnen wir bejtimmt k% iegen, daß md wie er jich entwicelt hat, wetl wir aus der ganzen Drgantjation des Menjchen in jeinem Verhältnig zur Außenwelt entnehmen fünnen, daß er mit ihr in einer beftändigen Wechjehwirfung jich befindet, indem die jenfibeln Nerven von der Außenwelt berührt werden, den Ge= hirn Sinneseindrüde zuführen, hier zum Bewuptjein gelangen und Wor- Itellungen entjtehen lafjen, die mittelft der centrifugalen, motoriichen Nerven in Geftalt von Handlungen in die Außenwelt hevvortreten. Diejer Wechjel- proceß der leiblichen Organe mit der Außenwelt vermittelt eben die Ent- wicelung der Seele, und-deshalb hängt die Entwidelung gar nicht allein „von den Keimen jeiner geiltigen und fittlichen Kraft”, um in Morgan’s nicht ganz flarer Ausdrudsweife zu reden, jondern zugleich auch von der äußeren Umgebung ab. Die jenfibelen Newen fünnen durch nichts bes vührt werden, was in der Aufenwelt nicht vorhanden tft und die motortichen Kerpen fünnen feine Neaction dagegen ausüben, was die jenjibelen Nerven dem Gehirn nicht zugeführt haben. Daraus ergiebt fich, daß die Ent- widelung des Menjchen aller Zeiten von der Berührung mit der Auenwelt abhängig ift. Vehmen wir an, daß diejenigen Menjchen, welche im jener ge= ichlechtlichen Unordnung lebten, unjere Vorfahren gewejen find? — umd das behaupten die entgegengejeßten Vertreter übereinftimmend —, jo müfjen wir folgern, daß jene Urmenfchen, weil auch fie mit ihrem letblichen Organismus in derjelben Wechfelwirfung mit der Aufenmelt ftanden, wie der heutige Menjch, nur Vorftellungen von jener Unordnung gewinnen Das menfchheitlicde Wohnretdenlager im Allgemeinen 2c. 71 fonnten, weil eben nichts Anderes fie zu bejeelen vermochte als was Die Außenwelt ihnen durch die zuleitenden Sinmesnerven übermittelte. Nur bodenloje Unordnung und ein unterjchiedslojer Gejchlechtsverfehr fonnten alsdann ihren Vorftellungsbereich bilden und dem Begriffe Entwidelung ge mäß mußte diejer Zuftand jo lange anhalten, bis die Aufenwelt fich ab- änderte. Man mag den Begriff „Erfahrung“ definiven, wie man will, ihn eng weit fafjen, — alle Grfahrung beruht auf Beobachtung, und es ijt nichts zu beobachten, was im Wirklichkeit nicht vorhanden ift. ©n fonnte auch der Urmenjch die Erfahrung nicht machen, daß es befjer wäre, wenn er die Unordnung abjchaffte und an ihre Stelle ein mehr regelmäßiges Leben einführte, wenn er nicht in Wirklichkeit mit einer ganz anderen Außenwelt in Wechjelwirfung trat als diejenige war, in deren Mitte er fich zur Zeit des umnterjchtedslojen on und der Unordnung befand. 8 tft die umnabweisbare Pflicht der Vertheidiger der Promisenitätstheorie uns die Kactoren (die Gntwidelungsmotoren) nambaft zu machen, welche die Außenwelt abänderten, damit das MVorftellungsbereih der Menjchen ein anderes werden fonnte. So lange fie das nicht gethan haben, miüfjen wir ihre Lehre als ein uneriwiejenes Phantom verurtheilen. Die Herren, welche bejtändig von der Unordnung im Uranfang des Menchheitslebens, in der der Menjch ein „Wilder“ war, jprechen, find die ärgiten DVerjpötter der eingangs berührten Lehre vom Sündenfall und der damit eng zufammenhängenden göttlichen Erbarmung, nach welcher die Menjchen von einem höheren Drdner der Dinge wieder zur göttlichen Drdmung zurücdgeführt werden. Ste ahnen aber gar nicht, da te der= jelben Lehre, die fie verjpotten, vollauf in die Hände arbeiten, Denn wenn in der Urzeit Unordnung bejtand und der piychologijchen Srfahrung gemäß nichts im Sntellect fein fan, was nicht die zuleitenden Ginnes- nerven ihm un zugeführt haben, und wenn troßdem im jpätern Leben des primitiven Menjchen eine ganz beitimmte Dronung angetroffen wird, jo fan diefe nicht als das Product des menschlichen Geijtes jener primt= We Menjchen, als der Nachkommen jener Urmenjchen, angejehen werden. Bei logifchem Denfen müfjen aljo die Vertreter der Lehre von der ur- ae Unordnung folgern, da irgend ein Ordner, im defjen Intellect fich eine beftimmte Drdnung befand, der Schöpfer der bei den niederen Völferichaften anzutreffenden Drdnung gewejen tft; und da dies fein Nadj- fümmling der in Unordnung lebenden Urmenjchen, überhaupt fein Menjch gewejen jein fann, jo müfjen fie dies dem Gingreifen eines höheren Wejens, das wir eben „Gott“ nennen, zujchreiben. Sp unteritüßen aljo, ohne daß fie «8 beabfichtigen, diejenigen, welche die Lehre von der abermaligen göttlichen Grbarmung verhöhnen, diefe Lehre jelbft. | I) Zweiter Abjchnitt. ur zwei Aımmahmen find richtig: entweder man jehreibt: dem Ur- menjchen diejelbe Intelligenz wie dem heutigen Kulturmenjchen zu und jpricht auch diejent Sntwidelungsfähigfeitt ab, oder man läßt den IUr- menjchen auf ganz ähnliche erje fich geijtig entwideln, wie wir es am heutigen Menjchen beobachten fünnen. Aber von Gntwidelung jprechen und troßdem den Urmenjchen bald als wild, bald als mit Grfenntnif ausgejtattet hinjtellen, ijt ein durchaus verfehlter Standpunft. Das find Niderjprüche! denn wir jagen, ‚daß fich der Urmenjch auf ähnliche Weije wie der heutige Menjch entwicelt habe, jo fan dies jelbjtverjtändlich nicht jo aufgefaßt werden, als mülje man jich den Urmenfchen in jenen Bewegangen und Meuperungen als ein modernes Kind vorftellen. Das wäre geradezu indisch. im jolcher Vergleich fann nur Bezug nehmen auf die Ent- wicelung der Borftellungen. Nur weil diefer Brocez beim emwachjenen Menjchen jchwerer zu verfolgen tt als beim Kinde, jtellen Bhyftologie und Piychologie, die im diejer Beziehung Hand in Hand gehen, ihre Be- obachtungen heutzutage an meugeborenen Kindern an, und in Bezug auf einzelne Sinnesorgane werden auch die Beobachtungen an Blindgeborenen hinzugezogen. In diefer Hinficht Ipricht ich 3. DB. mein Freund und Dorpater College Eduard Naehlmann in jeiner Abhandlung über die Nüchvirfung der Gefichtsempfindungen auf das phyfiihe und piychiiche Leben folgendermaagen aus!): „Am genauejten werden wir über die rt, wie das intellectuelle Urtheil auf den Grfahrungen der Stimme jid) aufbaut, belehrt durch Beobachtungen an neungeborenen Kindern, umd was jpeciell Die vorwiegende Bedeutung des Gefichtsfinnes angeht, jo liefern auch Studien an operivten Blindgeborenen darüber ziemlich) genauen Yuf- ihluß. In beiden Fällen ift der Einfluß des Gefichtes auf die Geftaltung der Vorjtellungen, 3. B. von den Naunwerhältnifjen, ein direct zu mejjender; wir jehen gleichjam die Worjtellung entjtehen auf Grund der einfachjten und nächtliegenden NMelationen der neuen Gefichtseindrüde zu den bereits vorhandenen Vorjtellungen auf den anderen Sinnesgebieten.“ Uns inter ejlirt hier aus alsbald zu erörternden Gründen vorzugsweile die Entjtehung der Naumvorftellugen. Sit. es wahr, da alle unfere geiftigen Vorftellungen fi in ihrem leften Grunde auf finnliche Anjchauungen zurüdführen laffen, und jich die Stmesnerven. erjt mac) und nach entwideln, jo fann der Urmenjd nur in einer Beichaffenheit gedacht werden, wo er im Uranfang jeines Dajeinsnichts bejaß als wenn auc) vollfommene, 2) d. h. jenem damaligen !) Zeitjchrift für Biychologie u. Phyftiologie der Sinmesorgane Bd. VII, ©.403. ?) Sch unterjcheide jprachlich, wie ich jhon ir meiner Schrift Horde und Familie S. 9 hervorgehoben, „vollfommen“ von „vollendet“. VBollfommen tjt etwas, wenn es der jeweilige Zwecerfüllung genügt. ee ee ME Das mienschheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen ze. 73 Suftande entjprechende, doch umausgebildete Leibesorgane, mit deinen er fich jelbjt bewegend (2. t. lebend), der mechanisch bewegten Außenwelt gegenübertrat und durch diefe MWechjelwirfung den Grund zur Ent- widelung feiner Seele legte. So wurde jern Leben gleichlam mit einem Iuhalt verjehen und er aus einem Lebe ein bejeeltes Wefen. Diejer Iuhalt Fonnte nur nach und nac) entitehen und fonnte mur jo beichaffen fein, wie ihn die allernächjte Umgebung darbot. Dieje war der alleinige Duell, aus dem jene leiblichen Organe jchöpfen konnten, und daher fonnte nichts in jernem Intellect fein, was nicht die Sinnesorgane aus der äußeren Umgebung, zu der auch jeine Meitmenjchen gehörten, zu- führten. Das Leben an fic tft nur Nejultat mechanijcher Bewegungen, das Leben der Seele dagegen ein MWechjelprocei eigener Bewegung mit der mechanijch bewegten Aufenwelt. Diefer PBroceg wird, wie jchon bemerft, ertgeleitet Durch Die zuleitenden Stmmesnewen, ehe durch) Bermittelung De Ganglienzellen die Sinneseindrüde dem Gehten zuführen, wo fie zum Dewuptjein gelangen und Vorftellungen und Willensäugerungen erzeugen, welche mit Hülfe der centrifugalen (motorischen) Nerven in Form von Handlungen in die Aupenwelt hervortreten. Somit entitehen ohne Anreiz von Aupen feine Wahrnehmungen, und unfere VBorjtellungen find abhängig von Jultänden außer uns. Wenn bei uns Nulturmenfchen die äugern Meize im ihrer NWirfung der - Selbjtbeherrichung und Gelbjtfritif des Menjchen unterjtehen, injofern er eine MNeaction auf die äuferen Meize zu unterdrüden vermag, jo fann dies beim Urmenjchen tr jeinen Wrdafern nur in faum meßbarer Werje der Fall gewejen jein, werl alle Kritik be- veits, eine hohe Lebenserfahrung vorausjeßt, Die der Urmenjch fi nur langjam erwerben fonnte. Hätte der Urmenjch im Anfange feiner Gefchichte die ihn angedichtete wilde Dromungslofigfeit erichaut, jo wäre jeine Seele jelbjt verwildert und das menjchliche Denfen würde em anderes jein, als es der that- hide Befund ergiebt. Yehrt uns doch die Grfahrung tagtäglich, day Menschen, die von ihrer frühelten Sugend auf nur yerrbilder des menjch- lichen Lebens erblickt haben, in ihrer ganzen Geijtesrichtung das Verzerrte weiterbehalten, wenn fie ich jelbjt überlaffen bleiben. Das gilt von jedem Stande, dem höchften, wie dem niedrigjten. uch im der Wifjen- ichaft pflegen die verwirrteften Köpfe allezeit Dre. Verfechter. der vers wirrtejten Doctrinen zu jein, und fie find in ihrem vorgerüdten YXebens- alter jelbit dann umbheilbar, ja mr noch beharrlicher, wenn ihnen von amderer Seite das. Widerfinnige ihrer Anfichten dargelegt wird, während von Iugend auf an flares geordnetes Denken gewohnte Köpfe fi) dei Erfenmung des Irrthums zum. yurädzug entjchliegen. Das 74 Zweiter Abjchnitt. Sleiche gilt von DVerbrechern, je nachdem fie von frühejter Jugend auf oder erjt im jpäteren Leben auf den abjchüjfigen Weg des Lafters geführt wurden. Der thatjächliche Befund unferer heutigen Zuftände, in denen Böjes und Gutes, Unordnung und Drdnung bei einander wohnen, nöthigt uns zu der Aımahme, daß von den beiden Bejtandtheilen der vorhandenen Iuftände, nämlich der Unordnung emerjeits und der Drdnung anderjeits die leßtere vor der erjteren bejtanden haben muß, und dak erit durch zwei Gegenjäße die erjtere bewirkt wurde, wobet nicht ausgejchlojjen ift, daß diefe Gegenfäße, jeder für fich betrachtet, ebenfalls Ordnung waren. Der Urmenjcd) muhte eine Drdnung erfchauen, die in jein Bewußtjein trat und als jolche nachgeahmt wurde. Somit fan die Unordnung erit Ipäter hinzugefommen jein, doch ohne jene vollftändig zu vernichten. Denn wäre die Unordnung der Ausgangspunft gewejen, jo hätte weder der Mifro- noh Mafrofosmos diefe Ordnung nachträglich heritellen fünnen und eine Sntwidelung gäbe es alsdann überhaupt nicht. Wir find jomit verpflichtet, jo lange es eine Wifjenfchaft giebt, deren hödhites Stel die Erforfhung der Wahrheit ift, einer jolden Drdnung, die uns das logische Denfen aufnöthigt und jeit Iahrtaufenden von den Philofophen geahnt wurde, nachzufpüren, indem wir das Material, welches uns die Wahrheit ergründen hilft, zumächft mit der uns aufge drängten VBermuthung einer urjprünglichen Drdmung begleiten, um dieje zuleßt zu einer befriedigenden Hhpotheje umzugeitalten, die uns in Form einer Theorie die Sntwidelungsformen des Menjchheitslebens im Zus jammenhang aller Einzelthatjachen erbliden läßt. Diefe Vermuthung- tt auch im diefem Falle etwas Ihatjächliches, weil die Ordnung ebenjo ein Merkmal in der Totalität der Völfererfcheinungen tft, wie die Unordnung. ur eins von beiden Merkmalen fan Grundmerfmal fein. Wir find um jo mehr verpflichtet, die Drdmung zu der bei jeder Induction noth- wendigen Bermuthung zu erheben, weil die Bermuthung einer urjprünglichen Unordnung im Leben der Urmenjchen feine. befriedigende Hypotheje, die alle Sricheinungen erklärt, zu Stande gebracht hat. Smpfängt der Menjch die erjten Sinnesreize von jener nächiten Umgebung, jo fann auch nur diefe der Schauplag jeiner erjten Gindrüde jein. Wollten wir von der Grfahrung, daß auf einem und demfelben Boden ganz heterogene Gebilde gezeitigt worden jind, abjtrahiren, was uns das Ihatjächliche nicht erlaubt, jo würden wir diejenige Umgebung ins Muge fallen, wo der Mienjch jeine Nahrung findet. (SS würde dies der jJog. Yebensraum fein, den viele Forjcher bedeutend überjchäßen, weil jie eben die Srfahrung nicht beachten, dat auf demfelber Lebensraum verjchtevene jociale Gebilde entjtehen fünnen. Der Lebensraum fann Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2c, | on nicht die Umgebung gemwejen jein, aus der der Urmenjd jeine Drdnung jhöpfte. Infolge dejjen müffen wir dem Schauplaße engere Grenzen ziehen. Nie das Wild von den Feldern zu jeiner Höhle, der Vogel von jeinem Ausflug nad) jenem Neft, jo fehrt auch der Menjch, wenn er der Nuhe bedarf, nach jeiner Wohnung zurüd umd nimmt hier den Lagerplaß ein, an den er „gewöhnt“ ift. Es ijt dies ein jo allgemeiner Zug und univerjeller Drang in der gefammten Natur, der bei allen thieriichen Lebewejen jic vorfindet, dag wir jchon um des willen zu der Annahme berechtigt find, auch der Urmenjch habe feine Ausnahme davon gemacht. 63 bleibt jomit nur dag Wohnlager als der Schauplak übrig. Den Wohnraum dürfen wir uns im jermer erjten Jwedeigenichaft nur als Nuhelager denken. Aber der Menjch lebt, weil er fich nachweislich durch Zeugung fort pflanzt, nicht ijolirt, jondern mit Andern vereint, weshalb ein Nebenein- ander im Wohnraum ftatthat. Wenn man fi Menfchen neben einander lagernd denkt, jo fann man es fi nur in Neihenform denfen.!) Somit ilt jedes Lager einer Anzahl von Mtenjchen der Subegriff einer oder mehrerer Meihen, deren Korm von verjchiedenen Umftänden abhängen fann, die wir an diejer Stelle vorläufig bei Seite laffen müfjen, zumal dieje in ihren Hauptformen den Hauptinhalt des vorliegenden Buches bilden werden. Denfen wir uns eine Anzahl von Meenjchen nad ein= ander einen Naum erfüllen, jo wird Ddiejes: Nacheinander von jelbjt die Meihenfolge im Nebeneinander heritellen, indem jedes neu hinzufonmende Slied, will e8 jedes an jeinem gewohnten Plate laffen und den bisherigen Iujammenhang nicht ftören, jic) an die vorigen anreiht. Nas wir big- her gejagt haben, hat alfo nur Gültigkeit für die Annahme, daß ver Urmenjch nicht tjolirt, jondern ale Loov rortıxöv lebte. Warum er nur als jolches gedacht werden fann, foll weiter unten dargelegt werden. Wenn das bewegliche Sehorgan, das feinjte Zaftglied des menjch- lichen Körpers, wegen des Meizes, den die Lagerreihe ausübt, mit diejer in Wechjelwirfung tritt und unter Einfluß der motorischen Nerven dieje Smpfindungen ing Bewußtjein gelangen, jo verjchmelzen die einzelnen, von jedem bejonderen Bunfte aus durch Neiz entjtandenen Gmpfindungen (TIheilvorstellungen) in der Gejammtreihe zu einer (Gejanmt=)Borjtellung, 1) Man mag fich eine Gejellfchaft Menfchen denken, welche man will: jo lange fie auf den Beinen find, bieten jie dem Auge ein wiüjtes Durchein: ander. Sobald fie fi) aber neben einander niederlajjen, entitehen Neihen, ent- weder Yängsreihen, (teils visä vis Neihen, theils Schlangenreihen) oder Nundreihen (Kreife, Halbfreije, Biertelfreije). Dieje Beobachtung fan Seder machen, der auch für triviale Erjcheinungen ein Auge hat. 16 Zweiter Abjchnitt. die jelbjtverftändlich für jedes einzelne Glied der Neihe, weil ihm ja inner- halb derjelben je eine verjchtedene Stellung zugewiejen it, eine andere jein muß. Dadurch erklärt es fich, daß nach jewetliger Auflöfung der Meihe beim NStederverbinden derjelben jedes Glied immer wieder den Drtpunft wählt, der genau dem Bilde entjpridt, welches jeder Einzelne von der Gejfammtreihe in feiner Er- innerung hat. Denmm durch den VBerjchmelzungsproceh aller Einzelvor- jtellungen (Gmpfindungen) entjteht eben eine bleibende Sejanmtvoritellung. Deshalb hat Ihon W. Bolfmann!) jehr vichtig bemerkt: „2 ichmelzung jtiftet eine bleibende, nie mehr auflösbare Vereinigung der Vorftellungen in ein gemeinfames Vorjtellen. CS dürfte wohl wenige Sätze der Piychologie geben, die an practijcher Bedeutung diefem Satße aleich fommen. Iede Angewöhnung beginnt jchon mit der eriten Gleich- zeitigfeit der Vorjtellungen, daher die Wichtigkeit des erjten Schrittes." Iser jollte nie beobachtet haben, wie Kühe oder andere Ihiere, wenn jte des Abends von der Weide oder der Arbeit nach der Stallöffnung zus getrteben werden, jede für jich den bejonderen ihr zufommenden Plat von jelbjt aufjucht, oder wie noch ganz Fleine Kinder tin einer Spieljchule, jobald es gilt, ich wieder veihenweile zujfammenzufeßen, . jedes derjelben jet gemohntes Plätschen jucht. Hätten Ihrer und Kimd nicht jedes jein bejonderes Meihenbild tm ji) erworben, jo würde dies ımerflärbar jein. Diefe Sricheinungen find nicht auf Meflerionen des Verftandes, jondern auf rein fünnliche Smpfinvungen zurüdzuführen und daher im jeeliichen Iuftande als durchaus primitiv zu betradhten. Mit dem Eintreten der Meflerion wird diefe Drdmung eher gejtört, jtatt erhalten, wie wir dies bei größeren Kindern beobachten fünnen. RN: Befanntlich wußte jchon Ariftoteles (de mem. 2), welchen Iußen die |trenge Drdnung in der Dfonomie des geiftigen Lebens hat, und. ebenfo befannt it es, wie wichtig die Einftellung des Ifolirten in die Nethenform nicht blos für die WMinemonif, jondern für die VBiychagogif des Lebens überhaupt ft, wie Alles, was wir im Meihen jchauen, umpergefjen und bleibend für uns wird, während das tjolirt augerhalb der Neihe Beftndliche der Vergefjenheit anheimfällt. Es trifft deshalb Volkmann das Richtige aud) darin, wenn er jagt: „In feitgewordenen Meihen haben überhaupt die täglichen Gewohnheiten ihren Sit, deren Störungen eine Macht entfalten, die uns bie- werlen in Staunen verjegt und die in der allmählichen Aınfammlıng jänmmtlicher Energien der Neihenglieder. an der Hemmungsitelle ihre Erklärung findet“. 2) Wenn alle unjere Gewohnbherten ihren: Grund in fejtgewwordenen Sede Der- ) W. Bolfmann, Lehrbuch der Biychologie vom Standpunkte des Realismus; 4. Aufl. Eöthen:1894 1. C. 364. 0) 2, W. Bolfmann, a. a. D,1..@. 465. Das menjchheitliche Wohmreihenlager im Allgemeinen 2c. u | I Reihen haben, jollten wir nicht alsdanı zu der: Vermuthung berechtigt jeim, dag auch das Wohnen jelbjt einft in der Urzeit der Menfchheit ein veihengemäßes gewejen jet? Sollten wir nicht gehalten fein, die vermuthete Dronung ihres Urdafeins im Wohnlager zu fuchen, zumal. uns die Grund- merfmale dev Dörfer noch im der Gegenwart zu der ftatiftifchen d. ). aus den thatjächlichen Merkmalen gewonnenen Vermuthung nöthigen, da es fich hiev um eine Gontinuität imerhalb zahlreicher Gntwidlungsformen handelt? Wenn irgendwo, jo wird ein Imductionsproce; in Begleitung jener VBermuthung uns hier aufgenöthigt. Lagerte man in Neihen, fo ichaute man Meihen an und gewann dadurd eine unauflösbare Gejanmt- vorjtellung vom Wohnlager, in defjen Neihenordnung man feinen Platz hatte und feithielt, jo daß aljo durc diefe NWechjelwirfung des Nerven- Ipftems mit der Aupgenwelt ein Zuftand von Dauer begründet wurde, der nad dem Sntwidelungsgejek jo lange anhielt und anhalten mußte, bis durch Berührung mit einem andern Zuftand eine Modification eintrat. ‚Die. moderne Gthnologie tt freilich entgegengejeßter Memung. ISnpem fie das Urdajein der Menjchheit mit gejchlechtlichen Srtravaganzen beginnen läßt, muß fie jelbjtverjtändlich den Wohnraum bei Seite chieben und die Zeugungsverhältniffe als den Grund der erften menjchlichen Berfafjung betrachten. So joll nah Morgan!) „die Sultur der Menjch- heit zwei Grundformen der gejellichaftlichen VBerfaflung entwidelt haben. Die erjte jet eine gejellichaftliche, auf Gentes, Bhratrien md Stänme gegründete Drgantjatton; die zweite und der Zeit nad) jpätere jet eine politiiche, auf Landgebiet und Gigenthum gegründete Drganijatton. Die Beziehungen der erjteren jeien rein perjönlich gewejen; die Be- ztehungen ver leßteren dagegen rein. territortal.". In mehr oder weniger modificirter Form ift ihm Dies von einer, Anzahl anderer Gelehrten mac) - geiprochen worden, wober ich allerdings nicht unerwähnt lafjen will, dab auch jchon vor Morgan, mur nicht: jo jcharf betont, diefe Behauptung, namentlich jeit Difüarch, eine, gewilfe Giltigfeit gehabt hat. Auch im den ‚weit verbreiteten Schriften von Bojt fehrt dieje Anficht immer wieder, doch mit der Abänderung, dag Bolt im feiner letten Schrift?) vier „lociale Drganifationsformen” amımimmt: „eine gejchlechterrechtiiche, eine territorialgenofjenjchaftliche, eine herrichaftliche und eine gejellichaftliche. Die geichlechterrechtliche Drganijation ftüßt fich auf Ehe und Blutsgemeinjchaft, die territorialgenofjenschaftliche auf das gemeinjame Bewohnen, die herr- Ye. Morgan. Diellrgejchichte. Unterfuchungen über den Fortjchrittder Menjch- heit aus der Wildheit durch die Barbarei zur Givilifatton. Aus dem Englijchen übertragen von Cihhoff und Kautsfy, Stuttgart 1891. ©. 52. 2) Grundriß der ethnologijchen Jurisprudenz. I. Oldenburg 1894. €. 14. 78 Zweiter Abjchnitt. ichaftliche auf das Schuß- und Treueverhältnig zwijchen Herren umd Hörigen, die gejellichaftliche auf eimen vertragsmäßigen Zufammenjchluf einzelner menjchlicher Individuen." Inwiefern die Eintheilung Bojt’s den wirklichen Ihatjachen der Gntwidlung der Menjchheit noch viel mehr widerjpricht, als die Morgan’s, wird der Hauptinhalt des vorliegenden Buches näher nachweijen. Schon vom Standpunkt des reinen Denkens "aus betrachtet muf eine jolhe Gonjtruction verworfen werden, weil fie mit dem allgemeinen Sntwidelungsgejeß, wonad) troß aller Modiftcattonen doch immer die Gon- tinuität erhalten bleiben muß, in Widerjpruch jteht. Wo liegt für die vier angeblichen Drgantjattonsformen der gemeinjam bejtimmende Grund? ie fan aus der Bluts- eine Territorialgemeinjchaft und aus diejer ein Schutzwerhältnig und endlich eine Vertragsgejellichaft entitehen? Aber zum Anderen auch) vom Standpunkte der thatfächlichen Wirklichkeit aus betrachtet: wo jind diefe Organtjattonsformen nachweisbar? War etwa der Hörige, der jogar mit dem ganzen Yandbeii verfauft werden fonnte, nicht an das Terrain (die Scholle) gebunden? Und jchwebt die heutige Gejellihaft in der Luft? oder wohnten die „Sejchlechts-Genofjenjchaften“, jelbit wenn man fie fih nur auf Bäumen herumfletternd denft, etwa nicht auch bei= jammen? Diejes auf einer rein aprioren Speculation beruhende Gm- theilungsprineip tft, weil eg im Widerjpruch zum Gntwidelungsbegriff jteht, für die urgejchicehtliche Betrachtung unbrauchbar. Wohnen mupten aud die Urmenjchen, und dazu bedurften fie eines Raumes, den wir Wohnung nennen. Diejer mußte alsdanıı nad) der piychologiichen Erfahrung das Allererite jein, mit dem die leiblichen Dr= gane im Wechjelbeziehung traten, wogegen der jinnlich nicht erfennbare Yufammenhang der BlutsverwandtichaftdemMtenjchen derirzeit verborgen bleiben mußte, da dies einen Greenntnigreichthun vorausjeßt, zu Ddefjen erden augenjcheinlich Sahrtaufende gehört haben. Giebt es ja doch noch heute Wölfer, die diefen Jufammenhang noch immer nicht in vollem Mahe be jien. Der jollten wir hier an eine rüdjchreitende Bewegung denfen? Wenn das ILerritoriale alle die übrigen Organtjationsformen beherrjcht, jo werden wir, wenn wir überhaupt von Gntwicdelungsformen veden wolle, genöthigt, es auch für die erjte Periode des menschlichen Dajeins an- zunehmen, zumal die „gejchlechterrechtliche Organijation? im Stimme Bojt's — te hat jedoch nie eriftmt — mehr als alle übrigen in das ideale Be- veich der Gedanken zu jtellen it, weil jte eben auf nicht-finnlichen Ar ihauungen beruht. Jicht nichtsfinnliche, jondern finnliche VBorftellungen müfjen der erften menjchlichen VBerfaljung zu Grunde gelegen haben, und zwar muß die erjte Berfafjung dem piychologtichen Kntwidelungsgejete zufolge vorhanden ge- Das menjchheitliche Wohnreihenlager in Allgemeinen 2c. 79 wejen jein, bevor jich der Menjch ihrer vollbewußt wurde, weil eben nichts im Sntellect jein Fan, was nicht vorher im den Sinnen war. Betrachten wir deshalb zunächit das völferfundliche Material, von dem die modernen Gthnologen behaupten, dag fi) aus ihm der Beweis für ihre nichtterri- toriale auf Blutsverwandtjchaft begründete Drganijation ergebe! Auch in diefer Beziehung müfjen wir auf den eifrigften Verfechter diejer Lehre, auf Morgan, zurüdgreifen. Auf Grund einer größeren Anzahl von VBerwandtichafts-Nomencla- turen bei verjchtedenen primitiven Völkern ergiebt jich, da dieje die Ver- wandtjchaftsausdrüde nicht individuell von einer Perfon auf eine andere, jondern collectiv anwenden, nämlich jo, daß die Glieder ganzer Gruppen für Glieder eimer anderen Gruppe ohne Nücdjicht auf die bejondere imdi- piduelle Stellung der Einzelnen gegen Ginzelne gemeinjame Verwandt- ihaftsbezeichnungen gebrauchen. So nennen fi z.B. auf Hawait die nahe- zu gleichaltrigen Gruppen, je nach Gejchlecht, Brüder und Schweitern, die nächithöhere Gruppe nennen fie dagegen Väter und Mütter, und die nod) höheren Großväter und Grogmütter, wogegen fie die nächjtniedere Gruppe mit Söhne und Töchter und die noch niedere mit Gnfel und Enfelimmen bezeichnen. Dabei bejteht augerdem der Gebrauch, das der Mann für ein und diejelbe Perfon andere Bezeichnungen hat, als die Frau. Dies tjt der objective Ihatjahenbefund, der jomit einer Deutung bedarf. Bon Seiten Morgan’s wird er jo gedeutet, daß dieje Gruppen- verwandten gruppenweije gejchlechtlichen Umgang hatten; den — jo deducirt er — wie würden 3. DB. die Väter und Mütter auch ihrer Gejchwifter Kinder mit „Sohn“ und „Iochter” angeredet haben, wenn der gejchlecht- liche Umgang monogamijch gewejen wäre? Cs lägen hier Gruppenehen vor: Alle Brüder heiratheten alle Schweitern gemeinjam, md daher jeten ihnen auc alle Kinder gemeinjam, gerade wie jte jelbjt aucd) Gruppen- finder ihrer Vorfahren gewejen jeient. Sinmal auf diejer gejchlechtsertravaganten Fährde, bemußte er die übrigen abweichenden Berwandtichaftsbezeichnungen außerdem dazu, fich fünf verjchtedene Entwidelungsformen der Kamilie zu bilden; erjtens Sruppenehen von leiblichen und collateralen Brüdern und Schweitern (Blutsverwandtjchaftsfamilie); zweitens Gruppenehen meherrer, leiblicher und collateraler Schweitern bezw. Brüder mit ihren Ghemännern, bezw. Che- frauen, wobei die gemeinfamen Ghegatten nicht nothwendig mit einander verwandt zu jein brauchten (Bunaluafamilie); drittens Chen zwijchen einzelnen Paaren, jedoch ohne völlige Treue, wober die Dauer der Che im Belieben der Ginzelnen jtand (Baarungsfamtlie),; viertens Shen mit mehreren Frauen, die man jtreng abjchlo (patriarchalifche Familie); und endlich fünftens Ehen zwijchen einzelnen Paaren bei volljtändig ehelicher 80 Zweiter 2Lbjchnitt. Irene (monogamiche Familie). Diejen fünf Kamilienformen läßt übrigens. Morgan nod) einen ganz-tollen Juftand vorangehen, indem nad ihm die Blutsverwandtjchaftsfamilte dadurd entitanden tft, dag in der ur= jprünglic; promiseuen Horde, wo aucd Verbindungen zwijchen Gltern und Kindern umd zwilchen Diefen und den Gejchwiltern der Eltern DVer- bindungen vorfamen, diefer geichlechtliche Verkehr unterjagt wurde, worurd) ji) mm aber tm der früher gejchlechtlich vegellofen Gruppe ältere und jüngere Generationsreihen bildeten. 63 fommt mir bet der Aufführung diefer „Entwidelungsformen“ nur darauf an, zu zeigen, welchen Migbrauch Morgan mit dem Ausdrud: „Sntwidelimg” treibt. Aus dem Befunde bloger „Verwandichaftsbezeich- mungen” baut er ein ganzes Syftem von Sntwicelungsformen auf, die dur) fein Grundmerfmal verbunden find. Nas diefe Formen hervorbrachte, wird nicht gejagt. Mad Morgan „lag es in der Natur der Sacıe, dat die Nechte und Privilegten (nämlich fich gruppemweije zu begatten) jo tiefe Wurzelr jchlugen, day eine Smancipation von. derjelben nur langjam durd) Bewegungen bewerfitelligt wurde, die unbewußt zu Umänderungen führten!)*. » Das Unbewufte tft fein Entwidlungsmotor; nur etwas Ihatjächliches fan eine Umänderung eines anderen Ihatfächlichen herbei- führen. Dieje Umänderung braucht dem davon berührten Menfchen allers dings nicht zum Dewußtjein zu fommen. Aber went diefe Umänderungen dem Menfchen nicht ins Bewuptjein traten, jo handelte es fich jeinerjeits auch nicht um eine Gmancipation, da Ddieje vorausjeßt, daß man fc). des Juftandes, den man verändern will, bewußt tft. Ylnderwärts nimmt Morgan an, e8 lägen im Gehten des Menjchen „Gedanfenfeime‘, durch welche die Sntwidelung herbeigeführt worden jet. So jagt er beijpiels= weile: „Aus wenigen Gedanfenfeimen, die tn früheren Zeitaltern ausges dacht (sie!) worden find, Jind alle hauptjächlichen Imjtitutionen Der Menschheit hervorgegangen. . . Die Gntwidelung diefer Gedanfenferne hat unter der Leitung einer natürlichen Xogif jtattgefunden, die eti wejent- liches Attribut des Gehtens ausmachte‘‘.?) Man Sicht, auf welch unklaren VBorftellungen vom Begriffe der Sntwidelung auch Morgan feine Entwidelungsformen aufgebaut hat und welche Unflarheit derjelbe über die Entjtehung der Vorftellungen und des Bewuhtjeins des Menschen hat. Iede: Vorftellung (als Ganzes) tt die Verbindung einer Mehrheit von Empfindungen (jog. Iheilvorftellungen) und ein in unjerm DBewußtiein erzeugtes Bild eines Dbjectes (Gegen jtandes oder Vorganges) der Außenwelt. Das Dbjeet it entweder ein wirklich aufgenommenes oder ein blos 'gedachtes, je nachdem das Bild auf ") Morgan, Die Urgejellichaft ©. 41. >) Morgan, Die Urgejellichaft ©. 51. Das menschheitliche Wohnreihenlager im Allgenteinen 2c. [0.0 m äußeren oder immeren Neizungsvorgängen beruht. &S bedarf feiner weit- läufigen IAuseinanderfegung, dap die Vorjtellungen des Urmenjchen zu= allererft durch Neize von aufen zu Stande famen, bevor ein Bereich von Srinnerungs- und Cmbtldoungsvorjtellungen fich anjammeln, bezw. ent- jtehen fonnte. Und da die Einbildungsvorftellungen, zu denen auch die Iraumbilder gehören, von den äuperen Sinneswahrnehmungen erjt bet entwicelterem Selbjtbewußtjein gejchteden werden, jo war ein jehr langer geitraum erforderlich, bevor der Meenjc über den Jujammenhang der Ericheinungen eine Elare Vorftellung gewann. Ver auch mr oberflächlich verjucht hat, ich darüber Elar zu werden, welch mehrgliedrige Sombination von Borjtellungen erforderlich war, um den Zu- jammenhang von Zeugung und Geburt und dem daraus jich entwicelnden Verhältnig von Eltern und Kindern und der gegenfeitigen jog. Ylutsver- wandtjchaft anderer zugehöriger Berfonen auch nur zu ahnen, wird es, aleich mir, als eine piychologifche Natvität empfinden, wenn Kohler behauptet!): „ährend die Zufammengehörigfeit der Kinder mit der Mutter ich von der Natur jelbjt dem erjten Vice verräth, it der Zufammenhang mit dem Bater in den tiefften Schleier gehüllt, den erft die phyfiologiichen Forfchungen unjerer Tage zu lichten verjtanden.” &S dürfte wohl jchwerlich Semanden gelingen, für irgend ein ausgejeßtes Kind die Jufammengehörigfeit mit jeiner Mutter auf den erjten Blick zu errathen, ohne eine Verbindung mit anderen Vorftellungen dabei zu Hülfe zu nehmen. &s ift nicht jelten vorgefonmen, day man jehr wohl den Zufammenhang dev Kinder mit Dem Bater, aber nicht den mit der Mutter kannte; doch nicht infolge „der phyliologijchen Forjchungen unjerer Tage”, jondern in Solge von Gombi- nationen einer Anzahl von Vorftellungen. So einfach Itegen die Dinge wahrlich nicht! &s ift ein ganz unrichtiger Standpunkt, vorgejchichtliche Zu= tände aus dem Gefichtspunfte jpätzeitlicher Erfenntnigzuftände zu beurthetlen. Das Urweib, das ein Kind gebar, wird allerdings das Kind er- Ihaut haben, aber über den Jufammenhang diejes Vorfommnifjes wird e8 ebenjowenig wie das Kind, wen es herangereift war, eine VBorftellung bejefjen haben; es war der Mutter ein Ereigniß, wie jedes andere Kreig- niß, und dem Kinde das Verhältnii zu feiner Mutter ein Juftand, wie jeder andere Zuftand. Um zu erfennen, da das Kind das Kind der Mutter ift, genügt nicht „der erjte Blic”, jondern it ein langjamer Wechjelprocei zwijchen der finnlichen Schnur welche die Ericheinung nahe bringt und zwijchen dem denfenden Bewußtjein, welches fich diejelbe aneignet und ausdeutet, indem es über die finnlichen Sindrüce reflectirt und fie in VB Vorftellungen von Gegenjtänden ummandelt, um in ihnen den richtigen Zufammenhang der Dinge anzujchauen, erforderlih. Wir können ) Kohler in der Zeitjchrift für vergl. Nechtswiljenfchaft III. (1882.) ©. 393. Muce, Urgefchichte. 6 52 Zweiter Abjchnitt. auf den erjten Blie eine bereits erfannte Ihatjache bei ihrer Wiederholung richtig deuten, aber niemals eine noch nicht erfannte Sricheinung, auc) wenn fie fich wiederholt, jchon beurtheilen. Um etwas auf den erjten Dit zu erfenmen, muß man das Stwas bereits wifjen. Daß das Urwerb jich jenes Greignifjes bereits bewußt war, mu man bezweifeln, wenn man jich nicht zu der Anficht bequemt, daß der Urmenjch im jenem Urdajein ein vollendetes Nejen war, oder da der Urmenjch mit angeborenen Sdeen ins Dajein trat. Wenn es bei irgend emer Gricheimung unzweifelhaft feitgejteltt it, dah 8 ich um feine angeborenen Ideen handelt, jo ift es gerade beim GSejchlechtstrieb der Fall. Deshalb führt 5. B. auch Wundt!) zum Be- weile, das es feine angeborenen Ideen gäbe, gerade den Gejchlechtstrieb ins Treffen, indem er jagt: „So ficher num derjelbe zu den angeborenen Snjtineten gehört, ebenjo gewiß it es, daß die jämmtlichen VBorftellungen, welche im Verlauf jeiner Entwidelung zur Geltung fommen, aus der Gr- fahrung ber Itanımen. Selbjt die ertvemften Anhänger der angeborenen Ideen werden nicht geneigt jein, dem Meenjchen eine angeborene Kenntnif der Gejchlechtsdiffereng zuzufchreiben; und dennoch würde diefe Annahme ebenjo nothwendig jein wie die angeborene Vorftellung der Mutterbruft bei dem Säugling’. Gs heigt dem doc aller Erfahrung Hohn jprechen und am ihrer Stelle der wilden Speculation den Blat einräumen, wenn jene mit Urgejchichte jich befafenden Sthnologen die Entjtehung der erjten verwandtjchaftlichen Drgantjationsformen auf die Erfenntni von den de ichlechtlichen Erzeugungsverhältuifien zurüdführen. Day die Ihätigfetten zur Crfüllung eines Zwedes unabhängig von der Srfenntnig des Zwedes und der ihr dienenden Ihätigfeiten Ind, lehrt die gejanmte Natur; es begatten ji) die Ihrere und befruchten jich die Pflanzen, und wir find berechtigt zu dem Zweifel, daß jte die Erfenntrii ihrer darauf bezüglichen Ihätigfeit haben. tr winden uns ein uner- mepliches Yabyrinth von Widerjprüchen jchaffen, wenn wir dem Urnenjchen die Befähtgung andichten wollten, daß er von Urbegimm feines Dajeins an die Srkenntni bejeflen habe, daß er der Mrheber der Verbreitung des Menjchengejchlechts jei. Much mülfen uns die in den Miythologten der Bölfer niedergelegten nwyitischen Vorjtellungen über Zeugungsverhältnifie unverjtändlich bleiben, wenn jich „die JZufammengehörigkeit dev Kinder mit der Muutter auf den erjten Bli verrathen hätte”. Diefe Miythologten find jehr jpäten Mjprungs; jte find mur zu verjtehen, wenn man annimmt, day große Zeiträume vergangen waren, im denen die Menjchen Die Bolljtreder einer von ihnen unabhängigen Ordnung der Dinge ) Wundt, Gumdzüge der phyfiologiichen Piychologie II. Band, 3. Aufl. Leipzig 1887, ©. 232. Das menjchheitliche Wohnreihenlager int Allgenteinen 2c. 83 waren, über deren Jujammenhang ihnen zuvor jedes Ver- ftändniy fehlte, das fie vielmehr erjt ganz allmählich Durch Gombi- mationen von Vorjtellungen gewannen. Gerade diejenige Zeit, wo man anfing, den Zufammenhang aller, für die Erklärung des hier in Frage jtehenden Vorgangs, erforderlichen Umftände zu erklären, wo die mjtiiche Ahmıma hervortritt, it zugleich der Anfangspunft der darauf bezüglichen Mythologien, die man als eine Nücbildung geiitiger Srfenntnig betrachten müßte, wenn eS auch dem Urmenjchen jchon £lar gewejen wäre, im welchen phyfiologiichen Deziehungen er zu jener Umgebung jtand. Man bewegt jich auch hierbei in lauter Widerjprüchen. Man jagt, der Menjch habe fich Alles exit mühjam erwerben müfjen, und doch dichtet man ihm die Erfenntnig des Guten und Befjeren an! Man behauptet, der Menjch habe vor der „rein territorialen” Draantjation eine „rein per jönliche” gehabt. um it es aber befamnt, dag das Bewuftjein, in welches Dunfel uns auch jeine erjten Anfänge gehüllt erjcheinen mögen, fih nur. nad) und nad) entwidelt, und daß es Dabei ftreng an das dauernde Vorhandenfein der Vorftellungen gebunden it, deren man jic) bewuft werden joll. NBijfen wir Doc, dal wir aus unjerer eriten Kinder- zeit deshalb jo wenig willen, werl zwijchen umjeren damaligen VBorjtellungen und dem Bewußtjein em nur Lofer Jufammenhang beftand. er jenen Großvater in jeinen erjten vier Lebensjahren nur vorübergehend gejehen hat, wird Sich jeiner faum erinnern. Dazu ift mimdeltens eine Bermanenz im Wohnraum nöthig. Hätten die Urmenjchen nicht eng bet einander ge wohnt, und wären jte bejtändig, ohme jtch im Yager immer wieder zu- jammenzuftinden, umbergejchweift, jo wirrden jte, ähnlich wie das Kind Die Berjomen jeimer täglichen Umgebung vergiit, wenn es fie Wochen lang nicht vor Augen gehabt hat, jich gegenjeitig niemals fennen gelernt haben; und es würde ein Zuftand eingetreten jein, wie wir ihn etwa bei unjern Hausthteren vorfinden, die jich, jo lange man fte nicht gewaltjam von ein- ander trennt, jehr wohl fernen, aber jobald der wohnräumliche Zufammen- hang zerriffen wird, einander vergeffen. Yırch wenn und jeder völferfimdliche Bericht über die Verwandt- Ichaftöbezetchnumgen primitiver Völferichaften fehlte, jo würden wir auf Srumd der mit der phyltologischen Sntwidelung der Naumvorjtellungen parallel gehenden Entwidelung von Lautbezeichnungen bei dem bloßen Seithalten eines Meihenbildes von neben einander lagernden Menjchen er- warten müfjen, daß fie fich Bezeichnungen gaben, welche die räumliche Sntfernung der Lagergenofjen ausdrücden. Aber die Völferfunde lägt uns dabei nicht im Stih. So dienten 3. B. nah) Gunow!) den Duichua= !) Sm Ausland Jahrgang 64. Stuttgart 1891. &. SS5. Sch jeße felbit- verjtändlich voraus, dap Kuno die Bedeutung diejer Wörter nicht blos ver- muthet und erfonnen bat. se 6” 54 Zweiter Abjchnitt. peruanern zur näheren Bejtimmung des Verwandtjchaftsgrades der Golla- teralgejchwifter die Wörter cispa (nebenan), caylla (nahe, in der Nähe) und caru (entfernt). Des Baters Bruderfohn (Goufin erjten Grades) hie, wenn der Nedende ein Mann war, Cispa huauquey (Nebenan- Bruder), desgleichen der Schweiterjohn der Mutter; des Grofvaters Rruderjohnesjohn und der Großmutter Schweitertochterjohn (Goufin zweiten Srades) hiehe Caylla huauquey (naher Bruder) und alle weiter ent- fernten Gollateralbrüder — ganz gleich ob dritten, vierten, fünften Sliedes — Caru huauquey (entfernter Bruder). Gime Srau hingegen nannte ihres Waters Bruderfohn und ihrer Mutter Schweiterfohn Cispa tora, ihres Srofvaters Bruderjohnesjohn und ihrer GroßmutterSchweitertochter- john Caylla tora und alle weiter entfernten Gollateralbrüder Caru tora. In gleicher Weife wurden aucd die Schweitern nach dem Grade ihrer Ent- fernung jeitens des Mannes Cispa pana, Caylla pana und Caru pana, jeitens der Srau Cispa nana, Caylla nana und Coru nana genannt... Seinen leiblichen Bruder nannte ein Mann Llojsimasi oder Llojsimasi huauquey, jeine leibliche Schweiter Llojsimasi pana und umgefehrt nannte eine Kran ihren leiblichen Bruder Llojsimasi tora, ihre Schweiter Llojsimasi nana. Diejer Ausdrud it durd eine einfache Überfegung nicht zu verjtehen; Nojsi (auch vielfach lloesi gejchrieben) hat die Be- deutung von „raus“, „außerhalb“ und es würde Demnach) Llojsimasi durch Augengenofje zu überjegen jet.“ Ebenjo fjoll nah Morgan bei einem Bolfsftamme der Mann den Sohn jeiner Schweiter wae-sung benennen, wober „wae" außerhalb, „sung”" Kind bedeute. Desgleichen bezeichnet nah Morgan bet den GSreef’s Chu-hü-cho-wa „die Frau des Bruders meines Gatten” — meine jeige Mitbewohnerin und Un-ka-pü-che „der Ehemann der Schweiter memer Frau” — „mein fleiner Trennender”.!) er unbefangen jolche Mitteilungen hinnimmt und nicht, wie Morgan und Gunomw,?) der diefem einfach machredet, ji in eine rem jeruelle Anjfchauung verjtriet hat, wird zugeben müfjen, day wir es hier, wenn wir die Entjtehung der Verhältniffe ins Auge fafjen, mit Wohn 1) Morgan, die Urgefellihaft ©. 370, fügt dem hinzu: „was auch immer dies bedeuten mag“. Vielleicht ijt zu überjegen: „mein flein d. h. wenig Getrennter”. 2) Man kann allerdings in Zweifel jein, ob Gunomw nicht einen jchlechten ib machen will, wenn er, wie folgt, interpretirt: „3. B. Caimanta llojsi weg- ziehen (wörtlich: von bier raus); huasimanta llojsi aus dem Haufe hinausgehen (wörtlich: aus dem Haufe raus)“ ... „Das Wort bedarf einer Ergänzung. Bervollitändigt lautet diefer Berwandtichaftsausdrudf huj huijsamanta 11lojsi- masi, d. h. der aus demjelben Leib geborene Genojje (wörtlich: der andere aus dem Bauche raus Genojje)”. N Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2c. 35 raumbezeichnungen tmerhalb eines Wohnlagers zu thun haben, die von dem Drt-Standpunfte gegeben wurden, auf dem fich der Sprecher der zu bezeichnenden Berjon gegenüber dauernd befand. Die Wörter „nebenan“, „nahe”, „entfernt“, „außerhalb“ pp. find Bräpofitionen, und alle wahren Präpofitionen, jagt A. Bajttan!) (nah Wiüllner) jehr richtig, „haben das gemein, daß fie urjprünglic” Naumanjchauungen bezeichnen“. uch it e8 eine durchaus befannte Sache, die jowohl piychologiich begründet, als auch im Völferleben oft beobachtet it und daher auch von feinem ge bildeten Ethnologen irgendwie bezweifelt wird, dal das Näumliche bei den log. Natuvvölfern im Vordergrunde ihres Vorjtellungsbereichs jteht. So jagt z.B. aud) Baftian von den NKaturvölfern: „jte leben in Naumt- anfchauungen,2) und wie für die Zahl, werden jte evjt jpät empfänglic) für die Zeit, deren continuirlichen Fluß auf einige Entfernungen hinaus deutlich auseinander zu halten ein Verdienit höherer Stufen it. Dem Sinzelmen tft feine Vergangenheit gegenwärtig und I Woment der Griftenz jchliegt eine Neihe von BorsEriftenzen oder Bor-Momenten ein, aus denen er fc aufgebaut hat, aber das Bewußtjein der Gegenwart wird fich erjt dann im Gegenjag marfiren, wenn em Abglanz aus den Verhältniffen der Vergangenheit durch Analogiejchlüffe (mach) Beob- achtungen an fich und Andern im Gejellichaftsfreis) in die Zukunft vor- geichritten und jo die Zeit in ihrem Dreifchnitt erfaßt it". Srit durch die Veränderung, bezw. Entwidelung des Grfenntnip- jtandpunftes bei gleichbleibender Sachlage nehmen die Präpofitionen eine andere Bedeutung an; denn die Bedeutung hängt von der Deutung ab, und diefe beruht eben auf der Grfenntnig. Die primitivfte Crfenntnig fnüpft an das Ortliche, das Näumliche an, weshalb man jchon aus diefem Grunde auf den Naum zurücgehen muß, wenn man die Sntjtehung ur- ‚zeitlicher Zuftände erklären will. Sehen wir uns alle in Frage Itehenden Gruppenbezeichnungen näher an, jo weit ung der objective Ihatbejtand der in Frage |tehenden Jtomen- claturen auf zweterlet Umftände hin: nämlich einerjeits werden (mit eimer gleich zu erörternden Ausnahme) durch fie nahezu gleichalterige Gruppen unterfchteden, und amderjeits gebrauchen Männer andere Ausdrüde als Frauen für ein und diefelben Berfonen. Man ijt daher aucd) auf die jehr nahe liegende Vermuthung gebracht worden, dak die Sinthetlung in lters- flaffen für die Verwandtichaftsnomenclatur bejtinmmend gewejen jet. Aber dDiefe Vermuthuug wird an den Merkmalen des objectiven Ihatbeitandes zu Schanden, weil fie nicht beide genannte Umftände zugleich zu er- ) Y. Baftian, Zeitjchrift für Ethnologie IV. 1872. ©. 212. 2) ‚Raum und Zeit". Im Zeitjchrift für Ethnologie Bd. V. Berlin 1819, ©. 48. S6 Zweiter Abjchnitt. flären im Stande tit, 2. h. alfo die Frage unbeantwortet läßt, warum die Männer eine bejtinmmte Berjonengruppe anders bezeichnen, mis Die Frauen. Wenn eine VBermuthung nicht die ganze Mannigfeitigfeit der Sricheinungen erklären kann, jo tjt fie unbrauchbar, um den gemeinjamen Srund der Ericheinung zu erflären und tjt aljo feine SHypotheje. Wenn man fich den Vorwurf der Oberflächlichkeit nicht zuziehen will, it man gehalten, eine jolche Vermuthung, wenn fie als Hypotheje unbrauchbar tft, preiszugeben. Dies haben dem auch gewiljenhafte Korjcher gethan, indem fie diefe Nomenclaturen für bloße Titulaturen hielten. Aber damit tt die Entitehung der Srficheinung nicht im Seringiten gedeutet, und darauf gerade fommmt es dem Wrgejchichtsforicher an. Daf nahezu Gleichalterige fich durch ihre Anreden unterjcheiden, tt eine jo auffallende Ihatjache, da man Diejes Umftandes, aucd, wenn die Vermuthung, dak es fih um VBenenmumgen von Atersichichten handelt, unrichtig tit, bei dev Auffindung einer Hypotheje eingedenf bleiben muB. Denn diefe Vermuthung erklärt wenigitens einen Theil. So nennen fich beijpielsweije bei den Notumanen alle in der mittleren Altersjchicht jtehenden Berjonen sasigi d. t. Brüder; dieje be a Yäter und deren Brüder aemeinfam mit oi fa und deren Väter pp. . ihre Groß und Urgroß- väter uud deren Brüder mit mapiga fa; a nennen fie abwärts ihre Söhne und Bruders Söhne lee fa. Aber nunmehr verjagt Dieje Bermuthung ihre Dienfte. Demm deren Söhne d. h. ihre und ihrer Brüder (Snfel und Mrenfel nennen fie ebenfalls mapiga fa, d. h., Ite gebrauchen aanz diefelbe Bezeichnung für dieje, wie für ihre Große und Nrgroßväter. Dabei haben wir in Betracht zu ziehen, daß der leßtere Umjtand ich nicht blos in Amerika, jondern auch in Australien bemerkbar macht, indem 3. DB. bei den Kurnat des Vaters Water (Großvater) Wehntwin und des Sohnes Sohn (Enfel) ebenfalls Wehntwin heißt, oder bei den Stolor Kundit (Victoria) ebenjomohl der Grofvater wie der Enfel gemeinfam als Kukurni bezeichnet werden. Am leichtejten fommt man über die Schwierigfeit hinaus, wenn man, wie e8 Heinrich Gunomw thut, der ebenfalls die Verwandtichafts- zeichnungen auf „Mtersichichtungen‘ zurüdführen will, jolche und ähnliche a anführt und mit der fich daran jchliegenden Bemerkung, „es jet auffällig, daß vielfach die Gnfel ihre Grofeltern mit demjelben Worte anveden, mit welchen fie von diejen angeredet werden‘, auf eine Unter juchung des Sachverhalts einfach verzichtet. Denn Gunow jagt: „os her dieje Gigenthimlichfeit kommt, vermag ich nicht zu erjehen; aus Wörtermangel tt fie jchwerlich entjtanden, da fie bei Stämmen vorhanden it, deren Sprachen zu den wortreichjten Auftraliens zählen.) Da es nicht ) 9.&unow, Die Berwandtichafts-Organijatton der Auftralneger. Stutt- gart 1894. ©. 46 und 47. Das menjchheitliche Wohnreihenlager in Allgenreinen ac. 37 ( ( Iedermanns Sache it, jich mit der wirklichen Srforjchung des objectiven Sachverhalts der primitiven DOrganijationsformen und dem Grunde ihrer Entjtehung zu befaljen, jo ließe jich an fich auf eine jolche Verzichtleiftung nichts eimwenden, wenn nicht mit vderjelben die Anmaßung verbunden wäre, man bejäße troßdem die richtige Sinficht und jet berufen, le, welche die von ihm vertretene Meinung nicht teilen, „des Mangels au sritif und Verjtändnig‘ zu bejchuldigen, wie Gunow beijpielswetje Weftermard (a.a.D.©.123) gegemübertritt: „Bernahe fünnte man geneigt jein anzunehmen, Herr Weftermard wolle abftchtlich jerne Xejer täuschen, aber man Würde ihm damit meines Grachtens etwas unterjtellen, was ihm gänzlich fern liegt. ES ift ausjchlieglich jeim Mangel an Kritif und Vers Händnig für die primitiven Drgantjattonsformen, der ihn überall DBe= jtätiqgungen feiner Iheorte jehen läßt.‘ Kein Unbefangener wird in Abrede ftellen, day demjenigen das Ver- jtändnig für die primitiven Drganijationsformen abgehen muß, der auch) nicht den leijejten Verjuch macht, aus dem Zufammenhang dev Sricheinungen in ihrer ITotalität dem Grunde einer Einzelerjcheimung nachzugehen. Die in frenwen Ländern weilenden Meifenden bieten uns ihre verdienftvollen Beichreibungen doch nicht um des Willen dar, damit wir das, was jte mühevoll janmelten, mühelos nach rein apriori aufgejtellten Entwidehmgs- formen aneinander reihen und im diefe Formen einzwängen, jondern damit wir, feine Mühe jcheuend, aus der bunten Mannigfaltigfeit, in welcher die Gegenftände zur Gricheimung fonmen, » ven Grumd zu erforjchen jtreben. Shn aufzufinden, tft immer Sache der Vermuthung, die uns der GSr= fenntni näher führt, was für eine GSricheinung aleichgültig it oder was verurfacht, daß fie jo tft, wie fie ift. 9. Gunow meint, man dürfe überhaupt feine Bermuthungen haben, was er gegenüber einem Necenjenten, 1) wie folgt, ausdrüdt: „Ss tft etwas billig, wen mir ein Mecenjent . den Vorwurf macht, ich) hätte nicht erklärt, aus welchen Grimden die Altersihichtung . . . erfolgt jet. Um diefe Frage zu beantworten, hätte ich, da die jetigen auftraltichen Smrichtungen dafür feinen Anhalt bieten, mich lediglich mit VBermuthungen und Annahmen behelfen mü lien, und was diefe werth find, das beweist die Gefchichte der Sthnologte zur Genüge”. Man Sieht daraus, welche naiven Vorftellungen Eunow von der Aufgabe der wiljenjchaftlichen Forihung hat. Stellt man feine VBermuthungen auf, jo fan man feinen Inductionsprocei anftellen, da eine Imduction jtets mit einer Vermuthung verbunden jein muß, wodurd man eben zu einer Hypotheje ‚gelangt, welche uns den Grund der GSricheimungen lehrt. ) In einer „Selbjtanzeige” jeines Buches über die VBerwandtichafts-Dr- ganijatton der Auftrahreger. _Abgebruckt in Bernerftorfer’s Deutjche Worte XIV. Sahrgang, Wien 1894, ©. 547. 8 Zweiter bjchnitt. ur darf die Vermuthung nicht von Aufen in die TIhatjachen hineinge- tragen, jondern mug aus den Merkmalen der Grjcheinungen jelbit ge- wonnen werden. er fich nicht mindeftens zur Vermuthung erhebt, ver- harrt auf dem unterjten Standpunfte des Glaubens, der Meinung, die, werl jie em bloßes Sefthalten eines durch das Denken noch unzergliederten Dbjectes und jomit wejentlich von dem vorhandenen VBorjtellungsbereid) desjentgen abhängtg it, welcher das Dbject fejthält, nothwendig zu Memmmmgsverjchtedenheiten führen muß, da jeder Andere, der mit einem anderen Borftellungsbereich ic) das Ding zu eigen macht, aud) eine ent- gegengejegte Memung hervorfehren wird. Das DVerharren auf der blof jubjeetiven Meinung und das DVerjchmähen der auf die Sefanmmtheit aller einem Dinge zujtehenden Merkmale gerichteten Vermuthung, dag nur eins diejer Merfmale das Grundmerfmal fein fünne, was eben zur Imductton vet, muß immer im Gmdrejultat jolcher Meinnngsverjchiedenheiten zu einer VBerhöhnung und VBerläfterung der Gegner führen. Sie tjt für die Istffenjchaft höchit gefährlich, da die größte Menge der Gonfumenten (iterartjcher Arbeiten fich von jolchen Meinungsäußerungen leider am metjten in die Irre führen läßt. Für die urtheilsloje Menge hat alsdann das ‚ich vermag nicht zu erjehen" oder „ich vermag nicht mit Bejtinnmtheit anzugeben‘, bezw. „ich will feine bloße Bermuthung ausjprechen" geradezu etwas Beltechendes, weil es den Anjchern von Gewifjenhaftigkeit erweckt, während dahinter nur eine umverantwortliche Dentträgheit, wenn nicht gar „ee abjichtliche ILäufchung feiner Lefer' Liegt. Sit die Vermuthung, day das Grundmerfmal der in Frage jtehenden omenclaturen die Altersichichtung jet, zum Mindeiten nicht erjchöpfend, weil auch für Berfonen (Grofväter und Enfel), die nicht ein und derjelben Altersjchicht angehören, ein und Diejelbe Bezeichnung befteht, jo it aber auch zweitens nod) aus dem Grunde die Vermuthung als Hypotheje un- brauchbar, werl Perjonen, die zwar auf gleicher Altersftufe jtehen, aber geichlechtlich verjchieden find, je nach ihrem Gefchlecht eine andere Be- zeichnung erhalten, bezw. dah der Mann für eine bejtimmte Berjon andere VBerwandtjchaftsbezeichnungen gebraucht, als die Frau. Auch im diejer Beztehung tft Sumomw nicht in DVerlegenheit und jpricht fich darüber wie folgt aus:!) „Die theilweife veränderten Namen . . . find lediglich die Solge davon, day bei den Duichuaperuanern ebenjo wie bet mehreren anderen amertfantjchen Völkern, 3. B. den Gsfimo der VBaffinsbat, den Dakota und Chibcha, die Frau für gewijje VBerwandichaftsbeztehungen andere Ausorüde gebraucht als der Mann; jo nennt beijpielsweije der Mann jeinen Bruder Huauquey, die Frau ihn Tora; der Mann feine Schweiter Pana, die Frau ihre Schweiter Nana; der Mann jeine Kinder ') In der Abhandlung über das peruanijche Verwandtjchaftsiyftem. Aus- land 64. Band, Jahrgang 1891, ©. 882. Das menjchheitliche Wohnreihenlager int Allgemeinen 2c. 89 Churi (Sohn) und Ususi (Tochter), die Frau die ihrigen Cari huahua (männliches Kind) und Huarmi huahua (weibliches Kind) u. j. w. Wie diefer Gebrauch entjtanden tft, vermag ich mit Bejtimmthett nicht anzugeben; im einzelnen Fällen lät er fi) darauf zurücführen, dag im den von der Frau gebrauchten Verwandtichaftsbenennumngen In= iptelungen auf ihre Function als Gebärerin enthalten find, die auf dei Mann natürlich nicht pafjen. Das von einer Duichuaindianerin gebrauchte ort Huahua ift 5. DB. nichts weiter als eine Verdoppelung des alt- peruanijchen ‚hua‘, ich. Die Verdoppelung bezeichnet, wie jich dies an einer Meihe anderer Wörter nacdwerjen läßt, eine Vervielfältigung over nn Urjprünglich heißt demnach Huahua nichts anderes als Vervielfältigung meines Ich“ ". Selbjt wenn wir Gunomw dieje ungehenerliche piychologiiche Erklärung im Bezug auf die Kinder der Mutter zugeben fünnten, jo bleibt doch dur) ihn die Frage in ihrer Allgemeinheit unbeantwortet, warım „die Krau für gewifje Verwandtjchaftsbeziehungen andere Ausdrüde gebraucht als der Mann." Folglich räumt er, ohne daß er jich darüber flar wird, damit ein, dag die Altersichichtungen nicht der Grund der Gntjtehnmg diefer Er= icheinung jein fünnen. VBermag er nicht anzugeben, wie der Gebraud) „entftanden“ tft, jo fennt er den Grumd der Gricheinung nicht, darf aljo in Folge defjen auch nicht jagen, daß die VBerwandtichaftsorgantjation der in Betracht fommenden niederen Völferfchaften auf Altersichichtungen be- ruhen. Er darf, wie auch diefer Umftand wieder zeigt, unmöglich Anweren „seitit und Verftändnig für die primitiven Drganijationsformen" ab- iprechen, wo er jelbjt es nicht für der Mühe werth erachtet, mac einer Srumdhypotheje zu juchen, die beide Gricheinungen, Die ev zugejtandener Mapen nicht erflären fan, in ihre Grflärung mit aufnimmt. Da ich bereits in meiner Schrift „Horde und Familie” auf Ddiefe Verhältniffe näher eingegangen bin und es mir hier mehr darauf antam, auf das methodisch fehlerhafte Verfahren der bisherigen Forichung hinzuweijen, jowie in der vorliegenden Abhandlung nur das zum Der jtändni ihres Hauptinhaltes zu wiederholen, was dazu unmittelbar er: forderlich ift, jo muß ich auf die nähere Ausführung hier verzichten und auf jene Schrift hinweifen. Dort habe ich zu zeigen verfucht, wie durch die natürliche, durch Die Geburt felbft herbeigeführte Anlagerung derMenjchen nothwendig Gruppen entjtehen müfjen, die in einer größeren Gemeinjchaft fol- gendes nach Sefchlechtern getrennte Bild ergeben. ES lagern auf dereinen Seite: Sropmutter Mutter nebft Ego mit Töchter mit Gnfelimmen nebjt Schwee Schweitern Schweiten Schweitern mit Schweitern tern und ud und und umd Muhmen Muhmen Muhmen Muhmen Muhnten 90 Zweiter Abjchnitt. Auf der anderen Seite lagern: Srofvater mit Water mit Ego mit Söhne mit Gnfel mit Nrüdern und Prüdern und Brüdern und Brüdern und Brüdern und Wettern Nettern Nettern Nettern Vettern Wollte der Urmenjch jeder der einzelnen Maumgruppen je nad) jeinem Standort im Xager, eutjprechend der Gntfernung, eine gemein- Ihaftliche Bezeichnung geben, jo mußte er Gruppennamen gebrauchen und für obiges Bild die Bezeichnungen wählen Sropmütter Meütter Schmejtern (Sit des Ego) Töchter ntelinnen Srofpäter Wüter Brüder (Sit des Ego) Söhne Enfel. ISaren, wie bei mehreren Völkern nachweisbar tft, Großmütter mit nfelimmen und Großväter mit Enfeln tm einer Gruppe vereint, jo wurden auch die Grogmütter wie die Enfelinnen und die Großpäter wie die Enkel benannt, indem eben die Entfernung vom Standorte des Anredenden für die Großeltern und Gnfel die gleiche war. Umd injofern Männer nur mit männlichen Verjfonen und Weiber nur mit weiblichen Berfonen ver- eint lagerten, jo war es jelbjtverjtändlich, day die Frauen von ihrem Yagerplage aus für die Verwandtichaftsbeziehungen andere Ausdrücde ge brauchten als die Männer. Keim Unbefangener wird in Abrede Itellen fünnen — und es hat mir in der Ihat an der JZuftimmung angejehener Gelehrten nicht gefehlt, daß meine auf den reinen Ihatjachenmerfmalen aufgebaute Grundhypothefe (die Wohnlagerung) alle Erjcheinungen in ihrer Gejfammtheit zu erflären im Stande it. Die Gruppennamen bedeuten nichts Sewuelles, jondern Wohngruppen und jomit Fällt die Deutung, da einitmals die Urmenjchen in Gruppenehen gelebt haben. Die VBerfchtedenheit der Gruppennamen erflärt fi) aus der Entfernung, bezw. den Abjtänden, in welchen die Sruppen von einander lagerten. Meine Hypotheje läßt fich aber auch auferdem noch piychelogiich begründen, mdem auf Grund der piychologtich-phyliologtichen Beobachtungen, die man am meugeborenen Kindern gemacht hat, es fejtjteht, da Die tajtenden Bewegungen, namentlich mit dem Auge, zunächit mit der Mefjung der ntfernungen beginnen, weshalb die Iaftverfuche zur Gntwidelung der Entfernungsvorftellungen zu den primitioften Neuerungen zu rechnen find. Im einer andern!) als der oben erwähnten Abhandlung zeigt EC. Nachlmann, wie das Kind durch taftende Bewegungen unter Kontrolle des Gefichts den firirten Gegenftand aufjucht, und fährt dann fort: „Ir der Hand der Grfahrung diefer Taftverjuche entwicelt jich die Kenntni der Tiefdimenfionen und der Entfernungen, vorläufig aber nur mit Nüd- !) Zeitjchriit Für Biychologie und Bhyfiologie der Sinnesorgane Bd. H. ©. 14. Das menjchheitliche Wohnreihenlager int Allgenreinen ze. 9] ficht auf die allernächite, d. h. mit den Händen controlivbare Diftanz. Die Vorjtellung des weiteren Naumes wird erjt gewonnen auf Grund der Figenbewegung des Körpers, wenn das Kind fich jelbjt bewegen, d.h. fich jelbjt im Naum zu verjchieben gelernt hat. Grit nachdem die Kenntniß von der Naumausdehnung dem Kinde zu eigen geworden tft, gelangen auch andere GSigenjchaften bei der Betrachtung der Dinge und dem Ver- gleich Derjelben mit anderen, ähnlichen, zur Geltung.” 85 tft Schon oben hervorgehoben worden, inwiefern dieje Analogien Gültigkeit für den Urmenjchen haben und das dadurch jelbitveritänodlich nur die Entitehung der Vorftellungen verdeutlicht werden fann. Dies muß beim IUrmenjchen genau jo gewejen jein, wie bei uns, und er mug tm Ddiefer Hinficht an dafjelbe Entwicdelungsgejeß gebunden gewejen jein wie wir. Die bewegte Aupenmwelt it anfünglich nur Widerftand gegen umjere eigenen Bewegungen, der wir mittels dev motortichen Nerven tajtend gegemübertreten. Unjer Haupttaftorgan, das Muge, das mur in einer bejtimmten Entfernung deutlich ficht, weil nur im diefer die von einem Punkte ausgehenden Lichtjtrahlen vermittelit der Linje auf der Wet- haut wieder in einem PBunfte vereinigt werden, hat die Fähigfeit, durch eine Simwirfung auf die Gejtalt der Linje fich im einem gewiljen Spiel- raum verjchtedene Entfernungen anzupafjen. Indem es nun jeden firirten Gegenftand jo Elar als möglich zu jehen jucht und danach fich jedesmal accommodtrt, erjcheien nothwendig die Gegenjtände in anderen Abjtänden undentlicher und veranlafjen jo eim Urtheil über ihre verjchtevene Ent- fernung. um it es aber ein allgemeiner Zug im Bereich der Vorftellungen, daß wir diefe mit Zeichen, jet es mit ftummen Bewequngen (Gebevden, Mienenjpiel) oder mit Sprachlauten begleiten, und zwar um jo mehr, je (ebhafter das momentane Gefühl it, welches ein äußerer Eindrud hervor- bringt. 68 ift eine befannte Erfahrungsthatfache, daß zur Unterdrüdung der Geberden und Laute jchon ein hoher Grad von Selbitbeherrihung er= forderlich tft, der erjt anerzogen werden muß, weshalb denn das ges wöhnliche Wolf viel lebhafter in Geberde und Yauten fich bewegt, als der vornehme Ariftofrat. Auch ijt die befannte Beobachtung, day die meiften Simdrüde äußerer Gegenftände beim Naturmenschen ihre Smotion in Lauten finden, durch deren Auflöfung ev fich gleichjam erleichtert, feines Affectes entladen und beruhigt fühlt, öfters hervorgehoben worden. Injofern wir die gleiche Beobachtung an Kindern machen fünnen, defjen Empfänglichkeit für äußere Gindrücde eben weit jtärfer it, als beim Srwachjenen, dürfen wir uns den Urmenjchen nicht als jtumm, wie man noch im vorigen Sahr- hundert annahm, jondern als ein Yaute hervorjtogendes Wefen vorftellen. Der Laut an fich it nichts mehr und nichts weniger als eine Ge- 99 Zweiter Abjchnitt. berde, die die. Folge einer Nervenerregung tft, von der erregenden Smpfindung ausgeht, durch das erregte Gefühl und die Musfelempfindung fortjchreitet und mit der Gehörsempfindung des Lautes jchlieft. Würde der Menjch tolirt leben, jo würde er, da er nur allein diefe Gehör- empfindung bat, aller Wahrjcheinlichfeit nach ji) an die Erregung des Vorgangs, in dejjen Gefolge der Laut |teht, nach und nad) jo gewöhnen, das bei häufiger Wiederholung die Erregung an Stärfe abnimmt, und der begleitende Laut nach und nach verichwinden würde. Dadurd Fünnte niemals eine Ontwidelung der Sprache, jondern allenfalls eine vermehrte Anzahl von Yautgeberden entitehen. Hier greift nun die Soctal- piychologie ein. Der normale Menjch lebt nämlich nicht tolirt, jondern fanın nur im Verein mit Andern gedacht werden. Durch dieje Berührung mit Andern gejchieht es, day der Laut auf die Gehörsempfindung aud) der- jenigen eimwirft, von denen die Ausjtogung des Lautes nicht erfolgt. Aber er wide bei den Anderen unverjtanden bleiben, wenn »dieje nicht die gleiche Empfindung mit demjenigen hätten, der den Laut von fic) giebt; wenn fie den Laut hören, würden fie ihn allenfalls nachahmen, ohne jedoch die Vorjtellung dejjen zu gewinmen, der infolge verjelben zu der Yautgeberde gelangt. Sollten die Anderen zugleich dejjen Vorjtellung veprodueiren, wenn fie den Laut vernehmen, jo mußten jte zuvor bereits die Vorftellung haben, welche den Yaut vepräjentirt. Dies fett voraus, daß fre unter einander räumlich verbunden waren, da dies die wejentlichite Bedingung tt, da aleihe Fmpfindungen gleiche Yautgeberden hervorrufen. Dal Yaut und Vorjtellung eine wejent- liche Bedingung des Verftändnifjes werden, jeßt aljo die Verfettung einer Sliedergruppe vereinten Zufammenjeins voraus, wodurch vermittels gegen- jeitiger Nachahmung des Yautes diejer befejtigt und fortgepflanzt wird: vernimmt Siner den Laut des Andern, jo reproducirt es alsdanır die Vor- jtellung, die der Andere als Cmpfindung hat und hat das Bild dejjen, was der Andere wirklich empfindet. Wenn man in Gruppen bei einander lagerte, die unter jich ver fettet waren, jo mußten bei den Wechjelbeziehungen, in denen jie zu eim- ander jtanden, Anjchauungsbilder für diefe Gruppen entjtehen. GsS tft be- fannt, dat auch beim Kinde die meijten in jenem Sehbereich auftauchenden Segenjtände in ein Ganzes zufammenfliegen: das Haus mit dem Plate, auf dem es fteht, das No mit dem Neiter, der Kahn mit dem Flug in ein untrennbares Bild, und dat fic) der Sprachtrieb beim Kmde regt, wenn fich ihm die Objecte deutlicher zu jondern beginnen, jo daß id) das Ginzelne feiner Aufmerkfamfeit aufdrängt!). Die Gruppenbilder, wer 1) Vergl. darüber Wundt, Grundzüge der phyftologischen PBiychologie 3. Aufl. Leipzig 1887, II. Band ©. 258 und ©. 524. Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2c. 93 ich mich des Ausdruds für jene „untrennbaren Bilder” bedienen darf, find gegenüber Sonderbilvern d. t. den „trennbaren Bildern“ das pfychologijch Primitivere. Würde einem Kid, das nie zuvor ein Pferd gejehen hat, zum erjten Mal jein König hoch zu Noß gezeigt werden und die jchnelle Bewegung und das Getrampel diejes Thieres am meiften Gindrud auf das Kind gemacht haben, jo würde es — das Beifpiel tft übrigens eine felbterlebte Begebenheit —, wenn cs fpäter einmal Pferdegetrampel ver- nehinen würde, den Musruf thun: „der König”; aber den König, wenn ihm diejer ohne Pferd wieder begegnet, nicht erfennen, weil eben in jeiner eriten Vorftellung „König und Pferd” noch ungetrennt find. Smjofern die Gruppenbilder die primitivften Borftellungsbilder find, find auc) die dafür gebrauchten Yaute die primitiviten Sprachzetchen; und daraus erflärt es fi) — worauf ich jedoch, um nicht den Zufammenhang meiner Grörterungen zu durchbrechen, hier nicht näher eingehen fann — daß viele jog. Spracdhwurzelm bet der jpäteren Jerglieverung der Gejanmmt- bilder in Einzelbilder beim Webergang auf dieje eine verjchiedene (weil nn Bedeutung annehmen, was insbejondere bei der Verbreitung des Menjchengejchlechts von hoher Wichtigkeit wird, indem gleichlautende Wörter ungleiche Beventung erhalten. Finden wir Gruppenbezeichnungen für Verwandtichaftsgruppen, jo find wir gehalten, jte als Uberbleibjel primt- tiver Wohnungszuftände zu betrachten, und da Ausdrüde in primitiviter Jeit für bereits vorhandene Dinge entitehen, und Lautbezeichnungen in NWechjelbeziehung zu den Dingen jelbit bejtehen, jo find die Mohn gruppen vorhanden gewejen, bevor man für fie Cautbezeichnungen fand. Die Unterfuchung des Ihatlächlichen hat deshalb nicht an die DBe- deutung der jog. Verwandtjchaftsbezeichnungen, jondern an den ihnen zu Grunde liegenden Sachverhalt anzufnüpfen, und das it im diefem Kalle an die Wohnlagerung. GES entjteht die Frage, od die Wohnlagerung in Gruppen mit mehreren Neihen in der Gntwicelungsreihe der längsreihigen ne fidelungen (nur um dieje handelt es fich hier, wie der Verlauf unjerer Unters juchung ergeben wird) als Anfangs oder Schlußglied zu betrachten tft. Das vorliegende Werf wird den Beweis führen, daß der Ihatjachen- zufammenheng ergiebt, wie durch Lostrennung der Neihen das einheitliche zweireihige gejchlofjene Schiffshaus, daraus der doppelveihige jchiffsförmige Vicus mit Einzelhöfen und zuleßt die jchlangenartig gewundene einfürmige Häuferanlage fi entwidelt haben und wie fich hier eine volljtändige Gon= tinuität in den Wirthichaftseinrichtungen (den jog. Gewannen) nachweijen (äßt. Doc dürfen wir unferer Darftellung hier nicht vorgreifen: das Thatjachenmaterial fann nur nach und nad im Yujammenhange vorge- tragen werpden. Wird diefer Beweis im vorftehenden Werfe noch geführt werden, jo 94 Zweiter Abjchnitt. haben wir hier vorläufig die Frage zu erörtern, ob dieje Neihenlagerung in Sruppen aus einem zuvorigen Sjolivtwohnen der Urmenjchen in einem „Kunterbunt durch einander“ entjtanden gedacht werden fan. Dem Begriffe Entwidelung zufolge bejteht zwijchen allen einzelnen Jujtänden troß aller Mio- diftcation immer Gontinuität, und eine Gimrichtung fan erjft dann eine Abänderung erleiden, wenn ein Entwidelungsfactor d. h. ein relativ gegen= jätzliches Glement auf den bisherigen Zuftand abändernd eimwirkt. Diejer Factor muß in allererjter Linie gejucht werden, weil er eben derjenige ift, welcher die Veränderung bewirkt. Much hier fommt man mit dem wohl- feilen Behelf, es jei die menjchliche Sinficht gewejen, nicht weit, weil eben zuvor die Vorjtellung erwiejfen werden mu, welche zu jener Sinficht hin- führte. Diejer deus ex machina tft für die Srforjchung des Ihatjäd)- lichen völlig unbrauchbar. Kommt man bei der Unterfuchung der Gr- iheinungsformen an einem Juftand an, über den hinaus feine thatjäc)- lichen Entwiclungsformen mehr nachweisbar find, jo muß diejer Zujtand als Urzuftand betrachtet werden, wenn man nicht der auf feiner Ihatjache beruhenden Bhantafte, der freigeftaltenden im Gegenjat zu der (Ihatjachen) combinirenden Bhantajte, das Feld einräumen will. Ieder Urgejchichts- forjcher muß fich jagen, da der menjchliche Urzujtand nur bis zu der Entfernung veconftrnirt werden fann, als es das Beobachtungsmatertal erlaubt. Die menschliche Urzett it leider nur zu jehr ein Gegenjtand phanz taftischer Sinflüfterungen geworden, bejonders jeitdem geologijche Sorjcdyungen uns den Schöpfungsact der Menjchen in eine unberechenbare Zeit hinaus- gerüct haben. Dieje verdienftlichen Forjchungen haben für die jog. joctalen Wilfenjchaften den unbeabfichtigten Nachtheil gehabt, day auch die Be- handler der jog. Urgejellichaft in den Ginrichtungen, die wir bei primt- tiven Völfern noc antreffen, Producte einer jehr jpäten Jeit finden, weil fie eben nicht bedenfen, daß die Veränderungen gar nicht aus ich jelbit, jondern aus Verührungen von relativen Gegenjäßen abzuleiten jind, dap allo Einrichtungen ganze Honen Jahre fortbeitehen müjjen, wenn nicht Factoren an fie herantreten, welche zu einer Ab» änderung geeignet find. Diejes Mifachten des Wejens der Cntwidelung verichuldet ihre Faljche Hiltoriiche Perjpective. er wollte fich durch die oft beobachtete Ericheinung, day die Ge- treidefürner alljährlich) in der Erde feimen und zu Halmen fich ausbilden, die neue Getreidefürner bergen, zu der Behauptung verleiten lajjen, auc) die in den Gräbern der Mumten angetroffenen Halmfrüchte jeren jungen Datums md fünnten unmöglich Iahrtaufende überlebt haben? und doc) mufte ihr Zuftand jo lange Zeit unverändert bleiben, werl ihnen die Des vührung mit jolchen Gegenfäten fehlte, durch die allein jich) das Samen= EEE ESIENEEN, Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2e. 95 forn zum fruchttragenden Halm entwideln fan. Nicht anders fan es um die Erjeheinungen im Völferleben jtehen, für die fein anderes als das allgemeine Entwidelungsgejeß gilt, was wir in der gefammten Natur, zu der das Völferleben mitgehört, antreffen. Dort findet Stagnation ftatt, wo die Bedingungen für eine Sache diejelben bleiben, ohne daß relative Gegenjäte fich einfinden, die geeignet jind, den Zujtand zu modifictren. Dieje ganz faljche hiftoriiche Perjpective wird aber auch noch dadurch) genährt, dat; manche Gelehrte viele Einrichtungen, in denen fich eine ge wijje Jwedmäßigfeit offenbart, für Vroducte vorausbedachter Haudlungen halten, obwohl fie doch nur Mejultate einer beitimmten Wechjehvirfung find, die uns mur deshalb jo zwedmähtg erjcheinen, weil wir fie als etwas einheitlich Abgejchloifenes betrachten fünnen. Ich werde bei einer paljenden Gelegenheit, wo ic zugleich) an einem Beijpiel (der Entitehung der Ge- mengelage der Grumpftücde) diefen Sag erhärten fanın, auf die daraus gewonnene, durchaus faljche Berfpective ausführlich zurücdfommen. So lange man nicht in der Lage tft, die Gruppenlagerung der Ur menjchen, wie fie fich Flar aus den WBerwandtichaftsbezeichnungen, die gegenwärtig eine andere Bedeutung angenommen haben, ergtebt, als etwas Spätzeitliches dadurd) zu erweilen, day man genau die Kactoren angtebt, durc) welche fie aus einem zuvorigen Jerjtreutleben bewirft wurde, müljen wir uns zu der Annahme bequemen, dal die Gruppenlagerung das denfbar Brimitivjte it. Wir würden uns jonjt von dem Boden des Ihatjächlichen in das Bererc) der Speeulation verlieren. ine richtige hiftorische Projpective fan immer nur dadurc) gewonnen werden, day man die einem einzigen Grundmerfmal zugehörigen Entwidelungsformen in einer einzigen Meihe jo feitzujtellen jucht, daß die Abjtände vom Grundmerfmal nach den Factoren gemefjen werden, welche die uriprünglichite Erjcheinung mopdifieirtenn. &5 ijt deshalb hier der Drt, mit einem meiner verehrten Necenjenten, dejfen Namen von gutem Klang ich wohl zu errathen vermag, mic tu Bezug auf die hiltorische Berjpective auseinanderzujeßen, in der Hoffnung, ihn, dem es im der Wifjenfchaft jtets mehr darauf angefommen tt, Die Wahrheit zu erforjchen, als auf einer bisher vertretenen Memung zu ver harren, davon zu überzeugen, daß nicht mich, jondern ihn der Mangel der hiftorifchen Perjpective in Bezug auf die Beurtheilung der Gruppen- lagerung trifft. Mein Herr Necenjent, dem ich nur danfbar bin, daß er mir Ges legenheit giebt, mich im Iuterefje der reinen Vifjenjchaftsforichung aus- führlicher über den eben berührten Punkt auszufprechen, als ich es wohl jonft gethan hätte, jchreibt in Bezug auf meine Iheorie:!) „Die Zus 1) Im literarijchen Gentralblatt 1895 Nr. 42 (19. Dftober) Spalten 1515— 1517. 98 Hmweiter Abjchnitt. rücweilung der Promiscuitätss und Urfamilienhypothejen ift (dem Ver: fajjer) ebenjo gelungen, wie die Beltreitung der ganz und wörtlich in der Luft jtehenden Inmahme, dag das Urleben der Menjchheit rein focial, d. h. ohme Verbindung mit der Erde gewejen jei. Ueberhaupt gelingt dem DWerfaljer die Defämpfung der übereilten und jchematijchen Deutungen Yewis Morgan's jehr gut. Man fragt fich, wie diejer fleiige, aber jeichte Schematifer die Geifter jo zu beherrichen vermochte. Aber ftellt fich nun Mucde nicht fajt auf denjelben Boden in der Grundfrage nach dem Alter der uns erhaltenen VBerwandtichaftsuamen? Man ficht mit Bedauern, daß er jich ebenfo wenig Nechenjchaft über die Tiefe der von den erhaltenen ethnographiichen Ihatjachen eröffneten gejchichtlichen Ber- jpeetive giebt, wie die Ywern. Morgan erblidte im der Blutsver- wandtjichaftsfamtlie der von indischen Kulturwirfungen tief durchträntten Malayen die erjte, primitivfte Form der Gruppenehe und Mude jteht in den hawaiiichen VBerwandjchaftsbezeichnungen Stüßen feiner Hypotbeie, dag Verwandtjchaftsbezeichnungen urjprünglic Naumentfernungsbezeichnungen der in bejtimmter Drdnung lagernden Horde waren." Indem ic die Ericheinungsformen durch einen Inductionsprocet jtetS auf das ihnen gemeinjame Grundmerfmal zurücdführe und von ihm aus mit Berücfichtigung der unmejentlichen Merkmale die Abjtände der modiftcirten Formen von der Urform genau mefje, bin ich mir jtets bewußt, was ich thue, und gebe mir aljo „Nechenjchaft über die Tiefe der von den erhaltenen Ihatjachen eröffneten geichichtlichen Berjpective“. Cs muf bei jedem ftatiftifchen Unterjuchungsproce$ Orundregel fein, einzig md allein fich durch das Ihatjachenbereich jelbit leiten zu laflen, ji) dagegen die Ohren gegen alle Ginflüfterungen von Außen zuzuftopfen. Db die Malayen von imdischen Kultureimwirfungen tief durchtränft find, darf mich beim Unterjuchungsproceß des rein Ihatjächlichen nie und nimmer bejtimmen. Selbjt wenn es erwiejen wäre, dal fich die Gruppenlagerung der Malayen auf indiiche Kulturwirfungen zurüdführen ließe, jo bliebe doc) immer noch die urgeichichtliche Frage zu beantworten, woher die Inder diejelbe haben. Ich bejchäftige mich weder mit den Malayen, noc) mit den Indern, jondern mit der Neconftruction der primitivften Lagerordinung, welche im der Menjchheit angetroffen wird, und dazu habe ich mid, nur der in den ethnologiichen Berichten entholenen reinen Ihatjachenmerfmale zu bedienen, alle Ftetionen aber über angebliche Mifchungsverhältniffe aus- zufchließen. Ich habe nur die Namen der Malayen bei der Darftellung gewählt, um vor den Augen des Lejers eine Neconftruction vorzunehmen; das hat der Herr Necenjent augenjcheinlich ganz überjehen. Ich komme alsbald darauf zurüd. Weil das Hineintragen von Fietionen leider nur zu oft in urgejchicht- Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2c. 97 lichen FSorjchungen Plab greift, jo Fan ich nicht umhin, jo kurzer Hand von diefem methodischen Fehlgriff mich zu verabjchieden, um jo weniger, als ich Dadurch zugleich dem Leer einen Einblic gewähren fan in die Stellung, welche ich für meine Perjon ethnologijchen VBorurtheilen gegen- über einnehme. Das Allerunbefanntefte im Völferleben find bis heute die Wanderungen, Abftammungs- und Mifchungsverhältnifje der Völker und folglich auch die gegenjeitigen Beeinflufjungen derjelben tm fultureller Hinficht. Was wir darüber zu wiljen behaupten, beruht auf Schlußfolgerungen aus vereinzelten Merkmalen, die wir übereinjtimmend bet verjchiedenen Völkern antreffen. Die Lehre von der Entjtehung der Völfer liegt geradezu noch in den Windeln, weil unjere Beobachtungen des WVölferlebens noch viel zu all- gemein gehalten jind, indem wir, was vom Standpunkte der Statijtif aus ganz unftatthaft ift, die Somplere als Individuen (Untheilbare) behandeln und infolge dejjen auch mr an jenen die Merkmale aufjuchen, jtatt ein Völfchen, und jet eg auch noch jo Klein, tr jeine Beltandtheile aufzu- löfen. Würden wir das thun, jo würden wir finden, day jehr häufig gerade da, wo wir die primitivjten Kormen zu finden vermeinen, weil wir hier das rohejte Benehmen antreffen, eine jtarfe Mifchung ftattgefunden hat, während anderwärts, mo mir eme vorgerüdtere Kultur annehmen, weil wir ein mehr geordnetes Leben antreffen, die Mifchung nur eine ge= ringe war. Die entlegenften, vom Winde verjchonten Wiejen bieten fi umferen Augen in einer viel größeren Negelmäßigfeit dar als diejenigen NWiejen, über welche der Wind ein großes Gemijch von Samen ausgejtreut hat. Jede Mifchung heterogener Dinge ruft im Anfang Unordnung her vor, was uns aber nie zu der Kolgerung verleiten darf, es handele fich um urzeitliche VBerhältnifje, wo die Unordnung jehr groß gewefen jet. Da gegen muy überall da das geregeltejte Leben hevvortreten, wo nie zuvor Itarfe Gegenfäße auf einander geplatt find. Srit durch die Berührung mit Gegenjägen entjteht Unordnung, umd je nach dem Überwiegen der Kräfte auf der einen oder anderen Seite bildet jich beim Berjchmelzungsproce die neue Entwiclungsform. Db die Völker durch Loslöfungen von größeren Ganzen (Fietton des ungetrennten In= dogermanenthums) oder durch Verbindungen Eleinerer Gebilde entjtanden find und auf welche Werje? it ein wichtiges Problem der Urgefchichte, das erjt noch zu löfen ift und das zu löjen meine Iheorte ich mit zur Aufgabe gejtellt hat. Schon aus diefem Grunde habe ich weder mit Inmdern und Malayen, noc mit irgend einem Wolfe, weil fie für mic) Gomplere find, ich aber als Statiftifer mur mit urzeitlichen Individuen (Untheilbaren) zu thun habe, mich zu bejchäftigen; und wenn ich WVölfer- namen erwähne, jo gejchieht e8 nur im Intereffe der VBerjtändigung mit Mucde, Urgeichichte. [ 98 Zweiter Abjchnitt. dem Lefer, aber auch immer mur zu dem Zwede, auf die in den Bölfern liegenden heterogenen Beltandtheile Hinzuweifen. Was dem Ethnographen im DVölferleben Gewißheit, Urtheil und Erfahrung tt, muß mir, dent Ur- aejchichte treibenden Stattjtifer, Ungewißheit, VBorurtheil und Nichterfahrung jein, weil eben unjere Standpunkte in Bezug auf das Ihatjächliche ent- gegengejegter Natur find. te nothwendig es it, bei Feitjtellung von Ihatjachen Urgejchichte und Ethnographie aus einander zu halten, zeigt jich gerade bei der Ge- winnung der richtigen hiltorifchen Berjpective für das Yeben eines be- Itimmten VBolfes. Gin Hauptfehler bet ihrer Benrtherlung liegt dartn, daß man zwei oder mehrere heterogene Ihatjachen nur wegen ihres zeit- lichen Beteinanderliegens als zufammengehörend anficht, und es verabjäumt, zu anterjuchen, ob zwijchen ihnen wirklich eine Nelation jtatt hat. Des- halb meil bei einem Wolfe in jeiner Kulturentwidelung eine Menge von Einzelericheinungen gleichzeitig angetroffen werden, die im ihrer Gejammt- heit uns zu dem Urtheil zu bejtimmen geeignet find, das betreffende Volt befinde fich auf einer vorgerüdten Stufe, darf man nicht folgern, jede diefer Einzelericheinungen jtehe auch in Bezug auf ihre Jeitdauer den andern parallel, weil eben jede Sache ihrem bejonderen Entwidelungsgejeße folgt und in ihrer Gntwidelung mur von jolchen andern Sachen ab- hängig it, die wegen ihrer Gegenjäglichfeit geeignet find, durch einen Nechjelproceg mit jener eine Vermittelungs-Miodiftcatton herbeizuführen. Yicht alles Nebeneinanderftehende jteht in einem Zujammenhange mit einander und was mit einander im JZujammenhange fteht, läßt ich nicht a priori bejtimmen, jondern fan nur Durch eine eracte Unterjuchung der Verwandtichaft der den Dingen zuftehenden WBrädicate jtatijtiich Fejt- geitellt werden. &s ijt deshalb auch ein großer Irrthun, wenn neuer- dings Gunft Grofjel) jagt: „Nenn man ein bejonderes jociales Ge= bilde, wie eine bejtimmte Art der Kamilienorganijatton, in jenem elen und im jeiner Bedeutung begreifen will, jo muß man es in jeinem natür- lichen Jujammenhange mit der allgemeinen (sie) Kulturumgebung, in der es wächft, lebt und wirft, ftudiven. Aus diefen Zufammenhange herausgejchnitten, ijt es ein umverjtändliches Fragment. Diejfe Wahrheit it jo offenbar, das es überflüffig jcheinen könnte, fie auszujprechen.” Was hier E. Grofje jagt, it nicht eine „offenbare Nahrheit”, jondern diejenige Form der Verfehrung der Wahrheit, welche man in der Piychologie Aberglauben nennt, d. hd. die auf der Incongruenz zwijchen Memuma und Bermuthung beruhende und daher faljche Ahnung, wonad) ein Aufammenbhang aufgefagt wird, wo in der Ihat feiner oder ein anderer ) &. Grojje, die Formen der Kamilte und die Kormen der Mirthichaft. Freiburg und Yeipzig 1896. ©. 7. Das menjchheitliche Wohnveidenlager im Allgemeinen 2c. 99 al3 der vermeinte vorhanden tft. Die „allgemeine Kultwrumgebung“ fan abjolut feinen pofitiven Ginfluß auf ein befonderes fociales Gebilde haben, wenn beide nicht in einem relativen Gegenjaß zu einander ftehen, durch den bei ihrer Berührung diejes eine Mopdiftcation erleidet. Nelative Gegenjäge find jolche Gegenjäße, die in verwandtichaftlicher Beziehung zu einander jtehen, und die Verwandtichaft fommt nur durch die Prädicate, weil dieje Ihätigfeiten ind, zu Stande. Db die „allgemeine Kulturumgebung” oder nicht vielmehr nur ein Theil derjelben und welcher Theil mit den betreffenden jocialen Gebilven „im natürlichen Zufammenhange” fteht, darf, wie wir alsbald zeigen wollen, gar nicht apriort angenommen werden, jondern it mur aus der Entwidelung des betreffenden Gebildes fejtzuitellen. Srojje glaubt, indem er von feiner Arbeit jagt: „In Ddiefer Be ichränfung auf die thatjächlich gegebenen Kormen bejteht ihre Gigenart“, eine objectiv ftatiftiiche Leiftung vollzogen zu haben und ahnt gar nicht, daß er jich jelbjt „in dem Xebel haltlojer und trügerticher Speculattonen verirrt“, den er bei Denen anzutreffen vermeint, welche „vor Allem die Entwidelung zu ergründen juchten” (©. 6.) „Uns fonımt es auf die Gr- fenntnig der Zuftände an“, ruft er aus und fügt hinzu: „die Ent. wieelung jolcher Zuftände aber läßt Jich falt niemals unmittelbar be= obachten, jondern fie läßt jich nur mittelbar erjchliegen“. Was find die „Formen der Kamtlie”, die Grojje in Melatton zu den „Ssormen der Wirthichaft” jtellen will, anders als die Entwidlungs- Itadien der Familie bezw. Wirthichaft? Dhne auf das IBefen derjelben einzugehen, fan er die Zujtände garnicht erfennen. Der Zuftand einer Sache jind die ihr zujtehenden Gigenjchaften mitjammt ihrem Grumnd- merfmal. Hat man das lettere, da ja der Grund der Anfang der Sadıe it, ohne den fie nicht da wäre, nicht erfannt, jo fanır man ihre Sormen, weil diefe immer nur Modiftcationen derjelben find, nicht erfallen. Sa, die Dinge, welche die Modiftcationen bewirften und jomtt den gegenmärtt- gen Zuftand der betreffenden Sache bedingten, find häufig gar nicht un- mittelbar aus der allgemeinen Umgebung zu beobachten, und himvtederum gehört jehr vieles zur allgemeinen Kulturumgebung, was nicht den ge- vingjten Einfluß auf irgend ein bejtimmtes Inftitut haben fann. Grojje _ wird nicht glauben, daß beijpielsweife die Chaufjeen und Eifenbahnen, das Schiepulver, die Klectrieitätswerfe und dergl. Dinge auf die Form der Familie von Ginfluß gewejen jind, umd doch gehören jte zur allgemenen Kulturumgebung. Ständen die Kamilienformen im Jufammenhang mit der all- gemeinen Kulturumgebung, jo müßte, weil im Jufammenhang Glied an Glied fich fügt, der Jufammenhang zerriffen werden, wenn die allgemeine Kultur umgebung zerrifjen wird. Will man wirklich bewetjen, daß durch die Yb- 7 % 100 Zweiter Abjchnitt. tretung einer eigenartigen Provinz, durch welche der Zujammenhang der allgemeinen Kulturumgebung zerriffen wird, weil fie ein wejentliches Glied aus der Kette entfernt, deshalb auch die Serailiehunrunna eine Ver- änderung erleiden ? Freilich müfjen wir — und darin liegt das richtige Ahnen Grojje’s — nad) dem Zujammenhang der Erjcheinungen juchen, weil eben der Zu= jammenhang dasjenige Moment der Dbjectivität ift, welches die Einheit des vielen Anumdfürjichjetenden in ihrer Verknüpfung darjtellt. Aber es mus im Zujammenbange, weil diefer Einfachheit ift, immer Cora nachweisbar jein, und Ddieje tft nur zu entdeden, wenn man auf die Ent- widelung alles Anundfürfichjetenden jeine Forihung ausdehnt. Der Zus jammenhang fann nicht aus dem gleichzeitigen Nebeneinander rein apriort angenommen werden, jondern tft etwas erjt zu Findendes. Sowie im der Iselt viele Dinge neben einander bejtehen, die in abjolut feinen Zus jammenhange gedacht werden fünnen, jo it auch Die allerprimitivfte Fa- milienorgantjation denkbar bei der allerhöchjten Ausbildung — jagen wir beijpielsweije der mathematischen Wifjenjchaften, der electriichen Eijenbahn und Luftjchiffahrter, weil eben jchlechterdings zwijchen jener und diefen gar feine Verknüpfung als nothwendig zu denfen tt. Yill der Ethnograph über das Bereich feiner eigentlichen Aufgabe, das Wölferleben jo zu jchildern, wie es jich jeinem Grfenntnißftandpunft gemäß Ddarbietet, hinausgehen m die a Berhältnifje zur (Srflärung der gegemvärtigen mit in Betracht ziehen, jo darf er nie ver- gejjen, dal das Nebeneinander —, weil e8 in jeiner Gejammtheit nie als in einem inneren Zufammenhang zu einander bejtehend gedacht werden fann — jchon von vornherein nicht als etwas, in jeiner Iotalttät aus- wärtigen Einflüffen Zuzujprechendes fein fan; denn jedes Einzelne hat eben für fich jein Dajein in feinem Grundmerfmal. Somit fanır immer nur ein bejtinmter einzelner Kulturgegenftand durch Fremde Kinflüffe modrftcirt werden. Wenn man aljo beijpielsweife über „die von imdijchen Kultus eimvirfungen tief durchträntten Malayen“ ein Urtheil abgeben will, jo fan dies nur dadurch gejchehen, day man zunächit erjtens die einzelnen (Slemente der Kultur der Malayen vor dem Gintreffen der inpdijchen sultur jedes für fich betrachtet und jodann zweitens auf der anderen Seite bei den Indern die verwandten Elemente fejtjtellt, welche als Entwidelungs- factoren gedient haben; nur jo dürfte man im Stande fein, die urgejchichtliche Ihatjache eines Eimfluffes zu conftatiren. So wenig als man glauben wird, day die Luftichifffahrt auf die Neihenbildung unferer Dörfer jemals einen umgejtaltenden Einflug ausüben wird, jo wenig darf man von vorne herein das DVorurtheil Haben, daß die aleyeung der Malayen durch) unbejtimmte Stulturelemente der Inder modificirt worden jet. Um dies zu u Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2c. 101 zeigen, darf man nur die Wohnlagerung beider Völker vor ihrer Be- rührung in Betracht ziehen. Sollten die Malayen vor dem Eintreffen der Imder diejelbe Wohn- lagerung wie diefe gehabt haben, jo wirrde nad) vem Begriffe Sutwidelung eine Mopdification nicht einmal haben jtattfinden fünnen, weil eben gar feine relativen Gegenjäße vorhanden gewejen wären, durch deren Imetnz anderübergehen eine Entwidelung hätte ermöglicht werden fünnen. Hatten fie aber eine entgegengejette Wohnlagerung, jo konnte allerdings eine Be- einflufjung jtattfinden, und es fam tm diefem Falle auf die gegenjettige Machtjtellung an, die, wern fie die malayiiche Wohnlagerung volljtändtg verdrängte, jedenfalls auf Seiten der Inder jo groß gewejen jein muß, daß fie den Widerftand der malayijchen durchbrah. Was Widerjtand leijten joll, muß fich dem gegenüber, welchem e3 widerjtehen joll, veceptiv ver- halten; e8 muß aber zugleich auch die genügende Kraft beiten, um das Leiden zu ertragen, d. h. Spontaneität haben. Mit der Ethnographie entnommenen Urtheilen, die für den llrge- ichichtsforicher Vorurtheile find und fein müfjen, tft für die hijtortiche Berjpective nichts zu gewinnen. Dieje ijt vielmehr eimzig und allen im der Aufernanderfolge der Entwidelungsformen gegeben. Daß bei den Malayen zwei ganz heterogene Wohnlagerungen genau zu erkennen find, habe ich jchen früher!) betont, wem ich zur Meconftructton der wrfprünglichiten Meihenorduung die „Schwägerjchaften” (hunai, hunona) ausgejchieden habe, was übrigens, wie jchon erwähnt, mein ver- ehrter Necenjent im Literarifchen Gentralblatt überjehen haben dürfte. Kur aus den Verwandtichaftsbezeichnungen der von mir nicht ausge- ichtedenen Glemente läßt fi dasjenige Neihenlager veconftruiren, welches ich für das allerältejte zu halten geneigt bin und von dem ich zeigen werde, daß es das MWohnlager der Bewohner des ebenen Landes gewejen und erjt durch die Bewohner des Höhenlandes, Die eime ganz andere Wohnverfaffung gehabt haben, modifteirt worden ft was wir bis auf dieje Stunde mit unjern Augen noch beobachten fünnen. Ienes mehrere Neihen enthaltende Yager kann nicht aus eimem Jus jtande vorheriger ISfoltrung entitanden gedacht werden, weil ein Gnt- widelungsfactor, der die ifolivt lebenden Menjchen zujammengeführt hat, in den thatfächlichen Merfmalen aller Neihenlager nicht nachweisbar tit, wohl aber der entgegengefette Factor, wie der Verlauf der Unterfuchung zeigen wird. Die bloße Behauptung, es jet Doc) jo gewejen, genügt um jo weniger, als auch die Grfahrung auf piychologiichem Gebiete dagegen ipricht. Würden die Urmenjchen Mann und Weib mit ihren Kindern nur 1) Horde und Familie ©. 49. 102 Zweiter Abjchnitt. bis zu deren Grofjährigfeit zufammengelebt haben, jo würde, auch wenn jolche Kleine Gebilde biswerlen zufällig auf Kurze Zeit fich irgendwo ge= troffen hätten, dod) nie Die Vorftellung eines bleibenden Zujanımen- jchluffes haben entjtehen fünnen. Würde man mun gar jedes Zujammen- treffen, aud) das Furzwährende, für den Urmenjchen in Abrede jtellen, jo würde niemals der Urmenjch dre Erfahrung haben machen fünnen, es fei doch eigentlich befjer, wer man in Gruppen reihenweije bei einander wohne. Im Gegentheil würde ein JZuftand eingetreten jein, den man frz mit homo homini lupus bezeichnen fan, d. h. ein Zuftand eines bejtändtgen Kampfes als Folge dejjen, dag man fich niemals fennen ge- lernt hat. Ich winden der Entwidelung der Spracdje zu große Schwierig- fetten bereitet worden fein, wenn jich die Kinder bald nad) der Grof: jährtgfeit, ihre Eltern nachahmend, auf einen Ifolivjchentel gejett hätten. (Fine gegenfeitige Verftändigung hätte, wenn auch nicht ganz, doch in dem Maae unmöglich werden müfjen, als durd die Berührung mit neuen Segenftänden, die ihre „Seitenverwandten“ (im unjerm Sinne) nicht fennen lernten oder doch nicht mit ihnen zugleich fernen lernten, immer neue Bezeichnungen hätten entjtehen müfjen, die den übrigen fremd bleiben mußten. 68 gehört vor allem räumliches Beifammenwohnen dazu, um für em umd diefelbe Sache eine gleiche Bezeichnung finden zu fünnen. Blicten wir rüchwärts auf das, was wir bisher aus den rein that- Jächlichen Merkmalen des primitiven Völferlebens gefunden haben, jo it es erjtens das Vorhandenfein einer genauen Dejtination, die ich nicht blos auf gejchlechtliche (eheliche) DVerhältniffe bejchränft, jondern fich auch) auf andere Verhältniffe ausdehnt. Dies muß uns zu dem Urtheil bes jtimmen, daß es fich um eine ganz bejtimmte Drdinung handelt, in der jedem feine Stellung zugewiefen ift. Dah eine jolche „geordnete Stellung“ nicht durch Die Grfimpung von „VBerwandtjchaftsbezeichnungen“ entitanden jein fan, daß Dieje vielmehr er nur als Bezeichnungen für eine bereits gegliederte Dramung, d. 5. für bejtimmte Neihen ins Leben trateır, (tegt auf der Hand. Wir iben zweitens in den Merkmalen des völfer- fundlichen Materials Bezeichnungen für bejtinmte Gruppen. Dat auch) dieje og. Sruppen-Verwandtic) aftsnamen nur Bezeichnungen für bejtimmte eriitente Gruppen find und daß nicht die leßteren die Gruppen, jondern dieje die Bezeichnungen zur VBorausjegung haben, bedarf in gleicher Werje feines bejonderen Beweijes, weil diefer in dem allgemeinen Bewetje, daß die Dinge vor ihrer Bezeichnung vorhanden find, beveits gegeben ift. Geben uns jchon jprachlich betrachtet diefe V serwandtjchaftsbezeichnmgen (mein Vebenan-Bruder, mein entfernter Bruder pp.) einen Fingerzeig, day es fich um erali örtliche Bezeichmmgen handelt — doch auf bloge Stymologie lege ich, wie ich jchon im meiner Schrift über Horde Das menjchheitlicde Wohnreidenlager im Allgenteinen 2r. 103 und Familie (S. 167) betont habe, feinen großen Werth —, jo werden wir — und das it der Schwerpunft, dem ich allein Bedeutung ET. —, durch das Aufjuchen einer aus den Merkmalen diefer Gricheinung ge wonnenen Hypotheje, die alle einzelnen Bejtandtheile aus einem einzigen Srundmerfmal zu erklären im Stande tft, auf die Erfemmtni hingeführt, daß auch diefe Gruppenbezeichnungen Musdrüde für Die gegenfeitige Stelumg ganzer Gruppen von miteinander Wohnenden anzujehen find. Die jog. Verwandtichaftsbezeichnungen, welche wir bei primitiven Völkern antreffen, find Bezeichnungen für die gegemfeitige Stellung, in welcher die einzelnen Glieder zu einander jtehen und zeigen uns die Ordnung, welche bei ihnen ftatt hat. Sie ift, wie jede Drdnung, als das Gefammt- ergebnig eines Bildungsprocefjes anzujehen, welches durch Verfettung und Wechjelwirfung gejeßmäßiger Urfachen zu einer hiftorischen Einheit geworden it. Da wir aus Grfahrung wifjen, daß jede Drdmung als hijtorijche Einheit im weiteren Verlauf immer jelbjt wieder zur Urfache eines weiteren Bildingsproceffes wird, jo dürfen wir folgern, daß auch alle Urjachen, welche jener bet primitiven Völkern angetroffener Drdmumg vorausgegangen find, tr ihrer a Siuheit adäquat der Drdnung waren, welche wir im primitiven Bölferleben antreffen. Ss ijt jomit udenfbar, da Die bet primitiven Völfern beobachtete Drdmung als das Nejultat einer 'vor- maltgen Unordnung zu betrachten tft, und es ift geradezu widerjtunig, beifptelswetje als Urjache der genauen gejchlechtlichen Deftination den wilden amterjchtedslofen Gejchlechtsverfehr des Wrmenjchen anzunehmen. Die Urjachen find immer nur aus den Wirkungen zu erfemten, und das, was eriwirft worden tt, fan immer nur von der Art der Urfachen jet. So wenig als ein flar durchdachter Gedanfe das Grgebnig eines ver wirrten Denkens jein fan, jo wenig fan die Ordnung eines primitiven Volfes durch eine bodenlofe VBerwirrnig verurjacht fein. Infolgedejjen mühjen wir uns zu der Anficht bequemen, day auch das Urdafein der Menfchen fein wirres Durcheinander, jondern ein fejtgeoronetes, d. h. eine Drdnung gewejen jem mu, umd daß alle Doctrinen, welche das Gegentheil behaupten, im Miderjpruch zum Nefen der Entwidelhrmg jtehen. Wollte ich vor dem Auge der Leer alle Vertreter der Lehre von der wilden Promtseuität Nevue palfiven lafjen, jo fünnte ich ähnlich, wie ich es oben in Bezug auf Iojeph Kohler nachgewiejen zu haben alaube, an Allen zeigen, daß fie eine ganz faljche Vorjtellung vom Be- griffe Entwidelung haben und infolge dejjen auch eine rein jpeculattve Sorichungsmethode in Anwendung bringen. 8 wird genügen, wenn id) mich auf den eimflußreichjten geiltigen Nährvater unferer PBromiscuitäts- (ehre, &. Morgan, und zwar zugleich tm Interefje des Haupt- thenas meiner vorliegenden Unterfuchung auf ein wirthichaftsgeichichtliches 104 Zweiter Abjchnitt.) Berjpiel, bejchränfe, welches uns zugleich zeigt, mit welcher Leichtigfert der- jelbe geradedie jchwierigiten Probleme behandelt hat. (SS ijt eine der fühnften jpeculativen Gonftructionen, die 2. Morgan in jenen angeblichen „Epochen der Kulturentwidelung” entfaltet, indem er von emer Unter, Mittel und Dberjtufe in den drei Perioden: der Isildheit, der Barbaret und der Givilifation jpricht und vein apriori auf der Unterjtufe der Wrldhert die Menjchen Früchte und Nüffe in bejchräntten ohnfiten een läßt; im der Meitteljtufe joll man den Gebraud) des Feuers feinen gelernt und mit Verwerthung der Ftjchnahrung begonnen, auf der DOberjtufe Bogen und Pfeil erfunden haben. Auf der Unterjtufe der Barbaret habe man die Töpferer eingeführt, auf der Mitteljtufe in der öftlichen Hemifphäre die Züchtung der Hausthiere, im der wetlichen die Kultur von Mars und anderen Pflanzen durch Beriefelung fernen gelernt und den Gebrauch von Adoben und Steinen zum Hausbau ein- geführt. Auf der Dberjtufe der Barbarei habe man mit der Verarbeitung von Gijen begonnen und ein phonetisches Alphabet erfunden, womit die Giviltjatton ihren Anfang genommen habe, die bis zur Gegenwart durd) den Gebraud der Schrift anhalte. 1) Ic Frage: No Liegen hier Sntwidelungsepochen vor? Handelt es jich hier nicht vielmehr um eme ganz oberflächliche Zujammenftoppelung von Gingelericheinungen, die in gar feinem Zufammenhange unter einander jtehen? te joll der Urmenjch, dadurch) day er Früchte und Nüfje ver- zehrte, den Gebraud, des Feuers fennen gelernt und alsdanıı die Filch- nahrung beliebt haben, welchem Zuftande die Grfindung von Bogen ud Pfeil folgte? Umd welchen Sinflug fan die Töpferei auf die Ihierzucht oder den Pflanzenbau ausgeübt haben und dieje wieder auf den jteinernen Hausbau? Und wie joll die Stjenarbeit in ihrem Gefolge ein phonetijches Alphabet gehabt haben? Swilchen den hier aufgezählten Erjcheinungen, die man ebenjo qut in anderer Meihenfolge aufitellen fünnte, fehlt jeder Zufammenhang. No it hier Gontinuität, wo find die relativen Gegenjäbe, durch deren Yuf- einanderwirken die Entwidelung herbeigeführt wird? worin liegt das Noth- wendige der Aufeinanderfolge, ohne welches der Jufammenhang nicht ge dacht werden fann? Cs handelt fich hiev um emen ganz willfürlichen Aufbau, wie er gar nicht Durch die Ihatjachen geboten wird. Wo man feine Webergänge nachwerfen kann, ijt fein Zufammenbhang, und wo fein Zufammenhang zwifchen den einzelnen Zuftänden nachweisbar tt, darf man nicht von Sntwidelung veden, weil jte jowohl Kontinuität als aud) Modificatton in ich jchliegt. Bei vielen Vertretern der jog. foctalen Iiffenjchaften bildet das Wort Entwidelung, das bei den Vertretern der ') Morgan, die Urgejellichaft ©. 1 ff. FE FE Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2c. 105 aturwifjenjchaften heilig gehalten wird, geradezu ein bloßes Schlagwort, und man darf fich nicht wundern, wenn die niederen Volfsklafien, durch ungebildete Agitatoren bethört, jede willfürliche Anernanderreihung von Begebenheiten als einen Entwidelungsgang, als Fortichritte der Givilifatton betrachten und damit zugleich eine ganz faljche Vorstellung von der nächjten Zukunft erhalten. Werden wir erjt einmal anfangen, die menjchliche Ur- geichichte auf eine ftatiftiiche Grundlage zu tellen, wozu mein Buch mr einen ganz jchwachen Verfuc, bildet, jo wird ums erjt ein richtiges Ver- ftändnig dafür aufgehen, wie zwifchen allen einzelnen Juftänden ein innerer Sufammenhang beiteht und wie jo wir das, was wir find, im Haupt- grundmerfmal |hon von Urzeiten an waren. Sp werden wir auch befähigt, gewilje Säße, die zur Zeit mur einen dogmatischen Character haben, auf ihren thatjächlichen Zuftand zurüczu- führen. Noch immer harrt 3. B.der jhonvon Aristoteles hervorgehobene Sat, day der Menjch „von Matur ein Heerdenthier” (pboeı mov rodrtıxiv) jei, des Dewerjes. Collte 85 mir gelingen, nachzuweilen, dag der Wohnraum in der Urzett des Menjchen das jchöpferifche Gebilde gewejen jet, jo dürfte jener Satz jernes dogmatischen Sharacters entfleidet und an jeiner Stelle eine erwiejene Ihatjache gefunden fein. Worin beiteht das Grundmerfmal einer Heerde? Ieder Grund tft NWechjelmirfung, indem eben das eine auf das andere ebenjo wirft, wie es von diefem eine Gegemwirfung erhält, und diefe Wechjehvirfung ift es eben, die das (noch unbejtimmmt) Wirfliche evit hervorbringt, das dann die Be- dingung zu einem beftimmt Wirklichen macht. Beim Grund der Heerde bejteht die Wechjehwirfung in Naum (Drt) und Thrermenge. Denten wir zuerit beide Bejtandtheile getrennt. CS wird jelbjtveritändlich Itie- mandem einfallen einen bejtimmten Naum mit dem Ausdrude „Heerde‘ zu belegen. Ilnders it e5 bei oberflächlichem Zujchauen mit der Ihier- menge. (65 wird dem Lefer, wenn ich es ihm an einen Beijpiel de= monftrire, aber gleich Elar werden, wie eine Ihiermenge an fich noch feine Heerde it. Kine bejtimmte Anzahl von Sauen joll jechzig Serfel ge worfen haben, die bald nach ihrer Geburt in 15 Haushaltungen getrennt groy gezogen werden. Niemand wird diefe von einander und von ihren Müttern getrennten Ferfel eine „„Heerde'' nennen. Was fie zur Heerde macht, it vielmehr ihre Wechjelwirfung mit dem Raum. um in der Wechjehwirkung mit dem Naum wird die Ihrermenge "zur Heerde. Der Grund der Heerde ift aljo die Wechjehvirfung von Naum und Ihrermenge. Mur der mit Thieren erfüllte Naum in Siner Anjchauung gewährt uns die Vorjtellung einer Heerde. Das griechiiche örıs, wuriprünglich ein Ansdrud der Viehzüchter!), giebt dies jehr qut wieder; denn ror- (pul-, plu-) !) Sch werde weiter unten zeigen, daß die rorıs urjprünglich ein Halb- freis war. 106 Zweiter Abjchnitt. it nicht der leere, jondern der er, füllte, der ge,,füll’'te Naun; er ver- einigt Maunm mit Lebewejen in Eimer Anjchauung genau wie die DBe- zeichnung Horde". Cine Horde ift weder ein Lager an fich, noch) tt jte eine Menjchenmenge, jondern die Horde ift die Wechjehvirfung von Lager und Menjchenmenge. Ienn wir jagen, der Menjch jei von Natur ein Heerdenthier (pdosı Ioov rorerexöv), jo fan das niemals heien, der Mtenjch jei ein jociales Nejen, indem wir eben bei „Joctal’' gar nicht die Anjchauung damit verbinden, dag die Menfchen mit einem bejtinmten Naum in Wechjelwirfung ftehen. 3 hat deshalb Artitoteles mit Bedadıt das de d. h. jeiner Gntitehung (p5-w) nad hinzugefügt, bezw. betont (dr Avdpwros pbosı Soov roittnöv), d. h. weil der Menjch von Natur ein mit Anderen zum Naum im MWechjelwirfung jtehendes, ihn erfüllendes Yebewejen tft. Ariitoteles will damit jagen, daß der Menjc es nicht erjt geworden ift, bezw. ich dazu ausbilde, jondern das er mit jeines Sleichen von Anbeginn an in Wechjehvirfung zu einem bejtimmten Naum geitanden habe.) Hat Arijtoteles recht? Nie der erjte Menjch entjtanden it, wird uns für unfere heutige Srfenntnig ein Nätjel bleiben, deijen Löjung wir unjeren jpäteren Nachkommen überlafjen müfjen. Nenn wir das DBereic) des rein Ihatfächlichen nicht verlaifen und uns nur an die Merfmale der Sricheinungen halten wollen, jo tft der Menjch für ung ein durch JZeugung entjtamdenes WWejen, dejjen Urzeuger uns nicht fünmert. Nur das Cme wijjen wir, daß jeit undenflichen Zeiten eine Generation nad) der andern dem Norte „er,fülliet die Evde' practiche Geltung verjchafft hat. GS lält uns hier auch gleichgültig, ob die Urerzeugung der Menjchen tn einem ete oder mehreren, auf einem Drtpunfte oder an verjchtedenen erfolgt it. Das Eine dürften wir aber wohl als gewig annehmen, daß zu der zeit, wo die erjten Menjchen in ihrer gejchlechtlichen Differenz in Er- Iheinung traten, für eimen Hüttenbau nicht gejorgt war und daß fie ähnlich, wie Die ihnen zumächjt verwandten Heerdenthiere ihre Wohnung unter freiem Himmel aufichlagen und fich evjt jpäter ein Obdad) gründen mußten. Wie haben wir uns die Gr, füll’'ung des Naums unter Berid- !) &8 ijt faljch, wenn einige Ethnologen „vom Werden und Wachjen“ des Menjchen zum Loov roArrxöv” jprechen. Der ganze Entwidelungsgang der Menschheit lehrt den umgekehrten Weg: te entiwicelt fic) aus dem KHoy roArtıxöv immer mehr zu einem jocialen Wejen, indem die Wechjehvirfung von Naum und Menge, wenn jte auch als Gontinuum für alle Gwigfeit bejteht, bezw. be- jtehen wird, Doch nicht allein mehr, wie in Urzeiten, das jchöpferijche Element ift, da das ideelle Bereich der Gedanken jeßt ebenfalls ein wichtiger Factor ge- worden tit. a Sn Be ae = L \ Das menjchheitlihe Wohnmreihenlager im Allgemeinen 2c. 107 jichtigung des umiverjelle Beveutung habenden Attractionsgejetes, wonad) Berwandtes. Berwandtes anzieht, vorzuftellen? Ich jelbjt jtelle mir die- jelbe wie folgt vor:!) Zwei Berfonen entgegengejegten Gejchlechts pflanzen fich in Ntach- fommen fort. Das erite Kind gewöhnt fich zur Mutter. Ihr gegenüber befindet fich im Lager der Vater. 8 folgt ein zweites Kind. Dies muß die Stelle des erjten Kindes verdrängen und fc) an die Seite des Waters oder der Mutter anlagern. CS fommt auch noch ein drittes Kind, Diejfem muß das zweite Kind weichen und die Stelle eimmehmen, die bis- her das erjte Kind inne hatte. Kolgt ein viertes pp. Kind jo wird die Neihenlagerung weiter fortgejegt. Die Kinder find theils männliche, theils weibliche. I beiden Gejchlechtern wirft das Attractionsgejeß, wonad) Verwandtes VBerwandtes anzieht, was in der Sprache der Soctahwijjen- ichaften lautet: pares cum paribus congregantur d. i. zu deutjch: „Oleiches ichaart fich um Gleiches" und frei überjeßt: „in der Heerde gehen Gleiche mit Gleichen.“ &8 werden aljo die Sinaben, wenn fie von der Mutter unabhängig find, jich zum Vater, die Mädchen ich um die Mutter lagern. Denfen wir uns, daß die Kinder inzdas zeugungsfähige Alter fommen, jo werden fich nach demfelben Attractionsgejeß die nahezu Gleichalterigen unter einander mifchen. In ihrem Gefolge find wieder Kinder und es findet diejelbe Anreihung jtatt. uch Ddiefe werden großjährig, zeugen wieder sinder. Was it aljo natürlicher, als, dab jjett mehrfache Neihen in der Form entitehen, wie ich es bereits auf ©. 89 und 90 zur VBeranfchaulichung ges brachtzhabe,*jo daß aljo alle Männer mit ihren VBettern und die Weiber mit ihren Muhmen im Neihen lagen und zwar wegen des Attracttons- gejees tm Gruppen mit verjchiedenenkMteihen, doch jo, dal die zu einem Slternpaare Gehörigen eine Linie, bezw. weil man fich gejchlechterwetje lagert, theils Männer-, theils Weiberlinien bilden. In diefer meiner Auffalfung liegt nichts Gefünfteltes, es drängt fich uns diejes Bild von jelbit auf, jobald wir den Menjchen als et „Heerdens thier von Natur“ betrachten. 68 ergiebt fich aus dem eben Dargelegten, dal auch ich die Horde — jo will ich die menjchliche Heewde nennen — als auf Heugung ent jtanden und durch Zeugung unterhalten anfehe, aber nicht alles, was durch) Jengung hervorgebracht ift, tjt eine Horde. Sondern die Jeugung it nur die Grumdbedingung, da die Horde wirklich tjt; das Wefen der Horde liegt vielmehr in der MWechjelwirfung der durch Jeugqung Entjtandenen mit der Meihenlagerung im Naume. Das Wirfliche it! nichts Anderes als das Zufammenfalfen der Bedingungen durch die Einheit des in ihnen wirkenden Grundes; die Bedingung tt ) Ausführlicher habe ich diefe meine Anficht in meiner Schrift „Horde und Samilie” ©. 21 ff. dargelegt. 108 Zweiter Abjchnitt. das Nothwendige, ohne welches der Grund nie das Wirkliche hevvor- u fan. Die Meihenlagerung der Menjchen ift etwas jo Natürliches, mie e8 nur überhaupt gedacht werden fan. Mir will jcheinen, dag eine ent: gegengejeßte Annahme, nach der jich die Urmenjchen in weiten Abjtänden von einander niedergelaflen hätten, geradezu unmatürlich erjcheinen müßte, ganz abgejehen davon, dag ein jolches Zerjtreutwohnen in directem Wider- jpruc zu den jpäteren Zuftänden der menjchlichen Wohnlagerungen ftehen wirde. 68 mwinde das Gejeß der Entwidelung, wonach zwijchen allen Einzelzuftänden Gontimuität befteht, alsdanı geradezu zu Schanden. Analogien zwijchen der Menjchene und Thierwelt find immer trügerifch und müfjen deshalb mit größter Vorficht zu Beweiien herange- zogen werden, da wir die Sntwidelumgsfactoren viel zu wenig fennen, um darüber em Urtheil abzugeben, warum einige Thiere in Heerden umd Yıweln, andere dagegen tolivt wohnen.!) Aber das jcheint wohl ange nommen werden zu Dürfen, dag Heerdenthiere nicht aus einem vormaligen Juftande der Vereinzehung, jondern von Natur Heerdenthiere - geworden jind. Und finden wir bei aufmerfjamer Beobachtung bei ihnen nicht auch be- jtinmmte, vom Naum abhängige Neihenlagerungen, in denen jedes fernen bejtimmten Pla beanjprucht? ES it mir jchon als noch nicht jchul- pflichtigen Knaben aufgefallen und hat mein Interefje zu Beobachtungen geweckt, wie auf dem hohen meinem Geburtshaufe gegenüberliegenden Dachrüden namentlich beim Aufzug eines Gewitters in ganz eigenthüme licher Nerje die Krähen fic) niederliegen: es findet ein bejtändiges Auf- fliegen jtatt, bevor alle zur Nuhe fommen; man vertaufcht lange Zeit hin- durch die Plätze, indem Die auffliegenden Vögel fich zwijchen andere ein- drängen. Mir well jcheinen, day diefer Vorgang jich nur auf Naumbilder zurüdführen läßt, welche dieje Krähen durch gewohnheitsmäßiges Neihen- lagern gewonnen haben. Wer hierüber eracte Beobachtungen anftellen will, wird fretlich nicht aufer Acht lafjjen dürfen, daß verjchtedene Neihenlager zu beobachten find, weil eben die MWechjelwirfung von Naum und die ihn erfüllende Menge der Lebewejen, um bejtimmt wirklich zu werden, aud) noch von Bedingungen abhängig it: dem jede beitimmt wirkliche Ihat- jache, jede Sinzelthatjache, bejteht aus Grund und Bedingung zugleich. uch das vorliegende Werk joll den Beweis erbringen, daß im Leben der Menjchheit verjchtedene Neihenlagerungen zu beobachten find, die jich auf zwei Hauptformen zurüdführen lajjen. Es find dies erftens die ') Nicht wenig wird außer den gegenjeitigen Simwirkungen der Thiere unter einander (Verfolgung) der Menjch in Laufe der großen Zeiträume, während deren er jeine Umgebung fich untertyänig machte, auf die Wohnlagerung der Ihiere eingewirft haben. Das menjchheitliche Wohnreihenlager im Allgemeinen 2. 109 Längsreihenlagerung, deren urjprünglichite Heimath, wie der Zufanmen- hang der Ihatjachen ergeben wird, die mürbe Ebene des niederen Landes war; und jodann zweitens die Nundreihenlagerung, deren Urheimath der fejte Boden des Hoclandes geweien tt. Beide Wohnreihenlagerungen find von einander nicht unberührt geblieben, jondern haben fich als rela- tive Gegenjäße berührt und dadurd eine große Mannigfaltigfeit von Ent- widelungsformen zur Folge gehabt, von denen vorläufig die bemerfens- wertheiten den Hauptinhalt des vorjtehenden Werkes bilden jollen. Injo- fern die Ebene die Wiege der Aderbauer, das Hochland die Geburtsitätte der Viehzüchter ift, wird die Berührung der längsreihigen Wohnlager mit den rumdreihigen zugleich zu einem Kampfe des Acerbaues mit der Vich- zucht, weshalb ich meinem Buche den Titel „Urgejchichte des Acerbaues und der Viehzucht“ gegeben habe. Bevor wir an die Betrachtung beider Neihenlagerungen in ihrer Somderung und Verjchmelzung eintreten, möchte ich den Lejer bitten, vid- wärts zu. bliden. Während e8 mir im meinem Buche über „Horde und Familie in ihrer urgefchichtlichen Entwidelung” darauf ankam, dieje beiden heterogenen Gebilde in ihrem urzeitlichen Getrenntjein zu zeichnen und die Entwide- lungsreihe ihrer allmäl ls jerfchmelzung in derjenigen Hauptform aufzu= deden, aus welcher die Vertreter der Promiscuitätslehre ihr jog. Mutter- vecht und VBaterrecht als einander folgende Entwidelungsformen hevvorge- zaubert haben, jo joll nunmehr in dem vorliegenden Buche gezeigt werden, welches einjt die relativen Gegenjäte gewejen find, durch deren Berührung jene Männer und Weiberjeite in den Entwicelungszuftand geführt wurde, den ich früher gejchildert habe. Nährend ich in dem Buche über „Horde und Familie” die ver- wandtjchaftlichen Beziehungen, wie fie fich aus der Wohnreihenlagerung als etwas Natürliches ergeben, in den Vordergrund jtellte, um zu zeigen, dag die Verwandten thatjächlich die Verwandeten, die in derjelben Um wandung (septum) Wohnenden gewejen find, jo joll in dem vorliegenden Buche gezeigt werden, daß diefe wohnräumlichen Beziehungen als das Gonz= tinuum im der ganzen Entwidelungsreihe auch das jchöpfertiche Element im wirthichaftlichen Leben, von dem ich vorerjt die Gewerbe ausjchließe und Aderbau und Viehzucht ne gewejen find. Durch diefes neue Buch joll mein früheres Buch in jeinem Inhalt eine nene Stübße finden, wie ich dem den Inhalt jenes unter gleichzeitiger Berüdfichtigung desjenigen Materials, welches diefem Buche zu Grumpe liegt, gejchaffen habe. Denn mein urgejchichtlicher Aufbau ijt eine yjte- matische Neconftruction aus lauter einzelnen Stücden, die ich im ähnlicher Weife an einander zu fügen hatte, wie der Irchäolog die Bruchtheile einer 110 i Zweiter Abjchnitt. verfallenen Statue, nicht nad einem aprtori aufgejtellten Wlan mit Hülfe von ungeformtem Gyps, der jenen Bruchjtüden etwas ganz fremdes ijt, jondern Durch ein verjuchsweifes Aneinamderpafjen zu einem Ganzen wieder zu verbinden jucht. Somit ergänzen fich meine beiden urgejchächtlichen Bücher gegenfeittg, und auch dieje beiven werden mit einem dritten und vierten Buche eine Sinheit bilden, um — jo Gott will — in emem abjchliegenden Werfe auf Grundlage aller vorangegangenen Bücher in einer mehr präcifen Form meine Gejammttheorie zum Abjchlug zu bringen. Ich hoffe dies um jo mehr tm einer mehr gedrungenen Form thun zu fünnen, weil ich alsdann nicht mehr nöthtg haben werde, nach Links, vechts, vorwärts und rücwärts mit jcharfen Waffen Gegner abzuwehren, die am Wege lagernd mir den directen Weg unmöglich machen. So lange es Borurtheile zu bejiegen giebt, find vorerjt Ddiefe zu bejeitigen, und Dies it ohne Kampf nicht möglich. Da das, was mir in meinem Buche über "Horde und FSamilie Hauptjache war, im diefem Buche Nebenjache ift, jo muß ich den Yefer bitten, jenes bei jolchen Darlegungen in die Hand zu nehmen, auf die ich als befannt verweife. Ich werde jedoch, jo weit es der Naum erlaubt, nicht unterlafen, dem Lejer, wenn es unmittelbar erforderlich it, den im jenem Bırche dargelegten Sachverhalt furz zu referiren. Dritter Abfhnitt, Die Reihenlager der Bewohner der Ebene md die dadurd begründele Oraganilation des Arkerbanes, ern wir jagen, die Menjchheit habe jich über den Sroboden „‚ver- breitet‘, jo liegt e8 eigentlich jchon in der Bezeichnung jelbjt, daß Diejer Vorgang nicht jo gedacht werden fan, ols ob die Menjchen ausnahmslos ohne Najt und Nubh über die Erofläche fortgewandert jeten. tr wollen vielmehr damit ansprüden, dag die Menjchen jeshaft wurden und von den Sinzelfien aus benachbartes umbefiedeltes Land bejeßten und auf dieje erje den Erdfreis nach den verjchiedenften Nichtungen hin bevölferten. Kahrung und Wohnraum find die beiven Hauptbedingungen nicht nur des antmaltichen, jondern auc) des vegetabiliichen Yebens; und daher hängt von Beiden in ihren Wirkungen der bejondere Character jedes lebenden Gejchöpfes ab. Wenn beide Bedingungen vorhanden find, jo liegt für eine Drtsveränderung feine VBeranlafjung vor. Die leßtere fan mur da= durch hervorgerufen werden, dat wenigjtens eine der beiden Bedingungen fehlt. Genügt der Wohnraum richt, weil fi) der Verband tm jid) ver- mehrte, jo wird es möthig, daß ein. Theil den bisher innegehabten ISohn- raum verläßt, jo day durch Ablöfung von Neihen ein neuer ohnraum gegründet wird. Alsdanı wird die Gontinuität troßdem aufrecht erhalten; denn die neue MWohnlagerung wird inmmer nur, weil die Nachahmung ver Menjchen bejonders in primitiven Jeiten eine große Molle jpielt, als ein Uebertragen der alten Ginrichtungen zu betrachten fein. Nur der Nohn- bau, weil er von ganz anderen Gntwidelungsmotoren als die Meihen- lagerung jelbjt abhängig it, kann eine Modification erleiden. 6S fann uns infolge defjen auch nicht wundern, wenn die Bezeichnungen für die Sinrichtungen 3. B. für die MNeihen umd dergl. mit übertragen werden. Wenn bei fortgejetster Ausbreitung fich in Bezug auf die Articulation der Laute Nenderungen zeigen, jo tjt dies ebenfalls etwas von den Gin- richtungen Unabhängiges, weil eben die Entwideling der Artieulation ihren 112 Dritter Abjchnitt. bejonderen Gejegen folgt, indem die Irticulation von der bejonderen Stellung der Mundhöhle, bet welcher das Geräufch und die Stimme er zeugt wird, abhängig üt. CS tt nad) dem Vorausgejchicdten zu erwarten, daf; bis zu einer gewijjen Anzahl von Generationen zwijchen den abgelöften Meihen emme engere Verbindung bejtehen bleibt, die um jo fejter fich ge= jtalten muß, je mehr jprachliche Mterkzeichen entjtehen bezw. vorhanden find, welche auf einen Zufammenhang hinweifen. Sobald man diejen zu erfennen beginnt, nimmt er, wie jedes Ahnen, zumächit ein myjtijches Ge- wand an. So haben wir uns auch die Phratrien, die Träger gleichen Namens, die nur den Bewohnern der Ebene eigenthümlich find und erjt mit dev Berührung dev Gens, wie weiter unten gezeigt werden joll, eine befondere Stellung erlangen, zu erklären. Non der Ernährungsweife der Urmenjchen haben wir feine Kumde und find infolge dejjen ebenjo berechtigt, anzunehmen, der Urmenjc) jet anfänglich Frugivor gewejen, wie wir annehmen fünnen, er jet zumächit carnivor aufgetreten; ja wir fönnen an fich beides zugleich annehmen 2. h. ihn für ommivor halten. In meiner Schrift über „Horde und Familie‘ habe ich mich deshalb in Bezug auf die Ernährung des Urmenjchen vor- fichtig dahin ausgejprochen!): „War fie animaltjch, jo konnten nur TIhiere in Betracht fommen, die leicht zu überwältigen waren, weil der Menjc an- fangs feine Werkzeuge zur Tödtung größerer Ihiere hatte. Man wird vermmuthen dürfen, da der Urmenjch der leichter zu erlangenden Pflanzen- foft den Vorzug eimräumte . .. Aber da der Menjch fich allmählich zum Dmmivoren ausgebildet hat, jo tt wohl anzunehmen, daß er frühzeitig itufenmwetfe mit der Gmmährung von Würmern, Kerbthieren und NWeic)- thieren begonnen, um zuleßt die gefährlicher und jcehwieriger zu erlangenden größeren Ihiere in jein Smährungsbereich einzujchliegen. Somit habe ich mich auf den neutralen Standpunft derjenigen ge jtellt, die den Urmenjchen für ommivor halten und den Schwerpunft auf die leichtere Erlangbarfeit der Nahrungsmittel gelegt, weil eben der Urmenjch jo qut wie der heutige Menjch in erjter Xinte dem Hunger aefühl Abhülfe jchaffen mußte. Deshalb habe ich auch die Anficht von v. Schwarz, da „die Menjchen urjprünglich Vegetarier gewejen jein mülfen, weil dies aus der Länge dev Gedärme und aus dem Bau des Gebijjes hervorgehe, zurüdgewiejen. Denn aus dem heutigen Drganismus des Menichen fünnen wir meines Grachtens feine Schlüfje auf den Urmenjchen sichen, aljo auch nicht aus der jeßigen Darmlänge auf die urzeitliche schließen, weil jene ebenjo qut die Folge jpäterer als früherer vegetablijcher Lebensweile fein Fam. Ich habe abfichtlich damals diejen neutralen Standpunft vertreten, weil mir jcheinen will, daß die Frage, ob der 1) Horde und Kamilie ©. 249. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene x. 113 Menjc Frugivor (bzw. plantivor) oder carııtwor war, in diefer Korm für die urgejchichtliche Erfenntnig unrichtig formulirt und für den Erfenntnig- proceß jelbit zu frühzeitig gejtellt it. Bei eract Itatiftiichen Unterfuchungen find jolche voreilige Fragen geradezu unjtatthaft, weil fie den Unterfuchungsprocet nothwendia auf faljche Mege führen müffen. Bekanntlich hängt zu einem großen Theil die Antwort von der Fragejtellung ab. Schon Jean Paul jagt, „ant- worten jei leichter als fragen, nichts jet jchwerer als fragen, d. h. im Deean angeln, nichts leichter als zu antworten, weil die Antwort die Frage umfränze*. Die Frage it immer etwas im Forjchen jelbit Ge- aebenes, weshalb befanntlich der Nömer für Frage und Unterfuchung aucd) nur ein Wort hatte (quaestio), ebenjo wie der Grieche mit Inreiv beides umfapte. i Wenn fi der Statijtifer nur im Jufammenhang des Ihatjächlichen zu bewegen hat und aus ihm heraus Ihatjachen fejtitellen will, jo darf auch die Fragejtellung immer nur aus der Totalität aller Einzelerjcheinungen überhaupt entnommen werden, und es tjt unzuläflig mit Fragen von vorn- herein (a priori) an den noch garnicht analyfirten Stoff heranzutreten. Aprtoriftiiche Frageitellung gehört der jpeculativen Forihung an. Der Statijtif, deren Ziel auf die Erfenntnig des Objectiven, d. h. des nur in den Dingen (Sachen) Gegründeten gerichtet it, liegt jene Frageftellung fern. Probleme und Fragen finden fich erjt dann ein, wenn irgend eine Ihatjache oder ein Sompler von Ihatjachen im Syitem der übrigen Ihat- jachen feine Stellung finden fann und jic) Widerjprüche einitellen, die be= jeitigt werden müjjen. Die Frage nad) der ausjchlieglichen Ernährung der Urmenjchen darf jomuit nicht Ausgangspunkt einer Unterfuchung des Ihatjächlichen jein, jondern fann ihre Stellung nur im Syitem der Ihatjachen finden. Der einzige richtige Ausgangspunkt fann nur im der das Ihatjächliche nicht trübenden Annahme liegen, daß der Menjch der leichter zu erlangenden Nahrung den Vorzug einräumte und dah er bei jeinem erjten Yuf- treten in ein Grmährungsbereich geitellt wurde, wo er die Bedingungen fand, fich zu erhalten und fortzupflanzen. Db das die an vegetabilijchen Stoffen reiche fruchtbare Ebene oder das höher gelegene weniger fruchtbare Hochland gewejen jein fann, muß fich aus dem innern Zujammenhang der Ericheinungen jelbit ergeben. il S Injofern ic) aber bei der Vorführung meiner Iheorie als Dar- iteller auftrete und ich techniich unmöglich beide Ernährungsbereiche, das ebene Land und das höher gelegene Land, gleichzeitig dem Lejer in Ginem Acte vorführen fann, jo bin ich ebenjo berechtigt, mit der Schilderung der Bewohner der Ebene, wie mit der der Bewohner des Hoclandes zu Mude, Urgeihicte. fo) 114 Dritter Abjchnitt. beginnen. Ic begimme, weil mir durd den ftatiftiichen Unterjuchungs- proceß, welcher der Darjtellung voranging, das Syitem der Ihatjachen ichon bekannt it, im Interefje der Darjtellung mit der Schilderung der Bewohner des ebenen Landes. Yo immer wir uns die Wiege des Menjchengejchlechts denken, fonnte jie nur dort jtehen, wo die Bedingungen zur Grnährung geboten waren. Dap die Bedingungen der Ernährung wrplößlich aufgehört haben jollten und day Sich infolge dejjen die ganze bis dahin entitandene Menjchheit tromartig in fremde Gegenden ergofjen haben jollte, ift wohl faum an- zunehmen, da jelbjt jo gewaltige Kataftrophen, wie die Eiszeitvergletjcherungen, nicht von heute auf morgen zu erfolgen pflegen. Wenn aljo für die erite Urzeit der Meenjchen die Nahrungsbedingungen diejelben blieben — warım jollten jte gewandert jein? Man hat gejagt: aus Neugier. — Die Ar nahme einer angeblichen Neugier, wie wir jte wohl bei den uns näher jtehen- den jog. Naturmenjchen antreffen, dürfte vom piychologiichen Standpunfte aus etwas nat fein. Man muß wohl untericheiden das Herantreten des Venen an uns von dem Aufjuchen des Ieuen durd) uns. Das lettere jetst bereits eine zeitliche Neihe von Vorjtellungen voraus, durch deren Vergleich erjt die Gter nad) Neuem entitehen fan. SS it befammt, daß der Erregung dur) das Neue immer zugleich die Neaction des Alten folgt, d. h. dat mit der Ablenfung älterer Bor: jtellungen von threm natürlichen Hemmungsgefeße das Wideritreben der- jelben gegen die zugemuthete Bewegung begimmt. Die Neaction wird um jo jtärfer jet, je weniger verwandt die ältere Vorftellung mit der neueren it. Das, was wir Schüchternheit nennen, beruht auf der erwähnten Ne- action; wir treffen Ste befanntlich meist bei Berjonen an, deren Wor- jtellungsbereich aus einer gewiffen Ginerleiheit erwachlen ift. Das Kind vornehmer KSltern wird, wenn 05 dem einfachen Banersmann gegenüber- tritt, ebenjo jchüchtern jein, wie Ddejjen Kind, wenn es jenen gegenüber- gejtellt wird. Grjt nach der Affimilation der alten mit der neuen WVor- jtellung entjteht die Neugier. Diefe jetzt jtets eine, wenn auch nur halbklare Vorjtellung vom Neuen voraus; aber durch völlig Unbekanntes fann Meugier nie erzeugt werden. Mieehr durch das uns aufgenöthigte, als durch das von uns jelbjt aufgejuchte Mene entwidelt fi) in der Kindheit der Einzelmenjchen und ver Völfer das Bereich der Vorjtellungen, und das Beharrungsgejeß an Altem und Hervorgebrachtem durchjtrömt das Leben der Menjchheit aller Kulturjtufen jo gewaltig, da, wenn wir eine Gontinuität zwijchen Gegen= wart, näherer Vergangenheit und Urzeit auch in Ddiefer Beziehung ans nehmen wollen, wir zu der Folgerung genöthigt werden, jenes Beharrungs- gejets habe auch für den urgefchichtlichen Menjchen gegolten. Aber nicht a A Die Neihenlager der Bewohner der Ebene ac. 115 die piychologiiche Beobachtung allen, jondern weit mehr die Broducte, deren Urjache der mienjchliche Geijt it, bezeugen uns jenes Beharrungs- gejeg mit eimer Deutlichteit, daß es ich wohl verlohnt, vie geradezu typijchen Sinrichtungen in ihrem Gntwidelumgspioceg näher zu verfolgen. Da ja meine Theorie aus dem Zufammenhange aller völferfundlichen Sricheinungen den Bewers erbringen will, day im Unzeiten der Wohn- raum das jchöpferiihe Haupt-Element in der Entwidelungs- geihichte der Menjchheit gewejen jet, jo wird der Xejer von mir erwarten, daß ic) auc im allem Solgenven an den Wohnraum anfnüpfe. Dadurch) wird zugleich das in meiner früheren Schrift, Die ja auf den jetzt erjt vorzuführenden Ihatjachen bereits mit aufgebaut war, Mitgetheilte jeine tiefere Begrimpung erhalten md fich zeigen, wie meine Vhantafte nicht erdichtend, jonvern aus wirklichen Grjcheinungen der Vergangenheit und Gegemvart reconjtrutrend das Bild aus der menschlichen Urzeit, joweit es überhaupt möglich it ein jolches zu malen, aufbaute. Aus ven jog. Gruppenverwandtjchnftsnamen haben wir erjehen, daf der Man zur Bezeichnung ganz derjelben Berjonen andere Ausdrüce wählt als die Kranz der Mann nennt jene Kinder 3. DB. anders als fie jeine Frau benennt. Da wir dies oben aus der wohnräumlichen Stellung, die für die Männer andere waren, als für die Frauen, ableiteten, jo haben wir aljo zweierlei Methen in jedem Lager, nämlich Männerrethen amd Srauenrethen, von denen mehrere auf jeder Seite eine Suppe bilden, vor ung. ern diefe einzelnen Neihen mancherwärts ihre befondern Bezeich- nungen führen und wir erfahren, dag Perjonen mit gleichen Bezeichnungen für einander dejtinirt find, jo find eben dieje Neihen der bejtimmende Grund Da fi) Gruppen bei Überfüllung des Wohnlagers in Meihen derart auflöjen müljen, daß einzelne NMeihen abziehen, hat nichts Be- fremdendes, md ebenjo wenig wird es uns wundern, dal wir fortan an verjchtedenen Drtpunften gleiche Benennungen antreffen, weil eben dte Gruppen Sich aufgelöft haben. Collten fie jich) vollitändig aufgelöft haben und es nur noch lauter erzelne Meihen geben, jo werden wir es auc ganz natürlich finden, day die Gruppenbezeichnungen verjchwinden oder eine dem menen Juftande angemefjene Bedeutung erlangen. Wo 1ies mals für die Neihen bejondere Iamen vorhanden waren, werden wir auch feine Neihennamen antreffen fünnen. Der jeweilig zu beobachtende Zus tand hängt aljo von dem vorangegangenen Juftande ab, und jomit fan jchon im Diefer Beziehung eine Verjchtevenheit unter den Völkern zu beobachten jein. Die Ginzelveihen fünnen gegenüber den Öruppen= reihen aber nicht als das prius gedacht werden, weil, wie wir alsbald jehen werden, im der jpäteren Gnhwicdelung bei den Völkern der Sbene mur daS zweireihige Yager übrig geblieben tft und nirgends ein mehr- g* 116 Dritter Abjchnitt. veihiges Gruppenlager, jelbjt nicht in den Stagenhäufern vorgefunden wird. Ss it aljo hier ein Zuftand vorhanden, auf den 3. D. folgende Schilderung pabt: „Ber den Papıa’s von Arfaf auf NeusÖuinea find im Haufe die Männer von den Frauen ziemlich getrennt; die Srauen haben die Iinfe, die Männer die rechte Seite des Haufes inne, auch efjen die Frauen nicht in Gejellichaft der Männer“.T) Den Urmenfchen, die ji ihre Srnährung Mühe fojten lafjen mußten und genöthigt waren, Alles das, was dazu gehört, augerhalb des Lagers zu juchen, fonnte das Yager anfangs nur eine Nuhejtätte jein, auf welchem jich die MNeihen wieder zujammenfanden, wenn jte genährt waren. Es tjt auch hier bezeichnend, day ji) das Wort „Nuhe” auf diejelbe Wurzel, wie „Neihe? zurüdführen läpt (angell. row — Nuhe, engl. row — Meihe). Ihr Lager, in welcher Art wir es uns auch vorjtellen mögen, fonnte nur primitiv jein. Im den fruchtbaren Ebenen werden thre Wohnungen wohl anfangs Grubenlager gewejen jet, die jte ich ebenjo leicht wie jedes Ihievr unter Benußung natürlicher Grdvertiefungen, die fie nad)- ahmten, aut herjtellen fonnten. Daß fie, wenn jte Ddiefe Höhlungen einmal hatten, jte preisgegeben haben jollten, um weiterzuziehen, it nicht wohl anzunehmen, da der Meiz fehlte, fie zu verlaffen. Die fern liegende Nahrung erwedt den Trieb, ihr nachzugehen; aber die Sehnjucht und das Reovirfnig nach Nuhe fann unmöglich ein Lebewejen dazu veranlafjen, Tich immer von Neuem ein Lager berzuftellen, weil eben darin ein Piychologt= x icher Widerjpruch läge. Im Gegentheil wird man jtch an die „Wohnung gewöhnt” haben. Das Bedrirfnig nach Nuhe erjtrebt Ginfürmtgfett und bringt eben das zu Stande, was wir Ge„wohn”heit nennen. Alle Gewohnheit erzeugt erfahrungsgemäß eine jorgloje und genüg- jame Yebensweife; daher den durch Gewohnheit characterifirten Ihieren meist ein phlegmatifcher Character eigen tft; fie thun in ihren Feten Wohn- fien wenig für den Bau der Wohnungen und die Zucht der Jungen. Augenjcheinlich war dies ad) beim Urmenjchen der Sbene der Sall, wes- halb hier die Iungen, jobald jte entwöhnt waren, fich um die Altersgenofjen (agerten und fich jelbjt Gruben bauten, woraus jicd) eben die Gruppen- lagerungen nad) Alter und Gejchlecht bis in ıhre Ginzelheiten erflären lajjen, 3. B. auch, daß die Snfelfinder, die noch unfähig waren, jich jelbjt Gruben zu jchaffen, den Pla bei den Großvätern bezw. wenn fie weiblich waren, bei den Grogmüttern fanden, weshalb wir ja auch für Großeltern und Gnfel ein und diejelbe Bezeichnung finden. Dieje augenjcheinlich dur; Evdaufwürfe entjtandenen Gruppenwandungen, die immer wieder nachgeahmt und nur technijch verbeffert wurden, mußten nothwendiger )) Luigi D’Alberty in Betermann’s Mittheilungen 20. 1874. ©. 109. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2c. eiez Merje zu einem gewohnheitmäßigen Gimerlet führen, eine fejtorgamnijtrte Verwandtichaft bezw. VBerwandung jchaffen und Sehhaftigfeit im Gefolge haben. Wir werden jpäter zeigen, das gerade die jeihaften Wölfer die primitioften Wohnungen gehabt haben umd day ie evjt durch die Wanper- völfer mit dem jtenrernen Hausbau befannt wurden. 63 it nun merfwürdig, daß Das zweileitige Meihenlager der jel- haften Horde (anfangs) eine jchiffsförmige Geftalt hat, eine Srjcheinung, die ich mir nur jo erklären fan, day im Miittelraum ihrer Urform eine ftärfere Anlagerung als zu beiden Seiten jtatt hatte. Ich bin deshalb geneigt, dieje Erjcheinung jo zu deuten, day tim Müttelraum dte Meütter mit den Säuglingen einen größeren Bla beanjpruchten, wogegen mac) beiden Seiten für die übrigen Bewohner eine geringere Ausdehnung er forverlich war. Dieje jeghafte Schiffshorde hat jtch aller Wahrjcheinlichkeit nach in jehr langjamem Tempo — über die Sbenen des mürben Yandes, des Ar und Mar-Landes (arja, marga) ausgebreitet, hat zwar jpäter Slüffe und Meere auf Fahrzeugen durchichwonmen, aber tft, wentgjtens nicht vor ihrer Berührung mit der Wanderhorde, im der wir jpäter die Genneten, die Bewohner der Gäa (y7) erfennen werden, nicht gewanvert. Das alte Howdenhaus mit jener Schiffsgeltalt, wie es noch tır zahl- veichen berrejten längjt vergangener geiten uns überfommen it und die Manche für ad hoc gebaute Srabjtätten halten, weil fich in denjelben auf Todtenbeftattung deutlich hinweifende Leichenüberreite vorfinden und jich deshalb als benußte VBegräbnißftellen nicht in Abrede jtellen laffen, tt meiner Theorie zufolge von mir als die nachweisbar ältejte Wohnjtätte bezeichnet worden. Die darin befindlichen Kammern habe ich für Wohn- abtheilungen erklärt, in denen man nac Alter und Gejchlecht in gejonderten Neihen lagerte. Auch habe ich auf Grund der uns überfommenen Ver wandtjchaftsbezeichnungen primitiver Völker zu beweifen verjucht, dak diefe auf eine ehemals bejtandene Neihenordnung himveifen; und da id) es weder logijch noch piychologifch, weil dem Begriffe „ntwidelung” wider iprechend, für denkbar halte, daß die jpätere Neihenordmung aus einer ur= Iprünglichen Unordnung herausgewachjen und nicht vielmehr nur aus der natürlichen Anlagerung dev Menjchen als Heerdenthiere hervorgegangen jein fanır, jo halte ich jenes ordnungsgemäße Wohnlager im Schiff (der Yrche, der Wanne) für das Allerprimitivfte, was menjchliches Denken zu denten vermag. Doc habe ich zugleich in meiner Schrift über „Horde und Sa= milte” zu zeigen verjucht, wie jenes jchiffsförmige Wohnlager durch die Ent- ftehung der Familien, d. h. der Hauswirthichaften, nothwendig modifictrt werden mußte, weil man genöthigt war, fortan und zwar allmählich aus dem Hordenhanje herauszutreten, wer man mittels heterogener Slemente, die im Hordenhaufe nicht untergebracht werden fonnten, einen Haushalt be 118 Dritter Abjchnitt. gründete, welhalb zu allerlegt zwar noc die jchiffsförmige Geftalt in der Mitte übrig blieb, aber zu beiden Seiten der Hausbau in allmählicher Verbejferung fich entwicelte. Srwägen wir, daß das jchiffsförmige Haus jowohl in Stein als auch in Holzbau im den verjchiedenften Gegenden der Welt nachgewiejen und day in zahllofen Dürfern im allen Himmelsjtrichen bis auf diefe Stunde die Leere jchiffsförmige Fläche zu beobachten tft, ohne da wir willen, weshalb diejes Schtff übrig gelafjen wird, jo wird Jeder, der nicht aleich- gultig an jolchen Welterjcheinungen vorübergeht, jobald er auf diejelben aufmerfjam wird, einen Zufammenhang zwifchen beiden Sricheinungen ver- muthen dürfen. Der Neiz it alsdanıı zu groß, als da man ihm wider- jtehen fünnte, eine jolche Wermuthung vermittels einer in die bunte Mannig- faltigteit aller darauf bezüglichen Srjcheimumgen eingehenden Induetion zu einer Hppotheje zu erheben, mdem man die Berfafjungszuftände Derer aufjucht, welche um das leere Schiff herum wohnen. Der chiffsförmige Neihenbau ländlicher Wohnftätten it mu) Solchen, die nicht jelbit Beobachtungen angeftellt haben, denen aber aletchwohl die nattonalöfonomifche Yiteratuv über Die ältejten Marawverhältntjie und NWohnjtätten nicht fremd ift, genügend befannt. Im Interefje derjenigen Xejer, denen in Ddiejes Fac) einjchlagende Werfe nicht gleich zu Hand find, gebe ich mit der gütigen Grlaubuig des Herrn DVerlagsbuchhändlers Yilhelm Herß aus dem für jeden Gebildeten warm zu empfehlenden Ierfe Auguft Meigen’s, Siedelung und Agrarwejen der Wejtgermanen und Djtgermanen, der Kelten, Mömer, Sinnen und Slaven I. Band (Berlin 1895) ©. 53 eme Abbildung emmer wechjelreihigen ländlichen Wohnftätte wieder. N \ SEE zarte 2.20. la 3 Pa Ar BR 7 N NAT x \ S 4 se Sig. 1. Der Bicus von Trebniß, as vdorjtehende Bild jItellt das im Megierungsbesnf und Kreis Merjeburg gelegene Irebnit dar, in welchem wir deutlich die Schiffsforn noch erfennen fünnen, die zwar durd) den Kircchbau und die dadurd) herbei= N Die Neihenlager dev Bewohner der Ebene 2c. 119 geführte Veränderung der links davon liegenden Gebäude, jowie durch) die beiden augenfichtlich erjt jpäter entjtanwenen Wege vechts und [infs von der Kirche, nicht mehr volljtändig erhalten it, aber mittels Whantafie leicht in ihrer urjprünglichen Geftalt veconjtruirt werden fan, wenn wir die um das Schiff Itegenden Gehöfte allein ins Auge faljen; es würden alsdannı mur fieben Gehöfte auf jeder Seite in Betracht fommen, die Er- weiterung zu beiden Seiten als etwas Spätzeitliches zu betrachten fein. It diefe Schiffstorm in zahlreichen Wohnplägen nachgewiejen, jo bejteht nur die Frage, wie man fich ihre Sntjtehung zu erklären hat. Sie auf eimen Zufall zurüdzuführen, der tr weit von einamder abgelegenen Ländern ich wiederholt, dürfte eine zu fühne Annahme je. Ste rt lichen, jog. Terrain-VBerhältniffen zugujchreiben geht deshalb nicht an, weil fie ganz unabhängig von denjelben dajtehen. Site auf bemufte menjchliche Willensentjchliegungen zuridzuführen erfordert den Nachweis des dabei verfolgten Zwecdes und enthebt uns überdies nicht der Schwierigfeit der weiteren Erklärug, auf welche NWeife die Menjchen zur Erfenmung diejes Zwedes, der weit in das graue Alterthun hinemveicht, gelangten. uch wenn wir annehmen, der urfprüngliche Zwed jet im Yaufe der Sahrtaufende verloren gegangen und alle noch heute vorfindlichen jchiffsförmtgen Dorf- anlagen jeien nur unbewupte Iachahmumngen früherer Zuftände, entziehen wir ung Doc) nicht der Aufgabe, nach dem Urmodell zu fragen. Vtelmehr find wir genöthtgt, uns nach analogen Erjcheinungen umzujehen, und das find allein Bauten, welche die jchiffsförmige Gejtalt tragen. Dabei liegt es matürlic) nahe, zunächit an das Schiff jelbit zu denfen. Aber dieg wide uns zur Beantwortung der Frage führen, wie der Urmenich zur Erfimung eines jolchen Schiffes gekommen jei. Da uns jedoch eine jolche aus dem Zufammenhange herausgelöfte aprtoriftijche Frageftellung wur in jpeculatives Sahrwafjer führen mühte, jo muß jene Frage nur aus den Gefammterfcheinungen mitbeautwortet werden. Das jelbe tft der Fall mit den jog. Schiffsgräbern, bei denen wir vor der Frage jtehen: wie fan man dazu, für die Todten gerade joldhe Wohnungen zu wählen, wo doch nach dem Befund der darin gelegenen TIodtemüberreite, wenn man, — was nicht jelten gar nicht der Kal tft — darin überhaupt welche findet, die Veltattung in ihnen gar nicht veihenweije jtattgefunden hat? Das aber ift die Hauptjache, die wir zu erflären haben; denn nicht der jchiffsfürmige Plag als jolcher, jondern die um denfelben herum (agernden Gebäude bedürfen der Erflärung. uch ift überdies, worauf ich gar fein großes Gewicht lege, weil es nicht Fonftatirt werden faun, wohl faum anzunehmen, da mar zuert für die Todten Wohnungen baute, bevor man es für die Lebenden that; doch jet denen, die diefe Ansicht hegen, es unbenommen, daran zu glauben. 120 Dritter Abjchnitt. Beobachten wir an ländlichen Wohnanlagen eimen jchiffsfürmigen ovalen lat, der vielerorts völlig leer gelaffen tft, ohne dal ein natürliches Hindernig zur Offenlafjung dejjelben bemerft werden fanır, jo müfjen wir, wenn wir von der Nachahmung jpäterer Zeit abjtrahirend uns in die alleverjte Zeit des Entjtehens diejer erjten ovalen Geftalt zurücverjeßen, zu der Wermuthung kommen, daß diefer Platz einjt ein Hindernig gemejen it, ihn zu bebauen, und wenn wir Diefes Hindernig nicht in einer von dev Natur jelbjt dargebotenen Erhöhung juchen, in emem Bau-IWerfe menjchlichen Uriprungs. Berücjichtigt man nun nod, daß diejer jchiffsförnige Wlat viel- fach umzäunt oder mit einem Graben umgeben tft, was den Gedanken nicht auffünmen läßt, diefe Abgrenzung jet zum Zwede des Schußes gegen sende aufgejtellt worden, weil ja doch der Femd erjt im das Imere eindringen mußte und gerade die Hinterjeite (oft, nicht immer) offen ge- halten it; und berücdjichtigt man noch, da mancherorts auf diefem Plate entweder das Gememwehaus oder aud) das Gemeindefener oder der damit verwandte Opferaltar jtand, alfo gleichjam die Urzellen des jpäteren Gottes- haufes; — jo wird man wohl annehmen fünnen, daß jener Pla, auc) wenn er anderwärts nur zur Hürde des von den Weidepläßen abends herenmgetrtebenen Wtehes diente, ehemals eine MWohnftätte der ländlichen Dewohner abgegeben hat, die fich jpäter in Einzelhäufern um denjelben aruppirten. Dieje ermheitliche Wohnftätte diente alsdannn der Gefammtheit d. 1. der Horde. Und nehmen wir dies au, jo dürfen wir auch folgern, da man in demjelben gewiß ebenjo veihenmäßig gelagert haben wird, wie e8 diejenigen thaten, welche jich jpäter um das Hordenhaus lagerten, weil eben darin eine Sonttimmtät der Entwidelung liegt. er nicht von Worurtheilen be= fangen und überhaupt im Stande ift, in ruhiger Erwägung auch eine der Vromtscenttäts= und UnordnungssLehre entgegengejeßte Iheorie anzuhören, der wird mir wentajtens die Gerechtigkeit widerfahren lafjen, day in der Sejammtheit meiner VBorausjegungen und Folgerungen ein Syjtem liegt, welches in der Xehre vom wilden Durcheinander fehlt. Nie anders als im Syitem fünnen wir urgejchichtliche Ihatjachen Feitjtellen! Die chiffsförmigen MNeihendörfer find als unbeftreitbare Ihatjache, die jowohl bei gegemwärtig bejtehenden als auch) bei längit verichwundenen Völkern beobachtet worden tft, nicht aus der Welt zu jcehaffen; fie bedürfen einer Srflärung, wenn man dem Forjchungstriebe der MWifjenjchaft Feine Grenzen jeßen will. Dieje Erklärung fann aber mur in den Verfafjungs- zuftänden Diejer Dörfer jelbjt zu juchen fein. um aber giebt e8 Dörfer auch noch in anderer Form, überhaupt, was diefe anbelangt, jehr verjchiedene Dörfer, die oft nahe an einander Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2, 121 liegen, ja fich bisweilen durchfreuzen und alsdanı geradezu eine Haufen- form annehmen. Sollten wir glauben, die jog. Haufendörfer jeien eine elementare Erjheimmg? Das wäre fühn. Dazu fommt, dal es auc) Nunddörfer giebt. CS bedarf jomit das jchiffsförmige Dorf ebenjo eine befondere Unterfuchung, wie das Nunddorf und das Haufendorf. Co entjteht eine neue Vermuthung, day wir es hier mit verjchtedenen Gebilden zu thun haben, und diefe Wermuthung ihrerjeits erfordert wiederum ein neues Iuduetionsverfahren. Durch jolche fortgejegte Wechjelprocejfe von Induction und Vermuthung gewimmen wir bejtändig neue Hypothejen, die wieder nach Einheit lechzen und uns eben dadurd zu der letten emheit- lichen Hypotheje hinführen, die uns die Gejammtheit der Einzelerjchei- nungen erklären fan. Seht man auf diefem Wege den Einzelericheimungen nach, jo findet man in der Ihat, da jene Schiffsdörfer eine VBerfafjung haben, die von allen übrigen wejentlich abweicht; und man wird veranlaßt, in der Ge- ihichte nachzuforjchen, ob für jte nicht ein uralter characteriftiicher Itame beiteht. Wir nennen jte in der Nattonaldfonomit Gewanndörfer. Der Ausprud „Gewann“, Wanne it etymologijch noch nicht bejtimmt und feine Bedeutung fanı jelbjtverjtändlich nur aus dem ganzen Zufammenhang aller einschlägigen thatfächlichen Berhältniffe, nicht aber aus Wortwurzeln, ge wonnen werden. Der Sachverhalt ergiebt, dat die Bewohner der Gewanne dörfer in fich jelbjt eine Berwandtichaft, eine „Wanne“, ein „Gewand“ bil- deten, das fie einheitlich, gleichjam wie ein Kleid umfchloß; und Diejes SGewann war ihre Wohnung (ffr. vanas), welche, wie wir noch zeigen werden, der bejtimmende Grund ihrer ganzen VBerfallung und vornehmlich ihrer Acerverfafjung war. Im der Spradwurzel van (ven=, din, von= md vun) vereinigen fich alle characteriftiichen Merkmale ihres Ginbheitslebens, weshalb 3. B. das auf die jr. Wurzel van zurädzuführende ahd. winnen noch ebenjo arbeiten, wie jtreiten und erwerben heigt; aber zugleich auc) die Bedeutung von „gern haben” hat. Durch die eigenthümliche Art, wie fie einheitlich bet ihrer Arbeit zufammenjtehen, was weiter unter ausführlich dargelegt werden joll, erhält alsdanır auch der Naum, das Aderland, auf dem te jich in Arbeit be- thätigen, die wipränglich nur ihrer Wohnung zufommende Bezerchnung Wanne oder Gewande, jo dag alfo Gewann die Bevdeutung eines Stüdes Land erhält, welches die verwandte Wohneinheit bearbeitet. Aber da diejes Landftüd in ganz characteriftiicher Weife durch Nerhenarbett beforgt wurde und eine Meihe etwas gegliedertes it, jo liegt in dem Worte Gewanne ebenjo wie VBerwandtjchaft noch ein Gegliedertjein, und diejes Um tandes wegen wollen wir uns noch nad) einem andern Ausdrud umfehen, der ung den Sachverhalt viel bejjer veranjchaulichen fan, als das Wort 122 Dritter Abjchnitt. Sewanne, das überhaupt, wie wir gegen Ende diejes Abjchnittes jehen werden, et jpectftiicher Musdrud der Bewohner des am NWafjer gelegenen Marichlandes it. uch die Wanne hat die Gejtalt eines Shift, Das „ur’wejentliche Merfmal diefer Schiffsdörfer it ihre wechjel- weile Dewohnung im entgegengejeßten Neihen, und deshalb tragen fie den Kamen „Vie" griech. olxos, lat. vicus, im mittelalterlichen Franzöfiich visnet (voysine) und tr vielen andern Sprachen eine fait gleichlautende Bezeichnung. Mus dem Norte it jelbjtverftändlich auch hier der Sad)- verhalt nicht zu erfennen, und ich habe auch hierbet nicht den lettern aus dem Worte gewonnen, jondern das Wort aufgefucht, nachdem ich den Sachverhalt entdedt hatte. 65 bemerkt in Bezug auf das Wort vieus B. W. Lerft!): „Diejes Wort zieht fich durch viele arijche Sprachen, aber jo, daß es offenfichtlich je bei den verjchtedenen Völkern wejentlich ab- weichende Bedeutungen angenommen hat. Das zeigt, dal unter Feit- haltung eines gewifjen Grumdgedanfens, der die Forttragung des Wortes verurjacht hat, die bedeutend auseinander gehenden Zuftände in den eine zelnen Yändern dem Worte zu völlig Divergivenden Bedeutungen verholfen haben.“ Und in einer Inmerfung jchliegt Xeift daran noch an: „Us Grundgedanke, der ich durch die Wörter: fr. vecas, vie, vicas, z. vic, griech. olxos, lat. vicus, goth. veihs, ahd. wich, fil. visı, altir. fich ich hindurchzieht, wird wohl anzunehmen jei, daß damit nicht ob- jeetiv das Haus oder Srumndftüc, jondern jubjeetiv die Gejammtheit der ISohnenden, die Niederlaflung, die Bewohner, die fich anfiedelnden Leute in erjter Linie bezeichnet werden. — Nie fich dazu das deutiche wichbilde verhalte, tjt zweifelhaft. Sluge (Gt. Wörterbuch der d. Sprache. At. Iserchbild) bemerkt: ‚Der Urjprung der erjt im 13. Jahrh. auftretenden sufammenjegung tjt bejtritten‘. Gr stellt es zufammen mit aajäch]. „vie sleden, Drt, nal. wijk Stadtviertel, ahd. vih Fleden, Stadt.“ 53 lag aupgerhalb der Korjchungen Leift’s, dem Urjprunge des Yortes „Vie“ nachzugehen und noc) weniger in der Abjicht des Juriften, nach Dem fachlich = wirthichaftlichen Inhalt, welcher dDemjelben zu Grunde liegt, zu forichen, weshalb er dem auch jagt: „ES Wird Die Divergirende Verwendung diefes Wortes in den verjcehtedenen Sprachen wohl nod) ein= achender Unterfuchung bedürfen. Darauf habe ich mich nicht einzulafjen“ Die divergirende Bedeutung emes einheitlichen Nortes, wie es bei olxos und vicus zweifellos der Fall it, weit deutlich darauf hin, daß es einen JZuftand gegeben hat, in welchem der vicus mit dem oixos eimerlei Sejtalt hatte. Und wenn wir mun im Laufe der Darjtellung erfahren werden, Daß der vicus ein wechjelweifes „Sereihte” einzelner neben ett= ander liegender Yagerjtätten bildet, ein vis A vis-Yager, und wenn wir 1) Alt-Arijches jus eivile 1. Abtheilung, Sera 1892. ©. 323. ] J Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2«. 123 wifjen, daß während des uns befannten griechiichen Altertpums der olXos eine einheitlich umfchlofjene Behaufung bildet, jollten wir dam nicht zu der Folgerung genöthigt fein, daß entweder die getrennten Lagerpläße aus einer früher räumlich umfchlofjenen Eimbeit oder daß die Einheit aus früher getrennten Einzellagern bejtanden hat? Die lettere Folgerung wird dadurch) unmöglich gemacht, da wir bei allen neueren Kulturvölfern feine Zufanmenjchliegung zu einem eimheitlichen Hauje mehr Finden. Aus der Bedeutung von olxos als Sinheitshaus fünnen wir impellen auf die Alterthümlichkeit dejjelben einen Schluß ziehen, und wenn wir im vieus bis heute noc deutlich die Schiffsgeftalt erbliden, jo liegt dev weitere Schluß nahe, daß auch der olxos jenes Schiffshaus war, das ich für das denkbar ältejte Wohnlager halte und das ic) bisher furz mit „Howdenhaus“ bezeichnet habe. Somit weift auch hier der ganze Zufammtenbhang der Ihatjachen nad) vorwärts und nach rüchwärts auf die urjprüngliche Griftenz eines einheitlich umfchloffenen Neihenlagers. Der Ofxos hatte etwa die Grundform, welche man noc bei den Polynejtern beobachten fan, von der Nagel!) folgende Schilderung giebt: „Der Grumdplar des polynefiichen Haufes it vieredig und am häuftgjten vechtedtig. Der Bau tft in der Megel lang und niedrig; ein langes Dach aus Palmblättern, Schilf, Zweigen, das ehr oft einem umgejtürgten Kahne oder einen länglichen Bienenforbe gleicht, und deifen Firjt von hohen Wählen getragen wird, während feine Seiten auf niederen Bfählen ruhen, tjt die häufigfte Form... . Wo der Grumpdplan Deutlich zu erfennen war, wie bei einem größeren Haufe, das Forjter von der Diter- injel bejchreibt, und bei manchen anderen auf anderen Iujeln, jelbjt auf enjeeland, ruhen die Seitenwände auf Steinfundamenten und verlaufen die Kangwände bogenfürmig, jo day die Nahmähnlichfeit des Haujes noch mehr hervortritt.* Doch nicht die äußere Gejtalt, jondern das Innere defjelben hat zumächit unjer Intereffe, weshalb wir auf den vicus näher einzugehen haben. Der vieus it eine MWohneinheit (universitas, nicht communitas), deren Umfchliegung (fr. vestana) zwei mit einander in Berhfelbegiehung jtehende Meihen im fich birgt und umfleidet (veshati). Dbwohl die ein- zelmen Neihen und Neihenpuntte von einander getrennt find (fer. vie=trennen, jcheiden) und von einander weichen ( Feix-w tech) weiche) 2. h. ein Werchbrld dar- jtellen, jo find fie Doch gegen einander (in vices) gekehrt. Bekanntlich benannten die Nömer jpäterer Zeit noch mit vieus die, eine Straße (via) zu beiden Seiten einfchliegende Hänferreihe weshalb man 3. B. jagte: inter vicos aut inter vias manere (Suet.) oder dimensis vicorum ordinibus et latis viarum spatiis (Tae.). Bei vieus dachte Seder an Neihen, weshalb ein zur Srgänzung dienender Kolger in der Neihe vicarius hieß, genau ent- 1) $. Nagel, Völkerkunde 1. Aufl. II. ©. 167. 124 Dritter Abjchnitt. iprechend goth. vik-ou—=das an die Neihe fommen. Wir Deutjchen über: jegen im der MNegel Vicus mit Dorf, was aber, wie ich weiter unten zeigen werde, jprachlich Faljch tt, weil das Dorf (turba) eine ganz andere Form, nämlich Nıundform hat und urjprünglic) zur Wohnjtätte der Viehzüchter diente, während dem Vicus die Viehzucht urjprünglic ganz fremd war. ur durch eine jcharfe Ausernamderhaltung beider Wohnarten, die zugleich die Nepräjentanten zweter durchaus verjchtedener, ja geradezu feind- licher Bewohner waren, wird es uns möglich jein, einen ganz überrajchend nenen Aufjchlug nicht blos über die älteften agraren Zuftände, jondern zugleich über die Sutwidelung des gefammten Wölferlebens zu erhalten. Aus Ddiefem Grunde werde ich fortan, außer im Gitaten, mich nur Des Iortes Vicus, dem das Ddeutjche „Wechjel-Gereihte” entiprechen würde, bedienen, wenn e8 ji) um das Uvdorf der reinen Aderbauer handelt. Die eigentliche Heimath des Vicus tft die Ebene, und zwar die mehr dem Berge zu gelegene Ebene, für welche der Grieche Spyd&s gebraucht. Die ihn nahe verwandte Gewanne (anne) gehört, wie jchon bemerkt, mehr den feuchten Miederungen, dem jog. Deen= bezw. Marland an, indem ja Mat G. DB. im Worte Dünemarf) Nieverland und zwar moriges Land bedeutet, wie denn auch die Norweger fat allezeit das ganze jchwe- dische Ihalland Marferne nannten. Demgemäß fünnen wir einen Unter jchted zwifchen Ar und Marland machen, wie er ja aucd in der Berjon des Gottes des Arerbaues, der jpäter auch zum Striegsgott wird, Ares und Mars zum Ausdrud fommt. Kür die Agravverfaffungen hat diejer Unterfchted zwar Bedeutung, aber weniger für den Vieus und die Gewanne im Simme einer Behaufung. Da wir vorerjt diejer Unterjcheidung nicht bedürfen, fünnen wir vorläufig beide, Arland und Marland identifteiven, zumal nicht überall Marland anzutreffen tft, umd jomit der Unterjchted nicht allerwärts practiiche Bedeutung gewinnt. 8 it piychologisch mur zu wahrjcheinlich, day man im Urzeiten, wo die Meflerton noch nicht im Vordergrumde jtehen fonnte, allezeit den- jenigen Gegendennaczog, welche die gleichen Bedingungen darboten, unter denen die Voreltern gelebt hatten, jo da eine gewille Gleichförmigfeit in allen einzelnen Kulturiphären, vorzugswerfe in Sprache und Sitte, in Kunft und Wiffenjchaft und überhaupt in der ganzen Verfaffung aller der durd) allmähliche Ausbreitung mittels Abaliederung entjtandenen Fleinen Gin- heiten nothwendiger Werje entitehen mußte. Der Trieb der Nachahmung des bisher Beobachteten und des Feithaltens au dem Gemohnten it jo mächttq, daß jich die Gleichfürmigfeit jo lange zeigen muß, bis Störungen von Yupen eintreten, die alsdanın modificirend oder vernichtend eimwirken. Wurde der erjte Vicus im der fruchtbaren bene errichtet, jo tt jhon aus diefem Grunde zu erwarten, day alle aus demjelben entjtammenden Die Neihenlager der Bewohner der Ebene ?e. 125 Vachfommen in ganz gleicher Werfe, um ver gleichen Lebensbedingungen wegen, ebenfalls nur das mürbe Land aufjuchten und erjt, als diejes er- ihöpft war, auch höher gelegene Gegenden oecupirten. uch wird man auf dem fruchtbaren ebenen Boden bei der Anlegung eines neuen Vicus zunächjt evjt alle diejenigen Stellen oceupirt haben, die der Anlage defjelben die geringften Schwierigfeiten bereiteten, wodurd) eben bewirft wurde, daß in jpäterer Zeit die immerhin noch günjtigen, Früher verjchmähten Land- jtredden in Befi genommen werden fonnten, als die Ebenen bereits mehr bevölfert waren. Dat in der That die befjeren Stellen der Ebene zuerjt für den Anbau gewonnen wurden, lehrt betjpielsweife die Bejtedelung auf germaniichem Boden, worüber ji) Meiten!) wie folgt ausjpricht: „Die vorhandenen SGewanne lafjen ich nach älterer und jüngerer Jutheilung unterjcheiden. Der älteren Kultur gehören die befjeren, ebeneren und trodeneren Ylder- lager an, welche jich von der Umgebung des Dorfberinges dejto weiter nach Außen erjtreden, je mehr jie durd) Wiefen und Gewäljer, jowte durch ungünftige, jchwere, nafje oder flache und dirre Grimde, jtetle Hänge, Haide oder Unland unterbrochen find. . . . Die Kultur der jchlechteren Böden fand erft bei jteigender Einwohnerzahl und Ihetlung der Wirth- ichaften und nach hinreichender durc den allgemeinen Anbau des Landes eingetretener Entwäfjerung und Abtrodnung jtatt. Die ihr angehörtgen Gewanne zeigen häufig auch in ihrer Form, daß je zwijchen die älteren nad) Umftänden eingejchoben wurden. Wiejen- und Bujchgewanne ges hören erjt der neueren Zeit an." Was für die Befiedelung des heutigen Deutjchland gilt, muß in der Urzeit noch weit mehr gegolten haben, da ja die Werkzeuge wranfänglic) nur höchit primitiv gewejen fein fünnen. Ich wird es eine Zeit gegeben haben, wo die Vieusbewohner noch nicht Pflanzenbauer, jondern mur Pflanzenlefer waren. Nur mu man jich hüten, anzunehmen, daß dieje Pflanzenlefer nomadijirt hätten und nicht anfällig gewejen wären. Die verjchtedenen DVict find durch) Ausbreitung, aber nicht durch Wanderung entftanden. Die Vicusverfafjung und die Bevölferung der Grde mit Vicnsbewohnern würde umerflärt bleiben, wenn fie fi) auf einer fort währenden Wanderung befunden hätten; und ebenjo würde die Erfindung des Acderbaues bei beftändigem Umbherziehen ohne feiten Wohnfig gerade- zu undenfbar jein. Die gäng und gäbe Meinung, der Menjch jet erjt Jäger und dan Hirt gewejen, endlich aber zum Aderbau übergegangen, hat zwar heutzu= tage an Anjehen bedeutend verloren, jeitdem man dank den Mittheihingen 1) Meiten, Siedelung und Agrarweien I. &. 171. 126 Dritter Abjchnitt. angejehener Meijender einen Webergang vom Jäger zum Hirten nirgends und emen Uebergang vom Hrrtenthum zum IAderbau nur dort vorgefunden hat, wo ein Hirtenvolf mit einem IMderbamvolf in nahe Berührung fan. Aber immer bildet es em mod zu löjendes wirthichaftliches Problem, wie man fich die Entjtehung des Aderbaues zu denfen habe. Der Ueber: gang von animalicher — und jagen wir aucd) nur von vorwiegend ani- malischer — Koft zu reiner Planzenfoft ift viel härter zu ertragen als die DVertaufchung emer, wenn auch mur vorzugsweije vegetabiliichen Yebensweile mit thierischer Nahrung. Dieje Erfahrung macht nicht nur der früher an Sletjchfoft gewöhnte Sträfling im Gefängnig, jondern jeder Nteijende, der, an ammalijche Speifen gewöhnt, jich in Yänder begiebt, wo er Ddieje entbehren muf. So jagt beijpielsweife ©. U. Meinert!); „Durch den unfreis willigen Genuß von ausjchlieglich vegetabiliicher Koft gevathen viele Ge- fangene, wie die Beobachtung bewerjt, in einen Zuftand chronischer ISnanition.“ Die zahlreich darüber angejtellten Unterfuchungen dürfen auch von den Nationalöfonomen bei der Behandlung des obigen Broblems und der früher allgemein angenommenen Sntwidelmgsitufen der Süger, Hirten und Aderbauer jest nicht mehr unbeachtet bleiben. Der Uebergang von vegetabilijcher zu animalischer Kojt it, wie fchon angedeutet, lange nicht jo Ichwer zu ertragen, wre der umgekehrte Iechjel, obwohl erfahrungs- ‚gemäß auch hier gewilfe Störungen im Drganismus zu bemerfen find. Sewohnbheit jpielt hierbei eine bedeutende Nolle, weshalb Prlanzenefjer ebenjo wie ‚Sleifcheffer jo lange als möglich die gewohnte Koit zu erhalten bejtrebt find, nur da lettere niemals vollftändig die Sleijchnahrung auf- ‚geben. ; Die Entdedung des Aderbaues tt weder Jägern noc Hirten zuzus jchreiben, jondern jolchen, die fich bereits bisher mit Bflanzenfojt, wenn auch wicht als ihrer ausjchlieplichen, doch vorzugsweifen Nahrung nährten. Denn wenn wir jene Entdefung au nur einem Jufalle zujchreiben müfen, jo fan jte doch nur von dem gemacht werden, dev den Werth der Nährz pflanze ganz bejonders fennt und ihr bereits einen hohen Grad von Yuf- merfjamfeit gewidmet hat. Denn zu emer GSntdehung gehört jowohl Vinnliche Wahrnehmung als auch zugleich Srfenntnig. Cine Ontdedung fan eimerjeits auf einer Nombinatton des erfennenden Denkens beruhen, ver möge deren man das Erfannte in der Wirklichkeit aufjucht, jo day das Sedachte alsdanıı Durch die jinnliche Wahrnehmung bejtätigt wird; oder aber die jinnliche Wahrnehmung geht bei der Sntdedung voraus und das Denken giebt nur die Veranlafjung, ein Ding auszufondern. Augenjcheinlich fann mr der letere Weg zur Ontdedung des Aderbaues geführt haben, 1) Armee- ımd VBolfsernährung II. Iheil. Berlin 1850. ©. 8. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene %. 127 wenn wir das frühe Auftreten des Aderbaues bei ganz primitiven Menfchen erwägen md ums zugleich das Gefeß der Entwidelung der Seele vor Augen halten. Die Menfchen, welche, wie de Auftralier (nach Bejchel’s Völfer- funde), „neben den Dentelthieren alle Vögel, jelbjt Aasgeter, Aale und Sifche jeder Art, Sledermänfe, darımter auch Fliegende Hunde, Fröiche, Gi- dechjen, Schlangen und Würmer verzehrten” fünnen unmöglich) den Acer bau erfinden, weil ihre Aufmerffamfeit zu wenig auf ein ausschließlich vegetabilijches Broduct, z.B. Getreide, gerichtet it. Das fünnen mır jolche Menjchen, die in einer Gegend leben, die jie auf die vorzugsweije Frnäh- rung von Pflanzenfoft hinmweilt. Irfjofern bei derjelben die mehlfrüch- tigen Gräfer bejonders in Betracht fommen, bejchränfe ich mich hier auf Grwähnung des Getreides. Bekanntlich wachen die Getreivearten gefellig in großer Menge und bieten in wärmeren Xandern mehrere Srnten des Sahres; die verlorenen Körner wachjen jofort wieder zu neuer Saat empor. Von ihnen jagt Gerland: „Dieje niederen und Schwachen Pflanzen find leicht zu beherrjchen umd regen zugleich zum Nachdenken über ihre Nußbarmachung au. Sie waren es Daher, am denen umjere Ahnen die Kräfte ihres Gehirns üben lernten. Vom einfachen Durchziehen der Ahre durch den Wind, wie ce jog. Wilde noch jeßt thum, jehritt man zum Jerflopfen mittels Steinen vor und lernte jo mahlen, jpäter auc) baden und endlich jelbjt jäen, prlügen und ernten.“ Sp richtig Ddiefer allmähliche Vorgang durch) Gerland auch be- ichrieben it, jo bedarf derjelbe doch, joweit er das Sen, lügen und Srnten betrifft, einer Srklärung, weil zwijchen dem mühelojen oecupatori- ihen „Durchziehen der hre durch den Mund“ bis zum Säen eine große Kluft beftcht. Wenn die Ähren durch den Verluft von Körnern an Dit und Stelle jelbjt für ihre Fortpflanzung jorgen, wiefo Fam der Meenic) darauf, an einem anderen Drte, wo bisher fetr Getreide wuchs, Getreide auszufien? Db er im Dieicht des Getreidefeldes das Ausfallen der Ahren überhaupt jollte haben beobachten fünmen, it doch mehr als umwahr- icheinlich. Hier liegt das Problem, dejjen Köjung wir zumächjt verjuchen wollen, zumal man an demjelben bisher immer vorüber gegangen tft, als ob eS eine vein jelbjtverjtändliche Sad)e wäre. Sie tit e8 aber durchaus nicht. Wir find viel zu wohlferl mit der Nedensart: „der Menjch habe die Erfahrung gemacht”. Die Wifjenjchaft fordert den Nachweis, wie und warum er die Crfahrung machen fonnte. Schon das Kind fragt nad) dem Warum umd Wie. 68 fragt uns beijpielsweije, warum der Apfel vöthlich aefärbt it; und antworten wir ihm darauf, weil ihn der liebe Gott jo gefärbt hat, jo wird es, wenn c$ 128 Dritter Abjchnitt. ein aufgewedtes Kind tft, weiter fragen: wie macht demm das der liebe Sott? Wir lächeln oft über jolche Fragen und die darauf gegebenen Ant: worten; und doch leiften wir wahrlich nicht viel mehr, wenn wir auf die wifjenjchaftlichen Probleme mit der Antwort bereit find: 8 war Die Srfahrung, welche den Menjchen zu der und der Sinrichtung führte. Ob wir jtatt der Nedensart „Erfahrung“ die Wendung „der liebe Gott“ ges brauchen, ändert an der Sachlage durchaus nichts. Sagt man, die Noth habe den Menjchen gezwungen, das Getreide durch Ausjaat zu vevvielfältigen, jo jchlüpft man an dem Problem nur vorüber. Winde man infolge einer Mifernte auf den Getreidemangel auf- merfjam und bemerkte man, daß die Getreidemenge gegenüber der Menjchen- menge nicht entjprechend zunahm, jo wird man fich vorerit zum Weiter ziehen entjchloffen und es jo lange fortgejeßt haben, bis man an einen Drt fam, welcher die agejuchte Frucht bot. Won einer langen Wanderung fann aber feine Nede jein, weil der Urmenfch nicht ohne Nahrung leben fonnte. Gin bereits von einer anderen Horde bejetttes Getreide = Terrain würde den Widerjpruch derer erregt haben, die ji) von ihm ernährten. Der Einzug auf ein nicht Getreide jpendendes Yand führt uns der Löjung des Problems in jo fern näher, als es daber nicht ausgejchlofjen it, daß die Horde Körner mit fich führte, die zur Erde fielen, in ihr feimten, zu Halmen erwuchjen und Frucht trugen. Nur begegnen wir alsdanın einer neuen Schwierigkeit. Denn um diejen Vorgang beobachten zu fünnen, be- durfte e8 wenigitens eines Zeitraums von derjelben Spanne, wie er zwijchen (Sinfall des Samenforns im die Srde umd der vollendeten Fruchtreife liegt. Um Ddiefen Vorgang beobachten zu fünnen, mußte man jomit mindeitens den gleichen Zeitraum jephaft jein. Ich jage „mindejtens“, weil diejer Zeitraum ganz entjchteden nur demjenigen gemügt, der der Er= wartung lebt, da die jung aufiprofjende Saat dasjenige Element jet, aus welchem in jpäterer Zeit die Fruchttragende Ahre fich entwiceln werde. Aber wie jollte der Menjch zu diefer Srwartung gefommen jet, da fie ja bereits eine Kenntni vom ganzen Sntwidelungsproceß der Pflanze vorausjegt? Denn Grwartung nennen wir „den Jultand des (Smpor- getriebenwerdens einer als fünftig gedachten Vorjtellung gegen die fie ab- weifende Gegenwart”, und das, was und wie man erwartet, hängt von der bereits gewonnenen Lebenserfahrung ab. Zugleich verlangt eine jolche Srwartung eine ganze Vorftellungsreihe entjprechend den Veränderungen, welche das Suatforn bis zu jeiner vollen Neife erleidet. Man täujche fich nicht in der Anmahme, eine jolche Svolutionsreihe von Vorjtellungen fünne bei einer jo furzen Sefhaftigfeit, wie fie zwijchen Musjaat und Frnte liegt, gewonnen werden. Hierzu bedurfte e8 eines weit längeren Verweilens, das e8 ermöglichte, alle die einzelnen Vorftellungen, die zur Die Neidenlager der Bewohner der Ebene ?2e. 129 Sewimmug einer Neihenvorftellung erforderlich find, aus den Beobachtungen der verjchtedenen Zuftände der lange zu eimer einzigen Borftellungs- reihe zu verbinden. Wir find durch die Betrachtung aller dabei in Frage Itehenden Momente genöthigt, die Srfimdung des Getreivebanes nur einer dauernd jeshaften Bevölkerung zuzufchreiben. Der Bicus, dem wir dieje Erfindung zufchreiben müfjen, muß jomit jehhaft, aber nicht wandernd gewejen fern. as aber die Stätte betrifft, wo man den Vorgang der allmählichen Sntwidehing der Körnerfrucht beobachtete, jo fan fie nur im Umreije der Behaufung der VBieusbewohner gelegen haben. Die urjprüngliche Bodenheimat des Getreiwes tft Das feuchte niedere Yand, und es tft wohl anzunehmen, daß man ftch tm der Nähe, aber nicht inmitten eines Getreide- feldes angebaut hat, weil die Wohnung der Menjchen noch andere Lebens- bedingungen, wie Irodenheit und vergl. erheifcht, was das Getreidefeld nicht bietet. Aber angenommen, die Wohnung hätte mitten im Getreide- felde gejtanden, jo wide, wie bereits oben erwähnt, das jet behandelte Broblem, das ja eben darin liegt, Daß man Getreide auf einem amdern Drte zu bauen anfing, als wo es im freien Juftande wuchs, ungelöft bleiben. Denn daß bei jorglojer unvorjichtiger Ernte der erften Anftedeler mehr als hinreichend Saatforn unfrenvillig zur Ede fallen mußte, das ohne menschliches Zuthun wieder feimte und neue Srnte hervorbrachte, tt etwas jo Selbjtverftändliches, day man darüber gar nicht zu ftreiten braucht. Die Beobachtung, das hiev Körner ausfallen, jelbjt wenn fie gemacht worden wäre, hätte nicht genügt, Die Ausjaat zu erfinden, weil erjt durch eine zweite Beobachtung, das auc augerhalb des bisherigen Standortes Getreide wächlt, es überhaupt möglich war, zu weiteren Vor- Itellungen zu gelangen. Im Gegentheil weifen die eben angejtellten &r- wäqungen aller Umftände uns deutlich) zu der Imahme bin, daß Die WMWohnftätte nicht inmitten eines Getreidelandes geitanden haben fann. Man wird das Getreide nicht durchweg am Aumdorte jelbit, jondern zugleich auch durc) Überführung jener Frucht nach der Wohnftätte in deren Nähe genojjen haben, und die hier ebenfalls unvermetdliche zufällige Yırs- jtreu wird an diefer Stelle in eimen gewiß nicht gering zu bemejjenden Zeitraum die Gelegenheit verjchafft haben, die zu der ganzen Vorjtellungs- reihe, day Ausjaat Ernte giebt, erforderlichen Beltandtherle mühjam zu erwerben. Db die Erfindung der Ausjaat im die Zeit zumitdveicht, wo der Venus in einer einzigen Behaufung beifanmen lagerte oder ob der Ader- bau erjt in die Zeit fällt, wo man bereits im getrennten Nethen von ein- zelnen Höfen, wie fie die jog. Gewannedörfer darbieten, lagerte, bildet Mucde, Urgeihichte. 8) 130 Dritter Abfchnitt. ein weiteres Problem, das wir ebenfalls nicht unberudfichtigt lafjen dürfen, da e8 für die Iheorie der Nattonalöfonomte in Bezug auf die Frage der Wirthichaftseinheiten nicht gleichgültig tt. Die Völferfunde jagt!), dag z. DB. „ver Aderbau von der größten Zahl der Indianer jüdlich des St. Yorenzitvomes und öftlich des Milli jippt vor der europätjchen Zeit geübt wurde, und zwar war durchgängig der Hauptgegenftand defjelben Mais. Die Behauptung, da mur die jog. Monndbuilders Aderbauer gewefen jeien, jet unbegründet; nur jei es wahr- icheinlich, day einft der Aderbau in ihrem Gebiete intenjtver gewejen jet, als e8 zur Zeit der Ankunft dev Europäer war. Dahin deuten z.B. die hochäderartigen jogenannten Gartenbeete Michigans umd Indtaniad .. . Mac) Sallins Unterfuchungen bauten Mais im Dften des Meiffiiippt alle Bölfer vom Mterifaniichen Meerbufen bis zu den Großen Seen... einige Völker von Ieuengland, die Srofefen und unter allen namentlid) die jünlichen Stämme trieben den Aderbau in der größten Ausdehnung; im Weiten des Miiftfippi verbreitete er fih nur über die in Feten Dörfern amgefiedelten Artekarrtt, Mandan und Mönitarri, die Djagen und drei Stämme der Jüd- lichen Siour und einige Indianer am Med mer. Hier herrjchte jogar injofern eime intenfive religiöfe Verehrung des Matjes, als jene Air pflanzung und Grute Anlag zu Opferfeften gab, bet welchen Mate, die Lieblingsnahrung ‚der Alten, die nie jtirbt‘, dargebvacht wurde. Braden- ridge fügt zu diefen Aderbauern nod) die Dmaha und Bunca und die jämmt- lichen Völker am füdweitlichen Ufer der Mifjourt, wo Prinz zu Wted nicht weniger als 9 Abarten des Mais neben 6 Kürbis und 4 Bohnen- varietäten bejchreibt. Alle Acer lagen hier in den Flufniederungen. Spuren von Acerbau findet man ferner in Kalifornien u. |. w. Daf die erjten Anfiedeler von den Indianern Mais eintaujchten, wird häufig erwähnt. Gharlevoir giebt den Imdianern von Yoniftana, Kapitän Smith denen von Virginia, andere denen von Mafjachufetts und Gon= necttcut das Zengnif, daß fie die eriten Anfiedeler mit dem Grtrage ihres Acderbaues unterjtütten, und Smith macht in einem jeiner Briefe über Virginia fein Hehl daraus, day die virginiichen Anjtedler umgefommen wären, wenn nicht die Indianer ihnen Nahrung dargeboten hätten. Die Art und Werje des Anbaues und der Ernte und Bejorgung des Matjes (ehrten in Neu-England die Indianer den erjten Simvanderern, und aud) anderswo mag c8 ähnlich gewejen jein... . Die Aderbauwertzeuge waren uriprünglich die einfachjten. Manchmal genügte ein einfacher Stab, mit dem der Boden umgebrochen ward. MWenmm die Nede von ‚hölzernen Hanen* it, hat man theils an jolche Grabftöcde, theils an Stäbe mit her- vorjtcehenden Aitjtücen oder rechtwinfelig umgebogenen Gnden zu denten, e.= 1) Nach Natel, Bölferfunde (1. Aufl.) II. ©. 604 ff. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2e. 131 welche die Erde mur im geringer Tiefe und Male bewegen fonnten. De Bry Spricht von Hauen aus Stichfnochen mit hölzernen Stielen bei SloridasIndtanern, die aljo ähnlich den entiprechenden Werkzeugen mifrone- fiicher Herkunft gewejen fein werden“. Die vorjtehende Schilderung eines ausgedehnten Acerbaues auf der Ebene Amerifas mittels primitiver Werkzeuge und ohne Viehzucht bezw. ohne Arbeitsvich läßt meiner Grundhypotheje zufolge erwarten, dal wir entweder das einheitliche Bteushaus oder Vicus-Meihen in Hüttenform vor- finden müfjen. Im der Ihat erfahren wir denn auch von „gemeinfamen Hänfern, derer eins ein ganzes Dorf umfaßt." Nach Natel, dem ich noch) weiter folge!), treten diefe Gemeinhänfer, wofür wir befjer Einheitshäufer (universitates, nicht communitates) jagen wollen, „im engen Zujfammen= hange mit der Gliederung des Stammes überall in verjchtedenen Formen auf. Das Langhaus der Irofefen jet ihr ausgejprochener Typus. Wir hören von 40, ja 150 m langen Häufern im heutigen New-Vorf, die aljo wohl dem Irofejen angehörten. Em Längsgang führte mitten hindurd, zu dejjen beiden Seiten die Familien um je eine Hevdftelle wohnten, und den Fingang jchüßte em Vordac, unter welchem Worräthe bewahrt wurden.“ Solgendermaßen bejchreibt Nicolas Säenz das Innere eines folchen Haufes bei ven Churruje Kolumbiens: „Die großen Häufer enthalten gewöhnlich drei Abtheilungen; die vierte it ganz offen und bildet dein großen Singang des Hanfes. Ginige Abtheilungen haben noc ihre bejonderen Kleinen Ihüren, die nach Augen führen. In der Mitte befindet fich ein grofer, vierecitiger Naum zur gemeinjamen Benußung, wo die Indianer zur Unter- haltung zufammenfonmmen und ihre Eleinen Seite feiern. Diejer Naum it von Balken im verjchtedener Anzahl umgeben, welche das Dach) tragen, das jehr tief nad) unten, biS nahe an die Exde herabgeht. Der Naum zwijchen der Balfenreihe und dem Dache it der bewohnte Theil, und jede Samtlie richtet fich in dem zwijchen zwet oder drei Balken liegenden Naum ei. Dieje Abtheilungen find durch horizontal ausgejpannte Stride von einander gefchteden, Die als Barriere gelten und von Niemand überjchritten werden dürfen." 2) Yuper diejen langgeitredten Eimbeit3-Häufern werden — außer den Nımdbauen, die uns vorläufig nicht interejfiren und erjt im nächiten Abjchnitt behandelt werden jollen — aber auch noc) „Dorfanlagen“ erwähnt. „Dit den Dorfanlagen”, heist e5?), „hängen viele von den Srdhügeln, den Mounds, denen eine allzu phantafiereiche Forichung einft eine übertriebene ') Naßel, Bölferfunde II. C. 612 ff. >) Das leßtere eitire ich abjichtlich nach der Duelle, der Itaßel feine Dar- itellung augenfcheinlich verdankt, nämlich, Zeitjchrift für Ethnologie VIIl.1876. .328. ®) bei Naßel, Bölferfunde II. S. 616. 5 132 Dritter Abjchnitt. Bedeutung beilegte, auf's innigfte zufammen. Dörfer wınden nicht blos in Niederungen, die den Überschwemmungen ausgejeßt waren, auf fünjt lichen Exdhügeln erbaut, jondern auch in hochgelegenen Prärteländern. Be= jonders oft wurde die Hütte des Hänptlings in diefer Weife ausgezeichnet und viel jeltener war die Höhe eines jolchen Hügels zum Dpferplaße be= itimmt. Durch Natur oder Kunit gejchüßte Yage, Wälle, Mauern, Gräben zeigen, Ddak am allerhäufigiten der Schuß gegen Angriffe Zwed jolcher Anlagen war. Daf fie dauernd bewohnt waren, beweilt der Meichthum von Spuren des täglichen Dajeins der Menjchen, die viele von ihnen bergen; oft ift das Mauerwerk von Hütten noch erhalten... . Die Ihatjache, dat die metjten Indianerftämme feine Tradition über die Sntjtehung diejer fünftlichen Hügel hatten, bedeutet angelichts der allgemeinen Jerifjenheit der Tradition nichts.” Arch ich will mich im Interefje des Zufanmenhangs meiner Darjtellung auf die verjcehtedenen Deutungen der Mounds um jo weniger hier einlajjen, als dem Lefer meiner Unterfuchungen zur Genüge befannt it, worim ich) ihren Urjprung juche und wiefo fie uns einen Grflärungsarumd der Virus- reihen von Hütten geben. SIedenfalls finden wir auch tm Amertfa ven Wiens in zweierlei Geftalt, theils in Hüttenreihen, theils im einheitlichen Yanahanje. Wer mit mie nicht im der Summe der Merkmale, jondern im Grumdmerfmale das Wejen einer Sache erblicdt, dem wird aud) der Unterjchied beider Formen identijch erjcheinen. Ber oberflächlichem Zujehen fünnten wir leicht geneigt jein, den einheitlichen Hausbau wegen des dazu erforderlichen technijchen Apparates und der dazu nöthigen Gejchielichteit einerjeits und wegen der nur in zerjtörten Überreiten anzutreffenden Güngzel= hütten amderjeits als eine jpätere Sntwidelungsitufe zu betrachten. Aber wir würden dabet die Neihe dev Bedingungen überjehen, die zur Gonjta- tirung einer Ihatjache gleichfalls erforderlich find. Bleiben Grund umd Bedingungen diefelben, jo bleibt auch die Ericheinung diejelbe, und es tt daher wohl möglich, dat; bei zunehmender Kunftfertigfeit unter Begünjttqung bequem liegenden Baumaterials fich eine an fich ältere Sorm bejjer erhalten fann, als eine jpätere, die der foliden Baugrundlage entbehrte. Ich mu auch hier hervorheben, daß Auferlichkeiten, wie Baumaterial und dergl. bei der VBenrtheilung urgejchichtlicder Erjcheinungen gar nicht das Wefentliche find, jondern die innere Ginrichtung. Die Kunftfertigfeit und der äupere Ausbau find Sachen für fi. Wer die Hagia Sophia in Konjtantt- nopel einer primitiven wuffischen Dorfkirche in Stbirien gegenüber wegen ihres Aufern im zeitlicher Hinficht nachjegen würde, dirfte eine faljche hijtoriiche Berjpective erlangen. Wenn wir die innere Wohneimrichtung jenes Einheitshaufes betrachten, jo jehen wir, da wir es in ihm mit gegenfeitigen (in vices) Wohnreihen zu Die Neihenlager der Bewohner der (Fbene 2. 13: thun haben, indem neben dem Mitteljchiffe, das „zur Unterhaltung und fleinen Feften dient”, jich zu beiden Seiten je ein befonders abgezäunter (sept von sepio umzäunter) Naum befindet, in dem die einzelnen Imjafjen des Haufes lagern. 68 ift aljo der Bicus ein von Allen gegenjeits (ab universis in vices) bewohntes Ginheitshaus, und hat, wie wir jpäter zu unterjuchen haben werden, eine der Gens geradezu entgegengejette Verfaflung. Nach) Morgan jollen allerdings die Irofejen „Genttlorgantjatton“ gehabt haben, weshalb er im zweiten Kapitel jeiner Urgejchichte „die tro= feftiche Gens“ bejchreibt, die „bei den amerifantichen Mreimwohnern während der Dberpertode der Wildheit bis im die Unterpertode der Barbaret ud dDiefe ganze Pertode hindurd” Die Muttergens war md jo lange blich, bis „in der Mittelpertode der Barbaret die Indianerftämme die Abjtammung von der Mutter- auf die Vaterfolge zu übertragen begannen“.!) Im der, aus einem vollftändigen Mikverjtändnig der griechtjcherömtichen Berhält- niffe hervorgegangenen Meinung, dab ich die Gens zur Phratrie erweitert habe und die Gens, weil ylyvonaı erzeugen bedeute, eine Wlutsgemeinichaft gewejen jet, mißdentet er den ganzen objectiven Sacyverhalt. Gerade bei denjenigen Völkern der gebirgigen Gegenden, von denen Morgan behauptet, fie hätten die Genttlorgantjatton einft gehabt, fie jet aber bet ihnen unterges gangen, würde er diefe gefunden haben, wenn er, jtatt jich an die Stymologie des Wortes frampfhaft anzuklammern, den ihr zu Grumde liegenden Sachverhalt aufzudedfen verjucht hätte. Das was Morgan bei den Jrofen oder, wie man neuerdings jagt, Scofefen, vater und mmttervechtliche Gens benennt, tft feine Gens, jondern der die Männer- und Verberjeite wechjel- weis (in vices) emjchliegende Vieus, welcher hier tm der Korn zur Gr- icheimung kommt, daß Frauen über Männer und Männer über Ieiber als ihnen untergeordnete Fremde, und zwar von den Gentes abjtanımende Fremde, die Hausherrichaft haben. Die Irofen find em Miijchvolt, Die zur Zeit, als wir mit ihnen befannt wınden, Vicus-Drgantjation hatten. Das Gharacterifticnm derjelben Liegt in den entgegengejegten Neihen, der männlichen und weiblichen Neihe, von denen jede nach der Berührung mit fremden Völferfchaften Samilienbeziehungen eingeht, jo daß jet aljo zweierlet Familien, androfratifche und aynäfokratijche, in einer Behaufung (Hode-no-sote) vorhanden find. So lange in der androfratijchen Samtilte die Kinder des fremden Weibes nicht „angenommen“ bezw. „aufgehoben” find, find diefelben nicht hordenberechtigt, und da die Kinder der horden- berechtigten Frau troß des Untergeordnetjeins ihres Samelmannes Horden- berechtiqgung haben, jo erben jelbjtverftändlich, wenn die Hordenfrau itivbt, die Kinder md Sıhı weftern derjelben unter Ausjchluß der Brüder den = a ) Morgan, die Urgejellichaft © 154 Dritter Abjchnitt. achlah, während, wenn ein Hordenbruder jtirbt, defjen Kinder vom Nach- laß ihres Vaters nichts erhalten. Die Sachlage wird dann eine andere, wer Die Kinder des Hordenbruders von ihrem Vater „aufgehoben’ find, jo dak fie alsdanı ebenfalls erbberechtigt werden, was durch Nachahmung zuletzt im einen Juftand emdigen muß, der, wie im triichen Sept, jogar die Horventöchter gegenüber den unebenbürtigen Söhnen ausjchlieft. Mem Standpunkt gegenüber Morgan und feinen Anhängern beiteht alfo darin, daß wir etm und diejelbe Erfcheinung von entgegengejeßten Standpunften aus erklären. Morgan von einem jernellen Zeugungs- jtandpunfte aus, ich dagegen aus dem Gefichtspunfte der Wohnlagerung. Morgan glaubt, „ver fommuniftiiche Haushalt!) jei aus den Bevürfnijjen der Blutsverwandtichaftsfamilie entiprungen”, während ich alle einschlägigen Beztehungen aus einer von Urzeiten an herzuleitenden Wohnlagerung ab- fette, die der Menfch als Heerdenthier nach der natürlichen Lage der Dinge genau ebenjo befolgte, wie alle übrigen Ihtere, welche in Heerden leben. Und da ich zugleich der IAnficht lebe, day dieje Sinrichtung früher beitand als die Erfenntnig der Einrichtung, und ich bejtimmt annehmen zu müfjen glaube, daß die Entwidelung der Erfenntniß ein Characterifticum nicht blos der heute lebenden Mtenjchen, jondern aller uns voraus- gegangenen Menjchen gewejen tft, jo fann ich mich nicht zu der Annahme entjchliegen, die primitiven Menjchen hätten VBorftellungen von der Bluts verwandtjchaft gehabt und auf Grund diejer Vorjtellungen eine häusliche Drganijatton, wie die oben gejchilderte, ins Leben gerufen. Ganz ähnliche Emmrichtungen treffen wir bei den langhaufigen Vfahl- bauten an, die ich aus diefem Grunde in die Darftellung meiner Iheorte mit aufnehmen muß. Ste find nach ihrer wirthichaftlichen Seite bisher wentg in Betracht gezogen worden, bedürfen aber meiner Anficht nach nicht blos nach ihren Befunden, jondern, was mir weit wichtiger zu fein jcheint, nach ihrer ganzen Simrichtung, noch einer näheren Unterfuchung. Denn day die Pfahlbauten, die man bekanntlich im jolche älteren und jpäteren Urjprumgs theilt, mit derjenigen Bewohnerjchaft, von der ich nachweien will, daß jte fich unabhängig von einer im nächjten Abjchnitt zu behandelnden Bevölkerung ganz entgegengefeßten Gharacters nleichförmig über die ieverungen der Srdoberfläche ausgebreitet hat, im engiten Zujammen- ) &5 tt durchaus faljch, Das einheitlide Bewohnen eines Haufes, in welchen die einzelnen Haushaltungen abgejfondert lagern, als communijtijch zu bezeichnen. Wo jede Ginzelhaushaltung ihren bejonderen Heerd hat, bejteht fein Sommunismus. Nach diefen Prineip würden alle Häujer unjerer Städte, in denen mehrere Kamilien wohnen, communiftiiche Haushalte jein. Sch betone nochmals, jelbjt auf die Gefahr hin langweilig zu erjcheinen, daß viei univer- sitates, aber feine communitates find. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene %. 135 hang mit den Vieusbewohnern jtehen, jcheint mir unzweifelhaft. Sie tragen schon änferlich Merkmale der Schhaftigfeit an ji). So haben beifpielsweife die auf der Boebene angeftellten Unter- juchungen, welche W. Helbig!) zufammengejtellt und erläutert hat, ergeben, daß in der Nähe von Slufläufen, wentger in Cümpfen oder Seen, mehr auf trocdenen Stellen von dungreichem Boden (Terramare) gejchlofjere Dörfer von oblonger Form fich befanden, dte therls durch einen Graben, theils durch Holzwerf umzäunt waren. Gharacteriitiich it dabei, dag man zwei gegen einander gelehnte Pfahlveihen, die mit Erde bejcehüttet waren, beobachtete oder da man einen durch die Mitte aufgejchütteten eg fand. Die im den Boden eingerammten Pfahlreihen find der Länge und Breite nach Durch horizontale Bohlen verbunden, über deren oberer Lage ich Schichten von Sand, Kiefeln und Ihonerde ausbreiten, auf deren oberer Fläche die einzelnen Wohnftätten primitivfter rt mit Strohlehmigen Wänden fich befinden. Solche Wfahlreihen, auf denen Häufer Itehen, waren den Metjenden von DOftindien, der Infeln Borneo, Gelebes, Neuguinea, Neufeeland md der Karolinen und cebenjo der Stromgebiete des nördlichen Sindamerifa längit befannt. In Neugumen führen diefe Häunfer auf Marland den begeichnenden Namen „Marea“; und dab diefer Ausorud auch in weit davon abgelegenen Ländern fich wiederholt, wird fich) im Verlauf der Darjtellung zeigen. Leider hat die bisherige Forjchung auf den Unter- jchted zwifchen Nundbaun und Yangbau nur einen nebenjächlichen Werth gelegt, worauf ich den allergrößten Machdrucd lege, werl ich im ihm den Schlüffel für die Geheimfammer der Urgefchichte erblide. Man muß aud) bei den Wfahlbauten beide Gricheinungsformen jtreng auseinander halten und darauf achten, ob fie an einem Drte nur fchiffsförmig oder ob neben ihnen auch Numdbaue vorfommen, wie fie z.B. in den jog. umbrifchen Bauten beobachtet worden find. Es genügt nicht, jo tim Allgemetnen die darin gemachten Funde namhaft zu machen, ohne zugleich die Stellung 5 Nındbaus zum jchiffartigen Bau unterjucht zu haben. (SS will daher jehr wenig jagen, wern man berichtet, dag man in den Bauten der Boebene Kuochenrejte von Jahmwich (Mind, Schwer, Stege); Daneben aber Mefte vegetabilifcher Herkunft, wie Weizen, Bohnen, Flachs, Aepfel, Kirjchen, Hafelnüffe, Brombeeren und Gicheln; auch Ueberreite von Flachs-Fäden und- Seilen, jowie ohne Drehjcheibe, d. t. mit ver Hand un- gefertigte Ihongefähe, broncene in Sicheln, Aerte, Itaveln, Kämme etc. gefunden hat. Hieraus Schlüffe auf ihre Ernährung und Bejchäftigung zu ziehen, ohne zugleich die Nechjelbeziehungen zur Nachbarjchaft zu bes vüdjichtigen, dürfte umnjtatthaft jen. Wenn man in den jchweizertichen ) Wolfgang Helbig, die Italifer in der Boebene, 1879. €. 12 ff. 136 Dritter Abjchnitt. Bauten auger den eben erwähnten vegetabtliichen Nejten auch jolche vom Mennthter, ber und Yuerochs vorfand, jo genügt dies noch nicht, um auf ein gleichzeitiges Zufammenleben mit diefen Ihieren zu jchliegen und „vas hohe Alter jener am die Giszeit heramreichenden Anlagen“ zu be- Itinmen. Dhne das hohe Ilter, das mit den von mir zu unterjuchenden Ihatjachen überhaupt direct nichts zu thun hat, bejtreiten zu wollen, fanıı ich doch nicht umhin, mich jolchen Folgerungen jfeptiich gegenüberzuftellen. Spwenig als mich die Befunde in Gräbern oder in Höhlen davon über: zeugen fünmen, day thr gleichzeitiges Vorkommen auf gleichzeitigen um gleichartigen Urjprung himwerfe, jo wenig fann ich mich zu der Annahme entjchliegen, daß alle die Befunde in den Pfahlbauten ohne Weiteres gleid)- zeitigen Urjprungs find. Bekanntlich) haben ruffiiche Neifende im vorigen Sahrzehnt im fibiriichen Gije noch wohlerhaltene Mammuthe gefunden. Mehmen wir an, es jei diefen NMeifenden nicht genlücdt, ihr Neijeziel zu beenden umd ein umglüdlicher Zufall habe es aewollt, da fie mit- jammt ihrer wiljenjchaftlichen Beute der Gewalt der Natur zum Opfer gefallen und da erit hundert Jahre jpäter fie mit ihren modernen Sn- jtrumenten mitfanmt ihrem Mammuth aufgefunden worden wären — jo fönnte es nicht minder ftd) ereiguen, day eine zufünftige Generation ganz ähnliche Schlüfje züge, wie wir fie jet in Bezug auf das gleichzeitige Jufammentreffen jener Befunde machen. So fichere Schlüfje dürfen wir hter nicht ziehen. Sven ich dies jett hevvorhebe, fommt es mir allerdings weniger darauf an, das hohe Alter jener Wfahlbauten in Zweifel zu ziehen, zumal ich jelbjt annehme, daj fi) Die Menfchheit über die Ebenen des Erdfreijes vielleicht nicht einmal, jondern im Verlaufe von Sahrtaufenden wiederholte Male verbreitet hat, und zwar mit einer durch die jtergende Kultur ver- änderten, im Ganzen aber gleichfürmigen Bevölkerung, nämlicd, einer jolchen, die Denjelben Boden in analoger Neife als Iderbauer benutt hat. Yorauf es mir vielmehr hauptjächlich anfommt, tft, zu betonen, day die aleichzeitig vorfommenden Mejte animalischer und vegetabilifcher Herkunft nicht zu dem Schluffe berechtigen, day die Bewohner jener Bfahldörfer Vichzüchter ud Aderbauer zugleich waren, da es wohl möglich und jogar, wie der ganze Ihatfachen-Sompler meiner Unterfuchung ergeben wird, jehr wahrjcheinlich it, daß die animalischen Broducte entweder im Austaufche oder Durch) NMaub gewonnen werden fonnten. Man muß außerdem jehr wohl umterjcheiven den geitpunft, im welchem die Nfahlbauten angelegt wurden von dent Zeitpunft, im welchem man jte verlieh. Das zeitliche Sntervall fann ein recht großes gewejen fein, und jomit fünnen die fahlbauer Iahrtaufende lang Aderbauer gewejen und erjt allmählich zur Sleiichnahrung übergegangen jein. Die Neihenlager dev Bewohner der Ebene 2c. In Gerade der Umftand, dag im größerer oder geringerer Entfernung von den oblongen Pfahldörfern Nımdbauten gefunden werden, die, wie meine Darjtellung jpäter zeigen wird, ihrem Wrjprumge und Urmerkfmale nach Wohnjtä ttender Viehzüchter waren, jpricht dafür, daß alle oblongen Vfahldörfer dem reinen Aderbau dienten. Dieje aber jind dem malay- ichen Bfahlhaufe ähnlich, welches U. I. Wallace!), wie folgt, bejchreibt: „Sie find jehr niedrig und bejien ein Dad) das wie ein großes, mit dem Boden nad Dben gerichtetes Boot geformt tft. Man gelangt auf langen vohen Brüden zu ihnen.“ Zum Schlug will ich noch ein Haus erwähnen, das Meißen tr voll- ftändiger DVerfennung des Sachverhalts „einer eigenartigen Drgantjatton des früheren feltifchen Hirtendajeins entjprechend” bejchreibt, nämlich das jog. Glanhaus in Irland. Semer Bejchreibung zufolge vuhte es in jehr einfacher Weife auf einem Gevift von jechs jtarfen Säulen, welches uns mittelbar das Dac) trug. 68 wurden jechs gerade Stämme Friich ges ichlagener Waldbäume von ungefähr gleicher Größe tm gleichen Abjtänden, je 3 in 2 Barallelveihen im die Erde eingelajjen. Bon 2 gegemitber- jtehenden Stämmen wınden die oberen Enden oder, wie e8 jcheint, Die geeigneten jtehengelafjenen te in Spitbogengeftalt gegeneinander gebogen und zujammengebunden. Auf ihre Kreuzungen fonnte deshalb der Sirit- baum (nen bren), eine lange gerade Stange, aufgelegt werden, am welchen das große breite Zeltdach von Aften, Nohr und Stroh befeftigt wurde. Die den Dachbaum ftüßenden Stämme werden Gabeln (Gavaels) oder Säulen (nen fyrch oder colovyn) genannt. Site bilden das Hauptichiff. Dafjelbe hat zu beiden Seiten je eines der Nebenjchiffe neben fich, welche durd) das weite Überhängen des Daches gebildet und von Ginfafjungen aus Nählen und Flechtwerf (bangor) abgejchloffen werden, auf denen der untere Theil des Daches ruht. Im die große Halle zwijchen den Säulen gewähren geflochtene Gitter zu beiden Enden Zutritt. Yängs der beiden Hebenjchiffe, aljo zwiichen der Halle und den äußeren niedrigen Seiten- wänden, liegen Binfenlager, auf denen die Bewohner chliefen. Bretter am Fußende der Nuhelager zwijchen den Säulen bildeten am Tage ihre Sie. Im der Mitte des Hauptjchiffes zwijchen den Mitteljäulen brannte auf offenem Heerde das Feuer“.?) Alle die oben vorgeführten Wohnlagerungen werden durc) das ihnen ge= meinjame Grundmerfmal gekennzeichnet, daß jtch durch einen abgezäunten bezw. ummvandeten Mittelraum getrennte ohnreihen gegenüberjtehen, To daß alfo, wie bei unjerm Kirchenbau, ein jog. Meitteljchtff mit zwei ) A. N. Wallace, The malay Archipelago or the land of the orang- utan and the bird of paradise, Yondon 1869, II. C. 304. >), Meigen, Siedelung und Agrarweien pp. I. E. 14. 138 Dritter Abjchnitt. Seitenjchiffen zur Srjeheinung kommt, wenn es fi) um em Ginheitshaus handelt; diejes Kinheitshaus jelbit hat die Gejtalt einer Arche, eines Schiffes, an defjen Gejtalt und Itamen jich jchon bei den älteiten Völfern Sagen fmüpften, worauf ich am Schluffe diefes Abjchnittes zu jprechen komme. Vie enwähnt, fommt aber aud) das Schiff theilweile nur als ein freier lab vor, um den fich in zwei gebogenen Linien (gramma) Häufer aruppiven; theilweife Findet fic) aber innerhalb der Gramma noch eine Behanfung, die jowohl bei den Völkern des Alterthums wie bei primi- tiven Bölfern der Gegenwart ald Verfammlungsort bezw. Nuheplat (sabha, sabba) benußt wird. IBelche von diefen Wohnlagerungen die jüngfte und welche die urjprünglichite tft, it aus dem JZufammenhang der einichlägtigen Ihatjachen nicht jchwer zu bejtimmen. Io wir, wie in unfern noch gegemvärtig anzutreffenden ländlichen Wohnjtätten nur die Schiffsform als leeren Vlat vorfinden, um den fich die Häufer gruppiren, it der äußerjte nach der Gegenwart zu gelegene Punkt in der Entwidelmmgsveihe; wo das Schiff als Ginheitshaus vor- handen tft, liegt der äuferjte Bunft nach der Vergangenheit; wo dagegen die Sabha auf der Gramm jteht, dürfte die zeitliche Mitte fein. Damit joll jelbjtverjtändlich nicht gejagt fein, daß da, wo wir noc gegenwärtig Gemenmdehaus, Dorfichmiede oder Kirche vorfinden, diefe Bauten aus jener Jet aud) hewrühren. Hier jpielen eine aanze Meihe von Kactoren un= wejentlicher Natur mit, wohin ich z.B. den Miyftieismus vechne, dal man die Kirchen nach Dften gewendet baut und dergl. mehr. Wie bei feinem Hausbau überhaupt das Material ein wefentliches Merkmal tft, jo jpielt dies aud beim Vicus feine Molle. Da das dazu verwandte Mia- terial meilt von der äuferen Umgebung abhängig, diefe aber eine wechjelnde Sricheimung it, Jo fan auch das Baumaterial immer nur ein wechjelndes Merkmal jein. It das Eimheitshaus mit feinen Wechjelreihen (vieus) un der Entwidelimgsreihe das ältejte, und treffen wir in ihm einzelmohnennde samilten a, jeten fie aynäfo- (Neiberlinten) oder anprofratiiche (Männer: Linien), und väumt man mir et, dal Kamilien, weil fie Herrjchaftsgebilde jind, jpätern Urfprungs als die Horden find, jo findet meine Neconftruction der Horde, wie ich fie nach Anleitung der uns überlieferten Verwandt: Ichaftsnamen verjucht habe, eine neue Stüße. Somit zwingt uns das Ihat= jachenbereich in jenem ganzen mern JZufammenhange und im dem Ge= füge der ganzen Gliederung derjelben zu der Annahme, day die Werwandt- Ichaftsnomenclaturen nur den Gruppen und Neihen der natürlichen Yagerımg nach Alter md Gejchlecht entiprechend ihrer Entfernung von und gegen= einander gegolten haben fünnen. Somit dürfte die für eine richtige hiltoriiche Beripective nothiwendige Gontimuität, ohne welche überhaupt fein Iufammenhang gedacht werden fan, als vorhanden nachgewiejen jet. Die Neihenlager dev Bewohner der Fbene ac. 139 Dieje Durch zwei Wechjelreihen characterifirte Wohneinheit, die fich vorerjt über die Ebenen ausgebreitet hat, it mun überall da, wo die De- dingungen dazu vorhanden Waren, die Srfinderin des „Nderbaues ohne Pflug“, d. h. Ddesjenigen Aderbanes, der mit dem denfbar primitijten Werkzeuge, einer Nißjtange (aratrum) vollführt wurde, geworden und hat die nachweisbar ältejte Agravverfaffung gejchaffen, die wir Sahrtaufende hin- durch bis auf den heutigen Tag verfolgen fünnen. Yorin bejteht num aber die Gigenthümlichkeit dev Agrarverfaflung der Vieusbewohner, und giebt e8 emme glaubhafte Duelle, die uns die Vorgänge, welche diejelben in der. Urzeit bei der Decupation und Bear- beitung der Grundjtüde befolgten, zur Gemüge jchildert? Die leßtere Frage tft entjchteden zu bejahen, nämlich durch Tacitus in deifen Germania Sapitel 26. Die Stelle, jo viele hundert, ja vielleicht taufend Mal man je auch interpretirt hat, it meiner Anficht nad) ohne Zweifel Faljch erklärt worden, weil man den Wohnlagerungen der Urmenfjchen bisher zu wenig Aufmerfjamfeit gewidmet, den Urzujtand der Menjchen als einen durchaus ordnumgslojen betrachtet und Ddaber überjehen hat, Dal nicht das ge ichlechtliche Yeben, jonvern die Wohnorduung das jchöpferische Slement der menschlichen Gejellichaftseimrichtungen gewejen üt. Iacitus jagt am angeführten Orte: „Agri pro numero eultorum ab universis in vices occupantur, quos mox inter se secundum dienationem partiuntur; facilitatem partiendi camporum spatia praestant“. Bevor ich meine eigene Uberjelsung und die damit eng verbundene Interpretation dem Xejer vorführe, muß ich Diefelbe zumächit jo wieder- geben, wie jte der Negel nach bisher gegeben ward und zugleich widerlegen. Von ganz unfinnigen und allgemein dafür gehaltenen Translationen jehe ic) natürlich ab. Man überträgt die Stelle meift jo: „Die Acer werden für die Zahl der Bebauer von allen abwechjelnd (in vices) in Belt ge nommen, Die dDieje dam jpäter (mox) unter fich dem Mange nach) (secundum dignationem) vertheilen. Die Slächenräume (spatia cam- porum) gewährleiften die Yeichtigfeit der Vertheilung”. Darnad) inter pretivt man, daß die Gefammtheit Befiß ergreift im Interejfe der Be= bauer, dal aber (alljährlich) ein Befiwechjel ftattfinde; bei dev Verthetlung berücfichtige man den Mang der Genofjen, md dieje Iheilung bereite feine große Schwierigkeit, da die Flächen groß genug jeten, um Jeden zu befriedigen, bezw. um „Iedem nach jeiner ABirvde jo viel Yand, als er bes anfpruchen Darf, zu geben“. Im Bezug auf secundum dignationem be= jteht außerdem noch die Auffalfung, die fich hören läßt und deshalb von mir erwähnt wird, nämlich dal; Tich diefer Musdrud nicht auf die Berfon der Bebauer, fondern auf die Güte des Bodens bezöge, weshalb man jtatt 140 Dritter Abjchnitt. „mac; Mang” oder „nach Mindigfeit" dafür „nach Bodenqualität” interpretitt. Dies it die gewöhnliche Auffaffung der oft verfuchten Erklärung der Taciteiichen Stelle, befonders von Seiten der Iattonalöfonomen, die in Ginzelheiten jedoch auseinander gehen. So faht 53. B. Hanjjen die agri nicht als einzelne Acer, jondern als „groe Marfen“ auf, „mit der gemeinjchaftl lichen Inbejitnahme”, weshalb Lamprecht geradezu jagt: „Zur zeit des Tacttus jei das Sejfanmtergenthum jchon auf die unterjten wirth- Ihaftlichen Verbände, die Marfgenofjenichaften, übergegangen." Dat jedod) unter agri hier nur Acderland zu verjtehen ift, ergiebt fich nicht blos aus dent pro numero eultorum (Iderbauer), jondern auch aus dem erwähnten Bertherlungsmodus. Yuperdem beziehen einige Grflärer der Stelle „cu)- torum“ auf „ab universis“, jo daß man von einer „Öejammtheit der DBebaner” oder, wie ISnama Sternegg!), von „Genojjenjchaften der eultores“ jpricht. Vom thatjächltch wirthichaftlichen Geftchtspuntt aus tft diefe Auffaffung nicht zu verjpotten; nur ift fie Iprachlich nicht zuläffig, weil es alsdann entweder heigen müßte ab universitate cultorum oder ab universis ceultoribus. Gmodlicd) differiven noch die Meinungen in Bezug auf „in vices”, je nacdem man das „abwechjelnd“ auf agri oder auf ab universis bezieht. Mach der erjten Anficht würde eine und diejelbe Semeinjchaft diejes Jahr diejes, ein anderes Jahr jenes Land in Belit genommen haben, jo daß aljo der Aderbau einen nomadiichen Character gehabt hätte; nach der zweiten Anficht wechjelte nicht das Land, jondern die Gefammtheit, indem bald dieje, bald jene Gemeinjchaft die Acer bewirthichaftete. An „in vices* jcheitern alle Interpretationen, weshalb man jogar daran gedacd)t hat, die Worte zu ftreichen. Der Codex Vaticanus ichreibt in vices, ein zweiter nur uices, der Neapolitanus vices, der Leidensis inuice, der Perizonianus invice. Die meilten Ausleger wählen in vices. In Bezug auf das Lebstere jagt neuerdings Meigen: „Man fünnte deshalb den Gedanken des Wechjels völlig bejeitigen, indem man entiveder ‚invices’ als eime trrige Wiederholung von ‚universis‘: anlteht und des= halb völlig jtreicht, oder mit Watt ‚vieis‘ jchreibt. Aber in beiden Sällen ift nicht wohl einzujehen, timwiefern dann der Nejt des Satzes „agri pro numero cultorum occupantur* erweitert wird. ‚Ab universis‘ it umöthig, wenn fie die cultores fein jollen, mifverjtändlich und unklar, wenn universis ji) auf andre bezieht. CS läht Ti) dazu mit Mückicht auf cap. 16 faum ‚Germanis‘ ergänzen, eher im Hinblid auf Gaejars: gentibus cognationibusque hominum qui una colerunt, ein ‚coeuntibus !) Unterjuchungen über das Hofiyitem im Mittelalter 1872 p. 30 fi. a id Die Neihenlager der Bewohner der Ebene x. 141 oder ‚conventis‘. Da Sich nun ‚ab universis vieis’ nicht glei) ‚in universis vicis‘ auslegen läßt, würde aud) ‚ab universis vieis‘ den Sinn einer größeren zufammengefommenen Menge haben, vor welcher die Län dereten den cultores zugewtejen werden." Sp Meigen.!) achdem Merten noch begründet hat, daß „von einem Nechjel der einzelnen Aderjtüde in dem zugetheilten Belite der cultores Tacitus nichts jagt", jchliegt er: „Deshalb wäre es durchaus begründet, nach einer andern weniger gezwungenen Auslegung jermer Norte zu fuchen.“2) ur weil jte von einem Nattonalöfonomen ausgeht, halte ich mich, bevor ich zu meiner eigenen Auslegung übergehe, nocd) verpflichtet, einer Gonjeetur zu gedenfen, die nenerdings Nichard Hildebrand?) gemacht hat, welcher bewerft: „Aller Mahrjcheinlichfeit nac) jtand in der Arhand- ichrift , und der Abjchreiber hat dann, jtatt das in nach e eimzu- ichalten, wie cS gemeint war, in vieis gelefen, woraus dann weiter in vices geworden tt.“ Mit Diejer jprachlichen Gonjectur „ab universis vieinis“ wird der Sachverhalt nicht nur nicht aufgeklärt, jondern mur verdunfelt. Auf Grund aller in Betracht fommenden Sinzelmomente, wie fie fich aus der vicus-VBerfaflung aller Völker ergeben, überjeße ich, zunächht wort- getren die viefumftrittenen Worte des Tacitus wie folgt: „Ider werden für die Zahl der Bebaner von Allen gegenjeitig in Befits genommen, welche fie alsbald unter fich nach ihrer Stellung vertheilen, die Ihun- lichkeit der DVertheilung bieten (eben) die Naumabjtände der Decupations- jtüde dar." Im etwas freier Werje fan ich auch jo überjeßen: „Betriebs- land wird von der auf Gegenjeitigfeit beruhenden Gejammtperjon für die Zahl der Bebauer in Belig genommen, welches fie jogleich unter fich ihrer natürlichen Stellung zu einander entjprechend vertheilen. Stine jolche Ver- theilung ijt eben leicht zu machen, weil fie durch die räumlichen Abjtände (die Mahe) der Huben von einander bereits gegeben tt." Das Sachverhältnig beruht nämlich) auf Folgenden: Ylle einzelnen Bewohner des zweireihigen Bieus nehmen insgefammt das Aderland ihrer vis a vis Lagerung entjprechend gegenfeitig in Bejchlag; demm in vices verbunden mit universis drücdt eine auf Gegenfeitigfeit beruhende Gnli- daritätseinheit aus. „In vices* fan, obwohl es bisher immer jo überjeßt worden ift, unmöglicd) mit „abwechjelnd“ wiedergegeben werden, da dejjen Bedeutung „gegenreihig” „gegenjeits“ bezw. „wechjel- jeits" it — ganz anolog wie in der befannten Stelle, auf die wir weiter 1) Meißen, Siedelung und Agrarwejen II. &. 586. 20502 8. II. ©: 587. 3) Kecht und Sitte auf den verjchiedenen wirthichaftlichen Kulturjtufen, Sena 1896. I. Theil ©. 121. 142 Dritter Abjchnitt. unten noch näher zu jprechen kommen, Gaejar „in vicem“ gebraudt: hi rursus in vicem anno post in armis sunt. Man fan bier un- möglich überjegen: „Dieje himviederum find im Jahre darauf abwechjelnd unter Waffen“, jondern: „Dieje zurüd (rursus = revorsus) find zur Segenfeitigfett im Jahre darauf unter Waffen. Das in vicem will hier das gegenfeitige Berhältnig betonen, im welchem die Zurücdfehrenden und die neu Ausziehenden „gegen einander“ ftehen. Natürlich) „wechjeln“ fie das Waffenhandwerf; aber die Zurüdgefehrten find im folgenden Sahre nicht „abwechjelnd", jondern während des ganzen Jahres „innmer“ unter Waffen, jo day aljo der Wecjjel nur die Folge der Gegenfeitigfeit it. Gbenfo Fam (Saej. b. g. VII. 85) invicem integri succedunt defatigatis nicht heigen: Srijche löjen die Srmatteten abwechjelnd ab, jondern „Frijche folgen den Srmündeten gegenjeits”, d. h. wen die Einen ermüpdet find, jo treten die Andern zur Gegemfeitigfeit im KNampfe auf. Winde auch an diefer Stelle invicem abwechjelnd heien, jo füme geradezu der Unftm heraus, day abwechjelnd Grichöpfte und Müftige in den Kampf träten. Das „in vices“ bei Tacitus, wofür ebenjo aut blos vices oder irgend eine andere im den Godices angegebene Ausdrudsweile gelejen werden fan, darf zu feinem andern Worte als nur zu universis in Beziehung gejeßt werden. Mit universis joll ausgedrüdt werden, daj; die Abjicht der Deeupatoren auf die Gimheit (uni-) gewandt (versis) tit und mit in vices, daß fie im der Michtung des Getrennt- und Gejchteden- jeins (vie- —= trennen, jcheiden) erfolgt, und zwar pro numero cultorum, für die Zahl der Bebauer, für welche die Decupation vollzogen wird. Sind z.B. Sieben, bezw. zweimal fieben (14) Bebauer, jo erfolgt jte eben für dieje jteben (bezw. 2X 714). Vicht die untheilbare Univerfitas, jondern die gejchtedene Einheit nimmt das Yand in Bejchlag, und zwar nicht für fich jelbft als Sejanmmteigenthum, jondern eben für die Zahl der Debauer (pro numero cultorum) 2. h. den Antheiligen an der vecu- patortichen Arbeit, denen deshalb auch alsbald (mox) die Yanpdjtüce zu- fallen. Ste fallen ihnen zu, bezw. werden ihnen gegenfeits zugetheilt als solge (secundum) der Stellung, die jte in der universitas in vices bei der Deeupation eimmahmen. In der Bejchreibung des Tacitus it mr von der Deeupatton der der und ihren solgen die Mede. CS muf jtets die vornehmite Vflicht desjenigen, der den Worten eines Andern folgt, jein, Sich im das Bereich der Vorjtellung bineinzudenfen, die diefer m’t orten darjtellt, d. h. man muß den Sachverhalt zu gewinnen juchen, der im der Worftellung emes Darjtellers enthalten it; man darf aber niemals jeine eigene Voritellung der Sachlage einen Adern unterjchieben. 55 Iteht nichts da von der Belchaffenheit des Bodens, c3 jteht nichts da vom gejellichaftlichen Nange der eultores, jondern es ijt mur von der Die Neihenlager der Bewohner der Ebene ac. 143 Deeupation die Nede. Folglich) fan dignatio mu auf die Deeupations- methode bezogen werden. 65 werden die Iedter vertheilt nach der (nu- türlichen -natio) Stellung der Decupatoren. Dignatio it etwas Anderes als dignitas und fan hier qut mit „Stellung“ wieder gegeben werden, ähnlich wie man dignatio principis mit „Stellung des Fürften“ (Germania cap. 13 vergl. mit Histor. I. c. 19 und Annal. 13 c. 20) überjegen fan. Im dignatio liegt die Borjtellung der natürlichen Stellung, d. h. derjenigen, die jemand der Iatur der Umftände (auch der Ge- burt u. dal.) verdankt. erden die Neder fogleich (mox) nach der ıa= türlichen Stellung, welche die cultores bei der Deeupation eimmehmen, vertheilt, jo ütı die Bertheilung [leicht] zu machen (—fac-), weil die spatia camporum jie (die VBerthetilung) jchon darbieten“. Der leßte Saß foll aljo erflären, warum die Vertheilung „thun’lich („fac“ilis) bezw. leicht ausführbar it. Was jind spatia camporum? Nas bedeutet zunächit campus? Campus (x7ros von xapm abzuleiten) tft etwas, was man genommen hat (cap-io—id) nehme, ic) habe, lettijch camp-t) und nunmehr hat; bei der oceupatorifchen (oc-cup-io) Arbeit des cultor it es das Iheiljtüd des als Universum (Ganzen) vorgeftellten ager, es it die „Hube”. Hube it identifch mit campus, und ift das, was einem bei der Deeupattons- methode ab universis in vices pro numero cultorum verbleibt, Das- jelbe was mansus ilt. Nur bezeichnet mansus den Inbegriff aller auf verjchtedenen agri gelegenen Huben im Gimer Hand mitjammt dei Wohnftätte als der causa sufficiens, welche gleichlam den Nechtstitel für die im der Gemenge liegenden Huben verleiht. ir fommen nun zu dem Ausdruck „spatium*, den ich oben mit Abjtand wiedergegeben habe. Mir fällt, wenn ich das getjtloje Stymologi- jiven ins Auge falfe, hier umwillfürlich das Goethe'jche Wort em: „Emm Menjch, der jpeculirt, ift wie ein Ihiev auf dürver Weide’. Wie wenig bei der rein jpecnlativen Methode der modernen Sprachvergleichung, die ohne jeden thatjächlichen Untergrund aus „den Irimmern der ALörter“ Ihatjachen hervorzaubern will und ganz willfürlich nach eigenem jubjectiven Srmefjen der Form ihren Inhalt giebt, hevausfonmt, zeigt fich bei der Stymologifirung des Wortes „spatium“, von dem D. Schrader!) mit wenig Wi und viel Behagen behauptet, „der Ausdrud bedeute jo viel wie ‚Ausgedehntes‘". Ich jollte meinen, daß Jemand, der, wie der Ge- nr. Diejes Wort in einem Stapitel, das die Ueberjchrift „Maay und Gewicht” trägt, erwähnt, wenigitens bei einer jolchen Gelegenheit einmal zum Denfen und Nachdenken über das Ihatjädhliche d. h. darüber ver- anlapt würde, warum spatium zur Bedeutung von „Maap" gelangte. I) Pinguiftiiche Forfchungen zur Handelsgejchichte ©. 148. 144 Dritter Abjchnitt. Aber auch hier bewegt ih Schrader nur auf „Dürrer Weide‘. Mas als Yängenmaaf dienen joll, mu bekanntlich zwei Punkte, einen Anfangs- und einen Gnmdpunft haben, weil eben zwijchen beiwen das Wejentliche oder Grundmerfmal Itegt, wopdurch eine Linie bezw. Fläche zum Maape wird. Der Abjtand zwijchen beiden Drtpunften it alsdanı die Maaf- einheit. Nicht „usgedehntes”, jondern „begrenzt Musgedehntes” tft spatium, und die Durchlaufung vom Anfangss zum Sudpunfte tft spatiari; spatium tft aljo nicht der unbejtimmte, jondern der in der jinnlichen Wor- jtellung begrenzte (große oder fleine) Naum, was wir qut mit „Spa’nnung wiedergeben fünnen. Gebt man 3. DB. die Spite des Daumens an einem Drtpunfte und die Spiße des Fleinen Fingers an einem zweiten Drtpunfte feit, indem man zugleich die betheiligten Glieder ausjpreizt, jo „Ipannt” man und erhält die „Spamne*, die nunmehr als Maaf dienen fan, weil eben der Abjtand zwilchen Daumen und sKleimfinger ein „spa“tium bildet. Spatia camporum find die gleichen Abjtände, in welchen Die Kämpe auf dem ager liegen. Warum vdiejelben nothwendig gleich Jen miüljen, werden wir alsbald jehen. Doch will ich zuvor noch. zeigen, wie Iacitus aud) an anderer Stelle dem Worte spatium die gleiche DBe= deutung giebt. ; Iacitus jagt (Germania 16) von den Germanen: Vicos locant, non in nostrum morem, connexis et cohaerentibus aedifieiis: suam quisque domum spatio eircumdat, sive adversus casus l1enis reme- dium, sive inscientia aedifieandi. Uberjett wird die Stelle in Der Hegel (mach) Gutmann ©. 113): „Die Dörfer legen fie nicht nach unjerer Weife aus verbumdenen und zufanmenhängenden Gebäuden au: Jeder umgiebt jein Haus mit einem Hofraum, jet e5 gegen Fenersgefahr oder aus Unfunde des Baumwejens”. Die Überfegung von spatium mit „Hofraum“, jo faljch und will- fürlich fie it, it noch lange nicht die jchlechtefte. Anwere folgern daraus, die Germanen hätten in weiter Entfernung von einander nur m Einzel aehöften, die jich weithin ausgedehnt hätten, gewohnt. Alfo auch hierbei jucht man nicht den Sachverhalt aus der Vorftellung des Tacitus zu er= aründen, imdem man dejjen Vorjtellung fich zu eigen macht, jondern man ichiebt ihm die eigene Vorftellung unter. QTacitus jpricht hier vom Venus, und man muß ihm wohl zutrauen, daß er weiß, was ein Vicus it; er will nur den Unterjchied zwijchen dem römtjchen und dem deutjchen Venus bejchreiben, und diefen findet er eben in dem spatium, nämlid) dem Abjtande der Gebäude von einander. &S it dem Tacitus nur unbekannt, warum die Germanen in ihrem Vieus die Abjtände (spatia) haben, die er beim VBicus der Nömer nicht vorfindet: er vermuthet, e8 gejchehe wegen Senersgefahr oder aus Unfenntnig des Hausbanes. Ze A rer Rn Die NReihenlager der Bewohner der Ebene ac. 145 Warum bei dem germanifchen Vicus die Häufer in Abjtänden von ein- ander liegen, während fie bei den Mömern gejchlofjen find, tjt nicht um ichwer zu errathen, wenn wir an die Sntwicelung der zufanmengereihten Straßenhäufer denfen. Wenn fi) in primitiven Zeiten wegen der natür= lichen Vermehrung der Bewohner von dem alten VBicus Neihen ablöfen und trennen müflen, um im entjprechender Entfernung von ihrem Geburts- orte eine neue VBicus-Anlage zu machen, jo wird jedes Glied des wechjel- gereihten Lagers, weil es nachft eines bejtimmten Lagerplaßes bedarf, um jein Hauswejen zu begründen, gerade jo viel Land in Anfpruch nehmen, als es bedarf, um fich darauf ausbreiten zu fünnen. Ieder weiß, dab der weniger Gebildete umftändlicher tft und für jeine wenigen Habjeligfeiten, weil er fie zerjtreut niederlegt, eines größeren Naumes bedarf als der Gebildete. Diejes Stüd Yand wurde, weil es in der Neihe lag, „ord“ bezw. ort, art (im Dentjchen it „artbares” das hinter den Gehöften liegende Land) benannt. (3 heist im Yateinifchen hortus. Daher richtet fich auch) bei den Mömern das heredium nad) dem hortus, wie Blinius (histor. nat. 19,19, zu vergleichen mit Gato de rustica c. 156 u. 157), dem freilich der Sachverhalt nicht befannt tft, bemerkt: „In XII tabulis legum nostrarum nusquam nominatur villa, semper in significatione ea hortus, in horti vero heredium“. uf Ddiejem hortus wurden die Gebäude errichtet, jo dal jpäter das Wort „Garten” eime engere Be- deutung erhielt, wie denn infolge der nn der Gebäude aud) mancherwärts in Deutjchland „Drtland“ nur noch ein ganz jchmaler Streifen (Main) des Neihenlagers war. Da der Bedarf der einzelnen Familie auf primitiver Kulturjtufe feine großen VBerjchtedenheiten aufweilt, jo wird aud) der Lagerraum (hortus) für jede einzelne Haushaltung in ziemlich gleichem Verhältnii zu dem aller übrigen jtehen. Der Hausbau, jet es eine Erd= oder Holz- wohnung, it zur Zeit der Nieverlaflung primitiv und von geringen Ume fange, da es fi) ja mehr um ein Dbdadh für Menjchen und nicht in erjter Linie zugleich um eine Überdachung der Vermögensobjecte handelt, deren rohe Qualität es zuläßt, dem Netter zu trogen, weshalb fie noch frei liegen fünnen und für deren Sntwendung durd) Diebijche Nachbarn man noch nicht zu wachen hat. Aber mit der Yänge der Zeit und mit zu= nehmender Vermehrung der Vermögensbejtandtheile wird dies anders. „Die Mäume wachen, es dehnt fi) das Haus”, jchildert Schiller den zunehmenden Neichthunt. Man baut die Häufer jet größer und wenn man gar (worüber ipäter) Viehzuchtbetrieb einführt, bedarf man eines größeren Hofraumes; deshalb jet man das Wohngebäude mit der einen Seite dicht an des achbars Grenze, den Stall auf die andere Seite, wodurd im Interefje Mucde, Urgejchichte. 10 146 Dritter Abjchnitt. der Bequemlichkeit die Eingänge nach) dem Wirthichaftshof verlegt werden, jo daß der Giebel des Haufes nach der Grama (dem Dorfichiffe, der jpäte- ven Dorfitrage) zu jtehen fommt. Später genügt auch das nicht mehr; man baut die Häufer jo, daß die Gtebel aller Nachbarn fich berühren und fortan die Yängsjeite nach der Straße zu gelegen ift. Wer meiner ver: ehrten Lejer, dejjen Lebensjahre mehr als ein Mienjchenalter bereits aus- machen, jollte nicht Gelegenheit gehabt haben, diefen Proce der Verkürzung, bezw. des vollftändigen VBerihwindens der Abjtände (spatia) infolge der Vergrößerung der Häufer mit eigenen Mugen zu beobachten? Selbjt wer in der Nähe der Grofitädte wohnt, hat hinreichend dazu Gelegenheit, 3. B. der ältere Berliner, der Nixdorf (ein Methendorf) vor etwa dreiiig Sahren fannte, wo die Häufer des alten Iheils an der Hauptitraße nad) als spatio eircumdatae daltanden, während jte jett eine Neihe connexis et cohaerentibus aedificiis darjtellen. Um diefen Ihmmäherungsproce der Hänfer an einander beobachten zu fünnen, braucht man nicht nach Nuf- land zu reifen, wo im den allermeiiten Städten noc größere spatia vor- handen ind, jondern findet es im vielen deutjchen Yanpdjtädten der (bene, wie beijptelsweile in den Aderbauftädten Bonmerns. Diejer Broceh erklärt fich, wie Tacitus übrigens richtig vermuthet (inscientia aedificandi), aus der veränderten Technik des Hausbaues, der jeinerjeits wieder, wenigfteng in den NBechjelveihendörfern, mit der Ausdehnung des Haushaltes zufammen- hängt. Die höhere Kultur hat die Tendenz, den Hausgiebel von der Straßenfvont ab nad) der Nachbarjeite zu verlegen, jo daß zuleßt jogar bei Begünftigung des Steinbaues gemeinjame Brandmanern nachbarlicher Häufer entjtehen. uch darin hat Tacitus recht, dah auf niederer Kultur das spatium ein vorzügliches Mittel zur Abwehr von Feuerjchäden (ad- versus casus ignis remedium) it. Da auferdem noc) in jpäterer Zeit die Ihetlung der Höfe im Halbe und Viertel auf dem Xande die Ent- tehung zujammenhängender Gebäude begünjtigen fan, brauche ich nur anzudeuten. Mit der vorjtehenden Schilderung habe ich zugleich meine Interpres tation der zu manchen Meinungspifferenzen VBeranlaflung gebenden Stelle de8 Tacitus gegeben, und ic hoffe überzeugend dargethan zu haben, was der Genannte in den beiwen angeführten Stellen unter spatium ver- jtanden hat. Mittels diefer nunmehr gewonnenen Erfenntnig wird uns ein Elares Berjtändnig nicht blos für die agrariiche Deeupation der ger mantjchen Aderbauer, jorwern für die aller Zeiten und Yänder innerhalb des Viens zu Theil werden. Denn nicht um nationale Gigenthümlichfeiten handelt es fich hier, jondern um Allgemeinheiten. Ienn em Vieus, der nicht mehr em einheitliches Hordenhaus, jonvern ein Wechjelgereihte einzelner Häufer war, gegründet wurde, jo er- Die Neidenlager der Bewohner der Ebene ıc, 147 folgte dies wegen des menjchlichen Nachahmungstriebes immer jo, wie der Vieus war, don dem man jich trennte, und da man in gejchloffenen Neihen lebte, immer in Horden. Horden find Wohn= bezw. Zagerreihen, weshalb man annehmen muß, daß man wicht zunächit ii seldbau, jondern mit der Wohnung die Anftevelung begonnen hat. 68 it dies eigentlich etwas jo Selbjtverjtändliches, da man jich wundern muß, wenn Einige anderer Meinung find. VSiedelt man jich am, jo fett man fich zumächjt im der Weife feit, daß jeder indivionelle Körper, der troß der jich zugewandten Sinheit (universitas) vom andern gejchteven (vices) it, jich ein Lager wählt, jet es jo primitiv als möglich. Das leßtere mu den Anfangs- und Uns panzepunit aller Betedelung und der damit verbundenen Arbeit bilden. Die Grimdung des Wohnlagers nu das Grite fein. Dem allgemeinen Iried zufolge konnte eine Acerbauhorde nur em Terrain wählen, welches ihr zujagte und wo die ganze Gereihte (fr. rj-ti, altir. raithe, ruf). rod) Blaß fand. Auf Eins gerichtet (universi) nehmen fie das Yard tm Belt und „vathen und thaten” mit und gegen- einamder. Daher Wörter wie rathen, verw. mit jfr. rädh-as, rothen (voden) in der Sprache des „Aderbauers ohne Pflug” außer der Bedeutung der betreffenden technijchen Arbeit zugleich die gegenfeitiger Hülfe haben, während das radh-as finmverwandte munus (in: communis= gemein) nicht bei den vicis, jondern bei den nomadischen Aderbauern (darüber Ipäter) vorfommmt. as jene jchufen, erfolgte für die Zahl (pro numero) der einzelnen Meihenpunfte, aber doch gegenfeitig. Die Technif der Decu- patton nuupte jomit jelbjtveritändlich in Sejchtedenheit der Neihe erfolgen. Wer jemals beobachtet hat, wie auf einen größeren Gute Kartoffeln durch mehrere Perjonen ausgehadt werden oder wie ein großes Aderland, auf dem gleichzeitig eine Mehrheit von Pflügen arbeitet, beftellt wird, Der weiß, daß man zu diefem Behnfe in Abjtänden von einander arbeitet, weil das Zufammenhoden auf Sinem Bunfte die Arbeit einfach unmöglic) machen würde. Man jtellt fich neben einander auf: dev erjte endet, mo der zweite begonnen, der zweite, wo der dritte anfängt u. |. w. | I | | | \ 1 2 3 f 5 6 7 Sig. 2. Die Entjtehung der spatia camporum durch Arbeiten im Abjtänden. Auf diefe Weife entjtehen Spannungen (spatia), die, wen man das betreffende Yand unter die Berforen, welche an der Arbeit theil ge nommen haben, im gleichen Stüden (campi) vertheilen wollte, den Iheilungsplan bereits in fich jchliegen, indem Jeder erhält, was er erar- beitet hat. Dieje Abjtände pflegen tm genauer Sntfernung von einander 10* 148 Dritter Abjchnitt. zu fein, jelbjt ohne dad eim jchrittweies Ausmellen vorher jtattfände; denn jeder aufmerfjame Beobachter des einfachen Seelenlebens weis, dap ein ge- wöhnlicher Arbeiter mit dem Muge abmißt, wozu ein Stubengelehrter den Zollftab gebraucht. Wenn e3 die Yage der Umstände erfordert, da man in Abjtänden arbeitet, jo hat jeder primitive Menjch jein Maaf gleichjam in fich, und zwar in Folge einer bejtimmten Anjchaunug irgend eines Spatium, das jeine Seele belebt. Da man das spatium mittels spatiari, vornehmlich durch jchrittweife Abmefjung in den primitiven Zeiten, von denen wir jeßt jprechen, gefunden haben wird, bezweifele ich nicht nur nicht, jondern nehme es bejtimmt an. Wenn man in Abjtänden arbeiten mußte, jo wird man jedenfalls gerade von primitiven Zeiten erwarten müffen, da diejelben Abjtandsmape bet jeder Decupation von Aderland von den Bethetligten eingehalten wurden. Und wen jedes Jahr am irgend eimer anderen Stelle ab universis in vices eine neue Fläche (ein Ge,wann“e der Ber, wan“dten) in Befit ge nommen wurde, wird man ebenfalls erwarten müfjen, daß man in gleichen Abjtänden wie die Jahre zuvor arbeitete und jomit gleiche Kämpe d. i. wörtlich überjeßt: gleiche „Huben“ erhielt. (Campus zu cap-, Hube zu hab-; cap-io=hab-eo). 8 ijt für die Darftellung des agrariihen Sachverhalts volljtändig aleichgültig, ob ic zur Srempliftcatton das Einheitshaus oder aber den bereits in Einzelwohnungen zergliederten Bicus der jpäteren Zeit wähle. Die Sachlage bleibt dabei Diefelbe. Nur im Interefje der bejjeren VBer- anjchaulichung gebe ich der jpäterzeitlichen Erjcheinung den Vorzug. Eine Vens-Anlage kann ebenfo wohl als Einheitshaus, als auc) mit getrennten Hänfern in Erjcheimung treten. Man darf nicht der Meinnng jein, alle Simheitshäufer der jehhaften Bewohner der Ebene hätten jicd) überall in Sinzelhäufer aufgelöft, da eben dte Auflöjung in joldde als Entwidelung d. h. als abhängig von anderen Factoren anzujehen tft. Denfen wir uns aljo ein Wohnlager mit zwei Nethen Einzelhäufern, jede derjelben in der Zahl von fieben, welche eben im Begriffe jtehen, ein Stüd Land verwandtjchaftlich als Gewanne zu oceupiren und veihenmäßig zu bearbeiten (zu reiten, zu voden). Das Wohnlager, der Bing joll eben erit angelegt jein und die oeeupatorische Arbeit in Gegenfeitigfett (in vices) mit der erften Gewanne begimmen. Die Wohnftätte wollen wir uns jo denfen, da, weil fie ja mehr auf trodenem Boden, wenn nicht gar auf Pfählen fteht, das leicht rigbare und mürbe Land nicht unmittelbar hinter den Behaufungen liegt, man vielmehr in einiger Ontfermung riß- bares Land ovccupiren muß. Durch die occupatorifche Neihenarbeit der universitas entfteht jomit wegen der gleichen Abftände, in welchen die Glieder der Neihe die Arbeit verrichten, ein PBarallelogramm, das genau Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2e. 149 in jo viele gleiche Streifen zerfällt, als Glieder an der Deceupation fc) betheiligt haben. Waren e8 zwei mal jteben, jo entjtehen 14 Streifen. It die Arbeit vollendet, jo it eine Vertheilung nicht nur nicht leicht, jondern geradezu überflüjfig, weil ja die Abjtände der einzelnen Decu= pationsitücde den Vertheilungsplan gleichjam jchon in fich Schließen. Ieder der 14 Cultores hat jeinen Streifen. Db die 14 Männer in zwei Ges warnen von je 7 Männern (septimani) auftreten oder in einer Gewanne, laffen wir außer Betracht. Aus verichiedenen Gründen, 3. DB. weil noch nicht abgeerntet tft, weil die Frucht nicht zureicht und dergleichen, erweist e3 fich nothwendig, in demjelben oder im folgenden Sahre eine neue Gewanne zu oceupiven. Somit erfolgt die Decupation wiederum von Allen wechjeljetts, und was ijt jelbjtverjtändlicher, als dag man in primitiver Nachahmung gemäß der Wohnreihenordnung in den gleichen Abjtänden, wie bei der erjten Gewanne arbeitet? Infolge dejjen entjteht ein zweites ‘Barallelogramm, was Ihetl- jtücde (campi=NHu- ben) von gleicher Sröpe wie bet der erjten Gewanne aufs weit... Sit, Diejer Werje erfolgt Die Deeupation einer dritten, pierten uf. Sewanne mit jtets gleichen Iheil- jtüden. Die Folge Diefer Decupa- tionsart tft nuır, Das jeder etn- zelne Bebauer bezw. Wohninhaber Sig. 3. 2 die zu feiner Be- a haujung (jenem Hofe) gehörigen Kämpe nicht beifammen, jondern zerjtreut liegen hat, wodurd) eben ein Wirthichaftsbetrieb entjteht, der in Dentjchland unter der Bes zeichnung „Semengelage” bis im die neuere Zeit bejtanden hat und erit durch jog. Zufanmenlegungsgejege befeitigt worden ift. gr 55 handelt fich dabei, wenn wir mit Seebohm!) jprechen wollen, Gemtengelage der Grundjtücke mit Vicus. ) Fr. Seebohm, die engliiche Dorfgemeinde in ihren Beziehungen zur Grundherrlichfeit, zu der urfprünglichen Stammwerfaffung, zur Alureintheilung 150 Dritter Abjchnitt. um einen Zuftand, „Wo weder die Acer no die Gewanne ein ganzes Srumdjtüct bilden, jondern die einzelnen Beltgungen aus einer Menge von Adern beftehen, welche in der ganzen Feldmark zerftreut umbherliegen, bald in der einen, bald in der andern Zelge, ja in der That derartig unter einander gemengt und verwirrt, als ob Jemand mit verbundenen Augen jie nach allen Seiten hin gejtreut hätte.“ Ich habe die obige Figur aus pädagogiichen Gründen in regelmäßiger Korm dargejtellt; in Wirklichkeit liegen wegen der Terrainverhältniffe, wie ein Blid auf die Slurfarten zeigt, Die fich der Lejer leicht aus dem eben genannten Buche 3. B. der Flur Purwell zu Hitchin oder aus A. Merigen’s jorafältigen Darftellungen verjchaffen fan, die Gewanmen mit den Kämpen bunt gegeneinander. Die Folge davon tft alsdamıı, dag „Zwideln” oder jog. „niemandes Land“ über bleiben. Diejes „über bleibende” Xand, wenn es nicht allzu Klein, jondern von angemefjener Größe ift, wird für die jpätere Entwidelung der Mgrawverhältnijje deshalb von Interefje, weil e8 von den Bewohnern des;Höhenlandes, den Go= bezw. Gaumohnern, den gentes ». ti. den DBe- wohnern der y7 (yaia) Ipäter in Besitz genommen wird, weshalb es 3. D. in’ Gngland als gored acres oder gores bezeichnet wird.!) Darüber jpäter im übernächlten Abjchnitt. Die Gemengelage tft jomit die Folge der Decupation nad) der Methode ab universis in vices pro numero cultorum. Und der dadurd herbeigeführte Zuftand bedingte und verurjachte jeiner- jeits, daß auch die Beltellungs- und Grutearbeiten in allen ferneren Yeiten an die Arbeiten der ganzen universitas in vices gebunden waren, jo dah die ganze Gliederreihe (ordo) gegenjeits Nüdjicht aufermander nehmen mußte. Dies endlich hatte wieder zur Folge, daß der aus der gemein- jamen Lagerung entjtandene jolidariiche Geift nur noch mehr befeitigt wurde und troß des immer mehr erjtarfenden imdividuellen Selbitbewußt- jeins, das die Tendenz egotftijcher Handlungen in fich birgt, ji) auch in der Folgezeit weiter forterbte. Auf diefe Werje finden die Urfachen im ihren Wirkungen und die Wirkungen in ihren Urjachen ihre Erklärung. Mas ich hier an der Hand des Tacitus in der oben vorgeführten Stelle an dem völferfindlichen Material dargelegt habe, hat jedoch von Seiten der Wirthichaftshiitorifer eine andere Deutung erfahren. 8 liegt mir deshalb nunmehr ob, die bisherige Deutung der meinigen gegenüber in Parallele zu stellen, damit es dem Lejer ermöglicht wird, zu erfennen, ob ic) an dem Sachverhalt ändere oder dem leteren nur eine andere und Feldgemeinjchaft. Aus dem Englijchen von Bunjen. Heidelberg 1885. ©. 5 ff. 1) Seebohbm-Bunjen a. a. D. ©. 5. Die Neihenlager dev Bewohner der Ebene ıc. 151 Deutung gebe und fich der Leer entjcheiden kann, welche von den Deutungen die dem thatjächlichen Zujammenhang entiprechendite it. Die „Gewanndörfer” mit den durcheinander liegenden Grundftücen zuerjt wifjenjchaftlich beleuchtet zu haben, it das DVerdienit des Dünen Dlufjen zu Anfang diefes Sahrhumderts. „Dluffen war es flar,!) daß der Plaß der Dorfanlage jhon von Anfang da gewählt war, wo I Se- höfte und ihre Gärten pafjenden Boden, Wafler und feiten Wegegrumnd fanden, und wo fie das befjere Aderland in möglichiter Nähe hatten. I der Dorfmarf aber wurde offenbar für alle Hufen gleiche Größe und nahezu gleicher Werth hergeitellt, wenn man die Flur nach der Bodenbeichaffenheit in Hauptabjchnitte theilte, und jeder Hufe tr jedem pdiejer Abjchnitte je einen gleichen Antheil gab. Im der Güte und jelbit in der Entfernung der zu jeder Banerhufe gehörigen Xänvdereten fonnte dann fein wejent- licher Unterjchted beitehen. ES mußte aljo auch jede im Stande fein, gleiche allgemeine und grumdherrliche Laften zu tragen. Dabet fonnte jedes jchlagmäßige Syftem des Aderbaues, 3. DB. Dreifelderwirthichaft, jtet3 von allen Hufenbefigern, vom einzelnen wie von der Gejammtheit, gleichmäßig durchgeführt werden. Immer einer oder mehrere Hauptab- jchnitte bildeten zufanmen einen Schlag und wurden überemmftinmmend von allen Wirthen mit Winterung oder Sommerung bejtellt, oder als Brache liegengelaffen. S entitand dann troß der Stleinheit der einzelnen be= theiligten Grundjtücde jtets ein großes Terrain, welches zu gleicher Zeit in gleicher Beitellung war, auf welchem alfo auc) Bracharbeit, Saat und Ernte aller Wirthe in die gleichen Zeitpunfte fiel.“ „Bet der jehr jpectellen Anjchauung und Durcchforjchung diejes eigen- thümlichen Bejiedelungsiyftems, für welche Dlufjen bei jeinen genauen Meffungen und dem Zwede der Verfoppelungsarbeiten nahe Veranlafjung hatte, ergaben fi) ide noch weitergreifende Momente ganz bejonders genaner und bewußter (sie!) Drdmung und Gerechtigkeit. Die Folge der Aderjtücde in jedem der Hauptabjchnitte, Gewanne, entjprad) in der Negel der Neihenfolge der Hausftellen an der Dorfitrafe. In der Größe der Streifen des einzelnen Gewanmes fanden jich hier umd da Ausgleichungen, wenn die Güte wechjelte, ohne daß deshalb ein be- jonderes Gewann ausgejchnitten worden war. Namentlich aber erwiejen jich jolche Entjchädigungen allgemein, wenn ein Beftßer durch einen an jeinem Streifen der Länge nach vorbeiführenden DViehbetrieb gefährdet war; ebenjo dann, wenn am eimen folchen Längsitreifen die Köpfe al. Streifen eines Nachbargewannes jenfrecht anftiegen, jo daß er beim Idenden der Pflüge auf der Annwand mehr oder weniger betreten werden mußte.“ Darnad) denft man fich alfo die Decnpation, um nun auch noch) 1) Sch folge hier Meigen, Siedelung und Agrarwejen I. &. 21. 152 Dritter Abjchnitt. mit Nojcher!) zu reden, wie folgt: „Alles Acer und MWiejenland wird in jo viel Nämpe (Wannen, Gewande, Klaggen dän. aas) getheilt, wie es nad) Bodenart, Yage, etwaiger Gefahr durch Neberjchwenmungen etc. agronomic verjchtedene Klaffen der Grumditüce in der Klur giebt. Ieder Kamp zerfällt m jovtel jchmale vom Wege auslaufende Streifen (dän. deele, engl. oxgangs), wie die Gemeinde Hufenbejiter zählt, jo daß jeder von nahem und fernem, gutem und jchledhtem Yande genau glei viel erhält.“ Gin folches Verfahren der Befiedelung erfordert einen genauen Decupattonsplan vor der Niederlafjung, große Intelligenz in Be- zug auf die Bodentaration md geometriiche Kenntniffe behufs der Ver- meflung. sanı man dies bei primitiven Menfchen wohl ernftlich vorausjegen? mmt man jelbjt an, fie jeien in allen übrigen Kulturiphären jehr zurüd- geblieben gewejen, dagegen im Aderbau bereits weit vorgejchritten, — warum haben alsdanın diefe intelligenten Yandwirthe nicht zugleich das Un- practijche einer jolchen „Semengelage” der einzelnen Grundftüde erfannt, deren endgültige Befeitigung, wie erwähnt, in Welteuropa der Hauptjache nach erjt unjerm Jahrhundert zugefallen it? Dal man bet der Wahl eines Platzes für die Dorfanlage Boden ausjuchte, der zugleich fejten Negegrund hatte, it natürlich, und ebenjo natürlich it es, dal man fic) möglichjt im der Nähe von Wafjer als dem unentbehrlichiten Nahrungs- mittel niederlieg. Aber man trägt in die Vorzeit diejer Anftedler Vor- jtellungen hinein, die erjt jpäter entjtehen konnten. Was de Durchführung der Dreifeldenwirthichaft betrifft, jo müfjen wir doch wohl cher annehmen, dag fie die Folge, aber nicht die Urjache der Gemengelage tft. Denn wenn die Beftellung, ähnlich wie die Deeupation, von Allen gegenfeits erfolgte, jo mußten Alle zu gleicher Zeit ihre auf einer einheitlichen Gewanne liegenden Kämpe (Huben) bejtellen, und da man anfangs fein Adervieh und jehr primitive Werkzeuge bejaß, jo wird es umausbletblich gewejen jein, das man bei unginftigen Witterungsver- hältniffen im manchen Sahren nicht jämmtliche Gewanne bejtellen konnte. So wird die langjam heramreifende Grfahrung, die jich im Leben der Menjchheit immer als die beite Yehrmeriterin evwiejfen hat, fie belehrt haben, day ein brach liegen gelafjenes Acerjtüd, das in der Nähe eines nicht brad) gelegenen anderen Acers lan, befiere Frucht als Ddiejes bot. Diejes veranlafte fie alsdann die Natur nachzuahmen. Die vielfach beobachtete Neihenfolge der einzelnen Hufen inner halb der Gewanne, entjprechend der Neihenfolge dev Höfe im Virus läft entweder die Annahme zu, day man die Yage der Höfe nad) der Lage ) WB. Nojcher, Nationaldfonomif des Acderbaues 10. Aufl. Ctuttgart 1882, ©. 240 ff. ($ 171) Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2c. 153 der Kämpe oder umgekehrt die Yage der lettern nad) der der Höfe be- ftimmte. Will man nicht annehmen, daß die eriten Anfiedeler eines Vicus Iahre lang im Freien campirten, b13 endlich die mühlame Adervertheilung und Beitellung vollzogen war, jo mu man fich der Anficht zuwenden, daß es der Wohnraum war, der über Dieje feinorganijirte Agrarverfaffung entjchtend. Und jo erhält die meiner Theorie zu Grunde gelegte Haupthypotheje, aus der ich Schon in einer früheren Schrift einen Theil des urzeitlichen Berwandtjchaftsiyjtems zu erklären verfucht habe, auch durch die aus der Wohnlagerung fic ergebende Agrarverfaijung des, ein MWechjelgereihte bildenden, Virus eine neue Stübße. Die bisherige Forjchung hat Ddiefes Verhältuig zwiichen Wohn- lagerung und Agrarverfaffung geradezu umgefehrt und will die vici aus der Felderverfafjung erklären. So jagt 5. B. ©. Hanjjen!): „Die Feldgemeinjchaft?) hat gleich urjprünglich die Dörfer gejchaffen, die nicht erjt im jpäteren Mittelalter, wie oft trrig behauptet worden, aus zujammengerüdten Ginzelhöfen entjtanden jind; jte hat unter den Dorf- bewohnern ein jociales Leben begründet, eine Menge von autonomijchen, communalrechtlichen und communalpolizeilichen Beftinmmungen hevvorge- vnfen und zugleich unter den Intereffenten der Keldmarf einen corporativen Seift erzeugt und genährt, der jenen jelbitgejchaffenen Gejegen und Yn- ordnungen fortwährende Achtung und Gültigfeitt oder mothwendtge Yb- änderung und Fortbildung ficherte”. Darnach joll alfo die Feldverfafjung die Dörfer „geichaffen” um überhaupt der bejtimmte Grund für den jolidarischen Sinheitsgeiit ihrer Bewohner gewejen jein. Als ob die Feldverfalfung als jolche hätte tm Stande jein fünnen, emen corporativen Geift zu „erzeugen“. Wohl hat fie ihn eime Zeit lang erhalten, aber fie hat ihn jpäter, als fich die Nachtheile diejer Verfafjung offenbarten, geradezu aufgelöft. Wenn uns Hanjjen im gleich darauf folgenden Sate jagt, „die Markverfaflung ging hervor aus der gemeinjchaftlichen Befitnahme der Feldmarf durd) einen Verein von Familienhäuptern, die gleichberechtigt waren, weil fie ) Anfichten über das Agrarweien der Vorzeit. In „Agrarhiftorijiche Ab- handlungen 1.” Yeipzig 18850 ©. 2. 2) Das Wort „Feldgemeinjchaft” it Feine vichtige urgejchichtliche DBe- zeichnung, da das Wort „gemein“ leicht zu der irrigen Meinung führen fönnte, die „Gewanne* wären Gigenthum einer Gemeinde gewejen und die Einzelnen hätten mur Nutungsrechte daran gehabt. Der Bicus war feine Communitas jondern eine Universitas (in vices) und die Gewanne waren getrennte Ein- heiten, weshalb man richtiger von „Seldeinheiten” oder, da „seld“ fein Ausdruck reiner Acerbauer ift, bejfer von „Acereinheiten” jpricht. „Seldgemeinjchaften" entjtehen exit jpäter, wo man zur Viehzucht übergeht und Wald und Weide zu SGemeingut macht. 