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Sitzungsberichte

der

k(ini«i. bayerischen Akademie der Wissenschaften

zu München.

Jalirgong 1862. Band II.

München.

Druck von J. (i. Weiss, Univprsitätshiuliilriu-kei-,

In Commiiiion b«l U. ('ranz.

RS

122.

Cid" •"

Uebersicht des Inhaltes.

Die mit * bezeichneten Vorträge alnd ohne Auszas.

Philosophisch-philologische Classe. Sitzung vom S.Mai 1862.

Seite Halm: Beiträge zur Berithtiguiig und Ergänzung der Cicero-

nisclicu Fragmente ^

Mathcmalisch-physikalische Classe. Sitzung vom iO. Mai i 86 2.

Schönbein: Ueber die Erzeugung des salpetrichten Ainino- niakcs aus Wasser und atinospliäriscber Luft un- ter dem Einflüsse der Wärme ^^

Pcllenkoler: Uebcr die Bestimmung des Wassers bei der

Respiration und Perspiration. .... 50

r*

IV

Historische C lasse. Sitzung vom i7. Mai 1862.

Seite

*Föringer: Uebor tlie Aiiiiaics Altahenses GH

Pfnlosophisch-philoloyische Classe. Sitzimy mmi 14. Juni 1868.

*S lieber: Beitrag zur Geschichte der griecliischeu Steiiipel-

schiieidekuiist b5

Slathematisch-physikaUscfie Classe. Sitzung vom 14. Juni 1862.

Lamont: a) üeber die zehnjährige Periode iii der täglichen Bewegung der Magnetnadel, und die Beziehung des Erdmagnetismus zu den Sonnenflecken . tiO

b) Ueber das Verhältniss der magnetischen Intcu-

sitäts- und Incliaations-Störungen ... 70

Petteiikofer: Ueber die Ausscheidung von Wasserstoffgas bei der Ernährung des Hundes mit Fleisch und Stärkmehl oder Zucker 88

Seidel: Ueber die Verallgemeinerung eines Satzes aus der

Theorie der Potenzreihen .... yi

Historische Classe. Sitzung vom 21. Juni 1862.

*Muffat: Ueber VVolfhcr, Patriarchen von Aquileja, einen gc-

borncn Ba\(r ...... <)7

PhilosopIdsch-phUoloyischc Classe. Sitzmig vom 6. Jvli 1862.

Seite

Thomas; Ueber einige Fragmente von versificiiten Fabeln

zum sogenannten Romiilus 9S

Mathematisch-physikalische Classc. Sitzung vom 1 I.Juli 1862.

Lamont: Beitrag zu einer matiieniatischcn Tlieorie des Mag- netismus 103

Xägeli: Ueber die crystallälinlichen Proteinkürper und ihre Versthicdenlicil von wahren (irystallen (mit zwei Tafein) 120

Kinseudungen an Druckschriften (April— Juli 1802) . 155

rhilosophisch-philologische Classe. Sitzung vom 8. Nov. 1862.

*AI. J Müller: Ueber einige Partien der poetischen Literatur

der Araber 161

Mathematisch-physikalische Classe. Sitzung vom 8. Nov. 1862.

Petlenkofer: Ueber die Bestimmung des bei der Respiration

ausgeschiedenen ^Yasserstoff- und (.iruben-Ciases 162

VI

Seile

Historisihe Classe. Sitzung vom 16. Notember 1862. *\. hol Uli gor : IVher die Kaiscrkruiiung Karls des Grossen ICIi

Oeffmlliche Sifzvng der k. Akademie der Wissenschaften am

28. f<ovember 1862.

Feier des Alleiliöchsten Geburtsfestes Sr. Majestät des Köiiij^^s

Maximilian II. 104

Neu\\ahlen l'~

Einsendungen von Unickschriften November 18Ö2 . 179

,, Deccniber ,. . 191

Philnsopliisch-phUologische Classe. Sitz-vng vom 6. Dec. 1862.

Plath: Ueber die häuslichen Verhältnisse der alten (Ihinesen . 201

*A1. J. Müller: a) Ueber die Erzählung von der Doneella Teodor;

b) Ueber den Tod Don Sebastians;

c) Ueber die Pest im 14. Jahrhundert . 248

Mathematisch plu/sikalische Classe. Sitzung r^om 13. Dec. 1862.

Joll^: Ueber Bathonieter und graphische Thermometer (niil

zwei Holzschnitten) 248

Nägeli: Ueber die Reaction von Jod auf Stärkekörner und Zell

menibranen 280

VII

leite

Scilönbein: 1) lieber die Bildung des salpetnchtsauren Am- moniaks ans Wasser und Luft (Naclitiag) ;{13

2) lieber das oxidirendc Vermögen der Nitrite . 31S

3) lieber das Vorkommen salpetricht- und saipe- tersaurer Salze in der Pflanzenwelt , . 320

Historische Classe. Sifz-iing vom 20. Dec. iS62

Kunst mann: lieber den Grafen Rapoto (Rasso) von Andeclis,

gestorben 954 . 334

Ciiesebre« li t : lieber die Kaiserkrönung Karls des Grossen und

ihre Folgen 334

V. H efn cr-A I tt'u eck: Ueber den sogenannten „goldenen Hut"

im Anti(|uariiiin zu München und den ,, goldenen Köcher" im Louvre zuPari.s. 333

Sitzuiigsbericlite

der

kÖnigl. bayer. Akademie der Wissenschaften.

Philosophisch - philologische Classe.

Sitzung vom 3. Mni 1862.

Herr Halm theilte mit:

„Beiträge zur Berichtigung und Ergänzung der Ciceronischen Fragmente/'

Wenn man liest, was Nobhe über seine Bearbeitung der Fragmente des Cicero bemerkt : ,,Sedcnt in plurimis adhuc frag- mentis ed. Ernestianae et Schuelzianae innumera vitia, inde a Lambini temporibiis fidclilcr Iradila, et, quod vix mireris, nova quaedam inveleratis illis addila. OuamqU'^'n enim Schuetzius hoc in genere paullo diiigentius versalus est, quam Ernestius, supe- riorum commcntalorum Ieg(Mis vestigia : tamen eadem fere vitia, quae hie admiscrat, dcnuo reliquit. Saepe enim accidit, ut cum Ernestio falsum auctoris locum indicaret, unde Ciceronis verba referrcntur, aul quae ad testis orationem pertinent, cum Tullii verbis coniungeret, aut eliam, quae cohaerent, aliena interponeiido divelleret et quae sunt huius generis alia" : (s. Ausg. v. Orelli [1Ö63. n.j i

2 Sitznny der phüos.-philol. Classe vom 3. Mai 1862.

p. 439') SO sollte man meinen, es wäre eigentlich schon alles zm* Hauptsache abgethan und es bedürfe nur noch einiger Nachträge und Berichtigungen verderbter Stollen, namentlich bei solchen Fragmenten, die aus Schrirtstellern entnonnnen sind, von denen es noch keine kritischen , auf Handschriften begründeten Auso-aben gibt. Allein trotz der Versicherung Nobbe's fehlt es noch immer an einer unmittelbar aus den Quellen geschöpften Bearbeitung der Ciceronischen Fragmente, wie seiner Zeit eine solche der gelehrte Pole Andreas Patricius, dessen reich- haltio-en Commentar kein neuerer Bearbeiter gekannt zu haben scheint, geliefert hat. Nobbe's Autorität hat viel geschadet, weil man seine Sammlung als eine möglichst vollständige und seine Angaben als verlässig betrachtete. Dass das nicht der Fall ist, ergibt sich aus der einzigen Thatsache, dass in der in einem Band erschienenen Nobbe'schen Gesammtausgabe, die Klotz fast buchstäblich für die Fragmente hat abdrucken lassen, sogar starke Rückschritte gegen die Bearbeitung Orelli's unverkennbar sind der wenigstens das Verdienst hatte bei einigen Schrift- stellern wenn auch keine Handschriften, doch bessere Ausgaben zu Grunde zu legen. Die Mängel der bisherigen Bearbeitungen lassen sich auf folgende Hauptpunkte zurückführen.

1) Ein wesentlicher Mangel in allen bisherigen Samujlungen ist der dass blos die Fragmente ausgezogen, nicht auch die Stellen in denen solche vorkommen, im Zusammenhang mitge- theilt sind. Zum richtigen Verstäudniss eines Fragments ist häufig von wesentlichem Belange, dass man auch den Grund weiss, warum eine Stelle von einem Schriftsteller angeführt wird. Mehr als bei anderen Autoren tritt bei Cicero dieser Mangel zu Tage, weil man bei einer Benützung der Fragmente immer auf die Scholiasten zurückgehen muss; wer die von Asconius er- haltenen Fragmente liest, wird auch wissen wollen, was er über jedes bemerkt hat, also den Asconius, nicht die Fragmcnten-

(1) Die Citate aus Oiclli beziehen sich auf die erste Ausgabe.

Halm: Ergänt-uny der Ciceronisclien Fi'agmente. 3

saniniliing aufsclilageii, wenn eine solche des Commentars ent- behrt. Die Coninienlare jedoch des Bobicnsischen Schoh'asten, (he viele zur Aurkliirung einer Stelle nutzlose rhetorische Be- nierkungcn enthalten, brauchen nur in Auszügen niitgetheilt zu werden. Besonders historische Schoben geben hie und da noch einen weiteren Aufschluss über den Inhalt einer angeführten Stelle, wovon man in einer Fraginentensammlung wegen des mangelnden Wortlauts doch nicht wohl einen Gebrauch machen kann. Auch ist man erst, wenn ein Fragment mit dem Com- mentar oreireben wird , völlig sicher dass ein wirkliches Cicero- nisches Fragment vorliegt. Die Orelli'sche Ausgabe hat aus der Rede de rege Alcxandrino nur 11 Fragmente, die von Nobbe- Klotz 12. Hinzugekonnncn ist die Stelle Schol. Cic. II, 351: * * ut bellum gerendum esse censeret qui mentioncm pecuniae fecerat. Dieses Fragment fehlt jedoch richtig bei Orelli nach der Mai'schen Ausgabe des Scholiasten. Denn da auf die an- geführten Worte ein sicheres Fragment des Cicero folgt: „sie est iusta causa belli, sicuti Crassus conunemoravit cum Juffurtha fuisse", so müssen die vorausgehenden Worte der Schluss eines Scholions sein, wozu die belrelTende Stelle des Redners durch i\e\\ grösseren Defect in der Handschrift verloren gegangen ist. Es Hessen sich zwar beide Bruchstücke leicht miteinander ver- binden, wenn man schriebe: ut bellum gerendum esse censeret, qui mentionem pecuniae fecerat, si esset iusta belli causa, sicuti Crassus connriemoravit cum Jugurlha fuisse. Allein eine solche Vermuthung hätte keine grosse Wahrscheinlichkeit, weil die Anmerkung des Scholiasten , der eine Erklärung über die Ver- anlassung des Jugurthinischen Kriegs miltheilt, sich nur auf die letzten Worte ,, sicuti Cras.sus etc.'" bezieht. Für eine solche historische Erklärung bedurfte es nicht der Anführung eines längeren Cilals aus Cicero; es genügten zur Anknüpfung einige wenige Worte vor sicuti Crassus. Bereits in der Orelii'schen Ausgabe der Scholia Bobiensia sind die besprochenen Worte unrichtig dem Cicero beigelegt und aus ihr der Fehler in die Nobbe-Klolz'sche Sammlung übergegangen.

4 Sitzung der philos. philol. Classe vom 3. Mai 1862.

Hätte man den Grundsatz festgehalten, die Fragmente überall im Zusammenhang mitzulheilen, so halle sich auch mancher Fehler nicht eingeschlichen oder es wären ofrenbare längst ver- bessert worden. So liest man unter den Fragmenten der Cor- neliana das kurze aus Acro zu Hör. Senn. I, 2, 67: ,,aperuit fores scalarum.'' Die falsche Lesart fores statt forem hätte nie entstehen können, wenn spätere Herausgeber den Scholiasten selbst aufgeschlagen hätten , der die Stelle als Beleg für den Singular von foris anführt. Liest man aus derselben Corneliana das Fragment : „sed ad urbem dierum fuerit iter complurium^' aus Arusianus Messius p. 215 Lindem., so kann man mit ihm nichts anfangen, wohl aber, wenn man den Grund kennt, warum der Grammatiker die Stelle anführt, nemlich als Beleg für die Structur abest tot milia. Die nahe liegende Verbesserung gibt Nipp er dey im Philologus III, 147, die, da Nobbe's letzte Ausgabe 1850 erschien, diesem bereits bekannt sein konnte. In dem Fragment contra contionem 0 MeteUi ,,Ouaero ab inimicis, sintne haec investigata comperta patefacta, sublata delata extincta per nie'" konnte die falsche Lesart delata statt deleta sich unmöglich so lange in dem Texte erhalten, wenn man den Quintilian ordent- lich anoresehen oder die ganze Stelle im Zusammenhang milge- theilt hätte. Denn er bemerkt über die sechs Participia, dass sie zwei Paare von drei Synonymen bilden: Sunt unius figurae et mi.xtae quoque et idom et divcrsum significanlia. „Investigata comperta patefacta'' aliud ostendunt, ,, sublata deleta extincta'' sunt inter se similia, sed non etiam prioribus etc. Die falsche Lesart delata hat schon Garatoni zu Cic p. Milone §. 103 p. 347 ed. Orelli gerügt.

2) Von den Fragmenten sind die sogenannten Testimonia durchaus zu scheiden. Jeder wird zustimmen , dass die Mit- theilung dieser in einer Fragmentensammlung unerlässlich ist, weil manche Notiz über eine verloren gegangene Rede einen erwünschten historischen oder rhetorischen Aufschluss enthält. Fand man sich veranlasst nach blos zufälliger Wahl eine Anzahl dieser Teslimoiüa mitzulheilen, so mussle man auch auf eine

Halm: Ergänzung der Ciceroniichen Fragmente. 5

vollständige Sammlung bedacht sein ; in den Reden lassen sich die bisher bekannten Testimonia gewiss um die Hälfte ver- mehren. Wie nachlässig man in dieser Hinsicht verfahren ist, davon nur ein Beispiel. Weil man bei Oi'i'ililian ein Fragment aus der wirklich gehaltenen Rode pro 31ilone aufgefunden zu haben meinte, so gab man auch die ganz unbedeutende Notiz aus Oiiintilian IV, 3, 16, nicht aber die sehr wichtige aus As- conius p. 42 Bait, : Manet autem illa quoque excepta eius oratio, und aus dem Schol. Bob. p. 276: Exstat* alius praeterea über actorum pro Milone, in quo omnia interrupta et impolita et rudia, plena denique maximi crroris agnoscas. Besser ist man in jenen Roden daran, von denen der fleissige und ge- wissenhafte Angelo Mai Fragmente aufgefunden und sie mit Einleitungen herausgegeben hat; doch ist auch ihm zur Rede de rege Alexandrino die historische Notiz beim Scholiasten des Lucanus VHI , 518 p. 643 Web. entgangen. Hätte man die Testimonia ordentlich gesammelt, so würde unter den Tituli orationum amissarum auch die oratio pro Scauro ambitus reo erscheinen; die betrcn'ende Notiz bei 0»>ntilian IV, 1, 69, wo es ausdrücklich heisst: nam bis eundem defcndit, enthält auch ein neues Zeugniss über die bisher bekannte oratio pro Scauro repetundarum reo.

3) Ein jeder Herausgeber einer neuen Sammhing von Fragmenten eines Schriftstellers wird sich bemühen das bisher bekannte Material zu vermehren; beim Cicero ist es ebenso nothwendig das vorhandene zu sichten und ungehöriges auszu- scheiden. Unter den Fragmenten der Corneliana erscheint auch folgendes aus 0»intilian V, 13, 26: „Obiecta est paulo liberalior vita." Die Stelle musste schon deshalb Beircmden erregen, weil Asconius im Eingang seines Arginnentum ausdrücklich sagt: Cornelius homo non improbus vita habilus est, und am Schlüsse: cetera vita nihil fecerat quod magno opere improbaretur; allein

('2) So aus der Losart exislat ; die lilslierlfjcn Ausgaben existit.

0 Sitzung der philos. -philol. Classe vom 3. niai 1862.

wie es mit dem fraglichen Fragmente beschaffen ist, ergibt sich von selbst, wenn man den Quintilian aufschlagt: ut . . . , si acri et vehemenli fuerit usus oratione (accusator), eandem rem nostris verbis milioribus proferamus, ul Cicero de Cornelio; codicem attigit , et protinus cum defciisione, ut si pro luxuriöse di- ccndum sit: obiecta est pavio libcralior vita. Aus den Worten des Rhetor selbst ist klar, dass dieser homo luxuriosus nicht Cornelius gewesen ist. Dass man die Worte doch auf die Corneliana bezogen hat, geschah wahrscheinlich in Folge einer falschen Auffassung von protinus. Aus der Rede pro 0- Gallio wird folgendes längeres Fragment aus Hieronymus epist. 34 ad Nepotianum de vita cleric. et monach. IV, p. 262 ed. Bened. angeführt : M. Tullius , in quem pulcherrimum illud elo- gium est ,,Demoslhenes tibi praeripuit, ne esscs primus orator, tu illi, ne solus" in oratione pro Gallio quid de favore vulgi et de imperitis contionibus loqualur attende, ne his fraudibus lu- daris. Loquor enim quae sum ipse nupor experlus. Unus qui- dam poeta nominatus, humo perliteratus, cuius sunt illa colloquia poetarum ac philosophorum, cum facit Euripiden« et Menandrum inter se et in alio loco Socratem atque Epicurum disserenics, quorum aetates non annis, sed saeculis scitnus esse disiunctas, quantos is plausus et clamores movet! Multos enim condiscipulos habet in theatro, qui simul literas non didicerant. Hier hatte schon Orelli in den Anmerkungen richtig bemerkt: .,Sane baec omnia loqnor didicernnt Hieronymi sunt, non Tullii'', liess aber doch die Worte noch im Texte steh(;n. Wiewohl Hieronymus ausdrücklich sagt: „Loquor enim quae sum ipse nuper experlus"', so wird dieses Stück der Stelle doch noch immer unter den Ciceronischen Fragmenten fortgeschleppt Statt es unter ihnen zu belassen, war es passend die Veranlassung mitzutheilen, die Hieronymus bestinnnte der Rede zu erwähnen : Nihil tarn facilc quam picbeculam et indoctam conlioneni linguae volubilitate decipere, quae quidquid non infellexit plus miratur. M. Tullius etc.; denn erst, wenn man diese Eingangsworte liest, wird die Beziehung der Worte ne his fraudibus ludaris klar.

Halm: Evyiinzuny der Ckeroniachen Frat/inente. 7

die man sonst leicht auf das folgende beziehen könnte. Aus der wirklich geiiallenen Rede pro Milone wird noch immer als einziges erhaltenes Fragment die bei Oiiinl'Jia» ^^, 2, 54 als Beispiel einer unnoicöntjaig niilgelheilte Stelle angeführt: „An hnius ille legis, quam Clodius a se invcntam gloriatur, men- tionem faccre ausus esset vivo Milone, non dicam consule? de noslruin enim onuiium non audeo tolum dicere", wiewohl Peyron längst nachgewiesen hat, dass sie in die Lücke der geschriebenen Rede an den Schluss von cap. 12 gehört. Für die gewissenhafte Onfllenbennlzung ist die Stelle auch in an- derer Beziehung belehrend. Sic wird bei Nobbe -Klotz so ab- gedruckt : An Iivivs ille legis quam Clodius a se inventam gloriatur etc., woraus man schliessen möchte, dass die Worte An huius ille legis quam niclit bei Quintilian zu finden, sondern eine gemachte Ergänzung sind. Diese Herausgeber haben auch nicht gewusst, dass die Stelle auch von dem Scholiasten zur interrogalio de aere alieno Milonis angeführt wird, aus dem das Ouintilianische Fragment, wie jetzt in allen Ausgaben der Milo- niana zu lesen ist, in folgender Weise zu ergänzen ist: ,,non audeo tolum dicere. Videte quid ea vitii lex habitura fuerit, cuius periculosa etiam reprehensio est." So haben wir in den bislierigen Sammliuigen ein falsches Fragment und dieses noch dazu unvollstäuflig wegen mangelnder Benützung einer zweiten Hauplquelle. Das grösstc Curiosum ist ein neues Fragment, das Klotz p. 24.3 aus der oratio in toga Candida beibringt : ,,Et talis Curius p er er ud itus."' Asconius sagt zu seinem letz- ten Citat aus der Rede p. 95 Bait. : Curius hie notissimus fuit aleator danuiatusque postea est. In luinc est hendecasyllabus Caivi elegans: „et talis Curius pererudifus." Weil der hendeca- syllabus in der Baiter'schen Ausgabe in besonderer Zeile und mit Cursivschrifl gedruckt ist, ward er zu einem prosaischen Fragment degradiert.

Ohne die geringste Wahrscheiidichkeit hat Bcier, der für seine erfolglosen Reslilulionsversuche überallher Material zu- sammenschleppte, der Scauriana das Fragment bei Quintilian

g Sitzung der philos. - philol. Classe vom 3. Mai 1862.

VIII, 6, 47 vindicierl: ,,Hoc miror enim querorque, quemquam hominum ita pessum dare alterum [verbis] ' velle , ul eliam na- vem perforet, in qua ipse naviget." Weil so einmal Beier an- geordnet hat, steht jetzt die Stelle unter den Fragmenten der Scauriana, eben so die bekannte von Cicero selbst und von mehreren Rhetoren angeführte: „Donius tibi deeral? athabebas: pecunia superabat? at egebas etc.", wiewohl schon langst der vorsichtige Spaiding zu Quintil. IX, 2, 15 bemerkt hat: Haec quidem quare orationi pro M. Scauro in fragmentis tribuanlur, nonduni comperi. Eine Stelle ist sogar zur Ehre gekommen zwei verschiedenen Reden zugewiesen zu werden. Den Frag- menten in Clodium et in Curionem hat Beier nicht ohne Wahr- scheinlichkeit das Beispiel von der Figur des Chleuasmus bei Rufinianus de fig. sent. et elocut. c. 2, „quasi vero ego de facie tua, cafamite, dixerim'' zugewiesen, wiewohl man es vorsich- tiger unter die fragmenla incertarum orationum aufnehmen wird Wenn aber Fragmentensamnder das als richtig er- kennen, so durften sie die Stelle des Rufinianus nicht unter den Fragmenten der or. pro M. Fundanio in folgender Gestalt mittheilen: Quasi vero ego de facie tua catamite dixerim vel alias potuisti contumeliosius facere, si tibi hoc Parmeno alloqui, ac non ipse Parmeno nuntiasset. Folgte man in dem einen Punkte Beier, so musste man auch wissen, dass dieser Gelehrte über die Stelle des Rufiniaiius, an deren Ver- besserung Ruhnken verzweifelte, richtig bemerkt hat, dass vel alias Worte des Rhetor sind (vgl. ibid. §. 4 et alias und §. 14 aut alias); es war also, wenn man das erste Citat den Frag- menten der Scauriana zuwies, bei der Fundaniana blos das zweite aufzuführen. Die noch immer einer vollständigen Hei- lung entgegensehende Stelle des Rufinianus ist vielleicht so zu

(3) Dass vcrbis, was im Ambros. I fehl!, ein (ilossem ist, zeigt die Erklärung des Quintilian, deren Anführung zum riilitigen Verständniss der Stelle überhaupt nolhwendig ist.

Flalm: Ergänz-viuf der Ciceronischen Fraijmente.

verbessern: Quasi rero cgo de facie ftia , catcunite, dixerim: vel alias: Pottiistine cimtinucUoshis faccre, si tibi hoc Parmcno alioqui, ac non ipse Parmcno mitüiassct?

4) Zur Reiiiiguiiff der Fragmente {reliort in einer kritischen Atisgabe auch die Beseitignng der Beier'schen Ergiinziingen in den Reden pro Tiiilio, in Clodinin und pro Scauro, deren Lec- liire neben den» ächten Cicero einen vviderwarligeii Eindrucic macht und das Verstiindniss des erhaltenen eher stört als för- dert. Dadurch dass man die vcrsclüedenen Zeichen , die Beier bei seiner Musivarbeit angewendet hat, zum Theil entfernte, sind auch Undeutlichlveilen herausgekommen, die leicht, wenn man nicht auf die Quellen zurückgeht, irre führen können. So liest man bei Nobbe und Klotz p. 203 aus der Rede in Clod. et Cur. c. II: ,,Ac vide an facile fieri tu potueris, cum is factus non sit, cui tu concessisti. Syriam sibi nos extra ordinem poUi- ceri. [Pseudoasconius. Ouintil. V, 10, §. 92.] ' Nach der ge- wöhnlichen Citierweise sollte man glauben, das Bruchstück finde sich so bei beiden Autoren. Es sind aber zwei ganz verschie- dene Bruchstücke, von denen m;ni nicht absieht, warum sie gerade hier zusannnengeleimt wurden. Eine Nachlässigkeit ist hinwiederum, dass das Citat verkehrt steht, indem das erste Bruchstück von Ouintilian, das zweite vom Schol. Bob. erhallen ist. Eine zweite Stelle der Art aus derselben Rede hat man dieser Zusammenschweissung zu lieb sogar gefälscht, p. 206 Klotz: ,,Integritas tua te purgavit, mihi crede: pudor eripuit, vila ante acta servavit Qualtuor tibi sententias solas ad per- niciem defin'sse? [Quintil. VIII, 6, 56 et Pseudoasc.]'' Die letz- ten Worte Ouattuor etc. sind eine indirect angeführte Stelle; um sie dem Citat aus Oi'i'il'l''»» anzupassen, hat man daraus eine rhetorische Frage gemacht. Noch schlimmer ist es an einer dritten Stelle ergangen, pro Vareno n. 7 p. 2ii ed. Klotz: ,,Tum C. Varenus, is qui a familia Anchariana occisus est. Hoc quaeso, iudices, diligenter attendile, [Ouintil. IV, 1, 74 et IX, 2, 56 ]" Bei Nobbe ist die Interpunction : Tum occisus est. (Hoc . . . attendite.) Man wird hier die Klammern

10 Sitzung der philos.-philol. Classe vom 3. Mai 1862.

bei vorausgehendem Punkt ebenso wenig verstehen, als die noch schlimmere Klolz'sche Intcrpunclionsweise, bei der man nach den obigen Beispielen vermulhcn möchte, dass es sich um zwei von Oni'iUlian an verschiedenen Stellen angeführte Bruch- stücke handle. Es erwähnt aber Ou''it'l'i'" dieselbe Stelle zwei- mal ; w ic sie zu interpungieren ist, lehrt ein Blick in den Rhetor. Er sagt IV, 1, 73: Judices et in narratione nonnumquam et in argumentis ul atlendant et ut faveant rogamus, quäle est: Tum C. Vareniis, is qui a famiUa Anchariana occisiis est: Jioc (jvaesi, rudices , dilk/enter attenditc. Wir haben also in der Erzäldung eine kurze digressio (Ouintil. IX, 2, 56), um auf einen bedeutenden Punkt die Richter besonders aufmerksam zu machen. Daran wird Niemand denken, der das Bruchstück bei Nobbe- Klotz liest.

5) Aus nicht benützten Quellen, auch solchen, die bei Herausgabe der genannten Sammlungen längst vorhanden waren, lüsst sich einiger Zuwachs, wenn auch kein sehr bedeutender, an neuem ^lalcrial gewinnen. Ihre Nichtbenutzung ist weniger befremdend als die unvollständige der wirklich benützten Ouellen. In der Nobbe'schen Sammlung ist glücklich wieder zur or. in Clodium das bei Orelli fehlende wörtliche Citat von 8 Zeilen aus Cic. ep. ad Attic. I, 16, §. 9 nach dem Vorgang von Patricius hinzugekommen, von dem der Redner selbst sagt: Sed quid ago? paene orationem in epistolam inclusi. Acht Zeilen sind doch nicht enie oratio; aber vor diesen 8 Zeilen theilt Cicero den vorausgegangenen Inhalt der oratio perpelua, die er ausdrückhch von der auf sie folgenden altercatio scheidet, mit, und führt dabei eine grössere Stelle indirect an *. Die Aus- lassung dieser Stelle ist schHmm, aber noch schlimmer, dass

(4) Schon Patricius sagt in seinem Coniinentar: Hacc ibi Cicero, ut vcliemenler verear, no totum illiul liuc perliiiore vitleatiir al) eo loco, ne unn plftifd accepta etc. Dass er nicht anch die altercatio als zu den Fraf^nienten {;ehüri<; crlvannt hat, ist in einer Zeit verzeililich. zu der die Stücke des Palimpsests noch nicht l)ekannt waren.

Halm: Ergätnuinj der Ciceronischen Fraymente. H

was Cicero ans der allercalio in dem ganzen §.10 niilthcilf, übergan^ren ist. Denn wir wissen jetzt aus dem Fraijment des Turiner Pnliiupsests, wie genau diese Relation ist, in der auch einiges vorkommt, was im I'alimpsest nicht erhalten ist Eine vom Bübiensischen Siholiaslen unvollständig angeführte Stelle liisst sich sogar aus dem gemannten §. mit ziemlicher Sicher- heil ergänzen. Beier konnte hier seinen Nachlretern nicht als Führer dienen, weil er den ganzen Brief seiner Ausgabe als Einleitung vorangeschickt hat. Auch zur or. pro Valinio ist die Stelle aus Cic. ad fam. I, 9, 19 in den bisherigen Sannii- lungen nicht vollständig angeführt ; aus der noch hieher ge- hörigen St(!lle, die von den Worten an ,,Ouod quom'ain tibi exposui , facilia sinit ea , qnae a me de Vatinio et de Crasso requiris" anzuführen war, erfährt man ausser den Gründen, die Cicero zur Vertheidigung bestimmt haben . auch noch dass er in der Rede seinen früher so bitter verlästerten Feind sogar gelobt hat, wofür er sich beim Lentulus entschuldigt. Eine kleinere Stelle der Art ist ein Fragment aus der Corneliana, das Boetius de defmilione p. 659 ed. Basil. aufbewahrt hat, in wel- cher Schrift eine grössere Reihe von Cilaten aus Cicero vor- kommt. Leider ist dieselbe, wie überhaupt der Text des Boe- tius noch sehr im argen liegt, in den gedruckten Ausgaben bis zur Unleserlicbkeit corrumpiert^; ich benutzte für meine Zwecke eine ausgezeichnete Handschrift saec. X. aus der Münchner Bibliothek. Das fragliche Fragment lautet nun in der Nobbe- Klotz'sc hen Ausgabe: ,,'*'g''<^ "^ legebalis , hinc intelligetis nulla teiiuissima suspicione describi aut significari Cornelium " Orelli hat doch wenigstens die schlechte Basler Ausgabe aufgeschlagen und gibt aus ihr drei Worte mehr: Item pro Cornelio : inaie-

(5) So heisst es z. B. p. (iöO Cicero hoc ii-siis est sie: qui pliirimum liibiiunt edicto . praeter ediitimi, leffeiii animam esse diciint Dass die Stelle der Verrinen llh. I, § JO'J ijeiiu'int ist, zei};l der cod. Monac. , in weltliein es richtig heisst: qui pluriitiuin tribuuiit edicto praeloris, cdic- tuin legem niinuam esse dicunt.

\2^ Sitzuiiff der phitos.-philol. Classe vom 3. Mai 1862-

slalis ipsa sugl ; legite ut legebatis etc. Diese geben freilich keinen Sinn, aber bei Fragmenten wegzuwerfen, was man nicht meint brauchen zu können, heisst nicht sie verbessern. Der iMiinchnor Codex gibt noch ein viertes Wort, aus dein mit ver- besserter Inlerpunclion zu schreiben ist: item pro Cornelio inaiestalis: lieplivate; ipsa sinit : Icgite, ut legebatis etc. Eine UnvoUstiindigkeit in der Ou^Ucnbeniilzung zeigt sich auch darin , dass wenn eine Stelle von mehreren Schriflslellern an- geführt wird, nicht immer alle erwähnt oder benützt sind. Aus der Rede contra contionem 0- Metelli führt 0»i'itii. IX , 3 , 40 an: „Vestrum iam hie factum deprchenditur , patres conscripti, non meum, ac pulcherrimum quidem factum, verum, ut dixi, non meum, sed vestrum." Die Stelle steht auch bei Isidorus de Origg. II, 21, 8 (und daraus in den Anecdota Parisina ed. Eckstein p. 15), durch dessen Lesart reprehendo statt depre- hendilur die einleuchtende Verbesserung von S palding repre- hendilur bestätigt wird. Das Factum, von dem der Redner spricht, war die Verurtheilung der neun Häupter der Catilinaii- schen Verschwörung.

6) Dass man bei so lüderlicher Ausbeutung der Oucllcn auch den Citaten nicht trauen kann, bedarf kaum einer Erwäh- nung. Aus der or. de rege Alexandrino lesen wir das Frag- ment: ,.Di(ricilis ratio belli gerendi, at plena fidei. plena pictatis. [Aquila c. 14. Forlun. Rhetor. hb. II. in Parlitione et in Hypo- phoris. Marcianus Capella p. 428 Capp.]*' Einen Forlunatianus in Partitione et in Hypophoris kann nur ein solcher eitleren, der diesen Rhetor noch nie in Händen gehabt hat. Abgesehen von dieser komischen Citationsweise wird Jedermann denken, dass das fragliche Fragment auch von diesem Rhetor, sei es ein- oder zweimal, angeführt sei. Beide Stellen, von denen sich wenigstens eine im Index bei Capperonier finden liess (sie stehen p. 84 und 80), enthalten keine Spur von dem Fragment, son- dern gehören zu den von den Herausgebern der Fragmente nicht mitgetheillen Testimonia für die Rede; wie das irrige Cilat entstanden ist, zeigt Mai's Vorbemerkung zum Bobiensischen

Halm: Ergänzuny der Ciceronischen Fragmente. 13

Sdioliasten. Eben so gelreu ist auch das daselbst vorkoinmende falsche Cilal aus Slrabo b'b. VII, 1, §. 13 (statt XVII) in die Ausgaben von Nobbe und Klotz übergegangen. Als Ouelle des ersten Fragments der er. contra contionein 0- Metelli wird noch in der Ausgabe von Klotz angegeben : Chirii s. Curii For- tunaliani Artis rheforicae scholicae IIb. III cap. de Figuris con- troversiarum , wiewohl schon in der ersten Ausgabe von Orelli das richtige Cilat Auguslini Principia rhet. p. 327 Capper. zu finden war. Das fehlerhaflc Citat erklärt sich aus dein Um- stände, dass die sogenaimten Principia rhet. des Augustinus wie in den allen Ausgaben so in den meisten Handschriften® als Anhang des in Fragen und Antworten abgefassten rhetorischen Catechismus des Fortunalianus erscheinen. So fand ich sie in 4 idleren Drucken des F'ortunalianus, in einer Ausgabe s. I. et a. (circa 1490). in der Aldina vom J. 1523, in einer Basler von 1526 und in der von Erylhraeus besorgten Strassburger Ausg. von 1568, so dass ivh annehmen muss, dass die Schrift des Auguslin zuerst in der Ausgabe der Anliqui rhetores latini von Pilhoeus (Paris. 1599) richtig von der nach Form und Gehalt völlig ver- schiedenen Rhetorik des Furlunalianus getrennt worden ist. Eben so steht es in den von mir eingesehenen Handschrillen. In dem Ueperlorium der hiesigen Handschrillen war früher keine von den Principia rhet. verzeichnet, bis ich sie zuerst in einem Freisinwer Codex Nr. 206 am Schlüsse eines Fortunalianus fand. Die einzige Scheidung besteht in der in Mille der Zeile siehen- den Uebcuschrifl : DE OFFICIO OKATORIS, welche sich auf den ersten Abschnitt (die Schrift ist in den Handschriften in 11 Capilel abgetheill) bezieht. Eine weitere Untersuchung von zwei andern Handschriften des Forlunalianus, einer deutschen aus St. Emmeram in Regensburg, und einer italienischen, die

(6) Mir ist bis jclzt nur eine bekannt, woiclie den Fortunatianus ohne den Aui^ustinns enthält, neniiich die fiir die römischen Rhctoreii .so wielitige PariserNr. lo\W; s. die Beseliieibung von H- Keil bei Eckstein, Anetdota Parisina rhet. |)ag. V.

14 Sitzung der pliitos.-philol. Clause vom 3. Mai 1862.

von der Hand des Petrus Criiiilus geschrieben ist , ergab das gleiche Resultat. Eben so wenig hat man früher bemerkt, dass auch in der ohne Zweifel ältesten Handschrift des Fortunalianns, der berühmten in Uncialen geschriebenen Darmstiidter Nr. 166, die den Censorinus enthält, am Schlüsse auch der Augustinus steht, an dessen Ende erst die Subscriptio zum Forlunatianus

folgt: ARS RHETORICA. Uß. Ill EXPLICIT INCPIT DE

DIALECTICA lFb. IUI. Wie Herr Dr. Crccclius, dem ich eine Cüllation der rhetorischen Schriften des Codex verdanke, zu August, de dialectica (Elberf. 1857) p. 9 bemerkt, so be- ruht wohl auf dieser oder auf einer ähnlichen abgeleiteten Hand- schrift, in der gleichfiiUs des Augustinus Dialektik als viertes Buch des Fortunatianus erscheint, Columnas Irrthum, der in seiner Fragmentensammlung des Ennius eine Stelle aus Augustin's Dialektik so citiert : Fortunatianus de dial., eine Angabe, die auch in Vahlens Ausgabe übergegangen ist. Da in den mir bisher bekannten Handschriften der titellosen Principia rhetorica nir- gends der Name des Augustinus erscheint, so könnte es wohl der Fall sein , dass er nur dem zufälligen Umstände seine Ent- stehung verdankt, dass Augustins Dialektik in Handschriften als viertes Buch an die fragliche rhetorische Schrift gerathen ist. Da deren völlige Verschiedenheit von dem vorausgehenden For- tunatianus leicht zu erkennen war, so lag es nahe genug die herrenlose Schrift gleichfalls dem Augustinus beizulegen.

7) In einer neuen Bearbeitung der Ciceronischen Fragmente wird man auch eine bisher noch ganz fehlende Sammlung der Fraffmenta aösannra von Reden in einer besonderen Abthei- lung erwarten dürfen, da man als sicher voraussetzen darf, dass die Mehrzahl der bei Rhetoren vorkommenden namenlosen Frag- mente der Art, die sich nicht aus der Diction als selbstgemachte erweisen, dem Cicero angehört. Das lässt sich schon aus dem äusseren Umstände schliessen, dass zahllose bekannte Stellen aus erhaltenen Ciccronischen Reden ohne Angabe der Quelle angeführt werden, während kaum ein paar Beispiele aus den

Halm: Ergänzung der Ciceronischen Fragmente. 15

iiberlieferlcn Fraomcntcn anderer Reden sich nachweisen lassen, die ohne Anoabe des Anlors cilieit wären. So wird z. B. Nie- rnand leugnen, dass folgendes Fragment hei Oni'ifili'Ti IX, 3, 47 „Perturbalio istuin inenlis et quaedani sceleruin ofTusa caligo et ardentes furiaruin laces excilarunl" ganz den Geist und die Sprache des Cicero alhniet. Die zaidreichen Beispiele, welche der Rhelor Julius Severianus gibt, sind mit Ausnahme eines einzigen von Calvus' siimmllich aus Cicero; diesem wird man auch die zwei Iblgenden namenlosen Bruchslücke zuzuweisen haben, p. 330 Capp. : „Satisne igitur cernitis, quibus ille merce- dibus, quibus emolumenlis, quibus praemiis incilaUis ctc.^' und ebeniiaselbst: „Cum igitur de furto quaereretnr et de co furto, quod ille sine controversia fecerat, cum ille de eo, quod quae- rebatur, verbum nulluni l'ecisset*, de veneno stalirn dixit et reliqua.^^

Nach dieser allgemeinen Erörterung lasse ich nun folgen, was ich bisher zur Berichtigung und Ergänzung der früheren

b'

Fraonientensannidungen nn'r bemerkt habe.

I. Zu den Fragmenten der Reden. Or. in Clüdium et Curionem. In dem 4. Fragment des Bobiensischen Scholiaslen p. 331 Or. hat die Handschrift: ,,Sin esset iudicalum non videri virum venisse, quo iste venisset." Die Worte enthalten eine Anspie- lung auf die bekannte Entweihung der sacra Bonae Deae durch Clodius. Was quo iste veuisset heissen soll, ist unverständlich und ohne Zweifel ist zu lesen: ,,non videri virum venisse, quom iste venissel.''

(7) Das Bnulistück ist nach Haiidsclirifteii so zu verbessern: ,,Ho- iniiU'iii noslrae civitatis audaci.ssiiniiin, de ('actione divitein, sordiduin, malcciicuni accf/vo." Die Ausgaben des Rlietors liaben acvusato, wo fiu- schon Ruhnken acciisabo zu lesen vorschlug.

(8) Die Ausgaben unrichtig fecit.

16 Sitzung der pliitos.-j/hilol. Classe vom 3. Mai 1862.

Das nächste Fragment lautet: .,Ut ille iudicio taniquam e naufraffio nudus eniersit." Da ille offenbar falsch ist und auch die Präposition nicht erst im zweiten vergleichenden Gliede ein- treten darf, so hat man zu lesen: „ut illo e iudicio taniquam e naufragio nudus emersit." Vgl. auch Quintil. VI, 3, 81, der aus derselben Rede anführt: „quo ex iudicio velut ex incendio nudus effuoit." Es lässt sich nicht bestimmen, ob das nur ein ungenaues Citat aus dem Gedächlniss ist oder eine andere Stelle der Rede; Cicero konnte wohl von der Sache zweimal in ähn- lichem Bilde sprechen.

In der lückenhaften Stelle des Turiner Palimpsesls c. 4, die

Peyronsogibt:UERUM|TAMENCETERIS |SITlGNOSCERE

. . UERO I I INILLOLOCONULLO MODO | hat man

die Ergänzung versucht: Verum tamen ceteris possit ignoscere, ei vero, qui villam habeat in illo loco, nullo modo. Die Ergän- zung possit reicht zur Ausfüllung der Lücke nicht hin, daher vielleicht facile possit, oder noch lieber, wenn man annehmen dürfte, dass SIT in d(;r dritten Zeile nicht genau gelesen ist: verum tamen ceteris [facile se] ait ignoscere. Auch rillam ist für den Raum ein zu kurzes Wort und wohl ,,ei ucro qui habeat praediü in illo loco^' zu schreiben, worauf auch die voraus- gehenden Worte iühren: Non possunt hi mores ferre . . tarn vehementem magistrum, per quem hominibus maioribus natu ne in suis quidem praediis impune tunc, cum Romae nihil agitur, liceat esse valeludinique servire.

Ganz unglücklich ist der bisherige Ergänzungsversuch am Ende von cap. 4 ausgefallen, wo man liest: „Is me dixit aedi- ficare, ubi nihil habeo, ibi fuissc. Quo Imodo] enim non [mirerj alm]entom adversariuni, qui id obiciat , quod vel honeste con- fileri vel manifesto redargucre possis ?'' Der Palimpsest hat:

HA I BEOIBIFUISSEUU | ENIMNON |

. . PATENTEMADUERSARI | OVIIDOBICIATQUOD | etc. Ich habe versucht : Is me dixit acdificare, ubi nihil habeo, ibi fuisse quio adirc njemini non [licilumst. 0 injpotcntem adversariuni, qui id obiciat etc.

Halm: Ergänzung der Ciceronischen Fragmente. 17

Cap. 5 hat endlich Orelli in der 2. Ausg. die abscliculiche Lesart: 0 singuhire prodigium! At, o monslrum! beseitigt und atque monstruin mit M advig geschrieben. So wird ohne Zweifel im Palimpsest selbst stelni , nemlich ADO- MONSTRUM, nicht ADOMONSTRUM.

In dein nicht vollständig von dem Scholiaslen ausgeschrie- benen Fragment: ,,Onasi ego non confentus sim , quod mihi qiiinqne et XX iudices crediderunl: qui sequestres abs te locu- pletes acceperint" scheinen nach acceperiiit blos die Worte tibi nihil credidornnt zu fehlen. In dem bekamilcn Briefe an Alticus

1, 16, 10 führt Cicero die belrelFende Stelle seiner altercatio mit folgenden Worten an: Mihi vero, inquam, XXV iudices cre- diderunl: XXXI, quoniam nummos ante acceperunt, tibi nihil crediderunt. lieber die sequestres, bei denen die ßestechungs- sunmien niedergelegt wurden, gibt der Scholiast genügende Auskunft.

Ueber die unvollständige Anführung der Hauptstelle von Cic. ad Atlic. I, 16, §. 9 sq. s. oben die Rem. S. 10.

Or. pro Cornelio. Die Testimonia über die Rede sind ziendich zahlreich; in den bisherigen Fragmentensamndungen fehlen die meisten, doch sind drei in der 2. Orellischen Ausgabe hinzugekonnnen. üie von uns bis jetzt gesammelten stehen bei Plin. epist. I, 20, 8, Hieronymi epist. 38 ad Pammachium vol. IV, 313 ed. Bened., Cic. in Vatin. §. 5, Martianus Capeila lib. V, p. 399 und 435 ed. Kopp, Boelius de defin. p. 654 ed. Bas., Forlunatianus lib. II p. 86 Capp., Ouintil. V, 11, 25. 13, 18. VI, 5, 10. VIII,

2, 2 sqq. IV, 3, 13 sq. (vgl. auch IX, 2, 55 u. XI, 3, 164), Julius Victor c. 22 p. 257 Or., Julius Severianus p. 342 Capp., Lactantius Inst. div. VI, 2, §. 15. Dazu kommt noch eine Stelle aus dem unculierten Commenlar des Grillius zu Cic. de Inv. fol. 40'' cod Bamb.: Rursus in Corneliana circnilione (seil, in c.xordio) usus est, quia erat Cornelii persona vehemontissime oflensa.

Wir beginnen mit den Fragmenten des Asconius, wobei

[lb62. U.J 2

13 Sitzung der phäos.-pliiloi. Classe vom 3. Ittai 1862.

die Miltheilnng einiger Verbesserungen zum Asconius selbst in dem Umstände gereclitferligl erscheinen wird, dass eine den Bedürfnissen entsprechende Sammlung der Ciceronischen Frag- mente auch den vollständigen Commentar des Asconius ent- halten niuss.

Im Argumentum Asc. heisst es p. 57 Baif.: Cuius re- lationem repudiavit senatus et decrevit salis factum videri eo senatus consulto, quod ante annos L. Domitio C. Caelio coss. factum erat, cum senatus ante pauculos annos illo senatus con- sulto decrevisset, ne quis Cretensibus pccuniam muluam daret. Dass bei ante annos etwas fehle, hat man längst erkannt. Die Ergänzung wird nicht anderswoher zu erholen, sondern aus den folgenden Worten zu entnehmen sein, die offenbar durch ein starkes Glossem entstellt sind. Wir verniulhen nemlich, dass die ganze Stelle so zu lesen sei: ,.satis factum videri eo senatus consulto. quod ante pauculos annos L. Domitio C. Caeho coss. factum est, cum senatus decrevisset, ne quis etc.'" Unmittelbar darauf haben die Handschriften eine Lücke: ,, Cornelius ea re ofTensus senatni questus est de ea in contione, exhauriri pro- vincias usuris: providendum ut haberent legati unde praesen- tia * * darent. Man nimmt gewöhnlich den Ausfall mehrerer Worte an; vielleicht aber fehlt nur die erste Hallte von darent; •wir vermuthen nemlich: unde praesentia s upped i tarent.

Das erste Fragment ist in der schlimmen Gestalt überliefert: „Postulatur a nie praetore primum de pecuniis repetundis. Pro- spectat videlicet Comenius quid agalur. videlicet homines foeneos in medium ad tentandum periculum proiectus." Dazu die Er- klärung des Asconius : ,,Simulacra effigie honunun\ ex foeno fieri solebant, quibus obiectis ad spectaculum praebendum tauri irritarentur." In den Worten Ciceros, deren Verbesserung noch nicht gelungen ist, scheint der Hauptfehler in dem zweiten videlicet zu stecken: wir haben versucht : Postulatur apud me praelorem prinnim de pecuniis repetundis. Prospeclat videlicet Comenius quid agatur: videl homines foeneos in medium ad tentandum periculum proiectos.

Halm: Ergänzungen der Ciceronischen Fragmente. 19

In den Worten des Asconius „Dictum est etiam supra de his legibus: quaruni una de libertinorum sufTragiis, quae cum senatus consulto dainnata esset, ab ipso quoque Manilio t altera defensa est. altera de bello Mithridalico Cn. Pompeio extra ordinem mandando etc.'" liest Hot man dem Sinne nach richtig „ab . . Manilio abiecta est: altera antem defensa est de bello etc." Der Ueberlieferung jedoch schliesst sich niiher an: ,,ab . . Manilio abiecta est. Defensa est altera de bello etc." '. Darauf heisst es: Dicit Cicero de dislurbato iudicio Maniliano. „Aliis ille in illum furorem magnis hominibus auctoribus impul- sus est etc." Da, wie schon die Stellung lehrt, aliis nicht mit maofnis hom. auctoribus verbunden werden darf, so ist zu ver- bessern: „Ab aliis ille . . magnis hominibus auctoribus im- pulsus est."

In dem Fragment p. 67 „Legem Liciniam et Muciain de civibus redigundis (regundis cochl.) video constare inter omnes, quam duo consules, omnium quos vidimus sapienlissimi, tulissent, non modo inutilem, sed perniciosam rci publicac fuisse" hat Baiter die handschriftliche Ordnung der Worte wieder herge- stellt, da man den Relativsatz ,,(iuam . . tulissenl" nach „Lici- niam et Muciam" umgestellt hatte. Er selbst vermutlict qmün statt quam ; noch leichter ist es qiiamqumn zu schreiben.

In dem Fragment p 68 „Alterum (genus est), quae lex lala esse dicatur, ea non videri populum teneri etc." hat E. A. J. Ahrens (die römischen Volkstribunen Ti. Gracchus etc. S. 110) richtig contra atispicia vor lata esse aus der Anmer- kung des Asconius hergestellt.

In dem nächsten Fragment: „Terlium est [de legum abro- gationibus] , quo de genere persaepe senatus consulta fuerunt, ut nuper de ipsa lege Calpurnia, cui derogarelur" hat Madvig die eingeklammerten Worte richtig als Glossem erkannt. Statt j,sen. consulta fuerunt" schreibt man fiunt; es ist vielmehr /l/r/a sunt zu lesen.

(8) So jetzt auch Rinkes in der Mneniosyne XI, 187.

2"

20 Sitzung der philos.- philol. Classe vom 3. Mai i862.

Ascon. p. 70 „in hac quidem oratione, quia causa popu- laris erat . . . paenituisse ait Scipionem , quod passus esset id fieri, in ea oratione de auruspicum responso, quia in seiiatu lia- bebatur, . . et magno opere iilum laudat et etc.'' In den W. in ea oratione steckt ein kleiner Fehler, da entweder ea oder oratione als überflüssig erscheint; es ist ohne Zweifel zu ver- bessern: ,,in ea autem de arusp. responso'% wie es gerade so p. 69 heisst: Et videtiir in hac oratione hunc quidem auctorem seculus Cicero dixisse . . ., in ea autem, quam post aliquot annos habuit de aruspicum responso etc.

In den schwer verderbten Worten des Asc. p. 71 sq., wo die handschriftliche Ueberlieferung lautet : „Et aliquamdiu Trebellius ea re non perterritus aderat perslabatque in inter- cessione, quod minitari (damnari codd) magi.s quam persevera- turum esse Gabinium arbitrabatur, sed postquam VII et X tribus roo-ationem acceperunt et una mens esset ut modo superat po- puli iussum, conficeret remisit intercessionem Trebellius" ist viel- leicht zu schreiben: „sed postquam VII et X tribus rogationem acceperunt, ut una tantum deesset, ut numero superanle populi iussiim confieret, remisit intercessionem Trebellius."

In den VV^orten des Asc. p. 72 „eaque res saepe erat agi- tata saepe omissa, partim propter Sullanarum partium * *, par- tim quod iniquum videbalur etc. hat man bisher meUim nach partium ergänzt; leichter erklärt sich der Ausfiill, wenn man ,propter Sullanarum partium uim" schreibt.

In dem Ciceronischen Fragm. p. 73 heisst es vomSisenna: homo illorum et vita et prudenlia longo dissimilis, sed tamen nimis in gratificando iure liber, L. Sisenna." Es muss wohl heissen: „nimis in gratificando iure liberalis."

Das nächste Fragment des Cicero gibt Bailer in folgender lückenhaften Gestalt: ,,Ouare cum hunc populus Romanus viderel et cum a tribunis pl. doceretur * * * nisi poena accessisset in divisores, extinct * * * ullo modo posse, legem hanc Cornelii flagilabat", weiche Stelle vielleicht so zu verbessern ist: „Quare cum hunc populus R. videret et cum a tribunis pl. doceretur

Halm: Ergänzung der Ciceronischen Fragmente. 21

idem (als Acciisativ), nisi pocna accessisset in divisorcs, ex- stingui ambiturn nullo modo posse, legem haue Cornelii flagitabat."

In den lückenliafton Worten des zweitnächsten Fragments p. 74, 16 ergänzt Mommsen (Römische Tribus S. 85) passend^ „quasi ignores vulgare nomen esse Philcrotis."

S, 75 führt Asconius ein Fragment mit den Worten ein: Fiebern ex Maniliana ofTensione victam et domitam dicit: ,,Ante vestros annos propter illius tribuni pl. temeritatem posse adduci, ut omnino * * ne illius potestate abalieiiemur etc.", welche Worte Madvijr mit vieler Wahrscheinlichkeit so verbessert und ergänzt hat: ,, vestros animos . . posse adduci, ut omnino a restitutione illius potestatis abalienentur", wobei er bemerkt: in illo müe quid lateat nescio." Es gehört wahrscheinlich zu den Worten des Asconius: plebem . . domitam dicit ante, „sagt er vorher"', d. h. an einer früheren Stelle.

In dem Fragm p. 78 las man bisher: ,,Oui non modo cum Sulla, verum eliam illo mortuo semper hoc per se sunnnis opi- bus retinendum putavorunt, inimicissimi C. Cottae fuerunt etc." Cum vor Sulla, was in ihn Handsohr. fehlt, ist eine verun- glückte Ergänzung; es ist vielmehr zu schreiben: ,,qui non modo Sulla uiuo, verum etiam illo mortuo etc."'^

Von den Fragmenten, die von andern Schriftstellern über- liefert sind, haben wir bereits in der Einleitung mehrere be- sprochen; s. S. 4. 5. 11.

In dem Fragm. aus Arusianus s. v. certnmen p. 218, wo man gewöhnlich liest : ,,Onid enim? mihi cerlamen est cum accu- satore aut contenlio?' hat man die wahrscheinliche Verbesserung von Patricius ,,Ouod enim mihi certamen est cum accus, aut contentio?" übersehen.

Von neuen Fragtnenten d('r Cornelianae tragen wir fol- gende nach :

(9) So jetzt auch Rinkes a. a. 0. p. 190.

22 Sitzung der philos.-phitol. Classe vom 3. Mai 1869.

Ecce insimiatione vstis est (Cicero) per circuitionem in Conieliana: Si uiiiquam ulla fuit causa, iudices, in quo initio dicendi finxil sc a diis petere quod a imUcibus poslidabat. Et quo modo iUud Vcrgilianxnii ,,neque mc Argolica de gente ne- gabo" , sie et hie: Nam prirnum '" oninium tempore infestissimo causam dicimus. Grillius ad Cic. de invent. fol. 40" cod. Bamberg.

Aut a lege aut ab cüiquo ßrmissimo argumenta inchoare debet orator; sie in Corneliana: Uiide igitur ordiar? an ab ipsa lege? Grillius fol. 41'*.

Seipio tantus vir, qui prodnctus a tribuno pl. cos dixit iure caesos videri. Favore nobilitatis hoc fccit , quia et ipsc ex optimatibus erat, non sicut in Cornelianis Tulliiis : hie mos iam apud illos anliquos et barbatos fuit ut persequerentur '' populäres homines. Grillius fol. 16.

,,ExpcUit hoc loco.^" Cic. pro Cornelio I : Satius homiiiem miserum atque innocentem eripi P. R. '^, expelli patria, divelli a suis. Arusianus Messius p. 227 Lindem.

„Offendi apud vos."^ Cic. pro Cornelio: Qn\A me apud equiles Romanos ofTendissedicebanl? Arusianus Messius p. 251.

„Minister an ministrator.^' Ulinister cotidiani negotii vi- detur esse, ministrator autem vel " administrator in re publica vel saepius quid faciens. Itaque Cicero oratione secunda pro Cornelio: quare hominem inpugnare non desinunt nisi remotis minislratoribus. Valerius Probus de nomine in Analectis gramm. Endlichcri p. 221.

Zu den Fragmenten scheint auch die Stelle bei Ouinlil. IV, 4, 8 (vgl. Julius Victor p. 238 Or.) zu gehören: Est et nuda propositio, qualis fere in coniecturalibus: „caedis ago, furtum

(10) primo cod.

(11) persequantur cod.

(12) vielleiciit riclitiger eripi rci publ.

(13) ut cod.

Halm: Ergünrting der Ciceronischen Fragmente. 23

obicio", est ratione suhiecta, ut : Maiestatem ininuit Cornelius; nain codicem tribunus pl. ipse pro contione legit.

Die beiden Frag-mcnle aus Arusianus fehlen deshalb in den neueren Sammlungen, weil kein Herausgeber die vollsUindigere Ausgabe von Lindemann, wiewohl diese schon im J. 1831 erschienen ist, beniifzt hat.

Or. pro 0. Gallio.

Zu den Testimonia der Rede gehört noch die Stelle des Asconius ad or. in toga cand. p, 88: 0- Gallium, quem postea reum ambitus defendit, significare videlur.

Das Fragm, 3 ,.qui spurce dictum commemorarent inhbera civitate" ist ohne die Erklärung des Eugraphius ad Terent. Eun. H, 2, 4, dass Iwmines saemssimi auch spitrci genannt wurden , unverständlich , was anzuführen um so unerlässlicher war, als von einer solchen Bedeutung, die durch den Gegensatz in libera civitate wohl begründet scheint, in unseren Lexika nichts zu finden ist. Uebrigens bietet für das Verd(!rbniss der Handschriften ut Tullius in gallia a qua spurce etc. auch der kritische Apparat des Herrn Directors Schopen keine Aushilfe.

Im Fraffm. 8 aus dem Rhelor Julius Scverianus haben die Texte die falsche Lesart: „Similiter pro Gallio, ubi accusator in se poenas obiecit.'' Die Lesart poenas steht nur in der aus einer schlechten llandschr. geflossenen Ausgabe von Fruterius (Antverpen 1584), die leider den Ausgaben von Pithoeus und Capperonier zur Grundlage gedient hat; die auf besseren Handschr. beruhenden von CaeUus Scciwdus Curia (Basel 1556) und Sixfus a Popma (Cöln 1569), so wie zwei von mir benutzte Handschriften haben richtig pecnnias. Schwierig ist die Ver- besserung der Lesart in se, die nur in den geringeren Ouellen steht; meine bessere Handschr. hat dafür tres, woraus vielleicht reo zu verbessern ist.

lieber das Fragm. 2 s. oben S. 6.

Or. contra contionem 0- Metelli. Das erste Fragment aus August princ. rhet. lautet in den

24 Sitittng der pialos. -philol. Classe vom 3. Mai 1862.

Ausgaben : .,Sic enim , ul opinor, iiisequar fugientem , qiioniam concrredi non licet cum resistente." Die den Herausgebern iin- bekannt gebliebene Vernuithung Madvig's (Opusc. acad. II, 93 not.) sie agom für sie cnim wäre ansprechend, wenn die Hand- schriften nicht zeigten, dass cnim nicht anzutasten ist. Diese haben nenilich vor sie enim noch die dunklen Worte: ,,Ubi uis uel in ipsa consistere'', für die mir eine genügende Verbesserung nicht beigelallen ist; doch dachte ich an die Lesung: „Ubi vis tu in ipsa causa consistere?"' Uebrigens ist es merkwürdig, dass obwohl dieser Zusatz auch in allen oben S. 13 erwähnten älte- sten Auso-aben des Forlunatianus steht, er doch schon in den ersten Sammlungen der Ciceronischen Fragmente von Sigonius und Patricius weffffefallen ist, wiewohl in diesen die Stelle als aus Fortunatianus citiert wird.

Ueber die Verbesserung der Fragmente 5 und 8 sieh oben S. 4 und 12.

Interroo-atio de aere alieno Milonis.

Im Fracrm. 7 ,,Sic enim homines egentes et turbarum cupidi loquebantur: o virum usuum" vermulhet Orelli „o virum sum- mum", ganz unpassend, wie sich aus der Anmerkung des Sclio- liasten ergibt: „Rumigerantiumsermonesrettulit, qui cum sumnuun vigorem constanliae Clodio adscripsissent, quod audacius Pom- peio repugnaret, post eundem humili salislactione depositum contcmtui ducerent." Daraus lässt sich vermuthen , dass der Ausruf wohl eher o virum servmn gelautet habe.

In dem Fragm. III, 2 „Duo praeteristi : nihil de religionibus violatis, nihil de inceslus slupris queslus es" ist wohl zu lesen: „nihil de incestis stupris'', wie es in der or. p. Mil. §. 13 heisst: „de illo inccsto stupro."

Die Zahl der Fragmente hat Orelli noch durch das kurze „vir cautissimus" aus den Schlusswortcn des Scholiaslen ver- mehrt; man hätte aber doch auch erfahren sollen, wer dieser vir cautissimus gewesen ist. Die betreffende Stelle des Scholi- asten, vor der vieles ausgefallen ist, lautet nach unserer Schreibung

Hahn: Ergänzung der Ciceronischen Fragmente. 25

also: ,,Sed hie oratorie vaklo, nc quis exisHiniiret quasi bonum viriitn iiidicassct Pompeins eiiin , cum quo '* exercere desierit simullales, invigiiavit Tullius, ut eum virum caulissiinnm diceret, qui e<c."

Or. pro Oppio.

Orelii hat in der 2. Ausg. ein Fragment mehr als Nobbe- KIolz, Nr. 13, die Stelle aus 0»i»til. V, 13, 20, die zu den teslimonia gehört, führt sie aber durch nachlässige Abkürzung falsch in folgender Gestalt an : („Intuendum an actio sit cru- delis"): ut in Oppium ex epistola Cottae reum factum. Es heisst bei Ouintilian: „Eaquc non modo in propositionibus, sed in toto ffcnere actionis intuenda : an sit crudelis, ut Labieni in Rabirium lege perduellionis, inhumana , ut Tuberonis Ligarium exulem accusantis , . „superba, ut in Oppium ex epistola Cottae reum factum." Dass zwischen einer actio crudelis und a. superba ein grosser Unterschied obwalte . wird man auch ohm; nähere Kenntniss der Rhetorik leicht zugeben.

In Fragm 12 hat sich in den neueren Ausgaben die Lesart ,,quorum auxilio freti esse delicremns" eingenistet statt tuti, wie sowohl die Handschriften als auch die Ausgaben des Se- verianns in den Rhetores von Pithoeus und Capperonier haben. Der Fehler stammt auch nicht aus Patricius, der die Stelle als zu den teslimoniis gehörend im Comnientar beibringt.

Ganz fehlt das Fragm. senati (st. senatus), das Charisius I, 21, 193 p. 143 Keil anführt, und zwar pro Oppio II Es war um so weniger zu übergehn, als dieses Zeugniss das einzige von einer oratio secunda pro Oppio ist.

Or. de Othone.

Nachdem das Fragment aus Arusianus p. 223 Lindem., das nur auf falscher Lesart beruhte, wie zuerst Van der Hoeven

(14) quasi bono uiro iudicasse pompcium cum quo cod*

26 Sitzung der phUos.-philol. Classe vom 3. Mai 1862.

im Spec. litter. de Ariisiano Messio gezeigt hat, ausgeschieden ward, wird die Rede jetzt nur mehr unter Klanmiern aufgeführt. Aber mit Wahrscheinlichkeit bezielit sich auf dieselbe die Stelle des Macrobius Saturn. III, 14, sq.: Nam illam orationem quis est qui non legerit, in qua populuin Romanum (Cicero) obiurgat j.quod Rnscio gestum agente tumulluaiit.'' Jedenfalls war die Stelle unter den Fragmenla incerta nicht zu iibergehn. Die zwei teslimonia für die Rede aus Cic. ad Attic. II, 1, 3 ,,tertia oratio (consularis) de Olhone" (vgl auch Plut. v. Cic 13) und aus Plin. N. Hist. VII, 31, §. IIG ,.te suadente Roscio, thea- tralis auctori legis, ignoverunt'' konnten schon aus dem Com- menlar des fleissigen Patricius beigebracht werden.

Or. pro Scauro.

In der lückenhaften Stelle des Argum. Asconii p. 20 Bait., die .so überliefert ist: „Post diem autem quartam (quarlum?), quam postulalus erat Scaurus, Faustus Sulla tum quaestor, filius Sullae Felicis, fr.iter ex eadem matre Scauri, servus eius vulneratus prosiluit ex lecticis et questus est pro interempto esse compeli- toribus Scauri et ambulare cum trecentis armatis. seque, si ne- cesse esset, vim vi repulsurum" haben wir folgende Ergänzung versucht: frater . . Scauri, cum servus eius esset vulneratus, prosiluit ex lectica sua et questus est pro interempto esse re- hctum a competitoribus Scauri, et ambulare eos cum trecentis etc.

In dem Fragm. p. 21 Bait. „Ab eodom (Servilio Caepione) etiam lege Varia custos ille rei publicae proditionis est in crimen vocatus: vexatus a 0- Vario tribuno pl. est non multo ante", hat man erkannt dass der Schluss nicht ohne Fehler überliefert sei. Patricius suchte dadurch zu helfen, dass er die Worte „non multo ante" zur Erklärung des Asconius ziehn wollte. Es er- scheint aber alles in bester Ordnung, wenn man mit leichter Aenderung schreibt: „Ab eodem etiam lege Varia custos ille rei p. proditionis est in crimen vocatus: vexatus a. 0- Vario trib. pl. erat non multo ante."

In dem Fragment p. 26, das Asconius mit den Worten ein-

Halm : Eryämiing der Ciceronischen Fraymente. 27

führt: .,Dixit dein de Scauro, quem defendil", liest man: ,,Nam cum ex mullis unus ei reslarel Dolabella paternus inimicus, qui cum 0- Caepione propinquo suo contra Scaurum patrem suum obsignaverat literas, cas sibi ininiicilias non susceptas , sed re- liclas etc.'' Oflenbar ist swiin nach patrem zu streichen, wo- durch der Satz geradezu sinnlos wird.

Einem Versehen ist es wohl zuzuschreiben, wenn in dem Fragm. bei Ascon. p. 27 ,,Undique mihi suppcditat quod pro M. Scauro dicam , quocumque non modo mens , verum eliam oculi inciderinf^^' nicht längst inciderimt berichtigt worden ist.

In dem Fragm. des ambrosianischen Palimpsosts lieisst es nach dem lückenhalton Anfang * * litu Aetnam ardere dicunt, sie Verremoperuissem Sicilia teste tota im Palimpsest: TUüCOP * | RENDINASTIUM | TESTEPRODUCTO , wofür man gewohnhch liest: ,.Tu vero comperendinasti reuin teste producto.'' Der Ueberlieferung scliliesst sich näher die Vermuthungr an: ,,Tu uero comperendinasti uno teste producto." Wegen des Gegen- satzes ,. Sicilia teste tota'' erscheint wwo absolut notliweiidig.

Niichzulragen ist die Stelle beim Sclioliasten des Lucanus I, 427 p. 69 Weber: ,Alvenn a qvodain Troiano vominanhir. De his Cicero in Scaurinna : , Jnventi sunt qui etiam IVatres populi Romani vocarentur." Das kurze Bruchstück aus Eugra- phius ad Tercnt. Heautont. IV, 3, 18, das noch bei Orelli fehlt, hat Klotz zu §. 45 nachgetragen.

Or. in loga Candida.

Das erste Fragm. lautet: Dico, patres conscripti, snperiore nocte cuiusdam hominis nobilis et valde in hoc largilionis quaeslu noli et cogniti domum Catilinam et Antonium cum sequestribus suis convenisse. An der Lesart noti et cojrniti hat schon Patri- cius Anstoss genommen, ohne eine; Verbesserung zu versuchen ; wir vermulhen: in hoc largitionis quaestu docti et cogniti.

Im Conmienlar des Asconius zum 2. Fragm. p. (S4 heisst es: ,, Catilinam , cum in Sullanis partibus fuisset, crudeliter fe- cisse, nominatim et postea Cicero dicit, quos occiderit etc.", wo

28 Sitzutiff der pliitos.-philol. Classe vom 3. Mai 1862.

vielleicht zu lesen ist: „Catilinam . . crudeliter fecisse notiiin satis est; postea Cicero dicit quos occiderit etc." Kurz darauf ist zu schreiben: ,,Marci autem Mari Gratidiani caput abscisutn per urbem sua manu CatiÜna tulerat'% statt ,, caput abscissum/' Weiter unten heisst es: „cum Lucullus id, quod Graeci postu- labant, decrevisset, appellavit tribunos Antonius iuravitque se ideo iurare, quod aequo iure uti non posset/' Die Verbesserung der Worte „iuravitque se . . iurare" ist schwierig; mir fiel bei: „iuravitque se ideo uocare (sc. tribunos)."

Das 3. Fragm. ist in der schlimmen Gestalt überliefert: „Ne se iam tum respexit, cum gravissimis vestris decrelis absens notatus est", worüber Asconius bemerkt: Catilina ex praelura Africam provinciam obtinuit. Quam cum graviter vexasset, le- gati Afri in senatu iam tum (wohl etiam tum?) absente illo questi sunt multaeque graves sententiae in senatu de eo dictae sunt." In dem Ciceronischen Fraffm. ist wohl zu lesen: Ne senatum quidem respexit etc. Ueber die Auslassung von quidem vgl. das gleiche Verderbniss bei Ascon. p. 88, 2.

In dem Fragm. p. 85 ist noch mehreres zu berichtigen. Es lautet bei Baiter: .,Te tamen, 0 Muci, tam male de populo Ro- mano existimare molesto fero, qui hesterno die me esse dignum consulatu negabas. Quid? populus Romanus minus diligenter sibi constitueret del'ensorem quam tu tibi? Cum tccum He codd.) furti L. Calenus ageret . me potissimum Ibrtunarum tuarum pa- tronum esse voluisli. Cuius tu consilium in tua lurpissima causa delegisfi, hunc honostissimarnm reruuj defcnsorem populus Ro- manus auctore te repudiaro polest ? nisi forte hoc dicturus es, quo tempore a L. Caleno furti delatus sis. eo tempore in me tibi parum auxilii esse vidisse." Wie wir glauben, so ist die Stelle so zu lesen: „Quid? populus Ro. minus diligentem sibi constituet defensorem quam tu tibi? . . . Cuius tu auxi- lium in tua turpissima causa dolegisti, hunc honestissimarum rerum defensorem populus Ro. auctore te repudiare potest (oder volet?)? nisi forte hoc dicturus es, quo tempore a L. Caleno furti delatus sis, eo tempore in me tibi parum auxilii esse visum."

Halm: Eryunzuni/ der Cüeronischen Fraymente. 29

Lückenhaft ist das Fragin. p. 91 : ,,Ouid lu potcs in de- fensione dicerc, quod Uli non dixcrunt quae tibi dicerc non lice- jjil/' Wir liaben die Ergänzung versucht: ,,0"id tu poles in defensione dicerc quod illi non [dixcriiit? At ilh] dixerunl quao tibi dicere non bcebit/' Cicero erwähnt, wie sich aus Asconius ergibt, die Verurlheilung mehrerer Vollstreclier der suilanischen Bhilthatcn; was etwa Calilina zu seiner Vertheidigung beibringen ivünne, konnten auch diese Verurlheilten sagen, aber auch viel anderes, was Calilina für sich nicht könne geltend maclien. Vgl. besonders die Worte des Asconius: „His ergo negat ignotuni esse, cum et (etiam codd.) imperitos se homines esse et, si quem etiam interfecissent, imperatori ac diclalori paruisse di- cerent ac negare quoque possent: Catilinam vero infitiari non posse."

Pag. 93. ,,Ouid ego, ut involaveris in provinciam, praedicem cuncto populo clamante ac resistente? Nam ut le illic gesseris non audeo dicere, quoniam absolulus es." Richtiger scheint: cuncto populo re clamante et resistente."

In dem Fragm. p. 94, das Asconius mit Agw Worten „dicit de maus civibus'' einführt , haben die Handschriften : ,,Oui , po- steaquam illo conati erant Hispaniensi piigiunculo nervös incidere civium Homanorum, non potuerunt, duas uno tempore conantur in rem publicam sicas destringere.'' Um eine Construction her- zustellen, hat man „illo, ut conati eranf' geschrieben; einfacher scheint es so zu lesen: „Oui posteaquam, quod illo conati erant Hisp. pugiunculo, nervös incidere civium R. non potuerunt, duas u. t. conantur etc."

Zu den Fragmenten der or. pro Tullio kommt noch ein

kleines aus Grillius fol. 42 hinzu, wo es heisst: quod facere

lebes, ut docilem facias audilorem, quod fecit in Tulliana: „De

hac re" inquit „iudicabitis."

Or. pro Vareno.

Von den 14 Nummern, die Orelli und Klotz haben, gehören die drei letzten zu den teslimonia, zu denen noch die Stellen

30 Sitzmig der philos- pht'tol. Ctasse vom 3. Mai 1S62.

hei Onintilian IV, 2, 24 fT. VII, 1, 12 und 2, 22 zu rechnen sind. Die Stellen desselhen Rhctors VII, 2, 10 (falsch bei Klotz §. 17) und VII, 2, 36 sind wohl unter Nr. IScitiert, aber nicht auso-eschrioben, wiewohl sie von der ausgezogenen Stelle VI, 1, 59 dem Inhalt nach verschieden sind.

Frao-mcnt 8 aus Priscianus ist falsch interpunijiert: „h. ille Sepliniius diceret eteniin est ad L. Crassi eloquentiam gravis et vehemens et volubilis : Erucius hie noster Antoniaster est." Per Sinn verlangt, wie schon Nipperdey (Ouaestiones Caesar, p. 173) bemerkt hat, die Intcrpunction : „L. ille Septimius diceret etenim est ad L. Crassi eloquentiam gravis et vehemens et volubilis, Erucius hie noster Antoniaster est . . ."■ Das rich- tige Versländniss der Stelle findet sich bereits bei P. Victorius Var. leclt. XIV, 23. Zu Fragm. 6 führt Orelli wenigstens in den Noten Gesner's evidente Verbesserung an; bei Nobbe- Klotz steht folgender Unsinn im Text: „Lege de sicariis com- nn'sit L. Varenus. Nam C. Varenum occidendo et Cnaeum vul- nerando et Salarium item occidendo cadit.''

Noch bemerken wir, dass in den Worten des Rhetor Julius Severianus, der die zwei ersten Fragmente erhalten hat, die bisherio-e Lesart: cum aut adversariorum calumnias . . memora- mus, ut pro Vareno: „Amici deficiunt, cognali deserunt." Et rei aut accusatorum calumnias prodinuis, ut in eodem loco: „in inimicissima civitate urgent'- etc. aus Handschriften so zu verbessern ist: cum aut adversariorum calumnias memoranius, ut pro Vareno, „amioi deficiunt, cognati deserunt et reliqua", aut accusatorum calumnias prodinuis etc.

Pro P. Vatinio.

Ueber diese Rede war noch anzuführen Ascon. argum. in or. pro M. Scauro p 18, Cic. epist. ad Qu. frat. II, 16, 3, Val. Max. IV, 2, 4. Ueber die Hauptstelle aus Cic. cp. ad Fam. I, 9, 19 s. oben S. 11. Uebersehen wurde ein Fragment aus Onintilian XI, 1, 73, wo es heisst: Decet rem ipsam probare in qualicumque persona. Dixit Cicero pro Gabinio et P. Vatinio,

Hahn: Ergänzung der Ciceroniichen Fragmente. 31

iiiimicissimis antea sibi honiinibus et in quos oral'ones nliam scripserat, verum et iiisla sie faciendo: „non sc de ingenii l'ama, sed de fide esse sollicitum."

Zu den Frasjincnlen der Briefe.

Aus den Briefen ad Axium hat man ein Fiagmoiit bei Nonius deshalb übersehen, weil im Citat früher unrichtig ad Allicum gelesen wurde. Die Stelle steht s. v. hnmamter p. 509 Merc. : Ad Axium lib. II: ,,Invilus literas tuas scinderem; ila sunt humaniter scriptae.'

Zu den Briefen ad C. Caesarem gehört noch Fragm. 8 aus lib. I ad Caesarem iuniorem , indem die Stelle bei Nonius so lautet: M. Tullius epistolarum (epistola codd.) ad Caesarem lib. I: ,,ltaque vereor ne ferociorem faciant tu tam praeclara iudicia telo'^% wofür wahrscheinlich zu schreiben ist: Itaque vereor ne ferociorem faciant tua tam praeclara iudicia de illo.

In den Fragmenten ad Caesarem iuniorem, in denen meh- rere Umstellungen durch Zurückführung der in den Handschrif- ten überlieferten Bücherzahlcn vorzunehmen sind , liest man Fragm. 13 aus lib. I : „Quod mihi et Philippo vacationem das, bis gaudeo." Da die Handschr. des Nonius quo mihi haben, so ist zu lesen: ,,quom mihi et Ph. vacationem das, bis gaudeo/'

In sehr entstelller Form erscheint in den Ausgaben das Fragm. 4 aus lib. II: ,,cum constet Caesarem Lupercis id vec- tigal dedisse, qui ante poterat id constare." Die Handschriften haben conslat und avtem st. ante, wornach zu verbessern sein wird: ,,cum constaret Caesarem Lupercis id vectigal dedisse. Qui autem polerat id constarc?"'

Zu dem einzigen Bruchstück aus den Briefen an die Cae- reUia ist die interessante Notiz bei Ausonius (Idyll, XIII. p. 1252 im Corp. poet. lat. ed. Weber), die Palricius im Commentar beibringt, nachzutragen: ,,Meminerint eruditi ... in epistolis ad Caerelliam subesse petulanliam."

Zur richtigen Benrlheilung des Fragments aus den Briefen an Hirlius, das die Ausgaben unter Nr. 2 ex libro incerto bei-

32 Sitzung der fhilos.-philol. Ctasse vom 3. Mai 1862.

bringen , ist es nolhwendig die ganze Stelle des Nonius in Be- tracht zu zielin. Sie lautet in der Ausgabe von Gerlach und Roth p. 296 (437 Merc): Velusliscere et vetuslascere quid inlersit Nigidius coinnientator graniinalicus lib. X deplanat: ,,di- cenius quae vetustale deteriora fiuiit velusliscere, i n veter as- cere quae mebora." M. ad Hirliuni lib VII: ,,cuni enini no- bililas nihil aliud sit quam cognita virtus , quis in eo , quem veterascenfem videat ad gloriam, generis anliquilalem desideret?" In den neueren Ausgaben der Cic. Fragm. (nicht so bei Patri- cius) ist die Stelle durch falsche Inlerpunctlon (quem veteras- cenlem videat, ad gloriam generis antiquitalem desideret?) bis zur Sinnlosigkeit entstellt, indem offenbar die gloriae vetustas mit der generis antiquitas in Parallele gestellt erscheint ; es wird aber noch, worauf des Nigidius Worte ,,invelerascere quae me- liora (fluni)'' hinweisen, zu verbessern sein: ,,quem inveteras- centem videat ad gloriam", alt wercjen, d. i. zunehmen im Ruhme.

Zu den Fragmenten aus philosophischen Schriften.

1) Consolatio.

Im Fragm. 3 ,.Sed nescio qui nos teneat error aut misera- bihs ignoratio veri" aus Lactantii div. instit. hat ein vorzüglicher Codex aus St. Emmeram (Cod. lat. Mon. 14619), der nur das dritte Buch enthält, richtig oc statt avt, wie- auch in den Aus- gaben des Lactantius bei einer nochmaligen Anführung gedruckt ist. Es heisst nemlich III, 18. welche Stelle unter Fragm. 1 imvollsljindig angeführt wird: „Quid Ciceroni faciemus? Qui cum in principio consolationis suae dixisset luendorum scelerum causa nasci homines, iteravit id ipsum postea, quasi obiurgans eum, qui vitam non esse poenam putet. Rede ergo praefatus'^ est errore ac miserabili veritatis ignoratione se teneri.

Fragm. 2 aus Lactant. III, 19, wo die Ausgaben haben:

(15) so richtig der cod. Eininer. ; die Ausgaben profatus.

Halm: Eryäntung der Ciceronisthen Fraymente. 33

„Non nasci longo Optimum . . , proximum autem , si nafiis sis, (liiain priinum inori et lamquam ex incendio efTugere violentiam lorlunae" hat dieselbe Haiidsohrift die stark abweichende, aber beachtcnswerthe Lesart : ,,qiiam primum tamquam ex incendio fiigere (aus aufuoere?) fortunae." Die gleiche Lesart erwähnt auch Palricius im Connnentar.

Im Fragm. 5 aus Lact. I, 15, das gleichfalls mit ungenü- gender Vollsliindigkeit angeführt wird, waren wenigstens noch die Worte mitzulheilen : ,,TuIlius . . in eo libro, quo se ipse de inorle filiae consolalus est, non dubilavit diccre deos, qui publice colerenlur, homincs liiisse."'

Als letztes Fragment steht in den Ausgaben folgende Stelle des Hieronynuis : Pulvillus Capitolium dedicans, mortuum ut nuntiabatur subito filium, se iussit absente sepeliri. L. Paullus Septem diebus inter duorum exsequias fdiorum triumphans urbem ingressus est. Praetermillo Maximos, Catones, Gallos, Pisones, Brulos, Scacvolas, Metellos, Scauros, Marcios, Crassos, Marcellos atque Aufidios, quorum non minor in luclu quam in bcllis virtus fuit et quorun» orbitales in consolatlonis libro Tuilius explicavit.'' Die Stelle lehrt, dass das ganze Capitel bei Valerius Maximus V, 10 ,,De parentibus, ([ui obitum liberorum forti animo tulerunt" aus der Consolatio entnommen ist; denn auch Valerius beginnt in den domestica exempla mit Horatius Pulvillus; als letztes gibt er die Geschichte von 0- Marcius Rex. Vgl. auch Cic. Tuscul. III, %. 70. Dass auch die drei exempla externa vom Perikles, Xenophon und Anaxagoras in der Consolatio vorkamen, lässt sich aus dem Umstände schliessen , dass die zwei letzten auch in Plutarch's Consol. ad Apollonium stehn, der ganz aufCrantor, der Om'llL' Ciceros, fusst, und dass der Ausspruch des Anaxa- goras auch in den Tusculani'u III, §. 58 wiederholt erscheint. Man wird also künftighin dieses Capitel des Valerius Maximus in Cursivschril't den Bruchslücken der Consolatio einzuverleiben haben.

Dass auch die Erziihlung vom Silenus aus der Schrift des Crantor in der Consolatio vorkam (s. Plut, cons. c. 27 und Cic liöb-i. n.j 3

34 Sitzung der philos.-jihiloL Classe vom S. Mai 1862.

Tuscul. I, §.114), deutet schon Orelli zu Fragm. 2 an, das von folgender Stelle an auszuziehen war (Lact. c. 19): Damnant igitur vitain oinnem plenamque nihil aliud quam nialis opinantur. Hinc nala est inepta illa sententia, hanc esse mortem quam nos vilam pulemus, dlam vitam quam nos pro morte timeamus: ita primum bonum esse non nasci, secundum citius niori : quae , ut maioris sit aucloritalis, Sileno altrihuilur. Cicoro in Consola- tione etc. Eben so wird man annehmen dürfen, dass die in den Tusculanen unmiltclbar folgende Erziddung vom Elysias, wobei es ausdrücklich luMSst: ,.simile quid dam est in consolatione Crantoris" (vgl. Plut. cuns. c 14) nur eine Wiederholung aus Ciceros eigener Trostschrift ist.

Mit Wahrscheiidichkeit vindiciert Fr. Schneider der Con- solatio die Stelle bei Seneca de tranquill, animi c. 11: Gladia- tores, ut ait Cicero, invisos habemus. si omni modo vitam im- petrare cupiunt, favennis, si contemplum eins prae se ferunt" '^, da Cicero sich in gleicher Weise über dieselbe Sache auch Tuscul. II, c. 17 äussert. Wir stelhni daliin auch das in dm bisherigen Sannidungen noch gänzliih fehlentle Fragment bei Phicidus Lactaiitius ad Statu Theb.. 1 , 30G, das in der Ausgabe von Lindenbrog so lautet: „Hoc Her iure tain coniragosum putamus, vilam picnam esse iniuriarum ac miseriarum et laborum." Garatoni Iheilt es in seinem handschrifllichen iXachlass aus einem codex Barbcrinus in bedeutend verbesserter Gestalt so mit: „Hot; iler vilae tam confragosum pulanms, tarn plenum in- iuriarum ac nnseriarun« alqne laborum." Vgl. die Bemerkung bei August, de civit. dei Xl.X, 4: ,,Ouis enim suificit quantovis eloquentiae flumine vilae huius miserias explicare? quam lamen- tatus est Cicero in consolatione de morte fdiae, sicut potuit.

Eine Anspielung auf die Bücher de gloria, aus denen sich nur ein paar Bruchstücke erhalten haben, findet Crecelius mit

(tu) Die Stelle stellt in den Au.snjahen liei den Frasm. incerla p. .'>7S ed I Oiell , p. \\\:^ Klotz, aher liiderliilier NYei.se i.st die zweite Hälfte favenius, si coiitenipluni eius prae sc ferutit übergangen.

Ilrtliii: Ergunxuny der Ciceronischen Fi aymente. 53

Rücksicht auf Fnigni. 1 aus Feslus in den Worten von Augu- slini (lifiloctica (p 9 ed. Crecelii) : ,.Stoici aulumant, quos Cicero in hac re ul f Cicero '" inridet, nulluni esse verbuin, cuius non certa explicari origo possit."

2) Hortensius.

Fragm. 12 aus Nonius p. 315. ,,Unde aut agendum aul ad dicendnin copia depronii maior gravissinioruni exeniploruin quasi incorruptornni teslimoniorunj polest?'* Dass aul aul hier nicht am Orte ist, haben rnehiere Kritiker erkannt; es wird jedoch das erste mit niclit zu tilg(Mi, sondern in autcm zu verbessern sein, wie es gerade so Fragni. 11 heisst : „Unde aulem facih'us quam ex annalium monumenlis aut bcllicae res aut onniis rei pubhcae discipiina cognoscetur?"'

Fragm. 17 aus Laclantius div. inst. HI, IG wird nicht voll- ständig angeführt; man hat die vorausgehenden Worte über- sehen: Ciceronis Horlensius contra [ihilosophiani disserens cir- cumvenitur arguta conclusione qiiod ,,cum diceret philosophan- (inm non esse*', nihilo minus pliilosophari videbatur, quoniam philosophi est (esset cod. Enimer.), quid in vita faciendum vel non faciendum sit disputare. Schreibt man nnl dem cod. Enuner. esset, so gehören auch noch die Worte ,,quoin'am etc.'' zu denen aus dem Hortensius.

Zu Fragm. 24 aus Nonius p. 2(Si, wo man liest: ,,quanlum inter se homini's studiis (sludentes codd.) , moribus, omni vitae ratione dilTerant'' ist die auch den Herausoebern des Nonius unbekannt geblieb(Mie Verbesserung von Patricius beachtens- wcrlh : quantum inier se homines dissidentcs moribus omni vitae ratione diffc^rant.

In dem unvollstündigen Fragm. 25 aus Nonius p. 155 ,,his contrarius Aristo Chius, praefractus, ferreus, nihil bonum nisi quod rectum et honestum est . ., verlangt der Gedanke: „nisi quod rectum et honestum esset [contendebal]."

(17) vielleicht: ut ineptos inridet.

36 Sitzung der philov -pln'lol. Classe vom 3 Mai iS62.

Dass Fragm. 29 aus Lactant. III, 16 mit grösserer Wahr- scheinlichkeit dem Hortensius als den Bücliern de re publica, wohin es An gel o Mai gestellt hat, zugeschrieben wird, lässt sich theils aus dem Umstand abnehmen dass in demselben Capitel noch zweimal der Hortensius cltiert wird , Iheils zeigt es der ähnliche Inhalt von Fragm. 8 aus Nonius „praecipiunt haec isti, set facit nemo'^: denn in dem grösseren Theil des Capitels spricht Lactantius gegen jene Philosophen, „qui docent tanlum nee faciunt-', wiihrend doch alle Weisheit nichtig und falsch sei, nisi in aliquo aclu fuerit, quo vim suam e.xerceat." Die Stelle selbst, in der Lactantius den Cicero wörtlich anführt, lässt sich aus unserer Emmeramer Handschrift wesentlich verbessern : Profecto onnn's istorum dispulatio , quamquam uberrimos fontes virtutis et scientiae continet (contineat edd.), tarnen collata cum eorum (herum edd.) actis perfeclisque rebus vereor ne non tantum videatur atlulisse negotii hominibus quanlam oblecta- tionem.'' Den letzten Satz geben die Ausgaben in der starken Interpolation: ,,ne non lanlum videatur atlulisse negotiis homi- num utilitatis quantum obleclationem quandam olii."

Fragm. o7 aus August, de Trinil. AIV, i) haben zwei gute von mir benutzte Handschriften die grammatisch richtigere Form: „Si nobis, inquit (Cicero), cum ex hac vila migrassemus (emi- graverimus edd.), in beatorum insulis innnortale aevum . . . degere liceret, quid opus esset eloquentia etc."

Fraam. 39, wo die Ilandschr. des Nonius haben: Aptum

conexum et colligatum significat. M. Tullius in Hortensio :

„altera est nexa cum superioribus et inde aptaeque pendens"

dürfte statt der Conjeclur el inde apte pendens folgende grössere

Wahrscheinlichkeit haben: et inde apia atque pendens.

Das sehr dunkle Fragm. 63 aus Nonius p. 22 ,,ad iuveni- lem lubidinem copia voluptatum gliscit illa ul ignis oleo" erhält Licht durch den Scharfsinn von Patricius, der nach hihidinem interpungiert und die Worte ad hwcuilctn Jubidi/icm einem vor- heratihenden Salze zutheilt, den Nonius in seiner bekannten kopflosen Weise nicht vollständig ausgeschrieben hat. So er-

Halm: Eryäm-untj der Ciceronischen Frof/mente. 37

hallen wir für das folgende den trefTliclicn Gedaid<oii: Durch Fülle von Vergnügungen wächst die jugendliche Genufssucht wie Feuer durch Gel.

Weil sich die neueren Herausgeber um den Commentar des gelehrlen Palricius nicht bekümmert haben, wurde in der Ordnunff der Fragmente, die bei Orelli nach Patricius Nr. 65 69 noch die richtige ist, von Nobbe und Klotz ein schwerer Ver- stoss begangen. Es zeigt nemlich das Fragm. 65 aus August, de vila beata c. 26, dass im Hortensius auch von dem glück- lichen Wohlleber C. Sergius Grata die Rede war. Diese Notiz hat Patricius sehr geschickt dazu benützt, um den Frag- menten bei Nonius ,, Primus balneola suspendit, inclusit pisces" (Nr. 66 bei Grelli), „sollertiamque eam quae posset vel in le- gulis Proseminare ostreas'' (Nr. 68 Gr ) und „vixit ad summam senectulem optima valetudine'' (Nr. 69 Gr) die richtige Stelle anzuweisen, wie sich für die zwei ersten Stellen ganz evident aus Valerius Maximus IX, 1, 1 ergibt, wo es vom Sergius Grata heisst: C. Sergius Grata pensilia balinea primus facere in- slituit peculiaria sibi maria excogilavit, . . piscium di- versos greges separatis molibus includendo und Namque ea (sc. ostrea) si inde (sc. ex lacu) petere non licuisset, in te- gulis reperturum. Die Aehnlichkeit dieser Stellen ist so schlagend, dass man in einer künftigen Fragmentensammhmg die längere Stelle des Valerius Maximus wird aufnehmen müssen, jedoch in cursiver Schrift, weil der Wortlaut des Cicero nicht verbürgt werden kann Bei Nobbe- Klotz haben die betreffen- den Fragmente die Nummern 6, 7, 10, 11 und 59, so dass alles zusanunengehörige auscinandergerissen erscheint; die Fragm 6 und 7 (primus balneola suspendit, inclusit pisces etc.) sind fälsch- lich auf L. Lucullus bezogen. Von einer fleissigen Benützung des Hortensius durch Valerius Maximus zeugt auch das Frag- ment 85 aus August, contra Jul. Pelag., wo die Stelle von der ausgesuchten Grausamkeit der Etrusker fast wörtlich bei Val. Max. IX, 2, Ext. 10 wiederholt erscheint. Mit einiger Wahr- scheinhchkeit wird man auch annehmen dürfen, dass Valerius

38 Sitzung der philos. - philot. Classe vom 3. Mai 1862.

Maximus auch die bekannte Geschichte vom Philosophen Polemo VI, 9, Ext. 1, auf die sich vielleicht das kurze Fragm. 80 bei Nonius ,,ponendae sunt fidcs et tibiae* bezieht, aus Cicero's Hortensius entnommen hat. Denn die Geschichte erwähnt auch Augustinus in der Schrift contra Jul. ?ehg. I, 12, die so viele Reminiscenzen aus dem Hortensius aufweist.