154 Dritter Abjchnitt. aleiche Pflichten trugen“, jo müfjen wir doc fragen, wodurch ein jolches Nflichtgefühl erzeugt worden war? und wie jo ein blofer Verein von Samilienhäuptern die Feldmarf wechjeleinheitlich in Belig nahm? Wären die Deenpanten ein bloßer Verein, nicht aber bereits eine Golidaritäts- einheit (universitas in vices), gewejen, jo hätten fie nicht gleiche Pflichten getragen. Iede Pflicht jet langgewohnte Pflege einer Einheitsgefinnung voraus: was einheitlicd; auftreten will, muß bereits einheitlich jein. Umd eine jolche Sinheitlichfeit Fanın nur einheitliches Wohnen erzeugen. ir Stehen auch hierbei wieder vor einem piycholegischen Näthel. ir haben zu erklären, durch) welche Kactoren Meenfchen, an denen wir noch feinen bejonders hohen Grad geiltiger Erfenntnig zu beobachten ver- mögen, zu der Idee gefommen find, bet ihrer Niederlaffung einen, ein wirklich Feines Galcul in jich jchliegenden Beltedelungsplan auszuarbeiten. Man denke fi: man fommt angewandert, prüft die VBopdenart, berüd- jichtigt Die Lage der Entfernung zu den Wohnungen und zeriplittert nun die einzelnen Gewanne in jo viele Ihetle als Befiger find, damit jeder Sinzelme nicht nur gleich viel, jondern auch gleich gutes Land erhält! Setzt dies nicht Alles jchon voraus, daß diefe Menjchen bereits wohl ge= bildete Yandwirthe waren? und daß jie bereits eine auf langen Jeit- räumen gejtüßte Xebenserfahrung im landwirtjchaftlichen Betriebe hinter fich hatten? Schreiben wir ihnen diefe Yebenserfahrung zu, jo entziehen wir uns troßdem nicht dem urgejchichtlihen Problem, nad einem Srflärungsgrund zu juchen, auf welde Weije man die GEr= fahrung machte, um fie anderwärts zu gebraudhen, wo e8 galt, eine bereits vorhandene Einrichtung a Celbjt zu= gegeben, ES jet irgendwo vorgefommen, day ein Volfshaufe eingewandert jei, der nach dem eben gekennzeichneten Befiedelungsplane eine jolche Ge- mengewirthichaft, in welcher durd) die im Streifen zergliederten Gewane das Intereffe der Einzelnen jo fein flüglich bevüdfichtigt wurde, einführte, jo müfjfen wir troßdem nach der Entitehung des Modells fragen, das man dabet zu Grunde legte. Der Aufgabe, diejeg urgejchichtliche Problem zu löfen, entgehen wir aljo nicht, da auc die Nationalöfonomif, jo gut wie jede andere Wiljenjchaft, nicht ohne urgejchichtliche Erfenntnig Frucht: bar behandelt werden fann. Meiten!) jpricht von einer „volfsthümlichen Gewannauftheilung”, die darauf berechnet (!) gewejen wäre, dah nad) VBerhältnig der Antheile unter den Genofjen möglichite Gleichheit, jowohl in der Fläche, als der Bodenbejchaffenheit und in der Entfernung vom Gehöft, damit aljo auch im Nerthe und der Leiltungsfähigfeit hergejtellt werden jolle. Durd) Die Srundjäße (!) des Verfahrens jelbjt war jede Klage über Bevorzugung YA. Meigen, Siedelung und Agrarwejen I. ©. 433. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2. 155 und jeder denfbare Streit über die Iheilung ausgefchloffen oder doc nach) der offenfundigen Sachlage leicht von der Gemeinjchaft der Genofjen be- friedigend zu entjcheiden“. Ic Fan nicht umhin, Meiten an das Nihil est in intellectu quod non prius fuerit in sensu zu erinnern und ihn in jeiner Cigenjchaft als verdienjtvollen Statijtifer, als den ich ihn troß jeiner Irrthümer immer betrachten und hoch verehren werde, auf eines der wichtigften Grumdprineipe unjerer Wiffenjchaft hinzumeifen, da näm- lich Ihatjache und GSrfenmtnig der Ihatjache gerade bei der Behandlung hiftoriicher Stoffe befonvers jcharf aus einander gehalten werden müffen. 65 jt ein Fehler, der den Gelehrten der verjchiedenften jog. Geiftes- wifjenjchaften häufig anhaftet, daß fie, wenn fie irgendwo auf eine Gin- richtung jtoßen, im welcher fich ein zwedmäßiges Ineinandergreifen be- merfbar macht, dieje Sinrichtung jtets auf einen beabjichtigten Zwed und bewußten Willen zurüdführen. Ste überjehen, daß die Zwed- mäßigfeitt immer nur tm der Ginheit des Mefultates Itegt, durch welches die Verfettung und Wechjehvirfung der gejegmähig wirkenden Ur- jachen jchlechthin bedingt it. CS fommt jomit daber an fich auf einen bewußten oder ı Vrllen gar nicht an. Ich der mit Bewußt- jein gejete Zwed tft nichts anderes als das Gejammt-Mejultat mehrerer zufammenwirfender Urfachen, mur daß diefe vorausgejehen werden, indem der Zwed nur erreicht werden fan, wer jene tn Bewegung gejeßt werden. Aber gerade bei dem mit Bewuptjein gejeßten Zwede it das Gmde oft ein flägliches wegen der mangelnden Grfenntnig der dazu möthigen Be- dingungen; und eben deshalb muß uns ja aud) die in der Natur wahr- genommene (unbewußte) Zwedmähigfeit als eine viel vollfommenere er- jcheinen. Aber fie erjcheint uns nur deshalb vollfonmener, weil wir hier mit unjerer Betrachtung hinterdrein fommen und die Zwecdmäßigfeit erjt in ihrem Snd- und GefammtMtejultat jehen, im dem fie einzig ud allein überhaupt nur erfannt werden fan. te bemerkt, liegt die Zwed- mäßigfeit nur in der Ginheit des Mejultates jelbit; das leßtere ijt ein hiftorifches Product, das wir durch Beobachtung jchlechthin nicht erfafjen fünnen, weil diejelbe verhältnigmäßtg mur Furze Zerträgume zurüc angejtellt werden fanıt. Nie es Schon durchaus fehlerhaft ift, den Menjchen aus der Natur ordnung loszulöjen und Alles, was durch ihn En auf bewußten Villen zurüczuführen, jo tft es ein geradezu jchtefer, weil auf Borurtheilen beruhender Standpunkt, alle Ericheinungen im Bölferleben, in welchen wir eine bejtimmte Zwedmäßigfeit und eine planmäßtige Drdnung wahr: nehmen, auf bewuste Zwedhandlungen zurüdzuführen. Von diejem Standpunfte aus gejchieht es dann eben, daß man die Gejell- Ihaftsordnungen der fog. Naturmenjchen, joweit jich in ihnen 156 Dritter Abjchnitt. Zwedmähtafeit offenbart, als das Grgebniß vorausbedadter Handlungen auffaßt und eine Gontinuttät jolder Drdnungen mit allen vorausgegangenen Jufltänden einfach in Abrede Stellt, während uns doch Müchternheit und Bejonnenheit des Denkens darauf hin- führen müljen, daf jich eine jolche Gejellichaftsordnung unjerer Erfenntnif nur deshalb als eine plan= und zwedmähige aufdrängt, weil jie eben das Sejammtergebnif eines vielleicht Sahrtaufende langen Bildungsprocefjes it, tm welchem durch Die DVerfettung und NWechjelwirfung gejeßmäßiger Urjachen die hiltoriich gewordene Einheit in Ericheinung tritt. Sowie ich es oben geradezu als einen grogen Mangel biftoriicher Berjpeetive bezeichnen mußte, day ei jonit befonnener Gelehrter die ung überfommenen (malayiichen) Berwandtichaftsbezeichnungen auf Einwirkungen einer höheren chineftich = mdiichen Kultur zurückführen will, deren Erijtenz übrigens jelbjt noch der Erklärung bedarf; jo muf ich aud) in Bezug auf den zulet betrachteten Gegenjtand, die jog. Gemengewirthichaft, bet welcher die einzelnen Huben für die Beliger der Höfe zerjtreut liegen, es entjchieden in Abrede jtellen, daß fie als das Nejultat vorausgegangener Srwägqungen anzujehen jet. Sbenjo wie im der Natur, jo zeigt fi) auch im Wirthichaftsleben der Menfchen, und zwar jchen im der Urzeit, eine große Mannigfaltigkeit von Gejtalten und Procefjen, und alle ind für jich betrachtet zwedmäßig und harmonijch; aber erjt wenn wir jte mit einander vergleichen, er= fennen wir darin den Kortjchritt einer Sntwicelung, der durch die größere Einfachheit der Gonjtructton bedingt tt, mit welcher die Theile zum Ganzen jtimmen, oder aber durch die Manntgfaltigfeit der Combinatton, vermöge deren Die Iheile jelbit wieder mannigfaltig in fich gegliederte Seftalten find. Dies fann aber zulegt nur auf der größeren Manntig- faltigfeit der zur Bildung des Ganzen in Bewegung gejesten wirffanen sträfte beruhen. Auf dieje Weije wird ein Gegenftand, eine gejell- Ihaftlihe Einrichtung und dergleichen, worin wir in einem ges wijjen Zeitmomente in der Gntwidelungsreihe des Wölfer- (ebens ein Mejultat zujammenwirfender Urjahen im ihrer Sinheit erfennen, doch zugleich jelbjt wieder eine wirfende Ur- jache, diein den weiteren Entwidelungsprocei eingreift, um ein noch höheres Ganzes zu geitalten, das danı ebenfalls wieder als das einheitliche Ergebnii eimer Verfettung von Urjachen anzujehen it. ur wenn wir die einzelnen Glieder der Kette, joweit ung vwölfer- fundliches Material im weiteften Siume, wozu ich auch die Sagen, Mytho- logien und dal. rechne, zu Gebote jteht, aufzujuchen uns bemühen, fanıt e5 uns gelingen, ein Verftändnig. nicht mur für die Gegenwart, jondern zugleich Für die auch die Urzeit einfchliegende Vergangenheit uns zu er Die Neihenlager der Bewohner der Ebene xc. 157 öffnen, während, wenn wir mit ganz unbewiejenen, nur durch die Tras dition und durd) die Häuftgfert wiederholten Ausjprechens geheiligten Vor- urtheilen zu Erklärungen und Deutungen jchreiten, wir uns nur. einen viel dichteren Schleier vor das forjchende Auge binden. Die menfchliche Urzeit fann dem Sntwidelungsgang der menjchlichen Emrichtungen zufolge nicht eine jo wülte Unordnung, wie jte immer bisher dargeftellt wird, ge- wejen jein. Wäre jte das gewejen, jo würde die jpäter wahrzunehmende Drdnung unerflärbar fein, weil eben der Urmenfch nur durch die eriitente Drdmung zur Vorftellung der Ordnung gelangen konnte. Das Aufere der Dinge jteht in MWechjelwirfung mit dem Innern der VBorjtellungen. Die von uns an der Hand des Tacitus reconftruirte Gemenge- wirthichaft, wie wir jte nicht blos bei den jog. Germanen, jondern auc anderwärts verbreitet finden, it tm der bis jett gejchilderten Form ein Entwidelungszuftand für ji, indem er als das Gejammtrejultat der von mir bereits gejchilderten Umstände anzujehen it. CS hanvelt fich bei diefem Zuftande um den denkbar einfadhjten Betrieb landwirth- ihaftlicher Bethätigung; aber durchaus nicht, wie Meigen und Andere annehmen, um eine Bewirthichaftung mit Viehbetrieb, Aderpflug und der- gleichen, noc) weniger aber um eimen vorher zu Grunde gelegten Plan der Ausmejlung der Yändereten, over gar um eim Verloojen der Theil tüde unter die an dem Deeupationsprocefje Betheiligten. Gin jolches Urtheil auszufprechen, fehlt uns jede Berechtigung von Geiten des rein Ihatfächlichen. E83 Iteht in der angeführten Stelle des Tacttus nichts von Vichbetrieb, wohl aber, wie wir noch jehen werden, das Gegentheil. $8 it nach allem von mir Dargelegten eine umnrichtige VBoraus- jeßung, wenn Meiten!) für die „Blanmäßigfeit der Gewanmernthetlung” bei den jog. Germanen „ven Schlüfjel in der Technik der Mefjung zu juchen” unternimmt und jagt: „Im Sinne gleichmähtger Zuwetfung des Anbaulandes nad) jolhen in eine bejtimmte Zahl aleicher Theile zu zer= legenden Abjchnitten war offenbar das natürlichjte und einfachite B Verfahren, jedes Gewanne möglichjt als ein Nechte von gleichwerthigem Boden ab- zugrenzen. Dann fonnten dejjen zwei gegemüberliegende Seiten je in jo viele gleiche Theile eingetheilt werden, als Hufen berechtigt waren, umd es ließen fich zwifchen je zwei entjprechenden gegenüberliegenden Iheilungs- punften ohne Weiteres mit dem Pfluge (!) die geforderten Grenzlinien ziehen. Alle Hufen, wie auch ihre Neihenfolge fejtgejtellt wurde, erhielten auf diefe Weife gleichgroße und gleichwerthige Iheiljtüde. Zugleich bildete jedes diefer Theilftüde einen PBarallelitreifen, welcher gleich viele Pflug- furchen von einem Ende bis zum andern durchzuführen erlaubte. — Die mögliche Ungleichheit, welche dabei zwijchen den einzelmen Theilen in Boden- ) Stedelung und Agrarwejen I. ©. 83. 158 Zweiter Abjchnitt. güte und Entfernung bejtehen blieb, konnte niemals jo groß jein, daf fie nicht, nach der allgemeinen germanijchen Sitte, jtreitlos durch das Loos auszugleichen gewejen wäre. — Diejes Loojen hat jhon Tacttus bejchrieben“. Sewig hat Tacitus (cap. 10) „das” Loojen bei Erwähnung ihres Göttercultus, aber nicht „diejes“ Loojen der Gewanneintheilung bejchrieben, jondern, wie oben gezeigt wurde, erklärt, wie die Iheilung der oecupirten der hier erfolgte. Das Yoojen wird im jchiffsförmigen Venus überflüfftg und ijt eine jpecifiiche Gigenfchaft der freisfürmigen Iurben (Dörfer), auf die wir jpäter zu jprechen fommen. Much tft die Vorausjegung, dag man mit dem Pfluge Surchen gezogen habe, nicht richtig; denn die VBrceus-Wohner fennen als jolde den Pflug nicht und lernen ihn erit jpäter fennen. Sie bedienen fich entweder der Nißitange (aratrum) oder des Hafens (goth. höha, ejthn. kook), um in dem [oderen Boden (arvum) eine inne hevvorzurufen, in welche der Same eingejtreut wird, während der Pflug auf dem Gaulande der Vieh- züchter heimijch tft, wo das fejte Yand wegen der Krümmungen bezw. Biequngen (flexus) der aus der Turba (Munddorf) fich ergebenden Nund- bearbeitung nach jeitwärts gejchoben werden muß. Daher unterjcheidet man das aratrum inflexum, welches blos rührt, von dem „fle’xum, dem „rlu’g, welches die Scholle nad) der andern Seite jchtebt (TIEx-w). Dies it zugleich aud) der Grund, warum ich der Hafen in den Flach- (ändern, den Nrederungen, länger erhalten hat und durch den Vlug nicht leicht verdrängt worden ift. 55 bildet ficher ein urgejchichtliches Vroblen, wie und woran die Menjchen das Aderland ausmefjen lernten. Wären nicht durch die Natur der Verhältnifje Yandmape entjtanden, jo hätte der Menjch ihrer nie jich bewußt werden fünnen; und jo werden wir wohl annehmen müfjen, daß Harimenjoren und Gromatici ihre feldmefjerijche Ihätigfeit erjt be- ganıen, als die Vicusbewohner den Werth. der Aderjtreifen bezüglid) ihrer Größe und Güte voll zu jchäten vermochten. Da die Aderbauer in Sermanten, von denen Tacitus die Deeupationsmethode bejchreibt, den Werth der Yänder aber nicht zu achten verjftanden und deshalb auch bei ihrer Deftevelung nicht einen jo fein ausgedachten VBermefjungsplan ange- wandt haben werden, wie Meißen vermeint, fünnen wir durch Tacitus (Germ. 26) erfahren, welcher der oben von mir interpretirten Stelle = mittelbar folgende Worte hinzufügt: Arva per annos mutant et supe- rest ager, nec enim cum ubertate et amplitudine soli labore ccn- tendunt, ut pomeraria conserant et prata separent et hortos rigent: sola terrae seges imperatur. Unde annum quoque ipsum non in totidem digerunt species: hiems et ver et aestas intellectum ac vocabula habent: autumni perinde nomen ac bona ignorantur. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene ac. 159 Das it zu deutjch: „Das Saatland ändern fie alljährlich und Acer bleibt über, weil fie nämlich nicht mit Hülfe der Ergiebigkeit (Fruchtbarkeit) und Grweiterung ihres Bodens durch Arbeit erjtreben, Objtbäume anzu- pflanzen, Wiejen abzufondern und Gärten zu befeuchten: nur Saat wird der Erde geboten!) Daher theilen jie auch das Jahr jelbjt nicht in jo viel Abjchnitte: für Winter, Srühling und Sommer haben fie Begriff und Benennungen, des Herbites Namen und Güter find ihnen gleicher Neije unbekannt“. Aus Tacıtus” Worten, die im Jufammenhang mit dem Worher- gehenden den technijch-wirthichaftlichen Standpunft der reinen Aderbauer jchildern, geht deutlich hervor, daß fie fruchtbaren und ausgedehnten Grund und Boden zwar haben, aber unbearbeitet lafjen, weil fie dejjen Werth noch nicht zu jchäßen wifjen, vielmehr jehr verjchwenderijch mit dem Yande umgehen, und doc haben jte die vorhin bejchriebene „Sewannetheilung“. Somit dürfen wir bet thnen, wo noch) Boden übergelafjen wird, eine jo feine Landvermefjung nicht vorausjegen. Much nöthigt uns ITacitus zu der Annahme, dag dieje Aderbauer, die er jchildert, feine Viehzüchter jind, denn fie jondern feine Wieien ab; jonjt würde uns Tacitug erzählt haben, daß „der der, der über tjt”, zur Hutung benußt wird. Das tjt nicht der Fall: „nur Saat wird dem Boden anvertraut md abgefordert”. Bon einem jog. „Volklande”, das man jich in weijer VBor- jicht für die ganze Universitas vorbehalten haben will, wie immer ge- ihrieben wird, tft bet Tacitus ebenfalls feine Spur zu finden. Demnach jind aud) die Worte arva per annos mutant et superest ager nicht, wie Gterfe interpretirt, „von dem pertodiichen Befiß- und Sebrauchswechjel zu verjtehen“ oder wie Maurer es thut, zu überjegen: „Das Aderland wechjeln fie jährlich) und Gemeinland bleibt übrig dv. h. eine gemeine umvertheilte Mark bleibt übrig.“ Vielmehr beziehen fich die Worte auf die Beltellung der Saatfelder; denn arvum umfaßt wie &poupa Saat und Saatland in Smer Anjchaunung, wogegen ager an der erwähnten Stelle de8 Tacitus das zur Saat wohl geeignete, aber unbejtellt gedachte Aderland ift, von dem ja Tacitus wenige Zeilen zu= vor gejagt hat, daß e8 occupirt werde (agri... oceupantur), aljo ein noch unbejtelltes und umvertheiltes Yand ilt. Hatte Tacitus bisher die technijche Deeupatton und Vertheilung der agri bejchrieben, jo will er uns nunmehr die (primitive) Beitellung derjelben darlegen, und Tacitus mühte ein großer Gonfufionartus fein, wenn er nach jeiner furzen und bündigen Schilderung der Bertheilung 1) Sch überjeße abfichtlich weder „Saatfrucht wird der Erde abgefordert“ noch „Sruchtjaat wird der Erde auferlegt“, weil beides zugleich ausgedrückt werden joll. 160 Dritter Abjchnitt. der agri pro numero cultorum, durch die jeder nach jeiner Stellung jeine Kämpe erhält, hätte jagen wollen: nachdem jeder jein Stüd Land erhalten hat, taujchen fie es darauf von Jahr zu Jahr unter einander aus. Ganz abgejehen davon, da es alsdanın inter se mütant heien müßte, gehört jchon eine an Hab- und Meidjucht grenzende Fleinliche Ge- jinmung, die überdies eine ziemlich jcharfe Beobachtungsgabe vorausjeßt, dazu, die Saatfelder jährlid) auszutaufchen, damit der Andere ja nicht etwa eine Miete Getreide mehr erntet, als der Andere; denn da die Felder nahe an einander liegen, fan das Mehr des Ginen gegenüber dem Gr- trag des Andern doch immer mur jehr gering jein. md diejelben cultores, die jo geizig find, lafjen Acerland übrig? Sind das nicht Widerjprüche, die bet Srforjchung des Ihatjächlichen in eriter Linie gehoben und gelöjt werden müfjen? Da Tacitus die Vertheilungstechnif zu einem genügenden Abjchlug gebracht hat, fann fic) das „arva per annos mutant“ „die Saatfelder wechjeln jte” jomit nur auf den Beftellungswechjel beziehen. Sie beitellen die Saat jo, dag der über bleibt und Dies wird gleich durd) das „nec enim'' näher begründet. Denn im nec enim liegt ein „nenn bezw. et ‚weil‘. Man wechjelte jährlich die Saatfelder und lieg Ader deshalb über, weil man wenig durch Yrbeit erjtrebte (nec labore contendunt). Der Aderbau ohne Prlug war mit den primitiven Werkzeugen jehr langwierig, wodurd allem jchon die GSrntezeit weit hinausgejchoben wurde, infolge dejjen fie auch feinen Herbit hatten. Somit fonnte dafjelbe Yand, dem man jo jpät die Getreidefrucht entnommen hatte, in diefem Sahre nicht wieder gelodert und weder im Herbit, no im Frühjahr jchon wieder be- jäet werden. Iderland blieb auch über, weil jte, wie gejagt, (noch) feine Viehzucht trieben; aber es blieb auch über, weil fie weder Garten- noch) Opjtfultur hatten und als reine Aderbauer, „Aderbauer ohne Plug“ allein auf Brotfrucht hinztelten. Cs bedurfte aljo, befonders in ungünftigen Sahren, jchon eines beträchtlichen Zeitraumes, um ohne Arbeitspieh und Pflug mit blogen Hafen die Saatfelder zu beitellen. Man braucht dabei aber noch nicht zu interpretiven: „lie hatten Sruchtwechjel und ein Acer blieb brach”, oder an eine ausgejprochene Dreifelderwirthichaft zu denten, welche allerdings die nothwendige Folge des bejchriebenen VBorganges it. Tacitus will aus fich jelbjt interpretirt jein, und wir müfjen immer das Beitreben haben, jtatt unjere eigene, mo- dernen oder fremden Verhältnifjen entnonmene Erfenntni in eine objective Schilderung hineimzutragen, umgefehrt aus dem Ihatjachenzufammenhange heraus eine Grefenntnig zu gewinnen. Ss it jchnell gejagt, wenn Hanjjen!) jeine Meinung dahin ausipricht: „Der Streit, ob ‚arva per !) Agrarhiitoriiche Abhandlungen I. ©. 129. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene ze. 161 annos mutant‘ blos auf den Wechjel der Ader oder auf den Wechfel in dem Befiz der Ader geht, werde aus dem Tacitus heraus, der es wohl jelbit nicht zum deutlichen Verftändnii des germanijchen Agrar- wejens bringen fonnte, jchwerlich zum Abjchlug zu bringen fein. Dies jet aber infofern gleichgültig, als wir auf anderem Wege zu der Über: zeugung gelangen, daß bei den Germanen beides in immiger Verbindung zujammentraf: der periodische Nechjel im Befite und der Wechjel der elder als Acderland und Gartenland.” Ss it nicht der richtige Standpunkt Für die Feitjtellung des Ihat- jächlichen, den Hanjjen in diefer Frage jchon früher eingenommen hatte, wenn er jagt:!) „Im ver That liege die Sache jo, nicht day Tacitus die eigentliche Duelle unferer Belehrung über das Agrarweien der germanijchen Vorzeit jet, jondern daß wir fuchen müßten, aus unjerer Kenntnig der mittelalterlichen Quellen umd der noch conjer- pirten Überbleibjel althijtoriichen Mgrarwejens emen Stimm in Tacitus hineimzubringen“, und wenn er dan jpäter die „Irieriichen Gehöferichaften“ als eine jolche Duelle betrachtet. So etwas fan dem Hiftorifer, bezw. Sta- tijtifer nur erlaubt jein, wenn er den Nachweis führt, daß in dem, Sahrhunderte umfaffenden Zeitraum zwifchen Tacitus und dem Mittel- alter feine Veränderungen vorgefommen find. Dies zu beweijen dürfte jchwer fein; man mitte ven dieganze Bölferwanderung für vollitändig ein= flußlos auf die bisherigen Zuftände Germaniens hinftellen. Dies würde aber der Logik des Gmtwicdelungsbegriffs widerfprechen und injoforn mit der Erfahrung in Widerjpruc) jtehen. Wir Dürfen immer nur, ja müjjen es jogar, Urtheile bezw. jub- jective Juthaten aus dem Ihatjächlichen ausjcheiden; aber nie- mals Die objectiven Merkmale einer Schilderung entfernen. Sind Die= jelben ungenügend zur Srflärung einer Gricheinung, jo müfjen wir uns allerdings nach anderen Gricheimmmgen mit nahezu gleichen Merkmalen ums jehen, und im diefem Falle dürfen fie auch um Jahrhunderte auseinander liegen, zumal ja die agrarische Verfaffung in ihrem Grumdcharacter vor Sahrtaufenden Merkmale gehabt hat, die fie heute noch bejitt. ber als- dann gilt es, genau die jpäter hinzugetretenen Mterfmale mittels des ett- gangs gejchilderten Gliminationsverfahrens zu erkennen, damit nicht jpät- zeitliche Zuftände zur Mufhellung benußt werden. In der Mipachtung diefer Forderung, welche die AWiffenjchaft vom Ihatjächlichen, die Statijtik, jtellt, liegen meines Grachtens alle Zehltritte, die bet der Betretung des urgefchichtlichen Bodens der „alten Germanen“ gemacht worden find. Durch wen anders als dur) Gaejar und Tacitus 940. Ü ) In den Göttinger gel. Anzeigen 1873, Mucke, Urgeichichte. 11 162 Dritter Abjchnitt. fönnen wir über fie jchriftliche Auskunft erhalten ? Worin fie geirrt haben, müfjen wir nachweijen und zwar dadurd, day wir etwa vorhandene Wideriprüche im ven Ihatjächlichen aufdeden; mur an ihren jubjectiven Urtheilen haben wir ein Necht zu mäfeln. Zu diefen Urtheilen rechne ich in eriter Linie die Bermuthung, die Bewohner Germantas jeien eine homogene Majfe gewejen, was fie dem thatjächlichen Befunde gemäß, wie ich im Verlauf meiner Darjtellung überzeugend nachzuweifen hoffe, durchaus nicht gewejen ind umd gewejen jein fünnen. Aber dazu Fommt, day umfere eigene (weale) Phantafie den jog. Germanen beim Eintritt im Die Gejchichte na= tionale Attribute beilegt, die fie uns in ganz amderm Lichte erjcheinen lafjen, als Gaejar und Tacitus fie jchildern. GEmpdlich aber tritt, was uns hier Hauptjächlich interefitrt, das wirthichaftsgefchichtliche Vorurteil Hinzu, daf, weil Viehzucht eine VBorjtufe des Acerbaues jei, die Germanen jammt und jonders nomadische Viehzüchter gewejen find, die durch — Gott weil; welche — Infpiration auf die Idee verfallen find, plötzlich Acderbauer zu werden, in folge dejjen den Hirten und Wanderjtab By und nunmehr zum Bleiben jich entjchl iepen. Streifen wir diefes Vorurtheil ab, jo werden wir durd) Saejar und Tacitus nicht blos ein anderes Bild über die jog. Ger- manen, jondern zugleich über das gefammte Völferleben gewinnen. Ber ihrem erjten Auftreten, von dem uns Kunde wird, finden wir die Bewohner des heutigen Deutjchland in Form emer großen Anzahl fleiner Völferfchaften vor, die ich gegenfeitig befehdeten. Kine jolche friegeriiche Gefinnung der Völker Germanten's muß jedenfalls durch Ume- tände hervorgerufen worden fein, Die theils durch ihre eigene Bewegung, theils durd Fremde Anreizungen hervorgebracht wurden. Man fan be fanntlich „wicht im Frieden leben, wenn es dem böjen Nachbar nicht gefällt“. Doc) jegen Neibungen zugleic) beati possidentes voraus. Würden Die Völker in Germania homogen und gleihmäßig in fortwährender Bewegung gewejen je, jo winrden die Meibereien unverjtändlich bleiben. Wenn ziwet wandernde Fleine Horden, die feine feiten MWohnfie lieben, ji) Des gegnen, jo entitehen noch Feine Gonflicte um den Naum; wenn aber eine jeghafte Horde durch eine andere Horde in Bu Nuhe geitört wird, jo it ein Grund zur Vertheidigung gegeben. Demnach müfjen wir ver muthen, day die Friegeriiche Ihätigfeit nicht jowohl durch Zujfammenjtöße wandernder Horden gegen einander, jondern durch Meibereten wandernder mit jeßhaften Horden erzeugt wurde. Ss tjt jomit an= gezeigt, aus diefem thatjächlichen Befunde zu vermuthen, daß es aud in Germania eine dauernd jeghafte Bevölkerung gegeben hat, und es erwächit ung die Aufgabe, dies näher zu unterfuchen. Daf ich mich diejer Pflicht nicht entzogen habe, werde ich im übernächiten Abjchnitte zeigen. Bon dem Einen hoffe ich den Leer bereits überzeugt zu haben, daß Die Neihenlager der Bewohner dev Ebene 2. 16: der don mir an der Hand des Tacitus geichilderte Zultand veinen Acer banlebens ohne Viehzucht nicht aus einem zuvorigen Viehbetrieb entjtanden und nur ein Zuftand Dauernder Sehhaftigfeit jein konnte; und da ich — nicht blos in memer Eigenjchaft als Deutjcher, jondern aus dem Srumde, weil die oft behandelten Urzuftände Deutjchlands im der inter nationalen Wifjenjchaft ein befonderes Interejfe bejigen — zur Erempli- firnung meiner Theorie oc) mehrfach) auf die deutjche Urzeit zurüctonme, jo werden wir die Frage zu beantworten haben, ob der von Tacıtus ge- ihilderte Zuftand jephafter Acderbauer aus einem Zuftande vorheriger Wanderung hervorgegangen jen fan? Um diefe Srage beantworten zu fünnen, it e$ aber nöthig, exit die Drgantjation der anderhorden fernen zu lernen, wozu uns die beiden mächjten Abjchnitte Gelegenheit bieten werden. Bevor wir jedoch zu den Manderhorden übergehen, wollen wir uns zuvor noch einem Bevölferumgsbeitandtheile der Gbene zumenden, der ab- gejehen von jenem jpäteren Lebensjchiefal ganz bejonders — und dies interejfirt uns in den vorliegenden Nerfe aller — wegen der von dem bisher betrachteten Vieug abweichenden Form feiner Acdereintheilung von agrarhiftoriicdem Interefje it. Allerdings tft der die abweichende Form herbeiführende Sntwidelungsfactor die erjt noch zu betrachtende Yander- horde jelbjt, doch da wir auc) oben bei dem aus zwei Neihen Käufer be- ftehenden Vieus, der ja ebenfalls durch die Berührung mit der heterogenen Wanderhorde, nämlich Durch Samiltenbildungen, feine gegemvärttige Korn erhielt, der Darftellung vorgegriffen haben, jo fünnen wir auch jet em Gleiches thun; handelt es fich doch in diefem Buche um die Darftellung eines Syitems von Gricheinungen, die ihre Erklärung erft tm und gegen einander erhalten, jo daß aljo der Beweis, wie jeder Beweis, mr im der Widerfpruchslofigfeit des Totalzufammenhangs aller Ericheimungen liegt. Sch bemerfe dazu aber ausdrüclich, da ich mit dem im diefem Abjehnitt noch Gegebenen abjichtlich die Elemente der Bewohner der Gbene nicht in ihrer Geflammtheit vorführe, um nicht den Irrtum im Yejer zu ers regen, als wollte ich eine ethnographiiche Darjtellung bieten. Auch wenn fi) die Ausdrüce der urgejchichtlichen Elemente mit jpäteren Völfernanen decen, weil fie ja Gntwicelungsfactoren des Wölferlebens gewejen fin, jo werden fie doch vorn mir eben nur als Flementarbezeichnungen gebraucht. S3 wird erft die Aufgabe einer fpäteren Schrift fein, fie zu anderen Zweden zu verwenden. Denfen wir uns, daß Sahrtaufende hindurch die auf trodenem Pande (terra) liegenden, mehr den Bergen näheren Ebenen (öpyds) gleic)- fürnig befetzt worden find, indem mittels des Nachahmungstriebes überall in gleicher Weije das befte Terrain befiedelt wurde, jo mupte infolge einer ab 164 Dritter Abjchnitt. jolhen Ausbreitung allmählich eine Überwölfernng eintreten. „bervölferung it ein relativer Begriff, injofern jich zu feiner Zeit bei der großen Ver- jchtedenheit der Unterhaltsbedingungen in einer bejtimmten Gegend eine nor= male Berhältnigzahl zwijchen Slächeninhalt und der darauf fich nährenden Be- völferung feitjegen läßt. Mean kann jomit jchon in allerprimitiviten Zeiten von einer Ubervölferung reden, troßdem Land in Hülle und Fülle vor- handen tjt, wenn die Bedingungen nicht gegeben find, dafjelbe auszunußen. Yahmen die erjten „Aderbauer ohne Pflug” nur den am leichtejten zu beitellenden Boden in Anfipruch, jo fonnte viel Land übrig bleiben, was eine jpätere Bevölferung wohl zu benußen verjtand, aber dennoch für da- malige Zuftände leicht die Vorjtellung eimer Ubewölferung auffommen lajien. Dabet müfjen wir im Auge behalten, daß den Völkern der Ebene für ihren Wirthichaftsbetrieb nur die Ebene geeignet erjcheinen mußte. Das am leichteiten zu bearbeitende Land war nicht das unmittelbar an den Flüffen gelegene, weil es zu morig war und das Wafjer leicht aus- treten und Überfchwennmung herbeiführen konnte. Daher dürfen wir jchon a priori annehmen, da urjprünglich dem fich mehr am die Berge an- (ehnenden ebenen Yande (terra, Spyds) der Vorzug vor dem wäljerigen Yande (mare) gegeben worden tft, zumal dort aud die Wohnung auf trodenen Boden jtehen fonnte. Doch auch der Ihatjachenzujammenhang jpricht dafür. Wir begegnen nämlich im den verichtedeniten Himmelftrichen der Erde neben der Vicus- lagerung an dem mehr am Berge gelegenen ebenen Yande (öpyds) nod) einer zweiten Vieuslagerung auf der an den Slüffen und Seen bezw. auf dem Moore, dem jog. Veenlande gelegenen Ebene. Gerade bei ihnen tjt der im der deutjchen Wirthichaftsgejchichte übliche Ausdrud „Sewanne?, der jachlich fich mit finis im Sinne eines abgegrenzten Feldjtüces (darüber ipäter) dedt, im verjchiedenen Meodificattonen, wie Wanne, ande, Ges wande heimijch. Wir find in der Nationalöfonomif gewöhnt, an Stelle der Übrigen Ausdrüde, wie Schlag, Zelhe, Flagge bzw. Plage (plaga), ager, aratura, cultura, locus, satio, siecio und dergl. jet vorzugs- weile Wanne oder Gewanne bezw. Wang zu gebrauchen. Iene Ausdriüce find aber verjchtedener Herkunft, obwohl jte Jjämmtlic die Bedeutung von „bearenzter Fläche" haben. Da die Gewamerntheilung die Folge der Deeupation ab universis in vices pro numero cultorum der „Ilder- bauer ohne Plug“ it, alfo vor Einführung des Vichgeipannes bejtanden hat, jo fann auc) das Wort „Gewande“ nicht dem Ummenden des Pflugs jeine ntjtehung verdanfen, und ebenjo wenig fan der in den Alpen übliche Ausdruck „ITagwan und Taqwen” die Fläche Yandes bedeuten, „die ein Joch Ochjen an einem Tage zu pflügen vermag”. Die Wanne tft älterer Herkunft und über die Erde weit verbreitet, wo wäljeriges Yand oecuptrt wurde. Die Nethenlager der Bewohner der Ebene 2. 165 Wohin immer wir uns auf dem wällerigen Erdboden wenden, finden wir in vorgejchichtlicher Zeit eine Bevölkerung, die durch den Urling fan, bzw. van und wan, fen bzw. ven und weln], fin bzw. vin und win und auch won characterifirt wird. Bisweilen tritt noch ein Präfte, 3. B. „Ss“ hinzu, wie in Swaner ftatt Waner bzw. VBaner (in Schweden); bisweilen auch em Sufftr 3. B. „2°, wie in Wand, MWend (VBanpdalen Wenden), wie denn jtatt NWenern Watır (dän. und norweg. wand) gejagt wird umd man jtatt Aen= (oder Win-)berg bzw. flug ebenjo aud) end» (MWind-) berg bzw. Wend- und Windfluß findet. Nie ich joeben bemerkt habe, handelt eS fich bei derartigen Be- zeichnungen im vorliegenden Ierfe nicht um ethnographiiche Begriffe, jondern um Slemente, aus deren Mifchung an verjchtedenen Drtpunften der Erde die ung befannt gewordenen Völker hervorgegangen find, deren Gompofition zu jolchen Gebilden abfichtlich fern gehalten wird. Das durch den Urding Pan Dan, Ban, Ben! Wen, den + Ban beim. . Bae, u. 1... m. characterifirte Clement find jeghafte Horden. Site jeßen fi im Gegenjaß zu den auf dem mehr trodenen Lande fich Ausbreitenden in den feuchten Irederungen fejt, haben zwar ebenfalls die jhiffsförmige Wohnung (Wanne oder Miorea) mit den zwei Seitenjchiffen, wie der einheitliche Vicus, aber im der durch den mehr morgen Grund gebotenen Form des Pfahlbaues, den wir jchon oben tim jener Ähnlichkeit mit allen Wechjelgererhten fennen gelernt haben. te im der altitaliichen; Miythologie die Amata die Schweiter der Benilta, der Geliebten des Wafjergottes Neptun, und in der jlavifchen Mythologie die Mesa die Schweiter der Morana tt, jo it in Wirklich- fett der vis A vissreihige „Vicns“ auf trodenem Lande der nächjte In- verwandte der auf Deen- oder Miorland jtehenden Wanne. Hier wie dort betrachten je jich) als örtlich Umjchlofjene: dort die Vieini bzw. Amati!) als IWBechjelgereihte bzw. Umfaßte; hrerdie Jufammenwohnenden (finiti, finitimi) als Verwandete. Grit infolge des Umfchlofjenjeins Fonnte die Smpfindung des fich Gernhabens erzeugt werden, weshalb eben alsdann Wörter wie „ven’eror die Bedeutung „gevinnen”, gern haben (jfr. van, daher vanas Luft, Wonne, Wohnung) „lieben“ erhalten fünnen. 68 heit weder piychologijches VBerjtändntg für die Entwidelumg der Borftellungen, noch ein Iutereffe für die Grforichung des Ihatjächlichen haben, wenn man von Seiten einiger jog. Sprachvergleicher hört bzw. I) Die jinnliche räumliche VBorjtellung von Amata, die der Venilia gegen- übergejegt wird, beruht augenjcheinlich ebenfalls auf „Umfafjung“, weshalb jEr. amatra das Faf, das Gefäh, ames der Fafjer ift. Amo — th umfange (um: fajje) Dich, amor ich bin mit Div umfangen. 166 Dritter Abjchnitt. bet ihnen ltejt: „verwandt WBarticip zu verwenden“ oder „verwandt ge= hört zu winden“. Ich frage jeden Unbefangenen: tft man damit auch nur einen Schritt in der Grfenntnig weiter gefommen? Die Yufgabe der ifjenjchaft bejteht im erjter inte in der Bereicherung und Vertiefung unjerer Erkennt; was nicht zur Bereicherung der letzteren dient, ijt für die Wifjenjchaft werthlos. Welche Vorjtellung joll wohl bei „verwenden“ und „winden“ zu Grunde liegen? Gtymologifiven ohne jede thatjächliche Grundlage, blos um zu etymologifiren, fan zu feiner wifjenjchaft- lichen Srfenntnig hinleiten. Ic fanır mich vollftändig in den Geilt eines alt£lajfiichen Bhilologen verjeßen, wenn ihm diefes geijtloje Stymologifiren verhaßt tft. Grjt find die Dinge da, alsdann entjtehen durch die Wechjel- beziehung des Menfchen zu ven Dingen die Vorjtellungen von denjelben, umd zur Bezeichnung der letteren, d. h. der Dinge in der Vorjtellung dienen die Wörter. Demmach muß jeder wiijenjchaftlichen Etymologie, wie ich Schon eingangs hervorgehoben habe, die Unterfuchung des Sad): verhalts vorangehen, um die Borftellung zu gewinnen, der das Wort dient. Vergegemvärtigen wir uns den Sachverhalt der oblongen Vfahl- bautenwohnungen, in denen (mad) geradezu mafjenhaft vorliegenden Be- tichten) die Bewohner durd) bewegliche oder" unbewegliche Wände (fines), ein Ausdrud, der urjprüngli nur bei ihnen vorfonmt, durd) den Mittelgang von einander gejchteden und doc zugleich verbunden, d.h. verwandet ind, jo gehört ein großes Borurtheil dazu, um, wenn man darauf aufmerfjam gemacht wird, nicht einzufehen, dal die „Verwandten“ die örtlich unmvandeten find. Wer es nicht weiß, day jede VBorftellung fich auf eine finnliche Anjhanung zurüdführen läßt, mit dem it jede Dis- canfton unmöglich. Gime Merhe von Inalogten werfen darauf hin. Die Sünde des wechjelveihigen Einheitshaufes haben verjchtedene Bezeichnungen, unter denen 3. B. Septum eme der befannteften ift. Das Septum ift ebenfalls eine WVerwandung, welche die beiden Invices = Abthetlungen trennt und zugleich die beiden Meihen verbindet. uch Ddiejer Ausprud yimmt (3. B. in Irland für die Bewohner des oben (©. 137) geichilderten jog. Glanhaufes) die Bedeutung „VBerwandte” an. Die Sept oder die Sippe (sabha, sebhyä, sibbia) it in ihrer räumlich-finnlichen Anjchauung nur eine Umzäunung (sepio = ich umzäune) und zwar, wie wir ebenfalls aus zahlreichen völferfuindlichen Berichten willen, durchweg eine ftriddurd)- tlochtene!), „sieb“= d. h. majchenverwebte, vorhangartige Umzäunung, ein siparium, weshalb einige Neifende zu der Auffafjung gefommen find, e8 wären Stchernege um die Abtheilungen der Männer und Kranen gezogen geween. uch das Wort Sept (durchflochtene Wand) erlangt die Bes deutung Verwandtichaft, zunächit im örtlich-väumlichen Sinne. Ganz I) Nergleiche oben ©. 23 die Schilderung des Srofejfenhaufes. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2c. 167 analog verhält es fich mit Slahta (Schlag). ES giebt nämlich neben dem auf Balken ruhenden Ermheitshaufe noch ein divect auf dem jchlammigen (slam) Zande erbautes Haus, dejien Wände, welche die Männer von den Frauen im Mittelraum jcheiven, die Bezeichnung Schlag, Slahta, Slato, Slachta oder eine ähnlich lautende Bezeichnung führten, augenscheinlich deshalb, weil zum Auspuß der direct in die Erde eingefchlagenen Pfähle, welche durch Nuthengeflecht verbunden wurden, ein aus Schlamm mit Stroh vermengtes Material benugt wurde, das Vorbild der jpäteren Strohlehmwände, welche der Slahta jelbit in ihrer jpäteren Anfiedelung auf dem Höhenlande eigenthimlich bleiben. uch hier betrachten jich die im Schlag Wohnenden als Verwandte, und auch das Wort Slahta er- hält die Bedeutung von Verwandten. Und wie das Wort Wanne, Wanpde, finis 2c., das urjprünglich u die Werwandung im Schiffshaus bezeichnet, auf die Acderabtheilung übertragen wird, jo geht auc) das Wort Schlag, Slahta ze. auf die Aderitücde über. Der Wohnraum tft, wie der Zufammenhang der Ihatjachen, durch den einzig und allein Beweife geführt werden fünnen, lehrt, das jchöpferiiche (Slement im Wrleben der Menjchheit gewejen; und auf die in ihm ges legene Drdmung it alles Spätzeitliche zurüdzuführen. Bon ihrer Bohn: lagerung erhalten jogar die Yandjchaften und Völker ihre erjten (urzeits lichen) Namen. Wie, Schon bemerkt, hatten die am Wafjer oder auf Morland Wohnenden, weil fie ja diejelbe Wohnverfaffung hatten, auc) diejelbe Agrarverfaffung, nämlich die auf Gegenfeitigfeit beruhende Decus pation durch Alle Für Nechnung der Bebauer. Kam aber die Maren — wir fünnen auch) diefen über die Ewde verbreiteten Ausdrud, dem wir oben bei ven Bewohnern von Neuguinea für das Sinheitshaus erwähnten, ges brauchen — mit Wanderhorden im Berührung, jo mußte mancherorts, wer das wäfljerige Land nicht eine ähnliche Herumlagerung der Häufer um das Schiff geftattete, eine andere Lagerordiuug als im Vicus entjtehen. Die bisher gejchloffen an einander liegenden Neihen mußten jich tn ge trennt von einander liegende auflöjen, die je nach der Yage der Dinge bald in geringeren, bald in weiteren Entfernungen von einander jtamden. Daneben aber blieb das einheitliche Wohnhaus, ebenjo wie auf der oberen Ebene (öpyds), im Miorlande vorerjt noc) bejtehen, weshalb wir, zahlreichen Berichten zufolge, jehr häufig neben den fleineren Häufern, die jich die Familien jelbit bauten, das Einheitshaus, auf Veenland, wegen des gleitenden Bodens meilt tm zerfallener Korm antreffen. Anderwärts aber entjtehen an Stelle der beiden durch Wände abgetheilten Längs- fammern zu beiden Seiten des Mittehveges auc lauter Fleine befondere Hütten. Daß die erfteren erjt mit der Kamtliengründung entjtanden find, berichtet jchon Herodot (V 16) von den Päontern: „Die Pfähle 168 Dritter Abjchnitt. unter dem Gerüfte find anfänglic von allen Stammesgenofjen vereint eingejchlagen worden; jpäter aber entjtand der Brauch, da jeder, der ein Werb nimmt, und deren nimmt em jeder viele, drei Pfähle vom Berge Drbelos holen und eimjchlagen muf. Da hat denn ein jeder auf dem Bretergerüft jene bejondere Hütte, worin er hauft, mit einer Klapp- thüre in dem Gerüft, die in den See hinabführt“. Imdejfen find nicht alle Pfahlhäufer in das Wafjer hineingebaut worden, vielmehr finden wir jolche auch auf morigem Yande, anderwärtg auf diejem himwteverum Wohnftätten, die nicht auf Pfählen ruhen, kurz eine Mannigfaltigfeit, die im Ginzelmen zu behandeln, wie bemerft, nicht zur Mufgabe meines vorliegenden Werkes gehört, das jich ab- jichtlih) nur auf einige wenige Eriheinungen bejchränft, welche für die ipätere Agrargefchichte von bejonderer Bedeutung geworden jind. Eine der bemerfenswertheften ijt eine nicht auf Pfählen, jondern unmittelbar auf morigem Grunde entitandene Anfiedelungsform, die durch die Kamiliengründung hevvorgerufen wurde und bei der die Häufer weit von einander liegen. Mach Fr. Seebohm!) hat eine irländiiche Hand- ichrift des Jahres 1100 das vom Abt Slanmacnois im 7. Sahrhundert verfaßte „Buch von der jchwarzbraunen Kuh“ (Lebor na Huidre) ung überliefert. Dort jtehe geichrieben, daß es bis zu den Tagen der Söhne von Aed Slane (im 7. Sahrhundert) weder einen Graben, noc einen Zaun, noch einen Steinwall um Grundjtücde gab, jondern alles ebenes Yand war. Und der Liber hymnorum, eine aus dem 11. Sahrhundert fammende Handjchrift befage: „Sehr zahlreich waren um dieje Zeit, nänı- lid) zur geit der Söhne Aed Slane’s (im 7. SIahrhumdert), die Ein- Ö ! wohner Irlands; und ihre Menge war jo groß, dat fie bei der Iheilung nur 3 Intherle von 9 Immatre Yandes erhielten, nämlic) 9 vom Sumpf- land, 9 vom Waldland und 9 vom Aderland“. Wer find die Söhne Aed Slane’s? Da diejelben mythijche Ber jonen find, haben wohl alle bisherigen Forjcher angenommen. ir werden weiter unten zeigen, day mythilche Berfonen mur auf demjelben Wege zu erfennen find, auf welchem man überhaupt Ihatjachen feititellen Fann, nämlich im Zujfammenhang mit anderen, im ihren Grundmerfmalen ver wandten Srichernungen, was vorausjeßt, day man die bisherige Erfenntnig, die hier Miyitif it, vorerjt ausjchliegt. Meiten hat jchon richtig gedeutet, daß es Sich bei den Söhnen Aed Slane’s um Ginzelhöfe handele, wie denn auch „aed” die Bedeutung von Sinzelhof hat. ur das Slane wird damit nicht zugleich erklärt, und doc it der diefem Worte zu Grunde liegende Ihatbeitand der Lagerordnungen bedeutjan. ') Seebohm-Bunjen, die englijche Dorfgemeinde ©. 150. Auch nac)- aulejen bei Meiben a. a. D.1I. ©. 193 ff. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2. 169 Alle Einzehrofnfige werden durch die Wurzel as, at, aes, aet, os, od, öd und ähnlich, oft auch mit dem DV serbaleonfonant b oder w (bod, bud, wud, wad) bezeichnet. Das Grundmerfmal derjelben befteht in der DVereimfamung, weshalb z.B. as, odin 2. in mehreren Sprachen befannt- ih) auch „eins“ heit. Der Monat der Hebräer, der Ddin der Scan- dinavier, der Adonis der Syrier tft „der Eine”. Hält man fich das Iotal- bild der Ginzelbewohner vor Aırgen, jo ergiebt fi) eine Neihe von Wort- bedeutungen, die in diefer Totalvorjtellung ihren VBereinigungspunft bilden, und man fan jehen, wie oft dev zergliedernde Verjtand die Sprachwurzel je nach Bedürfnig jpäter lautlich modiftcirt hat. Die Ginzelhöfer find „eins“, weil fie vom Ganzen abgetrennt leben; fie find in der Ode, weil vn vereinfamt find, ihr Yand ijt od (öde), nn es ıhmen allein zufteht (allod): 8 ift ihr eigener Grund und Boden. Deshalb wurden in Schweden die alten freien Hausväter, die Ddalborne, auch ‚Männer für fich” genannt. Dat darımter jpäter der Adel verjtanden wird, Itegt nicht in der Sprachwurzel, jondern tm der Ihatjache, day fie „Herren“ wurden; wären fie (won der anderhorde) unterjocht worden, jo fünnte das Wort ebenjo gut die Bedeutung von Diener angenommen haben, wire wir dies jpäter an einer Anzahl anderer Beijpiele erfennen fönnen.!) Doch dies nebenbet. Sharacteriftiich Für alle unter der Da Sprachwurzel genannten Sinhöfer it das DViered; jede aedes (Bude, Bande), mag dazu Holz oder Stein verwendet jein, hat eine oblonge Geftalt, was jchon äußerlich auf die Verwandtichaft mit dem alten Ginheitshaufe (ofxos) hindeutet. — Urjprünglich auf dem morigen Lande heimijch, Tind die aedes (Bupden, Baden) jpäter nad) dem Höhenlande gejtiegen. Wie jehr fie anfangs no) verbunden waren, fünmen wir beijptelsweife an den jchwedtjchen Dpdalbonde erjehen. Die Bonde find befanntlich erjt jpäter Erbzinsbauern (Sfatte Bonder) geworden. Während zuvor Könige, Grafen, Freiherrn 1) Daffelbe ift bei Fan und Fen der Fall. \perall, wo die Acerbautrei- benden (Fanen) zur Herrjchaft gelangen, nimmt die Wurzel die Bedeutung von Herr an, 3. B. im Gotijchen „Fan“, im Bolnifchen Panie, im Ungar. Ban — Herr und wegen diefer Gewalt auch die Bedeutung „böjer Geijt”. Wo da- gegen die Acerbauer unter die Gewalt der Viehzlichter Fommten, wie beijpiels- weije in Irland, wo jte dem Flaith (dent Viehzüchter) gegemüberjtehen, erlangt Fene die Bedeutung von „Unterworfenen”, Zimspflichtigen, weshalb 3. 3. fenum — landijcher Zins ift und venalis die Bedeutung Sclave erhält. Erjt die Schrift- jprache entjcheidet über die Schreibweije. — Denjenigen, welche die Bölfer itatt aus Zujammenjchweigungen, wie ich erweijen will, aus Trennungen aus einem früheren einheitlichen Ganzen, wie den „ungetrennten Sndogermanen” entjtanden denfen, muß es ganz unverjtändlich jein, wie jelbjt bet ein und demjelben Dolfe (Irland) der Ausdruck Venos gleichzeitig die Bedeutung don „Heros“ und „gemeines Bolf” haben fann. 170 Dritter Abjchnitt. und Gdelleute die Bezerchnung Bonde führten,!) erlangt das Wort Bonde jpäter ausjchlieglich Die Bedeutung von „Bauer“, jo day wir auch hieraus jehen, wie man „aus den Trümmern der Wörter“ nicht einmal die Bedeutung der Winzel jelbjt, gejchweige urgejchichtliche Ihatjachen feit- jtellen fan. Gerade an dem Worte Bonde fan man die Crfahrung machen, wie gefährlich es tit, mit einer Fiction und darauf gegründeten Yautgejeßen zu arbeiten. Bonde find nämlich „verbundene“ Ginzelhöfer, d. h. folche, welche veihenweis verbunden auf morigem Lande wohnten. Wer nac) dem Zus jammenhang der Dinge forjcht, den läßt die Frage nicht gleichgültig: wie famı der Menjch zu diefem Begriff? Alle jolche Benriffe laflen fich, wie ich ichon oft hervorgehoben habe, in ihrem letzten Grunde auf räumliche Vor- jtellungen zurüdführen. Wenn die Bodenverhältniffe es nicht gejtatteten, daß die einzelnen Haushaltungen bei einander wohnten, jo entitand jett ein „buntes“ Bild von auseinanderliegenden aedes, die, wenn fie mit einander verbunden bleiben wollten, eines Weges bedurften, welcher den Verfehr vermittelte. Der die Wohnungen vermittelmde Weg Liegt der Korftellung des Bundes zu Grunde. Diejer eg (via, ahd. wec, got. wigs) war in dem auf trodenem Lande errichteten Vieus von jelbit ge geben: der Miittelraum, um dem die beiden Merhen ich herumziehen md wo fie aus einander weichen, das NWeichbild,2) tjt bis heute der natürliche eg des Vieus. Die Morbewohner dagegen muhten Sich, joweit jte nicht in eimheitlichem N ahlbau, wo das Metteljchiff den eg bot, wohnten, dieje Straße jelbit heritellen, und zwar vermittelit einer Pflafterung, Die eben „Bonde" G. B. ffr. pantha, altpr. pinti, lat. pons) heißt. Der Ausdrud it auch hier Nebenjache und fommt verjchteden (auch Brüde, brügge u. dergl.) vor. Hauptjache it vielmehr das dem Ausdrud zu Grunde liegende Ihatjächliche. Das morige Land tft bisher viel zu wenig ein Gegenjtand archäo- logiicher Forichung gewejen. Durch die in wirthichaftlichem Suterefje vor= genommenen Torfitechereien it außerdem der Archäologie Vieles verloren gegangen; Doch haben wir im Diejer Hinficht noch genügend fichere Yln= haltspunfte, um jolchen Bonden (pontes) nachzugehen. Grit vor wenigen Sahren it 3. DB. durch den Alterthumsverein in Münfter ein Bohhveg tim Mefen’ichen Vene aufgedeckt worden, worüber zuerjt der Münfterifche nz zeiger vom 18. Sunt 1894 Wr. 161 folgende Mittheilung brachte?): „Der ') Dalin’S Gejchichte von Schweden I. &. 50. 2) Hierauf bejchränfte fich in jpäter Zeit auch die Nechtiprechung. Der Ausdruck bleibt beftehen, als fich aus den Vicıs die oppida (nicht urbes!) bilden und erhält alsdann die Bedeutung Stadtviertel. Darüber werde ich in einent bejonderen Werfe Iprechen. 3) Ich entnehme die Schilderung den „Nachrichten über deutjche Alterthums- funde” 1894 unter Nedactton von N. Virchow und AU. Bo Berlin 189. £. 63: „Pontes longi int Mefen’schen VBenne, Münjterland“. -) C® N _ Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2c. 171 aufgefundene Bohlweg Itegt 2 Fuß tief in dem vom ZIorfe entblößten Boden; jeine Grundlagen bilden Gichenftämme von verjchiedener Gröfe, in Abjtänden von je 2 Fub von Dft-Dft-Nord auf Sidwelt laufend; über diefe Stämme jind vierfantige Bohlen, ebenfalls von Kichenholz, »icht neben einander gelegt, ihre Breite tt verichteden, jedoch nicht unter 18 cm, ihre Stärfe beträgt durchjchnittlicd) 12 em. Dieje Bohlen find augen- icheinlich mit Beilen und Sägen hergejtellt, vermodert und von halbarauer Farbe; der Luft ausgejegt dunfeln fie nach, auch wird die Gonfijtenz feiter, jedoch läht fich die obere Schicht zerreiben. — Die Breite des Bohlweges it auf 17,10 m fejtgeftellt; die Länge tft noch nicht ermittelt, weil die Arbeiten wegen vorgerüdter Zeit und hohen Grundwaflers eingeftellt werden mußten, fie jcheint jedoch nicht über 50 m hinauszugehen“. Diefe Aırlage eines Bohlweges wird mu von minfteriichen Nefe- venten, wie folgt, gedeutet: „Die ganze Gonftructtion des NWerfes deutet auf eine milttärijche Anlage hin. Bon Bauernhand it es auf feinen Fall hergeftellt (sieh); ein Weg führt nicht auf die Fumdjtelle; auch hätte eine derartige Brücde in tiefen Moren, wo feine Spur von Kultur zu entdecen tft, für bänerliche Zwede abjolut feinen Werth gehabt (sie)). Die Breite der Brüce fällt auf, da die römiichen Strafen in Nhermland und Weftfalen geringere Dimenfionen aufwerlen; ziehen wir jedod) den Umftand in Betracht, dag diefe Brüde nur als Sohle und Nahmen emes Frodammes im umficheren jchlüpfrigen More dienen jollte, jo ericheint die große Breite exit begreiflih. Demm unter Pontes longi find wohl ichwerlich Holzbrücden im eigentlichen Sinne zu verjtehen, jondern Grd- dämme mit einer VBohlenunterlage, wie dies aus dem ‚quondam a L. Domitio aggeratus‘ erhellt. VBergter, welcher die Nömerftraßen in Italien und der Wrovence umterjucht hat, Fand Straßen von 60 Fuß Breite, welche einen gewölbten Mittelweg und zwei Seitenwege von je 20 Fuß Breite hatten, ferner folche, bei denen die Seitenwege mır halb jo breit waren, deren ganze Negebreite alfa 40 Fuß betrug, md auc) Straßen von 20 und 14 Fuß Breite.” Ic möchte zunächft darauf aufmerffam machen, day der zur Deutung eingefchlagene Weg vom Standpunkte des Statijtifers aus nicht correct it. Woher wei man, daß die „ganze Gonftruction’ „Für bäuerliche Zwede abjolut feinen Werth hatte"? Hier fünnen doc) unmöglich die Zwede einer jpäteren Zeit, etwa der Gegenwart, in Betracht gezogen werden, jondern, wenn man die „bäuerlichen Zwede”, fer es zur Verneimung, jei e5 zur Bejahung des Zweds, überhaupt ins Auge fafjen will, jedenfalls doch nur die Zwede in Betracht fommen, welche die Bauern zur Zeit, als jie die Brücde bauten, hatten. Alfo jelbjt zur VBerneimung tt e8 geboten, auf die „bäuerlichen Zwede“ zur Zeit des Baues der Pontes 172 Dritter Abjchnitt. longi zurüdzugehen. Aber e8 darf bei der Erforichung des Ihatjächlichen niemals ein Srfenntmißftandpunft Platz greifen, der in dem Ihatjächlichen garnicht geboten it. Die in den Gricheimungen liegenden Ihatjachen haben vielmehr ihren Zufammenhang für fich, und diejer it vorerjt aus dem Grundmerfmal verwandter Ericheinungen zu finden. Der Benußer einer Straße oder Brüde ift nicht zugleich ihr Erbauer. Somit it durch den Beweis, den der Berichterftatter über die Pontes in Miünjterland führte, das e8 fich) nämlich „um den Verwültungsfrieg des Sermaniceus gegen die Brufterer 15 n. Chr., wie er in den MAırnalen des Tacttus I. 60 bejchrieben tft, handele“, nicht zugleich auch erwiejen, . die Nömer die Erbauer jener Brücden waren. So jehr ich aus der Be- jchreibung des viertägigen Nampfes der Nömer mit den Germanen, wonad) man jich endlich aus dem Moore herausarbeitete und Vetera erreichte, wo Agrippina, die Gemahlin des Germanicus, Die heimfehrenden Krieger an der Brüde empfängt, überzeugt bin, dafz die Ortlichfeit vom Berichterjtatter über die Pontes longi im Nefenjchen VBenne gut bejtimmt ift, jo wenig bin ich davon überzeugt, dat die Nömer die Brüden als eine „militärtjche Anlage“ erbaut haben. Ganz abgejehen davon, daß der Name „Bruf*terer auf jte als die „Brüden’-Wohner hinweilt, ergiebt der ganze Sachverhalt, daß hier in einer Gegend von „unabjehbaren Sümpfen, Moren, vielen Hächen und Ninnjalen’, wie der Verichteritatter obiger Mittheilung in Übereinftinmmmng mit Zacitus (Mm. I. 63. 64) die Gegend fchildert, nur eine Bevölkerung haufen fan, die, ähnlich wie die Bonde in Schweden, eine durch Brücen (pontes, Bonde) verbundene MWohnlagerung haben. Koch heute heift das Sumpfland „Bruchland“ oder „Brudland“, aber nicht, weil e5 gebrochen ift oder, wie man apriori jpeculivt, weil Wafjer daraus hervorbricht, jondern wegen der Pflafterung (brüggen — pflaftern), die, um es verfehrbar zu machen, nöthig war. Die Formation der pontes hängt jelbjtverjtändlich von der Neihen- lagerung der Wohnungen ab, denen die Bonde dienen, weshalb man bei Ausgrabungen diejes Umftandes eingedenf jein und nicht im diveeter Mich- tung graben mu. 68 liegt in der Natur der Dinge, da der pons auf den mortgen Yande mehr [chlangenfürmig gewunden auftreten muß, weil eben die Einzelwohnungen mur in Windungen ic) auf Bruchland hin- ziehen fünıten. Die Söhne Aed Slane’s, deren im 7. Sahrhundert das „Lebor na Huidre” gedenft, find die durch jchief laufende Wege (Schlangenwege — slan) verbundenen Sinzel höfe (aed), Die eben — und darin zeigt fic das Symptom der erwähnten Übervölferung — auf Sumpfland angewtejen waren. Veshalb man den Ausdruck „Lebor na Huidre“ mit „Bud) von der jwarzbraunen Kuh“ überjett, vermag ich nicht zu fafjen; es tjt Die Neihenlager der Beivohner der Ebene 2e. 173 das Buch) von der Hydra, der Wafferfchlange, die allen Wander-Völfern, welche mit den Bewohnern des wäfjerigen Landes in Berührung gelangt find und worüber wir im mythologtichen Iheile diefer Arbeit noch zu iprechen haben werden, zu einer bejonderen Meyjtif geworden tft. Was bei den Schweden „orsmar" (micht zu verwechjeln mit Drafar, Drachen), das it bei anderen Völkern jlan, bei wieder anderen hydra. Auch Ddieje jchlangenreihigen Sumpfwohner find urjprünglich veme Acderbaner. Nur find fie nicht mehr in der Lage, wie die Viei umd zweireihigen „Gewanmdörfer" (die Vanen), in Gewannen „ab universis in vices’ die Acer in Bett zu nehmen, weil es das Zerftreutliegen der Wohnungen auf dem von Gewäfler durchbrochenen Morlande und diejes jelbjt es nicht mehr geftattet. Die Schlangendörfer, wofür wir jehr qut als internationalen terminus technicus „Aed-Slane“ gebrauchen fünnten, verlieren zwar nicht ohne Weiteres ihren Ginheitsgeift, aber die ZXage des Aderlandes muß nothwendig zu der Hofitelle eine andere werden, indem jeßt jeder durch Gräben, welche das Waffer durchlajjen und einen Dammartigen Aufban hervorrufen, vom Andern getrennt wird, jo daß jede Hofjtätte von der andern abgejchlofjen erjcheint umd jeder Sinzelne jein Aderland in einem einzigen regelrecht verlaufenden Streifen hinter dem Hofe hat, wodurd eben es entjteht, daß die Höfe in Schlangenform an der Strage aufgereiht liegen und hinter ihnen jeder fein Belttthum hat. Setzt fich diefe anfangs unbewußt vollzogene Handlung in der Vor= jtellung der Betheiligten fejt, jo entitcht daraus Gewohnheit, die es eben bewirft, day die „Söhne Aed Slane’s” Gräben und Zäune in gejteigerter Kahahmung zur Anwendung bringen. Das Ziehen von Gräben tt, mit dem Piychologischen Mafitab gemefjen, das denkbar Kinfachjte. Den Waffers lauf zu verfolgen und hier dem Natürlichen durch Kumft nachzuhelfen ver- Iteht ichon das Kind. Ieder meiner Lejer dürfte beobachtet haben, wie jelbit die Eleinften Kinder nach einem jtarfen Megen oder plößlich einge tretenen Ihauwetter, ohne day ihnen Jemand dazu Inwerfung giebt, mit der Hand oder mit einfachen Werkzeugen (einem Stüd Holz) die jchönften Gräben zum Ablauf des’ MWaffers ziehen und infolge vdejjen auch gaız Itattliche Dämme herzuitellen vermögen. Das morige Land tt zu diefem Beginne aber ganz bejonders geeignet. Stieg man beim Ausgraben auf Straudwerf, jo wird man diejes zum Dammbau natürlich mitverwerthet und unbewußt dazu beigetragen haben, dag die Wurzeln ausjchlugen und emen natürlichen Zaun hervor= brachten, der den Aderbau in feiner Weile ftörte. Ia, im Gegentheil: erfannte der Menjch die wohlthätigen Solgen, welche Gräben und Damme bau mit Eimjhlug von Steimwällen und der unbewupt vollzogenen Um 174 Dritter Abjchnitt. zäunung hatte, jo ahmte er dies in verjtärftem Mafitabe nach, und jo entjtand num das, was in der früheren Gemengemwirthichaft, wo die Acer offen durchein- ander lagen, unbefannt war „bis zu den Tagen der Söhne Aed Slane’s“, die wegen der Ibewvölferung auf das Morland hinausgetrieben wurden. Da jeder Damm eime Art Ginhegung im jich jchlieft, jo darf es ung nicht under nehmen, wenn wir in den Aed Slan’s, im denen jede aedes von dem ihr zugehörigen Aderlande umgeben it, von Gräben oder Heden eingegrenzt wird. Und werl auch hier, wie überall der Nachahmungs- trieb nach Geltung jtrebt, jo wird ein jolcher anfangs zweclos und durch Zufall entjtandene Juftand mit um jo größerer Zähigfert nachgeahmt und fejtgehalten, je mehr die Meflertion des Verftandes Anhaltspunfte für die Swecmäßigfeit eines jolhen Zuftandes zu gewinnen vermeint. So dürfen wir es uns erflären, wie die „Aed Slane”, nachdem fie mit dem Höhen lande, denen wir im nächhten Abjchnitt den Namen Goland (Gaea) geben werden, befannt geworden waren, auch hier auf dem unfultivivten Wald- land, nicht blos die jchlangenartige Merhenordunung, jondern zugleich auch) die auf Morland entjtandene Umzännung aufrecht erhielten. Wir fünen diefe Schlangenanlagen auf Gebirgsland, beifpielsweife im jog. Odenwald, der nac) den „Söhnen Aed Slane’s“ benannt wıde, da eben Dd tdentijch nit Med it, beobachten. Die urjprüngliche Heimath derjelben ijt aber die Wwallerreiche Ebene. 5 it num auch hier jedenfalls fein jprachlicher Zufall, dag in den Slandörfern der übliche Strauch zur Umfaljung der Felder jich ebenfalls auf das Wort „slan“ zuvüdführen läßt. Befanntlich dient dazu vorzugs- werje die Schlehe, ein dorniger Strauch, der jchwedich slan, dän. slaaen, angelj. slahae, ndl. slee zc. genannt wird. Gr it der Wildftrauch der veredelten Pflaume (prunus domestica), die im den Viederungen 5. DB. lit. slywas, ajlov. sliva heißt; die hajelmufgroße jchwarzblaue Schlehe hat einen herben jünerlichen Gejchmad, weshalb abhd. und altjäch]. sleo die Bedeutung jauer hat. Damit der Lejer ein Bild eines Aed Slan erhält, theile ich, auch) wer es nicht auf Morgrund jteht, aus Meitens jchon mehrfad) ge nanntem Werfe (I. Band ©. 51), mit der gütigen Grlaubnig feines Herrn Berlegers, das dajelbit abgebildete (im Königreich Sachjen bei Mittweida gelegene) Franfenau mit, welches urjprünglich nicht jo ausgedehnt gewejen ein dürfte, wie gegenwärtig. Wir jehen hier die Acer in einheitlich langen Streifen dicht hinter den Höfen. Meigen nennt c8 ein „Methendorf. Aber Ddiejer Ausdruck dürfte unpractiich jein, da eben alle „Dörfer“ ohne Ausnahme Neihendörfer find; nur day die Neihen bald jchiffsfürmtg, bald Ihlangenfürmig, bald einjeitig langfürmig und bald auch, wie wir im übernächjten Abjchnitt jehen werden, vingfürmig fi. Was Meigen Sig. 4. Das jchlangenreihdige Franfenau im Königreich Sachjen. Hanfendorf nennt, ift ein Gonglomerat verjchtedener Neihenlager der aller- jpäteften Zeit, hervorgegangen aus einem Jujfammenftog wandernder mit jeßhaften Horden. Die Neihenlagerer auf der Ebene waren in Urzeiten ausnahmslos jeßhaft und, injofern jte Acerbauer waren, Acerbauer ohne Viehzucht, die „feine Wiejen abjonderten”, jondern nur „Saat dem Boden anvertrauten“. Wollen wir von wandernden Aderbauern jprechen, jo fünnten wir mur die Bewohner auf morigem und wäljerigem Lande als jolche bezeichnen, indem jte früher als die andern „Acerbauer ohne Viehzucht” genöthigt gewejen zu jeim jcheinen, das Höhenland aufzujuchen und nac dort ihre Kinrich- tungen zu verpflanzen. Db es fich hierbei nicht aber ebenfalls nur um eine Ausbreitung, nicht um eine wirkliche Wanderung Handelt, wird (wenigitens mir) jcehwer zu bejtimmen. Das Eine tft mir aber gewiß, daß Die Seen- oder Morbewohner, weil ihr Aderbau höchjt mühjälig war, am früheiten von allen Aderbauern, wenn jte (die Benen) nicht zur Jagd (venatio) und Fijchfang übergingen, DVBiehzüchter geworden find. Dap Diener bezw. Wopdiner, Wupdiner, Bupdiner oder wie ihre Namen jonft 176 Drtiter Abjchnitt. lauten, zu einem Umberjchweifen genöthigt waren, liegt theils in den WVer- hältnifjen ihres Bodens, therls aud), wie bei den an den Ufern des Nheins wohnenden Ubtern und Brufterern an dem QTurbiren durch die Wander- horden, wie wir noch jehen werden. Daraus mag e$ jich erklären, daß 3. B. im der bulgartihen und, ungarischen Sprache Budojas die Bedeutung von Herumjchweifenden angenommen hat. Das die Ginzelhöfer, namentlich die auf Morgrumd direct ange= bauten, eine unruhige Mafje gewejen find und = Vtachbarichaften oft hart mitgenommen, (der Kampf der en mit den VBanen) bzw. fich zu ihren Herrichern aufgefchwungen haben, wenn jte auch anderwärts unterjocht wurden, jowie dab fie nach dem Höhenlande frühzeitig (Asagorod) ge- jtiegen und fich überhaupt ihrer ganzen Xage entiprechend, weil jte fich allein nicht halten konnten, immer vermicht haben, worurd) jie ihre große Ausbreitung bewirften, tft eine nachweisbare Ihatjache. Sie haben fich frühzeitig mit Viehzüchtern verbunden, waren es aber nicht von Haus aus. Das ift eben der Grumpfehler in der Auffallung jo vieler National- öfonomen, daß jie Viehzucht für eine WBorjtufe des Aderbaues halten, eine Arffaffung, die, ganz abgejehen von dem jpäter zu erörternden That- bejtand, mit dem Begriffe Entwidehmg in MWiderjpruch jteht. Durch) welchen Gntwidelungsmotor fann ein Viehzüchter Acderbaner oder ein Acerbauer VBiehzüchter werden? jener doch nur durch diejen und diefer nur durch jenen. Diejer Grundfehler liegt auch der Auffallung Meiken’s in Bezug auf die Beurtherlung der Söhne Aed Slane's in Irland zu Grunde. Meigen denft fich zu jener Zeit in ganz Irland zunächit eine be= wegliche Mafje von VBiehzüchtern, die jehhaft wird und nunmehr zum Acerban übergeht, aljo einen Zuftand, wo e3 überhaupt feinen Mderbau giebt. Dazu treten mun noch eine Anzahl Vorurtbeile, unter. denen die Stetion des einjtmaligen ungetrennten Indogermanenthums, aus denen auch die „irtjchen Kelten“ hervorgegangen jein jollen, feine geringe Nolle jptelt, weshalb Meiten beijpielswerje It dahin ausfpricht, „es habe ji Schon zur geit König Gornac'’s (905—908) die alte Sprache der Iren im Zus jtande größerer lautlicher Zerfeßung als irgend eine andere imdogermanijche Sprache befunden“.') Ich jollte meinen, day man bei der Unterfuchung des Ihatjächlichen zur Erkennung urzeitlicher Zuftände ee jolche Fiction zu allererit abjtreifen müfe, um eben veime Ihatjachenmerfmale vor jich zu haben. Durdy welche Factoren joll denn eine fjolche lautliche Zerjegung bewirkt werden? Kann denn im irgend einer Sprache ein immtanentes Movens gedacht werden, welches diejelbe zu zerjegen im Stande ijt? Eine Beränderung fann doch immer nur durd) Berührung mit einem von außen D) Metigen, Siedelung uud Agrarıwejen I. ©. 180. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene ıc. Ike fommenden Factor bewirkt werden. Schon der Begriff „Eutwicelung“ wert uns auf eine Analyje dev Bevölkerung Irlands hin, die und zeigt, dal hier große Gegenfäte auf einander platten, um fich jpäter zu mijchen. Schon von Alters her hat es in Irland zwei heterogene Beftandtheile gegeben, nämlich die Erin (Eirinn), deren jhon im der Argonautenfage des angeblichen Drpheus Srwähnung gejchieht und fodann die Gooidhal (Gaoidhleag). Grjtere find die jeghaften Bewohner des Arlandes, jene die (zwar jchon gemijchten) Wanvervölfer des Golandes. Zu jenen ge- hören auch die Odeyvexot (nach) Wtolemaeus) d. t. die Venen oder Mar: m Wir haben es vorläufig nur mit den Bewohnern der Ebene zu thun, d. h. mit den Iren. Dieje find eben die Aderbauer. Yon den beiven Vorurteilen getragen, dal die Bewohner Irlands ein Abzweig der Sndogermanen jeten, über deren Sriftenz bisher mod) Nie mand etwas Greifbares zu berichten im Stande gewejen tft, und daß fich aus wandernden Viehzüchtern jeghafte Aderbauer entwicelt hätten, Hält Meigen Die Iren durchweg für Kelten und glaubt, das oben (©. 137) gejchilderte Säulen- haus mit feinen PBarallelveihen habe „einer eigenartigen Drganifatton des früheren feltifchen Hirtendajeins” entiprochen. Die vunden Hätten dagegen, die um das Haus herumltegen und worin wir jpäter gerade das Hirten: dajein erbliden werden, „dürfen (nach Meigen) außer Betracht bleiben”. Co fommt denn Meißen zu ver Auffaflung, „um 600 n. Ghr. fer die Bevölkerung des Landes auf dem Punkte angelangt geweien, daß die alte Weivdewirthichaft mit geringfügigem Aderbau zum Unterhalt nicht mehr ausreichte, jondern die Nothwendigfeit erfannt wurde, zu vegelmäßiger Acderbeitellung in dauernden, feit eingezäunten, aljo auch der allgemeinen Weide nicht mehr zugänglichen Kämpen überzugehen, wie fie uns nod) heute überall auf den trijchen Slurfarten begegnen“. Selbjt durch den ehr gewichtigen und jcharflünmigen, leider nicht tief genug eindringenden Hinweis Seebohms, day vor der Umzäummg der Felder ein Zuftand dev Gemengelage in Irland bejtanden haben müffe, läßt ji) Meigen von jeinem Vorurtheil nicht abbringen und hat gegen- über Seebohm nur Folgendes zu bemerken: „Seebohm hat die Yırgabe des Abts von Slanmacnois allerdings anders aufgefaßt. Gr glaubt ihr entnehmen zu müfjen, daß vor dem Wuftreten der Jäune und Mauern auf dem ebenen Felde Feldgemeinjchaft beitanden habe, ». h. die von thm rundale oder Nunrigsjyiten genannte Gemengelage der Grumpdjtüde der einzelnen Befiungen. Diejelben hätten tim einzelnen immaires, aljo in Flächen von acre-Größe gewannartig durcheinander gelegen. Cine jolche Geitaltung der Feldlage würde völlig der entjprechen, welche, wie gezeigt wurde, überall auf dem national deutjchen Gebiete entjtand, und bis auf unjere Zeit gekommen tft. Zu diefer Memung it Seebohm Ddadurd) Mucke, Urgeichichte. 12 178 Dritter Abjchnitt. veranlaßt worden, day ich Dieje gewannförmige Auftheilung der Feldfluren mit Feldgemeinjchaft, welche im jeder Beziehung, auch in ihrer jtrengen Hufenwerfaljung, mit der deutjchen Bejtedelungsweile übereinjtimmt, in Sngland mit Sicherheit jchon bei den Angeljachjen in weiter Verbreitung vorfindet, und day ihm dort einige Spuren davon aud) jchen aus römi- icher Zeit zu ftanımen jcheinen. Ferner find in Wales, Schottland und Seland eine Inzahl Berjpiele von Feldgemeinjchaft, theils auf ganzen Sluren, theils auf Almendeland, befannt, von denen einige jogar nod) neuerdings in Schlagwirthichaft mit wechjelnden Bejtte der Streifen in den Schlägen bewirthichaftet worden find“. Was Meiten Seebohm gegemüber einzuwenden hat, beruht eben- falls auf der aprioren Annahme, man habe auf dem betreffenden Bopden Vieh gehalten, „es jet die Erhaltung von 300 Kühen bei Feldwirthichaft ebenjowenig möglich gewejen, wie bet Weidewirthichaft". Die 300 Kühe berechnet er aus der GSimrichtung des „alten Stammbhaujes, das im 4 Duarters getheilt gewejen jet, deren jedes eine Heerde von 75 Kühen gehalten habe“. Und „aus diefem Grunde ergebe jich feine Veranlafjung, den nad) der Natur des Drtes und der Umftände einfachiten Gedanfen abzuweijen, day die Weidewirthichaft in Irland bis zur Anlage der Einzel- höfe bejtanden habe, und diefe Iheilung, wie die Nachrichten bejagen, eintrat, weil Die jtarf angewachjene Bevölkerung dazu zwang, zum fejten Anbau überzugehen“.!) um bejagt aber die Angabe des Abt’s von Glanmacnois — und um Ddieje allein handelt es fich hier — gar nichts von „Zwang zum fejten Anbau überzugehen”, jondern nur, „daß die Eimwohner Irlands jehr zahl- veich und ihre Menge jo groß war, daß man nur wenig Aderland erhalten fonnte*. Von Vieh- und Weidewirthichaft und Übergang zur Sehhaftigteit jteht in dem Berichte abjolut nichts. Mit demjelben Nechte als Meigen behauptet, die Bevölferung Irlands jet von der Viehzucht zum derbau, fanın man auch die Gegenbehauptung aufjtellen, fie jet — Doc) Dies gilt nur von der Ebene — vom Aderbau zur Viehzucht übergegangen. Der Beweis fann hier wie anderwärts nur aus dem Jujammenhange der Gricheinungen geführt werden, niemals aus blogen VBorausjegungen. ir haben oben an der Hand des Tacitus nachzumwerjen gejucht, das es in Germania einen primitiven Aderdbau gab, wo man noch feine Viejen abjonderte und nur Getreidefrucht beitellte, alfo einen Aderbau ohne Brlug und Spannvieh, der unmöglich aus einem vormaligen Ju= Itande reiner Viehzucht fich entwidelt haben fan, weil dasjenige Grund- merfmal fehlt, welches die Gontinuttät beider heterogener Jujtände ver: mittelt. Gm Hauptceharacteriiticum diejes Aderbaues it e8, daß die Felder Meiten a. a 2.1 ©. 19. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene X. 179 nicht umzäunt, jondern offen im Gemenge durch einander liegen. Wenn uns aljo berichtet wird, day bis zu den Söhnen ed Slane’s in Irland es feine Umgang gab, jo dürfte die Kolgerung, daß es bis zunr 6. Sahrhundert in den Miederungen Irlands ähnlich wie in den Thal» ebenen Germania’s ausgejehen habe, um jo wentger gewagt jeim, als über: dies Spuren einer Gemengewirthichaft hier vorhanden find. äher auf die iwländiichen Verhältnifje, joweit fie die Bewohner der Ebene betreffen, hier einzugehen, dürfte über den Nahmen meter Theorie hinausgehen. Des Zufammenhangs wegen werde ich bei Be- trachtung der Viehzüchter auf Irland zurücdtonmen. Für das Verftänpnig und die Beurtherlung urzeitlicher Zujtände — dies wird jchon jett jedem meiner vorurtheilsfreten Xejer nicht entgangen jein — it ein jcharfes Ausernamderhalten dev Bewohner des ebenen Landes von den Vewohnern des Gebirgslandes dringend geboten. Die Bewohner des Ar= und Marlandes find augenjcheinlich viele Sahrtaufende hindurch eine — wenn wir jo jagen dürfen, was wir aber bejjer nicht thun — Menfchenrafje für jich gewejen, die in einer bejonderen Wechjel- wirfung zu der fie umgebenden Aufenmelt geitanden hat und die überall zum Aderbau ohne Pflug und Spanmwich hingeführt worden tt. Wir dürfen fie nicht Cultores, jondern wollen fie Aratores nennen. Denn ihr hauptjächlichjtes Werkzeug it das aratrum (&parpov, altır. ardhr, böhm. oradlo, aljlav. ordlo), eine nach oben breiter zulaufende tır die Armböhle einzuftänmmende Nißjtange, die in ihrer. umgefehrten Verwendung gleic)- zeitig als Muder diente (daher jfr. aritra Muder). Der Pflug tt ihnen nicht eigen, und erjt durch die Vichzüchter ihnen überbracht worden. Um jedoch) für fie gegenüber den Bewohnern des Höhenlandes einen allgemeinen Namen zu haben, wollen wir fie fortan „Arter” nennen und werden deshalb beiipielsweife von „arijchem” Lande, „arijchem” Betrieb u. j. m. jprechen. Db wir zum Gstand Diejes ones dem die Yimquiften und Hiftorifer eine engere Bedeutung beilegen, berechtigt find, wird jich erweifen, wenn ich meine Darftellung in den folgenden Abjchnitten zum Abjchluß gebracht habe. Mir jind die Arier die Bewohner des ebenen Yandes, und ic) werde im letzten Abjchnitt, wo ich den Kampf der Horden der Hera (der Arier) mit den Horden der Ge oder Gaea jchildern werde, aus der Rigweda erweifen, da auch in Indien die Arya nichts anderes als die jeghaften Urbewohner der Ebene waren, die Aderbau trieben und die durd) Lage der Umstände genöthigt wurden, zur Viehzucht überzugehein. (85 find eben die Arier, deren Wohnlagerung durd) die Längs- ( (echiel- und Schlangen=) Neihung d et wird, tn der Urzeit eine Bevölferung für fich, die augenscheinlich viele Sahrtaufende hindurch die Ebene bewohnt und nur fie allein in Urzeiten bevölfert hat. Ihre characteriftiiche erite 12* 180 Dritter Abjchnitt. Wohnung it bis zum Auftreten der KSamilie, durch) die der Vicus und die Nedeftcta entitanden, das Schiffshaus, die Arche, deren Gejtalt wir ihon oben bejchrieben haben. Site tft es auc) gewejen, die es ermöglicht hat, die Arya über die Erde auszubreiten. ie dies ermöglicht werden fonnte, läßt jich immerhin noch aus den objeetiven Merkmalen der VBölferericheinungen reconftruiven. Noch gegemvärtig jollen mehr als zehn Millionen Meenjchen, bejonders in den Tropen, in Pfahlbauten an den Flüffen wohnen, und daß auch in Suropa Städte wie Amfterdam und la bella Venezia aus jolden Wohnlagern hervorgegangen jind, tt befannt, was uns eben erklären fan, dag wir die Vanen, Venen, Sinen 2. (im urgejchichtlichen, nicht ethnographiichen Sinne gefaßt) überall antreffen. Aber man hat auch im die Flüffe umd Meere jelbit hineingebaut, jo daß wir noch gegenwärtig jchwimmtende Hänfer, auf Sloghölzern erbaut und mitteljt Ahnferjeile an das Ufer be= feitigt finden. So beijpielsweije vielfach auf Borneo, wo fie der dänijche Mteifende Karl Bod (Unter den Kannibalen auf DBorneo, Senna 1882, ©. 27) in Tangarung umd in Samarinda erwähnt. Gbenjo in Siam: auger in AMyuthia (Yuthia) namentlich in der Hauptitadt Bangfof, wo. deren Bewohner als „Sipaht” bezeichnet werden; es joll hier mehr als: 12000 jchwinmende Häufer geben, die fich alle ähnlich jehen. „Man benuße te nicht, weil das Ufer feinen Naum mehr für die Menfchen hätte; im ihnen machen die Injafen ihre Neifen und manchmal jchwinmen ganze Strafen gleichzeitig Fort... Es find gewöhnlich nur zwei Ge= mächer, eins für die männlichen und. eins für die weiblichen Injafjen vor= handen“. Bei diejenm Fortjchwimmen „fügt es mitunter das Mipgejchid, dab einige Balken unter ihrer Laft hinweggleiten. Dann neigt jid) das Haus oder, wenn man lieber will, die Holzbude zur Seite und gleicht einem Schiffe unter Segeldrud“.T) Safjen wir dieje Schilderung ins Auge, jo fünnen wir uns dem. Vroblem, wie dev Urmenjch zur VBorjtellung des Baues einer Yrche, Dam. eines großen Schiffes gefommen tft, nähern. Demm wenn wir nicht mit: Morgan aus „Gedanfenfeimen, unter der Ninleitung einer natürlichen. Yogif, die eim wejentliches Attribut des Gehirns ausmacht“ (val.. obem. ©. 80) die Idee, em Schiff zu bauen und im das Meer hinauszujegelt, entitehen denfen, wenn wir uns vielmehr auf den Boden der empirischen Biychologie, nach der Sich alles auf eine räumlich-finnliche Anjchauung zus vüdführen lafjen muß, jtellen woken, jo müfjen wir uns eben ein ähnliches, wie das vorgeführte Bild vor die Seele dejjen führen, der die Yrcje er= fand und mit ihr weiterichwanm. !) Darüber nachzulefen bei Fr. v. Hellwald, Haus und Hof. Yeipzig, 888, ©. 119 ff. Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2. 181 Srfunden fommte fie nicht von den Gebirgspölfern werden, jondern nur von den Bewohnern des niederen Klachlandes und zwar von denjenigen, die an den Fluße und Meeresnieverungen wohnten. Dieje hatten eben die Wohnung, deren Geftalt einem umgejtürzten Kahn glich und im deren Innern auf der einen Seite die Männer und auf der andern die Werber wohnten, die durch einen Meittelraum, den Durchgangsraum, von einander abgewandet, im übrigen aber zugleich einheitlich durd) die Hauswände ver- wandet waren. Gin jolcjhes Haus tft eme Wohnung pro universis in vices oder, Wie wir aud) jagen können; eine Wanne der Irter, eite Irche, ein Schiff. Sowie noc) gegenwärtig „mitunter das Mingejchiet ich fügt, daß einige Balken unter ihrer Xaft hinweggleiten, Ss Mn ) das Haus zur Seite neigt”, jo fan e8 auch im Urzeiten gewejen jet, da die Bedingungen, welche einen jolchen Juftand herbeiführen, Wind und Wetter, unzweifel- haft diejelben gewejen jein werden, wie gegenwärtig, und im Ddiejer Des ziehung fich nichts geändert haben dürfte. Sind Grund und Bedingungen diefelben, jo entjtehen gleiche Zuftände. So konnte es gejchehen, day überall da, wo gleiche Urjachen gleiche Wirkungen hervorbrachten, die Arche ins Meer hinausgetrieben und von den Meeresftrömumngen erfaßt fourde, um irgendwo, wo bisher noch feine Menjchen wohnten, ans Ufer gejpült zu werden, wodurch der Verbreitung der arifchen Bevölterung über den Erd- freis Vorfehub geleiftet wurde. Hier angefommen, werden fie diejelbe Lebensweije fortgejeßt haben, die jie früher hatten und deshalb diejelben Fbenen aufgefucht haben, die ihnen früher die Nahrung boten. Waren auf der unfreiwilligen Neife ihre Vorrathsfammern noch wicht erjchöpft und waren fie bereits Aratores, jo wird durd) fie zugleich Die Getreide frucht übertragen worden fein; entgegengejeßten Falls werden fie die ihrer bisherigen Gmährung entjprechende Frucht, Die fie im der neuen Welt fanden, angenommen, bzw. angebaut haben. Die Gefchichte von der „ichwimmenden Arche” Fan fich unzählige Male auf unjrer Erdfugel wiederholt haben, und wenn wir ihrer in ven Sagen der Völfer wiederholt begegnen, jo brauchen wir nicht an „Ent Ichnungen“ zu denken, weil eben gleiche Worftellungen gleiche Gedanten und gleiche Mythen erzeugen. Nur die Ausbildung der Diythen, weil jte unter verjchiedenen Bedingungen ftatthat, wird eine andere jein und it in der That eine andere gewejen. Die Sage der Argosnauten bei den Griechen, die Sage der Arche Noah bei den jog. Semtten und Yramäern, die Gefchichte der Wikinger bei den Schweden [ind in ihrem Grundmerkmal identifch. Bei den letteren ijt es der „Vicus’, der die Wiftnger ent jtehen macht, bei den erjteren die „Arche“; mur wird bei den jog. Semiten das Wort „Noah“ perjonifichrt, wie fi) z.B. die Amphiltyonen auf 1 18? Dritter Abjchnitt. Amphiftyon (den Herummwohnenden) zurädführten, während die Griechen ihre Sage auf das breitefte ausjchmüden und Namen hineinverweben, die, wie Ialon, gar nicht arischen Urjprungs find. Ir den ariichen Sprachen bedeutet Nau (jfr. nau) jchiwimmen, wes- halb 3. B. vaoos (v7joos —= die Imjel) in der finnlichen Vorjtellung die ichwimmende Hit. Wer im feinem Leben nie zuvor eine Injel, wohl aber beijptelsweife in einer Pfüße ein Stüd Holz beobachtet hat, in dejjen Vorjtellung nf, wenn er mitten im Wafjer Land vor jich Tteht, Diejes ichwinmend erjcheinen, und er bedarf erit einer zweiten Vorjtellung (der eignen Bewegung), um »urd) Meflerion zu der Überzeugung zu kommen, dal das Yand nicht jchwinmt. It aber das Wort für jene erjte Bor- jtellung bereits gefunden, jo wird es für den Vorftellungsconpler beibe- halten. (85 it hier nicht der Drt, auf jene Sagen näher einzugehen; ihrer wird hier nur gedacht, um zu zeigen, auf weld) einfache rt die Ylus= breitung der Arier, welche den einheitlichen Grundftoff für das WVölfer- (eben abgegeben haben, zu erklären it. Den Entwicdelungsmotor, welcher die im Ganzen einheitliche Miafje abänderte, wollen wir nunmehr im nädjten Abjchnitte fennen leınen. Denn ich will zeigen, wie grundverfegrt, weil den Gejeße der Entwidelung widerjprechend, die bisher aufgeitellte Theorie it, die Völferverwandtichaft jet aus Spaltungen eines einheitlichen Ur- volfes zu erklären. Im ganzen Stosmos erfolgt die Sntwidelumg dur) die Berührung und Verjchmelzung relativer Gegenjäße. Sollte das Leben der Menjchheit allein eine Ausnahme gemacht haben und unter ein anderes Sn u). geftellt jet? ie Arche der Arier, in denen Männer und Frauen beifammen waren, it ie in die ea, eines Iheiles des Menfchengejchlechts von be= jonderer Bedeutung geworden. Sollte e8 irgendwo emen DOrtpunft auf der Frde geben, wo man nur in der erwähnten Schiffsforn eingewandert wäre und wohin jpäter fein relativer Gegenjat fich mit ihr in Beziehung gejett hätte, jo würden wir nach dem Gefjeße der Entwidelung feinen andern joctalen Zultand antreffen fünnen, als ihn die Bewohner der YUrche hatten. (55 bedurfte erjt eines Gegenfaßes, der ihn abänderte. Dieje Modiftcatton habe ich jchen im meiner Schrift „Horde und Kamilte” namhaft gemacht, mir aber daber die nähere Darlequng des Sachverhalts für diefe Schrift vorbehalten. Modifterrt Fonmte jener Jujtand mu Ddadurd) werden, daß Hordenmänner Weiber und Hordenfrauen Männer anderer Herfunft in ihren Dienft jtellten, wodurch eben munmehr zweierlei Elemente im Yager angetroffen wurden: Herrjchende und Dienende. Durch diejfe Abänderung entitand eben die Familie oder das Hausmwegen. er fi die Mühe geben will, wechjelveihige Dörfer, die ich vicus Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2. 183 nenne, zu durchwandern, wird gleich mir, der ich viele aufmerffam durchitreift habe, jehen, — was ich übrigens auch bei einer geringen Neconftructtons-Be= gabung an dem oben ©. 118 gegebenen Trebnitz leicht herauszählen läßt, — dat zu beiden SeitendesSchiffes je jteben Gehöfte anzutreffen find. Was außerhalb des Schiffes an der jpäter verlängerten Dorfitrage liegt, muß als jpäter hinzu= gefonmen angejehen werden: man muß das Schiff allein ins Auge fafjen. en meiner Iheorte zufolge durch die nicht Dem Geichlechtsgenuß, jondern dem wirthichaftlichen Bedürfniß geltende Kamiliengründung zweterlet Elemente im Lager entjtanden, hervjchende, (einheimifche, ordige): umd dienende, (Fremde, nichtordige) jo mußten jene Diejen gegenüber als etwas Bevorzugtes betrachtet werden. Cs it mm hochinterefjant, zu be- obachten, wie diefe Erjcheinung im Miythus weit von einander abgelegener Völker ihre Wiederjpiegelung findet, nämlich in der Sage von den jieben Männern und den fteben Frauen, die überall als die „Neifen” (sapientes, sopot) betrachtet werden. | Bekanntlich jpielt die „Sieben” im Wölferleben eine große Mtolle. Bei den Agyptern beherrjehten 7 Planeten den Himmel, 7 Tage bilden eine Woche, 7 Sahre einen größeren Gyelus. Ber den alten Hebväern - beitand ein Sabbathjahr aus 7 Iahren und nach 7x7 Iahren war das Subeljahr. In Bharao’s Traum erjchtenen 7 fette und 7 magere Kühe; die jüdischen Fejte (Ditern, Yaubhütten 2.) währten 7 Tage. Mit Eins Ihluß des Nuhetags dauerte die Schöpfung fieben Tage und zur Bezeichnung des vielen Ganzen diente 7. Die Ewe wird bei den Imdern als aus 7 Injeln (saptadvipa) bejtehend gedacht; fie joll 7 Meere (saptärnavä) haben; man jpricht von den arijchen Stebenjtrömen (sapta hindhavas); man fennt 7 Himmel, 7 Klimaten, 7 Städte in 7 Meeren (septem urbes in septem maribus). In Griechenland war die Zahl 7 dem Apollo heilig, dem am 7. Tage vor dem Neumond geopfert wurde, ebenjo dem Dionyjus, der nach der orphiichen Lehre in 7 Stüde zerrijjen wurde. Die Böotier hatten 7 Ihore Thebens, vor denen 7 Heroen kämpften; es gab 7 Söhne und 7 Töchter Amphions, 7 rchogeten von Wlataeae, 7 alte Solaidenfamilien zu Thespiae, 7 Bundesjtaaten von Galauria 2. In diefer Tonart könnte tech leicht weiter fortfahren, wen tch nicht Dieje Sricheinungen als befannt vorausjegen dürfte. Ia, jogar in die (alte Vhyliologie (die embryologijche Sntwidelung des Kindes von 7 zu 7 Tagen) it die Zahl 7 übergegangen. Doc uns interejfirt hier nicht der jpätere Ausbau diefer Gricheinung, wie er beifpielsweife in den 7 Königen von Nom oder den 7 NWeijen Griechenlands zum Ausdrud ges langt, jondern wir wollen, da die Urgejchichte vorerft nur der Entjtehung der Erjcheinungen nachzugehen hat, die Urerjcheinung aufjuchen, die eben in den fieben Männern und den fieben Frauen gegeben tt. 184 Dritter Abjchnitt. 85 1 nichts im Intellect, was nicht vorher in den Sinnen war. Wer überhaupt ein VBerftändnig für Urgefchichte gewinnen will, dem it es nicht eripart, auf die primitivften räumlichen Borjtellungen der Urmenjchen zurücdzugehen. Wenn ich im Bezug auf die in Frage jtehende Sage die mpthiichen Srzählungen nach der Zahl ihrer Merkmale vor mir ausbreite, jo kommt jie bei den Minuffinijchen Tataren am einfachiten zum Ausdruck, Die Tataren erzählen, das „über der Erde oder dem Sonnenlande im Himmel die fieben Kudats in emer Surte wohnen: vor derjelben stehe iR goldener Pojten, an welchem Nofje angebunden werden; in derjelben fttzen e jteben Kudais hinter dem Vorhang (!) und haben ein großes Bud) vor jich, in welches die Geborenen und Verftorbenen verzeichnet und worin aud) die Gejchicte der Menjchen zu lejen find.“T) Kan es etwas Kinfacheres im mythologijchen Gewande geben? Ks it als ob man eine wirkliche alljährlich zu beobachtende Sejchiejte aus der zeit der Khratoren in Griechenland leje, wo diefe am dritten Sejttage der jog. Apaturien, auf die wir im nächjten Abjchnitt zu fprechen fommen, die Spyzdves In die Lilten eintragen. Hier it feine dichteriiche Phantafie auper der Übertragung des wirklichen Yebens in die Näume des Himmels vorhanden, da man jich das Jenjeits genau jo wie das Diesjeiis denkt. Die fieben (Bhratoren) figen hinter einem Vorhang! le wechjelreihigen Hordenhäufer des ebenen Landes in der Urzeit, joweit fie nicht direct auf dem jog. Veenlande jtehen, jchliegen die Neihen durch einen Vorhang, ein „fieb”artiges Gewebe (siparium, olpapos) ab. Was bei den Veen- oder Wandländlern „Wand“ heift, wird bet anderen Beh der Sbene „Steb“ oder Sept bezw. Sabba oder ähnlich lautend benannt. Ber vielen Völkern bejteht fie a in Wirklichkeit, bei andern it fie zugleich im Bereiche des Mythos. So nennen beijpielsweile die zu den Malayen gerechneten jog. Dajafen das Ienjeits, wohin die Seelen zur Mubhe gehen, „Sabyan“, die Alfuren „Sorga* (S,arja“), umd die malayijchen Maanjan jagen, die Seele fehre nach jieben Gejchlechtern zurüd. Der Weg dahin führe über das Meer; man jtellt deshalb Fleine Mintaturichiffchen, die einen Sarg darjtellen, neben das Grab.?) Sept bedeutet die Verwandeten im wahren, räumlichen Sinne des Wortes; es find die durch einen negartigen Vorhang Umzäunten (sep-io), die „VBerwandeten“, und zwar eine männliche und weibliche Verwandtjchaft. Yen durch die een der Familie, Die um des wirthichaftlichen Haushalts, nicht um des Gejchlechtsgenuffes willen begründet wurde, fortan die männlichen und weiblichen Kamel die Dienjte in den um das Schiffs- haus lagernden Einzelhäufern zu verrichten hatten, jo fonnte jowohl die !) Schiefner, Heldenjagen der Minufiinijchen Be S. X. >) nachzulejen bei Nagel, VBölferfunde I (2. Aufl.) ©. 439 und 59. Die Neidenlager der Bewohner der Ebene 2. 185 männliche, wie die weibliche Sept (Sabba) im Embheitshanfe vwuhen, jo da die Sabba (das öffentliche Einheitshaus) ein Nuheplat für die freben im Sept lagernden Neihen wurde. Injofern von ihnen die MWerjungen (Befehle) ausgingen, wurden fie den Famels gegenüber die septem sapientes. Injofern jie als ruhend betrachtet werden, entjteht auch die Sage der Siebenfchläfer. In der ffandinavifchen Sage werden die Sapientes „Wisende men“ genannt. Sie find auch hier die Werfen (altnord. visa, dl. wijze) als Bewohner des Vieus (vie, got. veihs) und treten hier, wie anderwärts, als weisjfagend (ahd. wizzago, angelj. witga — Prophet) auf, 3. B. in der Ihenerung von Nidgota-Xand, was deutlich darauf himweijt, daß fie als aderbaufundig angejehen wurden. 6&s zeigt fich aljo bier, wie dort, derjelbe Ihatfachenzufammenhang; mur day hier die Werfen nad) dem Vreus, dort nach der Sept (bezw. der Sabba) benannt werden. VBieus und Sept find in ihrem Grundmerfmal identiich. Weshalb wir Ddiefer Ericheinung gerade am diefem Drte gedenfen, it der Umstand, dag der VBicus eme auf Gegenjertigfert beruhenpde Sinheit, eine Universitas in vices geworden ift. Auch in diefer Hinltcht habe ich in meiner Schrift über Howe und Familie eimleitungsweile vor= gearbeitet. Dort habe ich gezeigt, wie. auf der Weiberjeite die michthordigen Männer allmählit) (durch die jog. Punalua=Inftitution) gleichberechtigt werden md tie mit der privaten Samtlienheivath die öffentliche She ver- ichmilzt. Die Folge it, daß bei dem jo entwicelten Zuftande nicht mehr, wie zur Zeit der Entitehung der Kamilie, arbeitende und „ruhende" Männer vorhanden find, jondern daß die Arbeit jebt gegenjetts (in vices) verrichtet wird, indem munmehr alle wechjeljeits daran theil- nehmen.!) ur bleibt von den fieben Männern der Kine als „Werjer" ) Die Zwifchenftufen übergehe ich Hier abjichtlich, um meinem Buche nicht einen zu großen Umfang zu geben. Wird es uns erjt gelungen jein, eine urgejchichtliche Iheorie, wozu die meinige exit ein leifer VBerfuch zu nennen fein wird, BDO, dann wird die Ethnographie mittels jehärferer Beobachtung tiefer in das Völferleben eindringen. Was beijpielsweife von den jog. Berbern Afrika’s ausgejagt wird, ift viel zu compler gejchildert. Wenn im der „Dicehemaa“ genannten Dorfgemeinbe, & die jich in der offenen Halle inmitten des Dorfes be- findet, zıwet verjchtedene „Sof”s, von denen die eine die linken, die andere Die rechten Eiße einnehmen, jo jind feßtere nicht als jich befämpfende Genojjen- jchaften, jondern eben al3 zwei Sippen, und nicht al3 eine moderne Vereinigung, jondern al3 etwas Unjprümgliches anzujehen. Gin richtiges Verjtändnig erwächit uns fir diefe und ähnliche Ginvichtungen erjt, wenn wir die Völfercomplere analyjiren und am ihren Elementen die Merfmale aufjuchen. Dann werden wir Zufammenhänge finden, wo wir jie nicht ahnen und apriori angenommene ee preisgeben, weil wir jede Identität dev Grundmerfmale ver- niffen. Der einzige Weg, zur Erfenntniß dev Völfewwerwandtjchaften zu gelangen, 156 Dritter Abjchnitt. bezw. „Nuhender” im Bicus oder der Sabba zurüd, ver gleichjam die „oche” hat. Yoche heit altuord. und altjäch). vika, engl. und ndl. week, got. wikö; bet den Mömern septimana (ital. settimana, frz. semaine). Somit ijt die septimana der Nömer mit der Woche (viku) in jad- licher Hinficht iwentijch,; denn fie haben das gleiche Grundmerfmal der (Sinheit von Stebenmännern, welche eben ein GSharactertftieum des WVicus it. Der Wechjel der Sieben im Wohnraum liegt aljo der Woche zu Srumde, indem eben ein „Wechjeldient“ (vices) in Bezug auf die Nubhe und Werjung jtch herausbildete, der durch die Gleichberechtigung der beiden Männerreihen nothwendig wurde. uch bei den alten Juden wurde die YSoche schebna von scheba (= Sieben) benannt. Doch da man das Wölferleben immer nur im fertigen Gompler, nie in der Entjtehung und zwar aus der Verichmelzung von Gegenjäßen betrachtet, jo vermuthet man hier eine Sntlehnung aus Negypten, bevenft aber nicht, dat wir die jieben- tägige Woche als uralte Eimrichtung jchon bei den GChinejen finden; und da fie auch bei den Völkern des inneren Afrifas auftritt, jo läßt man fie htev durch die Araber dorthin gekommen fein. Gleiche Vorjtellungen jegen gleiche Ihatjachen voraus; wleiche Ihatjachen beruhen auf der gleichen ISechjelwirfung emes gleichen Grumdes mit gleichen Bedingungen. Somit nöthtgt uns die Cogtf der Ihatfachen zu der Kolgerung, dat allen Völkern, beit denen wir analoge Erjcheinungen antreffen, em beitimmtes Grund- merfmal eigen je muß. Die Heimath der „fieben Männer“ it die niedere Ebene, das Land der Hera, der Arter, wogegen die Bewohner des Höhenlandes, der Gaea, die Defaden-Sinthetlung, d. h. wer wir jo jagen dürften „die 1Otägige NSocje” haben, weil eben das Wohnlager der Gens, wie wir weiter unten lehen werden, die Decaden-Eintheilun a hat. Die Benennung der Wochen- tage, 3. B. mach den fieben Planeten ‚hat für unjere gegenwärtige Be- trachtung feinen Werth und wird deshalb hier übergangen, weil fie mit dem Bicus als jolchem nicht in unmittelbarer Beziehung fteht. Doc) weil der Venus in feiner urjprünglichen Sinheit aus einer Männer und einer ISeiberjeite bejteht, To fer hier nur furz darauf hingewiejen, day es and) „eben NWeife” auf der Srauenjeite gegeben hat. Salt in allen WMiythologien, bei den Griechen, Nömern, den jog. Scythen, Deutjchen, Slaven, Nordländern, Britten 2. treten uns Frauen entgegen, die den Nathichlug der Götter offenbaren jollten und für befonders weile gehalten wurden. tr fünnen fie mit dem Namen der „Stb“yllen bezeichnen. In der jkandiichen Miythologie it Ddiefe Ericheinung in Sif, it die Anwendung des Individualfartenjyitens, weil fein Menjch ein jo großes SHedächtnig bejigt, um QTeaujende von Kombinationen im Kopfe zu behalten Die Neihenlager der Bewohner der Ebene 2e. 187 bezw. Sifia, verförpert die, werl auch die nicht dem artjchen Xande zugehörigen Drotten als Wetje betrachtet werden, zur Gemahlin des Drotten!) Ihor gejtempelt wird. Ihre auf die Abkunft von dev Hera hindeutende Bezeichnung Har-fagra it die Veranlafjung geworden, ihr durch die Volfsetyniologte „Ihön goldene Haare" anzufinnen. Die ältejte befannte Sibylle tt aber die Shaldätjche Sabba, auch Sambethe genannt; fie ftammte angeblich aus Babylon, lebte jchon zu Noah’s Zeiten und vermählte jic) mit einem jeiner Söhne. Näher auf diefe miythologiichen Sricheinungen einzugehen tjt hier nicht der Ort; es jollte nur gezeigt werden, wie dev Wohnraum der Ur- bevölferung des ebenen Landes, joweit ev im jenem Vechjelgereihte von Männern und Frauen, der Sabba (Sept) in Ericheinung tritt, auch auf die Mythologie bezw. Neligion der Völker Emflug gehabt hat. Der wechjelreihige Vicus war in Urzeiten eine abgewandete (sept) Nuhes ftätte (sabba) der Sieben (Männer und Frauen), die für fich eine Brüderichaft (Bhratoren) bildeten. Aus diefem Dreifiang von Worten ift bei der jpäter erfoigenden Milchung der zwar embeitlichen, aber doch zugleich (auch im Sprachen) verjchtedenen arijchen Horden aller MWahrjcheinlichfeit nach die indifche Dreieinigfett von Brama (Phra= toren), dem Schöpfer, Wischnu (vicus), dem Grhalter uno Schiwa (lieben), der auc den Beinamen Hara führt, dem DVernichter alles Lebenden, hervorgegangen, — eine nur aus Iprechlicher Miyittt zu ertlärende Ericheimung, die uns ebenjo wie das „septem sapientes“ mit deutlichen Fingerzeig darauf hinweilt, dab die jpäteren großen Völker aus Fleinen, früher unverbumdenen Horden zufammengejchweit worden find. Hätten Diejenigen Necht, welche behaupten, dal die uns hijtorijch befannt ges wordenen Völker nicht durch Verfchmelzung relativer Gegenjäte, jondern durch Angliederung neu ins Dafein hervorgerufenev Menjchen auf eng begrenzten Naume fich gebildet hätten, jo würde wegen des menjchlichen Nachahmungstriebes in Sprade und Sitte und überhaupt im ganzen Kulturleben ein großer fader Menjchenbrei haben entjtehen müfjen, aber nie ein Wolf mit innern Gegenfäten. Die erwähnte jprachliche Miyftit bliebe von jolchem Standpunkte aus ein piychologifches Näthjel, das nicht dadurch gelöft wird, da man ohne allen Beweis behauptet, es jet doc) jo gemejen und es von Buch zu Buch überträgt. Sol ein auf einem einheitlichen Ortpunfte entjtandener Menjchenbret hätte ichwerlich die Straft gehabt, fich aus einem „ungetrennten” Volke in jogenannte Stämme zu ) Die Drotten und die ihnen analogen Druiden, jind nicht arifcher Ab- iftammung, jondern Nundlagerer; es find die Zwölf-Männer, die im SKtreije herumfigen: das jpätere Zwölfmännergericht. Die Drotten (Djar, Godar oder Gudgar) bilden 3. B. in Schweden den Godord, der aus 12 Männern bejtand. 188 Dritter Abjchnitt. trennen. Nicht einmal bei den Völfern der Ebene, den „Artern“, weil fie eben hordenweije differenzirten, it GSinheitlichfeit bemerkbar, weil aud) hier jich aller Wahrjcheinlichteitt nach jehr frühzeitig durch Loslöjung der Wohnlagerreihen, die ich eben „Horden“ nenne, je nach den offenftehenden Ortlichfeiten Verjchiedenheiten dadurch bilden mußten, da man folchen Gegenden nachzog, die den früher innegehabten ähnlich waren. Aber ein viel größerer Gegenjat, als die Arier unter einander waren, lag in den Wanderhorden des Hoclandes, die wir noch zu betrachten haben, um im legten Abjchnitte zu erkennen, day auch) das jog. „ungetrennte Indogermanen- thum“ nicht nachweisbar, wohl aber in den imdiichen VBeven neben den Wanderhorden ein Grundftoff zu erfennen ift, den wir als „Arter” zu betrachten heben und der unabhängig von Griechen, Stalifern, Slaven, Germanen u. j. w. jeinen Sntwicelingsproceh durd) Beimifchungen der Bevölkerung der Gaea durchgemacht hat. Yierter Abjchnitt, Die eihenlager der Bewohner des Hodlandes und die dadurd) begründete Serufsorganifation. Durchaus verjchteden von ven Bewohnern des niedern ebenen (Flach-) Landes, den aratores oder Ariern, welche durch die Yängsreihen-MWohnlager characterifirt werden, jind die Bewohner des höher gelegenen unebenen und weniger natürlich-fruchtbaren (Berg=) Yandes. Wir haben den erfteren Boden mit YAr= bezw. Marland bezeichnet und wollen den munmehr exit zu betrachtenden Boden Goland nennen, wozu uns die Sprache in Hera und Gaea die Anleitung bietet. Wie Ar das trodene und Mar das jumpfige Nieverland, jo it y7) (yEx, gow, gau) das trocdene fejte Hoch- land (Giesland, Gäsland oder Göyesland); wir fünnten die Bewohner des leßteren aut deutjch „Sanmwohner” nennen. Dieje beiden Gegenfätze find zugleich deshalb interefjant, werl die Bewohner der erjtern im der Irzeit nachweislich immer Fejtangejejjen find, während diejenigen der Gaea als Wandervölfer auftreten. Dieje Gegenfäte fommen übrigens im Sprachlichen mit zum Ausdrud, indem der Urling ar=ra, bezw. mar —=mor da$ Verweilen (mora die „Na”ft, jfr. ramati —= morari md fr. ra-ti —mora) ausdrücdt, während in dem Urling ge—= ga — go — ei ((dwer. sä— gehen) das fih Bewegende liegt, weshalb eben das Gauland ein „Sies"land wird (goth. giutan, angelj. geotan, ndl. gieten — giefen). Beides zieht fich durch viele Sprachen hindurd). Ber den Ir bezw. Marbewohnern finden wir eine merfwirdig übereinitimmmende Lebensverfaljuug, eine auffallende Sinerleiheit im ihren Sitten und Gebräuchen, was nicht zum Geringften aud) in ihrer Be- Ihäfttgung zu Tage tritt, überhaupt furz gejagt: ein echt conjervatives Slement, was unzweifelhaft auf eine vieltaufendjährige langjame Aus- breitung unter immer annähernd gleichen Lebensbedingungen hinweift. Shen deshalb finden wir hier die alterthümlichite Yagerordnnung, wie fie in den Verwandtjchaftsbezeichnungen der Gruppen von Alters- und Gejchlechts- reihen zum Ausdrud kommt, noch vor. CS bleibt eben eine Sache jo lange diejelbe, als fie nicht in Berührung mit einer andern Sache fommt, 190 Vierter Abfchnitt. welche jene modifteirt; denn eine Sacye fann ji) nur dadurd) verändern, dai eine andere Sache jo auf jie eimvirft, daß fie mit ihr verjchmilzt; verjchmelzen Fönnen aber nur anderss, niemals gleichgeartete Sachen. Sleichgeartete Sachen verbinden fic) und bleiben troßdem diejelben, oder mit andern Worten: fie entwideln ich nicht. Indeljen muß man fich hüten, diefen conjervativen Zug der Arland- bemohner der bloßen Ortlichfeit als jolcher zuzujchreiben, wie e8 ins- bejondere die hiltorichen Geographen und die geographiichen Hiftorifer vermeimen. Nicht deshalb find die Bewohner der Ebene Aderbauer ges blieben, weil fie die Ortlichfeit dazu „nöthigte”, jondern weil fie hier lange geit verschont blieben von eindringenden Gäften, die nicht Acerbauer waren. Die fruchtbarite Ebene kann im eine Induftriejtätte verwandelt werden, wo fein Aderbau mehr betrieben wird, wenn hier eine gewerb- treibende Bevölkerung Einzug hält, die jo jtarf eimvirft, daß jte die ur- jprünglich angejeffene Kandwirthichaftsbevölferung überwuchert. Drängen fi dagegen in die Ihäler, wo bisher Aderbau betrieben wurde, Klemente ein, die ebenfalls Aderbau treiben, jo entitehen wohl „Veränderungen, aber feine Sntwidelungen“ und jomit ein Zuftand, wo „die Kultur mumiten- artig eingejargt Ttocdt“. Wird eme nur Aderbau treibende Bevölkerung von eimer nur Viehzucht treibenden Bevölferung verjagt, oder (was zwar nie totaliter vorgefommen tft) eine Vieh züchtende Horde von einer aderbau= treibenden Horde, die zur Viehzucht nicht geeignet it, vollitändig aufgerieben, und überwältigt, To en wir tır beiden Fällen nicht von Gntwidelung jprechen, weil eben Entwidelung nur dort jtattfindet, wo ein Wolf dafjelbe bleibt, obwohl es durch jeine Berührung mit einem andern ein anderes wird. Seleitet von dem VBorurtheil, Aderbau jet eine höhere Entwidelungs- Itufe als Viehzucht und diefe jei dem Aderbau vorangegangen, Üt man geneigt, die mit diefem verbundene Sephaftigfeit erjt in einer höheren Entwidelungsitufe zu juchen, während doch der Zufammenhang der Ihat- jachen ergiebt, day es von Urzeiten an, d. b. joweit wir mit dem ung überlieferten Material in die Gejchichte vichwärts zu biiden vermögen, überall jeghafte Horden, Autochthonen, auf artijchem Zande, in den frucht- baren} Tiefländern, in den weiten Gebirgsthälern und zuletst jelbjt in den Hochebenen gegeben hat. Cs hat Glemente gegeben, die nie gewandert iind, jondern fich in den Ebenen ununterbrochen ausgebreitet haben. Sanz anders verhält es jich mit den Gobewohnern. Ber ihnen treffen wir eine große Mannigfaltigfeit von Gingelericheimumgen an, wie denn auc) ihre Beschäftigungen überaus verjchteven find. uch eine große Mafe von Bezeichnungen finden fich für ihre Inftitutionen vor, die jic) zwar ebenfalls theilweife auf eimen einheitlichen Urjprung zurücdführen lajjen, aber gleichwohl deutlich anzeigen, dal te nirgendwo zu einer lang- Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 19] dauernden Wohnruhe gefommmen find. Natürlich find die ihren Inftituten beigelegten Bezeichnungen nicht jammt und Tonders Diefen Gobewohnern jelbjt zuzumefjen, wie denn ja auch umgekehrt den Bewohnern der Ebene bezüglich ihrer Smrichtungen Bezeichnungen jeitens der Gobewohner ge- geben worden find; und weil die Arwohner eine viel größere einheitliche Majje darjtellen, als jene, jo wird es ich eben daraus mit erklären, dal die Benennungen für deren Injtitute gleichjam mur dialectijch abweichen», im großen Ganzen jedoch ebenfalls einheitlich und übereinjtinmmend fich vorfinden. Wir werden die hauptjächlichjten Bezeichnungen, die jämmtlich das Bewegliche ansdrüden, nach) und nad) kennen lernen. Wie diefe nachweislich vorhandene Go-Idanderbevölferung ihrer Ent- jtehung nad) zu erklären tft, it nur mühjam aus den Ihatjachen heraus- zufchälen, ohne daß jo fejte, leicht greifbare Gewißheiten, wie bei Der jeßhaften Bevölkerung vorliegen. Ihre frühelten Wohnftätten find aller Wahrjcheinlichkeit nach die Berge, und augenjcheinlich erjt in einer ver- hältnigmäßig jpäteren Zeit jcheinen fie die Steppen aufgejucht zu haben. Überall fommen fie, wie wir jehen werden, mit den Ariern in Conflict, weil fie mit zunehmender Ausbreitung diefe allmählich) umzingeln und einengen; jte gehen zulett mit diefen durch Lit oder Gewalt Biündniffe ein, erjcheinen eine yeit lang äußerlich als Steger, werden aber tm fultureller Beziehung trogdent vielfach befiegt. Man möchte hier fajt an eine bejondere Schöpfung glauben, weil fie ebem ganz anders als die Irter geartet find; doch mu eine jolche VBermuthung, die in den Merkmalen feinen Anbhalts- punft findet, von vornherein aufgegeben werden. Schon mehr Iahrjchein- lichfeit hat es für fich, dad jte in Urzeiten durch irgend eine gewaltige Srofatajtrophe nach) den Höhenzügen verjchlagen wurden, jowie aud) die Annahme, dal natürliche Schranfen, wie das Meer over große Seen, breite Ströme und dergleichen, die Menjchen bergwärts führten; und am aller wahrjcheinlichiten ift es, day beide zuleßt genannten Sactoren, je nach der Lage der Umftände und zwar im jehr verjchtedenen Jeitläuften verjchteden, dieje Völfer Höhenwärts getrieben haben. Ihr ferneres Schidjal war als- dann davon abhängig, ob fie, wie es bei der Hoclandsfultur Peru’s der Fall zu jein jcheint, auf Hochebenen jtiegen, wo fie ihre bisherige LXebens- weile als Aratores fortjegen fonnten oder ob jte im eime Gegend famen, die fie zu einer anderen Lebensart nöthigte, als jte früher in der Sbene hatten, wobei ihnen jpäter alle Erinnerung am Ddiejelbe verloren ging. Dann fonnten fie, der Gewohnheit folgend, ebenjo wie die Arter, immer wieder diejenigen Gegenden aufjuchen, welche der einmal eingejchlagenen Lebensweile entjprachen. ine geringere Wahrjcheinlichkett jpricht dafür, dak überhaupt das erjte Menjchengeichlecht jtatt auf der „Hera“, fich auf der „Gaea“ befunden habe, weil alsdanı die Ontjtehung der längsreihigen 192 Vierter Abjchnitt. Wohnftätten mit dem dieje begleitenden Aderbau nicht zu erklären wäre, zumal die Gobewohner jelbjt dan, wo fie mit diefen in Conflict gerathen und fich mit ihnen verbinden, ihren eigenartigen Wohnbau anfangs nicht aufgeben, jondern nad) der Sbene verpflanzen. Die Vermuthung, daß die Bergvölfer von der Ebene famen, findet auferdem noc, darin eime Stüße, dag wir hier Höhlenwohnungen mit genau dem VBicus bezw. dem diejem vorangegangenen Hordenhaus ent- Iprechenden Kammern ». h. abgetrennten Mäumen mit fejtgeitampftenm, bezw. gepflaftertem Fußboden vorfinden, in denen zugleich Drnamente an- gebracht Find. Derartige Wohnungen, die überdies nod) mit Wall und Sraben umjchlofjen ind, in denen man unter Anderem Maffen von Topf- icherben und Handmühlen oder Meahljteinplatten und Kornguetjcher fand, werfen darauf hin, day fie im ähnlichen jocialen Gebtlden wie die Arter hier Finzug hielten und vorher, um mic) vorfichtig auszudrüden, an den Verbraud) von Gerealien gewöhnt waren. Demm ob te diefe auch beveits jelbft bauten, it aus den Befunden nicht zu bejtimmmen. Mean muß ja überhaupt, wie beit den Gräber, jo auch bet den Höhlenbefunden außerordentlich vor- jichtig fein. Vorfichtige Foricher ftehen gerade Höhlenbefunden jfeptifch gegenüber, weil fie leichter als irgend andere Wohnungen von den folgenden Gene- vationen gefunden und benußt werden fonnten; und nicht minder fonnten Sinochenüberreite von Menjchen und Threren, die man anderwärts fand, ion von den erjten Bewohnern in die Höhlen gejchleppt und dort von ihnen zu Werkzeugen bemußt bezw. verarbeitet worden fein. Das gleid)- zeitige Auffinden von Höhlenbär- bezw. Mammuth- md Meenjchenfnochen läßt feineswegs den Schluß gleichzeitigen Zufammenlebens beider Xebewejen zu, da eine ganze Neihe von andern möglichen Deutungen gegeben find, unter denen die, das man die Knochen, wenn man jte nicht jchon vorfand, herbeijchaffte, um fie theils zu Werkzeugen unmittelbar zu benußen, theils fie durch Zerfchlagen zu größerer Brauchbarfeit umzugeltalten, nicht zu den unbrauchbarjten und unwahrjcheinlichhten Deutungen gehören dürfte. Unzwerfelhafte Ihatjachen liegen hier jedenfalls micht vor. Dagegen it die Annahme einer Ginwanderung in gejchloffenen Meihen aus der Ebene ausgewanderter Horden nicht unmwahricheinlich, weil mehrfache Funde, die den arichen Bewohnern eigenthümlich find, darauf himwverjen. Die fammermäßigen Gmeichtungen diefer Höhlen bezw. Feljen- wohnungen haben viel Ahnlichfeit mit den uriprünglichen Nohneinrichtungen der Bewohner der Ebene. Wo, wie vielfach im Phrygien, die Berge aus Beperin, Tuff oder amderen weichen Steinarten bejtehen, finden ic) große Mafjen von Felswohnungen bei einander; die jteilen Felswände find dann bis zu beträchtlicher Höhe von 100 und 200 Fuß jo ausgehöhlt, Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 193 dag die Wohnungen im mehreren Stocdwerfen über einander liegen; nur die unterjten haben von Augen einen Zugang, der auch zuweilen möglichjt verjtect und mehreren Wohnungen gemeinjfam it; im Innern find dann die in gleicher Höhe liegenden oft durch gemeinjchaftliche Gänge und Gorridore, die verjchtedenen Stodwerfe aber durch Treppen oder jelbft durch jchornfteinartige Löcher mit einander verbunden, in welchen letteren an den entgegengejehten Geiten Bertiefungen angebracht find, die für Füge und Hände den nöthigen Anhalt bieten, um im die Höhe zu fteigen; x nach der Vorverfeite haben die Wohnungen merjtens Dffnungen, durd) welche je erhellt werden und die wie Kenjterlufen und Ihüren ausfehen; doch giebt cs auch folche, welche feine andere Offnung haben als den ihornjteinartigen Aufgang und mithin ganz dunfel, dafür aber auch Freilich gegen Unwetter dejto gejchütster jein mäljen. Dieje phrygiihen Höhlen und Feljemwohnungen, welche im Nlter- thum eine jehr geringe Beachtung gefunden haben, wohl aber durd) Strabon von den Homonadenjern, die in Selfenabhängen und Höhlen ihre Wohnungen gehabt und die unteren fruchtbaren Ihalgründe angebaut hätten, Erwähnung finden, hat man früher meijt für Grabjtätten gehalten, wie ja noch heutzutage manche Behaufjung für ein ad hoc gebautes Grab angejehen wird, die augenjcheinlich urjpränglich Lebenden zur Wohnung diente. Solche Höhlen und Felfenwohnungen find falt über die ganze Erde verbreitet und nur deshalb der Beobachtung lange Zeit entzogen gewejen, weil jich die Netjenden früherer Tage weniger nad) den ungajt- lichen Gebirgen begeben haben. So find ja auc in den Indianergebieten Amerifa’s ganz ähnliche Wohnungen neuerdings entdecdt worden, worumter ganz bejonderg bemerfenswerth in dem Canan des Rio Mancos zwei größere Wohnftätten, die volle 260 Meter über dem Fluffe an der fait jenfrechten Felswand Fleben und jo wohl in zwei übereinanderliegenden tischen verborgen liegen, dag die Gntdeder diejer Horjte erjt mit Hilfe eines Ternglajes die Umriffe derjelben zu zeichnen vermochten. Nur mit großer Mühe gelang es, dieje in jchwindelnder Höhe liegenden Häufer zu erreichen md erwies jtc) das untere als 20 Meter lang und 5 Meter tief. Durd dDünnere Duermauern war es in mehrere Näume getheilt; vor allen merfwürdig war die in der Mitte gelegene freisfürmige Estafa, zu welcher der Zutritt nur durd) einen 6 Meter langen, feltgemauerten tunnelartigen Gang von nur 52 Gentimeter Höhe und 70 Gentimeter Weite möglich war.!) Doc) diefe Bauten, jowie das jpätere Lebensjchiefjal ihrer Bewohner I) Vergl. darüber Nudolf Eronau, Amerika, die Gejchichte feiner Ent- defung von der ältejten bis auf die neuejte Zeit. Leipzig 1592. Griter Band. Ceite 53 ff. Mucke, Urgejchihte. 13 194 Vierter Abjchnitt. haben für den Inhalt der vorliegenden Unterfuchung fein Interefje und jollen im Zufammenhange mit andern Ihatjahen in einer bejonderen Schrift noch ihre bejondere Behandlung fiwen. In ihr wird auch dar- gelegt werden, daß die jog. Cliff Dweller's und Pueblo der Indianer zum allergrößten Theile complexe, d. h. aus zwei und mehreren Slementen, (Wechjelreihen- Wohnungen und Numdwohnungen) bejtehende Gebilde jind. 63 genügt für den Jwed vdiefer Schrift, dag wir von ihrer Griftenz Kenntnii genommen haben. Da die Bewohner der Gaea aus den Urbemohnern des Nieder landes infolge verjchiedener Greignijje hewvorgegangen find, it zwar aus dem Thatjachenzufjammenhange nicht voll zu erwerjen, aber wie gejagt als jehr wahrjcheinlich anzunehmen. Grfolgte diefe urzeitliche Überfiedehung der Arländler auf Goland wirklich, jo it jedod aus dem Thatjachen- material, in dejjen Grenzen ich arbeite, weder der Jeitpunft, noch Die Art, ob er in einen oder mehreren Acten, ob er insbejondere auch auf den einzelnen Haupteontinenten gejondert erfolgte, zu bejtimmen. Dies it die Aufgabe geologijcher und archäologijcher Studien, die nach dem heutigen Standpunkte umferer Wifjenjchaft vorerjt noch gefondert zu be- handeln jind, damit der frei gejtaltenden Phantafie, der bei Diejer Ver- quidung mur VBorjchub geleiftet wird, nicht ein zu großer Spielraum gewährt werde. Im demjenigen Ihatjachenbereich, tm welchem jich die vorjtehende Unterfuchung bewegt, fan nicht die frei gejtaltende, jondern die conjtruirende Vhantafie zur Geltung fommen. Wer alfo in meiner Forjchung eine Yüce zu finden meint, werl ich die Zettbeftimmungen nicht mitberüclichtige, dem halte ich entgegen, daß jede Erforjchung des Ihat- jächlichen mit genauer Beltimmung und Fejtjeßung eines einheitlichen TIhatjachenbereiches zu beginnen bat, in dejjen Grenzen man fich jtreng bewegen muß, wenn man aus dem Jujfammenhang der Gricheimumgen Ihatjachen conftatiren will. Über dem Zeitpunft der Entftehung der Gobewohner jchwebt für das Syftem der von mir zu unterjuchenden Sricheimungen ein Dunfel, defjen wünjchenswerthe Aufhellung meine Schrift höchitens anregen fanırz hier haben wir nur die Thatjache der Erijtenz einer von den Artern abweichenden Bevölferung zu conftatiren, jte in ihre Bejtandtheile aufzulöjen und ihre bejonderen Ktnrichtungen Fenmen zu lernen, was ums des Neuen jchon jo viel bringen wird, daß wir uns damit vorläufig zus frieden geben fünnen, auch wenn wir ung von den feineswegs con unmmltößlich Feitgeftellten Ergebnifjen der geologischen Urgejchichte abfichtlich fern halten. Auch die Sovölfer bejegen die Gaea in Horden, nur daß fie fic) nicht, wenn wir fie mit dem Zollftab der Gejchichte meljen, dauernd nieder- Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2. 195 lafjen, jondern „Sehende” find. Dabet dürfen wir uns freilich nicht von dem Vorurtheile leiten laffen, es habe ihnen ein bejonderer Wandertrich im Simme eines ummiverjtehlichen Dranges timmegewohnt, der die Völker: jchaften fortwährend in Bewegung gehalten habe. Ginen folhen Wander: trieb giebt es nicht, wie ja überhaupt feinen Trieb in diefem Sinne, Die ältere Piychologte ließ fi) von dem nicht in Abrede zu ftellenden Dunkel, welches dem Iriebe eigen ift, verleiten, den Trieb dem Begehrungs- vermögen zuaufchreiben. ber in dem leßteren liegt eher die ruhende Beharrung, nicht die dem Triebe eigene Bewegung. Der Trieb beruht vielmehr auf der Borjtellung des Begehrten, und tjt die Straft, welche diefer Vorjtellung ihre Bewegumgstendenz verleiht umd fie dadurch zur begehrten Vorftellung erhebt Bolfmanı). Entjteht die Vorftellung, das das and nicht genügt, die Bedirfnifje zu befriedigen — umd dies wird auf dem weniger fruchtbaren Goland häufig der Fall gewejen jein — jo entjteht alsbald die Voritellung, dah ein anderer Drt diefe Genüge jchaffen farm. Dieje legtere VBorftellung entjteht um jo vajcher und häufiger, je mehr ihr die Erfahrung bereits dabei zu Hülfe fommt, und diefe Vorftellung tft alsdanın der äußere Neiz, welcher die Meaction der motorijchen Nerven hevvorruft und damit den Thätigfeitsdrang erzeugt, das Vorgeftellte aufzujuchen. Die Vorftellung fann dunfel fein; aber ohne jene VBorftellung würde der Trieb jeder Nichtung entbehren. ir ftellten dieje piychologijche Srörterung deshalb an, um einem Borurtheile entgegenzutreten. Wäre nämlich der Wandertrieb nicht auf eine Vorjtellung, jondern auf irgend etwas dem Getjt urjprünglich ISmma= nentes zurüdzuführen, jo würde die Bauart der Wohnungen der Go- bewohner unerflärt bleiben. Denn wohn jte aud) in der Urzeit famen, hielten fie hiev m) Sinkehr, um bald weiter zu wandern, jondern um zu bleiben; die begehrte Vorjtellung dauert jo lange, als dte Aupenwelt fie unterhält und fie endigt, wem diefe den Merkmalen der Vorjtellung entipricht. Die alsdann eintretende Nuhe des Vorftellungsbereichs ladet die Wanderer zur Nuhe und zum Bleiben er. Umd dieje dauert threr- feits wieder jo lange als feine neue Borjtellung entjteht. Die zahlreichen Nundbauten aus Stein von der rohejten cyelopijchen bis zu der durchmörtelten Sorm, die nicht den jeßhaften, jondern den Manderhorden zugehören, find Zeugen ihrer beabjichtigten Schhaftigfeit; in zahlveichen Nuinen von Nundwällen, die jic) bis zur Ebene hinabziehen, liegen jie vor uns. 8 ijt eine durch nichts zu begründende Anjchauung, Steinbauten als ein Zeichen höherer Kultur zu betrachten. Jeder wird fi) aus jener Kindheit erinnern, dal es ihm nicht jchwer fiel, im Verein mit feinen Spielgenofjen eine ftattliche Hütte aus umberliegenden Feld: 13” e 196 Vierter Abjchnitt. jteimen zn bauen, während eine Hütte aus Holz — natürlich vorausgejeßt, dal; fie unter analogen VBerhältniffen, d. 5. nicht in der Nähe eines mit halbfertigen Holzjtüden verjehenen Zimmermannsplaßes herzuftellen war — ihm jelbjt in der primitivften Form jchwerlich ohne Werkzeuge gelungen jein dürfte. Nohe Stein» und Gröbauten jind das denkbar Einfachjte gegenüber einem geflochtenen Zweigbau, wenn er mur irgend einen Halt haben und dem jtürmifchen Wetter trogen joll. Das bewegliche Zelt nun gar tft gegenüber dem Steinrundbau ein ungemeiner Sortjchritt, weshalb ich das heutige Nomavdenzelt als die legte Entwidelungsjtufe des Nund- baues betrachte. Alle primitiven Steinbauten waren um jo leichter her- zujtellen, weil man von Urzeiten an nicht tjolirt, jondern in Horden wanderte und in Horden chuf. Man darf diefe Steinbauten nicht aus modernen Anjchauungen er flären wollen, gleichjam als Nitterburgen, die man zur Vertheidigung gegen Feinde errichtet habe; auch jind jte, wie bemerkt, nicht den Anfälligen zu- zufchreiben, da die arijchen Aderbauer zwar umbordet, aber nie ummallt waren. Was der Volfsmund „Bauerburgen” nennt, find, wie wir nod) jehen werden, „puru” der Wanderhorden, die erjt nach ihrer Befanntjchaft mit den Webjtoffen der Bevölkerung der Ebenen das bewegliche Zelt zu errichten anfingen. ben deshalb find beijpielsweije auch die Steinbrücden mancherwärts durch Holzbrüden verdrängt worden. Doc nicht „infolge“ einer verloren gegangenen Energie trifft man tm der Miongolet „an Stelle der mühjfeligen Steinbauten” jpäter Holzbauten, wie Natel vermeint, jondern infolge der Befanntjchaft mit den Aderbauern, die bis auf diejen Tag auf dem größten Theile des Srdenrunds die Zimmerleute ‘liefern. Wir wollen allen diejen Kleinen Gemeinjchaften, welche wir über die Saca (yEx, y7) oder das Gosland „gehen“ jehen, den Namen „Genneten“ bzw. gentes beilegen, um vorläufig erjt einen Allgemein-Namen zu haben, der im verjchiedenen VBartationen auftritt, fi) aber auf die allgemeine Spradhwurzel ga, ge, gi, go zurüdführen läßt und je nad) den Be- ziehungen mit Außenumftänden im Wechjel der Zeit eine verjchtedene Be- deutung erhält. Die Wurzel wird bald (zu K) verhärtet und ajpirirt (hh, b), bald aber auch erweicht (ja in jana; eo — „aeh“e). Wir haben unjere Stellung zur Ctymologiftrung der Wörter jchon oben dahin gefennzeichnet, day wir uns von allen Kicttonen losjagen müljen, wenn wir den über der Urzeit jchwebenden Schleier zu lüften uns vornehmen. Wenn wir uns nicht jelbjt betrügen wollen, müfjen wir das Gejtändnig ablegen, day wir von der Entjtehung der uns befannt gewordenen Völker abjolut nichts Beftimmtes wiffen und jomit auch nichts über die Entjtehung der einzelmen Sprachen, welche dieje einzelnen Völter geiprochen haben. Xettere liegen uns in abgejchlofjener Korm vor. 68 Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 197 it jchon wiederholt, und bejonders von franzöfiichen Gelehrten darauf hingemwie,en worden, daß jeder Verjucd einer Analyje der urjprünglichen Formen jchon daran jcheitern mühje, dag uns von den Xautgejegen der Urjprache nichts befannt jei und daß wir, um zur Wahrjcheinlichkeit durch» zudringen, andere Grfenntnigmittel zuv Hülfe nehmen müßten. Der in die Urzeit hinabjteigende Statiftifer würde fich dem größten Gejpött der Piffenjchaft ausiegen und müßte fich jelbjt der Unfähigkeit, einen Sac)- verhalt feitzuftellen, anflagen, wollte ev von den jog. Lautgejegen der indogermanijchen Sprachen, über deren Gntwidelung uns abjolut nichts befannt ift, bei jeimer Unterfuchung über das Wefen der Gens fich leiten lafjen. Was ums die Gefchichte des Alterthums an rein Thatlächlichem über die gentes ausjagt, läht fich dahin zufammenfallen, daß fie Gemein- Ichaften waren, die gemeinjames Vermögen bejagen und gemeinjane Dpfer verrichteten, und zudem einen gemeinjamen Namen trugen. Illles übrige, was wir über die gentes hören, find theil® Folgen diefer Mto- mente, thetls jubjective Urtheile von Autoren jpäterer Zeit, die jich jelber weder über das Wefen der Gens, noch weniger aber über deren Urjprung Nechenjchaft geben konnten. Sagt doc) jelbjt ein Mann wie Gticero (Top. 6) gentiles sunt qui inter se eodem nomine sunt. Non est satis. Qui ab ingenuis oriundi sunt. Ne id quidem satis est. @Quorum majorum nemo servitutem servivit. Abest etiam nunc. Qui capite non sunt deminuti. Hoc fortasse satis est.