Zu Fragm. 71 aus August, c. Jul. Pelag. IV, c. 14 gehört auch die Stelle aus derselben Schrift V, c. 33 p 646 ed. ßened., die noch einen Zusatz zu den Worten .,An vero voluptates corporis expetendae, quae vere et graviter a Piatone diclae sunt illecebrae esse atque escae malorunr* enthält, indem es heisst : ,,non surdo corde illud audires, quod voluptates illecebras atque escas malorum et vitiosam partem animi dixerunt (philo- sophi) esse libidinem." Auch war nicht zu übergehn, dass Fragm. 71 von den Worten ,.cuius niotus" bis ..omnino quid- quam potest" in derselben Schrift V, 42 p. 650 Bened. wieder- holt wird. Auch an dieser Stelle hat die Benedictiner Ausgabe „attendere animo, inire rationcm'S nicht ,,attendere animum, inire rationes", wie in den Ausgaben der Ciceronischen Frag- mente gelesen wird.

In dem in sehr schlimmer Gestalt überlieferten Fragm. 74, wo die Handschr. des Nonius haben: Noxa et noxia haue habent diversitalem, quod est noxa peccatum leve, noxia no- centia. M. Tullius in Hortensie: ,,et ceteras quidem res, in quibus peccata non maxume adferunt noxias. tamen inscii nnat- attingunt", haben wir versucht: ,,et ceteras q. res, in quibus peccata non maxumas adferunt noxias, tantum inscii non altin- gunt.'' Bei so kurzen Fragmenten hat freilich die Phantasie ein eben so weites als unfruchtbares Feld

Fragm. 79 haben die Handschr. des Nonius lückenhaft: Acrem'* austerum acerbum asperum. M. Tullius in Hor- tensie: „quod alterius Ingenium sicut acetum Aegyptium, alterius

(18) Bs ist zu schreiben acre seil, sigiiificat, wie es vorher heisst: Acre significat celer, velox.

Halm: Kryäm-nny der Ciceronischen Frof/mente. 3d

SIC acre ut «nel Hytueltiiini diciimis." In den Ausgaben ist er- giinzl: irigeniuin sie dulco, ut accium Aogyptiuin. 3IcUi sollte eher das Geoonllioil (Mvvarlen : sie aciduiii ut .icotinn Acor."

Aus den Scliriflen des Augusliiuis hat z>vci neue Fraomente des Horlonsius Kr i sehe (Ucber Cieero's Akademika S. 29 und 31) aus dessen Büchern contra Aeadecimos naehaewiesen , ein drittes grosseres Creeelius aus der dem Augustinus zuge- schriebenen Schrift de dialeclica c. 9; s. Jahrb. f. Philol. und Paed. (1857) 75 , 79. Ucbersclien lial man auch einen in- teressanten Ausspruch Cieero's bei August, e. Julian. Pelag. IV, c. 76. der wahrscheinliel», da (h"es(; Schrift so manche Citate aus dem Horlensius enthalt, in diesem Dialog zu lesen war. Es heisst nemlich: ,.(juos (die Äloralphilosoplien) Cicero propler ipsam honestalem consulares philosophos nuncupavit."

Der Liber iocnlaris oder die Facete (bcta lassen sieh be- sonders aus den Briefen Ciceros noch beträehllich vermehren j aus andern Schriftstellern haben wir noch bemerkt :

De hoc (Mario) quid amplivs rcqvirahir ignoro, nisi fjvod evm insi(jniorem brcrissimuin fcrit iniperivin. I\am ut consul nie, qvi sex pomcridiiuns horis consvlalum svffechis tcmiit, a HI. Tnliio tali aspcrsns est ioco: Consulem habuimus tarn severum tamque censorium, ut in eius magistratu nemo dormierit: de hoc eliam dici posse videtiir, qvi una die factus est imperator , alia die risus est imperare , tertiit interemptus est. Trebellius Pollio in XXX tyrannis, VII de Mario p. 187 Salm. Vgl. b.i Klolz p. 298 Nr. 21 und 24.

quod queol A coqvendo sumpsit rrctgö/nninr. Sic et infra: „sedido vuynco qvue possum pro mca sapientia.^' Et Ciceronis dictum refertur in evm. qvi coqui filivs secum causas ogebat: Tu quoque aderas causae. Natn apvd vcteres ,,coquus^' non per c literatn, sed per q scribcbatur. Donatus ad Terent. Adolph. III. 3, 69. Vgl. den ähnlichen Scherz bei Ouintil. VI, 2, 47 (Klotz p. 296 Nr. 8).

40 Sitzuiiff der philos.-philol. CUisse vom 3. Mai 1S62.

Um andere Kleinigkeiten zu übergehen, rügen wir noch einige Fragmente bei, die wir bis jetzt weder in den erhaltenen Schriften Ciceros noch in den bisherigen Fraanientensainndunaen gefunden haben.

„DociUs'\- (loctiis; lutis doctoris a (Uscipvlo, iuxla hoc qtiod Hl. TiiJlius Cicero in rhctoricis dixit : artium magistros adferre iaiidem sive viliiperalionem discipulis, rursiis discipulos magistris. Acro ad Horat. carm. III, 11, 1.

Afexcresis est laline exceptio , qvando oliqtiid a generali complexione distingniiniif;, qnalis est illa exceptio Ciceronis: minus me commovil hominis summa auctoritas in hoc uno ge- nere dumtaxat; nam in ceteris egregie commovit. Anecdota Parisina ed. Eckstein p. 4.

Synchoresis est concessio rei olicuius, vf apud Vergilinm : „esto: Cassandrae inpnJsus fiiriis."' Cicero: do tibi hoc, concedo tibi et remitto. Ibidem p. 6.

Lndi dcornm sunt. Cicero: Cum a Uulis contioiiem advo- cavit, Cerealia, Floraiia ludosque Apoliinis deorum immortahum esse, non nostros. Arusianus Messius p. 245 Lind.

Deflexit de proposito. Cic Philipp. XVI: Laterensis ne vesligium quidcm deflexit... Ibid. p. 225.

Disceptata Hs est. Cic. Philipp. XM: non est illa dissensio disceptata hello. Ibid. p. 225.

Doleo vicetn tuam , id est, propter te doleo. Cicero de domo: rei publicae viccm lugeo (doleo?) Ibid. p. 222.

Die erste dieser vier Stellen aus Arusianus, für die wir eine befrieditrende Verbesseruntj nicht wissen, fehlt in den bis- herigen Sannnlungen'% weil sie erst in der unbenutzt geblie- benen Ausgabe von Lindemann hinzugckonnnen ist; in den drei übrigen ist das Citat fehlerhaft.

Übt geniinata u litera nominnfinis est, nomen est, non participittm, vt „fatutis , ingentius, ardnus, cardtius, exiguus,

(19) Nr. 2 und 3 ist in der 2. Orellisclien Ausgabe nacligetragen.

Halm : Eryänz-ting der Ciceronhchen Fraymente. 41

holuus", vt Cicero dixit. Augustinus de graiiimal. p. 2002 Putsch

Euphonia, id est svaritas bene sonandi, adm'tssa est ad Latinum scniwnein, vt aspera temperet, et ab arte et ratione^° reccsstim est, iibi aspcrifas o/fendebat auditum. Sic Cicero ait: iiiipetraluin est a raliono, ut peccaro suavilatis causa licerel. Ibid. p. 2007

Item in illo exemplo, cum qnaeritnr qnid sint inimicitiae, dicimus inimicum esse enm qni aliquid molitus sit, liac Cicero coHatione vtens dicit iiiiiiiicuin, qui facit contra omnium rem, voluntatoni, honoroni , dignitatcm. Boelius de drfinilione p. Gr)0 ed Basil.

In nnmosijUabis inspiciendum est, ntnim ßnalis longa bre- visne sit. Si enim longa est, praeire debet tr och actis, ut est illnd Ciceronis''^ : ,.nün scripta sed naia lex", aut ,, debet esse legum •n re publica prima vox.' Martianus Cape IIa V, §. 520. p. 447 Kopp

Kaum ist den Fragmenten boizurechneii folgende Stelle des- selben Rhetors V, §. 508: Cnius (elocutionis) Cicero duo quasi fundamenta . duo dicit esse lastigia. Fundamenta sunt latineque (latine?) loqui planeque dicere.., fasligia vero sunt copiose ornaleque dicere. Vgl. Cic, de orat. I, 32, 144. Dass sich Cicero selbst des Ausdrucks lastigia elocutionis bedient habe, erscheint höchst zweilelhalt.

Fretu: Cicero a Gaditano , irupiit , frelu. Charisius p. 129 Keil.

Irim pro Iridem Maro Aen. Villi.. , cum constet omnia Graecae ßgurae nominativo singviari is syllaba trrminata genetivo singulare syllaba crescere , licet Varro et Tidlius et Cincius . . huius Serapis et huius Isis dixerivt. Ibid. p. 132.

Unsicher ist die Stelle des Charisius p. 210: „Ileres parens ho7HO^' , etsi in com,mvni sexu inlellcgantur, tarnen masculino

(20) et ratione 2 codd. Monacc.: ex ralioiie v. {•II) p. Mil. c. i.

42 Sitzuiuj der philos.-philol. Classc vom 3. Mai 1862.

gcnere semper dicuntur. Nemo enim seaindam hercdcm dicit . . ., sed mascvline, tavictsi de feniitia sermo habealnr. Nam Marcus ait: liorodos ipsiis seciiiidus, welche letzten Worte vielleicht so zu verhesseiii sind: heres ipsa secuiidus.

„Manet tc"' , ut Vergilivs . . . idcm tarnen ,,haec eadem matrique ttiac generiqve manebnnV^ Cicero : tibi poena nianet. Dioiiiedes p. 314 Keil. Der Name Cicero, wofür die übrigen Handschr. cetero haben, wurde erst von Keil aus dem cod. Monac. hergestellt. Vgl jedoch die Addeuda bei Keil S. 610.

TuJUiis hoc modo eam (artem) definit: Ars est perceptionum exercitalarnin constructio ad unum exitum utilem vitae perli- nenlium. ttiomedes p. 421 Keil.

Quom illa, qvae nunc in mc iviqna est, aequa de ine dixcril.] jjiiiqiia aequa'"' naQovnftaoLu sunt Terenlianae. Et bonum ar(jutnentvm; nam . . inquit et Cicero : Te ipso teste iniquo alque improbo, verum ad hanc rem satis idoneo, le, in- qu.im, teste dicanj. Donatus ad Terent Hec. IH. 5, 25.

Crimen proprie dicitur id quod falsum est. Cicero: Verum tarnen fac, tametsi criminosum id est , id est falsa in- simulalio est^^. Idem ad Terent. Hec V, 2, 13.

Quod si omnes onmia sua consilia conferant] Hyperbole cum paronomosia „omnes omnia"' Ilinc Cicero : omnes in hoc iudicio conferant omnia. Idem ad Ter. Adelph. IH, 2, 1.

Vides ergo falsam inteUegentiom et penitus veritatem sub- nhersam. Unde illud in Pisonem : putavi gravem : video adnl- terutn, video ganeonem. Grillius ad Cic. de invent fol. 20.

Ea enim quae inventa fuerint non debent confuse dici, sed suo quoque componi ordine. unde ipse: meque meum di- cendi ordinem servare patianu'ni. Idem fol. 22.

Moralis argumcntatio de natura hominum vel morum con-

{Ti) Viciieidit i.st zu scl)ii'il)cn: „Verum tanicii fac, tametsi crimi- nosum, i(i est TaUa insimuliitio est", so dass die ganze Stelle dem Cicero angcliürte.

Halm: Eryäm-tiny der Cicerouischen Fraymente. 43

suchidivc (lucilur, nt Cicero : liic ego dubileiii in eaiii disputa- lionein ingnnli, qiiiic ducaliir (\\ natura honiinuin alquo onniiuni sensibus?'' et ofnnia qnae scquuntur. Julins Scverianus p. 342 Cajiper. (liic ingredi l'iilirt auch Grillius Ibl. 10 an)^\

Ihmiiiiatio gcncf'is fcminhn, nt plcniniquc ; jnasrvJini M Tvilius de re publ. Hb. I ... et de officiis lib. I : qnoruin est levis fructus, incerlus domiiialus. Nonius p. 203. Die Stelle findet sich nicht in den Büchern über die Pfliclilen. so dass ent- weder das Citat des Nonius unrichliff oder die betreflende Sielle ausgefallen ist.

Proiecluin subtrarlvtii. M. Tvlh'vs in Philippicis lib. IUI: qui hoc senalus consullo lacto clani te ex urbe proieceris ^*^ Ideni p. 373. Die Steile >sleht in der cilierten Rede nicht. Dasselbe ist der Fall in dem nächsten Bruchstück.

Ti tu bare trcpidare. M. TuJJius PhiJippicarnm lib. XIIII: titubare, haesilare, quo se verteret nescire. Idein p. 1(S2. Oder liegt hier ein Dichterfraoinenl vor?

Unicviqne litterae Iria arcidnnt: nomm , ßgnra , potestas. f^omcn est, ut scias . qno modo nominetnr: A, B, C hoc est nomcn. Et genere nentro legivius literas. Legistis in Cicerone: mvlnsqne alteram R Uteram noti declinis , nnde ilhid in quae- stionetn venit, sigmitta, sigma , signiatis habet ßgnrani etc. Pompeii Comnientuni artis Donati p. 33 Lindem. Eine Ver- besserung dieser unverständlichen Stelle wird ohne neue hand- schriftliche Mittel kaum möglich sein.

Uaec quidem translatio tcmporuni, qnae proprie f^utä'jraaig dicitur, in öiaivnwaeL verecundior apvd priores fnit. Prae~

(23) Aiicli (las kleine Fraf^iiu'iif bei (Ipin.soll)cn Rhctor p .340 Capp. „Fama rel opinio, ut Cicero: Opinio fuit (luplcx, uiia noii abliorreiis a statu naturaquc rerum et reliqua'" ist viclleiclit ein neues; wenigstens fand ich es nocli nicht in den erhaltenen Schriften.

(24) so nach unserer Verniulhung; die Handschriften: quid hoc S (•. facit clam te ex urbe proieceris.

44 Sitzutiff der philos.-phüol. Clnsse vom 3. Mai 1^8.

poncbant cnim talki ..credite vos infueri^' ni Cicero: Haco, quae non vidislis oculis, animis cernere polestis. Ouintilianus Inst. orat. IX, 2, 41.

Vt Cicero dicit, isti scripserunt apvd Graecos (de com- pnsitioiie et numeris et pedihus oratoriis): Thrasymachvs, ISaucrates, Gorgias, Ephorus, Isocrates, Theodectes, Aristoteles, Tkeodorus Byzantivs , Theophrastus , Uieromjmm. Rufini versus de conipos. et metr. orat, in Schol. Cic. I, 191.

Intonsos rigidam in frontem descendere canos Passus erat] Tnllius dicit quod mundus iste regitur opinione; nam Arnicniis asperrima et dedecorosa poena est auferre barbam. Scholiastes Lucani ad II, 375.

Jam nunc te per inane chaos, per tartara coniux, Si sunt Ulla, sequar] Secundunii eos dicit, qui argumentantur omnia ßcta esse, quae de infcris dicuntur. Dicunt enim quod terra solida sit et nuUam concavitateni possit admittere , ut Cicero. Idem ad IX, 102".

Faucibus orci] Deum posuit pro loco, ut „Jovem" di- cimus et „aeretn"" signißcamus . . Orcum autern Plulonem dicit . . Orcus idem est Pluton, ut in Verrinis (IV, §. 111) indicat Cicero . . Alibi ait: quia Dilein patrein eniersisse ab inferis putant. S er vi US in Verg. Aen. VI, 273.

(25) Das kleine Fra^meiil ebendaselbst zu IV, 819 „cum sis post mortem sine momento futurus" hat Orelli in der 2. Ausg. nachgetragen.

Scliönbein: Erzeiiyuiiy des sa/petn'chten Ammoniakes, 45

lAIathcmalisch - physikalische Classe.

Silzuiij»; vom 10. Miii 1802.

Herr Peilen kofor berichtete über einen Aufsatz dos Herrn Scliönbein:

„lieber die Erzeugung des salpetr ich ton Am- moniakes aus Wasser und atmosphärischer Luft unter dem Einflüsse der Warme."

Es \vurd(! in einem Vortrage, den ich im April vorigen Jahres vor der Akademie im Liebig'schen Laboratorium zu hal- ten die Ehre hatte, von mir gezeigt, dass bei der langsamen \ erbrennung des Phosphors in wasserhaltiger almosphiirisiher Luft salpelriclitsaures Anunoniak entstehe und aus dieser Tliat- sache der Schluss gezogen, dass unter den erwähnten l'mslän- den besagtes Salz aus Wasser und atmosphärischem SlickstolTe gebildet werde.

Auch theilte ich der Akademie die weitere Tlialsachc mit, dass meinen zahlreichen Beobachtungen gemäss alles aus der Atmosphäre fallende Wasser kleine Mengen Ammoniaknitiiles enllialle, daran die Bemerkung knüpfend, dass thalsächliche Gründe vorlägen, die nnch zu der Annahme berechtigten: es habe das in der Luft fortwährend vorkonnnende Nitrit noch eine andere Ouö'h;. als das bei der Fäulniss slickslolThaltigcr orga- nischer Materien sich bildende Anunoniak . und die unter elec- Irischem Einfluss aus almosphiüischem Stick- und Sauerstoll' ent- stehende salpetrichte Säure.

Ich nehme mir nun die Fieiheit, die Akademie mit einer Reihe von Thatsachen bekannt zu machen, welche nach meinem Ermessen die Richtigkeil nunner damaligen Andeutungen ausser Zweifel stellen und zeigen werden, dass es eine allgemeine,

46 Sitzung der titaiU.-phys. Classe vom 10. Mai 1862.

höchst inorkwürdige und bisher giinzlich U!il)ckannl gebliobene EiitsU'hiiiisjsweise des Aminoniakiiiliiles gebe.

Da dieses Salz unter dem Einflüsse der Wärme so loic\\[ in Wasser und Stickgas sidi umsetzt , so hielt ich es schon längst für wahrscheinlich, dass dasselbe unter geeigneten Um- ständen auch aus den beiden letztgenannten Materien gebildet werden könne und in dieser Vermuthung musste mich die Ent- deckung der Thatsaclie bestärken, dass bei der langsamen Ver- brennung des Phosphors in wasserhaltiger Luft wirklich auf diese Weise Ammoniaknitrit entsteht. Und die weitere That- sache , dass nicht selten unter anscheinend gleichen Umständen dieselben Verbindungen wie zersetzt so auch gebildet werden, liess es mir möglich erscheinen, dass unter <lem Einflüsse der Wärnie aus Wasser und Stickgas salpetrichtsaures Ammoniak ebenso gut entstehen könne, als das schon fertig gebildete Salz in jene Materien zerfällt, üb nun das, was nach den gewöhn- lichen Vorstellungen als chemische Unmöglichkeil gelten dürfte, dennoch Wirklichkeil sei, mögen die nachstehenden Angaben zeigen.

Man erhitze einen ofTenen Platinliegel gerade so stark, dass ein auf den Boden desselben gefallener \A'assertropfen sofort aufdampft, ohne noch das Lcidenfrost'sche Phänomen zu zeigen und lasse nun tropfenweise reinstes Wasser in den Tiegel fallen so nämlich, dass innner die vollständige Verdampfung der Flüs- sigkeit abgewartet wird, bevor man einen neuen Tropfen in das erhitzte Gefäss einführt. Hält man nun über den unter diesen Umständen gebildeten Dan)pf die Mündung einer kalten Flasche so lange, bis darin einige Giannne Wassers sich gesanunelt haben, so wird man finden, dass diese Flüssigkeit, mit einigen Tropfen verdünnter SO 3 angesäuert, jodkalinudialtigen Kleister zu bläuen vermag. Ich darf jedoch hier nicht unbemerkt lassen, dass unter anscheinend vollkommen gleichen Umständen nicht immer ganz gleiche Ergebnisse erhalten werden. Bei einem Versuche wird das aus dem nam[)fe entstandene Wasser so sein, dass es unter Mithilfe verdünnter Schwefelsäure den Jod-

Schönbein: Ert-eugimy des salpelricltten Aninioniakes. 47

kiiliiimkleisler süfort tief bliiut, bei einem zweilen Versuche kiimi man ein Wasser erliülten , welches die besagle Reaction zwar auch hervorbringt, uber in einem schwachem Grade und es tritt bisweilen auch der Fall ein, dass das Wasser eine kaum merkh'che Wirkung auf das Hcagens hervorbringt. Wodurch diese Ungleichheit der Ergebnisse herbeigeführt wird , weiss ich zwar noch nicht anzugeben; wahrsclniinlich ist aber, dass sie uiil Temperaturverscliiedenheiten des Gefiisses zusammenhängt, in welchem der Dampf erzeugt wird, da sicli kaum dai'an zwei- feln iiisst , dass es einen bestimmten Wiirmegrad gebe, welcher der Bildung unserer oxidirenden Materie am giinsligslen ist. Hat man es gelroflen, ein Wasser zu erhallen, wclch(!S den an- gesäuerten Jodkaliumkleister sofort tief zu bläuen v(M-mag, so entbindet dasselbe auch, in einem kleinen Gefäss mit Kalihydrat zusannuengebracht, so viel Ammoniak, dass dadurch befeuch- tetes Curcuniiipapier noch deutlich gebräunt wird oder um ein mit Salzsäure benetztes Glasstäbchen wahrm^hmbare Nebid ge- bildet wei<len. Ilier.ius ersieht man, dass diese beiden Reac- tionen : Bläuung des Jodkaliumkleisters, Bräunung des Curcunia- pajncres u. s w. schon deuliich genug auf die Anwesenheit kleiner Älenyen Ammoniakuilritcs in dem fraglichen Wasser hindeuten. Wir wi^rdon jedoch i>ald noch andere Thatsacheu kennen lernen , welche keinen Zweifel darüber walten lassen, dass unter den erwähnten l^mständen das genannte Salz ent- stehe und von ihm di(^ auijesfebeneu Reactioncn herriUu'en. Man könnte vielleicht vermuthen, dass das Platin als solches mit dieser Nitrilbildung etwas zu thun habe; dem ist aber keines- weges so, wie aus der Thatsache hervorgeht, dass unter sonst irloichen linständen die nändichen Hlrtiebnisse erhalten werden: üb man einen l'latintieg(;l, oder silberne, kupferne, eiserne, thönerne u. s. w. Gelasse zur Dampferzeugung anwende, wie ich mich hievon durch zahlreiche Versuche zur Genüge über- zeugt habe. Ich erlaube mir, zwei Proben solchen nitrilhaltigeii Wassers beizulegen, wovon die eine durch die Verdichtung des in einem Piatinliegel gebildeten Dampfes erhallen wurde, die

48 Sitzung der math.- phys. Classe vom 10. Mai 1862.

andere aus Dampf, in einem Silberliegel erzeugt, welche beide, mit verdünnter Schwefelsäure versetzt, den Jodkaliiimkleisler lief bläuen.

Von der unter den erwähnten Umständen erfolgenden Ni- Iritbildung kann man sich sehr rasch und leicht durch folgenden Versuch überzeugen. Ist ein mit Wasser befeuchteter Streifen Ozonpapieres kaum einige Minuten lang über dem auf die be- schriebene Weise erzeugten Wasserdampf gehalten worden, so enthält er schon so viel Nitrit, um beim Benetzen mit verdünnter Schwefelsäure sich deutlich zu bläuen, welche Färbung das gleiche Reagenspapier ohne diese vorausgegangene Uampfein- wirkunsr selbstverständlich nicht zeiüt.

Auch lässt sich der Versuch so anstellen, dass man einen mit deslillirlem Wasser getränkten Streifen Fillrirpapieres einige Minuten in den besagten Dampf hält und dann mit einigen Tropfen angesäuerten Jodkaliunddeisters übergiesst, unter wel- chen Umständen Letzlerer mehr oder minder stark gebläut wird.

Zur Darstellung grösserer Mengen solchen iiitrithaltigen Wassers dient am besten eine geräumige kupferne Blase, wie man sie in Laboratorien zum Bchufe der Destillation des Wassers zu haben pflegt, mit deren Hilfe die besagte Flüssigkeit in kur- zer Zeit maassweise sich erhalten lässt. Zu diesem Zwecke er- lütze ich erst die Blase (durch ihren Helm mit dem Rohre des Kühll\)sses verbunden) so stark, dass eingespritztes Wasser mit heftigem Zisihen sofort aufdampll. Giessl man nun durch das bis auf den Boden der so beumständeten Blase gehende Rohr je auf einmal nur kleine Mengen reinsten Wassers und wartet man mit dem Zugiessen neuer Flüssigkeit jedesmal ab, bis das in der Blase vorhandene Wasser verdampll, d. h. überdestillirt ist, so erliält man in kurzer Zeit merkliche Mengen einer farb- losen und vollkonunen neutralen Flüssigkeit, welche folgende Eigenschaften besitzt:

1) Mit verdünnter Schwefelsäure versetzt, färbt sie den Jodkaliumkleisler augenblicklich auf das Tiefste blau.

2) Durch Kaliperman^anallösung merklich stark gerölhet

Schönhein : Eiteuyiiny des sal])eirichten Ammoniakes, 49

und mit verdiiiinler SO3 etwas angesäuert, entfiirbt sie sich bei der Erwärmung sehr rasch.

3) In emcr Flasche, mit verliältnissmiissig viel Kahhydrat zusammengebracht, entbindet sie Ammoniak, wie daraus erhellt, dass ein in diesem Gefäss aufgehangener feuchter Streifen gelben Curcumapapieres sich bald auf das Deut- lichste bräunt und um ein in die gleiche Flasche einge- führtes und mit Salzsäure benetztes Glassläbchen die be- kannten Nebel bilden.

Werden grössere , mit ein wenig Kali versetzte Mengen unserer Flüssigkeit bis zur Trockniss eingedampft, so lassen sie einen kleinen Rückstand , welcher alle Eigenschaften eines Ni- trites besitz! : Entbindung rolhbrauner Dämpfe beim Uebergiessen mit Vitriolöl, kräftigste Entfärbung der mit SO3 angesäuerten Kalipermanganatlösung u. s. w.

Werden grössere Mengen des mit einiger SO 3 vermischten Wassers eingedampft, so bleibt ein kleiner Rückstand, aus wel- chem Kaliliydral so viel Annnoniak entwickelt, dass dasselbe schon am Geruch auf das Deutlichste erkannt wird.

Alle diese Thatsachen, denke ich, beweisen auf das Schla- gendste, dass das in Rede stehende Wasser salpetrichtsaures Wasser enthalte; ich dnrf aber auch hier nicht unbemerkt lassen, dass das zu verschiedenen Zeiten unter den erwähnten und an- scheinend ffleichen UmsläiubMi erhaltene Destillat durch seinen Nitritoehall keinesweffs innner sich gleich bleibt. Das einemal ist es so reich daran , dass z. B. ein Raumlheil desselben mit 500 Theilen reinen \^'assers vermischt und einiger SO3 versetzt, zuffefütrtcn Jodkalinnddeisler noch bis zur Grenze der Undurch- sichtigkeit tief bläut, wie z. B. dasjenige ist, wovon ich eine Probe beigelegt habe. Ein andermal enthält das deslillirle Wasser eben nur noch nachweisbare Spuren des Nitrites, ja es tritt bisweilen sogar der Fall ein, dass selbst diese fehlen. Wie schon weiter oben bemerkt worden, bin ich geneigt die Ver- schiedenheit dieser Ergebnisse Temperaturunterschieden des \mi. n.] 4

50 SitzHtiff der mnth.-phyi. Classe vom 10. Mai 1862.

Dampf bildungsgefasses beizumessen, welche bei den besagten Versuchen unvermeidlich sind.

Auf die Frage : Wie oder aus was unter den erwähnten Umständen das salpetrichtsaure Ammoniak sich bilde, weiss ich keine andere Antwort zu geben, als diejenige, welche schon oben angedeutet worden. Ich halte nämlich dafür, dass Stick- stoff und Wasser unter dem Einflüsse der Wärme zu diesem Salze zusammentreten und bin der Meinung, dass die Erzeugung desselben nur auf diese und keine andere Weise denkbar sei. Gegenüber einer bessern Erklärung werde ich jedoch meine jetzige Ansicht fallen lassen. Älöglich ist, dass der atmosphä- rische Sauerstoff dabei eine Rolle spiele, obwohl schwer einzu- sehen, welche. Würde diess nicht der Fall sein, so müsste unter geeigneten Umständen Ammoniak aus blossem Stickstoff und Wasser gebildet werden können, worüber spätere Versuche Aufklärnng geben werden.

Wenn es nun Thatsache ist, dass unter Mitwirkung der Wärme aus Wasser und atmosphärischer Luft salpelrichlsaures Ammoniak erzeugt wird, so versieht es sich von selbst, dass auch bei der VcMbrennung der Köiper in dieser Lull das gleiche Salz entstehe, weil bei derselben alle Bedingungen für eine solche Nitritbildung erfüllt sind: Vorhandensein von Wasser, at- mosphärischer Luft und Wärme.

Schon der fein beobachtende Theodor von Saus sure fand, dass bei der Verbrennung des Wasserstoffes in stickgashaltigem Sauerstoff ausser der salpetrichten Säure, welche der Genfer Gelehrte fiir Salpetersäure hielt, auch Anunoniak sich erzeuge und in einer im Jahre 1845 von mir verfassten akademischen Festschrift, die damals gedruckt wurde nnt dem Titel: ,,Ueber die langsame und rasche Verbrennung der Körper in atmosphä- rischer Luft' zeigte ich, dass bei der Verbrennung der Kohlen- wasserstolfe , Fette u. s. w. eine oxidirende Materie zum Vor- schein konune, welche die Indigolösung zu zerstören, den Jod- kaliumkleister zu hläuen und noch andere Oxidationswirkungen hervorzubringen vermöge. Da ich zu jener Zeil die so era-

Schönbein : Evzeuytmy des salpetrichten Ammoniakes. 5|

pfindliclien Reagentien auf die Nitrite noch nicht gefunden hatte, welche mir jetzt zu Gebot stehen, so nuissle ich damals noch uiioiitschieden lassen , ob das fragliche oxidironde Agens sal- petrichle Saure, was ich für möglich erkliirt, oder etwas an- deres sei.

Heute , da wir in dieser Hinsicht im Besitze feinerer und zuverlassig(>rer Mittel sind , ist es leicht , die bei der besagten Verbrennung slatlfindende Nitritbildung auf das Augenfälligste nachzuweisen, und nach meinen Eifaiirinigen eignet sich hiezu am besten die Holzkohle. Zu diesem Behufe bediene ich mich eines cylindrischen aus Eisenblech verfertigten Ofens von etwa 2' Höbe und 9" Weite , unten mit einem Roste und mehreren OetTiiungen verscihen. durch welche die iiussere Luft in den Brennraum strömen kann. Das obere Ende des Ofens ist mit einem Deckel verschliessbar und etwa 2" unterhalb desselben befindet sich ein 4" langes und \" weites, wagrecht einge- setzt(!S Rohr, durch welches der erhitzte Luftstrom austritt. Leitet mau Letztern in (mmo Vorlage, etwa 100 Gramme Wassers enthaltend, so wird die F'lüssigkeit schon nach ein(M' Viertel- stunde so viel Ammoniaknitril enthalten, dass si(!. mit SOg schwach angesäuert, den Jodkalinmkleister sofort deutlich bläut, wie auch die übrioen Nitritreactionen hervorbrinot. Lässt man den erhitzten Luftstrom einige Stunden lang in die kiihlgehal- tene Vorlaae treten, so wird das darin enthaltene Wasser mit dem besagten Aunnoniaksalze so stark beladen sein, dass es die Reactionen desselben in augenfälligster Weise verursacht: tiefste BUiuuuff des aiiiresäuerlen Jodkaliuuddeisters, d(!Utlichste Entbindung von Ammoniak milleist Kalihydrales u s. w. , wie die beiiieleale Probe diess zeiu-eu wird. Ich muss jedoch bei- fügen, dass um ein solches Ergidmiss zu erhallen, das Kohlenfeuer nicht zu heftig, d. h. der obere Theil des Ofens nicht zu stark erhitzt sein darf, weil sonst das Anunoniaknilrit wieder zum grössern Theile, wo nicht gänzlich sich zersetzte. Man darf desshalb auf einmal nicht mehr Kohlen anwenden, als nölhig die Verbrennung derselben zu unterhalten. In meinem Oefelchen

4*

52 Sit-iunt/ der ttial/i.-p/it/s. Classe vom 10. Mai 1862.

lasse ich höchstens ein Pl'und Kohle auf einmal brennen. Mit dem bezeichneten Umstände hängt unstreitig auch die Thatsache zusammen, d.iss anräiigiich, wo der obere Theil des Ofens noch wenig erhitzt ist, mehr Nitrit erhalten wird, als später.

Dass bei der Verbrennung der Fette, des Leuchtgases u. s. w salpetrichtsaures Ammoniak entstehe, habe ich vor einioer Zeit dem Herrn Präsidenten der Akademie brieflich mit- gelheilt, wesshidb ich hier nur noch die Angabe beifüge, dass nicht unbcirächlliche Mt-ngen dieses Salzes durch (h'e Schorn- steine gehen, welche den von der Verbrennung i\es Holzes her- rührenden Rauch abführen. In dem Iiöhern Theile des Kamins unseres Museums, wo nur Holz gebrannt wird, liess ich einen grossen, mit destillirtem Wasser geti'änkten Schwanun zwölf Stunden lang hängen, worauf derselbe ausgepresst. eine neutrale Flüssigkeit lieferte, welche die Reactionen des Ammoniaknitrites in einem ausgezeichneten Grade hervorbrachte, wie diess die beigeffebene Probe darthun wird.

Auch bei der Verbreimung i\^v Steinkohlen erzeugt sich salpetrichlsaures Annnoniak; da dieselben aber inuner Schwefel- kies mit sich führen, so IritI dabei schweflichte Säure auf, welche mit dem Nitrite nicht znsanunen bestehen kann. Es bildet sich unter diesen Umständen Schwefelsäure, wch^he mit dem Annnoniak verbunden durch den Rauchfang geht. Je nachdem die Stein- kohlen mehr oder wiMiigcr Schwefeleisen einschliessen, je nach- dem wird auch der durch ihre Verbrennuno- crzeuote Rauch entweder gar kenn Niiiit, oder davon weniger oder m(!hr, im- mer aber schwefelsaures Annnoniak enihallen. In einem Schorn- steine, durch welchen Ranch eines Sieinkohlenfeuers geht, liess ich ebenfalls einen mit destillirtem Wasser ffelränkten Schwamm einen halben Tag lang hängen und fand, dass das aus ihm ge- pres.sle Wasser merkliche Mengen Annnoniaksulfates, aber auch einiges salpetrichtsaure Ammoniak enthielt, wie diess die beige-- legte Probe zeigen wird.

Unschwer begreift sich, dass bei der Verbrennung gewisser Kor|)er kein Ammoniaknilrit zum Vorschein konunen kann, selbst

Schönhein : Erzeiujtiiiff des salpetrichten Ammoniakes. 53

wenn dabei das Salz anriinolidi entstünde und dieser Fall ein- treten muss, wenn der BrennstülF mit dem Sauerstoff eine kräf- tioe Säure bildet; denn unter solclien Umstünden wird Letztere mit dem Annnoniak des Nilrites sich verbinden und NO3 aus- treiben.

Einen Körper dieser Art haben wir im Phosphor, welcher bekanntlich bei seiner raschen Verbreminng zu Phospliorsaure sich oxidirt. Bildet sieh nun bei der Verbrennung- des besagten Elementes in wasserhaltiger atmosphärischer Luft wirklich einiges Annnoniaknitrit, so wird die unt(!r diesen Umständen entstehende Phosphorsäure auch etwas Ammoniak enthalten niiissen und der Versuch lehrt, dass dem so ist. Verbrennt man je auf einmal nur ein kleines Stückchen Phosphors innerhalb einer mit atmo- sphärischer Luft gefüllten Glasglocke , die auf einem mit destil- lirtem Wasser biHJeckfen Porcellanteller steht und wird diese Operation so oft wiederholt, bis das Wasser des Tellers stark sauer geworden, so entbindet aus dieser Flüssigkeit das Kali- hydrat nachweisbare Mengen Ammoniakes, wie die beigelegte Probe diess beweisen wird. lUihrt aber dieses an PO5 gebun- dene Ammoniak von dem unter dem Einflüsse der Verbren- nuno-swärme aus wasserhaltiger Luft gebildeten Ammoniaknitrite her, so wird PO 3 durch die Phosphorsäure als NO, und NO4 ausgeschieden werden, spurweise wenigstens in der Glocke sich verbreitend. Und dem ist auch so, wie ich aus der Thatsache zu schliessen geneigt bin, da.ss ein mit Was.ser benetzter Strei- fen jodkaliumhaltigen Stärkepapieres, in dem obern Theile der Glocke angeklebt, sich bläut, nachdem in derselben mehrere Male kleine Stückchen Phosphors verbrannt sind , welche Wir- kung die Phosphorsäure unter diesen Umständen nicht hervor- bringen kann. Wie man leicht einsieht, kann auch einem Theile des frei gewordenen NO, d(M- Sauerstoffgehalt durch den in Verbrennung begriflenen Phosphor entzogen werden

Bekanntlich fängt das Arsen an, bei einer Temperatur von etwa 200** in der atmosphärischen Luft langsam zu verbrennen und nach Art des Phosphors im Dunkeln zu leuchten, und

54 Sitztint/ der »latli. -phi/s. Classe vom iO. Mai 1862.

meine Versuche zeigen, dass unter diesen Umstanden merkliche Mengen Aninioniakes zum Vorschein konunen. Hat man ein Stück des besagten Stoffes so stark erhitzt, dass es zu rauchen beginnt und den bekanntem Geruch nach Knoblauch entwickelt, so bringe man dasselbe unter eine geraumige, mit atniosphäri- scher Lult gefüllte Glasglocke, welche auf einem mit Wasser bedeckten Porcellanteller ruht. Da nach ciniorer Zeit diese Ver- brennung aufhört, so fache man dieselbe durch gehörige Er- hitzung des Arsens immer wieder an und hat man diese lang- same Verbrennung einige Stunden hindurch unterhalten, so wird das Wasser des Tellers , welches nun merklich sauer reagirt, nicht nur arsenichte Säure nebst kleinen Meng-en Arsensäure, sondern auch noch Ammoniak enthalten, wie daraus erhellt, dass feuchtes Curcumapapier, in einem kleinen Fläschchen aufgehan- gen , in welchem das besagte Wasser mit Kalihydrat zusannnen gebracht worden, bald auf das Stärkste sich bräunt und kaum ist nöthig beizufügen , dass um ein mit Salzsäure benetztes und in das gleiche Gel'äss eingeführtes Glasstäbchen die bekannten Nebel entstehen. NO3 ist in dieser Flüssigkeil nicht enthalten, wie ich auch kein solches in der Verbrennung.sglocke entdecken konnte, woraus wahrscheinlich wird, dass dasselbe unmittelbar nach seiner Entstehung entweder durch das verbrennende Me- tall oder die dadurch entstehende arsenichte Säure o.xidirt werde, womit die Bildung der kleinen Menge Arsensäure zusammen- hängen dürfte, welche sich in der besprochenen Flüssigkeit vorfindet.

Selbst die Verbrennung des Schwefels scheint keine Aus- nahme von der Regel zu machen; denn ich finde in dem Wasser, über welchem dieser Körper in atmosphärischer Luft verbrannt worden, ausser SO^ und kleinen Mengen von SO3 immer, wenn auch schwache doch noch nachweisbare Spuren von Ammoniak, wie ich Letzteres gleichfalls in aller englischen Schwefelsäure angetroffen, welche ich bis jetzt noch untersucht habe.

Wenn nun obige Thatsachen zeigen, dass bei der Ver- brennung Kehr verschiedenartiger Materien in feuchter almosphä-

Schönbein : Erzeuyunff des .salpetricliten Ammoniakes. 55

rischer Luft salpelrichtsiuires Ainnioniak sich erzeugt, so wird wohl (he Annahii»o gestattet sein, dass bei jeder, in solcher Luft staltfindenden Verbrennung dieses Salz entstehe, wenn auch in manchen Fidlen aus Nehengründen nur die Basis desselben er- halten wird.

Da aus den voranstehenden Angaben erhellt, dass das Anunoniaknitrit schon unter dem alleinigen Einflüsse der Witrme aus Wasser und atmosphärischer Lull gebildet werden kann, so halte ich dafür, dass die Verbrennung eines Körpers nur insofern die Erzeugung dieses Salzes verursacht, als dabei ^^'iirme ent- bunden wird und der V'organg der Oxidation an und für sich mit der Nitrilbildung m'chts zu thun habe. Es geht somit meine Annahme im Allgemeinen dahin, dass da immer salpetrichtsaures Ammoniak entstehe, wo ein mit Wasserdampf und atmosphäri- scher Luft giifüUter Raum auf irgend eine Weise gehörig er- hitzt ist.

Von dieser Annahme ausgehend ist desshalb auch das Vor- kommen von Sainnak in vulkanischer Nachbarschaft für mich eine leicht erkliirliche Thatsaehe. Dass sich an manchen Stellen des Vesuvs salzsaures Gas entbinde, hat neulich Herr Deville wieder beobachtet, wie auch das Vorkommen von Salmiak an dortigen Oerllichkeiten, wo das Ammoniak dieses Salzes un- möglich von stickstolThaltigen organischen Materien herrühren konnte. Nacii meinem Dafürhalten wird das zur Erzeugung solchen Salmiakes nöthige Ammoniak aus dem salpetrichtsauren Anunoniak hcrgenommon, welches unter Mitwirkung der vulka- nischen Warme aus Wasser und Luft gerade so sich erzeufft, wie diess in einem Plalintiegel geschieht, in welchem bei ge- höriger Temperatur Wasser verdampft wird. Trelfen nun solche inlrithaltige Dämpfe mit salzsaurem Gas zusammen, so muss selbslverstiindlich Salmiak entstehen.

Noch will ich bcmc^rken, dass ich Gründe zu der Annahme habe, dass auch beim Durchschlagen electrischer Funken oder des Blitzes durch feuchte almospharische Luft kleine Mengen salpetrichtsauren Ammoniakes entstehen, nicht in Folge der

Sitzunif der tmith.- jtlii/s. Classe vom 10. Mai 1869.

electrischen Enlladuiiff als Sülclior, tjoiidern der Wiinne halber, welche bei diesem Vorgang entwickelt wird.

Zum Schlüsse nur noch einige Worte über die Bedeutung der besprochenen Nitrilbildnng. Dass damit der nie fehlende Gehalt der atmosphärischen Luft an salpetricht- und salpeter- saurem Annnonialv eng zusannnenhangl, springt in die Augen und wenn nach der Annahme der Chemiker der SlickstolF dieser Salze von den Pflanzen aufgenommen wird, so ist die in Rede stehende Bildungsweise des Ammoniaknilrites für die Vegetation von nicht geringer Wichtigkeit.

Möglicher Weise kann diese Nitriterzeugung früher oder später auch eine praktische Bedeutung erlangen , dadurch näm- lich, dass sie zu einer wohlfeilem Darstellung salpetersaurer Salze im Grossen führte. Wie dem aber auch sein möge, jeden- falls bietet die neu aufgefundene Thatsache ein nicht geringes theoretisches Interesse dar, indem sie zeigt, dass der Stickstoff nicht der indifferente Körper ist, lür welchen man ihn so lange gehalten. Freilich haben schon die schönen Arbeiten Wöhlers uns von dieser irrthümlichen Ansicht befreit und den thatsäch- lichen Beweis geliefert, dass dieses anscheinend so träge Element unter geeigneten Umständen auf unjiiittelbare Weise mit andern Stoffen vergesellschaftet werden kann.

Herr Pettenkofer trug vor:

,,Ueber die Bestimmung des Wassers bei der Respiration und Perspiration.''

In den Abhandlungen der malh.-phys. Classe der k. bayer. Akademie diT Wissenschaften Bd. IX Abth. II habe ich den Respirationsappar.it lieschrieben, welchen die Munificenz Sr. Majestät des Königs Ma.v II im physiologischen Institute dahier

Pettenkofer : Bestimmung d. Wassers h. d. Respiration etc. 57

errichten liess, und habe auch nachgewiesen, bis zu welchem Grado der Genauigkeit di(^ Bestinunungen der Kohlensäure gehen. Gemeinschaftlich mit Hrn. Professor Dr. Voil habe ich im vorigen Jahre eine Reihe von Bestimmungen der Kohlensäure ausgelührt. welche ein grosser Hofhund bei verschiedener Nah- rung während 24 Stunden in demselben durch Lunge und Haut ausschied, dabei aber das Wasser vorläufig nicht berücksichtigt. So interessant und werthvoll die erhaltenen Resultate auch sind, so lassen sie doch über manchen Punkt in Zweifel, es zeigte sich, wie wünschenswerlh es wäre, auch die Mengen Sauerstoff selbst nur annähernd - zu kennen, welche während der Dauer eines Versuches in den Kreislauf eintreten.

Gleichwie man bei der Verbrennung eines organischen Kör- pers mit Kupferoxyd oder chromsaurem Bleioxyd aus dem Ge- wichte der verbrennlichen Substanz und ihrer Verbrennungs- produkte (Kohlensäure, Wasser und wenn die Substanz stickslofThallig ist -- auch StickstofT) erfährt, wie viel Sauer- stoff dem Ku[)f('roxyd bei der Verbrennung entzogen word(!n ist, so kann man auf ganz analoge Weise erfahren, wie viel Sauer- stoff in den Körper eines Menschen oder Thieres aus der Luft eintritt, während Kohlensäure und Wasser ausgeschieden wird. Da aus Versuchen, welche die Herren Professoren Bisch off und Voit theils schon vcirölfcuitlicht haben, theils Letzterer na- mentlich noch verötlentlichen wird, hervorgeht, dass man zur Annahme einer merklichen Ausscheidung von Stickstoff aus den stickstoffhaltigen Bestandtheilen des Körpers durch Haut und Lungen keinen Grund hat, indem sännntlicher in der Nahrung gegossene Stickstoff selbst bei monatelang fortgesetzten Beob- achtungen in Harn und Koth wieder erscheint, hat man es in der Luft des Respirations-Apparates wesentlich nur mit Kohlen- säure und Wasser, zeitweise vielleicht auch mit geringen Men- gen Wasserstoff und Grubengas zu thun, wie schon Regnaul t und Reiset in einigen ihrer Versuche beobachtet haben. Wasser- stoff und Grubengas sind durch Verbrennung leicht zu bestim- men, wie ich mich bereits überzeugt habe und bei einer andern

58 Sitzung der tiiath. - pht/s. Classe vom 10. Mai 1869.

Gelegenlieil mitlheiloii werde Für heute erlaube ich mir die Aufinerksainkeit der Classe nur für die Bestimmung des Wassers in Anspruch zu nehmen.

In ganz ähnlicher Weise wie hei der Bestimmung der Kohlensiinre wurden Controlversuche gemacht, um den Grad der Genauigkeit und Sicherheit der Resultate bemessen zu können. Das Wasser wurde im Apparate theils durch Verbrennung von Weingeist von bekannter Zusammensetzung, theils durch Ver- dunsten von Wasser entwickelt, welches in einem Gefässe über einer kleinen WiMnjreistflamme erwärmt wurde. Zu andern Ver- suchen dienten Stearinkerzen von bekanntem KohlenstolF- und Wasserstoffgehalte. Man sieht ein, wie leicht sich aus dem ver- brannten Weingeist und aus dem verdunsteten Wasser die in die Luft der Respirationskannner übergeführte Wassermenge finden lässt. Eine Untersuchung des Wassergehaltes der ein- strömenden, und eine gleiche Untersuchung des Wassergehaltes der abströmenden Luft musste den Zuwachs durch Verbrennung und Verdunstung im Luflstrome, der durch die grosse Gasuhr geht, und im Rückstande der Kammer gerade so wie bei der Koiileiisaure ergeben, vorausgesetzt, dass sich in der Kammer kein Wasser condensirt, und dass der zur Untersuchung ge- nommenen Luft, dem nämlichen Bruchlheile vom ganzen Strome, wie er zur Bestimmung der Kohlensäure dient, das Wasser so vollständig entzogen werden kann , dass die Differenz nn't der n()thigen Schärfe gefunden werden kann.

Die erste Voraussf^tzung erfordert, dass die in den Apparat einströmende Luft nie bis zu dem Grade mit Wasser gesättigt sei, dass die in der Kammer hinzukommende Wassermenge darin nicht mehr dunstförmig (gasförmig) bleiben könnte, was man an den (ilasfenstern der Kammer sofort wahrnehmen würde. Diese Bedingung ist fast zu allen Jahreszeiten leicht einzuhalten , wi- drigenfalls man sich nach einem Vorschlage Henneberg's mit absorbirenden Mitleln hilll, die man in die Kammer bringt und vor und nach dem Versuch wägt. Ferner ist aber auch erfor- derlich , dass in der Kammer sich keine hygroskopischen Sub-

Pettenkofer : Besthnmtniifd. Waisers h. d. Respiration etc. 59

stanzen befinden, welche Wasser absorbiren, und vor und nach dem Versuche nicht gewogen werden könnl(m. Der hölzerne Fussboden, der den ßlechboden der Kammer bedeckt, verur- sachte Anfangs sehr merkliche Felder, bis er mit Leinöl ge- tränkt, gofirnissl und zuletzt noch mit Wachslcinwand überdeckt wurde. Bei einer sehr bolriichtlichen Wasserverdunstung wirkt selbst der Oelaiistrich des Bleches im Innern der Kammer etwas hygroskopisch , doch beträgt der Fehler bei einem 24 Stunden dauernden Versuche im ungünsligfsten Falle etwa IV.. Procent. Bei kürzer diiuernden Versuchen ist dieser Fehler n.ilürlich grösser, kann aber durch Confrolversuche gefunden und in Rech- nung gezogen werd(Mi.

Bei Entwicklung kleiner Wassermengen tritt dieser Fehler sehr in den Hintergrund und kann bei einem 24 stündigen Ver- suche ganz vernachlässiget werden.

Um einem l.uftstrome das- Wasser vollständig zu entziehen, ist das Chhircalcium allein nicht ausreichend. Ich habe Chlor- calcium und Schwefelsänrehydrat combinirt. Ein Chlorcidcinm- rohr nahm die grösste Menge d(>s Wassers aus der Luft hin- weg, die letzten Reste ein Rohr mit iJcliwefelsäurehydrat und Bimsstein gefüllt. Der Gebranch des Chlorcalciums hat einige Uebelstände, die mich veraidasslen, es ganz durch SO 3, HO zu ersetzen. Um eine hinreichende Menge Schwefelsäure auf- zunehmen, habe ich den Licbig'schen Kugelapparal dahin ab- geändert, dass ich fünf durch kurze Röhren verbundene Kugeln im Kreis in eine Ebene legte, welche halb gefüllt etwa 45 50 Grammen Schwefelsäure fassen. Der Eintritt der Luft erfolgt durch ein senkrecht absteigendes Rohr, der Austritt ebenso, aber an dem senkrecht aufsteigenden Rohre für den Austritt sind noch 2 Kugeln angeblasen, von denen die oberste mit Asbest locker gelullt ist, um das Fortschleudern kleiner Tröpf- chen Schwefelsäure zu verhindern. Die Abänderung des Licbig'- schen Kugelap[)arates in diese Form war durch die kleinen Ouecksilberpumpen bedungen, welche die Luftproben zur Unter- suchung nehmen. Diese arbeiten nändich selbst nur mit Hilfe

60 Sitzung der math.- phys Clmse vom 10. Mai 1862. " .

einer Fliissigkeils- (Quecksilber-) Säule und können desshalb die hohe Flüssigkeitssaule eines gewöhnlichen Liebig'schen Kugel- appnrales nur niil grosser Einbusse des Effektes ihrer Hubhöhe überwinden, und desshnlb war ich bestrebt, den Widerstand im Kugelapparate auf das geringste Maass zu reduciren. Dieser Apparat ninnnl das Wasser aus mehr als 150 Litern Luft, die binnen 24 Stunden durchgehen, so vollständig weg, dass im darauf- folgenden mit Bimsstein und Schwefelsäure gefüllten Rohr stets nur mehr ein paar Milligramme aufgenommen werden , während bei Anwenduiiff von Chlorcalcium das Rohr stets mehr als 100 Milligramme zunahm.

Um den Grad der Uebereinstimmung zwischen Versuch und Rechnung bei der Wasserbestimmung und den Einfluss der hygroskopischen Eigenschaft der Kannner zu veranschaulichen, Iheile ich die 3 folgenden Versuche mit :

I

17. Februar 18()2.

In 8 Stunden verbrannten 122,9 Grm. Weingeist (=108,1 C, Hfi Oj und 14,8 HO) und verdunsteten aus der über der Flamme stehenden Schaale 398,3 Grm. Wasser, was zusammen 540 Grammen Wasser entspricht.

1000 Liter einströmende Luft hatten 5,1351 Grm. Wasser 1000 ,, abströmende ,, 7,8356 ,,

Die durchgeströmte Luft betrug 174426 Liter, ihre mittlere Temp. 16" C.

Es wurde gefunden im Strome 471,0 rückständig in der Kammer 34,8

505,8 Grm. Wasser. Nimmt man diesen Felder von 6,4 °/o als Folge einer Wassercondensation, einer Ausgleichung zwischen dem erhöhten Wassergehalte der Luft uiul der hygroskopischen Eigenschaft der KanniMMwände, so muss der Fehler mit der Zeitdauer des Versuches inuner kleiner werden, und würde

Pettenkofer: nestiinmxiny d. Was.sers b. d. Respiration et<\ ^\

nach 12 Slunden 4.3 24 2,2 7o beiragen.

II

19. Februar 1S()2.

In 12 Stundon verbrannten 181,8 Weingeist ( = 159,9 C^HcOj und 21,9 HO) und verdunsteten .'34(),5 Grni. Wasser, was zusammen 756,1 Grin. Wasser entspriclit. 1000 Liter der abströmenden Luft hatten 5,6077 Grm. Wasser

bei 16,5" C. 1000 Liier der abströmenden Luft halten 8,2402 Grm. Wasser

bei 16,5° C. Die durchgeströmte Luit betrug 264519 Liter.

Es wurden gefunden im Strome 696,3 rückstandig in der Kammer 33,1

729,4 Grm. Wasser.

Fehler 2,6 V,, minus.

ill.

21. Februar 18G2.

In 24 Stunden verl)rannten 250,4 Weingeist ( = 220,3 C, HoOj und 30,1 HO) und verdunsteten 1134,3 Grm. Wasser, was zusanunen 1423,0 Gm». Wasser entspricht. 1000 Liter der einströmenden Luft hatten 6,3847 Grm. Wasser

bei 17,9*» C. 1000 Liter der abströmenden Luft hallen 8,9456 Grm. Wasser

bei 17,9" C. Die durchgeströmte Luft betrug 536402 Liter.

Es wurden gefunden im Strome 1373,7 rückstandig in der Kammer 32,0

1405,7 Grm. Wasser. Fehler 1,5 % minus.

62 Siizunif der math.-phys. Ctasse vom 10. Mai 1868.

Aus dieser Reihe von Versuchen sieht man ganz deuthch, wie die Genauigkeit der Wasserbestimmung mit der Zeitdauer des V'crsuches zunimmt. Im ersten Versuche fehlen 34 Grm., im zweiten 27, im dritten 29 Grm. Wasser, es wurde mithin ziemhch gleich viel bei jedem Versuche zur Ausgleichung der hygroskopischen Eigenschaft der Kammer aufgewendet. Wäre weniger Wasser in die Luft der Kammer gebracht worden , so liätten die Wände auch weniger absorbirt. denn die hygrosko- pische Eigenschaft der Körper wächst und ninnnt ab mit dem Wassergehalt der Luft. Wenn die Temperatur und damit der WasseroeJiidl der einströmenden äusseren Luft in der wärmeren Jahreszeit steigt, nimmt dieser Fehler gleichfalls ab, weil zu dieser Zeit der Oelanstrich der Blech wände der Kammer mit der ohnehin feuchteren Luft schon vor Beginn des Versuches sich mehr in einem hygroskopischen Gleichgewichte befindet, geradeso wie unsere Holzmöbel im Sommer viel weniger arbeiten und sich werfen, als im Winter.

Um zu zeigen bis zu welcher Genauigkeit der Sauerstoff gefunden wird, den ein in dem Luflstrome d^'S Apparates ver- brennender Körper verbraucht, diene zum Schlüsse noch ein Versuch mit einer Stearinkerze.

IV.

25 April tSO'i. In 8 Stunden verbrannten 93.7 Grm. Stearin, welche nach der Elementaranalyse 263,2 Grm. Kohlensäure und 106,5 Grm. Wasser erzeugen und aus der Luft 276,0 Grm. Sauerstoff auf- nehmen sollten. 1000 Liter der einströmenden Luft enthielten 0,6751 Grm.

Kohlensäure und 7,7282 Grm. Wasser, 1000 Liter der abströmenden Luft enthielten 3,8061 Grm.

Kohlensäure und 9,0691 Grm. Wasser. Die durchgeströmte Luft betrug 70091 Liter bei 17,5° C. Es war nahezu die geringste Ventilation angewendet, welche der Apparat gestattet.

Vettenkofer: Bentimmung d. Wassers b.d.Bespivation etc. 63

Es wurden gefunden im Strome

219,5 Grm. Kuhleiisäure und 93,9 Gim. Wasser lückstiiiulig- in der Kammer 45.2 16,5

264,7 Grm. Kohlensaure und 1 10,4 Grm. Wasser.

Die gefundtme Kohlensäure und das gefundene Wasser wieoen um 281,4 Grm. mehr, als das verbrannte Stearin, was als Sauerstoff aus der Luft in Rechnung kommt. Nach der Klemenlaranalyse wären zur Verbrennung von 93,7 Grm Stearin, 276,0 Grm. Sauerstoff aus der Luft noihwcndig , die gefundene Zahl für den Sauerstoff übersteigt sonnt dii; aus der Elementar- analyse berechnete um 1,9 "/„ bei einem Sslündigen Versuche; bei einem 24 stündioen Versuche hätte sich diese Differenz sicher bis auf eine versciiwindend kleine Grösse ausgeglichen, wie die drei vorhersehenden Versuche beweisen.

Nach dieser M(!thode bestimmen Prof. Dr. Voit und ich eben in längeren Versuchsreihen am Hunde die täglich ausge- schiedene Menge Kohlensäure und Wasser und die aufgenom- mene Menge Sauerstoff im steten Zusanunenhalle mit der (|uan- titaliv und qualitativ wechselnden Nahrung. Ich hoffe der Classe noch vor Ablauf dieses Jahres einige Resultate vorlegen zu können.

Historische Classe.

Sitziiiij^ vom 17. Mai IS(]2.

Herr Föringer trug vor „Ueber die Annaies AI tahenses.''

Sitzungsberichte

der

köni":I. haver. Akademie der Wissenschaften.

Philosophisch - philologische Classe.

Sitzung vom 14, Juni 1862.

Horr Streber gab einen

„Beilrag zur Geschichte der griechischen S lenipelschneidekunst."

Diese Abhandhnig wird in den Denksclirilten erscheinen.

ll86^ n.j

ß^ Sitzung der math.-phys. Classe vom 14. Juni 1862.

Mathemalisch - physikalische Ciasso.

Sitzung vom 14. Juni 18G2.

Horr Lamont übersandte zwei Aufsätze:

a) ,,Ueber die zehnjährige Periode in der täg- lichen Bewegung der Magnetnadel, und die Beziehung des Erdmagnetismus zu den Sonnen flecken."

Da nun ein Decennium verflossen ist, seitdem ich das Vor- handensein einer zehnjährigen Periode in der täglichen Bewe- gung der Magnetnadel zum erstenmale nachgewiesen habe, so dürfte es angemessen erscheinen das in diesem Zeiträume ge- wonnene neue Material mit dem früheren zu vereinigen und die Frage zu erörtern, in wie ferne dadurch d{>r früher aufgestellte Satz bestätiget oder modificirt werde. Ehe ich indessen auf den Gegenstand selbst eingehe, halte ich es für zweckmässig an einige geschichtliche Data zu erinnern, um so mehr als Miss- verständnisse dessfalls stattgefunden zu haben scheinen.

Das Vorhandensein einer periodischen Zu- und Abnahme in der Grösse der täglichen Bewegung kündigte ich bereits im Jahre 1845 mit folgenden Worten an^: ,.Die Grösse der täg- lichen Bewegung ist in den verschiedenen Jahren nicht gleich. Die mittlere Differenz zwischen 8'' MorgcMis und 1 '' Nachmittag war nach den Göllinger Beobachtungen

1834-35 .... 8. '25 1835— 3G .... 10 04

(1) Dove's Rcpoiloiium der Pli>.sik. Vi! Ril. S. Cll. Man vcrgleiclio ferner: Resullale de.s niagneti.sclien Oh.sei vatm iuni.s in Rliinclien IHU, 18ii. ]«'ir> Ai)liaiull. der II. (Masse der liajer. Aead. der Wissenseiiaflen. V. Bd. 1. Abtheil.

Lamont : Tüyliche Beweiiuny der Mai/nein adet. 67

1836-37 .... 12/90

1837 38 .... 12.29

1838-39 .... 12. 16

1839-40 .... 11.05

1840 41 . . . . 9.50

1841-42 .... 8.50

1842-43 .... 7. 55

1843-44 .... 7.63

1844 45 .... 7.41 Die drei letzten Jahre sind aus den Münchcner [Beobach- tungen eroiinzt, unter Voraussetzung dass die tägliche Bewe- gung in Gottingen um '/,no grösser ist als in München. Die periodische Zu- und Abnaliine der nnltleren täglichen Bewegung stellt sich hier sehr deutlich heraus, um aber das Gesetz aufzu- linden , bedürfen wir noch länger fortgesetzter Beobachtuno-en. Dass es sich auf ähnliche Weise mit der Intensität verhalte, er- sehen wir aus Kreil's Beobachtungen in Mailand: die DilFerenz zwischen 10'/.^'' Morg und 7'/?'' Abends (in Zehntaus(Midstel der Intensität au.sgedrückt) war 1837 . . . 18.4, 1838 . . . 15.7; gegenwärtig kann sie , nach den Beobachtungen anderer Orte zu schliessen, kaum mehr als 9.0 betragen.'''

Der Satz, diiss die täjxliche Bewegung der inaiiiielischen Element(! an Grosse periodisch zu- und abnehme;, ist hier unter Hinweisung auf eine Zahlenreihe, die zwei Wendepunkte um- fassl, mit aller BestinniilluMt und Präcision ausgesprochen: die Länge der Periode konnte mit Sicherheil nicht daraus entnommen werilcn. Ich wartete des.shalb den dritten Wendepunkt ab, un<l als in den Jahren 1850 uml 1851 b(Meits eine entschie- dene Abnahme der Bewegung eingetreten war, stc^llte ich die eigenen Beobachtungen mit d(Mi vorhandenen älteren Bestim- mungen zusammen und leitete; daraus eine Periode von 10 Vs Jahren ab. Zu Hnd(! des Jahres 1851 erschien die darauf be- zügliche Abhandlung ''. Um diese; Zeil beschäftigte sich Herr

(-2) l'ügj;. Ann. LXXXIV. S. 57.2.

5*

68 Sitzung der inath.-plnis. Vlasse vorn 14. Juni 1S62.

Sabine mit einer Untersuclunig inid Ziisaminensteliiing der De- clinationsstörungen in Toronto und Hobarlon für die fünl" Jahre 1843 1848 und bemerkte, dass während dieses Zeilraumes von Jahr zu Jahr die Grösse sowolil als die Häufigkeit der Störunijen zunahm. Zur Annahme einer periodischen Aen- deruno- boten übrigens diese wenigen Jahre gar keine Grund- lage dar, wohl aber konnte durch Yergioichung derselben mit der von mir nachgewiesenen Perioile in der Grösse der täglichen Bewegung eine Uebcreinstimmnng wahrgenommen werden, in so ferne als auch in den von mir angegebenen Zahlen von 1843 bis 1848 eine fortwährende Zunahme sich zeigte, und der Schluss, dass in beiden Fällen die gleiche Periode stattfinden müsse, bot sich um so natürlicher dar, da Herr Sabine schon nachgewiesen hatte, dass zwischen der regelmässigen Bewegung und den Störungen ein enger Zusammenhang bestehe. Hr. Sabine ging aber noch weiter. Da wir, sagt er, die Sonne als Grundursache anzusehen haben bei allen Vorgängen, welche von der Tageszeit abhängen, so erscheint es angemessen, so oft wir an einem Vorgange dieser Art eine periodische oder nicht periodische Aenderung bemerken, bei der Sonne zu untersuchen ob sie nichts Analoges darbiete. Im gegenwärtigen Falle trelfen wir in der That etwas Analoges an, indem die so beharrlich und conseqiient forlgeführlen Beobachlnngen des Hrn. Schwabe nachgewiesen haben, dass die Zahl der Sonncnflecke allmählich zu - und wieder abininmt mit einer Periode von ungefähr zehn Jahren, und der blosse Anblick der Zahlen eine Uebereinslim- mung beider Phänomene nachweist.

Die Abhandlung des Hrn. Sabine wurde am 18. März 1852 der könioiichen Socieiät in London voroelefft': ehe sie jedoch zu allgemeiner Kenntniss gelangte, war auch auf dem Continente

{'.]) Pniddical laws iliscnvorahio in llic incan ('(Tccts of tlic tarier niagiiflic (lisliirbiiiK CS, by (,'«»1. Kd«. Sabine K. A. (Rfceivcd Blarcli 18 - Kead Ma^ Ü. JS.V2). Phil. Trans. Pari I. iSäl p. J'.'7.

LatHont: Tüylivhe Beiveytiuff der Maynetnadel. 69

von Herrn Wolf * in Cern nnd KcMrn Gautier ^ in Genf die Ucber- einslinniHiiig der Sonnonllcckcn - Periode mit den von mir be- kannt o-emaclit(>n periodischen Aenderungen des KrdiniijTiietismus bemerkt worden : beide veröfTenllichlen ihre Untersuchungen darüber im Herbste 1852.

Nach (h'eser liistorischen Uebersiclil konnnc ich lum zu der Darieüuno- des neuen i\Iaterials, welclies der seit 1851 ver- flossene Zeitraum oelieferl bat, wol)ei ich nur die Decbnation berücksichligen will, da die zehnjährige Periode an allen Ele- menten in «leicher Weise sich äussert.

Soll die Grösse der täglichen Bewegung der Declination durch RelalivzablcMi , was hier genügt, ausgedrückt werden, so kann diess auf verschiedene \^'eise geschehen. Ich habe früher den Untersdw'ed zwischen 8 Uhr Morgens und 1 Uhr Mittags genonnnen , da indessen der Einfluss der Störungen immerhin nicht unbet:ächllicli ist, so will ich jetzt die Berechnung so ein- richten dass zwei Bestimmungen stets vereinigt werden, und zwar im Sonnner die Unterschiede zwisclum 7 Uhr Morgens und 1 Uhr Mittaas, dann zwischen 8 Uhr Morgens und 2 Uhr Nachmittags: im WintiT dagegen die Unterschiede zwischen 8 Uhr Morgens und 1 Uhr Mittags, dann zwischen 8 Uhr Mor- gens und 2 Uhr Nachmittags Als Sommer nehme ich die Mo- nate April September inclus., und als Winter (\'\g Monate Januar, Februar, März, Octobcr, November, December desselben Jahres, so dass jede Bestimmung der Mitte des Jahres ent- spricht. Streng genommen sollte man desshalb neben den be- obachteten Bewegungen nicht 1841, 1842 . ., wie es stets bisher geschehen ist, sondern 1841,5, 1842,5 . . . schreiben, indessen will ich , damit die neuen Data an die früheren sich anschliessen, den bisherigen Gebrauch beibehalten utul nur er-

(4) Miltlu'il der Bcriu-r iialml'. (Jcseiistliaft. Nr. 245. Comptcs rciicliis 13. Sept. 185'.>. Astr. Nadir. Nr. 8'iO.

(5) Bil)!iotli^(|iie Uiiivorsellc. Juillet et Aoüt 183'2.

70

Sit%ung der math.-phi/s. Classe vom 14. Juni 186$.

innern , dass um die wahren Zeilepocheu zu erhalten, überall zu den Jahreszahlen 0,5 hlnznzufügen ist. Die ganze jetzt vor- liegende Reihe der Münchener Beobachtungen nach diesen Grund- sätzen behandelt, gibt folgende Relativzahlen:

Jalir

Winter

Soni liier

Jaliresniitlol

1841

1 5 07

10.65

7.86

1842

4 66

8.90

6.78

1843

4.49

9.23

686

1844

4.08

8.60

634

1845

4.65

10.13

7.39

184G

6 00

11 23

8.61

1847

6 90

11.87

9 38

1848

8 01

14.40

11.20

1849

8.06

13.22

10.64

1850

7.53

13.31

10.42

1851

6.03

1140

8.71

1852

6.46

11.53

9.00

1853

5.77

11.50

8.63

1854

4 65

10 48

756

1855

501

966

7.33

1856

4.67

9.48

7.08

1857

5.13

1015

7.64

1858

6,91

11.76

9.33

1859

8.37

13.97

11.17

1860

7.67

14.20

10.93

1861

7.15

12.95

10 05

Mittelst graphischer Entwürfe habe ich hieraus die Wende- punkte abzuleiten gesucht und erhalte folgende Bestimmungen :

1843,0 Minimum, 1848,8 Maximum, 1855,0 Mininuun, 1859,5 Ma.ximum.

Lamont: Tägliche Bewegung der Magnetnadel. 7t

Zu der ohiffon Reihe kommen noch die von mir aus früh- eren Bcohachlungcn abgeleiteten Wendepunkte, nändich 1786,5 Maximum, Paris Cassini, 1817,0 Maxinuuu, Bushy-Heath Beaufoy, 1837,5 Maximum, Göllingen Gauss.

Leitet man aus dem Maximum von Cassini, welches nach allen Umständen als sehr zuverlässig zu betrachten ist, und dem Maxinunn von 1859,5 die Länge der Periode ab, so ergibt sich

J^ = 10,43 Jahre,

nur um '/,„ Jahr von meiner ersten Bestimmung abweichend*.

Die sänimtlichen beobachteten Maxima geben als mittlere Epoche

1827,8, und geht man von dieser Grundzahl aus, so erhiill man fol- gende Zusanuncnstellung der berechneten und beobachteten Wendepunkte

bcreclinet

beobachtet

Differenz

1786,1

1786,5

- 0,4

1817,4

1817,0

+ 0,4

1838,2

1837,5

+ 0,7

1843,4

1843,0

+ 0,4

(6) Hr. >Tolf liat in seinen znlilreielien Pnhiieationen eine Periode von 11.11 Jahren ans der Hänliffkeit der Sonnendeeke abjjeleitet und behanptet, indem er das Maxiniiun von (Cassini ohne irj^end einen Grund anzuflehen bei Seile selzt, dass .seine Periode besser als die von mir anjjef^cbene auch die niafjnetisihen Vaiiationen darstelle. Es ist jedoch hiehei nicht zu iihcrsclien dass die Periode des Hrn. Wolf nur durch eine willkührliclie Krjjänzunj; fraj^nicntaristhcr Beohaehtunfijen der vori- gen zwei Jahrliuiiderle bestimmt «urde. und dass dieselben Beobachtun- gen in anderer V>'eise und mit derselben Freiheit ergänzt an die von mir bestimmte Periode sich gleich gut anschliessen würden.

72 Sitiung der inath.-phys. Classe vom 14. Juni 1862.

bcrcclmot

beobachtet

DifTercnz

1848,7

1848,8

- 0,1

1853,9

1855,0

- 1,1

1859,1

1859,5

-0,4

Es hätte keine Schwierigkeit diese schon ziemlich kleinen Differenzen durch eine verschiedene Behandlung der Beobach- tungen selbst noch weiter auszugleichen , jedoch wiire ein w e- sentlicher Erfolg dabei nicht zu erlangen. Die genauesten Methoden des Calculs anzuwenden , wo die Grundlagen auf Bruchlheile des Jahres als unsicher erscheinen, würde bloss als eine Rechnungsübung zu betrachten sein.

Das Endresultat, zu welchem wir durch Beiziehung der neuesten Beobachtungsdata gelangen , besteht also einfach darin dass wir eine Bestätigung des von mir im Jalu'(; 1851 aufge- stellten Satzes erhalten : zuoleich liisst sich aus einer einfachen Vergleichung der gegebenen Zahlen leicht ersehen, dass es keine zulässige Combination derselben geben kann, wodurch die Dauer der Periode um mehr als ein paar Zehntel Jahre verändert würde.

Ich komme jetzt zu dem letzten Punkte, der hier bespro- chen Averden soll, nämlich zu dem Zusammenhange der magne- tischen Bewegungen mit den Sonnenflecken.

Zunächst wäre die Thatsache selbst zu constatiren Es ist kein Zweifel dass, wenn man die Tabelle, worin Hr. Schwabe die jährliche Anzahl von Sonnenflecken zusamniengestellt hat, den oben von mir nnigelheilten jährlichen Relalivzahlen für die Grösse der Declinalionsbewegung gegenüberhält, eine allgemeine Aehnlichkeit sich darstellt, indem den Perioden, wo die Zahl der Sonnenflecken gering war, auch eine geringere, und den Perioden, wo die Zahl der Sonnenflecken gross war, eine grössere magnetische Bewegung entspricht : von; einer genauen Uebereinstimn)ung kann dagegen keine Rede sein, auch dann nicht wenn man anstatt der ursprünglichen Zahlen Schwabe's die nach hypothetischen Voraussetzungen abgeleiteten Relativ- zahlen des Hrn. Wolf einführt. Zum Beweis hiefür wollen wir einige Jahre herausheben.

Lamoni : Tät/luhe Deweijung der Mof/netnadel. 73

Zahl der Flocken- R,,,ti,,,,,, .„nsnetische Jahr -nippen nach ,,^^.,^ ^^,^„. BiMvcguiiK

1849 238 95,6 10.04

1850 186 63,0 10,42

1851 151 61,9 8,71 Während von 1849 auf 1850 die Abnalinie bei den Sonnen- flecken sehr l)ed(Mitend ist, vermindert sich die magnetische Be- wegnng nur um 0,2, wogegen von 1850 auf 1851 die Ahnahme bei den Sonnenflecken ganz utd)edeutcnd war, und die magne- tische Beweirunor um l',7 kleiner wurde. Hr. Wolf hat in der N'orausselzung einer slrenge?i Proporlionalilät zwischen der Zahl der Soniienflecken und dem Excess der magnetischen Bewe- gung — d. h. der Grösse um welche die magnetische; Dcrlina- tionsb(?wegung sich über ihren niedrigsten Stand 6',27 erhebt aus den Sonnenflecken die mag-nelischen Variationen berechnet und findet folgende Zahlen , deren Abweichung von der Beob- achtung ich beifüge

herecliiicter Excess Abweichuniij Jaiir der inairnelischen von der

Beweguni^

Beoljaclituns:;;

1851 3,16

+ 0,72

1852 2.67

0,06

1853 1,93

- 0,43

1854 0,97

- 0,32

1855 0,35

0,71

1856 0,21

0,60

1857 1,11

0,27

1858 2,60

+ 0.46

1859 4,92

4- 0.02

1860 5,03

4- 0.37

:^ht dass die Abweichungen

mehi

als V^ der ganzen

•agen. Gc^ht man aber uu;

hr

in

(las Detail ein, so

Periode beiragen, treten aufTallende Diflerenzeu hervor. Ein Beispiel wird hin- reichen um dieses nachzuweisen. Im Sommerhalbjahr 1860 erhält man

74 Sitiuny der math.-phys. Classe vom 14. Juni 1862.

Excess

der ma^ne-

Relativzahl der

tischei

1 Bewegung

,Soniieiinecken

April

5,04

73,1

Mai

4,74

111,5

Juni

5,78

114,1

Juli

4,81

120,0

August

5,83

95,8

September

3,64

95,6

Nimmt man den Monat April als Grundlage für die Rech- nung au, so sollte die Sonnenfleckenzahl im Juli 69,8 und im September 52,7 betragen , während die Beobachtung in beiden Monaten fast das doppelte gab.

Das jedenfalls merkwürdige Zusammentreffen der Maxima und Minima bei den magnetischen Bewegungen und den Sonnen- flecken kann hiernach als ein eigentlicher Causal -Nexus nicht erkannt werden, vielmehr dürfte ein ganz anderes Verhiiltniss bestehen , zu dessen Erläuterung ich folgendes Beispiel aus der Meteorologie entnehmen will.

Wer die von mir für München aus den Beobachtungen der Jahre 1843 1856 abgeleiteten Tabellen' der Temperatur und des Wolkenzuges vergleichen will, wird bemerken, dass die Zu- und Abnahme der Lutlwärme eine auffallende Uebereinstimmung mit der Häufigkeit des westlichen Wolkenzuges zeigt: beide Er- scheinungen haben ihre Wendepunkte im Januar und Juli, und auch die Progression ist bei beiden dieselbe. Niemand wird aber sagen, dass die Temperatur den Wolkenzug oder der Wolkenzug die Temperatur hervorbringe, sondern beide sind

(7) Monatiiclie und jäliilirlie Resultate der an der k. Sternwarte bei Minulien von 1825 1856 angestellten nieteorologiselien Be()l)acli- tungen 111. Suppl.-Hd. zu den Ann. der Sternw. Re.sultate ans den an der k. Sternwarte veranstalteten meteorologiselien üntersuclmngen nebst An- deutungen über den Einilus.s de.s Klima von Münehcn u. s. w. Abhandl. der Acad. d. Wissensch. Bd. 8.

l.ainont : Täyiivhe Bexreyiing der Miuineinadel. 75

(Iiir(;li eine höhere Ursache die erwiirmeiulc Kraft der Sonne bediiifri, während jede Erscheinung für sich durch eig-enthniidiche Nebeiiursachen und Ziifiillinküiten modificirt wird. Durch ein ühnliches Verhiillniss wür(U) die beohachtcto Uebereinstimniuno- der uiao-netischen Bewegungen und der Sonnen- flecken sich erklären lassen; aber welche cosniische Kraft haben wir als diejenige zu bezeichnen, wodurch die Grösse der mag- netischen Variationen und die Häufigkeit der Sonnenfleckcn er- zeugt wird? Hr. Sabine, welcher in der bereits oben angege- benen Weise sehr rationell die Möolichkeil eines Zusainnienhanges im Allgemeinen zu begründen suchte, hat es nicht ange- messen orefunden iiul die (^ben erwähnte Fraj^e einznirehen, jedoch kann hier erwähnt w(;rden, dass er bei anderen Unter- suchungen eine dirccle magnetische Einwirkung der Sonne anninnnl. Ich meincstheils habe bei verschiedenen Geleuenheilen auf die Nolhwendiiikeit hincrcnviesen , neben der (iravilalion die Elcclriciläl als eine allen Himnieiskörpern zukoninionde und üb(M'all im Welträume wirkende Krall anzu- nehmen, und zur Unterstützung der Hypothese ausser den Er- scheinungen der Kometen, des Nordlichtes, des Zodiacallichtes auch die üscillation des Barometers angeführt. Ich habe ferner ansjedeutet wie die Electricilät der Sonne als Ursache der täsf- liehen magnetischen Binvegungen und die Sonnenflecken als electrische Ausbrüche betrachtet werden könnten. Hiernach würden zahlreiche Sonnenflecken eine grössere Entwickelung von Electricität anzeigen , und es wäre auf solche Weise ein natürlicher Zusannneidiang zwischen der Anzahl der Sonnen- flecken und den magnetischen Bewegungen hergt!stellt \ Auch Hr. Broun scheint auf einen eiiii(jermaassen ähnlichen Gedatdten- gang geführt wordcMi zu sein, wenn er ihn gleich nicht so weit verfolgt hat : denn er begnügt sich seine Ansicht dahin auszu- sprechen, dass die bisher in Betracht gezogenen Kräfte nicht

(8) Jaliresberitht der Miinchener Sternwarte für 1858. p. 71.

76 Sitzvtiff der tnaih. phys. Classe vom 14. Juni 1862.

ausreichen, und hebt verschiedene Thalsachen hervor, welche die Annahme einer magnetischen oder eleclrischen Kraft zu fordern scheinen'.

Die Unbestimmtheit aller dieser Aeusscrungen in unserer sonst an ausführlichen Hypothesen so fruchtbaren Zeit scheint einen hinreichenden Beweis dafür zu liefern, wie unsicher die jetzt noch vorhandenen Grundlagen sind. In der That steht kaum zu hoffen, dass es der Speculation gelingen wird die Un- tersuchung wesentlich zu fördern, bis durch künftige fortge- setzte Beobachtung neue Anhaltspunkte gewonnen sind. Die nächste Aufgabe geht also dahin, die Beobachtung der Erschei- nuno-en in zweckmässiger und methodischer Weise fortzusetzen und weiter auszudehnen.

b) „Ueber das Verhält niss der magnetischen Intensitäts- und inclinations-Störungen."

Es sind nun 16 Jahre verflossen, seitdem ich als ein eigen- tliündiches Ergebniss der an der k. Sternwarte ausgeführten magnetischen Beobachtungen den Erfahrungs-Satz verkündigte: ,,dass bei jeder Störung der horizontalen Intensität gleich- zeitig eine Störung der Inclination in entgegengesetztem Sinne eintrete, und dass zwischen der Grösse der Ausweichungen ein constantes Verhältniss bestehe, woraus man auf die Quelle dieser Erscheinungen zurückzuschliessen im Stande sei."

Damals hegte ich die Hofl'nung, dass die magnetischen Ob- servatorien, welche man allenthalben mit so vielem Eifer ein- zurichten und zweckmässig auszustatten bemüht war, bald eine vollständige Darstellung der magnetischen Variationen für alle V>('lllheil(' liefern würden, so dass es keine Schwierigkeit hätte, sichere Schlüsse zu ziehen rücksichllich auf den Funkt des Raumes, wo die magnetischen Störungen ihren Ursprung

(9) Rep. Brit. Association Tor 1830. p. 43.

Laniont: Mof/net. Iidensitiits- u. InclinationsStürtivyen. 77

liaben, so wie rücksidillioli auf die Gesetze, nach welchen sie in verschiedenen geographischen Breiten modificirt werden.

Die EntwickeUnig der Institute, wodurch der Erdniauno- tismus ergründet werden sollte, hat aber einen ganz andern Verlauf genommen als man anfangs zu erwarten berechtiget war: die meisten lösten sich auf, nachdem sie einige fragmentarische Bestimmungen geliefert hatten, und die fortbestehenden konnten zu einer vollständigen Organisation nicht gelangen , so dass die Data die man nöthig hiitte, um mit Erfolg eine Untersuchung der gleichzeitigen Variationen der Intensität und Inclinalion in den verschiedenen Weltlheilen zu unternehmen , jetzt noch nir- gends zu finden sind.

Unter diesen Umständen hielt ich es gleichwohl für zweck- mässig, jene Untersuchung neuerdings in Erinnerung zu bringen und bei dieser Gelegenheit die Frage zu erörtern, ob nicht viel- leicht das Verhällin'ss der Intensitäts- und Inclinations-Störungen im Verlaufe der Jahre sich ändere. Eine solche Erör- teruno- hat desshali) besonderes Interesse weil wie ich früher schon nachgewiesen habe die magnetischen Bewegungen einer zehnjährigen Periode unterliegen, und jetzt daran gelegen sein muss zu entscheiden, auf welche Verhältnisse jene Periode sich ausdehnt. Da jedoch die Münchener Beobachtungen gegen- wärticT einen Zeitraum von nudn- als zwanzig Jahren umfassen und somit die Masse des Materials ausserordentlich gross ist, so muss ich mich hier auf eine übersichtliche Darstellung be- schränken.

Kleinere Abweichungen von der regelmässigen Periode kommen alle Tage vor, grössere sind selten: die letzteren bezeichnet man als Störungen und betrachtet sie als eine eigene Classe von Erscheinungen, die einen bestimmten Charakter haben, während die; erstem als zufällig gelten und sonnt in gleiclie Kategorie mit diMi unregelmässigcMi Aenderungen des Luftdruckes und der Temperatur gestellt werden. Dieser An- sicht zufolge pflegt man bei Untersuchung der Störungsgeselze die klein(Men Abweiciumgen bei Seile zu setzen. Wenn aber,

78 Sitzung der tiiath.-phps. Ctasse vom ii. Juni i862.

wie e«? für wahrscheinlich zu halten ist , die kleinen Abwei- chungen den gleichen Ursprung wie die grossen haben und gleichen Gesetzen unterliegen, so erscheint jene Ausscheidung als unbereclitigct. Gleichwohl wird man finden, dass es nothwendijr ist, vorläufig die kleineren Abweichungen unberücksichtiget zu lassen und zwar aus einem Grunde, den man bisher nicht beachtet zu haben scheint.

Wenn man die Abweichungen beslinnnt, so geschieht diess dadurch , dass man von der Beobachtung den täglichen Gang abzieht. Nun ist aber der täghche Gang selbst mehr oder weniger durch die Störungen entstellt, und dieser Umstand hat begreillicherweise bei den kleineren Abweichungen einen grossen Einfluss, während die grossen Abweichungen dadurch nur um einen kleinen Tlieil ihres Betrages geändert werden. Dieser Ansicht gemäss habe ich bei der folgenden Untersuchung be- stiiimile Grenzwerthe angenommen und alle Bewegungen, welche den Grenzwerlh nicht erreichten, weggelassen.

Rücksichllich der zu den Beobachtungen verwendeten In- strumente hebe ich folgende Punkte heraus. Als ich im Jahre 1840'° mit der Untersuchung des Erdmagnetisnuis mich speciell zu befassen anfing, hatte man noch wenige Erfahrungen rücksichllich der Construclion der Instrumente gemaclit, und die Praxis führte mich bald zu der Ucberzeugung , dass die damals zu ziemlich alloemeiner Geltung gekommen(!n Grundsätze verschiedener we- sentlicher Modificalionen bedurften. Bei den Versuchen, die ich anstellte, ging ich von dem Grundsalze aus. dass es nicht hin- reichend sei die theoretischen Bedingungen, welche aus der Physik und Mathematik gefolgert werden können, zu berück- sichtigen , vielmehr die Entscheidung über zweckmässige Con- struction der Instrumente auf practischem Wege erlangt werden müsse. Erst dann kann man überzeugt sein, dass alle

(10) Die ersten ma«<;iieli.selieii Beol)aelitiin£;<'ii an ''•'r Sternwarte mndile ich im J. IS.Tt); sie ln'standeii darin dass idi tiii;li(li um 8 Uhr Morgens und 1 Uhr Nachmittags die Declinatiün bestinunte.

Lamont: Magnet. Jntensitäts- w. JncUnations-Störvvyen. 79

wesentlichen Bedingungen berücksicliliget sind, wenn mehrere Instrumente in demselben Locale aufgestellt, über- einstimmende Resultate liefern. Die Vergleichung meh- rerer Instrumente ist also das wahre Kriterium , nach welchem die Zulässigkeit einer Conslruction zu entscheiden ist.

Indem ich diesen Grundsätzen zufolge zwei oder mehrere Instrumente von gleicher Construction gleichzeitig beobachtete, (ukainite ich zuerst die Nolhwendigkeit den Nadeln kleine Dimensionen zu geben, ich erkannte ferner den Eiiilhiss der durch die äussere Temperatur erzeugten Luftströmungen im Innern der Maonett/elüiuse und die Nothwendiokeit die Nadeln von allen Seiten eng einzuschliessen, die practisch nicht zu besei- tigenden Uebelstände der Bifilar-Suspension, die nachtheilige Wir- kung der Dampfer, welche überdiess bei gehörig eingeschlossenen Nadeln unnöthig sind , und verschiedene andere Bedingungen v(m mehr oder weniger wesentlichem Belange. Es ist begreif- lich dass die Untersuchungen! , welche zu diesen Zweck(Mi aus- geführt werden nuisslen, Zeit erforderten und genaue Bestim- munoen nur nach und nach zu Stande kamen. So konnnt es, dass die Declinalionsbeslinunuiigen im Jahre 1841, di«; Intensi- tiil.sbestimmungen 1842 und die Inclinationsbestinmiungen ISÜi anfangen.

Die Intensitiits- Variationen bestimme ich vermittelst einer Nadel, welche durch einen Deflector aus dem magnetischen Meridian abgelenkt wird, und zwar sind die Magnete des De- llectors mit Temperatur-Compensation versehen. Die Inclinations- Viirialionen erhalte ich mittelst weicher Eisensläbe , und be- slinnne den Werlh der Scahilheile nach einer eigenlhiindiclien Methode, welche man in PoggendorO's Amialen Bd. CIX, 79 und Bd. CXII. GOI) entwickelt findet.

Um das Verhältniss der Bewegungen {V''a Intensitiils-Instru- ments zu ermitteln, win-den zuniichst die Schwankungen d. h. di(^ Abweiciiung(Mi vom regelmiissigen (Jange bestinnnt, indem für jede Stunde das Monatmittel berechnet und dieses von den Beobachtungen der einzelnen Tage des Monats abgezogen wurde.

80 Sitiuni/ der math.-phys. Classe vovi 14. Juni iS6S.

Nachdem auf solche Weise der tägliche Gang eliniinirt war, wurden die sänunllichen Fälle herausgehoben, wo die zwei- stündige Bewegung der Inlensitäl eine gewisse Grenze entweder zunehmend (-f^) oder abnehmend (— ) überschritten hatte, da- neben wurde dann die correspondirende Bewegung der Inclination mit ihrem Zeichen eingeschrieben. Als Grenzen nahm ich an : 1843—1845 10 Theilstriche = 0,0012 (absolut) 1846-1858 6 = 0,0013

1859-1860 6 = 0,0011.

Auf solche Weise erhielt ich eine Tabelle, die 2680 Be- obachtungen enthält, und die wegen des grossen Umfanges hier wegorelassen werden muss. Die nähere Betrachtung dieser Ta- belle zeigt, dass ohne alle Ausnahme einer Zunahme der Inten- sität eine Abnahme der Inclination und einer Abnahme der In- tensität eine Zunahme der Inclination entsprach, während das Verhällniss der beiden Grössen im Mittel zwar ein constantes bleibt, in den einzelnen Fällen aber kleinen Schwankungen un- terliegt, deren Betrag aus einer früheren Zusammenstellung (Abhandl. der II. Classe der k. Akad. der Wissensch. V. Bd., 1. Ablh. S. 88) entnonunen werden kann.

Zunächst wurden die für die einzelnen Jahre gesammelten Data in Gruppen von je zehn Beobachtungen abgetheilt und für jede Gruppe

1) die Summe der positiven Bewegungen der Intensität und der correspondirenden negativen Bewegungen der In- clination; ,2) die Summe der negativen Bewegungen der Intensität und der correspondirenden positiven Bewegungen der Inclination; 3) die Summe sämmtlicher Bewegungen ohne Bücksicht auf

das Z(;ichen berechnet.

In der auf solche Weise erhaltenen Tabelle gleichen sich

die Zufälligkeiten aus und eine grosse Begelmässigkeit ofTenbart

sich in den Zahlen: di«; Tabelle selbst ist übrigens eben so wie

die üben erwähnte viel zu weitläufig um hier untgetheilt zu werden.

Lamont : Magnet. Intenutats- u. Inclinatioiis-Stünniyen. 81

Eiidlicli wurden die saimnlliclien zu einem Jahr gehörigen Gruppen ziisaniinengenoninien und so ein Gesaninit-Resullat für jedes einzelne Jahr gewonnen. Die Erg(>hnisse sind in folgen- der Tabelle dargestellt, wobei zu bemerken ist^ dass die Inlen- sitiits - AendernngcMi in Zehntaiisendslel, die Inclinations - Acn- (lerungen in iMinulen ausgedrückt sind.

Jaltr

Iiiti'iisität positiv

Incllna-

tioti iief^ativ

Intensität ne<^ativ '

Iiuliiia-

tioii positiv

Aciulciiiiigeii iibcrliaupt

Intcnsilät \ Inclinat.

1843

4- 754,0

114,7

-1105,8

+103,3

1859,8

278,0

1844

1393,1

203,9

1783,1

262.9 3176.2

466,8

1845

852,4

135,4

1691.3

267.8

2543,7

403,2

1846

2380,2 i

284,8

2791,6

354,8

5171.8

639,6

1847

1823,9 i

233,3

2346.7

374,2

4170.6

580.0

1848

1541,5

205.7

2067,5

291,2

3609.0

496,9

1849

804,2

113,4

1438.4

206.0

2242,6

319,4

1850

697,0

89.8

988.9

138,6

1685.9

228,4

1851

667,4

99,0

1069,1

151.8

1736.5

250,8

1852

2150,7

295.1

2736.9

387,6

4887.6

682,7

1853

1090,0

143,5

1891,5

260.8

2981,5

404,3

1854

1031.4

132,1

1926,4

255.2

2957,8

387,3

1855

552,4

74,3

891,5

124,5

1443,9

198,8

1856

392,2

49,1

746,0

104,1

1138,2

153,2

1857

500,3

63.7

837,4

122,1

1337,7

185,8

1858

1029,2

1 38.5

1042,3

141,0

2071.5

279,5

1859

1667,2

187.0

2192,9

287.9

38(;0,1

474,9

1860

2782,4

345,2

3358,3

468,2

6140,7

813,4

Eine periodische Zu- und Abnahme ixMuerkt man an diesen Zahlen nicht, was mit ilcw Kesultalen des llrn. Sabine nicht im Widerspruche steht, da sie nicht die Grösse der Störungen im Allgemeinen, sondcsrn nur (li(! Grösse der zweistündigen Aen- derung bei Störungen ausdiücken.