“ Das ganze Villen der älteren Autoren gipfelt in einem „Vielleicht". Wenn wir ung Kenntnig über den Urjprung des Gens verjchaffen wollen, jo jind wir jomit auf uns jelbjt angewiejen und fünnen nur an den objectiven Merkmalen eine Neeonftruction verjuchen, indem wir uns nicht auf die Ericheinungen eines einzelnen Volkes bejchränfen, jondern die Sejammtheit der beobachteten Er= Icheinungen nad) Abftreifung ihres jubjectiven Inhaltes in Betracht ziehen. Denn wollten wir 3. DB. die römische Urgejchichte dazu benußen, jo würden wir überjehen, daß fie Sagengefchichte und erjt entjtanden tjt, als dei römische Staat eine hiftorische Erjcheinung geworden war. Die Sage be- ginnmt ja evt dann, wenn ein Juftand, dejjen Entjtehung man deuten möchte, in abgejchlofjener Korm vorliegt. Das, was fid) durch) Berührung zahlreicher Gegenfähe ganzer IJahrtaufende herausgebildet hat, wird dann als das Merk einiger Verjonen, denen man wenige Sahrhunderte zu ihren Werfen beimigt — läßt man ja doch die ganze Weltordmumng in jeche Tagen entjtehen! — betrachte. Da man die vulgäre Vorjtellung hat, da ohne Gejeh fein Necht und ohne Necht feine Dvdmung jet, werden jelbit jo wichtige Imftitute, wie Che, Samilie und Gens als Producte der Gejeßgeber (Nomulus, Iuma, Solon, Kyfurg) hingeftellt. Auf dieje Weile 198 Vierter Abjchnitt. entjtehen jolche Sagen, wie die römische der 300 Gentes, 3 Tribus und 30 Gurtae, die jo wentg brauchbare Ihatfachenmerfmale haben, daß fie jelbjt für die römtchen Gejchichtsforjcher feine Bedeutung hatten. Nur jolche Mittheilungen haben Werth für die Neconftruction der Uxzeit, die thatjächliche Merkmale aufweiien, auf deren Gontinuität man rücwärts zu jchliegen vermag. (55 würde ein böjes aber aud) mußlojes Stücd Arbeit fein, fich durch die zahlveichen Schriftjteller, welche jich mit der griechijchen und römischen Urgejchichte bejchäftiat haben, jo durchzuarbeiten, um aus ihren Anftchten einen objectiven Standpunkt zu gewinnen. Nicht aus Memungen und Anfichten über eine Sache, jondern aus deren Merfmalen tt die Sache in ihrer Objectivttät zu erfafen. Nur das jet hervorgehoben, da einzelne Selehrte der Wahrheit in Bezug auf den hier zu behandelnden Gegenftand oft nahe famen. So tft beijptelswetie von einigen älteren Schriftitellern beit Betrachtung der griechtichen Berfafjungen bereits die Vermuthung aus- geiprochen worden, die „Bhylen" mit ihren Unterabtheilungen jeten eine eine rt fajtenmähiger Gintheilung gewejen (zulegt Blaf), während andere diejen Gedanken verwerfen und durch die Anficht erjeßen, die Khylen jeten aus dem urjprünglichen Iebeneinander verjchtedener Gemein- wejen, älterer und jüngerer Schichten von Kimwohnern herzuleiten (Wach 3= muth) und noch Andere behaupten, day fie nach) der Lebensweile und Beichäftigung benannt worden fjeien, welche die Mehrzahl oder die Vor- züglichjten der Angehörigen eines Bhylenbezivfes betrieben (Schömann). I jeder der vorgeführten Hypothejen liegt, wie jo oft, Ihetlwahrheit, wenn man fie auf eine einheitliche höhere Hpypotheje zurüdführt, uns die Wahrheit erfennen läßt. Dazu it aber erforderlich, day man nicht die Phylen, jondern die Elemente, aus denen jte zufammengejett find, Betracht zieht und dies find, wenn wir die Bhratrien, die nur den Völkern der Fbene wejentlich find, im Abzug bringen, eben die gentes. &5 it Schon in der älteren Literatur mehrfach auf die Ericheimung hingewiejfen worden, „Dal manche Gaue und Gejchlechter einen umd den- jelben Namen führten, 3. B. Düpdaliden, Gephpreer, Ioniden, Kephaliden, Kephiiter, Päoniven, Rhilatden,” und man hat deshalb aud) die Der- muthung ausgeiprochen, die Mitglieder dejjelben Sejchlechts hätten urjprünglic) nachbarlich neben einander gewohnt. CS tft ferner darauf hingemiejen worden, day eine große Anzahl von Gentes Bezeichnungen führen, die mit voller Deutlichfeit auf Berufsgruppen hinführen, wie 3. B. Bouraöaı, Boußbyar zu denen PBericled gehörte, puradtdat, Bourbror, ebruppiöss Ppundöat, Sxröarriöxı (zu denen Sofrates zählte), xwAreis, Ypeäpuyor, alyeıpöronot, Yınaplöar, roreviöa, jowie die edyidar (Zitherjpieler) und die wipuxeg (Herolde). Noch lange in hiftorischer Zeit treten deutliche Spuren auf, daß die die, or) karyı Kar) Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes ic. 199 Düpdaliven Bildhauer, die Hephältiaden Schmiede blieben und aus Sparta berichtet Serodot (VI. 60), dag ein Mann zum Herold gewählt jet, nicht wegen jeiner perjönlichen Befähigung, jondern weil ev der Sohn eines Herolds war. Dbwohl jic) die metjten Itamen der Gentes jchon in der Blüthezeit des Hellenenthums nicht mehr überjegen liegen, jo ergtiebt fich doch, daß fie jomohl örtliche als berufliche Bezeichnungen tragen. Auch Steht es ferner Felt, daß die Mitglieder der Gentes zur Zeit der Elafjtichen Meder nicht die allergeriugite (Bluts-)Berwandtichaft unter einander gehabt haben. Somit liegt das die Gens betreffende Problem in der Beantwortung der zwei Fragen: wie fommt 8, daß Jich die Mitglieder einer Gens yevviitar, ovyyevais und önoydiantes nannten, ohne daß jte fich doc) als Blutsverwandte betrachten ? wie fommt es, daf ihre Itamen jowohl örtliche als auch berufliche Bezeichnungen gleichzeitig ausdrüden? Dieje Fragen beantworte ich aus dem Sujammenhange der Ihatjachen wie folgt: Berwandtichaft war in der menjchlichen Erfenntni urjprünglic Wohnraumverwandtichaft, welche unbewufßt durd natürliche Ihnlagerung der Menjchen nach Alter und Gejchlecht in Meihen (ord-) erfolgte. Für drejes Meihenlager habe ich den noch im der alten mongoltichen Horde üblichen Ausdrud orda — Horde gewählt, weil alle Neihenlager jich unter diefe Bezeichnung jubjumiren lafjen. Die Horde tritt in zwei Formen auf: als oblonge Arhorde, welche in Urzeiten anjäjlig war und zu Bhratrien führte und als Gohorde (gorod), welche in iolirten Gemeinjchaften von verjchiedener Größe auf Goland (yEx) wanderte und eben deshalb bis furz vor ihrer Sehhaftwerdung zu feinen Verbindungen führen fonnte. Die leteren find eben Gentes. Wie wir jpäter nachzumweifen haben, geriethen auf allen Erötheilen, wo die Horde überhaupt in diefer zwtefachen Geftalt auftritt, beide hart an einander und je nach dem Ausgange des Sieges der einen über die andere fommt die Bereinigung beider im neuen Gebilde zum bejonderen Yusdrud. erden Gentes unterworfen, jo werden fie dem Stamm (25%) d. 1. der Stammjänle ihrer Sieger zinspflichtig und fommen unter Die erden aber Viei bezw. des pp. unterjocht, jo werden fie dem Tribus des Nund- lagers tributpflichtig. Weder 5% noch tribus haben urjprünglich etwas mit Blutabftammung zu thun. CS handelt fich vielmehr anfangs mur um Herrichaftsverhältnifle. Nur bis zu diefem Punkte mußte ich meiner Darftellung vorgreifen, und zwar im Interefje einer Stelle, die bisher unaufgeklärt geblieben ift, von mir aber jchon hier gebracht werden muß, weil jte ich nicht gut zerreien läßt. Cs wird nämlich von Philochorus (bet Suid. Phot. im MW. Spyewves) bemerkt, Tods 5& ppdropas Emmdveynes Öcysodar xal Toug 200 Vierter Abjchnitt. öpyshvas al Tods Önoydiantas, oDs yYevvitas radloünev, d. 5. „die Vhratoren mußten mothwendig (in die Lilten) aufnehmen jomohl die Dr- geones als aud) die Homogalaftes, welche wir Genneten nennen“. Dieje Worte, welche augenjcheinlich nicht Worte des Bhilohorus enthalten, jondern eimer längjt bejtehenden alten amtlichen Bejtimmung entlehnt find, haben zu Memungsverjchiedenheiten geführt. Cs haben nämlich Ginige dag oUg yevvitas raroönev jowohl auf öpyswves als auf öpoyddantes bezogen und demnach interpretirt: „welche beide wir Genneten nennen, jo da aljo Genneten eine Bezeichnung für öpyeoves und öpoykdantes in ihrer Gemeimjamtert jein joll, d. h. day die yevvrraı zweierlei Species umfapten. uch hier liegt der Irrthum augenjcheinlich im der Annahme, daß fich Die Gentes zu Bhratrien erweitert hätten, und in der fich daraus ergebenden Folgerung, daß Gens und Phratrie in ihrem Gr- Itehungs= oder Urgrund identiich jeten. Die Gens tft die Wanderhorde, die Phratrie die Bereinigung mehrerer jehhafter Horden. Ganz abgejehen davon, dat die griechiichen Srammatifer ausprücdlic öpyzwvexa und yeyıza lep& umterjchieden, worauf wir bier nicht einzu- gehen brauchen, da Dieje jpätzeitlichen Opferfefte, an denen jowohl Die öpyeoves als auc) die Snoy@davres theilnahmen, uns zur Neconftruction der Gens feine Dienite leijten fönnen, beweilt in der obigen Stelle des Philochorus das wiederholte zai, day beide Bezeichnungen nicht identtjch jind, jondern zwei verjchtedenen en zuftehen. Dieje Stelle will vielmehr Dejagen, day die Phratoren gehalten ind, in vie Lilten der Phratrien nicht (mehr) blos (wie urjprünglid,) die Opys@ves, worunter wir die Urermwohner der Sbene (öpy&s) d. h. die Arter zu verjtehen haben, einzujchreiben, jondern (nunmehr) auch die (meuhinzugefonmenen, eingewanderten) Homogalaftes. CS tft dies ganz der analoge Zuftand, den wir oben beim Miythus der fieben Kudais bei den Minuffinijchen Iataren erwähnten, wo diefe im Himmel hinter einem Vorhang filend gedacht werden und im das große Buch die Namen eintragen. Diejed öpoyddantes, ods yevvitas AaAoöpev erregt aber unjer In= terejje deshalb noc), weil wir hier einen greifbaren Ihatjachen-Beweis für die Nichtigkeit meiner Grundhypotheje und der darauf aufgebauten Theorie der Wohnraumverwandtichaft vor uns haben. Schon in meiner Schrift „Horde und Kamilte” 1) habe ich die Arficht zuviichgewiejen, daß Blut= und Milch-trinfen eine Nachahmung der uriprünglichen (!) Blutsverwandtjchaft gewejen jein jolle, und gejagt: „es gehört Muth dazu, die auf rein jenfueller Grundlage entjtandene Anfchauung der Milchverwandtjchaft der auf ein- heitlicher Blutabitammung gegründeten Verwandtjchaft, die auf nichtjinn- licher Anjch Janung beruht, in zeitlicher Hficht nachzuftellen und erjtere als eine 1) Mu de, Horde und Familie ©. 204— 200. Die Neidenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 201 Nachahmung der leteren zu bezeichnen. Im Gegentheil hat die Mild)- bruderjchaft der phyfiologischen Erfenntnig (zwar nicht allein, aber zum Theil) von der Blutsverwandtjchaft im modernen Sinne Vorjchub geleijtet”. Die Stelle des Bhilohorus läft uns erfenmen, wie nach den Zus jammentreffen der Manderhorden des Höhenlandes (Genneten) mit den Bewohnern des ebenen Landes (Drgeonen) und der dadurd) bewirften Srimdung von Haushalten, wodurch eben Meifchungen eintraten, die Genneten zunädhit zu Homogalaftes, d.h. zu Milchgeichwiltern der Dr- geones werden. Die Bezeichnung Genneten wird als die befanntere, allgemeinere und bereit3 vorhandene vorausgejeßt, aus denen eben jeßt Die Homo- galaftes hervorgehen und zwar durch einen Grfenntnißact, der zunächit noch an das Simnliche anfuüpft: die jeßt raumwerwandten Genneten werden zu Milchgejchwiftern, weshalb fie nun auch tim die Lifte der Phratoren gleich den Bewohnern der Ebene (Drgeonen) eingetragen werden. Dazu giebt eS in der Völferfumde Analogten. So biegen beijptelsweife bet den jog. Mongolen die öpyeoves urugh (uruf), was urjprünglic) Bewohner der Ebene und alsdanıı Yandbaner find; 8 nimmt die Bedeutung von „Verwandtjchaft" an. Die Snoy artes aber find bei ihnen die der Mimaf. „Von demjelben Mimaf“ heit, wie Abulghajt es erklärt, „von demfelben Gebein?. Wir haben alfo die auc) anderwärts auf ge wiljer Kulturftufe anzutreffende „Nuochenverwandtjchaft" (chwarze nochen — weiße Knochen), die genau dafjelbe ausdrüct, wie das bet auftraliichen Bölkerichaften anzutreffende „von demjelben Sleijh". Das Wejentliche und Spentifche an all diefen Ericheinungen ift, dal die Bezeichnungen für Ver- wandtjchaft auf eine finnliche Anjchanung Himdenten. Dieje finnliche Anfhauung it aber urjprünglich der Naum „ord" und zwar ar (or) und ge, und erit innerhalb des Naumes entiteht, wozu jedenfalls Sahrtaufende und das Zufammentreffen heterogener Horden gehört haben, die langjam reifende Grfenntnig eines JZufammenhangs zwilchen Grzeugenden umd Zeugenden, und zwar vorerjt durch die Mittelitufe der „Milchenden“ bezw. die Ähnlichkeit der Kinder in der äußeren Gejtalt (Fleifch, Gebein, Knochen). Das Auffuchen der Ahnlichkeit der Kinder in der äußeren Geftalt hat dann zu der befamnten, vielfach beobachteten „Auswahl“ der Kinder ges führt, die Manche in die grauefte Urzeit verfegen wollen, während fie doch etwas Spätzeitliches tft. Daß man unter dem bislang unaufgeflärt gebliebenen Ausdrud „Drgeonen“ hier nicht Opferpriefter zu verftehen hat, ijt Elar, dies wide feinen Gegenjaß zu Genmeten geben. Vielmehr find die Drgeonen hier die Bewohner der fruchtbaren Gbene, Die urjprünglichen Bewohner (origines bezw. originarii) im Gegenjaß zu den eingewanderten DBe- wohnern, die, weil fie nunmehr jeghaft geworden find, tr gleicher Werfe 202 Vierter Abjchnitt. in die Bhratorenlifte einzutragen find. — Sind die Bewohner der Ebene, die Draeones, der Gegenjaß zu den Bewohnern des gebirgigen Höhen- (andes, den Genneten, und find, wie wir im mythologijchen Iheile diefer Arbeit noch näher fennen lernen mervden, Hera und Gaea die urzeitlichen Segenjäße, jo fan der Yusdrud Gens auc jprachlic nur mit yr in Verbindung gebracht werden. Die Gens hat ihre Bezeichnung von dem Naume, auf dem fie ji) als Wanderhorde bewegte d. i. von yEax (yaiz, y7) und die Gaea ihre Dezerchnung von jener Bewegung. Imjofern Grund jtets Wechjehvirfung it, it das Grundmerfmal dev Gens: das Gehen auf der Gaea. Schr richtig jagt Victor Hehn einmal: „Wer mit den alten Wörtern neue Kulturbegriffe verbindet, der wird freilich im der Zeit der früheiten Anfänge ohne Mühe unfer heutiges Leben wieder finden“. So finden denn auch die modernen Sthnologen, unteritüßt von den Sprad)- wurzel- Urgejchichtsforjchern, mit dem Worte yeyeiv ohne Mühe die alte jernelle Gejchlechtsgemeinjchaft in der menschlichen Urzeit, die man jo toll wie möglich) ausmalt. | te die Gens zur Grfenntnig der Blutsverwandtichaft gefommen ift, und wie dadurd die urzel Gen die Bedeutung von „Zeugen“ er halten hat, ift nur aus dem Zufammenhang der in den GSrichernungen liegenden Ihatjachenmerfmale, niemals aber durch eine rein jpeculative Ableitung aus „ven Trümmern der Wörter” zu gewinnen. Wir mollen, da wir einmal beim griechtichen Alterthum ftehen und hier den Unterjchted der Drgeones, der Sehhaften in der Ebene, von den Genneten, den Wars derern des Hochlandes, fennen gelernt haben, zur Fremplification ebenfalls Griechenland wählen. Selbjtverjtändlich müfjen wir daber die uns über- fommenen Berichte analyfiren, um eine neue Syntheje vornehmen zu fünnen. 58 joll im nächjten Abjchnitt gezeigt werden, da vielerwärts, wo die Bewohner der Hera mit den Bewohnern der Gaea zufammenjtoßen, zunächjt ein feindfeliger Zuftand entjteht, in welchem jich Beide befämpfen, und wie erjft nach und nach die Gegenjäte fich heben, bis ihnen endlich der Tag der VBerfühnung und Erlöjung naht. Deshalb kennen die meijten Miichvölfer ein VBerfühnungsfeit, das durch die Miyitif in verjchtedene sormen umgewandelt ift und zumeift eine veligiöfe Weihe erhalten hat. Die Erinnerung an dieje Zeit der VBerfühnung finden wir in Griechen- land im Kelte der jog. Apaturten mit enthalten, ein Feft, das nicht nur in Athen, jondern zugleich in jehr vielen tonijchen Städten mit Ausjchluß von Sphejus und Kolophon begangen wurde, woraus man mit Unvecht jchließt, eS jei tonijchen Urjprungs, während doch die Ionier als die Wanderhorden nur der eine Iheil der beiden (KFlemente find, dem die Ents itehung des Feftes ihr Dafein verdanft. Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes x. 203 Das Feft fiel in den attiichen Monat Wyanopfion (etwa Detober) und dauerte drei Tage. Am evjter Tage, welcher Dorpia (Aoprix over Adpreia) hieß, hielten die Glieder jeder Gemeinjchaft für jich ein gemein- james Nachtmahl, wober Würfte, Stiche, Fleifch 2. gegejjen und füher Wein getrunfen wurde Der zweite Tag hieß "Avdßöuors, und an ihm wurde den Gottheiten der Phratoren im Namen des Staates geopfert. Der dritte Tag hieß Kovpeats, und an ihm erfolgte die Legitimation der Kinder. Im Interefje meiner fnapp zu haltenden Theorie muß ich e3 mir verjagen, auf die bejtehenden Meinungsverjchtedenheiten betreffs des dritten Vunftes im Einzelnen einzugehen, werde mid) aber bemühen, die Dar- jtellung jo einzurichten, daß Diejenigen, denen die Meimumgsdifferenzen befannt Sind, leicht erfennen, auf welcher Seite meines Grachtens die Wahrheit zu juchen ift. Den Mittelpunkt des ganzen Fejtes bildet unzweifelhaft der Tag der "Avapövors d. 1. der Gedenktag der Srlöfung und Befreiung, das eigent- liche Opferfeit zur Erimmerung an den nunmehr friedlichen Zufanmenjchluf der Sefhaften (Opyswves) mit den Gewanderten (yevvirar). Ich werde jpäter zeigen, wie eine jolche Vereinigung zu einer Ge,jammt”heit in ven befanntejten Kultur-Sprachen „Sam“ (jfr. samana — zujammen) heißt. Daher wurde an den Apaturten in „Sam"os von den Srauen (Herodot, Vit. Hom. c. 30) der xouporpöpos geopfert, befanntlich ein Bername der Ge (Gäa) und Demeter, den Nepräjentanten der beiden heterogenen Horden, obwohl in De (—Ge) der Demeter das Verichmolzenjei jchon mit enthalten ijt, da Meter die Hera und Demeter diefe und die Gaea in Einen repräjentirt. Doch das Felt der Anarrhysis, obwohl es den Mittelpunkt der ganzen Feier bildet, tft nicht die Hauptveranlafjung, weshalb ich auf die jog. Apaturien hier zu fprechen fomme. Gbenjo wenig it es der Felttag Dorpia, an dem übrigens nicht blos die Glieder jeder Phratrie, jondern jeder Gens abgejondert ihren Feftjcehmaus hielten, wie ja jchon das Wort Dorpia auf Wanderhorde hindeutet. Gerade jo wie Patra in jpäterer Zeit mit Gens tdentifieirt wird, obwohl fie uriprünglich heterogen waren, jo wird auch Dorpia für die Sehhaften mit gebraucht. Ich mußte hier, weil ich die Gejammterjcheinung nicht tremmen konnte, ohne dem Lefer etwas Lücenhaftes vorzuführen, die Gejammtheit mit ihren zwei urjprüng- lichen Gegenjäßen mit vorführen. Weshalb wir der jog. Apaturien am diefer Stelle gedenken, it vielmehr der Tag der Kureotis, an welchem der Scheidungsproceß der ehelichen und ımehelichen, d. h. der anerfannten und nicht anerkannten Kinder erfolgte. Nur finden wir in der Flafitjchen Zeit, wo eben die Verbindung der beiden heterogenen Horvden jchon erfolgt war, dieje Aus- 204 Vierter Abjchnitt. wählung, das „Kür’en der Kinder gleichzeitig mit der Eintragung in die Lifte verbunden. Der Vorgang in der Flajfischen Zeit war folgender: Am Tage der Kureotis wurden die noc) nicht in das xoLvov Ppatopıxdv Ypappzreiov eingetragenen Kinder im der Kapelle der betr. Gemeinjchaft (Bhratrie) vorgeitellt, wober für jedes einzutragende Kind ein Opferthter (Lamm oder Ziege) dargebracht wurde. Das Thier wurde in der Kapelle an den Altar geitellt. Wurden von den Anmwejenden feine Bedenfen erhoben, jo winde das Ihrer gejchlachtet, andernfalls das Opferthier vom Altar wieder entfernt. Während es gejchlachtet wurde, jchwor der Sinführende, da; das Kind fein eigenes im gejeßlicher Ehe erzeugtes je. Daneben aber wurden überhaupt uneheliche Kinder legitimmt md Annahmen an Kindesitatt ausgeführt. Man braucht fein bejonderer Meijter im Analyfiren zu jet, um zu erfennen, daß bet diefem ganzen Verfahren zweterlet Mcte verbunden er jcheinen, einmal die Anerfenmung des Kindes durch den Vater und anderjeits die Aufnahme in die Lifte der Phratoren, die urjprünglic) nur ppxtopıxöv, jpäter nad Hinzutritt der Genneten xorvov ypaxuparetov hie. Daraus ergiebt fich, dal die Meinungspdifferenzen im Bezug auf Die Auferung des Bollur (8, 107), wonad in Athen neben der Einführung der siimder in die Vhratrien eg nocd) eine andere Einführung der Naben, welche bereits das 15. Lebensjahr zurücgelegt hatten, gegeben babe, jeine volle Nichtig- feit hat. Denn die Rhratvien find in ihrem WMrjprunge eine Eigenthime lichfeit der jeghaften Bewohner des Arlandes, bei denen die Kinder jchon im erjten Lebensjahre bezw. bald nach der Geburt „aufgehoben“ wurden, jet e8, dai der Vater fie nur vom Erdboden „aufhob“ oder jet es, mie wir dies bei vielen niederen Völferjchaften noch gegemwärtig finden, dal er fie zu fich in das Lager (die „Hängematte”) nahm, wo er das Iochen- bett jeiner Frau nacahmte (jog. Gouvade oder männliches Wochenbett.) Der Met des Aufhebens war ein Adoptionsact, wodurch Samiltenfinder hordenberechtigte Chefinder wurden. Da mu die arifche Horde durch die Vhratrien repräfentirt wird, weil die Brupderjchaften die „Iräger” des Hordennamens waren, jo entwicelte jich die Lifte der Bhratoren, im die alle Orgeonen eingetragen wurden. Ganz anders war es bei den Gentes, wo man die Kinder nicht „aufhob”, jondern nad) ihrer Ahnlichkeit wählte, „fürte“. Dies fonnte jelbjtverjtändlich erjt mit beginnender Gejchlechts- veife (etwa mit 15 Jahren), wo fich Die Ahnlichkeit erit herausftellen fann, erfolgen. Nur tert man, wenn man die Soxınacte ralöwy als eine Prüfung betrachtet „ob die Sinaben bereits die Förperliche Meife erlangt hätten”. Much dies it etwas der Gens volljtändig Unbekanntes, da die auf die Iranslocationen zurüczuführende Pubertätsfeier nur im VBicus zu finden it und auc) hiev mır gedacht werden fann, weil eben die ganze Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 205; Wohnverfafjung der Gens mit ihrem von andern Gentes abge- jonderten commmmitischen Haushalte nie und nimmer zu eimer folchen Einrichtung hätte hinführen fünnen. Tas Wort Soxındfo behält auch noch in der Elaffischen Zeit immer die Bedeutung „die Ichtheit einer Sache unterfuchen“, und diefe Prüfung auf die Echtheit der Kinder (Boxımaote. ratöwyv) erfolgt eben durc, die fürende Scheidung. Ein Hoöpos (nöpos) bzw. eine xobpn (Röpn), zu deutjch „Göre” it jomit ein ausgewähltes, ausgejchtedenes, alfo eheliches Kind, fein Sflavenfind (im vorliegenden Fall von emer Frau arifcher Herkunft). Eben deshalb erlangt xovplötos die Bedeutung von ehelich und jogar recht- mäßig, wenn 5. DB. in der Iliade (19,297) Brifeis zum Batroflos Ipricht: Du jagteit, Du würdet mich zur ehelichen (rechtlichen) Gemahlin des Achilles machen, nicht als Sklavin zur Beifchläferin (KIA Zu’ Epaoxes "Ayıı\nos Veloro Koupröinv KAoyov Urrjaeıv). ber, warum mußten denn die Gentes ihre Kinder Füren, während dies bet ven arijchen Bewohnern nicht der Fall war? Was die letteren betrifft, jo habe ich bereits in meiner Schrift über „Horde und Kamilie* in ausführlichjter Weije dargelegt, wie durch die beftinnmte Neihenordnung in der jchiffsförmigen Horde die Kinder der androfratiichen Familie fchon von vornherein gar feinen Plabß finden fonnten, weil eben die nicht Horden- berechtigte (weil fremde) Mutter der Kinder jchon außerhalb der Horde ihr Lager gefunden hatte, mit Denen fie es theilen mußte. Das sind war gleichjam ansgejeßt Kiegend und der HerrMann mußte es zu ich aufheben, zu fich ziehen (zeugen). Somit it Zeugen urjprünglich ein Stehen und ganz augenjcheinlich ein urjprünglich nur arichen Horden ergenthümlichen Ausdrud, der in verichiedenen Yautvariationen in mehreren Sprachen wiederfehrt. Gezogen und erzogen wird vom Arier das fremde Wind der Mutter von Goland, welches wir auch Zug=-(Dju)Xand nennen fönıen. Die jeruelle Bedeutung von „zeugen“ tft aljo auc) hier jpäteren Urjprungs. Ganz anders war e5 in der Gens, die in Nimdfreifen lagerte, Sorm einer Corona (Xopwvn : xop- und @vn), d. t. eier gedrehten Wohnung, eines Ninge oder SKtreislagers. Wir müfjen es uns tn feinem Urtypus, ähnlich wie beim VBicus (olxos), nur als ein Gemeinjchafts- haus denfen, aus dem ebenfalls, wie dort, jpäter erjt einzelne Häufer (goth. hus-a =fr. kösha, xotrn) hervorgingen, und zwar ganz augenjcheinlic) erft nach der Berührung mit Bejtandtheilen der rhorden. Denn der Menjchenraub ift nicht nur bei diejen, jondern auch bei den Wanderhorden zu finden. Gin Kur ift jomit ein, aus einzelnen Bejtandtheilen corallen- artig gegliedertes freisförmiges Lager, dejjen einzelne Hütten um emen gemeinfamen Mittelpunft, das Heerdfener, eine Kurbe (curva) bejchreiben. Da aber jedes diefer Numdlager (kur) jelbjt immer nur wieder ein. 206 Vierter Abjchnitt. Theil eines arößeren Ktreifes war, — weshalb augenjcheinlich curtus die Bedeutung „Eleimer Theil eines Ganzen“ (wie jfr. kalä) d. t. Funz er- hält —, und da jedes Nundlager überdies umwallt war; jo mußte, wenn eine einzelne fremde Perfon als Dienende (ga-sintha) geraubt wurde, fie nothwendiger Weife im Lager Aufnahme finden, da außerhalb gar fein Plat war. Es it aljo eine ganz andere Situation, wie im Vicus, wo die Dienende (Kamel) im Hauje Daneben beigelagert wurde. Wurde jenes Weib Mutter, jo waren deren Kinder jelbjtverjtändlic, räumlich miteingejchlofjen. So fünnen wir e8 uns erflären, warum ein Zeitpunkt eintreten mußte, wo man die Kinder nad) ihrer Ahnlichkeit zu Scheiven begann, ohne dal man jie mitjammt ihren Müttern ausjtieg, jondern vielmehr als „Neije- gefolge” (gasintha) auf der Wanderung mitfortnahm. Die Myitif, die fich an den Act der Scheidung (Roupe@rts) bei ver- ichtedenen Völkern in verjchtedener NLerje fnüpfte, wohin 3. B. das Ab- jcheeren des Haares (die Haarjcur der Kinder, das Scheeren des Dpfer- lammes u. j. w.) gehören, übergehe ich, da die Sntwidelung der Miyftik ihrem eigenen und jomit einem andern Gejete als das Leben der menjch)- lichen Simrichtungen jelbit folgt. Denn fie entjteht, wenn leistere bereits Gewohnheit find und man über ihre Entjtehung nachzudenken beginnt. Alsdann erfaßt man Auferlichfeiten und fnüpft in der Negel an Wörter und Venenmungen der Einrichtungen an. Da nun das Wort feine Be- deutung ändert, weil jic) der Standpunft der Grfenntnig, dem eben das Wort dient, ändert, jo werden an den fortbejtehenden Einrichtungen ganz unwejentliche Dinge zur Hauptjache erhoben, bezw. mit der Gin- richtung verbunden. Sowie man im Mittelalter aus den „Hunmnen“, wovon wir alsbald jprechen werden, „Hunde“ machte und die Vorjteher derjelben bei peinlichen Hochgerichten wie einen Hund bellen Iteg und den Hunwein, ein fiscalijches Gefälle (vinum hunicum censuale) im einen Hundswein im Sinne von Kräßer (Ichlechter Wein) verwandelte, jo hat fich ähnlich an das Wort xopeiv, dejjen uriprüngliche Bedeutung, von dem wohnlichen abgejehen, jcheiden, und daher reinigen it, ein Miyitieismus (3. B. auch in Indien) gefnüpft, der im den verjchiedenjten Kormen auf- tritt, dejien Grörterung in die Gejchichte der Miyitif des Völferlebens, aber nicht hierher gehört. CS ift geradezu lächerlich, wenn er von gewiller Seite zur Hauptjache erhoben und jogar in der „vergleichenden Necdts- willenichaft” behandelt wird. Dur den Met der Stureotis, des Kürens (Mählen) der Kinder mittels Scherden der Ehelichen von den Unehelichen gab der Gennete zu er„fennen”, da das Kind das Seinige war. Das heit aljo: er erfannte das Kind als das jeinige. So erlangt yevery die Bedeutung von erfennen. Daher heist auch im alten Gotifchen und Ulftlantichen kind, kindin Nichter, d. hd. einer der erfennt. Much das Wort „Kind“ jelbjt it jener Die Neihenlager der Bewohner des Hochlaudes ac. 307 De Bedeutung nach das „Grkannte”, welches der (ich jage abfichtlich nicht Vater, weil dies ein artjcher Ausdrud it) Genitor erfannt hat. Solange die Genmeten für fich lebten, bildeten fie eine Gemeinjchaft beis und miteinander Wohnender und die Kinder ihrer Ehe, über die wir allerdings feine jo nahe Auskunft, wie über die der Bewohner der Ebene haben, wohnten mit bei ihnen. Bei einem jolchen Zuftande fan feine andere Vorftellung entjtehen als die, day fie eben bei einander wohnen. Wohl aber mupte eine zweite Vorftellung hinzukommen, ala Fremde (durch) Naub) zu Robrıgeiioffen gemacht wurden, indem jett zweierlei Elemente in der Gens vertreten waren: einmal die urjprünglichen nunmehr herrichenden Genneten (anderer) und die hinzugefommenen nunmehr dienenden Ge- finden (die Mitwanvernden), das Nerjegefolge. Was aljo bei den Ariern die Famel, das tft das Gefinde beiden Gentes. Wurde das fremde Weib — (Männerraub jcheint hier, wenn wir die Gontimuität aller Suftände ing Yuge fafjen, nicht in Frage gekommen zu jein) — Mutter, jo fann der Unterjchted ver beiverlet zumächjt nur ein Gegenstand finnlicher An- Ihauung gewejen jet. Aber durc dieje zweite Vorftellung konnte nun- mehr der Keim zu dem Gedanfenaufbau gelegt werden, daß auch der Mann der VBermehrer des Menjchengejchlechts jei. So wenig als der Aderbauer ohne Weiteres die Entdedung machen fonnte, da im Samen- forn die causa efficiens der Halmfrucht liege, jo wenig konnte der Mr- menjch aus dem bei der Begattung empfundenen Luftgefühl jchon entdeden, daß der es verurjachende Act der Grund der Fruchtbarkeit feines Meibes jei: er konnte nur die Veränderung an ihrem leiblichen Auferen beobachten und aus den beiden Zuftänden vor und nach ihrer Sntbindung erfennen, daß die jich verändernde fürperliche Gejtalt mit der Entwicelung der Ge- burt zujammenhing. Maubte der Gennete ein Weib, jo vaubte er es in Urzeiten nicht um des Gejchlechtsgenufjes willen, weil ev ihn in feiner Gens jchon hatte, jondern augenjcheinlich nur zu demjelben Zwede, wie fein arijcher Nachbar, d. h. als Arbeitsobject. Hätte er das Weib zu ge- Ichlechtlichen Zwecen gevaubt und es unmittelbar nad) dem Naub be- Ihlafen, jo wäre er nicht zu der Borftellung gelangt, daß er der Erzeuger feiner Kinder jei. Denn alsdanın hätte das fremde (arifche) Weib ebenjo Früchte getragen, wie fein eigenes. Nehmen wir dagegen an, dag er das letere anfangs nicht bejchlief, jo fünnen wir das wichtige Problem, wie der Menjch zur Grfenntnig von der Zeugung kam, löfen. Denn bejchlief der Gennete die „Safintha” nicht, jo fonnte er zu zweit Wor- ftellungen gelangen, nämlich zu einer Vorftellung, da das eine Weib fruchtbar, und zu der anderen Vorjtellung, dat das fremde Weib nicht Frucht- bar war. Dies mußte feine Aufmerkjamteit fejfeln. Bejchlief er Tpäter auc das fremde Weib und wurde fie ebenfalls fruchtbar, was er vorher 2308 Vierter Abjchnitt. nicht an ihr bemerkt hatte, jo Ffonnte er nunmehr zu der Ahnung ge langen, da der nähere Umgang mit Srauen die Urjache der Fruchtbarkeit der Weiber jet. Sp folgere ich rüdwärts, day er anfangs das fremde Meib nicht bejchlief und nur an das eine ihm von der Xagerordnung be= jtimmte Weib gefettet war, was aud) nach den von mir früher gemachten Auseinanderjegungen!) piycholoatich das Wahrjcheinlichjte tjt em Alles in der Welt jelbitverftändlich tft und wer a gemäß die Mühe jcheut, über Etwas nachzudenken, und immer nur die Gedanken Anderer vecipirt, der wei nicht, wie langjam ein Gedanfe reift und durch) welche gegenjäßlichen B Draldingen man zur Grfenntnig der Dinge gelangt: er hat feine Ahnung von der allmählichen Entwidelung der DVorftellungen. Wer aber mit mir fi) auf den Standpunft des Ent- wicelungsgejeßes jtellt, Der wird mir zuftimmen, daß es zur Grfenntnig des Menjchen, daß er der Urheber der Vermehrung des Menjchengejchlechts jei, zweierlei Vorgänge bezw. dadıd veranlagter Vorftellungen bedurfte. Da eben erft durch) die Berührung zwei relativ entgegengejetter Vor- jtellungen eine dritte Vorjtellung entjtehen fan, jo widerjtreitet e& der piychologijchen Erfahrung, die bloße finnliche Anjchauung jet zureichend gewejen, um dem Urmenjchen das tiefe, ver BR. geugung zu Srunde liegende Geheimmnig auch nur ahnen zu lafjen, gejchweige zu ent hüllen. Gs find jedenfalls viele Iahrtaufende vergangen, bevor das Ierb für fich und den Mann den Apfel von „Baum der Grfenntnig" brach)! Srit mit Gntitehung des Hauswejens, der un in deren Ge- folge der Umgang mit fremdhordigen Elementen lag, d. b. ). nad) der Be- rührumg der Horden der Hera mit Horden der Gaca Ei aller Wahr- icheinlichfeit nach der Schleier gelüftet, aber auch nur allmählig, woraus fich eben die bejonders in der Mythologie fich offenbarende Miyjtik erklären fäjt. Sie tritt in die Gefchichte der Völker verhältnigmäßtg jpät und merfwürdiger Weife bei den Völkern der Ebene in Begleitung mit der Myftit des Heerdfeuers auf. Im mehreren Sagen wird gemeldet, daß ihnen das Feuer von oben (vom Himmel) gebracht worden jei; wir werden alsbald jchen, warum gerade die auf den Höhen wandernden Nundlagerer aller Wahricheinlichkeit nach die Feuerbringer gewejen fi. Gs verbindet fi in der menjchlichen Vorftellung die Fenererzeugung mit der Kinder erzeugung; bei mehreren Völkern wird der Keuergott zugleich zum Menjchen- ihöpfer: Prometheus holt nicht blos das Jeuer vom Himmel, jondern auch den Mienjchen aus der Erpe. Dem Lejer wird e$ genügen, wenn ich jtatt aller breiten Auslafjung über diejes Ihema des Veda-Sängers Worte hier anführe: „Das it das Drehholz, der Zeuger ift bereitet, bring die Herrin des Stammes herbei, WR 1) Muce, Horde und Familie ©. 5 . Se u . Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 209 den Aani laßt uns quirlen nach altem Brauch. In den beiden Hölzern liegt der jätavedas, wie im der Schwangern die wohlbewahrte Xetbes- frudht . . . In die Dahingeitredte laß hinein den Stab, der Du des fundig bilt; fjogleich empfängt fie, hat den Befruchtenden geboren“.t) Durch diejelben Mtenjchen, welche das Feuer brachten, wurde auch der Srund zu der Erfenntnig gelegt, day der Mann durch den Umgang mit der Frau das Kind hevvorbringe und eben deshalb das Werb mit dem untergelegten Holz, der Manı mit dem Bohrer und das Kind mit dem Lichtfunfen verglichen. Bis zu jener Begegnung der heterogenen Horden aber war jeder derjelben die menjchliche Jeugung nicht nur ein Geheimnip, jondern nicht einmal ein Gegenjtand ver allerlerjeften Ahnung. Cs it nicht blos naiv, nein, geradezu gedanfenlos, wenn moderne Gthnologen behaupten, inmitten der Unordnung (der Bromscuttät), ii der doch notb- wendig alle geordnete Denfthätigkeit im Keime hätte erjticht werden müfjen, jet den Urmenfchen die Flare Grfenntnig von der menjchlichen Zeugung durch Mann und Weib jchon aufgegangen gewefen. Huch in der Gens fonnte in diefer Beziehung anfänglich feine Un- ordnung bejtehen. Ste war eine wandernde, für fich abgeichlofjene Wohn- gemeinjchaft, welche die „Ge“ durchwanderte, und vor ihrer Berührung mit der jeihaften Horde der niederen Sbene ebenjo wenig wie dieje auf geichlechtlicher Erfenntnig aufgebaut. Das Wort Gens bezw. Gen- neten hat vor diefer Srfenntnii beftanden und erjt mittels Diefer Erfenntnif die jpätzeitliche Bedeutung von „fernen“ im Stme von „zeugen“ erhalten, wie der Zujammenhang der oben vorgeführten Erjcheinungen ergiebt. Man vergejfe nicht, da jede Devdentung aus der Deutung einer Sache erwächit, alfo ein Grfenntnigact it; erkannt werden fan eine Sache eben nur im ihrem Verhalten zu anderen Sachen. Demnach muß, jobald das Sachverhältnig ein anderes wird, der für dafjelbe gebrauchte Ausdrud eine andere Bedeutung jelbit dam erhalten, wenn der Wechjel des Sachverhalts der Erfenntnig entgeht. Cs fan aber auch bet gleich- bleibendem Sachverhalt der ihn fennzeichnende Ausdruck eine andere Be- deutung erhalten, wenn fich die Erfenntnig des Sachverhalts ändert. Im feinem Falle fan ein bloges Wort uns Auskunft über den Sadyverhalt geben. Somit nu immer erjt der Sachverhalt dargelegt werden, um die Bedentung eines Wortes zu erfennen. Das Wort tft immer nur ein Vermittelungswerkzeug zur Darlegung eines Sachverhalts. Nm deutet aber die Frfenntnig nicht nur den Sadwerhalt, jondern zugleich auch jehr häufig das Wort, durch welches eben der Sachverhalt gekennzeichnet wird. So geichieht es, da einen bereits vorhandenen Wort ein Sacwerhalt ) Nah Kuhn, Herabfunft des Feuers. ©. 70. Mucde, Urgeichichte. 14 910 Vierter Abichnitt. untergejchoben wird, für den das Wort garnicht erfunden war. Dies zeigt folgendes Berjpiel. 5 fällt auf, dag der Grieche jeine Genneten und der Deutjche jeine Senoten hat. Der Sprachvergleicher, der von den Wörtern Aufichluß über die Ihatfachen verlangt, wird die Hände über dem Kopf zujammenz ichlagen, wenn jemand den DVerjuch macht, den agriechijchen und deutjchen Ausdrud als in feinem Urjprung gleichbedeutend zu jegen. Und doch find beide Ausdrüde im fachlicher Hinficht identiich, indem eben hier bereits einem vorhandenen Wort ein Sachverhalt untergejchoben wird, für den e5 nicht erfunden war. Im Deutjchen fommt das Wort Gemtete, was im Hollänpdijchen Genieten heit, namentlich in den Sormen gen&at, gandz, ganözi, gandzo vor und wird mit socius wiedergegeben. Wenn es bet Notfer (70, 20) heißt: „daz ih mih dir genozzon wolta“, jo hat es hier die Bedeutung von „aleichitellen‘, daß ich mich Dir gemeinfam machen wollte. In diefem Sinne wird auc) Kanozzid mit par (gepaart — gleich) erklärt. Das Wort Ganözeaf und Genözcaft (Genofjenjichaft) wird für contu- bernium, consortium, collegium, sodalitas, schola und stationes ge= braucht. ES dedt fi aljo volljtändig mit dem griechtichen yevos, der römijchen Gens, wie wir fie oben gefunden haben. Ytını fommt aber der Gtymolog! Gr findet den Ihatbeitand, dat der Ganöz, wenn auch nicht ausschließlich, doch vorzugswetie Vtehzüchter it und der Nutung des Viehes obliegt. Das althochdeutiche Subjtantiv Nöz hat, wie angelj. n&at (mit der Zufammenfegung v&orenyten Arbeits- vieh, den Derivatis nytenlie viehijch, wild, nytennis NBildhert, Dunme heit), altwordiic) naut, jchwediic) nöt, däntjc) nöd die Bedeutung von ieh, iperiell Nindvieh angenommen und wird mit animal und jumentum wiedergegeben. Anderjeits hat „nuz“, gleich dem lateinijchen uti, bet den DViehzüchtern der Gaca die Bedeutung von „gentegen“ erhalten, wes- halb ;. B. das althochdeutjche Zeitwort niuzan, das altfriejijche niata, nieta die Bedeutung niejfen, nußen, benußen zugleid; im Sinne von pascere, capere, colere hat. Was bei den dem Aderbau huldigenden Ariern „ges brauchen” (mıbhd. bruchen d. ti. brauchen) tft, it bei dem viehzüchtenden Sobewohnern „nußen”,. Brauchen tft urjpringlic brechen (altn. brjöta brechen) und ijt verwandt mit broden (mbd. proz in prozma=prosem der Brojamen), während jich „uußen” nur auf das Vieh bezieht. 68 findet fich aljo derjelbe Unterjchied wie bei den Nömern (par discrimen est inter uti et frui apud Latinos), indem eben frui das Brechen der Frucht, uti dagegen das Entnehmen vom thieriichen Körper (uter-), RE bejondere das ntziehen der Milch bedeutet. Was ift mu natürlicher als daß bei der Deutung des Wortes N N Die Neihenlager dev Bewohner des Hochlandes 2. 211 „Sennot” die Srfenntnig an die jeweilige Sachlage — das Nuten des Viehes — anfnüpft, indem jte das urjprünglich einheitliche Wort als ein Gompofitum betrachtet und in zwet Bejtandtheile „Ge“ und „nof“ zerlegt und aus dem „Senneten” einen „Senofjen” im en eines Mit- ‚Genieenden“ macht, obwohl der Sacywerhalt durch diejen Srfenntniproceß nicht mu nicht , jondern getrübt wird, abgejehen davon, daß 3. B. ganiuzan nur mit dem untrennbaren Präfte vorfommt. Die Geneffei find nicht die Geniefenden, jondern die „Semeinjamen“; ihr gemeinfames Genießen it nur eine Folge ihrer Gemeinjamteit. E58 it daher jachlich nicht richtig, day die Genofjenjchoft „die jpectell auf Nutungen abzielende Gejellichaft” jet und „daß aus dem NWurzel- wort nut jic) jchliegen lajje”, wie A. Klein vermeint!), „daß das in Ause ficht genommene Iutungsrecht des Miitbezugs an den durch die Ihätigfeit der Genofjen zu erzielenden Vortheilen deren Vereinigungspuntt, Ynlaf und Suhalt des Genofjenjchaftsverbandes darbiete’. Die Nukung it durchaus nicht das Wejentliche an den Gricheinungsformen der Genoten. Die Jurisprudenz mag Jich hüten, dem jpecnlativen eg der Sprachver- gleichung einzufchlagen! Ienn im jächjiichen Xehnvechte (ec. SO S 2) vom Genot an’ me herscilde gejprochen wird, um die verjichtedenen Gliederungen der durch Lehnverbindung erzeugten Ständeverhältnijje zu characterifiven: Heerjchtld de3 Königs und Heerjchild der Gemeinen; wenn ferner im Sac)jenjpiegel een 632550., 22112.72,.2..111..29;1:65,2); min: genöz den Sinn einer Berjfon hat, die eimer anderen an Geburt und Stand gleich war und mit diefer ‘Perjon gleicher Mechte fich erfreute — jo find dies deutliche Hinweile, dat das Beltreben, das Wort Genot mit dem Worte nuz in Zufammenhang zu bringen, ein jpätzeitlich erfünftelter Srfenntnißact, d.h. eine jog. Volfsetymologie it, die eben entjteht, wenn man das Wort jelbit dadurch zu deuten beginnt, dag man einen Ihatjachen-Jujammenhang auf jucht, dem das Wort jeweilig entjpricht. Sowie man amderwärts die ge= ihlehtiichen Verhältnijje mit dem Worte Germet m Zujammenhang zu bringen juchte, jo hat man bier die wirthichaftlichen Verhältniffe in Sonner mit dem Worte gebracht. Dies muß der Urgefchichtsforicher im Auge behalten! Cs tjt eine durch Ihatfachen nicht zu beweifende FKolgerung, „da tm den frühejten und daher niedriaften Kulturjtufen fich diejes gemeinfame Gentegen auf das Ginjammeln, Gebrauchen, VBerzehren von Grzengniffen des Waldes, Feldes, Meeres bejchränfte*, wie A. Klein annimmt, und day das Wort nuz fic) darauf bezogen habe. Vielmehr tft, wie gezeigt, nuz (ebenjo wie 1) iber Bedeutung der Etymologie für die Jurisprudenz. Im Zeitjchrift für VBölferpjychologie 16. Band (Berlin 1856) €. 411. 14* Vierter Abjchnitt. [02 nn IV uti) ein jpecifiicher Musdrud der Biehzüchter, die zu den Go- oder Wander: horden (gentes) zu rechnen jind. GSenneten oder Gentes [ind im der Urzeit Wanderhorden auf Go- Yand, der yEz, und der urgejchichtliche Gegenjag der Bewohner des ebenen Yandes (opy&s), oder wenn wir mythologijch veden wollen: der Gegenjatz der jeßhaften Bevölkerung der Hera. Wenn in Griechenland zur Zeit der Flajfiichen Medner die Mitglieder der einzelnen Gentes, wie allgemein be= fannt ift, nicht die allergeringite VBerwandtjcha,t im Stimme von Bluts- verwandtjchaft unter einander hatten, jo it tm diefer Gricheinung wicht eine im Laufe der „Zeit verloren gegangene Erinnerung an eine früher be= Itandene Verwandtjchaft, jondern ein nie ins Bewuptjein getretener Zuftand verwandtjchaftlicher Bande zu erblidten. Die abenteuerlichen Schilderungen, welche die moderne Sthiologie von der vater und mutterrechtlichen Gens uns in den letten Jahrzehnten geboten hat, find leider nur zu jehr ge eignet, ums das Idejen der Gens auch tm Alterthum zu verjchleiern. Was dem Urmenjchen Geheimnig war, fanın unmöglich feine Bhantafie belebt haben und ein Gegenitand bewußter Neflerion gewejen jeit. Mit meinen Darlequngen in „Howe und Familie“ hoffte ich das moderne Vhantom ein für alle Mal wiverlegt zu haben, war abır leider genöthigt, da ja gerade Verftridungen in jernellen Dingen jehwerer als irgend etwas Anderes ausrottbar find, in diefer Schrift nochmals darauf einzugehen, und zwar um jo mehr, als jene Xehre nicht blos in der „ethnologijchen Surtsprudenz”, jonvern auc im der Virthichaftsgejchichte Vertreter gefunden hat. So Joll jelbjt nad) einem umjerer angejehenften Mationalöfonomen „der wrjächliche Keim der ganzen Gimrichtung (der Gens) wahrscheinlich im der Emficht tr die Mothwendigfeit einer Zähmmung der geichlechtlichen Begierde” gelegen haben; und der betreffende Gelehrte Ipricht von einer „uterinen Gens“ mt einer angeblichen „Stammmutter”, wo „die Kinder zu ihrer Mutter ohne Mücjicht auf den Vater gelebt haben und es feine Ehe in umnjerm heutigen Stimme gab." Dann heift e5 weiter: „Us aber mit zunehmenden Vermögensbeft das DBaterrecht fiegte, die Väter ihre Frauen und Kinder für fich haben, ihren Kindern und nicht mehr ihren Neffen und Vichten ihre Habe hinterlaffen wollten, da war die Gentilverfaffung viel zu jtarf, als daß fie nicht in veränvderter Form noch lange fortgejett worden wäre. Ste blieb nad) dem Vaterredht geordnet nod) lange kräftig erhalten; aber die innerhalb der Gentes fich nun bildenden patriarchaliichen Samilten mit ihrer Kaufe und Maubehe, ihrem Vieh und Sflavenbefiß, mit ihrem Samilienegotismus und ihrem Srwerbstrieb wurden nad) und nad) joviel Fräftigere Fleinere Sinheiten, day jie die Gens auseinander Iprengten.” Sind irgendwo im Völferleben auch nur leife Anhaltepunfte für en ii ik Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c, 213 diefen hier gejchilderten Proceß vorhanden? Dder findet derjelbe, wen er auch nicht in hinterlaffenen Spuren hiltorifch nachweisbar tft, wentgjtens in der Piychologie jeine Begründung? Schon in einer Zeit, wo die Nationalöfononie von der Völkerkunde noch wenig Notiz nahm, haben die Vertreter der Wirthichaftslehre, wie beijpielsweije der verjtorbene Prager Profefjor Karl Thomas Nichtert), richtig erfannt, „daß der blohe Sejchlechtstrieb nicht das geitaltende und erhaltende in der Samtlie jet.” An allerwenigjten können wir ung denfen, daß, wenn die Werfallung der Ur: menjchen jo abweichend von der übrigen Naturordirung gewejen wäre, e8 jemals zu einer „Einficht in die Nothwendigfeit einer Jähmung der gejchlechtlichen Begierde” hätte kommen fünnen. 68 wide nad) der im Begriffe der Entwidelung enthaltenen Gontinuität, wie überhaupt feine gejellichaftliche Drdmung, jo aud) im Bejonderen fen planmäßiger IBtrthichaftsbetrieb mit „Vermögensbefig” und dergleichen jemals im menjchheitlichen Yeben haben entitehen fünnen. re ich Ichon oben gezeigt habe, bafirt die Deutung der „uterinen Gens" auf einer Vermechjelung des zweireihigen VBieus mit der Gene. In jenem bejtand eine Männer und Weiberreihe, von denen jede bet der Begründung des Hauswejens (Samilie) in Berührung mit fremdhordigen Menjchen Fam, die den anfäjligen untergeordnet wurden. Dapdurd) gelangte auch die MWeiberjeite zur Herrichaft über Männer, aber dieje Männer waren Fremde, die nicht zum längsreihigen VBicus gehörten. Infolge deffen wurden nach) der Lagerordnung des urzeitlichen Bicus die Sinder dev Frauen nicht zugleich auch Kinder ihres Samiltenmannes, jondern Kinder der Brüder der Frauen. Das Meffen- und Nichtenerbrecht tft jomit nicht die Folge der „uterinen Gens”, jondern die Gonjequenz der Meihenordnung, wie jte im Wechfelgereihter, dem Vicus, angetroffen wird. Doch diefe Verhältniffe näher aus einander zu jeßen, it hiev um jo weniger der Drt, als ich fie jchon ausführlich in meiner Schrift über „Horde und Kamilie“ dargelegt und nicht ohne Abjicht der vorliegenden Arbeit, obwohl diefe in der Hauptfache früher als jene verfaßt tft, vor- ausgejchidt habe. Ich bitte diefe Verhältniffe dort nachlefen zu wollen. Srit durch den im Interefje des Haushaltungswejens ae Frauenraub wurden jowohl auf der Männer als Srauenfeite des Virus anfänglich ungeordnete Zuftände herbeigeführt, als die Wanderhorde mit der jeßhaften Horde fich begegnete. Imjofern aber diejer Meenjchenraub auf Gegenfeitigfeit beruhte, d. h. auch die Glieder der Wanderhorde als Näuber auftraten, wurde auch deren urjprünglicher Zujtand mopiftettt. Um für diefe Verhältniffe ein Verftändnig zu gewimen, it es deshalb !) Sinleitung in das Studium der Bolkswirtdichaft. Prag 1871. ©. 30 214 Vierter Abjchnitt. erforderlich, Die Lagerung der urzeitlichen Gens aus den vorhandenen Merfmalen der jpäteren Einrichtungen ebenfalls erjt noch zu reconftruiren, auch wenn ich im Diejer vorliegenden Schrift nicht beabjichtige, auf Die innere Seite der Verwandtichaftsverhältnifje näher einzugehen. Die Neconftruetton der urzeitlichen Gens it viel jchwieriger als diejenige der jehaften Horden, und bejonders jchwer ift mir hierbei die Daritellung memer Forjchungsergebnilje geworden, weil die für ven Lejer unbedingt erforderlichen Illuftrationen bzw. GSrempliftcattonen nur an jolchen völferfundlichen Meittheilungen geboten werden fünnen, mo Itarfe Gemijche heterogener Horden vorhanden jmd. Die Völfer des Go- landes waren den Venbachtern des Alterthums bei ihren bejchränfteren Nerfehramitteln noch weniger als den modernen Meijenden an ihrem un= gajtlichen Urjprungsorte befannt geworden, und wir jind deshalb meiit nur auf Sagen angewiejen. Traf man die Gentes auf ver Durchwanderung der Ebenen bzw. bet ihrem vorübergehenden Aufenthalt hier an, jo haben ihre Beobachter jie nicht als das betrachtet, als was jte hier auftraten, nämlich als „Säfte“, Fremdlinge der „Ge“, jondern für integrivende Beitandtheile der Völker des Arlandes, der Ebene. Und diejes Nicht: icheiden hat wieder zur Folge gehabt, day man eimerjeits ein Gebiloe, von dem nur ein Theil zugewandert war, als total eingewandertes Wolf betrachtete und da man amderfeits, weil fich der wandernde Theil, bevor noch ein fejteres einheitliches Band zwifchen ihm und der jeghaften Horde fich bildete, wieder abtrennte, von einer Völfertrenmung jprad). Diejer Beurtheilung liegt die Falfche Vorftellung zu Grunde, der zus folge man glaubt, e3 habe fich durch die Zwifchenglieder einzelner Familien eine Gemeinde, aus mehreren Gemeinden ein Stamm und aus mehreren Stämmen ein Wolf gebildet, das fich dan wieder rüchwärts zergliedert habe, jo da man nicht, wie ich behaupte, in Horden d. h. in Meihen- lagerır, jondern in ganzen Stämmen auf die Wanderjchaft fid) begeben habe. Werden wir erft die Fruchtbarfeit des Begriffes „Horde“ voll er- fannt haben nnd darunter nicht mehr ein wirtes Chaos zufällig zufammen- aelaufenen Gefindels, jondern natürliche Kagerordnungen vertehen, und unjere Beobachtungen hauptjächlich ihnen zuwenden, dam dürfte ung ein beiferes Verftändnig für die Bewegungen der Menjchheit — und des Völfer- lebens erjtehen. Nicht die jernelle, jondern die wohnräumliche Seite des fefsteren mu in den Vordergrund der Forjchung geitellt und bei der wohnräumlichen Stellung genau darauf geachtet werden, wie die einzelnen Individuen (Untheilbaren) zu einander ftehen. Als jtatiftiiches ISndtorouum ift aber dabei weder die Haushaltung, noch der jog. Stamm, jondern die Horde d. i. das Neihenlager zu betrachten. Dies it bet der Gens deshalb jo jchwer eotauftelen, weil die MWanderhorde wegen ihrer eigenthümlichen 5. 21 (ee re rei este + B-Seite Be er EEE EEE = N Die Netihenlager der Bewohner des Hochlandes 2e. 215 Gliederung in Ganz, Halb» und Viertelfreifen, wie wir nach) und nad) erfennen werden, ebenjo leicht auflösbar, wie zujammenjeßbar it. Wir wollen den Verjuch machen, ihre Drgantjation fennen zu lernen, wentgjtens in vorliegender Schrift jo weit, um die Gens der Vichzüchter beurtheilen zu fünnen. Auch die Wanderhorde der Gäa tft eine MWohnlagerordnung; mur unterjcheidet fie fi) von dem früher betrachteten jchiffsförmigen Wicus dadurc, dag uns in ihr die Nundlagerung entgegentritt. Aller Wahr- iheinlichfeit nach hat ihr Dazu der Fenerplag die Werlung gegeben. In den rauheren Gebirgsgegenden dürfte die Erfindung des Feuers, um mic) vorfichtig auszudräiden, wenn auc nicht geradezu viel cher zu juchen, doc) eher gewinrdigt worden jein als in der niedern Ebene. Much die Erfindung des Feuers werden wir nur einem Jufall zujchreiben müljen, entitanden ducch unbenbfichtigtes Entzünden von Hölzern durch Neibungen. An fich fretlich hätte jte ebenjo gut auch auf der Ebene gemacht werden fünnen, da ja möglicher Weife auch hier Diejelben Bedingungen, wie auf dem Höhenlande, gegeben waren. Aber dejjen Nauhheit wird der Erhaltung des Feuers unzweifelhaft eine größere Bedeutung beigelegt haben. Mterk- würdig it, daß, wie wir jchon vorhin erwähnten, im den Sagen der Hölfer und zwar im verjchtedenen Gombinationen gemeldet wind, es jet ihnen das Feuer von den Bergen bezw. vom Himmel gebracht, beijpiels- werje, wie die MurrayAuftralter erzählen, zuerjt in eimem Grasbaunt- Itengel; es it auch ferner merhwärdig, das der mmjtiiche Stultus des Seners, joweit ich die völferfundlichen Srjcheimungen zu überbliden vermag, nur bei den Horden der Ebene auftritt, während er bei den Wanderhorden als etwas Selbitverftändliches betrachtet wid, was meines Grachtens darauf hinweist, da es eine Zeit gab, wo jene die Feuerbeveitung nicht fannten md eben deshalb die Erhaltung des Feuers jchüßten, es aber auch wegen des erfannten Werthes zu verehren begammen. Dbmohl der Iufammenhang der Ihatjachen darauf hinweift, daß den Bewohnern der Ebene das Feuer von den Wandervölfern überbracht it, jo lege ich von meinem Standpunkte aus diefer Griceheimung feinen allzu großen IBerth bei. Was aber unzweifelhaft jein dürfte, it, daß die Numplager im den rauhern Gebirgsgegenden des Fenerplaßes mehr bedurften, als die Bewohner des ebenen Yandes. Nie der Arto-Ptcus, die Arche, jo war auch das Numpdlager ums hordet; nur verjchwindet bei jener die Umhordung für unjer Auge, jobald ic) um das Schiff die Ginzelhöfe zu guuppiren begtimmen, imdent vdieje eben um dte Gramma zu liegen fommen, welche fortan die Umzännung (Sept) vertritt. Die Ummwallung der Sohorden (gorode) jinft oft bis zur blogen Steinjeßung herab, was darauf jchliegen läßt, daß jte nicht jchon 216 Vierter Abjchnitt. urjprünglich als Schulmaner gedient haben fan; jte ijt vielmehr als Nachahmung der urjprünglichiten, anfangs unbewuht vollzogenen Umman- dungen anzufehen.!) Die Umbhordung wurde zur Schußmaner erjt, als es galt, fich abzujchliegen, und zwar nicht blos gegen feindliche Sewalten, jondern wie wir weiter unten (bet der Entjtehung der Viehzucht) ar jehen werden, auch zu friedlichen Zweden als Einfriedigung. Aller Wahr: Icheinlichfeit nad) beruht auf der anfänglichen Itredrigfeit der Mauern auc) die befannte Sage, nach der Nemus die Mauern jeines Bruder Nomulus überiprungen habe. Dem Grfimder jeder Sage mu die Vorftellung eines Dbjects zu Grunde Liegen, weil es eben das Subjtrat it, von welchem die Deutung ausgeht: man fand Die niedrige Ban der alten Wohnftätten, für deren Zwed jedes Verftändnig verloren gegangen war, weil man bereits den Werth der hohen Mauern zu jchägen wußte. Solche Sagen ind ein Mahnuf für diejenigen Piychologifer, die in allen Umwallungen ohne Beiteres Vertheidiqungswerfe erblicten und eben nicht bedenken, day ohme die finnliche Anjchauung einer bereits vorhandenen Mauer fein Menjch auf die Idee fommen fonnte, fich durch ste gegen Seinde abzujchliegen. Nicht alle Ueberrefte umwallter Mundlager find „seugen der Kämpfe’, die ji an jolcyden Drten abgejpielt haben. Man muß auch im diefer Beziehung nüchtern denken! Diefe Ummwallungen find ein Sharacterifticum der IB anderhorden, die allerdings auc zur Vertheidigung gedient haben können und auch gedient haben, aber daneben, wie jich bejtimmt nachweijen läßt, auch andern Zwecken. In allererjter Linie dienten jte der Umbhordung, wober das dazu ver- wendete Material am Tich nmebenfächlicher Natur it und anfangs wahr- icheinlich von örtlichen Befunden abhängig gewejen fein wird. Indem ja au) die Wamderhorden VBerjchtedenheiten aufweifen und jede den Dert- fichfeiten, welche uleiche Lebensbedingungen boten, immer Wieder nach- gezogen jein wird, jo wird die Verwendung der Matertalten zur Umfchliegung ED eine verjchtedene, aber für jede Wanderhorde eine gleiche ee jet. Deshalb treffen wir denn auc für das vinaförmig umbhordete Lager eine Be Menge von Bezeihmumgen an, die in lautlichen Variationen auf den verjchtedeniten Drtpunkten der Side Häufig wiederfehren. Sie hier aufzuzählen dürfte wenig Interefje bieten, zumal ich mich außer Stande fühle, jie etymologifch zu beitinimen, weil mir in diejer Hinficht alle that: jächlichen Anhaltspunkte Fehlen. Verjchtedene Anzeichen prechen dafür, daß tm diefen Bezeichnungen das Material, aus welchem die Nundlagerungen hergejtellt find, mit zum Musdrude gebracht wird, aljo ähnlich, wie wir oben beim Worte Sept d. i. einen geflochtenen, „lieb“ artigen Zaun oder !) Vgl. darüber meine Schrift Horde und Familie ©. 272 ff. N a ee ne Die Nethenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 217 bei Slatha d. i. einer jtrohlemigen Sinjchlagung erwähnten. Ghavakteriftijch it ferner bei den Bezeichnungen der Wanderhorden, day in gleicher Ieie, wie im Ausdrude „Ge”, das Bewegliche darin mit enthalten it. So ift 3. DB. einer der häufig wieverfehrenden Ausdrüde „Nur“ (pıj. kaer), das nicht blos einen aus einzelnen Bejtandtheilen fih vund herummindenden Neif in zwei parallel laufenden „Norbgeflechten, wie im SKaffern-straal, bedeutet, jondern auch das Bewegliche (eur-ro) mit ausdrüdt. Dafjelbe it bei dem im verjchiedenen Yautvartattonen wiederfehrenden „Iurb” der Sal, wo ebenfalls das unruhig drängende (turbo, tupB&Lw) mit darin liegt. Wir werden die für unfere Betrachtung erforderlichen Ausdrücde nach und nach fennen lernen. Schon im Wandern zeigt fi) der Trieb des Abjonverns. Denn Wandern it ein andauerndes Abwenden nicht blos von dem Lebensraume, den man bisher tmme hatte, jondern zugleich auch ein Entfernen von dem auf dem Nam fich Bewegenden. Dadurd) wird gewillermaßen ein Zuftand der Ipiojynkrafie, d. h. ein Zuftand gejchaffen, im welchen eine ganz in- divionelle Neigung bezw. Abneigung für bejtimmte Emprüce hewvortritt, der in Hoffnung und FJurcht zum Ausdrud gelangt und wober gejpannte Aufmerffamfeit nach Auen, melancholijches Temperament, myitiiches Gepräge des Dimfeln und Geheimmnißwollen im Gefolge find. Dieje Sharacterijtica der Iprojynfrafie find jowohl Urjache als Folge des Abjchliegens, das die Wanderung (Abwendung) mit fich bringt. Wenn wir diefe Gigenjchaften noch heute vorzugsweife bei einfamen Bergpölfern finden, jo jind wir geneigt, jie den örtlichen Umgebungen ». h. den Bergen zuzufchreiben. Aber wer aufmerfjam Menjchen oder Gemeinjchaften beobachtet, wird finden, daß allerdings die örtlichen Umgebungen wegen des erforderlichen IBechjel- procefjes der leiblichen Drgane mit der Aufemwelt diefen Zuftand herbet- führen helfen, aber doch nicht in dem Sinne, als ob die Derge für fc allein ihn zu erzeugen im Stande wären. Ieder Zuftand dev Soltrung — er beitehe auf eimem Berge, in der Steppe oder im Gefängnig — befördert Furcht und Hoffnung, veizt zur Flucht, befördert den Miyjtrersmus und führt am Ende zu neuer Noltwung. Wer Sahrzehnte m Ginzelhaft eines Gefängnifjes, oder in der Gigenjchaft eines (Zoll-) Beamten entfernt von allen Freunden zugebracht, it ein Sonderling geworden, der alle die erwähnten Merfmale an fic trägt. Was in Diefer Hinficht von Eimgel- menjchen gilt, gilt auch von Horden, bezw. Wanderhorden (gentes). Das Abjchliegen dev Gens von außen hat im ihrem Gefolge das engere Anernanderjchliegen im ISmiern, genau jo wie wir e3 bet gewijjen TIhieren beobachten fünnen, die in einer mehr localen Bejchränftheit leben und wo alsdann zwijchen Alten und Jungen, Männchen und ISerbehen eine immigere Verbindung befteht, die nicht zum Wenigjten in ihren fejteren 218 Vierter Abjchnitt. häuslichen Bauten, wo jte zugleich gegen feindliche Nachitellungen gefichert find und fich vorforgliche Sammlungen von Worräthen befinden, zum Ausdrud gelangt. Ber diejen Ihteren werden die Jungen in einer ges wiljen Zucht gehalten, durch welche die ganze Gemeinjchaft in eine bejtimmte Ihättgfeitsrichtung gebracht wird, die oft eine geradezu überrajchende Kumftfertigfeit zetat, te aber plump und ungejchiet zum Einfchlagen eines anderen Neges macht. Daher jolche TIhiere leicht zu täujchen und zu fangen find, wenn man thre dem Wohnbau angemejjenen Einrichtungen fennt; ja jte verlafen lieber dic Wohnftätte, wenn man ihnen Hinder- nilje bereitet, weil fie wegen der Stereotypität unfähig find, fie zu ums gehen oder zu bejeitigen. Ganz analoge Zuftände, wie bei diejen tolirt lebenden und zur Wanderung neigenden Ihieren, bietet die Gens dar, wo wir ebenfalls die Merfmale der Ipdiojynfralie antreffen. Hier finden wir aljo den jtrieten GSegenjag zu den früher betrachteten Bewohnern der Khbene, die es bis zu Whratrien bringen. Doc bejteht anderjeits bei der Gens ein viel inmigeres, geradezu communtjtijches Jufammenhalten aller ihrer Glieder, nicht, wie beim Wicus, wo ab omnibus in vices pro numero eultorum, jondern ab omnibus pro omnibus, d. h. nicht im Interefje der Einzelnen, jondern im Interefje der Gefammtheit gearbeitet wird. Hätte die Gens nicht Worräthe an Lebensmütteln gejammelt, jo wäre fie in den dürren Gebieten ihrer uriprünglichen Heimath umgefommen. Aber nicht darauf allein jeheinen fich ihre Sammlungen bejchränft zu haben; wir werden alsbald jehen, wie manche Gentes um ihrer Schäße willen für die Be- wohner der Ebene begehrungswerth geworden find, und wenn wir in ihren Rehaufungen auch Knochen vorweltlicher Ihiere, theils bearbeitet, theils unbearbeitet mit antreffen, jo leiten jie uns auf ganz andere Wege der Beurtheilung diefer Ericheinung hin und eröffnen uns andere Thatjachen- zufammenhänge, als jo viele Korjcher vermuthen. Im Nundlager wohnen Männer, Frauen und Kinder in mehreren Generationen eng bei einander, nicht in abgejchiedenen Kammern, wie im der Urhorde (orda), noch wie bei dem daraus hervorgegangenen Viens, getrennt in bejonderen Abthetlungen, jondern communifttjch vereint. Der primitive Sinzelrundbau fennt mod) feine Abtheilungswände Und wetl jre vereint leben, jede Gens für ji) umd zujammenarbeiten zum Nuten der ganzen Gemeinjchaft, jo entwicelt jich hier eine Kumjftfertigfeit im jeder einzelnen Gens abgejfondert, die unjer Intereffe und unjere Bewunderung ebenjo hervorruft, wie bei den oben ge= ichilderten Ihteren in deren Soltrung. Daher fehlen den Gentes analoge Emrichtungen, wie die der Ylma= zonen, die als beiondere WeibersHeere in den Kampf ziehen und für jid) ein von den Männern getrenntes Leben führen. Das erflärt uns aud, a in Die Neihenlager dev Bewohner des Hochlandes 2c. 219 warum die Werber der Wanderhorden am Kampfe häufig mit theilmahmen. Was berjptelswerfe Tacıtus (Germ. 7) von den germantchen Keilvotten jagt, welche Schlachtordnumg, wie ich weiter unten zeigen werde, eine noth- wendige Folge des Nımdlagers it, hat mur auf die Gens Bezug: „dann, die Nähe ihrer Lieben, jo day der Weiber Geheul, dal das Gewinmer der Kinder herüber jchallt. Dieje find Jedem die heiligjten Zeugen, diefe die höchiten Lobredner. Zu den Müttern, zu den Gattinnen bringen fie die Wunden; dieje jcheuen jich nicht, die Hiebe zu zählen und zu unter juchen. uch Spetfe tragen jte und Infenerung den SKämpfenden zu. Man erzählt Berjpiele, da wanfende, ja jchon weichende Schlachtreihen von Weibern hergejtellt worden durch unabläffiges Flehen, durch Darhalten der Bruft und Hinweifen auf die nahe Gefangenjchaft u. . w.” Solche Schilderungen pafjen auf die Bewohner der Ebene, die Arier, abjolut nicht. Sa bier leben die Meihen der Frauen von denen der Männer häufig ganz getrennt nnd kommen nur in gewilen Zeiten zujammen. Die Gens tft eben ganz anderer Art und Herfunft als jenes zwei- reihige Wohnlager der Horden der Ebene, mit dejjen Verfalfung fte, wie gezeigt, Diejenigen verwechjeln, welche von einer „uterinen Gens“ jprechen, wo die Erbfolge tm der weiblichen Yinte beobachtet wird. Das jog. Vater- und Meutterrecht, als Folge der Iechjelbeziehung der Männer: und Frauen- jeite im zwetreihigen Lager mit fremden Werbern bzw. Männern, tt der Gens durchaus fremd, weshalb auf fie der jprachliche Ausdrud, „patri- archaliich”, deu wir jo gern gerade Hirtenvölfern beilegen, nicht pabt. Denn es fehlt der „pater“, wie auch das „archein‘. Im der Batra, deren Mehrheit die Vhratrie bildet und die uriprünglich nur bet den Bewohnern der Ebene heimifch it, nimmt der pati (pater) thatjächlic) mehr eine führende, feine herrichende Stellung ein. Die Gens hat da= gegen ihren Genitor (yeverip, jfr. ihren „Nön’tg (ahd. kun- ing), der mit der Genitrir (yevEreıpe, jfr. ganitri), der „Nön’tgen (ZD. shena, goth. qeni, the queen) en wohnt. Das weibliche Iefen in der Gens ift yovr; (3d. ghena jfr. gnä altır. kona) und ebenfalls andern Uriprungs als die mätä (— mö-te), eine Bezeichnung, die die Go= horden nicht fannten.!) Solche und ähnliche Wörter find erit ausgetauscht 1) Obwohl das uns hiltorifch befannt gewordene Bolf der Gothen ein Miichvol£ arifcher und nicht-arifcher Bejtandtheile ift, jo fünmen wir bei jorg- janter Analyje ihre Jufammenjeßung doch entdecken. Wenn die gotyijche Sprache, die befanntlich weder das Wort fadar mach mater (altnord. moder) bat, dafür atta gebraucht, jo it auch diejer Ausdruc ihr nicht eigen, jondern den Wodinen, Dpdinen, Attinen, mit denen fie jich vermitjcht Haben, entnonmten. Welche Be- zeichnung bei Mifchhoxden ftch einbürgert, bzw. in die Schriftjprache aufgenommen wird, tit jedenfalls veiner Zufall, der zugleich aber nicht blos Über die Bedeutung 220 Vierter Abjchnitt. worden, als jich die heterogenen Horden berührten, wo dann beijpielsweije jfr. gä-matar Schwiegerfohn wird. Erft nach diefer Berührung, worurd die bisherige wohnräumliche Ordnung gejtört wird, nimmt dann aud) das Wort Gens, das im jehr verichtedener lautlicher Gejtalt durch die Wander: völfer jeine Verbreitung gefunden hat, eine modiftchrte Bedeutung an, ohne doc auc) zugleich jene väumliche d. i. jeine urjprüngliche Bedeutung aufzugeben. Gens hat auch in der Elaffiichen Jeit noch die Vedentung von Yandjchaft umd it eben der Gegenjat zur arijchen Landjchaft, wie venn die Gentes der Gegenjat zu den Artern find. Nie jehr man fich bei der Erforjchung urzeitlicher Zuftände viel zu jchr von dem auf der Schriftjprache gegründeten Lericon leiten läft und viel zu wenig auf die Grforjchung der Thatjachen, die vor der Wortbezerchmung waren, eimläßt, zeigt fich im Befonderen bei einer Gin- richtung der Gens, die von großem Intereffe für die Benrtheilnng des ölferlebens it. Ich meine die Hundertichaften. Auch hier Elammert man jich fürmlich frampfhaft an die Gtymologie des Wortes an, ohne den zu Grunde liegenden Sachverhalt, der allein Aufichlug gewähren kam, zu unterjuchen. 6s fällt doch auf und reizt geradezu zu eimer bejonderen Unterjuchung, wenn wir aus der Gejchichte erfahren, day noch in einer verhältnigmäßig jpäten Zeit die jog. Hundert- Ihaften als Territorialeinheiten auftreten. Sit es denn auch hier nicht das logifch und piychologifch NMichtigere, das Näumliche dem Numerifchen in der Sntwidelung der Borftellungen voranzufeßen? Dazu aber fonmt, da überall, wo man von Hundertjchaften jpricht, fich jelten oder ıemals die Zahl hundert herausfinden läßt. Schon Thorpe be- merft beijpielsweife in jenem Glossar zu Ancient Laws and Instituts of England v. Hundred, Thyding:c.: „Sm Dialogus de Scaccario heiße es, daß ein Hundert „ex hydarum aliquot centenariis, sed non determinatis constat: quidam enim ex pluribus, quidam ex paucioribus constat.“ Das Hundert „war im den verjchtedenen Theilen von England an Um- fang jehr verjchieden“. Und das war nicht mur hier, jondern befanntlich auch anderwärts der Jall. Das mul doc) jeinen bejtimmten Grund haben! des einen betreffenden Wortes, jondern zugleich Über diejenigen anderer Wörter entjcheidet. Wenn im der jog. gothijchen Sprache auch das ndl. koning im inne unjers König fehlt, kuni hier vielmehr die Bedeutung von Gejchlecht, was ich in Diefem Buche gens nemme, hat, jo wird Jeder, der nur etwas Der- ftändnip für das Ihatjächliche befigt, nach meinem Dafürhalten auf einen andern eg der Sprachvergleichung geführt, als ihn diejenigen wandeln, welche auf Grund der Fiction des ungetrennten Indogermanenthdums, von dem fich auch die Sothen abgezweigt haben jollen, auf rein formaler Grundlage an Wortwurzeln nagen. re ee nn Die Neidenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 2 [8 us, 83 it der Sat geradezu zu eimem Gemeinplaß geworden, die Menjchen hätten an den Singen das Jählen gelernt. Daraus dab bei- jpielsweije die Malayen lima oder rima für fünf gebrauchen und diejes Wort zugleich „Hand“ bedeutet, folgt dies noc) feineswegs in jolcher IL gemeinheit. Überhaupt bejteht ein Unterjchted zwiichen Zählen und Ab- zählen: auch wir zählen noch heutzutage an den Fingern ab und vers tändigen uns durd die Singer 3. DB. mit eimem eine fremde Sprache vedenden Handelsmann, ohne daß wir jelbit das Zählen an den Fingern gelernt hätten. Der Gebrauch der Hand zum Zählen, das numerare per digitos (computare digitis) jett Zählenfünnen bereits voraus. Hände und Füße find Imftrumente zum Zählen, bezw. auc „Zeichen“ (die = dem in digitus d. i. Zeigfinger) d. i. Mittel zum „Zeigen“, went «8 gilt, fich mit Anderen zu veritändigen. Kenn betjptelsweije die Guarani über 5 hinausliegende Zahlen mit den eigenen Aingern oder auc) mit Zuhülfenahme derer eines Damnebenftehenden zu Stande bringen, jo tt darin nichts mehr und nichts weniger als ein Mittel zur Verjtändigung zu erbliden. Hätte die Mienjchheit am den Fingern das Zählen gelernt, jo bliebe es unaufgeflärt, weshab einige Völfer bis 3, andere bis 7, wieder andere bis 12 u. j. w. zählen, da ja jede normale Hand fünf Ainger hat. Das Zählen jet immer die IAnfchaunmg einer folchen räumlichen TIotalität voraus, die zugleich Vielheit tft. Dhne diefe beiden gleichzeitig vorhandenen Beftandtheile fan der Vroceß des Zählens nicht ermöglicht werden. Nun pflegt aber für die Iotalität der Ericheimung dev Ansdrud früher vorhanden zu jein als für die einzelnen Iheile; ja es kommt nicht jelten vor, daß die Iotalität einer DVielheit bet einem Bolfe es niemals zu einem Jählausdrude bringt, während diejelbe Iotalität es bei einem anderen Wolfe wird, und jogar bei ein und demfelben Wolfe je nad) Bedürfnig zu einem verjchiedenen Zählausdrude wird. So Jind beijpiels- weile (wenigitens im jächftjchen Elbthal, wo ich jelbjt einen Stermbruch befitze) ein Schod „Grumpdftüce" (oblonge Steine) im Steinbruche 40, ein Schoc Apfel beim Händler 60 Stüc; e3 giebt ein großes und ein fleines Dußend, ein großes und ein Eleines Hundert. Alle Wörter wie Steige, Wall, Schod, Zimmer, (timbrum, jchwed. timmer) beveuten Mengen, und ein Timmer Belze bezeichnet bekanntlich eine vecht verjchtedene Zahl. Zählen fanır man nur an einem Gegenftande lernen, der zugleich Sinheit und Vielheit im Ganzen it. Jedes Ganze tft eine Einheit von Bielem, und jede Ginheit des Ganzen eine Vielheit. Inden das zählen Vrelheit und Ginhert vermittelt, jetzt es voraus, daf; beide auch wirklich vorhanden find. er einem Kinde Zählen begrifflich beibringen will, worunter man aber nicht das Nlac)- plappern eins, zwei, drei u. |. wm. verfteht, der mu ihm eine Anzahl 292 Vierter Abjchnitt. Gegenjtände (Apfel, Niüffe) vorlegen und dem Kinde räumlich vorftellen, wie durch das Hinzunehmen des zweiten zum erjten Gegenjtand 2 umd durch das allmähliche Weiterhinzunehmen bis zum leßten, 3. B. dem zehnten Gegenjtand die Vielheit wieder zu Sinheit wird. Hat das Kind die zur Einheit gewordene VBielheit begriffen, jo wird es geneigt jein, Hi, letztere unjerm Berjpiel zufolge immer mit Zehn zu bezeichnen, und z.B zehn Apfel verlangen, aber auch zufrieden jein, wenn e8 weniger erhalt da ihm im Augenblick die Vielheit als Einheit vorjchwebt. uch tft be= fannt, das das Kind nicht blos jprachlich, jondern auch begrifflich (als Vorjtellung) hundert viel leichter gewinnt als etwa 35 oder 87, und zwar vermöge von zehn Ginheiten, die man etwa auf einem Iijch auf- jtellt und die das Kind in Sich aufnimmt, ohne jede einheitliche Vielheit auf ihre wirkliche Zahl zehn zuvor zu prüfen. Hätte der primitive Meenjch nie Gelegenheit gehabt, irgendwo zehn Einheiten von je zehn Vielheiten räumlich anzufchauen, jo würde er wohl ichwerlih ohne Schulmeifter und Nechenmajchtne zu der Borjtellung „hundert“ gelangt jein. Somit müljen wir fon vein a priori annehmen, day unter Hundertjchaft urjprünglid) feine abaezählte Menge, jondern eine räumlich abgejchlofjene Einheit verjtanden jein fan. Aber die Bölfer- funde läßt uns auch in diefer Beziehung nicht im Stich). Io immer wir auf reine Wanderhorden (gentes sine cognationibus) Itogen, finden wir fie im Mımpdlager veremigt, im je 10 (bzw. 12) kleinen Jeltgemeinjchaften, die ihrerjeits wieder als Sinheiten einen größeren Gomz pler von 10 (bzw. 12) tm eimer höheren Kinheit finden, die zujammen einen Kejjel bilden. Ich werde aut thun, Ddiefe Simrichtung an der alten mongoliichen Horde zu eremplifieiren, wober wir jelbjtverjtändlich nicht an die heutigen Derhältnijle, jondern an die ältejten, wie jie uns aus der geit Ehingis-Chan’s (ic weig allerdings jehr wohl, day die Gejchidjts- ichreibung über dejjen Staatsleben erjt viel Ipäter beginnt) überfommen jind, anzufnüpfen haben. Doch bedarf auc dejjen Heeresmacht einer ge- nauen Inabyfe. (53 tjt befannt, dal vor der Zeit diejes Schreden erregenden Fürften alle die jpäter unter jener Herrichaft Itehenden Völker ohne gemeinjchaft- (iches Dberhaupt unter einzelnen Anführern, die fich öfter gegenjeitig bes fehdeten, öfter aber auch zu Streifzügen im Nachbarländer jich verbanden, in bejtändiger VBewequng waren. ie hatte eine dauernde Union zwiichen ihnen jtatt. Aber die Sinheitlichfert ihrer Drgantfation, die, weil fie nichts Semachtes, Jondern etwas ganz natürliches, von jelbjt Sntjtandenes war, die ebenjo zur leichten Verbindung, wie zur leichten Yöjung jtch eignet, hat es bewirkt, dal ein einzelner Mann, injofern er den loje verbundenen fleinen Horden als etwas Bejonderes, als „Sohn des Himmels“ erjchten, u er ie 1: Dr u Me eu re a a ie I m nu Fe a A TS (ran ar. Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes ic. 223 fie alle unter jeine Gewalt befommen fonnte. Gerade darin, daß jte un- verbunden waren, liegt das tiefe Geheimmif, daß er ihr Herricher wurde, und darin zugleich der Schlüffel zur Gröffnung des Geheimnifjes analoger Erichermungen. 55 flingt parador und tft doch wahr, day die Ginheitlichfeit der Gentes im SKampfe gegen höher ciwilifirte Feinde jtets deshalb jehr groß war, weil fie nicht einheitlich waren. Die Bölfer unter Chmgts-Chan bildeten fern einheitlich verwandtes Volk, Hatten aber eine einheitliche Drganijation, die ihnen Niemand aufgedrungen hatte, jondern die fie von Alters her bejagen. Wir willen, dab die Horden, die Chingis-Chan folgten, „jogar um die Ehre bubhlten, dem jtegenden und erobernden, dem gejetgebenden umd herrichenden anzugehören’!) und da jelbjt jene urjprünglichen Feinde ihre eigenen Gejchlechtsnamen aufgaben, um fortan nur „Mongolen” heizen zu wollen, eine Ihatjache, die in der Gejchichte nicht vereinzelt jteht, da die Gitelfeit, einem älteren Gejchlechte anzugehören, bei Völkern jo aut, wie bei Einzelperjonen auf eimer gewijjen Kulturjtufe ein allgemeines Sharacteriftieum it. Gin piychiicher Irieb, der mehr als Sinute umd Schiegprügel zur nationalen VBerjchmelzung der fleinen Völferjchaften bei- getragen hat! Allerdings waren im Heere GChingis-Shans nicht blos ISamver- horden, jondern auch Aderbauhorden vereint. Dieje traten äuperlich her- vor mit ihren länglichen Striegszelten in Geftalt von Viereden, die oft bis dreißig Fuß lang, von einigen zwanzig Ochjen gezogen wurden, Chargiah (Harjia) hieen und deren vieredfige Umzäunung Seraperde genannt wurde. Dagegen waren die Zelte der Wanderhorden rund und biegen ZIicherfe.?) Bon letzteren haben wir hier allein zu jprechen, weil nur fie uns das Wejen der Humdertjchaft erklären fünnen. Die Chargtah (Harjta) bei den Mongolen find die oblong wohnenden Yrter. Die Kriegerorganijation der jog. Mongolen war, wie bemerkt, nicht von Dben her gemacht, jondern beruhte auf der ganz natürlich entjtandenen Anlagerung bezw. Wohnart der Wanderhorden (gentes). Ss bedurfte nur auf der einen Seite der Anregung und auf der andern des Befehls, um die natürlich organifinten Mafjen gegen den Feind im Bewegung zu jegen. 68 tft durchaus unbegründet, von ungeordneten Juftänden bei ihnen zu reden. Wäre das der Fall geweien, jo würden die jog. Mongolen ichwerlich die GSrfolge gehabt haben, welche die Sejchichte verzeichnet. Sie hatten eine ganz bejtimmte Neihenordmumng, die fie eben „ord-“ nannten und die in einer natürlichen Yagerung 2. h. in einer jolchen bejtand, tr der < ) Hammer-Burgitall, Gejchichte der Ilchane, Darmjtadt 1842, 1C. 6 ff. 2), Petit de la Croix, hist. de Timurbee L. VI. ch. XXV, f. 182 und 156. 294 Vierter Abjchnitt. die Werwandten jich in Meihen zufammenfanden und Die es eben veranz laßten, daß fie, wie die germanischen Horden cognati cum cognatis aud) in der Schlacht zujammenftanden. Bald jchloffen fie fich zu größeren Ningen (Sfaden, Hefarem und Tumanen) zufammen, bald löften fie jich in fleinfte Ninge (Debhe) auf, worauf chen ihr häufig vernommener Kommandoruf „Mordio”, was etwa unjerem „tm Drdnung“, und „Zeter" was etwa, dem griechiichen Sareona: und dem althochdeutichen zatjan (verzetten, zeritrenen) entiprechend, unjerm „YUuseinandergehen” anzupafjen jein dürfte, hinweilt. Die bei der Betrachtung der mongoliichen Horden in Betracht fommenden Musdrücde ind nämlich) dehe, ssade, hefare und toman. Die Dehe bildete ein Nundlager von 10 bzw. 12 Gliedern, die entweder tm einen Gezelt oder in 10 bzw. 12 Zelten um ein Seuer lagerten, das in letterm Falle mitfammt dem Boden, auf dem es loderte, nebjt allen perjönlichen und jächlichen Zubehör jurt genannt wirde. uch unter Debe verfteht man nicht nur den Naum, jondern zugleich das Haus, ferner dejjen Pewohner und endlich) auch alle Geräthichaften (Waffen, Werkzeuge, Hausbedarf pp.) Wir fünnen Dehe (decem) mit Jchmtjchaft überjegen, dürfen aber dabet nicht an eine abgezählte Zehn denten. Stwa zehn bzw. zwölf Dehe zu einem ing vereinigt, machen eine Ssade ifr. catä (aus ganta = xovra — hunda) oder einen Chatun (Chotton, vusftich Kotjol) d. h. Kefjel (xor-dAn) aus; er tft, wie die Dehe, mur eine feffelartige Naumeinheit, aber feine abgezählte DVielheit, vielmehr numerich unbeftimmt und fan, wie 5. DB. die römifche cat-erva, die aus 15 Einheiten bejtanden haben joll, ebenfalls diefe Zahl haben. Wir fünnen die freisförmige Naumeinheit dev Ssade = Chatun = hun qut mit Humdertichaft wiedergeben, jo das aljo eine „Hund“ vumd zehn mal zchn ». h. zehn Naumeinheiten. einer bejtimmten Maumgröge ausmacht. I gleicher Weife bilden dann zehn Sjaven eine Hefare, aljo eine TIaujendichaft und zehn Hefaren wieder einen Toman (Iuman), d. 1. eine Zehntanfendjchaft, natürlich auch hierber im Sinme von Maums-, aber nicht Zahleinheiten. Auch dafür, daß man das Heer nicht zählte, jondern Naumeinheiten abmaß, haben wir einen fichern völferfuindlichen Beleg in der Methode, wie man bei den Mongolen die Stärfe der Heeresmacht ichätzte bezw. ermittelte; der Feldherr bediente jich nämlich) eines Bogens oder einer Beitjche und mah durch deren Numdung die darin erblicten Nanmeinheiten in ähnlicher Weife ab, wie wir etwa die Sterne zu zählen verjuchen. Der techniiche Ausdrud für diefe räumliche Abmejjung wırde „im“ genannt!) Dieje Meffung jpricht deutlich, daß wir es mit Naumes, aber nicht mit abgezählten Größen zu thun haben. ') Baber’s Ment. p.303, nah Hammer, Gejchichte dergoldenen Horde £. 213. Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2xc. 225 Humdertjchaften find alfo in ihrem urjprünglichen Dajein feine Zabhl-, jondern Wohnraum-Einheiten, deren Entjtehung auf das Engfte mit der Drgantjatton der Gentes oder Wanderhorden zufammenhängt, die unab- hängig von den Irhorden (Harjia) ebenfalls die verichtevenen Erötheile bevölfert haben. Daher finden wir denn auch, wie bereits angedeutet, die mehr oder weniger große Sprachähnlichkeit in den verjchtedenften Ländern der alten Welt, jo daß wir beijpielsweife Zend Sete, Sanjfrit sata, ofjetijch sadda, ejthnifch sadda, hunnijch sede, ungrifch szAz, finmijch szad oder ssata, lappijch szate oder zhisette, litthauijch szimtas, jlavijc seto oder sto, wallachijch sutä oder tschiunt, albanijc tschint over kint, griechtich Exarov, lateinijch centum, galliic) kant, gaeliich cead, basfijch heun, fränftich chunna, gothijch hund für das deutjche „hundert“ antreffen. 6S it abzuleiten aus dev umzäunten Kreislagerung der Gens (kinna), die, weil fie umzäunt war, auc) pagus heilt. Nur find im Nom die Bedeutungen der Wörter jpäter aus einamdergegangen. Wir lernen es deshalb auch verjtehen, warum jelbjt in dem jog. Infareiche PBerwm’s die Bezeichnung pachac für hundert und pachaca für Humdert- haften auftritt; demm pachae tjt jprachlich und fachlich genommen dafjelbe wie pagus (m7jyos). Die älteren deutjchen Forjcher find fomit feines- wegs im rein fachlicher Htuficht im Srrthum gewejen, wenn fie pagus bezw. Gau mit der Humdertjchaft im Beziehung jeßten, bezw. beide iden- tifteirten, weil fie eben fachlich fich deden.!) Alle Hundertichaften jind freisfürmige Hordenlager; darin liegt ihr Grundmerfmal, und von der territorialen Naumeinheit hat ) 63 it jchon oft auf die frappante Übereimftinmung von Hund mit Hundert in jo vielen Sprachen aufmerkfjan gemacht worden, ohne daß man dafür eine Erklärung fand. So heiht betjpielsweije der Hund im Zend sag, altmedijch spaka, janjfritiich) schwa oder Svan, armenijch schun, ofjetijch kchuds, griechijch “dov, albantjch kien oder chien, lateinijch canis, gothiieh hunds, jowie die Hündin janfritifch schuni, georgtich dsag’ti, Daher schakal, rujfiich suka, lettijch und livijch Suni und jo ähnlich in vielen anderen Sprachen. Man fönnte geneigt jein, am Hundezucht zu denken; indejjen wiljen wir, daß der Aus- druf Hund gerade bei Gentes angetroffen wird, die große Heerden andern Diehes halten. Ich glaube in jachlicher Hinficht nicht fehl zu gehen, wenn ich die Bezeichnungen für Hund (canis) von der um£reijenden Bewegung diejes Thieres berleite, wie man fie noch heute am jedem Schäferhund auf der Weide beobachten fann. Nicht deshalb heißt canistrum (jfr. kand-Ööla) im Lateinischen der Korb, weil er aus Nohr (“avn) geflochten tit, jondern wegen jeiner freis- fürmigen Geftalt. So wird ftcherlich auch die characteriftiiche Umfreifung dem Hunde jeinen Namen gegeben haben. Das Wort Hunt (Hund) fommt auch in der Bergmannsjprache vor, wo es einen Karren bedeutet, der das Erz „zu Tage fördert”. Derjelbe tft heute meift (micht immer) vieredtg, weil die Humte mittels Drahtjeilen auf Schienen laufen. Im früheiter Zeit war er jedoch jtets Freis- rund und wurde, ähnlich wie dev Wajjereimer, in die Höhe geleiert. Mucde, Urgeichichte. 15 226 Vierter Abjchnitt. das Hundert im Stimme emer Zahl jenen Namen; aber es verhält fich nicht umgekehrt. Zur Unterjcheidung des „Naum’ Hundert von dem „ie zählten Hundert” entjteht erjt jpäter das Gompofttum: Hundzert, isl. hund-rad, jchwed. hund-rade, dän. hund-rede, engl. hund-red u. j. w. Das Wort rad dw. rath, rod u. j. w. bedeutet urjprünglich Neibe, nicht Zahl, daher noch im Ehmeritchen irad reihenwetje, sexradig jechs- veihig oder jechsjtrahlig (sex radiüs) heigt. Dtfried gebraucht zwar ihen raitan für Zählen, Wftlas rathjan für rechnen, und noch jeßt be- deutet vaiten oder reiten im Dberdeutjchen Nechnen, weshalb die Nech- nungsführer in einem Salzwerfe Salzreiter, m einem Hüttenwerfe Hütten- reiter oder einer Münze Mümzreiter genannt werden. ber die urjprüng- liche Beventung von vatten, reiten, veuten tft reihen, und diejes Wort bezieht ji auf alle Zuftände (Leiden und Ihun) 3. DB. auf die Arbeit (ein Land reuten d. i. reihenweije bearbeiten), auf die Schlachtordnung, !) weshalb die „Meiter” ihren Namen nicht von reiten im Sinne eines Der: bundenjeins mit dem Nüden des Ihieres, jondern von der Schlachtreihen- ordnung, in der fie fünıpften, erhalten haben.?2) Gm Humd=art (hundari) it jomit ein gezähltes „hund” und ganz augenjcheinlich evjt zu einer Zeit entjtanden, wo ich Die Bevölkerung des Golandes mit der des Arlandes vermischt hatte. uch alsdann tritt erjt das Klemhundert auf, Das jogar 0021.00) I zurucgebt. Injofern beim Vermifchungsprocefje ariicher Horden mit Wander- horden zu einem guößeren Gebilde jehr verjchtedene Gentes mitwirken und diejer Vrocep überhaupt nur als em jehr allmählicher gedacht werden fanır, ) Andrer Anficht it D. Schrader (Eprachvergleihung und Urgejchichte &. 350) bei dem man Kolgendes lieft: „unjer reiten, altır. rıda aglf. ridan, eigentlich ‚Ttch Fortbewegen‘, Yepsodar, md. rıden, „zu Schiffe fahren‘, Warum reiten nicht blos von der Echlachtoxdnung zu Pferde, jondevn von der Echiff- fahrt gebraucht wird, liegt die Ihatjache zu Grunde, dag mar jowohl dort wie hier im der ganzen „Gereihte” thätig war. Wenn ftch 3. B. eine Wataga mit ihrem Wataman einjchiffte, jo war e5 eben die ganze Wohnreide. Ob „die Kunjt des Neitens von dem Indern deS Niqveda gebt wurde”, dürfte Schrader jchwerlich „aus den Tximmern der Wörter” Fejtitellen fönnen; er muß porerit die Gefchichte der Artels jtudiren. Darauf Fonmte ich in einer anderen Schrift zurücd. 2) Wie ein Wort feine jeruelle Bedeutung evit jpäter erhalten und wie die urjprüngliche geradezu verloren gehen fan, ähnlich wie bei yeveiv, Das die Bedeutung erfennen und zeugen erlangt, fanın man auch an dem rufjiichen rod, was heutzutage mit Gejchlecht, Verwandte wieder gegeben wird, erkennen. Jebt beißt roditj gebären, 3. B. ona rodilja fie ijt niedergefommen. &S tijt dies ein Ausdruck im arischen Neihenlager und bedeutet urjprünglich: fie „reiht“. Analog it die Bezeichnung im Nund- oder Kreislager: jie „Eveiit”, was aber nicht, wie das Yerifon vermeldet, bedeutet: „te £reifcht, d. b. fie ächzt umd jtöhnt“. Dieje und ähnliche Bezeichnungen, 3. B. auch Ge,bur”t (altgerm. bür d. t. Bauer = Wohnung) Ind vielmehr vom Wohnlager entnommten. Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 2927 jo it es natürlich, daß jehr verjchiedene, gleichlam (wenn man fich jo augdrüden dürfte) dialectijch abweichende Wortformen für eine und diejelbe Sacdje bei einem jolchen Miiichvolfe entjtehen müfjen. Solche Mundarten- milchungen fünnen theils durd Verkehr der Gruppen umter einander, theils durch die entjtehende Schriftiprache, theils und namentlich, weil zur Herz jtellung einer Mechtsoronung an Stelle der heterogenen natürlichen Dxd- nungen ein Necht erforderlich ift, durch die Gerichtsiprache bewirft werden. Infolge dejjen erhalten die mumndartigen Ausdrüde fortan eine verjchtedene Bedeutung, wodurch mn erjt vecht der Frühere thatlächliche Zufammenhang dem Bemnftjein verloren geht. So fann es beijpielsweije geichehen, daf Worte wie Hun-, Hon=- bzw. Hund, die jich urjprünglich fachlich ganz ge- nau mit Gens dedten, eime andere Bedeutung erhalten. Um jo mehr it es geboten, nicht mit Wortwurzelt zu operiven, jondern in evjter Linie den Sacverhalt aufzudeden. Wir haben gejehen, day das Grumdmerfmal der Hunfchaften im Kreis- oder Numdlager liegt, und characteriitiich für dafjelbe it, dal cs im Eleinjten wie im größten feiner Gebilde diejelbe Drganijatton hat: jedes hat jeinen genitor, dem e3 verbunden tft, mag das Gebilde Flein oder groß jet. I diefer Stretsordnung liegt zugleich das Geherimnig, daß alle dieje Eleinen Gebilde verbunden und zugleich nicht verbunden Find, dag ste bald im groger Drdmung, bald Elein zerjtreut fänpfen und daf fie Jich ebenjo leicht wieder zufammenfinden, wie fie fich getrennt haben. Man rühmt es gewöhnlich Chingis-Chan nach, „da er Durch gejchieften Gebrauch und große Behutjamfeit alle umliegenden Eleinen Shane md Fürjten umter jene Gewalt zu bringen wuhte, fo dal ev doc einem Jeden Mecht und Gewalt über jeine eigenen Unterthanen lieg, weshalb alle Dieje fleinen Fürjten ihn eimitimmig zu ihrem Oberhaupt md Shan erhoben hätten.“ 1) Iejfen handelt cs fich hier ftreng genommen gar wicht um cite Sırhebung zum Oberhaupt, fondern, wie überhaupt in der Gens, um ee „Erfenuung” des Dberhauptes. Sobald die Vorjtellung des Begehrten entjteht, macht jich bei allen Govölfern eine Bewequngstendenz geltend, das Degehrte aufzufuchen?), und der Meiz wird um jo länger unterhalten, je länger das Begehrte in der Zukunft jchwebt. Daher die leichte Unter- ordnung unter ein Dberhaupt, aber auch die leichte Auflöfung, wenn die Vorjtellung des Begehrten verjchwindet. Die ganze Drganifatton im den Heeren großer Welteroberer in primitiven Zeiten — dies dürfte uns Klar geworden jein — ift nicht als das Mejultat eines ausflügelhwen und be '!) Ballas, SZanımlung biltoriicher Nachrichten Über die Miongolijchen Bölferfchaften. Griter Theil (St. Betersburg 1776.) ©. 21. >) Bergl. das oben E. 195 darüber Gejagte. I98 Vierter Abjchnitt. vechnenden DVerfjtandes, jondern ald die in der Xage der Dinge be= ruhende Ordnung anzujehen. Hervorgegangen aus der Wechjelbeziehung der Dinge unter einander, tjt jte eine Sache, die wie jede Sache vor der Erfenntnig bejteht und mur ganz allmählich — feineswegs „auf den eriten Bid” — zu einem geiftigen Eigenthum der Menjchen d. h. erit nach und nach durch einen Nechjelproceg der leiblichen Drgane mit der Sache zu einem bleibenden Bilde der Seele wird. Daher geichieht es oft, namentlich bei halbeiiliiirten Völkern, day gerade dann, wo man jich an= gejchieft hat, die aus einer ganz natürlichen Verfettung und Wechjehvirfung von Umjtänden entjtandenen Gebilde im rechtliche Kormen zu gießen, jolche Droamumgen den Dienit der Zwecdmäßigfeit verjagen, einmal weil die na= türliche Sntwidelung durch inzwiichen neu entitandene Wechjelbeziehungen mit anderen Dingen, deren Borhandenfein man überfieht, bereits über den Stand hinauszuftreben begonnen hat, den man jeiner Jwedmäßigfeit wegen gegenüber jtörenden Glementen fejthalten will, und ein ander Mal, weil die Erfenntnig des natürlich Entjtandenen faljch it, indem man gar nicht das Wejen der Sache erfaßt, jondern untergeordnete Dinge derjelben in den Vordergrund ftellt. Was bisher Großes geleijtet hatte, wird zur Garricatur und zerjtört jolche Staaten ebenjo jchnell, wie es fie entjtehen ließ. Dafür bieten gerade Die jog. mongoliichen Horden ein lehrreiches Beijpiel. | Die Frage liegt nahe, ob diefe Nundlagerungen, welche wir bei den Wanderhorden (gentes) antreffen, nicht blog militärische, nur für Die männlichen Bewohner gültige Einrichtungen gewejen jeten. Allerdings treffen wir im der Gejchichte ebenfowohl rein männliche Kreije, wie auch) Kreife mitjanmt den NWerbern an, wie wir ja in der obigen Schtloerung des Tacitus von den Werbern der Germanen, die dem Feinde mit ent- gegenftürzen, bereits erfahren haben. Das Ihatfächliche liegt darin, daß die MWanderhorden oftmals ihre Frauen und Kinder erjft in Sicherheit brachten, bevor fie ins Treffen zogen, daß jte im Übrigen aber mit ihnen vereint lebten. Deshalb möge auc für den zweiten Fall eine Schilderung hier Platz finden, wie fie Betrejus!) von den fog. Qataren giebt: „She fie fi zu Felde in Krieg begeben und mit dem Feinde ein Treffen thun, juchen fie zuvor in der großen Wüfteney bejondere und wohlgelungene fichere Plätze, dahin fie ihre Werber und Kinder und alles, was in ihrem Vermögen tft, führen und verwahren, da fein Feind, jo lange fie augen jeyn, fie antreffe und überfomme. Sie bleiben jo lange da, bis fie Kund- ichaft von ihren Männern befommen, was es für ein Zuftand mit ihnen !) Hiitorien und Berichte von dem Gropfüritentyumb Mufchkomw mit derer jchönen fruchtbaren Provineien u. j. w..... durch Petrum Petrejum de Erle sunda, Lipsiae 1620. ©. 118. Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes ıc. 229 habe und wie es im Kriege zugangen joy. Haben fie obgejteget und ge- wunmen, ziehen jte ihnen entgegen, jeyn fie gejchlagen worden und die Schlacht verloren, nehmen jte die Slucht noch weiter in die Wüfteney, daf fie noch jicherer jet fünnen und fein Feind fie finden fann.” Würde man mit den Werbern und Kimvern nicht fir gewöhnlich vereint gelebt haben, jo wäre diefe Vorfichtsmaßregel unnöthig. Auch wide der uns befannte Juftand der Hunjchaften tır jpäterer Zeit, wo beide Gejchlechter vereint wohnten, nicht jo geworden jein, wenn die Frauen und Kinder mit ihren Männern bzw. Vätern nicht jchon zuvor eine gemeinfame Wohnung gehabt hätten. Sinden wir aljo zumwerlen nur Numdjchaaren von lauter Männern, jo tt dies entweder aus der momentanen Ausjchetvung von Frauen und Kindern oder ” eine Nachahmung eines Zuftandes jolcher Ausjcheidung zu erklären. Dies führt uns mun auf die intereflante Frage, wie groß wir uns eine on aft bewaffneter Männer zu denfen haben. Da ich jedoch) im nächjten Abjchnitt bet der Grflärung der centum pagi der Sueven auf Diefe Frage nochmals zurücfommen muß, jo will ich mich, um Wievder- holumgen zu vermeiden, hier nur auf eine allgemeine Bemerkung bejchränfen. Nenn die Frauen umd Stinder der Gentes vor dem Treffen aus- gejchteden wurden, jo mußte zu ihrer Bededung ein Theil der männlichen Glieder mit abziehen. Wie wir jogleich jehen werden, zerfällt jedes Nund- lager naturgemäß tin zwölf NMaumthetle. 8enn von diefen zwölf Iheilen die Hälfte den Männern, die Hälfte den Frauen und minderjährigen Kindern zuftel!), und em männlicher Iheil (/,,) den letteren zur Be- dedung beigegeben wurde, jo blieben für das Heer (12 — 6 — 1) — 5 Theile — /,, ded Kreifes übrig, wogegen dem in Sicherheit ge= brachten Theil (12 — 64-1) = 7 Theile = 7/,, zufiel. Es Tonnte aljo ein jtreitbarer Gun nicht mehr als >/,, eines gewöhnlichen Gum, eier, wenn ich mich jo ausdrüden darf „Hunda des Givillebens“, wo Männer mit ihren Frauen und Stindern vereint wohnten, umfallen. 6 mußte fi) aljo nunmehr der Gun zu fünfen zufammenziehen. Damit würde fich jprachlich quinisco in der Bedeutung „ziehe mic zufammen“ deden, was ja auch jfr. pancan — riyre auszudrüden jcheint. 65 it befannt, dag es in allen großen Heeren der Belteroberer theils eine geradlinige (ordo directus), theils eime jchteflintge (ordo obliquus) Schlachtordnung gab. Die Horden der Ebene, die Ir md !) Siner jchnellfertigen Kritik gegenüber erwähne ich, daß man die halb- wiüchligen Knaben nicht auf die Weiberjeite rechnen darf, da wir aus ander- weiten Berichten wijjen, daß die Knaben als „Sinappen” zum Cchild- und Waffentragen verwendet wurden umd aljo mit ing seld zogen. Ich bitte den ?efer, dejjen auch im nächiten Abjchnitt bei der Berechnung des hunda-haerad (centum-pagi) eingedenf bleiben zu wollen. 230 Vierter Abjchnitt. Marbewohner (Marut) hatten, ihren längsreihigen Wohnlagern entiprechend, überall die gradlinige Drdnung; jte waren e8 auch, welche die Meiteret auf ihren Maren (Mähren — Pferden) in Gereihten zu jtellen hatten, die jedoch in primitiven Zeiten auch jo bejchaffen waren, day Fußgänger zwilchen den zu Pferde Sibenden eingejchlojjen waren, jo daß aljo, wie allgemein befannt it, die „Neiteret“ zumeijt aus Kußgängern mitbejtand. Ganz anders fämpften die rundlagernden Hundertichaften, deren Schlacht- reihe die Keilform bildete. Wie tft diefe zu erflären? Sie fann nur durd eine Nundlagerung zu Stande fommen, wie jich Seder durch folgendes Erperiment leicht zu überzeugen im Stande tft. Man poftire eine Anzahl, 5. DB. fieben siaben um eine Nundung, um einen Ihurm oder einen Springbrunnen auf . einer Nice, ordne an, day auf ein = gegebenes Zeichen Giner derjelben zu 4 laufen beginnt und daß ihm Die Andern nachfolgen jollen; alsdann sig. 5. ntjtehung dev Keilvottee muß fi) beim Yaufen ganz natur- gemäß eine Keilform bilden. Zur beferen Veranjchaulichung habe ich auf vorjtehender Figur 7 Kreuze gemacht, womit jelbjtverjtändlich nicht gejagt jern joll, daß nur fieben Berjonen in einer Keilvotte jtehen, da dies von der Größe des Nımdlagers (cun) abhängt. Nachdem wir den Sacverhalt unterfucht haben, entjteht für uns die Stage: giebt es in der Sprache einen Ausdrud, der zugleich Ketlrotte und 3/5 eines SKreifes bedeutet? Diefe Doppelbeveutung hat der Ausdrud Quincunx. Man gebraucht ihn auch theils als Ma zum Mejfen der slüfftgfeiten, als Adermaf pp., theils als Gewicht, ja jogar im Handel als Zmsfuß und im NMechtsbejtimmungen bei der Grbjchaft immer im Sinne von d/,, des Ganzen. Daß man aber auch die Kteilform im Kampf mit Quincunx bezeichnet, tft befannt, z.B. aus Gacjar: obliquis ordinibus in quincuncem dispositis, wo e$ fi) um die Aufftellung des Heeres in Ketlrotten handelt. Man muß ber der Berechnung der Heeresjtärfe großer Völfermafjen außerordentlich vorfichtig in Bezug auf die Verwendung der Ausdrüde jein und darf sich nicht durch die jpätere Bedeutung der Wörter leiten (allen. So find quingenti (quincenti) urjprünglich nur 3/5 2. t. 5 gent eines größeren Kreifes, dejjen Benennung bei den verjchtedenen Wander: harden jehr verjchieden tft, aber immer auf einen Kreis fich zurücdführen läßt. Much hier zeigt fich wieder, daß der Sprachforjcher nicht eher ein- greifen fan, bevor nicht aus den reim jachlichen Merkmalen der Cr= jcheinungen das Thatjachenbereich durchforjcht und einigermaßen feitgejtellt N Die Neihenlager dev Bewohner des Hochlandes ıc. 231 it, wie die Lagerordnungen der Vorzeit bejchaffen waren und wie die Vermifchungen der Horden jtattgefunden haben. Nicht blos für die Heeresorganijation, jondern weit mehr für das Veritändnig der Hordenmifchung bei der jpäteren Anfiedelung der Wanpder- horden, wenn fie jich zwijchen die „Aderbaner ohne Pflug“ eindrängen, it es nöthig, noch etwas weiter auf die Drgantfation der Gentes ein- zugehen. Man fan fich jchen rein apriori denfen, dal es die Yage der me jtände nicht immer gejtattet haben wird, fich im größeren Kreifen, etwa in Jsehntanfendfchaften niederzulafjen. efmmeht finden wir häufig theils Halb=, theils Viertelfreife von verjchtedenem Umfang, d.h. Miederlaffungen entweder in Huferfen= oder aud Spitwinfelform, und bei beiden letteren entweder, wie bei den Vichzüchtern eine forallenartige Gruppirung von Sinzeljtätten um einen größeren Mittelraum oder aber auch eine jolche Sruppirung ohne denjelben. Wir wollen zunächit die leßtere Ihnlage ins Auge fallen Was die Nindlager jammt umd jonders fenn- ; 09050 ı OR, zeichnet, it eben de Kin= 19] Ü tl N ae r E IOOBAFZR \ theilung des SKireifes im ‚oo Sy r i SR a: . Ka N Hälften und Viertel. Die Yo SReNaloır. EIGEN voritehende Fiqur dürfte ge= ’0_o / nl \ ei TER, 020 er PN ) etgnet Jen, uns em qrüößes RE N RE uugn al Se De ves Numdlager im feiner = a N abe Sanzheit, als auch in jedem \ Ju IN h ieiner Theile zu verans h EN / \ ni = s x = \ nı I ichaulichen. Ich habe das Bild deshalb jo eingerichtet, dap wir jeden einzelnen Iherl für fich jtudiven fün- ten. rc wenn das Lager Fig. 6. Das Rundlager in jeinen einzeiten tm feinem fleinften Theile, Beitandtheilen. wie beifptelswetle in der Nummdung eines der 3 %X 12 Eleinften Kreife (im linfen oberen Viertel) auftritt, it Doch jeder der 36 Ninge, was ich aus technischen Gründen im Bilde unberüdfichtigt gelaffen habe, in vier Theile getheilt, jo daß immer je drei eine bejondere Ginheit bilden, etwa tm der Korm, wie 8 der oberjte Viertelfreis zur rechten Seite des Bildes darzuftellen verfucht. Schon ein flüchtiger Dli auf das obere linfe Viertel läßt ung er- fennen, wie jehr unjer an Nundlager wicht gewöhntes Iuge im demjelben jede Ordnung vermißt, obwohl fie doch darin gegeben tft. er es ver- IX oo [8 Vierter Abjchnitt. jucht, auf einer grimen Dede unter Anleitung vorftehender Fiqur jich wit jhwarzer Sreide eine größere Anzahl von SKtreifen aufzuzeichnen und genz eract Diejelben mit weißen Siuöpfchen zu belegen, wird, wenn er damit fertig tft, finden, da das Ganze einen durchaus unregelmäßigen Eindrud auf ihn macht, obwohl er doch jelbjt ein ganz regelmäßiges Nundlager herzuftellen bejtrebt war, bezw. hergeftellt hat. Es darf uns deshalb nicht wundern, wenn wir ti den Berichten der Meijenden die Numdlager als „gabyrinthe von engen Zugängen“ gejchildert finden, „in denen men ji) taum zurecht fie." Man hat diejelben, weil man der Ginzelhütte und ihrer Bauart, die ebenjo wie der vieredfige Bau der Kamtlienhäufer ihrem eigenen Ontwidelungsgejege folgt, eine größere Aufmerfjamfert widmet und jte als die Hauptjache betrachtet, noch zu wenig erforjcht, obwohl gerade im Neihenlager der Schlüffel für das Verftändnif der Wanderhorden and jpeziell auch der VBichzüchter liegt. Letztere haben jedoch, wie bereits bemerkt, wegen 8 Heerdenhaltung bisweilen auch) eine von der obigen Figur abweichende Yagerung, mehr in Korallenform. So fünnen beijpielsweife die nach dem inmmern zu gelegenen vier Streife der Peripherte näher gerücdt jein, wie etwa in folgender Fiqur, wobei natürlich ebenfalls wieder jeder der Kleinft- Er freife in Viertelfreife getheilt tft, jo dah “oO I Sn alsdanır, wenn jeder Viertelfreis eine Haus- f % haltung umfaßt, im jeder Derjelben vier i O % E> O\ Männer anzutreffen jein würden. Die EEE ‚oier Männer" im Stveiölager, We: eine no Sr nn Se große Molle, wie die zwölf Männer NO) 994 im ganzen „So—rod". Der von mir im on 2 GSentrum dargeitellte Kreis, der jtch oft auch in der Mitte des Viertelfreifes desjenigen Nund- Sig. 7. NRundlager in Korallen- [agers, welches in Fig. 6 dDargejtellt wurde, form. wurde, befindet, bildet eine Umzäunung, für welche in lautlichen VBartationen der Ausdprud „Notla” gebraucht wird. Überjetst wird er faft in allen neueren Büchern mit Kuhplat. Solche Plätze fommen nicht nur in der Mitte des größeren Lagers, jondern zugleich) auch in den £leinen Gebilden, aus denen das Gejammtlager jic zufammenz= jest, vor, jo dal alfo jede Numdgruppe ihre Kotla hat. Srwägen wir, daß die Kotla, wie beijpielsweife bei den jog. DBechuanen, zu Berathungszweden dient und fich auch bei nicht Vieh züchtenden Nımpdlagerern findet, jo dürfte die Überjeßung mit „Nubplaß“ nicht ganz zutreffend fein; denn jenes Wort bedeutet in einer Mırzahl von Sprachen (3. DB. ruffiich Kotjöl) Keffel und it et jpecifticher Ausdrud der Wanderhorden. Diejenigen, welche in allen Numdwällen „Bollwerfe, Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes ac. 233 um die Wirkung der Wurfgejchoffe abzujchwächen“, erbliden, finden natür- lich auch in der Umzänmıng der Kotla, bejonders wenn fie aus recht itarfen Pfählen oder Baumjtämmen bejteht, in eriter Linie den Ver theivigungszwed, wo aber doc ihre Stelle im Gentrum des Lagers mehr als deutlich darauf hinwerft, day fie unmöglich diefem Zwede ihren Urjprung verdanfen fan. te jchon gezeigt wurde, Fünmen jolche Ume wallungen zur Abwehr dienen; doc jind fie in ihrem Grundmerfmal nur eine Umbhordung; und ebenfo Fan die Kotla auch zur Umbordung des Viehes dienen, fann aber im diefer Hinficht nur Vebenmerfmal fein, weil fie auch zu Berathungszweden verwendet wird, aus welchem Grunde ich eben das Wort mit „Kefjel” wiedergebe. od näher auf die inmeren Verhältniffe der Nundlager einzugehen, als 8 der Zwed der vorliegenden Schrift gebietet, liegt nicht in meiner Abficht. Ste haben für diejelbe nur jo weit Interefje, als jte uns zeigen jollen, wie die viehzüchtenden Horden bet ihrer Begegnung mit den je: haften Acderbauhorden fich ferneswegs immer im größeren Mumdlagern niedergelaffen haben, vielmehr theils als Halb- theils als Viertelfreije zwijchen den Aderbauern jeghaft geworden find und zwar tm ehr ver jchtedener Größe. Wer freilich der Anficht lebt, day unjere großen Völker nicht duch Mifchungen im Stleinen entitanden find und von großen Stammeswanderungen nomadiicher Viehzüchter, die aus eigenem Inftinft Acerbauer geworden jind, bejeelt it, dem muß bei jeimer nur auf das Große gerichteten Aufmerfjamfeit eine liebevolle Hingebung für das Kleine mangeln. Wir fünnen jeden der Iheile der vorhin abgebildeten Nundlager noch in jo vielen jog. Haufendörfern, bzw. auch noch in Stadt- anlagen antreffen, weil eben der menjchliche Nahahmungstrieb in der menschlichen Seele jo lange jephaft bleibt, bis durch die Berührung mit einem relativen Gegenjaß die GSrfenntnig der Unzwecmäßigfett der bisher eingejchlagenen Nichtung heramreift. Aber auch wenn jte hevangeveift it, fann eine Lagerordnung nicht jo leicht modiftcirt werden, weshalb wir auch vorerjt nur eine Veränderung des Hausbaues vorfinden. Safjen wir betjptelsweife das fleinjte Gebilde des Viertelfverfes tm Sinne der „vier Männer”, wofür wir auch vier „Nön’ige (vier chun) jagen fünnten, ins Auge, jo bietet fich uns dafjelbe, um eine Jedem leicht zugängliche Abbildung zu ceitiven, in Naßel’s Bölferfundel) als „Orund- viß eimer Hüttengruppe im Dorfe Schavan (Ndamana)” dar. Da em liche jener Abbildung zu meinem Bedaneru nicht zu erlangen war, und da ich nicht befugt bin, einen genauen Abdruck nachzumachen, möge fich der Lejer mit umftehender Figur, im der der obere Streis a die „Gintrittshütte”, b die „Wohnhütte" und c die „Hütte der . 193; zweite Auflage II ©. 494. (N) '), Erjte Auflage III . De I ww Hm Dritter Abjchnitt. Fran” Ddarjtellt, begnügen. Wer dieje Hütten- Da aruppe mit dem im Sta. 6 rechts im oberen N Viertel zuhöchit abgebildeten Kreisviertel vergleicht, RE Sy wird die Übereinjtimmung in beiden Geftalten finden. Die erwähnte Gruppe bedeutet ein von Va / u demjenigen Kreislager abgelöftes Viertel, in welchem 3.) Ce) vier Männer jephaft jind; umd ich glaube mid) sr 7 auf Grund des ganzen Syitems meiner Beobad)- tungen nicht zu täujchen, wenn ich hinzufüge, sig. Ss. Ein Viertelfreis. dag e5 zu demjenigen Yagerjyitem gehört, welches in den Flufniederungen neben den Kinzelhofbejtgern jephaft und der Sntwiclungsmotor derjenigen Yagerordnung wurde, welche die Eintheilung in die zu je 4, bzw. 8 und 16 angejiedelten Höfe bewirkte, worauf wir noc zu jprechen fommen. Nachdem wir das Kreislager in jenen Hauptzügen fennen gelernt haben, dürfte es möthig jein, uns nad) Bezeichnungen für den inter nationalen Gebrauch der Halb- und Viertelfreife umzujehen. Hier ift eine Verjtändigung jedoch nicht jo leicht möglich, da bei den Hordenmijchungen ein großer VBedeutungswechjel eingetreten it und wir, jtatt ven Sachver- halt zu flären, eher Gefahr laufen, ihn zu trüben. Vergeffen wir nicht, da bei der Berührung der Wanderhorden mit den jeghaften Horden überall da, wo fich jene ntederliegen, anfangs Umordnung eintreten mußte, die, wenn fie beiden Iheilen ins Bewmußtjein trat, eines Gejeßßgebers be- durfte, der entweder lenfte oder richtete, d. h. je nad) der Stärke und Macht auf der einen oder andern Seite die Frummlagernden (linfe, laevus, %aröc) mit den gejtredtlagernden (rechte, rectus, öperrös) verband. / } Daher erhält beiipielsweile das Wort trev, wenn wir au) mur allein die englische Agrarverfafjung ins Auge fafjen, eine jehr verjchtedene Bedeutung, obwohl diefer Ausdruf als Viertelfreis geradezu international genannt werden fann, Denn trib-us it das Viertel (quatuor) eines zwölfthetligen Sreifes, weshalb diejes Wort befanntlich aud) die Beden- tung von Quartier (3. B. Stadtviertel) hat. Die Ericheinung, dag im Irib drei Kreife find, giebt der DVolfsetymologie die Veranlafjung, tri-bu-s, d. 1. drei (mhd.) bu-s, drei Baue zu deuten, während der Sad)- verhalt lehrt, dal vier Wohnungen in jedem der drei Numdbaue, wie em Wit auf das Kreislager (©. 231) lehrt, enthalten find. Nichtig an diejer Stymologie tft aljo nur, dat drei runde Feuerpläße (röp) enthalten find, von denen aber jeder wieder in vier Theile zerfällt, jo dag alfo Trib in jeinem arögten, wie fleinjten Gebilde ftets ein quatuor (catvar), d. i. em Viertel eines Kreislagers it. Vefanntlic” nennt Blutarch die Stadt de$ Nomulus „Roma en + See Non ze TE Zune DEE EEE nm Die Neihenlager der Beaivohner des Hochlandes 2c. 235 quadrata.* Ginige behaupten deshalb, fie jet vieredig gewejen und be= jtreiten infolge dejjen, daß das Wort urbs mit orbis zujammenbhänge; vielmehr jet urbs von urvare „Surchen ziehen” abzuleiten. Nur über jehen fie dabet die urgejchichtliche Ihatjache, dal die Furche rund gezogen wird und Pflügen (im Gegenjag zu arare) vundadern bedeutet. Urbs entjpricht dem Worte Ningmaner, weshalb oft der Itame der Stadt (2. ®. urbs Patavii) im Genitiv dabeifteht: die Ninajtadt des Nomulus. Man darf urbs nicht mit oppidum (jfr. pattana), der Stadt der Be- wohner der KShbene, die ganz anders angelegt und nicht umwingt it verwechjelt. Shenjo jchiwierig tt es, einen pafjenden internationalen Ausdrud für den Halbfreis zu finden, weil die dafür paflende Bezeichnung von „Bol“, das noch in den Jlapijchen Sprachen G. DB. ruf). pol) halb bedeutet, im Polis einen fejt begrenzten Sinn erhalten hat. Imdeijen war diefe urz' Iprünglich nur ein Halbfreis, der an der VBerglehne angebaut war umd jic) wejentlich von dem zwei Halbfreife umfafjenden Pur unterjchten. Letzterer war, wie jchon erwähnt, ein freisrunder Feuerplaß (rip, umbr. pir = Seuer), aus dem unjer „Burg“ (auch im Arabifchen burg’) hervor- gegangen tft. Deshalb wurde auch für die Athentjche Bol, als der Sage nach die Belasger die oberite Fläche des Berges ebneten und oben eine ummanerte Burg errichteten, Die Hinzufügung von Afro, aljo die nähere Bezeichnung Afropolis erforderlich, weil eben alle Boleis nur Halbfüllungen find, wie die Beobachtung von jehr vielen alten Städten beweilt. Auch die „Rolfa” genannte Schlachtreihe, wenn jte im zweifacher Sorm den Feind umzingelt, war ein vorzügliches Mittel, den Feind einzujchliegen, weshalb fie auch bei den großen Treibjagden der Shane Verwendung fand. Wir treffen im lautlicher DBartation (pal) den Ausdrud m der Bedeu- tung von halb wieder: jo tft das Balltum nichts anderes als ein halb- rundes Sleidungsftüd, das palatum (der Gaumen) hat ebenfalls dieje Ge- jtalt; auch das palatium — im Gegenjaß zum tribunal, das viertelrund it — tjt ein Halbfreis, der, weil er offen war, augenjcheinlich palam Die Bedeutung öffentlich verschafft hat. r In der Zert jedoch, wo die Gens ned) auf der Gaea weilte und jic) bisweilen in Geftalt eines Halbfreifes an die Berglehne anbaute, war diejer gejchloffen und wurde als jolcher bedeutjam für die Viehzucht, namentlich für die dev mehr jpringenden Ihiere, wie Ztegen und dergl., denen der Halbfreis eine Fangftelle wurde. Cine jolche heit auch capistrum, bzw. capella; infofern die Ziege mit ihr im Wechjelwirfung jteht, erlangt die Hiege von der Kangftelle ihren Namen caper bzw. capella. um iit aber das capistrum tdentijch mit „Half“ter, was wir gewöhnlich mit Zaum bezeichnen. Wor der Scheidung durch die Schriftiprache tft Zaum 36 Vierter Aljchnitt. dafjelbe wie Zaun, nämlich ein Mittel zum Fejthalten der Ihiere, was eben auch) Halfter bedeutet. It capistrum bzw. capella jachlich dafjelbe wie Halfter, diejes aber ein Halbfreis, jo tt auc capella in jeinem Srundmerfmal dafjelbe wie palas!), nämlich die Hälfte eines Stretjes, eine Hauptform der Lagerung der NWanderhorden, in der fie mehrfad) dauernd jeghaft geworden find. Auch wenn wir nur einzelne SKtreistheile des Numdlagers antreffen, jo werden doch die Wanderhorden durd) die Kreisform characterifitt. Seine Gliederung aber hat für die Sntwidelung des WVölferlebens Die große Bedeutung gehabt, dag fie fi tm wichtigen Iugenbliden ebenjo ichnell mit nichtverwandten anderen Gentes verbinden fonnten, um fid) dam wieder zu trennen. Aber auch bei ihrer Berührung mit jeghaften Acderbauern war, wie wir noch näher darzuftellen haben werden, ein Gleiches der Fall. Um em Verftändnig Für ihre Bewegungen zu ges winnen, dürfen wir die Manderhorden nicht mit unfern heutigen großen Jomadenvölfern verwechjeln, welche von jenen zwar abjtammen, aber im gewifjen Sinne, weil fie gehen und wiederfehren, jchon jeshaft genannt werden müfjen, indem fie durch über ihnen jtehende Herrichaftsverhältniffe zu Auflöfungen und MWeiterwanderumgen gar nicht die Möglichkeit haben. Nomadifiven bedeutet nicht blos Worwärts-, jondern zugleich auch auf die bereits imme gehabten Pläte Nücwärtsziehen; momadtjiren und wandern it zwererlet. Auch find unjere heutigen Nomaden, wie ihre Zagerordnung bewerjt, durchiven Meifchwölfer. Yu wenn wir diefelbe in ihre DBejtandtheile -zerlegen, fünnen wir uns ammähernd eme Vorjtellung der urzeitlichen Gens verichaffen, die immer abgejchlofjen für jich lebte, jo zwar, dal mehrere Ninge zu einem größeren Ninge gehörten, von denen jeder ein Ming für jid) war, deren erites umd lettes Glied fich als Ning betrachtete und nach dem üblichen Ausdrude für das Numdlager (von Hun die Hunmen) benannt wurde. ur führt bei größeren Verbänden das Oberhaupt, obwohl er jelbjt Ring ift, noch eimen bejonderen Namen. Dies fommt beijpielswetje in der ichwedischen Sagengefchichte in „Häafan Wing” zum Ausdrud. Die Sage jpricht hier von einem Ninga-Meich, das Nömer's Sohn Hringer gegründet haben joll und von einer Ningijchen Königslinie in Schweden, die eine zeit lang Wefter-Gotland inne gehabt habe. Wie immer auc) die vielen Bezeichnungen für das Freisfürmige Lager heigen, z.B. Kar, — jtets wird das Haupt nad) der üblichen Bezeichnung des Lagers benannt und ls (mac) Zojimus 11. 53) Iultan im Jahre 359 zum dritten Mal über N Rhein ging, Fam ex in das Gebiet des Hortarius „ad regionem, cui capellati vel Palas nomen est, ubi terminales lapides Alamannorum et Burgundionum eonfinia distinguebant“. u in. see rn re Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2. 237 erjt im jpäterer Zeit durch ein Suffir von dem betreffenden Worte für den Kreis gejchteden (Kunsing, Nönzig). Ia, der Ring in jener Nachahmung (aus Metall, Thon, Stein oder aus irgendweldem andern Stoff) wird jogar zu einen fpecifiichen Abzeichen der Wanderhorden, die allein Ninge tragen, weshalb mod jet bei vielen Mifchvölfern, im denen die Wanderhorde über die Ader- bauhorde die Herrjchaft gewonnen hat, der ing gleichlam zu einem heraldijchen Zeichen wird. So trägt beijpielsweife (nah Wilfon, der PBelewinjeln, deutjch von Förjter ©. 390) der Nuspaf als der Bevorzugte jeinen Knochenting am Arme, der diejelbe Bedeutung hat, was der auf dem Haupte getragene Iurbsan beim Drientalen ift. „Bag“ und „Iurb“ haben diejelbe la Gejtalt. Werden wir uns erjt daran gewöhnt haben, die Völker auf ihre Beltandtheile zu analyfiren, jo werden wir bald entdeden, warum das Ningtragen ein Specificum der Gebirgsbewohner den Marbewohnern gegenüber tft. So lieft man auch bei Natel!) über die Bölfer der Sahara: „Die Iuareg jelbjt machen große Unterjchtede zwiichen diejen Gliedern ihres Volkes... Von den Gebirgsitänmen wird zu den Waffen (2) gerechnet der uns mehr als Schmucjache erjcheinende fteinerne Armring, den die Männer am rechten Oberarm tragen... Alle Tuareg mit Ausnahme der Marabut tragen diefe Ninge und halten jte jo hoch, daß jelten oder nie ein Kremer einen zu erwerben vermag und merfwürdiger Werje findet fich gerade diejer Ming bei feinen der Nachbarın diejes Volfes.” Schon der Name Marabut (ganz abgejehen von ihrer Drganijatton) deutet darauf hin, daß fie Horden der Ebene find, die, jo lange jte unberührt von den Gebirgsvölfern blieben, niemals Ver- anlafjung haben fonnten, einen Wing nachzuahmen, wie e8 bei den Ning- wohnern der Fall war. Da man Alles, befanntlich jelbjt einen Stuhl, als Waffe gebrauchen fan, jo tft es nicht unmöglich, daß auch die Zuareg ihren Ming dazu Beuenben: aber im Allgememen dürfte demfelben ichwerlich diejes Grundmerfmal inne wohnen. (&s wird aud) zum Unter ichetdungs=, ja bisweilen jelbjt zum Verföhnungss bzw. zu einem Bundes- zeichen, umd es it allgemein befannt, daß ihn die Wanderhorden auc als Taujchäquivalent (Ningged) in den DBerfehr eingeführt haben. Wir erlangen ein Verftändnig für jolche und ähnliche Sricheinungen mr, wer wir uns die urzeitlichen Wanderhorden, jowte alle Horden nur als fleine für jich bejtehende Gebilde vorftellen, die möglichit die Sinjamfeit aufjuchen, aber zu großen Zujammenjchlüffen nur durch Anftöge von Auen, wie etwa durd die Anregungen unter Chingis-Chan fommen. &s gilt von allen Wanderhorden, was Gaejar von den jogen. ne 1) Kabel, Bölferfunde III ©. 182 und 180. Zweite Aufl. II ©. 