Berechnet man das Verhiiltniss der Intensitiils- und Incli- nationszahlen, so erhall man folgende Tabelle:

11B6'2 II.] 6

82

Sitztiny der muUt.-phys. Vlatise vom 14. Juni 1862.

Aen

deruni; der Iiiclinatioii in Minuten t'"i' Vi 0000 'li''" 'iitensitiit

T 1

Iiitensilät

Intensität

Aenderuny der

Jahr

zuiielunend

abnehmend

Intensität überhaupt

1843

o'l521

o!l477

0,1495

1844

0,1464

0,1474

0,1470

1845

0,1588

0,1583

0,1585

1846

0,1197

0,1271

0,1237

1847

0,1279

0,1475

0.1389

1848

0,1334

0,1408

0,1377

1849

0,1410

0,1432

0.1422

1850

0,1288

0,1402

0.1355

1851

0,1483

0,1420

0.1444

1852

0,1372

0,1416

0.1 397

1853

0,1316

0,1379

0,1356

1854

(M281

0,1325

0.1309

1855

0,1345

0,1397

0.1377

1856

0,1252

0.1395

0,1346

1857

0,1273

0,1458

0,1387

1858

0,1346

0,1353

0,1349

1859

0.1122

0,1313

0,1230

1860

0,1241

0,1394

0,1325

Mittel 1843

1860

0,1340

0,1410

0,1381

Auch in (liosen Zahlen (Mkentit mnn keine Periode und die Schwankungen scheinen bloss von Zulailigkeiten herzurühren.

Berechnet man die Aenderung der Verlical-Intensilat Y aus der Horizontal-lntensilät X und der Inclinalion i nach der Formel

Y

X

d'l

sm I cos I so hat man für die Periode 1843 1860

Lamont: Maynet. Intensitäts- ti. Iiiclinations-Stürungen. §3

Aendciiin«»; der correspoiulirciitlc Aeiuierurig

Horizontal- liileiisitüt der Veitical-Iiitciisilüt

+ 0,0001 0,00000095

0,0001 + 0,00000023

überhaupt 0,0001 0,00000404.

Einer Zunahme der Horizontal - Intensität , d. h, der nach Norden ziehenden Kraft entspricht denniacli eine Abnahme der verlicalen Intensität, d. h. eine nach oben wirkende Kraft.

Verbindet man die nach Norden und die nach oben wir- kende Kraft zu einer Resultante, so wird die Richtung dieser Resultante eine Höhe a über dem Horizont haben und in der Ebene des magiu^tischen Meridians liegen. Zur Bestinunung von « hat man die Gleichung

(5Y Y Y . . Y

X X

Die obigen Zahlen geben

0

für eine Zunahme der Horizontal- Intensität a z=: 1,9 für eine Abnahme der Horizontal-Intensilät a -- 7,31 für eine Aenderung überhaupt a =^ 4,55.

Die Abweichungen der drei Wertlie von einander halte ich für zufälliff und nehme den hUzten als den sich(!rsten an. Hiernach ist die Qn^'Ue der Störungen im magnetischen Meridian nördlich 55' üb(M-, oder südlich 55' unler dem Horizont zu suchen : da aber die Störungen an Stärke ztniehmen je weiter man nach Norden aeht, so hat man die erslerc; Bestim- nmng allein als die richtige zu betrachten.

Ich habe oben erwähnt dass es für das Endresultat mög- licherweise von Einfluss sein könne, ob man bei Ausscheidung der Störungen die Grenzwerthe grösser oder kleiner annimmt. Um zu entscheiden, in wi(! ferne dieser ['instand die von mir erhaltenen Zahlen modificirt haben konnte, hob ich die grossen

84

Sitzung der »latli. -pli.vs. Ctasse vom 14. Juni iS62.

Beweo-unoeti allein heraus, so dass für die Intensität die Grenze im Mittel 0,0024 betrug. Auf solche Welse verminderte sich die Zahl aller Bestimmungen von 1843 bis 1860 auf 492: die Resultate stellen folgende Tabellen dar:

Summe der grossen Bewegungen der Intensität und Inclinalion.

liicliiia-

I ^ a " *

Incliiia-

Grosse Bewcffunircn

IiiteiKsität

Inteiisitiit

'^ '■-'

Jahr

tion

tion

überli

aupt

positiv

negativ

negativ

positiv

Intensität

Iiiclinat.

1843

175,0

22,8

269,0

39,2

444,0

62,0

1844

354,5

51,9

822,6

125,1

1177,1

177,1

1845

170,2

26,8

530,6

86.3

^00,8

113,2

1846

637,6

72,8

872,0

ilO.6

1509,6

183,3

1847

716,9

78,7

1220,0

163,7

1936.9

242,4

1848

398,4

51,4

740,0

102,1

1138.4

153,5

1849

138,7

19.2

380,5

54,2

519,2

73,4

1850

140,4

20,1

280,2

41,4

420,6

61,4

1851

151.7

19,6

367,9

51,2

519,6

70,8

1852

610,7

83,5

1087,9

159.7

1698,6

243,2

1853

201,3

26.6

610.5

88.8

811.8

115,4

1854

150,4

20.1

566,2

79.2

716,6

99.3

1855

97,3

14,4

217,2

30,7

314,5

45,1

1856

88,8

11,6

2094

31,0

298,2

42,6

1857

151,9

18,5

246,6

34.9

398,5

53,4

1858

110,2

15,5

211,7

31.6

321,9

47,1

1859

407,2

44,7

632,5

84,4

1039,7

129,1

1860

1043,4

123,6

1258,3

176,6

2301,7

300,2

Lainont: Magnet. Intensität^- u. Inclinations-Störuntfen. 85

AeiulL'iiing der liuliriation in Minulcn

fwi" Vi 0000 'It'i' Iiitoiisität

Jahr

Intensität zinK'liineiui

Intonsität al) nehmend

Aen<lerun? der Intensität überhaupt

1843

9

0,1303

o!l457

0,1396

1844

0.1464

0,1521

0.1 505

1845

0,1575

0,1626

0.1615

1846

0,1142

0,1268

0,1214

1847

0,1098

0,1342

0,1251

1848

0,1290

0,1380

0,1348

1849

0,1380

0,1424

0,1413

1850

0,1432

0.1478

0,1460

1851

0,1292

0,1392

0,1365

1852

0,1367

0,1468

0,1432

1853

0,1321

0,1455

0,1422

1854

0,1336

0,1399

0,1386

1855

0,1480

0,1413

0,1434

1856

0.1306

0,1480

0,1429

1857

0.1218

0,1415

0,1337

1858

0,1407

0,1493

0,1463

1859

0,1098

0,1334

0,1243

1860

0.1185

0,1403

0,1305

Mittel 1843 1860

0,1316

0,1430

0,1390

Man sieht. (las.s die orossen Bewegungen fast genau dasselbe Resultat geben, welches ohv.w aus der Gesamnilheit der grossem und kleineren Bewegungen abgeleitet worden ist.

Sabine war, wie ich glaube, der er.ste der nachgewiesen hat, dass dii? Störungen nicht etwa wie man früher glaubte an allen Punkten d(M- Krde gleichzeitig und in ähnlicher Weise sich offenliaren, sondern «lass sie ihre liigliche Periode haben eben so wie die regelmässigen Variationen. Die Störungen treten in solcher Weise auf, dass sie als eine Verstärkung der

86

Sitzung der math.-phys. C lasse vom 14. Juni 1862.

regelmässigen Bewegung, also auch als eine Verstärkung der gewöhnlich wirkenden Kraft betrachtet werden können, und in diesem Falle inüsste in den regelmässigen Bewegungen dasselbe Verhältniss statt haben, welches oben in den Störungen nachge- wiesen worden ist, d. h. man hätte die Variationen der Inten- sität (in Zehnlausendstel) nn't 0,1381 zu multipliciren um die Variation der Inclinalion (in Minuten) oder letztere uiit 7,241 zu multipliciren um erslere zu erhalten. In wie ferne hiemit die Beobachtung übereinstimmt, kann man aus folgenden Tabellen entnehmen.

I n t c n s i t ä t s - V a r i a ti 0 11 e n.

Stunde

aus der Iiuliiiation berechnet

vSonimer | \Yinler

heobatlitel Sommer ! VTiriter

Untersiliied Sommer 1 Winter

l^iMg.

2

4

6

7

8

9

10 11 12

l'-Ab.

2

3

4

5

6

8

10 12

13,87

5.79

13.77

5,06

13,10

5,28

13,11

4.46

12,52

6,58

12.35

6.00

10,20

7,75

10.11

6,79

7,24

7,60

7,47

6,75

2,97

5,94

3,35

5,19

043

3,33

0,42

2,61

0.00

1,08

0.00

0.50

2.17

0,00

2,01

0,00

4,92

1.37

5,59

1,85

7.60

2,24

9.30

3,41

8.54

1„59

10,71

3,32

9,05

1,09

11,96

2.76

8,69

0,36

11,82

2 32

9,12

0,58

12,03

2,16

10 21

1,30

12,88

3,23

13,61

3.52

15,37

3,65

14,12

5,50

15,29

5,34

13,54

6,01

14,28

5,45

—0.10 +0,01 —0,27 -0,09 4-0,23 +0.38 -0,01 -0,00 -0,16 -fO.67 + 1J0 •+2,17 +2,91 +3,13 +2,91 +2.67 +1,76 +1,17 +0,74

-0,73

-0.82 -0,88 -0.96 -0.85 -0,75 -0,72 —0.58 -0.00 +0,48 +1,17 +1,73 +1,67 +1,96 +1,58 +1,93 +0,13 -0,06 -0,56

Lamont: Mannet. Intensüäts- u. Inclinatiom-Störtinyen. 87

Incliiiations - Variationen.

Stiiiulc

aus der liitciisiliit berechnet

Soiiiiiier I Winter

beobachtet Sommer 1 Winter

Unlersehicd Sommer | Winter

PMg.

2

4

6

7

8

9

10 11 12

PAb

2

3

4

5

6

8 10 12

0,24

0,31

0,42

0,73

1,27

1.66

2,06

2,12

1,75

1,33

0,84

0,64

0,47

0,49

0,46

0 35

0,00

0,01

0,15

0,24 0,32 0,11 0,00 0 01 0.22 0.57 0,87 0,94 0,68 0,47 0.48 0.56 0,62 0,64 0,49 0,44 0,20 0,18

0,02 0,14 0,22 0,54 0,95 1,54 1,89 1,95 1,65 1,27 0,!)0 0,77 0,70 0.75 0,69 0,54 0,07 0,00 0,08

0,27

0,34

0,12

0,00

0,02

0,25

0,61

0.92

1,07

0,88

0,76

0,85

0,92

1,02

0,99

0,89

0,57

0,31

0,24

I

—0,22

-0,17

-0,20

—0,19

-0,32

-0,12

-0,17

-0,17

-0,10

—0,06

+0,06

+0,13

+0,23

+0,26

+0,23

+0,19

+0,07

-0,01

-0,07

+0,03

+0,02

+0,01

+0,00

+0,01

+0,03

+0,04

+0,05

+0,13

+0.20

+0,29

+0,37

+0,36

+0,40

+0,35

+0,40

+0,13

+0,11

+0,06

Die Uebeieinsliininiing^ der täglichen Bewegung mit dem Gesetze der Störungen geht zwar sein- weit, und es bleiben verhaltnissmiissig nur kleine Unterschi(Mle übrig, gleichwohl ofTenbart sich in diesen eine zu grosse Regeliniissigkeit, als dass sie für zufällig gehalten werden konnten. Wir haben demnach anzunehmen, dass zwei verschiedene Kräfte bei den mag- netischen Bewegungen thälig sind, ein Satz den ich bereits in einer früheren Schrill (Besnilate des magnetischen Observato- riums in München 1843 44 45) auf andcrm Wege zu begründen gesucht habe.

88 Sihutiy der tnath.-phys. VlasiC votn i4. Juni 1862.

Herr P eilen kofer gab eine Millhellnng

„Ueber ilic Ausscheidung von Wassersloffgas bei der Ernährung des Hundes mit Fleisch und Slärivinehl oder Zucker."

Die Versuche über die Menge der Ausscheidungen durch Haut und Lunge in stetem Bezug zur aulgenommenen >'ahrung, welche ich gemeinschaftlich mit Hrn. Professor Dr. Volt in dem durch dicMunificenz Sr. Jlajeslüt des Königs Max errichteten Respiralionsapparal gegenwürticr am Hunde ausführe, haben zu einem Eroebniss cjcführt . das ich der Classe einstweilen mir mitzulheilen erlaube, noch bevor die ganze Versuchsreihe abge- schlossen und von uns beiden im Zusammenhange mifgetheilt werden wird.

Geht man von reiner Fleischkost zu gemischter Kost (Fleisch und Stärkmehl oder Zucker) über, so ändert sich das Verhält- niss zwischen der Menore des aus der Luft aufsjcnonnnenen Sauerstofles und des in der ausgeschiedenen Kohlensäure ent- haltenen nach einigen Tagen sehr merklich. Ans theoretischen Gründen ist diess von vorneherein zu erwarten , und die Ver- suche von Regnault und Reiset Hessen diess bereits sehr deut- lich erkennen. Da dieses Verhältniss sich mit ji^dem Tage nur um etwas ändert, so wollti-n wir den Punkt erlahren, wo bei gemischler Kost das Gleichgewicht eintritt, und bei dieser Ge- legenheit kan)en wir zu dem ganz unerwarteten Resultate, dass bei Fleisch und Zucker ein Zustand eintritt, wo der in der aus- geschiedenen Kohlensäure enthaltene SautTstolT ein volles Drittel melu" beträgt, als der aus der Luft aulgcMionunene. Ein solches Verhältniss ist nur denkbar, wenn ein beträchllicher Tlieil des genossenen Kohlehydrates sich in der Weise umsetzt, dass es zu Kuhleiisäurt! und Wasserstoff zerfällt, ähnlich wie bei der Bniter.oäuregahrung, wenn also aus den Kohlehydraten Kohlen- säure; gebildet wird, welche keinen Sauerstod aus d(*r Luft be- ansprucht, sondern auf Kosten des Saucirsloffes im Kohlenhydrate entsteht. Und unter diesen Umständen kann allerdings die

Pettenknfer : Ueher Ausscheidung von Wasserstoffi/as. §9

Aiisscheidiiiig von 1 Gnu. Wasserstoff die Bildung von 11 Grm. Kohlensaure veranlassen , ohne dazu Sauerstoff aus der Luft nölhig zu haben.

Dieser Wasserstoff Hess sich leicht in der Lufl des Appa- rates naclnveisen. Zu diesem Behufe wurden von der abströ- menden Luft zwei Proben auf Kohlensaure und Wasser unter- sucht, die eine wie gewöhnlich, die andere aber nachdem sie in einem nn't l'lalinschwamm gelVilllen Verbrennungsrohr geglüht worden war. Um was in dieser zweiten Probe für ein glei- ches Vohini abslriimender Luft sich mehr Wasser und Kohlen- säure ergibt, als bei der erslen Probe, wo die Lufl nicht ge- glüht wird, um das ist \^'asser und Kohlensaure durch das Glühen der Luft noch zu der bereits vorhandenen gebildcd wor- den. Es ergab sich nun, dass die Wassermenge der Luft, wäh- rend sie über dew glühenden PlalinschwiMum strömte, sehr be- trächtlich, die Kohlensäuremenge sehr unbedtmtend zunahm. Das deutet an, dass man es mit >\'asserstoff zu thun hat, dem eine uerintj-e Menoe Grubenoas beioemengt ist. Andere orga- nische Dämpfe können nicht in der Luft des Apparates nachge- wiesen werden, das Schwefelsäurehydrat , welches zur Absorp- tion des Wassers in dem kürzlich beschriebenen Kugelapparate dient, färbt sich binnen 24 Stunden nicht im g(!ringsten. obschon slündlich mindi'slens G Liter Luft, also während der ganzen Dauer eines Versuches jedenfalls gegen 150 Liter Luft durch die erste Kucjel eintreten. >Vären noch andere kohlenstoffhal- tige Dämpfe in i\en perspirirlen Ga.sen in messbarer Menge vor- handen , so würde sich bei solchen iMengen der untersuchten Luft die Schwefelsäure jedenfalls, wenigstens in der (Msten und zweiten Kugel bräunen. Man hat somit ein volles Hecht, den auf diese Art gefundenen Kohlenstoff als Grid)engas, den übrigen Wa.ssersloff als Wassersloifgas zu berechnen. Auch die eudiometrischen Versuche Anderer konnten in der Perspirations- lulY ausser Kohlensäure, Stickstoff und Sauerstoff weiter nichts als Wasserstoff und Grubengas in einer Menge finden, dass sie noch quantitativ bestimmbar war.

90 Sitzung der math. -phys. Classe vum 14. Juni 1862.

Per zu uiiscrn Versuchen dienende grosse Hund (circa 30 Kilo schwer) schied bei einer 14 Tage dauernden FüUerung von 500 Grm. Fleisch und 200 Stärke in zwei Versuchen binnen 24 Stunden folgende Anzahl von Grammen durch Haut und Lungen aus.

Kolilpiisäiire Wasser Wasserstoff Gnibciiscas

I. 416.0 359,9 7,2 4,1

II. 428,3 360,1 7.2 4.7

7.2 Grm. Wasserstoff ist «lehr Wasserstoff, als in 100 Grm. Stärke enthalten ist, und mehr, als bei Umwandlung von 200 Grm- Zucker in Buttersäure frei wird.

Um die Menge Sauerstoff bemessen zu können, welche aus der Lull in den Stoffwechsel eingetreten ist, muss man säcnmt- liche Gewichtsverhältnisse vor und nach dem Versuche mit ein- ander vergleichen. Ein Beispiel wird diese Arte zu rechnen am besten erklären :

Versuch I. Gewicht des Hundes vor dem Versuche 29944 Grm. nach dem Versuche 2987 3 Grm.

IFIeisch 500 Harn 338,8

/Stärke 200 Koth 1,1

Oelulierles ' ^^^ ^.^ ^^ Kohlensäure 416.0

(Wasser 144,5 Wasser 359,0

30795,0 Wasserstoff 7,2

Grubengas 4,1 3IIÖO7I ,, Um was die Sunune nach dem Versuche grösser ist, als vor dem Versuche, das ist Sauerstoff aus der Luft eingetreten. Man kann also sagen, dass während des Versuches 304.1 Grm. Sauerslofl aus der durch den Apparat strömenden Luft vom Hunde verzehrt worden sind.

Der Hund bekam nun zu 500 Grm. Fleisch 200 Fett an- statt Stärke, Am ersten Tage schied er bei dieser Diät in 24 Stunden folgende Anzahl von Grammen aus

Seidel: Zur Theorie der Potenzreihen. 91

Kolilciisäurc Wasser WassorslofF (iiiihengas

417,3 426/J 6,4 3,7

droi Tilge später 427,8 G2r),6 4,3 4,5

Man sieht, wie die WasserslofTausscheidung abnimmt, wenn die Stärke durch Feit ersetzt wird, während die Menge des Grubengases sich ziemlich constant erhält. Wie weit der WasserstofT bei dieser Diät nach und nach zurücktritt, werden fortgesetzte Versuche lehren.

Gegen diese Zahlen kann man nur den einzigen Einwurf noch machen, dass vielleicht die in den Apparat einströmende Luft schon etwas \yasserslüff enlhalle, der von dem in» Apparat entwickelten abzuziehen wäre. L'm diesem zu begegnen, wird eben eine vierte Untersuchungspumpe aufgestellt, welche auch die Untersuchung der fortwährend einströmenden Luft auf WasserstülT und Grubengas gestaltet. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden diese Grössen verschwindend klein sein, doch er- fordert das Princip der Diirerenzbeslinunungen , welches meiner ganzen Unlersuchungsmelhode zu Grunde liegt, auch diese Rücksicht, und werde ich in Bälde im Stande sein, InCrüber in entscheidender Weise berichten zu können.

Herr Seidel sprach

,,Ueber die Verallgemeinerung eines Salzes aus der Theorie der Polcnzrei hen."

Wenn man zwei nach steigenden Potenzen derselben Grösse x geordnete Reihen hat, welche für alle Werthe von x zwischen o und h convergiren und übereinstimmende Werthe annehmen, so

92 Sit-zuny der viath.- jihifs. Classe vom 14. Juni 1862.

hat mau den für die ganze Analysis fundamentalen Satz, dass diese beiden Reihen identisch sein müssen. Der Beweis des- selben, wie er von Caiichy in exacter Weise gegeben ist, be- ruht wes«Milhch auf der Belrachtung kleiner Werthc von x; er erfordert dabei keinen andern Hiifssatz, als dew vorausgegan- genen Nachweis, dass es möglich ist, in der convergirenden Polenzreihe x so klein anzunehmen, dass das Yerhidtniss der in's Unendliche sich erstreckenden wSuinme aller Glieder, von einem beslimmlen angefangen, zu dem vorausgehenden einzel- nen Gliede, kleiner wird als eine beliebig kleine Grösse. Die Fratro hat sich wohl schon Vielen aufgedriingt, ob man die Identität der beiden Reihen, deren Summen üliereinslimmen, auch dann nachweisen kann, wenn die Grenzen g und h von x, innerhalb deren man dieser Uebereinslimmung gewiss ist, die Null ansschliessen ; kürzlich ist diese Frage von Herrn H. Laurent in dem Journale von Terquem und Gerono aufge- worfen woiden. Dass ihre Beantwortung alTirmativ ausfallen muss, daran wird nicht leicht Jemand zweifeln; es s<:heint aber nicht uninteressant, sich davon Rechenschall zu geben, wie der strenge Beweis zu führen ist. Derselbe liegt darum nicht ganz so nahe, als man erwarten möchte, weil die Eigenschaften, welche wir gewohnt sind mit der Natur von Potenzreihen als unzertrennlich verknüpft zu denken , zum Theile aus der Be- trachtung erwiesen werden , dass alle Reihen dieser Art unter das Taylor'sche (oder Maclaurin'sche) Theorem lallen: man muss aber bemerken , dass die Identität irgend einer con- vergirenden Potenzreihe mit einer Taylor'schen Reihe unseren Satz selbst schon zur Voraussetzung hat , und a priori nicht feststeht, wenn man von den WtMthen der Frsteren nur Kennt- niss hat für solclie x, die zwischen Grenzen g und h liegen, welche entweder beide positiv und von Null verschieden oder beide nejiiitiv und von Null verschieden sind. OlTenhar kann man das zu erweisende Theorem auch so aussprechen : wenn eine nach Potenzen von x geordnete Reihe convergirl und Null zur Summe hat für alle VVerthe von x zwischen g und h,

Seidel: Zur Theorie der Potenzreihen. 93

SO müssen alle ihre einzelnen Glieder identiscli Null sein. Der an diese letzlere Fürnudiruno- sich anschliessende Beweis, den ich im Folgenden andeuten werde, h(M'uiit auf der Id(!e, zu- nächst «las Intervall der Grenzen von \, innerhalb deren die Sunnne Null wird , nach unten zu erweitern , so lange bis der Werlh X =: 0 hineinriillt, wo dann der Cauchy'sche Beweis zu- trifft; um jedoch diese Erweiterung vornehmen zu können, sind, soviel ich sehe, einige Hilfssiilze nöthig, die ich bezeichnen werde, und die übrigens Eigenschaften aussprechen, welche auch sonst von wesentliclnu* Bedeutung für die Potenzreihen sind :

1) Man zeigt, dass wenn eine vorgelegte nach Potenzen von X geordnete Reihe convergirt für x =: h , sie auch con- vergiren muss, und zwar abgesehen von den Vorzeichen ihrer Glieder, für alle x die der Null naher liegen als h. Desgleichen zeifft man , dass die Reihe für diese letzterem Werlhe von x nothwendig eine conlinuirliche Function von x vorstellt.

2) Wenn man eine abgeleitete Reihe dadurch bildet, dass man in der voi"ii;eI(;iTlen Reihe Glied für Glied nach x Einmal dilferentiirl, oder eine zweite abgeleitete dadurch, dass Glied für Glied zweimal nach x differiMitiirt wird, u. s w., so wird bewiesen, dass auch die m"^ abgeleitete Reihe noch convergirt für alle Werlhe von x, die der Null näher liegen als h. (Nach Salz 1. ergibt sich dann, dass auch jede dieser Reihen eine con- linuirliche Function von x ist).

3) Man zeigt , dass diese abgeleiteten Reihen zu Sununen die wahren Dilferential- Verhältnisse der durch die ursprüngliche Reihe vorgestellten Function von x haben. (Oiiise Behauptung bedarf eines B«!vveis(?s, weil man bckannllich keinen Salz hat, nach welchem es erlaubt wäre, unendliche Heihen im Allge- meinen zu dilferenliiren , und weil die Identität der vorgelegten Reihe mit einer Taylor'schen, die diff(Mentiirl werden darf, noch nicht erwiesen ist.)

Nach di(!sen Sülzen würden man also j(!lzt wissen: die durch unsere lielhc. dargeslcllU; Function ist conlinuirlich sanwnt allen ihren Diü'erenlial- Verhällnisseii nicht allein für alle x zwischen

94 SÜ-zung der math. - ]>hys. Classe vom 14 Juni 1S62.

g und h, sondern auch für alle x zwischen o und h •. Ferner weiss man (nach der Voraussetzung), dass sie constant gleich Null ist für alle x in den engeren Grenzen g und h, woraus von selbst folgt, dass iinierhalb dieser Grenzen auch alle Differential -Verhältnisse Null sind. Es handelt sich darum, aus der letzteren Eigenschaft mit Hilfe der jetzt erwiesenen Conti- nuität der Function und ihrer sämmtlichen Differential -Verhält- nisse zu erweisen, dass auch die Fortsetzung der Function über das letztere Intervall hinaus , nämlich für Werlhe von x zwi- schen 0 und g, noch constant gleich Null bleibt. Wenn eine Function, die zwischen x = g und x = h stelig gegeben ist, und von der man weiss dass sie jenseits x == g sammt allen ihren Differential-Coefllcienten continuirlich bleibt, überhaupt nur auf Eine Art fortgesetzt werden könnte, so wäre es klar, dass die unsrige auch von x ~ g bis x = o constant und gleich Null bleiben müsste; die angerührten Data genügen indessen nicht, um zu diesem Schlüsse zu berechtigen ^ Man kann den- selben aber für den uns vorliegenden Fall strenge legalisiren, indem man auf die zu behandelnde Function den Taylor'schen Satz mit dem Ergänzungsgliede anwendet. In dieser Form gilt der Satz bekanntlich immer, so lange nur die sämmtlichen in seiner Entwicklung aufgenommenen Glieder contiiuiirliche Functionen bleiben: setzt man für x einen Werth zwischen g und h, dem g sehr nahe liegend, für ^x einen Werth dessen Vorzeichen mit demjonigen von g h übereinstimmt, so ver- schwinden für unseren Fall alle Glieder bis auf das Ergäuzungs-

(1) Man könnte atitli i^Ieith sa^en, zwischen h und h. Uli setze voraus, dass g zwisilien o und li liegt.

(2) Ks sei Fx ein Ausdruck, welcher für Werthe von x die kleiner als g sind eine den angeführten Bedingungen entsprechende Fortsetzung einer zwischen x =r g und x = h gegebenen Function darstellt. .\h-

i dann wird auch Fx + y(x) c»-« denselben Bedingungen geniigen, wenn y(x) eine willkiihrlidie Function vorstellt, die aber zugleich mit allen ihren [lifferential-Verhältnissen continuirlich bleibt zwischen o und g.

Seidel : Zur Theorie der Potenzretlien. 95

gWcd, von diMu letzteren aber kann man beweisen, dass es sich bei wachsendem Index ebenfalls der Null als seiner Grenze

niihert, vorausgesetzt dass p_- ein ächter Bruch ist. Indem man

Jx dieser Bedinoung entsprechend anninnnt, erweitert man also, gegen Null zu, die Grenzen des anlanglich gegebenen Inlervalles innerhalb dessen die Reihe constanl den Werth Null hat: indem man sich nothitrenfidls eine solche Erweilerungr mehrmals wie- derholt denkt, brinot man den Werth x == o selbst in das neue Intervall hinein, und reducirt dadurch di(( Betrachlunof auf (\c]\ bekannten Fall, für welchen schon demonstrirt ist, dass alle Glieder der Reihe identisch verschwinden müssen.

Was die Beweise der unter 1), 2), 3) gedachten Siitze und ebenso denjenigen für die unendliche Abnahme des Erffänztni(jsi>liedes bei fortwährendem Wachsen des Index bclrilTt, so beruhen sie alle auf der nändichen B(;trachtnng, nach welcher gezeigt wird, dass in der convergirenden Totenz- reihe die Ergänzung beliebig viel kleiner gemacht werden kann als das einzelne ihr vorangehende Glied. Um bei den Thesen 1) nicht zu verweilen (deren Beweis besonders nahe liegt), so wird z. B. die Convergenz der sännntlichen nach 2) abgeleiteten Reihen (welche abgesehen von den Vorzeichen stattfindet) durch folgende Bemerkung dargethan : Weil die ursprüngliche Reihe noch convergirt für x i= h , so gibt es eine endliche Grösse M, welche die Eigenschaft hat grösser zu sein, als irgend ein ein- zelnes Glied der Reihe dann wird, wenn man h für x setzt. Nimmt man daher jetzt für x einen kleineren Werth , so wird

das mit x^ mulliplicirte Glied kleiner sein als ( ." j M, d. h.

kh'iner als das allgemeine Glied der geometrischen Reihe, deren

AI

Glieder sännntlich positiv sind, und welche x_ zur Sununc

¥ hiit. Wenn man nun die; einzelnen Glieder der erstem RtMhe nnt denjenigen Zahienläctoren nudtiplicirt , welche bei ihnen durch die successiven Diflerenlialionen hiuzulrelen, und zugleich

96 Sitzung der t/iath.-phi/s: Vlasse vom i4. Jvni iS62.

die entsprechenden Erniedrigungen der Potenzen von x vor- nimmt, so werden die einzelnen Glieder noch immer kleiner sein, als die auf dieselbe Art veränderlen Glieder der geome- trischen Heihc. Die letzteren haben aber , wenn m mal differenliirl worden ist, zur Grenze ihrer Suminme die Grösse

iw <•" r, x\-J 1 .2.3... m.M ,, ... , ,, ..^

M , -l 1 ~ 1^ I ~ - 7^ ;;;-,-, Welche endlich Dleu)t

für alle Werthe von x die kleiner als h sind; es wird daher auch der Zahlenwerlh der Reihe, welche durch m maliore Differentiation der einzelnen Glieder der ursprünglich vorge- legten Reihe entsteht, den Werth des letzteren Ausdruckes selbst dann nicht überschreiten können, weim man allen Glie- dern gleiche Zeichen gibt, wonn't die Behauptung 2) er- wiesen ist \

Um endlich zu beweisen, dass die conv(>rgirende Reihe, welche man durch Differentiation der einzelnen Glieder der vor- gelegten Reihe erhält, zu ihrer Summe wirklich das DifferiMitial- Verhältniss der durch die erste Reihe dargestellten Function hat ( unsere Behauptung 3) , die offenbar für m malige DiUerentiation von selbst folgt, wenn sie erst für die einmalige erwiesen ist ), bildet man zuerst den Unterschied der beiden Werthe, welche die vorgelegte Reihe annimmt für x ==: a und für X == ß (ich nehme an /i^ > a^), und dann, durch wirk- liche Division der einzelnen Glieder, das Verhältniss dieses Un- terschiedes zur Dilferenz (i a. Man hat zu zeigen , dass dieses Differenzen - Verhältniss bei fortwährender Ainiäherung von ß an a sich einem Werthe nähert, der kein anderer ist, als die Summe der Reihe, die man durch Einmalige Differen-

(3) Der rbcn auri>esle!lto Wnlli, uclduMi die Suniinc der in mal dilTtTcnliiitcii Ki-ilic nie übcrsclircileii kann, dient aniii liir den Beweis, dass das Er<;änzinigs<rlied der Tajlor'schen Reihe , wie es in der oben weiter an<;edeuleten Betracbliing auitrill, unter Voian.'Äetzung der dort angerührten tiedingung sich bei waihsendeni Index der Null als Grenze liüliern niuss.

Seidel : Zur Theorie der Potemreilien. 9-7

liation der einzelnen Glieder und durch die Substitution x = a aus der vorgelegten Reihe ableitet; zu dem Ende zieht man die differenliirte Keilu! von dem Differenzen - Vorhäitniss ab, und ordnet nach den Dimensionen der Grössen a und ß. Den Zah- lenvverth der Reilu;, welche den Unterschied zwischen dem Differenzen - Verhältniss und der ersten abgeleiteten Reihe vor- stellt, vergrössert man, indem man erstens statt der etwa vor- konmienden negativen Coefficienten ihre absoluten Zaiilenwerthe setzt, dann statt des aligemeinen Coefficitiiiten vom Index r den VVerth Mh~' schreibt, den er. wie vorhin erörtert, nicht über- schreiten kann, und indem man noch drittens in den additiven Theilen der AcroTeijate, welche; mit diesen Coefficienten inulti- plicirtsind, überall ß statt a nimmt. Nach diesen Veränderungen liisst sich die Reihe summiren, und der Ausdruck, welcher sich ergibt, zeigt eine Form, an welcher man sogleich erkennt, dass er sich d(!r Null niiiiert, wenn ß sich dem a ohne Ende niihert. Das Differenzen-Verhiiltniss der vorgelegten Reihe hat also wirk- lich zu seiner Grenze die Reihe , welche durch Difl'erentiation der einzelnen Glieder aus der ersten abgeleitet wird. Auf diese Art ertreben sich also leicht die verschiedenen Lemmen, welche man für den Beweis des Eingangs erwiihnten fundamenlalen Satzes nach dem hier vorg(!Schlagenen Gange der Betrachtung nöthig hat.

Illslorlschc Classe.

Sitzung vom '21. Juni lS(i2.

Herr Muffat sprach über

„Wolfher, Patriarchen von Aquileja, einen gebornen Bayern."

[1^63. u.] 7

§g Sitzung der philos.-pfiiioi Classe rom 5. Juli 1862.

Philosopliisch - philologische Classe.

Silzims vom 5. Juli 18C2.

Herr Thomas herichlete über

„einige Fragmente von versificirten Fabeln zum sogenannten Romulus.''

In der Münchener Incunabel (c. a. 143), welche das Con- solatorium theologicum Magistri Johannis de Tambaco enthält, gedruckt 1492 in Basel durch Johann von Amerbach aus der Bibliothek von T cgernsee , stehen aöf dem hintern perga- mentenen Falzblatt einige Fabeln, im elegischen Versmaass, die Schrift deutet uiii das 12. Jahrhundert. Dieses Aller allein macht es werth dieselben abzuschreiben. Sie gehören zum 3. Buch des sogenannten Aesopus, wie ihn die ältesten Aus- gaben von Johann Zeiner in Ulm (vom J. 14(S9) darbieten. Unser Text weicht von diesem Drucke nicht unmerklich ab.

Wohl nichts hat grössere Wandelungen durchgemacht als dieses milteliillerliche Fabelbuch. Für eine künftige Kritik wenn sie anders dieser Gattung der Lehrpoesie für jene Zeit nochmals zu Theil wird mögen denn diese Bruchstücke der wahrscheinlichen Verborgenheit entrissen werden.

Um unserer kleinen Gabe etwas an Werth zuzusetzen, habe ich aus den Handschriften unserer Bibliothek noch .') Eanneramer Handschriften herbeigezogen, und zwar Cod. Em. B. XLII., D. AXVI., F. XXXII., D. LVIII., F. LXXXIX., ich habe sie kurz Eß, ED, EF, J, (h bezeichnet.

Das Pcrganu'iilbliilt, welches unten abgeschnitten ist, gibt drei Fabeln (die drei ersten des genannten 3. Buches) ,,de leone et paslore" „de equo et leone'' „de equo ornato'' voll- Ständig, nur dass in der 2len Fabel durch den Abschnitt Vers 3,

Thomas: Zum versificirten Romulus. 99

in der 3ten die 4 Schlussverse des Epiinylhiunis wegge- fallen sind.

Ausserdem sieben noch am Anfang der Seite die beiden Endverse der 20ten Fabel des 2ten Buches ,,de rana et bove" cum niainre nnnor conferri desinat et se consulat et uires temperet ipse suas.

/. De leone et pastore.

1 SoUicilus praedae currit leo. spina Iconem

Vulnerat. offendit in pede mersa pedem.

Fit mora de cursu. leuilas inprouida lapsum

Saepe facit. laeso stat pede. turba pedum. 5 Vix aegrum sinit ire dolor saniemqne fatelur

Maior. idem loquitur vubieris ipse dolor.

Cum laesit miseros fortuna medetur eisdem.

Hinc est cur medicnm plaga leonis habet.

Nain leo pastorem r(!pp(Til pastorque Iconem. 10 Pro dapo tendit oues. respuit ille dapem.

Supplicat et plngam lonso pede monstrat et illi.

Oral opem. pastor uulnera soluit acu.

Exit cum sanie dolor et res causa doloris.

Hie blando medicam circuit ore manum.

1 priicdo le(» (unit EB.

2 ofT. iinpftuosa pedeiii EB. 4 pede stat El), J.

C uulniis .siipiTSd iiioiLiis idciii El», morbus EF, _/, <P (pallorZeiiier)

7 laedit EB, El), EF, J, <J'.

0

eosdcin EB, cisdcin J.

8 qiiod iiR'diiuin EH, </' lioc- csl (|iiod iiiod. plaiita (in corr.) leonis

El), EF, J plaiita </'. f) pastorque leoiii EB, El) in corr., EF, J, <l>. 1U oin. EB, dapes El). J ouem dapes EF, «/'.

11 et illuni El). J, et ille EF, </'

12 pastorque EB, orat ouans pastor El), J (sanat acu Zeiiier).

7*

100 Sitzung der philos.-philol. Ctasse vom .5. Juti 1862.

15 Hospes abil merilique notas in corde sigillat.

Tempore deleri gratia firma nequit.

Hinc leo uincla subit. Romanae gloria praedae.

Hunc habet et niultas miscet harena feras.

Ecce iiecis poenain pastori culpa propinat. 20 Claudilur in inediis et datur esca feris.

Hunc leo praesentit. petil hunc tiuiet ille. timenti

Huic fera blanditur. sperat abitque limor.

Nil feritatis habens ludit lera cauda resultat.

Dum fera mansuescit. se negat esse feram. 25 Hunc tenet. hunc lingit. pensatque salute salutem.

NuUa sinit fieri uulnera. nulla facit.

Roma stupet parcitque uiro parcitque leoni.

Hie redit in Silvas et redit ille domum.

Non debet meritum turpis delere vetuslas.

Accepti meniores nos decet esse boni.

//. De equo ei leone.

1 Tondet equus pratum. pelit hunc leo. cura leonis Haec mouel. ut fiat esca leonis equus.

13 sospes EB, ED, EF. J, <P, in raente sig. ED, J.

17 (gloria gentis Zeiner).

a a

18 inullis . . feris EI). 1<.» pastoris J.

20 (lauditur et iiieiliis liic datur esca feris ED, J, «/'. claiiditur hie

niediis el datur c. f. EF. in corr. aiitea: et in. hie d. '21 pelit hunc, tiinor arguit illuni EB.

22 haec fera El), EF, <fK

23 lanibit fera dira tiiiiontem El), J.

24 et iaiii inansuescens se neg. e. f. El), J (Zeiner); et iani man-

suescit se n. e. f. EF, 'P. 27 parcil uiro EB. 1 iura leonem EB, Eü, EF, J, 'P Zeiner.

Thomas: Zum versificirten Romulus. 101

Et coincs et niedicus sum tibi, paret equus. 5 Sentit enim fraudes et fraiuli fraude resistit.

Cordo prius texotis retia Iraudis. ait.

Ouaesitus placidiisque iioiiis. te teinporis offert

Gratia. te rogitat pes mihi seilte graiiis.

Hie fauet. instat equus subieclo uertice. calcem 10 Inprimit et sopit membra leonis equus.

Vix fugit ille sopor. uix audet uita reuerti.

Vix leo colla niouens respicil. hostis abest.

Sic leo sc danipnat. pacior pro crimine poenam.

Nam gessi speciem pacis et hostis erain. 15 Quod non es. non esse ueh's. quod es. esse fateto (sie).

Est male quod non est qui negat esse quod est.

///. De equo ornalo.

1 Gaudet equus faicris. sella frenoquc superbit. Ista quidem uexit aureus arma decor. Obstat asellus equo. uicus premit artus asellum. Vexat honus lardat natus eundo labor.

3 iiiquit eqiio iiiiscr ave liiior aile incdcmli EB.

. . . Uli frater auo EI), EF, J, <P.

4 iam conics El), J.

5 .sentit pquus f'raiulos ER.

(j niPiiti' priiLS EB, EM, EF, _/, </> Zciiier.

9 iii.stat equii.s et subito uertico EB. instat cquiis El), EF, J, <I>.

11 ille dolor EB.

12 niouet EI), J.

equus abest Zeiner. 1 4 iam gessi EB.

IT) ucli.s sed quod es esse fateris EB. lalere El), </> Zeiner.

lateris EF, J. 1 freiio seliaquo EB, El>, EF, J, </> Zeiner.

'1 illa qn. uestit El), ista qu. vcstit El), EF, J, * Zeiner, nitor Zeiner. 4 onus ingens tardit EB. t. tantus eundo I. EF, </».

102 Sitrung der pJälos.philol. Vlasse vom .5. Juli 1862.

5 Q\ik\ sibi claudat iter. sonipes inclamat asello. Occuris domino uilis aselle tiio, Vix tibi do iiciiiam de lanli criiiiine fastiis. Cui via danda fiiit libera dio-iuis erani. Supplicat illo niiiiis niinuitque silendo timorem. 10 Fit timor et surda praelerit aiiro minas.

Sunimus bonor decliiiat equi. dum uincerc temptat Vincitiir. et ciirsum uiscora rupta negant. Priuatiir faleris. freno priuatur bonesto. Hunc premit assiduo roda cruonta iugo. 15 Huic terguin macies aciiit labor ulcerat armos. Hunc uidet inque iocos aiidet aselbis iners. Die sonipes ubi sella nitens, ubi nobile fienum. Cur est baec macies, cur fuit ilie nitor. Cur manet hie gemitus. cur illa superbia fugit.

5 cur sibi EF, 0 Zeincr. asellnm EB, EU. EF, J, 'P.

6 daudis ilcr domino ED, J.

7 pro tanti EB. taiiti de er. f. EF, 0.

criininis f. J (de taiito Zeiner).

8 foret Zeiner.

9 nuitatque timorem silendo ED, J. metatquc t. s. EF, <P. sidjticct

Zeiner. mutusque timore silendo Zeiner. 10 fit tutior surda EB. tutior et s. ED, EF. J, Zeiner. il decl. equo EB. equi d. h. Zeincr.

13 priu. faleris Ireno sellaque nitcnli ED, J.

14 assidue EB. debilitat miserum reda ED, J.

15 hinc terguni EB. hunc dolor et macies acuit ED, J. 1<) hunc uidet hunc iocis temptat ascllus iners EB.

hunc teniptare iocis audet ED, EF, J, 4>. huic inferre iocos audet Zeiner.

17 die sodes EB, EF, 0 Zeiner, die ubi sella nitens falcre uel

nobile frenum ED, J.

18 cur est hie m. quo fugit ille nitor EB.

cur tibi nunc dolor est cui fuit ille nitor ED, J cur fugit EF, </> Zeincr, iste Zeincr. 10 quo tanta superbia fugit EB.

cur nianel huc macies, cur tanta superbia fugit ED, //.

ista s. Zeincr.

Lamout: Theorie des McKjnetismus. 103

20 Viiulicat elatos iiista riiina gradiis.

Stare diu nee uls. nee honor. nee forma, nee aelas

Suiricit in mundo, plus tarnen isla placenl.

[Viuc diu. sed uiue iniser socicsque minores

Disce pali. risum dat tua uila mihi. 25 Pennalis ne erede bonis. te nulla poleslas

In miseros armet. nam miser esse potes.]

Die poetiselien Fabeln sind am Rande in Prosa gesetzt und zuirleieh moralisirt. Zwischen den Versen stehen Glosseme aus späterer Zeit.

Mathematisch - physikalische Classe.

Sitzuiiir vom 11. Jiili 1862.

Herr Lamont übersandte eine Abhandlung

„Beitrag zu einer mathematischen Theorie des Magnetismus.''

Mathematisch zu bestimmen, wie unter gegebenen Umstan- den der Magnelisnuis in einer Eisen- oder Stahlmasse vertheilt sein wird, ist ein Problem wovon noch Niemand, selbst für die einfachsten in der Naliu- vorkommenden Falle, eine richtige 'Auf- lösung gefunden hat. Tob. Mayer und später Hansteen suchten zu zeigen, dass bei einen» prismatischen Magnet die Kraft von der

20 isla supersiT. certa riiitia EP. ccrla r. EF, d, </».

24 risum del mihi (in toir.) uita "jraui.s EU, J. r. dct t. u. mihi EF, ^P.

25 piMin. noii tr. ED, J.

2t) armat EB. nam potes esse miser ED, EF, J, </'.

104 Sitzung der math.-phys. Ctasse vom it. Juli 1862.

Mitte gegen die Enden hin im einfnchen oder im quadratisclien Verhidtnisse der Enllernung zunehme. Biot, durch eine Analogie mit der Elcclricilat geleitet, fand eine Vcrtheihing, welche durch die Gleichung der Ketlenlinie ausgedrückt wird, ein sehr merk- würdiges Resultat insoferne, als das gefundene Gesetz mit den zahlreichen bisher angestellten Versuchen eine sehr nahe Ueberein- stiniMunig zeigt, während die Betrachtungen, auf welchen es ge- gründet ist, nicht als richtig anerkannt werden können. Eine eigentliche mathematische Theorie des Magnetismus hat zuerst Poisson zu geben versucht, konnte aber seine Gleichungen nur für sphärische oder (^llipsoidische Körper infegriren, und die Uebereinstimmung mit der Natur ist bisher nur in sehr unge- nügender Weise nachgewiesen worden. Ein bedenklicher Um- stand ist es bei der Theorie von Poisson. dass er für Molecule, die in messbarer Entfernung von einander abstehen und für Molecule, die sich berühren, dasselbe Gesetz gelten lässt, während vielerlei Thalsachen und Analogien sehr bestimmt an- deuten, dass bei der Berührung eine weit intensivere Wir- kung eintritt'. Von dem Grundsätze nun ausgehend, dass die magnetische Molecular - Anziehung unverhälliiissmässig grösser sei als die Fernwirkung, und dass die letztere der erstem ge- genüber vernachlässiget werden dürfe, habe ich eine mathe- matische Theorie entworfen \ welche für eine Reihe von Mole-

(J) Icli lial)o jützt noch die Ucberzeugiiiig, tiass niagnetisclio Molo- cular-Aiizieliuii^ und m;i<xnoti.s(Ii(' Fornwirlunic; von einander wesentlich verschieeleii sind, obwohl ich nicht in Alirede stellen will, dass es Ex- perimente <^il)t, die als nicht mit dieser Ansicht übereinstimmend aus- geleijt werden könnten. Als einen Beweis für das Vorhandensein einer eij^enlhiinilichcn Mo!e( nlar- .\nzieliiini^ betrachtete ich IViiher anch den Umsland , dass man von solcher ÜMiothese ausc;chend durch den (]alcul auf die Kelteiilinie als Vertheiliings-Curve des Mao;netismus und auf an- dere mit der Erfahruiinj fjenau übereinstimmende (iesclze geführt wird: jetzt habe ich aber gelundcn, dass mehrere v e r s c h i e d en c Hjpolhcsen genau zu denselben anal} tischen Ausdriuken führen.

(2) Jahresbericht der Münchener Sternwarte für 1854 S. 27.

Lamoni: Theorie des Magnetismus. 105

culen, d. h für einen Linearmagnelen flenselben Ausdruck gibt, den Biot gefunden hat ; auch neue Versuche habe ich geh'efert welche, wie ich glaube, zeigen dass in den Fällen, wo der Querschnilt vernachlässiget werden darf, also nur die Längen- dimensionen in Betracht koM)nien, die von mir entwickelten Lehr- sätze in sehr befriedigendiM* Weise mit der Erfahrung überein- stimmen. Um aber eine vollständige Vergleichung mit der Natur durchzuführen und eine eigentliche Bestätigung der Theorie zu erhalten, wäre es erforderlich gewesen von Linearm agneten auf Magnete von beliebigem Ouerschni Ite überzugehen, und hierin bli(!ben alle meine Bemühungen erfolglos: der ana- lytische Weg führte zu einur endlosen Coinplication und die zahlreichen Versuche, die ich anstellte, lieferten keine Andeu- tung über die mathematischen Beziehungen, die hinsichtlich des Querschnittes stattfinden.

In neuester Zeit indessen ist es mir gelungen Andeutungen, die von grossem Wichtigkeit für die Theori(; sein können , zu erhalten und es ist meine Absicht in (1(mi folgenden Zeilen das W(!S(!nllichste davon mitzntheilen.

Den Anfang meiner Arbeiten in dieser Richtung bildete ein Versuch, wodurch bestiimnt werden sollte, wie viel von der Kraft zweier gleich grosser Magnete verloren geht, wenn sie mit gleich gerichteten Polen auleinander gelegt oder einander nahe gebracht werden. Zwei Abschnitte einer starken Uhrfeder (Länge 103,'" l . Breite 8,"'0, Dicke 0,'"2 Par. Maass) wurden vermittelst 25 pfundiger Stäb(» magnetisirt, und es eigab sich durch das Zusannnenlegen in der eben bezeichneten Weise ein permanenter Kraftverlusl von ungefähr Vi? '• durch wiederholtes Zusammenlegen erfolge kein weiterer permanenter Krallverlust, dagegen kam, wenn sich die Magnete berührten oder durch dazwischen gelegte Glasstreifen von einander in beslinniiter Ent- fernung gehalten wurden, eine gegenseitige Induction zu Stande, welche dem permanenten Magnetismus entgegengesetzt war und somit eine Verminderung des (janzen inaijiuHischen Moments zur F'olge hatte. Wie diese Verminderung von der Grösse des

106 Sitzung der math.-phys. Classe vom lt. Juli 1862.

Zwisclienraums abliäiigt, ersieht man aus folgender Beob-

achtungsroilie :

magnetisches Moment erster Miiffnot für sich allein . . . 31.7

zweiter ., ., ,, ... 32.7

beide aufeinander gelegt,

Zwischenraum 3. '"81 .... 63.4 2."'54 . . . . 63.05

l.'"27 .... 62.70. Ohne die Wirkung der Induction hätten die Magnete mit- einander ein magnetisches Moment von 64,4 (Summe der bei- den Momente) geben sollen, der Verlust durch Induction betrug demnacli

bei Zwischenraum 3."'8l 1.0 oder V6 4

1."'27 1.70 '/3«. Durch einen spatern Versuch fand sich bei unmittelbarer

1

Berührunof der Verlust durch Induction = ^^ oder 2,30.

" 28

Bei näherer Untersuchung erkannte ich dass der Verlust als aliquoter Theil des Magnetismus durch den Bruch

1^

28.00 + 8.27 X oder als absolute Grösse durch

64.4

28.00 + 8.27 X

dargestellt werden könne, wobei x den Zwischenraum in Linien

ausgedrückt bculeulet. Die Uebcreinstimmung dieses Ausdruckes

mit der Beobachtung zeigt folgende Zusannnenstellung.

Verlust Zwisihenraum berechnet beobachtet Differenz 0."00 2.30 2.30 0.00

l.'"27 1.70 1.67 -}- 0.03

2."'54 1.35 1.31 + 0.04

3."'81 1.00 1.08 - 0.08.

Lamont: Theorie des Miuinelismus. 107

Zunächst ging ich auf das analoge Verhällniss bei der Magnetisirung des Eisens durch den galvanischen Strom über und brachte zwei Eisenlainellen A und B (aus einer Blochtafel ausgeschnitten, Lange 43. '"2, Breite 5.'"IJ, Dicke 0."'4) in eine sehr lange Spirale. Einzeln gaben diese Lamellen folgende magnetische Momente

A 37.88 B 38.10, dann miteinander

in Berührung 44.25, Verlust 31.73

mit Zwischenraum 0.93 48.15 27.83 l.SO 50.90 25 08

2.'} 9 53.75 22.23. Der Verlust oder die Verminderung des Magnetismus durch Induction ist, wie man sieht, hier sehr bedeutend; der Vorgang ist aber ein anderer als bei permanenten Magneten. Bei per- manenten Magneten ruft der eine im andern entgegengesetzten Magnetismus hervor: bei der Magnetisirung des Eisens dagegen verhindert die eine Lamelle in bestimmtem Maasse das Entstehen i\es Mafjnetismus in der andern, und orleichzeiti"' ruft der wirk- lieh entstandene Maonetismus der einen Lamelle enfoeorenffe- setzten Magnetismus in der andern hervor. Desshalb ist es zweckmässig; die mathematische! Ausdrucksweise etwas zu an- dern. Wird der Magnetismus, der in den Lamellen entsteht, wenn man jede für sich in die Spirale bringt, durch M, und Mi, der Magnetismus der entsteht wenn man beide Lamellen mit dem Zwischenräume x in die Spirale bringt, durch m, und m^ bezeichnet, und setzt man voraus dass die von der Induc- tion herrührende Verminderung durch

a -|- bx ausgedrückt werde, so hat man

mi =:. Ml

a -j- bx

m, -=. Ml

m

a 4" bx

108 Sitzung der math.-phys. Clause vom 11. Juli 1S62.

Wir wollen nun M, -|~ ^^ =^ ^^ ""^ ^^^s beobachtete Moment der gleichzeitig in die Spirale gebrachten Lamellen m, 4^ nij = m setzen, und erhalten alsdann

m

a + bx =z

M m

Man niuss also das beobachtete Moment m durch den Ver- lust M m dividiren um die Zahl, welche das Verhältniss der Verminderung ausdrückt, zu erhalten. Für die obige Beobach- tungsreihe findet sich der Verlust durch Induction

l

~ 1.394 + 0.360 X wo X in Linien ausgedrückt ist, und die Uebereinstimmung mit der Beobachtung zeigt folgende Zusammenstellung:

Verl

lust

Zwistlienramn

bcroclinet

beobachtet

Differenz

0."'00

31.74

31.73

+ O.Ol

0."'93

27.85

27.83

+ 0.02

1."'86

24.07

25.08

041

2."'79

22.41

22.23

+ 0.18.

Ich übergehe hier die zahlreichen Versuche, welche ange- stellt wurden , um das gefundene Abhängigkeits - Verhiiltniss zwischen der Entfernung x und der durch Induction eintreten- den Verminderuno- des Magnetismus näher leslzustellen und die Modificationen, welche bei gehärtetem Stahle, bei weichem Stahle, bei Eisen von verschiedener Beschaffenheit und verschiedenen Dimen- sionen stattfinden, genauer zu bestimmen und erwähne nur noch eines Versuches, welcher den Zweck halte zu ermitteln ob bei ganz dünium Prismen, welche also der Linearform nahe .kommen, noch (lass(!ll)e Verhältniss besteht. Ich nahm zwei gleiche Ab- schnitte von einem Eisendraht (Länge 187, Durchmesser 2.5 Millim.), brachte sie in der oben angegebenen Weise in eine lange Spirale und fand

Ldtnont: Theorie des Mdi^netismiis. 109

erster Abschnill 1

'ür sich

21.08

zweiter Abschiiilt

für sich

20.10

beide in Berührm

'^

32.67

mit Zwischenraum

11 "1

1 6.7 MiUim. 11.4 1G.2 20.5

34.84 37,24

37.77 38.87,

Näherungsweise hat man hiernach Induction

1

den Ve

durch

3.70 4- 0.44 X und die Unterschiede zwischen Rechnung und Beobachtung sind der Reihe nach 0.25 + 0.96 0 30 0 07 0.69. Wenn gleich hier grössere Unterschiede^ hervortreten, so kann es im Ganzen doch keinem Zweifel unterliegen, dass auch bei Linearprismen die gegenseitige in Folge der Induction ein- tretende Verminderung des Magnetismus für verschiedene Ent- fernunoren x durch einen Ausdruck von der Form

(3) MagiK'tisiruns-s - Versuclie mit diiiineii Drilliten biete» iininer grosse Uiisiclierlieit dar, und I)ei Wiederholung desselben Versuches findet man auffallende Unterschiede , als wenn ein präcises Maass der Induc'tions- und Retentionsfähigkeit nicht vorhanden wäre oder als wenn Zurülligkeiten mitwirkten. Zugleich ist es merkwürdig wie weit die magnetischen Eigenschaften dünner Dräiite durch den besondern Zustand, in welchem sie sich befinden, modificirt werden. \i\n geringer (irad von permanenten Magnetismus ändert die Inductioiislähigkeit sehr beträcht- lich. Nach dem Ausglühen ist die Inductioiislähigkeit dreimal grösser als vor dem Ausglühen: vor dem Ausglühen bleibt bei geringer Strom- stärke die Hälfte, nach dem Ausglühen '/t des Magnetismus permanent zurück. Aehnliche Eigentliümlichkeitcn, nur in geringerem (irade, trifft man auch bei Eisenstücken von grösserem Querschnitte an, wesshalb zu genauen Magnetisirungs -Versuchen grosse Vorsicht nothwendig ist und stets durch mehrere gleiche Eisenstucke eine Controlle hergestellt wer- den sollte.

110 Sitzung der math. - phi/s. Ctasse vom iL Juli 1S62.

sich darstellen lasst. Wahrend die analvlisclie Eiituickeluno- zu unendlich complicirten Ausdrücken führt, gelangen wir hier auf dem Wege der Erfahrung zu einem ganz einfachen Gesetze. Hat man nicht zwei sondern mehrere Lamellen, so wird der Magnetismus jeder einzelnen Lamelle durch alle übrigen vermin- dert und wenn man den Magnetismus der ersten Lamelle mitm,, den Magnetismus der übrigen mit m-^, nig, m4..., dann die Function der Entfernung a -j- bx für die erste und zweite Lamelle mit a,, für die erste und dritte mit a^ u. s. w. bezeichnet, so hat man

m. = M, -^ ^^ ^ (II)

a, a^ a^

wo M, den Magnetismus bedeutet, den die erste Lamelle haben würde, wenn die übrigen nicht in der Nähe sich befanden. Für jede andere Lamelle erhält man eine analoge Gleichung, also eben so viele Gleichungen als Lamellen vorhanden sind, so dass die Werihe von m,, m^ , nij daraus abgeleitet werden können. Dessgleichen kann man jeden prismatischen Körper in unendlich viele Linearprismen sich zerlegt denken und die Verminderung, welche (ier Magnetismus eines jeden Linearprisma erleidet, berechnen.

Hievon wollen wir gleich eine Anwendung machen, welche dazu dienen wird die Richtigkeit der theoretischen Grundlage selbst ^'g* i- zu prüfen. Denken wir uns einen durch den gal-

vanisclien Strom magnotisirten hohlen eisernen Cyllnder AB (Fig. 1) von geringer Wanddicke (eine dünne eiserne Röhre) in unendlich viele Strciifen parallel mit der Axe zerlegt, so wird vermöue der vorhandenen Svmmetrie die \'er- minderuna des Magnetismus am jjanzen Um- fange gleich sein, also auch an jedem Theile des Umfanges gleicher Magnetismus sich zeigen, ein Umstand der die Berech- nung sehr vcreinfaclit. Den Halbmesser ac wollen wir mit r, den ganzen wirklichen Magnetismus durch 2run, den Magne- lismus, der ohne die Vernnnderung vorhanden wäre, durch

Lamout: Theorie des Magnetismus. \\\

2Mr7r bezeichnen. Wird von einem bestinminilen Anfangs- punkte a ausgegangen und der Winkel acb = (p gesetzt, so ist der Magnetismus des Linearprisma b = pxArp , und seine Entfernung von dem am Anfangspunkte a befindlichen Linear-

1

prisma = 2r sin -^ cp , mithin die Verminderung, welche der

Ml

Magnetismus dieses letztern Prisma durch das erstere erleidet

jt/rdg) a -\- 2br sin 1 (f 2 und zur Bestimmung von ju hat man die Gleichung

" = " -/,

/»rdqp

(III)

a 4" 2br sin 1 (f 2 Das Integral ist von y =: 0 bis rp z=. 2/r zu nehmen. Behufs der Integration muss man

.1 z^ 1

sm -^- .p = —-^

setzen, und erhält alsdann

__ V, _ /[ 4^^

^ Ja- 2br + (a + 2br) z'

wo das Integral von z =: 1 bis z =i: co zu nehmen und dann mit 2 zu multipliciren ist. Die Integralion lässt sich hier nicht ausführen, ohne dass vorher bestinunt wird, ob a 2br eine positive oder negative Grösse sei. Ans den oben angeführten Versuchen ist nun leicht zu entnehmen, dass bei (Msernen Röhren von grösscrm Durchnn^sser a gegen 2i)r sehr klein sein wird. Unter dieser Voraussetzung führt die Integration zwischen den angegebenen Grenzen zu der Gleichung

, A^ir , 2br V ~W r' a'

ft = M 4- ^ log

V" 4b'' r^ a'^ a

Ist der Bruch

2br

\\2 Sitzung der maih. - phys Classe vom 11. Juli 1862.

SO klein , dass die dritte und die höheren Potenzen davon ver- nachlässiget werden können, so geht die eben gefundene Glei- chung durch Reihenentvvickelung in folgende über

,f . 2;(i , a , //a^ , ,„

" = " + ¥ '"« ibr + 8b^' + <'^'

Wird die Gleichung mit 2nr multiplicirt und das beobachtete magnetische Moment des hohlen Cylinders 2.t</Tr =: m gesetzt, so hat man

2M;rrb m =:

a . . a*

b - 2 log 5^ + 2 log r gj^, ^.,

wofür man, wenn der Durchmesser d n: 2r und drei neue Constanten p, q, c eingeführt. werden, die bequemere Form

d

m

(V)

p + q log d j^

substltuiren kann; dabei ist a priori zu erwarten, dass das

Glied -^ bei hohlen Cylindern von grösserm Durchmesser weg- d^

gelassen werden kann.

Um die Anwendbarkeit dieser Gleichung zu prüfen, habe ich sieben hohle Cylinder aus Eisenblech von 1.5 Millim. Dicke anfertigen lassen, wovon jedoch die Form besonders an der Lölhstelle nicht so vollkommen war als zu wünschen gewesen wäre. Die damit angestellten Beobachtungen gaben die Con- stanten der obigen Gleichung wie folgt:

_d .

'" :=n9.0210 + 0.3870 log d'

wie weit die Beobachtungen nnt der Theorie übereinstimmen ist aus folgender Zusammenstellung zu entnehmen:

Lamont : Theorie des Maynetinjws.

113

liniesscr

«i MagiK

^tisinus

Milliiii.

beobachtet

berechnet

DilTerenz

38.6

64.92

65.09

0.17

34.4

59.90

59.97

0.07

29.0

53.70

53.22

+ 0.48

25.2

47.87

48.34

0.47

21.1

43.26

42.93

+ 0.33

17.3

35.65

37.76

2.11

13.6

32.42

32.56

0.14

Wenn gleich orrössere Differenzen vorkonmieii, so betrachte ich (lüdi unter Berücksichliiiiiiicr der nicht ganz rcoehniissigen Figur der Cyh'nder die obige Tabelle als eine vullkonnneno Be- stätigung der Theorie.

Ich habe lür den Fall, dass bei einen» Cyliiider a 2br einen positiven Werth hat, dann für den Fall, dass mehrere Cylinder ineinander gesteckt werden, theoretische Entwickelungeii vorgenommen und praktisclie Versuche angestellt, die ich hier übergehe. Bemerken will ich bloss, dass schon'^v. Feilitsch* ähnliche Versuche bekannt gemacht und denselben eine theore- tische Giundlage zu geben veisucht hat, welche jedoch den oben angeführten Thatsachen gegenüber kaum als haltbar er- scheinen dürfte.

Die bisher erwähnten Anwendungen der im Vorhergehen- den aufgestellten Theorie sind die einfachsten und die leichtesten: jede weitere Anwendung stösst sogleich auf ana- lytische Hindernisse. Man nehme z. B. ein Haches I'risma , so dünn, dass es als eine Ueihe von Linearprismen bolraclitel werden darf, und verzeichne über der Endlläche AB (l'ig. 2) die Curve alhbd , deren Ordinalen Aa, kf gh . . . die Stärke des Magnetismus (oder vielmehr des magnetischen Moments) an den

(4) Pogg, .^nn. L.XXX. 3'.>1. [iüHZ U.J

114 Sitzung der tiiath. phi/i. Classe vom ii. Juli 1862.

Punkten A, k, h... darstellen. Die Abscissen zähle man von der Mitte c nach A positiv, nach B negativ und setze cA = cB = ;i, cg = X', ck = X, gh = f (X'), kl = f (x). Die Verminderung, welche der Magnetismus in g durch den Magne- tisnms in k erleidet, ist

f (x) dx a 4- b (X x') ' und das Integral dieses Ausdrucks von x =:^ x' bis x = A gibt die Wirkung aller Linearprismen, die zwischen g und A liegen. Durch ein Linearprisma, dessen Abscisse x zwischen g und B liegt, entsteht eine Verminderung des Magnetismus in g

f (x) dx

"" a 4- b (X' x) ' und dieser Ausdruck muss von x i= A bis x :::^ x' integrirt werden, um die Wirkung aller Linearprismen zwischen g und B zu erhalten. Demnach haben wir, wenn der Magnetismus, der ohne die Verminderung zu Stande gekommen wäre, == M gesetzt wird

i(X)—m y a _j. b (X xO y a + b (X' x) ^

X' /.

Es lässt sich leicht schliessen, dass f (x) eine Exponential- Function sein wird und dass, wenn man a -{- bx durch Expo- nentialgrössen ausdrückt, eine Function gefunden werden kann, welche der obigen Gleichung Genüge leistet. Die wirkliche Darstellung dieser Function ist aber jedenfalls keine leichte Sache.

Vorläufig habe ich auf folgendem Wege nähere Andeutun- gen zu erhalten gesucht. Im CXIH. Bde. von PoggendorlT's Annalen S. 243 findet man eine Versuchsreihe, die ich mit 12 gleichen Lamellen in der Weise angestellt habe, dass zuerst der Magnetismus einer einzigen, dann zweier aufeinander liegender, dann dreier aufeinander liegender Lamellen u. s. w. bestimmt wurde. Wenn 12 Lamellen aufeinander gelegt waren, gaben sie ein Prisma von 5.3 Linien Breite und 5.0 Linien Dicke, und es hat keine Schwierigkeit nach (II) die Gleichungen anzuschrei-

'^- Lamont: Theorie des Magnetismus. j|5

ben, wodurch der Magnelisinus der einzelnem Lamellen bestimmt wird. Bezeichnet man den Magnetismus der ersten Lamelle mit m,, der zweiten mit u. s. \\., und wird noch in Rech- nung genommen, dass die Dicke einer Lamelle V,2 Linien und die Verminderung für x Linien Entfernung

1

1.394 + 0.366 X

betrug, so erhält man 12 Gleichungen, woraus die unbekannten Grössen abzuleiten sind; da aber in Folge der vorhandenen Symmetrie m, := m,,, nii z= m,, u. s. w. sein wird, so re- ducirt sich die Anzahl der Gleichungen auf ü und die Auf- lösung derselben gibt

m. = 0.323 m, zzz 0.172 m, 0.116 m, 0.095 m, 0.087 mg 0.082.

Als Einheit bei diesen Werlhen ist der Magnetismus ange- nommen, den eine einzelne Lamelle für sich allein gehabt haben würde. <l. h. in der Gleichung (II) ist M = 1 gesetzt.

Der grosse Einfluss der Iiuluction tritt hier sehr auffallend hervor: die äusscsrste Lamelle hat bei der Vereinigung nur '/s und die mittleren nur V,.i von dem Magnetismus, den sie ohne die Induction biü gleicher magnetisirender Kraft erlangt hätten.

Der oben gegebenen Andeutinig zufolge sollten die Werthe von m,, uij, nia . . . durch eine Exponenlial-Fnnction dargestellt werden können, und diess ist auch der Fall, denn wenn man

m„ =z 0.0821 + 0.2il (0.374"-» —0.374''^-°) (VII)

setzt, so erhält man Zahlen, welche mit den obigen vollkommen identisch sind, mit Ausnahme von lUg , wovon der Werth um 0.002 von der obigen Bestimnmng abweicht.

8*

116 Sitzunt/ der viath.-phys. Classc vom 11. Jtili 1S62.

Den Fall, dass 10, 8, 6 Lamellen miteinander vereinigt seien, habe ich auf ähnliche Weise behandelt und übereinstim- mende Resultate erhallen.

Dass ein ganz ähnliches Verhällniss bei den Polflächen eines cylindrischen Magnets (den man als zusammengesetzt aus un- endlich vielen concentrischen Röhren betrachten kann) bestehen müsse, lässt sich aus der Analogie schliessen und wird auch durch die Erfahrung bestätigt. So findet man, dass die Messun- gen , welche vom Kolke ^ an dem Pole eines grossen Electro- magneten in äquatorialer Richtung vorgenonunen hat, für die Entfernung n von der Mitte durch die Formel

= 35.0 4- 0.1144 (1.897" + 1.897—) (VIII)

dargestellt werden, und wie gross die Uebereinstimmung der Rechnung und Beobachtung ist, zeigt folgende Zusammenstellung :

ntfemun»

der Mitte

Beobachtung

Rechriiiiig

DilTcrcnz

8

54.2

54.2

0.0

7

45.5

4.5.1

+ 0.4

6

40.4

40.3

0.1

5

38.0

37.8

0.2

4

37.0

36.5

-1- 0.5

3

355

35.8

0.3

2

35.0

35.4

04

1

350

35.2

0.2

0

35.0

35.2

-0.^.

Man kann in dieser Richtung noch einen Schritt weiter gehen. Wird bei einer Lamelle von der Breite n der Magne- tismus in der Entfernung x von der Kante analog mit (VII) und (VIII) durch

a + b (e-k» + e-''("-^0

ausgedrückt, so ist das magnetische Moment der Lamelle

15) Pügg. Ann. LXXXI, 32J.

n

Lamont: Theorie des Magnetismus. 117

[a_|-b(e-'"' + e-''(°-^))] dx = an + y (1— e-^"),

0

vvolür man einfacher

an -}- p (l q") (IX)

schreiben kann. Messungen der hier bezeichn(;len Art habe ich mit 6 Lamellen, deren Breite sich wie 1, 2, 3, 4, 5, 6 ver- hielten, tuisgeführt und in PoggendorlF's Anniden Bd. CXIII. S 243 bekannt gemacht. Indem ich nun die dort angegebenen Zahlen durch einen Au.sdruck von obiger Form darzustellen suchte, gelangle ich zu folgender Formel

0.6933 n+ 302 (^ - ^). (X)

welche sehr genau die Beobachtungen darstellt, wie folgende Tabelle zeigt:

Breite der niaj^netischo.s Moment

Lamellen berechnet beobatlitct DifTcrenz

1 2.70 2.69 i- O.Ol

2 4.07 4 05 -4-0 02

3 4.99 5.04 0.05

4 5 75 5.77 0.02

5 6.48 6.52 0.04

6 7.18 7.12 + 0 06.

Die Schwierigkeit eine Function zu ermitteln, welche der Gleichung (VI) genügt, hat mich veranlasst verschiedene andere Wege zu versuchen , und dabei gelangte ich zu einer Lösung des Problems, welche ich hier noch beifügen will, weil der Entwickelnngsgang ganz eigenlhündich ist und in anderen Pro- blemen der Physik, numenllidi in der Elcctricitälslehre zweck- massige Anwendung finden durfte. Man denke sich eine sehr grosse Anzahl von Linearprismen nach Fig. 2 zusammengelegt, bilde nach (II) die Gleichungen für das (n 1)'% das n"» und (n -j- 1)" Prisma; alsdann ziehe man die mittlere Gleichung

118 Sitzung der math.-))hps. Classe vom 11. Juli 1862.

mit 2 niulliplicirt von der Summe der zwei anderen Gleichungen ab, so erhält man ein Resultat von der Form

AjUin-j + Aamn-a-l-ll -|-~-l m„_, 2 |1 ) nin

(2 1 \ 1 1 I nin+, + A2m„+i+ A3 m„+3-f ... 0 (XI) a 82/

wo die Glieder rückwärts bis zum ersten und vorwärts bis zum letzten Linearprisma leicht nach der gegebenen Analogie hinzu- gefügt werden können. Hiebe! hat man

12 1

A m ^^ -j- ,

flm 1 3ni am-).)

oder wenn man die unendlich kleine Breite eines Linearprismas zu £ setzt,

A _ 1 2 , 1 _ 2b^ e* ,

Am ^ r— -f- j r— 5— -f- . . ,

i^m fm 3ni -j~ am

Nun sind a und b in dem Ausdrucke (I) Functionen der Breite der nebeneinander befindlichen Prismen, und zwar neh- men diese Grössen asymptotisch zu in dem Maasse als die Breitendimension vermindert wird. Ich habe diess zuerst durch den Versuch erkannt und dann auch die theoretische Bestätigung dafür (die z. B. aus der obigen Gleichung (.\) leicht abgeleitet werden kann) gefunden: es ergab sich dabei, dass wenn a und b für Prismen von messbarer Breite gelten, bei Prismen von der unendüch kleinen Breite e

a , b und

in dem Ausdrucke (I) anstatt a und b gesetzt werden müssen. Hiernach gehören die CoefHcienten A,. A, . . . zur drillen Ord- nung und alle dannt multiplicirten Glieder können, den vorhan- denen Gliedern der zweiten Ordnung gegenüber, weggelassen werden. Die letzleren sind

0 - a^ + {) (■""-' + '""+') - 2 (1 - ^)»'' =

0.

Lnmont: Theorie des Magnetismus. 119

Subslltuirt man dem Gesagten zufolge - anstatt a,, dann

^ 4- £ anstatt a«, und lässt man in der Entwicklung von

die Glieder der dritten und höherer Ordnungen weg, so ergibt sich

bt^ (m„_, 2mn + mo+i) -- -7- (mn- 1 + mn+i) 0.

a

Bezeichnet man die Entfernung des n^'° Linearprisma vom

ersten mit x, die der Breite 1 entsprechende Inleiisiiät des

Magnetismus an diesem Punkte mit V, wo V eine Function von x

sein wird, so hat man

m„ :^ Vfi

(IV , . 1 d^V 3 ,

•""-' = ^^- d^c^ + T d7^* +•••

V I dV , , 1 dV 3 ,

so dass die obige Gleichung zuletzt die einfache Form

d^V _ 2b ^ ^ Q

dx' a

annimmt. Setzt man = k^, so ist das Integral allgemein

V Ae"^ + Be-»'»,

oder wenn die Constanten nach den Bedingungen des Problems bestimmt werden

V =: B (C-'^^ + C-Mc-D), (XII)

WO c die Breite der Lamelle bedeutet. Da bei der Bildung der Gleichung (XI) die Grösse M, wovon die absolute Grösse von V abhiingl, ausgefallen ist, so drücken die Gleichungen (XI) und (XIl) nur die Form der Curve , nicht die absolute Grösse der Ordinaten aus , und um den Bedingiuigen des Problems zu genügen, nuiss noch eine Conslanle hinzugefügt werden, so dass man als Endresultat die Gleichung

V = A 4- B (e-''» + e-Mc-x))

120 Sitzung der maih.-phys. Classe vom il. Juli 1S62.

erhält. Damit wäre das, was oben über die Form der Func- tion f (x) in Gleichung (VI) gesagt wurde, bestätigt. Es kann zugleich erwähnt werden, dass diese Gleichung die Vertheilung der Electricilät auf der Oberfläche eines isolirlcn sehr dünnen Cylinders darstellt.

Wie am Anfange ausgesprochen wurde, war es meine Ab- sicht, in dem Vorhergehenden nur vorläufige Andeutungen zu geben über den Weg, der zu befolgen wäre, um die mathe- matische Theorie des Magnetismus weiter auszubilden. Die an- geführten Resultate zeigen, wie ich glaube, ganz entschieden, dass der bezeichnete Weg zum Ziele führt: ob es gelingen wird, die nicht unbedeutenden analytischen Hindernisse, welche dabei sich darbieten, zu beseitigen und für die in der Praxis vorkom- menden Fälle einfache Gesetze und Formeln herzustellen, ist eine andere Frage,

Herr Nägeli hielt einen Vortrag

„über die crystallähnlichen Proteinkörper und i h r e V e r s c h i e d e n h e i t von wahren C r y s t a 1 1 e n.^'

(Hiezu •> Tüfeln )

i. Ueber die aus Proleiiisnhstanzen bestehenden Crystalloide

in der Paramiss.

Von Hartig wurde zuerst (Bot. Zeit, 1856 p. 257 und Pflanzenkeim 1858 p 108) auf crystallähnliche, aus Proteinver- bindun^on bestehende Bildungen in den Saamen aufmerksam gemacht. !)i('s(;lben wurden dann von Holle (Neues Jahrbuch für Phiirmacie von Walz und Winkler 1858 X p. 1 , 1859 XI p. 3:iS), Hadlkofer (Crystalle proteinartiger Körper 1859), Maschke (Bot. Zeit 1859 p 409) untersucht. Die genannten Beobachter bezeichnen sie als Crystalle, was mit Rücksicht

Nägeli. Crirstailähnliche Proteinkörper. 121

fluf die Gpsfalt seine volle Berechliguno; h;it. Sie weichen aber, ■wie ich in i\^'\\ foltjonden Miltheilungen zeigen werde, in sehr wesentlichen Merkmalen von (\v.\\ eigentlichen Gry stallen ab, und desswegen will ich sie Crystalloide nennen.

Meine Unlersnchungen beziehen sich bloss anf die Protein- cryslnlloide der Parannss (Saaiiien von Berlholletia excelsa). Dieselben wurden aus der zerriebenen Substanz des Saamens einmal durch Auswaschen mit fettem Oel und nachherige Be- handlung mit Aether, ein anderes Mal durch Auswaschen mit Aclher gewormen Ausserdem stand mir zur Untersuchtmg ein Priiparat von Maschke zu Gebot, von dem derselbe angibt, dass es durch Crystallisation aus o\\wy gesättigten Lösung künstlich dargestellt sei.

Cr y s t a 1 1 0 g r a p h i s ch e Ve r h ä 1 1 n i sse.

Mit Bücksicht auf die rrystallform der Proteincrystalloide der Parannss gibt Hart ig (Bot. Zeit. 1856 p. 300) an, dass sie Uhomboeder seien . und zwar so scharf wiedergegeben, wie am schönsten isländischen I)o[>pels[)alh. Radlkofer, der sich genauer und sorgfaltiger mit der Cryslalil'orm beschäfligle (1. c. p. 63), sagt eb(Mifalls, dass sie dem liexai];onalen System ange- höre, und da.ss der spitze \Vink(M d(!r HhomboederfliiclK^ unge- lahr 60" betrage. Maschke dagegen (Bot. Zeit. 1859 p. 419) weist sie dem tesserahm System zu; nach ihm kommen die regelmässigsten Octaeder, Tetraeder, aber auch sechsseitige Tafeln und ganz besonders spitze Khond)oe(lcr vor, welche letz- tern oll'enbar dadurch aus einem Octaeder entstanden seien, dass zwei gegenüberliegende Octarderiliichen durch Wachsen der sie begrenzenden übrigen Flachen verschwanden

Was zuerst die; Annahnn? Maschke's belrilft. so scheint mir diesellte unhaltbar Denn einerseits sind die von ihm er- wähnten Tetraeder von andern Beobachtern nicht gcscdieii wor- den (ich kann unter (nner Unzahl von (^rystalleiden kein(; An- deutung dieser Form auffinden) inid das Khondioeder kommt im tesseralen System nicht vor. Andererseits sind die Crystalloide

122 Sitzttng der tnath. - plnjs. Classe vorn ii. Juli 1862.

doppelhrechend und müssen auch aus diesem Grunde einem an- dern Systeme angehören.

Dagegen lassen sich allerdings die beobachteten Crystall- formcn ohne genaue Winkehnessungen alle auf das Rhomboeder nn't mehr oder weniger weit gehender Abstumpfung der beiden Endecken zurückführen. Manche Crystalle scheinen wirkliche Rhomboeder zn sein (Fig. 2), andere sich nur durch die abge- stumpften Enden zu unterscheiden (Fig. 1, 10, 5 9). Bei an- dern ist die Abstumpfung so weit gegangen, dass sie scheinbar regelmässige Octaeder geworden sind (Fig. 4, 11, 12). Bei noch andern hat die Abstumpfung die seillichen Ecken über- schritten; sie sind Tafeln, an denen man aber noch die Seiten- kanteu des Rhomboeders sehr deutlich wahrnimmt (Fig. 3, 16). Anderweitige Abstumpfungen kommen nicht vor.

In den citirten Figuren sind die zwei spitzen Enden des Rhomboeders oder deren Abstumpfungsflächen mit a und b be- zeichnet. Von den 6 Rhomboederflächen sind je die zwei ge- genüberstehenden durch m und n, p und q, r und s angezeigt; m, p und r grenzen an das eine, n, q und s an das andere Ende. In Fig 1 und 2 ist die Hauptaxe (a-b) horizontal, in Fig. 3 und 4 senkrecht zur Papierebene. Fig. 5 10 stellt das nändiche Crystalloid in verschiedenen Lagen dar. Fig. 5 9 wurden dadurch erhalten, dass die um einen Punkt sich drehende Axe eine zur Papierebene verticale Ebene beschrieb. In Fig. 5 liegt die Axe etwas schief, so dass die eine Endfläche (a) auf der zugekehrten, die andere (b) auf der abgekehrten Seite sich befindet. In Fig. 6 ist die Axe etw^as mehr aufgerichtet; die zwei Flächen r und s stehen vertical Fig. 7 zeigt den Körper in senkrechter Axenstellung ; die Fläche a ist horizontal und zugekehrt. In Fig. 8 ist die Axe etwas nach links geneigt; die Flächen n, p, m und q sind senkrecht; auf der zugekehrten Seite befinden sich blo.ss r und a. In Fig. 9 ist die Axe noch mehr geneigt, so dass die zugekehrte Fläche r horizontal liegt Fig. 10 endlich befindet sich in horizontaler Axenstellung,, ist aber aus der Lage, die Fig. 5 zeigt, 60° um die horizontale

fiägeli: Cryttallähnliche Proteinkörper. 123

Axe gedreht worden. Fig. 11 und 12 stellen ein Octaeder dar; in Fig. 11 ist eine Ecke zugekehrt; in Fig. 12 stehen 4 Seilen verlical.

Alle genannten Formen hissen sich aber ebenso gut aus einem schiefen rhombischen Prisma mit geringerer oder stär- kerer Ab-stumpfung der beiden spitzen Ecken erklaren, und diese Annahme ist aus verschiedenen Gründen die wahrschein- Hchere. Doch bemerke ich znm Voraus, (hiss die Beobachtung mit mehreren . fast nicht zu überwindenden Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Einmal ist wegen der Kleinheit der microscopi- schen Crystalioide eine vollkommen horizontale Lage der zu messenden Winkel nicht leicht zu conlroliren. Ferner können die Crystalioide wohl leicht gedreht werden ; aber es ist schwer, sie in der gewünschten Lage zu fixiren, und noch schwerer oder beinahe unmöglich, die verschiedenen Seiten der rhom- boeder- und oclaederähnlichen Formen von einander zu unter- scheiden. Endlich verändern sich die Winkel mit dem Medium, in welchem man sie betrachtet: sie zeigen im trockenen Zu- stande, in Glycerinlösung, in Wasser, in schwachsauren und alkalischen Lösungen etwas ungleiche Werthe. Obgleich viel Mühe und Zeit auf die Untersuchung verwandt wurde, so sind die Erg(^bnisse doch nicht so befriedigend und entscheidend, als es wünsclibar wäre.

Die Wink<'lmessuiigen nnt einem auf das Ocular aufge- setzten Goniometer ausgeführt, erlauben eine Genauigkeit bis auf einen Grad. Jeder Winkel wurde mehrmals (3 6 mal) abgelesen; die \\'erlhe variiren zuweilen nur um l" (z. ß. 6374 64V4''), zuweilen auch um (z. B. 61 '/^ 63'/j°), aber bei den grössern gut ausgebildeten Formen nicht um mehr. Ninunt man das Mittel, so ist der mögliche Fehler im erstem Falle höchstens '/,", im zweiten höchstens 1".

Dass die Crystalllorm dem klinorrhombischen und nicht dem hexagonalen System angehöre, dafür sprechen folgende Gründe :

1) In den rhomboederähnlichen ForuKMi ist der spitze Winkel aller Rhomben (Fig. 1 ö) etwas grösser als 60"; im trockenen

124 Sthunif der mat/i.-phifs. Classe vom 11. Juli 1862.

Zustande, in GlyctMin und in Wasser wurde er gewöhnlich von 61° bis 65° gofuiid(Mi. Ware die Form ein wirkliches Rhom- l)oedcr , so miisslen , wenn Sich dasselbe zum Octaeder abge- sluuipfl hat, die seitlichen Dreiecke einen Winkel zeigen, der grösser, und zwei, die kleiner sind als 60". Diess ist nicht der Tall; diese Dreiecke haben consfant 2 grössere und einen klei- nern Winkel: es wurden z. B. als Mittelwerthe gefunden

63°, 63'// und oi'//

6r//, 62" und 57'//

61°, 62° und 57°.

2) Das Rhoniboeder gibt in 3 verschiedenen Stellungen das gleiche klinorrhoinbische Prisma (Fig. 2, 10). Bei den rhomboederähnlichen Formen der Crystalloide scheint diess nicht genau zuzutreffen. Es gibt ein Prisma, dessen Neigungswinkel ungefähr 75° beträgt, und ein zweites, bei dem derselbe Winkel einige Grade weniger ausmacht.

3) Wenn die Crystalloide Rhomboeder wären, so müssten bei der Einwirkung derjenigen Mittel, welche die relativen Di- mensionen und die Winkel verändern, diese Veränderungen an den 6 Rhon)benflächen des Octaeders in gleicher Weise ein- treten. Diess scheint ebenfalls nicht statt zu haben. Es gibt eine rhond)ische Fläche, welche im trockenen Zustande und bei der Befeuchtung mit Wasser ihren spitzen Winkel von 63°— 65° kaum verändert, während andere ihn um 4'/2° vergrössern oder verkleinern.

4) Die Abstumpfungsflächen der Rhomboederenden sind gleichseitige Dieiecke. Bei einigen Crystalloiden schien diess ziemlich zuzutreffen, indem die 3 Winkel der Abstinnpfungs- flächen wenig von 60' abwichen. In andern dagegen differirten diese Wirdvel deutlich um 2 6 Grade von eiiumder.

Betrachten wir die Crystallform als ein schiefes rhombisches Prisma mit mehr odvv weniger weil fortgeschrittener Abstum- [)fuiiir der spitzen Ecken, so weicht dasselbe allerdings nur wenig von dem Rhomboeder ab. Mit Berücksichtigung aller verschiedenen Messungen können wir folgende Werlhe als der

Näyeli : CrystaUülmliche Proteinkörper. 125

Wirklichkeil luihe koiniuond mit ziemlichor Walirschciiilichkeit feslliaUeii. Die Neigung der Siiiile ist beinahe 58" (Winkel bei a und b in Fig. 2, wenn die senkrecht stehenden Flüchen r und s die EndtÜichen des Prismas sind) ; die Neignniif der Säulenflächen zu einander fast 75" (Winkel bei a und b in Fio-. 8); die Neigung der Endfläche zur Säulenfläche 71", der spitze Wiidvel der Endflächen 65 V^,", derjenige der Säulen- flächen 63Vi".

Bei der Enlsch(M(luii«r der Frage , ob die Cryslalloide der Puranuss rhombo«'drisch oder klinonhondjisch seien, ist noch ein wichtiger L'nisland zu berücksichtigen. Die Cryslalloide weichen darin von den C'rystallen vvesenüich ab, dass ihre Wiidvel viel weniüTcr conslant sind. Wenn wir an verschiedenen vollkoniinen gut entwickelten Cryslalloiden, die sich unter gleichen Verhält- nissen (z. B. im W^asser) befinden, die nämlichen Winkel messen, so finden wir häufig Abweichungen von mehreren Graden. Ebenso beobacditen wir zuweilen, dass die gegenüber liegenden Flächen nicht genau parallel sind, sondern gleichlälls um meh- rere Grade dili'eriren. Bei dieser Unbeständigkeit der Winkel könnten wir auch die Cryslalllurin als rhond)oedrisch betrachten; nur würde dann die Veränderlichkeit noch grosser. Der Vorzug, den die Annahme der klinorrhoudjischen Gestalt hat, besteht also nur darin . dass wir dabei die Winkel imierhalb engerer Grenzen variiren lassen müssen , als wenn wir die Cryslalloide dem he.xagonalen System unterwerfen.

Ich habe bereits erwähnt, dass der gleiche Winkel etwas tmoiciche Werlhe zeiuen kann , wenn das Crvstalloid in ver- schiedenen Medien sich befindet. Dannl übercMustinnnend ist die Thalsache, dass die Dimensionen einer und derselben Fläche in verschiedenen Medien etwas andere Verhältnisse der Durchmesser darbieten. Vergleichen wir einmal die Cryslalloide im trockenen und im durch Wasser befeuchteten Zustande , so bemerken wir sehr olt , dass der näudiche spitze Rhombenwinkel (Fig. 1 , d) beim Eintrocknen grösser wird. Es wurden z. B. folgende Werlhe gefunden :

60',/°

6F/,°

60° -

61°

567,° -

57^4"

6l7a° -

627/

60° -

60'/,°

126 Sitzung der vmth.-phys. Classe vom it. Juli 1862.

mit Wasser beCeucIitt't trocken

63'/4° 64° 63° 63V/ 60'/,° 61° 64° 65 V/ 65V,° 66°.

Dabei wurde nicht darauf gesehen, dass die Flache, an welcher der Winkel gemessen wurde, genau horizontal lag, wohl aber, dass das Crystalloid beim Eintrocknen und Wieder- beleuchlen nicht seine Lage veränderte.

In einzelnen Fallen wurde an dem Winkel einer rhonibi- schen Fläche kein Unterschied zwischen trockenem und befeuch- tetem Zustande wahrgenommen ; und in einzelnen andern Fällen wurde die entgegengesetzte Veränderung von der vorhin er- wähnten beobachtet. Der spitze Winkel war an dem trockenen Crystalloid kleiner als an dem von Wasser durchdrungenen, so z. ß.

uiit Wasser befeiiclilet trocken

63° 63V4° 65° ~ 66°

60° 61° 63° - 64°

56'/,° - 57V/ 607/— 617/.

Wenn von Wasser durchdrungene Cryslalloide durch Aetz- kalilösung etwas mehr aufquellen, so werden die spitzen Winkel der rhombischen Flächen häufig etwas klein(u\ z. B.

mit Wasser befeiiclilet in Aetzkalilösiiiig

64° 657/ 59° 60°

62" 62V4° 57° 58°.

Auch hier scheint indessen zuweilen das Gegentheil ein- zutreten und der fragliche Winkel in Kalilösung- grösser zu werden.

Ich muss es dahin gestellt sein lassen, ob dieses entgegen- gesetzte Verhalten der Winkel beim Eintrocknen und Wieder- befeuchliMi mit Wasser, so wie beim stärkern Aufquellen in einer alkalischen F'lüssigkeit in Beziehung zur Crystallform stehe, oder üb es auf eine andere Weise zu erklären sei. Wenn

Käf/eli: Crystallühnliche Pioteinköriier. 127

nämlich die Cryslalloide rhomboodrisch wären, so miisslen alle spitzen Winkel der rhombischen Flächen die nändichen Verän- derungen zeigen. Wenn sie dagegen klinorrhombisch sind , so könnte bei der Aufiiahme von Imhiliitiotisflüssigkeit die Ver- arösserunir in der Kichluno- der Säulenaxe, nnd in 2 (hizu senk- rechten Richtungen 3 versciiiedenen Werthen entsprechen, und es könnten demnach die spitzen Winkel der Säulenflächcn klei- ner, die der Endflächen grösser werden oder umgekehrt.

Die Entscheidung der Frage, wie sich unter den bespro- chenen Verhältnissen die Zunahme der verschiedenen Durch- messer verhalte, und ob (he rhombischen Flächen ihre Winkel in gleicher oder in ungleicher Weise ändern, wäre ein sehr wichtiges Moment lür die Bestimmung, ob die Crystalloide nach dem rhomboedrischen oder dem klinorrhombischen Typus gebaut sind. Aber beider scheint eine ganz sichere Methode fast zu den Unmöglichkeiten zu gehören.

Wenn die Crystalloide stärker in Kalilösung aufquellen, so werden die spitzen Winkel der rhond)ischen Flächen deutlich kleiner, uiui zwar scheinen sich alle Flächen der rhomboeder- ähnlichcn Formen gleich zu verhalten. Diese Winkel, die früher 610 _ (3io betrugen, sind jetzt nicht grösser als 49" 50". Wird die Crystalllorm als klinorrhombisch betrachtet, so ist die NeicTuno- der SäubMillächen unter einander von 75° auf 68'' 70'' gesunken, und die Neigung der Säule hat sich von 58" auf 50" vermindert. Die Winkel der Abstumpfungsflächen sind annähernd die gleichen geblieben, und die rechten Winkel der Stellung, wie sie Fig. 6 zeigt, sowie der octaedrischen Formen (Fig. 11) haben sich nicht verändert.

Die Anwendung des polarisirten Lichtes gibt sehr wenig Aul'schluss über das C'rystallsystem. Wenn di(! Axe des Ilhom- boeders senkrecht steht, so zeigen die Crystalloide keine doppel- brechenden Eigenschaften. Bei horizontaler Axenlage wird das Koth der ersten Ordnung in Rolhorange und liothviolett umge- ändert; und zwar in der Art, dass die geringere Aetherdi(;htlg- keit (oder grössere Elaslicitüt) in der Richtung der Axe sich

128 Sitzutiy der math.-phys. Classe vom il. Juli 1862.

befindet. Daraus ergibt sich , tlass wenn die Crystalloide dem bexagonalen System angehören, sie optisch positiv sind. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass sie 2 optische Axen haben, und dass dieselben sich der Axe i\es scheinbaren Rhoniboeders nähern.

Ich bemerke noch zum Schlüsse;, dass die Crystalloide meiner beiden Präparate fast alle rhomboeder- und octaederahnlich, sel- tener talelartig und am Umfange von den Rhomboederflächeu begrenzt sind. Die Crystalloide der Maschke'schen Präparate daffeffcn sind Tafeln, liäufiy njit stun)plen Ecken und bloss un- deutlichen Rhomboederflächeu (Fig. 13. 10 1; nicht seilen sind auch die oreu-enüberlieoenden Flächen nicht genau parallel. Unter meinen Präparaten kommen nur wenige solche Tal'eln mit un- vollkonnnen oder unregelmässi^ ausgebildeter Crvstallform vor (Fig. 14 16).

Microchemische Reactio neu.

Die microchemischen Reactionen , welche die Proteincry- stalloide der Paranuss zeigen, sind mannigfaltig uiul werden auch von den bisherigen Reobachtern abweichend dargestellt. Nach Hartig (Pflanzenkeim 115) werden sie in Wasser rasch gelöst, indem sie zuvor in eine Mehrzahl kleincirer ähnlich gebildeler Crystalle zerfallen. Holle wiederholte diese Angabe. Radlkofer dagegen (I. c. p. 65) laiul, dass das Wasser sie nur unvoll- kommen angreife, indem es eine Streuung und Zerklüftung der- selben hervorrufe und die Bruchtheili! bald gänzlich ausser Ver- bindung treten mache, andere aber nach längerer Einwirkung vollkonnnen intakt lasse. Holle slimmle S|iäler dieser Angabe bei (N. Jahrb. für Pharm. 1850 |>. 0). iNach Maschke (Bot. Zeil. 1850 p. -417 und 410) bleiben einerseits die Crystalloide im Wasser beinahe unverändert ; andererseits sollen sie aber in grössern Mengen Wasscu* rissig werden und ein wenig auf- quellen, nach längerer Zeit selbst sich lösen; l'cirner gibt der- selbe an, er habe ein Zerlallen in grössere und kleinere Stücke

Näyeli: Crt/staUültnlühe Protetuliöiper. 129

nur flnnn beobachten können, wenn das Wasser zwischen Deck- und Objectülas einzutrocknen begann.

Eioenthiiniliche und nicht constante Wirkungen ruft nach Radikofer die Essigsaure hervor (1. c. 67); dieselbe löst einen Theil der Cryslalloide. liissl aber ans der Lösung schnell eine oruniöse Masse lallen : andere verändert sie äusserlich last gar nicht oder macht sie rundlich aufgequollen und iiohl. Maschke dagegen cribt an, dass die Crystalloide der Paranuss auf Zusatz von Essigsäure sofort gelöst werden.

Concentrirte Salzsäure löst nach Radlkcder die Crystalloide rasch, massig vcrdüinite SchwelVilsäure etwas weniger rasch; in venlünnter Salzsäure werden sie getrübt wie durch Entstehen sehr kleiner Vacuolen; auch in Salpetersäure werden sie rund- lich und vacuolig. Rei Behandlung mit Phos[diorsäure zeigt sich nach Maschke in (h'r Mitte dos Crystalloids ein Hohlraum (,,eine durchsichtige, das Licht röthlich brechende Stelle"), welcher an Grösse immcu* mehr zuninnnl.

Anunoniak löst die Crystalloide nach Radikofer und Maschke, ebenso verdünnte Kalilauge nach dem Erstem, Kalkwasser nach Letzterm. Concentrirte Kalilauge macht sie nach Radikofer rund- lich klumpig.

In Glycerin werden nach Radikofer die meisten Crystalloide nach längerer (24 stündiger) Einwirkung gelöst, und zwar ohne erst bedeutend aufge(iuollen zu sein; einzelne aber bleiben ungelöst.

Jod färbt nach d(;n verschiedenen Beobachtern gelbbraun oder braun; nach Radikofer zerklüftet es sie zugleich. Das iMillon'sche Reagens gibt ihrien eine rothe Farbe. Pigmente wer- den in grösserer Menge aufgenonunen.

Diese Reactionen widersprechen einamhu- nicht nur, son- dern sie erscheinen theilweise auch ganz unbegreiflich und mau möchte sagen unmöglich. Ich habe mir nicht die Aufgabe ge- stellt , die microchemischen Erscheinungen erschöpfend zu be- handeln und zu untersuchen, unter welchen Verhältnissen die eine oder andere Wirkung eintritt. Es lag mir vielmehr daran,

[tä6-2. U.J 9

130 Sitzung der maih. - phys. Ctasse rom 11. Juli 1862.

aus dem verschiedenen Verhalten Aufschluss über die innere Struclur der Crystalloide zu bekommen. Ich benierke daher nur im Allgemeinen, dass die abweichenden Reaclionen vorzü^r- lieh von drei Ursachen herrühren. Einmal werden sie, wie das auch bei andern durchdringbaren Körpern der Fall ist, durch den Concentralionsgrad des Mittels bedingt, welcher sehr we- senthche Modificationen herbeiführen kann. Ferner bestehen die Crystalloide, wie ich zeigen werde, aus 2 Substanzen von ungleicher Löslichkeit; mit dem Wechsel der relativen Mengen muss auch der ganze Körper seine Eigenschaften modificiren. Endlich scheint auch die Art der Darstellung und Aufbewahrung von Einfluss zu sein; es scheint nicht gleichgiltig, ob die Cry- stalloide längere Zeit mit Alkohol und Aelher in Berührung ge- bUeben sind oder nicht; in der Aufbewahrungsflüssigkeit können Veränderungen vor sich gehen. Meine beiden Präparate ver- hielten sich bei Zusatz von Glycerin ganz ungleich, obgleich beide vermittelst Aelher dargestellt waren. Als ich darauf die Flüssigkeiten untersuchte, reagirte die eine deutlich sauer.

Mit Rücksicht auf die Wirkung des deslillirlen Wassers weichen meine Beobachtungen von denjenigen meiner Vorgänger ab. Trockene Crystalloide werden von demselben durchdrungen und erfahren demoemäss eine Volumenzunahnie. Sonst aber zeigen sie keine Veränderung; es findet weder Lösung noch Zerklüftung und Zerfallen statt, sowohl nach tagelanger Ein- wirkung als nach dem Austrocknen und Wiederbefeuchlen. Meine beiden Präparate, sowie dasjenige von Maschke verhalten sich in dieser Beziehung gleich.

Auch die Reaction von Glycerin und Jod weicht nach meinen Beobachtungen von den erwähnten Angaben ab. Reines Glycerin. sowohl in beträchtlicher Verdünnung als in starker Conceniralion angewendet, verändert die Crystalloide durchaus nicht. Es durchdringt sie bloss und bringt eine Volumenver- mehrung hervor, die aber noch viel geringer ist als bei der Durchdringung mit Wasser. Ist dagegen gleichzeitig eine wenn auch nur schwache Säure vorhanden, so treten verschiedene

Tiägeli : Crystallähnlhhe Proteinköiper. \^\

Vei-Jiiulerungen an den Crystalloiden ein, von denen ich in der Foloe spiTclien werde. Wie ich bereils bemerkte, verhielten sich meine beiden rrüparale bei der Einwii-kung von Glycerin nnoleich. Das eine, weiches die saure Reaction zeiote, h'ess iihidiche Erscheinungen waluMiehmen wie das anihn-e, wenn dem- selben schwache Sauren beigefügt wurden. Vielleicht ist auch die Angabe Radlkofer's über die Lösung der Crystalloide durch Glycerin auf die nämliche Weise zu erklären.

Jod dringt ein und fiirbt; aber andere Erscheinungen sehe ich nicht eintreten. Die durch Jod gefärbten Crystalloide sind nach meinen Beobachtungen im Gegentheil gegen andere i^Iittel viel beständiger geworden; ihre Substanz wird durch die Jod- einlagerung bis auf einen gewissen Grad geschützt, wie das auch mit den durch Jod gebläuten Stärkekörnern der Fall ist.

Ausser von reinem Wasser, Glycerinlösung, Jodlösung, Alkohol und Aelher werden die Crystalloide auch von sehr schwachen Säuren nicht vjMändert. Sooar in concentrirter Essiff- säure bleiben sehr viele derselben selbst nach längerer Zeit voll- kommen unangefochlcMi. Stärkere Säuren, schwächen! Säurc^n bei gleichzeitiger Einwirkung von Glycerin, sowie alkalische Lösun- gen bringen dagegen verschiedene Veränderungen hervor. Die leichtesten bestehen in einem Aufquellen , ohne dass die innere Structur wesentlich modificirt wird ; andere bewirken zugleich mechanische Trennungen oder verändern die feste und spröde in eine weiche dehnbare Substanz. Die stärkern Veränderungen sind mit partiellen Lösungen verbunden ; dabei wird entweder aus allen Punkten ein SlofT von geringerer Widerstandsfähigkeit ausgezogen; oder es werden einzelne Stellen von dc^r Ober- Häche aus angegriffen und das Crystalloid zerfallt in Stücke; oder es werden einzelne Stellen im Innern gelöst, und es bil- den sich Hohlräume. Endlich findet vollständige Lösung statt.

Bei d(!r leichtesten Einwirkung der angreifenden 3Iittel quellen die Crystalloide; bloss auf; sie vc^rmehren ihr Volumen mehr oder weniger, während die Crystallform erlialt(Mi bleibt. Am schönsten sah ich diess bei gleichzeitiger Anwendung von

DO O

132 Siliiiiii/ der math- phys. Vtasse vom lt. Juli 1862.

verdüiiiilen Siiiireii (z. B. Essigsäure) und Glycerin oder bei der Anwendung von sehr sclnvacher Aefzkalilauge.

Zuweilen kann man beobachlen, wie das quellende Mittel an der Oberlliiclie eindringt und nach der Mille Inn vorrückt. Wenn das Aulquellen sehr gering ist, so ist diess selbst das einzige Millel, um die stalKindeiide Verändernng nachziiw(Msen. Die Figuren 32 34 zeigen einige Cryslalloide, welche in sehr verdünnter Essigsäure lagen »nul auf welche nachträglich Gly- cerinlüsung einwirkte. Ganz gleiche Formen wurden auch in dem Präparate mit saurer Aurbewahrunnsflüssiokeil beobachtet (Fig. 25 31j. Die Substanz wird von der Oberfläche aus heller. Die innere unveränderte Masse ist, wie ihr Randschallen zeigt, etwas dichter 5 sie wird allmählich kleiner und verschwindet zuletzt ganz. Anfänglich hat dieselbe genau die Gestalt des ganzen Crystalloids (Fig. 29, 30, 34) und behält sie oft ziem- lich lange, so dass ein kleines Crystalloid in dem grossen liegt (Fig. 25), Später rundet sie sich jedoch meistens ab (Fig. 33). Das Aufquellen der Masse ist in diesen Fällen äusserst gering; die Cryslalloide scheinen nach demselben nicht grösser gewor- den zu sein. Sic können von den unveränderten fast nicht unterschieden werden; durch Jod nehmen sie die gleiche Farbe an.

Das regehnässige Vordringen des Glycerins oder überhaupt der Oui'lliingi^flüssigkeil in der Substanz des Crystalloids be- weist eine regelmässige überall gleichförmige Struitur im Innern. Es regte natürlich die Frage an, ob die Widerstände in den verschiedenen Hichlungen nngleicl» seien und ob das Vorrücken mit ungleicher Geschwindigkeit erfolge. Diess scheint nun aller- dings der Fall zu sein. In einigen FälltMi drang bei rhomboe- derähnlicher Gestalt die Oncllungsflüssigkeit olfenbar von den AbsUnnpInngsflächen aus langsamer ein als von den übrigen.

In Crystall(ii<len , welche Spalten besitzen, w ird die Sub- stanz auch von der Spallenoberfläche aus verändert. Ein sol- ches mit (iiner 0»i<Mspalle ist in Fig. 32 abgebildet; es verhält sich wie 2 Cryslalloide, indem in jeder Hälfte sich ein dichter

Tiüyeli: Cri/stfillähnliclie Proteinkörper. 133

Korn befindet. Wenn dngcgcii zwei Crystalloide einander fest iinliegen, und die Oiit-'Hungsfliissigkeit niclit zwischen sie ein- dringen kann, so verhalten sie sich wie ein einfacher Körper, und schliessen zusammen eine (jinzige znsannnenhangende dichte Älasse ein (Fig. 2S) Selten kommt es vor, dass in einem unverletzten Crystailoid die dichte noch unveränderte Substanz in 2 Partien zerliillt (so in Fig. 31); diess scheint damit zu- sammen zu hängen, dass, wie ich bereits bemerkte, die Quel- buigsflüssigkeil von den Abstumpfungsfläciien aus langsamer eindringt.

Die CryslaUoide können bis auf das Doppelte ihrer Dimen- sionen sich vergrössern, wobei sie sehr hell und durchsichtig werden, ohne ihre regelmässige stereometrische Form zu ver- lieren. Die Kanten und Ecken erscheinen oft so scharf, die Flächen so eben wie im unveränderten Zustande, Aber die ver- schiedenen Dimensionen hab(Mi nicht in ganz gleichen Verhält- nissen zugenommen: und die Cryslallgestall hat sich etwas ver- ändert, wie ich schon ob(Mi angeführt \v,\\n\

Bei etwas stärkerer Einwirkung des Quellungsmiltels ver- lieren die Crystalloitle mehr oder weniger ihre regelmässige polyedrische Form. Ecken und Kaulen runden sich ab. Die inm^e Structur wird modificirl, die Masse erscheint dehnbarer. Besonders bemerkenswerlh ist es, dass jetzt die Substanz an der Oberfläche dichter ist als im Innern. Die weiche aufge- quollene Masse ist von einer mend)ranartigen Rinde umschlossen. Diese Membran ist bald scdn- zart bald etwas mächtiger, aber immer sehr deutlich, bei rascher Einwirkung wird sio zer- sprengt und die innere Masse quillt wolkenartig heraus (Fig. 51, 'Vi) Diese Erscheimnigen wurden bei der Einwirkung von Kalilösuiig und Ammoniak, aber auch bei gleichzeitiger Anwen- dung von Salzsäure und Glycerin gesehen.

Eine andere Wirkung <\ii^ ungleichmässigen Aufquellens sind Risse in der Substanz des Crystalloids Dieselben zeigten sich besonders Ix'i gleichzeitiger Anwendung von verdünnten Säuren und Glycerin, ebenso bei Zusatz einer concentrirlen

134 Sitzung der math.-plnjs. Ctasse vom it. Juli 1862.

Glycerinlüsung zu dem Priiparat, dessen Aufbewahrungsflüssig- kcit eine saure Roaction zeigte, endlich bei Anwendung von starkern Siiuren allein. Zuerst erscheinen zarte Streifen auf den Crystalloiden . welche wie Hisse aussehen. Dieselben sind mei- stens unter einander ziemlich parallel und zur Axe der rhom- boederähnlichen Formen quer gerichtet. Bald darauf erkennt man sie als deutliche S|)alteu , die das Crystalloid theilweise oder auch ganz durchbrechen. Dasselbe zerfiillt dann in Stücke, welche, besonders wenn eine Bewegung in der Flüssigkeit be- günstigend mitwirkt, sich' von einander trennen und vertheilen. Offenbar wird dieses Zerkliiften und Zerfallen nicJit bloss durch mechanische Trennung, sondern auch durch theilweise Auflösung der Substanz hervorgebracht, welche an den durch die Risse blossgelegten Flachen Ihiitig ist. Die sich zerklüftenden und in Splitter zerfallenden Crystalloide zeigen ein kaum bemerkens- wcrthes Wachsthum durch Aufquellen.

Zuweilen bildet sich zuerst nur eine Spalte, welche sich verzweigt (Fig. .21, 22). Durch weitere Verzweigungen und netzförmige Anastomosen (Fig. 23) wird nach und nach die ganze Substanz zerklüftet und zerfallt in Trünnner. Es kann auch sogleich ohne vorausgehende Rissebildung ein Zerbröckeln in kleine Körnchen an einer Seite beginnen, und allmählich das Crystalloid ergreifen (Fig. 24).

Ebenfalls eine theilweise Auflösung, aber ganz in anderer Form findet gewöludich bei der Einwirkung von verdünnten Sauren (Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure, Phosphorsäure) statt. Es treten im Innern der Substanz Hohlräume oder Vacu- olen auf, bald grössere bald kleinere, bald nur einer oder ein- zelne wenige, bald zahlreiche (Fig. 45, 46, 47; in Fig. 48 umiicben mehrere kleine Vacuolen einen grössern Hohlraum). Dabei verändert das Crystalloid Form und (Jrösse nur wenig. Wenn die Vacuolen in grosser Menge vorhanden sind , so er- scheint die Substanz in Folge davon dunkel. Zuletzt zeigt das Crystalloid meistens eine einzige grosse Höhlung (Fig. 49, 50);

Näffeli: Crystallähnliche Proteinkörper. 135

es hat noch ziemlich seine polyedrische Gestalt und gleicht einer Zelle mit dickerer oder dünnerer Wandung.

Auch schwächere Alkalien bringen oft eine ähnliche Wir- kung hervor. Die Figuren 53-55 zeigen drei Crystalloide, die durch Auflösung der innern Masse hohl geworden sind. In Fig. 53 ist die Wandung noch ziemlich dick und hat auf der einen Seite eine Spalte; in Fig. 55 ist dieselbe sehr dünn ge- worden.

Wenn die Mineralsäuren stärker einwirken, so treten zwar auch Vacuolen im Innern auf. Zugleich findet aber in der Sub- stanz eine Desoiganisation statt. Das Crystalloid quillt nur wenig auf, rundet sich ab und besteht aus einer weichen und wie es scheint dehnbaren Substanz.

Eine Form der partiellen Auflösung besteht endlich darin, dass aus allen Theilen des Cryslalloids ein Stoff ausgezogen wird. Diese merkwürdige Beobachtung wurde an dem Präparat mit saurer Aufbewahrungsflüssigkeit bei Zusatz von Glycerin gemacht. In sehr verdünnter Glycerinlösung bleiben die Crystal- loide unverändert. In concentrirter Lösunjj werden sie zuerst am Umfange sehr hell; die Veränderung schreitet dann nach innen fort, woliei di(! eingeschlossene noch unveränderte Sub- stanz viel dichter erscheint und durch ihren stärkern Rand- schatten sich abhebt; zuletzt sind sie in ihrer ganzen Masse zart und durchsichtig geworden. Fig. 35 37 und 40 43 zeigen zwei Crystalloide in der fortschreitenden Veränderung. Selten bleibt die unveränderte Substanz, bis sie verschwunden ist, zusanunenhängend. Meistens zerfällt sie vorher in einige oder viele Partieen (Fig. 44). Nicht selten geschieht diese Zer- klüftung durch Oiiorspalten (mit Rücksicht auf die Axe der rhomboederähnlichen Formen). Zuweilen ist sie ziemlich regel- mässig, häufiger mehr oder weniger unregelmässig.

Wenn die Einwirkung vollendet ist, so bleibt ein sehr zarter Körper zurück , von der ursprünglichen crystallähnlichen Form und Grösse (Fig. 37, 38, 43); eine Zunahme der Dimen- sionen (resp. Aufquellen) findet nicht statt. Kanten und Ecken

136 Sit-iung der tnath.-plii/v. Classe vom it. Juli 1862.

sind oft noch gnnz schürf: nianclimal aber auch haben sich die Kanten etwas gebogen und die Ecken abgerundet. Der Körper erscheint so, als ob er bloss aus einer dünnen Membran bestehe; die eingeschhjssene Masse ist in ihrem Lichtbrechnngsvermögen vom Wasser nicht verschieden. Doeh muss sie eine unlösliche, aber allerdings äusserst weiche Substanz sein, was sowohl aus der sorgfältig erhaltenen Ciystallform als aus dem Verhallen zu Jod, welclics sie gelb färbt, als auch aus dem Umstände hervor- geht, dass bei der Zerklüftung die Trümmer und Körnchen in ihrer gegenseitigen Lage verharren und weder zusammenstürzen noch überhaupt in Bewegung gerathen, was nur dadurch erklärt wird, dass sie in eine unlösliche Substanz eingebettet sind.

Diese partielle Auflösung der Proteincrystalloide hat die allergrösste Aehnlichkcit mit der Einwirkung des Speichels auf die Stärkekörner. In beiden Fällen wird aus einer Mischung von zwei Stoffen der eine ausgezogen, wobei die Auflösung immer an der Oberfläche der noch unveränderten Masse thätig ist. Der StolF, welcher zurückbleibt, beträgt nach dem Licht- brechungsvermögen zu urlheilen, weniger als V,o der ursprüng- lichen Masse, und ist, wie schon gesagt, an seinem Umfang deutlich zu einer incndjranarligen Schicht verdichtet. Jod färbt die unveränderte Substanz gelbbraun mit einem Stich in's Röth- liche, die zuiückbleibende helltreib.

Die verschiedeneu Ersch(;inungen der OiK-Hn'ig und par- tiellen Auflösung können meistens auch, wenn das Mittel ener- gischer oder länger einwirkt, zu vollständiger Lösung luhrcMi . Schwache Säuren im Verein mit concentrirter Glycerinlösung, concenirirtcre Säuren sowie Alivalien haben oft diesen Erfolg.

Concenfrirte Essigsäure für sich allein greift, wie ic'h schon bemerkt habe, viele Crystalloide gar nicht an. Wenn dagegen gleichzeitig Glyceriri auf dieselben einwirkt, so quellen sie auf, werden dabei sehr durchsichtig, und verschwinden zuletzt ganz.

Stark verdünnte Phosphorsäure führt eine eigenthümliche Trübung der Crystalloide herbei, als ob ihre Substanz durch zahlreiche Risse in winzige Splitter zertrümmert sei. Setzt man

Nät/eli: Crtistanühnliche Proteinf<örper. 137

hierauf cnnceiilrirlero Phospliorsiinio liiiizu , so quellon sie auf und worden viel heller. Endlich sind sie sehr undeutlich, und bestehen nur noch aus oin(Mn iiussorst zarten kaum bemerk- baren Skelett, das aber oft noch vollkommen die iViUicrc Cry- slalllbrm zeigt. Sehr wahrscheinlich wird auch hier eine leichter lösliche Suiislanz ausgezogen, wie das bei der Einwirkung von toncenlrirter Glycerinlosung auf die Cryslalloide des Präparats mit saurer Aufhewahrunosflüssigkeit der Fall ist. Das zarte Skelett verschwindet bald vollsliindig. Bei der Einwirkung anderer Mineralsauren werdcMi meistens durch Auflösung im In- nern zuerst Hohlräume, dann eine einzige grosse Höhlung ge- bildet, die von einer HiUle umschlossen ist und zuletzt verschwin- det auch diese Hülle.

Ammoniak in concenlrirterer Lösung löst ebenfalls zuerst die innere Substanz und zuletzt auch die Hinde. Aetzkali da- gegen macht das Crystalloid aufquellen und dann verschwinden.

Vergleichung mit den Crystallen.

Die aus Proteinverbindmigen bestehenden Cryslalloide glei- chen in der Formbildung den C^y^talien aufs Aeussersle; daher sie auch sogleich von allen Forschern mit diesem Naimm be- griisst wurden. Doch zeigt eine genauen^ Beobachtung . dass die strengen Geslallsverhältnisse der Cryslalle bei den C'rystal- h)iden ziendich la.x werden. Wenn unter ganz gleiclnMi äussern Einflüssen derselbe Winkel um 2" und variiren kann , und wenn bei gut ausgebildeten Formen die gegenüIxM-liegenden gleichwerlhigen Flächen zuw(!ilen so weil von dem Parallelismus ' abweichen, dass es das Auge ohne Goniometer bemerkt, so muss (Hess wenigstens als ein aulTallendes crystallographisches Ver- halten bezeichnet werden.

Nicht minder abnorm für die Cryslallnatur sind die Geslalts- veränderungen der Cryslalloide in verschiedenen Medien. Zwar ist bekannt, dass die Winkel der Cryslalle bei dem Steigen und Fallen der Temperatur nicht genau die nämlichen bleiben. Aber es wäre etwas ganz Neues und Besonderes, dass ein trockener

138 Sitzung der math.-phys. Classe vom 11. Juli 186i.

Crystall, den man in Wasser legt, seine Winkel um 3" ändere, und dass er in gewissen Flüssigkeiten aufquellend die regelniiissige Crystallform zwar behalte, aber doch so sehr nio- dificire, dass der nüniliche Winkel gegen den trockenen Zustand eine Differenz von 15" und 16" zeigen kann.

Rücksichtlich des innern Baues können wir von den protein- artigen Crystalloiden wohl mit Sicherheit aussagen , dass die Substanz wie in den Crystallen nach verschiedenen Richtungen geschichtet ist. Diess ergibt sich aus den parallelen Rissen, welche unter gewissen Verhältnissen manchmal mit grosser Regelmässigkeit auftreten. Ich habe bereits angegeben, dass dieselben meistens mit den Abstumpfnngsfliichen parallel sind; zuweilen aber stimmt ihr Zug auch mit Rhotnbenflächen überein.

Ausserdem aber zeigt die innere Struclur eine wesentliche Verschiedenheit zwischen Crystallen und Crystalloiden. In jenen liegen die kleinsten Theilchen unmittelbar nebeneinander; die Substanz ist undurchdringbar. In diesen befinden sich Zwischenräume, in welche eine Flüssigkeit eindringen kann; sie sind imbibitionsfähig. An diese Differenz knüpfen sich eine Reihe anderer Unterschiede.

Die soeben hervorgehobene Thalsache, dass die Crystalloide, wenn sie aus dem trockenen Zustande in den befeuchteten über- gehen, oder wenn man sie aus Wasser in eine andere Flüssig- keit bringt, ihre Grösse und zum Theil ihre Ge.>lalt verändern, beruht auf ihrer Imbibitionsfähigkeit. Die Oi'cHungsflüssigkeit dringt in die Substanz ein, lagert sich in den verschiedenen Richtungen in ungleicher Menge ein, und bringt dadurch mit der Vülumenzunahme auch eine Gestaltsveränderung hervor.

Eine andere Folge der Imbibitionsfähigkeit sind die Ver- änderungen, welche im Innern der Crystalloide vor sich gehen, wenn sie mit verschiedenen Lösungen und Flüssigkeiten in Be- rührung konmien. Sie lagern Jod und andere Farbstoffe ein und ihre Substanz wird durch und durch gefärbt. Sie quellen ungleichmässig auf und bilden Risse, oder die innere weichere Substanz zersprengt die dichtere Rinde. Die eindringende

Tiägeli: Cri/stallähnliche Proteinkörper. 139

Flüssigkeil ruft zuerst eine partielle und ungleiclimlissige Lösung hervor; in Folge derselben bilden sich im Iiniern Höhlungen, oder die Masse zerfallt in grcissere und kleinere Splitter, oder es wird aus allen Theilen eine leichlerlösliche Substanz ausge- zogen. Dieser partiellen Lösung folgt nachher die vollständige nach. Von allen diesen Erscheinungen zeigt der Crystall keine Spur, weil er undurchdringbar ist. Das Lösungsmitlei greift ihn an seiner Oberfläche an ; er wird kleiner und ver- schwindet zuletzt. Seine Substanz bleibt unverändert bis zu (lern Moment, wo sie von dem lösenden Mittel erreicht und verflüssigt wird.

Die Imbibitionsräliigkeit der Crystalloide bedingt lerner ein von den Cryslallen verschiedenes Wachsthuni. Die letztem ver- jrrössern sich durch Schiclitenanllageruntr an ihrer Oberfläche; wegen ihrer Undurchdringbarkeil können sie keine Substanz in ihr Inneres aufnehmen. Die Crystalloide dagegen wachsen durch Inlussusceplion; mit dem durchdringenden Wasser ge- langen nährende gelöste SlofTe ins Innere und werden in un- löslicher Modificalion eingelagert Dass diess so sein müsse, ergibt sich namentlich aus zwei Thatsachen. Einmal ist die in- nere Substanz in grössern Crystalloiden viel weicher , leichter qiKdlinigsfähig und leichtc^r löslich als die Rinde : sie ist auch viel weicher als kleine Crystalloide. Die letzlern können also nicht durch Anflacrerunir an der Oberfläche zum Kern der grössern Körper werden.

Die zweite noch viel wichtigere Thatsache ist die oben erwähnte, dass wenn man dtuch schwache Säuren und Glycerin eine leichter lösliche Substanz auszieht, die übrig bleibende relativ unlösliche Substanz an der Oberfläche zu einer Membran verdichtet ist. Diese M('nd)ran beweist, dass das Wachsthnm allein durch Inlussusception geschieht. Denn würde auch Auf- lagerung an der Oberfläche statt haben, so müsste die Membran ins Innere vergraben werden; und man müsste an grossen Crystalloiden nach der angegebenen Behandlung nicht nur eine

140 ■^ititttiff der math. - phi/s. Clause vom ii- Juli 1862.

Menibian an der Ohcriläclie , sondern auch noch eine Reihe anderer in einander geschachlelter irn Innern finden.

Die kleinsten Crystaüoide in meinen Präparaten haben die Crystalllornien (h^r grossem. In dem Präparat von Maschke dagegen sind die kleinsten alle kugelig; sie können eine ziem- liche Grösse erniichen und dabei noch kreisrund (abgeplattet- kuoeliir) sein (Fig. 20). Von diesen Kugeln gibt es alle mög- lichen üebergänge zu den sechsseitigen Taleln , welche von 6 Rhniidjoederflächen und den beiden Ab.slumpfungsflächen be- grenzt sind. Zuerst sieht man 3 Ecken sich an dem Umfange erheben (Fig. 17); zwischen denselben bilden sich dann nach und nach die drei andern aus (Fig. 19, 20). Diese Thatsache scheint darauf hinzudeuten, dass die Cryslalloide zuerst als Kugeln auftreten und allmählich sich zur spätem Cryslallform umbilden. Ist diese Vermuthung. die aber jedenfalls noch durch weitere Beobachtungen bestätigt werden muss, gegründet, so ergibt sich ein neuer Unterschied gegenüber den Crystallen. welche auf ganz andere Art entstehen. Auch diese Formverändorungen der Cryslalloide in d(Mi jüngsten Zuständen wären wohl nur durch das Wachsthum vermittelst Intussusception zu erklären.

Diese Vergleichung zeigt uns, dass die aus Proleinsub- stanzen bestehenden Cryslalloide den Crystallen in der Form- bilduiiff zwar äusserst ähnlich sind, dass sie aber in allen andern wesentlichen VcMhältnissen sich von densidben entfernen und dafür genau mit den Slärkekörnem und Zellmendtranen über- einstimmen. Namentlich mit Rücksickt auf die mannigfaltigen Ouellungs- und Audösungserscheinungen gibt es selbst keine einzige, die nicht auch in ganz analoger Weise bei den Stärke- körnern vorkäme. Die Unterschiede zwischen Slärkekörnem und Crystidloiden lassen sich wohl alle darauf zurückführen, dass bei jeuen die innere Organisation diu"ch ein Centrum be- dingt wird, bei diesen nicht; dass also bei den erstem die Molecularschichtcn sich concentrisch um einen organischen Mit- telpunkt gruppiren, bei den letztem aber in parallelen durch feste Richtungen bedingten Flächen liegen. Da, wie ich für die

Küyeli : Cri/staltähiiiivlte Proteinköriier. 141

Stärkekürner wahrscheinlich goinachl habe, der concenhische Bau mit i\oth\veii(lii»keit besliininle Spaniimiuen hervorruft und da aus diesen Spannuntren die DifTcrencirung' der Substanz in dichte und weiche Schichten sowie die Entstehung von Theil- körnern im Innern herzuhMten ist. so wird es begreiflicii, warum diese beiden Merkmale den Crystalloiden mangeln.

Da die Trystalloide sich rücksichtlich derjenigen Erschei- nungen, welche durch den Innern Bau bedingt werden, wie oro-anisirte EkMnenlarorgane verhalten , so darf man wohl an- nehmen, dass sie auch in der iMolecuIarconslilution mit denselben id)ereinstinnnen. Sie würden somit aus winzigen crystalliihnlichcn Molecülen (von denen jedes aber aus einer grossen Anzahl von Atomen zusammenoresetzt sein kann) beslehcMi. welche im Irocke- neu Zustande einander berührtm. im befeuchleten aber durch Schichten von Ind)ibitionsflüssiokeit getrennt sind. Diese Annahme wird auch, wie es scheint, durch das Verhalten der Cryslalloide selbst gefordert ; denn sie allein gestattet die Möglichkeil . dass dieselben sidi auf das D()|)pelle ihrer Durchmesser ausdehnen und dabei eine vollkommen rt^aelmässiije (i(>stalt behalten.

Auch die Wirkungen, welche die Crystalloide auf das po- larisirte Licht äussern, unterstützen die Annahme, dass ihre Molecularconslitution mit derjenigen der organisirten Elementar- gebilde übereinstinnne. Die letztern zeichnen sich alle dadiuch aus, dass sie auch in wasserlhrien» Zustaiuh; viel schwächere doppelbrechende Eigenschaften besitzen als Crystalle von glei- cher Mächtigkeit. Diess gilt ebenfalls für die Crystalloide; die Interferenzfarben, welche sie hervorrufen, sind so schwach, dass man sie kaum deutlich wahrninnnt, während gleich grosse Cry- stalb^ einer Zuckerart oder irgend eines Salzes sehr lebhafte Färbunuen crzenucn.

Das Wesen der Crystalle bestellt darin , dass die kleinsten Theilchen nach allen Richtungen in parallelen geraden Reihen, somit nach verschiedenen Richtungen in paralhdcju ebenen Flä- chen liegen. Die Folge davon ist die regelmässige Crystallform mit ihren ebenen Begrenzungen und mit ihrer synunetrischeii

142 Sitzunf/ der math.-phi^s. Classe vom ii. Juli 1862.

Verlheiluncr der Flachen. Die Bedinffunor dafür besieht darin, dass die kleinsten Theilchen in der ninnlichen Richtung die glei- chen Molecuhirkriifle wirksam werden lassen. In den orga- nisirlen Körpern geniigen bloss jene unsichtbar kleinen crystall- ähnlichen Mulecüle , aus denen sie bestehen, vollkonnnen diesen Bedintrunjien. Die crvstallähnlichen Molocüle treten ihrerseits nach bestiiniriten Gesetzen zusannnen und bilden eine Vereini- gung höherer Ordnung. Sie können entweder in geraden Linien und ebenen Flachen sich zusammen ordnen, wie in dem Cry- stalloid und in der ebenen Membran; oder sie können krumme Reihen und gebogene Schichten bilden, wie in der cylindrischen oder ovalen Zellmembran und in dem Stärkekorn. Eine ebene Membran ist von dem Crystalloid nur dadurch unterschieden, dass in jener bloss 2 gegenüber liegende Flächen , in diesen» alle Flächen ausgebildet sind. In beiden ordnen sich die cry- stallähnlichen .Molecüle, das Gefüge des Crystalls nachahmend, zwar nahezu aber doch nicht genau in gerade Reihen und ebene Schichten, wie die optische Analyse mit polarisirtem Lichte bei beiden und wie die crystallographische Analyse bei den Cry- stalloiden zeigt. Da sie unter einander nicht fest verbunden sind und da zwischen ihnen andere Kräfte wirksam werden, als zw i- schen den Atomen selbst, aus denen sie bestehen, so können sie ferner innerhalb gewisser Grenzen Modificationen eingehen, die dem wirklichen crystallinischen Gelüge fremd sind.

Erklärung der Figuren 1 55.

(liystalloidc aus der Paraiiuss (Berthoiletia excelsa).

Fig. 1 12.

Unveränderte Crystalloide in Wasser; 500 mal vergrössert. Die spitzen Enden des Rhomboeders oder deren Abslumpfungs- flächen sind mit a und b, die Flächen des Rhomboeders mit m, n, p, q, r, s in der Art bezeichnet, dass m und n, p und q, r und s Paare von opponirten Flächen darstellen.

Tiäyeli : Crt/stallühnliche Proteinkörper. 143

1. Rhomhoeder mit leicht abgestumpften Enden und hori- zontaler Axe; s, ni und p liegen auf der zugekehrten Seite.

2. Vollständiges Riioinboeder mit horizontaler Axe, die Flächen r und s stehen senkiechl.

3. Tafel mit auf der Papierebene verlicaler Rhoinboeder- axe; die Endfläche b horizontal . zugekehrt. Auf der zuge- kehrten Seite befinden sich ausserdem m, p und r, auf der ab- gekehrten n, q und s.

4. Octaeder, dessen verlical stehender Durchmesser der Rhoniboederaxe entspricht. Lage und Bezeichnung wie Fig. 3.

5. Ein abgestumpftes Rhoniboeder ; die Axe wenig nach rechts aufgerichtet, a, p, m, s auf der zugekehrten, b auf der abgekehrten Seite.

6. Das nämliche Crystalloid wie Fig. 5 mit etwas stärker aufgerichteter Axe. Die Flächen r und s stehen senkrecht. Auf der zugekehrten Seite befinden sich m , p und auf der abge- kehrten Seite a, b.

7. Das nändiche Crystalloid mit vertical stehender Axe. a (horizontal), in, p und r auf der zugekehrten Seite.

8. Das gleiche Crystalloid mit etwas nach links geneigter Axe. Die 4 FläcluMi m, p. n und q stehen senkrecht; r und a auf der zugekehrten, b auf der abgekehrten Seite.

9. Das gleiche Crystalloid mit stärker nach links geneigter Axe. r (horizontal), n, q und a auf der zugekehrten Seite.

10. Das gleiche Crystalloid wie 5 9, mit horizontal lie- gender Axe und aus der Lage 5 etwas um diese horizontale Axe gedreht.

11. Octaeder mit zugekehrter Ecke.

12. Das gleiche Octaeder mit 4 senkrecht stehenden und 2 zugekehrten Flächen. ,

Fig. 13, 17-20.

Unveränderte kleinere Crystalloide des Maschke'schen Prä- parats, in Wa.«ser; 1000 mal vergrossert.

13. Tafel mit scharfen Ecken.

144 .Si7«w«y der matli.-pUys. Cltisse vom 11. Juli iS62.

17. Tafel mit 3 ausgebildeten und 3 unausgebildeten Ecken.

18. Die gleiche Tafel mit horizontaler Axenstellung.

19. Tafel mit abgerundeten Ecken.

20. Kreisrunde etwas abgeplattete Form.

Fig. 14-16

Ein tafelförnnges Crystalloid aus (\cm Präparat mit saurer Aufbewahrungsflüssigkeit; 500 mal vergrössert.

14. Mit horizontal liegender Axe. In der Mitte befindet sich eine kleine Partie dichterer Substanz.

15. Mit zur Pa|)ierebene verticaler Axe.

IG In schiefer Lage; am Umfange sind die Rhond)oeder- fliichen sichtbar.

Fig. 21 - 24.

(rystalloide aus dem Präparat mit saurer Aufbewahrungs- flüssigkeit, in Glyceriidösung, durch welche sie zerklüftet und zerbröckelt werden; 400 mal vergrössert.

21. Khond)oeder mit einer Spalte.

22. Abgestumpftes Rhomboeder mit stärkerer Zcrspallung.

23. Gestutztes Rhomboeder in der gleichen Lage wie Fig. 6, mit weiter fortgeschrittener Zerklüftung.

24. Die eine Hälfte ist in Körnchen zerbröcki^lt , die an- dere noch unversehrt.

Fig 25—31.

Crystallüide aus dem Präparat mit saurer Aufbewahrungs- flüssigkeit , welche durch dieselbe bis auf eine noch dichte und unveränderte Partie etwas aufgequollen sind; 500 mal vergrössert.

25. RlK)mbo(!der; der dichte iiniere Kern hat ebenfalls eine rhondjoedrische Gestalt.

20. Tafel mit horizontal liegender Axe.

27. Die gleiche Tafel wie Fig. 26, von der Fläche. Der innere dichte Kern ist ebenfalls tafelförmig.

28. Zwei zusannnenklebende tafelförnn'ge Crystalloide. Das

Küyeli: OysiuUähnliche ProteinUörper. 145

Körporpaar vcrliält sich beim Aufquellen wie ein einfaclier Kör- per, der von der Oberfliiclie aus angegrilFen wird.

29. Octaeder; die dichte Substanz hat die gleiche Form.

30. Fast zum Octaeder abgestumpites Rhomboeder; die dichte Substanz von gleicher Gestalt.

31. Rhomboeder (wie Fig. lOj; die dichte Substanz bildet 2 Parlieen in der Nähe der beiden Ecken,

Fig. 32 34.

Crystalloide in verdünnter Essigsäure, welcher dann Glycerin zugesetzt wurde; öOOmal vergrössert. Das Quellungsmiltel dringt von der Oberfläche aus ein.

32. Rhomboeder (wie Flg. 10), mit einer durchgehenden den Abstumplungsflächen parallelen Spalte, von welcher das Ouellungsmittel gleich wie von der Oberfläche aus eingedrun- gen ist. In jeder Hälfte befnidet sich ein dichter Kern.

33. Rhondjoeder (wie Fig. 1); dichter Kern im Innern von länglich ovaler Form.

34. Rhomboeder (wie Fig. 10); die dichte Masse im Innern hat ebenfalls eine rhomboedrische Form.

Fig. 35 44.

Crystalloide aus dem Präparat mit saurer Aufbewahrungs- flüssigkeit, bei der Einwirkung von concentrirter Glycerinlösung; 500 mal vergrössert.

35. Ein octaedrisches Crystalloid, die Auflösung hat am Umfange begonnen.

36. Das gleiche, etwas später.

37. Das gleiche Cryslalloid, nachdem die dichte Substanz vollständig au.sgezogen ganz ist.

38. Ein tafellörnnges Crystalloid (wie Fig. 3), aus wel- chem die lösliclie Substanz ganz ausgezogen ist.

39. Die Einwirkung hat in abnormaler Weise stattgefun- den, und die lösliche Substanz grösstenlheils aus der Innern

lu. ia62.J 10

146 Sitzung der math.-phy:. Vlasse vom lt. Juli iS6S.

Masse ausgezogen, eine äussere Schiclit aber noch unverändert

gelassen.

40. Ein rhonibocdrisches Crystalloid (wie Fig. 10); die Einwirkung hat am Umfange begonnen.

41. Das nämliclie etwas später.

42. Das nämliche noch später.

43. Das gleiche Crystalloid, nachdem die lösliche Substanz ganz ausgezogen ist.

44. Ein Crystalloid, in welchem die dichte unveränderte Substanz in mehrere durch Spalten getrennte Partieen sich ge- schieden hat.

Fig. 45 50.

Crystallüide in Wasser, durch den Zutritt von Salzsäure verändert; 500 mal vergrössert.

45. Octaeder (wie Fig. 12), mit einer kleinen Vacuole im Centrum.

46. Zur Tafel abgestumpftes Rhomboedcr (wie Fig. 3) mit mehreren zerstreuten kleinen Hohlräumen.

47. Octaeder (wie Fig. 11) mit zahlreichen zusammenge- drängten Hohlräumen im Innern.

48. Octaeder (wie Fig. 12) mit einem grossen Hohlraum in der Mitte und mit kleinen Vacuolen um denselben.

49. Hhomboedor (wie Fig. 10) mit einer sehr grossen Höhlung, und dadurch einer dickwandigen Zelle ähnlich ge- worden.

50. Rhomboeder (wie Fig. 1) mit einer sehr grossen Höhlung, einer Zelle mit massig dicker Wandung ähnlich.

Fig. 51 - 52.

Crystalh)i(lo im Wasser, bei Zutritt von Glycerin und Salz- säure; 500 mal vergrössert. Die innere starkaufquellende Masse zersprengt die dichtere Rinde und tritt als eine feinkörnige Wolke heraus.

Niiyeli: Crystullühnliche ProteinUüvjter. 147

51. Rliomboeder.

52. Gestutztes Rliomboeder.

Fig. 53-55.

Ci-yslalloide in Wasser, durch Zutritt von Ammoniak ver- ändert; 500 mal vergrösscrt.

53. Oclaeder mit einem Hohlraum im Innern und einer Spalte.

54. Abgestumpftes Rhomboeder mit einer sehr grossen Höhlung, einer dickwandigen Zelle ähnlich.

55. Rhomboeder (wie Fig. 2) mit einer sehr grossen Höhlung, einer dünnwandigen Zelle ähnlich.

2. FarbcnjstaUüide bei den Pßan-zen.

Ich habe früher (Pfianzenphysiolog. Untersuch. I, p. 6) gefärbte crystallinische Körper beschrieben, welche ich im Jahr 1850 und 1851 in den Hlumenblältern von Viola und Orchis aufgefunden hatte. Dieselben waren bald ovale oder unregel- mässige Körner, bald auch ziendich schöne Crystalldrusen. Sie wurden schon durch Wasser aufgelöst und Hessen dabei eine weissliche protoplasniaarlige Masse von fast gleicher Grösse und Gestalt zurück.

Die Unlersuchunir der Früchte von Solanum america- num Mill. gab Gelegenheit ähnliche Körper in besserer Crystall- bilduno- zu beobachten. Die Früchte waren halb vertrocknet (sie wurden im März untersucht). In den grossen Zellen des Fruchtfleisches befanden sich Cryslalle und Crystalldrusen von intensiver violetter Färbung, bald einzeln bald zu nuiln-ern bei- sammen. Ich will zuerst deren Gestall, nachher die chemischen Reactionen beschreiben.

Die einzelnen Crystalloide sind alle äusserst dünne Tafeln. Einzelne sind regelmässige Rliondjen oder Rbombciu mit abge- stutzten Ecken (Fig. 58), oder solche mit einspringenden Ecken (Fig. 57). Eine grosse Zahl besteht aus Cseitigen bis 75 Mik.

10*

148 Sitzuni/ der math.-phys. Classe vom iL Juli IS62.

grossen Tafeln (Fig. 59) mit gleichen oder alternirend unglei- chen, oder opponirt gleichen oder unregelmassig ungleichen Seiten. Ebenfalls eine grosse Zahl besteht aus 6 seitigen Tafeln mit ein- springenden meist slunipfon, selten spitzen Winkeln. Wenige Tafeln sind i- und 5 seitig.

Vergleicht man alle diese Formen miteinander, so unter- liegt wohl keinem Zweifel, dass die Crystallform die rhombische Säule in sehr verkürzter tafelartiger Gestall ist. Die stumpfen Winkel der rhombischen Endfläche betragen durchschnittlich 120"; die Messungen geben 1 18" 122". Die 6 seitigen Tafeln sind aus mehreren einfachen Tafeln zusammengesetzt, ähnlich wie beim Aragonit, zuweilen vielleicht aus 3, meistens wohl aber aus 6. Die Winkel betragen in der Regel ebenfalls zwi- schen 118" und 122°, selten sind 2 gegenüberstehende Winkel kleiner (113" 114"). Es wurden z B. für die mit a f bezeichneten Ecken durch Messung gefunden

a

b

c

d

e

f

1

122"

118'/,"

121'//

119'//

120"

121"

2

122"

118"

119"

119 V/

122"

120"

3

119"

120'//

121"

119"

118"

122"

4

119"

118"

121°

121'//

120'//

119"

5

120"

1990

118"

120'/.°

119"

121"

6

119"

120"

119"

122"

121'//

119"

7

114"

121%"

1247/

114'//

122'//

124"

8

113"

122^4^

124V/

113'//

1217/

124V/

Da diese Messungen alle an schön ausgebildeten Tafeln mit geraden Seilen angestellt wurden, so kann der Fehler nicht mehr als 1 Grad betragen. Wiederholte Messungen des näm- lichen Winkels geben bei den besten Tafeln z. B. 118"— 119", 121" 121V/. bei den weniger guten 119" 121" oder 120" 122". Für die Tafeln 1 6 könnte man nun zur Nolh einen conslantcn Winkel von 120° supponiren; doch müssle man damit der GenanigkcMt der Messungen schon einigermassen Gewalt unlhun Für 7 und 8 aber wird diese Annahme offenbar

Näyeli: Crystallähnliche Proteinkörper. 149

ganz unmöglich. Es ist dalior wahrscheiiilicli , dass dio Winkel des lUionibus wolil meistens 120" und 60" beiragen, dass sie aber auch bis 113" und 07" oder bis 1.21" und 50" variircn können.

Dass die 6 seiligen Tafeln aus mehreren und zwar vorzugs- weise aus 6 einlaclien zusannnengesetzt sinil, zeigt sich nament- lich aus Formen wie Fig. Ol deutlich, wo 0 radiale Trennungs- linien, ebenso viele EinkerbungcMi an den Ecken und eine durch- brochene Stelle im Centrum die Enlsleliung anzeigen. Von den 4- bis 5seiligen Tafeln haben jene 1, diese 2 rechte Winkel; sie sind wahrscheinlich Bruchstücke von zusammengesetzten Tafeln.

Das polarisirle Licht wirkt nicht auf die Crystalloido; d. h. es bringt ohne Gypspliittchen keine Veränderung in der Hellig- keit, mit Gypspliittchen keine Veränderung im Farbenion hervor.

Die Crystalldrusen sind ein Conglomerat von vielen Tafeln. Man sieht diess häufig sehr deutlich an i\vn vorspringenden flachgedrückten Ecken, welche bald einen Winkel von ungefähr 00", bald von ungelahr 120" bilden. Es gibt einzelne Drusen, die aus einem Bündel von parallelen Tafeln bestehen; einzcdne, die aus zwei solchen Bündeln, d'u) sich unter einem .spitzen Winkel kreuzen, gebildet sind. Wenn man die letztem dreht, so zeigen sie in der einen Lage ein Kreuz, in den übrigen Lagen er- scheinen sie rundlich. Weitaus die meisten Crystalldrusen sind mehr oder weniger kugelig (Fig. 56), die Ecken springen überall vor, und eine bestimmte Lafferunop der Tafeln ist hier nicht zu erkennen.

Mit Rücksicht auf die chemischen Reactionen ist zuerst zu erwähnen , dass die Crystalloido in reinem Wasser unverändert bleiben , während sie in schwach saurem oder schwach alkali- schem Wasser ihren Farbenion ändern.

Alkohol entfärbt die meisten Cryslalloide, indem sich um dieselben eine violelle Wolke in der Flüssigkeit ausbreitet. Wenn die Einwirkung S(dir langsam auf die Oseitigen Tafeln statt hat, so sieht n)an in denselben zuerst farblose Streifen von linienförmiger Gestalt und scharfer Begrenzung autlreten. Die-

]^50 Silzuntf der math.-phi/i. Vlasse vom 11. Juli 1862.

selben sind im Allgemeinen wie Radien gestellt (Flg. 62). Die vollständige Entfärbung IrilFt zuerst das Centrum (Fig. 65). Das letzte Stadium zeigt noch kurze radiale Streifen oder auch nur Punkte mit violetter Farbe längs des Randes (Fig. 63). Es bleibt eine sehr durchsichtige Masse zurück, die zuweilen noch ziemlich die polyedrische Gestalt des frühern Crystalloids hat, meist aber mehr rundlich und kleiner ist. Ihre Begrenzung Ist sehr zart: Jod fiirbt sie braungelb (Fig. 64). Es ist ohne Zweifel eine Proteinverbindung. Aelher wirkt wie der Weingeist,

Sehr schwache Säuren verändern die Farbe der Crystalloide in ein helles lebhaftes Roth, greifen dieselben aber nicht weiter an. Wenn sie in den Zellen eingeschlossen sind, so wird zu- erst die violette Zcllflüssigkeit roth, und kurze Zeit nachher zeigen auch die Crystalloide diese Färbung. Stärkere Säuren wirken ähnlich wie Alkohol. Es verbreitet sich eine rothe Wolke um das Crystallold, und es bleibt, wenn die Auflösung langsam geschieht, eine geringe Menge von protoplasmaartiger Substanz zurück. Dieselbe ist aber aufgequollen, äusserst weich und zart, oft kaum in der umgrebenden Flüssigkeit erkennbar. Befindet sich die letztere in schwacher Bewegung, so wird die halb- flüssige Schleimsubstanz in die Länge gezogen und zuweilen in Stücke gethellt Ich sah sie selbst einmal In der bewegten Flüssigkeit abwechselnd in verschiedener Richtung sich verlän- gern, auf ähidiche Weise wie die Sarcode ihre Gestalt ändert.

Wenn die Einwirkung der Säure sehr langsam eintritt, so sieht man wie beim Alkohol zuerst farblose linienförmlge Strei- fen auftreten, welche in den 6seitigen Tafeln meistens radial gestellt sind, zuweilen aber auch andere Richtungen zeigen. Be' ganz regelmässigem Verlauf gehen zuerst 6 Streifen vom Mittel- punkt nach den Ecken. In i\Q:n rhombischen Tafeln laufen sie in der Regel parallel und schneiden die Makrodiagonale unter einem rechten oder spitzen Winkel. Diese Streifen beginnen zuweilen im InntTu , häufiger jedoch am Umfange. Es sind wahre Spalten, durch welche die Masse des Crystalloids in

Nüyeli: Cviistalltihnliche Protei nkörper. 151

stäbchenfürnii<rc Sliickc zerfällt , die dann durch Ouerspalluiig wieder in kleinere sich liieilcn. Diese Stücke hegen in der aufgequollenen Schleiujsuhstanz des Cry.stalli)id.s , bis sie voll- ständig verschwinden.

Wenn die Säure concentrirler oder wenn die Flüssigkeit in Bewegung ist, so bleibt die schleimartige Substanz nicht bei- sammen, sondern vertheilt sich in der Flüssigkeit. Die Stücke, in welche das Crystalloid zerfällt, trennen sich dann von ein- ander und schwimmen frei herum. Dabei kann die Auflösung entweder von dem ganzen Umfange aus oder von einer Seite her erfohi-en. Von dem Crystalloid bleibt in diesem Falle zu- letzt gar nichts unter dem Microscop Erkennbares übrig.

Die verschiedenen Säuren weichen darin von einander ab, dass sie mehr oder weniger energisch wirken. Es wurde Schwefelsäure, Salpetersäure, Salzsäure, Phosphorsäure und Essigsäure ange- wendet. Die stärkern Säuren bringen eine mehr hellrothe, die schwachem eine mehr violettrothe Färbung hervor. Schwefelsäure, Salpetersäure und Essigsäur(; lösen die Crystalloide sogleich auf. Ziemlich concentrirte Salzsäure und Phosphorsäure verursachen bloss einzelne radiale farblose Streifen, und lassen viele Cry- stalloide selbst nach längerer Einwirkung ganz unverändert.

Manche Crystalloide werden durch Alkohol nicht aufgelöst; es genügt ein wenig Salzsäure beizufügen , um die Auflösung sogleich zu bewirken. Wenn man die halbverlrockneten Beeren in Alkohol legt, so färbt sich dieser bloss grün und das Ge- webe bleibt schwarz ; setzt man etwas Salzsäure zu , so nimmt er sogleich eine schöne rolhe Farbe an und das Gewebe wird hell.

Aetzkalilösung reagirt wie die stärkern Säuren. Die Cry- stalloide färben sich blau, dann werden sie zerspalten und auf- gelöst, indem sich eine kleine Wolke um dieselben verbreitet. Es bleibt kein von der Flüssigkeit unterscheidbarer Rest übrig, sei es, dass die schleimartige Proteinsubstanz gelöst oder in ihrer stärkeren Vertheilung unsichtbar wird.

Kochendes Wasser wirkt wie Säuren und Alkalien; die

152 Sitzung der math. - pfn/i. Clause vom lt. Juli 1S62.

Cryslallüide vorsclnvinden. iiacluhMn sie zuvor vorzugsweise durch radiale Spaltung in Stübclien und dann in kleine Körner zerfallen sind.

Aetherisclies Oel greift die trockenen Crystalloide nicht an ; auch Chloroform bewirkt an denselben keine Veränderung.

Aus den nnigetheilton Thatsachen ergibt sich 1) dass die Farbcrystalloide dnrchdringbar sind. Wenn auch eine Contrac- tion beim Eintrocknen, eine E.xpansiou beim Wiederbefeuchten nicht direct beobachtet wird, so folgt die Nothwendigkeit dieser Annahme doch aus der Thatsache, dass die Farbe verändert werden kann. Einmal geht der Auflösung meist eine Modifi- cation in der Färbung voraus; durch Säuren wird das Violelt in Roth, durch Alkalien in Blau umgewandelt. Andererseits nehmen in Berührung nn't Jodlüsung die Crystalloide einen dunklern schmutzigen , ins braun gehenden Ton an. Das ist nalürüch nur dadurch möglich , dass die Alkalien und Säuren so wie das Jod in die Substanz derselben eindringen.

2) Aus der Thatsache. dass die Crystalloide in Säuren und Alkalien selbst nicht aufquellen, wohl aber nach erfolgter Re- acliou eine aufgequollene Schleimsubstanz zurücklassen, welche ein grösseres Volumen einnimmt als das gatize unveränderte Crystalloid, folgt, dass nur diese jiroteinartige Substanz, die gleichsam die Unterlage bildet, ind)ibitionsfähig ist, und dass in dieselbe lösliche a!»er nicht quellungsfähige Stoffe eingelagert sind.

3) Die Schleimsnbslanz, welche nach Einwirkung von Al- kohol, Aether und Säuren, von einem Crystalloid übrig bleibt, ist äusserst zart und im Lichtbrechungsvermögen fast dem Wasser gleich Insofern diese optische Eigenschaft einen Ver- gleich zwischen gefärbten und farblosen Körpern erlaultt, möchte ich vermntlien. dass die Proteinunterlage nicht mehr als Vm der Masse des Crystalloids beträgt. Die Farbstoffe sind gewöhnlich in äusserst geringer Menge vorhanden und doch im Stunde eine sehr intensive Färbung hervorznbring(Mi. Das grün gefärbte Protoplasn)a, dem man das Chlorophyll entzieht, behält das gleiche Volumen und die gleiche Dichtigkeit; es hat durch die

Näffeli: CrtistaUähnliche Proteinkörper. 153

Entfärbung- offenbar bloss einen uiimerklidieii Verhist an Masse cifahrcti. Wenn sich der violelle FarbstofF der Beeren wie das Chlorophyll verhält, so muss man annehmen, dass mit demselben noch eine andere Substanz vorhanden sei, welche vorzugsweise den Körper des Cryslalloids bildet. Dafür spricht auch eine andere Thatsache, Der Farbstoff der Beeren ist in kaltem AVasser löslich. Aus den Crystalloiden wird er aber nicht ein- mal durch schwache Säuren ausgezogen. Diess wäre geradezu unerklärlich, wenn wir annehmen, es bestehen ^/,o derselben aus FarbstofF. Ist der letztere aber mit einer andern Substanz verbunden , so wird er durcli dieselbe vor der Einwirkung des Wassers und der schwachen Säuren geschützt und mit derselben von starkem Mitteln gelöst.

Diese Annahmen erklären, wie ich glaube, zur Genüge die verschiedenen Keaclionen. Das Farbcrystalloid besteht aus Vio durchdringbarer eiweissartiger Verbindung und ^/,o einer nicht iinf)ibitionsläliigen Substanz mit etwas Farbstoff. Die letztere verhindert last alle Ouellungs(;rscli(!inungen, sie gestaltet der Proteinunterlage des Crystalloids inu* eine sehr geringe Menge Flüssigkeit aufzunehmen, und schützt den Farbstoff vor der Lösung. Ist sie durch ein Lösunirsmittel sammt dem letzlern ausgezogen, so kann die Proteinunterlage ihren angestammten Neigungen folgen; mit Alkohol und Aether zieht sie sich etwas zusanunen ; mit Säuren quillt sie mehr oder weniger auf; mit Alkalien vertheill sie sich stark oder löst sich auf.

Die Farbcryslalloide in den Blumenblättern von Viola und Orchis unterscheiden sich von dcMien in den Beeren von So- lanum americanum durch geringere Beständigkeit, Indern schon in kaltem Wasser die in die protoplasmaartige Unterlage eingelagerte Substanz sannnt dem Farbstoff ausgezogen wird. Vielleicht hängt damit auch der Unterschied in der Gestalt zu- sammen, welche darin besteht, dass die Körper in den Blumen- blältern eine grosse Neigung zu rundlichen Formen zeigen und selten als ausgebildete Crystalldruscn auftreten.

Die Farbcryslalloide von Solanum verhalten sich im AH-

154 Sitiunff der maih.-phys. Classe vom 11. Juli 1862.

gemeinen analog wie die Cryslalloide der Paranuss. Beide be- stehen aus einer durch verschiedene Mittel ausziehbaren Sub- stanz und einer protophismaahnlichon Unterlage Bei beiden tritt die letztere gegenüber der erstem quantitativ sehr zurück. Die Verschiedenheit zwischen den Crystailoiden von Solanum und Bertholletia besteht in der Natur des ausziehbaren Stoffes; bei Bertholletia ist es eine imbibitionsfiihige Proteinverbin- dung, bei Solanum eine nicht imbibitionslähige wahrscheinlich stickstofflose Verbindung, die durch einen Farbstoff tingirt ist. Diese chemische und physikalische Verschiedenheit bedingt die in mancher Beziehung ungleichen Reactionen , welche die einen und andern Crystalloide bei der Einwirkung von Quellungs- und Lösungsmitteln zeigen.

Erklärung der Figuren 56 65.

Farbcrystalloide in den Früchten von Solanum ameri- canuin Mili.; 400 mal vergrössert.

56. Crystalldruse von fast kugeliger Gestalt.

57. Rhombische Tafel mit einspringendem Winkel.

58. Rhombische Tafel mit abgestumpften Ecken.

59. Gseitige Tafel.

60 Zwei 6seitioe Tafeln mit einander verwachsen.

61 Eine in der Mitte durchbrochene und deutlich aus 6 einzelnen Crystallen verwachsene Tafel, durch schwache Salz- säure roth gefärbt.

62. Ein Farbcrystalloid bei der ersten Einwirkung von Alkohol.

63. Das nämHche etwas später.

64. Das gleiche Crystalloid, nachdem der Farbstoff und die andern löslichen Stoffe vollständig ausgezogen sind, durch Jodtinctur gefärbt.

65. Ein FarbcrystaHoid zum Theil durch Alkohol entfärbt.

Einsendungen von üruvkschriften. 155

Verzeichnis^

der in den Silziingen der drei (blassen der k. Akademie der Wissen- siliaflen vorjTcle{;teii Eiiisendiiii£;en von Ürnckschrirten.

April - Juli 1862.

Von der Accadeniia di scienze, ledere ed arti in Mudeiia: Meniorie. Tomo III. 1801. i.

Vom Isttfufo dt .seiende, tettere ed arti in Venedig: Mrmoric. Vol. VII. Part. III. 185'). 4

Von der Academie royule des sciences, des lettres et des heavx arts

de Belyique in Brüssel :

a) (iollec-tion de docnments inedits relalivs a I'histoirc de la Belgique.

Les XIV livres siir riiistoire de la ville de Louvain. I. II. Partie. 1861. i.

b) (Ihronique de Jean de Stavelot piihliee par Ad. Borqiiet. I8l)'2. i.

c) Menioires. Tom XXXIII. 1801. 4.

d) Memoires louronnes et niemoires des savants etrangers. Tom. XXX.

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e) Menioire.s conronnes et aiitres niemoires (lollcction in 8. Tom. XI.

XII. 1861. 02. 1) Bnilelins. 30"»« annee, 'i"« Ser. T. XI. XII. 1861. 8. g) Annuaire. 1862. 28'ne annee. 1852. 8.

Vom Ohservatoire royal in Brüssel:

a) Annales. Publiecs par le directeur A. Qiietelet. Tom. XIII. 1861. 4.

b) Annuaire. 1862. 2«»«. Annee. 1801 8.

Vom Reute Istituto Louiöardo di scieme, tettere ed urti in Hluiland : Atli. Vol. II. Fa.sc. JCIX und XX 1802. 4

Von der höhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag:

a) Abhandlungen. Fünfte Folge. 11. Bd. v. d. J. 1860—61. 1861. 4.

b) Sitzungsberichte Jahrg. 1861. Juli Dec. 1861. 8.

156 Einsendungen von Vruchschn'ffen.

Von der Socit'te l.inneenne de Noniiandie in Caen:

a) Memoires. Anii(-e 18t)0-6I. XII Vol. Paris, Cacn 1802. 4

b) Bulli'tin. Si\ii-iiie Volume. Aniiec 1800—01. Pari.s, Caen 1802. 8.

Vom Verein für sicbenhiirgische LandesUunde in Uermannstadt:

a) Ardiiv. Neue Foljic. 5. Bd. 1. Hfft. Kronstadt 1801. 8.

b) Jalirp.sbcritlit für da.s Vereins - Jahr 1800-01. 1. Juli 1800 letzten

Juli 1801 Heruiannstadt 1801. 8.

Von der Academie rot/nie de Medecine de Belffique in nrüssel:

Bulletin. Annec 1801. Dcuxieme Serie. Tom. IV. Xr. 11. Annee 1862 Deiixieme Serie. Tom V. Nr. 12.

Von der li. k pntriotisch-ökonomixchen GeseUmhoft im Königreiche

Böhmen in Prny :

a) Centralblatt für die gesanimte Landestnltur. Nr. 1 52. Jahrg. 1801.

Prag 1861. 4.

b) Woehenhialt der Land-, Forst- und Hauswirthschalt liir den Bürger

und Landmann 12. Jahrg. ISOl Xr. 1—52. Prag 1801. 4.

Von der j>fäl-z.ischen Gesellschaft für Vharmncie in Sf,eipr:

Neues Jahrbuch für Pliarmacie und verwandle Fächer. Zeitschrift des allg. deutschen Apotheker Vereins, Abth Süddeulschland. Bd. XVII. Heft 4 und 5. April und Mai. Heidelberg 18H2 8.

Von der gelehrten esthnischen Gesellschaft in Dorpat: Sitzungsberichte. Sept. Nov. 1801. Jan., Febr. 1802. 8.

Von der Redaktion des Corresjionden%-Blattes liir die Gelehrten- und

Realschulen in Stuttgart:

Correspondenzblatt. Nr. 5. Mai 1802 Stultg. 1802. 8.

Von der A>!iatic Society of Bengal in Calcutta : Journal. New Series. Nr. CIX. Nr CCLXX.XIIL Nr. IV. 1801. Calc. 18()1. 8.

Von der Geoingicul Surveg of India in Calcutta :

n) Memoirs. Vol. III. Part I. Calc. 1801. 8.

b) Annual Report of tlie (ieological Snrvey of India and of ihe Museum of (ieology. Filth jcar 1800-01. Calc. 1801. 8.

Einsendimyen von Druckschriften. 157

Von der Royal Asiatic Society in London : Journal Vol. XIX. Pait. 3. 18fi2. 8.

Von der Universität in Heidelberg:

Heidelberger Jalirhiiclier der Literatur unter Mitwirkung der vier Faeul- tiiten. '.>."). Jahrg. ;{. und 4. Heft. März und April 1.SÜ2. 8.

Von dem Secretary of Slats for India in London :

Re.sultat.s of a scientific niission to India and High Asia undcrtakeu be- tween Ihe years 1854—58 by order of the court of directors of tlie honourable Ea.st India Company bj Hermann, Adolphe and Robert Schlagint« eit. Vol. II. Leipzig. London JSlii. Jlit Atla.«. 4.

Von der Real Acudemiu de ciencias in Madrid:

a) Meniorias. Tom. I. 18j0. 4.

b) Meniorias. Tom. IL 1. Serie. Ciencias exactas. Tom. I. Parte 1.

1853. 4.

c) Meniorias. Tom. III. 2. Serie. Ciencias lisicas. Tom. I. Parte. 1. 2.

1851). 59. 4.

d) Meniorias. Tom. IV. 3. Serie. Ciencias naturales. Tom. II. Parte

l. 2. 3. 1850. 57. 59. 4

e) Meniorias. Tom. V. Ciencia.s naturales. Tom. III. Parte 1. 1801. 4.

f) Resiiinen de las aclas en el aüo academico de 1^47. a. 1848. de 1857.

a. 1858. de 18i8. a. 1859. por el secrelario Don Lorente. 1848 00 8.

\'on der Real Aiademia de In Itisloria in Madrid:

a) Memorias del Rey I) Fernando IV de Castilia. Tom. I. II. 1800. 4.

b) Memorial hislorico Espanol : (loleccion de documentos, opiisculos y

antigiiedades. (iuaderno 21 43. 1853 1858. Tom. XI XIV. 1859-02. 8

c) Discursos leidos en las sesiones publicas que, para dar posesion de

plazas de numero, sc han celebrado desde 1852. Madrid 1858. 8.

d) l)is( urso leido por ,su direclor el Excmo. Sr. I). Lui.s Lopez Ballesteros

al concluir el tiieiiio de su direccion en 1852. Madrid 1859 8.

e) Discurso leido por su director el Excmo Sr. Duque de San Miguel,

al terminar el trienio de su direccion en 1858. Madrid 1859. 8.

f) Discurso sobre el estado de los estudios liistoricos en Kspana durante

el reinado de Carlos III. Leido en la Junta publica que en 1" de Julio de 18(;0 . . . por Don Carlos Raiuon Kort. 1800. 8.

g) Noticias sobre la vida, escritos y viajes del Fr. Enrique Florez, por

Fr. Francisco Meudez. 1800. 8.

158 Eimendungen von Uruckschriflen

h) Noticia de las actus de la real acadeinia, Icida cn la Junta publica de

l" de Julio de 18C0. Por Don Pedro Sabau. 1860. 8. i) Examen tritico-historicn dcl influjo quo tuvo en eUomercio, industria

y poblacion de Espafia su doniinacion cn America. Obra premiivda.

Su autor I). Y. Miranda. 185 5. 8 k) Examen de los sucesos y circiinstancias que motivaron cl compromisso

de Caspe, En cl tonturso de 1855 su aulor Don Florencio Janer 8. I) Juicio critico dcl leudalismo en Espana j de su influencia en el estado

social >• polilico de la nacion. En el concurso de 1855. Su aulor

Don Antonio de la Escosura y Hevia. Madrid 1856. 8 Hl) Condicion Social de los Moriscos de Espana. En el concurso de 1857.

Su autor Don Florencio Janer 8 n) Munda Ponipeiana. Memoria escrila por l). Jose ^j |). Manuel Oliver

Hurtado. En el concurso de 1860 Madrid 1861. 8. o) Historia del couibate naval de Lepanto. En el concuro de 1853. Su

autor Don Cajetano Rosell. 4. p) Cortes de los antiguos reinos de Leon y de Castilla. Tom. I. 1861. 4. q) Historia general y natural de las Indias, Islas j Tierra-Finne del mar

oceano. Por Jose Amador de los Rios. Tom III. IV. 1853 55. 4. r) Indice de los documentos procedentes de los monasterios j conventos

suprimidos que se conservan en el archivo. Seccion I. (Castilla y

Leon. Tom. I 1861. 8. s) Coleccion de Cortes de los antiguos reinos de Espana. Catalogo.

1855. 8.

Von der Acudetnie f!e.s- sciemes in Paris:

a) Comptes rendus liebdomadaires des seances. Tom. LIV. Nr. 15 —20;

22. Avril Juin 1862. 4.

b) Tables des comptes rendus des seances. Deuxiemc semeslre 1861.

Tom. LIII. 1861. 4.

Von der deutschen geologischen Gesellschaft in Berlin: Zeitschrift. XIII. Bd. 4. Heft. XIV Bd. 1. Heft. 1861. 8.

Vom Herrn A. Grunert in Greif su aide : Allgemeine Theorie der Krümmungslinien. 8.

Vom Herrn Leopold Auerbach in Breslau :

Ueber einen Plexus myentericus , einen bisher unbekannten ganglio- ncrvösen Apparat im Darmkanal der Wirbellhiere. Breslau 1862. 8.

Einsendungen von Druckschriften. 159

Vom Herrn Fran-z. Hof mann in Wiirxburg:

Akademische Festrede zur Feier des 100jährigen (lehurlstages Johann fiottlieb Fichtes. WiirzI). 1802 i.

Vom Herrn E. Gerhard in Berlin:

a) lieber Orpheus und die Orphiker. Eine akademische Abhandlung.

Berlin 1801. i.

b) Die Geburt der Knaben. Auf einem etruskischen Spiegel. Berl. 180?. 4.

Vom Herrn Friedrich Naumann in I.eiptiy: Lehrbuch der (ieoi;nosie. II Bd. Leipzig 1802. 8.

Vom Herrn A. KöUiker in \Viir%bury: Untersuchungen über die letzten Endigungen der Nerven. Leipz. 1802. 8.

Vom Herrn Ferdinand Piper in Berlin:

a) Einleitung in die monumentale Theologie. (lOtha 1802. 8.

b) Virgiüus als Theolog und Proplict. Berlin 1802. 8.

c) Verschollene und aufgefundene Denkniiiler und Handschriften, Gotha

18G1. 8.

d) Ueber den Verfasser der dem Athanasiu.'* beigelegten Schrift de

Paschatc nebst Annalen des Jahres 1801. Berl. 1801. 8.

e) De la representation .s^nibolique la plus ancienne du crucitiement et

de la resurrection de notrc; seigneur. Paris 1801. 8.

Sitzungsberichte

der

köniul. bayer. Akademie der Wisseiiscliaften.

Pliilosophisch - philologische Classe.

Sitzung vom 8. Xovcmbcr 1802.

Der Classensecrelär Herr M. J. Müller liielt einen Vor- trag über

„einige Partien der poetischen Literatur der „Araber "

Derselbe wurde für die Denkschriften hoslininit.

11862. n.] 11

162 Sitzung der math.-phtis. Classe rotn 8. Nov. 1862.

l\Ialhemalisch - physikalische Classe.

Sitzung vom 8. November 186?.

Herr Petlenkofer hielt einen Vortrag

,,iiber die Bestimmung des bei der Respira- j,tion ausgeschiedenen Wasserstoff- und „Gruben-Gases/"

In der Sitzung vom 14. Juni 1862 beehrte ich mich mit- zutheilen, dass Prof. Voit und ich beträchtliche Mengen Was- serstoff und etwas Grubengas in der Luft aufgefunden, in wel- cher ein 30 Kilogramme schwerer Hofhund gelebt hatte. Die damals von uns gefundenen Mengen mussten notliwendig um so viel zu hoch sein , als von diesen Gasen bereits in der in den Respirationsapparat einströmenden Luft enthalten war Obwohl diese Mengen nur äusserst gering sein konnten, so hielten wir es nach dem von uns angenonunenen Princip der Differenzbe- stimmungen doch für nothwendig, unsere Untersuchungen da- hin zu vervollständigen, dass auch die einströmende Luft fort- während auf Wasserstoff und Grubengas untersucht wird. Nach- dem diess nun geschehen , habe ich das Vergnügen mittheilen zu können, dass die von uns vordem angegebenen Mengen kei- .nen wesentlichen Abzug erleiden.

Bei einem Versuche, wo binnen 24 Stunden 232,336 Liter Luft durch den Apparat gingen , ergaben 1000 Liter einströ- mende Luft

geglüht 0.6789 Grm. CO^ und 10,9391 HO ungcglüht 0,6776 ,. 10,9096

Bei einem andern Versuche, wo binnen 24 Stunden 228,516 Liter Luft durch den Apparat gingen, ergaben 1000 Liier ein- strömende Luft

geglüht 0,6440 Grm. CO, und 10.6609 Grm. HO

ungeglühl 0,6444 ,, 10,6207

Sitzuttf/ der histor. Classe vom i.f. Nov. iS62 163

Hieraus eroibt sich , dass die einslrömende Luft ausser COj keine Kohlensloffverbiiuluna- in bcslimmbarer Menge enthalt, und dass auch der Wasserstoflg ehalt nur ganz unbedeutend ist, im ersten Falle in 24 Stunden 0,75 Grin., im zweiten 1,02 Grm. H.

Trotzdem werden wir aber diese doppelte Untersuchung der einströmenden Luft fortan beibehalten , da sie eine sehr nützliche Controle gegen zufallige Irrthümer darbietet, und da- durch die Sicherheil der Resultate wesentlich vermehrt.

Historische Classe.

Sitzung vom 15 Nov. 1802.

Der Classensecretär Herr von Döllinger hielt einen Vortrag

,,über die Kaiserkrönung Karls des Grossen."

Er suchte darin erstens die Bedeutung und Tragweite des Ereignisses, die Zweckmässigkeit und Nothwendigkeit desselben in der damaligen Weltlage darzuthun;

zweitens: zu zeigen, dass keine vorherige Verabredung zwischen Karl und dem Papste .stattgefunden habe, dass viel- mehr Karls Aeusscrung bezüglich seines Nichtwissens und sei- ner Ueberraschung der Wahrheit gemäss sei, und keineswegs, wie jetzt gewöhnlich angegeben wird, auf Verstellung und Heu- chelei beruht habe.

Herr Giesebrecht behielt sich vor, über die in dem Vor- trag geäusserten Ansichten in der nächsten Sitzung sich näher zu erklären.

11*

164 Oeffentliche Sitzung vom 28. Nov. 1862.

Oeffentliche Sitzung der k. Akademie der Wissenschaften

am 28. November ISü'»,

zur Feier des Allerhöclisten Geburtsfestes Sr. Ma- jestät des Königs Maximilian IL

Der Vorstand der Akademie Frlir. von Liebig leitete die Festsitzung mit folgender Ansprache ein:

Die in der Vaterlandsliebe gegebene politische Tugend wal- tet in der Monarchie als sittliches Princip um so inniger und kraftiger, wenn der Begriff des Vaterlandes mit einer Persön- lichkeit sich verbindet, welcher der Mensch sein Herz zuwendet.

Diese mit der Person des Fürsten verschmolzene Vater- landsliebe findet heute, an dem Jahrestage der Geburt unseres erhabenen Monarchen in allen Theilen des Königreiches einen erhebenden Ausdruck, und vor allen anderen Körperschaften hat unsere Akademie die vorwiegende Berechtigung, unserem Mo- narchen ihre Huldigung darzubringen , weil sie in dessen Liebe zu den Wissenschanen und seiner grossmüthigen Förderung der Ziele, welche die Akademie im Geiste ihrer Richtung zu errei- chen strebt, die wohllhuendste Anerkennung ihrer eigenen Be- strebungen erblickt.

Der Tag, den wir heule feiern, erneuert in uns die Erin- nerung an die reiche Unterstützung, welche Se. Maj. der Kö- nig ans seinen eigenen Mitteln für die Lösung hoher wissen- schaflliclicr Aufgaben und die Durchführung umlassender wissen- schafllichtM' Arbeiten und Werke, im Besonderen im Gebiete der Geschichtsforschung, bewilligt hat und welche schon jetzt, wie aus den in den ölTenllichen Blattern erschienenen ausführlichen Berichten allgemein bekaimt ist, durch die erfolgreiche Tliätig- keit der für diesen Zweck eingesetzten Commission, an welcher die ersten und berühmtesten Historikcu' Denischlands sich be- Uieiligt haben^ die reichsten und glänzendsten Früchte bringt.

Oeffentlidie SiHumj vom «". Nov. iS62. 165

Es ist bereits IVUlier an dio.sein Orte erwähnt worden, dass Se, Maj. der Könio- der leclinisclien Coniniission der k Aka- demie, ebentalis aus eicrenen Mitlein, für die Herstelinn«»' eines Apparates zur Untersuchnng der bis jetzt noch so dunkeln Vor- gänge der Ernährung in ihrem Zusammenhange mit dorn Ath- mungsprozcss, früher schon die Summii von 7000 (1. und im Laufe dieses Jahres weitere 1600 fl. zur Fortsetzung der be- gonnenen Versuche gespendet liat und es gewährt mir nicht wenig Befriedigung, in (\en Stand gesetzt zu sein, die k. Aka- demie mit einer der merkwürdigsten Thatsachcn bekannt zu machen, welche in n<Miesler Zeit von d(?n Herren Professoren DDr. Pellenkofer und Voit im Verfolg ihrer Versuche entdeckt worden ist.

Man hat bis dahin geglaubt, dass die atmosphärische Luft die einzige inid Hnupt(|uelle des Sauerstoffs sei, welcher in den Prozessen der Ernährung- und des Stoffwechsels in dem thie- fischen Organismus zur Verwendung kommt. Mit Hilfe des gedachten Apparates ist es gcilnngen , den Beweiss zu führen, dass in dem Leibe des fleischfressen(l(;n Thieres , bei vorwie- gend slicksloff- freier Nahrung . eine sehr beträchtliche Menge Sauerstoff von dem Wasser genommen wird, und dass dem- nach in gewissen gegebemvi Vt-rhältnissen ein mächtiger Zer- setzungsprozess statt hat, welcher darin besteht, dass das Wasser in seine Beslandtheile zerfällt, dass sein Sauerstoff zur Bildung von Kohlensäure dient, während der Wasserstofl", dessen Menge oft das Vohnn des Thieres weit übersteigt , ansgeathmc^t wird. Dieser merkwürdiije Vorgang im Ihierischen Leibe ist bis jetzt so gut wie unbekannt oder uid»eachlet gewesen und seine Fest- stellung karni nicht verfehlen, ein neues Licht auf den Ernäh- rungsprozess und Slolfwechsel zu w«'rfen. Ohne den erwähn- ten Apparat, dessen Herslellinig die Munificenz unseres gütigen Monarchen möglich gemacht hat. wären diese Versuche, welche für die Physiologie von so grosser Bedeutung sind , kaum zur Ausführimu gekommen.

Die Geschichte der Wissenschaften wird den Namen Seiner

156 Oeffentltche Silzutit/ vom 2S. Nov. i86i.

Majestät für immer an diese Werke und Entdeckungen knüpfen, welche durcli die wirksame und gütige Hilfe Sr. Maj. hervor- gebracht und gemacht worden sind, und uns bleibt die ange- nehme Pflicht, mit den Gefühlen der innigsten Vereiirung und Anhänglichkeit die des aufrichtigsten Dankes zu verbinden.

Hierauf gedachte der Secretär der ersten Classe Herr M. J. Müller der Verstorbenen dieser Classe folgendermaassen :

Joseph von Hefner, Gymnasiallehrer und seit vielen Jahren Mitglied unserer Akademie, hat schon frühe den Punkt gefunden, um welchen sich sein arbeitsames Leben drehen sollte. Es zogen ihn alle jene Spuren an. welche von der altrümischen Cultur in unserm engeren Vaterlande Kunde gaben; Inschrif- ten, Grabdenkmäler, Meilensteine, Kunstprodukte bis zu den einfachsten Töpferarbeiten, Schanzen, Spuren des Fcldbau's in den sogenannten Hochäckern, Strassen etc. und all das unend- liche antiquarische Detail , das sich an diese Gegenstände und ihre Erforschung knüpft, beschäftigten unablässig seinen Geist, und seine zahlreichen in dieser Hinsicht unternonnnenen Arbei- ten, ausser einigen Schulbüchern, wurden von manchen dan- kensworlhen Resultaten gekrönt und bilden eine wohl zu be- achtende Sanmdung von Materialien und Versuchen der Deu- tung, welche für jeden künftigen Forscher auf diesem Gebiete des Wissens von grossem Werthe sich erzeigen werden.

Die neuere Alterthumswissenschalt hat in den letzten Zei- ten einen ausserordentlichen Aufschwung gewonnen. Auf der einen Seite die gründlichste Durcharbeitung der formalen Phi- lologie, auf der anderen die höhere ästhetische Bildung, die wir den grossen Heroen des Humanisnnis, der Poesie und Kunst verdanken, endlich der positive historische Sinn, der die Ent-

Oeff entliehe Sitzung vom 28. Nov. 1862. \ß^

Wickelung der ganzen Menschheit unifassl und das Einzelne durch Vergieichung mit verwandten Erscheinungen an das Ganze anknüpft, sind die Elemente, die aus den früheren Antiquitäten eine grossarlige, in sich geschlossene Disciplin geschaffen haben. Unter den ausg-ezeichnetsten Forschern in diesem Gebiete des Wissens ragt hervor Ludwig Prell er, dessen zu frühen Tod die Akademie betrauert. Seine Wirksamkeit , zuerst in Russland an der Universität von Dorpat , später im deutschen Vaterland zu Weimar , zeigte sich zuerst in meistens kürzern Schriften, die den mannigfachsten Gebieten der Alterthumswis- senschaft angehören, über i]en Historiker Hellanicus von Les- bos , über die Bedeutung des schwarzen Meeres für die alte Geschichte, über Stellen des Pausanias , über die Perser des Aeschylus, über griechische Münzen zu Dorpat, über den Gram- matiker Praxiphanes , über den Periegelen Polemon , über die Regionen der Stadt Rom, über den heiligen eleusinischen Weg, Schoben zur Odyssee etc. etc. Mit Ritter gab er die Beweis- stellen zu einer Geschichte der griechischen und rönnschen Phi- losophie heraus und endlich beschenkte er die gelehrte Welt mit zwei des luichsten Lobes würdigen umfassenden Werken, einer Darstellung der griechischen und römischen Mythologie, Werken, die in ihrer Art Epoche machen, und durch gründliche Gelehrsand\eit, durch Besonnenheit der Forschung und gedie- gene Resultate sich auszeichnen.

Aufgewachsen unter den Stürmen der französischen Re- volution und den krietjerischen Beweoutioen des Kaiserreiches widmete sich I'hilippe Lebas der classischeh Philologie.

Nach dem Sturze des Kaisers begleitete er eine erlauchte Frau, als Erzieher ihr(!S Sohnes, in das Exil nach Deutschland, und zwar in unsere nächste Nähe, nach Augsburg, wo er ne- ben den Pflichten, die ihm sein Amt auferlegtem, seine Studien in ausgedehnter und umfassender Weise foitsetzte und in Be- rührung mit der damals so lebensvoll entwickelt«Mi classischen Philologie in Deutschland innner weiter ausbildete. Nach Frank-

168 OelfentUdie SiHuny vom 28. Noi\ 1862.

reich zuriickgekehit Ihcillc sicli sein durch strenge Arbeit ans- gefülltes Leben in zwei, wenn auch durch einen Mittelpunkt zusamniengelialtene . (hjch den Ricbtunocn uad» getrennte Be- schäftigungen. Die eine praktische belliiitigle er theils durch seine Stelhuiff ids maitre de conlerence an der Pariser Ecole normale, wo seit mehreren Jahrzehnten beinahe der ganze junge Nachwuchs von französischen Philologen an seinem Unterrichte sich bildete, theils als Verfasser verschiedener höchst schätzba- rer Uebungsbiicher , sowohl für die griechische als auch die deutsche Sprache, deren Verbreitung in Frankreich ihm sehr am Herzen lag; ausserdem durch sehr sorgfällig gearbeitete Gescliichtsbücher , betreffend alte Geschichte, römische Ge- schichte, das Mittelalter, Frankreich, Deutschland. Schweden, Norwegen u. a.

So dankbar diese Thätigkeit in ihrer Art war, so interes- sirt sie uns, in unserer Stellung als seine Collegen in der Aka- demie, doch weniger, als seine Betheiligung an den grossen theoretischen Forschungen in Sprache, Literatur und Geschichte, in welchen er durch gediegene und dankenswerthe Leistungen hervorragte. Ausser einem Commenlar zu Livius und einer Ausgabe des Prometheus des Aeschylus ( in Verbindung mit Th. Fix) beschäftigte er sich mit dem in Deutschland wenig be- arbeiteten Felde der späteren Gräcität und lieferte in diesem eine Ausgabe des Romans von Eumathins. Liebesjjeschichte der Hysmine und des Hysminias, und bearbeitete die Roman-Frag- mente Rhodanthe und Dosicies von Theodoros Ptocho|)rodro- mos nebst Drosilla und Charides von Nicetas Eugenianus.

Vor allem aber ist seine epigraphische Thätigkeit hervor- zuheben und zu preisen. Er gab die laleinischi^n und griechi- schen Inschriften heraus , welche die französische Conunission unter den älteren Bourbonen während der Besetzung Morea's gesammelt hatte, und später unter der Orleans-Dynaslie hatte er das Glück , selbst don classischen Boden Griechenlands und Kleinasiens zu bereisen und eine Menge aller Inschriften und Kunstwerke zu sammeln , die er theils in kleineren Schriften,

Oe ff eilt liehe Sitzung vom 28. Nor. 1862 169

flieils in dem Hauptwerke, Voyagc archeologiqiio on Grece et en Asie iniiieiire, liertUisoab Noch ist zu erwähnen seine thä- ligeBelheilio^uiiCT an der grossarligon Sannuhnig der liislorischen Schriftsteller über die Kreiizziigo, welche das Institut de France herausgibt.

Nach der Denkrede auf .1. Andreas \>'aorner widmete Herr v. Marti us als Secrctär den* zweiten Classe den ;iudereii geschiedenen Mitgliedern derselben folgenden Nachruf:

Wagner ist nicht der einzige l\lann, ilcn wir auf dem von ihm bearbeiteten Gebiete verloren haben, und es füol sich in schmerzlicher Weise, dass ich aucli von

Heinrich Georu Bronn

sprechen niuss , in weh'hem Dc^ntschlnnd seinen grösslen , uni- versellsten , mächtigst wirkenden Paläontologen verloren hat. Geboren am o. IMärz l.SOO zu Ziegelliausen bei Heideiherg, ei- nes Försters Sohn, ist er, nur 02 Jahre alt. am 5. Juli d. J. zu Heidelberg als Hofrath und Universilätspiofessor gestorben.

Der biedere, slrenjit;, hoclisinnioe. o-cwisscnhafte Mann war Gegenstand der Verehrung von Allen, die; iinn nahe gf'konnnen. In der Geschichte der Wissenschaft bleibt er luhmvoll stehen als ein heller organisatorischer Geist, dcM- rastlosen Fleisses ei- nen seltenen Schatz von Anschannngen , Erfahrungen, Kennt- nissen gesamnujit hatt(! , und von der Oberlläche der Dinge in die Tiefe dringend, d(Mi Gesefzer» der Bildungen nachforschte, das Mannigfaltige in seiner Einheit zu verstehen, zu ordnen, zu gliedern. Nicht die Naturgeschichte, sondern die Geschichte der Natur, und nicht das Gewordene als das zur Einzelirestalt Erstarrte, sondern das Gewordene als organischen Theil des ewigen Ganzen n)a<hte er zu seiner letzten Aufgabe.

170

Oeffeniliche Sitzung vom 28. Kov. 1868.

Er war einer von jenen Morpholoffen, die das Wesen der Typen gleichsam als ihr geistiges Skelet ergreifen. Er war ein Philosoph von Jenen , die bei der Betrachtung der natürlichen Dinge auch das Ideale erschauen, durch das sie, wie derSpie- gel durch seine Beloffung, uns ihr Bild zuwerfen. Er war ei- ner von jenen ächten Nalurphilosophen, die, wohlbewusst ihrer Schranke, nicht die letzte Ursache auf dem Wege der Specu- lation darzulegen , sondern die Gesetze der Einzelheiten und ihren harmonischen Einklang zu erforschen bemüht sind.

Schon in der Preisdissertation über die primitiven und ab- geleiteten Formen der Hülsengewächse (Leguminosae) , womit sich der Zweiundzwanzigjährige zu Heidelberg den Doctorhut gewann, betritt er seine sichere und gedankenvolle Forscher- bahn. ^^'äl^Tnd aber jene Ersllingsarbeit niclit ohne Einfluss auf die Arbeiten grosser Botaniker blieb, welche seitdem Spe- cialnnlersuchungen über jene merkwürdige Pllanzenfamilie an- gestellt haben , wendete sich Bionn zur Geologie und Paläon- tologie. Er durchforschte einen Theil von Italien, beschrieb die Tertiärgebirge dieses Landes und deren organische Einschlüsse und setzte (1833 38) die Naturforscher in dankbares Erstau- nen durch seine Lelhaea geognoslica, die Beschreibung und Ab- l)ildung der für die Gebirgsformalionen bezeichnenden Verstei- nerungen. Dieses Werk des scharfsinnigsten Fleisses registrirt die fossilen Reste der Organismen aus den verschiedenen Epochen, die unser Planet durchlaufen hat, und gibt uns zu ei- ner vorher ungeahnten Sicherheit des Urtheils die Materialien an die Hand.

In Heidelberg war durch das Mineralien- Comptoir, die ver- dienstliche Schöpfung von Leonhard und Blum , und durch des Erstem mineralogisches Taschenbuch ein reges Leben für diese Wissenschaft, so praktisch wie literarisch, geweckt worden. Diese Wirkungen erhöhte das neue .Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Petrefacteukinide, welches bezüglich der beiden letzleren Doclrinen von Bronn redigirt wurde. Dreissig Jahre

OeffentUche Sitzvnff vom 28. Nov. 1S6i. 171

lang hat er hier Schritt für Schritt die Entwickelung der Wis- senschaft darstellend nnd kritisch beleuchtet und gefördert.