482 und 453. -938 Vierter Abjchnitt. germanichen jagt: Civitatibus maxima laus est quam latissime cir- cum se vastatis finibus solitudines habere. Das Auffuchen der Fin- jamfeit it ein GSharacterijticum aller Wanderhorden; und mur überall da, wo fie durch eme Starke Nachbarichaft von Aderbauern behindert werden, weiter zu ziehen, werden fie jephaft, aber auch alsdann nur in ganz Fleinen Trupps. Daher auch diefes Nüchwärtsitrömen, wenn fie zur Sehhaftigfeit nicht geneigt jind. (55 heit den Sachverhalt umkehren, wenn Nagel jagt, die Bechuanen jeien deshalb eine politijch zeriplitterte, uneinige und zerjtreut lebende un- dichte Bevölferung, wetl ihre Wohnfite durchaus dem wafjerarmen, jteppen= haften, wentg zum Acderbau anlodenden Binnengewebe Sivdafrtfas ange- hören. Vielmehr umgefehrt juchen die Bechuanen ihre Wohnfie in den Steppen auf, weil fie in unenigen Gentes zerjtrent leben. Ste find in fleinen Bagt (rryos) lebend, find Mımpdlagerer und zwar ihrer DBejchäf- tigung nad) Viehzüchter (pecuarii),t) die ihrer Wohngememjchaft gemäß, wie alle Baganti, die Sinjfamfeit aufjuchen. Diejes Beltreben der Pagant, in fleinen Gemeinjchaften abgefondert zu leben, erheifcht unjer Intereffe deshalb, weil mit ihr die jchon oben berührte Eigenthümlichfeit der Erlangung von Kunftfertigfeiten in Wechjel- beziehung steht. Obwohl ich die Entitehung und Entwidelung der Gewerbe in emer bejonderen Schrift zu behandeln gedenfe, jo fan ich doch, weil ich ja ein gejchloffenes Syitem von Ihatjachen darzuftellen habe, nicht umbin, jchon in diefer Abhandlung zu zeigen, wie die Entjtehung der Bes 1) Wir haben es hierbei, wie fo oft, mit einem für eine Neihe Völfer- ichaften gebräuchlichen Sammtelnamen zu thun. Als folcher fann er politijch- geographiichen Werth haben, wie jeder andere Kante, der ja jtets gleichgültig it. Nach Naßel, (Völferfunde I [1855] ©. 281.) „werden dem Namen Bet: jchuana zweierlei Bedeutung untergelegt. Die einen leiten ihn ab von tjchuana, fich gleichen, wonach ex Yeute bezeichnet, welche jich gleichen; die andern geben ihn die Deutung: die Hellfarbigen, Weiplichen”. Nagel zieht Die Teßtere Deutung als die dem Geifte diejer Völker entiprechendere, wetl finnliche, vor. Mir will jeheinen, daß die Ableitung von pechu, pacho, pecu, pacu, die fich bei jo vielen Gohorden Aiens, Afrikas, Amerikas, jelbjt dev Cüidjeeinjeln findet, die natürlichite, weil den jachlichen Verbältnifjen entjprechendjte ijt. Denn fie wohnen ringförmig um einen in der Mitte gezogenen dichten Kreiszaun (rjyog), neben dem die ebenfalls umzäaunte Notla mit Keuerplaß und Häupt.ingswohnung liegt; pechu (peeu, pacha, pacu oder ähnlich lautend) bedeutet auf allen Erd- theilen jowohl AUnzäummg als auch Vieh. Ich halte es daher für richtiger, Bechuanen oder bejjer Vechuanen zu jehreiben und auszujprechen, die engliiche Ausjprache, welche der von Nagel vertretenen Etymologie zu Grunde liegt, fallen zu lafjen. Wenn irgendivo der Sachverhalt einen Fingerzeig für die Etymologie giebt, jo iit es bei dem Worte Bechuanen, mag man mit mir die Wohnlagerung oder die Beichäftigung als das Grundmerfmal der Sricheinung betrachten. Die Neihenlager dev Bewohner des Hochlandes ıc. 239 rufe in inmiger Verbindung mit der Wohnlagerung fteht, mag es fich um den Betrieb der Viehzucht over um gewerbliche Kunftfertigfeiten Handeln. Diejenigen, welche jich) den Urmenjchen mitteljt einer ganz willfür- lichen Zufammenftoppelung einzelner Neijeberichte als „tumpfjimiges Ein- zelwejen“ vorjtellen, das „überhaupt nicht denkt“, oder „nur an fich denkt”, als ein Wefen von „arenzenlojer Selbjtjucht”, behaftet mit dem Merkmal der „Irägheit”, beachten nicht, day aus einem jolchen Urmenjchen niemals ein Kulturmenjch hätte hervorgehen Fünnen, und ebenjfo wenig, daß, wenn der Urmenjch nur den „Irieb der Selbiterhaltung” gehabt und nur auf die Conjumtion fleiner Ihiere, Wurzeln und Früchte hingezielt hätte, nie und nimmer ein gewerbliches Leben hätte zur Erjcheinung kommen fünnen. Und mun gar, wenn man fich die Urmenfchen als eine Art Jäger ohne feite Verbände als Einzelne herumtummeln läßt, die jich zeitweilig vereinen und alsdanı Die „Horde“ bilden, wie jie die ven jpeculative Nichtung in der Wiffenfchaft fi) ausmalt. Ich jollte meinen, dal jeder DBejonnene, dem die Gntwidelung der Meenjchheit nicht ein Spiel des Zufalls, jondern ein vieltaufendjähriger, durch die Verfettung und Wechjel- wirkung gejeßmähtiger Urjachen hevvorgegangener Bildungsproceß tft, Ttch ab- gejchredt fühlen müßte, aus einzelnen Neijenotizen fc einen wirthichaft- lichen Urzuftand zu veconftruiven, weil er in dem darin niedergelegten Ihatfächlichen degenerirte Zuftände erbliden muß. Ste bleiben tm meiner Darjtellung außer Betracht, weil wir erjt Durch die zu jchtldernden Kämpfe zwijchen den jeßhaften und Wanderhorden Anhaltspunkte für die Beurtherlung jolcher Zuftände, wie fie uns aus einzelnen Schilderungen überliefert ind, zu gewinnen haben. Wäre der Urmenjch vermöge jenes Selbfterhaltungstriebes mur em conjumirendes Wejen gewefen und hätte ev nicht zugleich auch einen Ge- ftaltungstrieb bejejjen, um das, womit ev in der Naturumgebung in Wechjehvirfung trat, nachzuahmen, und hätten die Urmenjchen zerjtreut ohne feite Wohnverbände gelebt, jo würden wir nichts von Kunftfertigfeit finden. Fertigkeit ift nur durch bung zu erlangen und fett die Mönlich- feit voraus, fich einem beitimmmten Gegenftand dauernd hinzugeben. Im Interefje eines bejjeren VBerjtänpnifjes für das gleich Darzuftellende möchte ich den Lejer zunächit auf Folgendes himweifen. Die Weltgejchichte zeigt uns an zahlreichen Beifpielen, daß plößlich große IBelteroberer aus unjcheinbaren VBerhältniffen emporwuchjen. Anfangs arın wie Kirchenmänfe, haben fie plößlich in ihrem Lager die fojtbariten Schäße von Gold- md Silberarbeiten, prachtvolle Gewänder, Waffen und was dergleichen Dinge mehr find: alles jtroßt von Meichthum! CS mag Vieles an folchen Schilderungen übertrieben und „nicht alles Gold gewejen jet was glänzt”; aber der plößliche Neichthum an Kunitgegenftänden bet diefen Welteroberern I40 Vierter Abjchnitt. it umbejtritten. Woher anders als durch Naub hat ein Chingis-Chan jo urplößlich jeine Neichthümer gewonnen? Aber was man rauben will, muß vorhanden und irgendwo angejammelt jein. Was angehäuft ift, muß gemacht jein und was gemacht it, jeßt eine Werfjtätte voraus. Ich erinnere ferner an die großen Mafjen verarbeiteter Edelmetalle in dem jog. Infareiche, „deilen von den Spantern erbeutetes Gold“ ich nad) dem Ausiprud) eines Infanachfommen „zu dem vor ihrer Ankunft vorhandenen wie eim Tropfen zur NWaflermenge eines großen vollen Sefäpes verhalten haben joll*, was man allgemein nicht für übertrieben hält. Wer hat dieje getriebenen und gegofjenen Gold- und Silberarbeiten, welche Gortez an Karl V jandte und von denen die Goldjchmiede von Sevilla erklärten, „Ahnliches nicht leiiten zu fünnen“, gemacht und wie it ihr Urjprung zu erklären? Herodot (VI. 137) erzählt, daß man fich nod zu jeiner Zeit er innerte, wie e8 in Hellas feine Sklaven gegeben habe, daß vielmehr alle Arbeiten durch die Söhne und Töchter des Haujes bejorgt worden jeten. Aber jchon im heroifchen Zeitalter tjt die Sklaverei allgemein Sitte, und wir erfahren aus Demojthenes Vermögensberechnung, day jein Vater tn einer Stahl- bezw. Mefjerfabrif 32 und in einer Bettgejtellfabrif 20 Sklaven bejaß, jowie day in der Zeit des Perifles der reiche Niftas 1000, Hip- pontfos 600 und PBhilemonides 300 Sklaven theils in den Silbergruben Zauriums, theils am Pangdos in TIhrafien hatten. Wie fanır man glauben, dak dieje Berufe der Meflerfabrifation und des Bergbaues im Schoofe der Familie entitanden jein jollen? und woher fommen plößlich die zahl- reichen des Bergbaues fundigen Sklaven? Wer hat ihnen dazu die Anz weijung gegeben? fonnte etwa Niftag vermöge eines angeborenen Inftinkts auf den Ginfall von Bergbaubetrieb fommen? Wir dürfen unmöglich unjere heutigen Verhältniffe ohme Weiteres in die Urzett übertragen. 68 mag ein moderner Kapitaliit jeine Ingenieure nad) erzehaltigen Gegenden fremder Welttheile ausichiefen, dort Ureinwohner einfangen laffen und diefe fich für bergmännijche Arbeiten einlernen. Aber hier handelt es jic) um die Löfung des Problems: wie famen Leute, die nichts vorher vom Bergbau wuhten, zu einer jo großen Zahl von Sklaven, die für fie fortan Bergbau trieben? (55 ijt geradezu unmöglich, die jeßt in der Entwidelungsgejchichte zur Gricheinung kommende Berufsglieverung und fjociale Klafjenbildung aus der technijchen Arbeitstheilung und der großen Kapitalanhäufung er= flären zu wollen. Irbeitstheilung und Berufsgliederung find, wie ich als= bald zeigen werde, ihrem Grundmerfmal nach heterogene Ericheinungen, die fich nur in ihrem äußeren Auftreten gleichen. Die Berufsgltederung jet Berufsbildung voraus. Die Grumdbedingung zur Berufsbildung liegt a A Be Sr a sc re ee ee ee EEE EEE EEE Die Neidenlager dev Bewohner des Hochlandes 2c. 241 in der Möglichkeit, fie ausschließlich einer beftimmten Ihätigfeitsrichtung hinzugeben. Dieje Möglichkert hatten num aber die Wanderhorden, die Genneten oder Genoten, weil jte eben vor ihrer Berührung mit den jeh- haften Horden der Ebene auf der zur gewerblichen Ihätigfeit einen viel größeren MNeichthum an Stoffen darbietenden Gäa zugleich angewiejen waren, fich in Eleinen Gemeinfchaften abzujchliegen. Gin Chavacterijtieum aller Wanderhorden bis zu ihrer Seßhaftigfeit. In ihrem freis- oder feffelartigen Yager (ffr. catra. oje. castru, fat. castrum), gleichjam im Berjted (jr. Cat-ati verjteden) d. bh. eben abgewandt von Anderen, im dem die Gens gegliedert, die Alten mit den Sungen beiderlei Gejchlechts zujanımenwohnten, fonnte durch bejtändige Nachahmung fich das Kaftemwejen entwideln, dejjen Grmmdmerfmal ebeit in der Hingabe an eine ganz beftimmte Ihätigfeit liegt. Wie man jo häufig das Orundmerfmal nicht von feinen Mebenmerfmalen d. h. veıt umvejentlichen, weil jpäter hinzugefommenen Merkmalen untericheivet, jo jucht man auch in den Berufsfaften das IBejen derjelben im nebenjächlichen Dingen und führt infolge defjen ihre Entjtehung, tn der jich ja eben das Wefen ausdrüdt, auf einen hevrjchaftlichen Willen zurüd. Aber es bejteht ein Unterjchied zwifchen dem Gntitehungsgrund einer Sricheimung und dei Urjachen ihrer Erhaltung. (5 it Doch mehr als unwahrjcheinlich, das irgend em Wille von Dben das Gehei; gegeben haben jollte: „hinfort wirft Du Töpfe drehen, Du aber wirjt mit Deinen Nachkommen eiferne Kefjel anfertigen, Ihr da macht Goldjpangen und uch befehle ich jeidene Gewänder anzufertigen u..w." Ich jollte meinen, dal diefe Auffafjung eigentlich nat it. Die Kaften waren vor dem herrjchaftlichen Willen da, mag man jtc) diejen tn verjchtedenjten Formen darftellen. Auch die Wiyjtik it mr eine Begleit- erfcheimung des Kafterwejens, die um jo fejter Winzeln fajjen konnte, je weniger die übrige Augenwelt Neize bot, um irgend welche eue Entwidelumgs- bedingungen herbeizuführen. Doch das Nähere über diefe Berhältnifje joll einer bejonderen Schrift, welche die urgejchiehtliche Entwidelung von Ge- werbe und Handel daritellen wird, vorbehalten jein. Auch die Entjtehuug des Kaftenwejens zeigt, welch eine Bedeutung der Wohnraum in der Ants widelungsgejchichte dev Menjchheit gehabt hat. Durch die Arbertstheilung fünnen wir uns weder die Berufs- und Klafjenbildung, noch die Entitehung der Sklaverei, noch) auch die GEnt- jtehung der in Handwerfsgafjen eingetheilten Städte erflären. Cs ijt ein oft ausgejprochener Gemeinplag geworden, die Anerkennung allgemeiner Menjchenrechte habe dem Alterthum fern gelegen und die natürliche Bes ftimmung der Barbaren habe im Dienen bejtanden, weshalb jte das Ber- hältni der Sklaven mehr fachlich als perfünlich (sopara olmerıx&) auf Mirce, Urgeichichte. 16 I42 Vierter Abjchnitt. faten und Ariitoteles jte geradezu Spyava Eyboya nannte. Darin liegt ein piychologiicher Wink, wie wir uns die Ontjtehung der Sklaverei zu denfen haben. So wenig als ich mir auch nur annähernd eine Borftellung davon machen fanıt, daß der erjte Mann, welcher ein Weib vaubte, dies um des Gejchledhts- genufjjes willen gethan haben jollte, was man wohl einem modernen lüjternen Noue, aber feinem primitiven Menjchen zutrauen darf; wie ic) vielmehr jchon früher für den Weiberraub die Vorftellung einer begehrten Arbeitskraft behufs Dienftleiftung verantwortlich gemacht habe, jo muf ich) auch hier den Sklavenraub auf die gleiche Veranlafjung zurüdführen. Hätte man zuvor niemals gejehen, was Ddiefe begehrten Sklaven vermöge ihrer Kunftfertigfeit zu leiften im Stande jeten, jo würde ohne eine jolche Vorftellung niemals das Verlangen entjtanden fein, fie jich dienjtbar zu machen. Demm auch der Naub jeßt, jo gut wie der Kauf und Taufch, eine wenn auc nur primmiwe Werthihätung voraus, die im der Yln= erfenmung der Bedeutung für einen bewuhten Zwed bejteht. Wie jpät muß man jich jomit die Entjtehung des Weiberraubs und der Unterwerfung von Sklaven im der Entwidelungsreihe denfen, wenn man die piychologtiche Skala der Vorftellingen mit in Betracht zieht, was man ja immer thun muß, wenn man fich nicht im vein jpeeulativen Mebel bewegen will! Man jagt, „man habe der Sklaven zu ihren Unternehmungen ge braucht, um damit die aufgehäuften SKapitalien bejjer zu befruchten.“ Man muß fich aber doc Fragen, woher die SKapitalien gefommen fein jollen in einer geit, wo man bislang den allerprimitivften Acderbau trieb und wiejo bei eimer jolhen Bejichäftigung ein unternehmender Stun auf feimen fonnte? Wohl it es erflärlich, dag man um der von den Barbaren angefertigten Producte willen jich Deren DVerfertiger dienjtbar machte, in= jofern deren Arbeitskraft mit den Trägern derjelben unmittelbar verbunden war. Dies erklärt uns zugleich, warum das Schidjal der vichzüchtenden Bagi ein anderes geworden ilt, als das aller derjenigen Gentes, die eine Kunftfertigfeit ausübten. Denn bei jenen begnügte man fich mit dem Maub ihrer Heerden und befümmerte fich nicht weiter um ihre Berjon, dieje dagegen muhte man fich mit der ganzen menjchlichen Gejtalt zu eigen machen. So fonnten die Viehzüchter jchlieglich jelbit zu Herren werden md, wie die Dorier, ganze mit Vieis bededte Yandjchaften erobern und deren Injaljen zu Leibeigenen machen. DBegehrte man funftfertige Sclaven, jo mus man vücdwärts folgern, daß fie auch funftfertig waren und Gelegenheit gehabt hatten, ji) in der Abgeichtedenheit ihres Dafeins als Gentes diefe Kunjtfertigfeit anzueignen. Um diejer willen famen einzelne Gentes entweder im Ganzen oder in TIhetlen unter die Gewalt von Herren und damit zugleich in xbxAor oder Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2. 243 Ningen auf den Markt, und diejem Mearktverfehr ijt eS zugufchreiben, dak fie fortan Hausjflaven von Vieusbewohnern des ebenen Landes wurden, wo fie nunmehr ihre Kumnftfertigkett wicht mehr, wie früher, in der Abge- jehlofjenheit und in gemeinjamen Verbänden, jondern in der Offentlichfeit und in getrennter Vereinzelung weiter ausübten.!) Freilich nicht überall, denn hier geht die weitere Sntwicelung bet verjchtedenen WVölferjchaften aus einander. Much nicht immerhalb dejjelben Gemeinwejens bei allen Gentes in gleicher Weife,; denn 3. BD. eine Bergbau treibende Gens in ihre Glieder aufzulöjfen, wäre ein Unfinm gewejen, während eine Schmiede- Gens jcehon cher vertheilt werden fonnte, weshalb wir die Schmiede nun mehr vereinzelt, je nach der Xage der Umftände bald unterdrüct und ver- achtet, bald hoch verehrt und heilig antreffen. Wo, wie in Griechenland (Sparta ausgenommen), die heterogenen Slemente zur VBermifchung geneigt waren, werden die Kaften in ihrer MNealität zerjtiebt, während je ander- wärts, wie in Negypten und Indien, tm compacter Gejtalt erhalten bleiben und hier in der Form auftreten, die mach der vulgären Anrficht „Nalte” ge nannt wird, obwohl fie Kajten bereits vor ihrer Umterdrüdung waren. Denn, wie Schon bemerkt, it das lettere Moment mur ein unmwejentliches hiltoriiches Merkmal am Kaftenwejen. Das Grundmerfmal tft die abge- ichlojjene Wohngemeinjchaft (castum= castrum), in deren Gefolge die GSinerleiheit ihrer Ihätigfeit begrimpdet lieat. Berufsbildung, Entjtehung der Berufsklaffen und Berufsaltederung find drei verjchtedene, aber eng zujanmenhängende Crichemungen?). Die in der Nationalöfonomif vertretene Arficht, „die Berufsbildung jet mit 1) Wir müjjen bier unterjcheiden. Kanı der Bicuswohner (olxog) unter die Gewalt einer Gens, jo wurde er oineıng bzw. oixstos im Sinne von Diener, ganz analog wie verna der Hausjelave wird; fan der Aedes (od, at) = Wohner in Dienst, jo wurde er Arayv, ebenfalls im Sinne von Knecht. Wunden dagegen die Umherziehenden in die Gewalt der Sephaften gebracht, jo wınden jte SoöXor. Sn feinem Worte liegt an ich das Untergeordnnet- oder Höher-Zein. Man denfe an Eclave (Slave), Knecht (im Engl. bedeutet Knight Nitter), Schalf u. j. w. Dei Verjcehmelgung der Hovden und Entitehung einer Nattonaljprache verjchmelzen natürlich auch die Bedeutungen dev Wörter. Auch hierbei ift aus Sprabhwurzeln abjolut nichts zu exjehen. 2) Um nicht mißverjtanden zu werden, bemerfe ich, daß ich feine neue Zer- gliederung der Begriffe Arbeitstheilung und Klaffenbildung geben will. Der Fortjchritt in der Miffenjchaft und jomit auch in der Nationalöfonomif bejteht in der Vereinfachung der Begriffe. Die blope Zergliederung vereinfacht nicht und Hat. nur wifjenjchaftlichen Werth, wenn fte zu einer neuen Eynthefe führt, vermittelft deren etwas noch Cinfacheres gefunden wird, als man bis- her hatte. Ich wiirde es als wijjenjchaftlichen Miückjcpritt betrachten, wenn man verjuchte, eine Zergliederung der obigen Begriffe vorzunehmen. Air fonmen m, &. in der Nationalöfonomif mit dem herfönnnlichen Begriffe der Arbeitsthetlung und Klaffenbildung vollfommen aus. 16° >44 Yrerter Abjchnitt. der jelbjtändigen Ausjonderung einzelner Arbeiten aus der wrjprüng- lichen Ramilien= und Hauswirthichaft der primitiven Sntwieelungsitufe ent- standen“, findet in dem rein Ihatjächlichen der urgejchichtlichen Srjchei- nungen feinen Anhaltspunkt und jteht in Widerjpruch mit dem Begriffe Entwidelung. E83 handelt fich hier um eine Verwechslung mit der Arbeits- serlegung d. h. jenem technijchen PBroceg, wodurch eine an fich einheitliche Operation in mehrere ete, die in ihrer Vereinigung erjt ihren Zwed er füllen, zerlegt wird. Sie hat ihren Urjprung in der Beihülfe der Menjchen. Wenn vier Knaben einen Damm aufbauen, von denen der eine Steine herbeifchafft, ein zweiter die Srde aufjcharrt, wozu ihm ein dritter ein jehaufelartiges Stück Holz zurecht macht, das ein vierter vom Baum abgetrennt hat, jo findet hier feine Berufsthetlung, jondern eine Arbeitszerlegung ftatt, die bei jenen vier Anaben ohne befondere Berech- nung dadurch erfolgt, daß fie einander unterftügen bei ihrem Vorhaben, einen Damm bauen zu wollen. Gbenjowenig nenne ich es Berufsthetlung, wen die eine Magd mielft, während die andere das Vieh füttert und eine dritte für trodene Streu jorgt. Gs handelt jich auch hiev Lediglich um aegenjeitige VBeihülfe für eine Arbeitsverrichtung, die, wenn auch nicht ebenjo aut, doch in einer Hand Liegen Fünnte. Ganz anders fteht es um die Berufsbildung, die in ihrem Grunde (ediglic) auf einer Wechjehwirfung des Geftaltungstriebes mit Dingen der äuferen Umgebung beruht: man jucht hiev Dinge nachzuahmen. So bildet man beijpielsweife aus Steinen Knochen nach, formt Töpfe wie Behau- jungen, itellt Ninge mac) Ahnlichkeit der runden Ummvallungen der Yager- plätze aus verjchiedenen Stoffen her, schnitt in Balken Ihür- und Menjchen- geitalten ein umd dergl. mehr. Da nur durd, bejtändiges Ginerlet der Bethätigung in der Abgejchtedenheit des Dajeins Fertigfeit entjtehen kann, jo Liegt auch nur in der Wiederholhmg der gleichen Vethätigung der Grund der Berufsbildung. Nicht jede Berufsbildung erlangt practische Bedeutung für einen öffentlichen Zwed, wie ja auch der Grund, was ich jchon oben (E. 65) aezeigt habe, nicht immer für unfere Srfenntnig fichtbar tft; er wird erjt fichtbar, wenn ev bejtimmt wirflich wird, d. h. im vorliegenden Falle, wenn Bedingungen hinzukommen, durch welche die zu einem Berufe Herangebildeten den Beruf zu realifiven im Stande find. Solcher Bepin- gungen jind viele denkbar (Vergewaltigung, Austaufch und dergl.). Durch) fie fommen alsdanın Berufsklaifen und die jog. Berufsgliederumgen (über die Wahl des Ausdrucdes fann man jtreiten) in Gricheinung. Im beiden Fällen wird die bislang private Berufsbildung (Srwerbung der Kunjt- fertigfeit) zu einer öffentlichen. Sie wird es durd Begegnung heterogener Kunitfertigfeiten, bzw. ihrer Mepräjentanten. Grwedt dtefe Begegnung auf beiden Seiten die Worftellungen des Wohlgefallens an den Kumjt- ns re a Ts Ze a 2 u u en Se ee Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c. 345 gegenitänden, jo entjteht das Verlangen, fich ihrer zu bemächtigen. Da aber der Drang, das Eigene zur behalten, anfangs zu mächtig wirft, jo liegt zwijchen jenem Verlangen und dem jpäteren Taujch noch eine jehr weite Kluft, die vorerjt durch Naub überbrüdt wid. Gewinnt man die Borjtellung, daß der Inhaber des erjehnten Wroducts auch Jen Erzeuger it, jo begehrt man auc) die Injofern man im Urgeiten aber in Nteihen (Horden) lebt und bethättat, it auch die Vergewaltigung eine gejchlofjene. Gelingt cS einer größeren aus mehreren Bier bejtehenden Bhratrie, ji eine ganze (beijpielsweife Topfmacher-)Sens zu mterwerfen, jo tt der Anfang zur Ontitehung der Berufsklaffen gegeben, wird jedod) nur em einzelnes Glied jener geraubt und einer bejtimmten Berfon unterworfen, jo wird der Grund zur Hauswirthichaft gelegt. Wenn aljo die Berufs- flajfen ebenjo wie die Hauswirthichaft ihren beftimmten Grund gemeinjam in der Berufsbildung haben, jo fan Ddieje auch nicht aus der Samtlte hervorgegangen fein. Familie und Hauswirthichaft Ind wenttjch. Ich möchte im Gegentheil behaupten, daß durch das Entitehen der Hauswirth- Ihaft anfangs die Berufsbildung jehr achemmt wurde, imden, wie ver: ichiedene Beobachtungen im VBölferleben bezeugen, Die dienende Alafle zu verjchtedenen Yrbeiten gezwungen wurde, die ihr Fremd waren umd tn denen fie wenig zu leiten vermochte &5 ijt eben der Fehler, das man fic) in der Nationalöfonomte noch) immer nicht von Adam und Gva getrennt hat und die Samilte Ttatt auf einen herrjchaftlichen auf einen jeruellen Jufammenhang zuridführt. Durch) Sintellung fremmwer Arbeitsträfte it das Hausweien, die Samilte, entjtanden; darin Liegt ihr Grundmerfmal. Durd) Adam und Sda mit ihren Kimvern fonnte nur ein JZuftand der DBerhülfe (rbeitstheilung), aber nie ein Is jtitut wie das Kaftenwejen entitehen. Beide haben verjchiedene Grund- merfnale. Doch, wie bereits bemerkt, behalte ich mir die nähere Darlegung diefer DVerhältniffe für die „Urgejchichte der Gewerbe md des Handels“ vor, im der zugleich auch bei der Gntjtehung des Städtewejens gezeigt werden foll, day die Straßen der MWeiigerber, Nothgerber, Schntede, Schuhmacher, ITuchmacer, Schloffer u. dergl. nicht aus hauswirthichaft- licher Arbeitstheilung, jondern aus Iiederlaffungen ganzer Neihen (Gewerbs- „Drven“) zu erklären find. Nom thatjächlich-hiltorifchen Standpunft aus betrachtet, fan man Itatt Klaffenbildung auch Berufseingliederung jagen, indem eben dieje durd) Inceorporation verjchiedener Gentes (Gemeinjchaften) zu einem Gejammtwejen entjtanden tft, weshalb wir noch heute theilwetie beobachten fünnen, wie mancherwärts die Namen der Berufe jogar verjchiedenen Sprachen ange ee) v hören. Sn jollen beijpielsweife im Sinland nad) Mühe (Atınland und I fich 246 Vierter Abjchnitt. jeine Bewohner, 1809) die Namen der Schmiede und Weber finnijch, das aegen die der Schneider, Gerber, Maler, Drechsler jchwediich fein. Mir will jcheinen, als ob auch umjere modernen Netfenden dtejem Tea Serjte, der allen Gentes eigen tt, nicht das richtige urgejchichtliche Wer- jtändni entgegen tragen uud daher die VBerhältnifje mancher Bölferfchaften der Gegenwart unrichtig beurtheilen. Übrigens treffen wir jehon im Altertum eine jo jchiefe Beurtheilung solcher Ihatumftäinde am. Bekanntlich) waren phrygiiche Sklaven in Sriechenland und Italien jehr verbreitet, und jte galten für jo jchlecht, day fie nad) einem Sprichwort geprügelt werden mußten, um befjer zu werden. S ijt jelbjtwerftändlich, daß, nachdem man ihre fafternmäßigen Gentes zeriprengt, fie ihrer angefammelten Schäte beraubt und te höchjtens, wie es Bythios that, im ihren VBergwerfen belaffen hatte, diefe Whrygter ungejchiett fein mußten, wenn man fie in Dienjte, wie beijptelaweije Acerban, Stellte, deren Beruf ihnen fremd war, während fie jich doch in vielen ISnduftrien, wie namentlich Gijenarbeiten und dergl. ängerjt gejchiett zeigten. So lange diefe Gentes als aefchloffene Verbände im Anechtjchaft gehalten wurden, waren ihre Leiftungen vortrefflih, aber es lag immer die Gefahr vor, dab fie fich empörten, weshalb Wlaton und Ariftoteles empfahlen, immer Sklaven verschiedener Herfunft zufammen arbeiten zu laljen. Indem man aber die Sklaven threr natürlichen Verbände be vaubte und fie durch den Sklavenmarft trennte, bewirkte man, daß vielfach die Kumftfertigfeitt darunter zu leiven hatte, bejonders wenn man ihnen eine Faljche Berufsftellung zınvies. (85 tjt leicht gejagt, einem Meenjchen Worurtheil und Träghett zu= zufprechen, wenn er eine Ihätigfeit nicht ausübt, worurch er jene Lebens- lage verbefjern fünnte. Gefett, em Imrift füme durch Verlujt jenes Aıntes in eine Mothlage; was würde ev demjenigen entgegen, der ihm vorwirfe, day ev feine Dachrinnen und Blumentöpfe anfertige oder warum er ich nicht auf Wurftfabrifation oder Seidenftieerei lege? Nicht viel anders find aber die Vorwürfe, die man beifpielsweife den jog. Bedumen macht, „dab fte nicht blos den Handel, jondern auc, das Handwerk vers achten und jelbjt an den Küften den Stichfang und die Schifffahrt Anderen überlajien” und lieber bevürfnißlos dahin leben. Nabel, dem ich die Stelle entnehme, fährt dann fort: „Wie jehr Irägheit und VBorurtheil ihren (ver Reduinen) Ihätigfeitsfreis einengen, mögen einige der bezeichnenpiten Ihat- jachen belegen. Metzger Ind in Janbo Meffaner, Anypter und Wachabiden. Veger aus Maffana und Abejfinien fertigen hier die tragbaren thönernen Herde, welche die Wilger mit fich führen. . . . Ar der ganzen arabifchen Kälte des Nothen Meeres ift die bet der großen Menge Fiche, die im Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2. 247 Sanbo pp. gegejjen werden, wichtige Stjcheret in den Händen der Gt Tämt eines bejonderen Völfchens u. |. w.” 1) Solche und Ähnliche Gricheinungen wollen ganz anders beurtheilt und erflärt jein, als es gemeinhin geichteht. Es entjpricht dem Ihat- Jächlichen nicht, wenn Natel (III. ©. 153) von den Beduinen jagt: „Unterjtüßt von dem maplofen Hochmuth der Bedumen hat in Süpdarabien eine Kaftenordnung von ganz eigener Schärfe fich ausgebildet, welcher ebenjowohl ethnographiiche und vreligtöje, wie politiiche und wirthichaft- liche Motive (sic!) zu Grunde liegen.” Es handelt fi hierbei gar nicht um zu Grunde Ltegende Miotive, jondern um die Ihatjache des VBorhanden- jeins gewijer Ober und Unterwverhältuifie als Folge des Zufammentreffens heterogener Horden auf ein und demfelben Boden, alfo um einen Jujtanp, der überall eintreten muß, mern eime anfäffige Horde durch den Zuzug wandernder Horden gejtürt wird. Das Ober oder Unter für jede derjelben hängt von der Kraft der Cindringenden und der ABierjtandsfähigfeit ver Sephaften ab. Betrachten wir unter Ihrlettung Nagel’s die Bevölferungs- beitandtheile bei den Beduinen, jo finden wir „VBeduinen, Die, da jte Krieger find, immer mehr als die anjäjlige Bevölkerung, die Harratl (Bauern) gelten“. Dann zählt Natel noch weitere Berufe auf, die wir, um wicht zu breit werden zu mllen, übergehen: „endlicd) die Jyabih, Schlächter, wozu auc die Töpfer kommen. Dies tft imdejfen als das Minimum der vorfommenden Sonderungen zu bezeichnen, deren eine viel größere Zahl aus dem auch in Abefjinten, aber in anderem Sinne, vor= fommenden Begriffe Achdam fich entwicelt, der jene treffendfte DVer- deutjchung wohl im ‚anrüchige Slafjfen‘ findet. Achdam CPlural von Shaden) beveutet Diener. ine Menge von Gewerben ift bei den jtolzen Beduimen verachtet, und dieje verrichten mu die Achdam. Sie find Gerber, Wäfcher, Töpfer, Schlächter und gelten für befwelt u. |. w. u. |. mw. Wir werden den weit verbreiteten Ausdrud „Harrath” bei der Gr- Hlärung der Wohnlagerung der Sueven näher zu erklären haben; es genügt, wenn wir hier conftativen, day fie (arijche) Acerbauer find, dafjelbe was anderwärts (z.B. in Schweden und Afahaniftan) Herat heigt. Was aber die Achdam bezw. Chadamı betrifft, jo find dieje die „in Hütten fejjelartig Wohnenden, was eben in „Chad“, ebenfalls einem Ausdrud, den wir weitab von den Bedumen wieder begegnen, liegt. ‚Daß die Achdam (Chadam) bei den jog. Beduimen „die Anrüchigen bezw. die Dienenven“ find, liegt ebenjo wenig, wie wir oben bei den Ddal und Jen jahen, in der Sprad)- wurzel, jondern in den Ihatumftänden, in denen fie jich den Harratl) bzw. Sinzelhöfern — denn Bed — Bud bedeutetaedes — gegenüber befinden, da auc) hier das Verhältnig ein umgefehrtes fein könnte, indem die Hüttenbewohner I) Jtachaulejen bei Nagel, Bölferfunde Ill. <. 142. = 248 Vierter Abjchnitt. die Steger über die Arter jein fünnten. Nicht überall find die Arya die „behren”, wie wir nod) wiederholt zu zeigen Gelegenheit haben werden. 55 fommt ganz auf die Sachlage an, welche die Berührung beider heterogener Herden im ihren Gefolge hat. uch die Horde der Gäa, wenn te zur Herrichaft aelangt, zeitigt Godele, Daher gen-ma (fr. Sanman Männer von Adel jind, die über Andere glänzen, indem yav-&u (jfr. gangan-Abhavant — gleic) glänzend) noc) die Bedeutung glänzen an- nimmt (gemma das Gdelreis, der Gdelftein). Aber der entgegengejeßte Sadwerhalt zeigt fi) auch auf arijcher Seite; denn hier erlangt &pyog, Spyrs ebenfalls die Bedeutung von glänzend und weis, obwohl Ylrgos urjprünglic) das ebene Land it. Winde man, ftatt an den Wurzeln herumzumnagen, den Sachverhalt unterfuchen, bevor man über die Wort- bedeutung urtheilt, jo wirde man nothiwendig entdeden müfjen, da aud) in den jog. imdogermaniichen Sprachen zwei Grundelemente enthalten find, von denen fich das eine auf Bewohner der Gaea, das andere auf Be- wohner der Hera zuräidführen läßt. erden wir erjt einmal jolche Stetionen, wie die vom „ungetrennten Imdogermanenthum“, aus dem jich die ariichen Völfer nach und nad) ab- gezweigt haben jollen, überwunden haben; dann werden wir auch andere Borjtellungen von der Sntwidelung des übrigen Völferlebens gewinnen und erfennen, day die Verwandtichaft der Völker Ti nicht aus Abtren- nungen von emem eimbeitlichen Ganzen, jondern aus Mifchungen mit einem bleibenden Srunpdftoff erklärt und da die VBerwandtjchaftsnähe theils von dem mehr oder weniger jtarfen Zufaße, welcher dem bleibenden Grumd- ftoffe beigemengt wird, theils von der Ähnlichkeit der beigemijchten Be- Itandtheile abhängig tft. &S gehören eben zur Bejtimmung der Sprad)- verwandtjchaft der WVölfer zweierlei Hauptelemente, einmal das Klement der jeghaften Horden der Ebene und zum andern das Klement der großen bunten Mannigfaltigfeit der Wanderhorden als die hauptjächlichjten Ent: widelungsmotoren der Sprachen. Was von der Sprache atlt, gilt von allen Yebensjeiten der Kultur. Man mu aljo eimerjeits die Differenzen der jephaften Horden und amderjeits die bei NWeitem größeren Unter: jchrede der MWanvderhorvden fFeitgejtellt haben, bevor man au Wölferwer- aleichung, möge es fich) um Sprache oder eine andere Kulturfeite handeln, herantreten fann. Gin Hauptmerfzeichen, wie verwifcht es auch bet den modernen Völkern primitiver Kultur jchon fein mag, werden die Wohnz- lagerungen abgeben, an denen die Wilfenjchaft bisher aleichgültig vor- übergejchritten tft. Überhaupt müfjen wir bei dev Verwendung von Völfernamen über- aus vorfichtig fein, da diefe eben nur Bezeichnungen für Völker find; insbejondere müffen wir uns hüten, fie mit bejtimmten Ortlichfeiten in Die Neihenlager der Bewohner des Hochlundes 2. 249 Verbindung zu brüngen. Nichts vermag die Gthmographte mehr in die Irre zu führen als eine voretlige Verbindung mit der Geographie. Weil Wandervölfer, den Blaneten vergleichbar, im großen Bahnen über die rde gewandert find und fich nur zeitwerfe im der Nähe der jephaften Acerbaner, der Firjterne, aufgehalten haben, ohne die leßteren ganz uns berührt zu lafjen, müfjen wir, wenn wir mehrere zeitlich aus emander liegende Meijebejchreibungen zu verwerthen haben, zuvor genau auf die thatjächlichen Merfmale achten, bevor wir den Völfernanmen ge= brauchen. Die Stellung der VBlaneten zu den Firjternen it eben nicht inner diefelbe. &5 {tt fan möthrg, hiev hervorzuheben, wie oft ein Meifender, der nur einen furzen Zeitraum jpäter als ein früherer Neifender in et umd diefelbe Gegend fonmt, eine ganz veränderte Sachlage vorfindet, weil eben mittlerweile, wenn auch die Firjterne geblieben jumd, die Wlaneten fic) bewegt haben. Und doch nimmt man feinen Yırjtog, das vorgefuns dene Volk mit demjelben Namen zu belegen, mit dem c3 der frühere Meifende benannte. Sicherheit fünnen nur die Anfäffigen bieten, voraus- gejett daß nicht auch Ddieje als Unterdrücdte theihwetfe mit Fortgejchleppt worden jind. er mit Srfolg Gthnographie treiben will, wird die Mr gejchichte nicht mißachten oder unterjchäßen dürfen, weil fte tm Kovm der Theorie auf ftatiftijcher Grundlage für jene die zur Beobachtung des Völferlebens erforderliche apriore Grfenntnif zu jchaffen fich bemüht, wie fie ihrerfetts wieder das ethrographiiche Material entgegenninmt, zu dem we, es im jene Beftandtheile veiner Merkmale zu zerlegen, um eine Syutheje zu gewinnen. Den Zeitraum, der erforderlich war, um Völfer, wie die aus dem Altertum und dev Neuzeit uns befannten zu einer nattonalen (Sinhert in Sprache und Neligion, Kumnft und Wiffenjchaft, Necht und Wirtbichaft zu bringen, dürfen wir uns nicht furzfriftig denken md den zum Ver: ichmelzungsproceh erforderlichen Kampf nicht gering erachten. Demn mr ähnliche Unterjchtede im der Gefittung, wie wir jie joeben an dem Pers ipiel der fog. Beduinen bemerften, konnten es zu Stande bringen, daß etwas Kunftvolles entjtand. Wo fich etwas entwicelr joll, müljen Gegen- fäe auf einander ftoßen und allmählich verjchmelzen; wo fie nicht vor handen find, Fan, wie bereits bemerkt, mur ein faver Nrer entitehen. &s ift weder „Worurtheil und Trägheit“, nod) it es nattonaler „Hochmuth“, der fich in den Gegenjägen, die wir bei den halbfultivirten Völkern ans treffen, ausipricht, jondern ein umvollendeter Brocep zur Entjtehung eines ipäteren nationalen Getildes, das ohne Kraftbethätigung und Herrichaft, ohne ein zeitweiliges Uber und Unter, gleichjam ohne Geburtswehen, nicht gejchaffen werden fan. Nur weil wir bei amferm fursfriitigen Leben 250 Vrerter Abjchnitt. nicht im Stande jind, einen viele Jahrhunderte erforderlichen Proceg am niedern Volfsleben zu beobachten, und weil wir überhaupt geneigt find, das letere mit der Vorftellung unjers eigenen Bolfszuftandes zu beurtheilen und zu meljen, entgeht uns die Entwidehmgsgejchichte des Wolfes, dem wir jelbit angehören. icht durch irgend em inneres Movens im Schoofe eines jchen fertigen Volkes, jondern durch ein ürtliches Zujammentreffen heterogener Horden, die eben noch nicht zu einem nationalen Zufanımenjchluß gefonmen find, tft das Kaltemwejen zu erklären. Wem 9. Barth in den Sellata oder sulbe, die ihm ein „Volfsjftamm räthielhaften Uriprungs” find, „Nejte Früher jelbitändiger Völker“ jehen will, „die ihren unmöglich gewordenen Volfsverband duicch einen wirthichaftlichen Verband erjegten”, jo trifft er m Bezug auf das jelbjtändig”, aber nicht in Bezug auf das Wort „Nejte” die Wahrheit. Die Ei (Zimmerer) Mabe (Neber), Gergafjabe ten Warlnbe (Schneider) Wambaibe (Sänger), die bei den nördlichen Fulbe „scharf gejondert in fajtenartigen Verbänden N ind eben Wanderhorden und als jolche für ich jelbjtändig. ber die VBermuthung, „hHöchjtwahrjcheinlich jeten alle Sulbe urjpränglich ein viehzüchtendes Momadenvolf gewejen“, faun doc) unmöglic; damit in Ginflang gebracht werden, „daß jte im manchen Industrien den jedentären Neger übertreffen“, indem 5. B. „ihre Färbereten durch) ganz Gentralafrifa berühmt find.“ Durch welchen Entwidelungs- motor joll der Vichzüchter ein Särber, Gerber, Schmied 2. geworden jein? 85 it eine faljche Auffalfung, Daß das jeh bare („Tedentäre”) Wolf der Srfinder der Gewerbe jetz im Gegentheil find die Wandergenojjenjchaften, die Gentes, weil fie abgejondert lebten, die Erfinder der Imduftrie ges worden. Sie werden auf der Ebene bei ihrer Berührung mit den jeh- haften Aderbauern zum Bleiben genöthigt. Wenn ©. A. Krane bei den jog. Aulben zwei jcharf getrennte Stlaffen unterjcheidet, die braunen (rothen) „mit heller Hautfarbe und ein den Ariern ähnliches, biswetlen jogar vollitändig aleiches Geficht“ und die jchwarzen mit fletfchigem Ge- ficht und dunkler Farbe, jo find eben auch hier zwei Gegenjäge vorhanden. ur durch allmähliche VBerjchmelzungen fünnen große Nationen ent itehen. Dies tft aber ein langwiertger Broceß, der anfangs, bevor die Segenfäße vermittelt find und man jich feinen gelernt hat, feinen Ausdrud in Verachtung, gepaart mit Spott und Hohn findet. Man höhnt, was man nicht verjteht und was durch Neuheit überrajcht. Iedes Cinführen von etwas Menem wird von Hohn begleitet, möge es fi) um die Gin: führung einer neuen Hutforn, eines neuen WVerfehrswerfzeuges oder jelbjt nur eines neuen Grmdgedanfens in der Wifjenjchaft Handeln. Der Schufterjunge gebraucht für der Schneiderlehrling das Wort Schneider umd Diefer für jenen das Wort Schuiter als Schimpfwort. Die Neihenlager der Bewohner des Hochlandes 2c, 251 Winde der Schufter gleichzeitig zu jchneidern und der Schneider zu jchuitern verjtehen, jo würden je fich nicht höhnen. Ss it daher meines Erachtens gar nichts Auffallendes im Völferleben, wenn Nabel berichtet, da den Beduinen des Innern das Wort Duraramvi (das find die des Lejens Kundigen) ein Schimpfwort jet, und da man mancherwärts die des Lejens Kundigen verachte. Beine ich mich doc) aus meiner eigenen Jugend, daß umnfere barfüßigen Schulfreunde aus der Volfsichule uns nicht mur höhnten, weil wir Stiefel trugen, jondern uns auch auslachten, weil wir Yatein und Griechiich trieben. Aus Eleimen, von emander ganz unabhängigen Horden Find die jpäteren großen WVölfer hervorgegangen; das große im Ganzen mehr Gin- heitliche, was wir anfangs an ihnen bemerken, jmd eben die Beitandtheile artjchen Urjprumgs, während das Differente durd) die Wanderhorden, Die Sentes, hervorgebracht worden tft. Je nach der Stärfe der Cimwirfung auf der einen oder andern Seite mu nothwendiger Weife der Gejamnt- zultand eines nationalen Volkes ein andrer werden. &s müfjen m Völfer- leben Gebilde vorhanden fein, wo die differenten Slemente der Wander horden vorwiegen und Gebilde, wo das Arijche im VBordergrumde jteht. Würden die Gentes nicht abgejondert für ich gelebt haben, jondern conform gewejen fein, jo wirrden die Sprachverjchtedenheiten ebenjo wie die Differenzen der übrigen Kulturfeiten nur gering fein. Daf fie es nicht find, beweiit eben rücdwärts, dab es den Gentes „höchites Yob war, möglichit Sinjamteit zu haben.“ Ye — Sünfter Abjchnitt, Das Neihenlager der Vichzücter in Wedlelwirkung zum Weihenlager der Arkerbauer. Hachdem wir im vorigen Abjchnitt das Wejen und die Drgantjation der Gens im Allgemeinen, theils in ihren friegeriichen YJultande, theils in threv gewöhnlichen Lagerung zu Sriedenszeiten fennen gelernt und er- fahren: haben, wie durch ihre Abgejchloffenheit nothwendig eine verjchtedene Berufsbildung entjtehen mußte, wollen wir uns nunmehr der vich- züchtenden NWamderhorde im Bejonderen zuwenden. Die erite Frage, die fich uns dabei aufdrängt, muß jein: wie wurde die Gens zu eimer Vieh züchtenden? Bekanntlich bejtehen über die Jähmung der (jpäteren) Hausthiere die mannigfachiten Sontroverfen. Dah wir auch hier vor einem jchwterigen Broblem jtehen, fan nur Derjenige in MAbrede jtellen, der nie gewohnt it, Wrobleme zu entdeden und noch weniger Vrobleme zu löjen. Des- halb bemerkt auch Mauber ganz vecht!): „Nur dem befangenen und ober- flächlichen Blick, der das in der Gegenwart Beftehende mit einem Gleich- muth hinmimmt, als jet es nicht evit unter großen Aırjtrengungen errungen worden, fan die Schwierigfeit der Züchtung der Hausthtere, wie ihre Tragweite entgehen.“ er die Jähmuug auf einen bewußten Vorgang menschlicher Neflerton zurtdführt, tößt, wie bei jo vielen Wroblemen der Entitehung von Gin- richtungen, auf unüberjtergliche Schwierigfeiten; wer jic) dagegen den von miv als Motto für die Urgefchichte aufgenommenen Sat bejtändig vorhält, dag nichts tn unjerm Intelleet jei, was nicht vorher in den Sinnen war, wird, weil er fich zumächit die finnliche Anfchauung Dzw. die Mehrheit Vinmlicher Anjchauungen vorhält, auf deren Verbindung (Sdeen-Ajfociation) der betreffende Vorgang beruht, fait immer leicht die betreffende Erklärung finden. ) AM. Nauber, Urgejchichte I. ©. 359. Das Netihenlager der Viehzlichter 2c. Wenn uns Gaspari!) mit Anderen die Schwierigkeit des in Frage jtehenden Vorgangs mit den Worten vorhält: „Das jcheue Wild der Urzeit ließ fich lebendig nicht einfangen, und wenn es eingefangen war, nicht jo vajch zähmen“, jo jet der genannte Gelehrte voraus, dal das Wild urjprünglich „cheu” war. Da aber Iremand austeigener Anjchanung über den Zuftand des urzeitlichen V8tldes etwas weit, jo it man ebenjo be= vechtigt vorauszufeßen, daß das Wild urfprünglich nicht jcheu war; nur auf die Begründung der beiden entgegengejeßten Vorausjegungen fan es anfommen. Mit etwas Unbefanntem darf man nicht den Srfenntuißgprocei beginnen. Wie verjcehieden auc Ihrer und Menjchenjeele wegen der Verjchiedenheit ihres Organismus von einander find, — in Bezug auf das allgemeine, aus dem Wechjelproceß des leiblichen Organismus mit der Yırenwelt, durch den über- haupt jeelijche Zuftände nur erklärt werden fünnen, fich ergebende Entwicelungs- gejeß jind Ihiers und Mienjchenjeele in gleicher WWerje gebunden. Somit fann Scheu nichts dem Ihrere Urjprüngliches jein. Scheu jeßt die Gr= fahrung eines Widerjtandes voraus, die beim Ihiere ebenjo wie beim Menjchen erit im Laufe der Zeit gewonmen werden mupßte; und erjt in diefem Gefolge konnte die Anpafjung der auf Scheu bezüglichen leiblichen Drgane ich herausbilden. (55 it fein Grund zu der Annahme vorhanden, daß der Menjch das Ihier anfangs jchon verfolgte und day fich Diejfes vor hm ges icheut habe. Vielmehr wird es eine Zeit gegeben haben, wo Mienjc umd Ihrer jich friedlich begegneten und die menjchlichen Wohnftätten diejes eher angelodt als abgejtogen haben. Demm in ihrer unmittelbaren Nähe mussten fich oft Überrefte menjchlicher Nahrung vorfinden, auf deren Auf- bewahrung der Menjch anfänglich feinen grogen Werth gelegt haben wird, wenn er Sich gejättigt fühlte Da er beftändig zwiichen Faften umd Überfüllung des Magens jchwanfte, jo wird er der Beftgergreifung hungriger Ihiere, insbejondere jolchen gegenüber, die ihm nicht aggrejjtv evjchtenen, gleichgültig, wenn nicht vielleicht gar freudig zugejchaut haben. Wir fünnen bei jehr Itrengem Winter nod heute wahrnehmen, wie das im Allgemeinen bereits vecht jceheue Wild der Gegenwart, vom Hunger getrieben, unjern Höfen jich nähert, um dort Nahrung zu juchen. er jollte nie beobachtet haben, wie fich im ihrem Verhalten diefen hungrigen Thieren gegenüber der egoiftiihe Bauersmann von jeinem nod) jorglojen Kinde unterjcheidet, und wie diefes entgegengejette Verhalten beider auf das Benehmen des Ihieres diefen gegenüber zurücwirft? Während der bäuerliche Water, bejorgt um den für den eigenen Haushalt erforderlichen Vorrath die ungeladenen Gälte möglichit vertreibt, bewilligt ihnen jein fleiner Sohn in feiner hell naiven Freude nicht blos von den zufällig frei D) DO. Gaspati, Urgejhichte I. ©. 151. 254 sünfter Abjchnitt. dalienenden Nahrungsmitteln, jo viel jene begehren, jondern holt womöglid) noch aus den Vorrathsfammern neues Sutter herbet und fan am folgenden Tage faum den Augenblid erwarten, wo er die wilden Gmdringlinge wieder begrüßen und bewirthen fan. ben deshalb gejtaltet ji) das Verhältnii zwijchen Kind und Ihrer anders als zwifchen dem hartherzigen Water, der aus fluger Berechnung dag Ihrer vertreibt. Sind wir nicht berechtigt, analoge Beziehungen in der findlichen Pertode dev Menjchheit zwijchen Menjch und Ihter anzunehmen? Nenn, wie DB. Hehn conftatirt hat!), „un den taujend Jahren des Mittelalters bis zur Entdedung Amerikas fein gezähmtes Ihier mehr zu verzeichnen tft, e8 vielmehr bei den alten Bejtande troß der Bewegungen im inneren Aten, der großen arabiichen Herrichaft vom Indus bis zum TIajo und der Sinbrüche der Türken und Miongolen blieb“, — jo jcheint mir der Hauptgrund diejer Erfcheinung darin zu liegen, daß die Stellung der Menjchen nicht mehr, wie anfänglich, Friedlicher, jondern feindlicher Art geworden war. Das durch Verfolgung gerveizte Ihrer mu die menjd)- fiche Gejellichaft fliehen, jo daß aljo bei allen denjenigen Völkern, welche der Ihierwelt mit feindlichen Waffen nachitellen, an eine Gewinnung neuer Hausthiere nicht mehr zu denfen tt, weil eine Sahrhunderte Fartgejeßte Verfolgung den thieriichen Organismus nothwendtg jo verändern muß, das das Ihier den Menjchen flieht umd jchen wird. (5 it jeher mmwahrjcheinlich, daß der vorgejchichtliche Menjch die TIhtere herbeigeholt haben jollte. Im Gegentheil: die Ihtere werden freiwillig zu ihm gefommen jein; er erfreute jtch Ffindlich naiv an ihrem Kommen, und fie wurden jeine Wohnplag- und Spielgenofjen, ganz ähn- (ich, wie fie es noch heute zum SKinde werden. Ia, das Zurüdfehren der Ihiere in den angrenzenden Wald wird den Mieenjchen eher unangenehm berührt haben, weshalb er Mittel erariff, fie an Sich zu fejfeln. Das Hauptmittel dazu war jedenfalls wie beim Ninde, die Übernahme ihrer Srnährung, und deswegen entjchleg er ich, nicht nur für Sich jelbit, jondern auch für das Ihrer zu jorgen. Man muß bezweifeln, day er e8 gebunden hat, da es ummöthtg war, wenn man fich die Form derjenigen Wohngemeimjchaft vor Augen hält, deren Betrachtung Gegenftand diejes Abjchnittes tt. Die jic) aus dem ganzen Jujfammenhang aller einjchlagenden Ihat- jachen mit abjoluter Notwendigkeit ergebende Mundform, jet e8 Ganz: oder Halbfreis mit der ihm umgebenden Umbordung bzw. Umwallung (Balltjade) war den Verbleiben der Ihiere nur fürderli. Dbwohl an- fänglicy nur Begrenzung, wurde die Hürde zu einem Schutmittel nicht < ) DB Hehn, Kulturpflanzen und Hausthiere, 6. Aufl. Berlin 1894. E. 484. Das Meihenlager der VBiehzlichter ac. 355 gegen das Simdringen, jondern gegen das ntweichen der Threre, und jo begann man die Umzäunung zu erhöhen. Diefem VBorgange entiprecjend macht die Sprache der Völker eine Unterjcheidung zwiichen Ihieren der Wildheit und Zahmvteh. Gerade die für das letere gewählte Bezeichnung giebt eimen gemügenden Anhalt zur Benrtheilung der Umstände, unter welchen die Zähmung erfolgte. So heißt 3. B. befanntlich das Zahme- vieh bei den Nömern pecus— fr. päcu — die Umfriedigung, daher (pac-s) pax der Friede; pango (urjpr. pago) verw. mit ry-vope einjchlagen, umfejtigen. Gbenjo geht das Wort Vieh (goth. fah-an) auf fahean — fangen zurüd; fangen tjt aber urjprünglich wie jfr. pac- umschließen, un fahen, umfangen. Somit tft Zahmvich nichts anderes als Zaunvieh, ein- gehegtes Vieh, d. h. jolches, welches umbhauft it, wie ja auch das Wort zähmen jelbjt Sand£o, domo (uriprünglich dom-e-o, weshalb perf. dom-ui) nichts anderes als umzäunen, umbhaujen bedeutet, dem alsdann erjt die jeeundäre Auffaflung des Bändigens folgt. In ganz analoger Weije heift Hag (Hagen, Hede) jovtel wie Umzäunmumg und Hagen der Stier; ebenfo Wall— Umfchliegung und Wallah = Nferd; auch Pferd (parafredus, mh. pfert) jelbjt tft augenjcheinlich mit mbho. pferrich, ahd. pferrih, d. t. Um friedung, Gehege (Bark) im Zujammenhang, wie denn auc) die Grumdbe- deutung von Noß die von Geflecht it. Die Zähmung der Ihiere war jedenfalls urjprünglich ein durch- aus Frredlicher Act, ein Freundjchaftliches Bertragen (paci-sci) auf ge- meinjamem Wohnraum, und erjt aus diefem VBerhältnig erwuchs durd) Neflerion der Begriff Nutvieh, jo daß das urjprüngliche Sichfreuen und Srogögen im Gentegen jenen Abjchluß Fand. Man hat fi) — unter dem Einfluß der weder logtjch noch hijtorijch zu bewerjenden Annahme, day Säger Vichzüchter geworden jeten — die Erklärung der Sntjtehung der Ihierzucht bezw. des Zahmwiehs bisher dadurch jchiwierig gemacht, day man das Zähmen durch das Sinfangen der Ihiere zu deuten verjuchte;, und da das Einfangen großer ausge wachjener —Ihiere für primitive Meenjchen nicht leicht ift, jo hat man gemeint, man habe fich vorerjt der Sungen bemächtigt. Aber mit Necht it dagegen geltend gemacht worden, day das Sinfangen junger Ihiere allerdings nicht allzu Schwierig jet, wohl aber die Aufzucht derjelben nicht jo einfach gedacht werden fünne, weil ja doc) dem Meenjchen die Milch der Hausthiere zur Aufzucht gefehlt habe. Da man an Megerfvauen beobachtet haben will, daß diefe an ihren Brüften auch Ferkel fäugen liegen, hat man auch darın eine Erklärung gefunden, die imdejjen bet Großvieh wenig Wahrjchein- lichkeit für fi hat. Auch in Diefev Hinficht räumt meine Grundhypotheje von der jchöpferischen Bedeutung des Wohnraums die Schwierigkeiten fort. Denkt man fich nämlich mit mir die Umzänmug, als das Sharacte- 256 sünfter Abjchnitt. viftiiche der Horde, durch das reihenwere Nundlagern entjtanden, jo tjt der Vorgang überaus einfach zu erklären. Das Nahrung juchende Thier dringt in den umzännten Nam ein und wird, wenn e8 Junge hat, Die jelben jelbjtverjtändlich mitgebracht haben, weil befanntlich Junge gerade während der Sängezeit ihre Mutter nicht verlaffen; überdies wird jte gerade der Jungen wegen der Trieb nad) der Nahrung jpendenden Mıumnd- jtätte menschlicher Wejen hingeführt haben. Und gerade die Beobachtung diefer Ericheinung, daß nämlich die Jungen ihrer Mutter folgen, giebt uns eine weitere Erklärung dafür, wie der Menjch den Nuten der thiertschen Milch Fennen lernte. Die Beobachtung des Ermmährungsporganges bet den Ihieren in Verbindung mit der Beobachtung, daß der menjchliche Säugling au jeiner Mutter Bruft das IAhnliche ausübt, mufte den Meenjchen leicht über den utzen der thieriichen Milch Für die eigene (menjchliche) Srnährung aufs flären. Hätte der Urmenjch jenen Vorgang nicht aus nächjter Nähe mit Yuhe beobachten fünnen, jo wide wohl jchwerlich die eben Ddargelegte Kombination der beiven Vorftellungen zu Simer verwachjen jein. Bon aenetiich-piychologijchen Standpunkte aus betrachtet mute das Ihter bereits aezähmt, d. h. umfriedet jein, bevor dem Urmenjchen der Gedanke werden fonnte, die Milch des Viches zu benußen. Vicht die Vorftellung, daf das Wieh in der Wildnig die menjchliche Milch zu erjegen im Stande jet, fanın (piychologijch betrachtet) der Vorftellung vorangegangen fein, das Vieh zu zähmen, jondern umgefehrt: die Vorjtellung aezähmten Viehes muß friiher vorhanden gewejen jein als die Vorftellung von der Dienlich- feit der Milch Für die menjchliche Ewnährung. Aber auch der Gedanke, nicht die Milch, jondern vorerit das Fleifch zu verwenden, tjt nicht wohl möglich, da man ja doc) das Ihiev alsdann nicht erjt mühjam lebend eingefangen haben würde, um es jpäter zu tödten. Mich vom empiriich- piycholog!ichen Standpunfte aus muß man deshalb die Anficht verwerfen, day Jäger Viehzüchter geworden jeten. Zu der Meinung, dab dev Sägerzuftand die erite Entwidelungsitufe jet, it man vornehmlich durch das Verfahren der jummarifchen Abichägung von WVölferzuftänden gelangt, indem man nad) vein jubjectivem Ermefjen auf Grund eines allgemeinen Simdrudes von niedrigiter, niedriger, höherer pp. Kultur oder von niedriglt u. j. w. stehenden Menjchen jpricht. Mittels eines Jolch Äubjectiven Merthurtheils Ichafft man fich auch den „wirthichaft lichen Urzuftand“, indem man die nicht jchwer zu erlangenden Berichte, wie jie in Meijebejchreibungen niedergelegt find, diefem aprioriftiichen Urs theile als eine Art Beweismittel beifügt. Man -überfieht dabet, day jedes Urtheil, Das fich über den Standpunkt der jubjectiven Meinung erheben joll, weil e3 ja durch die Verknüpfung einer Subject- und Prädicatvor- R Sb 1 Das Neihenlager der Viehzüchter ac. : stellung entiteht, exit dan im Grfenntnigproceß vollendet tft, wenn einer- jeits die Imducton aus der Mannigfaltigfett der Gricheinungen das Subject in jenem Grundmerfmal bejtimmt, und wenn anderjeits die Deductton die ganze Entwicdlungsreihe des Subjects hergeftellt hat. Gin auf Grund eines jummarijchen Urtheils gemonnener wirthichaftlicher Ur- zuftand muß die Wirthichaftsgejchichte nothwendig in faljche Bahnen führer. Die Anficht, day die erjten Menjchen als einjame „Bunmmler” ohne jeden Wohnverband Wurzeln und Kräuter juchten, fleine Ihiere fragen, danır nad) und nach auch größeren Ihieren nachjtellten und auf dieje na jpäter zur Emmficht famen, fi) zu Gemeinjchaften zufammenzufchließen, um erjt Vieh zu züchten und jovamı der langen Wanderung müde fich a Acderbau zu bequemen, bei welcher Gelegenheit man auch durc Arbeits- theilung die Berufsflafjen erfand, tjt einzig und allein auf jolche jubjective jummarifche Werthurtheile zurücdzuführen. Da fie jelbitverjtändlich einer Srumdhypotheje, die alle ESriheimungen erklärt, entbehren, lafjen fte die Gontinuität der einzelnen Zuftände mitjammt den Gntwidelungsfactoren, welche die Mlodtftcattonen vermittelten, vollitändig vermifjen. Solche Sonftructtonen auf Grund willfürlicher Zufammenftellungen von Neife- berichten gewähren nur ein Bild eines wülten Durcheinanders, aber feinen jolchen wirthichaftlichen Urzuftand, im dem alle folgenden Zuftände ihren Vereinigungspunft haben und mit dem je in ihrem Grumdmerfmal über- eimjtinnmen. Ss tt nat, im den JZultänden jener Wurzeln fuchenden Jäger das Grundmerfmal bzw. ven wirthichaftlichen Urzuftanv anzunehmen, mit dem alle jpäteren Zuftände eine Gontinuität bilden. Man wide em durchaus faljches Bild von wirthichaftlichen Urzu= tänden erhalten, wollte man beijptelsweije die Sägervölfer unter den Is Dianern Nordamerikas den Aderbauern urgejchichtlich voranftellen, wo wir doc) Merkmale genug bejiten, um urtheilen zu fünnen, daß hier vor der Ankunft der Guropäer, vor der man übrigens bereits Schonzeiten des Vildes gefannt haben joll, ganz gewaltige Kämpfe von jeghaften und WandersHorden unter einander jtattgefunden haben, worauf auch die Sage angeblicher großer „Völferwanderungen” zurüdzuführen it. Im Gefolge jener Kämpfe lag es eben, daß die primitiven Aderbauer der Nieverungen, wenn man fie ihres Landes beraubte und dadurd) viel hülflojer machte als e8 gewerbliche Wanvderfaften je werden fünnen, entweder zum Fiichfang oder zur Jagd überzugehen genöthigt wurden. Dder bliden wir nad) Afrika, wo fich 3. B. im jog. Majat- oder Gallaland die beiden Gegen- jäge der aderbauenden Dajenbewohner und der fie Le Höhen- bewohner ebenfalls gegenüberjtehen. Sobald wir hier diejes Völfergemijch n analyjiren, dürfte es fich mit ziemlicher Sicherheit ergeben, daf Bölfer wie die Wandorobbo und Waflantä 2c. aus ihren in den Niederungen Mucde, Urgejchichte. 17 258 Fünfter Abjchnitt. gelegenen Wohnfien vertrieben und unfreiwillig zu umberjichweifenden Jägern gemacht worden find. Allerdings find zur Beurtheilung derartiger Zuftände unbedingt mehrere, aus verfchiedenen Zeiträumen jtammende Be- vichte nöthia; auch it aus dem jchon oben angeführtem Grunde große Vorficht beim Gebrauche der Völfernamen erforderlich. Aber immerhin fann man erfenmen, dak von allen Bewohnern des ebenen Landes die Bewohner der Dafjen und der Veene nothwendig dort zu venatores ge- worden find, wo der Andrang der Wanderhorden ganz bejonders jtark war. ur überall da, wo fie frühzeitig nach) den Gebirgen drangen und jic) hier vermijchten, bezw. ihre Pfahlbauten (darüber jpäter) dorthin verlegen, find fie jelbjt Herricher geworden. Je würden die Säger haben Aderbauer werden fünnen, weil die Iagd ein viel zu umuhiger Ernährungszweig tft, um die Vorftellungs- reihe zu gewinnen, die mothwendig tft, die Natur nachzuahmen. ber fie winden auch nicht Viehzüchter haben werden fünnen, weil die Ihtere ihrer Umgebung fie wegen der umausgejeßten Verfolgung nothwendig fliehen mußten. Der Jäger fann das Ihter nur in jener Bewegung, aber nicht in jenem ruhenden Yuftande beobachten; und jene Werthichätung erjtrect ji) auf den Fleifchgenuß, nicht auf die Milch, während Yer Vieh- züchter bejtrebt it, das Ihier möglichjt lange am Leben zu erhalten, weshalb denn auch der VBiehzüchter vegetabiliiche Stoffe feneswegs verichmäht, wen er ac) vorzugswetje jein Augenmerk auf das Sletjch derjenigen Ihrere vichtet, welche nicht milchergiebig und dDomefticirbar find. uch er kann deshalb, weil auc) er die Iagd als Nebenzweig treibt, zum milden Säger werden, wenn er aus irgendwelchen Umftänden jeiner Herden beraubt wird. Sollte es fi) aus irgend einem andern Ihatjachenzujammenhange, als dem, im welchem fich meine Unterfuchungen bewegen, beweijen lafjen, dag 8 vor vielen SJahrtaujenden „Urmenjchen“ gegeben habe, »te nur Jäger waren, jo würden wir, falls jte nicht unter das hülfreicdhe Protectorat von Acderbauern oder Viehzüchtern oder jonjtigen Wanderhorden gefommen wären, annehmen müfjen, daß jie dem totalen Untergange preisgegeben worden jeien, weil jchlechterdings ein Übergang weder zum Acerban mod) zur Viehzucht denkbar tft. Dort nicht, weil, wie oben (©. 128 ff.) gezeigt wurde, zur Gewinnung der Neihenvoritellung, das Ausjaat rate giebt, ein Zuftand dauernder Sehaftigkeit und vorzugsweije vegetabiliicher Er= nährungsweije erforderlich tft, her nicht, weil das zeritreute, auf die Ver- folgung der TIhrere gerichtete Leben ihnen die Vorftellung eines friedlichen Zujammenlebens mit den Thieren nie hätte verjchaffen fünnen. Der Vichzüchter lebte mit feinen IThieren in Arieven (pax) umd nur innerhalb des räumlichen Friedens (pagus) in ihrer unmittelbaren Hähe konnte er den Werth ihrer Milch jchäßen lernen. Denn zu jener Das Neihenlager der Viehzlichter 2c. 2359 Ernährung bedurfte der Mrmenjch von Anfang an großer Quantitäten von Slüffigfeit in Form von Waffer; und die menjchliche, der threriichen ähnliche Milch) war ihm ebenfalls von Beginn an befannt. Daß er der Milc den Vorzug vor dem Waller eingeräumt hat, wer wollte dies arge- jihts der befannten Ihatjache, day man frühzeitig damit begann, Wafjer dur Wurzeln, Knollen, sränter und Holz jhmadhafter zu machen, (Soma, ein Gemijchtranf), bejtreiten? Der Übergang von Menjchenmilc) und Wafjer zur Ihiermildy war zudem jo unbedeutend, day man Ffaum von einem Übergang veden Darf. So wırde alfo das umzäunte Nundlager der bejtimmende Grund, daß jeine Bewohner, wo die Bedingungen dazu vorhanden waren, Vieh- züchter wurden. ber nicht hat der Schuß ihrer Heerden den Vichzüchtern die Nöthigung auferlegt, fi in Kretfe einzufchließen und dieje mit einem Zaun zu umgeben, wie man wohl behauptet hat. Dazu hätte man ebenjo qut eine oblange Sorm wählen fünmen. Bären die Umzäumungen nicht ichon vorhanden gewejen, jo wiirde die oben behamdelte Frage, wiejo denn der Menjch ohne Ddiefelben zur ZJähmung feiner Hausthiere gelangt jei, unbeantwortet bleiben. Cs bliebe alsdann nur die Annahme übrig, daß der urgejchichtliche Menjch durch den veflectivenden Verjtand auf die Idee verfallen jei, wild umberlanfende Ihiere jich zur Aufzucht einzu- fangen; aber alsdanın gerät man m Aiderjpruch mit dem Entwidelungs- gejeß der menjchlichen Seele, dem zufolge der bewußten Vorjtellung die Vinnliche Anfchauung vorausgegangen fein mung. Man müßte alfo diejes Sejeg im Abrede jtellen und ein vorbemußtes Geijtesleben bezw. ange borene Borftellungen annehmen. Berücfichtigen wir außerdem noch die Ihatjache, day der Zaun, bezw. die Ummallung, die gerade auf der primitiojten Kulturftufe deut- licher als jpäterhin auftritt, ja zuwerlen bei einigermaßen entwicelter Viehzucht oft gerade im Wegfall geväth, auc) dort ich noch bemerkbar macht, wo man an Viehumzännungen gar nicht Ddenft, jo fünnen wir unmöglich ar der Anficht fejthalten, die umzäunte Sreislagerung fei iR nothwendige Folge der Heewdenhaltung gewejen. Waren auf Goland Frei fürmig umbordete Kagerungen entjtanden, wo fein Vieh vorhanden war, jo fonnte jelbjtverjtändlich auch feine Viehzucht entjtehen. 8 will mir Iicheinen, daß der Ausdrud pagus urjprünglich nur fir die Viehzüchter gebraucht wurde, ohne day ich damit jagen will, er fünne ihnen nicht von den Bewohnern der (Sbene beigelegt worden jein, wie denn jfr. gö-pa ganz augenjcheinlich eine Bezeichnung der ariichen Bewohner für die Hirten des Golandes (y7j) it. Wie dem auch jem mag: der Ausdrucd it weit verbreitet. Selbjt in Beru wird das Yama „Baco” genammt, und auch dort treffen wir eine Bachas Verfaffung neben der allgemeinen Jana-cuna an. ine 260 sünfter Abjchnitr. Gerade durch die Heerdenhaltung wurde diefe Wanderhorde mur noch beweglicher. Denn jett eng verbunden mit ihrem Zahmvieh, das zu einem integrirenden Beltaudtheil ihrer Wohngemermjchaft geworden war, mußte die ohnehin zum Wandern geneigte Nundhorde nur noch mehr wandern, und zwar anfänglicy um jo mehr, je weniger fie bereits aucd) für ihr Vieh zu der Grfahrung des VBorrathjammelns für den Winter und überhaupt noch zu feiner Grfenntnig fürjorglicher und tiefgehender Ausnußgung ihrer Bodenumgebung gelangt war. So wurde das ruheloje eben, welches die Gens überhaupt fennzeichnet, durch den Heerdenbejit aleichjam conjervirt und gejteigert. Um des Viches willen müljen die Bagt öfter verlegt werden und zwar, wenn irgendmöglich, nach weit ausgedehnten Yänvdereten, weshalb denn viehzüchtende Horden jelbjt der Wüjte vor fruchtbarem Ilderland den Vorzug geben und auf ihren Wanderungen nur dort dauernd beob- achtet werden, wo fie ich ausdehnen fünnen, während fie die engeren Ihalfejfel der Vicus-VBewohner vegelmägtg nur durchjtreifen oder wenn fie fich niederliehen, bald wieder aufgaben. Doc, diefer Vorgang tft, wie ichon oben bemerkt, nicht jo zu denken, als ob jte jchon bet ihrem Gin= dringen im neue Yändereien mit der Abjicht auftreten, dieje bad wieder zu verlaffen; jonjt würden wir nicht, bevor fie die Gonjtructton beweg- licher Hütten erfanden, auf Spuren ihrer Nundbaue jtogen, die ung von ihrer Griftenz Zeugnig ablegen. Auch it ihre urjprüngliche Hetmath nicht die Steppe, jondern das bergige Goland. In der Steppe werden fie jogar im gewijjem Sinne jeßhaft, da diefe fie zwar ebenfalls zum Weiterziehen, aber aucd) zugleich zum Jurüd- ziehen auf die alten Weidepläße nöthigt. Der jährliche NWechjel von Berg und Thalweide, wie wir ihn z. DB. tm unferen wejtlichen Alpen= gebiet finden, ift modernen Urjprungs und berührt uns deshalb hier nicht. Sharacteriftiich it den PBagis die Schon oben gefennzeichnete Ertegertjche Drgantjation, die fie eben im Wölferleben als „Störenfriede” erjcheinen läßt. So reifen fie amdere, nicht Vieh züchtende Gentes, bejonders Waffenjchmiede und dergl., mit fic) fort und treten mit diefen in einem jo loderen Bundesverhältnig auf, daß fie jich bet erjtsbejter Gelegenheit wieder von einander trennen. In Ddiefem bejtändigen Yoslöfen, um weiter zu ziehen, liegt ein Theil des Geheimnifjes der Völfermijchung mit ihrer Folge, der Verbreitung der Kultur. Sie würden niemals zu einer jo umfajjenden friegerifchen Drgantjation gelangt jein, hätten fie nicht andere Gentes mit jich fortgeriifen, die ihnen die Bedingungen der Krieg- führung gewährt hätten. Muften ihnen die gewerbetreibenden Gentes die Werkzeuge dazu Schaffen, jo benußten fie anderjeitS aber aud) die ader- bauenden Vicini zur Lieferung der vegetabiliichen Lebensmittel. Eben- Das Neihenlager der Viehzlichter 2c. 261 deshalb reigen fte auch diefe mit fich fort, und jo jehen wir in ihrer Um gebung ehr häufig auc Aderbauer. Diefer lettere Umftand it von agrargejchichtlicher Bedeutung, weshalb wir hierbei länger zu verwerlen haben. Zur Gremplification Ddiefer Erjcheinung will ich das Volf der Sueven wählen, weil uns dafjelbe zugleich einen weiteren interefjanten Aufihlug über die germantijche Vorzeit zu bieten im Stande ift, durch den wir, ähnlich wie wir es bei dem von Tacitus bejchriebenen Aderbau thaten, eine Neihe von Mifverjtändnifjen an Gaejar's Darjtellung zu bejeitigen hoffen. Da aber alle Berjpiele, die ich im diefem Abjchnitte wähle, complere Sricheinungen find, jo bitte ich den Lejer diejes Umftandes eingedenf zu jein; imdefjen werde ich mich bemühen, die unter einander heterogenen Elemente möglichht zu analyjiren. Bekanntlich berichtet Gaefar (b. g. IV. 1) von den Sueven, „dem bei Weiten größten und friegerijchejten Volk aller Germanen“ (Suevorum gsens est longe maxima et bellicosissima Germanorum omnium): „Hi centum pagos habere dicuntur, ex quibus quotannis singula milia armatorum bellandi causa ex finibus educunt.“ Wlan über: jeßt: „Dieje, jo wird gejagt, haben hundert Gaue, aus deren jedem fie alljährlich je taujend Bewaffnete zum Krieg aus ihren Grenzen führen.“ Da num wegen der auf die angeführte Stelle folgenden IBorte, da man in der Kriegsführung abwechjelt, dieje zehntaufend Krieger etwa die Hälfte aller Krieger umfafjen, jo find jchon aus diefem Grumde Bedenken gegen die Nichtigkeit von Gaejar's Angaben erhoben worden. Wenn Gaejar die Suevorum gens als longe maxima et bellico- sissima bezeichnet, jo it dies feine Ihatjache, jondern ein Untheil, und wenn er zur Begründung diefes Urtheils jich auf ein „man jagt" jtüßt, jo find wir jelbft dam weder berechtigt noch verpflichtet, es als Ihatjache zu betrachten, wenn außerdem andere Schriftiteller das Gleiche berichten, da eim Bericht nicht dadurch) höhere Gilttgfeit erlangt, day th Indere wiederholen. Sedenfalls kann der Ausdrud centum pagi nur durch eine wörtliche Überfeßung eines den Nömern fremden Ausdruds entjtanden fein. Unfre Aufgabe bejtcht jomit zunächit darin, die fremde Wortbezeichnung aufzufjuchen. Da aber das formale Yericon auc dabei feine Hülfe leijten fan, weil ja nur der Sachverhalt einem Ausdrude jene Bedeutung giebt, jo erwächlt uns die weitere Aufgabe, uns auf Grund der überlieferten thatjächlichen Merkmale unter Vergleichung anderer Völker mit denjelben Merkmalen zunächit ein Bild von der VBerfafjung der Sueven zu ver- ihaffen, um die Vorjtellung zu gewinnen, der der Augdrud centum pagi zu Grumde liegt. Nach Gaejar treiben die Sueven Aderbau und zwar in der WLeije, 262 Almnfter Abjchnitt. da die, welche nicht in den Krieg ziehen, zu Haufe für fic) und für jene die Ernährung übernehmen. Denn es heit: Reliqui, qui domi manserunt, se atque illos alunt. Hi rursus in vicem anno post in armis sunt, illi domi remanent. Sic neque agri cultura nec ratio atque usus belli intermittitur. uch erfahren wir, daß bei den Sueven das Land nicht, wie im Vieus, im Kämpe zerfällt, jondern entjprechend der Nund- lagerung des Paqus als Ganzes von Allen bewirthichaftet wird; denn GSaejar fährt fort: Sed privati ac separati agri apud eos nihil est, neque longius anno remanere uno in loco incolendi causa non licet. Neque multum frumento, sed maximam partem lacte atque pecore vivunt multumque sunt in venationibus. Das heilt zu deutjch: „ber gejonderte und noch dazu abgezäunte Acker gtebt es bei ihnen nicht, und länger als em Jahr auf einer Stelle des Anbaus wegen zurüdzu- bleiben, läßt es nicht zu. Site leben ja nicht viel von Getreide, jondern größtentheils von Milch und ZJahmmwieh, und find viel auf der Jagd.“ Schon meine Überfetung ergiebt, da ich dieje Stelle von der herr= chenden Anficht abweichend interpretive. Ich habe möglichit wörtlich über- jet, um in die Worte Baefar's, Dejonders wo er hier objecttv berichtet, nicht mehr hineinzulegen, al3 was jte ergeben. In den Worten privati ac separati agri apud eos nihil est Itegt nichts, was uns verleiten dürfte zu erklären: „Privateigenthunm haben fie nicht”; e8 wird die tech- nische, aber nicht die eigenthumsrechtliche Seite des Aderbaues bejchrieben. Fbenjo unerlaubt halte ich es, das „non licet“ mit „es it nicht gejtattet” zu überjegen und daber an irgend eine verbietende Perjönlichkeit zu denen, die alljährlich „vorwärts marjch” commandirt. Denn licet heit: „es it nicht zuläflig, es läßt nicht zu.” Nämlich das ganze gejchilderte Sachverhältnih gejtattet gar nicht auf derjelben Stelle zu verbleiben, weil ja Aderbau mit Viehzucht verbumden tft. Nenn man fic) zudem in den Gert des Schriftitellers verjenft d. h. deffen Gedanfenreihe piychologiich zu erfallen ftrebt, jo ergiebt fich chen aus dem in neque enthaltenen que (= rs, skr. — ca), dad wir qut mit „ja”, aljo neque mit „ja nicht“ wiedergeben fünnen, day Gaejar das non licet uno in loco in- colendi causa remanere näher erflären will: „fie leben ja nicht viel von Getreide, jondern meiltentheils von Milch und Vieh und von Jagd- thieren.” Umder vorzugsweife thierifchen Nahrung willen wird das „vor= wärts marjch” geboten. Die Schilderung der fueviichen Verfaffung durch Gaejar ergiebt aljo den Zujtand einer wandernden WVölkerfchaft, die emestheils und zwar vorwiegend Viehzucht treibt und anderntheils gleichzeitig den Acer bejtellt, letzteren aber nicht in abgejonderten Kämpen, wie bei den jeßhaften DBe= wohnern der Ebene. &s ift num leicht gejagt, diefer Zuftand jtelle das me" Das Neidenlager der Biehzüchter 2c. 263 Bild eines Mbergangs nomadijcher LXebensweije zur Sephaftigfeit, Dzw. der Viehzucht zum Aderbau dar. Nufen wir uns den Sat der Piychologte ins Gedächtniß, daß nichts im Imtellect tft, was nicht zuvor in den Sinnen war, jo erfennen wir die Nichtigkeit einer jolchen Behauptung. Nie wide ein Vichzüchter auf den Gedanfen, Aderbau zu treiben gefommen jet, hätte er den leßteren nicht zuvor erjchaut. Grichauen konnte er ihn nur an einer Bevölkerung, die Aderbau betrieb. Das zu Löjende Problen liegt aljo in der Aufjuchung des Elements, welches dem SIutelleet ver Viehzüchter den jeelifchen Neiz bot. Kamen Wanderhorden mit ihrem Vieh in die Ihalebene, jo pflegten fie, wie e8 die Sueven (nad) Gaefar bell. gall. IV. 4) mit den Ufipeten und Tenchtheren thaten, die Bewohner diejer Ebenen zu „turbiven“ und theilweie zum Meitziehen zu nöthigen. Da aber jede Wanderhorde gegliedert war und der Vieus ebenfalls eine fleine Ginheit bildete, jo entjtanden jest Eleine zufammentgefette Gemeinz ichaften, die Gaejar (de bell. gall. VI. 22) mit gentes cognationesque hominum, qui una coierunt bezeichnet, wenn fie, was nicht immer der Sall zu fein braucht, die aratores zum Weiterziehen nöthtgen, und zur Heeresfolge mit bejtimmen. In ihren SIunern bleiben beide Glemente jedoch intact, weshalb jedes derjelben auch feine Dberhäupter behält: die Gens ihren Princeps, der DVieus feine Magifter (Meifter).!) Nur find die Vict als die Be- jiegten untergeordnet und bilden das Heer (noth. harja), ja allev Wahre icheinlichfeit erhält das Wort vie- durch diefe Bezwingung (lit. veik-ti) die Bedeutung von Befiegten (vieti) und ebenjo die von Kämpfern (ahd. vig-and). Das aljo, was Sornandes (Gap. 4) von den Goten bemerft: Vieinos subjugantes suis applieuere victoriis, d. h. „pie (jefhaften) VBicus-Wohner unters Soc) bringend, verwendeten fie jte zu ihren Siegen” it eine überall zu beobachtende Ericheinung. Vieini hier mit „Nachbarn"” zu überjeßen, ift in Anbetracht dejjen, dap man ein bis- her feindliches Gebilde unmöglich Nachbar nennen fan, finmlos; vieini bedeutet hier wie anderwärts immer angejeljene Aderbauer. Ebenjo wenig fann man übertragen: „und liegen jte an ihren Stegen theilnehmen“ ; leßteres fann nur die Folge defjen fein, daß man fie zur Heeresfolge bes Itimmte. ES gilt von allen Gentes, was Nabel von den Indianern jagt; „Sonjt aber wurden die Überwundenen blos ausgeplündert und dann ver- pflichtet, im bejtimmten Zeiten bejtimmte Steuern zu liefern. Der ges ichlagene Stamm (beffer: Horde) blieb autonom, er regierte ich wie vorher durch jeine Vorgejeßten, fein Gedanfe an Bildung eines zujammen- hängenden Neiches begleitete den erjten Überfall, der nur Ginjchüchterung )) Das Nähere wird weiter unten ausgeführt werden. 364 sünfter Abjchnitt. behufs jpäterer Ausbeutung zum Jwede hatte.!) Die Stellung der Über- wundenen hängt jedoch davon ab, ob die Gens weiterzieht. Wurde ein Vieus von nomadichen Biehzüchtern unterjocht und mit fortgeführt, jo mußte er unbejchadet jeiner Autonomie jeine urjprüngliche VBerfafjung zu Gunjten dev Gens modificteren, weil ja jeßt die Arier als Harja zugleich Heeresfolge zu leijten hatten und zwijchen Beiden jett eine Wechjelbe- ztehung eintrat. Injofern fie aber in Bezug auf die Macht in Herricher und DBeherrjchte gejchteden jind, müffen zur Bezeichnung des Ganzen zwei gejonderte Ausdrüde, einestheils für die Gens, anderntheils für die Gog- natto, hevvortreten. Diefe Dappelbezeihnung it nicht jchwer zu finden, jobald einmal das rein Ihatjächliche in feinen Slementen fejtgejtellt ift. uch muß, da die Unterwerfung des Vicus mit jeiner Arja-Bevölferung überall vorfommt, diefe Doppelbezeichnung gewifjermaßen international fen. Doc da wir zunächit von den Sueven jprechen, jo wollen wir auch bet ihnen vorerft diefe Doppelbezeichnung aufjuchen. ES it befannt, daß unter dem Namen Suewen Horden im Sevegebirge Sfandinaviens gewohnt haben, und da fie zur Ebene hinabjteigen muften, wenn fie weiter wandern wollten, jo mußten jte Irja in ihr Gefolge nehmen, da fie ja ohne Unterdrüdung der- jelben gar nicht vorwärts gelangen fonnten. Dieje Doppelbezeichnung heit nun den alten jchwedischen Schriftitellern nach entweder hunda-haerad, oder auc) kinna haerat, und daß fie ein Gemifch, d. h. eine „Sammt- einheit“ war, daran erinnert noch) „Semming-hunda-haerad in Upland. te ji) hunda zu hundra jtellt, haben wir bereits fennen gelernt: hundra it die gezählte hund. Das Wort haerad, dem wir jchon oben (©. 247) bei den Beduinen begegneten, wo harrat die anjäjligen Acerbauer find, bezeichnet das Yandgebiet mit jeiner Acerbau-Bevölferung, und der Urling tft jedenfalls har bzw. ar, jo daß wir hun(d) und har haben. Sowohl bei Iuritten al$ Nattonalöfonomen werden, wie man das noch in den allerneueften Publicationen von Leilt und Meiten?) lejen fan, die beiden Wörter hundari und herat für identiich gehalten, wes- halb man die Humdertichaften geradezu haerad nennt. Aber fie find Segenjüße. Haerad (herad, herat, herret, Harden, in der Zend-Avejta haroyu) it das feuchte Niederland, alfo Boden der Hera oder wie wir auc jagen fünnen, „ariiches’ Land. Zu ihm in Gegenjat jteht, ähnlich) wie Hera zur Gaea, der Gorat (Ghorat), ein Gegenjag, der befanntlich bis heute noch in Aghaniitan eine geoaraphiiche Bedeutung hat, injofern Shorat als rauhe Berginjel nomadifirende Völkerjchaften beherbigt, Herat 1) Naßel, Bölferfunde II. ©. 715. >) Siedelung und Agrarıwejen I ©. 141, 467. Die Neihenlager der Viehzüchter ıc. 2365 den fruchtbaren Garten für Aderbauer darjtellt. Auch war befanntlich das alte Herat jchon im höchiten Zendalterthum die Stätte der rter, Die dann in der Mafedonter Zeit, wo ic) Arter mit Bewohnern von Goland gemifcht hatten, nicht mehr Hevat, jondern der Mifchung entjprechend ArtasKana genannt wurde. Herat it identijch mit Arta, wogegen Kana tventifch mit Sorat und eine der vielen Wortbezeichnungen it, welche wir bet den Gohorden vor- finden. Das G in Gorat wird auch zu IS. erweicht, wie beijpielswerje in Sorat (Surten), dem Berg zwifchen den Städten Yaujanne und Mondon im jchweizerifchen Gantone Waadt!). Nur weil Go=-Horden „gehende" Horden (gentes) d. i. Wanderhorden find, die ihre eigenen Wege gingen und augenscheinlich vielfach, wenn jte die Slachländer der artjchen Bewohner ducchfreuzen mußten, von diejen lefteren verjchteden benannt wurden, wechjeln ihre Iamen bejtändig. Daraus it e5 eben zu erflären, da ihre Drgant- jation, je nach) der Mundart der betr. Wölferichaft, troß aller Überein- timmung in der Sprachwurzel, eine abweichende Benennung führt. So it eben auch Kana nur eine Variante einer Sprachwurzel, zu der unter vielen Alndern griech. xavıa, xovra ti E-xar-öv (d. 1. Ev Xavrov; jfr. cata für canta; lat. cent in centum und ebenfo hund im hundert gehören. Vie alt jolhe Zufammenjchliegungen von Gens und Art find, ergtebt fi) daraus, daß fie bereits im Nigveda erwähnt werden. Cs it imdejjen eine vergebliche Liebesmüh der Gelehrten, aus jolcdhen Wortbezeichnungen die örtliche Wohnlage von Völferichaften zu bejtimmen, die diefen Namen getragen haben, weil fie eben als Wanderhorden vieler Orten vorkommen. ©o lejen wir beijpielsweije beit Jimmer?): „Bemerfenswerth tjt die Nennung der Gandhäri. Sie müfjen befanmt gewejen fein als gute Schafzüchter; denn in dem VBruchjtüce emes lasciven Liedes No. 1. 126, 7 jagt em üppiges Weib: ‚Am ganzen Körper bin ich jtarf behaart wie eine Schaf- mutter bei den Gandhari.‘ In der jpäteren Literatur werden Gandhära, Gändhära oft erwähnt; nach dem Mahabharata find fie Berbiimdete der Kur; nach Näjat. 1,66 wohnen fie zu jener Zeit an der Stmohu (upasindhu); Darius nennt in der Infchrift von u 25 Ga(n)dära neben dem Hiln)du als ihm unterworfene VBölfer (ef. Behift. 1, 16). Hefaitios nennt fie ein mdrsches Volt... Nach all dem fünnen wir annehmen, day die Gandhäri em inbiches Bolf waren, das 1) Dft ijt der Name faum wiederzuerfennen. So jchreibt Berghaus „Djorhat, wofür andere Johrat, Sorhat, Joorhadh (Surhath), Sorahamt, Jorhaut u. j. w. jchreiben, befanntlich die Nefidenz der Könige des Hinterindischen Staates Alam jeit 1792, wo fie der Naja Gaurinath dazu erhob. 2) Heinrih Zimmer, Altindijches Yeben, Berlin 1879. ©. 30. 266 sünfter Abjchnitt. auf dem Südufer der Kubhä — hier traf fie auch) noch Hinen Tjang bis zum Imdus hin und aud nocd auf dem öjtlichen Ufer diejes Stromes Jah.“ I verjchtedenen lautlichen Vartanten begegnen wir bis zur Gegen- wart der Doppelbezeichnung für ein Gemijfc) von Gohorden und Mra- horden Kand-hari. Wenn nun Gaejar, und zwar, weil er ja „hi centum pagos habere dieuntur jagt, durd jeine Gewährsmänner erfuhr, daß die Sueven hunda-haerat haben, jo darf uns das Mifwers jtändnig bei der Überjetsung dDiejes Auspdrudes in „hundert Gaue* um jo weniger wundern, als wir ja jelbjt nod) immer über das Wejen der Humdertichaft nicht im Klaren Imd und uns frampfhaft an den Jahlen- begriff Hundert anflammern. Was die Übertragung von herat durch) Gaejar mit pagos betrifft, jo war jte nicht incorrect, da jeiner Vor- jtellung nach) der Ausdrud pagus ein räumliches Yandgebtet jchlechthin bezeichnete. 68 handelte ji) alfo um eine, rein wörtliche Überjeßung zweier Wörter, deren zu Grumde liegender Sachverhalt der Crfenntniß von Gaejar's Berichterjtatter verichlofien war. Der objective Ihatbeftand beiteht aber, wie gezeigt, darin, daß fi) die Gens mit einer Kara vers bunden hat, die nunmehr zujanmengehen und eine gens cognatioque qui una coierunt, d. h. eine Wanderhorde mit einer mitwandernden Ader- bauhorde bilden, wobei die Gens das herrichende Glement ift. Auf das friedliche Zu,jammen”gehen deutet das „Semming” im „Semming-hunda-härad* hin. Es tft verwandt mit got). sam-jan, was urjprünglich zufammensgehen heißt, aber ähnlich) wie engl. seemly die Bedeutung anftändig, Fchielich, ziemlich im Sinne von lieblich, gefällig annimmt, weil das Zufammengehen diefen Zultand als Endergebuig invol= virt. Aus einer jolchen Zufammenjchweigung von Berge und Niederlands- bewohnern, Hirten und Aderbauern gingen die Semminger oder Semmonen hervor, die nad; Tacitus (Germ. 39) „sich jelbit als die längitbejtandenen und befanntejten (vetustissimos nobilissimosque) der Sueven erwähnen“, und zwar, meines GSrachtens mit vollem Necht, wenn wir fie auf Grund der reinen Ihatjachenmerfmale in der Entwidelungsreihe des Völferlebens mit den Sueven schlechthin vergleichen. Denn Tacitus jagt im 38. Kapitel der Germania, day ich die Sueven in Bezug auf das Iragen des Haares nicht blos von den übrigen Germanen unterjcheiden, jondern auch bei ihnen jelbjt die Gingeborenen (ingenui) von den Dienenden (servi). Die mitwandernde Aderbauhorde it der eigentlichen Wanderhorde untergeben; im Semming dagegen begegnet uns ein Jujtand der Sleichitellung; das leßtere jteht in der Entwidelungs- veihe höher. Meine Wanderhorden (gentes sine cognationibus) haben feine dienende Klaffe im ihrer Mitte. Meier Gentes andere Gentes mit Das Neihenlager der VBtehzlichter ac. 267 jich fort, jo bilden fie eine meift nur vorübergehende Vereinigung Gleich- georoneter, vorausgejeßt, dag fie nicht in ihrem Berufe verjchteden find und der einheitlichen Gewalt eines Welteroberers, der über ihre Stellung gegen einander disponirt, untergeben find. Durch Nöthigung einzelner arijcher Horden zum Mitwanvdern entjtehen Klaffenverhältniiie. sreilich dürfen wir uns das Verhältnig der Eingeborenen zu den mitwandernden Dienenden nicht in der Seftalt der jpäteren Sclaverei vor- jtellen, jondern etwa in der Form, wie Tacitus (Germ. 25) ung ein Bild entwirft: „Der Herr legt ihm wie einem Lehnsmann eine Abgabe von Getreide, VBich oder Kleiderjtoff auf: weiter geht die Unterthänigfeit nicht." Bei einem jolchen Verhältnig ift alsdann der Weg zur allmählichen VBerichmelzung angebahnt, weshalb jogar ein Taufch im den gegenfeitigen Nollen von Pflichtigen und Herren eintreten fan, — ein Taufch, den wir ebenfalls bei Tacitus (Germ. 24) in folgender Schilderung darge boten finden: „Das Würfeljpiel treiben fie, jonderbar genug, nüchtern als ernithaftes Gefchäft, mit jolher Tollfühnheit bei Gewinn oder Verluft, daß fie, wenn Alles hin tjt, auf den äuferften und leiten Wurf Berjon und Freiheit jegen. Der Verlierende begiebt jich freiwillig in die Siuecht- ihaft.“ Durch jolche Verhältniffe werden jelbjtverftändlich die Beziehungen der einft feindlichen Elemente nur noch mehr ausgeglichen. Daf ein friedliches Band, wie derSemming, nur nach und nad) entitehen fan, liegt auf der Hand. Demm wir wifjen aus anderweitigen Nachrichten der Völferfunde, wie graufam bisweilen die erjte Begegnung heterogener — jeihafter und Wander — Horden tft. Die ganze innere gejellichaft- liche Drganifation und der äußere Habitus der menjchlichen Gejtalt war eben bei beiden ein jo durchaus verfchiedener, day man unmöglic gegen jeits das Menjchenthum jogleich zu erkennen vermochte, werl eben der Intelleet zu allernächft an die äußere Geftalt anfnüpft. te lange hat e8 jelbjt in unferer vorgerücdten Kulturzeit gedauert, bis man die farbigen Menfchen im ihrer reinen Menfchlichfeit gewürdigt hat! Der lange gehegte Glaube an Werwölfe, an VBampyre und dergleichen hätte niemals im menjchlichen Geifte eine Heimitätte finden fünnen, und Grzählungen, wie die des Herodot, day nördlich von den Archippäern Menjchen mit Ztegen= fühen wohnen, oder von Vlinius, daß es hundsföpfige Mieenjchen gäbe, oder von Tacitus, er lajje es dahin gejtellt jein, ob die nördlich von den Finnen lebenden Hellufter und Drionen menjchliche Gefichter, aber thtertiche Leiber und Glieder haben und andere ähnliche Berichte wären niemals aufgetaucht, wenn nicht in Wirklichkeit ganz anders geartete Menjchen tn thierähnlicher Klewung vor das Auge der Bewohner der Gbene getreten wären. Den in den Niederungen wohnenden, auf vegetabiliiche Stoffe angewiejenen Aderbauern ohne Viehzucht mußten jene Sremplinge des 268 Fünfter Abjchnitt. Höhenlandes, von denen fie zuvor nie Kumde erhalten hatten, als Nicht- Menjchen erjchermen. Refanntlich find die Nachrichten der Alten über abnorme Menjchen- bildungen jelbjt noch in die Kosmographien der deutjchen Humanijten und von da in die bildende Kunft übergegangen. Und erjt mit dem Auftreten der „Statiften”, der Statijtifer, wie wir fie heute nennen, welche das vein Thatfächliche in den Vordergrund ihrer Darjtellung jchoben, ver- ihwanden jene Nachrichten. Wir wollen hoffen, day auch in der nahen Zufunft die Statiftif e$ jein wird, welche an den reinen Ihatjachenmert- malen des Völferlebens einen neuen Aufbau des urgejchichtlichen Menjchen verfuchen wird, um damit zugleich die ven jpecnlativen Gonftructionen jeiner Wildheit im Uranfang jeiner Griftenz nad) und nad) zu beftegen. 5 drängt fih uns an diefer Stelle ganz bejonders das Gerede auf, welches wir noc) immer über die Menjchenfrefferet zu hören befommen. In umnjerer Zeit des Hafchens nach Senjattonellem it es Mode geworden, die Anthropophagie in die allergrauefte Urzett, möglichjt in die erite Zeit des Auftretens des Urmenjchen zu verjegen, damit nur ja jene uriprüngliche Nohheit und Granjamfert recht in den Vordergrumd tritt. Sowie die Sau zumwerlen ihre Ferkel, jo ähnlich, denken fi) GSimtge, ver- zehrte der Mrmenjch anfänglich jene Umgebung. Gs it nur wunderbar, dab; bei einem folchen Zuftande es dem Mienjchengejchlechte nicht ebenjo ergangen tft, wie jenen „Prärichunden”, die neuerdings Nudolf Steinmeß nebit einer Anzahl von anderen Ihieren jieben Spalten lang zur Bes antwortung dev Frage herbeizieht, ob der Urmend von Haus aus Gmdo- fannibale war: „Die Taufende Brärichunde, welche Sultan Mahmud auf eine fahle Felfeninfel bringen lieg, Fragen einander auf.“ 6S erinnert uns an die beiden Löwen im Studentenliede, die „wuthentbrannt einander aufgezohren“, jo dal zulett nichts übrig blieb „als beider Löwen Wedel?. Nenn es umjere menjchlichen Vorfahren auch jo machten, jo dinfen wir uns glücklich preifen, da wir übrig geblieben find. Doc man jollte eigentlich troß aller Komik, die der Steinmeß schen Anhandlung innewohnt, nicht fcherzen, da es ein trauriges Jeichen umfrer Zeit ift, dak eine jo flüchtige, methodijch geradezu Fehlerhafte Darftellung, wie Fie der Genannte einer Zeitjchrift zu bieten wagte, nicht jchon von der Medaction derjelben, die fie vor dem Abdrud gar nicht gelejen zu haben jcheint, zurücgewiejen wurde. Angefichts der haariträubenden Schilderungen des Urmenjchen möge der Lejer mir freundlichit gejtatten, meine Darjtellung über das Volk der Sueven durch einen möglichit Furzen Hmweis über die Entjtehung der Anthropophagie zu unterbrechen, zumal wir durch eine correcte Bejtimmung über den Jeitpunft ihres Auftretens uns zugleich ein DVerjtändnig über Das Neihenlager der Viehzüchter 2c. 269 das MWejen der Menjchenopfer verjchaffen fünnen, welche wir bet ven Semnonen vorfinden. DQTacitus jagt von ihnen: „Ihr Alterthum wird durch heilige Gebräuche beglaubigt. Zu feitgejetter Zeit fommmen durc) Gejandtjchaften alle Bölfer von gleichem Blute zujammen in einem Wald und beginnen mit öffentlichen Mtenjchenopfern des barbariichen Götter- dienftes jchauervolle Feterlichkeit." Das Thatjächliche an diefem Berichte beiteht darin, daß ein politi= iher Verband öffentlich Menjchenopfer bringt und die Glieder derjelben bet diefer Feier durch Gejandte repräfentirt werden. Diejer Verband, ven wir bei den Semnonen Semming genannt haben, it das Ergebniß eines Zufammenfchluffes heterogener Horden, theils einiger Hunda der Wanderhorden, theils einiger Hevat der jeghaften Horden. Wie famen fte dazu, jetzt Menjchen- opfer zu bringen? &3 tt eine längit befannte Ihatjache, day die in allen GSrötheilen angetroffene Ericheinung der Menjchenfrefjerei, wie auch Natel bemerkt, „nicht eine Gigenthümlichfeit der niedrigften Kulturftufen jet. WBölfer wie die Mangbattu, Batta, Maori gehören zu den höchjten ihres Kreifes". Das bei der Menjchenfrefierei beobachtete äußere Geremoniell tjt bet ver ichtedenen Völkern verfchieden und nahe verwandt der Miyjtit, welche bet öffentlichen Menjchenopfern angetroffen wird, weshalb man die letzteren ichon häufig und zwar mit Necht als im engjten Zufammenhang mit der Anthropophagie ftehend angenommen hat. Beide Ericheimumngen deden fich — md das tft das Welentliche — in ihrem Grundmerfmal, nämlich tn der VBerfennung des Menjchenthums. Deshalb finden wir auch, da beide überall da von jelbjt verjchwinden, wo Diejenigen, welche den Ichauer= vollen Gebrauc bisher übten, zur Erfenntnig des reinen Menfchenthums gelangen. Der Entwidelungsmotor, welcher dies zu Stande bringt, it der wechjeljeitige Verkehr, in dejjen Gefolge eben die veifende Über- zeugung liegt, da man einander bedarf. Cine jolhe Grfenntniß zu ges winnen erfordert, wie jeder Grfenntnißproceß, einen bejtimmten Zeitraum, deffen Dauer von den Bedingungen abhängig ift, welche theils hemmen, theils fürdernd eimwirfen. Da nun die Verfenmung des Menjchenthums ia jelbjt hemmende Bedingung ift, jo gejchieht es eben, dal der jehauer- volle Gebraud) um jo länger anhält, je mehr die Myftit Anhaltepuntte findet, ihn im Interefje des „Sammt"zuftandes aufrecht zu erhalten. Tede Miyftif wunzelt in der Ahnung eines Zufammenhanges. Go ahnt man, dab der jetzt friedliche Zuftand (semming) aus einem zuvorigen Zus ftande der gegenfeitigen Tödtung mit Verwerthung des M tenjchenfletjches zum Genuß hervorgegangen ift, hält das Letstere für die Urfache der end- gültigen Berjühnung und verftrictt fich dadurd in den Wahn, daß zur Anfrechterhaltung eines geordneten Zuftandes das Menjchenopfer unbedingt 370 sünfter Abjchnitt. erforderlich jei. Die einzelnen Grjcheinungsformen bier vorzuführen, tt Aufgabe einer monographiichen Darjtellung, nicht einer Theorie. Wenn fich Menjchen begegneten, die jchon in ihrem ganzen äußeren Habitus von einander abwichen, wenn die Bewohner des ebenen Landes, die reinen Acderbauer, plößlich in Ihierfelle eingehüllte oder mit Thier- masfen verjehene Geftalten vor ihren Augen erblicten, die, obwohl der menjchlichen Sprache, doch nicht ihrer eigenen Sprache fundig waren, jic wohl gar durch Naub ihres Befites bemächtigten, jo mußten fie fie als Ihiere und je nad) der Lage der Umftände als jolche Ihtere betrachten, die ihnen möglicher Werje jchon zuvor ähnliche Schäden zugefügt hatten, wie Ddiefe neuen Sindringlinge. Wer jollte nicht das entitehende Furcht: gefühl bet Kindern beobachtet haben, wenn jtc) Jemand unterfängt, beijpiels- were das als Teppich dienende Bärenfell über jene Schultern zu hängen, jet Geficht mit dem DBärenfopf zu überziehen und die Fralligen Taten zur Berührung des Findlichen Händchens zu gebrauchen? Nicht anders fan es um die Surccht jener primitiven Menfchen bejtellt gewejen jein, die zum erjten Male thierähnlichen Geftalten begegneten. Und wie das Kind erjt wieder ruhig wird, wenn die Masfe Fällt und es zur Grfenntuig fommt, ihm lache jet ein freundliches Gefticht entgegen und es werde von einer Hand gleich der jeinigen gejtreichelt, jo wird auch in der Gejchichte des Völferlebens erjt danır eine Verföhnung eingetreten fein, wenn man hinter der Masfe die Ahnlichfeit mit jich felbft erfannte. Aber die Maste wurde hier jedenfalls nicht jo schnell abgeftreift, wie jenes zur Wer fletvung dienende Bärenfell; vielmehr wird dazu eine lange Zeit erforder- lich gewejen jet, eine Zeit des Schredens und der Granjanfeit. Was it natürlicher bei der Berührung der fermdlichen Gegenjäße zwiichen den jehaften Aderbanern und den eimdringenden Vichzüchtern oder jonjtigen Wanderhorden, als day jte fich tödten, und daß Die, welche in dem Fremden nichts Meenjchliches erfennen und fie für Ihtere oder thierähnliche Gejtalten halten, fie auch zur Nahrung benugen. Wir wollen den Berichteritattern über Anthropophagie gern glauben, dag Menfchen- fleifch mancherwärts als Delicatefje betrachtet werde, weil es jchmadhaft, day e8 auf den Marft komme, bier jehr gefucht jet und dergl. mehr. Aber jolche Nachrichten Fünnen uns nicht die Entjtehung der Erjcheimung, jondern nur die Sriltenz der Sitte erklären. Man fan wegen des Gejchmades und des Srlöfes aus dem Verkauf von Menfchenfleifch bei der Sitte verharren, aber jte um des willen nicht eingeführt haben, weil dies bereits Grfahrung der Schmadhaftigfeit und des Nutens vorausjeßt. Die wechjelnden Mio- tive der Srhaltung der Sitte — dies haben bis auf Steinmet Alle er fannt jmd amvefentlicher Natur an der ganzen Erjeheimung der Ans thropophagte und aehören im die GSejchichte der Miyitik. Das Neihenlager der VBiehzlichter 2c, 971 Seiteimiger geit machen einige Ethnologen einen Unterjchied zwijchen Endo- und Sroanthropophagie, je nachdem man die eigenen oder fremden Stammes- genofjen verzehrt. &S leuchtet jedem einigermaßen mit Völkerkunde Ver: trauten jofort ein, wie methodologifc Faljch eine jolche Unterjcheivung tft, wenn wir die völferfundliche Ericheinung in Betracht ziehen, daß bet vielen Völkern die Kinder gar nicht als mit ihrem Vater verwandt betrachtet werden. Ich erinnere beijpielsweife an die Gricheinung, wo Söhne bei “ Kampf auf der entgegengejeßten Seite, wie ihre Wäter jtehen, mwerl fie ihren Mutterbruder al Vater anfehen. Cine der eriten Degeln, melche der junge Stattjtifer lernt, it die: „Zergliedere den Stoff in jeime Untheilbaren (Individuen) und juche die Merkmale mur an diefen auf.” Somit darf man nicht am Bolfsjftamım, weil diejer ein Complex it, jomdern mur an jeder einzelnen Horde, aus deren Vielheit jener be- jteht, die Beobachtung vornehmen. Auch die Familie tft in urgeschichtlichen Sricheinungen nicht das Individuum, weil die Kamilte aus Flementen zweier verjchtevener Horden zujammengejegt il. Die methodologiih Faljche Unterfcheidung von Gmdo- und Gro- Kannibaltsmus hat neuerdings Steinmeß zu der Frageitellung geführt, ob jener over diejer als das frühere zu betrachten jet, und da ihm Alles leicht von der Hand läuft, giebt er die Erklärung ab; „wenn wir mın endofanntbaltjche Sitten vet überrafchend vielen wilden Völkern vorfinden, dazu die Leichenverjpeifung bet höheren Ihieren gar häufig erjcheint, To folge, daß ee hohe Wahrjcheinlichfeit dafür jpricht, den Endofannibalis- mus als jtändige Sitte der Urmenjchen, jowie der niedrigen Wilden anzu nehmen” (©. 50). Ia, Steinmeß nennt den Sndofannibalismus „eine Itabile, gejunde Sitte, welche ungeheuer lange geübt werden konnte,“ Wir haben jchon im methodologijchen Theile der vorliegenden Ab- handlung hervorgehoben, day eine Eingelericheinung niemals aus fich jelbit erklärt werden fan, weil eine jolche immer mir einen jubjectiven Etndrud hinterlägt. Deshalb kann auch der Kannibalismus nur im Syjteme der Gefammterjcheinumgen jene Srklärung finden. Gbenjo haben wir beveits oben bemerkt, day man den Urjprung und die Entjtehung einer Erjcheimung nicht aus ihren wechjelmven Meerfmalen, jondern nur in ihrem Grund- merfmal erfennen fanıı. Ss verräth Umvertrautjein mit der Mtethoden- lehre, wenn Steinmeß den unmejentlichen Merkmalen, wie 3. B. den Motiven, ob man „aus Luft”, „zum Schutze der Leiche”, „zur Srlangung der Seele’, „aus Bietät und Mitleid“ an frißt, nicht blos Be- deutung beilegt, jondern geradezu in den Vordergrund jtellt. te jchwer fällt es jelbit uns Sulturmenjchen, bet unfern vertrauteften Bekannten da8 Motiv ihrer Handlungsweije feitzuitellen, ob beijpielsweile eine Mutter ihr Kind aus Liebe, aus Noth, aus Schamgefühl und dergl. umgebracht 272 Fzünfter Abjchnitt. hat! Und hier will man auf Grund gewöhnlicher Netfenotizen feititellen, ob die Niam-Niam „die Erichlagenen aus Zederei”, die Baletala aber ihre „nebrechlichen Eltern aus Luft“ frejfen, und weld, feiner Unterjchied befteht zwijchen Lederei und Luft? It das nicht nam? Angenjcheinlich Fühlt Steinmet jelbjt, da bei jolchem Geflatjch — jo nennen wir jedes Ge- vede, was nicht auf Ihatjachenmerfmalen fejtgejtellt ft — gar nichts herausfommen fann. Mein ganzes Buch beweift, welch hohe Bedeutung ich der Piychologie für die Erfenntniß der menfchlichen Urzeit beimefje. Aber es tjt geradezu ein Mißbrauch diefer Wilfenjchaft, wenn man fie im der Urgejchichte zur Feititellung von Begebenheiten im Menjchheitsleben verwendet. Da die Seele nur in den Wechjelbeziehungen des menjchlichen Drganismus und der Außenwelt zur Erieheinung fonmt, jo muß man zuvörderit die Auen welt fejtzuitellen juchen, um die dadurch verurjachten Vorgänge, die ja in Handlungen hewvortreten, richtig würdigen zu fünnen. Die Piycho- logie fann im der Urgejchichte nur Dienfte zur Bejtinmmumg der Aufern= anderfolge der DVoritellungen leiften, worüber ich mich jchon in meiner Schrift über Howe und Familie (©. 34) näher ausgejprochen habe, wo ich) die menjchliche Seele mit einem, eine genaue Negiltratur über die Folge der Seelenerfcheinungen enthaltenden Archiv verglich. Erjt dann fann die Piychologie jich in den Dienft der Urgejchichte jtellen, wenn die Feititellung der Ihatjachen des Wölferlebens als beendet angejehen werden fann und man zur Daritellung des Sad)- verhalts übergeht; jie fann diejfen nur begründen. (3 verräth nicht blos ein geringes piychologiiches jondern auc) ethnologijches Verjtändnig, wenn Steinmetß in Bezug auf den Kanıtba- ömus jagt, „die Yöfung auch diejes ethnologijchen Problems bejtehe in der Grfenntmig der Motive, in ihrer Elaven Unterjchetdung von jenen, welche den wahrhaft gebildeten Menjchen ohne Ppiychiiche Difformttät be- herrichen". Das ethnologiiche Problem des Kamntbalismus liegt vielmehr in den Eriheinungen des DVölferlebens jelbjt,!) injofern eben ) Inden Steinmeß das ethnologijche zu einempfychologtjchen Problem macht und damit befundet, day er Probleme der Ethnologte noch nicht Formuliren gelernt hat, nimmt ex jeine Zuflucht, außer zu den „Höheren Thieren, die zumeilen Yeichen frejjen“, zu den „ülthetifchen und moraliichen Gefühlen des Kultur: menschen”, die er ohne jeden Beweis dem Urmenjchen abjpricht. Er jeßt aljo voraus, was des Beweijes erit bedarf. Man höre jeine Beweisführung: „Das, was höhere Völker von der Sitte des Menjchenfrejjens zuritckdalte, jeten äfthetijche und mioralifche Gründe; man dürfe nicht fragen, warum entjtand die Sitte, jondern warum hätte jie nicht entjtehen jollen? Der Urmenjch müfje (sie!) ommnivor gewejen jein umd müfje gerade in feinen erjten Stadien oft genöthigt gemwejen jein, feine Speije, welche jeine Conjtitution iym erlaubte, zurüczmveifen.“ Das Neihenlager der VBiehzüchter 2e. 273 Probleme Fragen find, die bei der Forjchung Fich überall einstellen, wo fi) Widerfprüche zeigen. Findet man diejelben, jo tft das Problem immer ihon halb gelöft, indem die richtige Srageftellung die richtige Antwort im Gefolge hat. D. Flügel jagt einmal!) jehr richtig: „Allen Völkern ohne Yus- nahme jind die Gefühle eigen, aus denen die Sprüchwörter hervorgegangen find: die Mache it jül; eim verwejender Feind riecht wohl. Die Nache it eins der primitivjten Gefühle und ebenjo allgemein als das Verlangen nach Speife, Trank und Nuhe‘. Die bei den primitivften Wölfern be obachtete Mache, für deren Ausübung, wie wir oben (©. 68 ff.) jahen, jogar eine ganz genaue Dejtination dergejtalt bejteht, daß der Träger eines be- ftimmten Namens als Mächer für eme bejtimmte andere Berjönlichkeit auftreten mung, weit uns mit aller Bejtinmtheit darauf hin, daß fich im Uranfang des Meenjchheitlebens die Meenjchen unmöglich aufgefrefjen haben fünnen, weil eben in diefer Deftination eine jolidariiche Handlung liegt, die nur einer Vorftellung von emer trengen Neihenordnung entiprofjen jein kam: das fehlende Glied wird gerächt. Atndet man mun troß des jolidarifchen Verbumvenjeins der einzelnen Glieder Sndofannibalismus, fo liegt das demjelben zu Grunde liegende Vroblem im der Vereinbarung der Uberdies fehlten ihm die Motive, welche höher entwicelte Menjchen von der Yeichenverjpetfung zurücdhalten.“ Woher weiß Steinmeß, daß der Urmenfch ommivor war? Daraus, da einige höhere Ihiere der Gegenwart ommivor find, folgt dies noch nicht. Co wenig wir etwas Bejtinmmtes darüber wijjen, ob jene Ihiere auch in ihrem Urzuftande ommivor waren, jo wenig haben wir über die Allesejjerei der Ur- menjchen Kunde. Dieje Art Hereinztehen der „Höheren TIhiere” ijt ein niethodolo- gischer Fehler. Wir wijfen ganz bejtinmt, day viele TIhiere ihre Jungen nicht auffrejjen. Was Hält fte zurück? Wollen wir in diefem von Steinmeß be- liebten methodologijchen DVBerfahren conjequent fein, jo müfjen wir, wenn wir fie zum Analogen machen, auch bet ihnen äfthetifche und moralijche Gefühle vorausjeßen, die fie davon abhalten. Wir müpten aljo 3. B. Schweine „mit“ und „ohne” moraliiche und äjthetiche Gefühle von einander unterjcheiden. Dieje frejfen ihre Ferfel auf, jene dagegen nicht. Cine folche Methode muß zu abjo- lutem Unfinn führen. Möchten doch unfere wijjenjchaftlichen Zeitjchriften bei der Aufnahnte namentlich jolcher Abhandlungen, welche wichtige Probleme des Menjchheits- lebens behandeln, nicht jedem jungen „Schnellfertig” ihre Spalten öffnen. Lie verjündigen fich Dadurch nicht nur am der VWiljenjchaft, Jondern euvecfen im Kreije der Laien, zumal wenn die Zeitjchriften einen Bejtandtheil der „Yejezirfel® für ein größeres Bublicum bilden, VBorftellungen Über das, Menjchheitleben, die geeignet find, dafjjelbe zu entiwirdigen. Zeitjcehriften haben, wenn jte ihren wijjenjchaftlichen Character nicht preis geben wollen, höheren Zwecen zu dienen, als der Tenjation VBorjchub zu leiften. 1) Sn der Zeitjchrift für Bölferpiychologte XII. ©. 128. Mireke, Urgeichichte. 18 374 Sünfter Abjchnitt. eben berührten beiden Ihatjachen, bzw. in der Beantwortung der Frage: wie fonmt es, daß man troß der bei primitiven Völkern wahrnehmbaren Solidarität und Gejchloffenheit Menjchenfrefjeret bezw. Menjchenopfer bei ihnen antrifft? ir mögen ein dem Kanntbalismus huldigendes Volf, wie immer es heiße, unter das Beobachtungsneß jtellen, immer werden wir bei ihm mindejtend zweit heterogene Horden in ihrer Gemeinjchaft finden. Ich will abjichtlich aus der grogen Zahl von Fällen ein jolches Beijpiel wählen, wo uns Directe Nachrichten über die Zujammenjchwergung heterogener Horden fehlen, ja wo uns im Gegentheil ein zuverläfjiger Berichterjtatter durch jeine Auferung leicht in die Irre führen fünnte, es handele fich nicht um em Mijchvolf; und ich wähle das Betjpiel zugleich des- halb, um zu zeigen, wie die Wohnlagerung oft mehr als irgend ein anderes Merfmal uns über den ethnographiichen Character eines Volfsjtanımes Auskunft ertheilen fan. Von den jog. Monbuttu berichtet Smin Bey, „dab fie unter fich Felt zufammenhalten und ihr Vaterland wirklich Lieb zu haben jcheinen“, gleichwohl aber als Anthropophagen bekannt jtnd, indem fie „öffentlich in Form eines frohen Gelages" Meenjchenfleijch ver zehren. Gerade daf fie „ihr Vaterland lteben“ (mit memem Ausdrud: fi) des Semming erfreuen) it Bewers ihrer Zufammenjchwergung und Verföhnung. Worans jehe ich, day fe ein Mifchvolf find? Man melvet, daf; bet ihnen der vechtefige Grundrig der Wohnungen vorwalte und daf daneben Kegelhütten bejtehen. Dies deutet auf eine derartige Mifchung hin, day einzelne Wanderhorden, die allein Kegelhütten haben, unter die Gewalt von Aderbauern geriethen. Nicht an dem Ausorud „Buttu“ allem, jondern an den Merkmalen, die den primitiven Aeerbauern, welche ver einzelt, bzw. zerjtreut leben, und vieredige Wohnhäufer, die uns jchon Schweinfurth (Sm Herzen von Afrifa II. ©. 127) genauer bejchrieben hat, beitlen, erfennt man ihren Urjprung. Wird uns mm noc) berichtet, daf fie primitiven MAderbau trieben, jo fan, weil diejer durch den Dünger intenfiver geftaltet wird, die unterjochte Wanderhorde nicht wohl vorzugsweife Viehzucht getrieben haben. Man wird jomit vermuthen müffen, daß jene Wanderhorde mehr dem gewerblichen Leben oblag. Mit diejer rein logiich-erperimentellen Folgerung ftimmt der thatfächliche Befund überein: man berichtet, day jowohl der Aderbau, als auch die Viehzucht bei den jog. Monbuttu primitiv find, daß jedoch die Bearbeitung von Metallen (Schmiederei) jowie die Töpferei und Holzichnißerer auf einer hohen Stufe ftehe. Auch wenn nur das Merkmal „geringe Viehzucht“ ges meldet wäre, würde man die gleichen Schlüffe ziehen müfjen. Auch die Semnonen find eine complere Völfermafje; denn jte haben Härad und Hunda zugleich, deren Verfchweißung mir eben Anlap gab, zu Das Neihenlager der Biehzlichter 2c. [0] I aba | der neuerdings wieder lebhaft erörterten Frage über die Sitte der Menjchen- opfer und der ihr vorausgegangenen Anthropophagte Stellung zu nehmen. Berücfichtigen wir, dag der Semming nur nach und nad) zu Stande fam, daß fich anfänglich zwei feindlid,e Parten gegenüberftanden, die fich in Sitte, Sprache und ihrer ganzen Lebensart nicht verjtanden und daher tödtlich hafjen mußten, jo wird es uns begreiflich, wie jtch in ihrer In= ihauung das blutige WVernichtungswerf Fejtjegen fonnte. Grwägen wir aber zugleich, daß jedes längere Zufammenleben zu Mifchungen führt, tır deren Gefolge der Friede fich befindet, jo fan der Myjticismus entitehen, da der Friede die Folge des Blutopfers it, und um diejes Friedens willen begeht man alsdanı das Opfer. Zwijchen Anfang und Ende liegen jelbjtveritändlich verjchiedene Stadien, auf die wir hier nicht weiter ein= zugehen haben. Aber man würde entichteden zu weit gehen, wirde man bet der Bildung eines jeden „Semming“ den Kannibalismus ald einen noth- wendigen Bejtandtheil in der Entjtehungsgefchichte des Zufammenjchließens vorausjegen, weil eben noch andere Factoren emme joldhe Sricheinung be- einfluffen, die durchaus verjchteden und von jehr ungleicher Dauer jein fünnen. Der Kannibalismus it feine nothwendige Erjcheinung. uch tt dabei zu berüdfichtigen, welche von beiden ich begegnenden heterogenen Horden die Oberhand gewinnt; demm wenn auch die Veranlafjung zum Kampfe von den Go-Horden ausgeht, jo Tind fie doc) nicht immer Die Sieger, und wir werden jpäter noch Gelegenheit haben, zu jehen, wie jic unter die meijt in der Defenfive bleibenden Vicusbewohner auch auf fried- lichem Wege Wanderhorden eimnijten. Wo man fi als Menjchen ertennt, wie es in den weiten Ebenen oder Steppen, in denen man jich wegen des langjamen und allmählichen Anrüdens nicht plößlich als etwas durch- aus Fremdes gegemüberfteht, wohl immer der Fall tft, fehlt eben die Vor- ftellung, welche dem oben gejchilderten Proceg zu Grumde liegt. Gin Umftand, defjen man auch bei der Beurtheilung der bodfühigen 2. mytho- logijchen Geftalten eingedenf fein muß. Viele VBölfer find, wenn aud) nicht ganz ohne Kampf, doch im Ganzen durch einen friedlichen Zujammenz itoß heterogener Horden ein Gemifc) (Sam) geworden. Durd) jolches von vorn herein friedliches Zufammentreffen werden aud) dre Wechjelhetrathen wejentlich erleichtert, unbejchadet ihres tmeren Getrenntbleibeng in einer äußern Ginheit und der troßdem fortbejtehenden Standesverjchtedenheit. Beijpielsweije fünnen wir dies an den jog. Turkmenen jehen, wo unter den Namen ITiehomu und Tiehorwa die heterogenen Elemente der Aderbauer und Hirten vereint leben. Sie hetrathen unter einander und ihre Kinder find bald Hirten, bald Aderbauer; werden fie Hirten, jo find fie vollfrei, werden fie Aderbaner, jo find fie halbfvei, werl eben der durch 18* 276 sünfter Abjchnitt. den Wohnraum hervorgerufene Beruf zur Entjcheidung fommt. 68 dürfte auch hier verfehlt fein, Ddiefen Zuftand aus einer durch die geographifche Umgebung entjtandenen Nothwendigfeit einer inneren Arbeitstheilung erklären zu wollen, wie ich ihn bei einen angejehenen Gelehrten gedeutet finde. 68 handelt fich hier nicht um eime Arbeitsthetlung, jondern um eine jog. Berufsgliederung, die, wie oben gezeigt, in Ihrem Srund- merfmal verjchtedener Herkunft jind. Die letztere jetzt Berufsbildung voraus, welche ihrerjeits wieder die Möglichkeit eines abgejchtedenen Yebens zur WVorausjeßung hat. Gerade die bei den ZIurfmenen anzutreffende Frerheit und Halbfreiheit, welche mit der Ausübung des Berufes verbunden it, beweiit uns, day die Berufstheilung nicht aus Arbeitstheilung hevvor- gegangen jein fan. Dab auf höheren Kulturjtufen der eine Sohn eines Slternpaares Schneider, ein zweiter Sohn Schuhmacher und ein dritter Doctor wird, darf uns nicht zu der Folgerung verleiten, auch in der Ur- zeit hätte jich in ähnlicher Werje ein Iheilungsprocek ee Denn dort handelt es fih um die Wahl eines bereits vorhandenen Berufs, zu dem fich der ältejte beim Schneider, der zweite beim Schuhmacher und der dritte auf der Hochichule, und zwar jeder abgetrennt von den Seinigen vorbereitet, um ihn jpäter öffentlich auszuüben. Die Urgejchicjte, welche die Entitehung der Erjcheimungen zu erforjchen die Aufgabe hat, muß die Berufsbildung im der Menjchheit erklären, um darauf hin das Ver- bundenjein der Berufe in einem einheitlichen Gemeinwejen, was wir eben Berufsgliederung nennen, richtig deuten zu fünnen. Aderbaner und Hirten lebten in der Urzeit getrennt. Sene trieben MAcderbau ohne DWichzucht, diefe Viehzucht ohne Icerbau. Ilber indem fie fich gegenfeitig fennen lernten, nahmen jene die Viehzucht, dieje den Acderbau in fich auf, — eine Ericheinung, die wir nod) näher zu ver- folgen haben. Wir haben es jchon oben als Vorurtheil bezeichnen müfjen, die von Tacitus (Germ. 26) gejchilderte Deeupatton der Acer „von allen gegenjeits für die Zahl der Bebauer“ fer ein Betrieb mit Viehzucht gewejen, weil uns ja ausprüclich berichtet wird, day man feine Wiejen abjonderte (prata separent), jondern allen Saat der Grde geboten wurde (sola terrae seges imperatur). Den Herbjt, welchen die Hirten auf der Weide jehr wohl kennen, fannten jene Germanen bet einer jolchen Bewirthichaftungsweije jelbjtwerftändlich nicht, zumal bei „Aderbau ohne Viehzucht” wegen der langdauernden Bejtellung der Acer im Frühjahr die Srnte nothwendig hinausgejchoben werden mup. Da die Urzeit der jog. Germanen jeit Yangem mehr Gegenftand ver Dichtkunt in profatichen Gewande geworden und die geichichtlichen Dar- jtellungen jener WVölfer im großen Ganzen längaft nicht mehr auf den Urguellen, jondern auf phantaftiichen Interpretationen von Gaejar umd Das Neihenlager der Sandler} %C. ar Lacttus jeitens moderner Gelehrten unter gleichzeitiger Benußung jpäter als die beiden genannten lebender Schriftjteller über ganz veränderte Zu= jtände aufgebaut find, jo wird jeder Stenner einer jolchen altgermanijchen Sejchichte bereits oben (im dritten Abjchnitte meiner Darlegung) bedenklich geworden jeit. Won diefer Seite aus droht mir der Einwand, dab uns Saejar ausdrüdlich berichtet, wie e8 zu jeiner Zeit bei den Germanen nur einen ganz dürftigen nomadichen Aderbau gab. I3u diefem Behuf führt man in der MNegel Gaejar's Worte (de bello gallico VI. 29) „minime omnes Germani agriculturae student“ ins Treffen. Man überjeßt jte: „jehr wenig bejchäftigen fich alle Ger- manen mit Icerbau” und interpretirt, wie 3. DB. Gierfe: „nur in geringem Maße wurde der Aderbau getrieben". Manche überjegen geradezu: „Alle Germanen treiben feineswegs Aderbau". Schauen wir uns die betreffende Stelle bei Gaefar im Zujammenhang an, wo fie lautet: Caesar, postquam per Ubios exploratores comperit, Suevos sese in silvas recepisse, inopiam frumenti veritus, quod, ut supra demonstravimus, minime omnes Germani agriculturae stu- dent, constituit, non progredi longius; jo fanı fie meines Erachtens nur wie folgt überjett, bezw. interpretivt werden: „Nachdem Gaefjar durch Nbiiche Sundjchafter erfahren hatte, day fich die Sueven in ihre Wälder zurücgezogen hätten, bejtimmte er, Mangel an Getreide fürchtend, weil, wie wir oben gezeigt haben, Feineswegs alle Germanen jich des Aderbaues befleigtgen, nicht weiter vorwärts zu jchreiten“. 53 fommt nirgends bet Gaefar etwas vor, das der Vermuthung Maum geben könne, die Germanen hätten feinen Aderbau getrieben, jondern er hat mur erklärt, dag te ihm nicht mit Gifer betreiben, etwa in der Sorm, wie er ihn mittels Pflug und Adevvieh bei den Nömern fennt. re alle angejejjenen Völfer des ebenen Yandes auf unjerer Erdfugel, haben auch die in Germania angejeffenen Aratores von Alters her das Land ohne Plug und Spannvich mittels primitiver Werkzeuge betrieben: das will Gaejar mit jenem „non student“ d. t. „te beeifern, befleifigen, Iputen fich nicht" ausdrüden. „Durhaus nicht alle Germanen treiben Aderbau*. Gehörte das minime nicht zu emnes Germani, wie die Wortitellung es deutlich zeigt, jo gäbe das omnes feinen rechten Stun. Denn hätte Gaejar jagen wollen, die Germanen befleigigen jich in geringem Maße des Aderbaues, jo wäre das „omnes“ überflüllig und der Sat hätte dann lauten müfjen: agriculturae minime student Germani. as Gaejar in der obigen Stelle darlegen will, ergiebt dev Sachverhalt. Wäre er nämlich den Sueven in ihre Wälder nachgejeßt, jo hätte er ji von den Ebenen der Aratores entfernt, wo er allein noch auf Getreidevorräthe vechnen fonnte, und des- 278 Fünfter Abjchnitt. halb ordnete er an, nicht weiter vorzudringen. _ Dieje jeine Anordnung begründet”er alsdanı Damit, „daß, wie er früher gezeigt habe, feineswegs alle Germanen fich des Aderbaues befleigigen“, man aljo nicht in Gegenden vordringen durfte, wo man Mangel an Getreide (inopiam frumenti) zu befürchten gehabt hätte (veritus). Man mu bedenken, daß Gaefar nur ganz gelegentlich die wirth- ichaftlichen VBerhältniffe und alsdanın auch nur im Jujammenhang mit jeinen a erwähnt und nicht, wie Tacıtus, „von der Lage, den Sitten und Völferjchaften Germaniens” eine Bejchreibung ad hoc geben will. Sein Augenmerk vichtet jich mehr auf die friegerifchen Mani- pulationen der NWanderhorden, nicht auf die mehr friedlichen jehaften Bewohner der Ebene, die er vielmehr nur, wie die Übter, zu Kumdjchaftern (exploratores), bezw. Getreide liefernden Werkzeugen benußte. Diefe fruchtbaren Ebenen waren Gaejar jehr wohl befannt; denn bier lagen eben die Getreide bauenden Viet und Medificta, die, weil jte den Gentes feindlich gegenüberjtanden, jich bereit fanden, diefe im ihren Bewegungen zu verrathen. So verjprady er 3.98. (de bell. gall. IV. 19) den Ubtern Hülfe, wenn jte von den Sueven bedrüdt winden (atque iis auxilium suum pollieitus, si ab Suevis premerentur). Möthigenfalls aber jtedte GSaejar auc die Bier und Ginzelhöfe der Bewohner der Ebene in Brand und mähte ihnen das Getreide ab (omnibus vicis aedifieiisque incensis frumentisque suceisis). Hätten „fich alle Germanen durchaus nicht des Acerbaues befleigigt”, jo hätte er ihnen fer Getreide abbauen fönnen und eime Kriegsführung auf dem Boden Germantas wäre ohne Iufuhrbahmen zu Wafjer und zu Lande gar nicht möglich gewegen. Hätten fich die vielen Schriftiteller, welche bis heute behaupten, zu GSaejar’s Zeit „hätten alle Germanen nur in geringem Mape Aderbau getrieben”, die Frage vorgelegt, wie denn überhaupt ein Feldherr in jo fremden Lande, fern von der Heimath, im einer Zeit, wo eS weder Gtjen- bahnen und Dampfjchiffe, noch eleftriiche Telegraphen gab, vermittels deren man Getreiezufuhr jchnell bejtellen kann, Strieg ohne Getreide-Vorräthe zu führen vermochte, jo würden fie wohl jicherlich es vorgezogen haben, den objectiven Ihatbejtand feftzuftellen und zu diefem Behuf auch) die- jenigen Grzählungen des Gaejar zu berüdjichtigen, in denen er ung aus- drüdlich vom Getreidvebau der Germanen berichtet. Dies thut er 3. B. im der Stelle, mit der er die Bejchreibung der Suevischen Völferjchaft einleitet. Dort erzählt er (de bell. gall. IV. 1): Ea quae secuta est hieme, qui fuit annus En. Pompejo, M. Crasso Coss. Usipetes Germani et item Tenchtheri magna cum multitudine hominum flumen Rhenum transierunt, non longe a marl, quo Rhenus influit. Causa transeundi fuit, quod ab Suevis complures Das Neihenlager der VBiebhzlichter 2c. 279 annos exagitati bello premebantur et agriculturaprohibebantur Das ift zu Deutjch: „Im dem darauf folgenden Winter des Sahres, wo Sn. Pompejus und M. Grafjus Gonjuln waren, waren die germanijchen Ufipeten und ebenjo Die Tenchtheren mit einer großen Menge von Leuten ummweit des Meeres, in das der Nhein fließt, über den Nheinjtrom gegangen. Die Urjache Diejes Überganges war, daß Dieje mehrere Jahre von den Sueven beunruhigt, im Jweifampf bedrüdt und am Aderbau ver- hindert wurden“, 63 handelt ji) alfo auch hier um eine Bedrängung eingefellener Bölferjchaften, die auf den Niederungen arischen Acderbau trieben und von wandernden Govölfern (den Sueven) beläftigt wurden, jo day man fte an der Ausübung des Getreidebaues verhinderte, weshalb fie, wie überall auf dem Erdenrumd, wo Viehzüchter mit Aderbauern zufammentrafen, ent- weder genöthigt waren, fich jenen zu unterwerfen oder das Land zu ver- lafjen. Wenn ein Feldherr ja genau von den in Germania befindlichen Völkern umterrichtet war, wie Gaejar in Bezug auf deren Getreivebau, jo müßte er ein großer „ Duatjchfopf- gewejen jein, wenn er mit den oben in Srage jtehenden Worten hätte jagen wollen, „alle Germanen betrieben in jehr geringem Made Ackerbau”. Ja, wenn ich mich im den Gerjt GSaejar's verjenfe, jo entnehme ic) aus jenen Worten, daß zu feiner Jeit der Getreivebau zwar ertenftv, aber tm jehr hohem Grade, was die Släche betrifft, betrieben wurde. Er will darthun, warum er den Sueven nicht nachjegte und den Sag ausjprechen: „Ihr habt leicht reden, warum ich das nicht that; aber Ihr bedenkt nicht, dal diefe Sueven, wie ich Euch ja früher gezeigt habe, ein Wandervolf find, das jelbjt nicht viel Getreide genießt, jondern von Jahmwieh und Sagdthieren lebt; denn feineswegs alle Germanen treiben Aderbau. Diejer it eben mur in den Niederungen bei den jeghaften Völkern zu finden, aus deren Nähe ich) mich nicht entfernen konnte, wenn ich nicht an Getreive-Mangel hätte leiden jollen. Hier tft meine Kornfammer!” Ich glaube, mit diefer Betrachtung nunmehr abbrechen zu fünnen, in der Ihe vzeugung, genügend dargethan zu haben, daß die bisher in ver Wifjenjchaft feitgehaltene Lehre, alle jog. Germanen jeten zu Gaejar's Jeit omaden gewejen, die jpärlichen Adferbau getrieben haben, nicht richtig üft. 63 hat in Germania eine ureingegeljene Bevölkerung in den Miederungen gegeben, die ich Arier nenne, und die als Aratores in der Form Aderbau trieben, wie ihn Tacitus uns bejchreibt, wo aljo Die Acer für die Zahl der Bebauer von Allen im Gegenfeitigfeit in Belt genommen und nad) der eigenthümlichen, ihrer Wohnlagerung entjprechenden Technik unter einander vertheilt wurden. Daneben gab e83 außerdem noch Ginzelhöfe (aedificia), die als „Männer für jich” das Feld bejtellten. 