Mit diesen Werken , welche an sich schon genügt hätten, ihrem Verfasser einen ehrenvollen Platz in der Wissenschaft an- zuweisen, hat aber Bronn nur seiner „Geschichte der Natur*' präludirt, die wir ein Gegenstück zu Humboldts Cosmos nen- nen möchten. Kosmisches, tellurisches, organisches, intellectu- elles Leben überschreibt der Verl. seine Darstellung, die sich Satz für Satz auf Erfahrung gründet. Vom Weltall zu unserem Sonnensysteme, zur Erde, Erdfestc, Erdhülle und zu t\ou gros- sen Ersch(;inuncTen. die sich auf dem Planeten nach Zeit. Kaum und Slolf beobachten lassen, so führt er uns herab zu dem or- ganischen Leben , und behdiit uns aus der Schöpfung der Ge- genwart über Entwickelung, Verbreitung und Untergang des- sen, was früher die Erde bevölkert hat Ein abgeschlossenes Bild, reich an den manni'rfachsten Thatsachen, steht diess W(U-k vor uns, wie es sich nur in einem Geiste erzeugen konnte, der sich aus vielseitigster Naluransclianung und gründlichsten Stu- dien genährt hat. Es wäre eine dankbare Aufgabe, in eine Analyse dieser Schrift einzutreten, und in der Vergleichnng mit Hund)oldls Cosmos zu zeigcMi, wie diese beiden Geister, nuf so verschiedenen Wegen Einem Ziele zusIrelxMid, unsere Literatur bereichert haben.

Der Index palaeontologicus oder die Uebersicht der bis jetzt bekannten fossilen Organismen, unter Mitwirkung von Göp- pert und Herm. v. Meyer ausgearbeitet , und der Enumerator palaeontologicus oder die systematische Zusannnenslellung und die geologischen Entwickelungsgesetze der organischen Reiche, welche die letzten Theile von Bronn's Geschichte der Natur bilden, dienen wie Beweisstellen für seine Darstellungen.

Gleichsam als eine Sublimation aus dem reichen Schatze von Thatsachen und Wahrheiten, welche hier niedergelegt wa- ren, folgten die ..rntersuchungen über die Entwicklungsgesetze der organischen Welt während der Bildungszeit unserer Erd- oberfläche'', welche die Pariser Akademie im Jahre 1857, un-

172 Oeff entliehe Sttztuiff vom 28. Sov. 1868.

ter dorn Beifall aller Männer der Wissenschaft, mit ihrem gros- sen Preise wekrönt hat Auch die holhindische Societat der >yissenschaflen zn Harlem nnd im Jahre IS61 die (reolotrische Societat zn London dnrch den A\'oiiastonschen Preis haben die ausserordentlichen Verdienste Bronn's anerkannt. Unser Col- Icffa kommt hier zn zwei alltieineinen Grundgesetzen, die er folgen<iermaassen ausspricht: ,.Die Aufeinanderfolge der Orga- nismen von dem ersten Beginne der Schöpfung an bis zum Erscheinen unserer jetzigen Pflanzen- und Thierwelt ist durch zwei Grundgesetze geleitet worden:

1 ) durch eine extensiv wie intensiv fortwährend sich stei- gernde selbständige Prodnctionskraft,

2 ) duri h die Natur und die Veränderungen der äusseren Existenzbedingungen, unter welchen die zu produzirendeii Organismen leben sollten.

Diese, die Schöpfung unausgesetzt bewaltende Zcugungs- und Fortbildungskraft ruht aber , nach Bronn's Anschauung, keineswegs im Organismus, i>n Geschöpfe selbst; sie gilt ihm vielmehr als eine ewige Emanation des Schöpfers. Damit stellt er sich auf die Seile von Cuvier, Agassiz. Oii'il''cfages und vie- len Andern, Jenen gegenüber, welche das grosse Riitlisel durch das miltelalterliche Stichwort der spontanen Zeugung (Generalio a('qnivo<'a) lösen oder durch jenes Bild des Dichters bannen wollen, das die Schöpfung automatisch von ihrer urspriintrlichen Spule laufen lässt. Zu dieser Consequenz kam der geniale Gegner Cuviers, Geoflroy de St Hilaire, und kommt auch Dar- win, dessen Schriften über die ..Entstehung der Arten und über die Befruchtung der Orchideen" Bronn, wie zum Zeugniss sei- ner un|)arlheiischen Forschung ilan Deutschen in einer Ueber- setzung näher gebracht hat.

l'nd nicht genug an diesen vielen schwerwiegenden Lei- stungen hat der Irciriiche Mann ni>ch ein Werk über die Clas- scn und Ordnungen des Thierrciches unternommen , worin er. aufsteigend vom Niederen zum Höheren und die lebende Thier- welt mit den untergegangenen Formen solidarisch verbindend,

OeffentUche Sitziiiiff vom 28. Nov. 1862. 173

das gesaminte Reich nach seinen morphologischen Stufen schil- dern wollte. Leider hat der Tod dieses Werk, um das die deutsche Literatur mit Recht beneidet wird, im dritten, die Mol- lusken enthaltendeu Bande unterbrochen.

Bronn hatte oft Unpässlichkeiten und Krankheiten zu be- stehen, und wusste, dass ein Herziibel ihn fortwährend in Le- bensgefahr erhielt. Darum halte er in sich und um sich schon lange Alles geordnet. Er lebte das heitere Stilileben eines Na- turweisen, auf das er iibordiess sich durch eine seit Jahren zunehmende Taubheit hingewiesen sah. Allerdings kam diese Concentration seiner Wi.ssenschaft zu Statten. Sie erklärt auf der einen Seile die Erfolge seiner staunenswerthen Belesenheit, seiner mühevollen Sorgfalt als Archivar der Natur; sie zeigt aber auch auf der anderen Seite, wie die nach Innen gewen- dete Ruhe des Geistes liefer und tiefer zur Erkenntniss des idealen K(;rns der Dinge hinandringt.

Diese Intuitionen waren in keiner Weise durch Das ver- n)iltelt, was man di(! naturphilosopliische Speculalion zu nennen pflegt; sie waren das Facit gründlicher Abstra ctioncn, zu denen sein klarer Verstand nntlelst einer kräftigen Einbild- ungskralt und mittelst eines reichbegüterten Gedächtnisses ge- langt(!. Sie standen vor ihm wie sicher gelöste Rechen- Exempel.

Eben dieser abstracto Charakter scmier Methode ist es, was Bronn für alle Zeit eine Autorität in der Wissenschaft si- chert, hat aber vielleicht seiner Wirkung als populärer Schrill- steiler Eintrag getlian. Denn war' er in seinen Darstellungen minder streng und ernst. nn"nder gewissenliaft besorgt gewesen um die vollständige; Begründung seiner Sätze, hätte er je- nen Schwung, jene Farbenbliilhe in seinen Styl aufgenommen, womit so mancher Geist durch dieNalnrforschung zu poetischer Schönheit fortgeris.^ien wird, so müssten wir in dem trefTlichen, edlen Mann incht bloss den deutschen Bronn, sondern auch einen deutschen Buffon hochhalten.

174

Oe/fentliche Sitzung vom 28. Kov. 1862.

Dietrich Geor^ Kieser, grossherzoglich Sachsen-Wei- mar'scher geheimer Hofralh und Professor der Medicin zu Jena, ist am 24. August 1779 zu Harburg im Königreich Hannover geboren. Er studirte in Würzburg und Göttingen , wo er den medicinischen Grad erhielt, praclizirte von 1804 bis 1812 in Winsen an der Luhe und als Badearzt in Nordheim und ward 1812 als ausserordentlicher Professor der allgemeinen und spe- ciellen Therapie nach Jena berufen, wo er auch über Geschichte der Medicin, Anatomie und Physiologie der Pflanzen und thie- rischen Magnetismus Vorträge hielt. Im Befreiungskriege machte er 1814 als Wachtmeister und Feldarzt bei der Escadron der Weimaraner freiwilligen Jäger zu Pferde den Feldzug nach Frankreich mit und leitete 1815 als Oberarzt in k. preussischen Diensten nach der Schlacht bei Belle Alliance die Kriegsspiläler zu Lültich und Versailles.

Aus dem Felde zurückgekehrt , nahm er seine akade- mische Thäligkeit mit steigendem Erfolge auf, preussischer Hof- rath, 1824 Ordinarius, von 1831 bis 1848 Vertreter der Uni- versität beim Landtage, von 1844 bis 1848 dessen Vice-Präsi- dent, als welcher er dem Frankfurter Vorparlamente beiwohnte. Ein Allliberaler, deutscher Patriot, Opponent des Ministeriums Schweizer wie des Märzministeriums, wirkte er in jener öffent- lichen Stellung lür Verbesserung der Schul- und Pfarrstellen, für das Gefsrngenwesen , zum richtigem Vcrhältniss der Kirche zum Staate. Seine medicinische Thäligkeit gehörte von 1831 47 neben Anderem einer med.-chirurg.-ophlhalmologischen Privatklinik, dann dem Directorium der grosshcrzoglichen Ir- renanstalt und einer Privatanslalt für Geisteskrankheiten ( So- phronisterium). Im Jahre 1857 ward er statt Nees v. Esen- beck zum Präsidenten der Kaiserl Leopold - Carolin.- Akademie d(mtschor Naturforscher, dieser ältesten deutschen Akademie, gewählt, deren Interessen er mit Umsicht, mit einer für sein Aller bewunderungswürdigen Energie und mit jener treuen Liebe für das gemeinsame Vaterland geleitet hat, durch die er sich einst im Kampfe das eiserne Kreuz verdient hatte.

Oeffenttiche Sittting vom 88. Nov. i868. 175

DIess ist in kurzen Ziiffen das Bild vom äussLM'n Lebens- gange eines Älannes, dem die Verehrung des Vaterlandes schon wegen dessen gebührt, was er lur dasselbe gefühlt, gewagt und gethan hat! Die Miinner aus jener grossen Zeit werden immer seltener, und unsere Akademie wird nur noch Wenigen ein Lorbeerblatt auf den Sarg legen kcuineu. Was aber die wissenschaftliche Bedeutung Kiesers betrifft, so füllt seine Haupt- Ihätigkeit in das Gebiet der Medicin , worauf wir ihm nur zu einigen allgemeinen Bemerkungim folgen dürf(!n.

Er schrieb: lieber die Ursachen, Kennzeichen und Heilung des schwarzen Staars, eine Preisschrift (1808), über das Wesen und die Bedeutung der Exanliieme (1812), (irundzüge der Pa- thologie und Therapie des Menschen (1812), welche (1817 19) im System der Medicin (2 Bde ) weiter ausgeführt worden de febris puerperarum indole, varia forma et medendl ra- lione 7 Theile. (1825—29) System des Tellurismus oder thierischen Älagnelisums 2 Bde., 2. Aufl. 1826 Elemente der Psychialrik (1855.) Er gab von 1817 1825 in Verbindung mit Eschenmayer, Nasse und Neos v. Esenbeck ein Archiv für den IhierisrIuMi Magnelisufus heraus.

In allen diesen Schriften ist Kieser bemüht, die Medicin mit den Ideen der Naturphilosophie zu durchdringen und zu orffanisiren. Er tritt in die Beihe von Steffens , Oken , Trox- 1er, Schelver, Nees v. Esenbeck, Carus, die alle über ein rei- ches Capital von Erfahrung, Natur-Anschauung und Gelehrsam- keit gebietend, jeder nach seiner Begabung mit Scharfsinn, Witz, Phantasie, poetischer Cond)inalionskra(l oder mystischem Tiefsinn, die Natur als ein grosses, ideales (Janzc zu ergreifen, von der ewigcMi Muller Isis ein Bild schematisch, conslructiv oder in idealen Speculalionen zu entwerfen bemüht waren.

Die Wissenschaft ist aus jener P(M-i<)(le , welche wie von seinem Cenlrum aus das Ganzi; zu begreifen strebte, in eine neue Phase getreten, in die; ,,WeH des Details', wie sie einst Napoleon in scMuen Gesprächen mit Monge bezeichnete. Die Medicin und überhaupt alle Naiurwissenschafleu gehen in con-

176

Oeffenth'che Sitzung vom 38. Nov. 1862.

creler Forschung dem Kleinen und Kleinsten nach, um sich von der Peripherie aus dem Mittelpunkte des Seyns und Wesens zu nähern. Und wenn uns diese Geistesrichtung keineswegs be- rechtigt , auf sie die ethische Warnung la Rochefoucauld's anzuwenden, „dass diejenigen, welche sich allzuviel mit kleinen Dingen abgeben, gewöhnlich unfähig werden für grössere'' so ruft sie anderseits zu unbefangener Anerkennung dessen auf, was in jener Schule durch vielumfassendes Wissen, durch ein offenes Ohr für alle harmonischen Töne der Schöpfung und durch eine weihevolle Hingebung an das Ideale ist Grosses vor- bereitet worden. Dass aber Kieser durch den lebendigen Drang nach schcmalischer Auffassung zu speculativer Einheit keines- wegs von concreler Forscluuig abgeleitet worden , beweist die eindringliche Tiefe seiner Beobachtung als glücklicher somati- scher wie psychischer Arzt und seine pflanzenanatomischen Ar- beilen , aus der Mitte des zweiten Decenniums , durch welche er den anatomischen Bau der Pflanze nnt der ihm eigenthümli- chen Klarheit überblickt und geschildert hat. Mit Moldenhawer, Rudolphi und Link hat er unter <len Deutschen zuerst die junge Wissenschalt der Phytolomie gegründet. Sein Memoire sur rOrganisation des plantes (1812), worin er unter Anderm zu- erst die Poren in den Zellen aller Zapfenbäume nachgewiesen, ist von der Harlemer Societät gekrönt worden. Tenax propo- siti, diess war sein Synd)olum , trat er vor keiner Forschung müde oder mulhlos zurück, und diese Stinunung eines tapfern Gemülhes führte den mensclienlVeuiullichen Mann aus den» bäng- lichen Gebiete der Geisteskrankheiten in das Düster des thieri- schen Magnetisnms, welches er, an der Hand gewissenhafter Beobachtung, durch die Leuchte der Speculation zu erhellen suchte. So breitet sich Kieser's geistiges Leben in mannigfaltigem Reichthume vor uns aus, und unsere Akadenno huldigt ihm als einem rüstigen Kämpfer zum Besten des Vaterlandes, der Wis- senschaft uiul der Menschheit.

Oeffentliche SiHuuy vom 28. Nov. 1S62. 177

Südann wurden die von Sr. Majestät bestätigten Neuwah- len verkündet, und zwar

Zum Ehrenmitgliede: Reichsrath Dr. Julius v. Niethammer.

In der mathematisch-physikalische?} Classe.

A. Zum ordentlichen Mitgliede:

Dr. Karl Wilhelm Nägeli, ordentlicher öffentlicher Professor der Botanik an der k. Ludwig-Max.-Universität und Conser- vator des k. botanischen Gartens und des k. Herbariums.

B. Zu ausserordentlichen Mitgliedern:

1) Dr. Karl Albert Oppel. ordentl. Professor^ der Paläontolo- gie an der k. Ludwig-Max. -l'niversität und Conservator der paläontologischen Sannnluiig des Staates,

2) Wilhelm Gümbel, Bergmeister,

8) Dr. Ludwig Buhl, Professor der pathologischen Anatomie an der k. Ludwigs-Max.-Universität,

4") Dr. Moriz Wagner, Professor hon. an der k. Ludwigs- Max.-Universität und Conservator der ethnographischen Sammlung des Staates.

C. Zu auswärtigen Mitgliedern:

1) Dr. Hermann Kolbe, ordentl. Professor der Chemie an der Universität Marburg,

2) Thomas Davidson, Esquire in London,

3) Heinrich Ernst Beyrich, Professor der Geologie an der Universität Berlin,

4) Sir Robert Kane, Professor der Chemie an der Universität Dublin,

5) K. J. A. Theodor Scheerer, Professor der Chemie an der

Bergakademie zu Freiberg. [mz n.) 12

178 Oeffentliche Sitzung vom 28. Not'. i86i.

D. Zu Correspond enlen:

1) Dr. Karl Scherz er, Naturforscher in Wien,

2) Dr. Ferdinand Hochstetter, Naturforscher in Wien,

3) Dr. Georg Ha rley, ordentl. Professor der gerichtlichen Chemie und Medicin an der Universität London,

4) Dr. Hermann v. Schlagintweit auf Schloss Jägersburg bei Forchheim,

5) Leopold Krön eck er, Professer in Berhn,

6) Ernst Freiherr v. Bibra in Nürnberg,

7) J. Georg Brush, Professor der Metallurgie am Yale College in Newhaven in Connecticut,

8) Gustav Adolph Kenngott, Professor der Mineralogie in Zürich.

Am Schlüsse hielt Herr Cornelius einen Vortrag

„über die deutschen Einheitsbeslrebungen im ,,16. Jahrhundert".

Dieser Vortrag, wie die Denkrede des Herrn v. Martius auf J. A Wagner sind eigens im Verlage der Akademie er- schienen.

Kinsendttnyen von Druckschriften. 179

Verzeichniss

der in den Sitzungen der drei (Massen der k. Aitadeniie der Wissen- stlialten vorgelegten Einsendungen von Druckschriften,

November 1862.

Vom historischen Verein der fünf Orte Lvzern, Vri, Scliwyz etc. in

Einsiedeln :

Der (ieschiclitsfreund Mitllieilungen. 18. Band, 1862. 8.

Vom Verein für Naturkunde in Presburg:

a) Verhandlungen. IV^ Jahrg, 1850. Presburg 8.

b) lieber die neuen Fortschritte der Lichcnologie von Albert Grafen v,

Bcntzel-Sternau. 1859. 8.

c) Ueber die Bedingungen der Grösse der Arbeitskraft mit Berücksich-

tigung einiger Hauslhiere, von Dr. A. v.Szontagh. Presburg 1859. 8.

Von der k. preussischen Akademie der Wissenschaften in Berlin:

a) Monatsberichte. April. Mai, Juni, Juli, .August 1862. Berlin 1862.

b) Abhandlungen 1801. Berlin 1802. 4.

Von der pfälzischen Gesellschaft für Pharmacie in Speyer :

Neues Jahrbuch der Pharmacie und verwandter Fächer, Bd. XVII. Heft

f). Juni. Bd. XVIII Heft 1, Juli. Heft 2, August und Heft 3. Septbr, Heidelberg

1862. 8.

Von der Universität in Heidelberg:

Heidelberger Jahrbücher der Literatur unter Mitwirkung der vier Fa- kultäten. 55. Jahrg 5. Heft Mai. 6. Heft Juni und 7. lieft. Juli, Hei- delberg 1862. 8.

Vom landivirthschaftlichen Verein in München: Zeitschrift. August VUI. 18G2. xMünchcn. 1862. 8,

Von der Geoloyical Society in London : a) Quarterly Journal, Vo. XVUI. Ma^. 1862. Xr. 70. London 1862. 8,

12*

|§Q Ehisendunf/en von Druckschriften.

b) Address delivered ad tlie aiiniveisary meeting oii the 21. «t of Fe- bruary 1862 piefai-ed 1\y tlie aiiiiouiicemeiit of ihc award of the W'ollaston Medal. London 18G2. 8.

Vom historischen Verein in München:

a) Oberbajcrisches Arthiv für vaterländische Geschichte. 20. Band. 3.

Heft. 21. Bd. .3. Hft. Minuhen 1859. 60 8.

b) 23. Jahresbericht für das Jahr 1860. München 1861. 8.

Vom /.-. .statistisch-topographischen Bureau in Stuttgart:

V\'ürttembergische Jahrbüclicr für vaterländisciie Geschichte. Geographie, Statistik und Topographie. Jahrg. 1860. 61. 12. Ilft. Stiittg. 1862. 8.

Vom Verein twn Alterthums freunden im Rheinlande in Bonn:

a) Jahrbücher XXXII. 16. Jahrg. 2. Bonn 1862. 8.

b) Ueber eine seltene Erzmünze mit dem Monogramm des achäischen

Bundesgeldes. Von Dr Christ. Bellerniann. Bonn 1859 8.

Vom Verein für Geschichte und Alter thmnskunde Westphalens in

Münster: Zeitschrift. 3 Folge. 2 Band. Münster 1862. 8.

Von der Redaktion des Correspondenz-Blattes für die Gelehrten- und

Realschulen in Stuttgart:

Correspondenzbiatt für die gelehrten nnd Realschulen. 9. Jahrg. Juni 6. Juli 7. August 8. und Sept. 9. 1862. Stuttgart 1862. 8.

Von der naturforschenden Gesellschaft in Basel: Verhandlungen. 3. Tbl. 3. Hft. Basel 1862. 8.

Von der naturforschenden Gesellschaft in Dorpat:

Archiv für die Naturkunde Liev , Esth- und Kurlands. I. Serie. Mineral-

Wissensch. nebst Chemie, Phjsik und Erdbeschreibung. II. Bd. II. Serie. Biologische Naturkunde. IV. Band. Dorpat 1801. 8.

Von der Academie de Stanislas in fiancy: Mömoires. 1860. Tom. I. II. Nancy. 1861. 8.

Vom Inst Hut o di corrispoudenza archeologica in Rom: a) Annali Vol. XXX.-XXXIII. Rom 1858-1861.

Einsendungen von Druckschriften. 181

b) Biillolino per raiiito 1838. 59 60. Gl.

c) IMoiiunieiiti inoditi publitati per raiino 1858, 59,60. ül. Roma 1858

1861. *>.

Vüii der Societe d' Anthropologie in Paris:

a) Bulletins Tom. I. 11. Tom. III. 1 Fase. Jaiivicr ä Mar.s 186-2. ii. Tom.

Ili. •>. Fa.sc. Avril ä Juin 1862. Paris 1860. 61. 62. 8.

b) Memoircs. Tom. I. 1. 2. Fase, avec uiio earle et einqiie planehes.

Paris 1860. 61.

Von der naturhi^torischen Gesellschaft in Hannorer : Zehnter und eilfler Jahresbericht 1859—1861. Hannover 1861. 62. 4.

Von der Commission iinperiiile urcheologiqite in St. Petersburg : Compte-Rendii pour l'annee 1860. mit Atlas. St. Petersburg 1861. 2,

Vom Verein für Kunst und Alterthum in Ulm: Verhandlungen. 14 VcröfTentliehung, der grösseren Hefte neunte Folge.

Ulm 1862. 4.

V^om Institut hi.storique in Paris:

L'investigateur Journal. 29*me annee. Tom. II. IV. Serie. 332e 333« |i- vraison, Paris 1862. 8

Vom Verein für Naturkunde in Mannheim : 38. Jahresbericht. Mannheim 1862. 8.

Von der Asiatic Society of Uengal in Valcuttu :

Journal. New Series. Nr. CX. Nr. CCLXXXIV. Nr. I. 1862. Caicutta

1862. 8.

Von der Gesellschaft der Wissenschaften in Prag: Sitzungsberichte. Jahrg 1860 Juli -- Dezember. Prag 1860. 8.

Von der Societe des Antiquaires de Picardie in Ainiens : a) Memoires. 2. Serie Tom. VIII. Paris. Amieiis 1861 8. bj Bulletins Tom. VII, 18.")9. 60. 61. Paris. Amiens 1861. 8.

Vom Alterthtnnsrerein in Lüneburg: a) Die .\lterlhiimer der Stadt Lüneburg und des Klosters Liine. Lüne- burg 1862. 4.

182 Einsenänmien von Druckschriften.

b) Der Urspniiif^ unel der älleste Zustaiul der Stadt Lüneburg. Von Dr, Volger. Lüneburg 186J, 8.

V^on der /?«// Society in London:

a) Ray Society. Inlroduction to the study of tlie Foraminifera. By Wil-

liam B. Carpenter. London 1862. 2-

b) Philosophiial transattioiis for the year 18G1. Vol, 15L P. l. 11. IlL

London 186L 4.

c) Proceedings. Vol. XL Nr. 47. 48.

XII. Nr. 49. London 186L 02. 8.

d) Fellows of the Society. Novb. 30 1861. London 1861. 4-

Von der Boyat Asironomical Society in London: Menioirs. Vol. XXX. London 1862. 4.

Von der Chemical Society in London :

Journal, Vol. XV, 1 0, January Juno 1802, Nr. LVII— LXII. Lon- don 1862. 8.

Von der naturforscUenden Gesellschaft Grauhündens in Chur: Jahresbericht. Neue Folge. VILJahrg. {Vereinsjahr 1860. 61). Churl862.8,

Von der Commission zur Eerunsgabe der Kieler Unirersilätsschriflen : Schriften der Universität zu Kiel aus dem J. 1861. Bd. VIII. Kiel 1862. 4,

Von der B. Accademia F.conomico-Ayraria de' GeorynfiU di Firenre:

Atti. Nr. 27— ,30, Nuova Serie. Vol. VIII. Di.sp. 1 2, 3. Vol. L\, Di.sp 1, Firenzc 1861, 62. 8,

Vom historischen Verein für Niederhayern in Landshut: Verhandlungen. VIII. Bd. 1. 2. Heft. Landshut 1862, 8,

Von der W Asiat ic Society in London: Journal. Vol. XIX. Part, 4. London 1862, 8.

Von der deutschen nioryenlündischen Gesellschaft in Leijnig :

R) Zeitschrift. 16. Bd. 3. i. Hft. London 1802. 8

b) Indische Studien, Beiträge für die Kunde des indischen Alterthums. Von Dr. Albr. Weber. V. Bd. 2. 3. Hft Leipz. 1862 8.

FJnsen/Itiuyen von Druckschriften, 1S3

c) Abliaiidlimtren liir dio Kiiiide des Moigenlandfs. II. Bd Nr. 5. Die

giaininati.scli. Scliiilcn der Araber, von G. Flügel. Nr. 5. Katliä Sa-

rit Sagara, die Älärclicn-Saminliing des Soinadeva. Buch VI. VH. VIII. Hcraii.sgcg von II. Brockhaiis Leipzig 186?. 8.

Von der Acndemie des sciences in Paris :

(«oniptes rendiis lielulomadaires des .seaiices. Tom. LIV. Nr, V3. '24 Jiiin 1862. LV. 1— j. Jiiillet-Aout 180*2. LV. ,. 6—10 Aoiit - Sept. 186'2. Paris 186'?. 8.

Von der GeseUschaft für pounner'sclie Geschichte und Alterthums-

kunde in Stettin:

Baltisilic Stildien 19. Jahrg. 1. Heft. Stettin 1861. 8.

Von der svidesischen Gesellsvhafl für vaterländische Cultur in Breslau:

a) Abhandlungen Philosoph -historische Abtheiinng. Heft I. II. 1862.

Breslau 1802. 8.

b) Abhandlungen. Abtheiinng für Naturwissenschaft nnd Medicin. Heft.

III. 1861. 1. 1862. Breslau 1861. 02. 8.

c) Jahresbericht. Enthält den fieneralbericht über die Arbeiten und Ver-

änderungen der Gesellschalt im J. 1861. Breslau 1862. 8.

Von der Societe imperiale des naturalistes in Moskau: Bulletin Annee 1861. Nr. I— IV. Moskau 1861. 8.

Von der Maatschappij der Wetenschappen in Haar lern: Natuurkundige Verhandelingen XVI. Ded Haarlein 1862. 4.

Vom lUuseam Francisco-Carolinum in Ijinz:

a) Urkundenbuch des Landes ob der Enns. II. ThI. Winn 1858. 8.

b) 21. und 22. Bericht nebst der 16. und 17. Lieferung der Beiträge

zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns. Linz 1861. 62. 8.

Von der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien:

Jahrbuch. 1861 und 1802. VII. Band. Nr. 3. Mai, Juni, Juli, August 1862. Wien 1862. 8.

184 Einsendungen von Druckschriften.

Von der }thy.sika lisch medizinischen Geseltschufl in Würzbury:

a) Würzburger Mcdicinischc Zeitschrift 3. Bd. II. IH Hft. Wien 1862.8.

b) Würzburger naiurwissensihaftlichc Zcitsciirift. 3. Bd 1. Hft.

Vom Vertvaltunifs-Ausschitss des Ferdinandeunis in Innsbruck:

a) 29. Bericht über die Jahre 1860. Gl. Innsbruck 1861. 8.

b) Zeitschrift des Ferdinandeunis für Tirol und Vorarlberg. 3. Folge. 10.

Heft. Innsbruck 1861. 8.

Vom naturforschenden Verein in Riga : Correspondenzblatt. 12. Jahrg. Riga 1862. 8.

Von der Historisch Genootschap in Utrecht:

a) Werken. Kronijk. 1861. Blad 20-30. Utrecht 1861. 8.

b) Werken. Berigten. VII. Üeel 2. Stuk. Blad 1—5. Utrecht 1862 8.

c) Werken. Codex diplomaticus. 2. Serie VI. Deel. Blad 1—6. Utrecht

1862. 8.

Vom naturhistorisch-medizinischen Verein in Heidelberg: Verhandlungen. 2. Bd. 1869—1862. Hft. 3. Heidelberg 1862. 8.

Vom naturhistorischen Verein in Augsburg: 15. Bericht. 1862. Augsburg 1862. 8.

Von der Literart/ and Philosophical Society in Manchester :

a) Proceedings Vol. II. Manchester 1862. 8.

b) Rules of the Society. Instituted 28'i> February. 1781. Manchester

1861. 8.

c) Memoirs. Vol. I. III. Series. Manchester 1862. 8.

Von der k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien :

a) Denkschriften. Mathcmat. naturwissensch. Classe. 20. Bd. 1862. 4.

b) Sitzungsberichte. Philos.- histor. Classe. XXXVIIl. Bd. II. III. Heft.

Jahrg. 1861. November. Dezember. XXXIX Bd. 1 Hfl. Jhrg. 1862. Jänner. 1861. 62. 8.

c) Sitzungsberichte. Mathemat. naturwissenschafll. Classe.

1. Abthcil. XLIV. Bd. IV. V. Heft 1861. Nov. Dezbr. XLV. I. Heft 1862. Jänner.

Einsendungen von Druckschriften. 185

•2. Abtiieil. XLIV. Bd. V. Heft. 1861. Uczbr.

XLV. ., I. II, lil. Heft 18Ü2. Jänner März, Wien 1862, 8. d) Archiv fiir Kunde Osterreidiisclier Gcschiclilsquellen. 38. Bd. I. Hälft.

18Ü2. 8.

Von der Academie royale de Medecine de ReUjique in Briitsel: Bulletin. Annec 1862 Deuxicnie Serie. Tom. V. N'r. 3—7. 1862. 8.

Von der Reale Accademia delle icient-e in Turin : Memorie Ferie Seeonda. Tom. XVIII XIX. Turin 1859. Gl. 4.

Vom Istituto i'eneto di scieme, lettere ed arti in Venediii : Memorie. Vol. X. Part. U. Venedig 18S2. 4.

Von der k. k. patriotisch-ökonomischen Geseltschn/t im Königreich

Böhmen in Prag:

a) Centralblatt für die gesammte Landeskultur. 13. Jahrg. 18(52. Nr. 1

-31. Prag 1862. 4

b) Wochenblatt der Land-, Forst- und Hauswirlh.schaft fiir den Bürger

und Landmann. 13. Jahrg. 1862. Nr. 1-31. Prag 1862 4.

Von der Geoloifical Survei/ of India in Calcutta: Memoirs. Calcutta 1861, 4.

Von der Koninkiejke natunrkundii/e Vereeniginy in Nederlandsch

In die in Bataria :

Natuurkundig Tijdchrift voon Nederlandsch Indie. Deel XXIII. V. Serie. Deel. III. Batavia 1861. 8.

Von der AcadPntie imperiale de sciences in St. Petersburg :

a) Bulletin. Tom. IV. Nr. 3—6. St. Petersburg 1861. 4.

b) Memoires. Tom. IV. Nr. 19. St. Petersburg 1861. 62. i.

Von der Accademia Pontificia de nuori lincei in Rom: Atti. Anno XIII XIV. XV. Gennaro 1860 Febbraio 1862. Rom 4.

186 Einsendunyen von Druckschriften.

Von der Smithsonian Institution in Wasliinyton:

a) Annuai rcport of ihc Siiiillisoniaii lnstitulion for the jear 18G0. Wa-

shington 1861. 8.

b) Rcsults of nieteorological obscivalioiis inuler the dircction of the

Smithsonian Institution froni the year 1854 to 1859. Vol. I. V>'a- shington 1861. 4.

c) Report upon the (Colorado Exploring Expedition iinder Lient. J. C.

Ives Washington 1861. 4.

d) Catalogue of publicalions of the Smithsonian Institution. Corrected to

June 1862. Washington 1862. 8.

c) Smithsonian Miscellaneous Collections. Vol. I. II. III. IV. Washing- ton 1862. 8.

0 Smithsonian Museum Miscellanea. Wash. 1862. 8.

Von der American Acadeiny of arts and sciences in Boston :

a) Mcmoirs. New Series. Vol. XIII. Part. I. Boston 1861. 4.

b) Proiecdings. Vol. V. 31—48. Boston 1861. 8.

Von der Boston Societif of Natural History in Boston :

Proccedings. Vol. VIII. 5-20.

IX. 1—3 Boston 1861. 62. 8.

Von der Ohio State Board of Agriculture in Ohio:

15. Jahresbericht. Ohio-Staats-Ackcrbau-Bchürde und (ieneralversarara- lung von Ohio 1860. Columbus, Ohio 1861. 8.

Vom State of HVsco/isj« :

Report of the geological Survcy of the State of Wisconsin. Vol I. Wis- consin 1862. 8.

Vom Lyceum of natural history in 'Sew-York : Annais. Vol. VII. Jan. June 1861. Nr. 10—12 New-York 1861. 8.

Von der Academy of natural sciences in Philadelphia: a) Journal. New Series Vol. V. Part. I. Philad. 1862. i.

Einsendungen von Druckschriften. 187

b) Proccedings. 18t>l. 7— 36. J8«2 N»» I. and IV. Janiiary- April 1862.

Philadelphia 1861. 62 8.

c) Annual Mceliiig. Jamiary 1860 April 18(51. Philadelphia. 8.

Vom Herrn Franz Lenormant in Paris: Recherches archeologiqiies a Eleusis. Paris 1862. 8.

Vom Herrn Karl Robida in Klageuf'nrt:

Erklärung der Beugung, Doppeihreehuiig und Polarisation aus den Grund- ziigen einer naturgemässen Aloniislik.. Hl. lilt. Klagenlurt 1862. 8.

Vom Herrn Cotnm. Fenicia in Neapel :

Copia deir epistola alla santitä del pontefuc che rcggerä la sauta sede quando verrä pubblitata la poliliia. Neapel 1862. 8.

Vom Herrn A. Grüner t in Greif xwalde :

Arthiv der Mathematik und Ph.vsik. ;I8. Theil. 2. 3. Heft, (ireifswalde 1862. 8.

Von den Herren Frhrn. k. Stillfried und Dr. J. Mürker in Berlin:

Monumenta Zollerana. IJrkundenbuch der Geschichte des Hauses Hohen- zollern. 7. Band. Urkunde der Iränkischen Linie lill— lil7. Ber- lin 1861. 4.

Vom Herrn Kicolai von Kokscharow tu St. Petersburg: Beschreibung des Alexandrits. St. Petersburg 1862. 4.

Vom Herrn A. Weber in Berlin:

Die vedischen Nachrichten von den Naxalra (Mondstationen) 1. II. Thl. Berlin 1860. 62. 4.

188 Einsendiinffen von Druckschriften.

Vom Herrn Jose Amador de Los Rio.s in Madrid:

El arte latino-Bizantiiio cii Kspana y las Coronas Visigodas de Guarra- zar. Madrid ISfil. i.

Vom Herrn Ritter von Burg in Wien: lieber die Wirksamkeit der Sicherheitsventile bei Damplkesseln. Wien 8.

Vom Herrn A Coppi in Rom: Memorie storiche di Maccarese, Rom 1862. 8.

Vom Herrn R. L. Tafel in St. Louis :

Investisjations in to the laws of English orthography and pronunciation. Vol. I. Nr. ]. New-York ISO?. 8.

Von den Herren Leonhard und Rudolpli Tafel in Philadelphia und

St Louis :

a) A reviewofsome points in Bopp'.s comparative (irammar. Andov. !8()I. 8.

b) Latin pronunciation and the latin aiphabet. Philad. 1860.

Vom Herrn Karl Schuller in Hermannstadt:

Die Verhandlungen von Miihlbach im Jahre 1551 und Martinuzzis Ende. Hermannstadt 1862. 8.

Vom Herrn Dr. Luther in Königsberg :

Astronomische Beobachtungen auf der k. Universitäts-iSternwarte in Kö- nigsberg 3i. Abtheil. Königsberg 1862. 4.

Vom Herrn J. Worpitiky in Greißwalde: Beitrag zur Integration der Riccatischen Gleichung. Greifswalde 1862. 8.

Vom Herrn M. E. Vhevreul in Paris:

a) Expose d'un mojen de definir et de nommer les couleurs Mit Atlas.

Paris 1861. 4.

b) Recherches chimiqucs sur la teinture. Paris 1861. 4.

Vom Herrn Dr. M. Block in Gotha :

Die Machtstellung der europäischen Staaten. 8. Mit 1 Atlas von 25 Kar- ten in Fol. Gotha 1862.

Einsendungen von Druckschriften. 189

Vom Herrn Hl. Steichen in Brüssel: Memoire sur le caicul des v.'iriations. Brüssel 1862. 8.

Vom Herrn A. Mühry in Göttingen:

Klimatooraphisclie Uebersiclit der Erde in einer Sammlung authentischer Berichte mit hinzugefügten Anmerkungen zu wissenschat'llithem und praktiscliem Gebrauche. Leipzig und Heidelljerg 18ü2. 8.

Vom Herrn Christian August Brandts- in Berlin:

Geschichte der Entwicklung der griechischen Philosophie und ihrer Nach- wirkungen im Rom. Reiche. 1. Hälfte. Berlin 1862. 8.

o

Vom Herrn Dr. Prestel in Emden:

Die mit der Höhe zunehmende Temperatur als Function der Windes- richtung. Jena 1861. 4.

V^on Herrn Robert Main in Oxford :

Astronomical and nuleorological oLservations made at ihe RadclifTe übscrvator)', Oxford, in the jears KS-VJ and 1800. Vol. XX. Oxford 1862. 8.

Vom Herrn C. ('. lUalortie in Hannover :

Beiträge zur Geschichte des Braunschweig-Lüneburgischen Hauses und Hofes. 3. Heft. Hannover 1862. 8.

Vom Herrn Dr. von Tröltsch in Würxburg:

a) Hie Krankheiten des Ohres, ihre Erkenntniss und Behandlung. Würz-

burg 1862. 8.

b) Die Anatomie des Ohres in ihrer Anwendung auf die Praxis und die

Krankheiten des Gehörorganes. Wiirzburg 1860. 8.

Vom Herrn Pasquale Plncido in fieapel:

lllustrazione di tre diplomi Bizantini del grande archivio di Xapoli. Neapel 1862. 8.

190 Einsendungen von Druckschriften.

V^oui Herr» M. Glösener in Lüttich:

Traite g^üc'-ral des applicatioiis de rclectricite. Tom. I. Paris et Liöge.

18G1. 8.

Vom Herrn P Volpicelli in Rom:

a) Sulla clettricitä dell' atmosfera. Secoiida e tcrza Nota. Rom 186t. 4.

b) Sulla polaritä elcttrostatica quinta i-ommunicazione. Roma 1862. 4.

c) Descrizione di uii nuovo aiiemometrografo e sua teorica. Rom 1859. 4.

d) Sulla legge di Mariotte sopra uii congegno nuovo per dimostraria

nelle sperimciitali lezioni e su varie applicazioiii di essa. Rom 1859. 4.

e) Teorica della compensazione de' pendoli. Rom 1800. 4.

fj Del moto reltilineo lungo uii sistema di piani divcrsamente indinati e contigui. Rom 1860. 4.

Vom Herrn J. D. Graham in Chicago:

a) Explorations et Surveys for a railroad ronte frora the Mississippi ri-

ver to tlie pacific ocean. Vol. XI. Chicago 1855. 4.

b) Report, mit Karten. Fol.

Vom Herrn James de Dana in Netv-Haven:

.\nierican Journal of science and arts.

Vol. XXXII. Xr. 94—96. Juli Sept. Nov. 1861. ., XXXIII. 97—99. Jan. Marcli. Ma^' 18t,2. New-Haven. 1861. 62. 8.

Vom Herrn TA. Bland in London:

On the geographica! distribution of the genera and species of land Shells, of the YVest-India Islands. New-York 1861. 8.

Vom Herrn A. F. Ward in Philadelphia :

Universal System of semaphoric color signal.s , a novel and original in- venlioM, by which 4 6,656, words or sentences ean be represented with six colors. Philadelphia 18G2. 8.

Vom Herrn William Rhees in Philadelpia:

Manual of public Libraries, Institutions and Societies in the United Sta- tes and Britisch Provinces of North America. Philadelphia 1859. 8.

Einsendungen von Druckschriften. |91

Vom Herrn Philip T. Tyson in Annapolis:

First report State agrieultural clieiiiist to the house of Delegates of Ma- ryland. January 1860. Annap. 18G0. 8.

Von den Herren A. A. Ilumphreys und H. L. Ahhot in Philadfli/hia :

Report lipon the plijsics and hydraiilics of tlie Mississippi river 1801. Philadelphia IStil. 4.

Vom Herrn T. Apoleon Cheney in New-York :

Hlustrations of the ancient moniinienls in Western New-York. Albany 1860. 8,

December 1862.

Vom historischen Verein von Niedersachsen in Hannover

a) Zeitsehrift. Jahr^. 1801. Hannover 1862. 8.

1)) 25. Nachricht über den Verein. Hannover 1862. 8.

Vom akademischen l.esererein in Wien: .Tahresbcricht 1861—1862. Wien 1802. 8.

Von der naturforschenden Gesellschaft in Emden: 47. Jahresbericht. 1861. Emden 1862. 8.

Vom landu-trthschaft liehen Verein in München: Zeitschrift. Nr. XI. 1862. München 1802. 8.

Von der Societe des sciences naturelles in Strassburg : Memoires, Tome cinquieme. Livr. 2. 3. Strassb. Paris 1862. 4.

192 Einsendungen von Druckschriften.

Von der Linnean Society in London : .1) Traiisaclioiis. Vol. XXIII. Part. II. London 18Ü1. 4.

b) Proceedings. Vol. VI. Botany Nr. 21. 22. 23.

Zoology Nr. 21. 22. 23. London 1861. 8.

c) Fellows 1861. London 1861. 8.

Von der Universität in Heidelberg :

Heidelberger Jaiirbiulier der Literatur unter Mitwirkung der vier Fa- tulläten. 55. Jahrg. 8. Heft August. 9. Heft Sept. 18C2. 8.

Vom Astrono7niC(il Observatorg of Harvard College in Cambridge :

a) Annais. Vol. III. Cambridge 1862. 4.

b) On tlie results of pliotomelric experiments upon the liglit of tlie

Moon and of the planet Jupiter. By George P. Bond. (Cambridge 1861. 4.

c) On the relative brightness of the Sun and Moon. By G. P. Bond.

Cambridge 1861. 4.

d) Report of the committee of the overseers of Harvard (College in the

jear 1860. 1861. Boston 1861. 62.

e) Oecultations and Eelipses observed at Dorchester and Cambridge,

Massachusetts. By G. P. Bond. Cambridge 1846 4.

Von der Bataviaasch Genootschap van Künsten en VVetensc/iai>pen

in Rutuvia :

a) Verhandelingen. Deel. XXVII. XXVIil. Batavia 1860. 4.

b) Tijdsthrift voor Indische Taal- Land- en Volkenkunde.

Peel. VII. Derde Serie. Deel. 1. Aft. II.

V

Nieuwe VI.

IV I

,1 IX. Derde III. I-VL

X Vierde ,, I. ,, 1—6.

Batavia 1857. 1860. 8.

Einsendungen von Dnickschriften. 193

c) Vergadcringeii. Bestuursvcrgaderiiicr «rehüiulcii tlcii 23. Februarij 1857. 23. JiiliJ 1857. 28. Decbr. 1857. Balavia. 8.

Von der Chemical Sovieti/ in London.

Journal. Vol. XV. 7. 8. 9. Jul. .\ug. Septbr. 1862. Nr. LXIII -LXV. London 1802. 8.

Von der Geoloyical Socieiy in London:

Quarterly Journal Vol. XVIII Part. 3. Aug. I. 1862. Nr. 71. London 1862. 8.

Von der h. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften in Leipzig:

a) Berichte. Pliilos.-liistori.sch6 Classe. II. III. IV. 1861. Lcipz. 1862. 8.

b) Mathein. physikai. I. II. 1861. Leipzig 1862. 8.

Von der fihstl. Jablononskischen Gesellschaft in Leipzig:

Preis.schriften. IX. Viktor Bühmeit, Beiträge zur Geschichte des Zunft- wesens. Leipzig 1862. gr. 8.

Von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in

Görlitz:

Neues Lausitzisches Magazin. 39. Bd. 1. und 2- Hälfte. iO. Bd. I.Hälfte. Görlitz 1862. 8.

Von der Academie imperiale des sciences, arts et belles-lettres in

Dijon :

Menioires. 2. Serie. Tom. IX. Annee 1861. Dijon 1802. 8.

Von der Hydrographischen Anstalt der k. k. Marine in Triest:

Mittheilungen der hydrographischen Anstalt. I. Bd. 1. Heft. Nautisch - physikalischer Theil der Rei.se der österr. Fregatte Novara. I. Ab- theil. Mit einer Kartenbeilage von 7 Blättern. Wien 1862. i.

Von der Jiatuurkundigen Vereenigiug in Tiederlandsch Indie in

Batavia:

a) Verhandelingen. Vol. V. Vol. VI. (Series nova Vol. I.) Balavia 1859. 4.

libßa. II.J 13

194 Einsendungen ron Druckschriften.

b) Naluuikundige Tijdschrift voor Nedorlandsch Indie. Deel.XVlII. XIX. 4. Serie. Peel. IV. V. Batavia 1859. 8.

Vom historischen Verein für Nassau in Wiesbaden:

a) Denkiiiäler aus Nassau. III. Heft. Die Abtei Eberach im Rlieingau.

II. Lieferung. Die Kirche. Wiesbaden J862. 4.

b) Urkundenbuch der Abtei Eberach im Rheiugau. I. Bd. Heft 3. Wies-

baden 1862. 8,

c) Verzeichniss der Bücher des Vereins. Wiesbaden 18ü2. 8.

Von der Avademie des sciences in Paris:

Comptes rendus hcbdoniadaires des seances. Tom. LV. Nr. 11 19. Sept. Novbr. 1862. Paris 1862. 4.

V^on der Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen : Abhandlungen, lu. Bd. Von den Jahren 1861 und 1862. Göllingen 1862. 4.

Von der k. k. geognostischen Gesellschaft in Wien : Mittheilungen. V. Jahrg. 1801. Wien 1861. 4.

Vom Verein von Freunden der Erdkunde in Leipzig: Erster Jahresbericht. 1861. Leipzig 1862. 8.

Von der Societe royale des sciences in Vpsala:

Nova acta regiae societalis scientiarum üpsaliensis. 111. Scr. Vol. IV. Fase. L 1862. Upsala 1862. 4.

Von der kaiserl. Gesellschaft für die gesammte Mineralogie zu St.

Petersburg:

Verhandlungen. Jahrg. 1862. St. Petersburg 1862. 8.

Vom nuturwissenschaftl. Vereine für Sachsen und Thüringen in Hall«:

Zeilschrift Tür die gesammtcn Naturwissenschaften. Jahrg. 1861. 1862, 18. 19. Bd. Berlin 1862. 8.

Einsendungen von Druchschriften. 195

Von der Soviete d'unthropoloyie in Paris: Bulletins. Tom. III. 3. Fase. Paris 1862. 8.

Von der Redaction des Corvesponden-zhltittes für die gelehrten und Itenlschulen in Stuttgart:

Correspondenzblatt Xr. 10. Oklbr. 186t>. Stullj^art J86'2. 8.

Von der k. Akademie der Wissenschaften in Berlin : Monalsbericlit. Sept. Oetbr. ]8f)2. Berlin 18C2. 8.

Von der Axiatic Societi/ of lienyal in Calcutta :

Journal. New Series. Nr. CXL. Nr. CCLXXXV. Nr. II. 18(52. Calcutta 18Ü2. 8.

V^on der St. Gallischen naturuissen.schaf fliehen Gesellschaft in

St. Galten:

Bericht über die Thäti^keit der (leselLschaft während des Vcrcinsjahres 18C1-02. St. (Jallen 1862. 8.

Von der physikal.-medicinischen Gesellschaft in Würzburg :

Würzburger inedizini.sche ZcitscIiriCt. :5. Bd. IV. und V. Heft. Würzburg 1862. 8.

Von der pfälzischen Gesellschaft für Phartnacie und verwandte

Fächer in Speyer:

Neues Jahrbuch für Pharniacie und verwandte Füiher. Bd.XVlII. Heft 3. Novbr. Heidelberg 1862. 8.

Vom Verein der Geschichte der Dlark Hrandenhurg in Berlin:

Novus Codex diplomatieus Brandenburgensis. Vierler Haupttheil oder Sammlung der Ueberreste aller Bran(lenburi;isiher Geschichtsschrei- bung. 1. Bd. Berlin 1862. 4 und Kr.sler Haupttheil oder Urkunden- Sauimlung zur (ieschichle der geistlichen Stiftungen, der adeligen

13*

196 Einsendungen von Druckschriften.

Familien, sowie der Städte und Burgen der Mark Brandenburg. Von Dr. Adolph Riedel. XXlII. Bd. Berlin 1862. 4.

Von der deutschen yeologischen Gesellschaft in Berlin: Zeitschrift. XIV. Bd. 2. HCt. Febr. April 1862. Berlin 1862. 8.

Von der Royal viedicul and chirurgical Society in London : Medico-Cbirurgical Transaclions. Vol. XLV. London 1862. 8.

Vom siehenhürgischen Landesmuseum in Klausenburg:

Erdelji orszägos Muzeum naptära az 1803d'i'. Kozönseges esztendöre. (des siebenbiirgischen Landes-Museunis Kalender anf 1863. gemei- nes Jahr). Klau.senburg 1862.

Von dem Herrn E. Regel in St. Petersburg :

a) Reisen in den Süden von Ost-Sibirien im Auftrag der kaiserl. russ.

geographischen Gesellschaft, ausgeführt in den Jahren 1855 1859 durch Li. Radde.

Botanische Abtheilung.

Nachträge zur Flora der Gebiete des russ. Reichs östlich vom AI-, tai bis Kamtschatka und Sitka und dem russ. Nordamerika nach den von G. Radde, StubendorfT, SensinolT. Pieder und anderen ge- sammelten Pflanzen von E. Regel. Bd. I. Heftll. Moskau 1861. 62. 8.

b) Tentamen florae Ussuriensis oder Versuch einer Flora des Ussuri-

Gebietes. Nach den von M. Maack gesammelten Pflanzen bearbeitet. St. Petersburg 1861. i.

Von dem Herrn Prestel in Emden :

Ergebnisse der Witterungsbcohachtungeii in den Jahren 1860. 61, sowie Andeutungen über die Beziehung der Witterung zur Seefahrt, Land- wirthschaft, dem Gesundheitszustand u. s. w. Emden 1862. 4.

Einsendungen von Druckschriften. 197

V'on dem Herrn Vikt. Wilh. Rus.s in Prag: Die Lesehalle der deutschen Studenten zu Prag 18i8 -186->. Prag 1862.8.

Von dem Herrn Fr. Adotf/h Wickenhauser in Cernowi%:

Moldawa oder Beiträge zu einem Urkundenbuche für die Moldau uud Bukovina. 1. Hell. Wien 18ß2. 8.

Vom Herrn A. Grunert in Greif nwalde:

Archiv der Mathematik und Physik. 38 Thl. 4. Heft, 39 Theil. 1. Heft. Grcifswalde 1862. 8.

Vom Herrn P. A. Hansen in Leipzig:

Darlegung der theoretischen Berechnung der in den Mondtafeln ange- wandten Störungen. I. Abhandlung. Leipzig 1862. gr. 8.

Vom Herrn W. G. Hankel in Leipzig :

Messungen über die Absorption der chemischen Strahlen des Sonnen- lichtes. Leipzig 1862 gr. 8.

Vom Herrn H^iVAefwi Hoscher in Leipzig:

Die deutsche Nationalokononiik an der (irenzscheide des 16. und 17. Jahrhunderts. Nr. 111. Leipzig 1862. gr. 8.

Vom Herrn G. Hartenstein in Leipzig:

Locke's Lehre von der menschlichen Erkenntniss in Vergleichung mit Leibniz's Kritik derselben Nr. 11 Leipzig l?s61. gr. 8.

Vom Herrn Ladreg in Dijon:

a) Revue viticole. Annales de la viticulture et de Toenologie Irancaise

et etrangeres. Deuxi(?me serie N'r. 1 6. Janvier— Juin. 1862.4. an nee Paris 1862. 8.

b) Les vins , les eaux-de-vie, les alcool.s , le.s liqueurs, les vinaigres et

les bieres de la France et d'Algerie et des colonies francaises au toncours general et national d'Agriculture de Paris en 1860. Dijon 1861. 8.

198 Einsendungen von Druckschriften.

Vom Herrn Christian Heinrich Punder in St. Petersburg:

a) Uobcr die Saiirodipterinen, Detidrodcnten, Glyptoleptiden uiidCheiio-

lepideii des Devonischen Sjstenis. Mit 17 lithogr. Tafeln. St. Pe- tersburg 1860. gr. 4.

b) Ueber die Ctenodiptcrinen des Devonischen Systems. St. Petersburg

1858. gr. 4.

Vom Herrn Georg Ludwig von Maurer in München:

Geschichte der Fronhöfe , der Bauernhöfe und der Hofverfassung in Deutschland. I. Bd. Erlangen 1862. 8.

Vom Herrn E. ./. Pictet in Genf:

Matcriaux pour la Paleontologie Suisse ou recwcil de monographies sur les fossiles du Jura et des Alpes. III. Serie 9 et 10 livraisons Con- tenant : Description des fossiles du terrain cretaze de Saint-Croix 3 parlie Nr. 6 und 7. Genöve 1862 4-

Vom Herrn A. T. Kupfer in St. Petersburg:

Annales de l'observatoire physique central de Russie. Annee 1859. Nr. 12. St. Petersburg 1862. 4.

Vom Herrn J. Z. von Baeyer in Berlin:

Das Messen auf der sphäroidischen Erdoberfläche. Als Erläuterung mei- nes Entwurfes zu einer mitteleuropäischen Gradmessung Berlin 1862. i.

Von den Herrn Löschner und Ritter von Hochberger in Carlsbad:

Carlsbad. Marienbad, Franzensbad und ihre Umgebung vom naturhisto- rischen und niedicinisch - geschichtlichen Standpunkte. Carlsbad 1862. 8.

Vom Herrn Ernst von Berg in Si. Petersburg:

Repcrtorium der Literatur über die Mineralogie, Geologie, Paläontologie, Berg- und Hüttenkunde Russlands bis zum Schlüsse des 18. Jahr- hunderts. St. Petersburg 1802. 8.

Einsendunf/en von Druckschriften. 199

Vom Herrn August Schleicher in Jenat

Coinpendium der vergleichenden Graniiuatik der indogeruianischen Spra- chen. I. II. Weimar 1861. 8

Vom Herrn C. C r. Hnifen in liayreuth :

Archiv für Geschichte und Alterlhum.skunde von Oberfranken. 8. Bd. 3. Heft. Bayreuth 1862. 8.

Vom Herrn H. .7. Otto in Nordhausen:

a) Palla.s Athene. Eine mythologische Abhandlung. Nordhausen 1858. 8.

b) Zur Theorie der ^Yiirme. Nordhausen 1853. 8.

Vom Herrn Karl Bach in Altenbury :

Aus dem Leben der Herzoge Friedrich Wilhelm, Stifter des Altenburgi- schen und Johann, Stifter des Gothaischen und Weiuiar'schen Hauses. Altenburg 1862. 8.

Sitziirifij'sberichte

der

köniij:!. baver. Akademie der Wissenschaften.

Philosophisch - philologische Ciasso.

Sitzung vom C». Deccnilier 18G2.

Herr Plath berichtete

„über die häuslichen Verhältnisse der alten

7J

Chinesen.*'

Die Chinesen nehincn 5 Verhältnisse zwischen den Menschen (U-liin) an: das des Vaters zun» Sohne, das des Fürsten zum Untorllian , das i\es Gatten zur Gattin , das des Aeltern zum Jiniyern und das zwischen Freunden und Ge- nossen.

Die 3 Grundvorhällnisse (San-kang') unter diesen sind: (las zwischen Mann und Frau , zwischen Aeltern und Kindern und zwischen Regierenden und Regierten. Kang bedeutet ur- sprünglich ein grosser Strick am ^^etzo. Wir wollen die beiden erstem jetzt einzeln betrachten.

Iiä63 n.] 14

202 •'^iHuny der philos. -philol. Classe vom 6 Dec. 1862.

Die Ordnung in der Familie gilt den chinesischen Weisen als die sicherste Grundlage des Keiches. Im I-king Cap. 37 Kia-jin sagt Coiifucius im Cotnnientare Toen: ,,Der Vater sei Vater, der Sohn Sohn, der ältere Bruder älterer Bruder, der jüngere Bruder jüngerer Bruder, der Mann Mann, die Frau Frau und des Hauses Norm (Kia tao) ist richtig; ist das Haus richtig, so steht das Reich fest (Tsching kia eul thian-hia fing)" und dieser Hauptsatz wiederholt sich unzähligemal. Ta-hio C. 3 und auch sonst.

/. Das VerhüUniss der Frau zum Manne. Die Ehe.

Zwei Grundideen beherrschen die Verhältnisse der Frau zum Manne in China: Die Trennung der Geschlechter und die Unterordnung und Unterwürfigkeit der Frau unter den Mann, wie diess selbst bei den Griechen , nur in geringe- rem Masse, der Fall war. S. Fr. A. Wolf. Griech. Aul. p. 277, Rom. Ant. p. 309, Friedr. Jacobs Vermischte Schriften B IV. p. 157 igg. „Wenn das Haus (Kung-schi) erbaut wird, lehrt der y-ki Cap. i\ei-tse 11 (12 fol.73) vgl. Siao-hio ' Cap. 2. 3, §. 4, theilt man es in 2 Abtheilungen, die innere und die äus- sere." Der Mann bewohnt die äussere, die Frau die innere. Die Thüre ist in der Mitte sorgfältig zu verschliessen ^ ein Thür- steher (Sse, sonst auch Eunuclie) muss sie bewachen; der Mann geht nidit hinein, die Frau nicht hinaus. Mann und Frau sollen nicht einmal eine gemeinsame Stange zum Aufhä"oren der Kleider haben; sie soll nichts an des Mannes Hacken (Hoen) oder Stange (I) hängte , nichts in seinen Kasten (Kliie) oder

(1) Der Siao-hio oder die Lelire der Kleinen ist eineSaninilunü: von Spriuhen und Beispielen aus den Alten und Neueren von dem lieriiliin- ten Tschu-lii. au.s der Dynastie Sunjx. ^Nelclie hi;ui den kleinen Kindern noch vorhält, daher ist es niciit unuiclilif^, sie anzufiiliren.

(2) Im I king Kia-jin (lap. 37, I heisst es: ,,Vcrschtiesse, wer ein Haus hat, es, so wird die Reue fehlen.'*

Plath: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 203

Behfiller (Sse) niederlegen, sie sollen kein gemeinsames Bade- haus (Pi-yo) haben. Der Mann soll nicht gemeinsam hal)en das Kissen oder den Pfühl(Tschin), die Mallen (Thien u. Tu) und den Behalter (Khi), um das Kleid (Scho) darin aulzuhewahren u. s. vv.

Der Mann spricht nach Fol. 57 Ig. nicht von den inneren Angelegenheiten, die Frau nicht von den äusseren (Amtssachen und Krieg). Nur der Ahnendienst und die Leichenleier geht beide an. Sie dürfen ausser bei diesen auch nach Meng- tseu II. 7 (1). 17 mit Schol. kein Gefiiss sich in die Hand geben , sondern wenn sie sich etwas geben , nimuit die Frau diess aus einem Korbe (Fei); ist kein Korb da, so legen es alle beide auf die Erde nieder und der andere nimmt es dann auf.

Ausser dem Hause und drinnen haben sie keinen gemein- samen Brunnen, kein gemeinsames Badeliaus, nicht dieselbe i^chlafmalte. Sie dürfen nichts von einander leihen (I-kia), Männer und Frauen haben kein gemeinsames Kleid (Schang). Worte aus dem Innern gehen nicht hinaus ; äussere Worte nicht hinein. Betritt der Mann das Innere, so darf er nicht pfeifen (Siao), nicht mit den Fingern auf etwas liinzeigen(Tschi). Geht der Mann des Nachts in ein Weiberzinwner hinein , so braucht er ein Licht (Tscho) ; ohne ein solches hält er an. Geht die Frau zur Thiirc hinaus, so verhüllt (pi) sie ihr Gesicht; Nachts geht sie nur mit einem Lichte, ohne ein solches bleibt sie ste- hen." — Wenn Mann und Frau einander antworten, verneigen sie sich gegeneinander nach Li-ki Cap. Kio-li hia 2 Fol. 52. Sich nicht zu beireiriKin. oehl der Mann auf der rechten, sie auf d«M- linken Seile des Weges ^ Ein Mann darf noch weniger das Gemach ein(M- frenuleii Frau betreten ; so ging Conincius nicht in das der Nan-tsen, der Nebenfrau ch^s Königs von W(m (Sse- ki B. 47. Fol. 12. v. sq. Mem. T. XII. p. 30;i flg.).

Indess ergibt sich von selber, dass dieses nur cum grano salis zu verstehen ist. Meng-tseu II. 7 (1), 17 lehrt, dass höhere

(3) Li-ki Cap. 3. Wang-tschi Fol. 37 sagt dasselbi-; die ^Y<VgeI^ fall ren in der Mitte.

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204 Sitzung der philos-pfiilol. Ctasse vom 6. Dec. 1862.

Rücksichten , z. B. eine Schwägerin vom Ertrinken zu retten, diese Aiistandsregohi bei Seite setzen heissen. Diese raffinirte Trennung konnte so nur bei der höchsten und reichsten Classe durchgeführt werden; darauf weisen auch die Ausdrücke Kuno-- schi (Palast-Haus) und Sse (Thürsteher oder Eunuche) , der- gleichen Privatpersonen nicht halten , im Li-ki schon hin. Die gewöhnhche Bürger- und Bauernfrau wird das Hauswesen be- sorgt haben und selbst mit auf das Feld gegangen sein. Diess bestätigen auch Stellen des Liederbuches IV. 1. 3. 5. H. 6, 7 3 und 8, 3 und I. 15, 1, wo Mann, Frau und Kinder auf das Feld gehen, den Arbeitern das Essen zu bringen u. s. w. Bei den Handwerkern und Arbeitern wird es nicht anders gewesen sein. Auf die Trennung der Geschlechter legen die chinesi- schen Moralisten aber immer viel Gewicht und Conl'ucius be- trachtete sie als einen Antrieb zu einer innigeren Vereinigung. Von Ngai-kung. dem Fürsten von Lu, im jetzigen Schau lung, nach den Regierungsgrund>iitzen befragt, antwortet er Li-ki Ngai- kung-wen Cap. 27 Fol. 3 u. l.und Kia-iü c. 4 Fol. 7: ,,Wenn der Unterschied zwi.'^clien I\Iann und Frau besteht , die Liebe zwischen Vater und Sohn, die Ehrfurcht desUnterlhanen gegen den Fürsten und diese 3 (Punkte) feststehen, dann folgt alles wie von selbst", vgl. Li-ki Ta-tschuen Cap. 16. Fol. 68. Sang fu-siao-ki Cap. 15 Fol. 48 v., King-kiai Cap. 26 Fol. 81, Hoan-i Cap. 44, Fol. 40. u. s. w.

Vom 7ten Jahre an sollen nach dem Li-ki Cap. 12 Nei-tse Fol. 79 vgl. Siao-hio L 3. Knaben und .Madchen nicht mehr auf derselben Matte beisammen sitzen, noch zusamtnen essen; vom lOlen Jahre an die Miidchen nicht mehr zum Hause hin- ausgehen (fol. 81). Selbst im Sterben soll die Absonderung noch fortdauern nach Li-ki Sang-fu-la-ki c. ,22 fol. 1. Miinner und Frauen wechseln da die Kleider und legen neue seidene (Vor- nehme das Hofkleid, das Volk wemgstens gewaschene) an, um das Abschneiden des Lebensgeistes (Tsiue khi ) zu erwarten. Per Mann stirbt nicht unter den Händen der Frau, die Frau nicht unter den Händen des Mannes. Für Jeden ist auch ein

Ptath: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 205

besonderes Gemach bestimmt; die Frau des Literaten (Sse) stirbt z. B. im Schlafgemache (Thsin).

Was zweitens die Un terwiirfi g-kei t der Frau unter den jManu betrifft, so sagt Conl'ucius im Li-ki KiMO-te-seng c. 11 fol. 45 und im Kue-iü c. 26 fol. 7 vgl. Siao-hio Cap 11. §. 3, M^m. T. XII. p. 281: ,J)ie Frau niuss dem Manne stets unter- worfen sein. Sie ist daher nie sui juris und kann üi)er nichts verfügen. Sie ist in dreifacher Abhängigkeit: So hinge sie un- verheirathet, ist sie von ihrem Vater oder (wenn der gestorben ist) von ihrem älteren Bruder, verheirathct von ihrem Manne, alsWittwe von ihrem (ältesten) Sohne abhängig. Ihre Herrschaft beschränkt sich auf die Grenzen des Frauen-Gemaches, sie hat das Essen und Trinken zu besorgen.""

Unter Knaben und Mädchen wird daher nach dem Schi- king II. 4, 5 vgl. Morrison Dict. I. p 601 schon bei der Geburt ein grosser Unterschied gemacht. Dem Weisen Einige mei- nen, dass vom Kaiser Siuan-wang die Rede sei wird da ein Sohn geboren. Er wird auf ein Bett gelegt und in glän- zende Kleider (Tschang) gewickelt. Man gibt ihm als Spielzeug den Halbscepter (Tschang) und er schreit laut, mit glänzend rothen Kleidern angethan. Es ist ein Herrscher geboren! Wird ein Mädchen geboren, so legt man es nach obiger Stelle des Schi-king an die Erde, Avickelt es nur in Tücher und legt ihr als Spielzeug einen Ziegel hin! (So noch jetzt nach La Charme; der Ziegel wurde beim Weben zum Pressen des Zeu- ges gebraucht und sollte diese ihre künitige Beschäftigung gleich bei der Geburl symbolisch andeuten.)— Genug wenn sie von Schuld frei ist; nur wie der Wein bereitet,- wie die Speise gekocht wird, das hat sie zu überlegen und dass sie Vater und Mutter nicht zur Last falle und ihnen Kummer bereite. S. auch Li-ki Cap. Nei- tsel2fol. 14 unten, wo von der Geburt des Kindes die Rede ist. Confucius sagt im I-king Kia-jin c. 37 fol. 6. T. II. p 173 im CommentareToen: „Die Frau hat ihren rechten Platz im Innern, der Maim hat seinen rechten Platz draussen : wenn Mann und Frau so recht gestellt sind (Tsching), so herrscht das grosse Recht

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Himmels iiiul der Erde."' Das Mädchen und die Frau sind auf die hauslichen Beschiilligungen angewiesen. Schi-king I. 1 2 heisst eine Neuvermählte, die ihre Aeltern besuchen will, die Hauskleider sorgl'ällig waschen, die Keierkleider richten und se- hen, welche auszubessern sind, welche nicht. Die Blatter der Kriechpflanze Ko sind gepflückt, gekocht und dann zu dem Zeuge Ko von feinerer oder gröberer Art verwebt. Man trug das Zeug daraus im Sommer. Nach Schi-king I. 9. 1 machte man in Wei aus dem Zeuge auch kühle Sonunerschuhe, mit welchen man über den Thau gehen konnte. Ihre zarten Finger und die Hand des Mädchens nahen (säumen) das grobe Kleid ; einen Anzug daraus, an welches ein Halsluch (Ki) genäht war, lieble der Mann. Schi-king I. 15. 1, 2 geht das Mädchen mit eleganten Körbchen. Maulbeerldälter zu pflücken I. 1, 8, auch das Kraut Feu-i (nach La Charme der Wegebreit, welcher den Frauen die Geburt erleichtern soll). Siao-ya II. 8, 2 pflückt die Gattin die Pflanze Lu und hat ihr Haar nicht einmal ge- kännnt, diess will sie nach der Rückkehr des Mannes thun. Bis zum Abend sanunelt sie Lan, ein Färbekraut, und thut es in ihren Rockschooss. Wenn er auf die Jagd geht, will sie sei- nen Bogen in das Bogengehäuse (Tschang) thun, wenn zum Fischen, seine Fischleine in Ordnung bringen. Schi-king 1. 1,10 fällen Frauen sogar Holz vomSlauune und brechen es von den Aesten, während der Abwesenheit des Mannes.

Das Mädchen wird nach Li-ki Nei-tse Cap. 12, fol. 79 angewiesen, langsam (.la) zu antworten, der Knabe schnell Wei (.la). Sie soll sanft reden, freundliche Gesichter machen, den Befehlen gehorchen , Seidencocons abwickeln , nähen , we- ben, Kleider machen und alle Frauenarbeiten thun. Nach iJ-ki c. 12. Nei-tse fol. 81 flg. lehrte eine ältere Frau (Mu die Frau MuthT genannt), das Mädchen Artigkeit in Worten und Manie- ren, zu hören und zu folgen, die (Hanfsorten) Ma und Se zu behandeln, Seiden-Cocons (Kien) abzuwinden, zuwehen (Tschi- jin) und Ouaslen zu machen (Tsu-siün) Sie lernen Frauen- arbeiten, Kleider anzufertigen , die Opfer zu besorgen und den

Ptiith: Die hüusUchen Verhältinsse der alten Chinesen. 207

Wein, dieReisbrühe (Tsiaug) und die Banibusgcfüsse mit Opfer- g-aben (Pian) zu präseiitiren, ebenso Gefasse mit eingenmchten Frücbten, Haches (Hai) und die Gebrauche, um bei den Libatio- nen mit auszuhelfen. DerSiao-hio IV. 3, 8, vgl. Kia-iüc. 41 f. 14 v. du Halde T. 2. p. 807 u. 329. erzählt eine hübsche Anek- dote von der Muller des Ministers Kung- lu- wen- pe von Lu. Er traf seine Mutler nähend. Wie MuUer in dem anoresehenen Hause nähest Du? Sie seufzte laut auf. Ist denn Lu so ent- blöst von Weisen? Gäbe es, Knabe, viele Beamte von Deiner Art, so würde es mit der Thätigkeit bald aus sein! Bleib, ich will Dich belehren! Wenn das Volk arbeitet, ergibt es sich nicht der Lust. Warum findet man auf dem fruchtbaren Boden sonst die meisten anweisen? weil sie müssig sind; auf fruchtbarem Boden aber honelle Leute? weil sie arbeitsam sind, Sie erzählt ihm nun, wie einst von der Kaiserin bis zum Volke herab alle Frauen Frauenarbeiten machten; die der Literaten nicht nur die Cerenionie-, sondern auch die Ehrenkleider, wie die Frauen des Volkes das Garn spannen und das Zeug zu den Kleidern ihrer Männer webten, im Frühlinge beim Opfer des Genius der Erde und der Feldfrüclile ihre Seidim- und Hanfgevvebe, im Herbste beim Ahnenopfer ihre Hanfgewebe darbrachten und während sie webten, ihre Männer das Feld bearbeiteten. Der Charakter für Mann im Gegensatze der Frau, Nan, ist zusammengesetzt aus Nerve oder Kraft und Feld (Cl. 102), also der seine Kraft aufs Feld verwendet.

Im 15ten Jahre wird dem Mädchen nach Li-ki Cap. Nei-tse 12. fol 81 V. vgl. Cap. Tsa-ki 21 fol. 89 v. mit Schol. feierlich die Haarnadel (Ke), der Kopfputz der Erwachsenen, erlheilt, im 20. Jahre heiralhet sie; der Mann nach Li-ki Cap. 1 1 (12), Nei-tse p. 68 vgl. Kio-li C. 1 fol. 6 und 21 im 30ten Jahre. - Nach dem Kia- Cap. 26 fol. 6. v. fragte Ngai- kuiig Confucins : ,,ich habe gc^hörl, dass nach dem Brauche der Mann im 30sten und das Mädchen im 20sten Jahre lu^irathcn. warum heiralhen sie nicht später? Confucins erwidert: diess festgeselzle Alter ist das ausserste, das nicht überschritten werden darf; im 20ten Jahre

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erhält der Mann den mannliclien Hut, ist Mann nnd kann Vater werden; im 15ten legt das Mädchen (he Haarnadel an nnd im 20ten heirathel sie, wenn nicht eine hesondere Ursache (die dreijährige Trauer um die Aellern) die Heirath bis Ins 23. Jahr verschieben lässt. Geht eine Verlobung (Phing) vorlier, so wird sie Ehefrau (Thsi). läuft sie dem Manne nur zu (Pen), heirathet sie ohne Ceremonien, so wird sie ein Kebsweib (Tsie). Jenes Wort erklärt der Schol. durch Tsi ordentlich, regelmäs- sig , dieses durch Tsie verkehren und sieh verbinden, vgl. Du Halde T. II. p. 822. Der Charakter für Frau Thsi ist zusam- mengesetzt aus Frau (Cl. 38), die einen Besen in der Hand hat; der Charakter für Kebse Tsie ist nicht von Cl. 117, sondern von Hien, Verbrechen und Frau ; zur Zeit der Schriftbilduno- wurden also wohl verurtheilte Frauen dazu genommen. Zu frühe Heirathen schaden nach den Chinesen der Gesundheit von Muller und Kind, der Ruhe der Familie, dem Bestände der Gat- tenliebe und der Erziehung der Kinder. Cibot Mem. T. XIII. p. 326. Diese weise Anordnung hat oflenbar zur Erhaltung und Ausbreitung der chinesischen Race wesentlich beigetragen.

Nach dem Tscheu-h B. 13 fol. 43—46 war ein eigener Beamter, der Mei-schi, für die Verheiralhung der Individuen eingesetzt. Jedes männliche oder weibliche Individuum schreibt dieser Beamte zur Zeit, wo es seinen regelmässigen Namen er- hält (nach dem Li-ki Cap. 12 Nei-Ise gab der Vater im 3len Monate ihm den Kindernamen Ming S. unten) nach Jahr. Mo- nat und Tag in sein Register und befiehlt, dass der Mann Im 30sten, das Mädchen im 20sten Jahre sich verheirathe. Er registrirl auch ein , wenn einer eine schon einmal verheirathete Frau ninunl und deren Kinder adoptirf. (Es gab also schon damals in China Register über Geburten und Verehelichungen. S. unten). Im mittleren Frühlingsmonale, sagt der Tscheu-Ii der kleine Kalender der Hia Nouv. Journ. As. 1840 T. X. p. 554 sagt im zweiten Monate der zweiten Dynastie Hia seien die Heirathen, der Kia-iü c. 32 fol. 22 die Verbindung (Ho) Ewischeu Mann und Frau sei im Winter befiehlt er Männer und Frauen zu versammeln und die dann sich verbinden, ohne

Plath: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen, 209

die 6 Heirallisfrobräuclie zu befolfren , werden daran nicht ge- liinderl; die jtl)or ohne besondere Ursache den Edikten sich nicht fügen, bestraft der Beamte. Er sieht, welche Miituier nnd Franen unverheirathet sind und versannnell sie. Nach dein Schol. sind aber diese 37 Charaktere erst nnter der ersten Dynastie der Han dnrch Lieu-hin hinzngefiigt worden; Wang-mang hatte nämlich 100,000 Menschen weyen Falschmünzerei znr Sklaverei verurlheilt und man h'ess die Verurtheiiten und ihre Frauen nun neue Ehen eingehen : diese Stelle ist also mindeslens ange- fochten.

Alle Streitigkeiten über die geheimen Beziehungen zwi- schen Mann und Frau entscheidet dieser Beamte auf dem Opfer- platze vernichteter Reiche (d. h bei verschlossenen Thüren). Dieser Beamte soll solche Vorkommnisse unter Ehegatteti nicht publiciren , sind sie aber strafbar, so verweiset er sie an den Justizbeamten.

Die Ehe und alle einzelnen Ceremonien dabei galten den Chinesen für äusserst wichtig: Confucius sagt darüber im Li-ki Cap. Ngai-knng-wen 22 (27. lol. 4) p. 140. T. p 6'J und Kia-iü c. 4. fol. 7: ..Wenn sich zwei Familien in Liebe vereini- gen . der früheren Heiligen Naclikommcn fortzusetzen . um sie zu Tschu ^ Hinnnels und der Erde, im Ahnentempel nnd der Sche-tsi zu machen, ist das nicht wichtig ? Wie kannst Du denn sagen, dass ich zu viel Gewicht darauf lege? \Venn Him- mel und Erde sich nicht vereinigen, entstehen die 10,000 Dinge nicht ; die Heirath setzt die 10.000 Geschlechter fort Im In- nern dient die Ehe. die Gebräuche im Ahnentempel zu voll- ziehen, genügend in Mann nnd Frau einen Genossen (Phei) der lichten Geister Himmels und der Erden darzustellen, nach aussen die Gebräuche zu regeln; um die Worte richtig zustel- len, genügend die Ehrfurcht zwischen Ob(*n nnd Unten herzustel- len u. s.w. Wenn vor Alters die erleuchteten KöinVe der 3 Fami-

(i) Der Ausdriuk ist dunkel Sdiin-Isiliu heisst dieAhiicnlafci, Tsi- tschu der Vorstand der Opfer; so wohl hier.

210 Sitrvng der philos. phüol. Classe vom 6. Dec. 1868.

lien (der 3 ersten Dynastien) die Anordnung trafen, die Gattin und den Sohn zu ehren, so war das der rechte Weg (Tao). Die Frau ist die erste (Tschu), derSohn der nachfolgende (Heu) in der Liebe ; niiiss man sie nicht ehren (king)? u. s. w.'*' Die Frau war eine nothwendige Person beim Ahnenopfer ; die Kaiserin zog zu dem Ende selbst die Seidenwürmer und im Palaste wurde von ihr und den anderen Frauen die Seide zu den Opfer- kleidern gewonnen. Li-ki Cap. 44 Hoan-i fol. 38 v. sagt: ,,Die Hochzeitsgebräuche vereinigen 2 Familien in Liebe, nach oben zum Dienste im Ahnentempel, nach unten die nachkommenden Geschlechter fortzusetzen , daher hiilt sie der Weise so hoch", vergl. auch Li-ki Tsi-tung c. 25 fol. 63. Die Ehefrau unter- stlifzl den Mann beim Opfer. Siehe meine Abhandlung: lieber die Religion und den Cultus der alten Chinesen. IL S. 37 und 87 flg. Li-ki Cap 10 (11 fol. 44 45), Kiao-te-seng T. p. 33 p 66. auch Siao-hio U. 33 heisst es ,, Himmel und Erde vereinigen sich , und die 10,000 Dinge entstehen. Der Hochzeilbrauch ist der Anfang der 10,000 Generatio- nen. Indem man eine Frau von verschiedenen Namen (aus ei- nem verschiedenen Geschlechte) nimmt, nähert man was ent- fernt und vereinigt, was unterschieden war. Das Seidcnzeugr (Pi), das der Mann seiner Künftigen reicht, nuiss in redlicher Absicht (tsching) dargebracht werden, die Reden (die man ihr hält) müssen untadelig sein, und ihr Geradheil (Redlichkeit Tschi) und Treue (Sin) zurufen, treu zu dienen dem Manne (Sin tse jinye) Callery p. 66 übersetzt irrig: la reclitude dirige les rapports sociaux. Die Treue ist die Tugend der Frauen. Die eheliche Verbindung einmal (eingegangen), dauert bis zum Tode und kein Wechsel (ist mehr erlaubt), drum wenn der Mann stirbt, hcirathet die Frau nicht wieder." (Bei Callery fehlen diese Worte, auijeblich nach seiner Ausgabe des Li-ki. der Siaohio hat sie aber auch und Schi-king Kue-fung Yong 1.4.1 wollen die Aeltern eineWiltwe wieder verheiralhen, sie weigert sich aber: sie habe geschworen, bis zum Tode keinen anderen Mann zu nehmen; ihre Mutler sei ihr der Himmel, aber verstehe sie

Plath: Die häuslichen Verhältnisse tier alten Chinesen. 211

nicht. Nach Siao-hio IV. 2. 25 dichtete dieses Lied die Kurier- klang, die dem Erbprinzen von Tsi versprochen war, als der vor N'ollzug der Ehe starb und sie von ihren Aellern zu einer zweiten Khe gedräntri wurde. So wollte nach Siao-hio §. 26 auch die Tochter des Königs von Sung, die einen Sohn des Fürsten von Tsai geh(!irathet hatte , als den eine ansteckende Krankheit befiel , von ihrem l^lanne sich nicht trennen und einen anderen nehmen, wie ihre Aellern wollten). „Der Gatte fahrt der Li-ki lort gehl seiner Frau entgegen, sie zu empfangen; der Mann voran der Frau , die Stiirke und Schwäche bezeichnend, wie der Himmel voransfeht der Erde, der Fürst dem Unterlha- nen ; die Bedeutung sei dieselbe. Was er ihr darbringt (nach dem Schol. die wilde Gans) ist von Respekt begleitet und zeigt den Unterschied zwischen beiden. Wenn zwischen Mann und Frau der gehörige Unterschied besteht, dajm herrscht Liebe zwi- schen Vater und Kindern; wenn diese Liebe besieht, dann ent- steht das rechte Verhällniss ; wenn das entstanden ist, erfüllt man die Brauche (Li) ; wenn diese erfüllt werden, ist Alles im Frieden. Ohne solche Unlerscheidnno- herrscht nicht das rechte Verhällniss (.1), es wäre die Weise der wilden Thiere. Wenn der Schwiegersohn (Galle) selber den Wagen lenkt und ihr die Zügel anvertraut . so zeigt er seine Liebe ; indem er sie liebt, cultivirl er seine Liebe u. s. w." Der Li-ki Cap. 26 King-kiai fol. 81 sagt: „werden die Hochzeilsgebräuche nicht gehallen, dann sieht es elend (ku bitter) aus mit dem Wege von Mann und Frau. Verbrechen, Ausschweifungen (Yn) und Verderben (Phi) sind in Menge da.'^

Aus der Trennung der Geschlechter und der Abhängigkeit der Frau vom Manne folgt schon , dass die Ehe in China nicht durch gegenseitige Bekanntschaft und Neigung geknüpll, son- dern von den Aellern abgeschlossen wurde. Schi-king Kue- fung Th.si Ode Nan-schan 1. 8, 6, 13 und L 15, 5 heisst es: .,\\'ie wird eine Frau gewornien? sicher werden des Mädchens Valer und Mutier ange.sproclun , und wenn die angesprochen sind und zuslinnnen, so ist sie gebunden. Wie wird das Holz

212 f>üzung der philoi.-philol. Classe vom 6. Dec. 1868.

gefalll? ohne Axt kann man es nicht. Eine Frau nehmen, wie geschieht das? Ohne einen Hochzeilsvermitfler wird es nicht erlangt; wenn diess erhingt ist, dann ist die Sache abgemacht.'' Confucius bei Kung-tschung-tseu im I-sse B. 95, 4 fol. 6 v, sagt: ..Das Lied sagt: wie heirathet man? Sicher fragt man Vater und Bliilter. So lange die leben, ist es billig (J), dass sie den Plan (Tu) zur Heirath entwerfen. Sind sie todt, so nimmt man sich selbst eine Frau, aber zeigt es seinen Ahnen an (Kaokhi miao)." Wan-Ischango wendet Meng-tseu I. 2, 3, 6 ein, dass Kai- ser Schün seine Aeltern nicht gefragt und doch geheirathet habe. Meng-tseu entschuldigt ihn: die Ehe sei die höchste Ordnung (Lün) für den Menschen. Hatte Schün sie zuvor ge- fragt, so hätten diese (die ihm so feindlich gesinnt waren), sie ihm verweigert, er hätte die höchste Ordnung der Menschen verletzt und Vater und Mutter verhasst gemacht ( indem sie, ohne Nachkommen, kein Ahnenopfer bekommen hätten), darum befragte er sie nicht" Aus diesem Beispiele sieht man, dass wenigstens der Mann, der unter Umständen , ohne die Aeltern zu fragen, heirathet, auch in China ein hohes Vorbild hat. vgl. Confucius bei Kung-tschung-tseu im I-sse B.45. 4. fol. 6. .,Die jungen Leute dürfen nach Li-ki Kio-Ii c. 1 fol. 20 ohne Heirathsver- mittlerin gegenseitig nicht auch nur ihren Namen (Ming) erfahren und bevor die Verlobungsgeschenke (Pi) nicht empfangen sind, nicht mit einander verkehren und sich nahen oder lieb haben (tshin). Darum wird dem Flu-sten(Kiün) Tag undMonat der Hochzeil ange- zeigt, F'asten und Enthaltsamkeit geübt (Tsi-kiai) und den Geistern und Ahnen (Kuei-schin) es angezeigt , zum Trünke und Essen die Ortsbewohner (Hiang tang). Freunde und Genossen eingela- den, um hochzuhalten den Unterschied (der Geschlechter)." , .Ge- wiss, sagt Meng-tseu I. 6. 10(1). wünschen die Aeltern wie ein Knabe geboren ist, für ihn eine Frau zu haben, wenn ein Mäd- chen, für dieses einen Mann; dies Gefühl von Vater und Mut- ter haben alle Menschen. Wenn die Kinder aber nicht Vaters und Multcrs Be.scliluss und die Worte der Heiraihsvermitller ab- warten, sondern durch die Wände Löcher bohren, um sich zu

Plath: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen 213

sehen, über Mauern springen, um einander nachzugehen , (hinn verachlen Vater und Müller und die Leute im Reiche sie alle." Doch soll als Coni'ucius' Vater in seinem Alter eine der 3 Töch- ter der Familie Yen zur Frau begehrte, ihr Vater sie befragt haben; zwei erwiderten nichts, die jüngste erbot sich aber den Allen zu heirathen. Kia-iü c. 39 l'ol. 5 Amiot. Mem. T. XU. p. 10. Man heirathet in China nicht um Geld; die Frau bringt keine Mitgift mit, sondern der ßrauligain nuiss dem Vater für das Miidchen noch geben. Meng-tseu 11. 10 (4) 5 sagt indess : man nimmt keine Frau, nm erniihrt zu werden, doch gibt es Zeiten, wo es weyen der Erniihiung geschieht.

Fünf Arten von Frauen soll man nach Conlücius im Kia- c. 26 fol. 7 V. vgl. Amiot Mem. T. XII. p. 281, Siao-hio Cap. 11, §. 3, nicht nehmen: 1) Keine aus einer Familie, die (gegen Aeltern und Obere) widersetzlich (ni) war; 2) denm Hans Unruhen erregle (loen kia tsche); 3) (aus deren Familien) Individuen mehrere Geschlechter über peinlich bestraft wurden; 4) die an schlechten Krankheiten leiden, und 5) die älteste Tochter (vom Hanse) , welche Trauer um den Vater hat. Auch wird abgerathen, den Sohn einer W'iltwe, wenn er nicht be- sonders angesehen ist, zu heirathen. Li - ki Cap. 1 Kio-li fol, 20 V. Siao-hio II. 3, 7. Was das Alter betrifft, sagt der I-king Ta-ko c 28, 2 (T. II. 107) zwar: „auf einer alten trockenen Weide (Ku-yang) wächst noch Moos (Ti); wenn ein alter Mann sich eine Frau nimmt, ist das nicht ohne Nutzen" und c, 28, 5 p. 109: ,,Eine alte Weide erzeugt Hlüthen; wenn eine alte Frau einen Literaten (Sse-fu) ninnnt, ist das an sich weder ein Feh- ler , noch lobenswerth." Confucius aber meint im Commentare Siang: ,, können die Hlüthen dauernd sein? Die Heirath könne auch abscheulich sein (tscheu)."

Zu einer Ehe werden nach dem Li-ki Fang-ki c 30. fol. 33. Kio-Ii C. l, fol. 20 v. und Kiao-le-seng Cap. 10. fol. 66 zwei Familien von verschiedenen Fa milie n-N am en (Sing) erfordert. Kauft einer daher eine zweite Frau (Tsie) und weiss deren Familiennamen nicht, so befragt er desshalb das

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Loos (Pu). Der I-li tsing-i zu Cap. 2 fol. 8 v. führt Beispiele an, wie derselbe Sing verschiedenen Familien (Schi) zukomme und verschiedene Sing wieder einer Familie. Die Familien theil- ten sich im Laufe der Zeit, daher wenn die Familie dieselbe, der Familienname aber nicht gleich, eine Heiralh zulässig sei, umgekehrt aber nicht. Die Fürsten erlaubten sich indoss wohl eine Abweichung von der Regel. So waren die Fürsten von ü, als Nachkonnnen Tai-pe's, aus derselben Familie wie die von Lu. Doch nahm Tschao-kung von Lu eine U zur Frau. Li-ki c. 30 Fang-ki fol, 33 mit Schol. Dieses vielleicht nur zu weit getriebene Verbot des Heirathens in ein und dieselbe Fannlie hinein hat gewiss zur Erhaltung und Fortpflanzung der chine- sischen Race ebenfalls wesentlich mit beigetragen.

Die Ehe wird auf die Leben.sdauer nach der schon ange- führten Stelle des Li-ki abgeschlossen. Der Schi- king L 4, 3. Kue-fung Yong beginnt etwas kurz und dunkel: Kiün-tseu kiai lao, d. i. die Weisen alfern zusammen , aber L A, 1 äussert diess die Wittwe, welche ihre Mutter wieder verheirathen will, deutlich. S. oben. S. 210.

Der Gründe, sich von derFrau scheiden (Tschu) zu las- sen, nimmt Confucius (im Kia-iü c. 26 fol. 7. v. Siao-hio IL 2, 6 Amiot Mem. XII. p. 281 flg. vgl. Tseng-tseu im Pe-hu-tung im I-sse Bd. 95, 1 fol 20) sieben an: 1 ) Ungehorsam ge- gen Vater und Mutter (des Mannes); 2) Unfruchtbarkeit; 3) Ehebrucli (der Frau); 4) Abneigung oder Eifersucht; 5) eine (ansteckende) böse Krankheit; Q) eine unausstehliche Schwatz- hafligkeit (To kiu sehe tsclie, d. i. viel Mundwerk und Zunge) und 7) wenn sie den Mann bestiehlt Aber in drei Fällen darf er sie dennoch nicht Verstössen (Pu-kiü) und dieses zeigt eine gewi.sse Humanität: 1) wenn sie zur Zeit ihrer Verheirathung Aeltcrn halte, jetzt «her keine mehr hat, zu welchen sie zu- rückkehren könnte, 2) wenn sie die dreijährige Trauer (für des Mannes Aeltern) getragen hat, und 3) wenn sie erst arm und niedrig (Pin t.sien), jetzt aber reich und angesehen ist (Fu kuei). Wir werden unten, wo von den Verhältnissen des Kindes zu

Plath : Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 215

den Aellern die Rede ist, indess sehen, dass nach Li-ki Cap. 12 Nei-tse fol. 59 flg. die Ab- und Zuneigung der Aellern ge- gen seine Frau in Scheidungssaclien des Sohnes auch von Ein- fluss war.

Wenn La Charme zu Sehi-king Kue-fung Pi I. 3, 10 sagt, das Recht der Scheidung sei (iur(;haus einseitig gewesen , die Frau habe sich nie vom Manne scheiden hissen können, so wi- derspricht die oben erwähnte Geschichte aus Siao-hio IV. 2. 26. dem. Indess ist da nur von einer Fürstenlochter die Rede. Rührend ist jenes Lied der Khige, das eine verstosscne Frau gedichtet haben soll: ,.Wenn man sich Gewalt anthue, sagt sie, würden (Beide) nur ein Herz sein; zwischen Gatten sollte keine Feindschaft entstehen. So lange ich der Tugend Stimme nicht entgegen handle, muss ich mit Dir bis zum Tode leben. Ich ging den Weg nur langsam, langsam; mein Herz striiubte sich im Innersten ; nicht weit geleitest Du imcli Froh gehst Du eine neue Ehe ein, wie ältere wie jüngere Brüder. Ich scheine Dir nicht rein genug Du magst mich nichl mehr erhallen (tscho), Du hältst mich für einen Feind , achlest meine Tugend nicht, wie ein Kiinfmann, der die beste W.iare für nichts scliätzl. Einst ernährtest Du mich Elende, ernälirtest mich Arme und heglest mich; jetzt meinst Du, ich sei Gift. Ich habe sorgsam für den Winter die schmackhaftesten Sachen aufbewahrt, Du aber freuest Dieb der neuen Ehe, verurtheilst mich zur Armulh, Du bist unwillig und mir böse und überlässl mich d(!r quälen- den Sorge, uneingedenk des vielen Guten, das ich Dir Ihal.''