80 sünfter Abjehnitt. Non ihnen ganz verichteden nad) Sitte und Herkunft jind die von Gaejar in den Vordergrund gejtellten Gentes, deren Sitten er vom 11. Kapitel des VI. Buches in Parallele zu denjenigen Galliens jtellt, wober er insbejondere die jog. Sueven ins Auge fat, die ihm überhaupt die Veranlafjung zur Parallele geben. Dieje Völferjchaften, „deren ganzes Leben in Iagqd und Kiriegshandwerf bejteht, will Gaejar jchildern, wenn er (VI. 22) von den Germanen ausjagt: „Agriculturae non student, majorque pars eorum vietus in lacte, caseo, carne consistit. Neque quisquam agri modum certum aut fines habet proprios: sed ma- eistratus ac principes in annos singulos gentibus cognationibus- que hominum qui una coierunt quantum et quo loco visum est agri attribuunt atque anno post alio transire cogunt. Ejus rei multas afferunt causas: ne assidua consuetudine capti studium belli gerendi agricultura commutent; ne latos fines parare studeant, potentioresque humiliores possessionibus expellant; ne accuratius ad frigora atque aestus vitandos aedificent; ne qua oriatur pecuniae cupiditas, qua ex re fractiones dissensionesque nascuntur; ut animi aequitate plebem contineant, cum suas quisque opes cum poten- tissimis aequari videat.“ Dieje Stelle dürfte jo zu überjeßen jein: „Sie befleigigen Ti) nicht des Acerbaues und der größere Theil ihrer Nahrung bejteht im Milch, Käfe und Flerjch. Und nicht hat irgendwer ein bejtimmtes Maß Ackerland oder eigene Gewannen (fines), jondern die Oberen und Vorjtände theilen auf einzelne Jahre ihren Genofjenjchaften mitjammt den Anhang von Leuten, welche zufammen gewandert find, wieviel und welchorts ihnen aut jcheint, Aeerland zu und veranlafjen fie, im Jahre darauf anders> wohin zu ziehen. Für diefen Sachverhalt führt man viele Urfachen an: damit fie nicht durch beftändige Gewohnheit gefangen die Neigung zum Kriegführen mit dem Aderbau vertaufchen; damit fie nicht weite Slächen zu erwerben bejtrebt find und mächtigere die niedrigeren aus ihren DBe- fißungen vertreiben; damit fie nicht zur Vermeidung von Kälte und Hiße ihre Wohnungen forgfältiger bauen; damit feine Geldgier entjtehe, woraus Barterungen und Mifhelligfeiten erwachjen; damit jie durd) Gletchmuth das Volk zufanmenhalten, wenn jeder feinen Befiz mit den mächtigjten ausgeglichen Tieht.” Wir dürfen uns bei der Interpretation diejer Stelle jelbjtverjtändlic) nicht auf die zuletzt angeführten fünf Gründe (causae), weil jte ja nur veferivte Vermuthungen ausdrüden, jtüßen, müfjen uns vielmehr an den Sachverhalt jelbit halten. Imdejjen lafjen doch auch die „Gründe“ (causae) der Sache (ejus rei) errathen, daß es fi) um eine innere, Angelegenheit jeder Gens mit ihrem Anhang (cognatio) handelt, weil nur bei diejer Das Neihenlager der Viehzüchter 2c. 981 Yuffallung die angeführten Gründe einen Stun ergeben. 63 ift eine voll- tändige Verfenmung des Sachverhalts, wenn betjpielsweife Gterde, aleich manchem anderen Yusleger der obigen Stelle, „dire ältejte en der Germanen auf engere und weitere Genofjenjchaften freier Männer beruhen“ läßt in dem Simme: „es wurde durch Dbrigfeiten und Fürften den Stammes=- und Gejchlechtsgenofjenjchaften der unter einander verbundenen Männer (hominum qui una coierunt) Aderland zugetheilt, das fie nad) Ablauf des Jahres mit anderen vertaufchen mupten.“ Diejenigen, welche jo interpretiven, verlalfen deu Boden des TIhat- jächlichen, indem fie mit einer aprioren Grienntni an den Stoff heran- treten, der eimem viele Jahrhunderte jpäter entjtandenen Zuftande ent- nommen tt. Gaejar will hier das Leben der in HundasHeradg lebenden jog. Sueven jchildern. Das GCharacteriftiiche derjelben bejteht darin, daf zwei heterogene Horden, von denen die eine reine Wanderhorde mit Vieh: zuchtbetrieb tt, .eine andere urjprünglich jehafte Acerbauhorde in ihrem Gefolge hat, mit der fie jet als gens cognatioque hominum qui una eoierunt als einheitlicher Verband (eivitas) auftreten. Indem ich beide jett friedlich vertragen, wird durch die animi aequitas die plebs zu= jammengehalten, Bartetungen werden vermieden und Differenzen hinfichtlich des Belitzes der äußeren Machtitellung können eigentlich nicht zur Geltung fommen. Das Lebtere wird eben durch) das gemeinjame Wandern ges währleiftet. Die Gens oder Hunda hat ihre Brineipes und die Gognatto oder der Härad ihren Magtitratus. So it e8 bei allen gemijchten Wanderhorden, wo die Gejchäfte in Friedenszeiten getheilt find. Was GSaejfar Magiftri nennt, hieß beijpielsweije bei den jog. Mongolen im Heere GChingis-Chans Jurtdjcht; e8 waren die Duartiermacher. Die Prineipes dagegen biegen TIewapdjcht, denen gleichzeitig die Ihetlung der Beute und die Nufbringung der Truppe, der Mannjchaft, zuftel. Ziwrjchen beiden, den „Zeltordnnern” einerjeits und den „Landanmwerern“ anderjeits jind die Gejchäfte vertheilt. Ihnen zufammen ltegt aljo ob, theils die Vertheilung des Landes, theils den Tag des Aufbruchs zu bejtinmmen, was Gaejar zu dem usjpruch führt, daß die Magistratus ac prineipes den Gentes cognationesque nach) Gutdünfen Land zumerjen und fie nad) Jahr und Tag veranlafjen, weiterzuziehen. Im dem „cogunt“ liegt nicht jowohl ein äußerer Zwang, jondern eine innere Nothwendigfeit, indem die ganze Situation, im welcher fich die vorzugsweife auf animalische Koft angewiefene Wandergemeinjchaft mit WViehbetrieb befindet, das Zufammen= treiben (cogunt) zum Weitermarjch (transire) nad) einiger Zeit in jich ihließt. Die Führer find nur die Drgane, dag Alles glatt vor fich geht. Diefe magistratus ac prineipes jtehen alfo nicht außerhalb, jondern innerhalb der gentes cognationesque Somit dürfen wir I82 sünfter Abjchnitt. uns ferinesmegs ein „aroßes einheitliches MNeich der Germanen“ vorftellen, in welchem Fürften und DObrigfeiten in unjferm Sinne eine Gewalt über „Stammes- und Gejchlechtsgenofjenschaften" ausüben. Das fteht in directem Niderjpruch zu dem, was Guefar berichtet. ES handelte fic) zu jeiner Zeit um lauter fleinere Gebilde, die abgejondert für fich lebten, wie wir dies bet allen. Wanderhorden finden, deren Sharacteriiticum eben darin bejteht, ich jo viel wie möglich von andern abzujchliegen, weshalb jie eben die Sinjfamfeit aufjuchen und aus ihrer Nähe je nach Umftänden die friedlichen Aderbauer aus ihren Gewannen (fines) vertreiben. Gaejar jchildert Dies jehr anjchaulic) am verjchtedenen Stellen, 3. B. de bello sall. IV. 3, wo er jagt, dab fie es Sich zum bejonderen Nuhme an- vechnen, die Sluren joviel als möglicy an ihren Grenzen unbemwohnt zu machen. Am deutlichiten (IV. 23) mit den Worten: Civitatibus maxima laus est quam latissime circum se vastatis finibus solitudines habere. Hoc proprium virtutis existimant expulsos agris finitimos cedere neque quemquam prope audere consistere; simul hoc se fore tutiores arbitrantur, repentinae incursionis timore sublato. Das it zu Deutjch: „Den (taatlichen) Gemeinfchaften ift es größte Ehre, möglichht weit um fich herum Aderlandfchaften (fines = Wannen) zu zer jtören, um Ginöden zu haben. Sie halten dies für eime Eigenjchaft von Männlichfeit, wenn die aus ihren Adern (I) vertriebenen Grenzbe- wohner weichen und Niemand in ihrer Nähe zu bleiben wagt; fie glauben auch zugleich dadurch geficherter zu jein, wenn fie von der Bejorgnt eines plößlichen Ihngriffs befreit jind.“ er geneigt und im Stande ift, Vorutheile abzuftreifen und ic in das Vorftellungsbereich eines Andern zu verjenfen, der fan unmöglic) unter „Sivitas” in vorjtehender Stelle des Gaefar ein größeres Staats- wejen erbliden wollen. Wenn Gaejar hier von dem Bejtreben der Sivitas spricht, „Sinfamteit zu haben“ und erwähnt, day man zu diefen Behuf die Amvohner aus ihren Adern (!) vertreibt, zumal man fich gegen= über einem plößlichen Anfall von diefer Seite her ficherer fühle, jo heikt es doc) diefe thatjächliche Schilderung geradezu mifachten und mißgeftalten, wenn man bier große ftaatliche Verbände ins Auge fat. Denken wir uns auch nur ein Gemeimmwejen von 2000 Kamilien zu je 5 Köpfen, aljo nur 10000 Berjonen: was würde das für eine Ginjfamfeit abgeben, und was für eine elende, feige und furchtjame Gejellichaft müßte das je, die die paar Handvoll Aderbauer aus ihren Adern verjagt, um gegen- über einem plößlichen Angriff von diefer Seite aus geficherter zu jein? Wie verhält ji) aber dieje Auferung Gaefar's zu der Anficht derjenigen modernen Schriftiteller, welche glauben, zu Gaejar’s Zeit habe es „einen Saujtaat (pagus) der verbundenen Gemeinden, nicht mehr einen bloßen Das Neigenlager der Viehzlichter 2c. BEN Sejchlechterzufammenhang“ gegeben? „Die gemeinjfame Siedelung habe die Grundlage des Staatsverbandes gebildet, nachdem der Übergang von vorwiegendem Nomadenthun mit Viehzucht und Sagd zu überwiegender Sehhaftigfeit mit Aderbau fich zu vollziehen begonnen habe*. Wie ver- hält fich ferner obige Auferung Gaefar's zu der vielfach vertretenen Auffalfung, wonach e8 bei den Germanen Könige, Herzöge, Grafen, Frei- herren umd vergl. in umjerm Sinne gegeben hat, die über jenen Gauftaateı, die „fi in Dorfgemeinden oder Höfergemeinden zergliederten” ftanden? Durldeten dieje jenes Vertreiben der angrenzenden Bewohner aus ihren Adern? Was würden das für Könige aemeien fein? 53 liegt außerhalb der Aufgabe der vorliegenden Unterfuchung, die ja die alten Germanen nur injoweit zur I tuftration in die Darjtellung ernwerlerbt, als es zum Verftändnii der gegenfeitigen wirthichaftlichen Stellung der Viehzüchter zu den Aderbauern erforderlich it, auf emme detaillivte Widerlegung einer jolchen nicht auf Ihatjachen, jondern auf aprioren Vorftellungen aufgebauten Urgefchiehte der Germanen emzugehen,; und zwar um jo weniger, als ich die Grumdvorausfegung, auf welcher das (uftige Gebäude hauptjächlich beruht, nämlic daß die Germanen als ab- getrennte Zweige des großen Volkes der Imdogermanen in großen Staatsverbänden tm ihre enropätjchen Site eimaedrungen jeien, durch das ganze Syitem der Ihatjfachen zu widerlegen hoffe. Wenn nad) Gaefar „es den Givitates größte Ehre it, jo weit als möglich um Fich herum durch VBerwültung der Ackerländer Emöpden zu haben”, und wenn Gaejar die Art, wie fte dies ermöglichen, bejchreibt, nämlich dadurch, day „Te die Ahrgrenzenden aus ihren Adern vertreiben“, jo fan Gaejar unter civitas nur eine Gens cognatioque hominum qui una coierunt, d. h. nur ein Gebilde verjtanden haben, was wir Semming-hunda-herat benannten. Solcher und ähnlicher Benemmungen bedürfen wir dringend, wenn wir uns für urgejchichtliche Erjcheimungen aud) nur annähernd ein Wer- ftänonig verjchaffen wollen. Der Dnartaner mag für jeme Präparatton zum bellum gallicum mit „pagus heit Gau“ vielleicht auskommen. Aber Für die Erforfchung urgefchichtlicher Zuftänwe dürfte dies jchwerlich zuveichend fein. Was haben wir unter pagus zu verftehen? Smd wir im Stande, jo rein apriori und ein für alle Mal diefem Worte eine Be- deutung unterzulegen? oder mühjen wir hier nicht viel mehr ebenfalls von Fall zu Fall unterfuchen, welche Bedeutung das Wort haben fan? Wer der Statijtif nahe fteht, weiß, was Termmologten zu beventen haben? Was füngt der Statiftifer beijpielsweije mit dem Ausprud „Sabrif“ an? Der Eleinfte Sigarrendreher, der mit jeiner Kran in jenem Stübchen Gigarren anfertigt, bezeichnet (ich jprecde aus Grfahrung) auf der Zähl- 284 Fünfter Abjchnitt farte jenen Betrieb ebenjo als Kabrif, wie der Inhaber einer Eifengtegeret mit vielen taufend Arbeitern umd allen zu jeinem Betrieb erforderlichen Majchinen. Würde die Gewerbeftatiitif hier nicht Unterjcheidungsmerkfmale verwerthen, jo fünnte bei der Beurtheilung der Sefanmtzahl aller in einer Ortjchaft befindlichen Fabriken nur etwas durchaus Schiefes herausfommen: jo manche Stadt würde mit den Handjchuh-, Stiefel-, Sravattenfabrifen ıc. zuv Fabrifftadt werden. Kem viel bejjeresg Wahrheitsbild erhält man bei einer unvorfichtigen Benußung des Wortes „pagus". Denft man fich den Paqus, wie man fich ihn bei den Helvettern!) zufammengedüftelt hat, 63250 Köpfe jtark, jo wide man mit einer jolchen Vorjtellung der Erzählung, man habe die Pagi und Vic verlafen (pagis vieisque omissis) und fich in die Wälder zerjtreut, jchwerlich einen Sinn unterlegen fünnen. Dpder handelt es ji) um „prineipes qui Jura reddunt per pagos vicosque*, jo fan doch ficherlich bei einer jolchen Zufammenftellung von pagus mit vieus Niemand eviftlich davan denten, TIacitus habe bei pagus ein größeres Gebilde als beim vieus im Stume gehabt. „Pagani“ find eben Gegenfak zu „Vicini“; jene wohnen ge ichloffen, d. h. umzäunt, diefe dagegen offen; und weil in ven gebiraigen Gegenden die Urheimath der Bagi jteht und Diefe im der Urzeit iwentijc) iit mit Goland oder Sau (Gäa), jb wird auch Baqus mit Gau iwentifichtt. Bilden fic) Gemeinwejen, in denen die Gamwohner zu Herrichaft kommen, -jo adoptiven fie diefen Ausdruck auch für ihre jtaatliche Eintheilung. Wie die jeweilige Bedeutung eines Wortes überhaupt nur aus dem Jujammenz hang einer gejchlofjenen Nede erhellt, und auch mur im ihr erkannt werden fann, jo fan auch das Wort pagus nur in einer zujanmenhängenden »ede in jener Bedeutung gewirdigt werden. Der Baqus fann wie die Hunda, mit der er ebenfalls identificirt wird, groß oder Flein jein, weil eben die vajche umd jchnelle Nuflöjung und NWiederzufammenfchaarung ein Gharacteriftium aller Wanderhorden it. Mag das Numdlager groß oder flein fein; immer zerfällt es im vier Iheile d. h. Viertelfreife. Mit Ausnahme des Fleinjten Stretjes, der mr vier Männer enthält, und defjen Viertel jelbjtverjtändlich nicht mehr theil- bar ift, hat jeder SKtreis vier Iheile, von denen jedes Viertel drei be= jondere Streife hat, jo das aljo im Ganzen 12 bejondere Streife jind. Denkt man jich jeden der leßteren zu drei Zehnjchaften, jo fommt eben die Jahl 3 X 12 X 10 = 360 heraus, Die unter Anderem in der griechiichen Urgejchichte zu der Miyftif von 360 Gentes in 12 Phratrieen, jede zu 3 X 10 —= 30 Gentes geführt hat. Doc auf diefe Verhält- nilje weiter einzugehen tft hier nicht der Dre. ') durch eine Sombination von Gaejar’s bellum gallieum I. 12 mit T. 28, wo eS jich aber um ganz verjchtedene Grundmerfmale Handelt. Das Neihenlager dev VBiehzlichter ic. 285 Beltanden im großen Kreis zwölf Kleinfreife, jo waren zwölf Shane (hun) 2. ti. prineipes darin vorhanden und jeder Vtertelfreis hatte davon drei. So war es im Sriedenszeiten, Wo 5 fein gemeinfames Oberhaupt gab, jondern die Gaureihe, der Gosrod der zwölf Männer die Gejchäfte, et jeder in jeinem Streife, beforgte. Ganz anders war e8 in SKriegszeiten, wo jic), wie wir jchon oben jahen, ?/,, von den übrigen 7/,, ablöjten, die entweder zu Haufe blieben (domi manserunt), wie bei den Sueven Gaejars oder ji in die Ginjamfert flüchteten, wie bei den DTataren von Betrejus (oben ©. 228). og fi) die Humda zur Duinenme zufammen, um im den Krieg zu ziehen, jo hatte dieje nur fünf Shane oder Brincipes, denen die Überwachung und Aufrechterhaltung der Drdmung, der Horde, liber- geben war. Ganz augenjcheinlich find auc die Duinguevirt in Non ei Überbleibjel der Gentilverfaflung. Demm befanntlic) lag ihnen auc) in jpäterer Zeit noch dafjelbe Gejchäft ob, was ihnen bei allen Wanderhorven zufällt, nämlich die Vertheilung der Ader (Cie. Agr., 2, 7. 17), die Drdmung des Sculdenwejens (Liv. 7, 21. 5), die Ausbefjerung der Mauern und TIhürme (Liv. 25, 7. 5) und dergl. Ver in den menjchlichen Sinrichtungen nicht eine Yaune der Gejeb- geber erblict, jondern Nejultate anfangs unbewufter Handlungen, die ins Bewußtjein erhoben wegen der jeßt erfannten JZwedmäßigfeit Iahrtaufende überleben, der wird auch hier eine Gontinuität in den Imititutionen er blicden und ee richtige biltoriiche Berjpective gewinnen. Der Fünfer- commifften, den Duinqueviri, den mongolischen Tewapdicht, die Gaejar in der obigen Stelle magistratus ac principes nennt, lag die Vertherlung der Acker umd dergl. od, und dieje jtanden nicht außerhalb, jondern tmmer- halb der Gens; e5 waren die Brincipes, die „Erjten” ihres nicht Jehr großen Kreifes. Sie erlangen eigentlich) im Kriege erit ihre Bedeutung. Deshalb jagt auch) Gaefar: Cum bellum eivitas aut illatum defendit aut infert, magistratus, qui ei bello praesint, ut vitae necisque habeant potestatem, deliguntur. In pace nullus est com- munis magistratus, sed principes regionum atque pagorun inter suos jus dicunt controversiasque minuunt. Ic überjeße: Benn ein Gemeinwejen (Semming) einen Vertheidigungs- oder Angriffsfrieg führt, jo werden Dbere gewählt, welche dem Kriege vorjtehen, um über Leben und Tod die Gewalt zu haben. Im Frieden giebt e3 feine ge- meinjfame Dbrigfeit, jondern die Häupter der (offenen) Neihen (Des Herad) jowie diejenigen der Zaunfchaften (Hunda) jprechen unter ven Shrigen Necht und vermindern die Otreitigfeiten.” Das will bejagen, dab jowohl die viehzuchttreibende Gens (Bagus), aljo aud) die aderbauende Gognatio, die Gaejar hier regio nennt, im Sriedenszetten fein gemett= james Oberhaupt haben, vielmehr nur im Kriege von been (auferordent- 286 sünfter Abjchnitt. liche) Beamte gewählt werden, die über Leben und Tod von Allen zu enticheiven haben. Im Friedenszeiten hat jowohl die Negio (der Herad) als auch der Paqus jedes ihre bejonderen Häupter. Das atque zwilchen regionum und pagorum pdrücdt wie immer, jo auch hier, die Gleich- stellung zwijchen zwei Dingen aus: die Häupter der Negiones (Herat) und Dazu die Häupter der Bagt (hunda). Troß aller Vereinigung (Semming) bejteht nämlich im Hundasherat ein zweifaches Brineipat, um das man jich mehrfach geitritten haben wird, weshalb Gaejar (b. g. V. 3) 3. DB. von der eivitas Trevirorum jagt: in ea civitate duo de prin- eipatu inter se contendebant, Induetiomarus et Cingetorix d. bh. „in dDiefem Gemeimvejen bejtreben Jic zwei um die Häupterjchaft, der Imductio- marıs und der Gingetorir. Der Erftere tft, wie jein Name andentet, der Anführer dev marja, während der eingetorix derjenige des Minges oder Yunpdlagers it (eine- 3. B. in eingulum bedeutet „Zingel’, Ning, Gürtel). Die lette Stelle darf uns mm zwar nicht zu der Anficht verleiten, als od es fich hier um eim ganz Fleines Gemeimvejen handele, weil ja durch die Verbindung dev Wanderhorden unter jich auch der artjche Anhang jeder derjelben, mämlic) die cognationes qui una coierunt, dem größeren Bindniß jener mit einverlerbt waren. Doch bildere trotdem jede gens cognatioque eine Givitas d. i. einen Semming für jich, und zwar derart, daß beide Beltandtheile ihre relative Selbjtändigfeit bewahrten. (Serade wegen Diejes engen Jufammenhanges im Kleinen war bei den= jenigen Wanderhorden, welche als Humdasderad wanderten, die Lagerung in größeren reifen nicht mehr möglich und ganz augenjcheinlich bezieht fich die Schilderung des Tacıtus (in Germania 16), wie aus dem ganzen Sedanfengang hervorgeht, nur auf die Humdasderads. Denn nachdem Tacitus als befannt vorausgejeßt hat, daß die Germanen feine Nings manern (urbes) bewohnen, führt ev fort: Oolunt discreti ac diversi, ut fons, ut campus, ut nemus placuit d. bh. „ie bauen gejondert und geichteden, wie eine Duelle, ein Kanpdjtüd, ein Ham ihnen gefällt“. Gin jolcher Zultand kann in den 150 Jahren, Die zwijchen Gaejar und Tacttus liegen, nur aus eimem Juftande einer die Ginjamfeit Liebenden Wanderhorde, die Aderbaner in ihrem Anhange hat, hervorgegangen jet, aus einem Jultande, wie wir ihn oben gejchildert haben. Vie etwa ein jolher Hundasherad ausgejehen haben fanı, läßt jich für envopätfche VBerhältniffe, wenigitens in Bezug auf den Herad jchwer bejtimmen, da uns hier im der Negel nur die unter dem Namen „Bauer burgen” befannten Mundfreife erhalten oder (wenigftens mir) befannt jind. Ich wähle deshalb zur VBeranjchaulichung eine Fiqur amerifantichen Urjprungs, in der wir die Nundform neben der oblongen vorfinden.. Berjptelsweife bringt fie Nudolf Gronau in jenem WWerfe über Das Neihenlager der Viehzüchter 3e. 387 Amerika (I. Band ©. 35) zur Darftellung, wo er zu der betr. Abbildung Hinzufügt: „Su der Nähe von Hopeton im Dhto it ein Jolcher Ningwall mit einem Duadrat ver- Fig. 9. Ein HundasHerad. bumden und beide haben genau einen Flächen- raum von 20 eres“. Wie groß ein Semming-Hundasderat ift, hängt jelbit- verjtändlich von der Größe des Kun ab und ebenjo die Art der Ummwallung von dem vorgefundenen Matertal (Gräben oder Steinwallung). Die „O dratur des Streifes” im Stimme der Umgeftaltung der Kreisflähe in em Vierecd von gleicher Größe jcheint ein wichtiges geomtetrifches Problem bei allen Hundashderads geworden zu je. Wenigjtens finden wir, wie man bejtrebt ift, im Interefje des Igrarwejens den Streis in ein She zu verwandeln. Da die Kreisfläche, obwohl fie in der Wohnanftevelung immer noch fichtbar bleibt, auf den Acderfluren verjchwindet, dürjte das Rroblem im practifchen Sinne ohne großes Aufjehen gejchichtlich aelöft worden jet. Mit dem oft zu höremden Vorwurf, Gaefar und Tacitus hätten fein richtiges Verftändnig für die agraren Zuftände der Germanen gehabt, nähern wir uns der Grfenntnig des vorhiitoriichen Juftandes der Ger- manen nicht. Bald hält man ich frampfhaft an die Worte der genannten Autoren, bald aber wieder nicht. Die „hundert Gaue”, die Gaejar jelbjt wohl nicht glaubhaft jchienen — jonjt winde er nicht dieuntur gejagt haben — fünnen unmöglich von der Größe gewejen fein, wie fie gemein- hin berechnet werden. och neuerdings hat Meigen eine Berechnung angejtellt über die Anzahl der Bamilten, welche die Sueven gehabt haben jollen, indem er jagt: Bo er (Gaefar) unter den pagi verjteht, tt dabet unerheblich (2)). Sr zählt 20000 Waffenfähige. Die Hälfte der Bevölkerung männlich, und davon die Hälfte Kinder, und vom Mejt ein Fünftheil Greife und Untaugliche gerechnet, ergiebt eine Bolfszahl von rumd 1 Weillion Seelen. Diejelbe würde, die Haushaltung zu act Köpfen angejchlagen, in 125000 Familien zufammengelebt haben, und diefe Zahl genügte für vumd 1000 Humdertjchaften. 1) Ich jollte meinen, es jet durchaus nicht „unerheblich”, was Gaejar unter einem Bagus verjteht, da davon alle Berechnung abhängt. Wir haben davon feine Kumde, auch von Gaejar nicht, der die Sache mit einem „man jagt” dahin gejtellt fein lägt und aljo auch nicht 20000 Waffen- fähige „zählt“. Das dieuntur bezieht fi auf den ganzen Paljus, jo weit er das Numertijche betrifft. Sollte der Herad über die Hunda nicht die Dberhand gewinnen, jo mufßten fie annähernd gleich jein. Die Hunda 1) X. Meiten, Siedelung und Agrarwejen I. ©. 150. AUG uno 388 sünfter Abjchnitt. fämpften in 5/,, als quincunx (Ketlrolle). Nehmen wir dafjelbe Ber- hältniy zum Herad an und jeßen vdiejen als (abgezähltes) Kleinhundert, jo würde nach der Propertion 12:5—=100 :x die Zahl der Streiter auf jeden Herad 41,66 2. 1. rumd 42 herausgefommen. Das würde ganz genau mit der Zahl der Streiter [timmen, welche noch die Lex Bajuvar. (IV. 23) für eine heiriraita angtebt, indem es dajelbjt heißt: „hostili manu, quod heiriraita dieunt, id est cum 42 elypeis.” Gime Hunda icheint (auch im mongoliichen Lager) nie mehr als 35—50 Streiter, ja auch weniger (30) umfaßt zu haben. Man darf bei der Beurtheilung diefer DVerhältniffe jedoch nicht vergejjen, daß an Stelle der Zwölfzahl ipäter die Zehnzahl tritt. Der Irrthum, im welchem fi) Weiten gleich vielen Anderen be= wegt, tt die durch Feimerler Ihatjachen bejtättgte Iırnahme eines einheitlichen „umeren Ddeutjchen Suevenlands‘. Auf diefer Annahme gründet Meißen jeine Berechnung, imden er jagt: „Da mun das Suevenland von den Ubiern am Nhein bis zu der Grenze der Oftgermanen reichte, aljo Branden- burg Dis zur Dder, Provinz und Königreich Sachjjen, die jächjtichen Eleinen Staoten außer Coburg, ferner die Hälfte von Hefjen, von Braunjchweig und von Hammover, und von Mecklenburg das Yand öftlich der Schaale umfaßte, jo waren für diefe taujend Hundertjchaften ca. 2400 IMkeilen oder für jede 2,4 Meilen durchjchnittlich vorhanden. Dies entiprad) nod) dem Bedarf des Hirtenlebens“.T) ir haben darüber von Ittemandenm Kumde. Von Gaejar nicht. Auch Strabo (VII, 1) jagt nur: Die juevischen Völferichaften wohnen vom then bis an die Elbe hin, ein Iherl hat auch jenjeits der Elbe Yanıd, wie die Hermondoren und Yanfojargen. ine gemeinfame Gtgenheit aller WBölfer diefer Gegend tjt, dag fie mit Leichtigkeit ihre Wohnfite wechjeln wegen der Spärlichfeit ihrer Yebensweife, und weil jte fein Land bauen und feine Schäte jammeln, jondern in Hütten leben, mur mit dem Bedarf eines Tages verjehen. Ihre Nahrung gewähren ihnen metjtentheils ihre Heerden, wie bei den Nomaden, weshalb fie auch, wie jene, alle ihre Habe auf Wagen paden und fich mit ihrem Vieh himvenven, wohin es ihnen gefällt.” Ich vermag bei vorurtheilsiofer Auffaljung aus diefen Berichte nicht mehr heranszulejen, als daß es zwifchen Nhem um Elbe 2c. eine nomaden= ähnliche Bolfsmafje gab, die Strabo Sueven nennt, und deren qemein- jame Gtigenheit darin beftand, day jte ihre Wohnfitte wechjelten. Ihaten jte das, jo waren je eben nicht jephaft, und ich jehe nicht ein, warum jie gerade zwijchen Nhein und KSlbe fich bewegt haben jollten. Vielmehr bin ich berechtigt zu vermuthen, da wenn „ste fich hinwenden, wohin es fe ı) A. Meißen, Anftedelungen und Wanderungen I. &. 150. Das Neihenlager der VBiehzüchter 2c. 389 ihnen gefällt“, fie fich auch nöthigenfalls nach) auferhald der genannten Grenzen gewendet haben werden, zumal e8 ja befannt tft, da; Sueven nicht lange zuvor auch im hohen Norden gewejen find. Folalich it man nicht berechtigt, von einem „inneren deutjchen Suevenland" zu jprechen. Wenn fie von Nowden nach Süden gewandert find, jo wird es allerdings einmal einen geitpunft gegeben haben, wo fie auch jene Grenzen durchwanderten. Mit demjelben Necht fan man dem Suevenlande eine viel, viel weitere Ausdehnung geben. 68 liegt im Gegentheil außerordentlich nahe, zu jagen, daß fie gar fein Land bejaßen, vielmehr nach dem Grundfaße „ubi bene ibi patria” jic, auf bejtändiger Wanvderjchaft befanden. Der Name Sueven fan feine andere Bedeutung haben als beijpielsweife der Name Soythen, Kelten umd dergl.; er ift eine allgemeine Bezeichnung für Wanderhorde und nichts weiter. Da aber alle Wanderhorden eine nahezu gleiche Verfafjung haben, jo find fie fich alle ähnlich und müffen ihrer Ahnlichkeit wegen denen, die jie beobachten, als eine einheitliche Meaffe erjcheimen, ohne es doch in der Ihat zu jein. Niemand fann freilich auf Grund von archivalijchen Ieten behaupten und beweijen, dal auf dem großen Bovdencompler, den man mit „inneres deutjches Suevenland“ be- zeichnet, nicht aud) andere Völferjchaften gewohnt haben, die nicht Wandervölter, jondern jeghaft waren. Wohl aber ift es höchjt wahrjcheinlich, daß es auf dem jog. Suevenland nicht anders gewejen fein wird, als über- all jonjt auf der Evde, day nämlich in den Niederungen, bzw. der Ebene diefes Landes Aderbauer jeghaft waren, die ähnlich wie die Mfipeten und Tenchtherer unter der Gewalt von Wanderhorden zu leiden hatten. Dah die jog. Hermondoren und Yanfofarfen zum mindeten ein aus Aderbauern vorzugs- weije bejtehendes Mifchvolf waren, dürften ihre Namen ergeben; letztere find ihrer Bezeichnung zufolge aller Wahrjcheinlichfeit nach Vicuswohner in Langhäufern, indem die Bezeichnung „Sarf" fir Arche fich auch bet anderen Völker zeigt, gewelen. Alle Wanderhorden, mögen fie von den jeghaften Völkerjchaften einen Kamen befommen haben, wie immer ev laute, werden dadurc) characterifirt, daß jte, in fleine Abtheilungen gegliedert, fich vorwärts bewegen, eine Zeit lang irgendiwo bleiben, dabei verwültend entweder die Aderbauer vertreiben oder jich zinspflichtig machen, um fie eine Strede weit mit fich fortzu- ihleppen; und jo ziehen fie mit oder ohne Ddiefe weiter. Was betjpiels- werte Blutarch (Mar. 11) von den Zügen der Gimbern und Teutonen jagt, „Ite jeien Ausgewanderte, aber nicht wie mit einem Stofe, noch tn ununterbrochenem Zuge, jondern Jahr für Jahr wären fe in der geeigneten Jahreszeit immer vorwärts gerüct und hätten jo in langer Zeit das Feit- land unter Kampf und Ssrieg durchzogen”, Fennzeichnet prachtvoll alle Wanderhorwden auf der Gntwidelungsitufe, von der wir jett fprechen. Muce, Urgeichichte. 19 290 sünfter Abjchnitt. Sie find auf Plünderung angewiejen und würden ic bet ihrer großen Zahl gar nicht haben erhalten fönnen, wenn nicht die verflofjenen Zeiten bereits dafür gejorgt hätten, daß es von Urzeiten an jeghafte Völker, die durd) die Wechjel- beziehungen zu ihrer, Nahrung jpendenden Umgebung arijche Aderbauer geworden waren, auf dem Grdbereich gegeben hätte, das die Wander- horden durchzogen. $3 it — umd deshalb habe ich mich über vorjtehenden Punkt noch- mals ausgelafen — für mich unmöglich, mid) der allgemein herrichenden Anficht anzujchliegen, in diefen wandernden Gohorden, die in Hunjchaften lebten und Acerbauer theilweie in ihrem Gefolge hatten, die Gründer derjenigen agraren Gebilde d. i. der viei und aedificia auf dem Bopden des heutigen Deutjchlands zu erbliden, die wir im dritten Abjchnitte oben fennen gelernt haben. 8 ift nad) meinem Dafürhalten unmöglich, den von DTacitus gejchilderten Zuftand reinen Aderbaues ohne Viehzucht als eine Fortentwicelung des von Gaejar bejchriebenen Zuftandes nomadijcher Viehzucht mit etwas Aderbau zu betrachten. Das wirde vorausjegen, dag man im dem Jwijchenraum zwijchen Gaejar und Tacttus in jenen vieis die Viehzucht vollftändig abgejchafft hätte. Dort finden wir einen Solidaritätsverband auf Gegenfeitigfett, eine universitas in vices, wo man pro numero cultorum d. h. auf Nechnung der einzelnen Bebauer das Land oceupirt und jedem jeinen Antheil nach geleifteter Arbeit zutheilt; hier da- gegen bei der jueniichen gens cognatioque waltet ein Gemeinjchaftsgeift, der abgejonderte Acer nicht duldet und wo der eine Theil in Gemeinjchaft die Arbeit für die ganze Gemeinjchaft verrichtet, jo zwar, daß der nicht in den Krieg ziehende Theil fi und die anderen ernährt. Mus dem obigen ergtebt ji), daß wir Diefen Theil, der zu Haufe bleibt und im nächjten Sahr das Waffenhandwerf betreibt, obgleicy wir feine Directen Nachrichten über die jueviichen DVerhältniffe befien, nur auf 1/,, des Kreifes veranjchlagen dürfen, da nachweislich bei den Gentes 5/,, (als Duinenm) kämpft. Diefe Wechjeleinrichtung von Ktriegführung und Ader- bau war eine gute wirthichaftliche Vorichule, um Viehzüchter zu Aderbauern und Seßhaften zu machen. Aber troßdem fan der von Tacitus bejchriebene Aderbau ohne Spanmvieh nicht aus dem von Gaefar bejchriebenen Zuftande Der mit Ilder- bau verbundenen Viehzucht der Sueven hervorgegangen jein, weil e8 dem Begriff Entwidelnmg widerjpricht, wonach zwiichen zwei Zuftänden Gonti- nuttät nachweisbar jein muß, wen der eine aus dem andern hervorgegangen jein joll. Natura non facit saltus. 63 mag fih in den 150 Jahren, die zwijchen Gaejfar und Tacıtus liegen, viel in Germania verändert haben, ja meines Grachtens weit mehr ald man gemeimhin anzunehmen pflegt; aber troß alledem doc nur in Das Neihenlager der VBiehzlichter zc. 291 Form der Entwidelung, d. h. unter Mopdiftcationen des früheren Zuftandes, ohne daß diefer das ihm NWejentliche verlor. So haben fich ohne Zweifel die jcharfen Gegenfäße, in denen man zu Gaejar's Zeit die eingejchloffenen Aderbauer der Niederungen gegenüber den eindringenden Wanvderhorden findet, gemildert, da in vollen fünf Generationen hintereinander viel Ber- jünliches verjchmelzen fan. Diejen Verjchmelzungsprocei der jog. ger manijchen Völfer zu reconftruiren it eine danfenswerthe Aufgabe urge- Ichichtlicher Forihung; er bietet Probleme, die wir nur dann richtig löjen fünnen, wenn wir die darauf bezüglichen Fragen aus den Merkmalen der einzelnen Eriheinungen richtig jtellen. So lange wir dies unterlafjen und mit Ficettonen an den Stoff herantreten, werden wir nach wie vor einem Gemijch von Meinungen gegenüberftehen, nach denen der eine dies, der andere jenes behauptet. Sp erflärt beijpielsweije der Eine, es habe „unter allen Germanen urjprüngliche Sprachgemeinfchaft, wenn auch vielleicht niemals völlige Spdentität der Zungen bejtanden“ und führt zum Beweije „die gemeinjchaft- lihe Heimath in Aften und die gemeinjchaftliche, durch Jahrhunderte fich hinziehende Einwanderung in Guropa’ an. im Anderer will dieje Ein- wanderung nicht gelten lajjen und läßt die Heimath der Indogermanen, von denen die Germanen abjtanımen jollen, in Europa fich befinden. Damit füllt jenes Beweismoment. Nicht viel anders jteht e8 um die Meinungen der VBerwandtjchaft der den Germanen benachbarten Völter: die Ginen denfen fich beijpielsweife eine ungeheure Ausbreitung von Slaven auf deutjhem Boden, während Andere von einem Smdringen der Slaven auf das jeit ISahrhunderten von den Germanen bejejjene Yand- gebiet reden. Auf welchen Ihatjachen find diefe Meinungen gegründet? Wie groß muß das Volk der Imdogermanen im Ajien gewejen jein, um binnen weniger Iahrtaufende die großen VBölferjchaften in Europa zu zeitigen? Wo wechjelten dieje, wenn fie von den Inmdogermanen die eine einheitliche Urjprache hatten, ihre Sprache, dat fortan das eine Volf eine Iateinische, ein anderes eine griechijche, ein drittes eine jlavtjche, ein viertes eine deutjche, ein fünftes, jechjtes u. j. w. wieder eine andere Sprad)ge- meinschaft bildete? Grfolgte diefe Unmmvandlung zur Zeit des „ungetrennten“ Indogermanenthums, welche Factoren waren 23, die dies herbeiführten? Seichah e3 auf der Wanderung, durch welche Motoren erfolgte es hier? Waren es Ebenen, Berge, Flüffe, Seen? Waren es die auf der Wander ichaft genofjenen Nahrungsmittel oder was war es dem, das dieje Sprad)- veränderungen bewirkte? Stehen wir hier nicht vor lauter Näthjeln? Wie verhalten fich die Erfenntnigmittel, welche wir zu ihrer Löjung tn Yır- jpruch nehmen, zum Begriffe der Entwidelung? Die Urgejchichte der großen Völfer wird ums in einem ganz andern 19* 99% sünfter Abjchnitt. Lichte ericheinen, wenn wir die uns überfommenen Nachrichten über die Vorfahren derjelben auf ihre reinen Merkmale unterjuchen und nicht nur alles in den Schilderungen enthaltene Subjective daraus entfernen, jondern vor allem aucd ung gegenwärtig halten, day unjere eigenen Meinungen beitenfalls mur Momente für einen erjt noch zu vollführenden Denkproceß find. Meinungen find jubjective ete, ohne deshalb geradezu unmwahre Vorftellungen zu fein; nur find fie Vorftellungen auf Grund einer bis- herigen Grfenntniß, indem wir ein bejtimmtes Dbjeet nad) jeinem that- jächlichen Inhalt ununterjucht lafjen und es eben nur vermittels eines Gr= fenntnigftandpunftes, den wir vor dev Berührung mit dem betreffenden Object Schon hatten, zu deuten unternehmen, jei es, daß wir diejen für genügend zur Dentung erachten, jei es, daß wir uns aus irgend welchem Grunde nicht in der Lage fühlen, das betreffende Dbject auf feine einzel nen Merkmale zu umterjuchen. Da Memumgen d. 5. Deutungen auf Grund einer früheren Grfenntnig, ftreng wifjenjchaftlich angejehen, nur Mto- mente des Glaubens, aber nicht dev Erfenntnig find, jo pflegen wir, wenn wir gewifjenhaft find, bei Mittheilungen jolcher Meinungen für Andere eine Form zu wählen, aus welcher diefe entnehmen fünnen, daß es fich eben nur um eme dur) das Denken noch unzergliederte Deutung des bDe= treffenden Objectes handelt, indem wir z.B. jagen: „ic möchte glauben‘ oder „ich halte dafür“. Kenn Tacitus 5. B. (Germania 2) jagt: „Ich möchte glauben (erediderim), da die Germanen jelbjt Urbewohner und feineswegs (bzw. jchr wentiq, minime) mit Ankömmlingen anderer Völker fich gemijcht haben“, jo ftellt ev dies ala eine Meinung hin und will e8 den Lejern überlafjen, ob fie jene Anficht theilen, die er nämlich damit begründet, „weil vor- mals nicht zu Yande, jondern auf Slotten (classibus) herangeführt wurden, welche die Sitze zu verändern juchten, und der jenjeits unermejjene und, dafs ich jo jage, widerwärtige Dean durch jeltene Schiffe aus umjerm Kreife befahren wird. Wer ferner würde, außer der Gefahr des granenz vollen und unbefannten Meeres, Ajien oder Afrifa oder Italien verlafjend Sermanien aufiuchen? »das ungeftalte an Boden, vauhe von Himmel, traurige von Anbau und Anblic, aufer wen es Vaterland tft." Ich glaube kaum, daf auch nur einer meiner Leer diefe Begründung des Tacitus als ftichhaltig anerkennen dürfte. Aber wohl ebenjo wenig dürfte ich ISemand finden, welcher dem Nömer darin zuftimmt, ev halte die Germanen für unvermifcht, weil fte in Körperbau und Eörperlichen Mert- malen (blaue Augen, vöthlihes Haar 2.) ich gleichen. Wer wollte ohne eine Ttatijtiiche Erhebung jelbjt in einem Lande mit wohleingerichteten Nerwaltungsorganen ein ficheres Urtheil über Haar und Augenfarbe und über den Wuchs feiner Bewohner abgeben? Aber jelbjt angenommen, der Das Neihenlager der VBiehzlichter 2c. 2953 Sejammteindrud habe die Beobachter in diefer Hinficht nicht getäujcht, jo find wir deshalb Doch noch nicht dev Aufgabe enthoben, auch aus andern Gefichtspunften die Meinung eines Schriftitellers auf ihre thatjächliche Begründung zu prüfen. 55 liegt nicht in meiner Aufgabe, ja e5 würde geradezu gegen den Iwed meiner Darftellung gerichtet fein, wollte ich in Ddiefem Buche den Inhalt der Taciteiichen Schilderung von Germanten einer eingehenden Analyje unterwerfen, wo e$ mir doc nur darauf anfommt, an einzelmen Bei- jpielen zu zeigen, wie durch Berührung relativer Gegenjäße, nämlic jeß- hafter Horden und Wanderhorden das Fundament der VBölfer- und Staaten- bildungen auf den verjchtedenen Drtpunkten umferes Planeten gelegt worden it und wie unfere bisherige Erfenntnig in be Annahme irre wandelt, die großen hiftorifch gewordenen VBölfer jeten nicht aus Vermtichungen heterogener Horden entjtanden, jondern in fertigen Stammesjtaaten, von irgend een Muttervolfe fich abtrennend, in ihre jpäteren Site eingewandert und als Halb- oder Ganznomaden jeghafte Aderbauer geworven. Wer fih der Mühe unterzieht, die Eleinjten Gebilde der Völker mittels Imdividualfarten auf ihre Grundmerfmale und Iebenmerfmale zu unterjuchen, erhält zwei Hauptgruppen von GSrichemungen: jeßhafte Ader- bauhorden und Wanderhorden, die fich ebenfalls auch in Germania zeigen. &5 finden fich hier zwar auch größere Verbindungen von Horden, wie jte ent= weder durc) die Phratrien der Acerbauer von jelbit gegeben find oder Somplere reiner Wanderhorden oder aber auch VBermilchungen von Wander ud urjprünglich jeghaft gewejenen Horden (gentes cognationesque) oder endlich auch Berjchmelzungen jeihafter Horden mit einzelnen Glementen von Wanderhorden. Man beachte nur beijpielsweile die beiden Gegenjüße derjenigen Völker, welche Tacitus gleich eingangs namhaft macht, wo er die Völfer mine nac ihren damaligen Siben, die jchon bimen Sahresfrift wegen der Beweglichkeit der Wanderhorden verändert gewejen jein fünnen, zu jchildern beginnt; und wir werden, wenn wir unjer Vorurtheil vom Indogermanenthum abjtreifen, finden, day unmöglich die jog. Ger- manen ein einheitliches Volt gewejen jein können. Jicht einmal die Sueven, die doc den größten Theil Germaniens inne hatten, find nach) Tacitus „ein Volk”, jondern durch eigenthünliche Stämme und Namen gejondert (propriis adhue nationibus nomini- busque discreti), wiewohl fie insgefanmt Sueven genannt werden (ec. 38). Wenn Tacitus von den Katten, die fi) durch „Itärferen Körperbau, viel Mustelkraft, drohenden Blid auszeichnen und für Ger- manen viel VBerjtand und SKlugheit haben“, ausjagt: Alios ad proelium ire videas, Cattos ad bellum d. h. „die Andern jähelt du zur Abwehr gehen, die Katten zum Wechjelfampf”, jo erblide ich darin zwei wichtige 294 Fünfter Abjchnitt. Gegenjäße. E8 ift eine im ganzen Völferleben befannte Ericheinung, day die jehhafte (Nderbaus) Bevölkerung jich in der Defenjive hält; dies drüdt eben proelium (aus pro-el-jum die Wehr, verw. rpuAtss proeliatores) aus, wogegen bellum (aus duilium) den zweiheitlichen d. h. wechjeljeitigen Kampf bezeichnet, wie er den nichtjeghaften Horden eigen it. „Ausge- lejene vorzujeßen, Worgefette zu hören, Ordnungen zn fennen, Gelegenheiten wahrzunehmen, Angriffe zu verichteben, tagszudtsponiren, nachts zu verfchangen, Süd unter das Zweifelhafte, Mannesmuth unter das Gewilje zu recjnen: und was das Seltenfte und nur durch die Art der Unterwerfung gewährt ift, mehr auf den Führer als auf das Heer zu bauen“ (cap. 30). Cine jolche Schilderung, wie fie Tacitus von den Satten giebt, paßt mehr oder weniger auf alle Wanderhorden. Daher hat bet ihnen auch „Keiner ein Haus oder einen Acer oder irgend eine Sorge; jowie fte zu Semandem fommen, lafjen fie fich ernähren; Aremdes verprafjend, Werächter des Ihrigen, bis blutlojes Alter fie zu jo hartem Mannesmuth untauglich macht.” Wer will angefichts diefer Schilderung glauben, daß ein jolches Nolf, das weder Haus noch Land befitst, jeghaft jei? „Seder Tapferite trägt überdies einen etjernen Armring”, der, wie wir oben (©. 237) ermähnten, ein Sharacteriitteum vieler Ningbewohner, d. h. Nundlagerer ift. te anders fteht eS dagegen um ihre Nachbarn .zu Tacttus Zeit, nämlich um die in der Niederung des Nheines wohnenden Wijtpeten und Tenchterer? Auch fie haben gewohnten Waffenruhm, weshalb der Nömer das Lob, welches er dem Aufvolf der Katten jpendete, der Meiteret der TIenchterer ertheilt, „welche von den Vorfahren angeordnet die Späteren nachahmen." Die Neiterer it eine Gigenthümlichfeit der Bewohner der Ebene (der Marut). Aber was dieje befonders characterifirt, it, dag ihre Einrichtung „der Kinder Spiel, der Sünglinge Wetteifer und der Gretje Beichäftigung tt." Ber den vundlagernden NWanderhorden ahmen die Iachaeborenen, da Nachahmung ein allgemein menjchlicher Zug tjt, eben- falls die Vorfahren nach; aber nicht nach Altersflajjfen gejondert, weil fie ihrer Wohmverfaffung entjprechend im Urzeiten nur im engjten Sreije bei ihren Eltern leben und entweder als „Heerdfiger” (Udjchigin bet den Morgolen) bei der Mutter verweilen oder als „Snaben bezw. Sinappen“ mit dem Water vereint fämpfen, während die Bewohner der Ebene durch) ihre Bhratrien in Altersflaifen getrennt zur Moanneszucht groß gezogen werden. Much befiten die Tenchterer „Haus, Vermögen und Grbjchafts- rechte," was eben Wanderhorden nicht haben, da fie als joldhe commu= nijtijch leben. Yafjen ich jolche Gegenfäte aus den Schilderungen des Tacitus jelbjt nachweijen, jo folgt daraus, day das zujammenfalfende Urtheil, welches der Genannte in den erjten Kapiteln feiner Germania über die Das Neihenlager der Viehzlichter 2c. 295 Germanen im Allgemeinen fällt, feinen anderen Werth beanjpruchen darf, als die allgemeine Sharafterijtif eines geographiich abgejchlofjenen Völfer- freijes, wie jte noch im der Gegenwart der Darjteller einer Völferfunde jeinen Yejern bietet, indem er beijpielsweile, wie e8 Fr. Nabel thut, über die Störperbejchaffenheit, die Familtenwerhältniffe und Stammes- gliederungen, dem geiltigen Charakter und die chriltlich-veligiöjen Zuftände jowte über die jog. materielle Kultur der Neger in Afrika eine allgemeine Schilderung voranschiet, mit der dann die nachfolgenden Details in einen inneren Niderjpruch jtehen und folglich auch die allgemeine CShavafteriftik der Neger größtentheils wieder aufheben. Und wird ein gerechter DBe- urtheiler der Nagel’ichen Völkerfunde etwa glauben, da ein Gelehrter, wie der Genannte, diefe Widerjprüche nicht jelbjt bemerkte? Genau diejelbe Methode der Darftellung befolgt auch Tacitus in jeiner fleinen Wölferfunde „von der Lage, den Sitten und DVölfern Sermantens”. Deshalb jchliet er denn auch den allgemeinen Theil feiner Schilderung im 27. Kapitel mit den Worten: „Diejes haben wir im Allgemeinen über Uriprung und Sitten aller Germanen vernommen. Setzt will ich einzelner Völfer Einrichtungen und Bräuche, in wie fern jte abweichen, und welche Nationen aus Germanten nach Gallien ge wandert jeten, herausheben.“ Iacitus will zwijchen den Zeilen gelejen und zunächjt aus ich jelbjt interpretirt fein, weshalb man weder Gaejar's, noch jpäterer Schriftiteller Darftellungen mojatfartig mit Tacitus’ Bes ihreibung verbinden darf. Lejen wir die älteren Schriftiteller aufmerkfam, jo finden wir aud) in Germanta zwar eine therlweije dicht zufammengedrängt wohnende DBe= völferung, doc lauter Fleine Gebilde, die nur lofe verbunden waren. Im den Niederumgen die Aderbauer, die ganz augenjcheinlich, wie überall auf der Erde, weil fie eben Ddurd) a Sefhafte find, in größeren Brüderjchaften zujammenhalten. Ber ihnen finden wir zugleich die Unter- jchtede, deren wir zu Ende des dritten Abjchnittes gedacht haben. Gte werden beunruhigt durch Die vichzüchtenden MWanvderhorden, die theils als reine, theils als gemijchte auftreten. Die überdies jchon jehr bevölferten Fhenen werden durch die Berührung der beiden Gegenjäge nur noc) be= völferter. Die Arter müfjen vielfach weichen und fommen dadurd in GSonfliet mit den Nachbavvölfern. Dazwijchen treten die Mömer, denen fich zumächit einzelne, namentlich bedrängte jeßhafte Horden zuwenden. Doc dieje werden wie jene ebenfalls ausgebentet, und augenjcheinlich noc) mehr, als von den Viehzüchtern. Die Folge it, daß fi „Arter” aud) mit „Genneten” verbinden, jei es, daß Die erjteren, jet es, daß Die legteren fich zu Feldherren aufwerfen. An jich find der ariiche Bicus (Artovieus) oder der Ginzelhöfer auf Marland (Marbud) oder der 296 sünfter Abjchnitt. Scheerenbewohner an der Alußmiederung, worauf wir alsbald noch zu iprechen fonmen, ebenjo zur Heeresleitung befähigt, wie der Chan (Hun) der Wanderhorden. er jollte im Bereiche jener ABtrfjamfert nicht Schon die Erfahrung gemacht haben, da man ji) mit jeinem FSeimde verföhnt und alle flein- lichen, bisher bejtandenen Jwijtigfeiten vergiät, wenn man einem Dritten, weit jtärferen Feinde gegemüberjfteht, der nicht nur unfer eigenes, jondern auch unjeres bisherigen Gegners Wohl zu gefährden droht? Ja, man vergigt in einer jolhen Zwangslage nicht allein alle bisherigen Differenzen, jondern macht fich den nunmehr verfühnten Feind zum Bundesgenofjen, um fortan jich niemals wieder von ihm zu trennen. 58 hiege Waller tır das Meer giegen, wollte ich audy nur ein Berjpiel aus der politiichen Gejchichte des Wölferlebens für diefe Ihatjache an- führen, wo ihrer bis ti die menejte Zeit jo viele vorliegen. (58 gemügt oft ein einziger Tag der Kriegserflärung, um die Bafis eines einheitlichen Neiches aus bisher politifch umverbumdenen Völkern her- zuitellen. Kann dies jchon bei höher gebildeten WVölfern aejchehen, bei denen ja doch das Bewupßtjein wohl erworbener Mechte jehr häufig den Verlujt Eleiner Bortheile im die Wagjchale wirft, um am Kingehen eines Bündniffes zu zaudern, jo giebt es dagegen bei primitiven Völkern ein bei Weiten jchnelleres Eingreifen. Denn e8 it befannt, dat das Intervall, welches zwijchen der Vorftellung, dem dadurch heworgerufenen Entjchluf und der Willenshandlung liegt, beim primitiven Menjchen ein viel geringeres it, als beim höheren Kulturmenjchen. Alles was wir wollen, läht fic) entweder auf Grfenntnig oder Gefühl zurüdführen. Der Gebildete wägt das Srfannte oder Gefühlte ab; daher erjcheint ev dem Mindergebildeten gegenüber feige, indem jener ervit längere Zeit veflectivt, während diejer Gefühl und Grfenntnig mehr im Moment in Ihat umfeßt. Sehr qut drüdt dies Shafeipeare (im Hamlet) aus: „So macht Belinnung!) Feige aus uns allen; der angeborenen Karbe der ntichliegung wird des es danfens Bläffe angefränfelt.* Das anderthalb Sahrhundert, welches zwilchen Gaejfar und Tacitus liegt, war völlig genügend, die vielen Fleinen Horden bezw. bereits vor= handenen Fleinen Mifchgebilde zu größeren Ganzen zu gejtalten. Bedenken wir doch, wie jchnell in den darauf folgenden Jahrhunderten die nod) von ne aufgeführten Völfernamen verjchwunden find! Nicht vor, jondern nach, bezw. auch durch Berührung mit den Nömern wurde durd) die Michung der jeßhaften ariichen Horden mit den Wanderhorden (Ihtod) der Grumd zu dem nationalen Gebilde gelegt, aus dem fich langfam nad) und nach d das deutjche Meich gebildet hat, und zwar im der germantjchen ns 1) Sm GSmolijichen jteht conscience, d. t. etwa reflerives Bewußtjein. Das Neihenlager der Viehzüchter 3e. rn 297 Vorzeit, was uns hier zunächit interejfivt, durch die Berührung der beiden Hauptgegenjäße, der Aderbauer mit den Viehzüchtern. Doc verlaffen wir munmehr den Boden Germania’s, den wir ja nur als Illuftration benutt haben, um uns ein Bild davon zu verjchaffen, wie der ariiche Acderbaner Viehzucht und der wandernde Vtehzüchter Ader- bau erlernt. Nie im gejammten Kosmos die Entwidelung nur durch Berührung und Berjchmelzung relativer Gegenjäte erfolgt, jo find auch alle Zuftände des Wirthichaftsiebens auf die Verfchmelzung von Gegenjägen zurüczu- führen. Uberall da, wo wir einen großen Neichthum von Mannigfaltigkeit treffen, dürfen wir auf einen ftarfen Wechjelprocet relativer Gegenfäße in der Vorzeit jchliegen. Wo diefe nicht vorhanden waren, fonnte nur Sinfach- heit entjtehen. Wer der Berührung mit Gegenfägen aus dem Wege geht, muß notwendig „verfimpeln“. Aber damit Gegenjäte verichmelzen fünnen, müfjen Straft und Widerjtand proportional fein. Won zwei nac derjelben Nichtung Tich bewegenden Körpern leiltet der eine dem andern nur Wider- jtand, injofern als er langjamer fortichreitet und von dem andern getroffen, ihm gegenüber im Zuftande- der Nuhe erjcheint; die Bewegung, die er zwar ebenfalls an Sich) hat, leiltet feinen Widerjtand, jondern nur die Differenz ihrer Gefchwindigfeiten, die an ihm Zuftand der Nuhe it. Kommen fich zwei gleiche Körper von derjelben Gejchwindigfeit unter übrigens gleichen Uniftänden entgegen, jo heben fich ihre Gejchwindigfeiten gegen- jeitig auf, und beide üben auf einander denjelben Widerjtand aus. Alle Ihätigfert läft fich in die beiden Kactoren von Straft und Widerjtand zerlegen; it leterer nicht vorhanden, jo fann jelbjt die höchite Kraft feine Ihätigfeit erzeugen. Widerjtand it ebenjowohl Spontaneität als Meceptivität, indent von jener das Ihun, von diejer Xeiven ausgeht. Im jedem Ihun entjteht etwas, in jedem Leiden beruht ein Verjchwinden; jedes Ihun bedeutet einen Erwerb, jedes Leiden einen Verluft. Gin Ding beiteht nur jo lange als es Widerjtand leijtet; deshalb hängt die Eriftenz eines Dinges von der Kraft ab, dem es widerjtehen muB. Winde der Aderbauer der Kraft des Viehzüchters und der Vieh- züchter nicht der Kraft des Acderbauers haben Widerjtand lerjten fünnen, jo würde diejer nie Vichzüchter und diefer nie Acderbauer geworden jet. Deraus folgt, da der ganze Verjchmelzungsprozeg zwijchen beiden durch- aus nicht in größeren Gebilden vollzogen gedacht werden fan. Denn würde man in folchen fich begegnet fein, jo würden wir diejenigen analogen Zuftände antreffen, denen wir oben beit Srwähnung der gewerblichen Kajten begegnet find, die einen jchroffen Gegenjat zu einander bilden, weil hier eben jede Möglichkeit einer VBerichmelzung fehlt. Die Wanvderhorden, welche gewerbliche Berufe trieben und nicht durd) Gewalt und Herrjchaft 298 sünfter Abjchnitt. aus einander gejprengt oder in gejchlofjenen Neihen in die Städte geführt worden find, mußten, wie ich im eimer jpäteren Schrift ausführlich dar- jtellen werde, im eimen Zuftand /getrieben werden, den wir gemeinhin „Naftenwejen” nennen. So aber dürfen wir ung die erite Berührung der Aderbauer mit den Biehzüchtern nicht vorstellen, vielmehr nur derartig, daß ganz Kleine Gebilde, Die ich eben Horden nenne, jich ü in ihren einzelnen Sliedern begegneten. Yo größere Somplere zufammentreffen, fan nur ein wohnräumliches Iebeneinander entitehen. Würden wir uns diejfelben auch nur von der Sröpe einiger Taufend denfen, jo würden niemals Gemijche haben jtatt- finden fünnen, und alle Sprachverjchiedenheiten der Völfer würden feinen genugenden Srelärungsgrumd finden. Um Gntwidelung hevvorzubringen, war ein Durchwirfen von SKiernem beginnend erforderlich. Wer — um ern vecht trivtaliiches und umpoetiiches Beijpiel zu bringen — gejehen hat, wie der Nuchenbäder jenen aus Butter, Juder, Gewürzen, Mandeln, Moftinen u. |. w. herzuftellenden Teig macht, weiß, daß er diefe Ingredienzen nicht haufermweile hineinjchüttet, weit er eine gleichfürmige Mifchung mit dem Grunditoffe des Mehles auf folche Reis nicht ermöglichen würde. Doc dirfen wir in Ddiefer Hinficht nicht verallgemeinern, weil eben die zu einem Miichungsprocet erforderlichen Bedingungen jehr verjchteden ge= weien fein werden umd hier die Ortlichfeitsverhältniffe (geographijche Be- dingungen), welche wir abfichtlich in Diejer Theorie, um nicht über Die Details den allgemeinen Überblid zu verlieren, bet Seite jeßen, modifteirend eingewirft haben. Vir werden gut thun, uns auch diefen Vermifchungsprozeß auf einem bejtimmten Boden zu veranfchaulichen, wobei wir jedoch die zur Srogänzung fehlenden Müttelglieder, die dort für unjern Blick nicht fichtbar find, jelbjtverjtändlich von auswärts herbeiholen müljen. Ich bitte den Yefer, mir nad) Irland zu folgen, nicht weil wir dort die urzeitlichen IJuftände leichter als irgendwo anders auflejen fünnen, jondern weil im Segentheil die Irländiichen Verhältniffe, troßdem und vielleicht weil fie viel behandelt worden find, uns einen Embli nicht leicht gewähren. Die oft zu hörende Behauptung, die urgejchichtlichen Zuftände lägen in Irland offener als jonjtwo zu Tage, möchte ich geradezu widerlegen und zeigen, day je mr deshalb einigen Nationalöfonomen jo offen zu Tage liegend erjcheinen, weil jte diejelben von einem Grfenntnißftandpunfte aus beur- therlen, der ihnen die Widerfprüche, im die fie fich damit verwideln, gar nicht zum Bewußtjein fommen läßt. Noch neuerdings erklärt Meißen an der Stelle, wo er die „nationale Befiedelung und das Agrarwejen der selten” behandelt: „Sine Unterfuchung darüber, wie weit jich gegenwärtig noch hinreichend deutliche Spuren und Grimnerungen für die national- Das Neihenlager der Viehzlichter 2c. 299 feltische Beltedelung auffinden lalfen, fann thatfächliche Nejte und hiftortjche Beweismittel nirgends jicherer und ergiebiger als in Irland erwarten."T) Wollen wir uns nicht jelbit täufchen, jo müljen wir befennen, daß wir von den Kelten, was ihren Urjprung betrifft, nichts und von ihrer Griftenz herzlich wenig wilen. 68 war ein Name, mit dem man eime Be ferneunme Suropa’s bezeichnete, die man bald weiter, bald enger faßte, — ein Name wie derjenige der Scythen, Sueven und dergl. Gr hat practijche Bedeutung eigentlich erjt durch die vergleichende Sprachforjchung darum erhalten, daß man die feltiiche Sprache zum indogermantjchen Sprachjtamm vrechnete, obwohl uns von der Literatur der Kelten michts befannt tft, weil angeblich die Druiden jchriftliche Aufzeichnungen threr Lehre verboten hätten. Als moderne Dialeete bezeichnet man Britijch und Stich. Was wir aber vom alten Irland wifjen, it ebenfalls unbedeutend. Die Nachricht, dag die Phönikier, Garthager, Gapditaner und Tartejiter eine Golonte in Irland angelegt hätten, findet jich bet Griechen und Nömern nicht; beide jprechen blos von der Gewohnheit, nad) den Ztme infeln zu handeln. Gaefar fannte mur den Namen von Hibernien, jeine Größe und jeine Entfernung von Britannien. me etwas genauere Kenntnig von Irland befa Tacitus (Agricola 24), und exit Btole- mäus weis etwas Näheres von einzelnen Wölferftämmen zu jagen- Wirklich brauchbares Material gäben die jänmtlichen älteren Schriftiteller nicht; mu intereffant find einzelne Bemerkungen, wie beijpielswetje die des Bompontus Mela, welcher die üppigen Wiejen der Injel, auf denen das Vieh fich bis zum Berften überfüttern könne, jowie den Mangel an Acderbau hervorhebt. Nicht ohne Scharfiim und Gelehrfamteit it vielmehr erft in neueren Zeiten die alte Sagengejchichte Irlands be= handelt worden. Doch dürfen wir die uns hier allein interefjirenden Nachrichten über Aderbau und Viehzucht nur unter Anleitung der in ihnen vorhandenen TIhatjachenmerfmale, nicht aber nach einem apriori ent worfenen Schema benußen. Was zunächft den Aderbau betrifft, jo haben wir jchon oben der Sage von den Söhnen Aed Slane’s gedacht und diejelbe dahin gedeutet, dab e8 fi um Einzelhöfe handelt, welche auf jchlammigem Moorgrunde in Schlangenform an einander gereiht find und eine Ader-Berfafjung haben, welche allen Schlangendörfern bis heute noch eigen tft, nämlich die Form, daf jeder jein Aderland in einem einzigen vegelvecht verlaufenden Streifen hinter jenem Hofe hat. Sollte die von anderer Seite gemachte Beobachtung, da man auch Spuren einer Gemengelage in Irland ges funden habe, richtig jein, jo fan diefe natürlich nicht ven Söhnen ed ) X. Meigen, Siedelung uud Agrarweien I. ©. 174. 300 sünfter Abjchnitt. Slane’s, jondern mur VBicts bDeigemefjen werden. Abgefehen davon, daf wir diejes Wort auch im Alttrifchen unter „fich“ antreffen, jpricht für diefe Beobachtung der Umftand, day „zur Zeit der Söhne Aed Slane’s die Einwohnerzahl Irlands jehr groß war”, man aljo das Moorland erit befiedelte, als das Mrland bereits in felten Händen war, und Diejes fonnten eben nur die Vict (fich) haben. Wir haben infolge diejes Sacı- verhalts oben angenommen, day beide erwähnten Gruppen von Aderbauern jolhe „ohne Brlug und Spammvieh“ gewejen jein müfjen, d. bh. jolche, welche „ariichen” Acderbau trieben. Deshalb haben wir auch die Anficht von Meigen zurücgewiejen, „die Bevölkerung Irlands jei um 600 n. Ghr. auf dem Punkte angelangt gewejen, day die alte Weidewirthichaft mit geringfügigen Icerbau zum Unterhalte nicht mehr ausreichte, jondern die othwendigfeit erfannt wurde, zu vegelmäßtiger Aderbejtellung in dauernden, fejt eingezäunten, aljo auc der allgememen Weide nicht mehr zugänglichen Kämpen überzugehen, wie jte uns noc heute überall auf den trijchen Slurfarten begegnen“. Ju Diefer Anficht Tcheint augenjcheinlich Meeien durch den Inhalt eines andern alten Liedes, das ebenfalls dem 6. oder 7. Jahrhundert zus gejchrieben wird, gefommen zu fein. Diejem zufolge joll „Irland in alten Heiten eingetheilt gewejen fein im 184 Streife (tricha ced; hundreds) zu 30 Gemarfungen (townlands, bailes), jo daß auf der ganzen Smiel 5520 Gemarfungen vorhanden waren, deren jede 300 Kühe 2». h. vier volle Heerden unterhielt. Die Mark (baile) zerftel weiter in vier Viertel, von denen daher auf ein jedes eine Nuhheerde oder 75 Kühe famen. Da der Inhalt einer baile weiterhin als 12 seisrighs angegeben wird und als Umfang des seisrighs 120 acres, jo würden wir das Viertel (quarter) zu 3 seisriehs oder 300 acres annehmen dürfen.“ T) Mir it der Inhalt diejes zulett erwähnten Liedes leider nicht be- fannt, weshalb ich mich außer Stande fühle, ihn zu analyjiren. Cbenjo wenig ijt mir befannt, von wem die Berechnung der 5520 Gemarfungen herrühtt und auf welcher Grundlage diejelbe erfolgt ift. Nur das ijt mir flar, daß wenn nac) der einen Handjchrift „bis zu den Tagen der Söhne Ad Slane’s im 7. Jahrhundert es in Irland meder Graben, nocd Zaun, noch Steimwall um die Grumdjtüce gab, jondern alles ebenes Yand war“, es zu derjelben Zeit nicht „auf der ganzen Injel” 5520 eingezäunte Streije gegeben haben fan. Die beiven Quellen jtehen in Wider- jpruch zu einander, weil eben tricha ced und baile, worüber man vollfommen einig tft, freisrunde Ummwallungen find. Da nun nad) Seebohm?) noch jett „auf der offictellen Karte von Irland (ordnance ') Frederic Seebohm (m. Bunfen) Die englijche Dorfgemeinde, ©. 147. 2)”. a. D. SH 148. Das Neidenlager der VBiehziichter 2c. BIN! map) mehrere Iaufend jolcher freisförmigen Umzäunungen verzeichnet find" und „mitten in einem der heutigen townlands fich noch oft die freisförmige und theilwerje befejtigte Sinfriedigung findet” jo bleibt uns, wollen wir den Kinen von beiden Sängern nicht für eimen „blinden Sänger” halten, nur die Wahl, entweder das Lied, welches „Bi3 zu den Söhnen Aed Slave’s feine Umwallungen fennt” als eine unmwahre Ihat- jache zu betrachten oder aber die umwallten tricha eed als etwas Späteres dem nicht umzäunten ebenen Lande gegenüber hinzuftellen, im welchem alle wir alsdann, was wir ja wohl thun müjjen, beiden Berichten Glauben beimejfen. Ihun wir das, jo ergiebt jich, day dem Zuftande vorherrichender Viehzucht in Selande Ebenen ein Zuftand reinen Aderbaues voran- gegangen tft, der demjenigen entjpricht, welchen wir oben mac) der Schilderung des Tacitus bei den Germanen finden und den auch Sir I. Davies folgendermaßen bejchreibt: „Auch legte während diejer ganzen geit feiner von ihnen Gemüfe- oder Dbjtgärten an; weder hegten jte ihr Land em und verbejjerten es, nocd) lebten fie zufammen in feiten Dörfern und Städten.“ Aber jelbjtverjtändlich fann fich jener Zuftand reinen Aderbaues nur auf die Bevölkerung der Ebene beziehen; und wenn diejer modifictrt wurde, fonnte es auch hier nur durch vichzüchtende Wander- horden erfolgen, die fich genöthigt fanden, die Ebene aufzufuchen, wodurd) eben auc in Irland Aderbauer VBiehzüchter und Viehzüchter allmählic) Acerbauer wurden. Wenn wir aljo beiden Schilderungen Glauben beimefjen wollen, jo handelt es fic) im 7. Jahrhundert in Irland um eine berichwenmmung der Ebene mit VBrehzüchtern, weil eben die jett hier zur Srjcheinung fonımende SKtreislagerung ein Sharacteriftieum der Wanderhorden und der zu ihnen zu zählenden Viehzüchter it. Die ganze Eintheilung des jogen. Iownlandes in vier Viertel weilt darauf hin. Nur muß man mit dem Ausdrud „Duarter”, weil eben, wie ich oben an der Figur des Kreislagers demonjtrirt habe, jeder, der Fleinfte wie der guößte Streis, in vier Theile getheilt ift, jehr vorfichtig fein. Mir will Scheinen, daß aud) unter „tricha ced*, mag man e8 mit drei oder dreiig (bzw. 36) Streife überjegen, was jachlich auf dafjelbe herausfommt, nur ein Viertelkveis it, da eben mit Ausnahme des Fleinjten Streifes, welcher vier Einzelwohnungen enthält, jeder größere Viertelfreis, wie ein Blie auf die Kreiseintheilung (©. 231) zeigt, drei Theile enthält, alfo der zweitgrößte Vtertelfreis von unten 12 Sinzehvohnungen hat, wofür man in Irland angeblich den Ausdrud „tate“ gebraucht. Daraus erklärt fich, daß die baile 12 seisrichs haben joll, weil eben im Viertelfreis (won unten gerechnet) 3 Sreife, jeder zu 4 Vierteln, 12 tates giebt. 302 Fünfter Abjchnitt. Yun fommt e$ aber vor, day die Viehzüchter vdiejen DViertelfreis, den wir oben Tribus genannt haben, auch in jelbjtändige, forallen- oder fraalartige Nundungen verwandeln, woraus es ich eben erflärt, daß der Ausdrud „trib*, der an fich ganz identijch mit quatuor (jfr. catvar) ift, auc) auf das Nundlager der 12 Ginzelmohnungen übergeht, dem wir zur befferen Unterjcheidung, wie es ja in der That der verjchiedener Völker auch gethan hat, Die Bezeichnung Turba d. 1. zu deutjchh „Dorf“ beilegen wollen. Dorf ift ein ge„dreh”tes rundes Lager der DViehzüchter. Der Aus- druck tritt Schon in alter Zeit in Deutjchland im verjchtedenen Varianten auf, wie Torf, Iharpa, Thorp, Dorp u. |. w. und dann in vielen anderen Sprachen, 3. B. griech. Töpßa bezw. obpßa, lat. turba, felt. treb, bei den Gimmertern (Siymren) tref, bei den Scythen trew, bei den Gothen thaurp, bet den heutigen Nufjen derewnja. 65 fommt aber aud) Völfernamen, wie Drav-iven, A,treb’ates, Drewenjer und befanntlich mehrfach in Ortsnamen vor. Diejer Ausdrud, obwohl er dem urzeitlic) wirthichaftlichen Gegenjat zu Vicus bildet, hat in Deutjchland die Dber- hand gewonnen, während bei den a ungefehrt das Wort Vicus vorherrichend wurde und für turba die Bedeutung Trupp (nach Abftreifung alles Ortlichen) übrig blieb. Bei den Griechen bürgerte fi) das (dortjche) Wort xopn ein und wird ebenjo für den Vicus, wie für die turba ge= braucht (Arist. poet. 3. 6 ot nelonovvistor Was TAG meptarklögs narelv paoıv). Das „Dorf“ oder die Turba tft, wie bemerkt, ein zu einem Nundlager gewordener Viertelfreis und bejteht anfänglich nur aus 12 Hütten; urjprünglic) nur eine Wohnftätte der Vichzüchter, wird te, als diefe zum Aderbau übergehen, vielfach beibehalten, weshalb wir ihre Gejtalt, wie folgendes Bild, das ich ebenfalls mit der gütigen Grlaubnig des Herrn DVerlags- ae Herk aus Meigen’s Werf über Stedelung und Igrarwejen I. ©. 52 abdrude, zeigt, noc bis auf Ddiefen Tag mancherwärts antreffen. Diejes im Negierungsbezivf Lüneburg gelegene Dorf hat in jener Mitte einen runden Plat, auf welchem urjprünglich das Vieh jtand; ver einzige in die Nundung zugängliche Weg beweilt, daß es anfänglich voll- jtändig ummallt und nur von diejer Seite zugänglich gewejen jein muB. Henn wir die weiter unten ganz augenjcheinlich jpäter hinzugefommenen Hänfer in Abzug bringen, jo zählen wir um die Nundung herum 12 Höfe, ein Sharacteriftifum aller Wanderhorden. Nur tft der Ausdrud „Hof“ urzeitlich betrachtet unjtatthaft, da derjelbe, wie wir oben jahen, nur den arijchen Horden eigen it. ES handelt ji) hier auch bei diefer Wohn: lagerform nicht um eime nationale Kigenthümlichkeit, jondern um eine weit verbreitete Yagerform der Wanderhorde. Wie bei allen Bezeichnungen Das Neihenlager der Biehzlichter 2c. 303 Fig. 10. Die Turba Witeege im Dramehn. T für die gehenden Horden (Gentes) fommt auch im Worte „Zurba” das bewegliche, was in turbo (tupßiLo, d. i. wirbeln, umgejtüm drängen, bezw. verwirren, daher goth. dröb-jan — ftören liegt, mit zum Ausdrud, Die Turben waren in der That für die Arier die „Störenfriede”, indem fie fich zeitweilig zwijchen die Aderbauer eindrängten. Deshalb berichtet auch Strabo (IV. 5) von den Britanniern: „Sie zäunen mit gefällten Bäumen einen geräumigen vumden Pla ein und errichten auf demjelben Hütten für fih) und ihr Vieh, aber nicht auf lange Zeit”. Da, wie bemerkt, die Turba urjpränglich ein Trib oder Treff, d.h. ein Viertelfreis von drei mal vier Hütten (engl. hut) war, aljo aus zwölf casae bejtand, jo muß die Auffafjung derjenigen Beintheiler der irländischen Wirthichaftsverhältniffe zurücgewiefen werden, in den Town- lands oder Bailes hätten 16 Familien gehauft. Auch Meigen, der ja der Anficht ift, man jet im 7. ISahrhundert in Irland von der Viehzucht zum Aderbau übergegangen, hat diefe Meinung und glaubt, day 16 Sa= milien mit 300 Kühen in jolchen Nundwällen gewohnt hätten. Nur unterfcheidet er nicht die beiden ganz heterogenen Dinge, nämlich tricha ceds und Glane, die er vielmehr beide mit einander identiftetrt. Man kennt eben nicht den Unterjchted des Genus „jephafte Horde” a von dem Genus „Wanderhorde”, und indem man die Nıumdlager von den 304 sünfter Abjchnitt. Yängslagern nicht jcheidet, bezeichnet man heutzutage alles mit „Glan, was man nicht näher zu bejtimmen im Stande tft. Man fann geradezu die ethnologtiche Genusregel aufitellen: „Was man nicht Ddefiniren Fan, das fieht als einen Glan man an“. Sa, es it bereits jo weit gefommen, dak man jedes jociale Gebilde bei primitiven Völfern, welches größer als eine moderne Kamilie und fleiner als ein Stamm it, mit Glan bezeichnet. Was em Glan tft, läßt ich nicht apriori oder mit Hülfe eines Lerifon aufjtellen, jondern Fan nur aus dem Jujammenhange der Ihatjachen- merfmale gewonnen werden. 85 it jeher leicht gejagt, „Glan bezeichne Kinder, Nachfommen, Kamilie, und es jer befannt, daß alle Mitglieder der Glans von demjelben Ahnheren abzuftammen meinten, denjelben Namen trugen und ihr Gebiet als gemeinschaftlichen Samiltenbefit betrachteten." !) Wenn man mit diejen paar nichtsjagenden Merfmalen das NWejen des Glan definirt hätte, jo würden die allermeilten Samilten unjeres Adels, weil auch fie Kinder und Nachkommen eines Ahnheren find, dejjen Namen fte tragen und dejjen hinterlafjenes Gebiet fie als einen gemeinjchaftlichen Familienbejtt be= trachten, einen Glan bilden. sein Unbefangener wird in Abrede jtellen, das das Auftellen einer jolhen Definition em ganz faljcher Yusgangs- punft tft, — fein Wunder daher, daß mit dem Ausdrud Glan in der wiljenjchaftlihen Korjichung geradezu Unfug getrieben wird. Wir haben bereits zur Genüge erfannt, daß durchaus nicht das ges schlechtliche DVerhältnig, jondern das Wohnlager der Grund und das ichöpferifche Glement der menjchlichen Dronung aewejen tft. Somit wird der Lejer von mir erwarten, daß ich auch hier, bet der Erklärung der Clans, zeige, wie derjelbe zu Stande fam und überall, wo die Be- dingungen dazu gegeben waren, entjtehen mußte. Das jog. Glanhaus haben wir oben (S. 137) uns durch Meißen jehildern lafjen, dort aber abfichtlich vorläufig Folgendes bei Seite gejeßt. Meiten zeigt,2) wie diefes Haus in vier Theile getheilt war, die er mit Gavael benennt: „Sede Gavael im Haufe aber theilte fich wieder in 4 Nandirs oder Gwehys, Betten... . Noch lange nad dem Verfall des urjprünglichen Stanmes- (ebens pflegte die Belitung eines früheren Stammesangehörigen unter jeinen Nachkommen nach Gavaels und weiter nach) Gwelys, Weles oder Nandirs vertheilt zu werden. CS war aljo erfichtlich im urjprünglichen Haupt oder Stammeshauje einer baile Naum für 16 Kamilten vorgejehen, und die dauernd feitgchaltene Gintheilung der Mitglieder eines jolchen gemeimjchaftlichen Haushaltes, jowie des demjelben zuitehenden Landbejites, 151 ı)) So Meiten, Siedelung und Agrarwejen I ©. 182. >) Meigen, Anfiedelung und Agrarweien I ©. 186. Auf ©. 184 findet der Yejer auch eine Abbildung des Haujes. Das Neihenlager der Viehzichter ac. 305 weilt darauf hin, dal diefer Naum auch wirklich mit 16 Samilien bejett wurde.” Bevor wir zur Deutung des hierin enthaltenen Ihatbejtandes jchreiten fünnen, it es jedoch erforderlich, des Umftandes zu gedenken, da jenes Slanhaus nicht allein jtand. Dielmehr bemerft Meiten!) im diejer Hinficht: „Um das Haus reihten fich in den zum Iydoyn (Tate) gehörigen Höfen, dem Kornhof und dem Wiehhof eine Küche, eine Darre, emme Scheuer, ein Badhaus, em Schweres, em Kälber und ein Schafitall. Auch tanden innerhalb der Einhegung die fleineren Sommerbuden (biwrd hovedar), welche anjcheinend, wie bet den Süpdflaven zu zeigen jein wird, als Schlafräume im Sommer für eine einzelne Familie beitimmt waren, während das Haupthaus im Winter jämmtliche Hausgenofjen in demjelben für alle berechneten Näume bei Tag und Nacht aufnahm. Diefe Sommer- buden und Fleineren Nebenräume waren, wie Sullivan im der Ginleitung zu D’Curey p. 296 zeigt, oft rund mit geflochtenem SKtuppeldach, wie fie Strabo IV. ce. 4 bejchreibt. Ste dinfen hier außer en bleiben (sie!) . . . Die rumden Hütten find ein allgemeinerer Typus, das Säulen- haus aber entiprach auch ohne Itebenräume einer eigenartigen Organifation des je en feltijchen Hirtendajeins. “ Den jubjectiven Srfenntnipitandpunft, welchen Meiken in Bezug auf die Berugung der beiden entgegengejeßten Wohnlager erminmt, es handele fich anjcheinend um Sommer: und Winterbuden, müljen wir vom objeetiven I a ebenjo tremmen, wie jerne Memmung, nur das Säulen- haus habe dem frühen feltijchen Hirtendafein entjprochen. Wenn irgend ein Haus dem frühen Hirtendafein nicht entjpricht, jo it es doch offenbar das Säulenhaus. Wo in aller Welt hat man jemals Hirten im jolchen Häufern gefunden? Sie find überall im Numdhütten anzutreffen. Impent Meiten die runden Hütten ohne jede nähere Unterfuhung und Be- grimdung „außer Betracht bleiben” Läpt, entfernt er jich vom Ihatjäch- lichen und damit zugleich von der Möglichkeit, die vorjtehende Erjcheinung in ihrer reinen Dbjectivität zu erfaflen. Wir haben oben gejehen, wie das gejchilderte Säulenhaus tır feinem Srundmerfmal, nämlich dem wechjelveihigen Yager, genau dem Bicus ent- ipricht, aljo als Wohnftätte der arijchen Aderbauer zu betrachten tt. Auch haben wir erfannt, dal die Nundbauten eine Gigenthimlichfeit der Gentes überhaupt und der Vichzüchter im Bejonderen find. Iveffen wir nun beide vereint an, jo deutet dies auf eine Vermijchung von Vich- züchtern und Aderbanern hin. Würden die letteren ohne durd) Berührung mit Viehzüchtern Vichzüchter, und würden dieje ohne die Berührung mit Aderbanern Aderbauer, d. h., würde jeder von beiden mittels eines „Oe- )) Meigen, a. a. D.1I. ©. 18. Mucke, Urgeichichte. 20 306 Fünfter Abjchnitt. danfenfeimes unter Anleitung einer natürlichen Logik”, um mit Morgan zu reden, aljo ohne eine zuporige finnliche Anfchauung, auf die Idee ver- fallen jein, etwas anderes zu werden, jo wide eine jolche Gricheinung, wie ed der VBicus in Verbindung mit Nundhütten tft, unerflärt bleiben. Dieje Gricheinung weit uns vielmehr deutlich darauf hin, wie auch hier eine Entwidelung nur durch Verfchmelzung relativer Gegenjäße u Stande gefommen it. (583 wird jchon manchem meiner Leer, der dem oben in Bezug auf den Vicus dargelegten Entwidelungsproceg aus einem Ginheitshauje in eine Mehrzahl einzelner Häujer mit Aufmerffamfeit folgte, aufgefallen jein, daß durch die Berührung mit Gliedern der Wanderhorden fein Vich- zuchtbetrieb eingeführt, jondern nad) wie vor „nur Saat der Grde an- vertraut und abgefordert (imperatur) wurde". Diejer Entwidelungsprocei war eben nur durch Frauen und Männerraub allein zu Stande ges fommen, weshalb wir denn aud im Sept nad) wie vor auf jeder Seite fieben Höfe finden. Wie erflärt es ji) num, day wir jet im jog. GSlanhauje, das ja doch im jeinem Grundmerfmal dem Vicus identijch it, im Sept acht Lagerjtätten finden? Wir müfjen zur Grflärung diefes Umftandes etwas weit ausholen. Der Lefer würde ein durchaus faljhes Bild erhalten, wollte er fich die Ebenen als jo waldarm vorjtellen, wie fie gegemwärtig jimd. Die Wälder waren viel ausgedehnter, die Moore häufiger und größer, die Steppen jeltener und Fleiner. Nehmen wir es als ein Grundgejeß, welches das Leben aller Meenjchen und aller Zeiten durchdringt und worauf zu einem wejentlichen Theile das Heimathsgefühl mitberuht, an, daß man immer denjenigen Gegenden nac)zog, welche die Vorfahren inne hatten, jo erflärt fich, wie der Menjchheit die Möglichkeit zur Ent- Itehung der für ihr Entwidelungsleben jo nothwendigen fruchtbaren Gegenjäße gegeben war. Dhne diefe Möglichkeit wäre fie ein fader Brei und die jpätere Gingliederung der Berufe nie möglich geworden. Wenn aus den woaldreicheren Gebirgsgegenden Wanderhorden wald- reiche Ebenen berührten, jo fonnten dieje fte ebenjowohl zum Najten ein= laden, wie die Dertlichfeiten, von wo fie famen. Und da die der bauer unmöglich die Wälder zum bleibenden Aufenthalt fich wählen fonnten, jo bildete der Wald ihre natürliche Grenze. Aber zugleich Fonnte der Wald auc ein Berührungspunft für eine Begegnung der heterogenen Horden im Stleinen werden, was zu eimer friedlichen DVerjchmelzung als- dann binführen mufte. Es liegt in der Natur der Sache, daß ich im meiner Theorie auf die hier etwa im Betracht fommenden Cinzelheiten um jo weniger eingehen fann, als es an urzeitlichen Merkmalen in Diejer Hinficht volljtändig Fehlt. Auch it es befannt, day die Menjchen ebenjo Das Neihenlager der VBiehzüchter ıc. 307 wie die Natırr (große Brände infolge von Gewitter) zur Veränderung de8 Waldbeitandes jo viel beigetragen haben, daß fich in diefer Nichtung die verjchtedenjten Gombinationen machen lafjen würden, wenn ung darauf bezügliche völferfundliche Materialien zu Gebote jtänden. Dagegen treffen wir an den Ufern der Flüffe und Meere häufig ein zerflüftetes Terrain au, ein Gewirr zahlreicher Klippen Eleiner oder größerer Snjeln, die wir mit dem deutjchen Ausdrud Scheeren (ihwed. Sfären) bezeichnen. Ihre Bewohner treten jowohl in der Mythologie als auc) jonft in der Sagengefchichte hewwor, und zwar mit Bezeichnungen, die unter lautlichen Variationen, wie Sar, Sir, Sfar, Sfer, Sfiv, Char, Gher u. j. w. oft wiederfehren. Gs it jelbjtverjtändlich jchwer zu be- jtimmen, ob das Land von den Bewohnern oder diefe von Lande den Kamen haben, weil eben, wie bei fat allen urgejchichtlichen Erjcheinungen, hier eine Wechjelwirfung jtatthatte. Wenn der Ausdrud Scart beijpielsweile im Sudan als Flufname gebraucht wird, jo hat ihn ficher der Sluf wegen des zerflüfteten Terraing an jeiner Mimdung, das tr wenig wafjerreicher Jahreszeit dDiefe Formation hat, erhalten. Der wenn man am Wil das durch fünitliche Nachhülfe vegelvecht bewäfjerte Gebiet Scharafi nennt, jo hat es wohl ebenfalls jeinen Iamen von der zerjchnittenen Gejtalt des Terrains. Doc würde e8 faljch jein, die verjchtedentlich auftretenden Sfiren als immer diejelben oder als Bruchtheile einer früher einheitlichen Nation zu betrachten; fie haben jich einfach ausgebreitet und find denjenigen Gegenden nachgezogen, Die ähnliche Eriftenzbedingungen boten als Diejenigen waren, die fie bei an- wachjender Bevölkerung verlafjen mußten. Wenn fich die Longobawden in Scorunga jammelten, wenn Dlaf Irätelfa den Sit jeiner Herrichaft in Sftringsjal gründete, wenn es im Cod. Theod. (5, 4, 3) Scyras barbaram nationem . . . imperio nostro subegimus heit und wenn jtch im Heere des Attila Sfiren finden, jo fan e8 jich hierbei nicht um Theile eines früheren einheitlichen nationalen Ganzen, jondern ebenjo wie bei Fin, Wan !c nur um natürliche Elemente für einen jpäteren Mtifchungs- proceß handeln. ir müllen jedoch hier das Element nicht im engjten Sinne fafjen, DA weil wir es hier bereits mit einem Gemfc zu thun | haben. Wir finden nämlic) — und wegen diefer für | die Agrargejchichte bedeutfamen Gigenthümlichfeit ge- ‘ | denfen wir ihrer — ein Vieräcderiyften, ein Neben- | einanderliegen quadratifcher Acer, die durch Stein- | wege, mittels deren jeder zu jeinen Acer Zutritt er langte, von einander abgetrennt werden, was die neben- Jitem. Itehende Zeichnung annähernd veranjchaulichen dürfte» Fig. 11. Vieräcerii 20 908 sünfter Abjchnitt. 5 it befannt, day bei mehreren Völfern em Symbol der Vier das Kreuz Mt und daß fich an den Kreuzweg mancherwärts myjtiiche Wor- jtellungen fmüpfen. So verehrten Aztefen und Toltefen jeit undenflichen geiten das Kreuz. Unter den Krifs (Greefs) wurden anı „Seite der Ent: zündung des Feuers“ vier Scheite Holz an einander gelegt in Gejtalt eines Kreuzes, das nach den vier Himmelsgegenden gerichtet war; in der Mitte deijelben ward das Feuer entzündet. Die Krifs erzählen von vier Menjchen, welche von den vier Eden der Erde famen und ihnen das heilige Keuer brachten; auch berichten fie, jte jeten urfprünglic) in vier Stänme getheilt gewejen, welche von vier Krauen abjtammten. Wird bei einigen amerifaniichen Stämmen die FAriedenspfeife geraucht, jo geht der erite Baff nach oben, die nächjten vier nad) den vier Eden der Erde, die einigen Yölfern als vieredige Ebene ericheint. Co hält fie namentlich der Ketjcht für vieredig und in vier Ihetle getheilt, an den vier Eden mit Striden an den Himmel gebunden. Eine jolche finnliche Vorftellung von der vieredigen Ebene der Erde fann fein auf dem Höhenland geborener Menjc gewinnen, da te Es nothwendig bogenförng, wen nicht geradezu freisrumd erjcheinen muf: ie Anjcehanumg von den vier Eden der Erde fanıı nur einer Vorftellung a näcdhiten Ume gehun entjtammen. Grwägen wir, Daß der thatjächliche Befund des Yorftellumgsbereichs jener Völker nicht blos in der vierediaen in vier Theile getheilten Cbene bejteht, jondern day gleichzeitig auch das Kreuz in der Gejammtvorjtellung mit enthalten ift, jo dürfen wir folgern, daß das Dbject, welches die jenfibeln ILerven veizte, ein in vier Flächen jo getheiltes Vrered war, day der Iherlungsmotor ein Kreuz bildete, aljo ein Vieredd in der oben abgebildeten Figur. Daffelbe ift nur in einer bejehränften Gbene, d. h. in eimer jolchen, die wir Scheerenland benennen, denkbar, weil hier die Wafjerfläche nach allen vier Htmmelsgegenden das Yand von den übrigen Bewohnern abgrenzt, mit denen außerdem nod) ern weiterer Verfehr zu Waller ermöglicht wurde. ir wilfen aus der jpäteren Gefchichte, day jede Slahta in vier Schaaren zu je vier Mann zerfiel. Daf die Urheimath der Slahta das morige Yand ift, haben wir oben gejehen. An fc würden wir annehmen müfjen, daß fie, weil fie ja \ den jehhaften ariichen Horden zählt, auc) diejelbe Verfaffung wie der Vicus und die Wanne haben mühte. Wenn jte aljo modiftcirt wurde, fan der Entwidelungsmotor nur als von Außen gekommen gedacht werden, weil es piychologiich undenkbar it, day ohne eine jinnliche Anjchauung eine neue VBorftellung entjtehen kann, welche die ältere modifterrt. Nun wilfen wir, daß Die vier nur im Kreislager anzutreffen tft. Finden wir diefelbe jetst auch im der Ebene, jo fan jte nur von „den vier Männern“ übermittelt jein, „welche zugleich das Feuer Das Neihenlager der VBtehzüchter ze. 309 brachten“, d. h. von Hirten, die aller Wahrjcheinlichkeit nach durch Wälder der Ebene hindurchgeführt, auf jenes morige Yand kamen, in deren Nähe fich auch die „Söhne Aed Slane’s" befanden. Nicht jammt und jonders brauchten die Bewohner des jchlammigen Landes in jene Nichtung geleitet zu werden, die die Schlangendörfer fennzeichnen, weil eben die moDdifict- venden Bedingungen jehr manmigfach jein können, um eine Simrichtung zu verwandeln, und weil die beiden Momente, welche einen Zultand herbet- führen, die ISmpulfion (Ihun) eimerjeits und die Nepulfion (Xeiden) anderjeits an Stärke jehr verjchieden gegeneinander einzwwirfen vermögen. So weit ich das völferfimdliche Material beherrfche, it mir fen viehzüchtendes Volk bekannt geworden, deren Wohnlager 16 Haushalte zu je vier Gruppen umfaßt. Sind meine Beobachtungen reichhaltig genug, um darüber urtheilen zu fünnen, jo fan das irifche Slanhaus, nicht wie Meiten behauptet, „auc ohne Nebenräume einer etgenartigen Drga= nifation des frühen feltifchen Hirtendajeins entjprochen haben.“ Wohl aber fonnte diefe Eimtheilung des Wohnlagers in je vier Abtherlun- gen zu je vier Tates, d.h. im Ganzen 16 Haushaltungen eine Gigen- thümlichfeit des von mir „Scheevenbewohner“ benannten Yandes je, md zwar als Folge der Vermifchung eines vichzüchtenden Tribus mit vier Frauen einer Slahta, bezw. von vier Männern der letzteren mit vier Sranen eines Iribus. Wir wollen zur Sthuftration der vier mal vier d. 1. 16 Höfe auf dem Scheerenlande abfichtlich ein Beijpiel aus Meiten's Werke jelbjt anführen. Mit der ihm eigenen Sorgfalt unterfuht Meien die Shır Meygen bei Gent in Dftflandern, welche auf beiden Seiten des „Scheer”baches Liegt, „welcher früher tm der Niederung, in der jett der Staatstanal angelegt ift, dem Guelene-Bache zufloß." Dort findet er, day „die alten Anfiede- lungen in den ungünjtigen, der Üderjchwenmung ausgejeßten Lagen am Scheerbache liegen geblieben find. Dies bejtätigen die Wege. Derm Die alten Wege der Ginzelhofbefiter liefen möglichht auf dem gemeinjamen Lande fort, wo fie den einzelnen Hof nicht beeinträchtigten und von jedem derjelben aus leicht zugänglich waren... . Sind diefe alten Hofanlagen nac Lage und Fläche richtig bezeichnet, jo ergtebt fich, day in der Slur Meygem deren 16 vorhanden waren, alfo genau die Anzahl der Tates in einem altiriihen Townlanp.“ Yun it aber ein Tomwmland gar nicht vieredig, jondern vumd, und da jedes Nmdlager in vier Theile (Duarters) zu je drei Kreifen zerfällt, jo fan, auch wenn wir mr einen Viertelfreis von dret Eleineren Kreifen zu 4 Tates annehmen, in beiden Fällen immer nur die Zahl 12 heraus- fommen, welche eben ein Gharacteriitieum des Nundlagers tft. Sagt dod) Meiten (I. 177) jelbit, „daß das Townland gleich war 12 Seisrigbs". 310 sünfter Abjchnitt. Am Scheerbache handelt es ji) aber um 16 Hofanlagen. Somit find die 12 Seisrighs etwas Anderes als die 16 Höfe der Slamverfafjung, welche iharf von der Tommverfaflung gejchteden werden muß. &5 würde fich bei der durchaus von eimer entgegengejegten Grund» lage ausgehenden Stellung, die Meiten und ich in diejer Frage ein- nehmen, nicht verlohnen, mich weiter in Einzelheiten zu verlieren. Meigen denft jih in Irland ein embheitliches indogermantiiches Volk der Kelten, das von Viehzucht zu Aderbau übergeht, während ich eine große Anzahl theilweije noch unverbundener Horden vor mir jehe mit verjchiedenen Ber- fajjungen, theils jolcher von Aderbauern, theils jolher — abgejehen von den gewerblichen Horden — von Viehzüchtern, die eben im Begriff Itehen, den Grundjtein für den Bau ihrer hiftoriich jpäteren jtaatlichen Einheit zu legen. Wenn Meigen 3. B. von einem „Scariff Townland” jpricht und erzählt, daß „Eleinere Seen, Sümpfe und Moore zwijchen ihnen getheilt find, wie die Anlage 24, der Quarter von Scariff, im Beijpiel zeigt“, jo tjt dies ein ganz anderer „Quarter“, als derjenige der reinen Viehzüchter; e3 handelt fich hier um eine VBiertheilung im „Scar"-Lande, die allerdings durch die Nundlager mit hervorgebracht ift. Wenn wir nad) Meigen!) in der Feldeintheilung Irlands „zahlreiche unregel- mäßige, vierjeitige und trapezoidiiche, auch dreiedige oder abgerundete Grundftüde von verjchtedener Größe” vor uns jehen, jo it dies unzweifelhaft ein Fingerzeig einer jtarfen Wermtjchung von Ylder- bauer- und Wanderhorden, von denen fich die letteren zwijchen die erjteren eindrängten, durch welchen Proceg Aderbauer VBiehzüchter und Viehzüchter Aderbauer wurden. Diejer Proceß, wodurch die Arter (die Iren) umjchlojjen und etn- geengt wurden, fann anfangs nur zu Ungunften der Aderbauer erfolgt jein, weil fie ihre Fruchtbarften Landjtriche den viehzüchtenden Wanderhorden zu Wiejen hergeben mußten, weshalb man — vorausgejeßt dag die jagen- haften Zeitangaben richtig find — im 6. bezw. 7. Jahrhundert in Irland eher von einem Übergang des Acerbaues zur Viehzucht als von einem Übergang von Viehzucht zum Aderbau fprechen fan. Denn was mußte für die ariiche Bevölferung die Folge eines jolchen Eimdringens jet? Sntweder blieben fie auf dem theilweije abgetretenen Lande weiter wohnen und nahmen Viehbetrieb auf, oder fie wanderten nad) dem Höhen- lande. (65 wird jedenfalls in Irland, wie anderwärts auf der Erde, ein zeitweiliger Vieh- und Menjchen-, insbejondere Frauenraub eingetreten jein, in deren Gefolge Itarfe Hordenmijchungen zu Stande famen. Wanpderten die ariichen Aderbauer aus, jo fonnten fie nur nad) den Waldregionen ziehen, die den DViehzüchtern zu enge geworden waren. Indem jie dies ),0..0.9..1.98.177. Das Neihenlager der VBiehzüchter 2c. 311 thaten, legten fie den Grund zur Kultur des Aderbaues oder anders aus- gedrüdt: zum Fultorifchen Aderbau und, wie wir gleich jehen werden, zur Gniflekung der Glane. Auswandern fonnten nur diejenigen Aderbauhorden, welche den Vich- züchtern Widerjtand geleitet, bezw. einzelne Glieder derjelben durch Familien- grümdungen unterworfen Hirte wogegen alle die, welche in die Gewalt der Viehzüchter gefonmen waren, zum „Gefinde” (in England gesitheund benannt) diefer gehörten. Genau ebenjo, wie wir dies beim Wiens ohne Viehzucht antrafen, wo jich die Samilienfrauen, bzw. die Kamiltenmänner um das Hordenhaus herumlagern mußten, muhten auch die „Kamel“ Dder- jenigen Aderbauhorden, welche VBiehzüchter mit ihrem Vieh raubten, weil jene im Sept feinen Plat finden fonnten, ihre vumden Hütten außerhalb des zwetreihigen Einheitshaufes aufichlagen. Eine Sache fan jich, wie wir jchon oft hervorgehoben haben, nur dadurch entwideln, daß fie ihr wejentliches Merfmal behält, aber dody zugleich ein neues Merkmal in fi) aufnimmt. Da nun das Grundmerfmal aller Invices-Lagerungen eben in den zwei entgegengejetten (männlichen und werblichen) Neihen, das Grundmerfmal der Kreislager der Viehzüchter dagegen in der Viertheilung lag, jo fonnte das zweireihige Zager bei der Berührung der beiden heterogenen Horden auch nur durch das Grundmerfmal „vier“ modifterrt werden. Die Zahl jieben war beim Viens nur ein zufälliger d. h. unbewußt zu Stande gefommener Zuftand, für Ddejjen nähere Aufklärung mir feine Ihatjachenmerfmale befannt ind. Wollte man Viehzucht-Betrieb einführen, jo fonnte derjenige Menjch, der zuvor nie Vichjtand gepflegt hatte, jich) nur von der Vorjtellung leiten lajjen, die er bei denen gewann, die bisher Viehzucht getrieben hatten. Kur fie fonnte er nachahmen. Aus der Vorjtellung, daß die Viehzüchter in Duarters getheilt find, entipringt eben die mimmehrige Eintheilung des zweireihigen Glanhaujes in vier mal vier Lagerpläße, und zugleich er flären ji) daraus die Numdhütten um das Haus der Aderbauer. Beides im Verein, das große oblonge Haus und die runden Hütten, ift zum DVerjtändnig eimes jolchen VBicus, welcher vom Aderbau zur Viehzucht übergegangen tft, nothwendig: im jenem liegt die Gontimuttät mit dem früheren Wohnlager, in der Vierteltheilung dejjelben die Miodification durch die Viehzüchter. &3 wird dem aufmerfjamen Xejer, der auch für Stleinigfeiten In- tereife hat, jchon bei Schilderung des triihen Glanhaufes (©. 137) auf- gefallen jein, daß in demjelben für ein und diejelbe Sache zweierlei Be- zeichnungen eriftiren, nämlich) für die das Dad) jtüßenden Säulen die Ausdrüde „gavael bezw. colovyn“ und „fyreh“. Dies ift für den, einen Ihatjachenzufammenhang feitjtellenden Statijtifer mindejtens ebenjo aufs 312 sünfter Abjchnitt. fallend, wie für einen Grimmalpolizei-Sommifjarius bet Fejtitellung der Herfunft eines aufgegriffenen Vagabunden zwei Geldjorten jeines Geld- täfchhens. CS handelt ji im Glanhaufe um zwei Ausdrüde für em und diejelbe Erjcheimung, von denen der eine dem Viehzüchter, der andere dem Aderbauer eigen tft. Was nämlich bei den Wanderhirten die Gabel (abp. gabala, mhd. gabele, angelj. geaful, lat. gabalus), das it bei den jephaften Aderbauern die Surfel (angel). fure, engl. fore, lat. furca verw. zu forceps und forfex). Die Gabel und die Furfel jind zwar ihrer Er- Iheimumg nach von gleicher Seftalt, aber dem Wefen ihrer Herfunft nad doch nicht wenttjch. Die Gabel benußte der Viehzüchter zum Aufgabeln des Viehfutters, die Furfel der arische Aderbauer zum Tragen jeines Ge- treives, weshalb furca befanntlich bei den Nömern geradezu die Bedeutung von „Irage” hat. Im jog. Glanhaus dienten die Gabeln (gavael bzw. fyreh), wie berichtet wird, zum Stübten de3 Dachbaums; und jo nannte der Vichzüchter diefe gabelfürmigen Dachjtügen gavael, der Aderbauer aber fyrch. — Dem aufmerfjamen Lejer wird es aber (©. 304) weiter nicht entgangen jein, da auch für die 4 „Betten“ zweierlei Auspdrüde bejtehen, nämlich randirs und gwelys. Nand ift die gebogene äufere Kante am Schiff, daher der Ausdrud „Bordes Nand“ (befamutlich ein Schwur). „Bord“ ift einer der vielen Ausdrücde für das Langhaus der Brüpderjchaften, von dem auch die „Barden“, jowie die Yangobarden ihren Namen haben, die nicht ihrer langen „Bärte”, jondern ihrer langen Hänfer wegen jo benannt wurden. „MNand“ waren die beiden Seiten um das Hauptjchiff, weshalb Bord und Nand im Sinne von Cinfafjung oft gleichbedeutend find. Abd. rant wird mit Schildrand, Schildbudel, 2. h. die Umrahmung des Schildes wiedergegeben; mit jpanijch „randa* benennt man die Spiten am stleide; Nandir tft der dem arijchen Wohnlager ent= nommene Ausdrucd, während Gwely ganz dafjelbe bei der Wanderhorde ausprücdt, nämlich die Kante des unmvallten Kreislagers, den Wall (engl. wall, angelj. weall, lat. vallum). Wie wir jchon mehrfach zu beobachten Gelegenheit hatten, liegt den Wohnungsbezeichnungen der Wanderhorden zugleich das Bewegliche inne, was wir auch beim Ausdrude „Wall“ wiederfinden. Denn wallen (angel). weallian, ahd. wallön) hat den Sinn von Wandern (engl. to walk). Die Walfa jpielt, wie ich bet Darftellung der Gejchichte der gewerblichen und Handelshorden in eimer jpäteren Schrift zeigen werde, auc) in den jog. Artels eine Nolle. > Da ja die Arter für ihr wechjelveihiges Wohnhaus, die Arche, einen bejtimmmten Ausdrud hatten, jo dinfen wir wohl vermuthen, daß ihm die Bezeihnung „Slan’ von den um das oblonge Haus MWohnenden, d. h. den vormalig Wandernden, gegeben wurde. Cs ijt dies ein Ausdrud, der Das Neihenlager der Viehzüchter 2c. 218 in lautlichen Variationen weit verbreitet tft und im Gegenjaß zu den runden „Hütten“ (lat. casa aus cadta), eine ebenfalls weit verbreitete Bezeichnung (wie 3. DB. kata bei den „Kafj’afen), Iteht. Much bei den alten Mongolen treffen wir die beiden hier in Frage jtchenden Gegenjüße an, 3. BD. ti dem winmwderfamen Gedichte Purheba Diehamt’s, wo es heift: „Kodich und Kalan begehrt der Divan Deiner Liebe." Hammer- Burgitall!) überjeßt die beiden Musdrüde mit „Wandernde‘ und „Bleibende*, was ich jachlich für entjchteden richtig halte; denn de Hütten- bewohner (Kodjch) Find eben Wanderer, während Kalan die Scehhaften bedeutet. Weshalb die Bewohner der runden Hütten diejes oblonge Haus mit Glan bezeichneten, ijt auch hier jchwerlich aus der Sprachwurzel allein zu entnehmen, da eben die Wurzel ihre Bedeutung ändert. VBerdenfen wir zudem, daß die Wanvderhorden, wen jte auch wohl immer nur den ihnen zujagenden umd Daher jtc im großen Ganzen gleichenden Gegenden nach- gezogen fein werden, doch nicht ohne Beränderung in ihrem Vorftellungs- bereich geblieben jein konnten. tr wifjen aus verichtedenen Schilderungen, daß das Langhaus mit Stroh und Mohr bedacht war: was die Arter „ar“ista nannten, bezeichneten die Wanderhorden mit „cal“amus d. t. „Hal’m. Wir wifjen ferner, das das oblonge Haus, weil es urjprünglich feine Lichtöffnungen hatte, jchwarz und dunkel war: im Sanskrit bedeutet käla—xndts einen jchwarzen Ale, caligo das Diuntel; es war ein finfteres „Heim“ für die Nrter, daher elandestinus ge,heim".?) Nie viele Bedeutungen würde man finden, wollte man alle diefenigen Sprachen, auf welche die betreffende Wanderhorde, der diejes Wort eigenthünlich war, befruchtend und mopdificirend etmmvtrfte, auf die Bedeutung der Wurzel kal ducchforichen? Dies zu thun wird Aufgabe der Sprad)- forjchung fein, wenn die Urgejchichte jo weit vorgejchritten jein wird, daß fie anzugeben weiß, aus welchen Hauptelementen von Horden das Volk, dejfen überlieferte Sprache man jeweilig jtudirt, zufannengejchwerkt wurde; auf Grund der zuvor fejtgeftellten Sachverhalte wird die Sprachforjchung meines Grachtens in Zukunft noch viel leiften fürnmen. Das GSlanhaus tft der Gegenjaß der Hüttenlagerung um das Glan- haus, — ein Gegenja, der jeine wirthichaftliche Bedeutung exit gewinnt, als die Arter fich Vichzüchter unterworfen haben, mit denen fie den Vers ichmelzungsproceß einleiten, der jchlieglich zur volljtändigen Verjchmelzung führt, wie dies an der Begleiterfcheimung, die man fäljchlicher Weife zur Hauptjache erhebt, nämlich an der jchon oben (©. 133 und 134) genügend Y Gejchichte der goldenen Horde ©. 461. 2) Die Form elam (alt calim) tft ein Acc. fem. wie pal-am, promiscam analog zu jfr. Am in uttar-am. | 314 sünfter Abjchnitt. angedeuteten Gleichjtellung der Be (unehelichen) mit den ein- aeborenen (ehelichen) Söhnen der Sefhaften erfichtlich ift. Die feruelle Sricheinung tft auch beim Glan etwas Nebenjächliches. Als die Viehzüchter die Aderbauer in ihrer Ebene bevrängten und ihnen theilweije ihre Felder nahmen und zu Wiejen ummwandelten, wie e& uns in dem alten Neim jehr gut veranjchaulicht wird: „&s hat gemachet ein Nieje meine Hube zu ner Wieje” d. h. ein Metjender, ein Gennete, ein Wanderer war es, der die bisher den Aderbau dienenden Huben (campi) in MWiejen unmmvandelte, zu jener Zeit jage ich, mußten Die Acderbauer nach) dem Waldlande, namentlich dem oberhalb der dpyas gelegenen Lande ziehen und fich jelbjt „Niefen“ unterwerfen. Indem fie das thaten, vollführten fie es zugleich um des Viches willen, das jie mitraubten. Aber dadurch, day fie beider zugleich fc bemächtigten, war die Lage jener Wiehzüchter feine jchlimme, weil diele von ihrem Vieh nicht getrennt wurden. Hätte e8 zu jener Zeit jchon große Völker ge- geben, die eine nationale Einheit bildeten, jo hätte e& nie gejchehen fünnen, daß auf einem und demjelben Boden in geringen Entfernungen von einander Aderbaner Viehzüchter und anderntheils Viehzüchter Ader- bauer fich unterwarfen. Das Land, wohin die erjteren zogen, jenes Waldland, mußten jte nunmehr entwirzeln und mit anderen Werkzeugen, als bisher, nicht mehr mit jener Nißftange (aratrum) be,ar”beiten, jondern jchlagen (col-o x2)-)w, skr. kal-ajati). 68 it die TIhätigfeit auf dem bevedten Lande (col-or die Dede) bezw. dem Berglande (lit. kalnas der Berg), die den cultoriichen Aderbau mit Viehzucht heworruft. So wurden die arijchen Acerbauer aus „Aratores” zu Aderbauern des bededten Landes d. 1. zu „Sultores". Die letteren find vom wirthichafts-hiftoriihen Standpuntte aus als eime höhere Stufe zu betrachten, weil fie nunmehr genöthigt waren, Spann und Jugpieh einzuführen. Das Yand, welches die Gultores in Bei nahmen, heigt in ver ichtedenen Sprachen ebenfalls „Slan*. Im der alten jchmediichen Sagen- aeschichte verbinden fich die Gelonen, die befanntlich Birgil als pfeil- tragend (sagittiferosque Gelones) befingt, mit den Budinern, von denen die erjtern (nad) Dalin) „das Feld mit größerem Fleife bebauten“, eine Mit- theilung, die für uns nichts MWunderbares mehr hat, weil eben Einzelhöfer der Niederung arischen, die Gelonen cultorifchen Betrieb hatten. Bet diejer Gelegenheit jagt Dalin, „te hätten ihren Namen von Gäle, einem alten jeythiichen Wort, das joviel als ein Brachfeld und auch im Sina und Nuffiichen im gleicher Beventung Gelahn beige". Da dies vollftändig mit dem von mir fetgejtellten Sachverhalt übereinftimmte, obwohl der Ausdprud „Brachfeld”, mit dem wir jegt einen Das Neihenlager der VBiehzlichter ac. 315 ganz bejtimmten etwas andern Sinn verbinden, für die Gegenwart nicht ganz zutreffend it, jo theilte ich meine Beobachtung meinem geehrten Dorpater Gollegen (für ruffiiche Sprache), Leonhard Mafing, mit, der die Güte hatte, miv über das in Frage ftehende Wort en Mitthetlung zu machen.!) „Im Nuffiichen bezeichne jelan eine Wieje oder ein Feld, namentlich auf einer Waldrodung; jelanstschik heiße ein Bauer, defjen Feld im Walde auf fol einer Nodung liegt. Damit hänge meh zus jammen jelnja Ausbau, Lichtung im Navelholzwalde; junges Nadelgehölz mit untermijchten Baumftümpfen und Wurzelreften; jelzy eine Art Harfe Itatt der Enge gebraucht, wo der Boden wegen des Vorhandenjeins von Wurzelreiten, Baumftümpfen 20. die Anwendung der Gage unmöglich macht. Wenn der hier vermuthete Zufammenhang richtig jei, jo fomme jelan von jel’, pinus abies und der Ausdrud wäre dann zunächt und urjprünglich von der Nodung im Vadelgehölz zu veritehen; gegemvärtig jei der Sinn verallgemeinert, da jet feineswegs nur an QTammen- oder Fichtenrodungen gedacht wird." 2. Mafing fügt hinzu, „daß die an- geführten Wörter Jämmtlich im afademijchen Wörterbuch von 1847 fehlen, aber Dahl fie habe. ES jet interefjant, daß der jchwedische Hiltorifer fie fannte. Im der eigentlichen Literaturjprache jeten fie auch gegenwärtig wohl faum befannt.” Wir ftogen auf verjchiedenen Drtpunften der Erde auf Völker: beitandtheile, die Durch die Sprachwurzel „Gel“ characterifirt worden und uns in zahlreichen VBölfernamen, wie Gälen, Galen, Walen 2. erhalten find. Das Gael oder Gäl wird bald zu Kael, Käl, Stel verhärtet, bald zu Wal erweicht, bald mit Endungen (Galli, xeitot, Wallifer), bald mit Zujaßworten (wie Kalesdon oder Keltsiberier) erweitert. E. häufige MWiederfehr diefer Sprachwurzel an verjchtedenen Drtpunkten der Erde fan en jich ebenjo gut aus der Ausbreitung der Arter wie aus der Wanderung der Gentes erklärt werden d. h. jo, daß der Ausdrud jenen jo gut wie dDiefen zu eigen geween jein fann. Darauf lege ich feinen großen Werth. ur würden wir, weil ja die Langwohnung bei der in Frage jtehenden Ericheinung neben der Hüttemwohnung auftritt, im leßteren Falle annehmen müffen, daß fie beide zufammengewandert wären. Mir it fein einziges Beijpiel im Völferleben befannt, daß eime feitjiende Horde eine Wanpder- horde zum Wandern nöthigte; das wäre ein Widerjpruch in fich jelbit. Nahm eine Wanderhorde eine jeghafte Horde mit ich fort, jo hatte im HundarHärad jene (Gens) die Oberherrichaft über diefe (Gognatto); im !) Da ich feine rufjischen Yettern zur Verwendung habe, bringe ich die betreffenden Wörter unter Berückfichtigung der ruffiichen Ausfprache in lateinijcher Schrift, wie fie mir mein früherer Eollege (jeßt Profejjor in Kajan) E. Bobroff niedergejchrieben bat. 316 sünfter Abjchnitt. GSlanhauje aber jehen wir, das umgefehrt die Aderbauer über die Aufen- wohnenden!) d. t. die ehemals Nandernden donimiren. Io wir fultorifchen Aderbau, wofür wir aud) jagen fünnen „Slane“ antreffen, fünnen wir bejtinnmt jchliegen, dag Viehzüchter von arifchen Acerbauern unterworfen wurden, die Sontinutät der Haupteinrichtung auf Seiten der Aderbaner gewahrt umd nur entjprechend der Viehzucht mopificirt wird; e3 handelt ji) alsdanı um emen Übergang vom Mderbau unter Beibehaltung dejjelben zur Viehzucht. Dat im Irland lauter Glane fich gebildet haben jollen, tft jhon apriori nicht anzunehmen. ber vor Allem die thatjächlichen Befunde „zahlreicher unvegelmäßiger, vierfeitiger und trapezoidifcher, auch Dreiediger und abgerumdeter Grundjtüde von verjchtedener Sröge* auf den Slurfarten lafjen deutlich erfennen, day in Irland eine itarfe Vermifchung von Viehzüchtern und Aderbauern erfolgt it. Ju jener Zeit, als dies geichah, hat Jich „Die alte Sprache der Iren“ nicht, wie behauptet wird, „im Juftande größerer lautlicher Zerfeßung als irgend eine andere indogermanische Sprache befunden“, jondern je war im Juftande einer Vermifchung mit einer anderen, bzw. mit mehreren anderen Sprachen. - So wenig als id) bei der Zubereitung einer Bowle, tmdem ich zu dem Miojelwein Zuder, Apfelline, Gognac und Champagner zujeße, zu jagen pflege, der Miojelwein befinde ji) im Zujtande der „Zerjegung“, wo es ji) Doch um Hinzutreten von Gfjenzen handelt, die den Zuftand des Miojelweins modifteiren, jo wenig fan man von der Jerjeßung einer Sprache veden. Die ariiche Sprache der Iren wurde durd die Wander: horden mopifteirt, und darin bejtand ihre Gntwidelung. Cine Sprache fann jtch durch jich jelbjt gar nicht zerjegen; wohl aber fünnen Diejenigen, welche eine Sprache jprechen, wenn jte in Verfehr mit Perjonen treten, welche eine andere Sprache reden, wechjeljeits Elemente ihrer verjchtedenen Sprachen in jich aufnehmen, was man eben Sntwicelung nennt. Wer viel hat, Fan auch in einem jolchen Falle viel geben. Sollte die jog. irijchefeltiiche Sprache, was ich nicht zu beurtheilen vermag, mehr von den Wamderhorden angenommen, als ihnen abgegeben haben, jo würden wir ihltegen dürfen, day die Wanpderbevölferung emen größeren Ginfluß auf die ariiche Bevölferung ausübte, als fie auf jene. Wie ein zu großes Glas ; Sognac den Sejchmad des Miojelweins in der Bowle jelbit für eine 1) Der ganze Sachverhalt ergiebt, day ich hier Innen: und Aupen- Nohnende gegenüberjtehen. Da ich jchon zu meinem eigenen Bedarf bei der Eom- bination eines Ausdrucds benöthigte, jo jeßte ich dem Worte „elan” das Wort „eter” gegenüber, nicht ohne beim gelegentlichen Zujammentreffen mit Bhilologen mich erfumdigt zu haben, ob man diefen Ausdruc auch gebrauchen könne, Diele Jahre jpäter fand ich bei Gorjjen, wie ich jehon in meiner Schrift „Horde und Familie” ©. 243 erwähnt habe, auf etrurifchen Grabmälern „clan“ und „eter” als Gegenjäge. Sollte hier nicht derjelbe Sachverhalt zu Grunde liegen? Das Neihenlager der VBiehzlichter 2e. 317 fein analyfivend Durchichmedende Zunge nahezu illuforiich machen fFanır, jo fan auch eine zu jtarfe Dofts eines bejtimmten anverhorden-Klementes hier den artichen Grundftoff faum noc erfennbar fein laffen. Die irische Sprache wurde mopdificitt. Was von der Sprache gilt, gilt von allen Seiten des Sulturlebens. Auch die wirthichaftliche Entwicelung der Mtenfchheit beruht auf der Be- rührung relativer Gegenfäße, aus deren großer Mamnigfaltigfeit in diefem Buche von mir allein der Gegenjaß der Aderbauer und Viehzüchter aus- gewählt worden tft; und was diejen betrifft, jo fan er, weil fich ja nicht ganze Völker, jondern eben nur Horden vermifcht haben, auch nur in der Mannigfaltigkeit jolcher Geftaltungen zu Tage treten, welche unter dem Einfluß wohnörtlicher Bedingungen Stehen. Sie im ihrer Buntheit auf De=- fimmten Drtpunften der Erde zu jchtldern, tft Aufgabe der monographifchen, nicht der theoretiichen Darstellung. Durd) das Himeintragen von allerhand apriort gewonnenen Wor- Itellungen in den thatjächlichen Befund, wozu ich in erjter Yinte die durch reine Speculation gewonnene Annahme eines großen VBolksftamımes der selten zähle, der über große Yänder verbreitet gewejen jein joll, hat man bislang verabjäumt, diefen Befund auf feine einzelnen Ihatjachenmerfnale zu anterfuchen. Infolge dejjen jchreibt man „dem eigenartigen großen Slanhanje mit feiner dretichiffigen Sintheilung einen nationalen Character” zu, während doch, wie der vorgeführte Ihatfachenzufammenhang evgiebt, diefe Gricheinung weit über die Side verbreitet ift. Und indem man die Aufmerkjamfeit allem auf diejes angeblich nattonale GSlanhaus richtet, verabjäumt man Umjchau um dafjelbe herum zu halten. Auf diejfe Weije überficht man, da die Zownlamd-Verfaffung in Irland etwas ganz anderes als die Slanverfaffung it, daß beide Sricheinungen außer einer größeren Anzahl anderer wirthichaftlicher Sricheinungen neben einander bejtehen und daß diefe durd) einen Erfenntnigproceg von einander gejchieden werden mällen. Das GSlanhaus, weil es unter gleichen Bedingungen wie die Slahta der Viehzüchter im wäfjerigen Scheerengebtet in Grichemung tritt, hat diejelbe Verfafjung wie diefe. CS handelt fi nämlich in beiden Fällen um „die vier Männer” des kleinjten Nundlagers der vichzüchtenden Wander- horde, welche unter die Gewalt der jeghaften Aderbauhorde fommen. ur bejigen wir bis auf etwa noc zu machende Beobachtungen bislang für die Scheerenbewohner von deren Einheitshaus noch feine ficheren Nach- richten, während uns im Glan deutliche Spuren erhalten find. Aus dem Entwiclungsproceh, der fich im fiebenhöfigen Vieus zwifchen den fremden und heimijchen, den arbeitenden und ruhenden ZIhetlen abgejpielt bat, wirde man vielleicht jchliegen Dürfen, daß jich, weil ja die Bedingungen 318 Sünfter Abjchnitt. im Verhältnig zum Grunde der Grideinung analog find, ein ähnlicher Proceß auch hier vollzogen hat. Dak die vier auch in der Gejchichte der Miyftif eine Nolle jpielt, it befannt. Bei den Pythogoräern war die terpaxtbs (quaternio) Wurzel und Quelle aller Dinge, und befanntlich nahm zuerjt Empedofles 4 Glemente, ororyelz, an, die er HeLopar« nannte, die aber nicht mit den Zpyat, den formellen Urjachen der Schöpfung der Dinge, zu ver- wechjeln find. Auch bei den Chinejen hat die vier eine bejondere Be- deutung; unter Andern verbindet man mit 4 die Bedeutung von „Alle“. Doch zu fihern Gombinationen bei der Vierzahl zu fommen, ijt deshalb ichwierig, weil, wie wir oben gejehen haben, die vier, urjprünglich ein GSharacterijticum des Nundlagers, erit jpäter auf das oblonge Wohnlager übertragen ift. Die „acht“ dagegen it wohl unzweifelhaft eine Zahl, die für dasjenige Wohngebilde Bedeutung hat, das wir unter „Glan betrachteten: jte it eben eine Verdoppelung der vier, weshalb auch fr. ashtäu (geihwächt aus ‚aktäu‘, octo—0xTmw) Dualform it. (8 giebt befanntlich außer der fiebentägigen „Woche“ auch noch die Zeitjpanne „acht Tage", welche beijpielsweife die FSranzojen huitaine nennen. Sie zählen in ihrer Sprache bis 16 (seize) und componiren jomit erit von 17 (dix sept). Seizain bedeutet noch gegenwärtig ein Gebund von 16 „Neifen". Wenn in der Urgejchichte des heutigen Frankreich ebenfalls das fräftige Ge- mijch, das wir im Glan fennen lernten und welches eben in den 16 um das Wechjelgereihte lagernden Nıumdhütten zum äußeren Ausdrud gelangt, in der Form von Kelten auftritt, jo darf uns Diefe Sricheimung nicht nothwendig zu der Annahme bejtimmen, da aud) der Drt, wo das Gentjc) zu Stande fam, für Irland und Sranfreich derjelbe jein mußte. So wenig man, um auf das vorhin gegebene Beijpiel zurüdzufonmen, aus der Sriftenz zweier ganz gleicher Apfelfinenbowlen an zwei verjchtedenen Drtpunften zu dem Schluß berechtigt tft, fie jeien von dem einen nad) dem zweiten Drte verfandt, jo wenig darf man ohne bejtimmt angegebene Merkzeichen den Schluß ziehen, die betreffende Agrareinrichtung jet durch) Wanderung eines irgendwo einheitlich gewordenen Volfsftammes verbreitet worden. 63 handelt ich eben dabei nicht um eine elementare, jondern eine gemifchte Gricheinung, was man nicht außer Acht lafjen darf. Ber denjenigen Völfergebilden, welche die „acht“ haben, erjcheint oft als ein hinzufommender „Neuling die „nen’n (lat. novem und novus neu, griech. Zvvex aus Z-oyspa neu, friich). Die lernätiche Schlange hatte neun Häupter, wovon acht jterblich, das mitteljte aber unfterblic) war. Die römischen Nundinae bildeten eimen neuntägigen Zeitraum, gleichjam eine meuntägige Woche. Im sSegeljpiel trennt der Neunte in der Mitte die beiden vier und herrjcht über die acht. 2 250 en Jteihenlager der VBiehzüchter zc. 319 Auch diejer Miyitif, über die fich weiter zu verbreiten ein leichtes wäre, liegt eine jinnliche Vorftellung zu Grunde; ich gedenfe ihrer hier nur deshalb, weil ein Specialift der irländiichen Agrargejichichte von mir über den „Ianaijt“ im triichen Glan noc Nechenjchaft verlangen fünnte. Sch erkenne im demfelben den Neunten. 68 wird gemeldet, day „einem jolchen Glan oder Sept ein Häuptling (Glan Ginnet), Glan Finme) vorjtand, der jeine Nechte an Winde und Land aber nicht vererben fonnte. Vielmehr wurde für ihn jchen bei Lebzeiten durch Zuftimmung oder Wahl der Stammesgenofjen ein ge Ichäftsfundiger Nachfolger (Tanaijt) ernannt.*1) Darf man in Bezug auf die Entjtehung den Tanatft den Häuptlingen der Sept gleichitellen? Mit nichten. Daß Glan und Sept zu unterjcheiden jind, haben wir aus dem Zufammenhange der Ihatjachen bereits erfannt. Im jedem Glan bejtehen vielmehr immer zwei Septe genau jo, wie bei den Berbern (fiehe oben ©. 185 Anmerkung) zwet verjchtedene, eine linfe und eine rechte „Sof“ angetroffen werden. Auch in Irland weifen die beiderlei Ausdrüde „Gin- neth“ und „Sinme" auf zwei Glemente im Glanhauje hin, die beim Berjchmelzungsproce allerdings nad) und nach gleich ‚bürtig“ werden. Wenn jet im Clan ein Tanatjt bemerfbar it, jo Fam diefer nur |päter hinzugefommen jein, weil dies ein Merkmal tft, welches wir bei andern Mechjelgereihten noch nicht fanden. Wir müfjen erwägen, daß uns die Mittheilungen über die irländiichen Zuftände aus einem um jehr viele Sahrhunderte jpäteren Zeitraum übermittelt find, als wo die Einrichtungen entjtanden; und die Aufgabe des Urgejchichtsforjchers beiteht ja eben darin, den abgejchlojjenen Zujtand in feine Elemente zu zerlegen umd aus der durch die Zahl der Merfmale jich ergebenden Entwidelungsreihe der Zuftände das hijtoriich Frühere von dem gejchichtlich Späteren zu Icheiden. Cs it deshalb nicht zuläfftg, die Mittheilungen, welche wir insbejondere dem Attorneygeneral für Irland unter Sacob I, John Davies, aus dejjen Calender of the state Papers 1606—1608 und Discovery of Irland verdanfen, ohne Weiteres auf vielleicht ein Jahrtaufend zurüc- liegende Zuftände zu übertragen. Der Tanatjt ift als ein neuer Ent- widelungsmotor zu betrachten, indem er eben für jeden der acht Haus- halte der Neunte wird. Sn den Schilderungen „des iriihen Stammeslebens“ wird erwähnt, „in der Mitte des Hauptjchiffs, zwijchen den Meitteljäulen und in ver Halle des Häuptlings laufe ein Schirm zwiichen Diefen Mtittelfäulen und den zwei Wänden, der das obere Ende, wo der Häuptling umd die vor nehmjten Ingeitellten ihre bejtimmten Pläße haben, von dem unteren Ende theilweije abjondere, wo die bejcheideneren Mitgltever des Haushaltes 1) Meiten, Siedelung und Agrarwejen I ©. 182. 330 sünfter Abjchnitt. in Neih und Glied Liegen. Die Säulen jeien manchmal wie im den Häufern bei Homer oder im jalomonijchen Tempel mit Metall bekleidet, und um zur Nuhe zu verwerten, pflege der silentiarius eine vderjelben mit jenem Stab anzujchlagen. ber dem Bette oder Site des Häupt- lings erhebe fich zuweilen ein metallener Traghimmel; in jeiner Hand ruhe ein goldener Stab, ihm an Höhe gleich und jo did wie jein Kleiner Finger. Fr jpeife aus einem goldenen Teller, breit wie jein Geficht und jo did als der Daumennagel eines Acderers, der jteben Jahre lang mit dem Pfluge umgegangen jei.!) — ES it faum nöthtg, meinem verehrten Lejer, der weiß, day man Die Snhwidelhmg einer Srjcheimung nur nach der Zahl der Merkmale in abgeitufter Neihenfolge vom Grundmerfmal mejfen und be= jtimmen fan, darauf noch bejonders aufmerfjam zu machen, day im Vers aleich mit den großen wechjelreihigen Einheitshäufern, beijptelswerje ver Rolynefier, hier ein neuer Kactor hinzugetreten ift, der eben bei den Ir= (ändern „Ianatft* heift, deffen Gntwicelung jelbjt wieder uns zu weit von unjerm vorläufig geitedten Ziele ableiten würde. Wir willen aus anderen völferfimdlichen Nachrichten, day an mehreren Drtpunkten der Erde nach der Entjtehung des den Mcerbau mit der Vieh- zucht vereinigenden Slans, defjen Wohnung, wie gezeigt, auf den gerodeten Waldlande (Glanland) fie befand, ein weiteres Zuftrömen von Wander- horven nach der Ebene erfolgte, um Jich hier auszubreiten. Man fan fie wegen der „deh’nenden Umjpanmung (jr. tanöti, gr. Teivo, got). than-jan) mit dev Sprachwurzel „Ian“ bezw. „Dan“ benennen. id) auf der arijchen Cbene ausbreitend, bedrücden fie ihre Bewohner und in ihrem Beftreben, te zu beherrjchen, werden jte, wein auch nicht überall, jondern nur, wo die Bedingungen gegeben find, nicht blos die Begründer fleinerer Neiche, Jondern vorerft Herren der entjtandenen Eleineren Mifchgebilpde, zu denen in erjter Yinie eben die Slans gehören. In ihnen treten fie als die „Denen“, bzw. Meunten auf. Da uns diefe Erieheinung urkundlich nur in fertiger Korm vorliegt, ihre Entjtehung aber in das Gewand der Sage gehüllt it, werde ich im nächiten Abjchnitt ihrer im Miythos des Kampfes ziwifchen Gelanor und Danaos, dem jener die Herrjchaft übergiebt, gedenfen. Die jchwedtjche Sage drüdt das Hinzufommen der „Nenen” etwas projaticher aus, indem jie erzählt, „es hätten die Gelonen mit den Wodinern Dörfer angelegt, zu denen Fich noch ein Gejchlecht, ein Gemijch von Scythen, Griechen nıd Shräern unter dem Namen der „Neu’erer gejellt, jo dag aus drei Völkern aleichlam eins ward, welches fich weltwärts nach unjeren finnijchen nd Ichwedtjchen Scheerengegenden zog." Da man zur Jeit Dalin’s, defjen !) Ancient Laws ete. p. 3 nach Fr. Seebohnm (v. Bunfen), die Englijche Dorfgemeinde ©. 161. 162. 5 Meihenlager der VBiehzlichter ze. 391 „Sejchichte des Meiches Schweden” (©. 45) ich diefe Notiz entnehme, noch gern alle Sprachverwandtjchaft auf die Suden zurüdführte, ähnlich wie man jte in unjerm Jahrhundert auf die alten Irwogermanen zurücleitet, jo hält der jchwedifche Schriftfteller die Neurer für UÜberbleibjel von den zehn iraelitischen Stämmen, die Salmanafjes gefangen aus Sanaan führte. Da jedoch die Entjtehungsgeichichte der WBölfergemifche eine combi- natortjche Arbeit für fich bildet, mir es aber in diefer Schrift nur um Darlegung der zum Berftändnig der Urgefchichte des Aderbaues und der Viehzucht erforderlichen Elemente anfommt, jo lafje ich die ethno= grapbtichen Kombinationen abjichtlich bei Seite. Mit der Entjtehung des Clans jchliegt diejenige urgejchichichtliche WBertode, welche zu jchildern in diefem Buche ich mir vorgenommen habe, ab. So wie fich jchon bei der Leetüre meiner eriten Schrift mancher „Schnellfertig” gewundert hat, daß ich im verjelben des Clans nur mit dem Hinweis gedacht habe, er jet ein |päteres herrjchaftliches Gebilde, obwohl doc) gerade die moderne Sthnologie den Glan möglichit weit in die Urzeit zurücverpflangt, jo darf ich im Voraus gewig fein, daß auch mancher Xejer der vorliegenden Schrift ji) wundern wird, daß ich mich nicht über ESricheinungen ausgejprochen habe, die ev ebenfalls Fäljchlich im grauer Vorzeit zu finden erwartet. Das tft eben das Meerhvüivdige, day bet der Betrachtung der Er- icheinungen im Zujfammenhang auf Grund reiner Ihatjachenmerfmale viele Dinge, von denen man beim Bey des Unterfuchungsprocefjes vermeinte, fie feten Frühzeitlich, fich als jpätzeitlich herausstellen und. daß anderfeits wieder Grjcheinungen frühzeitlich find, die man anfangs für pätzeitlich hielt. Die hiltoriiche Berfpective muß nothwendig eine andere werden, je nachdem man apriori auf Grund eines allgemeinen jubjeftiven Stmodruds jein Werthurtheil abgiebt, oder ob man apojteriort aus den dem Grund- merfmal hinzutretenden Nebenmerfmalen die wirkliche Aufeinanderfolge der Ericheinumngsformen beftinmt. Wir müfjen, wie gezeigt, wohl unterjcheiden die Acerbauer, welche zur Viehzucht übergehen, von den Vichzüchtern, welche Aderbau in jic) aufnehmen, und auch innerhalb der beiden Hauptfategorien auperdem noc) die Verfchtedenheit der Formen, im denen fie erjcheinen, aus einander halten. Dann werden wir erjt em richtiges Verjtändnig für die bunte Mannigfaltigkeit des Wirthichaftslebens gewinnen und evfenmen, daß aller- dings eine bejtinmte Sejeßmäßigfeit im Völferleben beobachtbar üt, daß aber anderjeits auch große Verjchiedenheiten fich bemerkbar machen, weil eben überall da, wo Grund und DEN aleich Jind, gleiche Zuftände, wo fie aber differiven, abweichende Verhältnifje entjtehen müfjen. Cs jind bei den Mifchungsverhältnifien zahlreiche Sombinationen denkbar, bei deren Durch- forschung wir außerdem berüdfichtigen müfjen, dab oft nur die Anfähe zu . b) Wuee, Ürgeichichte. 21 392 sünfter Abjchnitt. Miihungen gemacht, dDieje aber nicht durchgeführt wurden, weil der wandernde Theil vor Beendigung des Procejjes feinen Dienjt verjagte und wieder weiter 300. (85 it eine, jelbjt in jolcher Zeit, wo es bereits größere Gomplere im Wölferleben gtebt, oft zu beobachtende Ericheinung, daß fich einzelne Thetle des Gompleres loslöjen, um weiterzuziehen. So willen wir 3. B. durch Brocop von Abjcheidungen eines Iheils der Bandalen in Schlefien, oder durch Baulus Diaconus von ähnlichen Vorgängen bei Deutjchen im Skandinavien. Für Ddiefe und ähnliche Ericheinungen gewinnen wir erjt dann ein richtiges Verjtändnig, wenn wir den Schwerpunkt nicht in den Bölfernamen jelbjt, die ja im den allermeiften Fällen nur zufällige Be- zeichnungen für gewifje complere Gebilde find, erbliden, jondern wenn wir die Zujammenjeßung derjelben aus gewilfen Merfmalen zu ergründen jtreben, wobei eben insbefondere wohl zu unterjcheiden tft der HundasHaerad (gens cognatioque), die unter dem Glan befindliche Wanvderhorde, Die Verbindung einer zeitweilig mit einer andern ebenfalls zeitweilig jeshaften Wanderhorde und dergleichen mehr. Die Wirthichaftsgeichichte wird deshalb gut thun, vorerit bei ihrer Durchforfchung der alterthümlichen Emvichtungen die unbefannten Na- tionalitätsverhältnifje der Völker bei Seite zu jeßen, da ganz augenjchen- lich, wie der Zufammenhang der vorgeführten Ihatjachen ergeben dürfte, die Gejchichte der Nationalitäten fruchtbare Hinweife aus der reinen Wirth- Ihaftsgeichichte, aber nicht umgekehrt diefe aus der Nattonalitätengejchichte erwarten fan. Ich meine, daß es Deshalb auch zu frih fer, Die ver- ichtedenen Dorfanlagen der Menjchen auf nationale Gigenthümlichkeiten der Völker zurädzuführen, und beijpielsweife von germantjchen, jlaviichen oder feltiichen Dorfanlagen zu jprechen. SS it meimes Srachtens durch nichts zu begründen, wenn Meigen ms beijpielsweile das oben ©. 118 abgebildete Dorf, welchem ich den Namen VBieus gegeben habe, ebenjo wie das ©. 303 dargeftellte Nunddorf, das ich mit Zurba bezeichnete, „zwei bejtimmte Grundpläne der Slavendörfer”!) nennt, dagegen das oben (©. 175) wiedergegebene Schlangendorf germant- ichen Urjprungs je läßt. Hätte Meiten Mecht, dann würden jämmitliche Germanen der Gemengewirtbichaft und der Gewanneintheilung entbehren und die Schilderung des ITaeitus von der Decupation der Acer in Gegen- jeitigfeit für Nechnung der VBebauer wäre ebenjo eine echt jlavijche Kin- richtung, wie diejenige Aderverfafjung, welche aus den Nundlagern der Viehzüchter hevvorgegangen it. Im diefem Falle aber müffen wir folgern, day auch die Slaven aus zwer heterogenen Klententen bejtanden haben, und Y. Meiten a. a. D. ©. 52 und 53. — Das Neidenlager der Viehzüchter 2c. 323 jo kommen wir auf das zuväd, was tch für alle Völker behaupte, daß fie aus Milchungen hervorgegangen find. Ganz entjchieden widerjprechen muß ich auch Meiten, wenn er den im Kreife Merjeburg gelegenen Ort Geufa als ein dem deutjchen National- character entjprechendes Dorf anfteht. Ich Freue mich, da mir gejtattet it, dieje Anfiedelung ebenfalls aus dem Meigen'jchen Werfe abzudruden, weil ich eben dadurch zeigen Fam, wie zwei verjchtedene Autoren eine und diejelbe Erjcheinung von zwei entgegengejegten Standpunften aus beurtheilen fünnen umd daß in der Umpentung der Gricheinungen die eigentliche Yuf- gabe der wiljenjchaftlichen Sorjchung liegt. Werl durch jolche Umwentungen der objeetive Ihatbejtand niemals geändert, Jondern nur anders erfamnt wird, jo verlieren aud) alle jolche Werke, wie dasjenige Meigen’s, nichts an ihrer objectiven Brauchbarfeit und bleiben auf lange Zeit hinaus Sund- gruben mit reichhalttgem Miatertal für den Aufbau wifjenjchaftlicher Gebäupde. Fig. 11. Der Kleden Geuja im Kreis Merfeburg. Der Lejer findet den Ort Geufa in Meigen's Werfe „Stedehmg und Agrarwejen der Weftgermanen x” I. Band ©. 47 abgebildet. Ju diefer Art von Anftedelungen, wie fie in Genja zu Tage tritt, macht Meiten zunächit folgende Bemerkung: „Sie bejtehen nicht wetlerartig aus nur wenigen Gchöften, noch ind im ihnen jtadtmäßtg Humpderte jolcher Wohnitellen zufammengedrängt. uch Itegen die Häufer diefer Gehöfte, wie jchon TIacitus über die Bier der Deutjchen von feinen Gemährs: männern belehrt worden tft, wicht wie im Italten jtädtifch Mauer an 21” 394 Fünfter Abjchnitt. Maner an einander, jondern die Gebäude jedes Gehöftes jtehen einzehn, haben neben oder zwifchen ich einen für Wirthichaftszwede bejtimmten Hofraum, und jind von eimem Fleineren oder größeren eingehenten Sarten umfaßt". Diefe Auferumg Meiten's beruht auf einem Mißverjtändnig an Tacitus, der, wie wir oben (©. 144 ff) gejehen haben, nicht von „einem für die MWirthichaftszwede beitimmten Hofraum“, jondern mur von einem „spatium“ ». h. einem Abjtand der Gebäude von einander jpricht, tm Übrigen aber unter Virus mr das verfteht, was ev im Wirklichkeit ift, nämlich eine aus zwei gegenüber Itegenden Neihen einzelner Höfe bejtehende Drtjchaft, welche genau die Form hat, die Meiten als eine nationale Sigenthiümlichfeit den jlaviichen Dörfern zumeilt. Wenn Tacitus, um die Sittenrernheit der Germanen zu Jchildern, berichtet, day der Mann das unfenjche Weib „den ganzen Vieus entlang mit einer Getjel vor jtch her- treibt“ (per omnem vicum verbere agit), jo dürfte er jchwerlich unter „Dieus” ein Jolches Gewirr von Gehöften im Auge gehabt haben, wie ihn der Dirt „Geufa” im obigen Bilde darftellt. Ich muß es überhaupt be- zweifeln, daß es jchon zu Tacitus” Zeit derartige Gomplere tn Germania gegeben habe. Meigen ftellt fich unter „Dorf“ unzweifelhaft etwas Saljches vor, wenn er die weitere Bemerkung daran nüpft: „Auch dartn läßt fich der typiiche Sharacter nicht verfennen. Wie das Wort Dorf, Turf, Trupp dem Sinne nach einen Haufen (2) bedeutet, jo it auch haufenfürmig oder Hanfendorf der geeignetite Ausdrucd für diefe Art der Dorfanlage. Dat eine oder einige Straßen die Drtjchaft durchziehen, tt nothwendig, aber e5 gelingt nicht, für die Sejammtlage ein Gejet oder einen urjprünglichen lan aufzufinden. Selbit die Hauptwege laufen willfürlich nach ver- jchiedenen Michtungen und das Ganze bildet im Aufriffe ein Ne von frummen und winflichen Gafjen und Jugängen. uch die Mbgrenzungen der Gehöfte Stehen in feiner bejtimmten Beziehung zu emander. Der Überblict des Ganzen läßt feinen anderen Schluß zu, als day ummerhalb der meilt wenigftens im Mejten noch vorhandenen Bewehrung durch Hede und Graben, wie fie der Sachjenjpiegel (II. 66 8 1) vorausjeßt, fich zu geiten Die amvachjende Bevölkerung enger als anfänglich zufammengedrängt und den von Beginn an planlos vertheilten Naum noch unvegelmäßiger zer jtüdelt hat... . Day in allen diefen Zügen charactertitiiche Gigenthüns- lichkeiten der Beftedelung des germantichen Volfslandes erfannt werden müfjen, ergiebt überzeugend die WVergleichung mit den Nachbargebieten”. Sc habe mich vergeblich bemüht, für den bet Meigen oft wieder fehrenden Ausdruck „germantjches Volfsland* bei Gacjar und Tacitus Anhaltspunkte für die Annahme zu finden, die Germanen hätten „Bolfs- Das Neihenlager der VBiehzlichter 2c. 325 land” gehabt, das jte als einheitliches Volk unter ich vertheilt hätten. Dab das Wort „Dorf“ einen Haufen bedeute im Sinne eines Durchein- anderliegens von Grumpftücen, it wohl nur eine perjönliche Auffallung Meiten's, vielleicht erzeugt durch die Nedewendung: et wilder Haufen. Dod) dabei ijt es erjt das „wild“, welches diefe Vorftellung erwedt, während das Wort Haufen an fich eine durch Aufichüttung hervorgebrachte (erhöhte) Menge bedeutet; daher die Verwandtichaft von abo. hüba (Haube) zu abo. houbit (Haupt): ein Haufen Kirjchen bedeutet ebenjo wie ein Haufen Menjchen nur eine große aufgeworfene Anzahl Kirjchen bzw. eine zujammen= gefommene Menge Menjchen, aber keineswegs an fich etwas planlos In- regelmäßiges. Drdnen wir ja doch im Gegentheil an, die zerjtreut tegenden Blätter im Garten zu einem Haufen zufammenzufehren, Damit es ordentlicd) wird. Aber auch in der Bezeichnung „Dorf” liegt ebenjo wenig etwas Unregelmäfiges, wie im Worte „Trupp” (©. oben ©. 302). Nenn wir diefer Art von Inlagen, die Meiten „Haufendorf“ nennt, einen bezeichnenden Namen beilegen wollen, jo fann es nur ver Ausdrud „Sle", bzw. „Slecen“ fein. Sleden jind nämlich aus heterogenen ) Beitandtheilen zufammengeflochtene (mıhd. vlehten — Flechten) bzw. zu= jammengeflidte (gr. nIrosw, mbd. vlieken — fliden) Drtichaften (lat. plaga, gr. ren, lit. pleka und plega, mhd. vlöke). Der Ber- gleich mit einer zufammengeflicten Arbeiterjade drängte fich mir jchon als siiaben auf, wenn ich diefe Art von Anfiedelungen von der Höhe aus betrachtete. Wenn irgend em Wohnhäufercompler uns zu verdeutlichen im Stande jet fan, wie an manchen Ortpunkten ich jftarfe Difchungen heterogener Horden vollzogen haben, jo find es diejenigen Wohnftedelungen, die ich „Aleden" und die Meiken „Haufendörfer” nennt und im denen jeiner Anficht nach „haracteriftiiche Gigenthümlichfeiten der Beftedelung des germanifchen Volkslandes erkannt werden müjjen.“ Dhne Zweifel hat jich in denjelben „zu Zeiten die anmachjende De- völferung enger als anfänglich zufanmengedrängt und den von Begimm an planlos vertheilten Naum noc unvegelmäßiger zeritüdelt“. ber der Leer wird trogdem, wenn ev meinen Darlegungen aufmerfiam gefolgt ift, aus dem vorjtehenden Bilde jelbit bei nicht allzu großer Anwendung von Mühe erfennen, dab jowohl zu unterft als auch linfs oberhalb um die Kirche zwei Anfiedelungen in Form eines Halbkreifes fich befiiden, von denen jeder jechs Gehöfte zählt; ein gleiches bemerft man da, wo jich die unteren Hauptwege Freuzen, und zwar rechts oberhalb von Kreuzungspuntt, mo ich ebenfalls jechs Höfe zähle. Ann zwei Stellen, nämlich erjtens auf dem Wege, der von oben nach) unten geht, und zweitens auf dem quer laufenden Wege, der im den zuerft erwähnten eimmiündet, find im nicht zu großer Entfernung von einander zwei jehiffsförmige Srweiterungen der betreffenden 396 Aünfter Abjchnitt. Wege zu erbliden. Aber man jieht endlich auch mod) um die Mündungs- itelle der beiden genannten Wege einen Viertelfreis. Wollen wir diefe Dorfanlage richtig deuten, jo fünnen wir unmöglich an eme nationale Gigenthümlichfert denfen. Aller Wahrjcheinlichkeit nach jtanden dort urjprünglich zwer Vier in unmittelbarer Nähe neben einander, eine Erjchermung, Die man jelbjt bei blogen Steinjeßungen oft beobachten kann. Dieje Vier wurden zerjtört: od gleich) anfangs total, läßt fich jelbjtveritändlich nicht mehr bejtimmen. NWollten fich die Wieh- züchter der arijchen Aderbauer bemächtigen, jo muften fie wenigitens deren Meihen auflöfen. Nun it eS aber ein Gharacteriftieum aller Wander- horden, dah fie, wenn te fich irgendwo niederlafjen, je nach 8 Lage der Umftände es auch in Halb» oder Viertelfveifen th, weil ihnen eben ihre Slieverung, die Dis auf 4 herabgeht, dies Be ur, wo es die Gelegenheit bot, entjtand der 12höftge Numpdfreis d. 1. die Zurba oder das Dorf, von dejjen Gejtalt wir oben (©. 303) in Wibeche ein Bet= ipiel boten. Sombinirt man, was jtatijtiich unbedingt geboten it, weil ja eine Sricheinung nie aus Sich jelbit erklärt werden fann, die Slurfarten mit den MWohnanfiedelungen, jo findet man in Meigen’s Haufendörfern Dis- werlen regelrechte, bisweilen verjtiimmelte, biswetlen gar feine Gewannen, jondern Scheereneintheilung, was deutlich auf das Jujammengeflidte hin= weit, auf eine VBermifchung eingewanderter Deutjcher (thiud) mit jeß- haften Iriern. Um zu einer brauchbaren Termmologie für die Anftedelungen fommen zu fönnen, möchte ich als allgemeine Bezeichnung einen dem dentjchen „Drt” entiprechenden internationalen Ausdrud empfehlen. Daß die Grund- bedeutung von Ort nicht „ipiter Punkt, Ende, Anfang“, wie man immer lieit, bedeuten fFanır, habe ich jchon in meiner früheren Schrift gezeigt. Drt ift vielmehr Neihe (ord), deren einzelne Punkte jelbjtverjtändlich auch) Anfang und Ende bezw. Spiten haben. Ieder Dit, wie immer er aus- jehen mag, it ein Wohmreihenlager; it er wechjelveihig zufammenhängend, jo heißt er „WVieus*, it er vumdreibig, heißt er „Iurba” (Dorf) und tft er gemijcht zufanmengeflict, „Slet” (plaga). Daneben treten Srjcheinungen, wie die „Schlangendörfer” auf und auferdem noch andere Gebilde, die, wie die eimreihigen Drte, 3. DB. Fticherdörfer, uns tm diefer Abhandlung nicht intereifiven. Was man schlechthin Ginzelhof nennt, it „Weiler“ (ah. wiläri, lat. villa), aber fein „Drt“; diefer Ausdrud, der in jeiner DBe- deutung aewechielt hat, hat bei der Verlängerung der Drte, insbejondere der WVici, auch den Stun von Hof erhalten, woraus jich dann Gompoftta wie „Notweil” (Motwila) d. i. Neihenwetler gebildet haben. Weiler fin, wie ich anderwärts zeigen werde, Ipäteren Urjprungs und deshalb nicht Da 3 Neihenlager der Vichzüchter 2c. 337 Gegenitand diejes Buches, in denen vorzugsweife der Vicug der Turba gegenüberzuitellen war, weshalb ich meinem Buche anı liebften den Titel Venus und Turba gegeben haben würde. Alle Dörfer oder, wenn wir die Tautologie gebrauchen wollen, alle Nunddörfer find urjprünglich Anlagen der Vichzüchter, welche die innere Nunmdung zur „Irift” d.h. als Drt, wohin das Vich ge,trieb"en wird, benugen. Daher vereinigen fich in dem Worte „Dorf“, dem trib-us oder tref, der, wie wir oben erfannten, urjpringlich nur ein Viertelfreis (Duarter) von drei mal vier Wohnftätten war, eine Anzahl von Iörtern, die der vefleetirende Verjtand jpäter lautlich jcheivet. Aber anfänglich find fie in der Iotalanjchauung vereint, weshalb 3. DB. befanntlic) mhd. trift nicht blos „Heerde”, jondern auch das Ihun und Treiben der Hirten im Sinne ihrer „Lebensweife” bevdentet. Ihr Wohnlager tft der Det, wo man fich „trifft“. Das „weit”er abgelegene und weite d. i. geräumige Land (ahd. wit, altfäch]. wid, angel. wid) für die Weide (mhd. wide, althd. vida), wo das DWieh jein Sutter (ahd. weida — Autter, Speife) (ahd. weidön — Futter juchen) juchte, ltegt außerhalb des Dorfes und tft ungetheiltes Yan. Iejfen ift daber im Auge zu behalten, day zu Zeiten der veinen Viehzucht doch infofern tets eine Ihetlung jtattfand, als immer je vier Haushalte einen Gompler für jich hatten, weshalb fh 5. B. m England die viertheilige Werde noch in feiner jpäteren Agrarverfaijung bemerf- bar macht. Sie heißt hier „hide“, ein Ausdrud, den man in der Negel mit „Vierhufenland“ überjett, fie it aber urjprünglich das Yand der vier Männer, weshalb auf eine hide vier „Birgaten” zu gehen pflegten. Db die hide, wie mehrfach in den Quellen angegeben wird, 120 acres und jomit eine Virgate 30 acres enthielt, hat wohl für die jpäteren Yandaus- mejjungen mit der im Interefje der heterogenen Horden zu gebenden Igrarz agejeßgebung, aber nicht für die Zeit, von der wir jest veden, Bedeutung. Ebenjo it auch die Double-hide, das jog. Achthufenland, jowie die Half- hide feine Einrichtung des Kreislagers, jondern eine Folge der Bermifchung der Viehzucht mit dem Aderbau. Man muß eben Beides jcharf auseinander halten und immer be= denfen, dab oft im mur geringer Gntfernung von einander zwei ganz ver ichiedenartige Gebilde bei der Mifchung entitehen fonnten und daß erft nac lang andanerndem Verfehr, durch den das Bewußtjein der Zufammen- gehörigfeit erwachte, unter gleichzeitigem Ginflug emer von Auen fommenden Herrichaft fich diejenigen Gefege bildeten, welche uns die Urkunden überliefern. Sie würden niemals ms Dajein getreten fein, wenn die focialen Gebilde aus Agulomeration abzuleiten wären, weil als- dann wegen des menschlichen Nachahmungstriebes feine Gegenfäße entjtanden 328 Sünfter Abjchnitt. wären, die bei Korterhaltung der wejentlichen Gharacterzüge auszugleichen und zu verjühnen eben der Zwed der jpäter auftretenden Gejetgeber murde. I diefen find nicht caujale Schöpfer, jondern nur die formalen Drdner der durch den Mifchungsproceh entjtandenen Unordnungen zu erbliden. Dem Sperialforjcher erwächit die Aufgabe, dieje urfumdlichen Be- funde im ihre Elemente aufzulöfen, wober er alsdann die Beobachtung machen wird, daß jedelnordnung aus zwet oder mehreren Dronungen entitanden ijt. Winden wir Diejes Umftandes jtets eingedenf jein, jo würden wir nicht blos vorurtheilsfreier und gerechter uns der Beurtheilung fremder Zuftände gegenüber verhalten, jondern auch weniger „tranntjche Barbaren“ fein, deren Sharacterzug eben darin wurzelt, daß fie verhöhnen und muthwillig zerjtören, dejjen Zwedmäßigfeit und VBrauchbarfeit Für die Zukunft zu Durchforjchen und zu durchdenfen jie zu träge find. NWuch überjehen jolche Nabuliften und eimfeitigen, weil gar nicht auf „Orumd“, jondern auf „Sietion” Fußenden Nechthaber in ihrem von Hay gegen alles ihnen Fremde begleiteten Vorurtheil, day ihre Nuhiliftrungss und Nivellirungs- tendenz bei conjequenter Durchführung nothwendtg auf emen Bunft führen muß, wo alle Gegenjäte verfchwinden. Da num aber nur aus der Berührung und Verjchmelzung von Gegenfäsen überhaupt Cntwidelung als möglich gedacht werden fan, jo ahnen jolche Herren nicht, daß fie ein allmähliches Fortfchreiten unmöglich machen und eimem Juftande zu= treiben, den wir Stagnation nemmen. Bei der Entjtehung ausgleichender Nechtsgejeße im Völferleben werden für die heterogenen Gmrichtungen bejtehenden Ausdrüde je [bitver- itändlich ebenfalls gemijcht, wodurd diejelben andere Bedeutungen erhalten, ein Umstand, der uns umfomehr nöthigt, jelbitändig eine neue Itomenklatur im Interejfe eines gemeinjamen VBerjtändnifjes zu jchaffen. Was beveutet beijpielsweife in der englifchen Agrargejchichte nicht alles „hide“; es wird mit familia, casatum, Sippe, Gejchlecht, Samilienbeiis, Hufe, Pfluglanp, Srunditener, Adermaß u. |. mw. wiedergegeben, ja jelbjt von Spracd)- forjchern mit Haut, mit Hülle (cot), mit Umzänmung und mit bergen (to hide) in Verbindung gebracht. Was tjt mit jolchen Ktymologten im SInterefje gegenfeitiger VB jerftändigqung zu gewinnen? Rei vielen Wörtern tritt allerdings der dem Worte zu Grunde ge (egene urjprüngliche Sachverhalt deutlicher hervor, wie beifptelsweile in den Segenjäten von Hafen und Pflug, dem aratrum und plaustrum, aber ihon weniger in den Übrigen Bezeichnungen, wie vomis, culter, rostrum, die zwar Plinius (hist. nat. KVIII. 48) zu jcheiden verjucht, aber doch nur aus dem Gefichtspumfte feiner Zeit. So vielfache Bezeichnungen weifen deutlich darauf hin, das} fte verjchtedenartigen Sombinationen beim Mifchungs- prozeg don Aderbau und Vichzucht entiprangen. CS darf auch hierbei Das Nethenlager der Viehzüchter 2c. 329 nicht an nationale Gegenfäße bet Anwendung des Bfluges gedacht werden; jo wenig man berechtigt ift, von nationaljlavischen oder nationalgermantjchen Dorfanlagen zu jprechen, jo wenig ift man befugt, von einem römischen im Gegenjaß zu einem germanifchen Bflug zu reden. Der Arator brauchte andere Werkzeuge als der Bultor, und dieje folgten eben ihrem befonderen Ent- widelungsgejeße. Vte die verjchiedenen Werkzeuge eingeführt wurden, ijt nicht jo leicht und daher auch nicht jo zuverfichtlich zu bejtimmen. Mit einiger Sicherheit dürfen wir annehmen, day bei allen Acerbauern, welche die Viehzucht in größerem Umfange aufnahmen — und dies find alle diejenigen, welche die Vrertherilung mit der im Gefolge jtehenden „acht“ und jechszehn Gehöfte haben — das Land fortan mit acht Dchfen, ihren Haushaltungen entjprechen, bejtellten und, wie im Wicus pro numero cultorum die Kämpe vertheilten, weil eben darin das Gontinuum liegt. Bei den Dörfern aber, die Viehzucht mit IAcerban verbanden, wird aller Wahrjcheinlichfeit nach ähnlich, wie bei der Viehweide, das gefanımte Yard in vier Iheilen gemeinjam beitellt worden jet. Das DVenedotifche Gejegbuc von Nord-Wales, eine der drei in walliicher Sprache angeblich aus der Mitte des 10. Sahrhunderts ftanımenden Sammlungen, enthält folgende Beltimmung:!) „Das erite gepflügte erw joll an denjenigen gehen, der pflügt, das zweite an die Pflugfchar, das dritte an den Xeitochfen auf der äufßerjten Yinfen, der Schollenfeite, das vierte an den Dchjen auf der äußerten Nechten, der Najenjeite, das fünfte an den Treiber, das jechite bis elfte an die übrigen jechs Dchjen tt be= jtimmter Neihe; das zwölfte war jchlieglich das Prlugeerw zur Erhaltung des Holzwerfs am Prlug.” Da alle VBerfafjungen derjenigen, welche Aderbau mit Viehzucht verbinden, das Land unter Acht bezw. unter Sechzehn vertheilen, die vorjtehende Gejegesbejtimmung fich aber an Zwölf wendet, jo it wohl klar, daß es fich hierbei um die modiftcirende Ibertragung einer Gejehes- beftimmung (jagen wir furz:) des Glanwejens auf die Iurbenverfajjung handelt. Denn nur dieje fennt zwölf Höfe. Die „acht” Dchjfen anderjeits find eine Gigenthümlichfeit jener Verfaffung. Man beachte dabet wohl, dab e3 fich nicht um ein Verlofen der Grumpdjtücde handelt, daf jeder, feiner Antheilnahme an der Arbeit entiprechend, jein „erw“ d. t. jein Srbe im Sinne eines Aderlandes erhält. Denn Grbe it urjprünglich nicht das, was Jemand jeinem Nachkommen hinterläßt, jondern das, was Iemand befitt, um es jeinem Nachfommen hinterlafjen zu fünnen; ob diefer Nachfomme jein Kind oder ein Anderer, 5. B. die universitas in vices jelbjt ift, ijt ummejentlicher Natur und ein mechjelndes Mertmal. Fe ) Fr. Seebohm (Bunjen), die Englifche Dorfgemeinde €. 83. 330 sünfter Abjchnitt. (8 it eine irrige Vorftellung, das Verlojen von Grundftüden als eine auf emer gewillen Kulturjtufe anzutreffende Gigenthümlichkeit aufzufafjen, die erit jpäter durch Einführung des Privateigenthums ab- aejchafft worden jei. Wir haben gejehen, wie durch das wechjelveihige Iohnlager ein Jeder jeiner natürlichen Stellung (secundum dignationen) zufolge bei der MNeihenarbeit jeine Kämpe erhielt. Damit war allerdings das Gigenthum noch nicht gejchaffen, aber durch den Belt der Grund zu demjelben gelegt, mden bei der durch fremde Giudringlinge nothwendig in Frage fommenden Yandabtretung ji) ein Jeder bewupt werden mupte, was ihm von Alters her zuftand. Ganz anders war es bei den Vieh- züchtern, die als Wamderhorden nie jeghaft waren und zu eimer Vorjtellung von Einzelbeftß nie gelangen konnten. Sie fennen allein Seneinland. Seht das Dorf nach) der Berührung mit Acerbauern, wedurd) e3 übrigens erjt ganz augenjcheinlich jeine jetige (d. i. die von uns jeßt be= trachtete) Geftalt erhält, zum NAderbau über, jo muß ein Iheil diejes Semeinlandes ausgejchieden, bezw. ausgelöft und zum Freiland gemacht werden. Daher Losland (ahd. 168 — frei) urjprünglich das Freigegebene, d. i. das Land it, was man erlangt (sortior — erlange). Während im Venus durch die spatia camporum d. h. die Abjtände der reihenweis oecupirten Huben eine Vertheilung von jelbft gegeben war, mußte tn der vumdreihigen Turba, die ja technijch jene Neihenarbeit nicht zulieg, ein anderer Vertheilungsmodus gewählt werden. Gr erfolgte durch das Yoos, indem man das beworfene (sero — raMMvo treuen, bejüen) Yard durc) einen mftiichen Beichluß Tich gegenfeitig zumies. Daher heit jowohl das Land, als auch der Beichluf, als auch das Zumeifungsverfahren „2008". Die urjprünglichen Viehzüchter jchlugen den ummgefehrten Weg wie die ariichen Acerbauer ein. Ber jenen gehörte das Land urjprünglic) den Genoten gememjam und der Einzelbefig wurde erjt jpäter von den- ielben gelöft, wodurd) eben die Lofe entjtanden. Ber den Artern daqegen beftand der Ginzelbefit früher und exit infolge ihres Übergangs zur Vieh- zucht war es in deren Interejfe nothwendig, in Form von Wald und Seide Gemeindeland zu voccupiren. Mit diefem Hinweis jchliee ich die Urgejchichte des Aderbaues umd der Vichzucht. Denn wir fommen jeßt auf hijtorifchen Boden, den zu betreten ich mir im diefem Buch nicht zur Aufgabe gejtellt habe. Gr bildete für mich nur das Fundament, von dem aus ich das Dargelegte zu reconftrutren hatte. ee echter Abjchnitt. Der Kampf der Ackerbaner mit den Vichzüichtern in der Sage und Alytholonie. Was wir in den vorausgegangenen Abjchnitten feititellen konnten, war, daß uns im Völferleben zwei heterogene Slemente begegnen, nämlic) einerjetts jeghafte und amderjeits MWandersHorden, von denen jene durch die Längsreihen, Ddiefe durch die Nımdreihen characterifirt werden. Als den urjprünglichen Wohnfig der jeghaften Horden, die wir Arter nannten, erfannten wir die Ebene, als denjenigen der wandernden Horden, die wir mit Genneten bezeichneten, das hoch gelegene Yand. Wie die letteren dahin gefommen, vermochten wir zwar nicht vollftändig feitzuitellen, infolge defjen jich auch die Frage nicht definitiv beantworten lich, welches der beiven Elemente als das frühefte zu betrachten ift. Imdeijen gedachten wir einiger Merfmale, welche andeuten, dag die Wanderhorden aus irgend welchen Urjachen nach dem Höhenlande verjchlagen find. Bis zu demjenigen Jeitpunft vorzudringen, wo Ddiefe Trennung, wenn eine jolche überhaupt angenommen werden darf, erfolgte, geitattet das Ihatjachenmaterial, auf welchem jtch vorliegende Iheorie aufbaut, nicht. ir müfjen uns ja überhaupt vor der apriorifchen Srageltellung hüten, dürfen aljo nicht aus bloßer Neugier Fragen jtellen, die nicht durch die Sorichung jelbit geboten werden. Alle Fragen bleiben unbeantwortet uder müfjen willfürlich beantwortet werden, wenn jte eines beitimmten Sub- Itrates ermangeln, das in jeiner mannigfaltigiten Duantität eine Durch- forschung zuläßt. Durchforjchen heift ein beftimmtes Material durchdenten. Denken nennt Platon (Soph. 363e) einmal „ein lautlojes Fragen und Antworten, eine ftille Iitefprache der Seele mit fich jelbit”; alles Denfen wird zur Nhantafterei, wenn es fich von dem jeweilig zu durchforichenden Gegenftande entfernt, und jomit artet das Fragen in Neugier und die Antwort in Willfür aus. „Am Fragen erfennt man den Menjchen”. Das Rublifum, welches im Iheatev über die mäheren N von Karl und Franz Moor im ihrer Sugendzeit mehr wiljen möchte, al ce Pe “ 6) 332 Sechiter Abjchnitt. der Dichter bot, und unbefriedigt nach) dem Fallen des Worhanges feinen Sit; verläßt, weil es weder den Mann, „dem geholfen werden fan“, nod) Karl jelbjt vor dent weltlichen Michter, dem er jich freiwillig jtellt, mehr erblidt hat, wirde aber garnicht jo neugierig geworden fein, wäre ihm nicht zuvor das Schaufpiel „die Näuber“ vorgeführt worden. Ich fann mir jehr wohl denken, day auch ein Theil meiner Zejer, und zwar erjt in- folge meiner Darftellung, nicht blos über die äuferjte Vergangenheit hinaus, jondern aud über gewilje Zuftände, die ich jelbjt behandelt habe, weitere Anfklärungen erhalten möchte. Man möge nicht glauben, day ich bet der Yeetüve meines eigenen Buches, bejonders da ich es vor der Publicatton und letten Umarbeitung eine geraume Zeit lang zur Seite gelegt hatte und es mir in Folge dejjen etwas fremdes geworden war, nicht ebenfalls zu mancherlet Fragen veranlaft worden bin. Aber wenn ich ihnen näher trete, erfenne ich, daß jte eimen anderen Ihatjachenzufammenhang zur Vorausjeßung haben, als den, in welchen ich mich jewmeilig bewege. Sragen, wie beijptelsweife die, auf welche Werje die uns befannten Bölfer in ihre Wohnfige gelangten; ob die hellfarbigen Veger des heutigen Afrıfa vor den Ddunfelfarbigen dorthin famen; wie überhaupt jtch die Menjchen über den Erdfreis verbreiteten und zu wievielmalen; ob überall 3.8. auch im Auftralien, die beiden Hauptgegenfäße, welche wir in diejer Schrift behandeln, Jich bemterfbar machen; ob man mancherwärts bereits in ge= mifchter Korm eingewandert und dann von Neuem ich Sephafte umd endernde geichteden haben, — dieje und viele ähnliche Fragen lafjen jic ohne groge Mühe Seiten lang aneinanderreihen. Aber zu Fragen der wijjen- ichaftlichen Sorjchung, injofern Fragen und Forichen Eins ift (vgl. oben ©. 113), werden fie doch erit dann, wenn uns die Möglichkeit gegeben wird, die Angel nicht in den weiten Deean, jondern in einen umjchlofjenen Teich zu werfen. Sch befinne mich, in der Zeit, wo ich am jtatijtifchen Bureau im Berlin thätig war, aus Ernft Engels Munde oft gehört zu haben, was für nußlofe, weil übereilte und vorzeitige Fragen an diefen Director ges jtellt wurden, und wie er jo häufig erklären mußte, daß man mur aus vorhandenem Material etwas ftatiftiich beantworten fann. Wer jic) jemals in jeinenm Leben über den blofen Gompilator erhoben und jelbjt- jtändig aeforicht hat, weit, da die menjchlichen Gedanken langjamer als die Früchte des Feldes reifen, das aber die Bedingungen für eine jolche Neife, insbejondere der Grund und Boden, nicht jo wohlfeil wie ein Stüd Aderland zu gewinnen find. Was ich im Menjchheitsleben feititellen konnte, bejteht aljo nur darin, daf; wandernde umd jehafte Horden nachweisbar find. Db jene vor diejen be itanden haben fünnen, fan mr aus dem Zufammenhange der&rjcheinungen Der Kampf der Ackerbauer mit den Viehzüchtern. 333 feitgejtellt werden. Wir haben gejehen, dag Sehafte nur durch Wandernde zum andern md day IWandernde nur durd Seßhafte zum Bleiben genöthigt werden. Daraus ergiebt jich, day die Schhaftwerdung der Wandernden nicht durch bloge Wechjehwirfung mit einer jchönen Gegend herbeigeführt worden fein fan. Iäre das der Fall, dann bliebe es unerflärt, warum Wanderhorden die fruchtbare Ebene jo häufig mit dem wentger fruchtbaren Höhenlande wieder vertaufchten. Denn um von einer Höhe zu emer andern zu ge- langen, mußten jte die Ebene berühren, die fie aber augenjcheinlich deshalb wieder verließen, weil fie ihnen nicht zufagte. CS muß aller Wahrjcheinlichkeit nach) gewaltige SKataftrophen gegeben haben, die dei wandernden Menjchenjchlag erzeugten, der, wie Kain, fortan ruhelos wirde Die darauf bezügliche Urgejchichte hat die Naturwifjenichaft zu erforjchen. Steht es num aber feit, da die Genneten nur durch die Sehhaften zum Dletben genöthtgt winden, und jteht es ferner feit, dal jene als Lagerforn das Nundlager, dieje aber das Yängslager hatten, und bemerken wir, wie die Numdlagerer beit ihrer Vermifchung mit diefen und der da= mit im Jufammenhang jtehenden Sehhaftwerdung in einem ganz all- mählichen, noch immer nicht ganz beendeten Broce das Nundlager in ein Längslager ummwandeht, jo folgt daraus, dal Ddiefes nicht dem wandernden Hirtendajein, jondern nur der Sriftenz einer jehhaften We= völferung entjprechend jern fan. Da aber, wie gezeigt, eine YBanverhorde nicht von jelbjt, jondern nur durch eine jeghafte Howe jeßhaft wurde, jo folgt, weil das Numdlager ein Sharacteriiticum der Wanderhorde tt, weiter daraus, Daß das Yängslager nicht eine höhere Entwidelung des Nımd- lagers ift; es bedeutet nur für die Nundlagerer einen höheren Grad, tı= jofern man, was aber nur ein jubjectives Werthurtheil it, das Sephaft- jein gegenüber dem Wandern als einen Fortichritt betrachtet. Die ganz wenigen Fälle, wo man Aderbauer in Numdhütten trifft, find mir jelbit- verjtändfich nicht unbefannt geblieben, 3. B. von den Warundi und Baba, deren geräumige Hätten rund, innen durch Strohwände aber getheilt find; letteres ijt feine Sigenthümlichkeit des Nundlagers an fi. Aenn bei ihnen jeßt „mit großer Sorgfalt“ Acderbau betrieben wird, Viehzucht nicht bedeutend it, jo würden wir, auch wenn es uns nicht befonders!) gemeldet würde, jchließen dinfen, daß ihnen — im diefem Falle durch „Einfälle der Wangont und im Süden auc) derWtaffat” — das Vieh geraubt wurde; aber troßdem „trifft man noc) ziemlich viel Kleinvieh und Hühner, auch Tauben, die im den im weitlichen Ungamweft gebräuchlichen Taubenjchlägen gehalten werden.“ Dab aber-in dem von Baumann bejuchten Theile von Afrika Aderbau unabhängig von Viehzucht betrieben wird, jagt er aus> ) DO. Baumann, Durch Mafjailand zur Nilquelle. Berlin 1894. ©. 226. 334 Sechiter Abjchnitt. drüclich: „die jehhaften Stänme ie ji) jämmtlich von Aderbau, der mit der Hade betrieben und von Viehzucht gänzlich unabhängig it, Die nebenbet auch gepflegt wird" 1). Die Ericheinung, day auch Nund- hütten- Bewohner Aderbau treiben, beweift nicht, daß etwa NAcderbauer Yıumdlagerer geworden find. Gbenjowentg bewetjt die Benußung eines Nundthurms zum Kornjpetcher, day jener ein Bau der Sehhaften jet. It der Numdbau ein GSharactertitieum der Genneten, jo folat nod) weiter, day auch die aus Steinen conjtruirten thurmähnlichen Bauten nicht von Sehhaften erbaut find, und dag wir zu der Grflärung, der Steinbau a0 eine höhere Entwidelung als der Holzbau feine Berechtigung haben. Denn auch dies tft nur ein jubjectives Werthurtheil, was von der Berjon des Werthichäßers abhängt und feineswegs von Allen, weder von Ginzelperfonen, noch von Bölfern, getheilt wird. CS giebt Horden, die vom Stein zum Holzbau, und Horden, die vom Holz zum Steinbau übergegangen find. Man findet häufig, daß die Wohnung aus Holz, der Biehltall dagegen aus Stem, und zwar biswerlen nur die nicht nach dent Gehöft zugelegene Seite aus Stein gebaut tft. Auf meine Anfrage nad) dem Warum erfuhr ich von den betreffenden Befttern, es gejchehe, um dem Viehdiebjtahl, bejonders dem Nferdediebjtahl vorzubeugen. Cs gehört nicht hierher, mich über die weiteren Gründe des Mbergangs vom Holz zum Steinbau zu verbreiten, da er tm eine jpätere Zeit fällt. Auch Darüber, warum der Mımdbau von den Nanderhorden, in- jonderheit den Viehzüchtern beliebt wurde, habe ich jchen oben genügend geiprochen; ob es der Fenerplat jelbjt gewejen, ob der Horizont, das Htmmelsgewölbe und dergl. mehr, was die Amwerfung dazu gegeben hat, wer wollte darüber etwas Beltimmtes jagen, und wenn er es fünnte, welchen Bortheil würde die Willenichaft daraus ziehen? Könnte man wirflich daraus folgern, da der Mundbau das NMatürlichere jei? Was heijt in diefem Falle natürlich? Soll natürlich „urjprünglich” bedeuten, jo habe ich mich darüber zur Genüge ausgejprochen, weil jich die Antwort auf diefe Frage mit derjenigen dedt, welche wir in Bezug auf die Sefhaft- werdumg der Wamderhorden und das zwangsweile Mitwandern der jeßhaften Horden gegeben haben. (Simen Urzuftand zu conjtruiren, wo Ille wanderten, erlaubt das Ihatjachenbereich, aus dem wir jchöpfen fünnen, nicht, weshalb alle Beob- achtungen, denen zu folge es auch Menjchen ohne feite Verbände giebt, die ji) beim Sammeln von Wurzeln und Früchten zufällig zufammenfinven, aber wenn die Sumdftätte erichöpft it, wieder zerjtreuen, nie und mimmer zur Meconftructton eines Urzuftandes hinführen fünten. Denn wie jchon oben e. 257) bemerft wurde, fann als ein jolcher doch nur derjenige =, 0. Baumann, a. a. D. ©. 250. Ba dd Der Kampf der Acderbauer mit den VBiehzlichtern. 335 bezeichnet werden, tm dem alle jpäteren Zuftände ihr Grundmerfmal haben, als den einheitlichen WVereinigungspunft, im welchen vücwärts alle Ent- widelungsformen einmünden. Gin Urzujtand aber, dem ein jolches Grund- merfmal fehlt, wie e3 unzählige Male auf Grund blofer völferfundlicher Notizen vermitteljt einer ven jubjectiven willfürlichen Borausjeßung ge- boten worden it, fan nicht als das Produft der empiriichen Korjchung betrachtet werden, da Beobachtetes noc lange nicht Erfahrenes ift, die Erfahrung im wifjenichaftlichen Sinne vielmehr erit in einer fyftematijchen Grfenntnig der Iotalität der Gricheinungen ihren Abjchlug findet. Ob beijptelswetje die ABedda auf Geylon zu dem niedrigjt jtehenden Menjchen gehören, wie die Ginen jagen, oder ein herabgefommener Menjchenjchlag jeien, wie die Andern behaupten, tft jubjectives Ermefjen. «er die Behauptung aufjtellt, der wirthichaftliche Urzuftand der Menjchen habe im Wereinzeltleben beftanden, dem erwächit die Pflicht, nachzuweijen, durch welche Sactoren man jpäter dazu geführt wurde, fich in bejtimmten Neihen niederzulaffen, d. h. er hat zu zeigen, welchen Um- ftänden der Urmenjc die Erfahrung verdanfte, jenen früheren Zuftand aufzugeben. Man verfenne wicht, day ein jolcher Übergang aus der ur- jprünglichen VBereinzelung zur Meihenglieverung eine grandioje Nevolution bedeutet, indem hier die Sontinuität mit dem früheren Zuftande gewaltjam bejeitigt wird. Aber es tt umgefehrt denfbar, day man den Neihenzuftand durchbricht, um ein Ginftedler zu werden und — jegen wir hinzu — zu bleiben, und zwar jo lange zu bleiben, bis ein wohlwollender bzw. mächtiger Wille jene aus der Vereinzelung wieder zur Neihenordnung zurüdführt. Der Wohnraum it, wie der Jujfammenhang der vorgeführten urs geichichtlichen Sricheinungen ergiebt, von hoher Bedeutung für die wirth- Ihaftlichen Sinrichtungen der Mienjchheit gewejen; auf das Zufammenleben und Zujammemvirfen der Menjchen im demjelben, was ja auch in dem Worte Dfonomie liegt, find die Wirthichaftsformen in ihrer Manıtig- faltigfeit zurüczuführen, was ich bet der Betrachtung der gewerblichen und Handelshorden näher darzuftellen haben werde. Im vorigen Jahrhundert glaubte man auf Grund oberflächlich verwertheter Metjemittheilungen in der individuellen Nahrungsjuche den Urzuftand gefunden zu haben und no ©. 8. SKrauje (1830) dachte fich ihm ähnlih. Kein einziger Nationalöfonom dürfte heutzutage auf fjoldhe Ableitungen zurüdkommen, jeitdem uns eine bejjere Methode der Verwerthung völferfundlicher Notizen zu Gebote jteht, nämlich die jyitematijche Beobachtung der tm ihnen ent- haltenen reinen Ihatjachenmerfmale. Man z0g der Nationalöfonomtf den ficheren Boden unter den Fühen weg, indem man diefe VWiljenjchaft auf jolchen imdividualiitiichen Bhantomen aufbaute. I8ürden die Wrntenjchen nicht in fleineren Gebilden zujammengelebt haben, jo hätten fie fich nie 936 Zechiter Abjchnitt. ihrer Zujammengehörigfeit bewußt werden fünnen und eine VBerjchmelzung zu immer größeren Virthichaftsgebilden wäre niemals möglich gewejen, iR hätten jie alle auf einem gewijjen Drtpunfte zufammengehodt, jo wäre > bunte Mannigfalttgfeit der DBejchäftigungen niemals entitanden. G$ Ei aber auch feine Sehaftigfeit, wenn alle Urmenjchen ohne Ausnahme nomadtfirt hätten. Der Zujfammenhang der vorgeführten Ihatjachen lehrt, da feines- wegs alle Menjchen im der Urzett gewandert find. Matel geht entjchieden zu weit, wen er im der Ürgejchichte eine Gejchichte der Wanderungen er blidt. „Nas bleibt“, jo fragt der eben Genannte, T) von der Urgejchichte der Griechen übrig, wenn man jte ihrer mythologijchen ZJuthaten ent= fleidet, als die Wanderungen und Kolontjationen?” Ich meine, wenn man fie der nmthologiichen Juthaten entkleiwet, jo bleibt überhaupt nichts übrig, da Die Wanderungen ja jelbit zu den ‚mythologijchen Juthaten‘ gehören. as jind überhaupt tm Diefem alle nwytho= logijche JZuthaten? orans amders als aus ihnen fünnen wir Das Material für die Griftenz der Wanderungen jchöpfen? Wenn wir Die mythologiichen Zuthaten genau analyjiren, jo erfahren wir alsdanıı nicht blos von Wanderungen, jondern zugleich von Anfäfligkeiten. Denn in allen Wanderjfagen tit von Kämpfen die Nede, die fich um den „Nam“ abjpielen. Wäre Diefer nicht von Sehhaften eingenommen gewejen, jo wäre ein Kampf garnicht denkbar, weil jich zwei anderer nie um Im mobilen, jondern höchjtens um Meobilten jtreiten. Day wir in der Ur- ageichichte mehr von Wanderern als von Anfäfftigen hören, findet vielmehr jeine Srflävung darin, day Wandernde die Aufmerfjamfert mehr auf jtd) (enfen als die ruhig in der Stille dahin Lebenden Yhrgejeffenen. Wir wirden em vollftändig Faliches Bild vom Handel einer Stadt gewinnen, wollten wir beim zufälligen Bejuch eines Sahrmarftes allein die nichtje- haften Iahrmarktshändler in Betracht ziehen, dagegen aber die dauernd niedergelafjenen Staufleute in den abgelegenen Straßen, Die unfere Ylufz merfjamfeit beim Bejuche der jeweilig bewegten Stadt wentger fejjeln, un= berüciichtiat lafleı. Dat umbherziehende Völfer wegen ihrer Unruhe dem Saar mehr in die Augen fallen, als die angejejfenen, hat uns in Bezug auf Deutjch- land gerade GSaejar bewiejen, dem die letteren zwar nicht entgangen, aber für eine bejondere Schilderung belanglos erichienen find. Sephafte Ader- bauer verhalten fich, wie Ieder, der etwas befitst, zunächjt in der Defenfive; fie werden zu Nämpfern evjt, wenn man fie offenftv angreift, während die leicht bewenlichen Wanderhorden viel leichter zum Anwachjen eines friegertjchen ı) Sr. Naßel, Anthropogeographie, Stuttgart 1882 (I) E. 33. Der Kampf der Acerbauer mit den Viehzüchtern. 337 Gonglomerates gereizt werden. Doc) bleiben wir, da uns Natel zur Ur- geichichte der Griechen geführt hat, zunächit bei diefen jtehen. Wollen wir für ihre Urgejchichte, joweit jte ven nıythologtjch it, ein Verjtändnig gewinnen, jo müfjen wir auch hier nach den Elementen juchen, aus denen die in Frage fommenden Sricheinungen zufammengejeßt find. um jagt man, „in der griegiichen Mythologie trete uns das Streben nach individueller Entwidelung entgegen: Nicht in zwei Städten würden ganz piejelben Götter verejrt und fehren auch im mehreren Städten diefelben Hauptgütter wieder, die WVerjchtevenheit trete nicht nur in den andern Göttern hervor, die neben ihnen in derjelben Stadt ihren Kultus hatten, jondern die Art der Verehrung jei bei denjelben Göttern nie ganz diejelbe. Und es bilde in jeder Stadt der Gottesdienft ein geord- netes Ganzes, auf das engjte verbunden mit der politiichen Verfafjung.“ 1) Wodurch anders läßt fich dies erklären, als durch die Annahme, dal die einzelnen Städte vormals unverbunden waren und daf fie uriprünglich einander durchaus Fremd gegenüberjtanden? „Streben nach individueller Entwidelung“ it ein unflarer Ausdruck; denn Gntwicelung jet immer die Berührung mt etwas Anderem voraus, wodurch fie eben erfolgt. Der Sinftedler, der jich im jeine Höhle eimjchliegt, Niemanden zu fich läßt, wird jtch aufer durc) jeine Berührung mit der Natur niemals entwicelhr fünnen, e8 jet denn, daß er zu der Zeit, wo er fi) in die Einfamtfeit be= giebt, bereits einen Geiftesporrath mit fich nimmt, der genügend ift, um jene Gedanfenfäden weiter zu jpinnen. ber dies hat feine Grenzen. Sind dieje überjchritten, jo geräth er in myltiiche Vorftellungen. lle einjamen Denfer werden Miyitifer; und ebenjo verrennen fich die Völfer- Ichaften, die fich abjchliegen, in einen verfehrten (meift veligiöfen) Wahır, in dejjen Begleitung die Stagnation liegt. Dre Annahme, dal die Griechen einftmals einenationale Einheit bildeten und dann jich in jelbjtändige Stämme zergliederten, widerjpricht nicht blos dem Entwidelungsgejege, jondern auch der hijtorischen Erfahrung. Vielmehr ums gefehrt hat fi) Das Wolf der Griechen aus ganz F£leinen Gebilden, die jelbitändig für fich beitanden und im Kolge des Nachahnnngstriebes es nur zu eimer eimjeitigen Fertigkeit brachten, allmählich durch Bündnifje oder Unterwerfungsverhältnifje. zu größeren Staaten ausgebildet. Die Ne= ligionen der verjchtedenen Staaten erfennen fi allmählig gegenfeitig an und greifen durch Abjendung heiliger Gejandtichaften mehr und mehr in einander. Nach und nach bilden mehrere Staaten auch größere Ganze in den Amphiftyonen, wie zu Delpht und Kalaurta, oder durch gemeinjame Sefte, wie die Bantonien; emdlic) werden alle Staaten durch die vier großen Nationalfejte, die Dlympien, die Pythien, die Sthmten umd ı) Erich und Gruber, Encyelopädie I ©. 82 Th. ©. 163. LUD ID Wude, Urgeichichte. 338 Schiter Abjchnitt. emeen verbunden und die allgemem amerfannten Drafel, bejonders das delphijche, Fnüpfen ein gemeinfames Band. Sollte wirklich diejer allmäh- lichen Verjchmelzung zu eimer nattonalen Ginheit ein Zujtand vorange- gangen jein, wo fich aus einem einheitlichen, von den jog. ISndogermanen jich loslöjenden Volksjtanıme diejer in Fleine Gemeinmwefen zeriplitterte? 8 it befammt, daß die griechiiche Sprache an grammatifalijcher seinheit jehr viele Sprachen übertrifft, daß fie z.B. einen Dualis, dat fie viele Sonjugationen hat, daß fie durch ihren Noriftos, durch doppelte und dreifache Futura die Zeiten fein unterjcheivet, daß fie in dem Bejtt einer großen Menge von Participten it. Mirljen wir daraus nicht folgern, dat die Griechen, bevor jie ein einheitliches VBolf wurden, in eimer großen Mafje von jelbjtändigen VBölferjchaften lebten, deren jede ver- ichtedene Gonjugationen und theilmeije verjchtedene Wörter und Wendungen der Mede hatten, day dieje mac) und nach in Verbindung mit einander traten und ihre Gtgenthümlichfeiten mit einander austaujchten? Dapdurd) wurde eben eine Durcheinander gemischte Sprache gejchaffen, die anfangs wegen der durch die verjchteden geformten Sprachwerkzeuge verjchteden er zeugten Yantartifulationen Dialefte hervorbrachte, welche die Dichter, Nedner, Vhilofophen und Kritifer in den Stand jehten, den Über: fiuf von Deeclinationen, Gonjugationen und Wendungen nach) den Gefegen der Sprachvollfommenheit zu gebrauchen. Das lettere war um jo leichter, als die Nedner öffentlich Tprachen, die Dichter öffentlich ihre Gedichte ab- jangen und die Philofophen ihre Schüler hatten, die fie öffentlich unter richteten. Durch Ddiefen Proceg gejchah es dann aucd, daß wegen der vielen Synonymen, die durch die Vermilchung der Wörter verjchtedener Horden entjtanden ind, ihnen ein Sinn beigelegt wird, den die Sprad)- wurzel in Diefer Bejonderung urjprünglich nicht hatte, ein Umftand, dejjen jich der Urgejchichtsforicher Itets bewußt jein muf. 55 liegt doch ohne Zweifel em NWiderjpruch in der Behauptung, Die in Griechenland vorgefundenen Dialecte jeien geographiichen Einflüffen zuzujchreiben, wo wir doch anderjeits beobachten fünnen, daß genau Die jelben geographiichen Ginflüffe es zulafen, daß die Dialeete jpäter jic) allmählich ausgleichen. Die Ericheinung, das Dialecte örtlich Itmd, läpt nicht die Folgerung zu, dak die Ortlichfeit die causa efficiens des Dialectes jet. Die ältejte Gejchichte Griechenlands bis zur dorifchen Wanderung, ja noc) wert über lettere hinaus, it in Dunkel gehüllt und entbehrt be= glaubigter, wirklich hiltoriicher Zengnifje beinahe gänzlich. CS gilt als volljtändig ungewiß, ob der aus der Sage befannten ältejten Bevölkerung von Urgriechenland, die befonders unter dem Namen der Belasger uns genannt wird, eine noch ältere vorangegangen tt, und ebenjo ungewih Der Kampf der Acerbauer mit den Viedzüchtern. 339 find wir darüber, ob und wann die gegemwärtige Gejtalt der Lanpjchaften zwijchen dem griechiichen und Eleinafiatischen Feftlande fich gebildet und ob, wenn vielleicht durch gewaltige tellurifche Nevolutionen aus einem größeren Fejtlande die zahlreichen Injeln und Halbinfeln fich gebildet haben jollten, dieje jchon zu eimer folchen Zeit von Menjchen bewohnt gewejen jeten. uch das ift dunkel und unentjchteden, ob Griechenland vom Drient aus bevölkert wurde umd wenn dies gejchah, ob die Bevölferung von Norden her, vom Hellejpont aus, ob fie über die Infeln, oder auf ver- ichtedenen Wegen zuftrömte. Ya in Bezug auf einen Bunt hat man fich auf Grund der Ne- jultate dev vergleichenden Sprachforjchung geeinigt, nämlich darin, dal; das griechijche Volt, wie es jeit dem Ausgange des jog. hiftorifchen Zeitalters in den Gebirgen und Ebenen, den Küften und Iufelr, vom Dlymıpos bis nach den Tänaren hin jich darjtellt und fich allmählich zu dem vollen Hellenen- thum entwidelt, als ein Zweig der og. arifchen VBölferfamilte im Sinne eines vormals ungetrennten Iudogermanenthums anzujehen jet. Aber auch diefes Eine, was man für gewiß an der griechiichen Urgejchichte hält, möchte ich im Zweifel ziehen. Denn die fog. arifche Völferfamilte ft, wie ich chen eingangs gejagt habe, Feine Ihatjache, jondern eine Stiction, Die ic) auf weiter nichts als auf vereinzelte Merk niale, welche verjchtedenen Völkern gemeinfam find, Stüfzt, die aber eines Srumdmerfmals, auf welche fich diefe Nebenmerfmale zurücdführen lafjen, entbehrt. Mean Ipricht heutzutage nicht mehr blos von „einer altarifchen Sprachgemetnjchaft”, jondern geradezu von einer „altariichen VBolfsgemein- ichaft”, ja jogar von „einen ungetvennten ariichen VBolksthum”, das irgend- wo als territortale Einheit gelebt haben joll, von dem jtch nad) und nad) jelbjtändige Völferfchaften loslöjten, die bei ihrem Weiterwandern gewilfe fulturelle Sigenthümlichfetten im Sprache und Sitte, Meligton und Necht, Staat und irthichaft in ihre neue Heimath mit hinübernahmen, aber unter dem GKinflug der äußeren Umgebung nad) und nach umge- Italteten, jo da troß aller DVerjchiedenheiten doch immer das KSinheitliche noch deutlich bemerfbar jei und troß des Ginheitlichen VBerfchtedenheiten lich offenbaren. um willen wir aber von der Urhermath der „ungetvennten Indo= germanen“, abjolut nichts, was jelbjt Diejenigen zugeben, welche zu den Nertretern der Lehre von den „ingetrennten ISmdogernanen” gehören. So lieft man beijpielsweile beim Iuriften Zeit): „Cs ft ganz unge wiß, wo, wie und warnt fich die einzelnen Glieder (jlavifche, nordijche, germanifche, Feltifche, italijche, ariechtiche, thrafiiche, armentjche, perjtjche, indifche) vom alten Uwvolfe der ‚ungetrennten Imdogermanen‘ abgelöjt 1») Altariiches jus eivite I. Abtheilung, Sena 1892, ©. 14. LS IV * nu 340 Sechiter Abjchnitt. haben. Wir wiljen nicht, ob die einzelnen Wölfer in einmaligem oder öfter wiederholtem Zuge gewandert find, ob jte dabei noch wieder längere Unterbrechungen der Wanderung gemacht haben, auf welcher Gtappe der Sntwicelung diejelben rüdjichtlich der Hauptelemente der Kultur (Kenntnif der Hausthiere, Pflanzen, Metalle, Übung von Viehzucht und Aderbau, Ausbildung der Gewerbe und Kunftfertigfeiten) bet ihren Zügen angelangt waren. Wir wiljen nicht, woher die Iranter, denen die Inder jehr nahe jtehen, in die verjchtedenen Provinzen Irans gelangt find, wo umd wann fich die Griechen und die Italifer von den Iraner-Indern abgelöft haben. Insbejondere in Betreff der Griechen und Italifer ergtebt jich aus der nahen Verwandtichaft ihrer Nechtsordnungen (‚ebenjo nahe umd ebenjo fern, wie die griechifche und italiihe Sprache zu einander jtehen‘) feinerlet directer Schluß auf das Jufammenleben oder das Getrenntjein der beiden Völker“. Nenn wir von alldem thatjächlich nichts willen, jo meine ich, dürfte man doc wahrlich nicht mit jolcher Beftimmtheit von einer „Urheimath der Indogermanen” und „ungetrennten Indogermanen“ reden, weil man mit lauter -Unbefanntem nie irgend etwas Befanntes jchaffen fanır. Aber man wird entgegnen, daß es doc aud Befanntes gebe. Umd im diejer Hinficht jchreibt Leiit!): „Aus der Ihatjache z. B., dak wir bet Indern, Sriechern, Stalifern und Germanen den Dyaus, Zebs, Iupiter, Zto dor= finden, jchltege ich, daß diefer Götterbegriff Ichen den Vorfahren diejer Völker gemein war. Aus der Thatjache, da von den Indern diefer Gott der Dyaus pitä janita, von den Griechen der Zeds raTip yeverip, von den Yatinern Jovis pater genitor genannt wird, jchliege ich, day den Vorfahren der Inder, Griechen, Xatiner der Begriff des mei Dbergottes fich bereits zu dem des zeugenden göttlichen Vaters gejtaltet hat.“ Man fan die Grichermung volljtändig anerkennen, braucht jie aber nicht nothwendig jo zu deuten, wie fie gedeutet wird, da ja, um zu dem jchen gewählten Berfpiel zurüczufehren, aus der Grjcheinung eines aus mehreren Gfjenzen zubereiteten Ivanfes, den man ar zwei oder mehreren Ortpunften in vollitändig gleicher Qualität antrifft, noch lange nicht folgt, dal er an einem gemeinjamen Drte zubereitet wurde. Man würde ich erit danın mit der obigen Deutung zufrieden geben dürfen, wenn nachgewiejen würde, daß die Zubereitung jenes Mijchtranfs nur an einem eimbeitlichen örtlichen Punkte ermöglicht werden fonnte. Unterjcheiden wir als Urjachen der Bevölferungszunahme „Nlus= breitung“ und „Zuwanderung“, wie fte auch heute noch als jolche bejtehen und wie fie als jolche nach dem vorgelegten Sachverhalt als vom Urbeginn des Menchheitlebens beitehend gedacht werden müfjen, jo fommen wir eben zu einer aa 2d.. DACH Der Kampf der Acderbauer mit den VBiehzlichtern. 341] anderen Deutung md werden gendthigt, dem jogenannten Arterthum eine wejentlich andere Molle Re als e8 bisher gejchteht. Sind Die Arter diejenigen Glemente des Völferlebens, welche fich über die feuchten Miederungen der Erde don Anfang an ausbreiteten und die Nicht-Irter Diejenigen, welche jich dev Höhen bemächtigten, jo müfjen überall da, — jelbjtverftändlich, weil ja die Möglichkeit nicht ausgejchloijen tft, daf; eines der beiden Elemente fehlt, nur überall da -—- wo fich beide begegnen, Neibungen jtattfinden. Ste müljen fich befämpfen, weil fie fich bet threr Begegnung fremd gegenüberjtehen; fie müfjen fich berauben, jobald fie den Werth der Erzeugnifje jehäßen lernen, welche jedes bisher ungetrennt hervor- gebracht hat; jte müfjen fich einigen, wenn fie auf friedlichem Wege durd) ITaufch tm den Belt der beiden Iheilen fremdartigen Güter gelangen wollen, und jie müfjen jich emplich verjühnen, wollen fie auf die Dauer jener Güter theilhaftig bleiben. In allen diefen Meten des großen VBer- ihmelzungsprozefjes liegen uatürlich vielfache Modificationen; und dieje ind es eben, welche in dem Sahrtaufende alten VBerjchmelzungsprocefje den Bölferjchaften und ihren Iujtitutionen in der Gegenwart ihr eigenthümliches unterjcheidendes Antliß gegeben haben. &8 it nicht abjolut nothwendig, day die feindlichen Berührungen in Menjchenfrefjerei übergehen und dieje als „eine ftabile, gejunde Sitte” überall auftrete. tr haben Miythen von Völfern, wo jte nicht erfennbar it, troßdem fie uns von den Kämpfen der Wanderhorden mit den jeh- haften Horden viel zu berichten haben. Wie wir nämlich alsbald jchen werden, entnehmen die Mythen der Völker ihren wefentlichen Stoff der feindlichen Begegnung der Horden der Gäa mit denjenigen der Hera. Allen Mythen müljen Begebenheiten zu Grunde liegen, die auf einer innlichen Anjhauung beruhen und als jolche einen jo tiefen Simprud hinterlafjen, daß fie von Mund zu Mıumd der Nachwelt überliefert werden. Das Alltägliche hinterläßt feinen Empdrud. Daß Sonne, Mond und Sterne leuchten, fan wohl Gegenitand der Beobachtung jein, aber nte= mals zu einem Kultus führen, wenn nicht ein begleitender Amjtand hinzu- fommt. 5 läßt fich meines GSrachtens piychologiich Purchaus Si be= gründen, daß die Beobachtung der Natur der Grund mythologticher Vor- jtellungen jet. Das ewig Wiederfehrende ijt für den Gert ein ewig Pleibendes und übt auf feiner menjchlichen Entwidelumngsitufe einen be jonderen Netz aus. Selbit Naturwalten genügen meines Grachtens nicht, Mythen von fich aus zu begründen... Es it 3. DB. leicht gejagt, große Sturmfluten hätten im Geijte vielföpfige Hyprem erzeugt. Märe nicht die vielföpfige Hydra bereits zuvor ein Gegenftand der Miyjtit gewejen, jo würde die Whantafie nie zu diefem Vergleich gekommen jein. Denn wenn ich die Sturmfluth eime mehrfüpftige Hydra nenne, jo bediene ich 342 Sechiter Abjchnitt. mich eines Vergleichs, der beide Vorftellungen vorausjegt. Nun fann eine jolde Hydra im Sinne einer vielfüpfigen Meerjchlange unmöglich als das Nejultat einer finnlichen VBorjtellung gedacht werden, weil fie eben als jolche gar nicht eriftirt; jomit muß zuvor erit die Frage beantwortet werden: wie fam der Menjch zur Vorftellung jener Hydra? Man ver- aefje nicht den Gntwidelungsgang jolcher VBorjtellungen, der, an eine jtrenge Neihenfolge gebunden, mie jprungweife fich vollzieht! Immer muß man unterjcheiden das Nejen von der Deutung der Erjcheinung; leßtere it anfangs, werl fie mit der Ahnung des Zufammenhengs beginnt, myftijch und fnüpft im der Miythologte in den allermeiiten Fällen an ein blofes Wort an, für welches die ihr zu Grunde gelegene Vorjtellung bzw. Gr- jhemmung verloren gegangen tjt. Um jo mehr jcheint es mir geboten, ji auch in der Mythologie zunäcdhjt nad thatjählihen Vor- gängen und Begebenheiten umzujehen, und erjt wenn man Dieje feitgejtellt hat, nach Benennungen und Namen zu juchen, deren verjchtedene Bedeutungen man jo lange Durchjchütteln muß, bis man diejenige als Die Urbeveutung erhält, welche jich) mit der Begebenheit dedt. Man fommt mit Worterflärungen wie Hera — die Hehre, Gott — der Gute u. f. w. dem Sachverhalt nicht um einen Schritt näher! 55 ijt mit Sigenjchaftsiwörtern wie jtarf, mächtig, groß, mild, weije, hehr, edel, gut, böfe und dergl. nicht viel, ja ich möchte falt jagen, gar nichts anzufangen, weil fich dies nur auf den Standpunkt des Beurtheilers bezieht: die Divi find für die Sinen gute, für Andere böje Wejen. CS würde mir ein leichtes jein, hundert Namen hintereinander aufzuführen, die man mit mächtia, jtark, Ttegreich 2c. deutet: ein halbjtündiger Cinblid in ein etymologijches Wörterbuch wird genügen, um den Lejer davon zu überzeugen. die oft begegnet man bei unjern Miythologifern ausgefprochenen Bedenken, es fünne unmöglich diefer oder jener Gott als ein böjes Vrincip gedacht werden, da er ja auspdrücdlich anderwärts als gut bezeichnet würde. Ienn z.B. im gothiichen thiu(s) die Bedeutung von gut (bonus) erhält, goth. thiu-s (ahd. deo) aber auc, Diener heißt, jo darf man daraus nicht jchliegen, daß der Diener jo beift, weil er etwas qutes jei. Denn goth. thiudisk hat auch die Bedeutung von Ey, gentes, pagani im Ste von Heiden. Heiden find Feinde der Acerbauer (Alrter), die, wenn jene in ihre Gewalt fommen, ihre Diener (thevis) werden. iemand wird fic) wundern, warum von den drei über eine jchmale Brüde hinter einander gehenden Müller, Schulze und Mater der erjte den Schulze für einen auten Mann hält, weil er ihm den Vortritt gewährt, während Mater ganz denjelben Schulze für einen böjfen Mann hält, weil er ihm den Vortritt nicht gejtattet. Fehlte e$ den Dreien an den Be- zeichnungen aut und böje, jo wirde Müller den Ausdrut Schulze für Der Kampf der Ackerbauer mit den VBiehzlichtern. 343 gut, Maier aber den Itamen Schulze zur Bezeihnung für böje gebrauchen. Sicht anders it e3 bei nwthologifchen Sricheinungen, wenn man ihre Entitel yung ins Auge fat. Die verichtedenartige Bedeutung der Götter- geitalten it der veutlichjte Beweis für das Zujfammentreffen heterogener Glemente, die fich fämpfend gegenüberftehen, fich überwinden und verjühnen und damit zugleich ihre Sagen begründen, die anfangs von jeder der Par- teien vom eigenen Standpunkt aus befonders erzählt werden, aber nach und nach, wie die Erzähler jelbjt, unter einander verjchmelzen und jonmt die erjten MWiderfprüche in den Sagen hervorrufen, die man veshalb auszu- gleichen beginnt, ohne aber zu ahnen, da man dadurch die Widerjprüche nur noch mehr jteigert. Der Uriprung der Miythologie wird uns im ewiges Dunkel gehüllt jein, wenn wir uns nicht Flav werden über die Meihenfolge der Wor- jtellungen, wie fie einzig und allein an das thatjächlich Gegebene gebunden find. Alles uns überfommene Miythologijche beiteht einestheils aus Ihat- jache, anderntheils aus Deutung. uch hier muß man die Deutung, weil fie jpäteren Urfprungs als die TIhatjache jelbit it, zumächjt entfernen. Zur Dentung gehört auch zugleich die Bilderfprache, mit dev man die mythos logischen Figuren dartellt. Aber man darf nicht umgekehrt die Bilder- jprache in den Vordergrund jtellen, um die mythologtiche Ftqur daraus zu erklären. Dies thut man, wenn man das Miythologifche unter den Geftchtswinfel der Naturbilder ftellt und, wie beijpielsweife Schwarß), „im den Sagen ein Chaos gläubiger Natwranjchanmmgen erblidt, aus der lich) danır die Formen der eigentlichen Götterlehre entwidelt haben“. Darnacd) jollen „Wolfen, Sturm, Bi, Dommer, dann aud, Negen und Negenbogen in der mannigfaltigften Auffaljung als Symptome der MWejen und des Treibens einer anderen Welt den Mittelpunkt aller mytho= logijchen Geftaltung gebildet haben”. Und aus diefer urjpränglichen Naturauffafjung jollen vermöge des Iriebes, Alles zu perjoniftciren, nad) und nach die mythologiichen Berjonen entjtanden jein, indem man Inalo- gien zwifchen den Naturerjcheinungen und den Menjchen zog.” Dieje mit der Viychologie in Widerjpruch ftehende Auffafjung von der Gntjtehung der Göttergeftalten ift geradezu herrjchend geworden. So erblidt 5. D. WW. 9. Nojcher in Hermes, dem geflügelten Boten des Zeus, eine „Wind- gottheit”*) und nach Kuhn (geitjchrift Für vergl. Spracdhforihung 1. D) ‘ 2. W. Echwark, Der Urjprung der Mythologie, dargeitellt an an und deutjcher Cage. Berlin 1860. Ferner: Schwarß, Die poetijchen Jaturerjcheinungen der Griechen, Nömer und Deutjchen in ihrer Beziehung zur Mythologie, 3 Bde.. Berlin 1864 und 1879. 2) Auch DO. Schrader, Linguift.-hiftor. Forjchungen zur Handelsgejchichte und Waarenfunde, Sena 1856 ©. 97 jehliept fich dem an: „Alle dieje Erflärungs- verfuche ftehen an Wahrjcheinlichfeit — und wer wollte in mythologijchen Dingen 344 Sechiter Abjchnitt. ©. 536) gab es erit „Negengottheiten” und „erit als man nicht mehr daran glaubte, va die verhüllten NVolfenmädchen (die IAymphen) aus ihren Urmen im Negen das Wafjer auf die Erde göffen oder die Gewitter- drachen die Megenftröme hüteten, verjfeßte man die in der Tradition haftenden Wejen an ivdifche nellen“. Mir will jcheinen, daß dieje Art, dem Uriprunge der Mythologie nachzuforichen, die Entwidelung der Bors stellungen auf den Kopf jtellen heikt. (F5 it dem auch zu weit gegangen, wenn Schwart meint, daß „die unperjönlichen und Ihter-Auffaffungen der Naturerjcheinungen die eriten Zeiten repräfentiren, die Miythe der himmlischen Jäger, Schäfer, Sänger, Schmiede u. |. w. eine immer entwicelter werdende Gntfaltung des menschlichen Lebens zeigen’. Wenn Hermes (Merkur) mit dem Winde verglichen wird, die Iymphen mit dem Negen im Beziehung gejeßt werden, jo ijt dies ein Bild, das zweierlei umvollfommene Srfemtnigacte bezw. zweierlei myftijche Deutungen vorausjeßt. Man fennt weder den rjprung des Hermes, noc) den des Windes, man fennt weder das ejen der ymphen, noc) fan man den Negen erklären. Und jo verknüpft man zwei mipftifche Deutungen zu einer nmyjftifchen Vorjtellung. Dafjelbe tft bei dem himmlischen Schmied im Gewitter der Fall. Die Entjtehung des Schmieds it den Artern der Ebene unbekannt und fie willen nur, daß er von den Bergen fommt, wo die Gewitter jtehen. Somit verjchmelzen in der Vorftellung der Arter Gewitter und Schmied zu Ginem. ber daß bei den Griechen, Nömern und Deutjchen die gleiche Sage bejteht, beweiit nicht, wie Schwar!) vermeint, „Das Vorhandenfein der Schmiedefunit bet diefen Völkern vor ihrer Trennung”. 68 findet jowohl im Grtechen- (and, als in Italien, als auch in Schweden diejelbe Vorftellungscombination ftatt, weil fich die gleichen WVorjtellungen aufdrängen. Da an verjchiedenen Bunkten der Erde die beiden heterogenen Horden, nämlich die fejtgefeffenen Arter mit den wandernden DBergbemohnern zus jammenftiegen, mußten an allen diefen Punkten die gleichen oder befjer: „ähnliche VBorjtellungen entitehen, und zwar durch das Zujammenplaten menschlicher Wejen, von denen fich zwar jedes derjelben für aut hielt, die fich aber gegenfeitig nicht anerfannten, bevor fie fich erfannten. te der geneigte Lejer aus Ddiefen wenigen Andeutungen erräth, stehe ich in Bezug auf die Auffaffung der mythologiichen Gejtalten auf jten und glücklichiten von W. 9. Nofhper vertretenen Auffafjung zurüd, nacı welcher in dem geflügelten Boten des Zeus eine Windgottheit zu erbliden tft. In der That jeheint nichts einfacher und natürlicher (2?!) als in dent dem Himmel entitanmten und den Wohlgeruch des Opfers gen Himmel tragenden‘ Etummwind den Boten des Zeus zu erblicken” 2c. 1 Shmwark a. a. D ©. 20. Der Kampf der Acerbauer mit den VBicehzüchter. 345 einem ganz anderen Boden, wie die bisherige Korichung. Man entfernt jich auch im der Miythologte vom Boden des Ihatjächlichen, indem man nicht jcheivet, was Ihatfache und was Grkenntnig der Ihatjache tt; man begreift die erjtere nicht in ihrer Objektivität, wenn man es verabjäumt, die Deutung zuvor auszujchliegen. Mythen find im ihrer objectiven Form Überlieferungen und Gr- zählungen von Ihaten und Schiefjalen Derjenigen, die einen Zuftand herbei- geführt haben, den man erjchaut. Mit überlieferten Iamen und Ihaten ausgerüftet, deren Subjtanz der finnlichen Anfchauung nicht mehr vorliegt, beginnt man jpäter zu deuten; und da man jich jelbjt für unfähig er- fläven muß, im einer überjehbaren Jeitjpanne das zu leilten, was man erjchaut, jo jchreibt man das vollbracht Srjchaute entweder überivdijchen Menjchen, die man zu Göttern erhebt, zu, oder man verlegt die Ihaten im große Zetträume und jchafft dadurch Genealogien, wodurch Berjönlich- fetten, deren Namen man mur fennt und die gleichzeitig neben einander bejtanden haben, zeitlich weit aus einander gerüct werden. Sbenjo entjtehen unabhängig von einander bei vielen Völkern ähnliche Sagen von Heroen göttlicher Abjtammung, deren Ihaten den Inhalt be jonderer Gejänge bilden, die jic) von Mumd zu Mumd fortpflanzen, um theilweife zu großen Spen vereinigt zu werden, denen dam jpäter mancher wärts priejterliche Stände eine höhere MWeife geben. Gerathen dagegen jolde Sagen in die Hand von Bhilojophen primitivfter Art d.h. von Berjonen, die den JZujfammenhang der Dinge tr der äußeren Naturumz gebung juchen, jo werden jene Begebenheiten gleichjam in eine Lehre von den Naturfräften verwandelt. 8 find dies die erjten Anfänge einer Itatur- philofophte. Die lettere gegenüber den menjchlichen Handlungen als das Vorangehende zu betrachten, widerjpricht jeder piychologtichen Srfahrung. 65 heißt deshalb vollitändig ins Blaue hineinjchtegen, wenn Kuhn die Mythen geradezu nad den Kulturjtufen der Jäger, Hirten und Aderbaner eintheilt. Wach ihm wird in der Sügerperiode von Sonnenjagden, tm der nomadischen von Sonmenrindern u. . w. geredet, und die diefe Begriffe verwendende Miythenbildung fei eingetreten, „jobald die folgende Periode das DVerftändnig für die Sprache der je früheren verloren habe." &s habe eben der Jäger, der Hirte und der Acdersmann die Himmelserjcheimungen von ganz verjchiedenen Standpunften aus aufgefaßt. Diejer Anficht find viele Gelehrte gefolgt, ohne aber zuvor die Ihatjache feitzuftellen, ob dem in der Ihat die drei Perioden der Jäger, der Hirten und der Aderbauer urgejchichtlich nachweisbar find. uch der befannte Miytholog W. Shwart hat fih der Auffafjung Kuhn’s angejchloffen. Der Säger habe in dem dahin jagenden Gewitter eine wilde Jagd dahin tojen gejehen, im Sturm 946 Zechiter Abjchnitt. das Heulen von Hunden vernommen, im Megenbogen den Bogen des ges waltigen Iägers, deffen Pfeile im leuchtenden Bli durch die Wolfen flogen, erblict. Dagegen habe der Fijcher, wenn in der Wafjerwelt, die dort oben ich plößlich aufthat, der Bi hin und herfuhr, an einen zanber- haften, leuchtenden Std gedacht. Dem Hirten hätten die vom Winde ges triebenen Wolfen die Vorftellung einer himmlischen SHeerde erwect, und wenn der Donner zu brüllen begonnen, dann jeien es Ninderheerden zauber- hafter Art gewejen, während endlich der Adersmann bei den am Horizont herumziehenden Wolfen und in den Furchen, die der Dit zog, an ein wunderbares Bflügen dort oben dachte und, falls er die Vorftellung mit den brüllenden Nindern verfnüpfte, fenerjchnaubende Stiere das Himmels- feld durchpflügend wähnte!). Yäpt fich auch diefe Auffalfung mit den Grfahrungen des Seelen- (ebens vereinbaren? In feiner „Gejchichte de$ Mlaterialismus"” jagt Sr. W. Lange an der Stelle, wo er fich gegen die Fpeculative Nichtung im der Biychologie wendet (E. 473), „es jer erjtaunlich, mit welchem Vhlegma unjere quten Bhilofophen über die Entjtehung des Bemußtjeins ratjonniren fönnen, ohne je das Bedürfnig zu empfinden, einmal in die Kinderjtube zu gehen und genan hinzujehen, was jtc etwa ereignet, das mit diejem Broblen zujammenhängt”. Hievan anfnüpfend, möchte ich folgendes Ge- ichichtehen erzählen. Der jechsjährige Sohn meines früheren Hausmanng, eines Schiffers, hat fich von jeinem dritten Jahre an bejtändig am Wafler der Elbe herumgetrieben und befißt in Bezug auf Schifffahrt, insbejondere über die Formen der Schiffe und ihre Bezeichnungen eine jo genaue Kenntni, wie faum mancher Erwachjener. Gines Abends figen wir mit ihm auf dem Dalfon memer Vtlla und beobachten die Wolfen, deren eine uns allen eine auffallende Ahnlichfeit mit einem Schiffe unter chwellendem Segel hat. Nur er allein fand feine Ähnlichkeit und hatte an Allem zu mäfeln, auf was wir ihn aufmerffam machten. Gin ander Mal jahen wir an gleicher Stelle und erblidten eim SNameel in den Wolfen, das herzlich wenig Ahnlichfeit mit einem jolchen hatte. Im diefem Falle jtimmte der fleine Sunge nicht blos zu, jondern jprac) vom Kopf, vom Schwanz und von den Beinen des Nameels, trogdem jich die Wolfe bes reits verjchoben hatte. Warum fand er bier die Ahnlichkeit, dort aber nicht * Neil er das Kameel nur von jeinem Bilderbogen fannte, während m eim Schiff bis ins Kleinste befannt war. So wenig als der Junge in den Wolfen jein Schiff, jo wenig wird der Jäger im Sturmgeheul die Stimmte jeines Hundes oder der Hirt in den Wolfen jene Heerde II. Schwarß, Die melfenden Kühe bei den Indogermanen. Im der zeitjchr. Für Bölferpjychologie XIX. (1889). ©. 67 ff. Der Kampf der Acerbauer mit den VBiehzlichtern. 347 erfannt haben. Was man genau fennt, vuft weder Miyftif noch Miythen- bildung hervor. Auch gewilfe IThiere würden niemals Gegenjtand der Myftif geworden fein, wenn nicht Hoden bereits Träger von IThiernamen gemwejen wären, die jie jpäter zu deuten juchten. 58 giebt eime Urgejchichte für alle Wiffenjchaften, auch für die Mythologie. Die Urgejchichte bejchäftigt fich im erjter inte mit dem Mr- jprunge einer Sache, und diefer Liegt im jenem Grundmerfmal, nicht in den jpäter hinzugetretenen Nebenmerfmalen. Es tft ein Hauptfehler der bisherigen Behandlung der mythologischen Figuren gewejen, daß man die Entjtehung derjelben unberücjtchtigt gelafjfen und mur die jpätzeitlichen, bereits fertigen Sagen äußerlich” an ermander gereiht hat; wir begegnen aljo demjelben Fehler, wie beim Urgejchichtsforjcher in den übrigen Iiljen= Ichaften, an denen wir zu rügen hatten, da man rein apriori Mittherlungen an Meittheilungen früpft und fich nach vein jubjectivem Grmejjen nt wicelungsreihen herjtellt, überhaupt von Aufeinanderfolge von Zuftänden ipricht, wo wie beim Mutter und Vaterrecht, nur das VBorhandenfein gleichzeitiger Zuftände fich feititellen läßt. Bekanntlich) find die Hefiodifchen Gedichte theologiihen Urjprungs umd im einer geit entjtanden, wo es fich den Prieftern um Gonjoltdirung der religiöjen Vorftellungen handelte. Den Priejtern lag es daran, den ganzen Kultus in ihren Händen zu haben, weshalb fie alle VBorftellungen zu verdrängen juchten, welche das Gemüth des Volfes von dem neuen Kultus abwenden fünnten. Das Sharacteriftifche an der Stellung, welche Hefiod den Göttergeitalten gegenüber einnahm, war, daß er das Bild, welches er von ihnen gewonnen hatte, d. h. aljo das räumliche Iebenein- ander im ein zeitliches Nacheinander ummandelte. Unter den göttlichen Verfonen fand er auch menjchliche, das DVerhältuig der Eltern zu den Kindern, wie e3 durch Zeugung entjteht, war ihm befannt, weshalb es ung nicht wundern darf, da er dieje feine Erfenntnig auc auf die Götter- welt übertrug, den Gedanken der Zengung auch auf fie ausdehnte und eben dadurch jenes zeitliche Auseinander hewvorbrachte. uf diefe ABeije entitand auch die befannte Neihenfolge: Götter, Dämonen und Heroen. Wir haben in diefem Buche mit Nachdrud den Sat vertreten, dap man die Bedeutung eines Wortes mr aus dem Sachverhalt, nie aber ums gefehrt den legteren aus der Bedeutung eines Wortes gewinnen kann. Denn nehme ich die Bedeutung dejjelben voraus (aprtort), jo fan der daraus gewonnene Sachverhalt, wie ich es an Schrader's methodologijchem Verfahren wiederholt gezeigt habe, ebenfalls immer nur eine apriorijche Speculation jein. Much bei der miythologiichen Forichung mu man defjen eingedenf bleiben und außerdem noch erwägen, da die mythologijchen Ge- jtalten gerade wegen ihrer Namen, die man nicht mehr verjtand, aber 348 Sechiter Abjchnitt. aleichhvohl, weil durch das Hordengemifch eine neue Sprache entitanden war, mittels dunkler Wberrefte des ihm zu Grunde liegenden Sachverhalts zu deuten verjuchte, zu einem Gegenjtand der Miyjtif warden. (53 tt an fich wenig gewonnen, wenn man das Wort Dämon mit div, diu, daivas in Verbindung jest und fie die „Glänzenden“ nennt, oder Sxlwy für verwandt mit jfr. dasju— dasa erklärt; mehr jchon, wenn man mit Breller die divi manes in Öegenjaß zu Immanes jtellt, weil man durch die Srforihung der Prädtcate entgegengefetter, wenn aud) anfangs nur entgegengejett vermutheter Subjecte der Aufdelung Des Sacwerhalts näher fommt. Man weit, dat die Dämonen ein feindlicher Segenjatz zu etwas Anderm find. Nun pflegt jchon der allereinfachite Mann, wenn man ihm beijpielsweije mittheilt, day die Türfen Krieg ans gefangen haben, zu fragen: mit wen denn? So mu man auc in ver Wiffenichaft Fragen, zu wen jtehen dem die Dämonen im Gegenjag und wodurch it diefer begründet? Die Dämonen jind, wie das Folgende ergtebt, der Gegenjag zu den Heroen. Ar verjchtedenen Drtpunften der Ede ftoßen zweit feindliche Slaffen auf einander: die einen find in der Ebene jeghaft, die andern fonımen von der Höhe herab, anfangs in Fleinen Gebilden, mit denen man fich nach) und nach vermifcht, und zuleßt in großer Anzahl. Die leßtern umjpannen zumeift die in der Mitte liegenden und dehnen fi) (Tavdo) nach und nad) aus, jo day Jich ein Kampf zwilchen Berven um den Naum entjpinnt, und dicjer Kampf wird eben geführt von den Dä- monen, den Bewohnern des Höhenlandes mit den Bewohnern der Hera, d. 1. den Herven. Schon die Gefchichte Israels meldet (nach Luthers Überjegung) im Buch der Nichter 1, 34: „Und die Amoriter Drungen die Kinder der Dan aufs Gebirge und liegen nicht zu, daß fie herunter in den Grund fümen und die Amoriter fingen an zu wohnen auf dem Gebirge Heres. Dod) wurde ihnen die Hand Iojeph’S zu jchwer und wurden zinsbar". Iroß einer Kleinen ntjtellung evfennen wir hier deutlich, wie die Hera Die Kinder Dan’s zuricdzudrängen jucht, jelbjt nach dem Gebirge vordringt, dadurcd) aber in Abhängigkeit gerät). Kommt ein Bewohner der Hera unter die Gewalt Dan’s, jo wird er eben dienftbar, weshalb denn auch) tm der dänischen Sage fich) Dan der Stolze jein Streitpferd von zwet „Her"jen jatteln ließ. Ie nach den Bedingungen blieben die Dan auf dem Höhenlande oder breiteten fich über die Sbene aus. Urjprünglic) find fie aber die Bewohner des v»irren, trodenen Landes, weshalb jkr. dhanvan geradezu diefe Bedeutung annimmt (ONBa aus OavBar). Diejerv Myitit vom trodenen Lande im Gegenjaß zum feuchten Yande entjpricht die Sage vom König Danaus und jenem Zwillingsbruder Der Kanıpf der Ackerbauer mit den VBiehzlichtern. 949 Hegyptos, dem Nepräjentanten des Nilthales, von dem er floh, um fich mit jenen fünfzig Töchtern in Argolis niederzulajfen, welche in der Hoc)- zeichtsnacht mit Ausnahme der Hypermneftra, die ynfeus, ihren Verlobten, Ichonte, ihre Bräutigame umbrachten und für Diefe Granjamfett verurs theilt wurden, Wafjer in Sieben, ftatt dev Schöpfgefäße, jo lange in ein Sa zu tragen, bis diejfes gefüllt war. Der Trodenheit Dan’s Itegt ferner die Sage der Danae zu Grumde, deren Schönheit Zeus reizte, Wese halb er, um fie zu bejuchen, fich in einen goldenen Megen verwandelte und jo in ihren SchooF fiel. Dat man Danaus mit feinen Töchtern die Bewäflerung des viel durjtigen Argos und die Einführung agrariiher Kultur durch die Ihes= mophorien zujchrieb, ift, wie man wohl allgemein richtig erfannt hat, eine Sage jpätern Urjprungs; denn erjt aus einer Vermilchung des wandernden „Da“ bzw. „De* mit der jeßhaften ariichen „Meter“ wird jene Gejeß- gebung herbeigeführt, weshalb eben Demeter den Bernamen Yeopo-Föpos (Gefjeß-Bringerin) erhielt, die der Sage zufolge den Aderbau einführte, die bürgerliche Gefelljchaft jtiftete und den Grund zur rechtmäßigen Che: verbindung zwilchen den eingewanderten Danaeın und den bereits jeh- haften Bewohnern der Ebene gelegt baben joll (Herodot C, 134). ber nicht die Desmeter, jondern die Meter tjt die Begründertn des Aderbaues, durch die Verbindung von „Da” und „Meter” zu einer Einheit erlangen auch die Samilienheirathen die „eheliche” Korm. Somit it Demeter die mythologiiche Figur, welche den Kamilienheirathen die eheliche Sanction giebt. Denn die Ehe bejtand vor der Familie, der die Ehe anfangs fremd war md die anfangs num verbotenen Gejchlehtsumgang kannte. Indejjen find augenfcheinlich die Argiver jchon beim Ginzug der Danaer ein Mijchvolf gewejen, worauf die Sage von Gelanor, mit welchen Danaos in Streit gerieth, hindeutet. Der Inacdhive Gelanor joll nämlic) in Argos geherricht haben, als Danaos (angeblich) von Nhodos aus) ans fam und leßterem die Herrichaft abgetreten haben, nachdem zwijchen beiden um dieje ein Streit entjtanden war, der vor der Volfsverfammlung eines Tages gejchlichtet werden jollte. Da fiel in die vor der Mauer weidende Ytinderheerde ein Wolf ein und fümpfte mit dem Stiere, der die Heerde führte. Bei diefer Gelegenheit fällt den Argivern ein, mit dem Stier den Gelanor, den Danaos mitt dem Wolfe zu vergleichen, „weil diefes Ihrer nicht mit dem Meenjchen zujammengelebt hatte bis auf jene Zeit“. Als daher der Wolf den Stier niedergemacht hatte, erhielt Danaos die Herrichaft. Mit Hülfe des bereits oben fejtgejtellten Sachverhalts von der Ent- Itehung des Glan, der anderwärts „Oelan“ heit, ind wir im Stande, diefe Sage zu deuten; denn vom eimfeitig jprachlichen Standpunfte aus — man überjeßt "Eravop — gleich der Glänzende — dürfte auch in diejem 320 Sechiter Abjchnitt. Falle nichts zu gewinnen jein. Wir haben oben gejehen, wie der Glan aus der Verbindung arifchen Aderbaues mit Viehzucht hervorging und wie durch diefe Verichmelzung der erjtere gewann, bzw. entwidelt und ges fräftigt wurde; er it jeßt gegemüber dem arijchen Aderbau ohne Pflug der jtärfere Bewohner der Hera. Seine Perjoniftcation findet er, wie wir alsbald zeigen werden, in der Verjon des „Herasstles“ oder Hercules. Das durch die Wurzel kel und gel mit jeinen lautlichen Modiftcattonen gekennzeichnete Gemiich von Iriern und viehzüchtenden Gentes beherrjcht eine Zeit lang die Kultur, bis ein größerer Menjchenftrom der übrigen, namentlich gewerblichen Horden fich nach unten ergießt, infolge dejjen eben Selanor die Herrjchaft an Danaos abtritt. Selanor wird Inachide d. hd. em Abkümmling von Imachos, aut: geblich dem ältejten König von Argos genannt. Mac) Baujanias Berichten war er nicht Menjch, jondern ein Alußgott, ein Sohn des Dfeanos und der Thetis. Der Clan tft eben derjenige arische Theil, welcher als zwei- reihiges Schiffshaus aus dent Wafjerlande nach dem vodbaren Waldlande, dent jog. Glanlande bergwärts jtieg. Indem er dies that, begab er ic) zwijchen die reinen Arter, Die nun unterhalb zu liegen famen, und Die noch höher gelegenen Bewohner der Gäa, 2. i. die Daner, durd) deren Sindringen Selanor in die Enge (&yos) fam. Inachos ift der Nepräjentant der auf verjchtedenen Drtpunften der Side vorkommenden Anrgermänner (angor —= &yos —= die Beengung). I der jchwediichen Sage treten fie als Ingevoner, Ingemänner, Gngemänner auf und bewohnen bier die zahlreichen engen, zwijchen Bergen und Seen eingejchloffenen Winkel, die fie zu tragbaren Feldern, noch jeßt ang oder angwall genannt, anbauen. Die hronologifirende Sage verjett die Ynalinger, das von Pnge oder Vngersrey abjtammende Gejchlecht in eine jpätere Zeit. Cs hat eben der Inguare, Ingue’s und, wie jte Tonjt ähnlich heigen, viele gegeben; fie find die incolae, die Vertreter des „Fulturifchen” Acerbaues, eines erjten SHemijches von Artern mit Wanderhorden. Deshalb giebt auch der Mythos dem Inac)hos zwei Sranen, Die Arrhta, von der er unter anderen Kinder die So bat, und die „Kol*’are, Die ihm den Bhoroneus und die Mifale gebar. Die evjtere, eine Tochter des Dieanos heift auch Melta, et ame, der jchwer zu deuten jein dürfte, weil Deutungen wie die „mil”de bezw. jüße (mel, der Honig) ebenjo wenig thatjächlichen Untergrund haben, wie etwa bei Melanie „schwarz“. Ganz augenscheinlich gehört fte den ymphen an, wie ja auch Melas, welche von Pofeidon den Angelos empfing, zu ihnen zu rechnen it. 68 it intereffant im der griechtichen Mythologie zu beobachten, wie beim Stachos der erjte große Ddetaillivte Stammbaum auftritt, weil eben durd) die Wermifchung die dazu erforderliche Erkenntnis gewonnen wurde. Der Kampf der Ackerbauer mit den VBiehzlichtern. 351 Im der imdiichen Mythologie gerathen die friegerifchen Danawas in welterichütternde Kämpfe, namentlich mit dent Meiche des Indra, mit dem te jtets in Zwilt lebten und nicht jelten über ihn und jene Heere Sieger wurden. Zweimal befreite Wiichnu den Herricher von der Schmad), den Dämonen zu unterliegen, wobei ihm Dujchmanta (ein Mifchling) ein- mal zu Hülfe fam. Impefjen liegt es nicht in meiner Abficht, mich in diejemm Buche, das ja die gewerblichen Horden von der Betrachtung aus- geichlofjen hat, mich weiter über mythologijche Geftalten, die nicht auf die Acderbauer und unter direeten Bezug haben, zu verbreiten. Wir durften der Danaer bzw. Dämonen nur gedenfen, weil wir ja im trijchen Glan den „Ianaijt” erwähnen mußten. Doch auch in Bezug auf den Kampf mit den Aderbaunern und VBiehzüchtern, der an verjchiedenen Ort: punkten der Erde fich vollzogen hat, werde ich mich mit einigen charac- teriftiichen Beifpielen begnügen. Wenden wir uns zumächit zu,den Altindern, d. h. denjenigen Menjchen, welche man ISudogermanen, Indofelten oder jchlechthin Arier benennt. Nach) Anficht der modernen Sprachvergleicher haben wir in ihnen ein einheitliches Volk zu erbliden, das jich jpäter in einzelne Stämme aufgelöft haben joll. Mit diefer umerwiejenen VBorausjfeßung beleuchtet man den in den alt- indischen Veden niedergelegten Stoff. Dbwohl ich der Sprache derjelben nicht mächtig umd nur auf Überfegungen derjelben und Darjtellungen des Lebens der alten Inder angewiejen bin, jo hoffe ich doch mit Hülfe des mir zu Gebote jtehenden allgemeinen völferfundlichen Materials diejes alt- imdiiche Leben anders als bisher beleuchten zu fünnen. So fehr eS mir biswetlen im den Fingern juct, eine Stelle anders zu überjegen als es von jprachgelehrter Seite aus gejchteht, jo will ich mich doch dejjen ent- halten und werde mich der Hauptjache nach, da ich mich nicht um die Meinumgsverjchtevenheiten der Sprachforicher befümmern fan, auf die Darjtellung eines der befanntejten und tüchtigiten Sprachgelehrten bejchränfen. Wir verdanken meinen verehrten früheren Gollegen in Greifswald, Heinrich Jimmer, ein vielgelefenes Buch: „Altindijches Leben. Die Kultur der vedijchen Irier. Berlin 1879. Si demjelben lejen wir: „Die Nachfonmen wendeten die Xieder mit einigen für dem jpeziellen Fall nöthigen VBerämverungen wieder au, dichteten wohl auc, neue Rerfe hinzu: ‚Mit einem Gebet pußte ich meine Lieder heraus nac) Kanva's Art, wodurd Indra Sraft empfängt‘ gejteht em Cängerr Nv. 8, 6, 11 und zum Schluß dejjelben Hymmus heit es: ‚Dies alte Andachtslied, das jtroßt von Segensfülle, haben die Kanva um einen Sprud) vermehrt iv. 8, 6, 43. ‚„Indra, den von Marut begleiteten rufen wir mit altem Liede herbei zum Irumfe diejes Soma'. Mv. 8, 76. 6". Mir will jcheinen, daß bei der Vermtjchung der Govölfer mit den 352 Zechiter Abjchnitt. Ariern nicht blos einige Verje neu hinzugetveten find, jondern daß über- ke ein ganz großer Bejtandtheil der Veden a Uriprungs üt. Die VBermifhung der Völker hatte nicht blos die Vermijchung der Götter, jondern auch des gefammten Nulturlebens im Gefolge. Deshalb tt aus den Veden, jolange man ihren Inhalt nicht analyfirt hat, nicht „die Kultur der Vedijchen Arier, jondern beftenfalls nur ein „Altindiiches Leben’ zu entnehmen. So jind eben jchon die „Kanva” der Gegenjat zu den Ariern. Das alte Borurtheil, day Jagd, Viehzucht und Aderbau drei Ent- wicelmasitufen repräfentiren, von denen die Viehzucht dem letteren voran= gegangen jet, tt in erjter Linie jchuld an der Behauptung, die ältejte Dichtung der Inder, der Nig-Veda mit feinen Götterhymmen, jpiegele die einfachen Anjchauungen eines Hirtenvolfes wieder, und infolge deijen tritt man mit der weiteren Behauptung hervor, die vediichen Arier wären als ein halbnomadisches Volk auf der Wanderung an den Indus und in das Penjäb begriffen. Wir werden alsbald aus dem ganzen Ihatjachen- zujammenhang erjehen, daß es fich vielmehr um eine arge Bedrängnig der fejteingejejfenen Arter durch die Nichtarier handelt. Betrachten wir deshalb zunächit „die Hymnen, in denen die Srommen voll findlicher Un- befangenheit und aufrichtiger Sehnjucht um das eigene Wohl und um Vernichtung der Feinde bitten”, etwas genauer, — was finden wir da? Die Bittenden find die ya, die a Werehrer beitinmiter Sötter, die Feinde find die Anarya, gewöhnlich Dajyu genannt, welche die arijchen Götter nicht anerkennen. Beide ftehen gegen , einander tn Kampf. Was zunächit die Bedeutung von Dafjyu anbelangt, jo bezeichnet es nad) Zimmer (©. 110) „im Altbaftr. danhu, daqyu Gau; auch im Yltp. dahyaus trete öfters diefe einfache Bedeutung hervor”. Nun hat aber dasyu auch die Bedeutung von „Feind“, worüber fi) Zimmer (©. 112) wie folgt ausipriht: „Wie nun identijch dasyu lautlich evantic) daqyu entipricht, jo imdijch dasa eran. dana. Schon Herodot I. 126 fennt den jfythiichen d. h. turaniichen Stamm der Adoı, Ada jünlicd) vom faspijchen Meer, bei Plintus erjcheint derjelbe als Dahne; Bundehejch 15 werden die Datjchen Gegenden erwähnt, der Farv. Yt. endlich fennt eben- falls die dähischen Gaue: Es tjt demnach nicht zu zweifeln, da dasa eine gemeinjame indoeranische Bezeichnung für Feind war, die dann die Sranter jpäter auf ein beftimmtes turantjches Volk übertrugen. Hterdurd) wird auch die imdoeranifche Bedeutung von dasyu fejtgeitellt.” Gmdlic) hat dasa aud, die Bedeutung von Sclave. Unterjcheidet man Grundmerfmal von Nebenmerfmalen, jo haben dDiefe mehrfachen Beveutungen nichts Auffallendes. Die jich über das Sauland Ausbreitenden nennen die Arter Gaubewohner, jowohl im Stimme des Sehens („ja*ti), als auch im Sinne des Yandes und des Volfes (Jana). Der Kampf der Aderbauer mit den VBiehzüchtern. 353 Sie jind Feinde, weil jte Fremde find und werden Sklaven, wenn fie in Gefangen- Ichaft 2 en, ganz ebenjo wie es die Aderbauer in der Fremde werden. Den Dafyu ftehen in den Veden die Aıya gegemüber, über die fich Simmer (©. 214), wie folgt ausjpricht: „Im grauer Vorzeit, als die indischen und Eramtichen Stämme nocd) vereinigt waren, pflegten fich die Glieder diejes Volkes Aıya (altb. airya, altp. ariya) zu nennen im Gegenjat zu feindlichen Völfern (dasyu). Gin diefem Volke Angehöriger, ein Abfömmling diefes Volkes hieß Aıya, d. h. den Aıya, den Freunden, dem Bolfe zugehörig. Mit diefem Ehrennamen nennt fic) das indische Vol bei feinem Eintritt in die Gefchichte”. Und damit im Einklang jagt Zimmer an einer ande- ren Stelle (©.100): Aıya bedeutet wohl zu den Freunden, den Eigenen gehörig, popularis, ‚Damm des eigenen Stammes‘, wozu fich unfer ‚Deutjch‘, das auch urjprünglich (got). thiudisk) zum Volke gehörig bedeute, vergleichen lafje. Auch hier mu man die Grumdbedentung von der hinzugetretenen Bedeutung unterjcheiven. Dap in Aırya etwas Ehrenhaftes erfannt wird, unterliegt ebenjowenig einem Zweifel, wie der Umftand, daß fich innerhalb einer Gemeinjchaft jänmtliche Glieder unter einander (gegenfeits) als Ber- jonen von befondern Injehen gegemüber FSrenwen betrachten und fich des- halb gegenfeits zu Freunden zählen. Aber das Gleiche muß auch für die Dajyı von ihrem Standpunkt aus gelten, wie denn in der That das von Zimmer jelbjt angeführte gothifche thiudisk der entjprechende, dem artjchen entgegengejette Ganausdrud in Schweden tft. &s tft piychologijch nicht an- zunehmen, daß fich die Dafyu jelbit als Gottloje betrachtet haben werden. Ia, das ort Dafyu hat geradezu auch die Bedeutung „ehrenvoll®. Nur jagt Zimmer (©. 112): „Daf die Benennung Dafjyu urjprünglic) eine „ehrenvolle“ war, ruht allein auf der Annahme, dat dasa, mit dem es auch nach Zafjen wurzelverwandt it, urjprimnglich dienend, gehorjam bedeutet habe’. Diejen Umftand deutet Yafjen nämlid) jo: „Sie muß Kolge des lebhaften Bewußtjeing einer großen eingerifjenen Gntzweiung jein, Durch welche Völker, denen auch die Benennung Dafyı gehörte und eine ehrenvolle war, den Indern im dem Lichte abtrünniger und gejeglojer Menjchen er icheinen, jo daß ihr Itame ein unrühmlicher wurde. Die Inder übertragen zwar das Wort auch auf nicht eranijche, indijche Völker; die eigentliche Anwendung muß aber gegen Sranier fein, da wir nur bei ihnen den Namen als einen ehren= vollen gebraucht wiljen”. (©. Zimmer a. a. D. ©. 112). Da der Name hier ehrenvoll, dort nicht ehrenvoll it, liegt in der Wechjelitellung der beiden Elemente: „den Ariern find die Dafyu, diejen die Aıya unehrenvoll und jedes it fich jelbit ehrenvoll, wenn es fich zum andern (Flemente in Gegenjaß ftellt. Srjchöpfend wird aljo durdy Zimmers Auseinanderjegung das Wort Arya feineswegs erklärt, weshalb man nn einer Grumdbedeutung juchen muß. Dieje liegt nun eben im Wohnlager, und zwar im Gegenjat der & Muce, Urgejchichte. 2. 354 Cedhiter Abjchnitt. beiden Glemente: einerjeits der umfpannenden (Dan) Govölfer, anderjeits der Feitgejeffenen Mar= oder Ar-Völfer; jene (Die gentes, pagani) er- erjcheinen Diejen als unfromme „Heiden“, fie jich jelbjt aber den Ariern gegenüber als generosi (jfr. gäti) als Adelige, weshalb eben die Sprachen nach der Vermijchung der heterogenen Glemente zweierlei Bezeichnungen für edelgeborene haben, 3. DB. "Aptlavror und Edyeveiz. Befinden jich Die Aıya in einem feindlichen Gegenjaß zu den Dafjyu und nennen fich die erjteren unter einander Freunde, jo erhält der Forjcher altindijchen Lebens jchon allein durch diefe Gegenjäte die Nichtung zuge- wiejen, den vediichen Stoff nad) zwei Grundmerfmalen zu analyjiren, weil eben jener Thatbeftand die Vermuthung aufdrängt, Statt einer Einheit wenigiteng eine Zweiheit im Volfsleben zu erwarten. ber es tjt jtatiftijch nicht jtatthaft, eine Synthefe mit dem Vorurtheile eines „ungetrennten Arterthums" vor der Analifirung des Stoffes vorzunehmen; man geräth jonft in MWiderfprüche. Das ift auch bet Zimmer der Fall, der e8 unbe- achtet läßt, das die Veen nicht blos von Irtern, jondern auch von Anariern ausfagen. Gr dehnt ohne Zweifel den Begriff Arter viel zu weit aus, wenn er (©. 177) jchreibt: „Die vedischen Arter waren nichts weniger als „Heilige” untereinander. „Mikgunft it überall verbreitet” flagt der Sänger Av. 5, 7, 9; jte tjt em wegelagerndes wildes Ihter (paripanthin mrga) Av. 3, 15, 1. Die Beziehungen der Einzelnen waren daher nicht immer die friedfertigften. Im jchöne Gefellichaft führt uns z.B. Nv. 1, 42: Agha vrka „verderblicher Näuber”, duhceva „Unholdgejinnter”, paripanthin „Wegelagerer” mushvran, Spitbube”, huraceit, ,„ Trugfinner“, dvayäavin aghacamsa „doppelzüngiger Böfewicht” ; alle dieje joll Pushan fern halten auf der Reife‘. Mir will jcheinen, daß Diefe „jonderbaren Heiligen“ ihrem gegen- jeitigen Verhalten gemäß in ihrer Gejammtheit unmöglich „Arter” ge= wejen jein fünnen, und dab auch diefer Umftand reizt, die Grumdbevdentung des Wortes Aıya in einen anderen Sadyverhalt, als in dem angenommenen zu juchen. Nun belehrt uns Zimmer (©. 215), daß „Iich allmählich aus der Mafje des Volkes, vie, zwei bevorzugtere Kaften, Priefterjchaft und Nitterfchaft, erhoben, die alle Nechte jchlieglich an fich vriffen umd die Jachfommen der Vie, die Vaicya, zur dritten Kafte herabdrüdten. Sleiche Degradirung erfuhr der uralte Ehremmame YUrya, er bezeichnete nunmehr, wie Vaicya, die dritte Kafte”, und Zimmer fügt Hinzu, dap „arya für vaieya” ftehe und nach Mahidhara Arya gleicd) vaicya jet. Wenn man vom „allmählichen Erheben zweier bevorzugter Kaften“ jpricht, jo tjt dies feine enwiejene hiftorifche Ihatjache, jondern eine WBer- muthung, gewonnen aus der DVergleichung zweier Zuftände, nicht aber durch fortlaufende Beobachtung (MNegiftrirung) einer Bewegung. Da uns Der Kampf der Arckerbauer mit den Viehzüchtern. 355 aljo ver wejentlichte Beftandtheil zur Abgabe des Urtheils des „all- mählichen Grhebens”, nämlich die Jwifchenzeit zwijchen den beiden Zus jtänden fehlt, jo müfjen wir jomit bet der ftatijtiichen Seftitellung jene Bermuthung abwerfen. Als vein Ihatfächliches bleibt alsdann zurüd, daf arya ientijch mit vie it. Wifjen wir von dem biftoriichen Brocefje jelbjt nichts, jo fünnen wir aus der angeblichen Entjtehung der beiden bevorzugten Kaften aus dem vice nur den Schluß ziehen, dak vie chen anfänglich dafjelbe wie Yıya war und daß Arya gegenüber den beiden bevorzugteren Kajten blos jeine Bereutung als „Chrenname” verlor. Bleibt nun nach dem Gejeße der Kontinuität eine Sache in ihrem Grund- merfmale diejelbe, troßdem fie mit Anderm in Berührung tritt, wor jie untergeordnete Nebenmerfmale empfängt, jo kann in diefem Falle der „Shrenname” nie das ewig gleichbleibende Srumdprädteat für Aıya fein. Vielmehr find ya und vie zwei Bezeichnungen für ein und dafjelbe efen, und es fragt fich mur, welche von beiden die allgemeinere it. each dem von mir oben Dargelegten bezeichnet vie = vicus die wechjel- gereihte Wohnlagerung des ebenen Landes, deren Bewohner aratores (Acderbauer) wurden und jo lange blieben, als die Bedingungen dazu ge- geben waren. Den Gegenjaß dazu fanden wir in der wandernden Gaugemein- jchaft, die jtch auf den höher gelegenen Xandjtrichen ausbreitete, wofür im Völferleben der verbreitete Name Dan, Daha, Daja gegeben tjt, was man deshalb ganz qut mit Gaubewohner wiedergeben fann. Die Dafyı find Die Gegner der Yıya. um joll aber nad) Zimmer (©. 158) „das Bolf der indischen Arier in eine große Anzahl von Stämmen zerfallen.“ we auf Tacitus Zeit berufend, wo „unter den Germanen ganz diejelben Verhältniffe” beitanden hätten, giebt Zimmer willkürlich den in den Beden angetroffenen Wörtern jeine Bedeutung. Darnad) joll jana „Stamm und Bol” bedeuten: „die nächjte Unterabtheilung des Stammes jet der Gau; jein einheimifcher Itame jet vie“; „tr der weiteren Abjtufung Fommme die Dorfichaft grama, vrjana, vollftändig aleich dem altgermanijchen vieus“ (S, 159): Dies zufammenfaffend erklärt dann Zimmer (©. 159): „Air jehen alfo, dag der altindiiche Staat fich ganz entjprechend dem alterantjchen, alt- germanijchen, altjlaviichen und altitalifchen aufbaut. Das Staatsganze be- ruht auf dem Haufe (altb. nmäna, dmäna), der Gingelfamilie. Sie ijt nur ein Theil der Gejanmtfamilie, Sippe oder Dorfichaft: altind. gräma, vrjana, eran. vic, altit. gens, germ. vicus-thorp, langob. fara, jlav. rodu, obistina. Cine Vereinigung diefer Sippen, Clane, zu einem größeren Ganzen it bei den Imdern die vie, Grantern zantu, Stal. tribus, Germanen pagus (jfandün. fylki, syssel, angelj. seir), Slaven pleme. Die Verbindung endlich, einer Anzahl jolcder Gaue bildete den Stamm DE 23 356 Sechiter Abchnitt. oder das Kinzelvolf: ind. jana, eEran. daqyu, lat. civitas, osf, und umbr. tota, germ. thiuda, jlav. narodu, jezyku." Dbwohl ich der Sprachforichung, wie mehrfach erwähnt, fremd agegenüberftehe, möchte ich doch, jelbjt rein jprachlich angejehen, den Aufbau von Zimmer's altindischem Staatswejen jtarf in Zweifel ziehen. Dat „die Sejammtfamilie” — ein übrigens jehr unglüdlicher Ausdrud englifcher Herfunft — bei den Grantern bezw. Germanen vice bezw. vicus benannt jet, bei den Indern aber dafjelbe Wort Gau heißen joll, da ferner bei den Altitalern gens identijch mit germ. vicus für Gejammtfamilte und bei den Imdern Dderjelbe MAusdrud jana gar für Stamm gebraucht, während das tranijche zantu eine Sippe jein joll — will mir jchon rein äußerlich betrachtet nicht recht einleuchten. Aber immerhin würde das möglic) fein, weil ja ein Wort je nad) dem Grfenntnigftandpunft eines Volfes ganz verjchtedene Bedeutungen annehmen fanı. Day übrigens diefe genannten Wörter nicht überall den unterge= ichobenen Sinn haben, muß Zimmer (in der Anmerkung zu ©. 160) jelbit befennen: „&s it wohl faum nothwendig hervorzuheben, day, wenn ic) jana, vic, grama (vrjana) als die Itamen des altindischen Staatsganzen und jeiner deutlich (2) Tich ergebenden Unterabtheilungen bis zur Samtlie bezeichne, hiermit feineswegs eine fejte Terminologie in den vediichen Sejängen von mir behauptet wird. Diejelben find dafür nac Zeit und Art ihrer Entjtehung viel zu weit entfernt von einander. Sodann tt die etymologiiche Bedeutung, die obigen IBörtern zu Grunde liegt, eine jo dehnbare, daß bei weiten nicht immer aus dem jedesmaligen Zufammen= hang für vice, Jana die prägnante Bedeutung ji) ergtebt; aud, die alt. Wörter zantu, vic, danhu zeigen noch allgemeinere Bedeutungen neben der oben angegebenen prägnanten.” 85 liegt nicht im meimer Abficht, noch weiter in das Detail des angeblichen Staates „der vediichen Arier" mich zu verlieren; e8 wird die Aufgabe Anderer jein, die mit der vediichen Sprache vertrauter find als ich, ihn neu zu veconftruiren, nachdem ich gezeigt haben werde, daß Die Arier unmöglich die eimwandernden Elemente und die Dajyu das: Urvolf gewejen jein fünnen. Die Grundbedeutung von Arya liegt vielmehr im „lebhaften Aderban”, die von Dajyu im eindringenden, von vier Htmmels- gegenden ausgehenden, fie umjpannenden Bereich der Wanderhorden. Der angeblich von Zimmer fejtgejtellte „Srundbegriff“ für Dajyu dedt fich, wie ich gleich zeigen werde, nicht mit dem vorfindbaren Sachverhalt; denn Jimmer jagt in Bezug auf das Wort Daja: „Suchen wir alle dieje Bedeutungen von einem Grundbegriff aus zu entwideln, jo mifjen wir, wie nicht jchwer zu erfennen it, von „vernichtend, feindlich, Feind" ause gehen. Nach der einen Seite (eranijch) entwicelte ji) daraus die Be- Der Kampf der Ackerbauer mit den VBiehzlichtern. a) w —] zeichnung des von den Feinden uriprünglich bejeten Yandes, daher „unter- worfener Landjtrich“ und endlich „Gau, Land“ überhaupt. Ganz anders bei den indischen Artern. Wie ihre Feinde, die Urbewohner, ihnen jeden Strich Landes jtreitig machten, wie fie immer aufs Mene jte wieder be- läjtigten, ihnen die Erde öfters einengten [!!!] (My. 6, 47, 20), fo jtellten fich auch dem Friegeriichen Indra in feinem Gebiete ähnliche Feinde entgegen; auch er hat zu fümpfen und zu ringen, dab e8 jenen Dämonen des Luftraums nicht gelingt, ihn zu verdrängen.“ Wenn ich den vorurtheilslofen Xejer, der etwas nationalöfonomijche sKenntniffe befitt, frage, um was wohl ein von Außen fommendes Hirten- volf, das Zand erobern will, jeinen Gott bitten wird, jo wird er mir antworten, daß jeine Gebete die Beihülfe zur Grwerbung von Land zum Inhalt haben werden. Und wenn ich dem Lejer die weitere Frage vor- lege, was der eindringende Hirtenftamm, der mit Vieh einzicht und das Weide- land beanjprucht, nicht bitten wird, wird er mir zur Antwort geben: um alles Andere, aber nicht um Vieh, da er ja nur Land bedarf. Gr wird eher Vieh als Taufchobject gegen Land hingeben; um Vieh bittet nur ein angejejjener Aderbauer, der zur Viehzucht übergehen will. um erfahren wir aus den Veden, day fich die Arya ihrem Gotte Indra „beuteverlangend“ int Gebete ne „ob er wohl der unbefämpfbare unfer jehnlichites Verlangen nac) diefem Schag von Nindern uns erfülle . . .* „Er der Herr der Heerjchaaren hängt um den Köcher, er treibt des Feindes (!) Ninder weg, wefjen er will...“ Zum Ge- nofjen machte Indra den Donmnerfeil, zog mit dem Lichtjtrahl die Kühe aus dem Dunkel heraus“... Und zur Bedienung jchenfte mir Yadıı und Turva (!) zwei gejchiefte Sclaven (dasa), die eine Fülle von Nindern bejigen.* Die ganze Sehnjucht der Yırya it aljo auf das bewegte Goland savyati) gerichtet, wo die Heerden weiden, welche die Hirten (gopa) bewachen (gopäaty). Ihrer Beliterwerbung gilt der Mırya Sehnfjucht und Kampf aus der Hand ihrer Bedränger, „die fie immer aufs Neue wieder beläftigen, ihnen die Erde öfters einengten (NMv. 6, 47. 20)". Sagt ung dod; Zimmer (©. 222), deijen Überjegung ich die vorliegenden und nachfolgenden Stellen entnommen, dag „gavishti — Begierde, Wunjc nad) Kühen die Bezeichnung des Kampfes geworden jet.“ Die ganze Situation zeigt deutlich, day es Jic) einestheils um einen Kampf der Anfäffigen zur Unterdrüdung Dzw. Dienjt- und Zinspflicht- machung der heerdenbejitenden Nachbarvölfer auf Goland, die, wie alle Viehzüchter und Gentes auf diefer Kulturftufe im freisfürmigen Dörfern (turva), in Ringen (anu bezw. kur) und runden Steinfeiten (pur) wohnhaft find. Anderntheils handelt es fi) um einen Kampf Diejer Gentes gegen 38 Zcechiter Abjchnitt. die Bewohner der Sbene mit den Verlangen, fich hier im Interefje ihrer Heerden auszubreiten. 68 handelt ich alfo um einen wirthichaftlich nur zu jehr begründeten Kampf. derbauer (rya) haben jtch jeit unvor- denflichen „Zeiten auf dem loderen Minblande (Ir bezw. Mar) vicusweije angefiedelt; jie benennen jich nach ihrer Ihättgfeit (jr. arjami, goth. arja, althd. erre aus erja, griech. &p-5w, latein. aro, arao, altjl. or-ju-n) „uya”. Die eigentliche Bedeutung von ar- tft lodern, trennen, die Kunst diefer Ihätigfeit ar-s, während das Wort „Nun“t jelbit (abe. chun-s-ti) mit gnä- = fenmen zufammenhängt, aljo der entgegengejeßte Ausdrucd der Goländler ift. Das Grzeungnig der ariichen Ihätigkert find die Ahren (ar-ista). So lange fie reinen Aderbau treiben, wifjen jte nichts vom landwirtbichaftlichen Spannvieh (armentum). Suzwirjchen tft das höher gelegene Goland durd) ermvandernde Hirten in Befiß genommen worden; fie haben ich theils durch Inzucht vermehrt, theils aber find andere Gentes von Auen durch Wanderung hinzugefommen. Da fie mitjammt ihren Heerden an Zahl gewachjen find, jo müfjen fie hinab zur Ebene jteigen, was ihnen anfangs nicht verwehrt wird, indem ja zwifchen den einzelnen Sruchtädern (arva) noch wildes, theilwerfe von Wald bewachjenes Land (aranya) liegt, was ja eben das Jerjtreutjein der Sewannen verurjacht. Auf ihm jtedeln fich alfo die Hirten an, indem jie ihrer Hirtengewohnheit gemäß ihr Kand umzäunen und tm Diefem umt= friedeten Plate (vrjana) eine jeghafte Gemeine (kshiti drhuva) bzw. Zurba werden. Dadurch entftehen allmählich auch engere Beziehungen zwijchen den Singejeffenen und den Zugewanderten, bejonders wenn die Aırya den Werth des Viehes durch dieje jchäßen lernen. Zugleich bauen ich die neu Yırge= jiedelten aus den, dem jteinigen Feld- (Fels) lande entnommenen Steinen ihre Fenerpläße (pur, dp) in altgewohnter Weife. Dieje erjten Anftevelmmgen, die überall, auch in Deutjchland nachweisbar find, werden feinen Schwierig- feiten begegnet jein, weil die Vicus-Bewohner das Land, das jte nicht Ihäßten und dejjen jpäteren Werth fte nicht im Voraus berechnen konnten, ruhig Adern zu überlaifen vermochten, wofür fie möglicher Weile, jobald jie die Bedeutung des Feldlandes für die Viehzüchter und des Viehes für ihren Aderbau annähernd kennen lernten, auch Vieh einzutaufchen begannen. Aber anders wurde die Yage, als weitere Gentes fie von allen Seiten bevrängten und fie mın als Innenwahnende (ISndra) dollfommen einge= Ihlojjen waren; da mußten je fich nach allen vier Himmelsgegenden zur Schr jegen und schließlich auch ihre nächjten Nachbarn, denen fie anfangs frenmdlich den Zutritt gewährt hatten und mit denen fie jchon etwas enger verbunden waren, den Garaus machen. Dies ijt die thatjächliche, Tich aus dem wirthichaftlihen Sachverhalt ergebende Situation, im welcher ftch die innegehenden (indra) Yrya be= Der Kampf der Acerbauer mit den VBiehzlichtern. 359 fanden, als fie alljeits von den außendrängenden Dajyu eingejchloffen warden. Und dies tjt die Grumdbafis aller mythiichen Vorftellungen, wie fie durch die Phantafie jpäter ausgebildet und in den VBeden zu einem wirren Knänel im Laufe von Iahrhunderten gejtaltet worden tt. Vtirgends bietet die Gejchichte ein Berjptel, daß jehafte Acderbauer, aus- genommen, wenn fie in Sinechtichaft gerathen waren und mit fortgejchleppt wurden, den Wanderjtab ergriffen, und nirgends it ein Beifptel nach- weisbar, das Vieh züchtende Nomaden, auger wenn fie mit einem der bau treibenden Volt in Berührung famen, jehhaft wurden. Immer it e3 ein herrichaftlicher von Augen fommender Wille gewejen, ver Acerbauer nöthigte, das Heim zu verlaffen. Die jpätzeitlichen DVBerhältnifje, wie Neligionsverfolgungen, politijche Unterdrüdungen und dergl. berühren uns hier nicht. Allerdings ift man in Bezug auf die Arier der Anficht, fie jeien Halbnomaden gewejen; jo wenn Zimmer (©. 141) jchreibt; „Die vediichen Arier waren, als jte auf ihrer Wanderung an den Indus und in das Venjab famen, fein eigentliches Iomadenvolf mehr; Heerden bildeten zwar nocd) immer den Hauptbefi der Familie, aber daneben trieb man auch Aderbau. Sie hatten daher jchon das bewegliche Zelt des Hirten und Nomaden mit einem fejten Obdach vertaufcht." Und diefe zur Seh- haftigfeit übergehenden Halbnomaden bitten „beuteverlangend“ um Vieh! Ganz abgejehen davon, da das „bewegliche Zelt“ technologijch be- trachtet eine viel größere Kunftfertigfeit vorausjeßt, als die unbewegliche Hütte und fomit einer höheren Kulturftufe angehört — die zahlreichen über dert Erdboden verbreiteten fteinernen Nundbauten find Zeugen dafür, dag man fie oft verlieh —; ganz abgejehen davon haben niemals Hirten nach ihrer Sehhaftwerdung einen Vicus gegründet. Dies behauptet Zimmer allerdings nicht, da er das Wort vie mit Gau wiedergtebt und ftatt dejjen die Anficht ausjpricht, die Drtjchaften hätten bei den Irtern „grama" geheigen: „Soweit die Angaben der Nijht veichen, wohnte man nicht einzeln, jondern immer in Drtjchaften zufammen, die den Namen erama führen." (©. 141). Da dies von zahlreichen Autoren Zimmer nachgejprochen it, jehe ich mich veranlaft, dies hier zu widerlegen. Die zum Beweis dafür angeführten Stellen lauten bei Zimmer: „Zur Nuhe geht man in den Dörfern, zur Ruh was läuft, zur Muh was fliegt, zur Nuhe jelbft der gierige ar’ und ferner; „Dieje Preisbilder bringen wir Nudra dem ftarfen, dem locigen Männerbeherricher dar, da- mit e8 wohl ergehe dem Zweis und Vierfüßigen, Gedethen und Immer iehrtheit herrjche in diefem Dorfe’. Wie diefe Stellen Zimmer nöthigen, erama mit Dorf zu überjegen jehe ich nicht ein, zumal ev durch, jeine eigenen unmittelbar darauf folgenden Worte auf die Bedeutung von erama hätte fommen müfjen. Denn er jagt: „Ins Dorf fehren die 360 Sedhiter Abjchnitt. Kühe von der Weide zurüd. (vw. 10. 149. 4) Agni it Schüßer in den Dörfern. Nv. 1, 44. 10). Dies haben wir wohl ganz wörtlich zu verjtehen, infofern man, um veigende Ihtere, wie Yöwe, Wolf vom Eins bruch abzuhalten (Mv. 1, 174, 3; 10, 127. 6) Feuer anzündete in der acht”. Grama it nicht Dorf, dern ganz augenjcheinlich der zwijchen den beiden bogenfürmigen Zinten der VBicushäuferreihen eingejchlojjene „Plaß“, auf welchen man urkundlich bis in die neuere Zeit hinein während der Nacht das NMeidevich trieb). Bekanntlich liegt der Zaun des Virus — entgegengejeßt zu demjenigen der Zurba (Nunddorf) innerhalb der Gehöfte, während hinter denjelben das Land offen it; bisweilen ift die Grama außerdem noch mit einem Graben verjehen, jo day der jchiffsfürmige Plaß mit jenem Heerdfener tmmerhalb der Yinten jo recht gegeiqnet war, zur nächtlichen Muhe des Viches zu dienen, bejonders in einer Zeit, wo der Viehjtand der Aderbauer noch gering war und man deshalb noch wenig Ställe gebaut hatte. Db man Grama aud) mit „Orasplat” überjeten darf, lafje ich dahin geitellt fein. It Grama der jchiffsfürmige Pla im Yieus, jo dürfte wohl auch „Oramant“ nicht mit „Anführer des Heer- bannes“ wiedergegeben werden (Zimmer ©. 171). ah Zimmer (©. 142) „drücdt dajjelbe wie Grama nod) öfter vrjana aus, nur day es die Sache mehr von eimer andern Seite nennt, es ijt die umfriedigte, geichloffene Niederlaffung kshiti dhruva; vergl. v. 1, 73, 2: ‚Er (Algni), welcher wie Gott Gavitar, der lauteren Sinnes mit Einficht jhüßt alle Drtjchaften (vrjanani vieva)‘ mit My. 1, 73, 4: ‚Div, o Agni, dem trauten, im Haufe entflammten find die Männer ergeben im den Drtichaften (kshitishu dhruvasu). Hier in diefem Dorfe (vrjane) ‚o Indra, wollen wir unter Demmem Schutz mit dem Dpferherrn vereint veich an Helden fein‘ Nov. 2, 51, 15". — Ieden- falls handelt e83 jich hier nicht blos um „eine andere Seite der Sade", jondern um eine ganz andere GSricheinung. Denn ijt grama, was id) beitimmt fejtzuftellen vermag, nicht „Dorf“, jondern der gebogene Mittel- plaß des Vicus, auf welchen das Vieh zu der Zeit getrieben wurde, als man eben anfing, Vieh zu halten und noch feinen Stallraum im Gehöft hatte, jo fan vrjana nicht dafjelbe wie grama fein. Der Sprache nicht mächtig, fann ich leider hier nicht tief eingreifen. Nur erjehe ich, daf;, weil jana identijch mit Gens tft und Gens den wirthichaftlichen Gegen- ja zum Vieus bildet, auch jana nur Gegenjfaß zu vie jein fann, Ddejjen Mitte eben die grama bildet. Überjetst Zimmer kshiti dhruva richtig mit umfriedigte Iiederlafjung, dann fünnte dhruva nur eine Turba fein, werl dieje allenthalben umfrievet it. ) v. Maurer, Ginleitung zur Gejchichte der Mark, Hof, Dorf- und Stadt-Berfaffung. München 1854. ©. 35 ff. Der Kampf der Acerbauer mit den Viehzüchtern. 361 Wir gedachten vorhin der auf dem Feldlande befindlichen Feuerpläge, durch deren Inlegung die erjten dauernden Beziehungen zwijchen den an- gejejfenen Acderbauhorden und wandernden Viehhirten angebahnt wurden. Sie dürften den meilten Lejern aus eigenen Beobachtungen befannt jet: meilt liegen fie auf einer Kleinen Anhöhe, an der unterhalb ein Wäljerchen fliegt. Much befinden fie fich im der NMegel in der Nähe fruchtbaren Landes; doch auch ihre nächte Nähe kann jelten als unfruchtbar bezeichnet werden. Für die Aderbauer ohne Pflug und Vieh zu einer Zeit, wo man Dung noch nicht Fannnte, war jolches and theils Waldland, theils „der, den man überlieh". Wie wir oben jahen, blieben oft Zwicel ‚durch die verjchwenderifche Decupationsmethode der arijchen Acderbauer übrig. Wo fie zu winzig flein find, pflegte man fie z.B. in England „feines Mannes Land“, bald „jedermanns Land”, bald „Sohanns Land“ zu benennen, wo- für aud) die Bezeichnung gores oder gored in Aararweien Englands gebraucht wird. Sie find unter ähnlich Elingendem Namen (auch in Nuf- land gorodiste) wie gorod, garot, gard, garz und dergl. verbreitet. Selbjtverftändlich fonnten den eindringenden VBiehzüchtern nur die größeren „Sricel“ dienen; aber nicht blos das Land, jondern auc) die Lagerpläße jelbjt wurden mit Ddiefem Namen bezeichnet, eine Grjcheimung, der wir im Verlaufe unjerer Darftellung jchon öfter begegnet find. Deshalb verfteht man unter Gorods auc die Umzäunungen mitfanmt der Behaufung jelbit. Injofern find auch die „Pur“ oder Feuerpläße jachlich dafjelbe wie die „Sored“. Im Inkareiche Beru’s führen fie den Namen „PBucara“. &3 it hiev nicht der Det, auf die manmigfachen Deutungen der Burgen (Banerburgen, Schwedenjchanzen 20), zu denen immer meue Deutungen hinzutreten (Opferaltäre, Herricherfite 2c.), joweit fie nicht wirthichaftlicher Art find, einzugehen. Ginige halten jte jogar, wenn jte irgendwo zahlreich auftreten, für Überrefte alter Städte, wieder andere für Zufluchtsftätten, die man erbaut habe, um fich bei feindlichen Angriffen in fie zurüczuziehen. Die Möglichkeit, daß letzteres gejchteht und ges ihehen it, fan man, da man in der Gefahr überall Zuflucht jucht und jelbjt wenn nöthig, einen Fluß durchichwimmt, getrojt zugeben; aber jo wenig als der Fluß an fich als eine Zufluchtsjtätte zu betrachten it, find auch »ie fteinernen Thürme nicht von vornherein als jolche anzujehen. Sie find vielmehr Überbleibfel vorübergehend anfällig gewejener Hirtengemein- ihaften auf anfangs nicht beachtetem Feldland und haben, wie ich gleich zeigen werde, auc anderweitige Verwendung gefunven. 5 fällt nämlich chen rein jprachlich betrachtet auf, daß z.B. griechtich rp-yos die Burg, der Ihrem, nup-ös der Weizen, rüp das Jeuer, rVp-& bzw. rup-r) die Feuerjtelle, rupöw bremen und veinigen heit, mie ja auch im latenijchen frumentum pur-gare die Bedeutung von Getreide 2 Sechiter Abjchnitt. fichten, durchjieben, ausjchälen hat. Niemand wird ernitlich glauben, den Zufammenhang obiger Wörter mit Hilfe der myjtiichen Borftellung, dat das Feuer alles veimige, erklären zu fünnen, da das brennende Feuer, das wohl als ein purgamentum für allerler Unvath, aber auf feine technijche Art als Neimiqgungsmittel zur Scheidung des Weizens von der Spreu gedacht werden fann. Übrigens heit auch befanntlich rvpös nicht jowohl Weizen, als vielmehr gereimigter Weizen. Im der That werden diefe Burs, wo man fie in pyramtidaler Form überdacht findet, von Aderbauern zu Ges treidejpeichern benußt, und es tt befannt, day bis in unjer Jahrhundert hinein in Europa Ihürme dazu verwendet worden find. ber es ift ebenjo befannt, daß man im fie, wie im Güden Mlenorcas, aud) das Vieh hineintreibt. Nurz, die Verwendung diefer Burs fanır verjchtevdenen Zwecken dienen und gedient haben. Sie werden, wie erwähnt, noch vielfach vereinzelt angetroffen, theil- werje aber auch), wie beijptelswetfe auf der Injel Sardinten, im größeren Waffen (4000); fie heigen hier „Nuurhag”, welches Wort der Kanonifus Epano in Gagltari mit „Ereisförmige (nur) Wohnung (hag)“ deutet. Mit Mecht führen die Bewohner der perfiichen Provinz GShorafjan, wo man jie ebenfalls zahlreich vorfindet, „fie auf die ‚Div‘ (Genion) zurüd, welche in unvordenklichen Zeiten diefe Gegenden bewohnten“ (Globus XII. Band, ©. 165). Auffällig it, daß wir Ddiefe Pur vielerorts vollitändig zerjtört finden. Den Grund dafür Fünmen wir aus der ganzen Sachlage, in der jich) Die Arier Indiens befanden, ziemlich deutlich herauslejen. Sm Nigveda heit es: „Erichliege uns großen Neichthum, o Indra, wie eine rinderreiche Burg“ (tv. 8, 6, 23). Diefe Stelle deutet Jimmer (©. 142): „Häufig werden die vielen Burgen der Urbewohner erwähnt, die Indra zu Gunften der ya brach) und ihnen die Schäße derfelben, d. h. die dorthin geflüchteten Kühe, auslieferte.* &s it mir nicht recht verjtändlich, vor wen die Kühe dorthin geflüchtet jein jollen. Die rinder- reichen Burgen find die natürlichen Wohnpläße des Viehes mitjammt ihren Befigern, die in der Iotalanjchauung eben die Puru bilden. Won den Yrtern, die jelbjt noch nicht vinderreich waren, fünnen die Kühe nicht entiwichen jet; dieje erjehnen fich vielmehr Vieh, weil fie als die anfäfjtgen Acerbauer genöthigt ind, zur Viehzucht überzugehen. Ste (die Arya) jind die Urbewohner, aber nicht die Buruz lettere haben fich vielmehr als Fremde eingenijtet umd die Arier nach Vieh lüften gemacht. Den Werth des Yandes urjprünglich nicht fennend, liegen Die letteren, Die Puru, das „yand, was über tft”, occupiven. Aber fie überjfahen, day fte dabei jelbit in die Gnge famen, indem ji jene ausbreiteten, worauf ohne Zweifel jich der Gejfang bezieht: „Du verhalfit (vo Indra) ihrem (der Puru) Schlachtruf zum Siege in den Kämpfen; einen Strom nad) dem andern Der Kampf der Aderbauer mit den Viehzlchtern. 363 brachten jte in ihre Gewalt“ iv. 1, 131,5. Mach und nach rücen aber die höher wohnenden Gentes heran, jo daß auch die Yuru mit ins Ge- dränge famen, weshalb diefe ebenfalls gegen die Danaer fämpfen; „Mögen wir auf's Neue durch Deine Huld jiegen, o Imdra; e8 preifen hier mit Opfern die Nuru (Deime frühere Hülfe), daß Du die fieben Burgen caradih, die Wehr, bradjit, die Dajujtämme jchluaft, dem Burufutja Yelrend! Nox 6,,.20, 10. In die Enge getrieben und genöthigt, Viehzucht mit Aderbau zu verbinden, erjtreben die Arya jet MWerdeland und ftreben in folge dejlen den Bergen zu: EN famen im eme fein fruchtbares IBeideland in ich faljende Gegend; die Ede, o Götter, die doch weit it, war ung eiıt- geengt; o ehnspatt zeige im Kampfe ımı Heerden, zeige, o Indra, dem Sieger, mit dem es jo jteht, ven Weg. Bon Tag zu Tag trieb er (ISndra) hinweg die gleiches Ausjehen habenden jchwarzen Leute aus ihrem Wohnfit Don Dort, zu Dit”, Mo. 6, .47,20,.21.)) Mit Bitten jolhen Inhalts fan jenem Gotte nur ein Volk nahen, das von allen Seiten eingeengt tft, aber nicht ein halbıromadijches Volk, das von irgendwo her erobern? ins Yand zieht. Darauf deuten denn aud) die fünf Völferfchaften (pahca krshtayah) hin, die die älteren Forjcher (Noth, Geldner) nicht ganz faljch „Dre Artev als Meittelpunft und die in den vier Weltgegenden um fie herummohnenden Völker“ gedeutet haben, zumal fie ja ausprüdli” panca janah genannt werden. 6s find aljo Gentes (janah), Sohvölfer, und diefe tehen in Gegenjat zu den Yıya, den bleibenden, dauernd verweilenden VBölfern. Zimmer (©. 