Der Manu hatte in China ursprünglich nur eine legitime Frau (Thsi). Ganz abnorm steht aber zu Anfang der chinesi- schen Geschichten Schün da, dem Yao seine beiden Tüchler zur Ehe gab, nach Schu-king Yao-tian 1 1 fin : „Er gab seine beiden Töchter, heisst es da, Yü- Schün und als er sie nach Kuei-jui Ceinem kleinen Fluss in Schau- si , wo Schün wohnte) abreisen liess, hiess er sie ihren neuen (Jatten respekliren." vgl. Meng-lseu II. 13, 6. Der Schi-king nennt sie Pin ; später sind die Kieu (U) Pin des Kaisers Kebsen. Der Roman Jü-kiao-li

216 Sitzung der philos.-philol.Cla.sse vom 6. Dec. 1S62.

oder die beiden Cousinen, den A. Remusat übersetzt hat, lässt zur Belohnung ganz vorzüglicher Talente seinen RomanheUlen nach Kaiser Schün's Vorgange auch die beiden Nichten heira- then. Nur wenn die Frau unfruchtbar war, konnte der Mann ursprünglich . und zwar erst im 40sten Jahre nach 6en Missio- nären eine zweite Frau dazu nehmen, wie Abraham die Hagar. Ich habe indess bis jetzt keinen Beleg für diese Behauptung gefunden. Diese heisst Tsie. Die Stelle aus Li-ki Nei-tse c. 12 zu Endefol.Si v. ist schon oben S. 207 angeführt. Der Ausdruck Concubine für diese wäre aber unpassend, denn es ist ein durch- aus gesetzliches Verhältniss : ihre Kinder führen den Namen des Vaters und sind erbfähig: der Ausdruck zweite Frau sagt aber wieder zu viel; denn sie steht der ersten Frau durchaus nicht gleich, sondern ist ihr untergeordnet und ihre Kinder nennen diese Mutter ; sie sind ihr die Pietät schuldig und betrauern sie bei ihrem Tode als Mutter fCibot Mem. T. IV. p. 289). Die Heiralh mit ihr ist, wie schon bemerkt, weit weniger feierlich; sie wird gewissermassen gekauft. Der Ahnendienst , der das Geschlecht nicht aussterben zu lassen zur heiligsten Pflicht machte, veranlasste dieses System neben der Neigung des Man- nes wohl mit , obwohl es mancherlei Inconvenienzen , nament- lich durch die Eifersucht der Frauen unter sich, mit sich brin- gen musste. Diess spricht Confucius schon im 1-king Kuei c. 39 fol. 7 Toen aus: ,,Wenn zwei Frauen beisammen wohnen, geht ihre Absicht nicht zusammen , während vom Manne und der Frau es heisst : Himmel und Erde bilden einen Gegensata (Khuei), aber ihr Thun (Schi) geht zusammen. Mann und Frau bilden ebenso einen Gegensatz, aber ihre Absichfen durchdrin- gen sich." Die Bildner der Schril'ts|)rache bezeichneten mit dem Charakter von zwei Frauen auch schon Streit und Zank. Man würde aber irren, wenn man meinte, dass die Vielweiberei auch nur im jetzigen China oder im Oriente allgemein sei, nur die Reichen und Vornehmen können für gewöhnlich mehrere Frauen haben. Das Verhältniss der im Ganzen gleichen Anzahl der Geburten von Mädchen und Knaben in Asien wie in Eu-

VUith: Uie häuslichen Verhältnisse der allen Chinesen. 217

ropa, l)ei der fast allgemeinen Verlieiratliiinu; in China, ohne eine Miidchen-Einfnhr wie in der Tiirkey, und im alten China dazu •auch olnio einen Mönchsland und einen Privalsklavenstand, würde schon dageijen sprechen. S meine Einleitung zu Asien S 6G flg. Ueber das Verhältniss der Geschlechter im allen China gibt die kurze Beschreil)ung China's im Tscheu-Ii B. 33. f(d. 8 flg freilich aufTallendt! Angaben. In der Provinz Yang- Ischeu im SO. sei das Verhältniss der Miiimer zu den Frauen (unter der 3 D. der Tscheu seit 1122 vor dir J wie 5 : 2 ; in Kinor-tscheu, oerade im S.. wie 1 : 2: in Yü-lschcn, im S. des grossen Flusses, wie 2 : 3; in Thsing-tscheu, im 0., wie 2: 2; in Yen-lsch(!u , im Osten des Hoang-lio, wie 2:3; in Yong- Ischeu, im VV.. wie 5 : 3; in Yeu-lscheu, im NO., wie 1:3; in Ki-tscheu. innerhalb des lloang-lio, wie 5:3; in Ping-tscheu endlich, im N., wie 2 : 3. Aus' Tscheu-Ii B. 30 fol. 28 sehen wir, dass die Yolksvorslände (Sse-min), welche die Volkslisfen führten , und alle Individuen , die Knaben vom 8ten Monate an, die Mädchen vom 7len an verzeichneten (vgl, B. 35 fol. 26 und Li-ki Nei-tse cap. 12 fol. 7()), ausdrücklich das mämdiche und weibliche Geschlecht unterschieden und jährlich die Gehörnen hinznliialen und die Gestorbenen strichen. Man kann also nicht absprechen , dass die allen Chinesen nicht schon jn dieser frü- hen Zeit über das Verhältniss der Geschlechter Aulzeichnun- gen gehabt haber< mögen. Anllallend und uncnklärlich ist nur die zwischen beiden Geschlechtern in mehreren Provinzen so grosse Missproportion. Wir kennen aber die Verhältnisse zu wenig, um sie erklären zu können. Dass einzeln wohl auch ein gemeiner Mann zwei Fran(m im Hause halte, zeigt die (Jeschichte bei Men<>--ts<'U 11. 8. 32. Vielleicht war das weibliche Geschlecht in einigen Provinzen durch Kriege oder sonst so überwiegend geworden, dass diess Ihuidich war. In den anderen, wo die Zahl der Männer so überwiegend war, mochten diess einge- wanderte Colonisten sein, denen die Frauen vielleicht nicht ge- folgt waren.

Die erste Frau des Kaisers hiess Heu, Fürstin, die der Uä«'2. u.i 15

218 Silzuntf der phüos.-phUol. Classe vom 6. Dec. iS62.

Vasallenfiirsten (Tschu-lieii) Fii-Jin (wie die 2le Classe kaiser- licher Frauen;, die der Ta-l'u (Grossbeanilen) Jii-jin, die des Literaleti Fu-jiii (anders geschrieben als oben) und die des ge- meinen Mannes (Schu-jin) Thsi nach Li-ki Kio-li hia c. 2. fol 59 V.

Der Kaiser halle ausser der Kaiserin (Heu) nach Li-ki Kio- li hia c. 2 fol. 55 ni. Schol. und Hoan-i c. 31 (44) Fol. 42 drei (Köniürjnnen) Fu-jin , 9 Pin, 27 Schi-lii , 81 Frauen 4ler Ord- nung und eine nnbeslinimle Zahl weiblicher Dienerinnen (Thsie), Musikanlen u. s. vv. Sie heissen die 6 Paläste (Lo-kung). Der Tscheu-Ii B. 7 gibt über die kaiserlichen Frauen näheres De- tail. Das Cap. des Li-ki Hoan-i sagt: sie seien da, um des Reiches innere Verwaltung zu führen, um die Folgsamkeit der Frau ins Licht zu stellen, daher herrsche dann im Innern des Reiches Einlrachl (Ho) und in der Familie Ordnung (Li). Der Kaiser conslituire dem entsprechend die 6 Classen von Beam- ten : die 3 Kung, 6 King, 27 Ta-fu und 81 ersten Sse, um die Leitung der äusseren Angelegenheiten des Reiches zu führen und den Unterricht der Männer ins Licht zu stellen, darum herrsche auch nach aussen Eintracht (Ho) und das Reich sei so gut regiert; der Kaiser sorge für den Unterricht der Männer, die Kaiserin für die Folgsamkeit der Frauen ; der Kaiser ordne den Weg des Yang, die Kaiserin regle (schi) die Tugenden des Yn u s. w. I):ess sind aber oll'enbar nur spätere künst- liche Lucubrationen. Wie einem, je vornehmer er war, desto mehr Schüsseln Speise vorgesetzt wurden, so bewilligte man ihm oll'enbar auch mehr Weiber, zum grossen Nachlheile der Staats- verwaltung. Es gab also in China schon damals Harems (De Maiila VI. p. 409. Gaubil. Mem. T. XV. p. 435. Amiot Mc^m. T. 5 p. 12(i llg.) Auch Eunuchen (Sse-jin, d. i. die As- sistenten , eigentlich Yeu-jin genannt ) kommen schon vor. s. Tscheu-Ii B. 1 fol. 36 B. 7 fol. 20 (lg. Nach einigen soll der Kaiser Yeu-wang erst 726 v. Chr. die Eunuchen in (Um Palast eingeführt haben. Es war eine Strafe , castrirl und dann zum Palasldiensle verurlheilt zu werden. Im Schu-king Cap.

Ptalli : Die härisHchen Verhältinsse der alten Chinesen. 219

Liü-liiiig (4. 27) kommt unler Mii-wang (1002 947 v. Chr.) niil(M- den 5 Strafen (U-hiiig) auch schon (he Strrifo Kung vor, Uiis man fastriren iihorselzt; chM" Charakter hedeutet aher nur Palast 0(hM' Pahistdienst. Im Schi-kiiio- II. 5, G ist enier fiilsch- h'ch eines Verhrechens angeklagt und zurCaslrinmg verurlheill, und khigt üher seinen Feind, der ein leichtes Vergehen ihm zu einem schweren Verbrechen angerechnet habe und ruft den Hinunel an. sich des Armen zu erbarmen. \u\(\ Aon Stolzen da- für anzusehen. Möge sein Ankliiger Panihern und Tigern zur Beute werden . wenn die ihn aber nicht fressen u olllen , er in eine nördliche Gegend verbannt werden und \\c\m die ihn nicht aufnehmen wolle, der Höchste (Hoang, der Himmel) ihn stra- fen; diess Gedicht verfasste d(M- Eunuche (Sse-jinj Meug-tseu. Schi-king I. 11, 1 konnnen Eunuchen auch am Hofe des Kö- nigs von Thsin vor: einer meldet da den Fremden an. \\\r se- hen die Eunuchen spater am Hole eine Rolle spielen, in Tsin iniriguiren, in Thsi dieTlu'onIbIge bestimmen u. s. w., doch da- von anderswo.

Von d^cn Hochzci Isgebräu c hen.

Eine Frau nehmen, um zunächst die Ausdrücke zu erläutern heisst Thsili; das Wort bedeutet bloss nehmen, die Schrift setzt noch CI. 38. das Zeichen von Frau, hinzu, wie bei uns. Kia, das Haus, mit CI. 38 wieder Frau , erinnert an das lateinische domum ducere uxorem für heirathen, das Wort heisst aber nicht die Braut nach Hause führen . sondern eine Tochter V(>rheira- Ihen. Dasselbe heisst auch Thsi mit dem Accente Kliiu . von Thsi die Frau. Der Ausdruck Hoan, von der Gruppe Hoan dunkel, beschallet, welche im Li-ki auch allein dalür gebraucht wird, während man gewöhidich noch CI. 38 die Frau hinzu- setzt, wird vom Manne gesagt und bedeutet aiu-h den Bräuti- gam. Der Ausdruck soll daher rühren, weil er Abends kam, um die Braut abzuholen. Das Lateinische nubere von der Frau^

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220 SiHiing der philos.-philol. Classe vom 6 Vec. 1868.

weil sie sich verhüllte, cnlspriclit dem also wieder ni<:ht. Von der Braut sagt man Yn. Der einfiiche Charakter bedeutet jetzt Ursache; man setzt noch das Zeichen CI. 38 Frau hin und deutet es etwas künstlich: die Frau, die für den Mann gemacht ist; er gellt aber wohl eher auf die Abgeschlossenheit der Frau, da der Grundcharakter aus grosser Mensch (Cl. 36) in einem abge- schlossenen Räume (Cl. 31) zusannnengesetzl ist. Man sagt auch Kuei und Kuei-mei von Verheiratheiwerden d(!r Frau I-king Thien c. 53; Kuei heisst eigentlich zurückkehren; mei ist die jüngere Schwester, als solche wurde wohl die Frau bezeichnet. S. S. 221.

Wir haben im 1-li einen eigenen Abschnitt Cap. 2: Die Heiratsgebräuche des Literaten (Sse-hoen-li), der auch im I-sse B 24. lol. 5 V. 9 V. aufgenommen ist; kürzer ist das Cap. im Li-ki C. 44 Hoen-i, die Bedeutung der Heirath fol 38 v. flg.; das Cap. 4 Ta-hoen-kiai in den s g. Hausgespriichen (des Confucius) Kia-iü fol. 7 und 8 enthält nichts besonderes. Wir geben das \A esentliche aus allen diesen u. a. Nachrichten, das ermüdende Detail über die Emplangsceremonien und die For- meln der Ansprachen im I-Ii nur abkürzend.

Die Heiraih wurde in China schon vor Alters durch Hei- rat hsv er mit Her (Mei-jin) abgeschlossen. Der Li-ki Cap. 30 Fang-ki fol. 33 sagt: „Männer und Frauen gehen ohne Hei- rathsvermittler keine Verbindung (Kiao) ein. ohne Geschenk (Pi) sehen sie sich gegenseitig nicht; man fürchtet, dass Mann und Frau sonst nicht getrennt blieben." Wir linnlen sie schon im Schi-kiiig I 8, 6, 4 und L 15. 5 erwähnt. Confucius führt im Li-ki die erste Stelle an und diese Anordnung schien ihm ein nothiger Damm für das Volk gegen die Ausschweilungen (Yn). W^urde man eins, so sandte mau l)eiderseitige Geschenke und nun stand die Verlobung fest. Nur die dreijährige Trauer um Vater oder Mutter des einen oder anderen unterbricht sie und kann sie aufheben. Confucius im Li-ki cap. 7 Tseng-tseu-wen fol. 7 V. flg. gibt darüber ein näheres Detail. Die Verbindung wird abgebrochen, wenn auch die Brautgeschenke schon über-

Plath: üie hätisUchen Verhältnisse der alten Chinesen. 22l

sandt sind und ein LHücklicher Tag zur Hochzeit gewählt ist. Der Oheim sendet da eine Botschnft an die Familie der Frau, die sagt: der Sohn !V. N hat Trauer um seinen Vater oder seine Mutter und kann euer Bruder nicht werden und an Nach- kommen jetzt nicht denken, er sendet N. N. (mich) euch da- von zu benachrichtigen. Die Familie der Frau stimmt hei und safft, sie wajje auch nicht die Heirathsjrebränche zu vollziehen (Fei kan kia li ye). Ist die Trauer des Schwiegersohnes (jun- gen Mannes) vorbei, so schicken des Mädchen Vater und Mut- ter und fragen bei ihm an; wenn er sie dann rn'cht ninunt, hel- ralhet sie einen anderen. Dasselbe findet beim Tode des Va- ters und der Mutler der Frau statt

Der I-Ii und Li-ki erwähnen schon der verschiedenen Akte, welche bei der Verlobung nach P Laureafi* auch noch jetzt vor- konnnen, aber öfter auch zusammen gezogen werden sollen. Sie heissen Na-tsai. das Hinsenden um auszuwählen; Wen- ming das Fragen nach dem Namen (der Familie der Frau, da Personen desselben Namens sich nicht heiralhen dürfen); Na-khi, das Erlangen glücklicher Aussprüche (der Loose); Na-tsching das Anmeldeti der Geschenke und Thsing-khi das Erbitten eines Tglücklichen) Tages für die Hochzeit. Als Embleme ehe- licher Treue wird der Braut schon im Schi-king eine wilde Gans (Yen) überreicht; man sieht sie nach Morrison noch bei den Hochzeilsceremonien, aber jetzt nur aus Holz oder Zinn. Bis aul den vorletzten Akt, wo die Seidenzeuge (Pi und phe) dartrebrachl werden, bemerkt der I-li Tsin-i fol.8, nähern sich alle bei Ausführung ihrer Aufträore mit d(;r Gans.

Die Akte finden alle im Ahnentempel (des verstorbenen Vaters (Ni-miao, nach den Schoi ) statt Der Vater des Mäd- chens legt eine Malle (Yen) an die Westseite der Thüre hin. stellt oben rechts die Stüfzhank (I\an) für den Geist hin, gehl

(5) Bei Le (ieiitil Vojagc an tour du nioiulf. Paris 1728. 6. T, 11. p. 73-133.

222 Sitzung der philos.-jihilol. Classe vom 6". I)ec. 1362.

bis an das grosse Thor dem Besucher entgegen und bittet ihn einzutreten. >'ach den bei einem Besuche üblichen Comphmen- ten, der dreimahgen Verneigung und Entschuldigung ( den Vortritt zu nehmen) am Thore des Ahuenlempels, steigt dieser hinauf, übergibt die Gans und verninnnt den Befehl der Ahnen. Beim Wen - ming wird für ihn im Osten zur Seite eine Matte hingelegt und ihm eine Schaale süssen Weines (Li) mitten im Zimmer dargereicht und getrücknet(^s Fleisch (Fu) und Fleisch- hasche (Hai) dargebraciit. Des Miidchens Vater geleitet ihn dann nalürlich mit den üblichen Verbeugungen bis ausserhalb der Thüre. Beim Na-khi sind die Ccremonien wie beim ersten Akte. Der Na-tsching aber bringt dunkelblaues (Hiuan) und rothes oder scharlachenes Zeug (Hiim) mit (\\^.n Ceremonien des Na-khi dar; der I-li sagt 5 Stücke (Sehn Bündel) Seiden - zeug (Phe). Der Schob citirt dazu die Stelle des Tscheu- li B. 13 fol. 45: ..wer seine Tochter verheirathe oder eine Frau nehme, solle die 8 Kostbarkeiten (Pa p(!i, es ist nicht klar, was darunter gemeint ist), und die schwarzen Seidenzeuge, nicht mehr als 5 Paar Stücke, darbringen.** Schwarz ist nach dem Schul, die Farbe der Frau. Der Tsing-khi präsentirt dann wieder die wilde Gans irn't den Gebräuchen iXcn Na-tsching. Der I-li Cap. 2. 6 fol. 8 v. gibt die Ansprachen der einzelnen Per- sonen mit den Antworten ; es scheinen feste Formeln gewesen zu sein. Der Bote sagt z B.: N. N (der künftige Schwieger- sohn) sende nach der früheren Leute Brauch (ihn) N. N. als Na-tsai. Darauf erwiedert ^der Brautvater): er (N. N.) sei nur ein dummer, einfältiger Mensch (Tschoang-iü). er wage aber nicht das Gesuch alizuschlagen. Ebenso wird denn auch nach dem Namen der Familie (Schi) der Frau gefragt.

Zu der Hochzeit bereitet mau sich nach Li-ki Kiao-le-seng Cap. 11 fol 45 din-ch Fasten und Enthaltsamkeit (Thsi- kiai) vor, im dunkelblauen Ceremonienhute, um den G(?islern und Ahnen (Kuei-schin) zu dienen; denn es gilt dem künftigen Vor- ftande de.s Sche-lsi und dem Nachfolger der früheren Ahnen; man kann daher nur mit der höchsten Ehrfurcht (King) verfah-

Plath: Die häusUihen Verhältnisse der alten Chinesen. 223

reu Im Li-ki Cap. 7 Tseiig-tseu-wen fol. 9 sagt Coiifucius : im Hause eines heirallieiideii Mädchens würden 3 Nächte über die Lichter nicht ausgelöscht, man denke an (!i(! bevorstehende Trennung; in dem Hause dessen, der eine P'rau nehme, mache man 3 Taffe über keine Musik, denn man denke an (\{i\\ Nach- feiger der Aeitern; dasselbe sagt auch Cap. 11 p. 45 v. Jetzt macht man dagegen bei Hochzeiten viel Musik. S. Morrison Dict. I. p 602.

Der Ehe gehen Ermahnungen derAellern an die Braut- leute voraus. Nach I-li 2, G lol. 11 u. Li-ki Cap. 44 vgl Siao- hio 2, 3, 2 trinkt der Vater dem Sohne zu mit einer Spende (Tsiao ) und ermahnt ihn ( befiehlt ihm ), gehe deiner Gehilfin (Siang) entgegen, besorge sorgfältig unsern Ahnendienst und leite sie an der früheren verstorbeneu Mutter Nachkommen zu eh- ren und beständig folgsam zu sein. Der Sohn erwiedert : ja (Wei), ich fürchte nur, dass ich dazu nicht fähig genug bin, unterstehe imch aber in'cht, den Befehl zu vergessen Ebenso befiehlt der Vater (\ox Tochter, w(Min er sie geleitet: hüte dich, sei ehrerbietig ( King), tritt Morgens und Abends den» Befehle der Schwiegerältern nicht entgegen. Ihre Mutter hänoft ihr einen Gürtel (Kin) um und bindet daran ein Tuch (Schue) und sagt: sei eifrig und ehrerbietig; Morgens und Abends besorge di(; Geschäfte des Hauses Meng-tseu L 6, 2 (5) führt aus dem Li-ki die Ermahnungen an : sei ehrer- bietig, sei aufmerksam , widerstrebe nicht deinem Manne die zweite P>au ihres Vaters (Schu-mu) geleilet sie nach dem I-li bis an die innere Thür, hängt ihr einen langen Gürtel um und heisst ihr nach dem B«;fehle von Vater und Mutter: ehrfurchts- voll hitre auf die Worte deines verehrten Vaters und deiner verehrt(!n Mutter; Morgens und Abends bleibe ohne Schuld und blicke oft anf den (Jiirtel und das Tuch der Mutter. Nach dem I-li 2, 4 fol. 10 V. be.sl(!igt der (Schwiegersohn), angethan mit dem adelichiMi Hute(Tsio-pien) mul in scharlachrolhem Gewände mit dunkler Kante einen schwarzen Wagen, sein Gefolge zwei andere. Vor den Pferden werden Lichter oder Fackeln (Tscho)

224 Sit7Hn(f der pfiüoi.-phtlol. Classe vom 6. Vec. 1S62.

hergetracreii. Der ^^'age^ der Frau ist ebenso , bat aber einen Vorhang- (Tscben). Jetzt bedient jeder sich eines Palankins oder der Briinligain setzt sich zu Pferde. Kommt er ausserhalb der (grossen) Pforte (ihres) Hauses an , so legt ihr Vater wesibch vom Thore eine Matte hin, oben im Westen stellt er eine Stülz- bank (für den Geist)

Der Kopfputz (Tse) der Frau besteht nach 2, 5. 1 aus feinen Fäden (Schün), das Kleid ist scharlachroth; sie steht mitten im Zim- mer, das Gesicht nacl» Süden , ihre Gouvernante bindet ihr das Hutband fest , steckt ihr die Haarnadel ein und leot ihr den Schleier an. Ihr Gefolge (nach den Schol. ihre Nichten und Jüngern Schwestern) steht hinter ihr. Der Schwiegervater geht dem Schwiegersöhne bis ausserhalb der Pforte enl^eüren. Am Thore des Ahnentempels finden wieder die üblichen 3 Verbeufrunsjen und 3 Weigerungen statt. Dann überreicht der Bräutigam die wilde Gans; sie empfängt sie von Vater und Mutter. Sie stei- gen dann hinab und sie mittelst eines Schemels in den Wairen. Der Bräutigam ergreift, währcMid sie hinaufsteigt, die Zügel (sie zu beruhigen), der Wagen macht 3 Umläufe (Tscheu), die sym- bolisch gedeutet werden, dann fährt er der Frau voraus und erwartet sie an seiner Hauslhür.

Im Hause des Bräutigams ist indess nach I-Ii 2, 4 fol. 8 V. das Hochzeitsmahl bereitet. 3 Dreifüsse (Tinor) stellt er ausser der Tbüre des inneren Gemaches (Tsin). Sie enthalten ein Schwein, 14 Fische, getrocknetes Fleisch, das wohl gekocht in die zugedeckten Dreifüsse gelhan wird; es fehlt auch nicht an Präserven (Hi-siang), cingesalzenen Vegetabilien (Tse), vier Schüsseln mit (Hirse) Schu und Tsi. Alles wird zugedeckt. Eine grosse Portion Fleischbrühe kocht auf dem Herde. Mitten im Hause an der Nordmauer der Halle steht süsser Wein (Li) u. s w. Wenn die Frau angekommen, verneigt sich der Mann. Die Frau tritt ein und wenn sie die Thür des Hinterzimmers er- reicht hat, verncMgt sie sich, steigt die Westtreppe hinauf; der Mann ordnet die Matte. Es wird nun im Einzelnen angegeben,

Pltith: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 225

wie die ver.S(;liie(Ieiieii Gerichte fiiifg-estellt werden . was wir hier ül)ertH'lieii müssen. Nach ijehürijjen Verneijrnnsreii sitzen alle beide auf der Matle ; man ojjfert (huiii von der Hirse Sehn und Tsi , die Lunge ( Pei ) und später die Leber (Kang) und speiset zusammen. Heivor<i:ehol)en zu werden verdient , dass die Braut nnd der Bräniitram aus der H-äifle einer Kürbisschale trinken, was symboh'sch die Vereinigung ihrer Glieder andeuten soll. Sie hängen dann die Kleider auf, breiten die Schlafmatten ans, die des Mannes (Leang) liegt im Osten, der Pfühl im Nor- den. Ihr Hutband wird orelöst Nachdem die Hochzeitsochräuche beendet sind , geht dann das Licht hinaus nnd sie bIcilxMi für sich. Die Gäste werden wohl ^^ie jetzt ein besonderes Hoch- zeitsniahl gehalten hnben.

Am 2ten Tage der Hochzeit steht die Frau Morgens auf, wäscht sich, steckt die Haarnadel ein und kleidet sich an, um den Besuch der Schwiegerällern zu erwarten. Des Schwieger- vaters Malte legt sie ausser dem Zinniier nach Süden, sie nimmt darni ein Band)uso[efäss mit chinesischen Datteln und Kastanien, das sie ihnen reicht nnd später ein G«M"äss mit gcilrocKnelem nnd gewürztem Fleische nnd ein Gefäss mit süssem \^'eille (Li), auch ein Schwein wird ihnen dargebracht, aber keine Fische, nocli getrocknetes Fleisch, noch Hirse. Die Schwiegeiiillern sit- zen auf der Matte nnd sie präsentirt ihnen die Speisen; diess geschieht nach dem Li-ki , um die Folgsamkeit der Frau an's Licht zu stellen.

Den 3ten Tag reichten nach I-Ii Cap. 2, 5 fol. 13 und dem Li-ki der Schwiegervater und die Schwiegermuller zusam- men ihr die Speise nach dem Ritus d(T !>arbringnng. So wer- den vollend(!t, schliesst der Li-ki, die Gebräuche der Frau, wel- cher Gehorsam vor Allem eingeprägt werden soll. r);dier be- lehrten die Alten nach dem I-Ii 2, 6 fol. 4 nnd dem Li-ki 3 Monate, <!he die Frau heirathele, die Frau, wemi der Tsu-miao noch nicht zerstört war, im Kung-kung, werni er aber zerstört war im Tsung-schi (im Hause des ältesten Sohnes) über die Tugenden der Frauen , die Sprache (die sie zu führen haben),

226 Sitzung der phtlos.-philot. Ctasse vom 6. Dec. 1862.

ihre Haltung, die Arbeilen in Hanf und Seide, die sie zu ver- richten hatten und unterwiesen sie in der Vollziehung der Opfer und Bereitung der verschiedenen Opfergerichte, um den Gehor- sam der Frau zu vollenden.

Der Rückkehr der jungen Frau wohl nur einer Fiirslen- tochler in das älterliche Haus nach einem Monate, wo sie diuin ziendich lange blieb, getrennt von ihrem Gatten, der sie nur selten und nur im Ceremonienkleide besuchen durfte, den der Schi-king z. B. I. 1.2 und 3 erwähnt, kommt im Li-ki und I-li nicht mehr vor. Die Frau wird nun als aus ihrer Fa- milie aus- und in die ihres Mannes eingetreten betrachtet und theill Namen, Rang und Ehren ihres Mannes nach Li-ki Cap. Tsa-ki 20 fol. 57 v. und wird von ihren Aellern nur als Gast behandelt, wahrend sie im Hause ihrem Manne untergeordnet ist. Cibot. Mem. T. 13 p. 326 flg.

Nach dem Li-ki Cap. 7 Tseng-tseu wen fol. 9 v. besucht die jmige Frau im 3ten Monate ^\^\n Ahnentempel (ihres Mam)es), zeigt den Ahnen an, dass eine Frau ins Haus ge- kommen ist und bringt da die Opfer dar. Diess vollendet erst das Recht (J) der Frau; ehe diess nicht geschehen ist, gehört sie noch nicht vollstandicj zur Familie des Mannes und stirbt sie vorher , so wird sie in der Familiengruft ihrer Familie be- erdigt.

Sind die Schwiegerältern bereits gestorben, so bringt die junge Frau nach I-li 2, 6 1 im 3len Monate ihnen im Ahnen- saale des verstorbenen Schwiegervaters und der Schwiegermut- ter Gemüse dar. Der Beter führt sie und zeiirt den Ahnen an: ans der und der Familie kommt die Frau und wird dem erha- benen Schwiegervater und ebenso der erhabenen Schwieger- mutter eine Schüssel mit Gemüse darbringen. Der Schwieger- sohn opfert dann auch und die Frau unterstüzt ihn dabei. Dies ist das Wesentliche der Hochzeitsgebräuche der alten Chinesen, welche mit geringen Veränderungen bis auf die jetzige Zeit sich erhalten haben.

Ptatit : Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 227

Di(j Elleverhältnisse nach dein Liederbuche.

Wenn uns die 3IoraIislen und Rituale zeigen , wie es in Lie!)es- und Ehesachen den Verordnnng^en nach sein sollte, so zeigt uns das Liederbuch die wirkliche Welt auch im alten China vielfach ganz anders wie wir das oben schon, wo von der Trennniig der (Jeschlechler die Rede war, sahen so anch in den ehelich(Mi Veihältnissen. Die Fesseln des C(M(>nu)nieIs sind abgeworfen, und man lebt frei wie bei uns. Natura , ex- pellas furca, lamen usque recurrit. Das Liederbuch sollte ja die wirkliche Sitte in d(ni verschiedenen kleinen Roichen dar- stellen. Namentlich im kleinen Reiche Tschini»-, im jetzigen Si- noan-lu in Schen-si, linden wir solche freiere Sitten. Da kom- men junge Miinner und Mäd* hen frei zusanunen und geben sich Stelldichein. So heisst es L 7, 15 am Oslthore ist ein ebener Weg; die(Pllanze) Yu-Iiü steht am Ufer. Sein (des Geliebten) Haus ist in der Nähe, aber der 31ann ist weit weg. Am Ost- Thore sind Kastanien, es ist da eiin? Reihe Häuser. V/ie sollte ich deiner nicht gedenken? Aber du willst nicht mit mir zu- sannnenkommen. L 7, 13 äussert eine Schöne: liebst du nnch, gedenkst du meiner , so h(d)e die Kleider auf und setze über den Tschin (Fluss) ; gedenkst du meiner nicht, so wird's ein anderer Mann sein; du Bursche wärst aber toll. Die zweite Strophe wiederholt wie gewöhnlich denselben Gedaidven, nur heisst hier der Fluss Wei. Derselben Flüsse erwähnt I. 7, 21. J)a heisst es der Tschin und Wei sind schon wasserreich. Der Mann (Sse) und die Frau halten die Lan (BlunnV) in der Hand; die Frau sagt: ich will's doch mit ansehen; er: ich hab's gesehen, will's aber nochmals sehen. .lenseits des Wei schwätzen sie und freuen sich (sind lustig) Er utid seine Frau sclierzen und unterhalten sich mit Hlumenpfliicken. Die zweite Strophe wie- derholt ziemlich diesen Gedanken wieder. 1. 7, 14 erwartet der Ueppige sie vor dem Thore und schmollt, da sie nicht mit ihm geht. Ein Elegant erwartet sie in der Halle und grollt,

228 Sitzutig der philos.-philol. Ctasse vom 6. Üec. 1862.

dass sie nicht zu ihm kommt. Pe-hi spannt die Pferde vor den Wagen und nimmt sie dann mit in seinen Wagen. Strophe 2 lieisst es dafür, sie heirathe ihn. Auch I. 1, 11 kommt dieser Pe-hi vor: führst du mich, so vereinige ich mit dir. Strophe 2 heissl es dafür: ich bin dir zu Willen I. 7, 12 schilt die Schöne: Du Unnützer redest nicht mit mir; Deinetwegen kann ich nicht essen. Du unnützer Bursche isst nicht mit mir, doch kann ich Deinetwegen nicht verschnaufen, vgl. auch I. 7, 10. Nach 1. 7, 19 scheint es vor den Thoren schon Freudenmäd- chen gegeben zu haben. Vor dem Oslthore, heisst es da, sind Mädchen wie Wolken , aber obwohl sie wie Wolken sind, ge- hen meine Gedanken doch nicht auf diese ; (meine Frau) in ihrem einfachen weissen Kleide und grünen Schleier (Kin) er- freut mich. Strophe 2 wiederholt diess ziemlich. Ausser dem bethurmlen Stndtlhore sind Frauen wie Theepflanzen ; obwohl sie aber wie Theepflanzen sind, denke ich doch nicht an sie; das weisse mit der Pflanze (Yu-liü) gefärbte Kleid erfreut nnch. I. 7, 20 komnU der Dichter mit einer Schönen zusammen, die ihm gefallig ist. Auf dem Felde, heisst es, ist die Kriechpflanze Wan; Thaulropfen benetzen sie. Es ist eine schöne Person da, rein dehnen sich ihre gebogenen (Brauen) aus. Unerwartet be- gegneten wir uns und ich erreichte meinen Wunsch. I 7. 2 bittet datjegen eine Schöne ihren Tschung-tseu : Geh doch nicht durch unser Dorf (Li) und zerbrich nicht unsere Khi ( Weiden - oder Mispeln-) Pflanzungen. Wie wagte ich dich zu lieben; ich scheue meinen Vater. Tschung, du kannst es wohl beden- ken; meiner Aeltern \A'orte muss ich scheuen (Wei). 0 Tschung-r tseu steig nicht in unsern Garten und zerbrich nicht unsere fan- Pflanzungen. Wie wagte ich dich zu lieben, ich fürchte das Gerede der Leute. 0 Tschung-tseu! du kannst es wohl bedenken, ich muss das Gerede der Lenle scheuen. Eine andere dage- gen I. 7, 17 sehnt sich nach der Ankunft ihres Geliebten: Be- ständig denkt mein Herz an ihn ; kann er seine Stinune nicht vernehmen lassen? Strophe 2 heisst es dafür, kann er nicht kommen? Flüchtig, sorglos ist er im Warlthurme. Wenn ich

Plath . Die häuslichen VerhälUiisse der ulten Chinesen. 229

einen Tag ihit nicht sehe, dünkt es mir wie 3 Monate. Die Liedchen sind alle sehr kurz nnd nicht immer sicher zu deuten. 1. 5. 4. 3 hcisst es (higegen in einem Liedchen aus dem R(!iche Wei. Krau . vergnüge dich nicht mit einem Manne; der Mann (Sse) der sich so vergniiot, kann sich noch wieder herauszie- hen: eine Frau aher nimmer. Nach La Charme khifft so eine ausschweifende Frau, welche ihr Mann Verstössen hat. Sie wirft die Schuld aber auf ihn. Seil ich zu dir kam. ass ich 3 Jahre ärmlich, die Frau irrte nicht, der Mann nahm aber einen ande- ren Gang; er habe kein Maass gehallen, zwei-, dreierlei war seine Tugend 3 Jahre war ich seine Frau und besortrle sein Hauswesen, früh stand ich auf und um Mitternacht erst schlief ich ein; deine Befehle vollzog ich und doch zürnest du. M(;ine Brüder wussten das nicht und lachten mich aus; indem ich es bei mir überlege, bin ich bekümmert. Bis in dein Aller dachte ich mit dir vereint zu leben und jetzt liisst du nnch bis in's Alter klagen. Als mein Haar noch in ein Hörn aufgebunden war (vor der Heirathj, war ich froh, sprach und lacheile fröh- lich. Treue haltest du mir versprochen, an diese Undvehr dachte ich nicht. Wie wird das enden? Auch im Reiche Yuriir, ei- nem Theile <les späteren Wei in Ho-nan, finden wir solche freiere Sitten. L 4, 4 gibt eine Schöne ihrem Geliebten eine Rendezvous und begleitet ihn. L 4, 7 wird tadelnd erwähnt, dass ein Mädchen fern \on ihren Aeltern und Brüdern gehe, ob etwa zur Hochzeit? solche Ausschweifende hielten nicht auf Treue und kemiten nicht <lie Beslinnnung (Ming). In einem Liedchen aus dcMu Kaiserlande L (5, 9 ruft eine aus: wenn sie von ihrem (Gelieblen) gelrennt in einem verschiedenen Hause leben müsse, so wolle sie wenigstens nach dem Tode in einer Grolle mit ihm zusammen (ruhen). Sagst du, ich war dir nicht treu, so hab' ich die »rlänzende S()nn(^ (als Zeuge). In Wei ist I. 5. 8 ihr tapferer Pe-hi weil nach Osten in den Krieg fort- gezogen, seitdem ist ihr Haupt (Haar) wie die verwehende ver- wirrte (Pflanze) Pung , wozu sollte; sie sich das Haupt schmü- cken und salben; indem sie an ihren Fe-hi denkt, schmerzt ihr

230 Sitzung der phüos. phüot. Clas.se vom 6. l)ec. 1862.

der Kopf, woher sollte sie die Verc/essenheits pflanze bekommen? I. 3, 1, 4 hören wir die Sehnsiichl der Braut nach dem ferne- ren Briiuliuani. Zierlich werden anderswo Liebesoaben tjeschil- dert. Amh der Schmerz der verkainilLn. der verfehlten Licdje fehlt nicht, noch die Aengsllichkeit der heimlichen, die verra- then zu werden fürchtet; der Gelieble wird desshalb zur Vor- sicht ermahnt. Eine klafft den Sternen, dass k(Mn Jünoling- für sie kommen wolle; der Krieg habe alle hinweguerafl't. Auch den Freudenausbruch des Wiedersehens vernehmen wir. Doch genug , um zu zeigen , dass die Menschen überall und auch in China menschliche Gefühle haben und die Pedanterie der chine- sischen Geselzffeber diese nicht zu vertilgen vermocht hat!

//. Aelteru vtid Kinder. Die Geburt des Kindes. Die Namen gebung.

Das Buch von berühmten Frauen (Lie niü tschuen) von Dr. Lieu-hiang im Siao-hio 1 §. 2 sagt: Einst unterstand eine schwan- gere Frau sich Nachts lucht auf der Seile zu liegen , beim Sitzen (auf der Matte) den Körper nicht zu biegen , nicht auf einem Fusse zu stehen , keine ungesunde oder schlecht zer- schnittene Speise zu geniessen , auf keiner schlecht gemachten Matte zu sitzen, keinen garstigen Gegenstand anzuschauen, noch üppige Töne zu hören. Abends musste der Blinde (Musiker) die beiden ersten Oden des Tscheu- und Tschao-nan im Lie- derbuchc (die von der Hausordnung handeln) singen und sie Hess sich anständige Geschichten erzidilen. So wurde ein auch geistig gut geartetes Kind g(?boren.

Der Li-ki im Cap. Nei-tse 12 fol. 73 v. sagt: wenn eine Frau ein Kind gebaren soll, bewohnt sie einen Monat ein Sei- tenhaus (Tse-schi). " Der Mann schickt zweimal den Tag Je-

(G) Nach den Sclinl. ist vorne der T s »li i n ij - 1 sii i n , hinten der Yeii-lsiiin und diesem zur Seile das Tsc-.sclii.

Plaih: Die häuslichen Verhältnisse der allen Chinesen. 231

manden n;ich;5urrn^on und fragt auch selber nach; seine Frau wagt ihn aber niciil zu sehcMi, sondern schickt dit; Mii (S.oben) seine Anfrage zu beantworten, bis das Kind geboren ist. Dann schickt der Mann den Tag wiederholt nachzufragen; liat er Fa- sten (Tsi), so betritt er ni(ht die Thiire des Seitenhauses.

"Wenn ein Kind geboren ist. so legte man bei einem Kna- ben einen Bogen (Hu) links, bei einem Mädchen ein Gürteltuch CSchui) rechts von der Thüre. Nach 3 Tagen fiingt man an, das Kind auf dem Arme zu tragen, beim Knaben schiessl man, beim Miidchen nicht, vgl. die Stelle ans dem Schi-king II 4. 5 oben S 205.

Wenn einem Reichsfürsien ein Erbprinz (Schi-tseu) gebo- ren wird, meldet man es dem Fürsten. Man bedient sich eines grossen Opferlhieres (Ta-Iao, d. i. einer Kuh); am 3ten Tage befragt man das Loos, ein Sse trägt ihn ; wenn dieses günstig ist, so faslet man (So-thsi), in Hofkleidern trägt man (das Kind) ausserhalb der Thüre der Schlafstube. Der Schütze schiesst mit einem Bogen aus Maulbeerbaundiolz 6 Pfeile gegen den Him- mel und die Erde und gegen die vier Weltgegenden ab. Die Schulznuilter(I*ao) nimmt ihn (vom Sse) und trägt ihn; der Be- amte (der Mann) spendet Wein und beschenkt ihn (den Sse) mit einem Bündel Sei<lenzeug (5 Stück). Je nach dem Ausspruche des Looses heisst er die Frau des Sse oder die zweite Frau des Ta-fu d(!n Sohn ernähren (stillen).

Jedesmal dass man das Kind empfängt, wählt man den Tag aus. Bein» ältesten Sohne (Tschung-lseu) bringt n)an ein grosses Üpferthi<M- dar, der gemeine Mann ein Ferkel (Thi tun), der Sse ein Sehwein (Thi-schi), der Ta-fu ein kleines Opler- thier (Schao-lao. d. i. ein Schaf); beim Erbprinzen eines H(!ichs- fürsten ein gross(!s Opferthier. Ist es nicht der Erstgeborne, so gehen alle einen (irad herunter.

Verschieden von dem Hause der gewöhnlichen Kinder sucht man im Palaste unter allen Müttern (zweiten Frauen), die mau haben kann, eine aus, die liberal (Khuan-yü), liebevoll, wohl- wollend, mitleidig, brav, ehrerbietig, voll Respekt, sorgsam ist

232 SiHung der philos.-plntol. Clause vom 6. Dec. 1862.

und wenig spricht und macht sie zur Lelireriii (Führerin) des Kindes (Tseu-sse) ; die zweite wird die Niihr- oder Pflegeuuit- ler (Tseu-nui). die folgende die Schulznmlter (Pao-inu mit der Aufsicht üher das Schlafgemach und die Wohnung). Alle woh- nen im Hause des Kindes; ein fremder Manu kommt nicht dahin.

Am Ende des 'dien Monats wählt man einen Tag, dem Kinde das Haar zu schneiden und iasst einen kleinen Zupf (To) stehen. Beim Knaben macht man ein Hörn (Kio) daraus, beim Mädchen einen Knoten (Ki eigentlich Halfter); geht es nicht, so hisst man die Haare beim Knaben links, beim Miidclien rechts stehen. Au diesem Tage wird die Frau mit dem Kinde vom Vater gesehen. Vom Literaten im Amte (Mintr-sse) abwärts baden sich alle (seu hoan)' zuvor. iMänner und Frauen stehen früh auf, waschen und baden (mo-yo) sich, kleiden sich an und präsentiren die Speise des ersten 3Ionatstages. Der Mann tritt in die Thüre (des Seitenhauses) , steigt von der Treppe hinauf und steht auf der Treppe an der Westseite. Die Frau konnnt. das Kind auf dem Arme , aus dem Zinuuer heraus und stellt auf der Schwelle, das Gesicht nach Osten gewendet. Die Mu sagt: die Mutter N. N. (sie nennt die Familie der Frau) wagt die Zeit wahrzun(!hnuMi und zeigt respektvoll das Kind (Jü- tseu); der Mann erwiedert : sorgfältig erziehe es. Der Vater fasst dann das Kind au der rechten Hand , es lächeil und er gibt ihm den Namen (Miiig). Die Frau erwiedert und spricht: des Kindes Lehrerin (Sse) zeige ihm den rechten Weg, über- nimm die Aufsicht und melde allen Frauen und allen Müttern den Namen. Die Frau geht dann in das Hintergemach (Thsin) zurück.

Der Mann zeigt dann dem Gouverneur (Tsai) den Nauien an. Dieser trägt alle Männer-Namen in sein Buch ein, welches

(7) Die Alten badeten alle 10 Tage, daher iiie.ss Hoan auch die Decade.

Plath: Die häuslichen Verhalitiis.se der alten Cliinesen. 233

besagt , in dem und dem Jahre, Monate und Tage wurde der und der geboren. Der Beamte meldet es dann dem Liü-sse (dem Vorsteher von 25 P'amilien). Dieser behält den Namen einmal in seinem Buclie , dann meldet er ihn dem Tscheu-sse (dem Vorsteher von 2500 Familien), der dem Tscheu-pe und der dem Tscheu- fu Bei der (ieburt und Namengebung (ünes Erbprinzen (Schi-tseu) ist es ahnUch; wir übergehen sie daher. Auch bei der des jüngeren Sohnes (Schi-tseu) und des Sohnes der zweiten Frau (Schu-tsen) ist wenig Unterschied; sie er- scheinen nur im äusseren Gemache (VTai, d. i. dem Yen-tshin).

Kein Name (Ming) darf von der Sonne, dem Alonde, von einem Reiche, von einer verborgenen Krankheit das Cap. 1 Kio-Ii lol. 21 setzt hinzu: auch nicht von Beroen und Flüs- sen entlehnt sein. Der Sohn eines Ta-fu und Sse darf sich nicht unterstehen , denselben Namen nnt dem Erbprinzen (Schi- tseu) zu führen.

Bei der Geburt des Sohnes einer Kebse (Tshie) des Fürsten finden nur kleine Unterschiede statt. Der Vater lässt nur ein- mal nachfragen und sieht ihn im innern Gemache (Nei Tshin). Je geringer der Stand der Frauen ist, desto weniger Umstände wird mit den Kindern gemacht. Der gemeine Mann (Schu-jin), der kein Seitenhaus hat, geht den Tag über aus und erkundigt sich im gemeinsamen Hanse nach seiner Frau. Der Ritus, wie der Sohn den Vater sieht , das Ergreifen der Rechte, die Namen- gebung ist nicht verschieden.

Jeder Vater, der einen Enkel bekonunl, sieht ihn zuersl im Ahnensaale. Dort gibt ihm der Grossvater (Tsu) auch den Namen, in derselbcMi Art wie dem Sohne.

Der Sohn des Ta-fn li;it eine Amme, Sse-mu. die Nähr- mnlter genannt, die das Kind nährt (Schi-Iseu), sie geht wenn das Kind 3 Jidn-e all aus und zeigt es im Palaste des Fürstcui (Kuno-) und wird dann da beschenkt. Die Frau des Sse stillt ihr Kind selber. Ammen komnjen also in China schon früh vor. v^l. Cibot Mem. T. Mll. p. 32i. Wir haben Unbedenlendes in die- ser Schilderung übergangen; von dem weiteren Verfahren mit

234 Sitzung der philos.-philol. Classe vom 6. Dec. 1863

dein heranwachsenden Kinde in den verschiedenen Jahren wird bei der Elrziehunij besser die Rede sein.

Das Verbältniss zwischen Aellern und Kindern.

Die Pflichten der Kinder g-eo-en die Aellern sind durch- gängige Aufiiierksaniiveit, vüibge Hingabe an den Vater, mit Verleugnung aller Selbständigkeit und Selbstheit. Der Siao-hio Cap. 2 §. 51 , enthält ans dem Li-ki , dem I-li und anderen alten Schriften eine Zusammenstellung von Aussprüchen über die Pflichten der Pietät; vgl. auch den Hiao-king oder das clas- sische Buch von der Pietät und Cibot's Doctrine des Chinois sur la Piete filiale Mem. conc. la Chine T. IV. p. 1—298 und XIII. p, 327 flg. Als hohe Muster solcher Pietät fidut der Li-ki cap. 8 Wen-wang Schi-tseu fol. 27 Wen-wang und W^u-waiig auf (1122 v.Chr.): Als Erbprinz wartete jener täglich 3mal (seinem Vater) Wang-ki auf. Morgens beim ersten Hahnenruf kleidete er sich an, trat an die äussersle Thiire des Schlafgemachs und fragte dann den Diener, ob der Vater heute einen (ruhigen) guten Tag habe; sagte der ja, so wjir er froh. Pas wieder- holte er Mittags und Abends; sagte er nein , dann war er be- kinnmert und konnte sein Fusszeug nicht fertig anziehen. Wir übersehen die weiteren kleinlichen Einzelnheiten , wie er auch für sein Essen sorgte u. s. w.

Der Li-ki Cap. 12. Nei-tse fol. 51 v. 57 und daraus I-sse B. 24, 6 fol. 17 v. —23 v. beginnt: „Das Kind, das dem Va- ter und der Mutter dient, wäscht, wenn der Hahn zu krähen* anfängt, Hände und Mund, kämmt das Haar, flicht es, steckt es mit einer Nadel fest, Ihut das Netz darüber, den Staub aus-

(8) Man .stand in (Jliina friiii mit dem Halinenriire auf, nicht nur der Jäger (Silii-kini;- 1. 7. 8 und 16), sondern ging autli schon früh an den Hof I., 8. I, wie noch jezt.

Plath : Die häuatichen Verhältnisse der alten Chinesen. 235

schüttend , bindot die Hutbänder zusammen , zieht ein langes Kh^id an und Ihut den Gürtel um. An der linken Seite hiinal es ein Wisch- oder Handluch, ein Messer, einen Schleifstein, ein kleines Hörn (Knot(Mi aufzumachen) und einen Brennspieg-el aus Melall, rechts den Schülzenriemen, ein grosses Hörn (Kno- ten auCzulüsen) und 2 Hölzer (durch Reibung Feuer anzuma- chen). Er legt die Beinbinden (i'i) an und zieht die Schuhe an, die er fest bindet, um so anständig vor den Aeltern zu erscheinen.

Die Frau (Schwiegertochter), um dem Schwiegervater und der Schwiegermutter zu dienen, wie sie Vater und Mutter diente, steht, wenn der Halm zu krähen anlangt, auf, wäscht Hände und Mund, kämmt das Haar, flicht es, steckt es mit Haarnadeln fest, zieht ein langes Kleid an. Links hängt sie an den Gürlel ebenfalls ein Tuch, ein Messer, einen Schleifstein, ein kleines Hörn (Knoten aufzulösen), einen Brennspiegel aus Metall, rechts eine Nähnadel mit Faden und Seide, ein Säck- chen und ein grosses Hörn (zum Auflösen der Knoten). 2 Höl- zer zum Feuerreiben. Die Schuhe werden festgebunden. Dann gehen sie an den Ort (in das Schlafgemach) von Vater und Mutter , Schwiegervater und Schwiegermutter. Dort angekom- men, frag(!n sie sie mit unierdrücktem Athen» und sachter, sanfter Stimme, ob sie auch gegen die Kälte warm angezogen sind, leiden sie an einer Krankheit wie an einem kleinen Ju- cken (Ho-yang), so stehen sie ihnen ganz ehrerbietig bei, kra- zen oder reiben sie. Beim Aus- und Eingehen geht einer von ihnen voraus und einer hinten nach und unterstützt sie ehrer- bietig. Sie brinoen ihnen Waschwasser; die Kleinen reichen ihnen die Waschschaale, die Grössern das Wasser und ersuchen sie , die Hände zu waschen. Nachdem das Wüschen vorbei, reichen sie ihnen ein Tuch (zum Abtrocknen) und fragen, was sie zu essen und zu trinken wünsrhcn und ehrerbietig bringen sie es ihnen, mit sanftem Blicke ihren Wunsch erfüllend (ei<j.: sie zu erwärmen): Reisschleim, süssen Wein, Suppe mit Gemüse, Hülsenfrüihte, Waizen, Hanfsamen (Fen), Wasserreiss (Tao)^

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236 Sitzung der philos.-pftilot, Classe vom 6. Dec. iSdi.

(Hirse) Sehn und Leang und (die Reisart) Scho und fragen was sie davon wünschen, dann chinesische Datlehi und Kastanien, Reiskugein und Honig (Mi), sie zu versüssen (der Zucker war in China damals noch unbekannt),* eine niehlhaltige Pflanze und Fett , um (das Essen) zu fetten. Wenn Vater und Mutter, Schwiegervater und Schwiegermutter sie gekostet haben, gehen sie wieder fort.

Die Knaben und Mädchen , die noch nicht den männlichen Hut und die Haarnadel angelegt haben, stehen ebenfalls , wenn der Hahn zu krähen anlangt , auf, waschen Hände und Mund, kämmen die Haare, flechten sie und thun die Haare in ein Netz, ein Hörn (daraus bildend.) Sie hängen an den Gürtel eine Tasche mit duftenden Sachen. Früh Morgens (gehen sie zu den Aeltern) und fragen, was sie essen und trinken wollen. Haben sie schon gegessen, so treten sie zurück; wenn sie noch nicht weffessen haben , so unterstützen sie die altern Geschwi- ster und sehen nach den Schüsseln.

Alle (Diener) drinnen und draussen waschen auch Hände und Mund wie der Hahn zu krähen beginnt . kleiden sich an- ständig an. nehmen Kopfstück und Decken zusanunen (sie schlie- fen auf der Erde), bespritzen und kehren das Haus und die äussere und innere Halle (Tang und Ting), breiten die Matten aus und jeder geht dann seinem Geschäfte nach. Vom Beam- ten (Ming-sse) aufwärts haben Vater und Söhne alle eine ver- schiedene Wohnung (Kung). Früh Morgens (Mei-schoang) war- ten diese ihnen liebevoll auf, in der Absicht, sie zu erfreuen. Den Tag über gehen sie weg. Jeder seinem Geschäfte nach, von Tages Eintritt bis zum Abend. Wenn Vater und Mutter, Schwieffervater und Scliwiegermutter niedersitzen wollen (Mor- gens beim Aufstehen nach den» Schol.), bringen sie ihnen die

(9) Einige Clianilvlcre .sind mir uiivprstandliili. Der Scliol. sagt schon, dass bei der Verse liicdciiluit der alten (ieiällie und «erithte u. y w mancher Ausdruck nicht sicher zu deuten sei.

Plath : Die hiluslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 237

Mallo und fragen, wo sie sie hinlegen sollen. Wollen sie sich niederlegen, so bringen die altern die Schlarinntte und fra- ffen, wo sie die Füsse hinrichten wollen; die Kleinen bringen ein Bänkclien beim Sitzen (Tschoang, jetzt ein Bett, nach dem Schue-wen damals eine kleine Bank zum Anleimen). Die Die- ner stellen ein Tischchen hin , legen die Malten Si und Thien zusammen jene soll ans Binsen, diese ans Bambus gewe.sen sein hängen das Zeug auf, die Kopfslülze'" thun sie in einen Korb oder eine Büchse (Khie): die Bambusmatle rollen sie zusammen und thun sie in don Nachtsack des Vaters und der Muller, des Schwiegervaters und der SchwiegermutliM-. Klei- der, Decke, Malte, Kopfstütze und Tischchen verrücken sie nicht: ihren Stock, ihre Schuhe respektiren sie und unterstehen sich nicht, sich ihrer zu bedienen (ihnen zu nahen); ihre Schüs- seln, Becher und Gelasse, wenn nicht Ueberbleibsel darin sind, wagt keiner zu gebrauchen; ihre Speise oder ihren Trank, wenn es nicht Ueberbleibsel sind, wagt keiner zu essen und zu trin- ken. So lange Vater und Mutter am Leben sind, ermuntert der Sohn und seine Frau Morgens und Abends sie beständig zum Essen, und wenn sie gegessen haben, verspeisen sie die Ueber- bleibsel. Wenn der Vater gestorben ist, die Mutter aber noch lebt , wartet der älteste Sohn (Tschung-tseu) ihr beini Essen auf, die andern Söhne und Frauen helfen ihm, wie zu Anfange (da der Vater noch lebte).

Weini Vater und Mutter, Schwiegervater und Schwieger- nmtter ihnen etwas heissen, müssen sie gleich ehrerbietig ja (wci) antworten; beim Hinkommen und Weggehen sorgsam und aufmerksam (sie bedienen); beim Hinauf- und Hinabgehen, beim Aus- und Eingehen sich verneigen und leise auftreten, nicht wagen zu rülpsen, zu gähnen, zu husten, den Körper zu-

(10) Der .\ii.s(lrii(k Kopfkissen »der Ptiilil für Tsiliiii i.st insofern unpassend, al.s es dem (liiaraliler nadi nur ein Holz war, das man un- terlegte, damit der Kopf eUvas lioher liege,

238 Sitzutiff der philos. -philol. Vlasse vom 6. Dec. i868.

saniiueiizuzielieii oder ausziislreckeii, nicht auf einem Fuss zu sie- ben, nicht wagen sie scharf anzusehen, oder auszuspucken oder die Nase tröpfeln zu hissen. Wenn sie auch freiem, wagen sie nicht ein Ueberkleid anzuh'gen, wenn es sie juckt, wagen sie nicht sich zu kratzen. Sie entblössen die Arme nicht, heben ihre Kleider nicht auf, wenn sie nicht etwa über einen Fiuss selZfMi. Ihr Unterkleid (das etwa schmutzig sein könnte) zei- gen sie nie. Vaters und Mutters Ausgespucktes und Nasentrö- pfel lassen sie nicht sehen (wischen sie weg), wenn deren Hut und Binde schmutzig sind, so nehmen sie Asche und bitten sie waschen (seu) zu dürfen; wenn Unter- und Oberkleider auf- gegangen und zerrissen sind, nehmen sie eine Nadel und bitten sie ausbessern zu dürfen. Jeden 5ten Tag nehmen sie warmes Wasser (Tsiang-tang) und ersuchen sie, sich zu baden (Yo). Jeden 3ten Tag reichen sie ihnen Wasser zum Kopfwaschen (mo), wenn das Gesicht schmutzig ist, bringen sie ihnen heis- ses Reiswasser (Phuan) und ersuchen sie, das Gesicht zu wa- schen (hoei); wenn die Füsse schmutzig sind, bringen sie heis- ses Wasser und ersuchen sie die Füsse zu waschen (sien)." Kleine Sachen besorgt der ältere (Tschang) , geringere Sachen der geehrtere (Kuei), alle thun die Dienste zur gehörigen Zeit.

Wenn der Sohn und dessen Frau fromm (hiao) und ehr- erbietig sind, so vollziehen sie Vaters und Mutters, Schwieger- vaters und Schwiegervaters und Schwiegermutters Befehle, ohne ihnen zu widerstehen und ohne zu zögern. Wenn diese ihnen zu trinken oder zu essen geben , so kosten sie es , wenn es ihnen auch nicht schmeckt (und erwarten bis sie es ihnen nach- lassen); geben sie ihnen Kleidungsstücke, so tragen sie sie und warten (bis die es ihnen erlassen); haben sie ein Werk zu ver- richten, und thut es ein anderer an ihrer Stelle, so lassen sie es geschehen, wenn sie es auch nicht wünschen, wenn die Schvvie-

(11) Die cliinesische Sprache hat lauter beiondere Wörter für das TVaichen der Ter«chiedenenThcile dei Leibes.

Plittli : Die häuslichen Verhiiltiiinse der alten Chinesen. 239

gcniiuller es dem gibt und \\e\\x\ die Schwicgennulter (später) es ihnen daini anls Neue aufträgt, weil der andere nicht damit fertig werden kann, so übernehmen sie es wieder.

Wenn des Sohnes Frau eine mühsame Arbeit hat, obwohl sie sie sehr liebt und die Schwieo-ernmiter sie sie aufcreben heisst, so muss sie sofort davon ablassen.

Wenn des Sohnes Fiau unfromm und ohne Achtung gegen die Schwiegermutter ist, darf sie sich nicht beklagen (tsi yuan), wenn die Schwiegernuitter sie belehrt: wenn sie sich aber nicht belehren lässt und diese ihr daiui nachher zürnt, darf und kann sie nicht zornig werden, wenn der Sohn sie dann verslössl und sich von ihr scheidet, indem er da gegen den Brauch sich nicht vergeht.

Der Sohn und die Frau desselben haben kein besonderes Eigcnihum (Gut Ho), keine ihnen eigenlhündich zugehörigen (sse Privat-) Thiere, keine besonderen Gefässe, köinien für sich nichts aideihen, noch ausleihen. Gibt ein (Verwandter) der Frau Speise und Trank oder Kleider oder Zeug und Seidenzeug (I'u-pe), Gürtelanhängsel oder duftende Kräuter, so nimmt sie sie zwar an . bringt sie aber gleich dem Schwiegervater und der Schwiegermutter dar. Wenn diese sie annehmen , ist sie er- freut, wie da sie sie zuerst empfing, wenn die sie aber ihr zu- rückgeben und sie ihr schenken, dann weigert sie sich erst (sie zu nehmen); wenn diese aber darauf bestehen, so nimmt sie sie wie neugeschenkt an und hebt sie auf, bis die ihrer bedürfen. Wenn aber die Frau einen älteren oder jüngeren Bruder beson- ders (sse) lieb hat und ihm etwas davon geben will, so wen- det sie sich erst wieder billend an Jene und wenn die es er- lauben, gibtsie es ihnen fol 61. Der jüngere Sohn (der Schi-tseu ") und der Schu-tseu. (nach dem Schol. dessen jüngerer Bruder) müssen dem ältesten Sohne des directen Nachkonnnen des Fa-

(12) Nach dem Sthol. hier der Sohn von einem Jüngern Zweige der Familie.

24Ö Sitxung der philov. phüol. Classe vom 6. Dec. i862.

milieiigründers (Tsung-tseii) und dessen Frau (Tsuno;-fii) die- nen. Wenn sie ano-eselien und reich sind, dürfen sie nicht mit Ehren und Reichthiimern sein Hhus betreten; wenn sie viele Wagen (Cnrossen) und Bediente (Tsu) haben, müssen sie diese draussen (stehen) lassen und nur mit wenig Anhang (Yo An- gebinde) eintreten. Wenn ein jüngerer Bruder Geräthe (Ki), Pelz- und andere Kleider, Wagen und Pferde hat, muss er sie immer erst seinem alteren Bruder (Tschang) anbieten, und erst demnach sich unterstehen , an zweiler Stelle sie zu gebrau- chen; hat er sie so nicht angeboten, so untersteht er sich nicht, in des Tschung-tseu Thür zu treten und wagt nicht mit Ehren und Reichthümern in des Vaters oder älteren Bruders Clan ( Tsung-tsho ) zu erscheinen. So lange Vater und Mut- ter leben, wagt er nicht für sich über seinen Leib (seine Per- son) zu verfügen, nicht für sich sein Vermögen zu haben. So lange Vater und Mutter am Leben, verfügt er nicht über den Wagen und die Pferde, welche der Fürst ihm geschenkt hat. üiess soll ein Damm sein, dass das Volk seiner Aeltern (Thsin) nicht vergesse. Wenn Vater oder Mutter den Sohn oder En- kel einer geringern Frau, wie einen illegitimen Sohn (Schu- tseu) sehr lieben, so muss der legitime Sohn, auch wenn Va- ter und Mutter schon todt sind , ihn noch ehren , ohne darin nachzulassen. Wenn der Sohn zwei Frauen 2ter Classe (Thsie) hat, von welchen der Valer oder die Mutter die eine, der Sohn selbst die andere besonders liebt, so darf dieser bei der Ver- theilung von Kleidern , Speise und Trank, bei der Auflegung von Arbeiten , die vom Vater und Mutter geliebte nicht fern (gering) ansehen und wenn Vater und Mutter auch schon todt sind , sie doch nicht vernachlässigen. Wenn der Sohn auch ganz einträchtig (schin-i) mit seiner Frau lebt, Vater und Mut- ter sie aber nicht leiden können , so muss er sie Verstös- sen; dagegen wenn er mit ihr nicht harmonirt, Vater und Mutter aber sagen, sie dient uns gut, sie als Frau behalten und sein Lebelang nicht von ihr lassen Ist der Schwiegervater ge- storben und die Schwiegermutter alt, so opfert die älteste Frau

Platli : Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 24t

(Tschuiiij-fii) und einpniiifft die fiiislo. abcM- in jeder Suche sucht sie erst um die Eilaulmiss der Schwiegennulter nach und eben- so die zweite Frau (Kiai-fu) l)ci der ersten (Tschuncr-fu). Heis- sen Schwicofervaler und Sch\viei>ernuitter der ältesten Frau et- was, so darf sie nicht Iriioe sein und darf es nicht gegen den Brauch der zweiten Frau auflragcMi. Wenn Schwiegervater und Schwiegermutter dieser aber etwas heissen , darf sie sich nicht unterstehen , es der ersten Frau niitaufzubürden. Die Kiai-fu darf sieh nicht unterstehen (mit der ersten Frau) in einer Linie zu gehen, zugUMch etwas zu befehlen, mit ihr zusammen (ping) sich zu setzen. Jede Frau (Fu Schwiegertochter) zieht sich ohne Erhuibniss (Befehl Ming ihrer Schwiegernmtter) nicht in ihr Privat-Gemach zurück und untersteht sich (ohne solchen) auch nicht aus demselben wi(?der wegzugehen. Will die Frau eine Sache thun, sie sei gross oder klein, so ersucht sie zuerst Schwiegervater und Schwiegermutter um Erhuibniss. Tseng tseu (ein Schüler des Conlucius) sagt: Nei-lse c. 12 fol. 69 v.: ,,Ein fronnner Sohn ernährt die Allen, erfreut ihr Herz, wider- strebt nicht ihren Absichten, erfreut ihr Ohr und Auge, berei- tet ihnen ihr Lager und ihren W(dinsitz, bei ihrer Speisung und Tränkung sorgt er redlich für ihre Ernährung; daher was Va- ter und Mutler lieben, das liebt er auch. Diess erstreckt sich bis auf die Hunde und Pferde, wie viel mehr auf die Menschen" und Li-ki Cap. Tsi-i 19 p. 121 flg. (c. 2i fol. 51 v.) sagt dasselbe: „Wenn Vater und Mutler dich lieben, so (reue dich und vergiss es nicht: wenn sie dich hassen, so fürchte diess und zürne ihnen nicht ; wenn Vater und Mutter fehlen , er- mahne sie, aber widerstrebe ihnen nicht." Ebenso lieisst es Li-ki Cap. Nei-lse c. 12 fol 58 v. : „Wenn Vater imd Mutter fehlen, so ermahne sie mit sanftem Blicke und milden (weichen) Worten. Wenn sie die Mahnung nicht beachten, so ehre sie dennoch; wenn du sie heiter gestimmt siebest, wiederhole die Mahnung, denn es ist besser, sie unverdrossen zu ermahnen, wenn sie auch zürnen, als durch ihr Vergehen den ganzen Gau,

242 fiitzung der philos.-phüol. Classe vom 6. Dec. 186$.

das ganze Dorf odor den Bezirk. Weiler (Hiaiig, Tang, Tscheu, Liü) vor den Kopf zu stossen. \^ enu sie deiner Mahnung wegen dir aber zürnen und dich selbst blutig schlagen, so darfst du ihnen doch nicht heftig zürnen, sondern musst ihnen die schul- dige Eln'fiH-cht und die gewohnte Pietät bezeigen. Li-ki Kio-li hia c. 2 fol. 60 v. sagt: ..Des Kindes Sache ist die Liebe, drei- mal ermahne sie (die Aeltern) und wenn sie nicht hören, dann schreie laut auf, weine und ziehe dich zurück.*'^ Wenn auch die Aellern todt sind, nuiss der Sohn, der ein gutes Werk vor hat, denken, dadurch den Aellern einen g^uten Namen zu hin- terlassen und es dalier ausführen ; daffeaen wenn er ein bö- ses V>'erk vor hat, denken^ dass er Vater und Muller dadurch Schande macht und es lassen.

Der gehorsame Sohn behandelt nach Li-ki Cap. 24 Tsi-i und Siao-hio § 6 seine Aellern , als ob er einen kostbaren SIein oder ein volles Gefiiss in Händen hatte, voll Aufmerksam- keit und Achtsamkeit, besorgt jenes zu verlieren, dieses fallen zu lassen. Nach Li-ki Cap. Kio-h 1 fol. 7 v. Siao-hio §. 5 ist es Brauch, dass er (der Sohnj im Winter für Wärme, im Som- mer für Kühle (Thsing Reinheil) sorge, Abends das Bett bereite und .Morgens nach dem Befinden der Aellern frage.

Sieht er des Vaters Freund und der sagt nicht, dass er eintreten möge, so wagt er nicht einzutreten; sagt er nicht, dass er weggehe, so wagt er nicht wegzugehen, fragt er ihn nicht, so untersieht er sich nicht zu antworten. Das ist die Weise des frommen Sohnes.

Nach Li ki Cap. Kio-li 1. fol. 9, Siao-hio §. 7 darf der Sohn in der südwestlichen Ecke des Schlafgemachcs (dem Eh- renplätze) nicht weilen , nntten auf der Malte nicht sitzen . in der Mitle der Thüre nicht sieben, (bei Gastmählern und Feier- lichkeiten) die Zahl der Schüsseln nicht vorschreiben (Kai), beim Ahnendienste den Todten (Schi) nicht vorstellen; er muss hören auch ohne Ruf, sehen ohne ihre Gestalt wahrzunehmen, nicht Höhen ersteigen, nicht in liefe Gründe sich hinablassen, darf den Ruf (von Anderen) nicht leichtsinnig verletzen (Keu-

Platfi: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 243

tse), noch aiulere verspotten und den Aelterii dadnrcli Schande zuziehen; ein Crounner Sohn lliul nichts in» Dunkehi. besteigt keine Ahhiinae. So lan<re Vater und Muller leben , darf nach 1. c. fol. 10 §. 9 ein Sohn dein Freunde nicht versprechen, (die diesem widerfahrenden BekMdigungen) selbst mit dem Tode zu rächen'^ und kein Privalverniögen ( Sse-tsai ) haben. So lange Vater und Mutter leben, dürfen Hut und Kleider nicht bor- dirt und weissseiden sein. Siehe mehr ühev die Kleider der Kinder fol. 10 v.) Nach Li-ki Cap. 30 Fang-ki fol. M Siao- hio §. 10 darf er, so lange Vater und Mutter leben, nicht über seinen Körper verfügen, nicht eigene Reichlluinier besil/.cn , er darf Freunden und Obern keine kostbaren Geschenke machen. So lange Vater und Mutter leben, sagt Confucius Lün-iü I. 4 §. 23 vgl Siao-hio ib. g. 8 darf der Sohn nicht weit weg- gehen , muss er aber in dringenden Füllen es Ihun , ihnen vorher es anzeigen, wohin er geht. Nach Li-ki Cap. Kio-Ii 1 fol. 7 Siao-hio § 5 zeigt er, wenn er ausgeht, es den Aellern an und kehrt er zurück, so stellt er sich ihnen gleiih vor (Mien). Es nmss innner ein beslinujiter Ort sein, wohin er geht, und welche Kunst er auch treibe, sie muss imnici- ehren- haft sein. Er wird sich nie einen Greis nenncm (und sich so s«>inem Vater gleich stellen). Nach Li-ki Cap. Yü-tsao 13 fol. 27 Siao-hio §. 15 muss er auf des Vaters Ruf prompt w e i (ja)

(13) Merkwürdig ist noch Li kl Klo li (Jap. 1 tot. 37: ,,Mit dem Fi'inde (Tsclicu) di-ines Valors dail'sl du iiiclil iinler (leinsellnn Ifiininel leben, sieli.st du den Feind deines Rriideis, so darfst du nidil erst Iieiin- keliren , die Waffen zu liolen . mit dem Feinde deines Genossen oder Freundes nicht in dem.sell)en Keithe bleiben '• Auf die Frage Tscu-hia's, wie man es mit dem Feinde (KieuJ seint's Vaters und seiner Aluttcr zu hallen habe? erwiederl (.'onruiius I.i-ki (]ap. 3 Tan kung lol. 'i3: sein Lager sei eine Trauermalte (Tsin-scliin), seine Koplstiitze der Schild, er nimmt kein Amt an und bleibt nicht mit ihm im Reiche. Begegnet er Ihm auch auf dem Markte oder am Hole, so kehrt er nicht erst heim, •ondern bekämpft ihn (sofort). Dasselbe Kia-iü c. 43.

244 Sitzu7ig der philos.-philol. Classe vom 6. Dec. 1862.

und nicht (Ja)'^ antworten. Hat er eine Arbeit unter den Händen , so nuiss er sie sofort liegen lassen, hat er Essen im Munde, es ausspeien und hineilen, aber nicht rennen; wenn die Aeltern alt sind und er weggeht, den angegebenen Ort nicht wechseln und nicht später als er angegeben, heimkehren; wenn die Aeltern krank sind und er weggeht, den angegebe- nen Ort nicht wechseln und nicht später als er angegeben, heimkehren. Wenn die Aeltern krank sind, darf sein Aussehen und seine Haltung nicht heiter (voll Ischinff) sein.

Erkranken die Aeltern, so muss der Sohn nach Li-ki Kio- li c. 1 fol. 26 V. Siao-hio §. 24 , wenn er auch schon den männlichen Hut trägt, das Haar nicht kämmen, nicht übermü- thig auftreten, keine verächtlichen Reden führen, er darf die Harfe und Laute (Khin u. se) nicht rühren, bei Fleisch-Speisen darf er nicht den Geschmack verändern, beim Weintrinken darf es nicht bis zur Veränderung (Röthung) des Gesichtes kommen , sein Lachen darf nicht bis zum Uebermaass gehen, sein Zorn in keine Schmähungen ausbrechen. Nach Li-ki Kio- li hia c. 2 fol. 61 und Siao-hio §. 25 vgl. Lün-iü 17 §• 22 muss der Minister (Tschin), wenn der Fürst (Kiün) erkrankt und ebenso der Sohn, wenn die Aeltern (Tsin) erkranken, zuvor die Medicin kosten und von keinem die Medicin nehmen, des- sen Familie nicht schon drei Geschlechter über Arzt war.

Sind die Aeltern gestorben, so soll die Erinnerung an diese den Sohn auch nach ihrem Tode noch immer zum Guten antreiben und vom Bösen abhalten. Wir haben die betreffende Stelle aus dem Li-ki Cap. 12 Nei-tse und Siao-hio §.27 schon oben ange- führt. Confucius sagt hier §. 26 v. und Lün-iü L 1, 11 und L 4, 19 „Willst du den Sohn kennen, so siehe, was er bei Leb- zeilen des Vaters im Auge hat, und was er Ihut, nachdem er gestorben ist. Wenn er 3 Jahre nach des Vaters Tode die

(i;{) Jenes wird nach den Schol. ra.sch und ehrerbietig gesprochen, dieses sorglos und gleichgUiig.

Plath: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 945

väterliche Lebensweise nicht aufgibt, kann er für einen gehor- samen Sohn geilen.'' Die Trauer um die Aellern sollte ur- sprünglich nach Confucius Lün-iü II. 17, §. 20 (22), Li-ki c. 38, San-nien-wen fol. 17 v. und Fang-ki c. 30 lol. 31 drei Jahre währen, weil die Aeltern das Kind so lange getragen haben. Er gedenkt ihrer aber auch noch später nach Li-ki Cap. 24 Tsi-i , namentlich im Herbste und im Frühlincre. Der Ahnen- dienst ist eine wesenlUche Pflicht. Meng-tsen sagt daher: Die Impietät besteht in drei Dingen. Keine Nachkonnnen haben , ist die grösste (Pu-hiao yeu san , wu heu yen ta) und Confucius m Tschung-yung §.19 hihrt ,,den Verstorbenen zu dienen wie man den Lebenden diente, den Weggegangenen dienen, wie man den Anwesenden diente, ist der Gipfel der Pietät'' (Sse-sse iu sse seng, sse wang iu sse tsun , hiao tschi Ischi ye). Der älteste Sohn mit seiner Gattin verrichtet den Ahnendienst. S. über diesen meine Abhandlung: lieber die Religion und i\en Cul- tus der alten Chinesen. München 1863. IL S. 84-122. Nach Li-ki Cap. Tsi-i 19 (24 fol. 39) und Siao-hio §. 31 beobach- tet der Sohn dabei strenge Enthaltsamkeit im Aeussern und Innern. Während diesiT Fasttage vergegenwärtigt er sich die Gewohnheiten und Worte, den Sinn und die Absichten der Aeltern. gedenkt wessen sie sich erfreuten, und was sie gerne hatten , so dass sie ihm nach den drei Fasttagen wie gegen- wärtig erscheinen. Wenn dann der Tag des Opfers gekom- men, sieht er sie wie vor Augen. Wie sollte er ihnen daher die gebührende Verehrung nicht erweisen. Siehe meine Abhandlung über die Religion und den Cultus der allen Chinesen. II. S. 112 %.

Die Trauer um die Aellern (Sang) sollte ursprünglich sehr strenge sein. Meng-tsen I. 5, 4 fassl die Anforderungen so zu- sammen : 3jährige Trauer, eine grobe Kleidung, zur Speise nur Reis in Wasser gekocht, Enthaltsamkeit von Fleisch- und Wein- genuss ist befohlen, ausser in Krankheiten. Doch soll man in •ler Enlhallsamkeil auch nicht su weit gehen, dass man zu sehr abmagerl, besonders wenn man schon all ist; z. B. im 70len

246 Sitzung der philos.-philol. Classe vom 6. Dec. 1862.

Jahre kann man Fleisch essen, (Reis-) Wein trinken, im ge- wühniichen Zinmier schlafen; Traucrkleider in China ist die Trauerfarbe weiss o-eniiwn Der Beamte le^t sein Amt nie- der. Die Trauer ist länger und tiefer, je naher verwandt der Verstorbene war. vgl. auch Lün-iü II. 17, 20.

Die Mutter genoss in China immer eines bedeutenden Ansehens. Beispiele erinnern an spartanische Frauen. Du Halde II. p. 801 und 808. Die Frau ist auch auf ihren Mann nicht ohne Einfluss. So rüttelte seine Frau den Kaiser Yeu-wang (807 V. Chr.) aus seiner Indolenz auf. de Mailla II. p. 39; aber es zeigt sich auch der verdei'bliche Einfluss der Ta-ki unter Kie, dern letzten Kaiser der ersten Dynastie Hia , der Tan-kl unter Scheu-sin, dem letzten Kaiser der zweiten Dynastie Yn, der Pao-sse unter Kaiser Yeu-wang u. s. w.

Der Mutter gehorcht man und liebt sie wie den Vater; aber sie nimmt doch nur den zweiten Platz ein. Bei des Va- ters Lebzeiten dauert die Trauer um die Mutler daher nur ein Jahr. ,,Wie es am Himmel nicht zwei Sonnen gibt, im Reiche (Thian-hia) nicht zwei Kaiser, im Fürslcnthume nicht zwei Für- sten, so gibt es in der Familie nur einen Geehrten oder Herrn (Tsin)'', sagt Confucius im Li-ki Cap. Sang-fu Sse-tschi Cap. 49 fol. 73 und Kia-iü Cap. 26 fol. 8. Die Mutter ist auch nur so geehrt, so lange sie des Vaters Frau ist. Verstoss! er sie, so hört wenigstens die äussere Trauer des Kindes beim Tode der Mutter auf, und es wird von Confucius' Sohne Pe-iü imLi-ki Cap. 3 fol. 13 V. Kia-iü c. 42 fol. 21 v. als etwas Besonderes erzählt, dass er um seine von Confucius verstossene Mutter bei ihrem Tode so lange geweint habe. ,,Als Tseu-lschangs Mutter gestor- ben war, wird im Li-ki cap. 3 erzählt, beweinte er sie nicht. Die Schüler befragten desshalb Tseu-sse (seinen Vater, Confu- cius' Enkel), der erwiderte aber: so lange sie meine (Ki's) Frau war. war sie seine (Pe's) Mutter, als sie aufhörte meine Frau zu sein, war sie auch nicht mehr seine Mutter. Daher betrau- ert die; Familie Kung (des Confucius) die verstossene Mutter nicht; doch begann das erst seit Tseu-sse,"

Ptath: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen. 247

Noch weit schlechter ist aber in China die zweite Frau (Tshie) gestellt; ihre Kinder müssen, wie schon henierkl, die erste Frau als Mutter ehr(;n nnd als Tseu-lieu's Mutter oestoi- hen war und es an dem nölhigen Trauergeräthe Fehlte, wollten dessen Brüder, um das Nölhige ziu" Bestallung ihres Vaters zu beschalTen, nach Li-ki Cap. Tan-kiing 3 lol. 28 v. die zweite Frau ihres Vaters sogar veikaid'en, aber jener meinte doch, ei- nes Menschen Mutter verkaufen, um die Seinige zu beerdigen, gehe doch nicht !

Zur Würdigung der häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen brauchen wir kauuj schliesslich noch etwas hinzuzu- setzen , da sie sich von selbst ergibt. Die Trennung der Ge- schlechter und die untergeordnete Stellung der Frau konnten nur nachlheilig wii'ken , da sie der freien Geselligkiut und der Enlwickluno- eines höheren Lebens nothwendiff hinderlich sein musste. Die Heiligkeit der Ehe, die Erleichterung dersellxfn, die zvveckmiissiffen Einrichtunsjen , nicht zu früh zu heiralhen und nicht in derselben Familie, mussten die Ztniahme der Bevölker- ung fördern und Hessen die vielen und wilden Ehen und un- ehelichen Geburten nicht (mtstehen Die Frau halte als Mutter eine verhältnissmässig würdige Stellung und das System der zweiten Frau (Tshie) förderte nicht run* die Erhallung der Fa- milie, hinderte ein uiwegelmässiges Concubinat und gewährte ihren Kindern eine rechtliche Stellung, die bei uns die ausser- ehelichen nicht haben, obwohl es sonst nicht ohne Inconvenien- zen ist. Wir r(^chnen dahin namentlich die Zwietracht unter den Frauen mid die künstliche, unnatürliclie Stellung der Kinder der zweiten Frau zu ihrer Mutter. Auch die Arbeitsamkeit war segensvoll.

Was das Vcjrhiiltniss zwischen AeltiM'u und Kindern be- trifft, so förderte die tief untergeordnete Slellung des Sohnes unter den Vater offenbar das System der Unterordnung und des uribe<lingten Gehorsams, welches das ganze chinesische Leben beherrscht, aber dii^ gänzliche Unstdbsländigkeit des Sohnes bei Lebzeiten des Vaters wird auch zu dem Mantrel einer selbst-

248 Sitzung der math.-phps. Classe vom ü. Dec. 1862.

släiidigen freien Entwickelung in China wesentlich mit beigetra- gen liabcn.

Die Vorschriften über die Pietät gehen oft in's Kleinliche und fast in's Abgeschmackte.

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»'

Bemerkung. Die chinesischen Originaltexte konnten hierorts, wie der Vf. wünschte, nicht beigegeben werden.

Der Classensecretär Herr iM. J. Müller hielt Vorträge

a) „über die Erzählung von derDoncella Teodor;

b) ,.über den Tod Don Sebastians;"

c) „über die Pest im 14. Jahrhundert."

Diese Vorträge werden späterhin in Druck gelegt werden.

Mathematisch - physikalische Classe.

Sitzung vom 13. Deceinber 1862.

Herr Jolly hielt einen Vortrag über „Bathometer und graphische Thermometer."

Die Messungen der Tiefe der Meere und der Temperatu- ren in diesen Tiefen haben für die Physik des Meeres ein nahe liegendes Interesse. Temperatur-Differenzen sind zumeist die einleitenden Ursachen der Meerosslröme, und Druck und Temperatur sind in der Lebensökonomie der Meeresgeschöpfe zwei der wichtigsten Factoren.

Zu Tiefenmessungen sind zwei Apparate in Gebrauch , das Tiefloth und das Bathometer. das letztere ein Instrument, welches die Tiefe, in die es herabgelassen wird, graphisch angibt. Mit dem

Jotly: Bathometer und graphische Thermometer. 249

Tieflolh, einem schweren Körper an einer dünnen Schnur, sind bis jetzt wohl ausnahnislus alle Messungen betrachtlicherer Tie- fen ausgeführt. Der Apparat empfiehlt sich durch seine Ein- fachheit. Die Schnur ist in Toisen oder in Meter gellieiit, die Theilpunkte sind durch gefiirbte Bündchen, die mit fortlaufen- den Nummern versehen werden , bemerklich gemadit, und für jedes Tausend ist eine andere Farbe gewählt. Hat das Loth den Boden erreicht, so wird die abgelaufene Fadenlilnffe abo-elesen. Eine Verbesserung des Apparates ist dadurch erzielt, dass ein am Loth zur rascheren Senkung aufgehangenes, schweres Ge- wicht durch den Stoss am Meeresboden abgelöst wird, wo- durch das Heraufziehen der Leine mit minderem Kraftaufwand und minderer Gefahr des Zerreissens ausführbar wird. Von zwei Fehlerquellen, mit denen man zu kämpfen hat, liisst sich die Grösse der einen vielleicht genügend genau ermitteln, wäh- rend die der anderen lediglich Vermuthungen überlassen ist. Die durch das Senkblei gespannte Schnur erfährt nämlich durch Benetzung nicht unbedeutende Aenderungen ihrer Länge, und erleidet zugleich selbst bei vollständiger Windslille durch die nie fehlenden Strömungen des Wassers Abwcichunoen von der Vertikalen. Herr Lenz' hat gezeigt, wie die erste dieser Aen- derungen in Rechnung gezogen werden kaiui, für die zweite nahm er an, dass die Neigung, welche die Schnur an der Ober- fläche des Wassers zur Vertikalen zeigt, auch für die ganze Tiefe ungeändert bleibe. Es ist einleuchtend , dass die durch Benetznng der Schmu* eintretende Aenderung der Länge un- ter Anw(Midung der Vorsicht und Umsicht, mit welcher Hr. Lenz in seinen Messungen zu Werke ging, für die Zwecke, die hier erreicht weiden sollen, genügend genau bestinunl werden kann. Die Abweichung der Schimr vom Lolh wird dagegen aus der Abweichung, welche man an der Oberdäche des Was- sers walunimmt, nicht b(^urtlieilt werden können. Die Ström-

(1) Pon;gi-iidürfT» Annalen B. 'JO p. 73. lisiea. u.) 17

250 Sitzung der tnath.-phys. Classe ro/n 13. Dec. 1862.

ungeii, die in der Tiefe oft wesentlich von denen an der Ober- fläche fibweichen , und die in versclnedencn Tiefen in Stärke und Riclitunor wechsehid sein können, werden zum Erfolo- ha- ben , dass die abgehaspeile Schnur keine gleich bleibende Ab- weichung vom Lolh besitzt, und dass dieselbe überhaupt nicht mehr einlach eine gerade Linie bildet. Die Unsicherheiten , die hiedurch in die Messungen mit der Leine eintreten, werden um so beträchtlicher, je grösser die zu ermessende Tiefe ist , und lassen bei bedeutenden Tiefen nur angeben, welch' eine Länge der Leine abgelaufen ist, nicht aber welcheTiefe erreicht wurde. Dem entsprechend, führen auch die Naturforscher der Novara- Expedition', die wohl die grössten Tiefenmessungen ausführten, nur an, dass bei einer Messung im atlantischen Meer, 27** 2' nördl. Breite und 24" 7' westl. Länge nach einer Abhaspelung einer Schnurlänge von 24^000' engl., und bei einer zweiten Messung auf der Fahrt vom Cap nach der Insel Amsterdam, in 40" 44' südl. Breite und 60® 8' östl. Länge, selbst nach einer Abhas- pelung von 37,000' engl, das Senkblei noch nicht den Meeres- grund erreicht halte. Die Tiefen, die in beiden Fällen erreicht waren, bleiben geradezu unbekannt.

In der Construction graphischer Instrumente sind zwei ver- schiedene Principien in Anwendung gebracht. Die eine Classe der Bathomcter gibt die Weglänge an . die das Instrument im Niedersinken im Wasser zurücklogt, die andere bezeichnet den Druck der über dem Instrument stehenden Wassersäule. Beide Vorschläge sind schon vor langer Zeit gemacht, der eine von Robert Hooke\ der andere von Haies*.

Der Apparat von Hooke besieht in einem oben und unten offenen Kästchen, in welchem eine verlical stehende, drehbare

(2) Roi.se der öslt'rrc'iclii.schpii Fri'gatte Novara in den Jahren 1857, 1858, 1859, be.stlirieben von Dr. Siiierzer. B. 1.

(3) Robert Hooke's Bathometer ist im .lahre 1726 bt'kannt gemacht, and ist beschrieben im 1. B. der Philos Transaction.s Nr. 7 p. 147.

(4) Stalical Essays, containing vegetable Stat. Steph. Haies. Lond. 1734.

Jolly: Bathometer und graphische Thermometer. 251

Achse sich befiiulfit. An der Achse sind Blechschaufehi in der Stclliiiio; von Windniühldüffchi befestigt. Eine Senkung des Ap- [liu-ales im W;isser hat hieriiacli eine Drehung der Achse zum Erlolg, und diese wird durch eine Schraube ohne Ende, mit welcher die Achse versehen ist, auf ein Zähierwerk transmit- tirt. Hooke hat eine Anordnung hinzugefügt, nach welcher mit dem Stoss auf der» Meerescrrund eine Auslösung des Zahler- Werkes eintritt, wodurch die rotirenden Bewegungen, welche durch das Heraufziehen des Apparates eingeleitet werden, aus- ser Wirkuno; auf das Zählerwerk bleiben. Der Gebrauch des Apparates setzt eine Art Eichung voraus Man lässt niimlich das Instrument in eine abgemessene Tiefe herab , und erfahrt hieinit die Anzahl der Drehungen, welche einer bekannten Weg- lange entsprecljen. Hooke behauptet durch Versuche sich über- zeugt zu haben, dass die Anzahl der Drehungen der bewegli- chen Achse nur von der Liinge des durchlaufenen Weges und nicht von der Geschwindigkeit des sinkenden Apparates abhiinge und dass ebenso die Dichtigkeit des Wassers ausser Einfluss sei. Begreiflich ist diess nur dahin zu verstehen , dass inner- halb der engen Grenzen abgeänderter Geschwindigkeiten und Dichtigkeiten, innerhalb welcher Hooke experimentirte, ein merk- licher Unterschied sich nicht zu erkennen gab. Die Principien der Mechanik lassen klar genug erkennen, dass und welch ein Unterschied in der Arbeit eines Wasserstromes eintritt, je nach der Geschwindigkeit, mit welcher derselbe durch einen Apparat wie der von Hooke geleitet wird, und je nach der Dichtigkeit des Wassers, ob in Salzwasser oder in süssem Wasser, ob in Wasser von höherer oder von tieferer Temperatur. Wie gross der Unterschied in der Geschwindigkeit des Niedersinkens mit den erreichten Tiefen wird, geht wieder aus den j)uljlicirten Beobachtungen der Begleiter der Novara-Expedition hervor, ein Unterschicnl, der für den Anfang eine 20mal grössere Geschwin- digkeit als für den Schluss der Operation ergab. Man müsste also unter Anwenduno- des Hooke'schen Tiefenmessers zuwleich auch Zeitmessungen machen. Da aber die Geschwindigkeit in

17»

252 Siizting der t/iath.-ph;/*. Vlasse vom 13. Dec. 1869.

der Abhaspelung sich fort und fort ändert, ohne dass ein ein- faches Gesetz für diese Aenderung sich aufstellen lässt , so bleiben die anzubringenden Correcturen höchst unsicher. Doch abgesehen von Fehlerquellen dieser Art ist auch zu besorgen, dass in der Technik des Apparates leicht Störungen eintreten, die seine Angaben illusorisch erscheinen lassen. Geringe Un- reinigkeiten des Wassers, kleine Fäserchen u. dgl. können die Beweglichkeit der Achse und die Transnnission der Beweaunff wesentlich abiindern. Vielleicht sind alle diese Umstünde der Grund , aus welchem der Bathometer von Hooke mit all den Abänderungen und Verbesserungen, die im Verlauf der Zeit in Vorschlag kamen, zu Messungen bedeutender Tiefen nicht in Anwendung kam.

Nach dem Vorschlag von Haies soll der Druck des Was- sers zur Compression einer abgegrenzten Lullmenge benutzt, und aus der Volumen-Vernn'ndcrung der Luft soll auf den Druck, und hiermit auf die Höhe der pressenden Wassersäule geschlos- sen werden. Eine eiserne, unten offene Röhre taucht mit dem unteren Ende in eine gefärbte klebrige , in Wasser nicht lös- bare Flüssigkeit. In der eisernen Röhre ist ein mit einer Thei- lung versehenes Elfenbein- Stäbchen eingeschraubt. Durch den mit der Tiefe zunehmenden Druck des Wassers wird die Luft comprinn'rt und die gefärbte Flüssigkeit tritt nach Massgabe die- ses Druckes in die Röhre ein. Wird das Instrument heraufge- zogen, so dehnt sich die Luft wieder aus , aber am Elfenbein- Stäbchen lässt sich durch die hängen gebliebene klebrige Flüs- sigkeit die Höhe beurlheilen. bis zu welcher die Flüssigkeil ein- getreten war. also auch die Volumen- Verminderung der Luft erkennen, die der Druck in der Tiefe erzeugte. Der Quotient aus dem verminderten Luft- Volumen und dem ursprünglichen Volumen gibt, nach Atmosphärendruck bezeichnet, die Grösse des Druckes in der erreichten Tiefe an. Man sieht, das Prin- cip ist richtig, und wird in der Anwendung zu brauchbaren Resultaten führen, wenn einerseits nur Pressungen in Frage kommen, innerhalb welcher das Mariotle'sche Gesetz Gültigkeit

Jolhj: Bathomfter und yraphische Thermometef. 253

besitzt, und wenn andererseits der Einfluss der Tempcratur- DilTerenz oben und unten, und wenn endlich dieDiclitiokeit des Wassers in Reclinunij g-ezogen werden. Die Technik des Ap- parates von Haies hisst aber Vieles zu wünschen übrig-, sie er- laubt namentlich nicht die eingetretene VoluincMi- Verminderung genügend genau zu messen. Haies selbst hat sich darauf be- schränkt, den Vorschlag zu machen, Messungen hat er nicht ausgeführt. Es scheint , dass erst Oersted ^ den gleichen Ge- danken wieder aufnahm und zugleich auf eine Anordnung des Apparates verfiel, die eine genaue Messung der eingetretenen Volumen- Verminderung zulässt. Oersted schlug vor, eine, an denn einen Ende geschlossene, an dem anderen Ende in eine Spitze ausgezogene Glasröhre anzuwenden, die Spitze war um- gebogen und mündete in einem Ouecksilbergefäss. Das Ganze wird in eine passende Kapsel zum Schutze gegen Zertrüm- merung eingeschlossen und in die Tiefe herabgelassen. Der Wasserdruck treibt das O'iecksilber in die Röhre, und vermin- dert das Volumen der Luft nach Massgabe des Druckes. Zieht man das Instrument in die Höhe, so tritt aus der Spitze die comprimirle Luft aus, und das Volumen der comprimirten Luft Icissl sich aus dem Stand des Ouecksilbers in der Röhre ablei- ten. Es ist mir nicht bekannt , ob Messungen mit diesem Ba- thomeler ausgeführt sind. Gewiss ist aber, dass ohne gleich- zeitige Temperalurbestimmungen eine genügende Genauigkeit sich nicht erreichen lässt

Von den angegebenen Instrumenten war mir keines be- kannt, als ich zum Zwecke einiger Tiefen-Messungen der Seen des bayerischen Gebirges auf die Herstellung eines graphischen Apparates Bedacht nahm. Ich verfiel ebenfalls auf die Idee von Haies, imd benützte bei zahlreichen 3Iessungen, die ich am Königsseo bei Berchtesgaden, am Obersee. und am Walchensee ausführte, folgende sehr einfache Anordnung:

(5) L'Institut. 1834. Nr. 55.

254 Sitxung der matU.-phjjs. Classe vom 13 Dec. 1863.

In eine, am oberen Ende zugeschniol- zene, am unteren Ende mit einem Hals versehene Glasröhre, von der Gestalt A b tli'i* heistehenden Figur, passt eine an beiden Enden offene engere Glasröhre b, welche in den Hals c der weiteren Röhre luftdicht eingeschlifFen ist. Das Volumen des Apparates wurde durch Wägung de- sfillirten Wassers, welches der Apparat fasst, bestimmt, und die Kalibrirung des oberen Theiles mm wurde mit Quecksil- ber in der Art ausgeführt, dass die Röhre b am oberen Ende geschlossen, der Ap- parat umgekehrt, Onecksilber successiv eingegossen, und die bekannten Vorsichts- maassregeln in Betreff des Meniscus be- achtet wurden. An einem der Instru- mente war beispielsweise das Volumen 122,2 Cub. Cent, und die auf mm auf- getragene Theilung erlaubte noch •/,„ Cub.-Cent. direct abzulesen. Die Länge der weiteren Glasröhre war 45 Cent. M., ihr Durchmesser amTheil mm war 1,2 C. M. und der Durchmesser der engeren Röhre b war 0.4 C. M.

Das Instrument wird, eingeschlossen in eine Blechkapsel, an einer Schnur in die zu messende Tiefe herabgelassen. Der Boden der Kapsel ist mit einer Bleiplatte beschwert, und unten und oben sind, wie die Zeichnung dies andeutet , eine Anzahl kreisrunder Oeffnungen zum freien Durchgang des Wassers an- gebracht. Durch die Röhre b tritt entsprechend dem mit der Tiefe wachsenden Druck Wasser ein, bis die Luft in A auf das dem Druck entsprechend kleinere Volumen zusammengedrängt ist. Zieht man die Röhre in die Höhe, so entweicht die com- primirte Luft durch die Röhre b, das eingetretene Wasser kann aber nicht abfliessen. Die Höhe des Wassers im Gefäss A lässt also sofort erkennen , auf welch ein Volumen die Luft in der

JolUi rtathometer vnd tirajihische Thermometer. 255

Tiefe zusammeiigcpresst war und die an der Röhre angebrachte Thcilung gibt uiiniilteibar die Grösse dieses Volumens in Cu- bik-Centiniclcr an. Ein graphisches Thcrinoineler, auf dessen Beschreibung ich noch zurückkonnnon werde, war in der glei- chen Kapsel angebracht. Die Temperatur in der Tiefe wird also immer mit der Tiefenmessung zugleich gewonnen.

Gesetzt es wäre V das anfängliche Volumen der Luft in den Röhren A und b. v das Volumen der zusammengepressten Luft, und t die Temperatur-Differenz der Luft am Wasserspie- gel und des Wassers in der erreichten Tiefe.

Das Volumen v geht durch eine Temperatur-Erhöhung von l" in das Volumen v ( 1 -}- a t ) über, wo a den Ausdehn- ungs-Coeflicienten der Luft bezeichnet. Wäre die Temperatur in der Tiefe ungeändert, und die gleiche wie an der Oberfläche geblieben, so hätte man für das Volumen der coniprimirten Luft nicht V , sondern v ( 1 -j- a t ) gefunden. Der Quotient

V

/i I « »\ ff'l>t an, um das wie vielfache der Druck in der V (1 -j- a l) '=

Tiefe den Druck an der Oberfläche übertrifft. Ist b der Baro- meterstand an der Oberfläche des Wassers, und s das specifi-

Vbs sehe Gewicht des Ouecksilbers, so ist ^?T~"Z;~^r\ f'en Druck

in der Tiefe ausgcnlrückt durch die Höhe einer Wassersäule. Da aber auf der Oberfläche des Wassers schon der Druck der At- mosphäre . oder eine Wassersäule von der Höhe b s lastet , so ist die errerchte Tiefe

T ^ { ex T n - 0 ^^'

vv ( l -|- « l) J

Wird nicht in reinem salzfreiem Wasser, und nicht in Wasser von der Temperatur Null gemessen, sondern in Wasser, dessen specifisches Gmvlcht s, ist, wenn das des deslillirten Wassers von 0" zur Einheit angenonnnen wird, so ist die erreichte Tiefe ausgedrückt durch die Gleichung

Vv (1 + a t) J Si

256 Sitzung der math -phys. Classe vom 13. Vee. i862.

Das Wasser der Landseen hat einen so geringen Salzge- hall, dass das specifische Gewicht meist erst in der dritten De- cimale um eine Einheit von dem des deslillirten Wassers ab- weicht. Zugleich nimmt die Temperatur von der Oberflache nach der Tiefe rasch ab, und nähert sich mehr und mehr der Temperatur des Jlaximums der Dichtigkeit des Wassers. Ein Gesetz, nach welchem die Temperatur sich mit der Tiefe än- dert, lässt sich nicht aufstellen, also kann auch der Einflnss der Dichtigkeits - Aenderungen nicht in exacter Rechnung verfolgt werden. Aber es ist einzusehen, dass der Fehler, den man begeht, wenn man voraussetzt, s, sei durch die ganze Aus- dehnung der Wassersäule gleich der Einheit, ein sehr geringer ist, und bei den Temperatur-Verhältnissen, die bei den Land- seen in Frage stehen, erst in der 5len Decimale sich von Ein- fluss zeigen kann.

Das Meerwasser hat eine beträchtlich grössere Dichtigkeit. Sie ist nach den Messungen des Hrn Lenz' im Mittel 1,026, und wechselt selbstverständlich je nach den Temperaturen und dem Salzgehalt. Die Schwankungen sind aber so gering, dass sie in den extremsten Fällen nur -\- 0,001 betragen.

Von grösserem Einfluss ist der Dampfgehalt der Atmo- sphäre. Die Röhre ist im Anfang des Versuches nicht mit tro- ckener Luft, sondern mit Luft gefüllt , die nahezu mit Dämpfen gesättigt ist. Hat man die Röhre im Innern befeuchtet, wie diess nach einem ersten Versuche ohnedies eintritt, so ist die Annahme einer mit Dampf gesättigten Atmosphäre um so exac- ler erfüllt. Die Tabellen über die Spannkraft der Dämpfe be- kannter Temperatur lassen leicht beurlheilen , welches das Vo- lumen der trockenen Luft im .\nfang und welches es am Schluss des Versuches war. Denn gesetzt, es sei V das anfängliche Volumen der, mit Dämpfen gesättigten im Apparat enthaltenen, Lult, b sei der Barometerstand und h die Spannkraft der Dämpfe,

(5) Poggendorff's Ann. E. 20 p. 100.

Jolh/: Bathometer und f/raphische Thermometer. 257

SO ist (las Volumen der trockenen Luft, welche einem Druck b

entspricht V --— . Bezeichnet v das Volumen der comprimir- ' ' b

ten Luft, H den Druck dieser Lult, ansgednickt durch die Hohe einer Ouecksilbersäule , und h, den Druck der Dämpfe, so ist

V -~-i das Volumen der trockenen Luft unter dem Druck H.

H Der Quotient der Volumina trockener Luft am Anfanif und am

, V b-h H , ,

Schluss des Versuches ist demnach - -.- , , und unter

V b H h,

BerücksichtiguniT der Tempernlur-Diflcrenz ist er

V b-h^ H

Y (1 + « tl ~^b~ ' H-h,*

LI

Der Bruch f^,-,- nähert sich um so mehr der Einheit, H- h,

je grösser H im Verhaltniss zu h, ist. Bei Tiefen von nur we- nigen hundert Füssen ist H ein Vielfaches von 760 m. m., bei 300' beiliiufur schon das lOlache. bei 000' schon das 20lache, wiihrend h,, entsprechend der liefen Temperatur, die in solchen Tiefen herrschend ist, kaum 0 bis 7 m m. beträgt. Man begeht

u

also einen sehr gering(Mi Fehler, wenn man rr-y- g'(''^'> ^«r

Einheit selzt, und die fileichung. welche die erreichte Tiefe an- gibt, hat folgende einlache Form

Vv dHr« t) b J s,

Bei Süsswasser-Seen darf aber überdiess s, = 1 gesetzt werden. Man erkennt, dass, unter sonst gleichen Verhältnis- nissen, die Genauigkeit, die erreicht werden kann, wesentlich

Y vom Ouotienten abhängt. Sind die Dimensionen der Röhre

V

In der Art gewählt, dass Zehntel eines Cub.-Centimeters direcl abgelesen und Hundertel nach geschätzt werden können , und beträgt die Unsicherheit in dieser Schätzung 0,01 C. -C, so er- gibt sich die Bestimmung der Fehlergrenzen für den Quo-

258 Sitzung der math.-phys. Classe vom iS. Dec. 1862.

V V V V

tienten aus dem Ausdruck - j ^^-^r^zz: -L, - 0,01,

V V -)- O.Ol V ' V*

in welchem die Glieder mit liöhertMi Potenzen von 0,01 weg- gelassen sind. Soll etwa der Tiefenmesser dazu dienen, Tiefen bis zu 1024' mit einer Genauigkeit zu bestimmen, für welche

V

die Fehlergrenze des Quotienten den Werth von 0,1 nicht

V

überschreitet, d. h. soll der Druck bis auf Vio Atm. genau an- gegeben worden , also der Fehler bei 1000' Tiefe nicht mehr als -}- 3' betragen, so hat man zur Bestimmung der Grösse von

V

V die Gleichung ^ 0,01 == 0,1. Eine zweite Gleichung

zwischen V und v ergibt sich dadurch, dass in einer Tiefe von

V

1024' der Druck gleichkommt 33 Atm. lilan hat also = 33.

Durch Elimination von v findet man V = 108,9 Cub. Cent.

V

Halt man eine Fehlergrenze von 0,2 für den Quotienten für

zulässig, also bei einer Tiefe von 1024 einen Fehler von -\- 6', so reicht ein Gefäss aus vom Inhalt V =: 54,45 C. C. Und wird bei einem lOmal grösseren Druck, also bei einer Tiefe von etwas über 10000' eine Fehlergrenze in der Bestinuming

, V

des Quotienten von -j- 1 für zulässig gehalten, so erhäU

man V = 1089 C. C. oder etwas über ein Liter.

In dieser Betrachtung ist vorausgesetzt, dass das Mariotte'- sche Gesetz für alle Druckgrössen, die hier in Frage konunen, exact gültig sei. Die Messungen von Regnault " zeigen aber, dass dieses Gesetz selbst für die sogenannten permanenten Gase, nicht ein Naturgesetz, sondern nur ein in ziemlich engen Grenzen gültiges empirisches Gesetz ist , sie zeigen aber zu- gleich, dass für Dru(;kgrössen bis zu 30 Atm., die .\bweichun-

(6) M^moires de rinstituf. XXI. Paris 1847.

Jolly: Bdthniueter und graphische Thermometer. 259

gen gering sind. Für Druckgrössen, für welche (\U) Grösse der Abweichung von dem, als.exact gültig aiigenoinniencn, Gesetz bekannt ist, lässt die erforderliche Correctur sich sofort aus- führen. Ist etwa zu einer VoUimen-Verniinderung atmosphäri- scher Luft auf V30 des ursprünglichen Volumens nicht ein 30- facher, sondern nur ein 29,.")9 facher Druck erforderlich, so ist

V

eben der Ouofient , der die Druckgrüsse in der Tiefe aus-

r *

drückt, entsprechend zu corrigiren. Unterlässt man die Correc- tur, so begeht man in der Bcuirtheilung der Druckgrüsse einen Fehler, der in dem angeführten Falle 0.1 1 Atm. betragen kann, also dem Druck einer Wassersäule von 4 Meter gleich kiime.

Für Pressuno-en von mehr als 30 Alm. ist noch nicht un- tersucht, wie weit die nach dem Gesetz von Mariotlc berech- neten Volumen-Verminderungen von den Nvirklich eintretenden abweichen. Es ist wahrscheinlich , dass mit der Grösse der Verdichtung die Abweichung zuninnnt. Von der Aufstellung eines Gesetzes kann aber nach dem, was bis jetzt experimen- tell vorliegt, nicht die Rede sein. Also tritt unvermeidlich beim Gebrauch d(!S Bathometer's zur Frmittcflung sehr bctiiit hlliclier Tiefen eine Unsicherheit ein. In einer Tiefe von 24,000' be- trägt der Druck schon mehr als 77!) Atm. Wollte man an- nehmen, dass die Dichtigkeit der Lult auch nur direcl wie der Druck zunimmt, so würde in diescjr Tiefe die comprimirte Luft schon die DichtigkiMt des Wassers besitzen, in noch grösserer Tiefe würde die Dichtigkeit der Luft die des Wassers über- schreiten, die dichtere Luft würde also im Wasser niedersinken und würde nach der Construction des Apparates th(?ilweise durch die mittlere Röhre entweichen. Für Tiefen so beträcht- licher Grössen bleiben also immer die Angaben des Instrumen- tes illusorisch, selbst dann wenn man daran denken wollte, den Apparat mit einem specifisch leichteren Gas, etwa mit WasserstofT- gas, zu fidlen. Bis jetzt ist es aber überhaupt noch nicht ge- lungen, Körper aus einer Tiefe von 24,000' wieder in die Höhe

260 Satzung der math.-phys. Ctasse vom 13. Dec. 1862.

ZU bringen. Beim Aufhaspeln sind noch immer die Schnüre abgerissen.

Beschrünkt man die Anwendung des Instrumentes auf Druckgrössen, also auch auf Tiefen, für welche die Abweich- ung vom Mariotle'schen Gesetz als zu geringfügig vernachlässigt, oder in anderen Fällen, als der Grösse nach bekannt, in Rech- nung gezogen werden kann, so bleibt doch immer noch ein Bedenken übrig. Die über dem Wasser stehende comprimirte Luft wird von dem Wasser absorbirt und zwar, nach dem von Henry aufgefundenen und von anderen Forschern bestätigten Gesetze, in der Art , dass bei gleicher Temperatur immer das gleiche Volumen aufgenommen wird, al.'-o von comprimirterLuft dem Volumen nach ebenso viel, wie von nicht comprimirler Luft. Die zur Vollendung der Absorption erforderliche Zeit ist aber wenn nicht Gas und Wasser anhaltend und heftig gesciiüttelt werden sehr beträchtlich. Bei ruhigem Stehen wird die Luft, auch in stark comprinu'rtem Zustand, nur äus- serst langsam vom Wasscu* aufgenommen. Um einen Anhalts- punkt zu gewinnen, wurden in einem Mariotte'schen Apparat 10 C. C. W^asser mit Luft von 4 Atm. Druck in Berührung gebracht, und an einem Ort constanter Temperatur aufgestellt. Nach 24 Stunden betrug die Absorption noch kaum ,^^ C.-C. und, da der Inhalt de^r comprimirten Lull 4 C. C, war, noch kaum Vino dieser Gasmenge. Für die Dauer eines Versuches mit dem Bathometer wird man also die geringe Absorption, welche die Luft in dieser Zeit erfährt , vernachlässigen dürfen. Man umgeht aber diese Unsicherheit vollständig, wenn man das Instrument mit Quecksilber absperrt. In der Thal hatte ich auch mit einer Anordnung dieser Art bei den Tiefenmessungen, die ich ausführte, begonnen. Nachdem ich mich aber überzeugt halle, dass bei Absperrung mit Wasser die gleichen Resultate wie bei Absperrung mit Ouecksilber erreicht werden, war es von selbst angezeigt, das schwerer transportable Quecksilber zur Seile zu lassen.

Jolly: Bathometer und graphische Thermovieter. 261

Der Gebraiicli des beschriebenen Balliometors setzt die Kenntniss der Temperatur -Differenz der Tiefe, in die (Ins In- strument lierabtrelassen war, voraus. Haies hat wohl am Irii- lieslen «iaraul' Bedacht genonmien . die Temperatur in verschie- denen Tiefen zu messen. Ein Eimer mit Deckel , der im Bo- den und im Deckel aufwärts scldagende Ventile besitzt, wird in die Tiefe herabgelassen. Mit der abwärts gehenden Bewegung öffnen sich die Ventile , und das Wasser durchströmt den Ei- mer. Zieht man den Eimer in die Höhe, so schliessen sich die Ventile, und man erhält Wasser aus dei' Tiefe, in welcher der Eimer sich befand. Die Temperatur dieses Wassers wird um so beträchtlicher von der der Tiefe abweichen, je mehr Zeit erfor- derlich war, um den Eimer in die Höhe zu ziehen. Die Unsi- cherheit wird also mit der Tiefe zunehmen. Peron' (einer der wenigen Naturforscher auf Baudins Entdeckungsreise nach Neu- holland. w(!lcher die Beschwerden der Reise glücklich überstan- den hat) suchte die Unsicherheiten, welche unter Anwendung von Haies' Eimer eintreten, dadurch zu umgehen, dass er ein, in schlechte Wärmeleiter eingehülltes, Thermometer unmittelbar in die Tiefe lierabliess. Das Gesetz der Abkühlung oder der Ei'wärmung eines so ausgerüsteten Thermometers hat er nicht ermittelt. Man kann daher aus Peron's Beobachtungen nur er- kennen, da.ss überhaupt in der Tiefe eine tiefere Temperatur angetroffen wird, nicht aber was der wahre Betrag der Tempe- ratur-Erniedrigung war.

Hr. Lenz hat nach einer Angabe von Parrol den Eimer von Haies dahin verbessert, dass einerseits die Bewegung <Ier Ven- tile nnt grösserer Sicherheit eintritt, und dass andererseits durch wechselnde Schichten schlechter Wärmeleiter, aus welchen die Hüllen des Eimers be.'^tanden , nur äusserst langsam Tempera- tur-Aen<lerungen sich geltend machen können. An der Achse

(8) (lilbtrl» Aiiiiali-n. ß. 19. p. 4?2,

262 Sitzung der math.-pht/s. Classe vom 13. Dec. i862.

des Eimers war ein Thermometer von starkem Glas befestiget, stark genug-, um den Druck des Wassers selbst in bedeutenden Tiefen noch ertragen zu können. Die Brauchbarkeit des Ap- parats ist durch Hrn. Lenz dadurch erhöht und gesichert worden, dass er zuerst das Gesetz aulsuchte, nach weichem die Tem- peratur-Aenderungen eintreten, wenn das Instrument in einem Wasserstrom bekannter Temperatur und bekannter Geschwin- digkeit aufgeliangen wird. Vielleicht sind die einzigen verlas- sigen Bestimmungen über die Temperaturen in der Tiefe des Meeres jene, welche man Hrn. Lenz zu verdanken hat.

Graphische Thermometer würden wohl am dienlichsten sein, wenn anders ihre Construction dahin gebracht werden kann, dass die Angaben verlassig sind, und dass der Gebrauch keine weitläufige und schwierig auszuführende Vorbereitungen erfor- dert. Man hat daran gedacht , ein von James Six' angegebe- nes Instrument in Anwendung zu ziehen. Doch hat schon Hr. Lenz darauf aufmerksam gemacht , wie unsicher die Angaben dieses Instrumentes durch Erschütterung und Bewegung werden können. In der That war auch von Six selbst das Instrument nur bestimmt, um local bei fester Aufstellung Temperatur-Ex- treme anzuzeigen. Die Einrichtung des Minimum-Thermome- ters, die man M. Walferdin verdankt, ist dagegen in allen Fäl- len anwendbar, und gibt selbst bei heftiger Bewegung und Er- schütterung noch verlässige Resultate. Wird das Instrument genügend stark in Glas ausgeführt, so dass es selbst durch ei- nen Druck von 100 und mehr Alm. noch nicht zerdrückt wird, so wird man durch dasselbe die Temperaturen beträchtlicher Tiefen namentlich dann ermitteln können , wenn zugleich die Volumen-Verminderungen, die das Instrument durch die bedeu- tenden Pressungen erfährt, in Rechnung gezogen werden. Die Vor- bereitungen für den Gebrauch des Instrumentes sind nicht sehr

(U) Tlie construction and use ola llu'rnioniol<'r for sln'wing tlie ex- tremes of teinperature in tlie alniüspiiere liiiring llie observer's abscnce. Lond. 1794.

Jolly: Bathometer und yraphische Thermometer. 263

stluvierig, aber sie setzen voraus, tiass man über ein Bad lie- ferer Temperatur und wo uiöglich über ein Bad von Tempera- tur Null und nodi tieferen Temperaturen verfügen könne. Auf Reisen und Excursionen sind dies oft geradezu unübersteiüh'clie Hindernisse. Ich war daber darauf bedacbt , dem iAIiiilmum- Thermomeler, welcbes icb bei Tiefenmessungen einiger Land- seen gebrauchen wollte, eine Einrichtung zu geben, durch welche die Anwendung des Instrumentes an keine anderen Vorbedingungen geknüpft ist, als an solche, die allerwärts leicht erfüllt werden können, und die bei sehr einfacher Technik auch unter Anwendung sehr dünner, also für die Wiirme leicjit (lurchdringbarer, Glashüllen in keiner Tiefe ein Zerdrücken des Instrumentes besorgen lässt.

Das Instrument besieht aus einem Gefass a und aus einer ^3. an beiden Enden olfenen, mit einer willküi liehen Theilung V versehenen Glasröhre b. Die Röhre ist oben kugelförmig erweitert und unten in eine feine Spitze ausgezogen, kann also wie ein Stt^hheber g(d)raucht werden. Das Gelass a hat einen Hals , in welchem das untere Ende der Röhre b gut eingeschliffen ist. Das Gefass wird mit einer Flüssigkeit gefüllt, welche innerhalb der Tem- peraturen, die in Frage konnnen , einen gleichbleiben- den Ausdehnungs-Coelficienten besitzt. Ich habe hierzu in der Regel concentrirte Kochsalzlösung angewendet. Die Röhre b wird niit Ouecksilber gerülll, mit dem Finger oben geschlossen , und mit dem eingeschlilTenen Ende in den Hals des Gelasses a gesteckt. War im Anlang durch die Wärme der Hand die Temperatur der Flüssigkeit in a nur um Weniges über die Temperatur des Wassers erhöhet, so er- folgt rasch die Temperatur- Abnahme , sobald der Ihermomelri- sche Apparat in ein Wasserbad von der Temperatur der um- gebenden Alniosphiire gebracht wird. Das Onecksilber fliessl in feinen Trö[)fch('n . entsprechend der Zusannnenziehung der sich abkühlenden Salzlösung, in das Gefass. Im Anfang des Versuches, gleich nach der Zusammenselzung der beiden Stücke

564 SiUuny der math.-pht/s. Ctasse vom 13. Dec. 1868.

des Thermometers, wird das überschüssige Quecksilber aus der Kugel ausgegossen. Mit der Abkühlung von a tritt also sofort ein Sinken der Quecksilbersäule ein. Man notirt den Tlieilslrich an welchem das Quecksilber stehen bleibt, und notirt zugleich die Temperatur des Bades. In einem zweiten Versuche wird das Instrument in ein Bad noch tieferer Temperatur gebracht. Man erfährt hiedurch , um wie viel Theilst^iche die Quecksil- ber-Säule bei einer bekannten Temperatur-Differenz sinkt. Ist dies« Eichung des Instrumentes im Laboratorium einmal ausge- führt, so ist der Gebrauch höchst einfach. Man setzt das In- strument zusammen, wie es eben beschrieben wurde, und bringt es in ein VVasserbad, dessen Temperatur nur der einen Be- dingung unterworfen ist, hoher zu sein als die, welche man graphisch mit dem Instrumente ermitteln will. Durch die Wärme der Hand treibt man den Quecksilberfaden in «lieHöhe, so weit bis er den in eine Spitze ausgezogenen und hiedurch verjüng- ten Theil der Rühre verlassen hat. Die aufgetragene Theilung bezeichnet die Länge des Fadens. In einer tieferen Tempera- tur sinkt ein weiterer Theil des Quecksilbers in das Gefäss, es bleibt nur ein kürzerer Quecksilberfaden zurück. Der Unter- schied der beiden beobachteten Fadenlängen, dividirt durch die Anzahl der Theilstriche , die einem Grad entsprechen, gibt in Graden die stattgehabte Temperatur-Differenz.

Wird der Apparat beliebig tief in Wasser eingetaucht, so ist doch ein Zerdrücken des Instrumentes nicht zu besorgen, weil der Druck aussen und innen immer der gleiche bleibt. Dagegen tritt durch den Druck eine Volumen-Verminderung der Salzlösung ein , und Quecksilber fliesst in Folge des Druckes selbst ohne Temperatur-Erniedrigung, in das Gefäss ab. Also erfordert der Gebrauch des Instrumentes zu Temperatur-Be- stimmungen in der Tiefe der Seen eine zweite, im Laborato- rium auszuführende Vorbereitung, welche die Ermittlung der Volumen-Verminderung unter gegebenem Druck zum Zwecke hat. Ich setzte die graphischen Thermometer in ein Piezome- ter ein, und notirte um wio viel Theilstriche die Quecksilber-

Jottii: Bitthometer und ijrnphische Thermometer 265

siiule unter verscIiitHlcneii Driickgrössoii sinkt. IJer Coiiipres- sioiisapparal war ircniigond oeräuiuig, ui» ',) Iiistruineiito zugleich iiurzuiieliincii, wcKlurcli eine Coulrole für die Messungen ge- wonnen werden konnte. Für die Anwendung der graphischen Thernionieter ist eine Kenntniss des Werlhes des Compressibili- läts-Coellicienten nicht geradezu erlorderlich; es genügt für ein ireoebenes Instrument zu wissen , um wie viel Theilstriche das Quecksilber unter dem Druck einer Atmosphäre sinkt. Da aber die Kubicirung der Apparate mit wenig Mühe verbunden ist, so schien es um so gerathcner , auch diese Arbeit aufzuneh- men, weil dann die Messungen gleich dazu dienen konnten, die Compressibililiils-Coc-lficienten der benülztcn Salzlösung zu bc- stinnnen, und also aus den DilFcrenzen^ die die Instrumente von verschiedenem Kaliber ergeben, zu erkennen, in wie weit die Technik der benutzten Instrumente sich bewidu't.

Das Gelass des Thermometers Nr. 1 hatte einen Inhalt von 10,0058 C.-C. und das Kaliber der Röhre war der Art, dass der übrige Inhalt für 39,5 Liingentheile sich zu 0,00804 C. C. und an einer andern Stelle für 65,5 zu 0.01331 C. C. ergab. In beiden Füllen erhält man für den Inhalt des Raumes von Theilstrich zu Theilsliich 0.000203 C. C. Ein Druck von 6 Atm. bewirkte ein Sinken des Ouetksilberladens im Betrag von 8,9 Theilstrichen. Die Volumen-Verminderung betrug demnach 0,001806 C. C. Da das anfängliche Volumen 10.0058 C. C. war, so berechnet sich der Compressibilitäts-Coefficient für l

Atm. zu , i,. ,,,,.„ = 0,000030. Und für den Druck je einer b. 10,00o8 ^

Atmosphäre erfolgt eine Volumen-Verminderung von 0,00030 C. C, also ein Sinken der Onecksilbersäule von 1,48 Scalenlheilen. Die Lösung war eine concentrirte Lösung von käullichem Kochsalz. Das Gefäss des Thermometers Nr. 2 halle einen Inhalt von 7,1039 C. C. Der Inhalt des Raumes zwischen zwei Theilstri- chen eruab sich zu 0,000288 C. C. Ein Druck von 6 Atm. bewirkte ein Sinken des Om'i^k''iIherfadens im Betrag von 3.8 Scalentheilen. Die Volumen- Verminderung beträgt denniach HH6i n.| 18

26G Sittuny der math. - pfti/i. Clttsse vom IS. Oec. 1869.

0,001094. Es hercclinel sich Ineiiach der Compressibililäts- Coeflicienl für den Druck einer Almospiiiire zu 0,0000256. [Jnd lür den Druck einer Almosphäre sinkt das Quecksilber um 0,63 Scalenlheile.

Das Geftiss des Tiiermonieters Nr. 3 halte einen Inhalt von 9,4680 C. C. Der Inhalt des Raunies zwischen zwei Theilstri- chen ergab sich zu 0,000304 C. C. Ein Druck von 6 Atni. bewirkte ein Sinken des Quecksilberladens im Betrag von 5,2 Scalentheilen. Die Volumen-Verminderung beträgt demnach 0.001580. Es berechnet sich hienach der Compressibilitäts- Coefficient für den Druck einer Atmosphäre zu 0,000278. Und unter dem Druck einer Atmosphäre sinkt der Ouet^ksilbcrfaden um 0,86 Scalentheile,

Allerdino-s weichen die crelundenen Conjpressibilitats-Coel- ficienten betrachtlich von einander ab. Der Grund hievon ist aber naheliegend. Auf den Scalen der Röhren sind nur ganze Scalentheile aufgetragen, die Zehntel mussten geschätzt werden. Eine Irrung in dieser Schätzung im Belang von '/,o eines Sca- lentheiles ist schon genügend , um Ungleichheiten in den End- Resultaten zu Wege zu bringen, wie die, welche erhalten wur- den. Die Anwendbarkeit des Apparates hängt hiervon durch- aus nicht ab. Denn die Aenderungen, die die Wärme bewirkt, sind weit überwiegend über die Aenderungen, die der Druck erzeugt. An den Instrumenten Nr. 1, N. 2 und Nr. 3 beträgt das Sinken des Quecksilbers bei einer Temperatur-Erniedrigung von nach der Reihe 19 Scalentheile, 9,3 und 12,2. und ein Druck einer Atmosphäre hat ein Sinken von 1,48 von 0,63 und von 0,86 zum Erfolg.

Unter einem Druck von 30 Atm., dem beiläufig eine Tiefe von 1000' entspricht, wird das Ausfliessen des Quecksilbers, welches in Folge des Druckes eintritt, 44,4, 18,9 und 25,8 betragen. Gesetzt, es wäre die Ablesung für den Druck von 6 Atm. sogar um V^^ eines Scalentheiles unsicher, so würde diess für die Zahlen, welche die Volumen- Aendernng unter dem Druck einer Atmosphäre bezeichnen, eine Unsicherheit von

JoHi/. Halhowetci- tiitil tiniphische Thermometer. 207

' oder von 0,05 erzeui^on. [)(!r Fcliler könnte also l)ei oi- 6

uem Druck von 1)0 Alm. 1,5 Thcilstriclio bt'lrag(?n. Dies würde hei dem Insirnment Nr. 1 eine Unsicherheit in der Temperatnr- HestimmunjT von 0,079" C, bei dem Inslrument Nr. 2 eincUn- Sicherheit von 0,12" C, und bei dem Inslrument Nr. 3 eine Unsiclierheit von 0,12** C, also bei keinem dieser Instrumente zwei Zehntel Grad der Celsius'schen Scala erreichen. In einer tOmal grösseren Tiefe, oder unter einem Druck von 300 Atm. würde die Grösse des F'ehlers schon bedenklicher, sie würde in der oleiclien Reihenfolge der Instrumente 0,79° C. , 1,5° C. und 1,2° betraoen. Doch ist hiermit zugleich schon das Mittel angezeigt, welches man zur Verringerung dieser Fehlerquelle anzuwenden hat. 3Ian hat nur darauf zu achten, dass der In- halt des Gelasses im Vergleich zum Kahber der Röhre gross ist. so dass einer Temperatur-Dilferenz von C. eine noch weit beträchtlichere Anzahl der Scalentheile entspricht.

Es bleibt noch das Bedenken übrig, ob eine concentrirte Kochsalzlösung innerhalb der Temperaturen, die hier in Frage kommen , eine gleichförmige Ausdehnung besitzt oder nicht. Begreiflich lässt sich dies nur durch messende Versuche ent- scheiden. Ich hatte zum Zweck einer ganz anderen Untersu- chung schon vor längerer Zeit diese Messungen ausgeführt, und mich überzeugt, dass eine concentrirte Kochsalzlösung in den Temperaturen von C. bis + 10° C. sich beinahe so oleichförmitr wie Quecksilber ausdehnt, und einen Ausdehnungs- Coelficienten besitzt, der etwas mehr als das Doppelte von dem des Oiit'cksilbers beträgt. Man kaiui indess gleich die graphi- schen Thermometer selbst benützen, um sich zu überzeugen, dass in diesen lieferen Temperaluren die Znsannnenziehung pro- portional der Temperatur-Abnahme erfolgt. Es reicht hin, die Apparate successiv in verschieden liefe Temperaluren zu ver- setzen, und zuzusehen, ob proportional der Temperatur-Abnahme das Sinken des Ouecksilbers erfolgt. Man kann sogar aus den Angaben der Instrumente selbst rückwärts den Ausdehnungs-

18*

208 Sitzitnif der tiiuth. phys. Ctaii.se vom l3. Vec. IS6S.

Cüeincieiileii der Salzlösung bcrecliiieii , wenn man nur anders vorausgehend den AusdelinunQS-Coefficienten der benülzlen Glas- Sorte bestimmt hat. Dies war anderer Zwecke halber gesche- hen, und es war die cub. Ausdehnung des Glases für 1" C. gleich 0,0000261 gefunden. Die Rechnung ist hienach sehr einfach, bezeichnet v das Volumen des Gefässes bei 0°, und ist /:^derAusdehnungs-Coefficient der Losung, a der des Glases, ist n die Anzahl der Scalentheile für eine Temperatur- Abnahme von 1** C. und endlich /ii das Volumen eines Scalentheiles, so ist

V (/i a) = n. fi.

Für das Instrument Nr. 1 war gefunden v:= 10,0058, n = 19, ,1t = 0,000203. Man erhiüt hiernach für ß.

ß 0.000411. Für das Instrument Nr. 2 war gefunden v= 7.1039, n=:9,3, ^i ■— 0,000288. Man erhält hiernach

ß = 0,000403. Für das Instrument Nr. 3 war gefunden v =: 9,4680, n=:il2,2, jii 0,000304. Man erhält hiernach

ß = 0,000417. Es stinnnen diese Werthe weit exacter unter einander überein, als jene, welche für die Compressibilitäts Coeincienten gefunden wurden, einfach weil die Zahlen, welche zu Grunde hegen, mit weit grösserer E.xaclheit bestimmt werden können, als jene, welche man durch Ablesen durch dicGlascylinder des Piezomelers gewinnt.

Sind die Conslanlen eines jeden Instrumentes einmal im Laboratorium mit Exactheit bestinnnt, so iässt der Gebrauch des Instrumentes an Bequemliclikeit kaum etwas zu wünschen übrig. Es genügt ein Fläsclichen Salzlösung bereit zu hallen, von dem gleichen Concentrations-Grad wie der, für welche die Constante, d. h. die Anzahl der Scalentheile, um welche bei einer Tempe- ratur-Abnahme von l^C. das Ouecksilber sinkt, bestinnnt wurde, und ferner ein kleines Gefäss nnt (juecksilber mitzunehmen, und man li.il Alles zur Hand, was zum Gebrauch des Instrumentes er-

Jollf/: nathnnieter und arnpbi.iche Tliermnineter. 269

forderlicli ist. Die ZiisaimneMSPtzurio; ist so oinfacli, dass man solbsl auf Reisen mit keinerlei Schwierigkeiten zu kämpfen lial.

Man kann slalt der Salzlösung auch Weingeist anwenden, und liat dann den Vorllieil, dass, indem der Weingeist einen beiläufig doppelt so grossen Ausdelniungs CoelTicienlen liesilzl. die Anzahl der Sealenlheile, die einer Temperatur-Differenz von l" C. entspricht, doppelt so gross wie bei der Salzlösung wird, l'ebcrdicss ist die Wärme-Capacitiit des Weingeistes viel gerin- ger als die einer Kochsalzlösung. Der Apparat nimmt daher rascher die Temperatur des umgebenden Mediums an. Dagegen ist der Concentrationsgrad des Weingeistes Aenderungen unter- worfen, dieConstante des Instrumentes müsste also immer wie- der von Neuem geprüft werden. Ich habe mit Weingeist nur Versuche im Laboratoriunj, nicht aber auf Excursionen, gemacht. Es kömile daher sein , dass die Besorgniss , die ich in BetrefT der Aenderung des Weingeistes hege, nicht in dem Grade be- gründet wäre, wie ich dies annahm.

Die Messungen, die ich von einigen Seen ausführte, lassen sich in Kürze zusammenstellen. Das Volumen des benutzten Rathomcter's war V r= 122,2 C. C. In der BIcchkapsel, in welcher sich das Bathometer befand, waren zugleich zwei gra- phische Thermometer angebracht, und mit dem BatluMueler wurde, angeknüpft an der gleichen Schnur, ein Hales'scher Eimer von einem Inhalt von beiläufig 10 Liter in die Tiefe herabgelassen. Der Eimer wurde beigefügt, weil mein verehr- ter Freund und College Hr. v. Siebold, der bei allen Messun- gen zugegen war, Wasser aus bekannter Tiefe und von be- kannter Temperatur zum Zwecke der Untersuchung des Tliier- lebens in jenen Tiefen zu erhallen wünschte.

Beobachtungen am Königssee bei Ber chtosgadcn.

Am ll>. Auir. 1<%2

Temperatur der Lufl über dem Wa.sser 15" C. Temperatur des Wassers an der Oi)erflä(he 14,1)" C

270 Sit-z-nny der math.-i'Iif/s. Classe mm 13. Vec. IS6S.

Bm-omeler 0.705 M.

Ort der Beobachlung: Fnlkensleiii . ciiu; Felswand, die sleii in den See abliillt. Die Enlfeinung vom Vier war bei- läufig 2 Meier. Die Instrumente wurden bis auf den Bo- den herabgelassen, und verweilten bei diesem, wie bei je- dem spätem Versuch, 15 Minuten in der Tiefe.

Die Luft im Balhometer zeigte sich comprimirl auf ein Vo- lumen von 14,52 C. C.

Die graphischen Thermometer geben . unter Berücksichtigung

122 2

derEinwirkung eines Druckes von -TT^ 1 =: 7.4 Atm., ^ 14,5

eine Temperatur von 5.62" und C-GST.. also Mittel bei- der Angaben 6,0' C. In der Gleichung

Vv(l-j-at)b J

ist also zu setzen

V 122,2

V = 14.52 b =1: 0,705

t 14.9 6,0 8,9

h r= 0,012 (nach Rcgnault's Tabellen für den

Druck der Dämpfe.) « = 0,003665

s = 13,596 Man erliält

T =1 67.20 Meter.

Am 19. Aug. 1862.

Temperatur des Wassers an der Überfläche 14,9" C.

Barometer 0,705 M.

Ort der Beobachtung : mitten im See zwischen dcMu FaUuMi- stein und dem Königsbach. Die Breite des Sees ist an dieser Stelle beiläufig 2000 Meter. Die Luft im Bathome- ler zeigte sich comprimirl auf 6,53 C. C. Die Tempera-

Jollif : lidtliomeler und yrnitlnsche Tliermoineler. 271

liirangnbcM der ynipliischoii TlicrmonieUM' sind 5,01 und 5,40, also im Millel 5,5"* C. Man erhält liiornach

T =r 1(13,2 Meter.

Am 19. Aug. 18f)2.

Das Biillionieter wurde an der gleicheu Stelle , wie in dem vorangehenden Versuch nicht bis zum Boden, sondern nur in eine geringere Tiefe herabgelassen. Die Luft im Ba- Ihometer zeigte sich comprimirl auf 24,2 C. C.

Die graphischen Thermometer wurden frisch gefüllt, sie ga- ben in der erreichten Tiefe G,4G und 6,76, das Mittel bei- der Angaben ist 6,61" C.

Man erliiilt hiernach

T 36,8 Meter.

Am 21. Aug. 1862. Temperatur des Wassers an der Oberfläche 15,2" C. Barometer 0,701 M. Ort der Beobachtung: Mitterling, beiläufig in gleicher Ent-

o O ? 3 0

fernung von den beiden Ufern , die Breite des Sees ist an

dieser Stelle ungefähr 4000 31eter. Das Balhometer wurde bis auf den Seeboden herabgelassen.

Die Luft im Batliometer zeigte sich comprimirl auf 4,88

C. C. Die graphisciien Thermometer gaben an 5,24 und 5,44. Das

Mittel aus diesen Angaben ist 5,34. Die Spannkraft der Dämpfe von der Temperatur 15,2" C. ist

12,9. Es ist also h = 12,9 zu setzen. Man findet

T 216,5 Meier

Am 21. Aug. 1862. Das Batliometer wurde an der gleichen Stelle wie im voran- gehenden Versuch in eine geringere Tiefe herabgelassen. Die Luft im Balhometer zeigte sich comprimirl auf 6.78 C. C.

272 Sitzinuf ile.r mnth.-plnis. Cl(i<se vom f.1 Dpc t^lü.

Die gnijiliischeii Tlierinomotcr gelten an 5,:}0 und 5,:^. Das

Millcl dieser Anüabon ist 5,3(S" C. Man findet

T = 153,3 Meter

Am 21. Aug. 18G2.

Das Balliomeler wurde an der gleichen Sl(^lle in eine; nodi

geringere Tiefe herabgelassen. Die Lnft im Ralhonielcr

zeigte sich coinprinn"rl auf 10.32 C. C. Die graphischen Thermometer gaben an 5,92 und 5,74. Das

Mittel dieser Angaben ist 5,83° C. Man findet

T 95,5 Meter.

Am 2. Sept. 1862.

Temperatur des Wassers an der Oberfläche 15,2" C.

Barometer 0,707 M.

Ort der Beobachtung- mitten im See zwischen dem kleinen

Watzmann und dem Götzen. Das Bathometer Avurde bis auf den Seeboden herabgelassen.

Die Luft im Bathometer zeigte .sich comprimirt auf 5,09 CG. Die Angaben der graphischen Thermometer waren 5,69 und

5,45, also im Mittel 5,52" C. Man findet

T =: 209,1 Meter.

Am 2. Sept. 1862.

Das Bathometer wurde an der gleichen Stelle in einer gmn- geren Tiefe herabgelassen. Die Luft im Batliometei" zeigte sich comprimirt auf (5. 66 G. G.

Die graphischen Thermometer zeigten an 5,56 und 5,32. Das Mittel dieser Angaben ist 5,44" G.

Mau fmdel

T 198,0 M.'t(!r.

Jolti/: naihmnefev und (frophinche. Thermometer. 27''

Am 2. Sopl. lSr.2.

Das BiiUiomclor wiinio an der irloiclion SlcIU? in eine noch oeringoro Tiefe lierabgc^Iassen. Die Luft im Balhomoter zoioio sich comprimirt auf 12,05 C. C. Die graphischen Thormonieler zeigten an 5,82 nnd 5,80. Das

Mittel dieser Angaben ist 5,81° C. Man findet

T =: 104,3 Meter.

Am 2. Sept. 1862.

Das Balhomeler wurde an der gleichen Stelle in eini^ noch

geringere Tiefe herabgelassen. Die Luft im Batliometer

zeigte sich comprimirt auf 28,1 C. C. Die graphischen Thermometer zeigten an 6,48 und 6,68. Das

Mittel dieser A\igaben ist 6,58° C.

xMan findet

T 37,8 Metei-.

Am 2. Sept. 1862.

Das Balhometer wurde an der gleichen Stelle in eine noch

geringere Tiefe herabgelassen. Die Luft im Balhometer

zeigte sich comprinn'rt auf 40,7 C. C. Die graphischen Thermometer zeigten an 7,86 und 7,02. Das

Mittel dieser Angaben ist 7,89'' C.

Man findet

T = 22,6 Meter.

Beobachtungen am 0 b e r s e e.

Der Obensee ist vom Königssee ungeHihr 2 Kilonieier ent- fernt. Nach den Terrain -Verhältnissen ist nicht zu zweifeln, (iass er früher einen Theil des Königssee's bildete, und luu' durcli eine Erdrulsclie abgetrennt wurde. Am 20. Sept 1862.

Teniperatin- i\r^ Wassers an der 0j)i;rlla(lie 15,1" C.

274 Sihung der math.-phys. Vlasse vom IS. Dec. 1862.

Raromeler 0.702 M.

Ort der Beobacliliino; : miltcn im Soc. Das Balliomelor wurde bis auf den Seeboden herabgelassen. Die Luft im Balho- meter zeigte sich comprimirt auf 15.42 C. C,

Die graphischen Tlicrmometer zeigten an 6,C0 und 6,58. Das Mittel dieser Angaben ist 6,59° C.

Man findet

T = 62.3 Meter.

Am 20. Sept. 1862

Das ßathomefer wurde an der gleichen Stelle in eine gerin- gere Tiefe herabgelassen Die Luft im Balhometer zeigte sich comprimirt auf 30.5 C. C. Die graphischen Thermometer zeigten an 7,48 und 7.62. Das

Mittel dieser Angaben ist 7.55" C. Man findet

T ..1- 27,1 Meter.

Am 20. Sept. 1862 Ort der Beobachtung: nahe am Ufer des Obersees, an der

Stelle, an der ein Slurzbach sich in den See ergiesst. Das Balhometer wurde bis auf den Seeboden herabgelassen.

Die Luft im Balhometer zeigte sich comprimirt auf 27.6

C. C. Die graphischen Thermometer zeigten an 9.02 und 9,22. Das

Mittel dieser Angaben ist 9.12" C. Die Temperatur des in

den See sich ergiessenden Wassers war 13.8" C. Man findet

T =r 31,2 Meter.

Beobachtungen am Walchensee.

Am 12. Oct. 1862.

Temperatur des Wassers an der Oberfläche 15" C.

Jnltii : liathoineter und graphische Thermometer. 275

Baromelcr 0.694 M.

Ort der Beobachtung: 1 Kilonieler von UiTeld, nalie am steil

Hblallenden Ufer. Das Balhoineler wurde bis auf den Seeboden herabgelassen.

Die Luft zeigte sicli comprimirt auf 9,42 C. C. Die graphischen Thernionieter zeigten an 5,88 und 6,04. Das

Mittel beider Angaben ist 5,91° C. Man findet

T ~ 107.0 Meter.

Am 13. Od. 1862.

Temperatur des Wassers an der Oberflächi^ 15" C.

Barometer 0.692 M.

Ort der Beobachtung: beiläufig in der Mitte zwischen Urfeld

und dem Orte Walchensec. Das Balhomeler wurde bis auf den Seeboden herabgelassen. Die Luft im Balhomctor zeigte sich comprimirt auf 4,22 C. C. Die g-raphischen Thermomeler zeigten an 5,01 und 5,34. Das

Mittel beider Angaben ist 5,17° C. Man findet

T 248,8 Meter.

Am 13. Oct. 1862.

Das Bathometer wurde an der gleichen Stelle in eine gerin- gere Tiefe herabgelassen. Die Luft im Bathometer zeigte sich comprimirt auf 10,20 C. C. Die graphischen Thermometer zeigten an 6,22 und 6,02. Das

Mittel beider Angaben ist 6,12° C. Man findet

T 98.6 Meter.

Am 13. Oct. 1862.

Das Bathometer wurde an der gleichen Sl(dle in eine noch geringere Tiefe herabgelassen. Die Lull im Bathometer zeigte sich comprimirt auf 16,22 C. C

276 SiHuntf der math.php^. Ctasae vom 13. Der. 1862

Die graphisclicn Thermomeler zeigten an 6,66 und 6,86. Da.<«

Miltel dieser Angaben ist 6,76" C. Man findet

T 58,3 Meter.

Am 13. Oct. 1862.

Ort der Beobachtung: an einer Stelle des Sees, die beiläufig

l Kilometer östlich von der vorhergehenden liegt. Das Balhometer wurde bis auf den Seehoden herabgelassen.

Die Luft im Bathomcter zeigte sich comprimirt auf 10,22

C. C. Die graphischen Thermometer zeigten an 6,10 und 6,04. Das

Mittel beider Angaben ist 6,07" C. Man findet

T 97,6 Meter.

Die Zusammenstellung der Beobachtungen liisst .sofort über- sehen, wie mit der Tiefe die Temperatur abnimmt. Es wurde gefunden am Königssee

Tiefe

Temperatur

0

14,9" bis 15,2" C.

22,6 M.

7,89

26,8

6.61

37,8

6,58

67,2

6,00

95,5

5,83

104,3

5,81

153,3

5,38

163,2

5,50

198,0

5,44

204,1

5,52

216,5

5,34.

Die Temperatur nimmt also im Anfang sehr rasch ab , sie ist in einer Tiefe von 22,6 Meter schon um etwas mehr als 7" liefer als an der Oberfläche; sie iiinmil aber dann mit den

Jolti/: Uuthotiieter und yrujihisclie Thetmomtter. 277

wachsenden Tielen nur äusserst langsam ab , und nähert sich mehr und mehr der Temperatur des Maximums der Dichtigkeit des Wassers. Die tielste Stelle, die im Königssee mit dem Bathometer gefunden wurde, war 210,5 Meter, die Temperatur in dieser Tide übertrifft aber noch um 1,5^ die Temperatur der grüssten Dichte des Wassers. Von der Tiefe von 104,3 Meter bis zur Tiefe von 21G,5 M. sinkt die Temperatur nur noch um 0,47. Lässt sich aus so wenigen Beobachtungen selbst nicht ein empirisches Gesetz, der Abnahme der Temperatur mit der zunehmenden Tiefe abieilen, so ist doch jedenfalls nach den vorlicixcnden Zahlen klar, dass erst in beträchtlich tieferen Seen, die ähnlich wie die bayerischen Gebirgsseen tiefen Win- tertemperaturen ausgesetzt sind, eine Temperatur zu erwarten ist, die der Temperatur des Maximums der Dichtigkeit des Was- sers näher gelegen ist.

Die Temperaturen, welche die graphischen Instrumente auf- zeichneten, sind nicht ohne Anomalien. So wurde die Tempe- ratur in der Tiefe von 143 Meter tiefer gefunden, als die in der grösseren Tiefe von 103 Meter, und ebenso in der Tiefe von 198 Meter eine tiefere Temperatur, als in der grösseren Tiefe von 209 Meter. Es ist aber klar, dass dies lediglich den nicht sfenüoend exacten Anga!)en der Instrumente zuzuschreiben ist. Es treten die Hundertel der Grade nur als Rechnungs- grössen auf, und sie sind nur aufgenonimen , um zu erkennen, ob sie mehr oder minder nahe einem Zehntel kommen.

Die Beobachtungen und Messungen am Oborsee ergaben Tiefe in Alcter. Teiuperatiir.

0 15,1° C.

27,1 7,55° C.

31,4 9.12« C.

62,3 6,59» C.

Hier ist die Anomalie bedeutender , und nicht durch die Feh- lerquellen der graphischen Instrumente zu erklären. In einer Tiefe von nur 27 Meter war die Temperatur 7,55, und in der grosseren Tiefe von 31 Meter war sie 9,12, also um 1,57" C.

278 Sitzung der ttitith. fihys. Vitis.se vom 13. liec. /W^.

Die Oertlichkoil erklart aber zur Geiiiige die Ersclieiiuing. An der Stelle, an welcher in der grösseren Tiefe die relativ hö- here Temperatur gefunden wurde, ergiesst sich ein wasserrei- cher Ba(;h in jähem Sturz in den See, und macht die höhere Temperatur noch in beträchtlicher Tiefe geltend.

Die Beobachtungen im Walchensee waren minder zahlreich. Es wurde gefunden

Tiefe in Meter Temperatur

0 15" C.

58,3 6,76.

97,6 6,07.

98,6 6,12.

107,0 5,91.

248,8 5,17.

Die tiefste im Walchensee aufgefundene Stelle ist 32 Me- ter tiefer als die tiefste Stelle im Königssee. Die Abnahme der Teujperaturen mit der Tiefe ist aber in beiden Seen auffallend gleich. Sie befinden sich aber auch unter ganz gleichen phy- sischen Verhältnissen , sie haben nahezu gleiche Tiefen , liegen in gleicher Breite und beinahe in gleicher Höhe über der Mee- resoberfläche.

Die graphischen Thermometer müssen längere Zeil in der Tiefe, deren Temperatur ermittelt werden soll, verweilen. Es ist also unvermeidlich, sie an einer Schnur herabzulassen und wieder in die Höhe zu ziehen. Für die Bathometer ist ein längeres Verweilen in der Tiefe nicht erforderlich. Es ist daher naheliegend auf eine Einrichtung Bedacht zu nehmen, in welcher das zeilraubende Auf- und Abhaspeln einer Schnur wegfällt. Schon llooke und Haies hatten hierhin zielende Vorschläge ge- macht. Eine Kugel von Holz sollte als Schwinmier dienen, an der Kugel war das Bathometer aufgehangen, und am unteren Ende des Balhometers sollte ein Körper von solchem Gewichte befestigt werden , dass durch denselben der ganze Apparat in die Tiefe gezogen wird. Endlich sollte mit dem Stoss auf dem Meeresboden der schwere Körper sich ablösen, und das Batho-

Jollir- Bnthometer und yraphische Thermometer. 279

Mioler durch die Kugel wieder in die Höhe j^ebracht werden. Der Apparat wird voraussichllith schon in geringen Tiefen den Dienst versagen. Das Wasser dringt rasch in die Poren des Holzes und macht den Scluviiinner unwirksam. Ich habe zunächst hohle Kugeln von diinneni Messingblech angewendet, und fand, dass sie aus Tiefen bis zu 60 i^ieter uuverseiu't den Apparat wieder in die Höhe brachten. In Tiefen von 100 Meter wur- den aber die Kugeln platt gedrückt. Vielleicht \vare es am dienlichsten, Glocken von dünnem Blech, unten mit weitem Hals und von einer Gestalt, durch welche der Schwerpunkt der Gasglocke lief zu liegen kömmt , anzuwenden. Ein schwerer Stein würde die Glocke sammt dem Bathometer in die Tiefe ziehen. Wird der Stein durch den Stoss am Seeboden abge- löst, so Kömmt der Apparat wieder in die Höhe, sobald die Di- mensionen der Glocke der Art sind, dass das Gewicht des ver- drängten Wassers grösser ist als das Gewicht der Glocke samml dem {[gs eingetretenen Wassers und dem der verdichteten Luft. Ein Zerdrücken des Apparates wird dann sicher in keiner Tiefe eintreten, dagegen würde seine Anwendbarkeit durch Tie- fen begrenzt sein , in welchen der Druck des Wassers 770 Atm. erreicht, indem hiemit eine Verdichtung der Luft erzeugt wird, in welcher die Dichtigkeit der comprimirten Luft der Dich- liifkeit des Wassers gleich kömmt. In offener See wird ein Apparat mit Schwimmer überhaupt nicht anwendbar sein , denn er würde durch die Strömungen oft weit fortgeführt, und wenn er in die Höhe kömmt, schwer wieder aulzufinden sein. Man wird also innner die Leine anwenden müssen , wird aber unter Benützung der Lult-Bathomeler und der graphischen Thermo- meter mit grösserer Genauigkeit die erreichte Tiefe und die Temperatur in dieser Tiefe bestimmen können , als durch das Tiefloth und den Hales'schcn Eimer.

280 Sttruny der math.-phys. Claaae vom 13. Der. 1863.

Herr von Siebold verheisst der Classe Milllieilungen über das Ihierische Leben in den grösstcn Tiefen, welches vermöge obiger Forschung erkannt werden konnte.

Hr. Nägeli macht eine erste Mitlheiking über

,,die Reaction von Jod auf Stärkekorner und „Zellmembranen."'

Es ist schon lange bekannt, dass die Zellmembranen durch Behandlung mit gewissen Mitteln in einen Zustand übergeführt werden können, in welchen sie durch Jod sich wie Starkemehl indigoblau färben. Aber man ist noch streitig darüber, wie diese Mittel wirken, und was die blaue Reaction des Jod für eine Bedeutung habe.

Schieiden, der Entdecker der Thatsache, dass Holz und verschiedene andere Zellgewebe, wenn dieselben entweder nach Kochen mit Aetzkali oder sofort mit Schwefelsäure und Jod behandelt werden, eine rothe bis blaue Farbe zeigen, nahm an, dass die Holzfaser in Stiirkekleister umgewandelt werde 0^'i<^g- mann's Archiv 1838 und Pogg. Ann. 1838).

Die entgegengesetzte Ansicht hat darauf H. v. Mo hl zu begründen gesucht. Nachdem schon Meyen, Schi ei den und Dickie gefunden hatten, dass einzelne Zellmembranen sich ohne Weiters durch Jod blau fiirben, beobachtete Mohl ferner, dass manche andere nur einer sehr geringen Einwirkung bedürfen, um die gleiche Reaction zu zeigen. Er zog daraus den Schluss, dass die Entwicklung einer blauen Farbe der Zellmembran an und für sich zukonnne und bloss auf der Aufnahme einer ge- hörig grossen Menge von Jod beruhe. Dasselbe ertheile der Zellmembran, je nach der Menge, in welcher es von ihr auf- genommen werde, sehr verschiedene Farben (von Gelb und Braun rjurch Violett bis lilan). Die Farbe hiiniie indess auch

Niiofli: Tie.action ron Jod auf Stärkeftfirner u. ZeHmi'iuhr. 281

von (lor BescIiiifTeiilieit der iMomhran selbst nl), indem die wei- cJjern und xjihern Meiiibraiien schon bei geringen Mengen von Jod eine violette oder blaue Reaclion zeigen, indess die härte- ren un<l sprödem gelb oder braun werden und erst, wenn eine grosse Menge von Jod auf sie eingewirkt habe, eine blaue Farbe ainiehnien (Flora 1840).

Payen zeigte, dass alle Zellnicnibranen, nachdem sie mit verschiedenen Ueiiiigungsmitleln behandelt, und von den soge- nannten incruslirenden Substiinzen befreit worden, aus der näm- lichen ^'erbinduno bestehen und durch Jod und Schwefelsäure blau gefärbt werden (Mem. sur le developp. des veget. 1844).

Die gleichzeitigen Untersuchungen Mulder's fiduten die- sen Forscher zu einem etwas anderen Resultate. Nach dem- selben bestehen bloss die jugendlichen Zellwände aus Cellulose, die älteren Wandungen dagegen sind grösstentheils aus andern Verbindungen zusammengesetzt, da sich dieselben durch Jod und Schwefelsäure nicht blau färben (Versuch einer physiolog. Chemie 1844).

Payen und Mulder stimmen darin mit einander überein. dass reine Cellulose durch Jod und Schwefelsäure eine blaue Färbung annehme. Dieser Ansicht sind die Chemiker und zun» Theil die Pflanzenphysiologen gefolgt, wobei zuweilen ausdrück- lich ang(Miommen wurde, dass Cellulose durch Schwefelsäure in Amylum oder in Amyloid umgewandelt werde.

In FolüC einer neuen Reihe von Beobachtunffon bildete Mohl seine frühere Theorie Iheils weiter aus, Ihcils modificirte er dieselbe einitrermassen. Keine Cellulose soll sich durch Jod und Wasser allein, wie das Stärkemehl, indigoblau färben. Er ist geneigt, aiiziniehmen. dass, wo diese Blaufärbung nicht ein- Irill, die Einlaaerimocn IVemdarliger Subslanzen diesclbi; hin- dem, indem, wenn die vorinneinigenden Materien durch geeig- nete Mittel (Aelzkali oder Salpetersäure) entfcM-nt würden, die Reaction durch .lod und Wasser unniitlelliar erfolge (bot. Zei». 1847, Grundzüge der Anal und l'hysiolog. der vegclab. Zelle 1851).

282 Sttt-iing der math. phys. Clusse vom 13. Dec. 1862.

Bei meinen rnlersuchungen über die Stärkekörner fand ich, dass, nachdem der Speichel denselben die sich durch Jod bläuende Substanz (Granulöse) entzogen hat, eine Substanz übrig- bleibt, die als reine Cellulose zu betrachten ist , und die sich durch Jod und Wasser nicht, wohl aber bei gleichzeitiger Einwirkung von Schwefelsäure blau färbt. Damit verglich ich die andere Thatsache, dass manche Zellmembranen mit Jod keine blaue Färbung zeigen, diese Reaction aber eintreten las- sen , nachdem sie eine Behandlung erfahren haben, die man nicht als Reinigung in Anspruch nehmen kann. Daraus zog ich den Schluss, dass die Cellulose an und für sich durch Jod al- lein keine blaue Färbung annehme, dass sie aber durch ver- schiedene Mittel eine Veränderung ihrer Molecularconstitution erfahre und in Granulöse übergeführt werde (Stärkekörner 1857). Gegen diese Darstellung suchte Mo hl geltend zu machen, <lass der von den mit Speichel behandelten Stärkekörnern übrig bleibende Stoff nicht Cellulose , sondern eine neue Verbindung sei , für die er den Namen Farinose vorschlug ( Botan. Zeitg. 1859).

Die bisherigen verschiedenen Ansichten über die Eigen- schaften der Cellulose und über die Reaction des Jod auf die Stoffe der Cellulosegruppe entspringen sowohl abweichenden thatsächlichen Beobachtungen als ungleichen Folgerungen aus den gleichen Beobachtungen. Es zeigt sich vielleicht bei we- nigen pflanzenphysiologischen Fragen schlagender , wie die al- lergeringste Abweichung von der exacten Methode oder von der logischen Folgerung zu unrichtigen Ergebnissen führen kann.

Das Jod ist aber für die microscopische Chemie unzwei- felhaft das wichtigste Reagens , und bei der jetzigen Unsicher- heit in der Anwendung, bei den widersprechenden Angaben kann dasselbe beinahe als mibrauchbar bezeichnet werden. Erst wenn festgestellt ist, unter welchen Bedingungen eine bestimmte Reaction immer eintritt und unter welchen Tmständen sie im- mer ausbleibt, wird das Jod zum untrüglichen Mittel , um che-

Näyeli: fleaction von Jod auf stärhehörner k. Zelltiiemhr. 28^

mische oder pliysicalische Zustiiiide zu prüfen und zu beurlhei- len Ich beabsichtige keine erschöpfende Behtindhing und be- schränke mich auf die Erledigung einiger Fragen.

/. Verwaiidlschaft des Jod zu rrrschictienen Sub.'danzen.

Es ist bekannt, dass eine ofienslehende wässerige Jodlo- sung sich entfärbt. In einem flachen Uhrglas findet die Ent- färbung der gesättigten Lösung in der Dunkelheil und bei Zim- mertemperatur schon innerhalb 12 Stunden statt. Dieses ent- färbte Wasser verändert blaues Lacmuspapier nicht; eine Bil- dung von Jodwasserstüffsäure hat also nicht oder nur in äus- serst geringer Monge statt gefunden. Das meiste Jod ist durch Verdunstung entwichen.

In einem engen Probirröhrcheu geht die Entfärbung der gesättigten wässerigen Jodlösung sehr langsam vor sich. Nach 12 Stunden war bloss eine oberflächliche Schicht von einer Linie Dicke farblos geworden. Nachdem das offene Probir- röhrchen 16 Tage lang im Zimmer gestanden hatte, war die Flüssigkeit bloss etwa drei Linien tief entfärbt. Von da ab- wärts nahm die Färbung zu und zeigte auf dem Grunde nahe- zu die ursprüngliche Intensität. Ausser der Verdunstung war der Abgang des Jod auch auf Rechnung von Säurebildung zu setzen, wie das gerölhete Lacmuspapier bezeugte.

Wenn man gesättigte wässerige Jodlösung kocht, so geht die Entfärbung viel rascher von stalten, indem sowohl die Ver- dunstung als die Säurebildung sich steigert. Die farblos ge- wordene Flüssigkeit in einem Probirröhrchen reagirl deutlich sauer. '

(1) (j|psätli<Tto wpiii^cistige Juiltinctur boliält heim Kochen ihre an- länglicho intensive Färbung, ein l^eweis, dass der NYeingei.st und da» Jod faxt im gleiehen Verhältnis) verdunsten. Krsl vor vollständigeiu

19*

284 SUzuHtf tlfi- tmith.-phys. Classe vom i3. Dec 186S.

Eino hinreichende Menge von Stärkemehl oder Slärkeklei- ster enifiirbl die wässerige Jodlösuno-. Lässl man aber in Was- ser befindliche Jodslärke in einem olfenen Gefässe stehen ,^ so wird sie ihrerseits farblos, ohne dass das Wasser sich färbt. Die Erklärung dieser Thalsache liegt auf der Hand.

Die Stärke entzielit nändich der wässerigen Jodlösung nicht ganz alles Jod; der Rest wird von dem Wasser energisch fest- gehallen. Das Wasser hat zu dieser geringen Menge von Jod eine grössere Verwandtschaft als die Stärke. Diese geringe Menge von Jod hat aber eine noch grössere Neigung zu ver- dunslen und Säuren zu bilden, als in Lösung zu bleiben. Ein Theil desselben geht also durch Verdunstung und Säurebildung verloren; das Wasser ersetzt den Verlust, indem es eine dem- selben enisprechende Menge der Jodstärke entzieht. Es ist klar, dass 'dieser Process so langt! fortdauern muss, bis die Jod- slärke all ihr Jod verloren hat.

Es gibt also einen bestimmten Concenlrationsgrad, welcher die Grenze für die Verwandtschaft des Jod zu Wasser und zu Stärke anzeigt, in der Meinung, dass unter diesem Concen- lrationsgrad das Wasser der Stärke, über demselbiMi die Stärke dem Wasser das Jod zu entziehen vermag. Bei der Färbung und Entfärbung der Jodslärke bildet das Wasser das Mittel für die Bewegung der Jodlheilcheu. Wenig Wasser , das mit metallischem Jod in Berührung ist, kann eine grosse Menge von Stärke bläuen; wenig Wasser, das der Verdunstung eine freie Oberfläche darbietet, kann eine grosse Menge von Jod- stärke entfärben.

Die Grenze der Verwandtschalt, von der eben gesprochen wurde, ändert sich mit der Tcmperalur Es ist bekannt, dass Jodslärke beim Erhitzen farblos wird. Dies gab Payen (Ann. sc. nat. 1838) die Veranlassung zu der Annahme einer farb-

Verdampfpii wird dor pciinso Res» der Fliissiskoi» lieHi'i- ""fl besieht

grösslentlu'il.'« aus >'YaJSOr.

Tiäffeli: Beiiction von Jod itvf Stärkekörner ii. Zellmembr 285

losen Jodslärke (iodiiro (raiiiidon iiivisihlc directenicnl). Neuer- dings wurde von Bnudriinont die Enlfarbung aus der Verflüch- tiguno; des Jod hcrzuieilen versucht. Die allein riclilijje Er- Klärung hat Schönbein (in diesen Sitzung-sberichten 1861 II. 143) gegeben. Beim Erwärmen wird das Jod von dem Was- ser der Starke entzogen und beim Erkalten wieder an dieselbe abgegeben. Bei höherer Temperatur wird also der flüssige Jodstärkekleisler nicht eigentlich entfärbt, wie man gewöhidicli sagt, sondern vielmehr entbläut; er wird braungelb und beim Sinken der Temperatur wieder blau.

Dass es wirklich keine farblose Jodstärke g(?be , geht aus folffenden zwei Thafsachen hervor. Wenn man Jodstärke mit überschüssigem metallischen Jod zu heftigem Kochen erhitzt und das Kochen unterhält, so entwickeln sich Joddämpfe. Die Jodstärke behält aber trotz der hohen Temperatur ihre unver- änderte blaue Farbe, so lange Joddärnpfe entweichen. Hören die- selben auf, so tritt die EntbUiunng ein. Die Concentration der Jodlösung nimmt , wenn kein metallisches Jod mehr vorhanden ist, rasch ab und das Wasser entzieht nun der Jodstärke das Jod. Die Entbläuung der Jodstärke in Wasser , das kein Jod gelöst enthält, geht selbst bei einer Temperatur, die weil unter der Siedhitze liegt, vor sich.

Die zweite Thatsache ist folgende. Wenn man durch Jod gebläuten Stärkekleister mit Wasser in einem Glase erhitzt, so wird der Kleister farblos und das W^asser gelb. Bereitet man nun eine wässerige Jodlösung von möglichst gleichem Farben- ton und gibt eine gleiche Menge von Kleister hinein wie in dem ersten Glas , so färbt sich derselbe genau so intensiv blau als der Kleister in dem ersten Glas beim Erkalten. Diess beweist die Unmöglichkeit der Amiahim? . dass heim Erwärmen ein Theil des Jod in Lösung und der andere mit Stärke in farbloser Verbindung bleibe: ein(^ Annahme, zu der man alU^r- dings aus dem (irnndc leicht verführ! wird , weil (^inc; gleiche Menge von Jod dem Wasser eine; vl(>l w(»niger intensive Fär- bung verleiht als dem Sliu'kekl(!isler.

286 StHttny der math-phys. Cluase vom 13. Üec. iS69.

Ich bemerke noch, dass die blaue Farbe der Jodstärko beim Erhitzen gewöhnlich durch Grün in die gelbe Farbe der Jodlösung übergeht, und dass umgekehrt beim Erkalten der Uebergang durch den nämlichen grünen Ton stattfindet. Der- selbe wird hervorgebracht durch das Gemenge von blauer Jod- stärke und gelber Jodlösung

Das gegenseitige Verhalten von Wasser, Jod und Stärke bei verschiedenen Temperaturen lässt sich also so ausdrücken. Mit der steigenden Temperatur steigt die Löslichkeit des Jod; während die gesättigte Jodlösung bei gewöhnlicher Temperatur gelb ist, wird sie gegen die Siedhitze hin braunroth. Mit der steigenden Temperatur erhebt sich ferner der Concentrations- grad , welcher die Grenze für die Verwandtschaft von Jod zu Wasser und Stärke bildet. Wässerige Jodlösung , in welche man Stärke bringt, vermag bei gewöhnlicher Temperatur so we- nig Jod zurückzuhalten, dass sie farblos erscheint; nahe der Siedhitze hält sie so viel davon fest, dass sie eine braungelbe Farbe zeigt. V^enn man Jodstärke bei verschiedenen Tempe- raturgraden durch so viel Wasser entfärbt, dass noch etwas Jodstärke unzerlegt übrig bleibt, so entspricht jedem höheren Wärmegrad eine intensivere Färbung der Lösung. Bei gewöhn- licher Temperatur geschieht die Entfärbung der Jodstärke nur sehr langsam, weil das Wasser derselben so äusserst wenig Jod entzieht; bei der Siedhitze geht die Entbläuung rasch vor sich, weil das Wasser viel Jod zu lösen vermag, und weil das letztere durch Verdunstung und Säurebildung rasch verloren geht.

Es ist begreiflich, dass die Entbläuung auch bei der Sied- liilze nicht eintreten kann, so lange metallisches Jod vorhaiulen ist, weil dieses fortwährend in Lösung übergeht, und weil in Folge dessen der Concentrationsgrad nicht so weit sinken kann, tiass die Anziehung der Lösung zum Jod der Jodstärke grösser würde, als die der Stärke selbst. Sobald das metallische Jod aufgelöst ist . ninunl die Conceniration der Lösung ab. erreicht

Käyeli: Eeaction von Jod auf Stärkekörner u. Zelhnembr. 287

dann denjenigen Grad , wo das Jod der Slärke entzogen wird und vermindert sich immer mehr, indem die Flüssigkeit heller gefärbt und zuletzt ganz farblos wird. Beim Erkalten bleibt jetzt auch die Stärke ganz farblos. Unterbricht man aber den Process vor dem Farbloswerden der Flüssigkeit, so färbt sich beim Erkalten die Stärke nach Älassgabe der in ihr noch ent- haltenen Menge freien Jods. Ist sie hellgelb gefärbt, so wird sie beim Erkalten blassblau.

Die Tliatsache, dass mit der Temperatur auch der Con- centrationsgrad wechselt, welcher die Grenze für die Verwand- schaft von Jod zu Wasser und zu Stärke bildet, macht es er- klärlich , dass eine um so geringere Menge von Jod in der Flüssigkeit durch Stärke sich nachweisen lässl, je niedriger die Temperatur ist. Es ist dies eine Erscheinung, auf die Frese- nius (Ann. Chem. Pharm. 1857. CIL 184) hingewiesen und die er durch Zahlen festgestellt hat.

Analoge Erscheinungen, wie sie durch Stärke mit Jod und Wasser bei verschiedenen Temperaturen hervorgerufen werden, zeigen sich, wemi man bei gleicher Temperatur verschiedene Substanzen, welche ungleiche Verwandischalt zu Jod haben, mit Jodlösungen zusammenbringt. Diese ungleiche Verwandtschaft gibt sich darin kund, dass in schwacher Lösung die eine Sub- stanz vor der andern gefärbt wird.

In dem Werke über die Stärkekörner (Pag. 187) habe ich bemerkt, dass die Stärke aus einer schwachen Lösung das Jod aufnimmt, ehe die Cellulose nur die geringste Färbung zeigt. Ferner dass an unveränderten Weizenstärkekörnern die innere Substanz bei schwacher Einwirkung von Jod blau gefärbt wird, indess die Rinde noch fast ganz farblos erscheint.

Im zweiten Hefte der Beiträge zur wissenschaftlichen Bot. (lieber das angebliche Vorkommen von gelöster und formloser Stärke bei Ornilhogalum) habe ich angeiührt, dass in den Epi- dermiszellen von Ornilhogalum die allmähliche Einwirkung von Jod zuerst die Slärkekörner der SpaltölTnungszellen . dann die

288 Sitiuny der matli. phys. Clause vom iS. Dhc. i86t.

aus Protoplasma bestehenden Gebilde und zuletzt eine fragliche Substanz, die in der Zellfliissigkeil gelöst ist, gefärbt werden; und dass die Verwaiidlschafl zu Jod in orlcicher Reihenfolge abnehme. Ferner, dass die allmähliche Entfärbung in un»ge- kehrter Folge eintrete. Bei Zygnema und Spirogyra nehmen zuerst die Slürkekörner , dann die fragliche in der Flüssigkeit gelöste Substanz und zuletzt das Protoplasma das Jod auf

Diese Beispiele liessen sich noch bedeutend vermehren. Ich bemerke, dass in einer schwachen Jodlösung Stärkemehl sich früher färbt als geronnenes Hühnereiweiss, und dass dar- auf im Wasser das braungelbe Eiweiss vor der blauen Stärke entfärbt wird. Im Stärkekleister sowohl von Kartoffel- als von Weizenslärke wird zuerst die granulirtc Masse , nachher die geschichteten Hüllen gefärbt: dagegen entfärben sich die letz- tern vor der erstem. Aufgequollene KarlolFelstärkekörner wer- den durch Jod früher blau als die unveränderten. Wenn Kar- toffelstärkemehl mit Kartoffelstärkekleister vermischt wird, so färbt sich durch wenig Jod nur der letztere. Kartoffel- und Weizenstärkekörner zeigen die Rcaclion auf Jod früher als Stärkekörner aus der Ingwerwurzel. Vom Weizenstärkemehl werden die grösseren linsenförmigen Körner vor den kleinen polyedrischen gefärbt und diese früher als ]e\\G entfärbt. In einem Gemenge von Dextrinlösung und Stärkekleisler nimmt der letztere das Jod zuerst auf und verliert es zuletzt wieder. Die cuticularisirten Schichten der Epidermiszellen färben sich vor den anderen Membranen

Am leichtesten sind diese Versuche anzustellen, wenn die verschiedenen Substanzen in einer Zelle eingeschlossen sind, weil die Zellmembran das Jod nur allmählich eintreten lässl. Ist diess nicht der Fall, so mengt man sie auf dem mit einem Tropfen Wasser benetzten Objectträger unter einander und legt ein oder einige Stückchen metallisches Jod dazwischen. Durch Diffusion breitet sich die Jodlösung sehr langsam aus und man beobachtet, dass von zwei neben einander licffcnden umrlcichen Körpern innner der eine zuerst gefärbt wird. Man kaiui das

Näf/eU : Reection von Jod tnif Stiirkekörner u. Zeltt/iettihr. 280

Priiparal iinbetlockt lassen oder ein Deckgliischon dciiaur lei^tMi. Man kann auch das Präparat , bevor man die Jodsplitter dazu gebracht hat, mit einem Dcckg laschen bedecken, und jene daini (licht an den Rand i\cs letzlern bringen.

Der Versuch gelingt oft sehr leicht. Wenn man z B. Weizenstiirke bis zum Sieden erlutzl , einen Tropfen des flüs- sigen Kleisters auf einen Objectträger bringt, und einen Jod- splilter hineinhigt, so beobachtet man unter dem Microscop eine schön blaue Farbe um denselben sich ausbreiten. Die fein- körnige blaue Masse ist aber zuerst durch rundliche oder et- was unregelmässige farblose Räume unterbrochen. Es sind dies die aufgequollenen noch geschichteten ( nicht desorganisirten) Hüllen, welche erst dann langsam anfangen, sich violett zu fal- ben, wenn die umgebende Masse intensiv blau geworden ist.

In andern Fällen , z. B. wenn es sich um verschiedene Stärkesorlen handelt, muss die Verbreitung der gelösten Jod- theilchen äusserst langsam erfolgen, um ein deutliches Resultat zu geben. Diess geschieht dadurch , dass man die Stärkekör- ner in dem Tropfen Wasser, in welchem ein kleiner Jodcryslall liegt, weit von dem letzteren entfernt, da natürlich mit der grössern Entfernung die 3Ienge der Jodtheilchen abnimmt, welche in der Zeiteinheit sich durch einen gegebenen Querschnitt der Flüssigkeit bewegen.

Ein anderes sehr empfehlenswerthes Mittel besteht auch darin, dass man die verschiedenen zu prüfenden Slärkemehlar- ten in Wasser bringt, in welchem eine durch Jod gefärbte Substanz (z. B. Dextrin oder Eiweiss) gelöst oder vertheilt ist. die zu Jod eine geringere Afl'inität hat. Die Stärkekörner ent- ziehen ihr um so Inngsamer das Jod , je geringer der Ueber- schuss ihrer eigenen Verwandtschaft zu Jod ist.

Das Entfärben der von Jod durchdrungenen Substanzen geschieht auf dem Objectträger in einem freien oder bedeckten Tropfen Wasser, oder in «inem oflenen GePäss , aus dem hin und wieder Proben unter dem Microscop geprüft werden. Man kann stall des Wassers auch Flüssiukeilcn oder Lösungen an-

290 üiHung der uutth. - ithys Ctusne vom 13. Dec. iÄö*.

wenden, welche eine grössere Menge Jod auflösen und daher den Entfärfcungsprocess beschleunigen.

Es gibt bei der Färbung und Entfärbung der Stärkekörner durch Jod einige bemerkenswerthe Eigenthümlichkciten, welche durch die ungleiche Verwandtschaft der verschiedenen Schich- ten zu Jod sich erklären. Wenn das Jod äusserst langsam in KartofTelslärkekörner eindringt, so färbt es zuerst die innere celluloseärmere Substanz, während die cellulosereichere Rinden- substanz noch fast ungefärbt bleibt. Beim Entfärben beobach- tet man die nämliche Erscheinung; viele Körner sind im In- nern gefärbt und aussen farblos. Dringt auf einmal eine etwas grössere Menge von Jodtheilchen in das Stärkekorn ein, so färbt dieses sich überall gleichzeitig; es ist dies der häufigste Fall. Wenn endlich das Stärkemehl mit einer concenlrirten Jodlösung in Berührung kommt und also sehr viele Jodtheil- chen auf einmal in ein Korn eintreten, so erscheint die peri- pherische Schicht bereits intensiv gefärbt, während die in- nere Masse noch fast farblos ist. Im ersten Fall kann die innere Substanz wegen ihrer grösseren Affinität die spärlich eintretenden Jodtheilchen der Rinde vullsländig entziehen, wäh- rend im letzteren Fall bei der langsamen Diffusionsbewegung nur ein kleiner Theil der eintretenden Jodmenge in der kur- zen Zeit bis ins Innere vorzudringen vermag.

Wir können also rücksichtlich der Färbungr durch Jod als Regel aufstellen:

dass von mehreren neben einander liegenden Substanzen diejenige, welche die grössere Af- finität zu Jod hat, dasselbe um so schneller ei- ner schwachen Lösung entzieht;

ebenso, dass von mehreren neben einander be- findlichen und durch Jod gefärbten Körpern derjenige, welcher die geringste Affinität zu Jod hat, dasselbe auch zuerst verliert. Die Erklärung ergibt sich aus dem früher Angeführten.

Säyeli : lleaction von Jod auf Stt'irkekörner u.Zellmembr. 291

Die verschiedenen Substanzen, welche wie die Stärke Jud ein- lagern, haben ungleiche Verwandtschaft zu demselben. Da nun die Energie , mit welcher das Wasser oder eine andere Flüs- sigkeit das gelöste Jod festhält, mit der steigenden Concentra- tion abnimmt, so muss es auch für jede Substanz einen ande- ren Concentrntionsgrad der Lösung geben, der für sie in ab- steigender Richtung die Grenze bildet, über welche hinaus sie der Lösung kein Jod zu entziehen vermag.

Setzen wir den Fall, es lägen im Wasser drei verschiedene durchdringbare Stoffe A, B und C neben einander (z.B. Stärke- mehl, unlösliche Proteinkörper und gewisse Zellmembranen). In das Wasser wird etwas metallisches Jod gebracht, welches sich allmählich löst. Hat die Lösung diejenige Concentration über- schritten, welche der Grenze für die Verwandtschaft des Kör- pers A zu Jod entspricht, so fängt der letztere an, Jod einzu- lagern; er entzieht fortwährend diejenige Menge, welche über der Grenzconcentralion in Lösung tritt. Hat der Körper A eine gewisse Menge Jod eingelagert, so nimmt er dasselbe mit ge- ringerer Energie auf. Die Concentration der Lösung steigt und erreicht denjenigen Grad, welcher der Grenze für die Affinität des Körpers B zu Jod entspricht. Ist dieselbe überschritten, so nimmt auch dieser Jod auf; und später folgt bei einer noch höheren Concentration der Körper C nach.

Die Entfärbung zeigt die analogen Erscheinungen in um- gekehrter Folge. Der Flüssigkeit, in welcher die gefärbten Substanzen liegen, wird Jod entzogen, z. B. durch Verdunstung von Jod in die Atmosphäre, durch Säurebildung oder durch Bildung irgend einer Jodverbindung. Sinkt die Concentration der Lösung unter denjenigen Grad, welcher der Grenze für die Alfinilät des Körpers C entspricht, so wird diesem letzlern das Jod entzogen, später dem Körper B, zuletzt dem Körper A. Es ist selbstverständlich, dass diese successive Färbung und Entfärbung verschiedener Substanzen nur dann zu beob- achten ist, wenn die Concentration der Jodlösung sehr langsam steigt oder fällt, so dass sie sich einige Zeit zwischen je zwei

292 sitTiniff der math.-pkifs Classe vom 13 Dec iStiS

Grenzen zu hallen vermag. In einer sehr concentrirten Lösung färben sich alle Substanzen ffleichzeitio- , sowie sie in einem Strome von reinem Wasser oder in einer Flüssigkeit, welche Jod chemisch bindet (Kalilösuiig, Ammoniak, Eiweiss etc.) fast oleichzeiliü- farblos werden.

Wenn die für die ungleichzeitige Fiirbung und Entfärbung verschiedener Substanzen gegebene Erklärung richtig ist, so muss auch

ein Körper, der eine grössere Affinität zu Jod hat, einem andern mit geringerer Affinität das in demselben eingelag-erte Jod entziehen. In der That ist diess der Fall. Ich will zuerst die betref- fenden Beobachtungen anführen, und hernach ein Wort zur Be- urtheilung derselben beifügen.

Legt man durch Hitze coagulirtes Hühnereiweiss in wäss- rige Jodlösung, so färbt sich dasselbe allmählich durch und durch braun. Bringt man es nun in ein verschlossenes mit Wasser und Stärke gefülltes Gefäss, so verlässt das Jod langsam das Eiweiss und färbt die Stärke. Wenn man dagegen den umge- kehrten Weg einschlägt und coagulirtes Eiweiss in Wasser legt, in welchem Jodstärke enthalten ist, so bleibt die letztere un- verändert und das Eiweiss ftirbl sich nicht.

Dexfrinlösuno; färbt sich durch Jod schön weinrolh bis dunkelroth, Stärkemehl , welches man in hinreichender Menge zufügt, entfärbt sie vollkommen, und bildet einen blauen Bo- densatz. Durch eine neue Menge von Jod wird die rothe Farbe herffeslellt, durch neues Stärkmehl die abermalige Entfärbun» bewirkt. Kocht man KarlolTelstärkemehl mit verdünnter Schwefelsäure und unterbricht den Process, wenn die grössere Hälfte Stärke sich in De.vlrin verwandelt hat . so bewirkt ein Tropfen Jodlösung eine rolhviolelte Trübung, indem sich Dex- trin und snspendirte Slärki; gUiichzeilig färben. Die Farbe geht aber bald in Blativiolcll uml Indigoblaii über, indem das an Dextrin aebuiideni' Jod sicli weiliM- verbreitet und vollsländijr

Säyeli : Beoclinu ron Jod avf Stärhokiirner u. Zellmehr. 293

an die SUirke Hbgogebeii wird. Man kann den Versuch mehr- mals mil oleichem Erfolg wiederholen.

Die Fruchtschicht von Flechten (Usnea) wurde zerquetscht und durch Jod intensiv blau gefärbt, darauf mitKartofrelstiirke- mehl in ein mit Wasser gefülltes Probirröhrchen gebracht, das nnt einem Kork verschlossen wurde. Nach einiger Zeil waren die Lichenenschläuche farblos und dafür das Starkemehl ge- färbt. — Das Flechlenfruchllager in gleicher Weise mit massig blauer .lodsliirke zusammengebracht, bleibt ungefärbt.

Daumwülle wurde durch .Jod und Schwefelsäure intensiv blau trefärbt. dann mit KartofTelstärkemehl in einem verschlos- senen Raum in Wasser gelegt. Nach einigen Tagen waren die aufgequollenen Baumwollenfäden völlig farblos geworden; das Jod war an die Stärkekörner übergegangen und hatte dieselben gefärbt. Die Enibläuung der Baumwolle wurde nicht etwa durch den Umstand veranlasst, dass das Wasser derselben die Schwefelsäure entzogen hatte; denn auf Zusatz von Jod färbte sie sich wieder intensiv blau. Den nämlichen Versuch stellte ich mit gleichem Erfolg bei Filtrirpapier an, welches durch Jod und Schwefelsäure zuerst blau gefärbt, dann durch Kartoffel- und Weizenstärkemehl entfärbt wurde.

Bei der Beurtheilung dieser Thatsachen ist zweierlei her- vorzuheben :

1) dass, wenn einem in Wasser liegenden Gemenge von verschiedenen Substanzen Jod in geringer Menge geboten wird, dieses nicht etwa nach Massgabe der Verwandtschaft sich vertheilt, sondern vollständig von dem Körper aufge- nommen wird, welcher die grösste Affinität hat;

2) dass das Jod eine unlösliche Verbindung ver- lässt, um mit einer andern Substanz, zu wel- cher es eine grössere Affinität hat, ebenfalls eine unlösliche Verbindung zu bilden.

294 -^itinnif ilev math.-phys. Ctasse roin 13. Dec. iS6i.

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Beides erklärt sich durch das früher erörterte Affinitäls- verhältniss von Jod zu Wasser und zu verschiedenen imbibitions- fähigen Substanzen. Von drei Körpern A, B, C, von denen A die grösste, C die geringste Affinität zu Jod hat, sei B durch eingelagertes Jod gefärbt, A und C ungefärbt. Alle drei wer- den zusammen in Wasser gelegt. Dieses entzieht dem Körper B so viel Jod, dass dadurch die Concentration der Lösung er- reicht wird, welche der Grenze für die Affinität von Jod zu Wasser und zum Körper B entspricht. Dieser Lösung vermag der Körper C kein Jod zu entziehen, weil er nur in einer con- centrirteren Lösung sich färbt; er bleibt also farblos. Der Kör- per A dagegen, für welchen eine geringere Concentration die Grenze für seine Affinität zu Jod bildet, entzieht der Lösung so lange Jod, als diese Grenzconcentration nicht eintritt. Sie kann aber nicht eintreten, so lange der Körper B noch gefärbt ist und somit an W^asser Jod abgeben kann. So färbt sich demnach A, indessen B seine Farbe verhert.

Es ist also, wenn diese Erklärung richtig ist , nicht noth- wendig, dass die beiden Körper, von denen der eine dem an- dern das eingelagerte Jod entzieht, sich unmittelbar berühren. Sie können selbst weit von einander entfernt sein, wenn sie nur in derselben Flüssigkeit liegen. Eine interessante Bestäti- gung liefern Versuche, welche ich mit lebenden Spirogyrenzel- len anstellte. Wenn man dieselben in Wasser legt, in welchem sich irgend ein durch Jod gefärbter Körper , mit Ausschluss von Stärke befindet, so verlässt das Jod den letz/eren und färbt die Stärkekörner in den Spirogyrenzellen. Es muss also in Lösung durch eine geschlossene Blase (Zellmembran und Primordialschlauch) dringen, um mit der Substanz sich zu ver- binden, zu welcher es eine grössere Verwandtschaft hat. Fä- den von Oedogonium verhallen sich ganz ebenso wie Spiro-

gyra-

Wenn ein Körper Jod einlagert, so zieht er die ersten

Mengen desselben mit grösserer Kraft an, als die späteren;

drr Verwandtschaft zu der ersten aufgenommenen Jodmengo

Säyeli: lieaction von Jod avf Stärkekörner u. Zetimembr. 295

enlsprichl eine niedrigere, der Affinilüt zu dem später aufge- nommenen Jod eine höhere Concenfrationsgrenze. Wenn da- her eine durch Jod gefärbte Substanz mit einer gewissen Menge der nämlichen aber ungefärbten Substanz zusammen in Wasser gelegt wird, so bleiben beide nicht unverändert, sondern die erstere gibt Jod an die letztere ab ; zuletzt sind beide ziemlich gleich intensiv gefärbt. DifFerirt die Verwandtschaft zweier Substanzen zu Jod nur um sehr wenig, so ist, nachdem sie sich in die Jodmenge getheilt haben, die eine intensiver gefärbt als die andere j und nur wenn die eine eine beträchtlich stär- kere Anziehung auf Jod ausübt, so entzieht sie es der anderen vollständig.

Kartoffelstärkemehl wurde durch wässrigc Jodlösung bis zur Sättigung gefärbt und darauf mit Wasser und einer gleichen Menge unveränderten Kartoffelstärkemehls in ein Probirröhr- chen eingeschlossen. Das Präparat blieb einige Wochen ste- hen; von Zeit zu Zeit wurde umgeschüttelt und hin und wie- der eine Probe unter dem Microscop untersucht. Die farblosen Slärkekörrier färbten sich allmählich blau 5 zuletzt waren alle ziemlich gleich gefärbt.

Mit intensiv-, aber nicht schwarzblau gefärbtem Kartoffel- stärkemehl wurde eine doppelt so grosse Menge Weizenstärke- mehl auf gleiche Weise in einem Probirröhrchen eingeschlossen. Nach drei Tagen waren die Körner der Kartoffelstärke intensiv indigoblau, die der Weizenstärke hellviolelt. Nach 5 Wochen waren die erstem immer noch schön blau, die letztern hellroth- violett.

WeizcnslärkcMTiehl wurde durch wässrige Jodlösung inten- siv gefärbt; die kleinen Körner waren hell-, die grossen dun- kel-violettblau Dasselbe wurde hierauf mit Wasser in ein Probirröhrchen gebracht und dazu unverändertes Kartoffel-, Maranta- und Maniholstärkcmehl gefügt. Nach vier Tagen wa- ren die kleinen Körner der Weizenstärke Iheils ganz, Iheils beinahe farblos, die grössern hell- violettblau. Die Körner der

206 Sitzung der math.-phys. Classe vom tS Der. /Ä6'^.

KartofTel-, Marania- und Manihotstiirke waren alle sehr inten- siv Indigoblau, zum Theil selbst schwarzblau. Nach 5 Wochen zeigte sich das Präparat unverändert.