122) hält fie dagegen für die fünf Arierftämme, deren Namen in folgender Stelle vorfommen: „Wenn, o Indra und Agni, ihr bei den Yaoı, den Iurvaca, den Druhyu, den Anu, den Buru jeid, jo fommt, o Stiere, von dort herbet, trinft hier von gefeltertem Soma’. Turva, Puru und Yu, die jänmtlich Streislager (auch anu it analag zu kuru Wing) bezeichnen, fommen nur bet den MWanderhorden vor und find eben Gegenjaß zu den Arten, die im den Befit der Stiere jener Viehzucht treibenden Horden zu gelangen wünjchen. Indefien ift e8 meines Grachtens eine vollftändig nußlojfe Arbeit, aus dem bunten Gewirr von Wohnbezeichnungen — denn nur damit haben wir es hier, wie überall zu thun, — Völferfchaften und ihre Wohnz- fie nebjt Beziehungen zu einander abzuleiten. Demm wie jchon mehrfach) erwähnt wurde, leben alle Wanderhorden (gentes) in abgejchlojjenen Ge= meinfchaften, die bei ihrer jedesmaligen Begegnung entweder nad) der äußeren Gejtalt oder nach dem inneren Betrieb der Wohngemeinjchaft ihre befonderen Namen erhalten. Dazu fommt aber nocd), daß alle dieje ur- imünglichen Wohnbezeichnungen in einer jpäteren Zeit, wo dte menjchliche ) Nach Zimmer a. a. D. ©. 104, 105. 364 Sechjter Abjchnitt. Srfenntnig anfing, den Hujammenhang der Jengungsverhältnifje zu ahnen und zu begreifen, zu Gejchlechternamen von Berjönlichkeiten erhoben wurden, zu deren Söhnen und Töchtern die Phantafte wieder andere Wohn gemeimjchaftsnamen machte, bis jo zulett ein Snäuel wirrer Begebenheiten zu Stande fan. Begqmigen wir uns deshalb mit dem Kern, um den Die phantaftijchen Vorftellungen eines großen Zeitraums jich herumgelagert haben, wie er uns tm dem Kampfe der Yıya mit den Dajyu deutlich jichtbar tft, jo befteht er eben darin, day ich zwei Gruppen gegenüberitehen, von denen die eine von Ilters her jeghaft it, aber durch die Ausbreitung der anderen be- drängt wird. Die Sehhaften jind die Aderbauer. Da die einzelnen Beven aus jehr verjchiedener Zeit ftammen, jo jchildern fie jelbftverjtändlich auch verjchtedene Zuftände, weshalb der Inhalt der Gejänge unter Ar leitung der Merkmale in der Sntwidhungsreihe aller Völferzuftände be- werthet werden mu. Winden die Yıya nicht mit den Buru eine längere Zeit in Taujchverfehr geitanden haben, jo N jte weder den Werth des Acderlandes, noch die Bewäfjerung, noch die Brauchbarfeit des Dunges fennen gelernt haben. Dem Inhalte der Veden zufolge fannten jte diefe Dinge. Denn „wie eimen Acer mahen fie mit einem Nohrjtab die eine Schale aus, die weitflaffende"; auch führt man dem Boden durch angelegte Sräben (khanistra) fünftlih Waller zu; ja man legt jogar auf den in den Hürden zurücdgelaffenen Dünger (karısha, cakan) Werth. Das Meifen des Bodens it überdies ein Sharacteriftieum der Vieuswohner, imdem ber den in Nımdlagern bezw. QIurben wohnenden Hirtenvölfern noch lange nach ihrer Sehhaftwerdung das Feldland „verlooft” wird. Da es mir zweifelhaft erjcheint, ob Shaniftra wirklich Gräben oder nicht viel- mehr runde Gruben find, jo will ich mich nicht weiter darüber aus- jprechen; handelte e8 jich wirklich um Gräben zur fünftlichen Bewällerung, dann wäre ein jtarfes Anzeichen langer Sefhaftigfeit vorhanden. Was aber die VBerwerthung des Düngers betrifft, jo jett fie eine langzeitliche Beobachtung voraus, die nur machen fan, wer auf der Scholle fit und infolge von Landmangel durch die Srfahrung belehrt wurde, wie nützlich) ein Vichzuchtbetrieb mit Acerbau verbunden wird. Nomadiiche Acer bauer fennen den Dung überhaupt nicht; bei ihnen wird ohne ihr perfönliches Zuthun das Feld gedüngt, indem fie das Vieh auf die Stoppelweide ziehen lafjen. Mit dem Vorftehenden hoffe ich zur Genüge dargethan zu haben, um was für einen Zuftand es fich im Altindien handelt, nämlich einerjeits um alteingejejjene Acderbauer, die hier Arya heifen, und anderjeits um die fie einengenden Dafu des an henlandes, mit denen fie einen Kampf um Xand aufnehmen müffen, nachdem jte den anfänglich im stleinen her- a ne "in Der Kampf der Ackerbauer mit den VBregzlichtern. 365 angezogenen Gentes (Jana) beim Erwerbe von Land für deren Vieh nicht hinverlich gewejen, mesh alb diefe ihre puru (Feuerpläße) in ihrer Vtähe angelegt hatten. Dieje Puru galt es zu zerjtören und ihre Eimwohner daraus zu vertreiben, eine Srjcheimung, die auch amderwärts Wiederfehrt, weshalb auc Tacitus (Germ. XVI.) von den Germanen jagt: „Nullas (rermanorum populis urbes habitari satis notum est: ne pati quidem inter se junetas sedes. Man überjett diefe Worte in der Megel jo: Day von den Völfern der Germanen feine Städte bewohnt werden, it binlänglich befannt; nicht einmal unter jich verbundene Wohnfige dulden fie. Dem entgegen übertrage ich die Stelle, wie folgt: Dak von den Völkern der Germanen feine Ningmanern bewohnt werden, tjt hinlänglich befannt: ja dal fie unter fich nicht einmal verbundene Wohnfige dulden.” Man darf urbs nicht mit Stadt Ichlechthtin überjeßen, weil man wegen des oppidum eines gegenjäglichen Ausdrudes bedarf. Oppida 2». h. unverbundene Wohnpläße der Ebene fannten auch Dre Germanen. Die in 4 Duatuor zu je 3 Kreifen eingetheilte Wanderhorde umfahte zwölf Ninge zu je 12 bezw. (jpäter) 10 Hütten, Deren ganze Anlage, wenn jie einem gemeinjamen Seide gegenüberftanden, jte mit einer Ninge mauer zu umgürten pflegten, wodurch fie dem Bewohner der Gbene ge fährlich wiınden. Zu Gäfars Zeit erfahren wir noch von Drängeleten der Bewohner der Ebene Seitens der Wanderhorden, die jene anı Ge- treidebau hindern: zu ZTacitus Zeit ft in Ddiefer Hinficht Muhe eingetreten. Ganz augenjcheinlich it in der Zwifchenzeit ein großer Iheil der Wander: horden weitergejchoben, ein anderer Iheil aber jeghaft geworden, weil die vereinten Kräfte der Sehaften es verhinderten, day man in „verbundenen Wohnfiten“ ich nieverlieg, weshalb demm auch ITacttus berichtet, dal fie diefelben unter fich nicht einmal dulden. DVielmehr „zeritreut und ge= jondert bauen jte ji) an“ (colunt discreti ac diversi) d. t. etwa in einzelnen Treffs. Daß das pati zwifchen ne und quidem geitellt wird, ergiebt, dag Tacttus auf „oulden“ den Nachdruck legen will und daß er inter se nicht auf junetas sedes bezieht, erweiit der bald darauf folgende, jchon oben von mir interpretirte Saß: Vicos locant. Denn Viet find, weil fie ja eben zweireihige Wohnftätten find, auch wenn ihre Wohnhäufer in Abjtänven liegen, unzweifelhaft verbundene Wohn- fie. Tacitug will nur die mit Mauern verbundenen Wohnungen in Gegen- ja zu den einzelnen Wohnplägen bringen. Die erjteren duldeten jie nicht unter ji. Zu einem jolchen Ausjpruch fonnte Tacttus, auch wenn er nicht jelbjt Augenzeuge gewejen war, doc nur in Folge von wirklichen Be= gebenheiten jeitens eines Berichterjtatters gelangen; zum mindeiten mußten die Germanen es verhindert haben, dag man Ningmanern anlegte. Doc) würden je nicht zum Nichtdulden gekommen jet, hätten jte die finnliche 366 Zechiter Abjchnitt. Anjchauung jolcher Ningmanern für mehrere puru nicht zuvor vor fic) gehabt. Es it aljo höchjt wahrjcheinlich, day jte ebenjo, wie die Altinder, die Burgen zerjtört, bzw. unbewohnbar gemacht haben werden. Abfichtlich habe ich Die eben interpretivten Worte des Tacitus an diejer Stelle eingeführt, weil e8 das einzige thatjächliche Vorfommmif if, was uns zu der Behauptung verleiten fünnte, die Germanen des Tacitus bzw. Gaejar’s jeten ein abgezweigter Bolfsftanım der in den indiichen Yeden gejchilderten „ISndogermanen“ Man fünnte nämlich vermuthen, jie hätten nocd) die Zerjtörung der alten indischen Puru in Erinnerung gehabt. Aber im Übrigen dürfte nach dem von mir Dargelegten wohl faum Jemand behaupten, da die Germanen des Gaelar und Tacitus ein von den vediichen Indern abgelöjter Volksjtanım jeien. Ss wäre doc) wunderbar, day man den Procet eines Kampfes der Feiteingejeflenen der bauer mit den Viehzüchtern nochmals durchgemacht hätte. Aber ebenjo wenig können die „irischen Kelten” ein Abzweig der Indogermanen jein, da wir auch) bei ihnen einen ähnlichen Brocet Serhafter und Wanderhorden Jich voll- ziehen jehen. Doch verläuft diefer Brocef, auch wenn er als jolcher feinem Iejen nach derjelbe tft, doch der Erjcheinungsforn nach nicht überall in gleicher Werfe. Man darf bei der Behandlung von Sagen nicht vergefjen, daf Dieje erjt entjtehen, nachden die Handlungen, welche ihnen den Stoff bieten, bereits vollendet find, und daß das Vollbringen eines joldhen Werfes auc) von denen mitgefetert wird, welche zum unterlegenen Theil beim Stampfe gehören. Darin liegt die Schwierigkeit, die leider nur zu oft überjehen wird, wenn man das innere Leben eines Wolfes einer urzeitlichen Neconjtruction unterziehen will; man darf die in den Gefängen niederges legten Kämpfe nicht mittels einer von Außen hineingetragenen Anjchauug betrachten, jondern muß vielmehr nach) den Elementen juchen und fie in ihrem Grundmerfmal erfennen, um mittels diejer die analogen Ericheinungen zu gewinnen. Mlsdann erfennt man die Gegenjäge der Yr= und Go- (Slemente, wie fie 3. B. fich zwifchen der Maha-barata und Namasjana, zwijchen Iran und Turzan zeigen. Umd da, wie eben gezeigt wurde, Die Miichungsverhältniife in mehrfachen Akten, und dieje nie ohne Kämpfe er- folgten, weil eben Macht und Herrichaft die Völfer als jolche zufammen- gejchweiit und zu „Stämmen“ gemacht haben, nicht aber die jog. natürliche Abjtammung, wie immer behauptet wird, jo treten auch die KHeroen als einfache und gemifchte Berjönlichfeiten auf, was der Darjteller mytho- logtjcher Sricheinungen berüdfichtigen mu. 55 it mir auch als Mtichtiprachforjcher, ja ich fan jagen jchon als Symmafiaft, der Gegenjag der beiden Wurzeln ar und ga mit thren lautlichen Variationen aufgefallen. Wenn man beijpielsweije erfährt, day jamatar die Bedeutung Schwiegerfohn hat, daß e$ aber nicht blos diejen, Der Kampf der Ackerbauer mit den Vtehzlichtern. 367 A jondern (nad) Spiegel!) auch den Mann der Schweiter, der Schwager, ja jogar den Gatten jelbjt bedeutet, jo geht daraus hewvor, daß eine Gruppe von PBerfonen für den Dbigen eine einzige Bezeichnung hat, md e5 reizt, da ja matar Mutter bedeutet, das ja in jamatar zu bejtimmen, indem man e5 in Beziehung zu verwandten Gricheinungen bringt. Dod) diejen DVerhältnilfen nachzugehen, tt nicht meine Yufgabe. Wir haben oben der Dämonen gedacht, als deren Urheimath wir das Höhenland bezeichneten, das wir bisher meilt Gäa nannten und tn Gegenfaß zur Hera jtellten. Die Horden der erjteren nannten wir Genneten oder Gentes, weil fie gehende Horden find, die der lefteren Arter, weil fie durch die Sehhaftigfeit characterifirt werden, tmdem ja der Urling ar, bez. mar und mor das Verweilen ausdrüdt. It ja doc) den Arhorden jelbit das Sterben (moriri) nur ein Bleiben (morari, daher mors der Tod); wogegen bei den Gohorden, den Danaeın, der Tod ein Dehnen (Havaros) it. Doch machten wir in Bezug auf die Danaer und Genneten einen Unterjchted, indem wir mit dem erjteren Ausdruck nur Diejenigen Wanderhorden bezeichneten, welche zuleßt die Arter umjpannten, während wir Genneten nur die nannten, welche jich zuerjt mit den Be- wohnern der Hera vermijchten, nachdem fie fi) zuvor feindlich befämpft hatten. Diefer Kampf findet im der griechiichen Miythologte ferien Ausdrud in dem KNampfe der Giganten mit den Herven. Schon Homer?) gedenft der Giganten als übermüthiger Menfchen (drepdupar), als wilden Ge- ihlechts (&ypıx gAx) und frevelhaften Volfs (Ards Aradaadog), das au Kraft und Größe die Menjchen weit übertraf und, wie die Phäafen und Kyklopen, den Göttern nahe ftand. Durch Hefiod (Iheogon. Vers 184 ff) erfahren wir, daß fie Abfümmlinge der Gäa waren: „groß, in Waffen jtrahlend und mit langen Speeren’. Doch it man infolge der leider verloren gegangenen Bejchrerbungen des es zu allermeijt auf Die Erzählung in Apollodors Bibl. I. 6, 1 und 2 angewiefen. Die darin vorfommenden geographifchen Bezeichnungen find für vorliegenden Zwed interejjelos. Der Sage nad) gebiert Ge vom Uranos die Giganten, die wegen ihres langen, vom Kopf und Stimm herabhängenden Haares jchredlic, an- zufchauen, Feljen und angezündete Baumftämme gegen den Himmel jchleudern. Unter ihnen zeichneten jich namentlich Porphyrton und Alfyoneus aus. Lebterer, der jo lange unjterblic; war, als er in jeinem Geburtslande fämpfte, wurde durch Herafles, den Athene als Mitjtreiter zur Hülfe ge- )) 5. Spiegel, Die arijche Periode und ihre Zuftände, Leipzig 1837. ©. 87. 2) Ddyfjee VII. 58 ff, 205 ff. und X. 120. 368 Zechiter Abjchnitt. rufen hatte, mittels Pfeiles zu Boden gejtredt, wo er zu noch größerer Sluth gelangte, aber jein Ende fand, nachdem ihn Herakles auf Athene's Nat aus jener Hetmath Ballene hinausgejchleppt hatte. Porphyrion jtürmt mn auf Hervafles und Hera los, geräth in vom Zeus eingeflößtes Yiebesverlangen nach Hera, die, weil er ihr das Gewand zerrig und ihr Sewalt anthun wollte, nad) Hilfe rief, zunächlt vom Zeus mit dem Blit- jtrahle getroffen und von Hervakles durch Bogenjchuß getüdtet wınde. Die übrigen Otganten flohen zum Iheil, während die anderen, ebenfalls von Jzeus durd) Bl betäubt, ihren eigentlichen Tod durch die Pfeiljchüffe des Heracles fanden. Während des Kampfes verbot Zeus der Eos, der Selene und dem Helios, ihr Yicht leuchten zu lafjen. 5 tt mit Hülfe meiner Theorie nicht jchwer, die Grundidee des Mythos zu Finden und zugleich das pätere hevanszulöjen. Wenn Ge ac) Anollodor vom Uranos die Ötganten gebiert, jo heiht dies, dah der Kampf erjt entjteht, nachden der Lichtgott der arischen Bewohner in Be- ziehung zum Berglande getreten tjt; und deshalb greift auch Zeus, der Sott des Golandes, mit ein. Wenn Diefer dem Borphyrion Liebesver- langen nad) Hera ermflößt, jo bedeutet dies, daß er der Vermifchung quitig gegenüberjteht; aus letterem Grumde wirft ev zugleich durch Finfternif und Dlit, meld letsteren er ausjchiet, nicht um zu tüdten, jondern nur zu betäuben. Die Giganten würden der NWeisjagung gemäß von den Göttern nicht getöntet werden fünnen, wenn nicht ein Sterblicher mit ihnen jtreite; Deshalb wird Worphyrion nicht im eigenen Yande und nicht durch Jens, jondern auf fremden Boden durch den Pfeil des Herafles umgebracht. Iupdejjen wird metjt ein Vater der Giganten gar nicht er= wähnt und nur die Gäa als Mutter genannt, weshalb jte 3. B. Nonnos ausprüdlicd als „von jelbjt entjtanden“ (adröyovar, durorzisstor) be= zeichnet. ls die eigentliche Urheberin des Kampfes betrachten Apollodorus und Glaudianus die Gäa; über den eigentlichen Zwed gehen die Meinungen der Autoren jo aus einander, day wir ihre Anfichten im Sinzelnen hier nicht aufzählen künnen. Im der Hauptjache berrjceht Darüber Überein- einftimmung, daß die Giganten die Bewohner des Waldgebirges waren, dem jie nicht blos ihre Angriffs- und DVertheidigungsmittel, jondern io ihre aus Ihierfellen bejtehende Bekleidung entnahmen, weshalb man fie auch mit den Kentauren, mit denen fie öfters zujfammengenannt werden, jogar identifieirt. Unter den Göttern, die am Kampfe gegen die Giganten betheiliat find, tritt neben Zeus (Suppiter) hauptjächlich Athene Minerva) hevvor, die gerade während deS Gigantenfampfes aus Zeus” Haupte ge boren jein und den Sieg herbeigeführt haben jol. Daher ihr Beiname Vife. Aber auch dem Mars wird (4. B. von Lueilius, Yetn. v. 61) eine Der Kampf der Ackerbauer mit den Viehzüchtern . 369 hervorragende, ja geradezu Die erjte Nolle im Gigantenfampfe beigemeffen: er tritt auf einem mit Nofjen bejpannten Streitwagen in den Kampf etır. Daneben wird als Mütfämpfer gegen einzelne Giganten ausdrüdlich der Halbgötter gedacht, vor Allem, wie chen oben erwähnt wurde, Herafles, dem Alkyoneus, als jener die Ninder des Geryon am Ihrafijchen Isthmos von Ballene vorbeitrieb, zwölf vierjpännige Wagen vernichtete und ge= waltige Steinmafjen, die Herakles mit der Keule apparterte, entgegen- Ichleuderte. (Schol. Pindar, Item. IV 25). Steinmafjen jchleudert man nicht von der Ebene nad) den Bergen, jondern von diejen nad) jenen. Nach PBindar ift Akyoneus Ninverhirt, dem (nach) dem Scholiaften I 67ff) Herafles die Ninder des Helios wegtrieb, nachdem er ihn niedergejchofjen hatte. Was die Ortlichfeit des Gigantenfampfes betrifft, jo wird diejelbe an jehr verjchiedene Stellen der befannten Erde gejeßt, jo dag man fi) aljo nicht eine bejtimmte Landjchaft als Kampfpla dachte, jondern viel- mehr einen vielerorts beobachteten Kampf jcehildern wollte. Der mythiiche Name der SKampfitelle it Phlegra (BXEypr) und die ältejte befannte Phlegra die Halbinjel Pallene, welche nach Herodot (Silt. VII. 123) und Anderen früher Phlegra geheigen haben joll, während Bhiloftratos (Her. p. 617) diefen Namen als dichteriich Für Pallene bezeichnet. Phlegrae jollen nach Bolybios (Hit. um. III. 91. 7) Gefilde genannt worden jein, die fi) wegen ihrer Fruchtbarkeit bejonders auszeichneten. Was endlich die uns Aufjchlug bietenden Denkmäler anbelangt, jo zeigt das eine vati canijche Nelief uns die Giganten in einer gebirgigen und waldigen Gegend, während auf dem andern Artemis und Hefate fich auf demjelben Boden mit ihren Gegnern befinden. Durchgängig werden die Giganten nur mit einem Thierfelle oder einer Chlamys bekleidet dargejtellt und ihre Waffen in Rorm von Keulen, Baumftämmen, Felsblöden oder Stemen. 85 bedarf faum eines Hinwerjes darauf, daß die Ausbildung und Darjtellung der Gigantenfage tm eine jo verhältuigmäßig |päte Zeit fällt, daß den Bearbeitern und Darjtellern, aus deren Händen wir die Cage erhalten haben, das eigentliche Motiv derjelben faum noc) vorgejchwebt haben kann. Wenn eine Nation den Verjchmelzungsproceß der heterogenen Boltselemente zu einem Ganzen bereits joweit durchgemacht hat, wie in jener Zeit Griechenland, und wern damit zugleich auch die verjchiedenen Wiytho- logien bereits zu einem mehr oder weniger fertigen Ganzen verwebt find, jo müffen die Göttergeitalten, in denen das eigentlich Gejchichtliche zur Ericheinung gebracht wird, jo im Wordergrumde jtehen, daß dieje geradezu Das verdrängen, was der Sage urjprünglic zu Grunde liegt. Die Homeriiche Darjtellung bietet zu wenig Stoff, um den Miythos erfennen zu fünnen; doch tritt bei den übrigen Schriftitellern das Motiv deutlicher hervor, indem hier die Giganten Abfömmlinge der Gäa (y7) Muce, Urgeichichte. 24 370 Sechfter Abjchnitt. find, welche die Berge bewohnen, ihrem Gebahren und ihrem Aufern (Kleidung) nach) roh auftreten, Heerden bejizen, mit den Bewohnern der fruchtbaren Gefilde und Nieverungen im Conflict gerathen und Dadurd), daß fie, wie der Ninderhirt Alfyoneus, den Kampf auf fremdem Boden fämpfen, erliegen. uch Fommt das YLiebesverlangen der Bergbewohner zu den Frauen der Ebene (Alfyoneus zur Here), was jpäter zur DBer- michung führt, bei Allen Klar zum Ausdrud. Srwähnenswerth it noch, daß bisweilen von „jchlangenfüßigen“ Giganten die Nede ıft und daß fie mit Schlangenfühen dargejtellt werden. Die Schlange ift an fich den Bewohnern der Gäa ebenjo qut, wie denen der Hera befannt; mir erlangt jie für beide Bewohner eine verjchiedene Bedeutung, indem theils die jchlangenreihigen Ditichaften von den Höhen- bewohnern, theils die umringten Wohnlager von den Bewohnern der Ebene „Schlangen“ sg: wurden. So bezeichneten beijpielsweie die alten Schweden jene mit Drmar und die Ningmauern, die jich um die Wohnungen herumgogen, mit Kättar (Ketten) und Sfidgördar (Planfen) oder auch mit Drafar (Drachen), „weil fie (nad) Dalin) jich in der Munde zujammenjchlungen, bejonders wenn fie von Stein waren“. Wenn die Go-Horde durch die jhmale Offnung der Nundwohnung Glied um Glied hindurchdrang, mußte auferdem ihr Anmarjch Ttets Ihlangen- fürmig gewunden erjcheinen, da eine Dutmcune bzw. ein Dreifant in Korm der Pyramide ih) nur vom freien Nundlager aus, wie wir bereits oben dargejtellt haben, bilden fonnte. Auch bei diefer Erjcheinung meinen diejenigen Miythologifer, welche in den Naturanjchauungen der Menjchen den Urjprung der NMiythologie erbliden, „daß cheloos, der himmlische Sternengott, als ev mit Herafles im Gewitter eingf, bald bei des Bliges Schlängeln in eine Schlange, bald bei des Donners Brüllen in einen Stier fi) gewandelt zu haben ichten.” Eben dies joll es erflären, „day Typhon und Python bald als Drache, bald als Menjch galt, wie in dem jerbiichen Märchen der Drache Burgen und Schlöffer wie ein König habe‘.t) Wenn es für die finnliche Anjchauung gar feinen Drachen giebt, jo muß man fi) doc, fragen, wie denn der Menjc dazu famı, eine Naturerjcheinung einen Drachen zu nennen. Die „gedrehten" Wälle, die Umfafjung (öpzypax) der Burg, in welcher die Bergbewohner u war die finnliche Anfchauung, die der Drachen- jage zu Grunde liegt und identijch mit derjenigen der Schlange ift. Hätte ji nicht bei ven Bewohnern der Ebene an die Schlangenwälle der Burgen zuvor ein Miyfticismus entwidelt, jo wäre man niemals dazu gekommen, den Blis mit einem gar nicht eriftirenden Drachen zu vergleichen, und niemals würde Furcht vor einem „Drafon“ entjtanden jein. Drafo ift, )) Schwart, Uriprung der Mythologie ©. 20. Der Kampf der Acerbauer mit den Viehzüchtern. 371 wie bemerkt, der ge,dreh”te Wall, die Ningburg, und deshalb bewacht in den Sagen der Drache die Burgen. Immer muß die Phantafie an wirkliche Gejtalten anfnüpfen. Waren die wilden Saubewohner für die an jich friedlichen Marhorden ein Schreden, jo mußte deren Blick tet angitvoll nach den Bergen und dem Oberlande gerichtet jein, von denen das Unheil fam. So fonnte Alles, was ich dort zutrug und was ihr Auge dort erjchaute, auch nur als ein integrivender Beitandtheil des ganzen Ganmwejens aufgefagt werden. Von den Bergen famen der zerjtörende Bliß und der in ihnen widerhallende Donner; Die Ürjachen davon fonnten nur die großen Anführer der gefürchteten „Dan“ jein. Inden fie jet erfannten, was bereits ihrer langen Beobachtung nicht entgangen war, daß die freundlich wärmende Sonne ihren Aderbau begünftigte, traten die Kontrafte der beiden Vorftellungen in den Vor- dergrumd. Dort die Hemmungen des Sriedens, die zur DVerzweifelung führen, bier die Befreiung von der Hemmung, im deren nn die bejeligende MWonne jich befindet. Mittels der beiden Antipoden des Wor- jtellungsbereiches mußte die zuleßt genannte DVorftellung das ftatijche Map überjchreiten und eine jogenannte „freifteigende“ Borftellung entitehen, die immer zu einer Schwelgeret in Gefühlen führt: die "bisher gleichgültig beobachtete Sonne wurde nunmehr eim Gegenftand der Verehrung und führte zu einem bejonderen Kultus, indem man ihr brennendes Abbild zugleich umfleidete (jfr. vas- Fleiden). So entitand der Velta- (Esrlar-) Kultus, wodurch der Abglanz der Sonne bei den Vieuswohnern gleichjam ein wandelnder Wiitbewohner (fir. vas-ati voritber: gehend wohnen) wurde. Der heimijche aütige Lichtgott wurde jo der Verz ehrungsgegenjtand der Aratores. Weder Zeus (Ju-s, Djus, Asb-s, Za-s, Zr-s, dor. Az-v) noch alle übrigen, von der Wurzel dyu, div-, dem ind. jut = yut = dyut benannten Dei find. urjprünglich Götter der Felhhantendei Marhorden gewejen. Der Alles umfajjende und bededende (var-) Himmelsgott der Arter war viel- mehr Uranus, der indijche Baruma, der nur Segen jpendenden Negen über die arva ergoß und tm edlen des Tages als Mithra erichten. Im Gegenfag zu den ausländischen Göttern war er zugleich Inpra, der im Innern gehende (daher Indra jynon. ift mit igvara, der Gigene). Erjt nachdem fich Uranos der Gaea vermählt hatte, wird Zeus (us), der dann fortan als Gompofitum Suspiter auftritt, auch) ein „pitar“ (pater) der nichtarifchen Horden und ebenjo erhält Indra alsdann au den Beinamen Dyäaus. Dafjelbe gilt von allen Divt, die, wie bemerft, urjprünglich Gaumejen find. Dieje werden den Artern erjt jpäter als Adityas zu= bezw. beigegeben. Urjprünglich find fie deren Feinde. Feinde find aber in der Urzeit Fremde. Daher ift das, was vom Standpunfte 24* 312 Sechiter Abjchnitt. der Arier Feind it, vom Standpunkte der Gobewohner Freund, woraus man 8 fich zu erklären hat, daß bei dem emen Volke diejelben Nejen den Göttern helfend, bei einem andern dagegen als den Göttern Feind auftraten. So nahmen beijpielsweije im ZJend-Avejta der Perjer die einzelnen Iejen eine andere Stellung ein, indem dem Ahuramasda (Drmuzd) der Angrasmainyus (Ahriman) entgegenfteht, der bei den Imdern den Göttern hilft, und Aura (— Ahura) zu den Götterfenden gehört, Indra (per). Andra) aber bei den Perjern Anhänger des Alrgrasmainyus ift. Daraus it ferner zu erflären, daß aud) Götter, wie die Banen bei den jfandina- vischen Völkern, von andern Göttern (den Afen) zurüdgedrängt werden. Solche Ericheinungen fünnen nur durd eine jpecielle unterjcheidende Unter- juchung der urjprünglichen Go= von den Ar-Göttern gelöft werden, was jelbjtverftändlich hier nicht der Drt jein fan, da der Zwed meiner Unter: juchung das Miythologijche nur joweit berührt, als es für meine wirth- ichaftlichen Verhältniffe unumgänglich nothwendig tft. Ich bin überzeugt, dah eine eracte ftatiftijche Unterfuchung der mıythologiichen Ihatjachen auf die Kenntnig der Ürgejchichte der Völferbildungen von großem Einflufje jein fann. Ienn man den Donner mit brüllenden Kühen, die Wolfen am Himmel mit Heerden vergleicht und man in den Höhen des Luftreichs Dämonen erblict, jo it dies nur vom Standorte der unten wohnenden Arier zu verftehen. So jehr die natürlichen Verhältnifje die Phantafte mit belebt haben, jo muß man fich doch hüten, das eigentliche Miotiv des Mythos in den Naturgewalten zu juchen. Würde es ich im der Sigantenjage um eine Schilderung „des Gegenjaßes der elementarijchen Kräfte der Natur gegenüber der flaren Drdnung und Harmonie des ruhtgen Beitandes der Welt“ handeln, um „Nepräjentation der Finfternif im Gegenjag zum Lichte”, um das Schreden oder Staunen Grregende am Himmel und auf der Erde, wie wilde Wafler, feuerjpeiende Berge und Gröbeben, jo würden die Gejtalten der Halbgötter, die doc) gerade im Vordergrumde des Kampfes Itehen, geradezu unverjtändlich jein. Die uns verloren gegangenen Bejchreibungen des Altertpums haben vielmehr, wie man immerhin noc deutlich erfennen fan, uns in den Siganten die in den Gebirgen haujenden Waldbewohner vorführen wollen, die, wie Altyoneus, Ninderhirten waren, und mit den in den Niederungen haujenden Aederbauern, die ihnen, wie Herafles, Ninvder entführten, in Kampf gerieten. Hier in den Miederungen unterlagen fie, angeblich vom Dlit getroffen, aber, wie wir bereits erwähnten, von der Hand des in Herafles perjonificirten Acerbaues getödtet. Über die Ableitung und Bedeutung des Wortes yiyas bejtehen ver, jhiedene Anfichten; die einen bringen e$ mit y7, Andere mit TAQ in Der Kampf der AUcerbauer mit den VBiehzichtern. 373 Verbindung. Nach der Etym. magn. p. 231, 20 jollen die Tryavıss Tap& To Ex yris levar genannt fein. Dem thatfächlichen Befunde nad) fan ylyas nicht zeugerifch bedeuten, jondern Gau-gänger; ich halte für TAQ die Bedeutung „gehen“ für das Urjprüngliche, daraus folgt dan „hervorgehen“ und endlich erfennen im Stimme von „erzeugen“; wentgjtens entjpricht dies dem ‚Entwiclungsgange der Seele von der finnlichen zur nichtsfinnlichen DVerftellung anı beiten. Stmd die Giganten die Gaubewohner, jo find ihre natürlichen Feinde die Ar= bzw. Marsbemohner, die Heroen. Bestere werden repräjentirt durd) Ares bzw. Mars, der, wie bereits oben erwähnt wurde, nicht jowohl in erjter Line Kriegsgott, jondern, ebenjo wie Dven, Aderbaugott war umd zum Siriegg- gott erjt durch den Kampf mit den Hirtenwölfern wurde, nac) deren Be- ftegung bzw. Unterwerfung er jelbjtverjtändlich, wie jeder Sieger, auch Beftandtheife der Beltegten gleichjam in jeine Titulatur aufnahm, wie beijpielsweife bei den Nömern „Silvanıs* als Gott der Heerden umd Gogänger überhaupt. Die Giganten find Dajjelbe, was im Deutjchen die Niefen find, altj. wriso, ahd. riso verw. mit jfr. vrish-an —Mann, aber nicht Mann im Sinne des Ariers, der jehafte (bleibende maneo) Mann, jondern jet Gegenjaß: der wandernde, gehende Hirten-Mann, weshalb da Wort aud) zugleich Stier bedeutet. Mieje hängt zujammen mit reifen und ift daher jinnmverwandt mit ylyas— GSogänger. Die Neijenden oder Niefen find zuden noch im Begleitung von Vieh. Da auch die viehzüchtenden Niejen des deutjchen Meythos mit den aderbauenden Marländern wegen Länderbefites in Gonflift geriethen, läßt die jchon oben erwähnte Stelle noch er rathen: „mir hat gemacdet ein rije mine huoba zeiner wije.!) Denn auch die Hufen- (huoba) Belter auf Marland wurden genöthigt, dein verjenden bzw. entreifenden Ganbewohnern mit Viehzucht immer mehr Acer land als Wieje einzuräumen. Umd durch diefe Nöthigung wurde eben der Berfchmelzungsproceg von Aderbau und Viehzucht allenthalben durchgeführt, jo day die Viehzüchter zur Sehhaftigfeit, die bereits jeßhaften Iderbauer aber zur Viehhaltung genöthigt wurden. ur liegen die Ihatfachen nicht immer jo bequem vor uns, daß wir fie jo leichter Hand an der Dberfläche des jtilljtehenden Gewäljers ab- ichöpfen fünnen, weil jte durch eine Menge anderer Gewächje einer jpäteren Zeit überwuchert worden find, weshalb man, um tm die Tiefe zu gelangen, die mannigfachen Schlingpflanzen erjt zu bejeittgen hat. Wir haben jchon mehrfach der Perfon des Herafles gedacht, der ja auch im Gigantenfampfe eine Nolle jpielt. Da er wirthichafte- bzw. agrar- mythologische Bedeutung hat, jo müfjen wir jeiner noch bejonders ge- ) Grimm, Nechtsalterbücher 525 Note. 374 Sechiter Abjchnitt. denfen. Denn er it der Nepräjentant des Fultorifchen Aderbaues, des Slanwejens, d. h. desjenigen Aderbaues, welcher Viehzuchtbetrieb in fich aufnimmt. Die Deutung der Gejtalt des Herafles gehört befanntlich zu den jchwierigften in der Mythologie. Sagt doc) jhon Diodor (IV. 8), dab, wer den Herafles mit der gehörigen Wirrde behandeln will, mit faft unüberwindlichen Schwierigkeiten zu fämpfen habe. Schon die zahlreichen Beinamen Ddiefes Heros deuten an, im welch verjchtedvene Beziehungen ihn die Sage verjeßt hat. uch wenn wir mur an feinen Namen an- fnüpfen, Itoßen wir bereits auf Schwierigfeiten, da ja der Name Hera als der fruchtbaren Göttin des ebenen Landes, mit dev Gaea vermechjelt, bzw. identificirt wird, obwohl fie Gegenjäge find. Wie jehr bereits den Schriftitellern des Alterthpums der von mir jcharf betonte Unterjchted Beider verloren gegangen war, beweilt beijptelsweile die Deutung des Namens GSrechtheus durch Herodot (VIII. 55): Epx-yrov —= "Epıydövuos = 65 ynyevns Aeyönevos, wo doc) ganz augenjcheinlich Srechtheus nur der Nepräjentant des Heralandes it. Seine Mutter it Hera bzw. Minerva, welche Zeus einit zu Hephaeftos jandte, weil jener über den Scherz des lefteren, welcher für Suno einen goldenen Stuhl gemacht hatte, von dem fie nicht aufjtehen fonnte, hoch erfreut worden war. Zwijchen dem lüfternen Schmied und der jungfräulichen Göttin entjpann ji) ein Kampf, bet welchem Hephaeftos die Hera befruchtete, deren Crgebnig eben Grichthontos war. Gerade diejenige Ihätigfeit, welche den Herkules zu einer bejonders interefjanten Gejtalt macht, nämlich die befannten zwölf Arbeiten, möchte ich als jolche betrachtet, ihm nicht zumerfen. Der Sage liegt augen= icheinlich die Thatjache zu Grunde, daß Bewohner der Hera tm den Dienft der zwölf Männer im Gorod gejtellt worden find. Die Verjönlichfeit des Herfules it nicht jowohl eine dienende, als gebietende, wie e8 eben die Gultores im/Clan den um ihr Haus herummohnenden Hirten gegenüber find. Der Nepräjentant der herummohnenden tft Amphitruo, der jeine junge Frau Alfmene nicht eher jehen wollte, bevor er nicht Die Teleboer (Kern- wohnende) bejiegt habe. Ss tft die befannte Erjcheinung, wonach bet der Samilienhetrath der fremde Mann das heimtiche Hordenweib nicht chen in der Hochzeitsnacht beichläft.) Doch Zeus hatte das jungfräuliche Weib lieb gewonnen, erjchten in Amphitruo’s Gejtalt, dem Heltos verbietend, am Himmel zu erjchemmen, jo daf die Nacht um das Dreifache verlängert wurde. Amphitruo fommt zurüd, Alfmene bedeutet ihm, daß er jchon bei ihr gewejen jet und der Scher Tirefias flärt dem erjteren das Näthjel- hafte des Worfalls auf. Alfmene gebar zwei Knaben, vom Jupiter den Herafles, vom Amphitruo den SIphifles. Doch den erteren jeßte IE mene aus. a I) Vgl. darüber mein Buch „Horde und Familie” ©. 140 ff. Der Kampf der Acerbauer mit den VBiehzüchtern. 375 Lafjen wir jeine Jugendgejchichte als für uns unwejentlich bei Seite. Der Mann jeiner Mutter bzw. jein (nichthordiger) Vater jandte den Knaben zu jeinen Minderheerden; dort erwuchs er. zu riefiger Größe, gewann an Stärfe und Muth, weshalb er mit achtzehn Iahren jchon den berühmten fythaeroniichen Yöwen, der unter den Heerden Verwültungen angerichtet hatte, tödtete. Ganz, umverfennbar wird hier gezeigt, wie durch den Berfehr mit Ninderheerden der Sohn der Glanmutter deren Icerbau jtärfte. Much hatte ihn Amphitruo „in Lenfen der Duadriga” unter- richtet, ein Hinweis auf Die Btertheilung des Clans durch den Hirtenmann, Die Kraft des Herfules wird in feiner Seule vepräjentirt, welche den „ful”toriichen Aderbau fennzeichnet, welcher eben durch die DVer- bindung des artjchen Aderbaues mit der Viehzucht bewirkt wurde. Daher ja auch jein Name „Herassiles‘, den man aber befanntlich als „Nuhme verfünder” deutet (Hpaxıns, St 8° "Hpav Eoye xAEos). Iujofern er als Begründer des Glan betrachtet wird, tritt er auch als Heerdenräuber auf. Doch wird der von ihm bewirkte Naub mit zu den zwölf Vlrbeiten ge= rechnet, nämlich als ein Muftrag, die Rinder Geryons, des dreigejtaltigen Sohnes des Ghryjaor und der Kallivrhoe von der Injel Erytheia zum Furysthens zu bringen. Hier erjchlägt er zuerft den Hund Drthros und den Hirten Curytion und fing an, Gemyons Heerde wegzutreiben. Doc) Menötios, der die Heerden weidete, hinterbrachte es dem Geryon; diejer jeßte dem MNäuber nach, wurde aber von dejjen Pfeile Durchbohrt. Infofern jedoch Diejer Naub fein bejonderes Gharacterijticum an Herafles tft, gehen wir auf ihn nicht bejonders ein, zumal wir alsbald dDieje Erjcheinung an Hermes näher erörtern wollen. DBejonders bemerfens- werth it feine Stellung zu Athene und Here. Gritere it jeine DBe- ihüßerin, welche fich unzweifelhaft aus der Stellung erklärt, welche die urjprünglich benachbarten Ginzelhöfer, deren Nepräjentantin eben Athene d. t. die Eine (odin) ijt, den Pfahlbaubewohnern gegenüber, aus denen fich im GSlanlande der Glan entwidelte, einnehmen; fie jind beide, wie wir gejehen haben, dejjelben Urjprungs, nämlich Bewohner des Marlandes. Der Athene in Griechenland entjpricht bei den Nömern Minerva; 08 tt nicht Leicht, beide Figuren auseinanderzuhalten, weil hier augenjcheinlich Ibertragungen jtattgefunden haben. Ihren Character zu fennzeichnen tft, wie jchon oft hervorgehoben wurde, jehr jchwer; offenbar wuhten die Diythenbildner des Alterthums nicht viel mit ihr anzufangen. Dbgleich Göttin dev Weisheit, begeht fie arge TIhorheiten. Den Männern nicht feind, jchenft jie feinem ihre Liebe; fie ericheint eben als Somderling, weil fie die Einjame it. Indem fie ihrer ganzen Haltung nach, wie Athene, diejenige tft, welche den Ader (arvum) allein baut und jeghaft it, fan ic einer Etymologie „die Geiftuolle” (mens — pivosg Muth) ebenjo wenig zuftimmen wie der Zechiter Abjchnitt. wi —1 or von Athene aus Zodnvn, die Geiftige. Die Athener waren unter den Ariern Griechenlands die Einzelhöfer, dafjelbe wie die Ajen in Schweden, die jpäter nad) der Höhe drangen. Auch Minyas, der König von Böotien, ein Gnfel Neptun’s und der Vater des Erbauers von Drehomenos war jephaft in der Ebene, wie denn die Minyer Söhne der Argonauten waren. Desgleichen war Minos, König von Kreta, Nichter der Seelen im der Unterwelt. Hier im des (Hades), dem am tiefjt gelegenen Punkte, wo die Einzelhöfer eben verweilen, tft der Si der Manen, die bei den Nömern Ahnlichfeit mit den Heroen der Griechen haben. Auffällig tjt die Stellung des Herafles zur Here, die ihm eine eifer- jüchtige und unverjöhnliche Feindin gewejen jein joll. Bet jeiner Nüdfehr von Troja joll jie 3. B. gewaltige Seeftürme erzeugt haben, worüber Zeus erzürnt jeine Gemahlin vom Dlympus herab in der Echwebe aufhing. Zuletzt aber verföhnt fich Herakles mit Here und erhält von ihr deren ewig blühende Tochter Hebe zur Gattin, die ihm den Aleriares und Arifetos gebar. Das eigent- fihe Motiv, weshalb Hera dem Herafles zürnte, der doc) im Giganten- friege durch feinen tödtlichen Pfeil die Keujchheit der Hera vor einem jehr ungejtümen Liebhaber, dem Giganten PBorphyrion rettete, it im den GSrzählungen nicht aufzufinden; doch fanır man vermuthen, daß ıhre Feind- Ichaft aus den Gegenjäten herzuleiten tft, die zwijchen den reinen Artern und den mit Manderhorden gemijchten Artern eine Zeit lang bejtanden haben werden. Denn Herafles ftammt aus unebenbürtiger Che (Suamilien- heirath) und tt Nuswärtiger, was die Sage erzeugt, er jet nicht in Argos, jondern in Theben geboren. Auch die Schlangen (Med Slane) bedrohen ihon den Säugling. Was num Hera jelbjt betrifft, jo wird fie, wie bereits bemerft, mit Gaea vermechjelt, weshalb ihr ame mehr und mehr zurüctritt, an dejjen Stelle insbejondere Iuno erjcheint; aber diefe Perfon it eigentlich) mur ein Theil der Miichbewohner der Ebene, nämlich der am Wafjer Wohnenden. LS jolche it jie urjprünglich Bina und ihrem Grundmerfmal nach identijch mit der altitaliichen DVenilia und der Venus. DVenilia ericheint bald als Seltebte des Neptun, bald als Gemahlin des Sanus, erjterer tft ihr horden- verwandt, diejer ein fremder Ningbewohner. Venus, die Schaumgeborene (Iphrodite), entjtamnt dem Meere, angeblich) aus den dem WUranos ge= vaubten Iheilen, die Saturn ing Meer warf; befanntlich tft jte von Prariteles als Schifferin dargeftellt worden. Iene Theile find eben Theile der Gefjammt-Hera, von der Vina nur ein Glied tft. Indem Vina zur Gemahlin des Jus (Sovis, Djus) wird, tft jte eben Suno d. i. Josvina (Djuno). Injofern us (Geis) der entgegengejeßte Drtpunft, nämlicd) das Höchitland ift, Vina aber am Wafjer wohnt, tft ihre Verbindung als eine heterogenhordige anfangs nur Kamilienheivath; erjt jpäter wird das Der Kampf der Ackerbauer mit den Viehzlichtern. 377 Band geheiligt (Lepos yayos) und daraus eine Gejchwilterehe gemacht, weshalb Zeus und Iumo bzw. Here zu Gejchwiftern werden. Bor ihrer Befanntfchaft mit Zeus wandelte Hera jedoch allein, ohne Begleitung. Im der gegemjeitigen Vermählung beider wird der DWer- mihungsproces der Gebirgsbewohner mit denen der Ebene zur Darftellung gebracht, weshalb ihr auf Samos (sam — janmt) die ältefte und größte Verehrung zu Theil wurde. Daraus entwicelt fich die befannte Sage von ihrem Bilde bei den Samiern, das in feiner jpäteren Ausjchmücung für uns hier fein Interefje hat. Die Samier behaupteten, fie jet bei ihnen geboren und früher rz&pdevus d. i. Jungfrau gewejen. Lange hatte Zeus fie um ihre Gunft vergeblich bemüht; da erregte er plößlich einen heftigen, von Plabregen begleiteten Sturm und nöthigte die luftwandelnde Göttin ji) auf der Bergipiße, Vrone, niederzulaifen; ev jelbjt verwandelte ih in einen Kufuf und jeßte fich ihr gegenüber auf die andere Spike. Da fliegt zu der im Gedanfen verfunfenen jungfräulichen Here der Kufuf und fleht, jie umflatterıd, um Schuß gegen das Wetter. Sie kommt zu jich jelbit, empfindet Mitleid gegen das Ihierchen und erwärmt es, nichts Arges ahmend, an ihrem Bujen. Der VBerwandelte hat feinen Zwed erreicht, nimmt jerne Gejtalt wieder an, bejchwichtigt alle ihr Herz be- türmenden Zweifel, bejonders die Furcht vor ihren Eltern, durch das Verjprechen, fie zu ehelichen, täujcht fie, Suowrounsvos Trv "ayanwpevnv und jie gebtert einen Sohn. Dieje Sage, der die Verbreitung der Herabewohner nad) dem Höhen- lande zu Grunde liegt, verförpert uns in einem jhönen Bilde den Ber- mählungsproce der Gohorden mit den Marhorden, der anfänglich im bes trügerifcher Abjicht vollführt wurde, indem nicht Ehen, jondern Heirathen gejchlofjen wurden, in deren Gefolge zunächit aufereheliche Kinder ent- jtanden. Wie ich jchon hevvorgehoben habe, wird die Samilienhetrath mit der Hordenehe jpäter verjchmolzenn, sa wir auch im Verhältnig des Zeus zur Hera drei Stadien zu unterjcheiden haben: im Gehermen zur Iungfrau (mepdevia), nicht geheim zum gefürten Sebsweib (Houpıöfn &Xoyos) und öffentlich dejtinivt zur vollendeten Ehefrau (TeXelx). Unter dem Parthenon (raptevov) haben wir urjprünglich) das Hordenhaus der Jünglinge und Jungfrauen zu verjtehen, dafjelbe, was die Sabbha it, nämlich das Langhaus der Barden, eine weit verbreitete Bezeichnung für Brüderjchaft. Auch „Pharao“ bedeutet (nad) Steinthal, Jeitichr. F. Völkerpiydh. 18, ©. 217) eigentlich „großes Haus”, und augenscheinlich ift auch die PBotiphar nur eine Herrin (pot in Ses-rör-ns) in jenem Langhaufe gewejen. Doch wenden wir ung jpectell noch der Stellung der VBiehzüchter den Aderbauern gegenüber zu. Treiben die Bewohner der Ga — ab- gejehen vom gewerblichen Leben, dejjen mythologtiche Ftquren ich in einer 378 Zechiter Abjchnitt. andern Schrift zu jchildern habe, Viehzucht und die Bewohner der Hera Acderbau, jo muß, wenn die letteren von jenen, wie wir an den Smdern jahen, in die Enge getrieben wurden, der Wunjch nad) Vieh und das Streben nach den Höhen eintreten, und anderjeits müfjen die Gaumohner jene au verdrängen Juchen. Der Nepräjentant der Vertreiber der Viehräuber it in der griechifchen Mythologie Apollon. Sem Name Lyfegenes (Avamyevns, Auxatos) wird befanntlich entweder jo gedeutet, Apollon jet Lyfifchen Urjprungs, oder auch jo, er jei der Lichtgott (won Adxn, lux, das Licht). Am liebjten würde ich das Wort mit Lohländler (Lohmann) wiedergeben, doc da Hain identijch mit Xoh ift, jo überjeße ich das Wort mit „Hainentjtammt“, wie ich denn auch unter Lyfiern nur Hain= oder Waldbewohner (Lufumanen) verjtehe. Unter Hain (Xoh) begreift man den gelichteten Wald, d. h. einen Hagq, der durch Baum,hau“ hergejtellt it; dafjelbe bedeutet auch lucus (ifr. 1öka, lit. lJauka, ahd. 16h). Durd) das Fällen der Bäume entiteht eben die Lichtung, ». i. die vom Unterholz gereinigte (ForB&w, porßarTw) Stelle (zor3og), weshalb Phoebus (Doißos) ganz dafjelbe ausdrüdt, wie Lyfatod. In dem auch von Wölfen Adxos) bejuchten Hat, Ddejjen DBe- wohner fich in MWolfsfelle Eleiden, indem fie zugleich den Wolfsfopf helm artig Auxelz — Helm aus Wolfsleder) über eigenen Kopf ziehen, und die deshalb den Bewohnern der Ebene Veranlafjung zu der Gage vom NWärmolf (Auxdvdgoros) oder Wolfsmenjchen wurden, tft der Sit der Ninderhirten, bzw. der Viehzüchter überhaupt. CS tjt deshalb ver Ihoebus oder Lyfegenes der Nepräjentant des heerdenbefigenden Wald- bewohners. Es wird zum Ipollon dadurch, da er die vinderbegehrenden Arier der Niederung bei ihrem Viehdiebjtahl vertreibt. Apollon it nicht jowohl abzuleiten von ’ar-sIn — 5AAupuı vernichten im Sinne dejjen, „der Dunfelheit oder Übel vernichtet“ und dadurch Licht hervorruft; er hat vielmehr jeinen Namen von Antw (aus Äol. Ar-FEIID) — 1d) ver- treibe, was finngleich it mit FEoyo — id) wehre ab, weshalb Apollon auch der Exzepyos tft. Mpollon it der Gott der nomadifivenden Hirten und it als jolcher Nomtos; er wird jpäter auch in den Städten verehrt, die er mit feiten jchütenden Mauern (vergl. das oben ©. 361 ff. über die puru Gejagte) gebaut haben joll, wo man für ihn Tempel, meijt Altäre und geheiligte Haine anlegte und ihn jogar mit dem Sonnengott ver- wechjelte und verjchmolz. Für uns hat nur der urzeitliche Apollon Interefje, d. h. in jeiner GSigenichaft als heerdenbefitender Hainbewohner, als Lyfegenes, der auf dem rauhen Lande (yrpxs — runzeliges Yand, woraus die Andentung des rungeligen Ausjehens der Haut der Greife, Alter jowie die Haut jelbit) wohnt. Von diejen (fteinigen) Nauhen „raunt“, d. h. erjchallt das Ge- Der Kampf der Acerbauer mit den Vichzüchtent. 379 ı brülle des Viehes (ynp-bo brülle, jchreie, blöfe) zur Ebene hinab. Diejes Gejammtbild wird perjonifteirt in Geryon, Geryones oder Geryonens. Diejer Nieje hatte einen aus drei Männern zujammengefeßten Körper, jein Leib theilte fich nämlich von der Gegend des Magens nach oben und unten in drei Theile, jo day er jechs Füße, jehs Hände und drei Köpfe hatte; — augenscheinlich ein aus nn in drei Theile zerfallenden Biertel- freis der Viehzüchter entjtandenen Miyftieismus. Wie wir jchon oben Jahen, vaubte Herafles die Minder des Geryon. Doc wollen wir ar Stelle diejes Heerdenräubers Lieber die Figur des Hermes heranztehen. Auch eine Geftalt wie Hermes, fanın nicht durch) die Summe ihrer Merkmale, jondern vorerjt nur in ihrem Grundmerfmal gedeutet werden. Man urtheilt zu jchnell, wenn man ihn, mit dem römischen Merkur identifterrend, ohne Weiteres zum VBorjteher des Handels und Verkehrs erhebt und ihn alsbald zum Gott der Diebe und Kaufleute macht. Gewiß haben Hermes und Merfur gemeinjame, aber auch) jehr verjchtedene Merkmale, die man bei der Vergleichung nicht außer Acht laffen darf. Darüber, daß man z.B. den Hermes auch in Aegypten alg Nepräjentanten des Handels verehrt habe, jind feine deutlichen Spuren vorhanden; vielmehr vepräjentirt er hier die niedere fruchtbare Erde und die Fruchtbarkeit jelbit. Der Schildfeöte, welche bei den Verlüberjchwenmumgen der Worbote des wichtigjten Greignifjes für Yegypten ijt (Aelian. hist. animal V. 52), legt er eine bejonvere Bedeutung bei. Bleibt die Nılflut in der Frühlingsgleiche aus, jo ent- jteht ein furchtbarer Weltbrand (Exröpwars) d. h. eine Austrodnung; auch) jchreibt man ihm in Hegypten die Anpflanzung des Dlbaumes zu, wodurd) er als befruchtende und erfreuende Gottheit ericheint. Desgleichen tft der griechiiche Hermes Gott der Fruchtbarkeit, dem — zur Erinnerung an die große verheerende KShuth — die aus ihr Geretteten für Die in derjelben Um- gefommenen im alten Athen im Monat Antheiterion dem röm. Februar und März) allerlei Samen in Töpfen (yurpas ravozepnas) ald Sühn- opfer brachten. Als Sohn der Maja, die in einjamer jchattiger Grotte fern von den Göttern wohnte, geboren, wird er in dem befannten Hymmos Homers „eis Epumv” geichildert: Ihn gebar der Morgen, am Mittag jptelt' er die Lyra, Und am Abend jtahl er die Rinder Bhöbos Apollons. Als er jich los gerilfen hatte vom Leibe der Mutter, Konnt’ ihn nicht halten die viert! Stund’ in der Bl iege, Plößlich jprang er empor und juchte die Rinder Apollons. Wie die Mythographen in Bezug auf diefe Sage in einzelnen Zügen von einander abweichen, dies hier vorzuführen it nicht unjere Aufgabe; uns genügt die Ihatjache, da Hermes, ähnlich wie Hercules, zum Vieh: 380 Sechiter Abjchnitt. räuber wird. Wäre er nicht ein Nepräjentant der aderbautreibenden Be- wohner der Hera, jondern der Viehzüchter, jo würde er nicht chen furz nac) feiner Geburt der „Litige Ninderentführer” geworden fein. Macht ihn der Mythos auch zum Aufjeher der Heerden und läht ihn den Hirtenjtab vom Apollon erhalten, jo muß diefe Sage als jpätere betrachtet werden, weil fie nur entjtanden jein fann mit Hülfe von Zwijchengliedern aus andern Sagen. Dieje Itegen im jeimer vermittelmden Stellung zwtjchen den „Mar’bewohnern und den „Ning“bewohnern der Gäa, weshalb ihn die römische Sage „Mer”- Gurius” nennt; denn an der Grenze (margo) jpielte fich in primitiven Seiten der Handel, der Marft ab. Deshalb erfennen ihn Die Griechen und Nömer als Gott des Denkens und Medens, weil eben Iaujchen und Handeln theils Grwägen (jfr. marc-), theils Spracd)- verfehr, bzw. VBerfehrsjprache vorausjeßt. Aus Naub entjteht Taufh. Da TIaujchen Täufchen im Gefolge hat, wird Hermes als ein lijtiger, be= trügerifcher, väubertjcher und jelbjt meineidiger Gott vorzüglich in Homer’s Hymmus gejchildert, zufolge dejfen auch Platon im Kratilus als Hauptmerf- mal aufführt: To Awrnıxov Te xa TO anamdlov ev Aoyoıs, XL TO ayopatınov. Weil eben Hermes der Vermittler der heterogenen Völfer, darunter auch der Acerbauer und Hirten wird und ihre beiderjeitigen SInterejjen vertritt, erhält er von Apollon den Hirtenftab, der aber zugleich auch zum Handelsjtab und zum Heroldsjtab (Anpuxerov) wird. Wenn Hermes von jeiner Geliebten Balaejtra, einer Tochter des Königs Chörilus, im ver- traulicher Stunde die von ihren Brüdern geübte Ningfunft erlernt (DVirg. Yen. VII. 138), jo deutet dies ebenfalls darauf hin, daß er, da der Shoros ein Sharacterijticeum der Ningbewohner der Gäa ift, den Niederungen entjtammmt, wo der arijche Aderbau getrieben wird. Hier herricht nicht der Nundtanz, Jondern der Wechjel-Neihentanz und die tampfreihe. Hermes ift ein Mepräjentant des Aderbaues. Da diejer aber überall genöthigt wird, zur Viehzucht überzugehen, wenn die VBiehzüchter ihn in die Enge treiben, jo ijt der Heerdenraub die nothwendige Folge diefes Umftandes. Sind Mythen auf Begebenheiten zurüdzuführen, die nur in dunfeler Srinnerung ji) erhalten haben, jo jind vorerjt dieje Begebenheiten zu veconjtrniven; und beruht der Ausbau der Mythen auf Deutungen der (efzteven, jo müflen dieje Deutungen zunächit entfernt werden. Injofern nun Mythen durch die Sprache übermittelt werden, nicht Alle aber von Denjenigen, denen man fie überbringt, wegen der inguifcen eingetretenen Veränderung der Sprache diefe Sprache verjtehen, jo ift es nicht Itatthaft, mittels einer viel vervollfonmneteren, beijpielöweife der ung überfommenen griechtichen Sprache der Klaffiker, die mythifchen Ausdrüde zu deuten. Vrelmehr mug umgefehrt aus dem den Mythen zu Grunde liegenden Der Kampf der Ackerbauer mit den Viehzlichtern. 381 Sachverhalt, der nur aus dem Jufammenhang der in der einheitlichen Bielheit aller GEricheinungen des Bölferlebens enthaltenen reinen TIhatjachen- merfmale fejtzuftellen tft, die Bedeutung der mythiichen Wörter erforjcht werden. | Aller Wahrjcheinlichfeit nach beruht die Sage vom Austaufch der Lyra gegen Vieh, wie jo häufig in der Mythologie, auf einer prachlichen Myftit. Bewegen wir uns nicht im Wolfenfufufsheim, jondern auf dem Boden des wirklichen Lebens und behalten wir im Auge, daß der Ader- bauer mangels anderer Taufchäquivalente für Vieh urjprünglich nur ebenes Land hingeben fonnte, jo fünnen wir ung der Erfenntnig des Sachverhaltes nähern. Im Gefolge der Hordenvermifchung fteht die Sprachenvermifchung, und dieje jchliet nicht blos einen Bedeutungswechjel, jondern aud) ein Verichwinden von Wörtern in fi. Im der lateinischen Sprache bedeutet lira die zwilchen zwei Burchen aufgeworfene Erde, das Aderbeet (Cell. 2, 4, 8) und bet Homer (Dd. 7, 125) hat in Aeup® ’evi yupw das Acsupös die Bedeutung eben; es wird verdrängt durch Astog. Der ganzen Sachlage nad) fan die Heimath des Hermes nur die feuchte Niederung gewejen jein, da, wo auc, die Dfeanide Liriope zu Hauje war, nämlich am Waffer, Ipeciell auf dem zerflüfteten (Scheeren-) Lande, wo wir das viertheilige, in Korm einer Art Hochäder geebnete Land antreffen, das nicht gerade nur dem Getreide-, jondern je nach den Bedingungen dem Dbft- und Weinbau diente. Da diejes Land durch einen Kreuzweg in vier Acer getheilt ift, auf welchem, wenn fie nicht zur Wege- pflafterung ausgebreitet worden waren, große Haufen dem Iderlande ent nommener Steine lagen, jo Fand die Miyjtif hier verjchtedene Anfnüpfungs- punkte. Die Steinhaufen find eine verbreitete Erjcheinung, und die myftiihe Sitte, ihnen neue Steine zuzumerfen, im ihrem Urjprung zu erfennen, fällt dem nicht jchwer, der die Findliche Seele begreift umd beijpielsweije beobachtet hat, wie fich der Knabe umwillfürlich einen Schnee- ball zurecht macht, um einem bereits erhöhten Schneehaufen jeinen Theil hinzuzufügen. Dieje Sitte des Steinwerfens hat fi) auch in Griechenland (nach) Iheophr. Char. 16), bejonders an den Kreuzwegen lange erhalten; nur erlangt fie hier noch eine andere Bedeutung. Es wurden nämlich tır jolchen Haufen zugleich Pfeiler von Holz oder Stein aufgerichtet, die man mit dem männlichen Gejchlechtstheil bzw. auch mit Bildmifjen von Göttern verjah. 1) 1) Daß Hermes ein arijcher d. ti. ein Ackerbau-Gott war, erfennt man auch) aus dem Hermares der Sfythen, bei dem wir die analoge Erjcheinung, nämlich) de3 Grrichtens von Ackerbeeten, wie auf dem Scheerenlande, finden. Co erzählt Herodot (IV. 62): „In jedem Bezirk haben die Skythen dem Ares ein HeiligthHum errichtet, nämlich einen großen Hügel von Neipbündeln, welcher vier Zeiten 389 Sechiter Abjchnitt. 8) reihe das PN beides beiteht aber nebeneinander, woraus e5 fich erklärt, dak auch die Miyftif bei Hermes an beides anfnüpft!). Die Steinhaufen führen zu den jog. Hermen, denen man eine vieredige Geftalt giebt (Thuf, 6, 27. eiol SE xar& Tb Eniywprov 7) Terpdywvos &pyaola moAlol u. |. w. vergl. mit Paul. 4. 33, 4 "Adyvalov yip T6 oyTja. to terpdywvöv &otıy rols Epnais u. j. w.); eine Erjcheinung, deren Miyftik nur auf die vierfelderige Lira (Aevpds y@pos) zurüdgeführt werden fanı. LirasLand it dad von Steinen befreite Yand; denn Asvpds yapas tft identisch mit y@pos Aslos nerpkwy (Hom. Dd. 5, 443) und dor. Aebs —= Is (Stein). Mad) Diodornd Stculus (3, 16) war die Lyra urjprüng- lich vierjaitig, nach Anderen jtebenjaitig; leßteres fünnte nur durch die fieben Kämpe in der Gewanne veranlagt worden jein. Doch ergiebt der Zufanmenhang, daß fie vierjattig gewejen jein muß, da dem Hermes die Vier heilig ift. Am vierten Monatstage geboren, wurde ihm in Athen an jedem vierten Mionatstage geopfert, und in Yrgos führt der vierte Monat jeinen Namen; au) „Eonnt' ihn nicht halten die viert Stund in der heiligen Wiege." Imwiefern die Schtldfröte (yeAovn) zur Miyitif der aus ihr angefertigten Lyra geführt haben fan, dürfte jich möglicher Wetje aus der Behaufung der Scheerenbewohner ableiten lafjen. Bekanntlich bedeutet yeAwvn auch ein aus vier Balken bejtehendes Gerüft, an welchen die beiden Seitenhölzer am Ende gebogen find, jo daß es (abgejehen von jeiner Gigenjchaft als Grjtürmungswerfzeug) in jeimer jchiffsförmigen Ueberdachung der Schildfrötenjchale ähnlich it. Auch im Lateinijchen be= zeichnet testa ein überwölbtes Gehäufe, das in umgefehrter Form als Scherbe, bzw. Gejchirr-Schale benußt wurde; testudo die Schildkröte erhielt davon ihren Namen. Bis zu feiner Begegnung mit Hermes hatte Apollon dem Mythos zufolge nur die Hirtenflöte gefannt und Hermes benutste zu jeinem eigenen Gebrauch die Syrine (süpıyd), das Schilfrohr, das nur am Wafler wählt und dejjen firenifcher Gejang ebenfalls nur auf dem Scheerenlande vernehmbar ift. Nenn aljo Hermes für die Rinder des Apollon diejem Friich griünen- de3 (yAwpdv) bzw. offenes (Awpdv) und ebenes (Aevpöy) Yand, d. h. ein Aderbeet (liram) dafür hingiebt, jo wiederholt fich hier eine Ericheinung, Die Verwendung der Steine zum Wegebau tft in der Entwidelungs- hat und oben eine vierecdige ebene Fläche. Iedes Jahr machen jie diefen Hügel neu, weil er durch die Witterung immer wieder zufanmenjchiwindet.“ Es handelt jich hierbei nicht um eine Vyramide, jondern um ein Acerbeet. ') Da die mancherwärts zur Pflafterung der Kreuzwege benußten Stein: haufen, durch deren Verwendung Hermes auch „Evößros”, Schußgeift der Wege wird, bejjer im einer Urgejchichte des Hundelsverfegrs zur Beiprechung fommt, jo begnüge ich mich mit einer bloßen Andeutung. Der Kampf der Ackerbauer mit den Viehzlichtern. 383 die wir auf der ganzen Erde, wo artjche Aderbauer mit Viehzüchtern zujammengefommen find, beobachten fünnen. Nur müfjen wir dabei im Auge behalten, daß die vierjaitige Lyra, d. h. die Vierfeldereinthetlung die der Verführung zwiichen Hermes und Mpollon it, die beide dem Mythos zufolge unzertrennliche Freunde und ein Brüderpaar wurden, das fich gegenfeitig in allen Dingen hilft und vertritt. Nie ganz anders aber wird Ddiefer Mythos in der Nenel erklärt! Bekanntlich wird der Sage zufolge Hermes zum Dlymp gebracht und hier vor Zeus des Diebitahls angeklagt. Hermes leugnet die That, vermag aber nicht Zeus zu überzeugen und bequemt jich endlich, Apollon das ge- raubte Gut zurücdzugeben, bei welcher Gelegenheit er diefem die von ihm erfundene, aus einer Schildfröte angefertigte Lyra zeigt, über deren Töne Apollon jo entzückt wird, dah er fie gegen Die Heerden eintaufcht, die mun- mehr rechtmäßiges Gigenthum des Hermes werden. Der thatfächliche Be- fund diefer Sage ergtebt aljfo, day auch der Nepräjentant des Aderbaues Viehzüchter mird und zwar auf dem ehrlichen Wege des Taufches. DieferMiythus wird dagegen von Korchhammer (Hellenen ©. 70) und Andern jo gedeutet: die Ninderheerden jeien Wolfen, die durch Negen (Hermes) auf die Erde (die Höhle) herabgefallen, als Dunst emporgeftiegen (zurücgegeben worden) jeten, wobet die Erfindung der Lyra von der, durcd die auf einer Schild- frötenjchaale fallenden und einen Klang verurjachenden Negentropfen erfolgt jei. Dieje Erklärung hat jo viel Beifall gefunden, dag man den gleichen Mythus auch bei andern Völkern (z. B. dur Kuhn für den altindijchen Heerdenraub) in ähnlicher Wetje deutet. Mir will jcheinen, da zuallernächjt die realen DVBerhältniffe eines Heerdenraubes in der menjchlichen Borjtellung u jein mußten, bevor man fie mit den Wolfen vergleichen konnte. Das MNeale ijt der gegenjeitige Naub und Nücdraub. Die natürliche Heimath der Heerden und bejonders der jchwertretenden Ninder tft das waldreiche bergige Land (ya), wicht das jumpfige Marland; leßteres it das natürliche Acderland und die Urheimath des Getreides. Heerden fünnen hierher höchitens be- juchsweije gefommen jein und mußten, wer dies der Fall war, von Seiten der Aderbauer, wenn jte deren Fluren jchädigten, jolange vertrieben werden, bi8 man ihren Nußen erfannte; dies konnte erft bei Begegnung der VBieh- züchter entjtehen. Bis dahin war das Vieh ein Schädling, den man ver- jagte oder erjagte, um ihn zu töoten. So wie Here, Hercules und Hermes, jo gehörte auch Ares dem niederen Marjchlande an und war feinem Urjprunge nad) der göttliche Ne- präjentant der Aderbauer. Und eben weil der Aderbau den geographijchen Bedingungen gemäß bei den Nömern mehr als bei den Griechen im Bordergrunde fteht. tritt die Geftalt des römtjchen Mars viel jtärfer her 384 Sedhiter Abjchnitt. vor als der Ares bet den Griechen, und zugleich erflärt es fich, daß er bei den letteren im älterer Zeit eine bedeutendere Nolle gejpielt zu haben jcheint, da er in der Mythologie viel häufiger vorfommt als im Kultus. In der Ilias Homers greift er handelnd ein; in der Ddyfjee wird er nur beiläuftg oder in Eptjoden erwähnt. Bekanntlich jpielt in Griechenland der Aderbau in jpäterer Zeit nicht die gleiche Nolle, wie in Nom, weil fic dort das aus den gewerblichen Gentes entjprungene Leben in feiner reichen Mannigfaltigkeit hervordrängt. Aus dem letteren finden wir aud) noch die Grflärung, warum der Character diejes Gottes bei Griechen und Römern verjchieden tft. Bet den Nömern lenft er mit jeinen Augen die Schlachten von ferne, bei den Griechen mijcht er jich blutdürftig in das Setümmel der Feldjchlacht und erjcheint viel roher und wilder | den feiner und zarter gebildeten übrigen Göttern, als der römische Mars Das erflärt eben das Vordrängen der Anjchauungen der Monberhorien (Gentes), denen der Ares urjprünglich nicht zugehört, weil er eben der Gott der Arter im Sinne der aratores tft. Injofern er als Sohn der De mit dem Zeus erflärt wird, it der Verjchmelzungsproceß der beiden Völferelemente vollzogen, und wo dies, wie bei den trafijchen Völferjchaften, der Fall ift, bringt man ihm, als dem Wollitreder des Rroceffes, in Grinnerung an die urjprünglic) menjchenmordenden Zuftände blutige Menjchenopfer, deren Darbringung, weil man den Grund ihrer Entjtehung nicht fennt, ihrerjeits wieder in der ae jener Völfer den Ares als einen graufamen, blutdürftig mordenden, jelbjt in den Gingeweiden der sende wühlenden Gott hervorrufen muß, während er doc in feiner Srumdeigenjchaft der friedliche Bewohner der Ebene ift. Wollten wir alle mythologiihen Geftalten theils der Bewohner der Hera, theils derjenigen der Gäa tm Einzelnen aufführen, jo würden wir weit über den Nahmen emer Iheorie hinausgreifen. uch würden wir Ihon um des willen eines zu großen Naumes bedürfen, weil die beiden Hauptgejtalten bereits im Altertum mit einander verwechjelt worden find, als jich die Iheogonie des Miythenftoffes zu bemächtigen begann. Wollte ich beider, der Hera und Gäa, Vermählungen mit entgegengejeßten Ge- jtalten hier veconfjtruiven und in jedem einzelnen Falle zeigen, ob Hera over Gäa in Betracht fommt, jo fünnte dies nur in eimer jehr breiten Fsorm gejchehen. Dbgleich X. Yaiftnert), der wohl erfannt hat, „va Hera nicht von Anbegimm die Gemahlin des Herrichers im Donnergewölf war“, die richtige Bemerkung macht, „der Name Hera flinge wie ein’ Femininum zu Heros", wird er doch zu Nuferungen] geführt, wie beijpielsweife „Dione, die in Doidona für die Frau des Zeus galt, jet identijch mit ') %. Yatjtner, Das Näthjel der Sphing, Grundzüge einer M WIDDLSUI DE Berlin 1889. ©. 258 ff. Der Kampf der Acerbauer mit den VBiehzüchtern. 385 Hera’, weil ihm eben der Unterjchied von Hera und Gäa fehlt. Gäu vermählt jich mit Verfonen des Unterlandes, wie 5. B. mit Bontus, wo- gegen Hera mit een des Dberlandes eine Bermiichung eingeht. Und was von beiven Hauptrepräjentanten gilt, gilt zugleich von allen übrigen Perjonen, die zu ihnen in Beziehung stehen. Wegen der größeren DBer- ihievenheit der MWanderhorden gegenüber den jeghaften Horden find der oberen Götter mehrere. Die Erklärung wird nur dadurd) complieirt, daß Götter der Unterwelt durch den Bermählungsproceg zu himmlijchen Göttern gemacht werden. &3 wird fich für mich in der Ungeichiohte der Gewerbe und des Handels jpäter Gelegenheit bieten, mod) etwas näher darauf ein- zugehen. Hier haben wir es allein mit Aderbau und Viehzucht zu thun, im Dezug auf Deren Gegenjäge ich nur noch einiger Einzelheiten gevdenfen will, die ums, wern auch nicht, wie im Nampfe der Heroen mit den Gi- ganten, in jo großartig greifbarer Form den Kampf der Hera mit der Gäa, doch im Klemmen die Bewegungen veranjchaulichen fünnen, welche bei beiden Iheilen durch ihre gegenjeitige Berührung erzeugt worden. Diefe DVielerleiheit von Geftalten mit gleichwohl einheitlichem Grundmerf- mal ijt aber ein Beweis dafür, daß die jpäter in Grichenmmg tretenden hiltorischen Gebilde aus einer Buntheit Eleinerer Gebilde hervorgegangen find. Nie verjchleiert die Berfon der Hera jhon im Altertum war, Des weit ihre Stellung zu Io, die als ärgjte Femdin der Hera angejehen wird. Wären die Griechen ein ee v Volfsjtamım der „ungetrennten Indogermanen“ gewejen und hätten fie als jolcher eine einheitliche Sprache gehabt, jo würde man das Verhältuig der Hera zur Io anders aufgefaßt, bzw. den dem Mythos zu Grunde liegenden Sacpverhalt anders gedeutet und ausgebaut haben. Mir will jcheinen, day eine Durchforichung der Mythen in ihren reinen Thatjachenmerfmalen den philologischen Vertretern der Hypotheje vorhiftorischer Yautgefeße manche wünjchenswerthe Auskunft bieten dürfte, wogegen eine Deutung mythijcher Verjonen aus den Wort- formen der fertigen Sprache jchon deshalb zu feinem Ziele führen fan, weil die Miyftit zum Umbane und zur Ausgeftaltung der Wiythen eben an Worte anfnüpft, deren frühere Bedeutung verloren gegangen war. Meiner Anficht nac fan So ihrem Grundmerkfmal nad nichts anders ale Gäa, d. 1. die Wandernde, die Gehende jet. Wohl wird Io der Sage nad) vom Zeus geliebt, der in einer Wolfe ich ihr naht, aber von feiner Schweiter-Gattin Juno überrajcht Io in eine weiße Kuh verwandelt und jener gegenüber jeine VBerbimdung mit Io ableugnet. Nun it aber die Kuh (io—=go) Nepräjentantin der Gäa bzw. der Viehzucht und diefe der Segenjat der Hera bzw. des Acderbaues. Juno tft feineswegs tentijch mit Hera, vielmehr, wenn ic) mich jo ausdrüden darf, die geheirathete Pina des Ding, während 9x Muce, Urgeibichte. 2 386 Sechiter Abjchnitt. Hera schlechthin ISungfrau ift. Dius wird jelbjt erjt dadurch zum Dius pater, da die Samilienheirath mit Hera in eine Horden-Che verwandelt wird. Die den ganzen befannten Erdboden durcwandernde Io it ein Sinnbild der viehzüchtenden Wanderhorde. Nur jo aufgefaßt erhält als- dann Die fich weiter daran fnüpfende Sage, der Flußgott Inadyos habe (jeine Tochter) Io nad) Argos eingeführt, einen Sinn. Die Geftalt des Inachos ift, wie wir !bereits gejehen haben, eine gemijchte. Seiner Abjtammung nad) Igehört er dem Flug an und wird als vormaliger Aderbauer Biehzüchter, nachdem er mit Io, die zu ihm an die Kiüfte kam, befannt geworden war. Gin anderer Mythos drückt diefe Ihatjache auch jo aus: Sosfaftes jet nad) Italien gefommen umd König der Küftenländer in der Gegend von Nhegium geworden. Das will bejagen, da die Wanderfajte die Ebene zu beherrichen beginnt. Ins folge dejjen geht nunmehr Inachos hinauf in das rodbare Waldland oder GSlanland, wo er eigentlich erit zum Snachos wird. Die impojantejte Ge- jtalt diejes Yandes ift, wie wir gejehen haben, Hevafles, von dejjen Stief- bruder Sphikles So=laos d. i. das Wandervolf, bzw. das Wolf mit den Kühen abjtanımt. Eben deshalb finden wir auc) den Solaos bei vielen Gelegenheiten, die ich als befammt vorausjege, in der Begleitung des Herkules Das Vorftehende ergiebt, wie auch in der griechiihen Miythologte ns wirthichaftliche Borgang, denich an den inländischen Berhältniffen zu illuftriven verfucht habe, noch zu erfennen it, daß näm- lich die bisher nur Aderbau ohne Viehzucht treibenden Ebenen mit Bieh- züchtern überfchwenmmt wurden, infolge dejjen die Bewohner des Marlandes, insbejondere die Ginzelhöfer nach ihrer Befanntjchaft mit der Viehzucht nach dem Gebirgsland ziehen mußten. Sreuja und ihr Vater, der König von Athen, Erechtheus, find Nepräjentanten der Gbene. In erjtere ver- liebte fich einjt Apollo, als fie zu ihm in den Tempel fam. Seine Liebe erwidernd, jchenfte fie ihm den Ion, den berühmten Stammwater der Sonter. Da fie dag Kind in einem Käftchen ausjeßte, war N weil e8 eben fein Hordenfind war; doc diefe Verhältnifje jowie jein Ver- hältni zu jeiner Mutter Gatten Zuthos, der ihn an Kindesjtatt annahm, find uns jchon in Hinficht auf die abweichenden Berichte gegenjtandslos. Dak die Jonter auf der Ebene zur Herrjchaft famen, ijt im ihrer Nug- breitung Ddajelbjt begründet. Diejelben Horden, denen wir bei den arijchen Aderbanern des niederen Landes begegneten, treffen wir auch als Perfonen in der Mythologie an, die fich bei verjchiedenen Völkern wegen der in gleicher Weije aufgenöthigten Borftellungen ähnlich wieder finden, ohne daß wir an ntlehnungen zu denken haben. Grit bei der dichteriichen Geftaltung fünnen Übertragungen Der Kampf der Aderbauer mit den Viehzüchtern. 387 ftattgefunden brauchen. Aber troß der vielfachen Übereinftimmungen find doch auc große DVerjchiedenheiten zu erfennen, die in der vergleichenden Mythologie ihre Berücdlichtigung finden müfjen. Werden mir erit einmal erkannt haben, day jedes große Volk feine nationale Gigenthüm- lichkeit jeinem eigenartigen Mifchungsproceß verdankt, jo werden wir zu- gleich auch jehen, dak es feine eigene Miythologie hat, die um jo gejtalten- reicher ijt und jein muß, je mannigfaltiger die Gegenjäße waren, die fic) berührten. Doc nicht überall haben diejelben in der Mythologie ihren Ausorud gefunden, weil ja bisweilen auch (3. B. durch große Groberungen oder durc das Auftreten des Chrijtenthums) die Bedingungen zur weiteren Ausbildung fehlten. Wir haben unter der Bezeichnung Ned oder Ad (©. 169) der Einzel- höfer gedacht. Wohl Iedem jind die Fejte der Adonien in Griechenland befannt, welche dem Mdonis zu Ehren gefeiert wurden. Bekanntlich weichen die Mioythographen in ihren Angaben über Adonis, jowohl in Hinficht jeiner Eltern als auc) des ganzen Verlaufs feiner Gejchichte von einander ab; ich jete dies als befannt voraus und deute feine Ericheinnng wie folgt. Mdonis ıft der Eine, d. i. der Gingelbewohner; jene Mutter tt Myrrha ». i. das Einheitshaus auf morigem Land, von dem eben die GSinzelbewohner abjtammen, indem ja marea eine Bezeichnung für die Arche it. Miyreha war der Sage nach jehr jchön, hielt fich aber für Ihöner als Venus, ». i. als die am Wafjer gelegene Gewanne Denn wie wir jchon oben jahen, find die beiden Schweitern Wlorana und Ventilia Koncenrrentinen der Ebene. Aus einem Niyrrhenbaun trat Adonts hervor; Venus barg den Knaben in einem Käftchen und übergab ihn der Perjephone (PBrojerpina, der Tochter der Geres), aljo einer Nepräjentantin de8 Aderbaues, zur Aufbewahrung, welche jedocdy die Mitderjtattung des Sünglings verweigerte. Zeus aber, der Nepräfentant der Gäa, entjchted dahin, day beide Göttinen fich in feinen Belt theilen jollten, infolge dejjen Adonis acht Monate auf der Dberwelt und vier bei Projerpina zubrachte. Mars ward eiferfüchtig auf ihn und jandte dem jagdluftigen jungen Helden (der Sage nach auf dem Yibanon) einen ber zu, den diefer zwar tödtete, aber doch verwundet wurde. Wie Berjephone jelbit, die urjprünglich der niederen Eoene angehört, nur einen Theil des Jahres, den andern aber in der Dberwelt zubringt, jo auch Adonis. Die Ober: welt it der Boden der Gäa, wohin, wie wir gejehen haben, die jchlangen- fürmigen Gingzelhöfer ihre Wohnfige verpflanzen, während ein Theil nod) zurüd bleibt. Die Morländler, die im Mars perjoniftcirt find, werden eiferjüchtig auf letztere, welche rn das Betreten des waldreichen Höhen= landes das dortige Wild zwar erlegen, aber jich doch durch diefen Eintaujc) ungaftlihen Bodens verwunden. Die Trennung beier Theile von 2. 388 Sechiter Abjchnitt. einander macht das Fejt der Mdonien zu einem Irauerfejte, weshalb jich die ariechijchen Frauen an demjelben den wildelten Ansbrüchen zügellojen Schmerzes hingaben, das Haar zerrauften, die Bruft zerriffen und ITrauer- lieder fangen. Daf das Feft als ein agrarijches zu deuten tt, lehrt die Sricheinung, da man unter Gejängen der Trauer mit Erde und Sämereten gefüllte Gefäße umhertrug. Dieje jog. Monisgärten, worunter man eben aus verjchtedenen, oft jehr fojtbaren Stoffen hergejtellte Gefäße verjtand, welche Erde enthielten und mit leicht Feimendem Samen bejüet wurden und die eine Spielerei der Griechiimen waren, jind die Folge der Erfenntnif, da; das magere Höhenland durd) Ibertragen von morigen Land fruchtbar aejtaltet werden muß. Die „acht und vier Monate‘ find unzweifelhaft eine spätere Miyftit, die unter dem GSimfluß der natunwifjenjchaftlichen Deutung des Mythos entjtanden ift. Dieje Miyitif konnte um jo leichter entjtehen, als ja die Ginzelhöfer vielerwärts ein Ractor des Sonnenfultus wurden, den ich, weil er ich nirgends einheitlich geitaltet hat, abjichtlich ausgejchlojjen habe. Co ver- mählte fich 3. B. in der Phönizijchen Mythologie Mad in Babylon mit Rel und auch die Schriftiprache der Braminen nennt die Sonne dal. Yuc) Adam tt Einzelmenfch, der den Garten Cden mit einem andern Yande vertaufchte. Die Sage hat ihn wahrjcheinlich nur deshalb zum Srften Menfchen gemacht, weil er der evjte war, der nach der Höhe, dem Sonmenlande ftieq; denn auch in der ägyptifchen Miythologie ift Athor der Uranfang, die alte Nacht, die nach der Kosmogonie der Yegypter und Juden früher als der Tag war. Die Divt (die Wejen des Tages, dies) find überall die Oberen, die fich erjt jpäter mit den Unteren vermijchen, wodurd) fie eben Gigenjchaften von diefen annehmen, weshalb Zeus (Dius), der zum PBitar der Ebene wird umd als jolcher Jupiter heigt, auch den Beinamen Athoos erhält, wie denn aud unter die Zahl der Giganten Bewohner der Ebene, wie beiipielsweife der jchlangenfühige Athos auf- genommen werden. Athos ift eben feinem Urjprunge nad ein Sohn des Rojeidon bzw. Neptun, und diefer wieder nicht ein Sohn der Gäa, jondern der Hera. Das Gleiche gilt von der Gejtalt des Athamas, dem Sohne der (Snarete, in dem wir ebenfalls den Ginzelmann auf artjchem Boden zu erbliden haben. Aus der in jich widerjpruchsvollen und verwidelten Sage mit jeinen Frauen und Kindern ergiebt fich, da die Athamanen weit verbreitet waren, wie denn in der That mehrere durch Minyer gejtiftete Drte den Namen Athamanta trugen; befannt it insbejondere unter diefen amen die fruchtbare Ebene bei Afräphten in Böotien. Day Athamas Setreidebauer war, ergiebt die Sage, der zufolge Ino die Frauen des Yandes beredet habe, den Weizen, mit dem das Feld bejtellt werden jollte, Der Kampf der Acerbauer mit den Vtehzlichtern. 339 vorher zu röften, jo day Mipwachs die natürliche Folge war. Das gpuyetv 7& ontpnaro hat augenjcheinlich zu der Miyitif geführt, Athamas jet bereit gewejen, jenen Sohn Phryros (ppuyeiv) dem Zeus zu opfern. Das Sortziehen der Ginzelhöfer aus ihrer urjprünglichen Heimath drüct jic in der Frage des Athamas an das Drafel aus, wohin ev fich nach der Tödtung jeines Sohnes Learchos wenden jolle, worauf ihm die Weilung zu theil ward, jich da niederzulafjen, wo Wölfe ihn zu Gafte bitten würden. Da das ma die fruchtbare Sbene gewejen fein fan, ergtebt der Sad)- verhalt, vielmehr hat die Meittheilung des PBaufanias (IX. 34), Andreus habe dem Athamas die Gegend um den Berg Laphijtion abgetreten, die Wahrjcheinlichfeit für fich, weil eben die Ginzelhöfer, wie wir gejehen haben, ihre Schlangendörfer nach den Bergen verlegen. Der mit den Ginzelhöfern in Verbindung jtehenden Schlange, Die in.den Sagen der Völker mehrfach auftritt (die Schlange des Adam im Garten Eden), haben wir jchon oben gedacdjt. Wollte man in der Hydra nichts anders als einen See erblicen, jo würde fich der au gegen das vielföpfige Ungeheuer piychologijch nicht erklären lafjen. Die oft wieder- holte Deutung, e8 habe jich auch bei Hevafles um eine Austrodnung des Lernätfchen Sees bezw. Sumpfes gehandelt, fan doch nur eime bildliche Ausprucdsweile, aber feinen Stoff für einen Mythos abgeben. Wie jollte Herafles dabei verwundet worden jein? eben den Ginzelhöfern gedachten wir auch oben ©. 307 der Ber wohner des Scheerengebietes, Die unter der Bezeichnung Sfiren und ähnlich lautender Itamen auch als VBölfernamen befannt ind; fie wohnen in den zerflüfteten Ierrams der Fluß und Meerniederungen, im der Nähe der Einzelhöfer (AMdins). Much Athene hatte unter anderen den Beinamen Sftras, unter dem ihr jowohl im Hafen Athens als aud) auf Salamis ein Tempel geweiht war. Gin jehr berüchtigter Näuber auf den Feljen zwijchen then und Megara, der jich von den Vorüberziehenden die Küpe wajchen ließ, fie aber dann mit einem Fußtritt ins Meer jtürzte, wo fie eine Schildfröte auffrag, hie Sfivon. Blutardh, der diefen Angaben widerjpricht, erklärt ihn dagegen für emen ehrlichen Mann, der jelbit Nänber verjagt habe. Leider haben wir über die genannte mythologtiche Figur feine nähere -Ausfunft, die uns über ihre agrariiche Bedeutung näheren Aufjchluß ertheilen fünnte, wir fünmen mr aus den gegenfeitigen Naub erjehen, dab hier heterogene Slemente dicht bei einander wohnen. Im Grundmerfmal und auch tm dem erwähnten Vebenmerfmal den auf Feljen haufenden Sfivon verwandt it die gefahwwolle Charybpis, die riefige Tochter des Meergottes, und ihr ähnlich find unter den Be- wohnern des Scheerengebietes die Sirenen, die ebenfall® am Seljen (der Meerenge zwijchen Sicilien und Italien) wohnend, die Worüberziehenden 390 Sechiter Abjchnitt. ne an fich loden, um fie zu zerreigen und aufzufrefjen. Sie find IJungfrauen von wunderbarer Schönheit, deren zauberijch jchöner Gejang Allen, die ji ihnen nahen und jie hören, Alles vergefjen macht. Ste waren nicht urjprünglich jo agraujam, wurden es vielmehr der Sage nad) erjt durch die Berwünjchung dev Demeter (Geres), weil jene als die Gejpielinnen dev Perjephone (Proferpina) dieje hatten vauben lafen. Durch dieje Srzählung fünnen wir der im Frage ftehenden mythologijchen Ericheimung näher fonmmen. Da jedoch bet diefem Miythos zwet Sagen in einander übergegangen find, lafje ich den Naub der auf blumiger ieje mit den Töchtern des Dfeanos jptelenden Perjephone durd Aidoneus bei Seite. Zu Verwünjchungen hatte nur Geres, die auf dem Scheerengebiete dem Feld- und Fruchtbau obliegende Tochter der hen, Anlaß, welche die Proferpina vom Jupiter gebar, infolge dejjen fie auch den Nachjtellungen des Neptun fich entziehen mußte. Neptun it das das Scheerengebietende umgebende Wafjer, bezw. das Meer und ein Sohn der Hera, nicht der Gäa. Das berühmte Nof Areton, in das Ste fich verwandelte, characterifirt ebenfalls Hera. Ihre (der Geres) Tochter Proferpina wird (angeblich) durch Pluto) geraubt, infolge dejjen die Meutter die Tochter wieder jucht. Geres ift nur als ein Iheil der Hera zu betrachten, und injofern ihr ein Ihetl ihres Gebietes verloren geht, erzürmt fie und verflucht fie. uch Projerpina lebt jechs Monate in der Unterwelt und jechs Monate in der Dbermelt, weil jte zur Hälfte die untere Ebene verlafjen hat. Im unteren Scheerengebtiet wohnten aud) die Shariten oder Grazien, die anmuthigen Töchter dev Dfeanive Eurynome, deren eine, Charis, nad) Homer den jhwächlichen Hephaeltos zum Gatten hatte. Da auf deren zerflüftetem Terrain ein DVerfehr mittels Nachen nothwendig wurde, jo vermittelte ihn Sharon auf jeinem Kahn über den Acheron. Die unter: iwdijchen, mit Dämpfen angefüllten Höhlen bildeten das Charmeion. Yird man, wie es ja die Statiftif thut, auch die mythiichen Gr= iheimungen nach ihren Merkmalen gruppiren, um jie aus ihrer Ver- einzelumg zu erlöfen, jo werden wir zu einem überrajchend neuen Yırfbau der NMiythologie fommen, der meines Krachtens viel fruchtbarer ift, als das Denten nad einem apriori aufgejtellten Schema, dem zufolge in der Sötterwelt Die Naturericheinungen ihren Ausdrud finden jollen. (55 heigt Die Aufernanderfolge der VBorftellungen umfehren, wenn man den Urmenjchen erjt die Natur beobachten und jpäter, wenn er jte in fich verarbeitet hat, diefes Al der Natur mit handelnden und empfin- denden ejen erfüllen läßt. Wie denft man fich in diejer Hinficht den Urmenjchen? Beijptelsweife nach B. Delbrüd, wie folgt: „Man jah, dat Selene am Himmel erjcheint, jobald Helios verjchwindet. Selene aber Der Kampf der Ackerbauer mit den Viehzüchtern. 391 folgt ihm unabläjlig. Wie zurücdhaltend doch Helios und wie zudringlich Selene ijt! Durch jolhe Gedanken und Gefühle werden ähnliche Bor- jtellungen veproductrt, Erinnerungen von eigenen und fremden Erlebnifjen werden wach, das Bild eines Mädchens erjcheint, das einem Manne allzu freigebig feine Liebe anbot und von ihm Purücgewiefen ward, das DBer- hältnig zwijchen Helios und Selene wird mit diefem verglichen, und all mählich von den immer deutlicher und zahlreicher auftauchenden Erinnerungen appercipirt, Helios it der Mann, Selene das Mädchen.) Solche Ver- gleiche fünnen doc nur einer höheren Kulturjtufe eigen fein! Sehr richtig jagt Hermann Cohn?) in Bezug auf die Grfenntniß der lichtjpendenden Sonne: „Ber genauer Überlegung wird 8 fraglic ericheinen, ob der wrijprünglichen Anjfchauung die Sonne als eine Licht- jpenderin offenbar werden fonnte. Ich glaube, jo nahe diefe Anjchauung liegt, jo muß auch jte noch vermittelt, im Bewußtjein erit gewecdt werden. Nie viele Erjcheinungen giebt es in der Natur, ohne daß die Umvor- bereiteten von ihnen eine Ahnung haben; wie viele mögen noch vorhanden jeim, wie viele Gruppen von zujammenfagbaren Naturwirfungen, von denen die Wifjenjchaft jelbit nichts weil. Warum jollte die Tageshelle dem Menjchen auffallen, wenn er nicht jchon mit eigenen Händen Licht entzimdet und verlöjcht hätte?“ Man muß die Erjcheinung von der Deutung der Gricheinung unter Icheiven. Jedes Ding erjcheint anders, je machden eS mit diefem oder mit einem anderen in Verbindung fommt. Beim Emtritt in ein dunfeles Gemach erjcheinen uns Talle Dinge in demjelben dunkel. Beim Offnen der Läden dagegen heller. Nie die Dinge in Wirklichkeit find, erfahren wir erjt durch das NWechjelverhältnig ihres Grumdes zur Ericheimung. Die Mythen der Völker treten ung im verjchiedenen Ericheinungsformen gegen- über je nach der Beleuchtung, die ihnen von Menjchen zu theil wird, d. h. je nach dem Grfenntnigftandpunft, den er ihnen gegenüber einnimmt. Die naturwiljenschaftliche Beleuchtung devjelben it nur ein Erfennniß- act, der unabhängig von dem den Mythen zu Grunde liegenden Sachver- halt beiteht. CS tjt daher ein methodologiich Faljches Verfahren, die den Mythen zu Grunde liegenden Thatjachen aus einem eimfeitigen Crfennte nißftandpunfte zu dedueiren. Dedueiren darf man evjt dam, wenn die auf die Mannigfaltigfeit der Erjcheinungen gerichtete Inductton vollendet it. SIeode Inductton fann aber nur auf die in den Ericheimmmgen vor- findlichen reinen Thatjahenmerfmale gerichtet jein. Somit muß ) Berthold Delbrück in der Zeitjchrift für Völferpfychologie |IIT. Seite 268. 2) Mytholog. Borftellungen von Gott und Ceele. In der Zeitjchrift für Volferpiychologie V. E. 406. 392 Scchiter Abjchnitt. vor Beginn der Inductton der die Mittheilungen der Erjcheinungen um gebende und fie durchdringende Krfenntnigitandpunft von diejen abgelöjt werden. Verjäumt man dies, jo fan man nur zu Sammeljurten piycho- logijcher Notizen gelangen, wie”jie neuerdings mehrfach geboten werden. So wenig als man aus miyitiichen, bet primitiven Wölfern anzıt- treffenden Vorftellungen von gewiffen Dingen ohne Auslöfung einer jolchen Nyftit den zu Grumde liegenden Sachverhalt erfennen fan, jo weıtig fan man aus der die Sagen begleitenden Miyftif den Nealgrund der Sagen erfaffen, weil eben der Grfenntniggrumd nicht mit dem Nealgrund zujammenfällt. Der lettere liegt vielmehr im Jufammenhang der Ihat- jachen jelbjt. Aus dem Jufammenhang der von mir bisher vorgeführten Sricheimungen ergiebt fich, daß in den Mythen der Völker handelnde Ber- jonen auftreten, die fich vielfach gegenfeitig befämpfen und daß in den Schilderungen derjelben Werthurtheile jener Handlungen bemerfbar find. Erhebt man jene Verfonen zu Göttern und Halbgöttern, jo tft dies ebenjo nur Grienntnig, als wenn man dieje Götter wieder mit gewijjen Natur- ereigniffen im Verbindung bringt. Das leßtere hat alio Begebenheiten menjchlicher Stämpfe = Borausjeßung. Yäpt man diefe Kämpfe durd) bejtimmte Perjonen vollführen, jo perjonifictert man die mit einander Streitenden. Im einer jolchen Perjonification liegt ebenfalls ein Erfennt- nigact und zwar eine unvollfonmmene Apperception eines Object. Das Object, welches man deutet, fan aber in der Neihe der BVorftellungen zunächt nur dem perjonificirten Objete verwandt jein. Wenn ich jage, der Zürfe habe den Griechen aufs Haupt gejchlagen, jo perjoniftctre ich das DVolf der Türfen und das Volk der Griechen. Sage ich aber, der Halbmond habe das hellentjche Kreuz unfanft bejchtenen, jo bediene ich mich eines Bildes. Im der Entwidelungsveihe der Vorftellungen jind die genannten Völker die erjte, ihre Perfonification die zweite und das Bild die dritte Vorjtellung. Geht die zu Grunde fiegende Ihatjache der Er- fenntnig verloren, jo fann e8 gejchehen, daß mur die Verfonificattien mit dem Bilde oder auch nur das Bild (vom Halbmond und dem streuze) le bleibt. Die Annahme, dag die Menjchen zunächjt die Natur betrachtet, als- dann ihre einzelnen Gricheinungen perjonificirt und zuleßt daraus Götter gebildet hätten, it piychologiich unhaltbar. So lange die Urmenfchen von feindlichen Gegenfäßen anderer Urmenjchen unberührt blieben, wird ihnen die Natur etwas Alltägliches gewejen jein. Sowie wir das Heimaths- gefühl erjt fennen lernen, wenn wir der Heimath fern find und wir erft durch DVergleichungTunferer gegenwärtigen mit der früheren age uns von fernen Bildern umgaufeln lafjen, deren Nirflichfeit wir vermifjen, jo werden auch erjt durch die Veränderungen, welche die Zujammenjtöge mit Der Kampf der Aderbauer mit den Vtehzlichtern. 393 fremden Menjchen‘, hervorriefen, ähnliche Gefühle entitanden jein. Denn wie wir mehrfach gezeigt haben, mupten die Bewohner des unteren Xandes, weil fie von den Wanvderhorden des höheren Landes verdrängt kunden, höhenwärts fich begeben, wenn jte nicht unter die Gewalt diejer fommen wollten; die Bewohner des Höhenlandes aber mußten entweder mit den über ihnen oder mit den unter ihnen Wohnenden einen Kampf aufnehmen. Daß bei diefen Ortöveränderungen zunächlt die VBorftellung einer Oberwelt und einer Unterwelt entjtehen mußte, ijt begreiflich. ber ebenjo verjtändlich it e8, daß beijpielsweife die Bewohner des Itiederlandes im den thmen zwar nicht unbefannt gebliebenen Ericheinungen des zudenvden Blißes, des vollenden Donners, der Negengüffe und dergl. Handlungen derjenigen Iefen erblicten, die jett zu ihnen niederjtiegen und die fie bekämpfen mußten. Grfannten fie aber jpäter, daß diefe Wejen nicht die Verurjacher waren und war der Funfe zur Erfenntnißg der Urjache bezw. der I8tjjens- Durst nach. derjelben einmal angefacht, jo belegte man mit denjelben Itamen, mit denen man diejenigen benannt hatte, welche man anfänglich für die Verurjacher der Naturereignifje hielt, die unfichtbaren Velen, in denen man die Hervorbringer diefer Greigniffe vermuthete. Aber e5 handelte ich bei diefem Kampf ja nicht blos um Iatur- ae Shen deshalb mug man fich hüten, bei der Deutung der Mythen nichts als ie zu erbliden. 63 heist den Bogen überjpannen, wenn man in den Titanen Gewitterftürme des Herbites und Winters, in den Giganten Erdbeben, im Typhon den Wirbehvind, im ven Aloiden die Wafjerhofe, im Iyphens den Ausbruch des Wulfans, in ver Meduja die Überfchwenmung der Erde, im Pegajus die Dunjtwolfe, im Bofeidon die Feuchtigkeit und dergl. mehr erblidt. Bet jolhen Deutungen wird der Willfür Ihür und Ihor geöffnet und, was das jchlimmiteift, die Urge- ichichte einer Hauptquelle für die Erfenntni der menschlichen Urzeit beraubt. SS ift uns in diefer Hinficht leider jchon durch die zwar verdienit- lichen, doch planlos und oft willfürlich vollgogenen Zujammenftellungen von Mythen zu eimem Ganzen viel verloren gegangen. Ich erinnere beijpielsweife an die Eddajammlungen der nordiichen Völker. Nicht day ich Sophus Bugge!) beiftinmen möchte, der in Bezug auf die nordilche Mythologie die Behauptung aufjtellt, „der Stoff der mythiichen Dichtung, ihre äufere Grundlage, ihr erzählendes Element jet wejentlich und zu jehr beträchtlichen Iheilen fremd. Cs treten in den zwei Sddajammlungen uns Neihen von Götter und Niefennamen entgegen, von denen deutjche Stämme nichts willen umd die im der arifchen Urheimath nicht befannt waren; eine gunte Menge von Sagen und Borjtellungen jprudeln hervor, deren Uriprung N) Studien Über die Entftehung der nordijchen Götter- und Heldenjagen. Deutjch,,von DO. Brenner, Münden 1589. ©. S Tl. 394 Sechiter Abjchnitt. nicht auf das mittlere oder ältejte Gijenalter im Norden zurücgeführt werden fünne”. Cs mag Vieles in den jpäteren Zujammenftellungen entlehnt jein; aber dieje Begründung it trotdem nicht jtichhaltia. Was weis Bugge Beltimmtes von der arijchen Urheimath zu jagen, im der die Germanen vereint jagen? Gerade dag man von vielen nordijchen Sagen weder in der „Urheimath" noch bei den Germanen Deutjchlands etwas weiß, deutet darauf hin, daß jich das Volk der Deutjchen ebenjo unabhängig von den Schweden gebildet hat, wie das Bolf der Griechen von demjenigen anderer Nationen, die man zu den indonermanijchen Wölfern zählt. Mit etwas völlig Unbekannten fann man feinen Beweis führen. Ich hafte troß der VBerwandtjchaft der jchwedischen mit der deutjchen Sprache und Nation die Aıımerion der nordischen Miythologte für nicht jtatthaft, und es will mir jcheinen, als ob in Deutjchland wegen des Dazwijchentretens der Nömer, bezw. des Chriftenthums die Bedingungen gefehlt haben, eine jelbftändige Götterlehre tn größerem Umfange zu jchaffen. Sollte es wahr jein, dab vom hohen Norden jene juevijchen Hundasherads nach Deutjch- land eingewandert find, die in ihren Kriegsgefängen nordiiche Sagenliever mit herüberführten, jo würden fie doch als fremde Gewächje zu betrachten jein. SIedenfalls wird man gut thun, die den Deutjchen eivenartigen Sagen von den mordiichen zu trennen. Der Kampf der Sefhaften mit den Wanderhorden fommt in der ichwediichen Mythologie in einer befonderen Form zur Griceinung, was zum großen Theil mit der eigenthümlichen geographiichen Gejtaltung des Landes zufammenhängt. Bekanntlich it Schweden mehr gebivgig als eben und die Oberfläche des Landes bildet ein Gemifch von Bergen, Hügeln, Srdrücden und Thälern. Daher ftoßen wir jcehon in den allerältejten Zeiten auf die Bezeichnung Ingewohner, woraus wir jchliegen Fünnen, wie schwierig den Vienswohnern die Ausbreitung fallen mußte. Bergland und Ebene berührten fc näher als anderwärts, was nothwendig zur Folge haben mußte, da; auch die Berührung der beiderlei Bewohner frühzeitiger als anderwärts erfolgte. Man fan mit voller Deutlichfeit erfennen, daß fich der Kampf der fehhaften mit den MWanderhowden nicht ein Mal, jondern wiederholte Male abgejpielt hat. 8 jcheint, daß von der ffan- dinavischen Halbinfel aus wiederholt jtarfe wandernde Mafjen an= und abgezogen find und zwar nicht ohne jehafte Horden in ihr Gefolge zu nehmen, um im der Form von HundasHerads (gentes cognationesque) weiterzuziehen. Daher tritt im der mordifchen bezw. jchwedischen Mythologte die Seftalt von Fornjotr auf, was PBjürn Halderjen’s Is. Lericon fachlich wohl richtig mit Gigas primus oceupans erklärt; es find die Vorriefen, d. h. die älteften vormaligen MWanderhorden. Die Gemahlin Kornjotr's a Der Kampf der Acerbauer mit den VBiehzlichtern. 395 war Yaufefa bezw. Lauf-Eya, was ältere Miythologen des vorigen Jahr- hunderts mit Injels-Zaufer überjegen. Gr jelbjt joll Herr über Kuenland in Sotnahem ums Jahr 70 vor Ehrifti Geburt gewejen jein, ja man hat über den alten Kornjotr/jchen Fürftenftamm in Schweden jogar eine Sejchlechtstafel angefertigt. Iedenfalls beruht die Sage auf alten Srinnerungen vormaliger Wanderhorden, Die fich nach den Niederungen drängten, aber hier nicht zu bleiben vermochten, weil e8 die geographifche GSejtaltung Schwedens nicht gejtattete. Die verjchiedenen hier auftretenden Bezeichnungen für Wanderhorden legen ein weiteres Jeugnig für ein wiederholtes Bevölfern des Landes dur) wandernde Horden ab. Aus diefem Grunde eignet fich die jchwediiche Miythologie weniger dazu, um dem Xejer in furzen Zügen ein Bild von den gegenfeitigen Bewegungen der Horden vorzuführen. Dazu fommt, daß die Sammler der verjchtedenen Sagen die aus verjchtedenen Jeitläuften herrührenden Stoffe furzer Hand mit einander verbunden haben. Dbgleich ich es, weil ich mich jelbit bereit3 daran gemacht habe, die verjchtedenen Ericheinungen auf ihre Ihat- Jächlichfeit zurüchzuführen, durchaus nicht für unmöglich halte, die jchwedijche Urzeit zu veconjtruiren, jo muß ich in der vorjtehenden Abhandlung doch darauf verzichten, zumal es mir ja in diefer Theorie mr darauf ankommt, an einzelnen mythologijchen Beijpielen den Kampf der Aderbauer mit den Viehzüchtern anzudeuten. Die Wanderhorden oder Gentes treten in der nordischen Mythologie insbejondere auch unter der Bezeichnung „Sötnar” (in der Einzahl Jautum, Sötunn, Iotun) auf. Nach der jüngeren Edda gaben „längs der Kürten des tiefen Meeres, welches auperhalb der runden Erde it, Bör’s Söhne den Gejchlechtern der Sötnar die Yänder zu bewohnen; aber innerhalb auf der Erde bauten fie rings um die Melt eine Fejtung (Midgard) gegen ihren Angriff... . . Ein Schmied, ein Kr a verhehlender Sötunn fam in den evjten Zeiten Asgard's, als jedoch Midgard hergeftellt und Walhaul erbaut war, zu den Men und erbot jich, ihnen in drei halben Sahren eine jo fefte Burg zu bauen, daf die Bergrijar und Hrimthurfar fie nicht einnehmen fünnten, wenn lie auch Midgard überjchritten hätten. Zum Lohne dafür verlangt er Freya'n. Die Ajen gingen den Vertrag ein. Der verfappte Nieje baute die Burg, führte in der Nacht Stein: mafjen von erjtaunenswerther Größe herbei. Da wurden die Ajen uns ruhig darüber, dat Freya nac Zöttunheimar verhetrathet und dem Jötunmn gegeben werden jollte u. j. wm.“ Aus diefer Sage erfennen wir deutlich, wie die Zötnar d. i. Wander: horden, ähnlich wie wir es in Irland jahen, auf der Ebene von den Bauern (Bör’s Söhnen) Land beanjpruchten. Sie bauen fi) ihre Nund- wälle und begehren Frauen. Die Ajen bedeuten die Einzelhöfer. Unter 396 Sechiter Abjchnitt. den Bezeichnungen der Jötnar findet fi) aud, Dofri, ganz augenjcheinlich eine Perjoniftcatton von Dorf. Denn nad) dem Ihattr Halfdanar Swarta (e. 5. ©. 172) war des Iröll Dofrt Heimath in und auf dem Gebirge, welches nach ihm benannt it. Much dag der „Sötunn Hymir“ nicht blos von Watdwerf lebt, jondern auc eine Pinderheerde befitt, bemeijt, dah der Nieje Viehzüchter war. Die Angeljachjen gebrauchten für Nieje nicht blos das dem nordijchen Jötunn entjprechende eoten, eoten, jondern auch ent (Mehrzahl entas). Im Schwedtjchen lautet das altnordiiche Sötunn Sätte (weiblich Jättinde), auf der däntjchen Injel Mön öde. Im Deutjhen wird G. DB. von den Gebriwdern Grimm, Yieder der Edda I. ©. 39) das Wort Söttun durch Sote wieder gegeben. In der jchwedischen Mythologie bejteht eine ununterbrochene Feind- ichaft zwijchen den Jätten und Ajen, angeblich weil die letteren jene aus ihren Siben vertrieben hätten. Doc begegnen wir gleichwohl häufigen VBermählungen und Verjchwägerungen zwijchen beiden, wie jich demm die Ajen oft um ihre Gunft bewarben. Infolge diejer gegenjeitigen Der- milchungen entjtehen nun bier wie anderwärts in den Mythologien in Bezug auf die Abjtammungsverhältnifje der einzelnen Perjonen jtch wider: Iprechende Sagen, und e$ werden PBerfonen oft auf die Seite derjenigen Götter gejtellt, deren Feinde fie gewejen find. Sowie in der griechiichen Diythologte Namen von Heroen auf die Seite der Giganten und umge- fehrt Namen von Giganten auf die Seite der Heroen gejtellt wurden, jo it ein gleiches auch in der jcandinaviichen Mythologie der Kal. Um auc für diefe Götterlehre ein VBerftändnig zu gewinnen, tft es deshalb un- bedingt erforderlich, die einzelnen Gejtalten nach ihren Grund- und Iteben- merfmalen zu gruppiren. Die jchwediiche Mythologie ift aber deshalb befonders jchwer zu erfallen, weil wegen der wiederholten Kämpfe zwijchen den jehhaften und wandernden Horden ganz augenjcheinlich der ältere Iheil der Sagen verloren gegangen ift, eim Umstand, der es auch erflät, weshalb man die Jötnas für älter und ftärfer in der Weifjagefunjt als die Götter hält. Nenn in Schweden die Perfon Ddin’s im Vordergrund jteht, jo it dies ein Zeichen, daß hier rein arijche Horden in der Mythologie nicht mehr zum VBorjchein famen. Denn Ddin it eben der Mepräjentant der Einzelhöfer, deren Entjtehung, wie wir oben gejehen haben, daraus zu erflären tft, dag fich Bewohner des jumpfigen Landes einzelner ‘Per- jonen des Höhenlandes bemächtigten, um mittels derjelben für jich) be- jtehende Haushaltungen, und zwar ohne Viehbetrieb zu gründen. Damit übereinjtimmend berichtet auch) die Sage (Edda Daemij. 6), dag Dpen von miütterlicher Seite vom Jättengejchlechte abjtamme, und aud) die Der Kampf der Acerbauer mit den Viehzlichtern. 397 jpäteren jchwediichen Schriftjteller, 3. B. Geijer, erwähnen, daß in den Adern der Ajen durchweg jättijches, und ich füge von mir aus hinzu, aller Wahrjcheinlichkeit eben fornjotijches Blut fliefe. Die beiden Momente, dag die Ajen nicht VBiehzüchter und dap fie mit Wanderhorden gemijcht waren, muß man im Auge behalten, wenn man die Perfon des Thor, „ven Umftürzer der fornjotiichen Götter“, wie ihn die älteften Dichter nennen, und dejjen Stellung zu Ddin richtig würdigen will. Die Ajen find, wie erwähnt, Ginzelhöfer. Sie find eine über den Erdboden weit verbreitete Ericheinung, die auch jpeetell unter Ddiefer nur lautlich abweichenden Bezeichnung, wie beijpielsweije een, a ren umd dergl. auftritt. Man hält in der Negel das Wort Daje, Auafis, Hyafis für ein den Negyptern entlehntes Wort, mit welchen die frucht- baren und bewohnten Stellen in der großen afrikanischen Wüfte bezeichnet worden jeten (Strabo II, p. 130). Seine weitverbreitete Grundbedeutung ijt vielmehr die eines allein jtehenden Wohndachs, weshalb z. B. in der foptifchen Überfezung des neuen Teftaments die Stelle Matth. 8, 8: „Herr ich bin nicht werth, day Du unter mein Dach gehjt (drd Tiv oreynv Eeidng)" mit Duafot in der Bedeutung von Dbdach wieder gegeben wird. Die Daje ift mur die „vereinjamte“ und drüct jachlich genau dafjelbe aus, wie AS und Ddin. Im dem Worte Ajen liegt an fich weder die Bedeutung gut noch böje; jowte das Wort Arya hehr und arg, das Wort Gennete Edelmann und Knecht, da8 ort Div Gott und Teufel, der Ariman ein gutes und jchlimmes Nefen jein fan, jo jind auch die Ajen nicht an fich böfe, jondern denen Seinde, zu welchen te in Gegenjat jtehen, und das jind die Jatten, Ioten, Goten, die ihre Vorfahren zu Göttern machen. Wenn Sornandes von den Goten erzählt, daß fie ihre seldheren anfingen für Götter zu halten und fie Nejen benannten, jo zeigt fich hier die vollendete Bermtjchung von Goten und Ajen. Ach Zeus wird nach dem Vermijchungsproceg den Heroen im Stimme dev Bewohner der Ebene der höchjte Gott. C8 kommt ganz auf das End- vejultat, auf den Ausgang an, übrigens eme Ihatjache, die für das Yeben aller Zeiten gilt. So hat Bismard bei den Sachjen, die ihn im Jahre 1866 am meiften gehaft haben, zur Zeit feine begeijtertiten Werehrer, und ftünden wir noch auf dem tieferen Standpunkte der Gotteserfenntnik wie vor vielen Sahrhunderten, jo würden ihn jene wahrjcheinlich unter die Götter aufnehmen. Die Göttergeftalten gehen allmählich in einander über, je mehr fic) die Horden vermifchen. Die Zätten oder Ioden hatten urjprünglich den This oder Thius bzw. Zeuta (weiblich Dis, Dija); aber der Sage nach) ver miicht er fich mit Sfadi, des Niefen Ihtajft Tochter und erzeugt den Cäming. Der Iettere drüct die Mijchung aus, wie wir ja jchon oben 398 Sechiter Abjchnitt. beim Bolfe 8 Semnonen oder Semminger fennen geleınt haben. Eben wegen Ddiefer Vermijchungen erhält Ddin aud) die vielen ihm im den Srimmismal in den Mund gelegten Namen; man mag fie als Ihaten oder Begebenheiten oder als Ausflüffe jeiner Weisheit oder wie jonft deuten — fie find Zeugen feiner Berührung mit Sremdartigem. Ihiaffi jeinerjeitS aber entführt mit Loft’ Hülfe die jchöne Jduna jammt ihren verjüngenden Apfeln, obwohl ihr Gemac mit fieben eijernen Ihüren verwahrt war. Dieje war die Fieblichite unter den Afinen, und war von Anfang da. Die jchwediiche Sage läßt fie jpäter wieder zurüd- fehren. Im der griechiichen Sage wird Ida eine Erzieherin des Zeug und der Berg, in dejjen Höhle er erzogen wurde, erhält von ihr ven Namen Ida; als Idäa wird diefe ymphe auch Zeus” Geliebte. Die Bermifchungen find überall gegenfeitig, woraus ji) Widerjprüche ent- wicdeln, wie betjpielsweife Ihioja jei eine arfadiiche Aıymphe und Gr- zieherin des Zeus gewejen, wo doch Die Iiymphen am Wafjer wohnen; e& fann fi hier nur um eine Verwechjelung von Dryaden (Naldjungfern) mit Nymphen handel. Die eigentliche Heimath aller Ajen und Ainnen ift das Niederlanpd, während der Ihius in der lichten Höhe heimifch ift, und diejes Yand tft eben zugleich der urfprüngliche Sit der Ninderheerden, ded Taurus, iwes- halb der ältefte von den acht unter dem Namen Thoas befannten mythi- ihen Berfonen König von Taurien!) war. Auch Thor in der jchwedtjchen Mythologie ift zum Gejchlechte der Ihius zu rechnen und tft Ninderhitt, und als jolher erlangt er jeine fejte Stellung im Miythos der jpäter ver- einten Gegenfüße. Pie Ihor den Bewohnern der Ebene die Viehzucht bringt, veran- ihaulicht folgende Sage: „Er macht mit jenen Böden in Gejellichaft des böjen Lofe eine Neije, abends fommen jie zu einem Marne, den fie um Nachtlager baten; dort jchlachtete Ihor jene Böde, lie fie zur Mahlzeit braten und lud feine Wirthsleute ein, mit zu ejjen, jagte ihnen aber, daß fie die Knochen nicht verzehren, jondern auf die ausgebreiteten Felle der Böcde legen jollten. ALS am folgenden Morgen Ihor weiter ziehen wollte, bezauberte er mit dem mächtigen Hammer die Felle, und die Böde er- hoben jich fräftig und jung zu neuem Leben, aber der eine hinfte; denn Ihialfe, des Wirthes Sohn, hatte ihm ein Bein zerichlagen, um das Marf daraus zu befommen. Da wollte Thor alle zerjchmettern, doch lieg er jich bejchwichtigen und dadurd verjühnen, daß der Vater ihm jeine beiden Kinder, Ihialfe und die Tochter Nösfa ald Diener überlieh, welches Thor annahm und mit ihnen weiter veilte.* Ihisalfe tft ein Halbrieje, ebenjo ') Eo ijt Tauromenium (nach Diod. Sic. ec. 1) 7 &ni Tod Taöpon own Wohnung auf dem Berge Taurus (in der Nühe von Narus). Der Kampf der Acerbauer mit den VBiehzüchteen. 399 wie Nössfa, ein Miichling, wofür wir den Ausdrud Hemithea gebrauchen fünnen, welche in der griechiichen Miythologie eine Schweiter der Nhoeo und auf der morigen Niederung heimich tft, wie ja auch Nhoetos König der Marrubier und Nhodope eine Tochter des Pontos und der Thalafja war. Bet lefterer fanın man ihre arische Abfunft aus dem Mythos nod) erfennen: fie vermählt ji) mit dem thrafiichen König Haemos; beide liebten fich jehr innig, aber daß fie jic) Zeus und Heva nannten, fonnten die Götter nicht ertragen, weshalb fie wegen Diejes Hochmuths in Berge verwandelt wurden. Pie erwähnt, finden wir in der jchwediichen Mythologie nur halb- reine, d. 1. eben gemijchte ‘Berjonen. Deshalb it auch Ddin’s Gemahlin FTrigga die freie; die Begriffe frei und unfrei entjtehen erjt, wenn jemand Gewalt über einen Andern erhält. Die Unterfcheidung von Frigga und Freia ift jachlich nicht aufrecht zu erhalten, ohne in große Widerjprüche zu gerathen, weshalb jchon die älteren Mythologifer beide identificiren; fie find in ihrem Grundmerfmal identisch; denn fie find beide Afinnen. Der Unterjchted, dag Freia die Tochter des Jätten Sfade, Frigga die Tochter des Zätten Ftorgwim tft, Fanır feine Gegenjäße begründen. Die aus der jpäteren Dichtkunft erwachjenen Unterjcheidungen haben wohl für das einzelme Gedicht, aber nicht für die allgemeine urgejchichtliche Auf- fafjung Bedeutung. rigga wird ald Erde perjonificirt,; da ihre Botin, welche jie zu Göttern und Menjchen jendet, Gna tjt, jo ergiebt jich, daf fie urjprünglich Here darftellt und die Gna, welche eben die wandernde Göya repräjentirt, nur in ihrem Dienjt hatte; fie nimmt evjt jpäter den Kamen Göya bezw. Dija ald Beinamen an; dag ihr die Hälfte der im Kriege gefallenen Helden zu theil wird, erflärt jich daraus, daß fie am Kampfe der Bewohner der Ebene mit denen des Hochlandes nur zur Hälfte Antheil hatte. Sowie Thor nad) der Ebene wandert, jo geht Ddin mit jeinen Ajen nach dem Höhenlande und gründet dort Asgard, d. T. die auf dem Golande liegende Ajasgorod; über jein bisheriges eich fette er feine Brüder We und Mile, worunter wir ganz augenscheinlich die DBeen- wohnungen und Weiler (villae) zu verjtehen haben. Dieje drei, Ddin, We und Wile waren Die vereinten Schöpfer des erjten Menjchenpaars Aje und Emblea. Auch in der böhmtjchen und mährtichen Mythologie tft Mila Göttin der Unterwelt. Da Ddin in feinem Höhenlande zwölf Diar oder Drottar um jich hat, die er über die Dpfer und die Mechtöpflege des Landes jet und die ihm dienen, ijt entweder als ein Zeichen feiner wirf- lichen Herrjchaft über die Thor zugehörigen Perjonen anzujehen oder aber, was mir wahrscheinlicher zu fein jcheint, eine Verwechslung beider Geftalten. 5 ift ein allgemein menfchlicher Drang, die Ehre zu geniegen, an 400 Sechiter Abjchnitt. allen für erhaben und großartig angejehenen Ihaten der Vorfahren jeines Wolfes durc) Abjtammung von denjelben betheiligt gewejen zu jein. Die achfommen Thor’s jchrieben deshalb Ihaten, die Ddin verrichtet hatte, diefen, umd das von Odin abjtanımende Gejchlecht Ihaten des Thor jenem zu, weshalb wir, wie in anderen Miythologien, jo auch in der jchwedijchen eine Vermengung beider jich vormals feindlichen Geftalten erbliden. Wenn Ihor mit dem Niejen Ymer auf das Meer jo weit hinausfährt, dag ihm bange wird, und er an einer mächtigen Angeljchnur einen Dchjentopf ins Waffer wirft, wonach die Midgardichlange!) jchnappt und Ddieje mit glühenden Bliden ihn anftarıt, ihr Gift gegen ihn ausjtrömt und Thor mit jeinem Hammer die Angeljchnur zerichlägt und er beim ZJuricdweichen der Schlange wieder aufs QTrodene watet, — jo haben wir in diejer Sage ein Bild der Thätigfeit Ihor’s vor uns. Denn jein Ochjentopf ift das Vieh, mit dem er an die Schlangemwohnungen (Ned-Slane's) hevan- tritt und wonach dieje jchnappen; aber es gelingt ihm nicht, über jie Herr zu werden, weshalb er die Angel wieder zerjchlagen und aus dem Morlande ich wieder entfernen muß. Doc wenn Ihor zum Sohn Ddin’s und Frigga’S geftempelt und als ein gejchworener Feind der Jätten Hinz. geftellt wird, oder wenn amderjeits Den Die steilichlachtordnung (Die Syinfylking) empfiehlt, die doch ein Speciftoum der Nundlagerer tft, jo find das Verwechslungen beider Geftalten. In dem Worte tur liegt in vielen Sprachen der Begriff Numdung (turunda, turris, turtur [die Taube wegen der Umfreifung jo genannt, genau wie trua die Nührfelle]), weshalb ja taurus (altn. thjorr) feinen Namen von dem Streiszaun hat, jowie Nammer (the ram d. i. Widder) von der Umrahmung des Geheges und jfr. balin von der Wallung, wie bei vielen Ihiernamen. Solche Wörter erlangen der Bedeutungen viele, insbejondere aud die Bedeutung itarf, ja Iher jogar in mehreren Sprachen die Bedeutung Fürst; aber torus (torridus, goth. thaurs bedeutet auch Dürr, weil eben das Land der Miefen (alt. thurs) trodenes Land, bezw. auf dem Berge gelegenes Waldland (engl. the thurst Waldgeift) ift. Hatte Thor „die Gewohnheit mit jenen Söhnen nach fremden Ländern hinzuftenern”, jo ift jeine Beweglichkeit damit deutlich ausgedrüdt, und jind ieine beiden Söhne Gorr und Norre Niejen, jo ift er der Vater von Niiefen. Niejen oder, wie fie in der jfandinavijchen Mythologie heigen, Jüätten (Geten) find Govölfer. Wenn mn aber nad) derjelben Mythologie Ihor ein geichworener Feind der Jätten gewejen jein joll, jo tjt dies ein )) Die Bezeichnung Midgardichlange an diejer Stelle jcheint mir auf Jormungard übertragen zu jein. Denn den Midgard legten die Jätten an, während Iormungard ein Bau der Angerbode war. Mir will jcheinen, daß Beide etwas verichtedenes und daher ähnlich wie ormar von drakar zu trennen find. u ie ee u. Ka Der Kampf der Acferbauer mit den Viehzüchtern. 401 Viderjpruch, der ftch mur dadurch löjfen läht, day man die Entitehung von der Vollendung der Sage unterjcheidet und zugleich den Mittelpunkt ins Yırge faht, der zwijchen jener und diejer liegt. Die Vollendung einer Sage findet dann jtatt, wenn man die Einzelheiten in epijcher Form zus jammenzuftellen verjucht. Der Vollzieher einer jolchen Arbeit ift zugleich seritifer, aber in der primitivften Sorm, indem er den fubjectiven Standpunkt jeiner perjönlichen Auffafjung hervordrängt, obwohl er die Widerjprüche auszugleichen verjucht. Die Widerjprüche find hauptjächlich durch die ent- gegengejeßten Stellungen der Parteren entjtanden, welche zur Sage Ver: anlafjung gaben. Den Goländlern erichten ihr Gott (Thor) der verfühnende, vermittelnde liebreiche Gott, Dven dagegen als ein jtrenges, gefürchtetes und ftrafendes Wejen, während die Niederländler dafjelbe von Ihor aus- jagten, was die Goländler von Dim behaupteten. Durchmuftert man, worauf wir aber hier nicht eingehen fünnen, die angeblichen Niefenbefämpfungen, jo findet man jehr leicht, daß ehr vieles Ihor Zugejchriebene nur auf Ddin paht. Wenn beijpielsweije der Miefe Vme zum Stichen geht, Ihor ihm folgt und jenen evjchlägt, jo paßt die ganze Handlung nur auf Ddin. Denn me ijt ein Nepräfentant der Berge, wie denn das Wort Yme, Ume Berg heist (Plinius hit. nat. 6,17, Strabo Seogr. 2), weshalb Dalin erklärt: „me, der Nieje, dejjen in unferen ältejten Zeiten gedacht wird, war nichts anderes ald Imaus umd unfere alten Bergbewohner wurden Yme, dejjen Niejen Abfömmlinge genannt.“ um tt aber Ihor (Taurus) jelbjt Nepräfentant der Berg- bewohner und wohnt nicht im NWafjer, wohl aber Dden, der deshalb auch Wodan heit. lo ergtebt der ganze Sachverhalt, day der Bergrieje Yme in die feuchte Niederung jtergt und hier von dejjen Nepräfentanten — das tft Den — erjchlagen wird. Snjofern aber die Wanderhorden über die jeghaften Horden nur einen zeitweiligen Steg erringen, durch die Nöthigung der erjteren zum Bleiben, und zwar insbefondere in Folge der Vermehrung der Menjchen an gewijien Ortpunften, der Seyhaftigfeit der lette Sieg zu theil wird, erlangt auch im der jchwentichen Miythologie Dden gegenüber Thor die bevorzugte Stelle. Doch wie Schwer die Figur Ihor’s zu bejeitigen war, fann man daraus erfennen, day jelbit in Upjala, dem Hauptfige des Doendienftes, noch Ihor’s Bild auf einer Art Thron zwifchen Oden und Srey die vornehmite Stelle einnahm. Man hat Dden den jchwedijchen Ares genannt, und zwar mit Mecht; deshalb Führt er als Beinamen auc die Bezeichnung Harır bzw. Har. Sp wenig Ares (bzw. Mars) von Haus aus Kriegögott, jondern vielmehr Gott der aratores ift, jo ift auch Dden Har in der Sage nicht jowohl Siriegsgott, jondern mehr der Berleiher des Sieges, indem er al3 eine Art Drafel auftritt, welches Nathichläge Muce, Urgejihichte. 26 402 Secdhjter Abjchnitt. über die Kriegsordnung ertheilt. AS jolcher fann er auch die vorhin er= wähnte Keilihlachterdnung empfehlen, aber nicht jchaffen. ie anderwärts, jo treten auch in der jchwediichen Sage, und zwar hier in mehrfacher Geftalt, jpäter die aderbauenden „Engewohner”, die GSultores (incolae) hevvor. Sie heifen bet den Schweden Ynaqua bzw. YVnrque, aus dem man die Sage des Inglinger-Gejchlechts hervorgehen läßt. Mach Dalin!) „bedeutet Ynaue jo viel als einen Feldbauer: und an fi) it diejer Name jo groß und anjehnlich, als der Titel eines Länderbes zwingers; denn der nimmt auf eine edele und unjculdige Art Länder ein, der ungebaute Felder tragbar macht.“ Auch die schwedische Sage läht, wie alle ähnlichen Infa-Sagen, jeinen Ynqua eimwandern: „er war jchon von männlichen Jahren, als er mit jenem Vater in Skandinavien anfam. Man fan dies daraus nehmen, dag er Tyrfiasfonung oder Drott und Anführer der Taurifer, Ihyrja- Seten oder Seythifcher Bergbewohner genannt wird, die im Gefolge der Ajer bei diefer Odenjchen Wanderung fich) im unjerm Upland uiederltegen umd jich bei den älteren Sinmohnern des Yandes durch Odens Künfte in jo großes Anjehen nnd Hochachtung gejett hatten.” Man fieht aus der vorjtehenden Schilderung, wie jehr fi) der Mythos bemüht, der Dynastie der Yngua dadurch Anfehen zu verichaffen, da man den Begründer derjelben eimvandern läßt. Co volljtändig aus der Luft Fan natürlich die Sage der Eimwanderung nicht gejchöpft jet; es mu ihr vielmehr eine Tinnliche Anrjchauumg, dte jich dem Gedächtuty einprägte und in der Srinmerung weiter lebte, zu Grunde gelegen haben. Dieje zu finden tft nicht jchiwer, wenn man ji) die Situation vergegen- wärtigt, in welcher Die Yngua wohnen bzw. leben. Da das eigentliche Schweden aus einem Gemtjch von Gebtrgss und reverungslandjchaften beiteht, im welchen die fruchtbaren Sbenen dicht von Wald umfchlojjen werden, jo muften, wenn jowohl die Niederuigen als auch die oberjten Höhen bejeßt waren, die Mittelbewohner eingeengt werden. Im der Ihat zeigt fic) und zwar wegen der häufigen Wiederfehr diefer geographiichen Situation in Schweden mehrfach das Auftreten der Inga, eine Ericheinung, für welche man nur ein Verftändnig gewinnen fan, wenn man feithält, daß alle einzelnen Eleinen Völfer in Urzeiten nur für fih und unabhängig von einander lebten, bis fie durch Die Macht der Berhältniffe, die zur Herrfchaft führt, zu einer Kinheit verjchmolzen wurden Drangen die Yngua nad) der Höhe und in das Hirtenland ei, jo bedeutete dies eine Wanderung, die jelbjtveritändlich mit einer Unter- I) Diof Dalin’S Gejchichte des Neiches Schweden I. Greifswald 1756. ©. 248. N N N Der Kampf der Ackerbauer mit den Viehzüchtern. 403 werfung der Hirtenbevölferung verbunden war und die Entjtehung von Wanderjagen it damit von jelbjt gegeben. 55 fan, jo verlodend es auch Für mich it, nicht meine Aufgabe jeim, die Details der Sagen vorzuführen, weil in einer Theorie nur die Grundlage der Erjeheimungen geboten werden darf; e8 muß jomit Andern überlafjen werden, das, was bisher tm Verjchmelzung betrachtet wurde, im Einzelnen zur Darjtellung zu bringen. Hat fich ja doch ein ganzer Sugenfreis um das Köntgsgefchlecht der Jchwediichen Ingqua gebildet, ebenjo wie für Norwegen unter dem Namen IngasSaga (Mehrzahl Inga-Sagor) uns Dejonders in Snorrts Heimsfringla oder Moregs Konunga Sögeor eine geordnete Zufammenfafjung aller bereits vorhandenen Sögor über den norwegischen Inga überfommen it. Dat nicht erit der Begründer der Ingua-Dynaftie in Schweden den Namen gebracht, haben ältere Gelehrte ihon längjt erkannt. Die Miythologien aller Völker enthalten fojtbare Schäße, die noc gehoben werden müljen. Sie liegen nicht offen zu Tage und find, wie Alles, was der Menjc jener Erfenntnig näher bringen will, nicht durch jubjeetive Deutung, jondern allein auf dem Wege zu finden, den Die Statijtif wandelt, der es darum zu thun it, das veine Ihatjächliche, d. h. das von aller jubjectiven Erfenntnig und Deutung Losgelöfte zu gewinnen. Auf feinem Gebiete haben fich die mit Miyftit gefchwängerten Deutungen um das ve Ihatlächliche jo angelagert, wie eben gerade in den Miytho- logten. Sie bilden aber gleichwohl einen integrivenden, ja einen hoch- wichtigen Theil der menjchlichen Urgejchichte, die unmöglich allein mit dem Material der gegenwärtig angetroffenen jog. Naturvölfer zu bearbeiten tft. Dem Zwede der vorliegenden Schrift gemäß habe ich nur der Haupt: begebenheiten gedacht, die nit Aderbau und VBtehzucht zufammenhängen. In eimer weiteren Schrift, im der ich die übrigen Gentes, injoweit fie das gewerbliche Leben berühren, jowie auch die Jagd betrachten werde, werde ich nicht umbin können, emmen übrigen Theil der Miythologie mit hereinzuztehen, durch den wir alsdann erfermen werden, wie durc) die H Bermiichung der heterogenen Horden die gejtörte „Drdnung der Dinge” in eier neuen „Drdnung der Meenjchen“ jtch wieder vereinigt, jo daß eine Harmonie entiteht. Die Harmonie tft eben dem Miythos zufolge die aus dem Kampfe des Zeus mit den Titanen, d. h. der Dberwelt (Gäa) mit der Unterwelt (Hera) hewvorgegangene „neue Weltordnnug” oder, wenn wir uns biblijc ausdrüden wollen, der Zultand nac der Vertreibung aus dem WBaradieje infolge des Genufjes der Arucht vom „Baum der Gr- fonntnig”. Im der neuen Weltordnung tritt die NWiremofyne, die Ne= präjentantin des Verftandes mit ihren neun Töchtern, den Mufen d. 1. den jinnenden Welen auf. Im allen Miythologien der Völker ohne Yus= 404 Zechiter Abjchnitt. nahme fennt man eine Sage vom Berlujt einer urjpriinglichen „Drdnung der Dinge” ; der Mythos von einer „Unordnung im Anfang”, wie er in der Rromisenitätslehre zum Ausdrud fommt, tft jehr jungen Datumsund entjtanmt feinem Wolfe, jondern einigen wenigen PBerjonen, deren eigen- thümlich logifchem Denken und deren Begriff von der Entwidelung der Dinge er jympathijch zu jein jcheint. Die Harmonta, eine Tochter der Aphrodite und des Ares, entiteht, als Hephaeitos das Liebespaar in jenem unfichtbaren Neße fing. Da fie von ungemeiner Schönheit und Lieblichfett war, ward jte bei ihrer Ver: mählung nicht nur von allen Göttern bejucht, jondern auch veich bejchenft. Demeter gab ihr den Getreidebau, Hermes die Lyra, Athene ein föftliches Sewand ze. Apollo und die Miufen verherrlichten das Felt durd) Flöten- jptel amd Gefang, Glectra führte Die geheimen Seterlichfeiten zu Ehren der Göttermutter ein, das jchönfte und zugleich tranrigjte Gejchenf machte ihr Kadmos durch das jchredliche Halsband, welches Hephaeltos gejchmiedet, damit jte unglücklich werde, und durd) den Burpurnantel, welcher in allen Ber: brechen und Laftern gefärbt worden war. — Gin intereffanter Beweis dafür, daß chen das Alterthun die berzenanng hatte, dat nachdem „die Drdmung der Dinge” durd die menschliche Erfenntnig, in deren Folge der Jog. Fortichritt fich befindet, geftört worden ift, eine dauernde Harmonie auf Diefer Erde nie mehr zu erwarten fteht. Unter der Masfe des freumd- lichen Darreichens eines Gefchenfes Liegt oft der Ausdruck von Neid und Vapgunft. Suchen wir diefe zu befeitigen durch) Kampf gegen ihre Träger, zu denen leider oft jeder einzelne jelbjt zählt, dann haben wir die idtiche Har- monte, die undvollfommen, aber doch immer jo tft, dad wir getroft in die Zukunft jehen und nach jedem bitteren Leiden, das uns widerfahren tft, auscufen fönnen: wie jchön it Doch troß der vielen DVerlufte, die wir erleiden und troß der Kämpfe, die wir kämpfen und troß dev Mühen, die wir zu überwinden haben, und ftroß der Ungleichheit in der Wertheilung der Süter und Lebensftellungen, — wie jehön tft doch die Nelt! u Ge — Drud von Julius Abel, Greifswald. S Mucke, Johann Richard 421 Urgeschichte des Ackerbaues M94 und der Viehzucht BioMed PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY ps \ BER HEN - + ARSRIE 0) PEN uepe eh tr SHARREN u na kune, Sana ee! ri ied,t SLELn vrgrkbr rien gen Sir? Y ve EIrAEABgER SHE PORSSEHR, Sen N » & Aa So Ku nerk Mi en U khedı » ne ENEHERLu h Bat Hımaaysosth BR LM . 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