Schwarzblau gefärbtes Kartoffelslärkemehl wurde nn"t Kar- tofTelslärkekleister in ein Probirrührchen eingeschlossen. Nach 7 Tagen war der Kleister indigoblau, und zwar, wie die mi- croscopischc Untersuchung zeigte, nur die granulirte Masse, während die geschichteten Hüllen grösstentheils ganz farblos, einige schwach violett waren. Die Stärkekörner waren hell-, liis intensiv blau. Nach 5 Wochen zeigte die granulirte Masse des Kleisters und der aufgequollenen Körner eine ziemlich gleich intensive Färbung, wie die nicht aufgequollenen Körner; aber jene war reinblau, diese violettblau, In einem anderen Pro- birröhrchen wurde viel farbloser Kartoflelkleister mit wenig ge- färbtem KartofTelmehl gemengt. Nach mehreren Tagen waren beide hellblau ; und nach mehreren Wochen entfärbten sich beide gleichzeitig.

Dunkelblau gefärbtes, nicht ganz mit Jod gesättigtes Kar- tofTelstärkemehl wurde nnt Weizenstärkekleister zusannnenge- bracht Nach 7 Tagen war der Kleister ungleich gefärbt, hell- violett bis intensiv blau , da sich das Jod nicht gleichmässig verbreitet halte. Die einen Kartoffelstärkekörner waren hell, die anderen intensiv blau. Nach 5 Wochen war das Verhält- hältniss zwischen Kleister und Körnern ziemlich gleich geblie- ben; nur zeigten beide etwas hellere Färbung.

So wird also ein mit Jod durchdrungener Körper durch einen andern, der eine grössere Affinität zu Jod hat, entfärbt, wofür nun dieser letztere sich färbt. Es gilt diess für die im- bibilionsfähigen Substanzen , welche Jod einlagern und ferner auch für die gelösten Vorbindungen (Dexirin), welche sich wie jene Substanzen verhalten und mit Jod eine eigenlhümliche Färbung zeigen. Bei Körpern, welche nnt Jod wirkliche che- mische Verbindungen bilden, kann vollständige Entfärbung ein- treten, wie z. B. bei der Bildung von Jodkalium, Wie Kali verhält sich merkwürdiger Weise auch das lösliche Eiweiss.

Nt'iffeli': licaction von Jod auf StürkekÖtner u, Zettmemhr. 207

VVonii man Jod in Kiililösung- briiigl , so löst os sich be- kantillicli anl", ohno dio FIüssigk(;it zu fiirhen. Erst wonn al- \o.s Kali mit Jod sich vcrciniol hat, löst sich ein Ueborschuss ili's i(!lzl('rn mit gelber, braungelbor, brannrothcr, dniikelbrau iior Farbe auf. Caiiz oloich verhält sich das gelöste lliihner- ei\v<'iss sowohl im unveriinderlcn Znslande, als wenn dassc^llx^ mit soviel Salzsiiure versetzt wnrde , dass es Lacnnispapier stark röthet. Von anoesJinertem Hiihnereiw(!iss wird wenig- stens das sicbeMfache Volninen gesättigter wiissriger Jodlösuncf vollsländio- entliirbt. Wird noch mehr Jodlösnn"- zugeliint . so tritt jjelbliche Fürbunir ein. In gleicher VVi^ise enH'iirbl Hiih- nereiwoiss eine gewisse Menge von Jodkalinmjodicisnng und wird von einem Ucibersclniss oeCiirbt.

Wie die Jodlösnngen , so werden auch die durch einge- lagertes Jod gefärbten Körper von löslichem Eiweiss entfärbt. Jodslärkekleister oder Jodstärkemehl verliert in unverändertcmi oder in anoesänertem Hiihncreiweiss sogleich seine Farbe. Ein üeberschnss von Jodstärke bleibt blau.

Jod bild(!t also mit Eiweiss eine chemische Verbindung. Dieselbe ist in dünnen Schichten vollständig larblos, sowohl für das blosse Aug(? als unter dem Microscop. In grösserer Menge erscheint sie sehr blass (leischfarlxMi (weder gelb , noch braun), wie das frische Mühnereiweiss selbst; ein Ueberschuss von Jod Hirbt sie gelblich. Wenn man zu flüssigem Eiweiss allmiddich geringe Mengen von Jodkaliunijodlösung zusetzt, so behält es S(!inen ursprünglichen blass fleischfarbenen Ton ; und so lanae die Flüssiokeit diesen Farbenton zeigt, besitzt sie das Vi'rmögen, Jodstärke zu entfärben llal sie aber durch fort- üeselztes Zuführen von Jodkalimnjod eiiuMi gi'Iblichen Ton an- genomnu^n. so kündet sie dadnrcli die Anwesenheit von ('n;iem (gelöstem) Jod an. Sie hat nicht tun- «lii; Fähigkeit. Jodstärke zu entlärben , verloren : sie hal im (^(^gentheil diejenige ge- wonnen, untrelärbtes Stärkemehl zu blänen

Has jedhalligi; Eiweiss oder Jodalbmnin hat die gleiciuMi pliysicalischen Eigenschaften, wie das unveränderte Eiweiss. U'^i. n.i 20

298 "^ftzunij der math. phgs. Vlasse vom 13. Der. 1S62.

Es ist löslich in Wasser und gehl durch dieselben Ulitlel in den coagulirten Zustand über. In diesem Zustande ist es voll- koinnien weiss.

Die Schwefelsäure vermag das Jod dem gelösten oder co- agulirten Jodalbuniin nicht zu entziehen. Der Versuch wurde gemacht, um zu zeigen , dass das Jod nicht etwa mit Alkalien sich verbunden habe. Jodstärke wird durch Kali entfärbt und durch Schwefelsäure wieder gefärbt. Eine Lösung von Jodal- bumin färbt sich mit Schwefelsäure nicht, wohl aber coao-ulirt sie. Ebenso wird Jodstärke, wenn man dieselbe durch Eiweiss entfärbt, durch Znsatz von Schwefelsäure nicht wieder o-ebläut.

Chlor dagegen tritt an die Stelle des Jod und macht die- ses frei, \yenn man zu einer Lösung von Jodalbumin allmäh- hch Chlorwasser zusetzt, so färbt sich die Flüssigkeit zuerst gelb und hat nun die P^ähigkeit, Stärke zu bläuen. Wird mehr Chlor- wasser zugesetzt, so verschwindet die gelbe Färbung wieder; in gleicher Weise wie wässrige Jodlösung durch Chlor entfärbt wird. Aus dem gleichen Grunde tritt, wenn man Jodstärke durch Kiweiss entfärbt und dann Chlorwasser zusetzt, eine Bläuung in keinem Stadium mehr ein.

Der Umstand , dass Chlor an die Stelle des Jod treten kann, zeigt, dass Jodalbumin auf gleiche Weise entsteht wie Chloralbumin. Jod tritt durch Substitution an die Stelle von Wasserstoff; der letzlere verbindet sich sogleich mit einer an- dern Menge Jod. Die Flüssigkeit, in welcher Jodalbumin sich gebildet hat, reagirt daher deutlich sauer.

Ich füge noch die Bemerkung bei , dass die Verbindung von Jod und Albumin durch Jodiösungen hergestellt werden muss. Festes Jod eignet sich nicht dazu. Wenn man Jod- slückchen in flüssiges Eiweiss bringt, so coaguürt das letztere, überall wo es mit jenen in Berührung kommt, und färbt sich dunkelbraun. Die Jodsplitter werden so mit einer festen Kruste umhüllt, welche die Verbreitung des Jod zwar nicht absolut hemmt, aber doch sehr verzögert. Das langsam sich ausbrei- tende Jod bildet zuerst Jodalbunn'n und färbt nachher dasselbe

Näffeli: IteactioH von Jod auf Sfiirkehöiner u. Zeffnieitihr 99!)

goll), dann braun, und coagulirt es, so dass um die mil dun- kelbraunem Eivvciiss undiülllen Jodsplitter sich (refürbtt; Zonen biid(!n, deren Intensität nach aussen abnimmt. Man beobachtet diess am Besten unter dem Microscop. In einem ProI)irröhrchen war nach 14Taoen fast alles Eiweiss durch einige Jodslückchen braun und fest geworden ; ein Rest war noch farblos und flüssig.

//. Wie wirkt der grössere oder gerivgere Wassergehalt auf die Färbung der Stärke durch Jod?

Nach H. V. Mo hl (Flora 1840) ist die Anweserdieit des Wassers nothwendige Bedingung der blauen Fiirbung. iVach- dem er o-esagt, ,,die gelbe oder braune Farbe könne das Jod der trockenen Zellmembran ertheilen. wenn es in Alcohol aul- aelöst oder in Form von Dämpfen mit ihr in Berührung komme, die violette oder blaue Farbe trete dagegen nur dann ein, wenn die Zellmend)ran von Wasser durchdrungen sei; die blaue Farbe verwandle sich beim Austrocknen der Mend)ran in die vioh^lte oder rothbraune, kelire jedoch bei einer Benetzung zurück", fügt er bei, dass ,, analoge Farbenänderungen bekanntlich auch bei der Jodstärke einfreien, je nachdem dieselbe trocken oder von Wasser benetzt sei."

Meine früheren Beobachtungen schienen ebenfalls zu die- sem Resultate zu führen. Ich sah Jodstärke . wc^lcher das Wasser (mtzogen wurde, braungell), braunroth bis dunkelbraun werden (Stärkekörner pag. 188). Auch glaubte ich, dass das Jod nur in die Slärkekcirner eindringen kömie, wenn es vom V^<lsser frclösl hineingetragen werde , und dass es nur durch Wasser demselben wieder enlzog(Mi werde.

Die Beobachtungen, auf die sich alle diese Aussagen stü- tzen, waren zwar richtig; nie Folgerungen waren es nicht Die Wirkunosweise des Wasseis n»uss loluendernjassen (ornndirt werden :

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nOO Sit-z-tiHfi der mfftJi. plii/<i. Clnsse vom 13. Per. /%'?.

1) Boi gleicher Temperalur wird das Jod am sehn ollsten durch Wasser in die Stärkokörner hinein und hinaus befördert; durch Alcohol, Aelher, Oel oder durch Joddänipfe jxeschieht das Färben und Entfärben viel langsamer.

2) Das nämliche Mittel entfärbt um so rascher, je höher die Temperatur ist.

li) Die durch Jod gefärbte und von Wasser durch- drungene Stärke kann den gleichen (blauen, rothen, gelben) Farbenton behalten, wenn ihr das Wasser durch Verdunsten oder durch Al- cohol entzogen wird. \ ) Die Starke nimmt versch iedene Farben an, wenn sie im Momente, in welchem das Jod eindringt, mit mehr oder weniger Wasser imbibirt ist. Die reinblaue Färbung erlangt sie nur dann, wenn sie nahezu ihren vollen Wassergelia ll hat. Es ist bekannt, dass von Wasser durchdrungene Stärke (Mehl oder Kleister) durch Jod momentan gefärbt wird, man mag dassel])e in ^v'ässriger, wasserhaltiger wcingcisllger oder Jodkalium-Lösung zusetzen. Durch metallisches Jod geschieht die Färbung nur in dem Masse als dieses sich aufiösl.

Zur Ermittelung der Frage , inwiefern das Jod in Dampf- form aufgenonuncn werde, machte ich folgende Versuche. Luft- trockene Kartoffelslärkekörncr wurden mit kleinen Jodcrystallen auf den Objectträger gebracht, mit einem Deckgläsclien bedeckt und vernnttelst des letztern die Jodcrystalie zerrieben. Das Präparat blieb 24 Stunden stehen ; das Jod war nach dieser Zeit noch theiiweise vorhanden ; die Stärkekörner hatten somit zwischen den l)eiden Gläsern in einer Jodatmos|iliäre gcjlegen. Zur microscopischen Untersuchung wurde Citronenöl zugesetzt, so dass die Stärkekörner davon unigeben waren. Die meisten derselben zeigten sich vollkonuncn liirblos. Ein Theil war gell), bis braun. Aber die Färbung beschränkte sich auf di(^ Ober- fläche; (li(! Substanz selbst witr läiblos.

fiätjeli : lienction von Jod auf Stdikekörner u Zelluiembr \\()\

All KörncMii , die; überall i^ülarbl orscliciiicii , ist es zwar schwor zu cnlsciieideii, ob 'die Finbimo- sich auf die OlxMJliudio beöcliriinkc odor ob sie diircligoliu. Für das Ersle spricht aber der Umstand, dass die Körner im Innern enlschi(!den luiiler sind als am Umfange, während im zweiten Fall das Umsrekehrte stall finden miissle , um so mehr als in dem Cilron(^nöl der Rand- schallen beinalie ganz mangelt. Entscheidend sind aber die zahlreichen Körner, welche nur zur Hiillle oder nur stellen- weise gelb odei- braungefärbt sich zeigen. Wemi man diesel- ben rollt, so sieht man ganz deutlich, dass die ganze Sid)slanz farblos ist und dass die braune; Färbung als eine unmessbar <liinne Schicht die Oberfläche überzieht. Solche halbgefürble Körner, welche die gefärbte Hälfle dem Beobachter zukehren, sehen genau aus, wie die ganz gefärbten; und man überzeugt sich dadurch um so leichler . dass auch bei den letzleren die Färbnnof auf dit; Oberfläche beschränkt ist.

Ganz ähnlich wie in Dampfform wirkt Jod in weingeisli- ger Lösung. Wenn man trockenes KartofTelslärkemehl auf ei- nem Objectträger mit wasserfreier Jodtinctur übergiesst , so schwinnnen (li(; Stärkekörner in der braunrolhen Flüssigk(Ml vollkommen farblos herum. Und dass sie wirklich farblos sind, sieht man deutlich , wenn man auf einer Seite des Deckgläs- chens Alcohol zus(!lzt, welcher die .Jodtinctur verdrängt, Lässt man dagegen die Jodtinctur verdunsten, so werden die Körner, indem sich Jod auf dieselben niederschlägt, gelb bis braun. Dass die Färbung auf die Oberfläche beschränkt ist, sieht man auch hier , nachdem man die Kölner in ätherisches Oel ge- bracht hat, besonders schön an denjenigen, die nur slellenweise einen Jodniederschlag erhallen haben. Es gibt solche, die bloss auf der einen Seite braun sin<l; andere zeigen orösserc und kleinere Flecken

Wenn ily^v Alcohol . <ler zur nereilnno der JodliiicUir diente, fast wiisserlV«'! war. so sind die Shirkekörner nach dei eben ("wähnlen nehiindlmiü braini oder brauniiclb War der- selbe dagegen elwas wasserlialliii. so zeigen sich iMnzelne Kör-

302 SiHuntf dpr math.-pht/s Vlanae rom 13 Üec. 1868.

nor schwach violett. Diess ist so zu erklären, dass nach dem Verdunsten des Alcohols die gerinoreMenore des zurückbleiben- den Wassers in einzelne Körner eindringt und dieselben befä- higt Jod einzulagern. Dass diese Erklärung richtig sei, ergibt sich aus folgendem Versuche. Wenn man die durch das Ver- dunsten der Jodtinctur auf der Oberfläche braungewordenen Körner wiederholt mit etwas wasserhaltigem Alcoholbegiesst und denselben verdunsten lässt, so geht das Braun mit jeder Ope- ration mehr in Violett und Indigoblau über, welche Farben nun das oranze Korn durchdringen.

. Diese Thatsachen zeigen, dass eine Lösung von Jod in fast wasserfreiem Alcohol die Stärkekörner stundenlang farblos er- scheinen lässt Ich kann beifügen, dass selbst nach 40lägigem Liegen in gesättigter Jodtinctur die meisten Kartoflelstärkekör- ner vollkommen ungefärbt sind. Daraus habe ich früher ge- schlossen , dass das Jod von Alcohol überhaupt nicht in die Stärke hineingeführt werde Diess ist unrichtig, wie ich später zeigen werde. Der Process geht nur äusserst langsam von Statten. Nach längerer Zeit aber tritt gelbliche Färbung ein.

Aether verhält sich wie Weingeist, ebenso die flüchtigen Oele. Wenigstens bleiben trockene Kartoflelstärkekörner in Ci- tronenöl , in welchem Jod gelöst ist , stundenlang vollkommen farblos.

Wie das Jod schnell in die von Wasser durchdrungenen Stärkekörner eindringt , so verlässt es sie auch schnell. Die Entfärbung der Jodstärke in Wasser gehl aber desswegen langsam von Stallen , weil das Wasser gegenüber der Stärke nur eine äusserst geringe Menge von Jod zu lösen vermag, und weil es dieses Jod nur allmählich durch Verdunstung und Säurebildung verliert. Findet eine rasche Entführung des Jod (z. B. durch einen Wasserslrom) statt, so tritt auch die Ent- färbung rasch ein. Das gleiche Resultat erhält man, wenn man eine Flüssigkeit anwendet , welche eine grössere Menge von Jod zu lösen verniag (wasserhaltiger Alcohol, Wasser bei hö- herer Temperatur). Jodslärke, die man mit Wasser erhitzt, geht

Tiäffeti: Beticffon ron Jod auf Stärkekörnrr u. Zellmembr. ^OÜ

sehr rasch aus dem blauen in den farblosen Ziislaiid über, weil durch die steigende Wärme das Wasser die Fähigkeit erlangt, mehr Jod aufzunehmen.

Stärke, die durch wässrige Jodlösung gefärbt wurde und austrocknet, behält das Jod und in der Regel auch die gleiche Farbe. Solche trockene Jodstärke verändert sich an der Lull nach Tagen und Monaten nicht. Wenn die Präparate vor Feuchtigkeit bewahrt werden, so können sie selbst nach Jahren noch die ursprüngliche Farbe zeigen. Daraus habe ich früher den Schluss gezogen, dass das Jod nicht durch Verdunsten die trockenen Substanzen verlassen könne. Diess ist nicht ganz richtig. Denn bei erhöhter Temperatur wird das Jodslärkemehl rasch, der Jodstärkekleister zwar langsamer, aber doch binnen einiger Zeit entfärbt. Bei gewöhnlicher Temperatur findet die Verdampfung des Jod aus der Jodstärke ebenfalls aber äusserst langsam statt.

Trockene Jodslärke, die mit Alcohol übergössen wird, ver- ändert ihre Farbe nicht. Feuchter Jodstärke wird durch Alco- hol das Wasser, nicht aber das Jod entzogen. Der Schluss aus diesen Thatsachen , dass nur wässrige Flüssigkeiten die Jod- stärke zu entfärben vermögen, ist ebenfalls nicht genau. Denn nach längerer Zeit und nach wiederholter Erneuerung des Al- cohols tritt ganz allmählich die Entfärbung ein. Der Proccss findet bei erhöhter Temperatur weniger langsam statt. Die Ent- färbung durch Alcohol zeigt also die gleichen Verhältnisse, wie die durch Verdampfung des Jod.

Wenn man durcl» wässrige Lösungen blaugefärbte Jod- slärke ( Mehl oder Kleister) bei gewöhnlicher Temperatur ein- trocknen lässt, so behält sie in der Regel die blaue Farbe bei, und es gibt Partieen, die im luHlrockeneu Zustande so schön indigoblau erscheinen als vorher , so dass auch ein abermaliges Befeuchten mit Wasser keine Veränderung hervorruft.

Der Versucli wird mit Slärkemehl und Kleister am Besten so aiiyestelll , dass man sie mit wenig deslillirtem Wasser auf

304 SitzuHf/ der m.tth.-phi/s. Clusse vom IS. Vor. IS62.

(ItMi 01)j<M;ttnioor brino;! , (Miiige Jodsliickclicii liineiiileot und <Iaiiii ciiilrockiuM) liissl i\lan vonneidet dudurch, dass vor und wahrend dein Einlrocknen die Enträrlnnig beginnt, was. wie ich später zeigen werde, gerino-ere oder bedeutendere Modificatio- nen im Farbei)ton bewirken kaini. Das trockene Präparat des Jodstärkeniehis wird am Besten in Oel (z. B Cilronenöl) oder auch in wasserlreieni Weingeist und unter einem Deckgläschen beobachtet. Wenn es riicksichtiich der gehörigen Abstufung <ier Jodmenge gebnigen ist, so sieht man an den lutttrockenen KartofTelstärkekörnern alle Grade der Intensität vom hellsten bis zum dunkelsten Indigoblau.

Manchmal wird durch das Eintrocknen eine Modification der Farbe bewirkt ; aber die eben angeführte Thatsache be- weist, dass die Ursache in etwas Anderem als in der Wasser- enlziehung gesucht werden muss. Ich werde hievon später S[)rechen; ich werde ebenfalls zeigen, dass man durch wässrige Jodlösung die Stärke gelb, braungolb, rothbraun und roth fär- ben kann und dass auch diese Farbentöne beim Eintrockner» dieselben bleiben.

Aus allen diesen Thatsachen muss der Schluss gezogen werden, dass es nicht die grössere oder geringere Menge von Wasser an und für sich ist. die den Faibenton der Stärkekör- ner bedingt

Es gibt eine Thatsache. welche zwar nicht die Stärke selbst, aber eine derselben äusserst nahe verwandte Substanz bctrilTl und welche dem eben gemachten Ausspruch entgegen zu sein scheint. Eine Dextrinlösung wird durch Jod bei schwächerer Einwirkung weinroth, bei stärkerer dunkelroth gefärbt. Lässl man intensiv gefärbte Dcxtrinlösung auf einer Glasplatte ein- trocknen, so zeigt sich die reinste indigobhuu! Färbung, so schön als sie nur irgend an Jodstärke wahrzunehnuiu ist Die- ser Versuch wurde zu wiederholten Malen mit dem gleichen Erfolge genuichl. Ich habe einen Objectträger vor mir. an! wtdchem das trockene .biddiixlrin nach zwei Jalncii iiodi noII- kommen blau ist.

ISäf^eti: Reaction von Jod mif Stttrliehörner u. Zetlmetnf»' 305

Man wiirdo irren , woini man aus dieser Tliatsaclie den Sciduss begründen wollte, dass das Joddextrin in Vcrhindiin*» mit Wasser eine andere Farbe zciige als im trockenen Zuslando. Es ist nicht das Vorbandensein und der Mangel an Wasser, sondern der gelöste und feste Aggregatzustand , welcher (hc DifTerenz in der Färbung bedingt. Wenn man das eingetrock- nete Joddextrin mit Wasser übergiessl, so verändert es seine indigoblaue Farbe nicht.

Ganz anders verhält sich die Stärke, wenn ihr Wasserge- halt bei der Auliiahme des Jod verschieden ist. Man kann diess am Besten durch weingeistige Jodlösung nachweisen. Wenn man trockenes KartofTelstärkemehl mit hinreichend wasserhal- tiger Jodlinctnr übergic^sst. so färbt sie dasselbe sogleich schön indigoblau. Ist die Jodlinctur dagegen wasserfrei, so erlheilt sie <lcm Stärkemehl erst nach längerer Zeit eine gelbe und später gelbbraune Farbe. Je nachdem sie aber mn- wenig od(M- etwas mehr Wasser enthält, treten rolhgelbe, braune, roth-braune, kupferrothe und violette Töne auf.

Mit crleichem Erfoljr wie durch Jodlinctur, lässt sich die Stärke durch Joddämpfe färben. Ist dieselbe lufttrocken, so wird sie gelb und braun. Trockenes Karloflelstärkemchl wurde mit einigen Stückchen metallischen Jods in ein kleines I'robir- rohrchen eingeschlossen, und blieb während 4 Tagen den Jod- dämpfen ausgesetzt. Es erschien nun dem blossen Auge als ein branngrünes Pulver. Unter dem Microscop zeigten sich die meisten Körner gelb oder braungelb und zwar waren sie (Inrch und durch gleichmässig gefärbt. An einigen bem(>j-kto man in der Mitte eine dunklere ( braune) Stelle , welche biMui Drehen des Korns als im Innern befindlich sich erwies. Zu- weilen befand sich diese dunklere Stelle in «ler Cegend des Kerns Zuweilen war der Kern und eine nach der Mitl(! des Korns sich crueiltM-inh! Stelle braun gefärbt, so dass sie eltuMU IvomehMi mit Kern und Schwcil' glich Oil'eidiar halle (bis .lod >ich in diesen Fallen ni dei- iiohluni> (lt;s Kerns ninl in den Non derselben ausodunden iiiss.en niedergeschlagen. - W«;-

306 f^itzung der inath -phys. Classe vom 13. Dec. 1862-

nige Körner waren schmutzig blau, wahrscheinlich solche, die im lufttrockenen Zustande etwas mehr Wasser zurückgehalten hatten. Wenige andere erschienen schmutzig grün , eine Mi- schung der blauen und gelben Färbung.

Ist das Stärkemehl nicht vollkommen lufttrocken , so be- wirken die Joddämpfe braunrothe, rothe und violette Farben.

Jod, das in ätherischem Oel gelöst ist, reagirt, wie die weingeistige Tinctur und wie die Joddämpfe. Trockenes Kar- tofFelstärkemehl wurde mit einigen Stückchen Jod in Citronenöl gelegt und in einem verschlossenen Probirröhrchen aufbewahrt. Von Zeit zu Zeit untersuchte ich eine Probe unter dem Mi- croscop. Die Färbung ging sehr langsam vor sich. Nach drei Wochen hatten alle Körner deutlich Jod in grösserer oder ge- ringerer Menge aufgenommen. Die Mehrzahl hatte sich gelb- braun gefärbt ; der Farbenton begann mit Hellgelb und steigerte sich allmählich durch Braungelb zu Dunkelkaffebraun. Die klei- nere Zahl war schmutzig rothviolett, und hess ebenfalls alle Uebergänge von Hellroth bis Schwarzbraun wahrnehmen. Zwi- schen den beiden Farbenreihen gab es verschiedene Mittelstu- fen. An hellgefärbten Körnern aller Nuancen sah man oft das Innere der Körner intensiver gefärbt, als die äussere Substanz Fast an allen dunkler gefärbten Körnern war die alleräusserste Schicht deutlich heller oder selbst fast farblos. Einzelne Kör- ner, offenbar solche, die in der Nähe von Jodsplittern sich be- funden, hatten auf der einen Seite viel mehr Jod eingelagert.

Die verschiedene Färbung kann für diesen Fall auffallend erscheinen, weil alle Stärkekörner unter den gleichen Verhält- nissen sich befanden. Da aber in den übrigen Fällen (bei der Behandlung mit Alcohol oder mit Joddämpfen) sehr geringe Verschiedenheiten im Wassergehalt die nändichen Differenzen des Farbentons bedingen , so lässt sich wohl vermuthen , dass man es hier mit der nämlichen Ursache zu thun habe. Es mö- gen die Stärkekörner vermöge ihrer ungleichen Organisation schon von Anfang an im lufttrockenen Zuslandi; ungleich viel Wasser zuiückgehalten haben: es mögen auch geringe Was-

Nageli: Reuvtion von Jod auf Stärkekdrner u Zetlmembr. 307

scrmeniren inil dein ätherischen Ocl (feirnscht gewesen und vorzüglich von den einen Körnern aufgenommen worden sein.

///. Wie wirkt eine grössere oder geringere Menge des ein- gelagerten Jod auf den Farbenton der Stärke?

Wie bei den ZeUmembranen soll nach den Angaben H. V. Mohfs auch bei der Starke die ungleiche Ouantität von Jod unter übrigens gleichen Verhältnissen die verschiedene Färbung erklären. „Wenn zu gleicher Zeit Jod und Wasser auf die aufgequollenen oder nicht aufgequollenen Körner einwirke, so färben sie sich nach der Menge von Jod , welche sie aufneh- men, weinrolh, indigoblau bis zum tiefsten schwarzblau" (Anat. und Physiol. der vegetab. Zelle 1851 p. 49). Ich selber (Stärke- körner 1858 p. 185) glaubte ebenfalls dieses Resultat aus mei- nen Beobachtungen ableiten zu müssen; habe aber zugleich an gedeutet, dass es bei gleichen Mengen eingelagerten Jods zu- weilen ungleiche Farbentöne gebe und dass für diese Erchei- nung die Erklärung noch mangle.

Wenn man ein Präparat von Stärkekörnern in wässriger Jodlösung anfertigt, so bemerkt man häufig, besonders nach einiger Zeit, Körner mit heller, violetter oder selbst rothviolet- ter Färbung neben solchen mit intensiver, indigoblauer Farbe. Nichts scheint gerechtfertigter, als den ungleichen Ton von der verschiedenen Menge des eingelagerten Jod herzuleiten. Den- noch ist dieser Schluss unrichtig. Die Körner, die ungleich gefärbt sind, befinden sich nicht unter vollkommen gleichen Verhältnissen. Ich beschränke mich hier auf den Nachweis, dass celeris paribus auch der Farbenton der nändiche ist.

Wenn man KarloITelstärkekörner ganz langsam färbt, was am Bestell durch ein Stückclien Jod geschieht, welches man m deslillirt(!S Wasser legt, so ist «lie erste sichtbare Färbung lu'lliilau (nicht violett noch roth) : dieselbe wird nach und nach

308 Sitztitiff der math.-phi/s. Ctasse vom 13. Dec. 1869.

intensiver und zuletzt dunkelblau. WeizenstäiKekorner zeichen bei gleicher Behandlung ein ähnliches Verhalten, aber die Farbe geht mehr auf Violett. Bringt man zu Kartoffelstärkekleister, der mit destillirtem Wasser auf dem Objectträger liegt, Stück- chen von metalhschem Jod, so färbt sich die innere, stark auf- gequollene und granulirte Masse, die zum Theil aus den Kör- nern herausgetreten ist, erst blassblau, dann intensiv indigo- blau. Die geschichteten Hüllen werden blass violett, dann in- tensiv schmutzig- violettblau. Kleister von Weizenstärke ver- hält sich ebenso.

Bei diesem Verfahren kann ich an dem nämlichen Slärke- korn oder an der nämlichen Partie eines Korns bei geringerer und reichlicherer Jodeinlagerung keinen anderen Unterschied wahrnehmen, als dass der gleiche Farbenton mehr oder weni- ger intensiv auftritt. Es ist aber begreiflich, dass, je mehr derselbe sich vom reinen Blau entfernt und dem Violett nähert, um so mehr bei starker Verdünnung der Farbe das Roth, bei Condensirung derselben das Blau vorzuherrschen scheint.

Man kann, wie ich schon früher auffeffeben habe, die Stärke auch äusserst langsam färben, wenn man sie in Wasser bringt, in welchem durch Jod gefärbte Körper (Dextrin, Ei- weiss etc.) sich befinden. Jedes Verfahren , bei welchem man die entstehende Färbung beobachtet, gibt mir immer das näm- liche Resultat, während eine andere Methode keine Sicherheit gewährt. Ich werde später zeigen, dass das Jod in der Jod- stärke, wenn es sich anschickt, aus derselben zu entweichen, oft eine andero Anordnung der kleinsten Tlieilchen anninnnl und somit auch eine andere Farbe bedingt Diess ist um so mehr der Fall, je mehr sich die lu'sprüngliche Farbe dem rei- nen Blau nähert. Da nun, wenn Jodstärke im Wasser liegt, dieses immer etwas Jod entzieht, so beobachlot man häufig Körner, welche ihre Farbe etwas verändert haben. Man isl daher des Farbentons . wcIcIkmi Jodslärke im Wasser zeigt, nur dann uanz sicher, wenn man denselben im Momenl dei Entslehuno sielit

"Säiftfli: Ueacttnit von Jod imf Sliirliehörner u. ZelhnPinhr 30!)

Es ist fornor von WiditiVkoil . dass das Wasser, in doni «lio Sliirkc lit'ol, rein sei. Salze, weiche in demselben enlliallen sind, können leiclil die Farben niodificiren. Es ist sonrar, wie ich zeigen werde, niüi»Iich, ein Präparat in Wasser herzusl(!ilen, in welchem die Karlofrelsfärkckürner, welche am wein'gsUin Jod aufgenonnnen haben nnd somit die scliwiichste Färbun*»- zeifj^en. hellblan, die etwas stiirkcM- gefiirbten violett, die noch mehr Jod enlhallenden rolli, nnd diejenigen endlich, welche am meisten Jod eiiiffelaijert haben , braunoelb und oelb sind. Es wiire ein oanz falscher Schluss, vverui man aus dieser Thatsache Ibloerle, dass die fferinostc Jodmenoe blau und die grösste gelb larbe. VcTlblot man in einem solchen Priiparat das einzelne Korn, wiihrend es sich mehr und mehr fiirbt , so sieht man , dass es die Farbe nicht ändert, sondern nur verstärkt.

Es gibt nun zwar ausnahmsweise; auch ciiizelne Fälle , wo das in dcjslillirtem Wasser lieo(>nde KartolTelslärkekorn in dem Moment, wo es sich durch Jod färbt, eine violette (nicht eini; blaue) Farbe zeigt. Wenn trockenes KartofTelstärkemehl in wässrioe oder schwach weingeisligc Jodlosung gebracht wird, s<» beobatht(!t m;in zuweilen unter der Masse blauen- Körner einz(dne violette. An einigen derselben konnte ich aber deut- lich wahrnehmen, dass die äussere Substanz slärk(!r, die innere schwächer oder gar nicht gefärbt war. Da nun die äuss(!rsten cellulosereiclKMi Srhichten mit Jod einen violetten Ton anneh- men , so scheint jene Erscheinung erklärt zu sein. Bei der grossen Mehrzahl der Körner ist die innere Masse ebensosehr oder intensiver gefärbt, als die äussere; und daher zeigen diese alle eine blaue Farbe.

Alle diese Thatsachen zwingen uns also zu dem Schlüsse, dass unter iibrigcnis gleichen Umständen die unirleiclie (Quantität des in der Stärke eingela- gelten Jod niciil e i u e V ersc hied e nh e i t des Kar- bentons, sondern nur eine ver s c li i ed imi e Inlen- si tii l de r Fiir b <■ b e w ir kl.

310 Sitzung der math.-p!it/s Clause vom 13 Dec. 1S68.

IV. Wirkung physicalischer und chemischer Verhältnisse in der Stärkesubstanz auf die Färbung durch Jod.

Ausser den zwei Verhältnissen , die ich bereits besprochen habe, der grösseren und geringeren Wassermenge und der grösseren und geringeren Jodmenge, sind noch zwei andere Erklärungsgründe, ein physicahscher und ein chemischer, für die Thatsache angegeben worden, dass die Stärke in Verbind- ung mit Jod verschiedene Farben zeigen, dass sie von Braun und Roth bis Blau abwechseln kann.

Payen suchte die Ursache in der grössern oder geringe- ren Aggregalion der Substanz, Er sprach als allgemeines Re- sultat seiner Beobachtungen aus, „die Wirkung der stufen wei- sen Desaggregation bestehe darin, dass das Stärkemehl in Ver- bindung mit Jod violette Töne annehme, welche mehr und mehr in Roth übergehen; die gleiche Substanz zeige in den ersten Entwicklungsstadien innerhalb der Pflanzen unter der Einwir- kung von Jod rothe, violette, dann blaue Töne."

Ich selber (Stärkekörner 1858 p. 185) habe eine der Ur- sachen , warum die Stärke durch Jod verschiedene Färbungen annimmt, in der Thatsache gefunden, dass sie ungleich viel Cellulose enthält. Ich zeigte, dass bei ganz gleicher Behand- lung die celluloseärniern Partieen durch Jod und Wasser blau, die cellulosereichern roth oder violett werden.

Was die Theorie von Payen betriflt, so habe ich schon früher (Stärkekörner p. 187) gezeigt, dass sie nicht überein- stimmt mit der microscopischen Beobachtung, welche darlhut, dass im Kartofl'elstärkekleister die stark aufgequollene desorga- nisirte und feinkörnig gewordene Masse blau, die noch geschich- tete dichtere Substanz violett oder rolhviolett sich färbt. Wenn ferner durch Hilze aufgequollene Kartoffelstärke nnt unverän- derter gemengt und auf dem Objectträger durch ein Stückchen Jod, das man ins Wasser legt , langsam gefärbt wird , so \w- obnchtet man nicht nur, dass Aia aufgequollenen Körner, na- Mienllich deren innere granulirte Masse, das Jo«l IVülior auf-

fiHifeli: Reaction von Jod nvf Stürhehlirner u. Zelhnenihr 311

nehmen, sondern auch, dass sie entschieden einen reiner blauen Farbenion zeigen als die unveränderten.

Gestützt auf diese Beobachtungen niuss vielmehr gesagt werden, dass die Stärkosubstanz durch Auflockerung und Desaggrega tion, insoferne sie nicht etwa zu Folge von Dextrin bildung ärmer an Granulöse wird. dieBefähigung erhält, mit Jod einen etwas reiner blauen Farbenton anzunehmen. Die Stärke verhält sich in dieser Beziehung also ganz wie die Cellulose.

Eine Thatsache, welche scheinbar die Ansicht Payen's unterstützt und welche dieselbe ohne Zweifel veranlasste , wo- bei aber die nucroscopische Analyse den Grund des Irrthums nachweist . ist folgende. Wenn man Stärke mit verdünnter Schwefelsäure kocht, und von Zeit zu Zeit eine Probe der Lö- sung untersucht, so erhält man durch Zusatz von Jod zuerst reinblaue Färbungen, blassblau bei geringer, intensiv indigoblau bis schwarzblau bei stärkerer Einwirkung. Später aber bewirkt eine geringe Menge von Jod blass blau violette, eine grossere Menge rothviolette Färbung. Die geringe Jodmenge färbt bloss die noch vorhandene Stärke, die grössere Jodmenge färbt aus- serdem das Dextrin, das sich gebildet hat. Bringt man einen Tropfen Jodlösung in die unveränderte Flüssigkeit, so bewirkt dieselbe an der Stelle, die sie berührt, eine rothe Trübung, in- dem sie Stärke und Dextrin färbt. Bald aber breitet sich die Färbung aus und geht in Blauviolelt über , indem das Dextrin sein Jod an die Stärke abgibt.

Unter dem Microscop kann man beide Färbungen neben einander sehen. Wenn man einen Tropfen der eben erwidui- len Flüssigkeit auf den Objectlräger bringt und einen Joder y- »lall hineiidegt, so bemerkt man mit blossem Auge einen ro- llicii Hof sich um denselben ausbreiten. Das Microscop zeigt HU dem l'mfangc des rotlien Hofes eine schmale blauviolelte Zone. In der letztem hat das Jod erst die Stärke, in dem er- slorn auch das Devirin gefärbt.

312 SUzvnf/ der uiath.-phys. Glosse vom 13 Der 1(^6S

Die Ursache, warum die SUirke, die noch nicht in Dexlriit überofegfancren ist, keinen reinblauen Ton annimmt, besteht da- rin, dass sie verhiiltnissmässig viel CeHulosc enthält. Die Wir- kung der Schwefelsaure trifft nändich zuerst diejenigen Partieen. welche arm an Cellulose sind; am längsten widerstehen ihr die cellulosereichen Schichten. Wenn alle Stärke in Dextrin über- gegangen ist, so wird die Lösung durch Jod natiiilich bloss noch roth gefärbt.

Folgende Beobachtung stimmt hiermit vollkommen überein. Alter Kartoifelstärkekleister , welcher Jahr und Tag in einer verkorkten Flasche im Laboratorium gestanden halte, war ganz flüssig geworden. Man konnte eine klare Lösung abgiessen, welche bloss Dextrin enthielt. Der zurückgebliebene Kleister färbte sich aui" Zusatz von Jod rothviolett. Unter dem Micro- scop bestand derselbe zum grösseren Theil aus geschichteten Hüllen, zum geringeren aus feinkörniger desorganisirter Masse. Bei langsamer Einwirkung des Jod färbte sich diese körnige Masse zuerst, und zwar violett; später nahmen die Hüllen orangefarbene und kupferrothe bis rolhviolette Töne an.

Wenn man also Stärkekleister auf irgend eine Weise in Dextrin überfuhrt, so geht die Farbe, welche di(! Flüssigk(;il nach und nach mit Jod anninunt, von Indigoblau durch Violett in Roth über. Diess geschieht aus zwei Ursachen, einmal be- sonders desswegen, weil das Dextrin an Menge zuninnnt und fer- ner in geringerem Ma.sse auch des.swegen, weil die noch unver- änderte Stärke verhällnissmässig innner reicher an Cellulose wird.

In vollkonmnier Harmonie damit steht die Thatsache, dass mit Schwefelsäure gekochter Stärkekleister, welcher durch Jod gefärbt und dann mit Stärkemehl vcrmisciit wird, sein Jod voll- ständig an letzteres abgibt und daher sich entfärbt, wenn er zum grossem Theil in Dextrin umgewandelt ist; dass er aber bei der gleichen Procedm- um so mehr Jod zurückhält und um .so inlen.siver gefäilil blcil/l. Jt; weniger er dir miiwandelnde Ein- wirkung der Schwclclsiinre erfaliren linl.

Sihrinbein : midiing ilei iaipefricht.i. AmmnnfaUf 313

Hnrr Pol teil kofer referirt über drei von dem auswiirli- gen Miloliede Hin Scliö nbein \\\ Basel eingesendete AMiand- hingeii

1) einen Niiclilrag zu der Abluindlung : „über die Bildung des salpetrich tsau ren Ammoniaks aus Wasser und Luft." (Vorl. 1862. IF. 1, /i5 [\^

Brinol man reinstes Wa.sser in einem ollenen Geüisse, z. B. in einer Porcellanschaale zum Sieden und verdichtet man einige (Irannne des biebei sich bildenden Dampfes in einer über ihm ffehaltenen kalten Flasche zu Wasser, so wird letzte- i-es, mitSOa angesiiuert, den Jodkaliumkleisler, wenn auch nicht stark, doch noch deutlich blauen. Auch bringen nn't reinem Wa.sser gekränkte und einige Zeit dem gleichen l)ampre aus- g-esetzte Streifen Filtrirpapieres die gleiche Keaction hervor, welche selbsherslandlich von kleinen !\lengen des unter diesen Umständen aebildeten Ammoniaknitritcs herrührt.

Da dieses Salz schon seiner Flüchtigkeil halber unter den «•rwahnton Verumslandungen nur in geringer Menge im Fapi«!r sich anhiinfen liisst . so wende ich in der Absicht, grö.ssere Mengen eines Nilrites zu erhalten, den Kiinslgrilf an , die Pa- pierstreifen mit kalihaltigem Wasser zu tranken, welches die .salpelrichte Siiure des Ammoniaksalzes bindet , um dannt Kali- nilrit zu bilden, der im Papier verbleibt Liisst man so be- .schaffene Streifen nur eine Viertelstunde über <l(Mn oHen sie- denden Wasser hängen, so werden sie den angesäuerten .lod- kaliumkleisler schon merklich stark und noch ticifer bläuen, nachtiem sie längere Zeit, z. B. ehiige Stunden, der Kinn iiknng des Dampfes ausgesetzt gewesen.

Lässt man Wasser bei niedrigeren Temperaturen, z. B bei /iO— 70" in olfener Luft verdampfet», so werden äiniliche Er- o-ehnisse (^hallen: Die über diesem Wasser hängtuidcn kidili;il- tiffcn Papierslreiten erlangen schon in kurzer Zeit ilas \ ermo- ijen. «len oesäuerlen .lodkalininkleisler aul das Ti^'fsle zu blauen 111« n.) 21

314 Sit'innfi der math -phys. Classe vom 13. Dee t86S.

und ich lege eine Probe eines solchen Streifens bei, welcher einige Stunden über einer Porcellanschaale gehangen, aus der fortwährend Wasser bei einer Temperatur von 60" verdampfte und welches Papier, wie man finden wird, den angesäuerten Kleister auf das Stärkste bläut.

Um sich von der unter diesen Umständen erfolgenden Ni- tritbildung zu überzeugen, ist es nicht einmal nöthig, über dem Dampfe befeuchtete Papiere aufzuhängen. Lässt man in einer offenen Porzellanschaale reinstes Wasser bei 40—50° verdam- pfen und setzt diese Operation unter jeweiliger Erneuerung des verdunsteten Wassers einen halben oder ganzen Tag fort , so wird die rückständige Flüssigkeit, mit verdünnter SO 3 ange- säuert , zugefügten Jodkaliumklcister schon niei klich bläuen, welche Reaction von kleinen Mengen Aninioniaknilrites herrührt, das auf der Verdampfungsfläche sich bildend, wie von dem Wasser der über ihm hängenden Papierstreifen, so auch von dem Wasser der Schaale spurweise aufgenommen wird. Wen- det man anstatt des reinen Wassers kalihalliges an , und lässt man dasselbe unter den erwähnten Umständen Tage lang ver- dampfen, den Verlust der Flüssigkeit von Zeit zu Zeit ersetzend, so Avird das rückständige Wasser die Nitritreactionen in augen- lalliffster Weise hervorbringen. Dass natürlich kalkhaltiges Was- ser auf die gleiche Weise nitrithaltig wird, ist kaum nöthig ausdrücklich zu bemerken. Wenn nun obigen und früheren An- gaben gemäss während der bei so verschiedenen Temperaturen bewerkstelligten Wasserverdampfung in atmosphärischer Luft salpetrichtsaures Ammoniak gebildet wird, so liess sich mit Si- cherheit vermuthen, dass dieses Salz auch noch bei niedrigem Wärmegraden, also selbst bei gewöhnlicher Temperatur ent- stehe und ich denke, dass die nachstehenden Angaben keinen Zweifel darüber walten lassen.

Lässt man einen mit reinstem Wasser getränkten Bogen Filtrirpapieres in einem verschlossenen Zimmer bei gewöhnlicher Temperatur trocknen und zieht man dann denselben mit ver- hälliiissmässig wenig Wasser aus, so wird die erhaltene Flüs-

Schönbetn: (tildting des satpetrichts. Ammoniaks. 315

sigkeil, mit SO^ angesäuert, den Jüdkaliumkleisler in kurzer Zeit merklich stark bläuen. Selbstverständlich wird das oleiche Ergebniss mit reiner benetzter Leinwand erhalten, welche man in der Luft bei gewölinlicher Temperatur trocknen lässt und ich will bemerken, dass ich mir auf diese Weise grössere Mengen ammoniaknitrithaltigen Wassers verschafTe, Daher kommt es auch, dass nach meinen zahlreichen Untersuchungen alles ge- waschene Linnenzeug, mit wenig Wasser ausgezogen, eine Flüs- sigkeit liefert, welche den angesäuerten Jodkuliumkleisler noch deutlichst bläut. Dass auch noch andere Stoffe, die einmal nass waren und in der Luft getrocknet wurden, nachweisbar Spuren von Nitrit enthalten , ist eine selbstverslandene Sache. In die- sen Fällen ist z. B. das angeleimte Druckpapier.

Hiemit hängt auch die weitere Thatsache zusammen, dass kalihaltiges Wasser, nachdem man es in einem offenen Gefässe dem grössern Theile nach bei gewöhnlicher Temperatur hat ver- dampfen lassen , deutlichst auf Nitrit reagirt und dass Kalihy- drat nicht selten dieses Salz enthält. Ebenso begreiflich ist jetzt, warum mit kalihaltigem Wasser getränkte Papierstreifen, welche man längere Zeit in der Luft hängen lässt, den ange- säuerten Jodkaliumklcister stark bläuen.

Noch muss ich der hieher gehörig(Mi Thatsache gedenken, dass nach meinen ßeobachlungen auf der Oberfläche längere Zeit aufbewahrter und noch ungebrauchter Glasgefässe nach- weisbare Mengen von Kalinitrit sich vorfinden. In einer Vor- ralhskammer, wo ich meine Glasgeräthschaften aufbewahre, lie- gen schon seit Jahren Deckplatten böhmischen Glases iiberein- der geschichtet und ich finde, dass vorzugsweise die maltge- schliffene Seile derselben, wenn erst mit verdiiimter SO3 ange- nezt, darauf getröpfelten Jodkaliumkleisler auf das augenfälligste bläut. Es versteht sich von selbst, dass die Plauen, mil verhäll- nissmässig wenig Wasser abgewaschen, eine Flüssigkeil liefern, welche die Nitrilrcactionen auf das Dcullichsle hervorbringt. Anderes Glas, auch französisches, wi«^ Röhren, Kolben, Retor- ten u. s. w. verhallen sich wie die besagten Glasplatten , mil

21*

31 G Sitxunff der math -phps. Claxse vom 13. Vec. 1869.

dem einzigen Unlerschied , dass die maftgeschliffene Seile der- selben reicher an Nilril ist als das glatte Glas. Dieses so jiierkwiirdige und scheinbar unerklärliche Vorkommen des sal- petrichtsauren Kalis ist nun, wie ich glaube, eine leicht zu deu- tende Thalsache. Da in Folge der in der atmosphärischen Luft unaufhörlich stattfindenden VVasserverdampfung auch ohne Un- terlass;Amnioniaknitrit entsteht, so muss dieses Salz, wenn auch in homöopathischen Mengen, doch überall verbreitet sein und im Laufe der Zeit mit dem Kali des Glases nachweisbare Mengen salpetrichtsauren Kalis bilden, welches in einer stagnirenden, d. h. ozonleeren Atmosphäre, gemäss meinen früheren Ver- suchen, nicht zu Nitrat sich oxydirt, diess aber wohl in der freien strönuMKlen Luft Ihul, die fortwährend kleine Menoen ozonisirten Sauerstoffes mit sich führt.

Mit der durch Wasserverdampfuiig in der atmosphärischen Luft beworkslelliglen Bildung des salpetrichtsauren Ammoniaks hängt nun unstreitig auch die sogenannte spontane Erzeugung der Salpetersäuren Salze auf das engste zusammen, welche Erzeu- gung viel allgemeiner ist, als man sie sich bis jetzt gedacht. In der Thal zeigen meine Unlersuchungen, dass seilen, wenn je, ein Wasser völlig frei von Nitrat angetrolTen wird. Entsteht nun fortwährend in der angegebenen Weise Ammoniaknilril, wird dieses Salz beim ZusauimenIrefFen mit alkalischen Basen in andere Nitrite verwandelt und o.xydiren sich letzlere erfah- runosffemäss in freier Lull zu Nilralen, so kann es nicht feli- Ich , dass der Vorgang der Salpelerbildung ein ganz allgemei- ner und niiaufhörlicher sei. Ist nini ein lockerer Boden, z B. kalihallig und (indet in demselben Wasserverdampfung stall, so wird sich schon aus diesem Grunde erst Kalinilrit bilden und dieses in Berührung mit der Atmosphäre allmählich in Nilrat ver- wandeln. Dann führt die strömende Luft unaufhörlich dem crlei("h(!n Roden kh^ne M(Migen anderwärts gebildelen Amtiioniak- iiitriles zu nn<l auch das ans diesem Salze durch die Einwir- UiMiii des Kalis u s w. enibnndene Annnoniak kann Einiges zur MlriilbildiMiü bfilragen. In nns(M-n regenreichen Gegpnden

^

Schönhehl: nuduinf des stiti/etrichts Ammoniaks. ^17

aber koniion sich bogreifliclier Weise diese Salze nicht in merk- licher Menge an einer solchen Oertlichkeil anhaulcn , weil sie dnrch das atniüsphärische Wasser innner wieder vveggevvaschen werden.

Anders in manchen lieissen Ländern , wie z. B. in einigen Theilen Ostindiens u. s. w. . wo IWonale lang kein Regen fällt. Hier können sich in einem kalihaltigen Boden so merkliche Mengen Kalisalpeters im Laufe von Monaten anhauten, dass sie des Ausbeulens werth sind. Dass die Nitrificalion auch noch auf eine andere als die angegebene Weise stattfindet, ist eine selbstverstandene Sache.

Dass die besprochene Art der Bildung des Ammoniakni- Irites auch für die Pflanzenwelt eine grosse Bedeutung habe, wurde zwar schon in meiner letzten Mittheilung hervorgehoben; ich finde mich aber doch veranlasst, noch einige weitere Be- merkungen beizufügen. Jede Pflanze, insofern sie Wasser ver- dampft, ist selbst ein Nilriterzeuger und verschafft sich somit, wenn vielleicht nicht allen, doch einen Theil des ihr nolhigen assinnlirbaren Stickstoffes j dazu kommt noch die Ackerkrume, welche gleichfalls eine Bildungsstätte des Ammoniaknitrites ist, um von der atmosphärischen Luft gar nicht zu reden, die mit dem gleichen Salze geschwängert ist. Es will mich desshalb bedünken , dass die bezeichneten Quellen der Pflanze so viel für sie verwendbaren Stickstofl" zuführen, um ihrem physiolo- gischen Bedürfnisse vollkommen zu genügen.

Ich bin daher geneigt, meinem Freunde Liebig Recht zn geben, wenn er behauptist, dass es unnöthig sei, auf ausseror- dentlichem Wege den Kullurpflanzen anunoniakerzeugende Stolfe darzubieten und die Wirksamkeit des Düngers von seinen mi- neralischen Bestandthcilen bedingt sei.

318 SiHtiiiy der math.-phys. Vtasse vom 13. Dec- 186S!

2) einen Aufsatz

„Ueber das oxidirende Vermögen der Nitrite''

Meine früheren Versuche haben gezeigt , dass eine nicht kleine Zahl unorganischer und organischer Materien schon bei gewöhnlicher Temperatur reducirend auf die gelösten Nitrate einwirkt und diese Salze zunächst in Nitrite verwandelt, welche Thatsache es als möglich erscheinen liess, dass eine solche des- oxidirende W^irkung noch weiter gehen, d. h. auch der Säure der Nitrite der Sauerstoff entzogen werden könnte. Wie ich dafür halte, gewähren die nachstehenden Angaben die Gewiss- heit, dass die alkalischen Nitrite und namentlich das salpet- richtsaure Ammoniak gegenüber vielen Körpern als oxidirendes Agens sich verhalten, wesshalb im hohen Grade wahrscheinlich ist, dass dieses Salz durch sein oxidirendes Vermögen im Haus- halte der Natur eine wichtige Rolle spiele.

Zunächst sei bemerkt, dass Eisen und Zink eine solche re- ducirende Wirkung auf die gelösten alkalischen Nitrite und na- mentlich auf dasjenige des Ammoniaks hervorbringen, wie man sich auf folgende Weise leicht überzeugen kann. Da diese Reduction ziemlich langsam von Statten geht, so muss man, um etwas rasch zum Ziele zu gelangen, sehr stark verdünnter Nitritlösungen sich bedienen, solcher jedoch, welche den ange- säuerten Jodkaliumkleister inmier noch augenblicklich auf das Augenfälligste zu bläuen vermögen. Setzt man eine derartige Ammoniaknitritlösung unter Ausschluss der Luft und jeweiligem Schütteln mit Eisen- oder Zinkfeile in Berührung, so wird nach einiger Zeit die Flüssigkeit ihr Bläuungsvermögen des Gänzli- chen eingebüsst , dagegen aber die Eigenschaft eilangt haben, das Curcumapapier deutlich zu bräunen oder die farblose Hämat- oxyliidösung sofort violett zu färben, welche Reactionen die Anwesenheit freien Annnoniaks deutlich genug anzeigen.

In gleicher Weise verhallen sich die genannten Metall«!

Schönbein: Das Oxidirttnysver mögen der fiitrite. 319

auch gegen die stark verdünnten Kali- oder Natronnitritlösun- gen, woher es kommt , dass gelöster Kali- oder Natronsalpeter bei längerm Zusammenstehen mit Zink stark alkalisch reagirt Erst wird unter diesen Umstanden das Nitrat zu Nitrit reducirt und dann auch der Säure dieses neutralen Salzes durch das Metall der Sauerstoff entzogen, was das Freiwerden des Kalis u. s. w., also die alkalische Reaction zur Folge haben muss.

Sägespähne oder Baumwolle mit Wasser getränkt, welches winzige Mengen Ammoniaknitrites enthält, wirken ebenHalls re- ducirend auf dieses Salz ein, wie daraus hervorgeht, dass die Flüssigkeit, nachdem sie einige Zeit mit Baumwolle u. s. w. in Berührung gestanden, nicht im Mindesten mehr zu bläuen, da- gegen eine noch deutlich alkoholische Reaction hervorzubringen vermag. Wendet man eine Lösung an, welche den angesäuer- ten Jodkaliumkleister zwar noch sehr augenfällig , aber nicht mehr bis zur Undurchsichtigkeit tief bläut, in der also nur äus- serst kleine Mengen Nitrites enthalten sind , so reichen einige Tage hin, damit das mit Sägespähnen u. s. w. zusammenstehende gelöste Salz völlig zerstört werde. Stärke in Klcisterform' ver- hält sich in ähnlicher Weise und dass noch andere organische Materien, wie auf die Nitrate, so auch auf die Nitrite desoxy- dirend einwirken, wird aus der nachstehenden Millheilung zur Genüge erhellen.

(I) Hieraus erklären sicli die sonderhareii Veriinderiiiigen , welche der mit gewöhnlichem Wasser bereitete Jodkaliinukleisler nach und nach erleidet Frisch dargestellt wird derselbe durch verdünnte chemisch reine Schwel'elsäure nicht gebläut, erlangt aber nach einiger Zeit diese Eigen- schaft, um sie jedoch im Laufe einiger Tage für immer zu verlieren. Die Sache verhält sich so: erst reducirt die Stärke das imBrunnenwas- ser enthaltenen .Nitrat /u Nitrit , wodurch der besagte Kleister die higkeit erhält, durch verdünnte Säuren gebläut zu werden; in Folge der fortdauernden reducircndcn Kinwirkung der Stärke auf das entstandene Nitrit aber wird auch dieses Salz zerstört und ist die Zersetzung des selben vollendet, so kann natürlich der Jodkaliumkleisler durch verdünnte Schwefelsäure u. s, w. nicht mehr gebläut werden.

320 Süzuni/ der iiurfk. -}>hi/t. Cltisst vom 13. Vti. i86g.

Machoii es nua ilit; voranslehenden Angaben g-e\viss, (fass das Anunoniaknihit viele unorganisdie und organische Materien zu oxidireii venniig und ist es Thalsache, dass bei der Ver- dampfung des Wassers in atmosphärischer Luft dieses Salz un- aufhörlich gebildet wird, so kann es wohl keinem Zweifel uu- lerworfen sein, dass die Natur desselben zu einer Reihe von Oxidalionen unorganischer und organischer Substanzen sich be- dient.

Bekannt ist, wie leicht die Holzfaser, die der gieichzeitig-eri Einwirkung des Wassers und der atmosphärischen Lull ausge- setzt ist, mürbe, d. h. oxidirl wird, wie auch die Erfahruno schon längst gelehrt hat , dass die rohe Leinwand durch ab- wechselndes Benetzen mit Wasser und Trocknen iu der Lull rascher sich bleicht, als sie diess im trockenen Zustande thut. Ich bin daher geneigt anzunehmen, dass durch sein oxidirendes Vermögen das Annnoniaknitrit bei der Verwesung der Pflanzen, der Rasenbleiche, dem Rosten der Metalle u. s. w. eine Rolle spiele, obwohl sicher ist, dass an diesen Oxidationsvorgängen auch der freie atmosphärische Sauerstoff Theil nehme , dadurch nämlich, dass derselbe unter dem Einfluss der Luftelectricität und einer Anzahl unorganischer und organischer Materien ozo- nisirt oder chemisch polarisirt wird, wie hierüber die Ergeb- nisse meiner früheren Versuche und namentlich die Tliatsache kehlen Zweifel übrig lassen, dass in so vielen Fällen langsamer und in wasserhaltiger Luft stattfindender Oxidation Wasserslolf- superoxid zum Vorschein kommt.

3) einen Aufsatz

..Ueber das Vorkommen salpetricht- und salpe- „lersaurer Salze in der Pflanzenwelt.'-

Die Thalsache, dass bei der Verdampfung des \\'as.seis in atmosphärischer Luft immer Anunoniakiiitril sich bildet , liess

Schönhein: Vorkommen suliietricht u. stit/ietet'^. Sntxe. \\2\

miih venniiUieu, dass sowohl dieses Sylz selbst als mich an- dere aus ihm ciilslandene Nitrite oder Nitrate in der Pflanzen- well allgemein verlireilet seien und die Ergebnisse der zahlrei- chen von mir über diesen Geg-ensland aiigestelilcn Versuche haben die Riclitigkeil meiner Vernnilhung ausser Zweifel ge- stellt, wie aus den nachstehenden Angaben zur Genüge erhel- len wird.

Unter allen von mir bis jetzt uniersuchten Pflanzen Z(Mch- nel sich das Leontodon taraxacum durch seinen Nitritgehalt ganz besonders aus, wesshalb auch von ihm zuerst die Rede sein soll. Ein Gcwichtslheil der Irisch gepflückten und zerquetsch- ten Blatter dieser Pflanzen mit hundert Theilen reinen Wassers zusammengerührt, ertheilt dieser FlüssigkcMt die Eigenschaft, durch schwach mit SO 3 angesäuerten Jodkaliumkleister sofort auf das Tiefste gebläut zu werden.

Auch die frischen Blätter von Lactuca saliva; Senecio vul- garis und erucaefolius ; Lapsona communis; Sonchus oleraceus; Dactylis glommerata; Planlago major; Mentha piperila; Thymus serpyllum; Echium vulgare; Menispermum canadense ; Magnolia obovata, discolor, Yulan, glauca, Macrophylla, Paulom'a; Syringa vulgaris; Hcdera lielix u. v. a. m, liefern Avässrige Auszüge, welche durch den angesäuerten Kleister sofort mehr oder we- niger stark gebläut werden. Sehr viele äusserst verschieden- artige Gewächse sind so, dass der wässrige Auszug ihrer Blät- ter den angesäuerten Jodkaliumkleister nicht im Mindesten bläuen, aber bei längerem Stehen oder Maceriren mit den zer- quetschten Pflanzenlheilen diese Eigenschalt in einem ausge- zeichneten Grade erlangt. Als typisch in dieser Beziehung können die frischen Blätter der Spinatia oleracea (Spinal) gel- ten, welche klein zerhackt und mit Wasser 12— 24 Stunden zu- sanunengestcllt, einen Auszug liefern, welcher durch ^an ange- säuerten Jodkaliumkleisler augenblicklich bis zur L-ndurchsich- liükeit lief oebläut wird. In ähnlicher Weise verhalten sich die Blätter von Dalura Slramonium ; Ilyosciainus inger; Conium ma- lulalum; Nicotiana Tabacum; Helianthus annuus; Papaver som-

322 Sitzung der math. phys Classe vorn 13. Dec. 1869.

niferuin; Aristolochia sypho; Poa annua; Daucus carota (ge- wöhnliche gelbe Rübe); Beta vulgaris (Mangold unserer Gär- ten) und hundert andere mehr, welche zerquetscht und mit Wasser 12—24 Stunden bei gewöhnlicher Temperatur macerirt stark bläuende Auszüge liefern.

Eine dritte Gruppe von Pflanzen hat Blätter, deren wäss- rige Auszüge ebenfalls ohne vorausgegangene Maceration durch angesäuerten Jodkaliumkleister gebläut werden, diese Eigenschaft aber bald verlieren , um sie jedoch bei längerer Maceration in einem noch viel höheren Grade wieder zu erlangen. Beispiele hievon sind die Blätter der Urtica dioica; Lactuca sativa , Son- chus oleraceus u. a. m. Slösst man die Blätter der Urtica mit einigem Wasser zusammen und wird der dadurch erhaltene Auszug unverweilt mit angesäuertem JodkaHumkleister versetzt, so bläut sich das Gemisch augenblicklich ; lässt man aber den Saft kaum eine Minute lang mit den zerquetschten Blättern zu- sammenstehen, so hat er schon sein Bläuungsvermögen einge- büsst, um dasselbe jedoch nach mehrstündiger Maceration aber- mals zu erlangen. Ganz so verhalten sich die frischen Blätter der Lactuca sativa , deren wässriger Auszug die gleichen Ver- änderungen nur etwas langsamer erleidet.

Was das Verhalten der Wurzel, des Stengels, Blattstieles, der Blüthe u. s. w. einer Pflanze betrifft, so ist dasselbe nicht selten gleich demjenigen ihrer Blätter; wovon Leontodon tara- xacum als Beispiel gelten kann, dessen sämmtliche Pflanzen - theile stark bläuende wässrige Auszüge liefern. Bisweilen tritt aber auch der Fall ein, dass der eine Pflanzentheil anders als die übrigen sich verhält, wie z. B. Wurzel, Stengel und Blülhe von Origanum vulgare oder Verbena olficinalis bläuende Auszüge liefern, während die Blätter <iieser Pflanzen diess nicht Ihun und bei Datura Stramonium ist es nur die grüne Samenkapsel, von der sofort ein solcher Auszug erhallen wird. Aehuliche Verhält- nisse zeigen die Pflanzen, deren wässrige Blälterauszüge erst diM'ch längere Maceration ihr Bläuungsvernjögen erlangen. Wur-

Schönbefn: Vorkommen salpetrlcht- u. salpeter.i. Salze. 323

zel, Stengel, Blätter u. s. w. von Beta vulgaris, Conium macu- latum II. s. w. sind in diesem Falle.

Die getrockneten Blätter mancher Gewächse liefern eben so gut bläuende Auszüge als diess die grünen thun, wie z. B. diejenigen von Leontodon, Daclylis glomerata u. a. m. ; doch gibt es auch Pflanzen, deren Blätter diese Eigenschaft durch das Trocknen verlieren , wie z. B. diejenigen der Magnolien, Paulonia u. s. w. Frische Pflanzentheile, welche erst durch Maceration mit Wasser bläuende Auszüge geben, besitzen diese Eigenschaft auch im getrockneten Zustande , wie uns hievon wieder Wurzel, Stengel, Blatt u. s. w. von Beta vulgaris ein Beispiel liefern.

Das Bläuungsvermögen der wässrigen Pflanzenauszüge geht in der Regel ohne äusseres Zuthun verloren; sei es, dass man dieselben sich selbst überlässt oder mit den Pflanzensubstanzen, aus welchen sie erhalten worden, längere Zeit zusammenstehen lässt. Der wässrigc Auszug der frischen Blätter von Leonto- don, bei gewöhnlicher Temperatur einige Stunden sich selbst überlassen, wird durch den angesäuerten Jodkaliumkleister nicht mehr gebläut und in der Siedhitze verliert er sein Bläuungs- vermögen beinahe augenblicklich. Die bläuenden Auszüge vie- ler anderer Pflanzen verhallen sich in gleicher Weise.

Der Saft der Blätter von Spinatia oleracea, durch Macera- tion bläuend geworden, verliert bei längerem Zusammenstehen mit der Blattsubslanz diese Eigenschaft wieder und es ist hier die Bemerkung am Ort, dass durchschnittlich genommen die wässrigen, durch Maceration bläuend gewordenen Blätferaus- züge ihr Bläuungsvermögen rascher einbüssen, als diess die Auszüge anderer Theile der gleichen Pflanze thun. So z. B. wird der wässrige Auszug der Stengel von Hyosciamus niger, der schon rnjuiche Woche alt i.st , liont*^ noch auf das Tiefste gebläut, wälireiid derjenige der Blatter sein Bläuungsvermögen schon nach wenigen Tagen verloren hatte. Doch gibt es von dieser Regel auch Ausnahmen, wovon uns die Datura Stramo- nium ein Beispiel liefert, deren Blätter und Stengel durch Ma-

324 Sitzung der t/nit/t.- jffij/ft f lasse vom 13. Dec. IS62.

cnalioii Auszügu geben, welclio beide jetzt, (»bwolil mehr als einen Monat all, den angesiiuei'len Judkab'uinkbiisler noch iniiner auf (las Stärkste bläucMi. Es unterh'ejjl für mich keinem Zwei- fei, dass die Eigenschaft der erwainiten Pflanzen safte, durch ungesäuerten Jodkaliumkleister gebläut zu werden, einem Ni- lritgehalte derselben beizumessen ist, von dem ich mich durch zahlreiche Versuche, deren nähere Angabe hier überflüssis' ist, auf das Genügendste überzeugt habe. Und aus der Thatsache, dass die Auszüge der einen Pflanzen sofort, diejenigen anderer Gewächse erst nach längerer Maceralion das Blauungsvermögen zeigen, darf man schliessen, dass in jenen Pflanzen irgend ein Nitrit schon ferliff gebildet vorhanden sei , wie z. B. in den Blättern des Leontodon , in diesen Gewächsen aber erst durch Maceration entstehe, wie uns hiefür die Biälter von Poa annua, Hyosciamus niger u. s, w. ein Beispiel darbieten. Woher stammt aber das salpetrichlsaure Salz im letzteren Falle? Ohne allen Zweifel aus den Nilraten, welche in den Blättern, Stengeln u. s. w. vieler Pflanzen enthalten sind und durch gleichzeitige organische Materien während der Maceration zu Nitriten redu- cirt werden ; eine Wirkung, die meinen früheren Untersuchun- gen gemäss unorganische und organische Stoffe , z. B. Zink, Kadmium, Stärke, Leim u. s. vv. auf die gelösten Nitrate her- vorzubringen vermögen. Die schon etwas zäh gewordenen Stengel der in Saamen geschossenen Beta vulgaris oder Urtica dioica sind ganz besonders geeignet, uns über die fragliche Entslehungsweise der Nitrite Aufschluss zu geben, welche Sten- gel klein zerschnitten und nur kurze Zeit mit Wasser zusam- mengestanden, einen Auszug liefern , der für sich allein durch den angesäuerten Jodkaliumkleister zwar noch nicht gebläut wird, diese Reaction aber hervorbringt, nachdem man ihn bei gewöhidicher Temperatur nur kurze Zeit mit Zucker- oder Kadmiumspähnen hat in Berührung stehen lassen, Beinahe au- genblicklich erfolgt die Bläuung des Auszuges dtirch Jodkalium- kleister, wenn jener erst angesäuert und dann mit Zink in Be-

Schönfiein: Vorkommen safpetrfeht- u. Salpeters. Salre. 325

rührung gesolzl wird. ' Kaum dürfte os nülhig sein, liier noch heiziiliigen , dass auch die wässrigen Auszüge der trockenen Stenofel u. s. w. von Beta vulgaris u. s. w. durch längere Ma- ceration nitrilhaltig werden. Da nach meinen Erlahrungen die genannten Metalle ungleich sclmeller reducirend auf die gelös- ten Nitrate einwirken, als diese organischen Materien zu thun vermögen, so begreift sich leicht, dass Jene dem Auszüge der Betastengel u. s. w. so rasch die Eigenschaft ertheilen , den angesäuerten Jodkaliumkleister zu bläuen und eine ungleich längere Zeit crforderlicli ist, damit das in dem besagtiMi Aus- zug vorhandene Nitrat durch die gleichzeitig darin enthaltenen organischen Materien zu Nitrit reducirt wird.

Wie erklärt sich aber das Verschwinden der Nitrite in den Pflanzensäflen durch längeres Stehen oder Maceration? Dass diese Salze sowohl durch unorganische als organische Substan- zen allmählich zerstört werden, ist in der voranstehenden Mit- theilung gezeigt worden. Da nun in den besagton Säften man- cherlei organische Materien enthalten sind, so werden diese auch reducirend auf das vorhandene Nitrit einwirken und selbst- verständlich muss nach vollständiger Zerstörung besagten Sal- zes auch der Pflanzensaft sein Bläuungsvcrmögen eingebüssl haben. Ist in dem gleichen Safte neben dem schon fertig ge- bildeten Nitrit auch noch Nitrat vorhanden, wie z. B. in den Blättern der Urtica dioica oder Lactuca sativa, so verwandelt sich während der Maceration dieses Salz allmählich ebenfiills in Nitrit (der fortdauernd rcducirenden Wirkung der anwesenden organischen Materien halber), welches Salz bei hinreichend lang fortgesetzter Maceration ebenfalls wie das ursprünglich vorhan- dene Nitrit zerstört wird. In vielen Fällen ist zu diesem Be- hufs nicht einmal eine verlängerte Maceration der Pflanzonsub-

(2) loh \\\\\ liior boiiipiken. dass auf die.sc Wehe in den fiischfn iiiid geliockiieleii PnanzentheiU-n piiirr •;ro5st'ii Aiizalil von ficwätli.son »lip Anvcscnlicit von Nilralfii sich lascli iiacliweiscii lässt.

326 Sitzung der math. phps. Ctasse vom /3 Dec tS62.

stanz mit dem wässrigen Auszug nöthig und enlhäll dieses, wenn auch klar abfiltrirt,. schon so viel reducirende Materie ge- löst, dass dieselbe nicht nur zurUmwandelunff des vorhandenen Nitrates in Nitrit, sondern auch zur völligen Zerstörung des letzteren hinreicht, in welchem Falle sich z. B. der wässrige Auszug der Blatter von Poa annua und Hyosciamus niger be- finden.

Es ist weiter oben bemerkt worden, dass in der Regel die Blätterauszüge rascher als diejenigen der Stengel, Wurzeln u. s. w. ihr Bläuungsvermögen, d. h. ihren Nitritgehalt verlieren, welche Verschiedenheit des Verhaltens dem Umstände beizu- messen ist , dass die Erstem durchschnittlich reicher als die Letztern an reducirenden organischen Materien sind. Mit die- sem Unterschiede hangt unstreitig auch die Thatsache zusam- men, dass die Stengelauszüge in der Regel schwächer gefärbt sind als diejenigen der Blätter und Jene mit der Zeit auch we- niger stark sich trüben und färben, als es Diese thun. Es fragt sich nun, an welche Basen NO 3 oder NO 5 in den Pflanzen ge- bunden sind. Bei der an und für sich geringen Menge der darin vorhandenen Nitrite oder Nitrate und vielartigen organi- schen Materien und sonstigen Salze , welche gleichzeitig in den Pflanzensäften vorkommen , ist die Beantwortung dieser Frage nicht so leicht und für jetzt weiss ich nur Folgendes da- rüber zu sagen. Alle bisher von mir untersuchten nitrit- oder nitrathaltigen Pllanzenauszüge enthalten noch nachweisbare Men- gen von Ammoniak, wie daraus erhellt, dass dieselben, in ei- nem kleinen Fläschchen mit Kalihydrat zusammengebracht, dar- über aufgehangenes feuchtes Curcumapapier noch deutlich bräu- nen, das durch Säure gerölhete Malvenpapier grünen oder ei- nen mit farbloser Hämaloxylinlösung getränkten Papierstreifen violett färben, Reactionen , welche über die Anwesenheil des Ammoniaks keinen Zweifel walten lassen. Je nach der Pflan- zenart, aus welcher ein solcher Auszug gemacht worden, sind diese Heaclioneii slärker oder schwächer, so z. B. zeigt der

Schönhein: Vorkovmen sal}iefrlcht- n. lalpefers. Saite. 327

wässrige Auszug der Blätter des Leontodon eine merklich schwächere, als derjenige der Blätter oder Stengel der Beta

vulgaris.

Manche nitrit- oder nilralhaltige und klar abfiltrirte Pflan- zenauszüge trüben sich mit kleesaurem Ammoniak nicht im Mindesten, während andere Säfte damit einen mehr oder min- der reichlichen, in Salzsäure löslichen Niederschlag hervorbrin- gen, woraus erhellt, dass die ersteren Auszüge frei von Kalk sind, die letzteren dagegen diese Basis enthalten. Der Auszug der Stengel von Beta vulgaris liefert ein Beispiel der ersten, derjenige der Blätter des Leontodon oder der Dactylis glome- rata ein Beispiel der zweiten Art. Es ist daher möglich, dass NO3 und NO5 sowohl an Ammoniak als an Kalk oder anderen Basen, z. B. an Kali, Natron u. s. w. gebunden sind, worüber weitere Untersuchungen uns Aufschluss geben werden.

Mit Bezug auf die vorliegende Frage scheint mir die oben erwähnte Thatsache Beachtung zu verdienen, dass die Blätter u. s. w. mancher Pflanzen, welche schon fertig gebildetes Nitnt enthalten, d. h, deren wässrige Auszüge ohne vorausgegan- gene Maceration durch den angesäuerten Jodkaliumkleister ge- bläut werden, auch im getrockneten Zustand einen Auszug lie- fern, welcher die Nitritreaction noch in augenfälligster Weise hervorbringt, wie es z. B. derjenige der trockenen Blätter des Leontodon oder der Dactylis glomerata Ihut. Ich darf jedoch nicht unbemerkt lassen, dass die Auszüge aus gleichen iMengen der Leontodon Blätter (auf deren Gehalt an festen Beslandthei- len bezogen) mit den gleichen Mengen Wassers erhalten, der Eine aus frischen, der Andere ans dürren Blättern, ni.ht gleich durch den gesäuerten Kleister gebläut werden: es bringt näm- lich der erstere Auszug diese Nitritieaction etwas stärker als der zweite hervor, was anzudeuten scheint, dass während dcsi Trocknens der Blätter ein Theil des dnrin enthaltenen Nitrates verloren seht, welcher Verlust verdampftem salpelrichtsaurem Ammoniak beizumessen sein dürfte.

Nach miMuen Beobachtungen vernüchligc^l sich nendich die-

328 Sitzung der math -phys Ctasse mm IS. Dec. tS62

ses Salz schon bei gewöhnlicher Temperatur, wie daraus her- vorgeht, dass ein mit seiner wässrigen Lösung getränkter Pa- pierstreifen nach vollsländigeni Austrocknen kaum eine Spur von Ammoniaknitrit in sich nachweisen lässt. Würde also in den grünen Blättern des Leontodon oder irgend einer anderen Pflanze dieses Salz enthalten sein, so müsste es sich während des Trocknens verflüchtigen, wogegen die Nitrite mit Gxer Ba- sis : Kalk, Kali u. s. w. in den Blättern u. s. w. zurückbleiben und desshalb auch aus den getrockneten Pflanzentheilen mit Wasser sich ausziehen lassen.

Wie schon bemerkt, liefern die dürren Blätter aller von mir untersuchten Magnolienarten, der Paulonia u. s. w. wäss- rige Auszüge , welche keine Spur von Nitrit mehr enthalten, während obigen Angaben gemäss diejenigen ihrer grünen Blät- ter durch den angesäuerten Jodkaliumkleister stark gebläut wer- den, wesshalb ich auch vermuthe, dass die frischen Blätter der genannten Pflanzen nur Ammoniaknitrit und kein anderes sal- petrichtsaures Salz enthalten. Kommen in den frischen Blättern, Stengeln u. s. w. schon fertig gebildete Nitrate vor, so bleiben diese Salze, welche Basen sie auch enthalten mögen, beim Trocknen in jenen Pflanzentheilen zurück, werden aber erwähn- ter Maassen während der Maceration mit Wasser zu Nitriten reducirt. Kaum ist nöthig zu bemerken, dass diejenigen Pflan- zen, deren frische Auszüge das Bläuungsvermögen besitzen, dasselbe aber bald verlieren, um bei längerem Stehen es wie- der zu erlangen, gleichzeitig Nitrite und Nitrate enthalten.

Was nun die Entstehungsweise der in so vielen Pflanzen vorkommenden Nitrite und Nitrate betrifll , so ist nach meinem Dafürhalten aller Grund zu der Vermuthung vorhanden, dass diese Salze ihren Ursprung wo nicht gänzlich doch hauptsäch- lich in dem Annuoniaknitrite nehmen, welches sich bei der Ver- dampfung des Wassers in der atmosphärischen Luft sowohl auf den Pflanzen selbst als in ihrer unmittelbaren Umgebung er- /.onot. Einen Thnil dieses Salzes eignen sich die Gewächse znni^ Behufe der Bildung stickstollhalliger organischer Verbin-

Schonhein: Vorhnmmen salpelricht- u. salpeter.t, Saite. :*,29

Illingen an, während ein anderer Theil , falls er in der Pdanze mit alkalischen Basen zusammentrifTt , in andere Nitrite, z. B. m salpetrichtsauren Kalk, Kali u. s. w. umgewandelt wird, welche Nilrile unter geeigneten Umstanden selbst zu Nitraten oxidirl werden können.

Wenn nun aber auch obigen Angaben gemäss in den Blätleni, Stengeln u. s. w. ausserordentlich vieler und äusserst verschieden- artiger Gewächse Nitrite oder Nitrate, ja nicht selten gleichzeitig beide Salzarten angetrolTen werden, so habe ich sie doch in einer nicht kleinen Zahl von Pflanzen bis jetzt noch nicht auf- finden hönnen, was allerdings noch keineswegs die Abwesen- heit derselben beweist; denn möglicher Weise könnte in der- artigen Pflanzen eine so grosse Menge reducirender Materien enthalten sein, dass dadurch die Reaction des gleichzeitig da- rin vorhandenen Nitrites verhüllt, also ihr Saft durch den an- gesäuerten Jodkaliumkleister nicht nur nicht gebläut würde, sondern derselbe sogar noch Jodstärke zu entbläuen vermöchte. Zu den vielen von mir untersuchten Pflanzen, deren wäss- rige Blätter- oder Stengelauszüge keine Nitrilreactionen hervor- bringen, gehört z. B. Cannabis sativa, Catalpa u. s, w. Weder der frische noch der durch Maceration erhaltene wässrige Aus- züge der Blätter der lelzlffenannten Pflanze wird durch den angesäuerten Jodkaliumkleisler gebläut, wohl aber vermag er noch Jodslärke zu entfärben. Von den Blättern des Leontodon ist angegeben worden, dass ein Theil derselben mit der hun- dertfachen Menge Wassers zusammengestossen , einen Auszug liefern, welcher durch SO3- balligen Jodkaliumkleister augen- blicklich bis zur Undurchsichligkeit tief gebläut wurde, was also einen schon merklichen Nilritgehalt dieser Blätter anzeigt. Wird nun ein Theil derselben mit einem Theile der frischen Blätter der Catalpa und hundert Theilen Wassers zusammengestampft, so erhält man einen Auszug, welcher durch den besagten Klei- ster nicht im Mindesten mehr gebläut wird, zum Beweise, dass die in dem Cahilpablatl vorhandenen reducirenden Materien hinreichen, nm ilic Reaction des Nitrites, enthalten in einer fl86i. ii.i Ti

330 Sitzutif/ der muth. phys. Classe vom l3. Dec. i86Ü.

gleichen Menge von Lcontodonblättern völlig aufzuheben. Hier- aus ersieht man aber auch, dass die Blätter der Catalpa eben so viel Nitrit als diejenigen des Leontodon enthalten konnten, ohne dass deshalb ihr wässriger Auszug mit dem gesäuerten Jodkaliumkleistcr sich bläuen würde. Wie aber das Blatt der Catalpa nitrithaltig sein könnte, so auch die Blätter u. s. w. der übrigen Pflanzen , in welchen sich mit den jetzt uns zu Gebot stehenden Mitteln noch kein salpetrichtsaures Salz hat nachweisen lassen. Ebenso wäre es recht wohl möglich, dass derartige Pflanzen auch Nitrate enthielten, ohne dass sie, selbst durch längere Maceration Auszüge lieferten , in w^elchen sich Nitrite erkennen Hessen, da es leicht geschehen könnte, dass die durch dieReduction kleiner Mengen von Nitraten entstehen- den Nitrite in Folge der desoxidirenden Einwirkung der vor- handenen organischen Materien nach Massgabe ihrer Bildung sofort wieder zerstört würden.

Durch Maceration der frischen Blätter von Solanum tube- rosum habe ich bis jetzt noch keinen nitrithaltigen Auszug er- halten können, wohl aber durch diejenige der Stengel dieser Pflanze. Da nun in so vielen Fällen die verschiedenen Theile einer Pflanze, namentlich Biälter und Stengel sich gleich ver- leiten, so ist wahrscheinlich, dass wie der Stengel so auch das Blatt der Kartoflel nitrithaltig sei, welches Salz jedoch, in klei- ner Menge vorhanden , durch die reichhch in dem Blättersafte enthaltenen reducirenden Substanzen sehr rasch zerstört wird, während in dem Auszuge der Stengel, ärmer an desoxidiren- der Materie, das in Folge ihrer Einwirkung auf das vorhandene Nitrat entstandene Nitrit mittelst angesäuerten Jodkaliumklelster sich noch nachweisen lässt.

In dieser Hinsicht ist auch das Verhalten der Blätter der Paulonia bemerkenswerth, welche im frischen Zustande ohne vorausgegangene Maceration einen nitrithaltigen Auszug liefern, der aber durch längeres Stehen diesen Salzgehalt verliert, ohne ihn durch lorlgeselzle Maceration mit der Blältersubslanz wie- der zu erlangen. Heim Ausziehen «ler dürren Bläller mit Was-

Schöiifieiu: \'orUoininen snliieAvicht- u Mtf/ielers Saite. '.\'.\\

SIT orhiilt man jodocli eine Flüssiokeil , welche mit anoesäiier- lem Jodkaliumkleisler und Zinksphanen ziisannnenoebiaclil. •sicli bald bläut, was die Anwesenheit von Nitrat in den besag- ten Blattern beurkimdel. Wie es scheint werden beim Trock- nen derselben die in ihnen vorhandenen reducirenden Materien so verändert, dass sie weniger leicht auf das vorliandene Nitrat einwirken , wesshalb sich dasselbe mittelst Zink noch nachwei- sen lässt.

Was mich betrifft , so bin ich stark geneigt arizunohmcn. tiass kleine Mengen von Nitriten und Nitraten in allen Pflanzen sich vorfinden und nur der Unvollkommenheit unserer jetzigen Unlersuchuno-smiltel zuzuschreiben sei, dass wir sie in so vie- len Pflanzen nocli nicht haben entdecken können 5 denn in Be- tracht der Thatsache, dass überall, wo Wasser in der atmo- sphärischen Luft verdampft, Ammoniaknilrit gebildet wird und Nitrite oder Nitrate in so vielen verschiedenartigsten Pflanzen vorkommen, wäre es in der That höchst aufTallend, wenn diese Salze nicht in allen Landgevvächsen angetrolTen würden.

Ich kann nicht umhin, bei diesem Anlasse noch eine That- sache hervorzuheben , w eiche , wie mir scheint . mit der eben behandelten Frage eng zusammenhängt wie auch einen weitern Beweis für die Richtigkeit der Annahme liefern möchte, dass auf den Blällcrn n. s. w. der Pflanzen (in Folge der daselbst erfolgenden Wasserverdampfung ) fortwährend salpetrichtsaures Anunoniak uebildet werde. Es ist diess die Thatsache. dass mir bis jetzt noch kein Pflanzensaft vorgekommen ist , in wel- chem das Annnoniak gänzlich gefehlt hätte, wovon selbst noch kleinste Spuren so leicht mittelst eines hämatoxyliidialligenl'apier- streifens sich nachweisen lassen. Welchen Pflanzenauszng ich auch noch geprüft habe. Jeder färbte das erwähnte Rcagens- papier rascher oder langsamer tief viidett, wenn dasselbe in einem Fläscluhen aufgehangen wurde, in dem sich Saft und Kalihydrat befanden. Ja in sehr vielen Fällen gab sich das nnler diesen Umständen aufirelende Annnoniak schon dcullichsl an den Nebeln zu erkeinicn, welche sich um ein mit Salzsäure

.332 SiUunif ,1er iimtli.-phijs. Clus.e rnm /3. Vec. iSliS.

henetzles und fn das Versiichsgofäss eingerührtes Glasstäbcheii J)ildeteii. Diese allgemeine Verbreitung des Ammoniaks in den Pflanzen kann für uns, bullte ich denken, nichts Aufljdlendes mehr haben, seit wir wissen, dass ihnen diese Basis in dem auf desselben fortwährend sich bildenden Anmioniaknitrit zugelührl wird. Wie bereits angedeutet worden, halte ich dafür, dass die Anwesenheit von Nitriten und Nitraten in wassrigen Pflan- zenanszügen eine wesentliche Rolle bei den Zersetzungen spiele, welche diese Flüssigkeiten selbst bei gewöhnlicher Temperatur erleiden und wohl könnte es sein, dass es eben die genannten Salze sind, welche den ersten Anstoss zu diesen Veränderun- gen geben. Indem das Nitrit oder Nitrat an diese oder jene in dem Pflanzensaft vorhandene organische Materien Sauerstoff abgibt , muss auch der chemische Bestand einer solchen Sub- stanz verändert werden, d. h. müssen neue Verbindungen ent- stehen, die ihrerseits selbst wieder Anlass zu weiteren Zersetz- ungen der anwesenden organischen Stoffe geben können. Dass eine genaue Kennlniss dieser Vorgänge, über welche wir bis jetzt noch so gut als Nichts wissen , eine nicht geringe Wich- tigkeit für die gesanmite physiologische Chemie hätten und es desshalb höchst wünschenswerth wäre, diese Zersetzungserschei- iiungen zum Gegenstände möglichst umfangsreicher und einläss- licher Untersuchungen zu machen, ist kaum nöthig, hier aus- drücklich zu bemerken. Nach meinem Dafürhalten würde es der Mühe werth sein, auf eine solche Arbeit ein ganzes Leben zu verwenden, da sie nicht fehlen könnte, zu Ergebnissen zu führen, welche über die uns inmier noch so dunkel und ver- wickelt erscheinenden Veränderungen pflanzlicher und thieri- scher Materien ein helles Licht verbreiteten. Obwohl ich gerne anerkenne, dass die voranstehende Arbeit eine noch höclist lü- ckenhafte sei, so habe ich sie doch veröffentlichen wollen und zwar in der Absicht, dadurch jüngere Männer, welche chemische Keimtnisse mit botanischen verbinden und denen ein grosses Pflanzenmaterial zu Gebot steht , zu veranlassen . Letzteres mit Bezug auf das Vorkommen von Nitriten und Nitraten das Wci-

Schönhein : l'orkoinmen saljietricht- u. Salpeters. Salze. 3!t3

tore zu iiiileisiiclien. Wie ich glaube, sollte durch solche For- schungen zunächst erniiltell werden, ob nicht in dem mehr oder nnnder reichlichen Auftreten dieser Salze hinsichliich der na- türlichen Pllanzenfainilien , in welchen sie angetroffen werden, eine gewisse Gesetzmassinkeit stattfinde. Obgleich diess schon 5in und für sich wahrscheinlich ist, so habe ich auch noch an- dere Gründe , welche einer solchen Vermuthung Raum geben, wie z. B. die Thatsache, dass nach meinen bisherigen Beobach- tungen in den Wurzeln, Stengeln, Blättern und Blüthen sehr vieler Labiaten Nitrit sich nachweisen lässt und ebenso in den gleichen Pfhinzentheilen der Compositen, was keine Zufälligkeit sein kann und mit der Natur dieser Pflanzenfamilien zusammen- hängen muss. Ich selbst kann mich einer solchen umfangrei- chen Arbeit nicht unterziehen , Iheils weil mir die hiezu nöthi- gen botanischen Kenntnisse abgehen, theils und vorzugsweise aber, weil meine Zeit schon durch anderweitige Arbeiten in Aollen Anspruch genonnnen ist, wesshalb ich mich damit be- gnügen muss, Denjenigen, welche dieses Feld zu bearbeiten die Lust und Befähigung besitzen, einige thatsächliche Anhalts- punkte geboten zu haben.

Herr V. Liebig fügte die Bemerkung bei, dass Bohl ig (in einer Abhandlung, welche soeben in den „Aiuialen" gedruckt wird) gezeigt habe, dass bei Verdunstung von Wasser in einer Luft, welche zuvor mittelst Scliwefelsäure und Kalk von jed- inöglicher Spur des salpetrichtsauren Ammoniaks gereinigt wor- den, keine Neubildung von salpetrichlsaurem Annnoniak beob- achtet werden konnte.

334 Sitzung der hist. CUitse vom 20. Dec. 1862.

Historische Classe.

Sitzung vom 20. Deceinber 186".*.

Herr Kunst mann hielt einen Vortrag

.,über den Grafen Rapoto (oder Ras so) von A n- „dechs, gestorben 954",

der mit einem grossen Gefolge eine Pilgerreise unternonnnen haben soll. Er führte aus, dass die ganze Nachricht bloss aus den zu dem Messbuche von Andechs gemachten Zusätzen ge- schöpft sei; dass Aventin. Hundt, die Chronik von Andechs keine andere Quelle, als diese, dafür gehabt hätten. Diese Zu- sätze habe zwar selbst Mabillon für acht angesehen, sie seien aber von einer späteren Hand (frühestens aus dem 14. Jalir- Imudert) und enthielten liistorische Notizen, in denen sich Zei- chen von Fälschung fänden. Auch die zweite aus dieser Quelle geschöpfte Thatsache, die Klosterstiftung in Wenden sei ganz unsicher und die Gründung dieses Klosters völlig in Dunkel gehüllt.

Hierauf hielt Herr Gio sehr echt einen Vortrag

. ,,über die Kaiserkrönung Karls des Grossen und „ihre Folgen",

welcher sich an jenen des Herrn v. DöUinger in der vorigen Sitzung' anschloss. und besonders die Beziehungen Karls zum

(I) V^l. Ileit :\. s. i(i;{.

Sitzung der Itist, Ctnsse vom 80. Dec. 1862. 335

byzantinischen Reiche und die diplomatischen VerhiiiiiIIun^(Mi zwischen beiden Machten erörterte. Dabei wies er auf das lli- nerarlum des Anialarius hin, das bisher nur sehr felilerhall ge- druckt und fast unbeachtet geblieben sei, und versprach, es nach einer guten hiesigen Handschrift abdrucken zu lassen.

Zuletzt erklarte Herr v. Hefner- Alte neck den soge- nannten „goldenen Hut" im Antiquarium zu München, und den sogenannten ,.gol denen Koch er'' im Louvrc zu Paris. Es seien goldene Schildbuckeln des 10. Jahrhunderts. Indem er bildliche Belege hiezu mittheilte, zeigt er , wie Schildformeii des Mittelalters nicht nur für Siegel- und Münzkunde, .Marui- scripten-Kennlniss und Heraldik wichtig seien, sondern auch all Anhaltspunkte für die Zeitbestimmung bei Urkunden und Monu- menten dienen.

/iii IVitrnkotVr : über die nfwcgung des Grundwassers ni Mumheu s<m1 Miicry. ISöb bis Anfalle Macr-L

1856. 1831. ^_,__,_,__,.^ 1858.

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AS Akademie der Wissenschsiften,

182 Munich

M8212 Sitzungsberichte

1862 Bd. 2

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